Mietrecht: Kommentar 9783504380359

Achtung: Neuauflage bereits im Angebot! Mit der aktuellen Reform hat der Gesetzgeber das Mietrecht an vielen Stellen v

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Mietrecht: Kommentar
 9783504380359

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Lützenkirchen . Mietrecht Kommentar

Lützenkirchen

Mietrecht Kommentar bearbeitet von

RA Dr. Marc Manuel Dickersbach Köln RA Dr. Klaus Lützenkirchen Köln

2013

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-.Ql, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-45077-9 ©2013 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist w:b.eberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen. Bearbeitungen, übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort Es hat mehr als 10 Jahre gedauert, bis der Gesetzgeber erneut Bedarf für eine Überarbeitung des Mietrechts gesehen hat. Am 1. Mai ist das Mietrechtsänderungsgesetz (MietRÄndG 2013) in Kraft getreten. Nun kann man damit zufrieden sein, dass die Modernisierungsvorschriften ergänzt wurden, durch § 556c BGB der Grundsatz der Kostenneutralität für das Wärmecontracting eingeführt wurde, die Anforderungen an eine Kündigung bei Nichtzahlung der Kaution der Zahlungsverzugskündigung angeglichen werden soll, das „Münchener Modell“ nun von § 577a BGB erfasst wird und prozessuale Erleichterungen stattgefunden haben, um dem (angeblichen) Phänomen des Mietnomadentums begegnen zu können. Wer aber einen Minderungsausschluss zur Motivation der Vermieter, energetische Modernisierungen durchzuführen, für notwendig hält, gleichzeitig die Schonfristregelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht auf die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB für den Fall des reinen Zahlungsverzugs erweitert, muss sich die Frage gefallen lassen, warum er sich nicht der wirklichen Probleme des Mietrechts annimmt. Indes ist es nicht die Funktion eines Kommentars, politisch kritisch zu sein, sondern Vorschriften zu erläutern. Dabei stand für die Autoren der praktische Nutzen im Vordergrund: Durch eine klare Gliederung wird innerhalb der Erläuterungen das Auffinden der maßgeblichen Passagen erleichtert. Mit Rechtsprechungs-Zusammenfassungen in ABC-Form bietet das Werk zeitknappen Rechtsanwendern jeweils schnelle Übersichten, ob es zum jeweils anstehenden Problem einschlägige Entscheidungen gibt. Durch die konsequente Aufteilung zwischen Wohn- und Gewerberaum bei der Erläuterung der Vorschriften folgen die Erläuterungen dem Reformgesetzgeber von 2001, der das Wohnraummietrecht in den Mittelpunkt gestellt hat. Gleichzeitig entsteht der sinnvolle Effekt, dass die Besonderheiten des Gewerberaummietrechts auf einen Blick ersichtlich werden. Soweit Besonderheiten für öffentlich geförderten Wohnraum bestehen, wurde dies in der Kommentierung deutlich gemacht. Dabei wird zwischen der öffentlichen Förderung bis zum 31.12.2001 und dem Inkrafttreten des WoFG zum 1.1.2004 unterschieden. Insoweit ist uns bewusst, dass mit der Föderalismusreform 2008 das WoFG außer Kraft getreten und seitdem die Wohnraumförderung Ländersache ist. Wir wissen auch, dass viele Bundesländer mittlerweile eigene gesetzliche Bestimmungen zur Wohnraumförderung erlassen haben. Es würde aber den Rahmen einer praxisnahen Darstellung sprengen, wenn bei den Besonderheiten des öffentlichen Wohnraums nach den einzelnen Bundeländern differenziert würde, zumal gravierende Unterschiede nicht bestehen. Deshalb haben wir, soweit es erforderlich war, die Bestimmungen des WoFG herangezogen. Wir danken dem Verlag, der wieder einmal Flexibilität bei der Realisierung von besonderen Autorenwünschen gezeigt hat. Der größte Dank gebührt aber unseren Ehefrauen, die in den letzten beiden Jahren mit Geduld und Verständnis unsere Arbeit mitgetragen haben. Köln, im Mai 2013

Klaus Lützenkirchen

Marc M. Dickersbach

V

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII

Titel 5: Mietvertrag, Pachtvertrag Untertitel 1: Allgemeine Vorschriften für Mietverhältnisse Vor § 535 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang Vor § 535: Art. 229 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 535 Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags . . . . . . . . . . . . . . . Anhang § 535: § 5 WiStrG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vor § 536 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 536 Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln . . . . . . . . . . . . . . Anhang § 536: Minderungstabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 536a Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 536b Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme § 536c Während der Mietzeit auftretende Mängel; Mängelanzeige durch den Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 536d Vertraglicher Ausschluss von Rechten des Mieters wegen eines Mangels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 537 Entrichtung der Miete bei persönlicher Verhinderung des Mieters . . . § 538 Abnutzung der Mietsache durch vertragsgemäßen Gebrauch . . . . . § 539 Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht des Mieters . . . § 540 Gebrauchsüberlassung an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 541 Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch . . . . . . . . . . . § 542 Ende des Mietverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . . § 544 Vertrag über mehr als 30 Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 545 Stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses . . . . . . . . . . § 546 Rückgabepflicht des Mieters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang § 546: Räumungszwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 546a Entschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe . . . . . . . . Anhang § 546a: § 283a ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 547 Erstattung von im Voraus entrichteter Miete . . . . . . . . . . . . . . . § 548 Verjährung der Ersatzansprüche und des Wegnahmerechts. . . . . . .

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1 40 50 280 284 293 374

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405 446

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458

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468 472 483 494 515 539 568 608 672 680 688 723 779 805 814 823

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847 855 882 926 934 943 943 957

Untertitel 2: Mietverhältnisse über Wohnraum Kapitel 1: Allgemeine Vorschriften § 549 § 550 § 551 § 552 § 553 § 554 § 554a § 555

Auf Wohnraummietverhältnisse anwendbare Vorschriften Form des Mietvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begrenzung und Anlage von Mietsicherheiten . . . . . . . Abwendung des Wegnahmerechts des Mieters . . . . . . . Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte. . . . . . (aufgehoben). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Barrierefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unwirksamkeit einer Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis Seite

Kapitel 1a: Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen § 555a § 555b § 555c § 555d § 555e § 555f

Erhaltungsmaßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modernisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . Duldung von Modernisierungsmaßnahmen, Ausschlussfrist . . . . . . Sonderkündigungsrecht des Mieters bei Modernisierungsmaßnahmen Vereinbarungen über Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen .

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965 988 1018 1032 1061 1064

Kapitel 2: Die Miete Unterkapitel 1: Vereinbarungen über die Miete § 556 § 556a § 556b § 556c

Vereinbarungen über Betriebskosten. . . . . . . . . . . . . . . . . Abrechnungsmaßstab für Betriebskosten . . . . . . . . . . . . . . Fälligkeit der Miete, Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrecht Kosten der Wärmelieferung als Betriebskosten, Verordnungsermächtigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . 1070 . . . . 1257 . . . . 1283 . . . . 1306

Unterkapitel 2: Regelungen über die Miethöhe § 557 Mieterhöhungen nach Vereinbarung oder Gesetz. . . . . . . . . . . § 557a Staffelmiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 557b Indexmiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vor §§ 558–561 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 558 Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete . . . . . . . . . § 558a Form und Begründung der Mieterhöhung . . . . . . . . . . . . . . . § 558b Zustimmung zur Mieterhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 558c Mietspiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 558d Qualifizierter Mietspiegel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 558e Mietdatenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 559 Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . § 559a Anrechnung von Drittmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 559b Geltendmachung der Erhöhung, Wirkung der Erhöhungserklärung § 560 Veränderungen von Betriebskosten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 561 Sonderkündigungsrecht des Mieters nach Mieterhöhung . . . . . .

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1317 1332 1344 1375 1381 1431 1467 1484 1492 1498 1501 1533 1538 1556 1577

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1585 1598 1602 1608 1610

Kapitel 3: Pfandrecht des Vermieters § 562 § 562a § 562b § 562c § 562d

Umfang des Vermieterpfandrechts . . . . . . . . . . . . . Erlöschen des Vermieterpfandrechts . . . . . . . . . . . . Selbsthilferecht, Herausgabeanspruch . . . . . . . . . . . Abwendung des Pfandrechts durch Sicherheitsleistung . Pfändung durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 4: Wechsel der Vertragsparteien § 563 § 563a § 563b § 564 § 565 § 566 § 566a § 566b § 566c § 566d

VIII

Eintrittsrecht bei Tod des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortsetzung mit überlebenden Mietern . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung bei Eintritt oder Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem Erben, außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbliche Weitervermietung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kauf bricht nicht Miete. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mietsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorausverfügung über die Miete. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter über die Miete . . . . . Aufrechnung durch den Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . 1613 . . 1633 . . 1639 . . . . . . .

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1649 1656 1662 1691 1710 1716 1721

Inhaltsverzeichnis Seite

§ 566e § 567 § 567a § 567b

Mitteilung des Eigentumsübergangs durch den Vermieter . . . . . Belastung des Wohnraums durch den Vermieter . . . . . . . . . . . Veräußerung oder Belastung vor der Überlassung des Wohnraums Weiterveräußerung oder Belastung durch Erwerber . . . . . . . . .

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1725 1729 1732 1736

Form und Inhalt der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterer Schadensersatz bei verspäteter Rückgabe von Wohnraum . Vereinbartes Rücktrittsrecht; Mietverhältnis unter auflösender Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1739 1748 1788 1792

Kapitel 5: Beendigung des Mietverhältnisses Unterkapitel 1: Allgemeine Vorschriften § 568 § 569 § 570 § 571 § 572

. . 1799

Unterkapitel 2: Mietverhältnisse auf unbestimmte Zeit § 573 § 573a § 573b § 573c § 573d § 574 § 574a § 574b § 574c

Ordentliche Kündigung des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . Erleichterte Kündigung des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . Teilkündigung des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fristen der ordentlichen Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist . . . . . . . . . Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung . . . . . . . . . . . . Fortsetzung des Mietverhältnisses nach Widerspruch . . . . . . . . Form und Frist des Widerspruchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Fortsetzung des Mietverhältnisses bei unvorhergesehenen Umständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1805 1880 1888 1897 1904 1908 1918 1924

. . . 1930

Unterkapitel 3: Mietverhältnisse auf bestimmte Zeit § 575 Zeitmietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1935 § 575a Außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist . . . . . . . . . . . . 1962 Unterkapitel 4: Werkwohnungen § 576 Fristen der ordentlichen Kündigung bei Werkmietwohnungen . . . . . . 1965 § 576a Besonderheiten des Widerspruchsrechts bei Werkmietwohnungen . . . 1971 § 576b Entsprechende Geltung des Mietrechts bei Werkdienstwohnungen . . . 1973 Kapitel 6: Besonderheiten bei der Bildung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnungen § 577 Vorkaufsrecht des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1981 § 577a Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung . . . . . . . . . . 1992 Untertitel 3: Mietverhältnisse über andere Sachen § 578 § 578a § 579 § 580 § 580a

Mietverhältnisse über Grundstücke und Räume . Mietverhältnisse über eingetragene Schiffe . . . . Fälligkeit der Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außerordentliche Kündigung bei Tod des Mieters Kündigungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2007 2010 2011 2013 2015

IX

Inhaltsverzeichnis Seite

Heizkostenverordnung Vor § 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §1 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §2 Vorrang vor rechtsgeschäftlichen Bestimmungen . . . . . . . . . . . . §3 Anwendung auf das Wohnungseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . §4 Pflicht zur Verbrauchserfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §5 Ausstattung zur Verbrauchserfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . §6 Pflicht zur verbrauchsabhängigen Kostenverteilung . . . . . . . . . . §7 Verteilung der Kosten der Versorgung mit Wärme . . . . . . . . . . . §8 Verteilung der Kosten der Versorgung mit Warmwasser . . . . . . . . §9 Verteilung der Kosten der Versorgung mit Wärme und Warmwasser bei verbundenen Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 9a Kostenverteilung in Sonderfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 9b Kostenaufteilung bei Nutzerwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 10 Überschreitung der Höchstsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 11 Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 12 Kürzungsrecht, Übergangsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13 Berlin-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2021 2026 2032 2036 2040 2053 2061 2073 2095

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2097 2103 2108 2114 2116 2123 2129

Anhang

Wärmelieferverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2131

Anhang

AVBFernwärmeverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2185

Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2201

X

Abkürzungsverzeichnis Die im Werk verwendeten Abkürzungen entsprechen dem üblichen Gebrauch. Das folgende Verzeichnis beschränkt sich daher weitgehend auf fachbezogene Abkürzungen, insbesondere soweit sie den mietrechtlichen Bereich betreffen.

AnwBl. ARB AVBFernwärmeV

Anwaltsblatt Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherungen Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme

BAnz. BauGB BauR BB BetrKV BGBl. BGHZ BlGBW BMG II. BV BVerfGE

Bundesanzeiger Baugesetzbuch Zeitschrift für das gesamte öffentliche und private Baurecht Betriebsberater Betriebskostenverordnung Bundesgesetzblatt Sammlung der Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Blätter für Grundstücks-, Bau- und Wohnungswesen Bundesmietengesetz II. Berechnungsverordnung Sammlung der Entscheidungen des BVerfG

DB DGVZ DJZ DR DWW

Der Betrieb Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung Deutsche Juristen-Zeitung Deutsches Recht Deutsche Wohnungswirtschaft

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

GE GuT

Das Grundeigentum (Berlin) Gewerbemiete und Teileigentum

HambGE HeizkV

Hamburger Grundeigentum Verordnung über Heizkostenabrechnung

JR JurBüro JW JZ

Juristische Rundschau Das Juristische Büro Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

KGR KM KStZ

KG-Report Berlin Kölner Mietrecht Kommunale Steuer-Zeitschrift

MDR MietPrax MietRB MK MM MSchG

Monatsschrift für Deutsches Recht Mietrecht für die Praxis Der Mietrechtsberater Mietrecht kompakt Mietrechtliche Mitteilungen (im Mietermagazin Berlin) Mieterschutzgesetz

XI

Abkürzungsverzeichnis MünchKomm Mustervertrag

Münchener Kommentar Mustermietvertrag, herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz

NJW NJWE-MietR NJW-RR NMV NZM

Neue Juristische Wochenschrift NJW-Entscheidungsdienst Miet- und Wohnungsrecht NJW-Rechtsprechungsreport Neubaumietenverordnung Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht

OLGE OLGZ PE PiG

Rechtsprechung der Oberlandesgerichte OLG-Report Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Privates Eigentum Partner im Gespräch

RE RES

Rpfleger

Rechtsentscheid Sammlung der Rechtsentscheide in Wohnraummietsachen, hrsg. von Landfermann und Heerde Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Der Deutsche Rechtspfleger

SchlHA StBauFG

Schleswig-Holsteinische Anzeigen Städtebauförderungsgesetz

VersR VIZ VuR

Zeitschrift für Versicherungsrecht Zeitschrift für Vermögens- und Investitionsrecht Verbraucher und Recht

WärmeLV WEG WGG WiB WiStG WKSchG WM WoBauÄndG WoBauG WoBindG WoVermittG WuM

Wärmelieferverordnung Wohnungseigentumsgesetz Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz Wirtschaftsrechtliche Beratung Wirtschaftsstrafgesetz 1. und 2. Wohnraumkündigungsschutzgesetz Wertpapiermitteilungen Wohnungsbauänderungsgesetz (unter Hinzufügen des jeweiligen Verkündungsjahres) I. und II. Wohnungsbaugesetz Wohnungsbindungsgesetz Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung Wohnungswirtschaft und Mietrecht

ZAP ZEVO ZfIR ZIP ZMR

Zeitschrift für die Anwaltspraxis Zweckentfremdungsverordnung Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht

RGZ

XII

Literaturverzeichnis Abramenko, Das neue Mietrecht in der anwaltlichen Praxis, 2013 Anwaltskommentar-RVG, 7. Aufl. 2013 Arbeitskreis für Insolvenz- und Schiedsgerichtswesen e.V. (Hrsg.), Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2000 Barthelmess, Wohnraumkündigungschutzgesetz/Miethöhegesetz, 5. Aufl. 1995 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. Aufl. 2013 Bieber/Ingendoh, AnwaltFormulare Geschäftsraummiete, 2007 Blank/Börstinghaus, Miete, Das gesamte BGB-Mietrecht, 3. Aufl. 2008 Börstinghaus, Miethöhe-Handbuch, 2009 Börstinghaus/Eisenschmid, Arbeitskommentar Neues Mietrecht, 2001 Braun, Insolvenzordnung, 5. Aufl. 2012 Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. 1999 Busch/Geertsema/Ruhstrat, Wohnungslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, 1995 Dauner-Lieb/Heidel/Ring, Bürgerliches Gesetzbuch Schuldrecht, 2012 Depré/Mayer, Die Praxis der Zwangsverwaltung, 6. Aufl. 2011 Dröge, Handbuch der Mietpreisbewertung, 3. Aufl. 2005 Eisenschmid/Rips/Wall, Betriebskostenkommentar, 3. Aufl. 2010 Elzer/Riecke, Mietrechtskommentar, 2009 Emmerich/Sonnenschein, Miete, 10. Aufl. 2011 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl. 1959–1960 Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl. 2011 Festschrift 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz – Eine Bilanz, 2011 Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht Franken, Mietverhältnisse in der Insolvenz, 2. Aufl. 2006 Fritz, Gewerberaummietrecht, 4. Aufl. 2007 Gerold/Schmidt, RVG, 5. Aufl. 2013 Hacks u.a., Schmerzensgeld Beträge, 31. Aufl. 2012 Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl. 2006 H/W/F/H, Handbuch zur Zwangsverwaltung, 3. Aufl. 2011 Harsch, Schönheits- und Kleinreparaturen im Mietverhältnis, 1998 Hartmann, Kostengesetze, 43. Aufl. 2013 Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl. 2006 Herrlein/Kandelhard (Hrsg.), Mietrecht, 4. Aufl. 2010 Hinz/Ormanschick/Riecke/Scheff, Das neue Mietrecht, 2001 Horndrasch/Viefhues, FamFG, 2. Aufl. 2010 Horst, Praxis des Mietrechts, 2. Aufl. 2009 Horst/Fritsch, Inkassomanagement bei Miete und Wohnungseigentum, 2005 Hügel/Salzig, Mietkauf, 2. Aufl. 2010 Jendrek, Prozessformularbuch Mietrecht, 3. Aufl. 2008 Jennißen, WEG, 3. Aufl. 2012 juris-Praxiskommentar, 5. Aufl. 2010 Jonas/Stein, ZPO, 22. Aufl. 2011 Keidel, FamFG, 17. Aufl. 2011 Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 6. Aufl. 2011 Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 30. Aufl. 2012 XIII

Literaturverzeichnis Kreft, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 6. Aufl. 2011 Kreuzberg/Wien, Handbuch der Heizkostenabrechnung, 7. Aufl. 2010 Krumscheid/Zwißler, AnwaltFormulare Mietrecht, 3. Aufl. 2008 Kübler/Prütting, Kommentar zur Insolvenzordnung, Bearb. 2005 Lammel, HeizkV, 3. Aufl. 2010 Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl. 2007 Langenberg, Betriebskostenrecht der Wohn- und Gewerberaummiete, 6. Aufl. 2012 Langenberg, Schönheitsreparaturen Instandsetzung und Rückbau bei Wohnraum und Gewerberaum, 4. Aufl. 2011 Lindenmaier/Möhring (Hrsg.), Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 3. Aufl. 2012 Lützenkirchen, Anwalts-Handbuch Mietrecht, 4. Aufl. 2010 Lützenkirchen, Kölner Mietrecht (KM), Entscheidungssammlung zur Mietrechtsprechung im Landgerichtsbezirk Köln Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, 2001 Lützenkirchen, Wohnraummiete, Beck’sche Musterverträge, 2002 Lützenkirchen/Dickersbach, Vertragsstörungen im Mietrecht, 2007 Lützenkirchen/Jennißen, Betriebskostenpraxis bei Miete und Sondereigentum, 2002 Mayer/Kroiß, RVG, 5. Aufl. 2012 Meyer, GKG, 13. Aufl. 2012 Morvilius, Handbuch des Zwangsvollstreckungsrechts, 2009 Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 3, 6. Aufl. 2012 Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 2, 2. Aufl. 2008 Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich Musielak, ZPO, 10 Aufl. 2013 Neuhaus, Handbuch der Geschäftsraummiete, 4. Aufl. 2011 Noack/Westner, Heizkostenabrechnung, 2009 Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl. 2013 Peters, Handbuch der Heizkostenabrechnung, 14. Aufl. 2010 Pfeifer, Betriebskosten bei Wohn- und Geschäftsraummiete, 2002 Pfeifer, Die neue Heizkostenverordnung, 4. Aufl. 2010 Prechtel/Obernheim, Erfolgreiche Taktik im Zivilprozess, 5. Aufl. 2011 Prütting/Gehrlein, ZPO, 4. Aufl. 2012 Prütting/Wegen/Weinreich, BGB-Kommentar, 7. Aufl. 2012 Rips/Eisenschmid, Neues Mietrecht, 2001 Rips, Barrierefreiheit, 2003 Rosenberg/Schwab, ZPO, 17. Aufl. 2010 Saenger, Handkommentar-ZPO, 5. Aufl. 2013 Schach, Schönheitsreparaturen, 5. Aufl. 2002 Schlüter/Ross, Mieten und Vermieten in Spanien, 2003 Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 12. Aufl. 2011 Schmid, Miete und Mietprozess, 4. Aufl. 2004 Schmid, Mietrecht, 3. Aufl. 2012 Schmidt, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2012 Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. 2011 Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, 2001 Schneider, Egon, Die Klage im Zivilprozess, 3. Aufl. 2007 Schneider, Norbert, Die Vergütungsvereinbarung, 2005 Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl. 2011 Schneider/Monschau, Arbeitsbuch Zivilprozess, 2007 XIV

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XV

Titel 5

Mietvertrag, Pachtvertrag Untertitel 1

Allgemeine Vorschriften für Mietverhältnisse Vor § 535 Inhalt I. 1. 2. II. III. 1. 2. 3. 4. 5. 6. IV. 1.

2. 3. 4. 5.

V. 1. 2. 3. 4. 5.

Das Wesen der Miete . . . . . . . . . . . . . . Inhalt des Mietvertrages . . . . . . . . . . . Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . Die Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . Abgrenzung der Miete von anderen Vertragstypen des BGB . . . . . . . . . . . Pacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwahrungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . Werkvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . Andere Vertragstypen . . . . . . . . . . . . . Mietarten und ihre Abgrenzung . . . . . Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Preisfreier und öffentlich geförderter Wohnraum . . . . . . . . . . . . . . aa) Bewilligung der öffentlichen Mittel vor dem 1.1.2002. . . . . . . bb) Bewilligung öffentlicher Mittel seit dem 1.1.2002 . . . . . . . . . . . . cc) Einschränkung der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bewilligung vor dem 1.1.2002 . . (2) Bewilligung seit dem 1.1.2002. . Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung Wohn- und Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werkförderungsvertrag . . . . . . . . . . . . Mischmietverhältnis . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolge der Mischnutzung . . . c) Gleichwertigkeit der Nutzungen . . d) Einheitliches Mietverhältnis . . . . . Vertragsverbindungen und typengemischte Verträge . . . . . . . . . . . . . . . Vertragsverbindungen . . . . . . . . . . . . . Zusammengesetzte Verträge . . . . . . . Verträge mit andersartiger vertraglicher Nebenleistung . . . . . . . . . . . . . . Verträge mit atypischer Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typenverschmelzungsvertrag . . . . . . . a) Beherbergungsvertrag . . . . . . . . . . b) Internatsschulvertrag . . . . . . . . . . .

1 1 2 9 12 12 14 18 21 23 24 26 27 27

VI. 1.

30 31 2. 37 40 41 50 52 53 60 64 64 71 73 74 79 79 81 82 83 84 85 87

3. 4.

5. VII. 1.

c) Lehrlings-, Jugend- und Studentenwohnheim . . . . . . . . . . . . . . . . d) Altenheimvertrag . . . . . . . . . . . . . e) Campingvertrag . . . . . . . . . . . . . . f) Ferienhausvertrag mit Reiseanbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Schiffsreise- und Schlafwagenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Krankenhausbettverträge . . . . . . i) Mietkaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . j) Tankstellenvertrag . . . . . . . . . . . . k) Nutzung öffentlicher Flächen . . . l) Automatenaufstellvertrag . . . . . . Rechtsgeschäfte im Anbahnungsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mietvorvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzungsfragen. . . . . . . . . . . . b) Inhalt des Mietvorvertrages . . . . . c) Form des Mietvorvertrages . . . . . d) Rechtsfolge des Mietvorvertrages Vormietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt des Vormietrechts . . . . . . . b) Auskunftsanspruch des Berechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausübung des Vormietrechts. . . . d) Vereitelung des Vormietrechts. . . Anmietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarung einer Option. . . . . . aa) Begründungsoption . . . . . . . . bb) Verlängerungsoption . . . . . . . b) Abgabe der Optionserklärung . . . c) Ausübungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolge der Optionsausübung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorläufiges Mietverhältnis . . . . . . . . Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag. . . . . . . . . . . Auslegung von Mietverträgen . . . . . . a) Auslegung von Willenserklärungen und Vertragsklauseln, §§ 133, 157 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auslegungshilfen . . . . . . . . . . bb) Auslegungsmethoden . . . . . . (1) Natürliche Auslegung . . . . . . (2) Normative Auslegung . . . . . . b) Ergänzende Vertragsauslegung . .

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. . .

88 89 91

.

92

. 93 . 95 . 98 . 99 . 100 . 103 . . . . . . . .

104 107 107 109 113 114 119 120

. . . . . . . . . .

123 125 127 128 131 132 134 136 140 144

. 147 150a . 151 . 151

. . . . . .

151 153 160 161 162 166

1

Vor § 535 BGB 2. Fehlen und Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB. . . . . . . . . . . . a) Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . b) Risikoverteilung des Vertrages . c) Rechtsfolge: Anpassung oder Auflösung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtshindernde Einwendungen . . a) Geschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . .

. . 168 . . 170 . . 171 . . 173 . . 176 . . 176

b) Geheimer Vorbehalt, Scheingeschäft, Scherzerklärung . . . . . c) Anfechtung, §§ 119, 123 BGB . . . aa) § 119 BGB . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anfechtung nach § 123 BGB d) Verstoß gegen ein gesetzliches Gebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sittenwidrigkeit, § 138 BGB . . . .

. . . .

. . . .

177 184 185 189

. . 193 . . 195

I. Das Wesen der Miete 1. Inhalt des Mietvertrages 1 Durch den Mietvertrag verpflichtet sich der Vermieter, dem Mieter den Gebrauch der vermieteten Sache(n) auf Zeit gegen Entgelt zu überlassen (§ 535 BGB). Vermietbar sind grundsätzlich bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Teile davon (insbesondere einzelne Räume). Gegenstand eines Mietvertrags können nur Sachen (§ 90 BGB) sein, Rechte können gepachtet werden, aber nicht Gegenstand eines Mietvertrages sein. 2. Dogmatische Einordnung 2 Überlassung durch den Vermieter (§ 535 Abs. 1 BGB) und Zahlung der Miete durch den Mieter (§ 535 BGB) sind Hauptleistungsverpflichtungen. Ihre synallagmatische Verknüpfung macht den Mietvertrag zu einem gegenseitigen Vertrag i.S.d. §§ 320 ff. BGB, wobei der Vermieter grundsätzlich vorleistungspflichtig ist (vgl. § 556b BGB Rz. 13). 3 Durch den Mietvertrag wird ein Dauerschuldverhältnis begründet, bei dem sich die Vermieterleistung nicht im Übergabeakt erschöpft. Vor Besitzeinräumung hat der Mieter kein Recht an der Mietsache1, sondern nur einen schuldrechtlichen Erfüllungsanspruch auf Verschaffung des Mietgebrauchs gegen den Vermieter und damit des Besitzes, soweit dieser dazugehört. Erst recht begründet der Mietvertrag gegenüber Dritten keine Rechte des Mieters an der Mietsache. 4 Die schuldrechtliche Natur des Mietverhältnisses ändert sich nach der Überlassung der Mietsache nicht. Allerdings stehen dem Mieter ab Besitzeinräumung die Besitzansprüche nach §§ 858 ff. BGB – und zwar auch gegen den Vermieter – und bei schuldhaften Eingriffen auch der Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zur Seite. 5 Wohnraum ist grundrechtlich durch Art. 13 GG, aber auch Art. 14 GG geschützt2. Daraus erklären sich auch wohnungsmietrechtliche Sondervorschriften im Prozessrecht wie z.B. §§ 257, 721, 794 Abs. 1 Nr. 5, 794a, 940a ZPO. 6 Der Mieter beweglicher Sachen ist zusätzlich ab Besitzeinräumung durch § 986 Abs. 2 und § 1007 BGB geschützt. Auf die Grundstücks- und Raummiete ist § 1007 BGB nur dann entsprechend anwendbar, wenn und soweit § 861 BGB keinen ausreichenden Schutz gewährt3. Dadurch wird die Miete als solche, obgleich dem besitzenden Mieter auch dinglicher Schutz zuteilwird, nicht verdinglicht. Denn der dingliche Schutz des Mieters ist (wie bei allen obligatorischen Besitzrechten ab Besitzeinräumung) lediglich Ausfluss der Stellung als berechtigter Besitzer4. 7 Die Miete gehört neben der Pacht und der Leihe zu den gesetzlich geregelten Formen der Gestattungsverträge. Durch einen solchen Vertrag wird einer Vertragspartei von der anderen entgeltlich oder unentgeltlich der Gebrauch einer ihr nach der Rechtsordnung nicht zugeordneten Sache oder eines ihr an sich nicht zustehenden Rechts gestattet. Wird – wie z.B. in der Regel beim Breitbandkabelanschlussvertrag – die In-

1 2 3 4

2

Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 17. BVerfG v. 26.5.1993 – 1 BvR 208/93, MDR 1993, 728. BGH v. 25.9.1952 – IV ZR 22/52, BGHZ 7, 208, 216. Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 18.

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Vor § 535 BGB gebrauchnahme einer Sache nur geduldet, liegt kein Mietvertrag vor1. Wird demgegenüber der Gebrauch einer Sache gegen Entgelt gestattet, handelt es sich um Miete. Aus der schuldrechtlichen Natur des Mietverhältnisses folgt auch, dass eine Doppel- 8 vermietung, also ein zweiter Mietvertrag über eine schon vermietete Sache, wirksam ist2. Der nicht besitzende Mieter hat gegen den Besitzenden keine eigenen Ansprüche. Gegen den Vermieter hat er nach der Besitzeinräumung an den anderen Mieter grundsätzlich nur Schadensersatzansprüche aus §§ 536a, 536 Abs. 3 BGB, nicht nach den Regeln über die Unmöglichkeit3. II. Die Gesetzessystematik Das Mietrecht ist im Jahre 2001 umfassend reformiert worden. Durch MRRG4 ist eine 9 neue Systematik in die Vorschriften der §§ 535 ff. BGB eingeführt worden. Zwar sind Miet- und Pachtvertrag weiterhin im Titel 5 des 8. Abschnitts im 2. Buch des BGB geregelt. Die fünf Untertitel gliedern sich aber seit dem nach den Vorschriften – Allgemein für alle Mietverhältnisse (§§ 535–548 BGB) – Mietverhältnisse über Wohnraum (§§ 549–577a BGB) – Mietverhältnisse über andere Sachen (§§ 578–580a BGB) – Pacht (§§ 581–584b BGB) – Landpacht (§§ 585–597 BGB). Der Gesetzgeber hat den Schwerpunkt der gesetzlichen Kodifikation auf Vorschrif- 10 ten über die Wohnraummiete (§§ 549–577a BGB) gelegt, weil die Wohnraummiete in der Praxis des Mietrechts die größte Bedeutung hat. Die anschließenden Vorschriften (§§ 578–580a BGB) behandeln spezielle (Miet-)Vertragstypen mit besonderen Tatbeständen und enthalten im Übrigen Bestimmungen, die einzelne Vorschriften der Wohnraummiete in anderen Fällen für anwendbar erklären (vgl. z.B. § 578 Abs. 2 BGB). „Vor der Klammer“ stehen die Vorschriften, die generell für alle Mietverhältnisse gelten (§§ 535–548 BGB). Neben dieser umfassenden speziellen Reform des Mietrechts haben sich weitere Ge- 11 setzesänderungen unmittelbar oder mittelbar auf das Mietrecht ausgewirkt. Insbesondere gilt das für das – am 1.8.2001 in Kraft getretene Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsverkehr v. 13.7.20015; – Lebenspartnerschaftsgesetz v. 16.2.20016, das ab 1.9.2001 durch die im MRRG neu konzipierten §§ 563–564 BGB ersetzt wurde; – am 1.1.2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz v. 26.11.20017. Die maßgeblichen Auswirkungen dieser Gesetzesvorhaben sind bei den einzelnen Vorschriften erläutert. III. Abgrenzung der Miete von anderen Vertragstypen des BGB 1. Pacht Die Miete grenzt sich von der Pacht (§§ 581 ff. BGB) zunächst dadurch ab, dass Ge- 12 genstand eines Pachtvertrags nicht nur Sachen, sondern auch Rechte ebenso wie Sach- und Rechtsgesamtheiten (z.B. Unternehmen) sein können. Darüber hinaus darf der Pächter im Gegensatz zum Mieter die Früchte ziehen, soweit sie nach den 1 2 3 4 5 6 7

BGH v. 4.7.1997 – V ZR 405/96, MDR 1997, 1013. BGH v. 11.12.1961 – VIII ZR 46/61, MDR 1962, 398. BGH v. 5.7.1991 – V ZR 115/90, MDR 1992, 159 = ZMR 1991, 418. BGBl. I, S. 1149. FormAnpG, BGBl. I, S. 1542 = Einführung der Textform. BGBl. I, S. 266. SchuldRModG; BGBl. I, S. 3138.

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Vor § 535 BGB Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind (§ 581 Abs. 1 S. 1 BGB). Als Pachtobjekt kommen damit nur solche Sachen und Rechte in Betracht, die Sach- und Rechtsfrüchte (vgl. dazu § 99 BGB) abwerfen können1. Insoweit muss die Fruchtziehung aber prägend sein. Das ist nicht der Fall, wenn sie eine zwangsläufige Folge darstellt, wie z.B. das Ernten von Früchten von selbst angepflanzten Bäumen2. Bei der Pacht von Räumen muss für den Geschäftsbetrieb geeignetes Inventar vorhanden sein oder der Verpächter zur Anschaffung wesentlich (etwa durch einen günstigen Kredit) beigetragen haben3. 13 Werden mehrere Sachen zu unterschiedlichen Zwecken überlassen, ist wie bei einem Mischmietverhältnis zunächst auf die Abreden der Parteien abzustellen (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 64 ff.). Lässt sich daraus nicht ermitteln, ob die Parteien das Vertragsverhältnis ausschließlich nach Miet- oder Pachtrecht abwickeln wollten, ist zu ermitteln, in welchem Zweck, also der Fruchtziehung oder der Gebrauchsüberlassung, der Schwerpunkt liegt. Wird z.B. eine Pension mit einer Wohnung überlassen und kommt es den Parteien übereinstimmend auf die Fortführung der Pension an, liegt darin der Schwerpunkt, auch wenn die Komponenten des sozialen Mietrechts damit in den Hintergrund treten4. Das Gleiche hat zu gelten, wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb mit Wohnhaus Gegenstand des Vertrages ist5. Die Wohnraummiete steht aber im Vordergrund, wenn durch den Vertrag ein Wohnhaus mit Garten überlassen wird6. 2. Leihe 14 Maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung von der Leihe (§§ 598 ff. BGB) ist die Entgeltlichkeit der Gebrauchsgestattung; Leihe ist unentgeltlich. Im Übrigen ist der Verleiher nur verpflichtet, den Gebrauch der Sache zu gestatten, nicht aber wie der Vermieter zu gewähren. Damit entfällt die wesentliche aktive Komponente im Handeln des Verleihers. Die Bezeichnung des Rechtsgeschäfts durch die Parteien ist insoweit unerheblich (z.B. Leihbücherei, Leihwagen = Miete7). 15 Miete liegt vor, wenn die verhältnismäßig niedrige Gegenleistung (z.B. eine Anerkenntnisgebühr) ernsthaft als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung gewollt ist8. Deshalb können schon die vertragliche Übernahme von Steuern, Versicherungen und sonstigen notwendigen Ausgaben für das überlassene Grundstück ebenso für die Entgeltlichkeit ausreichen wie die Übernahme der Betriebskosten9, die der Vermieter sonst zu zahlen hätte. 16 Davon zu unterscheiden ist die Übernahme derjenigen Kosten, die den Gebrauch der Sache erst ermöglichen. Das soll etwa der Fall sein, wenn „nur“ die anfallenden Betriebskosten (ohne Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Schönheitsreparaturen und Instandhaltung) übernommen werden10. Insoweit ist zwar stets auf den Einzelfall abzustellen. Generell gehören hierher aber eher Zulassungskosten wie z.B. für die Inbetriebnahme eines Kfz. Bei der Raummiete ist darauf abzustellen, ob der Eigentümer bzw. der Überlasser durch die Übernahme der Kosten freigestellt wird. Das ist in der Regel bei statischen Betriebskosten der Fall, also z.B. Grundstücksentwässerung, Straßenreinigung etc. Nicht geschuldete Ausbauleistungen, die der Nutzer erbringt, stellen keine Gegenleistung dar11. 17 Besteht bereits ein Mietvertrag, stellt die spätere Überlassung zusätzlicher Sachen ohne Änderung der Miete im Zweifel eine Leihe dar, wenn sich nicht durch Auslegung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

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BGH v. 4.6.1986 – VIII ZR 160/85, NJW-RR 1986, 1243. BGH v. 17.9.2008 – XII ZR 61/07, GE 2008, 1488 = ZMR 2009, 106. BGH v. 27.3.1991 – XII ZR 136/90, MDR 1991, 1063 = ZMR 1991, 257. OLG Köln v. 10.10.2006 – 22 U 74/06, ZMR 2007, 114. OLG Köln v. 29.4.1987 – 2 U 113/86, WuM 1987, 377. BGH v. 25.11.1998 – VIII ZR 380/96, NZM 1999, 312. BGH v. 5.11.1997 – VIII ZR 55/97, NZM 1998, 105. BGH v. 4.5.1970 – VIII ZR 179/68, ZMR 1970, 268. OLG Stuttgart v. 24.8.2009 – 6 W 44/09, NZM 2010, 579. OLG Dresden v. 7.11.2002 – 4 W 1324/02, ZMR 2003, 250. BGH v. 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, MDR 1985, 666 = NJW 1985, 313.

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Vor § 535 BGB ergibt, dass der Mietvertrag tatsächlich erweitert werden soll. Insoweit ist auf die Interessen beider Parteien abzustellen und insbesondere bei Flächen mit Ausbaupotential davon auszugehen, dass der Vermieter sich im Zweifel nicht in gleicher Weise wie durch einen Mietvertrag binden will1. Das Gleiche gilt in der Regel, wenn der Mieter vor Mietbeginn das Mietobjekt ohne Entgelt nutzt2 (vgl. § 535 BGB Rz. 345 f.). 3. Verwahrungsvertrag Der Verwahrungsvertrag (§§ 688 ff. BGB) kann sich nur auf bewegliche Sachen bezie- 18 hen. Der Verwahrer verpflichtet sich, die Sache für den Hinterleger aufzubewahren und in Obhut zu nehmen. Benutzen darf er die Sache nicht. Gleiches gilt für das Lagergeschäft (§§ 467 ff. HGB) als gewerbliche Übernahme der Verwahrung3. Teilweise wird Verwahrung dann angenommen, wenn die Person, die den Raum/Platz 19 zur Verfügung stellt, unmittelbarer Besitzer der aufzubewahrenden Sachen wird4. Andere stellen bei der Abgrenzung zu Recht darauf ab, wo bei wirtschaftlicher Betrachtung nach der Interessenlage das Schwergewicht liegt5. Ist das Schwergewicht der Interessenlage in der Übernahme der Obhutspflicht für die Sache zu sehen, liegt Verwahrung vor; steht die Raumgewährung im Vordergrund, dann liegt Miete oder Leihe vor. Wird das Entgelt nicht nur für die Platzüberlassung, sondern auch für die Übernah- 20 me von Obhutspflichten gezahlt, ist im Zweifel von Verwahrung auszugehen6. Deshalb liegt bei der Überlassung eines Stellplatzes ein Verwahrungsvertrag vor, wenn das Entgelt auch für die Bewachung des Fahrzeuges entrichtet wird. Eine Bank verwahrt dagegen nicht den Inhalt des Safes. Der Vertrag über die Nutzung eines Kühlhauses ist Miete mit der Verpflichtung zur Lieferung von Kaltluft oder zur Kühlung auf eine bestimmte Temperatur7. 4. Werkvertrag Beim Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) steht die Herbeiführung eines bestimmten Erfol- 21 ges im Vordergrund. Deshalb liegt Miete vor, wenn eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung stattfindet, bei der dem Nutzungsberechtigten das Recht zur Umgestaltung des Mietobjektes eingeräumt wurde, weil die Gebrauchsüberlassung die Beziehung prägt8. Gleiches gilt für die Zurverfügungstellung von Zelten und Gerüsten, auch wenn der Auf- und Abbau geschuldet wird9. Die entgeltliche Überlassung verschiedener elektronischer Geräte für eine Konzertveranstaltung einschließlich des Aufbaus und der Montage der Mietgeräte sowie deren Abbau führt zu einem Werkvertrag, da die Konzertfähigkeit des Equipments im Vordergrund steht10. Ist neben einer Maschine (z.B. Kfz, Kran, Bagger, sonstige Baumaschine) Bedie- 22 nungspersonal zu stellen, hängt die Einordnung des Vertrags von dem verfolgten Zweck ab. Mietvertrag (mit Dienstverschaffungsvertrag) liegt dann vor, wenn das Gerät in die Obhut des Bestellers übergeht und dieser auch über den Einsatz des Gerätes zu bestimmen hat11. Bestimmt der Maschineneigentümer den Einsatz, um einen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = GE 2009, 1426 = NZM 2009, 855. Bub/Treier/Reinstorf, I Rz. 35. BGH v. 5.10.1951 – I ZR 92/50, BGHZ 3, 200. Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 35; wohl auch BGH v. 5.10.1951 – I ZR 92/50, BGHZ 3, 200. Bub/Treier/Reinstorf, I Rz. 44, 45; MünchKomm/Häublein, Vor § 535 BGB Rz. 12. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 12. Zur Haftungsbegrenzung bei einem solchen Vertrag vgl. BGH v. 19.1.1984 – VII ZR 220/82, MDR 1984, 482 = NJW 1984, 1350. BGH v. 8.12.1982 – VIII ZR 219/81, MDR 1983, 396 = NJW 1983, 679; zweifelnd Bub/Treier/ Reinstorf, I Rz. 43. OLG Hamm v. 15.4.1994 – 30 U 243/93, NJW-RR 1994, 1297; OLG Düsseldorf v. 4.4.1974 – 8 U 15/74, VersR 1974, 1113. OLG Koblenz v. 13.1.2004 – 5 W 21/04, ZMR 2004, 265. BGH v. 16.9.1985 – II ZR 92/85, WM 1986, 26; OLG Hamm v. 30.1.1988 – 30 U 201/86, NJW 1989, 2629.

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Vor § 535 BGB bestimmten Erfolg herbeizuführen, liegt ein Werk-, Beförderungs- oder Pachtvertrag vor1. 5. Gesellschaftsvertrag 23 Ein Gesellschaftsvertrag (§§ 705 ff. BGB) zwischen Überlassendem und Benutzer besteht nicht bereits, wenn sich das vom Benutzer für die Gebrauchsüberlassung zu zahlende Entgelt nach dem von ihm erzielten Umsatz/Gewinn bemisst. Ein solches partiarisches Rechtsverhältnis bleibt Miete. Denn die Erzielung des Gewinns durch den anderen (Nutzer) ist nicht gemeinsamer Zweck i.S.d. § 705 BGB2. 6. Andere Vertragstypen 24 Das Mietverhältnis ist schuldrechtlicher Natur. Damit scheiden Abgrenzungsprobleme zu dinglichen Nutzungsrechten wie Nießbrauch (§§ 1030 ff. BGB), dinglichem Wohnrecht (§ 1093 BGB) oder Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht (§ 31 WEG) aus. Gleichwohl können mietrechtliche Vorschriften analog anwendbar sein, wie z.B. § 556 Abs. 3 BGB auf das Wohnrecht3. 25 Andererseits kann das dingliche Recht auf einem Kausalgeschäft aufbauen, für das mietrechtliche Vorschriften gelten. Das ist z.B. der Fall, wenn der Wohnungsberechtigte einen abwohnbaren Baukostenzuschuss geleistet hat4. IV. Mietarten und ihre Abgrenzung 26 Schon der Gesetzesaufbau macht deutlich, dass nicht nur Gewerbe- und Wohnraummietverträge bestehen, sondern auch noch weitere Ausgestaltungen möglich sind. 1. Wohnraummiete a) Allgemeines 27 Wohnraummiete liegt vor, wenn Räume (Einzelräume oder Wohnungen) gegen Entgelt zum Zwecke des privaten Aufenthaltes des Mieters selbst und/oder seiner nächsten Angehörigen aufgrund schuldrechtlichen Vertrages unbefristet oder auf Zeit überlassen werden5. Dieser Definition unterfallen auch die Dauernutzungsverträge über eine Genossenschaftswohnung6, mangels Vereinbarung aber keine faktischen Nutzungsverhältnisse7. Deshalb muss das Mietverhältnis auch rechtswirksam begründet worden sein. 28 Im Hinblick auf das Erfordernis des privaten Aufenthalts scheidet ein Wohnraummietvertrag aus, wenn eine Wohnung an eine juristische Person vermietet ist8. In diesem Fall kann die Geltung der Bestimmungen für die Wohnraummiete in den §§ 549 ff. BGB nur durch besondere Vereinbarung herbeigeführt werden. Dazu reicht es nicht aus, wenn im Mietvertrag zur Mieterhöhung auf die §§ 558 ff. BGB verwiesen wird9. 29 Ob Wohnraummiete tatsächlich vorliegt, hängt maßgeblich vom Parteiwillen ab, der darauf ausgerichtet sein muss, dass die Überlassung zur bestimmungsgemäßen Nutzung der Räume zum witterungssicheren Aufenthalt, Schlafen, Kochen und Essen (privater Aufenthalt = Wohnen) stattfindet10. Insoweit ist es nicht erforderlich, dass 1 BGH v. 28.7.2004 – VII ZR 153/03, ZMR 2004, 813; BGH v. 26.3.1996 – X ZR 100/94, NJW-RR 1996, 1203. 2 BGH v. 10.6.1965 – III ZR 239/63, WM 1965, 1052; Bub/Treier/Reinstorf, I Rz. 66. 3 BGH v. 25.9.2009 – V ZR 36/09, MDR 2010, 18 = WuM 2009, 672 = NZM 2009, 904. 4 LG Gießen v. 29.5.1996 – 1 S 39/96, WuM 1996, 478. 5 Bub/Treier/Reinstorf, I Rz. 76. 6 BGH v. 10.9.2003 – VIII ZR 22/03, WuM 2003, 691; vgl. zu Genossenschaftswohnungen umfassend Drasdo, NZM 2012, 585. 7 BGH v. 26.3.1980 – VIII ZR 150, 79, NJW 1980, 1577. 8 BGH v. 16.7.2008 – VIII ZR 282/07, MDR 2008, 1329 = NJW 2008, 3361. 9 KG v. 12.9.2011 – 8 U 141/11, GE 2011, 1484. 10 OLG Düsseldorf v. 2.2.1995 – 10 U 39/94, WuM 1995, 434.

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Vor § 535 BGB der Mieter oder sonstige Angehörige in der Wohnung seinen Lebensmittelpunkt unterhält, weil auch Zweitwohnungen, Wochenendwohnungen, Ferienwohnungen und Beherbergungsbetriebe dem Wohnraummietrecht zugeordnet werden1. Denn sie dienen dem privaten Aufenthalt von Menschen2. b) Preisfreier und öffentlich geförderter Wohnraum Grundsätzlich gehen die Vorschriften über die Wohnraummiete in den §§ 549 ff. BGB 30 davon aus, dass Gegenstand der Überlassung preisfreier Wohnraum ist. Davon zu unterscheiden ist der öffentlich geförderte Wohnraum, der grundsätzlich dadurch entsteht, dass der Vermieter bei der Errichtung, Sanierung oder Modernisierung finanzielle Mittel des Staates in Anspruch genommen hat, die ihn zu einer vorgegebenen Mietpreisbildung verpflichten. Allerdings ist heute innerhalb des öffentlich geförderten Wohnraums zunächst zu ermitteln, wann die öffentlichen Mittel gewährt wurden. Dafür ist der Bewilligungsbescheid maßgeblich. Beruht dieser Bescheid auf dem Recht vor dem 1.1.2002, gilt der Wohnraum grundsätzlich als preisgebunden. Für diesen sog. preisgebundenen Wohnraum gelten bei der Abwicklung der Mietverträge besondere Vorschriften für die Ermittlung der Miete und ihre Veränderung, insbesondere §§ 8, 10 WoBindG sowie die ergänzenden Vorschriften der NMV und der II. BV. Wurden die öffentlichen Mittel nach dem Recht des WoFG bewilligt, das am 1.1.2002 in Kraft getreten ist, gilt über die §§ 50, 28 Abs. 2 WoFG das Vergleichsmietensystem der §§ 558 ff. BGB mit Einschränkungen, die sich in der Regel aus dem Bewilligungsbescheid oder dem Darlehensvertrag über die öffentlichen Mittel ergeben. aa) Bewilligung der öffentlichen Mittel vor dem 1.1.2002 Dem Recht des preisgebundenen Wohnraums unterliegen herkömmlicherweise Woh- 31 nungen, bei denen die Mietpreisgestaltung nicht durch die Vertragsparteien erfolgt, sondern aufgrund einer vom Gesetzgeber vorgegebenen Berechnung. Bei preisgebundenen Wohnungen lassen sich grundsätzlich folgende Hauptgruppen unterscheiden: – Öffentlich geförderte Wohnungen i.S.d. § 1 Abs. 3 WoBindG, sog. Sozialwohnungen des ersten Förderweges; für sie ergibt sich die Mietpreisbindung aus § 8 Abs. 5 WoBindG. – Steuerbegünstigte Wohnungen, die mit nichtöffentlichen Mitteln in Form von Aufwendungszuschüssen oder Aufwendungsdarlehen nach § 88 II. WoBauG gefördert worden sind (sog. zweiter Förderweg); sie sind nach § 88b II. WoBauG preisgebunden. – Wohnungen, deren Errichtung mit öffentlichen Mitteln nach § 88d WoBauG gefördert wurde (sog. dritter Förderweg)3. – Steuerbegünstigte Wohnungen, die mit Wohnungsfürsorgemitteln für Angehörige des öffentlichen Dienstes entsprechend den Bestimmungen des ersten Förderweges des sozialen Wohnungsbaus gefördert worden sind; für sie gilt die Mietpreisbindung gemäß § 87a Abs. 2 II. WoBauG. – Wohnungen, die mit Sanierungs- oder Entwicklungsförderungsmitteln als nichtöffentliche Mittel nach dem Städtebauförderungsgesetz gefördert worden sind; sie sind nach § 45 Abs. 5 Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) und § 88b II. WoBauG preisgebunden. Die Herbeiführung der Preisbindung durch Vereinbarung mit dem Endmieter der 32 Wohnung ist nicht möglich4. Denn eine solche Vereinbarung mit der Berechtigung des Vermieters zur einseitigen Mieterhöhung ist nach § 557 Abs. 4, § 558 Abs. 6 BGB unwirksam. Dadurch wird nämlich zum Nachteil des Mieters von § 557 Abs. 3 BGB und § 558 Abs. 1 BGB abgewichen. Die Abweichung besteht darin, dass die Mieterhö1 OLG Hamburg v. 30.9.1992 – 4 U 94/92, MDR 1993, 43 = WuM 1992, 634; OLG Frankfurt v. 6.11.1981 – 2 UF 228/81, FamRZ 1982, 398. 2 Bub/Treier/Reinstorf, I Rz. 80; Schmidt-Futterer/Blank, Vor § 535 Rz. 87; a.A. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 18. 3 Vgl. dazu LG München v. 16.5.2012 – 14 S 27322/11, NZM 2012, 802. 4 BGH v. 7.2.2007 – VIII ZR 122/05, MDR 2007, 707 = MietRB 2007, 137 = GE 2007, 510.

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Vor § 535 BGB hung bei der Kostenmiete nicht der Zustimmung des Mieters bedarf. Diese Abweichung ist grundlegend, weil das Zustimmungserfordernis im Rahmen des Vergleichsmietenverfahrens nach § 558 BGB Ausdruck des Prinzips der Vertragsfreiheit ist, das nach der Vorstellung des Gesetzgebers im Bereich des preisfreien Wohnraums nicht nur für die Einigung über die Höhe der Miete bei Vertragsschluss, sondern auch bei der Erhöhung der Miete während des laufenden Mietverhältnisses gelten soll. Die Abweichung ist für den Mieter auch nachteilig. Er kann zwar die Zahlung der vom Vermieter einseitig erhöhten Miete verweigern, so dass dieser gegebenenfalls Zahlungsklage erheben muss, in deren Rahmen die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Kostenmiete gerichtlich nachgeprüft werden. Durch die Zahlungsverweigerung setzt sich der Mieter jedoch der Gefahr einer außerordentlichen fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 1 und 2 Nr. 3, § 569 Abs. 3 BGB aus, der er nicht mehr begegnen kann, wenn sich die einseitige Mieterhöhung des Vermieters erst im Räumungsprozess als berechtigt erweist. Diese Gefahr besteht dagegen nicht, wenn die Mieterhöhung gemäß § 558 Abs. 1 BGB der Zustimmung des Mieters bedarf, da der Vermieter insoweit nach § 558b Abs. 2 BGB erst – erfolgreich – Klage auf Erteilung der Zustimmung erheben muss, bevor ein Anspruch auf Zahlung der erhöhten Miete entsteht. 33 Ist jedoch ein Zwischenmieter eingeschaltet, kann im Verhältnis zum Eigentümer, das durch einen Gewerberaummietvertrag gekennzeichnet wird, die Geltung der §§ 8 ff. WoBindG vereinbart werden, so dass sich der Zwischenmieter auch auf das Sonderkündigungsrecht des § 11 WoBindG berufen kann1. 34 Hat der Vermieter bei der Errichtung des Gebäudes öffentliche Mittel verwendet, ist er in der Regel nur berechtigt, die sog. Kostenmiete zu erheben. Die Kostenmiete ist aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsberechnung zu ermitteln, die nach den §§ 2 ff. II. BV aufgestellt werden muss. 35 Änderungen der Berechnungsfaktoren der Kostenmiete können gemäß § 10 WoBindG unmittelbar an den Mieter weitergegeben werden, d.h., hier ist dem Vermieter ein Instrument gegeben worden, mit dem er die Miete einseitig verändern kann. Voraussetzung ist allerdings, dass der Vermieter in der Mietänderungserklärung die Mietänderung selbst berechnet und erläutert und aussagekräftige Unterlagen (z.B. eine Wirtschaftlichkeitsberechnung, Zusatzberechnung zur Wirtschaftlichkeitsberechnung) beifügt. Ausnahmsweise kann der Vermieter sogar die Miete rückwirkend bis zum 1. Januar des vorangegangenen Kalenderjahres erhöhen, wenn im Mietvertrag eine Klausel enthalten ist, nach der die „jeweils zulässige Miete“ als vereinbart gilt, § 4 Abs. 8 NMV. 36 Neben der Mietpreisgestaltung ist bei Abschluss eines Mietvertrages über eine öffentlich geförderte Wohnung zu beachten, dass gemäß § 9 Abs. 5 WoBindG eine Kaution nur für Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache oder unterlassenen Schönheitsreparaturen verlangt werden kann. Lässt die Formulierung der Kautionsabrede den Schluss zu, dass auch andere Ansprüche mit der Kaution abgedeckt werden können sollen, ist die Regelung unwirksam2. bb) Bewilligung öffentlicher Mittel seit dem 1.1.2002 37 An die Stelle des II. WoBauG ist zum 1.1.2002 das WoFG getreten. Es bringt im Wesentlichen die Veränderung, dass die Miete nach dem Vergleichsmietensystem der §§ 558 ff. BGB angepasst werden kann, vgl. §§ 50, 28 Abs. 2 WoFG. Die Bindung der Miete wird nicht mehr nach den Kostengesichtspunkten der II. BV ermittelt, sondern durch die Förderzusage bestimmt. Die danach höchstzulässige Miete ist eine Nettomiete. Eine Mieterhöhung erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 558 ff. BGB. 38 Regelmäßig sind die Mieterhöhungen jedoch nicht uneingeschränkt zulässig. Dabei ist jedoch die Höchstmiete, die mit der Förderzusage festgesetzt ist, zu beachten, § 28 Abs. 3 WoFG. Dazu wird schon im Bewilligungsbescheid oftmals festgelegt, dass 1 KG v. 12.4.2007 – 12 U 65/06, NZM 2008, 42. 2 LG Aachen v. 23.9.2005 – 5 S 92/05, WuM 2006, 101.

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Vor § 535 BGB der Vermieter ein bestimmtes Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht überschreiten darf oder eine Mieterhöhung wegen Modernisierung nach § 559 BGB nur mit Einwilligung der Behörde zulässig ist. Der Mieter kann sich auf die in der Förderzusage festgelegte Mietobergrenze berufen. 39 Insoweit kann er vom Vermieter die dafür benötigten Auskünfte verlangen, § 28 Abs. 4, 5 WoFG. Hilfsweise kann er dieses Verlangen auch an die zuständige Stelle richten. cc) Einschränkung der Vertragsfreiheit Bei öffentlich gefördertem Wohnraum ist die Vertragsfreiheit in besonderem Maße 40 eingeschränkt. Dies gilt nicht nur für die Abschlussfreiheit, weil die Wohnungen regelmäßig einem besonderen Personenkreis vorbehalten sind. Vielmehr ist auch die Gestaltung der Mietpreisbildung vorgegeben. (1) Bewilligung vor dem 1.1.2002 Der öffentlich geförderte Wohnraum i.S.v. § 1 Abs. 3 WoBindG (sog. Sozialwohnun- 41 gen) beschränkt die Vertragsfreiheit, soweit eine Belegungsbindung besteht, vgl. § 4 WoBindG. Danach dürfen Wohnungen grundsätzlich nur an besonders privilegierte Personen vermietet werden, die in der Regel über einen Wohnberechtigungsschein verfügen müssen. Wer das Belegungs- und Benennungsrecht für den Bezug der Wohnung ausüben darf, 42 ergibt sich regelmäßig aus dem Darlehensvertrag. Für den Eigentümer besteht grundsätzlich ein Bauherrenprivileg, er darf einen Raum mehr als nach den einschlägigen Bestimmungen nutzen. Hat allerdings der Verfügungsberechtigte (Eigentümer) der zuständigen Stelle im Darlehensvertrag über das öffentliche Wohnungsbaudarlehen des Landes ein Besetzungsrecht eingeräumt, auf die Dauer von 15 Jahren den jeweiligen Mieter der Wohnung zu benennen, liegt ein vertragliches Besetzungsrecht vor, nicht aber ein Benennungsrecht (sog. Dreier-Vorschlag) i.S.v. § 4 Abs. 4 WoBindG1. Die Unterscheidung hat insbesondere Auswirkungen bei einer Verletzung durch den Vermieter. Bei einer „Fehlbelegung“ können bei einem vertraglichen Recht ohne besondere Vereinbarung nicht die Sanktionen des § 25 WoBindG verhängt werden. Daneben findet eine Beschränkung der Gestaltungsfreiheit statt, indem die Miete 43 bei preisgebundenen Wohnungen aus der Zeit vor dem 1.1.2002 an die Kostenmiete, die sich nach den Grundsätzen der II. Berechnungsverordnung (II. BV) ermittelt, gebunden ist und die Kaution nur zu den in § 9 Abs. 5 WoBindG ausdrücklich genannten Ansprüchen vereinbart werden kann, weil die Regelung ansonsten unwirksam ist2. Im Mietvertrag muss erwähnt sein, dass die Wohnung öffentlich gefördert oder 44 preisgebunden ist. Denn gegenüber den Vorschriften über den preisfreien Wohnraum bilden die Regeln über die Kostenmiete eine Ausnahme, die ausdrücklich auch im Mietvertrag vereinbart werden muss. Wurde dies bei Abschluss des Mietvertrages übersehen, kann der Vermieter die Technik des § 10 WoBindG, die zu einer unmittelbaren Mietänderung führt3, nicht anwenden, sondern ist auf die Mieterhöhungsmöglichkeiten nach den §§ 558 ff. BGB angewiesen. Dabei kann er jedoch nur die Miete bis zur Höhe des zulässigen Entgelts verlangen, weil er sich sonst Rückforderungsansprüchen nach § 8 Abs. 2 WoBindG und den Sanktionen des § 25 WoBindG aussetzt. Unabhängig davon muss der Mietvertrag nach eventuellen Vereinbarungen über den Ausschluss des Mieterhöhungsrechts überprüft werden4.

1 OVG Münster v. 18.10.2005 – 14 A 1055/05, WuM 2006, 560. 2 LG Hannover v. 30.12.1997 – 16 S 7/97, WuM 1998, 347; AG Coesfeld v. 6.1.2004 – 11 C 371/03, WuM 2004, 115; vgl. auch AG Köln v. 4.5.1999 – 218 C 26/99, WuM 2000, 22; zweifelnd: Sternel, ZMR 2002, 1 (wegen der Mietsicherheit nach § 554a Abs. 2 BGB). 3 Vgl. § 10 Abs. 2 WoBindG. 4 Vgl. § 10 Abs. 4 WoBindG.

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Vor § 535 BGB 45 Umgekehrt kann gemäß § 557 Abs. 3 BGB eine Mieterhöhung durch Vereinbarung ausgeschlossen werden. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn die Wohnung im Mietvertrag als öffentlich gefördert (Sozialwohnung) bezeichnet und zudem exakt die höchst zulässige Miete vereinbart wurde, obwohl der Vermieter keine öffentlichen Mittel in Anspruch genommen hat (was er allerdings ursprünglich vorhatte)1. Daran ändert auch das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nichts. Denn selbst wenn die Auszahlung der Fördermittel gemeinsame Geschäftsgrundlage gewesen wäre, ist ein Festhalten am Vertrag für den Vermieter nicht unzumutbar. 46 Ähnlich ist die Rechtslage, wenn in der Bewilligung ausdrücklich vorgegeben wurde, dass Mieterhöhungen nach § 558 ff. BGB möglich sind. Dies führt zwar nicht dazu, dass die Wohnung preisfrei wird. Indessen ist ein Mieterhöhungsbegehren unwirksam, das auf einen Mietspiegel gestützt wird, der ausdrücklich feststellt, dass er auf öffentlich geförderte Wohnungen nicht anwendbar ist2. Der Vermieter muss in diesem Fall nach § 10 WoBindG vorgehen. 46a Zur Ermittlung der Kostenmiete muss der Vermieter eine Wirtschaftlichkeitsberechnung i.S.v. § 2 II. BV aufstellen, die neben der Grundstücks- und Gebäudebeschreibung in der Regel aus drei Teilen besteht, § 3 II. BV. Im ersten Teil (Berechnung der Gesamtkosten, §§ 5 ff. II. BV) werden die Grundstücks- und Baukosten zusammengestellt. Der zweite Abschnitt (Finanzierungsplan, §§ 12 ff. II. BV) führt auf, wie der Vermieter/Eigentümer die Baukosten finanziert hat, wobei zwischen Fremdmitteln (Hypothekendarlehen, öffentlichen Mitteln, Aufwendungszuschüssen etc.) und dem Eigenkapital unterschieden wird. Im dritten Teil (Laufende Aufwendungen und Erträge, §§ 18 ff. II. BV) werden die laufenden Aufwendungen zusammengestellt. Dieser Abschnitt ist das eigentliche Kernstück der Wirtschaftlichkeitsberechnung, weil hier die (Durchschnitts- bzw.) Kostenmiete berechnet wird. Nach der abschließenden Aufstellung in den §§ 18 ff. II. BV handelt es sich bei den ansetzbaren Leistungen um – die Kapitalkosten für Fremdmittel, § 21 II. BV, – die Tilgungen von über 1 % bei zinslosen Fremdmitteln, § 22 II. BV, – die Verzinsung des Eigenkapitals, § 20 II. BV, – die Bewirtschaftungskosten, § 24 II. BV3, zu denen – die Abschreibung und die Sonderabschreibungen, § 25 II. BV, – die Verwaltungskostenpauschale, § 26 II. BV, – die Instandhaltungspauschale, § 28 II. BV, und – das Mietausfallwagnis, § 29 II. BV, gehören; die Erträge, § 31 II. BV. 47 Zu den Erträgen gehören nicht die Einnahmen aus der Vermietung von Dachflächen zur Installation von Mobilfunkantennen4. Insofern handelt es sich nämlich um außerordentliche Erträge, die in keinem Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung stehen. 48 Die Summe der für das ganze Objekt/die Wirtschaftseinheit anfallenden Aufwendungen zeigen unter Abzug evtl. Erträge den Betrag, den der Vermieter jährlich erwirtschaften muss, um „auf seine Kosten“ zu kommen. Umgelegt auf die Gesamtfläche ergibt sich die Durchschnittsmiete pro Quadratmeter vermieteten Wohnraums (sog. Einzelmiete, §§ 8a Abs. 5 WoBindG, 3 Abs. 3 NMV). Insoweit ist der Vermieter bei der Bildung der (Netto-)Miete für die einzelne Wohnung berechtigt, die Wohnqualität durch Zu- und Abschläge zu berücksichtigen. In der Summe darf diese Bewertung aber die laufenden Aufwendungen für das Gesamtobjekt nicht übersteigen.

1 BGH v. 21.1.2004 – VIII ZR 115/03, WuM 2004, 282 = NZM 2004, 378 = MietRB 2004, 199. 2 Vgl. dazu LG München v. 16.5.2012 – 14 S 27322/11, NZM 2012, 802. 3 Die dort noch aufgeführten Betriebskosten nach § 27 II. BV dürfen seit dem 1.1.1987 nicht mehr in der Kostenmiete berücksichtigt werden, § 25b NMV (in der Zwischenzeit aufgehoben). 4 LG Berlin v. 17.6.2005 – 63 S 68/05, WuM 2005, 648; vgl. auch Hitpaß, ZMR 2002, 577.

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Vor § 535 BGB Regelmäßig wird eine Wirtschaftlichkeitsberechnung im Zusammenhang mit der Be- 49 willigung der öffentlichen Mittel, also vor Baubeginn aufgestellt. Deshalb ist grundsätzlich dieser Zeitpunkt für die Aufstellung maßgeblich, § 4 II. BV. Ihr folgt eine endgültige Genehmigung nach Fertigstellung, in der die tatsächlich aufgewendeten Kosten zusammengestellt sind, sofern eine Änderung eingetreten ist und der Bauherr dies beantragt. Auch wenn die Wirtschaftlichkeitsberechnung wegen Änderung der laufenden Aufwendungen fortgeschrieben worden ist, bleiben die Ansätze für Gesamtkosten, Finanzierungsmittel und laufende Aufwendungen unverändert (sog. Einfrierungsgrundsatz). Der Mieter hat gemäß § 29 NMV einen Auskunftsanspruch bis hin zur ursprünglichen Wirtschaftlichkeitsberechnung. (2) Bewilligung seit dem 1.1.2002 Das Inkrafttreten des WoFG zum 1.1.2002 hat hinsichtlich der Beschränkung der 50 Abschlussfreiheit keine grundlegende Änderung herbeigeführt. Der Verfügungsberechtigte darf nur mit Personen Mietverträge abschließen, die ihre Wohnberechtigung durch Übergabe eines Wohnberechtigungsscheins nachweisen, § 27 WoFG. Der Wohnberechtigungsschein wird bei Einhaltung bestimmter Einkommensgrenzen erteilt, § 9 WoFG. Bei der Ermittlung dieser Einkommensgrenzen werden auch Lebenspartner und andere Partner einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft berücksichtigt, § 18 WoFG. Verstößt der Verfügungsberechtigte gegen Förderauflagen, kann die zuständige Stel- 51 le neben den sonstigen öffentlich-rechtlichen Sanktionen von ihm verlangen, dass er das Mietverhältnis mit einem nicht wohnberechtigten Mieter kündigt. Vermag dieser die Kündigung nicht alsbald durchzusetzen, kann die zuständige Stelle gegenüber dem Mieter eine Räumungsverfügung erlassen, § 27 Abs. 6 WoFG. 2. Gewerberaummiete Gewerberaummiete ist anzunehmen, wenn Grundstücke und/oder Gebäude bzw. 52 Räume gegen Entgelt zu anderen als Wohnzwecken1 aufgrund schuldrechtlichen Vertrages unbefristet oder auf Zeit überlassen werden. Insoweit ist eine abweichende zweckwidrige Nutzung unbeachtlich, solange darüber keine Änderungsvereinbarung getroffen wurde2. 3. Abgrenzung Wohn- und Gewerberaummiete Maßgebliches Abgrenzungskriterium dafür, ob ein Mietverhältnis über Wohn- oder 53 Geschäftsraum vorliegt, ist der vereinbarte Zweck3. Maßgeblich sind also die übereinstimmenden Vorstellungen der Parteien bei Abschluss des Mietvertrages. Ob der Mieter die vorgesehene Nutzung tatsächlich realisiert, ist unerheblich. Lässt sich eine ausdrückliche oder stillschweigende Zweckbestimmung nicht ermit- 54 teln, ist im Zweifel von der objektiven Zweckbestimmung auszugehen. Deshalb begründet die Vermietung eindeutig zum Wohnen bestimmter Räume einen Wohnraummietvertrag. Werden dagegen als Ladenlokal, Büro, Werkstatt u.a. ausgestaltete Räume überlassen, kann ein Wohnraummietvertrag nur angenommen werden, wenn die Parteien übereinstimmend von einer Wohnraumnutzung ausgegangen sind. Das setzt voraus, dass die Parteien bei Abschluss des Vertrages davon ausgehen, dass sich der Mieter in den Räumen zumindest überwiegend privat aufhält, was nicht die Begründung des Lebensmittelpunktes erfordert. Mit Rücksicht darauf begründet auch der Dauernutzungsvertrag über Wohnraum zwischen einer Genossenschaft und ihrem Mitglied einen Wohnraummietvertrag4. Begründen die Parteien einen Gewerberaummietvertrag durch Verwendung eines Formulars für die Wohnraummiete, 1 BayObLG v. 25.3.1986 – REMiet 4/85, WuM 1986, 205. 2 OLG Hamburg v. 2.11.1994 – 4 U 228/93, NJW-RR 1997, 458. 3 BGH v. 13.2.1985 – VIII ZR 36/84, MDR 1986, 46; OLG Düsseldorf v. 13.2.1985 – VIII ZR 36/84, NZM 2007, 799. 4 Ständige Rechtsprechung: BGH v. 14.6.2006 – VIII ZR 128/05, ZMR 2006, 841 m.w.N.; zu Genossenschaftswohnungen umfassend Drasdo, NZM 2012, 585.

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Vor § 535 BGB kann darin der Parteiwille liegen, dass sich der Inhalt des Gewerberaummietverhältnisses nach den §§ 549 ff. BGB richten soll1. 55 Andererseits wird durch einen Mietvertrag über ein Grundstück mit der Befugnis, ein Wohnhaus zu errichten, das als Scheinbestandteil des Grundstücks in seinem Eigentum steht (§ 95 BGB), mangels anderweitiger Vertragsabsprachen kein Wohnraummietvertrag begründet. Im Vordergrund steht die Überlassung des Grundstücks2. Das Rechtsverhältnis bleibt Grundstücksmiete. Gleiches gilt, wenn ein Dauercamper eine Stellfläche anmietet3, oder bei der Vermietung eines Gebäudes zum Betrieb eines Senioren-, Alten- und Altenwohnheimes. 56 Solange die Parteien nicht die Geltung der Regelungen über die Wohnraummiete ausdrücklich vereinbaren, liegt im Verhältnis des Eigentümers zum Hauptmieter keine Wohnraummiete vor, wenn ein gewerblicher Zwischenmieter (z.B. bei größeren im sog. Bauherrenmodell erstellten Wohnbauten) Wohnungen anmietet, um diese an Wohnungssuchende weiterzuvermieten4. Wohnraummietrecht findet in dieser Konstellation aber auf den Mietvertrag mit dem Endmieter Anwendung. 57 Ebenso liegt ein Gewerberaum-Mietvertrag mit dem Eigentümer vor, wenn die Bundesrepublik Deutschland Wohnungen anmietet, um sie gemäß NATO-Truppenstatut den Angehörigen der anderen NATO-Streitkräfte zur Verfügung zu stellen5, oder ein Arbeitgeber Wohnungen anmietet, um sie bestimmungsgemäß an betriebsangehörige Personen weiterzuvermieten6. In diesen Fällen besteht der vertragsgemäße Gebrauch der Mieträume durch den Hauptmieter (Zwischenvermieter) gerade nicht im Bewohnen, sondern im Weitervermieten der Räume7. Gleichwohl kann der Endmieter Kündigungsschutz gegenüber dem Eigentümer in Anspruch nehmen, wenn der nicht gewerbliche Zwischenvermieter im Lager des Eigentümers steht8. Dafür ist darauf abzustellen, in wessen Interesse die Einschaltung des Zwischenvermieters erfolgt. Hat der Vermieter z.B. ein Mitspracherecht bei der Endvermietung und nimmt wesentlich Einfluss auf die Gestaltung des Endmietverhältnisses, steht der Zwischenvermieter in seinem (Interessen-)Lager9. Das ist wiederum nicht der Fall, wenn der Zwischenvermieter die Räume anmietet, um sie an Mitglieder einer speziellen Bevölkerungsgruppe weiterzuvermieten, die von ihm betreut werden10, und eine Wohnung sodann einem Mitarbeiter zur Verfügung stellt11. 58 Wird preisgebundener Wohnraum zur Weitervermietung überlassen, sollen die Regelungen des WoBinG und dessen Nebenbestimmungen (z.B. Neubaumietenverordnung – NMV) nur im Verhältnis zum Endmieter Anwendung finden12, solange deren Geltung im Verhältnis zwischen Vermieter und Zwischenvermieter nicht ausdrücklich vereinbart ist13. Dies ist zweifelhaft. Immerhin bestimmt § 21 Abs. 2 WoBindG, dass nur die Regelungen über die Zweckentfremdung auf das Verhältnis des Verfügungsberechtigten und des Wohnungsinhabers (= Zwischenvermieter) nicht an-

1 LG Berlin v. 9.9.2011 – 63 S 605/10, ZMR 2012, 275. 2 BGH v. 22.12.1995 – V ZR 334/94, MDR 1996, 678 = NJW 1996, 917; BGH v. 4.7.1984 – VIII ZR 270/83, MDR 1984, 1019 = NJW 1984, 2878. 3 Vgl. auch OLG Frankfurt v. 20.6.1985 – 1 U 235/84, MDR 1985, 1027 = NJW-RR 1986, 108. 4 BGH v. 21.4.1982 – VIII ARZ 16/81, MDR 1982, 747 = NJW 1982, 1696. 5 BGH v. 13.2.1985 – VIII ZR 36/84, MDR 1986, 46 = NJW 1985, 1772. 6 BGH v. 11.2.1981 – VIII ZR 323/79, MDR 1981, 752 = NJW 1981, 1377; BayObLG v. 30.8.1995 – REMiet 6/94, MDR 1996, 41 = ZMR 1995, 585. 7 BGH v. 3.7.1996 – VIII ZR 278/95, MDR 1996, 1108 = NJW 1996, 2862; OLG Düsseldorf v. 8.10.2002 – 24 U 237/01, WuM 2003, 151 = DWW 2003, 95. 8 KG v. 24.8.1995 – 8 U 1454/95, GE 1996, 49; OLG Hamburg v. 16.4.1993 – 4 U 243/92, MDR 1993, 640 = NJW 1993, 2322. 9 BayObLG v. 30.8.1995 – REMiet 6/94, WuM 1995, 645 = ZMR 1995, 585 = NJW-RR 1996, 76. 10 BayObLG v. 28.7.1995 – REMiet 4/94, WuM 1995, 638 = ZMR 1995, 526 = NJW-RR 1996, 73. 11 BayObLG v. 30.8.1995 – REMiet 5/94, MDR 1996, 40 = WuM 1995, 642 = ZMR 1995, 582 = NJWRR 1996, 71. 12 OLG Düsseldorf v. 8.10.2002 – 24 U 237/01, GuT 2003, 60. 13 KG v. 12.4.2007 – 12 U 65/06, NZM 2008, 42.

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Vor § 535 BGB wendbar sind. Daraus muss geschlossen werden, dass die gesetzlichen Bestimmungen im Übrigen gelten1. Eine einseitige Nutzungsänderung (Mieter nutzt als Geschäftsraum vermietete Räume zum Wohnen) führt nicht zu einer Änderung der mietvertraglich festgelegten Zweckbestimmung.

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4. Werkförderungsvertrag Durch den Werkförderungsvertrag stellen private oder öffentliche Arbeitgeber den 60 privaten Bauherrn Geldmittel zur Errichtung von Wohnungen gegen Einräumung des Rechts zur Verfügung, die Wohnungen mit ihren Arbeitnehmern zu belegen. Werkförderungsverträge sind Darlehensverträge mit werkvertraglichen Elementen, so dass § 550 BGB nicht anwendbar ist2. Die Gestaltung des Nutzungsverhältnisses ist unterschiedlich und wird regelmäßig 61 im Werkförderungsvertrag festgelegt. In Betracht kommt eine unmittelbare Anmietung durch den Darlehensgeber, der die Wohnungen im Wege der Untervermietung an seine Arbeitnehmer überlässt3. Es kann aber auch vorgesehen sein, dass der Darlehensgeber bestimmte Arbeitnehmer benennt und der Darlehensnehmer mit ihm unmittelbar einen Mietvertrag abschließt. In keiner Konstellation wird Wohnraummiete begründet, sondern ist der Vertrag zwischen Eigentümer und Arbeitgeber der Gewerberaummiete zuzuordnen. Da der Werkförderungsvertrag einen Vertrag zugunsten des künftigen Mieters darstellt4, kann sich dieser seinem Vermieter gegenüber grundsätzlich unmittelbar auf die darin enthaltene Mietpreis- und Kündigungsbeschränkung berufen.

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Übermäßig langfristig abgeschlossene Belegungsrechte, die lange nach Rückzahlung 63 der Darlehen andauern, können gemäß §§ 138, 242 BGB angemessen abgekürzt werden. Wird in einem Werkförderungsvertrag das Belegungsrecht für eine bestimmte Zeit festgelegt, erlischt es grundsätzlich nicht deshalb früher, weil das Darlehen vorzeitig zurückgezahlt wird5. Die Rechte aus einem Belegungsrecht können grundsätzlich übertragen werden, wenn die Übertragung nicht zur Inhaltsänderung der Leistung führt6. 5. Mischmietverhältnis a) Grundsätze Ein solches Vertragsverhältnis ist gegeben, wenn durch einen Mietvertrag Geschäfts- 64 und Wohnräume einheitlich vermietet werden. Ob ein solcher Vertrag ein einheitliches Schicksal haben sollte, sich also einheitlich nach Wohn- oder Gewerberaummietrecht richten sollte, hängt in erster Linie vom Parteiwillen ab, also die gemeinsamen und übereinstimmenden Vorstellungen der Parteien bei Vertragsschluss darüber, wie der Mieter das Objekt nutzen will und welche Art der Nutzung im Vordergrund steht7. Ob der Mieter die vorgesehene Nutzung tatsächlich realisiert, ist ohne Bedeutung8. Ausschlaggebend ist insoweit nicht, ob die Parteien in der Vertragsurkunde das Miet- 65 verhältnis als Wohn- oder Geschäftsraummietverhältnis bezeichnen; vielmehr kommt es auf ihren wirklichen Willen an. Ein entgegenstehender vorgetäuschter Wille ist un1 2 3 4 5 6 7

Ähnlich: Bellinger, Wohnungsbaurecht, § 21 WoBindG Anm. 3.1. BGH v. 12.7.1967 – VIII ZR 250/64, BGHZ 48, 244, 246 = WPM 1967, 982. BGH v. 11.2.1981 – VIII ZR 323/79, MDR 1981, 752 = NJW 1981, 1377. BGH v. 16.9.1966 – VIII ZR 202/64, NJW 1967, 2260. BGH v. 8.1.1975 – VIII ZR 184/73, NJW 1975, 381. BGH v. 25.9.1972 – VIII ZR 102/71, WM 1973, 755. Sog. Schwergewichts- oder Übergewichtstheorie: BGH v. 30.3.1977 – VIII ZR 153/75, NJW 1977, 1394; BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842 = ZMR 1986, 278; OLG Hamburg v. 2.11.1994 – 4 U 228/93, NJW-RR 1997, 458; OLG Stuttgart v. 7.11.1985 – 8 REMiet 3/84, ZMR 1986, 52; OLG Hamm v. 12.7.1985 – 9 U 85/85, ZMR 1986, 11; kritisch Rinke, ZMR 2003, 13. 8 OLG Karlsruhe v. 21.5.2012 – 9 U 18/12, WuM 2012, 666.

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Vor § 535 BGB beachtlich. Im Zweifelsfall können die Parteien durch eine vertragliche Regelung klarstellen, nach welchem Recht das Mietverhältnis beurteilt werden soll. Als Indiz für eine derartige Vereinbarung kann angesehen werden, wenn die Parteien zur Regelung ihrer Beziehung ein für die Wohnraummiete gedachtes Formular verwenden. 66 Lässt sich der Parteiwille nicht ermitteln, muss auf die Umstände abgestellt werden, die das Mietverhältnis prägen, wobei die Verhältnisse ausschlaggebend sind, die überwiegen (sog. Übergewichtstheorie1). Als erste Orientierung für den Willen, welchen Charakter die Parteien dem Mietvertrag beimessen wollten, dient in der Praxis häufig das gewählte Vertragsmuster. Die Verwendung eines Formularmietvertrages kann insoweit aber nicht ausschlaggebend sein. Denn verwenden die Parteien z.B. ein Wohnraummietvertragsformular für die Überlassung von Räumen zur teilgewerblichen Nutzung, wobei die gewerbliche Nutzung übereinstimmend überwiegen soll, richtet sich der Charakter des Mietvertrages nicht nach Wohnraummietrecht2. 67 Die Indizien für den Parteiwillen ergeben sich häufig aus dem Flächenverhältnis, der Miete für die einzelnen Nutzungsarten, soweit sie separat kalkuliert wurde, und der Nutzung selber. Letzteres ist trotz anderem Flächenverhältnis für die Annahme von Gewerberaummiete ausschlaggebend, wenn ein Mietobjekt aus einem kleinen Laden und einer großen Wohnung besteht und der Mieter aus dem Betrieb des Ladens seinen Lebensunterhalt bestreitet3. Gleiches gilt, wenn ein Rechtsanwalt in den gemieteten Räumen sowohl wohnt als auch seine Kanzlei betreibt4 oder ein Zahnarzt eine Wohnung auch zum Zwecke der Berufsausübung nutzen darf5. Bei der Bezeichnung des Mietgegenstandes mit „Gewerbefläche im VHS/1. OG/rechts mit einer Gesamtfläche von ca. 159 qm“ und des Mietzwecks mit „Betrieb einer Naturheilpraxis sowie einer Heilpraktikerschule sowie zu Teilen zu Wohnzwecken“ liegt der Schwerpunkt regelmäßig in dem Bereich, der keinem Kündigungsschutz unterliegt6. 68 Spätere Änderungen lassen den ursprünglichen Charakter des Mietvertrages unberührt, solange die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbaren. Allein der Umstand, dass bei einem zunächst über Lagerräume geschlossenen Mietvertrag eine Erweiterung stattfindet, nach der zusätzliche Lagerräume, aber auch Räume zur Weitervermietung als Wohnraum überlassen werden, führt nicht zu einer Änderung des als Gewerbemietvertrag abgeschlossenen Vertragszwecks7. Dies wird auch durch § 565 BGB bestätigt. Danach ist nämlich der Vertrag zur Fremdvermietung von Wohnraum zunächst ein Gewerbemietvertrag8. Allein mit dem Untermieter wird ein Mietverhältnis, das den Regeln der Wohnraummiete unterliegt, abgeschlossen. Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter bleibt jedoch, auch wenn Wohnraum Gegenstand des gewerblichen Vertragsverhältnisses ist, Gewerbemietrecht anwendbar. 69 Selbst wenn durch einen Verkauf des einen oder anderen Mietobjektes unterschiedliche Eigentümer/Vermieter wegen § 566 BGB dem Mieter gegenüberstehen, bleibt die Einheit bestehen. Der Erwerber tritt neben dem bisherigen Vermieter in das Mietverhältnis ein. Das Innenverhältnis zwischen den Vermietern richtet sich nach den Regelungen der Bruchteilsgemeinschaft9, nach welchen der Grundsatz der gemeinsamen Verwaltung gilt, §§ 744, 745 BGB. Durch diesen Grundsatz wird die Anwendung des

1 BGH v. 30.3.1977 – VIII ZR 153/75, NJW 1977, 1394; BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842 = ZMR 1986, 278; OLG Schleswig v. 18.6.1982 – 6 REMiet 3/81, MDR 1982, 1020 = NJW 1983, 49; OLG Hamm v. 12.7.1985 – 9 U 85/85, ZMR 1986, 11; OLG München v. 2.7.1993 – 21 U 6514/90, ZMR 1995, 295. 2 KG v. 3.5.1999 – 8 U 5702/97, NZM 2000, 338. 3 KG v. 26.1.1995 – 8 U 7899/93, GE 1995, 1205; OLG Stuttgart v. 31.3.2008 – 5 U 199/07, MDR 2008, 1091. 4 BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842 = NJW-RR 1986, 877. 5 OLG Köln v. 12.6.2001 – 3 U 172,00, ZMR 2001, 963. 6 KG v. 17.6.2010 – 12 U 51/10, ZMR 2010, 956. 7 OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 199/01, WuM 2002, 481 = NZM 2002, 739 = ZMR 2002, 589. 8 BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, NJW-RR 1986, 877 = MDR 1986, 46. 9 Vgl. BGH v. 28.9.2005 – VIII ZR 399/03, WuM 2005, 790 = ZMR 2006, 30; BGH v. 28.4.1999 – VIII ARZ 1/98, BGHZ 141, 239, 244 = MDR 1999, 985.

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Vor § 535 BGB § 420 BGB auf Forderungen der Gemeinschaft gegen einen Mieter aber ausgeschlossen, da die Forderung auf eine im Rechtssinne unteilbare Leistung gerichtet ist1. Die isolierte Geltendmachung der Miete für einen Teil des Mietobjektes durch einen Vermieter ist daher nicht möglich, selbst wenn ihm im Innenverhältnis auf Vermieterseite dieser Teil alleine zusteht. Im Übrigen steht dem Mieter gegenüber dem Erwerber einer Wohnung, dessen Sondereigentum der vermietete Kellerraum nach der Überlassung zugeordnet wurde, ein Recht zum Besitz zu2. Dass dem Mieter die private Nutzung gestattet ist, deren Umfang er allein bestim- 70 men kann, steht der Vereinbarung, dass die gewerbliche Nutzung gleichwohl im Vordergrund stehen soll, nicht entgegen3. Werden in einem einheitlichen Mietvertrag Räume zur Benutzung als Wohnung überlassen und wird dem Mieter gestattet, zwei der Räume als Labor gegen Zahlung eines Gewerbezuschlages von 20 % der Miete zu nutzen, liegt der Schwerpunkt auf dem Wohnzweck4. Lässt der Mietvertrag nicht erkennen, ob die Mieträume überwiegend zu gewerblichen oder zu Wohnzwecken vermietet sind, nutzt der Mieter die Räume aber überwiegend zu Wohnzwecken, ist diese Nutzung vom Vertragswillen gedeckt5. Dagegen liegt Wohnraummiete vor, wenn ein früherer Laden entgegen dem schriftlichen Mietvertrag aufgrund mündlicher Vereinbarung zur Benutzung als Wohnung und Küche vermietet wird6. b) Rechtsfolge der Mischnutzung Die Bestimmung des Schwerpunktes führt grundsätzlich zur Anwendung der maß- 71 geblichen Vorschriften für das gesamte Mietverhältnis. Kann der Mietvertrag also insgesamt als Wohnraummietvertrag qualifiziert werden, gilt der Kündigungsschutz (§§ 573 ff. BGB) und kann der Vermieter eine Mieterhöhung nur nach den §§ 558 ff. BGB geltend machen. Auch im Verfahrensrecht gelten die für die Wohnraummiete bestehenden Besonderheiten (z.B. § 721 ZPO). Ausnahmen müssen dort stattfinden, wo sich eine Vertragsregelung ausschließlich auf die gewerbliche Nutzung bezieht (z.B. Konkurrenzschutz, Betriebspflicht). Deshalb können insoweit auch entgegen § 555 BGB Vertragstrafen vereinbart werden (vgl. § 555 BGB Rz. 3). Beurteilt sich dagegen der Mietvertrag allein nach Gewerbemietrecht, kann der Mie- 72 ter sich nicht auf Kündigungsschutz und die sonstigen Bestimmungen zum Schutz des Mieters von Wohnraum berufen, selbst wenn er die Räume für sich und seine Familienangehörigen als Lebensmittelpunkt nutzt. Hier gilt dann auch die Kündigungsfrist des § 580a Abs. 2 BGB. c) Gleichwertigkeit der Nutzungen Ergibt die Auslegung kein Übergewicht der einen oder anderen Nutzungsart, ist es 73 streitig, welchem Recht der Vertrag folgt. Der BGH7 hat die Frage offen gelassen. Die h.M. hat sich für die Anwendung der Vorschriften über die Wohnraummiete ausgesprochen8. d) Einheitliches Mietverhältnis Dabei erfasst eine Vereinbarung zwei oder mehrere getrennte Mietobjekte (z.B. Woh- 74 nung und Garage), was auch durch verschiedene Urkunden geschehen kann. Maß1 2 3 4 5 6 7

BGH v. 14.3.1983 – II ZR 102/82, WM 1983, 604. AG Köln v. 23.11.2005 – 113 C 297/05, WuM 2007, 11. BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842 = WuM 1986, 274. LG Berlin v. 7.9.1987 – 61 S 94/87, MDR 1988, 146. LG Berlin v. 8.8.1988 – 61 S 7/88, ZMR 1988, 464. LG Berlin v. 8.8.1988 – 61 S 7/88, ZMR 1988, 464. BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, ZMR 1986, 280; ebenso: OLG Hamburg v. 16.5.1979 – 4 U 24/79, ZMR 1979, 280. 8 LG Frankfurt v. 19.3.1991 – 2/11 S 349/90, ZMR 1992, 542; AG Schwetzingen v. 14.1.1977 – 3 C 189/76, BB 1977, 1274; AG Friedberg v. 16.6.1982 – C 161/82, WuM 1983, 237; vgl. u.a. Staudinger/ Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 29; gegen die Anwendbarkeit von Wohnraummietrecht: LG Mannheim v. 2.11.1967 – 12 T 158/67, ZMR 1968, 190; LG Mannheim v. 1.12.1965 – 6 S 44/64, ZMR 1966, 107.

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Vor § 535 BGB geblich ist auch hier der Parteiwille. Dieser muss auf Schaffung einer Einheit zwischen beiden Mietgegenständen bzw. den verschiedenen Urkunden gerichtet sein. 75 Ist die Einheit streitig und besteht ein räumlicher und/oder zeitlicher Zusammenhang zwischen der Vermietung der verschiedenen Objekte, spricht eine widerlegliche Vermutung für den Willen, ein einheitliches Mietverhältnis zu schaffen1. Wird also nachträglich ein Mietverhältnis über einen Stellplatz oder eine Garage auf dem Grundstück, auf dem das Mietobjekt steht, geschlossen, spricht dies für die Einheit dieses Vertrages mit dem bestehenden Mietvertrag. Die (widerlegliche) Vermutung gilt dagegen nicht, sobald die weitere Mietsache nur in unmittelbarer Nähe zu dem Grundstück des Vermieters liegt2. Dies gilt erst recht, wenn nicht nur nach der dinglichen Rechtslage, sondern auch nach dem äußeren Erscheinungsbild z.B. Wohnung und Garage auf verschiedenen Grundstücken liegen. Hier kann die Einheit allenfalls aus einer gleichzeitigen Begründung beider Mietverträge hergeleitet werden. 76 Die Vermutung ist bei einem entsprechenden Vorbehalt, der bei Abschluss des (letzten) Vertrages erklärt sein muss, widerlegt3. Weitere Indizien für getrennte Verträge können sich ergeben aus – verschiedenen Vertragsparteien4, – unterschiedlich geregelten Kündigungsfristen5, – der getrennten Abwicklung der Verträge (z.B. separate Mietzahlungen, unterschiedliche Mietkonten), – einheitliche Rechtsnachfolge in von unterschiedlichen Vertragspartnern abgeschlossenen Mietverträgen6, – dem zeitlichen Unterschied zwischen der Überlassung der einzelnen Objekte (z.B. 18 Jahre7). 77 Der über eine Wohnung und eine Garage geschlossene einheitliche Mietvertrag wird durch die Veräußerung der Einheiten an verschiedene Erwerber nicht in mehrere Mietverhältnisse aufgespalten; vielmehr treten die Erwerber in den einheitlichen Mietvertrag ein8. Ihr Verhältnis bestimmt sich nach den Regelungen über die Bruchteilsgemeinschaft9. Demnach müssen beide Erwerber einheitlich kündigen und sonstige Willenserklärungen abgeben10. Im Zweifel muss der eine Erwerber den anderen z.B. auf Zustimmung zur Abgabe der entsprechenden Willenserklärung gerichtlich in Anspruch nehmen. Eine Kündigungsbefugnis tritt erst ein, wenn der/die Erwerber eingetragen ist/sind11. 78 Ein einheitlicher Vertrag hat zur Folge, dass eine separate Kündigung (Teilkündigung) eines Vertragsobjektes unzulässig ist und sich die Abwicklung des Vertrages im Übrigen (z.B. Mieterhöhung) nach den Vorschriften richtet, die auf den überwiegenden Vertragsteil anzuwenden sind.

1 OLG Karlsruhe v. 30.3.1983 – 3 REMiet 1/83, NJW 1983, 1499; BayObLG v. 12.12.1990 – REMiet 2/90, ZMR 1991, 174 = BayObLGZ 1990, 329 ff. 2 BGH v. 12.11.2011 – VIII ZR 251/10, WuM 2012, 14 = GE 2012, 58. 3 LG Duisburg v. 29.4.1986 – 7 S 365/85, NJW-RR 1986, 1211; AG Menden v. 30.12.1998 – 4 C 134/98, WuM 1999, 573. 4 AG Mannheim v. 21.6.1992 – 14 C 92/92, DWW 1992, 370; AG Wuppertal v. 26.3.1992 – 97 C 8/92, WuM 1992, 611; AG Dorsten v. 29.6.1990 – 8 C 444/90, WuM 1991, 35; AG Köln v. 11.9.1992 – 221 C 172/92, WuM 1993, 611 (dies gilt aber nicht, wenn die auf Vermieterseite unterschiedliche Personen stehen, weil eine Aufteilung nach § 8 WEG stattgefunden hat). 5 LG Berlin v. 11.9.1986 – 61 S 187/86, MDR 1987, 142 = ZMR 1987, 18; LG Hamburg v. 5.4.1991 – 311 S 262/90, WuM 1991, 672; LG München I v. 17.7.1991 – 14 S 10344/90, WuM 1992, 15. 6 AG Frankfurt v. 25.3.2003 – 301 C 3558/02-49, ZMR 2003, 743. 7 BayObLG v. 12.12.1990 – REMiet 2/90, WuM 1991, 78. 8 BGH v. 26.4.2012 – V ZR 276/11, ZMR 2012, 692. 9 BGH v. 28.9.2005 – VIII ZR 399/03, MDR 2006, 380 = WuM 2005, 790. 10 BGH v. 26.4.2012 – V ZR 276/11, ZMR 2012, 692. 11 BGH v. 26.4.2012 – V ZR 276/11, ZMR 2012, 692.

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Vor § 535 BGB V. Vertragsverbindungen und typengemischte Verträge 1. Vertragsverbindungen Vertragsverbindungen (oder sog. gemischte Verträge) liegen vor, wenn zwischen den 79 gleichen Parteien ein Mietvertrag und ein selbständiger anderer Vertragstyp bestehen, die zwar ein tatsächlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang verbindet, deren Bestand aber nicht voneinander abhängt. Beide Verträge folgen daher den für sie geltenden Bestimmungen. Eine derartige Kombination kann z.B. bestehen, wenn zwischen den gleichen Partei- 80 en ein Mietvertrag über ein Gebäude und ein Leihvertrag über Grundstücksflächen bestehen. Allerdings ist insoweit auch der Frage nachzugehen, inwieweit der einzelne Vertrag nicht Indizien enthält, die für eine einheitliche Vertragsbeziehung sprechen1. Wie bei einheitlichen Mietverträgen (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 74) ist auch insoweit der Wille der Parteien maßgeblich. Entscheidend ist, ob sich aus den Erklärungen der Parteien unter Berücksichtigung der Interessenlage der Wille ergibt, dass die Vereinbarungen nicht für sich alleine gelten, sondern miteinander stehen und fallen sollten, also nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich zu einer Geschäftseinheit verbunden werden sollten2. Dabei genügt bereits der Einheitlichkeitswille einer Partei, wenn er für die andere erkennbar war und von ihr gebilligt oder hingenommen worden ist. Diese Voraussetzungen liegen bei den zum Zwecke des „Betreuten Wohnens“ geschlossenen Verträgen, nämlich einem Mietvertrag und einem Mieterbetreuungsvertrag, vor, wenn dem Mieter bekannt war, dass der Vermieter mit ihm keinen Mietvertrag abgeschlossen hätte, wenn er nicht zugleich den Mieterbetreuungsvertrag unterzeichnet hätte3. Auch bei einer Werkmietwohnung (§ 576 BGB) kann eine Vertragsverbindung vorlie- 80a gen, wenn „mit Rücksicht auf das Bestehen eines Dienstvertrages“ ein Mietvertrag geschlossen wird. Gleichwohl folgen die Verträge jeweils den für sie geltenden Vorschriften der §§ 535 ff. BGB und §§ 611 ff. BGB4. Davon zu unterscheiden ist die Überlassung von Wohnraum im Rahmen eines Dienstverhältnisses und als Teil der Vergütung für die Dienste. Hier kommt kein eigenständiger Mietvertrag über die Werkdienstwohnung zustande, so dass die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gegeben sein kann. Nur hinsichtlich der Beendigung erklärt § 576b BGB die mietrechtlichen Vorschriften für anwendbar5. Auch das Leasing gehört in diese Kategorie6. Diese Vertragsart enthält mietrecht- 80b liche Elemente (entgeltliche Gebrauchsüberlassung) mit Elementen des Darlehens und des Kaufs. Die wesentlichen Merkmale bestehen darin, dass das Wirtschaftsgut steuerlich dem Nutzer zugerechnet wird, dem auch die Abschreibungen zustehen, und je nachdem, wie der Vertrag ausgestaltet ist, nach Ablauf der Vertragszeit eine Kaufoption besteht7. Auch der Mietkauf besteht aus Elementen der Miete und des Kaufs. Er kann als Mietvertrag mit Ankaufsrecht oder als Ratenzahlungskauf gestaltet werden8. Die Einigung ist beurkundungspflichtig soweit der Vertragsgegenstand eine Immobilie ist9.

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2. Zusammengesetzte Verträge In dieser Konstellation ist der Parteiwille darauf gerichtet, zwei selbständige Verträ- 81 ge zu schließen, die aber gleichsam miteinander „stehen und fallen“ sollen. Das ist et-

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BGH v. 20.4.2012 – V ZR 276/11, WuM 2012, 314. BGH v. 30.4.1976 – V ZR 143/74, NJW 1976, 1931. LG Kiel v. 10.1.2002 – 1 S 148/01, zitiert nach juris. BGH, LM BGB § 553 Nr. 4; OLG Karlsruhe v. 4.7.1983 – 9 REMiet 3/82, WuM 1983, 251. BAG v. 2.11.1999 – 5 AZB 18/99, WuM 2000, 362 mit Anm. Julius, WuM 2000, 340. Zum Immobilienleasing vgl. Bieber/Ingendoh/Maywald, § 16 Rz. 1 ff. Vgl. im Einzelnen Bub/Treier/Reinstorf, I Rz. 46 ff. Hügel/Salzig, Mietkauf, A Rz. 8 f. BGH, NJW 1987, 1069.

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Vor § 535 BGB wa bei einem Miet- oder Pachtvertrag mit einer Brauerei der Fall, wenn gleichzeitig eine vertragliche Bierbezugspflicht begründet wird1. Auch Werkförderungsverträge beinhalten einen Darlehens- und einen Werkvertrag2. 3. Verträge mit andersartiger vertraglicher Nebenleistung 82 Hier liegt eine Zusammenfassung oder Aneinanderkettung verschiedenartiger Leistungen vor. Gleichwohl ist eine Leistung nach dem Parteiwillen prägend (Hauptleistung), während die anderen Leistungen als Nebenpflichten betrachtet werden. Deshalb ist der vorherrschende Vertragstyp maßgeblich3. Ein Beispiel ist der Vertrag über die Benutzung eines Fitness-Centers4. Neben der Gebrauchsüberlassung der Räume und Geräte beinhaltet der Vertrag die Beaufsichtigung und Einweisung. 4. Verträge mit atypischer Gegenleistung 83 Hier besteht zumindest ein Teil der Gegenleistung nicht in der Bezahlung der Miete, sondern wird z.B. durch Dienstleistungen erbracht. Hierher gehört der Hausmeistervertrag, bei dem ein Mietnachlass im Wert der Vergütung für Tätigkeit erfolgt. Auch hier kann verfahrensrechtlich u.U. die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben sein, wenn die Überlassung der Wohnung im Rahmen des Dienstvertrages erfolgt (sog. Werkdienstwohnung i.S.v. § 576b BGB)5. 5. Typenverschmelzungsvertrag 84 In dieser Konstellation werden Elemente verschiedener typischer oder atypischer Verträge zu einer Einheit verbunden (§ 139 BGB), so dass die für den entsprechenden Vertragstyp gültigen Vorschriften gelten6. a) Beherbergungsvertrag 85 Der Beherbergungsvertrag (Unterbringung in Hotel oder Pension) ist ein gemischter Vertrag, der miet-, kauf-, dienst-, werk- und verwahrungsvertragliche Elemente aufweist. Das Kernelement ist jedoch Miete, nämlich Miete eines möblierten Wohnraumes7. Den Hotelier trifft daher die Haftung aus § 536a Abs. 1 BGB8. Die Vorschriften über Wohnraummietverhältnisse finden mit der Beschränkung des § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB Anwendung. Der Erwerber hat auch bei dem Erwerb vom Zwangsverwalter zusätzlich § 613a BGB zu beachten9. 86 Der eigentlichen Beherbergung kann ein Hotelreservierungsvertrag vorausgehen. Er wirkt wie ein Vorvertrag10. b) Internatsschulvertrag 87 Der Internatsschulvertrag ist Dienstvertrag11. Er stellt sich, soweit es um die Unterbringungs- und Betreuungsleistungen geht, als Vertrag auch zugunsten des Kindes dar12.

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BGH, LM BGB § 139 Nr. 46; BGH v. 7.2.1986 – V ZR 176/84, BGHZ 97, 147 = MDR 1986, 742. BGH v. 16.9.1966 – VIII ZR 202/64, NJW 1966, 2260. BGH v. 7.11.1994 – II ZR 270/93, GmbHR 1995, 38 = MDR 1995, 162 = NJW 1995, 326. BGH v. 23.10.1996 – XII ZR 55/95, MDR 1997, 126 = NJW 1997, 339. BAG v. 2.11.1999 – 5 AZB 18/99, WuM 2000, 362. BGH v. 6.10.1971 – VIII ZR 14/70, BGHZ 57, 112; BGH v. 9.12.1974 – VII ZR 180/73, BGHZ 63, 306, 312. BGH v. 29.3.1978 – VIII ZR 220/76, WM 1978, 733 = BGHZ 71, 175; BGH v. 18.12.1974 – VIII ZR 187/73, NJW 1975, 645; OLG Hamm v. 25.1.1995 – 30 U 117/94, ZMR 1995, 206. BGH v. 18.12.1974 – VIII ZR 187/73, NJW 1975, 645. BAG v. 18.8.2011 – 8 AZR 230/10, NZM 2012, 384. BGH v. 24.11.1976 – VIII ZR 21/75, NJW 1977, 385. BGH v. 28.2.1985 – IX ZR 92/84, MDR 1985, 668 = NJW 1985, 2585. BGH v. 11.3.1980 – VI ZR 66/79, MDR 1980, 923 = NJW 1980, 1745.

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Vor § 535 BGB c) Lehrlings-, Jugend- und Studentenwohnheim Demgegenüber ist der Vertrag über die Aufnahme eines Schülers in ein Schülerwohn- 88 heim seinem Schwerpunkt nach Wohnraummietvertrag1. Eventuell zu erbringende Betreuungsleistungen treten hinter Unterbringung und Versorgung des Schülers zurück2. Ebenso unterliegt der Vertrag über die Aufnahme in ein Lehrlings-/Studentenwohnheim dem Wohnraummietrecht mit der Beschränkung der §§ 549 Abs. 3, 551 Abs. 3 BGB. d) Altenheimvertrag Erfasst werden darunter Verträge sowohl über einen Platz/Zimmer/Appartement/ 89 Wohnung inklusive Verpflegung und Betreuung3 als auch im sog. „Betreuten Wohnen“4. Insoweit kommt es auf die Vertragsgestaltung an, wobei regelmäßig die Wohnraummiete im Vordergrund steht, solange keine besondere Pflege vereinbart wird oder maßgeblicher Grund für den Vertragsschluss ist. Bestehen zwei getrennte Verträge, von denen der Mietvertrag keine besondere Kündigungsmöglichkeit vorsieht, der Betreuungsvertrag aber ausdrücklich Kündigungsvoraussetzungen regelt, können die Verträge grundsätzlich isoliert gekündigt werden5. Setzt sich im Einzelfall ein Heimvertrag aus Elementen verschiedener Vertragstypen (gemischter Vertrag) zusammen, bleibt er dennoch ein einheitliches Ganzes und kann deshalb nur einem Vertragsrecht unterstellt werden, nämlich demjenigen, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrags liegt6. Steht im Einzelfall (wie bei der Altenwohnung) die Wohnungsgewährung deutlich im 90 Vordergrund, ist Mietrecht anwendbar mit der Folge, dass der Heimbewohner Bestandsschutz gemäß den §§ 573 ff. BGB genießt, andererseits aber bezüglich der Miethöhe den Bestimmungen der §§ 557 ff. BGB unterworfen ist7. Wird demgegenüber alten, pflegebedürftigen oder behinderten Menschen nicht nur dauerhaft Unterkunft, sondern daneben auch Verpflegung und Betreuung gewährt oder vorgehalten, finden die teils unabdingbaren Regeln des WBVG Anwendung. e) Campingvertrag Der Campingvertrag umfasst das Recht zum Aufstellen von Wohnwagen, Wohnmobilen, Zelten u.Ä. auf einem Campingplatz gegen Entgelt, häufig verbunden mit der Pflicht, Wasch-, Dusch- und Toiletteneinrichtungen zu stellen. Gleichwohl handelt es sich um Miete8.

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f) Ferienhausvertrag mit Reiseanbieter Auf den Mietvertrag über ein Ferienhaus oder eine Ferienwohnung (zu Urlaubszwe- 92 cken) ist § 651f Abs. 2 BGB entsprechend anwendbar9, soweit das Objekt nicht direkt vom Eigentümer angemietet wurde10 ebenso bei der Anmietung eines Wohnmobils zu Urlaubszwecken11.

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LG Konstanz v. 8.7.1994 – 1 S 26/94, WuM 1995, 539. Bub/Treier/Reinstorf, I Rz. 122; MünchKomm/Häublein, Vor § 535 BGB Rz. 25. BGH v. 14.10.1981 – VIII ZR 331/80, MDR 1982, 401. BGH v. 16.9.2003 – VIII ZR 187/03, NZM 2004, 22. LG Neubrandenburg v. 13.6.2012 – 1 S 139/11, WuM 2012, 455. BGH v. 22.3.1989 – VIII ZR 154/88, MDR 1989, 731 = NJW 1989, 1673; zur Rechtsnatur des Betreuungsvertrags s. BGH v. 5.7.2001 – III ZR 310/00, MDR 2001, 1163 = NJW 2001, 2971; zur Wirksamkeit dynamischer Verweisung in vorformulierten Heimverträgen auf einen Rahmenvertrag s. BGH v. 8.11.2001 – III ZR 14/01, MDR 2002, 79 = NJW 2002, 507. Bub/Treier/Reinstorf, I Rz. 124. OLG Frankfurt v. 20.6.1985 – 1 U 235/84, MDR 1985, 1027; OLG Koblenz v. 24.5.1966 – 6 U 702/65, NJW 1966, 2017. BGH v. 17.1.1985 – VII ZR 163/84, MDR 1985, 569 = NJW 1985, 906. OLG München v. 2.7.1993 – 21 U 1566/93, ZMR 1993, 524. OLG Karlsruhe v. 11.3.1988 – 14 U 313/86, MDR 1988, 580 = ZMR 1988, 223.

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Vor § 535 BGB g) Schiffsreise- und Schlafwagenvertrag 93 Beim Schiffsreisevertrag und beim Schlafwagenvertrag steht ebenso wie bei der Beförderung im Liegewagen die Beförderungsleistung und nicht die Raumgewährung im Vordergrund1. 94 Schiffscharter ist dann Mietvertrag, wenn das Schiff ohne Ausrüstung und ohne Besatzung auf Zeit gegen Entgelt überlassen wird. Andernfalls liegt Raumpacht vor2. Werden Schiffe durch einen „Veranstalter“ zu Urlaubszwecken verchartert, können die §§ 651 f. BGB anwendbar sein3. h) Krankenhausbettverträge 95 Verträge über die Aufnahme von Patienten in das Krankenhaus weisen zwar auch mietvertragliche Elemente auf. Ganz eindeutig im Vordergrund steht jedoch das dienstvertragliche Element4. 96 Belegungsverträge der Sozialversicherungsträger mit Sanatorien, Kurheimen, Gasthöfen u.Ä. sind im Kernbereich Mietverträge; Kauf- und Werkvertragselemente für Nebenleistungen treten hinzu. 97 Belegarztverträge schließt der Belegarzt mit dem Krankenhausträger. Dabei handelt es sich um ein atypisches Dauerschuldverhältnis, das i.d.R. keinem der im BGB entwickelten Vertragstypen entspricht5, aber bei Entgeltlichkeit Elemente der Miete enthält. i) Mietkaufvertrag 98 Mietkaufverträge können über bewegliche und unbewegliche Sachen getätigt werden. Beim Mietkauf räumt der Vermieter dem Mieter das Recht ein, innerhalb einer bestimmten Frist die Mietsache zu einem vorher festgelegten Preis zu kaufen; die bis dahin vertragsgemäß gezahlte Miete wird dann zumindest teilweise auf den Kaufpreis angerechnet. Die Mietrate wird oft recht hoch angesetzt, um den Mieter zum Ankauf zu veranlassen. Vor Ausübung der Kaufoption findet Mietrecht und danach Kaufrecht Anwendung6. Falls dem Mieter einer beweglichen Sache von Anfang an ein gesichertes Erwerbsrecht eingeräumt wird, sind die §§ 491 ff. BGB zu beachten. j) Tankstellenvertrag 99 Der Tankstellenvertrag kann nicht einheitlich beurteilt werden: Überlässt der Eigentümer der Mineralölgesellschaft ein nicht als Tankstelle eingerichtetes Grundstück zur Errichtung und zum Betrieb einer Tankstelle, liegt Grundstücksmiete vor. Wird der Mineralölgesellschaft ein bereits als Tankstelle eingerichtetes Grundstück überlassen, handelt es sich um Pacht. Gegenstand des Nutzungsverhältnisses ist dann nämlich eine zum Fruchtgenuss geeignete und nach dem Vertrag dazu bestimmte Sache. Durch den sog. Stationärvertrag stellt der Verwalter (Grundstückseigentümer oder -mieter) das Tankstellengrundstück der Mineralölgesellschaft zum Gebrauch als Tankstelle zur Verfügung. Diese richtet darauf die Tankstelle ein und lässt sie durch den Verwalter betreiben. Hierbei handelt es sich um einen gemischten Vertrag mit miet- und dienstvertraglichen Elementen. Letztere überwiegen7, was allerdings nicht dazu führt, dass auf den Vertrag ausschließlich Dienstvertragsrecht Anwendung findet8.

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MünchKomm/Häublein, Vor § 535 BGB Rz. 25. Argyrialis, MDR 1958, 728. OLG München v. 7.11.1986 – 21 U 4765/84, NJW-RR 1987, 366. Näheres Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 51. BGH v. 28.2.1972 – III ZR 212/70, NJW 1972, 1128. MünchKomm/Häublein, Vor § 535 BGB Rz. 17. MünchKomm/Häublein, Vor § 535 BGB Rz. 32. BGH v. 9.6.1969 – VII ZR 49/67, BGHZ 52, 171, 175.

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Vor § 535 BGB k) Nutzung öffentlicher Flächen Die Sondernutzung öffentlicher Wege- und Straßenflächen (z.B. durch Aufstellen von 100 Ständen, Verkaufswagen u.Ä.) ist durch Bundes- und Landesgesetze geregelt. Sie erfolgt nach öffentlichem Recht. Das Gleiche gilt für die Überlassung von Ständen, Boxen u.Ä. in kommunalen Markthallen, Schlachthöfen, Kühlhäusern u.Ä., falls die Gemeinde oder sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaft das Nutzungsrecht aufgrund öffentlich-rechtlicher Satzung vergibt. Der öffentlich-rechtliche Charakter dieser Rechtsverhältnisse schließt es aber nicht aus, mietrechtliche Vorschriften heranzuziehen1. Der Konzessionsvertrag über die Verlegung von Schienen und Leitungen in öffent- 101 lichen Straßen ist gemäß § 8 Abs. 10 FernStrG privatrechtlicher Natur; das gilt auch nach den entsprechenden Gesetzen des Bundes und der Länder für die entsprechenden Einrichtungen in anderen Straßen. Die Verträge haben durchweg stark mietrechtlichen Einschlag2. Das Wesentliche sind jedoch die gegen Konzessionsabgabe gewährten Ausschließlichkeitsbindungen zugunsten der (Versorgungs-)Unternehmen. Liegt keine öffentlich-rechtliche Überlassung von Ständen, Boxen o.Ä. in Hallen etc. 102 vor, ist beim Überlassen begrenzter Räumlichkeiten oder Plätze je nach Ausstattung Miete oder Pacht gegeben. Wird vertragsgemäß eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt und nimmt der Überlassende wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsgestaltung (Arbeitszeit, Arbeitsweise, Einfluss auf Personal, Kassenführung, Ertragsbeteiligung), kann Dienstvertrag, bei selbständiger Stellung des Tätigen auch Gesellschaft oder Mischung aus Elementen dieser Typen gegeben sein3. l) Automatenaufstellvertrag Mittels Automatenaufstellvertrags gestattet der Inhaber (z.B. Eigentümer/Pächter/ 103 Mieter) geeigneter Flächen dem Aufsteller, einen oder mehrere Automaten (z.B. Warenautomaten mit Getränken, Tabakwaren etc., aber auch Musik- und Spielautomaten) regelmäßig gegen Beteiligung am Umsatz in seinen Räumen anzubringen bzw. aufzustellen und für eigene Rechnung zu betreiben. Charakteristisch für den Automatenaufstellvertrag ist mithin die Eingliederung der Automaten des Aufstellers in den gewerblichen Betrieb seines Vertragspartners zum gemeinsamen Nutzen von Aufsteller und Betriebsinhaber4. Der Automatenaufstellvertrag wird als Gestattungsvertrag angesehen, der neben mietvertraglichen Elementen auch personenbezogene Merkmale aufweist5 (umfassend zum Automatenaufstellvertrag6). VI. Rechtsgeschäfte im Anbahnungsstadium Auch im Mietrecht ist vom Grundsatz der Vertragsfreiheit auszugehen. Immerhin 104 wollte der Reformgesetzgeber im Jahre 2001 die Vertragsfreiheit stärken7. Der Eindruck, der durch die halbzwingenden Normen („Eine zum Nachteil des Mieters von Wohnraum abweichende Vereinbarung ist unwirksam.“) entsteht, dass die Vertragsfreiheit zugunsten eines umfassenden Mieterschutzes eingeschränkt sei, ist irreführend (vgl. § 557 BGB Rz. 8 ff.). Denn dadurch soll nur die starke Stellung des Vermieters bei Abschluss des Mietvertrages kompensiert werden. In dem dadurch gesetzten Rahmen sind die Parteien grundsätzlich frei, einen Mietvertrag zu schließen.

1 BGH v. 4.10.1972 – VIII ZR 117/71, NJW 1972, 2300. 2 RG v. 11.1.1916 – VII 261/15, RGZ 88, 14; RG v. 19.6.1923 – VII 807/23, RG 108, 204, vgl. OLG Hamburg v. 23.7.1975 – 5 U 40/75, MDR 1976, 142. 3 Vgl. RG v. 11.7.1924 – III 610/23, RGZ 108, 369. 4 BGH v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, NJW 1969, 230. 5 BGH v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, MDR 1983, 926 = NJW 1983, 159. 6 Ausführlich dazu: Erman/Jendrek, Vor § 535 BGB Rz. 46 ff. 7 Begr. d. RegE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1113.

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Vor § 535 BGB 105 Dennoch kann es Beschränkungen der Abschlussfreiheit geben. Diese Beschränkungen sind regelmäßig öffentlich-rechtlicher Natur. Insoweit kommen insbesondere in Betracht – das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum1, das aber nur noch vereinzelt gilt (z.B. in großen Teilen Bayerns) und kein Verbotsgesetz darstellt2, – die Belegungsbindung für öffentlich geförderte Wohnungen (bis 31.12.2001: § 4 WoBindG; danach § 4 WoFG). 106 Zivilrechtliche Beschränkungen können sich aus den allgemeinen Schranken der §§ 134, 138, 307 BGB sowie den Mieterbegünstigungsklauseln für die Vertragsgestaltung ergeben. Daneben können sich die Parteien aber in Bezug auf die Anbahnung des Vertrages eigenen Bindungen unterwerfen, nämlich insbesondere durch Mietvorvertrag, Vormietrecht, Anmietrecht und Option. 1. Mietvorvertrag a) Abgrenzungsfragen 107 Ein Mietvorvertrag begründet den Anspruch auf Abschluss eines Mietvertrages3. Insoweit ist der Vorvertrag von einem Letter of Intent abzugrenzen. Mit dem Letter of Intent wird in aller Regel lediglich der Stand der geführten Verhandlungen zusammengefasst; er soll grundsätzlich keine Bindungswirkung entfalten, insbesondere noch keine Verpflichtung zum Abschluss eines Mietvertrags begründen. Dafür muss jedoch in besonderer Weise auf die Formulierungen geachtet werden4. 108 Vereinbaren die Parteien, die Mietsache solle einstweilen oder widerruflich gegen ein vorläufiges Entgelt bis zum Abschluss des „endgültigen“ Mietvertrags überlassen werden, wird ein sog. vorläufiges Mietverhältnis begründet (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 150a)5. Bei Scheitern der Verhandlungen erhält der Vermieter im Zweifel die ins Auge gefasste Miete für die Dauer der Nutzung6. b) Inhalt des Mietvorvertrages 109 Ein Mietvorvertrag setzt voraus, dass sich die Parteien im Wesentlichen über den Inhalt eines noch abzuschließenden Mietvertrages geeinigt haben, so dass der Inhalt des künftigen Mietvertrages zumindest bestimmbar ist7. Der Vorvertrag muss also die notwendigen Anhaltspunkte enthalten, um die fehlende Einigung der Parteien im Streitfall durch richterliche Entscheidung unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Parteiwillens im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß den §§ 157, 242 BGB zu überwinden8. Dazu reicht es aus, dass die Miete – notfalls mit sachverständiger Hilfe – bestimmbar ist. Selbst ohne jegliche Vereinbarung über die Miethöhe kann sogar ein Mietvertrag zustande kommen, sofern sich die Parteien bindend über eine entgeltliche Überlassung des Gebrauchs der Mietsache einigen. Dann kann im konkreten Fall eine angemessene oder ortsübliche Miete als vereinbart gelten9. Für den Mietvorvertrag gelten keine anderen Anforderungen10. 110 Der Vorvertrag muss die Vertragsbedingungen nicht erschöpfend regeln. Vielmehr kann die Festlegung weiter gehender Vertragsbedingungen den zum Abschluss des

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Art. 6 § 1 des Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechtes v. 4.11.1971, BGBl. I, S. 1745. OLG Köln v. 18.11.1991 – 13 U 132/91, ZMR 1992, 56 m.w.N. Vgl. eingehend: Fleischmann, NZM 2012, 625 f. Lindner-Figura, NZM 2000, 1193. BGH v. 15.6.2005 – XII ZR 82/02, NZM 2005, 704; OLG Karlsruhe v. 17.10.1990 – 13 U 152/89, WuM 1991, 81. OLG Hamburg v. 14.11.2001 – 4 U 34/01, WuM 2003, 84. BGH v. 18.11.1993 – IX ZR 256/92, MDR 1994, 827 = NJW-RR 1994, 317; BGH v. 15.11.1995 – XII ZR 72/94, NJWE-MietR 1996, 56; OLG Karlsruhe v. 14.6.1995 – 4 U 221/94, NJW-RR 1996, 997. BGH v. 20.9.1989 – VIII ZR 143/88, NJW 1990, 1234; BGH v. 21.10.1992 – XII ZR 173/90, WuM 1992, 686. BGH v. 2.10.1991 – XII ZR 88/90, WuM 1992, 312 (313). BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, MDR 2002, 1362 = ZMR 2002, 895 (897).

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Vor § 535 BGB Hauptvertrags führenden Verhandlungen vorbehalten bleiben1. Gescheiterte Verhandlungen über den Abschluss eines Mietvertrags können allerdings nicht in einen Mietvorvertrag umgedeutet werden (§ 140 BGB), weil nicht anzunehmen ist, dass die Parteien einen Vertrag nur mit den bis zum Scheitern ausgehandelten Punkten schließen wollten2. Die Annahme eines Mietvorvertrags ist allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn be- 111 sondere Umstände darauf schließen lassen, dass die Parteien sich ausnahmsweise schon binden wollen, bevor sie alle Vertragspunkte abschließend geregelt haben3. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn dem Abschluss des Mietvertrags – zumindest nach der Vorstellung der Parteien – noch Hindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Art (z.B. das Mietobjekt ist noch nicht bezugsfertig oder vom Vormieter noch nicht geräumt oder die erforderliche Nutzungsänderungsgenehmigung steht noch aus) entgegenstehen, die Parteien sich aber bereits rechtlich binden wollen, um so den alsbaldigen Abschluss des Mietvertrags zu sichern4. Der Mietvorvertrag muss nicht als solcher benannt sein. Trotz der Bezeichnung als 112 Optionsrecht in einem Mietvertrag kann es sich bei der vertraglichen Regelung über eine in Aussicht genommene Anmietung weiterer, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch anderweitig vermieteter Räume um einen doppelt aufschiebend bedingten Mietvorvertrag handeln, wenn die Parteien sich schon über den Umfang des Mietobjektes, die Mietdauer und die Miethöhe geeinigt haben5. Dabei liegt die erste aufschiebende Bedingung in dem Willen des Vermieters, nunmehr die Räume zu vermieten. Vereinbaren Käufer und Verkäufer eines Mietobjektes, dass jede Partei ab einem bestimmten Zeitpunkt zu einem vorbestimmten Preis eine Anmietung desselben durch den Verkäufer verlangen kann, so handelt es sich um einen Vorvertrag, weil bei der Auslegung einer solchen Vereinbarung der erkennbare übereinstimmende Wille beider Parteien dem Wortlaut des Vertrages und anderweitigen Interpretationen vorgeht6. c) Form des Mietvorvertrages Der Mietvorvertrag ist formfrei, selbst wenn der beabsichtigte Vertrag eine Laufzeit 113 von mehr als einem Jahr haben soll. § 550 BGB gilt nur für den Mietvertrag7. Kommt ein Mietvertrag mangels Beachtung einer gesetzlichen oder vereinbarten Schriftform nicht zustande, kann er nicht in einen – formfreien – Vorvertrag umgedeutet werden8. d) Rechtsfolge des Mietvorvertrages Die Parteien des Mietvorvertrags sind verpflichtet, an der Beseitigung der dem Ab- 114 schluss des Hauptvertrags entgegenstehenden Hindernisse mitzuwirken9. Dem Abschluss des Hauptvertrags steht weder eine zwischenzeitlich erfolgte anderweitige Vermietung noch der Umstand entgegen, dass der im Vorvertrag festgelegte Termin für den Mietbeginn verstrichen ist10. Vor Abschluss des Hauptvertrags können sie die mietvertraglichen Leistungen noch 115 nicht einklagen11. Allerdings kann aus dem Vorvertrag auf den Abschluss des Miet-

1 BGH v. 21.10.1992 – XII ZR 173/90, MDR 1993, 341 = ZMR 1993, 55. 2 BGH v. 26.3.1980 – VIII ZR 150/79, NJW 1980, 1577; BGH v. 23.11.1972 – II ZR 126/70, WM 1973, 67; BGH v. 28.11.1962 – VIII ZR 142/61, ZMR 1963, 82. 3 BGH v. 26.3.1980 – VIII ZR 150/79NJW 1980, 1577 m.w.N. 4 BGH v. 8.6.1962 – I ZR 6/61, NJW 1962, 1812. 5 OLG Hamburg v. 6.6.2001 – 4 U 163/98, ZMR 2001, 889. 6 OLG Köln v. 15.9.1997 – 19 U 210/96, ZMR 1998, 283. 7 BGH v. 7.3.2007 – XII ZR 40/05, NJW 2007, 1817; BGH v. 26.3.1980 – VIII ZR 150/79, NJW 1980, 1577; BGH v. 26.6.1970 – V ZR 97/69, NJW 1970, 1596; zweifelnd Wolf/Eckert/Ball, Rz. 90; Derleder/Pelegrino, NZM 1998, 550 (552). 8 BGH v. 16.4.1969 – VIII ZR 64/66, WM 1969, 919; Bub/Treier/Heile, II Rz. 736. 9 BGH v. 18.3.1981 – VIII ZR 66/80, WM 1981, 695; Bub/Treier/Reinstorf, II Rz. 148. 10 BGH v. 21.10.1992 – XII ZR 173/90, MDR 1993, 341 = ZMR 1993, 55. 11 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 74 m.w.N.

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Vor § 535 BGB vertrags geklagt werden1. Der Kläger muss dann grundsätzlich das Vertragsangebot genau formulieren2, wobei er die seit dem Abschluss des Vorvertrags eingetretenen Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse berücksichtigen und die Bestimmungen des nunmehr abzuschließenden Hauptvertrags so festlegen muss, wie die Parteien sie bei Kenntnis der Veränderungen festgelegt hätten3. 116 Die Klage ist grundsätzlich auf Annahme dieses Angebotes zu richten4, so dass der Mietvertrag gemäß § 894 ZPO mit der Rechtskraft des Urteils zustande kommt5. Lässt der Mietvorvertrag dem beklagten Vermieter einen erheblichen Spielraum, ist es ausnahmsweise zulässig, den Anspruch aus dem Mietvorvertrag im Wege der Feststellungsklage geltend zu machen, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Feststellungsverfahren zur Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt6. Seinen Leistungsanspruch kann der Mieter nicht durch einstweilige Verfügung sichern7, weil dies zu einem unvertretbaren wirtschaftlichen Schaden des Vermieters führen kann. 117 Befindet sich ein Vertragsteil mit seiner Hauptverpflichtung aus dem Vorvertrag im Verzug, kann der andere Teil Schadensersatz verlangen. Der (potentielle) Mieter kann im Übrigen Schadensersatz statt der Leistung aus § 281 BGB beanspruchen, wenn für den Vermieter am Abschluss des Hauptvertrages kein Interesse mehr besteht. Andererseits kann er bei Erschütterung der Vertrauensgrundlage vom Vorvertrag gemäß § 323 BGB, der auch auf Vorverträge anwendbar ist8, zurücktreten9. Diese Voraussetzungen können schon gegeben sein, wenn der angebotene Hauptvertrag Bedingungen enthält, die wesentlich vom Vorvertrag abweichen, und ein unverbindlich bleibender Beginn des Mietverhältnisses angeboten wird10. Die Abweichungen müssen aber die berechtigten Interessen des (potentiellen) Mieters tangieren. Das ist z.B. im Hinblick auf einen unverbindlichen Vertragsbeginn der Fall, wenn der Vertrag die nahtlose Fortsetzung des Betriebes des Mieters an einem anderen Standort gewährleisten soll. Das Gleiche gilt für den Wohnraummieter, dessen bisheriger Mietvertrag ausläuft. 118 Die Unwirksamkeit oder die wirksame Anfechtung des Mietvertrags führt nicht zwingend zur Nichtigkeit auch des Vorvertrages. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Anfechtungsgrund auch den Vorvertrag erfasst. 2. Vormietrecht 119 Das Vormietrecht ist gesetzlich nicht geregelt11. Seine Einräumung ist jedoch aufgrund der Vertragsfreiheit zulässig. Nach allgemeiner Ansicht gelten die Vorschriften über den Vorkauf grundsätzlich entsprechend12. a) Inhalt des Vormietrechts 120 Bei der Vormiete wird dem Berechtigten durch schuldrechtlichen Vertrag die Befugnis eingeräumt, durch einseitige, an den Verpflichteten gerichtete Erklärung mit diesem einen Mietvertrag zu denjenigen Bedingungen zu begründen, die dieser in einem Mietvertrag mit einem Dritten festgelegt hat13. Dabei tritt der Vormietberechtigte,

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BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, MDR 2002, 1362 = NJW 2002, 3016. OLG Köln v. 3.7.1991 – 2 U 169/90, DWW 1992, 210. BGH v. 8.6.1962 – I ZR 6/61, NJW 1962, 1812. BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, MDR 2002, 1362 = NJW 2002, 3016. BGH v. 8.6.1962 – I ZR 6/61, NJW 1962, 1812. BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, MDR 2002, 1362. OLG Celle v. 29.9.2008 – 2 W 199/08, ZMR 2009, 113. Palandt/Grüneberg, § 323 BGB Rz. 3. Bub/Treier/Reinstorf, II Rz. 153. OLG Koblenz v. 18.7.1997 – 10 U 1238/96, NZM 1998, 405 = NJW-RR 1998, 808. Vgl. auch Michalski, ZMR 1999, 1 ff. BGH v. 2.12.1970 – VIII ZR 77/69, NJW 1971, 422; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 20. BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, MDR 2002, 1362 = NJW 2002, 3016 (3019).

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Vor § 535 BGB der sein Recht ausübt, ebenso wie der Vorkäufer1 nicht in den Vertrag des Verpflichteten mit dem Dritten ein. Vielmehr kommt in entsprechender Anwendung von § 464 Abs. 2 BGB zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten ein neuer selbständiger Vertrag zu den Bedingungen zustande, die der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat2. Die Begründung eines Vormietrechtes hindert den Verpflichteten grundsätzlich nicht 121 daran, nach Abschluss des Vertrags mit dem Dritten den Inhalt dieser Vereinbarung zu ändern; derartige Änderungen sind sogar noch zulässig, wenn der Verpflichtete den ursprünglichen Vertragsinhalt dem Berechtigten gem. § 469 Abs. 1 S. 1 BGB mitgeteilt hat3. Auf die Vereinbarung, durch die ein Vormietrecht begründet wird, ist § 550 S. 1 BGB 122 anwendbar4. Die Gegenansicht verkennt, dass ein Vormietrecht (jedenfalls für den Mieter) regelmäßig einen wesentlichen Vertragspunkt bildet und gem. § 566 BGB auch gegenüber dem Grundstückserwerber wirken kann5. b) Auskunftsanspruch des Berechtigten Entsprechend § 469 BGB hat der Vermieter dem Berechtigten Auskunft über Inhalt 123 und Nebenbedingungen des Hauptvertrages zu erteilen6. Der Auskunftsanspruch des Vormietberechtigten besteht so lange, wie er nicht erfüllt ist oder der Berechtigte sein Vormietrecht nicht mehr ausüben will, wozu allerdings ein Erlassvertrag erforderlich ist7. Der Vermieter macht sich schadensersatzpflichtig, wenn er unrichtig oder unvoll- 124 ständig über die Bedingungen des Hauptvertrages informiert8. c) Ausübung des Vormietrechts Nach Auskunftserteilung kann der Berechtigte das Vormietrecht nur innerhalb der 125 vertraglich festgelegten Frist und in Ermangelung einer solchen in der Frist des § 469 Abs. 2 S. 1 BGB ausüben. Diese Frist beginnt mit dem Zugang der Mitteilung. Sie wird allerdings nicht in Lauf gesetzt, wenn der Verpflichtete nur den mit dem Dritten geschlossenen ursprünglichen Vertrag, nicht aber eine vor dieser Mitteilung erfolgte Vertragsänderung mitteilt9. Solange die Parteien nichts anderes vereinbart haben (§ 127 BGB), ist die Ausübung 126 des Vormietrechtes entsprechend § 464 Abs. 1 S. 2 BGB an keine Form gebunden. Dies gilt selbst dann, wenn dadurch ein dem § 550 BGB unterliegender Vertrag begründet wird10. Die Gegenansicht11 verkennt, dass § 550 BGB auf den Mietvertrag anwendbar ist und nicht auf rechtsgestaltende Erklärungen, die sich auf ein Recht stützen, das in einem (formwirksamen) Vertrag begründet wurde.

1 BGH v. 25.9.1986 – II ZR 272/85, MDR 1987, 293 = NJW 1987, 890. 2 BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, MDR 2002, 1362 = NJW 2002, 3016; BGH v. 2.12.1970 – VIII ZR 77/69, NJW 1971, 422; Bub/Treier/Reinstorf, II Rz. 160; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 20. 3 BGH v. 23.5.1973 – VIII ZR 57/72, NJW 1973, 1365. 4 RGRK/Gelhaar, Vor § 535 BGB Rz. 306; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 91 mit Hinweis auf BGH v. 2.12.1970 – VIII ZR 77/69, NJW 1971, 422 (423); a.A. Bub/Treier/Reinstorf, II Rz. 165; Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 93. 5 BGH v. 2.12.1970 – VIII ZR 77/69, NJW 1971, 422. 6 BGH v. 2.12.1970 – VIII ZR 77/69, NJW 1971, 422. 7 BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, MDR 2002, 1362 = ZMR 2002, 895. 8 BGH v. 17.1.2003 – V ZR 137/02, ZMR 2003, 408 zum Vorkaufsrecht nach § 577 BGB. 9 BGH v. 23.5.1973 – VIII ZR 57/72, NJW 1973, 1365. 10 BGH v. 2.12.1970 – VIII ZR 77/69, NJW 1971, 422; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 91. 11 A.A. OLG Köln v. 29.11.2005 – 22 U 105/05, MDR 2006, 925 = NZM 2006, 464 m.w.N.; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 20.

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Vor § 535 BGB d) Vereitelung des Vormietrechts 127 Da der Mietvertrag mit dem Dritten durch die Ausübung des Vormietrechts nicht unwirksam wird1, besitzt der Dritte, wenn ihm der Vermieter die Mietsache überlässt, auch im Verhältnis zu dem sein Vormietrecht ausübenden Berechtigten rechtmäßig. Solange Vermieter und Dritter nicht in Schädigungsabsicht gehandelt haben, kann der Berechtigte nur Schadensersatzansprüche gegen den Vermieter geltend machen2. 3. Anmietrecht 128 Das Anmietrecht (auch Vorhand genannt3) bezeichnet die Verpflichtung des (künftigen) Vermieters, das Mietobjekt, wenn er sich zu dessen Vermietung entschließen sollte, zuerst dem Anmietberechtigten anzubieten. Der Mietvertrag selbst kommt dadurch noch nicht zustande. Vielmehr setzt dies ein Angebot des Vermieters und dessen Annahme durch den Anmietberechtigten voraus. 129 Die Einräumung eines Anmietrechtes soll formlos zulässig sein4. Dem kann nur insoweit zugestimmt werden, wie die Abrede nicht Gegenstand eines Mietvertrages ist, der der Schriftform nach § 550 BGB unterliegt. Denn dann ist das Anmietrecht eine wesentliche Vertragsabrede. 130 Soweit die Parteien keine anderen Abreden getroffen haben, ist der Vermieter hinsichtlich des Angebotsinhalts frei5. Wegen des unbestimmten Inhaltes des künftigen Vermieterangebotes erscheint es bedenklich, in der vertraglichen Einräumung eines Anmietrechtes einen bedingten Vorvertrag zu sehen6. 4. Option 131 Unter einer Mietoption wird allgemein die Abrede verstanden, durch einseitige Erklärung ein Mietverhältnis zustande zu bringen (Begründungsoption) oder zu verlängern (Verlängerungsoption). Sie unterscheidet sich vom Vorvertrag dadurch, dass sie keinen schuldrechtlichen Anspruch auf Abschluss des Hauptvertrages, sondern ein Gestaltungsrecht begründet und damit die vereinbarte Rechtsfolge in der Regel mit Zugang der Erklärung eintritt. Die Unterscheidung ist durch Auslegung zu ermitteln. a) Vereinbarung einer Option 132 Anders als beim Vorvertrag ist bei der Option nur die andere Partei fest gebunden, während die Ausübung der Option im Belieben der begünstigten Partei steht7. Deshalb wird die Vereinbarung einer Option als ausreichend angesehen, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. d PrKlG herbeizuführen, wenn der Mieter durch die Option die Möglichkeit erhält, (einseitig) den Vertrag auf (über) zehn Jahre zu verlängern. 133 Inhaltlich ist nach der Begründungs- und der Verlängerungsoption zu differenzieren. aa) Begründungsoption 134 Mit der Begründungsoption führt der Begünstigte einen (neuen) Mietvertrag herbei oder erweitert einen Bestehenden. Die Erweiterung kann in der entgeltlichen Einbeziehung weiterer Flächen bestehen, aber auch in der Geltung zusätzlicher Rechte (z.B. sog. Mehrbelastungsklauseln bei Betriebskosten). Die vertragliche Ausgestaltung ist unterschiedlich. Insoweit kommen mannigfaltige Möglichkeiten in Betracht. Denn neben der Regelung eines Gestaltungsrechts ist streng genommen selbst die

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Wolf/Eckert/Ball, Rz. 82. Bub/Treier/Reinstorf, II Rz. 169. Vgl. Derleder/Pelegrino, NZM 1998, 550 (555). Palandt/Weidenkaff, Vor § 535 BGB Rz. 10. Palandt/Weidenkaff, Vor § 535 BGB Rz. 10. So aber Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 98. Bub/Treier/Reinstorf, II Rz. 210.

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Vor § 535 BGB Annahme eines langfristigen Angebots des Vermieters zu einem beliebigen Zeitpunkt als Optionsausübung anzusehen1. Es ist umstritten, ob die Vereinbarung einer Begründungsoption den Anforderungen 135 der Schriftform des § 550 S. 1 BGB unterliegt2. Die Frage ist zu bejahen. Zwar bindet die Optionsvereinbarung als solche den künftigen Grundstückserwerber nicht. Jedoch tritt der Grundstückserwerber in einen vor dem Erwerb durch Optionsabrede plus Optionsausübung begründeten Mietvertrag beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 566 BGB ein. bb) Verlängerungsoption Durch die Verlängerungsoption verändert der Begünstigte durch einseitiges Rechtsgeschäft (bloß) die Mietzeit zu seinen Gunsten. Dadurch entsteht kein neuer Vertrag, sondern der bestehende Vertrag wird verlängert.

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Die Verlängerungsoption muss, soweit vertraglich nichts anderes festgelegt worden 137 ist, vor Ablauf des zur Verlängerung anstehenden Mietvertrags ausgeübt werden3. Ein Vertragspassus, wonach dem Mieter nach Ablauf des Vertrags eine Verlängerungsoption zusteht, beinhaltet in aller Regel davon keine Ausnahme4. Sieht der Mietvertrag eine Automatik vor, so dass der Mieter widersprechen/kündi- 138 gen muss, um den Eintritt der Verlängerung zu vermeiden, ergeben sich AGB-rechtliche Bedenken. Zum einen kann die Automatik als außergewöhnlich angesehen werden, so dass § 305c Abs. 1 BGB gilt5. Zum anderen können sich wegen der fingierten Erklärung auch Bedenken aus § 308 Nr. 5 BGB ergeben6. Greifen die Bedenken nicht durch und ist im Mietvertrag neben einer Verlängerungsoption festgelegt, dass sich die vereinbarte Vertragsdauer automatisch um eine bestimmte Zeit verlängert, wenn keine Partei zuvor binnen bestimmter Frist kündigt7, braucht der Mieter die Verlängerungsoption nur auszuüben, wenn der Vermieter kündigt. Das Optionsrecht muss dann unverzüglich nach Kündigungszugang, jedoch nicht vor Ablauf der Kündigungsfrist ausgeübt werden8. Denn mit Beendigung des Mietvertrages endet das Optionsrecht. Hat der Vermieter in einem Formularmietvertrag über Gewerberäume dem Mieter 139 ein Optionsrecht auf Vertragsverlängerung eingeräumt, darf dieses Recht nicht durch weitere vorformulierte Vertragsbestimmungen ausgehöhlt werden. Eine Klausel, nach der der Vermieter bei Ausübung der Option die Vereinbarung neuer Vertragsbedingungen verlangen kann, sowie die Bestimmung, dass das Recht auf Vertragsverlängerung erlischt, wenn die Parteien keine Einigung über die vom Vermieter verlangten Vertragsänderungen erzielen, ist mit § 307 BGB nicht vereinbar9. b) Abgabe der Optionserklärung Das Optionsrecht ist ein Gestaltungsrecht10. Es wird durch eine einseitige empfangs- 140 bedürftige Willenserklärung von allen Begünstigten gegenüber dem Vertragspartner ausgeübt. Wurde das Objekt i.S.v. § 566 BGB veräußert, muss der Erwerber die Ausübung einer Option solange gegen sich gelten lassen, wie der Mieter keine Kenntnis vom Vermieterwechsel hat11. Denn aufgrund seiner weiten Fassung ist § 407 BGB auf jede Art von Rechtshandlungen, mithin auch die Ausübung einer Verlängerungsoption, anwendbar. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 100. Bejahend: Palandt/Weidenkaff, Vor § 535 Rz. 7; verneinend: Bub/Treier/Reinstorf, II Rz. 210. RG v. 11.6.1920 – III 9/20, RGZ 99, 154 f.; OLG Köln v. 27.2.1996 – 22 U 132/95, ZMR 1996, 433. BGH v. 14.7.1982 – VIII ZR 196/81, MDR 1983, 126 = NJW 1982, 2770. Schneehain/Stütze, NZM 2010, 881 (882). Schneehain/Stütze, NZM 2010, 881 (883). Vgl. dazu BGH v. 29.4.2002 – II ZR 330/00, NZM 2002, 604. BGH v. 20.3.1985 – VIII ZR 64/84, MDR 1985, 754 = NJW 1985, 2581. OLG Hamburg v. 28.3.1990 – 4 U 13/90, ZMR 1990, 273 = NJW-RR 1990, 1488 = DWW 1990, 176. BGH v. 25.2.1985 – VIII ZR 116/84, MDR 1985, 574 = NJW 1985, 2481. BGH v. 28.11.2001 – XII ZR 197/99, BGHReport 2002, 361 = NZM 2002, 291.

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Vor § 535 BGB 141 Haben die Parteien keine Form für die Optionserklärung vereinbart, kann sie auch schlüssig erfolgen. Dafür reicht aber die bloße Weiterzahlung der Miete über die ursprünglich vereinbarte Vertragszeit hinaus nicht aus. Vielmehr ist ein Verhalten erforderlich, aus dem der auf Verlängerung des Mietvertrages um die Optionszeit gerichtete Erklärungswille hervorgeht. Das kann z.B. angenommen werden, wenn die Ausübung der Option mit einer Mieterhöhung vereinbart ist. Insoweit ist aber zu prüfen, ob eine Ausübungsfrist für die Option vereinbart wurde. 142 Haben die Parteien die schriftliche Ausübung vereinbart, kann der Berechtigte die Option unter den Voraussetzungen des § 127 BGB, also insbesondere per Telefax übermitteln1. § 550 BGB ist weder direkt noch analog anwendbar2. Denn er gilt nur für die Begründung der Option im Mietvertrag. Auch der Schutz des Erwerbers zwingt nicht zu einer anderen Sichtweise. Denn haben die Parteien für die Ausübung der Option keine Form vereinbart, muss er sich auch auf die Erklärung der (bisherigen) Vertragsparteien verlassen, dass die Option ausgeübt wurde. Ein eigenes Prüfungsrecht des Erwerbers besteht nicht und zwingt vor allem nicht, von § 127 BGB abzuweichen. 143 Soll nach dem Vertrag die Ausübung einer Verlängerungsoption per Einschreiben erfolgen, so hat lediglich die Schriftform konstitutive Bedeutung, die Übermittlungsform dagegen nur Beweisfunktion3. Wird das Formerfordernis für die Ausübung eines Optionsrechts zwischen den Parteien formlos aufgehoben, wird ein Schriftformmangel begründet4. Denn der durch § 550 BGB geschützte potentielle Grundstückserwerber muss davon ausgehen können, dass eine einseitige Verlängerung des Mietvertrages den Zugang einer entsprechenden schriftlichen Optionserklärung voraussetzt. Nur auf diese Weise wird für den Grundstückserwerber der langfristige Fortbestand des Mietverhältnisses über das Ende der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer hinaus dokumentiert. c) Ausübungsfrist 144 Ist eine Optionsfrist vertraglich nicht festgelegt, ist zu prüfen, ob sich eine solche durch (ergänzende) Vertragsauslegung ergibt5. Dabei kann regelmäßig, da dadurch ein Interesse der Mietvertragsparteien an rechtzeitiger Klarstellung zum Ausdruck kommt, an vereinbarte Kündigungs- oder Widerspruchsfristen angeknüpft werden6. Ein Anknüpfen an die gesetzlichen Kündigungsfristen dürfte indes ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht zulässig sein7, vielmehr kann dann der Mieter bis zum letzten Tag der ursprünglichen Vertragszeit optieren. 145 Das dem Mieter eingeräumte Optionsrecht erlischt grundsätzlich spätestens mit Ablauf der um die Optionszeit verlängerten ursprünglichen Vertragsdauer8. Der Mieter verliert sein Recht auf Ausübung der Verlängerungsoption dadurch, dass er eine Option nicht oder verspätet und damit unwirksam ausübt9. Damit greift eine ggf. im Vertrag enthaltene Klausel, wonach sich das Mietverhältnis automatisch um jeweils eine bestimmte Zeit (z.B. ein Jahr) verlängert. Der zwischenzeitliche Nichtgebrauch einer Option bringt die Optionsrechte insgesamt zum Erlöschen. Ein anderes Verständnis, also insbesondere eine Ausübung der Optionen nach Belieben des Mieters,

1 Bub/Treier/Reinstorf, II Rz. 213; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 27; Zöll in Lindner-Figura u.a., Kap. 9 Rz. 26 m.w.N. 2 A.A. für die Option zur Verlängerung der Mietzeit um mehr als ein Jahr: OLG Köln v. 29.11.2005 – 22 U 105/05, MDR 2006, 925; OLG Frankfurt v. 20.5.1998 – 23 U 121/97, NZM 1998, 1006. 3 OLG Hamm v. 4.11.1994 – 30 U 185/94, ZMR 1995, 248. 4 OLG Celle v. 23.4.1997 – 2 U 106/96, ZMR 1998, 339. 5 BGH v. 20.3.1985 – VIII ZR 64/84, MDR 1985, 754 = NJW 1985, 2581. 6 BGH v. 20.3.1985 – VIII ZR 64/84, MDR 1985, 754 = NJW 1985, 2581; OLG Düsseldorf v. 7.11.1991 – 10 U 33/91, ZMR 1992, 51; OLG Düsseldorf v. 25.10.1971 – 10 U 40/71, NJW 1972, 1674. 7 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 773. 8 BGH v. 14.7.1982 – VIII ZR 196/81, MDR 1983, 126 = NJW 1982, 2770. 9 OLG Düsseldorf v. 6.9.2007 – 10 U 25/07, ZMR 2008, 785; OLG Hamburg v. 23.6.1997 – 4 U 82/96, NZM 1998, 333 m.w.N.

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Vor § 535 BGB ist nicht interessengerecht, weil es die Vermieterseite einseitig benachteiligt1. Die Optionsklausel hat wirtschaftlich den Sinn, dem Mieter die Möglichkeit einer angemessenen Amortisation seiner erheblichen Investitionen dadurch zu geben, dass er eine genügend lange Mietdauer durch Ausübung der Optionen herbeiführen kann. Der Vermieter hat andererseits ein berechtigtes Interesse daran, eine längerfristige Planungssicherheit über die weitere Verwertungsmöglichkeit der Mietsache zu erhalten. Dieses Interesse würde nicht berücksichtigt, wenn der Mieter zunächst die automatische Verlängerungsklausel anlaufen ließe und die für ihn durch fristgemäße Kündigung des Vermieters, die nach dem Mietvertrag zwölf Monate vor dem Ende der Laufzeit ausgesprochen werden musste, erkennbare Beendigungsabsicht durch Ausübung der Option durchkreuzen könnte. Hierbei könnte der Mieter die Gesamtdauer gegen den Willen des Vermieters in unbestimmbarer Länge herbeiführen. Ist die Ausübungsfrist abgelaufen, können die Parteien nicht durch formlose Eini- 146 gung die Option neu begründen. Vielmehr ist dafür die Einhaltung der Schriftform erforderlich, da ansonsten gemäß § 550 S. 2 BGB ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit besteht2. d) Rechtsfolge der Optionsausübung Bei Ausübung einer Verlängerungsoption, deren Begründung der Schriftform unterliegt3, entsteht kein neues Mietverhältnis. Vielmehr wird mit der gestaltenden Optionserklärung der bestehende Mietvertrag um die Optionszeit verlängert4. Nichts Anderes gilt, wenn die Option dazu dient, die Mietfläche zu erweitern.

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Ist die Verlängerungszeit in der Optionsvereinbarung nicht festgelegt, ist im Anwen- 148 dungsbereich des § 550 BGB im Zweifel von einem Vertrag auf unbestimmte Zeit mit frühestmöglicher Kündigung zum Ablauf des ersten Verlängerungsjahres auszugehen5. Soll im Falle einer Optionsausübung über die Miete neu verhandelt werden, kann der Vermieter nach Ablehnung seines Preisangebots gemäß §§ 315, 316 BGB verfahren6. Ist für den Fall der Optionsausübung über die dann maßgebliche Miete nichts gere- 149 gelt, so bleibt es auch in der Folgezeit bei der bisherigen Miete7. Durch die Einräumung wiederholt ausübbarer Verlängerungsoptionen kann das für 150 beide Parteien sich aus § 544 BGB ergebende Recht, das Mietverhältnis nach 30 Jahren unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (§§ 573c, 580a BGB) zu kündigen, nicht ausgehöhlt werden8. Ein auf künftige Räumung lautendes rechtskräftiges Urteil hindert den Mieter, falls die Optionsfrist noch nicht abgelaufen ist, nicht daran, die Verlängerungsoption auszuüben und seine Rechte durch Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend zu machen9. 5. Vorläufiges Mietverhältnis Wurden die Mieträume ohne (endgültigen) Vertrag überlassen, während die Parteien 150a z.B. Vertragsverhandlungen führen, wird regelmäßig ein vorläufiges Mietverhältnis angenommen10. Hat bereits ein Mietvertrag bestanden und verhandeln die Parteien über dessen Verlängerung, wird vom Bestehen eines Überbrückungsvertrages aus-

1 OLG Düsseldorf v. 6.9.2007 – 10 U 25/07, ZMR 2008, 785. 2 OLG Hamburg v. 23.6.1997 – 4 U 82/96, WM 1998, 16 = GE 1998, 427 = NJW-RR 1998, 807 = NZM 1998, 333. 3 BGH v. 24.6.1987 – VIII ZR 225/86, MDR 1988, 45 = ZMR 1987, 414. 4 BGH v. 29.4.2002 – II ZR 330/00, NZM 2002, 604. 5 BGH v. 24.6.1987 – VIII ZR 225/86, MDR 1988, 45 = ZMR 1987, 414. 6 OLG Düsseldorf v. 2.5.2002 – 10 U 170/00, DWW 2002, 204. 7 OLG Düsseldorf v. 23.2.1995 – 10 U 77/94, MDR 1995, 794 = ZMR 1995, 347. 8 MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 28. 9 BGH v. 25.2.1985 – VIII ZR 116/84, MDR 1985, 574 = NJW 1985, 2481. 10 BGH v. 15.6.2005 – XII ZR 82/02, MDR 2005, 1398 = ZMR 2005, 777 = NZM 2005, 704; OLG Hamburg v. 14.11.2001 – 4 U 34/01, WuM 2003, 84 = ZMR 2003, 179 (180).

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Vor § 535 BGB gegangen, ohne dass sich ein qualitativer Unterschied ergibt1. Die Annahme dieser Rechtsverhältnisse soll sich daraus rechtfertigen, dass derjenige, der durch den Austausch von Leistungen in dauernde Beziehung zu anderen tritt, nach der Lebenserfahrung nicht in einem vertragslosen Zustand handeln will, in dem allein die §§ 812 ff. BGB gelten sollen. Für das Zustandekommen des vorläufigen (mündlichen bzw. konkludenten) Mietvertrags reicht es aus, dass sich die Parteien über die erforderlichen Punkte des vorläufigen Vertrags (Parteien, Mietobjekt, Zweck der Gebrauchsüberlassung, Miethöhe und evtl. noch Kaution) einig waren und davon ausgingen, dass sich an dieses Rechtsverhältnis der beabsichtigte langjährige Vertrag anschließen würde2. Scheitern die Verhandlungen kann der vorläufige Mietvertrag mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden und wird dem Vermieter die vertraglich ins Auge gefasste Miete zugesprochen3. VII. Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag 1. Auslegung von Mietverträgen a) Auslegung von Willenserklärungen und Vertragsklauseln, §§ 133, 157 BGB 151 Die Auslegung dient der Ermittlung des Inhalts eines Mietvertrages, sofern sich Unklarheiten durch Formulierungen oder lückenhafte Regelungen ergeben. Sie folgt auch im Mietrecht den allgemeinen Grundsätzen, die allerdings nicht bestimmen, dass Mietverträge gegen den Vermieter auszulegen sind4. 152 Auslegungsgegenstand sind (schlüssige) Willenserklärungen und vertragliche Regelungen. Bei ihnen können Unklarheiten durch mehrdeutige, unverständliche und widersprüchliche Äußerungen und Bestimmungen entstehen. Mithilfe der Auslegung wird in diesen Fällen der Vertragsinhalt präzisiert, indem auf eine eindeutige Verständnismöglichkeit hingewirkt wird oder Widersprüche aufgelöst werden. Andererseits setzt auch die Feststellung, dass eine Willenserklärung eindeutig ist, bereits eine Auslegung voraus5. aa) Auslegungshilfen 153 Zur Ermittlung des Inhalts der Willenserklärung oder vertraglichen Bestimmung bedient sich die Rechtsprechung verschiedener Auslegungshilfen und untersucht zunächst die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung)6. Dabei wird untersucht, inwieweit sich aus dem Zustandekommen des Vertrages Schlüsse auf die Bedeutung von Formulierungen ziehen lassen. Haben z.B. die Erwerber eines Mietobjektes im Laufe der Vertragsverhandlungen die persönliche Haftung eines der Garantiegeber verlangt, ist die Zusicherung bestimmter Mieteinnahmen als Garantieversprechen anzusehen, weil das Verhandlungsziel der Garantienehmer demnach auf eine umfassende Sicherung der Mietvertragsrisiken gerichtet gewesen sei7. 154 Als weitere Auslegungshilfe können unbefangene Äußerungen der Parteien über den Inhalt und Zweck des Vertrages (sog. Selbstinterpretation) herangezogen werden. Lässt sich z.B. aus einem Mietvertrag nicht die Sollbeschaffenheit zur Bestimmung eines Mangels entnehmen, kann auf Erklärungen des Vermieters („der Keller ist trocken“ bei einer Altbauwohnung) zu deren Bestimmung abgestellt werden8. 155 Auch die Kenntnis des Erklärungsempfängers9 von der Bedeutung der Willenserklärung ist relevant. Betont der Vermieter z.B., der ursprüngliche Vertrag mit mehreren

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OLG Karlsruhe v. 17.10.1990 – 13 U 152/89, WuM 1991, 81. OLG Karlsruhe v. 21.5.2012 – 9 U 18/12, WuM 2012, 666. OLG Hamburg v. 14.11.2001 – 4 U 34/01, WuM 2003, 84 = ZMR 2003, 179 (180). OLG Hamm v. 17.8.1982 – 4 REMiet 1/82, MDR 1983, 56 = NJW 1982, 2876. BGH v. 23.4.1997 – VIII ZR 212/96, MDR 1997, 721 = NJW 1997, 1845 (1846). Grundlegend: BGH v. 23.2.1987 – II ZR 183/86, MDR 1987, 738 = NJW 1987, 2437. BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 199/00, MDR 2003, 736 = ZMR 2003, 481 = MietRB 2003, 99. LG Mannheim v. 8.4.1998 – 4 S 158/97, WuM 1998, 663. BGH v. 24.6.1988 – V ZR 49/87, MDR 1988, 1043 = NJW 1988, 2878.

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Vor § 535 BGB Mietern behalte seine Gültigkeit, kann der spätere Vertrag mit nur einem Mieter nicht als Parteiwechsel, sondern allein als Schuldbeitritt gewertet werden1. Besonders bedeutsam ist das tatsächliche Verhalten der Parteien in unbefangener 156 Zeit. Haben die Parteien etwa „Vorauszahlungspauschalen“ für Betriebskosten vereinbart, nachfolgend aber mehrere Jahre Betriebskostenabrechnungen erteilt und anstandslos ausgeglichen, legt dies nahe, dass sie mit dem Begriff Vorauszahlungen i.S.v. § 556 Abs. 3 BGB vereinbaren wollten. Auch aus der Abwicklung anderer (bereits bestehender) Mietverträge2 können 157 Rückschlüsse auf die Bedeutung oder den Umfang von Vertragsabreden gezogen werden. Steht z.B. im Mietvertrag nichts über eine (Mit-)Benutzung des Gartens, ist aber den anderen Mietern des Hauses die Gartennutzung auch ohne Erwähnung im Vertrag erlaubt, wird dieses Recht auch dem Mieter zustehen. Mit der teleologischen Auslegung wird der erkennbar verfolgte Zweck ermittelt und 158 in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt3. Über diese Hilfe wird z.B. ermittelt, dass die Miete auch dann neu zu bestimmen ist, wenn sich der Vertrag ohne Ausübung der Option mangels Kündigung fortsetzt, weil der Mietvertrag für den Fall der Ausübung einer Option die Neufestsetzung der Miete regelt4. Daneben kann es auf die sog. Begleitumstände5 ankommen, aus denen Rückschlüsse 159 auf die Bedeutung einer Klausel oder Erklärung gezogen werden können. Enthält z.B. die Kautionsabrechnung eine Erklärung des Vermieters zur Endgültigkeit dieser Abrechnung, ergibt die Auslegung einen Forderungserlass durch den Vermieter6. Ein weiteres Beispiel bildet der Fall, dass der Mieter ohne Rücksicht auf den weiter bestehenden Mietvertrag endgültig ausgezogen ist, keine Miete mehr zahlt und vom Vermieter daraufhin das Mietobjekt zu einem niedrigeren Mietzins weitervermietet wird. Hier kann die Auslegung des Parteiverhaltens ergeben, dass sich der Vermieter trotz Fehlens einer Verpflichtung damit einverstanden erklärt hat, dass der neue Mietvertrag an die Stelle des alten trat und der ursprüngliche Mieter aus der Haftung entlassen wurde7. Ein solches Einverständnis ist aber dann nicht anzunehmen, wenn der Vermieter im Wege der Neuvermietung lediglich versucht, den Schaden gering zu halten. Gegen ein solches Einverständnis spricht auch, dass die Gründe, die den Mieter veranlasst haben, den Mietgebrauch aufzuheben und die Mietzahlungen einzustellen, ausschließlich in seiner Person lagen, so dass der Vermieter keinerlei Veranlassung hatte, das Bonitätsrisiko hinsichtlich des Nachmieters auf sich zu nehmen. bb) Auslegungsmethoden Die Auslegungshilfen können kumulativ oder auch nur einzeln angewendet werden. 160 Die danach präzisierte Erklärung kann nach unterschiedlichen Methoden ausgelegt werden. (1) Natürliche Auslegung Danach wird der wirkliche, innere Wille des Erklärenden erforscht, indem allein sei- 161 nen Erfolgsinteressen Rechnung getragen wird. Diese Auslegungsmethode kommt im Mietrecht nur zum Tragen, wenn der Erklärungsempfänger ausnahmsweise nicht schutzbedürftig ist, was bereits der Fall sein kann, wenn er erkannt hat oder hätte erkennen können, was der Erklärende gemeint hat. Enthält der Mietvertrag z.B. die Regelung, dass der Mieter die Schönheitsreparaturen bei „Übergabe“ schuldet, wobei die Renovierung, sollte sie nicht zu Beginn des Mietvertrages ausgeführt worden sein, spätestens bis zur Beendigung nachzuholen ist, handelt es sich dabei nicht um eine

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OLG Düsseldorf v. 15.11.2001 – 10 U 98/00, ZMR 2002, 510 (511). BGH v. 21.12.1954 – I ZR 13/54, NJW 1955, 587. BGH v. 30.6.1993 – XII ZR 161/91, MDR 1993, 972 = NJW-RR 1993, 1159 (1160). BGH v. 2.10.1991 – XII ZR 88/90, WuM 1992, 312 (313). BVerfG v. 29.4.1998 – 2 BvR 2939/93 WuM 1998, 399 (400). OLG Düsseldorf v. 26.4.2001 – 24 U 133/00, WuM 2001, 439. OLG Düsseldorf v. 23.10.1997 – 10 U 39/97, WuM 1998, 483.

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Vor § 535 BGB gegenstandslose Klausel, weil die Mieträume zu Beginn des Vertrages renoviert übergeben wurden1. Vielmehr unterliegt die „Übergabe“ mangels Eindeutigkeit der Auslegung und ist aus dem Zusammenhang heraus als „Rückgabe“ zu verstehen. (2) Normative Auslegung 162 Diese Auslegungsmethode orientiert sich am Empfängerhorizont. Aus seiner Sicht wird ermittelt, wie er die Äußerung unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste und durfte. 163 Nach dieser Methode kann die Klausel „Die Kosten der Schönheitsreparaturen trägt der Mieter“ nicht allein am Wortlaut verhaftet ausgelegt werden, sondern es ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Überbürdung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter mittlerweile zur Verkehrssitte geworden ist, so dass mit ihr eine wirksame Überbürdung der Ausführung herbeigeführt werden kann2. Gleiches gilt, wenn in einem Gewerberaummietvertrag die Umlage der Betriebskosten dadurch vereinbart wird, dass die Kosten im Einzelnen entsprechend den Begriffen des § 2 BetrKV aufgelistet werden. Insoweit ergibt die Auslegung, dass der Begriff wie im Wohnraummietrecht (§ 1 BetrKV) auszulegen ist3. 164 Diese vorrangig anzuwendende Methode orientiert sich an verschiedenen Auslegungsgrundsätzen, wonach – zunächst der Wortsinn zu erforschen ist4, – sodann eine grammatikalische Auslegung zu erfolgen hat, indem der Satzbau und der sprachliche Zusammenhang zu berücksichtigen sind, – auf die Begleitumstände zu achten ist, die nach der sog. Andeutungstheorie im schriftlichen Mietvertrag zumindest andeutungsweise Niederschlag gefunden haben müssen, wobei keinem dieser Grundsätze der Vorrang gebührt, sondern eine Gewichtung im Einzelfall erfolgen muss. 165 Auch wenn sich im Gegensatz zum Erbrecht für das Mietrecht keine besonderen Auslegungsmaßstäbe finden, ist das Ergebnis nach § 157 BGB an der Verkehrssitte sowie Treu und Glauben zu messen5. b) Ergänzende Vertragsauslegung 166 Bei dieser Auslegung geht es um die Schließung erkennbarer Vertragslücken, wozu der hypothetische Parteiwillen erforscht werden muss, um festzustellen, dass es sich um eine planwidrige Lücke handelt, die eine Ergänzung des Vertragsinhalts erforderlich macht. Das setzt voraus, dass gesetzliche Regelungen nicht eingreifen und die Parteien den Sachverhalt geregelt hätten, wenn sie bei den Vertragsverhandlungen daran gedacht hätten. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist zu untersuchen, was die Parteien bei redlichem Verhalten vereinbart hätten. 167 Ist z.B. ein Umbau und/oder eine Modernisierungsmaßnahme geplant, so dass Renovierungsarbeiten unmittelbar nach Beendigung des Mietvertrages wieder zerstört würden, steht dem Vermieter – bei ansonsten wirksamer Renovierungsklausel – ein unmittelbarer Ausgleichsanspruch in Geld zu6. Ebenso kann durch ergänzende Vertragsauslegung ermittelt werden, dass Umsatzsteuer auch auf die Nebenkosten zu leisten ist, wenn der Gewerberaummietvertrag die Zahlung der Umsatzsteuer auf die Grundmiete vorsieht. Immerhin ist Abschnitt 29 Abs. 3 UStR zu beachten, wonach vertragliche Nebenleistungen das Schicksal der Hauptleistung teilen. Schließlich wol1 BVerfG v. 29.4.1998 – 2 BvR 2939/93, WuM 1998, 399 (400). 2 BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 339/03, WuM 2004, 529 = NZM 2004, 734; a.A. LG Düsseldorf v. 20.6.1986 – 21 S 431/85, WuM 1986, 359. 3 OLG Celle v. 16.12.1998 – 2 U 23/98, NZM 1999, 501. 4 BGH v. 26.11.1997 – XII ZR 308/95, NZM 1998, 156 (157). 5 BGH v. 16.9.1999 – III ZR 77/98, MDR 1999, 1370 = NZM 1998, 1156 (1157). 6 BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, MDR 1985, 400 = ZMR 1985, 84.

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Vor § 535 BGB len die Parteien eine umfassende Abrechnungspflicht des Vermieters regeln, wenn sie Vorauszahlungen auf Betriebskosten vereinbaren. Deshalb ergibt sich durch ergänzende Vertragsauslegung, dass dem Mieter nach Ablauf der Mietzeit ein Anspruch auf Rückforderung der für die Abrechnungsperiode geleisteten Vorauszahlungen zusteht, wenn der Vermieter abrechnungssäumig ist1. 2. Fehlen und Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB Die Grundsätze über den Wegfall oder das Fehlen der Geschäftsgrundlage wurden 168 lange als Unterfall von § 242 BGB angesehen. Dabei wurde die Geschäftsgrundlage definiert als „die beim Vertragsschluss zutage getretenen, dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen des einen Vertragsteils oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Teile vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille auf diesen Vorstellungen aufbaut“2. Unanwendbar waren diese Grundsätze, wenn der Mietvertrag kurzfristig kündbar war3, auf Vertragsverhandlungen4, Ergänzungen durch Vertragsauslegung5 und bei Eingreifen der Vorschriften über die Sach- und Rechtsmängelhaftung der §§ 536 ff. BGB6. § 313 BGB bestimmt die Tatbestandsvoraussetzungen für die Störung der Geschäfts- 169 grundlage in Abs. 1 und regelt in Abs. 2 vor allem den Fall des gemeinschaftlichen Motiv- und Kalkulationsirrtums7. Nicht ausdrücklich geregelt ist jedoch das Verhältnis zu anderen Vorschriften. Indessen wird z.B. für die Leistungsstörung angenommen, dass § 275 BGB insoweit spezieller sei8. Aber auch im Übrigen wird von dem Grundsatz auszugehen sein, dass die speziellere Vorschrift den im allgemeinen Teil stehenden § 313 BGB verdrängt, so dass insbesondere die Gewährleistungsansprüche § 313 BGB verdrängen. a) Geschäftsgrundlage Die Geschäftsgrundlage eines Vertrages wird gebildet durch die bei Vertragsschluss 170 bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut9. Diese Voraussetzungen sind z.B. gegeben, wenn es den Vorstellungen der Parteien bei Abschluss des Mietvertrages entsprach, dass die Wohnung der Mietpreisbindung unterliegt10. b) Risikoverteilung des Vertrages Maßgeblich für das Anpassungs- und Auflösungsrecht nach § 313 BGB ist die Risiko- 171 verteilung des Vertrages. Fällt der Umstand in den Risikobereich nur einer Partei, liegt kein Wegfall der Geschäftsgrundlage vor. Demgemäß bleiben für das Mietrecht vor allem die Anwendungsbereiche bei langfristigen (Gewerbe-)Mietverträgen, die

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BGH v. 9.3.2005 – VIII ZR 57/04, MDR 2005, 678 = WuM 2005, 337 = MietRB 2005, 141. BGH v. 4.7.1996 – I ZR 101/94, NJW 1997, 323 m.w.N. BGH v. 8.2.1978 – VIII ZR 221/76, WPM 1978, 322. BGH v. 6.7.1956 – VI ZR 55/55, ZMR 1956, 367. BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, MDR 1985, 400 = WuM 1985, 46 = NJW 1985, 480. BGH v. 11.12.1991 – XII ZR 63/90, WuM 1992, 313 (314); OLG Dresden v. 15.12.1997 – 3 AR 90/97, NZM 1998, 184. BGH v. 7.7.2004 – VIII ZR 192/03, MDR 2004, 1232 = WuM 2004, 485 = NZM 2004, 699 = MietRB 2004, 313 = BGH Report 2004, 1204 m. Anm. Börstinghaus; LG Hamburg v. 13.10.2000 – 311 S 184/98, NZM 2000, 1221. Erman/Hohloch, § 313 BGB Rz. 35 m.w.N.; zweifelnd: Emmerich, NZM 2002, 362 (364). BGH v. 14.10.1992 – VIII ZR 91/91, BGHZ 120, 10, 23 = MDR 1993, 91; BGH v. 15.11.2000 – VIII ZR 324/99, WM 2001, 523 (unter II 1a); BGH v. 8.2.2006 – VIII ZR 304/04, MDR 2006, 1002 = WM 2006, 828 (Rz. 8). BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 160/09, WuM 2010, 299 = ZMR 2010, 675; BGH v. 7.7.2010 – VIII ZR 279/09, ZMR 2010, 944.

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Vor § 535 BGB keine Mietanpassungsklausel enthalten1, Änderungen von Gesetz und Rechtsprechung, die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar war2, oder die Fälle, in denen ein gemeinsam als richtig unterstellter Berechnungsfaktor für die Miete sich als falsch erweist3. Ebenso greift der Fall, dass die Geschäftsgrundlage durch eine der Disposition der Parteien entzogene gesetzliche Zuordnung (z.B. Preisbindung nach § 17 Abs. 1 II. WoBauG) gebildet wird4. 172 Das Leerstandsrisiko trägt der Vermieter aber allein, so dass jeder Versuch, davon auch nur einen Teil auf den Mieter abzuwälzen, nicht von § 313 BGB gedeckt wird5. Deshalb kann er bei erheblichem Leerstand über § 313 BGB nicht die Zustimmung zur Änderung des Umlageschlüssels für Betriebskosten verlangen. Verbindet der Mieter eines langfristigen Gewerberaummietvertrages mit der Anmietung eine bestimmte Ertragsentwicklung, kann er, wenn die Gewinnerwartung enttäuscht wird, selbst dann über § 313 BGB grundsätzlich keine Anpassung der Miete verlangen, wenn seine Prognose auf Prospekten und sonstigen Anpreisungen des Vermieters beruht6. Diese Risikoverteilung ändert sich selbst dann nicht, wenn sich aus der Präambel des Vertrages ergibt, dass das Einkaufszentrum in einer bestimmten Weise konzeptioniert ist und eine Vollvermietung angenommen wird7. Ebenso kann bei Fehlen einer Regelung zur Mietänderung im Vertrag über § 313 BGB keine Anpassung erreicht werden, weil das typische Risiko, dass die vereinbarte Miete im Lauf der Zeit erheblich von der Entwicklung der marktüblichen Miete abweicht, grundsätzlich zu Lasten der jeweils benachteiligten Vertragspartei geht8. Mit § 313 BGB erfolgreich kann aber der Vermieter sein, der wegen eines langen Restitutionsverfahrens die noch zu DDR-Zeiten festgesetzte Miete zu den von den GrundMV festgelegten Zeitpunkten nicht anheben konnte. In diesem Fall ist er an die Kappungsgrenze nicht gebunden9. c) Rechtsfolge: Anpassung oder Auflösung 173 Die Rechtsfolgen des § 313 BGB greifen ein, wenn der Partei, die sich auf § 313 BGB beruft, ein unverändertes Festhalten am Mietvertrag nicht zumutbar ist. Deshalb ist § 313 BGB nicht anwendbar auf einen Mietvertrag, der kurzfristig kündbar ist, auf Anbahnungsverhältnisse und wenn eine Ergänzung durch Vertragsauslegung zum Erfolg führt. 174 Zur Bewertung der Unzumutbarkeit kann auf die Zeit seit Abschluss des Mietvertrages abgestellt werden, aber auch auf die wirtschaftliche Bedeutung der (fehlenden) Geschäftsgrundlage10. Andererseits kann maßgeblich sein, dass der Umstand als solcher schon als erheblich angesehen wird (z.B. 10 %-ige Überschreitung der Fläche)11. Sieht der Mietvertrag über Gewerberäume keine Mietänderungsmöglichkeit vor, kann der Vermieter bei Erreichen der Opfergrenze, die bei 60 % liegt, über § 313 BGB

1 OLG Hamburg v. 15.3.1989 – 4 U 173/88, MDR 1989, 740 = OLGZ 1990, 65. 2 OLG Oldenburg v. 24.11.1988 – 14 U 42/88, NJW-RR 1990, 84. 3 OLG Dresden v. 15.12.1997 – 3 AR 0090/97, 3 AR 90/97, NZM 1998, 184; LG Hamburg v. 13.10.2000 – 311 S 184/98, NZM 2000, 1221; a.A. LG Hamburg v. 16.11.2000 – 333 S 159/99, ZMR 2001, 193. 4 BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 160/09, WuM 2010, 299 = ZMR 2010, 675; BGH v. 7.7.2010 – VIII ZR 279/09, ZMR 2010, 944. 5 BGH v. 31.5.2006 – VIII ZR 159/05, MDR 2007, 264 = GE 2006, 159 = ZMR 2006, 758. 6 BGH v. 17.3.2010 – XII ZR 108/08, MDR 2010, 737 = GuT 2010, 100 = ZMR 2010, 598 = DWW 2010, 296; auch zu möglichen Ausnahmen: BGH v. 19.7.2000 – XII ZR 176/98, NZM 2000, 1005; BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, NZM 2000, 492. 7 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, MDR 2006, 506 = GuT 2006, 19 (22). 8 BGH v. 27.10.2004 – XII ZR 175/02, MDR 2005, 264 = NZM 2005, 63; BGH v. 8.5.2002 – XII ZR 8/00, MDR 2002, 1114 = ZMR 2002, 654. 9 BGH v. 22.12.2004 – VIII ZR 41/04, WuM 2005, 132 = ZMR 2005, 184. 10 Vgl. BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 160/09, WuM 2010, 299 = ZMR 2010, 675; BGH v. 7.7.2010 – VIII ZR 279/09, ZMR 2010, 944. 11 BGH v. 23.5.2007 – VIII ZR 138/06, MDR 2007, 1185 = WuM 2007, 450 = ZMR 2007, 681 = GE 2007, 1045 = NZM 2007, 594.

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Vor § 535 BGB eine Erhöhung der Miete verlangen, was aber einen Anstieg der Lebenshaltungskosten um 150 % und eine weitere langfristige Bindung an den Vertrag voraussetzt1. Zur Rechtsfolge regelt § 313 Abs. 1 BGB ein Recht zur Anpassung des Vertrages an 175 die veränderten Umstände und, sofern eine Anpassung nicht möglich ist, die Auflösung des Vertrages. Letzteres soll aus § 313 BGB (ggf. in Verbindung mit § 543 BGB) hergeleitet werden können, wenn der Vermieter die Nutzung einer Wohnung für mehr als zwei Jahre unmöglich macht, weil die Eigentümergemeinschaft die begonnenen Instandsetzungsarbeiten (aufgerissene Fußböden) nicht fortsetzt2. Insoweit ist jedoch vorrangig zu prüfen, ob § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB greift. Das kann zweifelhaft sein, wenn ein Fall der Unmöglichkeit vorliegt. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn die Eigentümergemeinschaft bestandskräftig beschlossen hat, die Maßnahme nicht durchzuführen3. 3. Rechtshindernde Einwendungen a) Geschäftsfähigkeit Für den wirksamen Abschluss eines Mietvertrages müssen die allgemeinen Voraus- 176 setzungen für die Wirksamkeit von Willenserklärungen vorliegen, insbesondere darf nicht eine der Parteien geschäftsunfähig oder in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt sein, wobei es auf die Kenntnis des Vertragspartners nicht ankommt. Deshalb ist der Abschluss eines Mietvertrages mit einem Minderjährigen oder einer unter Betreuung (mit dem Wirkungskreis Wohnungsversorgung oder Bestimmung des Aufenthaltsortes) stehenden Person unwirksam. Insoweit ist die Vollmacht eines Minderjährigen unwirksam, so dass der Vertreter u.U., sofern eine Genehmigung versagt wird, aus § 179 BGB haftet. b) Geheimer Vorbehalt, Scheingeschäft, Scherzerklärung Die §§ 116, 118 BGB gelten für den Mietvertrag ohne Einschränkung4. Behandelt z.B. 177 der Vermieter ein Mitglied einer studentischen Wohngemeinschaft, das erst nach Abschluss des Mietvertrages eingezogen ist, wie einen Mieter, indem er sich an Kosten für Renovierungsarbeiten beteiligt, die „Miete“ entgegennimmt und auf die Einhaltung der Hausordnung drängt, kann er sich nicht mehr darauf berufen, diese Person habe nicht in den Mietvertrag als Mieter einbezogen werden sollen (geheimer Vorbehalt)5. Ein Scheingeschäft nach § 117 BGB liegt vor, wenn die Vertragsparteien nur den äu- 178 ßeren Schein des Abschlusses des Rechtsgeschäftes hervorrufen, dagegen die damit verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollten6. Als Scheingeschäft können sich auch nur einzelne Abreden (z.B. über die Miete, um der finanzierenden Bank die Werthaltigkeit vorzutäuschen7) gewollt sein. Dann ist gemäß § 139 BGB zu prüfen, ob der gesamte Vertrag nichtig sein sollte. Für die Beurteilung, ob ein Scheingeschäft geschlossen wurde, kommt es in erster Linie auf die Erklärungen vor oder bei Abschluss des Vertrages an; allerdings kann auch nachträgliches Verhalten für die Ermittlung des tatsächlichen Vertragswillens der Beteiligten Bedeutung haben und darf deshalb nicht unberücksichtigt bleiben8. Wird bei einem Vertragsabschluss eine Person als Vertragspartner bloß vorgeschoben (sog. Strohmann), sind die Voraussetzungen eines Scheingeschäftes in der Regel

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OLG Hamburg v. 15.3.1989 – 4 U 173/88, MDR 1989, 740 = ZMR 1989, 222. LG Berlin v. 4.4.2006 – 63 S 334/05, WuM 2006, 375. BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MDR 2006, 199 = WuM 2005, 713 = ZMR 2005, 935. Vgl. dazu Weiler, NJW 1995, 2608. LG Köln v. 18.9.1991 – 10 S 339/90, WuM 1992, 251. Vgl. BGH v. 20.7.2006 – IX ZR 226/03, MDR 2007, 240 = NJW-RR 2006, 1555 ff. KG v. 11.10.2010 – 12 U 17/10, MDR 2011, 287 = ZMR 2011, 280. Vgl. BGH v. 29.10.1996 – XI ZR 319/95, NJW-RR 1997, 238 f.

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Vor § 535 BGB nicht erfüllt, selbst wenn alle Beteiligten die Strohmanneigenschaft kennen1. Dies würde sich anders darstellen, wenn der Strohmann im Außenverhältnis nicht haften soll, sondern eine Haftung des Hintermannes gewollt ist2. Die Darlegungs- und Beweislast trägt im Allgemeinen derjenige, für den die Annahme eines Scheingeschäftes materiell-rechtlich günstig wäre3. 180 Nicht selten legt der Schuldner im Zwangsversteigerungsverfahren einen Mietvertrag mit dem Ehegatten4 oder einem nahen Familienangehörigen vor, um das Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG zu unterlaufen oder Bietinteressenten von vorneherein abzuschrecken. Hier können die Umstände, z.B. eine nicht belegte Vorauszahlung5 oder ein deutlich unter der ortüblichen Vergleichsmiete liegender Mietzins6, ein Scheingeschäft indizieren. 181 Diese Voraussetzungen liegen aber noch nicht vor, wenn eine GmbH Wohnräume zusammen mit ihren Geschäftsräumen im Erdgeschoss nutzen wollte, weshalb u.a. mittels einer Treppe eine Verbindung der beiden Einheiten hergestellt wurde, und eine gewerbliche Nutzung nach Vertragsabschluss auch erfolgte, wovon der Vermieter jeweils Kenntnis hatte. Zwar lässt diese Konstellation den Schluss zu, dass hinsichtlich des Vertragszweckes unzutreffende Willenserklärungen schriftlich fixiert wurden7. Vorgetäuscht wurde ein Wohnraummietverhältnis, der wahre Vertragszweck galt unterdessen der Geschäftsraumnutzung. Jedoch macht die falsche Bezeichnung des Vertrages diesen nicht unwirksam. Des Weiteren stellt sich die Frage nach dem Vertragspartner grundsätzlich unabhängig von der Frage nach dem Vertragsgegenstand. 182 Ein Scheingeschäft ist anzunehmen, wenn ein im Haushalt seiner Eltern lebender, einkommensloser 18-jähriger Sohn mit seinem Vater einen auf zehn Jahre befristeten Mietvertrag über ein im Elternhaus gelegenes Schlafzimmer mit Dusche und WC sowie einen Arbeitsraum abschließt, der ihm zusätzlich ein Nutzungsrecht an sämtlichen Räumen des Hauses (einschließlich Garten und Keller) einräumt und mit dem zugleich sämtliches Inventar des Grundstücks zu einer bar zu zahlenden GesamtBruttomiete von monatlich 90,00 t überlassen worden sein soll8. 183 Die Rechtsfolge des Scheingeschäfts besteht darin, dass der tatsächlich gewollte Mietvertrag zustande kommt, wenn die Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt sind, § 117 Abs. 2 BGB. c) Anfechtung, §§ 119, 123 BGB 184 Ein Mietvertrag kann von Vermieter und Mieter grundsätzlich wegen Irrtums (§ 119 BGB), falscher Übermittlung (§ 120 BGB), arglistiger Täuschung oder Drohung (§ 123 BGB) durch Erklärung gegenüber dem anderen Vertragsteil (§ 143 Abs. 1 BGB) angefochten werden, wobei die Anfechtungsfristen der §§ 121, 124 BGB zu beachten sind. aa) § 119 BGB 185 Die Anfechtung erfordert einen Erklärungsirrtum oder das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft, die für die Abgabe der Willenserklärung ursächlich war. Ein Erklärungsirrtum kann nicht durch mangelnde Deutschkenntnisse eines ausländischen Mieters begründet werden9.

1 Vgl. BGH v. 4.4.2007 – III ZR 197/06, NJW-RR 2007, 1209 f.; BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 19/94, MDR 1995, 376 = NJW 1995, 727 f. 2 Vgl. BGH v. 22.10.1981 – III ZR 149/80, NJW 1982, 569 f. 3 Vgl. BGH v. 31.1.1991 – VII ZR 375/89, MDR 1991, 992 = NJW 1991, 1617 f. 4 OLG Düsseldorf v. 22.1.1996 – 9 U 115/95, NJW-RR 1996, 720. 5 LG Freiburg v. 26.6.1989 – 4 T 90/88, Rpfleger 1990, 266. 6 LG Wuppertal v. 14.9.1992 – 6 T 693/92, Rpfleger 1993, 81. 7 KG v. 4.8.2008 – 8 U 49/08, GE 2008, 1323. 8 OLG Düsseldorf v. 11.12.2007 – 10 W 160/07, ZMR 2008, 787. 9 AG Wetzlar v. 23.10.2012 – 38 C 1078/12 (38), GE 2013, 127.

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Vor § 535 BGB Eigenschaft ist jeder wertbildende Faktor, der der Sache oder der Person des Ver- 185a tragspartners unmittelbar anhaftet. Eine Zusicherung liegt vor, wenn der Versprechende für das Vorhandensein oder das Fehlen der Eigenschaft ohne Rücksicht auf ein Verschulden einstehen will. Letzteres ist der Fall, wenn eine alleinerziehende Mutter ohne Besichtigung der Woh- 186 nung einen Mietvertrag abschließt, nachdem sie darauf hingewiesen hat, für sie komme nur eine kinderfreundliche Wohnung in Betracht, der Vermieter diese Eigenschaft hervorhebt und beim ersten Besuch der Wohnung (vor dem Einzug) sich eine Nachbarin über das Trampeln des Kindes beschwert1. Des Weiteren kann ein Anfechtungsrecht angenommen werden bei objektiv unzutreffenden Erklärungen des Vermieters über die Wohnungsgröße anlässlich der Vertragsverhandlungen (Anfechtung vor Überlassung)2, bei abredewidrigem Ausfüllen eines mit Blankounterschrift versehenen Formularmietvertrags3 oder wenn der Mieter bei Vertragsschluss nicht offenbart hat, dass er die eidesstattliche Versicherung gemäß § 807 ZPO abgegeben hat (Anfechtung gemäß § 119 Abs. 2 BGB)4. Letzteres ist nicht unumstritten. So wird z.B. bei einem Irrtum über die Vermögensverhältnisse des Mieters als verkehrswesentlicher Eigenschaft wegen des (angeblichen) Vorrangs der Kündigungsmöglichkeit angenommen, der Vermieter müsse nach § 543 Abs. 1 BGB kündigen5. Dies ist schon aus dogmatischen Gründen abzulehnen, weil ein Vorrang nicht existiert. Anfechtung und Kündigung haben verschiedene Schutzrichtungen. Ein Anfechtungsrecht wurde verneint bei gelegentlichem Rauchen der Mieterin in 187 der Einliegerwohnung trotz ihrer Versicherung bei Vertragsschluss, sie habe aufgehört zu rauchen6, und bei der Anmietung eines Gemeindesaals durch einen Mann zur „Feier seiner Hochzeit“, obwohl es sich um die Feier einer vom Vertragspartner begründeten Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann i.S.d. Lebenspartnerschaftsgesetzes handelt7. Jedenfalls bei der Anfechtung nach §§ 119, 120 BGB ist der Vertrag von Anfang an nichtig und muss gemäß §§ 812 ff. BGB rückabgewickelt werden8.

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bb) Anfechtung nach § 123 BGB Ob und gegebenenfalls mit welcher Rechtsfolge eine Anfechtung des Mietvertrages 189 wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB auch noch nach Übergabe der Mietsache möglich ist, ist umstritten. Teilweise wird vertreten, das Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung werde, sobald der Mietvertrag durch Überlassung der Mietsache vollzogen sei, durch das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 543 BGB verdrängt, soweit sich der Willensmangel auf verkehrswesentliche Eigenschaften des Mietobjekts selbst beziehe9. Nach der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur kann zwar eine auf Abschluss eines Mietvertrages gerichtete Willenserklärung auch nach Überlassung der Mietsache wegen arglistiger Täuschung angefochten werden10. Differenziert wird jedoch nach der Wirkung der Anfechtung. Einige lassen die Rechtsfolgen erst ab Zugang der Anfechtungserklärung (ex nunc) zu, weil ein bereits vollzogenes Mietverhältnis nur unter

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LG Essen v. 20.7.2004 – 15 S 56/04, WuM 2005, 47. LG Mannheim v. 15.11.1973 – 12 S 42/73, MDR 1974, 672. LG Köln v. 8.6.1977 – 9 S 93/77, WuM 1980, 235. AG Hagen v. 5.7.1984 – 13 C 414/84, WuM 1984, 296. LG Ravensburg v. 8.3.1984 – S 264/83, WuM 1984, 297. LG Stuttgart v. 2.7.1992 – 16 S 137/92, NJW 1993, 73 = NJW-RR 1992, 1360. AG Neuss v. 25.7.2003 – 77/32 C 6064/02, NZM 2003, 975. KG v. 4.10.2001 – 8 U 1086/00, KGR Berlin 2001, 394; Emmerich, NZM 1998, 692. Bub/Treier/Bub, II Rz. 673. RG v. 10.3.1938 – IV 229/37, RGZ 157, 173, 174; KG v. 4.10.2001 – 8 U 1086/00, NZM 2002, 21; LG Mannheim v. 8.11.1989 – 4 S 173/89, ZMR 1990, 303; Emmerich/Sonnenschein/Rolfs, § 542 BGB Rz. 82; Soergel/Heintzmann, Vor § 542 BGB Rz. 2; Hübner/Griesbach/Schreiber in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 214; Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1326; MünchKomm/Häublein, Vor § 536 BGB Rz. 24.

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Vor § 535 BGB Inkaufnahme großer Schwierigkeiten abgewickelt werden könne1. Die Gegenmeinung2 verweist darauf, dass für Mietverträge kein Anlass bestehe, von der gesetzlichen Bestimmung des § 142 Abs. 1 BGB durch Richterrecht abzuweichen. Denn jedenfalls für die Geschäftsraummiete lasse sich ein die Rückabwicklung ausschließender sozialer Einschlag nicht erkennen3. 190 Der BGH hat sich der letzteren Ansicht angeschlossen4 und die Rückabwicklung über § 812 BGB zugelassen. Ein maßgeblicher Gesichtspunkt war insoweit die unterschiedliche Schutzrichtung. § 123 BGB schützt die Freiheit der Willensentschließung, während § 543 Abs. 1 BGB den Vertragsverstoß als solchen sanktioniert. 191 Der wesentliche Unterschied zwischen der Anfechtung nach § 123 BGB und der ebenfalls möglichen Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB besteht in der Rechtsfolge. Während bei einer Kündigung § 546a BGB gilt und der Vermieter Nutzungsentschädigung mindestens in Höhe der vereinbarten Miete verlangen kann, muss er nach § 818 Abs. 2 BGB nachweisen, dass die verlangte Nutzungsentschädigung objektiv gerechtfertigt ist. Hat der Vermieter eine oberhalb der ortsüblichen Miete liegende Vereinbarung getroffen, wird ihm das schwerlich gelingen. 192 § 123 BGB wurde bejaht, – wenn der Mieter selbst einräumt, dass das von ihm angebotene Warensortiment eine hohe Affinität zur rechten Szene aufweist, so dass insoweit jedenfalls dann eine vorvertragliche Aufklärungspflicht besteht, wenn es sich um Mieträume in einem exponierten Gebäude (Hundertwasserhaus) handelt, dass eine Touristenattraktion darstellt (§ 123 BGB)5; – bei Täuschung des Vermieters über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mieters bei Abschluss eines Mietvertrages6 – durch falsche Angaben zu vorangegangener Insolvenz7 – bei Vortäuschen geregelter Vermögensverhältnisse durch Vorlage von Einkommensnachweisen, obwohl der Mieter bereits mehrfach die Eidesstattliche Versicherung abgegeben hat8. 192a Die Anfechtung kann aus den genannten Gründen auch gegenüber einem Mietvorvertrag erklärt werden9. In in diesem Stadium muss der Mieter den Vermieter über seine schlechten finanziellen Verhältnisse aufklären, es sei denn, es besteht die konkrete Aussicht, dass sich die finanzielle Situation z.B. durch einen bereits abgeschlossenen Arbeitsvertrag oder eine eingetretene Erbschaft verbessert. d) Verstoß gegen ein gesetzliches Gebot 193 Verstößt der Abschluss des Mietvertrages gegen ein gesetzliches Verbot, das die Vornahme des Rechtsgeschäfts insgesamt sanktionieren soll, tritt nach § 134 BGB Nichtigkeit ein. Dies gilt auch für sog. Umgehungsgeschäfte. Letzteres gilt z.B., wenn der Konzessionsinhaber die Gaststätte entgeltlich an einen Dritten überlässt, der diese

1 LG Nürnberg-Fürth v. 23.2.1966 – 2 S 109/65, MDR 1966, 1003 (1004); Schmidt-Futterer/Blank, Vor § 535 BGB Rz. 7; Staudinger/Rolfs, § 542 Rz. 179; für die Wohnraummiete: Hille, WuM 1984, 292 (293). 2 RG v. 19.3.1915 – III 565/14, RGZ 86, 334; RG v. 3.6.1921 – III 299/20, RGZ 102, 225, 226; RG v. 10.3.1938 – IV 229/37, RGZ 157, 173, 174; KG v. 17.11.1966 – 8 U 1611/65, MDR 1967, 404; KG v. 4.10.2001 – 8 U 1086/00, NZM 2002, 21; Soergel/Heintzmann, Vor § 542 BGB Rz. 2; Schmid, DWW 1985, 302; Fischer, NZM 2005, 567 (571); Emmerich, NZM 1998, 692 (694 f.). 3 KG v. 4.10.2001 – 8 U 1086/00, NZM 2002, 21. 4 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MDR 2009, 19 = GuT 2008, 330 = ZMR 2009, 102. 5 KG v. 28.5.2009 – 8 U 223/08, GuT 2009, 176; OLG Naumburg v. 28.10.2008 – 9 U 39/08, NZM 2009, 128; a.A. LG Nürnberg-Fürth v. 12.6.2009 – 14 O 139/09, NZM 2009, 584. 6 AG Saarlouis v. 17.9.1999 – 29 C 739/99, NZM 2000, 459. 7 LG Bonn v. 16.11.2005 – 6 S 226/05, WuM 2006, 24 = NZM 2006, 177; AG Hamburg v. 6.5.2003 – 48 C 636/02, ZMR 2003, 744. 8 AG Hamburg-St. Georg v. 25.11.2010 – 910 C 230/10, ZMR 2011, 303. 9 AG Wolfsburg v. 9.8.2000 – 22 C 498/99, NZM 2001, 987.

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Vor § 535 BGB selbständig betreibt, ohne selbst eine Konzession zu besitzen; dann liegt ein Verstoß gegen §§ 2 Abs. 1, 9 GaststG vor1. Nicht jedes gesetzliche Verbot führt aber zur Unwirksamkeit des (gesamten) Miet- 194 vertrages. Vielmehr muss der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung erforscht werden, so dass deren Anwendung auch zur Nichtigkeit nur einzelner Abreden führen kann. Dies zeigt beispielhaft die Mietpreisüberhöhung nach § 5 WiStrG (vgl. Anhang § 535 BGB), die zur Teilnichtigkeit der Mietzahlungsabrede jenseits von 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete führt2. e) Sittenwidrigkeit, § 138 BGB Für diesen Nichtigkeitsgrund wird der Maßstab durch das Anstandsgefühl aller billig 195 und gerecht denkenden Menschen bestimmt. Damit werden vor allem Handlungen erfasst, die gegen die rechtsethischen Werte und Prinzipien unserer Rechtsordnung verstoßen3. Im Hinblick auf die Vielzahl der davon erfassten Fälle hat sich dazu eine fast unübersehbare Typik herausgebildet4. Im Mietrecht kommen zunächst sog. Koppelungsgeschäfte in Betracht. In diesem 196 Fall kann der Mietvertrag unwirksam sein, weil durch die Koppelung mit einem anderen Geschäft eine missbilligte Leistung entsteht. Aus diesem Gesichtspunkt ist der Mietvertrag mit einer Prostituierten z.B. unwirksam, wenn aus der Höhe des Entgelts darauf geschlossen werden kann, dass über die Miete eine Beteiligung am Dirnenlohn stattfindet, was auf die wirtschaftliche Ausbeutung oder Förderung der Prostitution hinauslaufen würde5. Allerdings ist die Bindung des Servicevertrages an den Fortbestand des Mietvertrages im Rahmen eines Betreuten Wohnens („Service-Wohnen“) grundsätzlich nicht sittenwidrig6. Ein für den Wuchertatbestand notwendiger Mangel an Urteilsvermögen kann nicht 197 angenommen werden, wenn der Betroffene nach seinen Fähigkeiten in der Lage ist, Inhalt und Folgen eines Rechtsgeschäftes sachgerecht einzuschätzen, diese Fähigkeiten aber nicht oder nur unzureichend einsetzt und deshalb ein unwirtschaftliches Rechtsgeschäft abschließt7. Anders als bei der Wohnraummiete ist ein auffälliges Missverhältnis i.S.d. § 138 Abs. 2 198 BGB bei der Gewerberaummiete erst dann anzunehmen, wenn die vereinbarte Miete die doppelte Höhe des Marktwertes erreicht8. Dazu ist die Vergleichsmiete einzig anhand derjenigen Miete zu ermitteln, die für vergleichbare Objekte erzielt wird9. Fehlen geeignete Vergleichsobjekte, ist der Wert zu schätzen. Statistische Ertragswerte, wie sie etwa bei der sog. EOP-Methode herangezogen werden, bleiben hingegen unberücksichtigt10. Neben dem auffälligen Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung müssen aber 199 weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, z.B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten11. Während etwa im Bereich der Teilzahlungs- und Ratenkreditverträge mit privaten Kunden bei drastischer Überschreitung der marktüblichen Zinsen dem Darlehensgeber die Kenntnis dieses Missverhältnis-

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OLG Düsseldorf v. 11.12.1986 – 10 U 130/86, NJW-RR 1987, 687. OLG Hamburg v. 13.1.2000 – 4 U 112/99, WuM 2000, 111 = ZMR 2000, 458 = NZM 2000, 216. Palandt/Ellenberger, § 138 BGB Rz. 3. Vgl. Erman/Palm/Arnold, § 138 BGB Rz. 65 f. OLG Koblenz v. 15.5.1997 – 5 U 289/96, NZM 1998, 479. BGH v. 23.2.2006 – III ZR 167/05, GuT 2006, 119. BGH v. 23.6.2006 – V ZR 147/05, GE 2006, 1227. BGH v. 28.4.1999 – XII ZR 150/97, NJW 1999, 3187 = NZM 1999, 664. BGH v. 13.6.2001 – XII ZR 49/99, NJW 2002, 55. BGH v. 30.6.2004 – XII ZR 11/01, MDR 2004, 1408 = NZM 2004, 741 = DWW 2004, 264 = MietRB 2005, 4; a.A. OLG München v. 4.9.2000 – 17 U 5278/98, NZM 2000, 1059; Walterspiel, NZM 2000, 70. 11 BGH v. 30.5.2000 – IX ZR 121/99, NJW 2000, 2669; BGH v. 8.11.1991 – V ZR 260/90, NJW 1992, 899; BGH v. 13.3.1990 – XI ZR 252/98, BGHZ 110, 336 = NJW 1990, 1595.

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ses und deshalb zugleich eine verwerfliche Gesinnung unterstellt werden kann1, muss bei gewerblichen Miet- und Pachtverhältnissen zumindest die Erkennbarkeit des Missverhältnisses für den Vermieter/Verpächter festgestellt werden2. Ein Verpächter muss sich nämlich bei Vertragsschluss nicht unbedingt dessen bewusst sein, dass er mit der geforderten Pacht weit über dem Marktniveau liegt. Oft ist es nicht einfach, die ortsübliche Pacht überhaupt festzustellen, da diese innerhalb derselben Stadt schon von Straße zu Straße deutlich schwanken kann. Deshalb muss trotz eines auffälligen Missverhältnisses i.S.v. § 138 BGB im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung ermittelt werden, ob sich der Vermieter/Verpächter bei Vertragsschluss z.B. leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass die beanspruchte Miete/Pacht in einem auffälligen Missverhältnis zum Wert der Gegenleistung steht3. 200 Bei Bürgschafts- oder Mithaftungsverträgen kann eine Sittenwidrigkeit vorliegen, wenn im Zeitpunkt der Begründung der Sicherheit die Einkommens- und Vermögenssituation des Mithaftenden in einem auffälligen Missverhältnis zur übernommenen Verpflichtung steht. Dabei ist aber zu berücksichtigen, ob dem Mithaftenden aus dem Mietvertrag ein angemessener Ausgleich unmittelbar und in ausreichendem Maße zugeflossen ist und der Vermieter mit verwerflicher Gesinnung gehandelt hat4.

Anhang Vor § 535 Art. 229 EGBGB Art. 229 Weitere Überleitungsvorschriften § 3 Übergangsvorschriften zum Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts vom 19. Juni 2001 (1) Auf ein am 1. September 2001 bestehendes Mietverhältnis oder Pachtverhältnis sind 1. im Falle einer vor dem 1. September 2001 zugegangenen Kündigung § 554 Abs. 2 Nr. 2, §§ 565, 565c Satz 1 Nr. 1b, § 565d Abs. 2, § 570 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe jeweils in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden; 2. im Falle eines vor dem 1. September 2001 zugegangenen Mieterhöhungsverlangens oder einer vor diesem Zeitpunkt zugegangenen Mieterhöhungserklärung die §§ 2, 3, 5, 7, 11 bis 13, 15 und 16 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden; darüber hinaus richten sich auch nach dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt Mieterhöhungen nach § 7 Abs. 1 bis 3 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung, soweit es sich um Mietverhältnisse im Sinne des § 7 Abs. 1 jenes Gesetzes handelt; 3. im Falle einer vor dem 1. September 2001 zugegangenen Erklärung über eine Betriebskostenänderung § 4 Abs. 2 bis 4 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden; 4. im Falle einer vor dem 1. September 2001 zugegangenen Erklärung über die Abrechnung von Betriebskosten § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 und § 14 des Gesetzes zur Re-

1 BGH v. 10.7.1986 – III ZR 133/85, NJW 1986, 2564; BGH v. 28.4.1999 – XII ZR 150/97, BGHZ 146, 248 = NJW 1999, 3187. 2 BGH v. 13.6.2001 – XII ZR 49/99, NJW 2002, 55 = NZM 2001, 810 = ZMR 2001, 788. 3 BGH v. 14.7.2004 – XII ZR 352/00, MDR 2005, 27 = MietRB 2005, 5. 4 BGH v. 29.9.2004 – XII ZR 22/02, GuT 2005, 6.

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Art. 229 EGBGB § 3

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gelung der Miethöhe in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden; 5. im Falle des Todes des Mieters oder Pächters die §§ 569 bis 569b, 570b Abs. 3 und § 594d Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 1. September 2001 geltenden Fassung anzuwenden, wenn der Mieter oder Pächter vor diesem Zeitpunkt verstorben ist, im Falle der Vermieterkündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum gegenüber dem Erben jedoch nur, wenn auch die Kündigungserklärung dem Erben vor diesem Zeitpunkt zugegangen ist; 6. im Falle einer vor dem 1. September 2001 zugegangenen Mitteilung über die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen § 541b des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden; 7. hinsichtlich der Fälligkeit § 551 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 1. September 2001 geltenden Fassung anzuwenden. (2) Ein am 1. September 2001 bestehendes Mietverhältnis im Sinne des § 564b Abs. 4 Nr. 2 oder Abs. 7 Nr. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 1. September 2001 geltenden Fassung kann noch bis zum 31. August 2006 nach § 564b des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der vorstehend genannten Fassung gekündigt werden. (3) Auf ein am 1. September 2001 bestehendes Mietverhältnis auf bestimmte Zeit sind § 564c in Verbindung mit § 564b sowie die §§ 556a bis 556c, 565a Abs. 1 und § 570 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden. (4) Auf ein am 1. September 2001 bestehendes Mietverhältnis, bei dem die Betriebskosten ganz oder teilweise in der Miete enthalten sind, ist wegen Erhöhungen der Betriebskosten § 560 Abs. 1, 2, 5 und 6 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anzuwenden, soweit im Mietvertrag vereinbart ist, dass der Mieter Erhöhungen der Betriebskosten zu tragen hat; bei Ermäßigungen der Betriebskosten gilt § 560 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. (5) Auf einen Mietspiegel, der vor dem 1. September 2001 unter Voraussetzungen erstellt worden ist, die § 558d Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechen, sind die Vorschriften über den qualifizierten Mietspiegel anzuwenden, wenn die Gemeinde ihn nach dem 1. September 2001 als solchen veröffentlicht hat. War der Mietspiegel vor diesem Zeitpunkt bereits veröffentlicht worden, so ist es ausreichend, wenn die Gemeinde ihn später öffentlich als qualifizierten Mietspiegel bezeichnet hat. In jedem Fall sind § 558a Abs. 3 und § 558d Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht anzuwenden auf Mieterhöhungsverlangen, die dem Mieter vor dieser Veröffentlichung zugegangen sind. (6) Auf vermieteten Wohnraum, der sich in einem Gebiet befindet, das aufgrund 1. des § 564b Abs. 2 Nr. 2, auch in Verbindung mit Nr. 3, des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 1. September 2001 geltenden Fassung oder 2. des Gesetzes über eine Sozialklausel in Gebieten mit gefährdeter Wohnungsversorgung vom 22. April 19931 bestimmt ist, sind die am 31. August 2001 geltenden vorstehend genannten Bestimmungen über Beschränkungen des Kündigungsrechts des Vermieters bis zum 31. August 2004 weiter anzuwenden. Ein am 1. September 2001 bereits verstrichener Teil einer Frist nach den vorstehend genannten Bestimmungen wird auf die Frist nach § 577a des Bürgerlichen Gesetzbuchs angerechnet. § 577a des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist jedoch nicht anzuwenden im Falle einer Kündigung des Erwerbers nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 jenes Gesetzes, wenn die Veräußerung vor dem 1. September 2001 erfolgt ist und sich die veräußerte Wohnung nicht in einem nach Satz 1 bezeichneten Gebiet befindet. (7) § 548 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist nicht anzuwenden, wenn das selbständige Beweisverfahren vor dem 1. September 2001 beantragt worden ist.

1 BGBl. I 1993, S. 466, 487.

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(8) § 551 Abs. 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist nicht anzuwenden, wenn die Verzinsung vor dem 1. Januar 1983 durch Vertrag ausgeschlossen worden ist. (9) § 556 Abs. 3 Satz 2 bis 6 und § 556a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind nicht anzuwenden auf Abrechnungszeiträume, die vor dem 1. September 2001 beendet waren. (10) § 573c Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist nicht anzuwenden, wenn die Kündigungsfristen vor dem 1. September 2001 durch Vertrag vereinbart worden sind. Für Kündigungen, die ab dem 1. Juni 2005 zugehen, gilt dies nicht, wenn die Kündigungsfristen des § 565 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 1. September 2001 geltenden Fassung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart worden sind. (11) Nicht unangemessen hoch im Sinn des § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 sind Entgelte für Wohnraum im Sinn des § 11 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe in der bis zum 31. August 2001 geltenden Fassung, die 1. bis zum 31. Dezember 1997 nach § 3 oder § 13 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe in der bis zum 31. August 2001 geltenden Fassung geändert oder nach § 13 in Verbindung mit § 17 jenes Gesetzes in der bis zum 31. August 2001 geltenden Fassung vereinbart oder 2. bei der Wiedervermietung in einer der Nummer 1 entsprechenden Höhe vereinbart worden sind. Für Zwecke des Satzes 1 bleiben die hier genannten Bestimmungen weiterhin anwendbar. Inhalt A. Art. 229 § 3 EGBGB . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . II. Am 1.9.2001 bestehende Mietverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . III. Art. 229 § 3 Abs. 1 EGBGB. . . . 1. Abs. 1 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abs. 1 Nr. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abs. 1 Nr. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abs. 1 Nr. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abs. 1 Nr. 5 . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Abs. 1 Nr. 6 . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Abs. 1 Nr. 7 . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Art. 229 § 3 Abs. 2 EGBGB. . . . V. Art. 229 § 3 Abs. 3 BGB . . . . . . VI. Art. 229 § 3 Abs. 4 BGB . . . . . .

...... ...... . . . . . . . . . . . .

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1 2 3 4 5 8 9 10 11 13 14 17 18 21

VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII.

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24 25 26 27 28 29 31

Art. 229 § 29 EGBGB . . . . . . . . . . . § 29 Abs. 1 EGBGB . . . . . . . . . . . . Entstandenes Mietverhältnis . . . . § 29Abs. 1 Nr. 1 EGBGB . . . . . . . . a) Modernisierungsankündigung . b) Mieterhöhung wegen Modernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Art. 229 § 29Abs. 2 EGBGB . . . . . .

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32 32 34 37 38

... ...

43 48

B. I. 1. 2.

Art. 229 § 3 Abs. 5 EGBGB . Art. 229 § 3 Abs. 6 EGBGB . Art. 229 § 3 Abs. 7 EGBGB . Art. 229 § 3 Abs. 8 EGBGB . Art. 229 § 3 Abs. 9 EGBGB . Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB. Art. 229 § 3 Abs. 11 EGBGB.

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A. Art. 229 § 3 EGBGB 1 Am 1.9.2001 ist das Mietrechtsreformgesetz (MRRG) in Kraft getreten. Die Vorschriften des Art. 229 § 3 EGBGB bestimmen, inwieweit alte Vorschriften fortgelten bzw. neue Vorschriften auf Verträge, die am 1.9.2001 schon bestanden, anzuwenden sind. I. Regelungsgehalt 2 Grundsätzlich gilt seit dem Inkrafttreten des MRRG (1.9.2001) – auch für Altverträge – das neue Recht1. Da es sich aber bei Miet- und Pachtverhältnissen um Dauerschuldverhältnisse handelt, gebietet der Vertrauensschutz für bestimmte Konstellationen Ausnahmen, die sich aus konkretisierenden Überleitungsregeln oder dem Rechtsstaatsprinzip ergeben. Diesem Gedanken hat der Gesetzgeber in Art 229 § 3 EGBGB Rechnung getragen. Danach gilt das neue Mietrecht grundsätzlich ab 1 BT-Drucks. 14/4553, S. 75; BGH v. 16.7.2003 – VIII ZR 274/02, MDR 2003, 1103 = NJW 2003, 2601.

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1.9.2001, soweit keine Ausnahme normiert ist. Vor dem 1.9.2001 bereits abgeschlossene Sachverhalte bleiben von dem neuen Recht unberührt1. Dies gilt insbesondere für § 566a BGB (s. § 566a BGB Rz. 4). II. Am 1.9.2001 bestehende Mietverhältnisse Art. 229 § 3 EGBGB stellt mehrfach darauf ab, ob ein „am 1.9.2001 bestehendes“ Miet- 3 oder Pachtverhältnis vorliegt. Fraglich ist insoweit, ob dafür auf den Abschluss des Vertrages oder erst die Invollzugsetzung2 abzustellen ist. Richtigerweise entsteht ein Mietverhältnis i.S.v. Art. 229 § 3 EGBGB bereits mit seinem Abschluss3, denn der Gesetzgeber hat dem Vertrauensschutz Rechnung tragen wollen. Aus Gründen der Vollständigkeit muss daher schon der Abschluss des Vertrages vor dem 1.9.2001 geschützt werden. Früheren Entscheidungen kann nichts Gegenteiliges entnommen werden4. III. Art. 229 § 3 Abs. 1 EGBGB Die darin enthaltene Überleitungsregelung betrifft am 1.9.2001 bereits laufende Ver- 4 fahren auf dem Gebiet der Miete und Pacht. Ihr Inhalt wird zumeist in den Erläuterungen der einzelnen relevanten BGB-Bestimmungen angesprochen. 1. Abs. 1 Nr. 1 Die Vorschrift macht deutlich, dass die genannten Kündigungstatbestände sich nach 5 dem Recht beurteilen, das im Zeitpunkt ihres Zugangs galt. Dies trägt dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) Rechnung. Damit ist darauf abzustellen, wann die Kündigung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte (vgl. dazu § 542 BGB Rz. 78 f.). Besondere Relevanz hatte die Regelung für die durch § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB von ei- 6 nem auf zwei Monate verlängerte Schonfrist. Die neue, längere Frist war anwendbar, wenn die Kündigung ab dem 1.9.2001 zuging, obwohl der Vermieter sie noch unter der Geltung des alten Rechts abgegeben hatte. Der Fortbestand vertraglich vor dem 1.9.2001 veränderter Kündigungsfristen ist in Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB geregelt.

7

2. Abs. 1 Nr. 2 Diese Norm hat ihre praktische Relevanz mittlerweile durch Zeitablauf verloren.

8

3. Abs. 1 Nr. 3 Diese Norm hat ihre praktische Relevanz mittlerweile durch Zeitablauf verloren.

9

4. Abs. 1 Nr. 4 Diese Norm hat ihre praktische Relevanz mittlerweile durch Zeitablauf verloren.

10

5. Abs. 1 Nr. 5 Die Norm regelt den Fall des Todes des Wohnraummieters und des Landpächters. 11 Gegenüber den §§ 569–569b, 570b Abs. 3 und 594d Abs. 1 BGB a.F. hat das MRRG den Kreis der Eintrittsberechtigten nicht nur im Hinblick auf die Lebenspartner nach LPartG, sondern auch auf die Personen erweitert, die mit dem Mieter in einem auf Dauer angelegten Haushalt zusammengelebt hatten. Auch sind teilweise andere Rechtsfolgen bestimmt worden (z.B. § 563b Abs. 3 BGB).

1 BGH v. 16.7.2003 – VIII ZR 274/02, MDR 2003, 1103 = NJW 2003, 2601. 2 So Stürzer, WuM 2001, 423. 3 BGH v. 19.9.2006 – VIII ZR 336/04, MDR 2007, 330 = WuM 2006, 620 unter Hinweis auf BTDrucks. 14/4553, 75; Jansen, NJW 2001, 3151 (3152). 4 Vgl. z.B. BGH v. 21.2.1979 – VIII ZR 88/78, WuM 1979, 139.

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12 Relevanter Zeitpunkt für die Zäsur zwischen altem und neuem Recht ist der Tod des Mieters/Pächters. Ist der Wohnraummieter bzw. der Landpächter vor dem 1.9.2001 verstorben, gelten weiterhin die §§ 569–569b, 570b Abs. 3 und 594d Abs. 1 BGB a.F., bei der Vermieterkündigung von Wohnraum dem Erben gegenüber jedoch nur, wenn die Kündigung dem Erben vor dem 1.9.2001 zugegangen ist. Ansonsten gilt neues Recht (§§ 563 ff., 577 Abs. 4, 594d Abs. 1 BGB). 6. Abs. 1 Nr. 6 13 Diese Norm hat ihre praktische Relevanz mittlerweile durch Zeitablauf verloren. 7. Abs. 1 Nr. 7 14 Diese Vorschrift betrifft die Fälligkeit der Miete. Insoweit ist auf Verträge aus der Zeit vor dem 1.9.2001 weiterhin § 551 BGB a.F. anzuwenden. Die §§ 556b, 579 BGB gelten also nur für Mietverträge, die ab dem 1.9.2001 geschlossen wurden. 15 Art. 229 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB wird bei Dauerschuldverhältnissen für die Zeit ab 1.1.2003 nicht von dem Überleitungsrecht zur Schuldrechtsmodernisierung in Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB verdrängt. Art. 229 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB enthält eine speziell auf die mietvertragliche Interessenlage zugeschnittene Regelung, die der für Dauerschuldverhältnisse nur allgemein konzipierten Übergangsbestimmung in Art. 229 § 5 EGBGB vorgeht1. Die vereinzelt vertretene Ansicht, die Prüfung der Klausel müsse sich heute jedenfalls an der Leitbildfunktion des § 556b Abs. 1 BGB orientieren, der mittlerweile eine Vorauszahlungspflicht vorgibt2, übersieht, dass für die Prüfung der Wirksamkeit einer Formularklausel im Individualprozess allein auf die Gesetzeslage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist3. Nachträgliche Gesetzesänderungen können dagegen grundsätzlich keine Änderung des Prüfungsmaßstabs mehr bewirken4. 16 Dies hat zur Folge, dass auf Altverträge z.B. die Rechtsprechung zur Unwirksamkeit der vertraglichen Vorfälligkeitsregelung bei gleichzeitiger Vereinbarung eines Aufrechnungsverbots anwendbar bleibt5. Ist danach eine Vorfälligkeitsklausel unwirksam, muss der Mieter die Miete erst am Ende des Zeitabschnitts bezahlen. IV. Art. 229 § 3 Abs. 2 EGBGB 17 Diese Vorschrift hat ihre praktische Relevanz mittlerweile durch Zeitablauf verloren. V. Art. 229 § 3 Abs. 3 BGB 18 Danach sind am 1.9.2001 bestehende Zeitmietverträge weiterhin nach altem Recht zu beurteilen, auch wenn die vereinbarte Mietzeit6 oder ein weiteres Intervall eines Kettenmietvertrages7 erst danach begonnen haben. 19 Selbst wenn derartige Vereinbarungen als formularmäßige Regelung getroffen wurden und die Laufzeit des einzelnen Intervalls fünf Jahre beträgt, bestehen aus dem Gesichtspunkt des § 307 Abs. 1 BGB keine Bedenken, denn die Rechtsprechung zur Höchstdauer des formularmäßigen Kündigungsverzichts (vgl. § 575 BGB Rz. 22 f.) ist

1 LG Hamburg v. 11.10.2007 – 307 S 31/07, WuM 2007, 710; LG Berlin v. 25.2.2003 – 64 S 265/02, GE 2003, 529 (531); AG Köln v. 13.6.2006 – 205 C 93/06, WuM 2007, 40; AG Saarbrücken v. 21.9.2004 – 36 C 428/04, WuM 2004, 657; AG Wetzlar v. 19.2.2002 – 30 C 2010/01 (30), WuM 2002, 307; Bamberger/Roth/Ehlert, § 556b BGB Rz. 33; Blank/Börstinghaus, § 556b BGB Rz. 48; MünchKomm/Artz, § 556b BGB Rz. 17; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 556b BGB Rz. 15; Staudinger/Weitemeyer, § 556b BGB Rz. 9, jeweils m.w.N. 2 Lammel, § 556b BGB Rz. 51. 3 Vgl. BGH v. 10.7.1990 – XI ZR 275/89, BGHZ 112, 115, 118 = MDR 1991, 149; Bamberger/Roth/H. Schmidt, § 307 BGB Rz. 39. 4 Vgl. BGH v. 1.6.1994 – XII ZR 241/92, MDR 1995, 34 = WPM 1994, 1940 (unter I 3) (zu § 134 BGB). 5 BGH v. 4.2.2009 – VIII ZR 66/08, MDR 2009, 558 = WuM 2009, 228. 6 BGH v. 19.9.2006 – VIII ZR 336/04, NZM 2006, 927. 7 BGH v. 20.6.2007 – VIII ZR 257/06, MDR 2007, 2003 (2004) = ZMR 2007, 848.

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nicht anwendbar1. Immerhin sah § 565a Abs. 1 BGB a.F. eine automatische Verlängerung vor, ohne dass für die Länge der Intervalle eine Vorgabe bestand. Sieht ein Altvertrag die mehrfache Verlängerung um bestimmte Zeit vor (sog. Ketten- 20 mietvertrag) und soll die Verlängerung nur dann nicht eintreten, wenn nicht eine der Parteien unter Einhaltung der „gesetzlichen Kündigungsfristen“ kündigt, gelten jedenfalls für den Vermieter die Fristen des § 565 BGB a.F.2. Im Übrigen ist eine solche Regelung auch als formularmäßige Vereinbarung wirksam und verstößt insbesondere nicht gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB gegen wesentliche Grundgedanken des § 565 Abs. 2 BGB a.F. (maximal einjährige Kündigungsfrist auch zu Lasten des Mieters)3. Denn § 565 BGB a.F. ist auf Mietverhältnisse mit Verlängerungsklausel nicht anwendbar4. Immerhin bildet § 565a BGB a.F. davon eine Ausnahme, so dass sich auch die Inhaltskontrolle ausschließlich an den in dieser Sondernorm aufgestellten Grundsätzen zu orientieren hat. VI. Art. 229 § 3 Abs. 4 BGB Diese Bestimmung räumt den Parteien, die einen Inklusiv- und Teilinklusivmietver- 21 trag vor dem 1.9.2001 abgeschlossen haben, das Recht zur Erhöhung oder zur Ermäßigung des in der (Grund-)Miete enthaltenen Betriebskostenanteils nach § 560 BGB ein, sofern der Vertrag einen entsprechenden Vorbehalt enthält. Ein ausreichender Vorbehalt ist bereits in der Bestimmung zu sehen, wonach der Vermieter berechtigt ist, die Miete einschließlich der Nebenkosten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu erhöhen5. Die Geltendmachung des Rechts erfolgt durch einseitige Willenserklärung gegen- 22 über dem Mieter. An dieses Gestaltungsrecht sind die gleichen Anforderungen zu stellen, wie an die Erklärung des Vermieters, mit der die Pauschale nach § 560 Abs. 2 BGB erhöht bzw. nach § 560 Abs. 3 BGB ermäßigt wird. Für die Ausübung des Rechts ist allein das Bestehen eines Altvertrages Vorausset- 23 zung. Dass es nicht unmittelbar nach dem 1.9.2001 geltend gemacht wurde, ist unerheblich. Die Erhöhungsmöglichkeit kann auch noch in Anspruch genommen werden, wenn zwischenzeitlich eine Erhöhung der Teilinklusivmiete nach § 558 BGB stattgefunden hat. Für die Ausübung gilt weder die Wartefrist des § 558 Abs. 1 BGB noch die Kappungsgrenze nach § 558 Abs. 3 BGB. Umgekehrt wird eine Erhöhung der Teilinklusivmiete nach dem hier zugelassenen Verfahren weder in die Wartefrist noch in die Kappungsgrenze eingerechnet, § 558 Abs. 1 S. 3, Abs. 3 BGB. VII. Art. 229 § 3 Abs. 5 EGBGB Hier wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen auf in der Zeit vor dem 1.9.2001 24 erstellte Mietspiegel die Vorschriften über qualifizierte Mietspiegel angewandt werden können. Auch diese Bestimmung hat sich durch Zeitablauf überholt. VIII. Art. 229 § 3 Abs. 6 EGBGB Diese Norm hat ihre praktische Relevanz mittlerweile durch Zeitablauf verloren.

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IX. Art. 229 § 3 Abs. 7 EGBGB Die Bestimmung hat ihre praktische Relevanz mittlerweile durch Zeitablauf verloren.

1 BGH v. 23.6.2010 – VIII ZR 230/09, MDR 2010, 1042 = NZM 2010, 693 = ZMR 2010, 935. 2 BGH v. 12.3.2008 – VIII ZR 71/07, MDR 2008, 677 = NJW 2008, 1661 = WuM 2008, 290 = ZMR 2008, 608. 3 BGH v. 6.4.2005 – VIII ZR 155/04, NJW 2005, 1574 = NZM 2005, 419. 4 BGH v. 23.6.2010 – VIII ZR 230/09, MDR 2010, 1042 = NZM 2010, 693 = ZMR 2010, 935; BGH v. 7.2.2007 – VIII ZR 145/06, MDR 2007, 880 = WuM 2007, 202; BGH v. 6.4.2005 – VIII ZR 155/04, NJW 2005, 1574 = NZM 2005, 419. 5 LG Berlin v. 27.9.2011 – 63 S 36/11, GE 2011, 1620.

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X. Art. 229 § 3 Abs. 8 EGBGB 27 Danach ist die verzinsliche Anlagepflicht der Barkaution gemäß § 551 Abs. 3 BGB nicht anzuwenden, wenn die Verzinsung vor dem 1.1.1983 vertraglich ausgeschlossen worden ist. Im Umkehrschluss sind alle sonstigen Kautionen verzinslich, zumal abweichende Vereinbarungen unwirksam sind, § 551 Abs. 4 BGB. XI. Art. 229 § 3 Abs. 9 EGBGB 28 Die Vorschrift hat ihre praktische Relevanz mittlerweile durch Zeitablauf verloren. XII. Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB 29 Nach § 573c Abs. 4 BGB ist eine Abweichung zum Nachteil des Mieters von § 573 Abs. 1 oder 3 BGB nicht zulässig. Nach Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB ist § 573c Abs. 4 BGB jedoch auf Vereinbarungen über Kündigungsfristen aus der Zeit vor dem 1.9.2001 nicht anwendbar. Ursprünglich galt dies nach der Rechtsprechung des BGH1 auch für formularvertragliche Vereinbarungen, obwohl der Gesetzgeber in der Begründung mitgeteilt hatte, dass er das Gegenteil anordnen wollte. Als Reaktion auf diese Rechtsprechung ist S. 2 durch Gesetz vom 26.5.20052 eingefügt worden3. Mithin gelten die alten Kündigungsfristen zu Lasten des Mieters nur bei individueller Vereinbarung. 30 Für die Vermieterkündigung gelten auch bei formularmäßiger Klausel die alten Kündigungsfristen. Dies ist relevant, wenn der Mietvertrag schon länger als acht Jahre dauert. Denn § 573 Abs. 4 BGB gilt nicht für Kündigungsfristen, die den Mieter begünstigen. XIII. Art. 229 § 3 Abs. 11 EGBGB 31 Dieser Absatz ist Art. 229 § 3 EGBGB durch das Zweite Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich der Justiz vom 29.11.20074 angefügt worden. Die Regelung ersetzt § 1 des durch das vorgenannte Gesetz vom 29.11.2007 aufgehobenen Gesetzes über die Angemessenheit von Entgelten beim Übergang in das Vergleichsmietensystem vom 6.6.20075, das in den neuen Bundesländern gelegenen Wohnraum i.S.d. vormaligen § 11 Abs. 2 MHG betraf. Art. 229 § 3 Abs. 11 EGBGB hat die Regelung aus § 1 des Überleitungsgesetzes vom 6.6.1995 inhaltlich unverändert übernommen. § 29 Übergangsvorschriften zum Mietrechtsänderungsgesetz vom 11. März 2013 (1) Auf ein bis zum 1. Mai 2013 entstandenes Mietverhältnis sind die §§ 536, 554, 559 bis 559b, 578 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 1. Mai 2013 geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn 1. bei Modernisierungsmaßnahmen die Mitteilung nach § 554 Absatz 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem Mieter vor dem 1. Mai 2013 zugegangen ist, 2. bei Modernisierungsmaßnahmen, auf die § 554 Absatz 3 Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 1. Mai 2013 geltenden Fassung anzuwenden ist, der Vermieter mit der Ausführung der Maßnahme vor dem 1. Mai 2013 begonnen hat. (2) § 569 Absatz 2a des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist auf ein vor dem 1. Mai 2013 entstandenes Mietverhältnis nicht anzuwenden.

1 2 3 4 5

U.a. BGH v. 18.6.2003 – VIII ZR 240/02, MDR 2003, 1106 = NJW 2003, 2739. BGBl. I, S. 1425. Vgl hierzu Börstinghaus, NJW 2005, 1900. BGBl. I, S. 2615, 2616. BGBl. I, S. 748.

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Anhang Vor § 535 BGB

B. Art. 229 § 29 EGBGB I. § 29 Abs. 1 EGBGB Die Vorschrift bestimmt den zeitlichen Anwendungsbereich des MietRÄndG 2013. 32 Gemäß Art. 9 Abs. 1 MietRÄndG 2013 tritt das Gesetz grundsätzlich am 1.5.2013 in Kraft. Eine Ausnahme enthält Art. 9 Abs. 2 MietRÄndG 2013, der die Geltung des § 556c Abs. 3 BGB ab dem Tag nach der Verkündung bestimmt. Die weiteren Regelungen des § 556c BGB werden erst am 1.7.2013 in Kraft treten. Im Übrigen soll wegen der Ankündigungsfrist des § 556c Abs. 2 BGB dem Vermieter, der vor dem Inkrafttreten des MietRÄndG 2013 einen Wärmelieferungsvertrag geschlossen hat, die Gelegenheit gegeben werden, ohne die strengen Anforderungen des § 556c Abs. 1, 2 BGB und der MietWohn-WärmeLV die Umstellung auf Wärmecontracting herbeizuführen.

33

1. Entstandenes Mietverhältnis Im Gegensatz zu Art. 229 § 3 EGBGB stellt die Überleitungsvorschrift des Miet- 34 RÄndG 2013 nicht auf ein bestehendes, sondern eine entstandenes Mietverhältnis ab. Ein Unterschied ergibt sich daraus nicht. Denn das Mietverhältnis entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Annahmeerklärung zugeht (vgl. § 535 BGB Rz. 20). Für diese Mietverträge ist von dem Grundsatz auszugehen, dass das MietRÄndG 35 sofort mit dem Inkrafttreten gilt, wenn in Art. 229 § 29 EGBGB keine abweichende Regelung getroffen ist. Von den Ausnahmeregelungen, die Art. 229 § 29 EGBGB ausdrücklich bestimmt, sind nicht betroffen §§ 551 Abs. 2 S. 3, 577a BGB sowie insbesondere die Änderungen und Ergänzungen der ZPO in §§ 283a, 885, 885a, 940. Damit können diese Vorschriften auch in laufenden Mietverträgen bzw., (gerichtlichen) Verfahren angewendet werden. Daraus ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber auch die Anwendung des § 577a BGB 36 ohne Rücksicht darauf, ob der Erwerbsvertrag der Personenmehrheit des § 577a Abs. 1a BGB vor dem Inkrafttreten des MietRÄndG 2013 geschlossen wurde, wünscht. Dies ist problematisch. Denn damit gilt ein Kündigungsschutz plötzlich für Mieter, die vor der Gesetzesänderung keine Kündigungssperrfrist für sich reklamieren konnten1. Im Hinblick auf das Verbot der echten Rückwirkung von Gesetzen muss der Grundsatz auch für § 577a BGB eingeschränkt werden. Denn ansonsten wird die Rechtsposition einer vermietenden GbR oder Bruchteilgemeinschaft i.S.d. § 577a Abs. 1a BGB nachträglich geschmälert. Insoweit ist die gleiche Situation entstanden wie zu § 566a BGB bei Inkrafttreten des MRRG am 1.9.2001 (vgl. § 566a Rz. 4)2. Für die Anwendung des § 577a Abs. 1a, 2a BGB kommt es also darauf an, ob der schuldrechtliche Vertrag, der dem Erwerb zugrunde liegt, nach dem Inkrafttreten des MietRÄndG 2013 erfolgt ist. Für den Erwerb in der Zwangsversteigerung ist auf den Zuschlag nach § 90 ZVG abzustellen. 2. § 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB Diese Bestimmung trägt dem Grundsatz Rechnung, dass empfangsbedürftige Wil- 37 lenserklärungen nach dem Recht zu beurteilen sind, das im Zeitpunkt des Zugangs Gültigkeit hatte. Jede andere Bewertung würde grundsätzlich zu einem Verstoß gegen Art 20 GG und das Verbot der unechten Rückwirkung von Gesetzen führen.

1 Vgl. BGH v. 16.7.2009 – VIII ZR 231/08, MDR 2009, 1097 = WuM 2009, 519 = ZMR 2010, 99 = GE 2009, 1119. 2 Vgl. dazu BGH v. 24.6.2009 – XII ZR 145/07, MDR 2009, 1098 = GE 2009, 1039 = ZMR 2009, 837; BGH v. 9.3.2005 – VIII ZR 381/03, MDR 2005, 1044 = WuM 2005, 404 = ZMR 2005, 686 = MietRB 2005, 197; a.A. KG v. 20.9.2007 – 8 U 190/06, GE 2007, 1628.

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Anhang Vor § 535 BGB

Art. 229 EGBGB § 29

a) Modernisierungsankündigung 38 Eine Modernisierungsankündigung ist an § 554 BGB in der Fassung bis zum 31.5.2013 zu messen, wenn sie vor dem Inkrafttreten des MietRÄndG 2013 dem Mieter zugeht. Für den Zugang ist gemäß § 130 BGB auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Mieters abzustellen (vgl. § 542 BGB Rz. 78). 39 In diesem Zusammenhang ist die Wirksamkeit der Modernisierungsankündigung nicht von Bedeutung. Stellt sich deren Unwirksamkeit heraus, entfaltet sie gerade keine Rechtsfolgen (vgl. unten Anhang Vor § 535 BGB Rz. 44). 40 Allerdings bestimmt die Überleitungsvorschrift, dass auch die Anwendung der unmittelbaren (geänderten) Rechtsfolgen einer Ankündigung in den §§ 555c ff. BGB vom Zeitpunkt des Zugangs der Ankündigung abhängt. Selbst wenn also der Vermieter eine energetische Modernisierung i.S.d. § 555b Nr. 1 BGB ankündigt, ist z.B. § 536 Abs. 1a BGB nicht anwendbar, wenn die Ankündigung vor dem 1.6.2013 zugeht. Ebenso wenig greift die Ausschlusswirkung des § 555d Abs. 3, 4 BGB. 41 Durch den ergänzten Wortlaut zu den formellen Anforderungen an die Modernisierungsankündigung in § 555c Abs. 1 BGB gegenüber dem alten § 554 Abs. 3 S. 1 BGB ergeben sich keine wesentlichen Unterschiede. Auch wenn § 555c Abs. 1 Nr. 2 BGB „nur noch“ eine Beschreibung der Art der geplanten Modernisierungsmaßnahme in wesentlichen Zügen verlangt, kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber des Jahres 2001 keine höheren Anforderung durch § 554 Abs. 3 S. 1 BGB in der bis 31.5.2013 geltenden Fassung stellen wollte. Denn er wollte die damals schon als zu streng angesehenen Maßstäbe senken1. Auch unter Berücksichtigung der BGHRechtsprechung zu den formellen Anforderungen an die Ankündigung nach § 554 Abs. 3 S. 1 BGB in der bis zum 31.5.2013 geltenden Fassung2 ist es daher gerechtfertigt, jedenfalls insoweit keine besonderen Unterschiede anzunehmen. 42 Ein Unterschied bei den Rechtsfolgen ergibt sich aber aus der Möglichkeit, neben der Anhebung der Miete nach § 559 BGB auch die durch die Modernsierung neu entstehenden Betriebskosten einzuführen, § 555c Abs. 1 Nr. 3 BGB. Nach bisherigem Recht war dazu eine Mehrbelastungsklausel erforderlich, wenn die neuen Betriebskosten nicht von einem vereinbarten Betriebskostenkatalog (z.B. § 2 BetrKV) erfasst wurden oder eine ergänzende Vertragsauslegung helfen konnte. b) Mieterhöhung wegen Modernisierung 43 Um keine Kollision mit Art. 20 GG herbeizuführen, wird die zeitliche Geltung des MietRÄndG auch auf die Rechtsfolgen erstreckt, die an die Durchführung der Modernisierungsmaßnahme anknüpfen. Deshalb richtet sich die Mieterhöhung wegen Modernisierung nach den §§ 559 ff. BGB in der bis zum 31.5.2013 gültigen Fassung, wenn die Maßnahme vor diesem Datum angekündigt wurde. Daraus folgt zwangsläufig, dass wirtschaftliche Einwendungen des Mieters z.B. allein gegenüber der Ankündigung erheblich und im Rahmen der Härteabwägung nach § 554 Abs. 2 BGB in der alten Fassung zu berücksichtigen sind. Andererseits findet ein Ausschluss von Härtegründen, wie er nun von § 555c Abs. 3, 4 BGB vorgesehen ist, nicht statt. 44 Das Gesetz regelt nicht den Fall, dass die Modernisierungsankündigung nach § 554 Abs. 3 S. 1 in der Fassung bis zum 31.5.2013 formell unwirksam ist. Insoweit muss der Vermieter bedenken, dass er die Ankündigung im Regelfall nicht nachholen kann, wenn seine Duldungsklage als unbegründet abgewiesen wurde. Denn zumeist liegt eine Identität des Streitgegenstandes vor, wenn der Vermieter mit einer erneuten Klage (erneut) einen Anspruch auf Duldung der gleichen Maßnahme geltend macht, den er aus demselben Lebenssachverhalt herleitet3. Das gilt auch, wenn er die Ankündigung nun wegen der fortgeschrittenen Zeit auf § 555c BGB stützt.

1 Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 1157. 2 BGH v. 28.9.2011 – VIII ZR 242/10, WuM 2011, 677 = GE 2011, 1545 = NZM 2011, 849. 3 BGH v. 17.8.2011 – VIII ZR 20/11, WuM 2011, 527 = GE 2011, 1301.

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Art. 229 EGBGB § 29

Anhang Vor § 535 BGB

Hat der Vermieter die Modernisierung trotz unwirksamer Ankündigung durchge- 45 führt, ist er so zu behandeln, als hätte er die Maßnahme nicht angekündigt. Dies ergibt sich nicht aus § 559b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB. Insoweit ist es unbedeutend, ob diese Vorschrift in der seit 1.6.2013 gültigen Fassung herangezogen wird oder mit ihrem alten Wortlaut. Denn auch in der alten Fassung wurde die Vorschrift auf alle Fälle der unwirksamen oder fehlenden Ankündigung erstreckt1. Relevant wird der Unterschied aber bei der Frage, ob der Mieter Einwendungen ge- 46 genüber der Mieterhöhung erheben kann. Unter der Geltung der alten Vorschriften für Modernisierungen konnte der Mieter Härtegründe nur gegenüber dem Duldungsanspruch erheben. War die Maßnahme durchgeführt, griff § 559 BGB ohne Kappung2. Diese Rechtslage kann aber nicht fortgeschrieben werden, wenn keine oder eine unwirksame Ankündigung erfolgt. Denn für diesen Fall greift § 559b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB. Darin wird zwar § 555c Abs. 1 und 3 bis 5 BGB in Bezug genommen. Voraussetzung ist aber, dass die danach geforderte Ankündigung unwirksam oder nicht erfolgt ist. Damit regelt die Vorschrift den Fall einer nicht existenten Ankündigung. Dafür macht es keinen Unterschied, ob sie nach altem oder neuem Recht nicht vorliegt. Demnach kann der Mieter gegenüber jeder Mieterhöhung nach § 559 BGB, die ab 47 dem 1.6.2013 zugeht, (noch) Einwendungen wirtschaftlicher Art erheben, wenn ihr keine oder eine unwirksame Mieterhöhung vorausgegangen ist. Mangels (wirksamer) Ankündigung greift die Ausschlussfrist nicht. Denn § 559 Abs. 5 BGB 1.6.2013 gültigen Fassung verweist u.a. auf § 555d Abs. 5 BGB. Danach findet kein Ausschluss statt, wenn der Vermieter auf die Ausschlussfrist nicht hingewiesen hat. II. Art. 229 § 29 Abs. 2 EGBGB Die Vorschrift bildet eine Ausnahme von dem Grundsatz des Absatzes 1, wonach die 48 Vorschriften des MietRÄndG 2013 im Prinzip sofort anwendbar sein sollen. Diese Ausnahme wird für die neu eingeführte Kündigung wegen Kautionsverzuges nach § 569 Abs. 2a BGB etabliert. Der Grund ist in Art. 20 GG und dem aus dem Rechtsstaatprinzip entwickelten Verbot der unechten Rückwirkung von Gesetzen zu suchen. Offensichtlich bestand die Befürchtung, dass durch die Heilungsmöglichkeiten des § 569 Abs. 2a S. 4 BGB rückwirkend in eine Rechtsposition des Vermieters eingegriffen würde. Denn der Vermieter konnte bei Nichtzahlung der Kaution bis dahin kündigen, ohne befürchten zu müssen, dass der Mieter durch Aufrechnung oder Zahlung die Kündigungsfolgen heilen könnte. Der zeitlich eingeschränkte Anwendungsbereich des § 569 Abs. 2a BGB führt für die 49 Kündigung des Vermieters zu überschaubaren Differenzen. Denn der Vermieter konnte nach überwiegender Ansicht schon nach bisherigem Recht jedenfalls dann fristlos kündigen, wenn der Wohnraummieter die gesamte Kaution nicht entrichtet hat3. Damit verliert die Übergangsregelung schon drei Monate nach Inkrafttreten des MietRÄndG an Bedeutung. Denn in diesem Monat ist selbst bei Altverträgen aus der Zeit vor Inkrafttreten Fälligkeit der dritten Kautionsrate eingetreten. Seine Bedeutung behält die Übergangsregelung des Art. 229 § Abs. 2 EGBGB dann 50 nur noch für die Heilungsmöglichkeiten nach § 569 Abs. 2a S. 4 BGB. Denn davon kann der Mieter nur unter der Geltung des § 569 Abs. 2a BGB Gebrauch machen, weil diese Vorschrift nach Art. 229 § 29 Abs. 2 EGBGB nur für nach Inkrafttreten des MietRÄndG 2013 geschlossene Mietverträge gültig ist. Gerade wegen des Ausnahmecharakters des Art. 229 § 29 Abs. 2 EGBGB ist eine analoge Anwendung der Heilungsmöglichkeiten auf Altverträge aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des MietRÄndG 2013 nicht möglich.

1 BGH v. 2.3.2011 – VIII ZR 164/10, WuM 2011, 225 = GE 1011, 541. 2 BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 149/03, WuM 2004, 285 = NZM 2004, 336 = DWW 2004, 329 = MietRB 2004, 197; BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 151/03, WuM 2004, 288. 3 LG Berlin v. 17.10.2011 – 67 S 58/11, GE 2011, 1684; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 184; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XII 83; Börstinghaus, PiG 90, 65, 67.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags (1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen. (2) Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. Inhalt A. I. II. III. 1. 2. IV. 1.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Anwendbare Rechtsprechung . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Darlegungs- und Beweislast . . . Darlegungslast zum Zustandekommen des Mietvertrages und Abweichungen . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Abweichende Vereinbarungen .

. . . . . . .

1 1 3 6 6 7 8

..... ..... .....

8 14 18

Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschluss des Mietvertrages . . . . . . . Wesentlicher Inhalt der Einigung . . . . Vertragsschluss unter Abwesenden . . Mündlicher Mietvertrag . . . . . . . . . . . Konstitutive Schriftform . . . . . . . . . . . Schlüssiger Mietvertrag . . . . . . . . . . . Einschränkung der Vertragsfreiheit . . a) Preisfreier Wohnraum . . . . . . . . . . . aa) Verbot der Zweckentfremdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Diktierte Verträge. . . . . . . . . . . cc) Beschränkung der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit . . . . b) Öffentlich – geförderter Wohnraum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtslage bei Bewilligung öffentlicher Mittel vor dem 1.1.2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtslage bei Bewilligung öffentlicher Mittel seit dem 1.1.2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Haustürwiderrufsgeschäft. . . . . . . . . . a) Vermieter als Unternehmer . . . . . . b) Mieter als Verbraucher . . . . . . . . . . c) Haustürgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolge Widerruf . . . . . . . . . . . 8. Schranken der Vertragsgestaltung bei Formular- und Verbraucherverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zeitlicher Anwendungsbereich . . . b) Persönlicher Anwendungsbereich . c) Verwender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20 20 20 29 34 36 39 45 48

B. I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

50

Lützenkirchen

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

48 52

9. II. 1.

53 55

56

63 65 66 68 70 72

75 76 78 80

2.

3. 4.

d) Individual- und Formularverträge . e) Verbraucherverträge, § 310 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Möglichkeit der Kenntnisnahme . . g) Inhaltskontrolle von Formularverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Äquivalenzprinzip (Preisargument) . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Überschaubarkeit des abgewälzten Risikos . . . . . . . . . . . . . cc) Versicherbarkeit des Risikos . . dd) Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . h) ABC der Schranken für Formularklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Folgen bei Unwirksamkeit von Formularverträgen (§ 306 BGB) . . aa) Geltungserhaltende Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . j) Unterlassungsklage . . . . . . . . . . . . Vertragsänderungen . . . . . . . . . . . . . . Parteien des Mietvertrages . . . . . . . . . Vermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stellung als Vertragspartner . . . . . aa) Minderjährige als Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesellschaften als Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Öffentlich-rechtliche Körperschaften als Vertragspartner . . dd) Mehrere Personen als Vermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Handeln des Hausverwalters . . b) Handeln im Rechtsverkehr . . . . . . Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stellung als Vertragspartei. . . . . . . aa) Personelle Teilidentität zwischen Vermieter und Mieter . . bb) Mehrere Personen als Mieter . . cc) Wohngemeinschaft. . . . . . . . . . b) Handeln im Rechtsverkehr . . . . . . Grundsätze der Kommunikation zwischen Vermieter und Mieter . . . . . Gewillkürter Parteiwechsel . . . . . . . . .

82 88 89 91 95 98 100 103 108 254 255 258 259 261 268 273 273 273 277 279 281 282 283 285 290 290 292 293 300 304 307 311

§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

III. 1. 2. 3. IV. 1.

2.

3.

4. 5. 6.

a) Allgemein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 b) Vertragsübernahmeklauseln . . . . . 317 Gegenstand des Mietvertrages . . . . . . 320 Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Wesentliche Bestandteile und Zubehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Gemeinschaftsflächen . . . . . . . . . . . . . 326 Pflichten des Vermieters . . . . . . . . . . . 330 Überlassung der Mietsache . . . . . . . . . 331 a) Inhalt der Übergabe . . . . . . . . . . . . 332 b) Fälligkeit des Übergabeanspruchs. 336 aa) Bestimmtes Übergabedatum . 336 bb) Bestimmbares Übergabedatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 cc) Verspätete Übergabe . . . . . . . . 341 dd) Übergabe vor Vertragsbeginn . 345 c) Zustand bei Übergabe . . . . . . . . . . 349 aa) Konkrete Festlegung des Zustandes . . . . . . . . . . . . . . . . 349a (1) Renovierungszustand . . . . . . . 350 (2) Sonstige Merkmale des vertragsgemäßen Zustandes . . . . . 353 bb) Stillschweigende Festlegung des Zustandes . . . . . . . . . . . . . . 356 cc) Fehlende Festlegung des Zustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 d) Beispiele zum Mindeststandard . . 366 Erhaltungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 a) Instandhaltung und Instandsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 b) Verkehrssicherungspflicht . . . . . . . 451 aa) Reinigungs- und Streupflicht . 455 bb) Wirksame Überbürdung . . . . . . 458 cc) Untergang der Räum- und Streupflicht? . . . . . . . . . . . . . . . 461 c) Prüfungspflichten . . . . . . . . . . . . . . 463 d) Wegfall der Erhaltungspflicht . . . . 469 Nebenpflichten des Vermieters . . . . . . 475 a) Gleichbehandlung. . . . . . . . . . . . . . 476 b) Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 479 c) Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . 482 aa) Aufklärungspflichten des Vermieters. . . . . . . . . . . . . . . . . 484 bb) Aufklärungspflichten des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 (1) Selbstauskunft des Mieters . . . 487 (2) Sonstige Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 d) Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 e) Fürsorgepflichten . . . . . . . . . . . . . . 500 Pflicht zur Modernisierung . . . . . . . . . 504 Versorgung mit Energie und Wasser. . 505 Versorgungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . 506 a) Während des laufenden Mietvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 aa) Liefersperre durch Versorgungsunternehmen . . . . . . . . . 508 bb) Liefersperre durch die Wohnungseigentümergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 b) Nach Mietende . . . . . . . . . . . . . . . . 514 aa) Vertragliche Situation . . . . . . . 514

7. V. 1.

2. 3.

bb) Besitzschutz . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ausüben der Versorgungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Abwenden der Versorgungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lastentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überbürdung von Erhaltungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleinreparaturklauseln . . . . . . . . . . . . a) Wirksamkeitsanforderungen . . . . . b) Anwendungsfälle. . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen unwirksamer Klauseln zu Kleinreparaturen . . . . . . . . Wartungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . Schönheitsreparaturen . . . . . . . . . . . . a) Begriff der Schönheitsreparaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung zu Schadensersatz . . . c) Wirksame Überbürdung . . . . . . . . . aa) Inhaltlich bestimmte Klausel . bb) Inhaltlich abweichende Begriffsbestimmung . . . . . . . . . cc) Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überbürdung ohne Fristen . . . (2) Zu kurze Fristen . . . . . . . . . . . . (3) Starre Fristenpläne . . . . . . . . . (4) Bedarfsklausel . . . . . . . . . . . . . dd) Art der Ausführung . . . . . . . . . ee) Fachhandwerkerklauseln . . . . ff) Farbwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wirksamkeit von Vorgaben für die Mietzeit . . . . . . . . . . . . . (2) Wirksamkeit von Vorgaben für die Rückgabe . . . . . . . . . . . (3) Ausführungsbeispiele. . . . . . . . d) Spezielle Klauseln . . . . . . . . . . . . . . aa) Anfangsrenovierung . . . . . . . . . bb) Endrenovierungsklausel . . . . . cc) Tapezierfähigkeit . . . . . . . . . . . e) Summierungseffekt in der Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anfangsrenovierung/laufende Renovierung . . . . . . . . . . . . . . . bb) Laufende Renovierung/ Schlussrenovierung . . . . . . . . . cc) Laufende Renovierung/ Quotenklausel . . . . . . . . . . . . . dd) Andere Kombinationen . . . . . . ee) Vermeidung des Summierungseffektes . . . . . . . . . . . . . . f) Abgeltungsanspruch . . . . . . . . . . . aa) Wirksamkeitsvoraussetzungen des Abgeltungsanspruchs . bb) Berechnungsfaktoren. . . . . . . . cc) Rechtsfolge unwirksamer Abgeltungsklauseln . . . . . . . . . g) Durchsetzung der Renovierungspflicht des Mieters . . . . . . . . . . . . . aa) Während der Mietzeit. . . . . . . . (1) Erfüllungsanspruch . . . . . . . . . (2) Vorschussanspruch . . . . . . . . . (3) Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nach Mietende . . . . . . . . . . . . .

Lützenkirchen

518 521 523 524 526 528 528 534 536 538 540 544 552 556 557 559 562 564 567 572 577 578 585 587 587 590 593 598 598 601 605 608 612 615 622 623 624 627 629 635 639 640 640 641 643 648 649

51

§ 535 BGB (1) (a) (b) (c) (d)

4. 5. VI. 1. 2.

VII. 1. 2. 3. 4. 5.

6. 7.

8.

52

Die Fristsetzung . . . . . . . . . . . . 650 Leistungsaufforderung . . . . . . . 650 Eigentliche Fristsetzung . . . . . 655 Ablehnungsandrohung?. . . . . . 658 Entbehrlichkeit der Fristsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661 h) Sinnlose Renovierung wegen Modernisierung/Umbau . . . . . . . . . 664 i) Rechtsfolge unwirksamer Renovierungsklausel . . . . . . . . . . . . 666 aa) Renovierungspflicht des Vermieters. . . . . . . . . . . . . . . . . 666 bb) Erstattung von Renovierungsund sonstigen Kosten . . . . . . . 668 (1) Ansprüche aus cic? . . . . . . . . . . 668 (2) Aufwendungsersatz nach § 684 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 671 (3) Bereicherungsausgleich . . . . . . 673 (4) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . 676 cc) Mieterhöhung . . . . . . . . . . . . . . 678 (1) Preisfreier Wohnraum . . . . . . . 678 (2) Preisgebundener Wohnraum . . 683 j) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . 689 Sonstige Erhaltungspflichten des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692 Haftungsbeschränkungen des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694 Erfüllungsanspruch des Mieters . . . . . 696 Leistungshindernisse . . . . . . . . . . . . . 699 Mängelbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . 701 a) Umfang der Mängelbeseitigung . . . 704 b) Annahmeverzug des Mieters . . . . . 712 c) Mängelbeseitigung in der Insolvenz des Vermieters . . . . . . . . . . . . 717 d) Mängelbeseitigung bei Eigentumswohnungen . . . . . . . . . . . . . . . 719 e) Opfergrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 f) Mängelbeseitigung in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . 725 g) Verjährung während der Mietzeit 727a h) Ende der Mängelbeseitigungspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 728 Gebrauchsrechte des Mieters . . . . . . . 729 Orientierung an den Vertragsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 731 Wohnraumnutzung . . . . . . . . . . . . . . . 735 Nutzungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . 740 Hausrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744 Bauliche Veränderungen . . . . . . . . . . . 747 a) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . 747 b) Abwägungskriterien . . . . . . . . . . . . 755 c) Rechtsfolgen der Zustimmung. . . . 760 Nutzung von Gemeinschaftsflächen . . 764 Tierhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767 aa) Kleintiere . . . . . . . . . . . . . . . . . 769 bb) Tierhaltung und vertragsgemäßer Gebrauch . . . . . . . . . . 774 cc) Widerruf der Erlaubnis . . . . . . . 783 b) Erlaubnisvorbehalt . . . . . . . . . . . . . 786 Telefonie, Rundfunk- und Fernsehempfang, Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . 790

Lützenkirchen

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

9. 10. VIII. 1.

2.

3.

4.

5. IX. 1.

2.

a) Telefonie und Medien . . . . . . . . . . b) Rundfunk- und Fernsehempfang . Musikausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufstellen von Haushaltsgeräten . . . Mitwirkungs- und Nebenpflichten des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besichtigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . a) Entgegenstehende Rechte des Mieters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertragliche Ausgestaltung . . . . . c) Besichtigungsrecht ohne vertragliche Grundlage. . . . . . . . . d) Umsetzung des Besichtigungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ankündigung . . . . . . . . . . . . . bb) Zeitbestimmung . . . . . . . . . . . cc) Frequenz der Besichtigungen dd) Teilnahmeberechtigte Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Dauer der Besichtigung . . . . . ff) Räumlicher Umfang des Zutrittsrechts . . . . . . . . . . . . . gg) Besondere Belange des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Besichtigung und Selbsthilfe . . . . f) Rechtsfolge unberechtigter Verweigerung der Besichtigung . . . . . g) Prozessuale Umsetzung . . . . . . . . Obhutspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einsetzen der Obhutspflicht . . . . b) Gegenstand der Obhutspflicht . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . bb) Lüften und Heizen . . . . . . . . . cc) Verschließen der Haustür . . . Gebot der Rücksichtnahme . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hausordnung . . . . . . . . . . . . . . . . Reinigungs- und Sorgfaltspflichten . a) Reinigung der Mieträume . . . . . . b) Reinigung allgemein genutzter Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Duldungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . Mietzahlungspflicht . . . . . . . . . . . . . Miete als Gegenleistung . . . . . . . . . . a) Arten der Gegenleistung . . . . . . . b) Ermittlung der Höhe der Miete . . c) Abtretbarkeit der Miete . . . . . . . . aa) Abtretung der Miete vor Vermieterwechsel . . . . . . . . . . bb) Sicherungsabtretung der Untermiete . . . . . . . . . . . . . . . d) Leistungsverweigerungsrecht . . . aa) Anwendungsbereich. . . . . . . . bb) Geltendmachung des § 320 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Umfang der Leistungsverweigerung . . . . . . . . . . . . . Mietstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Untermietzuschlag . . . . . . . . . bb) Zuschlag für gewerbliche Mitbenutzung . . . . . . . . . . . . .

. . . .

790 792 801 802

. 807 . 807 . 809 . 811 . 814 . . . .

815 815 817 821

. 823 . 825 . 826 . 828 . 830 . . . . . . . . . . . . .

832 834 836 837 840 840 843 852 855 855 856 860 860

. . . . . . .

863 864 871 871 873 876 879

. 880 . 885 . 887 . 887 . 890 . . . . .

892 893 893 895 897

. 898

§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

3.

4.

5. 6.

7.

X. 1. 2. 3. XI. 1. 2.

cc) Möblierungszuschlag . . . . . . . . dd) Zuschlag für Schönheitsreparaturen . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderformen der Miete . . . . . . . . . . . a) Einmalmiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mietvorauszahlung . . . . . . . . . . . . . c) Zuschüsse der öffentlichen Hand. . d) Baukostenzuschüsse . . . . . . . . . . . e) Abstandszahlungen . . . . . . . . . . . . f) Ablösezahlungen . . . . . . . . . . . . . . . g) Einzugspauschale . . . . . . . . . . . . . . Wirksamkeit der Mietvereinbarung . . a) Allgemeine gesetzliche Schranken. b) Steuerhinterziehung, § 134 BGB . . c) Erschleichen von Sozialleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Preisrecht im öffentlichen Wohnungsbau . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Geltung der Kostenmiete im preisfreien Wohnraum . . . . . . . . . . aa) Vereinbarung der Kostenmiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fortgeltung der Kostenmiete nach Wegfall des WGG . . . . . . . f) Auslaufen gesetzlicher Verbote . . . Verwirkung des Mietzahlungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erlöschen des Mietzahlungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Leistung an Erfüllungs statt. . . . . . d) Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung . . . . . . . . . . Miete im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . b) Urkundsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliche Zulässigkeit . . bb) Urkundsklage und Mängeleinwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Abstandnehmen vom Urkundenprozess . . . . . . . . . . . c) Vorauszahlungen im Prozess . . . . . d) Klage auf zukünftige Leistung (Miete) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutzbereich des Mietvertrags . . . . . Schutzwirkung für Dritte . . . . . . . . . . Rechtsfolge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung für Verschulden Dritter. . . . . Vermieterseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mieterseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Gewerberaummiete. . . . . . . . . . . . . . I. Wirksamkeit des Mietvertrages . . . . 1. Allgemeine Tatbestände . . . . . . . . . . a) Steuerhinterziehung, § 134 BGB . b) Ausnutzen einer beherrschenden Marktstellung, § 19 GWB . . . . . . . c) § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Koppelungsgeschäfte . . . . . . . bb) Wucher . . . . . . . . . . . . . . . . . .

900 901 902 902 903 904 906 909 913 918 920 920 922 923 924 925

2.

3. 4. II. 1. 2. 3. 4. 5. III. 1.

925 926 927

2. 3.

929 932 935 937 939 941 943 943 945 945

4. 5. 6. IV. 1. 2.

947 951 952 954 955 956 960 963 965 965 968

. . . .

971 971 971 972

. . . .

973 976 977 980

V. 1. 2. 3.

cc) Sonstige Verträge . . . . . . . . . . . 982 d) § 125 BGB (Vorkaufsrecht). . . . . . . 983 e) § 144 Abs. 2 Nr. 3 BauGB . . . . . . . . 985 f) § 4 WiStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 986 Branchenspezifische Bestimmungen . 987 a) § 2 GastG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 987 b) §§ 8 S. 2, 12 ApothG . . . . . . . . . . . . . 988 c) §§ 9, 12 ApothG . . . . . . . . . . . . . . . . 991 Inhaltskontrolle von AGB-Klauseln . . 992 Änderungen des Mietvertrages. . . . . . 996 Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . 1001 Vorgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1001 Haftungsbeschränkung bei der GbR 1005 Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . 1007 Die Außen-GbR auf Mieterseite . . . . 1008 Parteiwechsel nach dem UmwG . . . . 1010 Vertragszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1015 Zulässige Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . 1019 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1019 b) Konkreter Nutzungszweck. . . . . . 1023 Bestimmung des vertragsgemäßen Zustandes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1031 Abwälzung des Risikos des Gebäudezustandes . . . . . . . . . . . . . . 1035 a) Bestätigung des Gebäudezustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1035 b) Ausschluss der Haftung für Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1039 Bestimmung eines Mangels i.S.v. § 536 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1041 Haftung des Mieters für vertragsgemäßen Gebrauch? . . . . . . . . . . . . . 1042 Nutzungsänderung . . . . . . . . . . . . . . 1045 Mietgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 1051 Nutzung der Außenwand . . . . . . . . . 1052 Vermietung vom Reißbrett . . . . . . . . 1054 a) Mietobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1054 b) Vertragsgemäßer Zustand . . . . . . 1056 aa) Vom Standard abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . 1058 bb) Risikoregelungen zu öffentlich-rechtlichen Genehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1063 Rechte und Pflichten des Vermieters 1066 Besichtigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . 1066 Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 1068 Konkurrenzschutz . . . . . . . . . . . . . . . 1070 a) Voraussetzungen des vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes. . 1071 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 1071 bb) Schuldner des vertragsimmanten Konkurrenzschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 1074 cc) Umfang des Konkurrenzschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 1076 (1) Sachlicher Umfang . . . . . . . . . 1076 (2) Räumlicher Umfang . . . . . . . . 1081 dd) Konkurrenzschutz für freie Berufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1083

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§ 535 BGB

4. 5. VI. 1. 2.

3. 4. 5.

b) Vertraglicher Konkurrenzschutz c) Rechtsfolgen bei Verletzung des Konkurrenzschutzes . . . . . . . . . . d) Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Nebenpflichten des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versorgungssperre . . . . . . . . . . . . . . Betriebspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehung der Betriebspflicht . . . a) Formularmäßige Bestimmung . . b) Schlüssige Vereinbarung . . . . . . Inhalt der Betriebspflicht . . . . . . . . Ende der Betriebspflicht . . . . . . . . . Ahndung von Verstößen gegen die Betriebspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . .

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags . 1088 . 1092 . 1096 . . . . . . . . .

1097 1101 1103 1103 1105 1105 1108 1110 1112

VII. Überbürdung von Erhaltungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dach und Fach . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Räumlicher Geltungsbereich von Abwälzungsklauseln . . . . . . . . . . . 4. Schönheitsreparaturen . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelne Klauseln . . . . . . . . . . . VIII. Miete. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umsatzsteuer. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umsatzmiete . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Standortsicherung durch Dienstbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . 1117 . . 1118 . . 1123 . . . . . . .

. . . . . . .

1127 1128 1129 1132 1136 1136 1147

. . 1151

. 1114

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Die Vorschrift regelt zunächst die kennzeichnenden Merkmale des Mietvertrages (Vermieter, Mieter, Überlassung, Miete) und bestimmt die wichtigsten Hauptpflichten, nämlich für den Vermieter die Pflicht zur Überlassung (= Gebrauchsgewährung) und Erhaltung der Mietsache sowie für den Mieter die Pflicht zur Mietzahlung. Entgegen der Überschrift ist die Lastentragung allerdings keine Hauptpflicht, wie sich bereits aus § 556 Abs. 1 BGB erschließt. 2 Neben diesen elementaren und dogmatischen Gesichtspunkten muss die Norm i.V.m. flankierenden gesetzlichen Bestimmungen gesehen werden. Insbesondere §§ 554, 536c BGB machen deutlich, dass auch für den Mieter Pflichten bestehen, um den vertragsmäßigen Zustand und Gebrauch zu realisieren. Damit bildet die Norm auch die Grundlage für viele Nebenpflichten aus dem Mietvertrag wie z.B. das Besichtigungsrecht. II. Anwendungsbereich 3 Die Vorschrift bildet die Grundlage für alle Mietverhältnisse und gilt über § 581 Abs. 2 BGB entsprechend auch für die Pacht. 4 Auf den Mietvertrag sind die allgemeinen Vorschriften, aber auch das AGG anwendbar. Bei Unwirksamkeit erfolgt eine Rückabwicklung über § 812 BGB, für die Annahme faktischer Mietverhältnisse besteht kein Raum1. Rechtsverhältnisse im Massenverkehr gehen in der Regel nicht auf Gewährung des Gebrauchs einer bestimmten Sache2. Findet eine entgeltliche Überlassung von Räumen oder Grundstücken durch eine Miteigentümergemeinschaft an einen Miteigentümer statt, sind in erster Linie die Regeln der Gemeinschaft anzuwenden3. 5 Der entgeltliche Dauernutzungsvertrag über eine Wohnung zwischen der Wohnungsgenossenschaft und ihrem Mitglied erfüllt ebenfalls die Voraussetzungen des § 535 BGB und ist daher als Mietvertrag zu qualifizieren4. Insoweit ist es nicht gerechtfertigt, ein Dauernutzungsverhältnis eigener Art anzunehmen, weil Grundlage des entgeltlichen Vertrages ein Dauernutzungsrecht ist, dass in der Regel in der Satzung der Genossenschaft geregelt ist und durch die Überlassung begründet wird. Maßgeblich

1 2 3 4

BGH v. 8.7.2008 – VIII ZR 5/08, ZMR 2009, 102. BGH v. 26.3.1980 – VIII ZR 150/79, NJW 1980, 1578. BGH v. 11.9.2000 – II ZR 324/98, NZM 2001, 45; BGH v. 15.9.1997 – II ZR 94/96, ZMR 1998, 20. BGH v. 14.10.2009 – VIII ZR 159/08, WuM 2009, 744 ständ. Rspr.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

ist, dass die Tatbestandsmerkmale des § 535 BGB vorliegen. Daneben bestehende genossenschaftliche Grundsätze bestimmen sich nach den dafür geltenden Bestimmungen. III. Anwendbare Rechtsprechung 1. Sachlicher Anwendungsbereich Das Mietrechtsreformgesetz von 2001 (MRRG) hat zu § 535 BGB keine wesentlichen 6 Änderungen gebracht. Die bisherigen Hauptpflichten der Parteien, die auf die §§ 535, 536 BGB a.F. verteilt waren, wurden in zwei Absätzen zusammengefasst und nach den Pflichten des Vermieters und des Mieters getrennt. Zusätzlich wurde in § 535 Abs. 1 S. 3 BGB die Lastentragung des Vermieters aus § 546 BGB a.F. integriert. 2. Anwendbare Rechtsprechung Die Neuordnung der Hauptpflichten in einer Norm und zwei Absätzen hat zu keinen 7 Änderungen geführt, die eine Differenzierung der Rechtsprechung nach altem und neuem Recht seit 2001 erforderlich machen würde. IV. Darlegungs- und Beweislast 1. Darlegungslast zum Zustandekommen des Mietvertrages und Abweichungen Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, 8 wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die i.V.m. einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind1. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen2. Kein mietvertraglicher Anspruch kann schlüssig vorgetragen werden, ohne das Be- 9 stehen eines Mietvertrages darzustellen. Denn er bildet in der Regel die erste Voraussetzung. Selbst für den Räumungsanspruch aus § 546 BGB und die Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB muss ein beendeter, also zunächst bestehender Mietvertrag vorgetragen werden. Bei der Darlegung des Mietvertrages als solchem entstehen in der Regel keine beson- 10 deren Probleme, weil in den meisten Fällen ein schriftlicher Vertrag vorgelegt werden kann. Ist das einmal nicht der Fall, wird die jahrelange Abwicklung jedenfalls ein ausreichendes Indiz dafür sein, dass zwischen den Parteien ein Mietvertrag bestanden hat. Ist das Zustandekommen des Mietvertrages ausnahmsweise streitig, z.B. weil der Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 BGB geltend gemacht werden soll, müssen in der Regel Angebot und Annahme vorgetragen werden3. Dazu reicht die Darstellung, dass eine der anderen Partei zugegangene Willenserklärung der anbietenden Partei mindestens die vier wesentlichen Merkmale des § 535 BGB (Mietparteien, Mietobjekt, Mietzeit, Miete) in bestimmbarer Form enthält, und eine Äußerung oder ein sonstiges Verhalten der anderen Partei, das als Annahme gewertet werden kann. Diese Anforderungen werden nicht höher, weil der Prozessgegner den Vortrag bestreitet. Denn eine Partei, die ein Recht beansprucht, ist nicht schon deshalb, weil

1 Vgl. BGH v. 12.7.1984 – VII ZR 123/83, MDR 1985, 315 = NJW 1984, 2888 (unter II 1a); BGH v. 21.1.1999 – VII ZR 398/97, NJW 1999, 1859 (unter II 2a) m.w.N.; BGH v. 1.6.2005 – XII ZR 275/02, MDR 2006, 48 = NJW 2005, 2710 (unter II 2a); BGH v. 21.5.2007 – II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 (Rz. 8); BGH v. 12.6.2008 – V ZR 221/07, WPM 2008, 2068 = juris Rz. 6 f. 2 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298; BGH v. 12.7.1984 – VII ZR 123/83, MDR 1985, 315 = NJW 1984, 2888 m.w.N.; BGH v. 13.12.2002 – V ZR 359/01, NJW-RR 2003, 491 (unter II 2a). 3 Anschaulich: BAG v. 14.7.2005 – 8 AZR 300/04, NZA 2005, 1298 (1301).

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

der Gegner ihr Vorbringen bestreitet, gezwungen, den behaupteten Sachverhalt in allen Einzelheiten wiederzugeben1. 12 Insbesondere wenn eine Partei eine mündliche Abrede behauptet, die vom schriftlichen Mietvertrag abweicht (ergänzt oder ändert), werden – oft sogar überraschend – hohe Anforderungen an die Substantiierungslast gestellt. Insoweit kommt zwar dem schriftlichen Mietvertrag als eine über ein Rechtsgeschäft errichtete Privaturkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit zu2. Dies bedeutet aber nicht, dass sich derjenige, der die Abweichung behauptet, nicht darauf berufen könnte, er habe mit der anderen Partei bei Abschluss des Mietvertrages oder später eine mündliche Nebenabrede z.B. über die zusätzliche Nutzung von Flächen getroffen3. Vielmehr genügt er seiner Darlegungslast, wenn er die abweichende Vereinbarung behauptet und den Anlass bzw. den Zeitpunkt bestimmbar mitteilt (z.B. „bei Abschluss des Vertrages“). 13 Soweit zusätzlich zur Darlegung einer Willensübereinstimmung bei Vertragsschluss4 in der obergerichtlichen Rechtsprechung eine Erklärung dafür gefordert wird, weshalb die Parteien davon abgesehen haben, eine behauptete mündliche Nebenabrede in die Vertragsurkunde aufzunehmen5, stehen diese Anforderungen in Widerspruch dazu, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Grad der Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung für den Umfang der Darlegungslast regelmäßig ohne Bedeutung ist6. Deshalb reicht z.B. der Hinweis, der Vermieter habe auch mit den übrigen Mietern des Anwesens entsprechende mündliche Nebenabreden über die Nutzung zusätzlicher Flächen getroffen. Dieser Vortrag enthält bei vernünftiger Betrachtung die die unterbliebene Aufnahme der Nebenabrede in den Vertragstext erklärende Aussage, das von den Vertragsparteien gewählte Vorgehen habe der üblichen Handhabung entsprochen7. 2. Beweislast 14 Grundsätzlich muss derjenige, der sich auf das Bestehen eines Mietvertrages beruft, das Zustandekommen darlegen und beweisen. Sofern er schriftlich geschlossen ist, gilt grundsätzlich die Vermutung des § 416 ZPO. 15 Die Beweislast für Erfüllung der Überlassungspflicht und der Erhaltungspflicht trifft in der Regel den Vermieter. Hat der Mieter die Leistung des Vermieters als Erfüllung angenommen, trägt gemäß § 363 BGB grundsätzlich der Mieter die Beweislast dafür, dass die Mietsache zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft war8. 16 Die von der Regel über die Lastentragung nach § 535 Abs. 1 S. 3 BGB abweichende Vereinbarung muss der Vermieter beweisen. Dazu muss er in der Regel die Voraussetzungen des § 556 Abs. 1 BGB darlegen. 17 Die Höhe der Miete ist regelmäßig vom Vermieter nachzuweisen, während der Beweis einer Erfüllung dem Mieter obliegt. Im Urkundenprozess (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 945) müssen beide Parteien ihren Vortrag durch Urkunden belegen können.

1 BGH v. 12.7.1984 – VII ZR 123/83, MDR 1985, 315 = NJW 1984, 2888 (unter II 1a); BGH v. 1.6.2005 – XII ZR 275/02, MDR 2006, 48 = NJW 2005, 2710; BGH v. 12.6.2008 – V ZR 223/07, WPM 2008, 2068 (Rz. 8). 2 Vgl. BGH v. 5.7.2002 – V ZR 143/01, MDR 2002, 1361 = NJW 2002, 3164 (unter II 1a) m.w.N. 3 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 4 Vgl. hierzu BAG v. 14.7.2005 – 8 AZR 300/04, NZA 2005, 1298 (1301). 5 Vgl. KG v. 27.5.2002 – 8 U 2074/00, GE 2002, 930 m.w.N. 6 Vgl. BGH v. 13.12.2002 – V ZR 359/01, NJW-RR 2003, 491; BGH v. 12.6.2008 – V ZR 223/07, WPM 2008, 2068 (Rz. 7), jeweils m.w.N. 7 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 8 BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 120/04, MDR 2007, 257 = NJW 2007, 2394 (Rz. 23 f.) m.w.N.; BGH v. 13.2.1985 – VIII ZR 154/84, MDR 1986, 49 = NJW 1985, 2328 (unter II 2b).

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

V. Abweichende Vereinbarungen Die Wesensmerkmale des Mietvertrages (Parteien, Mietsache, Mietzeit und Miete) 18 können die Parteien grundsätzlich nicht abweichend regeln. Dies führt nämlich in der Regel zu einer Wesensänderung, so dass ein anderer Vertragstyp vorliegt (z.B. Pacht, Leihe). Allerdings ist § 535 Abs. 1 S. 3 BGB disponibel, wie der Umkehrschluss aus § 556 Abs. 1 BGB deutlich macht. Die Überlassungs-, Übergabe- und Erhaltungspflicht können die Parteien individuell 19 in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB verändern. Formularvertraglich scheitert ein solches Vorhaben in der Regel an § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil sowohl die Überlassungsund Übergabe- als auch die Erhaltungspflicht als Hauptpflichten das gesetzliche Leitbild der Miete prägen. Ausnahmen davon können durch die Verkehrssitte gebildet werden. Denn bestand bereits bei Einführung des AGB-Gesetzes am 1.4.1977 eine Verkehrssitte, wonach die formularmäßige Überbürdung einzelner Erhaltungspflichten auf den Mieter zulässig war, muss sich das Recht dieser Verkehrssitte anpassen. Das trifft bei der Wohnraummietze für Schönheits-1 und Kleinreparaturen2 zu. Denn wie sich aus § 28 Abs. 3, 4 II. BV ergibt, war die Überbürdung dieser Leistungen auf den Mieter seit jeher üblich. B. Wohnraummiete I. Abschluss des Mietvertrages 1. Wesentlicher Inhalt der Einigung Der Abschluss des Mietvertrags kann ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten 20 erfolgen. Stets müssen Angebot und Annahme i.S.d. §§ 145 ff. BGB vorliegen und zumindest die essentalia des Mietvertrages (Parteien, Mietobjekt, Miete, Mietzeit) umfassen3. Der Vertrag kommt dann in dem Zeitpunkt zustande, in dem die Annahmeerklärung zugeht, sofern kein Fall des § 151 BGB vorliegt. Dazu muss insbesondere ein auf den Abschluss eines Mietvertrags gerichteter Wille beider Parteien festgestellt werden. Der bloße Gebrauch einer fremden Sache begründet für sich allein kein Mietverhältnis. Die Grundsätze über die Entstehung eines Rechtsverhältnisses durch sozialtypisches Verhalten (faktische Vertragsverhältnisse) finden beim Gebrauch fremder Sachen keine Anwendung4. Zur Annahme eines Mietvertrages ist es erforderlich, dass sich die Parteien über alle wesentlichen Vertragsbedingungen i.S.v. § 535 BGB geeinigt haben5. Dazu gehören6 die – Parteien des Mietverhältnisses, – Mietsache, – Miete, – Mietzeit.

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Sind über diese Bedingungen bestimmbare Abreden vorhanden, liegt ein Mietvertrag 22 vor, sofern die Parteien keinen Vorbehalt hinsichtlich ihrer endgültigen Einigung vereinbaren (z.B. § 154 Abs. 2 BGB). Bestimmbar ist eine Abrede, wenn sie durch objektive Umstände inhaltlich bestimmt werden kann. Insoweit ist maßgeblich, dass ein Dritter nicht erst durch außerhalb der Urkunde liegende Informationen den Vertragsinhalt ermitteln kann7.

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BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 339/03, WuM 2004, 529 = NZM 2004, 734. BGH v. 7.6.1989 – VIII ZR 91/88, WuM 1989, 327. BGH v. 18.11.1993 – IX ZR 256/92, MDR 1994, 827 = NJW-RR 1994, 317. BGH v. 26.3.1980 – VIII ZR 150/79, NJW 1980, 1577. OLG Düsseldorf v. 30.8.2010 – 24 U 5/10, ZMR 2011, 119. Vgl. OLG Düsseldorf v. 6.5.2008 – I-24 U 188/07, OLGR 2008, 662; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 62. OLG Rostock v. 10.1.2005 – 3 U 61/04, NZM 2005, 506 (Angabe einer nicht im Handelsregister eingetragenen KG als Mieter).

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

23 Die Mietparteien sind z.B. bestimmbar bezeichnet, wenn sie durch die Beschreibung eines bestimmten Vorgangs identifizierbar sind (z.B. die „künftigen Erwerber“)1. Dagegen ist die Bezeichnung „Erbengemeinschaft S“ ohne Angabe einer Anschrift o.Ä. nicht ausreichend, weil nicht ersichtlich ist, ob mit „S“ der Erblasser oder die Erben benannt werden sollten und eine Bestimmbarkeit mangels Angabe der Anschrift nicht gewährleistet ist2. Unverwechselbar ist aber die Bezeichnung „ImmobilienFonds, …straße“, mit dem eine Publikums-KG im Mietvertrag als Vermieter bezeichnet ist3. 24 Die erforderliche Bestimmbarkeit des Mietobjekts kann sich zum einen aus Plänen ergeben, in denen die vermieteten Räume gekennzeichnet sind, zum anderen aber auch aus einer in der Vertragsurkunde selbst enthaltenen, hinreichend genauen Beschreibung der Größe und Lage der Mieträume im Gebäude4. 25 Für das Zustandekommen eines Mietvertrages ist nicht erforderlich, dass die Miete in Geld entrichtet wird. Es genügt als Gegenleistung auch die Gewährung anderer Vorteile5. Die Miete ist bestimmbar vereinbart, wenn ihre Höhe z.B. durch einen Sachverständigen anhand der konkreten Abreden der Parteien ermittelt werden kann6. Unabhängig davon kann eine wirksame (konkludente) Einigung auch ohne eine bestimmte Miethöhe angenommen werden. Denn die Höhe der Miete kann durch das Gericht in ergänzender Vertragsauslegung oder analog §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB ermittelt werden7. 26 Wird die Mietzeit im Vertrag mit „ab der Übergabe 15 Jahre“ festgehalten, ist die Mietzeit ausreichend bestimmbar8. Denn die Übergabe ist ein objektiver Vorgang, der dem Beweis zugänglich ist. Dies gilt erst recht, wenn die Übergabe aber durch ein Protokoll, das von beiden Parteien zu unterschreiben ist, dokumentiert werden soll9. 27 Eine Einigung über die wesentlichen Punkte genügt dann nicht, wenn nach dem Willen nur einer Partei noch regelungsbedürftige Punkte offen stehen (§ 154Abs. 1 BGB). In einem solchen Fall dürfen die übereinstimmenden Punkte nicht in einen Mietvorvertrag umgedeutet werden, weil den Parteien (dazu) jeglicher Bindungswille fehlt10. 28 Indessen können die Parteien von der Regelungsbedürftigkeit eines für den Abschluss eines Mietvertrags nicht unbedingt notwendigen Punktes – auch konkludent – wieder absehen11. In einem solchen Fall kommt dann der Mietvertrag zu den bereits ausgehandelten Bedingungen zustande. Eine solche Annahme kann u.U. dann gerechtfertigt sein, wenn die Mietsache trotz eines zunächst noch für regelungsbedürftig angesehenen Punktes dem Mieter überlassen, das Nutzungsverhältnis über längere Zeit zu den übrigen bereits ausgehandelten Bedingungen praktiziert wird und keine Partei auf den zunächst noch für regelungsbedürftig angesehenen Punkt zurückkommt12. Kommt ein Mietvertrag nicht zustande, bleibt die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zu prüfen (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB).

1 BGH v. 2.11.2005 – XII ZR 233/03, MDR 2006, 561 = MietRB 2006, 97 = GuT 2006, 10 = ZMR 2006, 116. 2 BGH v. 11.9.2002 – XII ZR 187/00, MDR 2003, 81 = NJW 2002, 3389 = NZM 2002, 950. 3 OLG Hamm v. 11.3.1998 – 33 U 89/97, NZM 1998, 720. 4 BGH v. 30.6.1999 – XII ZR 55/97, MDR 1999, 1431 = WuM 1999, 516 = ZMR 1999, 691. 5 OLG Köln v. 14.2.1996 – 11 U 219/95, DWW 1996, 189. 6 BGH v. 2.10.1991 – XII ZR 88/90, WuM 1992, 312 (313) = ZMR 1992, 237. 7 BGH v. 31.1.2003 – V ZR 333/01, MDR 2003, 561 = WuM 2003, 263 = ZMR 2003, 415 = GuT 2003, 86 = NZM 2003, 314. 8 BGH v. 2.11.2005 – XII ZR 212/03, MDR 2006, 561 = MietRB 2006, 97 = GuT 2006, 11 = ZMR 2006, 115; BGH v. 2.5.2007 – XII ZR 178/04, MDR 2007, 1063 = MietRB 2007, 223 = NZM 2007, 443; OLG Naumburg v. 7.9.2004 – 9 U 3/04, NZM 2004, 825. 9 OLG Dresden v. 31.8.2004 – 5 U 946/04, NZM 2004, 827. 10 BGH v. 26.3.1980 – VIII ZR 150/79, NJW 1980, 1577. 11 BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 66/06, ZMR 2009, 108. 12 Jendrek, S. 20.

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§ 535 BGB

2. Vertragsschluss unter Abwesenden Das Angebot zum Abschluss eines Mietvertrages erlischt gemäß § 146 BGB, wenn die 29 Annahme dem Antragenden gegenüber abgelehnt oder wenn das Angebot nicht rechtzeitig i.S.d. §§ 147 bis 149 BGB angenommen wird. Nach § 147 Abs. 1 BGB kann ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages unter Anwesenden nur sofort angenommen werden. Antwortet der Angebotsempfänger mit einem eigenen Angebot, gilt dies als neuer Antrag, § 150 Abs. 2 BGB. Wird ein (mündliches oder schriftliches) Angebot einem Abwesenden übermittelt, 30 ohne dass der Antragende eine Annahmefrist i.S.v. § 148 BGB bestimmt, ist er solange an sein Angebot gebunden, wie er unter regelmäßigen Umständen eine Antwort erwarten darf, § 147 Abs. 2 BGB. Die Bestimmung einer Annahmefrist in AGB kollidiert mit § 308 Nr. 1 BGB, wenn sie für den Vertragspartner des Verwenders gelten soll. Welche Frist für die Annahme eines Angebots zum Abschluss eines Mietvertrages, 31 das z.B. in der Übersendung eines (einseitig) unterzeichneten Mietvertrages gesehen werden kann, gem. § 147 Abs. 2 BGB anzusetzen ist, wird nicht einheitlich bewertet. Einerseits wird eine Überlegungsfrist von zwei bis drei Wochen zugebilligt1. Bei körperschaftlich organisierten Vermietern soll die Rücksendung des unterschriebenen Exemplars innerhalb von siebzehn Tagen noch rechtzeitig erfolgt sein2. Demgegenüber sollen drei Wochen3, aber erst recht viereinhalb Wochen4 zu lang, aber auch schon eine Annahme nach mehr als fünf Tagen verspätet sein5. Insoweit werden drei Tage für die Bearbeitungs- und Überlegungszeit und zwei weitere Tage für die Übermittlung der Annahmeerklärung angesetzt. Schließlich soll in diesen Fällen die Rücksendung des gegengezeichneten Mietvertrages innerhalb von zwei bis vier Tagen erfolgen6. Andererseits wird die regelmäßige Annahmefrist aber nicht derartig kurz angesetzt. Vielmehr soll sie bei einer Rücksendung des unterschriebenen Exemplars innerhalb von zweieinhalb Wochen noch rechtzeitig erfolgt sein7. Kein Anlass zur Verlängerung dieser Frist soll bestehen, wenn auf Seiten des Vermieters (Hausverwaltung) der Vertrag von zwei Personen zu unterschreiben ist8. Im Ergebnis kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalles an. Neben den agie- 32 renden Personen ist insbesondere darauf abzustellen, was dem Absender über die Entscheidungswege bei dem Adressaten seines Angebots bekannt ist und welche Vorstellungen er sich über den Zeitpunkt einer Antwort macht. Wird die Annahmefrist nicht eingehalten, gilt die Annahmeerklärung gemäß § 150 33 Abs. 1 BGB als neues Angebot, dass der Andere regelmäßig nicht (mehr) schriftlich annimmt. In dieser Situation kommt ein Mietvertrag spätestens mit der Übergabe und der ersten Mietzahlung konkludent zustande. 3. Mündlicher Mietvertrag Der Mietvertrag kann grundsätzlich mündlich abgeschlossen werden. Selbst dem 34 Mietvertrag mit einer festen Laufzeit von mehr als einem Jahr kann eine wirksame mündliche Einigung zugrunde liegen. In diesem Fall beschränkt sich die Funktion des § 550 BGB auf die Dokumentation der mündlichen Einigung (vgl. § 550 BGB

1 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. I 29. 2 OLG Naumburg v. 7.9.2004 – 9 U 3/04 NZM 2004, 825; OLG Dresden v. 31.8.2004 – 5 U 946/04, NZM 2004, 827; a.A. LG Stendal v. 29.1.2004 – 22 S 107/03, NZM 2005, 15. 3 LG Köln v. 13.7.1987 – 10 S 56/87, WM 1988, 50. 4 OLG Düsseldorf v. 15.6.2009 – I-24 U 210/08, MDR 2009, 1385 = MietRB 2009, 349 = GE 2009, 1556. 5 KG v. 22.3.1999 – 23 U 8203/98, WuM 1999, 323; LG Berlin v. 29.6.1987 – 61 S 483/86, WuM 1987, 378. 6 Bub/Treier/Bub, II Rz. 338. 7 OLG Naumburg v. 7.9.2004 – 9 U 3/04, NZM 2004, 825; OLG Dresden v. 31.8.2004 – 5 U 946/04, NZM 2004, 827; a.A. LG Stendal v. 29.1.2004 – 22 S 107/03, NZM 2005, 15. 8 KG v. 4.12.2000 – 8 U 304/99, WuM 2001, 111.

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Rz. 60 f.). Solange sich niemand auf einen Schriftformmangel beruft, wird ein solcher Mietvertrag auf unbestimmte Zeit fortgesetzt. 35 Eine mündliche Einigung i.S.d. § 535 BGB ist wirksam, wenn sie alle wesentlichen Vertragsabreden wenigstens bestimmbar umfasst (vgl. § 535 BGB Rz. 22). Das ist im Zweifel durch eine Beweisaufnahme zu ermitteln. 4. Konstitutive Schriftform 36 Die Wirksamkeit der Einigung nach § 535 BGB kann zunächst von der Form abhängen, wenn § 125 BGB eingreift. Das ist der Fall, wenn mit dem Mietvertrag die Verpflichtung des Vermieters verbunden ist, ein Grundstück zu erwerben, § 311b BGB. Diese Konstellation kommt insbesondere bei der Vermietung vom Reißbrett in Betracht, wenn der Vermieter noch nicht Eigentümer des Grundstücks ist, auf dem er das Mietobjekt errichten will. Vgl. zur Form beim vereinbarten Vorkaufsrecht § 535 BGB Rz. 983. 36a Eine konstitutive Wirkung der Form sieht daneben die Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB vor. Zur Annahme einer entsprechenden Wirkung ist es grundsätzlich nicht ausreichend festzustellen, dass die Parteien sich darauf verständigt haben, ihren Mietvertrag schriftlich abzufassen. Denn haben sie z.B. bereits eine Einigung getroffen, kann der Schriftformabrede auch deklaratorische Wirkung zukommen. Nur in diesem Fall ist die Annahme eines schriftlichen Vertragsangebots durch schlüssiges Verhalten oder mündliche Erklärung wirksam. Eine lediglich deklaratorische Bedeutung ist der Schriftformabrede beizumessen, wenn die zu vereinbarenden wesentlichen Vertragsbedingungen lediglich wiedergeben und nicht konstitutiv für die Einigung sein sollen. 37 Von einer konstitutiven Wirkung kann nach der Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB grundsätzlich ausgegangen werden, wenn die Parteien vereinbart haben, den Mietvertrag schriftlich zu beurkunden (Schriftformklausel)1. Unabhängig davon wird die Verabredung, einen Mietvertrag schriftlich zu beurkunden, dann vermutet, wenn der Vertrag eine feste Dauer von mehr als einem Jahr haben soll. Denn dann ist die Schriftform gemäß § 550 BGB wesentlich, so dass die Voraussetzungen des § 154 Abs. 2 BGB anzunehmen sind. Besteht ein solcher Vorbehalt oder wurde er sogar ausdrücklich erklärt, kann auch durch mehrfachen Leistungsaustausch nicht ohne weiteres ein schlüssiger Mietvertrag begründet werden2. Insoweit reicht es für die Erfüllung der Darlegungslast aus, dass der Beweisbelastete Umstände vorträgt, die die Annahme rechtfertigen, der Mietvertrag sei nicht vollständig geschlossen worden. Dazu müssen die Einzelheiten nicht unbedingt zeitlich und örtlich spezifiziert werden, wenn diese Daten für die Einigung selbst ohne Bedeutung sind3. 38 Unabhängig davon können die Umstände des Einzelfalls gleichwohl dafür sprechen, dass die Parteien ein Mietverhältnis begründen wollten4. Hierzu müssen jedoch Umstände gegeben sein, aus denen (übereinstimmende) Willenserklärungen der Parteien ersichtlich sind, insbesondere auf deren Rechtsbindungswillen geschlossen werden kann5. Deshalb soll bereits die Zahlung der ersten Miete und der Kaution bei gleichzeitiger Überlassung der Mieträume selbst dann einen konkludenten Vertragsabschluss begründen, wenn die Parteien durch Aushandeln eines schriftlichen (unbefristeten) Vertrages deutlich gemacht haben, dass sie ihre Einigung schriftlich niederlegen wollen6. Der Vollzug soll nämlich zum Ausdruck bringen, dass die Schriftform (doch) kein konstitutives Element der Einigung war, so dass § 154 Abs. 2 BGB nicht

1 KG v. 29.4.2004 – 8 U 261/03, MietRB 2004, 286. 2 BGH v. 8.12.2004 – XII ZR 96/01, MDR 2005, 474 = MietRB 2005, 149. 3 BGH v. 15.6.2005 – XII ZR 82/02, MDR 2005, 1398 = MietRB 2005, 284 = NZM 2005, 704 = ZMR 2005, 777 = GuT 2005, 206. 4 Insbesondere kommt ein vorläufiges Mietverhältnis in Betracht: Vor § 535 BGB Rz. 150a. 5 Vgl. dazu mit Beispielsfällen: Lützenkirchen, AHB Mietrecht, B Rz. 91 f. 6 OLG Frankfurt v. 1.8.2003 – 19 U 217/02, MietRB 2003, 67 = OLGR Frankfurt 2004, 65.

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eingreift. Dies gilt erst recht, wenn eine Einigung über die essentialia stattgefunden hat und der Vertrag monatelang vollzogen wird1. 5. Schlüssiger Mietvertrag Die zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen können grundsätzlich durch 39 schlüssiges Verhalten ersetzt werden. Jedoch ist die Rechtsprechung bei der Annahme schlüssiger Verträge zurückhaltend, da von dem Grundsatz auszugehen ist, dass Schweigen keine Zustimmung bedeutet. Das bloße Wollen von Leistungen und deren schlichte Entgegennahme führt nicht ohne Weiteres zu einem Vertragsschluss2. Wirksam und bindend ist ein Vertrag erst, wenn sich die Parteien über sämtliche wesentlichen Vertragselemente geeinigt haben, denn gem. § 154 Abs. 1 BGB ist ein Vertrag im Zweifel nicht geschlossen, solange die Parteien sich nicht über alle Punkte verständigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Regelung zu treffen ist. Schlüssig kommt eine Einigung über die wesentlichen Elemente i.S.v. § 535 BGB zu- 40 stande, wenn das Verhalten der Parteien deutlich macht, dass sie von einer Verbindung durch einen Mietvertrag ausgehen. Das setzt in der Regel voraus, dass sich aus dem Ablauf der Ereignisse ein Angebot und eine Annahme herauslesen lassen3. Dafür wiederum ist ein Verhalten der Parteien erforderlich, dass einen Rechtsbindungswillen erkennen lässt. Insoweit bedeutet die einvernehmliche Überlassung oder Nutzung der Mietsache und Zahlung eines Entgelts nicht zwangsläufig einen Vertragsschluss durch schlüssiges Verhalten4. Dieses Verhalten muss vielmehr von dem beiderseitigen Willen getragen sein, ein Mietverhältnis einzugehen. Insbesondere mit dem bloßen Vollzug eines Mietvertrages wird der Vertrag nicht erneut – konkludent – abgeschlossen. Ist den Parteien nicht bewusst, dass sie keinen wirksamen Mietvertrag begründet haben, lässt die Vertragsumsetzung grundsätzlich nicht auf den Vertragswillen zum erneuten Abschluss des nicht wirksam begründeten Mietvertrages schließen5. Das Gleiche kann bei „Aussetzen“ der Kündigung gelten, insbesondere wenn es nur vorläufig sein soll6. Unverzichtbar ist ohnehin die schlüssige Einigung über den wesentlichen Vertragsinhalt7. Der Rechtsbindungswille fehlt z.B., wenn der Vermieter dem Untermieter die Kündi- 41 gung des Hauptmietvertrages mitteilt und ihm die (befristete) Fortsetzung der Nutzung gestattet, ohne dass der Untermieter darauf außer durch Fortsetzung der Nutzung reagiert8. Aus dem unveränderten Verhalten des Untermieters soll nicht auf einen Rechtsbindungswillen, der die Annahme des Angebotes rechtfertigen könnte, geschlossen werden. Die schlüssige Begründung eines Mietvertrages kann insbesondere nach einer voran- 42 gegangenen Beendigung des (bisherigen) Mietvertrages eintreten. In diesen Fällen kommt insbesondere den Umständen der unveränderten Fortsetzung des Gebrauchs durch den Mieter und der widerspruchslosen Entgegennahme der als „Miete“ deklarierten Zahlungen eine besondere Bedeutung zu9. War im Vertrag aber § 545 BGB wirksam ausgeschlossen, kann ein auf den Abschluss eines neuen Mietvertrages gerichtetes Verhalten der Parteien nur bei einer über einen längeren Zeitraum praktizierten Übung angenommen werden10.

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KG v. 10.3.2005 – 8 U 217/04, MDR 2005, 1276 = WuM 2005, 336 = NZM 2005, 537. BGH v. 10.4.1997 – VII ZR 211/95, NJW 1997, 1982. Vgl. dazu auch OLG Koblenz v. 15.2.2012 – 5 U 1159/11, NZM 2012, 865. OLG Brandenburg v. 25.6.2008 – 3 U 195/07, zitiert nach juris. OLG Hamm v. 27.1.2011 – 18 U 145/09, zitiert nach juris. OLG Koblenz v. 15.2.2012 – 5 U 1159/11, NZM 2012, 865. Vgl. BGH v. 24.2.1983 – I ZR 14/81, NJW 1983, 1728. OLG Brandenburg v. 23.9.1998 – 3 U 55/98, ZMR 1999, 102. Vgl. OLG Hamm v. 1.10.1981 – 4 REMiet 6/81, WuM 1981, 257; LG Hagen v. 8.2.1982 – 13 S 141/81, WuM 1982, 139. 10 OLG Düsseldorf v. 28.11.2003 – 10 U 172/01, GuT 2003, 18 (download).

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

43 Die häufigsten Fälle sind – Einzug des Mieters in die Mieträume und vorbehaltlose Entgegennahme der Miete durch den Vermieter1, was auch für einen im Rubrum des Mietvertrages erwähnten Mitmieter, der den Mietvertrag nicht mit unterzeichnet hat, gilt2. – Auswechseln eines Mitgliedes einer studentischen Wohngemeinschaft3. – Fortsetzung des Gebrauchs, – obwohl der Vertrag eine aufschiebende Bedingung enthält4; – nach Beendigung des Mietvertrages, ohne dass der Vermieter widerspricht, § 545 BGB5; – nach Beendigung des Mietvertrages, ohne dass der Vermieter widerspricht und der Ausschluss von § 545 BGB im Mietvertrag nicht wirksam ist6; – während der Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung7; – auf Grund eines Räumungsvergleichs mit Bewährungsauflage8; – nach Räumungsurteil, Ausgleich des Rückstandes und vorbehaltlose Entgegennahme der Miete9; – nach Räumungsurteil, Ausgleich des Rückstandes, vorbehaltloser Entgegennahme der Miete und Mieterhöhung durch den Vermieter10; – wenn der Vermieter aus einem Räumungsurteil längere Zeit die Zwangsvollstreckung nicht betreibt und Miete fordert11; – nach Rücknahme von mehreren Räumungsaufträgen, wenn die Rücknahme jeweils nach dem Ausgleich des bestehenden Rückstandes erfolgte12; – das Verbleiben des Untermieters in den Mieträumen nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses und die vorbehaltlose Entgegennahme der Miete über längere Zeit durch den Vermieter zu Bedingungen des Hauptmietverhältnisses13; nicht ausreichend ist hingegen, dass der Untermieter nach Mitteilung durch den (Haupt-)Vermieter, der (Haupt-)Mietvertrag sei beendet, allein die Nutzung fortsetzt, ohne auf sein Angebot zur (befristeten) Fortsetzung zu reagieren14; – die Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen, die nur im Verhältnis zum Vermieter relevant werden können, durch den Ehegatten des Mieters, der den Mietvertrag nicht unterschrieben hat15. – nach Erwerb vom Eigentümer, der nicht Vermieter ist, und Abgabe wechselseitiger Erklärungen, die nur als Mietpartei abgegeben werden können (Betriebskostenabrechnung, Mängelanzeige und Beseitigungsaufforderung, Kündigung etc.)16.

1 OLG Düsseldorf v. 5.11.1987 – 10 U 70/87, ZMR 1988, 54. 2 LG Berlin v. 10.7.1997 – 67 S 116/97, GE 1997, 1033. 3 LG Mannheim v. 25.9.1968 – 6 S 53/68, WuM 1969, 38; LG Köln v. 18.9.1991 – 10 S 339/90, WuM 1992, 251. 4 BGH v. 27.6.1983 – II ZR 230/82, MDR 1984, 27 = WM 1983, 929. 5 BGH v. 2.5.2012 – XII ZR 88/10, NZM 2012, 608. 6 OLG Schleswig v. 27.3.1996 – 4 REMiet 1/93, WuM 1996, 85; LG Berlin v. 8.7.1996 – 61 S 4/96, WuM 1996, 707. 7 OLG Karlsruhe v. 17.10.1990 – 13 U 152/89, WuM 1991, 81. 8 LG Köln v. 18.4.1991 – 1 S 489/90, KM 25 Nr. 2. 9 OLG Hamm v. 1.10.1981 – 4 REMiet 6/81, WuM 1981, 257. 10 LG Hagen v. 8.2.1982 – 13 S 141/81, WuM 1982, 139. 11 Bub/Treier/Bub, II Rz. 343 m.w.N. 12 LG Hamburg v. 10.5.1988 – 11 S 384/87, WuM 1989, 32. 13 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. I 214. 14 OLG Brandenburg v. 23.9.1998 – 3 U 55/98, ZMR 1999, 102. 15 LG Berlin v. 24.8.2001 – 64 S 232/00, NZM 2002, 119. 16 LG Berlin v. 10.1.2013 – 67 S 523/11, GE 2013, 268.

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Der notwendige Rechtsbindungswille fehlt z.B., wenn das Grundstück in dem über- 44 einstimmenden Willen der Parteien überlassen wird, dass der Nutzer das Objekt erwerben und bis zum Erwerb (nur) die Lasten tragen soll1. Die Indizien für eine schlüssige Vereinbarung können sich aus der Korrespondenz, vor allem aus dem fraglichen Zeitraum (z.B. nach Vorliegen des Räumungsurteils), ergeben. Werden darin die Worte „Mietvertrag“ und/oder „Miete“ verwendet, spricht dies für die Annahme eines Mietvertrages. Das Gleiche gilt für die Angabe eines Verwendungszwecks in einem Überweisungsträger. Mündliche Abmahnungen des Vermieters z.B. werden aber in der Regel nicht ausreichen, da der Mieter auch nach Beendigung des Mietvertrages verpflichtet ist, vertragliche Regeln einzuhalten2. Die Erteilung einer Erlaubnis zur Untervermietung, Tierhaltung oder eine Betriebskostenabrechnung können jedoch ebenso als Indiz für den konkludenten Abschluss eines Mietvertrages gewertet werden wie die Ausübung des Minderungsrechts oder die Aufforderung zur Mängelbeseitigung. Das Gleiche gilt für einen inhaltlichen Widerspruch gegen eine Betriebskostenabrechnung3. 6. Einschränkung der Vertragsfreiheit Vom Grundsatz her besteht auch für Mietverträge Vertragsfreiheit. Außerhalb der 45 Wohnraummiete ist die Vertragsfreiheit kaum eingeschränkt. Hier besteht grundsätzlich sowohl Abschlussfreiheit, also die Freiheit, überhaupt einen Mietvertrag abzuschließen und sich den Vertragspartner frei auszuwählen, als auch inhaltliche Gestaltungsfreiheit, d.h. die Freiheit, die Vertragsbedingungen frei auszuhandeln. Grenzen der Vertragsfreiheit ergeben sich in der Regel aus – dem Verbot der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB), – dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und – bei Formularverträgen durch die Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB. Mittlerweile kann auch das AGG Einfluss auf die Vertragsfreiheit im Mietrecht neh- 46 men4. Durch das MRRG von 2001 sollte die Vertragsfreiheit gestärkt werden5. Diese Ab- 47 sicht steht nur scheinbar in Widerspruch zu den vielen gesetzlichen Bestimmungen, die eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung verbieten (vgl. z.B. § 536 Abs. 4 BGB). Denn bei richtigem Verständnis sind diese Verbotsnormen nur auf die Situation bei Vertragsschluss anwendbar6. Sobald der Vertrag abgeschlossen ist, stehen sich die Parteien gleichberechtigt gegenüber, so dass es – außer bei den Fragen der Kündigung und der Mieterhöhung – keines besonderen Schutzes des Mieters mehr bedarf. Demnach gelten für die Wirksamkeit von Vereinbarungen, die zwischen Vermieter und Mieter im laufenden Mietvertrag getroffen werden, grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften, insbesondere §§ 134, 136, 307 f. BGB. a) Preisfreier Wohnraum aa) Verbot der Zweckentfremdung Das Verbot der Zweckentfremdung gebietet den Parteien eines Mietvertrages, Wohn- 48 raum nicht zu anderen Zwecken als dem Wohnen zu nutzen. Insoweit wird bei der Vermietung von Wohnraum die Abschlussfreiheit dort eingeschränkt, wo ein Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum besteht. Zwar kann der Vermieter auch dann entscheiden, mit wem er den Mietvertrag abschließen will. Er ist jedoch verpflichtet, die Räume als Wohnung selbst zu nutzen oder durch Dritte nutzen zu lassen.

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OLG Rostock v. 3.12.2001 – 3 U 153/00, NZM 2003, 25. Bub/Treier/Scheurer, V Rz. 92 f. AG Köln v. 15.1.1996 – 211 C 483/95, KM 2 Nr. 20. Hinz, ZMR 2006, 742 ff. und 826 ff.; Schmidt-Räntsch, NZM 2007, 6; Rolfs, NJW 2007, 1489. Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1113. Lützenkirchen/Dickersbach, ZMR 2006, 821.

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49 Bis zur Föderalismusreform, die zum 1.9.2006 in Kraft getreten ist1, war das Verbot der Zweckentfremdung in Art. 6 Abs. 1 des sog. Mietrechtsverbesserungsgesetzes2 geregelt. Zum 1.1.2008 ging im Rahmen der Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder über. Seither hat Bayern von der Möglichkeit zur Regelung des Verbotes der Zweckentfremdung Gebrauch gemacht3. In Hamburg gilt das Zweckentfremdungsverbot des § 9 HmbWoSchG4 fort5. 50 In Bayern kann das Verbot der Zweckentfremdung von der Landesregierung für Gemeinden, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, durch Rechtsverordnung bestimmt werden. In diesem Fall darf Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken nur mit Genehmigung der von der Landesregierung bestimmten Stelle zugeführt werden. Eine Genehmigung kann z.B. dann erteilt werden, wenn der Vermieter Ersatzwohnraum an anderer Stelle schafft; diesen kann er auch in einem anderen Stadtviertel anbieten. Der Ersatzwohnraum muss qualitativ mit dem zweckentfremdeten Wohnraum in etwa vergleichbar sein. Sofern der Vermieter gegen die Genehmigungspflicht verstößt, indem er Wohnraum zu anderen Zwecken vorsätzlich verwendet oder anderen überlässt, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 50 000 Euro geahndet werden kann. 51 Ein typischer Fall der Zweckentfremdung liegt vor, wenn eine als Wohnraum genehmigte Einheit zu gewerblichen Zwecken vermietet wird (z.B. als Büro oder Praxis). Keine Zweckentfremdung ist dagegen gegeben, wenn der Wohnraum wegen seines räumlichen Zusammenhanges mit einem Geschäftsraum zugleich mit diesem überlassen oder genutzt oder wenn Wohnraum zwar gewerblich genutzt wird, aber weiterhin überwiegend auch zum Wohnen dient. Die Abgrenzung kann problematisch werden, wenn der Mieter einer Wohnung dort seinen Beruf ausübt. Liegt der Schwerpunkt in der gewerblichen Nutzung, ist von einer Zweckentfremdung auszugehen. Das Leerstehenlassen von Wohnraum kann ebenfalls eine Zweckentfremdung darstellen. bb) Diktierte Verträge 52 Die Vertragsfreiheit wird ebenso durch diktierte Mietverträge eingeschränkt. Ein typischer diktierter Mietvertrag kommt durch die Wohnungszuweisung nach § 1361b BGB zustande6. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift kann ein Ehegatte bei Getrenntleben der Ehegatten oder der Absicht eines Ehegatten, sich zu trennen, verlangen, dass ihm der Andere die Ehewohnung oder einen Teil zur alleinigen Benutzung überlässt, soweit dies auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Daneben kann gemäß § 1361b Abs. 2 BGB die gesamte Ehewohnung einem Ehegatten überlassen werden, wenn dieser von dem anderen Ehegatten widerrechtlich und vorsätzlich am Körper, in der Gesundheit oder der Freiheit verletzt oder mit einer solchen Verletzung oder der Verletzung des Lebens gedroht wurde. In beiden Fällen kann das Familiengericht durch Beschluss einen Mietvertrag mit dem Ehegatten, der bisher nicht Mieter war, begründen. cc) Beschränkung der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit 53 Die inhaltliche Gestaltungsfreiheit ist beim preisfreien Wohnraum stark eingeschränkt. Dies wird durch die zahlreichen Bestimmungen in den §§ 549 ff. BGB deut1 BGBl. I, S. 2034. 2 Art. 6 § 1 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 des Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen v. 4.11.1971 (BGBl. I, S. 1745). 3 Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG) v. 10.12.2007 – GVBl. 2007, 864. 4 § 9 des Gesetz über den Schutz und die Erhaltung von Wohnraum, Hamburgisches Wohnraumschutzgesetz (HmbWoSchG) v. 8.3.1982 – HmbGVBl. 1982, 47. 5 OVG Hamburg v. 25.5.2007 – 1 Bf 383/05, WuM 2007, 519 = ZMR 2007, 908 = NZM 2007, 736. 6 Vgl. dazu Götz, PiG 92, 157 f.

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lich, die zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen verbieten. Daneben finden sich Beschränkungen durch den Räumungsschutz (§§ 721, 794a ZPO) sowie § 5 WiStG und § 291 StGB. Eine Vereinbarung, die die Anwendung der Vorschriften über den preisgebundenen 54 Wohnraum auf eine preisfreie Wohnung vorsieht, ist nach §§ 557 Abs. 4, 558 Abs. 6 BGB unwirksam1. Denn dadurch könnte der Vermieter über eine Kostenmiete z.B. eine Mieterhöhung unmittelbar durchführen, während nach den §§ 558 ff. BGB die Mieterhöhung von der Zustimmung des Mieters abhängt. b) Öffentlich – geförderter Wohnraum Hier ist die Abschlussfreiheit noch stärker eingeschränkt, da hier der Vermieter im 55 Regelfall gehalten ist, seinen Vertragspartner aus einem bestimmten Kreis von Wohnungssuchenden auszuwählen, u.U. sogar gezwungen ist, mit einem ihm zugewiesenen Anmietinteressenten den Mietvertrag abzuschließen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Förderung vor (dann: §§ 4 Abs. 4 und 5 WoBindG) oder nach dem 1.1.2002 (dann: § 27 WoFG) bewilligt wurde. aa) Rechtslage bei Bewilligung öffentlicher Mittel vor dem 1.1.2002 Grundsätzlich gehen die Vorschriften über die Wohnraummiete in den §§ 549 ff. BGB 56 davon aus, dass Gegenstand der Überlassung preisfreier Wohnraum ist. Für sog. preisgebundenen Wohnraum gelten besondere Vorschriften, insbesondere § 10 WoBindG sowie die dazu ergangenen Vorschriften der Neubaumietenverordnung (NMV) und der II. Berechnungsverordnung (II. BV). Daraus folgt, dass neben der Abschlussfreiheit, die insbesondere durch § 4 WoBindG eingeschränkt ist, die Vorschriften über die Miete durch die Sonderbestimmungen modifiziert sind. Unter preisgebundenem Wohnraum werden herkömmlicherweise Wohnungen ver- 57 standen, bei denen die Mietpreisgestaltung nicht durch die Vertragsparteien erfolgt, sondern aufgrund vom Gesetzgeber vorgegebener Berechnungen. Für preisgebundene Wohnungen findet das Vergleichsmietenprinzip der §§ 558 ff. BGB keine Anwendung. Es lassen sich bei preisgebundenen Neubauwohnungen grundsätzlich folgende Hauptgruppen unterscheiden: – Öffentlich geförderte Wohnungen i.S.d. § 1 Abs. 3 WoBindG, sog. Sozialwohnungen des ersten Förderweges; für sie ergibt sich die Mietpreisbindung aus § 8 Abs. 5 WoBindG. – Steuerbegünstigte Wohnungen, die mit nichtöffentlichen Mitteln in Form von Aufwendungszuschüssen oder Aufwendungsdarlehen nach § 88 II. WoBauG gefördert worden sind (sog. zweiter Förderungsweg); sie sind nach § 88b II. WoBauG preisgebunden. – Wohnungen, deren Errichtung mit öffentlichen Mitteln nach § 88d WoBauG gefördert wurde (sog. dritter Förderweg)2. – Steuerbegünstigte Wohnungen, die mit Wohnungsfürsorgemitteln für Angehörige des öffentlichen Dienstes entsprechend den Bestimmungen des ersten Förderweges des sozialen Wohnungsbaus gefördert worden sind; für sie gilt die Mietpreisbindung gemäß § 87a Abs. 2 II. WoBauG. – Wohnungen, die mit Sanierungs- oder Entwicklungsförderungsmitteln als nichtöffentliche Mittel nach dem Städtebauförderungsgesetz gefördert worden sind; sie sind nach § 45 Abs. 5 Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) und § 88b II. WoBauG preisgebunden. Hat der Vermieter bei der Errichtung des Gebäudes öffentliche Mittel verwendet, ist er in der Regel nur berechtigt, die sog. Kostenmiete zu erheben. Die Kostenmiete ist aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsberechnung zu ermitteln, die nach den §§ 2 ff. II. BV aufzustellen ist.

1 BGH v. 27.7.2006 – VII ZR 276/05, MDR 2007, 207. 2 Vgl. dazu LG München v. 16.5.2012 – 14 S 27322/11, NZM 2012, 802.

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59 Die Herbeiführung der Preisbindung durch Vereinbarung mit dem Endmieter der Wohnung ist nicht möglich1. Denn eine solche Vereinbarung mit der Berechtigung des Vermieters zur einseitigen Mieterhöhung ist nach § 557 Abs. 4, § 558 Abs. 6 BGB unwirksam. Dadurch wird nämlich zum Nachteil des Mieters von § 557 Abs. 3 BGB und § 558 Abs. 1 BGB abgewichen. Die Abweichung besteht darin, dass die Mieterhöhung bei der Kostenmiete nicht der Zustimmung des Mieters bedarf. Diese Abweichung ist grundlegend, weil das Zustimmungserfordernis im Rahmen des Vergleichsmietenverfahrens nach § 558 BGB Ausdruck des Prinzips der Vertragsfreiheit ist, das nach der Vorstellung des Gesetzgebers im Bereich des preisfreien Wohnraums nicht nur für die Einigung über die Höhe der Miete bei Vertragsschluss, sondern auch bei der Erhöhung der Miete während des laufenden Mietverhältnisses gelten soll. Die Abweichung ist für den Mieter auch nachteilig. Er kann zwar die Zahlung der vom Vermieter einseitig erhöhten Miete verweigern, so dass dieser gegebenenfalls Zahlungsklage erheben muss, in deren Rahmen die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Kostenmiete gerichtlich nachgeprüft werden. Durch die Zahlungsverweigerung setzt sich der Mieter jedoch der Gefahr einer außerordentlichen fristlosen Kündigung nach §§ 543 Abs. 1, 2 Nr. 3, 569 Abs. 3 BGB aus, der er nicht mehr begegnen kann, wenn sich die einseitige Mieterhöhung des Vermieters erst im Räumungsprozess als berechtigt erweist. Diese Gefahr besteht dagegen nicht, wenn die Mieterhöhung gemäß § 558 Abs. 1 BGB der Zustimmung des Mieters bedarf, da der Vermieter insoweit nach § 558b Abs. 2 BGB erst – erfolgreich – Klage auf Erteilung der Zustimmung erheben muss, bevor ein Anspruch auf Zahlung der erhöhten Miete entsteht. 60 Ist jedoch ein Zwischenmieter eingeschaltet, kann im Verhältnis zum Eigentümer, das durch einen Gewerberaummietvertrag gekennzeichnet wird, die Geltung der §§ 8 ff. WoBindG vereinbart werden, so dass sich der Zwischenmieter auch auf das Sonderkündigungsrecht des § 11 WoBindG berufen kann2. 61 Änderungen der Berechnungsfaktoren der Kostenmiete können gemäß § 10 WoBindG unmittelbar an den Mieter weitergegeben werden, d.h., hier ist dem Vermieter ein Instrument gegeben worden, mit dem er die Miete einseitig verändern kann. Voraussetzung ist allerdings, dass der Vermieter in der Mietänderungserklärung die Mietänderung selbst berechnet und erläutert und aussagekräftige Unterlagen (z.B. eine Wirtschaftlichkeitsberechnung, Zusatzberechnung zur Wirtschaftlichkeitsberechnung) beifügt. Ausnahmsweise kann der Vermieter sogar die Miete rückwirkend bis zum 1. Januar des vorangegangenen Kalenderjahres erhöhen, wenn im Mietvertrag eine Klausel enthalten ist, nach der die „jeweils zulässige Miete“ als vereinbart gilt, § 4 Abs. 8 NMV. 62 Neben der Mietpreisgestaltung ist bei Abschluss eines Mietvertrages über eine öffentlich geförderte Wohnung zu beachten, dass gemäß § 9 Abs. 5 WoBindG eine Kaution nur für Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache oder unterlassenen Schönheitsreparaturen verlangt werden kann. Lässt die Formulierung der Kautionsabrede den Schluss zu, dass auch andere Ansprüche mit der Kaution abgedeckt werden können sollen, ist die Regelung unwirksam3. bb) Rechtslage bei Bewilligung öffentlicher Mittel seit dem 1.1.2002 63 An die Stelle des II. WoBauG ist zum 1.1.2002 das Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) getreten. Es bringt im Wesentlichen die Veränderung, dass die Miete nun auch dem Vergleichsmietensystem der §§ 558 ff. BGB angepasst werden kann. Für die Betriebskosten gelten ebenfalls die §§ 556 f. BGB. 64 Die Überlassung der Wohnung ist nur an Wohnungsberechtigte des nach § 27 WoFG begünstigten Personenkreises zulässig. Das sind in der Regel insbesondere Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen. Das Nähere regelt der Darlehensvertrag und die Förderzusage. Zuwiderhandlungen werden mit Bußgeld belegt.

1 BGH v. 7.2.2007 – VIII ZR 122/05, MDR 2007, 707 = MietRB 2007, 137 = GE 2007, 510. 2 KG v. 12.4.2007 – 12 U 65/06, MDR 2007, 1305 = NZM 2008, 42. 3 LG Aachen v. 23.9.2005 – 5 S 92/05, WuM 2006, 101.

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7. Haustürwiderrufsgeschäft Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die wirksame Einigung bindend ist, bilden 65 Haustürwiderrufsgeschäfte. Denn hier ist das Angebot (Antrag) i.S.v. § 146 BGB mindestens eine Woche widerruflich, §§ 312, 355 f. BGB. Dazu muss nach § 312 Abs. 1 BGB ein Unternehmer i.S.v. § 14 BGB gegenüber einem Verbraucher i.S.v. § 13 BGB handeln und einen Vertrag abschließen, der eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand (= Mietvertrag) hat. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Vertragspartner (z.B. Vermieter), der nicht selbst die Verhandlungen führt, von der in der Person des Verhandlungsführers (z.B. Hausverwalter) bestehenden Haustürsituation Kenntnis hat1. a) Vermieter als Unternehmer Unternehmer nach § 14 BGB ist der Vermieter dann, wenn er bei Abschluss des Ver- 66 trages gewerblich oder selbständig beruflich tätig wird. Der Begriff des Unternehmers ist, als Gegenstück zum Verbraucher, weit auszulegen. Deshalb muss ein Unternehmer nicht Kaufmann sein, gewerblich und/oder mit Gewinnerzielungsabsicht handeln2. Es genügt, dass der Vermieter im Wettbewerb mit anderen planmäßig Leistungen gegen ein Entgelt anbietet3, was auch nebenberuflich geschehen kann. Dies wäre an sich schon der Fall, wenn der Eigentümer seine einzige Mietwohnung durch Inserate oder auf sonstige Weise bewirbt; immerhin setzt er sich damit in Konkurrenz zu seinen Mitbewerbern. Allerdings wird für ein geschäftsmäßiges Handeln i.S.v. § 14 BGB ein gewisser organi- 67 satorischer Mindestaufwand gefordert4. Dazu reicht die gelegentliche Vermietung eines Werbetafelstandplatzes nicht aus5. Für einen Vermieter von Wohnraum wird gefordert, dass ihm mehrere Wohnungen gehören6. Wie viele dafür notwendig sind, wird nicht einheitlich gesehen. Denn einerseits sollen acht Wohnungen noch nicht ausreichen, weil deren Verwaltung noch keine professionelle Tätigkeit erfordert7. Andererseits wird die Unternehmereigenschaft verneint, wenn dem Vermieter nur zwei Wohnungen gehören, die er langfristig vermietet8. Daraus wird geschlossen, dass geschäftsmäßiges Handeln bei mehr als zwei Wohnungen vorliegt9. Anders soll es sein, wenn der Eigentümer zwar nur zwei Wohnungen hat, sich bei der Vermietung aber von einer professionellen Hausverwaltung vertreten lässt10. Tatsächlich verbietet sich eine generalisierende Betrachtungsweise. Denn nach Sinn und Zweck des § 312 BGB soll der Verbraucher vor der Gefahr geschützt werden, durch Ausnutzung des Überraschungseffektes oder einer besonderen psychologischen Situation zu einem an sich nicht gewünschten Vertragsschluss veranlasst zu werden11. Damit sind derartig viele Fallkonstellationen erfasst, dass die Unternehmereigenschaft vom Einzelfall abhängig sein kann.

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BGH v. 12.12.2005 – II ZR 327/04, MDR 2006, 679 = WuM 2006, 109. Palandt/Ellenberger, § 14 BGB Rz. 1 f. Palandt/Ellenberger, § 14 BGB Rz. 2 m.w.N. Vgl. Erman/Saenger, § 14 BGB Rz. 11 m.w.N. KG v. 10.1.2011 – 5 U 1353/10, GE 2011, 1552. Vgl. OLG Düsseldorf v. 7.10.2004 – 10 U 70/04, ZMR 2005, 187 (191) (Vermieter hat zwei Einfamilienreihenhäuser und eine Einliegerwohnung vermietet); OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 – 10 U 46/03, WuM 2003, 621 (Unternehmer bei zwei Mietshäusern); AG Frankfurt. v. 13.2.1998 – 33 C 3489/97-13, WuM 1998, 418 (6 Wohnungen sind jedenfalls genug); LG Görlitz v. 23.8.2000 – 2 S 190/99, WuM 2000, 542 (543) (11 Wohnungen genügen); AG Köln v. 28.10.2004 – 210 C 248/04, WuM 2007, 123 (1 Haus mit 6 Wohnungen). LG Waldshut-Tiengen v. 30.4.2008 – 1 S 27/07, DWW 2008, 259. BayObLG v. 13.4.1993 – REMiet 3/93, MDR 1993, 754 = WuM 1993, 384 (zum HausTWG). LG Köln v. 26.1.1999 – 12 S 256/98, WuM 2000, 194. LG Wiesbaden v. 1.7.1996 – 1 S 434/95, WuM 1996, 699; AG Waiblingen v. 5.5.1995 – 13 C 631/95, WuM 1996, 137. Erman/Saenger, § 312 BGB Rz. 2.

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b) Mieter als Verbraucher 68 Verbraucher i.S.d. § 13 BGB ist jeder Wohnraummieter immer dann, wenn er als natürliche Person (im Gegensatz zur juristischen Person wie z.B. einer GmbH) eine Wohnung für private Zwecke gemietet hat. Auf bestimmte intellektuelle Fähigkeiten kommt es nicht an1. 69 Allerdings liegt Unternehmer- und nicht Verbraucherhandeln vor, wenn der Abschluss des Mietvertrages im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit (sog. Existenzgründung) getätigt wird2. Schließt der Mieter also einen Mietvertrag über Räume, die er beruflich und privat nutzt, kann er nicht als Verbraucher behandelt werden, wenn die überwiegende Nutzung gewerblich erfolgt. c) Haustürgeschäft 70 Ein Haustürgeschäft liegt vor, wenn der Verbraucher zum Abschluss des Mietvertrages oder seiner Änderung (z.B. Mieterhöhung) – durch mündliche Verhandlungen an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung, – anlässlich einer vom Unternehmer oder von einem Dritten zumindest auch im Interesse des Unternehmers durchgeführten Freizeitveranstaltung oder – im Anschluss an ein überraschendes Ansprechen in Verkehrsmitteln oder im Bereich öffentlich zugänglicher Verkehrsflächen bestimmt worden ist. Neben den Vertragsänderungen, die in der Wohnung vereinbart werden (z.B. Mieterhöhungen), kommen als Haustürgeschäft auch Vereinbarungen anlässlich von Abnahmen bei der Wohnungsrückgabe in Betracht3. 71 Im Mietrecht kommt insbesondere § 312 Abs. 1 Ziff. 1 BGB in Betracht, wonach der Verbraucher (Mieter) im Bereich seiner Privatwohnung vor überraschend eingefädelten Geschäften geschützt werden soll4. Dabei ist der Bereich der Privatwohnung weit auszulegen. Hierher gehören der Hausflur und der Garten, auch bei einem Mehrfamilienhaus. Es muss irgendeine Privatwohnung sein, nicht notwendig die des Verbrauchers (Mieter), weil gerade auch die sog. Partyverkäufe erfasst werden sollen. Deshalb kann es auch die Wohnung eines Dritten sein, in die dieser den Vertreter des Unternehmers bestellt hat5. Selbst der PKW des Mieters, in den sich Vermieter und Mieter nach dem Ansprechen auf der Straße begeben, um den Vertrag auszuhandeln, soll geschützt werden6. d) Rechtsfolge Widerruf 72 Kommt in diesem Bereich ein Mietvertrag, eine Vertragsänderung oder eine sonstige mit dem Mietvertrag zusammenhängende Einigung (z.B. Abnahmeprotokoll7) zustande, ohne dass der Mieter den Besuch des Vermieters oder seines Vertreters gerade für dieses Geschäft veranlasst hat, besteht ein Widerrufsrecht des Mieters innerhalb von zwei Wochen, § 355 Abs. 1 BGB. Die Frist beginnt gem. § 355 Abs. 2 BGB mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Mieter eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht mitgeteilt worden ist. Dazu reicht eine Mitteilung, die lediglich über die Pflichten des Verbrauchers im Falle des Widerrufs, nicht jedoch über dessen wesentliche Rechte informiert, nicht aus8. 73 Das Widerrufsrecht soll nach § 355 Abs. 4 BGB spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss erlöschen. Dies setzt aber voraus, dass der Verbraucher entsprechend 1 2 3 4 5 6 7 8

Palandt/Ellenberger, § 13 BGB Rz. 2. Vgl. dazu BGH v. 15.1.2007 – III ZR 295/06, MDR 2008, 131 = GuT 2007, 433 = NJW 2008, 435. AG Köln v. 18.8.2005 – 222 C 82/05, KM 31 Nr. 52; Löfflad, MietRB 2004, 87. OLG Koblenz v. 9.2.1994 – 4 W RE 456/93, MDR 1994, 475 = WuM 1994, 257. OLG Hamm v. 24.7.1990 – 21 U 37/90, NJW-RR 1991, 121. LG Köln v. 26.1.19991 – 2 S 256/98, WuM 2000, 194. Vgl. dazu Löfflad, MietRB 2004, 87. BGH v. 12.4.2007 – VII ZR 122/06, MDR 2007, 878 = WuM 2007, 405.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 360 Abs. 1 BGB belehrt wurde. Insoweit ist es unbeachtlich, ob der Mieter bereits sechs Monate die getroffene Einigung vollzogen hat, also z.B. aufgrund eines Haustürgeschäftes über diesen Zeitraum die erhöhte Miete gezahlt hat1. Der Widerruf kann in der Textform des § 126b BGB erklärt werden, § 355 Abs. 1 BGB.

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8. Schranken der Vertragsgestaltung bei Formular- und Verbraucherverträgen Die Regelungen des seit 1.4.1977 geltenden AGB-Gesetzes sind mit leichten Modifika- 75 tionen durch Übernahme in die §§ 305–310 BGB zum 1.1.2002 integriert. Die neuen Vorschriften folgen ihrer Struktur und ihrem Aufbau nach dem AGB-Gesetz und werden auch als Block geregelt, so dass sich systematisch schon keine Änderungen ergeben. a) Zeitlicher Anwendungsbereich Gemäß Art. 6 Nr. 4 des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes wurde das AGB-Ge- 76 setz in der Fassung der Bekanntmachung vom 29.6.20002 zum 1.1.2002 aufgehoben. Im Hinblick auf Verträge, die vor dem 1.1.2002 abgeschlossen wurden, gilt grundsätzlich das AGBG. Im Mietrecht ist allerdings Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB zu berücksichtigen, wonach spätestens seit 1.1.2003 das neue Recht unabhängig vom Datum des Vertragsschlusses anwendbar ist. Damit gilt es auch für Verträge aus der Zeit vor dem 1.4.1977 (Einführung des AGBG). Einstweilen frei.

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b) Persönlicher Anwendungsbereich § 310 BGB bestimmt, dass die §§ 305 Abs. 2 und 3, 308, 309 BGB keine Anwendung auf 78 allgemeine Geschäftsbedingungen finden, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. Unternehmer ist nach § 14 BGB jede natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (vgl. § 535 BGB Rz. 66). Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus der Person des Verwenders. Denn der 79 Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hat sich an die von ihm vorformulierten Vertragsbedingungen ungeachtet der Frage ihrer Wirksamkeit nach dem AGBG zu halten3. Ein Mieter darf sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auf die Einhaltung eines in AGB vereinbarten für ihn günstigen Verfahrens verlassen. c) Verwender Der Verwender von AGB braucht nicht der Verfasser des Formularvertrages zu sein. 80 Es genügt für die Anwendung der §§ 305 ff. BGB, dass eine Vertragspartei ein von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen angefertigtes Formular auch nur für einen einzigen Vertrag stellt4. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass der Verwender das Formular z.B. bereits mehr als drei Mal benutzt hat. Maßgeblich ist die Absicht der Mehrfachverwendung, die bei der Verwendung eines vorformulierten Formulars vermutet wird. Ist die notwendige Absicht gegeben, führt bereits die erste Verwendung eines Formulars zur Anwendung der §§ 305 ff. BGB. Dagegen abzugrenzen ist der Entwurf für eine Individualvereinbarung nach einem Muster5. Der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen hat sich an die für ihn vorformu- 81 lierten Vertragsbedingungen ungeachtet der Frage ihrer Wirksamkeit nach den

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OLG Braunschweig v. 15.9.1999 – 1 REMiet 2/99, WuM 1999, 631. BGBl. I, S. 946. BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718. BGH v. 16.11.1990 – V ZR 217/89, MDR 1991, 515 = GE 1991, 677 = NJW 1991, 843. BGH v. 16.11.1990 – V ZR 217/89, MDR 1991, 515 = GE 1991, 677 = NJW 1991, 843.

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§§ 307 ff. BGB zu halten1. Demnach kann er sich grundsätzlich nicht auf die Unwirksamkeit berufen (venire contra factum proprium). d) Individual- und Formularverträge 82 Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten von Verträgen ist wesentlich, weil § 305b BGB den Vorrang der individuellen Vertragsabreden bestimmt und sich deren Wirksamkeit allein nach den §§ 134, 138, 242 BGB richtet. 83 Eine nur für einen bestimmten Vertrag von einer Partei vorformulierte Vertragsbedingung ist grundsätzlich keine AGB2. AGB liegen aber schon dann vor, wenn der Vermieter sowohl für den Vertrag mit dem Mieter als auch für den mit dem Vormieter einen vorgeschriebenen Maschinentext verwendet, in dem er nur die für die spezifischen Einzeldaten jedes Mieters freigelassenen Lücken ausfüllt. Es genügt die Planung der Wiederverwendung für mehrere Vertragsschlüsse, so dass sogar eine einmalige Verwendung ausreichen kann3. Ohne diese Planung kann § 310 Abs. 3 BGB gelten. 84 Auch Textbausteine können AGB sein, egal ob sie von Datenträgern oder aus Formularbüchern entnommen worden sind4. Mündliche Zusatzvereinbarungen unterliegen der Inhaltskontrolle, wenn durch die Art der Vertragsaufspaltung in Formularvertrag und mündliche Nebenabreden die Bestimmungen der §§ 307 ff. BGB umgangen werden sollen5. Auch der handschriftliche Zusatz in einem ansonsten vorformulierten Mietvertrag beurteilt sich nach den Grundsätzen für die Inhaltskontrolle von AGB, wenn er mehrfach verwendet werden soll6. 85 Individualverträge erfordern ein Aushandeln, das nur bejaht werden kann, wenn der Verwender den in seinen AGB enthaltenen „gesetzesfremden“ Kerngehalt – also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen – inhaltlich zur Disposition stellt. Der Verwender muss vorbehaltlos bereit sein, das Vorformulierte konkret abzuändern, und diese Bereitschaft kundgeben. Ein Aushandeln liegt nicht vor, wenn der Kunde nur die Wahl hat, die AGB anzunehmen oder abzulehnen7. Dem Kunden/Vertragspartner muss also eine Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner eigenen Interessen eingeräumt werden; er muss zumindest die reale Möglichkeit haben, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen8. Das bloße Verlesen eines Vertragstextes und eine sich anschließende allgemeine Belehrung (z.B. durch den Notar) reichen nicht aus, um eine AGBKlausel zur Individualvereinbarung zu machen9. 86 Wird eine Formularklausel dem Mieter nur erklärt und dann von ihm akzeptiert, wird sie damit nicht zu einer Individualvereinbarung10. Dagegen kann eine (Teil-)Individualvereinbarung angenommen werden, wenn der Vermieter einen vorformulierten Entwurf vorlegt und eine zusätzliche Regelung getroffen wird, die eine andere Passage des Entwurfs/Vertrages inhaltlich abändert11. Ein vom Vermieter verwendeter Formularmietvertrag über Wohnraum wird aber nicht dadurch zu einer Individualabrede, dass der Mieter im Mietvertrag oder wenige Tage nach dessen Unterzeichnung ein ebenfalls formularmäßig erstelltes, ihm vom Vermieter übersandtes Schriftstück unterschreibt, worin er bestätigt, dass er vor Abschluss des Vertrages ausreichend 1 BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718. 2 BGH v. 22.9.1987 – IX ZR 220/86, MDR 1988, 139 = NJW-RR 1988, 57. 3 BGH v. 13.9.2001 – VII ZR 487/99, MDR 2001, 1349 = NJW-RR 2002, 13; LG Aachen v. 21.10.1987 – 7 S 239/87, ZMR 1988, 60. 4 OLG Hamm v. 19.1.1988 – 21 U 110/87, MDR 1988, 583 = BB 1988, 868. 5 LG Frankfurt v. 30.11.1982 – 2/11 S 239/82, WuM 1984, 125. 6 LG Köln v. 4.11.1999 – 1 S 205/98, KM 31 Nr. 38. 7 BGH v. 3.7.1985 – IVa ZR 246/83, MDR 1985, 1005. 8 BGH v. 9.10.1986 – VII ZR 245/85, MDR 1987, 311 = WPM 1987, 42. 9 OLG Nürnberg v. 8.11.1984 – 2 U 2923/81, BB 1985, 1881. 10 LG Düsseldorf v. 8.10.1985 – 24 S 56/85, ZMR 1986, 166. 11 BGH v. 18.3.2009 – XII ZR 200/06, MDR 2009, 678 = MietRB 2009, 162 = GE 2009, 647 = NZM 2009, 397 = ZMR 2009, 672 = GuT 2009, 98.

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§ 535 BGB

Zeit gehabt habe, denselben durchzulesen, die einzelnen Bestimmungen zu prüfen, zur Kenntnis zu nehmen und dass er sich vorbehaltlos mit allen Bestimmungen des Vertrages einverstanden erkläre1. Gleiches gilt für die Klausel: „Der Mieter bestätigt, dass der Vertrag ausführlich erörtert wurde und gebilligt wird“ oder „… ausdrücklich anerkannt wird“2. Bleibt eine ausfüllungsbedürftige Lücke in einer Klausel, gilt diese insgesamt nicht 87 als Vertragsbestandteil. War der gesamte Inhalt der Klausel Gegenstand der Verhandlungen, hat die Klausel insgesamt den Charakter einer Individualvereinbarung erlangt3. Das ist aber nicht schon der Fall, wenn einzelne individuell verabredete Ergänzungen eingefügt werden, insbesondere wenn es sich um eine vorgesehene Textvervollständigung handelt4. Der Inhalt einer Klausel gilt nicht schon deswegen als ausgehandelt, weil – der Formulartext die Aufforderung enthält, nicht gewollte Teile zu streichen5, – in einem Formularmietvertrag weitere Vertragsbedingungen maschinenschriftlich eingesetzt worden sind6, – eine zusätzliche Regelung handschriftlich in den Mietvertrag aufgenommen wurde (hier: Endrenovierungsklausel)7, – der Vermieter durch einseitige Einfügungen oder Streichungen eine Klausel verschärft und der Mieter sie akzeptiert8, – der Vertragstext vorformulierte Alternativbedingungen enthält9. e) Verbraucherverträge, § 310 Abs. 3 BGB Schließt ein Unternehmer i.S.v. § 14 BGB (vgl. § 535 BGB Rz. 66) mit einem Verbrau- 88 cher i.S.v. § 13 BGB einen Vertrag, gelten die Grundsätze über die Inhaltskontrolle (§§ 306, 307–309 BGB) prinzipiell ohne Rücksicht darauf, ob eine mehrfache Verwendungsabsicht vorliegt. Indessen sind bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen, § 310 Abs. 3 BGB. f) Möglichkeit der Kenntnisnahme Die wirksame Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen beurteilt sich 89 nach § 305 Abs. 2 BGB. Insoweit muss der Verwender auf erkennbare körperliche Behinderungen der anderen Vertragspartei angemessen Rücksicht nehmen, um ihr die Kenntnis zu verschaffen. Diese Regelung soll sicherstellen, dass einem erkennbar Sehbehinderten, der die ausliegenden oder aushängenden AGB nicht lesen kann, der Inhalt der AGB in geeigneter Weise zugänglich gemacht wird, etwa durch Übergabe in elektronischer oder akustischer Form oder Blindenschrift. Nicht unter die Regelung fallen Analphabeten, da deren Behinderung nicht körperlich und in der Regel auch nicht erkennbar ist. Erst recht gilt dasselbe für Ausländer10. Wählen Vertragspartner die deutsche Sprache als Verhandlungs- und Vertragsspra- 90 che, muss der ausländische Vertragspartner grundsätzlich den gesamten deutsch-

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OLG Hamm v. 27.2.1981 – 4 REMiet 4/80, MDR 1981, 584 = NJW 1981, 1049. OLG Stuttgart v. 22.9.1986 – 2 U 297/85, WuM 1987, 250. BGH v. 12.6.1985 – IVa ZR 261/83, MDR 1985, 1004. BGH v. 18.5.1983 – VIII ZR 20/82, MDR 1984, 45 = NJW 1983, 16. BGH v. 9.4.1987 – III ZR 84/86, MDR 1987, 822. OLG Köln v. 2.8.1999 – 16 U 106/98, ZIP 1999, 1840 = MittRhNotK 1999, 382; OLG Hamm v. 17.12.1998 – 5 U 123/98, WPM 1999, 2065; LG Berlin v. 7.10.1998 – 22 O 464/98, zitiert nach juris; a.A. OLG Brandenburg v. 9.12.2009 – 3 U 140/08, NZM 2010, 743 = NJW-RR 2010, 1166. LG Wuppertal v. 18.8.1998 – 16 S 72/98, WuM 1999, 301. LG Frankfurt v. 27.3.1979 – 2/11 S 154/78, WuM 1979, 151; LG Hamburg v. 10.4.1984 – 16 S 211/83, WuM 1985, 21 (bei Streichung des Wortes „klein“ in einer Reparaturklausel). Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. I 318. OLG Hamm v. 24.10.1984 – 11 U 103/84, WPM 1985, 1221.

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sprachigen Vertragsinhalt einschließlich der AGB gegen sich gelten lassen1, wobei den Vermieter eine Erläuterungspflicht treffen soll. Der Gültigkeit einer Formularklausel steht nicht entgegen, dass der Mieter sie wegen fehlender Kenntnis der deutschen Sprache nicht verstanden hat oder lesen kann2. g) Inhaltskontrolle von Formularverträgen 91 Verdanken Vorschriften des dispositiven Rechts ihre Entstehung nicht nur Zweckmäßigkeitserwägungen, sondern einem aus der Natur sich ergebenden Gerechtigkeitsgebot, bedarf es zur Wirksamkeit einer von ihnen abweichenden Regelung durch AGB gewichtiger Gründe3. Deshalb ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Von wesentlicher Bedeutung ist insoweit, ob die dispositive gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern dem Gerechtigkeitsgebot Ausdruck verleiht4. 92 Maßstab dafür, ob ein Rechtsnachteil zu Lasten des Kunden vorliegt, sind die geschriebenen und ungeschriebenen Normen des Vertragsrechts, von denen die AGB abweichen. Soweit solche Normen fehlen, muss der Beurteilungsmaßstab der Natur des betreffenden Schuldverhältnisses entnommen werden. Zur Feststellung der Benachteiligung kann geklärt werden, wie die Rechtslage ohne Geltung der AGB zu lösen wäre; diese Lage kann dann der Position des Kunden gemäß den AGB gegenübergestellt werden5. Dies bedeutet aber nicht, dass der Verwender seine AGB je nach Kunde und Sehkraft in unterschiedlicher Schriftgröße bereithalten muss6. 93 Die Inhaltsschranken für AGB sind enger zu ziehen als die Grenzen der Vertragsfreiheit (§§ 134, 138 BGB), weil der Verwender für die AGB allein die Freiheit inhaltlicher Gestaltung in Anspruch nimmt und den Kunden auf die Abschlussfreiheit beschränkt. Da das dispositive Recht für jeden Vertragstypus einen an der Gerechtigkeit orientierten Ausgleich der Interessen der Vertragspartner enthält, kann die gesetzliche Regelung durch AGB wirksam nur ersetzt werden, wenn diese eine dem Gesetz vergleichbare Güterabwägung enthalten und keine der Billigkeit widersprechende missbräuchliche Verfolgung einseitiger Interessen auf Kosten des Kunden bedeuten. Der Aufsteller von AGB ist verpflichtet, die Interessen der künftigen Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen7. Als tragender Grundsatz, bei dessen Abweichung eine Formularregelung unwirksam ist, gilt bei gegenseitigen Verträgen das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung8. 94 Vor diesem Hintergrund haben sich folgende Grundsätze für die Inhaltskontrolle entwickelt: aa) Äquivalenzprinzip (Preisargument) 95 Für die Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung sind die Interessen der Vertragspartner abzuwägen und die beteiligten Verkehrskreise einzubeziehen. Art, Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des Vertrages sind zu berücksichtigen9. Andere Vertragsbestimmungen als diejenigen, deren Angemessenheit überprüft wird, 1 OLG Hamm v. 24.10.1984 – 11 U 103/84, WPM 1985, 1221; vgl. auch BGH v. 10.3.1983 – VII ZR 302/82, MDR 1983, 656 = BB 1983, 1053. 2 LG Hannover v. 14.11.1979 – 16 S 247/79, WuM 1985, 255. 3 BGH v. 12.10.1978 – VII ZR 139/75, BB 1979, 69 (Bauvertrag). 4 BGH v. 18.4.1984 – VIII ZR 50/83, MDR 1985, 50 = NJW 1985, 57 (Pachtvertrag, Vertragsstrafe); vgl. auch BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, MDR 1984, 395 = NJW 1984, 1182. 5 BGH v. 28.2.1985 – IX ZR 92/84, WPM 1985, 780 (Internatsvertrag). 6 BT-Drucks. 14/604, S. 150. 7 OLG München v. 15.1.1987 – 29 U 4348/86, NJW-RR 1987, 661 (Bauvertrag); vgl. auch BGH v. 7.7.1976 – IV ZR 229/74, NJW 1976, 2345 f. 8 BGH v. 9.10.1985 – VIII ZR 217/84, MDR 1986, 228 = DB 1985, 2553 (Finanzierungsleasing); vgl. BGH v. 5.4.1978 – VIII ZR 49/77, BGHZ 71, 196, 204; BGH v. 28.10.1981 – VIII ZR 302/80, BGHZ 82, 121, 127 = MDR 1982, 485. 9 BGH v. 8.1.1986 – VIII ARZ 4/85, NJW 1986, 2102 = WuM 1986, 209.

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sind in die Bewertung einzubeziehen1, wenn sie sachlich zusammengehören, so dass bei ein und demselben Formularvertrag ein Nachteil durch einen Vorteil ausgeglichen werden kann. Dies ist z.B. der Fall, wenn zu Lasten des Mieters ein einseitiger Kündigungsverzicht vorformuliert ist, ihm aber zugleich die Vorteile einer Staffelmiete (= vorhersehbare Mietsteigerung) zuteilwerden2. Unter dieser Prämisse wird überprüft, ob die Gegenleistung trotz Abweichens von ge- 96 setzlichen Bestimmungen insgesamt noch angemessen ist. Deshalb benachteiligt die Abwälzung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter diesen im Allgemeinen nicht unzulässig, weil sie in aller Regel bei der Kalkulation der Miete berücksichtigt wird3. Unabhängig davon kann durch die Renovierungsklausel ausnahmsweise von der Hauptpflicht des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB abgewichen werden, weil die Überbürdung der Schönheitsreparaturen Verkehrssitte geworden ist4. Andererseits müssen zur Bemessung des wahren Wertes der Gesamtgegenleistung alle Regelungen der Gegenleistung zusammengefasst werden, so dass auch zwei für sich genommen zulässige Klauseln in der Zusammenschau unwirksam sein können (sog. Summierungseffekt, vgl. § 535 BGB Rz. 624). Maßgeblich ist grundsätzlich, ob Leistung und Gegenleistung durch eine Berücksich- 97 tigung in der Mietpreisbemessung in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht worden sind. Ob der Vermieter bei Unwirksamkeit der Klausel benachteiligt würde und der Mieter einen ungerechtfertigten Vorteil hätte, ist dagegen unerheblich. Denn nach § 307 BGB kommt es für die Unwirksamkeit einer Klausel allein darauf an, ob sie den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt, nicht aber darauf, ob der Verwender im Falle der Unwirksamkeit selbst benachteiligt werden könnte5. bb) Überschaubarkeit des abgewälzten Risikos Bei der Vereinbarung von Klauseln, die den Mieter finanziell belasten, muss das abge- 98 wälzte Risiko überschaubar sein. Das ist bei einer Kleinreparaturregelung ohne Begrenzung des Gesamtaufwandes nicht der Fall, weil für den Mieter angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Gegenstände die Möglichkeit, das übernommene Risiko im Voraus einigermaßen sicher einzuschätzen, nicht gegeben ist6. Für den Mieter, der zur Wartung in Eigenregie verpflichtet werden soll, sind die für 99 die mitvermieteten Thermen zusätzlich zu zahlenden Wartungskosten nicht überschaubar7. Liegt eine unwirksame Wartungsklausel vor, kann der Vermieter die Kosten der Wartung, z.B. einer Gasetagenheizung, nicht im Rahmen der Betriebskosten gemäß § 2 Nr. 6c BetrKV berücksichtigen. Denn als Verwender ist es ihm verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit zu berufen (vgl. § 535 BGB Rz. 81). Allerdings ist eine Klausel auch ohne Kostenbegrenzung wirksam, wenn der Mieter allein an den Kosten der vom Vermieter organisierten Wartung beteiligt werden8. cc) Versicherbarkeit des Risikos In der Regel ist eine Ausschließung oder Beschränkung einer Kardinalpflicht des Ver- 100 mieters als Verstoß gegen den Grundgedanken des Gesetzes anzusehen. Andererseits bezieht sich der verstärkte Schutz des Wohnungsmieters grundsätzlich nur auf den Erhalt der Wohnung, nicht aber seiner Habe (z.B. Inventar). Auch kann sich der Mie1 BGH v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, MDR 1983, 926 = NJW 1983, 159 f. (für AutomatenaufstellVertrag). 2 BGH v. 12.11.2008 – VIII ZR 270/07, GE 2009, 45 = NZM 2009, 80 = ZMR 2009, 189. 3 BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, BGHZ 92, 363 = MDR 1985, 400 = WuM 1985, 47. 4 BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 339/03, WuM 2004, 529 = NZM 2004, 734. 5 BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = WuM 1987, 306. 6 BGH v. 7.6.1989 – VIII ZR 91/88, WuM 1989, 327; der Gesichtspunkt der Überschaubarkeit des wirtschaftlichen Risikos findet auch in der Gewerberaummiete Anwendung z.B. bei der Beteiligung des Mieters an Instandsetzungskosten (BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MDR 2006, 17 = ZMR 2005, 844) oder der Umlage unbestimmbarer Betriebskosten (BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 39/04, MDR 2007, 77 = ZMR 2006, 849; BGH v. 5.4.2005 – VIII ZR 78/04, WuM 2005, 336). 7 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 (383). 8 BGH v. 7.11.2012 – VIII ZR 119/12, WuM 2013, 31 = NZM 2013, 84.

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ter durch Abschluss einer entsprechenden Versicherung prinzipiell vor ungewöhnlichen finanziellen Belastungen infolge von Schadensereignissen schützen. 101 Daher können Garantiehaftung1 und Haftung für einfaches Verschulden grundsätzlich formularmäßig abbedungen werden, sofern in der Klausel zum Ausdruck kommt, dass Verletzungen von Leben, Körper und Gesundheit von dem Haftungsausschluss nicht erfasst sind, § 309 Nr. 7 lit. a BGB2. 102 Gerade der Umstand, dass der Vermieter sich gegen eine Haftung versichern kann, kann zur Unzulässigkeit einer Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz führen3. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Kardinalpflicht des Vermieters zur Erhaltung der Mietsache (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) tangiert ist4. Das ist bei einem Wohnraumformularvertrag anzunehmen, wenn die Haftung für Mängel der Mietsache auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist. Denn darin liegt ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 AGBG, weil diese Vorschrift eine Aushöhlung der den typischen Vertragszweck prägenden Pflichten verhindern soll. Zur privaten Lebensgestaltung, die den Vertragszweck des Wohnraummietvertrages auf Mieterseite bildet, ist der Mieter auf Einrichtungsgegenstände angewiesen. Diese kann er in der gegebenen Fallkonstellation nicht durch Vorsichtsmaßnahmen schützen und sich gegen das Risiko auch nicht versichern; andererseits sind die Schäden an Einrichtungsgegenständen bei Mängeln der Mietsache vom Schutz der Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung, die der Vermieter abschließen kann, umfasst. dd) Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 BGB 103 Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB müssen Formularbestimmungen klar und verständlich sein (Transparenzgebot). Dies gilt nicht nur in sprachlicher Hinsicht. Klauseln, die den Mieter über seine gesetzlichen Rechte (z.B. § 555d Abs. 2 BGB) hinwegtäuschen, sind unwirksam. Dies gilt erst recht, wenn die Klausel geeignet ist, den Mieter möglicherweise davon abzuhalten, seine ihm nach dem Gesetz zustehenden Rechte geltend zu machen, nur weil der Vermieter als Verwender sich auf den Wortlaut beruft5. 104 Die Umsetzung dieser Grundsätze hat schon bisher zu widersprüchlichen Ergebnissen geführt: – Fehlt z.B. bei einer Vollmachtsklausel eine Regelung über die Widerruflichkeit der Vollmacht, kann bei dem rechtsunkundigen Mieter der unzutreffende Eindruck entstehen, er sei an die Vollmachterteilung unwiderruflich gebunden6. Dieser Gesichtspunkt soll allerdings bei einer Empfangsvollmacht nicht zu beachten sein7 (zu Vollmachtsklauseln vgl. § 542 BGB Rz. 55). – Eine Klauselgestaltung – hier: Schriftform für Vertragsänderungen –, die dem Verwender die Gelegenheit eröffnet, begründete Ansprüche unter Hinweis auf eine in der Sache nicht zutreffende Darstellung der Rechtslage in seinen AGB abzuwehren, benachteiligt den Kunden (Mieter) unangemessen8. 105 Dementsprechend erfordert die Einhaltung des Transparenzgebots, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Klau1 BGH v. 4.10.1990 – XII ZR 46/90, WuM 1992, 316. 2 OLG Stuttgart v. 11.4.1984 – 8 REMiet 1/84, MDR 1984, 669 = NJW 1984, 2226 = WuM 1984, 187. 3 OLG Hamburg v. 6.6.2001 – 4 REMiet 1/01, MDR 2001, 1106 = ZMR 2001, 797; a.A. OLG Stuttgart v. 11.4.1984 – 8 REMiet 1/84, MDR 1984, 669 = NJW 1984, 2226 = WuM 1984, 187 = MDR 1984, 669; OLG Hamburg v. 13.3.1985 – 4 U 184/84, ZMR 1985, 236; OLG Hamburg v. 26.4.1991 – 4 U 25/91, MDR 1991, 1170 = WuM 1991, 328. 4 BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, MDR 2002, 330 = ZMR 2002, 184 = WuM 2002, 141. 5 LG Stuttgart v. 31.1.1986 – 20 O 376/85, WuM 1987, 252. 6 OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (112); OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56 (61). 7 BGH v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, WuM 1997, 599. 8 OLG München v. 12.1.1989 – 29 U 2366/88, WuM 1989, 128 (133); ebenso: BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, WuM 1991, 381 (382) = MDR 1991, 628 (zur Schriftlichkeit der Untermieterlaubnis).

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

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sel ist dann ausreichend deutlich, wenn sie im Rahmen des Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Verwenders so klar und präzise wie möglich umschreibt1. Diesen Bestimmtheitsanforderungen werden folgende Gleitklauseln i.S.v. § 4 Abs. 8 NMV gerecht: – „Bei preisgebundenem Wohnraum gilt die jeweils gesetzlich zulässige Miete als vertraglich vereinbart“2. – „Alle durch gesetzliche oder behördliche Regelungen allgemein oder im konkreten Fall zugelassenen Mieterhöhungen oder Erhöhungen bzw. Neueinführungen von Nebenkosten und Grundstücksumlagen jeder Art sind vom Zeitpunkt der Zulässigkeit ab vereinbart und zahlbar, ohne dass es einer Kündigung oder einer Mitteilung gemäß § 18 Abs. 1 BMG bedarf.“3 Nicht gerecht wird dem Transparenzgebot folgende Gleitklausel zu § 4 Abs. 8 NMV: 106 – „Alle allgemein oder im konkreten Fall eintretenden Mieterhöhungen und/oder Erhöhungen sowie Neueinführungen von Nebenkosten und Grundstückslasten jeder Art sind vom Zeitpunkt des Eintritts ab vereinbart und vom Mieter zu zahlen. Unbeschadet bleibt das Kündigungsrecht des Mieters; für diesen Fall tritt eine Erhöhung der Miete nicht ein.“4 Die Anforderungen an die Transparenz werden bei den ersten beiden Klauseln schon 107 deshalb eingehalten, weil sie hinsichtlich der Höhe der möglichen Mietänderung auf die gesetzlichen und behördlichen Regelungen und wegen des Zeitpunktes der Mieterhöhung auf die „Zulässigkeit“ verweisen. h) ABC der Schranken für Formularklauseln Um für die Vertragsgestaltung einige Anhaltspunkte zu erlangen, soll eine alpha- 108 bethische Übersicht zu Situationen geliefert werden, die regelmäßig in der Vermietungspraxis anzutreffen sind. Dabei können die zugrundeliegenden Entscheidungen und Kommentarzitate nur eine Momentaufnahme zeigen. Insbesondere ist gerade im Rahmen der Bewertung nach § 307 BGB das Gesamtgefüge des Klauselwerks zu berücksichtigen. Das kann dazu führen, dass ein dem Mieter gewährter Vorteil eine ansonsten unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB aufwiegt5. Dies kann in einer nach Stichworten geordneten Zusammenstellung nicht berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund können sich folgende Grundsätze für die Inhaltskontrolle ergeben: l Abbuchungsverfahren fi Miete/Zahlungsweise

109

l Abfindung (bei vorzeitiger Beendigung). Pauschale Höhe kann an § 555 BGB6 oder § 309 Nr. 5

110

BGB7 scheitern, wenn sie nicht schon überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB ist8; als vorweggenommene Mietsonderzahlung für die Vermittlung eines Nachmieters verstößt sie gegen § 307 BGB9. l Abgeltungsanspruch fi Schönheitsreparaturen/Quotenklausel

111

l Abnahme fi Wohnungsabnahme

112

l Abschlussgebühr. Sie wird typischerweise dort verlangt, wo ein relativ häufiger Mieterwechsel

113

stattfindet, insbesondere bei Mietverhältnissen mit Studenten oder ausländischen Arbeitneh-

1 BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 10/03, MDR 2004, 527 = WuM 2004, 25 = ZMR 2004, 103 = NZM 2004, 93 = MietRB 2004, 98. 2 BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 10/03, MDR 2004, 527 = WuM 2004, 25 = ZMR 2004, 103 = NZM 2004, 93 = MietRB 2004, 98. 3 BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 151/03, WuM 2004, 288; BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 153/03, NZM 2004, 379 = MietRB 2004, 197. 4 BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 149/03, MDR 2004, 739 = MietRB 2004, 197 = WuM 2004, 285. 5 BGH v. 12.11.2008 – VIII ZR 270/07, GE 2009, 45 = NZM 2009, 80 = ZMR 2009, 189. 6 BGH v. 18.4.1984 – VIII ZR 50/83, MDR 1985, 50. 7 OLG Hamburg v. 17.4.1990 – 4 U 222/89, WuM 1990, 244 (245); OLG Düsseldorf v. 11.12.1986 – 10 U 111/86, ZMR 1987, 464; LG Köln v. 30.9.1999 – 1 S 92/99, WuM 2000, 352. 8 OLG Karlsruhe v. 15.2.2000 – 3 REMiet 1/99, WuM 2000, 236 = ZMR 2000, 380. 9 OLG Hamm v. 9.1.2001 – 7 U 58/00, NZM 2001, 709.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

mern. Mit diesem „signing on fee“ sollen die Unkosten abgedeckt werden, die durch den Vertragsschluss entstehen (Verwaltungsaufwand, Material). Regelmäßig wird sie im Mietvertrag oder einem Vorvertrag, einer Reservierungsvereinbarung oder auch bloß in der Selbstauskunft geregelt. Selbst bei einem Mietvertrag mit einer längeren Laufzeit als einem Jahr unterliegt die Vereinbarung nicht dem Formerfordernis des § 550 BGB, weil sie nicht zu den wesentlichen Elementen der Einigung nach § 535 BGB gehört1. Solange sie sich in einem angemessenen Rahmen hält, also der Kostendeckung dient, soll sie als Individualvereinbarung grundsätzlich keinen Bedenken begegnen2. Richtet sich die Höhe der Abschlussgebühr aber nach der Miete, liegt ein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 Nr. 2 WoVermittG vor3. Zahlungen an den Vermieter mit „Schmiergeldcharakter“ verstoßen gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) und sind ebenfalls unwirksam4. Bei öffentlich gefördertem Wohnraum verstößt die Vertragsabschlussgebühr auch gegen § 9 Abs. 1 WoBindG, § 28 Abs. 4 Nr. 2 WoFG. Inhaltlich begegnen derartige Klauseln als formularmäßige Vereinbarungen Bedenken aus dem Gesichtspunkt des § 307 BGB5. Denn die Übernahme der Kosten für den Vertragsabschluss fällt grundsätzlich in den Pflichtenkreis des Vermieters6. Es besteht kein Zusammenhang zu einer Mieterpflicht. Auf diesen sind nur Kosten abwälzbar, die ihm unmittelbar zugutekommen (Betriebskosten). Die üblichen Verwaltungskosten für die Ausfertigung des Vertrages, Anlage der Mietsicherheit, Besichtigungstermin etc. sind Bestandteil der eigentlichen Miete und bedürfen keiner gesonderten Zahlung durch den Mieter. Lässt sich der Hausverwalter den Ersatz der Kosten vom Mieter versprechen, liegt darin ein Verstoß gegen § 2 WoVermittG7. Denn letztlich steckt in einer Vertragsausfertigungsgebühr (oder einer ähnlichen Bezeichnung) eine versteckte Courtage für den Abschluss des Mietvertrages.

114

l Abtretung fi Untervermietung/Abtretung

115

l Anerkennung des vertragsgemäßen Zustandes. Klauseln, die unterstellen, dass der Mieter den Zustand der Mietsache als vertragsgemäß anerkennt oder akzeptiert, sind regelmäßig als Bestätigungsklauseln auszulegen, die gegen § 309 Nr. 12 lit. b BGB verstoßen, fi Beweislastregeln.

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l Ankündigung: fi Modernisierung, Besichtigungsrecht, Erhaltungsmaßnahmen

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l Antenne fi Gebrauchsrechte/Antenne

118

l Anzeige des Eigentumsüberganges (§ 566e BGB). Anforderungen können zugunsten des Mieters erhöht werden.

119

l Anzeige von Mängeln fi Gewährleistung/Anzeigepflicht

120

l Aufrechnung







Beschränkung/Verbot (§ 556b Abs. 2 BGB). Innerhalb der Grenzen der §§ 309 Nr. 3, 556b Abs. 2 BGB zulässig8, wobei auch die Aufrechnung mit entscheidungsreifen Forderungen und solchen, die nicht auf dem Mietvertrag beruhen, nicht ausgeschlossen werden kann9. Beschränkung allein auf rechtskräftige Forderungen ist unwirksam10. Als Heilungsmöglichkeit bei fristloser Kündigung (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB): Zum Nachteil des Mieters nicht abdingbar (§ 569 Abs. 5 BGB); deshalb muss eine Klausel, die die Aufrechnung beschränkt, für diesen Fall einen Vorbehalt vorsehen. Bei Veräußerung (566d BGB) formularmäßig nicht abdingbar, allenfalls in den Grenzen der §§ 309 Nr. 3, 556b Abs. 2 BGB.

121

l Aufwendungsersatz fi Gewährleistung/Aufwendungsersatz und fi Modernisierung/Aufwen-

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l Aufzug fi Gebrauchsrechte/Aufzug

dungsersatz

1 OLG Hamm v. 28.6.2011 – I-7 U 54/10, MietRB 2011, 310 = InfoM 2011, 278. 2 AG Hamburg v. 19.11.1998 – 37B C 298/98, WuM 1999, 215; AG Bochum v. 2.12.1997 – 66 C 531/97, WuM 1998, 595; AG Bremerhaven v. 11.1.1994 – 52 C 1696/93, WuM 1994, 194. 3 OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103; AG Hamburg-Wandsbek v. 27.5.2004 – 711 C 36/04, WuM 2005, 47; AG Frankfurt v. 29.7.1983 – 33 C 14252/83, WuM 1984, 77. 4 LG Berlin v. 15.6.1995 – 62 S 86/95, NJWE-MietR 1996, 150. 5 AG Hamburg-Altona v. 18.3.2009 – 318a L 377/08, WuM 2009, 451. 6 LG Hamburg v. 5.3.2009 – 307 S 144/08, WuM 2009, 452 = GE 2009, 1191. 7 OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (Klausel Nr. 19); AG Hamburg-Wandsbek v. 27.5.2004 – 711 C 36/04, WuM 2005, 47. 8 BGH v. 27.6.2007 – XII ZR 54/05, ZMR 2007, 854 = GE 2007, 1179; OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (111). 9 OLG Celle v. 29.12.1981 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (111). 10 BGH v. 27.6.2007 – XII ZR 54/05, ZMR 2007, 854 = GE 2007, 1179.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags l Auskunft

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Betriebskostenpauschale (§ 560 Abs. 3 BGB). Für den Fall der Ermäßigung kann die Auskunft zu Lasten des Mieters nicht eingeschränkt werden; der Anspruch kann aber von bestimmten Umständen, die eine Senkung der Betriebskosten nahelegen, abhängig gemacht werden.



Kaution (§ 551 BGB). Regelung nicht sinnvoll; Mieter kann die insolvenzfeste Anlage verlangen, so dass Einschränkung des Auskunftsanspruchs dem Verbot des § 551 Abs. 4 BGB unterliegt. Zeitmietvertrag (§ 575 Abs. 2 BGB). Nur zugunsten des Mieters zu gestalten, z.B. durch frühere Fälligkeit1.



l Barrierefreiheit (§ 554a BGB) fi Gebrauchsrechte/bauliche Veränderungen

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l Bearbeitungsgebühr (§ 537 BGB) fi Abschlussgebühr

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l Beendigung (§ 542 BGB) fi Kündigung und Befristung

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l Befriedigungsrecht (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Zum Nachteil des Mieters nicht abdingbar (§ 569

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Abs. 5 BGB)2, Frist kann aber z.B. verlängert werden. l Befristung (Vereinbarung)

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Auflösende Bedingung (§ 572 Abs. 2 BGB). Zugunsten des Wohnraummieters zwingend, Kündigung des Vermieters kann jedoch ausgeschlossen oder Kündigungsfrist verlängert oder auflösende Bedingung zugunsten des Mieters vereinbart werden3.



Qualifizierte Befristung (§ 575 BGB). Befristungsgründe können alternativ oder hilfsweise in den Vertrag aufgenommen werden4; die aus der Befristung entstehenden Rechtsfolgen sind zugunsten des Mieters zwingend, § 575 Abs. 4 BGB5; Fälligkeit des Auskunftsanspruchs und der Erklärungsfrist können zugunsten des Mieters vorverlagert werden; ebenso kann der Inhalt der Mitteilungspflicht des Vermieters spezifiziert und das „Auswechseln“ von Befristungsgründen ausgeschlossen werden6. Schriftform (§ 550 BGB). In jedem Fall zwingend7.



l Besichtigungsklauseln unterstellen in der Regel, dass der Mieter die Mietsache besichtigt und

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den Zustand als vertragsgemäß anerkannt hat; mit diesem Inhalt handelt es sich um unwirksame Bestätigungsklauseln i.S.v. § 309 Nr. 12 lit. b BGB, denn sie unterstellen dem Mieter eine bestimmte Erklärung und sollen dadurch die Beweislast verändern8. Wird zusätzlich eine Rechtsfolge geregelt, wie z.B. der Ausschluss späterer Einwendungen wegen offener oder verdeckter Mängel, kann dies darauf hindeuten, dass die Klausel nur die Garantiehaftung ausschließen soll9. l Besichtigungsrecht (§ 535 BGB). Regelbar in den Grenzen des § 307 BGB10, wobei vorherige Terminabsprache als grundsätzliche Voraussetzung deutlich sein muss11; erweckt die Klausel den Eindruck, sie solle dem Vermieter ein Recht einräumen, die Wohnung ohne Zustimmung des Mieters oder auch außerhalb der üblichen Besuchszeiten zu betreten, ist sie unwirksam12.

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l Bestätigungsklausel fi Beweislastregel

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l Betriebskosten

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– –

Abrechnungsfrist (§ 556 Abs. 3 S. 2 BGB, § 20 Abs. 3 S. 4 NMV). Zwingend sowohl bei preisfreiem als auch bei preisgebundenem Wohnraum. Abrechnungszeitraum (§§ 556 Abs. 3 S. 1 BGB, 20 Abs. 3 S. 2 NMV). Ein zwölfmonatiger Abrechnungszeitraum ist zwingend; das Recht des Vermieters zur Umstellung auf eine andere Abrechnungsperiode kann unter den Voraussetzungen des § 315 BGB geregelt werden.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Lammel, § 575 BGB Rz. 83. Staudinger/Emmerich, § 569 BGB Rz. 60. Palandt/Weidenkaff, § 572 BGB Rz. 2. Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 575 BGB Rz. 9 m.w.N. Lammel, § 575 BGB Rz. 83. Vgl. dazu Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 575 BGB Rz. 9; Lammel, § 575 BGB Rz. 60. Palandt/Weidenkaff, § 550 BGB Rz. 2. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. II 118. Vgl. BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, ZMR 1993, 320 = DWW 1993, 170 = NJW-RR 1993, 519. Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 97. AG Freiburg v. 24.11.1982 – 1 C 630/82, WuM 1983, 112; AG Hamburg v. 21.2.1992 – 43b C 1717/91, WuM 1992, 540; Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 18 Nr. 2. 12 KG v. 30.10.2006 – 8 U 38/06, WuM 2007, 71 = ZMR 2007, 112 = GE 2006, 1477.

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§ 535 BGB

Direktlieferung (§ 556a Abs. 2 BGB). Regelbar jedenfalls in Verträgen vor dem 1.9.20011; seit dem Wegfall von § 4 Abs. 5 MHG können entsprechende Vorbehalte wirksam geregelt werden, wenn dem Mieter entsprechend § 556c BGB keine höheren Kosten entstehen und der Vermieter für den Zustand des Gebäudes die Verantwortung behält. Einzelverteilerschlüssel (§ 556a Abs. 1 BGB, 20 Abs. 2 NMV). Im preisgebundenen Wohnraum ist die Wohnfläche in den Grenzen der §§ 21–25 NMV als Umlegungsmaßstab zwingend, § 20 Abs. 2 NMV; im preisfreien Wohnraum kann der Abrechnungsschlüssel im Mietvertrag grundsätzlich frei bestimmt werden, da § 556a Abs. 1 BGB nicht zwingend ist2; die Bestimmung des Einzelverteilers ist auch ohne Gesamtverteiler wirksam, weil dieser im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelt werden kann.







Einwendungsausschluss (§ 556 Abs. 3 S. 5 BGB). Nicht abdingbar zu Lasten des Mieters, § 556 Abs. 4 BGB; auch eine besondere Form für die Einwendungen kann nicht vereinbart werden.

– –

Erhöhung (§ 560 BGB) fi Mieterhöhung/-änderung Kontrollrechte (§§ 535, 556 Abs. 3 BGB, § 29 NMV). Im preisfreien Wohnraum sind Ort der Einsichtnahme und Preis der Kopien regelbar3, wobei die Grenzen der Zumutbarkeit nicht überschritten werden dürfen; Letzteres ist z.B. der Fall, wenn der Ort der Einsichtnahme ohne Ausnahme gelten soll, also z.B. auch bei einem Wegzug des Mieters; die Kopierkosten müssen sich in einem üblichen Rahmen halten; im preisgebundenen Wohnraum ist § 29 NMV zwingend.



Mehrbelastungsklausel (§§ 535, 556 BGB). Grundsätzlich zulässig4; bei Pauschale wegen § 560 Abs. 1 BGB in Form eines Erhöhungsvorbehalts zwingend erforderlich und sollte deshalb aufgenommen werden, um den Unklarheitsfällen vorzubeugen5; dafür ist aber ein hinreichend bestimmter Inhalt erforderlich6. Umlagefähigkeit (§§ 535 Abs. 1 S. 3, 556 Abs. 1 BGB, § 20 Abs. 1 NMV, § 27 II. BV). In den Grenzen des Begriffs der Betriebskosten gemäß § 556 Abs. 1 BGB, § 2 BetrKV, § 27 II. BV regelbar7; z.B. durch Verweis auf § 2 BetrKV8; auf die Anlage 3 zu § 27 II. BV sollte nicht Bezug genommen werden, weil diese zum 31.12.2003 aufgehoben wurde9; „sonstige Betriebskosten“ müssen spezifiziert werden10; s. im Übrigen § 556 BGB Rz. 320. Umlageschlüssel (§ 556a Abs. 1 BGB, § 20 Abs. 2 NMV) fi Einzelverteilerschlüssel





Vorauszahlungen (§ 556 Abs. 2 BGB, § 20 Abs. 1 S. 3 NMV). Die Höhe muss angemessen sein; das ist der Fall, wenn sie sich nach dem letzten Abrechnungsergebnis richtet11; im preisgebundenen Wohnraum ist nicht für jede Betriebskostenposition, die umgelegt werden soll, im Mietvertrag die Höhe der Vorauszahlungen gemäß § 20 Abs. 1 S. 3 NMV anzugeben12.



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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

l Beweislastregel (§ 309 Nr. 12 BGB). Neben dem Verbot, Beweislastregeln zu verwenden, die dem Mieter die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Vermieters liegen, werden von dem Klauselverbot nach § 309 Nr. 12 lit. b insbesondere auch sog. Bestätigungsklauseln erfasst, mit denen zu Lasten des Vertragspartners des Verwenders bestimmte Tatsachen als feststehend vereinbart werden sollen. Vor diesem Hintergrund sind folgende Klauseln unwirksam:

„Dem Mieter obliegt der Beweis dafür, dass schuldhaftes Verhalten nicht vorgelegen hat“13.



1 2 3 4 5 6 7 8

9 10

11 12 13

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LG Hamburg v. 11.11.2005 – 311 S 34/05, WuM 2006, 96. Umkehrschluss aus § 556a Abs. 3 BGB. Vgl. z.B. LG Köln v. 10.1.2001 – 10 S 249/00, NZM 2001, 617. Langenberg, Betriebskosten, C Rz. 13 ff. m.w.N. Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 323. BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, WuM 1993, 109; OLG Düsseldorf v. 25.4.1991 – 10 U 178/90, BB 1991, 1150. OLG Koblenz v. 7.1.1986 – 4 W RE 720/85, WuM 1986, 50. OLG Frankfurt v. 10.5.2000 – 20 REMiet 2/97, WuM 2000, 411; OLG Düsseldorf v. 25.1.2000 – 24 U 111/99, ZMR 2000, 603; OLG Hamm v. 22.8.1997 – 30 REMiet 3/97, WuM 1997, 542; BayObLG v. 24.2.1984 – REMiet 3/84, WuM 1984, 104. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 6 Nr. 1. BGH v. 7.4.2004 – VIII ZR 167/03, WuM 2004, 290 = NZM 2004, 417 = MietRB 2004, 202; BGH v. 7.4.2004 – VIII ZR 146/03, WuM 2004, 292 = ZMR 2004, 430 = NZM 2004, 418; OLG Oldenburg v. 22.2.1995 – 5 UH 1/94, WuM 1995, 430. Schmid, ZMR 2001, 761 (765); Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 4 Nr. 4. BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 137/09, WuM 2010, 153 = GE 2010, 333 = NZM 2010, 274 = ZMR 2010, 433; a.A. OLG Oldenburg v. 14.3.1997 – 5 UH 1/97, WuM 1997, 609. OLG München v. 12.1.1989 – 29 U 2366/88, WuM 1989, 128 (131).

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB



„Der Mieter erkennt den bei der Übergabe vorhandenen Zustand der Wohnung als einwandfrei an“1.

– –

„Der Mieter erkennt die beanstandungsfreie Übergabe in renoviertem Zustand an“2. „Das Haus wird in dem Zustand wie besichtigt, unrenoviert und in topbewohnbarem Zustand übergeben, Wände Grastapeten, Türen und sonstiges Holzwerk Natur Eiche, Holzdecken, Teppichböden gereinigt“3.

l Bodenbelag fi Fußbodenpflege

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l Bürgschaft (§§ 551, 765 BGB). Eine selbstschuldnerische Bürgschaft kann als Kaution i.S.v.

135

§ 551 BGB vereinbart werden; auch die Formularklausel über die Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern ist wirksam4, solange der Bürge keine Privatperson ist5. l Contracting (§ 535 BGB). Vorbehalt zur Umstellung z.B. der Wärmelieferung grundsätzlich re-

136

gelbar6, die dazu erforderliche Zustimmung des Mieters kann schon in der Vereinbarung des Katalogs des § 2 BetrKV oder der Anlage 3 zu § 27 II. BV aus der Zeit nach dem 1.5.1989 gesehen werden7; im Übrigen muss die Klausel die Vorgaben des § 556c BGB beachten. fi auch Drittlieferung l Dekoration fi Gebrauchsrechte/Dekoration

137

l Dienstwohnung (§ 576 BGB). Nachträgliche Verknüpfung zwischen Miet- und Dienstvertrag

138

nicht zulässig8; ansonsten gelten die jeweils maßgeblichen Vorschriften über Zulässigkeit und Grenzen abweichender Vereinbarungen9. l Drittlieferung. Ein formularvertraglicher Vorbehalt, durch einseitige Erklärung den Mieter zu verpflichten, eine Leistung nicht mehr vom Vermieter abrufen zu können, sondern über den Bezug (z.B. über Wärme) mit einem Dritten einen Vertrag abzuschließen, verstößt gegen §§ 305c, 307 BGB10.

139

l Drittüberlassung (§§ 540, 553, 546 Abs. 2 BGB) fi Untermiete

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l Dübel fi Gebrauchsrechte/Dübel

141

l Duldungspflicht

142



Besichtigung (§ 535 BGB) fi Besichtigungsrecht



Erhaltungsmaßnahmen (§ 555a BGB). Vorschrift ordnet nahezu unbegrenzte Duldungspflicht an11; Ausnahmen von der Ankündigung nach § 555 Abs. 2 BGB können nur als Regelbeispiele aufgezählt werden; sobald der Eindruck entsteht, dass der Mieter ungefragt und/oder ohne Zustimmung zur Duldung verpflichtet ist, tritt Unwirksamkeit ein12. Modernisierungsmaßnahmen (§ 555d BGB). Zum Nachteil des Mieters nicht abdingbar, § 555d Abs. 5 BGB; zugunsten des Mieters können die Anforderungen an die Ankündigung geregelt werden oder z.B. die Kündigungsfrist verlängert werden.



l Einbauten. Eine Klausel, die die Verantwortung des Vermieters für Gegenstände ausschließt, die vom Vormieter zurückgelassen wurden, ist schon mangels Transparenz unwirksam13.

143

l Einsichtsrecht in Abrechnungsbelege (§ 259 BGB, § 29 NMV) fi Betriebskosten/Kontrollrechte

144

l Eintrittsrecht

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des Erwerbers (§ 566 BGB) kann ausgeschlossen werden14; Vereinbarungen mit dem Erwerber bedürfen der Zustimmung des Mieters15.



1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

LG Osnabrück v. 30.4.1985 – 1 S 39/85, WuM 1986, 93. LG Freiburg v. 9.10.2007 – 9 S 37/07, WuM 2008, 334. OLG Düsseldorf v. 7.10.2004 – I-10 U 70/02, zitiert nach juris. OLG Karlsruhe v. 2.7.2004 – 1 U 12/04, NZM 2004, 742; a.A. Leo/Ghassemi-Tabar, NZM 2012, 97. Bub/Treier/Bub, II Rz. 445a m.w.N. BGH v. 22.2.2006 – VIII ZR 362/04, WuM 2006, 322. BGH v. 27.6.2007 – VIII ZR 202/06, NJW 2007, 3060. Staudinger/Rolfs, § 576 BGB Rz. 14 m.w.N. Staudinger/Rolfs, § 576 BGB Rz. 38. AG Winsen v. 30.7.2012 – 16 C 384/12, WuM 2012, 603. Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 9. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290. AG Schöneberg v. 13.12.1999 – 108 C 386/99, GE 2000, 814. Palandt/Weidenkaff, § 566 BGB Rz. 5; a.A. Heile in Bub/Treier, II Rz. 871; Franke in WoBauR, § 571 BGB Anm. 11 und 12.3. Vgl. Staudinger/Emmerich, § 566 BGB Rz. 57.

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§ 535 BGB –





Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

der Berechtigten bei Tod des Mieters (§ 563 Abs. 1 BGB). Zu Lasten des Mieters oder der Berechtigten nicht regelbar, § 563 Abs. 5 BGB; zugunsten der Berechtigten kann aber z.B. die Erklärungsfrist verlängert und die Überlegungsfrist des Vermieters verkürzt werden1. des Eigentümers bei Zwischenvermietung (§ 565 Abs. 1 S. 1 BGB). Zum Nachteil des (End-)Mieters sind Abweichungen nicht möglich, § 565 Abs. 3 BGB; zulässig sind Abreden, die die Stellung des (End-)Mieters verbessern, z.B. durch Sonderkündigungsrecht. des neuen Zwischenvermieters (§ 565 Abs. 1 S. 2 BGB) – wie vorstehend.

146

l Einzugsermächtigung fi Mietzahlung/Lastschrifteinzug

147

l Erfüllungsanspruch (§ 535 BGB). Sobald die Hauptpflichten des Vermieters tangiert werden,

ist eine Klausel bedenklich; sie wird unwirksam, wenn sie die Hauptpflicht zu Lasten des Mieters verändert, insbesondere die Geltendmachung beschränkt oder die Rechtsfolgen der Nichterfüllung einschränkt, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

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l Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB):



Mieter. Unwirksam sind Klauseln, die eine Haftung des Mieters für Dritte vorsehen, ohne Rücksicht darauf, ob es sich bei den Dritten um Erfüllungsgehilfen des Mieters handelt.



Vermieter. Zeichnet sich der Vermieter von der Haftung für seine Erfüllungsgehilfen frei, liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB vor.



fi auch Haftung für Dritte

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l Erlaubnis fi Zustimmung

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l Ersatzmieter fi Nachmieter

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l Ersatzvornahme fi Gewährleistung/Selbsthilferecht

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l Fälligkeit



der Betriebskostennachforderung (§ 556 Abs. 3 BGB, § 10 WoBinG). Regelung, die nicht an die Ausübung von Kontrollrechten anknüpft, soll unwirksam sein2; das ist zweifelhaft, weil die Fälligkeit mit Zugang der Abrechnung eintritt3. der Miete (§ 556b Abs. 1 BGB). Gesetzliche Vorfälligkeit verlangt die Vornahme der Leistungshandlung (z.B. durch einen Überweisungsauftrag) derart, dass der Empfänger am Fälligkeitstag über den Betrag verfügen kann4; deshalb sind auch Rechtzeitigkeitsklauseln irrelevant geworden.



von Schönheitsreparaturen (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) fi Schönheitsreparaturen/Fälligkeit



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l Fensterscheiben fi Kleinreparaturen

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l Flächenangaben im Mietvertrag sind grundsätzlich als Beschaffenheitsvereinbarung zu werten.

Insoweit ist weder die Festlegung einer Methode zur Flächenberechnung überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB5, noch begründet eine deutlich formulierte Klausel, die die Flächenangabe für unverbindlich erklärt, einen Verstoß gegen § 307 BGB6.

155 156

l Fliesen fi Fußbodenbelag l Fortsetzungsanspruch



bei Kündigung (§ 574 BGB): nicht abdingbar, § 574 Abs. 4 BGB; abweichende Vereinbarungen, die sich zugunsten des Mieters auswirken, sind aber möglich7.

– –

bei echtem Zeitmietvertrag (§ 575a Abs. 2 BGB nach Widerspruch (§ 574c BGB)

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l Fortsetzungsverlangen (§ 575 Abs. 2 und 3 BGB). Nicht abdingbar, § 575 Abs. 4 BGB.

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l Freizeichnung. Der Vermieter trägt die Gefahr des vertragsgemäßen Zustandes, § 535 Abs. 1

S. 2 BGB. Von dieser Hauptpflicht kann er sich grundsätzlich in der Wohnraummiete nicht freizeichnen (Ausnahme: Schönheitsreparaturen, Kleinreparaturen). Deshalb kann insbesondere das Risiko der behördlichen Zulässigkeit der Nutzung nicht auf den Mieter abgewälzt werden8. 1 2 3 4 5

Lammel, § 563 BGB Rz. 62. LG Frankfurt v. 27.2.1990 – 2/13 O 474/89, WuM 1990, 271 (274). BGH v. 23.11.1981 – VIII ZR 298/80, MDR 1982, 483 = NJW 1982, 573. OLG Düsseldorf v. 28.9.2010 – 24 U 120/09, ZMR 2010, 958. BGH v. 4.10.2000 – XII ZR 44/98, NZM 2001, 234 = NJW-RR 2001, 439; KG v. 3.6.2004 – 8 U 8/04, ZMR 2004, 752 = DWW 2004, 332 = GE 2004, 886. 6 BGH v. 10.11.2010 – VIII ZR 306/09, WuM 2011, 11. 7 Palandt/Weidenkaff, § 574 BGB Rz. 3. 8 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = ZMR 2008, 274 = GuT 2007, 434.

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Lützenkirchen

§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

Jede Klausel, die das Risiko der Verwendung unmittelbar oder mittelbar auf den Mieter verlagert, verstößt daher gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Das gilt selbst für Klauseln, die die Haftung des Vermieters auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit beschränken1. Etwas anderes gilt nur im Zusammenhang mit (erlaubten) baulichen Veränderungen durch den Mieter2. Auch die Gefahr der Benutzung von Einrichtungen der Mietsache (z.B. Aufzug) kann nicht auf die Mieter abgewälzt werden („Benutzung auf eigene Gefahr“), weil sie zumindest gegen § 309 Nr. 7 BGB verstößt. l Fußbodenpflege. Die Grundreinigung eines Bodenbelages gehört grundsätzlich zu den Schön-

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heitsreparaturen; dies gilt uneingeschränkt für Teppichboden3 (dessen Austausch, insbesondere Erneuerung deshalb aber noch nicht verlangt werden kann4), nicht aber für Parkettboden, weil hier die Grundreinigung Substanzeinwirkungen voraussetzt5. PVC-Böden sind grundsätzlich wie Teppichboden zu behandeln. Das Gleiche gilt für Fliesen, sofern keine besondere Pflege durchgeführt werden muss. In diesem Fall muss der Vermieter klar und verständlich (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) aufklären, was regelmäßig durch eine Pflegeanleitung geschehen kann. l Garantiehaftung fi Gewährleistung/Garantiehaftung

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l Gartenpflege (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Auf den Mieter übertragbar, beinhaltet dann aber ohne

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besondere Anmerkungen nur leichte Pflegearbeiten (Rasen mähen, Unkraut jäten, Rückschnitt von Sträuchern etc.)6. Nach einer weitergehenden Auffassung muss der Mieter im Rahmen der Pflege gärtnerisch angelegter Flächen erforderlichenfalls auch Bäume und Sträucher beschneiden, Rasenflächen neu anlegen und/oder kranke bzw. morsche Bäume und Sträucher fällen7. Letzteres setzt aber voraus, dass die Klausel eine Kostenbegrenzung enthält8 und die Arbeiten, die über den üblichen Umfang des § 2 Nr. 10 BetrKV hinausgehen sollen, deutlich beschreibt. l Gebrauchsrechte

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Antenne (§ 535 BGB). Gebrauch von CB-Funkantenne kann verboten werden; das Gleiche gilt für die Installation zusätzlicher Fernsehantennen (z.B. Parabolantenne), sofern ein Anschluss an eine Gemeinschaftsantenne vorhanden ist9; Kaution für Rückbaukosten kann verlangt werden10. Soweit auch Parabolantennen erfasst werden, kann für den Fall des Vorhandenseins einer Gemeinschaftsantenne oder des Anschlusses an eine mit einem Breitbandkabel verbundene Verteilanlage die Anbringung einer Antenne nicht ausnahmslos verboten werden; vielmehr muss die Klausel die notwendige Abwägung als Tatbestandsmerkmal enthalten, § 307 BGB11.



Aufzug (§ 535 BGB). Der Gebrauch kann zeitlich nicht beschränkt werden12; auch ein Stilllegungsvorbehalt ist unzulässig13; Benutzungsregeln können sich aber an der Aufzugsverordnung14 orientieren. fi auch Freizeichnung



Baden (§ 535 BGB) kann auch nicht für die Nachtzeit eingeschränkt werden15.



Balkon (§ 535 BGB) gehört zur Mietsache; Schönheitsreparaturen können nicht auf den Mieter übertragen werden, weil der Balkon nicht zum Inneren der Mietsache gehört.

1 BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, MDR 2002, 330 = ZMR 2002, 184 = WuM 2002, 141 = NZM 2002, 116. 2 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = ZMR 2008, 274 = GuT 2007, 434. 3 BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 15/07, WuM 2009, 225 = GE 2009, 111 = NZM 2009, 126. 4 OLG Düsseldorf v. 14.12.2006 – 24 U 113/06, GuT 2007, 211; OLG Braunschweig v. 30.1.1997 – 1 U 35/96, OLGReport Braunschweig 1997, 85; OLG Celle v. 20.11.1996 – 2 U 273/95, NZM 1998, 158 = OLGR 1997, 138; OLG Stuttgart v. 6.3.1995 – 5 U 204/94, NJW-RR 1995, 1101; OLG Hamm v. 22.3.1991 – 30 REMiet 3/90, DWW 1991, 145 = WuM 1991, 248 = ZMR 1991, 219 (für die Wohnraummiete). 5 BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 48/09, WuM 2010, 85 = GE 2010, 335 = NZM 2010, 157 = ZMR 2010, 432. 6 OLG Düsseldorf v. 7.10.2004 – 10 U 70/04, WuM 2004, 603; LG Braunschweig v. 5.2.2009 – 6 S 548/08, WuM 2009, 288. 7 LG Frankfurt v. 2.11.2004 – 2/11 S 64/04, NZM 2005, 338 = NJW-RR 2005, 663. 8 AG Reutlingen v. 20.1.2004 – 2 C 2126/03, WuM 2004, 95. 9 OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90. WuM 1992, 56 (62). 10 Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 13 Nr. 6. 11 BGH v. 16.5.2007 – VIII ZR 207/04, WuM 2007, 381 = GE 2007, 982. 12 LG Berlin v. 7.2.1992 – 64 S 335/91, WuM 1992, 599. 13 LG Frankfurt v. 27.2.1990 – 2/13 O 474/89, WuM 1990, 271 (276). 14 BGBl. I 1998, S. 1410. 15 OLG Düsseldorf v. 25.1.1991 – 5 Ss (OWi) 411/90 – (OWi) 181/90 I, WuM 1991, 288; LG Köln v. 17.4.1997 – 1 S 304/96, WuM 1997, 323.

Lützenkirchen

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags



Bauliche Veränderungen (§§ 535, 554a BGB) können unter Erlaubnisvorbehalt gestellt werden, weil sie ohnehin nur mit Zustimmung des Vermieters zulässig sind; allerdings muss der Text eine Ausnahme für Maßnahmen nach § 554a BGB vorsehen, also zumindest eine Abwägung; im Übrigen können eine fachmännische Ausführung (nicht durch Fachkräfte) und eine Sicherheitsleistung in Höhe der ungefähren Rückbaukosten geregelt werden1.



Besuch (§ 535 BGB). Einschränkende Besuchsregelungen sind unwirksam2, allerdings können Ruhezeiten im üblichen Umfang (13–15 Uhr und 22–6 Uhr) formuliert werden3.



Dekoration (§ 535 BGB). Die Gestaltung der Wohnräume durch die Ausführung von Schönheitsreparaturen während der Mietzeit kann dem Mieter in nicht vorgeschrieben werden4; für die Dekoration (durch Vorhänge etc.) von Fenstern gilt das Gleiche5.



Dübel (§ 535 BGB). Dübeln kann generell nicht untersagt werden, weil es zum vertragsgemäßen Gebrauch gehört6; ist das Badezimmer jedoch üblich ausgestattet (Seifenhalter, Handtuchhalter, Duschabtrennung, Duschstange etc.), kann das Anbohren von Kacheln untersagt werden7; Beseitigungspflicht muss sich am verkehrsüblichen Maß orientieren8.

– –

Duschen (§ 535 BGB) fi Baden Elektrounterverteilung fi Haushaltsgeräte



Fahrräder (§ 535 BGB). Ein generelles Verbot, vor allem in einer Hausordnung, des Abstellens auf Gemeinschaftsflächen ist unwirksam9.



Fassadenbegrünung (§ 535 BGB). Ist nichts geregelt, schuldet der Mieter nur leichte Pflegearbeiten im Bereich seiner Wohnung und muss auch eine Schadensentwicklung nicht beobachten10.



Feiern (§ 535 BGB). Feiern in der Wohnung kann generell nicht untersagt werden11, allerdings können Ruhezeiten vereinbart werden (fi Besuch), so dass das Gebot der Rücksichtnahme gilt.



Gartennutzung (§ 535 BGB) kann einzelnen Mietern vertraglich vorbehalten werden12; als Gemeinschaftsfläche kann Benutzung durch Hausordnung unter Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme geregelt werden; Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nicht13.



Gewerbe (§ 535 BGB). Dem Mieter kann die teilgewerbliche Nutzung einer Wohnung gestattet werden; dabei kann ein Gewerbezuschlag vereinbart werden14, die Grenze bildet die Übergewichtstheorie15; im Übrigen kann die untergeordnete gewerbliche Nutzung nicht von der Zustimmung des Vermieters abhängig gemacht werden, solange sie nicht nach außen in Erscheinung tritt16; deshalb muss eine Klausel einen entsprechenden Vorbehalt enthalten; allerdings kann insoweit eine Anzeigepflicht geregelt werden17. Haushaltsgeräte (§ 535 BGB). Der Betrieb üblicher Haushaltsgeräte (Wasch- und Geschirrspülmaschine, Wäschetrockner etc.) kann grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden; der Gebrauchsrahmen richtet sich jedoch nach den vorhandenen Installationen18; deren Kapazität muss allerdings klar und verständlich geregelt sein19, sofern ein Erlaubnisvorbehalt wirksam sein soll20; allerdings kann eine Anzeigepflicht vorgesehen werden21.



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Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 13 Nr. 8. AG Nürnberg v. 27.3.1981 – 25 C 7389/80, WuM 1984, 295; Lammel, § 535 BGB Rz. 199. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. V. Inhalt der Erläuterungen Nr. 2 m.w.N. BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 166/08, WuM 2009, 224 = GE 2009, 574 = NZM 2009, 313; LG Lübeck v. 21.11.2000 – 14 S 221/00, NZM 2002, 485. LG Chemnitz v. 21.10.2011 – 6 S 27/11, zitiert nach juris. BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = WuM 1993, 109 = ZMR 1993, 263. Lammel, § 535 BGB Rz. 203 m.w.N. BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = WuM 1993, 109 = ZMR 1993, 263. AG Flensburg v. 21.12.1995 – 63 C 801/94, WuM 1996, 613; AG Hanau v. 19.1.1989 – 34 C 1155/88, WuM 1989, 366. AG Köln v. 14.2.2001 – 208 C 537/00, WuM 2002, 668. Vgl. Reismann, WuM 2007, 361 m.w.N. BGH v. 26.5.2004 – XIII ZR 135/03, WuM 2004, 399 = NZM 2004, 545 = MietRB 2004, 255. A.A. Kossmann, Rz. 354, 355. LG Berlin v. 7.4.1987 – 64 S 410/86, ZMR 1997, 468. Bub/Treier/Reinstorf, II Rz. 105 m.w.N. BGH v. 14.7.2009 – VIII ZR 165/08, WuM 2009, 517 = GE 2009, 1117 = NZM 2009, 658. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 13 Nr. 3. Lammel, § 535 BGB Rz. 213; diese Ansicht ist allerdings im Hinblick auf den RE des OLG Celle (v. 19.7.1984 – 2 UH 1/84, WuM 1985, 9 = ZMR 1985, 10) zweifelhaft. BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 (unter II 2b). BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 12 Nr. 2.

Lützenkirchen

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

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Hausordnung fi Hausordnung Hausreinigung fi Reinigungspflicht



Kinderwagen (§ 535 BGB). Abstellmöglichkeit in Gemeinschaftsräumen (Hausflur, Treppenhäusern) kann nicht generell beschränkt werden1.



Lüften (§ 535 BGB) gehört zur Obhutspflicht und gehört als Grundsatz zum Allgemeinwissen2; demgemäß muss übliches Stoßlüften nicht besonders erläutert werden; sofern der Mietvertrag die üblichen Regeln dazu wiederholt, kann dies auch im Rahmen des § 307 BGB nicht beanstandet werden; ist allerdings eine besondere Art der Lüftung (z.B. U-Lüftung) notwendig3, muss ein Hinweis erfolgen, der klar und verständlich ist.



Modernisierung (§ 535 BGB) fi Bauliche Veränderungen, Duldungspflicht und fi Modernisierung



Müllentsorgung (§ 535 BGB). Richtet sich in der Regel nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen (z.B. Abfallsatzung); Abweichungen davon müssen klar und deutlich geregelt werden; ein Änderungsvorbehalt muss nicht, kann aber vorgesehen werden, sofern sich die Müllentsorgung der Gemeinde ändert (Trennung)4; im Übrigen kann Beseitigung auf Gemeinschaftsflächen und Nutzung der vorgesehenen Behälter geregelt werden5.



Müllschlucker (§ 535 BGB). Die Benutzung kann zeitlich eingeschränkt werden zur Vermeidung von Lärmbeeinträchtigungen6, wobei der Betrieb mittlerweile wegen Brandschutzrisiken in der Regel durch LBauO untersagt ist.



Musizieren (§ 535 BGB). Ein völliger Ausschluss ist unzulässig7, zeitliche Beschränkung im Rahmen der üblichen Ruhezeiten (13–15 Uhr, 20–6 Uhr) ist allerdings zulässig8.

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Parabolantenne fi Antenne Pflanzen (§ 535 BGB). Das Aufstellen in der Wohnung kann grundsätzlich nicht untersagt werden; allenfalls kann für schwere Pflanzen wegen der Deckenlast eine Anzeigepflicht bestehen; Rankpflanzen, die an den Hauswänden angebracht werden, können jedoch verboten werden9, nicht nur, wenn sie das Mauerwerk beschädigen können.



Plakate (§ 535 BGB). Das Anbringen kann zustimmungspflichtig geregelt werden; dabei muss allerdings deutlich werden, dass die Zustimmung nicht versagt werden kann, wenn die Meinungsäußerung auf dem Plakat durch Art. 5 GG geschützt ist10. Rauchen (§ 535 BGB) gehört grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch11; der Vermieter kann – auch AGB-mäßig – in der Wohnung das Rauchen verbieten12. Dem Überraschungseffekt nach § 305c BGB kann er dadurch entgegenwirken, dass er eine deutliche Regelung schafft und den Mietvertrag als solchen über eine Nichtraucherwohnung betitelt. Insoweit ergeben sich keine höheren Rechte des Mieters, denen nach § 307 Abs. 1 BGB Vorrang eingeräumt werden müsste. Denn der Vermieter kann über das Ob der Nutzung seines Gebäudes bestimmen und zum Schutz anderer Mieter Verhaltensregeln aufstellen. Der Eingriff in die Privatsphäre wird im Mehrfamilienhaus durch das Gebot der Rücksichtnahme überlagert.



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12

LG Hamburg v. 6.8.1991 – 316 S 110/91, WuM 1992, 188. AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, MietRB 2011, 40 = zitiert nach juris. LG Kleve v. 9.1.2003 – 6 S 329/01, WuM 2003, 142. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 10 Nr. 4. Kossmann, Rz. 234. OLG München v. 21.1.1992 – 13 U 2289/91, ZMR 1992, 246; LG Dresden v. 10.6.1997 – 15 S 0143/97, 15 S 143/97, NJW-MietR 1997, 197; LG Berlin v. 7.2.1992 – 64 S 335/91, WuM 1992, 599. OLG Hamm v. 10.11.1980 – 15 W 122/80, NJW 1981, 465. OLG Hamm v. 7.11.1985 – 15 W 181/85, NJW-RR 1986, 500; OLG Frankfurt v. 29.8.1984 – 20 W 190/84, NJW 1985, 2138; AG Frankfurt v. 22.5.1996 – 33 C 1437/96, WuM 1997, 430. AG Bonn v. 15.7.1993 – 5 C 529/92, WuM 1993, 735; a.A. AG Köln v. 25.6.1993 – 221 C 362/92, WuM 1993, 604. LG Chemnitz v. 21.10.2011 – 6 S 27/11, zitiert nach juris. BGH v. 28.6.2006 – VIII ZR 124/05, MDR 2007, 205 = WuM 2006, 513 = NZM 2006, 691 = ZMR 2006, 843; LG Karlsruhe v. 14.1.2000 – 9 S 119/99, WuM 2002, 50; LG Hamburg v. 26.4.2001 – 333 S 156/00, WuM 2001, 469; LG Köln v. 28.6.2001 – 30 S 9/01, WuM 2001, 467; LG Köln v. 19.8.1998 – 9 S 188/98, WuM 1998, 596; LG Saarbrücken v. 25.7.1997 – 13 B S 87/97, WuM 1998, 690; a.A. LG Baden-Baden v. 15.6.2001 – 2 S 138/00, WuM 2001, 603; LG Paderborn v. 23.3.2000 – 1 S 2/00, MDR 2000, 878 = NZM 2000, 710. Reichhardt/Dittmann, ZMR 2011, 925; a.A. Derleder, NJW 2007, 812 (814); Paschke, NZM 2008, 265; Horst, MietRB 2008, 188 m.w.N.

Lützenkirchen

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§ 535 BGB – –

Ruhezeiten können im üblichen Umfang (13–15 Uhr und 22–6 Uhr) formuliert werden1. Stromnutzung fi Haushaltsgeräte



Untermiete. Insoweit kann von den Vorgaben der §§ 553, 540 BGB nicht zu Lasten des Mieters abgewichen werden; selbst eine Pauschalierung des Untermietzuschlages verstößt gegen § 307 BGB, weil die Berechtigung von einer Abwägung abhängt. Tierhaltung (§ 535 BGB) kann generell oder mit Erlaubnisvorbehalt untersagt werden; es muss jedoch klargestellt werden, dass sich das Verbot nicht auf Kleintiere (Hamster, Kanarienvögel, Zierfische etc.), also Tiere, die insbesondere in Aquarien, Terrarien, Käfigen etc. gehalten werden, auswirkt2.





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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

Wäsche waschen (§ 535 BGB) kann in der Wohnung nicht untersagt werden3, selbst wenn Aufstellung im Keller möglich4; umso mehr sollte „Lüften“ geregelt werden.

l Gesundheitsgefahr. Weder kann die Haftung des Vermieters für derartige Zustände aus-

geschlossen werden (fi Freizeichnung), noch ist es formularmäßig zulässig, den Zustand der Mietsache als vertragsgemäß zu bestätigen (fi Anerkennung des vertragsgemäßen Zustandes).

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l Gewährleistung



Anzeigepflicht (§ 536c BGB). Die Anzeigepflicht kann vertraglich dadurch erweitert werden, dass der Vermieter auf bestimmte Einrichtungen und deren Zweck hinweist und den Mieter verpflichtet, sie zu beobachten5; dies ist im Rahmen des Transparenzgebotes (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) auch formularmäßig zulässig, solange daraus keine allgemeine Prüfungspflicht des Mieters erwächst und die Erweiterung deutlich geregelt wird6; die Erfüllung der Anzeigepflicht kann formularmäßig nicht an die Schrift- oder Textform gebunden werden, § 307 Abs. 1 BGB, denn damit würde die Anzeigepflicht für den Mieter erschwert; allein die Angabe von Bürozeiten im Mietvertrag stellt keine unzulässige Erschwernis dar.

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Arglist (§ 536d BGB) ist nicht abdingbar7. Aufwendungsersatz (§ 536a Abs. 2 BGB) kann wegen § 307 BGB nicht wirksam abbedungen werden8. Ersatzvornahme (§ 536a Abs. 2 BGB), das Selbsthilferecht (§ 536a Abs. 2 BGB) kann wegen § 307 BGB nicht wirksam abbedungen werden9. Mangel. Soll-Beschaffenheit kann auch formularmäßig bestimmt werden; dann muss die Klausel aber dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) gerecht werden10; eine zu Lasten des Mieters vom Standard abweichende Vereinbarung ist ebenfalls grundsätzlich zulässig11. Minderung (§ 536 BGB). Zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung nicht zulässig, § 536 Abs. 4 BGB; indessen können Risiken der Mietkürzung geregelt werden (vgl. § 536 BGB Rz. 35).

– –



– –



Rechtsmängel (§ 536 Abs. 3 BGB). Ausschluss darf sich zumindest nicht auf anfängliche Mängel beziehen12. Schadensersatz/Anzeigepflicht. Insbesondere eine Verschärfung der Rechtsfolgen nach § 536c Abs. 2 BGB z.B. durch eine verschuldensunabhängige Haftung, eine Schadenspauschalierung oder eine Umkehr der Beweislast sind formularmäßig unzulässig13. Schadensersatz/Garantiehaftung (§ 536a Abs. 1 S. 1, 1. Variante BGB). Ohne weiteres abdingbar14, was auch durch die Formulierung erreicht werden kann, dass der Vermieter nur für schuldhaft herbeigeführte Mängel auf Schadensersatz haftet.

1 Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. V. Inhalt der Erläuterungen Nr. 2 m.w.N. 2 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, WuM 2008, 23 = GE 2008, 48; OLG Frankfurt – v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56 (60). 3 LG Frankfurt v. 27.2.1990 – 2/13 O 474/89, WuM 1990, 271 (278). 4 LG Aachen v. 10.3.2004 – 7 S 46/03, NZM 2004, 459. 5 BGH v. 17.3.1976 – VIII ZR 274/74, MDR 1976, 753. 6 MünchKomm/Häublein, § 536c BGB Rz. 15; Staudinger/Emmerich, § 536c BGB Rz. 24; a.A. für generelle Unvereinbarkeit Lammel, § 536c BGB Rz. 23. 7 Harz in Schmid, Miete und Mietprozess, 2–96. 8 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235. 9 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235. 10 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 11 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517. 12 Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rz. 40, 74. 13 MünchKomm/Häublein, § 536c BGB Rz. 15. 14 BGH v. 4.10.1990 – XII ZR 46/90, WuM 1992, 316 = NJW-RR 1991, 74.

84

Lützenkirchen

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags –



– –

§ 535 BGB

Schadensersatz/verschuldeter Mangel (§ 536a Abs. 1 S. 1, 2. Variante BGB). Freizeichnung muss die Ausnahmen in § 309 Nr. 7 lit. a BGB beachten und darf nicht zur Aushöhlung der Erhaltungspflicht des Vermieters (Kardinalpflicht) führen1; deshalb gilt § 309 Nr. 7 lit. b BGB grundsätzlich nicht (vgl. § 536a BGB Rz. 19). Schadensersatz/Verzugshaftung (§ 536a Abs. 1 S. 1, 3. Variante BGB). Grundsätzlich gelten die gleichen Anforderungen wie vorstehend bei fi Schadensersatz/verschuldeter Mangel; die Herbeiführung des Verzuges kann nicht erschwert werden, z.B. durch eine Mindestfrist oder die Anordnung der Schriftform für die Mahnung. Verwirkung (§ 536b BGB) ist nicht zwingend2, allerdings verstößt eine Beweislastumkehr gegen § 309 Nr. 12 BGB. Vorschussanspruch3 (§ 536a Abs. 2 BGB) – wie vor.

l Gleitklausel (§ 4 Abs. 8 NMV). Solange die Klausel auf die gesetzliche Regelung Bezug nimmt

165

oder klargestellt ist, dass die gesetzlichen Regelungen zur Erhöhung der Kostenmiete gelten, bestehen keine Bedenken4. l Haftung des (Mieter-)Erben sowie der Eintrittsberechtigten nach § 563 BGB (§ 563b BGB).

166

Grundsätzlich ist § 563b BGB abdingbar, und zwar auch formularmäßig5. Abweichende Vereinbarungen kann der Mieter zu Lebzeiten durch Vereinbarungen mit dem Vermieter, den Eintrittsberechtigten und/oder den Erben schaffen. Verträge zu Lasten Dritter scheiden insoweit aus, da die genannten Personen in die Rechtsstellung des Mieters eintreten und daher nicht Dritte sein können. l Haftung für Dritte

167



Mieter (§§ 535, 280 BGB):



für Untermieter (§ 540 Abs. 2 BGB). Abdingbar (aber nicht sinnvoll); kann jedoch nicht verschuldensunabhängig geregelt werden6. für sonstige Personen (§ 278 BGB). Haftung besteht ohnehin nur, wenn sich die Dritten mit Wissen und Wollen des Mieters in seinem Pflichtenkreis aufhalten (z.B. Mitbewohner, Besucher), so dass keine verschuldensunabhängige Haftung geregelt werden kann7.





Vermieter (§§ 278 BGB, 281 Abs. 1 BGB). Freizeichnung darf Kardinalpflicht aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nicht aushöhlen und muss die Ausnahmen nach § 309 Nr. 7 BGB beachten8.

l Haftungsbeschränkung fi Haftung für Dritte und Gewährleistung/Schadensersatz; Pauschalie-

168

rung muss sich an § 309 Nr. 5 BGB orientieren; Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz ist unzulässig, soweit damit auch die Verletzung der Kardinalpflicht nach § 535 Abs. 1 BGB abgemildert würde9; im Übrigen gilt § 309 Nr. 7 BGB. l Hausordnung (§ 535 BGB). Einbeziehung orientiert sich an § 309 Nr. 12 BGB10; inhaltlich dürfen keine Pflichten mit Entgeltcharakter begründet werden, weil der Mieter derartige Vereinbarungen in einer Hausordnung nicht erwartet, § 305c Abs. 2 BGB11.

169

l Hausreinigung fi Reinigungspflicht

170

l Heilungswirkung (§ 569 Abs. 3 Ziff. 2 BGB) fi Befriedigungsrecht

171

1 BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, WuM 2002, 141 = NZM 2002, 116 = MDR 2002, 330 mit Anm. Lützenkirchen, MDR 2002, 331. 2 Staudinger/Emmerich, § 536b BGB Rz. 5. 3 Vgl. BGH v. 14.5.1971 – V ZR 25/69, NJW 1971, 1450. 4 BGH v. 21.1.2004 – VIII ZR 115/03, WuM 2004, 282 = NZM 2004, 378 = MietRB 2004, 199; BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 149/03, WuM 2004, 288; BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 153/03, NZM 2004, 379 = MietRB 2004, 197; BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 149/03, WuM 2004, 285. 5 MünchKomm/Häublein, § 563b BGB Rz. 20. 6 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290 (383); OLG Celle v. 29.12.1981 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (105). 7 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290; OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56 (63); Bub/Treier/Bub, II Rz. 527d. 8 BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, NZM 2002, 116 = WuM 2002, 141 = MDR 2002, 330 mit Anm. Lützenkirchen, MDR 2002, 331. 9 BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, MDR 2002, 330 = ZMR 2002, 184 = WuM 2002, 141 = NZM 2002, 116. 10 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290. 11 Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. V. Inhalt der Erläuterungen Nr. 2.

Lützenkirchen

85

§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

172

l Heizung (§ 535 BGB). Die Nutzung kann nicht eingeschränkt werden; der Betrieb der Heizung kann jedoch grundsätzlich zeitlich (Heizperiode, Absenkung zur Nachtzeit) beschränkt werden, wenn für unzumutbare Fälle (z.B. Absinken der Außentemperatur unter das jahreszeitlich übliche Maß) eine Ausnahme vorgesehen ist; eine Mindesttemperatur für den Mieter soll nicht festgelegt werden können1, es sei denn, sie orientiert sich an den besonderen baulichen Gegebenheiten2.

173

l Instandhaltung und Instandsetzung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Grundsätzlich nur als fi Kleinre-

174

l Kanalverstopfung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Bei nicht zu ermittelndem Verursacher kann antei-

paratur, fi Schönheitsreparaturen und fi Wartung auf den Mieter übertragbar. lige Haftung des Mieters nicht geregelt werden, § 307 BGB3.

175

l Kaution (§ 551 BGB) fi Sicherheitsleistung/Kaution

176

l Kettenverträge (§ 575 BGB). Mit wiederkehrender Befristung unzulässig, § 575 Abs. 4 BGB; als sich wiederholender wechselseitiger Kündigungsverzicht mit einer Höchstdauer von vier Jahren regelbar (fi Kündigung/Beschränkung).

177

l Kleinreparaturen (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) auf den Mieter übertragbar, Schranken ergeben sich

aus zwingendem Recht, z.B. § 536 BGB4, deshalb sind „Vornahmeklauseln“ auch nicht zulässig5; Einzelbetrag (zurzeit 150 Euro) und Höchstgrenze (6 % bis 8 % der Jahresmiete) muss geregelt werden6; soll der Mieter auch an den Kosten zerbrochener Fensterscheiben beteiligt werden können, führt dies zur Unwirksamkeit7.

178 179

l Kontrollrechte (§§ 535, 556 Abs. 3, 259 BGB, § 29 NMV) fi Betriebskosten l Kündigung



Allgemein



Beschränkung. Durch Befristung (§ 575 BGB) und wechselseitigen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts regelbar, sofern die dadurch bewirkte Mindestlaufzeit vier Jahre nicht überschreitet8 (fi Kündigungsverzicht).



Fristen (§ 573c BGB). Zum Nachteil des Mieters nicht abzuändern, § 573c Abs. 4 BGB; Verlängerung für Vermieter ist aber zulässig; (weitere) Verkürzung nur zugunsten des Mieters.

– –

Schriftform (§ 568 Abs. 1 BGB) ist zwingend9. Verwirkung (§ 242 BGB). Zugunsten des Vermieters kann nicht bestimmt werden, dass er sein Kündigungsrecht nicht verliert, wenn er es nicht innerhalb angemessener Frist ausübt10.

180 – des Mieters –

– – –

außerordentliche (§§ 554 Abs. 3, 540 Abs. 1 S. 2, 550, 544, 564, 561, 557a Abs. 3, 242 BGB) können zu Lasten des Mieters nicht ausgeschlossen werden. fi auch Tod des Mieters/Kündigungsrecht fristlose (§§ 543, 569 BGB) ist nicht abdingbar. Begründungszwang (§ 569 Abs. 4 BGB) zugunsten des Mieters abdingbar11. ordentliche (§ 573 BGB). Ausschluss ist durch Befristung (§ 575 BGB) und wechselseitigen Verzicht (fi Kündigungsverzicht) möglich; einseitiger Verzicht nur auf Wunsch des Mieters zulässig.

181 – des Vermieters –

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

86

außerordentliche (z.B. §§ 563 Abs. 4, 564 BGB). Alle außerordentlichen Kündigungsrechte sind zu Lasten des Vermieters abdingbar.

BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290 (384). Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 11 Nr. 6. Bub/Treier/Bub, II Rz. 527 m.w.N. Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 130. BGH v. 6.5.1992 – VIII ZR 129/91, NJW 1992, 1759; Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 133. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290 = ZMR 1991, 290. OLG Hamburg v. 10.4.1991 – 5 U 135/90, WuM 1991, 385 (387). BGH v. 6.4.2005 – VIII ZR 129/91, WuM 2005, 346; BGH v. 30.6.2004 – VIII ZR 129/91, WuM 2004, 542. Palandt/Weidenkaff, § 568 BGB Rz. 3 (allg. M.). OLG München v. 28.2.2001 – 3 U 5169/00, MDR 2001, 745. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 17 Nr. 2; vgl. auch Sternel, ZMR 2002, 1 (4).

Lützenkirchen

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags –

§ 535 BGB

ordentliche (§ 573 BGB). Kann durch Befristung (§ 575 BGB) ausgeschlossen werden; ansonsten (auch partiell) abdingbar; zu Lasten des Mieters nicht erweiterbar1.



Teilkündigung (§ 573b BGB). Abweichende Vereinbarungen zu Lasten des Mieters sind unwirksam, § 573b Abs. 5 BGB; Regelung einer Begründungspflicht oder eines (partiellen) Ausschlusses ist aber möglich2.



Zweifamilienhaus (§ 573a BGB). Abweichende Vereinbarungen zu Lasten des Mieters sind unwirksam, § 573a Abs. 4 BGB; neben einer Begründungspflicht kann auch ein (partieller) Ausschluss formuliert werden.

l Kündigungsverzicht

– – –

182

Dauer (§ 557a Abs. 3 BGB). Max. vier Jahre seit Abschluss der Vereinbarung3. einseitiger zu Lasten des Mieters nur wirksam, wenn Mieter einen Vorteil erhält4, wie z.B. eine Staffelmiete5. wechselseitiger (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) ist zulässig6, aber Transparenzgebot muss eingehalten sein. Dazu ist die Beschränkung auf das Recht zur ordentlichen Kündigung erforderlich, weil von „Kündigung“ auch die nicht abdingbare fristlose Kündigung erfasst wird7.

l Lastentragung (§§ 535 Abs. 1 S. 3, 556 Abs. 1 BGB) kann auf Mieter im Rahmen der §§ 556 BGB, 20 NMV überbürdet werden8 fi Betriebskosten

183

l Laufzeit (§ 575 BGB) kann durch echte Befristung (§ 575 BGB) oder als Mindestlaufzeit durch wechselseitigen fi Kündigungsverzicht festgelegt werden, beachte jedoch § 544 BGB; keine Regelung bedeutet, dass der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit läuft, § 542 BGB.

184

l Leitungsverstopfung fi Rohrverstopfung

185

l Mahnkosten. Die Formularklausel, wonach der Vermieter nach Eintritt des Zahlungsverzugs

186

des Mieters berechtigt ist, für jedes Mahnschreiben einen Kostenaufwand von 6 Euro zu berechnen, ist gemäß § 309 Nr. 5b BGB unwirksam, weil die Klausel dem Mieter nicht ausdrücklich den Nachweis gestattet, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als der pauschalierte Schadensersatzanspruch des Verwenders9. Das Gleiche gilt, wenn nur eine Untergrenze für die Schadenspauschale festgelegt ist10. l Mangel (§ 536 BGB) fi Gewährleistung

187

l Mängelanzeige (§ 536c Abs. 1 BGB) fi Gewährleistung/Anzeigepflicht

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l Miete (§ 535 BGB)

189



Fälligkeit (§ 556b Abs. 1 BGB) fi Fälligkeit



persönliche Verhinderung (§ 537 BGB). Ist nicht zwingend11; wegen §§ 307 Abs. 2, 308 Nr. 7 BGB kann § 537 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB formularmäßig nicht abgeändert werden12.



Zahlungsweise – Abbuchungsverfahren (§ 535 Abs. 2 BGB). Unzulässig, da Mieter kein Widerspruchsrecht hat13. –

Lastschrifteinzug (§ 535 Abs. 2 BGB). Zulässig14, allerdings nicht in Kombination mit einer Klausel, wonach der Vermieter Zahlungen beliebig verrechnen darf15; Hinweis auf Wider-

1 Lammel, § 573 BGB Rz. 155; Blank/Börstinghaus, Neues Mietrecht, § 573 BGB Rz. 14. 2 Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 767. 3 BGH v. 6.4.2005 – VIII ZR 27/04, WuM 2005, 346; BGH v. 3.5.2006 – VIII ZR 243/05, WuM 2006, 385; BGH v. 25.1.2006 – VIII ZR 3/05, WuM 2006, 15 = NZM 2006, 254 = ZMR 2006, 270. 4 BGH v. 12.11.2008 – VIII ZR 270/07, NZM 2009, 80 = ZMR 2009, 189. 5 BGH v. 23.11.2005 – VIII ZR 154/04, WuM 2006, 97 = NZM 2006, 256 = ZMR 2006, 262. 6 BGH v. 30.6.2004 – VIII ZR 379/03, WuM 2004, 542 = NZM 2004, 733; BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 2/04, WuM 2004, 672; BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 294/03, WuM 2004, 543 = NZM 2004, 734. 7 A.A. für eine Klausel, in der durch den zweiten Satz klar gestellt wurde, dass nur die ordentliche Kündigung gemeint sein konnte: BGH v. 23.11.2011 – VIII ZR 120/11, GE 2012, 125. 8 Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 63. 9 BGH v. 23.11.2005 – VIII ZR 154/04, MDR 2006, 924 = WuM 2006, 97 = ZMR 2006, 262 a.E. 10 OLG Celle v. 29.12.1990 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (109). 11 Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 537 BGB Rz. 32. 12 Staudinger/Emmerich, § 537 BGB Rz. 38. 13 LG Köln v. 7.3.1990 – 10 S 532/89, WuM 1990, 380; AG Freiburg v. 11.12.1986 – 3 C 3195/86, WuM 1987, 50. 14 LG München I v. 21.2.1979 – 14 S 13111/78, WuM 1979, 143. 15 LG Köln v. 16.5.2002 – 1 S 205/01, NZM 2002, 780.

Lützenkirchen

87

§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

rufsrecht ist nicht erforderlich1; sollen Einmalzahlungen (z.B. Nachforderungen von Betriebskosten) eingezogen werden dürfen, muss sichergestellt sein, dass für den Mieter eine angemessene Prüfungszeit zwischen dem Zugang der Zahlungsaufforderung und der Belastung liegt2 (z.B. vier Wochen).

190

l Mieterhöhung/-änderung



bei Aufnahme Dritter in die Wohnung (§ 553 Abs. 2 BGB). Der Untermietzuschlag ist abdingbar; eine Pauschalierung soll nicht zulässig sein, da die Zumutbarkeitsprüfung des § 553 Abs. 2 BGB nicht vorweggenommen werden kann3; letztlich ist das aber eine Frage der Formulierung.



Betriebskostenpauschale (§ 560 Abs. 1–3 BGB). Zugunsten des Mieters sind die Bestimmungen zwingend, § 560 Abs. 6 BGB; ein Erhöhungsvorbehalt ist wegen § 560 Abs. 1 BGB erforderlich; die Rückwirkung kann ausgeschlossen werden.



Betriebskostenvorauszahlung (§ 560 Abs. 4 BGB). Zum Nachteil des Mieters nicht disponibel, § 560 Abs. 6 BGB; zu Lasten des Vermieters können strengere Anforderungen an Form, Frist und Inhalt der Erklärung sowie deren Wirkung gestellt und dem Mieter ein rückwirkendes Senkungsrecht eingeräumt werden4.



Indexmiete (§ 557b BGB). Ohne Mindestbindung des Vermieters regelbar; Abweichungen zum Nachteil des Mieters bewirken aber die Unwirksamkeit, § 557b Abs. 4 BGB5.



Kombination von Staffel- und Indexmiete (§§ 557a, 557b BGB). Zulässig in den durch die §§ 557a Abs. 4, 557b Abs. 4 BGB gezogenen Grenzen6. Kostenmiete (§ 10 WoBindG, §§ 3, 4 Abs. 8 NMV) fi Gleitklausel

– –

wegen Modernisierung (§§ 559 ff. BGB). Inhalt und Verfahren sind zu Lasten des Mieters nicht veränderbar, §§ 559 Abs. 3, 559a Abs. 5, 559b Abs. 3 BGB.



wegen Veränderung der ortsüblichen Vergleichsmiete (§§ 558 ff. BGB). Bestimmungen sind zugunsten des Mieters zwingend, § 558 Abs. 6 BGB; das Verfahren und die Anforderungen können nicht zum Nachteil des Mieters geändert werden, §§ 558a Abs. 5, 558b Abs. 4 BGB; Ausschluss ist jedoch möglich, § 557 Abs. 3 BGB. Staffelmiete (§ 557a BGB). Ohne zeitliche Obergrenze im Rahmen der Vorgaben des § 557a BGB vereinbar; Verstoß gegen § 557a BGB bewirkt Unwirksamkeit gemäß §§ 134, 139 BGB7; auch im preisgebundenen Wohnraum möglich, wobei die jeweilige Kostenmiete die Obergrenze bildet8.



191

l Modernisierung (§§ 555b ff. BGB)



Aufwendungsersatz (§ 555d Abs. 5 BGB). Zum Nachteil des Mieters nicht abdingbar, § 555d Abs. 6 BGB.



Duldungspflicht (§ 555d BGB). Zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen sind unwirksam, § 555 Abs. 7 BGB. fi auch Duldungspflicht und fi Mieterhöhung/-änderung



192 193

l Nachmieter (§ 535 BGB). Unechte und echte Nachfolgeklauseln sind auch formularmäßig zulässig9. l Nutzungsentschädigung



bis zur Räumung (§ 546a Abs. 1 BGB). Ist abdingbar10, zum Nachteil des Mieters kann aber keine Nutzungsentschädigung oder ein Schaden pauschaliert oder von der Verzögerung der Räumung unabhängiger Schadensersatzanspruch geregelt werden, § 571 Abs. 3 BGB11.



nach der Räumung (§§ 280, 281, 286 BGB). In den Grenzen der §§ 571 Abs. 3, 307, 309 Nr. 12 BGB regelbar

1 2 3 4 5 6 7 8 9

A.A. LG Frankfurt v. 22.7.2003 – 12 O 58/03, ZMR 2003, 741. BGH v. 23.1.2003 – III ZR 54/02, NZM 2003, 367. AG Hamburg v. 18.11.1997 – 317b C 334/97, WuM 1999, 600. Schmid, MDR 2001, 1021; Lammel, § 560 BGB Rz. 43. Lützenkirchen/Löfflad, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 203. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 5 Nr. 6. Palandt/Weidenkaff, § 557a BGB Rz. 10. OLG Hamm v. 29.1.1993 – 30 REMiet 2/92, ZMR 1993, 162. OLG Frankfurt v. 24.6.1991 – 11 U 3/91, WuM 1991, 475; Staudinger/Emmerich, § 537 BGB Rz. 17 ff. 10 Palandt/Weidenkaff, § 546a BGB Rz. 1. 11 Lammel, § 571 BGB Rz. 14.

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Lützenkirchen

§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags –

Schadensersatz (§§ 546a Abs. 2, 571 BGB). Nicht abdingbar zum Nachteil des Mieters, § 571 Abs. 3 BGB1.

l Parabolantenne fi Gebrauchsrechte/Antenne

194

l Parkett (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) fi Fußbodenpflege

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l Pfändungspfandrecht (§ 562 BGB). Sofern Vermieterpfandrecht nicht ausgeschlossen ist, kann

196

eine Erweiterung des § 562 BGB eine Vereinbarung zu Lasten Dritter darstellen. l Pflege der Mietsache (§ 535 BGB). Allgemeine Pflegehinweise können in der Hausordnung mitgeteilt werden; sofern besondere Reinigungen (z.B. Treppenhausreinigung) oder besondere Pflegeanweisungen (z.B. Behandlung bestimmter Einrichtungen wie Parkett, Marmor etc.) erteilt werden sollen, müssen spezielle Regelungen geschaffen werden, die nicht überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB) sein dürfen. fi Fußbodenpflege und fi Reinigungspflicht

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l Prüfungsrecht des Vermieters (§ 535 Abs. 1 BGB) fi Besichtigungsrecht

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l PVC-Böden fi Fußbodenpflege

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l Räumung (§ 546 BGB). Die Parteien können entgegen § 266 BGB Teilleistungen und insbeson-

200

dere die zeitlichen Kriterien der Räumung vereinbaren2 fi Rückgabe



Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts (§ 570 BGB). Nicht zwingend3, Regelung aber nicht sinnvoll.

l Reinigungspflicht (§ 535 BGB). Ist auf den Mieter auch hinsichtlich allgemein genutzter Teile

201

übertragbar4, wobei eine die Verzugsfolgen unmittelbar herbeiführende Regelung durch kalendermäßige Bestimmung der Fälligkeit geschaffen werden kann5; die Klausel darf nicht erst in der Hausordnung stehen, weil der Mieter hier nicht mit der Begründung wirtschaftlich bedeutsamer Regelungen rechnen muss; das gilt auch und gerade, wenn die Reinigungspflicht die Räum- und Streupflicht erfassen soll; in der fi Hausordnung kann allenfalls der Turnus bestimmt werden. l Renovierung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) fi Schönheitsreparaturen

202

l Rückbau. Auch wenn der Rückbau im Rahmen der Räumungspflicht generell geschuldet wird,

203

kann eine Formularklausel gegen das Übermaßverbot verstoßen, wenn sie auch Fälle erfasst, in denen der Rückbau nicht geschuldet ist (z.B. wegen einer ausdrücklichen Einwilligung des Vermieters)6. Im Übrigen muss die Formulierung auch § 552 Abs. 2 BGB berücksichtigen und darf deshalb das Wegnahmerecht nicht ausschließen. Andererseits dürfen von der Rückbauklausel keine Veränderungen erfasst werden, die unter § 538 BGB fallen (z.B. fi Gebrauchsrechte/Dübel)7. l Rückgabe (§ 546 BGB). Inhalt, Umfang und Zeitpunkt können gestaltet werden; wenn Rück-

204

bauverpflichtung angesprochen wird, kann sich daraus eine Hauptpflicht ergeben, so dass Schadensersatz u.U. nur über § 281 BGB verlangt werden kann8; auf jeden Fall sollte festgelegt werden, dass die Rückgabe am letzten Tag der Mietzeit erfolgen muss, wobei auch die Modalitäten der Terminabsprache vorgegeben werden können9. fi auch Räumung l Rückgabe als Verjährungsbeginn (§ 548 Abs. 1 BGB). Im Zusammenhang mit der Verjährung können zu Lasten des Mieters formularmäßig keine Regelungen getroffen werden, die die Verjährung hinausschieben10, § 202 BGB.

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l Rücktritt (§ 572 Abs. 1 BGB) kann nicht als Alternative zur Kündigung geregelt werden, wohl aber für die Zeit vor Vertragsbeginn.

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l Ruhezeiten können im üblichen Umfang (13–15 Uhr und 22–6 Uhr) – auch in der fi Hausord-

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nung – formuliert werden11. l Salvatorische Klauseln stehen in der Regel am Ende des Mietvertrages und enthalten Bestimmungen, die den Fall der Unwirksamkeit einer Klausel des Vertrages regeln sollen. Dabei wird

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Bub, DWW 1977, 76 (79). Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 19 Nr. 1. MünchKomm/Häublein, § 570 BGB Rz. 4 m.w.N. (allg. M.). Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1085. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 11 Nr. 3. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. II 236 m.w.N. LG Nürnberg-Fürth v. 22.4.2005 – 7 S 12672/04, ZMR 2005, 622 (624). BGH v. 2.10.1996 – XII ZR 65/95, WuM 1997, 217; kritisch Eisenhardt, WuM 1998, 447. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 19 Nr. 1. A.A. Kandelhard, NZM 2002, 929. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. V. Inhalt der Erläuterungen Nr. 2 m.w.N.

Lützenkirchen

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208

§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

zwischen sog. Erhaltungs- und Ersetzungsklauseln unterschieden. AGB-Klauseln, nach denen bei Unwirksamkeit einer Bestimmung die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen unberührt bleiben soll (sog. Erhaltungsklauseln), sind wirksam, weil sie nur der Vermutung des § 139 BGB entgegenwirken sollen1. Wirksam ist auch die Klausel: „Wenn und soweit eine der Bestimmungen dieses Vertrages gegen zwingende gesetzliche Normen verstößt, tritt an ihre Stelle die entsprechende gesetzliche Regelung“2. Formularmäßige Klauseln, nach denen sich die Parteien verpflichten, bei Unwirksamkeit einer Bestimmung eine vergleichbare andere Regelung zu treffen (sog. Ersetzungsklauseln), sind nicht wirksam, weil sie gegen § 306 BGB verstoßen3. Denn § 306 BGB bestimmt zwingend, dass an die Stelle der unwirksamen AGB-Regelung das Gesetz tritt. Nur wenn eine solche Regelung fehlt, kann z.B. über eine ergänzende Vertragsauslegung ein anderes Ergebnis ermittelt werden4. Individualvertraglich bestehen gegen die salvatorische Klausel – in welcher Erscheinungsform auch immer – keine Bedenken. Sie zwingt die Parteien in der Regel zu einer gemeinsamen Lückenfüllung. Dies führt aber nicht zu einem Anspruch auf Heilung von Schriftformmängeln i.S.v. § 550 BGB5. Die weit verbreitete, in der Regel standardmäßig verwendete salvatorische Klausel, nach der ein nichtiges Rechtsgeschäft auch ohne die nichtige Klausel wirksam sein soll, entbindet nicht von der nach § 139 BGB vorzunehmenden Prüfung, ob die Parteien das teilnichtige Geschäft als Ganzes verworfen hätten oder aber den Rest hätten gelten lassen. Bedeutsam ist sie lediglich für die von § 139 BGB abweichende Zuweisung der Darlegungs- und Beweislast; diese trifft denjenigen, der entgegen der Erhaltensklausel den Vertrag als Ganzen für unwirksam hält6.

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211

l Schadensersatz fi Gewährleistung/Schadensersatz, fi Haftung für Dritte, fi Haftungsbeschränkung, fi Mängelanzeige/Schadensersatz, fi Nutzungsentschädigung, fi Schönheitsreparaturen l Schriftform



bei Befristung (§ 550 BGB) zwingend.



bei Kündigung (§ 568 Abs. 1 BGB) nicht abdingbar7.

l Schriftformklausel. Wenn sie konstitutiv für Erklärungen gelten soll, ist sie überraschend8. Oft-

mals enthält der Mietvertrag eine Bestimmung, nach der Änderungen nur wirksam sind, wenn sie in schriftlicher Form niedergelegt werden. Von einer qualifizierten oder doppelten Schriftformklausel ist auszugehen, wenn bestimmt ist, dass Änderungen und Ergänzungen des Vertrages nicht nur der Schriftform bedürfen, sondern von diesem Formerfordernis wiederum nur durch schriftliche Erklärung abgewichen werden kann9. Eine einfache Schriftformklausel verlangt, dass Änderungen und Ergänzungen des Mietvertrages nur wirksam sind, wenn sie schriftlich niedergelegt werden10. Als AGB sind solche Klauseln in einem Wohnraummietvertrag unwirksam, und zwar in einfacher wie in qualifizierter Form. Sie widersprechen nicht nur § 305b BGB, sondern benachteiligen den Mieter insofern, als er davon abgehalten werden kann, sich auf mündliche Absprachen zu berufen11. Das Gleiche gilt, wenn eine Erlaubnis/Zustimmung z.B. zur Erweiterung des vertragsgemäßen Gebrauchs (z.B. Untervermietung oder Tierhaltung) von der Schriftform abhängig gemacht wird12.

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l Schönheitsreparaturen

– –

Anfangsrenovierung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Formularmäßige Überbürdung unwirksam13. Art der Renovierung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Regelbar, aber nicht als Fachhandwerkerklausel14, die auch vorliegt, wenn die Formulierung vorgibt, dass der Mieter die Schönheitsrepa-

1 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, MDR 2005, 1040 = MietRB 2005, 198 (199) = GuT 2005, 143 (145). 2 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 (385). 3 Insoweit offen gelassen BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, MDR 2005, 1040 = MietRB 2005, 198 (199) = GuT 2005, 143 (145). 4 BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, WuM 2010, 260 = NJW-RR 2010, 1202 m.w.N. 5 BGH v. 17.7.2002 – XII ZR 248/99, GE 2002, 1193 = NZM 2002, 823. 6 BGH v. 24.9.2002 – KZR 10/01, MDR 2003, 143 = NJW 2003, 347 = GE 2003, 806. 7 Palandt/Weidenkaff, § 568 BGB Rz. 3 (allg. M.). 8 LG Berlin v. 29.10.2007 – 67 S 413/06, MM 2008, 30. 9 OLG Düsseldorf v. 12.4.2011 – 24 U 195/10, GE 2011, 1680 m.w.N. 10 Vgl. z.B. OLG Brandenburg v. 4.7.2012 – 7 U 204/11, GE 2012, 1375 (1376). 11 OLG Brandenburg v. 4.7.2012 – 7 U 204/11, GE 2012, 1375 (1376); OLG München v. 12.1.1989 – 29 U 2366/88, WuM 1989, 128 (133); LG Hannover v. 5.7.1988 – 14 O 185/88, WuM 1988, 259; vgl. auch BGH v. 15.2.1995 – VIII ZR 93/94, MDR 1995, 1109 = NJW 1995, 1488 (1489) (AGB eines Möbelhauses); BGH v. 31.10.1984 – VIII ZR 226/83, NJW 1985, 320 (322). 12 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381. 13 OLG Hamburg v. 13.9.1991 – 4 U 201/90, WuM 1991, 523 = ZMR 1991, 469. 14 OLG Stuttgart v. 19.8.1993 – 8 REMiet 2/92, WuM 1993, 528 (Teilunwirksamkeit), zweifelhaft.

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Lützenkirchen

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

raturen ausführen lassen soll1; ansonsten können in den Grenzen des § 307 BGB Qualitätsanforderungen gestellt werden2. –

Bedarfsklauseln sind grundsätzlich zulässig, wenn sie dahin verstanden werden können, dass keine Abnutzungen des Vormieters relevant sind3.



Begriff der Schönheitsreparaturen (§ 28 Abs. 4 II. BV). Inhaltlich nicht erweiterbar (z.B. auf Teppichbodenerneuerung4 oder Außenanstrich der Fenster und Türen5); allerdings ist die Grundreinigung des Teppichbodens erfasst6.



Endrenovierung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Eine Klausel, die die Endrenovierung unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Schönheitsreparatur vorsieht, ist unwirksam7, auch wenn nur ein tapezierfähiger Zustand verlangt wird8. Fachhandwerker fi Art der Renovierung

– –

Fälligkeit (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Fristen sollten sich am Mustermietvertrag 76 orientieren9 und nicht starr geregelt werden10; Letzteres wird durch die Formulierungen erreicht, dass die Renovierung „im Allgemeinen“ oder „in der Regel“ nach den entsprechenden Fristen auszuführen ist; jede Verkürzung kann zur Unwirksamkeit führen11; ob die Fristen des Mustermietvertrages aktuell noch als Orientierung dienen können, ist offen12.



Farbwahlklausel. Nur für Endrenovierung zulässig13, insbesondere, wenn sie sich auf die Holzteile beschränkt14 und außergewöhnliche Farbwahlen des Mieters betrifft.



Klauselkombinationen (§ 307 BGB). Die Regelung auch nur einer unwirksamen Klausel kann zur Nichtigkeit aller im Vertrag vorhandenen Renovierungsbestimmungen führen (Summierungseffekt)15.



Laufende Renovierung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Auch bei unrenoviert übergebener Wohnung wirksam, wenn Fristen mit dem Vertragsbeginn anfangen zu laufen16.



Quotenklausel (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Orientierung am Rechtsentscheid des BGH vom 6.7.198817 nicht ausreichend. Zur Wirksamkeit muss die Klausel erkennen lassen, mit welchem Anteil der Mieter belastet wird, wenn er weniger oder mehr als „üblich“ abgenutzt hat18. Starre Quoten sind nicht zulässig19. Schadensersatz



– – –

Grund (§ 281 BGB). Fristsetzung kann nicht ausgeschlossen werden. Höhe (§§ 249, 251 BGB). Pauschalierung nur im Rahmen von § 309 Nr. 12 BGB möglich.

Summierungseffekt (§ 307 BGB) fi Klauselkombinationen

1 BGH v. 9.6.2010 – VIII ZR 294/09, NZM 2010, 615 = ZMR 2011, 190 m. Anm. Riecke. 2 LG Freiburg v. 21.12.1978 – 3 S 165/78, WuM 1980, 75 (Raufaser); Harsch, Rz. 250 ff. 3 BGH v. 9.3.2005 – VIII ZR 17/04, MDR 2005, 679 = WuM 2005, 243 = MietRB 2005, 170; a.A. bei unrenoviert übernommenen Wohnung: OLG Stuttgart v. 17.2.1989 – 8 REMiet 2/88, WuM 1989, 121 = ZMR 1989, 176. 4 OLG Hamm v. 22.3.1991 – 30 REMiet 3/90, WuM 1991, 248. 5 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, WuM 2009, 286 = GE 2009, 573. 6 BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 15/07, WuM 2009, 225 = GE 2009, 111 = NZM 2009, 126. 7 BGH v. 14.5.2003 – VIII ZR 308/02, MietRB 2003, 1 = ZMR 2003, 653 = WuM 2003, 436; OLG Hamm v. 27.2.1981 – 4 REMiet 4/80, WuM 1981, 77; OLG Frankfurt v. 22.9.1981 – 20 REMiet 1/81, WuM 1981, 272. 8 BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 152/05, MDR 2006, 1215 = MietRB 2006, 229 = WuM 2006, 308; BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 109/05, MDR 2006, 1217 = MietRB 2006, 229 = WuM 2006, 310. 9 Vgl. z.B. BGH v. 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, WuM 1998, 592. 10 BGH v. 23.6.2004 – VIII ZR 361/03, WuM 2004, 463 = NZM 2004, 653 = MietRB 2004, 313; BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 178/05, WuM 2006, 248; BGH v. 22.9.2004 – VIII ZR 360/03, NZM 2004, 901 = DWW 2004, 328. 11 Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 15 Nr. 3 m.w.N. 12 BGH v. 26.9.2007 – VIII ZR 143/06, NJW 2007, 2632 (Rz. 31). 13 BGH v. 18.6.2008 – VIII ZR 224/07, NJW 2008, 2499 = WuM 2008, 472; BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 166/08, WuM 2009, 224 = GE 2009, 574. 14 BGH v. 22.10.2008 – VIII ZR 283/07, WuM 2008, 722 = NZM 2008, 926. 15 BGH v. 2.12.1992 – VIII ARZ 5/92, WuM 1993, 175; BGH v. 14.5.2003 – VIII ZR 308/02, MietRB 2003, 1 = ZMR 2003, 653 = WuM 2003, 436; BGH v. 25.6.2003 – VIII ZR 335/02, NZM 2003, 755. 16 BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, WuM 1987, 306. 17 BGH v. 6.7.1988 – VIII ARZ 1/88, WuM 1988, 294 mit Anm. Lützenkirchen, WuM 1988, 380. 18 BGH v. 5.3.2008 – VIII ZR 95/07, WuM 2008, 278 = GE 2008, 665 = ZMR 2008, 527 mit Anm. Schläger. 19 BGH v. 26.9.2007 – VIII ZR 143/06, NJW 2007, 2632.

Lützenkirchen

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

Umfang (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Renovierungsumfang kann nur räumlich (z.B. Keller, Balkon)1 im Rahmen der Begriffsdefinition des § 28 Abs. 4 II. BV gestaltet werden; zeitliche oder sonstige inhaltliche Erweiterungen führen wegen des Entgeltcharakters der Renovierungspflicht zur Unwirksamkeit2. fi auch Schönheitsreparaturen, Begriff



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l Selbsthilfe (§ 562b BGB). Vertragliche Erweiterung zugunsten des Vermieters nicht zulässig3.

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l Sicherheitsleistung/Vermieterpfandrecht (§ 562c BGB). Änderung zum Nachteil des Mieters zulässig4; eine Klausel, mit der der Mieter sein Eigentum an den eingebrachten Sachen bestätigt, verstößt gegen § 309 Nr. 12 lit. b BGB.

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l Sicherheitsleistung/Kaution



Anlagepflicht (§ 551 Abs. 3 BGB) nicht abdingbar, § 551 Abs. 4 BGB.



Andere Anlageform (§ 551 Abs. 3 BGB). Jede beliebige Anlage aushandelbar5, auch Nachschusspflicht, § 240 BGB6; sinnvoll, weil gegenüber der Regelanlage höher verzinslich, sind werthaltige Schuldverschreibungen (z.B. Bundesobligationen); vom übrigen Vermögen getrennte Anlage ist unabdingbar, § 551 Abs. 4 BGB. Art der Sicherheit. Solange keine andere Anlageform vorgegeben wird, kann der Vermieter eine der üblichen Sicherheiten vorgeben. Aufstockung. Für den Fall der Mieterhöhung in den Grenzen des § 305c BGB regelbar7.

– – –

Höhe (§ 551 Abs. 1 BGB). Nicht mehr als drei Nettomieten, § 551 Abs. 4 BGB (Zusammenrechnung bei mehreren Sicherheiten)8.





Ratenzahlung (§ 551 Abs. 2 BGB). Zwingend, § 551 Abs. 4 BGB; Unwirksamkeit der gesamten Klausel kann jedoch nur angenommen werden, wenn bei Streichung des Gebots zur einmaligen oder früheren Zahlung die Klausel so verändert wird, dass sie keine eigenständige Bedeutung mehr hat9. Übergang auf Erwerber (§ 566a BGB). Nicht zwingend10; Enthaftung des Vermieters durch Überlassung der Kaution an den Erwerber mit Zustimmung des Mieters kann geregelt werden11. Verzinsung (§ 551 Abs. 3 BGB) nicht abdingbar, § 551 Abs. 4 BGB.



fi auch Bürgschaft



216

l Stillschweigende Verlängerung (§ 545 BGB). Die Vorschrift ist abdingbar12, daher ist auch eine

inhaltliche Gestaltung möglich (z.B. Verlängerung der Frist); aber eine Klausel muss klar und verständlich sein (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB), wofür der bloße Hinweis auf § 545 BGB nicht ausreicht13.

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l Streupflicht fi Reinigungspflicht

218

l Tierhaltung fi Gebrauchsrechte/Tierhaltung

219

l Tod des Mieters



Eintrittsrecht (§ 563 ff. BGB) fi Eintrittsrecht



Haftung (§ 563b BGB) fi Haftung des Erben

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13

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LG Darmstadt v. 24.10.1986 – 17 S 11/86, WuM 1987, 315; Harsch, Rz. 239. Langenberg, Schönheitsreparaturen, B Rz. 66 ff. OLG München v. 12.1.1989 – 29 U 2366/88, WuM 1989, 128 (132). Sternel, Mietrecht, III Rz. 275. A.A. Kandelhard, WuM 2002, 302; Lammel, § 551 BGB Rz. 41 (keine spekulativen). A.A. Blank/Börstinghaus, § 551 BGB Rz. 47 m.w.N.: Verstoß gegen § 551 Abs. 4 BGB. Blank/Börstinghaus, § 551 BGB Rz. 36. BGH v. 20.4.1989 – IX ZR 212/88, BGHZ 107, 210. BGH v. 25.6.2003 – VIII ZR 344/02, WuM 2003, 495 = ZMR 2003, 729 = MietRB 2003, 65; BGH v. 3.12.2003 – VIII ZR 86/03, WuM 2004, 147 = NZM 2004, 217 = MietRB 2004, 136; BGH v. 17.3.2004 – VIII ZR 166/03, WuM 2004, 269; BGH v. 30.6.2004 – VIII ZR 243/03, WuM 2004, 473 = NZM 2004, 613 = MietRB 2004, 285. Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 498; Blank/Börstinghaus, § 566a BGB Rz. 7. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 8 Nr. 8. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, NJW 1991, 1750. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290; OLG Frankfurt, WuM 2000, 15; OLG Schleswig, WuM 1996, 85; OLG Hamm, WuM 1983, 48; LG Erfurt v. 29.2.2008 – 2 T 318/07, WuM 2008, 283.

Lützenkirchen

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB



Kündigung des Vermieters – gegenüber dem Eintrittsberechtigten (§ 563 Abs. 4 BGB). Abweichende Vereinbarung ist nicht zulässig, § 563 Abs. 5 BGB. – gegenüber dem Erben ist abdingbar und inhaltlich disponibel.



Kündigungsrecht des Erben (§ 564 BGB) kann auch zugunsten des Vermieters ausgeschlossen oder inhaltlich modifiziert werden1.



Kündigungsrecht des überlebenden Mieters (§§ 563, 563a BGB). Abweichende Vereinbarung zu Lasten des (überlebenden) Mieters unzulässig, § 563a Abs. 3 BGB2; auch testamentarische Verfügungen zugunsten des außerhalb von § 563 BGB stehenden Personenkreises sollen unwirksam sein3; Verlängerung der Überlegungsfrist ist aber zulässig4, nicht jedoch die räumliche Beschränkung auf einen Teil der Mietsache, weil das Gebrauchsrecht des Mieters entgegen § 535 BGB eingeschränkt wird.

l Treppenhausreinigung fi Reinigungspflicht

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l Überlassungsanspruch (§ 535 Abs. 1 BGB) kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden,

221

§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB; eine Klausel, wonach die Übergabe erst nach Zahlung der ersten Miete und ersten Kautionsrate erfolgt, ist aber wirksam5, weil sie nur die Rechtslage wiedergibt. l Unterlassungsanspruch (§ 541 BGB) ist abdingbar; dennoch sind Bestimmungen zu Lasten

222

des Mieters unwirksam, also z.B. ein Unterlassungsanspruch ohne Abmahnung6; es kann z.B. (zu Lasten des Vermieters) zweimalige Abmahnung geregelt werden7 oder eine besondere Form der Abmahnung. l Untervermietung

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Abtretung der Untermiete (§§ 398, 535 BGB). Als Sicherungsmittel schon wegen § 550 BGB bedenklich; muss aber inhaltlich so bestimmt sein, dass ggf. eine Quotelung eindeutig möglich ist8.



berechtigtes Interesse (§ 553 Abs. 1 BGB). Regelungen zum Nachteil des Mieters sind unwirksam, § 553 Abs. 3 BGB; das gilt insbesondere für eine Beschränkung des berechtigten Interesses auf bestimmte Fälle oder eine besondere Form.



Erlaubnis (§ 540 Abs. 1 S. 1, § 553 BGB). § 540 Abs. 1 BGB ist an sich dispositiv9, ein völliger Ausschluss ist jedoch zweifelhaft10; unbedenklich ist aber eine Regelung, die bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der Vermieter die Erlaubnis auf jeden Fall erteilen muss, § 540 Abs. 2 S. 1 BGB; im Übrigen kann zum Nachteil des Mieters nichts geändert werden, § 553 Abs. 3 BGB.



Kündigung (§ 540 Abs. 1 S. 2 BGB). Nicht abdingbar11, da sonst auch (unabdingbares) Kündigungsrecht aus § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB tangiert würde12.



Mieterhöhung (Zuschlag) (§ 553 Abs. 2 BGB) fi Mieterhöhung/bei Aufnahme Dritter in die Wohnung

– –

Verschulden (§ 540 Abs. 2 BGB) fi Haftung für Dritte/Mieter Wichtiger Grund (§ 540 Abs. 2 S. 1, 2. HS BGB). Zugunsten des Mieters sind abweichende Regelungen möglich, § 553 Abs. 3 BGB, also z.B. ein Katalog der Gründe13, die nicht relevant („wichtig“) sein sollen.

1 Palandt/Weidenkaff, § 564 BGB Rz. 3; a.A. Blank/Börstinghaus, § 564 BGB Rz. 43. 2 LG Frankfurt v. 27.2.1990 – 2/13 O 474/89, WuM 1990, 82; Blank/Börstinghaus, § 563a BGB Rz. 27; Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 678. 3 Lammel, § 563a BGB Rz. 20. 4 Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 563a Rz. 28. 5 LG Bonn v. 1.4.2009 – 6 T 25/09, GE 2009, 1191 = ZMR 2009, 529. 6 LG Hamburg v. 14.7.1989 – 74 O 139/89, WuM 1990, 115 (116). 7 Staudinger/Emmerich, § 541 BGB Rz. 8. 8 OLG Hamburg v. 10.12.1997 – 4 U 98/97, WuM 1999, 655 = NJW-RR 1999, 1316. 9 Palandt/Weidenkaff, § 540 BGB Rz. 2. 10 LG München I v. 8.4.1993 – 7 O 15862/92, WuM 1994, 370 (372). 11 BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, WuM 1995, 481; LG Hamburg v. 19.5.1992 – 316 S 320/90, WuM 1992, 689; LG Hamburg v. 14.7.1989 – 74 O 139/89, WuM 1990, 115 (116). 12 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 202; Staudinger/Emmerich, § 540 BGB Rz. 19 f. m.w.N.; a.A. LG Berlin v. 22.8.1996 – 67 T 71/96, MM 1996, 453; Lammel, § 540 BGB Rz. 25. 13 Vgl. Zusammenstellung bei Lützenkirchen, WuM 1990, 413.

Lützenkirchen

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§ 535 BGB 224

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

l Veräußerung (§§ 566 ff., 567, 567a, 577 BGB) fi Eintrittsrecht/Erwerber; ein Veräußerungsverbot

ist möglich, da § 311a BGB nicht gilt; § 567 BGB ist nicht zwingend1.

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l Verjährung (§ 548 BGB). Grundsätzlich disponibel, wie sich schon aus § 202 BGB ergibt2, aber

ungleiche Verlängerung der Verjährungsfrist ebenso unzulässig, § 225 S. 1 BGB3, wie der völlige Verzicht, sich auf die Verjährung zu berufen4. fi auch Rückgabe als Verjährungsbeginn

226

l Verkehrssicherungspflicht (§ 535 BGB) ist grundsätzlich auf den Mieter übertragbar, der Vermieter behält jedoch eine Kontrollpflicht5; ein versteckter Haftungsausschluss zugunsten des Vermieters kann zur Unwirksamkeit der Klausel führen6.

227

l Vermieterpfandrecht (§§ 562 ff. BGB). Das Recht kann ausgeschlossen werden; erfolgt dies

nicht, sind §§ 562 ff. BGB zwingend7; eine Klausel, mit der der Mieter erklärt, dass das eingebrachte Inventar in seinem Eigentum steht, ist unwirksam, § 309 Nr. 12 lit. b BGB.

228

l Verschulden des Mieters (§§ 538, 276 BGB) kann beliebig (mit Ausnahme einer verschuldens-

unabhängigen Haftung) abgeändert werden8 fi auch Haftung für Dritte/Mieter

229

l Verschulden des Vermieters (§§ 276, 278, 536a BGB). Solange Kardinalpflichten (z.B. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB) nicht berührt und die Ausnahmen des § 309 Nr. 7 BGB ausdrücklich geregelt werden, kann Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt werden9.

230

l Vertragsausfertigungsgebühr (§ 535 BGB) fi Abschlussgebühr

231

l Vertragsstrafe (§ 555 BGB) nicht abdingbar zu Lasten des Mieters10.

232

l Vertragswidriger Gebrauch (§§ 535, 541 BGB) fi Gebrauchsrechte und fi Unterlassungs-

233

l Verwendungsersatz (§ 536b Abs. 2 BGB). Die Vorschrift ist nicht zwingend11; in den Grenzen

anspruch des § 555 BGB kann der Anspruch ausgeschlossen oder beschränkt werden12, was das fi Wegnahmerecht unberührt lässt.

234

234a

l Verzug (§ 286 BGB). Soweit die Klausel den Eindruck vermittelt, eine Mahnung sei entbehrlich, liegt ein Verstoß gegen § 309 Nr. 4 BGB vor; Schadenspauschalierungen sind nur unter den Voraussetzungen des § 309 Nr. 5 BGB zulässig. l Vollmachtsklausel vgl. § 542 BGB Rz. 55.

235

l Vorhänge fi Gebrauchsrechte/Dekoration

236

l Vorkaufsrecht (§ 577 BGB). Zum Nachteil des Mieters nicht beschränkbar, § 577 Abs. 5 BGB.

237

l Wärmecontracting fi Contracting

238

l Wartung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Hinsichtlich der technischen Geräte in der Wohnung (z.B.

Thermen) sind entsprechende Kosten nicht ohne Kostengrenze auf Mieter übertragbar13; auch Abschluss von Wartungsverträgen durch den Mieter ist regelbar; die technischen Geräte müssen aber aufgelistet werden.

239

l Waschmaschine fi Haushaltsgeräte

240

l Wegnahmerecht (§§ 539, 552 BGB) kann grundsätzlich nur ausgeschlossen werden, wenn ange-

messener Ausgleich vorgesehen wird (z.B. durch Schiedsgutachterabrede), § 547a Abs. 3 BGB; zulässig ist aber in der Gewwerberaummiete eine Vertragsbestimmung, bei der es sich nicht um einen allgemeinen, sondern nur um einen auf bestimmte Einrichtungsgegenstände beschränkten

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

94

Staudinger/Emmerich, § 567 BGB Rz. 2. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 241 m.w.N. Langenberg, Schönheitsreparaturen, IV. A. Rz. 18; a.A. Kandelhard, NZM 2002, 929 (933). AG Bonn v. 10.7.1980 – 6 C 160/80, WuM 1981, 182. Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1085 ff. m.w.N. OLG Dresden v. 20.6.1996 – 7 U 905/96, WuM 1996, 553. Bub/Treier/v. Martius, III Rz. 858; Schmid, Mietkaution und Vermieterpfandrecht, Rz. 3042, 3104; Palandt/Weidenkaff, § 562 BGB Rz. 4 und § 562b BGB Rz. 4 und § 562c BGB Rz. 1. Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 12; Palandt/Weidenkaff, § 538 BGB Rz. 2. BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, NZM 2002, 116 = WuM 2002, 141 = MDR 2002, 330 mit Anm. Lützenkirchen, MDR 2002, 331. Harz in Schmid, Miete und Mietprozess, 2–111. BGH v. 13.10.1959 – VIII ZR 193/58, NJW 1959, 2163; Palandt/Weidenkaff, § 536a BGB Rz. 7. Staudinger/Emmerich, § 536b BGB Rz. 5. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290 (383).

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

Ausschluss des Wegnahmerechts (hier: Verbesserungen an der Heizungsanlage eines Fabrikgebäudes) handelt1. l Werkdienstwohnung (§§ 576 ff. BGB). Nicht zum Nachteil des Mieters abänderbar, §§ 576

241

l Wertsicherungsklausel (§ 557b BGB) fi Mietänderung/Indexklausel

242

l Widerspruch (§§ 574 ff. BGB) fi Fortsetzungsanspruch

243

l Winterdienst fi Streupflicht

244

l Wohnungsabnahme. Regeln über die Durchführung (Zeit und Abstimmung, Protokollierung)

245

Abs. 2, 576a Abs. 3 BGB2; fi auch Dienstwohnung

können in den Grenzen des § 307 BGB vereinbart werden3. l Wohnungsrückgabe (§ 546 BGB) fi Rückgabe

246

l Zahlungsverzug (§§ 543 Abs. 2 Nr. 3, 569 Abs. 2 BGB). Nicht zum Nachteil des Mieters regelbar,

247

l Zahlungsweise (§§ 535 Abs. 2, 556b Abs. 1 BGB) fi Miete/Zahlungsweise

248

l Zinsen. Fallen unter den pauschalierten Schadensersatz, so dass § 309 Nr. 5 BGB zu beachten

249

§ 569 Abs. 5 BGB, im Übrigen fi Befriedigungsrecht

ist. Danach ist eine Festlegung von pauschal 8 % unwirksam4. l Zurückbehaltungsrecht (§§ 556b Abs. 2, 570, 578 Abs. 1 BGB). Aufrechnung und Räumung; bei der Formulierung sollte klargestellt werden, ob sich die Klausel auch auf das Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB beziehen soll5.

250

l Zustimmung, z.B. zur Erweiterung des vertragsgemäßen Gebrauchs (z.B. Untervermietung oder Tierhaltung). Ihre Wirksamkeit kann nicht von der Schriftform abhängig gemacht wird6.

251

l Zutrittsrecht (§ 535 BGB) fi Besichtigungsrecht

252

l Zwischenvermietung (§ 565 BGB) fi Eintrittsrecht

253

i) Folgen bei Unwirksamkeit von Formularverträgen (§ 306 BGB) Gemäß § 306 BGB tritt grundsätzlich das Gesetz an die Stelle der unwirksamen 254 Klausel. Ist in einem Formularvertrag eine Vielzahl von Bedingungen wegen Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam, ist ausnahmsweise der ganze Vertrag nichtig. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn umfangreiche und für den Vertragsgegner nachteilige, nicht leicht verständliche Bedingungen im Formular so unübersichtlich und ungegliedert aufgeführt sind, dass der Vertragspartner sich vor Unterzeichnung der Urkunde nicht hinreichend über die rechtliche Tragweite der einzelnen Bedingungen klar werden kann7. Allerdings kann sich der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht auf die Unwirksamkeit der von ihm vorformulierten Vertragsbedingungen berufen8. Demnach ist er grundsätzlich an deren Inhalt unabhängig von der Wirksamkeit gebunden. aa) Geltungserhaltende Reduktion Die geltungserhaltende Reduktion einer beanstandeten Klausel ist nach ständiger 255 Rechtsprechung des BGH unzulässig9. Deshalb können unwirksame Formularregelungen nicht auf einen wirksamen Inhalt zurückgeführt werden. Dies trifft z.B. für eine Klausel zu, nach der eine Handlung des Mieters von einer schriftlichen Erlaubnis des Vermieters abhängen soll. Sie ist nicht teilbar in Erlaubnis und Schriftlichkeit 1 2 3 4 5 6 7

BGH v. 14.10.1958 – VIII ZR 155/57, MDR 1959, 36 = NJW 1958, 2109. Staudinger/Emmerich, § 576 BGB Rz. 38, Rz. 17; Palandt/Weidenkaff, Vor § 576 BGB Rz. 3. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 20 Nr. 1. OLG Brandenburg v. 4.7.2012 – 7 U 204/11, GE 2012, 1375. OLG Düsseldorf v. 21.10.1997 – 24 U 223/96, MDR 1998, 588. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381. Insbesondere für Altverträge s. BGH v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, JZ 1969, 334 = JuS 1969, 237. 8 BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718. 9 BGH v. 17.5.1982 – VII ZR 316/81, MDR 1982, 921 = NJW 1982, 2309; BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 342/81, MDR 1983, 574 = NJW 1983, 1320; BGH v. 16.10.1984 – X ZR 97/83, MDR 1985, 228 = NJW 1985, 319; BGH v. 22.6.1988 – VIII ZR 232/87, NJW 1988, 2664; BGH v. 7.6.1989 – VIII ZR 91/88, MDR 1989, 906 = WuM 1989, 324 (327) (für Kleinreparaturklausel).

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

und daher insgesamt unwirksam1. Denn sie kann den vertragstreuen Mieter davon abhalten, sich auf eine mündliche (oder sogar nur in Textform) abgegebene Zustimmung zu berufen. 256 Bei Klauseln, die nach ihrem Inhalt und ihrer sprachlichen Fassung teilbar sind, bezieht sich die Unwirksamkeit aber nur auf den zu beanstandenden Teil der Klausel2. Oftmals wird insoweit der blue-pencil-Test angewendet: Der unwirksame Teil einer Klausel wird durchgestrichen, um zu ermitteln, ob der verbleibende Teil noch einen (wirksamen) eigenständigen Gehalt hat. Sieht z.B. der Formularmietvertrag neben der Vereinbarung der Kautionshöhe in einem weiteren Absatz die Zahlung „mit Abschluss des Mietvertrages“ vor, ist zwar die Fälligkeitsklausel nach § 551 Abs. 4 BGB unwirksam, weil sie die Rechte des Mieters zur Ratenzahlung und Zahlung erst bei Beginn des Mietverhältnisses aus § 551 Abs. 2 BGB unzulässig einschränkt. Bei der aus mehreren separaten Absätzen bestehenden Regelung über eine Kaution handelt es sich aber insgesamt um eine sprachlich und inhaltlich teilbare Formularbestimmung, die aus sich heraus verständlich ist und sich sinnvoll in einen zulässigen (Pflicht zur Kautionserbringung) und einen unzulässigen (Fälligkeitsklausel) Regelungsteil trennen lässt3. 257 Das trifft bei Schönheitsreparaturklauseln nicht zu, weil sie regelmäßig keine unabhängigen Tatbestände regeln, sondern inhaltlich miteinander verbunden sind, indem sie entweder die Verpflichtung inhaltlich gestalten oder aufeinander aufbauen. Nur solche Klauseln, die zwar die Renovierung betreffen, aber selbständige Geltung haben sollen, also die eigentliche Renovierungspflicht des Mieters nicht ergänzen, sondern an ihre Stelle treten, werden nicht in die Gesamtbewertung einbezogen4 und können daher als selbständig angesehen werden. bb) Ergänzende Vertragsauslegung 258 Eine Vertragslücke, die durch die Unwirksamkeit einer Klausel entstanden ist, kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden, wenn konkrete gesetzliche Regelungen zur Ausfüllung der Lücke nicht zur Verfügung stehen und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel nicht zu einer angemessenen, den typischen Interessen des Verwenders und des Kunden Rechnung tragenden Lösung führt5. Das soll z.B. der Fall sein, wenn nach dem 1.9.2001 formularmäßig eine einfache Befristung i.S.v. § 564c BGB a.F. geregelt wurde. Dies verstößt gegen §§ 307, 575 BGB. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung soll die Regelung in einen wirksamen wechselseitigen Kündigungsverzicht geändert werden können6. cc) Schadensersatz 259 Der Verwender unwirksamer AGB ist bei Verschulden gegenüber dem Vertragspartner schadensersatzpflichtig, wenn dieser im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Klausel oder des ganzen Vertrages nutzlose Aufwendungen tätigt7. Er hat dann nämlich

1 BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, MDR 1995, 1115 = NJW 1995, 2034; BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, WuM 1991, 381 (382) = MDR 1991, 628 = ZMR 1991, 290; differenzierend Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. II 263, der von einer Trennbarkeit der Klausel ausgeht, so dass nur das Schriftlichkeitsgebot unwirksam ist. 2 BGH v. 31.10.1984 – VIII ZR 226/83, BB 1985, 689 (690); OLG Stuttgart v. 19.8.1993 – 8 REMiet 2/92, WuM 1993, 528 (Fachhandwerkerklausel). 3 BGH v. 25.6.2003 – VIII ZR 344/02, MDR 2003, 1348 = WuM 2003, 495 = ZMR 2003, 729 = MietRB 2003, 65; vgl. auch BGH v. 3.12.2003 – VIII ZR 86/03, MDR 2004, 565 = WuM 2004, 147 = NZM 2004, 217 = MietRB 2004, 136; BGH v. 17.3.2004 – VIII ZR 166/03, WuM 2004, 269; BGH v. 30.6.2004 – VIII ZR 243/03, MDR 2004, 1107 = WuM 2004, 473 = NZM 2004, 613 = MietRB 2004, 285. 4 Beyer, GE 2007, 122 (124). 5 BGH v. 1.2.1984 – VIII ZR 54/83, MDR 1984, 750 = DB 1984, 657; BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, WuM 1985, 47; OLG Düsseldorf v. 23.3.2000 – 10 U 160/97, ZMR 2000, 452. 6 Derleder, NZM 2001, 1025 (1026). 7 BGH v. 14.6.1994 – XI ZR 210/93, MDR 1994, 1204 = NJW 1994, 2754; OLG Köln v. 16.2.1995 – 7 U 100/94, NJW-RR 1995, 1333.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

seine vorvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber dem anderen Teil verletzt, §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB. Das kann z.B. zutreffen, wenn der Mieter einer Wohnung aufgrund einer unwirksamen Formularklausel einen Versicherungsvertrag (z.B. über Glasbruch) eingeht. Auch die Renovierung durch den Mieter ohne (wirksame) Verpflichtung, weil die Renovierungsklausel unwirksam ist, fällt grundsätzlich darunter. Für das notwendige Verschulden ist darauf abzustellen, ob für den Vermieter bei 260 Abschluss des Vertrages bei gehöriger Sorgfalt der Unwirksamkeitsgrund vorhersehbar war1. Insoweit soll es dem Vermieter nicht als Verschulden angelastet werden können, wenn er im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht erkannt hat, dass nach der außerhalb des Mietrechts ergangenen Rechtsprechung des BGH2 handschriftlich hinzugesetzte Regelungen als vorformulierte Vertragsbestimmungen i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB zu werten sein können mit der Folge, dass ihre Wirksamkeit strengeren Anforderungen unterliegt. j) Unterlassungsklage Nach § 1 UKlaG kann der Verwender und der Empfehler von AGB, die den §§ 307–309 261 BGB widersprechen, auf Unterlassung und im Fall des Empfehlens auch auf Widerruf der Empfehlung in Anspruch genommen werden. Passivlegitimiert sind Verwender und Empfehler. Verwender ist nur, wer als Partei 262 durch Einbeziehung der beanstandeten Klausel den Vertrag geschlossen hat oder beabsichtigt, ihn zu schließen. Für das Empfehlen muss der Kläger darlegen und beweisen, dass der Beklagte die beanstandete Klausel mehr als einem potentiellen Verwender zur Verwendung im rechtsgeschäftlichen Verkehr anempfohlen hat3. Deshalb ist auf jeden Fall Empfehler, wer Mietvertragsformulare vertreibt4 oder als Herausgeber solche Formulare in Zeitschriften als mögliche Vertragsgestaltung darstellt. Passivlegitimiert sind dabei insbesondere Verbände oder Vereine. Die Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümerverbände empfehlen ihren Mitgliedern regelmäßig die von ihnen erstellten Musterverträge5. Aktivlegitimiert sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 UKlaG rechtsfähige Ver- 263 bände, zu deren satzungsgemäßen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend wahrzunehmen, wenn sie mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder oder mindestens zwei in dem Aufgabenbereich tätige Verbände als Mitglieder haben und seit mindestens einem Jahr bestehen. Insoweit streitet gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 UKlaG eine unwiderlegliche Vermutung dafür, dass Verbraucherverbände diese Voraussetzungen erfüllen, wenn sie mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. Klagebefugt sind daher insbesondere örtliche Mietervereine und die Verbände von Haus und Grund. Das Verfahren selbst richtet sich nach der ZPO, wobei sich die Zuständigkeit gemäß 264 § 6 UKlaG danach bestimmt, wo der Beklagte seine gewerbliche Niederlassung hat. Sachlich ist das Landgericht zuständig. Das Verfahren ist auf Unterlassung oder Widerruf der Empfehlung (§ 9 UKlaG) ge- 265 richtet. Im Klageantrag muss der Wortlaut der beanstandeten Bestimmung und die Bezeichnung der Art der Rechtsgeschäfte, für die die Bestimmung beanstandet wird, enthalten zu sein (§ 8 UKlaG).

1 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = WuM 2009, 395 = GE 2009, 901. 2 Vgl. BGH v. 10.3.1999 – VIII ZR 204/98, BGHZ 141, 108, 110 f. = MDR 1999, 666; BGH v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, MDR 2005, 1214 = WPM 2005, 1373 (unter II 2a). 3 BGH v. 19.9.1990 – VIII ZR 239/89, BGHZ 112, 204, 209. 4 OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (104). 5 Vgl. z.B. BGH v. 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, NZM 1998, 710.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

266 Im Rahmen des Verfahrens werden die beanstandeten Klauseln nach dem Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung1 und vor allem dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB gemessen. Für die kundenfeindlichste Auslegung muss der für den Verbraucher ungünstigste Fall ermittelt werden, der noch vom Wortlaut der Klausel gedeckt ist. Anhand dieses Falls wird die Wirksamkeit nach den §§ 307 ff. BGB überprüft2. 267 Sind der Verwender oder Empfehler rechtskräftig zur Unterlassung oder zum Widerruf verurteilt worden und ergeht eine Entscheidung des BGH oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, die der Entscheidung entgegensteht, kann nach § 10 UKlaG im Wege der Vollstreckungsgegenklage vorgegangen werden. 9. Vertragsänderungen 268 Änderungen des Mietvertrags sind in verschiedener Form denkbar. Neben der Ergänzung einzelner Vertragsbestimmungen kommt eine inhaltliche Änderung in Betracht. Auch der gewillkürte Parteiwechsel stellt eine Änderung des Mietvertrages dar. 269 Inhaltlich gelten die gleichen Anforderungen wie bei Abschluss des Mietvertrages (vgl. § 535 BGB Rz. 20). Voraussetzung ist ein deutlicher Änderungswille der Parteien. Allein weil der Vermieter z.B. eine geänderte Nutzung durch den Mieter zur Kenntnis nimmt, besteht ein solcher Änderungswille nicht. Vielmehr muss der Vermieter zu verstehen geben, dass das Verhalten des Mieters auch für die Zukunft als vertragsgemäß gelten soll. 270 Soweit die Parteien die Änderung mündlich oder schriftlich fassen, können zur Auslegung sämtliche Umstände herangezogen werden, die bei Abschluss der Änderungsvereinbarung bestanden. Dabei muss insbesondere erwogen werden, ob die Parteien tatsächlich eine Änderung des Mietvertrages oder den Abschluss eines neuen Mietvertrages (Novation) beabsichtigt haben. Bei der Abgrenzung zwischen einer Vertragsänderung – die auch die Hauptleistungspflichten, z.B. in Form eines Austauschs des Mietobjektes betreffen kann3 – und einer Novation ist durch Auslegung zu ermitteln, was die Parteien im Einzelfall gewollt haben4. Bei der Auslegung ist die anerkannte Auslegungsregel zu beachten, dass bei der Feststellung des Willens der Parteien, das alte Schuldverhältnis aufzuheben und durch ein neu begründetes Rechtsverhältnis zu ersetzen, große Vorsicht geboten ist und von einer Novation nur ausnahmsweise ausgegangen werden darf, sofern die Parteien einen solchen Willen unzweifelhaft zum Ausdruck bringen5. Im Zweifel ist daher nur von einer Vertragsänderung auszugehen6. Dies führt oftmals zu Beweislastentscheidungen. Die Beweislast trägt insoweit derjenige, der sich auf die Novation beruft. Zieht z.B. der Mieter im Zuge einer geplanten umfassenden Modernisierung in eine andere Wohnung im 1 BGH v. 5.4.1984 – II ZR 2/83, BGHZ, 91, 55, 61; BGH v. 1.4.1992 – XII ZR 100/91, MDR 1992, 643. 2 Bisherige Verbandsklagen im Mietrecht: z.B. BGH v. 6.10.2010 – VIII ZR 183/09, MDR 2010, 1373 = MietRB 2011, 38 = WuM 2010, 685 = GE 2010, 1615 = NZM 2010, 855; BGH v. 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, NZM 1998, 710; BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = WuM 1993, 109; BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381; OLG Brandenburg v. 12.5.2004 – 7 U 165/03, WuM 2004, 597 = NZM 2004, 905; OLG Frankfurt v. 25.9.1997 – 1 U 41/96, WuM 1997, 609; OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56; OLG Hamburg v. 10.4.1991 – 5 U 135/90, WuM 1991, 385; OLG München v. 2.5.1991 – 29 U 6529/90, WuM 1991, 388; OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103; OLG München v. 12.1.1989 – 29 U 2366/88, WuM 1989, 128; LG Hannover v. 5.7.1988 – 14 O 185/88, WuM 1988, 259; LG München I v. 14.1.1988 – 7 O 17175/87, WuM 1988, 145; LG Frankfurt v. 27.2.1990 – 2/13 O 474/89, WuM 1990, 271. 3 BGH v. 22.6.2010 – VIII ZR 192/09, WuM 2010, 565; BGH v. 26.2.1992 – XII ZR 129/90, NJW 1992, 2283 (unter II 3); Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rz. 3. 4 BGH v. 5.10.2010 – VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156 Rz. 21; BGH v. 26.10.2010 – XI ZR 367/07, NJWRR 2011, 403 Rz. 28, jeweils m.w.N. 5 BGH v. 26.10.2010 – XI ZR 367/07, NJW-RR 2011, 403; BGH v. 22.6.2010 – VIII ZR 192/09, WuM 2010, 565; BGH v. 14.11.1985 – III ZR 80/84, NJW 1986, 1490 (unter I 3a), jeweils m.w.N. 6 BGH v. 5.10.2010 – VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156; BGH v. 22.6.2010 – VIII ZR 192/09, WuM 2010, 565.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

gleichen Haus, muss der Vermieter darlegen und beweisen, dass die Parteien anlässlich des Umzugs des Mieters nicht nur einen Austausch des Mietobjektes vereinbart haben, sondern darüber hinaus ein neuer Mietvertrag abgeschlossen wurde1. Soweit die Änderung durch schlüssiges Verhalten zustande gekommen sein soll, 271 reicht ein mehrfacher Leistungsaustauch auf der geänderten Basis nicht aus. Vielmehr müssen die Parteien auch erkennen können, dass der jeweils Andere eine Änderung der Vertragsgrundlage herbeiführen will bzw. wollte2. Das ist z.B. der Fall, wenn der Mieter dem Vermieter eine Reduzierung der Miete anzeigt, weil durch den Auszug eines Mitmieters nur noch eine geringere Fläche genutzt wird und der Mieter annimmt, dass sich die Miete entsprechend reduziert nachdem sie sich zuvor beim Zuzug des Mitmieters entsprechend erhöht hatte. Liegt ein unter § 550 BGB fallender Vertrag vor, führen mündliche oder schlüssige 272 Änderungen in der Regel zu einem Formfehler. Deshalb ist im Zweifel anzunehmen, dass die abweichende Praxis vertraglich erst relevant werden sollte, wenn sie in der Form des § 550 BGB beurkundet ist. II. Parteien des Mietvertrages 1. Vermieter a) Stellung als Vertragspartner Vermieter kann jede natürliche oder juristische Person sein. Ist der Vermieter im 273 Vertrag nicht ausreichend bestimmt bezeichnet, besteht ein Auskunftsanspruch3. Im Übrigen ist bei mehrdeutiger Bezeichnung die Person im Zweifel durch sachgerechte Auslegung zu ermitteln4. Dabei müssen auch die Belange des Mieters berücksichtigt werden, der z.B. wegen Investitionen in beachtlicher Höhe ein besonderes Interesse daran hat, wegen § 566 BGB gerade mit dem Eigentümer einen Vertrag zu schließen5. Im Verhältnis der Parteien ist derjenige Vermieter, der die Mietsache i.S.v. § 535 274 Abs. 1 BGB überlässt. Das Gesetz macht in §§ 566, 567 BGB deutlich, dass unterschiedliche dingliche Berechtigungen des Vermieters am Grundstück in Betracht kommen. Indessen ist eine dingliche Berechtigung nicht notwendige Voraussetzung für die Stellung als Vermieter. Vielmehr kommt auch eine bloße schuldrechtliche Befugnis zur Überlassung an Dritte in Betracht (z.B. Unter- oder Weitervermietung, §§ 540, 553, 565 BGB). Die Rechte aus dem Mietvertrag sind weder für den Vermieter noch den Mieter von 275 anderer Qualität, wenn der Vermieter zugleich am Grundstück dinglich berechtigt ist. Zwar kann der Vermieter, der Eigentümer ist, nach Ablauf der Mietzeit möglicherweise auch Ansprüche aus den §§ 985 ff. BGB geltend machen. Für die Dauer des Mietvertrages bestimmen sich aber die Rechte der Parteien allein nach dem Mietvertrag, also den schuldrechtlichen Beziehungen. Leitet der Vermieter sein Recht zur Überlassung von einem Eigentümer ab, entste- 276 hen zwischen Mieter und Eigentümer keine unmittelbaren Ansprüche aus dem Mietverhältnis6, wohl aber können nach der Überlassung der Mietsache Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis erwachsen. Unter Umständen kann sich auch ein Kündigungsschutz ergeben (vgl. § 565 BGB Rz. 4). aa) Minderjährige als Vertragspartner Der von einem Minderjährigen i.S.d. § 106 BGB abgeschlossene Mietvertrag bleibt 277 bis zur Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, die auch konkludent erfolgen kann, schwebend unwirksam (§ 107 BGB), soweit die Verträge nicht unter § 110 BGB fallen. 1 2 3 4 5 6

BGH v. 21.11.2012 – VIII ZR 50/12, GE 2013, 113. BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 279/06, WuM 2007, 694. AG Ludwigsburg v. 27.4.2005 – 5 C 80/05, WuM 2010, 446. BGH v. 2.6.2010 – XII ZR 110/08, ZMR 2010, 844 = GE 2010, 973 = NZM 2010, 704. BGH v. 11.4.2012 – XII ZR 48/10, WuM 2012, 323 (324). BGH v. 10.12.1957 – VIII ZR 276/56, NJW 1958, 380.

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Unabhängig davon, ob der Minderjährige Vermieter oder Mieter ist, bedarf der gesetzliche Vertreter bei Verträgen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr der Genehmigung des Familiengerichts (§ 1643 BGB i.V.m. § 1822 Nr. 5 BGB). 278 Ein ohne Zustimmung des Familiengerichts geschlossener Vertrag ist gemäß § 139 BGB für die Zeit bis zum Eintritt der Volljährigkeit wirksam, wenn anzunehmen ist, dass die Vertragsparteien den Vertrag auch für diesen Zeitraum abgeschlossen hätten1. Im Einverständnis des gesetzlichen Vertreters mit dem Führerscheinerwerb liegt in der Regel nicht zugleich die allgemeine Zustimmung zur Anmietung eines Kfz/Kraftrades durch den Minderjährigen2. Demgegenüber wird bei einem minderjährigen Ehepartner in der Zustimmung zur Eheschließung auch eine generelle Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zum Abschluss eines Wohnraummietvertrags im angemessenen Rahmen zu sehen sein3. bb) Gesellschaften als Vertragspartner 279 Die OHG, die KG und die Partnerschaftsgesellschaft können, da sie – ohne bereits juristische Person zu sein – unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen können (§§ 105, 124, 161 HGB und § 7 II PartGG), Mietverträge abschließen. Das Gleiche gilt für AG und GmbH sowie den eingetragenen Verein4. Auch die Außen-GbR5, nicht aber eine Erbengemeinschaft6, kann eigene Rechte und Pflichten begründen und damit Mietvertragspartei sein7. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn die GbR als solche im Mietvertag bezeichnet ist. Für die Verbindlichkeiten aus den Mietverträgen haften die Gesellschafter wie die persönlich haftenden Gesellschafter bei oHG und KG gegenüber dem Mietvertragspartner unmittelbar neben der Gesellschaft als Gesamtschuldner. 280 Auch der nicht rechtsfähige Verein, der nach § 50 Abs. 2 ZPO prozessual passivlegitimiert sein kann, kann unter seinem Namen Mietverträge abschließen8. Die gesamtschuldnerische Haftung der Vereinsmitglieder ergibt sich aus §§ 427, 714 BGB. Zumeist wird die Haftung der einzelnen Mitglieder jedoch in der Satzung auf ihren Anteil am Vereinsvermögen beschränkt sein9. Unabhängig davon kommt eine Nachhaftung auch für den Vorstand nach seinem Ausscheiden in Betracht10, wenn er den Mietvertrag unterschrieben hat. Denn die Personen, die für einen nicht rechtsfähigen Verein handeln, haften in der Regel für die durch sie begründeten Verbindlichkeiten11. cc) Öffentlich-rechtliche Körperschaften als Vertragspartner 281 Eine Gemeinde oder sonstige Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ebenso geeignet, als Mietpartei aufzutreten. Ein Mietvertrag, der von einem Bürgermeister als dem sowohl nach außen zur Vertretung der Gemeinde Berechtigten als auch intern für die Willensbildung zuständigen Organ unter Hinzusetzen seiner Amtsbezeichnung unterzeichnet wird, ist wirksam, selbst wenn es an der nach der Gemeindeordnung (hier: § 62 Abs. 1 KSVG) notwendigen Beifügung des Dienstsiegels fehlt12.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

BGH v. 7.2.1962 – VIII ZR 161/61, NJW 1962, 734. BGH v. 19.6.1973 – VI ZR 95/71, NJW 1973, 1790. MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 37. LG Berlin v. 9.9.2011 – 63 S 605/10, GE 2011, 1484. BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = NJW 2001, 1056; zur Frage der Rubrumsberichtigung s. BGH v. 15.1.2003 – XII ZR 300/99, MDR 2003, 591 = NJW 2003, 1043. BGH v. 17.10.2006 – VIII ZB 94/05, MDR 2007, 340 = MietRB 2007, 29 = WuM 2006, 695. Näheres bei Krämer, NZM 2002, 465 ff.; Jacoby, ZMR 2001, 409 ff. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 32. Vgl. RG v. 18.1.1934 – IV 369/33, RGZ 143, 216. AG Charlottenburg v. 10.10.2011 – 213 C 98/11, GE 2013, 126. BGH v. 21.5.1957 – VIII ZR 202/56, NJW 1957, 1186. OLG Saarbrücken v. 3.3.2011 – 8 U 262/10, ZMR 2011, 720.

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dd) Mehrere Personen als Vermieter Vermieten mehrere Miteigentümer die Mietsache, ohne eine gemeinsame Zweckver- 282 folgung i.S.d. GbR zu betreiben, bilden sie in aller Regel eine Bruchteilsgemeinschaft i.S.d. § 741 BGB1. In diesem Fall sind sie Mitgläubiger i.S.d. § 432 BGB2 mit der Folge, dass der Mieter befreiend nur an alle Vermieter leisten kann3. Der einzelne Mitvermieter kann nur Leistung an alle verlangen und ist nicht befugt, die Miete anteilig einzuziehen oder zu verpfänden, noch kann sein Gläubiger einen solchen Anteil pfänden4. Der Mieter kann mit befreiender Wirkung auch nur an alle Vermieter gemeinschaftlich leisten. Mangels Aufrechnungslage kann der Mieter gegenüber der Mietforderung nicht mit Forderungen gegen einzelne Vermieter aufrechnen. Gleiches gilt gemäß § 2039 BGB für die Erbengemeinschaft. Aus § 2038 Abs. 1 BGB er- 282a gibt sich im Übrigen, dass die Verwaltung des Nachlasses den Erben gemeinschaftlich zu steht. Treffen die Erben keine gemeinsamen Bestimmungen, kann durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinsamen Gegenstandes entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung beschlossen werden, § 2038 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 745 Abs. 1 S. 1 BGB. Sind nur zwei Teilhaber vorhanden und die Anteile verschieden groß, hat der eine von vornherein die Mehrheit. Dadurch wird das Mehrheitsprinzip aber nicht außer Kraft gesetzt5. Zur Verwaltung einer gemeinschaftlichen Forderung kann deren Einziehung gehören6. Die Einziehung kann einem Verwalter übertragen werden7. Ebenso steht es den Gemeinschaftern frei, einen Teilhaber mit der Einziehung einer Nachlassforderung zu betrauen. Auch insoweit kann die Ermächtigung zur Einziehung der Forderung durch Stimmenmehrheit gemäß § 745 Abs. 1 BGB erteilt werden, sofern dies einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht8. Aus dem gleichen Grund ist eine mehrheitlich beschlossene und ausgesprochene Kündigung eines Mietverhältnisses wirksam9. Ob alle als Vermieter angegebenen Personen tatsächlich Vertragspartei werden soll- 282b ten bzw. geworden sind, kann zweifelhaft sein. Dies gilt insbesondere, wenn im Rubrum des Mietvertrages mehr Personen genannt sind als Unterschriften vorhanden sind. Insoweit muss der Vertrag ggf. sachgerecht ausgelegt werden10. Das kann dazu führen, dass das Interesse des Mieters, wegen seiner Investitionen abgesichert zu sein, maßgeblich ist und daher von dem Grundsatz auszugehen ist, dass im Zweifel der/die Personen Vermieter werden sollen, die im Grundbuch als Eigentümer eingetragen sind11. Denn nur in diesem Fall kann der Mietvertrag nach § 566 BGB auf einen Erwerber übergehen. Dennoch sind vorrangig und maßgeblich die Umstände des Einzelfalles. Dabei ist insbesondere zu ermitteln, inwieweit sich eine Vertretung aus den Umständen ergibt, § 164 Abs. 1 S. 2 BGB. Auch das Verhalten der Parteien bei früheren Verträgen kann zur Auslegung herangezogen werden. ee) Handeln des Hausverwalters Da Stellvertretung bei Abschluss des Mietvertrages zulässig ist, kann sich der Ver- 283 mieter durch seinen Hausverwalter vertreten lassen. Dabei entstehen solange keine Probleme, wie die Stellung des Hausverwalters als Vertreter aus dem Vertrag eindeutig hervorgeht bzw. bei Abschluss des Vertrages durch Nennung der Person des Vermieters deutlich wird. Ein solches Vorgehen kann sogar dazu führen, dass die Wir-

1 BGH v. 7.10.1986 – IX R 167/83, DWW 1987, 170. 2 BGH v. 11.7.1958 – VIII ZR 108/57, NJW 1958, 1723; OLG München v. 15.1.1998 – 19 U 5142/97, NZM 1998, 474. 3 BGH v. 29.1.1969 – VIII ZR 20/67, NJW 1969, 839. 4 BGH v. 29.1.1969 – VIII ZR 20/67, NJW 1969, 839. 5 Staudinger/Langhein, § 745 BGB Rz. 15 m.w.N. 6 MünchKomm/K. Schmidt, §§ 744, 745 BGB Rz. 5 m.w.N. 7 BGH v. 14.3.1983 – II ZR 102/82, WPM 1983, 604. 8 BGH v. 19.9.2012 – XII ZR 151/10, GE 2012, 1700. 9 BGH v. 20.10.2010 – XII ZR 25/09, MDR 2010, 1442 = ZMR 2011, 202 = NZM 2011, 73. 10 Zur Auslegung vgl. Vor § 535 BGB Rz. 151 ff. 11 BGH v. 2.6.2010 – XII ZR 110/08, GE 2010, 973.

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kungen des § 174 S. 2 BGB herbeigeführt werden. Denn wird der Mietvertrag schon durch den Hausverwalter geschlossen, ohne dass im Laufe der Zeit Bedenken an seiner Vollmacht zutage treten, kann dies auch als ausreichende Mitteilung der Bevollmächtigung im Hinblick auf Willenserklärungen (z.B. Kündigung) angesehen werden, die den Bestand des Mietvertrages betreffen1. 284 Problematisch ist die Rechtslage, wenn der Abschluss eines Vertrages durch einen Hausverwalter ohne ausdrückliche Angabe des Namens des Eigentümers erfolgt. Dies soll nach einer Auffassung nicht die Annahme rechtfertigen, der Hausverwalter habe als Vertreter des Eigentümers gehandelt2. Andererseits soll es zur Bindung des Eigentümers ausreichen, wenn die Hausverwaltung mit dem Zusatz „bevollmächtigt“ aufgeführt ist3. Dabei wird übersehen, dass der Wille, in fremdem Namen zu handeln, sich auch aus den Umständen ergeben kann (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB). Beim Abschluss eines Vertrags über das Aufstellen von Trocknungsgeräten in einem Wohnhaus macht der Hinweis auf die Tätigkeit nach der allgemeinen Verkehrsanschauung deutlich, dass der Verwalter nicht im eigenen, sondern in fremdem Namen handeln wollte4. Für einen Mietvertrag können grundsätzlich keine anderen Regeln gelten, zumal der Abschluss zum Kerngeschäft des Hausverwalters gehört. Handelt der Verwalter also im Rahmen von typischen Aufgaben eines Hausverwalters erkennbar nicht für sich selbst, ist im Zweifel der Auftraggeber Vertragspartei, also der Vermieter5. b) Handeln im Rechtsverkehr 285 Rechtserhebliche Erklärungen (insbesondere bei Vertragsabschluss, -änderung, -aufhebung, Kündigung6; vgl. auch § 542 BGB Rz. 49 f.) können grundsätzlich nur durch alle Vermieter abgegeben werden. Eine Stellvertretung im Sinne der §§ 164 ff. BGB ist zulässig, muss aber erkennbar sein. 286 Bei Erben- oder Bruchteilsgemeinschaften ist die Vermietung Verwaltungshandlung, die durch Mehrheitsbeschluss und dann durch die Mehrheit auch in Vertretung für die Minderheit erfolgen kann7. Gehören Minderjährige zu den Miteigentümern, ist die familiengerichtliche Genehmigung (§§ 1822 Nr. 5, 1643 BGB) nur dann erforderlich, wenn sie zu der Mehrheit gehören, die den Vertrag schließt8. Aus dem nur mit einem Miteigentümer geschlossenen Vertrag kann der Mieter kein Besitzrecht i.S.v. § 986 BGB gegenüber den übrigen Miteigentümern herleiten. 287 Steht auf der Vermieterseite eine Außen-GbR (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 1008), sind die §§ 709, 714 BGB zu beachten. Danach besteht grundsätzlich eine Gesamtvertretung durch alle Geschäftsführer/Gesellschafter. Handeln nicht alle Gesellschafter, ist schon wegen der fehlenden Registerpublizität § 174 BGB bei einer Vertretung anwendbar9. Dies gilt trotz der Grundbuchfähigkeit der GbR10. Haben sich demgegenüber die mehreren Personen lediglich zu einer Innen-GbR, also zu einer GbR, die nach dem Willen ihrer Gesellschafter nicht am Rechtsverkehr teilnehmen soll, zusammengeschlossen und schließen sie den Mietvertrag in ihrem eigenen Namen ab, sind sie persönlich aus dem Mietvertrag berechtigt und verpflichtet. 1 Vgl. OLG Frankfurt v. 17.3.1995 – 10 U 98/94, NJW-RR 1996, 10; s. auch LAG Berlin v. 12.11.1998 – 13 Sa 96/98, GE 1999, 581. 2 KG v. 11.7.1983 – 12 U 506/83, MDR 1983, 1023; KG v. 8.9.1997 – 8 W 6047/97, MDR 1998, 529; OLG Düsseldorf v. 7.1.2003 – 24 U 75/02, MDR 2003, 385 = ZMR 2003, 351. 3 LG Berlin v. 28.8.1987 – 64 S 483/86, MDR 1988, 54. 4 BGH v. 8.1.2004 – VII ZR 12/03, MietRB 2004, 213 = MDR 2004, 743 = NZM 2004, 559 = GuT 2004, 94; OLG Brandenburg v. 18.9.1996 – 3 U 99/96, ZMR 1997, 598 mit Anm. Lützenkirchen, WuM 1998, 127 (128). 5 Eupen, MietRB 2004, 298. 6 BGH v. 27.11.1985 – VIII ZR 316/84, MDR 1986, 401 = NJW 1986, 918. 7 BGH v. 29.3.1971 – III ZR 255/68, NJW 1971, 1265; BGH v. 3.3.1954 – VI ZR 259/52, NJW 1954, 953. 8 Schopp, ZMR 1961, 345. 9 BGH v. 9.11.2001 – LwZR 4/01, MDR 2002, 269. 10 BGH v. 4.12.2008 – V ZB 74/08, NJW 2009, 594; OLG Brandenburg v. 7.10.2010 – 5 Wx 77/10, GE 2010, 1618.

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Mehrere Vermieter haften für alle Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag als Gesamt- 288 schuldner (§ 427 BGB). Ist eine Außen-GbR Vermieterin, haftet die Gesellschaft mit ihrem Vermögen für die Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag, aber auch ihre Gesellschafter persönlich – akzessorische Gesellschafterhaftung1. Die persönliche Haftung eines GbR-Gesellschafters kann durch Individualabrede auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt werden2, was auch bei der Wohnraummiete zulässig ist. Der ausscheidende GbR-Gesellschafter haftet gemäß §§ 736 Abs. 2 BGB, 160 HGB für 289 die Dauer von fünf Jahren. Schon der Wortlaut macht deutlich, dass sich die Nachhaftung auf alle in dem Fünfjahreszeitraum fällig werdenden Forderungen bezieht, die ihre Grundlage im Mietvertrag haben (z.B. Mietzahlungsansprüche, Betriebskostennachforderungen). Denn sie sind mit dem Abschluss des Mietvertrages entstanden3. 2. Mieter a) Stellung als Vertragspartei Als Mieter wird im Verhältnis der Vertragsparteien derjenige bezeichnet, der den 290 Überlassungsanspruch nach § 535 Abs. 1 BGB geltend machen kann und die Miete nach § 535 Abs. 2 BGB schuldet. Als Mieter kommen grundsätzlich die gleichen Personen in Betracht wie auf Vermieterseite. Ist der Mieter eine juristische Person, kommt Wohnraummietrecht nur zur Anwen- 291 dung, wenn dies von den Parteien vereinbart ist. Denn die juristische Person kann nicht wohnen, so dass der Inhalt des Vertrages auf Weitervermietung als Wohnraum oder eine sonstige gewerbliche Nutzung gerichtet ist. Eine abweichende Vereinbarung muss eindeutig sein. Das ist noch nicht der Fall, wenn im Mietvertrag zur Mieterhöhung auf die §§ 558 ff. BGB verwiesen wird4. aa) Personelle Teilidentität zwischen Vermieter und Mieter Der Annahme eines Mietvertrages steht es nicht entgegen, wenn die Personen auf 292 Vermieter- und Mieterseite teilidentisch sind. Das ist z.B. bei der Vermietung an einen Miteigentümer durch die Miteigentümergemeinschaft der Fall5, aber auch bei einer entgeltlichen Gebrauchsüberlassung durch einen Erbbauberechtigten an einen weiteren Erbbauberechtigten und dessen Ehefrau6. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass sich Gewährleistungsansprüche teilweise gegen den „Mieter“ selber richten oder eine Pflicht besteht, einen Teil der Kosten zu tragen, selbst wenn nur eine reduzierte Miete gezahlt wird. bb) Mehrere Personen als Mieter Ob mehrere Personen tatsächlich alle Mieter sind, kann zweifelhaft sein, wenn nach 293 dem übereinstimmenden Willen der Parteien der weitere Mieter die Räume nicht nutzen sollte, sondern lediglich zur Absicherung als Partei auf Mieterseite mitunterschrieben hat. Hierdurch kann z.B. ein Schuldbeitritt herbeigeführt werden7. Das wiederum ist für die formelle Abwicklung des Mietvertrages maßgeblich, weil nur der Mieter z.B. kündigen muss oder Empfänger der Willenserklärungen des Vermieters ist.

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BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = NJW 2001, 1056. BGH v. 24.11.2004 – XII ZR 113/01, NZM 2005, 218. KG v. 15.9.2005 – 8 U 6/05, ZMR 2005, 952. KG v. 12.9.2011 – 8 U 141/11, MietRB 2011, 375 = GE 2011, 1484. BGH v. 11.9.2000 – II ZR 324/98, MDR 2001, 151 = ZMR 2001, 90 (92) = NZM 2001, 45 (unter II 1b); BGH v. 15.9.1997 – II ZR 94/96, MDR 1998, 95 = NJW 1998, 372 (unter I); BGH v. 17.12.1973 – II ZR 59/72, NJW 1974, 364 (unter II 2b); BGH v. 8.1.1969 – VIII ZR 184/66, WPM 1969, 298 (unter 1b). 6 Vgl. BGH v. 15.9.2010 – VIII ZR 16/10, MDR 2010, 1306 = ZMR 2011, 109. 7 LG Lübeck v. 25.3.2010 – 14 S 146/09, ZMR 2010, 857.

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294 Bei der Ermittlung der Person des Mieters sind grundsätzlich die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dabei muss im Zweifel angenommen werden, dass der im Rubrum als solcher bezeichnete Mieter, der den Vertrag nicht unterschrieben hat, im Zweifel nicht Vertragspartei werden sollte. Deshalb werden im Rubrum auf Mieterseite aufgeführte Kinder des unterschreibenden Mieters nicht Partei des Mietvertrages, wenn sie keine Unterschrift geleistet haben und auch während der Mietzeit bisher nicht als Vertragspartei in Erscheinung getreten sind1. 295 Der Ehegatte des Mieters, der im Rubrum nicht als Mietpartei aufgeführt ist, erlangt allein durch Unterschrift unter den Mietvertrag noch nicht die Stellung eines Mitmieters2. Bei Ehegatten, die im Passivrubrum (Mieterseite) als solche bezeichnet sind, von denen jedoch nur einer in Abwesenheit des anderen den Mietvertrag unterschreibt, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass beide Eheleute durch den Mietvertrag gebunden sind3. Dies gilt umso mehr, als der Abschluss eines Mietvertrages kein Geschäft des täglichen Lebens i.S.v. § 1357 BGB darstellt4. 296 Ob der eine Ehepartner den anderen bei Abschluss des Mietvertrages vertritt, ist eine Frage des Einzelfalles und setzt insbesondere einen übereinstimmenden Parteiwillen voraus5. Insoweit kann auch darauf zurückgegriffen werden, inwieweit bei anderen Verträgen eine Vertretung der Ehepartner in der Vergangenheit in gleicher Weise stattgefunden hat6. Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass der Ehepartner, der den Vertrag nicht unterschreibt, auch nicht Vertragspartner werden will. Dafür spricht schon die Interessenlage: Denn der Ehepartner hat gegen seinen Ehegatten aus der ehelichen Gemeinschaft einen Anspruch auf Unterbringung, nach der Trennung kann er nach § 1568a BGB vorgehen und beim Tod des Ehegatten ergeben sich seine Rechte aus § 563 Abs. 1 BGB, mithin ist er ausreichend abgesichert. War der andere Ehegatte aber durch Ortsabwesenheit an der Unterschrift gehindert und hatte er vor der Unterschrift seines Ehepartners Kenntnis vom Inhalt des Mietvertrages, ist im Zweifel anzunehmen, dass er Mieter werden sollte und der Ehepartner in seinem Auftrag (mit-)unterschrieben hat. 297 Das Innenverhältnis unter Eheleuten, die gemeinsam eine Wohnung anmieten, richtet sich nach familienrechtlichen Grundsätzen7. Auf die Auseinandersetzung über die Wohnung nach der Ehescheidung findet § 1361b BGB Anwendung. 298 Partner einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG sind wie Eheleute zu behandeln. Ein Lebenspartner gilt nach § 11 Abs. 1 LPartG als Familienangehöriger, soweit nichts anderes bestimmt ist, und gemäß § 11 Abs. 2 LPartG als mit den Verwandten des Lebenspartners verschwägert. 299 Mieten Mitglieder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ihre Wohnung gemeinsam als Einzelpersonen an, liegt in der Regel im Innenverhältnis eine GbR vor8. Bei Beendigung der Lebensgemeinschaft kann, falls anderes nicht vereinbart ist, grundsätzlich jeder der beiden Partner von dem anderen die Mitwirkung bei der Beendigung des Mietvertrags verlangen9.

1 LG Berlin v. 25.1.2011 – 65 S 173/10, GE 2011, 411. 2 LG Berlin v. 11.9.1987 – 64 S 141/87, ZMR 1988, 103. 3 OLG Düsseldorf v. 29.5.1989 – 3 W 239/89, WuM 1989, 362; OLG Oldenburg v. 30.1.1991 – 2 W 1/91, ZMR 1991, 268 = MDR 1991, 969; OLG Schleswig v. 17.11.1992 – 4 REMiet 1/92, ZMR 1993, 69 (7); LG Osnabrück v. 6.6.2001 – 1 S 1099/00, 1 S 14/01 (11), WuM 2001, 438; a.A. AG Darmstadt v. 19.2.1976 – 34 C 1558/75, WuM 1977, 224; AG Köln v. 22.2.1977 – 154 C 1045/76, WuM 1980, 85. 4 LG Mannheim v. 24.2.1993 – 4 S 112/92, NJW-RR 1994, 274; LG Osnabrück v. 6.6.2001 – 1 S 1099/00, 1 S 14/01 (11), WuM 2001, 438. 5 VGH Berlin v. 29.11.2011 – 8/10, GE 2012, 121. 6 LG Hamburg v. 5.8.2010 – 333 S 17/10, ZMR 2011, 128. 7 MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 53; Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 85 m.w.N.; einschränkend OLG Hamburg v. 18.5.2001 – 8 U 177/00, NZM 2001, 640 für den Fall des endgültigen Auszugs eines Ehepartners. 8 OLG München v. 14.1.1994 – 21 U 4806/93, ZMR 1994, 216. 9 OLG Düsseldorf v. 24.10.1997 – 22 U 43/97, NZM 1998, 72; OLG München v. 14.1.1994 – 21 U 4806/93, ZMR 1994, 216.

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cc) Wohngemeinschaft Mieten Mitglieder einer Wohngemeinschaft Wohnraum gemeinsam an, ohne eine Au- 300 ßen-GbR zu bilden, verbindet sie in der Regel eine Innen-GbR (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 1009). Dies führt bei einem Wechsel der Gesellschafter regelmäßig nicht zu einem automatischen Mieterwechsel, weil jeder Mieter persönlich verpflichtet wird und nicht über den Verband des gesamthänderischen Vermögens. Vorbehaltlich entgegenstehender Vereinbarungen wird bei (studentischen) Wohn- 301 gemeinschaften mit dem Abschluss des Mietvertrages zugleich das antizipierte Einverständnis mit dem Wechsel einzelner Mitglieder vermutet1. Daraus resultiert wiederum ein Anspruch der Mitglieder der Wohngemeinschaft gegen den Vermieter, einer Auswechslung von Mietern zuzustimmen, so dass eine Entlassung eines ausscheidenden Mitgliedes und eine Aufnahme eines neuen Mitgliedes stattfindet2. Hintergrund ist die unterstellte uneinheitliche Zusammensetzung und das Bedürfnis der Studenten, mit Ablauf des Semesters den Studienort wechseln zu können. Dem Vermieter, der an einen solchen Personenzusammenschluss vermietet, wird unterstellt, dass er das Bedürfnis der Mieter erkennt und daher damit einverstanden ist, dass die einzelnen Mitglieder ausgewechselt werden. Allerdings ist streitig, ob eine Wohngemeinschaft mindestens zwei3 oder mindestens drei Mitglieder4 haben muss. Die dargestellte Rechtsprechung ist insgesamt abzulehnen, so dass es einer Ent- 302 scheidung über die notwendige Anzahl der Mitglieder nicht bedarf. Denn ohne dass bei den Vertragsverhandlungen z.B. ausdrücklich darüber gesprochen wurde, dass Wechselabsichten auf Mieterseite im Rahmen der Ausbildung bestehen, kann auf Seiten des Vermieters das notwendige Erklärungsbewusstsein für eine antizipierte Zustimmung nicht angenommen werden. Denn selbst wenn der Mitgliederwechsel dem Vermieter anzuzeigen ist und dem Vermieter analog § 553 Abs. 1 S. 2 BGB ein Zurückweisungsrecht zuzubilligen wäre, wenn der neue Mitmieter für ihn unzumutbar ist5, wird die Vertragsfreiheit auf Seiten des Vermieters über Gebühr eingeschränkt, ohne dass er sich dieser Situation bei Vertragsschluss bewusst ist. Demnach gelten für einen Wechselwunsch einzelner Mitglieder einer studentischen Wohngemeinschaft die allgemeinen zur Gestellung eines Ersatzmieters entwickelten Regeln entsprechend (vgl. dazu § 537 BGB Rz. 32 f.). Scheiden einzelne Wohngemeinschaftsmitglieder einvernehmlich aus, haften sie nur 303 für die bis zu ihrem Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten6. Denn der Wechsel oder auch nur das Ausscheiden sind in entsprechender Anwendung des § 415 BGB als Vertragsübernahme zu werten. Ein ganz anderer Fall liegt vor, wenn eine oder mehrere Personen die Wohnung anmieten und in diese Räume weitere Personen aufnehmen. Dann liegt ein gestuftes Nutzungsverhältnis, nämlich Haupt- und Untermiete vor. In diesem Fall sind §§ 540, 553 BGB einschlägig. b) Handeln im Rechtsverkehr Einseitige Rechtsgeschäfte innerhalb des Mietvertrages können nur durch den Mie- 304 ter selbst abgewickelt werden. Allerdings begründet das Mietverhältnis einen Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, so dass auch andere Personen, insbesondere der Eheoder Lebenspartner sowie Familienangehörige, berechtigt sein können, Rechte aus dem Mietvertrag geltend zu machen.

1 LG Hamburg v. 10.8.1995 – 334 S 38/95, WuM 1995, 697. 2 LG Berlin v. 9.2.2010 – 65 S 475/07, GE 2012, 1379 (1380); LG Göttingen v. 11.1.1992 – 5 S 123/92, zitiert nach juris; LG Karlsruhe v. 14.8.1992 – 9 S 102/92, zitiert nach juris; LG Karlsruhe v. 10.5.1991 – 9 S 588/90, zitiert nach juris. 3 LG Trier v. 2.8.1994 – 1 S 95/94, WuM 1997, 548. 4 LG Köln v. 20.6.1991 – 1 S 28/91, KM 26 Nr. 8. 5 LG Hamburg v. 10.8.1995 – 334 S 38/95, WuM 1995, 697 = NJW-RR 1996, 842. 6 Staudinger/Emmerich, § 540 BGB Rz. 54.

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305 Mehrere Mieter können rechtserhebliche Erklärungen nur gemeinsam abgeben. Umgekehrt müssen solche Erklärungen des Vermieters allen Mietern gegenüber erklärt werden, insbesondere kann das Mietverhältnis nur einheitlich gegenüber allen Mietern gekündigt werden (Näheres § 542 BGB Rz. 73). 306 Eine Stellvertretung ist auch hier zulässig. Enthält der Mietvertrag eine sog. Vollmachtsklausel (z.B.: „… die Mieter bevollmächtigen sich wechselseitig zur Abgabe und Entgegennahme von Willenserklärungen im Rahmen der Abwicklung des Mietvertrages …“), legt die h.M. die Befugnis einschränkend dahin aus, dass sie sich im Zweifel nur auf Erklärungen während des laufenden Mietverhältnisses erstreckt, nicht aber auf Erklärungen, die den Bestand des Mietvertrages betreffen (z.B. Kündigung). Mit diesem eingeschränkten Rahmen sollen sie formularmäßig unbedenklich sein1. Die einschränkende Auslegung ist jedoch zweifelhaft, wenn die Klausel keinen entsprechenden Vorbehalt enthält. Solange die Klausel nicht an einer überraschenden Stelle des Mietvertrages steht, ist sie mit uneingeschränktem Inhalt wirksam, vgl. auch § 542 BGB Rz. 55 f. 3. Grundsätze der Kommunikation zwischen Vermieter und Mieter 307 Solange keine besondere Form wie z.B. bei Kündigung (§ 568 Abs. 1 BGB) oder Mieterhöhung (z.B. § 558a BGB) im Gesetz vorgeschrieben oder im Mietvertrag (wirksam2) vereinbart ist, können die Parteien grundsätzlich in jeder erdenklichen Form (telefonisch, elektronisch etc.) und von bzw. an jedem beliebigen Ort miteinander kommunizieren. Dies gilt nicht nur für einseitig empfangsbedürftige Willenserklärungen, sondern für jede Art von einseitigen Rechtsgeschäften, geschäftsähnlichen Handlungen und Mitteilungen bloßer Tatsachen. Derjenige, der sich auf eine Erklärung (z.B. Mängelanzeige), ein Verlangen (z.B. § 546a BGB) oder eine sonstige Mitteilung beruft, muss im Zweifel deren Zugang beweisen. 308 Die Grenzen der freien Kommunikation werden durch das Nachstellen i.S.v. § 238 StGB gezogen. Sobald die Art der Kommunikation die eine oder andere Partei in ihrer Lebensführung beeinträchtigt, kann die Unterlassung verlangt werden. 309 Im Übrigen können die Parteien den jeweils anderen grundsätzlich nicht zwingen, in Angelegenheiten des Mietvertrages ausschließlich mit ihrem Vertreter (z.B. einem Rechtsanwalt, Hausverwalter) zu korrespondieren. Zwar ergibt sich für Angelegenheiten, in denen Rechtsanwälte bereits beauftragt sind, für diese untereinander eine solche Verpflichtung bereits aus § 12 BerufsO. Darüber hinaus besteht aber kein (genereller) Anspruch aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, außergerichtlich ausschließlich mit dem bevollmächtigten Rechtsanwalt des Mieters zu korrespondieren. Eine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung ist durch die unmittelbare Kontaktaufnahme mit dem Mieter/Vermieter nicht gegeben. Im Gegenteil: Prinzipiell liegt es im berechtigten Interesse z.B. des Vermieters, unmittelbar mit seinem Vertragspartner zur Geltendmachung von vermeintlichen Ansprüchen in Kontakt zu treten, und im Rahmen dieser Kontaktaufnahme besteht keine rechtliche Verpflichtung, nur noch über einen bestellten Vertreter zu korrespondieren. Es ist grundsätzlich jeder Vertragspartei unbenommen, mit ihrem Gegenüber unmittelbar in Kontakt zu treten. Ausnahmsweise kann der Mieter den Vermieter dennoch verpflichten, nur noch über seinen Rechtsanwalt über Fragen im Zusammenhang mit dem Wohnraummietverhältnis zu kommunizieren3, wenn bisher schon eine Vielzahl von Streitigkeiten besteht und aus der Einschaltung des Rechtsanwalts keine Abwicklungsprobleme entstehen. Letzteres ist z.B. bei Gefahr im Verzug anzunehmen.

1 U.a. OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, NJW-RR 1992, 396; KG v. 25.10.1984 – 8 REMiet 4148/84, ZMR 1985, 22; OLG Hamm v. 24.11.1983 – 4 REMiet 1/83, ZMR 1984, 284. 2 Vgl. z.B. zur Wirksamkeit wegen des Gebots der Schriftlichkeit zu einer Erlaubnis: OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56 (64) = NJW-RR 1992, 396; a.A. OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (Klausel gemäß Klageantrag Nr. 7). 3 LG Hamburg v. 11.8.2011 – 307 S 60/11, ZMR 2011, 954.

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Hinsichtlich der Verbindlichkeit von Handlungen und Erklärungen muss insbeson- 310 dere auf Vermieterseite darauf geachtet werden, ob eine ausreichend bevollmächtigte Person tätig ist. Zwar können Hausverwalter im Rahmen ihrer üblichen Tätigkeit als bevollmächtigt angesehen werden (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB)1. Ob dies jedoch schon für deren Mitarbeiter oder einen Sachbearbeiter des Vermieters gelten kann, ist zweifelhaft. Regelmäßig ist es z.B. fernliegend, dass der Sachbearbeiter einer VermietungsAG – ohne Rücksprache – befugt ist, eine Mietbefreiung für mehrere Monate zu gewähren2. 4. Gewillkürter Parteiwechsel a) Allgemein Neben den gesetzlich vorgesehenen Parteiwechseln auf Vermieterseite nach §§ 565, 311 566, 567 oder § 1922 BGB (und natürlich nach dem UmwG) sowie auf Mieterseite nach §§ 563, 564 BGB ist in der Praxis noch die Ersatzmieterstellung verbreitet (vgl. § 537 BGB Rz. 32 f.). Im Übrigen kann auf beiden Seiten des Vertrages durch einvernehmliche Regelung ein Parteiwechsel grundsätzlich jederzeit herbeigeführt werden. Dazu bieten sich verschiedene rechtliche Konstruktionen an: Das Mietverhältnis 312 zwischen den bisherigen Parteien kann durch Vertrag zwischen dem Vermieter und dem bisherigen Mieter beendet und ein neues Mietverhältnis mit dem Inhalt des bisherigen durch einen weiteren Vertrag mit dem neuen Mieter geschlossen werden. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass der Parteiwechsel durch Vertrag zwischen dem aus dem Mietverhältnis ausscheidenden bisherigen Mieter und dem neu eintretenden Mieter mit Zustimmung des Vermieters vereinbart wird. Dabei kann die Auswechslung der Partei im Rahmen eines einheitlichen Vertragswerks als sog. dreiseitiger Vertrag vollzogen werden. Welcher Vertragstyp im Einzelfall dem Willen der Beteiligten entspricht, ist durch Auslegung der getroffenen Parteiabreden zu ermitteln3. Auch die Frage, ob überhaupt ein Wechsel der Vertragsparteien gewollt ist, bedarf der Auslegung der Parteiabreden. Möglich ist nämlich auch ein Vertragsbeitritt. Dabei bleibt es grundsätzlich beim Fortbestand der Rechte und Pflichten im Verhältnis der verbundenen Parteien, denen auf einer Seite eine weitere Partei in der Weise beitritt, dass von nun an das Mietverhältnis auch mit ihr besteht4. Wählen die Parteien den Wechsel im Wege der Vertragsübernahme, bedarf es der Mit- 313 wirkung aller Beteiligten, wobei entweder ein dreiseitiger Vertrag im eigentlichen Sinn oder eine Vereinbarung zwischen zwei Beteiligten unter Zustimmung des Dritten ausreichend ist5. Dies gilt auch, wenn in den Betrieb eines Einzelkaufmanns ein Gesellschafter eintritt und die neugegründete Gesellschaft das Geschäft fortführt6. Im Falle der Vereinbarung zwischen neuem und altem Vermieter reicht für die Annahme der Zustimmung nicht aus, dass der Mieter an die bisherige Hausverwaltung unverändert die Miete zahlt7. Dabei muss die Schriftform des § 550 BGB nur zu dem Vertrag zwischen zwei Beteiligten beachtet werden. Ist das der Fall, kann der Dritte die Zustimmung formfrei erklären, § 182 Abs. 2 BGB (vgl. § 550 BGB Rz. 73). Allerdings ist stets zu prüfen, ob nicht nur ein Schuldbeitritt gewollt war. Der Vermieter kann seine Zustimmungserklärung, die auch konkludent abgegeben 314 werden kann8, nur anfechten, wenn gegenüber beiden Mietern ein Anfechtungsgrund

1 BGH v. 8.1.2004 – VII ZR 12/03, MietRB 2004, 213 = MDR 2004, 743 = NZM 2004, 559 = GuT 2004, 94; OLG Brandenburg v. 18.9.1996 – 3 U 99/96, ZMR 1997, 598. 2 OLG Düsseldorf v. 22.3.2011 – 10 W 70/10, NZM 2011, 884. 3 BGH v. 3.12.1997 – XII ZR 6/96, MDR 1998, 394 = NJW 1998, 531 (532) = ZMR 1998, 155. 4 Vgl. Bub/Treier/Heile, II Rz. 810. 5 BGH v. 3.12.1997 – XII ZR 6/96, MDR 1998, 394 = NJW 1998, 531 m.w.N.; KG v. 23.9.1999 – 8 U 344/98, NZM 2001, 622. 6 BGH v. 25.4.2001 – XII ZR 43/99, MDR 2001, 862 = ZMR 2001, 702. 7 LG Berlin v. 5.10.2010 – 63 S 386/09, GE 2011, 268. 8 KG v. 20.6.2003 – 12 U 276/01, ZMR 2003, 835.

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besteht und die Erklärung beiden gegenüber abgegeben wird1. Die Haftung des neuen Mieters für Verbindlichkeiten des bisherigen Mieters bedarf der ausdrücklichen Vereinbarung. 315 Problematisch sind in der Praxis regelmäßig die Fälle, in denen die Parteien keine eindeutigen Erklärungen im Sinne der dargestellten Konstruktionen abgegeben haben, was z.B. durch die Aufnahme einer Vorbemerkung in den (späteren) Vertrag verhindert werden kann, in der das Ziel der Vereinbarung festgehalten wird. Fehlt es an einer solchen Klarstellung, müssen die Erklärungen aller Parteien auf ihre Übereinstimmung überprüft werden. Erst wenn auf allen drei Seiten (Vermieter, bisheriger Mieter, neu hinzutretender Mieter) das Einverständnis mit einer bestimmten Vorgehensweise festgestellt werden kann, liegt ein Parteiwechsel in der einen oder anderen Form vor. 316 Betont der Vermieter, der ursprüngliche Vertrag mit mehreren Mietern behalte seine Gültigkeit, kann der spätere Vertrag mit nur einem Mieter nicht als Parteiwechsel, sondern allein als Schuldbeitritt gewertet werden2. b) Vertragsübernahmeklauseln 317 Ein Parteiwechsel kann auch schon im Mietvertrag angelegt sein. Die Frage, inwieweit Vertragsübertragungsklauseln – über den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 309 Nr. 10 BGB hinaus – nach Maßgabe des § 307 BGB unwirksam sind, wird unterschiedlich beantwortet. Unter der Geltung des AGBG (§ 11 Nr. 13) wurde teilweise die Auffassung vertreten, Vertragsübertragungsklauseln seien auch im kaufmännischen Verkehr stets unwirksam3. Allerdings ergibt sich bereits aus einem Umkehrschluss aus § 309 Nr. 10 BGB, der solche Klauseln gerade nicht allgemein, sondern nur dann missbilligt, wenn sie Kauf-, Dienst- oder Werkverträge betreffen und gegenüber Vertragspartnern verwandt werden, die keine Unternehmer sind, dass formularmäßige Vertragsübertragungsklauseln jedenfalls dann, wenn sie gegenüber einem Unternehmer verwandt werden, nicht generell zu einer unangemessenen Benachteiligung führen4. Deshalb ist über die Frage der Unwirksamkeit nach h.M. aufgrund einer Prüfung der jeweiligen typischen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden5. Insoweit gilt als Indiz für die Unwirksamkeit der Klausel ihre Einseitigkeit, wenn der Verwender für sich selbst eine wesentlich vorteilhaftere Nachfolgeregelung vorgesehen hat; auch wird die Langfristigkeit des Vertrags als Unwirksamkeitsindiz angesehen. 318 Vor diesem Hintergrund sind Vertragsübertragungsklauseln, die formularmäßig das Genehmigungserfordernis des § 415 Abs. 1 BGB ersetzen sollen, jedenfalls dann zu beanstanden, wenn dem Kunden des Verwenders nach der Art des geschlossenen Vertrags die Person seines Vertragspartners typischerweise nicht gleichgültig sein kann, sondern er vielmehr daran interessiert sein muss, sich über Zuverlässigkeit und Solvenz des Dritten, auf den der Vertrag übertragen werden soll, Gewissheit zu verschaffen6. Diese Voraussetzungen sind z.B. bei einem auf mehrere Jahre abgeschlossenen Automaten-Aufstellvertrag, der neben mietvertraglichen Elementen auch personenbezogene Merkmale aufweist, bejaht worden7. 1 BGH v. 3.12.1997 – XII ZR 6/96, MDR 1998, 394 = NJW 1998, 531; BGH v. 27.11.1985 – VIII ZR 316/84, MDR 1986, 401 = NJW 1986, 918. 2 OLG Düsseldorf v. 11.12.2001 – 24 U 17/01, ZMR 2002, 511. 3 Vgl. etwa Koch/Stübing, § 11 Nr. 13 AGBG Rz. 14; Coester-Waltjen in Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 11 Nr. 13 AGBG Rz. 12. 4 BGH v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, MDR 2010, 1308 = MietRB 2010, 321 = GE 2010, 1333 = NZM 2010, 705 = ZMR 2011, 19. 5 BGH v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, MDR 2010, 1308 = MietRB 2010, 321 = GE 2010, 1333 = NZM 2010, 705 = ZMR 2011, 19; MünchKomm/Kieninger, § 309 Nr. 10 BGB Rz. 9; Palandt/Grüneberg, § 309 BGB Rz. 93; Ulmer/Brandner/Hensen, § 309 Nr. 10 BGB Rz. 11. 6 BGH v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, MDR 2010, 1308 = MietRB 2010, 321 = GE 2010, 1333 = NZM 2010, 705 = ZMR 2011, 19. 7 BGH v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, MDR 1985, 223 = ZIP 1984, 841; BGH v. 11.7.1984 – VIII ZR 35/83, MDR 1985, 224 = ZIP 1984, 1093; BGH v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, MDR 1991, 44 = NJWRR 1990, 1076.

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Im Übrigen ist eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im 319 Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Unabhängig von § 309 Nr. 10 BGB ist insoweit zu bedenken, dass sich gerade das Mietrecht gegenüber der Möglichkeit eines vom Willen des Mieters unabhängigen Wechsels in der Person des Vermieters tendenziell aufgeschlossener zeigt, was sich schon aus §§ 565 BGB, 566, 567 BGB ergibt. Mit Rücksicht darauf ist die Frage nach der Unangemessenheit einer dem Vermieter formularmäßig zuerkannten Vertragsübertragung auf Dritte an eine Abwägung der beteiligten Interessen zu knüpfen1. Dabei ist in der Regel auf Seiten des Vermieters das grundsätzliche Interesse eines gewerblichen, als Gesellschaft organisierten Vermieters anzuerkennen, einen wirtschaftlich für sinnvoll erachteten künftigen Wandel der Rechtsform oder Rechtsinhaberschaft durch die Möglichkeit einer Bestandsübernahme zu erleichtern. Der Mieter kann sein Interesse, sich über Zuverlässigkeit und Solvenz des Vermieters zu vergewissern, in die Abwägung einbringen. Das Gewicht dieses Interesses wiegt umso mehr, je stärker das Vertragsverhältnis von einem besonderen Interesse an der Person eines bestimmten Vermieters (mit-)geprägt wird. Ein solches Interesse des Mieters kann sich insbesondere aus der Rechtspersönlichkeit des bisherigen Vermieters (etwa bei natürlichen Personen oder Personengesellschaften mit persönlich kontaktierbaren Gesellschaftern als Ansprechpartnern) ergeben; es kann sich aber auch aus Besonderheiten der Vertragsgestaltung (etwa bei der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens) herleiten. Andernfalls bleibt nur das allgemeine Interesse des Mieters an einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung abzuwägen, die sich nicht in der einmaligen Einräumung des Mietgebrauchs erschöpft, sondern auch die Verpflichtung umfasst, die vermieteten Räume in einem zur Wahrnehmung der Gebrauchsrechte tauglichen Zustand zu erhalten. III. Gegenstand des Mietvertrages Der Mietgegenstand wird durch die Einigung der Parteien festgelegt. Deren Inhalt muss mindestens bestimmbar sein. Das ist der Fall, wenn die Mieteinheit anhand der Beschreibung objektiv und zweifellos ermittelt werden kann.

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1. Sachen Als Gegenstand des Mietvertrags kommen bewegliche und unbewegliche Sachen in 321 Betracht, vertretbare Sachen (§ 91 BGB) nur dann, wenn dieselben Sachen bei Mietende zurückzugeben sind, sonst liegt Darlehen, u.U. auch Tausch vor. Zur Vermietung verbrauchbarer Sachen (§ 92 BGB) vgl. unten2. Öffentliche Sachen können vermietet werden, soweit der Gebrauch durch den Mieter über den Gemeingebrauch hinausgehen soll. Auch Sachteile können Gegenstand eines Mietvertrags sein, soweit ihr selbständiger Gebrauch möglich ist (z.B. Vermietung von Teilen eines Grundstücks oder eines Gebäudes/Raumes, von Hauswänden zu Reklamezwecken, von Balkonen/Fenstern, von denen aus Festveranstaltungen beobachtet werden können). Sachgesamtheiten können durch einheitlichen Mietvertrag (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 74) überlassen werden. Der Vermieter muss nicht Eigentümer der Mietsache sein3. Klassischer Fall der Ver- 322 mietung einer fremden Sache ist die Untervermietung (§ 540 BGB). Die mangelnde Berechtigung oder faktische Möglichkeit des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung berührt die Wirksamkeit des Mietvertrages nicht. In diesen Fällen hängt seine Haftung von der Art des Leistungshindernisses ab, weil die §§ 536 f. BGB für den Rechtsmangel i.S.d. § 536 Abs. 3 BGB vorrangig sind (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 34).

1 BGH v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, MDR 2010, 1308 = MietRB 2010, 321 = GE 2010, 1333 = NZM 2010, 705 = ZMR 2011, 19. 2 MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 63. 3 BGH v. 10.12.1957 – VIII ZR 276/56, NJW 1958, 380.

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323 Auch an eigenen Sachen ist Miete möglich, z.B. wenn der Eigentümer vom Nießbraucher oder Hauptmieter mietet1. Erwirbt der Mieter im Verlaufe der Mietzeit das Eigentum an der Mietsache, erlischt das Mietverhältnis infolge Konfusion. 2. Wesentliche Bestandteile und Zubehör 324 Vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen erstreckt sich das Mietverhältnis auf die wesentlichen Bestandteile der Mietsache (§§ 93, 94 BGB). § 311c BGB ist entsprechend anwendbar2, so dass der Mietvertrag im Zweifel auch das Zubehör (§ 97 BGB) der Mietsache umfasst, z.B. die Schlüssel zu den Mieträumen, die eingebauten Haushaltsgeräte, die Alarmanlage3, die Schlüssel und Papiere eines Mietautos sowie die Telekommunikationsanlage bei einem Hotel4. Wird ein Einfamilienhaus vermietet und im vorformulierten „Mietvertrag für Wohnungen“ mit der Lageangabe nach Ort, Straße und Hausnummer näher bezeichnet, ohne dass sich aus dem Vertragstext ergibt, ob der Garten mitvermietet worden ist, ist nach der Verkehrsanschauung davon auszugehen, dass das gesamte unter dieser Anschrift gelegene Grundstück vermietet ist und nicht nur der unmittelbar am Hause gelegene Ziergarten5. 325 Bei einer Raummiete gelten die zu den Mieträumen gehörenden Nebengelasse grundsätzlich ohne zusätzliches Entgelt als mitvermietet. Gleiches gilt für Außenflächen, die (allein) von der vermieteten Wohnung aus betreten werden können und deshalb nur für eine alleinige Benutzung durch den Mieter in Betracht kommen6. Dies gilt jedoch nicht z.B. für eine außerhalb der Wohnung gelegene Plattform (z.B. Dach eines Anbaus), die rein faktisch für den Mieter zugänglich ist, ohne dass ihr ein bestimmter Nutzungszweck beigemessen worden ist7. Erst recht wird ein Schuppen, der aus Kulanz und unter Vorbehalt zur Nutzung überlassen wurde, nicht Gegenstand des Mietvertrages8. 3. Gemeinschaftsflächen 326 Vorbehaltlich entgegenstehender Regelungen im Mietvertrag gehören bei der Raummiete grundsätzlich ohne zusätzliches Entgelt und ohne besondere Erwähnung im Mietvertrag die im Gebäude und auf dem Grundstück vorhandenen Gemeinschaftsflächen zum vertragsgemäßen Gebrauch. Danach kann der Mieter ohne Weiteres im Normalfall die zu den Mieträumen gehörenden Zugänge, Abgänge, Fahrstühle, Flure, Treppen, Spielplätze, Durchfahrten und ähnliche Gebäude- und Grundstücksteile mitbenutzen9. 326a Allerdings gelten diese Teile nicht als mitvermietet10. Deshalb ist streitig, ob der Mieter durch den Gebrauch Mitbesitz erlangt und damit Besitzschutzansprüche gegenüber dem Vermieter geltend machen kann11. Richtigerweise besteht ein eigenes Besitzrecht des Mieters mangels Mitbesitz gerade nicht12, sofern die Einrichtung oder Fläche nicht Gegenstand einer besonderen Vereinbarung im Mietvertrag ist13. Ins1 BGH v. 26.2.1954 – V ZR 135/52, NJW 1954, 918; RG v. 9.5.1922 – III 533/21, RGZ 104, 308. 2 BGH v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, MDR 2000, 79 = NJW 2000, 354 (357); BGH v. 17.9.1975 – VIII ZR 157/74, NJW 1975, 2103. 3 OLG München v. 3.7.1979 – 5 U 1851/79, MDR 1979, 934. 4 LG Flensburg v. 3.6.1999 – 5 O 26/98, Rpfleger 2000, 345. 5 OLG Köln v. 5.11.1993 – 19 U 132/93, OLGR Köln 1994, 31 = ZMR 1994, 111 = WuM 1994, 272. 6 Vgl. AG Eschweiler v. 19.5.1994 – 5 C 114/94, WuM 1994, 427; Palandt/Weidenkaff, § 535 BGB Rz. 16; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 25. 7 BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = GE 2009, 1426 = NZM 2009, 855. 8 AG Hamburg v. 20.7.2012 – 41 C 6/12, ZMR 2012, 963. 9 BGH v. 10.11.2006 – V ZR 46/06, MDR 2007, 453 = NJW 2007, 146; OLG Düsseldorf v. 5.5.2009 – 24 U 153/08, GE 2009, 1187; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 70; Palandt/Weidenkaff, § 535 BGB Rz. 16; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 25. 10 KG v. 3.12.1998 – 8 U 3716/98, GE 1999, 252. 11 Dagegen: Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1171; dafür: MünchKomm/Joost, § 866 BGB Rz. 3. 12 KG v. 20.8.2012 – 8 U 168/12, MietRB 2012, 364 = GE 2012, 1561. 13 Vgl. z.B. BGH v. 26.3.1974 – VI ZR 103/72, BGHZ 62, 243 (für Aufzug).

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

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besondere kann eine solche Abrede dadurch getroffen werden, dass in einer Beschreibung des Mietobjekts zugleich eine Aussage über seinen Charakter und damit eine diesem Charakter entsprechende Beschaffenheit enthalten ist1. Enthält die Vertragsurkunde zur entsprechenden Nutzung oder Fläche jedoch keine Aussage und kann nicht festgestellt werden, dass dahingehend mündliche Absprachen erfolgt sind, reicht es zur Annahme einer konkludent getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung z.B. nicht aus, dass die Fläche zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses betreten werden konnte2. Zwar kann die für eine Beschaffenheitsvereinbarung erforderliche Willensübereinstimmung auch konkludent in der Weise erzielt werden, dass der Mieter dem Vermieter bestimmte Anforderungen an die Mietsache zur Kenntnis bringt und dieser zustimmt. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt dafür jedoch selbst dann noch nicht, wenn sie dem Vermieter bekannt ist. Erforderlich ist vielmehr weiter, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert3. Es ist umstritten, ob der Vermieter berechtigt ist, Gemeinschaftsanlagen oder -ein- 326b richtungen einzuziehen oder umzugestalten. Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich um die Nutzung eines Teils der Gemeinschaftsfläche handelt, die die Nutzung Dritter ausschließt, oder um die bloße Teilhabe am gemeinschaftlichen Gebrauch4. Richtigerweise ist die Gestattung der Nutzung einer Gemeinschaftsfläche frei widerruflich, unabhängig davon, ob die Nutzung ausdrücklich oder stillschweigend durch bloße Duldung erteilt worden ist5. Dies gilt grundsätzlich für sämtliche Gemeinschaftsflächen, also z.B. – eine Dachterrasse, zu der nur einige Mieter des Hauses Zugang haben6, – einen Spielplatz7, – einen Wäschetrockenplatz8. Soweit der Mieter auf die Benutzung der Fläche angewiesen ist (z.B. Eingangsbereich), besteht dennoch ein Dispositionsspielraum des Vermieters. Allerdings muss er eine andere Fläche oder eine Ersatzeinrichtung zur Verfügung stellen (z.B. Verlegung der Klingelanlage und der Briefkästen). Voraussetzung dafür ist, dass diese vergleichbare Ausstattungsmerkmale aufweisen und für die vorgesehene Nutzung geeignet sind9. Eine Informations- oder Ankündigungsverpflichtung des Vermieters bei der Ausübung seines Dispositionsrechts besteht nicht, soweit nicht der konkrete Mietgebrauch der vermieteten Wohnung tangiert ist10. Im Übrigen besteht für den Vermieter keine Verpflichtung zur Gleichbehandlung11. 327 Deshalb kann er die Nutzung von Gemeinschaftsflächen durch einen Mieter auch ausschließen. Das muss aber bei Vertragsschluss besonders erwähnt werden. Denn ansonsten kann über die Nutzung der anderen Mietern zum gemeinsamen Gebrauch überlassenen Grundstücks- und Gebäudeteile stillschweigend ein Mietvertrag zustandekommen. Umgekehrt ist der Vermieter nicht verpflichtet, anderen Mietern Nutzungsrechte an den Gemeinschaftsflächen nur in dem Umfang einzuräumen oder solche Nutzungen zu dulden, die er ihnen zwingend zugestehen muss12. Denn es ist Ausfluss des Eigentumsrechts, dem Einen mehr und dem Anderen weniger Rechte hinsichtlich der Nutzung zu gewähren. Eingeschränkt kann dieses Ermessen allen-

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BGH v. 28.11.2007 – VIII ZR 106/07, ZMR 2008, 116 (Rz. 2). KG v. 1.12.2008 – 8 U 121/08, WuM 2009, 654 = GE 2009, 1552. Vgl. BGH v. 20.5.2009 – VIII ZR 191/07, NJW 2009, 2807 (Rz. 9). Vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 140. KG v. 1.12.2008 – 8 U 121/08, WuM 2009, 654 = GE 2009, 1552. KG v. 1.12.2008 – 8 U 121/08, WuM 2009, 654 = GE 2009, 1552. LG Berlin v. 28.2.1997 – 64 S 503/96, GE 1997, 1401. AG Hamburg-Blankenese v. 23.2.2000 – 508 C 551/99, ZMR 2000, 307. KG v. 20.8.2012 – 8 U 168/12, MietRB 2012, 364 = GE 2012, 1561 m.w.N. KG v. 20.8.2012 – 8 U 168/12, MietRB 2012, 364 = GE 2012, 1561; LG Hamburg v. 13.11.2009 – 311 O 330/09, ZMR 2010, 530. 11 LG Köln v. 4.2.2010 – 6 S 269/09, ZMR 2010, 533. 12 LG Berlin v. 31.7.2012 – 63 S 576/11, GE 2012, 1377.

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falls durch vertragliche Abreden oder – bei Genossenschaften – durch den genossenschaftlichen Treuegedanken sein1. 328 Die Mieter dürfen die Hauszufahrt zum Be- und Entladen ihres Fahrzeugs nutzen2. Parkt der Mieter auf gemeinschaftlichen Flächen, muss der Vermieter insbesondere zum Maß der vertragswidrigen Nutzung substantiiert vortragen, um Nutzungsentschädigung zu erhalten3. Gemeinschaftlich genutzte Teile und Anlagen dürfen vom Vermieter ohne Zustimmung des Mieters unter Berücksichtigung von § 242 BGB nur insoweit verändert oder verlegt werden, als dadurch der vertragsgemäße Mietgebrauch nicht beeinträchtigt wird4. Selbst wenn der Vermieter dem Mieter die Gemeinschaftsfläche (z.B. Waschküche) nur leihweise überlassen hat, ist er nicht zum Besitzentzug befugt, sondern muss den Klageweg beschreiten5. 329 Die Anbringung von Blumenkästen an der Außenfassade ist dem Mieter grundsätzlich nur gestattet, wenn sie fachgerecht befestigt sind, ohne die Hausfassade zu beschädigen6. Insoweit geht ein Teil der Rechtsprechung sogar von einem Zustimmungsbedürfnis aus7. Eine in jedem Fall8 erforderliche fachgerechte Befestigung liegt nur vor, wenn sie die Installation ausreichend gegen Herabfallen sichert. Dies kann nicht durch eine Metallöse und Drähte geschehen, die infolge von Witterungseinflüssen verrotten können9. Die Anbringung politischer Parolen an den Außenwänden von Mietwohnungen ist dagegen nur mit Zustimmung des Vermieters zulässig10. Dies gilt erst recht, wenn der Vermieter durch den Inhalt der Spruchbänder oder Plakate beleidigt oder diskriminiert wird11. IV. Pflichten des Vermieters 330 In erster Linie trifft den Vermieter gemäß § 535 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB die Gebrauchsgewährungspflicht. Dabei handelt es sich um eine Hauptpflicht. Sie gebietet dem Vermieter, die Mietsache zu übergeben und dem Mieter den ungestörten Gebrauch zu erhalten. I.S.d. § 320 BGB ist der Vermieter vorleistungspflichtig. Er kann also die Übergabe nicht zurückhalten, weil der Mieter die erste Miete noch nicht gezahlt hat. Denn mit der Anordnung der Vorfälligkeit in § 556b Abs. 1 BGB wollte der Gesetzgeber nicht das Leistungsgefüge des § 535 BGB ändern, sondern der ganz überwiegenden Vertragspraxis Rechnung tragen, die die Vorfälligkeit der Miete in nahezu allen Mietverträgen vorsah12. 1. Überlassung der Mietsache 331 In der ersten Alternative von § 535 Abs. 1 S. 2 BGB wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter die Mietsache zu überlassen, ohne dass das Gesetz eine Abnahmepflicht des Mieters regelt13. Die Überlassung beginnt in der Regel mit der Übergabe. a) Inhalt der Übergabe 332 Die Mietsache ist dem Mieter so zu überlassen, dass er sie zum vertragsgemäßen Gebrauch nutzen kann. Welche Handlungen dafür im Einzelfall notwendig sind, richtet 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Vgl. dazu Drasdo, NZM 2012, 585. LG Lübeck v. 4.1.1990 – 14 S 160/89, NJW-RR 1990, 1353. OLG Düsseldorf v. 5.5.2009 – I-24 U 153/08, GE 2009, 1187. KG v. 29.1.1959 – 8 U 1770/58, ZMR 1961, 77. AG Brühl v. 10.3.2010 – 24 C 572/09, WuM 2012, 152. Weitergehend Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 12. AG Lichtenberg v. 15.11.2005 – 14 C 384/05, GE 2006, 455; AG Schöneberg v. 11.10.2001 – 13 C 367/09, GE 2001, 1678. Vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 273 m.w.N. AG Köln v. 22.3.2012 – 222 C 370/11, n.v. AG Wiesbaden v. 15.4.2003 – 93 C 465/03, ZMR 2003, 935; a.A. LG Aachen v. 25.11.1987 – 7 S 294/87, WuM 1988, 53 (Güterabwägung erforderlich). LG München I v. 20.7.1983 – 14 S 18033/81, WuM 1983, 263. Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1161. Vgl. BGH v. 8.12.2010 – VIII ZR 93/10, MietRB 2011, 72 = WuM 2011, 98 = GE 2011, 682 = ZMR 2011, 367.

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sich nach Art und Umfang des vertragsgemäßen Gebrauchs1. Bei der Vermietung von beweglichen Sachen, aber vor allem bei der Raummiete, gehört dazu in der Regel die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes2. Dazu ist ein Willensakt erforderlich, der deutlich macht, dass sich der Vermieter des Besitzes begibt und der Mieter ihn ab sofort ausübt. Die Besitzverschaffung ist vollzogen, wenn der Mieter in der Lage ist, den Vermieter und jeden Dritten von der Nutzung nach seinem Gutdünken auszuschließen. Dieser Akt wird bei der Raummiete durch die Übergabe sämtlicher Schlüssel dokumentiert. Der Vermieter kann nur mit Zustimmung des Mieters, die jederzeit widerrufen wer- 333 den kann, einen Schlüssel behalten, von dem er nur nach Absprache Gebrauch machen darf. Ansonsten ist die Übergabe nicht vollzogen. Denn es fehlt an den übereinstimmenden Willenserklärungen zur Verschaffung des Besitzes. Der Mieter will den alleinigen unmittelbaren Besitz. Der Vermieter gewährt aber nur Mitbesitz. Die Schlüsselübergabe reicht allein nicht aus, wenn der Mieter den Besitz nicht über- 334 nehmen kann. Das ist z.B. der Fall, wenn der frühere Mieter die Wohnung noch nicht geräumt hat. Der Mieter kann auch nicht verpflichtet werden, bei Beginn des Mietverhältnisses die Schlüssel, die ihm erstmalig Zugang zu der Wohnung gewähren bzw. ihm die Sachherrschaft gewähren sollen, Dritte am Betreten der Mietsache zu hindern, auf eigene Kosten herstellen zu lassen. Damit verstößt der Vermieter gegen seine Kardinalpflicht3, dem Mieter den Besitz der Wohnung einzuräumen. Eine entsprechende Formularvereinbarung verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Auch ohne alleinigen unmittelbaren Besitz kann eine Übergabe stattfinden, z.B. 335 wenn nur eine gelegentliche Nutzung stattfinden soll (z.B. gelegentliche Mitbenutzung eines Autowaschplatzes oder eines Wäschetrockenplatzes) oder das Zeitelement die Nutzung bestimmt (z.B. Benutzung einer Reklamewand). In solchen Fällen reicht es aus, wenn dem Mieter die tatsächliche Zutritts- oder Gebrauchsmöglichkeit geboten wird4. b) Fälligkeit des Übergabeanspruchs aa) Bestimmtes Übergabedatum In der Regel ergibt sich der Zeitpunkt, zu dem der Übergabeanspruch fällig wird, der 336 Mieter also die Übergabe des Mietgegenstandes fordern kann (§ 271 BGB), aus den Vereinbarungen der Parteien. Ist danach ein bestimmtes Anfangsdatum festgelegt, besteht der Anspruch des Mieters auf Übergabe ab Beginn dieses Tages (0:00 Uhr). Rechtlich gelten in diesem Fall grundsätzlich die Regeln für das absolute Fixgeschäft5. Denn dem Vermieter wird jedenfalls bei der Raummiete die Gebrauchsüberlassung durch Zeitablauf nachträglich unmöglich6. Die (Teil-)Unmöglichkeit bezieht sich jedoch nur auf den zwischen dem vereinbarten Übergabetermin und der tatsächlichen Übergabe vergangenen Zeitraum. Für diese Zeit ist die Nutzung nicht nachholbar. Für die Zukunft kann sie stattfinden. Ist die Nachholung der Vermieterleistung möglich, greifen die Grundsätze über das Fixgeschäft nicht. Der Mieter muss also nach den allgemeinen Regeln der §§ 286, 323 BGB vorgehen. Das ist z.B. der Fall, wenn der Mietvertrag erst mit Übergabe beginnen soll, so dass bei einer Verzögerung der Übergabe die versäumte Zeit später nachgeholt werden kann7.

1 BGH v. 17.7.2002 – XII ZR 86/01, MDR 2003, 20 = NJW 2002, 3322; BGH v. 1.2.1989 – VIII ZR 126/88, MDR 1989, 628 = ZMR 1989, 212. 2 BGH v. 17.9.1975 – IV ZR 17/75, NJW 1976, 106. 3 OLG Düsseldorf v. 9.3.1993 – 24 U 138/92, DWW 1993, 197. 4 BGH v. 17.7.2002 – XII ZR 86/01, MDR 2003, 20 = NJW 2002, 3322. 5 Erman/Westermann, § 275 BGB Rz. 10. 6 BGH v. 14.11.1990 – VIII ZR 13/90, MDR 1991, 524 = NJW-RR 1991, 267. 7 BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 44/91, MDR 1992, 1147 = NJW 1992, 3226; BGH v. 13.7.1988 – VIII ZR 292/87, MDR 1988, 1051 = NJW-RR 1988, 1396.

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bb) Bestimmbares Übergabedatum 338 Die Parteien können den Beginn des Mietvertrages und damit die Fälligkeit des Übergabeanspruchs von einem bestimmbaren Ereignis wie z.B. der Übergabe abhängig machen („Der Mietvertrag beginnt mit der Übergabe“). Damit ist ein ausreichend bestimmbarer Vorgang bezeichnet, dessen Eintritt durch objektive Umstände ausgefüllt werden kann und einer Beweisaufnahme zugänglich ist1. In der Praxis werden dazu regelmäßig Ankündigungsfristen oder Beschreibungen eines Übergabeprocederes vereinbart. 339 Dies gilt erst recht, wenn für die Übergabe weitere Bedingungen vereinbart sind. Vor allem bei der Vermietung vom Reißbrett legen die Parteien häufig einen bestimmten Fertigstellungsgrad für die Übergabe zugrunde. Soll dieser z.B. in der „Bezugsfertigkeit“ bestehen, ist auf die Abnahmefähigkeit i.S.v. § 640 Abs. 1 BGB abzustellen2. Dies unterscheidet sich nicht von der Definition in § 13 Abs. 4 WoBindG, wonach Bezugsfertigkeit vorliegt, wenn dem zukünftigen Nutzer zugemutet werden kann, die Räume zu beziehen. Davon ist auszugehen, wenn die Wohnung tapeziert und mit Oberböden versehen ist, so dass die Bewohner ihre Wohnbedürfnisse (Wohnen, Essen, Schlafen) unbeengt befriedigen können, und die Wohnung sicher erreicht werden kann3. Legt der Mietvertrag aber die „Fertigstellung“ als Beginn der Mietzahlungspflicht fest, besteht für den Mieter trotz eventueller Abnahmefähigkeit keine Übernahmepflicht, wenn noch zahlreiche – auch kleinere – Mängel vorhanden sind4. 340 Als Formularklausel zur Bestimmung des Mietbeginns soll die „Fertigstellung“ auch gegenüber einem Kaufmann nach § 307 BGB unwirksam sein, weil sie die Fälligkeit des Übergabeanspruchs völlig in das Belieben des Vermieters stellt5. Dies soll erst recht gelten, wenn die Übergabe von der rechtzeitigen Räumung durch den Vormieter abhängt6. Dies ist aber nicht richtig. Ebenso wie der Vermieter, der eine Übergabe zu einem bestimmten Zeitpunkt schuldet, ist derjenige, der als Verwender seine Übergabepflicht von einer Fertigstellung abhängig macht, den Regeln des allgemeinen Schuldrechts ausgesetzt. Er kann daher vom Mieter in Verzug gesetzt werden, um die Fertigstellung herbeizuführen. Gerade wenn das Mietobjekt zu dem Zeitpunkt, in dem der Vertrag mit dieser Bedingung geschlossen wird, sich noch in der Entstehung befindet, entspricht die Klausel einem Interessenausgleich. Denn sie legt für beide Parteien einen nachprüfbaren Zustand fest, der im Hinblick auf kleinere Mängel eher für den Vermieter, der die Handwerker zu diesem Zeitpunkt bereits überwiegend bezahlt hat und daher auf die Mieteinnahmen angewiesen ist, nachteilig ist. Der Mieter kann nämlich die Übernahme bis zur vollständigen Beseitigung der Mängel verweigern. cc) Verspätete Übergabe 341 Verzögert sich die Übergabe, bestehen für den Mieter grundsätzlich die Ansprüche nach den §§ 286, 323 BGB. Dazu ist eine Mahnung/Fristsetzung erforderlich. Will der Mieter für die vergangene Zeit Ansprüche geltend machen, kann er sich bei einem Fixgeschäft auf die §§ 280, 275 BGB stützen. 342 Wurde für den Fall der verspäteten Übergabe eine Vertragsstrafe vereinbart, muss sich der Mieter deren Verwirkung bei der Übergabe vorbehalten, § 341 Abs. 3 BGB7. 1 BGH v. 2.11.2005 – XII ZR 212/03, MDR 2006, 561 = MietRB 2006, 97 = GuT 2006, 11 = ZMR 2006, 115; BGH v. 2.5.2007 – XII ZR 178/04, MDR 2007, 1063 = MietRB 2007, 223 = NZM 2007, 443; OLG Naumburg v. 7.9.2004 – 9 U 3/04, NZM 2004, 825. 2 OLG Düsseldorf v. 12.1.1995 – 10 U 36/94, WuM 1995, 438. 3 Bellinger in WoBauR, § 13 WoBindG Anm. 5.4 m.w.N. 4 KG v. 22.11.2004 – 8 U 109/04, ZMR 2005, 946. Als Formularklausel zur Bestimmung des Mietbeginns ist die „Fertigstellung“ auch gegenüber einem Kaufmann nach § 307 BGB unwirksam, weil sie die Fälligkeit des Übergabeanspruchs völlig in das Belieben des Vermieters stellt (LG Mannheim v. 23.12.1998 – 4 S 45/98, WuM 1999, 686). 5 LG Mannheim v. 23.12.1998 – 4 S 45/98, WuM 1999, 686. 6 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 8. 7 OLG Düsseldorf v. 28.4.2005 – 10 U 129/04, GuT 2005, 155.

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Die formularmäßige Beschränkung der Haftung des Vermieters wegen verzögerter 343 Übergabe auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz verstößt gegen §§ 307, 309 Nr. 8 BGB, da die Übergabe eine Kernpflicht ist1. Einstweilen frei.

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dd) Übergabe vor Vertragsbeginn Erfolgt die Übergabe vor dem vereinbarten Vertragsbeginn, ist zu prüfen, ob damit 345 der Mietvertrag in Vollzug gesetzt werden sollte. Insoweit ist nach dem Zweck der Gebrauchsüberlassung zu unterscheiden. Zahlt der Mieter für die Dauer der vorzeitigen Überlassung auch nur die Betriebskos- 346 ten, liegt ein eigenständiger Mietvertrag vor, der bis zum Beginn des „Haupt“-Mietvertrages befristet ist. Solange der eigenständige Mietvertrag nicht länger als drei Monate laufen soll, unterfällt er in der Regel § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Denn die Überlassung findet regelmäßig im Interesse des Mieters statt, der die Wohnung für sich herrichten oder einen sukzessiven Umzug gestalten will. Erfolgt die vorzeitige Überlassung der Mieträume unentgeltlich, handelt es sich bis 347 zum vereinbarten Vertragsbeginn um ein Überlassungsverhältnis eigener Art2. Hat der Vermieter dem Mieter lediglich das vorzeitige Unterstellen von Umzugsgut gestattet, liegt ein unentgeltlicher Verwahrungsvertrag vor3. Behält der Vermieter bei der Schlüsselübergabe noch einen Schlüssel für sich zurück, hat er damit regelmäßig noch nicht den vollständigen Besitz übergeben. In diesem Fall kann u.U. der Einzug des Mieters zu einer verbotenen Eigenmacht führen (§§ 858, 861 BGB). Ein Bereicherungsanspruch steht dem Vermieter für die Zeit der Nutzung zu, wenn 348 dem künftigen Mieter die Mietsache im Vorgriff auf einen noch abzuschließenden Mietvertrag überlassen wurde und es dann nicht zum Vertragsschluss kommt4. c) Zustand bei Übergabe Die Mietsache muss sich bei der Übergabe in vertragsgemäßem Zustand befinden. 349 Der Mieter muss keine Teilleistung entgegennehmen, § 266 BGB. Dazu müssen die Mieträume in jeder Hinsicht zur Ausübung des vertragsgemäßen Gebrauchs geeignet sein, insbesondere auch in bautechnischer Hinsicht (z.B. Tragfähigkeit von Böden und Decken; Raumhöhe; Schallisolation; Renovierung), und zwar ab dem ersten Tag, für den der Mieter die Miete schuldet und hinsichtlich aller Räume entsprechend dem vereinbarten Nutzungszweck. aa) Konkrete Festlegung des Zustandes Welcher Zustand vertragsgerecht (= Sollbeschaffenheit) ist, ist in erster Linie den 349a Abreden der Parteien vorbehalten. Diese können – wie der Mietvertrag selbst (vgl. § 535 BGB Rz. 20 ff.) – durch ausdrückliche oder stillschweigende, mündliche oder schriftliche Vereinbarungen erfolgen. (1) Renovierungszustand Die vertragliche Bestimmung des Renovierungszustandes bei Übergabe kann in den 350 verschiedensten Formen geschehen. Häufig wird in der Wohnraummiete allein festgelegt, ob die Wohnung renoviert oder unrenoviert überlassen werden soll. Erfolgt die Festlegung eines unrenovierten Zustandes durch Formularklausel, ist die 351 Bestimmung unwirksam. Denn ein unrenovierter Zustand ist im Zweifel nicht geeignet, (sofort) die vertragsgemäße Nutzung (= Wohnen) zuzulassen. Damit liegt aber die Abweichung von einer Hauptpflicht vor, die über § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirk-

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OLG Düsseldorf v. 9.3.1993 – 24 U 138/92, DWW 1993, 197. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 3. Bub/Treier/Krämer, III Rz. 1183. OLG Hamburg v. 14.11.2001 – 4 U 34/01, ZMR 2003, 179 (180).

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sam ist. Deshalb kann der Mieter die Anfangsrenovierung durch den Vermieter verlangen. Macht er diesen Anspruch nicht innerhalb von sechs Monaten geltend, kann Verwirkung eintreten1. 352 Haben die Parteien die Überlassung in renoviertem Zustand vereinbart, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob damit eine neu renovierte Wohnung gemeint war. Im Zweifel ist der Vermieter nicht verpflichtet, frisch renovierte Räume zu überlassen, sondern muss einen Zustand liefern, der den Mieter nicht zwingt, alsbald nach dem Einzug zu renovieren2. Demnach dürfen die Wände geringe Gebrauchspuren aufweisen. (2) Sonstige Merkmale des vertragsgemäßen Zustandes 353 Auch andere Merkmale, insbesondere des baulichen Zustandes bzw. das Vorhandensein oder Fehlen besonderer Eigenschaften, können die Parteien festlegen. Dies kann durch die Beschreibung bestimmter Zustände, aber auch die Bezugnahme auf technische Normen geschehen. 354 Wurden dabei die Qualitäten nur abstrakt beschrieben, hat der Vermieter grundsätzlich ein Leistungsbestimmungsrecht (§ 315 BGB). Insoweit ist er im Zweifel verpflichtet, Einrichtungen mittlerer Art und Güte zu liefern, § 243 BGB. 355 Ist dem Mietvertrag z.B. eine Baubeschreibung3 beigeheftet, sind die darin aufgeführten Beschreibungen regelmäßig Inhalt einer Formularklausel. Diese kann z.B. bestimmen, dass der Zustand der Mietsache bei Vertragsbeginn durch die als Anlage beigefügte Baubeschreibung festgelegt wird. Soweit damit allein die Beschreibung der Mietsache erreicht wird, unterliegt ihr Inhalt nicht der Kontrolle nach § 307 BGB. Werden damit aber Qualitäten festgelegt, hängt deren Wirksamkeit insbesondere von der Einhaltung des Transparenzgebotes des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ab, wenn sie von einem üblichen Standard abweichen sollen. Dazu muss klar ersichtlich sein, welcher Zustand geschuldet sein soll4. Denn ein unter dem Mindeststandard liegender Zustand ist nur dann vertragsgemäß, wenn er eindeutig vereinbart ist5. Diese Anforderung wird regelmäßig nur erfüllt, wenn die Klausel durch Angabe der jeweils maßgeblichen (technischen) Werte (z.B. kWh, dB) veranschaulicht, welche Kapazitäten oder sonstigen Eigenschaften vorhanden sind. Denn nur anhand derartiger Angaben kann der Mieter ermessen, ob er den gewünschten Komfort erhält. bb) Stillschweigende Festlegung des Zustandes 356 Die Vereinbarung eines bestimmten Standards der Mieträume kann auch stillschweigend getroffen werden6. Insbesondere kann eine solche Abrede dadurch entstehen, dass in einer Beschreibung des Mietobjekts zugleich eine Aussage über seinen Charakter (z.B. Reihenhaus mit Terrasse) und damit eine diesem Charakter entsprechende Beschaffenheit enthalten ist7. Dies gilt nicht nur für die Mieteinheit als solche, sondern auch für einzelne Eigenschaften. 357 Vor diesem Hintergrund kann einerseits die Vereinbarung einer besonders niedrigen Miete oder die Akzeptanz einer unzureichenden Beschaffenheit durch den Mieter bedeuten, dass ein bestimmter Zustand des Mietobjektes vertragsgemäß sein soll8. An-

1 BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = WuM 1987, 306. 2 LG Hamburg v. 15.7.1986 – 16 S 90/86, WuM 1986, 275. 3 Mittlerweile auch gerne „Mieterbaubeschreibung“ oder sogar „Mieterausbaubeschreibung“ genannt, um den Eindruck zu erwecken, das die Wünsche des Mieters darin berücksichtigt sind oder sogar vom Mieter stammen. 4 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 5 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 (unter II 2b). 6 BGH v. 2.11.2005 – VIII ZR 52/05, WuM 2005, 774. 7 BGH v. 28.11.2007 – VIII ZR 106/07, ZMR 2008, 116 (Rz. 2). 8 BayObLG v. 4.2.1987 – REMiet 2/86, WuM 1987, 112.

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dererseits sprechen eine besondere Ausstattung des Mietobjektes, seine exponierte Lage oder eine hohe Miete für höhere Anforderungen an die Soll-Beschaffenheit1. Andererseits kann sich eine stillschweigende Qualitätszusage aus dem Gesamtver- 358 halten des Vermieters vor und bei Vertragsschluss ergeben. Die für diese Beschaffenheitsvereinbarung erforderliche Willensübereinstimmung kann etwa in der Weise erzielt werden, dass der Mieter dem Vermieter bestimmte Anforderungen an die Mietsache zur Kenntnis bringt und dieser zustimmt. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt dafür jedoch selbst dann noch nicht, wenn sie dem Vermieter bekannt ist. Erforderlich ist vielmehr weiter, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert2. Mit Rücksicht darauf kann z.B. nicht allein aus dem bei Anmietung einer Wohnung vorgefundenen Zustand an Geräuschimmissionen auf eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung dahin geschlossen werden, dass der Vermieter ein Lärmniveau schuldet, das nicht über gelegentliche Störgeräusche geringen Umfangs hinausgeht3. Gerade bei Umweltmerkmalen muss auch der Mieter eine Veränderung einkalkulieren, insbesondere dass in seinem Umfeld gebaut wird. Deshalb können Lärmimmissionen infolge Bauarbeiten vertragsgemäß sein4. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass die Parteien das Risiko der Aufnahme solcher Arbeiten und die damit regelmäßig einhergehenden Störungen bei Vertragsschluss zumindest stillschweigend vorausgesetzt haben und bei der vereinbarten Miete entsprechend berücksichtigen konnten5. Befand sich die Mietsache oder Teile davon bereits bei Mietbeginn in einem „schlech- 359 ten Zustand“, so dass von einer stillschweigenden Qualitätsvereinbarung ausgegangen werden kann, ist der Erhaltungsanspruch nicht ausgeschlossen6. Denn mit fortdauernder Mietzeit kann sich der Zustand bis hin zum vollständigen Verschleiß verschlimmern und damit ein nicht mehr vertragsgemäßer Zustand eintreten. Die gegenteilige Auffassung7 läuft darauf hinaus, einem Mieter, der eine Wohnung mit „gebrauchter Ausstattung“ anmietet und bereits vorhandene Gebrauchsspuren als vertragsgemäß akzeptiert, jegliche Gewährleistungsansprüche auch bei einem weiteren nach langjähriger Mietdauer eingetretenen (vollständigen) Verschleiß der Mietsache abzusprechen8. cc) Fehlende Festlegung des Zustandes Mangels konkreter Absprachen ist die nach dem Vertrag geschuldete Beschaffenheit 360 der Mietsache im Wege der Auslegung zu ermitteln und dabei regelmäßig auf den Standard bei Vertragsschluss abzustellen9. Insoweit kann bei einem nicht sanierten Altbau nicht dieselbe Ausstattung erwartet werden wie bei einem Neubau. Auch ein unter dem Mindeststandard liegender Zustand ist dann vertragsgemäß, wenn er eindeutig vereinbart ist10. Dafür, dass eine derartige vom Mindeststandard abwei-

1 AG Potsdam v. 12.7.2001 – 26 C 82/01, NZM 2002, 68 (nächtliche, störende Bürotätigkeit in Mietobjekt des oberen Preissegments); AG München v. 22.3.2001 – 453 C 7957/00, NZM 2001, 809 (Lärm von bosnischem Konsulat auf dem Nachbargrundstück wegen einer Vielzahl von Flüchtlingen infolge Krieg in bevorzugter, hochpreisiger Wohnlage); AG Charlottenburg v. 27.5.1999 – 19 C 228/98, MM 2000, 223 (Rostflecken an der Wand bei 16,29 DM/qm Miete). 2 Vgl. BGH v. 20.5.2009 – VIII ZR 191/07, MDR 2009, 1037 = NJW 2009, 2807 (Rz. 9). 3 BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = GE 2009, 1426 = NZM 2009, 855. 4 Vgl. dazu OLG Brandenburg v. 1.10.2007 – 3 U 10/07, zitiert nach juris; KG v. 3.6.2002 – 8 U 74/01, GE 2003, 115 = NZM 2003, 718; LG Berlin v. 17.3.2009 – 63 S 397/08, GE 2009, 847. 5 LG Berlin v. 7.10.2011 – 63 S 59/11, GE 2012, 64. 6 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517. 7 LG Köln v. 6.7.2004 – 1 S 122/04, WuM 2005, 240. 8 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517. 9 BGH v. 10.5.2006 – XII ZR 23/04, MDR 2007, 25 = NZM 2006, 582 (Rz. 10); BGH v. 7.6.2006 – XII ZR 34/04, MDR 2007, 22 = MietRB 2006, 264 = NZM 2006, 626 (Rz. 13). 10 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 (unter II 2b).

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

chende Vereinbarung getroffen wurde, trägt der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast1. 361 Bei der Auslegung ist vorrangig zu beachten, dass der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand durch den vereinbarten Nutzungszweck – z.B. die Nutzung als Wohnung – bestimmt wird. Der Mieter einer Wohnung kann nach der allgemeinen Verkehrsanschauung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Dabei sind insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen2. Gibt es zu bestimmten Anforderungen technische Normen, ist jedenfalls deren Einhaltung geschuldet. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen3. 362 Der im Wege der Auslegung mit Hilfe der Verkehrsanschauung ermittelte Standard muss für die Haupträume vorliegen. Nebenräume (Wohnung: Abstellraum; Gewerberaum: Wartezimmer, Teeküche etc.) müssen grundsätzlich nicht die Beschaffenheitsanforderungen erfüllen4. 363 Neben der tatsächlichen Eignung der Räume dürfen der Nutzung gerade keine öffentlich-rechtlichen Hindernisse entgegenstehen5. Grundsätzlich muss daher die mietvertraglich festgelegte Nutzung der Räume (z.B. als Gaststätte, Diskothek, Fabrikationsbetrieb) baubehördlich (etwa in Form einer Nutzungsänderungsgenehmigung) genehmigt sein, wobei grundsätzlich der Vermieter diese Genehmigungen einzuholen hat6. Den Mieter trifft das Risiko der seinen Betrieb betreffenden Genehmigungen. Eine von dieser Risikoverteilung abweichende Formularklausel ist unwirksam7. 364 Aus der Festlegung des Vertragszwecks, insbesondere durch die Art des Gewerbes, folgt zwar die Garantiehaftung des Vermieters dafür, dass sich die Nutzung in der Mietsache realisieren lässt. Diese Garantie führt aber nicht dazu, über die eigentliche Mietsache hinausgehende Maßnahmen zu treffen8, wie etwa für die Herstellung eines Stellplatzes zu sorgen, der öffentlich-rechtlich für Wohnräume vorgesehen ist9 oder dem Mieter die Möglichkeit zu eröffnen, einen Stellplatz auf dem Grundstück anzumieten, sobald er frei wird10. 365 Die Beweislast für den von ihm reklamierten Inhalt und Umfang des vertragsgemäßen Gebrauchs trägt der Mieter. Insoweit kann er sich jedoch auf den Anscheinsbeweis berufen. Befand sich z.B. ein Parkettboden bei der Übergabe in der Wohnung, gehört dieser im Zweifel zur Mietsache11. Der Vermieter seinerseits hat zu beweisen, dass sich die Mietsache bei der Überlassung in einem vertragsgemäßen Zustand befunden hat.

1 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517. 2 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MDR 2004, 1346 = MietRB 2005, 1 = WuM 2004, 527 (unter II A 1b bb). 3 BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = WuM 2009, 659; BGH v. 17.6.2009 – VIII ZR 131/08, MDR 2009, 975 = MietRB 2009, 253 = NJW 2009, 2441. 4 OLG Düsseldorf v. 28.10.2010 – 24 U 28/10, ZMR 2011, 795. 5 BGH v. 25.2.1987 – VIII ZR 88/86, MDR 1987, 753 = ZMR 1987, 257; BGH v. 23.3.1983 – VIII ZR 336/81, WPM 1983, 660. 6 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, ZMR 2008, 274. 7 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, ZMR 2008, 274. 8 OLG Hamburg v. 13.6.1990 – 4 U 118/89, ZMR 1990, 341. 9 Vgl. zu einem ähnlichen Fall: OLG Köln v. 11.6.2010 – 1 U 66/99, ZMR 2010, 850. 10 BGH v. 31.8.2010 – VIII ZR 268/09, WuM 2010, 678 = GE 2010, 1614. 11 AG Charlottenburg v. 31.3.2011 – 211 C 169/10, GE 2011, 824.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

d) Beispiele zum Mindeststandard l Ablauf im Boden eines Herren-WC in einem im Jahre 1910 errichteten Gebäude gehört nicht

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zum vertragsgemäßen Zustand1. l Abstellraum gehört zwar nach der LBauO zur Grundausstattung einer Wohnung. Wenn der

367

Mietvertrag dazu aber keine Bestimmung trifft, wird er grundsätzlich nicht geschuldet. l Alufenster, an denen sich Kondenswasser bildet, weil eine thermische Trennung fehlt, und des-

368

halb täglich mehrfach abgewischt werden müssen, entsprechen nicht dem Standard des Wohnens, wenn keine andere (eindeutige) Regelung getroffen wurde2. Dies gilt selbst dann, wenn beim Einbau der Fenster (hier: 1974) keine technischen Regeln bestanden, die eine thermische Trennung vorgaben. Denn Fenster müssen so beschaffen sein, dass sie nicht zur Kondensatbildung neigen. l Altbau. Gewisse Unzulänglichkeiten einer Altbauwohnung, die allgemein verbreitet sind, hat

369

ein Mieter hinzunehmen (fi z.B. Feuchtigkeit im Keller). Dies gilt auch für Knarrgeräusche, die bei Benutzung eines älteren Parkettbodens entstehen. Dabei ist ohne Bedeutung, ob diese Geräusche durch normale Abnutzung oder durch unfachmännische Reparaturen des Parketts oder seiner Unterkonstruktion verursacht werden, solange sie sich von der Intensität her im üblichen zu erwartenden Umfang halten3. l Archivfläche bezeichnet eine zur dauerhaften Lagerung von Gegenständen (in der Regel Bü-

370

cher, Urkunden, Papier, Filme, Fotos, Karten etc.) geeignete Fläche. In diesen Räumen muss ein besonderes Raumklima herrschen, dass die dauerhafte Lagerung der Archivarien ermöglicht. Dazu müssen Klima und Belüftung stets konstant bleiben und innerhalb der für die einzelnen Archivgutarten geeigneten Grenzwerte, z.B. für Papierakten 14–18 C und 35–50 % relative Feuchte (vgl. DIN ISO 11799 Anhang B) liegen. l Asbest fi Gesundheitsgefährdungen

371

l Aufzug. Ist ein Aufzug im Mietobjekt vorhanden, darf der Mieter ihn nutzen, sofern nicht aus-

372

drücklich im Vertrag etwas anderes geregelt ist. Die Funktion des Aufzugs muss störungsfrei gewährleistet sein. Die Frage, ob eine Wartezeit an den Aufzügen von maximal zwei Minuten in einem 13-geschossigen Miethaus eine mehr als nur unerhebliche Beeinträchtigung des Zugangs darstellt, bedarf der tatrichterlichen Würdigung, in deren Rahmen ein Vergleich mit den Wartezeiten, mit denen in diesem Gebäude bei einer Vollvermietung von Mieträumen typischerweise zu rechnen wäre, anzustellen ist4. Jedenfalls in einem Hochhaus, insbesondere wenn es um die Anmietung einer Einheit im 10. Stockwerk geht, ist der Vermieter verpflichtet, die Fahrstühle rund um die Uhr, sowohl an Werk- wie auch an Sonn- und Feiertagen, in Betrieb zu halten5. l Badausstattung richtet sich in der Regel nach dem Standard der Baualtersklasse. Als Mindeststandard sind heute WC, Handwaschbecken und Badewanne oder Dusche zu fordern, die sich aber nicht vollständig innerhalb der Wohnung befinden müssen. Höhere Qualitäten als mittlere Art und Güte müssen vereinbart werden, was auch schlüssig erfolgen kann.

373

l Balkon (fi auch Dachterrasse). Insoweit kann allein aus dem bei Anmietung z.B. einer Wohnung vorgefundenen Zustand an Geräuschimmissionen nicht auf eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung dahin geschlossen werden, dass der Vermieter ein Lärmniveau schuldet, das nicht über gelegentlichen Störgeräuschen geringen Umfangs liegt6. Im Übrigen müssen Balkone sicher begehbar sein. Dazu gehört insbesondere eine ausreichende Höhe der Balkonbrüstung, die regelmäßig in der LBauO mit mindestens 90 cm vorgeschriebenist.

374

l Baulicher Zustand. Solange keine abweichende Vereinbarung besteht, schuldet der Vermieter

375

die Übergabe der Mietsache in dem baulichen Zustand, in dem sie sich bei Abschluss des Mietvertrages befindet7, wobei sich der Standard grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit richtet8. In vielen Mietverträgen findet sich die Formulierung: „Der Mieter hat das Objekt 1 KG v. 31.5.2010 – 12 U 147/09, MietRB 2011, 10 = MDR 2010, 1109 = GE 2010, 1267 = ZMR 2011, 33. 2 AG Dortmund v. 24.5.2011 – 425 C 10136/10, NZM 2011, 708. 3 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = WuM 2004, 527 = ZMR 2004, 807. 4 BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 2/07, Mietrecht kompakt 2009, 37. 5 BGH v. 7.6.2004 – 2 W 22/04, MDR 2005, 28 = ZMR 2004, 818 = NZM 2004, 909. 6 BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = GE 2009, 1426 = NZM 2009, 855. 7 AG Hamburg-Altona v. 8.10.2010 – 43 BC 37/10, ZMR 2011, 292. 8 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = WuM 2004, 527 = ZMR 2004, 807.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

besichtigt und übernimmt es im derzeit vorhandenen Zustand“. Eine derartige Klausel dient allein der Beschreibung des Mietobjektes1. Ein Hinweis auf verborgene Mängel oder gar darauf, dass dem Mieter solche bekannt gewesen seien mit der Rechtsfolge des § 536b BGB, kann ihr nicht entnommen werden. Mit der Hauptpflicht aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB lässt es sich nicht vereinbaren (§ 307 BGB), wenn der Vermieter das Risiko der Einholung einer Nutzungsgenehmigung auf den Mieter auch insoweit formularmäßig überbürdet, dass die Versagung ausschließlich auf der Beschaffenheit oder Lage des Mietobjektes beruht2. Hat der Vermieter aber einmal den vertragsgemäßen Zustand geliefert, kann er das Risiko behördlicher Genehmigungen auf den Mieter auch formularmäßig abwälzen, das sich aus einer (erlaubten) baulichen Veränderung ergibt3.

376

l Beleuchtung (fi auch Stromversorgung) der Gemeinschaftsflächen schuldet der Vermieter in dem Umfang, dass sie verkehrssicher begangen und durchschritten werden können4. Insoweit besteht kein Beseitigungsanspruch des Mieters, wenn die Beleuchtung überdimensioniert ist5. Innerhalb der Mietsache entspricht es regelmäßig der Verkehrsanschauung, wenn der Vermieter eine Elektro-Unterverteilung liefert, die es dem Mieter ermöglicht, eigene Beleuchtungsquellen (Lampen etc.) zu installieren und über die Versorgung mit Strom einen eigenen Vertrag mit einem Stromversorger zu schließen. Sobald ein Zähler für die eigene Stromversorgung vorhanden ist, wird die Stromversorgung als solche vom vertragsgemäßen Zustand ausgenommen. Deshalb besteht auch kein Mängelbeseitigungsanspruch, wenn der Versorger wegen Zahlungssäumigkeit des Mieters den Zähler demontiert6. In der Gewerberaummiete wird teilweise auch sog. Edelrohbau geliefert. Hier schuldet der Vermieter regelmäßig nur die Lieferung eines Verteilerschrankes, so dass die eigentliche Elektrounterverteilung innerhalb der Mieträume vom Mieter selbst installiert werden muss.

377

l Bepflanzung der allgemeinen Flächen steht im freien Ermessen des Vermieters. Solange keine besonderen Vereinbarungen getroffen wurden, kann der Vermieter die gärtnerische Gestaltung ändern. Dazu besteht eine Pflicht, wenn der vertragsgemäße Gebrauch des Mieters tangiert wird. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn durch die Bepflanzung der Fassade der Lichteinfall beeinträchtigt oder der Befall mit Ungeziefer (Mäuse im Efeu) gefördert wird. Insoweit besteht aber kein Anspruch des Mieters auf die bestimmte „Wiederaufforstung“7.

378

l Blitzschutz ist für Wohn- und Geschäftsgebäude nicht vorgeschrieben. Deshalb ist er grundsätzlich nur geschuldet, wenn er besonders vereinbart ist.

379

l Bodenbelag gehört regelmäßig zur Grundausstattung der Mietsache, um ein Abnutzen des Estrichs zu verhindern8. Abweichende Vereinbarungen sind nur individuell möglich, weil die Pflicht des Vermieters aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB tangiert wird, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Ohne eine solche (schlüssige) Vereinbarung kann der Mieter den Vermieter nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB zur Verlegung eines geeigneten Bodenbelags in Anspruch nehmen, wobei die Art und Qualität vom Vermieter vorbehaltlich anderer Abreden nach billigem Ermessen festgelegt werden. Eine Pauschale für das Abwohnen eines Teppichbodens ist AGB-mäßig unzulässig9, soweit sie sich nicht als Kalkulationsfaktor der Miete darstellt.

380

l Brandschutz ist grundsätzlich nach dem Standard geschuldet, der bei der Errichtung des Ge-

bäudes nach den einschlägigen Bestimmungen gefordert werden konnte. Besteht die konkrete und naheliegende Gefahr, dass bereits ein kleiner Brand im Treppenhaus binnen kürzester Zeit dem Mieter den Fluchtweg aus seinen Mieträumen abschneidet, kann der Mieter wegen objektiver Gesundheitsgefährdung eine Nachrüstung verlangen10.

1 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = MietRB 2007, 195 = GuT 2007, 208 = ZMR 2007, 605 = GE 2007, 840 = NZM 2007, 484. 2 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274. 3 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274. 4 LG Berlin v. 19.2.2004 – 67 S 319/03, GE 2004, 626. 5 LG Hamburg v. 2.12.2010 – 307 S 73/10, ZMR 2011, 288. 6 BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MDR 2011, 216 = MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 97 = ZMR 2011, 371. 7 LG Hamburg v. 2.12.2010 – 307 S 73/10, ZMR 2011, 288. 8 OLG Düsseldorf v. 3.5.2011 – 24 U 197/10, ZMR 2012, 438 = DWW 2012, 92; LG Frankenthal v. 19.6.1985 – 2 S 412/84, ZMR 1985, 342 = WuM 1986, 112. 9 LG Frankenthal v. 19.6.1985 – 2 S 412/84, ZMR 1985, 342 = WuM 1986, 112. 10 KG v. 22.9.2003 – 12 U 15/02, GuT 2003, 215.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

l Briefkasten gehört grundsätzlich zum Standard, den der Vermieter dem Mieter zur Verfügung

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stellen muss1, und zwar auch bei einer Einliegerwohnung2. Ersatzweise kann auch ein Einwurfschlitz in der Haustüre ausreichen3. Die Bedenken aus Gründen der Vertraulichkeit4 greifen nicht durch, solange der Mieter die Situation nicht bei Abschluss des Mietvertrages reklamiert. Denn dann ist von einer stillschweigenden Beschaffenheitsvereinbarung auszugehen. Das Gleiche gilt, wenn innenliegende Briefkästen vorhanden sind. Hier besteht kein nachträglicher Anspruch auf Installation eines außen befestigten Briefkastens5. Die Kästen müssen verschließbar sein und Postsendungen in der Größe von DIN A 4 aufnehmen können6. Ansonsten können sich Größe und Qualität des Briefkastens an DIN 32 617 orientieren, sofern keine abweichende Beschaffenheitsvereinbarung (stillschweigend) getroffen wurde. Danach sind maßgeblich für – –

den Einwurfschlitz mind. 325 × 30 mm, die Kastentiefe bei vertikaler Ausführung mind. 100 mm,



die Stapelhöhe des Postgutes bis zur Entnahmesicherung 40 mm,

– –

die Entnahmesicherung mind. 15 mm tief und 80 % der Breite des Einwurfschlitzes, die Namensschildgröße 60 × 15 mm,



die Widerstandsfähigkeit der Türe (15 daN = Dekanewton)

Die Liberalisierung des Briefmarktes ab dem Jahr 2007 mit der für das Postzustellungswesen inhaltlichen Veränderung begründet für den Vermieter, der seinen Mietern nach bisherigem Rechtsverständnis Briefkästen im Hausflur eines Mietobjekts zur Verfügung gestellt hat, nicht die Verpflichtung, nunmehr neue Briefkästen im Außenbereich eines Mietobjekts anzubringen7.

382

l Dachterrassen (fi auch Balkon) müssen verkehrssicher sein und daher mit den nach der jewei-

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ligen LBauO notwendigen Geländern oder sonstigen Umwehrungen ausgestattet sein. Eine Überdeckung ist grundsätzlich nicht geschuldet. Deshalb kann auch die Erweiterung einer vorhandenen Abdeckung nicht verlangt werden. Ist an der Abdeckung keine Regenrinne vorhanden, kann der Mieter die nachträgliche Installation nicht verlangen, weil auf den baulichen Zustand bei Abschluss des Mietvertrages abzustellen ist8. l Deckenbelastung. Die Belastungshöchstgrenze für Decken ist unterschiedlich. Sie hängt von der Bauart ab (Holzbalkendecke, Spannbetondecke etc.). Der Vermieter steht vorbehaltlich anderer Vereinbarungen dafür ein, dass sie jedenfalls für den vertragsgemäßen Gebrauch, der sich nach dem Mietzweck richtet, geeignet ist9. Diesen Anforderungen entspricht eine Decke, wenn sie z.B. das Abstellen von Möbeln ohne Rissbildung oder sonstige Auswirkungen auf den Baukörper zulässt. Das Gewicht der abgestellten Sachen ist solange unerheblich, wie das Abstellen vom vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt ist. Deshalb führt z.B. das Aufstellen eines Tresors in einer Bank oder von Fitnessgeräten in einem Sportstudio nicht zu einer Pflichtverletzung des Mieters.

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l Durchlauferhitzer müssen so ausgelegt sein, dass sie eine kontinuierliche Warmwasserversor-

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gung zulassen. Dazu gehört, dass auch beim gleichzeitigen Öffnen von zwei Wasserhähnen in der Wohnung an beiden ausreichend warmes Wasser zur Verfügung steht10. l Einbruchsicherheit11. Räume müssen so ausgestattet sein, dass sie den ortsüblichen Standard

hinsichtlich der Sicherheit vor Einbrüchen aufweisen12. Dafür muss nicht jedweder Einbruch ausgeschlossen sein; erhebliche Gefahrenquellen sind jedoch als nicht vertragsgemäßer Zustand der Mietsache zu bewerten13. Deshalb ist eine vorhandene Öffnung in der Wand fachmännisch zu verschließen. Ein Anspruch auf Installation eines Sicherheitsschlosses besteht nicht – auch nicht auf Sicherheitsbeschläge an einer Balkontüre14. Darüber hinaus ist der Vermieter ohne besonde1 AG Osnabrück v. 4.11.1999 – 47 C 216/99, WuM 2000, 329; AG Mainz v. 6.5.1996 – 8 C 98/96, NJWE-MietR 1997, 265. 2 Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 21; a.A. AG München v. 9.9.1988 – 234 C 19507/88, ZMR 1989, 25. 3 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 159. 4 Vgl. dazu Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 248; Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 21. 5 LG Frankfurt v. 28.5.2010 – 6a S 126/09, ZMR 2011, 552 = GE 2011, 1309. 6 LG Berlin v. 11.5.1990 – 29 S 20/90, MM 1990, 261. 7 LG Frankfurt v. 28.5.2010 – 6a S 126/09, ZMR 2011, 551 = GE 2011, 1301. 8 AG Hamburg-Altona v. 8.10.2010 – 43 BC 37/10, ZMR 2011, 292. 9 BGH v. 6.5.1958 – VIII ZR 66/57, BB 1958, 575. 10 AG Köln v. 9.4.2008 – 220 C 152/07, GE 2008, 1576. 11 Vgl. auch Breiholdt, PiG 92, 29 f. 12 Hübner/Griesbach/Schreiber in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 243. 13 BGH v. 7.6.2006 – XII ZR 34/04, MDR 2007, 22 = MietRB 2006, 264 = NZM 2006, 626. 14 KG v. 7.7.2008 – 8 U 33/08, WuM 2009, 658 = GE 2009, 1621.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

re Vereinbarung nicht verpflichtet, den Sicherheitsstandard des Gebäudes veränderten Sicherheitserkenntnissen anzupassen1. fi auch Schlösser

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l Elektrische Geräte, die als Einrichtung zur Wohnung gehören (z.B. Lüfter im Bad), müssen funktionieren und ihrer Funktion entsprechend arbeiten, also den gewünschten Erfolg herbeiführen.

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l Elektrounterverteilung. Der Mieter einer nicht modernisierten Altbauwohnung hat grundsätz-

lich einen Anspruch auf eine Elektrizitätsversorgung, die zumindest den Betrieb eines größeren Haushaltsgerätes wie einer Waschmaschine und gleichzeitig weiterer haushaltsüblicher Geräte wie z.B. eines Staubsaugers ermöglicht2. Die Parteien können (und müssen) einen darunter liegenden Standard ausdrücklich vereinbaren. Dazu reicht es aber nicht aus, dem Mieter allgemein das Risiko einer nicht ausreichenden Dimensionierung der vorhandenen Unterverteilung aufzubürden. Vielmehr genügt eine solche Regelung im Mietvertrag nur den Anforderungen an die Transparenz, wenn die Klausel konkrete Angaben dazu enthält, welchen Anforderungen die vorhandene Anlage standhält3.

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l Energieausweis. Hat der Gebäudeeigentümer nach den §§ 16 ff. EnEV zu erstellen und dem

Mieter auf Verlangen vorzulegen. Er erhält aber im Hinblick auf die energetischen Anforderungen an das Gebäude grundsätzlich keine Bedeutung4, solange die Parteien dies nicht ausdrücklich vereinbaren.

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l Energieeinsparung besteht zwar als eines der übergeordneten Ziele der Modernisierungsvorschriften. Ein Anspruch des Mieters auf Modernisierung (= Energieeinsparung) besteht aber nicht5, so dass er grundsätzlich den Standard akzeptieren muss, der dem bei Beginn des Mietvertrages als vertragsgemäß vereinbartem Zustand entspricht.

391

l Energiestandard eines Gebäudes richtet sich grundsätzlich nach den Regeln, die im Zeitpunkt

der Bezugsfertigkeit zu beachten waren, solange nicht nachträglich Modernisierungen zur Energieeinsparung durchgeführt wurden oder die EnEV ausnahmsweise – verbindlich – etwas anderes bestimmt. Letzteres war z.B. mit Übergangsfrist bis zum 31.12.2008 für Heizungsanlagen gemäß § 10 Abs. 1 EnEV der Fall. Bei Instandsetzungen der Fassade ist § 9 Abs. 3 EnEV zu beachten. Darüber hinaus kann der Energiestandard Gegenstand einer zugesicherten Eigenschaft sein (vgl. § 536 BGB Rz. 217 f.). Allein aus der Tatsache, dass der Vermieter entgegen § 10 Abs. 3 EnEV das Dach oder die Decke zum Dachgeschoss nicht gedämmt hat, entstehen zugunsten des Mieters grundsätzlich keine Anforderungen, die z.B. eine Schadensersatzpflicht des Vermieters begründen, weil der Mieter bei selbst betriebener Gasetagenheizung einen höheren Gasverbrauch reklamiert6.

392

l Entlüftung fi Lüftungsanlage

393

l Fenster müssen dicht sein und grundsätzlich dem Gruppenstandard der Baualtersklasse entsprechen. Insoweit kann ohne zusätzliche Vereinbarung nicht auf den Standard bei Abschluss des Mietvertrages abgestellt werden7. Hinsichtlich einer Kondensatwasserbildung ist zu differenzieren: Setzt sich deshalb, weil die Fensterscheiben als solche die kälteste Stelle im Raum bilden, die in der Luft vorhandene Feuchtigkeit (z.B. über Nacht) auf der Einfachverglasung ab, ist das ein unvermeidbares Phänomen, das bei hoher Luftfeuchtigkeit innerhalb der Mieträume auftritt. Hierauf muss der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages nicht hinweisen. Wurden jedoch vom Gruppenstandard abweichende Fenster eingebaut, die über einen technischen Mangel verfügen (z.B. fehlende thermische Trennung), muss der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages darauf hinweisen, wenn die Fenster selbst zu einer Kondensatwasserbildung neigen. Denn ohne eine einschränkende Regelung kann der Mieter erwarten, dass die Fenster einen allgemein üblichen Wohnstandard aufweisen. Dazu gehören jedenfalls keine (Aluminium-)Fenster, bei denen nur durch erhöhte Reinigungsarbeit eine Schimmelbildung infolge Kondensatwasserbildung vermieden werden kann8. fi auch Alufenster

1 OLG Düsseldorf v. 6.6.2002 – 10 U 12/01, ZMR 2002, 820 = NZM 2002, 737. 2 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MDR 2004, 1346 = MietRB 2005, 1 = NJW 2004, 3174 (unter [II] A 2b). 3 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 4 Vgl. Sternel, NZM 2007, 495; Horst, NZM 2006, 1; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 81a. 5 BGH v. 14.9.2011 – VIII ZR 10/11, MDR 2011, 1465 = WuM 2011, 671 = ZMR 2012, 174 m. Anm. Schläger, ZMR 2012, 266. 6 LG Berlin v. 4.2.2011 – 63 S 181/10, GE 2011, 485 = MM 2011, Nr. 6, 37. 7 A.A. AG Dortmund v. 24.5.2011 – 425 C 10136/10, NZM 2011, 708. 8 AG Dortmund v. 24.5.2011 – 425 C 10136/10, NZM 2011, 708.

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Lützenkirchen

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

l Fernsehen in HD-Qualität gehört nicht zum vertragsgemäßen Zustand einer Wohnung, wenn der Vermieter einen Breitbandkabelanschluss zur Verfügung stellt1. fi auch Rundfunk- und Fernsehempfang

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l Feuchtigkeit im Keller gehört bei Altbauten zum vertragsgemäßen Zustand2. Das ist selbst bei einem Gebäude von 1950 noch der Fall3.

395

l Fliesenspiegel gehört zur üblichen Ausstattung einer Küche4.

396

l Garten. Ob gärtnerisch angelegte Flächen zur Mietsache gehören oder Gemeinschaftsflächen

397

darstellen, richtet sich nach den vertraglichen Absprachen. Regelmäßig kann davon ausgegangen werden, dass eine Sondernutzung besonders vereinbart werden muss. Andernfalls ist von Gemeinschaftsgebrauch auszugehen. Letzteres kann der Vermieter durch Haus-, Gemeinschaftsoder Benutzungsordnung nach billigem Ermessen regeln, wobei er auch das Betreten der Flächen verbieten kann. Dem oder den Mietern kann die Pflege der gärtnerisch angelegten Flächen übertragen werden. Selbst wenn der Garten aber zur alleinigen Nutzung überlassen wurde, entsteht dadurch kein Direktionsrecht des Vermieters5. l Gesundheitsgefährdungen darf die Mietsache nicht hervorrufen, so dass der Mieter auch schon

398

einen Anspruch aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB geltend machen kann, bevor die Voraussetzungen des § 569 Abs. 1 BGB vorliegen (z.B. nicht emittierendes Asbest in den Trennwänden6). l Haustüren sind vorbehaltlich anderer Abreden vertragsgemäß, wenn sie ein Mindestmaß an

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Einbruchschutz gewähren. Dazu müssen sie mit einem (funktionierenden) Schloss ausgestattet sein, so dass sie sich nicht bereits mit leichtem Druck öffnen lassen. Besondere Anforderungen an den Schallschutz können nur gestellt werden, wenn dazu entsprechende (stillschweigende) Vereinbarungen getroffen wurden. Insoweit kann regelmäßig die Höhe der Miete und die übrige Ausstattung der Wohnung als Grundlage für eine abweichende Vereinbarung herangezogen werden. Im Übrigen ist es dem Vermieter im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht geboten, seine teilweise aus Glas bestehende Haustür mit weitgehend bruchsicherem, jedenfalls splitterbindendem Glas zu versehen7. l Heizkörper bilden den in der Wohnung oder Gemeinschaftsfläche installierten Teil der (Zen-

400

tral- oder Etagen-)Heizung, durch die die Erwärmung der Räume herbeigeführt werden soll. Sie müssen funktionstauglich und so dimensioniert sein, dass ohne zusätzliche Hilfsmittel eine Erwärmung auf die Werte der DIN 4107 herbeigeführt werden kann. Ihre Dimensionierung richtet sich nach DIN EN 442. Danach werden Platten-, Flachheiz- oder Kompaktheizkörper, Radiatoren, Guss-, Stahl- oder Stahlrohrradiatoren unterschieden. l Heizung. Die Beheizung richtet sich nach dem baulichen Zustand bei Beginn des Mietvertra-

401

ges. Ist keine Heizung vorhanden, kann der Mieter auch die nachträgliche Installation nicht verlangen. Es besteht kein Anspruch auf Modernisierung. Eine Zustimmung zur Installation durch den Mieter muss der Vermieter nicht erteilen; dies schränkt seine unternehmerische Freiheit zu sehr ein8. Ist eine Beheizung vorhanden, soll es dem Standard entsprechen, dass der Mieter die Temperatur regulieren kann9. Dies ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Denn geschuldet wird der Standard, der vorhanden ist. Ist eine Heizung installiert, die eine Regulierung nicht für einzelne Räume vorsieht, kann der Mieter daraus keine Gewährleistungsrechte herleiten10. –

402

Wohnung ohne Heizung Regelmäßig sind bei diesen Wohnungen Vorrichtungen vorhanden, um Einzelöfen, die durch Kohle, Öl oder Gas befeuert werden, anzuschließen. Eine andere Möglichkeit besteht in der Beheizung durch Nachtstrom für Wärme (Nachtstromspeicherheizung). Der Mieter ist für die Beheizung selbst verantwortlich. Er ist auch regelmäßig für die Beschaffung und gegebenenfalls die Einlagerung der Brennstoffe oder der Energie selbst verantwortlich. Sind die Öfen defekt, ist der Vermieter für die Behebung der Schäden nur dann verantwortlich, wenn er die

1 BGH v. 21.9.2010 – VIII ZR 275/09, GE 2010, 1681. 2 LG Osnabrück v. 11.4.2001 – 6 S 1247/00, WuM 2004, 233; LG Mannheim v. 8.4.1998 – 4 S 158/87, WuM 1998, 663; AG München v. 11.6.2010 – 461 C 19454/09, IMR 2010, 520. 3 LG Osnabrück v. 11.4.2001 – 6 S 1247/00, WuM 2004, 233; LG Mannheim v. 8.4.1998 – 4 S 158/97, WuM 1998, 663; AG München v. 11.6.2010 – 461 C 19454/09, IMR 2010, 520 (Pfattheicher). 4 AG Fürstenwalde v. 24.1.2002 – 15 C 248/01, MM 2002, 143. 5 LG Köln v. 21.10.2010 – 1 S 119/09, IMR 2011, 54 (Fodor). 6 LG Berlin v. 3.12.2010 – 63 S 42/10, GE 2011, 204. 7 OLG Koblenz v. 10.10.1996 – 5 U 138/95, MDR 1997, 462 = WuM 1997, 376 = ZMR 1997, 417. 8 BGH v. 14.9.2011 – VIII ZR 10/11, MDR 2011, 1465 = WuM 2011, 571. 9 Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 34. 10 A.A. AG Köln v. 13.4.2012 – 201 C 481/10, ZMR 2012, 632.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

Heizkörper mitvermietet hat. Im Übrigen besteht grundsätzlich keine Pflicht des Vermieters, den fachgerechten Anschluss der Öfen in den Wohnungen der einzelnen Mieter zu kontrollieren1.

403 – Etagenheizung In diesem Fall erfolgt die Versorgung mit Wärme regelmäßig durch eine in der Wohnung installierte Therme oder eine andere Heizanlage. Für den Betrieb ist der Mieter in der Regel selbst verantwortlich, so dass er einen eigenen Vertrag z.B. mit einem Gasversorger abschließen muss. Hinsichtlich der Kosten der Reinigung und Wartung der Therme bzw. der Heizanlage kommt es darauf an, ob der Vertrag eine Pflege durch den Vermieter vorsieht. Ist das der Fall, sind die Kosten im Rahmen des § 2 Nr. 5d BetrKV umlegbar. Ansonsten trägt der Mieter die Kosten selbst, sofern eine wirksame Wartungsklausel besteht (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 538).

404 – Zentralheizung Diese Beheizungsart kommt in verschiedenen Konstellationen vor. Häufig befindet sich eine zentrale Heizanlage, die die einzelnen Wohnungen über ein geschlossenes Rohrsystem mit Wärme versorgt, im Keller des Gebäudes. Es ist aber auch möglich, dass eine Heizungsanlage für mehrere Gebäude installiert ist2 oder sogar ein sog. Blockheizkraftwerk betrieben wird. Letzteres dient in aller Regel der Versorgung von ganzen Wohnanlagen. Innerhalb des Gebäudes werden als Teil der Zentralheizung im Wesentlichen Systeme einer – – –

Zweirohrheizung mit oberer und unterer Verteilung, horizontalen oder vertikalen Einrohrheizung mit nur einer Nutzeinheit pro Rohrschleife oder mehreren Nutzeinheiten pro Rohrschleife, Einrohrheizung mit Profilrohren,

– –

Fußbodenheizung, Deckenstrahlheizung oder

– Heizung mit klappengesteuerten Heizkörpern betrieben. In allen Fällen ist der Vermieter ist für den ordnungsgemäßen, betriebsbereiten Zustand der Heizanlage verantwortlich, ebenso für die Beschaffung der Brennstoffe bzw. der Energie. Grundlage der Kostenverteilung bildet die HeizkV. Die Heizungen müssen grundsätzlich dem durch § 10 EnEV bestimmten Standard entsprechen. Ob der Vermieter eine Heizungsregulierung unabhängig von der vertraglichen Regelung als Mindeststandard schuldet, ist durch Auslegung anhand der Verkehrsanschauung im Einzelfall zu ermitteln. Maßgeblich sind insoweit objektive Maßstäbe (Alter, Ausstattung, Art des Gebäudes, Höhe der Miete und eine evtl. Ortssitte)3. Bei einer Einrohrheizung in einem Plattenbau ist es unvermeidbar, dass auch bei abgedrehten Thermostatventilen Energie an die Räume abgegeben wird4.

405 – Fernwärme Bei dieser Beheizungsart wird Wärme regelmäßig über ein externes Heizkraftwerk geliefert5. In der Praxis sind Modelle geläufig, in denen der Mieter unmittelbar einen Vertrag mit dem Fernwärmelieferanten schließt, aber auch die Belieferung über den Vermieter. Im ersten Fall liegt das Risiko der Belieferung bei dem Fernwärmelieferanten und tangiert den Mietvertrag nur, wenn die Tauglichkeit der vorhandenen Heizungsanlage nicht gegeben ist und diese vom Vermieter stammt. Ist der Vermieter Vertragspartner des Fernwärmelieferanten, ist er im Verhältnis zum Mieter bei Mängeln einstandspflichtig. Dann rechnet auch er die Kosten nach der HeizkV ab. Im anderen Fall ist aber auch der Fernwärmelieferant im Verhältnis zum Mieter an die Abrechnungsvorgaben der HeizkV gebunden.

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l Heizperiode. Findet die Übergabe in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 30. April statt, schuldet der Vermieter grundsätzlich vom ersten Moment an den Betrieb der Heizung. Außerhalb dieser Zeit kann der Mieter den Betrieb verlangen, wenn die klimatischen Verhältnisse dies erfordern6.

1 BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 310/10, WuM 2011, 465 = GE 2011, 1013 = ZMR 2011, 938. 2 Vgl. BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 290/09, MDR 2010, 1445 = MietRB 2010, 317 = WuM 2010, 629 = NZM 2010, 781 = ZMR 2011, 24; BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 371/04, MDR 2006, 196 = MietRB 2006, 30 (31 f.) = WuM 2005, 579 = ZMR 2005, 937 = NZM 2005, 737 = NJW 2005, 3135 (unter II 3a). 3 Eisenschmid, WuM 2012, 265 (266). 4 LG Berlin v. 1.11.2011 – 63 S 341/11, WuM 2012, 264. 5 Vgl. BGH v. 24.9.2008 – VIII ZR 275/08, WuM 2008, 667 = GE 2008, 1485. 6 Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 34 (Behaglichkeitsgrenze).

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

Das ist in der Regel der Fall, wenn die Innentemperatur in der Wohnung bei geschlossenen Fenstern und Türen unter 18 °C fällt und mit einer Verbesserung der Situation in den folgenden Stunden nicht zu rechnen ist. Insoweit ist aber eine einheitliche Linie der Rechtsprechung bisher nicht erkennbar. Denn zum Teil wird auch auf die Außentemperatur abgestellt. Deshalb soll ein Anstellen der Heizung erst verlangt werden können, wenn die Außentemperatur auf ein Niveau sinkt, das mit dem Temperatur-Niveau in der üblichen Heizperiode zu vergleichen ist, wovon erst ausgegangen werden können soll, wenn die Außentemperatur an mindestens drei aufeinander folgenden Tagen weniger als 12 °C beträgt1. Daran kann auch ein Mietvertrag nichts ändern, indem beispielsweise eine Mindest-Temperatur von 18 °C vereinbart ist. Eine solche Vereinbarung ist unwirksam2. Die Anschaffung einer eigenen Heizquelle kann vom Mieter nicht verlangt werden – auch nicht wenn zu erwarten ist, dass die niedrigen Temperaturen nur kurzfristig, also bis maximal zwei Tage, auftreten. Der Vermieter ist nicht verpflichtet, eine „Wohnraum-Temperatur“ den ganzen Tag über zur Verfügung zu stellen. Er erfüllt seine Verpflichtungen, wenn diese Temperaturen während der üblichen Tagesstunden von 7.00 bis 23.00 oder 24.00 Uhr herrschen3. Geheizt werden muss danach in der Zeit von 6.00 bis 24.00 Uhr, da ein entsprechender zeitlicher Vorlauf und Nachlauf zu berücksichtigen ist. Ist ein Winter aber extrem kalt, kann der Vermieter auch verpflichtet sein, die Heizung durchgehend in Betrieb zu halten4. l Jalousie fi Rollladen

407

l Keller oder sonstige Zubehörräume zur ausschließlichen Nutzung durch den Mieter gehören nur zum vertragsgemäßen Gebrauch, wenn sie ausdrücklich vermietet sind. Nur weil andere Mieter einen Keller besitzen, gehört ein solcher nicht automatisch zur Mietsache und es entsteht auch kein Überlassungsanspruch5.

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l Die klimatische Beschaffenheit der Mieträume muss so gestaltet sein, dass sie mit normalen

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Mitteln auf einem üblichen Niveau von ca. 55 % relativer Luftfeuchte gehalten werden können, ohne dass sich z.B. Schimmel bildet. Dazu muss zwei Mal tägliches Stoßlüften von ca. zehn Minuten ausreichen. Ist es notwendig, zur nachhaltigen Vermeidung von Schimmelpilzbefall die Wohnung dreimal täglich für circa neun Minuten zu lüften, handelt es sich bereits um das Erfordernis eines übermäßigen Lüftens. Für die Annahme einer Vertragspflichtverletzung bedarf es daher in einem derartigen Fall einer besonderen Vereinbarung6. Im Übrigen gehört es zur uneingeschränkten Gebrauchstauglichkeit eines zu Wohnzwecken genutzten Zimmers, dass dieses in üblicher Art und mit handelsüblichen Möbeln eingerichtet werden kann. Der Mieter einer Wohnung darf nämlich davon ausgehen, dass das Mietobjekt bauphysikalisch so beschaffen ist, dass auch große Möbel an den Außenwänden aufgestellt werden können, ohne dass sich negative Erscheinungen (hier: Schimmelpilzbefall) bemerkbar machen. l Kochgelegenheit gehört zu den Mindestausstattungsmerkmalen, die für die Annahme einer

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Wohnung vorausgesetzt werden7. Sie muss funktionsfähig sein. Ist kein Herd vorhanden, müssen wenigstens die erforderlichen Anschlüsse in dem für die Küche vorgesehenen Raum anschlussfertig installiert sein. Ein darunter liegender Standard muss eindeutig vereinbart sein8. l Lüftungsanlagen können innerhalb und außerhalb der Wohnung installiert sein. Innerhalb der

Wohnung sind sie zumeist in Feuchträumen, vor allem dem innenliegenden Badezimmer angebracht. Moderne Lüfter steuern die Entlüftung über eine elektronische Intervallschaltung, die sich nach der Dauer der Nutzung des Bades richtet9. In älteren Gebäuden sind mechanische Lüftungsanlagen vorhanden, die über zwei übereinanderstehenden Öffnungen funktionieren. Sie arbeiten nur bei regelmäßiger Reinigung, die dem Mieter im Rahmen seiner Obhutspflicht obliegt, einwandfrei. Außerhalb der Wohnung kommen Lüftungsanlagen vor allem bei innenliegenden Fluren vor. Auch hier ist wegen des Standards (insbesondere der Lärmentwicklung) auf die mittlere Art und Güte bei Errichtung des Gebäudes abzustellen.

1 AG Köln v. 9.4.2008 – 220 C 152/07, GE 2008, 1576. 2 LG Heidelberg v. 11.9.1981 – 5 S 80/81, WuM 1982, 2; LG Berlin v. 20.12.1990 – 61 S 178/89, GE 1991, 573. 3 AG Hamburg v. 8.3.1995 – 41a C 1371/93, WuM 1996, 469. 4 AG Köln v. 27.3.1979 – 156 C 1083/79, WuM 1980, 278. 5 Vgl. BGH v. 31.8.2010 – VIII ZR 268/09, WuM 2010, 678 = GE 2010, 1614. 6 AG Hamburg-St. Georg v. 19.2.2009 – 915 C 515/08, WuM 2009, 582. 7 LG Aachen v. 29.7.1993 – 6 S 106/93, WuM 1993, 616; LG Lübeck v. 3.12.1991 – 6 S 305/91, WM 1992, 616; LG Bonn v. 19.9.1991 – 6 S 112/91, WM 1992, 24; LG Bochum v. 7.1.1983 – 5 S 333/82, WM 1984, 133 (134); LG Essen v. 29.7.1976 – 10 S 324/76, WM 1977, 206. 8 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = WuM 2004, 527 = ZMR 2004, 807. 9 LG Berlin v. 13.7.2012 – 65 S 116/12, GE 2012, 1169.

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§ 535 BGB 412

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

l Möblierung der Wohnung durch den Vermieter ist nur geschuldet, wenn dies ausdrücklich ver-

einbart ist, soweit dies nicht zum Standard gehört (z.B. Sanitäreinrichtung). Im Übrigen muss sie grundsätzlich uneingeschränkt möglich sein. Das betrifft zunächst die zum Wohnen üblichen Möbel (Bett, Schränke, Einbaumöbel etc.), die der Mieter auch ohne Weiteres an Außenwänden aufstellen darf1. Einschränkungen können für ungewöhnliche Einrichtungsgegenstände gelten (z.B. Tresore), weil hier besondere Anforderungen an die Tragkraft von Decken gestellt werden (fi Deckenbelastung).

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l Müllabwurfanlagen, die eine Mülltrennung nicht erlauben, darf der Vermieter jedenfalls dann stilllegen, wenn im Mietvertrag eine Änderung der Benutzung von Gemeinschaftsanlagen vorbehalten ist2. Im Übrigen gebieten diverse rechtliche Bestimmungen die Stilllegung von Müllabwurfanlagen. Gegen dieses landesrechtliche Verbot von Müllschluckern ergeben sich Bedenken. Denn ob das Verbot eine geeignete Maßnahme i.S.d. Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Art. 20 GG) darstellt, ist zweifelhaft. Immerhin kann die Mülltrennung per Hand durchgeführt werden (sog. Müllmanagement), was nicht immer teurer ist.

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l Müllentsorgung ist vom Vermieter im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB

zu betreiben bzw. zur Verfügung zu stellen. Sie richtet sich nach den örtlichen Gegebenheiten. Stellt die Gemeinde auf Mülltrennung um, kann der Vermieter den Mieter verpflichten, sich daran zu beteiligen. Die Pflicht zur Mitwirkung des Mieters ergibt sich spätestens aus § 241 Abs. 2 BGB, da die Nichtbeachtung der Mülltrennung durch den Vermieter in der Regel Konsequenzen mit Strafcharakter nach sich zieht. Regelmäßig stellt die Umstellung aber auch eine Maßnahme nach § 555b Nr. 6 BGB dar.

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l Nichtraucherwohnung. Der Vermieter kann – auch AGB-mäßig – in der Wohnung das Rauchen

verbieten3. Dem Überraschungseffekt nach § 305c BGB kann er dadurch entgegenwirken, dass er eine deutliche Regelung schafft und den Mietvertrag als solchen über eine Nichtraucherwohnung betitelt. Insoweit ergeben sich keine höheren Rechte des Mieters, denen nach § 307 Abs. 1 BGB Vorrang eingeräumt werden müsste. Denn der Vermieter kann über das Ob der Nutzung seines Gebäudes bestimmen und zum Schutz anderer Mieter Verhaltensregeln aufstellen. Ein solcher Eingriff in die Privatsphäre wird im Mehrfamilienhaus durch das Gebot der Rücksichtnahme überlagert. Allein um Kollisionen mit Nichtrauchern zu vermeiden und allen Mietern gesunde Wohnverhältnisse zur Verfügung zu stellen, kann der Vermieter daher ein Rauchverbot im Mietvertrag regeln. Die nachträgliche Einführung setzt eine einvernehmliche Regelung voraus.

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l Niveau der Mieter. Auch vor dem Hintergrund eines das „einmalige Ambiente“ und die „ange-

nehme Atmosphäre“ hervorhebenden Vermietungsexposés kann ohne besondere Absprachen aus der bloßen Vereinbarung einer deutlich über den örtlichen Spitzenpreisen liegenden Miete noch keine Verpflichtung des Vermieters abgeleitet werden, einen bestimmten „Mietermix“ oder ein bestimmtes „Milieuniveau“ zu bewahren4. Ein Mieter hat daher keinen Anspruch darauf, dass sich im Umfeld seiner Mieträume nur Kunden oder Besucher anderer Mieter einfinden, die einer „gehobenen“ Bevölkerungsschicht angehören oder sich durch ein angenehmes Erscheinungsbild und Verhalten auszeichnen.

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l Parkett muss verkehrssicher begehbar sein. Das Abziehen kann AGB-mäßig nicht auf den Mie-

ter abgewälzt werden5, auch nicht zu Beginn des Mietvertrages, solange keine Gegenleistung des Vermieters erfolgt. fi auch Altbau

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l Parkplätze fi Stellplätze

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l Regenrinne. Der Mieter kann nicht die nachträgliche Installation einer Regenrinne z.B. am Abschluss einer Überdachung seiner Terrasse verlangen, weil auf den baulichen Zustand bei Abschluss des Mietvertrages abzustellen ist6.

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l Renovierung. Solange die Parteien keine besonderen Vereinbarungen über den Anfangs-

zustand getroffen haben, hat der Mieter grundsätzlich keinen Anspruch auf Überlassung einer frisch renovierten Wohnung7. Vielmehr muss die Wohnung so ausgestattet werden, dass der Mie-

1 AG Spandau v. 1.12.2010 – 4 C 380/09, GE 2011, 209. 2 AG Wedding v. 6.1.2011 – 8b C 25/09, GE 2011, 271. 3 Reichhardt/Dittmann, ZMR 2011, 925; a.A. Derleder, NJW 2007, 812 (814); Paschke, NZM 2008, 265; Horst, MietRB 2008, 188 m.w.N. 4 BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 (68) = NZM 2009, 124 = GE 2009, 254; BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 2/07, MK 2009, 37. 5 BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 48/09, MDR 2010, 312 = MietRB 2010, 101 = WuM 2010, 85 = GE 2010, 335 = NZM 2010, 157 = ZMR 2010, 432. 6 AG Hamburg-Altona v. 8.10.2010 – 43 BC 37/10, ZMR 2011, 292. 7 LG Hamburg v. 15.7.1986 – 16 S 90/86, WuM 1986, 275.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

ter den vertragsgemäßen Gebrauch (Wohnen) sofort aufnehmen kann und nicht alsbald wieder renovieren muss. l Rollladen müssen weder aus Gründen des Sonnenschutzes noch der Einbruchssicherheit vorhanden sein, und zwar auch nicht im Erdgeschoss. Besteht eine entsprechende Ausstattung, muss sie funktionstauglich und einwandfrei bedienbar sein. Verschlissene Rollladengurte muss der Mieter nicht akzeptieren.

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l Rundfunk- und Fernsehempfang schuldet der Vermieter auch ohne besondere Abrede im Rah-

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men des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Besonderer Einrichtungen bedarf es nicht, wenn einwandfreier Empfang z.B. von DVBT oder über das Internet möglich ist1. Ein erweiterter Empfang (also von weiteren Sendern) kann unter den für Parabolantennen entwickelten Grundsätzen verlangt werden (vgl. § 535 BGB Rz. 793). l Sanitärausstattung muss baualtersgemäß vorhanden und funktionstauglich sein. Zur Mindest-

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ausstattung gehören Waschbecken, WC, Badewanne oder Dusche. l Schallschutz gehört je nach Baualtersklasse zum Standard2. Haben aber bauliche Veränderungen stattgefunden, die auf der Grundlage einer Baugenehmigung durchgeführt wurden, sind die zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme gültigen Standards heranzuziehen3. Eine vom Standard abweichende Vereinbarung kann auch stillschweigend getroffen werden und sich auch auf spätere bauliche Maßnahmen des Vermieters beziehen. Sogar die Verpflichtung des Vermieters zur Verbesserung des Schallschutzes kann vereinbart werden. Das setzt aber stets inhaltlich bestimmte Regelungen voraus4. Soweit eine konkrete Vereinbarung über den geschuldeten Standard fehlt, kann die DIN 4109 in ihrer zum Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit des Gebäudes gültigen Fassung zur inhaltlichen Bestimmung des geschuldeten Standards herangezogen werden. Zwar wurde die Verbindlichkeit im Werkvertragsrecht mittlerweile aufgehoben, weil die Anforderungen der DIN 4109 nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen5. Diese Grundsätze sind aber nicht auf das Mietrecht übertragbar, zumal die DIN 4109 immer noch den Mindeststandard festlegt6. Bei einem modernisierten Altbau mit Holzdecken kann kein erhöhter Schallschutz erwartet werden7.

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l Schlösser. Den Vermieter trifft die Verpflichtung, das vermietete Gebäude vor dem unbefugten

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Zutritt Dritter zu sichern. Die Sicherungspflicht erstreckt sich auch auf einen Nebenraum in einem einheitlichen Gebäudes8. fi Einbruchsicherheit l Schlüssel zu den Mieträumen sind dem Mieter vollständig auszuhändigen, und zwar für jedes Schloss, dass er auf dem Weg zu seiner Wohnung und ihren Zubehörräumen öffnen muss (Haustüre, Wohnungstüre, Kellertüre, Hoftüre etc.). Die Anzahl der Schlüssel hängt vom vertragsgemäßen Gebrauch ab: Der alleinstehende Mieter hat ohne weiteres Anspruch auf Überlassung von (jeweils) zwei Schlüsseln. Für jede weitere Person, die sich zulässigerweise in der Mietsache aufhält (Ehegatte, Kinder, Familienangehörige, Dritte nach § 553 BGB etc.), kann der Mieter zusätzliche Schlüssel verlangen. Darüber hinaus besteht ein Überlassungsanspruch, soweit der Mieter ein berechtigtes Interesse hat9. Eine Kostenübernahme durch den Mieter für Schlüssel, auf die er einen Anspruch hat, kommt nur bei entsprechender (wirksamer) Vereinbarung in Betracht. Besteht im Objekt für bestimmte Räume ein intervallmäßiges Nutzungsrecht (z.B. Waschküche, Trockenspeicher), muss der Vermieter sicherstellen, dass der Mieter für die Dauer seines Nutzungsrechts Zugang zu diesen Räumen hat. Im Zweifel muss er deshalb dafür sorgen, dass der andere Mieter, der im Besitz des Schlüssels ist, diesen an den Mieter aushändigt.

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l Schneegitter auf dem Dach sind grundsätzlich nicht erforderlich, um Dritte oder den Mieter vor Dachlawinen zu schützen10, jedenfalls solange das nicht ortsüblich ist11. Dafür ist auf die je-

427

1 LG Berlin v. 25.10.2011 – 65 S 38/11, GE 2011, 1556; AG Augsburg v. 26.7.2011 – 25 C 623/11, GE 2011, 1561. 2 BGH v. 7.7.2010 – VIII ZR 85/09, MDR 2010, 1041 = MietRB 2010, 254 = NZM 2010, 618 = ZMR 2010, 942. 3 BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 355/03, MDR 2005, 743 = MietRB 2005, 32 = NJW 2005, 218. 4 LG Frankfurt v. 7.12.2010 – 2-11 S 135/09, ZMR 2011, 554. 5 BGH v. 14.6.2007 – VII ZR 45/06, MDR 2007, 1252 = WuM 2007, 640 = GE 2008, 792. 6 BGH v. 17.6.2009 – VIII ZR 131/08, MDR 2009, 975 = MietRB 2009, 253 = NJW 2009, 2441 = WuM 2009, 457 = NZM 2009, 580 = ZMR 2009, 836. 7 AG Bonn v. 25.3.2010 – 6 C 598/08, NZM 2010, 619 = GE 2010, 1753. 8 OLG Hamm v. 12.3.2003 – 13 U 144/02, OLGR Hamm 2005, 164. 9 LG Bonn v. 1.2.2010 – 6 S 90/09, ZMR 2012, 276. 10 OLG Hamm v. 23.7.2003 – 13 U 49/03, NJW-RR 2003, 1463; LG Dortmund v. 4.10.2011 – 4 O 132/11, zitiert nach juris. 11 BGH v. 8.12.1954 – VI ZR 289/53, NJW 1955, 300; Überblick bei Strauch, NZM 2012, 524 f.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

weilige Ortsatzung und mangels Existenz einer entsprechenden Bestimmung auf die örtlichen Gegebenheiten abzustellen1. In Brandenburg2, Berlin3, Hannover4, Köln5, Wuppertal6, Dortmund7, Bielefeld8 und in der Gegend von Lüneburg9 sind Schneegitter nicht ortsüblich und gehören auch aus sonstigen Gründen nicht zum vertragsgemäßen Zustand. Das ist anders in schneereichen Gebieten10. Befinden sich auf den Dächern und Dachgauben der zum Bebauungsaltbestand gehörenden Gebäude keine Schutzeinrichtungen, dann kann nicht davon ausgegangen werden, dass Schneefanggitter auf den Dächern der in der Nähe des Schadensortes befindlichen Gebäude üblich sind11. Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht kommt dennoch in Betracht, wenn in der Zeitung vor vom Dach herabstürzenden Eis- und Schneemassen gewarnt wird, der Vermieter aber lediglich Eiszapfen entfernt12. Ist der Vermieter im Besitz eines Generalschlüssels soll er sogar verpflichtet sein, die Wohnung zu betreten und von dort aus Schneeüberhänge nach und nach abzutragen, um seine Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen13.

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l Sonnenschutz fi Wärmeschutz

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l Stellplätze werden in der Größe und Beschaffenheit vermietet, in der sie vorhanden sind. Auch

wenn in den jeweiligen Landesbauordnungen bestimmte Größen vorgegeben sind, ist die vertragliche Nutzung durch den konkreten Stellplatz bestimmt. Ggf. liegt ein öffentlich-rechtlicher Mangel vor (vgl. § 536 BGB Rz. 194 f.). Stellplätze, die dem Mieter eine Sondernutzung gewähren, gehören ohne ausdrückliche Erwähnung im Mietvertrag nicht zum Mietgegenstand14. Dies gilt insbesondere, wenn sie gesondert vermietet werden. Insoweit besteht auch kein Anspruch des Mieters auf Abschluss eines Mietvertrages über einen Stellplatz, nur weil er z.B. Mieter einer Wohnung auf dem Grundstück ist15. Bestehen aber speziell eingerichtete Parkplätze, ist der Vermieter auch dazu verpflichtet, Schutzmaßnahmen gegen herabstürzende Eis- und Schneemassen zu ergreifen16.

430

l Stromversorgung (fi auch Beleuchtung) der Wohnung gehört grundsätzlich zum vertragsgemäßen Zustand, sofern nichts anderes vereinbart ist. Dabei wird grundsätzlich vom Vermieter im Rahmen des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ein Netz geschuldet, das den örtlichen technischen Dimensionen entspricht. Dazu reicht eine Netzspannung von 220 V aus. Ob der Mieter Anspruch darauf hat, eine stärkere Netzspannung zu erhalten, ist einzelfallabhängig. Fehlt es dazu an einer ausdrücklichen Vereinbarung, ist auf den Vertragszweck abzustellen. Soll z.B. an eine Fast-FoodKette mit dem „üblichen Equipment“ vermietet werden und gehören zum Betrieb Geräte, die nur auf Starkstrom laufen, muss der Vermieter einen entsprechenden Anschluss herbeiführen. Ist ein separater Zähler für die Wohnung vorhanden, kann von der stillschweigenden Vereinbarung ausgegangen werden, dass der Mieter einen eigenen Versorgungsvertrag mit dem Stromlieferanten abschließt. Im Rahmen der Stromversorgung ist der Eigentümer regelmäßig Anschlussnehmer i.S.v. § 2 NiederspannungsanschlussVO (NAV) und der Mieter Anschlussnutzer. Unabhängig davon muss die Unterverteilung in der Wohnung – vorbehaltlich anderer Vereinbarungen – so ausgerichtet sein, dass der gleichzeitige Betrieb mehrerer starker Elektrogeräte in der Wohnung gewährleistet ist, wenn der Vertragszweck „Wohnen“ vereinbart wurde; denn es gehört heute zur Grundausstattung des Wohnens, Elektrogeräte zu nutzen17.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

OLG Karlsruhe v. 20.12.2006 – 4 U 865/05, WuM 2007, 138 = GE 2007, 365. OLG Brandenburg v. 23.8.2011 – 2 U 55/10, GE 2011, 1366. AG Spandau v. 29.4.2011 – 15 C 26/11, GE 2011, 955 = NZM 2011, 857. AG Hannover v. 22.9.2010 – 558 C 6674/10, ZMR 2011, 138 = GE 2011, 488. OLG Köln v. 13.4.1988 – 27 U 130/87, VersR 1988, 1244. OLG Düsseldorf v. 17.2.2012 – 24 U 217/11, WuM 2012, 606 = GE 2012, 546 = NZM 2012, 533. LG Dortmund v. 4.10.2011 – 4 O 132/11, zitiert nach juris. LG Bielefeld v. 11.3.2011 – 8 O 310/10, zitiert nach juris. AG Winsen v. 6.10.1997 – 4b C 1077/97, NZM 1998, 155. LG Karlsruhe v. 22.1.1999 – 9 S 440/98, BWGZ 1999, 682. OLG Jena v. 20.12.2006 – 4 U 865/05, WuM 2007, 138 = OLGR 2007, 173. LG Bielefeld v. 12.4.2011 – 2 O 50/11, zitiert nach juris; vgl. auch KG v. 9.2.2011 – 11 U 17/10, GE 2011, 482. AG Aachen v. 13.11.2012 – 100 C 200/12, DWW 2013, 13. BGH v. 31.8.2010 – VIII ZR 268/09, WuM 2010, 678 = GE 2010, 1614. BGH v. 31.8.2010 – VIII ZR 268/09, WuM 2010, 678 = GE 2010, 1614. LG Detmold v. 15.12.2010 – 10 S 121/10, zitiert nach juris. BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MDR 2004, 1346 = MietRB 2005, 1 = NJW 2004, 3174; BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

l Teppichboden kann nur aufgrund einer Vereinbarung verlangt werden (fi Bodenbelag). Verein-

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baren die Parteien bei Beginn des Mietvertrages (schlüssig) eine mindere Qualität (verschlissener Teppichboden), kann der Mieter Mängelbeseitigung auch in Form der Verlegung eines neuen Teppichbodens verlangen, wenn der vorhandene textile Boden unbrauchbar geworden ist1. l Tiefgarage fi Stellplätze

432

Eine Toilette gehört zu den Mindestausstattungsmerkmalen, die für die Annahme einer Wohnung vorausgesetzt werden2. Sie muss funktionsfähig sein. Ein darunter liegender Standard muss eindeutig vereinbart sein3. Dazu gehört nicht die Toilette im Bad oder im Treppenhaus. Insoweit wird die vorhandene Ausstattung stillschweigend als vertragsgemäß vereinbart, solange keine abweichenden Parteiabreden getroffen werden.

433

l Trockenmöglichkeit fi Wasch- und Trockenmöglichkeit

434

l Videoüberwachung. Allgemein wird die Installation einer Videokamera zur Aufzeichnung von

435

Vorgängen in allgemeinen Flächen als unzulässiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der aufgenommenen Personen angesehen. Ein solcher Eingriff ist dem Vermieter ohne Zustimmung des Mieters auch dann nicht erlaubt, wenn die Kamera im Aufzug angebracht wurde, nachdem dieser (einmalig) mit Graffiti verschmiert wurde, um zukünftige Beschädigungen zu verhindern4. Der Wärmeschutz eines Gebäudes richtet sich nach den bei Errichtung (Durchführung einer baulichen Änderung) maßgeblichen Standards. Anforderungen an den Wärmeschutz werden auf nationaler Ebene seit 1952 in der DIN 4108 Wärmeschutz im Hochbau und in der Energieeinsparverordnung (EnEV) formuliert. Der Geltungsbereich der DIN 4108 erstreckt sich auf die Planung und Ausführung von Aufenthaltsräumen in Hochbauten, die ihrer Bestimmung nach auf normale Innentemperaturen (L 19 °C) beheizt werden. Nebenräume, die zu Aufenthaltsräumen gehören, sind dabei wie Aufenthaltsräume zu behandeln. Die Anforderungen gelten grundsätzlich nur für Räume, die seit Inkrafttreten der DIN (erstmaliges Erscheinen: 1952) bezugsfertig geworden sind. Die EnEV, deren Vorgängerin (Wärmeschutzverordnung) von 1977–1982 galt, enthält Anforderungen an den energiesparenden Wärmeschutz in Abhängigkeit von dem Temperaturniveau, auf welches die zu errichtenden Gebäude beheizt werden sollen. Daneben beinhaltet sie Anforderungen bei baulichen Änderungen bestehender Gebäude. Für Werkstätten, Werks- und Lagerhallen, soweit sie nach ihrem üblichen Verwendungszweck großflächig und langanhaltend offengehalten werden müssen, gilt die EnEV nicht.

436

l Warmwasserversorgung wird vom Vermieter nur in dem Umfang geschuldet, wie sie tatsächlich vorhanden ist, soweit keine ergänzenden Vereinbarungen getroffen wurden. Wird eine solche geschuldet, muss sie funktionstauglich sein und dem Mieter die Versorgung mit Warmwasser über 24 Stunden ermöglichen. Dazu soll eine Befülltemperatur von 45 °C ausreichend sein, um eine Badetemperatur von 41 °C sicherzustellen5. Im Übrigen muss das Wasser der Anforderungen der TrinkwasserVO entsprechen. Der Vermieter von Wohnraum in einem Mehrfamilienhaus ist insbesondere verpflichtet, eine Gefährdung der Mieter durch bakteriell kontaminiertes Wasser (Legionellen) zu verhindern6.

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l Wasch- und Trockenmöglichkeit. Ihre Existenz gehört zum Kernbereich des Mietgebrauchs bei der Vermietung zu Wohnzwecken7.

438

l Wasseranschluss gehört zu den Mindestausstattungsmerkmalen, die für die Annahme einer Wohnung vorausgesetzt werden8. Er muss funktionsfähig sein. Ob dazu ein Ausguss in der Küche zählt, ist Tatfrage. Im Badezimmer müssen jedenfalls die sanitären Einrichtungen in einem der

439

1 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517. 2 LG Aachen v. 29.7.1993 – 6 S 106/93, WuM 1993, 616; LG Lübeck v. 3.12.1991 – 6 S 305/91, WM 1992, 616; LG Bonn v. 19.9.1991 – 6 S 112/91, WM 1992, 24; LG Bochum v. 7.1.1983 – 5 S 333/82, WM 1984, 133 (134); LG Essen v. 29.7.1976 – 10 S 324/76, WM 1977, 206. 3 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = WuM 2004, 527 = ZMR 2004, 807. 4 KG v. 4.8.2008 – 8 U 83/08, WuM 2008, 663. 5 AG München v. 26.10.2011 – 463 C 4744/11, WuM 2012, 668. 6 LG Saarbrücken v. 11.12.2009 – 10 S 26/08, MietRB 2010, 132. 7 AG Wiesbaden v. 29.3.2012 – 91 C 6517/11 (18), WuM 2012, 263. 8 LG Aachen v. 29.7.1993 – 6 S 106/93, WuM 1993, 616; LG Lübeck v. 3.12.1991 – 6 S 305/91, WM 1992, 616; LG Bonn v. 19.9.1991 – 6 S 112/91, WM 1992, 24; LG Bochum v. 7.1.1983 – 5 S 333/82, WM 1984, 133 (134); LG Essen v. 29.7.1976 – 10 S 324/76, WM 1977, 206.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

Baualtersklasse entsprechenden Standard und Umfang vorhanden sein. Ein darunterliegender Standard muss eindeutig vereinbart sein1.

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l Wasserleitungen müssen dicht und so dimensioniert sein, dass sie einen ausreichenden Wasserdruck erhalten, dass z.B. ein angeschlossener Durchlauferhitzer funktioniert. Im Übrigen müssen sie sich in einem Zustand befinden, der keine Gesundheitsgefährdung herbeiführen kann.

441

l Wohnungstüren sind vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen grundsätzlich in dem Zu-

stand, wie er bei Vertragsschluss vorhanden war, vertragsgemäß. Dies gilt selbst dann, wenn sie leicht verzogen sind. Insoweit gelten die gleichen Anforderungen wie für fi Haustüren. Ein zusätzlicher Einbruchschutz wird nicht deshalb geschuldet, weil wiederholt Einbrüche stattgefunden haben2.

442

l Zugänge zur Mietsache müssen so gestaltet sein, dass der Mieter sie verkehrssicher begehen

kann. Bestehen Hindernisse (Schlösser, Schranken etc.), hat der Mieter grundsätzlich Anspruch auf Überlassung der Hilfsmittel (Schlüssel, Codekarte, Fernbedienung etc.), um die Hindernisse zu überwinden, soweit sie dazu dienen, den vertragsgemäßen Gebrauch auszuüben (fi auch Schlüssel).

443

l Zutrittskontrolle. Auch wenn in dem Mietvertrag über Büroräume der Betrieb einer Zugangskontrollanlage vereinbart worden ist, die nur Personen, die über eine Codekarte verfügen oder denen die Tür nach Anmeldung über die Sprechanlage mittels eines elektrischen Türöffners geöffnet wird, den Zutritt zum Gebäude ermöglicht, kann aus dem Umstand, dass die Tür zum Eingangsbereich des Bürohauses während der Öffnungszeiten eines neuen Mieters (hier: einer ARGE) ständig geöffnet ist, nicht ohne Weiteres auf eine erhebliche Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs geschlossen werden. Vielmehr muss das Gericht Feststellungen zu den konkreten tatsächlichen Auswirkungen der geänderten Handhabung auf den Mietgebrauch des Mitmieters treffen. Setzt der Mieter Aufsichtspersonal im Eingangsbereich ein, muss das Gericht nähere Feststellungen zu Art, Intensität und Effizienz der so ausgeübten Zutrittskontrolle treffen. Hierzu kann auch eine Ortsbesichtigung während der Öffnungszeiten der ARGE beitragen. Sodann muss das Gericht seine Feststellungen mit der hypothetischen Situation vergleichen, die bestünde, wenn es bei einer anderweitigen Vermietung bei dem bisher gehandhabten Einlass mittels Türsprechanlage verblieben wäre. Die Bejahung einer abstrakten Gefahr des Eindringens Unbefugter reicht nicht aus, um daraus auf einen Mangel der Mietsache zu schließen. Auch eine einmalige Sachbeschädigung (hier: eines Aufzugsspiegels) durch einen Besucher der ARGE rechtfertigt noch nicht den Schluss auf eine allgemeine, einen Mitmieter beeinträchtigende Gefahrenlage, etwa in Gestalt einer gestiegenen Zahl von Personen, die sich unbefugt im Gebäude aufhalten3.

2. Erhaltungspflicht 444 Die zweite Hauptpflicht des Vermieters in § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ist die Erhaltungspflicht, die die Anspruchsgrundlage für den Mängelbeseitigungsanspruch des Mieters bildet. Sie gebietet dem Vermieter zunächst, – sich selbst jeden störenden Eingriffs, z.B. durch gebrauchsbeeinträchtigende Umbauten, sicherheitsgefährdende Veränderungen oder die Möglichkeit der Benutzung einschränkende Verlegung von Zugängen u.Ä., zu enthalten, – bei Eingriffen Dritter in den Besitzstand positiv tätig zu werden und mit den ihm gegebenen Rechtsbehelfen gegen den störenden Dritten vorzugehen. Der Mieter hat nach der Überlassung der Mietsache die Wahl, aus dem Mietvertrag gegen den Vermieter oder aus seinem Besitzstand gegen den Dritten vorzugehen. 445 Die Erhaltungspflicht des Vermieters ist eine Dauerverpflichtung4. Im Insolvenzverfahren des Vermieters ist der Anspruch des Mieters auf vertragsgemäßen Zustand Masseschuld5, weshalb der daraus resultierende Mängelbeseitigungsanspruch praktisch nicht verjähren kann6. Wegen der Überbürdung der Erhaltungspflichten auf

1 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = WuM 2004, 527 = ZMR 2004, 807. 2 AG Berlin-Mitte v. 6.9.2012 – 27 C 30/12, GE 2012, 1325. 3 BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 (68) = NZM 2009, 124 = GE 2009, 254; BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 2/07, Mietrecht kompakt 2009, 37. 4 BGH v. 3.4.2003 – IX ZR 163/02, NZM 2003, 472. 5 BGH v. 3.4.2003 – IX ZR 163/02, NZM 2003, 472. 6 BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 104/09, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 238.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

den Mieter s. § 535 BGB Rz. 526 ff. Der Anspruch ist noch nicht ausgeschlossen durch eine Klausel, mit der der zu Beginn vorhandene Zustand als vertragsgemäß anerkannt wird1. a) Instandhaltung und Instandsetzung Zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustandes obliegt dem Vermieter insbesondere 446 die Instandhaltung und Instandsetzung. Der Inhalt der Begriffe kann herkömmlich, aber auch durch Heranziehung der DIN 31051 interpretiert werden. Im letztgenannten Fall wird die Instandhaltung als Inspektion, Wartung und Instandsetzung, also als Oberbegriff eines wesentlichen Teils der Erhaltungspflicht verstanden. Dieses Verständnis wird zwar von den professionellen Vermietern insbesondere in Gewerberaummietverträgen zunehmend vereinbart, hat sich aber noch nicht allgemein durchgesetzt. Deshalb wird im Weiteren von einem herkömmlichen Verständnis ausgegangen. Danach umfasst die Instandhaltung die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen 447 Zustandes zur Vermeidung von Schäden und die Beseitigung von Gebrauchsbeeinträchtigungen aufgrund üblicher Abnutzung2. Umfassend kann man den Begriff mit demjenigen von vorbeugenden Maßnahmen gleichsetzen3. Unter der Instandsetzung wird allgemein die Schadensbeseitigung durch Wiederher- 448 stellung eines ordnungsgemäßen Zustandes verstanden4. Während zur Instandhaltung vornehmlich Wartungs- und Pflegemaßnahmen sowie zumindest teilweise auch Reinigungsarbeiten, z.B. die Reinigung gemeinschaftlich genutzter Flure und Treppen sowie der äußeren Zugangsflächen zum Mietobjekt, und zwar auch von Eis und Schnee, die Kaminreinigung, die Entleerung von Müllgefäßen und Fäkaliengruben gehören, umfasst die Instandsetzungspflicht insbesondere Reparatur- und Renovierungsarbeiten an der Mietsache. Was der Vermieter im Rahmen seiner Erhaltungspflicht zu tun und/oder zu unterlassen hat, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab5. Obliegen dem Vermieter die Schönheitsreparaturen, die Teil der Instandhaltung 449 sind, kann für deren Fälligkeit nicht auf (unwirksam vereinbarte) Fristenpläne abgestellt werden. Vielmehr tritt die Fälligkeit i.S.v. § 271 BGB ein, wenn ein vertragswidriger Zustand vorliegt, was der Mieter im Einzelnen darzulegen hat. Die allgemeine Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht erstreckt sich nicht nur 450 auf die vermieteten Räume, sondern auch auf Flure, Treppen und andere gemeinschaftliche Hausteile, die dem Mieter zur Ausübung seines Mietrechts zur Verfügung stehen oder von ihm begangen werden müssen und die auch ohne besondere Erwähnung im Mietvertrag als mitvermietet zu gelten haben6. Bei der Vermietung einer Eigentumswohnung können die vom Vermieter geschuldeten Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten auch das Gemeinschaftseigentum tangieren7. Die Erhaltungspflicht gebietet aber keine Modernisierung8. b) Verkehrssicherungspflicht Aus der umfassenden Erhaltungspflicht folgen auch vertragliche Verkehrssicherungspflichten des Vermieters9. Deshalb ist der Vermieter verpflichtet, die vermieteten Räume gegen das Eindringen Unbefugter z.B. durch das Anbringen von Schlössern ab-

1 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, ZMR 2007, 605; AG Mitte v. 8.9.2009 – 8 C 60/09, MM 2010, 146; vgl. § 536b BGB. 2 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, NZM 2005, 863. 3 OLG Köln v. 17.12.1993 – 19 U 189/93, ZMR 1994, 158. 4 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, NZM 2005, 863. 5 BGH v. 26.2.1957 – VIII ZR 41/56, NJW 1957, 826. 6 KG v. 19.12.1983 – 8 W REMiet 4298/83, WuM 1984, 42. 7 OLG Zweibrücken v. 14.12.1994 – 3 W RE 195/94, ZMR 1995, 119. 8 BGH v. 14.9.2011 – VIII ZR 10/11, MDR 2011, 1465 = WuM 2011, 671. 9 Allgemein dazu Breiholdt, PiG 92, 29, 41 f.; Gather, DWW 1996, 350.

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zusichern1. Weiter hat der Vermieter innerhalb des Gebäudes die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Störungen des Gebrauchs der Mieträume, insbesondere Gefahren für Leib und Leben sowie das Eigentum der berechtigten Benutzer, zu verhindern oder abzuwenden2. Somit hat er z.B. für den Schutz von Versorgungsleitungen auch insoweit zu sorgen, als sie zwar außerhalb der Mieträume, jedoch noch in seinem Einflussbereich verlaufen3. 452 Andererseits trifft den Vermieter nicht die Pflicht, jeder nur denkbaren Gefahr vorzubeugen. Deshalb muss er ohne konkreten Anlass z.B. keine Regenabfluss- oder Dachrinnenreinigung veranlassen. Vielmehr wird eine solche Pflicht erst begründet, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine drohende Verstopfung vorliegen oder aufgrund der Örtlichkeiten mit Laubverstopfungen zu rechnen ist4. 453 Soweit eine Verkehrssicherung nicht bereits als Mindeststandard (vgl. § 535 BGB Rz. 366 ff.) geschuldet ist, kann der Vermieter bei konkretem Anlass zu weiteren Maßnahmen gezwungen sein, z.B. zu 454 – einer Dichtigkeitsprüfung von Gasleitungen5, – einer Überprüfung der Elektroanlage/-leitungen6, selbst wenn der Mieter infolge eines Stromschlages aus einem fehlerhaft angebrachten Handtuchhalter zu Tode kommt7, – der Installation von Rauchmeldern, – von Hinweis- und/oder Warnschildern auf die bestehende Rutschgefahr nach Putzarbeiten, wenn für alle Benutzer des Hausflurs nicht ohne weiteres erkennbar ist, dass dieser glatt ist8, – der Entfernung von beschädigtem Stuck an der Hausfassade9, – der Erhöhung einer nur geringfügig zu niedrigen Brüstungshöhe eines Fensters10, – von Vorkehrungen gegen bestimmungswidrige Nutzung von Einrichtungen der Mietsache bzw. des Gebäudes (hier: Herabrutschen des Treppengeländers)11, – von Nachrüstungen bei der Veränderung von Standards (Erhöhung eines Treppengeländers)12, – von Überprüfungen von Einrichtungen in vermieteten Einheiten (hier: Druckspüler der WC in Wohnungen)13, – einer Sicherung (morscher) Bäume, wenn weder Vermorschung, Vorschädigung oder ein Anfahrschaden sichtbar ist14, wobei gelegentlicher Astbruch naturgegeben ist15. aa) Reinigungs- und Streupflicht 455 Zur Verkehrssicherung gehört auch der Anspruch des Mieters, das Mietobjekt sicher erreichen zu können. Deshalb müssen vor allem Plattenwege regelmäßig auf Uneben1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

BGH v. 7.6.2006 – XII ZR 34/04, NZM 2006, 626 m.w.N. BGH v. 15.6.1988 – VIII ZR 183/87, WPM 1988, 1382 = NJW-RR 1989, 76. BGH v. 15.6.1988 – VIII ZR 183/87, WPM 1988, 1382 = NJW-RR 1989, 76. OLG Düsseldorf v. 30.3.2012 – 24 U 256/11, GE 2012, 1228. BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, MDR 2009, 75 = WuM 2008, 719 = ZMR 2009, 345; AG Köln v. 26.10.2010 – 221 C 128/09, ZMR 2011, 222. BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, GE 2008, 1555 = ZMR 2009, 345. LG Bielefeld v. 29.10.2009 – 6 O 262/09, ZMR 2010, 687 = GE 2010, 1543. AG Dresden v. 30.8.2007 – 145 C 2115/07, zitiert nach juris. AG Berlin-Schöneberg v. 6.8.2007 – 6 C 339/07, zitiert nach juris. LG Karlsruhe v. 16.3.2007 – 3 O 250/06, zitiert nach juris. OLG Saarbrücken v. 11.7.2006 – 4 U 126/06, OLGR 2006, 910. LG Hamburg v. 29.9.1998 – 316 S 75/98, ZMR 1999, 404 = NZM 1999, 663 = DWW 1999, 150; vgl. aber auch OLG Hamm v. 17.9.1996 – 9 U 54/96, OLGR 1996, 268. OLG Frankfurt v. 7.3.2003 – 24 U 125/02, WuM 2003, 319 = ZMR 2003, 674; s. auch BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, GE 2008, 1555 = ZMR 2009, 345. KG v. 16.7.2010 – 9 U 201/09, GE 2012, 1166. LG Berlin v. 1.7.2009 – 86 O 140/09, GE 2012, 1168.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

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heiten geprüft und ausgebessert werden. Es kann auch notwendig sein, die allgemeinen Zuwege regelmäßig zu reinigen, insbesondere im Winter zu streuen. Ob Anlass für die Ausübung der Streupflicht bestanden hat, ist regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls zu bewerten1. Bei öffentlichen Verkehrswegen sind dabei Art und Wichtigkeit des Verkehrswegs ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Räum- und Streupflicht besteht also nicht uneingeschränkt. Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auch auf die Leistungsfähigkeit des Leistungspflichtigen ankommt2. Sind nur vereinzelte Glättestellen ohne eine ernsthaft drohende Gefahr vorhanden, ist nicht von einer die Streupflicht auslösenden Glättebildung auszugehen3. Zeitlich besteht keine Streupflicht bei Eis- und Schneeglätte „rund um die Uhr“4. 456 Vielmehr wird die Räum- und Streupflicht darauf beschränkt, was „billige Rücksicht nach der Verkehrsauffassung“ gebietet. Das ist regelmäßig die Zeit des normalen Tagesverkehrs, d.h. an Sonn- und Feiertagen ab ca. 9 Uhr5. Deshalb muss der Vermieter mangels allgemeinen Verkehrs selbst dann einen Treppenabgang nicht vor morgens 6 Uhr streuen, wenn ihm bekannt ist, dass der Mieter um diese Zeit seinen Weg zur Arbeit antritt6. Räumlich muss der Vermieter im Hinblick eine eigene Sorgfalt der Nutzer nicht jede 457 Zugangsmöglichkeit zur Mietsache „gefahrlos“ halten7. Dem Mieter ist es zumutbar, von seiner Garage zunächst zur Straße und von dort über den (geräumten) Bürgersteig zum Hauseingang zu gehen. bb) Wirksame Überbürdung Die Räum- und Streupflicht trifft grundsätzlich den Grundstückseigentümer8. Die 458 wirksame Übertragung auf einen Dritten (hier: den Mieter) setzt eine klare und eindeutige Vereinbarung voraus, die die Ausschaltung von Gefahren zuverlässig sicherstellt9. Das ist grundsätzlich auch durch eine Formularklausel möglich10. Allerdings kann es überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB) sein, wenn erst in einer Hausordnung selbständige Verpflichtungen geregelt sind, also z.B. Räum- und Streupflichten. Darüber hinaus muss die Regelung, mit der die Überbürdung stattfinden soll, ausrei- 459 chend transparent sein. Ebenso wie bei der Verpflichtung zur Kostenbeteiligung bei Kleinreparaturen11 und Wartungskosten12 ist für die Wirksamkeit von Klauseln, mit denen dem Mieter Pflichten mit finanziellem Risiko überbürdet werden, nach hier vertretener Auffassung ein Hinweis auf das finanzielle Risiko erforderlich. Einerseits handelt es sich nämlich um Leistungen, deren Überbürdung dem Vermieter eine finanzielle Entlastung bringt (also für den Mieter eine entsprechende Belastung). Andererseits ruft die auch nur fahrlässige Verletzung der Verpflichtungen für den Mieter ein erhebliches finanzielles Risiko hervor, sofern er nicht haftpflichtversichert ist. Der Mieter muss daher zumindest in der Regelung auf dieses finanzielle Risiko hingewiesen werden. Eine Verpflichtung zum Abschluss einer entsprechenden Haftpflichtversicherung muss nicht begründet werden. Enthält eine Klausel in einem Wohnraummietvertrag aber eine solche Verpflichtung, kann sie mit § 551 BGB kollidieren (Kumulationsverbot)13. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

BGH v. 29.9.1970 – VI ZR 51/69, VersR 1970, 1130. BGH v. 5.7.1990 – III ZR 217/89, BGHZ 112, 74, 75. BGH v. 12.12.2012 – VI ZR 138/11, WuM 2012, 686 = GE 2012, 1035. BGH v. 2.10.1984 – VI ZR 125/83, MDR 1985, 311 = ZMR 1985, 56 = NJW 1985, 270. BGH v. 12.12.2012 – VI ZR 138/11, GE 2012, 1035. OLG Düsseldorf v. 20.6.2000 – 24 U 143/99, WuM 2002, 89. OLG München v. 11.1.2002 – 8 U 3477/01, ZMR 2003, 259. Vgl. im Einzelnen Horst, NZM 2012, 513 f. BGH v. 22.1.2008 – VI ZR 126/07, MDR 2008, 448 = NJW 2008, 1440; BGH v. 4.6.1996 – VI ZR 75/95, MDR 1996, 910 = NJW 1996, 2646. OLG Frankfurt v. 22.9.1988 – 16 U 123/87, WuM 1988, 399. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 (384). BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 (383). Lammel, § 551 BGB Rz. 21.

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460 In manchen Gemeinden ist in der Räum- und Streusatzung geregelt, dass die Übertragung der Streupflicht der zuständigen Behörde angezeigt werden muss. Ohne diese Anzeige bleibt der ursprünglich Verpflichtete gegenüber der Gemeinde in der Pflicht. Die Verletzung dieser öffentlich-rechtlichen Vorschriften lässt die Einstandspflicht eines Mieters, dem die Winterwartung übertragen wurde, aber unberührt1. Die deliktische Einstandspflicht des mit der Wahrnehmung der Verkehrssicherung Beauftragten besteht auch dann, wenn der Vertrag mit dem Primärverkehrssicherungspflichtigen nicht rechtswirksam zustande gekommen ist2. Entscheidend ist, dass der in die Verkehrssicherungspflicht Eintretende faktisch die Verkehrssicherung für den Gefahrenbereich übernimmt und im Hinblick hierauf Schutzvorkehrungen durch den vorrangig Verkehrssicherungspflichtigen unterbleiben, weil sich dieser auf das Tätigwerden des Beauftragten verlässt. 460a Trotz wirksamer Überbürdung bleibt der Vermieter (und der Eigentümer) jedenfalls für die Auswahl, Instruktion und Überwachung verantwortlich3. Dies gilt erst recht, wenn die Überbürdung unwirksam ist und der Mieter dennoch verpflichtet bleibt4. Der Umfang der Überwachungspflicht ist wie der der Verkehrssicherungspflicht allgemein durch die Zumutbarkeit begrenzt. Stellt der Vermieter bei regelmäßigen Besichtigungen des Objektes die ordnungsgemäße Ausführung der Räum- und Streupflicht fest, bedarf es auch bei besonderen Witterungsverhältnissen keiner besonderen Anstrengungen. Allerdings muss ein Überwachungsrythmus bestehen, der auch die Kontrolle bei besonderen Witterungsverhältnissen ermöglicht. cc) Untergang der Räum- und Streupflicht? 461 Ob der Mieter wegen Alter, Krankheit oder Gebrechlichkeit von seiner Pflicht zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht (Streu- und Räumdienst) frei wird, ist umstritten. Überwiegend wird dies angenommen, weil es für den Mieter unzumutbar sei, einen „Ersatzdienst“ zu organisieren und zu bezahlen5. Allerdings soll selbst die gerichtliche Freistellung des schwerbehinderten Mieters von der mietvertraglichen Winterdienstpflicht ihn nicht von der Bezahlung eines Dritten entbinden, den der Vermieter zur Durchführung gewonnen hat6. 462 Richtigerweise wird man darauf abstellen müssen, dass die Ausführung der Pflicht zum Winterdienst, wie allgemein die überbürdeten Verkehrssicherungspflichten, nicht höchstpersönlicher Natur ist und sich der Mieter daher der Ausführung durch Dritte bedienen kann. Demgemäß kommt ein Untergang der Verpflichtung nach § 275 BGB nicht in Betracht. Denn ob der Mieter finanziell in der Lage ist, die Arbeiten durch einen Dritten ausführen zu lassen, ist im Rahmen der Bewertung des § 275 BGB unerheblich7. c) Prüfungspflichten 463 Um seiner Verpflichtung, die Mietsache in einem gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten und den Mieter vor Schaden zu bewahren, erfüllen zu können, trifft den Vermieter

1 BGH v. 22.1.2008 – VI ZR 126/07, MDR 2008, 448 = GE 2008, 405. 2 Vgl. BGH v. 17.1.1989 – VI ZR 186/88, MDR 1989, 532 = VersR 1989, 526 f.; BGB-RGRK/Steffen, § 823 BGB Rz. 129; MünchKomm/Wagner, § 823 BGB Rz. 288 f.; Soergel/Krause, § 823 BGB Anh. II Rz. 53 f.; Staudinger/J. Hager, § 823 BGB E 64. 3 VGH Berlin v. 14.11.2012 – VerfGH 8/11, GE 2012, 1693. 4 OLG Schleswig v. 28.2.2012 – 11 U 137/11, ZMR 2012, 947. 5 LG Münster v. 26.1.2006 – 8 S 263/05, WuM 2007, 69; LG Hamburg v. 11.7.1989 – 16 S 87/88, WuM 1989, 622; LG Darmstadt v. 27.5.1988 – 17 S 378/87, WuM 1988, 300; AG Frankfurt v. 13.7.1984 – 33 C 1623/84, WuM 1985, 19; AG Hamburg v. 2.5.1985 – 37b C 564/84, WuM 1986, 84; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 556 BGB Rz. 143; Hitpaß, WuM 2011, 662 (664); Horst, MDR 2001, 187 (189); Fuchs-Wissemann, WuM 1988, 377. 6 AG Münster v. 3.8.2005 – 5 C 805/05, WuM 2005, 648. 7 LG Kassel v. 1.3.1990 – 1 S 885/89, WuM 1991, 580; LG Düsseldorf v. 9.9.1988 – 21 S 42/88, WuM 1988, 400; LG Wuppertal v. 20.5.1987 – 8 S 223/86, WuM 1987, 381; LG Flensburg v. 20.11.1986 – 1 S 231/86, WuM 1987, 52; AG Bochum v. 24.11.1987 – 45 C 653/87, DWW 1988, 149.

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eine Pflicht zur regelmäßigen Prüfung des Gebäudezustandes1. Dafür gilt in der Regel ein Turnus von etwa zwei Jahren. Räumlich bezieht sich diese regelmäßige Prüfungspflicht auf die allgemeingenutzten Flächen, die Fassade und das Dach. Auch ein Flachdach hat der Vermieter regelmäßig zu kontrollieren bzw. reinigen zu lassen, damit die einwandfreie Ableitung von Regenwasser gewährleistet ist2. Auch Rohrleitungssysteme muss der Vermieter keiner besonderen Untersuchung unterziehen, z.B. mittels einer Rohrfräse oder einer Kanalkamera, um zu überprüfen, ob Wurzeln in Rohrleitungen eingedrungen sind3. Innerhalb der Wohnung des Mieters muss der Vermieter nicht ohne konkreten Anlass Besichtigungen durchführen, um mögliche Gefahren zu entdecken4. Der gegenüber Dritten im Gebäude verkehrssicherungspflichtige Hauseigentümer 464 kann auch ohne besondere Absprache grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein Mietvertragspartner (hier: bzgl. einer Dachgeschosswohnung) bei längerer Abwesenheit während der Winterzeit durch minimale Beheizung der Wohnung der Obhutspflicht genügt und ausreichend Vorsorge gegen Frostschäden trifft. Gleiches gilt, wenn auch der Dritte Mieter des Hauseigentümers ist. Etwas Abweichendes ergibt sich nur, wenn für den Hauseigentümer begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass der Mieter vor Beginn der längeren Abwesenheit an Vorkehrungen gegen Frostschäden nicht gedacht hat5. Unabhängig davon entsteht eine Überprüfungspflicht aber vor allem, wenn der Mie- 465 ter einen Mangel oder sonstigen gefährlichen Zustand der Mietsache anzeigt (§ 536c BGB). In diesem Fall darf der Vermieter mit der Überprüfung nicht warten. Bei sehr erheblicher Gebrauchsbeeinträchtigung (z.B. Eindringen von Regenwasser durch undichtes Dach) muss er sogar sofortige Notmaßnahmen ergreifen und darf nicht die gesetzte Abhilfefrist abwarten6. An die allgemeine Prüfpflicht dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt wer- 466 den7. Sie bezieht sich zwar auch z.B. auf die elektronischen Anlagen im Gebäude8. Dies gilt jedoch nicht, soweit sie sich innerhalb vermieteter Räume befinden9. Der Vermieter ist nicht verpflichtet, die Elektroleitungen und elektrischen Anlagen in den von ihm vermieteten Wohnungen ohne konkreten Anlass oder Hinweis auf Mängel einer regelmäßigen Überprüfung durch einen Elektrofachmann zu unterziehen. Zwar trifft den Vermieter die vertragliche Nebenpflicht, die Mietsache in einem verkehrssicheren Zustand zu erhalten. Diese Pflicht erstreckt sich grundsätzlich auf alle Teile des Hauses. Ihm bekanntgewordene Mängel, von denen eine Gefahr für die Mietwohnungen ausgehen kann, muss der Vermieter deshalb unverzüglich beheben. Er muss im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht aber keine regelmäßige Generalinspektion vornehmen. Im Einzelfall können aber besondere Umstände, wie z.B. ungewöhnliche oder wiederholte Störungen, Anlass bieten, nicht nur einen unmittelbar zu Tage getretenen Defekt zu beheben, sondern eine umfassende Inspektion der gesamten Elektroinstallation durchzuführen. Ähnlich liegt es bei in der Wohnung des Mieters installierten Öfen. Auch hier reicht 467 es – soweit nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen – aus, wenn auftretende Unregelmäßigkeiten oder vom Mieter angezeigte Mängel unverzüglich von einem

1 BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, ZMR 2009, 345; OLG Koblenz v. 30.9.2010 – 2 U 779/09, MietRB 2011, 4 = IMR 2010, 511 (Bolz). 2 AG Dortmund v. 23.12.2008 – 425 C 5300/07, WuM 2009, 36. 3 LG Hamburg v. 28.11.2006 – 311 O 411/05, ZMR 2007, 120. 4 BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 310/10, WuM 2011, 465 = GE 2011, 1013 = ZMR 2011, 938; OLG Frankfurt v. 7.3.2003 – 24 U 125/02, WuM 2003, 319; AG Köln v. 5.11.1996 – 201 C 350/96, KM 30 Nr. 20. 5 OLG Karlsruhe v. 10.11.1995 – 10 U 81/95, WuM 1996, 226. 6 OLG Düsseldorf v. 28.7.1998 – 24 U 173/97, ZMR 1999, 26; OLG Düsseldorf v. 18.11.1997 – 24 U 261/96, NJW-RR 1998, 1236 = MDR 1998, 768. 7 Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, § 535 BGB Rz. 16; Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1290. 8 OLG Saarbrücken v. 4.6.1993 – 4 U 109/92, NJW 1993, 3077. 9 BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, MietRB 2009, 1 = MDR 2009, 75 = WuM 2008, 719 = ZMR 2009, 345.

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Fachmann abgestellt werden1. Denn der Vermieter ist im Rahmen seiner Instandhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht nicht gehalten, sie ordnungsgemäß ohne besonderen Anlass einer regelmäßigen Kontrolle, etwa im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit und Dichtigkeit der Wandanschlüsse, zu unterziehen. 468 Bei leerstehenden Mieteinheiten können den Vermieter aber im Interesse des Mieters besondere Prüfungspflichten treffen. Insoweit besteht zumindest die Pflicht, Heizungen und Wasserleitungen vor Frost zu schützen2, damit sie in den darunterliegenden Wohnungen keine Schäden anrichten können. d) Wegfall der Erhaltungspflicht 469 Grundsätzlich besteht die Erhaltungspflicht des Vermieters bis zur Beendigung des Mietvertrages. Selbst bei einer ordentlichen Kündigung ist der Vermieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Mängelbeseitigung verpflichtet3. Es ist allenfalls rechtsmissbräuchlich, wenn der Mieter im Hinblick auf die Kündigung den Vermieter zur Mängelbeseitigung auffordert wegen eines Mangels, der schon längere Zeit besteht und den Gebrauch nicht spürbar beeinträchtigt. 470 Ein Wegfall der Erhaltungspflicht ergibt sich nicht allein daraus, dass die Miete bzw. die in der Miete dafür vorgesehenen Zuschläge zur Finanzierung der notwendigen Maßnahme nicht ausreichen4. Selbst bei einer unwirksamen Überbürdung kann der Vermieter im preisfreien Wohnraum keinen Zuschlag (nach-)fordern5. Auch ein besonders niedriges Niveau des vertragsgemäßen Zustandes (verschlissener Teppichboden), führt nicht zu einer (völligen) Freizeichnung von der Erhaltungspflicht6. 471 Die Erhaltungspflicht wird aber unmöglich, wenn der erforderliche Aufwand die sog. Opfergrenze überschreitet7. Wann dies der Fall ist, muss im Einzelfall unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen wertend ermittelt werden, wobei eine funktionale Betrachtungsweise maßgeblich ist8. Es darf kein krasses Missverhältnis entstehen zwischen dem Reparaturaufwand einerseits und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter sowie dem Wert des Mietobjekts und den aus ihm zu ziehenden Einnahmen andererseits9. 472 Danach lässt sich eine Überschreitung der „Opfergrenze“ nicht allein aus dem Betrag für den Erhaltungsaufwand10 oder einer bloßen Gegenüberstellung zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert herleiten. Vielmehr ist eine Würdigung aller Umstände erforderlich, wozu auch Ersatzansprüche gegen Dritte gehören11. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch sein etwaiges Verschulden zu berücksichtigen12. Insoweit besteht ein Zusammenhang zwischen der Frage, wie sich etwa die Sanierungskosten und der Verkehrswert „rechnerisch“ zueinander verhalten, und der Frage, ob dem Vermieter die Beseitigung des Mangels unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen und eines etwaigen Verschuldens zugemutet werden kann. Je ungünstiger sich das Verhältnis zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert darstellt, desto gewichtiger müssen die entgegen-

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12

BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 310/10, WuM 2011, 465 = GE 2011, 1013 = ZMR 2011, 938. BGH v. 11.11.1999 – III ZR 98/99, MDR 2000, 262 = ZMR 2000, 166 = NZM 2000, 96. AG Neustadt v. 19.9.2011 – 44 C 479/11, WuM 2011, 671. BGH v. 26.2.1957 – VIII ZR 41/56, NJW 1957, 826; RG v. 24.11.1926 – III 605/25, RGZ 115, 277. BGH v. 11.2.2009 – VIII ZR 118/07, WuM 2009, 240; BGH v. 9.7.2008 – VIII ZR 83/07, WuM 2008, 487 = ZMR 2008, 879. BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235. BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, ZMR 2005, 935. OLG Stuttgart v. 11.1.2010 – 5 U 119/09, GuT 2010, 221. BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 131/09, MDR 2010, 798; BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MDR 2006, 199 = MietRB 2006, 57 = NJW 2005, 3284; OLG Karlsruhe v. 30.12.1994 – 19 U 113/94, NJW-RR 1995, 849 (850); vgl. auch OLG Hamburg v. 6.9.2000 – 4 U 15/00, NZM 2002, 343 (344); LG Dresden v. 14.6.2007 – 4 S 0640/06, NZM 2008, 165. KG v. 5.7.2010 – 12 U 172/09, GuT 2010, 218. BGH v. 21.5.2010 – V ZR 244/09, NZM 2010, 580. BGH v. 2.10.1987 – V ZR 140/86, MDR 1988, 213 = NJW 1988, 699.

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stehenden Umstände sein, die es dem Vermieter trotz bestehenden Missverhältnisses zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert verwehren sollen, sich auf den Einwand der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit (§ 275 Abs. 2 BGB) zu berufen. Ein auffälliges Missverhältnis indiziert eine Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze1. Im Extremfall kann dieses Indiz so stark sein, dass schwer vorstellbar erscheint, welche weiteren Umstände zu einer anderen Abwägung führen können. In diesem Fall spricht man von einem „krassen Missverhältnis“2. Die Beseitigung von Beschädigungen, die er selbst zu vertreten hat (§§ 276, 278, 538 473 BGB), kann der Mieter vom Vermieter nicht verlangen; insoweit ist der Mieter dem Vermieter wegen pVV (§ 280 BGB) und/oder nach Deliktsrecht zu Schadensersatz verpflichtet. Die Wiederherstellung muss noch während der Mietzeit möglich sein3. Bezüglich der 474 Mietzahlungspflicht findet dann § 326 BGB Anwendung4. Die Geltendmachung eines Wiederherstellungsanspruchs verstößt gegen das Schikaneverbot des § 226 BGB, wenn die Mieter aufgrund eigener Kündigung das Objekt bereits geräumt haben und sieben Wochen nach Auszug das Mietverhältnis endet5. 3. Nebenpflichten des Vermieters Neben den Pflichten aus § 535 Abs. 1 BGB treffen den Vermieter Nebenpflichten i.S.v. 475 § 241 Abs. 2 BGB. Insoweit ist die Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebenpflichten teilweise schwierig. Denn auch die Prüfungspflicht im Rahmen der Erhaltungspflicht des Vermieters (vgl. § 535 BGB Rz. 463) ist dogmatisch z.B. eine Nebenpflicht. a) Gleichbehandlung Grundsätzlich besteht im Mietrecht ein allgemeiner Gleichheitsgrundsatz nicht6. 476 Durch den Mietvertrag kann der Vermieter den Mietern unterschiedliche Rechte gewähren, ohne dass sich der Mieter auf eine großzügigere Handhabung des Vermieters gegenüber anderen Mietern berufen kann. Dies folgt schon aus der Vertragsfreiheit. Deshalb begründet es keine Gegenrechte des Mieters, wenn der Vermieter nur von finanziell schwächer gestellten Mietern eine Kaution verlangt. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das AGG vor7. Dennoch sollen Beschränkungen bestehen. So soll der Vermieter die Anschaffung ei- 477 nes Hundes grundsätzlich nicht verbieten dürfen, wenn er sie anderen Mietern im Haus ohne weiteres zugebilligt hat8. Dem kann aber nicht gefolgt werden. Ist der Vermieter an den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gebunden und in seiner Entscheidung frei, kann der Mieter aus der Genehmigung zugunsten eines anderen Mieters z.B. einer Tierhaltung keine Rechte herleiten9. Ansonsten wird eine Selbstbindung durch Verhalten gegenüber Dritten eingeführt, die dem Zivilrecht fremd ist. Eine Beschränkung kann sich daher allenfalls aus dem Schikaneverbot des § 226 478 BGB ergeben. Das soll z.B. der Fall sein, wenn der Vermieter nur von einem Mieter die Beseitigung einer Parabolantenne verlangt, während er gegen die von anderen Mietern angebrachten, mindestens ebenso störenden Antennen nicht vorgeht, sofern der Vermieter keinen sachlichen Grund für sein Vorgehen gegen den Mieter vorbringen kann10. 1 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 131/09, MDR 2010, 798. 2 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MDR 2006, 199 = MietRB 2006, 57 = NJW 2005, 3284; vgl. auch OLG Hamburg v. 6.9.2000 – 4 U 15/00, NZM 2002, 343 (344). 3 BGH v. 26.9.1990 – VIII ZR 205/89, MDR 1991, 329 = ZMR 1991, 19. 4 BGH v. 26.9.1990 – VIII ZR 205/89, MDR 1991, 329 = ZMR 1991, 19. 5 AG Hamburg-Blankenese v. 12.1.2005 – 508 C 283/04, WE 2005, 160. 6 LG Köln v. 4.2.2010 – 6 S 269/09, ZMR 2010, 533. 7 AG Kiel v. 11.8.2011 – 108 C 24/11, MM 2011, Nr. 12, 30. 8 LG Berlin v. 18.10.1988 – 64 S 234/85, WuM 1987, 213; LG Hamburg v. 25.8.1981 – 16 S 92/81, MDR 1982, 146. 9 LG Köln v. 4.2.2010 – 6 S 269/09, ZMR 2010, 533. 10 AG Augsburg v. 15.1.1998 – 3 C 5191/97, ZMR 1998, 354.

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b) Schutzpflichten 479 Schutzpflichten gegenüber dem Mieter kommen in Betracht, wenn etwaige Gefahren nicht auf der Mietsache selber beruhen. Der Vermieter muss über alle ihm bekannten Umstände aufklären, die eine Gefahr für das Eigentum des Mieters bergen, damit dieser ausreichend Vorsorge treffen kann1. Lassen z.B. Diebstähle in einer Wohnanlage ein erhöhtes Risiko für weitere Einbrüche erkennen, ist der Vermieter verpflichtet, hierauf hinzuweisen2. Ebenso besteht eine Hinweispflicht, wenn durch das Aufstellen eines Baugerüstes die Diebstahlsgefahr erhöht wird, weil der Mieter ohne Meldung an seinen Hausratversicherer den Versicherungsschutz verliert. 480 Daneben beziehen sich die Schutzpflichten auf die Bereiche, die der Mieter nicht einsehen kann oder bei denen kein anderer aus der Obhutspflicht z.B. zur Mängelanzeige verpflichtet ist. Dies trifft insbesondere für leerstehende Mieteinheiten zu. Insoweit besteht zumindest die Pflicht, Heizungen und Wasserleitungen vor Frost zu schützen3, damit sie in den darunterliegenden Wohnungen keine Schäden anrichten können. 481 Aus der Schutzpflicht gegenüber dem Mieter kann sich auch die Pflicht begründen, zur Durchführung von Mängelbeseitigungen nicht die gesetzte Abhilfefrist abzuwarten. Dies gilt insbesondere bei erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigungen (z.B. Eindringen von Regenwasser durch undichtes Dach), die beim Mieter Schaden anrichten können. Hier ist der Vermieter je nach den Umständen des Einzelfalls sogar zu sofortigen Notmaßnahmen verpflichtet4. c) Aufklärungspflichten 482 Aufklärungspflichten sind schon gesetzlich geregelt. Für den Vermieter sind sie insbesondere durch eine Erläuterungspflicht im Zusammenhang mit einer Rechtsausübung bestimmend. Dies zeigt sich bei der Ankündigung der Modernisierung (§ 555c BGB), der Hinweispflicht gemäß § 568 Abs. 2 BGB, dem Begründungszwang bei fristloser und fristgerechter Kündigung nach §§ 569 Abs. 4, 573 Abs. 3 BGB, der Mitteilungspflicht bei Zeitverträgen nach § 575 Abs. 1 BGB sowie den Erläuterungspflichten zu Mieterhöhungen gemäß §§ 558a, 559b Abs. 1 BGB. Aber auch außerhalb des BGB sind Aufklärungspflichten normiert, wie die §§ 10 Abs. 1 WoBindG, 29 NMV, 4 Abs. 2 HeizkV zeigen. Den Mieter treffen Aufklärungspflichten nach § 553 Abs. 1 und § 569 Abs. 4 BGB. 483 Daneben ergeben sich Pflichten zur Aufklärung des Mieters durch den Vermieter nach § 242 BGB5. Ausgangspunkt ist auch hier der Partnerschaftsgedanke des Mietrechts vor dem Hintergrund, dass Zustände, Vorhaben und Maßnahmen zu erläutern sind, wenn allein eine Vertragspartei das Wissen darüber hat. aa) Aufklärungspflichten des Vermieters 484 Grundsätzlich besteht keine allgemeine Aufklärungspflicht vor Abschluss eines Mietvertrages hinsichtlich aller Einzelheiten oder Umstände, die die Willensentschließung beeinflussen könnten. Denn einerseits handeln die Verhandlungspartner selbstverantwortlich und andererseits sind bestimmte Interessenskonflikte entgeltlichen Verträgen immanent. Aufklärungspflichten werden bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien gegenläufige Interessen verfolgen, aber hinsichtlich wesentlicher Umstände angenommen, die den Vertragszweck vereiteln können und daher für die Willensentschließung des anderen Teils von hoher Bedeutung sind6.

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BGH v. 20.6.1990 – VIII ZR 182/89, MDR 1991, 238 = WuM 1991, 83. OLG Hamburg v. 17.8.1988 – 4 U 151/87, WuM 1989, 68. BGH v. 11.11.1999 – III ZR 98/99, MDR 2000, 262 = ZMR 2000, 166 = NZM 2000, 96. OLG Düsseldorf v. 28.7.1998 – 24 U 173/97, ZMR 1999, 26; OLG Düsseldorf v. 18.11.1997 – 24 U 261/96, NJW-RR 1998, 1236 = MDR 1998, 768. 5 Gsell, DWW 2010, 122. 6 BGH v. 11.8.2010 – XII ZR 192/08, MDR 2010, 1306 = NZM 2010, 786; BGH v. 2.3.1979 – V ZR 157/77, NJW 1979, 2243; BGH v. 8.5.1980 – IVa ZR 1/80, NJW 1980, 2460.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

Ein solcher Umstand ist für den Vermieter gegeben, wenn Räume vermietet werden 485 sollen, die für die vertraglich vorgesehene Nutzung nicht öffentlich-rechtlich genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig sind1. Dagegen besteht jedenfalls dann, wenn der maßgebliche Schallschutz für das Haus in ruhiger Lage eingehalten ist, grundsätzlich keine Pflicht des Vermieters, den Mietinteressenten darauf hinzuweisen, dass zuweilen Wohngeräusche mit tiefer Frequenz (z.B. Schnarchgeräusche) aus der Nachbarwohnung zu vernehmen sind. Damit muss der Mieter in einem Mehrfamilienhaus rechnen, so dass keine ungefragte Aufklärung notwendig ist2. Ist die Mietsache mit einer Styropor-Wärmedämmung auf der Innenseite der Wand ausgestattet mit der Wirkung als Dampfsperre zur Vermeidung von Schimmelbildung und kann eine Schimmelbildung nur verhindert werden, indem der Mieter seine Möbel 10 cm abgerückt von der Wand aufstellt, muss der Vermieter den Mieter darüber bei Abschluss des Mietvertrages aufklären, wenn er eine Schadensersatzpflicht wegen der beschädigten Möbel des Mieters verhindern will3. Dagegen muss er nicht darüber aufklären, dass die Mieteinheit durch Wärmecontracting mit Heizwärme versorgt wird4. bb) Aufklärungspflichten des Mieters Auf Seiten des Mieters besteht eine Aufklärungspflicht über Umstände, mit denen 486 der Vermieter nicht rechnen muss. Insoweit besteht kein Unterschied, ob der Vermieter eine Wohnung in einem Mietshaus oder eine Gewerbeeinheit in einem reinen Gewerbeobjekt oder einer gemischt genutzten Immobilie vermieten will. (1) Selbstauskunft des Mieters Die vom Vermieter verfasste, anlässlich der Verhandlungen über den Abschluss des 487 Mietvertrages vom Mieter auszufüllende Selbstauskunft ist generell ein zulässiges Informationsmittel. Der Mieter ist im Hinblick auf das angebahnte Vertrauensverhältnis prinzipiell verpflichtet, den Vermieter über die erfragten Umstände vollständig und wahrheitsgemäß aufzuklären. Zweifelhaft ist allein, welche Fragen im Einzelnen zulässigerweise gestellt werden 488 können. Ist eine Frage unzulässig, kann der Vermieter daraus, dass der Mieter die Frage falsch bzw. unrichtig beantwortet hat, keine Konsequenzen für den Bestand des Mietvertrages (z.B. fristlose Kündigungen) herleiten. Ansonsten ist umstritten, ob ein Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung5 oder nur ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 1 BGB6 besteht. Beides erscheint zulässig. Bestand eine Pflicht zur (richtigen) Offenbarung, führt die Verletzung zur arglistigen Täuschung nach § 123 BGB. Liegt dieser Tatbestand vor, ist auch ein wichtiger Grund i.S.v. § 543 Abs. 1 BGB gegeben. Immerhin liegt eine Straftat vor, so dass es grundsätzlich auch keiner Abmahnung nach § 543 Abs. 3 BGB bedarf. Der wesentliche Unterschied besteht in der Höhe der Miete/Nutzungsentschädigung. Nach einer Kündigung gilt § 546a BGB mit seiner Absicherung nach unten durch die „vereinbarte Miete“. Andernfalls ist die Nutzungsentschädigung objektiv nach § 812 Abs. 2 BGB ermitteln. Die Zulässigkeit von Fragen ist aufgrund einer Interessenbewertung zu ermitteln. 489 Dabei ist das Recht des Mieters auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 i.V.m. Art. 1 GG) ausreichend zu berücksichtigen7. Häufig wird insoweit die arbeitsrechtliche Rechtsprechung zu Einstellungsfragebögen von Arbeitgebern herangezogen8. 1 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, ZMR 2009, 103; OLG Brandenburg v. 11.11.2009 – 3 U 5/03, zitiert nach juris. 2 AG Bonn v. 25.3.2010 – 6 C 598/08, NZM 2010, 619. 3 LG Münster v. 22.3.2011 – 3 S 208/10, WuM 2011, 359. 4 LG Berlin v. 2.4.2012 – 67 S 231/11, GE 2012, 956. 5 AG Hamburg v. 6.5.2003 – 48 C 636/02, ZMR 2003, 744 = MietRB 2004, 133. 6 LG Wiesbaden v. 29.4.2004 – 2 S 112/03, WuM 2004, 399. 7 BVerfG v. 11.6.1991 – 1 BvR 239/90, MDR 1991, 865 = NJW 1991, 2411 = ZMR 1991, 366 (Danach muss ein Mieter bei Abschluss des Mietvertrages nicht offenbaren, dass er wegen Geistesschwäche entmündigt ist). 8 Vgl. Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 191.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

490 Nach diesen Grundsätzen hat der Vermieter nur insoweit ein Fragerecht, als er ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung der Frage reklamieren kann. Indessen ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Mietvertrag einen geringeren persönlichen Einschlag als der Arbeitsvertrag hat. Hier stehen weniger die persönlichen Fähigkeiten und Talente als vielmehr die Vertrauenswürdigkeit und die Einstellung zum Umgang mit fremden Sachen im Vordergrund. 491 In diesem Sinne kann zulässigerweise z.B. gefragt werden – nach dem Arbeitgeber des Mieters1, – nach den Einkommensverhältnissen und der Bonität2, – nach dem Beruf, – nach dem Familienstand3, – nach der Zahl der Familienmitglieder, die in die Wohnung einziehen sollen, – nach der Anzahl und der Art der Haustiere, – ob in den letzten (fünf) Jahren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, Insolvenzen oder Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gegen den Mieter angestrengt worden sind4, – nach den sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen des Mieters5. 492 Ein kirchliches Wohnungsunternehmen soll auch nach der Religionszugehörigkeit fragen können, wenn es zu den Aufgaben dieses Unternehmens gehört, die Kirchenmitglieder mit Wohnraum zu versorgen6. 493 Nicht mehr ohne weiteres zulässig sind dagegen Fragen nach – der Nationalität7, – dem früheren Mietverhältnis8, – dem Grund des Wohnungswechsels, – der Bankverbindung, – der Mitgliedschaft in einem Mieterverein oder einer politischen Partei, – Hobbys, – Kinderwünschen, – Vorstrafen, – dem Bestehen einer Schwangerschaft. 494 Die erfragten Aspekte sind nicht generell unzulässig. Insbesondere verbietet auch das AGG solche Fragen nicht. Indessen ist stets zu beleuchten, inwieweit aus der falschen Auskunft ein maßgeblicher Umstand resultiert, der die Entscheidung des Vermieters zur Vergabe der Wohnung an den Mieter beeinflusst hat. Das ist z.B. bei der Schwangerschaft und dem Kinderwunsch der Fall, wenn eine Wohnung zur Vermietung ansteht, in der bisher eine Familie mit Kindern gewohnt hat, die aber ausgezogen ist, weil die überwiegend ältere Bewohnerschaft im Haus sich über die durch die Kinder – wenn auch sozialtypisch – verursachten Lärmentwicklungen beschwert hat.

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LG Köln v. 1.12.1983 – 1 S 73/83, DWW 1984, 75 = WuM 1984, 297. AG Bonn v. 23.7.1991 – 6 C 271/91, WuM 1992, 597. LG Landau v. 22.1.1985 – 1 S 226/84, ZMR 1985, 127 = WuM 1986, 133. LG München I v. 25.3.2009 – 14 S 18532/08, ZMR 2010, 367; LG Mannheim v. 8.11.1989 – 4 S 173/89, ZMR 1990, 303; AG Hamburg v. 6.5.2003 – 48 C 636/02, ZMR 2003, 744 = MietRB 2004, 133; AG Wolfsburg v. 9.8.2000 – 22 C 498/99, NZM 2001, 987; AG Saarlouis v. 17.9.1999 – 29 C 739/99, NZM 2000, 459; AG Hagen v. 5.7.1984 – 13 C 414/84, WuM 1984, 296. OLG Koblenz v. 6.5.2008 – 5 U 28/08, WuM 2008, 471 = NZM 2008, 800. Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 191. Weichert, WuM 1993, 723. AG Rendsburg v. 5.7.1990 – 3 C 241/90, WuM 1990, 507.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags (2) Sonstige Aufklärungspflichten

Im Übrigen besteht bei Vertragsverhandlungen keine allgemeine Rechtspflicht, den 495 anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten1. Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen2. Allerdings besteht eine Rechtspflicht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen 496 auch ohne Nachfrage dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten darf, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind3. Eine Tatsache von ausschlaggebender Bedeutung kann auch dann vorliegen, wenn sie geeignet ist, dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. Die Aufklärung über eine solche Tatsache kann der Vertragspartner redlicherweise aber nur verlangen, wenn er im Rahmen seiner Eigenverantwortung nicht gehalten ist, sich selbst über diese Tatsache zu informieren4. In der Gewerberaummiete obliegt es grundsätzlich dem Vermieter, sich selbst über die Gefahren und Risiken zu informieren, die allgemein für ihn mit dem Abschluss eines Mietvertrages verbunden sind. Er muss allerdings nicht nach Umständen forschen, für die er keinen Anhaltspunkt hat und die so außergewöhnlich sind, dass er mit ihnen nicht rechnen kann. Er ist deshalb auch nicht gehalten, Internetrecherchen zum Auffinden solcher etwaiger außergewöhnlicher Umstände durchzuführen. Für die Frage, ob und in welchem Umfang eine Aufklärungspflicht besteht, kommt es danach wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an. Deshalb muss der Mietinteressent z.B. von sich aus darüber aufklären, dass sein Wa- 497 rensortiment vorrangig von Personen mit rechtsradikaler Gesinnung gekauft und getragen wird5. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter sich hinsichtlich entsprechender Marken neben anderen Produkten anderer Hersteller den Verkauf nur offen halten will6. Insoweit besteht keine Pflicht des Vermieters, z.B. im Internet zu recherchieren mit dem Ziel, außergewöhnliche Umstände über den Mietinteressenten herauszufinden7. Ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie muss aber nicht darauf hinweisen, dass zu seinem Berufsbild die Substitutionsbehandlung von Drogenabhängigen gehört, selbst wenn nahezu die Hälfte seiner Patienten diesem Patientenkreis angehört8. Mit Beendigung des Mietvertrages entfällt auch eine Aufklärungspflicht9.

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d) Treuepflichten Treuepflichten ergeben sich aus der personenbezogenen Komponente des Miet- 499 vertrages, was sich vor allem bei Kündigungen und Mieterhöhungen auswirkt10. Der Vermieter darf dem Mieter den Besitz nur streitig machen, wenn er zuvor seine Berechtigung, das Mietverhältnis einseitig zu beenden, sorgfältig geprüft hat. Ansons-

1 BGH v. 12.7.2001 – IX ZR 360/00, NJW 2001, 3331 (3332); BGH v. 13.7.1983 – VIII ZR 142/82, NJW 1983, 2493 (2494). 2 BGH v. 13.7.1988 – VIII ZR 224/87, NJW 1989, 763 (764) m.w.N. 3 Vgl. zur Aufklärungspflicht des Vermieters: BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 63/04, NZM 2007, 144; BGH v. 28.6.2006 – XII ZR 50/04, NJW 2006, 2618 (2619); BGH v. 28.4.2004 – XII ZR 21/02, NJW 2004, 2674; BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714 (1718). 4 Vgl. Staudinger/Singer/v. Finckenstein, § 123 BGB (Rz. 17) m.w.N. 5 BGH v. 11.8.2010 – XII ZR 123/09, GuT 2010, 336 = NZM 2010, 788. 6 OLG Dresden v. 27.7.2012 – 5 U 68/12, ZMR 2012, 941. 7 BGH v. 11.8.2010 – XII ZR 192/08, GuT 2010, 336 = NZM 2010, 786. 8 OLG Köln v. 12.11.2010 – 1 U 26/10, NZM 2011, 76. 9 BGH v. 9.11.2005 – VIII ZR 339/04, MDR 2006, 626 = MietRB 2006, 93 = WuM 2005, 782 (Wegfall des Eigenbedarfs). 10 OLG Karlsruhe v. 7.10.1981 – 3 REMiet 6/81, NJW 1982, 54; BayObLG v. 25.5.1982 – REMiet 2/82, MDR 1982, 939 = NJW 1982, 2003.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

ten bestehen Schadensersatzansprüche1 oder sogar das Recht des Mieters, selbst zu kündigen2. e) Fürsorgepflichten 500 Unter Fürsorgepflichten werden die Pflichten des Vermieters zur Unterlassung und Abwehr von Störungen des Mieters zur Pflege und Obhut des Mietobjekts und zum Schutz der Sachen des Mieters verstanden3. Mit Rücksicht darauf darf der Vermieter insbesondere das Zusammenleben der Mieter im Objekt nicht einseitig stören und die Mieter nicht willkürlich in „gut und böse“ aufteilen4. Darüber hinaus muss der Vermieter grundsätzlich alle Einwirkungen auf die Mietsache unterlassen, die den Mieter beeinträchtigen oder gar schädigen können5. 501 Andererseits ist auch ein positives Tun unter Umständen geboten, wenn z.B. für das Eigentum des Mieters eine Gefahr droht6. Denn dem Vermieter obliegt es im Rahmen seiner Fürsorge- und Sicherungspflichten, nicht nur drohende Gefahren von den Rechtsgütern des Mieters abzuwenden, sondern auch vorbeugende Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung einer akuten Gefahrenlage erforderlich und zumutbar sind7. 502 Ebenso ist der Vermieter verpflichtet, den vertragsgemäßen Gebrauch zu gewährleisten. Stört ein anderer Mieter den Hausfrieden, und sei es nur durch Lärm8 oder eine Geruchsentwicklung, ist er gehalten, auf den Verursacher der Belästigung einzuwirken und ggf. Hilfestellungen zu geben (Wohnungsbesichtigung, Reinigung der Wohnung etc.). Dabei kann es ihm auch obliegen, Dritte zu Hilfestellungen anzuhalten (z.B. Einschaltung von sozialen Diensten)9. Unter Umständen kann die Fürsorgepflicht sogar dazu führen, dass der Vermieter das mit einem anderen Mieter bestehende Mietverhältnis kündigen10 und anschließend eine Räumungsklage durchführen muss11. Dazu müssen von dem anderen Mieter ernsthafte Gefahren oder unzumutbare Belästigungen (Gerüche12, Störung des Hausfriedens durch nicht gewaltfernen Mieter13 etc.) für die übrigen Mieter ausgehen. 503 Auch bei der Erteilung/Verweigerung einer Erlaubnis zur Hundehaltung hat der Vermieter die Ängste und Sorgen der übrigen Mieter zu berücksichtigen, jedenfalls hinsichtlich einer in einer Gefahrenordnung als gefährlich eingestuften Hunderasse14. Andererseits kann die Fürsorgepflicht, als besondere Ausprägung der allgemeinen Überlassungs- und Erhaltungspflicht des Vermieters, auch zu einer gesteigerten Rücksichtnahmepflicht auf die Belange des Mieters führen, sofern dies für den Vermieter zumutbar ist. Stellt der Mieter z.B. entgegen der Hausordnung sein Kraftfahrzeug auf dem zum Mietwohnhaus gehörenden Grundstück ab, ist der Vermieter in der Regel gehalten, den Mieter zunächst zum Wegfahren aufzufordern, bevor er dessen Fahrzeug abschleppen lässt15. Die mietvertragliche Fürsorgepflicht geht aber nicht soweit, dass der Vermieter allen denkbaren abstrakten Gefahren entgegenwir1 BGH v. 14.1.1988 – IX ZR 265/86, NJW 1988, 1268; BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 255/82, NJW 1984, 1028. 2 BGH v. 28.11.2001 – XII ZR 197/99, NZM 2002, 291. 3 Staudinger/Emmerich, § 535 BGB (Rz. 82) m.w.N.; zur Beweislast vgl. BGH v. 22.10.2008 – XII ZR 148/06, MDR 2009, 74 = GuT 2008, 434 = NZM 2009, 29. 4 BayObLG v. 19.1.1981 – AllgReg 103/80, WuM 1981, 80; LG Mannheim v. 13.6.1979 – 4 S 13/79, WuM 1981, 17. 5 BGH v. 16.10.1963 – VIII ZR 28/62, NJW 1964, 33. 6 OLG Koblenz v. 1.6.1992 – 5 W 293/92, ZMR 1993, 68. 7 OLG Hamburg v. 7.8.1988 – 4 U 151/87, ZMR 1988, 420 = NJW-RR 1988, 1481. 8 Vgl. dazu Flatow, PiG 92, 63 f. 9 AG Charlottenburg v. 12.7.2010 – 213 C 94/10, GE 2011, 821. 10 AG Bad Segeberg v. 5.10.1999 – 17a C 25/99, WuM 2000, 601. 11 Flatow, PiG 92, 63, 68. 12 AG München v. 18.10.2006 – 424 C 13626/06, WuM 2006, 621. 13 LG Hamburg v. 3.11.2005 – 307 S 124/05, NZM 2006, 377. 14 AG Hamburg-Barmbek v. 14.12.2005 – 816 C 305/05, ZMR 2006, 535. 15 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 23.11.2006 – 8 C 106/06, MM 2008, 299.

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ken muss. Bei dem Betrieb einer Mobilfunksendeanlage genügt er z.B. seiner Fürsorgepflicht, wenn er die Richt- und Grenzwerte nach der Bundesimmissionsschutzverordnung einhält, die sich an nachweisbaren Gesundheitsgefahren durch Hochfrequenzfelder orientieren1. 4. Pflicht zur Modernisierung Den Vermieter trifft grundsätzlich keine Pflicht zur Modernisierung des Miet- 504 objekts2. Allerdings schuldet er, sofern keine anderweitigen Vereinbarungen bestehen, den allgemeinen Standard3. 5. Versorgung mit Energie und Wasser Grundsätzlich gehört die Lieferung von Energie und Wasser zu den Pflichten des Ver- 505 mieters im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs. Bestehen allerdings dafür Zähler, die den Verbrauch des Mieters erfassen, ist i.d.R. von der stillschweigenden Vereinbarung auszugehen, dass der Mieter einen eigenen Liefervertrag mit einem Versorger abschließt. Hat der Vermieter im Mietvertrag z.B. über Gewerberaum die Verpflichtung zur Lieferung von Energie und/oder Wasser übernommen, hängt es vom Inhalt der Vereinbarung ab, ob es sich dabei um eine Haupt- oder Nebenpflicht handelt4. Bezüglich der Lieferleistungen wird ergänzend Kaufrecht anzuwenden sein5, sofern es Störungen bei der Lieferung gibt. Eine Vergütung des Vermieters für die Lieferung von privatem Strom muss gesondert vereinbart werden, da § 2 Nr. 11 BetrKV nur die Nutzung von Strom auf den Allgemeinflächen erfasst. Das Gleiche gilt für Gas als Brennstoff für einen Herd. 6. Versorgungssperre a) Während des laufenden Mietvertrages Vorbehaltlich anderer Vereinbarungen ist der Vermieter nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB 506 verpflichtet, die Mietsache mit der üblichen Grundversorgung (z.B. Strom, Wasser, Heizung) zu versehen oder doch zumindest Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, die den Mieter durch den Abschluss eigener Versorgungsverträge in die Lage versetzen, die benötigten Versorgungsmedien zu beziehen. Dieser Anspruch konkretisiert sich durch die vorhandenen Versorgungseinrichtungen auf die tatsächliche Ausstattung. Demnach kann der Mieter z.B. nicht die Einrichtung eines Gasanschlusses verlangen, wenn in der Küche ein Stromanschluss für einen Herd vorhanden ist. Grundsätzlich ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter diesen Zustand ununterbro- 507 chen zu gewährleisten. Insoweit haftet er selbst dann, wenn er z.B. wegen eines technischen Defekts nicht beliefert werden kann. Im Hinblick auf die Risikoverteilung des § 535 BGB kann der Mieter in diesem Fall z.B. mindern (§ 536 BGB), obwohl dem Vermieter die Belieferung objektiv unmöglich ist. Schadensersatz kann verlangt werden, wenn ein mindestens fahrlässiges Verhalten des Vermieters oder eines Erfüllungsgehilfen gegeben ist. aa) Liefersperre durch Versorgungsunternehmen Eine Unterbrechung der Versorgung mit Medien kann sich insbesondere ergeben, 508 wenn gegen den Vermieter eine Liefersperre verhängt wurde. Für Versorgungsunternehmen sind die Voraussetzungen der Liefersperre im jeweils gleichlautenden § 33 der AVBGasV, der AVBWasserV, der AVBEltV und der AVBFernwärmeV geregelt. Danach ist ein Versorgungsunternehmen nach vorheriger Ankündigung berechtigt, die Lieferung der jeweiligen Energie einzustellen, wenn der Vertragspartner (i.d.R. der Vermieter) mit Zahlungen in Rückstand ist. 1 2 3 4 5

Vgl. BGH v. 15.3.2006 – VIII ZR 74/05, MDR 2006, 1218 = NZM 2006, 504. Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 13. BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MDR 2004, 1346 = MietRB 2005, 1 = NJW 2004, 3174. BGH v. 30.6.1993 – XII ZR 161/91, MDR 1993, 972 = ZMR 1993, 455. Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 83.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

509 In diesen Fällen stellt sich auf Mieterseite immer die Frage, ob ein unmittelbarer Anspruch gegen das Versorgungsunternehmen, z.B. auf Aufhebung der Liefersperre, besteht1. Immerhin hat der Mieter seine Leistungen, z.B. durch Zahlung der Betriebsund Heizkostenvorauszahlungen oder der Bruttomiete, gegenüber dem Vermieter erbracht. 510 Ob gegenüber dem Versorgungsunternehmen ein durchsetzbarer Anspruch besteht, richtet sich danach, ob der Versorgungsvertrag als Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte aufgefasst werden kann2. Richtigerweise wird man davon ausgehen müssen, dass dafür die Voraussetzungen nicht vorliegen. Denn dazu muss in der Regel der Vertragspartner für das Wohl und Wehe des Dritten einzustehen haben. Dies kann vom Ergebnis her bereits damit begründet werden, dass die Schutzwirkung gegenüber dem Mieter (Dritter) nicht weiter gehen kann als gegenüber dem Vertragspartner (Vermieter)3. 511 Auch Besitzstörungsansprüche nach den §§ 858, 861 BGB wegen verbotener Eigenmacht kommen nicht in Betracht4. 512 Die Lösung des Problems kann nur praktisch erfolgen: Erfolgt z.B. die Liefersperre, weil der Vermieter die Rechnungen des Versorgungsunternehmens nicht ausgeglichen hat, kann daran gedacht werden, unmittelbar das Versorgungsunternehmen in Anspruch zu nehmen, um eine alsbaldige Lieferung zu erreichen5. Andererseits bietet die Aufhebung der Liefersperre durch das Versorgungsunternehmen gerade die schnellste Möglichkeit für den Mieter, den ihn beeinträchtigenden Zustand zu beheben. Deshalb sollte die Möglichkeit geprüft werde, durch Kostenübernahmeerklärung hinsichtlich der weiteren Zahlungen bei dem Versorgungsunternehmen zu erreichen, dass eine Lieferung für die Zukunft wieder stattfindet. Dazu müssen ggf. auch die anderen Mieter einbezogen werden. Zumindest wenn die Voraussetzungen der Ersatzvornahme vorliegen, kann der Mieter in dieser Situation die entsprechenden Leistungen an das Versorgungsunternehmen mit der Miete verrechnen. bb) Liefersperre durch die Wohnungseigentümergemeinschaft 513 Das Vorstehende gilt unterschiedslos, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft eine Versorgungssperre gegenüber dem vermietenden Sondereigentümer einrichtet6. Denn die Unterbrechung der Versorgung mit Medien stellt keine verbotene Eigenmacht dar. Der Besitz i.S.v. § 854 BGB erfährt qualitativ keinen Unterschied, ob der Mietvertrag besteht oder beendet ist. Dass ein Lieferanspruch gegenüber dem Vermieter besteht, ist im Verhältnis zu einem Dritten wie der Wohnungseigentümergemeinschaft unerheblich. Allerdings darf die Eigentümergemeinschaft nicht in die Versorgungsleitungen eines Dritten (z.B. eines Versorgungsunternehmens) oder des Mieters selbst eingreifen. b) Nach Mietende aa) Vertragliche Situation 514 Grundsätzlich endet mit der Mietvertragsbeendigung auch die Pflicht des Vermieters zur Gebrauchsgewährung gemäß § 535 Abs. 1 BGB und damit zur Versorgung mit Medien. Allerdings können nach Treu und Glauben einzelne Verpflichtungen des Ver-

1 Vgl. dazu Derleder, NZM 2000, 1098 f. 2 Dagegen: LG Frankfurt v. 15.5.1998 – 2/17 S 465/97, WuM 1998, 495; LG Gera v. 14.4.1998 – 5 T 168/98, WuM 1998, 496; dafür: LG Bonn v. 20.11.1979 – 6 T 186/79, WuM 1980, 231; LG Saarbrücken v. 17.1.1986 – 11 S 371/85, MDR 1987, 54; LG Aachen v. 14.7.1988 – 6 5 53/88, NJW-RR 1988, 1522; AG Siegen v. 4.6.1996 – 7 C 2846/96, WuM 1996, 707; AG Frankfurt v. 17.10.1997 – 33 C 3441/97-50, WuM 1998, 42. 3 A.A. Schmitz-Justen, WuM 1998, 520 (521). 4 Vgl. LG Frankfurt v. 15.5.1998 – 2/17 S 465/97, WuM 1998, 495. 5 Vgl. dazu Schmitz-Justen, WuM 1998, 520 f.; Derleder, NZM 2000, 1098 (1107). 6 A.A. AG Bremen v. 6.12.2010 – 16 C 424/10, ZMR 2011, 726.

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mieters noch nach der Vertragsbeendigung bestehen, wozu auch die Pflicht zur Erbringung von Versorgungsleistungen gehören kann1. Solche nachvertraglichen Pflichten können sich im Einzelfall aus der Eigenart des – 515 beendeten – Mietvertrages (z.B. Wohnraummiete) oder den besonderen Belangen des Mieters (z.B. Gesundheitsgefährdung oder etwa durch eine Versorgungssperre drohender, besonders hoher Schaden) ergeben2. Auch ein ansonsten zu erwartender besonders hoher Schaden kann eine Lieferpflicht über das Vertragsende begründen3. Eine über die Vertragsbeendigung hinausgehende Versorgungsverpflichtung würde allerdings allein den Interessen des Mieters dienen. Die trotz beendeten Vertrages aus Treu und Glauben nach § 242 BGB herzuleitende Verpflichtung lässt sich daher nur rechtfertigen, wenn sie auf der anderen Seite den berechtigten Interessen des Vermieters nicht in einer Weise zuwiderläuft, die ihm die weitere Leistung unzumutbar macht. Ist dem Vermieter die Weiterbelieferung nicht zumutbar, kommt es anders als bei bestehendem Mietvertrag auf den Umfang und die Grenzen eines Zurückbehaltungsrechts nicht an, weil der Vermieter in diesem Fall schon nicht mehr zur Gebrauchsüberlassung verpflichtet ist. Nach diesen Grundsätzen kann der Vermieter von Wohnraum etwa zur Fortsetzung 516 von Versorgungsleistungen verpflichtet sein, wenn dem Mieter eine Räumungsfrist nach §§ 721, 765a, 794a ZPO gewährt worden ist und dem Vermieter wegen der regelmäßig entrichteten Nutzungsentschädigung kein Schaden entsteht. Anders liegt es dagegen jedenfalls dann, wenn bereits die Beendigung des Mietverhältnisses auf dem Zahlungsverzug des Mieters beruht und der Vermieter die Versorgungsleistungen mangels Vorauszahlungen des Mieters auf eigene Kosten erbringen müsste. Ansonsten läuft der Vermieter Gefahr, die von ihm verauslagten Kosten für die Versorgung nicht erstattet zu erhalten und dadurch einen – weiteren – Schaden zu erleiden. Das Interesse des Vermieters, die Wasserversorgung zu sperren, kann überwiegen, 517 wenn der Mieter trotz Kälte die Fenster offen stehen lässt4. Das Gleiche kommt in Betracht, wenn dem Vermieter bei fortdauernder Belieferung Schäden durch ein falsches Lüftungs- und Heizverhalten des Mieters drohen5. Besteht ein Räumungstitel soll der Mieter dennoch die Versorgung verlangen können, weil das Gesetz die Möglichkeit des Räumungsschutzes vorsieht6. bb) Besitzschutz Die Frage, ob die Versorgungssperre durch den Vermieter eine Besitzstörung dar- 518 stellt, ist umstritten. Die überwiegende Auffassung geht davon aus, dass die Unterbrechung der Versorgungsleistungen verbotene Eigenmacht sei und den auf Beseitigung und Unterlassung gerichteten Besitzschutz nach §§ 858, 862 BGB auslöst7. Einwendungen des Vermieters gegen seine Lieferpflicht sind nach dieser Auffassung petitorische Einwendungen, die gegenüber Besitzschutzansprüchen nach § 863 BGB ausgeschlossen sind8. Demgegenüber vertreten andere Teile der Rechtsprechung und Literatur die Meinung, die Unterbrechung der Versorgung betreffe nur den aus dem Vertrag herzuleitenden Mietgebrauch und sei daher keine verbotene Eigen-

1 Vgl. MünchKomm/Bieber, § 546a BGB Rz. 28 ff.; allgemein MünchKomm/Ernst, § 280 BGB Rz. 109 ff. 2 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 3 OLG Brandenburg v. 29.6.2011 – 3 U 52/10, CuR 2012, 79. 4 AG Lahnstein v. 26.4.2010 – 24 C 43/10, NZM 2011, 72. 5 AG Lahnstein v. 3.2.2010 – 24 C 43/10, WuM 2012, 140. 6 AG Berlin-Schöneberg v. 26.4.2010 – 5 C 49/10, NZM 2011, 72. 7 OLG Saarbrücken v. 25.9.2005 – 8 W 204/05, OLGR 2005, 889 = GUT 2005, 218; OLG Celle v. 28.4.2005 – 11 U 44/05, NZM 2005, 741; OLG Köln v. 26.4.2004 – 1 U 67/03, NZM 2005, 67; OLG Koblenz v. 24.7.2000 – 3 W 472/00, OLGR 2001, 2; Staudinger/Bund, § 858 BGB Rz. 53 m.w.N.; Bub/ Treier/Kraemer, III Rz. 1220; Gaier, ZWE 2004, 109 (113); grundsätzlich auch KG v. 29.8.2005 – 8 U 70/05, ZMR 2005, 951. 8 Gaier, ZWE 2004, 109 (113).

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macht1. Weitere Stimmen in der Literatur gehen schließlich davon aus, dass die Unterbrechung von Versorgungsleistungen zwar grundsätzlich eine verbotene Eigenmacht sei. Eine Einschränkung sei jedoch für die Fälle zu machen, in denen der Vermieter es unterlasse, eine Vorleistung zu erbringen, für die er selbst im Außenverhältnis (z.B. zum Energieversorgungsbetrieb) hafte, wenn er nach vertraglichen Grundsätzen hierzu nicht mehr verpflichtet sei2. 519 Der BGH3 hält es richtigerweise für zutreffend, dass in der Unterbrechung der Versorgungsleistungen keine Besitzstörung liegt. Die zur Nutzung des Mietobjekts erforderlichen Energielieferungen sind nicht Bestandteil des Besitzes und können daher auch nicht Gegenstand des Besitzschutzes nach §§ 858 ff. BGB sein. Der Besitz umfasst lediglich den Bestand der tatsächlichen Sachherrschaft. Der Besitz wird nach § 854 Abs. 1 BGB durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt erworben und durch die Aufgabe oder den Verlust derselben beendigt (§ 856 Abs. 1 BGB). Der Besitz besteht als Voraussetzung des Besitzschutzes demnach in dem dauernden Zustand der tatsächlichen Gewalt, welche mit der Einwirkungsmacht auf die Sache und der Ausschlussmacht zwei Komponenten enthält; die Besonderheiten des Eigenbesitzes nach § 872 BGB sind hier nicht von Bedeutung. 520 Allerdings ist eine verbotene Eigenmacht gegeben, wenn der (ehemalige) Untermieter die Wasserversorgung der Wohnung seines (ehemaligen) Vermieters unterbricht4. Dem steht weder eine vorangegangene Beendigung des Hauptmietvertrages entgegen noch ein (vorläufig vollstreckbares) Räumungsurteil, welches ein Zwangsverwalter gegen den (Unter-)Vermieter erstritten hat. Dies widerspricht nicht dem Urteil vom 6.5.20095, weil sich diese Entscheidung auf eine „Versorgungssperre bezieht, die in der Einstellung von Leistungen besteht“. Im vorliegenden Fall geht es dagegen nicht um das Vorenthalten einer zuvor erbrachten Leistung, sondern um einen Eingriff von außen in die Wasserversorgung des (Unter-)Vermieters. Ein solcher Eingriff behindert den Besitzer an der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft und stellt – ebenso wie psychisch beeinträchtigende Einwirkungen etwa durch Lärm oder Lichtwerbung – eine Besitzstörung dar. cc) Ausüben der Versorgungssperre 521 Die Unterbrechung der Versorgung wird im Wege des Zurückbehaltungsrechts durchgeführt und darf sich nicht als (unzulässige) Selbstvollstreckung eines Räumungsanspruchs darstellen. Eine Vermutung, dass der Vermieter im Zweifel die „freiwillige“ Räumung „fördern“ will, besteht nicht. Vielmehr ist anhand der Korrespondenz und der sonstigen Äußerungen zu ermitteln, mit welcher Absicht der Vermieter handelt. 522 Eine unzulässige Selbstvollstreckung kommt danach insbesondere bei der „Sibirischen Räumung“ in Betracht. Hier soll der Mieter durch Abstellen der Heizung zum Auszug bewegt werden6. Davon kann erst recht ausgegangen werden, wenn der Vermieter unter Bezugnahme auf die gerade verkündete Entscheidung im Räumungsrechtsstreit die Unterbrechung der Wasserversorgung ankündigt7.

1 KG v. 17.12.1998 – 8 U 7247/98, GE 2004, 622; KG v. 8.7.2004 – 12 W 21/04, NZM 2005, 65; LG Berlin v. 22.12.2008 – 12 O 480/08, GE 2009, 518; AG Bergheim v. 15.12.2003 – 27 C 744/03, ZMR 2005, 53; AG Hohenschönhausen v. 10.7.2007 – 9 C 120/07, GE 2007, 1127; Bub/Treier/v. Martius, III Rz. 1152; Ulrici, ZMR 2003, 895 (896); Mummenhoff, DWW 2005, 312 (315); Scholz, NZM 2008, 387 (388 f.); Krause, GE 2009, 484. 2 MünchKomm/Joost, § 858 BGB Rz. 6; Soergel/Stadler, § 858 BGB Rz. 8; ähnlich Streyl, WuM 2006, 234 (236 f.). 3 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947. 4 KG v. 1.10.2009 – 8 U 105/09, MietRB 2010, 71 = GE 2009, 60 = NZM 2010, 321. 5 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = NJW 2009, 1947. 6 LG Koblenz v. 24.5.2011 – 6 S 8/11, WuM 2012, 140. 7 OLG Celle v. 28.4.2005 – 11 U 44/05, NZM 2005, 741.

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dd) Abwenden der Versorgungssperre Das Abwenden der Versorgungssperre ist nicht durch eine Teilzahlung möglich (z.B. 523 rückständiger Anteil an Heiz- und Wasserkostenvorauszahlungen)1. Vielmehr muss der gesamte Rückstand ausgeglichen werden2. Denn das Zurückbehaltungsrecht (= Versorgungssperre) bezieht sich auf die gesamte Forderung der rückständigen Mieten und nicht nur auf einen Teil der Vorauszahlungen. 7. Lastentragung Gemäß § 535 Abs. 1 S. 3 BGB hat der Vermieter sämtliche öffentlich- und privatrecht- 524 lichen Lasten zu tragen, die auf der Sache selbst ruhen, d.h. die ihn als Eigentümer oder dinglich Berechtigten der Mietsache treffen. Das sind etwa Grundsteuern3, Kanalisationsgebühren, Straßenanliegerbeiträge, Müllabfuhrgebühren, Schornsteinfegergebühren und Straßenreinigungskosten. Dagegen gehören nicht hierher die rein persönlichen Verpflichtungen und Lasten, also die an die Person des Vermieters oder des Mieters gebundenen, z.B. die Feuerversicherungsprämien. Eine dem § 1045 BGB (Versicherungspflicht des Nießbrauchers) entsprechende Vorschrift gibt es für die Miete aber nicht. Da § 535 Abs. 1 S. 3 BGB vertraglich abdingbar ist, werden durchweg die Lasten als 525 Betriebskosten im Innenverhältnis auf die Mieter nach § 556 Abs. 1 BGB abgewälzt. Im Übrigen ist oft insbesondere die Straßenreinigungspflicht dem Mieter des Erdgeschosses übertragen. Die vertragliche Abbedingung von § 535 Abs. 1 S. 3 BGB ist normalerweise nur im Innenverhältnis zwischen Mieter und Vermieter von Bedeutung, nicht aber für das Außenverhältnis zu Dritten und zu Behörden. Bei umfangreichen Überwälzungen von Lasten auf den Mieter in Formularverträgen ist aber § 307 BGB zu beachten. S. dazu § 556 BGB Rz. 317 f. V. Überbürdung von Erhaltungspflichten Die Überbürdung von Erhaltungspflichten i.S.v. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ist in eng um- 526 grenztem Rahmen zulässig. Denn bei der Wohnraummiete ist zum einen § 536 Abs. 4 BGB zu beachten: Wäre der Mieter erhaltungspflichtig, würde er damit sein Minderungsrecht verlieren, wenn der vertragsgemäße Zustand tangiert wird. Zum anderen stellt § 535 Abs. 1 S. 2 BGB eine Hauptpflicht dar. Hauptpflichten prägen das gesetzliche Leitbild, so dass gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB4 eine formularmäßige Abweichung grundsätzlich nicht zulässig ist. Da bei Inkrafttreten des AGBG am 1.4.1977 die Überbürdung von Klein- und Schön- 527 heitsreparaturen bereits Verkehrssitte war5, wie sich aus § 28 Abs. 3 und 4 II. BV ergibt, wird insoweit eine Ausnahme zugelassen. Der Umfang dieser Ausnahme orientiert sich an den genannten Vorschriften, weil nur insoweit eine Verkehrssitte, die die Abweichung von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB begründet, gerechtfertigt ist. 1. Kleinreparaturklauseln a) Wirksamkeitsanforderungen Eine Klausel in einem Formularmietvertrag über Wohnraum, durch die dem Mieter 528 ohne Rücksicht auf ein Verschulden die Kosten notwendiger Kleinreparaturen bis zur Höchstgrenze von 110 Euro6 aufgebürdet werden, ist nicht generell unangemessen7. Sie muss aber, um nicht gemäß § 307 BGB unwirksam zu werden, einen Höchst1 2 3 4

KG v. 8.8.2005 – 24 W 112/04, MDR 2006, 326 = NJW-RR 2006, 446. KG v. 30.6.2009 – 27 U 19/08, GE 2010, 482. OLG Hamm v. 26.9.1985 – 4 U 94/85, ZMR 1986, 198. Die Vorschrift gilt gemäß § 310 Abs. 3 BGB auch für Individualvereinbarungen in einem Verbrauchervertrag. 5 BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 339/03, WuM 2004, 529. 6 AG Würzburg v. 17.5.2010 – 13 C 670/10, WuM 2010, 561. 7 BGH v. 7.6.1989 – VIII ZR 91/88, MDR 1989, 906 = NJW 1989, 2247; OLG Hamburg v. 10.4.1991 – 5 U 135/90, WuM 1991, 385.

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betrag für den Fall ausweisen, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraumes mehrere Kleinreparaturen anfallen1. 529 Oftmals enthalten Mietverträge als Höchstgrenze eine Monatsmiete, was für zu hoch angesehen wurde2. Das Gleiche gilt für 10 % der Jahresmiete3. Es empfiehlt sich deshalb eine prozentuale Orientierung (z.B. 8 %) an der Jahresgrundmiete, wobei die Grenze auch schon bei 7 % gezogen wurde4. Damit ist ein Maßstab gefunden, der unter einer Monatsmiete liegt, sich aber gleichwohl mit der Entwicklung der ortüblichen Vergleichsmiete verändern kann, die wegen § 558c Abs. 3 BGB jedenfalls mittelbar auch eine Marktentwicklung berücksichtigt. 530 Bei langfristigen Verträgen bietet sich eine Indexierung des Höchstbetrages nach § 557b BGB an. Dies ist zulässig, weil auch die Kleinreparaturregelung einen Teil der Gegenleistung des Mieters nach § 535 Abs. 2 BGB, also der Miete darstellt. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss aus § 28 Abs. 3 II. BV. Für die Höchstgrenze muss eine Anpassung an die Geldentwertung nicht vorgesehen werden. Durch die Kopplung mit der Miete erweitert sich die Grenze bei jeder Mieterhöhung automatisch. Indessen sollte beachtet werden, dass die vereinbarte Indexierung bei den Kleinreparaturen gemäß § 557b Abs. 2 BGB zu einem Ausschluss der Mieterhöhung nach §§ 559, 560 BGB führen kann. 531 Eine weitere Grenze für Formularklauseln besteht darin, dass sich die Kostenlast des Mieters von Wohnraum nicht auf Reparaturen beziehen darf, die höhere Kosten als den für Kleinreparaturen veranschlagten Betrag verursachen. Das Gleiche gilt bei einer vorgesehenen Beteiligung für Neuanschaffungen5. 532 Die Kleinreparaturen dürfen sich nur auf solche Teile der Mietsache beziehen, die dem Zugriff des Mieters ausgesetzt sind6. Denn die Kleinreparatur soll die Abgrenzung zwischen § 538 BGB und Ansprüchen des Vermieters aus pVV (§ 280 Abs. 1 BGB) erleichtern bzw. auf die gravierenden Fälle beschränken. Deshalb sollen bei der Anwendung der Klausel Kosten nicht zu erstatten sein, die sich auf Maßnahmen beziehen, die nicht durch Einfluss des Mieters verursacht wurden (hier: Verkalken des Wasserhahns7). Dies ist zweifelhaft. Zwar entsteht die Verkalkung durch die Konsistenz des Wassers. Die Instandsetzung dient aber dem vertragsgemäßen Gebrauch und wird durch die Nutzung verursacht. Eine Einschränkung ist aber z.B. für Rollladen gerechtfertigt. Denn deren Verschleiß und Instandsetzungsbedarf kann insbesondere durch Einwirkungen von außen hervorgerufen werden. Allenfalls die Rollladengurte unterliegen allein der Nutzung des Mieters. 533 Schließlich darf der Wortlaut der Klausel nur auf eine Kostenerstattung gerichtet sein. Klauseln, die eine Vornahme der Kleinreparatur durch den Mieter vorsehen, sind unwirksam8. Denn dadurch würde der Mieter seine Gewährleistung gegenüber dem Vermieter gefährden. b) Anwendungsfälle 534 Soweit die grundsätzliche Wirksamkeit gegeben ist, können sich Probleme in der Anwendung der Klausel daraus ergeben, dass die reparierten Teile gerade nicht von der Formulierung der Klausel erfasst werden. Das ist etwa der Fall, wenn die Klausel vorsieht, dass die Kleinreparaturen die „Behebung von Schäden an den Installationsgegenständen für Elektrizität, Wasser und Gas“ etc. umfassen sollen. Dann soll z.B. 1 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = ZMR 1991, 290. 2 OLG Hamburg v. 10.4.1991 – 5 U 135/90, WuM 1991, 385. 3 OLG Zweibrücken v. 14.12.1994 – 3 W-RE 195/94, WuM 1995, 144; a.A. OLG Stuttgart v. 12.2.1988 – 2 U 159/87, WuM 1988, 149 = NJW-RR 1988, 585 (8–10 % max., unbedenklich 300 DM bis 400 DM jährlich); OLG Hamburg v. 10.4.1991 – 5 U 135/90, WuM 1991 (385 bis 600 DM). 4 AG Hannover v. 9.7.2008 – 564 C 16208/07, WuM 2008, 721. 5 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = ZMR 1991, 290. 6 BGH v. 7.6.1989 – VIII ZR 91/88, MDR 1989, 906 = NJW 1989, 2247. 7 AG Gießen v. 30.4.2008 – 40M C 125/08, WuM 2010, 415. 8 BGH v. 6.5.1992 – VIII ZR 129/91, MDR 1992, 669 = NJW 1992, 1759; OLG München v. 2.5.1991 – 29 U 6529/90, MDR 1991, 760 = ZMR 1991, 334.

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die Reparatur von Duschstange und Duschabtrennung nicht von der Pflicht zur Kostenübernahme erfasst sein1. Bezieht sich die Klausel auf Reparaturen an Anlagen und Einrichtungen, gehört dazu nicht die Reparatur von Kippriegeln am Fenster, weil es sich dabei um einen wesentlichen Bestandteil handelt2. Generell dürfen sich die Kleinreparaturen ohnehin nur auf Gegenstände beziehen, die dem Zugriff des Mieters unterliegen. Darunter fällt eine Gummidichtung der Aufgussleitung nicht3. Ist im Mietvertrag im Rahmen einer Kleinreparaturklausel die Pflicht des Mieters zur 535 Übernahme der Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten auf Installationsgegenstände beschränkt, die seiner unmittelbaren Einwirkung unterliegen, soll die wirtschaftlich sinnvolle Erneuerung eines verkalkten Wasserhahns im Wege des Austauschs des Auslaufventils nebst Knebel und Dichtungen keine Kleinreparatur darstellen, da der Mieter nicht unmittelbar auf die Verkalkung und die dadurch verursachten Schäden einwirken, sondern nur durch Betätigung des Hahns mittelbar den Durchfluss von Wasser steuern kann4. Dies ist in zweierlei Hinsicht zweifelhaft: zum einen tritt die Verkalkung der Armatur auch durch Gebrauch ein. Denn je mehr Wasser hindurchfließt, umso schneller tritt die Verkalkung ein. Zum anderen gehört die Erneuerung auch zu den Instandsetzungen5. c) Rechtsfolgen unwirksamer Klauseln zu Kleinreparaturen Ist die Klausel unwirksam, kann der Vermieter von preisfreiem Wohnraum die Miete 536 nicht mit dem Argument erhöhen, der entsprechende Betrag sei bei der Mietkalkulation nicht berücksichtigt worden6. Dagegen steht dem Mieter ein Erstattungsanspruch aus § 812 BGB zu, wenn er trotz unwirksamer Klausel Beträge an den Vermieter geleistet oder Kleinreparaturen sogar selbst erbracht hat. Dieser Anspruch unterliegt der Verjährung nach § 548 Abs. 2 BGB. Im preisgebundenen Wohnraum erfolgt nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 3 II. BV eine 537 Steigerung der Kostenmiete um den für Kleinreparaturen vorgesehenen Pauschalwert, indem die nach § 28 Abs. 2 II. BV relevante Instandsetzungspauschale entsprechend geändert wird. Die Erklärung muss den Anforderungen des § 10 WoBindG entsprechen. 2. Wartungsklauseln Bei der Vermietung von technischem Gerät oder der Mitvermietung technischer 538 Anlagen wird dem Mieter oft formularvertraglich aufgegeben, entsprechende Wartungsverträge auf seine Kosten abzuschließen. Derartige Klauseln sind bei Gewerberaummiete mit § 307 BGB vereinbar, wenn dem Mieter kein bestimmtes Wartungsunternehmen vorgeschrieben wird7 und das Gerät allein seiner Versorgung dient. Auf dem Gebiet der Wohnraummiete setzt die Vereinbarkeit mit § 307 BGB grundsätzlich voraus, dass – Wartungsgegenstand und -intervall (z.B. jährlich) festgelegt sind, – der Mieter nicht zur Vornahme der Arbeiten selbst verpflichtet wird8, und – die Klausel eine Obergrenze enthält, bis zu welcher der Mieter die jährlich entstehenden Wartungskosten zu tragen hat9 (vgl. aber § 535 BGB Rz. 538a).

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AG Hamburg-Barmbek v. 25.8.2010 – 822 C 55/10, ZMR 2011, 480. AG Hannover v. 26.1.2007 – 437 C 15376/06, WuM 2010, 447. AG Charlottenburg v. 31.8.2011 – 212 C 65/11, GE 2011, 1311. AG Gießen v. 30.4.2008 – 40M C 125/08, WuM 2010, 415 = MM 2010, Nr. 1–2, 38. BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MDR 2006, 17 = MietRB 2005, 285 = GuT 2005, 213 = DWW 2005, 372 = ZMR 2005, 844; a.A. Schmidt, NZM 2011, 680 m.w.N. Beyer, NZM 2011, 697 (702). Wolf/Eckert/Ball, Rz. 622. BGH v. 7.11.2012 – VIII ZR 119/12, WuM 2013, 31 = NZM 2013, 84. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = ZMR 1991, 290.

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538a Einer Obergrenze in der Klausel bedarf es nicht, wenn sich die Bestimmbarkeit der Kosten aus anderem Zusammenhang ergibt. Das ist z.B. der Fall, wenn § 2 Nr. 4d BetrKV zur inhaltlichen Konkretisierung herangezogen werden kann. Danach kann der Vermieter die Kosten für die Wartung einer Gastherme auf den Mieter umlegen1. Das Gleiche gilt für Warmwassergeräte (§ 2 Br. 5c BetrKV) sowie für verbundene Etagenheizungen und Warmwasserversorgungsanlagen (§ 2 Nr. 6c BetrkV). Im Hinblick auf die in diesen Vorschriften konkret bezeichneten Leistungen ist der Mieter in der Lage, die auf ihn entfallenden Kosten zu kalkulieren. 539 Ist eine Wartungsklausel unwirksam, kann der Vermieter die Kosten nicht als Betriebskosten z.B. im Rahmen des § 2 Nr. 4d BetrKV. Denn damit würde er sich als Verwender von AGB auf deren Unwirksamkeit berufen. Dies verstößt gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens2. 3. Schönheitsreparaturen 540 Grundsätzlich gehören die Schönheitsreparaturen als Erhaltungsmaßnahme zum Pflichtenprogramm des Vermieters nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Schon wegen der unterschiedlichen Geschmacksvorstellungen, aber auch wegen den Problemen bei der Realisierung der Renovierung (Abstimmung des Termins, Abrücken der Möbel etc.), sind die Vermieter bestrebt, die Last der Renovierung auf den Mieter zu übertragen. Dazu sind verschiedene Modelle denkbar. 541 Neben der Übertragung der Ausführung kommen unterschiedliche finanzielle Gestaltungen vor. So gibt es Vertragsmuster, die eine Pauschale (ähnlich § 28 Abs. 4 II. BV) ausweisen. Danach ist der Vermieter zur Durchführung verpflichtet, macht aber anhand der Vertragsgestaltung transparent, welcher Betrag in seiner Kalkulation angesetzt worden ist. Führt der Mieter in einem solchen Fall dennoch die Renovierung selber aus, besteht grundsätzlich kein Erstattungsanspruch in Höhe der ausgewiesenen Pauschale. Das gilt erst recht nach Ende der Mietzeit, ohne dass der Vermieter renoviert hätte. Denn die Pauschale ist mit Rechtsgrund (= vertragliche Bestimmung) geleistet. Da der Vermieter zur Ausführung verpflichtet ist, kann eine Erstattung der Aufwendungen für die Selbstvornahme nur unter den Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB herbeigeführt werden. Dazu muss der Vermieter aber zunächst in Verzug gesetzt werden. Für § 812 BGB ist wegen des Rechtsgrundes (Vertragsregelung über die Pauschale) kein Platz3. 542 Enthält der Mietvertrag neben der Pauschale eine zusätzliche Regelung, die dem Mieter in Aussicht stellt, dass der Vermieter die Summe der auf die Schönheitsreparaturen geleisteten Beträge zurückzahlt, wenn er die Renovierung selbst ausführt, liegt in der Regel ein Verstoß gegen § 551 Abs. 4 BGB vor. Denn dann stellt sich die Pauschale im Zweifel als (verdeckte) Sicherheit für eine – im Ergebnis allein gewollte – Ausführung der Renovierung durch den Mieter dar. Dies gilt erst recht, wenn die Zahlung offen als Sicherheit deklariert wird. Deshalb kommt z.B. die wirksame Vereinbarung einer Tapetenabwohnpauschale grundsätzlich nur als Teil der Grundmiete in Betracht4. 543 Soweit die Ausführung der Renovierung dem Mieter überbürdet wird, nehmen die Schönheitsreparaturen als Teil der Erhaltungspflicht des Vermieters einen besonderen Status ein. Ihre Abwälzung ist nämlich Verkehrssitte5. Deshalb bilden sie eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, wonach von Hauptpflichten nicht durch Formularklauseln abgewichen werden kann. Denn als das AGBG 1977 in Kraft trat, bestand diese Verkehrssitte schon, wie sich aus § 28 Abs. 4 II. BV ergibt. Dieser Verkehrssitte muss sich die Rechtsanwendung anpassen, allerdings nur in dem durch die gesetzliche Definition feststellbaren Umfang. 1 2 3 4 5

BGH v. 7.11.2012 – VIII ZR 119/12, WuM 2013, 31 = NZM 2013, 84. BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718. LG Trier v. 5.6.2012 – 1 S 44/12, NZM 2012, 860. AG Köln v. 5.2.1991 – 218 C 457/90, WuM 1991, 579. BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 339/03, WuM 2004, 529.

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a) Begriff der Schönheitsreparaturen Das Gesetz definiert die Schönheitsreparaturen in § 28 Abs. 4 S. 3 II. BV. Für Wohn- 544 raum ist diese Begriffsbestimmung abschließend, weil sich nur insoweit die eine Abweichung von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB rechtfertigende Verkehrssitte feststellen lässt. Danach fallen unter die Schönheitsreparaturen – Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände – Anstreichen oder Kalken der Decken – Streichen der Fußböden – Streichen der Heizkörper einschl. der Rohre – Streichen der Innentüren – Streichen der Fenster von innen – Streichen der Außentüren von innen Diese Begriffsbestimmung ist identisch mit der des § 7 des Mustermietvertrages 1976, 545 der aber nicht mehr als verbindlich oder Orientierungshilfe herangezogen werden sollte1. Die Art der aufgezählten Arbeiten zeigt, dass der Begriff einer „Reparatur“ im eigentlichen Sinne nicht gemeint ist. Unter einer Reparatur versteht man üblicherweise die Beseitigung eines Schadens. Dagegen versteht man unter den Schönheitsreparaturen vereinfacht ausgedrückt die Durchführung von Tapezier- und Anstreicharbeiten zur Verschönerung der Räume bzw. zur Beseitigung von Gebrauchsspuren. Im Hinblick darauf beziehen sich die Schönheitsreparaturen bei einem Wohnraum- 546 mietvertrag grundsätzlich nur auf das Wohnungsinnere2. Dies folgt aus der Begriffsdefinition des § 28 Abs. 4 S. 3 II. BV. Zusätzlich spricht § 28 Abs. 4 S. 1 II. BV von den „Kosten der Schönheitsreparaturen in Wohnungen“. Zum Inneren der Wohnung zählt nicht mehr die Falz der Außenfenster3 oder eine Loggia4, wohl aber ein Wintergarten, nicht jedoch Kellerräume, Dachboden, Garage, Räumlichkeiten außerhalb der Wohnung wie etwa das Außen-WC, ferner nicht das Treppenhaus bei einem Mehrfamilienhaus5. Allein weil der Außenanstrich von Türen und Fenstern in einer Formularklausel nicht 547 ausdrücklich ausgenommen wird, findet aber keine unzulässige Erweiterung des Schönheitsreparaturbegriffes statt6. Davon kann – im Wege der Auslegung – ausgegangen werden, wenn in der betreffenden Passage des Mietvertrages allein vom „Streichen der Türen“ die Rede ist, diese Anordnung jedoch nach dem „Innenanstrich der Fenster“ und vor der Einbeziehung „sämtlicher anderer Anstriche innerhalb der gemieteten Räume“ getroffen wird7. Eine Formularklausel, die allerdings Renovierungsarbeiten an außen liegenden Einrichtungsgegenständen ausdrücklich vorsieht, ist unwirksam8. Der Begriff der Schönheitsreparaturen hat allerdings seit der Einführung des § 28 II. 548 BV schon technisch einige Veränderungen erfahren. Denn Wände und Decken werden heute nicht mehr z.B. „gekalkt“ und auch das „Streichen der Fußböden“ ist nicht mehr üblich. Umso mehr erfasst der Begriff der Schönheitsreparaturen daher auch ohne nähere Definition im Mietvertrag die malermäßige Beseitigung von Gebrauchsspuren. Dazu gehört jede Art von Tapezieren von Wänden, das Streichen der Decken, das Streichen von Heizkörpern und Heizrohren, der Innentüren, der Fenster von in-

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Vgl. BGH v. 26.9.2007 – VIII ZR 143/06, WuM 2007, 684 = GE 2007, 1622 = NZM 2007, 879. Langenberg, Schönheitsreparaturen, B Rz. 5. AG Hannover v. 22.8.2003 – 535 C 2521/03, WuM 2007, 406. BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, MDR 2009, 621 = MietRB 2009, 192 = WuM 2009, 286 = GE 2009, 573. Vgl. Harsch, Schönheits- und Kleinreparaturen, Rz. 233 ff. A.A. LG Berlin v. 18.1.2008 – 63 S 215707, GE 2008, 478. BGH v. 20.3.2012 – VIII ZR 192/11, WuM 2012, 312. BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, MDR 2009, 621 = MietRB 2009, 192 = WuM 2009, 286 = GE 2009, 573 (Außenanstrich der Fenster).

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nen sowie der Außentüre von innen. An die Stelle des Streichens der Fußböden kann die Grundreinigung des Teppichbodens treten1. 549 Sollen andere als dem klassischen Malerhandwerk zuzuordnende Arbeiten vom Mieter ausgeführt werden, ist dies jedenfalls in der Wohnraummiete formularmäßig nicht zulässig, wenn sie in den Bereich der Instandsetzung fallen. Zwar sind vor Beginn einer fachgerechten Schönheitsreparatur regelmäßig Dübel zu entfernen und die Löcher zu verspachteln, weil sonst die Tapete nicht glatt aufgetragen werden kann. Insoweit ist aber die Grenze zur Instandsetzung noch nicht überschritten, weil es sich um notwendige Vorbereitungsmaßnahmen handelt2. 550 Der BGH hat den Begriff der Schönheitsreparaturen auch auf die Beseitigung solcher Mängel erweitert, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache herbeigeführt werden und – ohne vertragliche Übernahme – gemäß § 538 BGB von dem Mieter nicht zu vertreten sind3. Durch Schönheitsreparaturen zu beseitigen sind danach die Folgen typischer Gebrauchsbeschädigungen im Rahmen des Vertragszweckes. Demnach zählt u.a. auch die Beseitigung kleinerer Kratzer im Holzwerk mit zu den Arbeiten, die im Rahmen der Ausführung von Schönheitsreparaturen zu erledigen sind. Nicht dagegen kann im Rahmen einer Renovierung verlangt werden, dass der Mieter Untergrundschäden an Holz, Putz und Mauerwerk beseitigt, die nicht auf vertragsgemäßem Gebrauch beruhen, sondern z.B. auf Materialermüdung4. 551 Die Grenze zur Instandsetzung ist überschritten, wenn eine Klausel dem Mieter von Wohnraum das Abschleifen von Parkettböden auferlegt5. Ein Verstoß gegen § 307 BGB liegt selbst dann vor, wenn in der Regelung eine Mindestwohndauer von acht Jahren vorgesehen ist6. Denn bei diesen Arbeiten handelt es sich nicht um typische Schönheitsreparaturen, so dass die Beseitigung von Kratzern und Schmarren im üblichen Umfang auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes verlangt werden kann. Dass die Beschädigungen durch nicht vertragsgemäßen Gebrauch entstanden sind, muss der Vermieter im Einzelnen darlegen und beweisen7. b) Abgrenzung zu Schadensersatz 552 Schönheitsreparaturen können sich auch als Schadensersatz ergeben. Im Hinblick auf § 538 BGB setzt dies voraus, dass sie durch ein pflichtwidriges Verhalten des Mieters verursacht wurden. Dies kommt in Betracht, wenn der Mieter vertragliche Nebenpflichten verletzt, etwa die Grenzen des ihm zustehenden vertragsgemäßen Gebrauchs überschreitet und durch Verletzung seiner Obhutspflichten die Mietsache beschädigt oder verschlechtert. Typische Gebrauchsbeschädigungen im Rahmen des Vertragszwecks (z.B. Kratzer im Holzwerk) sind allerdings durch Schönheitsreparaturen im eigentlichen Sinn zu beseitigen. 553 Zur Abgrenzung, ob nun die Erfüllung von Schönheitsreparaturen oder Schadensersatz verlangt werden kann, muss darauf abgestellt werden, ob insbesondere die Verschlechterung der Mieträume noch unter den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache fällt, wobei die Abgrenzungen sowohl nach der Ursache8 oder der Art des Schadens selbst als auch nach der Art der Schadensbeseitigung nur Hilfsüberlegungen darstellen. Ein abgelaufener Teppichboden oder ein Laufspuren aufweisendes Holzparkett sind zweifellos eine Verschlechterung der Mietsache. Diese ist indessen bedingt durch deren ständigen Gebrauch. Anders hingegen verhält es sich, wenn 1 BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 15/07, MDR 2009, 255 = MietRB 2009, 69 = WuM 2009, 225 = GE 2009, 111 = NZM 2009, 126. 2 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = WuM 1993, 109. 3 BGH v. 5.10.1994 – XII ZR 15/93, ZMR 1995, 577 = DWW 1995, 279. 4 LG Berlin v. 29.1.2002 – 64 S 312/01, NZM 2002, 909; a.A. LG Münster v. 4.12.2003 – 8 S 304/03, WuM 2005, 605. 5 BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 48/09, MDR 2010, 312 = MietRB 2010, 101 = WuM 2010, 85 = GE 2010, 335 = NZM 2010, 157 = ZMR 2010, 432. 6 OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 –10 U 46/03, WuM 2003, 621 (623). 7 OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 –10 U 46/03, WuM 2003, 621 (622). 8 Langenberg, Schönheitsreparaturen, B Rz. 24.

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Teppichböden oder Parkett Beschädigungen aufweisen (z.B. Brand- oder Rotweinflecken). Regelmäßig wird die Frage, ob Schadensersatzansprüche in Betracht kommen, immer dann relevant, wenn es an einer (wirksamen) Renovierungsverpflichtung fehlt, also z.B. keine Renovierungsverpflichtung im Vertrag geregelt wurde, die Klausel über die Überbürdung von Schönheitsreparaturen unwirksam ist oder die Renovierungsverpflichtung noch nicht fällig ist. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, ob und ggf. wann die Spuren des an 554 Wänden und Decken oder auf dem Holzwerk (noch) vom vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache (§ 538 BGB) umfasst werden. Dies ist grundsätzlich zu bejahen, solange die Parteien keine andere – das Rauchen einschränkende (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 162, Rauchen) – Vereinbarung getroffen haben1. Selbst übermäßiges Rauchen wird als vertragsgemäß angesehen (sog. Raucherexzess)2, solange sich die Spuren durch (einfache) Schönheitsreparaturen beseitigen lassen3. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob seit der letzten Renovierung erst eine kurze Zeit vergangen ist. Denn Rauchen ist – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen – grundsätzlich vertragsgemäß, so dass selbst eine „vorzeitige“ Fälligkeit keinen Schadensersatz begründen kann. Schadensersatzansprüche kommen aber in Betracht, wenn sich der Tabakgeruch 555 „sozusagen wie in einer Gaststätte festsetzt“4, sich Tapeten und Raufaser ablösen5, diese (schon nach kurzer Mietzeit) mehrfach gestrichen oder speziell behandelt werden mussten6, Teppichböden trotz mehrfacher Reinigung den Standort der Möbel wiedergaben7 oder Drückerplatten zur Toilettenspülung derart vergilbt waren, dass aus ursprünglich weißem Material inzwischen ein fast brauner Farbton geworden war8. c) Wirksame Überbürdung Obwohl die Überbürdung der Renovierung auf den Mieter eine Verkehrssitte darstellt, muss eine Vereinbarung geschlossen werden, um die Pflicht zu begründen. Im Hinblick auf § 310 Abs. 3 BGB richtet sich jedenfalls bei der Wohnraummiete die Wirksamkeit auch bei Individualvereinbarungen in der Regel nach § 307 BGB.

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aa) Inhaltlich bestimmte Klausel Die Begründung der Renovierungspflicht des Mieters erfordert zunächst eine inhalt- 557 lich bestimmte Klausel. Dazu muss die Regelung den vom Gesetz (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) abweichenden Inhalt deutlich machen. Dies wird erreicht, indem dem Mieter die Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen auferlegt wird. Auch die Formulierung „Die Kosten der Schönheitsreparaturen trägt der Mieter“ soll ausreichen9. Dies ist aber im Hinblick auf die Vorgaben für Vornahmeklauseln bei Kleinreparaturen (vgl. § 535 BGB Rz. 528) zweifelhaft. Dort muss die Kostentragung geregelt sein, um eine unzulässige Vornahmepflicht zu vermeiden. Allein die Ver1 BGH v. 28.6.2006 – VIII ZR 124/05, MDR 2007, 205 = WuM 2006, 513 = NZM 2006, 691 = ZMR 2006, 843; LG Karlsruhe v. 14.1.2000 – 9 S 119/99, WuM 2002, 50; LG Hamburg v. 26.4.2001 – 333 S 156/00, WuM 2001, 469; LG Köln v. 28.6.2001 – 30 S 9/01, WuM 2001, 467; LG Köln v. 19.8.1998 – 9 S 188/98, WuM 1998, 596; LG Saarbrücken v. 25.7.1997 – 13 B S 87/97, WuM 1998, 690; a.A. LG Baden-Baden v. 15.6.2001 – 2 S 138/00, WuM 2001, 603; LG Paderborn v. 23.3.2000 – 1 S 2/00, MDR 2000, 878 = NZM 2000, 710. 2 A.A. Stangl, ZMR 2002, 734; Stapel, NZM 2000, 595 (jeweils m.w.N.). 3 BGH v. 5.3.2008 – VIII ZR 37/07, MDR 2008, 617 = MietRB 2008, 161 = WuM 2008, 213. 4 AG Tuttlingen v. 19.5.1999 – 1 C 52/99, MDR 1999, 992 = NZM 1999, 1141; ähnlich AG Rosenheim v. 12.4.1994 – 16 C 1946/93, WuM 1995, 583 (584). 5 AG Tuttlingen v. 19.5.1999 – 1 C 52/99, MDR 1999, 992 = NZM 1999, 1141. 6 LG Paderborn v. 23.3.2000 – 1 S 2/00, NZM 2000, 710; AG Bremerhaven v. 12.8.2004 – 56 C 0286/02, WuM 2006, 219; AG Cham v. 11.4.2002 – 1 C 0019/02, ZMR 2002, 761. 7 AG Tuttlingen v. 19.5.1999 – 1 C 52/99, MDR 1999, 992 = NZM 1999, 1141. 8 LG Koblenz v. 27.10.2005 – 14 S 76/05, ZMR 2006, 288; AG Cham v. 11.4.2002 – 1 C 0019/02, ZMR 2002, 761. 9 BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 339/03, WuM 2004, 529.

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kehrssitte ist kein ausreichendes Argument, eine umgekehrte Interpretation zuzulassen. Jedenfalls greifen wenigstens die Regeln des § 305c Abs. 2 BGB. Ausreichend ist aber die Klausel „Der Mieter wird Schönheitsreparaturen nach den Erfordernissen der Praxis vornehmen“, da nach der Verkehrssitte kein Zweifel besteht, dass es um eine den Mieter belastende (wirksame) Renovierungsklausel handelt1. bb) Inhaltlich abweichende Begriffsbestimmung 559 Da § 28 Abs. 4 II. BV die Ausnahme von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB definiert, sind Klauseln unwirksam, die den Begriff der Schönheitsreparaturen erweitern. Maßstab ist die Definition in § 28 Abs. 4 II. BV. Sieht der Mietvertrag eine davon abweichende Begriffsbestimmung vor, führt dies in der Regel zu einer Abweichung, die mit § 307 BGB kollidiert. Insoweit lässt sich auch keine Reduzierung der Klausel auf ein zulässiges Maß z.B. durch Anwendung des blue-pencil-Tests (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 256) herbeiführen. Denn Schönheitsreparaturen werden als Teil der Gegenleistung verstanden. Werden sie durch die Wirksamkeitsprüfung nach § 307 BGB inhaltlich verändert, würde dem Vermieter etwas anderes gegeben, als er als Gegenleistung haben wollte2. 560 Mit Rücksicht darauf sind Klauseln unwirksam, die die Erneuerung von Teppichböden3 oder das Abziehen von Parkettböden der Renovierungspflicht zuordnen. Diese Klauseln halten den Anforderungen des § 307 BGB nicht stand4. Das Gleiche soll bei einer räumlichen Erweiterung z.B. auf den Außenanstrich der Fenster gelten5. Von einer solchen Erweiterung ist schon auszugehen, wenn die Klausel entgegen § 28 Abs. 4 II. BV nicht die Einschränkung „von innen“ enthält6. Derartige Klauseln benachteiligen den Mieter unangemessen, weil der Außenanstrich der Fenster und Türen nicht unter den Begriff der Schönheitsreparaturen fällt, der in § 28 Abs. 4 S. 3 II. BV definiert ist. Soweit es um Türen und Fenster geht, gehöre zu den Schönheitsreparaturen im Sinne dieser Bestimmung, die den Maßstab dafür bildet, welche Arbeiten dem Mieter in einer Formularklausel auferlegt werden dürften, nur das Streichen der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen, nicht aber der Außenanstrich von Türen und Fenstern. Ebenso wenig gehört der Anstrich einer Loggia zu den Schönheitsreparaturen7. 561 Ebenso unwirksam ist eine Klausel, die die Renovierungspflicht des Mieters an bestimmte Ereignisse knüpft. Deshalb hält eine Bestimmung, die den Mieter anlässlich einer Modernisierungsmaßnahme des Vermieters zur Renovierung verpflichtet8, der Inhaltskontrolle nicht stand. Zwar hat der Mieter dadurch möglicherweise Modernisierungskosten gespart9. Indessen stellt eine solche Überbürdung schon deshalb eine unangemessene Benachteiligung dar, da der Mieter unabhängig von der Fälligkeit der Renovierung zur Leistung verpflichtet wird, ohne zu wissen, ob er die Leistung wird abnutzen können. Nichts anderes gilt, wenn an andere unbestimmte Ereignisse angeknüpft wird. cc) Fälligkeit 562 Der Vermieter kann die Ausführung von Schönheitsreparaturen verlangen, sobald die Verpflichtung des Mieters fällig ist, § 271 BGB. Maßgebliches Kriterium für die Fällig1 OLG Düsseldorf v. 8.6.2006 – I-24 U 166/05, DWW 2007, 20. 2 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, MDR 2009, 621 = MietRB 2009, 192 = WuM 2009, 286 = 2009, 573. 3 OLG Hamm v. 22.3.1991 – 30 REMiet 3/90, WuM 1991, 248. 4 BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 48/09, MDR 2010, 312 = MietRB 2010, 101 = WuM 2010, 85 = 2010, 335 = NZM 2010, 157 = ZMR 2010, 432. 5 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, MDR 2009, 621 = MietRB 2009, 192 = WuM 2009, 286 = 2009, 573; LG Berlin v. 11.6.2004 – 65 S 406/03, WuM 2004, 497. 6 KG v. 17.9.2007 – 8 U 77/07, GE 2008, 987. 7 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, MDR 2009, 621 = MietRB 2009, 192 = WuM 2009, 286 = 2009, 573. 8 LG Berlin v. 29.5.2001 – 64 S 599/00, NZM 2002, 121. 9 BGH v. 30.3.2011 – VIII ZR 173/10, MDR 2011, 591 = MietRB 2011, 170 = WuM 2011, 293 = 2011, 681 = ZMR 2011, 622.

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keit ist die Renovierungsbedürftigkeit der (einzelnen) Räume, die grundsätzlich konkret festgestellt werden muss. Renovierungsbedürftigkeit tritt ein, wenn die Dekoration verbraucht bzw. abgenutzt ist, sich die Räume in einem mangelhaften, d.h. nicht mehr zur Weitervermietung geeigneten Zustand befinden1. Allerdings setzt der Eintritt der Fälligkeit voraus, dass sich die Räume in einem zur 563 Durchführung von Schönheitsreparaturen geeigneten Zustand befinden. Solange Schönheitsreparaturen wegen bauseitiger Schäden nicht sinnvoll und fachgerecht ausgeführt werden können, tritt deren Fälligkeit nicht ein2. Dazu sind allerdings mehr als einige Risse erforderlich3. In Betracht kommen Wasserschäden, baubedingte Schimmelbildung, offene Wände wegen Instandsetzung von Leitungen etc. (1) Überbürdung ohne Fristen Oftmals werden Fristenpläne zu der Klausel, mit der die Renovierungspflicht auf den 564 Mieter überbürdet wird, vereinbart, die – jedenfalls von den Verwendern – als Orientierungshilfe für die Bestimmung der Fälligkeit verstanden werden. Auch die Rechtsprechung hat sich zur Bewertung der Fälligkeit an dem Mustermietvertrag des Bundesjustizministeriums (BMJ) von 1976 orientiert, sofern der Mietvertrag keinen Fristenplan regelt4. Danach sollen Schönheitsreparaturen im Allgemeinen in Küchen, Bädern und Duschen alle drei Jahre, in Wohn- und Schlafräumen, Fluren, Dielen und Toiletten alle fünf Jahre und in anderen Nebenräumen alle sieben Jahre erforderlich sein. Wird ein Fristenplan nicht geregelt, muss die Renovierungsbedürftigkeit festgestellt 565 werden. Dazu soll nach einem Teil der Rechtsprechung die Darstellung reiner Abnutzungserscheinungen nicht ausreichen. Vielmehr wird eine Substanzgefährdung der Mietsache verlangt5. Diese besonderen Anforderungen sind aber nicht gerechtfertigt6. Es mag zwar sein, das verschmutzte Tapeten oder Decken, verblassende Farben an Türen und Fenstern nicht die Substanz der Mietsache gefährden. Immerhin ist die Renovierungspflicht aber ein Teil der Gegenleistung des Mieters, die in die Kalkulation des Vermieters einfließt. Damit trägt sie zum Äquivalenzverhältnis Rechnung. Das optische Erscheinungsbild einer Dekoration ist auch ein relevanter Faktor bei der Verkehrswertbildung, so dass dem Vermieter das Recht zusteht, auf Einhaltung vertraglich übernommener Verpflichtungen zu bestehen7. Zur substantiierten Darstellung der Renovierungsbedürftigkeit ist es zumindest er- 566 forderlich, für alle Räume, die renoviert werden sollen, den Zustand der einzelnen Teile (Wände, Decken, Türen, Fenster, Heizkörper etc.) vorzutragen. Die Bezugnahme auf ein Gutachten reicht jedenfalls dann nicht aus, wenn darin nur beschrieben ist, welche Arbeiten auszuführen sind, ohne dass erkennbar ist, warum dies der Fall sein soll8. Das Gleiche gilt für ein Abnahmeprotokoll, sofern danach die Pflicht zur Renovierung nicht unstreitig ist. Da – auch während des laufenden Mietvertrages – vereinbarte Fristen zumindest als Orientierungshilfe für die Fälligkeit dienen können, kann der Hinweis auf einen vereinbarten Fristenplan die schlüssige Darlegung der Renovierungsbedürftigkeit zumindest erleichtern. (2) Zu kurze Fristen Im Mustermietvertrag des BMJ von 1976 sind Fristen für die Ausführung von Reno- 567 vierungsleistungen vorgesehen, und zwar für Küche, Bad und WC eine Frist von drei Jahren, für Wohnräume von fünf Jahren und für Nebenräume von sieben Jahren. Wer1 2 3 4 5

KG v. 28.4.2008 – 8 U 154/07, MietRB 2009, 64 (65) = GE 2009, 448. KG v. 8.12.2003 – 8 U 163/03, GE 2004, 297. AG Hamburg v. 17.1.2002 – 37a C 281/00, ZMR 2002, 433. BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, WuM 1985, 46. LG München I v. 26.2.2004 – 31 S 17622/02, WuM 2004, 602; LG Berlin v. 14.11.1996 – 61 S 309/95, WuM 1997, 210; LG Düsseldorf v. 21.4.1995 – 21 S 403/94, WuM 1996, 90. 6 BGH v. 6.4.2005 – VIII ZR 192/04, MDR 2005, 921 = WuM 2005, 383 = NZM 2005, 450. 7 Im Ergebnis ebenso: LG Berlin v. 20.6.2002 – 67 S 466/01, NZM 2004, 458. 8 OLG Düsseldorf v. 7.4.2005 – I-10 U 191/04, ZMR 2005, 705.

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den davon abweichend im Mietvertrag kürzere Renovierungsfristen geregelt, führt dies grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Renovierungsabrede1, und zwar selbst dann, wenn nur eine von mehreren Fristen zu kurz bemessen ist2. Deshalb wird Gesamtnichtigkeit der Renovierungsvereinbarung bejaht für den Fall, dass für Anstricharbeiten in den Wohnräumen angemessene Fristen vereinbart wurden, hingegen der Innenanstrich der Fenster, Türen, Heizkörper und -rohre nach vier Jahren vorgesehen war3. Andererseits4 wurde für diesen Fall eine Teilnichtigkeit angenommen und die unwirksame Frist durch die des Mustermietvertrages ersetzt. Dies ist jedoch nicht richtig. § 306 BGB schreibt die Geltung des Gesetzes vor. Da der Vermieter durch die kürzere Frist zum Ausdruck bringt, dass er die Gegenleistung des Mieters höher ansetzt als üblich, tritt Gesamtnichtigkeit ein. 568 Der BGH hat zum Ausdruck gebracht, dass die Fristen des Mustermietvertrages des BMJ von 1976 bei der Beurteilung von Renovierungsklauseln nur noch herangezogen werden können, wenn der Vertragsschluss vor dem 1.1.2008 stattgefunden hat5. Möglicherweise gelten daher in Zukunft andere, insbesondere längere Fristen. Ein Rückgriff auf die Zeiträume in der Wertermittlungsrichtlinie zur ImmoWertVO 2010 (WertR 2006) ist aber nicht hilfreich6. Diese Werte repräsentieren nämlich die Lebensdauer der dort bezeichneten Baumaterialien. Um Fristen für eine Abnutzung, die Renovierungsbedarf erzeugt, als Orientierung festlegen zu können, muss auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden. Dazu muss aber hinsichtlich der verschiedenen Nutzungen differenziert werden, was letztlich die Einholung von Sachverständigengutachten im Einzelfall erfordert. 569 Die Funktion von (allein wirksamen) weichen Fristenplänen besteht in der zeitlichen Orientierung bei der Feststellung der Fälligkeit und der Bemessung der Höhe des Abgeltungsanspruchs. Da im Zusammenhang mit Abgeltungsklauseln aber ohnehin nur mehrere Berechnungsbeispiele im Mietvertrag die Transparenz verdeutlichen sollen (vgl. § 535 BGB Rz. 634), kann dadurch weder eine Verbindlichkeit anderer Fristen herbeigeführt noch die richtige Zeitbestimmung ermittelt werden. Denn es geht allein darum, dem Mieter die Auswirkungen seiner Abnutzung auf die Höhe des Anspruchs des Vermieters nahe zu bringen. Dafür ist aber keine Fristenregelung bei der Ausführung von Schönheitsreparaturen erforderlich. 570 Demnach beschränkt sich der Zweck von (weichen) Fristenplänen auf eine Beweiserleichterung. Sind nach dem Mietvertrag vereinbarte Regelfristen bei Ende des Mietvertrages nicht abgelaufen, sieht die Regelung über die Renovierung aber vor, dass bei starker oder geringer Abnutzung seit Mietbeginn kürzere oder längere Fristen nach dem Grad der Erforderlichkeit einzuhalten sind, enthält die Klausel damit eine sog. „weiche“ Ausführungsfrist. Soll die Fristenregelung in den AGB aber nur für den Regelfall gelten und Ausnahmen nach dem Erhaltungszustand zulassen, trifft den Mieter die Beweislast, dass entgegen der im Vertrag genannten Frist noch keine Renovierungsbedürftigkeit besteht7. Nimmt der Vermieter umgekehrt aber für sich eine Verkürzung der Regelfristen in Anspruch, muss er darlegen und beweisen, dass der Erhaltungszustand der Mieträume eine frühere Ausführung der Schönheitsreparaturen erfordert8. 571 Wer diese Vorteile in Anspruch nehmen will, sollte einen Fristenplan regeln. Dabei muss er jedoch Vorsorge treffen, dass die gewählten Fristen unangemessen und da1 LG Berlin v. 18.3.2003 – 64 S 133/02, MM 2004, (169), 37; AG Mettmann v. 9.3.2004 – 21 C 279/03, WuM 2004, 462; AG Lörrach v. 21.2.1996 – 4 C 66/96, WuM 1996, 613. 2 Offenlassend LG Frankfurt v. 7.11.2003 – 217 S 38/03, NZM 2004, 62. 3 LG Berlin v. 7.11.2003 – 63 S 178/03, GE 2004, 425. 4 LG Köln v. 26.1.1995 – 1 S 106/94, KM 31 Nr. 15. 5 BGH v. 26.9.2007 – VIII ZR 143/06, WuM 2007, 684 = NZM 2007, 879. 6 A.A. Langenberg, WuM 2006, 122 (der danach Fristen von 5, 8 und 10 Jahre entwickelt); vgl. dazu auch BGH v. 26.9.2007 – VIII ZR 143/06, WuM 2007, 684 = NZM 2007, 879. 7 BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 84/06, MDR 2009, 77 = MietRB 2008, 354 = GE 2008, 1556 = NJW 2008, 3772 = NZM 2008, 890. 8 OLG Düsseldorf v. 1.10.2009 – 10 U 58/09, ZMR 2010, 356 = GE 2009, 1553.

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mit unwirksam sind. Für diesen Fall muss in der Regel der Vermieter den Eintritt der Fälligkeit anhand des Zustandes darlegen und beweisen. Werden weiche Fristen geregelt, ist die Versuchung groß, den Zustand nicht festzuhalten. Werden sie zwar weich, aber zu kurz bemessen, sind sie unwirksam und führen auch keine Orientierungshilfe herbei. Deshalb sollte nicht nur derzeit von der Regelung von Renovierungsfristen abgesehen werden. (3) Starre Fristenpläne Unter „starren Fristenplänen“ sind Vereinbarungen zu verstehen, die für die Fällig- 572 keit allein auf den Fristablauf abstellen, ohne dass – insbesondere unter Berücksichtigung des Transparenzgebotes – der Zustand der Räume von Bedeutung sein soll1. Diese Klauseln formulieren regelmäßig, dass die Renovierung „spätestens“, „mindestens“ oder „innerhalb“ bestimmter Zeiten auszuführen ist, können aber auch durch die bloße Verwendung der Formulierung „verpflichtet ist“ entstehen. Selbst die Formulierung „Als angemessene Zeitabstände der Schönheitsreparaturen gelten …“ soll unter AGB-Gesichtspunkten die Auslegung als starrer Fristenplan zulassen2. Der BGH3 sieht bei Formulierungen, die die Fristen nicht nur als Orientierungshilfe 573 darstellen, eine „starre“ Fälligkeitsregelung, die zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters führt, und zwar selbst dann, wenn der Fristenplan mit der starren Formulierung in einem gesonderten Absatz geregelt ist4. Denn auch bei objektiv fehlender Renovierungsbedürftigkeit der Räume bestehe nach dem Wortlaut solcher Klauseln nach Ablauf der im Vertrag genannten Fristen die ausnahmslose Verpflichtung zur Ausführung von Schönheitsreparaturen. Der üblicherweise anfallende Renovierungsbedarf in Wohnräumen sei hingegen dem Mustermietvertrag 1976 des BMJ zu entnehmen. Hiervon würden die entsprechenden Formulierungen insbesondere hinsichtlich der Vorgabe abweichen, wonach der Fristenplan nicht lediglich für den Regelfall des „im Allgemeinen“ entstehenden Renovierungsbedarfs gelten solle, sondern die Renovierung grundsätzlich nach Ablauf der jeweiligen Frist vorgeschrieben sei. Die Unzulässigkeit der Fristenbestimmung führt zur Unwirksamkeit der Schönheits- 574 reparaturverpflichtung insgesamt, weil sie sich unmittelbar auf den Inhalt der Renovierungspflicht auswirkt. Denn soll sich die Renovierungspflicht allein an festgelegten Zeiten orientieren, ist auch die Anzahl der während der Dauer eines Mietverhältnisses durchzuführenden Schönheitsreparaturen von dem Fristenplan abhängig, so dass die bestimmten Zeiten auch die wirtschaftliche Belastung festlegen5. Dies gilt selbst dann, wenn in der Klausel die Fristen nur durch Angabe eines nach Jahren zu bemessenden Zeitraums ohne einen aufweichenden Zusatz („in der Regel“, „im Allgemeinen“, „regelmäßig“ etc.) bezeichnet sind6. Die Annahme eines starren Fristenplanes ist also nicht nur gerechtfertigt, wenn i.V.m. den Fristen „mindestens“, „spätestens“ oder „innerhalb“ formuliert wird. Gleiches gilt für eine Formulierung, nach welcher auf die üblichen Fristen Bezug genommen wird und diese mit drei Jahren, vier bis fünf Jahren und sechs Jahren angegeben werden7. Dagegen soll die Übernahme der Formulierung des Mustermietvertrages 1976 („… 575 im Allgemeinen …“) zulässig sein und insbesondere nicht zur Annahme einer unzulässigen Bedarfsklausel führen8. Auch die Formulierung „in der Regel … spätestens 1 Häublein, ZMR 2001, 139 (140) sowie LG Hamburg v. 8.3.2004 – 311 S 104/03, WuM 2004, 194; LG Frankfurt v. 7.11.2003 – 2-17 S 38/03, NZM 2004, 62; LG Gießen v. 4.2.2004 – 1 S 197/03, WuM 2004, 197; LG Duisburg v. 11.11.2003 – 13 S 209/03, NZM 2004, 63. 2 LG Gießen v. 4.7.2012 – 1 S 11/12, NZM 2013, 122. 3 BGH v. 23.6.2004 – VIII ZR 361/03, MDR 2004, 1290 = WuM 2004, 463 = NZM 2004, 653 = MietRB 2004, 313. 4 BGH v. 22.9.2004 – VIII ZR 360/03, MDR 2005, 84 = MietRB 2005, 1 = NZM 2004, 901 = DWW 2004, 328. 5 BGH v. 28.6.2006 – VIII ZR 124/05, MDR 2007, 205 = WuM 2006, 513. 6 BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 178/05, MDR 2006, 1273 = MietRB 2006, 230 = WuM 2006, 248. 7 BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 106/05, MDR 2006, 1216 = MietRB 2006, 257 = WuM 2006, 377. 8 BGH v. 28.4.2004 – VIII ZR 230/03, WuM 2004, 333 = NZM 2004, 497 = MietRB 2004, 253.

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…“ führt nicht zur Annahme einer starren Frist, da für den verständigen Mieter ersichtlich ist, dass innerhalb der Fristen eine Renovierung nur durchzuführen ist, wenn eine normale Abnutzung vorliegt1. Zur Annahme eines flexiblen Fristenplans führt ebenso die Verwendung des Begriffs „regelmäßig“ bei den Fristen2. 576 Obwohl ein starrer Fristenplan vereinbart wurde, tritt die Unwirksamkeit einer Renovierungsklausel nicht ein, wenn dem Mieter ein Anspruch auf Verlängerung der Fristen eingeräumt wird3. Denn insoweit ist für den Mieter ersichtlich, dass der starr scheinende Fristenplan aufgeweicht werden kann. Selbst wenn der Mieter keinen Antrag stellen kann, sondern die Verlängerung vom Vermieter allein nach billigem Ermessen entschieden wird, wird die Starrheit eines Fristenplans wieder aufgehoben4. (4) Bedarfsklausel 577 Eine sog. Bedarfsklausel liegt vor, wenn der Mieter die Renovierung „bei Bedarf“ ausführen soll, sich die Fälligkeit also am Zustand der Räume im Zeitpunkt der Feststellung orientieren soll. Derartige Klauseln sollen unwirksam sein, wenn die Wohnung bei Vertragsbeginn unrenoviert oder jedenfalls nicht vollständig renoviert war, so dass der Mieter bei Eintritt des „Bedarfs“ auch Abnutzungen des Vormieters beseitigen muss5. Demgegenüber sieht der BGH6 in derartigen Klauseln selbst dann eine wirksame Übertragung der Verpflichtung zur Ausführung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter, wenn nach dem Wortlaut auf den „Grad der Abnutzung“ abgestellt wird7. Insbesondere sei die Klausel nicht dahin auszulegen, dass der Mieter aufgrund einer vorvertraglichen Abnutzung bereits zu Beginn des Mietverhältnisses zu einer Renovierung verpflichtet wäre. Die Erforderlichkeit der auszuführenden Dekorationsarbeiten sei vielmehr verbunden mit dem (Regel-)Fristenplan, dessen Fristen aus der Sicht eines verständigen Mieters mangels gegenteiliger Anhaltspunkte erst mit dem Beginn des Mietverhältnisses zu laufen beginnen. dd) Art der Ausführung 578 Auch ohne besonderen Zusatz müssen Schönheitsreparaturen stets „fachgerecht in mittlerer Art und Güte“ ausgeführt werden8. Was darunter zu verstehen ist, wird nicht einheitlich bewertet. Fest steht jedenfalls, dass die Qualität der durchgeführten Arbeiten nicht den Regeln eines Fachhandwerkerbetriebes entsprechen muss9. Bei der Beurteilung der Qualität können also nicht ohne weiteres die VOB bzw. die dazu ergangenen DIN-Normen angewendet werden. 579 Schönheitsreparaturen entsprechen regelmäßig dann mittlerer Art und Güte, wenn sie, ohne die Mietsache zu beschädigen, sorgfältig und geschickt ausgeführt sind und zu einem Zustand geführt haben, der bis zum Ablauf des nächsten Renovierungsintervalls eine Erneuerung nicht erforderlich macht10. Eine Aufklärungspflicht des Vermieters, welche Maßnahmen der Mieter treffen muss und welche Qualitätsanforderungen bestehen, besteht nicht. Der Mieter ist grundsätzlich allein für die Erfüllung seiner Pflicht verantwortlich. 1 BGH v. 13.7.2005 – VIII ZR 351/04, MDR 2006, 257 = WuM 2005, 716 = ZMR 2005, 934; a.A. OLG Düsseldorf v. 7.10.2004 – I-10 U 70/04, WuM 2004, 603 (605) = NZM 2004, 866. 2 BGH v. 20.3.2012 – VIII ZR 192/11, GE 2012, 821 ZMR 2012, 617. 3 BGH v. 20.10.2004 – VIII ZR 378/03, MDR 2005, 266 = WuM 2005, 50 = ZMR 2005, 109 = MietRB 2005, 62. 4 BGH v. 16.2.2005 – VIII ZR 48/04, MietRB 2005, 225 = WuM 2005, 241 = ZMR 2005, 768 = NZM 2005, 299. 5 OLG Stuttgart v. 17.2.1989 – 8 REMiet 2/88, MDR 1989, 546 = WuM 1989, 121; LG Köln v. 12.1.1994 – 10 S 372/93, KM 31 Nr. 23. 6 BGH v. 9.3.2005 – VIII ZR 17/04, MDR 2005, 679 = WuM 2005, 243 = MietRB 2005, 170. 7 A.A. OLG Celle v. 30.1.1996 – 2 UH 1/96, WuM 1996, 202; LG Gießen v. 4.7.2012 – 1 S 11/12, WuM 2012, 604. 8 BGH v. 6.7.1988 – VIII ARZ 1/88, WuM 1988, 294. 9 LG Frankfurt v. 15.11.1988 – 2/11 S 224/88, WuM 1989, 562; LG Osnabrück v. 30.12.1985 – 2 S 74/84, WuM 1988, 107; AG Friedberg v. 30.1.1985 – C 635/83, WuM 1988, 108. 10 Lützenkirchen, WuM 1989, 110 (111).

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§ 535 BGB

Nur ausnahmsweise kann sich eine Hinweispflicht des Vermieters zu einer konkreten 580 Ausführungsart ergeben, um die fachgerechte Erfüllung durch den Mieter zu ermöglichen. Das ist z.B. der Fall, wenn sich in den Mieträumen Glasfasertapete befindet, die nicht ohne weiteres von Raufasertapete zu unterscheiden ist und nur mit Latex-, nicht aber mit Dispersionsfarbe gestrichen werden darf1. Haben die Parteien zur Ausführung der Renovierung keine Vereinbarungen getroffen, kann der Mieter eine unrenoviert überlassene Wohnung mittels einer Lasertechnik bearbeiten2. Vor allem in den Vertragsmustern der ehemals gemeinnützigen Wohnungsunterneh- 581 men findet sich häufig eine Klausel, wonach der Mieter nur mit Zustimmung des Vermieters von der bisherigen Ausführungsart abweichen darf. Eine solche Klausel ist zumindest unklar (§ 305c Abs. 2 BGB)3. Die Unklarheit resultiert daraus, dass nicht eindeutig zu ermitteln ist, was unter „Ausführungsart“ zu verstehen ist. Dieser Begriff kann sich entweder auf die Grundausstattung beziehen, auf die Ausgestaltung im Einzelnen oder auf beides. Es ist mithin nicht zu erkennen, ob jegliche Veränderung zustimmungspflichtig sein soll oder wo sonst die Grenze zwischen zustimmungspflichtigen und zustimmungsfreien Veränderungen liegt4. Ein Zustimmungsvorbehalt für jegliche Abweichung von der bisherigen „Ausführungsart“ – etwa die Wahl eines abweichenden Farbtons des Wand- oder Deckenanstrichs oder einer anderen Tapetenart – würde den Mieter unangemessen in der Möglichkeit beschränken, sich in der Mietwohnung nach seinem Geschmack einzurichten, ohne dass für eine so weitgehende Beschränkung ein anerkennenswertes Interesse des Vermieters zu erkennen ist. Insoweit spielt es keine Rolle, wenn die Klausel und die Renovierungspflicht in zwei unterschiedlichen Abschnitten geregelt sind5 oder die Zustimmung nur bei erheblichen Abweichungen notwendig sein soll6. Zur fachgerechten Ausführung gehört in jedem Fall die Verwendung von wisch- und 582 waschfester Farbe7. Dabei ist auch immer zu beachten, dass Raufasertapete dreioder mehrfach überstrichen werden kann, bevor sie erneuert werden muss8. Abgesehen davon kommt eine nicht fachgerechte Ausführung in Betracht durch – Pinselhaare und Schmutzpartikel im Lackstrich9, – vor Anstrich der Fenster nicht beseitigte Löcher, Risse und Unebenheiten10, – Verwendung von Mischbinderfarbe, die abkreidet11, – gesundheitsgefährdende Anstriche12, – Überstreichen von Normaltapeten13, – nicht deckenden Anstrich, – Nichtabdecken von Holzteilen, die an anzustreichende Tapeten grenzen, – Überstreichen von Fliesen oder Tür- und Fensterbeschlägen, – Überstreichen einer Stuckdecke, obwohl dies mietvertraglich verboten wurde14,

1 AG Freiburg v. 26.6.2001 – 11 C 4898/00, ZMR 2001, 897. 2 LG Mannheim v. 27.11.2002 – 4 S 216/01, NZM 2003, 511. 3 BGH v. 28.3.2007 – VIII ZR 199/06, MDR 2007, 944 = MietRB 2007, 167 = WuM 2007, 259 = ZMR 2007, 528 = NZM 2007, 398. 4 Vgl. Langenberg, Schönheitsreparaturen, I. B Rz. 76. 5 LG Berlin v. 29.5.2007 – 63 S 442/06, GE 2007, 845. 6 BGH v. 11.9.2012 – VIII ZR 237/11, ZMR 2013, 108. 7 AG Freiburg v. 9.5.1985 – 3 C 293/84, WuM 1986, 242; a.A. LG Mannheim v. 19.8.1976 – 4 S 41/76, ZMR 1977, 153. 8 AG Münster v. 19.3.1998 – 49 C 774/97, WuM 1998, 569. 9 LG Düsseldorf v. 27.6.1989 – 24 S 569/88, DWW 1989, 392; AG Köln v. 25.11.1988 – 205 C 331/88, WuM 1989, 136. 10 AG Köln v. 25.11.1988 – 205 C 331/88, WuM 1989, 136. 11 AG Köln v. 30.4.1985 – 205 C 358/84, WuM 1987, 150. 12 Gather, DWW 1993, 353. 13 Hummel, ZMR 1990, 368. 14 LG Berlin v. 6.8.2002 – 65 S 460/01, WuM 2004, 233.

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Kleben von Tapeten verkehrt herum1, überlappend geklebte Tapeten, Raufasertapete im Bad2, Bekleben von Holz (Fenster, Türen etc.) und Küchenwänden mit Kunststofffolie3.

584 Entsprechen die Arbeiten des Mieters nicht den Qualitätsanforderungen, besteht ein Schadensersatzanspruch des Vermieters aus § 280 BGB. Dazu muss der Vermieter konkrete Mängel einer Renovierung darlegen und den beanstandeten Zustand beschreiben, damit der Mieter erkennen kann, inwieweit der Vermieter den Vertrag als nicht erfüllt ansieht4. Befinden sich Teile der Mietsache (hier: Fenster und Türen) aber bereits zu Beginn der Mietzeit in einem desolaten Zustand, hat der Vermieter keinen Schadensersatzanspruch wegen unsachgemäß ausgeführter Schönheitsreparaturen5. ee) Fachhandwerkerklauseln 585 Der Mieter schuldet zwar auch ohne besondere Erwähnung eine fachgerechte Durchführung. Dennoch kann der Vermieter formularmäßig keine Ausführung durch Fachhandwerker oder entsprechend der Regeln der VOB fordern6. Derartige sog. Fachhandwerkerklauseln sind unwirksam. Denn der Mieter muss in der Lage sein, auch ohne fremde Hilfe die Vertragserfüllung herbeizuführen. Maßgeblich ist allein das Ergebnis, das fachgerecht mittlerer Art und Güte sein muss. 586 Deshalb ist auch eine „verkappte“ Fachhandwerkerklausel unwirksam. Darunter fallen Klauseln mit der Formulierung „ausführen zu lassen“ o.Ä.7. Derartige Klauseln sind zumindest unklar, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Denn hinsichtlich einer Ausführung der geschuldeten Schönheitsreparaturen können sie dahin verstanden werden, dass dem Mieter die Möglichkeit einer Selbstvornahme verschlossen sein soll8. Zwar ist eine andere Auslegung möglich. Sie ist jedoch nicht zwingend und schließt insbesondere nicht die Möglichkeit der gegenteiligen Auslegung aus, nach der dem Mieter entsprechend dem vom Verwender gewählten Wortlaut der Klausel eine Selbstvornahme der Schönheitsreparaturen verschlossen sein sollte. ff) Farbwahl (1) Wirksamkeit von Vorgaben für die Mietzeit 587 Während der Mietzeit kann der Mieter nach Belieben dekorieren9. Da der Vermieter am Ende der Mietzeit ein anerkennenswertes Interesse daran hat, die Wohnung in einem Zustand zurückzuerhalten, der ihm die Weitervermietung nicht erschwert, nimmt der Mieter mit einer „originellen“ Farb- oder Ausführungswahl in Kauf, dass er am Ende des Mietverhältnisses einen Neuanstrich in neutralen Farben anbringen muss, obwohl die Dekoration noch nicht abgenutzt ist. 588 Enthält der Formular-Vertrag Farb- oder Ausführungsvorgaben, die auch während des laufenden Mietverhältnisses für den Mieter bei der Ausführung von Schönheitsreparaturen relevant werden können, sind die betreffenden Klauseln unwirksam10. 1 2 3 4 5 6 7 8

AG Köln v. 11.12.1975 – 151 C 716/74, WuM 1988, 110. LG Hamburg v. 22.5.1989 – 7 T 57/89, WuM 1991, 29 (zweifelhaft). LG Köln v. 19.2.1988 – 12 S 169/87, WuM 1989, 136. KG v. 24.4.2003 – 12 U 275/01, MietRB 2003, 37 = ZMR 2003, 676. LG Berlin v. 29.1.2002 – 64 S 312/01, NZM 2002, 909. OLG Stuttgart v. 19.8.1993 – 8 REMiet 2/92, WuM 1993, 528. LG München v. 30.9.2009 – 15 S 6274/09, NZM 2010, 40. BGH v. 9.6.2010 – VIII ZR 294/09, MDR 2010, 916 = MietRB 2010, 259 = NZM 2010, 615 = ZMR 2011, 190 m. Anm. Riecke. 9 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 166/08, WuM 2009, 224 = GE 2009, 574 = NZM 2009, 313; LG Lübeck v. 21.11.2000 – 14 S 221/00, NZM 2002, 485. 10 BGH v. 22.2.2012 – VIII ZR 205/11, NZM 2012, 338; BGH v. 14.12.2010 – VIII ZR 198/10, MietRB 2011, 103 = WuM 2011, 96 = ZMR 2011, 369; BGH v. 14.12.2010 – VIII ZR 218/10, WuM 2011, 212 = GE 2011, 477; BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 166/08, WuM 2009, 224 = GE 2009, 574 = NZM 2009, 313.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

Denn eine solche Klausel verpflichte den Mieter dazu, die Wohnung auch während der Dauer des Mietverhältnisses in einem der Farbwahlklausel entsprechenden Zustand „vorzuhalten“. Eine unzulässige Farbwahlvorgabe erfolgt auch durch die Bestimmung, die vom Mie- 589 ter u.a. das „Weißen der Decken und Oberwände“1 verlangt. Denn diese Formularklausel benachteiligt den Mieter regelmäßig deshalb unangemessen, weil sie ihn auch während des Mietverhältnisses zu einer Dekoration in einer ihm vorgegebenen Farbwahl verpflichte und dadurch in der Gestaltung seines persönlichen Lebensbereichs einschränkt, ohne dass dafür ein anerkennenswertes Interesse des Vermieters besteht. Jedenfalls soll es nicht fernliegen, unter dem Begriff „Weißen“ nicht lediglich ein Synonym für „Streichen“, sondern auch einen Anstrich in weißer Farbe zu verstehen. Lässt die Klausel somit auch diese Auslegung zu, so sei sie gemäß § 305c Abs. 2 BGB in dieser dem Mieter günstigsten, weil zur Unwirksamkeit der Klausel führenden Auslegung zugrunde zu legen. Versteht man das Weißen wie das umgangssprachliche Tünchen, kann man kaum noch einen Unterschied zu dem in § 28 Abs. 4 II. BV erwähnten Kalken erkennen. Wird aber ausdrücklich die Verwendung von weißer Farbe verlangt, liegt eine unzulässige Farbwahlklausel vor, wenn das Farbdiktat nicht ausdrücklich auf die Rückgabe beschränkt ist2. (2) Wirksamkeit von Vorgaben für die Rückgabe Der Vermieter ist insbesondere vor dem Hintergrund einer beabsichtigten Weiterver- 590 mietung daran interessiert, die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses mit einer Dekoration zurückzuerhalten, die von möglichst vielen Mietinteressenten akzeptiert wird. Deshalb wird überwiegend angenommen, dass der Mieter nach Treu und Glauben verpflichtet ist, die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses nicht mit einer ungewöhnlichen Dekoration zurückzugeben3. Umso mehr kann der Vermieter verlangen, dass der Mieter die Räume in hellen, neutralen und deckenden Farben gestrichen zurückgibt4. Eine auf den Zeitpunkt der Rückgabe der Wohnung bezogene Klausel mit diesen Vor- 591 gaben (helle, neutrale und deckende Farben) ist wirksam, wenn sie keine Festlegung auf eine spezielle Dekorationsweise enthält5. Denn sie stellt auf eine Bandbreite ab, die zu den unterschiedlichsten Einrichtungsstilen passt und deshalb für weite Mieterkreise annehmbar sei. Davon zu unterscheiden ist aber eine Klausel, die den Mieter am Ende der Mietzeit verpflichten soll, die Räume in weiß gestrichen zurückzugeben6. Die Farbvorgabe bezieht sich zwar nur auf den Zeitpunkt der Rückgabe der Mietsache und erlaubt es dem Mieter somit, die Wohnung während der Mietzeit nach seinem persönlichen Geschmack zu dekorieren. Die Einengung der Farbwahl auf nur eine einzige Farbe („weiß“) im Zeitpunkt der Rückgabe schränkt die Gestaltungsfreiheit des Mieters aber in einer Weise ein, die nicht durch berechtigte Interessen des Vermieters gerechtfertigt ist und den Mieter deshalb unangemessen benachteiligt. Denn das Interesse des Vermieters an der ungestörten Weitervermietung erfordert es nicht, den Mieter für den Zeitpunkt des Auszugs zwingend auf einen weißen Anstrich festzulegen. Auch eine Dekoration in anderen dezenten Farbtönen erschwert eine Weitervermietung nicht. 1 BGH v. 21.9.2011 – VIII ZR 47/11, GE 2011, 1481; BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 344/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2010, 4 = GE 2009, 1488 = NZM 2009, 903. 2 BGH v. 22.2.2012 – VIII ZR 205/11, NZM 2012, 338. 3 Emmerich, NZM 2000, 1165 (1161); Kraemer, NZM 2003, 417 (421); Blank/Börstinghaus, § 535 BGB Rz. 270; zum Gesichtspunkt der Vertragsverletzung vgl. Langenberg, Schönheitsreparaturen, I. E Rz. 372 f. 4 BGH v. 18.6.2008 – VIII ZR 224/07, MDR 2008, 1028 = MietRB 2008, 257 = NJW 2008, 2499 = WuM 2008, 472 = GE 2008, 1045. 5 BGH v. 18.6.2008 – VIII ZR 224/07, MDR 2008, 1028 = MietRB 2008, 257 = NJW 2008, 2499 = WuM 2008, 472 = GE 2008, 1045. 6 BGH v. 22.2.2012 – VIII ZR 205/11, NZM 2012, 338; BGH v. 14.12.2010 – VIII ZR 198/10, MietRB 2011, 103 = WuM 2011, 96 = ZMR 2011, 369; BGH v. 14.12.2010 – VIII ZR 218/10, WuM 2011, 212 = GE 2011, 477.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

592 Die Verpflichtung des Mieters, lackierte bzw. farbig gestrichene Holzteile in keinem anderen als den nach einer Klausel zulässigen Farbtönen zurückzugeben (Hamburger Holzklausel), ist für sich genommen ebenfalls unbedenklich1. Dies gilt selbst dann, wenn der Wortlaut z.B. in Bezug auf „lackierte“ Holzteile hinsichtlich der farblichen Gestaltung keinen Gestaltungsspielraum einräumt, weil die Klausel den Mieter insoweit auf den allein zulässigen ursprünglichen Farbton festlegt. Denn bei umfassender Würdigung der Interessen der Parteien ist auch diese Beschränkung der Gestaltungsmöglichkeit des Mieters nicht zu beanstanden, weil auf Seiten des Vermieters der Umstand ins Gewicht fällt, dass bei einer transparenten Lackierung oder Lasur eine Veränderung des Farbtons entweder überhaupt nicht mehr oder nur mit einem Eingriff in die Substanz der lackierten/lasierten Holzteile (Abschleifen) rückgängig gemacht werden kann. Eine Veränderung der Mieträume, die eine Substanzverletzung zur Folge habe, ist dem Mieter aber nicht gestattet. (3) Ausführungsbeispiele 593 Für die Farbwahl des Rückgabezustandes ist der Geschmack des (konkreten) Nachmieters nicht ausschlaggebend2. Vielmehr kommt es allein darauf an, ob die Farboder Ausführungswahl des Mieters die Weitervermietbarkeit erschweren kann3. Das ist nicht der Fall, wenn sie in hellen, neutralen und deckenden Farben gehalten ist, was mit „vertretbar“4 nur unzureichend umschrieben ist. Denn der Maßstab ist soweit wie möglich zu objektivieren. Dazu muss der Mieter unaufdringliche Farben und/ oder vom Muster her zurückhaltend gestaltete Tapeten wählen5. 594 Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Mieter im Zeitpunkt des Streichens in einer ungewöhnlichen Farbkomponente noch von seiner Gestaltungsfreiheit Gebrauch machen durfte oder schon Rücksicht auf die (Weiter-)Vermietbarkeit nehmen musste6. Andererseits soll der Mieter auch bei unwirksamer Renovierungsklausel verpflichtet sein, eine Renovierung auszuführen, wenn er eigenwillig (z.B. Zebratapete) dekoriert hat7. 595 Sofern der Vermieter daraus allerdings einen Schadensersatzanspruch herleiten will, soll er nach der Differenzhypothese nur den Mehraufwand verlangen können8. Dazu gehört z.B. die Zulage des Handwerkers, wenn zur Vermeidung eines Durchscheinens starker Farbtöne – anstatt wie es fachgerecht wäre: zwei Mal – ein drittes Mal gestrichen werden muss oder die Tapete entfernt werden muss, weil sie sich nicht überstreichen lässt. 596 Dies ist jedenfalls dann zweifelhaft, wenn unterstellt werden kann, dass im Zeitpunkt der Rückgabe die Renovierung in akzeptablen Farben noch nicht fällig gewesen wäre oder vom Nachmieter akzeptiert worden wäre. Dann stellt sich nämlich die Renovierung zur Beseitigung der eigenwilligen Farbkompositionen des Mieters in vollem Umfang als Schaden des Vermieters dar. 597 Im Einzelfall bleibt die Entscheidung jedoch schwierig. Als Orientierung soll die nachstehende Übersicht dienen. Danach können folgende Zustände Schwierigkeiten bei der Weitervermietung hervorrufen und müssen daher vom Vermieter nicht akzeptiert werden:

1 BGH v. 22.10.2008 – VIII ZR 283/07, MDR 2009, 75 = MietRB 2009, 1 = WuM 2008, 722 = NZM 2008, 926 = GE 2008, 1621. 2 AG Oberhausen v. 6.11.1973 – 12 C 421/72, WuM 1975, 14. 3 BGH v. 18.6.2008 – VIII ZR 224/07, MDR 2008, 1028 = MietRB 2008, 257 = NJW 2008, 2499 = WuM 2008, 472 = GE 2008, 1045. 4 AG Weißenburg v. 30.5.2001 – 2 C 0114/00, WuM 2003, 355. 5 LG Berlin v. 5.1.2007 – 65 S 224/06, NZM 2007, 801. 6 A.A. LG Nürnberg-Fürth v. 12.9.2003 – 7 S 3578/03, WuM 2007, 406. 7 AG Reinbek v. 22.8.2007 – 5 C 212/05, ZMR 2008, 217. 8 BGH v. 31.8.2010 – VIII ZR 42/09, GE 2011, 263; LG Berlin v. 10.6.2002 – 62 S 576/01, MM 2002, 384.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

hellblau marmorierte Tapete1, (intensiv gestaltete) altrosafarbene Mustertapete2, Verwendung von „Schockfarben“3, Anstrich in kräftigen Farbtönen (rot, blau, [moos-]grün)4, Anstrich der Wände in lila, blau und schwarz5, Anstrich der Wände in grüner, roter und blauer Farbe6, Bordüre sowie lindgrüner Anstrich7, grellgrüne Küche8, Anstrich mit „rotem Vollton“9, teils weiß, teils Terracotta-Wischtechnik und maisgelb10, blau lackierte Türrahmen11, dunkelbrauner Anstrich der Türen12, Braunbeizen von weißen Türen13, Umlackieren von Fenster- und Türrahmen14, farbliche Umgestaltung, die das äußerliche Erscheinungsbild wesentlich verändert (farbig lackierte Naturholzrahmen)15, farbig gestrichene Heizkörper16, mit Wolken bemalte Decke17, Aufkleben einer Fototapete, Zebratapete18, Anbringen von Schaumstoffplatten an der Küchendecke19.

d) Spezielle Klauseln aa) Anfangsrenovierung Die Anfangsrenovierung kann individuell auf den Mieter übertragen werden. Eine 598 Formularklausel ist aber nach § 307 BGB unwirksam. Denn die Schönheitsreparaturen sind ein Teil der Gegenleistung20. Bei Ausführung der Anfangsrenovierung hat der Mieter aber noch nichts erhalten, was er vergüten könnte. Er tritt also in Vorleistung, ohne jemals die Chance zu haben, eine Leistung des Vermieters abwohnen (= vergüten) zu können. Eine andere Sicht ist nur gerechtfertigt, wenn der Vermieter für die Leistung des Mieters eine Vergütung entrichtet. Diese kann z.B. in einer mietfreien Zeit oder anderen, insbesondere wirtschaftlichen Vorteilen bestehen. Grundsätzlich kann der Mieter nicht verlangen, dass ihm eine frisch renovierte Woh- 599 nung überlassen wird. Vielmehr muss er geringfügige Abnutzungserscheinungen hin1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

LG Lübeck v. 21.11.2000 – 14 S 221/00, NZM 2002, 485. LG Berlin v. 5.1.2007 – 65 S 224/06, NZM 2007, 801. Hummel, ZMR 1990, 368. KG v. 9.6.2005 – 8 U 211/04, MDR 2006, 440 = MietRB 2005, 311 = NZM 2005, 663. Schach, jurisPR-MietR 18/2008 Anm. 2. AG Burgwedel v. 30.9.2005 – 73 C 123/05, WuM 2005, 771. LG Berlin v. 21.8.2001 – 64 S 135/01, NZM 2002, 120. LG Hamburg v. 15.10.1998 – 327 S 79/98, NZM 1999, 838. LG Frankfurt v. 31.7.2007 – 2/11 S 125/06, NZM 2007, 922. AG Schöneberg v. 6.9.2007 – 106 C 332/06, GE 2007, 1493. LG Berlin v. 29.11.1994 – 64 S 249/94, GE 1995, 115. KG v. 22.11.1984 – 8 U 87/84, GE 1985, 251. AG Münster v. 6.5.1987 – 7 C 98/87, WuM 1988, 110. LG Aachen v. 2.12.1987 – 7 S 234/87, WuM 1988, 300. LG Aachen v. 17.10.1996 – 6 S 90/96, WuM 1998, 596. LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 213/94, GE 1995, 249. AG Schöneberg v. 6.9.2007 – 106 C 332/06, GE 2007, 1493. AG Reinbek v. 22.8.2007 – 5 C 212/05, ZMR 2008, 217. LG Köln v. 19.2.1988 – 12 S 169/87, WuM 1989, 136. BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, WuM 1987, 306.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

nehmen; die Räume müssen einen Zustand aufweisen, die den Mieter nicht zwingen, alsbald nach der Übernahme eine Renovierung durchzuführen1. 600 Ist eine Anfangsrenovierung erforderlich, ohne dass eine vertragliche Regelung über die Zuständigkeit getroffen wird, besteht ein Anspruch des Mieters aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Diesen verwirkt er regelmäßig nach etwa sechs Monaten2. Eine Verjährung tritt nicht ein, weil es sich um einen Teil des Anspruchs aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB handelt, der als Dauerverpflichtung nicht verjährt (vgl. § 535 BGB Rz. 727a). bb) Endrenovierungsklausel 601 Enthält der Mietvertrag keine ausdrückliche Endrenovierungsklausel, aber eine wirksame Verpflichtung zur Durchführung der Schönheitsreparaturen während des Mietvertrages, ist spätestens bei Vertragsende zu renovieren, wenn Fälligkeit der Renovierung eingetreten ist3. Dazu können Fristen eine Orientierung geben4. 602 Ungültig sind Formularklauseln, die den Mieter verpflichten, bei Vertragsende unabhängig vom Zeitpunkt der zuletzt vom Vermieter oder Mieter ausgeführten Renovierung die Schönheitsreparaturen durchzuführen5. Nach dem Leitbild der §§ 546, 538 hat der Mieter Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch eingetreten sind, bei Rückgabe der Wohnung nicht zu vertreten. Umso mehr kann nicht allein deshalb eine Renovierungspflicht unabhängig vom Renovierungsbedarf konstatiert werden. Immerhin würde davon auch der Fall erfasst, dass der Mieter, der gerade erst renoviert hat und dessen Mietvertrag wegen nachfolgend eingetroffener Kündigung drei Monate später endet, zur Übergabe im renovierten Zustand erneut eine Renovierung ausführen müsste. 603 Daran ändert auch die Konstellation nichts, in der keine Klausel über eine laufende Renovierung geregelt ist, dafür aber eine unbedingte Endrenovierungsverpflichtung (sog. isolierte Endrenovierung). Selbst wenn dem Mieter eine renovierte Wohnung übergeben wurde, ist diese Endrenovierungsklausel unwirksam6. Denn der Wortlaut verpflichtet den Mieter ebenso zur Renovierung, obwohl kein Renovierungsbedarf (= Fälligkeit von Schönheitsreparaturen) eingetreten ist. 604 Keine Renovierungspflicht zieht eine Klausel nach sich, die den Mieter (lediglich) verpflichtet, die Wohnung sauber oder besenrein zu halten oder zu übergeben7. Bei einer solchen Klausel ist der Mieter nur verpflichtet, grobe Verschmutzungen zu beseitigen („mit dem Besen grob gereinigt“8). Auch die Regelung, wonach der Mieter die Wohnung in „bezugsfertigem Zustand“ zurückgeben soll, begründet keine Endrenovierungsverpflichtung9. Dem wird entgegengehalten, dass jedenfalls bei gleichzeitiger Übernahme der laufenden Renovierung ein Verstoß gegen das Übermaßverbot gegeben sei10. Dabei wird übersehen, dass die Klausel den Mieter am Ende der Mietzeit nur zur Renovierung zwingt, wenn Renovierungsbedürftigkeit (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 562) besteht. Ansonsten ist die Mietsache nämlich bezugsfertig. Immerhin hat der (nachfolgende) Mieter keinen Anspruch auf eine frisch renovierte Wohnung11.

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LG Hamburg v. 15.7.1986 – 16 S 90/86, WuM 1986, 275. BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, WuM 1987, 306. OLG Bremen v. 30.8.1982 – 1 UH 1/82 (a), WuM 1982, 317. OLG Hamm v. 27.2.1981 – 4 REMiet 4/80, WuM 1981, 77; OLG Frankfurt v. 22.9.1981 – 20 REMiet 1/81, WuM 1981, 272. BGH v. 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, WuM 1998, 592. BGH v. 12.9.2007 – VIII ZR 316/06, WuM 2007, 682. BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, WuM 1985, 47; OLG Düsseldorf v. 3.3.1994 – 10 U 133/93, WuM 1994, 323. BGH v. 28.6.2006 – VIII ZR 124/05, MDR 2007, 205 = WuM 2006, 513. BGH v. 10.7.1991 – XII ZR 105/90, MDR 1992, 159 = WuM 1991, 550 = NJW 1991, 2416; BGH v. 13.1.1982 – VIII ZR 186/80, WuM 1982, 296; OLG Düsseldorf v. 11.6.2002 – 24 U 183/01, WuM 2002, 545 = ZMR 2003, 25 = DWW 2002, 328; zweifelnd Langenberg, Schönheitsreparaturen, C Rz. 155. Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 127. LG Hamburg v. 15.7.1986 – 16 S 90/86, WuM 1986, 275.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

cc) Tapezierfähigkeit Viele Vermieter überlassen die Wohnung zu Beginn des Mietvertrages im tapezier- 605 fähigen Zustand, also ohne Tapete an den Wänden, und verlangen bei Auszug des Mieters die Wiederherstellung dieses Zustandes. Dies hat für den Mieter den Vorteil, dass er sich die Wohnung so dekorieren kann, wie es seinen Geschmacksvorstellungen entspricht, und führt in der Praxis am Ende des Mietvertrages zu keinen Schwierigkeiten über unterschiedliche Geschmacksvorstellungen. Diese Praxis ist jedoch rechtlich höchst zweifelhaft1, obwohl dazu Klauseln – allerdings mit „AGB-rechtlich gebotenem Warnhinweis“ – vorgeschlagen werden2. Die Herbeiführung der Tapezierfähigkeit ist ein Teil der im Rahmen der Verpflich- 606 tung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen geschuldeten Leistungen. Denn der Mieter muss wenigstens die bei einer Renovierung notwendigen Vorarbeiten (z.B. Abkratzen der Tapete, Glätten der Wände) erbringen. Damit kann die Leistung nicht anders beurteilt werden als die Frage der Durchführung von Schönheitsreparaturen. Dies ruft für den Vermieter bei Beginn des Mietvertrages das Risiko hervor, dass der 607 Mieter ihn auf Durchführung einer Anfangsrenovierung in Anspruch nimmt, weil die Überbürdung der Anfangsrenovierung in jedem Falle unwirksam ist. Enthält der Mietvertrag die Verpflichtung, die Wohnung in jedem Falle bei Beendigung des Mietvertrages in tapezierfähigem Zustand zurückzugeben, ist diese Klausel nach den Grundsätzen für Endrenovierungsklauseln unwirksam, wenn sie nicht darauf abstellt, wann die letzte Renovierung durchgeführt wurde3. e) Summierungseffekt in der Wohnraummiete Da die Renovierungsleistung des Mieters nach ständiger Rechtsprechung des BGH4 608 einen Teil der Gegenleistung des Mieters darstellt, kann die Wirksamkeitsprüfung nicht allein auf die Regelungen beschränkt sein, die für die jeweils relevante Renovierungsphase (Anfangsrenovierung, laufende Renovierung, Endrenovierung) gelten sollen. Vielmehr muss die Gegenleistung als Ganzes bewertet werden, um die Angemessenheit i.S.v. § 307 BGB vollständig erfassen zu können. In diese Prüfung müssen alle die (einheitliche) Renovierungsleistung des Mieters ergänzenden Bestimmungen einbezogen werden. Nur so wird ersichtlich, wie der Vermieter als Verwender der AGB die Gegenleistung des Mieters bewertet hat. Dabei muss zunächst nicht zwischen Individual- und Formularklausel unterschieden 609 werden. Führt die Summe aller ergänzenden Renovierungsbestimmungen zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters i.S.v. § 307 BGB, sind die formularmäßigen „Anteile der Gesamtgegenleistung“, also die Formularklauseln, unwirksam. Demnach kann eine Renovierungsklausel für sich genommen wirksam sein; der Verbund mit einer oder mehreren ergänzenden Regelungen zur Renovierung kann jedoch die Unwirksamkeit aller (Formular-)Klauseln herbeiführen5. Insoweit ist es unerheblich, ob die Verpflichtungen des Mieters, Renovierungsleistungen in den einzelnen Phasen zu erbringen, in einer Bestimmung des Vertrages oder an unterschiedlichen Stellen geregelt ist6. Solange die weiteren Regelungen keine eigenständige Bedeutung haben, handelt es sich um eine Gesamtregelung zu einer einheitlichen Leistung, nämlich den Schönheitsreparaturen. Dies gilt selbst dann, wenn eine der mehreren Klauseln individualvertraglich zustande gekommen ist7. 1 LG Düsseldorf v. 7.3.2002 – 21 S 163/01, NZM 2002, 779; LG Saarbrücken v. 21.7.2000 – 13 B S 65/00, NZM 2000, 1179; Lützenkirchen, NZM 1998, 942. 2 Blank, NZM 1998, 705. 3 BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 152/05, MDR 2006, 1215 = MietRB 2006, 229 = WuM 2006, 308; BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 109/05, MDR 2006, 1217 = MietRB 2006, 229 = WuM 2006, 310. 4 BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, WuM 1987, 306 m.w.N. 5 BGH v. 14.5.2003 – VIII ZR 308/02, MDR 2003, 1041 = MietRB 2003, 1 = ZMR 2003, 653 = WuM 2003, 436. 6 Langenberg, Schönheitsreparaturen, I. D Rz. 40. 7 BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 163/05, MDR 2006, 1094 = WuM 2006, 306; BGH v. 2.12.1992 – VIII ARZ 5/92, WuM 1993, 175.

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610 Nur solche Klauseln, die zwar die Renovierung betreffen, aber selbständige Geltung haben sollen, also die eigentliche Renovierungspflicht des Mieters nicht ergänzen, sondern an ihre Stelle treten, werden nicht in die Gesamtbewertung einbezogen1. Das trifft etwa für die Endrenovierungsklausel zu, die die Pflicht des Mieters nicht allein an die Beendigung des Mietvertrages, sondern zusätzlich an den Ablauf bestimmter Fristen knüpft2. Durch die zeitliche Komponente wird deutlich, dass die Endrenovierungspflicht als solche unabhängig von der Renovierungspflicht während der Mietzeit stehen soll. Auch die Klauseln zur Abgeltung der Nutzung bei nicht fälliger Renovierung gehören hierher, weil sie einen völlig unabhängigen Aspekt der Renovierungsverpflichtung des Mieters regeln. 611 Auf dieser Grundlage sind folgende Konstellationen zu unterscheiden, wobei darauf zu achten ist, dass in die Prüfung nur die Vereinbarungen der Parteien einbezogen werden und nicht ihre tatsächlichen Handlungen: aa) Anfangsrenovierung/laufende Renovierung 612 Wird mit dem Mieter die Anfangsrenovierung individuell vereinbart, ergeben sich gegen die Wirksamkeit der Bestimmung keine Bedenken3. Unzulässig ist aber eine Kombination von individuell vereinbarter Anfangsrenovierung (= wirksam) und der formularvertraglich festgelegten laufenden Renovierung zu vereinbaren4. Diese Kombination führt zur Unwirksamkeit der Klausel für die laufende Schönheitsreparatur. 613 Eine Individualvereinbarung kann z.B. darin gesehen werden, dass der Vermieter dem Mieter die Übernahme der Wohnung in renoviertem oder unrenoviertem Zustand zur Disposition stellt und sich die Parteien für eine dieser beiden Möglichkeiten entscheiden. Das Gleiche kann gelten, wenn der Vermieter bei den Vertragsverhandlungen mit dem Mieter die laufende Renovierung zur Disposition stellt, indem er für die Alternativen unterschiedliche Mietpreise nennt. 614 Beruft sich der Mieter z.B. im Rechtsstreit darauf, er habe die Wohnung bei Beginn des Mietvertrages renovieren müssen, ohne dass der Vertrag ausdrücklich eine Verpflichtung zur Anfangsrenovierung regelt, kommt es auf den tatsächlichen Anfangszustand der Räume an5. War dieser Zustand derartig schlecht, dass eine sofortige Nutzung der Räume nur nach vorheriger Renovierung möglich war, und ist im Mietvertrag z.B. geregelt, dass der Mieter die Wohnung im renovierten Zustand übernimmt, ist von einer stillschweigenden (individuellen) Überbürdung der Anfangsrenovierung auszugehen. Dies gilt erst recht, wenn der Mieter ausdrücklich danach fragt, ob die Wohnung renoviert übergeben wird. Antwortet der Vermieter darauf nicht oder gibt sogar an, dass die Räume unrenoviert übergeben werden, kann eine konkludente Pflicht zur Anfangsrenovierung des Mieters angenommen werden, wenn Renovierungsbedarf (= Fälligkeit von Schönheitsreparaturen) bestand. bb) Laufende Renovierung/Schlussrenovierung 615 Wird die Renovierung während der Laufzeit des Mietvertrages allein individuell auf den Mieter übertragen, ist sie gültig. Dies rechtfertigt sich schon aus der Überlegung heraus, dass die formularmäßige laufende Renovierung für uneingeschränkt zulässig erachtet wird. 616 Bedenklich ist allerdings die Klauselkombination mit der Endrenovierung. Nach dem Inhalt einer solchen Klausel kann nämlich über den Summierungseffekt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters eintreten. Denn auch hier wird der Fall erfasst, dass der Mieter soeben die laufenden Renovierungsleistungen erbracht hat und kur-

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Beyer, GE 2007, 122 (124). Beispiel: BGH v. 28.6.2006 – VIII ZR 124/05, MDR 2007, 205 = WuM 2006, 513 = NZM 2006, 691. Oske, Schönheitsreparaturen, S. 16. BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 163/05, MDR 2006, 1094 = WuM 2006, 306; OLG Celle v. 3.3.1999 – 2 U 86/98, ZMR 1999, 470; LG Berlin v. 11.7.2000 – 63 S 512/99, ZMR 2001, 31. 5 A.A. LG Berlin v. 24.8.2001 – 64 S 29/00, NZM 2002, 119.

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ze Zeit später ohne sein Zutun das Ende der Mietzeit eintritt, so dass er – nach dem Wortlaut des Vertrages – erneut renovieren müsste, ohne dass Renovierungsbedarf besteht. Insoweit ist unerheblich, ob die Klausel über die laufende Renovierung oder die End- 617 renovierung unwirksam ist. Ebenso ist es unbedeutend, aus welchem Grund z.B. die Klausel über die laufende Renovierung zu beanstanden ist. Selbst die bloße Vereinbarung eines unwirksamen Fristenplans führt den Summierungseffekt herbei1, sofern die Klauseln nicht selbständig nebeneinander stehen sollen2. Wird eine formularmäßige Überwälzung laufender Schönheitsreparaturen mit einer 618 formularmäßigen Endrenovierungsverpflichtung kombiniert, die unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Dekorationsarbeiten bestehen soll, tritt der Summierungseffekt ein, der die gesamte Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter nach § 307 BGB unwirksam macht3. Das gilt selbst dann, wenn die (unwirksame) Endrenovierungsklausel erst in der Anlage zum Mietvertrag geregelt ist und die Regelungen wechselseitig Bezug nehmen4. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Endrenovierungsverpflichtung überhaupt im 619 konkreten Fall zur Anwendung kommt. Die Beurteilung des Summierungseffekts erfolgt abstrakt: Die gesamte Gegenleistung des Mieters wird anhand der Formulierungen des Mietvertrages bewertet, um ihre Unangemessenheit feststellen zu können. Ist ihre Unwirksamkeit gegeben, kann z.B. nicht mehr auf die Klausel zur laufenden Renovierung aus Verzugsgesichtspunkten zurückgegriffen werden5. Ist die Endrenovierungsverpflichtung individuell begründet worden, beschränkt sich 620 die Wirkung des Summierungseffekts gemäß §§ 306, 307 BGB auf die Formularklausel zur laufenden Renovierung6, selbst wenn die individuelle Regelung erst nachträglich (z.B. im Übergabeprotokoll) vereinbart wurde7. Die Unwirksamkeit der individuellen Endrenovierungsregelung kann nur über § 139 BGB eintreten. Denn ihre Schranken findet die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung vor allem in den Verbotsgesetzen i.S.d. § 134 BGB, im Verbot der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) und im Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dafür, dass eine Endrenovierungsklausel gegen diese Schranken verstößt, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die Individualabrede unterliegt auch nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB8. Dennoch ist zu prüfen, ob die eine Vereinbarung im Zweifel ohne die andere getroffen wurde, § 139 BGB9. Das ist bei nachträglicher Vereinbarung zu verneinen10. Denn hier wird in der Regel dem bereits bestehenden Mietvertrag später noch eine weitere Abrede hinzugefügt, ohne den sonstigen Bestand an Rechten und Pflichten zu verändern. Allerdings spricht

1 LG Berlin v. 10.10.2002 – 62 S 213/02, WuM 2002, 668. 2 Beyer, GE 2007, 122 (124). 3 BGH v. 14.5.2003 – VIII ZR 308/02, MDR 2003, 1041 = MietRB 2003, 1 = ZMR 2003, 653 = WuM 2003, 436; LG Landau v. 26.3.2002 – 1 S 3/02, ZMR 2002, 429; LG Berlin v. 29.6.2004 – 63 S 34/04, MM 2004, 339; LG Hamburg v. 14.4.2000 – 311 S 205/99, NZM 2000, 541; LG Frankfurt. v. 30.6.2000 – 2/17 S 340/99, WuM 2000, 545; AG Köln v. 13.2.2001 – 210 C 279/00, WuM 2001, 443; AG Königstein v. 23.10.2000 – 21 C 225/00-12, NZM 2000, 1181; AG Köln v. 18.6.2002 – 218 C 483/01, WuM 2003, 315; a.A. LG München I v. 3.1.2003 – 31 S 10293/01, NZM 2003, 512. 4 BGH v. 25.6.2003 – VIII ZR 335/02, MDR 2003, 1349 = MietRB 2003, 93 = NZM 2003, 755. 5 LG Landau v. 26.3.2002 – 1 S 3/02, ZMR 2002, 429. 6 LG München II v. 24.10.2000 – 12 S 3755/00, NZM 2001, 951; LG Hanau v. 24.3.2006 – 2 S 324/05, InfoM 2006, 119; LG Hamburg v. 8.11.2007 – 307 S 164/06, ZMR 2008, 454; a.A. AG Mettmann v. 9.3.2004 – 21 C 279/03, WuM 2004, 462. 7 BGH v. 14.1.2009 – VIII ZR 71/08, MDR 2009, 372 = MietRB 2009, 160 = WuM 2009, 173 = GE 2009, 321 = ZMR 2009, 358 m. Anm. Disput. 8 BGH v. 18.3.2009 – XII ZR 200/06, MDR 2009, 678 = MietRB 2009, 162 = GE 2009, 647 = NZM 2009, 397. 9 BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 163/05, MDR 2006, 1094 = NJW 2006, 2116 (Rz. 20). 10 BGH v. 14.1.2009 – VIII ZR 71/08, MDR 2009, 372 = MietRB 2009, 160 = WuM 2009, 173 = GE 2009, 321 = ZMR 2009, 358 m. Anm. Disput.

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auch keine Vermutung für einen inneren Zusammenhang1. Deshalb sind besondere Feststellungen im Einzelfall zu treffen. 621 Keine unzulässige Kombination soll in der formularmäßigen Verpflichtung zur laufenden Renovierung mit der Bestimmung zur Rückgabe in „sofort bezugsfähigem Zustand“ liegen2. Ebenso unbedenklich ist eine mietvertragliche Klausel, die einen angemessenen Fristenplan enthält und den Mieter verpflichtet, „je nach Grad der Abnutzung“ am Ende der Mietzeit zu renovieren3. cc) Laufende Renovierung/Quotenklausel 622 Die Zusammenschau im Rahmen des Summierungseffektes erfasst auch die Quotenklausel. Deshalb wirkt sich die Unwirksamkeit der Regelung über die laufenden Schönheitsreparaturen4, aber auch eine unwirksame Endrenovierungsklausel auf die Wirksamkeit der Quotenklausel aus5, solange sich die Klauseln ergänzen sollen. Etwas anderes gilt, wenn per Individualvereinbarung die laufende Renovierung festgelegt wird und für das Vertragsende vor Fristenablauf eine Kostenbeteiligungsklausel mit aufgenommen wird, da eine solche Regelung formularrechtlich unbedenklich ist. dd) Andere Kombinationen 623 Die zusätzliche Regelung, dass der Vermieter bei einer übermäßigen Abnutzung Ersatz in Geld verlangen können soll, soll sowohl die Klausel über die laufende Renovierung als auch eine Quotenklausel unberührt lassen, obwohl sie für sich genommen gegen § 309 Nr. 4 BGB verstößt6. Das ist so lange richtig, wie eine derartige Klausel als eigenständig neben der eigentlichen Renovierungspflicht angesehen werden kann. ee) Vermeidung des Summierungseffektes 624 Der Summierungseffekt greift durch, wenn die gesamte Renovierungsleistung, wie sie im Vertrag geregelt ist, bei abstrakter Bewertung zu einer Störung des Äquivalenzverhältnisses führt, so dass eine unangemessene Benachteiligung vorliegt. Diese Benachteiligung kann z.B. vermieden werden, wenn eine zusätzliche Leistung des Vermieters, die im Zusammenhang mit der Renovierungsverpflichtung des Mieters steht, das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung wiederherstellt. 625 Wollen die Parteien daher vertraglich begründen, dass der Mieter die Anfangsrenovierung durchführt, kann das Gleichgewicht z.B. durch einen Mietnachlass oder eine vergleichbare (angemessene) Leistung des Vermieters hergestellt werden. Allerdings soll insoweit ein Verzicht des Vermieters auf die Grundmieten für die ersten Monate nicht ausreichen, wenn der Mieter die „mietfreie“ Zeit fast ausschließlich zur Renovierung benötigt. Denn darin soll eine „zusätzliche“ Leistung des Vermieters nicht zu sehen sein, weil dem Mieter die Wohnung für die Dauer der Renovierung gerade nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch (= Wohnen) zur Verfügung stand7. Maßgeblich soll insoweit die objektive Angemessenheit des Ausgleichsbetrages sein8. 626 Dies ist bedenklich, zumal sich das Gericht an der Renovierung durch eine Fachkraft orientiert. Immerhin handelt es sich um eine Eigenleistung des Mieters, die z.B. bei Beendigung des Mietvertrages und beabsichtigten Umbaumaßnahmen des Vermie-

1 BGH v. 18.3.2009 – XII ZR 200/06, MDR 2009, 678 = MietRB 2009, 162 = GE 2009, 647 = NZM 2009, 397. 2 LG Leipzig v. 26.3.2002 – 16 S 9370/00, DWW 2002, 333. 3 BGH v. 28.4.2004 – VIII ZR 230/03, MietRB 2004, 253 = NZM 2004, 497. 4 BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 178/05, MDR 2006, 1273 = MietRB 2006, 230 = WuM 2006, 248. 5 LG Berlin v. 25.7.2002 – 67 S 413/01, MM 2002, 481; AG Köln v. 26.4.2001 – 209 C 455/00, KM 31 Nr. 42. 6 LG Berlin v. 28.2.2001 – 12 S 1107/00, NZM 2002, 120. 7 AG Mitte v. 11.2.2003 – 25 C 362/01, MM 2003, 384. 8 AG Mitte v. 29.3.2007 – 18 C 113/06, GE 2007, 787.

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ters nach dem Aufwand bewertet wird, den der Mieter bei der Ausführung einer Renovierung in Eigenleistung hätte bestreiten müssen. Vorsichtshalber sollte klargestellt werden, welche Zeit die Parteien für die Renovierungsleistung kalkulieren. Bei der Frage, wie sie die Renovierungsleistung des Mieters der Höhe nach bewerten, bestehen nur die Grenzen der §§ 134, 138 BGB. f) Abgeltungsanspruch Zieht der Mieter aus, bevor Schönheitsreparaturen fällig sind, besteht zwischen den 627 hier relevanten Leistungen des Vermieters (im Idealfall: renovierter Zustand zu Beginn des Mietvertrages) und Gegenleistung des Mieters (Durchführung von Schönheitsreparaturen) ein Ungleichgewicht, weil der Mieter eine Abnutzung verursacht hat, für die er (noch) keine Gegenleistung erbracht hat bzw. erbringen muss. Diese Differenz kann durch eine Abgeltungsklausel, die zuweilen auch als Quotenklausel, Quotenhaftungsklausel oder Kostenbeteiligungsklausel bezeichnet wird, geschlossen werden. Hieraus resultiert ein Zahlungsanspruch, dessen Höhe sich in der Regel an dem Verhältnis zwischen Abnutzung und Dauer seit der letzten Renovierung orientiert. Grundlage der Bewertung des Anspruchs sind in der Regel die Kosten einer späteren Renovierung, die durch einen Kostenvoranschlag oder aufgrund eines Leistungsverzeichnisses ermittelt werden. Die Kostenbeteiligung aufgrund einer solchen Abgeltungsklausel, die ausdrücklich 628 vereinbart werden muss, begründet einen primären Erfüllungsanspruch1. Deshalb unterliegt er einer selbständigen Verjährung nach § 548 Abs. 1 BGB2 und kann nicht zur Umgehung der Voraussetzungen des § 281 BGB herangezogen werden3. Die Absicht des Vermieters, die Wohnung nach dem Umzug des Mieters umzubauen, zu sanieren oder auf andere Art zu verändern, lässt die Kostenbeteiligung des Mieters nicht entfallen4. aa) Wirksamkeitsvoraussetzungen des Abgeltungsanspruchs Grundlage für eine wirksame Abgeltungsklausel ist zunächst, dass die (laufenden) 629 Schönheitsreparaturen formularmäßig wirksam auf den Wohnraummieter abgewälzt wurden. Ist bereits die Abwälzung der Schönheitsreparaturen durch eine Formularklausel zu beanstanden, ist auch die Abgeltungsklausel unwirksam5, da die Kostenbeteiligung lediglich an die Stelle der Durchführungsverpflichtung tritt. Eine geltungserhaltene Reduktion kommt nicht in Betracht6. Deshalb spielen wirtschaftliche Überlegungen, z.B. wegen der nicht erbrachten Gegenleistung, keine Rolle. Fasst man die Grundsätze, die die obergerichtliche Rechtsprechung7 entwickelt hat, 630 zusammen, ergeben sich folgende Wirksamkeitsanforderungen: – Die Fristen und die verwendeten Prozentsätze zur Kostenbeteiligung müssen sich an den üblichen Renovierungsfristen orientieren; – es dürfen keine „starren“ Fristen zugrunde gelegt werden; – der Kostenvoranschlag des Vermieters darf nicht ausdrücklich als verbindlich bezeichnet werden; – die Fristen nach dem Fristenplan müssen ab Mietvertragsbeginn anfangen zu laufen;

1 BGH v. 6.7.1988 – VIII ARZ 1/88, MDR 1988, 1051 = NJW 1988, 2790. 2 LG Berlin v. 29.5.2001 – 64 S 599/00, NZM 2002, 121; LG Lüneburg v. 20.6.2001 – 6 S 36/01, ZMR 2001, 713. 3 AG Schönau v. 27.3.2001 – C 166/00, WuM 2001, 334. 4 LG Düsseldorf v. 10.1.1992 – 21 S 613/90, WuM 1992, 431. 5 BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 178/05, MDR 2006, 1273 = MietRB 2006, 230 = WuM 2006, 248. 6 LG Berlin v. 29.10.1996 – 64 S 268/96, BE 1996, 1549 = WuM 1996, 758. 7 Vgl. BGH v. 6.7.1988 – VIII ARZ 1/88, MDR 1988, 1051 = ZMR 1988, 455 = WuM 1988, 294; BGH v. 7.3.2007 – VIII ZR 247/05, WuM 2007, 260; BGH v. 18.10.2006 – VIII ZR 52/06, MDR 2007, 262 = MietRB 2007, 3 = WuM 2006, 677 = NZM 2006, 924.

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– das Recht des Mieters, durch Selbstvornahme der Renovierung den Zahlungsanspruch abzuwenden, darf nicht ausgeschlossen sein; – das Transparenzgebot ist zu beachten. 631 Bis zum 1.1.2008 können als übliche Renovierungsfristen die des Mustermietvertrages des BMJ von 1976 herangezogen werden (vgl. § 535 BGB Rz. 564). Welche Fristen danach gelten, ist offen. Nach der hier vertretenen Meinung können beliebige Fristen bestimmt werden, da das Transparenzgebot ohnehin gebietet, dem Mieter mehrere Berechnungsbeispiele zu liefern und die exakte Frist, bis zu der Renovierungsbedarf entsteht, nur im Einzelfall ermittelt werden kann. 632 Die Verbindlichkeit des Kostenvoranschlages des Vermieters ergibt sich nicht allein aus dessen Erwähnung in der Klausel1. Selbst wenn darin nur formuliert ist, dass die Höhe des Anspruchs anhand eines Kostenvoranschlags des Vermieters ermittelt wird, folgt daraus nicht, dass der Mieter nicht die Höhe der geltend gemachten Forderung bestreiten kann2. Der gegenteiligen Auffassung3 liegt ein falsches Verständnis des Transparenzgebotes zugrunde. Denn daraus kann nicht der Grundsatz abgeleitet werden, dass nicht erwähnte Möglichkeiten ausgeschlossen sind. Vielmehr gilt auch bei der Auslegung von AGB das auf Art. 2 GG fußende Prinzip, das alles erlaubt ist, was nicht ausdrücklich verboten ist. 633 Für die Einhaltung des Transparenzgebotes hatte der BGH schon am 18.10.20064 die Grundsätze, die er zu Renovierungsklauseln mit starren Fristenplänen entwickelt hatte, auf die Abgeltungsklausel übertragen. Diese Rechtsprechung wurde in 2007 noch einmal bestätigt5 und wird von der untergerichtlichen Rechtsprechung weiterentwickelt6. Anschließend7 hat er die Forderung aufgestellt, dass die Quotenabgeltungsklausel zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung dem durchschnittlichen Mieter hinreichend klar und verständlich machen müsse, wie die Abgeltungsquote konkret zu berechnen sei. Das nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB geltende Bestimmtheitsgebot werde nur erfüllt, wenn die Formulierung im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners so klar und präzise wie möglich umschreibe. 634 Auch wenn es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, muss davon ausgegangen werden, dass eine Quotenklausel dem Transparenzgebot nur noch standhält, wenn der Vermieter in der Formulierung der Abgeltungsklausel die (theoretische) Möglichkeit berücksichtigt, dass eine geringere Abnutzung, als von den üblichen Fristen unterstellt wird, stattgefunden hat. Schon deshalb erscheint eine Regelung ohne Berechnungsbeispiel kaum vorstellbar. Jedenfalls ist die herkömmliche Darstellung des Abgeltungsanspruchs durch eine pauschalierte Quotenklausel oder eine an den Fristen des Mustermietvertrages des BMJ von 1976 orientierte exakte Abgeltungsklausel grundsätzlich nicht mehr wirksam, solange darin allein auf die abgelaufene Zeit seit der letzten Renovierung abgestellt wird. Vielmehr muss die Klausel offen gestaltet werden, so dass jede Art von denkbarer Ausnahme von einer generellen Berechnungsweise erfasst wird. Das wird durch die Formulierung, dass „angelaufene Renovierungsintervalle zeitanteilig zu entschädigen“ sind, nicht erreicht8. Demnach ist mindestens darzustellen, wie sich die Kosten unter Berücksichtigung von Zeitfaktoren bei „üblicher“ Abnutzung ermitteln, wie die Kostenhöhe beeinflusst wird, wenn der Mieter schonender abnutzt als „üblich“, und wie sich der Anspruch berechnen 1 BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 215/03, MietRB 2005, 62 = WuM 2004, 663 = NZM 2004, 903. 2 BGH v. 6.7.1988 – VIII ARZ 1/88, MDR 1988, 1051 = ZMR 1988, 455 = WuM 1988, 294. 3 LG Berlin v. 17.7.2012 – 65 S 66/12, GE 2012, 1231; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 191. 4 BGH v. 18.10.2006 – VIII ZR 52/06, MDR 2007, 262 = MietRB 2007, 3 = WuM 2006, 677 = NZM 2006, 924. 5 BGH v. 7.3.2007 – VIII ZR 247/05, WuM 2007, 260. 6 LG Berlin v. 17.7.2012 – 65 S 66/12, GE 2012, 1231; AG Gießen v. 10.5.2012 – 48 C 352/11, ZMR 2013, 46; AG Iburg v. 21.12.2011 – 4 C 254/11, WuM 2012, 196. 7 BGH v. 26.9.2007 – VIII ZR 143/06, WuM 2007, 684 = GE 2007, 1622 = NZM 2007, 879. 8 BGH v. 5.3.2008 – VIII ZR 95/07, MDR 2008, 678 = WuM 2008, 278 = ZMR 2008, 527.

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kann, wenn der Mieter eine schnellere Abnutzung herbeiführt. Alle drei Berechnungsbeispiele beruhen auf fiktiven Annahmen und dienen allein der Klarstellung. Solange die verwendeten Fristen nicht starr formuliert sind, kann ihre Länge beliebig gewählt werden1. bb) Berechnungsfaktoren Neben dem Zeitablauf seit der letzten Renovierung bzw. dem Eintritt der Renovie- 635 rungsbedürftigkeit basiert die Berechnung auf den Kosten einer umfassenden und fachgerechten Renovierung. Diese Kosten können anhand eines Kostenvoranschlags oder eines Sachverständigengutachtens ermittelt werden. Ein ausreichendes Bestreiten der Ansätze setzt in der Regel voraus, dass der Mieter einen eigenen Kostenvoranschlag vorlegt. Bloßes Bestreiten reicht nicht aus. Dennoch muss auch berücksichtigt werden, in welchem Umfang Kosten tatsächlich 636 anfallen. Deshalb muss sich der Kostenvoranschlag auf die Wohnung oder doch eine zumindest vergleichbare Einheit beziehen. Im Übrigen kann die Kostenermittlung problematisch sein, wenn z.B. Raufaser oder ähnliche streichbare Tapeten verwendet wurden. Denn diese müssen nicht in jeden Fall erneuert werden. Dies ist aber kein Problem der Klauselgestaltung. Mit dem Hinweis auf die „Kosten einer zukünftigen Renovierung“ ist ausreichend deutlich gemacht, dass die Kosten konkret und nicht abstrakt zu ermitteln sind. In der Berechnung des Anspruchs kann die Wiederverwendbarkeit der Tapete durch einen angemessenen Abschlag bei den Tapezierkosten berücksichtigt werden2. Die Kostenberechnung kann nicht auf das bloße Streichen beschränkt werden mit der Begründung, in der Abgeltungsklausel könne nur der konkrete Aufwand berücksichtigt werden3. Denn die Tapete (Raufaser) muss (nach mehrmaligem Streichen) in der Zukunft erneuert werden. Insoweit hat der Mieter auch einen Abnutzungsanteil herbeigeführt. Auch die Umsatzsteuer kann berücksichtigt werden4. Denn bei dem Abgeltungs- 637 anspruch handelt es sich um einen primären Erfüllungsanspruch und keinen Schadensersatzanspruch. § 249 Abs. 2 S. 2 BGB ist also nicht anwendbar. Im Übrigen gehört die Umsatzsteuer zum Aufwand des Vermieters. Der Anspruch wird der Höhe nach im Übrigen dadurch beeinflusst, dass am Ende der 638 Mietzeit Mängel bestehen, deren Beseitigung der Vermieter schuldet (z.B. Wasserschaden), so dass sogar eine tatsächliche Renovierung stattfindet. Da zur vollständigen Mängelbeseitigung auch die Durchführung von Renovierungsleistungen (soweit erforderlich) gehört, müssen die betroffenen Flächen aus der Berechnung herausgenommen werden. cc) Rechtsfolge unwirksamer Abgeltungsklauseln Ist die Abgeltungsklausel unwirksam, besteht kein Anspruch des Vermieters auf Zah- 639 lung eines Anteils zukünftiger Renovierungskosten. Hat der Mieter in Unkenntnis der Unwirksamkeit bezahlt, kann er Erstattung mindestens nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen. Die Kenntnis der Unwirksamkeit i.S.v. § 814 BGB muss der Vermieter beweisen. Möglicherweise besteht auch ein Schadensersatzanspruch nach cic (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB) oder pvv (§ 280 Abs. 1 BGB). Dies hängt einmal davon ab, ob der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages wissen konnte, dass die Klausel unwirksam ist, und zum anderen davon, ob er den Anspruch aktiv geltend gemacht hat, was die Regel sein wird.

1 Vgl. die Musterklausel bei Langenberg, Schönheitsreparaturen, Anhang 1, A Rz. 3. 2 LG Flensburg v. 11.2.2003 – 1 S 97/02, MietRB 2003, 31 = NZM 2003, 433; LG Flensburg v. 14.1.2003 – 1 S 97/02, MietRB 2003, 31. 3 So LG Berlin v. 4.9.2006 – 67 S 65/06, ZMR 2006, 936. 4 BGH v. 16.6.2010 – VIII ZR 280/09, MDR 2010, 1043 = WuM 2010, 478 = ZMR 2010, 849.

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g) Durchsetzung der Renovierungspflicht des Mieters aa) Während der Mietzeit 640 Sind die Schönheitsreparaturen fällig und weigert sich der Mieter, sie auszuführen, hat der Vermieter die Möglichkeiten, mit – dem Erfüllungsanspruch, – dem Vorschussanspruch oder – der ordentlichen Kündigung zu reagieren. (1) Erfüllungsanspruch 641 Der Erfüllungsanspruch ist darauf gerichtet, dass der Mieter die Schönheitsreparaturen durchführt. Kommt der Mieter einer entsprechenden Aufforderung mit Fristsetzung nicht nach, muss der Vermieter den Mieter auf Durchführung gerichtlich in Anspruch nehmen. Dementsprechend müsste ein Klageantrag die vorzunehmenden Arbeiten im Einzelnen spezifizieren. In einem obsiegenden Urteil würde also tenoriert, dass der Mieter die genau bezeichneten Arbeiten auszuführen hätte. 642 Ein solcher Titel könnte nur gemäß § 887 ZPO vollstreckt werden. Diese Vorschrift regelt die Verurteilung zu Handlungen, die auch ein Dritter vornehmen könnte. Nach § 887 Abs. 2 ZPO kann der Vermieter den Mieter auf Zahlung eines Vorschusses verklagen, wenn er nach der Rechtskraft des Urteils die im Titel bestimmten Handlungen nicht vornimmt. Dieses Verfahren ist langwierig und u.U. kompliziert. (2) Vorschussanspruch 643 Nach der Rechtsprechung des BGH1 besteht ein solcher Anspruch, sobald sich der Mieter in Verzug befindet. Zur Herbeiführung des Verzuges ist eine angemessene Fristsetzung erforderlich. Verstreicht die gesetzte Frist ungenutzt, kann der Vermieter auf der Grundlage eines Kostenvoranschlages eines Malerbetriebes die voraussichtlich notwendigen Kosten zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verlangen. Nach Durchführung der Arbeiten muss über den Vorschuss abgerechnet werden. 644 Ein Vorschussanspruch soll nicht bestehen, wenn dem Vermieter kein messbarer Vermögensschaden durch die unterlassene Renovierung entstanden ist2. Ist dieser nicht messbar, soll der Vermieter nach § 887 ZPO vorgehen müssen, also zunächst auf Erfüllung klagen, um in der Zwangsvollstreckung ggf. seinen Vorschussanspruch geltend machen zu können. Ein Vermögensschaden war in dem vom BGH3 entschiedenen Fall gegeben, weil die Parteien eine Umsatzmiete vereinbart hatten, so dass sich der mangelhafte Dekorationszustand unmittelbar auf die sinkende Miete auswirken konnte. Bei der Vermietung von Wohnraum soll ein solcher Fall erst eintreten können, wenn eine Substanzgefährdung vorliegt. 645 Bei dieser Sichtweise wird allerdings übersehen, dass die Renovierungspflicht einen Teil der Gegenleistung des Mieters darstellt und die Vorgehensweise über den Vorschussanspruch nach den §§ 280, 286 BGB nicht nur auf Billigkeitserwägungen beruht, sondern auch auf der Überlegung, dass bei einer Anwendung des § 281 BGB der Erfüllungsanspruch untergeht, obwohl der Mietvertrag noch fortbesteht, § 281 Abs. 4 BGB. Ebenso wie die Fälligkeit der Schönheitsreparaturen während der Mietzeit nicht von der Substanzbeeinträchtigung abhängig ist4, kann dieser Umstand bei den weiteren Voraussetzungen des Vorschussanspruchs berücksichtigt werden. Der Vermieter erhält eben nicht die Gegenleistung, die die Parteien vereinbart haben. Dadurch, dass die Fälligkeit nicht allein vom Ablauf der Frist abhängig ist, sondern auch 1 BGH v. 6.4.2005 – VIII ZR 192/04, MDR 2005, 921 = WuM 2005, 383 = NZM 2005, 450; BGH v. 30.5.1990 – VIII ZR 207/89, MDR 1991, 142 = WuM 1990, 494. 2 LG Berlin v. 7.12.2001 – 62 S 100/01, NZM 2002, 1026. 3 BGH v. 30.5.1990 – VIII ZR 207/89, MDR 1991, 142 = WuM 1990, 494 = NJW 1990, 2376. 4 BGH v. 6.4.2005 – VIII ZR 192/04, MDR 2005, 921 = WuM 2005, 383 = NZM 2005, 450.

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Renovierungsbedürftigkeit eingetreten sein muss, ist der Mieter ausreichend vor einer unberechtigten Inanspruchnahme geschützt. Diese Vorgehensweise hat den Nachteil, dass der Vermieter im Ergebnis die Arbeiten 646 selbst ausführen (lassen) muss. Wirkt der Mieter dabei nicht mit, muss der Vermieter zusätzlich über § 555a BGB vorgehen und auch das Abrücken der Möbel etc. besorgen. Im Übrigen ist u.U. auch eine Zutrittsklage notwendig, wenn der Mieter die Durchführung der Arbeiten nicht freiwillig gewähren lässt. Der Vermieter kann sich für den Vorschussanspruch grundsätzlich keine zusätzliche 647 Kaution versprechen lassen1, wie z.B. im Fall des § 554a BGB. Denn damit verstößt er jedenfalls dann gegen § 551 Abs. 4 BGB, wenn die Vereinbarung zeitgleich mit dem Mietvertrag geschlossen wird. Nach Abschluss des Mietvertrages ist eine Kaution frei verhandelbar, weil § 551 Abs. 4 BGB nicht mehr anwendbar ist (vgl. § 551 BGB Rz. 9). (3) Kündigung Eine zur Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausreichende schuldhafte, nicht 648 mehr unerhebliche Pflichtverletzung liegt vor, wenn ein Mieter seit mehr als einem Jahrzehnt keine Schönheitsreparaturen vorgenommen hat und sich auch nicht bemüht, hierfür das Sozialamt um Hilfe zu bitten, und ferner aufgrund der finanziellen Lage des Mieters bei seinem Tod nicht damit gerechnet werden kann, dass noch auf seine Kosten eine Renovierung durchgeführt werden kann. In diesem Fall kommt es wegen der Vernachlässigung nicht auf eine Substanzgefährdung an2. bb) Nach Mietende Grundsätzlich muss der Vermieter in diesem Stadium nach § 281 BGB vorgehen, weil 649 die Schönheitsreparaturen als Teil der Gegenleistung i.S.v. § 535 Abs. 2 BGB zu den Hauptpflichten im Mietverhältnis gehören3. Dazu muss der Verzug des Mieters mit der Leistung (Renovierung) herbeigeführt werden. Verzug tritt ein, wenn eine Leistung fällig ist und der Mieter trotz Mahnung die Leistung nicht erbracht hat. Ist § 326 BGB a.F. einschlägig (vgl. § 535 BGB Rz. 659), kann die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung mit der Mahnung verbunden werden4, es muss also nicht erst Verzug herbeigeführt werden. (1) Die Fristsetzung (a) Leistungsaufforderung Die Fristsetzung ist zunächst eine Leistungsaufforderung. Dabei muss der Vermieter 650 Art und Umfang der Renovierungsarbeiten bestimmbar bezeichnen5. Wie der Mieter die Leistung erbringt, also auf welche Art und Weise er die Ansprüche erfüllt, liegt in seinem Ermessen, solange er sich innerhalb der vertraglichenVerpflichtungen hält6. In der Regel reicht es aus, die Leistung so zu bezeichnen, wie dies in § 28 Abs. 4 S. 3 651 II. BV definiert ist. Danach umfassen Schönheitsreparaturen das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper einschl. Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen. Wird der Mieter also aufgefordert, diese Arbeiten auszuführen, liegt grundsätzlich bereits eine bestimmte Leistungsaufforderung vor7. Auf keinen Fall ausreichend ist die

1 LG Hannover v. 28.2.2001 – 12 S 1107/00, NZM 2002, 120. 2 LG Hamburg v. 2.3.1982 – 16 S 287/81, WuM 1984, 85; AG Hamburg v. 15.11.2001 – 41B C 90/01, NZM 2002, 735. 3 BGH v. 5.10.1994 – XII ZR 15/93, ZMR 1995, 577 m.w.N. 4 BGH v. 10.1.1990 – VIII ZR 337/88, NJW-RR 90, 444 m.w.N.; LG Köln v. 17.3.1987 – 12 S 296/86, WuM 1989, 71. 5 OLG Hamburg v. 20.2.1991 – 4 U 106/90, WuM 1992, 70; LG Köln v. 21.7.1993 – 10 S 137/93, KM 31 Nr. 6. 6 LG Berlin v. 14.6.1990 – 62 S 506/89, GE 1991, 403. 7 KG v. 3.7.1995 – 20 U 2209/94, GE 1995, 1011.

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Formulierung „Vornahme der Schönheitsreparaturen“1 oder der bloße Hinweis auf eine in einer Klausel beschriebene Ausführungsform2. 652 Bei der Verwendung von Formularschreiben (= für eine Vielzahl von Fällen vorbereitete Schreiben) können sich Probleme ergeben, wenn z.B. Kästchen angekreuzt werden müssen und sie nur die formularmäßige Aufforderung, „die Arbeiten auszuführen“ enthalten. Denn damit soll keine ausreichend genaue Bezeichnung erfolgen können3. Das Gleiche gilt für die Übersendung eines umfangreichen Abnahmeprotokolls, in welchem Renovierungsmängel bezeichnet sind, deren Beseitigung vom Mieter ausdrücklich verlangt wird und bei denen es zumindest zweifelhaft erscheint, ob der Mieter verpflichtet ist, diese auszuführen4. 653 Ob neben der Beschreibung der auszuführenden Arbeiten auch eine Zustandsbeschreibung der Mietsache erforderlich ist, wird nicht einheitlich bewertet5. Zunehmend wird die Beschreibung des Umfangs der Arbeiten für erforderlich gehalten6, jedenfalls wenn der Vermieter die vor dem Auszug vom Mieter durchgeführten Schönheitsreparaturen beanstandet7. Diese Auffassung stellt jedoch übertriebene Anforderungen. § 281 BGB verlangt auch nach der Schuldrechtsmodernisierung nur eine Fristsetzung als Leistungsaufforderung. Eine Zustandsbeschreibung ist weder gefordert noch erforderlich. Denn es gehört nicht zu den Wirksamkeitsanforderungen des § 281 BGB, dem Schuldner auch noch zu erklären, warum die Leistung gefordert wird. 654 Die Fristsetzung ist an alle Mieter zu richten. Sie muss dem Mieter auch dann zugehen, wenn für ihn ein Betreuer bestellt ist8. (b) Eigentliche Fristsetzung 655 Mit der Leistungsbestimmung ist zugleich eine angemessene Frist zu setzen. Die Angemessenheit liegt in der Regel bei zwei Wochen9. 656 Ob eine Fristsetzung ohne die Bestimmung eines konkreten Zeitpunktes wirksam ist, wird nicht einheitlich gesehen. Überwiegend wird die Bestimmung eines konkreten Zeitraums, entweder durch Mitteilung eines bestimmten Termins, zu dem die Frist abläuft, oder durch die Angabe bestimmter Zeiteinheiten, die dem Schuldner für die Leistung eingeräumt werden, verlangt10. Danach genügt die Aufforderung zur „sofortigen“ bzw. „unverzüglichen“ oder „umgehenden“ Leistung nicht. Teilweise wird dies damit begründet, dass nach dem Wegfall der nach früherem Recht vorgesehenen Ablehnungsandrohung allein die Fristsetzung die Warnfunktion gegenüber dem Schuldner erfülle und an sie deshalb strenge Anforderungen zu stellen seien11. Andere Stimmen lassen eine Aufforderung zur unverzüglichen Leistung ausreichen12, zumindest in Fällen besonderer Dringlichkeit13. Letztere Auffassung ist richtig14. Denn schon dem Begriff der Fristsetzung lässt sich nicht entnehmen, dass die maßgebliche Zeitspanne nach dem Kalender bestimmt sein muss oder in konkreten Zeiteinheiten anzugeben sei. Eine in dieser Weise bestimmte Frist verlangt § 281 Abs. 1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

LG Berlin v. 16.10.1987 – 64 S 188/87, GE 1988, 33. LG Karlsruhe v. 9.11.1990 – 9 S 157/90, WuM 1991, 88. LG Hamburg v. 17.1.1985 – 7 S 229/84, WuM 1986, 311. LG Hamburg v. 25.9.1984 – 16 S 109/84, WuM 1986, 242. Dagegen: LG Köln v. 21.7.1993 – 10 S 137/93, KM 31 Nr. 6; Emmerich, NZM 2000, 1159; Bub/ Treier/Scheuer, V Rz. 167; dafür: AG Köln v. 25.6.1998 – 205 C 498/97, n.v. KG v. 24.4.2003 – 12 U 275/01, ZMR 2003, 676 = MietRB 2003, 37. KG v. 22.1.2007 – 12 U 28/06, MDR 2007, 880 = GE 2007, 781 = ZMR 2007, 450. AG Königstein v. 18.6.2001 – 21 C 605/01-12, NZM 2001, 667. LG Berlin v. 14.10.1988 – 65 S 489/87, GE 1989, 413; KG v. 30.10.2006 – 8 U 38/06, WuM 2007, 71. MünchKomm/Ernst, § 323 Rz. 68; Palandt/Grüneberg, § 281 BGB Rz. 9; Soergel/Gsell, § 323 BGB Rz. 80. MünchKomm/Ernst, § 323 BGB Rz. 68. Staudinger/Otto, § 281 BGB Rz. B 62 und § 323 BGB Rz. B 59; Bamberger/Roth/Unberath, § 281 BGB Rz. 16. Jauernig/Stadler, § 281 BGB Rz. 6; vgl. auch MünchKomm/Ernst, § 323 BGB Rz. 74. BGH v. 12.8.2009 – VIII ZR 254/08, MDR 2009, 1329 = WuM 2009, 580.

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BGB – anders als § 286 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB für den Verzugseintritt ohne Mahnung – nicht. Vielmehr kann die Dauer einer Frist grundsätzlich auch durch einen unbestimmten Rechtsbegriff bezeichnet werden; dies ist insbesondere bei rechtsgeschäftlichen Fristen häufig der Fall1. Nach allgemeiner Meinung ist eine Frist ein Zeitraum, der bestimmt oder bestimmbar ist2. Mit der Aufforderung, die Leistung oder die Nacherfüllung „in angemessener Zeit“, „umgehend“ oder „so schnell wie möglich“ zu bewirken, wird eine zeitliche Grenze gesetzt, die aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls bestimmbar ist. Grundsätzlich ist eine zu kurz bemessene Frist unschädlich, da sie sich automatisch 657 auf eine angemessene verlängert. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Vermieter die Nachfrist nur zum Schein setzt oder erkennbar ist, dass die Leistung trotz Fristsetzung durch den Mieter nicht akzeptiert wird3. Die Beurteilung richtet sich vor allem danach, ob es dem Schuldner (Mieter) innerhalb der gesetzten Frist überhaupt möglich ist, zu einem vertragsgerechten Verhalten zurückzukehren4. Auf keinen Fall ist es ausreichend, den Mieter aufzufordern, bis zu einem bestimmten Termin zu erklären, ob er die Renovierung ausführt5. Bittet der Mieter um Fristverlängerung, kann er damit hinsichtlich der Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis6 begründen und jedenfalls nicht mehr die Notwendigkeit der Arbeiten bestreiten7. (c) Ablehnungsandrohung? Bis zum 31.12.2001 musste der Vermieter am Ende der Mietzeit nach § 326 BGB a.F. 658 vorgehen, um Schadensersatz verlangen zu können. Nach dieser Vorschrift war neben der Fristsetzung eine sog. Ablehnungsandrohung erforderlich. Dies ist eine Erklärung, die deutlich macht, dass der Gläubiger die Leistung nach Ablauf der Frist ablehnen wird. Enthält der Vertrag z.B. die Klausel: „Schadensersatz kann der Vermieter nach einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung verlangen“, könnte eine weitere Anwendung des § 326 BGB a.F. in Betracht kommen. Zwar ist das Schuldrecht in der Fassung vor dem 1.1.2002 selbst dann nicht auf Ver- 659 träge anwendbar, wenn diese vor diesem Datum geschlossen wurden. Denn zum 1.1.2003 sollte das modernisierte Schuldrecht auch für Altverträge über Dauerschuldverhältnisse gelten, Art. 229 § 5 Abs. 2 BGB. Indessen ist es den Parteien unbenommen, für den Anspruch des Gläubigers, zumal wenn er Verwender i.S.d. § 305 BGB ist, schärfere Anforderungen an die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu vereinbaren. Enthält also der Mietvertrag eine (Formular-)Klausel, die den Schadensersatzanspruch des Vermieters von einer Ablehnungsandrohung abhängig macht, ist diese Regelung grundsätzlich beachtlich. Das gilt erst recht, wenn sie in einem Vertrag enthalten ist, der nach dem 1.1.2002 geschlossen wurde. Eine Ablehnungsandrohung als Erfordernis für einen Schadensersatzanspruch sah 660 § 326 BGB a.F. in der bis 31.12.2001 gültigen Fassung vor. Insoweit konnte die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung mit der Mahnung verbunden werden8, es musste also nicht erst Verzug herbeigeführt werden. Der Erklärung musste der Schuldner entnehmen können, dass ihm letztmalig Gelegenheit zur Erfüllung seiner Pflicht gegeben wird. Diesen Anforderungen werden Ankündigungen, nach Ablauf der Frist werde z.B. „ein Fachhandwerker beauftragt“ oder „die Ansprüche gerichtlich durch-

1 MünchKomm/Grothe, § 186 BGB Rz. 4. 2 RG v. 8.6.1928 – III 426/27, RGZ 120, 355, 362; Palandt/Heinrichs, § 186 BGB Rz. 3; Erman/Palm, Vor § 186 BGB Rz. 1; Bamberger/Roth/Henrich, § 186 BGB Rz. 2; Kesseler in Prütting/Wegen/ Weinreich, § 186 BGB Rz. 3. 3 BGH v. 21.6.1985 – V ZR 134/84, MDR 1986, 302 = NJW 1985, 2640. 4 LG Köln v. 23.10.1997 – 1 S 125/97, KM 31 Nr. 37. 5 OLG München v. 11.11.1994 – 21 U 2262/94, NJWE-MietR 1997, 106. 6 KG v. 6.4.2006 – 8 U 99/05, GE 2006, 1230. 7 KG v. 1.12.2005 – 8 U 249/04, GE 2006, 1230. 8 BGH v. 10.1.1990 – VIII ZR 337/88, NJW-RR 90, 444 m.w.N., LG Köln v. 17.3.1987 – 12 S 296/86, WuM 1989, 71.

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gesetzt“, nicht gerecht. Im Hinblick auf die weitreichenden Konsequenzen, die an eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung geknüpft sind (der Mieter verliert sein Recht auf Durchführung; der Vermieter erhält den Anspruch auf Schadensersatz in Geld), gelten sehr strenge Anforderungen. Das Gesetz schreibt insoweit vor, dass die Frist mit einer Ablehnungsandrohung verbunden sein muss. (d) Entbehrlichkeit der Fristsetzung 661 Eine Fristsetzung (auch wenn sie mit Ablehnungsandrohung versehen werden müsste) ist entbehrlich, wenn eine sog. endgültige Erfüllungsverweigerung vorliegt1, § 281 Abs. 2 BGB. Dies ist nur anzunehmen, wenn der Mieter die Erfüllung bestimmt, ernstlich und endgültig verweigert2, im Ergebnis also kein Zweifel daran bestehen kann, dass der Mieter die Ausführung von Schönheitsreparaturen aufgrund seiner Erklärung nicht vornehmen wird. Notwendig ist aber, dass der Vermieter dem Mieter deutlich macht, was er von ihm im Einzelnen erwartet bzw. welche Arbeiten durchgeführt werden sollen3. Allein die Erklärung, rechtlich nicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet zu sein, kann nicht als endgültige Erfüllungsverweigerung bewertet werden4. Hierin liegt lediglich die Äußerung einer Rechtsansicht. Sobald sich der Mieter also auf rechtlichen Rat beruft oder seine Erklärung als Rechtsansicht zu verstehen ist, muss die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung doch noch erklärt werden. Das gilt auch, wenn der Rechtsanwalt des Mieters erklärt, sämtliche im Protokoll aufgelisteten Mängel würden von der normalen Abnutzung herrühren5. 662 Ob eine endgültige Erfüllungsverweigerung bereits vorliegt, wenn der Mieter ohne Durchführung der fälligen Renovierungsarbeiten auszieht, ist nicht immer eindeutig. Als ausreichende Erfüllungsverweigerung wurde es angesehen, dass der Mieter, ohne seine neue Anschrift zu hinterlassen und ohne hinsichtlich der Renovierung etwas zu veranlassen, ausgezogen war, wobei weder eine Ummeldung erfolgt noch ein Nachsendeantrag gestellt worden war6. Hat der Vermieter jedoch vor dem Auszug in einem Schreiben den Eindruck erweckt, er werde nach der Räumung gesondert an ihn herantreten, stellt der bloße Auszug keine Erfüllungsverweigerung dar7. 663 Das Erfordernis der Fristsetzung kann auch nicht formularmäßig abbedungen werden. Eine Klausel, nach der der Vermieter berechtigt sein soll, ohne Nachfristsetzung zur Mängelbeseitigung Räume zu öffnen, zu reinigen und in einen bezugsfertigen Zustand zu bringen, verstößt gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, da sie von dem wesentlichen Grundgedanken des § 281 Abs. 1 BGB (Nachfristsetzung) abweicht8. h) Sinnlose Renovierung wegen Modernisierung/Umbau 664 Einem Vermieter steht ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Geld ohne vorherige Fristsetzung nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung zu, wenn die Schönheitsreparaturen wegen anschließenden Umbaus sinnlos werden9. Denn will der Vermieter die Mieträume nach dem Auszug des Mieters umbauen, ist er regelmäßig an einer Sachleistung des Mieters nicht mehr interessiert. Bei dieser Sachlage wäre es zum einen widersinnig, den zum Umbau entschlossenen Vermieter an dem Anspruch auf Erfüllung der von dem Mieter vertraglich übernommenen Ver1 BGH v. 2.10.1996 – XII ZR 65/95, WuM 1997, 217; OLG Hamburg v. 29.10.1997 – 4 U 81/97, WuM 1998, 17. 2 BGH v. 16.6.1982 – VIII ZR 89/81, MDR 1983, 223 = NJW 1982, 2316; BGH v. 12.12.1991 – IX ZR 178/91, NJW 1992, 971. 3 KG v. 30.10.2006 – 8 U 38/06, WuM 2007, 71. 4 LG Wiesbaden v. 19.8.1985 – 1 S 6/85, WuM 1986, 113. 5 LG Hamburg v. 11.10.2012 – 307 S 70/12, ZMR 2013, 116. 6 LG Köln v. 11.9.1997 – 1 S 375/96, KM 31 Nr. 32. 7 KG v. 9.6.2008 – 12 U 183/07, MDR 2008, 1204 = MietRB 2009, 33 = WuM 2008, 592 = GE 2008, 1127 = GuT 2008, 342. 8 KG v. 30.10.2006 – 8 U 38/06, WuM 2007, 71. 9 BGH v. 25.6.1980 – VIII ZR 260/79, MDR 1981, 45 = WuM 1980, 241 = ZMR 1980, 378; BGH v. 5.6.2002 – XII ZR 220/99, MDR 2002, 1304 = NJW 2002, 2383 = NZM 2002, 655 = WuM 2002, 484.

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pflichtung zur Ausführung von Schönheitsreparaturen festzuhalten, obwohl bei Erfüllung dieser Pflicht das Geschaffene alsbald wieder zerstört würde. Zum anderen würde es regelmäßig in Widerspruch zu dem Inhalt des Mietvertrages stehen, den Mieter von seiner Verpflichtung zu befreien, ohne dass er hierfür einen Ausgleich entrichten müsste. Denn die im Vertrag übernommene Verpflichtung des Mieters zur Vornahme der Schönheitsreparaturen stellt sich im Regelfall als Teil des Entgelts dar, das er als Gegenleistung für die Leistung des Vermieters zu entrichten hat. Daher entspricht es nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte dem mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien, dem Vermieter anstelle des wirtschaftlich sinnlos gewordenen Anspruchs auf Durchführung von Schönheitsreparaturen einen entsprechenden Geldanspruch zu geben. Bei der Höhe des Anspruchs ist zu unterscheiden: Durfte der Mieter nach dem Miet- 665 vertrag die Arbeiten in Eigenleistung bzw. durch Verwandte oder Bekannte ausführen lassen, schuldet er als Ausgleich nur die Materialkosten und ein geringes Entgelt, das an „Freunde“ gezahlt wird1. Der Vermieter kann aber dann den Anspruch auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags eines Malers berechnen, wenn der Mieter die von ihm geschuldete Ausführung von Schönheitsreparaturen endgültig abgelehnt hatte. Eine derartige Verweigerung liegt auch vor, wenn der Mieter dem Vermieter erklärt, er könne die Renovierung wegen der geplanten Maßnahme nicht (mehr) verlangen und müsse sich auf den Zahlungsanspruch in Höhe der ersparten Eigenleistung beschränken2. i) Rechtsfolge unwirksamer Renovierungsklausel aa) Renovierungspflicht des Vermieters Verstößt die Klausel gegen § 307 BGB (was der Regelfall ist), gilt über § 306 BGB das 666 Gesetz. Demnach fällt die Renovierungspflicht im Rahmen des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB wieder an den Vermieter zurück. Der Vermieter muss, sobald Renovierungsbedarf besteht, die Schönheitsreparaturen ausführen. Insoweit ergibt sich ein Duldungsanspruch nach § 555a BGB. Kommt der Vermieter mit der Renovierung (= Mängelbeseitigung) in Verzug, beste- 667 hen die Rechte des § 536a BGB auf Ersatzvornahme und Schadensersatz wegen Verzugs einschließlich Vorschussanspruch. Der Mieter kann auch mindern, § 536 BGB. Hat der Mieter übermäßig abgenutzt, besteht u.U. ein Schadensersatzanspruch nach § 536 Abs. 2 BGB. Das kann z.B. in der Wohnung eines Rauchers angenommen werden, wenn er den Mangel (= Renovierungsbedarf) nicht anzeigt und dadurch Nikotin bis in den Putz eindringen kann, so dass neben der reinen Renovierung (z.B. Austausch der Tapeten) zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind3. bb) Erstattung von Renovierungs- und sonstigen Kosten (1) Ansprüche aus cic? Ein Verwender von AGB verletzt durch das Stellen unwirksamer Klauseln seine vor- 668 vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber seinem Vertragspartner und kann sich deshalb bei Verschulden diesem gegenüber schadensersatzpflichtig machen, wenn der Vertragspartner in Unkenntnis der Unwirksamkeit der Klausel Aufwendungen tätigt4. Dies gilt auch in dem Fall, dass ein Vermieter gegenüber dem Mieter schuldhaft (§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB) unwirksame AGB über die Durchführung

1 BGH v. 20.10.2004 – VIII ZR 378/03, MDR 2005, 266 = MietRB 2005, 62 = GE 2005, 51 = WuM 2005, 50 = NZM 2005, 58 = ZMR 2005, 109. 2 KG v. 28.4.2008 – 8 U 154/07, MietRB 2009, 64 (65) = GE 2009, 448. 3 BGH v. 5.3.2008 – VIII ZR 37/07, MDR 2008, 617 = MietRB 2008, 161 = NZM 2008, 318 = ZMR 2008, 524 mit Anm. Schläger. 4 Vgl. BGH v. 12.11.1986 – VIII ZR 280/85, BGHZ 99, 101, 107 = MDR 1987, 227; BGH v. 8.10.1987 – VII ZR 358/86, MDR 1988, 219 = WM 1988, 56 (unter 3a); BGH v. 28.5.1984 – III ZR 63/83, MDR 1985, 124 = WM 1984, 986 (unter II 5a bb); ferner etwa Erman/Roloff, 12. Aufl., Vor § 307 bis 309 BGB Rz. 19 m.w.N.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

von Schönheitsreparaturen verwendet und der Mieter daraufhin in der irrigen Annahme der Wirksamkeit dieser Regelungen Renovierungsaufwendungen tätigt1. 669 Bei dem Anspruch ist aber problematisch, ob den Vermieter als Verwender ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann2. Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn der BGH kurz vor Abschluss des konkreten Mietvertrages eine identische Klausel als wirksam behandelt hatte3. 670 Im Übrigen setzt der Anspruch des Mieters (u.a.) voraus, dass der Mietvertrag mit dem Anspruchsgegner abgeschlossen wurde. Deshalb ist der aktuelle Vermieter nicht passivlegitimiert, wenn zwischenzeitlich ein Erwerb nach § 566 BGB stattgefunden hat4. (2) Aufwendungsersatz nach § 684 BGB 671 § 539 Abs. 1 BGB bestimmt, dass der Mieter vom Vermieter Aufwendungen auf die Mietsache, die der Vermieter ihm nicht gemäß § 536a Abs. 2 BGB zu ersetzen hat, nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB) ersetzt verlangen kann. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung, die erfordert, dass zugleich die gesetzlichen Voraussetzungen einer GoA vorliegen5. Daran kann es fehlen, wenn sich der Mieter durch eine individualvertragliche Abrede wirksam zur Vornahme der getätigten Endrenovierung verpflichtet und in diesem Fall eine eigene vertragliche Pflicht erfüllt hätte6. 672 Bei einer (unwirksamen) Formularklausel, die den Mieter zur Durchführung der Renovierung verpflichten soll, führt der Mieter selbst bei einer Schlussrenovierung kein Geschäft des Vermieters7. Denn mit der Vornahme von Schönheitsreparaturen will der Mieter eine Leistung erbringen, die rechtlich und wirtschaftlich als Teil des von ihm für die Gebrauchsüberlassung an der Wohnung geschuldeten Entgelts anzusehen ist8. Eine dadurch bewirkte Vermögensmehrung des Vermieters stellt ebenso wenig wie die Zahlung der Miete eine Wahrnehmung von Vermieterinteressen dar.

1 Blank, FS Derleder, S. 189, 198 ff.; Börstinghaus, WuM 2005, 675 (678); Lehmann-Richter, WuM 2005, 747; Sternel, ZMR 2008, 501; Bamberger/Roth/Ehlert, § 535 BGB Rz. 196a; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 126; Palandt/Weidenkaff, § 535 BGB Rz. 47a. 2 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = WuM 2009, 395 = GE 2009, 901 = ZMR 2009, 829. 3 BGH v. 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, MDR 1998, 1155 = WuM 1998, 592 (unter III 2 und 3) (Klausel mit einfachem Fristenplan). 4 LG Berlin v. 21.5.2010 – 65 S 526/09, GE 2010, 909. 5 BGH v. 24.2.1982 – IVa ZR 306/08, WPM 1982, 698 (unter I 3a); Palandt/Weidenkaff, § 539 BGB Rz. 6 m.w.N. 6 Vgl. BGH v. 24.10.1974 – VII ZR 80/73, BGHZ 63, 119, 120 f. 7 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = WuM 2009, 395 = GE 2009, 901 = ZMR 2009, 82; LG Berlin v. 23.10.2006 – 62 S 187/06, GE 2007, 517 (518); LG Waldshut-Tiengen v. 25.3.1999 – 1 S 66/98, WuM 2000, 240; AG Köln v. 21.1.2004 – 214 C 527/03, WuM 2006, 261 (262); AG München v. 14.5.2001 – 453 C 17448/00, NZM 2001, 1030; Blank, FS Derleder, S. 189, 197 f.; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 6; Both, WuM 2007, 3 (6); Horst, DWW 2007, 48 (52); Lange, NZM 2007, 785 (787); Paschke, WuM 2008, 647 (648 f.); Kinne, GE 2009, 358 f.; a.A. LG Landshut v. 21.11.2007 – 12 S 2236/07, WuM 2008, 335; LG Wuppertal v. 23.8.2007 – 9 S 478/06, ZMR 2007, 973; LG Karlsruhe v. 28.4.2006 – 9 S 479/05, NZM 2006, 508; Sternel, ZMR 2008, 501 (502). 8 BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, BGHZ 92, 363, 370 f. = MDR 1985, 400; BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, BGHZ 101, 253, 262 = MDR 1987, 927; BGH v. 6.7.1988 – VIII ARZ 1/88, BGHZ 105, 71, 79 ff. = MDR 1988, 1051; BGH v. 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, MDR 1998, 1155 = WPM 1998, 2145 (III 2c); BGH v. 28.4.2004 – VIII ZR 230/03, MietRB 2004, 253 = NJW 2004, 2087 (unter III a); BGH v. 20.10.2004 – VIII ZR 378/03, MDR 2005, 266 = MietRB 2005, 62 = WuM 2005, 50 (unter II 2b); BGH v. 5.6.2002 – XII ZR 220/99, MDR 2002, 1304 = WuM 2002, 484 (unter II b).

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

(3) Bereicherungsausgleich Wurden Schönheitsreparaturen auf Grund einer unwirksamen Endrenovierungsklau- 673 sel und damit ohne rechtlichen Grund erbracht, kommen Ansprüche aus § 812 BGB in Betracht. Da die von dem Mieter rechtsgrundlos erbrachte Leistung nicht in Natur herausgege- 674 ben werden kann, hat der Vermieter nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Dieser ist nicht auf Ausgleich des hierdurch eingetretenen höheren Ertragswertes des Mietobjekts, d.h. der bei der Neuvermietung erzielbaren höheren Mieteinnahmen1 beschränkt. Vielmehr kann sich der Wert wie bei rechtsgrundlos erbrachten Dienst- oder (nicht verkörperten) Werkleistungen der herauszugebenden Bereicherung grundsätzlich nach dem Wert der üblichen, hilfsweise der angemessenen Vergütung bemessen2. Eine solche Bemessung kann auch bei verkörperten Werkleistungen angebracht sein3. Das ist im Mietrecht deshalb geboten, weil der von dem Mieter herbeigeführte Dekorationserfolg dem entspricht, was der Vermieter in der von ihm gestellten unwirksamen Renovierungsklausel ohnehin verlangt und was er im Zuge der Weitervermietung nutzen kann, ohne dass es dafür entscheidend darauf ankommt, ob und in welcher Höhe dies zu einer Wertsteigerung der Mietwohnung geführt hat4. Den Wert der von dem Mieter erbrachten Eigenleistungen, der im Allgemeinen nur 675 einen Bruchteil des Betrages ausmacht, den der Mieter bei Beauftragung eines Handwerkers hätte aufbringen müssen, kann gemäß § 287 ZPO geschätzt werden. Ob ein höherer Wert etwa deshalb anzusetzen ist, weil die Ausführung der Schönheitsreparaturen zugleich Gegenstand eines von dem Mieter in selbständiger beruflicher Tätigkeit geführten Gewerbes ist, ist Tatfrage. Regelmäßig kann die Leistung des Mieters mit 10–15 Euro angesetzt werden. (4) Verjährung Die Verjährung der vorstehenden Ansprüche richtet sich nach § 548 Abs. 2 BGB und 676 tritt daher sechs Monate nach Beendigung des Mietvertrages ein. Dies gilt unabhängig von der Anspruchsgrundlage, denn § 548 Abs. 2 BGB will umfassend für eine zügige Abwicklung des Mietvertrages sorgen und auf Seiten des Mieters die Investitionen in die Mietsache erfassen5. Ob sich die Verjährung der Ansprüche, die sich durch die Ausführung der Renovie- 677 rung im laufenden Mietverhältnis ergeben, nach den §§ 195, 199 BGB oder (auch) nach § 548 Abs. 2 BGB richtet, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden6. Richtigerweise sind die Ansprüche aber im laufenden Mietvertag unverjährbar. Denn § 548 Abs. 2 BGB bestimmt gerade für diese Ansprüche einen anderen Verjährungsbeginn i.S.v. § 200 BGB7. cc) Mieterhöhung (1) Preisfreier Wohnraum Ob der Vermieter die (unerwartete) Last der eigenen Renovierungsverpflichtung durch eine Mieterhöhung nach § 558 BGB kompensieren kann, ist umstritten. Teil-

1 BGH v. 26.7.2006 – XII ZR 46/05, GE 2006, 1224; BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, MDR 2006, 505 = MietRB 2006, 94 = WuM 2006, 169; BGH v. 4.4.1990 – VIII ZR 71/89, MDR 1990, 913 = NJW 1990, 1789; OLG München v. 21.4.1995 – 21 U 5722/94, NJW-RR 1997, 650. 2 Palandt/Sprau, § 818 BGB Rz. 21; Bamberger/Roth/Wendehorst, § 818 BGB Rz. 30, jeweils m.w.N. 3 Vgl. BGH v. 26.4.2001 – VII ZR 222/99, WPM 2001, 1766 (unter IV 2d). 4 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = WuM 2009, 395 = GE 2009, 901 = ZMR 2009, 829. 5 BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 195/10, MDR 2011, 777 = WuM 2011, 363 = GE 2011, 813 = ZMR 2011, 705 = NZM 2011, 452. 6 Offen gelassen: BGH v. 31.1.2012 – VIII ZR 141/11, ZMR 2012, 610 = NZM 2012, 380. 7 Vgl. LG Berlin v. 11.3.2011 – 63 S 277/10, WuM 2011, 365 = GE 2011, 547.

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weise wird dies bejaht1. Ergänzend besteht die Auffassung2, dass der Vermieter den Zuschlag nur verlangen dürfe, wenn er zuvor dem Mieter Vertragsverhandlungen mit dem Ziel der Vereinbarung einer wirksamen Schönheitsreparaturübernahme durch den Mieter angeboten hat. Teilweise wird auch ein Wahlrecht des Mieters, entweder der Mieterhöhung zuzustimmen oder den Vermieter an der Renovierungsklausel festzuhalten, angenommen3. Weiterhin wird die Meinung vertreten4, dass jedenfalls dann, wenn der Mieter zu erkennen gebe, dass er trotz Unwirksamkeit der Überbürdung der Schönheitsreparaturen auch in Zukunft für den Erhalt der Wohnung selbst zu sorgen bereit sei, es dem Vermieter verwehrt sei, einen Zuschlag auf die Miete durchzusetzen. Die Kompensationsmöglichkeit über die Mieterhöhung wird zum Teil mit dem Hinweis auf den Strafcharakter des § 307 BGB abgelehnt5, teilweise wird auf das Verbot geltungserhaltender Reduktion unwirksamer Klauseln abgestellt6. Schließlich wird die Auffassung vertreten, dass die Gegenleistung des Mieters nur in der Miete bestehe, weshalb bei Unwirksamkeit der Klausel über die Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter auch kein Raum für eine Kompensation bestehe7. 679 Der BGH8 hat entschieden, dass der Vermieter nicht berechtigt ist, einen Zuschlag zur ortsüblichen Miete zu verlangen, wenn der Mietvertrag eine unwirksame Klausel zur Übertragung der Schönheitsreparaturen enthält. Nach § 558 Abs. 1 S. 1 BGB sei die ortsübliche Vergleichsmiete maßgeblich; einen darüber hinausgehenden Zuschlag sehe das Gesetz nicht vor. Er ließe sich auch nicht mit dem vom Gesetzgeber vorgesehenen System der Vergleichsmiete in Einklang bringen. Insoweit würden die jeweiligen Marktverhältnisse den Maßstab für die Berechtigung einer Mieterhöhung bilden. Der begehrte Zuschlag orientiere sich aber an den Kosten für die Vornahme der Schönheitsreparaturen. Mit der Anerkennung eines Zuschlags würde daher im nicht preisgebundenen Mietwohnraum ein Kostenelement zur Begründung einer Mieterhöhung ohne Rücksicht darauf herangezogen, ob diese Kosten am Markt durchsetzbar wären. 680 Das Problem ist damit nicht aus der Welt. Mit seinem Urteil vom 20.6.20079 hatte der VIII. Senat festgestellt, dass der Vermieter die Miete auch dann auf das ortübliche Niveau anheben darf, wenn die Anfangsmiete darunter lag. Maßgeblich sei allein, dass im Zeitpunkt der Mieterhöhung insoweit die Voraussetzungen des § 558 BGB vorliegen. Wenn sich ermitteln lässt, dass die ortsübliche Miete keine Kosten für Schönheitsreparaturen enthält, andernfalls am Markt eine höhere Miete gezahlt wird, liegen die Voraussetzungen des § 558 BGB vor. Die Ermittlung ist unschwer möglich10. Andernfalls müsste auch in dem Fall der niedrigen Anfangsmiete geprüft werden, ob 1 OLG Karlsruhe v. 18.4.2007 – 7 U 186/06, MietRB 2007, 194 = WuM 2007, 454 = ZMR 2007, 439 = GE 2007, 909 = NZM 2007, 481; OLG Frankfurt v. 28.11.2007 – 2 U 200/07, WuM 2008, 82; AG Bretten v. 8.3.2005 – 1 C 526/04, DWW 2005, 293; AG Frankfurt v. 16.9.2005 – 33 C 2479/05, NJW 2005, 3294 = WuM 2005, 7221; AG Langenfeld v. 12.10.2005 – 11 C 123/05, NZM 2006, 178; Stürzer, WuM 2004, 512; Warnecke, WuM 2006, 188; Both, WuM 2007, 3; vgl. auch Eisenhardt, WuM 2008, 63. 2 LG Düsseldorf v. 16.5.2007 – 21 S 375/05, WuM 2007, 456; LG Düsseldorf v. 18.5.2006 – 21 S 288/05, NZM 2006, 657 = WuM 2006, 387; Kappes, NJW 2006, 3031 (3033); Schmidt-Futterer/ Börstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., § 558a BGB Rz. 51; Börstinghaus, NZM 2005, 931; Börstinghaus, jurisPR-MietR 23/2005 Anm. 1. 3 Vgl. Blank, S. 22. 4 LG Nürnberg-Fürth v. 18.11.2005 – 7 S 7698/05, NZM 2006, 53 = WuM 2006, 53. 5 Vgl. Ahrlt, DWW 2005, 96 = GuT 2005, 47. 6 Vgl. Hemming, WuM 2005, 165; Lehmann-Richter, ZMR 2005, 170 (173). 7 Emmerich, NZM 2006, 761. 8 BGH v. 11.2.2009 – VIII ZR 118/07, WuM 2009, 240 = NZM 2009, 313; BGH v. 9.7.2008 – VIII ZR 83/07, WuM 2008, 487 = GE 2008, 1046 = ZMR 2008, 878; BGH v. 9.7.2008 – VIII ZR 181/07, MDR 2008, 1149 = MietRB 2008, 225 = GE 2008, 1117 = NZM 2008, 641 = DWW 2008, 256 = ZMR 2008, 879. 9 BGH v. 20.6.2007 – VIII ZR 303/06, MDR 2007, 1302 = MietRB 2007, 256 = NZM 2007, 639. 10 Vgl. OLG Karlsruhe v. 18.4.2007 – 7 U 186/06, MietRB 2007, 194 = WuM 2007, 454 = ZMR 2007, 439 = GE 2007, 909 = NZM 2007, 481 (hier war ein Gutachten eingeholt worden, dass bestätig-

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sich eine höhere Anfangsmiete am Markt durchsetzen lässt. Ob dies zu einem positiven Ergebnis führt, ist zweifelhaft, zumal wenn ein Lockvogelangebot vorliegt. Die notwendigen Ermittlungen sind ohne weiteres möglich. Immerhin hat z.B. die 681 Bundesrepublik Deutschland (= Bundesamt für Immobilienaufgaben, einer der größten Vermieter in der Republik) teilweise selber inklusive Schönheitsreparatur durch den Vermieter vermietet und weist dafür z.T. einen Betrag für Schönheitsreparaturen im Vertrag aus. Auch einige Versicherungskonzerne vermieten nach dieser Mietstruktur. Auch andere große Vermieter weisen in ihren Mietverträgen z.T. Beträge für Schönheitsreparaturen als Teil der Miete aus. Damit lässt sich aber u.U. ein örtlicher Markt feststellen. Bei ehemals preisgebundenem Wohnraum, für den die Bindungsfrist abgelaufen ist, 682 gelten keine anderen Grundsätze1, obwohl in der Grundmiete seit ehedem (gemäß § 28 Abs. 4 II. BV nachvollziehbare) Ansätze für die Schönheitsreparaturen enthalten sind2. Dies ist richtig, selbst wenn seit dem Ende der Preisbindung noch keine Mieterhöhung nach § 558 BGB stattgefunden hat. Denn ansonsten wird der Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 2 BGB verkannt. Danach muss festgestellt werden, ob sich eine ortübliche Miete mit entsprechenden Zuschlägen ermitteln lässt. Dann kann der in der Miete enthaltene ehemalige Ansatz nach § 28 Abs. 4 BGB als Ausgangspunkt der Bewertung im konkreten Mietvertrag dienen. (2) Preisgebundener Wohnraum Die Kostenmiete als das zulässige Entgelt bei öffentlich gefördertem Wohnraum i.S.v. 683 § 50 WoFG wird in § 8 Abs. 1 S. 1 WoBindG dahin bestimmt, dass der Verfügungsberechtigte die Wohnung nicht gegen ein höheres Entgelt zum Gebrauch überlassen darf, als zur Deckung der laufenden Aufwendungen erforderlich ist. Zu den laufenden Aufwendungen gehören die in § 28 II. BV näher umschriebenen Instandhaltungskosten. Die Kostenmiete als das gesetzlich zulässige Entgelt, das der Vermieter nach §§ 8 Abs. 1 S. 1, 10 Abs. 1 S. 1 WoBindG zu fordern berechtigt ist, bestimmt sich unabhängig davon, ob die dispositiven Regelungen des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB und des § 28 Abs. 4 II. BV aufgrund einer fehlenden oder einer unwirksamen Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter zum Tragen kommen3. Deshalb ist der Vermieter von preisgebundenem Wohnraum über § 10 Abs. 1 WoBindG (ggf. i.V.m. § 4 Abs. 8 NMV) berechtigt, den Zuschlag nach § 28 Abs. 4 II. BV in die Wirtschaftlichkeitsberechnung einzustellen und die Kostenmiete anzuheben4. Die Berechtigung des Vermieters zu einem Zuschlag nach § 28 Abs. 4 II. BV entfällt 684 bei der Kostenmiete nur dann, wenn die Kosten der Schönheitsreparaturen wirksam auf den Mieter abgewälzt worden sind, nicht aber auch dann, wenn der Vermieter die Abwälzung zwar beabsichtigt hat, mit diesem Vorhaben aber gescheitert ist5. Auch ein Schadensersatzanspruch des Mieters wegen Verwendung einer unwirk- 685 samen Mietvertragsklausel hindert die Mieterhöhung nicht6. Zwar kann insoweit ein Anspruch aus culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) begründet sein7. Daraus folgt jedoch kein Anspruch des Mieters, so gestellt zu werden,

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te, dass Wohnungen, bei denen der Vermieter die Renovierung schuldet, mit höherer Miete überlassen werden). BGH v. 9.11.2011 – VIII ZR 87/11, WuM 2012, 27 = GE 2012, 62. So LG Darmstadt v. 23.2.2011 – 25 S 190/11, WuM 2011, 286 m. ablehnender Anm. Blank. Ebenso AG Wetzlar v. 2.12.2008 – 38 C 1882/07, WuM 2009, 172; AG Schöneberg v. 6.6.2008 – 17b C 295/07, GE 2008, 1495; Bellinger, WuM 2009, 158 ff.; Flatow, WuM 2009, 208 (214 f.); a.A. AG Tempelhof-Kreuzberg v. 25.5.2009 – 20 C 556/08, WuM 2009, 480; AG Stuttgart-Bad Cannstadt v. 29.9.2009 – 2 C 1685/09, WuM 2009, 674; Wüstefeld, WuM 2008, 697. BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 177/09, MDR 2010, 686 = WuM 2010, 296 = NZM 2010, 396. Flatow, WuM 2009, 208 (214). BGH v. 12.1.2011 – VIII ZR 6/10, MietRB 2011, 273 = WuM 2011, 112 = GE 2011, 478 = ZMR 2011, 457 = NZM 2011, 478. BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, BGHZ 181, 188 = MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 (Rz. 10) m.w.N.

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als wenn der Vermieter eine wirksame Schönheitsreparaturklausel verwendet hätte. Vielmehr ist die Rechtsfolge dieses Anspruchs darauf gerichtet, die Verwendung unwirksamer Klauseln zu unterlassen und nicht (wirksame) AGB zu verwenden. 686 Deshalb ist der Vermieter berechtigt, die Kostenmiete um diesen Zuschlag zu erhöhen. Der Höhe nach bestimmt sich der Zuschlag nach den Werten des § 28 Abs. 4 II. BV1. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 8 NMV kann die Mieterhöhung auch rückwirkend geltend gemacht werden. 687 Aus den Umständen ergibt sich in der Regel keine Vereinbarung über den Ausschluss des Rechts zur Mieterhöhung. Denn den Parteien war bei Abschluss des Mietvertrags nicht bewusst, dass die Klausel unwirksam war und deshalb die geforderte Miete unter der gesetzlich zulässigen Kostenmiete lag. Auch der „Einfrierungsgrundsatz“2 rechtfertigt keine andere Beurteilung3. Danach bleibt der Vermieter an den bei der Bewilligung der öffentlichen Mittel gewählten Ansatz gebunden, wenn er niedriger als der seinerzeit zulässige Ansatz war. Das ist nicht der Fall, wenn die der Antragstellung zugrunde gelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung von einer Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter ausgeht. Denn dann wurden die Instandhaltungskosten in der damaligen Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht niedriger angesetzt, als dies unter der Voraussetzung einer Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter zulässig war. Aus dem gleichen Grund kann aus der damaligen Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht abgeleitet werden, dass der Vermieter auf eine Erhöhung der Kostenmiete um den Erhöhungsbetrag für von ihm selbst durchzuführende Schönheitsreparaturen etwa verzichtet hätte. 688 U.U. kann die Mieterhöhung treuwidrig sein, wenn der Vermieter zuvor keine wirksame, neue Klausel über die Renovierung angeboten hat. Dann muss aber im Prozess entsprechender Sachvortrag erfolgen4. j) Darlegungs- und Beweislast 689 Der Vermieter muss, da er eine Abänderung von § 535 Abs. 1 S. 2 BGB geltend macht, darlegen und beweisen, dass und in welchem Umfang die Schönheitsreparaturen auf den Mieter abgewälzt worden sind. Weiter hat er alle Voraussetzungen des § 281 BGB, also Fälligkeit der Schönheitsreparaturen und Fristsetzung zur Ausführung sowie Eintritt eines Schadens, darzutun und zu beweisen5. Demgegenüber muss der Mieter die Erfüllung seiner Verpflichtung zur Vornahme der Schönheitsreparaturen beweisen6. 690 Findet bei Übergabe der Mieträume eine Übergabeverhandlung statt und wird hierbei ein von beiden Mietvertragsparteien getragenes Übergabeprotokoll angefertigt, erschöpft sich, wenn sich aus den Absprachen und Umständen nichts anderes herleiten lässt, die Wirkung des Protokolls nicht in einer Umkehr der Beweislast7. Sinn und Zweck der Übergabeverhandlung und der Aufnahme eines gemeinsamen Protokolls ist es vielmehr, späteren Streit über Vorhandensein und Art von Schäden am Mietobjekt, also auch über die Notwendigkeit und Fälligkeit von Schönheitsreparaturen, zu vermeiden, so dass der Vermieter später nur die Ausführung der als fällig protokollierten Maßnahmen verlangen kann8. 691 Ob die Absprachen in einem Wohnungsübergabeprotokoll, das unter Verwendung eines Protokollvordrucks erstellt wird, Formular- oder Individualvereinbarungen darstellen, ist eine Frage des Einzelfalles. Grundsätzlich spricht die Tatsache, dass der 1 BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 177/09, MDR 2010, 686 = MietRB 2010, 157 = WuM 2010, 296. 2 Dazu Heix in WoBauR, § 4a II. BV Anm. 2 f.; Hannemann/Wiegner/Bister, § 37 Rz. 29 f. 3 Bellinger, WuM 2009, 158 (160); a.A. AG Stuttgart-Bad Cannstatt v. 29.9.2009 – 2 C 1685/09, WuM 2009, 674; Wüstefeld, WuM 2008, 697. 4 BGH v. 13.7.2010 – VIII ZR 281/09, WuM 2010, 645; BGH v. 31.8.2010 – VIII ZR 28/10, GE 2010, 1680. 5 Palandt/Grüneberg, § 281 BGB Rz. 53. 6 Bub/Treier/Kraemer, III A Rz. 1071. 7 AG Cham v. 5.3.2010 – 8 C 647/08, ZMR 2011, 642. 8 BGH v. 10.11.1982 – VIII ZR 252/81, MDR 1983, 394 = NJW 1983, 446.

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Vermieter mit einem Vordruck zur Übergabe erscheint, für die Vermutung, dass es sich bei den Abreden um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 BGB handelt, zumal wenn ein gewerblicher Vermieter sie verwendet1. Im Hinblick darauf trägt derjenige, der abweichend von diesem Anschein eine Individualvereinbarung behauptet, die Beweislast2. 4. Sonstige Erhaltungspflichten des Mieters Vom Mieter eingebrachte Gegenstände sind von ihm selbst instand zu setzen und zu 692 erhalten. Dies gilt selbst dann, wenn der Mieter eine Leistung aus dem Pflichtenprogramm des Vermieters zu Beginn des Mietvertrages herausnimmt (hier: Lieferung eines Teppichbodens), durch eine eigene Leistung ersetzt (Verlegen von PVC-Bodenbelag) und dabei der vom Vermieter für seine Leistung ins Auge gefasste Handwerker tätig geworden ist3. Das Gleiche gilt für eine Gasetagenheizung, die anstelle der vorhandenen Ofenhei- 693 zung vom Mieter mit Zustimmung des Vermieters installiert wurde und heute nicht mehr den Vorgaben der EnEV genügt. Hier ist der Mieter modernisierungspflichtig4. Immerhin schuldet der Vermieter im Rahmen des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nur eine Beheizung mit Öfen und unterliegt die eingebaute Einrichtung nach wie vor dem Wegnahmerecht des Mieters nach § 539 Abs. 2 BGB. 5. Haftungsbeschränkungen des Vermieters Mittelbar kann der Vermieter seine Erhaltungspflicht auf den Mieter dadurch abwäl- 694 zen, dass er seine Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Bei Formularklauseln ist insoweit mindestens zu beachten, dass gemäß § 309 Nr. 7 BGB Haftungsmilderungen für Schäden an Körper, Gesundheit oder Freiheit unzulässig sind. Allerdings erlaubt § 309 Nr. 7 BGB darüber hinaus grundsätzlich die Beschränkung 695 der Haftung des Verwenders auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz. Soweit sich die Haftungsmilderung aber auch auf eine Verletzung der Kernpflicht des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB beziehen kann, liegt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters i.S.v. § 307 Abs. 2 BGB vor, wenn damit auch vertragstypische Risiken, gegen die sich der Vermieter versichern kann, erfasst sein können5. VI. Erfüllungsanspruch des Mieters § 535 Abs. 1 2 BGB bietet dem Mieter eine mehrfache Anspruchsgrundlage: Auf diese 696 Vorschrift gestützt kann er – Überlassung der Mietsache (= Übergabe), § 535 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. BGB, – Herbeiführung des vertragsgemäßen Übergabezustandes, § 535 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. BGB, – Mängelbeseitigung im laufenden Mietvertrag, § 535 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB, – Gebrauchsgewährung als solche einschließlich Beseitigung von Störungen Dritter, § 535 Abs. 1 S. 1 BGB, verlangen. Bei der Überlassung und der Herbeiführung des Übergabezustandes gelten die unter 697 § 535 BGB Rz. 349 ff. dargestellten Grundsätze. Der Mieter muss Teilleistungen nicht akzeptieren, § 266 BGB.

1 AG Gießen v. 7.3.2011 – 48 C 130/10, ZMR 2011, 555; a.A. LG Hannover v. 16.10.2009 – 4 S 43/07, ZMR 2011, 212. 2 A.A. LG Hannover v. 16.10.2009 – 4 S 43/07, ZMR 2011, 212. 3 KG v. 16.8.2004 – 12 U 310/03, MietRB 2005, 34 = ZMR 2004, 908 = GE 2004, 1393 = GuT 2004, 230. 4 A.A. AG Tempelhof-Kreuzberg v. 26.10.2010 – 3 C 23/10, GE 2010, 1691. 5 BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, WuM 2002, 141 = NZM 2002, 116 = MDR 2002, 330 = GuT 2002, 45.

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698 Andererseits kann der Vermieter den vertragsgemäßen Gebrauch dadurch beeinträchtigen, dass er das Umfeld verändert. Ob und ggf. in welchem Umfang das zulässig ist bzw. wann die Grenze zu einem vertragswidrigen Zustand überschritten ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Insoweit ist maßgeblich auf die konkrete Ausgestaltung der Nutzung abzustellen, insbesondere ob sie so organisiert ist, dass z.B. bei einer bisher nicht vorhandenen gewerblichen Nutzung1 von einem etwaigen Publikumsverkehr oder einer Vermietung an Touristen2 keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung. 1. Leistungshindernisse 699 Bis zur Übergabe gelten grundsätzlich die allgemeinen Bestimmungen, soweit kein Rechtsmangel vorliegt (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 34). Deshalb kann der Erfüllungsanspruch aus tatsächlichen Umständen bis zur Übergabe nur nach den §§ 275, 323 BGB untergehen. 700 Bei der Übergabe stellt der mangelhafte Zustand der Wohnung regelmäßig nur ein vorübergehendes Leistungshindernis dar, so dass der Erfüllungsanspruch nach § 275 Abs. 1 BGB nicht untergeht. Liegt ein Rechtsmangel vor, bildet § 536 Abs. 3 BGB gegenüber § 275 Abs. 1 BGB lex specialis3. Damit bleibt der Erfüllungsanspruch in beiden Fällen grundsätzlich bestehen. 2. Mängelbeseitigung 701 Ist die Mietsache bei der Übergabe mangelhaft, kann der Mieter dennoch die Leistung des Vermieters annehmen und Mängelbeseitigung verlangen. Dafür ist ein Vorbehalt bei der Übergabe grundsätzlich nicht erforderlich4. Denn der Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 BGB wird durch § 536b BGB nicht berührt5. 702 Wird die Mietsache im laufenden Mietvertrag mangelhaft, bildet § 535 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB ebenfalls die Anspruchsgrundlage für einen Erfüllungsanspruch des Mieters. Das gilt selbst dann, wenn die Mangelursache zwar der Sphäre des Mieters (ausschließlich oder auch) zuzurechnen ist, der Mieter den Mangel aber nicht zu vertreten hat, weil er die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs nicht überschritten hat6. Deshalb ist der Vermieter bei einem Auftreten von Fogging verpflichtet, die Mängel vollständig zu beseitigen. Beruht eine Schimmelbildung aber ausschließlich auf falschem Lüftungs- und Heizungsverhalten des Mieters, also auf einer Verletzung seiner Obhutspflicht, ist der Mieter bei fahrlässiger Verursachung im Rahmen seiner Schadensersatzpflicht für die Beseitigung verantwortlich. 703 Begehrt der Mieter vergeblich die Erfüllung, kann er zur Durchsetzung dieses Anspruchs spätestens, wenn Verzug eingetreten ist, folgende Rechte geltend machen: – Erhebung einer Klage auf Erfüllung (Mängelbeseitigung, Unterlassung, Leistung), – Ausübung eines Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB hinsichtlich der Miete (vgl. § 535 BGB Rz. 887 f.), – Verlangen nach Vorschuss in Höhe der voraussichtlich erforderlichen Beseitigungskosten7, – Selbstbeseitigung des Mangels mit der Folge des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB, 1 BGH v. 14.7.2009 – VIII ZR 165/08, NJW 2009, 3157 (Rz. 15). 2 BGH v. 29.2.2012 – VIII ZR 155/11, WuM 2012, 269; zur Vermietung einer Eigentumswohnung an Feriengäste vgl. BGH v. 15.1.2010 – V ZR 72/09, NJW 2010, 3093 (Rz. 16 ff., 23) m.w.N. 3 BGH v. 15.2.1961 – VIII ZR 183/59, NJW 1961, 917. 4 Vgl. z.B. BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = WuM 1987, 306. 5 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = MietRB 2007, 195 = GuT 2007, 208 = ZMR 2007, 605 = GE 2007, 840 = NZM 2007, 484. 6 BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 271/07, MietRB 2008, 258 = MDR 2008, 966 = WuM 2008, 476 = ZMR 2008, 869. 7 BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 271/07, MietRB 2008, 258 = MDR 2008, 966 = WuM 2008, 476 = ZMR 2008, 869.

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– Durchführung einer Minderung, soweit eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung vorliegt, § 536 BGB. a) Umfang der Mängelbeseitigung Im Zuge der Mängelbeseitigung kann der Mieter die Herbeiführung der Sollbeschaffenheit verlangen (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 349 ff.). Mangels anderer Absprachen orientiert sich die Sollbeschaffenheit grundsätzlich an dem Zustand bei Vertragsschluss1.

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Der Mieter hat keinen Anspruch auf eine bestimmte Art der Mängelbeseitigung2 oder 705 die Ursache des Mangels3. Maßgeblich ist allein, dass der Vermieter die Gebrauchsbeeinträchtigung beseitigt und die Sollbeschaffenheit wiederherstellt. Ob er dabei die Regeln der Kunst des betreffenden Handwerks einhält und/oder Fachkräfte beauftragt bzw. beschäftigt, ist grundsätzlich unerheblich. Allerdings muss er sich nicht mit einer provisorischen Mängelbeseitigung zufrieden geben (z.B. Beispachteln von Rissen ohne Beseitigung der Ursache4). Grundsätzlich obliegt dem Vermieter die Entscheidung über die Art und Weise einer 706 Mangelbeseitigung. Allerdings darf die von ihm beabsichtigte Maßnahme nicht zu einer unzulässigen Änderung des vertragsgemäßen Gebrauchs führen. Das soll z.B. der Fall sein, wenn eine Innendämmung zur Beseitigung von Feuchtigkeitsbildung dazu führt, dass die nutzbare Wohnfläche verringert wird und Möbel mit einem Abstand von 10 bis 15 cm von der Außenwand aufgestellt werden müssten5. Dies ist aber zweifelhaft. Richtigerweise ist der Vermieter berechtigt, in diesem Fall die Mängelbeseitigung in der beschriebenen Weise durchzuführen, wenn andere Maßnahmen auch und gerade unter dem Gesichtspunkt der Opfergrenze ausscheiden. Der Mieter ist sodann wegen der Flächeneinschränkung zur Minderung berechtigt, wenn die Beschränkung denn erheblich ist (also mehr als 10 % beträgt). Im Übrigen kann der Mieter eine Mängelbeseitigung ablehnen, wenn der Vermieter 707 selbst als Laie oder durch sonstige Hilfskräfte bereits mehrfach vergeblich versucht hat, den Mangel durch Flickwerk zu beseitigen. Dabei ist immer zu berücksichtigen, dass auch Fachkräfte bei bestimmten Phänomenen vielfach mehrere Ursachen ausschließen müssen, bevor sie die eigentliche zutreffende Maßnahme herbeiführen können. Dies gilt insbesondere bei Feuchtigkeit durch auslaufendes Wasser oder Knackgeräuschen im Leitungssystem. Wie bei der Modernisierung6 gehört zur vollständigen Mängelbeseitigung insbesonde- 708 re die Erneuerung der Dekoration. Bei Feuchtigkeitsschäden müssen selbst dann abschließende Renovierungsarbeiten vom Vermieter durchgeführt werden, wenn deren Ursache noch ungeklärt ist, der Vermieter aber vor endgültiger Ursachenfeststellung eine Mängelbeseitigung durchführt7. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Mieter (wirksam) zur laufenden Renovierung verpflichtet wurde und Schönheitsreparaturen fällig sind8. Denn die Schönheitsreparaturen, die dem Mieter überbürdet werden, erfassen nur den Zustand, der durch vertragsgemäßen Gebrauch verursacht wird. Deshalb ist der Vermieter auf jeden Fall zur Mängelbeseitigung verpflichtet, auch wenn diese allein in der Vornahme von Schönheitsreparaturen besteht9. In der Praxis stellt sich indessen häufig die Frage, in welchem Umfang der Vermieter 709 Renovierungsleistungen erbringen muss, insbesondere, ob er z.B. den gesamten

1 2 3 4 5 6

AG Köln v. 3.12.2008 – 203 C 185/08, WuM 2012, 315 m.w.N. AG Mitte v. 28.3.2001 – 17 C 482/00, MM 2001, 356 (357). LG Berlin v. 17.9.2012 – 67 S 28/12, WuM 2012, 606. AG Köln v. 21.4.1995 – 219 C 97/94, KM 35 Nr. 5. LG Mannheim v. 14.2.2007 – 4 S 62/06, ZMR 2007, 971 = NZM 2007, 682. BGH v. 30.3.2011 – VIII ZR 173/10, MDR 2011, 591 = MietRB 2011, 170 = WuM 2011, 293 = GE 2011, 681 = ZMR 2011, 622. 7 LG Köln v. 21.11.2002 – 6 S 131/02, KM 35 Nr. 60. 8 BGH v. 17.12.2003 – XII ZR 308/00, MDR 2004, 500 = MietRB 2004, 106 = NJW 2004, 848. 9 A.A. LG Aachen v. 16.1.1991 – 7 S 338/90, WuM 1991, 341.

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Raum tapezieren muss oder nur die betroffene Wand. Die Pflicht des Vermieters beschränkt sich auf die Mängelbeseitigung. Hat etwa ein Rohrbruch stattgefunden, muss der Vermieter nur die betroffene Wand „wiederherstellen“. Aus dem Gebot der Rücksichtnahme ergibt sich insoweit grundsätzlich die Pflicht, die Dekoration der Wand dem Zimmer im Übrigen anzupassen. Hinsichtlich der anderen Flächen des Zimmers kommt es darauf an, ob Renovierungsbedarf besteht. Ist das der Fall, muss der Vermieter renovieren, wenn die Klausel unwirksam ist. Ansonsten ist es Aufgabe des Mieters, die Dekoration zu erneuern. Immerhin sind seine Schönheitsreparaturen fällig und beruht die Abnutzung dieser Flächen auf vertragsgemäßem Gebrauch. 710 In einem Badezimmer oder einem sonstigen Nassraum muss der Vermieter im Zuge einer Mängelbeseitigung ebenfalls grundsätzlich keine komplett neue Verfliesung liefern. Vielmehr kann er durch eine farblich abgesetzte Reihe von Fliesen einen „Kontrapunkt“ setzen. Dies führt nicht zu einem Mangel der Mietsache1. 711 Wird der Mieter im Zuge der Mängelbeseitigung durch nicht unerhebliche Lärm-, Staub- oder Geruchsbelästigungen oder sonstige nicht nur unerhebliche Gebrauchsbeeinträchtigungen gestört bzw. sind solche Störungen zu erwarten, kann er die Durchführung der Arbeiten wegen Besitzstörung nach § 862 Abs. 1 BGB im Wege der einstweiligen Verfügung untersagen lassen2. b) Annahmeverzug des Mieters 712 Nimmt der Mieter die ihm angebotene Leistung (hier: Mängelbeseitigung) nicht an, entfällt der Verzug des Vermieters. Darüber hinaus ist der Mieter während des Annahmeverzuges grundsätzlich gehindert, eine Minderung oder ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen. Ein Verlust des Anspruchs auf Instandsetzung bzw. Mängelbeseitigung tritt aber nicht ein3. Dennoch kann der Mieter auch nicht, z.B. nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB, kündigen 713 Voraussetzung ist, dass dem Mieter die Mängelbeseitigung in einer den Annahmeverzug i.S.d. §§ 294 ff. BGB begründenden Weise angeboten wird. Das setzt grundsätzlich ein tatsächliches Angebot voraus. Bei Mängeln in der Wohnung muss dafür aber eine Terminabsprache stattfinden. Der Vermieter kann bei einer Mängelrüge des Mieters nur selten ermessen, welche konkrete Maßnahme richtigerweise zu treffen ist. Deshalb muss der Vermieter dem Mieter in der Regel vor der Besichtigung der Wohnung durch seine Handwerker kein „annahmefähiges Angebot zur Mängelbeseitigung“ unterbreiten. Vielmehr reicht es aus, dass der Vermieter dem Mieter, der z.B. Feuchtigkeitsschäden (Schimmelbildung) gemeldet hat, ankündigt, die Wohnung solle durch eine Malerfirma betreffend der Durchführung von Malerarbeiten vorbesichtigt werden. In diesem Fall ist der Mieter verpflichtet, entsprechend der Bitte des Vermieters, mit der Malerfirma eine Terminabsprache zu treffen. Denn der Fachmann kann erst vor Ort feststellen, ob und welche Maßnahmen erforderlich sind. Wenn und solange der Mieter die Besichtigung verweigert, kann er seinen Mängelbeseitigungsanspruch nicht durchsetzen4. 714 Der Mieter ist auch nicht berechtigt, die Mängelbeseitigung zu verbieten bzw. abzulehnen, wenn der Vermieter – aus Sicht des Mieters – nur eine Teilleistung anbietet (z.B. Beseitigung von Feuchtigkeit in einem Zimmer, obwohl der Mieter die Sanierung weiterer Räume verlangt). Dies gilt umso mehr, wenn jeder einzelne Mangel auf einer eigenen Ursache beruht und unabhängig von dem anderen beseitigt werden kann5. Schließlich ist es dem Mieter jedenfalls bei einer Fünf-Zimmer-Wohnung zumutbar, jeweils ein Zimmer während der Mängelbeseitigungsarbeiten vorübergehend nicht oder nur eingeschränkt zu nutzen6. Eine Pflicht des Vermieters, dem Mieter für 1 AG Köln v. 8.9.1994 – 215 C 256/93, n.v.; a.A. LG Kleve v. 5.2.1991 – 6 S 285/90, WuM 1991, 261 (5 % Minderung); AG Köln v. 13.4.2012 – 201 C 481/10, ZMR 2012, 632 (3 % Minderung). 2 LG Berlin v. 7.8.2012 – 63 T 118/12, GE 2012, 1231. 3 LG Berlin v. 21.5.2010 – 65 S 526/09, GE 2010, 909. 4 AG Pinneberg v. 19.10.2006 – 72 C 42/06, ZMR 2007, 459. 5 AG Köln v. 4.9.2012 – 209 C 205/11, n.v. 6 LG Berlin v. 15.2.2002 – 63 S 234/01, GE 2002, 532.

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die Dauer der Mängelbeseitigung ein Ersatzquartier anzubieten, besteht erst, wenn die Nutzung als solche nicht mehr ausgeübt werden kann. Dazu muss im Einzelfall auch darauf abgestellt werden, für welche Dauer der Mieter Einschränkungen seiner Lebensqualität in der Wohnung hinnehmen muss. Der Vermieter ist nicht gehindert, trotz eines laufenden (gerichtlichen) Beweis- oder 715 Klageverfahrens die behaupteten Mängel zu beseitigen. Mit der vollständigen Mängelbeseitigung tritt hinsichtlich der auf Erfüllung gerichteten Klagen (Mängelbeseitigungsklage, Vorschussklage, Feststellungsklage) Erledigung der Hauptsache nach § 91a ZPO ein. Der Mieter darf im Hinblick auf das laufende Verfahren grundsätzlich nicht verhindern, dass der Vermieter die Mängelbeseitigung ausführt. Eine Verweigerung kann zum Annahmeverzug führen. Dies gilt auch nach Erlass eines Ermächtigungsbeschlusses nach § 887 ZPO mit gleichzeitiger Vorschuss-Titulierung nach § 887 Abs. 2 ZPO, es sei denn, die angebotene Mängelbeseitigung durch den Vermieter ist nicht glaubhaft (weil er bereits mehrere Ankündigungen nicht eingehalten hat)1. Ausnahmsweise soll der Mieter berechtigt sein, die Mängelbeseitigung zu verweigern, 716 wenn diese während eines Prozesses angeboten wird und es nur um die Beseitigung rein optischer Mängel (hier: Beseitigung von Wandrissen und Neuanstrich der Wände mit abgetrockneten Feuchtigkeitsflecken) geht und eine Beweiserhebung bevorsteht, sodass der Mieter seine Beweisgrundlage verlieren würde2. Auch bezogen auf die Ausnahmesituation kann diese Auffassung aber nicht gebilligt werden. Der Beweisverlust ist kein ausreichendes Argument, die Mängelbeseitigung zu verhindern und die Gewährleistungsrechte fortbestehen zu lassen. Der Mieter ist gerade bei optischen Mängeln ohne weiteres in der Lage, die Beweise z.B. durch Lichtbilder, Aktenvermerke und/oder Zeugen zu sichern. Selbst wenn ihm dies noch zu risikoreich erscheint, kann er (privat) einen Gutachter beauftragen. Die gegebene Situation rechtfertigt daher keine Ausnahme von den Wirkungen des Annahmeverzuges. c) Mängelbeseitigung in der Insolvenz des Vermieters Für die Insolvenz des Vermieters bestimmt § 108 Abs. 2 InsO, dass Ansprüche aus der 717 Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als einfache Insolvenzforderungen geltend gemacht werden können. Der Wortlaut der Vorschrift spricht also zunächst dafür, dass Erhaltungsansprüche des Mieters gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB, die auf vor Insolvenzeröffnung entstandenen Mängeln beruhen, vom Insolvenzverwalter nicht als Masseverbindlichkeit zu erfüllen sind. Dennoch geht die h.M. in diesem Fall von einer Erhaltungspflicht des Insolvenzverwalters aus3. Denn der Anspruch des Mieters auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ist ein echter Erfüllungsanspruch, der dem Mieter neben seinen Gewährleistungsrechten nach den §§ 536 ff. BGB zusteht. Da die Erhaltung der Mietsache in gebrauchsfähigem Zustand die vertragliche Gegenleistung zur Mietzahlung darstellt, ist dieser Anspruch selbst dann nicht auf eine Leistung „für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ gerichtet, wenn der Mangel vor diesem Zeitpunkt entstanden ist. Denn die Erfüllung dieses Anspruchs soll für die Zeit nach der Eröffnung erfolgen. Mit der Fortdauer des Mietverhältnisses besteht auch die Erhaltungspflicht des Vermieters nach Verfahrenseröffnung weiter und ist die vertragliche Gegenleistung für die vom Mieter an die Masse geleisteten Mietzahlungen. Die Gewährleistungsrechte des Mieters gemäß den §§ 536 ff. BGB, die auf einen vor 718 der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits entstandenen Mangel gestützt werden, unterliegen aber § 108 Abs. 2 InsO. Wegen der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Mängel ist der Mieter daher insoweit auf den Herstellungsanspruch nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB beschränkt, dem er allerdings durch die Ausübung eines Leistungsverweigerungsrechts nach § 320 BGB Nachdruck verleihen kann.

1 BGH v. 21.12.2004 – IXa ZB 281/03, MietRB 2005, 118 = WuM 2005, 139. 2 OLG Naumburg v. 31.5.2000 – 6 U 97/99, GuT 2002, 15 (17). 3 BGH v. 3.4.2003 – IX ZR 163/02, MDR 2003, 1015 = MietRB 2003, 29 = WuM 2003, 338 = ZMR 2003, 418 = NZM 2003, 472 m.w.N.

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d) Mängelbeseitigung bei Eigentumswohnungen 719 Eine Besonderheit besteht bei Sondereigentum: Hier darf der Vermieter bei Mängeln im Gemeinschaftseigentum eine Beseitigung ausnahmsweise nur selbst durchführen, wenn die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 WEG vorliegen. Die Maßnahme muss also zur Abwendung eines dem gemeinschaftlichen Eigentum unmittelbar drohenden Schadens notwendig sein. 720 Werden diese Voraussetzungen nicht vorgetragen, ist der Klageantrag, mit dem der Vermieter zur Mängelbeseitigung im Gemeinschaftseigentum verpflichtet werden soll, aber nur dann auf eine unmögliche Leistung gerichtet, wenn ein entgegenstehender Beschluss der Eigentümergemeinschaft vorliegt1. Bis dahin bleibt der Vermieter verpflichtet, einen entsprechenden Beschluss herbeizuführen, wozu § 21 Abs. 4 WEG eine Rechtsgrundlage bildet2. e) Opfergrenze 721 Die Verpflichtung des Vermieters zur Beseitigung eines Mangels oder Wiederherstellung des Mietobjektes endet gemäß § 275 Abs. 2 BGB, wenn der dazu erforderliche Aufwand die „Opfergrenze“ überschreitet. Wann dies der Fall ist, muss von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen wertend ermittelt werden. Es darf jedoch kein krasses Missverhältnis entstehen zwischen dem Reparaturaufwand einerseits und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter, der zur Minderung berechtigt bleibt, sowie dem Wert des Mietobjekts und den aus ihm zu ziehenden Einnahmen andererseits3. 722 Danach lässt sich eine Überschreitung der „Opfergrenze“ nicht aus einer bloßen Gegenüberstellung zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert herleiten; erforderlich ist eine Würdigung aller Umstände. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch ein etwaiges Verschulden des Schuldners zu berücksichtigen (§ 275 Abs. 2 S. 2 BGB); dies war bereits vor der Schuldrechtsmodernisierung anerkannt4. Insoweit besteht ein Zusammenhang zwischen der Frage, wie sich etwa die Sanierungskosten und der Verkehrswert „rechnerisch“ zueinander verhalten, und der Frage, ob dem Vermieter die Beseitigung des Mangels unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen und eines etwaigen Verschuldens zugemutet werden kann. Je ungünstiger sich das Verhältnis zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert darstellt, desto gewichtiger müssen die entgegenstehenden Umstände sein, die es dem Vermieter trotz bestehendem Missverhältnis zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert verwehren sollen, sich auf den Einwand der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit (§ 275 Abs. 2 BGB) zu berufen. Dies kommt generell nicht in Betracht, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand auf einer ausdrücklichen Beschaffenheitsangabe beruht5. 723 Ein auffälliges Missverhältnis indiziert eine Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze. Im Extremfall kann dieses Indiz so stark sein, dass schwer vorstellbar erscheint, welche weiteren Umstände zu einer anderen Abwägung führen können. In diesem Fall spricht man von einem „krassen Missverhältnis“6. Als weitere Orientierung für die Frage, ob es sich um einen zumutbaren Aufwand handelt, kann der Gesichtspunkt herangezogen werden, ob die aufzuwendenden Mittel innerhalb eines Zeit1 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MDR 2006, 199 = MietRB 2006, 57 = WuM 2005, 713. 2 AG Schöneberg v. 30.1.2001 – 11 C 388/00, MM 2001, 357. 3 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MDR 2006, 199 = MietRB 2006, 57 = NJW 2005, 3284 (unter II 2) m.w.N.; OLG Karlsruhe v. 30.12.1994 – 19 U 113/94, NJW-RR 1995, 849 (850); vgl. auch OLG Hamburg v. 6.9.2000 – 4 U 15/00, NZM 2002, 343 (344); LG Dresden v. 14.6.2007 – 4 S 0640/06, NZM 2008, 165. 4 BGH v. 2.10.1987 – V ZR 140/86, MDR 1988, 213 = NJW 1988, 699 (unter III 2b); vgl. auch OLG Hamburg v. 6.9.2000 – 4 U 15/00, NZM 2002, 343 (344). 5 AG Hamburg-Blankenese v. 6.6.2012 – 531 C 49/11, ZMR 2012, 631. 6 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MDR 2006, 199 = MietRB 2006, 57 = NJW 2005, 3284; OLG Hamburg v. 6.9.2000 – 4 U 15/00, NZM 2002, 343 (344); OLG Karlsruhe v. 30.12.1994 – 19 U 113/94, NJW-RR 1995, 849 (850).

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raums von ca. zehn Jahren durch eine erzielbare Rendite aus dem Mietobjekt ausgeglichen werden können1. Ein krasses Missverhältnis besteht in jedem Fall, wenn von einem aktuellen Ver- 724 kehrswert eines Grundstücks von 28 000 Euro und Sanierungskosten mindestens in Höhe von etwa 95 000 Euro, ungünstigstenfalls sogar in Höhe von etwa 170 000 Euro auszugehen ist2. Demgegenüber ist es verfehlt, den Einwand aus § 275 Abs. 2 BGB schon deshalb zu verwerfen, weil der Vermieter es (angeblich) zu einem „Reparaturstau“ habe kommen lassen und deshalb die Höhe der Sanierungskosten zu vertreten habe3. Davon kann auch nicht ohne Weiteres auszugehen, wenn die Mangelursache noch nicht bekannt und dementsprechend die wesentliche Ursache, die auch in nicht behebbaren Umständen bestehen kann, noch nicht beseitigt ist. Denn dann steht noch nicht einmal fest, dass der Vermieter den Reparaturstau zu vertreten hat. f) Mängelbeseitigung in der Zwangsvollstreckung Ist der Vermieter zur Mängelbeseitigung verurteilt worden, indem er z.B. geeignete 725 Maßnahmen zur Verhinderung der Durchfeuchtung einer Mietwohnung treffen soll, liegt darin eine vertretbare Handlung, die vom Mieter nach § 887 ZPO vollstreckt werden kann4. Will der Vermieter einwenden, der Mieter befinde sich in Annahmeverzug oder tritt ein anderer Umstand ein, der die Zwangsvollstreckung nachträglich unzulässig werden lässt, muss er grundsätzlich Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO erheben5. Das Gleiche sollte nach überwiegender Ansicht6 gelten, wenn die Beendigung des 726 Mietvertrages einträt. Der BGH hält hingegen eine Erledigungserklärung des Zwangsvollstreckungsverfahrens in der Hauptsache für zulässig7. Insoweit zieht er eine Parallele zum Revisionsverfahren8, so dass auch im Rechtsbeschwerdeverfahren eine einseitige Erledigungserklärung möglich sein muss, wenn das erledigende Ereignis unstreitig ist9. Der Antrag des Gläubigers im Verfahren nach § 887 ZPO, die Erledigung der Hauptsache festzustellen, stellt eine zulässige Veränderung des Streitgegenstandes dar10. Der Schuldner im Rechtsbeschwerdeverfahren ist grundsätzlich mit dem Erfüllungseinwand zu hören und muss keine Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 Abs. 1 ZPO erheben. Mit der Beendigung des Mietverhältnisses und dem Auszug des Gläubigers (Mieters) 727 aus dem Mietobjekt tritt die Erledigung des Zwangsvollstreckungsverfahrens ein. Nach Mietende hat der Gläubiger kein schutzwürdiges Interesse mehr an einer Mängelbeseitigung und damit ist das für eine Klage oder die Zwangsvollstreckung erforderliche Rechtsschutzinteresse entfallen11. g) Verjährung während der Mietzeit Die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Erfüllungsanspruch des Mieters aus 727a § 535 Abs. 1 S. 2 BGB, soweit es um die Beseitigung eines konkreten während der Mietzeit auftretenden Mangels geht, verjährt, wird nicht einheitlich beantwortet. Nach einer verbreiteten Auffassung beginnt die Verjährung des Anspruchs des Mieters auf Beseitigung eines während der Mietzeit aufgetretenen Mangels gemäß §§ 195,

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LG Hamburg v. 29.11.1996 – 311 S 119/96, WuM 1997, 432. BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 131/09, MDR 2010, 798 = WuM 2010, 348 = GE 2010, 837. Vgl. dazu Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 504. OLG Dresden v. 8.10.2001 – 3 W 1411/01, WuM 2002, 34 = ZMR 2000, 32. LG Berlin v. 24.2.2012 – 63 T 18/12, NZM 2012, 860. OLG Köln v. 21.11.1988 – 20 W 76/88, MDR 1989, 271 = NJW-RR 1989, 188; LG Berlin v. 28.9.1995 – 62 T 82/95, GE 1996, 55; Schach in Kinne/Schach/Bieber, § 535 BGB Rz. 75. BGH v. 21.12.2004 – IXa ZB 281/03, MietRB 2005, 118. Vgl. BGH v. 18.12.2003 – I ZR 84/01, NJW 2004, 1665. BGH v. 29.10.1985 – KVR 1/84, MDR 1986, 580 = WPM 1986, 533; BGH v. 21.9.1993 – X ZB 31, 92, MDR 1994, 265 = NJW-RR 1994, 381. BGH v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, MDR 1995, 91 = NJW 1994, 2363 m.w.N. Zöller/Stöber, Vor § 704 ZPO Rz. 17 m.w.N.

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199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Mangel entstanden ist und der Mieter davon Kenntnis erlangt hat1. Teilweise wird in der Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters (§ 535 BGB) ein (unverjährbares) „Stammrecht“ gesehen, das sich zu einzelnen Ansprüchen konkretisiere, sobald sich ein bestimmter Mangel zeige. Der Anspruch des Mieters auf Beseitigung des konkreten Mangels unterliege dann der regelmäßigen Verjährung2. Andere Autoren stellen auf eine analoge Anwendung des § 199 Abs. 5 BGB (§ 198 BGB a.F.) ab; bei der Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters handele es sich um eine „positive Dauerverpflichtung“, bei der es ebenso wie bei einer Unterlassungsverpflichtung nach § 199 Abs. 5 BGB geboten sei, für den Beginn der Verjährung auf die Zuwiderhandlung abzustellen3. Nach der Gegenauffassung ist der Anspruch des Mieters auf Beseitigung eines Mangels als Teil des Gebrauchserhaltungsanspruchs hingegen während der Mietzeit unverjährbar4. Zur Begründung wird vor allem angeführt, dass der Anspruch des Mieters auf Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs während der Dauer des Mietverhältnisses ständig neu entstehe. 727b Der letztgenannten Auffassung hat der BGH den Vorzug gegeben, so dass während der Mietzeit keine Verjährung des Anspruchs auf Mängelbeseitigung eintreten kann5. Bei der Hauptleistungspflicht des Vermieters aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB handele es sich um eine in die Zukunft gerichtete Dauerverpflichtung6. Diese Pflicht des Vermieters erschöpfe sich nicht in einer einmaligen Handlung des Überlassens, sondern gehe dahin, die Mietsache während der gesamten Mietzeit in einem gebrauchstauglichen Zustand zu erhalten. Eine solche vertragliche Dauerverpflichtung könne während des Bestehens des Vertragsverhältnisses schon begrifflich nicht verjähren, denn sie entstehe während dieses Zeitraums gleichsam ständig neu, auch soweit sie darauf gerichtet sei, bereits aufgetretene Mängel zu beseitigen. h) Ende der Mängelbeseitigungspflicht 728 Die Verpflichtung zur Mängelbeseitigung fällt mit der Beendigung des Mietverhältnisses weg7. Demgegenüber soll nach einer anderen Meinung nach den Umständen des Einzelfalls differenziert werden und eine Mängelbeseitigungspflicht insbesondere anzunehmen sein, wenn dem Mieter eine Räumungsfrist gewährt wurde oder es um die Sicherstellung der Lieferung von Strom, Wasser oder Heizenergie sowie Maßnehmen zur Gefahrenabwehr geht8. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Es ist zwar richtig, dass der Vermieter in bestimmten Fällen keine Versorgungssperre einrichten darf (vgl. § 535 BGB Rz. 1102). Dies rechtfertigt aber nicht die Annahme, dass der Vermieter zu einem positiven Tun verpflichtet wäre. Denn wegen des Wegfalls des Mietvertrages besteht gerade kein Anspruch auf Herbeiführung des vertragsgemäßen Zustandes. Dies ist qualitativ erheblich mehr als das Unterlassen der Einrichtung einer Versorgungssperre. 728a Die Verweigerung der Mängelbeseitigung ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter die Beendigung durch eigene Kündigung herbeigeführt hat. Schon die Ausübung des Kündigungsrechts als solchem verstößt ohne weitergehende Anhaltspunkte selbst dann nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn der Vermieter mit der Kündigung zugleich bezweckt haben sollte, einem (berechtigten) Mängel-

1 LG Berlin v. 9.6.2008 – 62 S 250/07, GE 2008, 1196 (1197); Feuerlein, WuM 2008, 385 (386); Beuermann, GE 2008, 236; Schmid, ZMR 2009, 585 (586); Lehmann-Richter, NJW 2008, 1196 (1197 f.); Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 221. 2 Lehmann-Richter, NJW 2008, 1196 (1198). 3 Feuerlein, WuM 2008, 385 (386); Enneccerus-Nipperdey, § 232 Fn. 5. 4 AG Tiergarten v. 3.4.2009 – 9 C 1/07, WuM 2009, 453; Streyl, WuM 2009, 630 f.; Both, GE 2009, 238 (239). 5 BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 104/09, MDR 2010, 562 = WuM 2010, 238 = ZMR 2010, 520. 6 BGH v. 19.6.2006 – VIII ZR 284/05, MDR 2007, 141 = WuM 2006, 435 = ZMR 2006, 761, Rz. 11. 7 BGH v. 21.12.2004 – IXa ZB 281/03, MietRB 2005, 118 = WuM 2005, 139; Palandt/Weidenkaff, § 535 BGB Rz. 55. 8 Schmidt/Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 216.

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beseitigungsverlangen seines Mieters nicht mehr nachkommen zu müssen1. Umgekehrt ist das Begehren nach Mängelbeseitigung rechtsmissbräuchlich, wenn erst nach Zugang der Kündigung gestellt wird. Erst recht trifft dies für die Fortsetzung des Verfahrens auf Zwangsvollstreckung aus einem auf Mängelbeseitigung gerichteten Titel zu, wenn die Beendigung des Mietvertrages eingetreten ist2. VII. Gebrauchsrechte des Mieters Nach § 535 Abs. 1 BGB kann der Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch beanspru- 729 chen. In welchem Umfang ihm dieser zusteht, richtet sich in erster Linie nach den vertraglichen Bestimmungen. Ist danach eine Nutzung des Mieters nicht vertragsgerecht, kommt dennoch ein Recht zur Nutzung in Betracht. Dies setzt aber entweder eine Änderung (Erweiterung) des Vertrages voraus oder die Erteilung einer Erlaubnis. Mit der Erteilung einer Erlaubnis wird der Mietvertrag solange nicht erweitert, wie keine Entgeltzahlung als Gegenleistung vereinbart wird. Durch die Erlaubnis wird – vorbehaltlich anderer Regelungen im Mietvertrag oder bei Erteilung – nur eine partielle Befugnis zu einer Sondernutzung eingeräumt. Sie kann daher jederzeit aus sachlichen Gründen widerrufen werden3. Vgl. im Übrigen § 535 BGB Rz. 783.

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1. Orientierung an den Vertragsbestimmungen Was jeweils im Einzelnen zum vertragsgemäßen Gebrauch des Mieters von Wohn- 731 raum gehört, richtet sich in erster Linie nach den Abreden der Parteien. Maßgebend sind bei deren – auch ergänzender – Auslegung die gesamten Umstände des Mietverhältnisses, insbesondere die Mietsache in ihrer Eigenart und deren beabsichtigte Nutzung sowie die Verkehrssitte unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben4. Im Übrigen ist natürlich Voraussetzung, dass die Vertragsregelungen, die den ver- 732 tragsgemäßen Gebrauch (einschränkend) gestalten sollen, wirksam sind. Dazu ist grundsätzlich in der Wohnraummiete der Maßstab des § 307 BGB heranzuziehen. Schließt eine AGB-Klausel z.B. ein bestimmtes Gebrauchsrecht (z.B. Betrieb eines Fernsehers) kategorisch aus, liegt in der Regel ein Verstoß vor, weil in die Lebensgestaltung des Mieters eingegriffen wird. Denn hängt ein Gebrauchsrecht etwa von der Vornahme einer Abwägung ab (z.B. Erlaubnis zur Installation einer Parabolantenne), liegt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters nach § 307 Abs. 1 BGB vor, wenn die Abwägung in der Vertragsbestimmung nicht vorgesehen ist5. Andererseits ist die Transparenz nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ein wichtiges Kriterium 733 für die Wirksamkeitsprüfung. Denn insbesondere ein unter dem Mindeststandard liegender Zustand ist nur dann vertragsgemäß, wenn er eindeutig vereinbart ist6. Dazu müssen in der Regel konkrete Angaben zur tatsächlichen Beschaffenheit der entsprechenden Einrichtung (z.B. der Elektroinstallation) in der vermieteten Wohnung in der Klausel enthalten sein7, so dass der Mieter erkennt, welche Anforderungen erfüllt werden und dass ein unter dem Mindeststandard liegender Zustand gegeben ist. Dies erfordert bei technischen Einrichtungen die konkrete Angabe der einschlägigen Werte.

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OLG Düsseldorf v. 16.8.2010 – 10 W 114/10, ZMR 2011, 381 = GE 2011, 1337 = GuT 2011, 147. BGH v. 21.12.2004 – IXa ZB 281/03, MietRB 2005, 118 = WuM 2005, 139. LG Berlin v. 26.5.2011 – 67 S 70/11, WuM 2012, 134. Vgl. BGH v. 1.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = WuM 2010, 235 = ZMR 2010, 517 = NZM 2010, 356; OLG Karlsruhe v. 24.8.1993 – 3 REMiet 2/93, WuM 1993, 525 (526); Staudinger/ Emmerich, § 535 BGB Rz. 35. 5 BGH v. 21.9.2010 – VIII ZR 275/09, WuM 2010, 737 = GE 2010, 1681; vgl. auch LG Essen v. 12.3.1998 – 10 S 505/97, WuM 1998, 344. 6 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 (unter II 2b). 7 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356.

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734 Fehlen Vertragsabreden zum konkreten Gebrauch, sind die gesetzlichen Bestimmungen einschlägig. Diese zeigen insbesondere in den §§ 553, 554a BGB auf, unter welchen Bedingungen der Mieter den vertragsgemäßen Gebrach erweitern oder verändern kann. In der Regel ist ein besonderes Interesse des Mieters erforderlich und der Vermieter dennoch berechtigt, seine Zustimmung zu versagen, wenn seine Belange achtenswert bzw. von stärkerem Gewicht sind. Andererseits: Wenn schon der Behinderte nach § 554a BGB gezwungen ist, im Zweifel auf Zustimmung zu klagen, ist auch in anderen Fällen der Gebrauchserweiterung oder -veränderung eine Schaffung von Fakten durch den Mieter rechtswidrig. 2. Wohnraumnutzung 735 Die Gebrauchsgewährungspflicht ist auf die Ermöglichung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache durch den Mieter ausgerichtet. Ist Gegenstand eines Mietvertrages eine Wohnung, so ist, selbst wenn es an einer ausdrücklichen Erklärung fehlt, im Zweifel anzunehmen, dass der vertragsgemäße Gebrauch die Benutzung als Wohnung ist1. Inhalt und damit Art, Umfang und Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs bestimmen sich in erster Linie nach den (wirksamen) vertraglichen Absprachen zwischen Vermieter und Mieter. Dabei ist der festgelegte Vertragszweck von wesentlicher Bedeutung2. 736 Haben die Parteien eine Nutzung zu Wohnzwecken vereinbart, trifft den Mieter keine Gebrauchspflicht3. Wo der Mieter seinen Lebensmittelpunkt begründet und im herkömmlichen Sinne „wohnt“ (schlafen, essen, regelmäßiger Aufenthalt etc.), ist den persönlichen Vorstellungen und seiner freien Entscheidung überlassen4. 737 Auch wenn der Mieter nach Vollzug des Mietvertrages seinen Lebensmittelpunkt nicht mehr in den angemieteten Räumen, sondern z.B. in einer anderen Stadt sieht und in den angemieteten Räumen nur noch umfangreicher Hausrat steht, vermag dies die grundsätzlich nach wie vor gegebene Nutzung zu Wohnzwecken nicht zu verändern5. Die Existenz von Hausratsgegenständen in einer Wohnung ist als geradezu typisch für eine Wohnnutzung anzusehen. Die Anzahl der Hausratsgegenstände ist dabei ebenso ohne Belang wie ihre Anordnung in der Wohnung. Auch ist es einem Mieter unbenommen, eigene oder in seiner Verfügungsbefugnis stehende Hausratsgegenstände von Familienangehörigen zu veräußern6. Andererseits umfasst das Wohnen auch die Energielieferung durch den Vermieter. Regelmäßig braucht der Mieter Strom, um seine Haushaltsgeräte zu betreiben und seine Wohnung zu beleuchten. Verfügt die Wohnung nicht über einen eigenen Zähler, so dass der Mieter mit einem Versorger einen eigenen Vertrag abschließen kann, ist der Vermieter zur Stromlieferung verpflichtet. Das Gegenteil muss ausdrücklich geregelt werden ebenso wie die Umlage von Stromkosten, die der Vermieter für den privaten Gebrauch des Mieters liefert. Denn § 2 Nr. 11 BetrKV betrifft nur den Strom, der in Gemeinschaftsflächen verbraucht wird. Auch die Lieferung von Wasser ist im Rahmen des Vertragszwecks „Wohnen“ grundsätzlich durch den Vermieter geschuldet. Denn der Mieter braucht Wasser zur Hygiene und Essenszubereitung. Für die vertragliche Gestaltung gelten die gleichen Grundsätze wie für die Stromlieferung. Zur Heizung vgl. § 535 BGB Rz. 401 ff.

1 BayObLG v. 19.1.1981 – AllgReg 103/80, MDR 1981, 583 = WuM 1981, 80 = ZMR 1982, 84. 2 BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842 = ZMR 1986, 278. 3 Vgl. BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 118/78, NJW 1979, 2351 (unter 2b); BGH v. 7.3.1983 – VIII ZR 333/81, WM 1983, 531 (unter I 2c bb). 4 BGH v. 8.12.2010 – VIII ZR 93/10, MietRB 2011, 72 = WuM 2011, 98 = GE 2011, 682 = ZMR 2011, 367. 5 BGH v. 8.12.2010 – VIII ZR 93/10, MietRB 2011, 72 = WuM 2011, 98 = GE 2011, 682 = ZMR 2011, 367. 6 BGH v. 8.12.2010 – VIII ZR 93/10, MietRB 2011, 72 = WuM 2011, 98 = GE 2011, 682 = ZMR 2011, 367.

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Im Ergebnis können Lage sowie Art der Wohnung und eine evtl. bestehende Ver- 738 kehrssitte1, die allerdings durch den Wandel der Anschauungen und technischen Entwicklung durchaus Schwankungen unterliegen kann, Berücksichtigung finden. Auch die allgemeinen Verhältnisse im Umfeld können zu einer Änderung des vertragsgemäßen Gebrauchs führen (z.B. Errichtung eines Gebäudes in der Nachbarschaft durch Schließung einer Baulücke). Wird aber der Pensionsbetrieb in einem Miethaus derart erweitert, dass die Wohnung eines langjährigen Mieters durch die von der Pension genutzten Räume „eingekreist“ wird, liegt keine allmähliche Änderung der allgemeinen Lebensverhältnisse vor, so dass ein Anspruch auf Unterlassung vermeidbarer Lärmbeeinträchtigungen besteht2. Im Einzelfall können sich auch aus baurechtlichen Zulassungen und Einschränkun- 739 gen Hinweise auf den Inhalt des vertragsgemäßen Gebrauchs ergeben, wenn sie beiden Vertragsseiten bei Vertragsschluss bekannt waren3. Das gilt insbesondere für die Bestimmung der Mieteinheit als Wohnraum, aber vor allem für die Nutzung einzelner Teile (z.B. Dachfläche als Terrasse). Dabei hindert die mangelnde Übereinstimmung der öffentlich-rechtlichen Zulassung (z.B. als Gewerbeeinheit) mit dem Vertragszweck (z.B. Wohnraum) regelmäßig nicht die Wirksamkeit des Mietvertrages, sondern führt zu einem öffentlich-rechtlichen Mangel (vgl. § 536 BGB Rz. 194 f.) oder einem Rechtsmangel (vgl. § 536 BGB Rz. 264 f.). 3. Nutzungsänderung Der Mieter darf die Mietsache im Rahmen des vereinbarten Vertragszwecks nutzen. 740 Er darf diesen aber nicht einseitig ändern (für das Beitrittsgebiet s. aber §§ 43, 48 SchuldRAnpG). Eine tatsächlich andere Art der Nutzung (z.B. gewerbliche Nutzung von als Wohnung vermieteten Räumen) ist für den Inhalt des Mietvertrags ohne Bedeutung, sofern diese geänderte Nutzung nicht mit einer Vertragsänderung verbunden ist4. Für eine konkludente Vertragsänderung muss eindeutiges Verhalten vorliegen und die beiderseitige Interessenlage abgewogen werden5. Im Rahmen eines Mietvertrages über Wohnraum ist eine geschäftliche Tätigkeit oh- 741 ne Zustimmung des Vermieters unzulässig, wenn sie nach außen in Erscheinung tritt (z.B. durch Angabe der Wohnung als Geschäftsadresse, Kundenempfang in der Wohnung, Beschäftigung von Mitarbeitern). Berufliche Tätigkeiten, die der Mieter – etwa im häuslichen Arbeitszimmer – ausübt, ohne dass sie nach außen in Erscheinung treten, fallen nach der Verkehrsanschauung von vornherein unter den Begriff des „Wohnens“ (z.B. Unterrichtsvorbereitung eines Lehrers, Telearbeit, schriftstellerische Tätigkeit, Empfang oder die Bewirtung eines Geschäftsfreundes). Bei geschäftlichen Aktivitäten freiberuflicher oder gewerblicher Art, die nach außen in Erscheinung treten, liegt hingegen eine Nutzung vor, die der Vermieter einer Wohnung ohne entsprechende Vereinbarung grundsätzlich nicht dulden muss. Der Vermieter kann jedoch im Einzelfall nach Treu und Glauben verpflichtet sein, ei- 742 ne Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung zu erteilen6. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn es sich nur um eine Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr handelt. Auch eine selbständige berufliche Tätigkeit kann im Einzelfall so organisiert sein oder einen so geringen Umfang haben, dass sie – wie beispielsweise bei einem Rechtsanwalt oder Makler – im Wesentlichen am Schreibtisch erledigt wird, in der Wohnung keine Mitarbeiter beschäftigt werden und von etwaigem Publikumsverkehr keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung. Dies wird etwa in der Existenzgründungsphase einer selbständigen Tätigkeit der Fall sein können. 1 2 3 4

Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 35. AG Charlottenburg v. 8.9.2010 – 213 C 213/09, GE 2011, 1485. BGH v. 27.6.1973 – VIII ZR 98/72, MDR 1973, 927 = BB 1973, 1236 = NJW 1973, 1498. BGH v. 26.3.1969 – VIII ZR 76/67, ZMR 1969, 206; OLG Düsseldorf v. 18.3.1987 – 15 U 183/86, ZMR 1987, 423. 5 BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, NZM 2009, 855. 6 BGH v. 14.7.2009 – VIII ZR 165/08, MDR 2009, 1215 = MietRB 2009, 282 = NJW 2009, 3157.

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743 Ein Anspruch auf Gestattung kommt dagegen regelmäßig nicht in Betracht, wenn für die geschäftliche Tätigkeit Mitarbeiter des Mieters in der Wohnung beschäftigt werden. Umso mehr kann der Vermieter einen Mietzuschlag für derartige Nutzungsfälle verlangen und im Mietvertrag vorsehen1. 4. Hausrecht 744 Mit der Übergabe erhält der Mieter den unmittelbaren Besitz an den Mieträumen und ist fortan (tatsächlich) und – solange der Mietvertrag besteht – rechtlich in der Lage, jeden Dritten vom Betreten der Räume abzuhalten. Demnach bestimmt der Mieter auch eigenverantwortlich, wem er den Zutritt zu seinen Mieträumen gewähren will und wem nicht. Deshalb ist auch für den Vermieter verbindlich, dass der Mieter einem bestimmten Handwerker ein Hausverbot für seine Wohnung erteilt hat2. 745 Selbst gegenüber dem Vermieter kann der Mieter seinen Besitz durch Ausübung seines Hausrechts schützen, das er im Zweifel auch durch einstweilige Verfügung verteidigen kann3. Jedes Betreten der Wohnung durch den Vermieter oder einen Gehilfen (z.B. Hausverwalter, Hausmeister) ohne Willen des Mieters stellt eine verbotene Eigenmacht dar. 746 Umgekehrt kann der Vermieter bei einer schwerwiegenden Störung des Hausfriedens durch den Besucher eines Mieters (z.B. Besucher greift auf dem vermieteten Hausgrundstück in betrunkenem Zustand Jugendliche mit einem Dolch an, bedroht sie mit einer Schusswaffe und schießt sich selber in die Hand4) ohne weitere Ankündigung ein Hausverbot erteilen5. Die schwere Störung des Hausfriedens rechtfertigt einen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Position des Mieters6. Dennoch soll die Gewährung des Zugangs zur Wohnung durch den Mieter trotz Hausverbots nicht zu einer Vertragswidrigkeit des Mieters führen7. Diese Auffassung ist aber abzulehnen. Denn das Hausverbot tangiert den vertragsgemäßen Gebrauch und ist daher auch vom Mieter zu beachten. 5. Bauliche Veränderungen a) Begriffsbestimmung 747 Das Interesse des Mieters, die Mietsache zu verschönern oder zu modernisieren, kommt in vielfältiger Form vor. Das Gesetz regelt dazu grundsätzlich keine Anspruchsgrundlage8. In § 552 BGB ist lediglich festgelegt, dass der Vermieter grundsätzlich ausgleichspflichtig ist, wenn der Mieter geschaffene Einrichtungen auch nach dessen Auszug in der Wohnung zurücklassen soll. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, muss der Mieter spätestens beim Auszug alle Maßnahmen rückgängig machen und den ursprünglichen Zustand wiederherstellen (§§ 539 Abs. 1, 258 S. 1 BGB). 748 Grundsätzlich darf der Mieter die Wohnräume so gestalten, wie es seinen Geschmacksvorstellungen entspricht, solange er die Substanz der Mietsache unangetastet lässt, insbesondere keine Beschädigungen oder Veränderungen herbeiführt. Andernfalls liegen grundsätzlich bauliche Veränderungen vor, so dass im Einzelfall zu ermitteln ist, ob sie durch den Vertragszweck gerechtfertigt und/oder ggf. zustimmungspflichtig sind. 749 Enthält der Mietvertrag keine Regelungen dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen der Mieter Ein- oder Umbauten vornehmen darf, ist zu untersuchen, ob er im 1 2 3 4 5

Vgl. BayObLG v. 25.3.1986 – REMiet 4/85, MDR 1986, 676 = ZMR 1986, 193. AG Hamburg-Blankenese v. 27.7.2007 – 509 C 45/06, WuM 2008, 274 = ZMR 2007, 866. Vgl. AG Brühl v. 12.10.2010 – 26 C 140/10, ZMR 2011, 135. AG Wetzlar v. 21.2.2008 – 38 C 1281/07, ZMR 2008, 634. AG Köln v. 22.9.2004 – 209 C 108/04, WuM 2004, 673; AG Altenkirchen v. 21.2.1989 – 2 C 13/89, WuM 1989, 175; AG Charlottenburg v. 2.10.1987 – 9 C 292/87, MM 1988, Nr. 5 S. 30. 6 AG Wetzlar v. 21.2.2008 – 38 C 1281/07, ZMR 2008, 634. 7 AG Köln v. 22.9.2004 – 209 C 108/04, WuM 2004, 673. 8 Vgl. im Einzelnen: Harsch, MDR 2001, 67 ff.

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§ 535 BGB

Einzelfall zur Durchführung der Maßnahme die Zustimmung des Vermieters einholen muss. Ein solcher Fall ist z.B. in § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB geregelt: Danach kann der Mieter notwendige Verwendungen auf die Sache machen, ohne vorher den Vermieter zu fragen. Hierunter fällt z.B. die Verlegung der für die Versorgung der Wohnung mit Gas, Wasser und Strom erforderlichen Leitungen oder die zum Schutz notwendige Errichtung einer Einfriedung1. Prinzipiell bedarf der Mieter für Verbesserungsmaßnahmen keiner Zustimmung des 750 Vermieters, wenn es sich bei den Maßnahmen um Arbeiten handelt, die weder das Mietobjekt in der Substanz noch die Wohnanlage oder Mitbewohner beeinträchtigen, da dem Mieter im Rahmen des Vertragszwecks ein möglichst freier Gebrauch gewährt werden soll. Bei Beendigung des Mietverhältnisses müssen sich aber die vorgenommenen Veränderungen leicht wieder beseitigen lassen2. Dies gilt für – – – – – – –

Verlegung von Teppichboden, Aufstellen einer transportablen Duschkabine3, Verkleidung des Balkons mit einem Plexiglas-Vordach4, Installation moderner Haushaltsgeräte in der Küche5, das Anbringen von Dübeln und Haken einschließlich dem Bohren von Löchern6, Installieren eines Türspions7 und einer Klingelleitung8.

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Andererseits soll der Mieter berechtigt sein, die Mietsache zu verändern, ohne die Zu- 752 stimmung des Vermieters einholen zu müssen9. Dies gilt, wenn er nur vorhandene Einrichtungsgegenstände fachmännisch austauscht. Das trifft zu für die Auswechslung von Mischbatterien oder des WC-Beckens und die Installation einer Dunstabzugshaube, soweit diese problemlos an einen (Not-)Schornstein angeschlossen werden kann. Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob hinsichtlich der Veränderung eine Ver- 753 tragsregel über eine Zustimmungspflicht besteht oder nicht. Insbesondere ist es verfehlt, daraus, dass das BVerfG10 das Nutzungsrecht mit dem Eigentumsrecht (quasi) gleichgestellt hat, das Recht des Mieters herzuleiten, ein Recht des Mieters auf Durchführung baulicher Änderungen (einschließlich Modernisierung) nach einer Interessenabwägung anzunehmen11. Denn der Mieter hat die Mietsache in dem bei Vertragsbeginn vorhandenen Zustand angemietet und zahlt allein dafür die Miete. Im Zweifel ist das Recht des Vermieters zur Bestimmung des Zustandes der Mietsache vorrangig12. Also kann er eine Zustimmung auch verweigern. Das setzt aber notwendigerweise voraus, dass der Mieter eine Erlaubnis auch einholt. Auf keinen Fall ohne Zustimmung des Vermieters darf der Mieter Eingriffe in die 754 Bausubstanz vornehmen, die nicht vom vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt sind. Ein solcher Eingriff ist gegeben, wenn der Mieter die bauliche Substanz der Mietsache verändern, insbesondere tragende Bauteile bearbeiten will und damit die Statik verändert. Gleiches gilt für Mauerdurchbrüche, die Installation einer Etagenhei-

1 OLG Frankfurt v. 26.2.1980 – 5 U 138/79, WuM 1981, 63. 2 LG Essen v. 22.4.1987 – 10 S 633/86, WuM 1987, 257. 3 LG Berlin v. 26.1.1990 – 63 S 216/89, WuM 1990, 421; LG Berlin v. 28.2.1975 – 65 S 217/74, ZMR 1975, 271. 4 LG Nürnberg-Fürth v. 6.7.1990 – 7 S 1401/90, WuM 1990, 422. 5 LG Konstanz v. 14.10.1988 – 1 S 216/88, WuM 1989, 67. 6 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = WuM 1993, 109 = ZMR 1993, 263. 7 AG Hamburg v. 15.3.1979 – 48 C 18/79, WuM 1980, 197; AG Hamburg v. 30.11.1981 – 37b C 125/81, WuM 1985, 256. 8 AG Münster v. 8.2.1983 – 4 C 7/83, WuM 1983, 176. 9 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 379 m.w.N. 10 BVerfG v. 26.5.1993 – 1 BvR 208/93, MDR 1993, 728 = WuM 1993, 377 = ZMR 1993, 405. 11 So aber Schmidt/Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 380 m.w.N. 12 BGH v. 14.9.2011 – VIII ZR 10/11, MDR 2011, 1465 = WuM 2011, 671.

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zung1, Veränderungen an der Außenfassade sowie die Entfernung von festen Trennwänden2. Weitere Beispiele bestehen in dem Ersatz von Holzrahmenfenstern durch Kunstofffenster3, dem Ausbau des Kellers zur Schaffung von zusätzlichem Wohnraum4 oder dem Aufstellen eines Großgartenhauses bei vereinbarter gärtnerischer Nutzung5 sowie dem Verändern einer stabilisierenden Bepflanzung an einer abschüssigen Böschung6. Es ist unbedeutend, ob der Einbau auch positive Effekte hat (z.B. Einbau von Wasseruhren)7. b) Abwägungskriterien 755 Besteht ein Zustimmungsvorbehalt, ist bei der notwendigen Abwägung zunächst der Vertragszweck maßgeblich8. Insoweit ist zu berücksichtigen, ob der Mieter mit der Maßnahme lediglich einen Zustand herstellen will, der einem allgemein üblichen Standard entspricht. In diesen Fällen kann der Vermieter zur Zustimmung der Maßnahme verpflichtet sein9. Dazu gehört regelmäßig die (erstmalige) Einrichtung eines Telefon-, Telefax- sowie Online-Anschlusses, wenn eine anderweitige Versorgung nicht vorhanden ist (z.B. Mobilfunk). Andere Maßnahmen, insbesondere wenn sie Modernisierungscharakter haben (z.B. Einbau einer Heizung), fallen nicht darunter. Maßstab ist immer der vertragsgemäße Zustand, der durch die Maßnahme erreicht werden soll. Deshalb kann im Rahmen der Zustimmungspflichtigkeit auch darauf abgestellt werden, ob der Mieter auf die Änderung der Mietsache zur Befriedigung seiner elementaren Lebensbedürfnisse angewiesen ist10, wobei aber spezielle Vorschriften (z.B. § 554a BGB) oder spezielle Grundsätze der Rechtsprechung (z.B. zur Installation von Parabolantennen, § 535 BGB Rz. 792 f.) vorrangig zu beachten sind. 756 Soll die Maßnahme, die der Mieter plant, der Wohnwertverbesserung dienen, ist von dem Grundsatz auszugehen, dass der Vermieter – sofern die Mietvertragsparteien keine abweichende Vereinbarung getroffen haben – grundsätzlich nicht zu baulichen Veränderungen zwecks Modernisierung der Wohnung verpflichtet ist11. Andererseits hat der Mieter aber auch prinzipiell keinen Anspruch darauf, dass der Vermieter ihm gestattet, selbst bauliche Veränderungen an der Wohnung mit dem Ziel einer Modernisierung oder Erhöhung des Wohnkomforts vorzunehmen. Die Erteilung einer derartigen Erlaubnis steht vielmehr im Ermessen des Vermieters, der sein Ermessen jedoch nicht missbräuchlich ausüben darf12. 757 Insbesondere die Entscheidung eines Vermieters, die vermietete Wohnung während der Dauer des Mietverhältnisses im bisherigen – vertragsgemäßen – Zustand zu belassen und etwaige Investitionen erst nach Beendigung des Mietverhältnisses im Zusammenhang mit einer Neuvermietung vorzunehmen, hält sich im Rahmen der ihm als Eigentümer zustehenden Befugnis, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren13. Vor diesem Hintergrund stellt es auch keine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung eigener Rechte dar, dass der Vermieter dem Mieter nicht gestattet, die Woh1 2 3 4 5 6 7 8 9

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LG Berlin v. 13.12.1994 – 64 S 266/94, ZMR 1995, 594. BGH v. 26.6.1974 – VIII ZR 43/73, NJW 1974, 1463. LG Berlin v. 5.3.1984 – 61 S 387/83, ZMR 1985, 50. LG Hamburg v. 26.4.1991 – 311 S 1/91, WuM 1992, 190. AG Brühl v. 7.3.1989 – 2a C 710/88, WuM 1989, 498. AG Köln v. 5.12.1989 – 205 C 287/89, WuM 1991, 84. Vgl. weitere Beispiele bei Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 79. LG Hannover v. 22.12.1983 – 3 S 319/83, WuM 1984, 129. AG Potsdam v. 17.2.2000 – 26 C 354/99, WuM 2000, 179 (für Heizung); LG Duisburg v. 10.12.1996 – 23 S 452/96, ZMR 2000, 464; vgl. dazu auch BVerfG v. 28.3.2000 – 1 BvR 1460/99, WuM 2000, 298 (für die Installation eines Treppenlifts für die querschnittgelähmte Lebensgefährtin des Mieters). LG Köln v. 30.10.1997 – 6 T 472/97, DWW 1998, 86 (Treppenlift). BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = NZM 2010, 356 (Rz. 26); BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = NJW 2004, 3174 unter [II] A 2b; Kinne, GE 2007, 30; Harsch, MDR 2001, 67. BGH v. 25.3.1964 – VIII ZR 211/62, WPM 1964, 563; vgl. auch BGH v. 8.5.1963 – VIII ZR 252/61, NJW 1963, 1539 = WPM 1963, 643 f. BGH v. 14.9.2011 – VIII ZR 10/11, MDR 2011, 1465 = WuM 2011, 671.

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nung mit einer Heizung auf eigene Kosten auszustatten. Denn mit einer derartigen Erlaubnis wäre eine erhebliche Einschränkung seiner Entscheidungsfreiheit als Eigentümer verbunden, den Zeitpunkt einer Investition selbst zu bestimmen und dabei das eigene – legitime – Interesse zu wahren, bei einer späteren Neuvermietung angesichts der zwischenzeitlich gestiegenen Attraktivität der Wohnlage eine deutlich höhere Miete zu erzielen1. Es verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn der Vermieter dabei den Interessen des Mieters, den Komfort der – wegen der vergleichsweise günstigen Miete und einer inzwischen stärker nachgefragten Lage – attraktiven Wohnung seinerseits durch eine Investition zu steigern, keinen Vorzug gegenüber den eigenen finanziellen Interessen einräumt. Die vorstehend dargestellte Abwägung der Interessen des Mieters mit der Entschei- 758 dungsfreiheit des Vermieters im Hinblick auf seine wirtschaftlichen Dispositionen ist in dieser Form in den überwiegend bisher veröffentlichten Entscheidungen nicht berücksichtigt worden. Sie macht deutlich, dass die Sozialpflichtigkeit des Eigentums zwar eine Begrenzung der aus Art. 14 GG herrührenden Rechte bedeutet, die unternehmerische Freiheit eines Gebäudeeigentümers durch die Sozialpflichtigkeit aber nicht stets nachrangig, geschweige denn ausgeschlossen ist. Umso mehr erscheinen auch die bisherigen Entscheidungen zu wohnwertverbessernden Maßnahmen in einem anderen Licht. Deshalb muss bei – der Installation eines Fensterlüfters2, – dem Einbau eines Elektro-Herdes3, – der Verkleidung des Balkons mit einem Plexiglas-Vordach4, – der Installation für Markisen und Trockengestelle5, – dem Einbau einer Einbauküche6, – dem Einbau von Fliesen7, – der Verlegung eines Laminatfußbodens8 geprüft werden, inwieweit durch die Verpflichtung des Vermieters zur Zustimmung seine unternehmerische Freiheit, mit dem Gebäude nach Belieben zu verfahren, unangemessen eingeschränkt wird. In Ausübung dieser Freiheit kann der Vermieter einem Mieter die Installation einer CB-Dachfunkantenne9 verbieten, weil er insoweit auch Rücksicht auf die Belange der anderen Mieter nehmen muss, deren Fernseh-, Rundfunk- oder Mobilfunktelefon-Empfang gestört werden kann. Auch und gerade wenn sich die baulichen Veränderungen störend auswirken, kann der Vermieter seine Zustimmung verweigern. Hierbei kann insbesondere das Gesamtbild des Hauses von Bedeutung sein10. Unabhängig von unternehmerischen Gründen kann sich eine zulässige Versagung 759 der Zustimmung auch aus nachteiligen Folgewirkungen der baulichen Maßnahme des Mieters ergeben11. Dem Mieter ist es z.B. nicht gestattet, Brunnenwasser zur Toilettenspülung zu nutzen, wenn die Gefahr einer Verunreinigung der Wasserversorgung im öffentlichen Netz gegeben ist und damit eine Verminderung der Trinkwasserqualität hervorgerufen würde12. Ebenso darf der Mieter keine Styropor-Decken anbringen, da diese bei einem Brand giftige Gase abgeben13. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

BGH v. 14.9.2011 – VIII ZR 10/11, MDR 2011, 1465 = WuM 2011, 671. LG Hamburg v. 23.11.1973 – 11 S 93/73, WuM 1974, 145. LG Berlin v. 19.2.1998 – 67 S 506/96, MM 1998, 204. LG Nürnberg v. 6.7.1990 – 7 S 1401/90, WuM 1990, 422. LG München v. 10.5.1989 – 31 S 19840/88, WuM 1989, 556. LG Konstanz v. 14.10.1988 – 1 S 216/88, WuM 1989, 67; a.A. LG Berlin v. 19.9.1996 – 62 S 115/96, NJW-RR 1997, 1097 (wenn vermieterseits gestellte Einbauküche ausgetauscht werden soll). AG Schöneberg v. 29.3.2000 – 7 C 521/99, ZMR 2000, 685. AG Hamburg v. 23.6.1998 – 39A C 114/98, WuM 1998, 723. BayObLG v. 19.1.1981 – AllgReg 103/80, WuM 1981, 80. LG Hannover v. 22.12.1983 – 3 S 319/83, WuM 1984, 129. LG Hamburg v. 23.11.1973 – 11 S 93/73, WuM 1974, 145. LG Gießen v. 1.6.1994 – 1 S 507/93, WuM 1994, 681. LG Braunschweig v. 24.4.1985 – 12 S 231/84, WuM 1986, 248.

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c) Rechtsfolgen der Zustimmung 760 Der Vermieter kann mit der Erteilung der Zustimmung dem Mieter Auflagen machen, wenn diese sachgerecht und angemessen sind. Neben der fachgerechten Ausführung, die eigentlich selbstverständlich sind, ist insbesondere die Gewährleistungsfrage zu klären. Für seine Einbauten trägt zwar grundsätzlich der Mieter die Verantwortung. Durch die Verbindung mit der Mietsache können sich hier aber Zweifelsfragen ergeben, die im Einzelfall zu klären sind. 761 Weiterhin kann der Vermieter die Zustimmung von der Leistung einer zusätzlichen Sicherheit abhängig machen, wenn sich für ihn ein neues Haftungsrisiko ergibt (z.B. im Hinblick auf Rückbaukosten oder Gefährdung Dritter)1. 762 Hat der Vermieter den Maßnahmen zugestimmt, kann er dennoch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verlangen2. Vgl. dazu § 546 BGB Rz. 77. 763 Im Beitrittsgebiet ist § 112 ZGB zu beachten. Nach dieser Regelung bestand der Anspruch des Vermieters auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, wenn der Mieter ohne Zustimmung des Vermieters bauliche Veränderungen durchgeführt hatte, soweit die baulichen Veränderungen nicht zu einer Verbesserung der Wohnung geführt hatten, die im gesellschaftlichen Interesse lag. Diese Ausnahme ist im Zusammenhang mit evtl. Ansprüchen des Mieters auf Entschädigungsleistungen wegen §§ 112 Abs. 3 S. 2 ZGB zu beachten3. 6. Nutzung von Gemeinschaftsflächen 764 Bei der Vermietung von Räumen erstreckt sich das Recht des Mieters zur Nutzung der gemieteten Räume auf das Recht zur Mitbenutzung der Gemeinschaftsflächen auf dem Grundstück und im Gebäude4. Sind keine besonderen Vereinbarungen getroffen, umfasst das Mitbenutzungsrecht alle Modalitäten, die typischerweise mit der Benutzung der gemieteten Flächen verbunden sind5. 765 Soweit der Mietvertrag danach die Nutzung von Gemeinschaftsflächen (z.B. Treppenhaus, Fahrradkeller, Trockenraum, Waschküche, Schwimmbad, Garten, Hoffläche) erfasst, muss der Mieter seine Nutzung so einrichten, dass andere Mieter weder gestört noch gefährdet werden. Deshalb ist in der Regel jede Art von Sondernutzung nicht vertragsgemäß, so dass z.B. das Abstellen von Gegenständen im Treppenhaus, das Parken auf dem Hof oder die dauerhafte Belegung eines Gemeinschafts-Kellers unzulässig sind. Über der gesamten Nutzung steht das Gebot der Rücksichtnahme, § 241 Abs. 2 BGB. Welche Grenzlinien hier im Einzelnen zu ziehen sind, wird bei den Erläuterungen zu § 541 BGB aufgezeigt. 766 Umgekehrt kann dem Mieter ein bevorzugtes Nutzungsrecht an Gemeinschaftsflächen zustehen, wenn er – im Gegensatz zu anderen Mietern – auf die Nutzung angewiesen ist. Dies gilt insbesondere für Zufahrten zur Mietsache, auf deren Nutzung der Mieter zum Erreichen der Mietsache und/oder ihren Gebrauch angewiesen ist6. Dies kann erst anders zu beurteilen sein, wenn sonstige Grundstücksmitbenutzer nach den örtlichen Verhältnissen auf die laufende Mitbefahrbarkeit einer solchen Zufahrt angewiesen sind und wegen der Nutzung des Mieters ihre Nutzungsrechte an den ihnen zum Alleingebrauch überlassenen Grundstücksteilen nicht oder nicht angemessen ausüben können. Das Nutzungsrecht des Mieters umfasst deshalb ohne

1 AG Hamburg v. 17.5.1995 – 40a C 1309/94, WuM 1996, 29. 2 KG v. 17.6.2010 – 12 U 51/10, ZMR 2010, 956; LG Berlin v. 19.9.1986 – 64 S 111/86, MDR 1987, 234; a.A. LG Hamburg v. 17.5.1988 – 16 S 230/86, WuM 1988, 305. 3 BGH v. 29.11.1996 – LwZR 8/95, ZMR 1997, 174. 4 Vgl. BGH v. 10.11.2006 – V ZR 46/06, MDR 2007, 453 = NJW 2007, 146 (147) (unter II 2); Wolf/ Eckert/Ball, Rz. 187; Bub/Treier/Krämer, III Rz. 1171; Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 9; Blank/Börstinghaus, § 535 BGB Rz. 282 f.; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 25 f., 283 ff.; Fritz, Rz. 262. 5 Sternel, PiG 92, 47, 51 f. 6 OLG Düsseldorf v. 5.5.2009 – 24 U 153/08, GE 2009, 1187.

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jeden Zweifel das Rangieren, Ein- und Ausfahren sowie das Be- und Entladen von Kraftfahrzeugen, und zwar „rund um die Uhr“. Zu seinem Nutzungsrecht gehört aber auch das kurzfristige Abstellen von Kraftfahrzeugen auf der Zufahrt, wenn es im Zusammenhang mit den vorgenannten Dispositionen steht. 7. Tierhaltung a) Allgemeines Ob und bezüglich welcher Exemplare die Tierhaltung zum vertragsgemäßen Ge- 767 brauch einer Mietwohnung gehört, richtet sich nach den Gesamtumständen, insbesondere nach den Parteiabreden. Ein formularmäßiger Ausschluss jeglicher Tierhaltung, also auch der von Kleintieren, ist gemäß § 307 BGB unwirksam1. Das Bestehen einer wirksamen Abrede zur Einschränkung der Tierhaltung wirkt nur inter pares und begründet grundsätzlich keinen Anspruch, die Tierhaltung im Haus generell zu verbieten2. Besteht keine (wirksame) Klausel, die die Tierhaltung einschränkt oder verbietet, ist nach der Verkehrsanschauung zu ermitteln, ob die Tierhaltung zum vertragsgemäßen Gebrauch des Mieters gehört. Ist das nicht der Fall, bedarf der Mieter zur Haltung eines Tieres, das kein Kleintier ist, im Mehrfamilienhaus grundsätzlich der Erlaubnis3. Diese ist zu erteilen, wenn die Interessen des Mieters an der Tierhaltung die Belange des Vermieters (z.B. Schutz der Mieter vor Lärm- oder Gesundheitsbeeinträchtigungen) überwiegen.

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aa) Kleintiere Unter dem Begriff der Kleintiere werden Tiere zusammengefasst, von denen nach 769 Art, Anzahl und Unterbringung Schädigungen und Störungen Dritter nicht ausgehen können. Deshalb ist nicht zu beanstanden das Halten von – Zierfischen im Aquarium4, selbst wenn vier Aquarien mit je 60, 80 und 160 l aufgestellt werden5, – ungefährlichen Schlangen im Terrarium6, selbst wenn sich andere Mieter davor ekeln können, aber keine messbaren Störungen hervorgerufen werden7, – einem Zwergschwein in der Wohnung, solange davon keine Belästigungen ausgehen8, – einem Papagei9, – Echsen10, – Eidechsen11, – Chinchillas12, – Hamstern13,

1 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48; BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = NJW 1993, 1061 (unter II 4). 2 LG Berlin v. 3.11.2009 – 63 S 184/09, GE 2010, 769. 3 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48. 4 LG Kaiserslautern v. 20.1.1984 – 2 S 189/83, WuM 1989, 177. 5 AG Eschweiler v. 26.9.1991 – 5 C 769/91, WuM 1992, 240. 6 AG Köln v. 27.11.1989 – 213 C 363/89, WuM 1990, 343 = NJW-RR 1991, 10. 7 AG Bückeburg v. 12.10.1999 – 73 C 353/99, NZM 2000, 238. 8 AG München v. 6.7.2004 – 413 C 12648/04, WuM 2005, 649; AG Köpenick v. 13.7.2000 – 17 C 88/00, NZM 2001, 892. 9 LG Nürnberg-Fürth v. 13.6.1995 – 13 S 9530/94, DWW 1996, 50. 10 AG Essen v. 18.7.1995 – 9 C 109/95, ZMR 1996, 37. 11 Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1038. 12 AG Hanau v. 18.2.2000 – 90 C 1294/99, WuM 2002, 91. 13 Schach in Kinne/Schach/Bieber, § 535 BGB Rz. 37a.

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– Kleinvögeln1, – Zwergkaninchen2. 770 Dem stehen Katzen nicht gleich3. Denn sie werden nicht in Käfigen oder Aquarien gehalten und können daher andere Mieter tangieren. Deshalb muss der Mieter erst recht um die Erlaubnis zur Katzenhaltung nachsuchen, wenn er mehr als ein Tier halten will. 771 Auch Hunde – und seien sie noch so klein (z.B. Yorkshire-Terrier) – zählen nicht zu den Kleintieren4. Auch für das Halten einer Ratte in der Wohnung soll kein Zustimmungsanspruch bestehen, selbst wenn sie im Terrarium gehalten werden soll5. 772 Die Erlaubnisfreiheit von Kleintieren gilt nur soweit, wie sie im angemessenen Rahmen in Mietwohnungen gehalten werden6. Ob dieser Umfang überschritten wird, ist eine Frage des Einzelfalles und richtet sich insbesondere nach der Größe der Wohnung und – der Anzahl der Tiere, – der Anzahl der Aquarien oder Terrarien, – der Art der Haltung (z.B. freilaufende Zwergkaninchen), – dem Grund der Haltung (z.B. Zucht). 773 Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sind folgende Tierhaltungen – unabhängig von der Frage, ob im Einzelfall ein Kleintier gegeben ist – als unzulässig angesehen worden: – ca. 100 freifliegende Vögel in einer Zweizimmerwohnung7, – 7 Katzen in einer Dreizimmerwohnung8, – 4 Katzen in einer Einzimmerwohnung9, – 7 Katzen, 1 Schäferhund und 2 Chinchillas in einer Zweizimmerwohnung10, – 15 Hauskatzen in Freilaufgehegen bei Einfamilienhaus11, – zooähnliche Verhältnisse (3 Schweine, Kaninchen, Meerschweinchen, Schildkröten und Vögel) auf einem gemieteten Hausgrundstück12, – Hundezucht (4 Schäferhunde) in Maisonettewohnung mit gemeinschaftlicher Gartennutzung13. bb) Tierhaltung und vertragsgemäßer Gebrauch 774 Ohne Rücksicht auf ein bestehendes (wirksames) Verbot ist es unzulässig, in einem Mehrfamilienhaus ein Tier zu halten, das für Mitbewohner im Haus eine (potentielle) Gefahr darstellt. Dies gilt insbesondere für das Halten eines Kampfhundes14, selbst

1 Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 52. 2 AG Aachen v. 24.2.1989 – 6 C 500/88, WuM 1989, 236. 3 LG Berlin v. 14.9.1993 – 64 S 447/93, GE 1993, 1273; AG Hamburg v. 16.4.1991 – 46 C 224/91, NJW-RR 1992, 203; Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1038; a.A. LG Mönchengladbach v. 30.9.1988 – 2 S 191/88, ZMR 1989, 21; AG Aachen v. 13.3.1992 – 81 C 459/91, WuM 1992, 601; AG Sinzig v. 14.11.1989 – 7 C 334/89, NJW-RR 1990, 652. 4 AG Spandau v. 13.4.2011 – 13 C 574/10, ZMR 2011, 650 = GE 2011, 1687; a.A. LG Kassel v. 30.1.1997 – 1 S 503/96, WuM 1997, 260. 5 LG Essen, WuM 1991, 340. 6 LG Karlsruhe v. 12.1.2001 – 9 S 360/00, NZM 2001, 891; Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1038. 7 LG Karlsruhe v. 12.1.2001 – 9 S 360/00, NZM 2001, 891. 8 AG Lichtenberg v. 31.7.1996 – 8 C 185/96, NJW-RR 1997, 774. 9 KG v. 3.6.1991 – 24 W 6272/90, NJW-RR 1991, 1116. 10 LG Mainz v. 26.2.2002 – 6 S 28/01, WuM 2003, 624. 11 AG Leer v. 28.8.2009 – 72 C 342/09 (VII), Info M 2010, 167. 12 AG München v. 18.12.1998 – 462 C 27294/98, NZM 1999, 616. 13 OLG Zweibrücken v. 24.8.1999 – 3 W 164/99, ZMR 1999, 853. 14 LG Offenburg v. 14.10.1997 – 1 S 36/97, WuM 1998, 285; LG Gießen v. 15.6.1994 – 1 S 128/94, NJW-RR 1995, 12; LG Darmstadt v. 23.1.1991 – 17 S 514/90, WuM 1992, 117; LG NürnbergFürth v. 2.2.1990 – 7 S 3264/90, DWW 1990, 338.

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wenn die Gefährlichkeit durch ein Negativattest entkräftet wird. Denn die natürlich angeborene „Kampfhund-Eigenschaft“ kann jederzeit auch nach jahrelanger Zivilisierung wieder durchbrechen1. Deshalb muss der Mieter einen Miniatur-Bullterrier abschaffen, auch wenn im Mietvertrag nur das Halten eines Bullterriers verboten ist2. Zu den gefährlichen Tieren zählen – Bullterrier3, – Rottweiler4, – Staffordshire-Bullterrier5, – andere Kampfhunde6, – Gift- und Würgeschlangen7, – Schäferhunde8, – Vogelspinnen9.

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Fehlt eine (wirksame) Klausel zur Tierhaltung, kommt es darauf an, ob die Haltung 776 eines Tieres (insbesondere Hundes) durch den vertragsgemäßen Gebrauch des Wohnungsmieters gedeckt ist. Das ist streitig10. Nach einer Meinung ist das zu bejahen11. Die Gegenmeinung rechnet die Tierhaltung nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch; danach ist die Haltung von Haustieren nur mit der Erlaubnis des Vermieters zulässig, auf die kein Anspruch besteht, deren Versagung aber im Ausnahmefall treuwidrig (§ 242 BGB) sein kann12. Nach einer vermittelnden Ansicht ist die Frage der Zulässigkeit der Tierhaltung im Einzelfall unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zu entscheiden13. Dieser Ansicht hat sich der BGH angeschlossen14. Demnach erfordert die Beantwortung der Frage, ob die Haltung von Haustieren im 777 Einzelfall, in dem eine (wirksame) mietvertragliche Regelung fehlt, zum vertragsgemäßen Gebrauch i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB gehört, eine umfassende Abwägung der Interessen des Vermieters und des Mieters sowie der weiteren Beteiligten. Das setzt voraus, dass der Mieter vor der Aufnahme des Tieres in die Wohnung um die notwendige Erlaubnis nachsucht. Insoweit muss der Vermieter nicht schon zustimmen, nur weil Mitbewohner und Nachbarn mit der Haltung des Hundes (Schulterhöhe 25 cm) einverstanden sind15. Vielmehr steht die Erlaubnis grundsätzlich im freien Ermessen des Vermieters, solange der Mieter keine berechtigten Interessen vorträgt16.

1 A.A. LG München I v. 8.11.2006 – 14 S 23517/05, MietRB 2007, 57. 2 AG Pankow-Weißensee v. 25.1.2011 – 101 C 286/10, GE 2011, 415 = ZMR 2011, 396. 3 LG Karlsruhe v. 4.2.2002 – 5 S 121/01, NZM 2002, 246 = DWW 2002, 100; LG Krefeld v. 17.7.1996 – 2 S 89/96, WuM 1996, 533; LG München I v. 10.9.1993 – 13 T 14638/93, WuM 1993, 669; LG Nürnberg-Fürth v. 2.2.1990 – 7 S 3264/90, ZMR 1991, 29. 4 AG Bergisch Gladbach v. 13.2.1991 – 60 C 506/90, WuM 1991, 341. 5 LG München I v. 10.9.1993 – 13 T 14638/93, WuM 1993, 669. 6 LG Krefeld v. 17.7.1996 – 2 S 89/96, WuM 1996, 533; LG Offenburg v. 14.10.1997 – 1 S 36/97, WuM 1998, 285; LG Gießen v. 15.6.1994 – 1 S 128/94, NJW-RR 1995, 12; LG Darmstadt v. 23.1.1991 – 17 S 514/90, WuM 1992, 117; LG Nürnberg-Fürth v. 2.2.1990 – 7 S 3264/90, DWW 1990, 338; AG Rüsselsheim v. 9.11.1990 – 3 C 946/90, WuM 1992, 117. 7 AG Charlottenburg v. 21.7.1988 – 10 C 166/88, GE 1988, 1051. 8 AG Kassel v. 17.10.1986 – 806 C 4228/86, WuM 1987, 144. 9 Schach in Kinne/Schach/Bieber, § 535 BGB Rz. 37d. 10 Blank, NJW 2007, 729 (731) m.w.N. 11 Vgl. KG v. 18.11.2004 – 8 U 125/04, WuM 2004, 721 (722); LG Hildesheim v. 11.2.1987 – 7 S 472/87, WuM 1989, 9; Lammel, § 535 BGB Rz. 251. 12 OLG Hamm v. 13.1.1981 – 4 REMiet 5/80, 4 REMiet 6/80, MDR 1981, 406 = WuM 1981, 53 = ZMR 1981, 153; LG Karlsruhe v. 4.2.2002 – 5 S 121/01, NJW-RR 2002, 585. 13 LG Hamburg v. 30.8.2001 – 334 S 26/01, WuM 2002, 666; LG Freiburg v. 1.9.1994 – 2 S 240/93, WuM 1997, 175; LG Düsseldorf v. 29.6.1993 – 24 S 90/93, WuM 1993, 604; LG Mannheim v. 16.9.1992 – 4 S 73/92, ZMR 1992, 545. 14 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48. 15 A.A. AG Hamburg-Bergedorf v. 1.4.2003 – 409 C 517/02, NZM 2003, 898. 16 LG Köln v. 4.2.2010 – 6 S 269/09, ZMR 2010, 533.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

778 Die notwendige Abwägung lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall vornehmen, weil die dabei zu berücksichtigenden Umstände so individuell und vielgestaltig sind, dass sich jede schematische Lösung verbietet. Zu berücksichtigen sind insbesondere – Art, Größe, Verhalten und Anzahl der Tiere, – Art, Größe, Zustand und Lage der Wohnung sowie des Hauses, in dem sich die Wohnung befindet, – persönliche Verhältnisse des Mieters, namentlich das Alter, – berechtigte Interessen der Mitbewohner und Nachbarn, – berechtigte Belange des Vermieters, – Anzahl und Art anderer Tiere im Haus, – bisherige Handhabung durch den Vermieter, – besondere Bedürfnisse des Mieters1. 779 Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, bei der Abwägung zwischen städtischen Wohngegenden und ländlichen Gegenden zu differenzieren. Denn auf dem Land können die Umstände z.B. einen „Wachhund“ rechtfertigen2. Im Übrigen kann in einem Mehrfamilienhaus schon aufgrund der Größe des Hundes die Zustimmung versagt werden, z.B. für einen Schäferhund in einer Siedlungswohnung3. Umgekehrt kann ein kleiner Hund gehalten werden4, allerdings nicht ohne Zustimmung5, die notfalls eingeklagt werden muss. Insoweit kann sich der Mieter nicht auf den Grundsatz der Gleichbehandlung berufen6. 780 Ob bei einer Katzenallergie des Vermieters zusätzlich eine konkrete Gesundheitsgefährdung erforderlich ist7, bevor diese Erkrankung im Rahmen der Abwägung relevant wird, ist fraglich. Hat der Vermieter aus general-präventiven Gründen ein generelles Verbot erteilt (z.B. zum potentiellen Schutz für Mitmieter mit Allergien), muss der Mieter besondere Gründe vortragen, die diesen Schutz aufwiegen8. Dagegen ist das Argument des Vermieters, in der Wohnung lasse sich ein Hund nicht artgerecht halten, ohne nähere Erläuterung ohne Substanz9. 781 Besondere Belange des Mieters können sich aus der Tatsache ergeben, dass ein Tier für ihn einen Bezugspunkt darstellt und daher einen anzuerkennenden, allein in der Wohnung zu realisierenden Bestandteil individueller Lebensführung bilden können10. Diese abstrakte Möglichkeit allein reicht jedoch nicht aus, eine Abwägung zugunsten des Mieters durchzuführen11. Vielmehr müssen dazu konkrete Umstände vorgetragen werden. Diese können darin bestehen, dass der Mieter das Tier aus gesundheitlichen12 oder therapeutischen Gründen zur Bewältigung seelischer bzw. psychischer Probleme braucht. Letzteres kommt z.B. bei einer Drogenentwöhnung13 oder einer schweren Depression14 in Betracht15. Die Anleitung zu verantwortungsvollem Handeln für ein asthmakrankes Kind, das viel frische Luft benötigt, kann ebenfalls ausrei1 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48. 2 AG Neustrelitz v. 27.10.1994 – 2 C 436/94, WuM 1995, 535. 3 AG Köln v. 9.10.1996 – 219 C 227/96, WuM 1997, 109. 4 LG Düsseldorf v. 29.6.1993 – 24 S 90/93, WuM 1993, 604. 5 LG Kassel v. 30.1.1997 – 1 S 503/96, WuM 1997, 260 (Yorkshire-Terrier). 6 A.A. AG Leonberg v. 7.1.1997 – 5 C 836/96, WuM 1997, 210. 7 AG Bonn v. 12.12.1989 – 6 C 463/89, WuM 1990, 197. 8 Zum Abwägungserfordernis: BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48. 9 BGH v. 22.1.2013 – VIII ZR 329/11, WuM 2013, 152 = GE 2013, 346. 10 MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 93. 11 A.A. LG Köln v. 15.1.2013 – 10 S 183/12, n.v. 12 AG Münster v. 7.10.1991 – 48 C 140/91, WuM 1992, 116. 13 AG Hamburg v. 8.4.1997 – 46 C 11/97, WuM 1997, 674. 14 LG Mannheim v. 16.9.1992 – 4 S 73/92, ZMR 1992, 545. 15 Vgl. auch Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 510; Blank/Börstinghaus, § 535 BGB Rz. 460.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

chen1. Auch eine rheumatische Erkrankung soll den Anspruch des Mieters auf Erlaubnis begründen2, ebenso wie Umstände der Lebensplanung (hier: mit Eintritt in den Ruhestand)3. Neben dem Mieter und seinen Familienangehörigen kann auch der in die Wohnung aufgenommene Lebensgefährte der Tochter als gesundheitlich-psychisch betroffene Bezugsperson für das besondere Bedürfnis gelten4. Keine ausreichende Rechtfertigung besteht aber, wenn der Mieter nur vorbringen kann, den Hund zum Schutz bei Ausgängen des Nachts zu benötigen5. Nicht konkretisierbare Folgen der Tierhaltung können im Rahmen der Abwägung 782 nicht berücksichtigt werden. Deshalb muss die bloße Befürchtung, dass ein Geruch nach Katzenurin entsteht, unberücksichtigt bleiben. Das Argument, dass dieser Geruch nach dem Auszug automatisch wieder verschwindet6, greift dabei aber nicht durch. Immerhin liegt eine Beschädigung der Mietsache vor. cc) Widerruf der Erlaubnis Ob sich die erteilte Zustimmung allein auf das konkrete Tier oder die Tierhaltung ge- 783 nerell bezieht, ist in der Regel eine Tatfrage. Die Parteien können aber bereits im Mietvertrag festlegen, dass eine Erlaubnis mit der Abschaffung oder dem Tod des Tieres erlischt7. Ohne eine solche Regelung ist im Zweifel davon auszugehen, dass sich die erteilte Erlaubnis auf das konkrete Tier, das in der Anfrage benannt wurde, erstreckt und der Mieter keinen Austausch vornehmen darf8. Der Vermieter kann sich den Widerruf schon mit der Erlaubniserteilung vorbehalten9. 783a Dennoch darf ein Widerruf auch in einem solchen Fall nicht willkürlich erfolgen, sondern es müssen sachliche Gründe bestehen. Dies gilt auch bei einem Vorbehalt wegen „veränderter Umstände“10. Dennoch ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Mieter keinen Bestandschutz genießt11. Fehlt es an einem Vorbehalt, kann die einmal erteilte Erlaubnis zur Tierhaltung vom 784 Vermieter aus wichtigem Grund widerrufen werden. Denn wenn der Mietvertrag schon aus diesem Grund gekündigt werden kann, ist erst recht das mildere Mittel des Widerrufs gerechtfertigt. Für einen Widerruf sollen gelegentliche Verschmutzungen des Treppenhauses durch den Hund12 oder das Mitbringen von Hunden durch die Besucher des Mieters13 nicht ausreichend sein. Das ist hinsichtlich der Verschmutzungen aus hygienischen Gründen nur richtig, wenn keine Wiederholungsgefahr besteht. Ein Widerruf ist aber zulässig, wenn – die Katze (oder der Hund) in den Spielplatzbereich ausgeführt wird14, – das Tier untypisch die Hausbewohner belästigt15, – besondere Ruhestörungen bewirkt16, – der Hund durch Bellen, Jaulen und dergleichen den Hausfrieden stört17, 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

785

BGH v. 20.3.2013 – VIII ZR 168/12, zitiert nach www.dejure.org. AG Hamburg v. 11.7.2007 – 46 C 32/06, zitiert nach juris. LG Hamburg v. 30.8.2001 – 334 S 26/01, WuM 2002, 666. AG Bonn v. 17.2.1994 – 8 C 731/93, WuM 1994, 323. LG Lüneburg v. 11.11.1993 – 1 S 163/93, WuM 1995, 704. AG Hamburg v. 24.4.1996 – 40a C 402/95, WuM 1996, 613 (str.). AG Speyer v. 30.1.1991 – 2 C 1323/90, DWW 1991, 372. AG Kassel v. 17.10.1986 – 806 C 4228/86, WuM 1987, 144. AG Hamburg-Bergedorf v. 9.3.1990 – 409 C 31/90, WuM 1990, 489. LG Berlin v. 16.7.2012 – 67 S 507/11, GE 2012, 1169. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 516 unter Hinweis auf OLG Celle v. 31.1.2003 – 4 W 15/03, MDR 2003, 925 = WuM 2003, 161 = ZMR 2003, 440 (zum WEG). AG Reichenbach v. 12.8.1993 – C 88/93, WuM 1994, 322. AG Aachen v. 18.10.1991 – 7 C 374/91, WuM 1992, 432. AG Köln v. 4.12.1991 – 219 C 496/91, WuM 1992, 365. AG Hamburg-Wandsbek v. 23.10.1990 – 716c C 114/90, WuM 1991, 94. AG Hamburg-Wandsbek v. 23.10.1990 – 716c C 114/90, WuM 1991, 94. AG Potsdam v. 2.5.1996 – 26 C 38/96, WuM 1998, 316.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

– nicht unerhebliche Schäden verursacht hat1, – Geruchsbelästigungen (z.B. Katzenurin) entstehen2. b) Erlaubnisvorbehalt 786 Im Hinblick auf den Grundsatz, dass der Vermieter die Tierhaltung prinzipiell verbieten kann, können die Rechte des Mieters – auch formularmäßig – im Mietvertrag geregelt werden. Dabei kann eine generelle Erlaubnis erteilt sein (vgl. dazu § 541 BGB Rz. 35) oder ein Erlaubnisvorbehalt bestehen. 787 Ob bei einer Vorbehaltsklausel der Vermieter die Erlaubnis nach freiem Ermessen versagen darf oder ob hierfür Sachgründe vorliegen müssen, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig. Nach einer Auffassung muss der Vermieter eine Interessenabwägung vornehmen und kann die Erlaubnis zur Tierhaltung nur versagen, wenn hierfür gewichtige und überzeugende Sachgründe vorliegen3. Nach einer anderen Meinung4 ist der Vermieter in seiner Entscheidung, ob er eine Tierhaltung in einer Mietwohnung gestatten will, auch dann frei, wenn er in der Wohnanlage bereits andere Hunde geduldet hat5. Nach dieser Auffassung wird das Ermessen des Vermieters nur durch die nach § 242 BGB geltenden Grundsätze, insbesondere durch das Verbot missbräuchlichen oder treuwidrigen Verhaltens, begrenzt. 788 Dieser letztgenannten Meinung gebührt der Vorzug. Denn im Zivilrecht gibt es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung. Allenfalls das Schikaneverbot des § 226 und § 242 BGB setzen dem Vermieter Grenzen. Immerhin handelt es sich um eine sachbezogene Beziehung der Parteien. 789 Hat sich der Vermieter im Formularmietvertrag aber die interessengerechte Zustimmung zur Tierhaltung vorbehalten, genügt er der vereinbarten Ermessensbindung im Einzelfall nicht dadurch, dass er nach einem allgemeinen, für seinen Wohnungsbestand entworfenen Kriterienkatalog über eine Zustimmung entscheidet6. 8. Telefonie, Rundfunk- und Fernsehempfang, Medien a) Telefonie und Medien 790 Jeder Mieter hat grundsätzlich ein Recht auf Teilnahme am Fernsprechverkehr. Dennoch hat der Mieter keinen Anspruch auf Herstellung eines Anschlusses zu einem Festnetz, sofern ausnahmsweise kein Telefonanschluss in der Wohnung vorhanden ist. Selbst wenn dies heute zum Standard des Wohnens auch in Altbauwohnungen zählen könnte, ist über die nahezu flächendeckende Ausbreitung des Mobilfunknetzes eine ausreichende Grundausstattung gegeben. 791 Deshalb muss der Vermieter auch keine besonderen Einrichtungen für die Nutzung des Internets herstellen. Ebenso wie die Versorgung durch einen Telefonanbieter ist die Herstellung eines Internetanschlusses Sache des Mieters. b) Rundfunk- und Fernsehempfang 792 Der Mieter hat Anspruch auf Empfang von Rundfunk- und Fernsehprogrammen. Sind keine besonderen Vereinbarungen getroffen, ist Maßstab für den Standard die bei Vertragsbeginn vorhandene Empfangsanlage. Besteht die Möglichkeit des Fernsehempfangs über das Internet, wird der Standard für den vertragsgemäßen Gebrauch dadurch gebildet7. Insoweit besteht grundsätzlich kein Anspruch des Mieters 1 AG Steinfurt v. 3.1.1991 – 4 C 544/90, WuM 1991, 260. 2 AG Hamburg v. 24.4.1996 – 40a C 402/95, WuM 1996, 613. 3 Blank, NJW 2007, 729 m.w.N.; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 231; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 509; Hülsmann, NZM 2004, 841 ff. 4 Vgl. z.B. OLG Hamm v. 13.1.1981 – 4 REMiet 5/80, 4 REMiet 6/80, MDR 1981, 406 = WuM 1981, 53 ff.; LG Köln v. 4.2.2010 – 6 S 269/09, ZMR 2010, 533. 5 S.a. LG Berlin v. 15.10.1998 – 67 S 143/98, NZM 1999, 455. 6 AG Köln v. 24.6.1997 – 216 C 58/97, WuM 1997, 366. 7 LG Berlin v. 25.10.2011 – 65 S 38/11, GE 2011, 1556; AG Augsburg v. 26.7.2011 – 25 C 623/11, GE 2011, 1561.

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§ 535 BGB

auf Aufrüstung der Anlage, sei es, um die Zahl der Sender zu erhöhen oder eine besondere Qualität des Empfangs (z.B. digitales Fernsehen in HD1) zu erhalten. Dies würde zu einer Modernisierung führen, die der Mieter grundsätzlich nicht beanspruchen kann. Denn mehr Sender oder eine bessere Qualität erhöhen den Wohnwert. In besonderen Ausnahmefällen kann der Mieter beanspruchen, dass ihm der Vermie- 793 ter eine Erlaubnis zu baulichen Maßnahmen erteilt, mit denen er eine Erweiterung des Fernsehempfangs herbeiführen kann. Dies kommt insbesondere durch die Installation einer Parabolantenne in Betracht, mit der der Mieter eine nahezu unbegrenzte Zahl von Sendern empfangen kann. Ein solcher Anspruch scheidet nur dann von vorneherein aus, wenn der Mieter ohne weiteres einen Breitbandkabelanschluss in die Wohnung verlegen kann2. Die Maßstäbe, nach denen zu beurteilen ist, ob einem Mieter gegen den Vermieter ein 794 Anspruch auf Genehmigung der Installation einer Parabolantenne zum Empfang von Fernseh- und Hörfunkprogramme zustehen kann, auch wenn das Haus mit einem Breitbandkabelanschluss ausgestattet ist, sind durch die Rechtsprechung des BGH und des BVerfG geklärt3. Danach ist dem Grundrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 GG, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, auch in zivilgerichtlichen Streitigkeiten über die Anbringung von Satellitenempfangsanlagen an Mietwohnungen Rechnung zu tragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das – gleichrangige – Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG berührt ist, wenn von ihm verlangt wird, eine Empfangsanlage an seinem Eigentum zu dulden4. Die danach notwendige Abwägung führt bei vorhandenem Breitbandkabelanschluss 795 o.Ä. grundsätzlich zu einem Übergewicht des Interesses des Vermieters an der Unversehrtheit seines Eigentums bzw. seinem Selbstbestimmungsrecht zur optischen Darstellung des Objektes5. Dies gilt erst recht, wenn der Anschluss mit einer Set-Box und Smart-Card ausgestattet ist, die den Empfang von (ggf. weiteren) Heimatsendern ermöglichen6, und zwar selbst dann, wenn der Mieter dafür zusätzliche Kosten in zumutbarem Umfang (hier: 8 Euro/mtl.) aufwenden muss7. Ein Vorrang des Informationsinteresses des Mieters ergibt sich auch nicht aus dem Recht der Europäischen Gemeinschaft8. Zwar kann sich der Mieter insoweit neben der durch Art. 10 EMRK geschützten Informationsfreiheit auf die Dienstleistungsfreiheit, die durch Art. 49 des EG-Vertrages geschützt ist, berufen. Indessen sind beide Rechte nicht schrankenlos. Das Eigentum wird durch die Gemeinschaftsrechtsordnung ebenfalls geschützt9. Eine Ausnahme soll für einen schwerbehinderten Mieter bestehen, der 1 BGH v. 21.9.2010 – VIII ZR 275/09, WuM 2010, 737 = GE 2010, 1681. 2 AG Münster v. 20.10.2009 – 28 C 1474/09, WuM 2012, 139. 3 BGH v. 16.9.2009 – VIII ZR 67/08, NJW 2010, 436; BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 260/06, MDR 2008, 73 = MietRB 2008, 1 = NJW 2008, 216; BGH v. 16.5.2007 – VIII ZR 207/04, MietRB 2007, 259 = NJW-RR 2007, 1243; BGH v. 17.4.2007 – VIII ZR 63/04, WuM 2007, 380; BGH v. 16.11.2005 – VIII ZR 5/05, MDR 2006, 741 = NJW 2006, 1062; BGH v. 2.3.2005 – VIII ZR 118/04, NJW-RR 2005, 596; BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, BVerfGE 90, 27, 32 ff.; BVerfG v. 24.1.2005 – 1 BvR 1953/00, NJW-RR 2005, 661; BVerfG v. 27.10.2006 – 1 BvR 1320/04, GE 2007, 902. 4 BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 260/06, MDR 2008, 73 = MietRB 2008, 1 = NJW 2008, 216; BGH v. 16.5.2007 – VIII ZR 207/04, NJW-RR 2007, 1243; BGH v. 17.4.2007 – VIII ZR 63/04, WuM 2007, 380; BGH v. 16.11.2005 – VIII ZR 5/05, MDR 2006, 741 = NJW 2006, 1062; BGH v. 2.3.2005 – VIII ZR 118/04, NJW-RR 2005, 596; BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, BVerfGE 90, 27, 32 f.; BVerfG v. 24.1.2005 – 1 BvR 1953/00, NJW-RR 2005, 661. 5 OLG Naumburg v. 28.10.1993 – 4 U 110/93, WuM 1994, 17; BVerfG v. 10.3.1993 – 1 BvR 1192/92, MDR 1993, 533 = WuM 1993, 229. 6 BVerfG v. 24.1.2005 – 1 BvR 1953/00, WuM 2005, 235 = NZM 2005, 252 = ZMR 2005, 932; BGH v. 2.5.2005 – VIII ZR 118/04, WuM 2005, 237 = NZM 2005, 335. 7 BVerfG v. 24.1.2005 – 1 BvR 1953/00, WuM 2005, 235 = NZM 2005, 252 = ZMR 2005, 932; vgl. auch BGH v. 2.3.2005 – VIII ZR 118/04, WuM 2005, 237 = NZM 2005, 335. 8 BGH v. 16.11.2005 – VIII ZR 5/05, MDR 2006, 741 = WuM 2006, 28 = NZM 2006, 98 = ZMR 2006, 195. 9 EuGH v. 13.12.1979 – Rs. 44/79, Slg. 1979, 3727 Rz. 17 ff.; EuGH v. 5.10.1994 – Rs. C-280/93, Slg. 1995, I-4973 Rz. 77 f.

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auf den Empfang digitalen Fernsehens über Satelliten angewiesen ist. Das soll der Fall sein, wenn nur das digitale Fernsehen die Teilhabe am kulturellen Leben gewährleistet, weil darüber z.B. Erotiksender empfangen werden können1. 796 Vor diesem Hintergrund überwiegt das Interesse des Mieters, wenn weder eine Substanzverletzung noch eine nennenswerte ästhetische Beeinträchtigung des Eigentums des Vermieters zu besorgen ist, sondern die Antenne keine oder lediglich geringfügige optische Beeinträchtigungen verursacht, beispielsweise weil sie im Innern des Gebäudes am Fenster2 oder auf dem Fußboden im hinteren Bereich auf einem durch Vorder- und Seitenwände sichtgeschützten Balkon aufgestellt ist3. Denn in diesen Fällen kann der Vermieter wegen des durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interesses des Mieters am zusätzlichen Empfang von (ausländischen) Satellitenprogrammen4 nach Treu und Glauben verpflichtet sein, einer solchen Aufstellung zuzustimmen (§ 242 BGB). Anders kann es dagegen liegen, wenn eine auf dem Balkon aufgestellte Parabolantenne von außen deutlich sichtbar ist und dadurch zu einer ästhetischen Beeinträchtigung des im Eigentum des Vermieters stehenden Gebäudes führt5. 797 In den anderen Fällen kommt es darauf an, ob das Informationsinteresse des Mieters überwiegt. Das ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die vorhandene Empfangsanlage dem ausländischen Mieter nicht die Gelegenheit eröffnet, unmittelbar Informationen über sein Heimatland zu erhalten6. Dabei ist auch das Internetangebot zu berücksichtigen7. Bei der notwendigen Abwägung ist die Religionsfreiheit nicht ausschlaggebend, wenn der türkische Mieter alevitischen Glaubens ist8. Denn die Religionsfreiheit schützt nur die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, und die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, und damit das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass Informationen über Rundfunk und Fernsehen erreichbar sein müssen, die auch durch Druckerzeugnisse erlangt werden könnten. Ein kurdischstämmiger Mieter, der inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat, soll wie ein Ausländer behandelt werden können, weil sich durch die Staatsangehörigkeit seine Bindung zur Heimat nicht (automatisch) löst, so dass es auch nicht auf seine Rückkehrwilligkeit ankommen soll9. 798 Solange der Vermieter keine ausreichende Versorgung zur Verfügung stellt, hat er die Installation der dafür erforderlichen Anlagen zu gestatten; er darf jedoch den Standort derartiger Installationsmaßnahmen außerhalb der Mieträume bestimmen10. Eine Einzel- und/oder Parabolantenne darf der deutsche Mieter dann nicht anbringen, wenn der Vermieter entweder eine Gemeinschaftsantenne oder aber einen Breitbandkabelanschluss zur Verfügung stellt11. Im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG (Informationsfreiheit) ist der Vermieter aber gegenüber dem ausländischen Mieter verpflichtet, die fachgerechte Installation einer baurechtlich zulässigen Parabolantenne zum Empfang ausländischer Sender an einem von ihm zu bestimmenden Aufstel1 AG Leipzig v. 14.5.2012 – 165 C 6339/11, WuM 2012, 369. 2 Vgl. AG Gladbeck v. 10.9.1998 – 5 C 493/98, NZM 1999, 221 f. 3 Vgl. AG Herne-Wanne v. 28.7.2000 – 3 C 193/00, WuM 2001, 277; AG Siegen v. 22.6.1999 – 13 C 358/99, WuM 1999, 454; weitergehend LG Hamburg v. 18.5.1999 – 316 S 17/99, WuM 1999, 454; LG Berlin v. 12.9.2003 – 63 S 66/03, GE 2003, 1330. 4 Vgl. BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, BVerfGE 90, 27, 32 f. = MDR 1994, 547. 5 Vgl. BVerfG v. 24.1.2005 – 1 BvR 1953/00, NJW-RR 2005, 661 (662); BVerfG v. 17.3.2005 – 1 BvR 42/03, BeckRS 2005, Nr. 25459. 6 BGH v. 17.4.2007 – VIII ZR 63/04, WuM 2007, 380 = ZMR 2007, 676 = GE 2007, 903; BVerfG v. 14.2.2005 – 1 BvR 1908/01, WuM 2007, 379. 7 LG Berlin v. 25.10.2011 – 65 S 38/11, GE 2011, 1556; AG Augsburg v. 26.7.2011 – 25 C 623/11, GE 2011, 1561; a.A. AG Halle v. 13.11.2012 – 95 C 4392/11, ZMR 2013, 124. 8 BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 260/06, MDR 2008, 73 = MietRB 2008, 1 = WuM 2007, 678. 9 KG v. 11.10.2007 – 8 U 210/06, MietRB 2008, 1 = WuM 2007, 618. 10 BayObLG v. 19.1.1981 – AllgReg 103/80, MDR 1981, 583 = NJW 1981, 1275. 11 BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, MDR 1994, 547 = NJW 1994, 1147.

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lungsort zu genehmigen, soweit der Mieter für die Versicherung Sorge trägt und die Rückbaukosten durch Leistung einer Kaution sicherstellt. Vgl. im Einzelnen § 541 BGB Rz. 89 f. Eine Vertragsklausel, mit der das Recht des Mieters auf Zustimmung zur Erweite- 799 rung des Fernsehempfangs eingeschränkt werden soll, muss wirksam sein. Das ist nicht der Fall, wenn eine formularmäßige Regelung für den Fall des Vorhandenseins einer Gemeinschaftsantenne oder den Anschluss an eine mit einem Breitbandkabel verbundene Verteilanlage die Anbringung einer Antenne ausnahmslos verbietet, § 307 BGB1. Denn die Entscheidung erfordert eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, für die sich jede schematische Lösung verbietet2. Schließt eine Vertragsbedingung die Vornahme der notwendigen Abwägung von vornherein aus, liegt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters vor, § 307 Abs. 1 BGB3. Die erteilte Erlaubnis kann jederzeit widerrufen werden, wenn sich die Umstände 800 verändert haben. Denn als Ausnahmeregelung, die das Eigentumsrecht einschränkt, hat sie keine von den Erlaubnisgründen unabhängige Dauerwirkung. Dies gilt erst recht, wenn bei der Erlaubniserteilung ein Vorbehalt zum Widerruf bei „veränderten Umständen“ erklärt wurde4. Derartige Umstände sind insbesondere gegeben, wenn die Wohnung an das rückkanalfähige Breitbandkabelnetz angeschlossen wird und der Mieter Radio- und Fernsehsendungen in seiner Sprache über den (kostenpflichtigen) Internetzugang empfangen kann5. 9. Musikausübung Zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietwohnung gehören grundsätzlich der Be- 801 trieb von Rundfunk- und Fernsehgeräten sowie die Musikausübung. Insoweit ist aber das Gebot der Rücksichtnahme zu beachten. Was danach zumutbar ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab6. Prinzipiell ist Zimmerlautstärke einzuhalten und die üblichen Ruhezeiten (vgl. § 535 BGB Rz. 858) sind zu beachten. Musikausübung durch Instrumente kann im Mietvertrag ausgeschlossen werden7. Vgl. im Übrigen § 541 BGB Rz. 157 und 162. 10. Aufstellen von Haushaltsgeräten Mangels abweichender Vereinbarung umfasst nach der Verkehrsanschauung der ver- 802 tragsgemäße Gebrauch einer Wohnung, dass zumindest ein größeres Haushaltsgerät wie Waschmaschine oder Geschirrspülmaschine und gleichzeitig weitere haushaltsübliche Elektrogeräte wie etwa ein Staubsauger in der Wohnung benutzt werden können8. Zu einer zeitgemäßen Wohnnutzung gehört außerdem, dass das Badezimmer über eine Stromversorgung verfügt, die nicht nur eine Beleuchtung, sondern auch den Betrieb von kleineren elektrischen Geräten über eine Steckdose ermöglicht. Unabhängig davon, dass der Vermieter also einen Standard in der Wohnung zur Ver- 803 fügung stellen muss, der den Betrieb der Haushaltsgeräte im beschriebenen Umfang ermöglicht, kann er die Installation der Geräte grundsätzlich nicht verbieten. Denn gerade die klassischen Haushaltsgeräte (Herd, Spülmaschine, Kühlschrank) benötigt der Mieter in der Wohnung. Deshalb ist eine vertragliche Pflicht zur Nutzung einer

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BGH v. 16.5.2007 – VIII ZR 207/04, MietRB 2007, 259 = WuM 2007, 381 = GE 2007, 982. BGH v. 16.11.2005 – VIII ZR 5/05, MDR 2006, 741 = NJW 2006, 1062. Vgl. auch LG Essen v. 12.3.1998 – 10 S 505/97, WuM 1998, 344. LG Berlin v. 16.7.2012 – 67 S 507/11, GE 2012, 1169. LG Berlin v. 16.7.2012 – 67 S 507/11, GE 2012, 1169 (Zusatzkosten: 19,90 Euro/Monat). Vgl. OLG Hamm v. 7.11.1985 – 15 W 181/85, MDR 1986, 501 = NJW-RR 1986, 500; OLG Hamm v. 10.11.1980 – 15 W 122/80, MDR 1981, 320 = NJW 1981, 465; OLG Frankfurt v. 29.8.1984 – 20 W 190/84, WuM 1984, 303. 7 OLG München v. 19.3.1986 – 21 W 698/86, NJW-RR 1986, 638. 8 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = WuM 2004, 527 = ZMR 2004, 807.

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Gemeinschaftswaschmaschine im Hause unbeachtlich1, solange keine besonderen Belange zu berücksichtigen sind. 804 Problematisch ist häufig die Situation, wenn das Gebäude über zusätzliche Räume verfügt (z.B. Waschküche oder Trockenraum), in denen Haushaltsgeräte (insbesondere Waschmaschine und Trockner) aufgestellt werden können. Eine Klausel in der Hausordnung, die dem Mieter in diesem Fall die Nutzung der besonderen Räume vorschreibt, verstößt ebenso gegen § 307 BGB wie eine entsprechende Formularklausel im Mietvertrag2. Denn wenn die Geräte fachgerecht aufgestellt und betrieben werden, geht von ihnen keine Gefahr aus, die unterbunden werden müsste. 805 Die Nutzung der Haushaltsgeräte muss der Mieter so betreiben, dass andere Mieter nicht gestört werden, § 241 Abs. 2 BGB3. Dazu muss er grundsätzlich die allgemeinen Ruhezeiten (vgl. § 535 BGB Rz. 858) einhalten. Doch auch außerhalb dieser Zeiten darf die Nutzung nicht zu vermeidbaren Störungen führen. 806 Die Nutzung als solche lässt sich formularvertraglich regelmäßig nicht beschränken. Insbesondere kann der Vermieter nicht verlangen, dass nur gegen Wasserauslaufen gesicherte Wasch- und Geschirrspülmaschinen aufgestellt werden4. VIII. Mitwirkungs- und Nebenpflichten des Mieters 1. Besichtigungsrecht 807 Aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt sich unmittelbar das Recht des Vermieters, vom Mieter zwecks Besichtigung Zutritt zur Mietsache zu verlangen5. Denn um die Erhaltung der Mietsache gewährleisten zu können, muss dem Vermieter auch das eigenständige Recht zustehen, den Zustand der dem Obhutsbereich des Mieters unterliegenden Räume zu prüfen. Ohne Zweifel besteht ein Zutrittsrecht, wenn nutzungsbedingte Anlässe bestehen, wie etwa – zur Abwehr drohender Gefahren, – wenn der Mieter Mängel behauptet oder dem Vermieter Mängel sonst bekannt geworden sind, – wenn der Vermieter Reparatur- oder Modernisierungsmaßnahmen durchführen will, – zur Überprüfung des vertragsgerechten Mietgebrauchs6, – bei bestehender Verkaufsabsicht7, – zur Wahrung des Vermieterpfandrechts8, – zur Ablesung von Verbrauchserfassungsgeräten. 808 Der Grund für die Besichtigung muss auf dem Mietverhältnis basieren. Deshalb reicht es nicht aus, dass ein Sachverständiger in einem Rechtsstreit zwischen anderen Mietparteien eine Streitfrage durch Messungen in der Wohnung des Mieters klären soll9. Hier kann allenfalls über § 242 BGB eine Korrektur untragbarer Ergebnisse erfolgen, wenn z.B. der Vermieter ansonsten einen nicht wieder gutzumachenden Schaden erleidet.

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AG Hameln v. 17.12.1993 – 23 C 380/93, WuM 1994, 426. AG Düsseldorf v. 23.7.2008 – 53 C 1736/08, WuM 2008, 547. AG Köln v. 11.1.2001 – 207 C 221/00, WuM 2001, 276. LG Detmold v. 18.3.1998 – 10 S 276/97, WuM 2002, 51. A.A. Bub/Treier/Kraemer, II Rz. 1126: § 242 BGB; Blank/Börstinghaus, § 535 BGB Rz. 297: § 241 Abs. 2 BGB. AG Rheine v. 4.3.2003 – 4 C 668/02, WuM 2003, 315 (für vermutete Tierhaltung). LG Frankfurt v. 24.5.2002 – 2/17 S 194/01, NZM 2002, 696. LG Berlin v. 6.12.2004 – 12 O 633/04, GE 2005, 238. OLG Nürnberg v. 25.1.1990 – 8 U 3751/89, WuM 1990, 143.

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a) Entgegenstehende Rechte des Mieters Der Mieter kann den Zutritt in den aufgezählten Fällen nur verweigern, wenn aus- 809 nahmsweise der Schutz der Privatsphäre höherwertig ist (z.B. Krankheit, Besuch, Urlaub oder sonstige kurzfristige Ortsabwesenheit). Dient die Besichtigung der Vorbereitung einer Modernisierungsmaßnahme, kann sich der Mieter aber nicht damit verteidigen, dass die geplante Modernisierung von ihm nicht zu dulden ist, weil sie z.B. eine Härte i.S.d. § 555d Abs. 2 BGB darstellt1. Denn vor einer Besichtigung liegt der Umfang der Modernisierung noch nicht fest. Umstände, die zu einem generellen Ausschluss des Zutrittsrechts führen, sind kaum denkbar. Denn selbst wenn die Parteien heillos zerstritten sind (was z.B. zur Unzumutbarkeit der Belegeinsicht beim Vermieter führen soll2), muss der Vermieter die Möglichkeit haben, z.B. den erforderlichen Reparaturaufwand selbst zu ermitteln bzw. festzulegen. Ausnahmen ergeben sich, wenn z.B. bereits zwei Besichtigungen zur Überprüfung be- 810 stimmter Gewerke durchgeführt wurden und der Anlass für den erneuten Zutrittswunsch seinerzeit schon bekannt war3. Ist der Mietvertrag gekündigt, soll es dem Vermieter zumutbar sein, mit der Ermittlung des Instandsetzungsaufwandes bis nach der Rückgabe zuzuwarten4. Dies ist aber zweifelhaft. Denn grundsätzlich besteht kein rechtfertigender Grund, dem Vermieter wirtschaftlichen Schaden zuzufügen, nur weil der Mietvertrag sich im Endstadium befindet. b) Vertragliche Ausgestaltung Eine Vertragsbestimmung, wonach dem Vermieter auch ohne besonderen Anlass ein 811 Besichtigungsrecht zustehen soll, begegnet grundsätzlich auch bei einem Formularvertrag keinen Bedenken5, selbst wenn ein periodisches Besichtigungsrecht im Abstand von mindestens zwei Jahren begründet werden soll. Im Hinblick auf das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB muss aus der Klausel aber hervorgehen, dass der Vermieter nicht ungefragt die Besichtigung verlangen kann6. Stellt die Klausel nur auf bestimmte Zeitfenster ab (z.B. von 10 bis 13 Uhr und 15 bis 812 18 Uhr), soll sie unwirksam sein, weil der Eindruck erweckt wird, das Besichtigungsrecht könne ohne Ankündigung ausgeübt werden7. Dies ist zweifelhaft. Denn aus der nicht geregelten Ankündigung kann nicht hergeleitet werden, dass sie unterbleiben darf. Die Klausel beschränkt den Vermieter daher lediglich in der Ausübung, macht andererseits aber auch klar, dass die Besichtigung jedenfalls in dieser Zeit stattfinden kann. Wird ergänzend formuliert, dass das Zeitfenster „werktags“ gilt, ist damit auch eine Besichtigung am Samstag erfasst8. Um Probleme bei längerer Ortsabwesenheit des Mieters zu vermeiden, kann geregelt 813 werden, dass der Mieter verpflichtet ist, den Schlüssel bei einem leicht zu erreichenden Dritten (z.B. Nachbarn) zu hinterlegen9. Formularmäßig ist dafür aber mit Blick auf das Transparenzgebot mindestens erforderlich, dass die Länge der maßgeblichen Ortsabwesenheit durch die Anzahl der Tage (inhaltlich) bestimmt ist10 (z.B. eine Woche). Darüber hinaus muss der Zweck, zu dem der Vermieter den Schlüssel verwenden darf, konkret festgelegt werden.

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AG Köln v. 24.8.1999 – 210 C 164/99, KM 32 Nr. 17. OLG Düsseldorf v. 22.6.2006 – 10 U 164/05, GE 2006, 1230 = DWW 2006, 378 = GuT 2006, 233. AG Hamburg v. 23.2.2006 – 49 C 513/05, NZM 2007, 211. AG Hamburg v. 23.2.2006 – 49 C 513/05, NZM 2007, 211. Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 98. OLG Brandenburg v. 4.7.2012 – 7 U 204/11, GE 2012, 1375; AG Hamburg v. 23.2.2006 – 49 C 513/05, NZM 2007, 211. LG Berlin v. 24.11.2003 – 67 S 254/03, MM 2004, 125. OLG Frankfurt v. 26.6.2009 – 24 U 242/08, WuM 2011, 95. AG Köln v. 2.8.1985 – 218 C 84/85, WuM 1986, 86. AG Berlin-Schöneberg v. 12.7.2006 – 104a c 147/06, GE 2006, 1297.

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c) Besichtigungsrecht ohne vertragliche Grundlage 814 Es ist umstritten, ob der Mieter den Vermieter auch ohne besondere Bestimmung im Vertrag in regelmäßigen Abständen in die Wohnung zwecks Besichtigung lassen muss. Im Hinblick auf seine Prüfungs- und Untersuchungspflichten im Rahmen der allgemeinen Sorgfaltspflichten kann für den Vermieter schon aus präventiven Gründen ein Interesse an der Besichtigung der Räume bestehen. Deshalb wird ein periodisches Besichtigungsrecht in Zeitabständen von ein bis zwei Jahren zugestanden1. Dem wird entgegengehalten, dass § 536c BGB den Mieter zur Anzeige jedes schlechten Zustandes und sonstiger Gefahren für die Mietsache verpflichtet, so dass es eines allgemeinen Besichtigungsrechts zumal ohne vertragliche Vereinbarung nicht bedürfe2. Diese Sichtweise ist aber zu kurz, weil der Vermieter das Recht haben muss, die Erfüllung der Obhutspflicht durch den Mieter zu prüfen. In jedem Fall kann der Vermieter nach zehn Jahren Zutritt mit einem Handwerker verlangen, wenn er sich einen Eindruck vom Zustand der Wohnung verschaffen will3. d) Umsetzung des Besichtigungsrechts aa) Ankündigung 815 Zur Umsetzung des Zutrittsrechts ist – außer bei Gefahr im Verzug – grundsätzlich eine (formlose) Ankündigung des Vermieters gegenüber dem Mieter erforderlich4. Ein Erwerber kann eine Besichtigung nur aufgrund einer Ermächtigung im eigenen Namen geltend machen, bevor der Eigentumserwerb i.S.v. § 566 BGB vollzogen ist5. Der Mieter kann aber auch aufgefordert werden, seinerseits ihm genehme Besichtigungstermine zu benennen; in diesem Fall ist er verpflichtet zu reagieren6. 816 Die Länge der Ankündigungsfrist hängt vom Einzelfall ab. Prinzipiell müssen zwischen Zugang der Ankündigung und dem Termin mindestens 24 Stunden liegen7. Eine generelle Frist von vierzehn Tagen8, die außer bei einer Eilbedürftigkeit und anderen besonders gelagerten Fällen gelten soll, ist allerdings zu lang. Insbesondere, wenn weitere Personen am Termin teilnehmen müssen (z.B. Handwerker), ist eine Vorlaufzeit von einer Woche völlig ausreichend9. Für die Besichtigung mit Kaufinteressenten soll sogar eine Frist von drei10 bzw. vier11 Tagen ausreichend sein. Einfluss auf die Frist hat der konkrete Anlass der Besichtigung und dessen Auswirkungen. Führt der Mieter z.B. eine Minderung durch, ist die Frist kürzer, als wenn der Vermieter nur über die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen entscheiden will, die er ohnehin langfristig planen muss. bb) Zeitbestimmung 817 Die Besichtigung kann grundsätzlich nur für die ortsüblichen Besuchszeiten angekündigt werden. Andernfalls ist sie unwirksam. Sofern mit dem Mieter keine Terminvereinbarung getroffen werden kann, muss der vorgesehene Termin in der Regel

1 LG Berlin v. 24.11.2003 – 67 S 254/03, MM 2004, 125; LG Stuttgart v. 8.1.1985 – 13 S 358/84, ZMR 1985, 273; AG Saarbrücken v. 22.12.2004 – 4 C 365/04, ZMR 2005, 373; AG Münster v. 8.2.2000 – 28 C 6492/99, NZM 2001, 1030; AG Frankfurt v. 16.1.1998 – 33 C 2515/97-67, WuM 1998, 343. 2 AG Ibbenbüren v. 1.9.1998 – 13 C 77/97, WuM 1998, 751; Emmerich/Sonnenschein, § 535 BGB Rz. 56. 3 LG Oldenburg v. 3.8.2012 – 6 S 75/12, ZMR 2012, 956. 4 AG Lüdenscheid v. 23.8.1990 – 8 C 698/90, WuM 1990, 489; AG Neuss v. 7.6.1989 – 30 C 165/89, WuM 1989, 364; AG Neustadt v. 30.5.1978 – 14 C 568/77, WuM 1979, 143. 5 LG Bremen v. 11.5.1989 – 2 S 73/89, WuM 1989, 495. 6 LG Oldenburg v. 3.8.2012 – 6 S 75/12, ZMR 2012, 956. 7 AG Köln v. 30.1.1986 – 208 C 790/85, WuM 1986, 86. 8 So in Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 183. 9 LG Berlin v. 24.11.2003 – 67 S 254/03, MM 2004, 125. 10 LG Frankfurt v. 24.5.2002 – 2/17 S 194/01, NZM 2002, 696. 11 AG Hamburg v. 21.2.1992 – 43b C 1717/91, WuM 1992, 540.

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werktags zwischen 10 und 13 Uhr bzw. 15 und 18 Uhr, ausnahmsweise bis 20 Uhr liegen1. Insoweit gilt der Samstag als Werktag2. Der verbindliche Termin zur Besichtigung muss im Allgemeinen durch eine Interes- 818 sensabwägung gefunden werden3. Das führt bei dringenden Anlässen zu einer Höherwertigkeit der Interessen des Vermieters jedenfalls dann, wenn der Mietsache Schaden droht. Im Übrigen ist auf Vermieterseite zu berücksichtigen, ob und ggf. inwieweit er den Termin noch mit Handwerkern, die Termine vorgeben, abzusprechen hat. Auch ist es dem Vermieter nicht ohne weiteres zumutbar, Überstunden für Mitarbeiter zu finanzieren. Umgekehrt muss der Vermieter berücksichtigen, dass der Mieter Anspruch auf Ruhezeiten am Wochenende und in den Abendstunden hat. Bietet der Mieter aber einen Termin am Samstag an, muss sich der Vermieter auch dann danach richten, wenn sein Hausverwalter an dem Termin teilnehmen soll, weil der Samstag weiterhin als Werktag gilt4. Abzulehnen ist die Meinung5, die das Besichtigungsrecht gegenüber einem berufs- 819 tätigen Mieter generell nur innerhalb der arbeits- und urlaubsfreien Zeit zulässt. Richtigerweise ist hier zu differenzieren: Ist der Mieter während seines Urlaubs nicht ortsabwesend, kann ihm eine Besichtigung während der üblichen Besuchszeiten zugemutet werden. Duldet die Maßnahme keinen Aufschub, kann er den Vermieter nicht auf einen Termin nach seinem Urlaub verweisen, sondern muss ggf. eine Vertrauensperson beauftragen, den Zutritt zu ermöglichen. In anderen Fällen sind die Dauer des Urlaubs und die Art der Maßnahme entschei- 820 dend. Insbesondere, wenn andernfalls erhebliche Aufwendungen für den Vermieter entstehen (z.B. Überstundentarife in erheblichem Umfang), kann der Mieter gezwungen sein, sich Urlaub zu nehmen6. Deshalb kann bei einer Besichtigung mit Kaufinteressenten die allgemeine Abstimmung auch dazu führen, dass der Mieter den Zutritt zwischen 19 und 20 Uhr zulassen muss7. Dies gilt erst recht, wenn der Mieter berufstätig ist und schon unzählige Besichtigungen aus Anlass des Verkaufs zugelassen hat8. cc) Frequenz der Besichtigungen Die Häufigkeit der Besichtigung richtet sich nach dem Anlass. Bei der Besichtigung 821 mit Kaufinteressenten ist eine Frequenz von drei Mal im Monat grundsätzlich zumutbar9. Jedenfalls ist die Beschränkung der Besichtigung auf einmal pro Woche nicht vertragswidrig10. Dauern die Verkaufsbemühungen bereits seit längerer Zeit (hier: 1,5 Jahre) an, in der der Mieter dem Vermieter die gewünschten Termine gewährt hat, kann der Mieter, der den Verkauf nicht generell verhindern kann, für die Zukunft verlangen, dass sich die Belästigung durch die Kaufinteressenten auf einen Sammeltermin einmal im Monat beschränkt11. Das allgemeine periodische Besichtigungsrecht besteht regelmäßig im Abstand von 822 zwei Jahren12. Hat innerhalb dieses Zeitraums eine allgemeine Besichtigung stattgefunden, kann der Mieter weitere Besichtigungen verweigern, sofern kein besonderer Anlass besteht. Hatte der Vermieter aus besonderem Grund Zutritt zu den Miet-

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Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1128. OLG Frankfurt v. 24.6.2009 – 24 U 242/08, WuM 2011, 95. AG Lüdenscheid v. 23.8.1990 – 8 C 698/90, WuM 1990, 489. AG Köln v. 27.9.2000 – 207 C 213/00, NZM 2001, 41. AG Hamburg v. 21.2.1992 – 43b C 1717/91, WuM 1992, 540; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 182. AG Berlin-Wedding v. 6.7.1984 – 10 C 427/84, GE 1985, 155. LG Frankfurt v. 24.5.2002 – 2/17 S 194/01, NZM 2002, 696. AG Hamburg v. 21.2.1992 – 43b C 1717/91, WuM 1992, 540. LG Frankfurt v. 24.5.2002 – 2/17 S 194/01, NZM 2002, 696. LG Kiel v. 1.6.1992 – 1 S 26/91, WuM 1993, 52. AG Hamburg v. 21.2.1992 – 43b C 1717/91, WuM 1992, 540. AG Lübeck v. 10.3.1993 – 24 (25) C 4110/92, WuM 1993, 344.

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räumen, kommt es im Einzelfall darauf an, ob er sich ein allgemeines Bild von den Mieträumen verschaffen konnte. dd) Teilnahmeberechtigte Personen 823 Teilnahmeberechtigt ist zunächst einmal natürlich der Mieter, der den Vermieter durch die Räume begleiten darf. Der Vermieter darf eine oder mehrere Personen zur Besichtigung mitbringen oder (geeignete) Vertreter (z.B. Hausverwalter) bestimmen. Letzteres ist insbesondere der Makler im Falle des Verkaufs. Ein Vertreter ist z.B. ungeeignet, wenn sein Verhalten in der Vergangenheit zu Spannungen geführt hat, die eine sachliche und angemessene Durchführung der Besichtigung nicht wahrscheinlich erscheinen lassen1. Bei der insoweit notwendigen Abwägung wird das Interesse des Vermieters regelmäßig nur dann überwiegen, wenn die Anwesenheit der betreffenden Person für den Erfolg der Besichtigung unerlässlich ist. Das ist bei dem Ehemann der Vermieterin der Fall, wenn das Mietobjekt veräußert werden soll2. 824 Dem Rechtsanwalt des Vermieters kann der Mieter aber grundsätzlich den Zutritt verweigern, wenn Anlass der Besichtigung der Zustand der Mieträume oder die Durchführung bzw. Vorbereitung von Bauarbeiten ist3. Auf die vorherige Mitteilung der Namen der teilnehmenden Personen hat der Mieter keinen Anspruch4. Allerdings kann er darauf bestehen, dass sich die Begleitpersonen ausweisen, und sich deren Namen notieren5. ee) Dauer der Besichtigung 825 Die Dauer der Besichtigung richtet sich nach ihrem Zweck, also dem Grund der beabsichtigten Maßnahme. Die Beschränkung bei der Besichtigung mit Kaufinteressenten auf regelmäßig 30 bis 45 Minuten6 ist zweifelhaft. Der Vermieter muss die Möglichkeit haben, mit den Interessenten einzeln die Räume, z.B. im Viertelstundentakt, zu besichtigen. Im Übrigen haben die anwesenden Personen die Besichtigung innerhalb angemessener Zeit zu beenden, wobei ihnen durchaus die Möglichkeit gegeben sein muss, die Örtlichkeiten eingehend zu untersuchen und den vorgefundenen Zustand an Ort und Stelle zu diskutieren. ff) Räumlicher Umfang des Zutrittsrechts 826 Prinzipiell umfasst das Besichtigungsrecht alle Räume der Mietsache. Kommt es auf den Zustand der Mietsache an, ist der Vermieter berechtigt, ein Protokoll anzufertigen, insbesondere durch Benutzung eines Diktiergerätes. 827 Werden schadhafte Stellen festgestellt, deren Zustand veränderlich ist, oder liegen sonstige Gründe vor, die den Vermieter zu einer Beweissicherung veranlassen, darf er den Zustand der Wohnung bzw. einzelner Teile auch ohne Erlaubnis des Mieters fotografisch festhalten, soweit dies erforderlich ist7. Letzteres ist nicht der Fall und muss daher auch nicht geduldet werden, wenn der Vermieter die Fotos nach der Kündigung des Mieters fertigen will, um sie ins Internet zu stellen, damit sich Mietinteressenten ein Bild von der Wohnung verschaffen können8. Denn dies verletzt die Privatsphäre des Mieters.

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AG Hamburg v. 5.2.1987 – 48 C 765/86, WuM 1987, 379. LG Frankfurt v. 24.5.2002 – 2/17 S 194/01, NZM 2002, 696. AG Neukölln v. 15.10.1986 – 2 C 404/86, MM 1987, Nr. 4, 27. LG Stuttgart v. 24.4.1991 – 13 S 130/91, WuM 1991, 578; LG Trier v. 19.10.1992 – 6 T 77/92, WuM 1993, 185. AG München v. 17.6.1993 – 461 C 2972/93, WuM 1994, 425. LG Frankfurt v. 24.5.2002 – 2/17 S 194/01, NZM 2002, 696; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 186. AG Hannover v. 22.8.2000 – 561 C 03582/00, ZMR 2001, 282; a.A. AG Frankfurt v. 16.1.1998 – 33 C 2515/97-67, WuM 1998, 343; AG Schöneberg v. 18.5.2004 – 15/11 C 592/03, GE 2004, 822. LG Frankenthal v. 30.9.2009 – 2 S 218/09, WuM 2012, 141.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

gg) Besondere Belange des Mieters Der Vermieter muss auf die Gepflogenheiten des Mieters Rücksicht nehmen. Des- 828 halb müssen ggf. Schuhe vor der Türe ausgezogen und Filzpantoffel angezogen werden, sofern dies einer besonderen (z.B. religiös bedingten) Gepflogenheit des Mieters entspricht und nicht nur für den vom Vermieter angekündigten Besichtigungstermin gilt1. Sofern nur eine Verschmutzung vermieden werden soll, reicht allerdings auch das Überziehen von Schutzhüllen aus Plastik oder Stoff2. Das ist Ausfluss des Hausrechts des Mieters, das in den Grenzen des Schikaneverbots dazu führt, dass sich auch der Vermieter – wie jeder andere Besuch – den Gepflogenheiten des Mieters zu unterwerfen hat. Allerdings soll dieses Gebot des Respektes nicht gegenüber Vollstreckungsbeamten gelten, weil sie nicht als Gäste die Wohnung betreten3. Insoweit wird aber verkannt, dass der Mieter jedenfalls das Hausrecht gegenüber jedem Dritten ausüben kann, solange er die Wohnung berechtigt nutzt. Deshalb kann er auch von den Repräsentanten der Staatsgewalt verlangen, dass sie seine Gebräuche respektieren, selbst wenn sie eine gerichtlich angeordnete Durchsuchung durchführen. Das Gebot der Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 1 BGB) verlangt insoweit nicht, dass der 829 Mieter über Mängel der Mietsache z.B. gegenüber Kaufinteressenten schweigt, selbst wenn sie nicht unbestritten sind4. e) Besichtigung und Selbsthilfe Ohne Ankündigung oder gar ohne Erlaubnis (z.B. mit Hilfe eines Zweitschlüssels5) 830 darf der Vermieter die Mieträume grundsätzlich nicht betreten, § 858 BGB. Dies gilt auch, wenn der Vermieter sein Vermieterpfandrecht geltend gemacht hat. Denn dies berechtigt ihn nur, den Mieter mit Gewalt daran zu hindern, die dem Pfandrecht unterliegenden Sachen aus den Mieträumen zu tragen, nicht aber sich selbst (gewaltsam) Zutritt zu verschaffen. Eine Ausnahme kann allenfalls bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 229 BGB an- 831 genommen werden. Dann muss eine konkrete Gefahr für die Mietsache bestehen und der Mieter oder seine Vertrauensperson für die Zutrittsgewährung unerreichbar sein. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, besteht eine garantiemäßige Haftung nach § 231 BGB6. Insoweit entsteht mit der Öffnung der Mietsache eine Obhutspflicht des Vermieters, die ihn bei einer Beseitigung des Inventars zwingt, eine Inventarliste mit Schätzung zu errichten. f) Rechtsfolge unberechtigter Verweigerung der Besichtigung Hat der Mieter den Zutritt unberechtigt nicht gewährt, liegt eine Pflichtverletzung 832 vor, die über § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz führt7. Auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Mieter nur berufen, wenn er bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte8. Daneben kommt eine Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Betracht. Dafür 833 muss abgewogen werden, ob unter Berücksichtigung des durch Art 14 Abs. 1 GG geschützten Besitzrechts des Mieters und seines Rechts aus Art 13 Abs. 1 GG auf ungestörtes Wohnen in der Verweigerung des Zutritts eine erhebliche Pflichtverletzung gesehen werden kann9. Ein wichtiger Grund, der eine Kündigung nach § 543 Abs. 1

1 AG Waldbröl v. 24.4.1992 – 6 C 106/92, WuM 1992, 599; a.A. AG Tiergarten v. 2.10.1989 – 10 C 251/89, GE 1990, 547. 2 AG München v. 17.6.1993 – 461 C 2972/93, WuM 1994, 425. 3 LG Limburg v. 13.2.2012 – 7 T 18/12, NZM 2012, 383. 4 OLG Celle v. 30.1.1991 – 2 U 238/90, WuM 1991, 538. 5 AG Tecklenburg v. 3.7.1991 – 11 C 11/91, WuM 1991, 579. 6 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 = WuM 2010, 578. 7 AG München v. 17.6.1993 – 461 C 2972/93, WuM 1994, 425. 8 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MDR 2007, 454 = MietRB 2007, 59 (60, 61) = WuM 2007, 24. 9 BVerfG v. 16.1.2004 – 1 BvR 2285/03, MDR 2004, 266.

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BGB rechtfertigen kann, liegt regelmäßig nicht vor1, auch wenn die Verweigerung Besichtigung durch Kaufinteressenten2 betrifft oder der Mieter nur eine Besichtigung pro Woche dulden will3. Weigert sich der Mieter aber beharrlich, Zutritt zu gewähren, können die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 BGB vorliegen4. g) Prozessuale Umsetzung 834 Der Besichtigungsanspruch kann im Wege der Leistungs- bzw. Duldungsklage durchgesetzt werden. Insoweit besteht keine Möglichkeit, ein generelles Zutrittsrecht zu erreichen5. Vielmehr muss für den konkreten Fall (z.B. Vorbereitung einer Modernisierung) das Besichtigungsrecht geltend gemacht werden. Ausnahmsweise kommt die Durchsetzung im Wege der einstweiligen Verfügung in Betracht, wenn eine besondere Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht werden kann6. 835 Die Zwangsvollstreckung erfolgt grundsätzlich nach § 890 ZPO7. Insoweit kann die Verurteilung zu einer Duldung zwar grundsätzlich die nach § 890 ZPO vollstreckbare Verpflichtung zu einem positiven Tun enthalten, auch wenn dies im Urteil nicht ausdrücklich ausgesprochen worden ist8. Dies kann z.B. anzunehmen sein, wenn der Schuldner der Pflicht, etwas zu unterlassen, nur gerecht werden kann, indem er neben der Unterlassung auch die positiven Handlungen vornimmt, die notwendig sind, um den rechtmäßigen Zustand zu erreichen. Ist der Schuldner aber aufgrund eines Duldungstitels verpflichtet, die Vornahme einer Handlung in seiner Wohnung zu dulden, kann der Gläubiger den Gerichtsvollzieher hinzuziehen, um den Widerstand des Schuldners zu brechen. Hierbei ist der Gerichtsvollzieher aufgrund des Titels auch ohne richterliche Durchsuchungsanordnung berechtigt, die verschlossene Wohnungstür zu öffnen9. Denn der Schwerpunkt der Maßnahme liegt in diesen Fällen in der vertretbaren Handlung. Diese „günstigere“ Art der Zwangsvollstreckung, die nach § 887 ZPO verläuft, kann erreicht werden, indem der Klageantrag von vornherein so formuliert wird, dass der Schwerpunkt der Verpflichtung des Schuldners/ Mieters in der vertretbaren Handlung liegt. Das ist etwa der Fall, wenn der Antrag darauf gerichtet ist, „dem Kläger Zutritt zu gewähren, und zwar durch Öffnen der Wohnungs- und der Zimmertüren“. 2. Obhutspflichten 836 Aus der Überlassung der Mietsache ergeben sich für den Mieter Pflichten zum Schutz und zur Fürsorge hinsichtlich der Mietsache. Diese Obhutspflicht ist eine Nebenpflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB. Im Gesetz hat diese Verpflichtung in § 536c Abs. 1 BGB Ausdruck gefunden. Danach ist der Mieter verpflichtet, den Vermieter nicht nur auf Mängel hinzuweisen, sondern auch über drohende Gefahren zu informieren. Andererseits darf der Mieter die Mieträume nur mit der gebotenen Sorgfalt nutzen, um die Abnutzung oder sonstigen Schaden an der Wohnung möglichst gering zu halten10. a) Einsetzen der Obhutspflicht 837 Die Obhutspflicht beginnt, sobald dem Mieter die Sache überlassen ist. Sie ist somit unabhängig davon, ob der Mietvertrag bereits begonnen hat. Die Obhutspflicht ruht

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LG Berlin v. 31.3.2000 – 64 S 534/99, ZMR 2000, 535. AG Erkelenz v. 4.1.1985 – 8 C 461/84, WuM 1986, 251. LG Kiel v. 1.6.1992 – 1 S 26/91, WuM 1993, 52. BGH v. 5.10.2010 – VIII ZR 221/09, WuM 2011, 13. LG Frankfurt v. 24.5.2002 – 2/17 S 194/01, NZM 2002, 696. Dringende Instandsetzung: AG Hohenschönhausen v. 12.8.1997 – 6 C 383/97, GE 1997, 1175; Beseitigung erheblicher Gefahren: Hinz, WuM 2005, 623. A.A. OLG Zweibrücken v. 21.11.2003 – 3 W 104/03, ZMR 2004, 268: § 888 ZPO. BGH v. 25.1.2007 – I ZB 58/06, MDR 2007, 859 = WuM 2007, 209 = NJW-RR 2007, 863. LG Braunschweig v. 4.5.1988 – 8 T 183/88, DGVZ 1988, 140; LG Berlin v. 15.10.1979 – 81 T 446/79, DGVZ 1980, 86; LG Karlsruhe v. 21.6.1983 – 11 T 223/83, DGVZ 1984, 12. AG Kassel v. 13.10.1995 – 451 (423) C 3269/95, WuM 1996, 30.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

nicht während der Abwesenheit des Mieters und auch nicht, wenn er den Gebrauch der Mietsache seit längerem aufgegeben hat1. Deshalb muss der Mieter bei längerer Abwesenheit für eine ausreichende Kontrolle 838 sorgen und dem Vermieter ggf. angemessenen Zugang zu den Mieträumen ermöglichen2. Hierfür kann der Mieter gezwungen sein, die Hilfe eines Dritten in Anspruch zu nehmen. Diese hat er dem Vermieter bekannt zu geben3 oder der Mieter muss dem Vermieter selbst die Schlüssel übergeben4. Auch nach Beendigung der Mietzeit besteht die Verpflichtung des Mieters, seine Ob- 839 hutspflichten zu beachten. Denn die Nebenpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB sind grundsätzlich auch Gegenstand des gesetzlichen Schuldverhältnisses, das zwischen Ende der Mietzeit und Rückgabe der Mietsache besteht. Die Obhutspflicht endet erst bei (vollständiger) Rückgabe des Besitzes5. b) Gegenstand der Obhutspflicht aa) Allgemeines Da der Mieter durch seinen Gewahrsam an den Mieträumen berechtigt ist, Dritte 840 vom Besitz auszuschließen und damit auch den Vermieter von Kontrollen abzuhalten, obliegt es ihm, die Mietsache vor Schaden zu bewahren. Dazu muss er das ihm Mögliche tun. Welche Maßnahmen dazu erforderlich sind, hängt vom Einzelfall ab. In der Regel muss er nicht selbst aktiv werden. Vielmehr reicht es aus, dass er den 841 Vermieter unterrichtet. Besteht also eine Gefahrenlage, ist der Mieter gemäß § 536c BGB verpflichtet, den Vermieter darauf hinzuweisen und ggf. seine Obhutspflicht zu verstärken. Ansonsten macht er sich schadensersatzpflichtig, § 536c Abs. 2 BGB. Voraussetzung ist jedoch, dass der Mieter die Gefahrenlage kennt6. Eine Untersuchungspflicht besteht regelmäßig nicht. Die Obhutspflicht des Mieters beschränkt sich nicht auf die Mieträume an sich. Viel- 842 mehr erstreckt sie sich auf alle Teile des Gebäudes – einschließlich des Grundstücks –, mit denen der Mieter in Berührung kommt7. Wohnt der Vermieter im selben Haus, ist die Obhutspflicht des Mieters jedenfalls hinsichtlich der mitvermieteten Gemeinschaftsflächen eingeschränkt, weil es in diesem Fall in erster Linie Sache des Vermieters ist, sich um den Zustand dieser Räume und Flächen zu kümmern, solange die Parteien nichts anderes vereinbart haben (z.B. Hausmeisterdienste). bb) Lüften und Heizen Neben der Hinweispflicht nach § 536c BGB muss der Mieter grundsätzlich seine Nut- 843 zung so einrichten, dass die Mietsache nicht über das Maß des § 538 BGB hinaus Schaden nimmt. Insoweit hängen die Anforderungen an den Mieter, was im Einzelnen zur Schadensvermeidung zu tun ist, vom Mietobjekt ab. Besonders deutlich wird dies am richtigen Heiz- und Lüftungsverhalten: Unsere heutzutage hochgedämmten und sehr dichten Haushüllen verlangen Ver- 844 ständnis zum richtigen Verhalten. Dies gilt umso mehr, als der Mieter grundsätzlich sein Verhalten darauf einstellen muss, wenn das Mietobjekt nicht dem heutigen technischen Standard entspricht8. Darauf muss er vom Vermieter nicht besonders hingewiesen werden. Vielmehr gehört die Kenntnis zum richtigen Lüften und Heizen mittlerweile zur Allgemeinbildung des durchschnittlichen Mieters. Dazu kann insbesondere als bekannt unterstellt werden, dass durch das Leben in Räumen Luftfeuchtigkeit z.B. mittels Atmung, Kochen, Wäschetrocknen, Baden und Duschen 1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Düsseldorf v. 19.5.1994 – 19 U 138/93, WuM 1994, 461. AG Köln v. 2.8.1985 – 218 C 84/85, WuM 1986, 86. BGH v. 20.10.1971 – VIII ZR 164/70, NJW 1972, 34. BGH v. 20.10.1991 – VIII ZR 164/70, MDR 1972, 139 = NJW 1972, 34. BGH v. 14.6.1967 – VIII ZR 268/64, NJW 1967, 1803. OLG München v. 26.8.1987 – 15 U 2791/87, ZMR 1989, 17. BGH v. 19.9.1973 – VIII ZR 175/72, NJW 1973, 2059. LG Hamburg v. 29.8.1997 – 311 S 88/96, NZM 1998, 571 = NJW-RR 1998, 1309.

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produziert wird, die zu einer Sättigung der Luft führt. Gesättigte (feuchte) Luft neigt dazu, sich an den kalten Stellen eines Gebäudes abzusetzen und infolge chemischer Reaktionen zu einer Schimmel- oder Stockfleckenbildung beizutragen. Dieses Phänomen des Alltagslebens muss der Mieter verhindern, soweit es in seinen Kräften steht. 845 Schon zur Erfüllung der Anforderungen nach § 3 EnEV müssen Wärmebedarfsberechnungen aufgestellt werden. Dabei werden verschiedene in der DIN 4701 zusammengefasste raumklimatische Bedingungen zugrunde gelegt. Wenn bei der Errichtung eines Gebäudes diese Werte zugrunde gelegt werden, um gesunde raumklimatische Verhältnisse herzustellen, bilden sie grundsätzlich den allgemein verbindlichen Maßstab für das Lüften und Heizen in der Wohnung. 846 Deshalb ist im Hinblick auf die Erwärmung der Räume ist in der Regel von folgenden Werten auszugehen: – Wohnbereich und Küche 20 °C, – Bad 21 °C, – Schlafzimmer tags 18 °C, nachts 14–16 °C. 847 Dabei soll eine durchschnittliche Luftfeuchte von 45–55 % relativ (bis 65 %, nur kurzzeitig, bis zwei Std.) herrschen und die Wandoberflächentemperaturen nicht unter 15 °C (Außenwände) absinken. Dazu soll bei Abwesenheit die Heizung nicht ganz abgestellt werden, zumal das Halten einer abgesenkten Durchschnittstemperatur sparsamer ist. Innentüren zwischen unterschiedlich beheizten Räumen sollen tagsüber und nachts geschlossen gehalten werden. Kalte Räume, wie z.B. das Schlafzimmer, sollen nicht von wärmeren Räumen (z.B. Wohnzimmer) mit geheizt werden. 848 Für das richtige Lüftungsverhalten muss täglich regelmäßig zwei Mal von drinnen nach draußen gelüftet werden (wärmere = feuchtere Luft raus, dafür kältere = trockenere Luft hinein). Das kann insbesondere dadurch erreicht werden, dass durch die Wohnung quer gelüftet wird (Querlüften = mindestens zwei gegenüberliegende Fenster), und zwar bei jedem Wetter – auch bei Regen. Denn kalte Außenluft ist immer trockener als die warme Zimmerluft. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen: je kühler die Zimmertemperatur, desto öfter muss gelüftet werden; je kälter es draußen ist, desto kürzer muss gelüftet werden. Das Querlüften kann nicht durch Fenster in Kippstellung erreicht werden. Vielmehr sind die Fenster kurzzeitig (fünf bis zehn Minuten sind ausreichend) ganz zu öffnen (Stoßlüften). Ist der Mieter abwesend, muss er dafür sorgen, dass die Pflichten dennoch erfüllt werden1. 849 Diese Regeln kann ein Vermieter als bekannt voraussetzen und muss keine Hinweise erteilen2. Sobald von diesen Standards des Lüftens und Heizens aber abweichende Maßnahmen erforderlich sind, um die Wohnung z.B. vor Schimmelbefall zu bewahren, ist ein (deutlicher) Hinweis des Vermieters erforderlich3. Dies gilt insbesondere, wenn verschiedene andere Lüftungsarten (U-, D-, L- und S-Lüftung4) wegen der bautechnischen Gegebenheiten durchgeführt werden müssen. 850 Jedenfalls können unzumutbare Anstrengungen von dem Mieter nicht verlangt werden. Er muss weder bauliche Maßnahmen vornehmen, noch ist es ihm grundsätzlich zumutbar, mehrmals am Tag im Abstand von wenigen Stunden stoßzulüften oder sämtliche Räume ständig mit einer Temperatur von mehr als 20 °C zu beheizen5. Allein eine Berufstätigkeit des Mieters steht dem aber nicht entgegen6. Vielmehr kommt es auf den notwendigen Abstand zwischen den Lüftungsvorgängen und deren

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LG Köln v. 26.3.2008 – 10 S 190/07, ZMR 2008, 629. AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, zitiert nach juris. LG Kleve v. 9.1.2003 – 6 S 329/01, WuM 2003, 142. Vgl. dazu Isenmann, WuM 2003, 143. LG Lüneburg v. 22.11.2000 – 6 S 70/00, WuM 2001, 465; LG Hamburg v. 29.8.1997 – 311 S 88/96, NZM 1998, 571 = NJW-RR 1998, 1309. 6 LG Frankfurt v. 7.2.2012 – 2-17 S 89/11, WuM 2012, 266 (268); vgl. auch OLG Frankfurt v. 11.2.2000 – 19 U 7/99, NZM 2001, 39 (dreimal tägliches Lüften zumutbar).

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§ 535 BGB

Dauer an. Lassen sich Feuchteerscheinungen in einer Wohnung (Spak- und Schimmelbefall) nicht durch übliches Wohnverhalten, sondern allein durch übersteigertes Heizen und Lüften vermeiden, liegt ein zur Minderung gemäß § 536 BGB berechtigender Mangel vor1. Unzumutbar ist es auch, wenn die Gebrauchstauglichkeit eines Wohnraums nur da- 851 durch erreicht werden kann, dass handelsübliche Möbel mit erheblichem Abstand von der Wand aufgestellt werden2. Denn Wohnräume müssen in üblicher Art eingerichtet werden können3. Dazu gehört, dass ein bodenbündig abschließender handelsüblicher Schrank auch vor einer Außenwand platziert werden darf. Lässt sich der Schaden für die Mietsache z.B. durch Schimmelbildung nur vermeiden, indem der Schrank entweder überhaupt nicht an die Außenwand oder stets erheblich hiervon abgerückt aufgestellt wird, ist das Zimmer nicht mehr uneingeschränkt gebrauchstauglich. Daraus entsteht auch deshalb ein Mangel, weil die durch das Abrücken von Möbeln von den Außenwänden zur Verfügung stehende Nutzfläche unnötig verringert wird4. Mieträume müssen in bauphysikalischer Hinsicht so beschaffen sein, dass bei einem Wandabstand der Möbel von nur wenigen Zentimetern, wie er im Allgemeinen bereits durch das Vorhandensein einer Scheuerleiste gewährleistet ist, sich Feuchtigkeitsschäden durch Tauwasserniederschlag nicht bilden können5. cc) Verschließen der Haustür Ob eine Pflicht zum Verschließen der Haustür besteht, wird in der Praxis nicht ein- 852 heitlich gesehen. Dies beruht auf der unterschiedlichen Interessenlage der nutzenden Personen. Auf der einen Seite wird das Sicherungsbedürfnis der Bewohner/Nutzer vor unbefugtem Zutritt, möglichen Einbrüchen und Überfällen durch Personen, die sich unberechtigten Zutritt verschaffen, angeführt. Dem steht auf der einen Seite das Interesse gegenüber, Rettungs- und Fluchtwege sowie den Zugang für Rettungskräfte möglichst ungehindert zu gewährleisten. In der Hausordnung eines Mehrfamilienhauses kann vorgesehen werden, dass die 853 Haustür innerhalb der Nachtstunden (ab 22 Uhr) aus Sicherheitsgründen von den Mietern verschlossen werden muss6. Darin liegt kein den vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigender Mangel der Mietsache7. Die Pflicht besteht auch ohne Hausordnung, wenn ein Versicherer des Vermieters oder eines Mieters dies verlangt und der Betroffene ansonsten seinen Versicherungsschutz zu verlieren droht8. Andererseits kann es die Eigenart der Nutzung (z.B. Gewerberäume, Alters- oder Al- 854 tenwohnheim) zum vertragsgemäßen Gebrauch erfordern, dass jedenfalls zu den üblichen Geschäfts- oder Besuchszeiten die Hauseingangstür geöffnet ist und den Kunden oder Besuchern nicht erst über eine Schließanlage auf Klingeln Zugang gewährt werden muss9. 3. Gebot der Rücksichtnahme a) Allgemeines Aus dem Gebot der Rücksichtnahme, das ebenfalls eine Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 855 BGB zum Mietvertrag darstellt, folgt, dass der Mieter den Hausfrieden nicht stören darf. Dazu hat er sein Wohnverhalten, also seine Nutzung, so einzustellen, dass andere Mieter nicht gestört werden. Deshalb hat er vermeidbare Lärmbelästigungen zu 1 2 3 4

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LG Hamburg v. 29.8.1997 – 311 S 88/96, NZM 1998, 571 = NJW-RR 1998, 1309. LG Lüneburg v. 22.11.2000 – 6 S 70/00, WuM 2001, 465. LG Hamburg v. 10.4.1984 – 16 S 211/83, WuM 1985, 21. LG Nürnberg-Fürth v. 28.8.1987 – 7 S 10158/86, WuM 1988, 155; LG Hamburg v. 1.12.1987 – 16 S 122/87, WuM 1988, 353; AG Neuss v. 30.6.1986 – 30 C 303/85, WuM 1987, 215; AG Bochum v. 24.3.1983 – 63 C 265/82, WuM 1985, 25. LG Berlin v. 19.5.1987 – 64 S 176/88, ZMR 1988, 464. Vgl. auch Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 308; Bub/Treier/Heile, II Rz. 393. AG Hannover v. 20.3.2007 – 544 C 8633/06, WuM 2010, 446. Vgl. dazu LG Trier v. 25.8.1992 – 1 S 77/92, WuM 1993, 192. LG Itzehoe v. 9.7.2009 – 7 O 191/08, ZMR 2010, 191.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

unterlassen, darf er Gemeinschaftsflächen nicht übermäßig nutzen oder für eine Allein- oder Sondernutzung okkupieren sowie Mitbewohner nicht beleidigen. Die vielfältigen Verfehlungen, die der Mieter hier begehen kann, sind in § 541 BGB Rz. 85 ff. behandelt. b) Hausordnung 856 Die einzuhaltenden Grenzen kann der Vermieter im Rahmen des § 307 BGB in einer Hausordnung festlegen. Die Formularklausel „Die anliegende Hausordnung ist Bestandteil des Vertrages“ verstößt aber gegen § 309 Nr. 12b BGB1. 857 In einer Hausordnung erwartet der (durchschnittliche) Mieter in der Regel Bestimmungen über die Organisation des Zusammenlebens in einem Mehrfamilienhaus, etwa die Reihenfolge der wöchentlichen Vergabe des Schlüssels zur Waschküche zur Durchführung der „großen Wäsche“. Deshalb sind Klauseln in einer Hausordnung als überraschend i.S.v. § 305c BGB zu werten2, wenn sie Pflichten mit Entgeltcharakter und/oder Haftungsrisiko enthalten. Das trifft z.B. für die Übertragung der Reinigungspflicht bei Schnee und Eis zu3. Schon von ihrer Bedeutung her erwartet der durchschnittliche Mieter ihre Begründung nicht in der Hausordnung4. Deshalb kann sie nur im Mietvertrag begründet werden. Allenfalls der Reinigungsturnus kann in der Hausordnung geregelt werden. Einseitige Beschränkungen für den Gebrauch der Mieträume oder sonstige Pflichten, die über die Vereinbarungen des bisherigen Mietvertrages hinausgehen, können in der Hausordnung nicht wirksam geregelt werden5. Deshalb kann in der Hausordnung in der Regel nicht wirksam bestimmt werden, dass das Aufstellen von Waschmaschinen und/oder das Wäschetrocknen in der Wohnung unzulässig ist6. 858 Damit verbleibt als zulässiger Inhalt der Hausordnung vor allem die verbindliche Regelung der allgemeinen Ruhezeiten. Von dieser Zeit, von der der Sonntag sowie an Werktagen die Zeiten von 13–15 Uhr und von 22–6 Uhr erfasst werden, soll grundsätzlich das Wohnverhalten so eingerichtet werden, dass andere Mieter im Haus z.B. schlafen können, jedenfalls nicht vermeidbar gestört werden. Deshalb ist in diesen Zeiten der Betrieb größerer Haushaltsgeräte (z.B. Waschmaschine) untersagt. 859 Der Vermieter kann sich vorbehalten, die Hausordnung7, die Waschordnung oder andere Benutzerordnungen zu ändern. Maßgeblich – auch für die Beurteilung nach § 307 BGB – ist, dass die Befugnis zur Änderung an § 315 BGB orientiert ist, also von sachlichen Gründen oder Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit abhängig ist. 4. Reinigungs- und Sorgfaltspflichten a) Reinigung der Mieträume 860 Grundsätzlich folgt bereits aus der Obhutspflicht, dass der Mieter die Mieträume regelmäßig reinigen muss. Welche Regeln dafür gelten, hängt vom Einzelfall ab. Überzogene Reinheitsanforderungen des Vermieters können keinen allgemeinen Maßstab begründen. Vielmehr ist zu beachten, dass das Gesetz ausdrücklich nur die Verwahrlosung sanktioniert, § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Bis zu diesem Stadium ist alles zulässig, was andere Mieter oder Nachbarn nicht beeinträchtigt und die Mietsache nicht gefährdet.

1 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 (384); ebenso OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (105). 2 AG Schwelm v. 14.11.1990 – 27 C 32/90, WuM 1990, 86. 3 Vgl. auch OLG Dresden v. 20.6.1996 – 7 U 905/96, WuM 1996, 553 = NJWE-MietR 1996, 241. 4 OLG Dresden v. 20.6.1996 – 7 U 905/96, WuM 1996, 553; LG Frankfurt v. 3.11.1987 – 2/11 S 136/87, NJW-RR 1988, 782; AG Köln v. 14.9.2011 – 221 C 170/11, MDR 2012, 395; AG Köln v. 27.1.2011 – 210 C 107/10, MietRB 2011, 140; a.A. OLG Frankfurt v. 22.9.1989 – 16 U 123/87, NJW 1989, 41; LG Magdeburg v. 1.8.1990 – 5 S 58/90, NJW-RR 1990, 1484. 5 AG Friedberg v. 17.8.1978 – C 927/78, WuM 1980, 85. 6 LG Düsseldorf v. 18.4.2008 – 21 T 38/08, WuM 2008, 547. 7 Gelhaar, ZMR 1981, 234.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

Vor diesem Hintergrund muss der Mieter z.B. dafür Sorge tragen, dass Wasser vom 861 Balkon über eine dort vorgesehene Einrichtung abfließen kann1. Kommt es wegen einer Verstopfung der Einrichtung zu Wasserschäden in der darunterliegenden Wohnung, haftet der Mieter auf Schadensersatz. Sind besondere Reinigungen durchzuführen, etwa wegen der besonderen Qualität 862 der Einrichtungen (z.B. besondere Bodenbeläge oder die Verwendung besonderer [Kunststoff-]Wandbeschichtungen), bedarf es regelmäßig einer Aufklärung bzw. Pflegeanleitung2 durch den Vermieter, bevor eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden kann. b) Reinigung allgemein genutzter Flächen Die Übertragung der Reinigungspflicht für Schnee und Eis auf Haustreppe und Zu- 863 gang ist in der Hausordnung überraschend (§ 305c BGB) und muss daher im Mietvertrag begründet werden3. Allenfalls der Reinigungsturnus (z.B. für das Treppenhaus) kann in der Hausordnung geregelt werden4. Der Vermieter kann sich in der Hausordnung vorbehalten, die Waschordnung zu ändern. 5. Duldungspflichten Aus der Vermieterpflicht zur Gewährung des vertraglich festgelegten Gebrauchs 864 folgt, dass der Mieter vom Vermieter grundsätzlich die Unterlassung jeglicher Einwirkung auf die Mietsache verlangen kann5. Andererseits kann der Vermieter seine Erhaltungspflicht nicht erfüllen, wenn er die Mietsache nicht betreten kann. Deshalb regelt bereits § 555a BGB eine Duldungspflicht für Maßnahmen zur Erhaltung der Mietsache. Auch das Besichtigungsrecht (vgl. § 535 BGB Rz. 807 f.) stellt dazu eine Ausnahme dar6. Auch hierher gehört die Duldungspflicht des Mieters, wenn der Vermieter eine Mo- 865 dernisierung der Mietsache realisieren will. Die dafür relevanten Anforderungen regeln die §§ 555b ff. BGB. Schließlich regelt das Gesetz in § 4 HeizkV die Pflicht des Vermieters, die Räume mit Ausstattungen zur Verbrauchserfassung zu versehen. Dies haben Nutzer zu dulden, § 4 Abs. 2 S. 1 HeizkV7. Eine Duldungspflicht des Vermieters ergibt sich ferner bei der Durchsetzung des Ver- 866 mieterpfandrechts nach §§ 562 ff. BGB. Hier muss der Mieter die Beschlagnahme im Rahmen der Gesetze, die Inventarisierung und die Wegschaffung zum Zwecke der Verwertung nach den §§ 1228 ff. BGB dulden. Für andere bauliche Maßnahmen kann sich eine Duldungspflicht aus Treu und Glau- 867 ben (§ 242 BGB) ergeben. Dies ist insbesondere der Fall, wenn dem Vermieter ein Zuwarten mit der beabsichtigten Maßnahme nicht zumutbar ist8. Derartige bauliche Maßnahmen liegen z.B. vor, wenn die zuständige Umweltbehörde dem Vermieter unter Androhung eines Bußgeldes aufgibt, Wohnungen in anderen Geschossen an die vorhandene Zentralheizung anzuschließen9. Dass zu diesem Zweck die Heizungsrohre durch die zwischen den beiden Geschossen liegende Wohnung geführt werden müssen und deshalb in der betreffenden Wohnung entsprechende Bauarbeiten 1 AG Berlin-Neukölln v. 5.10.2011 – 13 C 197/11, GE 2011, 1557. 2 AG Düsseldorf v. 29.11.2007 – 47 C 15554/06, zitiert nach juris. 3 AG Köln v. 14.9.2011 – 221 C 170/11, zitiert nach juris; AG Köln v. 27.1.2011 – 210 C 107/10, MietRB 2011, 140; AG Schwelm v. 14.11.1990 – 27 C 32/90, WuM 1990, 86. 4 LG Frankfurt v. 3.11.1987 – 3/11 S 136/87, NJW-RR 1988, 782; a.A. OLG Frankfurt v. 22.8.1988 – 16 U 123/87, NJW-RR 1989, 41. 5 BGH v. 23.2.1972 – VIII ZR 91/70, NJW 1972, 723. 6 OLG Düsseldorf v. 12.8.2008 – 24 U 44/08, GE 2008, 1326 = GuT 2008, 345. 7 Vgl. dazu BGH v. 12.5.2010 – VIII ZR 170/09, MDR 2010, 917 = MietRB 2010, 290 = WuM 2010, 427 = GE 2010, 973 = ZMR 2010, 751. 8 Auch MünchKomm/Bieber, § 554 BGB Rz. 6; Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 2; Blank/ Börstinghaus, § 554 BGB Rz. 1; Sternel, NZM 2001, 1058 (1060). 9 BGH v. 4.3.2009 – VIII ZR 110/08, MDR 2009, 738 = MietRB 2009, 191 = WuM 2009, 290 = GE 2009, 646 = NZM 2009, 394.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

durchzuführen sind, liegt auf der Hand. Die Durchführung dieser Arbeiten muss der Mieter dieser Wohnung jedenfalls gemäß § 242 BGB grundsätzlich dulden. Aus dieser grundsätzlichen Duldungspflicht des Mieters folgt allerdings noch nicht, dass die Bauarbeiten ohne jede Rücksichtnahme auf seine Belange durchgeführt werden könnten. Auch bei einer sich aus § 242 BGB ergebenden Duldungspflicht sind die beabsichtigten Maßnahmen, soweit es sich nicht um Notmaßnahmen (Wasserrohrbruch u.Ä.) handelt, vom Vermieter vorher anzukündigen, so dass sich der Mieter nach Möglichkeit darauf einstellen kann1. Die Anforderungen an die Ankündigung des Vermieters richten sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls, der Dringlichkeit und dem Umfang der Maßnahme; der Mieter seinerseits ist nach Treu und Glauben verpflichtet, an einer baldigen Terminabstimmung mitzuwirken, damit die erforderlichen baulichen Maßnahmen zeitnah durchgeführt werden können. 868 Schließlich können sich Duldungspflichten aus dem Gebot der Rücksichtnahme (§§ 241 Abs. 2, 242 BGB) ergeben. Dies ist etwa bei § 554a BGB der Fall, wenn ein behinderter Mieter im Haus auf den Gemeinschaftsflächen bauliche Maßnahmen durchführt. Hier kann der Gemeinschaftsgebrauch z.B. durch die Installation eines Treppenlifts beschränkt sein. Aber auch die Duldung von Klavierspiel in Nachbarwohnungen o.Ä. gehört hierher. 869 Wie schon die gesetzlich geregelten Beispiele zeigen, sind die Grenzen der Duldung durch Abwägung der beteiligten Interessen (in der Regel Mieter und Vermieter) zu ermitteln. Nur ausnahmsweise sind Belange Dritter oder sogar übergeordnete Interessen, wie sie z.B. im Rahmen des § 555d BGB hinsichtlich der Energieeffizienz und des Klimaschutzes zu berücksichtigen sind, relevant. 870 Insbesondere, wenn sich andere Mieter gegenüber dem Vermieter erfolgreich auf das Gebot der Rücksichtnahme berufen haben, indem sie darüber einen Titel geschaffen haben, oder der Sondereigentümer durch die Eigentümergemeinschaft verpflichtet wird, ein Verhalten des Mieters oder von ihm geschaffene Zustände zu beseitigen, kann der Vermieter grundsätzlich im Verhältnis zum Mieter eine Beseitigung oder Unterlassung nach § 541 BGB in der Regel durchsetzen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Interessen des Mieters in dem Verfahren Berücksichtigung gefunden haben, was spätestens bei einer Streitverkündung anzunehmen ist. IX. Mietzahlungspflicht 1. Miete als Gegenleistung 871 Die nach § 535 Abs. 2 BGB geschuldete Miete stellt die vereinbarte Gegenleistung des Mieters für die Überlassung und Erhaltung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch dar. Sie muss nicht in Geld vereinbart sein – wenngleich dies in aller Regel der Fall ist. Auch die Gewährung anderer Vorteile durch den Mieter kann eine Gegenleistung i.S.v. § 535 Abs. 2 BGB begründen2. 872 Die Leistungspflicht nach § 535 Abs. 2 BGB ist Hauptpflicht, die hinsichtlich der Fälligkeit durch § 556b Abs. 1 BGB ergänzt wird. Soweit keine anderweitigen Vereinbarungen bestehen, werden durch die vereinbarte Miete alle Leistungen des Vermieters abgegolten, insbesondere die auf der Mietsache ruhenden Lasten (§ 535 Abs. 1 S. 3 BGB). a) Arten der Gegenleistung 873 Es ist nicht unbedingt erforderlich, dass Miete in Geld gezahlt wird, wenngleich dies in der Praxis in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle zutrifft. Auch Dienstleistungen oder andere, dem Vermieter gewährte Vorteile fallen unter den Mietbegriff. Die Gegenleistung kann auch in der Gebrauchsüberlassung eines Grundstücks3 zu sehen

1 BGH v. 4.3.2009 – VIII ZR 110/08, MDR 2009, 738 = MietRB 2009, 191 = WuM 2009, 290 = GE 2009, 646 = NZM 2009, 394. 2 OLG Köln v. 14.2.1996 – 11 U 219/95, DWW 1996, 189. 3 BGH v. 20.5.1994 – V ZR 292/92, MDR 1994, 796.

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sein oder in der Verpflichtung, als Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung verschiedene Gegenstände zu übereignen1. Prägend für die Annahme einer Miete i.S.v. § 535 Abs. 2 BGB ist der Entgeltcharakter der Leistung des Mieters. Fehlt es daran, ist von einer Leihe gemäß § 605 BGB auszugehen. Bei der Aufnahme von Angehörigen kann die Gebrauchsüberlassung im Übrigen 874 auch die Erfüllung einer Unterhaltspflicht (vgl. § 1624 BGB) darstellen. Auch dann fehlt es an einer Gegenleistung des Nutzers i.S.v. § 535 Abs. 2 BGB, so dass kein Mietvertrag vorliegt. Die Miete kann in einer einmaligen Leistung2 (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 902), aber 875 auch in wiederkehrenden Leistungen bestehen. Eine im Voraus zu erbringende Einmalleistung des Mieters wird in der Regel nur bei von vornherein feststehender Mietdauer in Betracht kommen3. b) Ermittlung der Höhe der Miete Zur wirksamen Begründung eines Mietvertrages ist es grundsätzlich nicht erforder- 876 lich, dass sich die Parteien über eine Miete in bestimmter Höhe einigen. Es reicht aus, wenn die Miete nach der Parteivereinbarung bestimmbar ist4. Das kann bereits dann der Fall sein, wenn sich die Parteien über die Entgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung einig sind. Dann nämlich gilt grundsätzlich eine angemessene oder ortsübliche Miete als vereinbart5. Angemessen ist die orts- und marktübliche Miete, die für vergleichbare Objekte bei Neuabschluss üblicherweise verlangt und gezahlt wird6. Diese ist grundsätzlich durch Vergleich mit den Mieten für andere vergleichbare Objekte festzustellen und nicht nach § 558 Abs. 2 BGB zu ermitteln. Denn diese Vorschrift legt die Miethöhe der ortsüblichen Vergleichsmiete fest, an der sich der Anspruch auf Mieterhöhung im laufenden Mietverhältnis orientiert. Darin werden nicht nur Neuvermietungsmieten, sondern auch Bestandsmieten berücksichtigt. Die Bestimmung der Miethöhe kann gemäß § 315 BGB durch Vereinbarung einer 877 Mietvertragspartei – im Zweifel dem Vermieter, § 316 BGB – oder auch einem Sachverständigen (§ 317 BGB) übertragen werden; im letzteren Fall liegt im Zweifel eine Schiedsgutachterabrede vor7. Bei der Staffelmiete wird die Miete von vornherein für verschiedene Zeitabschnitte in unterschiedlicher Höhe festgelegt (für den preisfreien Wohnraum vgl. § 557a BGB). Zahlt der Nutzer nur ein sehr niedriges Entgelt, das weit hinter den üblichen Entgel- 878 ten zurückbleibt, handelt es sich trotzdem um Miete i.S.v. § 535 Abs. 2 BGB, und zwar ggf. um eine Gefälligkeitsmiete und nicht um Leihe8. Denn die Angemessenheit ist kein Charakteristikum der geschuldeten Gegenleistung i.S.v. § 535 Abs. 2 BGB. Damit soll die Regelung nicht vergleichbar sein, die den Nutzer zur Übernahme der durch den Gebrauch verursachten Kosten (z.B. Heizung) verpflichtet, weil bei der Leihe der Entleiher regelmäßig die Kosten zu tragen hat, die den Gebrauch erst ermöglichen9. Tatsächlich muss insoweit jedoch danach differenziert werden, bei wem die Kosten (z.B. in Form von Grundkosten wie die Zählermiete oder ein sonstiger Grundpreis) entstehen. Findet insoweit durch die Übernahme eine Entlastung des Vermieters statt, liegt Miete vor. Fehlt es an einer spezifizierten Vereinbarung, muss über eine Vertragsauslegung oder über die analoge Anwendung der §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB die Höhe des Entgelts ermittelt werden10. 1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Köln v. 14.2.1996 – 11 U 219/95, DWW 1996, 189. BGH v. 5.11.1997 – VIII ZR 55/97, MDR 1998, 209 = NJW 1998, 595. BGH v. 26.3.1976 – V ZR 152/74, NJW 1976, 2264. BGH v. 31.1.2003 – V ZR 333/01, MDR 2003, 561 = NJW 2003, 1317. BGH v. 2.10.1991 – XII ZR 88/90, ZMR 1992, 237. BGH v. 30.6.2004 – XII ZR 11/01, DWW 2004, 264 = NJW 1975, 1557. BGH v. 14.2.1968 – VIII ZR 189/65, WM 1968, 617. BGH v. 4.5.1970 – VIII ZR 179/68, WM 1970, 853; LG Hamburg v. 1.4.1993 – 307 S 1/93, WuM 1993, 667. 9 OLG Dresden v. 7.11.2002 – 4 W 1324/02, ZMR 2003, 250. 10 BGH v. 31.1.2003 – V ZR 333/01, WuM 2003, 263.

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c) Abtretbarkeit der Miete 879 Solange die Miete in einer Geldleistung besteht, ist Anspruch auf Mietzahlung jederzeit abtretbar und kann auch im Rahmen des § 851b ZPO gepfändet werden. Eine Übertragung des Mietvertrages muss dazu nicht erfolgen1. Wird die Gegenleistung i.S.d. § 535 Abs. 2 BGB durch höchstpersönliche Leistungen erbracht, ist von einer Unabtretbarkeit i.S.d. § 299 BGB auszugehen. Das trifft aber noch nicht auf Hausmeisterleistungen zu, die ebenso gut durch einen Dritten erbracht werden können. aa) Abtretung der Miete vor Vermieterwechsel 880 Haben der Vermieter und der Erwerber schuldrechtlich die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück, auf dem die Mietsache liegt, begründet, können schon im Vorgriff auf den Eigentumsübergang Rechte aus einem Mietvertrag auf den Erwerber übertragen werden2. Dies gilt auch für Ansprüche auf Miete, die abgetreten werden kann. 881 Insoweit ist es als Abtretung zu werten, wenn in einem notariellen Vertrag vereinbart ist, dass die Rechte aus einem Mietvertrag über das Kaufobjekt am Tag der Besitzübergabe auf den Erwerber übergehen sollen, obwohl der Veräußerer noch nicht Grundstückseigentümer ist3. Diese isolierte Abtretung ist wirksam, auch wenn in dem Abtretungsvertrag nicht gleichzeitig ein Übergang der Pflichten aus dem Mietvertrag auf den Erwerber als Zessionar enthalten ist. 882 Nur ausnahmsweise kann gemäß § 399 HS. 1 BGB eine Abtretung ausgeschlossen sein, wenn ein schutzwürdiges Interesse des Schuldners an der Beibehaltung einer bestimmten Gläubigerperson besteht und es für den Schuldner entscheidend darauf ankommt, wer die Leistung erbringt. So ist in einem Mietverhältnis für den Vermieter von besonderer Bedeutung, wem er den Gebrauch der Mietsache überlässt. Allein die enge Verknüpfung von Rechten und Pflichten in einem gegenseitigen Vertrag wie einem Mietvertrag rechtfertigt jedoch kein Abtretungsverbot. Dies gebietet weder der Schutzzweck des § 566 BGB noch der Schutz des Mieters, der durch § 404 BGB ausreichend gesichert ist4. 883 Der Mieter, der zunächst im Hinblick auf die erwartete Eintragung des Zessionars im Grundbuch an diesen die Miete bezahlt, kann sich zur Verteidigung gegen die abgetretenen Mietansprüche des Zessionars nicht darauf berufen, dass dieser keine Pflichten aus dem Mietverhältnis übernommen hat. Der Mieter ist in diesem Fall durch § 404 BGB geschützt, wonach er dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen kann, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren, wie z.B. eine Minderung. Differenzen zwischen dem Zessionar und dem Zedenten, die namentlich in der Insolvenz des die Mietansprüche isoliert abtretenden Vermieters auftreten, belasten den Mieter nicht. Vgl. im Übrigen §§ 566a ff. BGB. 884 In der Abtretung von künftigen Mietforderungen ist keine Abtretung des Kündigungsrechts enthalten, wenn es nicht ausdrücklich erwähnt wird5. Zu dieser umstrittenen Frage6 hat der BGH hat bisher nicht Stellung genommen, sondern nach § 140 BGB eine – unterstellt – unwirksame Abtretung in eine Ermächtigung zur Kündigung umgedeutet7.

1 BGH v. 2.7.2003 – XII ZR 34/02, MDR 2003, 1286 = MietRB 2003, 68 = NJW 2003, 2987. 2 Palandt/Weidenkaff, § 566 BGB Rz. 6. 3 BGH v. 2.5.2003 – XII ZR 34/02, MDR 2003, 1286 = MietRB 2003, 68 = NZM 2003, 716 = GuT 2003, 176 = ZMR 2003, 732. 4 BGH v. 2.5.2003 – XII ZR 34/02, MDR 2003, 1286 = MietRB 2003, 68 = NZM 2003, 716 = GuT 2003, 176 = ZMR 2003, 732. 5 OLG Düsseldorf v. 23.9.1999 – 10 U 93/98, ZMR 2000, 170. 6 Bub/Treier/Heile, II Rz. 865; MünchKomm/Roth, § 399 BGB Rz. 18; Staudinger/Kaduk, § 413 BGB Rz. 35. 7 BGH v. 10.12.1997 – XII ZR 119/96, MDR 1998, 271 = WuM 1998, 99 = ZMR 1998, 214 = NZM 1998, 146.

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bb) Sicherungsabtretung der Untermiete Solange das Mietverhältnis besteht, hat der Vermieter keinen direkten Anspruch ge- 885 gen den Untermieter auf Zahlung der (Unter-)Miete1. Aus dem Gesetz (§§ 546 Abs. 1, 292 Abs. 2, 987 Abs. 1, 99 Abs. 3 BGB) ergibt sich ein solcher Anspruch erst nach Rechtshängigkeit des Rückgabeanspruchs2. Vor diesem Hintergrund werden vielfach in Mietverträgen Formularklauseln auf- 886 genommen, in denen eine Sicherungsabtretung des Anspruches auf Zahlung der Untermiete geregelt wird. Regelmäßig fehlt diesen Formularklauseln aber jedenfalls dann die notwendige Bestimmtheit, wenn in der Klausel die Abtretung auf die Höhe der Untermietforderung beschränkt ist3. Denn insoweit kommt eine Quotelung der Untermietforderung in Betracht, so dass es an einer ausreichenden Zuordnung fehlt, wem die Forderung zu welchem Teil im Augenblick ihrer Entstehung zustehen sollte. Erfasst die Abtretung die gesamte (Unter-)Mietforderung, ergibt sich im Zweifel eine Übersicherung, was zu einer unangemessenen Benachteiligung führt. Abgesehen davon muss die Klausel aus Gründen der Transparenz (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) vorsehen, dass der unpfändbare Teil der Forderung nicht erfasst wird. d) Leistungsverweigerungsrecht aa) Anwendungsbereich Obwohl die Miete gemäß § 556b Abs. 1 BGB zu Beginn des Zeitabschnitts zu leisten 887 ist, für densie vereinbart wurde, ist der Vermieter mit der Überlassungs- und Erhaltungspflicht vorleistungspflichtig4. Denn auch vor dem 1.9.2001 wurde in der vertraglichen Regelung der Vorfälligkeit nur eine Festlegung des Zahlungszeitpunktes gesehen5. Im Hinblick auf den ausdrücklich geäußerten Willen des Gesetzgebers beschränkt sich bei teleologischer Betrachtung genau darauf der Zweck und die Aussage des § 556b Abs. 1 BGB. Darüber hinaus zeigt die in § 535 BGB enthaltene Reihenfolge, wonach der Vermieter dem Mieter die Mietsache zu Beginn des Mietvertrages (und nicht erst nach Zahlung der Miete) überlassen muss, dass der Vermieter nach wie vor vorleistungspflichtig ist6. Daraus wird zugleich deutlich, dass der Mieter gegenüber dem Anspruch des Vermie- 888 ters auf Miete auch die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320 BGB neben den mietvertraglichen Gewährleistungsansprüchen erheben kann7, wenn die Mietsache mangelhaft ist. Insoweit dient das Zurückbehaltungsrecht des § 320 BGB dazu, auf den Schuldner (Vermieter) Druck zur Erfüllung der eigenen, im Gegenseitigkeitsverhältnis zur geltend gemachten Forderung stehenden Verbindlichkeit auszuüben8, um auf einfache Weise eine Durchsetzung seiner Ansprüche zu erreichen. Dies betrifft die Überlassungs-, Übergabe- und Erhaltungspflicht des Vermieters. Wird diese nicht oder nicht vertragsgemäß erfüllt, kann der Mieter die Miete zurückhalten, bis der Vermieter die entsprechende Leistung (vollständig) erbringt. Die Funktion des Druckmittels kann ein Leistungsverweigerungsrecht jedoch nicht 889 erfüllen, solange dem Vermieter ein Mangel nicht bekannt ist9. Aus diesem Grund 1 BGH v. 13.12.1995 – XII ZR 194/93, MDR 1996, 461 = WuM 1996, 216; OLG Celle v. 7.10.1994 – 2 U 276/93, WuM 1995, 655. 2 BGH v. 12.8.2009 – XII ZR 76/08, MDR 2009, 1267 = MietRB 2009, 284 = GE 2009, 1248 = ZMR 2010, 21. 3 OLG Hamburg v. 10.12.1997 – 4 U 98/97, NJW-RR 1999, 1316; OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103. 4 A.A. Lammel, § 536 BGB Rz. 5; Both in Herrlein/Kandelhard, § 556b BGB Rz. 3; Kinne in Kinne/ Schach/Bieber, § 556b BGB Rz. 4. 5 Sternel, WuM 2002, 239 (247 ff.); Eisenschmid, WuM 2001, 218; Blank, NZM 2001, 168. 6 LG Krefeld v. 17.3.2004 – 2 S 68/03, WuM 2004, 200 = NZM 2004, 298; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 556b BGB Rz. 12; Staudinger/Weitemeyer, § 556b BGB Rz. 15. 7 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = MietRB 2007, 195 = NZM 2007, 484 m.w.N. 8 BGH v. 3.11.2010 – VIII ZR 330/09, MDR 2011, 92 = MietRB 2011, 37 = WuM 2011, 12. 9 BGH v. 3.11.2010 – VIII ZR 330/09, MDR 2011, 92 = MietRB 2011, 37 = WuM 2011, 12.

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kommt ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters für einen Zeitraum, in dem er dem Vermieter den Mangel nicht angezeigt hatte und der Mangel dem Vermieter auch sonst nicht bekannt war, nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) von vornherein nicht in Betracht1. bb) Geltendmachung des § 320 BGB 890 Das Leistungsverweigerungsrecht kann auch stillschweigend geltend gemacht werden. Voraussetzung ist aber ein eindeutiges Verhalten, das darauf abzielt, den Vermieter unter Druck zu setzen, um eine Durchsetzung der Erfüllungsansprüche aus § 535 Abs. 1 BGB zu erreichen2. Ein solches Verhalten kann in der bloßen Nichtzahlung der Miete gesehen werden, wenn der Mieter zuvor z.B. eine Mängelbeseitigung verlangt hat. Hat er sich aber außergerichtlich allein auf Minderung wegen eines Mangels der Mietsache berufen, scheidet eine nachträgliche Rechtfertigung der Nichtzahlung mit der Einrede des § 320 BGB aus. Denn dann ist durch das Berufen auf die Minderung deutlich, dass der Mieter den Einbehalt nicht an den Vermieter auszahlen will, wie es für das Leistungsverweigerungsrecht wesensprägend ist3. 891 Nach Auffassung des OLG Frankfurt4 soll das Zurückbehaltungsrecht nicht über den Zeitabschnitt hinaus geltend gemacht werden können, für den die Miete vereinbart war (z.B. Monat). Denn dem Zweck des Zurückbehaltungsrechts, Druck auf den Vermieter auszuüben, soll die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts nur so lange gerecht werden können, wie es eine Verwirklichung des vertraglichen Erfüllungsanspruches tatsächlich fördern kann. Sobald dies durch Zeitablauf unmöglich geworden ist, soll ein im Ansatz begründetes Zurückbehaltungsrecht nicht mehr durchgreifen, weil anderenfalls sich sein Charakter von dem einer aufschiebenden hin zu einer faktisch rechtsvernichtenden Einrede wandeln würde. Diese Auffassung ist abzulehnen5. Denn der Erfüllungsanspruch soll bei Gebrauchsstörungen unabhängig von den Gewährleistungsvorschriften fortbestehen6, wie bereits §§ 536b, 536c BGB deutlich machen. Wenn der Erfüllungsanspruch jedoch unabhängig von den Gewährleistungsansprüchen besteht, können Gewährleistungsrechte die allgemeinen Vorschriften nicht verdrängen. Damit wird zugleich deutlich, dass auch die zeitliche Beschränkung auf den Abschnitt, für den die Miete vereinbart ist, unbedeutend ist. Denn der Erfüllungsanspruch hat ebenso dauerhaften Charakter wie der Überlassungsanspruch und die dazu im Synallagma stehende Pflicht zur Mietzahlung. cc) Umfang der Leistungsverweigerung 892 In welchem Umfang das Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht werden kann, wird nicht einheitlich gesehen. Einerseits soll es mit dem drei- bis fünffachen Minderungsbetrag7, andererseits mit einem Vielfachen des Mängelbeseitigungsaufwandes8 angesetzt werden können. Auch wenn die zuerst genannte Meinung auf einen konkreten Bezug zwischen Miete und Mangel aufbaut9, muss im konkreten Einzelfall untersucht werden, ob die Ausübung angemessen ist. Dazu ist zu berücksichtigen, dass die Einrede des § 320 BGB als Druckmittel gedacht ist und auch einen Bezug zur Mängelbeseitigung aufweist. Deshalb hat der BGH10 zu Recht für die nicht erfüll-

1 LG Berlin v. 6.3.1998 – 65 S 386/97, NZM 1998, 475 f.; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. III 127; Schenkel, NZM 1998, 502 (504). 2 BGH v. 7.10.1998 – VIII ZR 100/97, NJW 1999, 53; BGH v. 7.6.2006 – VIII ZR 209/05, MDR 2007, 146 = NJW 2006, 2839 (2842). 3 BGH v. 12.3.2008 – XII ZR 147/05, MDR 2008, 909 = MietRB 2008, 232 (233) = ZMR 2008, 693. 4 OLG Frankfurt v. 23.4.1999 – 24 U 110/97, ZMR 1999, 628. 5 Vgl. u.a. BGH v. 7.5.1982 – V ZR 90/81, MDR 1982, 836 = NJW 1982, 2242; Nies, NZM 2000, 1133 (1134). 6 Gellwitzki, WuM 1999, 10 (11). 7 LG Hamburg v. 30.3.1989 – 7 S 330/88, WuM 1989, 566. 8 LG Bonn v. 3.12.1990 – 6 S 76/90, WuM 1991, 262. 9 Sternel, WuM 2002, 244 (248). 10 BGH v. 26.3.2003 – XII ZR 167/01, MDR 2003, 801 = NZM 2003, 437 = GuT 2003, 144 = WuM 2003, 439 = MietRB 2003, 35.

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te, vertraglich übernommene Verpflichtung zur Errichtung einer Brandmauer jedenfalls das Dreifache des Mängelbeseitigungsaufwandes für angemessen erachtet. 2. Mietstruktur a) Allgemeines Im Rahmen der Vertragsfreiheit (zu den Grenzen vgl. § 535 BGB Rz. 45 ff.) ist es den Parteien grundsätzlich erlaubt, das Entgelt i.S.v. § 535 Abs. 2 BGB in verschiedene selbständige Elemente aufzuteilen, die in ihrer Summe die „Miete“ bilden sollen. Bei der Gestaltung der Miete wird unterschieden zwischen der – Bruttomiete, – Grundmiete zzgl. Betriebskosten, – Teilinklusivmiete zzgl. Betriebskosten, – Kostenmiete1.

893

Bei der Bruttomiete (auch Inklusivmiete genannt) werden alle Leistungen des Ver- 894 mieters von dem vereinbarten Betrag erfasst. Bei der Grundmiete (auch Nettomiete) fallen zusätzlich Zahlungen auf Betriebskosten (Vorauszahlungen oder Pauschale, § 556 Abs. 2 BGB) an, wobei es sich regelmäßig um die Betriebskosten des § 1 BetrKV handelt. Bei einer Teilinklusivmiete sind einige Betriebskostenpositionen in der Grundmiete enthalten. Die Kostenmiete wird für den preisgebundenen Wohnraum i.S.v. § 50 WoFG in § 8 Abs. 1 WoBindG definiert. b) Zuschläge Zusätzlich zur Miete als Gegenleistung für die Gebrauchsgewährung können die Par- 895 teien Zuschläge vereinbaren. Als Mietzuschlag wird in der Regel ein Entgelt bezeichnet, dass der Mieter für bestimmte Sondernutzungen oder Sonderleistungen des Vermieters zu zahlen hat. Zuschläge, die in der Einigung der Parteien gesondert aufgeführt werden, sind regel- 896 mäßig (ausgewiesener) Bestandteil der Grundmiete. Dennoch ist im Rahmen der Mietpreisbildung z.B. nach § 5 WiStrG oder § 558 Abs. 2 BGB gesondert zu prüfen, inwieweit sie einer Veränderung unterliegen. Als Teil der (Gesamt-)Miete fließen sie in die Bemessungsgrundlage für die Minderung nach § 536 BGB ein, und zwar unabhängig davon, ob sie von vorneherein in die (Grund-)Miete als Kalkulationsfaktor eingerechnet wurden2 oder in der Einigung separat ausgewiesen werden. aa) Untermietzuschlag Der Untermietzuschlag ist ein zusätzliches Entgelt für die Gestattung der Unterver- 897 mietung. Rechtlich handelt es sich dabei um einen Teil der Grundmiete. Die Höhe des Zuschlags kann grundsätzlich nach dem Belieben der Partner festgesetzt werden. Da es sich jedoch um einen Teil der Grundmiete handelt, ist § 5 WiStG zu beachten. bb) Zuschlag für gewerbliche Mitbenutzung Darunter ist ein zusätzliches Entgelt zu verstehen, das der Mieter von Wohnraum da- 898 für zu entrichten hat, dass er die Räume zumindest teilweise auch zu anderen als Wohnzwecken nutzen darf. Diese Vertragsgestaltung ist von der Mischraummiete zu unterscheiden, die gegeben ist, wenn gewerbliche Räume und Wohnräume aufgrund eines einheitlichen Vertrages vermietet werden.

1 Im preisgebundenen Wohnraum sind weitere Mietbegriffe gebräuchlich, wie z.B. Einzelmiete (§ 3 Abs. 1 NMV), Durchschnittsmiete (§ 3 Abs. 2 NMV) etc. 2 Für diesen Fall: BGH v. 2.3.2011 – VIII ZR 209/10, MDR 2011, 474 = MietRB 2011, 137 = GE 2011, 542 = WuM 2011, 213 = ZMR 2011, 542.

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899 Die Regelung des § 558 BGB gilt für den Gewerbezuschlag nicht1. Hinsichtlich der Höhe des Zuschlages gilt bei freifinanziertem Wohnraum weder § 26 Abs. 2 NMV noch § 5 WiStG. Lediglich § 138 BGB ist zu beachten2. cc) Möblierungszuschlag 900 Bei einem Möblierungszuschlag handelt es sich um das Entgelt, das der Vermieter als Gegenleistung für die Überlassung bestimmter Einrichtungsgegenstände erhält, mit denen er die Mietsache ausgestattet hat. Es handelt sich also um einen Teil der Grundmiete. dd) Zuschlag für Schönheitsreparaturen 901 Auch ein Zuschlag für Schönheitsreparaturen ist zulässig3. Dem steht nicht entgegen, dass ein Zuschlag auf die ortsübliche Vergleichsmiete bei unwirksamer Renovierungsklausel nicht zulässig sein soll4. Denn hier ist der Zuschlag von Anfang an in der Miete kalkuliert und kann daher bei Veränderungen der ortsüblichen Vergleichsmiete berücksichtigt werden. 3. Sonderformen der Miete a) Einmalmiete 902 Die Parteien können ohne weiteres vereinbaren, dass die Miete nur am Anfang für die gesamte Laufzeit im Voraus oder z.B. nur einmal im Jahr zu entrichten ist. Die Rechtsfolgen ergeben sich aus §§ 1124 oder 566b BGB. Es kann aber zu Problemen bei der Mieterhöhung nach § 558 BGB, weil Mietspiegel i.d.R. auf die Monatsmiete abstellen, und mit dem Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen, wenn eine Miete nicht gezahlt wird5. Denn das Gesetz stellt in § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB ganz offensichtlich auf monatliche Zahlungen ab. b) Mietvorauszahlung 903 Die Vereinbarung einer nicht zweckgebundenen Mietvorauszahlung oder eines nicht zweckgebundenen Mieterdarlehens ist bei preisgebundenen Wohnungen dann unzulässig, wenn die Leistung mit Rücksicht auf die Überlassung der Wohnung erfolgt, § 9 Abs. 1 WoBindG. Bei frei finanziertem Wohnraum oder solchem, der dem WoFG unterliegt, sind solche Vereinbarungen zulässig, soweit es sich nicht um Umgehungsgeschäfte handelt, wobei insbesondere § 551 BGB zu beachten ist. c) Zuschüsse der öffentlichen Hand 904 Gerade wenn Wohnraum vermietet wird, für den nach dem 31.12.2001 die Förderzusage erteilt wurde (§ 50 WoFG), kann die vereinbarte Miete noch einmal subventioniert sein. In der Regel vereinbaren die Parteien in einem solchen Fall eine Miete, die sich in dem durch die Förderzusage vorgegebenen Rahmen hält. Der Vermieter erhält aber von einem Dritten (z.B. der Investitionsbank) einen Zuschuss und fordert von dem Mieter nur einen gegenüber der vereinbarten Miete geringeren Betrag. Der Zuschuss kann auf die Grundmiete oder auch auf die Betriebskosten (z.B. Härteausgleich) anzurechnen sein. Der Zuschuss kann auch subjektiv gebunden sein, indem z.B. als Auszahlungsvoraussetzung die fortbestehende Berechtigung i.S.d. § 27 WoFG bestimmt wird. Dies hängt von der Förderzusage ab. 905 Besteht eine solche Konstellation, ist eine Regelung im Mietvertrag, wonach der Mieter bei Vorlage eines Wohnberechtigungsscheins die Reduzierung der vereinbarten Miete z.B. auf die (niedrigere) Durchschnittsmiete verlangen kann und sich bei einer Erhöhung der Durchschnittsmiete der von ihm zu tragende Anteil an der verein-

1 2 3 4 5

BayObLG v. 25.3.1986 – REMiet 4/85, WuM 1986, 205. LG Berlin v. 24.10.1995 – 65 S 26/95, GE 1995, 1549. LG München II v. 9.11.2010 – 12 S 1790/10, ZMR 2011, 221 = GE 2011, 820. Vgl. dazu BGH v. 11.2.2009 – VIII ZR 118/07, NJW 2009, 1410 = ZMR 2009, 514. Vgl. z.B. BGH v. 17.9.2008 – XII ZR 61/07, MietRB 2009, 3 = MDR 2009, 18 = ZMR 2009, 106.

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barten Miete erhöht, wirksam1. Sie verstößt nicht gegen die §§ 558 ff. BGB. Denn sie trägt lediglich den Einschränkungen Rechnung, denen der Vermieter durch den Fördervertrag unterliegt. Danach wird gerade nicht die Miete erhöht, sondern es wird lediglich berücksichtigt, dass die öffentlichen Zuschüsse absinken. d) Baukostenzuschüsse Insoweit ist – auch wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen (vgl. § 547 BGB Rz. 43) – zwischen abwohnbaren und verlorenen Baukostenzuschüssen zu differenzieren.

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Abwohnbare Baukostenzuschüsse in der Form von Mieterdarlehen oder Mietvoraus- 907 zahlungen sind sowohl bei preisgebundenem als auch bei frei finanziertem Wohnraum zulässig. Bei preisgebundenem Wohnraum ist nach § 50 Abs. 2 II. WoBauG eine Genehmigung der Bewilligungsstelle erforderlich. Soll das Darlehen zur Deckung von Modernisierungskosten verwendet werden, darf das Darlehen oder die Mietvorauszahlung höchstens eine vierfache Jahresmiete betragen. Bei vorzeitiger Vertragsbeendigung gilt auch hier, dass der Vermieter den noch nicht abgewohnten Teil nach Maßgabe des § 547 BGB zurückzuzahlen hat. Diese Regelung kann bei Wohnraum nicht abbedungen werden. Eine Vereinbarung, wonach der Baukostenzuschuss in Form eines selbständigen, von der Beendigung des Mietverhältnisses unabhängigen Darlehens geleistet werden muss, ist als Umgehungsgeschäft unwirksam2. Verlorene Baukostenzuschüsse können bei preisgebundenem Wohnraum nicht 908 vereinbart werden. Bei frei finanziertem Wohnraum sind solche Vereinbarungen zulässig; im Falle der vorzeitigen Vertragsbeendigung gilt auch hier, dass der nicht abgewohnte Teil des Zuschusses nach dem Gesetz über die Rückzahlung von Baukostenzuschüssen (Gesetz v. 24.8.1965, BGBl. I 969) an den Mieter herauszugeben ist. Danach wohnt der Mieter eine Investition in Höhe einer Jahresmiete über vier Jahre ab. Auch diese Regelung ist nicht abdingbar; sie kann auch nicht durch die Vereinbarung eines selbständigen Darlehensvertrages umgangen werden. e) Abstandszahlungen Abstandszahlungen, die der Mieter seinem Vorgänger bezahlen muss, sind nach § 4a 909 Abs. 1 WoVermittG zu beurteilen. Danach ist eine Vereinbarung unwirksam, die den Wohnungssuchenden oder für ihn einen Dritten verpflichtet, ein Entgelt dafür zu leisten, dass der bisherige Mieter die gemieteten Wohnräume räumt. Dabei ist gleichgültig, ob die Vereinbarung mit dem bisherigen Mieter oder mit dem Vermieter oder mit einem sonstigen Dritten getroffen wird. Es kommt auch nicht darauf an, wem das Entgelt wirtschaftlich zugutekommt. Maßgeblich ist allein, dass der Wohnungssuchende für die Besitzaufgabe des Vorgängers etwas bezahlen muss. Unter dem Begriff des Entgelts fallen vermögenswerte Leistungen aller Art, beispiels- 910 weise auch die Übernahme bestehender Mietschulden. Nach dem Gesetzeszweck greift die Verbotsvorschrift auch dann, wenn der bisherige Mieter zwar bereits geräumt hat, aber die Besitzaufgabe von der Zahlung eines Entgelts abhängig machen will. Der Gesetzeswortlaut („räumt“) ist im Hinblick auf den Gesetzeszweck weit auszule- 911 gen. Zulässig ist demgegenüber die „Erstattung von Kosten, die dem bisherigen Mieter nachweislich für den Umzug entstehen“, § 4a Abs. 1 S. 2 WoVermittG. Auf diese Weise soll insbesondere solchen Mietern der Umzug erleichtert werden, deren bisherige Wohnung durch den Auszug von Familienangehörigen zu groß geworden ist. Entsprechend diesem Gesetzeszweck gehören zu den Umzugskosten nicht nur die Kosten für den Transport der Möbel und Einrichtungsgegenstände, sondern alle umzugsbedingten Aufwendungen, wie z.B. die Renovierung. Selbst wenn die Vereinbarung nicht gegen § 4a Abs. 1 WoVermG verstößt, kann sie 912 nach § 4a Abs. 2 WoVermittG unwirksam sein3. 1 BGH v. 13.7.2011 – VIII ZR 261/10, MietRB 2011, 305 = ZMR 2011, 940. 2 BGH v. 23.6.1971 – VIII ZR 166/70, NJW 1971, 1658. 3 BGH v. 23.4.1997 – VIII ZR 212/96, MDR 1997, 721 = NJW 1997, 1845.

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f) Ablösezahlungen 913 Die Wirksamkeit von Ablösezahlungen richtet sich nach § 4a Abs. 2 WoVermittG. Unter einer Ablösevereinbarung ist ein Vertrag zu verstehen, durch den der Wohnungssuchende sich im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Mietvertrages über Wohnräume verpflichtet, von dem Vermieter oder dem bisherigen Mieter eine Einrichtung oder ein Inventarstück zu erwerben. Da solche Verträge für den Wohnungssuchenden nur dann einen wirtschaftlichen Sinn haben, wenn er die Wohnung tatsächlich erhält, bestimmt § 4a Abs. 2 S. 1 WoVermittG, dass der Vertrag „im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen (wird), dass der Mietvertrag zustande kommt“. Die Vermutung für den aufschiebend bedingten Vertragsschluss kann widerlegt werden; beweispflichtig für das Gegenteil ist diejenige Partei, die aus dem Vertrag Rechte für sich herleiten will. 914 Einrichtungen und Inventarstücke sind solche Gegenstände, die der Mieter in die Wohnung eingebracht hat. Die Kosten für Umbau-, Instandsetzungs-, Modernisierungs- oder Renovierungsarbeiten zählen nicht dazu1. Allerdings ist § 4a Abs. 2 WoVermittG auf diese Leistungen entsprechend anzuwenden2. Nach § 4a Abs. 2 S. 2 WoVermittG ist die Unwirksamkeit relativ. 915 Der Wert der Einrichtung ist nicht entsprechend dem Zeitwert, sondern nach dem Gebrauchswert zu bemessen3. Unter dem Zeitwert ist dabei derjenige Preis zu verstehen, der auf dem Gebrauchswarenmarkt zu erzielen wäre. Demgegenüber beschreibt der Gebrauchswert den speziellen Nutzen der Gegenstände für den Erwerber, wobei der Nutzen nicht nach subjektiven, sondern nach objektiven Wertansätzen zu bestimmen ist. Bei Einbaumöbeln und solchen Gegenständen, die auf eine spezielle Wohnung zugeschnitten sind, ist der Gebrauchswert wegen der ersparten Einbaukosten in der Regel höher als der Zeitwert. Bei den übrigen Gegenständen bleiben beim Gebrauchswert die Kosten des Abtransports außer Ansatz. Der Gebrauchswert bestimmt sich nach den Anschaffungs- und Herstellungskosten abzgl. einer altersbedingten Abschreibung entsprechend der mutmaßlichen Lebensdauer der Gegenstände4. 916 Nach allgemeinen Grundsätzen hat bei Rückforderungsansprüchen nach § 4a Abs. 2 WoVermittG derjenige die für die Begründung eines Anspruchs maßgeblichen Tatsachen zu beweisen, der aus dem behaupteten Missverhältnis Rechte für sich herleiten will. Dies ist der Erwerber. Da der Erwerber aber in der Regel nicht weiß, zu welchem Preis der Veräußerer die Gegenstände erworben hat, besteht eine wichtige Beweiserleichterung. Der Veräußerer muss Zeitpunkt und Preis der Anschaffung darlegen und dies – soweit möglich – durch Vorlage der Rechnungen belegen. Den Erwerber trifft die Darlegungs- und Beweislast, wenn er geltend machen will, dass die angegebenen Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht zutreffen. 917 Der Begriff des auffälligen Missverhältnisses ist dem gleichlautenden Begriff in §§ 138 Abs. 2, 5 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 WiStG, 291 StGB nachgebildet und in derselben Art und Weise zu verstehen. Zur Feststellung des Missverhältnisses ist der Wert des betreffenden Gegenstandes zu ermitteln und zu dem vereinbarten Preis in Beziehung zu setzen. Ein auffälliges Missverhältnis liegt bei einer mehr als 50 %igen Überschreitung des objektiven Zeitwertes vor5. g) Einzugspauschale 918 Einzugspauschalen sind bei preisgebundenem Wohnraum unzulässig.

1 AG Tempelhof/Kreuzberg v. 12.10.1995 – 15 C 177/95, GE 1996, 985. 2 BGH v. 23.4.1997 – VIII ZR 212/96, MDR 1997, 721 = NJW 1997, 1845. 3 OLG Köln v. 23.6.2000 – 19 U 137/99, WuM 2000, 555; OLG Düsseldorf v. 7.3.1997 – 14 U 117/96, NZM 1998, 805. 4 OLG Hamburg v. 2.5.1997 – 10 U 77/96, WuM 1997, 333; KG v. 5.6.1997 – 8 U 9012/95, GE 1998, 40. 5 BGH v. 23.4.1997 – VIII ZR 212/96, MDR 1997, 721 = NJW 1997, 1845; OLG Köln v. 23.6.2000 – 19 U 137/99, WuM 2000, 555; KG v. 5.6.1997 – 8 U 9012/95, GE 1998, 40.

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Bei freifinanziertem Wohnraum können sie wirksam vereinbart werden, allerdings 919 nur im Wege der Individualvereinbarung. Bei Formularklauseln ist § 306 Nr. 5 BGB zu beachten, weil die Einzugspauschale eine Form des pauschalierten Schadensersatzes darstellt. Für die Auszugspauschale gilt dasselbe. 4. Wirksamkeit der Mietvereinbarung a) Allgemeine gesetzliche Schranken Ausdrückliche gesetzliche Schranken für die Festlegung der Miethöhe bestehen für 920 die Miete im preisfreien Wohnraum durch § 5 WiStG (vgl. Anhang § 535 BGB Rz. 8 ff.) und § 291 StGB. Danach darf die Miete zumindest ein bestimmtes Maß nicht überschreiten. Bei preisgebundenem Wohnraum gemäß § 50 WoFG darf nur die Kostenmiete verein- 921 bart werden, mit der die laufenden Aufwendungen gedeckt werden (§ 8 WoBindG). Der seit 1.1.2002 öffentlich geförderte Wohnungsbau ist an die Obergrenzen gemäß § 28 WoFG gebunden. b) Steuerhinterziehung, § 134 BGB Die Verabredung zur Steuerhinterziehung (z.B. Verkürzung der Einkommensteuer) 922 führt nach § 134 BGB i.V.m. § 370 AO zunächst zur Nichtigkeit der relevanten (hier: Preis-)Regelung1. Eine Gesamtnichtigkeit der Vertrages gemäß § 139 BGB kann nur angenommen werden, wenn die Steuerhinterziehung den Hauptzweck des Vertrages bildet. Das Gleiche gilt bei einer sog. „Ohne-Rechnung-Abrede“, jedenfalls bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen der mündlich und schriftlich vereinbarten Leistung2 Auch wenn bei einem Mietvertrag mit (zusätzlicher) mündlicher Preisabrede in der Überlassung des Grundstücks der Hauptzweck des Vertrages gelegen hat, kann die nichtige mündliche Abrede gemäß § 139 BGB zur Nichtigkeit des ganzen Vertrages führen. Dazu muss festgestellt werden, ob die Parteien den Vertrag auch ohne die nichtigen steuerlichen Absprachen zu denselben Bedingungen, insbesondere zu derselben Miete, abgeschlossen hätten. Dies ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln, bei der auch zu berücksichtigen ist, welche wirtschaftliche Bedeutung gerade die konkrete Mieteinheit für den Mieter hatte. c) Erschleichen von Sozialleistungen Weist der Mietvertrag den von der Sozialbehörde gewährten Betrag als Miete aus 923 und haben die Parteien in einer Zusatzvereinbarung die Zahlung eines weiteren Entgelts vereinbart, bestehen keine Bedenken gegen die Wirksamkeit einer der beiden Vereinbarungen. Demnach greift auch § 139 BGB nicht ein. Es besteht jedenfalls dann kein Anspruch gegen den Vermieter aus § 826 BGB, wenn die Summe beider Beträge die ortsübliche Miete nicht übersteigt3. d) Preisrecht im öffentlichen Wohnungsbau Für den preisgebundenen Wohnraum regeln die Bestimmungen der II. BV, welche 924 Bestandteile in der Miete enthalten sein dürfen, und § 20 Abs. 1 NMV, dass die Kostenmiete als Nettomiete zzgl. Betriebskosten vereinbart werden muss. e) Geltung der Kostenmiete im preisfreien Wohnraum aa) Vereinbarung der Kostenmiete Will der Vermieter eine Kostenmiete oder deren Erhöhung geltend machen, muss er 925 im Zweifel die Voraussetzungen der Preisbindung darlegen und beweisen. Ein bestandskräftiger Bescheid der zuständigen Behörde, durch den die öffentlichen Mittel 1 BGH v. 2.7.2003 – XII ZR 74/01, MDR 2003, 1224 = MietRB 2003, 68 = NZM 2003, 716 = GuT 2003, 175 = ZMR 2003, 731 = DWW 2003, 299. 2 BGH v. 3.7.1968 – VIII ZR 113/66, MDR 1968, 834 f.; OLG Hamm v. 18.11.1996 – 5 U 109/96, MDR 1997, 347 = NJW-RR 1997, 722. 3 LG Kiel v. 12.8.2010 – 1 S 93/10, GE 2011, 890.

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für die Errichtung oder Sanierung eines Gebäudes bewilligt worden sind, entfaltet insoweit keine Bindungswirkung1. Unabhängig davon, ob dem Vermieter die Darlegung oder der Beweis dieser Voraussetzung gelingt oder er sogar entgegen seiner ursprünglichen Absicht keine öffentlichen Mittel in Anspruch genommen hat, führt die vertragliche Bestimmung, wonach die Wohnung öffentlich gefördert ist, selbst dann nicht zur Anwendung der Vorschriften über die Mietpreisbindung, wenn zudem exakt die nach dem WoFG höchst zulässige Miete vereinbart wurde2. Denn die Vereinbarung der Wohnungspreisbindung, die – außer bei Anwendung des WoFG – regelmäßig eine Berechtigung des Vermieters zur einseitigen Mieterhöhung begründet, ist nach § 557 Abs. 4, § 558 Abs. 6 BGB unwirksam. Dadurch wird nämlich zum Nachteil des Mieters von § 557 Abs. 3 BGB und § 558 Abs. 1 BGB abgewichen. Die Abweichung besteht darin, dass die Mieterhöhung bei der Kostenmiete nicht der Zustimmung des Mieters bedarf. Diese Abweichung ist grundlegend, weil das Zustimmungserfordernis im Rahmen des Vergleichsmietenverfahrens nach § 558 BGB Ausdruck des Prinzips der Vertragsfreiheit ist, das nach der Vorstellung des Gesetzgebers im Bereich des preisfreien Wohnraums nicht nur für die Einigung über die Höhe der Miete bei Vertragsschluss, sondern auch bei der Erhöhung der Miete während des laufenden Mietverhältnisses gelten soll. Die Abweichung ist für den Mieter auch nachteilig. Er kann zwar die Zahlung der vom Vermieter einseitig erhöhten Miete verweigern, so dass dieser gegebenenfalls Zahlungsklage erheben muss, in deren Rahmen die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Kostenmiete gerichtlich nachgeprüft werden. Durch die Zahlungsverweigerung setzt sich der Mieter jedoch der Gefahr einer außerordentlichen fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 1 und 2 Nr. 3 BGB aus, der er nicht mehr begegnen kann, wenn sich die einseitige Mieterhöhung des Vermieters erst im Räumungsprozess als berechtigt erweist. Diese Gefahr besteht dagegen nicht, wenn die Mieterhöhung gemäß § 558 Abs. 1 BGB der Zustimmung des Mieters bedarf, da der Vermieter insoweit nach § 558b Abs. 2 BGB erst – erfolgreich – Klage auf Erteilung der Zustimmung erheben muss, bevor ein Anspruch auf Zahlung der erhöhten Miete entsteht, § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB. bb) Fortgeltung der Kostenmiete nach Wegfall des WGG 926 Bis zum 31.12.1990 waren Wohnungsunternehmen (z.B. Genossenschaften) verpflichtet, von den Mietern auch bei preisfreiem Wohnraum nur die sog. Kostenmiete ihren zu verlangen, wenn sie als gemeinnützig anerkannt werden und es auch bleiben wollten. Dies wurde zusätzlich im Mietvertrag verfestigt (sog. Kostenmietklausel). Diese Kostenmietklauseln gelten nach Wegfall des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) über das Ende der Preisbindung hinaus nicht fort3. Zwar ist in den erfassten Fällen regelmäßig eine Kostenmiete vereinbart. Diese Vereinbarung steht jedoch zumeist wie die Preisgebundenheit der Wohnung in einem engen sachlichen Zusammenhang mit einer Förderung der Wohnung mit öffentlichen Mitteln. Deshalb ist dem Mietvertrag insoweit durch den Wegfall des WGG die Geschäftsgrundlage entzogen worden. Die Miete kann nach den §§ 558 ff. BGB erhöht werden. f) Auslaufen gesetzlicher Verbote 927 Grundsätzlich ist die Frage der Wirksamkeit im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages zu prüfen. Sind danach der Vertrag oder einzelne Bestimmungen unwirksam, wird die Nichtigkeit grundsätzlich nicht durch gesetzliche Änderungen geheilt, soweit nicht in der gesetzlichen Regelung im Einklang mit dem Verbot der echten Rückwirkung von Gesetzen (Art. 20 GG) wirksam etwas anderes bestimmt ist. 928 Ob die Parteien wirksam vereinbaren können, dass bei Aufhebung bzw. Außerkrafttretens eines Verbotsgesetzes die ursprüngliche Vereinbarung (wieder) gelten soll, ist 1 Vgl. KG v. 14.10.1985 – 8 RE-Miet 3920/85, WuM 1985, 387 = ZMR 1985, 411; ferner BVerwG v. 28.11.1986 – 8 C 122/84, 8 C 123/84, 8 C 124/84, 8 C 125/84, NVwZ 1987, 496 (497). 2 BGH v. 7.2.2007 – VIII ZR 122/05, MDR 2007, 707 = MietRB 2007, 137 = WuM 2007, 133 = GE 2007, 510 unter Aufgabe der bisherigen Rspr. in BGH v. 21.1.2004 – VIII ZR 115/03, MDR 2004, 804 = WuM 2004, 282 = NZM 2004, 378 = MietRB 2004, 199. 3 BGH v. 12.1.2010 – VIII ZR 21/09, WuM 2010, 430.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

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umstritten. Für den Wegfall der Preisbindung wird z.B. vertreten, dass eine nachträgliche Heilung durch Auslauf der Bindung nicht eintreten kann1. Dem wird entgegengehalten, dass z.B. § 8 Abs. 2 WoBindG nur eine schwebende Unwirksamkeit herbeiführt2. Maßgeblich ist, ob dem Wiederaufleben der (unwirksamen) Regelung der Zweck der Verbotsnorm entgegensteht3. Das ist bei § 8 Abs. 2 WoBindG ebenso wenig der Fall, wie z.B. bei Art. 2 MÜG. Der Zweck des Mietrechtsüberleitungsgesetzes bestand darin, das Vergleichsmietensystem der §§ 2 ff. MHG (heute §§ 558 ff. BGB) schrittweise auch in den neuen Bundesländern einzuführen4. Nach seiner gesetzlichen Ausgestaltung bestand das Verbot des Art. 2 § 2 MÜG jedoch nur „beim Abschluss“ des Mietvertrags; die Parteien hatten die Möglichkeit, in der Folgezeit eine andere Vereinbarung ohne die von dieser Vorschrift vorgesehenen Beschränkungen zu treffen5. Zudem hätten sich die Parteien bereits bei Vertragsabschluss für die Zeit nach Ablauf der bestehenden Preisbindung wirksam über eine höhere Miete einigen können6. 5. Verwirkung des Mietzahlungsanspruchs Ein Anspruch ist als verwirkt zu behandeln, wenn er längere Zeit hindurch nicht gel- 929 tend gemacht worden ist (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Umstandsmoment)7. Die Rechtsfigur der Verwirkung stellt einen Ausnahmetatbestand dar; der Verstoß gegen Treu und Glauben, der den Verwirkungstatbestand begründet, besteht in der Illoyalität der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs8. Ob er erfüllt ist, insbesondere, welche Anforderungen an die Erfüllung von Zeit- und Umstandsmoment zu stellen sind, hängt wesentlich von dem jeweils konkreten Charakter der Rechtsbeziehung (z.B. Vertrag oder gesetzliches Schuldverhältnis, Dauerschuldverhältnis oder Einzelschuldverhältnis) und auch von der Schutzbedürftigkeit des Schuldners (z.B. Gewerbetreibender oder Verbraucher) ab9. Die Voraussetzungen für die Verwirkung können zwar bereits zu einem Zeitpunkt 930 vorliegen, in dem die Forderung noch nicht verjährt ist. Hinsichtlich der zeitlichen Voraussetzungen der Verwirkung gilt aber allgemein der Grundsatz, dass umso seltener Raum für eine Verwirkung sein wird, je kürzer die Verjährungsfrist ist10. Bei den kürzer verjährenden Forderungen des täglichen Lebens und den wiederkehrenden Leistungen, die wie Mietzahlungsansprüche in drei Jahren verjähren, kann eine Verwirkung vor Ablauf der Verjährungsfrist nur aus ganz besonderen Gründen angenommen werden11. Aufgrund des bloßen Zeitablaufs ist in jedem Fall die Annahme, für den Verpflichte- 931 ten sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, grundsätzlich nicht möglich. Es müssen vielmehr noch besondere Umstände vorliegen, die die Feststellung rechtfer-

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LG Wuppertal v. 30.8.1996 – 10 S 142/96, WuM 1998, 292. Bellinger in WoBauR, § 8 WoBindG Anm. 4.3.2. BGH v. 27.6.2007 – VIII ZR 150/06, MietRB 2008, 35 = WuM 2007, 440. BT-Drucks. 13/1041, S. 1 f., 7 ff.; BGH v. 22.12.2004 – VIII ZR 41/04, WuM 2005, 132. Staudinger/Emmerich, BGB (1997), Mietrecht 3, Anh. zu Art. 3 WKSchG II §§ 11–17 MHRG: Art. 2 § 2 MÜG Rz. 5. Vgl. BGH v. 3.12.2003 – VIII ZR 157/03, MietRB 2004, 65 = MDR 2004, 268 = WuM 2004, 28. BGH v. 16.2.2005 – XII ZR 24/02, DWW 2005, 153; BGH v. 14.11.2002 – VII ZR 23/02, MDR 2003, 207 = NJW 2003, 824; OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – I-24 U 195/09, MietRB 2010, 225 = MDR 2010, 1244 = ZMR 2011, 118; OLG Düsseldorf v. 30.10.2008 – I-24 U 84/08, ZMR 2009, 844. BGH v. 26.2.2003 – XII ZR 66/01, NZM 2003, 355; BGH v. 11.4.1984 – VIII ARZ 16/83, BGHZ 91, 62 = MDR 1984, 836. BGH v. 6.12.1988 – XI ZR 19/88, MDR 1989, 448 = NJW-RR 1989, 818 m.w.N.; OLG Düsseldorf v. 29.4.1997 – 24 U 89/96, OLGR 1997, 254. BGH v. 19.10.2005 – XII ZR 224/03, MDR 2006, 562; BGH v. 6.12.1988 – XI ZR 19/88, MDR 1989, 448 = NJW-RR 1989, 818; KG v. 27.11.2006 – 12 U 182/04, ZMR 2007, 364. OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – I-24 U 195/09, MietRB 2010, 225 = MDR 2010, 1244 = ZMR 2011, 118; KG v. 27.11.2006 – 12 U 182/04, ZMR 2007, 364.

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tigen, der Schuldner habe bereits darauf vertrauen können, dass der Gläubiger die Forderung nicht mehr geltend mache1. Dazu reicht die Feststellung der bloßen Untätigkeit des Vermieters – die fehlende Geltendmachung eines Anspruchs – neben dem Zeitablauf nicht aus. Die Annahme des Umstandsmoments setzt nicht nur schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten des Verpflichteten voraus, sondern erfordert ferner, dass sich dieser – insbesondere durch die Vornahme von entsprechenden Vermögensdispositionen oder anderen Vertrauensinvestitionen – auch tatsächlich darauf eingerichtet hat, nicht mehr leisten zu müssen. Dazu muss der Verpflichtete konkret vortragen2. Anderenfalls stellt die späte Rechtsausübung durch den Gläubiger keine unzumutbare Härte für den Schuldner dar3. 6. Erlöschen des Mietzahlungsanspruchs 932 Der Mietzahlungsanspruch erlischt durch Erfüllung. Die gleiche Wirkung kann durch Erfüllungssurrogate (Aufrechnung, Hinterlegung, Leistung an Erfüllung statt) bewirkt werden. 933 Die Leistung (Mietzahlung) hat der Mieter oder der Dritte i.S.v. § 267 BGB an den Vermieter als Gläubiger zu bewirken. Leistungsort ist gemäß § 270 BGB der Sitz des Vermieters, soweit nichts anderes vereinbart ist. Letzteres kann durch die Vereinbarung des Lastschrifteinzugsverfahrens herbeigeführt werden (vgl. § 556b BGB Rz. 35 ff.). Die Fälligkeit richtet sich nach § 556b Abs. 1 BGB (vgl. § 556b BGB Rz. 18 f.). 934 Besteht ein Zwischenmietverhältnis, ist grundsätzlich an den Zwischenvermieter zu leisten. Weist dieser den Mieter an, direkt an den Vermieter (Eigentümer) zu zahlen, wird diesem dadurch eine inkongruente Deckung gewährt, welche die Gläubiger des Zwischenvermieters objektiv benachteiligen4. Dies hat zur Folge, dass die Handlung anfechtbar ist, so dass ein Rückgewährsanspruch des Insolvenzverwalters nach den §§ 129 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 143 Abs. 1 BGB entsteht. a) Aufrechnung 935 Der Mietzahlungsanspruch kann durch Aufrechnung nach den §§ 387 ff. BGB erlöschen. Voraussetzung ist, dass kein wirksames Aufrechnungsverbot besteht (vgl. dazu § 556b BGB Rz. 50 ff.). Die Aufrechnung muss erklärt werden, § 388 BGB. Da keine besondere Form für die Erklärung vorgesehen ist, kann sie auch schlüssig erfolgen5. Im Prozess ist § 322 Abs. 2 ZPO zu beachten, was eine Klarstellung der Reihenfolge bei mehreren zur Aufrechnung gestellten Forderungen erfordert6. Für die außergerichtlich erklärte Aufrechnung gilt dies nicht, weil die Reihenfolge sich im Zweifel aus § 366 BGB ergibt. 936 Neben der Gleichartigkeit von Leistung und Gegenleistung, die hier regelmäßig in Geld besteht, ist nach § 387 BGB Voraussetzung für die Aufrechnung, dass die Miete erfüllbar und der Gegenanspruch des Mieters fällig ist. Letzteres richtet sich nach der Art des Anspruchs. Erfüllbarkeit der Miete ist mit der Entstehung des Mietzahlungsanspruchs, also mit Abschluss des Mietvertrages gegeben. b) Hinterlegung 937 Gemäß § 372 S. 2 BGB kann der Mieter u.a. dann den Anspruch auf Mietzahlung durch Hinterlegung erfüllen, wenn er infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein 1 Vgl. BGH v. 11.4.1984 – VIII ARZ 16/83, BGHZ 91, 62 = MDR 1984, 836; BGH v. 29.2.1984 – VIII ZR 310/82, MDR 1984, 930 = NJW 1984, 1684; OLG Düsseldorf v. 30.10.2008 – I-24 U 84/08, ZMR 2009, 844. 2 OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – I-24 U 195/09, MietRB 2010, 225 = MDR 2010, 1244 = ZMR 2011, 118; KG v. 27.11.2006 – 12 U 182/04, ZMR 2007, 364. 3 Vgl. OLG Brandenburg v. 9.4.2008 – 3 U 106/07, zitiert nach juris. 4 BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 58/10, MDR 2011, 452 = MietRB 2011, 145 = GE 2011, 406. 5 Erman/Wagner, § 388 BGB Rz. 2 m.w.N. 6 BGH v. 5.4.2001 – VII ZR 135/00, MDR 2001, 952 = NJW 2001, 2094.

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Schuldner verpflichtet ist, bei nicht einfach gelagerten Sachverhalten professionellen, kostenpflichtigen Rechtsrat einzuholen, bevor er sich zur Hinterlegung entschließt, ist im Einzelnen umstritten1. Die Voraussetzungen für eine Hinterlegung sind aber nicht gegeben, wenn im Miet- 938 vertrag das Konto des Verwalters für die Mietzahlungen angegeben ist, der Vermieter den Verwaltervertrag kündigt und Zahlung an sich verlangt, während der Verwalter (mit Vehemenz) weiterhin Zahlung auf das im Mietvertrag angegebene Konto verlangt2. Hier besteht über die Person des Gläubigers keine Ungewissheit. Welche Umstände dem Zahlungsverlangen des Verwalters zugrunde liegen, ist für die Gläubigerstellung unerheblich. Beruht ein angeblicher Gläubigerwechsel aber auf einer dem Schuldner vorliegenden unklaren Regelung im Kaufvertrag und fällt der Vermieter/ Veräußerer vor Übergang von Nutzen und Lasten in Insolvenz, kann der Mieter schuldbefreiend hinterlegen3. c) Leistung an Erfüllungs statt Bei der Leistung an Erfüllungs statt besteht für den Schuldner eine sog. Ersetzungs- 939 befugnis. Er darf anstelle der geschuldeten Leistung gemäß § 364 BGB aufgrund einer zumindest stillschweigenden Vereinbarung eine andere als die geschuldete Leistung erbringen4. Bei Schlechterfüllung richten sich die Rechtsfolgen nach § 365 BGB. Ein Beispiel für die Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 BGB) bilden Dienstleistungen, die einvernehmlich an die Stelle der Mietzahlung treten sollen (z.B. Hausmeisterdienst).

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d) Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung In jüngster Zeit verlangen Vermieter von einem Mietinteressenten eine sog. Miet- 941 schuldenfreiheitsbescheinigung. Damit soll der bisherige Vermieter bestätigen, dass der Mieter aus dem vorherigen Mietverhältnis keine Forderungen schuldig geblieben ist. Allerdings kann der Mieter von seinem bisherigen Vermieter eine solche Bestätigung über eine bloße Quittung i.S.v. § 368 BGB für die geleisteten Mietzahlungen hinaus nicht verlangen5. Denn die Mietschuldenfreiheitsbescheinigung soll mit ihrem Inhalt über die Zuverlässigkeit und Solvenz eines Mieters verlässlich Auskunft geben6. Mit diesem Inhalt steht sie aber unübersehbar in einer gewissen Nähe zu der vor allem im Arbeitsrecht anzutreffenden Ausgleichsquittung, der u.a. die Wirkung einer Verzichtserklärung oder eines negativen Schuldanerkenntnisses dahin beigelegt wird, gegen den Schuldner keine bekannten oder unbekannten Ansprüche mehr zu haben7. Zur Abgabe einer solchen, mit einer Verzichtswirkung verbundenen Erklärung ist ein Vermieter jedoch nicht verpflichtet8. Wird eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung ausgestellt, verliert der Vermieter seinen Mietzahlungsanspruch aus bestehenden Rückständen nicht dadurch, dass er in der Bescheinigung formuliert hat, der Mieter sei seinen Zahlungspflichten regelmäßig nachgekommen9. Denn darin liegt kein Verzicht auf Mietzahlungsansprüche10. 1 2 3 4 5

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Palandt/Grüneberg, § 372 BGB Rz. 6 m.w.N. BGH v. 12.12.2003 – XII ZR 23/00, NZM 2003, 315. BGH v. 3.12.2003 – XII ZR 238/01, MDR 2004, 501 = NZM 2004, 301. Palandt/Grüneberg, § 364 BGB Rz. 1. BGH v. 30.9.2009 – VIII ZR 238/08, MDR 2010, 18 = MietRB 2010, 3 = GE 2009, 1485 = NZM 2009, 853; a.A. AG Berlin-Hohenschönhausen v. 30.3.2006 – 16 C 239/05, GE 2006, 974 (975); Beuermann, GE 2006, 1600; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VII 251b. AG Berlin-Schöneberg v. 19.6.2006 – 16b C 55/06, GE 2006, 975 f.; AG Berlin-Tiergarten v. 27.11.2007 – 6 C 427/07, GE 2008, 203; Daub, GE 2006, 961 f.; zweifelnd auch Herrlein, WuM 2007, 54 (56). BGH v. 13.1.1999 – XII ZR 208/96, NJW-RR 1999, 593 (unter I 2a); BAG v. 7.11.2007 – 5 AZR 880/06, NJW 2008, 461 (462); Bamberger/Roth/Dennhardt, 2. Aufl., § 397 BGB Rz. 23 m.w.N. Vgl. Blank/Börstinghaus, § 538 BGB Rz. 6. LG Berlin v. 26.11.2010 – 63 S 188/10, GE 2011, 56; vgl. aber BGH v. 7.11.1996 – III ZR 88/95, VIZ 1997, 181 (unter Ib). AG Berlin-Spandau v. 4.5.2011 – 15 C 8/11, NZM 2011, 883.

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7. Miete im Prozess a) Leistungsklage 943 Soll Miete im Wege der Leistungsklage geltend gemacht werden, reicht es nicht aus, z.B. in einer Tabelle Soll und Haben eines Mietkontos darzustellen, an dessen Ende ein Saldo zugunsten des Vermieters ausgewiesen wird. Denn zur Bestimmung des Streitgegenstandes nach § 253 ZPO ist der auf den jeweiligen Zeitabschnitt entfallende Rückstand anzugeben1. Immerhin stellt die Miete keine Kontokorrentforderung dar2. 944 Um diese Anforderungen zu erfüllen, muss nicht unbedingt die Differenz/der Rückstand für jeden einzelnen Monat oder einen anderen vereinbarten Zeitabschnitt angegeben werden3. Vielmehr kann auch der Jahressaldo geltend gemacht werden, indem aufgezeigt wird, wie viel Miete im Kalenderjahr geschuldet war und welche Summe darauf gezahlt wurde. Auch durch eine derartige Darstellung ist der Streitgegenstand bestimmt. Nichts anderes gilt, wenn Mietrückstände aus einem mehrere Jahre umfassenden Zeitraum geltend gemacht werden4. Dies gilt jedenfalls insoweit, wie die Parteien die Leistung von Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart haben. Denn in diesem Fall schuldet der Mieter eine Jahresmiete, auf die der Höhe nach festgelegte (monatliche) Abschläge (= Grundmiete + Vorauszahlungen) leistet. Wird das Jahressoll nicht erfüllt, liegt ebenfalls eine Forderung vor, die den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 ZPO gerecht wird und die einen Streitgegenstand bilden kann. b) Urkundsklage aa) Grundsätzliche Zulässigkeit 945 Zur Durchsetzung des Anspruchs auf Zahlung der Miete kann der Vermieter den Urkundsprozess wählen5. Insbesondere führt nicht § 536 Abs. 4 BGB zur Unstatthaftigkeit dieser Klageart bei der Miete für Wohnraum6. Denn mit diesem Einwand werden prozessuale mit materiell-rechtlichen Fragen vermischt7. Der Vermieter macht bei einer Urkundenklage nur von einer nach der ZPO allen Gläubigern einer Geldschuld zustehenden Möglichkeit Gebrauch. Die Minderung ist eine Einwendung, die der Mieter beweisen muss. Der Mieter erleidet keine anderen Nachteile als alle im Urkundenprozess Beklagten, die ihre rechtsvernichtenden Einwendungen nicht mit den zulässigen Beweismitteln nachweisen können. Er wird zur Zahlung verurteilt, kann jedoch im Nachverfahren die Minderung uneingeschränkt geltend machen. Auch die Notwendigkeit, zur Abwendung der Vollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil Sicherheit zu leisten, stellt keine unzumutbare Belastung des Mieters dar. Die erforderliche Sicherheitsleistung deckt sich mit der vereinbarten Miete und muss nur noch für den ungeklärten Minderungszeitraum erfolgen. 946 Der mindernde Mieter wird schon im Urkundenverfahren vollständig vortragen und in der mündlichen Verhandlung, in der er unter Vorbehalt seiner Rechte den Klageanspruch anerkennt, für das Nachverfahren nach § 226 ZPO vorgehen. Dazu muss eine Verkürzung der Ladungsfristen beantragt werden, die nach § 226 Abs. 3 ZPO ohne Anhörung des Gegners erfolgen kann. Daneben sollte er beachten, dass die Voll1 AG Köln v. 25.6.2008 – 220 C 55/08, WuM 2008, 676 = GE 2009, 384 = NZM 2009, 737. 2 KG v. 11.3.2002 – 8 U 6289/00, KGR Berlin 2002, 300 = GE 2002, 796; LG Mannheim v. 11.5.1994 – 4 S 199/93, DWW 1995, 112; Beuermann, GE 2000, 1301. 3 A.A. OLG Brandenburg v. 15.12.2007 – 3 W 2/07, WuM 2007, 142 = GE 2007, 444 = NZM 2007, 685; AG Köln v. 25.6.2008 – 220 C 55/08, WuM 2008, 676, 677 = NZM 2009, 737; Sternel, Mietrecht Aktuell, Rz. XIV 49; Kinne in Kinne/Schach/Bieber, II Rz. 122; vgl. auch Bub/Treier/Fischer, VIII Rz. 25. 4 BGH v. 9.1.2013 – VIII ZR 94/12, MDR 2013, 262 = WuM 2013, 179 = GE 2013, 349. 5 BGH v. 1.7.2005 – VIII ZR 216/04, WuM 2005, 526 = ZMR 2005, 773 = NZM 2005, 661; BGH v. 10.3.1999 – XII ZR 321/97, MDR 1999, 822 = NJW 1999, 1408 = ZMR 1999, 380 = NZM 1999, 401. 6 So aber: Blank, NZM 2000, 1083 (1085 ff.); Eisenhardt, MDR 1999, 901 ff. 7 BGH v. 1.7.2005 – VIII ZR 216/04, WuM 2005, 526 = ZMR 2005, 773 = NZM 2005, 661 = MietRB 2006, 4.

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streckung auch ohne Sicherheitsleistung für die Dauer des Nachverfahrens gemäß § 707 ZPO einstweilen eingestellt werden kann, wenn dieses Aussicht auf Erfolg hat, der Mieter nicht in der Lage ist, die Sicherheitsleistung zu erbringen und ihm durch die Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil droht. Sollte im Nachverfahren eine Mietminderung zur Unbegründetheit des Mietzahlungsanspruches führen, kann der Mieter gemäß § 600 Abs. 2 ZPO Ersatz des Schadens verlangen, der ihm durch die Vollstreckung entstanden ist1. bb) Urkundsklage und Mängeleinwand Ein Zahlungsanspruch kann gemäß § 592 S. 1 ZPO im Urkundenprozess nur dann gel- 947 tend gemacht werden, wenn alle anspruchsbegründenden Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Zu den den Anspruch auf Mietzahlung begründenden Tatsachen gehört gemäß § 535 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB, dass dem Mieter eine mangelfreie Mietsache überlassen worden ist2. Die mangelfreie Übergabe der Mietsache muss der Vermieter gemäß § 362 Abs. 1 BGB analog darlegen und notfalls beweisen3, es sei denn, der Mieter hat die ihm überlassene Mietsache vorbehaltlos als vertragsgemäß angenommen, § 363 BGB4. Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn in einem Übergabeprotokoll Mängel festgehalten sind, die der Annahme entgegenstehen, dass der Mieter die Leistung des Vermieters als eine im Wesentlichen ordnungsgemäße Erfüllung gelten lassen wollte5. Die Klage des Vermieters im Urkundenprozess ist aber statthaft, wenn entweder unstreitig ist, dass der Mieter die Mietsache als Erfüllung angenommen hat, oder wenn der Vermieter ein solches Verhalten des Mieters durch Urkunden, etwa ein Übergabeprotokoll oder Kontoauszüge, aus denen sich ergibt, dass der Mieter zunächst die ungeminderte Miete gezahlt hat, beweisen kann6. Gilt der anfängliche Mangel als bewiesen, ist der Vermieter auch darlegungs- und be- 948 weispflichtig dafür, dass der Mangel beseitigt worden ist7. Im Urkundenprozess ist dieser Beweis nur urkundlich führbar. Ist die Mietsache mit einem anfänglichen Mangel behaftet, ist die Miete kraft Gesetzes gemindert (§ 536 Abs. 1 BGB). Deren Höhe kann nicht mehr durch die Mietvertragsurkunde bewiesen werden. Das gilt auch bei Auftreten eines Mangels während der Mietzeit, der zwischen den Parteien unstreitig ist8. Diese Voraussetzungen liegen z.B. vor, wenn im Mietvertrag festgehalten ist, dass die 949 Mietsache bei Zustandekommen des Mietvertrags von Ungeziefer befallen war, also mangelhaft gewesen ist, und dass der Vermieter für die Beseitigung des Mangels einzustehen hat9. Damit ist der Vermieter nicht imstande, die Mangelfreiheit der Mietsache bei ihrer Überlassung an den Mieter nur urkundlich zu beweisen, wenn es über die Mängelbeseitigung ein Schriftstück (z.B. Übergabeprotokoll) gibt. Die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses ist dagegen nicht tangiert, wenn der be- 950 klagte Mieter wegen behaupteter Mängel der Mietsache Minderung geltend macht10 oder die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gemäß § 320 BGB darauf stützt, ein Mangel sei nachträglich eingetreten, sofern der Mieter die Wohnung unstreitig in ver-

1 Vgl. zu weiteren Verfahrensweisen Krapf, MietRB 2006, 15. 2 OLG Düsseldorf v. 1.4.2004 – I-24 U 227/03, NJW-RR 2005, 97 (99) = ZMR 2004, 673 = NZM 2004, 946; anderes bei erst nachträglich eingetretenem Mangel, vgl. BGH v. 1.6.2005 – VIII ZR 216/04, MDR 2005, 1399 = MietRB 2006, 4 = NJW 2005, 2701 (unter II 2b) und 2007, 1061 (unter II 2). 3 Vgl. Palandt/Grünberg, § 363 BGB Rz. 1. 4 Vgl. BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 200/08, MDR 2009, 1297 = WuM 2009, 591 = ZMR 2010, 19. 5 OLG Köln v. 30.3.2012 – 1 U 77/11, ZMR 2012, 701. 6 OLG Düsseldorf v. 22.11.2011 – 24 U 2/11, DWW 2012, 297 = InfoM 2012, 190. 7 Vgl. BGH v. 1.3.2000 – XII ZR 272/97, NJW 2000, 2344 (2345) (unter II 2a) m.w.N. 8 KG v. 5.4.2012 – 12 U 49/11, GE 2012, 1038. 9 OLG Düsseldorf v. 18.3.2008 – I-24 U 136/07, MDR 2008, 1235 = MietRB 2009, 71 = GE 2008, 1324. 10 BGH v. 1.6.2005 – VIII ZR 216/04, MDR 2005, 1399 = MietRB 2006, 4 = NJW 2005, 2701 (unter II 2b); BGH v. 10.3.1999 – XII ZR 321/97, MDR 1999, 822 = NJW 1999, 1408 (unter II).

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tragsgemäßem Zustand erhalten hat1. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter in den genannten Fällen die ihm vom Vermieter zum Gebrauch überlassene Wohnung als Erfüllung angenommen hat, ohne die später behaupteten Mängel zu rügen2. Zwar muss nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen der Vermieter beweisen, dass er seine vertragliche Pflicht, dem Mieter die Mietsache in vertragsgemäßem Zustand zu überlassen, erfüllt hat. Nach Überlassung der Mietsache trägt aber grundsätzlich der Mieter gemäß § 363 BGB die Beweislast dafür, dass die Mietsache zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft war, wenn er die ihm überlassene Sache als Erfüllung angenommen hat3. Die Vorschrift des § 363 BGB führt zu einer Beweislastumkehr. Ihr liegt zugrunde, dass demjenigen, der eine Leistung als Erfüllung annimmt, die Beweislast obliegt, wenn er die Leistung später nicht mehr als die geschuldete gelten lassen will4. Demzufolge ist die Klage des Vermieters im Urkundenprozess statthaft, wenn entweder unstreitig ist, dass der Mieter die Mietsache als Erfüllung angenommen hat, oder wenn der Vermieter ein solches Verhalten des Mieters durch Urkunden – etwa ein Übergabeprotokoll oder Kontoauszüge, aus denen sich ergibt, dass der Mieter zunächst die ungeminderte Miete gezahlt hat – beweisen kann. cc) Abstandnehmen vom Urkundenprozess 951 Grundsätzlich kann der Vermieter in jedem Stadium des Verfahrens Abstand vom Urkundenprozess nehmen. Dies gilt selbst dann, wenn er diese Erklärung erst im Berufungsverfahren abgibt5. Die in § 596 ZPO für das Berufungsverfahren nicht ausdrücklich vorgesehene Abstandnahme vom Urkundenprozess ist in entsprechender Anwendung der §§ 263 f. ZPO zulässig, wenn der beklagte Mieter einwilligt oder das Gericht die Klageänderung für sachdienlich hält, und zwar mit der Wirkung, dass der Rechtsstreit im zweiten Rechtszug nunmehr im ordentlichen Verfahren anhängig ist6. Damit gelangt mit dem zulässigen Rechtsmittel außer den vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen auch der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozessstoff des ersten Rechtszugs in die Berufungsinstanz. Das Berufungsgericht darf daher auch schriftsätzlich angekündigtes, entscheidungserhebliches Parteivorbringen berücksichtigen, das von dem erstinstanzlichen Gericht für unerheblich erachtet worden ist, auch wenn es im Urteilstatbestand keine Erwähnung gefunden hat7. Kommt es aus der allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts auf Grund einer Klageänderung für die Entscheidung auf Tatsachen an, die in dem Urteil des erstinstanzlichen Gerichts – aus dessen Sicht folgerichtig – trotz entsprechenden Parteivortrags nicht festgestellt sind, bestehen erhebliche Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, die das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO zu eigenen Feststellungen berechtigen und verpflichten8. Zwar kann das Revisionsgericht die Verneinung der Sachdienlichkeit nur darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht den Begriff der Sachdienlichkeit verkannt oder die Grenzen seines Ermessens überschritten hat. Dies erfordert aber eine Berücksichtigung, Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Interessen. Dabei ist entscheidend, ob und inwieweit die Zulassung der geänderten Klage den Streit im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt, so dass sich ein weiterer Prozess vermeiden lässt. Eine Klageänderung ist danach nicht sachdienlich, wenn ein völlig neuer Streitstoff zur Beurteilung und Entscheidung gestellt wird, ohne dass dafür 1 BGH v. 20.12.2006 – VIII ZR 112/06, MDR 2007, 671 = MietRB 2007, 193 = NJW 2007, 1061 (Rz. 9 ff.). 2 BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 200/08, MDR 2009, 1297 = GE 2009, 1183 = ZMR 2010, 19. 3 BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 120/04, MDR 2007, 257 = NJW 2007, 2394 (Rz. 23 f.) m.w.N.; BGH v. 13.2.1985 – VIII ZR 154/84, MDR 1986, 49 = NJW 1985, 2328 (unter II 2b). 4 Flatow, DWW 2008, 88 (91). 5 BGH v. 4.7.2012 – VIII ZR 109/11, MDR 2012, 986 = NZM 2012, 559. 6 BGH v. 13.4.2011 – XII ZR 110/09, BGHZ 189, 182 Rz. 24; BGH v. 25.2.1959 – V ZR 139/57, BGHZ 29, 337, 339 f. m.w.N.; BGH v. 31.5.1965 – VII ZR 114/63, NJW 1965, 1599; BGH v. 6.6.1977 – III ZR 116/75, BGHZ 69, 66, 69; BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 308/98, NJW 2000, 143 (unter II 2b cc). 7 BGH v. 4.7.2012 – VIII ZR 109/11, MDR 2012, 986 = NZM 2012, 559; Musielak/Ball, § 529 ZPO Rz. 3 m.w.N. 8 BGH v. 13.4.2011 – XII ZR 110/09, BGHZ 189, 182 Rz. 24.

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das Ergebnis der bisherigen Prozessführung verwertet werden kann. Der Sachdienlichkeit steht grundsätzlich nicht entgegen, dass aufgrund der Klageänderung neue Parteierklärungen und gegebenenfalls Beweiserhebungen notwendig werden und die Erledigung des Prozesses verzögert wird1. c) Vorauszahlungen im Prozess Nach Ablauf der Abrechnungsfrist (= Abrechnungsreife) des § 556 Abs. 3 BGB kann 952 der Vermieter in der Miete enthaltene Vorauszahlungen auf Betriebskosten nicht mehr geltend machen2. Denn sonst würde die Gefahr bestehen, dass ihm etwas zugesprochen wird, das er – wegen eines Guthabens aus der Betriebskostenabrechnung – nicht mehr verlangen könnte. Hatte der Vermieter die Miete einschließlich der monatlich geschuldeten Vorauszahlungen eingeklagt, muss er zumindest in Höhe der eingeklagten Vorauszahlungen den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären, sofern pflichtwidrig nicht in der Zwischenzeit abgerechnet wurde3. Ansonsten kann er mit dem Eintritt der Abrechnungsreife die Klageforderung hinsichtlich der Vorauszahlungen grundsätzlich auf den Abrechnungssaldo umstellen4. Dazu kann er die Klage gemäß § 264 Nr. 3 ZPO entsprechend umstellen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist der Schluss der mündlichen Verhandlung ggf. im Berufungsverfahren5, selbst wenn die Klageänderung schon erstinstanzlich hätte erfolgen können6. Für den Fall, dass Sollvorauszahlungen in der Abrechnung berücksichtigt wurden, 953 soll eine konkludente Erhöhung des Saldos, der sich aus der Abrechnung ergibt, um die zuvor im Rechtsstreit verlangten Sollzahlungen anzunehmen sein7. Diese Auffassung ist aber mit § 556 Abs. 3 BGB nicht vereinbar. Denn eine Abrechnung auf der Basis von Sollvorschüssen kann nach Ablauf der Abrechnungsfrist nur ausnahmsweise zugunsten des Vermieters korrigiert werden. Dies ist etwa der Fall, wenn für den Mieter die (fehlerhafte) Abrechnung nach Sollvorschüssen erkennbar war und der Vermieter kurz nach Ablauf der Frist des § 556 Abs. 3 BGB seinen Fehler korrigiert8. Allerdings kann der Vermieter weiterhin die Bruttomiete verlangen, wenn er auf die darin enthaltenen Vorauszahlungen die nach ihrer Abrechnung enthaltenen Nebenkosten anrechnet und den zugunsten des Mieters verbleibenden Saldo mit der Nettomiete verrechnet9. d) Klage auf zukünftige Leistung (Miete) Gemäß § 259 ZPO kann Klage auf zukünftige Leistung erhoben werden, wenn die Be- 954 sorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Die Besorgnis der nicht rechtzeitigen Leistung des Mieters besteht bereits deshalb, wenn feststeht, dass der Mieter dem Vermieter einen Betrag schuldet, der eine Bruttomonatsmiete in mehrfacher Höhe übersteigt10. Denn dann ist zu besorgen, dass er künftige Nutzungsentgeltforderungen des Vermieters – unabhängig davon, ob sie Miete oder Nutzungsentschädigung zum Gegenstand haben – nicht

1 BGH v. 4.7.2012 – VIII ZR 109/11, MDR 2012, 986 = NZM 2012; BGH v. 13.4.2011 – XII ZR 110/09, BGHZ 189, 182 Rz. 24. 2 BGH v. 27.11.2002 – VIII ZR 108/02, MDR 2003, 382 = NZM 2003, 196 (unter III 2). 3 Langenberg, NZM 2001, 783 (786). 4 OLG Düsseldorf v. 14.12.2000 – 10 U 134/98, ZMR 2001, 882 (884); OLG Hamburg v. 2.11.1988 – 4 U 150/88, MDR 1989, 162 = WuM 1989, 150 = NJW-RR 1989, 82; Blank/Börstinghaus, § 556 BGB Rz. 201. 5 BGH v. 16.6.2010 – VIII ZR 258/09, MDR 2010, 977 = MietRB 2010, 257 (258) = ZMR 2010, 847 = NZM 2010, 736. 6 A.A. OLG Düsseldorf v. 9.10.2003 – I-10 U 174/02, NZM 2003, 899. 7 Langenberg, NZM 2001, 783 (786). 8 BGH v. 30.3.2011 – VIII ZR 133/10, MietRB 2011, 243 = GE 2011, 814 = WuM 2011, 370 = NZM 2011, 478. 9 BGH v. 22.1.2003 – VIII ZR 244/02, WuM 2003, 204. 10 BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 146/10, MDR 2011, 841 = MietRB 2011, 201 = WuM 2011, 434 = ZMR 2011, 709.

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rechtzeitig erfüllen werden. Vgl. im Übrigen auch zur Sicherungsanordnung Anhang § 546a BGB Rz. 5 ff. X. Schutzbereich des Mietvertrags 955 Grundsätzlich treffen die Parteien, insbesondere den Vermieter, nur gegenüber ihrem Vertragspartner Schutzpflichten. Denn der Mietvertrag wirkt zunächst nur inter pares. Dennoch können in den Schutzbereich des Mietvertrags auch Dritte einbezogen sein. 1. Schutzwirkung für Dritte 956 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch dritte, an einem Vertrag nicht unmittelbar beteiligte Personen in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen werden können. Ihnen gegenüber ist der Schuldner zwar nicht zur Leistung, wohl aber unter Umständen zum Schadensersatz verpflichtet. Zu den Verträgen mit Schutzwirkung für Dritte gehört insbesondere auch der Mietvertrag1. Die Einbeziehung Dritter in die Schutzwirkung eines Vertrages beruht darauf, dass die dritte Person wie der Mieter selbst mit der Leistung des Vermieters in Berührung kommt, also eine gewisse Leistungsnähe vorliegt. 957 Weiter ist erforderlich, dass der Mieter der dritten Person etwa aufgrund eines Arbeitsverhältnisses Schutz und Fürsorge zu gewährleisten hat, was ein Einbeziehungsinteresse des Dritten begründet, und dies für den Vermieter erkennbar ist. Dann entspricht es Sinn und Zweck des Vertrages sowie Treu und Glauben, dass dem Dritten der Schutz des Vertrages in gleicher Weise zugutekommt wie dem Gläubiger selbst2. 958 Der Kreis der in den Schutzbereich eines Mietvertrags einzubeziehenden Personen darf allerdings nicht uferlos ausgedehnt werden. So reicht nicht aus, dass eine Ablehnung von Ansprüchen des Dritten unbillig wäre3. Für die Einbeziehung in den Schutzbereich des Mietvertrags ist weniger das Bestehen einer Obhuts- und Fürsorgepflicht des Vermieters für den Dritten als vielmehr der Inhalt des Mietvertrags entscheidend4, insbesondere, ob danach bestimmungsgemäß auch ein Dritter mit der Mietsache in Berührung kommt und auf diese Weise Sach- und Personenschaden erleidet oder – im umgekehrten Falle – selbst in die Gefahr gerät, die Mietsache zu beschädigen oder ihren Zustand sonst zu verschlechtern und dieserhalb auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden5. Diese Voraussetzungen treffen in jedem Fall für die Ehegatten und Familienangehörigen zu, die ständig mit dem Mieter in der Wohnung leben. 959 Lässt der Mietvertrag die Benutzung der Mietsache durch einen Dritten nicht zu, scheidet eine Drittschutzwirkung aus6. Soziale Abhängigkeit des Dritten vom Mieter ist nicht erforderlich7. Die Schutzwirkung gilt für Personen und Sachen8. 2. Rechtsfolge 960 Schädigt der Vermieter den in den Schutzbereich des Mietvertrags einbezogenen Dritten unter Verletzung mietvertraglicher Pflichten, kann der Dritte vom Vermieter Schadensersatz nach mietvertraglichen Regeln verlangen. Ist die Schadensursache ein Anfangsmangel, trifft den Vermieter auch dem Dritten gegenüber die verschul-

1 BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, BGHZ 49, 350, 353 = WPM 1968, 438 (439) m.w.N. 2 BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, BGHZ 49, 350, 353 f. = NJW 1968, 885 (887); Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 77. 3 BGH v. 11.12.1984 – VI ZR 218/83, NJW 1985, 409. 4 BGH v. 19.9.1973 – VIII ZR 175/72, NJW 1973, 2059. 5 BGH v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, GE 2010, 1193; BGH v. 7.11.1984 – VIII ZR 182/83, MDR 1985, 400 = NJW 1985, 489 mit Rspr.-Nachw. 6 BGH v. 7.7.1976 – VIII ZR 44/75, NJW 1976, 1843. 7 BGH v. 7.7.1976 – VIII ZR 44/75, NJW 1976, 1843. 8 BGH v. 20.12.1978 – VIII ZR 69/78, WPM 1979, 307; BGH v. 17.12.1969 – VIII ZR 52/68, ZMR 1970, 81; BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, NJW 1968, 885.

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densunabhängige Haftung nach § 536a Abs. 1, Alt. 1 BGB1. Auf dieser Grundlage ist ein Arbeitnehmer, dem ein Fenster an seinem Arbeitsplatz auf den Kopf fällt, in den Schutzbereich des Vertrages seines Arbeitgebers mit dem Vermieter einbezogen2. Als Arbeitnehmer hat er zu den angemieteten Büroräumen eine ebenso starke Leistungsnähe wie der Mieter selbst. Der Mieter ist ihm aufgrund des Dienstverhältnisses zu Schutz und Fürsorge verpflichtet, was ein Interesse an der Einbeziehung des Arbeitnehmers in die Schutzwirkungen des Vertrages begründet. Für seine Erfüllungsgehilfen haftet der Vermieter auch dem Dritten gegenüber ge- 961 mäß § 278 BGB. Die Haftung aus der Schutzwirkung kann neben der aus unerlaubter Handlung des Vermieters und des Mieters stehen3. Da der Dritte nicht bessergestellt sein kann als der Mieter, muss er sich – allerdings nur im Rahmen der mietvertraglichen Ansprüche – Haftungsausschlüsse des Vermieters gegenüber dem Mieter4 und ein eventuelles Mitverschulden des Mieters i.S.d. § 254 BGB entgegenhalten lassen5. Der in den Schutzbereich des Mietvertrags einbezogene Dritte haftet dem Vermieter 962 für Beschädigungen der Mietsache nur nach §§ 823 BGB ff., kann sich aber auf die kurze Verjährung des § 548 BGB berufen6, unabhängig davon, ob der Dritte vom Mieter Freistellung von den Ansprüchen des Vermieters verlangen kann7. 3. Fallbeispiele In den Schutzbereich des Mietvertrags sind z.B. folgende Personen einbezogen: 963 – der im Haushalt des Mieters lebende – Ehegatte oder Lebenspartner nach dem LPartG, – Familienangehörige des Wohnraummieters, – Lebensgefährte des Wohnraummieters8, – Hausangestellte des Wohnraummieters, – die Arbeitnehmer des Gewerberaummieters9, – der selbständige Werkunternehmer, dem der Mieter in Übereinstimmung mit dem Vermieter die Mietsache überlassen hat10, – die Mitglieder des als Mieter fungierenden Vereins11, – die persönlich haftenden Gesellschafter einer anmietenden OHG oder KG12, – die Organe einer als Mieter fungierenden juristischen Person13, – der Einlagerer als Eigentümer der vom Lagerhalter in zur gewerblichen Einlagerung angemieteten Räumen eingelagerten Sachen14, – der berechtigte Fahrer eines Mietwagens15.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, NJW 1968, 885. BGH v. 21.7.2010 – XIII ZR 189/08, GE 2010, 1193. BGH v. 23.6.1965 – VIII ZR 201/63, NJW 1965, 1757. BGH v. 15.6.1971 – VI ZR 262/69, NJW 1971, 1931. BGH v. 7.11.1960 – VII ZR 148/59, BGHZ 33, 247; BGH v. 23.6.1965 – VIII ZR 201/63, NJW 1965, 1757. BGH v. 21.6.1988 – VI ZR 150/87, MDR 1989, 55 = ZMR 1988, 419; BGH v. 7.7.1976 – VIII ZR 44/75, NJW 1976, 1843. BGH v. 19.9.1973 – VIII ZR 175/72, NJW 1973, 2059. OLG Hamburg v. 17.8.1988 – 4 U 151/87, WuM 1989, 68. BGH v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, GE 2010, 1193; BGH v. 19.9.1973 – VIII ZR 175/72, NJW 1973, 2059. BGH v. 7.7.1976 – VIII ZR 44/75, NJW 1976, 1843. BGH v. 23.6.1965 – VIII ZR 201/63, NJW 1965, 1757. BGH v. 10.1.1968 – VIII ZR 104/65, MDR 1968, 402. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 733. BGH v. 17.12.1969 – VIII ZR 52/68, NJW 1970, 419. BGH v. 17.1.1968 – VIII ZR 207/65, NJW 1968, 694.

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964 In den Schutzbereich nicht einbezogen sind z.B. der bloße Untermieter1, andere Mieter im selben Gebäude2, Gäste, Kunden, Lieferanten und andere Personen, die sich nur gelegentlich in den Mieträumen aufhalten3. Ihnen gegenüber kommt nur eine Haftung aus unerlaubter Handlung bei Verletzung allgemeiner Pflichten wie der Verkehrssicherungspflicht in Betracht4. Anderenfalls würde der Kreis der in den Schutzbereich einbezogenen Personen völlig ausufern. XI. Haftung für Verschulden Dritter 1. Vermieterseite 965 Im Rahmen der Erfüllung seiner mietvertraglichen Verpflichtungen haftet der Vermieter gemäß § 278 BGB für Verschulden von Erfüllungsgehilfen. Erfüllungsgehilfen des Vermieters sind sämtliche Personen, deren er sich bedient, um seinen mietvertraglichen Pflichten nachzukommen. Für deren schuldhaftes Verhalten haftet der Vermieter, soweit sie in Erfüllung der mietvertraglichen Vermieterpflichten handeln. Erfüllungsgehilfen des Vermieters können insbesondere sein die vom Vermieter im Zuge von Herstellungs-, Reparatur- sowie Wartungsarbeiten in oder am Mietobjekt eingeschalteten Architekten, Bauhandwerker, Lieferanten und deren Angestellte5, im vermieteten Betriebsgebäude tätige Arbeitnehmer des Vermieters6, der Hausverwalter7 und der Hausmeister. 966 Nicht zu den Erfüllungsgehilfen des Vermieters zählen grundsätzlich die anderen Mieter8, außer ihnen sind vom Vermieter aus dessen Pflichtenkreis stammende Arbeiten übertragen worden, wie z.B. die Streupflicht9. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ist auf das Verhältnis mehrerer Mieter eines Grundstücks nicht analog anwendbar10. 967 Handeln Dritte zwar für den Vermieter etwa aus Anlass von Erfüllungshandlungen, nicht jedoch in Erfüllung von mietvertraglichen Vermieterpflichten, haftet der Vermieter für deren Verhalten nur unter den für die Haftung für Verrichtungsgehilfen in § 831 BGB aufgestellten Voraussetzungen. 2. Mieterseite 968 Entsprechendes gilt für die Haftung des Mieters. Zu seinen Erfüllungsgehilfen i.S.d. § 278 BGB zählen diejenigen Personen, denen er willentlich die Möglichkeit, in Bezug auf die Erfüllung seiner Mieterverpflichtungen auf die Mietsache einzuwirken, einräumt. Wird der Vermieter durch schuldhafte Handlungen dieser Personen, die in einem adäquaten Zusammenhang mit der Erfüllung von Mieterpflichten stehen, geschädigt, haftet der Mieter gemäß § 278 BGB11. 969 Als Erfüllungsgehilfen des Mieters kommen in Betracht die vom Mieter beauftragten Handwerker und Möbeltransporteure, der Untermieter (vgl. § 540 Abs. 2 BGB), bei der Wohnraummiete die im Haushalt lebenden Angehörigen des Mieters, seine Hausangestellten, bei der gewerblichen Miete seine Arbeitnehmer, Lieferanten und Kunden.

1 BGH v. 20.12.1978 – VIII ZR 69/78, ZMR 1979, 310; BGH v. 15.2.1978 – VIII ZR 47/77, NJW 1978, 883; kritisch MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 150. 2 BGH v. 9.10.1968 – VIII ZR 173/66, NJW 1969, 41. 3 OLG Köln v. 25.4.1958 – 9 U 186/55, ZMR 1959, 134. 4 Ebenso Wolf/Eckert/Ball, Rz. 736: ähnlich OLG Köln v. 8.11.2000 – 11 U 41/00, ZMR 2001, 273, str. 5 BGH v. 26.9.1961 – VI ZR 258/60, BB 1961, 1302; OLG Karlsruhe v. 18.9.1987 – 14 U 30/86, ZMR 1988, 52. 6 BGH v. 20.5.1984 – VIII ZR 242/62, MDR 1964, 750 = LM § 278 BGB Nr. 39. 7 BGH v. 16.10.1963 – VIII ZR 28/62, NJW 1964, 33. 8 Ausnahmefall BGH v. 16.10.1963 – VIII ZR 28/62, NJW 1964, 33. 9 BGH v. 12.5.1969 – VIII ZR 164/67, ZMR 1969, 271. 10 BGH v. 12.12.2003 – V ZR 180/03, ZMR 2004, 335. 11 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MDR 2007, 454 = MietRB 2007, 59 (60 f.) = WuM 2007, 24.

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Nicht zu den Erfüllungsgehilfen des Mieters zählen grundsätzlich andere Mieter des Hauses1, auch nicht der Hauswart2, selbst wenn er auf eine Schadensmeldung des Mieters hin tätig wird.

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C. Gewerberaummiete I. Wirksamkeit des Mietvertrages 1. Allgemeine Tatbestände Grundsätzlich besteht in der Gewerberaummiete Vertragsfreiheit. Wie sich aber be- 971 reits aus Art. 2 GG ergibt, ist die Vertragsfreiheit durch die bestehenden Gesetze begrenzt. Verstößt der Abschluss des Mietvertrages aber z.B. gegen ein gesetzliches Verbot, das die Vornahme des Rechtsgeschäfts insgesamt sanktionieren soll, tritt nach § 134 BGB Nichtigkeit ein. Dies gilt auch für sog. Umgehungsgeschäfte3. a) Steuerhinterziehung, § 134 BGB In der Gewerberaummiete kann sich die Steuerhinterziehung nicht nur aus einer Ver- 972 kürzung der Einkommensteuer (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) ergeben, sondern auch aus einer Umgehung von umsatzsteuerlichen Bestimmungen. Insoweit gelten die Anforderungen an die unter § 535 BGB Rz. 1136 f. dargestellten Grundsätze entsprechend. b) Ausnutzen einer beherrschenden Marktstellung, § 19 GWB Nach § 19 Abs. 1 GWB ist die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschen- 973 den Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen verboten. Verstößt der Miet- oder Optionsvertrag gegen dieses Verbot, tritt Gesamtnichtigkeit nach § 134 BGB ein. Ein Vermieter hat zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine marktbeherrschende 974 Stellung inne, wenn er auf dem Grundstück, auf dem er einer gewerblichen Tätigkeit nachgeht, über eine oder einige wenige Gewerbeeinheiten verfügt, die er an Gewerbetreibende vermietet, deren Gewerbe ausschließlich von dem des Vermieters abhängig ist und am Ort im Übrigen zu dem Gewerbe des Vermieters kein nennenswerter Wettbewerb stattfindet. Mit Rücksicht darauf nimmt ein Landkreis auf dem Markt der Vermietung und Verpachtung von Gewerbeflächen an Schilderprägebetriebe eine marktbeherrschende Stellung ein, wenn er von fünf möglichen Standorten drei anbieten kann und diese drei Standorte deutliche Vorteile gegenüber den anderen beiden Standorten aufweisen, weil sie unmittelbar neben der Zulassungsstelle für Kraftfahrzeuge angesiedelt sind4. Aber auch nicht öffentlich-rechtliche Personen können als Vermieter eine solche Stellung bekleiden, wenn sie über die einzigen entsprechend nutzbaren Grundstücke im unmittelbaren Bereich der Kfz-Zulassungsstelle verfügen5. Ein Missbrauch seiner überragenden Marktstellung begeht der Vermieter regel- 975 mäßig, wenn er die in Rede stehenden Flächen nicht im Rahmen eines diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens vergibt. Das ist der Fall, wenn der Vermieter in der gegebenen Situation ohne Auswahlverfahren einen Mietvertrag schließt. Aber auch die Einräumung eines Erstzugriffsrechts auf etwaige künftige Gewerbeflächen zum Betrieb eines Schilderprägebetriebs gegen Entgelt kann den Tatbestand erfüllen6. Denn kartellrechtlich ist der Vermieter gerade verpflichtet, ein diskriminierungsfreies Auswahlverfahren durchzuführen.

1 2 3 4 5 6

BGH v. 12.5.1969 – VIII ZR 164/67, VersR 1969, 754. KG v. 26.4.1976 – 8 U 1871/74, ZMR 1976, 204. Vgl. Palandt/Ellenberger, § 134 BGB Rz. 28. BGH v. 3.7.2001 – KZR 11/00, BGHR 2001, 972. OLG Düsseldorf v. 2.8.2007 – VI-U (Kart) 10/07, zitiert nach juris. OLG Düsseldorf v. 2.8.2007 – VI-U (Kart) 10/07, zitiert nach juris.

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c) § 138 BGB 976 Für diesen Nichtigkeitsgrund wird der Maßstab durch das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen bestimmt. Im Hinblick auf die Vielzahl der davon erfassten Fälle hat sich eine Typik herausgearbeitet. aa) Koppelungsgeschäfte 977 Sog. Koppelungsgeschäfte kommen in Betracht, wenn durch die Koppelung des Mietvertrages mit einem anderen Geschäft eine missbilligte Leistung entsteht. In diesem Fall kann der gesamte Mietvertrag unwirksam sein. 978 Deshalb ist der Mietvertrag mit einer Prostituierten unwirksam, wenn aus der Höhe des Entgelts darauf geschlossen werden kann, dass über die Miete eine Beteiligung am Dirnenlohn stattfindet, die auf wirtschaftliche Ausbeutung der Prostitution oder Förderung der Prostitution hinausläuft1. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob Prostitution heute noch als sittenwidrig angesehen wird2. Denn die Koppelung verstößt gegen die sexuelle Selbstbestimmung. 979 Dagegen ist die Bindung des Servicevertrages an den Fortbestand des Mietvertrages im Rahmen eines Betreuten Wohnens („Service-Wohnen“) grundsätzlich nicht sittenwidrig3. bb) Wucher 980 Ein für den Wuchertatbestand notwendiger Mangel an Urteilsvermögen kann nicht angenommen werden, wenn der Betroffene nach seinen Fähigkeiten in der Lage ist, Inhalt und Folgen eines Rechtsgeschäftes sachgerecht einzuschätzen, diese Fähigkeiten aber nicht oder nur unzureichend einsetzt und deshalb ein unwirtschaftliches Rechtsgeschäft abschließt4. Anders als bei der Wohnraummiete ist ein auffälliges Missverhältnis i.S.d. § 138 Abs. 2 BGB bei der Gewerberaummiete erst dann anzunehmen, wenn die vereinbarte Miete die doppelte Höhe des Marktwertes erreicht5. Dazu ist die Vergleichsmiete einzig anhand derjenigen Miete zu ermitteln, die für vergleichbare Objekte erzielt wird6. Fehlen geeignete Vergleichsobjekte, ist der Wert zu schätzen. Statistische Ertragswerte, wie sie etwa bei der sog. EOP-Methode herangezogen werden, bleiben hingegen unberücksichtigt7. 981 Neben dem auffälligen Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung müssen aber weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, z.B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten8. Während etwa im Bereich der Teilzahlungs- und Ratenkreditverträge mit privaten Kunden bei drastischer Überschreitung der marktüblichen Zinsen dem Darlehensgeber die Kenntnis dieses Missverhältnisses und deshalb zugleich eine verwerfliche Gesinnung unterstellt werden kann9, muss bei gewerblichen Miet- und Pachtverhältnissen zumindest die Erkennbarkeit des Missverhältnisses für den Vermieter festgestellt werden10. Ein Vermieter muss sich nämlich bei Vertragsschluss nicht unbedingt dessen bewusst sein, dass er mit der ge-

1 2 3 4 5 6 7

OLG Koblenz v. 15.5.1997 – 5 U 289/96, NZM 1998, 479. Vgl. dazu Palandt/Ellenberger, § 138 BGB Rz. 52 (sittenwidrig trotz ProstG). BGH v. 23.2.2006 – III ZR 167/05, MDR 2006, 1097 = MietRB 2006, 257 = GuT 2006, 119. BGH v. 23.6.2006 – V ZR 147/05, MDR 2007, 23 = GE 2006, 1227. BGH v. 28.4.1999 – XII ZR 150/97, MDR 1999, 1432 = NJW 1999, 3187 = NZM 1999, 664. BGH v. 13.6.2001 – XII ZR 49/99, MDR 2001, 1105 = NJW 2002, 55. BGH v. 30.6.2004 – XII ZR 11/01, MDR 2004, 1408 = NZM 2004, 741 = DWW 2004, 264 = MietRB 2005, 4; a.A. OLG München v. 4.9.2000 – 17 U 5278/98, NZM 2000, 1059; Walterspiel, NZM 2000, 70. 8 BGH v. 30.5.2000 – IX ZR 121/99, MDR 2000, 1400 = NJW 2000, 2669; BGH v. 8.11.1991 – V ZR 260/90, MDR 1992, 343 = NJW 1992, 899; BGH v. 13.3.1990 – XI ZR 252/98, BGH v. 13.3.1990 – XI ZR 252/89, BGHZ 110, 336 = MDR 1990, 714 = NJW 1990, 1595. 9 BGH v. 10.7.1986 – III ZR 133/85, MDR 1986, 915 = NJW 1986, 2564; BGH v. 28.4.1999 – XII ZR 150/97, BGHZ 146, 248 = MDR 1999, 1432 = NJW 1999, 3187. 10 BGH v. 13.6.2001 – XII ZR 49/99, MDR 2001, 1105 = NJW 2002, 55 = NZM 2001, 810 = ZMR 2001, 788.

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forderten Miete weit über dem Marktniveau liegt. Oft ist es nicht einfach, die ortsübliche Miete überhaupt festzustellen, da diese innerhalb derselben Stadt schon von Straße zu Straße deutlich schwanken kann. Deshalb muss trotz eines auffälliges Missverhältnisses i.S.v. § 138 BGB im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung ermittelt werden, ob sich der Vermieter bei Vertragsschluss z.B. leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass die beanspruchte Miete in einem auffälligen Missverhältnis zum Wert der Gegenleistung steht1. cc) Sonstige Verträge Bei Bürgschafts- oder Mithaftungsverträgen kann eine Sittenwidrigkeit vorliegen, wenn im Zeitpunkt der Begründung der Sicherheit die Einkommens- und Vermögenssituation des Mithaftenden in einem auffälligen Missverhältnis zur übernommenen Verpflichtung steht. Dabei ist aber einerseits zu berücksichtigen, ob dem Mithaftenden aus dem Mietvertrag ein angemessener Ausgleich unmittelbar und in ausreichendem Maße zugeflossen ist, und andererseits, ob der Vermieter mit verwerflicher Gesinnung gehandelt hat2.

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d) § 125 BGB (Vorkaufsrecht) Die Einräumung eines Vorkaufsrechts an einem Grundstück bedarf zu seiner Wirk- 983 samkeit der notariellen Beurkundung, § 311b BGB3. Ein ohne Beachtung dieser Form begründetes Vorkaufsrecht, z.B. innerhalb eines Mietvertrages, ist nichtig. Ob die Nichtigkeit des Vorkaufsrechts den gesamten Mietvertrag erfasst oder evtl nur einzelne Rechte, wie z.B. ein eingeräumtes Vormietrecht, richtet sich nach § 139 BGB. Danach kommt es darauf an, ob der Mietvertrag auch ohne den nichtigen Teil zustande gekommen wäre. Dies liegt im Regelfall nahe4. Dem Mieter wird ein Mietvertrag ohne Vorkaufsrecht, 984 der ihm immerhin ein Recht am Besitz verschafft, immer noch lieber sein als überhaupt kein Mietvertrag. Die dem Vermieter vorbehaltene Möglichkeit, die Miete (maßvoll) zu erhöhen, dürfte daran nichts Entscheidendes ändern. e) § 144 Abs. 2 Nr. 3 BauGB Nach dieser Vorschrift bedürfen Mietverträge über Räume in einem förmlich fest- 985 gelegten Sanierungsgebiet der (schriftlichen) Genehmigung der Behörde, wenn sie über längere Zeit als ein Jahr laufen sollen. Ist die Genehmigung der Gemeinde weder erteilt noch beantragt worden, ist der Vertrag schwebend unwirksam, so dass der Vermieter keine Mietzahlungsansprüche daraus herleiten kann5. f) § 4 WiStG Die Vorschrift regelt eine Mietpreisüberhöhung bei Geschäftsräumen. Voraussetzung 986 ist das Fordern, Versprechen, Vereinbaren, Annehmen oder Gewähren von Entgelten in befugter oder unbefugter Betätigung in einem Beruf oder Gewerbe für Gegenstände oder Leistungen des lebenswichtigen Bedarfs, die infolge einer Beschränkung des Wettbewerbs oder infolge der Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung oder einer Mangellage unangemessen hoch sind. Dazu sollen Geschäftsräume gehören, weil sie in der Regel für die persönliche und wirtschaftliche Existenz des Mieters erforderlich sein und daher zu den Gegenständen des lebenswichtigen Bedarfs gehören sollen6, was bereits zweifelhaft ist7. Bei der Beurteilung der Machtposition des Ver1 BGH v. 14.7.2004 – XII ZR 352/00, MDR 2005, 27 = MietRB 2005, 5. 2 BGH v. 29.9.2004 – XII ZR 22/02, GuT 2005, 6. 3 BGH v. 7.11.1990 – XII ZR 11/89, NJW-RR 1991, 205 (206); BGH v. 9.1.2003 – IX ZR 422/99, MDR 2003, 537 = NJW 2003, 1940 (1941 f.). 4 BGH v. 10.7.2008 – IX ZR 128/07, MDR 2008, 1148 = MietRB 2008, 326 = NZM 2008, 644 = ZMR 2008, 883. 5 BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 18/91, NJW-RR 1993, 13. 6 Lindner-Figura in Lindner-Figura u.a., Kap. 5 Rz. 53; ähnlich für Maklertätigkeit: OLG Stuttgart v. 6.7.1953 – Ws 7/53, NJW 1953, 1566. 7 OLG Düsseldorf v. 28.7.2011 – 24 U 35/11, GE 2011, 1617.

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mieters ist nicht allein z.B. auf die Verhältnisse in einem Einkaufszentrum abzustellen, sondern auch in dem umliegenden Innenstadtbereich1. Indessen scheitert der Tatbestand regelmäßig daran, dass keine Wettbewerbsbeschränkung besteht und die Mangellage wie bei § 5 WiStG subjektiv zu beurteilen ist (vgl. dazu Anhang § 535 BGB Rz. 12) und zumindest auf den Teilmarkt des konkreten Gewerbes bezogen sein muss2. 2. Branchenspezifische Bestimmungen a) § 2 GastG 987 Überlässt der Konzessionsinhaber die Gaststätte entgeltlich an einen Dritten, der diese selbständig betreibt, ohne selbst eine Konzession zu besitzen, liegt ein Verstoß gegen §§ 2 Abs. 1, 9 GastG vor (sog. Kastellanverträge). Dieser Verstoß führt über § 134 BGB zur Unwirksamkeit des gesamten Mietvertrages3. b) §§ 8 S. 2, 12 ApothG 988 Das Verbot der Umsatzmiete nach § 8 S. 2 ApothG ist bei der Vermietung von Apothekenbetriebsräumen zu beachten. Mit der gesetzlichen Regelung sollen sog. partiarische Rechtsverhältnisse, in denen sich der Gläubiger die beruflichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten des Betriebsinhabers zunutze macht und an den Früchten der Apotheke partizipiert, vermieden werden. Für die Annahme eines partiarischen Rechtsverhältnisses muss sich aus dem Gesamtgefüge der Vereinbarungen ergeben, dass die Parteien die Miete am Umsatz oder Gewinn ausgerichtet haben und der Vermieter dadurch an den Erträgnissen der Apotheke teilhaben soll. 989 Dies kann auch der Fall sein, wenn ein Mietsockel unabhängig vereinbart, ein wesentlicher Aufstockungsbetrag der Gesamtmiete indessen am Umsatz oder Gewinn der Apotheke „ausgerichtet“ ist. Die Gesetzesformulierung weist auf die Zielsetzung hin, Geschäfte zur Umgehung des Verbotes einer Umsatzmiete zu verhindern. Für den Tatbestand des § 8 S. 2 ApothG genügt es, dass die Parteien in ihren Vorstellungen von einem Zusammenhang zwischen der Miethöhe und dem Umsatz oder Gewinn ausgehen und dass diese Verknüpfung in den Vereinbarungen ihren Niederschlag findet4. 990 Die Voraussetzungen können schon erfüllt sein, wenn der Apotheker als Mieter gegenüber dem Vermieter seine Bereitschaft erklärt, einen „Investitionskostenzuschuss“ für den Ausbau von Arztpraxen im Gebäude zu zahlen, und dabei die Erwartung zum Ausdruck bringt, mit dem Betrieb dieser Praxen Umsatzzuwächse der Apotheke zu verbinden5. Bereits eine solche Vereinbarung der Mietvertragsparteien verletzt das gesetzliche Verbot von § 8 S. 2 ApothG. c) §§ 9, 12 ApothG 991 § 9 ApothG regelt Ausnahmefälle, in denen eine Apotheke (als Betrieb) verpachtet werden darf. Im Vordergrund steht dabei insbesondere die Existenzsicherung der Familie eines verstorbenen Apothekers. Auf die bloße Vermietung von Räumen zum Betrieb einer Apotheke ist § 9 ApothG nicht anwendbar. 3. Inhaltskontrolle von AGB-Klauseln 992 Schon die Rechtsprechung des XII. Senats zu den Schönheitsreparaturen6 macht deutlich, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen Wohn- und Gewerberaummiete bei der Inhaltskontrolle von Formularmietvertagen nicht besteht. Dies ist auch rich1 2 3 4 5 6

OLG Schleswig v. 10.6.2008 – 4 U 18/08, InfoM 2008, 375. OLG Düsseldorf v. 28.7.2011 – 24 U 35/11, GE 2011, 1617. OLG Düsseldorf v. 11.12.1986 – 10 U 130/86, NJW-RR 1987, 687. BGH v. 22.10.1997 – XII ZR 142/95, MDR 1998, 94 (95). BGH v. 27.11.2003 – IX ZR 76/00, MDR 2004, 439 = MietRB 2004, 138 = NZM 2004, 190. Vgl. z.B. zum Summierungseffekt: BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 308/02, MDR 2005, 1041 = GuT 2005, 160 = NZM 2005, 504 = MietRB 2005, 203.

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tig: Denn das gesetzliche Leitbild des § 535 BGB wird weder bei der Gewerberaumnoch bei der Wohnraummiete anders definiert. Es bleiben die gleichen Hauptpflichten, die das Leitbild prägen. Zwar bestimmt § 310 Abs. 1 BGB, dass die §§ 308, 309 BGB unmittelbar nicht gegen- 993 über einem Vertragspartner des Verwenders gelten, der Unternehmer (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 66) ist. Indessen macht schon die Vorschrift selber deutlich, dass auch bei einem Unternehmer die Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB als Indizien für eine unangemessene Benachteiligung herangezogen werden können1 und z.B. ein Handelsbrauch2 den Unterschied in der Bewertung ausmachen kann3. Auch der Prüfungsmaßstab ist grundsätzlich generell abstrakt4. Indessen soll zu be- 994 rücksichtigen sein, dass ein Unternehmer aufgrund seiner größeren Geschäftserfahrungen und Kenntnisse typischerweise weniger schutzbedürftig ist als ein Verbraucher5. Dies soll dazu führen, dass Klauseln, deren Verwendung gegenüber einem Verbraucher beanstandet werden können, gegenüber einem Unternehmer wirksam sind6. Diese Ausnahme setzt aber eine besondere Interessenlage des Geschäftsverkehrs voraus. Demgemäß ist der Gestaltungsspielraum nicht wesentlich erweitert. Allenfalls die Mieter-Begünstigungsklauseln in § 536 Abs. 4 BGB und am Ende der meisten Vorschriften der §§ 549 ff. BGB zeigen auf, dass in der Gewerberaummiete der gesetzliche Inhalt eines Mietvertrages weniger geschützt ist. Die Maßstäbe der unangemessenen Benachteiligung bleiben davon aber unberührt. Denn es macht auch wenig Sinn, z.B. an den Freiberufler oder Existenzgründer bei Abschluss seines Mietvertrages für seine Geschäftsräume einen anderen Maßstab anzulegen, als wenn dieselbe Person im nächsten Moment private Räume mietet. Unabhängig davon gilt das Transparenzgebot auch in der Gewerberaummiete mit 995 der Folge, dass eine wirtschaftlich bedeutsame Formularregelung dem Mieter aufzeigen muss, welche Belastung auf ihn zukommen kann7. Mit dieser Begründung hat der XII. Senat für die Umlage von Instandsetzungskosten im Rahmen der Betriebskosten eine Kostenbegrenzung als Korrektiv gefordert. Dadurch werden die Maßstäbe für Kleinreparaturen (vgl. § 535 BGB Rz. 528) auf die Gewerberaummiete übertragen. Demnach gilt also im Rahmen des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kein höherer Verständnishorizont8. Letzteres ist auch im Hinblick auf einen Handwerker, der für seine Betriebsstätte Räume anmietet, nicht nachvollziehbar. Denn das könnte dazu führen, dass eine Klausel in seinem privaten Mietvertrag anders zu beurteilen ist als in dem über die Gewerberäume. Gegenüber dem Transparenzgebot ist es unbedeutend, welche wirtschaftliche Bedeutung dem Mieter beizumessen ist. Selbst wenn es sich bei ihm um ein marktbeherrschendes Unternehmen handelt, gilt der Grundsatz von Klarheit und Verständlichkeit uneingeschränkt9. 4. Änderungen des Mietvertrages Für Änderungen des Mietvertrages gelten grundsätzlich keine anderen inhaltlichen Anforderungen als in der Wohnraummiete (vgl. § 535 BGB Rz. 268).

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Enthält der Mietvertrag eine sog. einfache Schriftformklausel, können die Vertrags- 997 parteien das für eine Vertragsänderung vereinbarte Schriftformerfordernis jederzeit schlüssig und formlos aufheben. Eine stillschweigende Aufhebung ist bereits dann anzunehmen, wenn die Parteien die Maßgeblichkeit einer mündlichen Vereinbarung übereinstimmend gewollt haben, und zwar unabhängig davon, ob sie an den Form1 2 3 4 5 6 7

St. Rspr. z.B. BGH v. 25.10.1995 – VIII ZR 258/94, MDR 1996, 351 = NJW 1996, 389 (390). Vgl. dazu Erman/Roloff, § 310 BGB Rz. 8. BGH v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, MDR 1991, 44 = NJW-RR 1990, 1076 (1077). Erman/Roloff, § 307 BGB Rz. 35 m.w.N. Erman/Roloff, § 307 BGB Rz. 35. BGH v. 3.3.1988 – X ZR 54/86, MDR 1988, 579 = NJW 1988, 1785 (1788). BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MDR 2006, 17 = MietRB 2005, 285 = GuT 2005, 213 = DWW 2005, 372 = ZMR 2005, 844. 8 A.A. Erman/Roloff, § 307 BGB Rz. 35. 9 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 112/10, MDR 2012, 1456 = WuM 2012, 662 = GE 2012, 1696.

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zwang überhaupt gedacht haben1. Vereinbaren die Mietparteien z.B. mündlich einen Verzicht auf die Rückbauverpflichtung bzgl. einer Treppe, wird hierdurch das Schriftformerfordernis abbedungen, sofern keine Anhaltspunkte dafür sprechen, dass diese Verzichtsvereinbarung nicht maßgeblich sein sollte. 998 Auch hier sind sog. doppelte oder qualifizierte Schriftformklauseln, mit denen vorgesehen wird, dass eine Abweichung von einer Schriftformklausel ebenfalls der Schriftform bedürfe, wegen § 307 BGB unwirksam (vgl. § 535 BGB Rz. 211). Eine derartige Klausel ist intransparent und benachteiligt den Vertragspartner unangemessen, denn sie erweckt bei diesem den Eindruck, eine mündliche Abrede sei entgegen § 305 BGB unwirksam und ist deshalb geeignet, den Vertragspartner von der Durchsetzung ihm zustehender Rechte abzuhalten2. Wird die doppelte oder qualifizierte Schriftformklausel aber individuell vereinbart, ist sie wirksam und bewirkt, dass die Schriftform für Änderungen und Ergänzungen nicht durch individuelle mündliche Vereinbarungen ohne klare Absprache über die Geltung des mündlich Vereinbarten entgegen dem ursprünglich vereinbarten Formerfordernis abbedungen werden kann3. 999 Es wird allerdings bezweifelt, ob dies auch für Verträge von mehr als einem Jahr gilt, bei denen § 550 BGB zu beachten ist4. Selbst wenn jedoch insoweit eine Einschränkung gelten sollte, sind die Parteien nicht gehindert, mündlich eine (wirksame) Abrede zu treffen, weil der Grundsatz, dass Individualvereinbarungen vorrangig sind, auch gegenüber einer wirksamen Schriftformklausel greift5. 1000 Die Klausel „mündliche Nebenabreden sind nicht getroffen“ soll wirksam sein6. Denn sie soll der ohnehin geltenden (widerlegbaren) Beweisvermutung für die Vollständigkeit der Vertragsurkunde entsprechen. Dies mag für sich genommen richtig sein, ändert aber nichts an der Tatsache, dass eine unwirksame Bestätigungsklausel vorliegt. Zwar ist § 309 Nr. 12 BGB nicht unmittelbar anwendbar. Indessen stellen die in § 309 BGB zusammengefassten Klauselverbote grundsätzlich Regelbeispiele einer unangemessenen Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB dar und wirken daher zumindest indiziell7, denn ein abweichender Handelsbrauch ist nicht feststellbar. II. Vertragspartner 1. Vorgesellschaft 1001 Nicht selten werden Mietverträge abgeschlossen, wenn sich das Unternehmen, das Vermieter oder Mieter werden soll, noch in der Gründung befindet (z.B. GmbH i.G.). 1002 Bei unternehmensbezogenen Rechtsgeschäften ist grundsätzlich anzunehmen, dass nicht der Handelnde, sondern der tatsächliche Unternehmensträger aus dem Rechtsgeschäft verpflichtet wird8. Voraussetzung ist allerdings, dass der Inhalt des Rechtsgeschäfts – ggf. i.V.m. weiteren Umständen – die eindeutige Auslegung zulässt, dass ein bestimmtes Unternehmen berechtigt und verpflichtet sein soll. Dazu 1 OLG Düsseldorf v. 3.5.2011 – 24 U 197/10, ZMR 2012, 438 = DWW 2012, 92. 2 OLG Rostock v. 19.5.2007 – 3 U 16/09, MDR 2010, 22 = NZM 2009, 705 = GE 2009, 1492; a.A. OLG Düsseldorf v. 15.11.1990 – 10 U 68/90, DWW 1990, 363; LG Baden-Baden v. 3.12.1982 – 1 S 90/82, ZMR 1984, 167; a.A. OLG Naumburg v. 26.7.2012 – 9 U 38/12, ZMR 2013, 36 = NZM 2012, 808. 3 OLG Düsseldorf v. 12.4.2011 – 24 U 195/10, GE 2011, 1680. 4 KG v. 4.5.2000 – 8 U 1641/99, MDR 2000, 1241. 5 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, MDR 2006, 508 = MietRB 2006, 62 = GuT 2006, 7 = ZMR 2006, 104. 6 BGH v. 19.6.1985 – VIII ZR 238/84, MDR 1985, 930; ebenso: OLG Düsseldorf v. 15.11.1990 – 10 U 68/90, DWW 1990, 363; LG Mannheim v. 19.8.1976 – 4 S 35/76, MDR 1977, 231. 7 Erman/Roloff, § 310 BGB Rz. 7. 8 BGH v. 4.4.2000 – XI ZR 152/99, MDR 2000, 840 = NJW 2000, 2984 (2985); BGH v. 13.10.1994 – IX ZR 25/94, MDR 1995, 347 = NJW 1995, 43 (44); BGH v. 15.1.1990 – II ZR 311/88, MDR 1990, 799 = NJW 1990, 2678 (2679); KG v. 11.10.1999 – 8 U 2071/98, MDR 2000, 760 (761); OLG Köln v. 29.1.1999 – 19 U 109/98, NZM 1999, 1097; OLG Brandenburg v. 24.2.1999 – 3 U 154/98, NZM 1999, 1097.

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müssen entweder der Ort des Vertragsschlusses oder hinreichende Zusätze im Zusammenhang mit der Unterschrift auf das betreffende Unternehmen hinweisen. Es genügt auch, dass die Leistung vertraglich für den Betrieb des Unternehmens bestimmt ist und erkennbar zu diesem Zweck gehandelt wird1. Bleiben dagegen ernsthafte, nicht auszuräumende Zweifel an der Unternehmensbezogenheit des Geschäftes, greift aus Gründen der Rechtssicherheit der Grundsatz des Handelns im eigenen Namen ein. Für die dann maßgebliche Frage, wer Vertragspartner sein soll, gilt allein § 164 Abs. 2 BGB. Deshalb wird allein die Privatperson Mieter, wenn sie im Rubrum des Mietvertrages genannt wird, und auch sonst ein Unternehmen, das Rechtsträger des Mietvertrages sein könnte, nicht konkret bezeichnet ist2. Das Gleiche gilt, wenn die Gesellschaft, für die bei Abschluss des Mietvertrages ge- 1003 handelt wird, zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegründet ist. Dann wird allein der wahre Rechtsträger Mieter3. Umgekehrt schuldet nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH die GbR das laufende Nutzungsentgelt, wenn sie von einem der bisherigen Geschäftsführer der insolventen GmbH gegründet worden ist und Eigenbesitz ausübt4. Die Haftung der Mitglieder der Vorgründergesellschaft einer GmbH, die als solche ei- 1004 nen Mietvertrag unterschrieben haben, entfällt mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister nur, wenn dies mit dem Vermieter vereinbart ist5. Die Haftung der Gründergesellschafter besteht auch für die nach der Eintragung entstandenen Ansprüche fort6. An eine konkludente Entlassung aus dieser Haftung sind strenge Anforderungen zu stellen. 2. Haftungsbeschränkung bei der GbR Nicht erst seit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR wird versucht, die Haf- 1005 tung der Gesellschaft und der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen zu beschränken. Dies erfolgt regelmäßig durch einen entsprechenden Hinweis auf den Geschäftspapieren oder sogar durch die Bezeichnung als „GbR mbH“. Die bloße Verwendung derartiger Hinweise oder Bezeichnungen führt aber nicht au- 1006 tomatisch zur Haftungsbeschränkung für Ansprüche aus einem Mietvertrag, selbst wenn der Wille, nur beschränkt für die Verpflichtungen der Gesellschaft einstehen zu wollen, durch die Korrespondenz oder den im Rubrum des Vertrages verwendeten Namenszusatz deutlich zum Ausdruck kommt. Vielmehr ist dafür eine individualvertragliche Vereinbarung erforderlich7. 3. Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters Der bloße Hinweis auf eine fünfjährige Nachhaftung gemäß §§ 736 Abs. 2 BGB, 160 1007 HGB könnte den Schluss zulassen, der ausscheidende Gesellschafter hafte für diese Dauer für Ansprüche, die während seiner Gesellschafterstellung entstanden sind. Schon der Wortlaut macht jedoch deutlich, dass sich die Nachhaftung auf alle in dem Fünfjahreszeitraum fällig werdenden Forderungen bezieht, die ihre Grundlage im Mietvertrag haben (z.B. Mietzahlungsansprüche, Betriebskostennachforderungen). Denn sie sind mit dem Abschluss des Mietvertrages entstanden8. 4. Die Außen-GbR auf Mieterseite Auch auf der Mieterseite kann der Mietvertrag durch eine Außen-GbR (z.B. Sozietät 1008 von Rechtsanwälten) geschlossen werden, so dass allein die Gesellschaft Trägerin 1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Düsseldorf v. 5.3.2007 – 24 U 144/06, GuT 2007, 201. OLG Düsseldorf v. 5.11.2002 – 24 U 32/02, GuT 2003, 7 = ZMR 2003, 252. OLG Düsseldorf v. 29.9.2005 – 10 U 50/05, ZMR 2006, 279. OLG Köln v. 4.7.2006 – 22 U 13/06, MietRB 2007, 34 = ZMR 2006, 862. BGH v. 20.6.1983 – II ZR 200/82, MDR 1984, 121 = NJW 1983, 2822. OLG Düsseldorf v. 23.10.1986 – 10 U 99/86, MDR 1987, 848. BGH v. 24.11.2004 – XII ZR 113/01, MDR 2005, 460 = MietRB 2005, 119. KG v. 15.9.2005 – 8 U 6/05, ZMR 2005, 952.

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der Mieterrechte und -pflichten ist. Ein Wechsel der Mitglieder der GbR bedeutet daher keinen gewillkürten Parteiwechsel, bedarf also grundsätzlich nicht der Zustimmung des Vermieters. Die Gesellschafter haften aber aufgrund der akzessorischen Gesellschafterhaftung persönlich. 1009 Ansonsten bilden mehrere Mitmieter bezüglich des Mietverhältnisses i.d.R. eine Innen-GbR; Gesellschaftszweck ist die gemeinschaftliche Nutzung der Mietsache1, was im Verhältnis zum Vermieter keine Rolle spielt2. Die mehreren Mitmieter sind hinsichtlich ihrer mietvertraglichen Ansprüche Mitgläubiger i.S.d. § 432 BGB, bezüglich ihrer mietvertraglichen Verpflichtungen Gesamtschuldner i.S.d. § 427 BGB3, insbesondere auch hinsichtlich der Rückgabepflicht nach Beendigung des Mietvertrags, und zwar selbst dann, wenn einer von ihnen den Besitz an der Mietsache (auch Mietwohnung) endgültig aufgegeben hat4. 5. Parteiwechsel nach dem UmwG 1010 Der Eintritt von Gesellschaftern in den Betrieb eines Einzelkaufmanns führt für sich allein nicht zum Parteiwechsel. Dafür ist vielmehr die Mitwirkung des Vermieters erforderlich5. Ist Mietvertragspartei jedoch eine Handelsgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft oder Außen-GbR, bleibt die Gesellschaft beim Ausscheiden oder Wechsel eines Gesellschafters weiterhin Vertragspartei6. 1011 Ansonsten ist von dem Grundsatz auszugehen, dass eine Auswechslung des Vertragspartners der Zustimmung des anderen Vertragspartners bedarf, die auch konkludent erklärt werden kann. Deshalb führt der Eintritt eines Gesellschafters in den Betrieb eines Einzelkaufmanns und die Fortführung des Geschäftes durch die neu gegründete Gesellschaft nicht kraft Gesetzes dazu, dass nunmehr die Gesellschaft Vertragspartei eines zuvor von dem Einzelkaufmann abgeschlossenen Mietvertrages wird7. 1012 Demgegenüber eröffnet das UmwG die weitreichende Möglichkeit der Vermögensübertragung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ohne Zustimmung der betroffenen Gläubiger8. Ausdrücklich ist diese Möglichkeit auch für das Unternehmen eines Einzelhandelskaufmannes vorgesehen, der durch Ausgliederung (ein Unterfall der Spaltung, vgl. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 123 UmwG) seines Unternehmens in eine Kapitalgesellschaft seine Haftung beschränken kann. Mit der Eintragung der Ausgliederung in das Handelsregister geht das ausgegliederte Vermögen mit den ausgegliederten Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger über, und zwar mit den rechtlichen Beziehungen, die beim übertragenden Einzelkaufmann bestehen. Die Ausgliederung bewirkt somit eine Gesamtrechtsnachfolge, von der grundsätzlich auch schuldrechtliche Verträge und somit auch Mietverträge betroffen sind. 1013 Ausgeschlossen ist der Übergang nur bei schlechthin nicht übertragbaren Rechtspositionen, wie etwa die Mitgliedschaft in einem Verein oder die Beteiligung an einer GbR9. Eine derartige Rechtsposition bildet aber das Nutzungsrecht aus einem Mietvertrag nicht10. Der Mietvertrag geht daher mit der Eintragung der Umwandlung im Handelsregister im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den neuen Unternehmens-

1 BGH v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, NJW 1997, 3437; OLG Hamburg v. 18.5.2001 – 8 U 177/00, NZM 2001, 640; OLG Hamm v. 8.10.1975 – 8 U 105/75, BB 1976, 529; Kraemer, NZM 2002, 465 (470); a.A. für Gemeinschaft: Palandt/Weidenkaff, § 535 BGB Rz. 7. 2 Jacoby, ZMR 2001, 409 (414). 3 Jacoby, ZMR 2001, 409 (415); Kraemer, NZM 2002, 465 (470). 4 BGH v. 22.11.1995 – VIII ARZ 4/95, MDR 1996, 251 = NJW 1996, 515. 5 BGH v. 25.4.2001 – XII ZR 43/99, MDR 2001, 862 = NJW 2001, 2251. 6 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = NJW 2001, 1056. 7 BGH v. 25.4.2001 – XII ZR 43/99, NJW 2001, 2251. 8 Vgl. Semler/Stengel, § 1 UmwG Rz. 11, 12. 9 Vgl. Semler/Stengel, § 131 UmwG Rz. 22 ff. 10 OLG Karlsruhe v. 19.8.2008 – 1 U 108/08, MietRB 2009, 6 = ZMR 2009, 34.

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träger über, ohne dass es der Mitwirkung des Vermieters bedurfte1. Diese Grundsätze gelten im Mietrecht nicht nur dann, wenn es um die Umwandlung einer juristischen Person in eine andere geht, sondern auch dann, wenn eine Personenhandelsgesellschaft in eine juristische Person umgewandelt wird. Nichts anderes kann aber dann gelten, wenn das Unternehmen eines Einzelhandelskaufmanns in eine GmbH umgewandelt wird, da in beiden Fällen dem Vermieter nunmehr statt eines persönlich Haftenden eine juristische Person mit beschränkter Haftung gegenübersteht2. Das Ergebnis ändert sich nicht durch eine vertragliche Bestimmung, wonach der Mieter grundsätzlich ohne Einwilligung des Vermieters weder zu einer Untervermietung noch zu einer sonstigen Gebrauchsüberlassung an Dritte berechtigt ist. Denn bei der Umwandlung geht es gerade nicht um eine Gebrauchsüberlassung an einen Dritten. Wandelt sich eine GbR durch Aufnahme eines vollkaufmännischen Gewerbes in eine 1014 OHG um, handelt es sich weiterhin um ein und dieselbe Gesellschaft, die lediglich ihren rechtlichen Charakter geändert hat3. Bei einer Umwandlung durch Verschmelzung gemäß § 20 UmwG tritt die umgewandelte GmbH kraft Gesetzes anstelle des früheren Pächters/Mieters in den bestehenden Pacht-/Mietvertrag ein4. III. Vertragszweck Gemäß § 535 BGB muss der Vermieter dem Mieter die Mietsache in dem zum ver- 1015 tragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen und erhalten. Damit trägt er – vorbehaltlich wirksam vereinbarter Abweichungen – das Risiko, dass die Mietsache für den Vertragszweck (dauerhaft) geeignet ist5. Erfüllt der Vermieter diese Anforderungen nicht, verletzt er seine Pflicht aus § 535 1016 Abs. 1 S. 2 BGB und macht sich in der Regel nach § 536a Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig, zumindest aber nach § 280 Abs. 1 BGB. Insoweit muss er sich das Verschulden Dritter gemäß § 278 BGB zurechnen lassen. Diese Zurechnung findet z.B. statt, wenn ein kommunales Energieunternehmen (Gaswerk) fahrlässig einen Defekt in der Energiezufuhr herbeiführt, woraus Heizungsstörungen resultieren6. Da der Vermieter das Gebäuderisiko trägt, also dafür einzustehen hat, dass der Zustand des Gebäudes nicht der Realisierung des Vertragszwecks entgegensteht, gehen folgende Situationen zu seinen Lasten: – Im Vertrag über Gewerberäume, die in einem reinen Wohngebiet gemäß § 3 BauN- 1017 VO liegen, ist als Zweck eine „Pizza- und Pastaauslieferung“ (Pizzataxi) beschrieben. Die Behörde versagt die Betriebserlaubnis, weil damit eine über das Wohngebiet hinausgehende überregionale Versorgung verbunden ist, und droht für den Fall der Betriebsaufnahme Sanktionen an7. – Die Vermietung erfolgt zum Betrieb eines Schnellrestaurants mit dem besonderen Equipment des Mieters (einer bekannten Fastfoodkette): Wenn die Einrichtung (Inventar) nur mit Starkstrom betrieben werden kann, schuldet der Vermieter eine entsprechende Nachrüstung. – Hat sich der Vermieter einer Zahnarztpraxis die Verpflichtung zur Gebrauchs- 1018 überlassung dadurch unmöglich gemacht, dass er es zur Zwangsversteigerung der vermieteten Teileigentumseinheit und vorzeitiger Kündigung durch den Erwerber

1 Vgl. dazu Palandt/Weidenkaff, § 535 BGB Rz. 11/12; Bieber/Ingendoh, § 6 Rz. 49; Wolf/Eckert/ Ball, Rz. 1366; Emmerich/Sonnenschein, § 540 BGB Rz. 28; Kandelhard, WuM 1999, 253 (254). 2 OLG Karlsruhe v. 19.8.2008 – 1 U 108/08, MietRB 2009, 6 = ZMR 2009, 34; offen gelassen noch BGH v. 8.10.2003 – XII ZR 50/02, NJW-RR 2004, 123. 3 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = NJW 2001, 1056; KG v. 26.2.2001 – 8 RE-Miet 1/01, NZM 2001, 520. 4 BGH v. 27.11.2009 – LwZR 15/09, NZM 2010, 280; BGH v. 26.4.2002 – LwZR 20/01, WPM 2002, 1240 (1241); vgl. auch OLG Düsseldorf v. 28.9.1992 – 10 U 208/91, BB 1992, 2173. 5 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274 m.w.N. 6 OLG Dresden v. 18.6.2002 – 5 260/02, WuM 2002, 541. 7 LG Hamburg v. 6.4.2004 – 311 O 207/03, GuT 2005, 166.

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hat kommen lassen, haftet er dem Mieter auf Schadensersatz (z.B. entgangener Gewinn aus der Veräußerung der Praxis)1. 1. Zulässige Nutzung a) Grundlagen 1019 Gemäß § 535 BGB muss der Vermieter dem Mieter die Mietsache in dem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen und erhalten. Damit trägt er – vorbehaltlich wirksam vereinbarter Abweichungen – das Risiko, dass die Mietsache für den Vertragszweck geeignet ist2. 1020 Zunächst wird also durch die Bestimmung, welche Nutzung nach dem Vertrag zulässig sein soll, festgelegt, wie bzw. zu welchem Zweck der Mieter die Räume nutzen darf. Dies ist bei einem „Wohnraummietvertrag“ unproblematisch, weil er regelmäßig zur Nutzung der Räume zum Wohnen abgeschlossen wird. Bei der Gewerberaummiete engt die vertragliche Festlegung des Nutzungszwecks aber zunächst die unternehmerische Tätigkeit des Mieters ein. Deshalb ist z.B. durch die Erlaubnis zur Weitervermietung für ein Technologiezentrum der Betrieb eines Call-Centers nicht gedeckt3. 1021 Das Risiko der Zwecktauglichkeit liegt insbesondere beim Vermieter, der Kellerräume nicht zur Nutzung als Kellerräume, sondern zur Nutzung für jeden behördlich zulässigen Zweck, also auch zu einer „hochwertigen Nutzung“ vermietet, so dass z.B. auch eine Nutzung als Wellnessbetrieb zulässig ist4. Selbst wenn der Mietvertrag eine Klausel enthält, wonach der Vermieter den Gebrauch der Räume in seinem derzeitigen Zustand gewährt und der Mieter auf die Beseitigung anfänglicher Mängel verzichtet, wird das Risiko der Zwecktauglichkeit nicht auf den Mieter verlagert. Aufgrund dieser Regelung wird allein die Einigkeit zwischen den Vertragsparteien dokumentiert, dass der Ausbau der Räume zu dem jeweils beabsichtigten Zweck dem Mieter obliegt. Diese Regelung beinhaltet keine Verlagerung des Risikos der Zwecktauglichkeit. 1022 Ist der Vertragszeck nicht ausdrücklich festgelegt, darf der Mieter das Objekt nicht zu jedem beliebigen gewerblichen Zweck nutzen, sofern sich durch Auslegung eine Nutzungsbeschränkung ermitteln lässt5. Ansonsten ist die Ausübung jedes beliebigen Gewerbes durch den Mieter in den Räumen erlaubt, für das keine zusätzlichen baulichen Maßnahmen des Vermieters erforderlich sind, die keine Mängelbeseitigung im eigentlichen Sinne darstellen. Denn grundsätzlich kann die Nutzung als solche nicht über die Beschreibung des Mietgegenstandes hinausgehen. Insbesondere folgt daraus nicht eine weitergehende Pflicht des Vermieters, die für alle vertraglich ausbedungenen Nutzungsarten erforderlichen Voraussetzungen herzustellen6. b) Konkreter Nutzungszweck 1023 Ist der Nutzungszweck konkret festgelegt, übernimmt der Vermieter grundsätzlich das Risiko, dass die vereinbarte Nutzung in den Räumen realisiert werden kann, und dem, jedenfalls aus Gründen, die aus dem baulichen Zustand resultieren, keine Hindernisse entgegenstehen. Insoweit bedarf es grundsätzlich individueller Regelungen, um die Herbeiführung der besonderen baulichen Bedingungen des Gebäudezustandes auf den Mieter abzuwälzen (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 1037). Eine Hinweispflicht des Mieters, dem die Kenntnis der besonderen Bedingungen für sein Gewerbe unterstellt werden kann, besteht grundsätzlich nicht. Der Vermieter trägt prinzipiell das Risiko der Tauglichkeit des Gebäudes für den Vertragszweck. Deshalb trägt der Vermieter das Risiko, dass dem Mieter die Betriebserlaubnis versagt wird, weil das Ge1 2 3 4 5 6

OLG Köln v. 15.10.2001 – 13 U 94/99, ZMR 2002, 749. BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274 m.w.N. OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 24 U 207/01, WuM 2003, 136 = ZMR 2003, 349. KG v. 20.5.2009 – 8 U 38/09, GuT 2009, 305. OLG Düsseldorf v. 20.9.2010 – 24 U 202/09, ZMR 2011, 865. Vgl. OLG Hamburg v. 13.6.1990 – 4 U 118/89, ZMR 1990, 341.

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bäude in einem reinen Wohngebiet liegt und mit dem Gewerbe des Mieters („Pizzaund Pastaauslieferung“) eine über das Wohngebiet hinausgehende überregionale Versorgung verbunden ist, die in einem reinen Wohngebiet nach der BauNutzV verboten ist1. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Ausstattung der Räume mit allen für die 1024 Realisierung des Vertragszwecks notwendigen Einrichtungen (z.B. Verkabelung) vom Vermieter geschuldet wird. Insoweit ist davon auszugehen, dass ein bestimmter Mindeststandard im Gewerberaummietrecht nicht geschuldet ist2. Insbesondere, wenn sich das Objekt bei Abschluss des Mietvertrages in einem Zustand befindet, der bei Bezug durch den Mieter keine sofortige (vertragsgemäße) Nutzung zulässt, sind ausdrückliche Abreden der Parteien erforderlich, um eine Pflicht des Vermieters, die Mietsache aufzurüsten, zu begründen. Eine vor Vertragsbeginn zu erfüllende Beseitigungspflicht bereits vorhandener Mängel muss jedenfalls hinreichend konkret im Vertrag normiert sein3. Auch für eine im Vorfeld äußerst umstrittene Frage von erheblicher wirtschaftlicher Tragweite ist eine ausdrückliche Formulierung, welche konkreten Mängel vor Vertragsbeginn bzw. bis wann sie noch zu beheben sind, erforderlich. Die mangelnde Herstellungs- bzw. Erweiterungspflicht des Vermieters gilt insbeson- 1025 dere, soweit mit der Realisierung des vertragsgemäßen Zustandes zusätzliche weitreichende Aufwendungen verbunden sind, die bei Abschluss des Mietvertrages außer Betracht geblieben sind. Aus einer Nichterfüllung können daher auch keine Gewährleistungsrechte abgeleitet werden, und zwar unabhängig davon, ob ein Vertragszweck festgelegt ist. Anschaulich wird dies bei der Vermietung von Räumen zum Betrieb eines Groß- und Einzelhandels: Wird der Großhandel – wie von den Parteien vorausgesetzt – zulässigerweise in den bestehenden Räumen durchgeführt, kann der Mieter nicht verlangen, dass die nicht im Vertrag erwähnten und auch nicht sonst wie besprochenen Stellplätze, die Voraussetzung für die Genehmigung eines Einzelhandels sind, auf Kosten des Vermieters zur Verfügung gestellt werden4. Das Gleiche gilt bei der vertraglich vorgesehenen Nutzung des Mietobjekts als „Kul- 1026 turzentrum“5. Aus dieser Vereinbarung folgt nicht die Verpflichtung des Vermieters, den für lärmintensive Musikveranstaltungen ggf. notwendigen Schallschutz baulich herzustellen. Vielmehr trägt der Mieter das Risiko der Durchführbarkeit von Veranstaltungen, für die der vorhandene Schallschutz des Gebäudes nicht ausreichend ist, allein, sofern die Art der kulturellen Veranstaltungen in jeder Hinsicht offengelassen worden ist. Nichts anderes gilt, wenn die Mieträume zur Nutzung für jeden behördlich zulässi- 1027 gen Zweck, also auch zu einer „hochwertigen Nutzung“, vermietet wurden, so dass eine Nutzung z.B. als Wellnessbetrieb zulässig ist6. Ggf. muss der Vermieter in einem solchen Fall bestehende Mängel in der Bausubstanz auch dann beseitigen, wenn sie bei Beginn des Mietvertrages vorhanden waren. Das Risiko der Zwecktauglichkeit des Gebäudes wird auch nicht dadurch auf den Mieter verlagert, weil die Parteien in dem Mietvertrag vereinbart haben, dass der Vermieter den Gebrauch der Räume in seinem derzeitigen Zustand gewährt und der Mieter auf die Beseitigung anfänglicher Mängel verzichtet. Mit einer solchen Regelung wird die Durchführung des Ausbaus der Räume zu dem jeweils beabsichtigten Zweck dem Mieter auferlegt; das Risiko der Zwecktauglichkeit wird dadurch aber nicht verlagert7.

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LG Hamburg v. 6.4.2004 – 311 O 207/03, GuT 2005, 166. A.A. LG Bonn v. 9.2.2005 – 2 O 29/04, zitiert nach juris. LG Bonn v. 9.2.2005 – 2 O 29/04, zitiert nach juris. OLG Köln v. 11.6.2010 – 1 U 66/99, ZMR 2010, 850. OLG Düsseldorf v. 5.5.2009 – 24 U 87/08, MietRB 2009, 256 = MDR 2009, 1386 = ZMR 2010, 29 = GuT 2009, 303. 6 KG v. 20.5.2009 – 8 U 38/09, GuT 2009, 305. 7 KG v. 20.5.2009 – 8 U 38/09, GuT 2009, 305.

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1028 Gestattet der Mieter einem Dritten (z.B. einer Bank), im Eingangsbereich seines Verbrauchermarkts einen Geldautomaten zu betreiben, liegt eine Vertragsverletzung vor, wenn der Mietzweck im „Betrieb eines Lebensmittelverbrauchermarktes mit dem in dieser Betriebsform üblichen Sortiment, auch mit den üblichen Non-Food-Artikeln“ besteht1. Denn die mit dem Bankautomaten möglichen Geldgeschäfte zählen nicht zu den „Non-Food-Artikeln“. Darunter fallen nur nicht zum Verzehr bestimmte Waren, die der Verbraucher für seinen Haushaltsbedarf benötigt (z.B. Reinigungsund Drogerieartikel, Küchenzubehör, Schreibwaren). Nichts anderes gilt für Geldautomaten an Tankstellen oder im Eingangsbereich von Bürogebäuden. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Aufstellung von Geldautomaten im Eingangsbereich von Verbrauchermärkten nicht allgemein üblich ist. 1029 Im Übrigen ist der Vermieter für den Übergabezustand nicht verantwortlich, wenn der Mieter ihn selbst geschaffen hat. Davon ist nicht auszugehen, wenn der Mieter aufgrund einer Vereinbarung mit dem Vermieter den Innenausbau selber herstellen sollte, sondern bei jeder baulichen Veränderung, die der Mieter mit oder ohne Zustimmung des Vermieters schafft, und für die keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde. Dies gilt selbst dann, wenn der Mieter z.B. bei der Vermietung vom Reißbrett nur einen anderen Oberboden wählt (Teppichboden statt PVC) und mit der Ausführung dieser Leistung denselben Handwerker beauftragt, den der Vermieter in seinen Planungen vorgesehen hatte2. Ebenso besteht keine Erhaltungspflicht des Vermieters, wenn die Mietsache durch eine vom Mieter gewünschte Veränderung ohne Verschulden des Vermieters fehlerhaft wird3. 1030 Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen sich die Leistung des Mieters in einem Baukostenzuschuss erschöpft. Selbst wenn auf Bestreben des Mieters ein anderer Anfangszustand herbeigeführt wird und der Mieter diese Leistung – wie auch immer – bezahlt, bleibt der Vermieter im Rahmen des § 535 Abs. 1 BGB dafür verantwortlich. 2. Bestimmung des vertragsgemäßen Zustandes 1031 § 535 Abs. 1 S. 2 BGB macht deutlich, dass das Risiko der Zwecktauglichkeit des Gebäudes grundsätzlich beim Vermieter liegt. Deshalb hat der Vermieter dem Mieter die Mietsache in einem zum „vertragsgemäßen“ Gebrauch geeignetem Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten, solange die Parteien keine (wirksame) abweichende Vereinbarung treffen. 1032 Die Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit des Mietobjektes sind dabei umso größer, je detaillierte die beabsichtigte Nutzung beschrieben ist4. Deshalb – müssen Decken auch ohne weitere Bestimmungen im Vertrag zumindest die Eignung für eine normale Belastung haben, wenn der Mietvertrag über einen Lagerraum abgeschlossen wurde5; – hat der Vermieter dem Mieter die Nutzung von Zugängen und Zufahrten zu ermöglichen, wenn Geschäftsräume vermietet werden, die mit Waren beliefert werden müssen6; – sind Räume, die zum Betrieb eines Sonnenstudios, Kosmetik- oder Friseursalons vermietet werden, so auszustatten, dass bei der Nutzung als Sonnenstudio die benachbarten Räume nicht vertrags- oder gesetzeswidrig beeinträchtigt werden7;

1 OLG Düsseldorf v. 13.12.2007 – I-24 U 185/07, MietRB 2008, 266 = OLGR 2008, 543 = DWW 2008, 258. 2 KG v. 16.8.2004 – 12 U 310/03, MietRB 2005, 34 = ZMR 2004, 908 = GE 2004, 1393 = GuT 2004, 230. 3 OLG Düsseldorf v. 5.12.1991 – 10 U 10/91, DWW 1992, 81. 4 RG v. 15.4.1935 – IV 20/35, RGZ 147, 304. 5 BGH v. 6.5.1958 – VIII ZR 66/57, BB 1958, 575. 6 OLG Düsseldorf v. 5.5.2009 – 24 U 153/08, GE 2009, 1187. 7 OLG Düsseldorf v. 6.3.2001 – 24 U 122/00, ZMR 2001, 206.

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– sollen Räume, die für einen bestimmten Gewerbebetrieb – z.B. für ein Reisebüro – vermietet werden, den Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung i.V.m. den Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR) A3.5 und der DIN 1946 genügen, müssen (vgl. aber § 536 BGB Rz. 112) bestimmte Raumtemperaturen eingehalten werden1. Umgekehrt müssen in Büroräumen (Rechtsanwaltskanzlei) ohne besondere Abrede Raumtemperaturen von 20 ° erreichbar sein2. Andererseits können sich unmittelbar aus der Beschreibung des Vertragszwecks be- 1033 sondere Anforderungen an den Gebäudezustand ergeben, ohne dass dies ausdrücklich im Vertrag geregelt ist. Das gilt z.B. bei der Vermietung zum Zwecke des Betriebs – einer Apotheke: Hier stellt die ApoBetrO besondere Anforderungen, z.B. an die Einrichtung der sog. Rezeptur; – einer Diskothek: Diese Betriebe gelten grundsätzlich als Gaststätten. Im Übrigen sind neben den Bestimmungen der VStättVO vor allem die Bestimmungen der LBauO und die Lärmgrenzen der DIN 4109 zu beachten; – einer Gaststätte: Die Räume müssen mindestens nach Geschlechtern getrennte Toiletten vorsehen und eine Entlüftung, die über das Dach hinausgeht, sowie die Einrichtung eines Fettabscheiders; – einer Kfz-Werkstatt: Hier können besondere Anforderungen an die Traglast der Decken bestehen und die Einrichtung eines Benzinabscheiders notwendig werden; – eines Kindergartens: Dabei sind diverse Bestimmungen zur Quadratmeterzahl pro Kind, zum Außengelände, zur Aufteilung der Räume, zu ihrer Helligkeit, Wärme, Trockenheit, Sauberkeit und Sicherheit zu beachten, die – unterschiedlich für die einzelnen Bundesländer – in den LbauO, aber auch in Richtlinien von Unfallkassen und insbesondere in speziell für Kinderbetreuung erlassenen Gesetzen (z.B. für NRW im Kinderbildungsgesetz – KiBiz) zusammengefasst sind. Letztere bestimmen regelmäßig auch finanzielle Förderungen auf der Grundlage von Pauschalen, die jährlich steigen können (vgl. z.B. § 19 Abs. 2 KiBiz NRW: 1,5 % jährlich). Dies ist bei der Vereinbarungen von Mietsteigerungen, insbesondere nach einer Wertsicherungsklausel zu beachten. Weitere Beschränkungen können aus den Durchführungsverordnungen (z.B. §§ 7, 8 DVO KiBiz für Mietpauschalen) zu diesen gesetzlichen Bestimmungen hervorgehen; – eines Labors für Gen-Technik: Dafür gelten besondere Sicherheitsstandards für den Umgang mit biologischen Stoffen, die in unterschiedlichen Verordnungen geregelt sind (z.B. BioStoffVO) und regelmäßig eine besondere Dichtigkeit der Räume verlangen; – eines Lebensmittelgeschäfts (z.B. Bäckerei, Metzgerei): Insoweit werden Grundanforderungen durch die LebensmittelhygieneV3 insbesondere an die Abwaschbarkeit von Wänden und Decken in Bereichen, in denen Lebensmittelzubereitung stattfindet, gestellt; – einer Praxis für Röntgenologie: Hier muss wegen der Schwere der aufgestellten Geräte regelmäßig eine besondere Tragfähigkeit der Decken gegeben und die Einhaltung der Strahlenschutzbestimmungen gewährleistet sein4; – von Präsentationsräumen z.B. für die Modebranche: Dafür sind nicht nur die brandschutzrechtlichen Bestimmungen der VStättVO, sondern auch besondere Wärmelasten zu beachten, die durch den Betrieb von Scheinwerfern entstehen können; 1 OLG Frankfurt v. 19.1.2007 – 2 U 106/06, MietRB 2007, 228 = NZM 2007, 330; OLG Rostock v. 29.12.2000 – 3 U 83/98, NZM 2001, 425 = NJW-RR 2001, 802; OLG Düsseldorf v. 4.6.1998 – 24 U 194/96, MDR 1998, 1217 = ZMR 1998, 622; OLG Hamm v. 18.10.1994 – 7 U 132/93, NJW-RR 1995, 143; OLG Köln v. 28.10.1991 – 2 U 185/90, MDR 1993, 973 = WuM 1995, 35 = NJW-RR 1993, 466. 2 OLG München v. 21.11.2000 – 5 U 2889/00, NJW-RR 2001, 729 = NZM 2001, 382. 3 OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 195/09, MDR 2010, 1244 = ZMR 2011, 118 = NZM 2010, 820. 4 Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 26.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

– eines Schnellrestaurants (Imbiss): Dies erfordert regelmäßig einen Starkstromanschluss und eine Entlüftung, die über das Dach hinausgeht, sowie die Einrichtung eines Fettabscheiders; – von Schulungsräumen: Insoweit können besondere brandschutzrechtliche Bestimmungen z.B. nach der VStättVO zu beachten sein; – eines Senders für Fernsehen oder Rundfunk: Dazu müssen regelmäßig besondere Einrichtungen zum Schutz vor Geräuscheinwirkungen und Erschütterungen vorhanden sein und beachtet werden, ob elektromagnetische Wellen auf das Grundstück (z.B. durch den Verlauf einer benachbarten Bahntrasse) einwirken können. 1034 Die individuell vereinbarten oder allgemeinen Anforderungen an den vertragsgemäßen Zustand erstrecken sich grundsätzlich auf alle Räume der Mieteinheit. Allenfalls Nebenräume, für die keine oder eine ausgewiesen geringere Miete vereinbart wird, müssen nur einem geringeren Standard genügen. Wird der Mietgegenstand im Gewerbemietvertrag aber z.B. beschrieben mit „Gewerberäume von ca. 74,04 qm zzgl. 51 qm Kellerräume zum Betrieb einer Zahnarztpraxis“, wird dies dahin ausgelegt, dass die Kellerräume nicht nur zur Lagerung von gegen Feuchtigkeit unempfindlichen Gegenständen vermietet sind, sondern dass eine Nutzung als Lager, Werkstatt, Aufenthaltsraum, Büro und WC vertragsgemäß ist1. Dies gilt umso mehr, wenn die Kellerräume zuvor durch den Vermieter entsprechend ausgebaut worden waren und bereits vom Vormieter im Rahmen des Betriebes einer Zahnarztpraxis in ähnlicher Weise genutzt worden sind. 3. Abwälzung des Risikos des Gebäudezustandes a) Bestätigung des Gebäudezustandes 1035 Individuell können die Parteien den (mangelhaften) Gebäudezustand als vertragsgemäß vereinbaren, und zwar sowohl in Bezug auf das Innere der Mietsache als auch das Gebäude als solches. Dies kann z.B. anlässlich der Übergabe geschehen. Wird z.B. in einem Übergabeprotokoll ein unzulänglicher Zustand ausdrücklich festgehalten und vereinbart, dass der Vermieter die Unzulänglichkeit nicht beseitigen muss, liegt ein Fall der Vereinbarung eines schlechten Zustandes vor. Selbst wenn der Mieter ein optisch einwandfreies Gebäude anmietet und auch eine entsprechende Miete zahlt, kann er bei negativer Veränderung des Zustandes (z.B. durch Graffiti) keine Mängelbeseitigung verlangen, wenn anderweitige Regelungen getroffen wurden, insbesondere vereinbart ist, dass der äußere Zustand der Immobilie mit auftretenden Alterserscheinungen und von Dritten aufgebrachten Wandmalereien vertragsgemäß sind2. 1036 Dies allein führt aber nicht zum Ausschluss des Anspruchs auf Mängelbeseitigung. Vielmehr kann auch der vereinbarte schlechte Zustand schlechter und damit mangelhaft werden3. 1037 Da es sich bei § 535 Abs. 1 BGB um eine Kardinalpflicht handelt, kann der Vermieter grundsätzlich das Risiko, ob die vertraglich vereinbarte Nutzung in den Räumen überhaupt stattfinden kann und darf, formularmäßig nicht auf den Mieter abwälzen, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Deshalb ist die formularmäßige Freizeichnungsklausel, wonach der Vermieter keine Gewähr dafür leistet, dass die Geschäftsräume den behördlichen Vorschriften entsprechen und/oder der Mieter behördliche Auflagen auf seine Kosten zu erfüllen hat, unwirksam, weil sie auch den baulichen Zustand der Räume erfasst4. Das Gleiche gilt für die Klausel, die sich nicht nur auf den Fall bezieht, dass die Gaststättenkonzession aufgrund mangelnder persönlicher Eignung des Pächters

1 KG v. 5.7.2010 – 12 U 172/09, GuT 2010, 218 = MietRB 2010, 322. 2 LG Berlin v. 24.1.2008 – 32 O 84/07, GuT 2008, 347 = MietRB 2008, 298. 3 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517. 4 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120; OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 20/01, ZMR 2003, 21 (22); LG Berlin v. 28.6.2001 – 64 S 107/01, NZM 2002, 787 m.w.N.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

versagt wird1. Denn für den baulichen Zustand kann sich der Vermieter nicht freizeichnen. Eine formularmäßige Beschränkung im Hinblick auf behördliche Genehmigungen ist nur zulässig, soweit sie in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben2. Plant jedoch der Mieter einen erheblichen Umbau der Geschäftsräume und hat er hierfür wirksam die Beibringung der behördlichen Genehmigung übernommen, kann er sich nicht auf eine Mangelhaftigkeit wegen fehlender Erlaubnis berufen, wenn er nicht einmal den Versuch unternommen hat, sie zu erlangen3. Die Klausel „der Mieter übernimmt die Mieträume in dem vorhandenen und ihm be- 1038 kannten Zustand nach eingehender Besichtigung … als vertragsgemäß, insbesondere als in jeder Hinsicht bezugsfertig und unbeschädigt mit folgenden Ausnahmen …“ verstößt gegen § 309 Nr. 12b BGB jedenfalls gegenüber einem Nichtkaufmann4. Denn es handelt sich um eine unwirksame Bestätigungsklausel. Selbst die Formulierung: „Der Mieter hat das Objekt besichtigt und übernimmt es im derzeit vorhandenen Zustand“ hilft dem Vermieter nicht zur Vereinbarung eines vertragsgemäßen Anfangszustandes (trotz vorhandener Mängel). Denn eine derartige Klausel dient allein der Beschreibung des Mietobjektes5. Ein Hinweis auf verborgene Mängel oder gar darauf, dass dem Mieter solche bekannt gewesen seien mit der Rechtsfolge des § 536b BGB, kann ihr nicht entnommen werden. b) Ausschluss der Haftung für Rechtsfolgen Mittelbar kann der Vermieter die Verantwortung für den Anfangszustand und die 1039 Vernachlässigung seiner Erhaltungspflicht auch dadurch abfedern, dass er seine Haftung mildert, indem er z.B. das maßgebliche Verschulden auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Bei Formularklauseln ist insoweit mindestens zu beachten, dass gemäß § 309 Nr. 7 BGB Haftungsmilderungen für Schäden an Körper, Gesundheit oder Freiheit unzulässig sind. Allerdings erlaubt § 309 Nr. 7 BGB darüber hinaus grundsätzlich die Beschränkung 1040 der Haftung des Verwenders auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz. Soweit sich die Haftungsmilderung aber auch auf eine Verletzung der Kernpflicht des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB beziehen kann, liegt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters i.S.v. § 307 Abs. 2 BGB vor, wenn damit auch vertragstypische Risiken, gegen die sich der Vermieter versichern kann, erfasst sein können6. 4. Bestimmung eines Mangels i.S.v. § 536 BGB Der Vertragszweck ist weiterhin als Auslegungshilfe heranzuziehen, wenn es um die 1041 Bestimmung eines Mangels i.S.v. § 536 BGB geht. Diese Frage beurteilt sich zunächst grundsätzlich danach, welcher Tauglichkeitsanforderung (Sollbeschaffenheit) die Mieträume im Einzelnen genügen müssen. Das hängt in erster Linie von den getroffenen Vereinbarungen und der Auslegung des Mietvertrages ab (§§ 133, 157 BGB)7. Zu berücksichtigen sind alle den Parteien erkennbaren Umstände. Auch der bei Vertragsabschluss bekannte „Ist-Zustand“ der Mietsache ist von Bedeutung8. Fehlen Festlegungen der Parteien, wird für den Umfang des vertragsgemäßen Gebrauchs ferner die Verkehrsanschauung herangezogen9. Vgl. im Einzelnen § 536 BGB Rz. 75 ff.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Köln v. 25.2.1994 – 20 U 87/93, VersR 1995, 840. BGH v. 2.3.1994 – XII ZR 175/92, ZMR 1994, 253. OLG Düsseldorf v. 7.1.1993 – 10 U 58/92, MDR 1993, 443 = DWW 1993, 99. OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 – I-10 U 46/03, WuM 2003, 621. BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = MietRB 2007, 195 = GuT 2007, 208 = ZMR 2007, 605 = GE 2007, 840 = NZM 2007, 484. BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, WuM 2002, 141 = NZM 2002, 116 = MDR 2002, 330 = GuT 2002, 45. OLG Dresden v. 24.10.2000 – 23 U 1660/00, NJW-RR 2001, 727 (728). OLG Jena v. 26.2.1997 – 2 U 84/96, OLG-NL 1997, 104 (105); OLG Hamburg v. 13.7.1994 – 4 U 11/94, ZMR 1995, 120; OLG München v. 21.4.1995 – 21 U 5722/94, ZMR 1997, 236 (237). OLG Köln v. 5.11.1993 – 19 U 132/93, DWW 1994, 50.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

5. Haftung des Mieters für vertragsgemäßen Gebrauch? 1042 Durch die Festlegung des vertragsgemäßen Gebrauchs werden zugleich die Grenzen der Nutzung für den Mieter aufgezeigt, innerhalb derer wegen § 538 BGB eine Haftung nicht stattfindet. Denn wird allein der Betriebszweck festgelegt, gelten nach der Verkehrsanschauung z.B. die für das jeweilige Gewerbe geltenden Umweltrichtlinien oder sonstigen Standards1. Deshalb kann der Vermieter keine Ansprüche wegen Beschädigung der Mietsache herleiten, wenn diese Anforderungen eingehalten und im Übrigen nichts Besonderes geregelt ist. 1043 – Deshalb können bei einem Tankstellengrundstück Kontaminationen des Erdreichs, die durch ordnungsgemäßes Betanken von Fahrzeugen entstehen, vom vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt sein, wenn der Betrieb die geltenden Richtlinien einhält2. 1044 – Ist in einem Mietvertrag über eine Tankstelle bzw. Kfz-Werkstatt nebst Verkaufsbüro eine Instandhaltung nach den gesetzlichen Vorschriften vorgesehen, besteht im Fall einer Kontamination von Grund und Boden aufgrund Überlaufens eines Koaleszenzabscheiders nebst anschließender Sanierung kein Ausgleichsanspruch des Vermieters gegen den Mieter3. 6. Nutzungsänderung 1045 Durch die Festlegung des Vertragszwecks werden die Grenzen der Nutzung des Mieters festgelegt. Eine davon abweichende Nutzung ist grundsätzlich nicht gestattet. Vielmehr führt jede (einseitige) Nutzungsänderung generell einen vertragswidrigen Gebrauch mit den möglichen Sanktionen durch die §§ 541, 543 BGB herbei. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob durch die Belegung der Räume z.B. mit Asylbewerbern ein Schaden droht4. Denn insbesondere für § 541 BGB ist zunächst allein maßgeblich der vertragswidrige Gebrauch. 1045a Führt der Mieter eine einer Produkterweiterung durch oder bietet er zusätzliche Dienstleistungen an, die vom Vertragszweck nicht mehr erfasst werden, kommt dies einer vertragswidrigen Nutzung gleich. Die Unterlassung nach § 541 BGB kann nur auf diese Teilerweiterung bezogen werden. Die übrigen Sanktionen, z.B. Kündigung erstrecken sich aber auf das ganze Mietverhältnis. 1046 Eine Nutzungsänderung kann grundsätzlich nur in beiderseitigem Einvernehmen herbeigeführt werden. Dabei ist die Schriftform des § 550 BGB zu beachten, weil die Änderung des Vertragszwecks regelmäßig eine wesentliche Vertragsabrede betrifft (vgl. § 550 BGB Rz. 60). 1047 Ein Anspruch des Mieters auf Änderung des Vertragszwecks bedarf grundsätzlich einer besonderen vertraglichen Abrede. Besteht eine solche Klausel aus einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zur Untervermietung, ist deren Auslegung nicht einheitlich. Während die eine Meinung die Erlaubniserteilung in das freie Ermessen des Vermieters stellt5, ist nach der Gegenansicht6 eine Interessenabwägung durchzuführen. Nach beiden Auffassungen ist aber eine Zustimmung zu versagen, wenn eine Nutzungsänderung durch die Untervermietung herbeigeführt werden soll7.

1 BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = ZMR 2002, 901. 2 BGH v. 12.7.2004 – XII ZR 163/03, MDR 2005, 25 = MietRB 2005, 6 = GuT 2004, 233; BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = ZMR 2002, 901. 3 BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 163/03, MDR 2005, 26 = MietRB 2005, 6. 4 OLG Düsseldorf v. 14.2.1991 – 10 U 171/90, MDR 1991, 542 = ZMR 1991, 176 = DWW 1991, 80. 5 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, MDR 1982, 314 = ZMR 1992, 11 = NJW 1982, 376; OLG Hamm v. 13.1.1981 – 4 REMiet 5/80, 4 REMiet 6/80, MDR 1981, 406 = WuM 1981, 53 = ZMR 1981, 153. 6 KG v. 8.9.2003 – 8 U 181/02, GE 2003, 1490 = WE 2004, 162; OLG Hamburg v. 29.10.1993 – 4 U 167/93, WuM 1993, 737. 7 Blank/Börstinghaus, § 540 BGB Rz. 51.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

Allerdings muss sich ein Vermieter, der nicht nur die Zustimmung zu einer Unterver- 1048 mietung, sondern auch die zu einer Nutzungsänderung allein bei Vorliegen eines wichtigen Grundes versagen darf, an dieser Gestaltung festhalten lassen und kann nicht erwarten, durch eine Ausdehnung des Begriffs des „wichtigen Grundes“ zu Lasten des Mieters nicht Vertragsinhalt gewordene Einschränkungen zu realisieren1. Eine solche Regelung macht deutlich, dass der Vermieter kein bestimmtes Konzept mit der Vermietung verfolgt, es ihm also nicht wesentlich auf eine bestimmte Präsentation von Waren, eine bestimmte Branche oder ein besonderes Erscheinungsbild seiner Mieträume angekommen ist. Haben die Parteien vereinbart, dass der Vermieter die Zustimmung zur Vertragsänderung nur aus wichtigem Grund versagen darf, der Mieter also darüber hinaus einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis hat, und verweigert der Vermieter bei einer derartigen Vertragsgestaltung seine Zustimmung zur Untervermietung ohne wichtigen Grund, begeht er eine Pflichtverletzung gemäß § 280 BGB und macht sich dem Mieter gegenüber schadensersatzpflichtig2. Im Übrigen kann der Mieter die Zustimmung zur Nutzungsänderung unter den glei- 1049 chen Voraussetzungen geltend machen, die er beim Eintritt eines Ersatzmieters zu beachten hat3 (vgl. § 537 BGB Rz. 33). Dazu muss ein dringendes und überwiegendes Interesse des Mieters vorliegen, das sich nicht allein aus dem Verkauf eines (Teil-)Betriebes ergibt, selbst wenn dies aus Altersgründen erfolgt. Eine ohne Erlaubnis des Vermieters nicht zulässige Nutzungsänderung liegt z.B. in 1050 folgen Fällen vor: Vereinbarter Nutzungszweck

Davon nicht gedeckt:

Apotheke

Blumengeschäft4

Ausstellungsräume

Asylbewerberheim5

Babybedarf (Fachgeschäft)

Zusätzlicher Verkauf von Nahrungsmittel (Süßigkeiten, Eis etc.)

Bank

Matratzenfachgeschäft6

Büro

Asylbewerberheim7

Büro

Kinderarztpraxis8

Café mit Betriebswohnungen

Asylbewerberheim9

Damenmoden-Boutique

Sex-Shop10

Grillstube (Gaststätte)

Pizza-Taxi-Betrieb nicht, wohl aber Pizzeria11

Hotel

Asylbewerberheim12

Lager

Asylbewerberheim13

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OLG Düsseldorf v. 1.6.2010 – 24 U 32/10, GE 2011, 336 = GuT 2011, 281. OLG Düsseldorf v. 1.6.2010 – 24 U 32/10, GE 2011, 336 = GuT 2011, 281. KG v. 8.9.2003 – 8 U 181/02, GE 2003, 1490 = WE 2004, 162. BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, MDR 1982, 314 = ZMR 1982, 11 = NJW 1982, 376. OLG München v. 26.1.2001 – 21 U 3595/94, ZMR 2001, 347. KG v. 8.9.2003 – 8 U 181/02, GE 2003, 1490 = WE 2004, 162. OLG Düsseldorf v. 14.2.1991 – 10 U 171/90, MDR 1991, 542 = ZMR 1991, 176 = DWW 1991, 80. OLG Düsseldorf v. 20.9.1995 – 3 Wx 259/95, WuM 1995, 727 = ZMR 1996, 39 = NJW-RR 1996, 267. OLG München v. 26.1.2001 – 21 U 3595/94, ZMR 2001, 347. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031. OLG München v. 18.10.2002 – 21 U 2900/02, NZM 2003, 23. OLG Hamm v. 10.9.1991 – 7 U 63/91, ZMR 1992, 192 = NJW 1992, 916. OLG München v. 26.1.2001 – 21 U 3595/94, ZMR 2001, 347.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

Vereinbarter Nutzungszweck

Davon nicht gedeckt:

Metzgerei

Geschäft für Damenoberbekleidung1

Technologiezentrum

Call-Center2

Zahnarztpraxis

Tierarztpraxis für Kleintiere3

IV. Mietgegenstand 1051 Auch in der Gewerberaummiete wird der Mietgegenstand durch den Vertrag festgelegt, und zwar sowohl hinsichtlich der zur Sondernutzug überlassenen Flächen als auch der Gemeinschaftsflächen. Dennoch bestehen Besonderheiten: 1. Nutzung der Außenwand 1052 Der Mieter von Gewerberäumen darf an der Außenwand des Gebäudes, ggf. zusätzlich auch im gemeinsamen Treppenhaus, ein Namens- oder Firmenhinweisschild in angemessener Größe anbringen, soweit dies der Verkehrssitte entspricht. Letzteres ist bei Freiberuflern (Ärzten, Rechtsanwälten, Architekten) der Fall4. Bei Größe, Gestaltung und Platzierung hat er auf berechtigte Vermieterbelange Rücksicht zu nehmen. 1053 Darüber, ob der gewerbliche Mieter die Außenfläche des gemieteten Gebäudes oder Stockwerks zu Reklamezwecken oder zur Anbringung von Warenautomaten nutzen darf, entscheidet bei fehlender Vertragsregelung die Ortssitte5. Der Mieter eines im Erdgeschoss gelegenen Ladenlokals wird dazu bezüglich der Vorderseite des Erdgeschosses berechtigt sein. Für die darüber gelegenen Stockwerke erscheint dies zweifelhaft6. 2. Vermietung vom Reißbrett a) Mietobjekt 1054 Bei der Vermietung eines geplanten, im Bau befindlichen oder umzubauenden Gebäudes bzw. einer Mieteinheit wird der Mietgegenstand regelmäßig durch Grundrisszeichnungen, Lagepläne o.Ä. beschrieben. Dies ist solange unproblematisch, wie das Objekt nicht abweichend errichtet wird. Neben Problemen der Schriftform (vgl. dazu § 550 BGB Rz. 65) stellen sich, und zwar vorrangig, Probleme aus dem Gesichtspunkt der wirksamen Einigung. Denn wird etwas völlig anderes gebaut als vereinbart wurde, ist dem Vermieter die Übergabe in der Regel unmöglich, § 275 Abs. 1 BGB. 1055 Im Zweifel wird die Mietsache in diesen Fällen durch die Übergabe konkretisiert. Besteht eine erhebliche Abweichung zu dem versprochenen Mietobjekt, wird durch die Invollzugsetzung eine stillschweigende Änderung des Mietvertrages herbeigeführt. Bei Mietverträgen, die länger als ein Jahr dauern, können Probleme mit der Schriftform entstehen (vgl. § 550 BGB Rz. 49), weil der beschriebene Mietgegenstrand mit dem tatsächlichen nicht identisch ist. Im Übrigen können sich Gewährleistungsansprüche ergeben, die sich der Mieter aber vorbehalten muss, § 536 BGB. b) Vertragsgemäßer Zustand 1056 Nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB hat der Vermieter das Mietobjekt in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu übergeben. Damit fällt es grundsätzlich

1 2 3 4 5 6

LG Nürnberg-Fürth v. 18.7.1990 – 7 O 2439/90, WuM 1991, 344. OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 24 U 207/01, WuM 2003, 136 = ZMR 2003, 349. OLG Köln v. 12.4.1996 – 20 U 166/95, WuM 1997, 620 = ZMR 1997, 298 = NJW-RR 1997, 204. OLG Düsseldorf v. 27.5.1988 – 16 U 56/88, NJW 1988, 2545 = BRAK-Mitt. 1988, 282. BGH v. 19.3.1957 – VIII ZR 48/56, ZMR 1957, 225 = BB 1957, 382; Fritz, Rz. 69 m.w.N. Offengelassen: BGH v. 19.3.1957 – VIII ZR 48/56, ZMR 1957, 225 = BB 1957, 382; vgl. auch Wolf/ Eckert/Ball, Rz. 192 m.w.N.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

in den Verantwortungsbereich des Vermieters, die für die vereinbarte Nutzung maßgeblichen baulichen Voraussetzungen zu schaffen. Zur Festlegung des vertragsgemäßen Zustandes wird insbesondere bei der Vermie- 1057 tung vom Reißbrett in der Regel auf eine Baubeschreibung Bezug genommen. Mit deren Hilfe sollen die technischen Details, die der Vermieter herzustellen hat und die bei der Übergabe vorhanden sein sollen, festgelegt werden. aa) Vom Standard abweichende Vereinbarungen Solange die Baubeschreibung individuell vereinbart ist, ergeben sich regelmäßig kei- 1058 ne Probleme. Denn sowohl hinsichtlich der Ausführung der notwendigen Arbeiten als auch der Anforderungen (z.B. Lieferung von Details unter Standard) können die Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit abweichende Regelungen treffen. Eine individuelle Festlegung des vertragsgemäßen Zustandes wird aber noch nicht dadurch herbeigeführt, dass der Vermieter die Zusammenstellung als „Mieterbaubeschreibung“ betitelt. Stellt der Vermieter die Baubeschreibung für eine Vielzahl von Fällen, handelt es 1059 sich um AGB. Ihr Inhalt beschränkt sich nicht lediglich auf die Beschreibung des tatsächlichen Zustandes. Vielmehr legen (Mieter-)Baubeschreibungen den Umfang der Verpflichtung des Vermieters aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB fest. Mit Rücksicht darauf unterliegen auch Baubeschreibungen der Prüfung nach § 307 1060 BGB, insbesondere vor dem Hintergrund des Transparenzgebotes, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB1. Dies gilt für einen unter dem Mindeststandard liegenden Zustand unzweifelhaft; er ist nur dann vertragsgemäß, wenn er eindeutig vereinbart ist2. Da sich der vertragsgemäße Zustand aber vor allem am Vertragszweck orientiert, gilt dieser Grundsatz auch, wenn der allgemein beschriebene Lieferzustand nicht alle Details berücksichtigt, die für die Nutzung des Mieters relevant sind (z.B. Kühlung in Ausstellungsräumen). Zwar muss der Vermieter bei nur allgemein beschriebenem Zustand eine Leistung mittlerer Art und Güte erbringen. Indessen geht es hier nicht um die Frage, unter welchen Bedingungen der Vermieter vertragsgemäß liefert, sondern ob für den Mieter erkennbar ist, dass mit der beschriebenen Leistung nicht der von ihm vorausgesetzte Gebrauch in jeder Hinsicht möglich ist. Deshalb sind Klauseln, die ohne technische Detailangaben eine Leistung beschreiben, 1061 in der Regel nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam, wenn damit die Verantwortung auf den Mieter abgewälzt werden soll, die für seinen Betrieb benötigten Leistungen selbst zu beschaffen oder nachzurüsten. Das betrifft den fehlenden Starkstromanschluss in für einen Schnellimbiss bestimmten Räumen, aber auch für die (Ent-)Lüftung in vermieteten Showräumen, die durch starke Scheinwerfer aufgeheizt werden. Generell sind daher detaillierte Angaben erforderlich für die Stärke des Stromnetzes, Lüftungskapazitäten, Schallschutz, Energieverbrauch etc. Insoweit bestehen grundsätzlich weder eine Hinweis- noch eine Untersuchungs- 1062 pflicht des Mieters. Denn wenn der Vermieter verspricht, dass in dem Objekt der Vertragszweck verfolgt werden kann, trägt er dafür die Verantwortung, dass sich aus dem Gebäudezustand keine Hindernisse ergeben. bb) Risikoregelungen zu öffentlich-rechtlichen Genehmigungen Mit der Hauptpflicht des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB lässt es sich nicht vereinbaren, wenn 1063 der Vermieter das Risiko der Einholung einer Nutzungsgenehmigung auf den Mieter auch insoweit formularmäßig überbürdet, dass die Versagung ausschließlich auf der Beschaffenheit oder Lage des Mietobjektes beruht, § 307 BGB3. Dies bezieht sich insbesondere auf Klauseln, wonach der Vermieter keine Gewähr dafür leistet, dass die 1 Vgl. BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 2 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 (unter II 2b). 3 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

gemieteten Räume den in Frage kommenden technischen Anforderungen sowie den behördlichen und anderen Vorschriften entsprechen und der Mieter behördliche Auflagen auf eigene Kosten zu erfüllen hat. Derartige Klauseln halten der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand, weil sie eine Haftung des Vermieters auch für den Fall ausschließen, dass die erforderliche behördliche Genehmigung für den vom Mieter vorgesehenen Gewerbebetrieb aus Gründen versagt wird, die ausschließlich auf der Beschaffenheit oder der Lage des Mietobjekts beruhen. Damit sind nach solchen Klauseln im Falle der Verweigerung der Genehmigung nicht nur Gewährleistungsrechte des Mieters, sondern auch dessen Befugnis zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages ausgeschlossen. Ein so weitgehender Haftungsausschluss benachteiligt aber den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist deshalb nach § 307 BGB unwirksam1. 1064 Unwirksam ist in einem Gaststättenmietvertrag die Klausel, dass dann, wenn der Mieter die Konzession für die Gaststätte nicht erhalte, der Vertrag mit dem Zeitpunkt der Erteilung des Versagungsbescheids als aufgelöst gilt. Denn sie bürdet dem Pächter auch dann das Risiko der behördlichen Erlaubnis auf, wenn die Versagung auf vom Verpächter zu vertretenden Mängeln des Pachtobjekts beruht2. 1065 Anders ist die Rechtslage, wenn die Klausel allein bauliche Veränderungen des Mieters betrifft. Hierzu kann auch formularmäßig geregelt werden, dass der Mieter, dem der Vermieter für eine bauliche Veränderung die Einwilligung erteilt, für die Einholung der bauaufsichtsamtlichen Genehmigung o.Ä. selbst verantwortlich ist und alle Kosten hierfür zu tragen hat3. Denn aus einer solchen Klausel kann nicht hergeleitet werden, der Mieter habe selbst für die zum Betrieb seines Unternehmens erforderliche baurechtliche Nutzungsänderungsgenehmigung zu sorgen. Abgesehen davon hat der Vermieter im Fall der baulichen Veränderung bereits vertragsgemäß erfüllt. V. Rechte und Pflichten des Vermieters 1. Besichtigungsrecht 1066 Auch der Gewerberaummieter hat dem Vermieter Zutritt zum Zwecke der Besichtigung der Mieträume zu gewähren. Obwohl Gewerberäume auch durch Art. 13 GG geschützt werden4, sollen hier weniger strenge Anforderungen gelten5. Dies ist jedoch nicht gerechtfertigt. Auch hier bildet § 535 Abs. 1 S. 2 die Anspruchsgrundlage, und zwar auch für ein allgemeines Besichtigungsrecht6. 1067 Die Rechtslage verändert sich nicht, wenn dem Vermieter der Zutritt zum Mietobjekt dadurch möglich ist, dass der Mieter im Hinblick auf die von ihm ausgeübte gewerbliche Tätigkeit der Öffentlichkeit das Mietobjekt zugänglich macht, wie es z.B. bei Verkaufsgeschäften innerhalb der Ladenöffnungszeiten der Fall ist7. Denn hier beschränkt sich die Dritten gegenüber erfolgte Gestattung des Mieters, die gemieteten Räumlichkeiten und Flächen zu betreten, nur darauf, dies im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs als Kunden zu tun. Ein ständiges Besichtigungs- und Zutrittsrecht des Vermieters folgt daraus nicht. Vielmehr steht dem Vermieter das allgemeine Besichtigungsrecht zu, das über die Grenzen des befugten Gebrauchs durch Kunden hinausgeht.

1 Vgl. BGH v. 22.6.1988 – VIII ZR 232/87, MDR 1988, 1052 = NJW 1988, 2664 (2665). 2 BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, ZMR 1993, 320 = NJW-RR 1993, 519. 3 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274. 4 BVerfG v. 13.10.1971 – 1 BvR 280/66, NJW 1971, 2299. 5 AG Neuss v. 14.11.1988 – 30 C 508/88, WuM 1989, 364. 6 A.A. Wolf in Lindner-Figura u.a., Kap. 13 Rz. 170: § 242 BGB. 7 OLG Düsseldorf v. 12.8.2008 – 24 U 44/08, GE 2008, 1326 = GuT 2008, 345.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 2. Prüfungspflicht

Grundsätzlich ergeben sich im Gewerberaummietrecht keine anderen Prüfungspflich- 1068 ten als in der Wohnraummiete (vgl. § 535 BGB Rz. 463). Selbst wenn der Vermieter weiß, dass der Mieter in der Mietsache mit gefährlichen Stoffen oder Umweltgiften umgeht, erhöhen sich ohne besonderen Anlass weder der Turnus des allgemeinen Besichtigungsrechts noch die Anforderungen an die Untersuchung der Mietsache. Der Vermieter kann sich darauf verlassen, dass der Mieter nur den vertragsgemäßen Gebrauch ausübt und gefährliche Zustände im Rahmen des § 536c BGB anzeigt. Erst recht ist er wegen der tatsächlichen Zugangsmöglichkeit nicht verpflichtet, Ob- 1069 hut über die dem Mieter überlassene Sache walten zu lassen und Untersuchungen hinsichtlich gefährlicher Zustände durchzuführen. Insoweit gelten vielmehr die allgemeinen Grundsätze: Der Mieter hat grundsätzlich das Recht auf den ungestörten Besitz an der Mietsache. Dieses unterliegt im Interesse des Vermieters den Schranken des § 242 BGB, aus dem sich eine Duldungspflicht des Mieters bei Besuchen des Vermieters ergeben kann. Daran ändert eine generelle Zugänglichkeit der Mietsache innerhalb der Ladenöffnungszeiten nichts1. 3. Konkurrenzschutz Besteht keine entgegenstehende oder weitergehende besondere Regelung im Miet- 1070 vertrag, schuldet der Vermieter dem Mieter in zumutbarem Umfang Konkurrenzschutz (sog. vertragsimmanenter Konkurrenzschutz). Dabei handelt es sich um eine Nebenpflicht i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB. Danach besteht für den Vermieter das Gebot, über ein bestimmtes Maß hinaus keine Konkurrenz zuzulassen2. a) Voraussetzungen des vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes aa) Allgemeines Für den Bestand und den Umfang des Konkurrenzschutzes, der ohne ausdrückliche 1071 Begründung entstehen soll, kann nicht einseitig auf die Interessenlage des Mieters abgestellt werden. Vielmehr sind auch die Belange des Vermieters zu berücksichtigen, der im Fall der Annahme einer Schutzpflicht u.U. auch ohne Rücksicht auf ein Verschulden haftet (§ 536 BGB3) und daher mindestens eine Einwirkungsmöglichkeit auf den Konkurrenten braucht. Deshalb kommt ein vertragsimmanenter Konkurrenzschutz gegenüber einem Teileigentümer in der Regel nicht in Betracht, wenn ihm nur eine Einheit gehört4. Denn über das WEG kann er nur auf den Eigentümer der Einheit mit der konkurrierenden Nutzung einwirken, wenn dies zwischen den Eigentümern vereinbart ist. Ein gesetzlicher Konkurrenzschutz zwischen Teileigentümern oder Nachbarn besteht nicht. Voraussetzung des sog. vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes ist im Übrigen, 1072 dass ein bestimmter vom Mieter verfolgter Geschäftszweck Gegenstand des Mietvertrags geworden ist5. Eine vertragswidrige Sortimentserweiterung/-änderung führt nicht zur Änderung des Schutzumfanges6. Dies gilt auch bei der bloßen Duldung dieser Sortimentserweiterung, solange daraus keine schlüssige Vertragserweiterung des Geschäftszwecks wird7. Eine vertragswidrige Umgehung des Konkurrenzschutzes ist gegeben, wenn der Ver- 1073 mieter einen Teil des Mietgrundstückes oder das ihm gehörende, in den Konkurrenzschutz räumlich einbezogene Nachbargrundstück an einen Konkurrenten des Mieters veräußert8. Eine Untervermietung durch einen Mitmieter an einen Konkurrenten 1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Düsseldorf v. 12.8.2008 – 24 U 44/08, GE 2008, 1326 = GuT 2008, 345. BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, NJW 1979, 1404 m.w.N. Dessen Anwendung allerdings streitig ist. OLG Brandenburg v. 10.6.2009 – 3 U 169/08, NZM 2010, 43. Jendrek, NZM 2000, 116 (1117). BGH v. 26.1.1960 – VIII ZR 31/59, ZMR 1960, 139. Joachim, BB 1986, Beilage 6 S. 6. OLG Koblenz v. 2.2.1960 – 3 U 436/59, NJW 1960, 1253.

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des Mieters darf der Vermieter, wenn dadurch erstmals eine Konkurrenzsituation begründet wird, nicht hinnehmen; er muss dagegen rechtlich einschreiten1. bb) Schuldner des vertragsimmanten Konkurrenzschutzes 1074 Der vertragsimmanente Konkurrenzschutz, der durch einen vereinbarten Konkurrenzschutz verdrängt wird2, soll unzumutbaren Wettbewerb durch den Vermieter selbst oder durch dessen andere Mieter/Pächter unterbinden3. Zur Gewährung dieses Schutzes ist grundsätzlich nur der Vermieter verpflichtet. Der später hinzukommende Mieter kann allenfalls unter den besonderen Voraussetzungen des § 1 UWG Unterlassung schulden, wozu allerdings erforderlich ist, dass er bewusst am Vertragsbruch mitwirkt4. 1075 Ist der Vermieter eine oHG, sind auch deren persönlich haftende Gesellschafter gehalten, zugunsten des Mieters das Konkurrenzverbot zu beachten5. Besteht Identität der Gesellschafter zweier Handelsgesellschaften, deren eine als Vermieter fungiert, ist auch die andere zur Unterlassung dem Mieter nicht zumutbarer Konkurrenz verpflichtet6. Demgegenüber verstößt der gesetzliche Vertreter einer als Vermieter auftretenden juristischen Person nicht gegen das vertragsimmanente Konkurrenzverbot, wenn er dem Mieter der von ihm vertretenen Gesellschaft Konkurrenz macht. Anders allerdings verhalten sich die Dinge, wenn eine Ein-Mann-GmbH Gewerberaum vermietet7. Der Konkurrenzschutz erstreckt sich nicht auf Grundstücke des Ehegatten des Vermieters. Ehegatten sind im Erwerbsleben grundsätzlich eigenständig8. cc) Umfang des Konkurrenzschutzes (1) Sachlicher Umfang 1076 In der Regel muss der Mieter die bei Vertragsschluss vorhandene Konkurrenz hinnehmen9. Dies folgt nicht aus § 536b BGB10. Der Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 BGB wird durch § 536b BGB nicht berührt11. Abgesehen davon, dass sich der Mieter in die Konkurrenzsituation hineinmietet, hat der Vermieter ohne Vertragsänderung keine Möglichkeit, die Nutzung des konkurrierenden Mieters zu unterbinden12. Der Konkurrenzschutz richtet sich im Wesentlichen danach, welchen Besitzstand der Mieter nach den bei Vertragsschluss ersichtlichen Umständen erwarten konnte bzw. erwarten durfte13. Demgemäß sind die Schutzrechte des Mieters nicht ausgeschlossen, wenn und soweit er seinen Mietvertrag in Unkenntnis der Konkurrenzsituation abgeschlossen hat14. 1077 Der Vermieter ist allerdings nicht gehalten, seinem Mieter jeden fühlbaren oder unliebsamen Wettbewerb fernzuhalten. Vielmehr ist nach den Umständen des Einzelfalles abzuwägen, inwieweit nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Belange der Mietvertragsparteien die Fernhaltung von Konkurrenz geboten ist15. Demgemäß erstreckt sich der vertragsimmanente Konkurrenzschutz nicht auf jeglichen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Joachim, BB 1986 Beilage 6 S. 11 m.w.N.; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 653. KG v. 6.5.2010 – 12 U 150/09, GuT 2010, 208. BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 101/76, NJW 1978, 585. BGH v. 7.7.1976 – I ZR 85/75, NJW 1976, 2301; Gerlach, MDR 1993, 498. RG v. 2.5.1932 – VIII 104/32, RGZ 136, 266. BGH v. 7.6.1972 – VIII ZR 175/70, WPM 1972, 882 = BGHZ 59, 64. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 655. BGH v. 26.11.1986 – VIII ZR 260/85, MDR 1987, 401 = NJW 1987, 909. KG v. 6.5.2010 – 12 U 150/09, MietRB 2010, 231 = GuT 2010, 208 = GE 2010, 1338. So aber offensichtlich Wolf/Eckert/Ball, Rz. 662; Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1252. BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = MietRB 2007, 195 = GuT 2007, 208 = ZMR 2007, 605 = GE 2007, 840 = NZM 2007, 484. OLG Köln v. 27.5.2005 – 1 U 72/04, GuT 2005, 157. BGH v. 26.1.1960 – VIII ZR 31/59, ZMR 1960, 139; Bub/Treier/Kraemer, III B Rz. 1243. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 663. BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, NJW 1979, 1404; BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 101/76, NJW 1978, 585.

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vom Mieter im Rahmen seines Gewerbes angebotenen Artikel, sondern nur auf den Kern der Angebotspalette, die sog. Hauptartikel. Wettbewerb in Nebenartikeln ist dem Mieter grundsätzlich zumutbar1. Hauptartikel sind nur solche Waren, die den Stil des Geschäfts bestimmen und dem Geschäft das Gepräge geben2. Dabei muss nicht immer absolute Gleichartigkeit zwischen den Hauptartikeln der beiden Konkurrenten bestehen. Es reicht aus, wenn beide Artikel zur Deckung desselben Bedarfs geeignet sowie bestimmt sind und der potentielle Kunde vorhandenen Bedarf nur mit einem der beiden konkurrierenden Artikel deckt3. So können der Pizzabäcker und der Gyrosverkäufer, da der Kunde seinen Hunger in der Regel nur mit dem Produkt eines der beiden Anbieter stillt, durchaus Konkurrenten sein. Das Gleiche gilt für einen Bäcker und ein Fast-Food-Geschäft, das belegte Sandwiches (Subway) verkauft4. Eine Konkurrenzschutzlage besteht nicht schon dann, wenn der Absatz von Haupt- 1078 artikeln des Mieters durch ein Konkurrenzangebot von Nebenartikeln tangiert wird. Erforderlich ist vielmehr, dass Mieter und Konkurrent die gleichen Waren jeweils als Hauptartikel vertreiben5. Das wird in der Praxis häufig übersehen. Der Mieter, der ein Fachgeschäft betreibt, kann sich gegen einen neu eröffneten Su- 1079 permarkt oder ein SB-Warenhaus unter Hinweis auf vertragsimmanenten Konkurrenzschutz nur ausnahmsweise mit Erfolg wehren. Denn das Warensortiment derartiger Märkte/Warenhäuser wird sich regelmäßig nicht in Haupt- und Nebenartikel aufteilen lassen6. Ein Ausnahme ist gerechtfertigt, wenn der Markt/das Warenhaus trotz seines weitgefächerten Warenangebotes gerade die Hauptartikel des Fachhändlers in einer Vielfalt, Auswahlmöglichkeit, Geschlossenheit und Übersichtlichkeit darbietet, die dem Angebot eines Fachgeschäftes entspricht, weil dann der Zweck und das Gepräge des Geschäfts von Waren dieser Art zumindest mitbestimmt werden7. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn in dem Markt erkennbar abgetrennte und als solche herausgestellte Fachabteilungen mit entsprechend vielfältigem Warenangebot und mit Fachberatung gebildet werden. In einem Shopping-Center ist vertragsimmanenter Konkurrenzschutz auch ohne 1080 ausdrückliche Regelung gänzlich zumindest konkludent ausgeschlossen, weil der Mieter bei derartigen Objekten mit zahlreichen Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben grundsätzlich nicht vom Konkurrenzschutz ausgehen kann. Vielmehr begibt er sich in ein Center, welches gerade von Angebot und Vielfalt, insbesondere vom Wettbewerb zahlreicher Anbieter „blühe, wachse und gedeihe“8. In der Praxis wird diese Problematik dadurch entschärft, dass bei der Vermietung von Ladengeschäften in derartigen Objekten der Konkurrenzschutz mietvertraglich geregelt, zumeist ausgeschlossen wird. (2) Räumlicher Umfang Die vertragsimmanente Vermieterverpflichtung zur Fernhaltung unzumutbarer 1081 Konkurrenz ist in örtlicher Hinsicht auf die sonstigen auf dem Mietgrundstück befindlichen Räume und auf die Grundstücke des Vermieters in unmittelbarer Nach-

1 BGH v. 10.2.1988 – VIII ZR 33/87, WPM 1988, 876; BGH v. 3.7.1985 – VIII ZR 128/84, MDR 1986, 46 = ZMR 1985, 374 = NJW-RR 1986, 9; BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, NJW 1979, 1404. 2 BGH v. 3.7.1985 – VIII ZR 128/84, MDR 1986, 46 = ZMR 1985, 374 = NJW-RR 1986, 9; Näheres Joachim, BB 1986, Beilage 6 S. 5. 3 Vgl. auch OLG Hamm v. 8.11.1996 – 7 U 11/96, NJW-RR 1997, 459. 4 OLG Düsseldorf v. 9.11.2009 – I-24 U 61/09, GE 2010, 411. 5 BGH v. 3.7.1985 – VIII ZR 128/84, MDR 1986, 46 = ZMR 1985, 374 = NJW-RR 1986, 9; Jendrek, NZM 2000, 1116 (1117). 6 Jendrek, NZM 2000, 1116 (1118). 7 BGH v. 3.7.1985 – VIII ZR 128/84, MDR 1986, 46 = ZMR 1985, 374 = NJW-RR 1986, 9; BGH v. 24.4.1968 – VIII ZR 120/67, WPM 1968, 699; OLG Hamm v. 16.12.1997 – 7 U 64/97, NZM 1998, 511; zu weitgehend OLG Celle v. 13.5.1992 – 2 U 99/91, ZMR 1992, 448 (da es nur auf die Vielfalt des Angebots abstellt). 8 Joachim, NZM 2000, 787 (797).

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barschaft des Mietobjekts begrenzt1. Ob und wann Räume in diesem Sinne in unmittelbarer Nachbarschaft liegen, lässt sich nicht generell, sondern nur anhand der Umstände des Einzelfalles entscheiden2. Dabei kommt den örtlichen Gegebenheiten besonderes Gewicht zu3. So ist z.B. die Konkurrenzsituation in den Topgeschäftslagen einer Großstadt von vornherein stärker als in ländlichen Gebieten. 1082 Auch für die örtliche Eingrenzung des vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes ist letztlich entscheidend, inwieweit nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Berücksichtigung der Belange der Parteien die Fernhaltung der Konkurrenz geboten ist4. Danach besteht eine unmittelbare Nachbarschaft in dem hier interessierenden Sinne jedenfalls dann nicht mehr, wenn die beiden Grundstücke des Vermieters 100 m voneinander entfernt und zudem in verschiedenen Straßen liegen5. Ebenso fehlt der räumliche Zusammenhang, wenn die beiden Grundstücke zwar an derselben als Fußgängerzone ausgestalteten Ladenstraße eines Einkaufszentrums liegen, jedoch 350 m voneinander entfernt sind6. dd) Konkurrenzschutz für freie Berufe 1083 Die Verpflichtung zum (vertragsimmanenten) Konkurrenzschutz gilt auch für Praxen freiberuflich tätiger Ärzte, Architekten, Steuerberater und Rechtsanwälte, obwohl sie keine Gewerbe im eigentlichen Sinne betreiben. Denn auch diese Berufsgruppen, zumal wenn sie derselben Fachrichtung angehören, stehen in wirtschaftlicher Konkurrenz zueinander. 1084 Allerdings wird der räumlichen Nähe zu einer anderen Praxis nicht immer dieselbe Bedeutung eingeräumt wie bei Läden oder Gaststätten. Fachliches Können, Geschick im Umgang mit Patienten und Wertschätzung bei Kollegen anderer Disziplinen spielen eine beachtliche Rolle7. Deshalb sind auch hier die Umstände des Einzelfalles von besonderer Bedeutung. Bei dem Problem der Konkurrenzverschärfung wird maßgeblich darauf abgestellt, ob in der näheren Umgebung des hinzukommenden Mieters schon zahlreiche Praxen von Konkurrenten existieren bzw. ob der hinzutretende Mieter mit dem Geschäftsprofil des Konkurrenten rechnen muss8. 1085 Insoweit kommt es zusätzlich bei (Fach-)Ärzten und sonstigen Heilberufen konkret auf das typische Berufsbild bzw. ärztliche Leistungsspektrum an. So ist der Vermieter, der Praxisräume an einen Zahnarzt im Stadtzentrum vermietet, generell (vertragsimmanent) nicht verpflichtet, bei Vermietung weiterer Räume desselben Hauses an einen anderen Zahnarzt auf den bereits vorhandenen Mieter Rücksicht zu nehmen9. 1086 Es können aber auch Prioritätsgesichtspunkte von Bedeutung sein. Deshalb steht dem mit vertraglich vereinbartem Konkurrenzschutz ausgestatteten Fachanwalt für Arbeitsrecht keine Einwirkungsmöglichkeit gegenüber seinem Vermieter zu, wenn der zu Vertragsbeginn vorhandene Fachanwalt für Strafrecht seinen Sohn in die Kanzlei aufnimmt, der die Bezeichnung Fachanwalt für Arbeitsrecht führt10. 1087 Für Personalüberlassungsunternehmen stellt sich die Konkurrenzsituation in einer den freien Berufen/Einzelhandelsgeschäften vergleichbaren Weise dar11.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, NJW 1979, 1404; Joachim, BB 1986, Beilage 6 S. 9 m.w.N. Jendrek, NZM 2000, 1116 (1118). Joachim, BB 1986, Beilage 6 S. 9. BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, NJW 1979, 1404. BGH v. 24.4.1968 – VIII ZR 120/67, WM 1968, 699. BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, NJW 1979, 1404. BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 101/76, BGHZ 70, 80. Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1247; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 515. OLG Karlsruhe v. 5.7.1972 – 6 U 158/71, NJW 1972, 2224. OLG Köln v. 27.5.2005 – 1 U 72/04, MDR 2006, 86 = MietRB 2005, 258 = GuT 2005, 157 = ZMR 2005, 861. 11 OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 1174/00, NZM 2001, 1033.

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b) Vertraglicher Konkurrenzschutz Im Rahmen der geltenden Gesetze sind aufgrund der bestehenden Vertragsfreiheit 1088 Vereinbarungen über den dem Mieter zustehenden Konkurrenzschutz zulässig1. Derartige Vertragsregelungen ergänzen den vertragsimmanenten Konkurrenzschutz oder treten an seine Stelle. Regelmäßig geht der vertraglich geregelte Konkurrenzschutz einem möglicherweise weitergehenden vertragsimmanenten Konkurrenzschutz vor2. Vertraglich kann der Konkurrenzschutz in räumlicher und/oder sachlicher Hinsicht 1089 ausgedehnt oder eingeengt, insbesondere auch völlig ausgeschlossen werden. Letzteres ist auch in formularvertraglichen Bestimmungen wirksam3, darin liegt keine unangemessene Benachteiligung des Mieters i.S.d. § 307 BGB4. Das Gleiche gilt für eine Ausdehnung des Konkurrenzschutzes auf Nebenartikel5. 1090 Denn im Gegensatz zum vertragsimmanenten Konkurrenzschutz ist der vertraglich bestimmte Konkurrenzschutz nicht von vornherein auf die Haupttätigkeit des geschützten Mieters beschränkt6. Bei freien Berufen spricht die Umschreibung des Konkurrenzschutzes mit einer 1091 Fachdisziplin, die im Vertrag auch genau definiert wird, zudem dafür, dass sich der Schutz vor der Konkurrenz auf die gesamte Bandbreite der geschützten Fachrichtung erstrecken sollte7. Umso mehr erstreckt sich der vom Vermieter vertraglich geschuldete Konkurrenzschutz zugunsten einer Praxis für Krankengymnastik auch auf „erweiterte ambulante Physiotherapie“ in einem Rehabilitationszentrum8. c) Rechtsfolgen bei Verletzung des Konkurrenzschutzes Verletzt der Vermieter seine Verpflichtung, dem Mieter unzumutbare Konkurrenz 1092 fernzuhalten, so kann der Mieter – Erfüllung, also die Unterlassung/Verhinderung/Beseitigung der Konkurrenzsituation verlangen9, – einen angemessenen Teil der laufenden Miete als Druckmittel (§ 320 BGB) vorläufig einbehalten, – Schadensersatz wegen Gewinnrückgangs verlangen10 – nach erfolgloser Fristsetzung zur Abhilfe den Mietvertrag gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB wegen Nichtgewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs fristlos aufkündigen. Ob in der vertragswidrigen Konkurrenzsituation ein Mangel der Mietsache i.S.d. 1093 § 536 BGB zu sehen ist, ist umstritten. Von der Beantwortung der Frage hängt nicht nur die Minderung ab, sondern auch die Anspruchsgrundlage für die Schadensersatzpflicht des Vermieters. Denn bei einem Sachmangel ist nach § 536a BGB vorzugehen. Andernfalls sind die Voraussetzungen des § 280 BGB zu prüfen.

1 BGH v. 3.7.1985 – VIII ZR 128/84, MDR 1986, 46 = ZMR 1985, 374 = NJW-RR 1986, 9; BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, NJW 1979, 1404. 2 KG v. 6.5.2010 – 12 U 150/09, MietRB 2010, 231 = GE 2010, 1338. 3 Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1254; Jendrek, NZM 2000, 1116 (1119). 4 OLG Hamburg v. 17.12.1986 – 4 U 237/85, MDR 1987, 321 = ZMR 1987, 94; OLG Düsseldorf v. 11.6.1992 – 10 U 165/91, ZMR 1992, 445. 5 OLG Köln v. 16.12.1997 – 24 U 100/97, NZM 1998, 512; OLG Celle v. 13.5.1992 – 2 U 99/91, ZMR 1992, 448. 6 Vgl. BGH v. 3.7.1985 – VIII ZR 128/84, MDR 1986, 46 = ZMR 1985, 374 = NJW-RR 1986, 9. 7 OLG Dresden v. 20.7.2010 – 5 U 1286/09, MietRB 2011, 44 = MDR 2010, 1446 = NZM 2010, 818 = GE 2011, 133. 8 OLG Schleswig v. 18.3.1998 – 4 U 158/97, MDR 1998, 642. 9 BGH v. 3.7.1985 – VIII ZR 128/84, MDR 1986, 46 = ZMR 1985, 374 = NJW-RR 1986, 9; wegen der Fassung der Unterlassungsanträge und der Vollstreckung s. Jendrek/Ricker, NZM 2000, 229. 10 BGH v. 3.7.1985 – VIII ZR 128/84, MDR 1986, 46 = ZMR 1985, 374 = NJW-RR 1986, 9.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

1094 Der BGH hatte die Rechtsfrage offengelassen1, nachdem er sich zunächst bei einem vertraglich bestimmten Konkurrenzschutz gegen die Annahme eines Mietmangels ausgesprochen hatte2. Trotzdem hatten diverse Oberlandesgerichte einen Sachmangel durch eine Konkurrenzschutzverletzung angenommen3. In der Literatur4 wurde der Sachmangel verneint oder zwischen vertragsimmanentem und vertraglich zugesichertem Konkurrenzschutz differenziert5. Nunmehr hat der BGH entschieden, dass bei Verletzung des Konkurrenzschutzes ein Mangel der Mietsache anzunehmen ist, für den aber eine Gebrauchsbeeinträchtigung besonders festgestellt werden muss6. 1095 Richtigerweise kann weder bei einer Verletzung des vertragsimmanenten noch vertraglich bestimmten Konkurrenzschutzes von einem Sachmangel i.S.d. § 536 BGB ausgegangen werden. Denn zur Annahme eines solchen Mangels ist eine für den Mieter nachteilige Abweichung der tatsächlichen von der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit der Mietsache erforderlich. Zwar kommen sowohl tatsächliche Umstände als auch rechtliche Verhältnisse in Bezug auf die Mietsache als Fehler in Betracht. Indessen muss stets eine unmittelbare Beeinträchtigung der Tauglichkeit bzw. eine unmittelbare Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache vorliegen. Ohne das Korrektiv der Unmittelbarkeit wird nämlich allgemein eine Ausuferung des Fehlerbegriffes befürchtet. Deshalb werden Umstände, die die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nur mittelbar berühren, nicht als Mangel angesehen7. Nach diesen Kriterien fällt die vertragswidrige Konkurrenzsituation nicht unter den Begriff des Mangels, weil sie nur zu einer mittelbaren Beeinträchtigung der Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch führt8. Die angemieteten Räume oder deren Wert werden nicht unmittelbar beeinflusst, weil die Konkurrenzschutzpflicht nur eine schuldrechtliche Verpflichtung des Vermieters gegenüber dem Mieter bewirkt9. Die Unmitttlebarkeit kann hier auch nicht aus der Nachhaltigkeit der mittelbaren Einwirkung hergeleitet werden. Denn der Inhalt und Umfang des Anspruches auf Konkurrenzschutz ist stark mit der Person des Mieters verknüpft. So ist bei den identischen Räumen und dem gleichen Inhalt der Konkurrenzschutzklausel im Mietvertrag das Bestehen eines Konkurrenzschutzes davon abhängig, ob zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits ein Konkurrent des Mieters im selben Objekt Räume gemietet hatte. Befand sich der Konkurrent bei Vertragsabschluss schon im Gebäude, kann ihn der Mieter mit der Konkurrenzschutzvereinbarung nicht abwehren, während ihm ein entsprechender Anspruch zusteht, wenn der Konkurrent zu einem späteren Zeitpunkt eingezogen ist. Die Auswirkungen des Konkurrenzschutzes auf die gemieteten Räume sind demnach mittelbar, nicht aber unmittelbar10.

1 BGH v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, MDR 2007, 202 = NJW 2006, 3060. 2 BGH v. 23.12.1953 – VI ZR 244/52, BB 1954, 177 = LM Nr. 3 zu § 537 BGB; ebenso: OLG Dresden v. 20.7.2010 – 5 U 1286/09, MietRB 2011, 44 = MDR 2010, 1446 = NZM 2010, 818 = GE 2011, 133; OLG Frankfurt v. 1.7.1985 – 4 U 167/84, EWiR 1985, 555. 3 Vgl. OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 174/00, NZM 2001, 1033; KG v. 25.1.2007 – 8 U 140/06, NZM 2007, 566; OLG Koblenz v. 15.12.2006 – 10 U1013/05, NZM 2008, 405. 4 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 729 f.; Leo/Ghassemi-Tabar, NZM 2009, 337 (342 f.). 5 Hübner/Griesbach/Schreiber in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 176 f. (Mietmangel nur bei Verstoß gegen den vertragsimmanenten Konkurrenzschutz, nicht aber bei Verstoß gegen den vertraglich vereinbarten Konkurrenzschutz). 6 BGH v. 10.10.2012 – XII ZR 117/10, MDR 2012, 1396 = NJW 2013, 44 = ZMR 2013, 101; kritisch dazu: Oprée/Reinhard, NZM 2013, 16 f. 7 Vgl. BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714; BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 (68) = NJW 2009, 664. 8 OLG Dresden v. 20.7.2010 – 5 U 1286/09, MietRB 2011, 44 = MDR 2010, 1446 = NZM 2010, 818 = GE 2011, 133. 9 BGH v. 23.12.1953 – VI ZR 244/52, BB 1954, 177 = LM Nr. 3 zu § 537 BGB. 10 OLG Dresden v. 20.7.2010 – 5 U 1286/09, MietRB 2011, 44 = MDR 2010, 1446 = NZM 2010, 818 = GE 2011, 133; Leo/Ghassemi-Tabar, NZM 2009, 337 (342 f.).

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Lützenkirchen

§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags d) Fallbeispiele

1096

Vertragsgewerbe

Konkurrenzschutz

Konkurrierendes Gewerbe

Apotheke

(–)

Selbstbedienungsdrogerie im gleichen Haus1

Arbeitnehmerüberlassung

(+)

gleiches Gewerbe im gleichen Haus2

Arzt: Praktischer Arzt, speziell hausärztlicher Internist

(+)

Praktischer Arzt mit chinesischer Naturheilkunde3

Arztpraxis

(+)

Arztpraxis mit ähnlicher Fachrichtung4

Bäckerei

(–)

Milch- und Lebensmittelfachgeschäft mit Brotverkauf5

Bäckerei

(–)

Verbrauchermarkt, der zwei Brötchensorten und verpacktes Brot anbietet6

Bäckerei

(–)

Fast-Food-Unternehmen, das Sandwiches anbietet (Subway)7

Bäckerei

(–)

Supermarkt ohne besondere Backwarenabteilung8

Bäckerei, die Kaffee verkauft

(–)

Spezialgeschäft für Kaffee9

Baumarkt mit Abteilung für Bodenbeläge

(–)

Fachgeschäft für Orientteppiche10

Café mit Konditorei

(+)

Eissalon11

Drogeriemarkt

(+)

Supermarkt nebst Drogerieabteilung mit dem Angebot einer Fachdrogerie12

Facharzt für Orthopädie (Schwerpunkt Chirotherapie)

(+)

Arztpraxis für die Fachdisziplin Chirurgie/Unfallchirurgie13

Fliesengroß- u. Einzelhandel

(+)

Baumarkt mit großem Fliesenangebot14

Frisör

(–)

Parfümerie15

Gaststätte

(+)

Gaststätte mit unterschiedlichen Spezialitäten16

1 KG v. 6.6.2005 – 8 U 25/05, GuT 2005, 228; OLG Frankfurt v. 27.8.1981 – 6 U 75/81, NJW 1982, 707. 2 OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 174/00, ZMR 2002, 38. 3 KG v. 25.1.2007 – 8 U 140/06, NZM 2007, 566. 4 OLG Hamm v. 19.4.1991 – 30 U 56/91, ZMR 1991, 295. 5 BGH v. 26.1.1955 – VI ZR 274/53, ZMR 1955, 200. 6 OLG Köln v. 16.12.1997 – 24 U 100/97, NZM 1998, 512. 7 OLG Düsseldorf v. 9.11.2009 – I-24 U 61/09, MietRB 2010, 195 = GuT 2010, 207. 8 OLG Hamm v. 16.12.1997 – 7 U 64/97, NZM 1998, 511. 9 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 689. 10 OLG Nürnberg v. 3.11.2006 – 5 U 754/06, MDR 2007, 395 = MietRB 2007, 117 = NZM 2007, 567. 11 OLG Frankfurt v. 3.4.1968 – 17 U 7/68, DB 1970, 46; BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, WuM 1979, 144. 12 BGH v. 24.4.1968 – VIII ZR 120/67, MDR 1968, 657. 13 BGH v. 10.10.2012 – XII ZR 117/10, MDR 2012, 1396 = NJW 2013, 44. 14 BGH v. 8.1.1957 – VIII ZR 225/56, BB 1957, 167. 15 Lützenkirchen/Dickersbach, AHB Mietrecht, I Rz. 203. 16 OLG Karlsruhe v. 7.4.1989 – 14 U 16/86, ZMR 1990, 215.

Lützenkirchen

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

Vertragsgewerbe

Konkurrenzschutz

Konkurrierendes Gewerbe

Gastwirtschaft (bürgerlich-rustikal)

(+)

Imbissverkauf für dieselbe Verbrauchergruppe

Gastwirtschaft

(+)

Aufstellung eines Zigarettenautomaten neben dem Gaststätteneingang1

Gastwirtschaft mit monopolartigem Kantinencharakter, die gegen hohe Abstandszahlung angemietet wurde

(+)

Café mit Eisdiele2

Juwelier

(+)

Juwelier im Nachbarhaus3

Krankengymnastikpraxis

(+)

erweiterte ambulante Physiotherapie4

Lebensmitteldiscounter

(-)

Russisches Kaufhaus mit – zum großen Teil russischen – Lebensmitteln5

Lebensmittelgeschäft mit Blumenverkauf

(–)

Blumenfachgeschäft6

Metzgerei mit „heißer Theke“

(–)

Imbissstand7

Milch- und Lebensmittelgeschäft

(–)

Feinkostgeschäft8

Papierwarengeschäft

(+)

Supermarkt9

Papierwarenladen mit Postern als Hauptartikel

(+)

Blumengeschäft im selben Haus mit Angebot gleichartiger Plakate10

Rechtsanwalt (FA für Arbeitsrecht)

(–)

Rechtsanwalt (FA für Strafrecht, der bei Abschluss des Mietvertrages schon im Haus residierte und seine Kanzlei durch Aufnahme eines FA für Arbeitsrecht erweitert)11

Reformhaus

(–)

Lebensmittelgeschäft12

Restaurant

(+)

Café oder Laden mit Imbissverkauf13

Schuhgeschäft

(+)

Schuhgeschäft auf Nebengrundstück14

Schuhgeschäft mit Strümpfen

(–)

Bekleidungsgeschäft15

Spielhalle

(+)

aus einem Spielcasino umgewandelte weitere Spielhalle

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

LG Detmold v. 24.1.1968 – 2 S 211/67, MDR 1969, 56. BGH v. 22.3.1961 – VIII ZR 98/60, ZMR 1961, 226. RG v. 2.2.1931 – VII 503/30, RGZ 131, 274. OLG Schleswig v. 18.3.1998 – 4 U 158/97, MDR 1998, 642. KG v. 6.5.2010 – 12 U 150/09, MietRB 2010, 231 = GE 2010, 1338. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 689. OLG Hamm v. 13.1.1987 – 7 U 193/86, MDR 1988, 409 = ZMR 1988, 136. BGH v. 26.1.1960 – VIII ZR 31/59, ZMR 1960, 139. OLG Celle v. 13.5.1992 – 2 U 99/91, WuM 1992, 538. LG Mannheim v. 11.4.1972 – 2 O 246/71, ZMR 1972, 276. OLG Köln v. 27.5.2005 – 1 U 72/04, GuT 2005, 157. Lützenkirchen/Dickersbach, AHB Mietrecht, I Rz. 203. BGH v. 10.2.1988 – VIII ZR 33/87, WM 1988, 876. BGH v. 23.12.1953 – VI ZR 244/52, ZMR 1954, 78. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 689.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Vertragsgewerbe

Konkurrenzschutz

Konkurrierendes Gewerbe

Supermarkt (EDEKA)

(+)

Drogeriemarkt, bei Klausel mit Verbot der Vermietung an „Wettbewerbsobjekt“1

Tankstelle

(+)

Tankstelle in derselben Straße2

Tierhandlung (Tiernahrung etc.)

(–)

Lebensmittelsupermarkt mit einem Regal für Tiernahrung etc.3

4. Sonstige Nebenpflichten des Vermieters Wie bei der Wohnraummiete schuldet der Vermieter von Gewerberaum Fürsorge und 1097 Schutz des Mieters im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs. Auch wenn er damit noch keine Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg des Mieters übernimmt, hat er alles zu unterlassen, was den wirtschaftlichen Erfolg hindern könnte. Aus diesem Gedanken entsteht die vertragsimmanente Konkurrenzschutzpflicht des Vermieters (vgl. § 535 BGB Rz. 1071). Gewährt der Mieter der Öffentlichkeit im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs 1098 ungehindert Zutritt (z.B. Verkaufsgeschäft), folgt daraus noch kein ständiges Besichtigungs- und Zutrittsrecht des Vermieters. Erst recht ist er wegen der tatsächlichen Zugangsmöglichkeit nicht verpflichtet, Obhut über die dem Mieter überlassene Sache walten zu lassen. Insoweit gelten vielmehr die allgemeinen Grundsätze: Der Mieter hat grundsätzlich das Recht auf den ungestörten Besitz an der Mietsache. Dieses unterliegt im Interesse des Vermieters den Schranken des § 242 BGB, aus dem sich eine Duldungspflicht des Mieters bei Besuchen des Vermieters ergeben kann4. Dem vertragsgemäßen Gebrauch i.S.v. § 535 BGB ist es immanent, dass der Mieter 1099 grundsätzlich ungehindert die in seiner Branche üblichen Tätigkeiten entfalten darf. Deshalb muss der Vermieter die Montage eines Firmenschildes an der Hauswand dulden (vgl. § 535 BGB Rz. 1052) und muss bei Ladengeschäften besondere Anpreisungen dulden. Auch das Risiko, dass durch den Betrieb Immissionen verursacht werden (z.B. Lärm bei Druckerei), liegt beim Vermieter, sofern sich der Betrieb innerhalb der für die Branche üblichen Bestimmungen hält. Aus dem Zweck der Einrichtung soll für Einkaufszentren die umfassende Pflicht des 1100 Vermieters zur Gebrauchsgewährung auch formularmäßig beschränkbar sein. Deshalb soll z.B. eine Klausel zulässig sein, mit der die Durchführung von Ausverkäufen von der Zustimmung des Vermieters abhängig sein soll5. Dies kann jedoch nur richtig sein, wenn die Zustimmung nicht von der schriftlichen Erteilung abhängig sein soll6. 5. Versorgungssperre Die zur Versorgungssperre geltenden Grundsätze (vgl. § 535 BGB Rz. 506 ff.) wurden 1101 vom XII. Senat für die Gewerberaummiete entwickelt7. Weil ihm bei einer unberechtigten Fortsetzung des Mietvertrages die Fortsetzung der Leistungen nicht zuzumuten ist, ist der Vermieter jedenfalls regelmäßig nicht mehr verpflichtet, dem Mieter weitere Versorgungsleistungen zu erbringen. Den Vermieter trifft dann nur noch die

1 2 3 4 5

OLG Schleswig v. 21.7.2000 – 4 U 52/99, MDR 2001, 81. RG v. 2.6.1932 – IV 103/32, RGZ 136, 366. OLG Hamm v. 4.10.1996 – 30 U 99/96, OLG Report 1997, 15. OLG Düsseldorf v. 12.8.2008 – 24 U 44/08, GE 2008, 1326 = GuT 2008, 345. LG Wuppertal v. 7.12.1995 – 17 O 430/95, ZMR 1996, 439; vgl. auch BGH v. 3.3.2010 – XII ZR 131/08, MDR 2010, 738 = ZMR 2010, 596; OLG Naumburg v. 15.7.2008 – 9 U 18/08, NZM 2008, 772. 6 Was das LG Wuppertal v. 7.12.1995 – 17 O 430/95, ZMR 1996, 439 übersieht; vgl. zur Rechtslage BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381. 7 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

Abwicklungspflicht, dem Mieter die Unterbrechung der Versorgungsleistungen so frühzeitig anzukündigen, dass dieser sich darauf einstellen kann1. 1102 Eine über die Vertragsbeendigung hinausgehende Versorgungsverpflichtung soll nach Treu und Glauben insbesondere hinsichtlich der Wasserversorgung bestehen, wenn der Mieter vertragsgemäß in den Mieträumen ein Friseurgeschäft betreibt2. Da ein Friseurgeschäft ohne Wasser nicht betrieben werden könne, drohe dem Mieter bei fehlender Wasserversorgung ein besonders hoher Schaden, zumal wenn der weit überwiegende Anteil der von dem Mieter angebotenen Dienstleistungen ohne Wasser nicht erbracht werden kann, so dass der Laden mangels Wasserversorgung geschlossen werden müsste und erhebliche Umsatzeinbußen entstünden. Diese Meinung ist abzulehnen. Denn mit dieser Begründung kann jede Versorgungssperre abgelehnt werden. Nahezu jeder Berufsstand ist auf ein Medium (Strom, Wasser, Heizenergie) immer angewiesen. Im Übrigen ist nicht das Interesse an der Aufrechterhaltung der Wasserversorgung gegen das Interesse an der Unterbrechung abzuwägen, sondern das Interesse an der Aufrechterhaltung des Gebrauchs gegen das Interesse auf Räumung3. VI. Betriebspflicht 1. Allgemeines 1103 Der Mieter hat zwar einen Anspruch auf Überlassung der Mietsache und ein Gebrauchsrecht, jedoch grundsätzlich keine Abnahme- und auch keine Gebrauchspflicht. Beides kann jedoch in der Gewerberaummiete vereinbart werden. 1104 Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung kann eine Betriebspflicht anzunehmen sein, wenn in einem Einkaufszentrum eine Verkehrsfläche für ein Geschäft angemietet wird, das wegen seines Warensortiments als Zugpferd dienen soll und eine Monopolstellung hat4. 2. Entstehung der Betriebspflicht a) Formularmäßige Bestimmung 1105 Die Begründung einer Betriebspflicht ist auch formularmäßig möglich5. Sie ist auch wirksam bei gleichzeitigem Ausschluss des Konkurrenzschutzes und Vereinbarung einer Sortimentsbindung6. Eine Sortimentsbindung liegt aber noch nicht vor, wenn die Nutzung auf „T-Discount“ beschränkt ist7. 1106 Ob eine Formularvereinbarung die üblichen Betriebsunterbrechungen wegen Inventur, Betriebsferien, Ladenöffnungszeiten etc. ausdrücklich berücksichtigen muss, ist streitig8. Die Diskussion hat sich durch die weitgehende Flexibilität beim Ladenschluss und die Praxis in Einkaufscentern und Innenstädten praktisch überholt. Soweit die Klausel beispielhaft „Inventur und Betriebsversammlungen“ aufführt, werden eben auch andere notwendige Schließungen (z.B. Ausführung von Schönheitsreparaturen) erfasst. Jedenfalls gehören solche Stilllegungen zur Verkehrssitte

1 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 2 KG v. 16.5.2011 – 8 U 2/11, MietRB 2011, 244 = GE 2011, 1082 = ZMR 2011, 858. 3 Streyl, NZM 2011, 765. 4 LG Hannover v. 9.10.1992 – 8 S 146/92, ZMR 1993, 280; a.A. LG Lübeck v. 20.2.1992 – 14 S 11/92, NJW-RR 1993, 78 (Betriebspflicht nur bei ausdrücklicher Vereinbarung). 5 BGH v. 29.4.1992 – XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1032; KG v. 18.10.2004 – 8 U 92/04, ZMR 2005, 47; OLG Hamburg v. 3.4.2002 – 4 U 236/01, ZMR 2003, 254; OLG Düsseldorf v. 24.9.1998 – 10 W 93/98, NZM 1999, 124. 6 OLG Naumburg v. 15.7.2008 – 9 U 18/08, MietRB 2008, 356 = NZM 2008, 772; ähnlich OLG Rostock v. 8.3.2004 – 4 U 118/03, NZM 2004, 460; OLG Hamburg v. 3.4.2002 – 4 U 236/01, ZMR 2003, 254 = GuT 2003, 57; a.A. OLG Schleswig v. 2.8.1999 – 4 W 24/99, NJW 2000, 1008. 7 BGH v. 3.3.2010 – XII ZR 131/08, GuT 2010, 97. 8 Dafür: Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 938; dagegen: Wolf/Eckert/Ball, Rz. 659.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

und begründen keinen Schadensersatzanspruch des Vermieters1. Selbst wenn die Klausel im Mietvertrag mit einem Lebensmittel-Discounter zeitweilige Schließungen „wie Mittagspause, Ruhetage, Betriebsferien“ untersagt, liegt keine unangemessene Benachteiligung des Mieters vor2. Denn die Einlegung einer „Mittagspause“ sämtlicher Mitarbeiter eines Lebensmittel-Discounters in einem Einkaufscenter zur selben Zeit ist mittlerweile ebenso wenig branchentypisch oder der Verkehrssitte entsprechend wie die Schließung aufgrund von „Betriebsferien“ oder wegen der Einlegung eines „Ruhetages“. Dies gilt erst recht für einen Mietvertrag über eine Ladeneinheit in einem Einkaufszentrum. Hier wird bei den Kunden regelmäßig eine durchgehende Öffnung suggeriert3. Schließlich kann auch zwischen der Offenhaltungs- und der Betriebspflicht als solcher differenziert werden. Selbst wenn die Offenhaltungspflicht nach dem Maßstab der kundenfeindlichsten Auslegung unwirksam ist, berührt dies die Betriebspflicht jedenfalls dann nicht, wenn diese in einer separaten Klausel geregelt ist4. Richtet sich die formularmäßige Betriebspflicht nach den Ladenöffnungszeiten und 1107 soll sich die verbindliche Öffnungszeit nach der Öffnung der „überwiegenden Anzahl aller Mieter“ im Einkaufscenter orientieren, liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) vor, wenn nach den vertraglichen Regelungen mit der überwiegenden Anzahl von Mietern letztlich der Vermieter das Recht hat, die Öffnungszeiten (einseitig) zu bestimmen5. b) Schlüssige Vereinbarung An die Begründung der Betriebspflicht durch konkludente Einigung sind strenge An- 1108 forderungen zu stellen. Das Verhalten der Parteien muss den Schluss auf einen Erklärungswillen zulassen, der die Offenhaltung des Geschäfts während bestimmter Zeiten für den Mieter als verbindlich und verpflichtend erkennen lässt. Mit anderen Worten muss aus den Umständen zunächst erkennbar gewesen sein, dass der Vermieter auf das kontinuierliche Betreiben des Geschäfts in den Mieträumen besonderen Wert gelegt, der Mieter dies erkannt hat und damit einverstanden war6. Eine solche Begründung einer Betriebspflicht durch schlüssige Vereinbarung kann 1109 nicht allein aus der Vereinbarung einer Umsatzmiete hergeleitet werden. Zwar besteht für den Vermieter unter diesem Gesichtspunkt ein gesteigertes wirtschaftliches Interesse an einer Nutzung. Indessen ist für den Mieter damit nicht notwendig die Dauer der Ladenöffnung verbunden. Vielmehr kann ihn das auch verpflichten, zu bekannten Kernzeiten mehr Personal vorzuhalten, um die möglichen Umsätze zu generieren7. 3. Inhalt der Betriebspflicht Bei der Betriebspflicht handelt es sich um eine selbständige Leistungsverpflichtung 1110 mit dem Inhalt, die angemieteten Räume während genau festgelegter oder doch bestimmbarer Öffnungszeiten bzw. Kernöffnungszeiten zu dem im Mietvertrag festgelegten Gebrauchszweck für das Publikum offen zu halten, persönlich und/oder mit Hilfe von Arbeitskräften zu betreiben und ein angemessenes Waren- und/oder Dienstleistungsangebot bereitzuhalten8. Die Erfüllung kann der Vermieter gerichtlich im Wege der Leistungsklage durchset- 1111 zen. Begleitend kann er den Anspruch im Wege der einstweiligen Verfügung verfol1 OLG Düsseldorf v. 24.9.1998 – 10 W 93/98, ZMR 1999, 171. 2 OLG Naumburg v. 15.7.2008 – 9 U 18/08 (Hs), NZM 2008, 772. 3 OLG Naumburg v. 26.7.2012 – 9 U 38/12, ZMR 2013, 36 = NZM 2012, 808; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 222 m.w.N. 4 KG v. 5.3.2009 – 8 U 177/08, GE 2009, 202 = GuT 2010, 22; kritisch dazu Würtenberger, NZM 2013, 12 (14). 5 BGH v. 7.5.2008 – XII ZR 5/06, GuT 2008, 339; BGH v. 16.5.2007 – XII ZR 13/05, ZMR 2007, 846. 6 Jendrek, NZM 2000, 526 (527). 7 BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 118/78, NJW 1979, 2351. 8 Peter/Welkerling, ZMR 1999, 369.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

gen1, und zwar auch noch kurz vor Vertragsende2. Zur Darlegung des Verfügungsgrundes muss kein konkreter Schadenseintritt vorgetragen werden. Vielmehr reicht z.B. der Hinweis auf den drohenden Verlust der Vielfalt der Warenangebote (im Einkaufszentrum) und die Annahme eines „Dominoeffektes“ aus3. Als derartiger Schaden kommt in Betracht, dass bei gleichzeitiger Vereinbarung einer Umsatzmiete entsprechende Einnahmen verlorengehen oder z.B. kurz vor Mietende die Verhandlungen mit einem Mietinteressenten, der das gleiche oder ein ähnliches Sortiment führen will, gefährdet werden. Dies ist natürlich alles glaubhaft zu machen. 4. Ende der Betriebspflicht 1112 Grundsätzlich endet eine Betriebspflicht mit der rechtlichen Vertragsbeendigung4. Im Abwicklungsverhältnis des § 546a BGB besteht eine Betriebspflicht nicht mehr. Der Vertrag ist zu Ende. Der Mieter muss räumen. 1113 Gesundheitliche Beeinträchtigung führen nicht zu einem Wegfall der Betriebspflicht. Im Zweifel muss sich der Mieter (z.B. Einzelhändler, Kioskbetreiber) eines Dritten bedienen, und zwar auch dann, wenn die Fortführung des Betriebes (z.B. durch einen Untermieter) zu wirtschaftlichen Verlusten führt5. Der Vermieter eines Ladenlokals ist grundsätzlich in einem solchen Fall nicht verpflichtet, einer Sortimentsänderung zuzustimmen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Zusammensetzung der Kundschaft in einem Einkaufszentrum verändert hat6. Die mangelnde Rentabilität ist bei einem Verstoß des Mieters gegen die Betriebspflicht generell unbeachtlich, da die Wirtschaftlichkeit des Betriebes grundsätzlich in die Risikosphäre des Mieters fällt7. Sofern diese Umstände ausnahmsweise von Bedeutung sind, müssen sie substantiiert dargetan werden. Dazu gehört die Vorlage der Gewinn- und Verlustrechnung8. 5. Ahndung von Verstößen gegen die Betriebspflicht 1114 Verstößt der Mieter gegen die Betriebspflicht, stellt dies eine Vertragsverletzung dar, die den Vermieter (nach vorheriger Abmahnung oder Fristsetzung) zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt9. Eine Ausnahme ist gerechtfertigt, wenn die Einstellung des Betriebes zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens erfolgt10. Kündigt der Vermieter nicht und vermietet an einen Nachmieter, bleibt der Mieter trotz § 537 BGB weiter zur Zahlung einer etwaigen Differenzmiete verpflichtet11.

1 OLG Düsseldorf v. 17.8.2000 – 24 W 49/00, NZM 2001, 132 m.w.N.; a.A. OLG Naumburg v. 21.11.1997 – 2 W 14/97, NZM 1998, 575 (weil einstweilige Verfügung weder einen nach § 887 ZPO noch nach § 888 ZPO vollstreckbaren Inhalt hat); dagegen insbesondere OLG Frankfurt v. 10.12.2008 – 2 U 250/08, ZMR 2009, 446. 2 OLG Düsseldorf v. 9.1.1997 – 24 U 94/96, NJW-RR 1997, 648. 3 KG v. 12.9.2011 – 8 U 141/11, MietRB 2011, 375 = GE 2011, 1484 (unter Aufgabe von KG v. 18.10.2004 – 8 U 92/94, ZMR 2005, 47 = GE 2004, 1591); OLG Frankfurt v. 10.12.2008 – 2 U 250/08, ZMR 2009, 446; OLG Karlsruhe v. 8.11.2006 – 9 U 58/06, MDR 2007, 577 = GE 2007, 218; OLG Celle v. 3.7.2007 – 2 W 56/07, MietRB 2007, 288 = NZM 2007, 838 = GuT 2007, 298; OLG Hamburg v. 6.1.2003 – 4 W 1/03, WuM 2003, 641 = GuT 2003, 231. 4 OLG Düsseldorf v. 17.8.2000 – 24 W 49/00, NZM 2001, 132. 5 OLG Düsseldorf v. 18.12.2003 – I-10 U 69/03, ZMR 2004, 508. 6 OLG Hamburg v. 6.2.2002 – 4 U 145/99, WuM 2003, 268. 7 BGH v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, MDR 2000, 79 = NZM 2000, 36 (40); BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714 (1716); BGH v. 19.7.2000 – XII ZR 176/98, MDR 2001, 22 = NJW-RR 2000, 1535 (1536); BGH v. 26.5.2004 – XII ZR 149/02, MDR 2004, 1233 = MietRB 2004, 261 = NJW-RR 2004, 1236; BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, MDR 2006, 506 = MietRB 2006, 263 = NJW 2006, 899 (901). 8 BGH v. 29.4.1992 – XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1032. 9 OLG Düsseldorf v. 21.1.1997 – 10 W 153/96, DWW 1998, 85 (Betreiben eines Ladenlokals in einem Einkaufszentrum an nur drei Tagen für wenige Stunden). 10 BGH v. 7.10.2004 – I ZR 18/02, GuT 2005, 60. 11 OLG Karlsruhe v. 28.10.2004 – 9 U 110/04, GuT 2005, 18.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

Der Vertragsverstoß kann darüber hinaus einen Schadensersatzanspruch in Höhe 1115 des bis zum vereinbarten Vertragsende entstehenden Mietausfalls begründen. Allerdings kann sich der Anspruch durch ein Mitverschulden des Vermieters mindern. Auch muss sich der Vermieter die Vorteile anrechnen lassen, die er tatsächlich zieht1. Die Betriebspflicht kann auch mit einer Vertragsstrafe bewehrt werden. Insoweit 1116 braucht eine Begrenzung auf einen bestimmten Zeitraum nicht vorgesehen zu werden und soll die Höhe von 125 % der auf den Tag entfallenden Miete nicht unangemessen hoch sein2. Läuft die Vertragsstrafe aber auf die 2,5-fache Miete hinaus, liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB vor3. Denn die Vertragsstrafe soll u.a. die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erleichtern. Es ist aber kaum nachvollziehbar, dass die negativen Folgen des Leerstandes, zu dem eine Verletzung der Betriebspflicht im Ergebnis führen kann, einen Schaden herbeiführen können, der 2,5mal so hoch wie das eigentliche Leistungsinteresse des Vermieters ist. VII. Überbürdung von Erhaltungsmaßnahmen In der Gewerberaummiete besteht im Hinblick auf Schäden durch Maschinen und 1117 Anlagen ein anderes Risiko- und Abnutzungsverhältnis als in der Wohnraummiete. Deshalb besteht auch unter Beachtung der Grundsätze der Inhaltskontrolle (vgl. § 535 BGB Rz. 992) eine großzügigere Praxis bei der Prüfung der Überbürdung von Erhaltungsmaßnahmen als in der Wohnraummiete. Insoweit ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die laufende Instandsetzung und Instandhaltung auf den Mieter auch über die Klein- und Schönheitsreparaturen hinaus abgewälzt werden kann, soweit sie sich auf das Innere der Mieteinheit bezieht. 1. Allgemeines Die Begründung der Verpflichtung des Mieters zur Instandsetzung und Instandhal- 1118 tung setzt eine eindeutige vertragliche Regelung voraus. Sie kann auch durch einen Formularmietvertrag erfolgen. Instandhaltungsklauseln sind jedoch grundsätzlich einschränkend dahingehend auszulegen, dass sie nicht auch die Instandsetzung erfassen. Der Vertragspassus, die Sache „mit der erforderlichen Sorgfalt zu behandeln und im guten und gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten“, bedeutet nicht zugleich die Übernahme einer weitergehenden Instandsetzungspflicht4. Bei der Wirksamkeitsprüfung wird oftmals der einwandfreie Zustand der Mietsache 1119 bei Vertragsbeginn vorausgesetzt5. Dies ist zweifelhaft. Der Zustand als solcher ist bei der Wirksamkeitsprüfung im Rahmen des § 307 BGB unerheblich, weil ein abstrakt-genereller Maßstab gilt (vgl. § 535 BGB Rz. 994). Besteht ein unzulänglicher Zustand bei Vertragsbeginn, besteht der Anspruch des Mieters auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Diesen verwirkt er, wenn er ihn nicht innerhalb von sechs Monaten geltend macht6. Werden keine zusätzlichen Inhaltsbestimmungen geregelt, werden die Begriffe In- 1120 standsetzung und Instandhaltung in dem allgemein üblichen Sinne verstanden. Wird zur inhaltlichen Bestimmung des Begriffs der „Instandhaltung“ auf die DIN 31051 (2003-06 „Grundlagen der Instandhaltung“) zurückgegriffen, bedeutet die Instandhaltung den Oberbegriff für Inspektion, Wartung und Instandsetzung. Grundsätzlich fällt unter den Begriff der Instandsetzung auch die Pflicht zur Erneuerung (z.B. ein-

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OLG Düsseldorf v. 4.11.2004 – I-10 U 36/04, GuT 2005, 56. OLG Rostock v. 8.3.2004 – 3 U 118/03, NZM 2004, 461. OLG Naumburg v. 26.7.2012 – 9 U 38/12, ZMR 2013, 36 = NZM 2012, 808. OLG Naumburg v. 12.8.1999 – 2 U (Hs) 34/98, ZMR 2000, 383; OLG Düsseldorf v. 8.2.1996 – 10 U 223/94, BBauBl 1997, 819. 5 Vgl. z.B. OLG Naumburg v. 12.8.1999 – 2 U (Hs) 34/98, ZMR 2000, 383; OLG Köln v. 17.12.1993 – 19 U 189/93, WuM 1994, 274 = ZMR 1994, 158 = DWW 1994, 119. 6 BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = WuM 1987, 306.

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§ 535 BGB

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

zelner Teile der Mietsache)1 und Wiederherstellung (z.B. nach vollständiger Zerstörung). Eine besondere Regelung ist dafür nicht erforderlich2. 1121 Durch die formularmäßige Übertragung der Erhaltungslast dürfen Reparaturverpflichtungen nur insoweit auferlegt werden, als sie sich auf Schäden erstrecken, die dem Mietgebrauch oder der Risikosphäre des Mieters zuzuordnen sind3. Somit ist eine Klausel wirksam, nach der die Verpflichtung besteht, „die laufende Instandhaltung und Instandsetzung im Innern der Räume“ vorzunehmen4. Wird eine solche Klausel ergänzt um die Regelung, dass der Vermieter bei unterlassener Unterhaltungspflicht berechtigt ist, ohne weitere Aufforderung vom Mieter Kostenersatz zu verlangen, ist ein Zahlungsanspruch nur begründet, wenn die Arbeiten auch tatsächlich ausgeführt wurden5. 1122 Auch Haftungsklauseln sind grundsätzlich zulässig. Allerdings sind Klauseln unwirksam, die eine verschuldensunabhängige Haftung für das Verhalten Dritter begründen sollen6. 2. Dach und Fach 1123 Eine vollständige Abwälzung der Erhaltungspflicht ist grundsätzlich unwirksam. Dies bedeutet nämlich die Freizeichnung des Vermieters von jeder Haftung und die Belastung des Mieters mit einem nicht im Voraus kalkulierbaren Risiko7. Nach einer solchen Klausel müsste der Mieter auch für Schäden und Abnutzungen aufkommen, die bereits vor Vertragsabschluss vorhanden gewesen sind. Ausnahmsweise kann eine Individualvereinbarung zulässig sein, mit der dem Mieter die gesamte Erhaltungslast überbürdet wird, wenn die Vertragsauslegung ergibt, dass der Vermieter nur die Anschaffungskosten tragen soll8. 1124 Mit Rücksicht darauf ist eine Klausel grundsätzlich mit § 307 BGB unvereinbar, nach der der Mieter für die Unterhaltung der Mietsache an „Dach und Fach“ aufzukommen hat9. Zum Teil wird in einer derartigen formularmäßigen Vereinbarung eine überraschende Klausel i.S.v. § 305c BGB mit der Konsequenz gesehen, dass die Klausel nicht wirksam in den Vertrag einbezogen wird10. Das gilt aber nur, wenn sie vom Vermieter gestellt wurde. Hat der Mieter die Regelung aus Gründen des Kostenmanagements vorgeschlagen, ist sie einer Inhaltskontrolle entzogen11. 1125 Eine eindeutige Definition des Begriffs „Dach und Fach“ aufgrund der Rechtsprechung hat sich noch nicht herausgebildet. Vorherrschend wird die Ansicht vertreten, dass darunter das Dach und die tragenden Gebäudeteile zu verstehen sind12. Ausnahmsweise soll eine Individualvereinbarung zur Überwälzung der Erhaltungslast an „Dach und Fach“ zulässig sein, wenn z.B. bei der Anmietung eines Gesamtobjekts zum Ausgleich die Miete entsprechend reduziert wird13.

1 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MDR 2006, 17 = MietRB 2005, 285 = GuT 2005, 213 = DWW 2005, 372 = ZMR 2005, 844; a.A. Schmidt, NZM 2011, 680 m.w.N. 2 A.A. OLG Hamm v. 30.3.1993 – 7 U 88/92, NJW-RR 1993, 1229. 3 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, ZMR 2005, 844; OLG Düsseldorf v. 20.2.1992 – 10 U 107/91, DWW 1992, 241. 4 OLG Köln v. 17.12.1993 – 19 U 189/93, DWW 1994, 119. 5 OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 150/01, ZMR 2003, 105. 6 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = NJW 1991, 1750. 7 OLG Köln v. 17.12.1993 – 19 U 189/93, DWW 1994, 119; OLG Naumburg v. 12.8.1999 – 2 U (Hs) 34/98, WuM 2000, 241 = ZMR 2000, 383 = NZM 2000, 1183. 8 OLG Saarbrücken v. 21.2.2003 – 8 U 463/02-109, NZM 2003, 438. 9 OLG Hamburg v. 15.2.1967 – 4 U 43/65, MDR 1967, 845; OLG Dresden v. 17.6.1996 – 2 U 655/95, NJW-RR 1997, 395. 10 Bub/Treier/Bub, II Rz. 460; Fritz, Rz. 185. 11 OLG Oldenburg v. 17.2.2003 – 13 U 72/02, NZM 2003, 439. 12 OLG Hamburg v. 15.2.1967 – 4 U 43/65, MDR 1967, 845; Fritz, Rz. 229b; Schlemminger/Tachezy, NZM 2001, 416; Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1080. 13 OLG Rostock v. 10.9.2009 – 3 U 287/08, MDR 2010, 141; Bub/Treier/Bub, II Rz. 460; Fritz, Rz. 229b.

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§ 535 BGB

Unwirksam ist wegen fehlender Transparenz eine formularmäßige Vereinbarung, 1126 nach der gewerbepolizeilich betriebsbedingte Auflagen – z.B. das Weißen und Anbringen von feuerfesten Türen – der Mieter zu tragen hat1. Das Gleiche soll für eine Formularklausel gelten, in der der Mieter von Teileigentum zur Zahlung der Instandhaltungsrücklage verpflichtet wird2. 3. Räumlicher Geltungsbereich von Abwälzungsklauseln Außerhalb der Mieträume kann eine Ausführungspflicht des Mieters jedenfalls formularmäßig grundsätzlich nicht wirksam begründet werden3. Soll der Mieter die Kosten anteilig tragen, ist bei einer Formularklausel eine Kostenbegrenzung erforderlich, die in der Regel bei 10 % der Jahresmiete liegt4.

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4. Schönheitsreparaturen Wird die Instandsetzung und/oder die Instandhaltung dem Mieter wirksam überbür- 1128 det, erfasst eine solche Regelung grundsätzlich auch die Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen. Denn Schönheitsreparaturen sind als solche ein Bestandteil der von den Begriffen der Instandsetzung und Instandhaltung erfassten Leistungen. Dennoch wird häufig im Mietvertrag zu den Schönheitsreparaturen eine gesonderte Regelung getroffen. a) Allgemeines Selbst in der Gewerberaummiete wird der Begriff der Schönheitsreparaturen nach 1129 § 28 Abs. 4 S. 3 II. BV definiert, wenn keine davon abweichende Vereinbarung getroffen wurde5. Für die Wohnraummiete ist diese Begriffsbestimmung abschließend. Danach umfassen die Schönheitsreparaturen das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper einschließlich der Heizrohre, Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen6. Die Art der aufgezählten Arbeiten zeigt, dass der Begriff einer „Reparatur“ im eigentlichen Sinne nicht gemeint ist. Unter einer Reparatur versteht man üblicherweise die Beseitigung eines Schadens. Dagegen versteht man unter den Schönheitsreparaturen vereinfacht ausgedrückt die Durchführung von Tapezier- und Anstreicharbeiten zur Verschönerung der Räume. In der Gewerberaummiete kann der Begriff auch formularmäßig erweitert werden. 1130 Denn wenn schon die Überwälzung der Instandsetzung zulässig ist, ist der Verwender nicht an den Begriff des § 28 Abs. 4 S. 3 II. BV gebunden. Maßgeblich ist aber auch hier, dass sich die Verpflichtung des Mieters auf das Innere der Mieträume beschränkt. Ob im gewerblichen Mietrecht auch die Erneuerung der Bodenbeläge begrifflich zu 1131 den Schönheitsreparaturen zählt, ist umstritten. Die eine Meinung7 geht nach dem Motto „was Tapeten für die Wände seien, sei der Teppichboden für den Fußboden“, davon aus, dass der gewerbliche Mieter jedenfalls dann den bei Mietbeginn durch den Vermieter neu verlegten und bei Mietende verschlissenen Teppichboden ersetzen muss, wenn er vertraglich die Ausführung der Schönheitsreparaturen übernommen hat und nach einer Zusatzvereinbarung im Mietvertrag verpflichtet ist, den Zustand wie beim Einzug wiederherzustellen. Im Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung wird demgegenüber überwiegend die – richtige – Auffassung vertreten,

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OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, NJW-RR 1992, 396. KG v. 23.5.2002 – 20 U 233/01, NZM 2003, 395. BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, ZMR 2005, 844. Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1080. BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 15/07, MDR 2009, 255 = MietRB 2009, 69 = WuM 2009, 225 = GE 2009, 111 = NZM 2009, 126. 6 KG v. 29.3.2004 – 8 U 286/03, MietRB 2004, 319 = KGR 2004, 425 = NZM 2005, 181; Wolf in Lindner-Figura u.a., Kap. 13 Rz. 180. 7 OLG Düsseldorf v. 9.2.1989 – 10 U 96/88, WuM 1989, 508 = NJW-RR 1989, 663.

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dass der Austausch der Bodenbeläge, insbesondere die Erneuerung des Teppichbodens, ohne besondere Vereinbarung nicht zu den Schönheitsreparaturen zählt1. Letzteres ist bereits der Fall, wenn eine Vertragsklausel abweichend von der Legaldefinition des § 28 Abs. 4 S. 3 II.BV den Fußboden – auch in der Form des Streichens – nicht erwähnt und die weitere Regelung getroffen wurde, dass der Mieter verpflichtet ist, „die vorhandenen Fußbodenbeläge einschließlich Leisten bei Bedarf fachgerecht zu behandeln, insbesondere Parkett- und andere Holzfußböden abzuschleifen und zu versiegeln2. b) Einzelne Klauseln 1132 Die Grundsätze über die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB für sog. starre Fristen (vgl. § 535 BGB Rz. 572) gelten uneingeschränkt auch in der Gewerberaummiete3. Selbst wenn an die Maßstäbe zum Transparenzgebot nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie in der Wohnraummiete, lässt ein starrer Fristenplan keine Interpretationsmöglichkeit, dass gerade nicht nach Ablauf der Fristen renoviert werden soll. 1133 Die Klausel, nach der das Mietobjekt in einem „frisch ausgemalten Zustand“ zurückzugeben ist, soll nicht als Endrenovierungsklausel (vgl. § 535 BGB Rz. 601) anzusehen sein, weil die Schönheitsreparaturen nicht vollständig durchgeführt werden müssen4. Dennoch ist die Klausel unwirksam und infiziert über den Summierungseffekt die übrigen Renovierungsklauseln. Denn soweit danach Schönheitsreparaturen geschuldet sind, kann eine unangemessene Benachteiligung vorliegen. Immerhin kann sich die Pflicht, einen frisch ausgemalten Zustand herbeizuführen, auch auf Teile der Mietsache beziehen, an denen die Renovierung noch nicht fällig ist. 1133a Sieht der Mietvertrag zur Nutzung der Räume als Werkstatt vor, dass der Mieter vor einer Rückgabe der Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses verpflichtet ist, auf seine Kosten eine „sach- und fachgerechte Komplettrenovierung“ vorzunehmen, soll davon auch die Beseitigung von Verschmutzungen/Verunreinigungen und die Instandsetzung des Bodens durch Rissbeseitigung etc. erfasst sein5. Eine solche Überbürdung der Erhaltungspflicht auf den Mieter soll bei Gewerberäumen auch durch AGB zulässig sein, weil sie sich auf den Mietgebrauch bzw. auf die Risikosphäre des Mieters bezieht6. Daran ist nur richtig, dass der Begriff der Komplettrenovierung anders, also auch weiter als die bloße Renovierung verstanden werden kann. Im Hinblick auf die Verpflichtung, die erfassten Maßnahmen bis zur Rückgabe durchzuführen, besteht aber unzweifelhaft eine Endrenovierungspflicht. Damit erfasst die Klausel aber zumindest hinsichtlich der Leistungen nach § 28 Abs. 4 II. BV auch den Fall, dass der Mieter kurz vor Beendigung der Mietzeit renoviert hat und nun die vollständige Leistung noch einmal wiederholen muss. Damit liegt eine typische Endrenovierungsklausel vor, die nach § 307 BGB unwirksam ist7.

1 OLG Düsseldorf v. 14.12.2006 – I-24 U 113/06, GuT 2007, 211; OLG Braunschweig v. 30.1.1997 – 1 U 35/96, OLGR 1997, 85; OLG Celle v. 20.11.1996 – 2 U 273/95, NZM 1998, 158 = OLGR 1997, 138; OLG Stuttgart v. 6.3.1995 – 5 U 204/94, NJW-RR 1995, 1101; OLG Hamm v. 22.3.1991 – 30 REMiet 3/90, MDR 1991, 629 = DWW 1991, 145 = WuM 1991, 248 = ZMR 1991, 219 für die Wohnraummiete; Fritz, Rz. 224; instruktiv Langenberg, Schönheitsreparaturen, A Rz. 13; Wolf in Lindner-Figura u.a., Kap. 13 Rz. 181. 2 OLG Düsseldorf v. 8.5.2008 – I-10 U 8/08, MDR 2008, 1387 = MietRB 2008, 263 = OLGR 2008, 660 = ZMR 2008, 890. 3 OLG Düsseldorf v. 4.5.2006 – I-10 U 174/05, GuT 2006, 127; OLG Düsseldorf v. 18.1.2007 – I-10 U 102/06, NZM 2007, 215. 4 OLG München v. 28.7.2005 – 19 U 5139/04, GuT 2005, 215. 5 OLG Frankfurt v. 21.6.2012 – 2 U 46/12, ZMR 2013, 29 = Info M 2012, 326. 6 Vgl. BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MDR 2006, 17 = ZMR 2005, 844 = NZM 2005, 863; Palandt/ Weidenkaff, § 535 BGB Rz. 42. 7 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 308/02, MDR 2005, 1041 = GuT 2005, 160 = NZM 2005, 504 = MietRB 2005, 203.

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§ 535 BGB

Der Summierungseffekt (vgl. § 535 BGB Rz. 608) gilt auch bei einem Formularmiet- 1134 vertrag über Gewerberaum1. Deshalb ist die Kombination einer Endrenovierungsklausel mit der laufenden Renovierung unwirksam. Auch die Grundsätze für den Abgeltungsanspruch (vgl. § 535 BGB Rz. 627) gelten in 1135 der Gewerberaummiete. Insoweit soll keine Umsatzsteuer anfallen, wenn im Gewerberaummietvertrag der Mieter zur Abgeltung der Renovierungspflicht einen Betrag (z.B. am Ende der Mietzeit) zahlt, obwohl der Vermieter hinsichtlich der Miete nach § 9 UStG optiert hat2; durch die Aufspaltung in Geldzahlungs-(Miete) und Leistungspflicht (Instandhaltung) werde die Instandsetzungsverpflichtung aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis herausgenommen und nehme nicht mehr an dem Leistungsaustauch i.S.v. § 1 UStG teil. Da die Schönheitsreparaturen nach dem richtigen Verständnis ein Teil der Gegenleistung des Mieters sind3, ist diese Auffassung zweifelhaft. VIII. Miete 1. Umsatzsteuer Auch die Umsatzsteuer stellt einen Mietzuschlag dar. Deshalb bedarf es einer beson- 1136 deren Vereinbarung im Mietvertrag, dass der Mieter zur Leistung der Umsatzsteuer verpflichtet ist. Allein die Tatsache, dass zwei Unternehmer (Kaufleute) einen Mietvertrag schließen, die beide umsatzsteuerpflichtig sind, reicht vorbehaltlich besonderer Umstände grundsätzlich nicht aus, um die Vereinbarung über die gesonderte Zahlung der Umsatzsteuer annehmen zu können4. Die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ist gemäß § 4 Nr. 12a UStG 1137 grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Etwas anderes gilt für die Vermietung von Wohnund Schlafräumen, die ein Unternehmen zur Fremdenbeherbergung bereithält, für die Vermietung von Kfz-Abstellplätzen, für die kurzfristige Vermietung von Campingplätzen und für die Vermietung und Verpachtung von Maschinen oder Betriebsvorrichtungen. Im Falle der Vermietung an einen anderen Unternehmer kann der Vermieter von gewerblich genutzten Grundstücken auf die Steuerbefreiung verzichten, sog. Option nach § 9 Abs. 1 UStG. Bei gemischt genutzten Grundstücken muss die Option auf den gewerblich genutzten Teil beschränkt werden. Dies ist auch dann möglich, wenn das Grundstück sachenrechtlich eine Einheit bildet. Als Unternehmer gilt auch der private Vermieter. Voraussetzung für die Option zur 1138 Umsatzsteuer ist allerdings in der Regel, dass der Mieter vorsteuerabzugsberechtigt ist. Die Regelung gilt nach § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG nicht für Gebäude, mit deren Errichtung vor dem 11.11.1993 begonnen worden ist und die vor dem 1.1.1998 fertiggestellt wurden. Deshalb kann in solchen Mietobjekten z.B. auch von Ärzten Umsatzsteuer auf die Miete verlangt werden. Wird das Grundstück veräußert, ist der nach § 566 BGB eingetretene Erwerber frei, 1139 seinerseits die Option nach § 9 Abs. 1 UStG zu wählen5. Dies gilt jedenfalls solange, wie der Mietvertrag den Vermieter nicht zur Ausübung der Umsatzsteuer-Option verpflichtet, was sich im Zweifel auch aus einer Auslegung ergeben kann. Hat der Erwerber nicht optiert, schuldet der Mieter die Umsatzsteuer nur, wenn sie im Mietvertrag unabhängig von einer gesetzlichen Entstehung vereinbart ist. Das ist nicht der Fall, wenn die „gültige“ oder „gesetzliche“ Umsatzsteuer geschuldet ist oder die Klausel eine Geltendmachung bzw. ein Verlangen des Vermieters voraussetzt6.

1 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 308/02, MDR 2005, 1041 = GuT 2005, 160 = NZM 2005, 504 = MietRB 2005, 203. 2 FG Köln v. 13.1.2010 – 9 K 4447/08, DStRE 2010, 810 = EFG 2010, 828. 3 BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = WuM 1987, 306. 4 Palandt/Ellenberger, § 157 BGB Rz. 132 m.w.N. 5 OLG München v. 13.3.2012 – 32 U 4761/11, ZMR 2012, 621 = DWW 2012, 298. 6 OLG München v. 13.3.2012 – 32 U 4761/11, ZMR 2012, 621 = DWW 2012, 298.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

1140 Eine Formularklausel, wonach der Mieter auf Verlangen des Vermieters (nachträglich) Umsatzsteuer zahlen muss, wenn der Vermieter für die Umsatzsteuer optiert hat, ist wirksam. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter seinerseits nicht umsatzsteuerpflichtig ist1. Ob insoweit durch den Vermieter zur Steuerpflicht wirksam optiert wurde, richtet sich nach § 9 Abs. 2 UStG in der bei Vertragsschluss jeweils gültigen Fassung. In der aktuellen Fassung setzt die wirksame Option voraus, dass in den Räumen auch umsatzsteuerpflichtige Umsätze gefahren werden. 1141 Andererseits ist eine Vereinbarung, wonach der Mieter neben der Miete die jeweils gültige Umsatzsteuer zahlen soll, unwirksam, wenn der Vermieter nicht wirksam nach § 9 Abs. 1 UStG zur Umsatzsteuer optiert hat2. Denn es gibt keine „gültige Umsatzsteuer“ für nicht steuerpflichtige Vermietungsumsätze und es steht auch nicht zur Disposition der Parteien, nach dem Gesetz steuerfreie Umsätze durch Vereinbarung steuerpflichtig zu machen3. Das Gleiche gilt, wenn in der Klausel auf die „gesetzliche“ Umsatzsteuer abgestellt wird4. 1141a Bevor die Rechtsfolge der Unwirksamkeit, also Rückforderung zuviel entrichteter Beträge nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB und zukünftiger Entfall der Umsatzsteuer angenommen werden, ist zu prüfen, ob eine im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließende Regelungslücke in Betracht kommt5. Das ist der Fall, wenn die Parteien die Höhe der Miete unter Berücksichtigung einer als möglich angesehenen Option des Vermieters i.S.d. § 9 Abs. 2 UStG und der sich daraus für ihn ergebenden Steuervorteile ausgehandelt haben. Denn daraus folgt, dass kein bloß einseitiger Kalkulationsirrtum des Vermieters vorliegt, dessen Folgen dieser allein zu tragen hätte. 1142 Umgekehrt macht sich der Mieter schadensersatzpflichtig, wenn er trotz Umsatzsteueroption des Vermieters und der Vereinbarung zur Zahlung der Umsatzsteuer in den Mieträumen keine umsatzsteuerpflichtigen Umsätze erzielt, z.B. weil er von der Befreiung als Kleinunternehmer gemäß § 19 Abs. 2 UStG Gebrauch macht. Voraussetzung ist allerdings, dass der Mieter schuldhaft handelt, was ohne besonderen Hinweis bei Vertragsschluss zweifelhaft sein kann. Ein Zwischenvermieter, welcher an einen nicht vorsteuerabzugsberechtigten Mieter weitervermietet, haftet für einen Steuerschaden wegen fehlender Vorsteuerabzugsmöglichkeit nur für den Zeitraum, für den in nicht berichtigungsfähiger Weise ein Vorsteuererstattungsanspruch entfallen ist6. 1143 Unter Umständen kann sich der auf Rückzahlung der „gesetzlichen“ Umsatzsteuer in Anspruch genommene Vermieter mit einem Anspruch aus dem Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verteidigen7. Dabei kommt es im Wesentlichen darauf an, ob die Parteien die Höhe der Miete unter Berücksichtigung der (später fehlgeschlagenen) Option des Vermieters zur Steuerpflicht und der damit verbundenen Steuervorteile8 ausgehandelt haben oder ob lediglich ein einseitiger Kalkulationsirrtum des Vermieters vorliegt, dessen Folgen er alleine zu tragen hat9.

1 BGH v. 25.7.2001 – XII ZR 137/99, NZM 2001, 952 = NJW-RR 2002, 2. 2 BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 292/02, MietRB 2004, 345 = MDR 2004, 1406 = ZMR 2004, 812 = NZM 2004, 785 = GE 2004, 1230; KG v. 24.5.2012 – 8 U 160/11, GE 2012, 1316. 3 BGH v. 21.1.2009 – XII ZR 79/07, MietRB 2009, 125 = MDR 2009, 440 = ZMR 2009, 436 = NZM 2009, 237. 4 KG v. 24.5.2012 – 8 U 160/11, ZMR 2012, 860. 5 BGH v. 21.1.2009 – XII ZR 79/07, MietRB 2009, 125 = MDR 2009, 440 = ZMR 2009, 436 = NZM 2009, 237. 6 OLG Rostock v. 10.7.2006 – 3 U 183/05, DWW 2007, 26. 7 BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 292/02, MietRB 2004, 345 = MDR 2004, 1406 = ZMR 2004, 812 = NZM 2004, 785 = GE 2004, 1230. 8 BGH v. 21.1.2009 – XII ZR 79/07, MietRB 2009, 125 = MDR 2009, 440 = ZMR 2009, 436 = NZM 2009, 237; vgl. auch Bub/Treier/Jatzek, III Rz. 176 ff. 9 KG v. 24.5.2012 – 8 U 160/11, GE 2012, 1316.

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Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 BGB

Die im Mietvertrag ausgewiesene Grundmiete und Umsatzsteuer reichen grundsätz- 1144 lich als sog. Dauerrechnung aus1. Dazu müssen aber die in § 14 Abs. 1 S. 2 UStG geforderten Angaben (z.B. Name und Anschrift von Vermieter und Mieter, USt-ID-Nr.) im Vertrag enthalten sein. Ist die Grundmiete nach dem Mietvertrag der Umsatzsteuer unterworfen, fehlt aber 1145 eine entsprechende Vereinbarung für die Betriebskosten, ist regelmäßig im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung festzustellen, dass der Mieter auch auf die Nebenkosten Umsatzsteuer zu zahlen hat2. In diesem Fall unterliegen alle Betriebskostenpositionen der Umsatzsteuer unabhängig davon, ob die jeweils in Rechnung gestellten Beträge mit Vorsteuern belastet sind oder ob solche Steuern nicht anfallen, wie z.B. bei der Grundsteuer3. Nach Beendigung des Mietvertrages unterliegt die Nutzungsentschädigung der Um- 1146 satzsteuer, gleichgültig, ob sie auf § 546a Abs. 1 BGB4 oder § 987 BGB5 beruht. Entscheidend ist, dass ein Leistungsaustausch stattfindet, der mit der vertraglichen Leistungsbeziehung identisch ist. 2. Umsatzmiete Die Vereinbarung einer Umsatzmiete ist grundsätzlich zulässig6. Sie kann mit der 1147 Festlegung einer bestimmten Mindestmiete und/oder Höchstmiete verbunden sein, die dann in der Regel vorab zu bestimmten Zeitpunkten zu zahlen ist. Auf derartige partiarische Rechtsverhältnisse sind die Regeln des Gesellschaftsrechts nicht anzuwenden7. In einem solchen Fall bestimmt sich die Miethöhe nach den vom Mieter im Miet- 1148 objekt erzielten Umsätzen. Im Zweifel ist dabei an die Bruttoumsätze (einschl. USt) anzuknüpfen8. Auch bei Vereinbarung einer Umsatzmiete ist der Mieter ohne besondere Abrede 1149 nicht zur Aufnahme und/oder Aufrechterhaltung seines Betriebes in den Mieträumen oder gar zu besonderen Umsatzanstrengungen verpflichtet9. Nutzt allerdings der Mieter die Mieträume aus in seiner Person liegenden Gründen nicht, ist er zur Zahlung desjenigen Betrages verpflichtet, der bei Nutzung der Räume aufgrund des dann erzielten Umsatzes zu zahlen wäre, § 537 Abs. 1 BGB. Dem Vermieter steht bei Vereinbarung einer Umsatzmiete gegen den Mieter ein an 1150 § 259 BGB orientierter Anspruch auf Auskunft über die im Mietobjekt erzielten Umsätze zu10. IX. Standortsicherung durch Dienstbarkeit Mietverträge über Gewerberäume werden oft so ausgestaltet, dass der Mieter ein lan- 1151 ges Nutzungsrecht realisieren kann. Dies dient regelmäßig der Standortsicherung, damit der Mieter seinen Betrieb aufbauen oder Nutzungs- und Ausbeutungsrechte verwirklichen kann11. Im Hinblick auf die diversen Sonderkündigungsrechte, insbesondere im Insolvenzfall (§§ 109, 111 ZPO), des Erstehers in der Zwangsversteigerung (§ 57a ZVG) und bei Schriftformmängeln (§ 550 BGB), kann eine absolute Sicherung des Mieters durch einen Mietvertrag nicht herbeigeführt werden. 1 OLG Düsseldorf v. 24.5.2005 – 24 U 194/04, NZM 2006, 262. 2 OLG Düsseldorf v. 26.10.1995 – 10 U 207/94, ZMR 1996, 82; OLG Düsseldorf v. 25.1.2000 – 24 U 111/99, ZMR 2000, 603 (604); OLG Schleswig v. 17.11.2000 – 4 U 146/99, ZMR 2001, 619. 3 LG Hamburg v. 23.1.1998 – 311 S 165/97, DWW 1998, 119 (120). 4 BGH v. 11.5.1988 – VIII ZR 96/87, BGHZ 104, 285, 291 = MDR 1988, 855. 5 BGH v. 22.10.1997 – XII ZR 142/95, DWW 1998, 17 (19). 6 BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 118/78, NJW 1979, 2351. 7 BGH v. 28.10.1987 – VIII ZR 383/86, MDR 1988, 309 = NJW-RR 1988, 417. 8 OLG Celle v. 25.5.1973 – 2 U 120/72, BB 1974, 157. 9 BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 118/78, NJW 1979, 2351. 10 OLG Düsseldorf v. 8.2.1990 – 10 U 112/89, NJW-RR 1990, 1098. 11 Krüger, NZM 2012, 377 (378) m.w.N.

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§ 5 WiStrG Mietpreisüberhöhung

1152 Der Mietvertrag über Gewerberäume kann zwar nicht verdinglicht werden, um eine absolute Wirkung gegenüber jedem Dritten zu erreichen. Indessen ist es zulässig, das Nutzungsrecht durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit i.S.d. §§ 1090 f. BGB abzusichern1. Dazu muss neben dem Mietvertrag eine (separate) schuldrechtliche Nutzungsabrede getroffen werden, die Grundlage der Eintragung der Dienstbarkeit wird2. Die schuldrechtliche Begründung dieses dinglichen Rechts erfordert keine notarielle Beurkundung des Mietvertrages, weil ein Fall des § 311b BGB nicht vorliegt. 1153 Ist die Dienstbarkeit eingetragen, bietet sie Schutz vor Sonderkündigungsrechten des Vermieters3. Dies gilt jedenfalls uneingeschränkt, wenn sie mit einem entsprechenden Rangvorbehalt ausgestattet ist, also z.B. eine erstrangige Wirkung entfalten kann. Dazu ist das Einverständnis insbesondere der bereits eingetragenen Grundpfandgläubiger erforderlich. In einem solchen Fall besteht umfassender Schutz vor dem Sonderkündigungsrecht eines Erstehers nach der Zwangsversteigerung, § 57a ZVG. Denn das Recht muss vom Ersteher übernommen werden, weil es vorrangig in das sog. geringste Gebot fällt, § 44 ZVG. Nachrangig eingetragene Dienstbarkeiten erlöschen dagegen, § 52 Abs. 1 ZVG. 1154 Die Dienstbarkeit verliert grundsätzlich erst ihre Wirkung, wenn sie im Grundbuch gelöscht wird. Ein Anspruch auf Löschung entsteht regelmäßig mit der Beendigung des Mietvertrages. Allerdings kann die der Eintragung zugrundeliegende schuldrechtliche Abrede auch zusätzliche Erlöschensgründe vorsehen. Insoweit hindert die Kündigungssperre des § 112 InsO nicht das Erlöschen einer Dienstbarkeit, welche das aus einem Mietvertrag folgende Nutzungsrecht an dem belasteten Grundstück sichert und unter der auflösenden Bedingung steht, dass über das Vermögen des Berechtigten ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, wenn diese Bedingung vor dem Sicherungsfall eintritt4.

Anhang § 535 § 5 WiStrG §5 Mietpreisüberhöhung (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen unangemessen hohe Entgelte fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. (2) Unangemessen hoch sind Entgelte, die infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die üblichen Entgelte um mehr als 20 vom Hundert übersteigen, die in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage oder damit verbundene Nebenleistungen in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen der Betriebskosten abgesehen, geändert worden sind. Nicht unangemessen hoch sind Entgelte, die zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich sind, sofern sie unter Zugrundelegung der nach Satz 1 maßgeblichen Entgelte nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung des Vermieters stehen. (3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden. 1 2 3 4

Vgl. Oprée in Lindner-Figura u.a., Kap. 21 Rz. 32 m.w.N. Krüger, NZM 2012, 377 (378). Stapenhorst/Voß, NZM 2003, 873 (876). BGH v. 7.4.2011 – V ZB 11/10, MDR 2011, 781 = NZM 2012, 392 = GuT 2011, 159.

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§ 5 WiStrG Mietpreisüberhöhung Inhalt A. I. II. III.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . Sinn und Zweck der Vorschrift Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . I. Vermietung von Räumen zum Wohnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unangemessen hohes Entgelt . . . III. Deckung der laufenden Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

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. . . .

1 1 2 3

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4

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4 8

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10

IV. V. VI. 1. 2. 3. VII. VIII.

Ausnutzen . . . . . . . . . . . . . . . Geringes Angebot . . . . . . . . . Tathandlung . . . . . . . . . . . . . Fordern. . . . . . . . . . . . . . . . . . Versprechen lassen . . . . . . . . Annehmen . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss von Veränderungen . Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . .

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. . . . . . . .

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12 14 15 16 18 19 20 24

C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . .

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A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Norm legt eine Mietobergrenze für Wohnraum fest, deren Überschreitung gemäß 1 § 134 BGB zur (Teil-)Unwirksamkeit der Mietvereinbarung führen kann. Dazu regelt Abs. 1 zunächst den Verbotstatbestand, der es dem Vermieter untersagt, sich unangemessen hohe Entgelte versprechen zu lassen, sie zu fordern oder sie anzunehmen. Abs. 2 lockert die Anforderungen für einen Ausnahmefall, nämlich dass der Vermieter aus der Bewirtschaftung der Immobilie auf höhere Einnahmen angewiesen ist. II. Sinn und Zweck der Vorschrift Der Sinn und Zweck der Vorschrift besteht darin, Preisbildungen zu bekämpfen, die 2 nicht vom Leistungswettbewerb bestimmt sind1. Damit flankiert § 5 WiStrG § 558 Abs. 2 BGB, wonach die ortsübliche Miete durch die Kräfte am Wohnungsmarkt gebildet werden soll. III. Beweislast Der Mieter hat den objektiven Tatbestand darzulegen und zu beweisen. Den Vermie- 3 ter trifft die Beweislast für die Voraussetzungen von Abs. 2. B. Wohnraummiete I. Vermietung von Räumen zum Wohnen Zunächst ist eine Vermietung erforderlich, also eine entgeltliche Gebrauchsüberlas- 4 sung aufgrund schuldrechtlicher Abrede. Die Vereinbarung muss sich auf Räume zum Wohnen beziehen. Dieser Begriff erfasst 5 auch Räumlichkeiten, welche zwar keinen Wohnraum im eigentlichen Sinn darstellen, aber tatsächlich als solcher vermietet und auch genutzt werden. Unerheblich ist, ob die Räumlichkeiten nach landläufigen Vorstellungen überhaupt zu Wohnzwecken geeignet sind und in Betracht kommen. In Betracht kommen Keller, Gartenhaus, Garage, Bunker2, aber auch Räume auf 6 Schiffen, solange sie zum privaten Aufenthalt von Menschen vermietet wurden. Die Ausstattung der Räume3 und ihre Gesundheitsverträglichkeit ist ebenfalls nicht maßgeblich. Mindestvoraussetzung ist aber, dass die Räumlichkeit mehrseitig umschlossen ist und der Mieter die Räumlichkeiten selbst nutzt oder seinen Angehörigen zur Wohnnutzung überlassen hat4. Die Überlassung an sonstige Dritte, selbst bei altruistischen Motiven, genügt nicht5. 1 2 3 4 5

OLG Hamburg v. 3.3.1999 – 4 REMiet U 131/98, BT-Drucks. II/2136, S. 3. LG Köln v. 25.6.1986 – 114-15/85, WuM 1987, 202. Schmidt-Futterer, NJW 1972, 136; a.A. Beuermann, GE 1994, 787. OLG Düsseldorf v. 2.2.1995 – 10 U 39/94, ZMR 1995, 203. Vgl. BGH v. 13.2.1985 – VIII ZR 36/84, WuM 1985, 288; OLG Karlsruhe v. 24.10.1983 – 3 REMiet 4/83, NJW 1984, 373; LG Lübeck v. 12.2.1993 – 6 S 244/92, ZMR 1993, 223.

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7 § 5 WiStrG wird auch bei der gewerblichen Zwischenvermietung angewendet, wenn die Räumlichkeiten als Wohnräume weitervermietet werden sollen, auch wenn es sich insoweit i.S.d. Mietrechts um Gewerberaummietverhältnisse handelt1. Ist ein einheitliches Mietverhältnis gegeben, welches sich sowohl auf Gewerbeflächen als auch auf Wohnraum erstreckt (Mischmietverhältnis, vgl. Vor § 535 BGB Rz. 65 f.), kommt § 5 WiStrG nur dann zur Anwendung, wenn der Wohnzweck überwiegt2. II. Unangemessen hohes Entgelt 8 Ob ein unangemessen hohes Entgelt verlangt wird, ist durch eine Betrachtung der ortsüblichen Vergleichsmiete zu ermitteln. Es müssen alle Leistungen des Mieters addiert werden3, also z.B. auch Kautionen, Reinigungsarbeiten, verlorene Zuschüsse4. Das auf diese Weise ermittelte Entgelt ist der ortsüblichen Vergleichsmiete gegenüberzustellen, die sich nach den gleichen Kriterien des § 558 Abs. 2 BGB bewerten lässt. 9 Eine Mietpreisüberhöhung liegt vor, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 % überstiegen wird. Einmalleistungen des Mieters müssen insoweit verteilt werden, wobei die „Richtlinien zur wirksameren Bekämpfung der Mietpreisüberhöhung“ eine Verteilung auf ein Jahr vorsehen. III. Deckung der laufenden Aufwendungen 10 Ausnahmsweise kann eine Überschreitung der 20 %-Grenze zulässig sein, wenn die Miete „zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich ist“. Hierdurch sollen unbillige Ergebnisse ausgeschlossen werden, wenn der Vermieter trotz Überschreitung der Wesentlichkeitsgrenze wegen hoher laufender Aufwendungen keinen Gewinn erwirtschaftet. 11 Die Höhe der laufenden Aufwendungen ist entsprechend den in § 18 II. BV enthaltenen Grundsätzen zur Ermittlung der Kostenmiete zu berechnen5. Die Überschreitung der Wesentlichkeitsgrenze ist solange unschädlich, wie kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Dies wird angenommen, sobald die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 50 % übertroffen wird, was der Grenze der § 138 Abs. 2 BGB, § 291 StGB entspricht6. In diesen Fällen erstreckt sich die Nichtigkeit aber lediglich auf den Teil der überschießenden Miete, der 50 % überschreitet7. IV. Ausnutzen 12 Da es bei der Prüfung von gesetzlichen Verstößen nach § 134 BGB grundsätzlich nur auf den objektiven Tatbestand einer Verbotsnorm ankommt, muss ein Kausalzusammenhang zwischen der Mangellage und der Vereinbarung der erhöhten Miete festgestellt werden8, was sich aus dem Wortlaut ergibt („… infolge des Ausnutzens …“). 13 Die Voraussetzungen liegen bei einem bewussten Zunutzemachen der besonderen Situation des Mieters vor9. Zum schlüssigen Vortrag gehört unabdingbar die Darlegung, wie und wie lange sich der Mieter einen Überblick über das vorhandene Wohnungsangebot verschafft hat, welche Art von Wohnung er in welchem Bereich ge-

1 OLG Frankfurt v. 10.11.1992 – 2 Ws (B) 579/92 OWiG, NJW 1993, 673; AG Frankfurt v. 5.6.1992 – 18 Js 454319/91, WuM 1993, 199; a.A. OLG Celle v. 14.2.1996 – 2 U 1/95, NJW RR 1996, 1097. 2 BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842 = ZMR 1986, 278; OLG München v. 2.7.1993 – 21 U 6514/90, ZMR 1995, 295. 3 OLG Hamm v. 3.3.1983 – 4 REMiet 9/82, NJW 1983, 1622. 4 LG Hamburg v. 15.1.1985 – 16 S 178/83, WuM 1986, 346. 5 BGH v. 5.4.1995 – VIII ARZ 4/94, MDR 1995, 685 = WuM 1995, 428; OLG Stuttgart v. 8.11.1989 – 8 REMiet 3/88, WuM 1990, 11. 6 BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 416/81, NJW 1982, 896. 7 OLG Hamburg v. 5.8.1992 – 4 U 22/92, MDR 1992, 963 = WuM 1992, 527. 8 BGH v. 28.1.2004 – VIII ZR 190/03, WuM 2004, 294. 9 OLG Brandenburg v. 15.11.2006 – 3 U 88/06, WuM 2007, 14.

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sucht hat, warum er aus der bisherigen Wohnung ausgezogen ist, welche Zeit er für die Wohnungssuche zur Verfügung hatte, welche konkreten Versuche er unternommen hat, welche Vorstellungen er über Lage und Ausstattung hatte, welche und wie viele Angebote ihm vorlagen und wie letztlich die Vertragsverhandlungen verlaufen sind1. Zusätzlich muss noch vorgetragen werden, warum der Mieter von anderen Vermietern abgelehnt wurde2. V. Geringes Angebot Bei der Prüfung des geringen Angebots ist nicht lediglich auf die Marktsituation eines 14 Stadtteils abzustellen, sondern auf diejenige im gesamten Stadtgebiet3. Der sozialstaatliche Schutz des Mieters gebietet es nicht, besonderen persönlichen Wünschen des Mieters Rechnung zu tragen, die nicht auf gewichtigen sachlichen Gründen beruhen. Dies gilt auch für die Wahl der Wohnungslage. Vergleichbarkeit der Lage bedeutet nicht Identität des Stadtteils. Sie kann ebenso in einer anderen Wohngegend gegeben sein, die nach ihrer Lage und Struktur dem Stadtteil ähnlich – also vergleichbar – ist, in welchem sich die gemietete Wohnung befindet. VI. Tathandlung Für die Handlungsvarianten (fordern, sich versprechen lassen oder annehmen) ist weder eine tatsächliche Zahlung noch eine Vereinbarung erforderlich.

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1. Fordern Für ein Fordern genügt bereits das ernsthafte Verlangen, das (unangemessene) Ent- 16 gelt zu erzielen. Hiermit soll vermieden werden, dass unangemessene Forderungen überhaupt in Vertragsverhandlungen, wenn auch nur als Ausgangspunkt derselben, Einzug erhalten. Auch ein Zeitungsinserat (invitatio ad offerendum) genügt für diese Art der Tatbegehung.

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2. Versprechen lassen Ein Versprechen lassen setzt voraus, dass der Vermieter auf ein Angebot des Mieters 18 zur Zahlung eines unangemessenen Entgelts eingeht, wobei die Absichtserklärung genügt, dass Angebot in der Zukunft annehmen zu wollen. 3. Annehmen Mit der Tatbestandsalternative der Annahme werden alle die Konstellationen auf- 19 gefangen, in denen weder eine vermieterseitige Forderung noch ein mieterseitiges Angebot erfolgte, sondern der Mieter direkt faktisch zahlt. Sinken die Mieten aber erst nach Vertragsabschluss, muss der Vermieter die Mieten grundsätzlich nicht reduzieren. VII. Einfluss von Veränderungen Eine einmal zulässige Miete bleibt zulässig4.

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Nachträgliche Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt haben keinen Einfluss auf 21 die Anwendung des § 5 WiStrG. Sinkt das Wohnungsangebot während des laufenden Mietverhältnisses, ist die Vorschrift selbst dann nicht anwendbar, wenn die Miete über der Wesentlichkeitsgrenze liegt, denn es fehlt an einem Ausnutzen. Andererseits führt der nachträgliche Wegfall eines geringen Angebots auf dem Woh- 22 nungsmarkt nicht dazu, dass eine einmal (teil-)unwirksame Miete wirksam wird und 1 2 3 4

LG Köln v. 19.9.2002 – 1 S 71/02, NZM 2003, 393. BGH v. 28.1.2004 – VIII ZR 190/03, WuM 2004, 294. BGH v. 13.4.2005 – VIII ZR 44/04, MDR 2005, 978. KG v. 28.10.1991 – 2 Ss 59/91-5 Ws (B) 100/91, GE 1991, 1031; LG Berlin v. 8.3.1991 – 64 S 394/90, GE 1991, 49.

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Vor § 536 BGB quasi wiederauflebt1. Ein solcher Zustand schwebender Unwirksamkeit ließe sich mit Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbaren. Die Ursächlichkeit entfällt auch nicht dadurch, dass der Mieter die Möglichkeit hat, den Mietvertrag insgesamt zu kündigen2. 23 Bei einer Staffelmiete unterliegt die vereinbarte (Ausgangs-)Miete in jedem Fall den Grenzen des § 5 WiStrG. Die Teilnichtigkeit erfasst aber nicht die nachfolgenden Staffeln. Bei ihnen ist gesondert zu prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen3. Im Hinblick auf die notwendige Ausnutzung kommt eine isolierte Bewertung der einzelnen Staffeln nicht in Betracht, wenn die Ausgangsmiete nicht zu beanstanden war4. VIII. Rechtsfolge 24 Der Verstoß gegen § 5 WiStrG führt nur zur Teilunwirksamkeit der vereinbarten Miete. Der Mieter bleibt auch weiterhin verpflichtet, die ortsübliche Miete zzgl. eines 20 %igen Aufschlags zu zahlen5. Der darüber hinausgehende Betrag kann gemäß § 812 Abs. 1 BGB zurückgefordert werden. Klagt der Mieter auf Rückzahlung überzahlter Miete, müssen auch zwischenzeitliche Veränderungen der ortsüblichen Vergleichsmiete berücksichtigt werden6. 25 Nach Feststellung der Teilunwirksamkeit ist eine Veränderung der ortsüblichen Vergleichsmiete erst wieder relevant, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete die festgestellte Miete überschreitet. Das hat zur Folge, dass die Miete so lange unverändert bleibt, bis die ortsübliche Vergleichsmiete die vormals preisrechtlich zulässige Miete erreicht hat7. C. Gewerberaummiete 26 Ausweislich des eindeutigen Wortlauts findet § 5 WiStrG auch keine Anwendung auf Gewerberaummietverhältnisse. Hierfür gelten die Grenzen des § 138 BGB (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 976 f.) und ggf. § 4 WiStrG (vgl. § 535 BGB Rz. 986).

Vor § 536 Inhalt I. 1. 2. 3.

Gewährleistung bei der Miete. . . . . Der Erfüllungsanspruch . . . . . . . . . Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsverweigerung (Zurückbehaltungsrecht) . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen des § 320 BGB b) Zweck des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausübung des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wegfall des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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e) Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtsfolge des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . Ersatzvornahme . . . . . . . . . . . . . Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . Außerordentliche fristlose Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung zum allgemeinen Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 OLG Hamburg v. 3.3.1999 – 4 REMiet U 131/98, NZM 1999, 363; OLG Frankfurt v. 15.8.2000 – 20 REMiet 1/99, ZMR 2000, 755. 2 A.A. LG Frankfurt v. 30.12.1997 – 2-11 S 271/97, WuM 1998, 168. 3 OLG Hamburg v. 13.1.2000 – 4 U 112/99, ZMR 2000, 216. 4 A.A. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. III 32 m.w.N. 5 BGH v. 16.11.1993 – X ZR 7/92, NJW 1994, 943. 6 OLG Hamm v. 3.3.1983 – 4 REMiet 9/82, NJW 1983, 1622; OLG Frankfurt v. 4.4.1985 – 20 REMiet 3/85, WuM 1985, 139; KG v. 20.4.1995 – 8 REMiet 242/95, NJW-RR 1995, 1037. 7 OLG Hamburg v. 3.3.1999 – 4 REMiet U 131/98, NZM 1999, 363.

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Vor § 536 BGB quasi wiederauflebt1. Ein solcher Zustand schwebender Unwirksamkeit ließe sich mit Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbaren. Die Ursächlichkeit entfällt auch nicht dadurch, dass der Mieter die Möglichkeit hat, den Mietvertrag insgesamt zu kündigen2. 23 Bei einer Staffelmiete unterliegt die vereinbarte (Ausgangs-)Miete in jedem Fall den Grenzen des § 5 WiStrG. Die Teilnichtigkeit erfasst aber nicht die nachfolgenden Staffeln. Bei ihnen ist gesondert zu prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen3. Im Hinblick auf die notwendige Ausnutzung kommt eine isolierte Bewertung der einzelnen Staffeln nicht in Betracht, wenn die Ausgangsmiete nicht zu beanstanden war4. VIII. Rechtsfolge 24 Der Verstoß gegen § 5 WiStrG führt nur zur Teilunwirksamkeit der vereinbarten Miete. Der Mieter bleibt auch weiterhin verpflichtet, die ortsübliche Miete zzgl. eines 20 %igen Aufschlags zu zahlen5. Der darüber hinausgehende Betrag kann gemäß § 812 Abs. 1 BGB zurückgefordert werden. Klagt der Mieter auf Rückzahlung überzahlter Miete, müssen auch zwischenzeitliche Veränderungen der ortsüblichen Vergleichsmiete berücksichtigt werden6. 25 Nach Feststellung der Teilunwirksamkeit ist eine Veränderung der ortsüblichen Vergleichsmiete erst wieder relevant, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete die festgestellte Miete überschreitet. Das hat zur Folge, dass die Miete so lange unverändert bleibt, bis die ortsübliche Vergleichsmiete die vormals preisrechtlich zulässige Miete erreicht hat7. C. Gewerberaummiete 26 Ausweislich des eindeutigen Wortlauts findet § 5 WiStrG auch keine Anwendung auf Gewerberaummietverhältnisse. Hierfür gelten die Grenzen des § 138 BGB (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 976 f.) und ggf. § 4 WiStrG (vgl. § 535 BGB Rz. 986).

Vor § 536 Inhalt I. 1. 2. 3.

Gewährleistung bei der Miete. . . . . Der Erfüllungsanspruch . . . . . . . . . Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsverweigerung (Zurückbehaltungsrecht) . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen des § 320 BGB b) Zweck des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausübung des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wegfall des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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e) Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtsfolge des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . Ersatzvornahme . . . . . . . . . . . . . Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . Außerordentliche fristlose Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung zum allgemeinen Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 OLG Hamburg v. 3.3.1999 – 4 REMiet U 131/98, NZM 1999, 363; OLG Frankfurt v. 15.8.2000 – 20 REMiet 1/99, ZMR 2000, 755. 2 A.A. LG Frankfurt v. 30.12.1997 – 2-11 S 271/97, WuM 1998, 168. 3 OLG Hamburg v. 13.1.2000 – 4 U 112/99, ZMR 2000, 216. 4 A.A. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. III 32 m.w.N. 5 BGH v. 16.11.1993 – X ZR 7/92, NJW 1994, 943. 6 OLG Hamm v. 3.3.1983 – 4 REMiet 9/82, NJW 1983, 1622; OLG Frankfurt v. 4.4.1985 – 20 REMiet 3/85, WuM 1985, 139; KG v. 20.4.1995 – 8 REMiet 242/95, NJW-RR 1995, 1037. 7 OLG Hamburg v. 3.3.1999 – 4 REMiet U 131/98, NZM 1999, 363.

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Vor § 536 BGB 1. Absolutes Fixgeschäft . . . . . . . . . 2. Subjektive und objektive, anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterscheidung zwischen Sachund Rechtsmangel . . . . . . . . . . . . 4. Vorübergehendes Leistungshindernis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Positive Vertragsverletzung, § 280 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verschulden bei Vertragsschluss . 8. Wegfall der Geschäftsgrundlage . . 9. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Gewährleistung bei der Miete Überlässt der Vermieter dem Mieter die Mietsache, weist diese bei Überlassung aber 1 Mängel auf oder wird die Sache im Verlauf der Mietzeit mangelhaft, hat der Mieter grundsätzlich folgende Rechte: 1. Der Erfüllungsanspruch Gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter die Mietsache 2 in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu übergeben und sie in diesem Zustand zu erhalten. Damit obliegt es dem Vermieter also im Rahmen einer Hauptpflicht zu jeder Zeit der Gebrauchsüberlassung, für eine mangelfreie Mietsache zu sorgen (vgl. § 535 BGB Rz. 444). Dem Mieter bietet § 535 Abs. 1 S. 2 BGB eine Anspruchsgrundlage. Er kann vom Vermieter Erfüllung dieser Pflicht, nämlich Beseitigung der Mängel verlangen. Der Vermieter kann sich seiner Pflicht aus § 535 Abs. 1 BGB nicht dadurch entziehen, 3 dass er dem Mieter eine andere als die überlassene Sache liefert, solange dies nicht ausdrücklich (abweichend) vereinbart ist oder der Mieter dem ausdrücklich zustimmt1. Denn durch den Mietvertrag und die Überlassung konkretisiert sich der Mietvertrag auf die nunmehr bestimmte Sache. Der Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 BGB besteht neben den Gewährleistungs- 4 rechten nach §§ 536 ff. BGB2. Sein Schicksal vollzieht sich unabhängig von den Gewährleistungsrechten. Er bleibt beim Ausschluss der Gewährleistung nach § 536b BGB3, bei Verwirkung der Gewährleistungsrechte oder einem wirksamen Gewährleistungsausschluss bestehen. Im Einzelfall kann zwar auch ein Verzicht auf Mängelbeseitigung vorliegen. Dann muss aber zum Ausdruck kommen, dass der Mieter, den Zustand als vertragsgemäß anerkennt4. Dies kommt in der Formularklausel, „Der Mieter hat das Objekt besichtigt und übernimmt es im derzeit vorhandenen Zustand“ nicht zum Ausdruck5. Vielmehr bezieht sie sich allein auf die räumlichen Gegebenheiten. 2. Minderung Wird durch den Mangel die Tauglichkeit der Mietsache aufgehoben oder nicht uner- 5 heblich gemindert, tritt gemäß § 536 BGB Befreiung von der Pflicht zur Zahlung der Miete oder deren Minderung ein, ohne dass der Mieter dies geltend machen muss6. Der Umfang der Minderung richtet sich nach dem Grad der Gebrauchsbeeinträchtigung und reduziert die Miete bis höchstens auf Null. Da die Minderung automatisch, also unabhängig vom Willen der Parteien eintritt, er- 6 folgen Zahlungen der ungeschmälerten Miete trotz Bestehens eines erheblichen Mangels jedenfalls in Höhe der Minderung ohne Rechtsgrund. Zu viel gezahlte Miete kann der Mieter deshalb nach § 812 BGB zurückverlangen, soweit die §§ 536b, 536c, 814 BGB nicht entgegenstehen. 1 2 3 4 5 6

BGH v. 2.12.1981 – VIII ZR 273/80, MDR 1982, 483 = NJW 1982, 873. BGH v. 3.4.2003 – IX ZR 163/02, MDR 2003/1015 = NZM 2003, 472. BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = ZMR 2007, 605. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 298. BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = ZMR 2007, 605 = NZM 2007, 484. BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 144/85, MDR 1987, 312 = NJW 1987, 432; BGH v. 27.2.1991 – XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779.

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Vor § 536 BGB 3. Leistungsverweigerung (Zurückbehaltungsrecht) a) Voraussetzungen des § 320 BGB 7 Bis zur Erfüllung der Mängelbeseitigungspflicht kann der Mieter die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 BGB) erheben und den Vermieter durch Einbehalt eines angemessenen Teils der Miete zur Vertragserfüllung anhalten1. Zwar ist die Miete nach § 556b Abs. 1 BGB im Voraus für den vereinbarten Zeitabschnitt zu zahlen und steht demjenigen, der vorleistungspflichtig ist, gemäß § 320 Abs. 1 S. 1 HS. 2 BGB die Einrede nicht zu. Bei teleologischer Betrachtung ist in § 556b Abs. 2 BGB jedoch nicht die Begründung einer Vorleistungspflicht des Mieters im Sinne des § 320 Abs. 1 S. 1, sondern nur eine Festlegung des Zahlungszeitpunktes zu sehen2. b) Zweck des Zurückbehaltungsrechts 8 Das Zurückbehaltungsrecht des § 320 BGB dient dazu, auf den Schuldner Druck zur Erfüllung der eigenen, im Gegenseitigkeitsverhältnis zur geltend gemachten Forderung stehenden Verbindlichkeit auszuüben. Solange dem Vermieter ein Mangel nicht bekannt ist, kann ein Zurückbehaltungsrecht jedoch die ihm zukommende Funktion, auf den Schuldner Druck auszuüben, nicht erfüllen3. 9 Aus diesem Grund kommt ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters für einen Zeitraum, in dem er dem Vermieter den Mangel nicht angezeigt hatte und der Mangel dem Vermieter auch sonst nicht bekannt war, nach Treu und Glauben von vornherein nicht in Betracht4. Die Zubilligung eines Zurückbehaltungsrechts auch für diesen Zeitraum würde dazu führen, dass eine Vertragsverletzung des Mieters – nämlich die unterlassene Anzeige des Mangels gemäß § 536c Abs. 1 BGB – eine Kündigung des Vermieters wegen ausbleibender Mietzahlungen verhindern oder zumindest hinauszögern könnte. Denn einerseits wäre der Vermieter wegen fehlender Kenntnis von dem Mangel an der alsbaldigen Wiederherstellung eines vertragsgemäßen Zustandes gehindert. Andererseits könnte ein zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigender Zahlungsverzug erst eintreten, wenn es nach „Ausschöpfung“ des Zurückbehaltungsrechts zu weiteren Zahlungsrückständen käme. c) Ausübung des Zurückbehaltungsrechts 10 Die Ausübung der Leistungsverweigerung bedarf keiner besonderen Form. Inhaltlich muss eine Erklärung vorliegen, der zu entnehmen ist, dass der Mieter bis zur Leistung des Vermieters die Miete zurückbehält, also nach Erfüllung der Forderung des Mieters die ohnehin bestehende Leistungsbereitschaft umgesetzt wird. 11 Das Leistungsverweigerungsrecht kann auch stillschweigend geltend gemacht werden. Voraussetzung ist aber ein eindeutiges Verhalten, dass darauf abzielt, den Vermieter unter Druck zu setzen, um eine Durchsetzung der Erfüllungsansprüche aus § 535 Abs. 1 BGB zu erreichen5. Ein solches Verhalten kann in der bloßen Nichtzahlung der Miete gesehen werden, wenn der Mieter zuvor z.B. eine Mängelbeseitigung verlangt hat. Hat er sich aber außergerichtlich allein auf Minderung wegen eines Mangels der Mietsache berufen, scheidet eine nachträgliche Rechtfertigung der Nichtzahlung mit der Einrede des § 320 BGB aus. Denn dann ist durch das Berufen auf die Minderung deutlich, dass der Mieter den Einbehalt nicht an den Vermieter auszahlen will, wie es für das Leistungsverweigerungsrecht wesensprägend ist6. 1 BGH v. 26.3.2003 – XII ZR 167/01, MDR 2003, 416 = ZMR 2003, 416; weitere Einzelheiten hierzu Schenkel, NZM 1998, 502. 2 Sternel, WuM 2002, 239 (247 ff.); Eisenschmid, WuM 2001, 218; Blank, NZM 2001, 168; a.A. Lammel, § 536 BGB Rz. 5. 3 BGH v. 3.11.2010 – VIII ZR 330/09, MDR 2011, 92 = MietRB 2011, 37 = WuM 2011, 12 = NZM 2011, 197 = ZMR 2011, 275 m. Anm. Schläger. 4 LG Berlin v. 6.3.1998 – 65 S 386/97, NZM 1998, 474; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. III 127; Schenkel, NZM 1998, 502 (504). 5 BGH v. 7.6.2006 – VIII ZR 209/05, MDR 2007, 146 = NJW 2006, 2839 (2842); BGH v. 7.10.1998 – VIII ZR 100/97, NJW 1999, 53. 6 BGH v. 12.3.2008 – XII ZR 147/05, MDR 2008, 909 = MietRB 2008, 232 = ZMR 2008, 693.

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Vor § 536 BGB Nach Auffassung des OLG Frankfurt1 soll das Zurückbehaltungsrecht nicht über den 12 Zeitabschnitt hinaus geltend gemacht werden können, für den die Miete vereinbart war (z.B. Monat). Denn dem Zweck des Zurückbehaltungsrechts, Druck auf den Vermieter auszuüben, soll die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts nur so lange gerecht werden können, wie es eine Verwirklichung des vertraglichen Erfüllungsanspruches tatsächlich fördern kann. Sobald dies durch Zeitablauf unmöglich geworden ist, soll ein im Ansatz begründetes Zurückbehaltungsrecht nicht mehr durchgreifen, weil anderenfalls sich sein Charakter von dem einer aufschiebenden hin zu einer faktisch rechtsvernichtenden Einrede wandeln würde. Diese Auffassung ist abzulehnen2. Denn der Erfüllungsanspruch soll bei Gebrauchsstörungen unabhängig von den Gewährleistungsvorschriften fortbestehen3, was der BGH ausdrücklich hervorhebt4. Wenn der Erfüllungsanspruch jedoch unabhängig von den Gewährleistungsansprüchen besteht, können Gewährleistungsrechte die allgemeinen Vorschriften nicht verdrängen. Damit wird zugleich deutlich, dass auch die zeitliche Beschränkung auf den Abschnitt, für den die Miete vereinbart ist, unbedeutend ist. Denn der Erfüllungsanspruch hat ebenso dauerhaften Charakter wie der Überlassungsanspruch und die dazu im Synallagma stehende Pflicht zur Mietzahlung. In welchem Umfang das Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht werden 13 kann, wird nicht einheitlich gesehen. Einerseits soll es mit dem drei- bis fünffachen Minderungsbetrag5, andererseits mit einem Vielfachen des Mängelbeseitigungsaufwandes6 angesetzt werden können. Auch wenn die zuerst genannte Meinung auf einen konkreten Bezug zwischen der Miete und dem Mangel aufbaut7, muss im konkreten Einzelfall untersucht werden, ob die Ausübung angemessen ist. Dazu ist zu berücksichtigen, dass die Einrede des § 320 BGB als Druckmittel gedacht ist und auch einen Bezug zur Mängelbeseitigung aufweist. Deshalb hat der BGH8 zu Recht für die nicht erfüllte, vertraglich übernommene Verpflichtung zur Errichtung einer Brandmauer jedenfalls das Dreifache des Mängelbeseitigungsaufwandes für angemessen erachtet. d) Wegfall des Zurückbehaltungsrechts Bei Behebung des Mangels ist die einbehaltene Miete zu zahlen, allerdings unverzinst 14 wegen des fehlenden Verzuges9. Die Rechtsausübung ist also auflösend bedingt durch die Beseitigung des Mangels. Schon vorher entfällt die Einrede, wenn der Mieter selbst die Erfüllung des Mietvertrags grundlos und endgültig ablehnt10, insbesondere wenn der Mieter – zu Unrecht – fristlos gekündigt und das Mietobjekt geräumt11 oder sonst das Interesse an der Vertragsdurchführung verloren hat12. Im Falle der Beendigung des Mietverhältnisses kommt ein Zurückbehaltungsrecht 15 wegen eines Mangelbeseitigungsanspruchs nicht mehr in Betracht. Denn es handelt sich dabei um einen in die Zukunft gerichteten Erfüllungsanspruch, der nur während der Dauer des Mietverhältnisses besteht13.

1 OLG Frankfurt v. 23.4.1999 – 24 U 110/97, ZMR 1999, 628. 2 Vgl. u.a. BGH v. 7.5.1982 – V ZR 90/81, MDR 1982, 836 = NJW 1982, 2242; Nies, NZM 2000, 1133 (1134). 3 Gellwitzki, WuM 1999, 10 (11). 4 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = ZMR 2007, 605 = NZM 2007, 484. 5 LG Hamburg v. 30.3.1989 – 7 S 330/88, WuM 1989, 566. 6 LG Bonn v. 3.12.1990 – 6 S 76/90, WuM 1991, 262. 7 Sternel, WuM 2002, 244 (248). 8 BGH v. 26.3.2003 – XII ZR 167/01, MDR 2003, 801 = NZM 2003, 437 = GuT 2003, 144 = WuM 2003, 439 = MietRB 2003, 35. 9 BGH v. 5.5.1971 – VIII ZR 59/70, WM 1971, 1020. 10 BGH v. 16.5.1968 – VII ZR 40/66, NJW 1968, 1873. 11 BGH v. 25.1.1982 – VIII ZR 310/80, MDR 1982, 573 = NJW 1982, 874. 12 BGH v. 5.7.1989 – VIII ZR 334/88, MDR 1990, 146 = NJW 1989, 3222. 13 Vgl. BGH v. 19.6.2006 – VIII ZR 284/05, MDR 2007, 141 = NZM 2006, 696 (Rz. 12 f.).

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Vor § 536 BGB e) Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts 16 Das Zurückbehaltungsrecht ist nicht zwingend. Es kann durch Individualvereinbarung, aber auch formularmäßig ausgeschlossen werden. 17 Ein genereller formularmäßiger Ausschluss von § 320 BGB verstößt gegenüber einem Verbraucher, nicht jedoch wegen streitiger Mangelbeseitigungsansprüche zwischen Unternehmern gegen §§ 307, 309 Nr. 2 lit. a BGB1. Ein Ausschluss, der unstreitige, entscheidungsreife und rechtskräftig festgestellte Forderungen ausnimmt, ist aber wirksam2. Im Übrigen soll Voraussetzung für die Wirksamkeit sein, dass der Vermieter nicht selbst einen groben Vertragsverstoß begangen hat3. Dies ist aber keine Frage der Wirksamkeit einer Ausschlussklausel, sondern der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts. 18 Erfasst der Wortlaut eines Formularvertrags nur die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts, ist streitig, ob sich eine solche Klausel allein auf das Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB oder auch auf die Einrede des § 320 BGB bezieht. Zum Teil wird angenommen, dass auch das Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB tangiert wird4. Das OLG Düsseldorf (24. Senat)5 bezieht eine solche Abrede wegen des allgemeinen Sprachgebrauchs nur auf § 273 BGB. Diese Auslegung wird der täglichen Mietpraxis nicht gerecht. Selbst der BGH verwendet für das Recht aus § 320 BGB den Begriff „Zurückbehaltungsrecht“6. f) Rechtsfolge des Zurückbehaltungsrechts 19 Die Einrede nach § 320 BGB kann neben den Rechten aus §§ 536 ff. BGB geltend gemacht werden7. Sie hindert, ohne dass der Mieter sich auf das Zurückbehaltungsrecht berufen müsste8, den Eintritt des Verzugs mit der Folge, dass z.B. eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB jedenfalls insoweit nicht möglich ist, wie der einbehaltene Betrag von § 320 BGB gedeckt ist9. 20 Bei Zahlung unter Vorbehalt kommt eine Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts im Rahmen der Rückforderung wegen § 813 BGB nicht in Betracht. 4. Schadensersatz 21 Beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 536a BGB kann der Mieter unbeschadet der Rechte aus § 536 BGB Schadensersatz verlangen. Dem Grunde nach unterscheidet § 536a BGB zwischen der – Garantiehaftung = Haftung für Mängel ohne Rücksicht auf ein Verschulden, – Verschuldenshaftung = Haftung für schuldhaft herbeigeführte Mängel, – Verzugshaftung = Haftung für Mängel, mit deren Beseitigung sich der Vermieter in Verzug befindet. Als Schaden ist der Mangel und der Mangelfolgeschaden zu ersetzen. Eine evtl. eingetretene Mietminderung ist bei der Festlegung der Schadenshöhe als Abzugsposten zu beachten.

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Schenkel, NZM 1998, 502 (504). OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103. LG Berlin v. 10.1.1992 – 64 S 167/91, NJW-RR 1992, 518. OLG Düsseldorf v. 4.6.1998 – 10 U 107/97, ZMR 1999, 23. OLG Düsseldorf v. 7.3.2000 – 24 U 171/99, OLGR 2000, 266; OLG Düsseldorf v. 21.10.1997 – 24 U 223/96, MDR 1998, 588 = NZM 1998, 267. BGH v. 3.11.2010 – VIII ZR 330/09, MDR 2011, 92 = MietRB 2011, 37 = WuM 2011, 12 = NZM 2011, 197 = ZMR 2011, 275; vgl. auch OLG Frankfurt v. 23.4.1999 – 24 U 110/97, ZMR 1999, 628 (629); LG Berlin v. 7.11.1996 – 61 S 180/96, WuM 1998, 28. H.M., u.a. BGH v. 5.7.1989 – VIII ZR 334/88, MDR 1990, 146 = NJW 1989, 3222; BGH v. 7.5.1982 – V ZR 90/81, NJW 1982, 2242. LG Berlin v. 10.1.1992 – 64 S 167/91, NJW-RR 1992, 518. BGH v. 7.5.1982 – V ZR 90/81, BGHZ 84, 42 = MDR 1982, 836.

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Vor § 536 BGB 5. Ersatzvornahme Im Falle des Vermieterverzuges darf der Mieter gem. § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB die Män- 22 gel selbst beseitigen (Selbsthilferecht) und dann Ersatz der dafür erforderlichen Aufwendungen verlangen. Zuvor kann er vom Vermieter einen angemessenen Vorschuss anfordern1. 6. Aufwendungsersatz Auch kann ein Ersatzanspruch wegen notwendiger Aufwendungen im Sinne des § 536 Abs. 2 Nr. 2 BGB in Betracht kommen. Sonstige Aufwendungen werden von § 539 Abs. 2 BGB erfasst.

23

7. Außerordentliche fristlose Kündigung Unter den Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB steht dem Mieter ein 24 Recht zur fristlosen Kündigung bei erheblichen Mängeln zu. Ist der mangelhafte Zustand der Mietsache gesundheitsgefährdend, kann der Mieter nach § 569 Abs. 1 BGB ebenfalls fristlos kündigen. Beide Kündigungen setzen grundsätzlich eine Abmahnung oder Fristsetzung voraus. II. Abgrenzung zum allgemeinen Schuldrecht Den Vorschriften der §§ 536 ff. BGB liegt eine Leistungsstörung zugrunde. Der Ver- 25 mieter ist zumindest seiner Gebrauchserhaltungspflicht nicht nachgekommen. Wird dadurch der Gebrauchswert völlig aufgehoben, wird die Sachlage auch von § 275 BGB erfasst. Da es sich um die Verletzung von Hauptpflichten handelt, kommt auch eine Anwendung des § 281 BGB in Betracht, so dass unter den Voraussetzungen des § 281 Abs. 4 BGB eine Beendigung des Mietvertrages eintreten könnte. Dies könnte zu einer Umgehung der Kündigungsschutzvorschriften führen. Vor diesem Hintergrund muss der Interessenausgleich durch eine angemessene Ab- 26 grenzung der mietrechtlichen Gewährleistungsregeln von allgemeinen Vorschriften bei Leistungsstörungen erfolgen. Dies vollzieht sich nach den folgenden Grundsätzen: Prinzipiell ist für die Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln des Leistungsstörungs- 27 rechts und der spezielleren Regelungen des Gewährleistungsrechts für Sachmängel zwischen dem Zeitraum vor und nach der Übergabe zu differenzieren2. Bis zur Überlassung des Mietobjekts sind die §§ 275 ff. BGB anwendbar. Danach richten sich die Rechte und Pflichten der Parteien nach den §§ 536 ff. BGB. Eine Ausnahme besteht für Rechtsmängel im Sinne des § 536 Abs. 3 BGB (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 33). Insoweit muss auch nicht differenziert werden, ob der Mietvertrag vor dem 1.1.2002 28 abgeschlossen wurde. Denn gemäß Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB ist das Allgemeine Schuldrecht in der seit 1.1.2002 gültigen Fassung auf jeden Fall ab dem 1.1.2003 anzuwenden. Mietverträge, die nach dem 31.12.2001 geschlossen wurden, unterliegen ohne Einschränkung den neuen Vorschriften3. 1. Absolutes Fixgeschäft Durch den Abschluss des Mietvertrages erhält der Mieter einen Anspruch gegen den 29 Vermieter auf Überlassung der Mietsache, § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Sofern im Mietvertrag ein bestimmtes Datum für den Beginn des Mietverhältnisses angegeben ist, wird allgemein ein absolutes Fixgeschäft angenommen (vgl. auch § 535 BGB Rz. 336). 1 BGH v. 11.4.1984 – VIII ZR 315/82, MDR 1985, 49 = NJW 1985, 267; KG v. 29.2.1988 – 8 REMiet 6717/87, ZMR 1988, 219. 2 BGH v. 5.10.2001 – V ZR 275/00, NZM 2001, 1145; BGH v. 7.12.1984 – V ZR 189/83, MDR 1985, 394 = NJW 1985, 1025; BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 253/85, MDR 1987, 228 = NJW 1987, 948; BGH v. 13.12.1991 – LwZR 5/91, MDR 1992, 371 = NJW 1992, 1036; BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 44/91, MDR 1992, 1147 = NJW 1992, 3226. 3 Horst, DWW 2002, 6 (10).

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Vor § 536 BGB Läuft der Tag des Vertragsbeginns ab, ohne dass eine Übergabe stattgefunden hat, ist für die abgelaufene Zeit jedenfalls Unmöglichkeit eingetreten. 30 Etwas anderes gilt, wenn eine Nachholung der Vermieterleistung möglich erscheint. Das ist bei einem Mietvertrag der Fall, der eine feste Laufzeit ab der Übergabe vorsieht1, so dass bei einer Verzögerung der Übergabe die versäumte Zeit später nachgeholt werden kann2. 2. Subjektive und objektive, anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit 31 Bis zur Schuldrechtsmodernisierung wurde für die Anwendbarkeit der §§ 306 f., 323 f. BGB a.F. danach unterschieden, ob der Vermieter eine Garantie für die Erfüllung übernommen hatte3, anfängliche oder nachträgliche Unmöglichkeit vorlag4, Volloder Teilunmöglichkeit gegeben waren5 oder das Leistungshindernis vorübergehend war. In Ausnahmesituationen konnte das Vorliegen eines Rechtsmangels zur Anwendung des § 538 Abs. 1 BGB a.F. (Garantiehaftung) führen6. 32 § 275 Abs. 1 BGB regelt nun alle Fälle der anfänglichen und nachträglichen Unmöglichkeit mit Ausnahme der vorübergehenden Leistungshindernisse. Der Vertrag bleibt grundsätzlich – anders als bei § 306 BGB a.F. – wirksam. Der Überlassungsanspruch geht aber nach § 275 Abs. 1 BGB unter. Unabhängig davon, dass Überlassung also im Falle der Unmöglichkeit nicht mehr verlangt werden kann, ergeben sich zusätzlich verschiedene Rechtsfolgen, nämlich Schadensersatz nach den §§ 280 ff. BGB und Rücktritt nach §§ 323 f. BGB. Liegt eine vollständige Zerstörung vor, erlischt das Mietverhältnis nicht automatisch7. Vielmehr ist eine Rücktritts- bzw. nach Überlassung eine Kündigungserklärung erforderlich8. 3. Unterscheidung zwischen Sach- und Rechtsmangel 33 Vor der Schuldrechtsmodernisierung wurde zwischen Sach- und Rechtsmangel unterschieden, weil der BGH annahm, dass für den Rechtsmangel mit § 541 BGB a.F. eine Spezialnorm bestand9. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass der Gesetzgeber durch die Schaffung einer eigenen Vorschrift (§ 541 BGB a.F. = § 536 Abs. 3 BGB) die uneingeschränkte Geltung der mietrechtlichen Gewährleistungsansprüche zum Ausdruck bringen wollte10. 34 An der Notwendigkeit zur Unterscheidung zwischen Sach- und Rechtsmangel hat sich durch die Schuldrechtsreform nichts geändert11, wenngleich Diskussionsbedarf gesehen wird12. Bei einem Rechtsmangel (vgl. § 536 BGB Rz. 264) bildet § 536 Abs. 3 BGB auch vor der Überlassung eine Spezialnorm, die die allgemeinen Vorschriften verdrängt mit der Folge, dass sich die Rechte des Mieters nach den §§ 536, 536a und 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB richten13. 35 Ob die §§ 536 ff. BGB bei einem Rechtsmangel ausnahmslos lex specialis darstellen, ist noch nicht abschließend geklärt. § 536a BGB enthält z.B. keine Entsprechung für § 285 BGB, der ohnehin keinen Schadensersatz bietet. Für den Fall der Herausgabe einer vom Vermieter an den Hauptmieter für die Aufhebung des Mietvertrages ge1 BGH v. 13.7.1988 – VIII ZR 292/87, MDR 1988, 1051 = NJW-RR 1988, 1396 (für bewegliche Sachen). 2 BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 44/91, MDR 1992, 1147 = NJW 1992, 3226 (für die Raummiete). 3 BGH v. 7.12.1984 – V ZR 189/83, MDR 1985, 394 = NJW 1985, 1025. 4 BGH v. 5.7.1991 – V ZR 115/90, WuM 1991, 545 = ZMR 1991, 418 = NJW 1991, 3277. 5 BGH v. 13.12.1991 – LwZR 5/91, MDR 1992, 371 = NJW 1992, 1036. 6 BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 253/85, MDR 1987, 228 = NJW 1987, 948. 7 A.A. LG Karlsruhe v. 7.4.2004 – 10 O 683/03, NZM 2005, 221 m.w.N. 8 Wolff/Eckert/Ball, Rz. 352. 9 BGH v. 29.11.1995 – XII ZR 230/94, MDR 1996, 355 = ZMR 1996, 147 = WuM 1996, 105 m.w.N. 10 BGH v. 5.7.2012 – V ZR 115/90, MDR 1992, 159 = WuM 1991, 545. 11 BGH v. 10.7.2008 – IX ZR 128/07, MDR 2008, 1148 = MietRB 2008, 326 = NZM 2008, 644 = GuT 2008, 282; a.A. Graf von Westphalen, NZM 2002, 368. 12 Emmerich, NZM 2002, 362. 13 BGH v. 10.11.1982 – VIII ZR 252/81, MDR 1983, 394 = NJW 1983, 446.

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Vor § 536 BGB zahlten Abfindung an den Untermieter hat der BGH die Anwendung der Vorgängervorschrift (§ 281 BGB a.F.) jedenfalls bejaht1, zuletzt aber Zweifel geäußert2. Ohnehin verlangt § 285 BGB eine Identität zwischen der entgangenen und der erzielten Nutzung. 4. Vorübergehendes Leistungshindernis Vorübergehende Leistungshindernisse beurteilen sich nach § 275 Abs. 2 BGB. Miet- 36 rechtlich ist ein vorübergehendes Leistungshindernis, das keinen Rechtsmangel darstellt, gegeben, wenn dem Mieter ein Zuwarten zumutbar und der Endzeitpunkt (= Wegfall des Leistungshindernis) absehbar ist3. Da der Mieter zur Annahme von Teilleistungen (§ 266 BGB) nicht verpflichtet ist, 37 liegt z.B. ein unbehebbares Leistungshindernisses vor, wenn der Vermieter sich außer Stande sieht, die Mietsache wegen (teilweiser) Mangelhaftigkeit herzurichten, ihm die Mängelbeseitigung nicht zumutbar ist und der Mieter deshalb die Annahme der mangelhaften Sache verweigert4. Hat aber der Mieter die Herbeiführung des vertragsgerechten Anfangszustandes übernommen, gerät er bei der Weigerung, eine mangelhafte Mietsache zu übernehmen, in Annahmeverzug, § 294 BGB. Bei Vorliegen eines vorübergehenden Leistungshindernis verliert der Mieter seinen Überlassungsanspruch nur für die Vergangenheit, sofern die Leistung (= Überlassung) nicht nachgeholt werden kann. 5. Verzug Bei Verzug des Vermieters mit der Gebrauchsgewährung ergeben sich die Mieter- 38 rechte aus den §§ 280 Abs. 2, 281, 286 BGB. Die Anwendbarkeit dieser Vorschriften setzt Nachholbarkeit der Leistung voraus5. Daneben steht dem Mieter nach ungenutztem Ablauf einer Abhilfefrist auch das Kündigungsrecht aus § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB zu. Bei einem Fixgeschäft (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 29) liegt regelmäßig ein Fall der nachträglichen Unmöglichkeit/Teilunmöglichkeit vor. Es gelten dann die §§ 275, 283 BGB.

39

6. Positive Vertragsverletzung, § 280 Abs. 1 BGB Für Ansprüche aus pVV bleibt ab Übergabe wegen der Spezialregelung der §§ 536 ff. 40 BGB6 nur insoweit Raum, als es nicht um den Ausgleich von Mangelschäden geht. Im Übrigen kann durchaus eine Vermieterhaftung nach § 280 BGB wegen der Verletzung mietvertraglicher Pflichten in Betracht kommen. So stellt die Weigerung des Vermieters, den Mietvertrag zu erfüllen, insbesondere dem Mieter den Gebrauch der vermieteten Sache zu überlassen, eine zum Schadensersatz verpflichtende pVV dar7. Das Gleiche gilt, wenn der Vermieter unberechtigterweise kündigt8, anficht9 oder vom Vertrag zurücktritt10. Das Risiko, die Rechtslage richtig zu beurteilen, trägt in diesen Fällen der Vermieter. Nur in Ausfällen wird seine Fehleinschätzung als unverschuldet zu beurteilen sein11.

1 BGH v. 19.11.1984 – II ZR 6/84, MDR 1985, 647 = NJW-RR 1986, 234. 2 BGH v. 10.5.2006 – XII ZR 124/02, MietRB 2006, 215 = MDR 2006, 1396. 3 Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1190; Simon, WuM 2000, 575; a.A. OLG Frankfurt v. 23.4.1999 – 24 U 138/97, MDR 1999, 1190 = WuM 2000, 116. 4 BGH v. 18.1.1995 – XII ZR 30/93, NJW-RR 1995, 715. 5 Palandt/Grüneberg, § 286 BGB Rz. 5. 6 Bamberger/Roth/Ehlert, § 536 BGB Rz. 11. 7 BGH v. 22.2.2006 – XII ZR 48/03, MDR 2006, 739 = MietRB 2006, 184 = NJW 2006, 1963; BGH v. 12.10.1977 – VIII ZR 73/76, MDR 1978, 306 = NJW 1978, 103. 8 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 255/82, MDR 1984, 571 = NJW 1984, 1028; OLG Hamm v. 31.1.1984 – 4 REMiet 7/83, MDR 1984, 495 = NJW 1984, 1044. 9 BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 144/85, MDR 1987, 312 = NJW 1987, 432. 10 BGH v. 10.12.1986 – VIII ZR 349/85, MDR 1987, 399 = NJW 1987, 831. 11 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 255/82, MDR 1984, 571 = NJW 1984, 1028.

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Vor § 536 BGB 7. Verschulden bei Vertragsschluss 42 Eine aus Mängeln der Mietsache abgeleitete Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) kommt neben der Gewährleistungshaftung aus §§ 536 ff. BGB nicht in Betracht1. Die Gewährleistungshaftung ist allerdings grundsätzlich erst ab Übergabe der Mietsache und nur bei fahrlässiger Verletzung vorvertraglicher Pflichten vorrangig2. 8. Wegfall der Geschäftsgrundlage 43 Die §§ 536 ff. BGB sind gegenüber den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) Spezialvorschriften3. Demgemäß kann ein Fortfall der Geschäftsgrundlage nicht aus solchen Umständen hergeleitet werden, die positiv oder negativ von den §§ 536 ff. BGB erfasst sind4. Dabei bleibt es auch beim Ausschluss der Gewährleistung, sei es durch Vertrag, sei es nach § 536b BGB5. 9. Anfechtung 44 Einigkeit besteht, dass bis zur Überlassung der Mietsache eine Anfechtung nach § 119 BGB oder § 123 BGB zulässig ist und gemäß § 142 Abs. 1 BGB Nichtigkeitswirkung von Anfang an (ex tunc) entfaltet. 45 Nach Überlassung ist jedenfalls die Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB zulässig6. Denn Anfechtung und Gewährleistungsvorschriften regeln unterschiedliche Sachverhalte und verfolgen unterschiedliche Schutzzwecke. Die Anfechtung schützt die rechtsgeschäftliche Entschließungsfreiheit. Gegenstand der Gewährleistungsrechte ist eine aktuelle Leistungsstörung. 46 Umstritten ist dagegen, ob eine Anfechtung nach § 119 BGB insbesondere wegen Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB) durch die mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften verdrängt wird. Denn bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft werde in den §§ 536 ff. BGB nicht die Rückabwicklung, sondern die Kündigung vorgesehen; zudem sei eine Umgehung des § 536b BGB zu befürchten7. Diese Bedenken greifen aber nicht durch8. Die mietrechtlichen Gewährleistungsrechte sind mit denen des Kaufrechts, bei denen eine Rückabwicklung ausdrücklich vorgesehen ist (§§ 437 Nr. 2, 440 BGB), nicht vergleichbar9. Soweit damit auch ein Anfechtungsrecht des Vermieters eröffnet ist, kann eine Regulierung über den Rechtsmissbrauch stattfinden10. 47 Es besteht auch kein Anlass, von der gesetzlichen Bestimmung des § 142 Abs. 1 BGB abzuweichen11 und z.B. die Wirkung der Anfechtung erst ab Zugang der Anfechtungserklärung (ex nunc) zuzulassen12. Denn Besonderheiten der Leistung wie beim Arbeitsverhältnis oder beim Gesellschaftsverhältnis sind für den Mietvertrag nicht gegeben. Die Schwierigkeiten, die sich bei der Rückabwicklung aufgrund des Zeitablaufs und der Anzahl der rückabzuwickelnden Leistungen ergeben, rechtfertigen 1 BGH v. 28.11.1979 – VIII ZR 302/78, MDR 1980, 306 = NJW 1980, 777; Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rz. 50. 2 Vgl. BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 192/96, NJW 1997, 2813; BGH v. 28.11.1979 – VIII ZR 302/78, MDR 1980, 306 = NJW 1980, 777. 3 BGH v. 11.12.1991 – XII ZR 63/90, NJW-RR 1992, 267 (für das Pachtrecht); Bamberger/Roth/ Ehlert, § 536 BGB Rz. 12; Palandt/Grüneberg, § 313 BGB Rz. 12. 4 MünchKomm/Häublein, Vor § 536 BGB Rz. 25. 5 BGH v. 1.7.1981 – VIII ZR 192/80, MDR 1982, 135 = NJW 1981, 2405; OLG Hamm v. 15.1.1979 – 2 U 235/78, JZ 1979, 266. 6 BGH v. 8.7.2008 – VIII ZR 5/08, ZMR 2009, 102; a.A. Bub/Treier/Kraemer, II Rz. 673. 7 Dafür: MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 23; Schmidt/Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 541; Palandt/Ellenberger, § 119 BGB Rz. 28; Staudinger/Rolfs, § 542 BGB Rz. 181. 8 RG v. 10.3.1938 – IV 229/37, RGZ 157, 173. 9 Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 70; Palandt/Weidenkaff, § 536 BGB Rz. 12; Dötsch, NZM 2011, 457. 10 Dötsch, NZM 2011, 457 (460) m.w.N. 11 BGH v. 8.7.2008 – VIII ZR 5/08, ZMR 2009, 102. 12 So LG Nürnberg-Fürth v. 23.2.1966 – 2 S 109/65, MDR 1966, 1003.

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§ 536 BGB

Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln

keine Ausnahme. Denn die gleichen Schwierigkeiten bestehen bei Mietverträgen, die z.B. gemäß § 134 BGB nichtig sind. Prozessual wird der erst während des Prozesses angefochtene Vertrag bis zur Anfech- 48 tung als wirksam behandelt1. Damit tritt mit der Anfechtung eine Erledigung der Hauptsache im Sinne von § 91a ZPO ein.

§ 536 Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln (1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht. (1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient. (2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt. (3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. (4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV. 1. 2. 3. V. 1.

2.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich . . . Anwendbare Rechtsprechung . . . . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . Darlegungs- und Beweislast . . . . . . Anforderungen an die Darlegungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . Beweiserhebung. . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . . . . Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . a) § 536 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . aa) Regelungsgehalt des § 536 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . bb) Abweichende Vereinbarung . cc) Für den Mieter nachteilige Vereinbarung . . . . . . . . . . . . dd) Praktische Beispiele . . . . . . . b) Vereinbarungen zum vertragsgemäßen Zustand . . . . . . . . . . . . Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

1 1 2 2 3 7 9

. . . . . .

. . . . . .

9 21 27 29 29 29

.. ..

30 35

.. ..

38 42

.. ..

47 50

a) Regelungen zur Sollbeschaffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Minderungsausschluss . . . . . . . . . . VI. Regressmöglichkeiten des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. I. 1. 2. 3.

Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . Mangel der Mietsache . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriff des Mangels . . . . . . . . . . . . . Ermittlung der Sollbeschaffenheit . a) Stillschweigende Vereinbarung zur Sollbeschaffenheit . . . . . . . . b) Sollbeschaffenheit nach Verkehrsanschauung . . . . . . . . . . . . aa) Arten von Standards . . . . . . (1) DIN-Normen . . . . . . . . . . . . . (2) Qualität anderer Standards. bb) Verletzung eines Standards . cc) Zeitliche Komponenten bei Standards . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fallgruppen von Mängeln . . . . . . . . a) Baumängel . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Darlegungslast . . . . . . . . . . .

. . . . .

51 55 62

. . . . .

67 67 67 73 75

..

79

. . . . .

. . . . .

85 86 87 91 94

. . . .

. 97 . 106 . 107 . 108

1 OLG Düsseldorf v. 25.3.2010 – 10 U 136/09, DWW 2010, 297 = MietRB 2011, 14.

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§ 536 BGB

5.

6. II. 1. 2. 3.

294

bb) Ermittlung der Sollbeschaffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonderfall: Feuchtigkeit. . . . . . (1) Neubaufeuchte . . . . . . . . . . . . . (2) Feuchtigkeit in Bestandsobjekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kellerfeuchte . . . . . . . . . . . . . . (4) Feuchtigkeit als Gesundheitsgefährdung . . . . . . . . . . . . dd) Fogging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umweltfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Imponderabilien . . . . . . . . . . . . bb) Zuführung von giftigen Stoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einbruchserie . . . . . . . . . . . . . . dd) Lärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Lichteinfall . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Mobilfunkantenne . . . . . . . . . . gg) Prostitution . . . . . . . . . . . . . . . hh) Umwelteinwirkung durch Vögel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Taubenplage . . . . . . . . . . . . . . . (2) Andere Vögel . . . . . . . . . . . . . . . (3) Hahnenkrähen . . . . . . . . . . . . . ii) Überschwemmung/Naturkatastrophen . . . . . . . . . . . . . . jj) Wohnungsumfeld . . . . . . . . . . . kk) Zugangsbehinderung . . . . . . . . c) Öffentlich-rechtliche Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Optische Mängel . . . . . . . . . . . . . . . Gebrauchsbeeinträchtigung . . . . . . . . a) Unmittelbare Einwirkung. . . . . . . . b) Gefahr eines Mangels . . . . . . . . . . . Erheblichkeit des Mangels . . . . . . . . . Zugesicherte Eigenschaften . . . . . . . . Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fläche als zugesicherte Eigenschaft – Flächenabweichungen. . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung der Flächenangabe im Mietvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundlage der Flächenermittlung . c) Erheblichkeitsgrenze (10 %). . . . . . d) Inhalt der Wohnfläche . . . . . . . . . . aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bewertung von Außen- und anderen Flächen . . . . . . . . . . . . e) Rechtsfolge bei Flächenabweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Minderung der Miete . . . . . . . . bb) Minderung der Betriebskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB . . . . . . . dd) Teilweise Rückforderung der Mietsicherheit. . . . . . . . . . . . . .

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Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln

111 116 118 119 130 131 133 136 139

III. 1. 2. IV. 1. 2.

143 147 149 173 174 175 177 177 182 183

3.

185 190 193 194 201 205 205 210 213 217 217 220 222 224 229 233 237 237 240 249

4. 5. C. I. 1. 2. 3. II. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

253 253 256 258 259

III.

ee) Schadensersatz des Mieters . ff) Schadensersatz des Vermieters wegen falscher Mängelanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dingliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . Obligatorische Rechte. . . . . . . . . . . . Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsnatur der Minderung . . . . . . . Umfang der Minderung . . . . . . . . . . . a) Vollständige Aufhebung der Gebrauchstauglichkeit . . . . . . . . . b) Teilweise Aufhebung der Gebrauchstauglichkeit . . . . . . . . . c) Periodische Mängel. . . . . . . . . . . . d) Berechnungsgrundlage der Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Begriff der Bruttomiete . . . . . . . . f) Verrechnung der Minderung auf die laufende Miete. . . . . . . . . . Ausschluss oder Beschränkung der Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 536 Abs. 1a BGB . . . . . . . . . . . . . aa) Energetische Modernisierung bb) Gemischte Maßnahme . . . . . . cc) Minderung der Tauglichkeit . dd) Berechnung des Dreimonatszeitraumes . . . . . . . . . . . . . . . ee) Schadensersatzpflicht des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . Rückforderung zu viel gezahlter Miete. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwirkung der Minderung . . . . . . . . Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unmittelbarkeit der Einwirkung . . . Festlegung der Sollbeschaffenheit . . Rückgriff auf Standards . . . . . . . . . . Einzelne Mängel der Mietsache . . . . Berechnung der Fläche bei Gewerberaum . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkurrenzschutzverletzung . . . . . . Zugangsbehinderung . . . . . . . . . . . . Zusammenstellung der Mieterschaft (Mietermix) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enttäuschte Gewinnerwartung . . . . Öffentlich-rechtlicher Mangel . . . . . . a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veränderungen des gesetzlichen Rahmens für den Betrieb des Mieters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 261

. . . . . . .

263 264 265 269 274 275 276

. 282 . 284 . 290 . 295 . 300 . 306 . . . . . .

316 316 319 321 323 326

. 327 . 330 . 331 . 335 . . . . . .

339 339 340 346 349 354

. 354 . 362 . 365 . . . .

369 371 375 375

. 378 . 381

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§ 536 BGB

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Der Wortlaut des § 536a Abs. 1 BGB zeigt, dass der Gesetzgeber den Mangel (Sach- 1 und Rechtsmangel) der Mietsache in § 536 BGB definieren wollte. Diese Vorschrift ist damit die Grundnorm der Gewährleistungsvorschriften. Daneben wird die Minderung der Miete bei Sachmängeln (Abs. 1), beim Fehlen bzw. Fortfall zugesicherter Eigenschaften (Abs. 2) und bei Rechtsmängeln (Abs. 3) geregelt. Dadurch bringt § 536 BGB das Äquivalenzverhältnis der Miete zum Ausdruck. Eine Ausnahme davon ist durch das MietRÄndG 2013 mit § 536 Abs. 1a BGB eingefügt worden. Danach ist es dem Mieter für die Dauer von drei Monaten nicht erlaubt zu mindern, sofern der Vermieter eine energetische Modernisierung nach § 555b Nr. 1 BGB durchführt. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich § 536 BGB gehört zu den allgemeinen Vorschriften für Mietverhältnisse. Die Norm 2 gilt für alle Mietverträge und gemäß § 581 Abs. 2 BGB grundsätzlich auch für Pachtverhältnisse entsprechend, soweit in den §§ 582–584b BGB nichts anderes geregelt ist. Für die Landpacht kann gemäß § 585 Abs. 2 BGB die Vorschrift des § 536 BGB nur herangezogen werden, soweit darauf verwiesen wird (vgl. z.B. § 586 Abs. 2 BGB). 2. Anwendbare Rechtsprechung Gegenüber § 537 BGB in der bis zum 31.8.2001 gültigen Fassung (a.F.) haben sich kei- 3 ne wesentlichen Änderungen ergeben. § 537 BGB a.F. verwies zur Berechnung der Minderung auf die damals gültigen Bestimmungen zur Minderung im Kaufrecht. Die entsprechende Verweisung ist weggefallen und die schon vor dem 1.9.2001 in der Praxis geübte Gepflogenheit, die Minderung in einer Quote anzugeben, ist durch die „angemessene“ Herabsetzung in den Text aufgenommen worden. Eine Veränderung der Rechtslage ist damit nicht verbunden. Die Minderungsquoten aus der Zeit vor dem 1.9.2001 können also auch noch heute angewendet werden, sofern die Fälle vergleichbar sind. Die Gesetzesänderung 2013, mit der § 536 Abs. 1a BGB eingeführt wurde, findet keine Entsprechung in vorherigen Gesetzen. Beachtenswerte Rechtsprechung besteht daher noch nicht.

4

Im Zusammenhang mit der Regelung der zugesicherten Eigenschaft ist durch die 5 Mietrechtsreform 2001 das Regelbeispiel des bis dahin gültigen § 537 Abs. 2 S. 2 BGB a.F., wonach die Angabe einer Grundstücksgröße eine zugesicherte Eigenschaft sein sollte, nicht in das Mietrechtsreformgesetz übernommen worden. Auch diese Änderung ist ohne materielle Folgen geblieben, wie die Rechtsprechung zur abweichenden Wohnfläche zeigt (vgl. § 536 BGB Rz. 222 f.). Der Rechtsmangel war bis zum 31.8.2001 in § 541 BGB a.F. geregelt. Durch die Über- 6 nahme des Regelungsgehaltes dieser Vorschrift in § 536 Abs. 3 BGB hat sich keine materielle Änderung ergeben. Dies wird auch aus der amtlichen Überschrift des § 536 BGB deutlich. Dort ist der Rechtsmangel neben den Sachmangel gestellt. III. Zweck der Vorschrift § 536 BGB dient zunächst dem Zweck, den Mangel der Mietsache zu definieren. Dies 7 ist in § 536 Abs. 1 S. 1 BGB geschehen. Darüber hinaus bringt § 536 BGB das Äquivalenzverhältnis der Miete zum Aus- 8 druck1. Das Mietverhältnis ist in Bezug auf die Hauptleistungen wie eine Waage. Sobald die Leistung des Vermieters sich verschlechtert, also leichter wird, wird auch die

1 MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 1.

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§ 536 BGB

Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln

geschuldete Gegenleistung geringer und damit leichter. Insoweit kann die Minderung auch als Druckmittel dienen1. 8a § 536 Abs. 1a BGB soll dem Vermieter energetische Modernisierungen i.S.d. § 555b Nr. 1 BGB erleichtern, indem sie seine wirtschaftliche Belastung für die Dauer von drei Monaten jedenfalls nicht durch Minderungen der Mieter vergrößert2. Zugleich soll die Vorschrift für den Vermieter durch den nur begrenzten Minderungsausschluss einen Anreiz bilden, die bauliche Maßnahme zur Durchführung der energetischen Modernisierung zügig abzuwickeln3. IV. Darlegungs- und Beweislast 1. Anforderungen an die Darlegungslast 9 Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind4. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen5. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei ggf. die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten6. 10 Da die Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes eintritt, genügt der Mieter seiner Darlegungslast schon mit der Darlegung eines konkreten Sachmangels, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt; das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) braucht er hingegen nicht vorzutragen7. Stehen der Mangel und die dadurch bedingte Gebrauchsbeeinträchtigung fest, kann der Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung vom Gericht – ggf. unter Heranziehung eines Sachverständigen – geklärt werden. Vom Mieter kann auch nicht gefordert werden, dass er über eine hinreichend genaue Beschreibung der Mangelerscheinungen („Mangelsymptome“) hinaus die – ihm häufig nicht bekannte – Ursache dieser Symptome bezeichnet8. 11 Vor diesem Hintergrund ist zur Beschreibung des Mangels „Lärm“ die Vorlage von Lärmprotokollen unter rein verfahrensdogmatischen Gesichtspunkten grundsätzlich nicht erforderlich. Vielmehr genügt es insoweit, wenn der Mieter die Störung als solche beschreibt und ersichtlich wird, dass es sich um ein wiederkehrendes Phänomen und nicht um eine vereinzelte Beeinträchtigung handelt9. Dies gilt grundsätzlich 1 2 3 4

5

6 7

8

9

MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 1. BT-Drucks. 17/10485, S. 17. BT-Drucks. 17/10485, S. 18. Vgl. BGH v. 12.7.1984 – VII ZR 123/83, MDR 1985, 315 = NJW 1984, 2888 (unter II 1a); BGH v. 21.1.1999 – VII ZR 398/97, NJW 1999, 1859 (unter II 2a) m.w.N.; BGH v. 1.6.2005 – XII ZR 275/02, MDR 2006, 48 = NJW 2005, 2710 (unter II 2a); BGH v. 21.5.2007 – II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 (Rz. 8); BGH v. 12.6.2008 – V ZR 221/07, WPM 2008, 2068 = juris Rz. 6 f. BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298; BGH v. 12.7.1984 – VII ZR 123/83, MDR 1985, 315 = NJW 1984, 2888 m.w.N.; BGH v. 13.12.2002 – V ZR 359/01, NJW-RR 2003, 491 (unter II 2a); kritisch dazu Streyl, NZM 2012, 104. Vgl. BGH v. 12.7.1984 – VII ZR 123/83, MDR 1985, 315 = NJW 1984, 2888 (unter II 1b); BGH v. 21.1.1999 – VII ZR 398/97, MDR 1999, 735 (unter II 2b). Vgl. BGH v. 20.6.2012 – VIII ZR 268/11, ZMR 2013, 24 = NZM 2012, 760; BGH v. 27.2.1991 – XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779 (unter 2c); BGH v. 11.6.1997 – XII ZR 254/95, WuM 1997, 488 m.w.N. Vgl. BGH v. 3.7.1997 – VII ZR 210/96, NJW-RR 1997, 1376 (unter II 1); BGH v. 3.12.1998 – VII ZR 405/97, MDR 1999, 417 = NJW 1999, 1330 (unter II 1); (jeweils zum Beseitigungsverlangen von Baumängeln). BGH v. 20.6.2012 – VIII ZR 268/11, ZMR 2013, 24 = NZM 2012, 760 (Bellprotokoll); BGH v. 29.2.2012 – VIII ZR 155/11, MDR 2012, 509 = WuM 2012, 269 = NZM 2012, 381 (Lärmprotokoll).

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auch bei einem bestehenden Schallschutzmangel, solange eine Beeinträchtigung nicht aufgrund besonderer Umstände ausgeschlossen ist1. Die Vorlage von Lärmprotokollen bleibt aber in der Praxis meist unverzichtbar, um das Gericht bei der Bemessung der richtigen Minderungsquote zu unterstützen und die Beweisaufnahme über die Dauer der Beeinträchtigung günstig zu gestalten (vgl. § 536 BGB Rz. 172). Die Anforderungen an die Darlegungslast erhöhen sich nicht dadurch, dass die ande- 12 re Partei (hier der Vermieter) den Vortrag (hier zum Mangel) bestreitet. Denn eine Partei, die ein Recht beansprucht, ist nicht schon deshalb, weil der Gegner ihr Vorbringen bestreitet, gezwungen, den behaupteten Sachverhalt in allen Einzelheiten wiederzugeben2. Vor diesem Hintergrund werden die Anforderungen überspannt, wenn zusätzlicher Vortrag des Mieters verlangt wird – zum Umfang und zur Intensität der Gebrauchsbeeinträchtigungen, – zu Mängelursachen, – zur detaillierten Beschreibung der Mängel.

13

Den Anforderungen genügt ein Vortrag z.B. in folgenden Fällen:

14

– Wenn vom Mieter unter Vorlage eines Lichtbildes darlegt wird, dass ein Badewan- 15 nenabfluss offen im Fliesenboden verlegt sei, weswegen nach Benutzung des Badezimmers unangenehme Fäkalgerüche entstünden3: Der Mieter hat damit ausreichend eine unsachgemäße Installation des Badewannenabflusses und ein damit nach seiner Auffassung verbundenes Auftreten von unangenehmen Gerüchen dargetan. Weitere Einzelheiten, wie etwa die Schilderung der Intensität und der Häufigkeit entstehender Gerüche und die Darlegung eines Zusammenhangs zwischen Geruchsbildung und offener Verlegung des Abflusses, sind von ihm nicht zu fordern. Diese Fragen sind im Rahmen der Beweisaufnahme zu klären. – Wenn ein Zuleitungsrohr zum WC als „durchgerostet und undicht“ beschrieben 16 wird4: Ist ein Rohr „durchrostet“, weist es nicht nur eine kleinere Roststelle auf, sondern hat seine ursprüngliche Materialfestigkeit eingebüßt. Außerdem ist es „undicht“, was bedeutet, dass Wasser austritt5. – Wenn vorgetragen wird, der Heizkörper funktioniere nicht6: Insoweit kann nicht 17 gefordert werden, dass der Mieter die Art der Fehlfunktion oder gar die erzielten Temperaturen näher darlegt. Die Rüge, der Heizkörper funktioniere nicht, ist bei verständiger Würdigung gleichbedeutend mit der Aussage, das Gerät gebe keine Heizwärme ab. – Wenn der Ausfall der Heizung gerügt wird7: Dieser Tatbestand allein zeigt, dass ei- 18 ne Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit vorliegt. Es bedarf daher keiner weiteren Ausführungen, um für jeden Raum die Heizleistung darzustellen und welche konkrete Beeinträchtigung bestanden hat.

1 LG Wiesbaden v. 17.2.2012 – 3 S 54/11, WuM 2012, 200 = ZMR 2012, 629 = InfoM 2012, 152. 2 BGH v. 12.7.1984 – VII ZR 123/83, MDR 1985, 315 = NJW 1984, 2888 (unter II 1a); BGH v. 1.6.2005 – XII ZR 275/02, MDR 2006, 48 = NJW 2005, 2710; BGH v. 12.6.2008 – V ZR 223/07, WPM 2008, 2068 (Rz. 8). 3 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298; a.A. LG Braunschweig v. 12.3.2009 – 6 S 548/08, WuM 2009, 288; LG Köln v. 25.7.2002 – 30 S 18/02, KM 35 Nr. 59. 4 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 5 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 6 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 7 A.A. OLG Düsseldorf v. 8.7.2010 – 24 U 222/09, IMR 2011, 52.

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19 – Wenn im Schriftsatz aufgezeigt wird, aus einer alten, defekten Toilette im Keller mache sich durchdringender Fäkalgeruch im Haus breit1: eE ist für einen substantiierten Vortrag nicht erforderlich, dass der Mieter die Dauer der Gerüche im Einzelnen schildert und zudem darlegt, ob von der Geruchsentwicklung auch die von ihm genutzte Wohnung betroffen war. Durch den beschriebenen und ggf. mit Lichtbildern belegten Zustand der Toilette ist der in den hiervon ausgehenden Geruchsbeeinträchtigungen liegende Sachmangel hinreichend dargelegt. 20 – Wenn nach einem amtsgerichtlichen Urteil, in dem eine Minderung wegen Hundegebells zuerkannt wurde, im nachfolgenden Prozess unter Hinweis auf das Urteil die Minderung „wegen des im gleichen Umfang nach wie vor vorhandenen, unerträglichen Hundegebells“ reklamiert wird2. 2. Beweislastverteilung 21 Wer die Darlegungs- und Beweislast für den Mangel der Mietsache und die dadurch bedingte Beeinträchtigung der Tauglichkeit trägt, ist umstritten. Die h.M. geht davon aus, dass es sich bei § 536 BGB um eine Einwendung handelt, deren Voraussetzungen grundsätzlich der Mieter zu beweisen hat3. Demgegenüber wird vertreten, dass die erhobene Mängelrüge als substantiiertes Bestreiten der Mangelfreiheit anzusehen sei und damit die Nichterfüllung der Erhaltungspflicht des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB behauptet werde; deren Erfüllung habe aber der Vermieter jedenfalls in dem auf Mietzahlung gerichteten Klageverfahren zu beweisen4. Dem kann nicht gefolgt werden. Schon aus § 536c BGB wird deutlich, dass der Mieter das Risiko trägt, dass das von ihm gerügte Phänomen einen Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB darstellt. Andererseits könnte eine Minderung ausgeschlossen sein, obwohl eine Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit vorliegt. Reklamiert der Mieter z.B. Lärmbeeinträchtigungen und weist der Vermieter nach, dass er alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Störungen abzustellen (z.B. Abmahnung und Kündigung gegenüber dem Störer), liefe § 536 BGB leer. 22 Eine Beweisaufnahme ist aber nicht durchzuführen, wenn der Mieter einen behebbaren Mangel angezeigt hat, ohne dass der Vermieter zur Vorbereitung einer Mängelbeseitigung eine Besichtigung der Mieträume durchgeführt hat. Denn der Sinn und Zweck der Mängelanzeige besteht auch darin, Rechtsfrieden zu schaffen. Reagiert der Vermieter aber nicht auf eine Mängelanzeige, kann er das Vorhandensein eines Mangels grundsätzlich nicht einfach bestreiten. Immerhin hätte er dessen Existenz grundsätzlich ohne weiteres durch Besichtigung ermitteln können. In diesem Fall muss der Vermieter die Ordnungsgemäßheit der Mietsache beweisen5. 23 Wurde nach der Mängelanzeige durch den Vermieter eine Mängelbeseitigung durchgeführt und macht der Mieter geltend, die Mietsache sei trotz des Reparaturversuches des Vermieters weiterhin mangelhaft, muss der Vermieter den Erfolg seiner Reparaturmaßnahme beweisen6. 24 Ist das Bestehen eines Mangels unstreitig (oder bewiesen), muss der Vermieter die Ausschlusstatbestände (Unerheblichkeit, Annahmeverzug, Ursache im Verantwortungsbereich des Mieters etc.) beweisen7. Ist die Beschädigung der Mietsache unstreitig durch den Mietgebrauch verursacht worden, muss der Mieter beweisen, dass 1 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 2 BGH v. 20.6.2012 – VIII ZR 268/11, ZMR 2013, 24 = NZM 2012, 760. 3 BGH v. 1.3.2000 – XII ZR 272/97, NJW 2000, 2344; BGH v. 27.2.1991 – XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779. 4 AG Hamburg-Bergedorf v. 10.7.2012 – 409 C 192/11, ZMR 2012, 782. 5 LG Köln v. 20.6.2007 – 10 S 333/06, WuM 2008, 245. 6 BGH v. 1.3.2000 – XII ZR 272/97, NJW 2000, 2344. 7 BGH v. 10.11.2004 – XII ZR 71/01, MDR 2005, 325 = MietRB 2005, 95 = WuM 2005, 54; BGH v. 3.11.2004 – VIII ZR 28/04, MDR 2005, 386 = MietRB 2005, 65 = WuM 2005, 57; BGH v. 1.3.2000 – XII ZR 272/97, NZM 2000, 549; OLG Celle v. 19.7.1984 – 2 UH 1/84, WuM 1985, 9 = ZMR 1985, 10; LG Braunschweig v. 16.4.2002 – 6 S 771/01, ZMR 2002, 916.

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er die Beschädigung nicht zu vertreten hat1. Ist streitig, ob die Räume durch den Mietgebrauch beschädigt wurden, muss zunächst der Vermieter alle möglichen Ursachen für den Mangel, die in seinen Obhuts- und Verantwortungsbereich fallen können, ausräumen2. Sodann hat der Mieter zu beweisen, dass er den „Schadenseintritt“ nicht zu vertreten hat. Die Besonderheiten bei Feuchtigkeitseinwirkungen sind in § 536 BGB Rz. 116 ff. er- 25 läutert. Die Voraussetzungen für einen Minderungsausschluss nach § 536 Abs. 1a BGB muss 26 grundsätzlich der Vermieter vortragen. Dazu gehört insbesondere das Vorliegen einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nr. 1 BGB. Führt der Vermieter eine gemischte Maßnahme durch, werden also neben der energetischen Modernisierung andere Maßnahmen i.S.v. § 555a BGB oder § 555b Nr. 2–7 BGB ausgeführt, trifft insoweit zunächst den Mieter die Darlegungslast. Er kann sich also nicht auf ein einfaches Bestreiten der Voraussetzungen des § 536 Abs. 1a BGB beschränken. Vielmehr muss er die von § 536 Abs. 1a BGB abweichende Maßnahme anhand der Informationen aus der Ankündigung beschreiben und ggf. noch die Umstände ergänzen, die er bei der Ausführung selbst wahrgenommen hat. Der Vermieter kann sich demgegenüber nicht auf ein einfaches Bestreiten zurückziehen, sondern schuldet die anhand der Planung und Leistungsverzeichnisse mögliche Beschreibung der Maßnahme, um (dennoch) die Voraussetzungen des § 536 Abs. 1a BGB darzulegen. 3. Beweiserhebung Die primäre Darlegungslast des Mieters erstreckt sich bei § 536 BGB zunächst auf die 27 Darstellung des Mangels. Die Behauptung eines bestimmten Minderungsbetrages oder Darlegungen zum Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung gehören grundsätzlich nicht dazu. Denn diese Frage hat das Gericht ggf. unter Heranziehung eines Sachverständigen zu klären3. Dennoch ist das Gericht nicht in der Lage, ohne entsprechende Feststellungen die Höhe der Minderung festzusetzen. Im Zweifel ist daher nach § 139 Abs. 1 ZPO zu verfahren, wenn der Mieter zur Höhe nicht ausreichend vorgetragen hat4. Bei anhaltenden Lärmbeeinträchtigungen ist die Augenscheinsnahme kein ungeeig- 28 netes Beweismittel. Denn zur Beurteilung von Lärmbeeinträchtigungen bzw. deren Intensität kommt es maßgeblich auf das subjektive Empfinden an. Das kann aber regelmäßig nur bei Durchführung eines Ortstermins überprüft werden5. Denn die zur Entscheidung notwendigen Erkenntnisse über das Ausmaß der Beeinträchtigung können grundsätzlich nicht durch eine Zeugeneinvernahme vollständig ermittelt werden. Erst recht dürfen die Ermittlungen nicht auf einen Dritten (z.B. Sachverständigen) verlagert werden. V. Abweichende Vereinbarungen 1. Wohnraummiete a) § 536 Abs. 4 BGB Die Norm bestimmt, dass eine abweichende Vereinbarung zu Lasten des Wohnraummieters unwirksam ist. Ein Verstoß hiergegen führt nicht zur Unwirksamkeit des Mietvertrages, sondern allein der betreffenden Klausel6. Es ist aber zweifelhaft, inwieweit der Wortlaut sämtliche denkbaren Fälle erfasst bzw. der Anwendungsbereich trotz des umfassenden Wortlauts eingeschränkt ist. 1 2 3 4

BGH v. 14.4.1976 – VIII ZR 288/74, NJW 1976, 1315. BGH v. 10.11.2004 – XII ZR 71/01, MDR 2005, 325 = MietRB 2005, 95 = WuM 2005, 54 (57). BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 63/95, MDR 1997, 1112 = WuM 1997, 488 = ZMR 1997, 505. BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 5 BGH v. 8.5.1992 – V ZR 89/91, MDR 1992, 876 = WuM 1992, 377 = ZMR 1992, 379; OLG Düsseldorf v. 29.1.1997 – 9 U 218/96, DWW 1997, 149. 6 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 409; MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 33.

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aa) Regelungsgehalt des § 536 Abs. 4 BGB 30 Der Wortlaut spricht dafür, dass § 536 Abs. 4 BGB jede Vereinbarung zwischen Vermieter und Mieter erfasst, die das Minderungsrecht des Mieters tangiert, und zwar unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt sie – also insbesondere vor oder nach der Übergabe – getroffen wurde. Damit wäre grundsätzlich auch eine Abrede verboten, durch die die Parteien z.B. nur eine Verständigung über die Höhe der Minderung für einen konkreten (unstreitigen) Mangel unterhalb des objektiv zutreffenden Maßes festlegen, und zwar unabhängig davon, ob dies außergerichtlich oder in einem gerichtlichen Vergleich erfolgt. 31 Die Zulässigkeit von Vereinbarungen über die Minderung im Hinblick auf eine konkrete Mangelsituation ist bisher – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung anerkannt und wird auch in der Literatur ohne Weiteres angenommen1. Der BGH ist davon jedenfalls ausgegangen, wenn der Mieter auch eine (für ihn vorteilhafte) Gegenleistung erhält (z.B. keine Mieterhöhung für eine bestimmte Zeit nach Beendigung des mangelhaften Zustandes2). Nach LG München I3 kann sich der Mieter trotz § 536 Abs. 4 BGB in Ansehung konkreter Baumaßnahmen im Einvernehmen mit dem Vermieter auf eine bestimmte Minderung auch für die Zukunft jedenfalls dann einigen, wenn es sich um einen befristeten Zeitraum handelt. 32 Diese Sichtweise entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers: § 555f BGB4 macht deutlich, dass im Rahmen der Erhaltung und Modernisierung die Verbotsnormen der §§ 555a Abs. 4, 555c Abs. 4 etc. BGB jedenfalls nicht für Vereinbarungen gelten sollen, in denen nach Abschluss des Mietvertrages Regelungen im Hinblick auf eine konkrete Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahme getroffen werden, die zum Nachteil des Mieters von den gesetzlichen Bestimmungen zur Erhaltung und Modernisierung abweichen5. § 555f BGB sieht sogar ausdrücklich einschränkende Vereinbarungen über die Gewährleistung vor. Unabhängig davon, ob § 555f BGB schrankenlos Abreden zwischen Vermieter und Mieter zulässt, die den Mieter benachteiligen, kann daraus jedenfalls für den Bereich der Duldung von Erhaltungs- bzw. Modernisierungsmaßnahmen hergeleitet werden, dass § 536 Abs. 4 BGB nicht gilt. Ein sachlicher Grund, warum § 536 Abs. 4 BGB in anderen Fällen, in denen aus konkretem Anlass nach Abschluss des Mietvertrages eine Vereinbarung über die Minderung herbeigeführt wird, gelten sollte, ist nicht ersichtlich. Deshalb fallen keine vertraglichen Bestimmungen unter § 536 Abs. 4 BGB, die nach Abschluss des Mietvertrages im Hinblick auf eine konkrete Mangelsituation getroffen werden6. 33 Für die Nichtanwendbarkeit des § 536 Abs. 4 BGB nach Abschluss des Mietvertrages spricht auch der Zweck der Regelung und der inhaltsgleichen Verbotsbestimmungen in den §§ 551 ff. BGB. Sie sollen den vom Mieterschutz geprägten „gesetzlichen Mietvertrag“, wie er aus der Kodifikation der §§ 559–577a BGB hervorgeht“ schützen. Sobald der Mietvertrag zwischen den Parteien aber abgeschlossen ist, bedarf es einer Beschränkung der Vertragsfreiheit, wie sie in den Verbotsnormen der §§ 551 ff. sowie § 536 Abs. 4 BGB enthalten ist, nicht mehr. Denn ab diesem Zeitpunkt stehen sich die Parteien grundsätzlich gleichberechtigt gegenüber7. Mithin greift die Norm schon von ihrem Zweck her nicht ein, sondern ist in ihrer Anwendung auf abstrakt generelle Regelungen in einem Mietvertrag beschränkt. 34 Für Regelungen, die zwischen den Parteien in der Phase nach Abschluss des Mietvertrages getroffen werden, kann über eine weitere Beschränkung der Vertragsfreiheit nur im Rahmen der allgemeinen Vorschriften der §§ 134, 138 BGB einerseits und § 307 1 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VIII 433. 2 BGH v. 14.10.2009 – VIII ZR 159/08, MDR 2010, 76 = MietRB 2010, 83 = WuM 2009, 744 = GE 2010, 56; Vorinstanz: LG Köln v. 8.5.2008 – 1 S 387/06, ZMR 2008, 718. 3 LG München I v. 9.12.2001 – 14 S 9823/11, ZMR 2012, 192. 4 Mietrechtsänderungsgesetz, BT-Drucks. 17/10485. 5 So ausdrücklich: BT-Drucks. 17/10485, S. 22. 6 BGH v. 21.2.1990 – VIII ZR 116/89, MDR 1990, 813 = NJW-RR 1990, 884; Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 112. 7 Lützenkirchen/Dickersbach, ZMR 2006, 821.

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BGB andererseits nachgedacht werden. § 307 BGB kommt z.B. in Betracht, wenn vom Vermieter nach Abschluss des Mietvertrages gestellte Formularklauseln abstrakt generell bestimmte Situationen regeln sollen (z.B.: Bei einem Umweltfehler soll der Mieter zukünftig nicht mehr oder nur in bestimmter Höhe mindern können). Ob und in welchem Zusammenhang ein konkretes Ereignis Anlass gibt, eine solche abstrakt generelle Vereinbarung herbeizuführen, ist unerheblich. Maßgeblich ist allein der Inhalt: Bezieht er sich auf die konkrete Sachlage, also einen bestimmten Mangel, liegt in der Regel schon keine Formularklausel vor, es sei denn, der Vermieter bietet die konkrete Vereinbarung gleichlautend einer Vielzahl von Mietern an. Inhaltlich kommt es für die Bewertung nach § 307 BGB darauf an, inwieweit vom Äquivalenzverhältnis in unangemessener Weise zum Nachteil des Mieters abgewichen wird1. Das ist spätestens der Fall, wenn die Aufhebung der Tauglichkeit, die zu einer Minderung von 100 % führt, vom Wortlaut der Klausel erfasst wird. bb) Abweichende Vereinbarung Im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 536 Abs. 4 BGB muss eine zum Nachteil 35 des Mieters abweichende Vereinbarung vorliegen. Damit ist jede Beeinträchtigung der Mieterrechte aus § 536 Abs. 1–3 BGB erfasst, unabhängig davon, ob sie – einen Ausschluss, eine Einschränkung oder eine Erschwerung herbeiführt2, – sich bloß formell (z.B. durch eine Ankündigung der Minderung) oder materiell (z.B. höhenmäßige Beschränkung der Minderung), – unmittelbar oder mittelbar auswirkt. Letzteres soll z.B. in Betracht kommen, wenn die Erhaltungspflicht zugunsten des 36 Vermieters eingeschränkt wird, indem sie entweder ausgeschlossen oder auf den Mieter abgewälzt wird3. Dies ist zweifelhaft. Zwar soll der Mieter gerade deshalb nicht zur Vornahme von Kleinreparaturen verpflichtet werden können4. Ein sachlicher Unterschied zur Überbürdung von Schönheitsreparaturen besteht aber nicht. Der Ausschluss der Minderung ist in diesem Fall ein Reflex der Vornahmeverpflichtung5. Dagegen ist es unzulässig, sich die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Mietzahlungsansprüche versprechen zu lassen, weil dadurch das Minderungsrecht erschwert wird6. Daneben erfasst § 536 Abs. 4 BGB zumindest Vereinbarungen, nach denen – der Mangelbegriff eingeschränkt wird7, – die Minderung generell oder für bestimmte Arten von Mängeln ganz oder teilweise ausgeschlossen ist8, was auch der Fall ist, wenn – nur der anfängliche Rechtsmangel ausgeschlossen wird9, – der Mieter auf Bereicherungsansprüche verwiesen wird10, – der Ausschluss nur bauliche Veränderungen betrifft11, – die Minderung von der Duldungspflicht bei baulichen Änderungen abhängen soll12, – die Minderung auf die Nettokaltmiete oder sonstige Bestandteile der Miete beschränkt wird13,

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BGH v. 23.4.2008 – XII ZR 62/06, MDR 2008, 1089 = ZMR 2008, 776 = NJW 2008, 2497. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 406. Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 110; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 407. BGH v. 6.5.1992 – VIII ZR 129/91, MDR 1992, 669 = WuM 1992, 355 = ZMR 1992, 332. MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 33. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 410. Staudinger/Emmerich, 2011, § 536 BGB Rz. 74. LG Hamburg v. 14.7.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 115. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 284. BGH v. 1.6.2005 – VIII ZR 216/04, MDR 2005, 1399 = ZMR 2005, 773 = NJW 2005, 2701. LG Berlin v. 8.7.1986 – 64 S 404/85, MDR 1986, 938 = GE 1986, 1011. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 408. Vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VIII 436a (für die Gewerberaummiete).

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– die Kürzung der Miete von einer Ankündigung der Minderung abhängig sein soll1, – vor der Kürzung der Miete – der Mangel gerichtlich festgestellt sein muss2, – Verzug des Vermieters mit der Mängelbeseitigung eingetreten sein muss3, – eine Frist gesetzt werden muss4, – der Rückforderungsanspruch/die Aufrechnung für den Fall ausgeschlossen ist, dass der Mangel im laufenden Monat, für den der Mieter im Voraus die Miete entrichtet hat, eingetreten ist5. 37 Von § 536 Abs. 4 BGB unberührt bleibt ein Minderungsausschluss, der sich auf Mängel bezieht, die bei Abschluss des Mietvertrages bereits vorhanden sind6. Insoweit ist es nicht erforderlich, die Beschränkung auf bestimmte Mängel zu beziehen7. Die Regelung ist auch dann wirksam, wenn sie abstrakt die Minderung für Mängel, die bei Vertragsschluss vorliegen, ausschließt. Diesen Fall sieht das Gesetz selbst in § 536b BGB vor. Allerdings muss eine entsprechende Formularklausel wegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB deutlich machen, dass der Ausschluss nicht gilt, wenn der Mieter sich die Minderung bzw. seine Gewährleistungsrechte vorbehält. cc) Für den Mieter nachteilige Vereinbarung 38 § 536 Abs. 4 BGB erfasst nur Vereinbarungen, die die Rechtslage in Bezug auf Mängel oder Minderung für den Mieter nachteilig gestalten. Damit werden von vornherein solche Vertragsbestimmungen nicht erfasst, die dem Mieter einen Vorteil gewähren. Das trifft z.B. für eine Regelung zu, die die Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB nicht von einer Gebrauchsbeeinträchtigung abhängig macht oder in der der Mieter auch bei unerheblicher Gebrauchsbeeinträchtigung mindern können soll. 39 Liegt aber eine für den Mieter nachteilige Bestimmung vor, was z.B. in den unter § 536 BGB Rz. 36 aufgeführten Fällen möglich ist, stellt sich die Frage, ob dieser Nachteil durch außerhalb der konkreten Regelung dem Mieter gewährte Vorteile kompensiert werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage kann grundsätzlich nicht darauf abgestellt werden, dass der Mieter unter vielen Interessenten als Vertragspartner ausgesucht wurde. Bei einer solchen Betrachtungsweise könnte jeder Nachteil aufgehoben bzw. aufgewogen werden. 40 Vielmehr ist darauf abzustellen, ob die Parteien den konkreten Nachteil durch eine Vorteilsgewährung aufgewogen haben, so dass die nachteilige Regelung materiell neutralisiert ist. Insoweit sollen jedenfalls solche Vergünstigungen herangezogen werden können, die dem Mieter innerhalb des Vertrages gewährt wurden (z.B. gegenüber dem ursprünglichen Angebot reduzierte Miete)8. Auch in diesem Fall soll § 536 Abs. 4 BGB mangels Nachteils zu Lasten des Mieters nicht eingreifen. Allerdings muss die Vorteilsgewährung im Vertrag Anklang gefunden haben9. Ob ein Vorteil gewährt wurde, ist dabei objektiv zu ermitteln. 41 Ein relevanter Nachteil soll ebenfalls nicht angenommen werden können, wenn eine Klausel ein Vertragsrisiko für beide Seiten gleichwertig regelt. Das ist z.B. der Fall, wenn durch den Mietvertrag eine Beschaffenheitsvereinbarung (hier: Größe der Wohnfläche) getroffen und zugleich festgelegt wird, dass beide Parteien auch aus ei-

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LG Heidelberg v. 8.11.1996 – 5 S 95/96, WuM 1997, 42 = NJWE 1997, 99 = juris Rz. 22. MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 33. Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 110. Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rz. 74. BGH v. 26.10.1994 – VIII ARZ 3/94, MDR 1995, 142 = WuM 1995, 28 = ZMR 1995, 60; BayObLG v. 6.5.1993 – 1Z RE-Miet 1/93, MDR 1993, 639 = WuM 1993, 335 = ZMR 1993, 371. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VIII 433 (der darin allerdings eine Beschaffenheitsvereinbarung sieht). A.A. Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 113. Lehmann-Richter, WuM 2010, 3. Lehmann-Richter, WuM 2010, 3.

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ner erheblichen Abweichung keine Rechte herleiten können1. Wird eine solche Klausel formularmäßig vom Vermieter gestellt, bleibt sie trotz § 307 BGB unbeanstandet. Immerhin können die Parteien den Inhalt der Wohnfläche abweichend von §§ 42 ff. II. BV oder der WoFlV regeln2. dd) Praktische Beispiele Vor diesem Hintergrund kann zunächst daran gedacht werden, den Automatismus 42 der Minderung einzuschränken: Ein ausreichender Vorteil, der die Abweichung von einer für den Mieter günstigen Rechtslage aufwiegt, liegt z.B. vor, wenn die Klausel zwar den Automatismus der Minderung beschränkt, sein Risiko einer unbegründeten Minderung aber schmälert. Das wird etwa dadurch erreicht, dass der Mieter solange zur Sicherheitsleistung in Höhe des von ihm behaupteten Minderungsbetrages verpflichtet wird, bis endgültig feststeht, dass ein Minderungsrecht begründet ist3. 43

Klausel: „Im Falle der Mietkürzung wegen Mängeln der Mietsache ist der Vermieter solange nicht berechtigt, das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzuges ordentlich oder außerordentlich zu kündigen, wie der Mieter Sicherheit in Höhe des gekürzten Betrages leistet. Für die Sicherheit gilt § 551 Abs. 3 BGB entsprechend. Befindet sich der Vermieter mit der Annahme der Sicherheit in Verzug, kann sie vom Mieter durch Hinterlegung bei der Justizkasse bei dem zuständigen Amtsgericht erfolgen. Der Sicherheit bedarf es nicht, wenn der Vermieter einer Minderung oder sonstigen Mietkürzung zugestimmt hat oder die zugrundeliegenden Tatsachen zwischen den Parteien unstreitig, entscheidungsreif oder rechtskräftig festgestellt sind.“

Aber auch die Minderung als solche kann gegen eine Vorteilsgewährung einge- 44 schränkt werden. Dies gilt allerdings nicht für einen generellen Ausschluss des Minderungsrechts. Immerhin würde das Äquivalenzverhältnis gestört und muss stets der Fall bedacht werden, dass die Tauglichkeit der Mietsache aufgehoben ist. Einen auch im Rahmen des § 307 BGB relevanten Vorteil erhält der Mieter bei der 45 Vereinbarung einer Staffelmiete4. Mit Rücksicht darauf ist es gerechtfertigt, z.B. geringfügige Minderungen auszuschließen. Dabei muss jedoch darauf geachtet werden, dass die Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nicht „leer läuft“5. Das wäre z.B. der Fall, wenn die Klausel den Vermieter motivieren könnte, seine Erhaltungspflicht bei geringfügigen Mängeln nicht mehr zu erfüllen. Klausel: „Bei Vereinbarung einer Staffelmiete ist das Minderungsrecht des Mieters ausgeschlossen, soweit sie zu einer Kürzung der Miete von unter 5 % führt und sich der Vermieter nicht länger als zwei Wochen mit der Mängelbeseitigung in Verzug befindet.“

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b) Vereinbarungen zum vertragsgemäßen Zustand Das grundsätzliche Verbot abweichender Regelungen zu Lasten des Mieters tangiert nicht die Vereinbarung über die Qualität des vertragsgemäßen Zustandes. Dieser unterliegt in den Grenzen der §§ 134, 138, 307 BGB der Dispositionsfreiheit der Parteien.

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Auch ein unter dem Mindeststandard liegender Zustand ist dann vertragsgemäß, 48 wenn er eindeutig vereinbart ist6. Dazu muss eine Formularklausel insbesondere dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB gerecht werden. Das ist nicht der Fall, wenn die Klausel ganz allgemein, also ohne inhaltliche Spezifizierung das Risiko von abweichenden Standards auf den Mieter abwälzt (hier: unterdimensionierte

1 LG Berlin v. 16.1.2007 – 63 S 267/05, GE 2007, 449. 2 BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 44/03, MDR 2004, 933 = NJW 2004, 2230. 3 Vgl. zu einer ähnlichen Klausel: KG v. 16.3.2009 – 8 U 112/08, MietRB 2010, 263 = GE 2009, 1555 = GuT 2009, 300. 4 BGH v. 12.11.2008 – VIII ZR 270/07, GE 2009, 45 = NZM 2009, 80 = ZMR 2009, 189. 5 Vgl. dazu BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, MDR 2002, 330 = ZMR 2002, 184 = WuM 2002, 141 = NZM 2002, 116. 6 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 (unter II 2b).

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Elektro-Unterverteilung)1. Deshalb muss in der Klausel z.B. die Kapazität eines Stromnetzes in der maßgeblichen Einheit angegeben werden, damit für den Mieter ersichtlich ist, ab wann eine Überlastung eintritt oder ob er zusätzliche Kapazitäten für seine Nutzung benötigt. Auch wenn das Risiko nicht ausreichender Deckenlast auf den Mieter überbürdet werden soll, muss die vorhandene Auslastungsgrenze angegeben werden. 49 Allein die Tatsache, dass die Klausel über den vertragsgemäßen Zustand im Ergebnis zu einem Ausschluss des Minderungsrechts führt, zieht nicht ohne Weiteres die Unwirksamkeit nach § 536 Abs. 4 oder § 307 BGB nach sich. Dies gilt insbesondere für Vereinbarungen, mit denen Umweltmängel aus dem Risikobereich des Vermieters ausgeklammert werden (z.B. Bautätigkeit in bei Vertragsschluss vorhandener Baulücke)2. Dafür, dass eine vom Mindeststandard abweichende Vereinbarung auch nur stillschweigend getroffen wurde, trägt der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast3. 2. Gewerberaummiete 50 Außerhalb der Wohnraummiete ist § 536 Abs. 4 BGB nicht anwendbar, kann also grundsätzlich vertraglich ausgeschlossen oder eingeschränkt werden4. § 309 Nr. 8 lit. b BGB steht einem formularmäßigen Ausschluss des Minderungsrechtes nicht entgegen, da diese Bestimmung auf Mietverträge nicht anwendbar ist5. a) Regelungen zur Sollbeschaffenheit 51 Die Festlegung der Sollbeschaffenheit ist den Parteien grundsätzlich unbenommen. Wird die Sollbeschaffenheit aber formularmäßig beschrieben, gelten die Grundsätze der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. 52 Daran ändert die Beifügung einer Baubeschreibung z.B. bei der Vermietung vom Reißbrett nichts. Selbst wenn damit nur erreicht werden soll, dass die Leistung des Vermieters festgelegt wird, greift das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Damit muss aber aus der Baubeschreibung deutlich hervorgehen, wenn es unter Berücksichtigung des Vertragszwecks Abweichungen vom üblicherweise zu erwartenden Standard gibt und diese zu Lasten des Mieter gehen sollen. 53 Deshalb reicht es nicht aus, dass in einer Klausel oder der in Bezug genommenen Baubeschreibung mitgeteilt wird, dass die übliche Kapazität vorhanden ist. Vielmehr müssen – damit der Mieter die Abweichung erkennen kann – die Kapazitäten nach ihrer Leistungsstärke angegeben werden6. Sobald damit im Übrigen formularmäßig eine Herbeiführung des vertragsgemäßen Zustandes abweichend von § 535 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Mieter abgewälzt werden soll, liegt ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor. 54 Daneben ist zu beachten, dass das Risiko der Versagung der Nutzung infolge baulicher Mängel durch eine Behörde AGB-mäßig grundsätzlich nicht auf den Mieter abgewälzt werden kann, weil es mit § 535 Abs. 1 S. 2 BGB unvereinbar ist7. Demgemäß ist eine Formularklausel, die auch für diesen Fall den Vertrag im Zeitpunkt der Versagung der Genehmigung für aufgelöst erklärt, unwirksam8. Demgegenüber liegt in der Vereinbarung, dass der Mieter die erforderlichen behördlichen Genehmigungen 1 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 2 KG v. 3.6.2002 – 8 U 74/01, NZM 2003, 718; LG Gießen v. 15.12.2010 – 1 S 210/10, ZMR 2011, 384. 3 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517. 4 BGH v. 12.2.1959 – VIII ZR 54/58, BGHZ 29, 295; OLG Hamburg v. 2.4.2003 – 4 U 57/01, ZMR 2004, 432. 5 BGH v. 24.4.1985 – VIII ZR 65/84, MDR 1985, 757 = NJW 1985, 1549. 6 Vgl. dazu BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 7 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, ZMR 2008, 274. 8 BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, ZMR 1993, 320.

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auf seine Kosten einzuholen hat1 oder für eigene bauliche Veränderungen selbst haftet2, grundsätzlich kein Gewährleistungsausschluss. Der Vermieter haftet auch dann weiterhin für die generelle Geeignetheit der Mietsache zum vertraglich festgelegten Zweck und damit dafür, dass die notwendigen behördlichen Genehmigungen (z.B. baubehördliche Nutzungsänderungsgenehmigungen), ggf. nach zumutbaren Umbaumaßnahmen durch den Mieter, aufgrund der Beschaffenheit und Lage der Mietsache überhaupt erteilt werden können. b) Minderungsausschluss Da § 536 Abs. 4 BGB nicht gilt, ist der Automatismus der Minderung, wie er von § 536 55 Abs. 1 BGB geregelt wird, abdingbar. Gerade bei einem Mietvertrag, dessen Inhalt an § 307 BGB zu messen ist, darf die Regelung aber nicht den Eindruck erwecken, dass die Minderung gänzlich ausgeschlossen ist, also der Mieter auch dann zur Mietzahlung verpflichtet bleibt, wenn die Tauglichkeit der Mietsache aufgehoben ist. Mit Rücksicht darauf ist die Formularklausel, nach der der Mieter in Bezug auf die Miete und die Betriebskosten kein Minderungsrecht geltend machen kann, im Zweifel wegen § 305c Abs. 2 BGB dahin auszulegen, dass ein vollständiger Ausschluss der Rechte aus § 536 BGB geregelt werden soll3. Dies ist im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip unwirksam, selbst wenn sich der Ausschluss nur auf einen bestimmten Mangel beziehen soll4. Macht die Klausel aber deutlich, dass dem Mieter sein Bereicherungsanspruch bei 56 Vorbehaltszahlung erhalten bleibt, bestehen keine Bedenken5. Ebenso unbedenklich ist eine AGB-Klausel, nach der die Minderung von einer vorausgehenden Ankündigung abhängig gemacht wird. Ein Ausschluss der Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen aus § 536a Abs. 1 BGB lässt das Minderungsrecht und auf Minderung beruhende Bereicherungsansprüche unberührt6. Ein (unwirksamer) Ausschluss des Rückforderungsanspruchs soll in der Klausel: „Ei- 57 ne nicht ausdrücklich vom Vermieter zugestandene oder rechtskräftig bestätigte Mietminderung darf der Mieter nur vornehmen, wenn in Höhe des Minderungsbetrages zugleich eine Hinterlegung bei der Justizkasse eines deutschen Gerichts durch ihn erfolgt“ nicht enthalten sein, so dass kein Verstoß gegen § 307 BGB vorliegt7. Dies ist insoweit bedenklich, als kein Vorbehalt für entscheidungsreife Forderungen geregelt ist8. Denn das Stadium zwischen Beendigung einer Beweisaufnahme über den (streitigen) Mangel bis zum Eintritt der Rechtskraft kann sehr lange dauern, ohne dass ein rechtfertigender Grund dafür ersichtlich ist, dass das (risikolose) Kürzen der Miete nicht berechtigt sein könnte. Der vertragliche (wirksame) Ausschluss der Minderung durch Einbehalt eines Teils 58 der Miete ist auch dann wirksam und kommt auch dann zum Zuge, wenn sich der Vermieter in Vermögensverfall befindet und der Mieter Gefahr läuft, den ihm bereicherungsrechtlich zustehenden Anspruch bei isolierter Geltendmachung der Minderung nicht durchsetzen zu können. Allerdings soll der Mieter im Einzelfall auf der Grundlage von Treu und Glauben (§ 242 BGB) dadurch geschützt werden, dass er in Höhe des maximal denkbaren Minderungsbetrags nur zur Zahlung Zug um Zug gegen Sicherheitsleistung verpflichtet wird9. Dies ist bedenklich. Die Risikoverteilung des Mietvertrages ändert sich durch die Insolvenz des Vermieters nicht. Der Mieter 1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG München v. 19.5.1995 – 21 U 4948/94, ZMR 1995, 401. BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, ZMR 2008, 274. BGH v. 23.4.2008 – XII ZR 62/06, MDR 2008, 1089 = ZMR 2008, 776 = NJW 2008, 2497. BGH v. 23.4.2008 – XII ZR 62/06, MDR 2008, 1089 = NZM 2008, 609 = GE 2008, 981 = ZMR 2008, 776. KG v. 16.3.2009 – 8 U 112/08, MietRB 2010, 263 = GE 2009, 1555 = GuT 2009, 300. BGH v. 26.10.1994 – VIII ARZ 3/94, MDR 1995, 142 = NJW 1995, 254. KG v. 16.3.2009 – 8 U 112/08, MietRB 2010, 263 = GE 2009, 1555 = GuT 2009, 300. Vgl. dazu: BGH v. 7.4.2011 – VII ZR 209/07, MDR 2011, 652 = ZMR 2004, 541 mit Anm. Niebling, ZMR 2011, 620. OLG Stuttgart v. 29.9.2008 – 5 U 65/08, MietRB 2009, 70 = MDR 2009, 21 = ZMR 2009, 204 = NZM 2009, 32.

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trägt auch ohne den Vermögensverfall das Risiko, dass er seinen Rückforderungsanspruch nicht realisieren kann. 59 Für den Minderungsausschluss gelten auch keine anderen Anforderungen, wenn sich der Mieter mit Zahlungen im Rückstand befindet. Die Klausel, nach der der Mieter nur mindern darf, wenn er sich mit seinen Mietzahlungen nicht in Rückstand befindet, vernachlässigt den Rückforderungsanspruch des Mieters ebenso wie ein genereller Minderungsausschluss. Insoweit kann auch kein allgemeiner Rechtsgrundsatz herangezogen werden, wonach sich nur derjenige z.B. auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen darf, der sich selbst vertragstreu verhält1. Denn damit wird dem Mieter das weitere Risiko aufgebürdet, dass über die Berechtigung des Mietrückstandes gestritten wird, ohne dass klar ist, ob der Mieter hinsichtlich der eigentlich geminderten Miete ein Rückforderungsrecht geltend machen kann. 60 Wird die Durchführung der Minderung von einer Ankündigung abhängig gemacht, muss ebenfalls ein Vorbehalt für die Rückforderung erklärt werden. Ansonsten müsste der Mieter für die Dauer der Ankündigungsfrist die Miete fortbezahlen, obwohl die Mietsache z.B. nicht mehr existiert. 61 Wirksame Beschränkungen der Minderung gelten über das Vertragsende hinaus2. Allerdings kann sich der Vermieter auf die Nichteinhaltung einer solchen Klausel nicht mehr berufen, wenn das Vertragsverhältnis beendet ist, der Mieter das Objekt geräumt und herausgegeben hat und lediglich noch wechselseitige Ansprüche abzurechnen sind3. VI. Regressmöglichkeiten des Vermieters 62 Der Vermieter erleidet bei der Ausübung von Gewährleistungsansprüchen durch den Mieter erfahrungsgemäß eine wirtschaftliche Einbuße. In vielen Situationen kann sich der Vermieter bei Dritten schadlos halten oder doch zumindest einen Teil seines Schadens liquidieren. Deshalb sollte auf Vermieterseite stets geprüft werden, inwieweit der Dritte in die Klärung einbezogen werden kann, wobei ihm im Prozess regelmäßig der Streit zu verkünden ist. 63 Derartige Regressmöglichkeiten bestehen gegen – den „lärmenden“ Mieter in Höhe der berechtigten Mietminderungen anderer Mieter (Schadensersatz aus § 280 BGB)4; 64 – den Nachbarn bei einer Beeinträchtigung durch Baulärm5 (Entschädigungspflicht aus § 906 Abs. 2 BGB: Minderungen, die 6 % überschreiten, sollen jenseits der Zumutbarkeitsgrenze nach § 906 Abs. 2 BGB liegen6); beruht die Lärmquelle allerdings auf einem Planfeststellungsverfahren (z.B. Flughafen7 oder Autobahn8), so dass der Eigentümer die Möglichkeit hat, in dem Verfahren seine berechtigten Interessen einzubringen (z.B. zusätzliche Schallschutzmaßnahmen), erfasst der damit verbundene Ausschluss des öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruchs auch den Anspruch aus § 906 Abs. 2 BGB; 65 – Handwerker bei Substanzschäden; dann liegen baurechtliche Gewährleistungsansprüche nahe. Bei Lärm oder sonstigen Gebrauchsbeeinträchtigungen ist zu prüfen, ob ein anderer Mieter auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden könnte9. Damit diese (je nach Stadium noch vagen) Regressansprüche rechtzeitig vorbereitet sind, sollte der Rechtsanwalt schon beim ersten Anschein eines re1 A.A. OLG Düsseldorf v. 24.6.2010 – 24 U 210/09, ZMR 2011, 380. 2 BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, NJW-RR 1993, 519; OLG Hamm v. 11.2.1998 – 30 U 70/97, NZM 1998, 438. 3 BGH v. 16.12.1987 – VIII ZR 48/87, MDR 1988, 488 = ZMR 1988, 135 (für die Aufrechnung). 4 AG Bremen v. 9.3.2011 – 17 C 105/10, WuM 2011, 362 = NZM 2012, 383. 5 Vgl. Schelinski, NZM 2005, 211. 6 LG Hamburg v. 3.12.1998 – 327 S 97/98, MDR 1999, 154 = NZM 1999, 169. 7 BGH v. 10.12.2004 – V ZR 72/04, MDR 2005, 623 = NZM 2005, 226. 8 BGH v. 21.1.1999 – III ZR 168/97, NJW 1999, 1247. 9 Sehr anschaulich: OLG Rostock v. 26.5.2003 – 3 U 85/02, GuT 2003, 212.

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gressbegründenden Sachverhalts entsprechende Schritte gegen den/die potentiellen Schuldner vorbereiten. Dies kann durch Abmahnung gegenüber anderen Mietern geschehen oder durch einfache Unterlassungsaufforderung. Auch der bloße Hinweis auf mögliche Regressansprüche kann später die Inanspruchnahme des Dritten erleichtern, sei es, dass erst der Hinweis ein Verschulden begründet oder auch nur einer Verwirkung entgegengewirkt wird. Ist der Vermieter Nießbraucher, trifft ihn zwar grundsätzlich die Erhaltungspflicht 66 gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Auch ist er nach § 1041 S. 1 BGB für die Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand verantwortlich. § 1041 S. 2 BGB schränkt diese Unterhaltungspflicht aber ein, indem Ausbesserungen und Erneuerungen nur insoweit geschuldet werden, als sie zu der gewöhnlichen Unterhaltung gehören. Dazu zählen solche Maßnahmen, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung regelmäßig, und zwar wiederkehrend innerhalb kürzerer Zeitabstände zu erwarten sind, also insbesondere normale Verschleißreparaturen1. Muss der Nießbraucher wegen § 535 Abs. 1 S. 2 BGB über die Verpflichtung des § 1041 BGB hinaus Arbeiten an der Mietsache ausführen lassen, steht ihm ein Verwendungsersatzanspruch gegen den (Mit-)Eigentümer nach § 1049 BGB (ggf. i.V.m. § 421 BGB) zu. B. Wohnraummiete I. Mangel der Mietsache 1. Allgemeines Nach dem Wortlaut des § 536 Abs. 1 BGB gilt es als Mangel der Mietsache, wenn 67 – ein Fehler der Mietsache ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder nicht unerheblich mindert (Abs. 1) oder – der Mietsache eine vom Vermieter zugesicherte Eigenschaft fehlt (Abs. 2) oder – der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder teilweise entzogen wird (Abs. 3, Rechtsmangel). Obwohl kein Verschulden an der Herbeiführung des unzulänglichen Zustandes erfor- 68 derlich ist, muss der Vermieter nur für Mängel einstehen, die seiner Sphäre zuzurechnen sind. Demgemäß kann der Mieter keine Gewährleistung für Zustände reklamieren, die zwar als solche einen Mangel der Mietsache begründen, dessen Entstehung aber seiner Sphäre entstammen2. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Beitrag des Mieters unmittelbar oder mittelbar den vermeintlichen Mangel herbeigeführt hat. Maßgeblich ist die Zuordnung des beanstandeten Phänomens zum Risikobereich des Mieters. Deshalb scheidet z.B. die Annahme eines öffentlich-rechtlichen Mangels (vgl. § 536 BGB Rz. 194 ff.) nicht schon deshalb aus, weil das Eingreifen der Behörde auf eine entsprechende Anzeige des Mieters zurückzuführen ist. Verstößt der Zustand des Gebäudes oder die vom Vermieter zugesagte Nutzung gegen öffentlich-rechtliche Bestimmungen, ist dieser Missstand allein der Sphäre des Vermieters zuzurechnen. Erfolgt eine unverhältnismäßige Anzeige des Mieters im Einzelfall aus Böswilligkeit oder geringem Anlass, kann sie eine Kündigung nach § 543 BGB begründen, selbst wenn sie auf zutreffenden Angaben beruht3. Beispiele, in denen Gebrauchshindernisse der Sphäre des Mieters zuzurechnen sind und die daher keine Minderung nach § 536 BGB rechtfertigen, sind:

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– Der Sphäre des Mieters ist eine Unterbrechung der Stromversorgung zuzurech- 70 nen, die auf der Demontage des Zählers beruht, wenn diese Demontage darauf zurückzuführen ist, dass der Mieter die monatlichen Abschläge oder sonstige Entgel-

1 BGH v. 6.6.2003 – V ZR 392/02, MDR 2003, 1170 = NJW-RR 2003, 1290. 2 MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 32 m.w.N.; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 572. 3 OLG Brandenburg v. 19.4.2006 – 3 U 157/05, MietRB 2007, 65; vgl. aber auch LG Wiesbaden v. 2.5.1995 – 8 S 411/94, WuM 1995, 707; LG Osnabrück v. 6.8.1993 – 11 T 66/93, WuM 1993, 617; LG München v. 20.3.2002 – 14 S 17178/01, NZM 2002, 697.

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te an den Stromversorger nicht gezahlt hat1. Zwar stellt die Unterbrechung der Stromversorgung der Wohnung einen Mangel der Mietsache dar, weil ihre Gebrauchstauglichkeit dadurch beeinträchtigt ist, dass der Mieter ohne die Messeinrichtung keinen Strom von einem (neuen) Versorger beziehen kann. Indessen beschränkt sich die Verantwortung des Vermieters darauf, dass er für den Stromzähler als Messeinrichtung als Anschlussnehmer gemäß § 22 Abs. 1 Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) einen Zählerplatz vorzusehen hat. Ob der Stromzähler, der zum Netzanschluss gehört und im Eigentum des Netzbetreibers verbleibt, funktioniert, unterliegt regelmäßig nicht seiner Einflussmöglichkeit. 71 – Ähnlich gestaltet sich die Rechtslage, wenn die Mietsache nach den Absprachen der Parteien (noch) herzurichten ist und der Mieter aus dem Leistungspaket des Vermieters einzelne Gewerke selbst übernimmt. War der Fußbodenbelag der Mieträume nach dem Mietvertrag vom Vermieter herzurichten und entscheidet sich der Mieter dafür, anstelle des vom Vermieter vorgesehenen textilen Bodenbelages auf eigene Kosten einen Kunststoffbelag durch einen von ihm beauftragten Unternehmer aufbringen zu lassen, ist er zur Minderung der Miete nicht berechtigt, wenn Schäden am Fußbodenbelag deshalb auftreten, weil dessen Subunternehmer – sorgfaltswidrig – den Kunststoffbelag auf feuchtem Untergrund verklebt hat, und zwar auch dann nicht, wenn der vom Mieter beauftragte Unternehmer identisch ist mit dem vom Vermieter mit der Durchführung der anderen Sanierungsmaßnahmen beauftragten Unternehmer2. 72 – Nichts anderes gilt, wenn ein Ungezieferbefall auf bauliche Maßnahmen des Mieters zurückzuführen ist3. 2. Begriff des Mangels 73 Ein Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB ist die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache (= Ist-Beschaffenheit) von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit4. Aus dem zur Erfüllung des vertragsgemäßen Gebrauchs erforderlichen Zustand der Mietsache ergibt sich deren geschuldeter Zustand (sog. subjektiver Fehlerbegriff5). Dazu gehören über deren physische Beschaffenheit hinaus grundsätzlich auch die tatsächlichen Zustände und rechtlichen Verhältnisse, die mit der Mietsache zusammenhängen und ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen. Das können auch Störungen sein, die außerhalb der Mietsache liegen. 74 Um ein Ausufern des Fehlerbegriffs zu vermeiden, führen außerhalb der Mietsache selbst liegende Umstände allerdings nur dann zu einem Mangel der Mietsache, wenn sie deren Gebrauchstauglichkeit unmittelbar beeinträchtigen6. Ob eine unmittelbare 1 BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MDR 2011, 216 = MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 97 = GE 2011, 261 = NZM 2011, 198 = ZMR 2011, 371. 2 KG v. 16.8.2004 – 12 U 310/03, MietRB 2005, 34 = GuT 2004, 230 = GE 2004, 1393 = ZMR 2004, 908. 3 OLG Düsseldorf v. 6.11.2008 – 24 U 149/07, ZMR 2011, 629. 4 St. Rspr. BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, NJW 2009, 664 (666); BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 355/03, MDR 2005, 743 = MietRB 2005, 32 = WuM 2004, 715; BGH v. 26.9.1990 – VIII ZR 205/89, MDR 1991, 329 = ZMR 1991, 19 m.w.N. 5 Bub/Treier/Kraemer, III B Rz. 1328. 6 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553 (zu einer Konkurrenzschutzverletzung); BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, NJW 2009, 664, 665 (zur Behinderung des Zugangs zu einem Geschäftslokal und zur Einhaltung eines bestimmten Mietermix); BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, NJW 2006, 899 (900) (zur Zusicherung einer Vollvermietung und bestimmten Mieterstruktur); BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714 (1715) (zur enttäuschten Gewinnerwartung in einem Einkaufszentrum); BGH v. 11.12.1991 – XII ZR 63/90, WPM 1992, 583 (585) (zu öffentlich-rechtlichen Hindernissen); BGH v. 1.7.1981 – VIII ZR 192/80, NJW 1981, 2405 (zur enttäuschten Gewinnerwartung bei geringer Kundenfrequenz); BGH v. 9.12.1970 – VIII ZR 149/69, NJW 1971, 424 (425) (zur Hochwassergefährdung des Mietobjekts); SchmidtFutterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 13 f.; MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 14 f.; Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rz. 7.

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Beeinträchtigung der Mietsache vorliegt, richtet sich in erster Linie nach dem von den Parteien vereinbarten vertragsgemäßen Gebrauch1. Zur Unmittelbarkeit der Einwirkungen vgl. § 536 BGB Rz. 340 ff. 3. Ermittlung der Sollbeschaffenheit Im Hinblick auf den subjektiven Fehlerbegriff sind Ausgangspunkt aller Überle- 75 gungen zunächst die Abreden der Parteien. Dazu muss geprüft werden, ob und mit welchem Inhalt die Parteien bestimmte Standards der Mietsache als sicher vorausgesetzt haben und inwieweit sie von einem Standard abweichende Regelungen vereinbart haben. Dies kann ausdrücklich oder stillschweigend2 geschehen sein. Angaben zur Sollbeschaffenheit können vor allem enthalten sein: – im Vertrag, – im Übergabeprotokoll, – in der Vorkorrespondenz3 oder – in sonstigen (vorvertraglichen) Informationen (z.B. Annonce, Exposé). Bei der zuletzt genannten Gruppe ist zusätzlich die Verbindlichkeit für die Vertrags- 76 grundlage näher zu prüfen. Eine Relevanz solcher Kriterien kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn die Parteien die Anpreisungen, Beschreibungen oder sonstigen Angaben aus den überlassenen Informationen zur Grundlage ihrer Einigung machen wollten4. Insoweit kann maßgeblich sein, ob es sich bei dem relevanten Umstand um eine reine Objektbeschreibung handelt oder die Beschaffenheit des Mietobjektes angegeben werden sollte5. Die Sollbeschaffenheit wird zunächst durch den Vertragszweck umschrieben. Wer- 77 den Räume zum Wohnen vermietet, kann der Mieter solange, wie keine gegenteiligen Vereinbarungen getroffen wurden, erwarten, dass die Räume die Benutzung gängiger (üblicher) Haushaltsgeräte zulassen6, also einen Mindeststandard des Wohnens ermöglichen. Sollen dazu einschränkende Regelungen gelten, die für eine Vielzahl von Fällen formuliert sind, müssen sie dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechen. Dazu ist erforderlich, dass die Einschränkung des üblichen vertragsgemäßen Zustandes für den Mieter in seiner Auswirkung erkennbar ist. Ist z.B. nur ein eingeschränkt nutzbares Stromnetz vorhanden, muss deshalb aus der Klausel die Belastungsgröße ersichtlich sein7. Umgekehrt wird die ausdrückliche Festlegung eines bestimmten Standards nicht da- 78 durch unverbindlich, dass er bei Errichtung des Objektes noch nicht galt8. Vielmehr ist von dem Grundsatz auszugehen, dass je detaillierter die beabsichtigte Nutzung beschrieben ist, umso größer die Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit sind. a) Stillschweigende Vereinbarung zur Sollbeschaffenheit Für stillschweigende Abreden der Vertragsparteien zur Sollbeschaffenheit gelten die 79 allgemeinen Regeln (vgl. § 535 BGB Rz. 39 ff.). Danach sind insbesondere Handlungen beider Parteien erforderlich, die auf einen Rechtsbindungswillen schließen lassen und eine Übereinstimmung in bestimmten Beschaffenheitsanforderungen erkennen

1 BGH v. 1.7.1981 – VIII ZR 192/80, NJW 1981, 2405; Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rz. 5 m.w.N. 2 BGH v. 23.6.2010 – VIII ZR 256/09, MDR 2010, 916 = WuM 2010, 480 = ZMR 2010, 938. 3 AG Wiesbaden v. 4.12.2008 – 92 C 6429/06-12, WuM 2010, 416. 4 Vgl. BGH v. 23.6.2010 – VIII ZR 256/09, MDR 2010, 916 = MietRB 2010, 289 = WuM 2010, 480 einerseits und BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 2/07, zitiert nach juris andererseits. 5 Vgl. Häublein, PiG 92, 81, 83 f. 6 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = ZMR 2004, 807 = NJW 2004, 3174. 7 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 8 BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 218/08, MDR 2009, 1156 = MietRB 2009, 316 = GE 2009, 1118 = ZMR 2009, 838.

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lassen. Davon kann z.B. ausgegangen werden, wenn das Gebäude als solches ein bestimmtes, den Gebrauch beeinträchtigendes Merkmal aufweist, ohne dass die Möglichkeit der Beseitigung besteht. Das ist etwa bei Kellerfeuchtigkeit in Altbauten aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg der Fall. Damals war es nicht üblich, gehörte also nicht zum Standard, Kellerwände gegen eindringede Feuchtigkeit zu isolieren. Soll dennoch eine trockene Beschaffenheit des Kellers in einem solchen Gebäude als vereinbart gelten, ist ein besonderes Verhalten der Parteien erforderlich, sofern keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde. 80 Eine stillschweigende Übereinstimmung kann auch aus vorvertraglichen Umständen hergeleitet werden, wenn eine bestimmte Beschaffenheit ausdrücklich besprochen wurde, die für eine Partei eine erkennbare besondere Bedeutung hatte. Das ist insbesondere der Fall, wenn die konkrete Beschaffenheit wertbildender Natur ist (z.B. Flächenangaben)1. Nach der Ergänzung des § 558 Abs. 2 BGB durch das MietRÄndG 2013 um den Begriff der energetischen Beschaffenheit und Ausstattung kommt auch der Vorlage eines Energieausweises u.U. die Festlegung einer bestimmten energetischen Beschaffenheit zu (vgl. aber § 535 BGB Rz. 389). Dazu muss mit dem Vorzeigen des Ausweises aber ein bestimmter Zweck verfolgt werden. Allein aus der Einsicht in den Energieausweis kann nicht auf die Vereinbarung eines bestimmten (energetischen) Zustandes geschlossen werden. Legt der Mieter aber Wert auf eine bestimmte energetische Eigenschaft (z.B. darauf, dass die energetische Beschaffenheit der im Mietspiegel vorgesehenen Baualtersklasse eingehalten wird) und zeigt der Vermieter ihm aus diesem Grund den Energieausweis, kann damit die Sollbeschaffenheit (stillschweigend) festgelegt sein. 81 Mit Rücksicht auf den Mietzweck sind im Übrigen alle den Parteien erkennbaren Umstände zu berücksichtigen. Auch der bei Vertragsabschluss bekannte „Istzustand“ der Mietsache ist von Bedeutung2. Deshalb kann die Vereinbarung einer besonders niedrigen Miete oder die Akzeptanz einer unzureichenden Beschaffenheit durch den Mieter z.B. bedeuten, dass ein schlechter Zustand (stillschweigend) vertragsgemäß sein soll (z.B. verschlissener Teppichboden)3. Dies gilt erst recht, wenn sich bei der Beschaffenheit des Gebäudes bestimmte unzuträgliche Phänomene regelmäßig aufdrängen, wie etwa die Feuchtigkeit im Keller eines Altbaus aus der Zeit, in der Kellerwände noch nicht isoliert wurden4. Dagegen reicht es für die Annahme der notwendigen Willensübereinstimmung z.B. über einen sog. Umweltfehler nicht aus, dass der Mieter bei Vertragsschluss einen von außen auf die Mietsache einwirkenden Umstand (z.B. Straßenlärm) in einer für ihn vorteilhaften Weise wahrnimmt (z.B. als „ruhige Lage“) und er sich auch deshalb dafür entscheidet, die Wohnung zu mieten5. Dazu müsste der Mieter zunächst noch vortragen, dass der Vermieter von seinem (objektiven) Empfängerhorizont aus dem Verhalten des Mieters erkennen musste, dass der Mieter die Fortdauer dieses bei Vertragsschluss bestehenden Umstands über die unbestimmte Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung angesehen hat und dem auch zugestimmt hat. 82 Die (plötzliche) Durchführung von Bautätigkeiten kann dagegen aufgrund der äußeren Umstände zur vertragsgemäßen Beschaffenheit der Mietsache gehören. Dies soll z.B. gelten, wenn in der Nachbarschaft eine Baulücke vorhanden ist, so dass Baulärm vom Nachbargrundstück zwingend vorhersehbar ist. Denn jedenfalls in Ballungsgebieten muss damit gerechnet werden, dass Baulücken geschlossen werden6. Im Er1 BGH v. 23.6.2010 – VIII ZR 256/09, MDR 2010, 916 = MietRB 2010, 289 = WuM 2010, 480. 2 OLG Hamburg v. 13.7.1994 – 4 U 11/94, ZMR 1995, 120; OLG München v. 21.4.1995 – 21 U 5722/94, ZMR 1997, 236. 3 BayObLG v. 4.2.1987 – RE-Miet 2/86, MDR 1987, 498 = WuM 1987, 112; vgl auch BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235. 4 LG Mannheim v. 8.4.1998 – 4 S 158/97, WuM 1998, 663. 5 BGH v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, MDR 2013, 262 = WuM 2013, 154 = NZM 2013, 184. 6 OLG Brandenburg v. 1.10.2007 – 3 U 10/07 Rz. 19, zitiert nach juris; KG v. 3.6.2002 – 8 U 74/01, NZM 2003, 718 = GE 2003, 115; OLG München v. 26.3.1993 – 21 U 6002/92, WuM 1993, 607; BayObLG v. 4.2.1987 – RE-Miet 2/86, NJW 1987, 1950 = WuM 1987, 112.

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gebnis sind aber auch insoweit die Umstände des Einzelfalles maßgeblich1. Insoweit muss ein Mieter z.B. mit Bauarbeiten in der Nachbarschaft rechnen, wenn die Räume nicht in einem fertig gestellten Neubaugebiet liegen2. Andererseits müssen umfangreiche Baumaßnahmen an einer Schule wegen der Staub- und Lärmbelästigung der Mieter in unmittelbarer Nachbarschaft nicht konkludent Vertragsinhalt des Mietvertrages geworden sein3 und können auch lang andauernde Umbauarbeiten (Umbau eines Ministeriumsbaus) zu einer Abweichung von der Sollbeschaffenheit führen4. Befindet sich das Grundstück in Flussnähe, muss auch mit permanentem Pumpeneinsatz während der Bauzeit gerechnet werden5. Ein vereinbarter schlechter Zustand als Sollbeschaffenheit muss zwar den Erfül- 83 lungsanspruch nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nicht (gänzlich) ausschließen6. Da Gewährleistungsrechte aber erst bei einer spürbaren Abweichung von der Sollbeschaffenheit gegeben sind, gelten hier hohe Anforderungen. Eine besondere Ausstattung des Mietobjektes, seine exponierte Lage oder eine hohe 84 Miete sprechen für höhere Anforderungen an die Sollbeschaffenheit7. Das gilt aber grundsätzlich allein für die Ausstattung und die Bausubstanz. Denn darüber hinaus kann z.B. ohne besondere Absprachen aus der bloßen Vereinbarung einer deutlich über den örtlichen Spitzenpreisen liegenden Miete, auch vor dem Hintergrund besonderer vorvertraglicher (einseitiger) Anpreisungen, keine Verpflichtung des Vermieters abgeleitet werden, für einen bestimmten „Mietermix“ oder ein bestimmtes „Milieuniveau“ zu sorgen8. Unabhängig von der Höhe der vereinbarten Miete hat der Mieter einer nicht modernisierten Altbauwohnung grundsätzlich einen Anspruch auf eine Elektrizitätsversorgung, die zumindest den Betrieb eines größeren Haushaltsgerätes (z.B. Waschmaschine) und gleichzeitig weiterer haushaltsüblicher Geräte (z.B. Staubsauger) ermöglicht9. Denn werden Räume zum „Wohnen“ ohne Einschränkung vermietet, kann der Mieter auch in einer Altbauwohnung erwarten, dass die heute üblichen Elektrogeräte in den Mieträumen ohne weiteres genutzt werden können. Einen darunterliegenden Standard können (und müssen) die Parteien ausdrücklich vereinbaren. b) Sollbeschaffenheit nach Verkehrsanschauung Fehlt es an konkreten (stillschweigenden) Abreden, wird für die Bestimmung der 85 Sollbeschaffenheit die Verkehrsanschauung als Auslegungshilfe herangezogen10. Dazu muss anhand von Auslegungsregeln (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 151 ff.) geprüft werden, was der Vermieter schuldet bzw. welchen Standard der Mieter aufgrund seines Vertrages vom Vermieter verlangen kann.

1 BGH v. 21.2.2012 – VIII ZR 22/11, WuM 2012, 271. 2 OLG Brandenburg v. 1.10.2007 – 3 U 10/07 rz. 19, zitiert nach juris; KG v. 3.6.2002 – 8 U 74/01, NZM 2003, 718 = GE 2003, 115. 3 OLG Schleswig v. 30.3.2011 – 5 U 122/10, ZMR 2011, 724. 4 AG Berlin-Mitte v. 2.12.2009 – 17 C 134/09, MM 2010, 75. 5 LG Gießen v. 15.12.2010 – 1 S 210/10, ZMR 2011, 384. 6 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517. 7 AG Potsdam v. 12.7.2001 – 26 C 82/01, NZM 2002, 68 (nächtliche, störende Bürotätigkeit in Mietobjekt des oberen Preissegments); AG München v. 22.3.2001 – 453 C 7957/00, NZM 2001, 809 (Lärm von bosnischem Konsulat auf dem Nachbargrundstück wegen einer Vielzahl von Flüchtlingen infolge Krieg in bevorzugter, hochpreisiger Wohnlage). 8 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, GE 2012, 1553; BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, NJW 2009, 664 Rz. 26 f. 9 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356; BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MDR 2004, 1346 = MietRB 2005, 1 = NJW 2004, 3174. 10 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356.

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aa) Arten von Standards 86 Als Auslegungshilfen für die Bestimmung der Verkehrsanschauung kommen insbesondere Richtlinien und sonstige Standards in Betracht, die bei der Errichtung von Gebäuden und/oder Arbeitsplätzen, deren Unterhaltung, beim Umgang mit (gefährlichen) Stoffen etc. allgemein zu beachten sind. Die Verletzung eines Standards begründet grundsätzlich aber nur dann Gewährleistungsrechte, wenn sie sich konkret auf den Gebrauch auswirkt, da die bloße Gefahr eines Mangels prinzipiell noch keine Gebrauchsbeeinträchtigung darstellt1. Andererseits muss nicht jede Gebrauchsbeeinträchtigung eine Verletzung der Sollbeschaffenheit darstellen. (1) DIN-Normen 87 DIN-Normen z.B. sind keine Rechtsnormen, sondern nur private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter2. Sie können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben, aber auch hinter diesen zurückbleiben3. Die allgemein anerkannten Regeln der Baukunst stellen die Summe der im Bauwesen anerkannten wissenschaftlichen, technischen und handwerklichen Erfahrungen dar, die durchweg bekannt und als richtig und notwendig anerkannt sind4. Diese Erkenntnis kann aber auf das Mietrecht nicht übertragen werden5. So unterliegen z.B. die Anforderungen an den Schallschutz (DIN 4109) einer dynamischen Veränderung. Dennoch bleiben die DINNormen oftmals hinter der technischen Entwicklung und den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die sich in ständigem Fluss befinden, zurück6, weil sie einen bürokratischen Entwicklungsprozess durchlaufen und häufig Übergangsregelungen gelten. Zudem stellt die DIN 4109 nach ihrer Zweckbestimmung lediglich den Mindeststandard an Schallschutz dar, durch den Menschen in Aufenthaltsräumen vor unzumutbaren Belästigungen durch Schallübertragung geschützt werden sollen. 88 Deshalb kann sich zwar die Lärmentwicklung in einem Treppenhaus in einem Gebäude, das 1950 errichtet wurde, störend auswirken. Da die DIN 4109 seinerzeit aber noch nicht galt, liegt dieses Phänomen innerhalb der Soll-Beschaffenheit. Das gilt für Gebäude, die im Jahr 1961 bezugsfertig geworden sind, weil es seinerzeit noch nicht allgemeiner Standard war, die DIN 4109 anzuwenden7. 89 Vor diesem Hintergrund hat der für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass für eine im Jahr 1997 fertig gestellte Doppelhaushälfte der hierfür geltende Teil der Normen der DIN 4109 nach dem Stand von 1989 nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht, soweit durch die vereinbarte Bauweise bei einwandfreier, ihrerseits den anerkannten Regeln der Technik entsprechender Bauausführung höhere Schallschutzwerte erreicht werden, als sie sich aus den Anforderungen der DIN 4109 ergeben8. Welcher Schallschutz geschuldet ist, ist danach in erster Linie durch Auslegung des Bauvertrags zu ermitteln. Ergibt die Gesamtabwägung aller Umstände, dass der Erwerber aufgrund der Baubeschreibung erwarten kann, dass der Bauunternehmer den Schallschutz nach den zur Zeit der Abnahme geltenden anerkannten Regeln der Technik herstellt, ändert sich daran nichts, wenn im Vertrag zusätzlich ein Hinweis auf die Schalldämmung nach der DIN 4109 erfolgt. Ein solcher Verweis ist dann redlicherweise lediglich dahin zu verstehen, dass ein entsprechender Schallschutz nur versprochen wird, soweit die DIN 4109 anerkannte Regel der Technik ist9.

1 LG Lübeck v. 15.1.2002 – 6 S 161/00, ZMR 2002, 431; LG Hannover v. 30.5.1997 – 8 S 203/96, WuM 1997, 434; LG Dortmund v. 16.2.1994 – 11 S 197/93, WuM 1996, 141. 2 BGH v. 14.5.1998 – VII ZR 184/97, BGHZ 139, 16, 19 = MDR 1998, 1026. 3 BGH v. 14.6.2007 – VII ZR 45/06, BGHZ 172, 346, Rz. 32 = MDR 2007, 1252. 4 Werner/Pastor, Rz. 1459 ff. 5 BGH v. 7.7.2010 – VIII ZR 85/09, MDR 2010, 1041 = WuM 2010, 482 = ZMR 2010, 942. 6 Boldt, NJW 2007, 2960 (2962). 7 LG Frankfurt v. 14.12.2010 – 2-11 S 285/09, ZMR 2011, 468 = GE 2011, 1023. 8 BGH v. 14.6.2007 – VII ZR 45/06, BGHZ 172, 346, (Rz. 29, 31, 32) = MDR 2007, 1252; vgl. auch BGH v. 4.6.2009 – VII ZR 54/07, BGHZ 181, 225 = MDR 2009, 978 (Rz. 12 ff.). 9 BGH v. 4.6.2009 – VII ZR 54/07, BGHZ 181, 225 = MDR 2009, 978 (Rz. 14).

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Diese für das Bauvertragsrecht entwickelten Grundsätze lassen sich nicht auf das 90 Wohnraummietrecht übertragen1. Es gibt hier – anders als beim Bauvertrag – regelmäßig schon keine Parteivereinbarung über die Bauweise des Mietobjekts. Insbesondere liegt dem Mietverhältnis in aller Regel keine Baubeschreibung oder vergleichbare Beschaffenheitsvereinbarung zugrunde, aus der sich gegenüber dem Mindeststandard der DIN 4109 erhöhte Anforderungen an den Schallschutz ergeben könnten. Im Mietverhältnis sind in erster Linie die konkreten Vereinbarungen der Parteien über die Sollbeschaffenheit der Wohnung maßgeblich, die vom Vermieter bei Übergabe einzuhalten und über die ganze Mietzeit aufrechtzuerhalten ist, und nicht die Einhaltung bestimmter technischer Normen bei Übergabe wie bei einem Bauwerk2. Darüber hinaus hat der Vermieter – anders als der Bauunternehmer – während der gesamten Dauer des Mietverhältnisses für Sachmängel Gewähr zu leisten (§§ 536 bis 536d BGB), ohne dass er in jedem Fall auf die tatsächliche bauliche Beschaffenheit Einfluss hat. Ohne entsprechende vertragliche Regelung hat der Mieter daher regelmäßig keinen Anspruch auf einen gegenüber den Grenzwerten der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN-Norm erhöhten Schallschutz3. (2) Qualität anderer Standards Standards werden inhaltlich danach unterschieden, ob sie dazu dienen, den Komfort 91 und Funktionsabläufe zu verbessern oder zu sichern, oder ob ihr Zweck darin besteht, vom Nutzer Gefahren für seine Gesundheit und Sicherheit abzuwenden. Die Unterscheidung ist wegen der Auswirkungen von Bedeutung. Dies gilt insbesondere für die Verpflichtung des Vermieters zur Nachrüstung, sofern sich die Wohnstandards oder die Risikobeurteilung und damit die Grenzwerte ändern. Allerdings ist eine klare Grenzziehung nicht immer möglich. Soweit Standards – etwa über das BImSchG – Rechtsnormqualität haben, sind sie 92 unmittelbar verbindlich, insbesondere die Grenzwerte nach Art. 2 zu § 2 Abs. 1 TrinkwasserVO in der Fassung vom 5.12.19904. Das gilt erst recht bei Verwendungsverboten wie z.B. für Asbest und Pentachlorphenol (PCP) in Holzschutzwirkstoffen (s. § 15 Abs. 1 Ziff. 1, 12 GefahrstoffVO). Fehlt die Rechtsnormqualität, dürfen Standards nicht unkritisch übernommen wer- 93 den, zumal es an der nötigen Verfahrenstransparenz fehlen kann. Es handelt sich nicht von vorneherein um antizipierte Sachverständigengutachten5, sondern um Empfehlungen entweder mit behördlichem oder mit Verbandscharakter. Dies gilt insbesondere für sog. Vorsorgerichtwerte, die unterhalb von medizinischen Grenzwerten liegen und den Unsicherheitsbereich zur wahrscheinlichen Gefahrlosigkeit abgrenzen. Die Vermutung besagt, dass bei einer Überschreitung der Grenznorm eine Gefährdung nicht ausgeschlossen und bei ihrer Einhaltung es wahrscheinlich nicht zu Gesundheitsschäden kommen wird. Sie ist aber sowohl für den Vermieter als auch für den Mieter widerlegbar. Stets ist zu beachten, dass die Standards bestenfalls den Erkenntnisstand zur Zeit ihrer Aufstellung und damit vorbehaltlich besserer Erkenntnis wiedergeben. Ein Fehler i.S.v. § 536 BGB kann aber auch bei Einhaltung des einschlägigen Regelwerks vorliegen. Deshalb kann z.B. der Mieter eines experimentellen Niedrigenergiehauses, das nach den Regeln der Technik errichtet wurde, erwarten, dass die Schallisolierung gegen Geräusche von außen nicht schlecht ist6.

1 BGH v. 7.7.2010 – VIII ZR 85/09, MDR 2010, 1041 = MietRB 2010, 254 = NZM 2010, 618 = ZMR 2010, 942. 2 Rodegra, WuM 2009, 151 (154). 3 BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 355/03, MDR 2005, 743 = MietRB 2005, 32 = NJW 2005, 218 (unter II 1); Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 28. 4 LG Arnsberg v. 24.4.2007 – 5 S 136/06, zitiert nach juris. 5 BVerwG v. 22.5.1987 – 4 C 33-35/83, WuM 1987, 413 für DIN-Normen. 6 AG Trier v. 22.5.2002 – 5 C 346/01, WuM 2002, 308.

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bb) Verletzung eines Standards 94 Allein die Verletzung eines Standards rechtfertigt grundsätzlich noch nicht die Annahme eines Mangels i.S.v. § 536 BGB. Vielmehr kommt einem solchen Tatbestand grundsätzlich nur Indiz-Charakter zu1. Damit besteht bei der Verletzung eines Standards lediglich die Vermutung für eine Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit. Das gilt auch im umgekehrten Fall: Sind die einschlägigen Baunormen z.B. eingehalten, liegt die Annahme nahe, dass mangels anderer Vereinbarungen ein Mangel i.S.v. § 536 BGB nicht vorliegt. Mit Rücksicht darauf werden bei einer Verletzung von Standards Gewährleistungsrechte erst ausgelöst, wenn auch eine Beeinträchtigung des Mietgebrauchs vorliegt2, wozu im Wesentlichen auf den Vertragszweck abzustellen ist. Dazu gehört z.B. bei einem Gewerbe, dass der vorgesehene Beruf oder der vorgesehene Betrieb in den Mieträumen ungestört ausgeübt werden kann. 95 Sind bei der Errichtung des Gebäudes z.B. die Vorgaben der DIN 4109 (Schallschutz) nicht eingehalten worden, begründet dies allein noch keinen Mangel der Mietsache. Vielmehr muss der Mieter auch vortragen, dass er (nicht unbedingt unerträglich) durch Geräusche beeinträchtigt wird. Gelingt dem Mieter diese Darstellung, besteht aufgrund der Verletzung der DIN 4109 bereits die Vermutung für einen Mangel der Mietsache. Liegt eine Verletzung der DIN 4109 nicht vor, greift die Vermutung nicht. Deshalb stellt es z.B. keinen Mietmangel dar, wenn von einer Heizungsanlage Geräusche ausgehen, die die in der DIN 4109 und der TA Lärm enthaltenen Vorgaben von maximal 30 dB(A) nicht überschreiten3. 96 Bestehen keine (verbindlichen) Richtwerte, gelten erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast für die Gebrauchsbeeinträchtigung4. Im Zweifel können diese nur durch ein (außergerichtliches) Gutachten erfüllt werden, das auch zu der Nutzungsbeeinträchtigung Feststellungen treffen muss und sich nicht nur auf die Analyse z.B. einer Staubprobe beschränken darf. Insoweit kann sich der Fehler gemäß § 536 Abs. 1 BGB z.B. aus einer vermehrten Reinigungstätigkeit ergeben5. cc) Zeitliche Komponenten bei Standards 97 Da die Parteien die Möglichkeit haben, bei Abschluss des Vertrages die Sollbeschaffenheit zu vereinbaren, ist auch bei der Heranziehung von Standards und Richtlinien für die Beurteilung der Soll-Beschaffenheit grundsätzlich auf deren Geltung bzw. Version im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen6. Dies gilt vor allem für Standards, die den Komfort und Funktionsabläufe behandeln, aber natürlich auch für die, die die Gesundheit und Sicherheit betreffen. 98 Soweit allerdings die Ausstattung und Beschaffenheit des Gebäudes betroffen sind, wird grundsätzlich auf die Standards zur Zeit der Errichtung des Gebäudes (Bezugsfertigkeit) abgestellt7. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des Trittschalls, sondern grundsätzlich für alle Anforderungen an die Bausubstanz (z.B. Wärmedämmung)8. Denn der Mieter kann in der Regel nur den Standard erwarten, der der Baualtersklasse entspricht9. Allerdings kann der Mieter eines Objektes in den neuen Bundesländern, das

1 Roth, NZM 2000, 521. 2 OLG Celle v. 19.7.1984 – 2 UH 1/84, WuM 1985, 9; LG Göttingen v. 1.6.1988 – 5 S 94/87, WuM 1989, 409 (kein Anspruch auf Instandhaltung allein wegen der Nichteinhaltung von DIN-Vorschriften zur Wärmedämmung). 3 LG Berlin v. 13.12.2010 – 67 S 601/09, GE 2011, 549. 4 LG Frankfurt v. 4.7.2000 – 2-11 S 345/99, NZM 2001, 522 (Schadstoffbelastung durch Parkettkleber). 5 LG Frankfurt v. 13.3.2001 – 2/11 S 306/00, NZM 2001, 890. 6 BayObLG v. 4.2.1993 – 2Z BR 111/92, WuM 1993, 287; KG v. 9.11.1978 – 8 U 563/76, WuM 1980, 255. 7 Derleder, PiG 92, 13, 15. 8 LG Frankfurt v. 7.2.2012 – 2-17 S 89/11, ZMR 2012, 552 m. Anm. Ronimi. 9 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MDR 2004, 1346 = MietRB 2005, 1 = WuM 2004, 527 (unter II A 1b bb); BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 355/03, MDR 2005, 743 = MietRB 2005, 32 = NJW 2005, 218 (unter II 1).

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vor dem 3.10.1990 bezugsfertig geworden ist, nicht die gleichen Anforderungen an die Bauqualität stellen wie ein Mieter in den westlichen Bundesländern1. Hier gelten insoweit die Standards der ehemaligen DDR. Grundsätzlich wird das Leistungsverhältnis zwischen den Mietparteien zunächst 99 nicht berührt, wenn sich die Standards verändern, insbesondere verschärfen. Der Vermieter schuldet nicht die Einhaltung bestimmter Standards als solcher, sondern den störungsfreien Mietgebrauch2. Aber auch in diesem Zusammenhang kommt es darauf an, welchem Zweck die Standards dienen. Der Mieter hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Einhaltung des jeweils technisch optimalen Zustands, soweit es sich um Wohnkomfort, um die Funktionsabläufe des Wohnens einschließlich der Versorgung mit Energie, Wärme und Informationstechnik handelt. Hier ist der vertragsgemäße Zustand maximal auf die Verhältnisse zur Zeit des Vertragsschlusses festgeschrieben3, solange keine abweichenden Vereinbarungen zur Sollbeschaffenheit (stillschweigend) getroffen wurden. Anders verhält es sich mit Sicherheits- und Gesundheitsstandards. Ändern sich die 100 wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Risikobeurteilung etwa durch verbesserte Messmethoden oder neue Forschungsergebnisse und führt das zu einer Verschärfung der Standards, wird bei einer Verletzung der Mietgebrauch nicht mehr fehlerfrei gewährt unabhängig davon, ob die bei Errichtung des Gebäudes oder Abschluss des Mietvertrages gültigen Normen eingehalten wurden4. Es kommt allein auf den geänderten Standard an5. Gewährleistungsrechte werden in diesem Fall jedoch erst ausgelöst, wenn der Mieter dem Vermieter den Mangel anzeigt6. Eine weitere Ausnahme können brandschutztechnische Anforderungen bilden. Be- 101 steht die konkrete und naheliegende Gefahr, dass bereits ein kleiner Brand im Treppenhaus binnen kürzester Zeit dem Mieter den Fluchtweg aus seinen Mieträumen abschneidet, kann der Mieter das Mietverhältnis fristlos nach § 569 Abs. 1 BGB kündigen. Denn die Mietsache muss ohne konkrete Gefahr für Leib und Leben genutzt werden können. Deshalb kommt es grundsätzlich allein auf die objektive Gesundheitsgefährdung im Zeitpunkt der Kündigung an7. Schließlich kann eine Heranziehung neuerer Standards gerechtfertigt sein, wenn der 102 Vermieter bauliche Veränderungen (z.B. Dachgeschossausbau) vornimmt, die z.B. Lärmimmissionen zur Folge haben8. Das setzt aber baupolizeilich genehmigungspflichtige Maßnahmen voraus, greift also nicht z.B. beim bloßen Austausch von Oberböden9. Hier kann der Mieter erwarten, dass Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden, die den Anforderungen der zur Zeit des Umbaus geltenden DIN-Normen genügen. Dies gilt erst recht, wenn zu dem Mietobjekt, das z.B. 1950 errichtet wurde, in einer Anlage zum Mietvertrag die Angabe eines jüngeren Baujahrs (z.B. „Baujahr 2000“) enthalten ist10. Die Anforderungen beschränken sich in derartigen Fällen nicht nur auf den Trittschall, sondern beziehen sich auf alle Lärmquellen, also z.B. auch einen nachträglich eingebauten Aufzug11. Bestanden zur Zeit der Errichtung des Ge1 OLG Naumburg v. 28.7.1993 – REMiet 1/93, WuM 1995, 145; KreisG Erfurt v. 5.1.1993 – 1 C 352/92, WuM 1993, 112. 2 Insofern missverständlich: Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 34. 3 LG Köln v. 19.4.1990 – 1 S 8/90, WuM 1990, 424 (Einbau von Wärmeschutzfenstern); LG Hannover v. 19.4.1991 – 8 S 53/90, WuM 1991, 540 (Heizungsanlage); LG Berlin v. 22.12.1994 – 61 S 412/93, GE 1995, 621 (Entlüftungsanlage). 4 OLG Düsseldorf v. 8.5.2008 – 10 U 24/08, ZMR 2009, 276 = DWW 2009, 226 = MietRB 2009, 129. 5 BayObLG v. 4.8.1999 – RE-Miet 6/98, MDR 1999, 1314 = ZMR 1999, 751 (Lindan). 6 LG Lübeck v. 6.11.1997 – 14 S 135/97, NZM 1998, 190; LG Lübeck v. 15.1.2002 – 6 S 161/00, ZMR 2002, 431. 7 KG v. 22.9.2003 – 12 U 15/02, GuT 2003, 215. 8 BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 355/03, MDR 2005, 743 = MietRB 2005, 32 = NJW 2005, 218. 9 BGH v. 17.6.2009 – VIII ZR 131/08, MDR 2009, 975 = ZMR 2009, 836 = WuM 2009, 457 = NJW 2009, 2441. 10 AG Hamburg-Blankenese v. 6.6.2012 – 531 C 49/11, ZMR 2012, 631. 11 LG Berlin v. 23.10.2006 – 67 S 186/06, WuM 2007, 384; AG Wiesbaden v. 19.1.2006 – 93 C 2004/05-11, WuM 2006, 220.

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bäudes keine technischen Normen, sollen die auf die Errichtung zunächst folgenden Normen Grundlage der Bemessung des Schallschutzes sein1. 103 Damit nicht vergleichbar ist das Auftreten von Feuchtigkeit wegen Fehlens von Beheizungsmöglichkeiten2. Der bei Beginn des Mietvertrages als vertragsgemäß anzusehende tatsächliche Zustand wird nicht dadurch vertragswidrig, dass ohne den Betrieb einer zusätzlichen Heizung Feuchtigkeitsschäden nicht vermieden werden können. In diesem Fall ist der Mieter – auch ohne besondere Vereinbarung – verpflichtet, im Rahmen seiner Obhutspflicht eine ausreichende Beheizung sicherzustellen3. Der Mieter muss sich auf den erhöhten Heiz- und Lüftungsbedarf einstellen. Heizt und lüftet er nicht ausreichend und kommt es deswegen zur Schimmelbildung, handelt er fahrlässig und ist zum Schadensersatz verpflichtet. Der Vermieter muss auf die Notwendigkeit und den Umfang des notwendigen Heizens und Lüftens nicht hinweisen. Dieses Wissen kann der Vermieter als allgemein bekannt voraussetzen4. 104 Die Zugrundelegung aktuellerer Standards ist schließlich gerechtfertigt, wenn die neuen Regeln den Gebrauch alter Einrichtungen verbieten. Einen solchen Fall regelt z.B. § 13 EnEV 2009. Danach mussten Heizkessel, die mit flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen betrieben werden und vor dem 1.10.1978 eingebaut wurden, bis zum 31.12.2008 durch neue Heizkessel ersetzt und dürfen nicht mehr betrieben werden. Allerdings gibt es hier Ausnahmen. Bei Niedertemperaturkesseln oder Brennwertheizung und Heizkessel, die eine Leistung unter 4 kW oder über 400 kW haben, besteht die Austauschpflicht nicht. Diese Veränderung ist bei der Unwirtschaftlichkeit des Betriebs einer Heizung zu berücksichtigen (vgl. dazu § 536 BGB Rz. 115). 105 Eine weitere Veränderung steht für Nachtstromspeicherheizungen an: In Wohngebäuden mit mindestens sechs Wohneinheiten müssen Nachtstromspeicherheizungen, die älter als 30 Jahre sind, nach § 10a EnEV bis 2019 durch effizientere Geräte ersetzt werden. Ausnahme: Geräte, die nach 1990 eingebaut wurden, müssen erst 30 Jahre nach Einbau ausgetauscht werden. 4. Fallgruppen von Mängeln 106 Die unterschiedliche Qualität von Standards bedingt eine differenzierte Betrachtungsweise, soweit es um die Anforderungen an die Gebrauchsbeeinträchtigungen geht. Denn hat eine Richtlinie die Qualität eines antizipierten Sachverständigengutachtens, ist allein die Überschreitung des vorgegebenen Wertes ausreichend, um einen Sachmangel nach § 536 Abs. 1 BGB annehmen zu können. Vor diesem Hintergrund hat es sich eingebürgert, die Sachmängel nach Fallgruppen zu unterscheiden: a) Baumängel 107 Unter der Kategorie der Baumängel werden Abweichungen der Ist- von der Sollbeschaffenheit erfasst, die unmittelbar auf der Substanz des Gebäudes beruhen. Darunter fallen z.B. – Schallschutzmängel, – schadhafte Wand- und Deckenisolierung, – fehlende Vorkehrungen gegen Verschmutzung (z.B. Tauben), – undichte Fenster, – unzureichende Wärme- und Warmwasserversorgung, – Feuchtigkeitsschäden, – Montagefehler, – Abnutzungserscheinungen (z.B. verschlissener Bodenbelag5). 1 LG Hamburg v. 15.12.2009 – 316 S 14/09, ZMR 2010, 605. 2 A.A. LG Berlin v. 29.6.2010 – 63 S 540/09, GE 2010, 1687; AG Marbach v. 24.5.2007 – 3 C 462/06, WuM 2007, 385. 3 AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, MietRB 2011, 40. 4 AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, MietRB 2011, 40. 5 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517.

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aa) Darlegungslast In der Regel ergibt sich aus dem Baumangel auch die Gebrauchsbeeinträchtigung. 108 Dennoch reicht es nicht aus, bloß auf Fotos Bezug zu nehmen1. Allerdings genügt es, wenn der Mieter einen Mangel angibt und ihn durch Fotos veranschaulicht2. Eine Beschreibung der Auswirkungen, die das Gericht in die Lage versetzen soll, eine angemessene Minderung festzusetzen, ist nicht erforderlich3. Diese Umstände müssen vom Gericht im Rahmen des § 139 ZPO ermittelt werden4. Vgl. ergänzend § 536 BGB Rz. 9 ff.) Der Vermieter kann sich gegenüber dem Vortrag des Mieters grundsätzlich nicht auf 109 einfaches Bestreiten beschränken. Vielmehr muss er zu dem Mangel substanziiert vortragen. Dazu gehört auch, sofern der Mangel in der Wohnung aufgetreten ist, dass der Vermieter von seinem Besichtigungsrecht Gebrauch gemacht hat. Ansonsten kann sein Vortrag als unsubstanziiert zurückgewiesen werden5. Denn grundsätzlich wird nur auf diese Weise deutlich, dass sich der Vermieter in der gehörigen Weise mit dem Mangel auseinandergesetzt hat und damit seiner Prozessförderungspflicht nachgekommen ist. Dies gilt natürlich nur, soweit eine Besichtigung auch zu einer Beseitigung des Mangels führen kann. Das ist z.B. nicht der Fall, wenn die für den Schallschutz gültigen Vorgaben (unstreitig) nicht eingehalten sind und es allein um die Auswirkungen geht, also etwa die Lärmeinwirkungen aus einer anderen Wohnung. Es gilt aber in jedem Fall für die herkömmlichen Feuchtigkeitsschäden. Hier kann durch die Besichtigung und Messungen von Wandfeuchte regelmäßig geklärt werden, in wessen Risikobereich die Feuchtigkeitserscheinungen (vgl. § 536 BGB Rz. 116) fallen. Zum Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung und damit zu einem bestimmten Min- 110 derungsbetrag muss nicht unbedingt vorgetragen werden. Denn es ist die Aufgabe des Gerichts, diese Frage ggf. unter Heranziehung eines Sachverständigen zu klären6. bb) Ermittlung der Sollbeschaffenheit Auch bei Baumängeln begründet die Verletzung eines Standards grundsätzlich nur dann Gewährleistungsrechte, wenn sie sich nachteilig für den Mieter auf den Gebrauch auswirkt. Denn die bloße Gefahr eines Mangels stellt prinzipiell noch keine Gebrauchsbeeinträchtigung dar (vgl. § 536 BGB Rz. 210).

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Als Standards kommen Grenzwerte und technische Normen in Betracht, die bei der 112 Errichtung eines Gebäudes oder dessen Bewirtschaftung zu beachten sind. Neben den landesrechtlichen Baubestimmungen7 spielen dabei häufig die TrinkwasserVO8, Arbeitsschutzrichtlinien nach DIN 1946 Teil 2, DIN 4109 für Schallschutz, TA Lärm und TA Luft eine Rolle. Vgl. im Übrigen zur Ermittlung der Sollbeschaffenheit die Beispiele in § 535 BGB Rz. 366 ff. für Wohnraum und § 535 BGB Rz. 1032 für Gewerberaum. Die Ausstattung der Wohnung muss ebenfalls mangelfrei sein. Dies beurteilt sich re- 113 gelmäßig nach ihrer Funktionsfähigkeit. Türen und Fenster müssen schließen, dürfen 1 LG Braunschweig v. 12.3.2009 – 6 S 548/08, WuM 2009, 288; LG Köln v. 25.7.2002 – 30 S 18/02, KM 35 Nr. 59. 2 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 3 LG Berlin v. 7.2.2011 – 67 S 61/10, GE 2011, 408 („Keller ist fortwährend feucht und völlig unbenutzbar“ reicht für Altbau-Keller nicht aus). 4 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 5 Vgl. z.B. LG Köln v. 20.6.2007 – 10 S 333/06, WuM 2008, 245. 6 BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 63/95, MDR 1997, 1112 = WuM 1997, 488. 7 LG Hamburg v. 29.9.1998 – 316 S 75/98, ZMR 1999, 404 (Außengeländer an einer Wendeltreppe). 8 OLG Köln v. 30.4.1991 – 22 U 277/90, ZMR 1992, 155 (bleihaltiges Wasser); LG Münster v. 7.1.2010 – 8 S 185/09, WuM 2010, 87 = GE 2010, 846; LG Arnsberg v. 24.4.2007 – 5 S 136/06, zitiert nach juris.

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aber altersbedingte Abnutzungserscheinungen aufweisen, die sich nicht gebrauchsmindernd auswirken. Auch Rollladen müssen ohne besonderen Kraftaufwand betätigt werden können und dicht schließen. Weitere Beispiele s. Anhang § 536 BGB Rz. 2. 114 Werden Einrichtungen (z.B. Einbauküche) überlassen, müssen diese ebenfalls gebrauchsfähig sein. Insoweit ist es in der Regel unerheblich, ob dafür ein zusätzliches Entgelt gefordert bzw. vereinbart wurde oder ausdrücklich bestimmt ist, dass die Überlassung unentgeltlich erfolgt. Denn regelmäßig liegt der Schwerpunkt in der Überlassung der Wohnung (vgl. dazu Vor § 535 BGB Rz. 66), so dass auf den gesamten Vertrag die §§ 535 ff. BGB anzuwenden sind. Die Erhaltungspflicht kann jedoch über die Kleinreparaturen (vgl. § 535 BGB Rz. 528) hinaus nicht auf den Mieter abgewälzt werden. Deshalb ist der Mieter, sofern sich die mangelnde Gebrauchsfähigkeit nach § 536 Abs. 1 S. 3 BGB erheblich auswirkt, zur Minderung berechtigt. Dies betrifft nicht nur die Elektroteile einer Einbauküche (Herd, Kühlschrank etc.), sondern auch Thermen und Boiler ebenso wie Armaturen, die auch nicht schwergängig sein dürfen. 115 Werden durch den Gebrauch der Einrichtungsgegenstände hohe Kosten verursacht, führt dies grundsätzlich nicht zur Annahme eines Mangels1. Dies gilt auch für die Heizungsanlage (= unwirtschaftlich arbeitende Heizung). Insoweit muss der Vermieter nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte dem Mieter keine wirtschaftlich arbeitende Heizung zur Verfügung stellen2. Die Sollbeschaffenheit richtet sich nämlich nach dem tatsächlichen Zustand bei Vertragsschluss. Deshalb liegt nicht schon deshalb ein Mangel vor, weil die Heizungsanlage nicht die von der DIN 4701 vorgegebene Heizleistung abgibt3. Abgesehen von der Gebrauchsbeeinträchtigung durch niedrige Zimmertemperaturen kommt ein Mangel der Mietsache erst in Betracht, wenn ungewöhnlich hohe Heizkosten auf einem Fehler der Heizungsanlage beruhen4. Dies ist nicht der Fall, wenn die Höhe der Heizkosten durch eine schlechte, aber baualtersgerechte Isolierung hervorgerufen wird5. Ob ein Fehler der Heizungsanlage vorliegt, ist grundsätzlich nach dem Stand der Technik zur Zeit des Einbaus der Heizungsanlage zu beurteilen6, sofern die Heizungsanlage nicht zu den Anlagen gehört, die nach § 13 EnEV 2009 bis zum 31.12.2008 stillzulegen waren. Denn der Vermieter ist – ohne besondere Rechtsgrundlage wie z.B. § 13 EnEV – nicht verpflichtet, die Anlage ständig auf dem neuesten Stand zu halten, und schuldet keine Verbesserung der dem technischen Stand zur Zeit der Gebäudeerrichtung entsprechenden Wärmedämmung. Er schuldet aber einen Mindeststandard, den der Mieter bei Vertragsschluss erwarten durfte7. cc) Sonderfall: Feuchtigkeit 116 Feuchtigkeitsschäden zeigen sich regelmäßig durch Flecken auf der Wand. Diese können als Feuchtigkeitskränze ausgebildet sein, so dass die Lebenserfahrung dafür spricht, dass Wasser durch das Mauerwerk eingedrungen ist. In diesem Fall besteht in der Regel kein Zweifel am Bestehen eines Mangels i.S.v. § 536 BGB. 117 Oftmals zeigen sich die Feuchtigkeitserscheinungen aber als auf der Wand liegende Veränderungen in Form von Stockflecken oder Schimmelbildung. Insoweit ist zwar zunächst eine rein optische und keine Beeinträchtigung des Gebrauchs gegeben, solange wegen des Ausmaßes der Schimmelbildung nicht von einer Unbenutzbarkeit des betroffenen Raumes ausgegangen werden kann. Optische Mängel wegen Feuch-

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KG v. 21.5.2012 – 8 U 217/11, GE 2012, 1227 = ZMR 2012, 858. A.A. OLG Düsseldorf v. 4.11.1982 – 10 U 109/82, MDR 1983, 229 = WuM 1984, 54 = ZMR 1983, 377. LG Berlin v. 8.6.2012 – 63 S 423/11, WuM 2012, 670. KG v. 28.4.2008 – 12 U 6/07, MDR 2008, 966 = MietRB 2008, 328 = ZMR 2008, 892 = GE 2008, 990 = GuT 2008, 344; OLG Düsseldorf v. 4.11.1982 – 10 U 109/82, MDR 1983, 229 = WuM 1984, 54 = ZMR 1983, 377 (Energieverlust von 60 %). 5 Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 34; a.A. AG Emden v. 28.10.1988 – 5 C 1197/86, NJW-RR 1989, 523. 6 KG v. 21.5.2012 – 8 U 217/11, GE 2012, 1227. 7 KG v. 28.4.2008 – 12 U 6/07, MDR 2008, 966 = MietRB 2008, 328 = ZMR 2008, 892 = GE 2008, 990 = GuT 2008, 344.

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tigkeit beeinträchtigen allerdings den Geltungswert der Mietsache1 und können daher die Anwendung von Gewährleistungsrechten begründen. (1) Neubaufeuchte Bei Auftreten eines Baumangels ist der Mieter grundsätzlich nicht verpflichtet, 118 durch besondere Verhaltensmaßnahmen der Gebrauchsbeeinträchtigung entgegenzuwirken. Deshalb muss er nicht Neubaufeuchte durch überobligatorisches Heizen und Lüften versuchen auszugleichen; eine solche Pflicht entsteht selbst dann nicht, wenn der Vermieter im Rahmen der Vertragsverhandlungen allgemeine Hinweise auf mögliche Restfeuchte in Neubauten erteilt2. Vielmehr sind insoweit konkrete Hinweise erforderlich3. (2) Feuchtigkeit in Bestandsobjekten Von der Neubaufeuchte zu unterscheiden ist die Feuchtigkeit, die in bestehenden 119 Gebäuden auftritt. Probleme bereiten regelmäßig Altbauten (Baujahr vor 1990), und zwar oftmals nach dem Einbau von Isolierglasfenstern und/oder der Aufbringung einer Wärmedämmfassade. Die bauliche Veränderung muss nicht kurz vor oder nach Bezug der Wohnung stattgefunden haben. Sie kann schon mehrere Jahre zurückliegen. Entscheidend ist in der Regel, dass die damit verbundene Verbesserung der bauphysikalischen Bedingungen des Gebäudes dazu führen kann, dass vorhandene Kältebrücken relevant werden und das Absetzen der in den Räumen produzierten Luftfeuchtigkeit an diesen Stellen begünstigt wird4. Für die Behandlung dieser Phänomene bei Anwendung des § 536 BGB gilt die Sphä- 120 rentheorie5. Danach findet eine Beweislastverteilung nach Risikokreisen statt. Regelmäßig ist das Bestehen des Feuchtigkeitsschadens (auf der Wand) unstreitig. Zumindest kann der Vermieter es nicht einfach bestreiten (vgl. § 536 BGB Rz. 22). Deshalb ist grundsätzlich ein Mangel der Mietsache gegeben. Als Ursache für das Phänomen kommt sowohl eine schlechte bauliche Substanz als 121 auch eine Verletzung der Obhutspflicht durch den Mieter in Betracht. Da sich der Mangel unmittelbar am Gebäude befindet und der Vermieter gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB dafür die Verantwortung trägt, muss zunächst ermittelt werden, ob die Feuchtigkeitserscheinungen auf einer fehlerhaften Bausubstanz beruhen. Diese Last obliegt dem Vermieter. Hat er den Beweis erbracht, dass eine aus seinem Risikobereich stammende Ursache (Mangel am Gebäude) nicht in Betracht kommt, muss der Mieter darlegen und beweisen, dass er seine Obhutspflicht erfüllt und ausreichend geheizt und gelüftet hat. Ist auch dieser Beweis geführt, muss der Vermieter wiederum darlegen und beweisen, dass sich die Feuchtigkeit gleichwohl durch zumutbare Maßnahmen des Mieters hätte verhindern lassen6. Dazu muss er im Einzelnen vortragen (und ggf. beweisen), welches Lüftungsverhalten durch den Mieter praktiziert werden muss, um Schimmelpilzbildung o.Ä. zu vermeiden7. Ist der Vermieter außergerichtlich tätig geworden, um die Mangelursache auf eigene 122 Kosten zu erforschen, muss er die Ergebnisse nicht mit dem Mieter „teilen“. Der Mieter hat keinen Anspruch auf Auskunft über die oder Herausgabe der Ergebnisse, die z.B. bei einer Klimamessung ermittelt wurden8. Haben sich die Parteien geeinigt, gemeinsam einen Sachverständigen mit der Ursachenfeststellung zu beauftragen, besteht bereits ein unmittelbarer Anspruch gegen den Sachverständigen. 1 LG Hamburg v. 10.4.1984 – 16 S 211/83, WuM 1985, 21; AG Altenburg v. 31.8.2000 – 1 C 1058/98, GuT 2002, 46; AG Köln v. 19.1.1988 – 208 C 147/87, WuM 1988, 358. 2 LG Wuppertal v. 11.10.2002 – 10 S 22/02, WuM 2002, 667. 3 OLG Frankfurt v. 11.2.2000 – 19 U 7/99, NZM 2001, 39. 4 Casties, WuM 2001, 589; Pfrommer, WuM 2001, 532. 5 MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 32; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 447 f.; Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rz. 63 jeweils m.w.N. 6 Vgl. dazu LG Lüneburg v. 22.11.2000 – 6 S 70/00, WuM 2001, 465; LG Hamburg v. 11.7.2000 – 316 S 227/99, WuM 2001, 193. 7 LG Köln v. 15.11.2000 – 9 S 25/00, WuM 2001, 604. 8 AG Bad Segeberg v. 7.6.2012 – 17 C 21/12, NZM 2012, 807.

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123 Kommen Ursachen aus beiden Risikobereichen in Betracht, liegt ein Mangel der Mietsache vor1. Ein Mitverschulden soll aber nur zu einer Reduzierung des Minderungsbetrages führen, wenn der Mieter gegen Lüftungsrichtlinien des Vermieters verstoßen hat2. 124 Die Anforderungen an die Obhutspflicht des Mieters werden nicht einheitlich beurteilt. Zunächst ist davon auszugehen, dass sich eine Wohnung mit alltagsüblichem Lüftungsverhalten schimmelfrei halten lassen muss3. Voraussetzung dafür ist, dass sich das notwendige Verhalten in den üblichen Grenzen hält. Insoweit ist dem Mieter zumutbar, in den einzelnen Räumen ein Raumklima zu schaffen, bei dem eine durchschnittliche Zimmertemperatur von 20 °C herrscht und die in den Räumen produzierte Feuchtigkeit durch zweimaliges Stoßlüften (Lüften bei geöffneten Fensterflügeln) von 10–15 Minuten täglich ausgeglichen wird4. Das gilt auch für den berufstätigen Mieter5. Selbst das fünf- bis sechsmalige Lüften täglich soll verlangt werden können6. Allerdings darf keine besondere Belüftungsart praktiziert werden müssen. Denn lässt sich die Feuchtigkeit (auch bei Altbauten) z.B. wegen der Anordnung der Räume (entlang einem Flur hintereinander gereiht, also ohne gegenüberliegende Zimmer) nur durch eine besondere Art der Lüftung (z.B. sog. L- oder U-Lüftung) verhindern, besteht eine Hinweispflicht des Vermieters7. 125 Solange keine besondere Lüftungsart praktiziert werden muss, muss der Vermieter grundsätzlich auf die Notwendigkeit und den Umfang des notwendigen Heizens und Lüftens nicht hinweisen. Dieses Wissen kann er als allgemein bekannt voraussetzen8. Dazu gehört auch, dass der Mieter seine Obhutspflicht dem Alter des Gebäudes anpasst9. Dies gilt auch, wenn die Räume ohne die Möglichkeit zur Beheizung vermietet wurden (vgl. § 536 BGB Rz. 103). Nach der Durchführung von Sanierungsarbeiten muss der Mieter aber auf notwendige Änderungen seines Wohnverhaltens hingewiesen werden, wenn der Vermieter sich erfolgreich gegen Gewährleistungsrechte verteidigen will10. 126 Demgegenüber soll die Grenze der Zumutbarkeit überschritten sein durch – das Halten einer Tagestemperatur von 22 °C und fünf- bis sechsmal tägliches Lüften11; – täglich mehrfaches Stoßlüften12 und ein Halten der Raumtemperatur nicht unter 19 °C auch in den Schlafräumen13; – ständige Beheizung des Schlafzimmers mit 20 °C14; – Einbau einer Dämmung oder Aufstellen zusätzlicher Heizquellen15; – Abrücken der Möbel von Außenwänden16.

1 LG Frankfurt v. 14.9.2010 – 19 S 22/09, ZMR 2011, 125. 2 LG Frankfurt v. 14.9.2010 – 19 S 22/09, ZMR 2011, 125; AG Hamburg-Wandsbek v. 29.5.2000 – 712D C 27/99, NZM 2000, 906. 3 LG Aurich v. 9.2.2005 – 2 T 51/05, WuM 2005, 573. 4 Zum Lüften vgl. OLG Frankfurt v. 11.2.2000 – 19 U 7/99, NZM 2001, 39. 5 LG Frankfurt v. 7.2.2012 – 2-17 S 89/11, ZMR 2012, 552 (für 3–4 mal tägliches Stoßlüften). 6 LG Hagen v. 19.7.2012 – 1 S 53/12, DWW 2012, 263. 7 LG Kleve v. 9.1.2003 – 6 S 329/01, WuM 2003, 142. 8 AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, MietRB 2011, 40. 9 LG Berlin v. 14.3.2008 – 63 S 316/07, GE 2008, 1053. 10 LG Neubrandenburg v. 2.4.2002 – 1 S 297/01, WuM 2002, 309. 11 LG Hamburg v. 1.12.1987 – 16 S 122/87, WuM 1988, 353. 12 A.A. LG Frankfurt v. 7.2.2012 – 2-17 S 89/11, ZMR 2012, 552 (selbst wenn eine bauseitige Wärmedämmung das häufige Lüften überflüssig machen würde). 13 LG Düsseldorf v. 8.10.1991 – 24 S 82/91, WuM 1992, 187. 14 AG Köln v. 19.1.1988 – 208 C 147/87, WuM 1988, 358. 15 LG Lüneburg v. 22.11.2000 – 6 S 70/00, WuM 2001, 465. 16 LG Mannheim v. 14.2.2007 – 4 S 62/06, NJW 2007, 2499; LG Hamburg v. 29.8.1997 – 311 S 88/96, WuM 2000, 329; LG Berlin v. 14.6.1988 – 64 S 176/88, ZMR 1988, 464; LG Köln v. 15.11.2000 – 9 S 25/00, WuM 2001, 604; AG Köpenick v. 8.2.2001 – 17 C 475/00, MM 2002, 185.

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Dabei soll es auch dem berufstätigen Mieter zumutbar sein, alle drei bis vier Stunden 127 zu lüften, wenn die Bausubstanz dem bei Bezugsfertigkeit geltenden Baustandard (hier: DIN 4108) gerecht wird1. Dies muss erst recht gelten, wenn besondere Umstände ein verstärktes Lüftungsverhalten erfordern. Dies ist z.B. bei einem Wasserschaden infolge eines Rohrbruchs anzunehmen. Entsteht durch das mangelnde Abrücken der Möbel von den Wänden dahinter 128 Schimmelpilz, ist ein Mangel der Mietsache nur dann ausgeschlossen, wenn der Vermieter den Mieter bei Abschluss des Mietvertrages auf die Notwendigkeit des Abrückens hingewiesen hat2. Denn diese Tatsache kann nicht zur Allgemeinkenntnis gezählt werden. Kein Schadensersatzanspruch besteht für den Vermieter wegen der Einholung eines 129 Privatgutachtens über die Ursache der Schimmelbildung während eines laufenden Zivilprozesses, in dem über die nämliche Fragestellung gestritten wird. Allerdings kann der Vermieter vom Mieter Schadensersatz bei unberechtigter (fristloser) Kündigung verlangen3. (3) Kellerfeuchte Aus der Beschaffenheit des Gebäudes drängen sich oftmals bestimmte unzuträgliche 130 Phänomene regelmäßig auf. Dies gilt z.B. für Feuchtigkeit im Keller eines Altbaus aus der Zeit, in der Kellerwände noch nicht isoliert wurden4. Hierüber findet meist eine – stillschweigende – Vereinbarung statt, die dieses Merkmal (Auftreten von Feuchtigkeit im Keller) als Beschaffenheit regelt. Vgl. § 536 BGB Rz. 79. (4) Feuchtigkeit als Gesundheitsgefährdung Will der Mieter z.B. aus einer Schimmelbildung, die infolge von Feuchtigkeitseinwir- 131 kungen entstanden ist, eine Gesundheitsgefährdung herleiten, muss er konkret zu Art und Konzentration der Schimmelsporen vortragen sowie (zumindest) ärztliche Atteste vorlegen, damit ggf. darüber durch Einholen eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben werden kann5. Im Übrigen muss der Mieter Anknüpfungstatsachen vortragen6, wie z.B. Art des Schimmels oder die Konzentration von Sporen in den einzelnen Räumen; auch die Art der Erkrankung des Mieters kann Rückschlüsse zulassen. Die in einem Prozess angeführte „übelriechende Luft“ ist zu unkonkret. In der Praxis wird ein gesundheitsgefährdender Zustand regelmäßig anzunehmen sein, wenn der Mieter darstellen kann, dass – die Schimmelpilzart, die in der Wohnung vorhanden ist, toxisch ist, – Myzele emittiert und in der Raumluft vorhanden sind, – die Blutwerte des Mieters oder eines Mitbewohners, der in den Schutzbereich des Mietvertrages fällt, von den üblichen Hintergrundwerten abweichen. S. auch § 569 BGB Rz. 32 ff.

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dd) Fogging Mit Fogging werden schwarze, meist ölig wirkende Ablagerungen auf der Wand ver- 133 standen, die auf den ersten Blick mit Stock- oder Schimmelpilzflecken verwechselt werden. Ihre Entstehung beruht auf der chemischen Reaktion von Weichmachern, die in den in der Wohnung vorhandenen Baumaterialien (z.B. Farbe, Teppichboden) enthalten sind. Ihre Freisetzung kann auf dem täglichen Gebrauch, aber auch auf dem natürlichen Alterungsprozess beruhen7. Die freigesetzten Teilchen reagieren mit 1 LG Frankfurt v. 7.2.2012 – 2-17 S 89/11, WuM 2012, 266 (268); vgl. auch OLG Frankfurt v. 11.2.2000 – 19 U 7/99, NZM 2001, 39 (dreimal tägliches Lüften zumutbar). 2 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 23.12.2008 – 9 C 14/08, GE 2009, 331. 3 AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, MietRB 2011, 40. 4 LG Mannheim v. 8.4.1998 – 4 S 158/97, WuM 1998, 663. 5 KG v. 3.6.2010 – 12 U 164/09, MDR 2010, 1375 = MietRB 2010, 356 = ZMR 2011, 114. 6 KG v. 3.6.2010 – 12 U 164/09, MDR 2010, 1375 = MietRB 2010, 356 = ZMR 2011, 114. 7 Vgl. dazu Hitpaß, ZMR 2002, 337.

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anderen chemischen Substanzen (auch anderen Weichmachern), die in der Raumluft enthalten sind. Diese chemische Reaktion kann zu dem beschriebenen Effekt der Ablagerung auf der Wand führen. 134 Welche Ursachenbeiträge die vom Vermieter herrührenden, Weichmacher enthaltenden Bausubstanzen im Einzelfall liefern und ob und ggf. in welchem Umfang die vom Mieter neu eingebrachten Materialien das Phänomen mitverursacht haben, lässt sich in der Regel nicht klären. Auch wenn in der Praxis häufig feststellbar ist, dass Fogging nach einer Renovierung auftritt, kann dem Mieter dieses Verhalten nicht angelastet werden, weil es sich in den Grenzen des § 538 BGB hält. Denn es ist wissenschaftlich ebenso ungeklärt, welche (bestimmten) Weichmacher mit welchen (bestimmten) Weichmachern die Reaktion herbeiführen, wie die Frage, unter welchen raumklimatischen Bedingungen Fogging entstehen kann. 135 Mit Rücksicht darauf, dass die Verursachung weitestgehend ungeklärt ist, gelten für Fogging die Grundsätze der Sphärentheorie (vgl. § 536 BGB Rz. 120) prinzipiell nicht. Es ist nicht gerechtfertigt, dem Vermieter das Risiko bei mangelnder Aufklärung aufzubürden1. Ebenso besteht kein Grund, dem Mieter eine Minderung zu versagen, wenn er den Entlastungsbeweis nicht führen kann2. Vielmehr gelten die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast. Danach muss der „Begünstigte“ die anspruchsbegründenden Tatsachen vortragen und ggf. beweisen. Bei einem Anspruch aus § 536a BGB steht daher der Mieter in der Verantwortung3. Wird der Vermieter auf Beseitigung in Anspruch genommen, muss er beweisen, dass die Fogging-Spuren auf vertragswidriges Verhalten des Mieters zurückzuführen sind4. Von seiner Darlegungslast wird der Mieter befreit, wenn er den Kostenvorschussanspruch für die Selbstvornahme geltend macht und feststeht, dass die Ursache nicht allein aus seinem Risikobereich stammt5. Andernfalls muss wegen § 538 BGB feststehen, dass ein vom vertragsgemäßen Gebrauch nicht gedecktes Verhalten zu der Schwarzstaubbildung beigetragen hat6, weil sonst eine Haftung entgegen dem klaren Wortlaut der Vorschrift begründet wird. b) Umweltfehler 136 Unter die Fallgruppe der Umweltfehler werden regelmäßig die Störungen zusammengefasst, die von außen auf die Mietsache einwirken7. Da für die Annahme eines Mangels eine unmittelbare Gebrauchsbeeinträchtigung vorliegen muss (vgl. § 536 BGB Rz. 74), ist wesentlich darauf abzustellen, inwieweit nach den vertraglichen Bestimmungen konkrete äußere Einflüsse als vorhanden oder abwesend vereinbart sind. Sofern derartige Vereinbarungen fehlen, muss nach der Verkehrsanschauung ermittelt werden, inwieweit die von außen einwirkenden Phänomene zur Sollbeschaffenheit gehören. Erforderlich ist aber stets eine unmittelbare Beeinträchtigung der Tauglichkeit bzw. eine unmittelbare Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit. Umstände, die die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nur mittelbar berühren, können nicht als (Sach-)Mangel gewertet werden, weil sonst der Mangelbegriff ausufert8.

1 A.A. LG Ellwangen v. 9.3.2001 – 1 S 244/00, WuM 2001, 544; AG Hamburg-Wandsbek v. 29.5.2000 – 712D C 27/99, NZM 2000, 906. 2 A.A. AG Pinneberg v. 19.10.2001 – 68 C 346/99, ZMR 2002, 359. 3 BGH v. 25.1.2006 – VIII ZR 223/04, MDR 2006, 983 = MietRB 2006, 154 = WuM 2006, 147 = NZM 2006, 258. 4 BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 271/07, MDR 2008, 966 = MietRB 2008, 258 = WuM 2008, 476 = ZMR 2008, 868 m. Anm. Schläger. 5 LG Berlin v. 14.9.2007 – 63 S 359/06, GE 2007, 1487; a.A. LG Berlin v. 23.6.2005 – 67 S 401/03, GE 2005, 995. 6 BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 271/07, MDR 2008, 966 = MietRB 2008, 258 = WuM 2008, 476 = NZM 2008, 607 = GE 2008, 982 = ZMR 2008, 868 m. Anm. Schläger. 7 BGH v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, MDR 2013, 262 = WuM 2013, 154 = NZM 2013, 184. 8 BGH v. 16.12.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 = ZMR 2000, 508; OLG Hamm v. 24.10.1995 – 7 U 171/94, OLGR Hamm 1996, 76 = NJWE-MietR 1996, 80.

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Grundsätzlich werden von dieser Fallgruppe bestimmte äußere Einflüsse1 oder ver- 137 änderte Umstände im Umkreis des Mietobjektes2 erfasst. Dafür ist maßgeblich, ob der Mieter bestimmte Eigenschaften des Umfeldes der Mietsache als unveränderlich voraussetzen durfte3. Das Umfeld einer Mieteinheit wird zum einen durch die baulichen Gegebenheiten rund um das Mietgrundstück, aber auch durch die dort lebenden Personen und die angesiedelten Betriebe geprägt. Ergeben sich insoweit Veränderungen, liegt nicht in jedem Fall eine relevante Abweichung von der Sollbeschaffenheit vor. Denn die Veränderung kann auch von der Sollbeschaffenheit erfasst werden. Das kann z.B. für Bauarbeiten in der Nachbarschaft gelten, insbesondere wenn bei Abschluss des Mietvertrages eine Baulücke vorhanden war. Denn vor allem im innerstädtischen Bereich muss damit gerechnet werden, dass unbebaute Grundstücke einer anderen Nutzung zugeführt werden (vgl. § 536 BGB Rz. 82). Reklamiert der Mieter das Niveau der Personen, die das Gebäude nutzen (Mietermix), ist zu ermitteln, inwieweit durch eine entsprechende vertragliche (auch stillschweigende) Bestimmung eine bestimmte Mieterklientel zur Sollbeschaffenheit erhoben wurde4 (vgl. § 536 BGB Rz. 369). Die bloße Zugangsbehinderung (z.B. durch einen U-Bahn-Bau) scheidet regelmäßig 138 als Mangel der Mietsache aus, da sie keine unmittelbare Beeinträchtigung des Gebrauchs herbeiführt5. Denn sie lässt die Nutzung der Mietsache als solche unberührt. Allerdings kann eine derartige mittelbare Beeinträchtigung als Mangel angesehen werden, wenn eine gewisse Nachhaltigkeit festgestellt werden kann (vgl. § 536 BGB Rz. 343). aa) Imponderabilien Als Umweltfehler kommen zunächst die Beeinträchtigungen in Betracht, die in § 906 139 Abs. 1 BGB aufgeführt sind, wie die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusche, Erschütterungen u.Ä. Insbesondere da der Vermieter auf die Zuführung regelmäßig keinen Einfluss hat und § 906 BGB seine Duldungspflicht gegenüber dem Nachbarn regelt, ist umstritten, ab wann im Mietverhältnis in der gegebenen Situation von einem Mangel ausgegangen werden kann. Teilweise wird vertreten, der Mieter habe die Beeinträchtigungen hinzunehmen, 140 wenn er sie auch als Eigentümer nach § 906 BGB dulden müsste, die Einwirkung also z.B. ortsüblich ist6. Richtigerweise wird die Anwendung des § 906 BGB im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter aber abgelehnt, weil das Innenverhältnis zweier Vertragsparteien nicht mit dem Außenverhältnis des Eigentümers bzw. des Mieters zu Dritten verglichen werden kann7. Danach ist vielmehr maßgeblich, ob der Mieter bei Abschluss des Vertrages mit dem Eintritt der konkreten Störung rechnen musste, wie dies beim Lärm durch eine bei Vertragsschluss bereits vorhande Gaststätte der Fall ist8 oder bei Lärm-, Licht- und Staubimmissionen im öffentlichen Straßenbereich9, auch soweit der Mieter das Ausmaß der zu erwartenden Baumaßnahmen und ihrer maschinenmäßigen Bearbeitung verkennt10.

1 OLG Hamm v. 24.10.1995 – 7 U 171/94, OLGR Hamm 1996, 76 = NJWE-MietR 1996, 80 (Behinderung des beschwerdefreien Zugangs zu einem gemieteten Geschäftslokal über längere Zeit). 2 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, GuT 2006, 19: fehlende Vermietung von Nachbarflächen in einem Einkaufszentrum ist kein Mangel. 3 LG Heidelberg v. 26.2.2010 – 5 S 95/09, WuM 2010, 148 (Eröffnung eines Supermarktes auf dem Nachbargrundstück). 4 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553. 5 LG Düsseldorf v. 13.3.2012 – 9 O 193/11, ZMR 2012, 775. 6 OLG Düsseldorf v. 13.12.1990 – 10 U 84/90, MDR 1991, 446 = BB 1991, 159. 7 BayObLG v. 4.2.1987 – RE-Miet 2/86, WuM 1987, 112; OLG München v. 26.3.1993 – 21 U 6002/92, WuM 1993, 607. 8 OLG München v. 26.3.1993 – 21 U 6002/92, WuM 1993, 607; OLG Frankfurt v. 26.3.1963 – 4 U 191/62, ZMR 1964, 271. 9 AG Fürth v. 17.10.2006 – 310 C 1727/06, WuM 2007, 317. 10 LG Berlin v. 28.8.2006 – 62 S 73/06, WuM 2007, 386.

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141 Zur Ermittlung der Sollbeschaffenheit kann auch hier untersucht werden, ob technische Normen verletzt sind (z.B. Konzentrationswerte für bestimmte Gase nach der TA Luft, GefahrstoffVO). Insoweit ist hinsichtlich der Verbindlichkeit von Grenzwerten zu prüfen, inwieweit sie auf anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Besteht eine solche Verbindlichkeit nicht oder kann sie nicht festgestellt werden, kommt es darauf an, welche Voraussetzungen ein durchschnittlicher Mieter an ein störungsfreies Wohnen bzw. Nutzen der Mieträume stellen kann. 142 Vor diesem Hintergrund begründen Küchengerüche keinen Mangel, selbst wenn sie fremdartig sind (vgl. Anhang § 536 BGB Rz. 2 „Gerüche“). Demgegenüber stellt es einen Mangel dar, wenn von den Containern für Biomüll1 oder sogar einer nahegelegenen Kläranlage2 Geruchsbelästigungen ausgehen. bb) Zuführung von giftigen Stoffen 143 Während bei Imponderabilien die Gebrauchsbeeinträchtigung aus der Geruchsbelästigung resultiert, wird durch giftige Stoffe in der Raumluft eine Gesundheitsgefahr heraufbeschworen. Als solche kommen z.B. in Betracht Asbest3, Formaldehyd4, Pentachlorphenol (PCP)5, Perchlorethylen (PER), Polychlorierte Biphenyle (PCB), Pyrethroide und Radon. Die dafür notwendige Grenzüberschreitung kann regelmäßig nur durch (außergerichtliches) Sachverständigengutachten ermittelt werden. 144 Bestehen für die giftigen Stoffe konkrete Grenzwerte z.B. nach der GefahrstoffVO, indiziert die Überschreitung dieser Werte die konkrete Gesundheitsbeeinträchtigung und damit den Mangel. Denn die Festlegung dieser Werte beruht auf anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen. 145 Bei anderen Substanzen kann, selbst wenn ein unzulässiger Zustand festgestellt wird, in vielen Fällen ein Mangel erst angenommen werden, wenn auch die naheliegende und begründete Besorgnis der Gefahr für die Gesundheit besteht6. Deswegen genügt nicht allein die Feststellung, dass die Innenräume zu irgendeinem Zeitpunkt mit giftigen Substanzen behandelt wurden (z.B. mit einem verbotenen Holzschutzmittel). Entscheidend ist, ob aufgrund der Behandlung die konkrete Gefahr besteht, dass die Bewohner mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen rechnen müssen7. Das Gleiche gilt für latent vorhandene Giftstoffe, wie z.B. Glasfaserdämmmatten in den Schächten einer Warmluftstromheizung. Ihre Existenz allein und das Risiko, dass sie in die Raumluft gelangen könnten, begründen noch keinen Mangel. Das ist aber spätestens dann der Fall, wenn sie sich geruchsbelästigend und schleimhautreizend auswirken8. 146 Ähnliches gilt für eine asbesthaltige Nachtstromspeicherheizung9. Hier ist erst ein Mangel gegeben, wenn zumindest produktbedingt die ernsthafte Gefahr einer Krebserkrankung durch Austritt von Asbest nicht nur unwesentlich erhöht wird10. Unter Umständen kann aber allein die befürchtete Gefahr die Wertschätzung der Räume 1 LG Osnabrück v. 18.6.1997 – 11 S 402/96, WuM 1997, 431. 2 LG Augsburg v. 1.2.1984 – 7 S 4332/83, WuM 1986, 137. 3 LG Lübeck v. 6.11.1997 – 14 S 135/97, ZMR 1998, 433 = NZM 1998, 190; LG Hannover v. 30.5.1997 – 8 S 203/96, WuM 1997, 434; LG Dortmund v. 16.2.1994 – 11 S 197/93, WuM 1996, 141. 4 OLG Nürnberg v. 15.1.1992 – 9 U 3700/89, DWW 1992, 143; OLG Düsseldorf v. 26.10.1990 – 22 U 18/90, DWW 1992, 140; LG München I v. 26.9.1990 – 31 S 20071/89, WuM 1991, 584; AG Königstein v. 6.7.2000 – 21 C 1807/99, NZM 2000, 822; AG Bad Säckingen v. 21.8.1992 – 1 C 191/91, WuM 1996, 140. 5 BayObLG v. 4.8.1999 – RE-Miet 6/98, MDR 1999, 1314 = WuM 1999, 568 = ZMR 1999, 751; LG Tübingen v. 28.11.1996 – 1 S 86/96, WuM 1997, 41. 6 KG v. 3.6.2010 – 12 U 164/09, MDR 2010, 1375 = ZMR 2011, 114 = GE 2010, 1201; KG v. 26.2.2004 – 12 U 1493/00, ZMR 2004, 513 (Schimmel). 7 BayObLG v. 4.8.1999 – RE-Miet 6/98, MDR 1999, 1314 = NZM 1999, 899. 8 LG Osnabrück v. 24.1.2003 – 12 S 286/00, WuM 2003, 267; AG Torgau v. 27.9.2002 – 1 C 0604/01, WuM 2003, 316. 9 Isenmann, NZM 1998, 143. 10 LG Hannover v. 30.5.1997 – 8 S 203/96, WuM 1997, 434; LG Dortmund v. 16.2.1994 – 11 S 197/93, WuM 1996, 141.

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und damit den ungestörten Gebrauch der Mietsache beeinträchtigen1. Befindet sich Asbest in den Trennwänden der Wohnung, so dass Asbestfasern bei einer mechanischen Einwirkung freigesetzt werden können, liegt grundsätzlich ebenfalls nur die Gefahr eines Mangels vor. Dies gilt jedenfalls, wenn nur 30 % der Gesamtwandfläche (Trennwände in Leichtbauweise) betroffen sind2. cc) Einbruchserie Ob mehrere Einbrüche die Qualität eines Fehlers erreichen und den Vermieter dazu 147 zwingen, das Mietobjekt höheren Sicherheitsstandards anzupassen, wird nicht einheitlich beantwortet. Einerseits soll selbst dann kein Mangel anzunehmen sein, wenn der Mieter wegen der Einbrüche keinen Versicherungsschutz mehr erhält3. Andererseits wird dem Mieter sogar das Recht zur fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB zugebilligt4. Schließlich wird – zu Recht – darauf abgestellt, dass es zur Qualifikation als Fehler der Mietsache an einer Gebrauchsbeeinträchtigung fehlt5. Darüber hinaus soll der Vermieter ohne besondere Vereinbarung grundsätzlich nicht 148 verpflichtet sein, den Sicherheitsstandard des Gebäudes veränderten Sicherheitserkenntnissen anzupassen, so dass der Mieter auch hieraus ein Minderungsrecht nicht ableiten kann6. Ausnahmen können sich aus der Fürsorge- und Sicherungspflicht des Vermieters ergeben. Das setzt voraus, dass eine ernsthafte Gefahr für die Rechtsgüter der Mieter besteht, die der Vermieter abwenden kann7. Vgl. zur Sollbeschaffenheit im Übrigen § 535 BGB Rz. 386. dd) Lärm Lärm ist unerwünschtes Geräusch, das zu Beeinträchtigungen oder gesundheitli- 149 chen Schäden führen kann. Geräusche können schon bei relativ niedrigen Schalldruckpegeln als lästig und störend empfunden werden. Als Folge können Stressreaktionen auftreten, die sich negativ auf das Konzentrationsvermögen und die Leistung von Personen auswirken. Daraus resultieren häufig Fehlreaktionen, die ebenso wie die bei höheren Pegeln verminderte Signalwahrnehmbarkeit zu einer erhöhten Unfallgefahr führen können. Lärm kann grundsätzlich einen Fehler der Mietsache begründen8, unabhängig da- 150 von, ob er vom Vermieter, von Nachbarn des Mieters oder von Dritten ausgeht9. Voraussetzung ist, dass er den vertragsgemäßen Gebrauch nicht nur unerheblich einschränkt. Die Grenze zu gerade noch hinnehmbaren Einwirkungen ist schwierig zu ermitteln und stark einzelfallbezogen, da die Grenze des Erträglichen sehr stark vom subjektiven Komponenten abhängig ist und gewisse Lärmbelästigungen infolge des Zusammenlebens nicht vermeidbar sind10. In solchen Grenzfällen ist zum einen auf die Abrede zwischen den Parteien (insbesondere die Miethöhe11) und zum anderen auf eine Interessensabwägung abzustellen. Um die Bewertung zu objektivieren, können technische Normen und Anleitungen als Indiz für einen Mangel herangezogen werden. Insoweit kommen neben gesetzlichen Bestimmungen, die Anforderungen in der Regel allgemein formulieren (z.B. GastG), in Betracht:

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OLG Hamm v. 13.2.2002 – 30 U 20/01, NZM 2003, 395. LG Berlin v. 3.12.2010 – 63 S 42/10, NZM 2011, 481. KG v. 29.9.1997 – 20 U 4599/97, NZM 1998, 437. OLG Naumburg v. 16.12.1996 – 1 U 175/96, NZM 1998, 438. OLG Düsseldorf v. 6.6.2001 – 10 U 12/01, ZMR 2002, 819 = NZM 2002, 737. OLG Düsseldorf v. 6.6.2001 – 10 U 12/01, ZMR 2002, 819 = NZM 2002, 737. OLG Hamburg v. 7.8.1988 – 4 U 151/87, ZMR 1988, 420 = NJW-RR 1988, 1481. Vgl. dazu allgemein Flatow, PiG 92, 63 f. BGH v. 29.2.2012 – VIII ZR 155/11, MDR 2012, 509 = WuM 2012, 269 = NZM 2012, 381. LG Berlin v. 31.10.1988 – 62 S 1/88, GE 1989, 93. AG Münster v. 7.3.2003 – 3 C 5879/02, WuM 2003, 355.

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152 – Baulärm – Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm – Geräuschimmissionen v. 19.8.19701 – 32. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Geräte- und MaschinenlärmschutzV, 32. BImSchV) 153 – Industrie- und Gewerbelärm – Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA-Lärm 154 – Luftverkehrslärm – Landeplatz-LärmschutzV – Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm – Richtlinien für die Genehmigung der Anlage und des Betriebes von Flugplätzen für Flugmodelle und für die Erteilung der Erlaubnis zum Aufstieg von Flugmodellen2 – DIN 45643: Messung und Beurteilung von Flugzeuggeräuschen 155 – Nachbarschaftslärm – 32. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Geräte- und MaschinenlärmschutzV, 32. BImSchV) – TA-Lärm3 156 – Schienenverkehrslärm – Magnetschwebebahn-LärmschutzV 157 – Sport- und Freizeitlärm – SportanlagenlärmschutzV – 18. BImSchV 158 – Straßenverkehrslärm – DIN 18005: Schallschutz im Städtebau – VerkehrslärmschutzV – 16. BimSchV – Verkehrswege-SchallschutzmaßnahmenV – 24. BimSchV – Richtlinie für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes – 24. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immisionsschutzgesetzes (Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmen – 24. BImSchV) 159 – Umgebungslärmrichtlinie – Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.6.2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm4, – 34. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Lärmkartierung – 34. BImSchV5) 160 Die von technischen Anlagen bzw. Gewerbebetrieben ausgehenden Geräusche dürfen folgende Werte nicht übersteigen: – in reinen Wohngebieten tagsüber 40 dB(A) und nachts 30 dB(A)6, – in allgemeinen Wohngebieten tagsüber 50 dB(A) und nachts 35 dB(A). 161 Um das Maß der Überschreitung bewerten zu können, muss berücksichtigt werden, dass eine Erhöhung der Maßgröße dB um 3 dB (A) technisch eine Verdoppelung des

1 Beilage zum BAnz. Nr. 160; www.umweltbundesamt.de/laermprobleme/publikationen/bau laerm.pdf. 2 In: Nachrichten für Luftfahrer, Teil 1, NfL I-177/78, hrsg. von der Bundesanstalt für Flugsicherung, Frankfurt/M. 3 Vgl. dazu LG Berlin v. 2.2.2006 – 67 S 235/04, MM 2006, 147. 4 Abl. L 189 v. 18.7.2002, S. 12. 5 BGBl. I, S. 516. 6 LG Hamburg v. 14.1.1983 – 11 S 251/82, WuM 1984, 79.

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Schallpegels bedeutet1. Das menschliche Gehör nimmt zwar erst den Anstieg um 10 dB (A) subjektiv ungefähr als Verdoppelung der Lautstärke wahr. Indessen zeigen diese Werte, welche Ausmaße eine Überschreitung allgemeiner Grenzwerte praktisch bedeutet. Im Hinblick darauf ist eine Überschreitung von 11 dB (A) ohne weiteres als erhebliche Beeinträchtigung zu werten2. Dennoch kommt den technischen Normen bei der Beurteilung von Lärm als Mangel 162 nur Indizcharakter zu. Denn es fehlt an verbindlichen Werten, bei deren Überschreitung z.B. gesundheitliche Beeinträchtigungen als sicher vorhergesehen werden können. Dazu ist die Palette der Lärmbeeinträchtigungen zu umfangreich. Immerhin kommt es mindestens darauf an, wie stark, für welche Dauer und in welchen Intervallen der Lärm auftritt. Dennoch bieten die technischen Vorgaben Anhaltspunkte für die Einstufung des mietrechtlich relevanten Lärms3. Sie lassen allein, auch wenn die Geräusche innerhalb der zulässigen Messgrenze liegen, keine abschließende Beurteilung darüber zu, ob es sich bei dem Geräusch schon um eine Störung oder nur um eine hinzunehmende Belästigung handelt. Bei einem modernisierten Altbau mit Holzdecken kann kein erhöhter Schallschutz 163 erwartet werden4. Bei Anmietung einer Altbauwohnung mit Holzdecken ist damit zu rechnen, dass tiefe Frequenzen und damit auch Schnarchgeräusche aus der Nachbarwohnung zu vernehmen sind. Für die Frage der mietrechtlichen Relevanz des Lärms kommt es nicht darauf an, ob 164 der Vermieter die Störung (z.B. Baulärm) nach § 906 BGB entschädigungslos hinnehmen muss5. Vielmehr muss geprüft werden, ob die Störquelle im gleichen sozialen Rahmen wie die Nutzung angesiedelt ist oder ob sie z.B. von außen in den Wohnbereich eindringt. Zwar können auch Geräusche „störend“ vernommen werden, die auf eine alltägliche Nutzung des Gebäudes zurückzuführen sind6. Darunter fallen Lärmbelästigungen durch haustechnische Anlagen (vgl. DIN 4109), wie z.B. durch – Benutzung eines Müllschluckers7, – das Einwerfen von Glasflaschen in entsprechende Container8 oder – die Heizungsanlage9, die sich im Rahmen der DIN 4109 halten oder nicht in unzumutbarer Weise (z.B. Häufigkeit) auftreten. Das Gleiche gilt für den Betrieb einer Skaterbahn auf dem Nachbargrundstück10. 165 Dennoch muss berücksichtigt werden, dass der Wohnungsmieter einen Anspruch darauf hat, dass technisch vermeidbare, schallschutzwidrige Lärmbelästigungen z.B. beim Öffnen und Schließen von Garagentoren oder der Haus- oder Wohnungstüre vom Vermieter im Rahmen der Instandhaltungspflicht unterbunden werden11. Deshalb ist eine Minderung begründet, wenn von einem Garagentor eine die DIN 4109 überschreitende Geräuschbelästigung auf die über der Tiefgarageneinfahrt gelegene Wohnung einwirkt, weil die eingebauten Teile des Garagentors nicht körperschallgerecht und demnach nicht ordnungsgemäß eingebaut worden sind12. Die Mietminderung erweist sich auch nicht als treuwidrig, wenn der Mieter selbst zwei Tiefgaragenplätze angemietet hat.

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Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 99. AG Aachen v. 31.5.1981 – 6 C 582/87, WuM 1989, 12. AG Lichtenberg v. 25.9.1996 – 6 C 35/96, MM 1997, 154. AG Bonn v. 25.3.2010 – 6 C 598/08, NZM 2010, 619 = GE 2010, 1753. AG Hamburg-Blankenese v. 26.2.2003 – 517 C 175/02, ZMR 2003, 746. OLG Düsseldorf v. 29.1.1997 – 9 U 218/96, WuM 1997, 221. LG Dresden v. 10.6.1997 – 15 S 143/97, OLGR Hamm 1996, 76 = NJWE-MietR 1997, 197. LG Berlin v. 20.1.1995 – 64 S 329/94, GE 1995, 427. LG Berlin v. 13.12.2010 – 67 S 601/09, GE 2011, 549; AG Hamburg v. 3.7.1997 – 48 C 249/96, WuM 1997, 551. 10 AG Emmerich v. 5.5.2000 – 9 C 72/00, NZM 2000, 544. 11 AG Mainz v. 13.11.2002 – 81 C 230/00, WuM 2003, 87. 12 LG Hamburg v. 26.3.2009 – 333 S 65/08, WuM 2009, 347 = ZMR 2009, 918.

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166 Mit Rücksicht auf seine Sozialadäquanz (= sozialer Rahmen der Nutzung) muss der Mieter Lärm dulden, der durch 167 – Kleinkinder – generell1; – im Treppenhaus hervorgerufen wird, und zwar auch schon morgens um 7 Uhr2; – in anderen Wohnungen verursacht wird, aber naturgemäß dem Bewegungsund Spieldrang von kleinen Kindern entspricht3, wobei die Eltern allerdings versuchen müssen, während der allgemeinen Ruhezeiten den Kinderlärm zu vermeiden4; – auf einem Spielplatz in einer Wohnsiedlung sich treffende Jugendliche und Erwachsene verursacht wird5, 168 – den Gaststättenbetrieb auf einer Terrasse im Erdgeschoss des Mietshauses in einer ruhigen Wohngegend einer Großstadt wie Berlin verursacht wird (einschließlich) dem Eindringen von Zigarettenrauch in seine Wohnung6, – lärmenden Gewerbebetrieb im Gebäude entsteht, selbst wenn die Ladenöffnungszeiten seit der Übergabe erheblich zum Nachteil des Wohnungsmieters verändert wurden7; dabei bezieht sich der Höchstwert der DIN 4109 von maximal 25 dB (A) nachts auf Geräuschemissionen aus Handwerks- und Gewerbebetrieben aller Art8; 169 – Läuten von Kirchenglocken vor dem Gottesdienst eingeleitet wird, weil dies zur Religionsausübung gehört und daher grundsätzlich als sozialadäquat zu dulden ist9; – erhöhter Lärm durch langandauernde Straßenbauarbeiten im innerstädtischen Bereich10; 170 – kurzzeitige Wortgefechte entsteht; denn diese Art der Äußerung gehört natürlicherweise zum menschlichen Erscheinungsbild und ist mehr oder minder Bestandteil einer kommunikativen Begegnung von Menschen, insbesondere von Ehepartnern; gerade bei letztgenannten sind Streitigkeiten verbaler Natur häufig anzutreffen, da sich aus dem Miteinander in der Ehe naturgemäß eher Konflikte ergeben, die durch lautstarke Auseinandersetzungen ausgetragen werden11; das gilt aber nicht, wenn die Streitgespräche überlaut und nachts geführt werden12. 171 Dagegen kann das das Üben und Spielen von Elektrogitarre und Schlagzeug unter Einsatz eines Verstärkers zur Mittagszeit und abends nach 20 Uhr die durch die Hausordnung und das Gebot der Rücksichtnahme gezogenen Grenzen in einem Mehrfamilienhaus verletzen und daher den Mietgebrauch der Mitmieter erheblich beeinträchtigen13. Das Gleiche gilt, wenn es wegen Bauarbeiten zu einer veränderten Verkehrsführung mit einer erhöhten Lärmbelästigung kommt, wenn die Störung nicht nur vorübergehend ist14. War allerdings schon bei Abschluss des Mietvertrages erkennbar, dass in der weiteren räumlichen Umgebung des Mietobjektes mit Bautätigkeiten zu rechnen ist, kann der Mieter keine Minderung durchführen, § 536b 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

AG Hamburg-Bergedorf v. 11.11.2008 – 409 C 285/08, ZMR 2009, 292. LG München v. 24.2.2005 – 31 S 20796/04, NZM 2005, 339 = NJW-RR 2005, 598. AG Braunschweig v. 25.6.1999 – 117 C 1270/99, WuM 2002, 50. AG Neuss v. 1.7.1988 – 36 C 232/88, WuM 1988, 264. AG Frankfurt v. 13.3.2009 – 33 C 2368/08, WuM 2009, 226. AG Pankow-Weißensee v. 27.10.2004 – 100 C 203/04, GE 2005, 1126. AG Frankfurt v. 15.10.1998 – 33 C 2085/98, ZMR 1999, 718; a.A. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 110. LG Berlin v. 13.12.2010 – 67 S 601/09, GE 2011, 549. BVerwG v. 7.10.1983 – 7 C 44/81, MDR 1984, 606 = NJW 1984, 989. BGH v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, MDR 2013, 262 = WuM 2013, 154 = NZM 2013, 184. AG Düsseldorf v. 18.7.1991 – 302 OWi – 904 Js 708/91, WuM 1992, 148 = NJW 1992, 384. AG Bergisch Gladbach v. 24.7.2001 – 64 C 125/00, WuM 2003, 29. LG Berlin v. 15.3.2011 – 65 S 59/10, GE 2011, 752. AG Frankfurt v. 19.11.2002 – 2.7 C 568/02, ZMR 2003, 268 (s. auch Wohnumfeld § 536 BGB Rz. 192).

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BGB1. Das gilt selbst dann, wenn die Lärmimmissionen von einer benachbarten Großbaustelle herrühren2. Regelmäßig können Mängel wegen Lärmimmissionen, insbesondere wenn sie zu un- 172 terschiedlichen Zeiten oder in verschiedenen Formen auftreten, nur durch Lärmprotokolle ausreichend spezifiziert werden. Zwar reicht es grundsätzlich aus, zur Begründung des Mangels die Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit als solche vorzutragen3. Indessen ist das Gericht auf zusätzlichen Vortrag zumindest zur Ermittlung der Minderungsquote angewiesen, um sich über Dauer und Intensität ein Bild zu verschaffen. Abgesehen davon können bestimmte Lärmeinwirkungen erst eine Minderung rechtfertigen, wenn sie ein bestimmtes Maß überschreiten. So kann das Bellen eines Hundes in der Nachbarschaft z.B. erst als Mangel angesehen werden, wenn der Hund regelmäßig lang anhaltend laut bellt oder sehr häufig anschlägt4. Dabei kann ein Lärmprotokoll hilfreich sein, zumal bei seiner Vorlage der Nachweis nicht vollständig erbracht werden muss. Vielmehr kann ein Gericht aufgrund punktueller Zeugenaussagen auf die Richtigkeit des gesamten Protokolls schließen5. Andererseits kann die Lebenserfahrung zeigen, dass gewisse Umstände (hier: Bauarbeiten) im und am Gebäude den vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigen und daher von vorneherein eine bestimmte Minderung rechtfertigen6. ee) Lichteinfall Der vertragsgemäße Zustand wird dazu in der Regel durch die tatsächlichen Verhält- 173 nisse bei der Übergabe bestimmt. Die Veränderung der natürlichen Belichtung und Besonnung einer Wohnung kann sich wohnwertmindernd auswirken7. Deshalb liegt ein Mangel der Mietsache vor, wenn – anlässlich durchzuführender Bauarbeiten die Außenfassade des Hauses durch ein Gerüst und Planen verhängt wird und dadurch die Zimmer verdunkelt werden8; – Lichtreflexe, die durch das Glasdach eines Bauwerkes auf dem Nachbargrundstück verursacht werden, den Mieter aufgrund ihrer Blendwirkung an einer ungestörten Büronutzung hindern9; – Fassadenbewuchs die Lichtverhältnisse verändert, denn insoweit soll es dem Mieter nicht zumutbar sein, einen regelmäßigen Schnitt durchzuführen10; – durch bauliche Veränderungen auf dem Nachbargrundstück (z.B. hohe Mauer, die die Sichtverhältnisse einer Erdgeschosswohnung beeinträchtigt11; Balkon an Nachbargebäude, das Sicht auf die Straße versperrt12) Verschlechterungen eintreten; – bauliche Veränderungen am Gebäude selbst (z.B. Errichtung von Balkonen13) die Lichtverhältnisse verändern, soweit damit nicht gerechnet werden muss14. ff) Mobilfunkantenne Die Errichtung einer Mobilfunkantenne auf dem Dach des Hinterhauses begründet 174 für den Mieter einer Wohnung im Vorderhaus grundsätzlich keine Minderung nach 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

KG v. 3.6.2002 – 8 U 74/01, NZM 2003, 718. LG Hamburg v. 5.7.2001 – 333 S 13/01, WuM 2001, 444. BGH v. 29.2.2012 – VIII ZR 155/11, MDR 2012, 509 = WuM 2012, 269 = NZM 2012, 381. AG Hamburg v. 6.3.2005 – 49 C 165/05, zitiert nach juris. AG Bergisch Gladbach v. 24.7.2001 – 64 C 125/00, WuM 2003, 29. AG Köln v. 19.8.2002 – 205 C 85/02, WuM 2003, 318. AG Berlin-Charlottenburg v. 3.11.1989 – 13 C 352/89, GE 1990, 261. LG Berlin v. 12.3.1985 – 64 S 9/85, ZMR 1986, 54. LG Frankfurt v. 21.7.1995 – 2/11 O 33/94, DWW 1998, 58. AG Köln v. 30.12.2003 – 201 C 68/03, ZMR 2004, 594. LG Hamburg v. 12.12.1989 – 16 S 232/89, WuM 1991, 90; vgl. auch AG Köpenick v. 3.5.2000 – 7 C 524/99, MM 2000, 376; Einblick auf Balkon: LG Berlin v. 8.2.2000 – 65 S 152/99, MM 2000, 222. 12 AG Potsdam v. 5.6.2002 – 25 C 533/01, WuM 2004, 233. 13 AG Hamburg-Wandsbek v. 8.2.2002 – 716A C 265/01, WuM 2002, 486. 14 AG Pankow/Weißensee v. 12.3.2002 – 101 C 545/01, ZMR 2002, 834.

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§ 536 BGB

Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln

§ 536 BGB, wenn bei dem Betrieb die Richtwerte der 26. BImSchV eingehalten werden1. Das gilt auch dann, wenn in der unmittelbar unter dem Dach liegenden Wohnung objektive Einwirkungen feststellbar sind2. Denn die Folgen der Einwirkungen sind unbekannt und naturwissenschaftlich nicht geklärt, insbesondere hinsichtlich der sog. athermischen Effekte. Insoweit ist es unschlüssig, gerade diese Tatsache dafür anzuführen, dass sich aus dem Restrisiko ein Mangel der Mietsache ergeben kann, da der 26. BImSchV der sog. Vorsorgegedanke nicht zugrunde liegt3. gg) Prostitution 175 Allein das Betreiben der Prostitution durch einen anderen Mieter im Wohnhaus begründet keinen Mangel der Mietsache4, und zwar unabhängig vom Stand und Wandel eines gesellschaftlichen Werturteils über die Prostitution5. Vielmehr ist eine konkrete Belästigung des Mieters erforderlich6. Eine solche Gebrauchsbeeinträchtigung besteht bei 176 – Belästigungen durch Freier, falsches Klingeln, Betrunkene7, – bordelltypischen Störungen (Obszönitäten, Geschlechtsakt-/Foltergeräusche, Kondom im Bereich der Haustür, Handgreiflichkeiten unter den Gästen)8, – ständigem Klingeln im Halbstundenrhythmus bis spät in die Nacht und herumirrenden Besuchern im Haus9. hh) Umwelteinwirkung durch Vögel (1) Taubenplage 177 Die Verschmutzung von Balkonen und Fensterbänken an Gebäuden im innerstädtischen Bereich durch Taubendreck infolge einer Taubenplage fällt in den Risikobereich des Vermieters und ist von ihm zu beseitigen10. Deshalb muss der Mieter erhebliche Verschmutzungen durch Tauben nicht als allgemeines Lebensrisiko hinnehmen11. Dies gilt auch dann, wenn der Vermieter dagegen nichts unternehmen kann12. 178 Selbst wenn ein für Großstädte als üblich anzusehendes starkes Aufkommen von Tauben vorliegt, kann gleichwohl ein Mangel bestehen, wenn die vom Vermieter zu verantwortende Fassadengestaltung für den konkreten Taubenbefall am Mietobjekt und damit auch für die aus ihm folgende Gebrauchsbeeinträchtigung eine wesentliche Ursache bildet.

1 LG Karlsruhe v. 3.9.2003 – 5 S 128/03, DWW 2004, 57; LG Berlin v. 29.10.2002 – 63 S 24/02, NZM 2003, 60; a.A. AG München v. 1.4.1998 – 432 V 7381/95, WuM 1999, 111; vgl. dazu auch BGH v. 15.3.2006 – VIII ZR 74/05, MDR 2006, 1218 = WuM 2006, 304; Gsell, WuM 2011, 491 (496 f.). 2 A.A. AG Hamburg v. 8.1.2007 – 644 C 334/05, WuM 2007, 621; entgegen BGH v. 15.3.2006 – VIII ZR 74/05, MDR 2006, 1218 = NJW-RR 2006, 879; LG Berlin v. 29.10.2002 – 63 S 24/02, NJW-RR 2003, 300; LG Berlin v. 23.7.2002 – 63 S 366/01, GE 2003, 53; LG Frankfurt v. 4.3.2003 – 2-11 S 272/01, MMR 2003, 540; AG Gießen v. 9.7.2001 – 48M C 903/00, ZMR 2001, 806; AG Traunstein v. 3.3.1999 – 310 C 2158/98, ZMR 2000, 389; AG Lichtenberg v. 6.7.2001 – IX C 59/01, ZMR 2002, 574; AG Spandau v. 4.7.2001 – 4 C 305/01, MM 2001, 443; AG Frankfurt v. 25.6.2001 – 33 C 1237/01, NZM 2001, 1031; AG Tiergarten v. 4.12.2001 – 6 C 417/01, NZM 2002, 949. 3 A.A. AG Hamburg v. 8.1.2007 – 644 C 334/05, WuM 2007, 621. 4 LG Berlin v. 21.4.2008 – 63 S 210/07, GE 2009, 453; LG Berlin v. 23.9.1999 – 61 S 518/98, NZM 2000, 377. 5 AG Köln v. 25.3.2002 – 222 C 324/01, WuM 2003, 145. 6 AG Köln v. 30.1.1987 – 221 C 294/86, WuM 1988, 108. 7 AG Regensburg v. 20.6.1990 – 3 C 1121/90, 3 C 1146/90, WuM 1990, 386. 8 LG Berlin v. 23.9.1999 – 61 S 518/98, NZM 2000, 377. 9 AG Wiesbaden v. 10.2.1998 – 92 C 3285/97, WuM 1998, 315. 10 AG Hamburg v. 10.1.1990 – 41 C 1766/89, WuM 1990, 424; AG Hamburg v. 6.1.1988 – 40a C 2574/87, WuM 1988, 121. 11 LG Freiburg v. 19.6.1997 – 3 S 386/96, WuM 1998, 212. 12 AG Hamburg v. 6.1.1988 – 40a C 2574/87, WuM 1988, 121; AG Hamburg v. 10.1.1990 – 41 C 1766/89, WuM 1990, 424; a.A. LG Kleve v. 28.1.1986 – 3 S 117/85, WuM 1986, 333.

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§ 536 BGB

Das Anbringen eines Taubenschutzgitters, das aufgrund einer von keiner Partei zu 179 vertretenden Taubenplage erforderlich wird, stellt nicht ohne weiteres eine dem Vermieter obliegende Erhaltungspflicht gemäß § 536 BGB dar1. Die Montage eines Taubenabwehrnetzes stellt keine Veränderung der Mietsache und keinen Sachmangel i.S.d. § 536 BGB dar2. Der Vermieter ist auch dann zur Beseitigung und Bekämpfung einer Taubenplage ver- 180 pflichtet, wenn er nicht Eigentümer der Wohnung ist. Das Unterlassen des Vermieters begründet Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen auch der durch eine Taubenallergie geplagten Angehörigen des Mieters, die in den Schutzbereich des Mietvertrages einbezogen sind. Leidet der Mieter aufgrund des Taubenbefalls in der unmittelbaren Umgebung der Wohnung an gravierenden allergischen Reaktionen mit Ausschlag, Zeckenbissen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit u.a.m., kann ein Schmerzensgeld von 1500 Euro gerechtfertigt sein3. Das Auftreten von Taubenzecken kann sogar eine Gesundheitsgefährdung i.S.v. § 569 Abs. 1 BGB begründen4.

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(2) Andere Vögel In ländlichen Gegenden und dörflicher Umgebung ist das Anfallen von Vogelkot nis- 182 tender Schwalben auf dem Fensterbrett und das gelegentliche Hineinfliegen von Schwalben in die Wohnung als ortsübliche Einwirkung vom Mieter entschädigungslos hinzunehmen. Zu einer Minderung des Wohnwerts führt dies nicht5. Dies gilt nicht, wenn an der Fassade eines Wohnhauses befindliche Schwalbennester dazu führen, dass eine Mietwohnung von Schwalbenwanzen (blutsaugenden Insekten) befallen wird. (3) Hahnenkrähen Maßstab für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Lärmbeeinträchtigung ist bei 183 einem Wohngrundstück, ob von dem vom jeweiligen Umweltbewusstsein geprägten Empfinden eines Durchschnittsbenutzers das Wohnen an Annehmlichkeit verliert und der Grundstückswert dadurch gemindert wird6. Bei Geräuschen ist entscheidend deren Lästigkeit, für die die Lautstärke nur eine Komponente darstellt, so dass es auf die Grenzwerte in Verwaltungsvorschriften wie der TA Lärm oder der VDIRichtlinie 2058 bzw. die Überschreitung des mittleren Schallpegels nicht allein maßgeblich ankommt7. Eine wesentliche Beeinträchtigung i.S. einer besonderen Lästigkeit ist anzunehmen, wenn ein Hahn mehrmals täglich plötzlich – mit dem daraus folgenden Erwartungseffekt – kräht und die besondere Modulation und Tonalität des Krähens so beschaffen sind, dass einzelne schrille Töne aus dem Spektrum herauszuhören sind und eine Lautstärke von weit über 70 dB (A) und damit eine Differenz von 20 bis 40 dB (A) zum Ruhepegel erreichen8. Nach anderer Ansicht soll trotz wesentlicher Beeinträchtigung jedenfalls kein Abwehranspruch bestehen, wenn das betroffene Grundstück in ländlicher Umgebung mit vorwiegender Agrarstruktur liegt und der Ort trotz vorhandener Bebauung auch mit Ein- und Zweifamilienhäusern immer noch dörflichen Charakter aufweist9. Auch wenn sich die vorstehenden Grundsätze an § 906 BGB orientieren, zeigen sie 184 für das Mietrecht die Prinzipien auf. Der Mieter, der in eine ländliche Gegend zieht, muss mit Geräuschen durch Tiere rechnen. Nehmen diese Geräusche aber Dimensio-

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BayObLG v. 26.6.1998 – RE-Miet 2/98, WuM 1998, 552 = ZMR 1998, 617 = NZM 1998, 713. AG Schöneberg v. 3.9.2007 – 16b C 180/07, GE 2007, 1325. LG Freiburg v. 19.6.1997 – 3 S 386/96, WuM 1998, 212. LG Berlin v. 4.4.1997 – 63 S 443/96, GE 1997, 689. AG Eisleben v. 21.9.2006 – 21 C 118/06, NZM 2006, 898. Vgl. BGH v. 11.11.1983 – V ZR 231/82, MDR 1984, 476 = NJW 1984, 1242. Vgl. BGH v. 17.12.1982 – V ZR 55/82, MDR 1983, 476 = NJW 1983, 751. LG München v. 3.3.1989 – 30 O 1123/87, DWW 1989, 165 = NJW-RR 1989, 1178. LG Kleve v. 17.1.1989 – 6 S 311/88, DWW 1989, 362.

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nen an, die das Maß des Erträglichen überschreiten, besteht ein Mangel der Mietsache. ii) Überschwemmung/Naturkatastrophen 185 Grundsätzlich ist der Vermieter nicht verpflichtet, das Gebäude vor den Auswirkungen von seltenen Naturkatastrophen (z.B. Orkanen) zu schützen1. Sind andere Beschaffenheitsvereinbarungen nicht getroffen, muss die Mietsache aber bei gewöhnlichen, der örtlichen Lage entsprechenden Verhältnissen gegen Eindringen von Wasser geschützt sein. Der Vermieter ist daher verpflichtet, entsprechende Vorkehrungen zum Schutz der Mietsache zu treffen2. Dies gilt erst recht, wenn ein Abwassereinlauf im Fußboden eines Mietraums unterhalb der Rückstauebene liegt und deren Einbau bei Errichtung des Mietobjektes oder bei einem grundlegenden Umbau dem Stand der Technik entsprach3. 186 In diesen Fällen berechtigt das bloße Fehlen der Rückstausicherung grundsätzlich aber noch nicht zur Minderung i.S.v. § 536 BGB, solange keine Gebrauchsbeeinträchtigung eintritt. Allerdings kann der Mieter Schadensersatz nach § 536a Abs. 1 2. Alt. BGB verlangen. Das gilt auch dann, wenn nur seltene, im statistischen Durchschnitt alle 50 Jahre vorkommende Unwetter zu einer Überflutung des Mietobjektes führen können4. Hat der Vermieter die maßgeblichen technischen Normen und Vorschriften zum Zeitpunkt der Errichtung des Hauses (hier: Altbau von 1926) eingehalten und ist eine konkrete Gefährdungslage für Kellerüberschwemmungen nicht ersichtlich, begründet das Fehlen einer Rückstausicherung keinen zur Instandsetzung verpflichtenden Mangel einer Mietwohnung5. 187 Kommt es in den Monaten Dezember bis Januar regelmäßig zu Hochwasserständen und dringt Wasser in den zur Wohnung gehörenden Kellerraum ein, soll dies zu einer sich über das ganze Jahr erstreckenden Mietminderung führen, da nicht erwartet werden kann, dass der Mieter zweimal im Jahr seinen Keller aus- bzw. umräumt6. Dabei begründet allein die Lage des Mietobjektes in einem Gebiet, in dem regelmäßig mit Hochwasser zu rechnen ist, einen Mangel der Mietsache, über den der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages aufklären muss7. Das gilt nicht, wenn sich die gemieteten Räume in einem Gebiet befinden, das nur bei außergewöhnlichen Witterungsverhältnissen hochwassergefährdet ist8. Insoweit besteht auch keine Garantiehaftung des Vermieters. 188 Ein anfänglicher Mangel der Mietsache liegt nicht vor, wenn aufgrund eines auf dem Mietgrundstück vorhandenen Pflanzenbewuchses Wurzelwerk in Rohrleitungen eindringen kann. Wenn sich vier Jahre nach Vertragsschluss eine derartige Gefahr realisiert (mit der Folge eines Verstopfens von Rohrleitungen und einem Wasserschaden im Mieterkeller an Sachen des Mieters), kann nicht von einem bereits bei Vertragsschluss vorliegenden Mangel der Mietsache ausgegangen werden9. Ein Anspruch aus verschuldensunabhängiger Garantiehaftung gegen den Vermieter kommt deshalb nicht in Betracht. 189 Hat der Mieter im Zusammenhang mit einem Überschwemmungsschaden seine Anzeigepflicht nach § 536c BGB verletzt, tritt dieser Vertragsverstoß bei der Abwägung nach § 254 BGB der beidseitigen Verursachungsbeiträge vollständig hinter dem weit 1 MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 18. 2 LG Köln v. 3.1.1996 – 10 S 314/95, KM 30 Nr. 7. 3 OLG Hamm v. 1.12.1987 – 7 U 67/87, WuM 1988, 349 = ZMR 1988, 138 = DWW 1988, 142 = NJWRR 1988, 529. 4 OLG Hamm v. 1.12.1987 – 7 U 67/87, WuM 1988, 349 = ZMR 1988, 138 = DWW 1988, 142 = NJWRR 1988, 529. 5 LG Freiburg v. 3.3.2005 – 3 S 245/04, WuM 2008, 300. 6 LG Kassel v. 13.6.1996 – 1 S 128/96, NJW-RR 1996, 1355. 7 AG Friedberg v. 3.5.1995 – C 1326/94-11, WuM 1995, 393; LG Stuttgart v. 12.4.1990 – 22 O 224/89, VersR 1991, 1183. 8 BGH v. 9.12.1970 – VIII ZR 149/69, NJW 1971, 424. 9 LG Hamburg v. 28.11.2006 – 311 O 411/05, ZMR 2007, 120.

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überwiegenden Verursachungsbeitrag des Vermieters zurück. Baumängel wie die fehlerhafte Entwässerung eines Mietanwesens fallen in den alleinigen Verantwortungsbereich des Vermieters1. jj) Wohnungsumfeld Beeinträchtigungen durch die Nutzung des Nachbargrundstückes können einen 190 Mangel rechtfertigen, wenn sie weder vorhersehbar waren noch im Bereich des sozialadäquaten Rahmens liegen2. Deshalb scheidet eine Mietminderung wegen Geräuschbelästigung aus der Nachbarschaft aus, wenn der Mieter mit dieser Belästigung bei Abschluss des Mietvertrages rechnen muss, weil er z.B. bewusst in ein Mischgebiet mit Diskotheken und Industrieanlagen eingezogen ist3. Darüber hinaus können besondere Belange höhere Anforderungen rechtfertigen. Im 191 Lichte des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG muss von einem verständigen Durchschnittsmenschen z.B. im nachbarschaftlichen Zusammenleben mit behinderten Menschen eine erhöhte Toleranzbereitschaft eingefordert werden. Dies bedeutet aber nicht, dass den Interessen der Behinderten schlechthin der Vorrang vor den berechtigten Belangen ihrer Nachbarn gebührt. Das Toleranzgebot endet, wo nach umfassender Abwägung zwischen Art und Ausmaß der Beeinträchtigung einerseits und den hinter der Geräuschbelästigung stehenden privaten und öffentlichen Belangen andererseits dem Nachbarn die Belästigung billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann4. Diese an § 906 Abs. 1 BGB orientierte Einschätzung gilt grundsätzlich auch im Mietvertrag. Der Mieter schuldet aus dem Gebot der Rücksichtnahme eine höhere Toleranzschwelle gegenüber behinderten Nachbarn. Nehmen die Geräusche aber unerträgliche Zustände an, so dass der Mieter nicht mehr konzentriert arbeiten oder ruhig schlafen kann, besteht ein Mangel der Mietsache. Im Übrigen müssen Beeinträchtigungen aus dem Wohnumfeld sich unmittelbar auf 192 die Mietsache auswirken und nicht nur zu einer mittelbaren Einwirkung führen, um Mangelqualität zu erreichen5. Mithin ist es erforderlich, dass die Nutzbarkeit der Wohnung selbst oder der dazugehörigen Gemeinschafts- oder Außenflächen eingeschränkt wird6. Diese Voraussetzungen liegen z.B. vor, – wenn eine Autobahn verlängert wird und am Mietobjekt vorbeiführt, so dass die Schallschutzklasse der vorhandenen Fenster für die zusätzlichen Lärmeinwirkungen nicht mehr geeignet sind7; – wenn es in den Sommermonaten Juli bis September zu Unzuträglichkeiten durch in der Nacht feiernde Personen (z.B. Ruderer bzw. Kleingärtner), einhergehend mit Musikbeschallung und lauten Stimmen, die gegen das gesetzliche Verbot der Störung der Nachtruhe verstoßen8, kommt; dagegen erreichen nächtliche Ruhestörungen durch auf dem Heimweg lärmende Besucher eines Restaurants oder einer Veranstaltungshalle im Umkreis der Mietwohnung in einer innerstädtischen Wohnanlage einer Großstadt (hier: Berlin) ohne Sperrstunde für Gaststätten keine Mangelqualität9. Sie liegen grundsätzlich nicht vor – bei Lärm und anderen Belästigungen durch einen Spiel- und Bolzplatz10 oder einen Kinderspielplatz, der bei Vertragsschluss schon vorhanden war, selbst wenn dieser später erweitert wird11; 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

LG Karlsruhe v. 13.12.1996 – 9 S 271/96, WuM 1998, 22. Horst, MDR 2011, 1022. LG Berlin v. 13.7.2009 – 67 S 19/09, GE 2009, 1047. OLG Köln v. 8.1.1998 – 7 U 83/96, MDR 1998, 277 = WuM 1998, 161 = ZMR 1998, 161. OLG Frankfurt v. 1.7.2005 – 24 U 234/04, zitiert nach juris. AG Hamburg v. 23.3.2006 – 49 C 474/05, zitiert nach juris. AG Köpenick v. 2.7.2010 – 4 C 116/10, GE 2010, 1277. AG Spandau v. 26.11.2008 – 4 C 207/08, GE 2009, 54. AG Köpenick v. 4.5.2006 – 12 C 44/06, GE 2006, 855. LG Hamburg v. 9.2.1995 – 333 S 112/94, WuM 1998, 19. AG Wedding 26.6.2000 – 19 C 644/99, GE 2000, 1330.

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– allein wegen der Fremdartigkeit des Wohnverhaltens von Asylbewerbern und dadurch bedingten Beeinträchtigungen für die eingesessenen Wohnungsinhaber1; – weil sich im Umfeld der Wohnung eine Drogenszene entwickelt hat; das ist anders zu beurteilen, wenn in einem Mietshaus ein öffentlicher Drogenhandel stattfindet: Dadurch werden die Mitbewohner so stark belästigt, dass eine Mietminderung gerechtfertigt ist2; – wenn andere Flächen im Objekt intensiver genutzt werden (z.B. Einrichtung einer Schule für Erwachsenenbildung)3, solange keine unmittelbaren Belästigungen stattfinden; dagegen soll eine hotelähnliche Nutzung anderer Wohnungen eine Minderung rechtfertigen, wenn eine höhere Ausfallquote des Aufzuges zu reklamieren ist und der Fahrstuhl durch Putzkräfte, die im Haus unterwegs sind, häufiger genutzt wird4; – wenn in der Nachbarschaft ein Café eingerichtet wird, das als Treffpunkt der Sado-Maso-Szene dient, und sich die Beeinträchtigungen des Wohnungsmieters darauf beschränken, dass es auf der Straße regelmäßig zu Begegnungen mit provokativ-aufreizend und szenetypisch gekleideten Cafébesuchern kommt5. Vgl. im Übrigen Anhang § 536 BGB Rz. 2 Feiern, Grillen etc. kk) Zugangsbehinderung 193 S. § 536 BGB Rz. 365 f. c) Öffentlich-rechtliche Beschränkungen 194 Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Beschränkungen können einen Fehler der Mietsache i.S.v. § 536 BGB darstellen, wenn sie mit der Art, Lage oder Beschaffenheit der Mietsache zusammenhängen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben6. In Betracht kommen deshalb vor allem verwaltungsrechtliche Bestimmungen, die Vorgaben über die Zulässigkeit der Bebauung oder für eine bestimmte Nutzung der Räume (z.B. Zulassung als Wohnraum) enthalten, über die Zweckentfremdung oder öffentlich-rechtliche Bauvorschriften, die bestimmte Mindestanforderungen an Bauelemente einschließlich deren Qualität und sonstige Einrichtungen stellen (z.B. Höhe von Balkonbrüstungen, Brandschutz7). Auch bauplanungsrechtliche Bestimmungen können betroffen sein, so dass deren Verletzung einen Mangel begründen kann. Insoweit ist aber z.B. die Nutzung eines Wohngebäudes als Pflegeheim für geistig Behinderte mit dem Gebietscharakter eines reinen Wohngebietes oder eines allgemeinen Wohngebietes vereinbar und planungsrechtlich zulässig8, so dass ein öffentlich-rechtlicher Mangel nicht entstehen kann. 195 Die Annahme eines öffentlich-rechtlichen Mangels scheidet nicht schon deshalb aus, weil das Eingreifen der Behörde auf eine entsprechende Anzeige des Mieters zurückzuführen ist. Verstößt der Zustand des Gebäudes oder die vom Vermieter zugesagte Nutzung gegen öffentlich-rechtliche Bestimmungen, ist dieser Missstand allein der Sphäre des Vermieters zuzurechnen. Damit liegt ein Mangel der Mietsache vor, der zur Minderung berechtigt, wenn auch die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 536 Abs. 1 BGB vorliegen oder damit eine zugesicherte Eigenschaft fehlt. Geht es dem Mieter bei seiner Anzeige allein darum, einen Minderungstatbestand herbeizuführen,

1 AG Lünen v. 16.12.1987 – Zw 14 C 182/86, WuM 1988, 348; AG Gronau v. 13.12.1990 – 4 C 430/90, MDR 1991, 1064 = WuM 1991, 161. 2 LG Düsseldorf v. 18.11.1994 – 21 S 575/93, NJW-RR 1995, 330. 3 OLG Frankfurt v. 1.7.2005 – 24 U 234/04, zitiert nach juris. 4 AG Berlin Mitte v. 2.12.2009 – 17 C 134/09, MM 2010, 75. 5 AG Hamburg 23.3.2006 – 49 C 474/05, zitiert nach juris. 6 BGH v. 28.11.1979 – VIII ZR 302/78, MDR 1980, 306 = NJW 1980, 777; OLG Düsseldorf v. 20.9.2010 – 24 U 202/09, ZMR 2011, 865; OLG Düsseldorf v. 21.1.1993 – 10 U 90/92, ZMR 1993, 275. 7 OLG Düsseldorf v. 19.3.2002 – 24 U 124/01, ZMR 2002, 739 = GuT 2002, 74 = NZM 2003, 556. 8 VG Braunschweig v. 16.3.2005 – 2 A 388/04, DWW 2005, 383.

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kann das Berufen auf § 536 BGB im Einzelfall treuwidrig (§ 242 BGB) sein. Dies gilt erst recht bei einem Verstoß gegen § 226 BGB (Schikaneverbot). Erfolgt eine unverhältnismäßige Anzeige des Mieters im Einzelfall aus Böswilligkeit oder geringem Anlass, kann sie eine Kündigung des Vermieters nach § 543 BGB begründen, selbst wenn sie auf zutreffenden Angaben beruht1. Allein der Verstoß gegen öffentliches Recht selbst begründet noch keinen Mangel, da 196 zusätzlich eine Gebrauchsbeeinträchtigung eingetreten sein muss2. Deshalb kommt die Ausübung von Gewährleistungsrechten nicht in Betracht, wenn die Behörde trotz eines Verstoßes gegen ihre Bestimmungen oder Richtlinien den von den Parteien vereinbarten Gebrauch der Mietsache duldet3. Ebenso fehlt es regelmäßig an einer Gebrauchsbeeinträchtigung, wenn der Mietvertrag trotz fehlender Nutzungsgenehmigung „in Gang gesetzt“ wird, ohne dass die Behörde einschreitet. Insoweit ist es unerheblich, ob die Behörde Kenntnis von der (öffentlich-rechtlich) unzulässigen Nutzung oder dem rechtswidrigen Zustand hat. Mit Rücksicht darauf können die Voraussetzungen des § 536 BGB frühestens ange- 197 nommen werden, wenn – die Behörde eine Genehmigung (endgültig) versagt4 oder – ein Einschreiten der Behörde aufgrund des öffentlich-rechtlichen Zustandes ernsthaft zu erwarten ist5. Von der endgültigen Versagung einer notwendigen Genehmigung ist nicht erst aus- 198 zugehen, wenn der Bescheid über die Versagung der beantragten (öffentlich-rechtlichen) Genehmigung bestandskräftig ist. Vielmehr reicht es aus, dass die Erteilung der Genehmigung nicht ohne Auflagen zu erwarten ist, so dass nach deren Vorliegen weitere umfangreiche Maßnahmen (z.B. Schallschutz in den Räumen) erst noch durchgeführt werden müssen6. Ein Einschreiten der Behörde kann angenommen werden, wenn sie im Rahmen eines 199 Anhörungsschreibens nach § 28 VwVfG den Erlass einer Ordnungsverfügung ankündigt, wobei sie auch eine Nutzungsuntersagung der Mietsache in Erwägung zieht7. Denn dann besteht die für die Annahme eines Mangels notwendige Ungewissheit über die Möglichkeit des künftigen Gebrauchs, die zur Beeinträchtigung gegenwärtiger Interessen des Mieters führen muss8. Im Einzelfall kann eine auf Jahre hinaus zu erwartende Ungewissheit über die vertragsgemäße Nutzbarkeit einer Sache deshalb schon einen Sachmangel darstellen9. Die bloße Erwartung eines Einschreitens ist nicht ausreichend zur Annahme einer 200 Gebrauchsbeeinträchtigung10. Spätestens wenn dem Mieter aber durch eine Ordnungsverfügung die Nutzung generell untersagt wird, ist die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB begründet11. Allein die bloße Mitteilung der Behörde, dass z.B. das Treppenhaus in seinem derzeitigen Zustand nicht den Vorgaben der Landesbauordnung genüge, kann allerdings nicht als ernsthafte Androhung eines

1 OLG Brandenburg v. 19.4.2006 – 3 U 157/05, MietRB 2007, 65; vgl. aber auch LG Wiesbaden v. 2.5.1995 – 8 S 411/94, WuM 1995, 707; LG Osnabrück v. 6.8.1993 – 11 T 66/93, WuM 1993, 617; LG München v. 20.3.2002 – 14 S 17178/01, NZM 2002, 697. 2 OLG Düsseldorf v. 15.1.2005 – 24 U 186/03, GuT 2005, 13. 3 OLG Nürnberg v. 16.7.1998 – 8 U 197/98, NZM 1999, 419. 4 KG v. 15.2.2007 – 8 U 138/06, GuT 2007, 214. 5 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274; OLG Düsseldorf v. 5.5.2009 – 24 U 87/08, ZMR 2010, 29. 6 KG v. 18.12.2008 – 12 U 110/07, ZMR 2010, 31. 7 OLG Düsseldorf v. 19.3.2002 – 24 U 124/01, ZMR 2002, 739 = GuT 2002, 74 = NZM 2003, 556. 8 BGH v. 20.1.1971 – VIII ZR 167/69, NJW 1971, 555; VGH Berlin v. 3.5.2001 – VerfGH 39/00, ZMR 2001, 694 = NZM 2001, 746. 9 OLG Düsseldorf v. 22.12.2005 – 10 U 100/05, GuT 2007, 217. 10 LG Hannover v. 2.2.2011 – 2 S 51/10, zitiert nach juris. 11 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274.

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Einschreitens angesehen werden1. Die gleiche Qualität hat ein Nachwiderspruch jedenfalls dann, wenn er unbegründet ist2. d) Optische Mängel 201 Optische Mängel stellen nur ausnahmsweise einen Mangel dar, insbesondere wenn das Integritätsinteresse des Mieters beeinträchtigt ist. Letzteres kann je nach Beschaffenheit der Außenfassade, des Treppenhauses3, der Zugänge sowie wegen Feuchtigkeit4 der Fall sein kann. Die Optik des Gebäudes, in dem sich die Mietwohnung befindet, oder dessen Einrichtungen, reflektieren in der öffentlichen Meinung häufig auf die Herkunft oder den Charakter des Mieters. Befindet sich z.B. ein Treppenhaus in einem verwahrlosten Zustand, entsteht bei Besuchern schnell der Eindruck, der Mieter habe ähnliche Eigenschaften. Das kann dazu führen, dass er von Bekannten und Freunden gemieden wird. Damit ergibt sich für ihn eine Gebrauchsbeeinträchtigung. 202 Insoweit ist auf den vereinbarten Mietzweck, Mietpreis sowie den dekorativen Zustand des Gebäudes bei Vertragsabschluss abzustellen. Deshalb können – die Lagerung von Baumaterial durch den Vermieter auf dem Grundstück5 oder – Wellen im Teppichboden bei einer Vermietung zu gewerblichen Zwecken6 ausreichen. 203 Der Baustellencharakter des nicht fertig hergerichteten Grundstücks beeinträchtigt aber in der Regel nur den Mieter der Erdgeschosswohnung7. 204 Der Wohnungsmieter hat gegen den Vermieter grundsätzlich auch einen Anspruch auf Beseitigung von Farbschmierereien (Graffiti) an der Fassade des Hauses nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn es sich dabei um einen Mietmangel handelt. Denn der vertragsgemäße Zustand umfasst auch die Außenfassade sowie den Hauseingang. Ein solcher Mangel liegt vor, wenn nahezu die gesamte Fläche der Außenwand im Bereich des Erdgeschosses großflächig mit Graffiti versehen ist und das Haus insgesamt dadurch einen verunstalteten und verwahrlosten Eindruck macht8. 5. Gebrauchsbeeinträchtigung a) Unmittelbare Einwirkung 205 Grundsätzlich greift § 536 Abs. 1 BGB erst ein, wenn der Mieter in seiner Nutzung konkret beeinträchtigt wird. Auch wenn er das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung nicht vorzutragen braucht9, muss sein Vortrag eine entsprechende Einschränkung oder Störung der Nutzung deutlich machen. Ohne Gebrauchsbeeinträchtigung kann der Mieter nur bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft gemäß § 536 Abs. 2 BGB mindern. 206 Eine Gebrauchsbeeinträchtigung ist grundsätzlich anzunehmen, wenn der Mieter in der faktischen Ausübung der vertragsgemäßen Nutzung durch eine unmittelbare Einwirkung behindert ist. Diese Erfordernisse erfüllen undichte Fenster ebenso wie nasse Wände oder sonstige Feuchtigkeitsschäden. Auch eine Tür, die nicht verschließbar ist, oder Lärm, der nicht sozialadäquat ist, beeinträchtigen den Gebrauch des Mieters. Ein Recht zur Minderung besteht regelmäßig aber nicht, soweit durch den Gebrauch von Einrichtungsgegenständen (z.B. Heizung) hohe Kosten verursacht werden (vgl. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Düsseldorf v. 19.7.2011 – 24 U 31/11, GuT 2012, 358. BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 44/91, MDR 1992, 1147 = WuM 1992, 687 = ZMR 1993, 7. AG Köln v. 16.4.1997 – 207 C 14/97, WuM 1997, 470. LG Hamburg v. 10.4.1984 – 16 S 211/83, WuM 1985, 21; AG Köln v. 31.7.1987 – 217 C 494/86, WuM 1988, 358. AG Bad Segeberg v. 21.11.1991 – 17 C 122/91, WuM 1992, 477. OLG Celle v. 19.10.1994 – 2 U 216/93, WuM 1995, 584. LG Darmstadt v. 28.9.1989 – 6 S 593/88, NJW-RR 1989, 1498. AG Charlottenburg v. 22.6.2006 – 233 C 47/06, NZM 2007, 484 = GE 2007, 227. Vgl. BGH v. 27.2.1991 – XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779 (unter 2c); BGH v. 11.6.1997 – XII ZR 254/95, WuM 1997, 488 m.w.N.

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§ 536 BGB Rz. 115). Nur wenn z.B. ungewöhnlich hohe Heizkosten auf einem Fehler der Heizungsanlage beruhen, kann ein Mangel der Mietsache angenommen werden1. Eine Gebrauchsbeeinträchtigung ist auch nicht gegeben, wenn der Vermieter die vorhandene Gemeinschaftsantenne beseitigt und für den Fernseh- und Rundfunkempfang einen Kabelanschluss zur Verfügung stellt, über den die gleichen Sender empfangen werden können2. Rein optische Mängel rechtfertigen generell keine Minderung der Miete. Das ist z.B. 207 der Fall, wenn Einrichtungsgegenstände unansehnlich geworden sind und sich nicht ausnahmsweise eine Beeinträchtigung des Integritätsinteresses ergibt (vgl. § 536 BGB Rz. 201). Die Gebrauchsbeeinträchtigung muss konkret vorliegen. Ihre latente Existenz kann 208 einen Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB nicht begründen3. Ihre Handhabung erfolgt nach den Grundsätzen für periodisch auftretende Mängel (vgl. § 536 BGB Rz. 290). Zur Vermeidung einer Ausuferung des Mängelbegriffs fordert der BGH in ständiger 209 Rechtsprechung4 eine Unmittelbarkeit der Einwirkungen auf die Mietsache. Zur Feststellung der Unmittelbarkeit reichen abstrakte Gefahren (z.B. Verletzung von Normen) nicht aus5. Erst die konkreten Einwirkungen und Risiken begründen auch eine direkte Auswirkung auf den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache. Ausschlaggebend sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalles (vgl. näher § 536 BGB Rz. 340). b) Gefahr eines Mangels Ebenso begründet die bloße Gefahr eines Mangels regelmäßig keine Minderung i.S.v. 210 § 536 BGB6. Allerdings kann eine Mangelhaftigkeit angenommen werden, wenn der Mieter die Mietsache nur in der Befürchtung einer Gefahrverwirklichung nutzen kann. Das setzt aber voraus, dass der Mieter Kenntnis von der Gefahr hat (z.B. drohendes Herabstürzen der Decke wegen mangelnder Tragfähigkeit)7. Besteht z.B. die konkrete und naheliegende Gefahr, dass bereits ein kleiner Brand im Treppenhaus binnen kürzester Zeit dem Mieter in seiner Wohnung den Fluchtweg abschneidet, kann eine konkrete Gebrauchsbeeinträchtigung angenommen werden8. In der Praxis kommt die für § 536 Abs. 1 BGB ausreichende Gefahr insbesondere bei 211 befürchteten Beeinträchtigungen der Gesundheit in Betracht9. Diese muss anhand objektiver Umstände feststellbar sein10 (vgl. auch § 536 BGB Rz. 145). Insoweit genügt nicht allein die Feststellung, dass die Innenräume zu irgendeinem Zeitpunkt z.B. mit giftigen Substanzen behandelt wurden (etwa mit einem verbotenen Holzschutzmittel). Entscheidend ist, ob aufgrund der Behandlung die konkrete Gefahr besteht, dass die Bewohner mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen rechnen müssen11. Das Gleiche gilt für latent vorhandene Giftstoffe, wie z.B. den Glasfaserdämmmatten in den Schächten einer Warmluftstromheizung. Ihre Existenz allein und das Risiko, dass sie in die Raumluft gelangen könnten, begründen noch keinen Mangel. 1 KG v. 28.4.2008 – 12 U 6/07, MDR 2008, 966 = MietRB 2008, 328 = ZMR 2008, 892 = GE 2008, 990 = GuT 2008, 344; OLG Düsseldorf v. 4.11.1982 – 10 U 109/82, MDR 1983, 229 = WuM 1984, 54 = ZMR 1983, 377 (Energieverlust von 60 %). 2 LG Berlin v. 25.5.2012 – 63 S 426/11, GE 2012, 956. 3 A.A. AG Mitte v. 24.10.2012 – 7 C 90/12, GE 2012, 1703; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 325. 4 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553; BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, NJW 2009, 664, 665 jeweils m.w.N. 5 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553. 6 LG Lübeck v. 15.1.2002 – 6 S 161/00, ZMR 2002, 431; LG Hannover v. 30.5.1997 – 8 S 203/96, WuM 1997, 434; LG Dortmund v. 16.2.1994 – 11 S 197/93, WuM 1996, 141. 7 LG Heidelberg v. 25.4.2012 – 5 O 21/12, GE 2012, 899 = ZMR 2012, 950. 8 KG v. 22.9.2003 – 12 U 15/02, GuT 2003, 215. 9 KG v. 3.6.2010 – 12 U 164/09, MDR 2010, 1375 = ZMR 2011, 114 = GE 2010, 1201; KG v. 26.2.2004 – 12 U 1493/00, ZMR 2004, 513 (Schimmel). 10 Blank, PiG 92, 1. 11 BayObLG v. 4.8.1999 – RE-Miet 6/98, MDR 1999, 1314 = NZM 1999, 899.

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Das ist aber der Fall, wenn sie sich geruchsbelästigend und schleimhautreizend auswirken1. Maßgeblich ist, dass die Gefährdung entweder auf der Beschaffenheit oder den mitvermieteten Einrichtungsgegenständen der Räume beruht2. 212 Vor diesem Hintergrund kommen als Gesundheitsgefährdung in Betracht – starke Feuchtigkeit und Schimmelbildung3 (vgl. dazu aber auch § 569 BGB Rz. 44 und § 536 BGB Rz. 116), – Verunreinigung des Trinkwassers4, – Einsturzgefahr des Gebäudes oder von Gebäudeteilen (Geländer, Treppen etc.)5, – unerträglich hohe Innentemperaturen6, – Giftstoffe in der Raumluft, wie z.B. Formaldehyd7 oder Asbest8, – asbesthaltige Nachtstromspeicherheizungen9 oder Lüftungsanlagen10, – ungenügende Beheizbarkeit11, – mangelnde Lichtzufuhr12, – Fehlen von Rettungswegen im Brandfall13, – brandschutztechnische Mängel des Gebäudes14, aber nur wenn sie erheblich sind15, – gesundheitsbeeinträchtigende Umweltbelastungen, z.B. durch – Lärm16, – Altlasten17, – Emissionen von Industriebetrieben, – Schädlingsbefall18, – unerträgliche Gerüche19, – Überschwemmung der Wohnung20.

1 LG Osnabrück v. 24.1.2003 – 12 S 286/00, WuM 2003, 267; AG Torgau v. 27.9.2002 – 1 C 0604/01, WuM 2003, 316. 2 Blank, PiG 92, 1. 3 KG v. 26.2.2004 – 12 U 1493/00, ZMR 2004, 513 (514) = MietRB 2004, 233. 4 LG Köln v. 25.3.1986 – 12 S 488/85, WuM 1987, 122 (Rost); AG Brühl v. 7.3.1990 – 2b C 831/89, WuM 1990, 382 (Nitrat); AG Hamburg v. 17.12.1987 – 49 C 667/86, NJW 1988, 914 = NJW-RR 1988, 532 (Blei). 5 OLG Düsseldorf v. 14.1.2010 – 10 U 74/09, MietRB 2010, 134; OLG Brandenburg v. 2.7.2008 – 3 U 156/07, ZMR 2009, 190; LG Landau v. 26.3.2002 – 1 S 323/01, GuT 2003, 214. 6 OLG Düsseldorf v. 4.6.1998 – 24 U 194/96, MDR 1998, 1217 = ZMR 1998, 622 = NZM 1998, 915. 7 LG Lübeck v. 6.11.1997 – 14 S 135/97, ZMR 1998, 434; LG München I v. 26.9.1990 – 31 S 20071/89, WuM 1991, 584 – NJW-RR 1991, 975; LG Lübeck v. 15.1.2002 – 6 S 161/00, ZMR 2002, 431. 8 LG Dresden v. 25.2.2011 – 4 S 73/10, ZMR 2011, 465 = NZM 2011, 743. 9 LG Berlin v. 6.7.1998 – 67 S 131/97, WuM 1999, 35 = GE 1998, 1091; LG München v. 29.10.1997 – 31 S 19711/96, WuM 1998, 18; LG Hannover v. 30.5.1997 – 8 S 203/96, WuM 1997, 434; LG Dortmund v. 16.2.1994 – 11 S 197/93, WuM 1996, 141 = ZMR 1994, 410. 10 OLG Hamm v. 13.2.2002 – 30 U 20/01, NZM 2003, 395. 11 LG Mannheim v. 17.2.1977 – 4 S 90/76, WuM 1977, 140 = ZMR 1977, 154; AG Waldbröl v. 6.9.1985 – 6 C 163/85, WuM 1986, 337. 12 LG Berlin v. 12.3.1985 – 64 S 9/85, ZMR 1986, 54 = GE 1986, 911 (durch Aufstellen eines Baugerüstes, aber im Ergebnis verneint). 13 OLG Bremen v. 24.6.1992 – 1 U 34/92, zitiert nach juris. 14 KG v. 22.9.2003 – 12 U 15/02, MietRB 2004, 41 = ZMR 2004, 259 = GuT 2003, 215. 15 OLG Köln v. 24.3.2010 – 1 U 70/05, zitiert nach juris. 16 BGH v. 12.12.1959 – VIII ZR 54/58, BGHZ 29, 289. 17 Blank, PiG 92, 1, 2. 18 LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 B S 123/88, WuM 1991, 91 (Befall mit Kellerasseln). 19 LG Augsburg v. 1.3.2006 – 7 S 4877/05, zitiert nach juris. 20 AG Döbeln v. 11.9.2003 – 1 C 227/03, MietRB 2004, 166 = NZM 2004, 499.

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6. Erheblichkeit des Mangels Dieses in § 536 Abs. 1 S. 3 BGB geregelte Tatbestandsmerkmal ist weitere Voraus- 213 setzung für die Minderung wegen eines Sachmangels. Dagegen führen auch unerhebliche Mängel zur Schadensersatzpflicht des Vermieters nach § 536a BGB. Ebenso betrifft § 536 Abs. 1 S. 3 BGB, nicht den Fall des Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft, § 536 Abs. 2 BGB und ist auch nicht auf den Rechtsmangel anwendbar, § 536 Abs. 3 BGB. Die Einschränkung soll „kleinliche Streitigkeiten“ verhindern1. Dazu werden oft feste 214 Prozentsätze als Grenze herangezogen, wobei 5 %2 aber auch 3 %3 und 2 %4 als Grenzwerte gelten. Diese starren Werte können aber allenfalls eine Orientierung bieten. Denn letztlich kommt es auf das Maß der Beeinträchtigung an5. Diese ist durch eine abstrakt generalisierende Betrachtungsweise festzustellen6. Vor diesem Hintergrund ist von der Unerheblichkeit eines Mangels auszugehen, wenn 215 die Gebrauchstauglichkeit bei objektiver Betrachtungsweise nicht spürbar gemindert ist oder der Fehler leicht erkennbar ist und schnell mit geringen Kosten beseitigt werden kann7. Dies ist bei einem abgetrockneten Wasserfleck der Fall, der sich mit wenigen Pinselstrichen beseitigen lässt8. Aber auch die Störungen, die durch Lichtkegel aus Scheinwerfern von Pkws, die über eine Behelfsbrücke fahren, hervorgerufen werden, erfüllen die Voraussetzungen, weil sie sich vermeiden lassen, indem Vorhänge oder Rollos angebracht werden9. Entscheidend sind aber letztlich die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Vereinbarungen der Parteien über die individuelle Beschaffenheit des Mietobjekts10. Aus einer seltenen Benutzung der Mietsache durch den Mieter kann die Unerheblichkeit des Mangels aber nicht abgeleitet werden11. Behauptet ein Mieter, die Wohnung sei mit zahlreichen Mängeln behaftet, und besei- 216 tigt der Vermieter diese, spricht dieser Umstand nach der Lebenserfahrung dafür, dass die angeführten Mängel im minderungserheblichen Umfang vorhanden waren und den Mietgebrauch erheblich beeinträchtigt hatten12. II. Zugesicherte Eigenschaften 1. Eigenschaften Eigenschaften i.S.d. § 536 Abs. 2 BGB sind alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse von gewisser Dauer, die auf die Wertschätzung oder Tauglichkeit der Mietsache Einfluss haben können13. Die relevanten Faktoren müssen der Mietsache unmittelbar anhaften; mittelbare Einflüsse reichen dafür nicht aus14. Letzteres ist der Fall, wenn es sich z.B. um in die Zukunft gerichtete Umstände handelt15. Es ist nicht Vorausset1 BT-Drucks. IV/2195, S. 2. 2 Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 95. 3 AG Wedding v. 17.10.2007 – 20 C 313/07, GE 2008, 609; AG Dortmund v. 7.3.1997 – 125 C 16832/96, DWW 1997, 157. 4 Schach, GE 2004, 673 (674). 5 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 44. 6 Lützenkirchen/Dickersbach, Vertragsstörungen, Rz. 1011. 7 BGH v. 30.6.2004 – XII ZR 251/02, MDR 2004, 1348 = MietRB 2004, 346 = WuM 2004, 531 = NZM 2004, 776; LG Freiburg v. 18.2.1975 – 9 S 197/74, ZMR 1976, 210 (211); AG Münster v. 25.11.1976 – 5 C 13/76, WuM 1977, 205. 8 BGH v. 30.6.2004 – XII ZR 251/02, MDR 2004, 1348 = MietRB 2004, 346 = WuM 2004, 531 = NZM 2004, 776. 9 AG Fürth v. 17.10.2006 – 310 C 1727/06, WuM 2007, 317. 10 BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MDR 2005, 975 = NZM 2005, 500. 11 Bub/Treier/Kraemer, III B Rz. 1353. 12 AG Charlottenburg v. 31.3.2011 – 211 C 169/10, GE 2011, 824. 13 Bub/Treier/Kraemer, III B Rz. 1357; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VIII 31. 14 BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714; OLG Düsseldorf v. 3.5.2005 – 24 U 223/04, DWW 2006, 103 = OLGR 2006, 103. 15 MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 23.

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zung, dass die Eigenschaft oder deren Fehlen sich auf die Gebrauchstauglichkeit auswirken. Denn § 536 Abs. 1 S. 3 BGB ist gemäß § 563 Abs. 2 BGB nicht anwendbar. Inhalt und Umfang der Eigenschaft müssen im Einzelnen feststellbar sein1. 218 Als zusicherungsfähige Eigenschaften kommen in Betracht – die Behindertengerechtheit der Wohnung, – die Kinderfreundlichkeit der Wohnung für eine alleinerziehende Mutter2; – die auch zukünftige Kinderfreiheit der Wohnanlage (was allerdings sittenwidrig sein soll)3, – die Angabe der Mietfläche, wenn – sie im Mietvertrag vor der Errichtung des Gebäudes erfolgt, so dass sich der Mieter darauf verlässt, dass die Mietsache für ihn eine entsprechende Größe bietet4; – sie unter der Überschrift „Mietzins“ aufgeführt wird, weil jedenfalls bei der Vermietung von gewerblichen Flächen im Regelfall die Höhe der Miete anhand der qm-Zahl unter Berücksichtigung eines zwischen den Parteien abgestimmten qm-Preises ermittelt wird5, – die Gartennutzung, – die Einhaltung von bestimmten Energie-Standards (Niedrig-Energie-Haus, EnEV 2007 etc.), – die Tragfähigkeit der Decken6, – die Schalldichte von Wänden und Decken7, – die zukünftigen baulichen Entwicklungen (hochwertige Sanierung des Treppenhauses, Aufbringen einer Wärmedämmfassade etc.). 219 Dagegen scheiden als zugesicherte Eigenschaften regelmäßig aus – die in einer Objektbeschreibung benannten Tatsachen8, – die Vollvermietung des Einkaufszentrums9, – die Vermietung der anderen, in der Ladenpassage befindlichen Ladenlokale an eine Klientel des Luxussegments10, – die Angaben über voraussichtliche Umsätze im gewerblichen Mietobjekt11. 2. Zusicherung 220 Unter einer Zusicherung i.S.d. § 536 Abs. 2 BGB ist eine vertraglich bindende Erklärung zu verstehen, die über die bloße Angabe des Verwendungszwecks und die Beschreibung der Mietsache im Vertrag oder über allgemeine Anpreisungen hinausgeht12. Bei der Annahme einer Zusicherung i.S.d. § 536 Abs. 2 BGB ist Zurückhaltung geboten. Die Zusicherung einer Eigenschaft liegt allerdings dann nahe, wenn der Mieter auf die Angabe des Vermieters erkennbar in besonderem Maße angewiesen ist, z.B. wenn der Mieter die Mietsache vor Vertragsschluss nicht besichtigen konnte und sich daher für den Vermieter erkennbar auf dessen Angaben verlassen musste. Deshalb sind bloße Qualitätsangaben am ehesten bei der Vermietung vom Reißbrett als Zusicherung von Eigenschaften zu verstehen. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

RGRK/Gelhaar, § 537 BGB a.F. Rz. 34. LG Essen v. 20.7.2004 – 15 S 56/04, WuM 2005, 47. AG München v. 7.10.1999 – 412 C 23697/99, WuM 2000, 546. OLG Hamm v. 1.10.1997 – 33 U 37/97, WuM 1998, 151. OLG Köln v. 8.6.1998 – 16 U 92/97, WuM 1999, 282 = NZM, 1999, 73. MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 23. MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 23. OLG Düsseldorf v. 9.11.2010 – 24 U 223/09, NZM 2011, 550. BGH v. 26.5.2004 – XII ZR 149/02, ZMR 2004, 664; BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714; LG Duisburg v. 16.3.2010 – 6 O 121/09, zitiert nach juris. 10 KG v. 1.3.2004 – 8 U 197/03, MDR 2004, 1110. 11 OLG Naumburg v. 13.12.1996 – 6 U 126/96, WuM 1997, 675 = NZM 1998, 373. 12 BGH v. 28.11.1979 – VIII ZR 302/78, MDR 1980, 306 = NJW 1980, 777.

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§ 536 BGB

Zwar kann eine Eigenschaft ausnahmsweise auch stillschweigend zugesichert wer- 221 den1. Immer jedoch muss sich aus der als Erklärung aufgefassten Handlung eindeutig ergeben, dass der Vermieter für das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft der Mietsache – ohne Rücksicht auf ein Verschulden – einstehen will2. 3. Fläche als zugesicherte Eigenschaft – Flächenabweichungen § 537 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. führte bis zum 1.9.2001 ein gesetzliches Beispiel einer zuge- 222 sicherten Eigenschaft an. Danach sollte bei der Vermietung eines Grundstücks die Zusicherung einer bestimmten Größe der Zusicherung einer Eigenschaft gleichstehen. Gemäß § 580 BGB a.F. galt diese Aussage für die Raummiete entsprechend. Dieses (Regel-)Beispiel führt § 536 Abs. 2 BGB nicht mehr an. Durch diese Streichung hat sich jedoch in der Sache nichts geändert. Wird nämlich eine bestimmte Grundstücks- oder Raumgröße zugesichert, liegen die Voraussetzungen des § 536 Abs. 2 BGB vor. Allerdings wurde vor dem 1.9.2001 die bloße Angabe der Mietfläche im Mietvertrag in 223 der Regel nur als Beschreibung des Mietobjekts angesehen und nicht als Zusicherung verstanden3. Insbesondere sollte einer Flächenangabe (nur) beschreibende Bedeutung dann beigemessen werden können, wenn der Mieter das Objekt nach Besichtigung aufgrund der guten Lage und des ihn ansprechenden Zuschnitts angemietet hatte4. Eine Zusicherung wurde nur angenommen, wenn der Vermieter für die angegebene Quadratmeter-Größe auch einstehen wollte. a) Bedeutung der Flächenangabe im Mietvertrag Die bloße Flächenangabe bedeutet grundsätzlich keine Zusicherung i.S.d. § 536 224 Abs. 2 BGB. Denn regelmäßig ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vermieter für seine Angabe ohne Rücksicht auf ein Verschulden einstehen will. Insbesondere kommt daher eine Zusicherung nicht in Betracht, wenn der Wohnraummieter sich bei seiner Entscheidung über den Vertragsschluss nicht nach der angegebenen Wohnfläche, sondern nach dem Eindruck richtet, den er aufgrund der Besichtigung der Wohnung gewonnen hat5. Für die Annahme einer zugesicherten Eigenschaft müssen neben der reinen Flächen- 225 angabe besondere Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, dass der Vermieter für die Richtigkeit des Merkmals ohne Rücksicht auf ein Verschulden einstehen will. Eine solche Sichtweise ist z.B. dann gerechtfertigt, wenn der Mietvertrag vor der Errichtung des Gebäudes (Vermietung vom Reißbrett) geschlossen wird und deshalb die Größenangabe dem Mieter die vorrangige Orientierung für eine entsprechende Größe und damit die Mietpreisbildung bietet6. Das Gleiche gilt, wenn die Angabe der Mietfläche unter der Überschrift „Mietzins“ erfolgt7. Hieraus kann der Schluss gezogen werden, dass eine stillschweigende Zusicherung überhaupt erst angenommen werden kann, wenn eine entsprechende Angabe als Kalkulationsgrundlage für die Miethöhe vereinbart ist8. Ergeben sich keine besonderen Umstände, beschränkt sich die Bedeutung der Mit- 226 teilung der Mietfläche im Vertrag auf eine Beschaffenheitsangabe, durch die der Sollzustand der Mietsache festgelegt wird. Eine bloße Objektbeschreibung9 wie z.B. die Adresse des Gebäudes in der angegebenen Fläche zu sehen, wird der Bedeutung der 1 Bub/Treier/Kraemer, III B Rz. 1355. 2 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 240; MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 22. 3 OLG Dresden v. 15.12.1997 – 3 AR 0090/97, MDR 1998, 643 = NZM 1998, 184; KG v. 6.7.1992 – 8 U 3819/91, GE 1992, 871. 4 Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1359. 5 AG Hagen v. 14.4.2008 – 9 C 500/07, DWW 2008, 312. 6 OLG Hamm v. 1.10.1997 – 33 U 37/97, WuM 1998, 151. 7 OLG Köln v. 8.6.1998 – 16 U 92/97, WuM 1999, 282. 8 OLG Düsseldorf v. 17.11.2011 – 24 U 56/11, GE 2012, 616 = DWW 2012, 212. 9 So AG Münden v. 23.3.1989 – 3 C 854/88, ZMR 1990, 25; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 536 BGB Rz. 29.

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Fläche bei der Berechnung der Miete nicht gerecht1. Deshalb kann die mangelnde Relevanz einer Flächenangabe nur durch eine konkrete Vereinbarung herbeigeführt werden. Dies ist auch formularmäßig möglich, was bei deutlicher Formulierung keinen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB begründet. Diesen Anforderungen genügt der Hinweis im Mietvertrag, dass die Angabe der Fläche allein der Beschreibung und nicht zur Festlegung des Mietgegenstandes dient2. Andererseits kommt eine abweichende Vereinbarung noch nicht durch einen ca.-Zusatz vor der Flächenangabe zustande3, vgl. unten § 536 BGB Rz. 235. 227 Mit Rücksicht darauf ist von einer Beschaffenheitsangabe auszugehen, wenn die Parteien bei einer Mieterhöhung eine größere Wohnfläche zugrunde gelegt haben, weil die Fläche in diesem Fall Berechnungsgrundlage ist4. Dies kann Ansprüche aus § 313 Abs. 2 BGB auslösen5. Auch die nur mittelbare Regelung einer Wohnfläche durch Angabe eines Quadratmeterpreises neben der monatlichen Grundmiete ist grundsätzlich eine bloße Beschaffenheitsangabe6. Das Gleiche gilt, wenn die Flächenangabe des Vermieters im Zusammenhang mit der Regelung des Umlagemaßstabes erfolgt7. 228 Wann vorvertragliche Angaben die Qualität einer Beschaffenheitsvereinbarung erreichen, ist einzelfallabhängig. Enthält der Mietvertrag keine Größenangabe, wurde die Wohnung aber mit einer bestimmten Größe annonciert und wurde dem Mieter eine Flächenberechnung vor Vertragsschluss übergeben, soll die Größe der Wohnung Vertragsinhalt geworden sein, weil der Mieter seine Entscheidung über die Anmietung regelmäßig von derartigen Angaben abhängig macht8. Beschränkt sich die Mitteilung an den Mietinteressenten und späteren Mieter bei der Besichtigung aber auf eine handschriftliche Notiz mit den Eckdaten des Angebots (Miethöhe, Nebenkosten und Gesamtfläche 60 m2), beinhaltet dies jedenfalls keine vorvertraglich verpflichtende Zusicherung9. Eine Beschaffenheitsvereinbarung wird dennoch anzunehmen sein, weil der Mieter nur anhand der Fläche den Quadratmeterpreis ermitteln und damit das Angebot des Vermieters mit anderen vergleichen kann. Deshalb hat es auch im Verhältnis der Parteien rechtsgeschäftliche Bedeutung. b) Grundlage der Flächenermittlung 229 Auf welche Räume sich die Größenangabe bezieht, ist grundsätzlich der Beschreibung der Mietsache im Mietvertrag zu entnehmen10. Das gilt auch bei Gewerberaum, insbesondere wenn die beschriebenen Räume ohne Einschränkung von einer dem Mietvertrag beigefügten Grundrisszeichnung erfasst werden11. Damit kommen u.U. auch Flächen zur Anrechnung, die vom Mieter nicht alleine genutzt werden. Wird eine Wohn- und Nutzfläche von 175,09 m2 vermietet und beläuft sich die reine Wohnfläche auf 151,96 m2, kann sich der Mieter nicht auf eine relevante (Wohn-)Flächenabweichung berufen12. Ebenso kommt keine Kürzung in Betracht, wenn sich die Miete nicht nur auf die Wohnung, die die zu geringe Fläche aufweist, bezieht, sondern auch auf „Nebengebäude“13.

1 Börstinghaus, Flächenabweichung, Rz. 170. 2 BGH v. 10.11.2010 – VIII ZR 306/09, WuM 2011, 11. 3 BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 133/03, WuM 2004, 268; BGH v. 22.4.2009 – VIII ZR 86/08, WuM 2009, 344; BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 218/08, NJW 2009, 2880. 4 OLG Hamburg v. 5.5.2000 – 4 U 263/99, WuM 2000, 348. 5 BGH v. 7.7.2004 – VIII ZR 192/03, MDR 2004, 1232 = MietRB 2004, 313 = WuM 2004, 485. 6 LG Gießen v. 8.10.2003 – 1 S 243/03, ZMR 2004, 114. 7 LG Osnabrück v. 18.12.2008 – 12 T 800/08, WuM 2010, 416. 8 BGH v. 23.6.2010 – VIII ZR 256/09, MDR 2010, 916 = MietRB 2010, 289 = WuM 2010, 480. 9 LG Dortmund v. 4.11.2010 – 11 S 133/10, InfoM 2010, 536. 10 BGH v. 16.12.2009 – VIII ZR 39/09, MDR 2010, 376 = MietRB 2010, 102 = WuM 2010, 150. 11 KG v. 5.2.2009 – 12 U 122/97, GE 2009, 516. 12 LG Berlin v. 11.11.2011 – 63 S 149/11, GE 2011, 1183. 13 AG Neuruppin v. 5.3.2009 – 46 C 158/08, GE 2011, 489.

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Eine auch von anderen Mietern genutzte Treppenhausdiele gehört grundsätzlich 230 nicht zur Wohnfläche1. Das Gleiche gilt für Flächen, die der Mieter selbst hergestellt hat2. In der Beschreibung der Mietsache aufgeführte Räume, die öffentlich-rechtlich nicht 231 als Wohnraum zugelassen sind, sind in der Flächenberechnung zu berücksichtigen3. Dies gilt erst recht, wenn sie beheizbar sind4. Denn für diese Räume kann nichts anderes gelten wie für die Flächen, die nach dem Vertrag zu Wohnzwecken vermietet sind, aber einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkung unterliegen. Dieser Umstand wird nach den Grundsätzen, die für öffentlich-rechtliche Mängel gelten (vgl. § 536 BGB Rz. 194 ff.), gehandhabt5. Ein Wegfall dieser Flächen kommt frühestens in Betracht, wenn eine Behörde einschreitet. Eine Diele, die auch von anderen Mietern mitbenutzt wird, soll auch dann nicht zur 232 Wohnfläche zählen, wenn im Mietvertrag auf die „Gesamtmietfläche“ abgestellt wurde6. Dies setzt aber ein entsprechendes Auslegungsergebnis voraus. Im Zweifel ist es der Dispositionsfreiheit der Parteien überlassen, die relevanten Räume selbst zu bestimmen weil die Regeln der §§ 42 ff. II. BV, 1 ff. WoFlV insoweit keine allgemeine Verbindlichkeit genießen. Deshalb kann ein von dem Mieter durch Aufstellen von Möbeln genutzter Teil des Treppenhauses, der separat zugänglich und durch eine Türe abgetrennt ist, zu der nur der Mieter einen Schlüssel hat, in der Regel zur Wohnfläche hinzugerechnet werden7. c) Erheblichkeitsgrenze (10 %) Ist die Flächenvereinbarung unzutreffend, begründet eine Abweichung von mehr als 233 10 % zum Nachteil des Mieters nach ständiger Rechtsprechung des BGH eine Minderung8. Im Hinblick auf die Minderung von der Gesamt- oder Bruttomiete setzt der BGH Korrektive über die Qualität der Einzelflächen bei einem einheitlichen Mietvertrag (Abweichung bei vermieteter Kellerfläche neben Ladengeschäft)9 oder über die Art der Wohnung (große Dachterrasse)10 an. Ansonsten ist die Festlegung der 10 %-Schwelle durchgehend starr. Diese „starre“ Schwelle zur Minderung erfährt mittlerweile selbst von ihren Erfindern 234 Kritik11. Dennoch setzt der BGH seine Rechtsprechung fort12, was auch in der Literatur Unterstützung findet13. Auch wenn der BGH für die Praxis Rechtsicherheit herbeigeführt hat, muss kritisch gewürdigt sein, dass für die Besonderheiten des Einzelfalls wenig Flexibilität bleibt. Insoweit hilft es im Ergebnis nicht weiter, die 10 %-Grenze als (widerlegliche) Vermutung zu bewerten14. Wie im übrigen Bereich 1 2 3 4 5 6 7 8

9 10 11 12 13 14

AG Hamburg-Altona v. 10.2.2011 – 318 C 231/10, GE 2011, 1312. AG Schöneberg v. 18.7.2007 – 102 C 606/05, MM 2007, 335 (Galerie). BGH v. 16.12.2009 – VIII ZR 39/09, MDR 2010, 376 = MietRB 2010, 102 = WuM 2010, 150. AG Hamburg-Altona v. 9.5.2012 – 319a C 328/11, ZMR 2012, 778. BGH v. 16.9.2009 – VIII ZR 275/08, MDR 2009, 1383 = MietRB 2009, 346 = NJW 2009, 3421; kritisch dazu Heix, WuM 2009, 706. AG Hamburg-Altona v. 10.2.2011 – 318C C 231/10, ZMR 2011, 556. AG Bonn v. 18.4.2012 – 203 C 55/11, MietRB 2012, 225. BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 2957/03, NJW 2004, 1947; BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 44/03, NJW 2004, 2230; BGH v. 23.5.2007 – VIII ZR 231/06, NJW 2007, 2624; BGH v. 23.5.2007 – VIII ZR 138/06, NJW 2007, 2626; BGH v. 16.9.2009 – VIII ZR 275/08, MDR 2009, 1383 = NJW 2009, 3421; BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 164/08, MDR 2010, 75 = NJW 2010, 292; BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 133/03, WuM 2004, 268; BGH v. 28.9.2005 – VIII ZR 101/04, WuM 2005, 712; BGH v. 16.12.2009 – VIII ZR 39/09, WuM 2010, 150; vgl. dazu Börstinghaus, Flächenabweichungen, Rz. 336 f. BGH v. 18.7.2012 – XII ZR 97/09, WuM 2012, 550. Vgl. z.B. BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 44/03, MDR 2004, 933 = NJW 2004, 2230. Beyer, NJW 2010, 1025 (1030); ebenso Derleder, WuM 2010, 202; Ghassemi-Tabar/Leo, II. Rz. 129. Vgl. z.B. BGH v. 18.7.2012 – XII ZR 97/09, WuM 2012, 550; BGH v. 2.3.2011 – VIII ZR 209/10, GE 2011, 542 = WuM 2011, 213 = ZMR 2011, 542. Börstinghaus, Flächenabweichung, Rz. 381. Börstinghaus, Flächenabweichung, Rz. 386.

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des Mietrechts, wo auch Minderungsquoten von 2 % und 3 % trotz der Erheblichkeitsschwelle des § 536 Abs. 1 S. 3 BGB zur Anwendung kommen, sollte auch bei der Flächenabweichung für jeden Einzelfall geprüft werden, ob eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung vorliegt. 235 Die Erheblichkeitsgrenze von 10 % gilt auch dann, wenn der Mietvertrag zur Größe der Wohnung nur eine „ca.“-Angabe enthält1. Die durch einen solchen Zusatz angedeutete Toleranz ist im Interesse der Praktikabilität und der Rechtssicherheit jenseits einer Abweichung von 10 % nicht mehr gerechtfertigt2, wobei der Zusatz auch keine Bedeutung bei der Bemessung der Minderungshöhe gewinnt3. 236 Liegt die Abweichung unter 10 %, ist die Annahme eines Mangels nicht ausgeschlossen. Der Mieter muss aber zusätzliche Umstände anführen, die die Annahme einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung rechtfertigen4. d) Inhalt der Wohnfläche aa) Grundsatz 237 Wird im Mietvertrag der Begriff „Wohnfläche“ verwendet, ist auch bei frei finanziertem Wohnraum grundsätzlich die Auslegung gerechtfertigt, dass sich der Inhalt anhand der für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen bemessen soll. Dementsprechend soll die Wohnfläche für Mietverhältnisse aus der Zeit vor dem 1.1.2004 grundsätzlich aufgrund der §§ 42 f. II. BV, für Mietverhältnisse jüngeren Datums nach der WoFlV zu ermitteln sein5. Voraussetzung ist, dass keine speziellere Regelung (vgl. § 536 BGB Rz. 240) eingreift. 238 Zwar bestimmt § 42 S. 1 II. BV, dass die bis zum 31.12.2003 erfolgte Festlegung der Wohnfläche grundsätzlich fortgilt, so dass die zum 1. Januar 2004 aufgehobenen §§ 43 f. II. BV insoweit weitere Geltung haben. Dies soll aber nur die Festlegung im konkreten Mietverhältnis betreffen. Im Nachfolgemietvertrag, der nach dem 31.12.2003 geschlossen wird, müssen die Parteien die Fortgeltung der vorliegenden Berechnung auf der Grundlage der §§ 42 ff. II. BV vereinbaren, um die Geltung der WoFlV auszuschließen. Eine Umstellung im laufenden Mietvertrag auf die Bestimmungen der WoFlV soll erfolgen, wenn nach dem 31.12.2003 bauliche Veränderungen durchgeführt werden, § 42 S. 2 II. BV. Dabei muss es sich um bauliche Veränderungen handeln, die eine Neubewertung der Wohnfläche erfordern. Das soll etwa bei dem erstmaligen Anbau eines Balkons oder der Erweiterung eines solchen Bauteils der Fall sein6. 239 Die zeitliche Zäsur, die der BGH vornimmt7, kann nicht ohne Kritik bleiben. § 1 WoFlV stellt für die unmittelbare Geltung der WoFlV darauf ab, ob eine Förderung nach dem WoFG stattgefunden hat. Da die Bewilligung der öffentlichen Mittel in der Regel vor der Errichtung des Gebäudes stattfindet, zeigt sich, dass die Anwendbarkeit der WoFlV in keinem Zusammenhang mit dem Abschluss von Mietverträgen steht. Sofern eine generelle Festlegung auf ein Regelwerk im preisfreien Wohnraum überhaupt notwendig ist, ist auf die Bezugsfertigkeit des Gebäudes abzustellen. Dieser Bezugspunkt für die Festlegung der Sollbeschaffenheit gilt bei Gebäudemängeln ansonsten generell (vgl. § 536 BGB Rz. 98). Abgesehen davon ist mit der Einführung der WoFlV zum 1.1.2004 nicht nur die in der II. BV enthaltene Unterscheidung zwischen Rohbau- und Fertigmaßen weggefallen, sondern auch das Korrektiv von 3 % für das Rohbaumaß. Darin kommt zum Ausdruck, dass bei älteren Aufmaßen Unge-

1 BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 133/03, WuM 2004, 268; BGH v. 22.4.2009 – VIII ZR 86/08, WuM 2009, 344; BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 218/08, NJW 2009, 2880. 2 BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 133/03, WuM 2004, 268. 3 BGH v. 10.3.2010 – VIII ZR 144/09, MDR 2010, 617 = MietRB 2010, 158 = WuM 2010, 240. 4 KG v. 5.2.2009 – 12 U 122/07, GuT 2010, 202; KG v. 15.8.2005 – 8 U 81/05, MietRB 2006, 183 = WuM 2005, 713. 5 BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 44/03, MDR 2004, 933 = NJW 2004, 2230. 6 AG Hamburg-Altona v. 17.11.2009 – 315a C 251/08, WuM 2010, 160. 7 Zustimmend: Börstinghaus, Flächenabweichung, Rz. 201.

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nauigkeiten von vornherein einzukalkulieren waren. Alte Flächenberechnungen werden aber nicht dadurch besser, dass der Mietvertrag nach dem 31.12.2003 abgeschlossen wurde. Vielmehr wird im Zweifel nicht nur der Vermieter auf das Maß vertrauen, dass sich aus der Berechnung ergibt, die z.B. Teil der Baugenehmigung war. bb) Ausnahmen Die vorstehenden Grundsätze sind nur dann nicht anzuwenden, wenn die Parteien 240 dem Begriff der Wohnfläche im Einzelfall – eine abweichende Bedeutung beigemessen haben oder – ein anderer Berechnungsmodus – vereinbart1, – ortsüblich ist2 oder – nach der Art der Wohnung näher liegt3. Letzteres ist nicht schon der Fall, weil ein Einfamilienhaus vermietet ist, in dem dem 241 Mieter erhebliche Nutzflächen im Keller zur Verfügung stehen. Hier kann die Einbeziehung in die Berechnung der Wohnfläche allerdings gerechtfertigt sein, wenn die oder einzelne Räume im Keller in der Beschreibung des Mietobjektes ausdrücklich erwähnt sind. Auch eine (zusätzliche exklusiv genutzte) Gartenfläche bietet keinen Anlass, von diesen Grundsätzen der Wohnflächenberechnung abzuweichen4. Eine abweichende Bedeutung haben die Parteien dem Flächenbegriff noch nicht beigemessen, wenn sie der Flächenangabe in einem Formularvertrag den Begriff „Mietraumfläche“ vorangestellt haben. Nach § 305c Abs. 2 BGB ist jedenfalls die ebenfalls mögliche Auslegung, es gelte der Begriff der Wohnfläche und damit die Ermittlung nach den §§ 42 ff. II. BV, im Zweifel der Bewertung zugrunde zu legen5. Mit dem Begriff des ortsüblichen Berechnungsmodus ist eine bestehende örtliche 242 Verkehrssitte, die Wohnfläche nach einer der für die Wohnflächenberechnung in Betracht kommenden Bestimmungen – also nach den §§ 42 ff. II. BV oder der WoFlV, der DIN 283 oder der DIN 277 – zu berechnen, gemeint6. Sofern eine regionale Übung zur Berechnung der Wohnfläche auf die DIN 283 abstellt7, ist dies nicht zu beanstanden; denn der Umstand, dass die DIN 283 im Jahre 1983 zurückgezogen wurde, spricht nicht gegen ihre inhaltliche Richtigkeit8. Haben die Parteien ausdrücklich geregelt, dass die Wohnfläche nach den §§ 42 ff. II. 243 BV ermittelt werden soll, kann ein Gericht diese Vereinbarung nicht als unverbindlich ansehen, weil Objekte der konkreten Art (Fachwerkhaus) regelmäßig schon wegen der fehlenden Deckenhöhe anders bewertet werden9. Vielmehr sind die Regeln der §§ 42 ff. II. BV dahin anzuwenden, dass bei mangelnder Deckenhöhe die Fläche unberücksichtigt bleibt. Bei einem Streit über den Anrechnungsfaktor für einen Balkon oder eine Dachter- 244 rasse (Mieter 25 %, Vermieter 50 %) kann insbesondere dann kein Mangel angenommen werden, wenn in einem Exposé die Wohnung mit einem Grundriss, in dem zusätzlich die – zutreffende – Größe der einzelnen Räume angegeben ist, dargestellt ist und sich die Flächenabweichung letztlich nur aus einer unterschiedlichen Bewertung 1 BGH v. 23.5.2007 – VIII ZR 138/06, MDR 2007, 1185 = MietRB 2007, 221 (222) = WuM 2007, 450. 2 So z.B. BGH v. 11.7.1997 – V ZR 246/96, MDR 1997, 1012 = WPM 1997, 2176 für den Stuttgarter Raum oder LG München I v. 16.11.2005 – 14 S 5926/05, WuM 2006, 91 für den Münchner Raum. 3 Vgl. z.B. BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 44/03, MDR 2004, 933 = NJW 2004, 2230. 4 BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 164/08, MDR 2010, 75 = MietRB 2010, 35 = WuM 2009, 732. 5 BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 244/08, MDR 2010, 139 = MietRB 2010, 35 = WuM 2010, 27 = NZM 2010, 80. 6 BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 44/03, MDR 2004, 933 = NJW 2004, 2230. 7 So z.B. BGH v. 11.7.1997 – V ZR 246/96, MDR 1997, 1012 = WPM 1997, 2176 für den Stuttgarter Raum oder LG München I v. 16.11.2005 – 14 S 5926/05, WuM 2006, 91 für den Münchner Raum. 8 Vgl. BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 44/03, MDR 2004, 933 = NJW 2004, 2230 m.w.N.; Schmidt-Futterer/Langenberg, nach § 556a BGB Rz. 3. 9 BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 218/08, MDR 2009, 1156 = MietRB 2009, 316 = GE 2009, 1118.

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des Ansatzes für eine Freifläche (hier: Dachterrasse) ergibt1. Auch bei einem Einfamilienhaus kann sich ergeben, dass die Parteien der Angabe der Fläche keine Bedeutung beigemessen haben, so dass eine Minderung bei Flächenabweichung ausscheidet2. 245 Im Grundsatz ist aber davon auszugehen, dass die Festlegung des Vermieters über den Anrechnungsmaßstab einer Freifläche (Balkon, Terrasse) nach den §§ 42 ff. II. BV oder der WoFlV (z.B. mit 50 %) durch den Mieter oder ein Gericht nicht überprüfbar bzw. angreifbar ist3. Denn die Festlegung dient im unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschriften der Festlegung der Kostenmiete, die durch die Bewilligungsbehörde genehmigt wird. Eine Änderung im konkreten Mietverhältnis würde also dazu führen, dass der Vermieter die Kostenmiete nicht mehr vollständig umlegen kann. 246 Eine andere Berechnungsweise kommt nur in Betracht, wenn die Parteien z.B. durch ausdrückliche Vereinbarung dem Flächenbegriff einen anderen Inhalt bzw. ein abweichendes Verständnis beigemessen haben. Das kann etwa dadurch zum Ausdruck kommen, dass sie einen anderen Begriff als die Wohnfläche verwenden. In diesen Fällen muss durch Auslegung ermittelt werden, ob dadurch eine andere als die durch die bekannten Regelwerke vorgegebene Berechnung der Fläche der Wohnung erfolgen sollte4. Ein abweichendes Auslegungsergebnis wird noch nicht dadurch herbeigeführt, dass in einem Formularvertrag auf eine „Mietraumfläche“ abgestellt wird. Im Hinblick auf § 305c Abs. 2 BGB ist im Zweifel auf die Bewertung nach den §§ 42 f. II. BV zurückzugreifen5. Das Gleiche soll für die „Gesamtmietfläche“6 oder „Größe“ als Beschaffenheitsvereinbarung gelten7. Dagegen soll „Mietfläche“ keine Deutung als Wohnfläche zulassen und auch Kellerflächen erfassen8. Bei der Verwendung des Begriffs der Grundfläche soll eine Verkehrssitte dafür sprechen, dass die Fläche der Wohnung ohne Abzüge heranzuziehen ist9. Dafür sprechen die §§ 43 Abs. 1 II. BV, 3 Abs. 1 WoFlV. 247 Beruht die Flächenangabe im Mietvertrag auf einer tatsächlichen Berechnung (z.B. aus der Baugenehmigung), besteht sogar eine Vermutung, dass sie Grundlage der Beschaffenheitsvereinbarung werden sollte. Dies gilt erst recht, wenn sich der Mieter keine konkreten Vorstellungen über eine Art der Flächenberechnung gemacht hat und die vom Vermieter stammende Flächenangabe tatsächlich auf der Basis eines anderen Regelwerks (z.B. DIN 277) ermittelt wurde10. Denn es ist lebensfremd anzunehmen, der Vermieter wolle der Angabe der Fläche eine andere Bedeutung beimessen, als sie durch die ihm vorliegende Flächenberechnung dokumentiert ist. Immerhin spricht eine Vermutung dafür, dass kein Bau nach den Planungsunterlagen exakt hergestellt wird. Dieses Phänomen wird heute durch moderne Messeinrichtungen in einfacher Weise aufgedeckt. Dies macht deutlich, dass alte Flächenberechnungen, auf deren Richtigkeit ein Vermieter vertraut, den heutigen Anforderungen nicht gerecht werden können. Dies spiegelt sich auch im Unterschied zwischen den § 42 ff. II. BV und der WoFlV wider. Denn nicht nur die noch in der II. BV enthaltene Unterscheidung zwischen Rohbau- und Fertigmaßen ist weggefallen, sondern auch das Korrektiv von 3 % für das Rohbaumaß. 248 Eine Anwendung der §§ 42 ff. II. BV oder der WoFlV kommt nicht in Betracht, wenn die Parteien ausdrücklich die Geltung der DIN 277 vereinbart haben, was auch for-

1 BGH v. 22.2.2006 – VIII ZR 219/04, MDR 2006, 861 = MietRB 2006, 209 = WuM 2006, – VII ZR 219/04; LG Hamburg v. 1.7.2004 – 307 S 52/04, NZM 2005, 103. 2 AG Hamburg-Bergedorf v. 29.1.2008 – 409 C 325/07, ZMR 2008, 547. 3 BGH v. 22.4.2009 – VIII ZR 86/08, MDR 2009, 860 = MietRB 2009, 221 = WuM 2009, 344. 4 Börstinghaus, Flächenabweichungen, Rz. 211. 5 BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 244/08, MDR 2010, 139 = MietRB 2010, 35 = WuM 2010, 27. 6 AG Hamburg-Altona v. 9.5.2012 – 319a C 328/11, ZMR 2012, 778. 7 LG Berlin v. 22.12.2009 – 63 S 121/09, GE 2010, 549. 8 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 28.7.2008 – 6 C 123/08, GE 2008, 1267. 9 Börstinghaus, Flächenabweichung, Rz. 200. 10 LG Trier v. 2.11.2005 – 1 T 60/05, WuM 2006, 376.

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mularmäßig zulässig ist1. Doch selbst ohne eine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung kann z.B. die DIN 277, die einen Abzug für Dachschrägen nicht vorsieht, herangezogen werden. Das setzt aber voraus, dass die vom Vermieter stammende Flächenangabe tatsächlich auf dieser Basis ermittelt wurde2. In einem Altenheim sind bei der Wohnfläche auch die anteiligen Gemeinschaftsflächen, die dem Mieter zur Verfügung stehen, zu berücksichtigen3. Erst recht sind Kellerräume oder Flächen eines „teilausgebauten Dachgeschosses“ in der Flächenangabe zu berücksichtigen, wenn die Parteien diese Räume bei der Beschreibung des Mietobjektes aufgezählt haben4. Haben die Parteien allerdings eine „Wohn-/Hobbyfläche“ mit dem Zusatz vereinbart, dass bei einer Abweichung keine Partei eine Anpassung verlangen kann, soll der Mieter nicht mindern können5. Dies erscheint aber wegen § 536 Abs. 4 BGB bedenklich. cc) Bewertung von Außen- und anderen Flächen Die „allgemeinen Regeln“ des § 44 II. BV, des § 4 Nr. 4 WoFlV und der DIN 283 sehen 249 für die Anrechnung von Außenflächen (Balkonen, Loggien und Dachterrassen) unterschiedliche Anrechnungsquoten vor. Während die DIN 283 eine starre Anrechnung zu 1/4 vorschrieb, ließ § 44 II. BV eine Anrechnung bis zur Hälfte zu. Nach § 4 Nr. 4 WoFlV sind solche Flächen höchstens zur Hälfte, in der Regel aber mit 1/4 anzurechnen. Der in § 44 II. BV erwähnte Freisitz liegt vor bei einer unmittelbar an den Wohnraum angrenzenden Fläche6. Es ist nicht gerechtfertigt, die z.B. nach § 44 II. BV vom Vermieter getroffene Bestim- 250 mung zur Anrechnung von 50 % der Außenfläche nachträglich zu korrigieren7. Denn im unmittelbaren Anwendungsbereich überlässt es die Bestimmung dem Bauherrn, die für ihn unter dem Gesichtspunkt der Wohnungsbauförderung günstigste Anrechnungsquote bis zur Hälfte zu wählen. Könnte diese Wahl nachträglich korrigiert werden, hätte dies zur Folge, dass Vermieter unter Umständen erhebliche Mietminderungen wegen Wohnflächenabweichung hinnehmen müssten, obwohl die im Mietvertrag angegebene Wohnfläche nach Maßgabe des § 44 II. BV zulässigerweise unter Anrechnung von Balkon- und Terrassenflächen bis zur Hälfte errechnet worden ist. Zur Wohnfläche i.S.d. II. BV gehört eine Gartenterrasse selbst dann nicht, wenn sie 251 von drei Seiten geschützt8 oder nicht von der Wohnung aus begehbar ist9. Der in § 44 Abs. 2 II. BV erwähnte Freisitz liegt vor bei einer unmittelbar an den Wohnraum angrenzenden Fläche10. Eine Gartennutzung als solche wird nicht über einen Abschlag bei der Fläche, sondern einen Zuschlag bei der Miete berücksichtigt11. In den genannten Fällen wird allerdings vorausgesetzt, dass die Parteien keinen davon abweichenden Wohnflächenbegriff bei Abschluss des Mietvertrages zugrunde gelegt haben, was im Zweifel durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln ist12. Insoweit ist es z.B. grundsätzlich möglich, dass die Parteien bei der Vermietung einer Maisonettewohnung allein die Grundfläche als Maßstab vereinbaren. Die §§ 42 ff. II. BV sind aber in jedem Fall anwendbar, wenn die Parteien das ausdrücklich vereinbaren, und zwar

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LG Berlin v. 4.5.2012 – 65 S 94/12, GE 2012, 1318. LG Trier v. 2.11.2005 – 1 T 60/05, WuM 2006, 376. AG Hamburg-Blankenese v. 4.1.2006 – 508 C 230/05, ZMR 2006, 782. LG Berlin v. 19.1.2007 – 63 S 241/06, GE 2007, 448. LG Berlin v. 16.1.2007 – 63 S 267/05, GE 2007, 449. BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 218/08, MDR 2009, 1156 = WuM 2009, 514 = ZMR 2009, 838. BGH v. 22.4.2009 – VIII ZR 86/08, MDR 2009, 860 = WuM 2009, 344 = NZM 2009, 477. LG Rostock v. 17.3.2006 – 1 S 2/04, WuM 2006, 247. AG Hamburg v. 31.8.2006 – 49 C 572/05, WuM 2007, 405. BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 218/08, MDR 2009, 1156 = MietRB 2009, 316 = GE 2009, 1118. BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 164/08, MDR 2010, 75 = MietRB 2010, 35 = WuM 2009, 732. BGH v. 23.5.2007 – VIII ZR 138/06, MDR 2007, 1185 = MietRB 2007, 221 (222) = WuM 2007, 450.

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auch, wenn das Objekt vor dem Inkrafttreten der Vorschriften (z.B. 17. Jahrhundert) errichtet wurde1. 252 Diese Regelungen können dazu führen, dass der Berechnung der Wohnfläche in einem Gebäude unterschiedliche Maßstäbe zugrunde gelegt werden. Dies ist kein (ausreichender) Grund, die vertraglichen Festlegungen aus Gründen der Vereinheitlichung zu korrigieren. Dies ist bereits in der WoFlV selbst vorgesehen. Immerhin sieht § 4 Nr. 4 WoFlV selbst vor, dass die Balkonflächen nicht nur bis 25 %, sondern auch bis zur Hälfte angesetzt werden können, ohne vorzuschreiben, dass bei unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen ein einheitlicher Maßstab gilt. Es ist auch keine andere Anspruchsgrundlage ersichtlich, durch die der Einheitlichkeit der Berechnungsweise in einem Gebäude ein Vorrang eingeräumt wird bzw. werden könnte. Selbst bei der Abrechnung von Betriebskosten kann eine Korrektur der Abrechnung erst verlangt werden, wenn die Flächenabweichung mehr als 10 % beträgt bzw. der angewendete Umlagemaßstab zu einer krassen Unbilligkeit führt (vgl. § 556a BGB Rz. 70). e) Rechtsfolge bei Flächenabweichung aa) Minderung der Miete 253 Als Rechtsfolge der Flächenabweichung kommt zunächst die Minderung in Betracht. Deren Höhe folgt grundsätzlich dem Verhältnis der voneinander abweichenden Flächen und berechnet sich nach der Bruttomiete2. Die Gesamtmiete bleibt auch dann in der Regel Basis für die Berechnung des Minderungsbetrages, wenn in der Miete – nicht separat ausgeworfene – andere Teile der Mietsache berücksichtigt sind (z.B. Möblierungszuschlag3). Eine Ausnahme soll aber gelten, wenn (einheitlich) Räume von verschiedener Qualität (z.B. Laden und Keller) vermietet sind und sich die Flächenabweichung einem bestimmten Teil eindeutig zuordnen lässt. Dann soll die Minderung nur nach dem Mietanteil, der auch die tangierte Fläche entfällt, berechnet werden können4. Diese Konstellation ist auch in der Wohnraummiete denkbar. Insbesondere bei einheitlichen Mietverträgen über eine Wohnung und eine Garage sind die unterschiedlichen Qualitäten relevant. Deshalb kann eine Flächenabweichung in der Wohnung auf der Grundlage der Gesamtmiete abzüglich der Garagenmiete berechnet werden5. Dies gilt selbst dann, wenn die Garagenmiete nicht separat ausgewiesen ist. Insoweit ist der kalkulatorische Ansatz des Vermieters oder die ortsübliche Miete für eine vergleichbare Garage/Stellplatz maßgeblich. 254 Andere Korrekturen der Berechnungsweise von der Gesamtmiete sind nicht gerechtfertigt. Insbesondere kann die Miete nicht neu bewertet werden, z.B. unter Zugrundelegung der Werte des Mietspiegels für die geringere Fläche6. Soweit mitvermietete Teile der Mietsache (z.B. Garten) durch einen Zuschlag auf die ortsübliche Vergleichsmiete berücksichtigt werden, spiegelt sich diese Bewertung in der Quadratmetermiete wieder. Deshalb ist ein Vorwegabzug von der Gesamtmiete für ein solches Wohnwertmerkmal nicht zulässig7. 255 Die (rückwirkende) Minderung ist durch § 536c BGB nicht ausgeschlossen. Denn es handelt sich um einen unbehebbaren Mangel, der nicht angezeigt werden muss8. Auch § 536b BGB steht einem Bereicherungsanspruch in der Regel nicht entgegen. Denn die dafür notwendige Kenntnis des Mieters von der Flächenabweichung liegt

1 BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 218/08, MDR 2009, 1156 = MietRB 2009, 316 = GE 2009, 1118 = ZMR 2009, 838. 2 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 347/04, MDR 2006, 197 = MietRB 2005, 281 (282) = NJW 2005, 2773 = WuM 2005, 573 (unter II 1b); vgl. BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 225/03, BGHZ 163, 1, 6. 3 BGH v. 2.3.2011 – VIII ZR 209/10, GE 2011, 542 = WuM 2011, 213 = ZMR 2011, 542. 4 BGH v. 18.7.2012 – XII ZR 97/09, WuM 2012, 550. 5 AG Steinfurt v. 5.3.2009 – 4 C 310/08, WuM 2009, 227. 6 BGH v. 23.6.2010 – VIII ZR 256/09, MDR 2010, 916 = MietRB 2010, 289 = WuM 2010, 480. 7 BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 164/08, WuM 2009, 732. 8 AG Köln v. 22.6.2005 – 203 C 109/05, WuM 2006, 109.

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grundsätzlich erst vor, wenn der Mieter die Fläche nachgemessen hat1. Insoweit ist es ausreichend, dass der Mieter die konkreten Längen, Breiten und Höhen kennt. Dafür, dass der Mieter kurz nach Bezug der Wohnung Kenntnis von einer Wohnflächenabweichung hat, soll eine Vermutung sprechen, weil er regelmäßig schon wegen der Einrichtung der Wohnung die von ihm bewohnten Räume ausmisst2. Dies ist dann auch für den Verjährungsbeginn nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB relevant. An § 814 BGB kann ein Bereicherungsanspruch erst scheitern, wenn der Mieter nicht nur Kenntnis von der Flächenabweichung, sondern auch von der daraus resultierenden Rechtslage hatte. Davon kann vor Begründung der Rechtsprechung des BGH zur Flächenabweichung im Jahre 2004 nicht ausgegangen werden. bb) Minderung der Betriebskosten Auch die Betriebskostenabrechnungen sind rückwirkend zu korrigieren. Bei der Be- 256 rechnung anhand des Flächenschlüssels ist die Flächendifferenz auch bei der Gesamtfläche zu berücksichtigen3. Der Einwendungsausschluss steht der nachträglichen Korrektur generell nicht entgegen. Denn in der Regel hat der Mieter bei Zugang der Abrechnungen in der Vergangenheit keine Kenntnis von der Flächenabweichung. Eine Fahrlässigkeit der Versäumung der Einwendungsfrist kann nicht angenommen werden, da es nicht zu der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt des Mieters i.S.v. § 276 BGB gehört, ohne besondere Anhaltspunkte bei der Belegprüfung auch die Wohnflächenberechnungen zu überprüfen. Neben der Flächenkorrektur wird das Abrechnungsergebnis in Höhe der Minde- 257 rungsquote gekürzt. Insoweit findet keine doppelte Anrechnung statt. Denn während die Korrektur die Richtigstellung der (ggf. vereinbarten) Abrechnungsmodalitäten herbeiführt, trägt § 536 BGB dem Gedanken Rechnung, dass der Vermieter nicht die vertragsgemäße Leistung zur Verfügung stellt. I.S.d. Gleichbehandlung kann eine Abrechnung nach dem (korrekten) Flächenschlüssel nicht anders behandelt werden als die Abrechnung nach einem anderen Schlüssel (z.B. dem Personenschlüssel). cc) Fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB Da die Flächenabweichung einen erheblichen Mangel begründet, kann der Mieter ge- 258 mäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 BGB außerordentlich fristlos kündigen4. Das Kündigungsrecht wird nicht durch den Gebrauch der Mietsache verwirkt oder ausgeschlossen, weil der Mieter mit der Nutzung zum Ausdruck bringt, mit der Fläche zurechtzukommen oder einverstanden zu sein5. Denn sowohl eine Verwirkung als auch eine einvernehmliche Konzentration der Mietsache auf die überlassene Fläche setzt die Kenntnis des Mieters von der Flächenabweichung voraus. Diese ist aber erst gegeben, wenn der Mieter die Fläche nachgemessen hat6. dd) Teilweise Rückforderung der Mietsicherheit Die Flächenabweichung begründet einen unbehebbaren Mangel. Denn mit der Über- 259 gabe i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB wird die Mietsache räumlich auf die überlassene Fläche konzentriert. Eine Erweiterung der Fläche (z.B. durch Balkonanbau) ist nur durch eine Veränderung der Mietsache möglich. Umso mehr ist es gerechtfertigt, die Flächenabweichung so zu behandeln wie eine 260 von Anfang an (teilweise) unwirksame Vereinbarung über die Miete (z.B. nach § 5 WiStrG). Wäre aber von Anfang an die richtige Miete vereinbart worden, wäre auch die Mietsicherheit in geringerer Höhe vereinbart worden. Dies gilt jedenfalls ohne

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LG Krefeld v. 7.11.2012 – 2 S 23/12, WuM 2012, 674. AG Bonn v. 18.4.2012 – 203 C 55/11, MietRB 2012, 225; Börstinghaus, NJW 2011, 3546. AG Hamburg-Altona v. 10.2.2011 – 318C C 231/10, ZMR 2011, 556. BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MietRB 2005, 259 = MDR 2005, 975 = ZMR 2005, 612 = GuT 2005, 163. 5 BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, WuM 2009, 349. 6 LG Krefeld v. 7.11.2012 – 2 S 23/12, WuM 2012, 674.

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Weiteres, wenn die Grenze des § 551 BGB voll ausgeschöpft wurde. Deshalb kommt auch eine entsprechende Kürzung der Mietsicherheit in Betracht1. ee) Schadensersatz des Mieters 261 Da die fehlerhafte Wohnfläche einen anfänglichen Mangel darstellt, besteht grundsätzlich die Garantiehaftung nach § 536a Abs. 1 Variante 1 BGB. Daneben kommt die Verschuldenshaftung (§ 536a Abs. 1 Variante 2 BGB in Betracht, wenn die falsche Flächenangabe mindestens auf einer Fahrlässigkeit des Vermieters beruht. Die Verzugshaftung scheidet aus, weil der Mangel „fehlende Fläche“ unbehebbar ist. 262 Als Schaden des Mieters kommen zumindest die Mangelfeststellungskosten (z.B. Kosten der Flächenberechnung durch einen Architekten) und die Rechtsverfolgungskosten in Betracht. ff) Schadensersatz des Vermieters wegen falscher Mängelanzeige 263 Es ist anerkannt, dass ein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen eine zum Schadensersatz verpflichtende schuldhafte Vertragsverletzung darstellen kann, wenn der Anzeigende erkannt oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass ein Mangel nicht vorliegt, sondern die Ursache des Symptoms, hinter dem er einen Mangel vermutet, in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt2. Allerdings fehlt es an einem Verschulden des Mieters nach § 276 BGB, wenn er die Wohnung selbst vermisst und damit im Rahmen seiner Möglichkeiten geprüft hat, ob eine Wohnflächenabweichung vorliegt3. Das ist jedenfalls anzunehmen, wenn der Mieter gleichzeitig darauf hinweist, dass die exakte Wohnungsgröße wegen der Schwierigkeiten bei der Vermessung (Schrägen, Winkel) erst durch einen Gutachter festgestellt werden könne. Von dem Mieter eine weitergehende Überprüfung der von ihm vermuteten Wohnflächenabweichung zu verlangen, würde die an einen nicht mit der Rechtslage vertrauten Mieter zu stellenden Sorgfaltsanforderungen überspannen. Bleibt somit bei der Mängelanzeige ungewiss, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt, dürfen Mängelrechte geltend gemacht werden, ohne Schadensersatzansprüche befürchten zu müssen, auch wenn sich das Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt4. III. Rechtsmangel 264 Einen Rechtsmangel i.S.d. § 536 Abs. 3 BGB begründen grundsätzlich nur private Rechte Dritter. Öffentlich-rechtliche Beschränkungen und Verbote, die an die Beschaffenheit der Sache oder an deren Beziehungen zur Umwelt anknüpfen, sind als Sachmängel einzuordnen (vgl. § 536 BGB Rz. 194), können aber ausnahmsweise, falls nämlich in keiner Weise an Beschaffenheit und Lage der Mietsache angeknüpft wird, Rechtmängel sein5. 1. Dingliche Rechte 265 Die Rechte Dritter können dinglicher oder schuldrechtlicher Natur sein. Zu den Rechten Dritter i.S.d. § 536 Abs. 3 BGB zählen insbesondere – Eigentum, – Nießbrauch, – beschränkt persönliche Dienstbarkeiten6, – Nutzungsregelungen beim Wohnungseigentum7,

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BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 347/04, MDR 2006, 197 = MietRB 2005, 281 = WuM 2005, 573. BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, MDR 2008, 373 = NJW 2008, 1147. BGH v. 22.9.2010 – VIII ZR 285/09, WuM 2010, 688 = GE 2010, 1613. BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, MDR 2008, 373 = NJW 2008, 1147 Rz. 13; vgl. ferner BGH v. 16.1.2009 – V ZR 133/08, MDR 2009, 438 = NJW 2009, 1262 Rz. 20. 5 BGH v. 9.7.1976 – V ZR 256/75, NJW 1976, 1888. 6 BGH v. 2.11.1988 – VIII ZR 7/88, MDR 1989, 248 = ZMR 1989, 59. 7 BGH v. 29.11.1995 – XII ZR 230/94, MDR 1996, 355 = NJW 1996, 714; BGH v. 18.1.1995 – XII ZR 30/93, NJW-RR 1995, 715.

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– Besitz, – Räumungs- und Herausgabeansprüche nach § 546 Abs. 2 BGB1, – der Beseitigungsanspruch der Wohnungseigentümer nach § 1004 BGB bei Vermietung von Teileigentum, weil die Störung nach der Teilungserklärung nicht hinzunehmen ist2. Wann die Rechte entstanden sind, ob sie von Anfang an bestanden haben oder erst nachträglich entstanden sind, ist für die Anwendung des § 536 Abs. 3 BGB ohne Belang3.

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Eine Haftung des Vermieters für Rechtsmängel tritt nicht schon dann ein, wenn 267 Rechte Dritter entstehen, sondern erst dann, wenn der Dritte von seinem Recht Gebrauch macht und dadurch dem Mieter den Gebrauch entzieht4 oder von vornherein verhindert, dass der Mieter die Sache überhaupt in Gebrauch nimmt5. Diese Ausgestaltung der Rechtsmängelhaftung ist Ausdruck der ebenfalls nur schuldrechtlichen Stellung des Mieters, der keine Schmälerung seiner Rechte hinnehmen muss, solange ihm der Dritte den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache nicht streitig macht. Für einen Gebrauchsentzug in diesem Sinne ist weder die tatsächliche Durchsetzung noch die gerichtliche Geltendmachung der Rechte des Dritten nötig, noch ist erforderlich, dass sich der Mieter dem Recht des Dritten beugt und den Mietgebrauch tatsächlich unterlässt6: Es genügt vielmehr, dass der Dritte seine Rechte in gebrauchsbeeinträchtigender Weise geltend macht, das heißt, von seiner das Gebrauchsrecht des Mieters beeinträchtigenden Befugnis Gebrauch macht7, z.B. Räumung und Herausgabe8 oder Unterlassung des Mietgebrauchs verlangt oder auch nur die Geltendmachung seiner Rechte androht9. Vor diesem Hintergrund weist die untervermietete Sache noch keinen Rechtsmangel 268 auf, wenn der Hauptvermieter das Hauptmietverhältnis vor Ablauf des Untermietvertrags wirksam kündigt. Dies ändert sich aber in dem Moment, in dem der Hauptvermieter dem Untermieter die Geltendmachung seiner Rechte ernsthaft in Aussicht stellt, weil dann für den Untermieter der ungestörte Mietgebrauch nicht mehr gewährleistet ist10. 2. Obligatorische Rechte Als obligatorisches Recht kommt die Doppelvermietung in Betracht (vgl. auch Vor § 535 BGB Rz. 8). Voraussetzung ist, dass das dauerhafte Recht eines Dritten der Erfüllung des Mietvertrages entgegensteht. Das ist in der gegebenen Konstellation der Fall, wenn über ein Mietobjekt zwei (wirksame) Mietverträge bestehen11.

269

Hat der Vermieter noch keinem der beiden Mieter die Mietsache überlassen, kann 270 kein Mieter die Überlassung an den jeweils anderen Mieter im Wege der einstweiligen 1 BGH v. 30.10.1974 – VIII ZR 69/73, NJW 1975, 44; OLG Hamm v. 26.8.1987 – 30 REMiet 1/87, MDR 1987, 1025 = ZMR 1987, 462; OLG Düsseldorf v. 18.8.1989 – 15 U 156/88, ZMR 1989, 417. 2 BGH v. 18.1.1995 – XII ZR 30/93, ZMR 1995, 480 = DWW 1995, 279 = NJW-RR 1995, 715. 3 BGH v. 30.10.1974 – VIII ZR 69/73, NJW 1975, 44; BGH v. 7.3.1990 – VIII ZR 25/89, MDR 1990, 815 = ZMR 1990, 212; OLG Düsseldorf v. 15.10.1987 – 10 U 46/87, ZMR 1988, 22; Sonnenschein, NJW 1990, 17 (20); a.A. RG v. 21.12.1906 – Rep. III 157/06, RGZ 65, 29, 33; Hilger, ZMR 1988, 41 ff. 4 BGH v. 4.10.1995 – XII ZR 215/94, MDR 1996, 252 = NJW 1996, 46; BGH v. 30.10.1974 – VIII ZR 69/73, NJW 1975, 44. 5 BGH v. 15.2.1961 – VIII ZR 183/59, NJW 1961, 917. 6 OLG Hamm v. 26.8.1987 – 30 REMiet 1/87, MDR 1987, 1025 = ZMR 1987, 462; BGH v. 30.10.1974 – VIII ZR 69/73, NJW 1975, 44. 7 BGH v. 2.11.1988 – VIII ZR 7/88, MDR 1989, 248 = ZMR 1989, 59. 8 BGH v. 4.10.1995 – XII ZR 215/94, MDR 1996, 252 = NJW 1996, 46; OLG Düsseldorf v. 18.8.1989 – 15 U 156/88, ZMR 1989, 417. 9 BGH v. 18.1.1995 – XII ZR 30/93, DWW 1995, 279. 10 OLG Hamm v. 26.8.1987 – 30 REMiet 1/87, MDR 1987, 1025 = ZMR 1987, 462. 11 BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, MDR 2007, 78 = NZM 2006, 699; BGH v. 11.12.1961 – VIII ZR 46/61, ZMR 1962, 175.

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§ 536 BGB

Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln

Verfügung verhindern1. Denn damit würde der Vermieter auf unbestimmte Zeit in der Vermietung blockiert, obwohl von vornherein feststeht, dass er nur einen Vertrag erfüllen kann und dem anderen Mieter Schadensersatz leisten muss2. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Vermieter in den Besitz, den er dem anderen Mieter überlassen will, durch verbotene Eigenmacht gekommen ist3. 271 Ist das Besitzrecht nicht wirksam, z.B. weil der Mietvertrag (wirksam) gekündigt wurde und ggf. die Kündigungsfrist abgelaufen ist, liegt kein Rechtsmangel, sondern ein Fall der (ggf. vorübergehenden) Unmöglichkeit i.S.d. § 275 BGB vor, wenn der bisherige Mieter nicht auszieht4. 272 Bei einer Doppelvermietung von Gewerberaum kommt ein Anspruch des nichtbesitzenden (Erst-)Mieters gegen den Vermieter auf Herausgabe der durch die weitere Vermietung erzielten Miete nach § 285 BGB jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der (nichtbesitzende) Mieter die Mietsache nicht in der Weise hätte nutzen dürfen wie der Zweitmieter. Insoweit fehlt es an der gemäß § 285 BGB erforderlichen Identität zwischen geschuldetem Gegenstand und dem, für den Ersatz erlangt worden ist5. 273 Einer Klage auf Erfüllung des Mietvertrags (Einräumung des Mietbesitzes) fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis, solange damit zu rechnen ist, dass der Vermieter trotz des Besitzes des anderen Mieters leisten kann6 oder wenn Vermieter und besitzender Mieter planmäßig zusammengewirkt haben, um den anderen Mieter um seine Rechte zu bringen (§ 826 BGB). Steht aber endgültig fest, dass auch ein Titel nicht erfüllt werden kann, also die Zwangsvollstreckung erfolglos verlaufen wird, wird die Klage unzulässig. Das ist z.B. der Fall, wenn der Vermieter vortragen und beweisen kann, dass der besitzende Mieter auch nicht gegen Zahlung einer Abfindung bereit ist auszuziehen, und ein Kündigungsgrund nicht besteht. IV. Minderung 274 Ist die Mietsache mit einem Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB behaftet, ist der Mieter für die Zeit, während derer die Tauglichkeit aufgehoben oder gemindert ist, von der Entrichtung der Miete ganz oder teilweise befreit. Diese teilweise oder vollständige Befreiung von der Mietzahlungspflicht tritt automatisch ein, solange die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache herabgesetzt oder aufgehoben ist7. Der Mieter muss sich nicht auf Minderung berufen8. Allerdings ist § 536c BGB zu beachten. 1. Rechtsnatur der Minderung 275 Das Recht auf Mietminderung ist seiner rechtlichen Natur nach – anders als das Recht zur Kaufpreisminderung – kein Gestaltungsrecht, sondern bewirkt kraft Gesetzes eine Änderung der Vertragspflicht9. Prozessual handelt es sich um eine sog. Einwendung, die also von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Klagt also z.B. der Vermieter Miete ein und ergibt sich aus seinem Vortrag eine mangelbedingte Gebrauchs1 OLG Hamm v. 15.10.2003 – 30 U 131/03, NZM 2004, 192 m.w.N.; a.A. OLG Düsseldorf v. 4.10.1990 – 10 U 93/90, NJW-RR 1991, 137. 2 Wie hier: OLG Hamm v. 15.10.2003 – 30 U 131/03, NZM 2004, 192; OLG Frankfurt v. 28.8.1996 – 17 W 22/96, MDR 1997, 137 = ZMR 1997, 22 mit abl. Anm. Wichert, ZMR 1997, 16; a.A. Kluth/ Grün, NZM 2002, 473; differenzierter Ulrici, ZMR 2002, 881 ff.; s. auch OLG Düsseldorf v. 4.10.1990 – 10 U 93/90, NJW-RR 1991, 137; zum Prioritätsgrundsatz bei gegenläufigen Rechtsbehelfen im Falle der Doppelvermietung s. KG v. 10.2.2003 – 22 U 300/02, NZM 2003, 439. 3 OLG Celle v. 12.10.2007 – 2 U 152/07, ZMR 2008, 288. 4 BGH v. 10.11.1982 – VIII ZR 252/81, MDR 1983, 394 = NJW 1983, 446; OLG Düsseldorf v. 18.9.1997 – 10 U 93/96, NZM 1999, 24; OLG Frankfurt v. 28.8.1996 – 17 W 22/96, MDR 1997, 137 = ZMR 1997, 22; OLG München v. 10.5.1996 – 21 U 4875/95, ZMR 1996, 493. 5 BGH v. 10.5.2006 – XII ZR 124/02, MietRB 2006, 215 = MDR 2006, 1396 = WuM 2006, 535 = NZM 2006, 538. 6 BGH v. 11.12.1961 – VIII ZR 46/61, MDR 1962, 398. 7 BGH v. 26.10.1994 – VIII ARZ 3/94, MDR 1995, 142 = NJW 1995, 254; BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 144/85, MDR 1987 312 = NJW 1987, 432. 8 BGH v. 12.6.1985 – VIII ZR 142/84, ZMR 1985, 403. 9 BGH v. 27.2.1991 – XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779.

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beeinträchtigung, ist die dadurch bedingte Mietminderung auch bei Säumnis des beklagten Mieters zu berücksichtigen1. 2. Umfang der Minderung Aufgrund eines Mangels hat der Mieter nach § 536 Abs. 1 S. 2 BGB nur eine angemes- 276 sen herabgesetzte Miete zu entrichten. Durch die Minderung soll die von den Vertragsparteien festgelegte Gleichwertigkeit zwischen den beiderseitigen Leistungen bei einer Störung auf der Vermieterseite wiederhergestellt werden2. Welche Herabsetzung der Miete angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Mangels und der dadurch bewirkten Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der vermieteten Sache3. Im Hinblick auf die Realisierung des Äquivalenzprinzips (§ 536 BGB Rz. 8) wird 277 durch § 536 BGB ein Automatismus angeordnet. Danach reduziert sich die Miete grundsätzlich unabhängig vom Willen der Parteien, sobald ein erheblicher Mangel der Mietsache vorliegt. In anderen europäischen Rechtsordnungen (z.B. in Spanien vgl. Art. 1484CC) wird dem Mieter dagegen aufgebürdet, die vereinbarte Miete weiterzuzahlen und bei einem Mangel im Wege des Schadensersatzes vorzugehen4. Die Minderung der Miete tritt unabhängig davon ein, ob der Vermieter den Mangel 278 zu vertreten hat oder nicht, ob die Mangelursache in seinem Einflussbereich liegt5, ob ihm die Beseitigung des Mangels möglich ist6 und ob der Mieter die Mietsache, wäre sie gebrauchstauglich gewesen, überhaupt genutzt hätte7. Vorbehaltlich der §§ 536b, 536c BGB ist eine Minderung der Miete ausgeschlossen, 279 wenn und soweit der Mieter den Mangel selbst zu vertreten hat. Dabei ist kein Vertretenmüssen i.S.v. § 276 BGB erforderlich. Es reicht aus, wenn der Mangel aus dem Risikobereich des Mieters stammt8. Das ist z.B. bei Feuchtigkeit der Fall, die auf falsches Lüftungs- und Heizverhalten des Mieters zurückzuführen ist, aber auch wenn die mangelnde Versorgung der Wohnung mit Strom darauf beruht, dass der Mieter die Abschläge an den Versorger nicht bezahlt hat9. Nimmt der Vermieter die Mietsache (vollständig) in Besitz, um einen Mangel behe- 280 ben zu lassen, gilt die Gebrauchstauglichkeit für die Dauer der Mängelbeseitigung als aufgehoben; der Mieter ist während dieser Zeit von der Entrichtung der Miete befreit, § 537 BGB10. Die Miete ist (taggenau) nur für die Zeit gemindert, in der die Gebrauchstauglichkeit 281 der Mietsache beeinträchtigt ist11, sofern sich der Zeitraum nicht wegen unterlassener Mängelanzeige nach § 536c BGB verkürzt. Demnach muss ggf. eine weitere Quotierung stattfinden. Hat z.B. für zwei Tage ein Heizungsausfall stattgefunden, ist der Minderungsbetrag auf 2/30 (bzw. 2/28 oder 2/31) beschränkt. Andererseits kann die Minderung nicht damit verhindert werden, dass z.B. bei einem Heizungsausfall der

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Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1362. BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 225/03, BGHZ 163, 1, 6 = NJW 2005, 1713 (1714). Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rz. 57 m.w.N. Schlüter/Ross, S. 68. BGH v. 27.2.1991 – XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779; BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 144/85, MDR 1987, 312 = NJW 1987, 432 (433); BayObLG v. 4.2.1987 – RE-Miet 2/86, MDR 1987, 498 = NJW 1987, 1950. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 262. BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 144/85, MDR 1987, 312 = NJW 1987, 432; BGH v. 11.2.1958 – VIII ZR 12/57, NJW 1958, 785. BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MDR 2011, 216 = MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 97 = GE 2011, 261 = NZM 2011, 198 = ZMR 2011, 371. BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 144/85, MDR 1987, 312 = NJW 1987, 432. BGH v. 15.12.2010 – XII ZR 132/09, MietRB 2011, 105 = MDR 2011, 149 = ZMR 2011, 372 = NZM 2011, 153.

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Mieter verpflichtet wird, Radiatoren aufzustellen, solange der Vermieter sich nicht gleichzeitig verpflichtet, die zusätzlichen Kosten zu übernehmen1. a) Vollständige Aufhebung der Gebrauchstauglichkeit 282 Für die Zeit der völligen Gebrauchsuntauglichkeit der Mietsache entfällt die Verpflichtung zur Mietzahlung, § 536 Abs. 1 S. 1 BGB. Selbst bei einer völligen Zerstörung bleibt der Mietvertrag aber bestehen. Eine Beendigung findet grundsätzlich nur durch Kündigung statt, weil § 275 BGB nicht gilt (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 27). 283 Ob eine vollständige Gebrauchsuntauglichkeit vorliegt, muss im Einzelfall geprüft werden. Maßstab ist der Vertragszweck. Kann die danach vorausgesetzte Nutzung nicht mehr stattfinden, ist die Gebrauchstauglichkeit aufgehoben. Außer in den Fällen der völligen Zerstörung kommt eine Reduzierung der Miete auf Null neben den im Anhang § 536 BGB aufgeführten Fällen z.B. in Betracht bei – einem über mehrere Tage währenden Heizungsausfall im Winter2, – ständiger Durchfeuchtung der Außenwände, Rattenbefall im Umfeld der Wohnung3, – Verwendung von giftigen Insektiziden zur Bekämpfung einer Käferplage in der Wohnung, die lt. Hersteller nicht in Wohn-/oder Schlafräumen angewendet werden dürfen4, – emittierenden Holzschutzmitteln in Holzdecke5, – Austausch der Wohnungseingangstür im Wege einer Notmaßnahme ohne Aushändigung der neuen Schlüssel6, – völliger Umgestaltung der Wohnung durch Neueinzug einer Decke, Neuverlegung der elektrischen Leitungen, Küche wegen Verlegung von Leitungen und Neuplattierung nicht nutzbar, Heizkörper aus Verankerung gerissen7, – Verweigerung des Zugangs zur Wohnung für den Lebensgefährten des Mieters durch Vermieter; Erlaubnis- und Kontrollvorbehalt im Hinblick auf Schlüsselaushändigung an Mieter8, – behördlicher Untersagungsverfügung wegen Verstoß der Nutzung gegen Bauordnungsvorschriften9, – Schimmel in der Wohnung mit nachgewiesener Auswirkung auf Gesundheit (Lungenentzündung mit Bauchfellbeteiligung)10, – Überschwemmung der Kellerwohnung, so dass Umzug in Hotel erforderlich; Wohnung liegt im hochwassergefährdeten Gebiet; unterbliebener Hinweis des Vermieters bei Einzug11. b) Teilweise Aufhebung der Gebrauchstauglichkeit 284 Während der Zeit einer mangelbedingten Gebrauchsbeeinträchtigung hat der Mieter nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu zahlen, § 536 Abs. 1 S. 2 BGB. Die angemessene Herabsetzung wird in der Praxis – schon immer – durch Anwendung einer Quote ermittelt. Dies hat den Gesetzgeber der Mietrechtsreform in 2001 veranlasst, die (komplizierte) Verweisung auf die damaligen Vorschriften zur Berechnung der

1 KG v. 21.2.2000 – 8 U 2216/97, MDR 2000, 1006. 2 OLG Dresden v. 18.6.2002 – 5 U 260/02, ZMR 2003, 346; LG Berlin v. 10.1.1992 – 64 S 291/91, GE 1993, 263; LG Hamburg v. 15.5.1975 – 7 O 80/74, WuM 1976, 10. 3 AG Potsdam v. 15.6.1995 – 26 C 533/93, WuM 1995, 534. 4 AG Trier v. 14.8.2001 – 6 C 549/00, WuM 2001, 486. 5 AG Stade v. 14.3.2000 – 63 C 437/98, WuM 2000, 417. 6 OLG Düsseldorf v. 7.4.2005 – I-10 U 191/04, ZMR 2005, 705. 7 AG Köln v. 25.5.1976 – 54 C 596/74, ZMR 1980, 87. 8 LG Gießen v. 1.3.2000 – 1 S 443/99, NZM 2001, 232. 9 LG Berlin v. 11.7.2008 – 63 S 476/07, GE 2009, 452. 10 LG Berlin v. 20.1.2009 – 65 S 345/07, GE 2009, 845. 11 AG Friedberg v. 3.5.1995 – C 1326/94-11, WuM 1995, 393.

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Minderung beim Kaufvertrag entfallen zu lassen. Stattdessen soll der Richter im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO verfahren können1. Für die Höhe der Minderung sind allein die Umstände des Einzelfalles maßgebend2. 285 Von besonderer Bedeutung sind Schwere des Mangels sowie Grad und Dauer der Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit3. Zur Berechnung der Quote werden unterschiedliche Verfahren, nämlich das Zielbaumverfahren4 und das Kurzverfahren für die richterliche Bestimmung der Mietzinsminderung5 diskutiert. In diesem Verfahren werden die unterschiedlichen Wertigkeiten der Funktionswerte und der Geltungswerte für einzelne Teile der Mietsache untersucht. So wünschenswert für die Praxis ein einheitliches Verfahren zur Bestimmung der Minderungsquote ist, so wenig können die bisher vorgeschlagenen Theorien alle Fälle abdecken. Denn allgemeingültige Kriterien lassen sich nicht aufstellen, weil die Minderung keine mathematische Größe darstellt, sondern sich insbesondere am Gebrauchswert der Räume und ihrer Beeinträchtigung orientiert6. Deshalb orientieren sich die Gerichte in der Praxis an vergleichbaren Fällen oder an folgenden Kriterien: – – – – – –

Art und Umfang der Herabsetzung des vertragsgemäßen Gebrauchs, 286 zeitlicher Umfang des Mangels, baulicher oder optischer Mangel, Berücksichtigung der Jahreszeit, flächenmäßiger oder quantitativer Anteil der vom Mangel betroffenen Räume, gesteigerte Qualitätsansprüche des Mieters im Hinblick auf die vereinbarte Miethöhe, – Mitverursachung durch den Mieter7. Im Normalfall kann die Minderungsquote aus dem Verhältnis der tangierten Fläche 287 zur Gesamtfläche abgeleitet werden8, wobei gleichzeitig zu berücksichtigen ist, ob die tangierte Fläche durch den Mangel vollständig oder nur teilweise unbrauchbar ist. Sind also z.B. 40 % der Wohnfläche unbewohnbar, ist Ausgangspunkt der Bewertung der Minderung eine Quote von 40 %. Sind besondere Funktionsräume betroffen, die, wie z.B. die Küche, besonders häufig benutzt werden, kann eine darüber liegende Quote festgesetzt werden. Bei einer untergeordneten Bedeutung kommt eine entsprechende Reduzierung in Betracht. Andererseits kann die Lebenserfahrung zeigen, dass gewisse Umstände (hier: Bau- 288 arbeiten) im und am Gebäude den vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigen und daher von vorneherein eine bestimmte Minderung rechtfertigen. Diese wird bei Bauarbeiten im Umfeld mit 20 % angesetzt9. Dabei hätte nun derjenige (in der Regel der Mieter), der eine höhere Minderung durchsetzen will, die dafür maßgeblichen Umstände vorzutragen. Soll weniger als dieser Erfahrungswert angesetzt werden, muss der dadurch Begünstigte (zumeist der Vermieter) die notwendigen Tatsachen beibringen. Gleichwohl bleibt jede Berechnung einer Minderungsquote eine Einzelfallentschei- 289 dung. Umso mehr entsteht in der Praxis das Risiko, zu hoch oder zu niedrig zu bewerten. Selbst wenn vergleichbare Fälle herangezogen werden können, muss jeweils untersucht werden, inwieweit Besonderheiten in den veröffentlichten Entscheidungen oder im konkreten Einzelfall bestehen. Mit aller Vorsicht ist daher die im Anhang ab-

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Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1135. OLG Karlsruhe v. 7.4.1989 – 14 U 16/86, ZMR 1990, 215. Bub/Treier/Kraemer, III B Rz. 1366. Kamphausen, WuM 1982, 3. Isenmann, DWW 1995, 361. LG Berlin v. 15.10.2010 – 65 S 136/10, GE 2010, 1621. LG Berlin v. 15.6.2009 – 67 S 279/08, GE 2009, 1125; AG Tempelhof-Kreuzberg v. 24.4.2012 – 7 C 326/10, GE 2012, 835. 8 LG Berlin v. 4.4.2000 – 64 S 485/99, NZM 2000, 490. 9 AG Köln v. 19.8.2002 – 205 C 85/02, WuM 2003, 318.

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gedruckte Minderungstabelle (vgl. Anhang § 536 BGB Rz. 2) anzuwenden. Sie kann lediglich als Orientierungshilfe und Fundstellennachweis dienen. c) Periodische Mängel 290 Wirkt sich ein Mangel nur periodisch in einem vorhersehbaren Zeitraum erheblich auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache aus (z.B. Heizungsausfall im Winter), ist die Miete auch nur in diesem Zeitraum kraft Gesetzes herabgesetzt1. Die Gegenmeinung2, die auch den latenten Mangel für ausreichend hält, verkennt, dass eine Minderung nach § 536 Abs. 1 S. 3 BGB nur bei einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung in Betracht kommt. Während der Zeit, in der die Mietsache trotz Vorliegens eines Mangels uneingeschränkt vertragsgemäß nutzbar ist, scheidet daher eine Herabsetzung der Miete aus. 291 Nach diesen Grundsätzen sind z.B. die Zustände zu bewerten, die sich nur unter bestimmten Bedingungen als Abweichung von der Sollbeschaffenheit oder als Gebrauchsbeeinträchtigung darstellen. Das verunreinigte Treppenhaus kann nur als Mangel qualifiziert werden, solange es nicht gereinigt ist. Wurde gereinigt, ist der Mangel zunächst einmal behoben. Eine Abweichung von der Sollbeschaffenheit kann also erst wieder bestehen, wenn eine erneute Verunreinigung eintritt, und nicht schon deshalb angenommen werden, weil die Ursachen für die Verunreinigung weiterbestehen (z.B. nächtliches Urinieren in den Hausflur3). 292 Als typische periodische Mängel kommen insbesondere die Phänomene in Betracht, die sich mit den Jahreszeiten entwickeln. Eine (mögliche) Überhitzung der Räume im Sommer ist ebenso davon abhängig, dass sie eintritt, und kommt daher im Winter nicht als Mangel in Betracht, wie sich umgekehrt eine nicht funktionierende Heizung nur im Winter und im Übrigen bei niedrigen Temperaturen auswirkt. Das Gleiche gilt für Kaltluft, die von einer Lüftungsanlage in die Mieträume eingespeist wird. Deren unangenehme Phänomene wirken sich regelmäßig nur in der Heizperiode aus. Das Gleiche gilt für Zuglufterscheinungen infolge Undichtigkeit oder Differenzen zwischen Außen- und Innentemperatur. 293 Die Tatsache, dass Außenflächen (Balkone, Terrasse, Garten etc.) jahreszeitbedingt unterschiedlich genutzt werden, rechtfertigt allerdings keine periodisch unterschiedliche Bewertung der Minderung. Auch wenn die Flächen in den wärmeren Zeiten intensiver genutzt werden, erfüllen sie auch im übrigen Zeitraum ihren Zweck. Im Garten können Kinder spielen und Balkone können zum Lüften der Kleidung oder Abstellen von Getränken genutzt werden. 294 Etwas anderes gilt aber bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft. Hier ist die Minderung zulässig unabhängig davon, ob eine Gebrauchsbeeinträchtigung besteht. Mithin kann z.B. der Heizungsdefekt auch im Sommer Grundlage eine Minderung sein, wenn deren Betrieb oder die jederzeitige Möglichkeit, eine Zimmertemperatur von z.B. 22 °C zu erreichen, zugesichert wurde. d) Berechnungsgrundlage der Minderung 295 Der tatsächliche Kürzungsbetrag wird durch Anwendung der Quote (regelmäßig in Prozent) auf die Miete ermittelt. Allerdings kann es zweifelhaft sein, auf welche Bemessungsgrundlage (Brutto- oder Nettomiete) die Quote anzuwenden ist. Dies gilt vor allem bei einer Nettomiete, bei der die Betriebskosten als Pauschale oder Vorauszahlungen separat erhoben werden.

1 BGH v. 15.12.2010 – XII ZR 132/09, MietRB 2011, 105 = MDR 2011, 149 = ZMR 2011, 372 = NZM 2011, 153; OLG Rostock v. 29.12.2000 – 3 U 83/98, OLGR 2001, 281 (282); LG Berlin v. 10.1.1992 – 64 S 291/91, ZMR 1992, 302; MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 30; Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 34. 2 AG Mitte v. 24.10.2012 – 7 C 90/12, GE 2012, 1703; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 325. 3 A.A. AG Mitte v. 24.10.2012 – 7 C 90/12, GE 2012, 1703.

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Vereinbaren die Parteien als Mietstruktur Grundmiete und Zahlung der Betriebskos- 296 ten, kann die Grundmiete im Ergebnis als das Entgelt für die Überlassung der (mangelhaften) Räume angesehen werden, während die Vorauszahlungen/Pauschale in erster Linie als Ausgleich für anfallende Kosten i.S.d. §§ 1, 2 BetrKV zu bewerten sein könnten. Im Hinblick darauf könnte es nahe liegen, die Minderung allein nach der Nettokaltmiete zu berechnen, wenn allein der Gebrauch beeinträchtigt wird1. Soweit sich der Mangel auch auf die Beheizung auswirkt, könnte die Minderungsquote auf die Nettokaltmiete zzgl. Heizkostenvorauszahlungen berechnet werden können2. Das Gleiche könnte gelten, wenn sich die Minderung auf sonstige Nebenkosten erstreckt3. Schließlich bleibt die Variante, dass sich die Minderung von der Gesamtmiete berechnet4 oder zumindest auf die Bruttokaltmiete5 bezogen wird. Der Regierungsentwurf zum Mietrechtsreformgesetz 20016 sah in § 556 BGB noch ei- 297 ne Legaldefinition der Miete vor. Danach sollte die Miete neben der Grundmiete den Betrag für die Betriebskosten i.S.d. § 27 II. BV umfassen. Die am 1.9.2001 in Kraft getretene Fassung des § 556 Abs. 1 BGB geht auf die Änderung durch den Rechtsausschuss zurück, der zwar gesehen hatte, dass durch die Legaldefinition bisher bestehende Streitfragen zum Beispiel über die Berechnungsgröße der Minderung geklärt werden könnten, indessen befürchtete, dass die Regelung dafür in anderen Bereichen, wie etwa beim Mieterhöhungsverfahren, neue Streitfragen aufwerfen könnte7. Auch deshalb hat der BGH entschieden, dass die Minderung nach der Bruttomiete 298 zu berechnen ist, und zwar sowohl bei der Gewerberaummiete als auch bei der Wohnraummiete8. Im Wesentlichen hat er dazu drei Argumente herangezogen: – Der Wortlaut von § 535 Abs. 2 BGB und § 536 BGB verwendet den Begriff Miete. Da der Gesetzgeber zum 1.9.2001 eine Vereinheitlichung des Sprachgebrauchs herbeiführen wollte, ist es nicht gerechtfertigt, einen Begriff unterschiedlich zu interpretieren. – Der Gleichheitssatz gebietet es jedenfalls dem Gesetzgeber, die gesetzlichen Bestimmungen so zu fassen, dass bei gleichem Mangel die gleiche Herabsetzung der „Miete“ herbeigeführt wird. – Es ist unpraktikabel, zu danach zu differenzieren, ob durch den Mangel auch Betriebskosten tangiert werden. Denn wird ein einheitlicher Vorauszahlungsbetrag vereinbart, ist dem Mieter der Anteil der tangierten Position (z.B. Aufzug, Heizung) an dem Gesamtbetrag der Vorauszahlungen unbekannt. Diese Grundsätze sind der Ausgangspunkt für die Überlegungen, wie die verbliebenen Zweifelsfälle zu lösen sind.

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e) Begriff der Bruttomiete Bemessungsgrundlage der Minderung nach § 536 BGB ist grundsätzlich die Brutto- 300 miete einschließlich einer Nebenkostenpauschale oder einer Vorauszahlung auf die Nebenkosten9. In der Bruttomiete können aber auch weitere Entgelte enthalten sein,

1 OLG Koblenz v. 16.5.2002 – 5 U 1982/99, ZMR 2002, 744 (748); LG Berlin v. 16.7.2004 – 63 S 66/04, WuM 2005, 53 (für Flächenabweichung); LG Berlin v. 29.7.2002 – 61 S 37/02, MM 2002, 480; LG Berlin v. 18.9.1972 – 25 O 177/72, WuM 1972, 191; LG Berlin v. 19.6.2000 – 61 S 492/99, MM 2000, 375. 2 OLG Düsseldorf v. 7.10.1993 – 10 U 3/93, MDR 1994, 399 = NJW-RR 1994, 399. 3 LG Berlin v. 18.10.1994 – 65 S 201/93, GE 1994, 1381. 4 KG v. 13.10.2003 – 12 U 104/03, WuM 2004, 17 = NZM 2004, 70; OLG Hamm v. 24.10.1995 – 7 U 171/94, OLGR Hamm 1996, 76 = NJW-MietR 1996, 80 (82); LG Köln v. 21.7.1993 – 10 S 117/93, KM 35 Nr. 13; LG Hamburg v. 24.5.1983 – 16 S 332/82, MDR 1983, 842 = WuM 1983, 290; Kraemer, WuM 2000, 515 m.w.N. 5 LG Berlin v. 8.2.2000 – 65 S 152/99, MM 2000, 222. 6 Vgl. z.B. NZM 2000, 802 ff. 7 BT-Drucks. 14/5663, S. 79. 8 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 347/04, MDR 2006, 197 = MietRB 2005, 281 (282) = WuM 2005, 573. 9 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 347/04, MDR 2006, 197 = MietRB 2005, 281 = NJW 2005, 2773 (unter II 1a).

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die als Gegenleistung des Mieters gelten sollen. Als solche weiteren Elemente kommen in Betracht – Miete für Garage, Mansarde oder andere Mieteinheiten, insbesondere bei einheitlichen Mietverträgen, – besonders vereinbarte Entgelte für übliche Kalkulationsfaktoren der Miete (Pauschale für Schönheitsreparaturen, Verwaltungskosten etc.), – Zuschläge für Möblierung, gewerbliche Nutzung, Untervermietung etc. (vgl. § 535 BGB Rz. 302), – andere Nebenentgelte (Entgelt für Betreuungs- oder sonstige Dienstleistungen etc.). 301 Solange für die zusätzlichen Leistungen des Vermieters keine besonderen Entgelte im Mietvertrag ausgeworfen sind, ist die Minderung grundsätzlich nach dem Bruttobetrag, der sich z.B. (nur) aus Grundmiete und dem Betrag für die Betriebskosten zusammensetzt, zu berechnen. Denn dann ist der Mietwert der zusätzlichen Leistung des Vermieters (z.B. Überlassung der Wohnungseinrichtung) Teil der Kalkulation der Nettokaltmiete. Dies gilt auch, wenn im Mietvertrag z.B. besonders hervorgehoben wurde, dass das besondere Entgelt in die Grundmiete eingerechnet wurde (z.B. Abschreibung der Möbel1). 302 Sind die besonderen Elemente nicht nur als Kalkulationsfaktor in die Mietberechnung eingeflossen, sondern als solche im Mietvertrag z.B. in der Form eines Zuschlags ausgeworfen, ist zu differenzieren: Stellt das Entgelt eine Gegenleistung für den Pflichtenrahmen des Vermieters aus § 535 BGB dar, bilden auch diese Entgelte die Bemessungsgrundlage für die Minderung2. Deshalb ist auch z.B. ein Zuschlag für Schönheitsreparaturen oder gewerbliche Nutzung ebenso in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen wie ein solcher für die Möblierung. Wirkt sich der Mangel aber auf einen besonderen Teil der Mietsache nicht aus und wird dafür üblicherweise eine von der anderen Fläche abweichende Miete vereinbart, kann die Minderung aus der Bruttomiete für den tangierten Teil der Mietsache ermittelt werden3. Deshalb ist die Minderung bei einer Wohnflächenabweichung z.B. auch nicht unter Einbeziehung einer Garagenmiete zu berechnen4. Im Übrigen kommt eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage für die Minderung in Betracht, wenn eine atypische Leistung vom Vermieter erbracht wird und das Entgelt dafür im Mietvertrag besonders ausgewiesen ist. Erbringt der Vermieter also z.B. Betreuungsleistungen, ist die Gesamtmiete um dieses Entgelt zu kürzen, um den Basisbetrag für die Minderung zu ermitteln. 303 Zwar wird damit unter Umständen wieder die Praktikabilität der Minderung erschwert. Bei einer zu hohen Minderung des Mieters, die allein auf der falschen Bewertung der tangierten Fläche beruht, wird aber in der Regel ein Rechtsirrtum vorliegen. 304 Erbringt der Mieter (jedenfalls teilweise) anstelle der Miete eine atypische Gegenleistung etwa in Form einer Dienstleistung (z.B. als Hausmeister), ist die Minderungsquote auf die Gesamtmiete anzuwenden. Ist für die atypische Gegenleistung ein Entgelt bestimmt, wird dieses Entgelt der Miete hinzugerechnet. Der daraus ermittelte Betrag wird (zunächst) von der Geldleistung in Abzug gebracht. Ist die Minderungsquote so groß, dass der Kürzungsbetrag höher ist als die Miete, die der Mieter in Geld erbringen muss, besteht grundsätzlich ein Anspruch des Mieters aus § 812 BGB auf Zahlung des Differenzbetrages. Dies gilt erst recht bei einer hundertprozentigen Minderung, wenn der Mieter seine Gegenleistung vollständig erbringt. 305 Vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen der Parteien besteht ein Recht des Mieters, die atypische Gegenleistung (teilweise) einzustellen, grundsätzlich nicht, § 266 BGB.

1 BGH v. 2.3.2011 – VIII ZR 209/10, MDR 2011, 474 = MietRB 2011, 137 = GE 2011, 542 = WuM 2011, 213 = ZMR 2011, 542. 2 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 349. 3 BGH v. 18.7.2012 – XII ZR 97/09, WuM 2012, 550. 4 AG Steinfurt v. 5.3.2009 – 4 C 310/08, WuM 2009, 227.

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f) Verrechnung der Minderung auf die laufende Miete Zur Anrechnung bzw. Verteilung des Minderungsbetrages auf die laufende Miete gibt 306 es verschiedene Überlegungen: Tangiert der Mangel das Gebäude nicht und auch keine sonstigen Leistungen, die im Rahmen der Betriebskostenabrechnung zu berücksichtigen sind, könnte man ohne Weiteres den Minderungsbetrag allein auf die Grundmiete anrechnen, sodass bei der Betriebskostenabrechnung die Vorauszahlungen von 200 Euro in voller Höhe anzusetzen sind. Ist von dem Mangel jedoch auch eine Betriebskostenposition (z.B. Ausfall des Aufzuges) betroffen, könnte die Auffassung vertreten werden, dass auch die Betriebskostenvorauszahlungen entsprechend gemindert sind. Demgemäß müssten im Beispiel 160 Euro auf die Grundmiete und 40 Euro auf die Betriebskostenvorauszahlungen angerechnet werden, wobei der Vermieter den Mieter bei der Betriebskostenabrechnung so stellen müsste, als habe er die Vorauszahlungen von 200 Euro geleistet. Letzteres wird mit dem Argument vertreten, anderenfalls würde der Mieter bei der 307 Abrechnung unter Zugrundelegung geminderter Vorauszahlungen nachträglich mit dem die Betriebskosten erfassenden Minderungsbetrag belastet1. Dies soll nur zulässig sein, wenn der Mieter wegen einer geringeren Wohnfläche die Miete mindere und die Betriebskosten nach Wohnfläche abgerechnet würden; in den anderen Fällen würde der Mieter sonst tatsächlich nur die Nettomiete mindern2. Demgegenüber soll die Einbeziehung der Minderung in die Berechnung der Betriebskosten im Rahmen des § 556 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sein, weil sich der Mieter durch die Anwendung der Minderung auf die laufende Miete festgelegt habe und (nachträglich) keine weitere Minderung geltend machen könne, wenn der Betriebskostensaldo ermittelt sei3. Der Erklärung des Mieters zur Minderung der laufenden Miete ist weder eine Be- 308 schränkung auf die laufende Miete noch ein Verzicht auf eine höhere Minderung infolge der Einbeziehung eines Betriebskostensaldos zu entnehmen. Denn schon die Angabe der Minderungsquote als solche ist z.B. für ein Gericht nicht bindend, so dass auch eine höhere Minderung zugesprochen werden kann4. Im Übrigen übersehen beide Meinungen5, dass die Parteien, die Vorauszahlungen über die Betriebskosten vereinbaren, eine Abrechnungspflicht des Vermieters begründen. Der Vermieter ist gemäß § 556 Abs. 3 S. 1 BGB zur jährlichen Abrechnung verpflichtet. Damit haben die Parteien im Ergebnis eine Jahresmiete vereinbart, die aus einem statischen Anteil (Grundmiete) und einem variablen Anteil (Vorauszahlungen) besteht. Im Hinblick auf den einheitlichen Mietbegriff kann daher erst nach Vorlage der Betriebskostenabrechnung die endgültige Miethöhe für das Jahr auch unter Berücksichtigung der Minderung festgelegt werden. Dies gilt erst recht, wenn die Parteien eine Jahresmiete vereinbart haben und der Vermieter darin die (abgerechneten) Betriebskosten einbeziehen soll. Der BGH6 hat zu dieser Anrechnungsproblematik zunächst beiläufig erwähnt, der 309 von der Bruttomiete berechnete Minderungsbetrag sei anteilig auf Grundmiete und Vorauszahlungen anzurechnen, so dass sich in der Abrechnung z.B. ein Guthaben wegen der angesetzten Ist-Vorauszahlungen verringern würde. Dies deutet darauf hin, dass der Minderungsbetrag quotal auf die Grundmiete und die Vorauszahlungen anzurechnen ist. Davon ist auch in der Regel auszugehen, wenn der Mieter keine abweichende Tilgungsbestimmung getroffen hat. Allein mit dem Hinweis, er mindere von der Bruttomiete, macht er im Zweifel deutlich, dass er die Elemente der Gesamtmiete gleichmäßig kürzen will und nicht nur einen (speziellen) Teil.

1 2 3 4 5

Eisenschmid, WuM 2005, 436; Langenberg, Betriebskosten, G Rz. 162. Schach, GE 2005, 1462 (1464). Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 354; Franke in WoBauR, § 536 BGB Anm. 21. LG Berlin v. 7.11.1996 – 61 S 180/96, WuM 1998, 28. Soweit in MietRB 2005, 216 (218) und WuM 2006, 63 (76) dem entgegenstehende Auffassungen vertreten wurden, werden diese nicht mehr aufrecht erhalten. 6 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 347/04, MDR 2006, 197 = MietRB 2005, 281 = WuM 2005, 573 = ZMR 2005, 854 = NZM 2005, 699.

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310 Bei dieser „Anrechnung“ der Kürzung könnte der Vermieter aber bei Ansatz der IstVorauszahlungen in der Betriebskostenabrechnung teilweise von der Minderung profitieren, weil das Abrechnungsergebnis anders ausfällt als ohne Minderung, also ohne gekürzte Vorauszahlungen. Dies würde nicht nur zu einer Schlechterstellung des Mieters gegenüber demjenigen, der eine mangelfreie Mietsache nutzen kann, führen, sondern auch gegenüber dem Mieter, mit dem eine Pauschale vereinbart ist. Die Gleichbehandlung aller Erscheinungsformen der Mietstruktur im Rahmen des § 536 BGB war aber ein tragendes Argument für die Entscheidung zur Berechnung der Minderung von der Bruttomiete1. 311 Das Problem wird dadurch gelöst, dass die Verrechnung auf dem Mietkonto (vgl. dazu § 556b BGB Rz. 80 ff.) nur als vorläufig angesehen wird. Da sich die Minderung, soweit sie gerechtfertigt ist, auf die Gesamtmiete einschließlich aller Nebenkosten bezieht, kann erst aufgrund der Jahresabrechnung der Betriebskosten abschließend ermittelt werden, ob hinsichtlich der Gesamtmiete unter Berücksichtigung der gerechtfertigten Minderung noch eine Nachforderung des Vermieters oder ein Guthaben des Mieters besteht. Dafür ist es unerheblich, ob und ggf. wie die monatlich einbehaltenen Beträge auf die Nettomiete einerseits und die Betriebskostenvorauszahlung andererseits angerechnet werden. Für das rechnerische Gesamtergebnis spielt es keine Rolle, ob der monatliche Minderungsbetrag ausschließlich auf die Nettomiete angerechnet wird, oder ob eine anteilige Anrechnung der Minderung sowohl auf die Nettomiete als auch auf die Betriebskostenvorauszahlung stattfindet2. 312 Eine Anwendung der Quote auf die Betriebskostenabrechnung ist ausgeschlossen, wenn die Parteien sich bei der Minderung nicht auf eine Quote, sondern einen festen Betrag geeinigt haben. Dies verhindert die Anwendung der Minderung auf die Betriebskostenabrechnung jedenfalls dann, wenn die Einigung der Parteien abschließend sein sollte. Andernfalls ist zu beachten, dass bei einer Mietstruktur, die eine Abrechnung der Betriebskosten vorsieht, die Betriebskosten ein Teil der vereinbarten (Jahres-)Miete bleiben. 313 Die Minderung ist also im Fall der vereinbarten Vorauszahlungen auch auf das Abrechnungsergebnis anzuwenden3. Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 536 Abs. 1 BGB. Denn danach ist der Mieter für die Dauer, in der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufgehoben ist, von der Mietzahlung befreit. Würde sich die Minderung bei der hier maßgeblichen Mietstruktur nur auf die laufende Zahlung beziehen, schuldete der Mieter zwar keine z.B. monatlichen Zahlungen. Über die Betriebskostenabrechnung wäre er jedoch dann verpflichtet, die Betriebskosten zu entrichten, die – weil die Ist-Vorauszahlungen mit Null anzusetzen wären – in vollem Umfang durchschlagen würden. Damit würde der Mieter aber schlechtergestellt, als § 536 BGB dies anordnet. Dies kann nur dadurch verhindert werden, dass in der Betriebskostenabrechnung ebenfalls die Minderungsquote von 100 % angesetzt wird. 314 Die Minderung muss also nach Vorlage der Betriebskostenabrechnung auf den Zeitraum des Bestehens des Mangels angerechnet werden, soweit nicht wegen unterlassener Mängelanzeige nach § 536c BGB eine Verkürzung dieses Zeitraums eintritt. Im ersten Schritt ist die Miete, die auf den relevanten Zeitraum (einschließlich abgerechneter Betriebskosten) entfällt, zu ermitteln. Dies erfolgt dadurch, dass zunächst die Jahresnettomiete zzgl. des Ergebnisses der Betriebskostenabrechnung (= Abrechnungsergebnis vor Abzug der Vorauszahlungen) durch die Tage des Jahres dividiert wird. Auf diesen Wert des Quotienten ist die Minderungsquote anzuwenden. Die so ermittelte Tagesmiete ist mit der Anzahl der Tage zu multiplizieren, an denen der Mangel geherrscht hat. Zu diesem Produkt ist das Produkt der Tagesmiete mit der Anzahl der Tage, in denen der Mangel nicht geherrscht hat, zu addieren. Diese Sum1 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 225/03, MDR 2005, 979 = NJW 2005, 1713 = WuM 2005, 384 = MietRB 2005, 202. 2 BGH v. 13.4.2011 – VIII ZR 223/10, MDR 2011, 718 = MietRB 2011, 169 = WuM 2011, 284. 3 Vgl. LG Berlin v. 7.7.2006 – 63 S 342/05, GE 2006, 1235; Günter, WuM 2012, 299 (ausdrücklich für die Gewerberaummiete); Blank, FS Bub, S. 271, 278; Leo/Schmitz, NZM 2005, 858; Kretzer, ZMR 2005, 516; Bieber, NZM 2006, 683.

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me bildet die Jahres-Sollmiete. Indem die tatsächlichen Mietzahlungen (Gesamtbetrag) dazu ins Verhältnis gesetzt werden, wird errechnet, ob der Mieter für das Abrechnungsjahr zu viel oder zu wenig Miete gezahlt hat. Berechnungsbeispiel einer Minderung für 50 Tage mit 20 %: Soll a) Grundmiete 800,00 t × 12 = 9600,00 t : 365 Tage = 26,30 v 26,30 t ./. 20 % 5,26 t 21,04 t × 50 Tage = 1 052,00 t 8 284,50 t zzgl. 315 Tage × 26,30 t = 9 336,50 v b) Betriebskosten 3000,00 t : 365 Tage = 8,22 t/Tag 8,22 t ./. 20 % 1,64 t 6,58 t × 50 Tage = 329,00 t 2 589,30 t zzgl. 315 Tage × 8,22 t 2 918,30 v c) Gesamtsoll: 12 254,80 v Jahressaldo: Gesamtsoll ./. Zahlungen Nachforderung:

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Eingang auf dem Mietkonto 9 × 1000,00 t = 3 × 800,00 t =

9 000,00 t 2 400,00 t 11 400,00 v

12 254,80 t 11 400,00 t 854,80 v

3. Ausschluss oder Beschränkung der Minderung a) Allgemeines Eine Minderung scheidet spätestens aus, wenn der Mangel behoben ist. Darüber hinaus kommt eine Minderung nicht in Betracht, wenn der Mangel unerheblich i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 3 BGB ist oder die Voraussetzungen der §§ 536b, 536c BGB vorliegen.

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Die Minderung ist weiter ausgeschlossen, wenn 317 – der Mangel vom Mieter zu vertreten ist1, also aus seiner Risikosphäre stammt2, – der Mieter die Mängelbeseitigung schuldhaft verhindert3, – der Mieter einen Vorschuss zur Mangelbeseitigung nach §§ 536a Abs. 2 Nr. 1, 242 BGB erhalten hat, die Mangelbeseitigung dann aber nicht zügig vornimmt, – der Mangel auf einer vom Mieter gewünschten Veränderung der Mietsache beruht, ohne dass der Vermieter den Mangel zu vertreten hat4. Letzteres gilt selbst dann, wenn der Änderungswunsch im Rahmen der Herbeiführung des Anfangszustandes erfolgte (Kunststoffbelag statt Teppichboden, vgl. § 536 BGB Rz. 68 f.)5. Wirken Ursachen aus der Vermieter- und Mietersphäre zusammen, ist auf den Rechtsgedanken aus § 254 BGB zurückzugreifen6. 1 MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 32 m.w.N.; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 572; Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rz. 62 unter Hinweis auf § 242 BGB; Bub/Treier/ Kraemer, III Rz. 1369 führt den Gesichtspunkt aus § 249 S. 1 BGB an. 2 BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MDR 2011, 216 = MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 97 = GE 2011, 261 = NZM 2011, 198 = ZMR 2011, 371. 3 Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1370. 4 OLG München v. 19.4.1996 – 21 U 5982/95, ZMR 1996, 434; OLG Düsseldorf v. 5.12.1991 – 10 U 10/91, ZMR 1992, 149. 5 KG v. 16.8.2004 – 12 U 310/03, MietRB 2005, 34 = GuT 2004, 230 = GE 2004, 1393 = ZMR 2004, 908. 6 LG Frankfurt v. 14.9.2010 – 19 S 22/09, ZMR 2011, 125; AG Hamburg-Wandsbek v. 29.5.2000 – 712D C 27/99, NZM 2000, 906; Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1369.

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b) § 536 Abs. 1a BGB 319 Grundsätzlich findet ein Ausschluss der Minderung nicht allein deshalb statt, weil der Vermieter Instandsetzungs- oder Modernisierungsarbeiten durchführt, denen der Mieter zugestimmt hat oder die er dulden muss1. Vielmehr können anlässlich dieser Arbeiten Minderungen schon deshalb in Betracht kommen, weil der Mieter seinen Gebrauch nicht mehr ungestört ausüben kann. Ein Ausschluss der Minderung ist in diesem Fall möglich, wenn die Parteien darüber eine Vereinbarung im Einzelfall getroffen haben. Insoweit sind an eine schlüssige Vereinbarung strenge Anforderungen zu stellen. 320 Ohne Vereinbarung kommt ein Minderungsausschluss gemäß § 536a Abs. 1a BGB in Betracht. Das setzt voraus, dass der Vermieter eine energetische Modernisierung i.S.v. § 555b Nr. 1 BGB durchführt. aa) Energetische Modernisierung 321 Der Minderungsausschluss erfasst nur solche Maßnahmen, die unter § 555b Nr. 1 BGB fallen. Diese können sowohl innerhalb (z.B. Heizungseinbau) wie außerhalb (z.B. Wärmedämmfassade) der Mieträume stattfinden. 322 Ob die Maßnahme gemäß § 555c BGB (ordnungsgemäß) angekündigt ist, ist unerheblich. Denn es kommt nur auf die Art der Maßnahme an, nicht auf die Fälligkeit des Duldungsanspruchs. Ebenso spielen Härtefallerwägungen i.S.v. § 555d Abs. 2 BGB keine Rolle. Der Mieter ist nicht entgegen § 536 Abs. 1a BGB zur Minderung berechtigt, weil die Modernisierung für ihn eine (wirtschaftliche) Härte bedeutet. Insoweit ist auch die Ausschlussfrist des § 555d Abs. 3 BGB ohne Bedeutung. bb) Gemischte Maßnahme 323 Der Minderungsausschluss erfasst nur die Auswirkungen einer energetischen Modernisierung i.S.v. § 555b Nr. 1 BGB. Werden zugleich weitere Maßnahmen, insbesondere zur Instandhaltung, Instandsetzung oder Modernisierung durchgeführt, kommt es darauf an, ob diese Maßnahmen mit der energetischen Modernisierung eine Einheit bilden oder parallel dazu ausgeführt werden. Wird z.B. eine Wärmedämmfassade aufgebracht und gleichzeitig der Außenanstrich der Fenster (von außen) erneuert, greift der Minderungsausschluss. Beide Maßnahmen führen zu den gleichen Beeinträchtigungen2. Werden aber erstmals Isolierglasfenster eingebaut (= energetische Modernisierung) und zugleich das Badezimmer erneuert, kann der Mieter die auf die Beeinträchtigungen durch die Arbeiten im und am Badezimmer entfallende Minderung durchführen3. Ob mit der energetischen Modernisierung zugleich eine Instandsetzungsmaßnahme erspart wird (z.B. Wärmedämmfassade anstatt Fassadenerneuerung), ist unerheblich. Maßgeblich ist in diesem Fall allein, dass eine energetische Modernisierung durchgeführt wird. 324 Die Abgrenzung der Beeinträchtigungen, die durch die energetische Modernisierung oder die nicht privilegierten Maßnahmen hervorgerufen wurden, erfolgt im Einzelfall nach § 287 ZPO. Dazu hat der Mieter die Anknüpfungstatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen. Deshalb muss er die Auswirkungen, die nicht auf die energetische Modernisierung entfallen, vortragen, damit das Gericht eine Abgrenzung vornehmen und die Minderungsquote berechnen kann. 325 Führen energetische Modernisierung und nicht privilegierte Maßnahme die gleiche Beeinträchtigung herbei, greift im Zweifel der Minderungsausschluss. Allenfalls wenn die weiteren Arbeiten zu einer zusätzlichen Belastung des Gebrauchs führen, muss eine Abgrenzung stattfinden.

1 LG Mannheim v. 3.7.1985 – 4 S 29/85, WuM 1986, 139. 2 Das kurzfristige Offenstehenlassen der Fenster zum Trocknen der Farbe fällt nicht ins Gewicht. 3 BT-Drucks. 17/10485, S. 18.

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cc) Minderung der Tauglichkeit Der Minderungsausschluss greift nur ein, wenn eine Beeinträchtigung der Ge- 326 brauchstauglichkeit i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegt. Denn Voraussetzung ist eine Minderung der Tauglichkeit. Ist die Tauglichkeit gemäß § 536 Abs. 1 S. 1 BGB aufgehoben, kann der Mieter auch bei einer energetischen Modernisierung mindern1. Letzteres kommt z.B. in Betracht, wenn der Vermieter eine Fußbodenheizung einbaut, so dass die Wohnung nicht mehr genutzt werden kann, weil alle Fußböden herausgerissen sind. dd) Berechnung des Dreimonatszeitraumes Der Beginn des Dreimonatszeitraumes muss nicht identisch sein, mit dem Beginn 327 der Maßnahme zur energetischen Modernisierung. Denn mit der bloßen Baustelleneinrichtung auf dem Grundstück müssen noch keine Beeinträchtigungen verbunden sein. Sinn und Zweck des Ausschlusstatbestandes besteht darin, für den Vermieter einen zusätzlichen Anreiz zur energetischen Modernisierung zu schaffen und sie zu erleichtern2. Mit Rücksicht darauf ist für den Beginn des Zeitraumes auf den Tag abzustellen, an dem die erste spürbare Beeinträchtigung, die ansonsten eine Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB begründen würde, eintritt. Der Ausschlusstatbestand endet nach drei Monaten. Eine Verlängerung durch Bau- 328 zeitverzögerungen, insbesondere z.B. ein Stillstand der Bauarbeiten, findet nicht statt. Der § 536a Abs. 1a BGB soll zugleich für den Vermieter einen Anreiz bieten, die energetische Modernisierung zügig durchzuführen. Deshalb ist auch der Grund der Verzögerung unerheblich. Es kommt weder darauf an, ob der Vermieter sie zu vertreten hat noch ob unvorhersehbare Umstände oder höhere Gewalt im Spiel waren. Selbst wenn die Maßnahme durch Dritte verzögert wird (z.B. Straßensperrung), geht dies zu Lasten des Vermieters. Dies wird in der Regel schon deshalb gelten, weil während der Dauer der Verzögerung auch Beeinträchtigungen des vertragsgemäßen Gebrauchs festzustellen sein werden. Auch eine Verlängerung nach § 193 BGB tritt nicht ein. Die Vorschrift ist nicht anwendbar. Ob das Privileg des § 536 Abs. 1a BGB mehrfach in Anspruch genommen werden 329 kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. In der Regel ist zu jeder Ankündigung einer Maßnahme i.S.d. § 555b Nr. 1 BGB der Ausschlusstatbestand anwendbar. Ausnahmen können aber gerechtfertigt sein, wenn der Vermieter verschiedene Maßnahmen sozusagen „scheibchenweise“ durchführt, also zunächst die einfachverglasten Fenster gegen Isolierglasfenster austauscht, kurze Zeit später eine Wärmedämmfassade aufbringt und nach dem nächsten Winter erst die Zentralheizung einbaut. Solange der Vermieter keine sachlichen Gründe anführen kann, ist zu vermuten, dass die Maßnahmen auch hätten zusammengefasst werden können, so dass im Zweifel die weitere Anwendung des § 536 Abs. 1a BGB nicht in Betracht kommt. Denn die privilegierte Maßnahme ist wirtschaftlich danach zu bewerten, ob sie eine Einheit bildet. Das ist z.B. der Fall, wenn (erstmals) eine Fußbodenheizung eingebaut wird, obwohl der Vermieter sie sukzessive Zimmer für Zimmer installieren lässt. Dagegen scheidet eine Zusammenlegung der Zeiträume aus, wenn der Vermieter zunächst Isolierglasfenster einbaut und längere Zeit später eine Wärmedämmfassade installiert. ee) Schadensersatzpflicht des Vermieters Nach § 241 Abs. 2 BGB ist der Vermieter zur Rücksichtnahme auf die Belange des 330 Mieters verpflichtet (vgl. § 535 BGB Rz. 503). Deshalb kann er sich schadensersatzpflichtig machen, wenn er eine Maßnahme zur energetischen Modernisierung nicht zügig durchführt, so dass er z.B. anstatt einen Monat zwei Monate bis zur Fertigstellung benötigt. Im Wege des Schadensersatzes ist dem Mieter, der die Darlegungsund Beweislast trägt, in einem solchen Fall ein Minderungsrecht für den letzten Monat zuzugestehen.

1 BT-Drucks. 17/10485, S. 18. 2 BT-Drucks. 17/10485, S. 18.

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4. Rückforderung zu viel gezahlter Miete 331 Hat der Mieter trotz eines die Gebrauchstauglichkeit herabsetzenden Mangels die volle Miete gezahlt, kann er die über die geminderte Miete hinausgehenden Zahlungen grundsätzlich gemäß § 812 BGB zurückfordern, soweit §§ 536b, 536c, 814 BGB nicht eingreifen1. Zinsen kann der Mieter auf den Rückforderungsanspruch regelmäßig nur aus dem Gesichtspunkt des Verzuges verlangen2, soweit ihm nicht der Nachweis gezogener Nutzungen nach § 818 Abs. 2 BGB gelingt. 332 Ein solcher Rückforderungsanspruch besteht insbesondere, wenn der Mieter in Unkenntnis des Mangels oder unter Vorbehalt nachträglicher Rückforderungen die volle Miete3 geleistet hat. Eine Unkenntnis des Mangels ist jedenfalls für den laufenden Monat anzunehmen, wenn der Mieter am dritten Werktag die Miete entrichtet hat und der Mangel danach, aber noch im laufenden Monat entsteht4. Der Vorbehalt muss eindeutig erklärt werden. Entsteht aufgrund der Formulierung z.B. der Eindruck, dass der Vorbehalt nur eingreifen soll, wenn die Mängel fortwirken (hier: Lärmbeeinträchtigung)5, kann der Mieter sich darauf nicht mehr berufen, wenn der beanstandete Mangel in der Form nicht mehr auftritt. Das Gleiche gilt, wenn der Vorbehalt zeitlich befristet ist („zahle ich im nächsten Monat unter Vorbehalt“). 333 Der Vorbehalt kann auch schlüssig erklärt werden. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn der Mieter den Mangel angezeigt und der Vermieter die Mängelbeseitigung angekündigt hat. Zahlt der Mieter in dieser Situation erkennbar im Vertrauen auf die Mängelbeseitigung, kann sein Verhalten i.S. eines Vorbehalts gewertet werden6. 334 Bei fortbestehendem Mietverhältnis ist der Mieter nicht gehalten, auf Rückzahlung der zu viel gezahlten Miete zu klagen. Er kann auch auf Feststellung klagen, dass er – auch für die Vergangenheit – nur die geminderte Miete schuldet, und mit dem Rückzahlungsanspruch gegenüber den künftig fällig werdenden Mietansprüchen aufrechnen7. 5. Verwirkung der Minderung 335 Der bis zum 1.9.2001 geltende § 539 BGB a.F. (= § 536b BGB) wurde analog angewendet, wenn der Mieter Kenntnis von einem während der Mietzeit entstandenen Mangel erhielt und für eine längere Zeit (in der Regel sechs Monate) die Miete vorbehaltlos zahlte8. Diese Analogie lässt sich auf § 536b BGB nicht übertragen, weil der Gesetzgeber eine analoge Anwendung des § 536b BGB als Nachfolgevorschrift des § 539 BGB a.F. nicht wünschte und damit die für die Analogie erforderliche planwidrige Lücke weggefallen ist9. 336 Ab dem 1.9.2001 kann in der gegebenen Konstellation (vorbehaltlose Zahlung der Miete in Kenntnis eines Mangels) ein Verlust der Gewährleistungsrechte nur noch 1 BGH v. 26.10.1994 – VIII ARZ 3/94, MDR 1995, 142 = NJW 1995, 254; BGH v. 16.12.1987 – VIII ZR 48/87, MDR 1988, 488 = ZMR 1988, 135. 2 AG Hamburg-Blankenese v. 7.5.2010 – 518 C 383/09, ZMR 2011, 44. 3 Der Vorbehalt kann auch dazu genutzt werden, bei einer angesetzten, moderaten Minderung die Möglichkeit offen zu halten, dass eine höhere Minderungsquote festgestellt wird. 4 LG Köln v. 29.3.2012 – 1 S 176/11, Beck RS 2012, 17154. 5 Vgl. AG Hermeskeil v. 1.2.2005 – 1 C 284/04, WuM 2005, 239. 6 OLG Düsseldorf v. 6.4.1995 – 10 U 137/94, WuM 1995, 435 = ZMR 1995, 400 = DWW 1996, 192. 7 BGH v. 12.6.1985 – VIII ZR 142/84, ZMR 1985, 403. 8 BGH v. 31.5.2000 – XII ZR 41/98, MDR 2000, 1004 = WuM 2000, 416; BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 63/95, MDR 1997, 1112 = WuM 1997, 488; OLG Düsseldorf v. 7.10.1993 – 10 U 3/93, MDR 1994, 399 = NJW-RR 1994, 399; OLG Hamm v. 23.11.1999 – 30 W 24/99, ZMR 2000, 93; OLG Frankfurt v. 17.6.1999 – 12 U 71/98, ZMR 1999, 700; OLG Frankfurt v. 22.11.1999 – 16 U 56/99, WuM 2000, 116; OLG Naumburg v. 6.2.2001 – 9 U 179/00, ZMR 2001, 617 = NZM 2002, 251; KG v. 2.7.2001 – 8 U 817/00, ZMR 2002, 111 (114); OLG Dresden v. 18.6.2002 – 5 U 260/02, WuM 2002, 541 = NZM 2002, 662; OLG Celle v. 15.5.2002 – 2 U 252/01, GuT 2002, 180 = ZMR 2002, 657. 9 BGH v. 16.2.2005 – XII ZR 24/02, ZMR 2005, 770 = GuT 2005, 56 = NZM 2005, 303; BGH v. 16.7.2003 – VIII ZR 274/02, MietRB 2003, 1 = MDR 2003, 1103 = ZMR 2003, 667 = WuM 2003, 440 = NZM 2003, 679.

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über den Tatbestand der Verwirkung eintreten1. Dazu muss sowohl das für die Verwirkung notwendige Zeitmoment als auch das Umstandsmoment vorliegen. Für das Zeitmoment können nicht die Anforderungen (in der Regel sechs Monate) 337 übernommen werden, die vor dem 1.9.2001 galten. Vielmehr kommt eine Verwirkung frühestens in Betracht, wenn der Mieter den Mangel seit einem Jahr kennt2. Für das Umstandsmoment kommt es darauf an, ob und seit wann der Vermieter den 338 Mangel kannte. Denn ohne diese Kenntnis kann er nicht darauf vertrauen, dass der Mieter künftig z.B. nicht mindert. Die Kenntnis kann er durch eigene Wahrnehmung, aber auch durch eine Mitteilung des Mieters (oder eines Dritten) gewonnen haben. Dies allein reicht aber nicht aus. Vielmehr muss aufgrund der Umstände des Einzelfalles die Annahme des Vermieters gerechtfertigt sein, dass dem Mieter seine rechtlichen Möglichkeiten bewusst sind, er sie aber nicht anwenden wird. Dazu muss der Mieter ein Verhalten an den Tag gelegt haben, mit dem er zum Ausdruck gebracht hat, dass er mindern könnte. C. Gewerberaummiete I. Allgemeines Selbstverständlich gilt auch in der Gewerberaummiete der Mangelbegriff des § 536 339 Abs. 1 BGB (vgl. § 536 BGB Rz. 73 ff.). Noch mehr als in der Wohnraummiete wird in Gewerberaummietverträgen aber die Sollbeschaffenheit des Mietobjektes umfassend und detailliert beschrieben. Solange damit die Bausubstanz selbst betroffen ist, können bei der rechtlichen Bewertung eines Mangels kaum Probleme auftauchen. Dies sieht bei Phänomenen, die der Mietsache nicht unmittelbar anhaften, aber anders aus. Hier kann die Unmittelbarkeit der Beeinträchtigung oftmals nicht auf Anhieb festgestellt werden. 1. Unmittelbarkeit der Einwirkung Zur Vermeidung einer Ausuferung des Mängelbegriffs fordert der BGH in ständiger 340 Rechtsprechung3 eine Unmittelbarkeit der Einwirkungen auf die Mietsache. Ähnlich wie bei Umweltmängeln (vgl. § 536 BGB Rz. 136) können insoweit Probleme auftreten bei – einer Konkurrenzschutzverletzung4; – einer Behinderung des Zugangs zu einem Geschäftslokal und zur Einhaltung eines bestimmten Mietermix5; – einer Zusicherung einer Vollvermietung und bestimmten Mieterstruktur6; – einer enttäuschten Gewinnerwartung in einem Einkaufszentrum7; – öffentlich-rechtlichen Hindernissen8; – enttäuschter Gewinnerwartung bei geringer Kundenfrequenz9; – Zugangsbehinderung10; – Hochwassergefährdung des Mietobjekts11. 1 So ausdrücklich: BGH v. 16.7.2003 – VIII ZR 274/02, MietRB 2003, 1 = MDR 2003, 1103 = ZMR 2003, 667 = WuM 2003, 440 = NZM 2003, 679; a.A. Lehmann-Richter, DMT-Bilanz, S. 134, 136. 2 Ohne zeitliche Festlegung: Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VIII 409; Wetekamp, DMT-Bilanz, S. 151, 155. 3 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553; BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, NJW 2009, 664, 665 jeweils m.w.N. 4 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553. 5 BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, NJW 2009, 664 (665). 6 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, NJW 2006, 899 (900). 7 BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714 (1715). 8 BGH v. 11.12.1991 – XII ZR 63/90, WPM 1992, 583 (585). 9 BGH v. 1.7.1981 – VIII ZR 192/80, NJW 1981, 2405. 10 OLG Hamm v. 24.10.1995 – 7 U 171/94, OLGR Hamm 1996, 76 = NJWE-MietR 1996, 80. 11 BGH v. 9.12.1970 – VIII ZR 149/69, NJW 1971, 424 (425).

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341 Zur Feststellung der Unmittelbarkeit reichen abstrakte Gefahren (z.B. Verletzung von Normen) nicht aus1. Erst die konkreten Einwirkungen und Risiken begründen auch eine direkte Auswirkung auf den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache. Ausschlaggebend sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalles. 342 Mit Rücksicht darauf hängt die Frage, ob ein Mangel der Mietsache unmittelbar anhaftet, zunächst vom Vertragszweck ab2. Deshalb fehlt die Unmittelbarkeit bei der Störung einer Parkplatznutzung, wenn das Warensortiment des Geschäfts keinen Autotransport erfordert3. Doch selbst wenn eine Warenanlieferung stattfindet, ist ein Mangel nicht wegen der Erschwerung der Zufahrt durch vorschriftswidrig abgestellte Fahrzeuge begründet, sofern das Mietobjekt mit einem kleineren Lkw ohne weiteres noch erreichbar ist4. 343 Dagegen liegt die Unmittelbarkeit schon in der Nachhaltigkeit, wenn ein Ladenlokal an einem zentralen Platz in einer Großstadt vermietet ist, nach etwa einem Jahr umfangreiche Bauarbeiten auf dem Platz beginnen und damit verbundene Erdaushubarbeiten (wegen des Baus einer Tiefgarage) in unmittelbarer Nähe des Ladenlokals stattfinden, so dass über Jahre hinweg der Zugang zu dem Ladenlokal nur über Bretterstege möglich ist5. Das Gleiche soll bei einer Baustelle gelten, durch die der Zugang zu einem Arkadengang behindert wird6, oder wenninfolge eines U-Bahn-Baus die Gehwegbreite vor dem Ladenlokal verringert wird7. 344 Wird der Zugang zu einem Geschäftslokal nach Einrichtung einer Drogenberatungsstelle mit „Drogencafé“ im Nachbarhaus durch Auswirkungen der Drogenszene beeinträchtigt, steht dem Mieter gegen den Vermieter, ohne dass diesen ein Verschulden treffen müsste, ein Minderungsanspruch (hier: 50 %) wegen eines Fehlers der Mietsache zu8. 345 Ohne besondere Absprachen9 kann aus der bloßen Vereinbarung einer deutlich über den örtlichen Spitzenpreisen liegenden Miete, auch vor dem Hintergrund eines das „einmalige Ambiente“ und die „angenehme Atmosphäre“ hervorhebenden Exposés, noch keine Verpflichtung des Vermieters abgeleitet werden, einen bestimmten „Mietermix“ oder ein bestimmtes „Milieuniveau“ zu bewahren, das zumindest „eher über dem Durchschnitt liegenden Anforderungen“ gerecht werden muss10 (vgl. § 536 BGB Rz. 369). 2. Festlegung der Sollbeschaffenheit 346 In der Gewerberaummiete spielt die individuelle Festlegung der Sollbeschaffenheit eine entscheidende Rolle. Denn viele Gewerbe erfordern besondere bauliche Voraussetzungen. So erhält ein Gastronom, der Speisen herstellen will, keine Konzession, wenn die durch Betriebseinrichtungen in der Mietsache entstehenden Dämpfe und Dünste nicht über eine Abluftanlage entsorgt werden, die die Küchengerüche über die letzte bewohnte Etage des Gebäudes hinausführt und im Übrigen der VDI-Richtlinie 2052 entspricht. Eine weitere Mindestvoraussetzung bildet eine nach Geschlechtern getrennte Toilettenanlage. Eine Apotheke erhält keine Betriebserlaubnis, wenn nicht die Anforderungen der ApBetrO insbesondere hinsichtlich der besonderen Bedingungen für eine sog. Rezeptur, also dem in jeder Apotheke notwendigen Raum zur Herstellung von besonderen Medikamenten, zur Verfügung gestellt werden. 1 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553. 2 BGH v. 1.7.1981 – VIII ZR 192/80, MDR 1982, 135 = NJW 1981, 2405; OLG Dresden v. 6.2.2001 – 23 U 2407/00, ZMR 2002, 261; OLG Naumburg v. 13.12.1996 – 6 U 126/96, WuM 1997, 675. 3 BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714. 4 KG v. 13.1.2003 – 8 U 83/03, zitiert nach juris. 5 OLG Dresden v. 18.12.1998 – 5 U 1774/98, WuM 1999, 158 = ZMR 1999, 241. 6 OLG Hamburg v. 6.12.2000 – 4 U 121/00, WuM 2003, 146; vgl. auch OLG Düsseldorf v. 18.11.1997 – 24 U 261/96, MDR 1998, 768 = ZMR 1999, 471. 7 LG Düsseldorf v. 13.3.2012 – 9 O 193/11, ZMR 2012, 775. 8 OLG Hamm v. 24.10.1995 – 7 U 171/94, OLGR Hamm 1996, 76 = NJWE-MietR 1996, 80. 9 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553. 10 BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, zitiert nach juris.

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Schließlich werden an Gewerberäume, in denen z.B. durch Bäcker, Metzger etc. Lebensmittel produziert werden sollen, besondere hygienische Anforderungen nach der LebensmittelhygieneV1 gestellt, wozu u.a. Fliesen einer bestimmten Abriebklasse in den Produktionsräumen gehören. Solange die Parteien keine (wirksame) abweichende Vereinbarung treffen, über- 347 nimmt der Vermieter mit der Festlegung des Vertragszwecks („… zum Betrieb eines …“) die Garantie, dass jedenfalls die baulichen Gegebenheiten der Erteilung der Betriebserlaubnis, Konzession etc. nicht entgegenstehen. Immerhin gehört es zu seinen Hauptpflichten, den vertragsgemäßen Zustand zur Verfügung zu stellen, § 535 Abs. 1 S. 2 BGB2. Dementsprechend kann der Mieter erwarten, dass er die gemieteten Räumlichkeiten auch „zum Betrieb“ nutzen kann. Soll nach den Vorstellungen der Parteien innerhalb der Mietsache eine unterschiedli- 348 che Qualität der Nutzung stattfinden und dies auf (abtrennbare) Teile der Mietsache beschränkt werden, muss die Sollbeschaffenheit entsprechend differenziert festgelegt werden (z.B. „… Fläche zum Betrieb als … sowie Keller als Lager …“). Denn bezieht sich der Nutzungszweck auf alle Räume, muss die gesamte Mietsache im Zweifel für den Betrieb des Mieters geeignet sein. Deshalb kann z.B. der Freiberufler, in dessen Mietvertrag über eine Einheit in einem Altbau sich der Nutzungszweck auch auf Kellerflächen bezieht, verlangen, dass die Kellerräume nicht nur zur Lagerung von gegen Feuchtigkeit unempfindlichen Gegenständen geeignet sind, sondern dass eine Nutzung als Lager, Werkstatt, Aufenthaltsraum, Büro und WC möglich ist3. Dies gilt erst recht, wenn die Kellerräume zuvor durch den Vermieter entsprechend ausgebaut worden waren und bereits vom Vormieter im Rahmen des gleichen Betriebes in ähnlicher Weise genutzt worden sind. 3. Rückgriff auf Standards Auch beim Gewerberaummietvertrag reicht allein die Verletzung eines Standards zur Annahme eines Mangels i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB nicht aus. Vielmehr werden hier ebenfalls die Gewährleistungsrechte erst ausgelöst, wenn zusätzlich eine Beeinträchtigung des Mietgebrauchs festgestellt werden kann4, wozu im Wesentlichen auf den Vertragszweck abzustellen ist.

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Dazu gehört z.B. bei einem Gewerbe, dass der vorgesehene Beruf oder das vorgesehe- 350 ne Gewerbe in den Mieträumen unter Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen ausgeübt werden kann. Da regelmäßig für die Gewerbe spezielle Richtlinien bestehen, die auch Anforderungen an den Gebäudezustand stellen (vgl. § 536 BGB Rz. 346), müssen auch diese grundsätzlich beachtet werden. Nicht alle davon müssen aber unbedingt vom Gebäudeeigentümer/Vermieter eingehalten werden und sind daher nicht ohne besondere Vereinbarung Gegenstand des vertragsgemäßen Zustandes. Dies gilt z.B. bei der Vermietung von Büroräumen. Vorbehaltlich abweichender Ver- 351 einbarungen sollen sie so gestaltet sein müssen, dass § 6 Abs. 1 ArbStättV5 eingehalten werden kann. Danach soll die Innentemperatur von Arbeitsräumen 26 °C nicht überschreiten, jedenfalls soll gewährleistet sein, dass bei höheren Außentemperaturen die Innentemperatur mindestens 6 °C niedriger liegt. Sind die Räume nicht geeignet, diese Vorgaben einzuhalten, soll ein Mangel der Mietsache jedenfalls in den Zeiträumen der Überhitzung vorliegen6. 1 OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 195/09, MietRB 2010, 225 = MDR 2010, 1244 = ZMR 2011, 118 = NZM 2010, 820. 2 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274. 3 KG v. 5.7.2010 – 12 U 172/09, GuT 2010, 218. 4 OLG Celle v. 19.7.1984 – 2 UH 1/84, WuM 1985, 9; LG Göttingen v. 1.6.1988 – 5 S 94/87, WuM 1989, 409. 5 S. dazu die Arbeitsstättenrichtlinien 6/1,3 (ASR). 6 OLG Naumburg v. 17.6.2003 – 9 U 82/01, MietRB 2004, 72 = NJW-RR 2004, 299; OLG Rostock v. 29.12.2000 – 3 U 83/98, NZM 2001, 425 = NJW-RR 2001, 802; OLG Düsseldorf v. 4.6.1998 – 24 U 194/96, MDR 1998, 1217 = ZMR 1998, 622; OLG Hamm v. 18.10.1994 – 7 U 132/93, NJW-RR

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352 Diese undifferenzierte Betrachtungsweise ist nicht gerechtfertigt. Es bestehen bereits Bedenken, ob der Anwendungsbereich der ArbeitsstättenV den Gebäudeeigentümer trifft1. Entscheidend ist aber zunächst, dass erhöhte Raumtemperaturen im Sommer, die durch die konkreten Witterungsverhältnisse bedingt sind, grundsätzlich keinen Mangel eines Gebäudes darstellen2. Wenn insoweit eine Begrenzung der Temperatur erfolgen soll, muss dies im Mietvertrag vereinbart sein. Eine solche Abrede ist in dem Nutzungszweck „Büro“ weder ausdrücklich noch konkludent enthalten. Immerhin stellt eine Klimatisierung der Räume auch heutzutage noch keine Standardausstattung dar. Die ArbStättV gibt auch keinen tauglichen Anknüpfungspunkt dafür, ob und welche Raumtemperaturen einen Mietmangel darstellen3. Gemäß § 1 Abs. 1 ArbStättV dient die Verordnung der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten. Ihr Ziel ist es hingegen nicht, Regeln darüber aufzustellen, welche Anforderungen ein Gewerberaum erfüllen muss, um mangelfrei i.S.d. Mietrechts zu sein. Vielmehr richtet sich die ArbStättV an den Arbeitgeber, nicht den Vermieter. Im Übrigen muss hinsichtlich der Tauglichkeit auf die Bezugsfertigkeit des Gebäudes abgestellt werden (vgl. dazu § 536 BGB Rz. 98). Galt zu diesem Zeitpunkt die ArbStättV4 z.B. noch nicht, konnte der Vermieter sie ohnehin nicht beachten5. 353 Deshalb bleibt für einen Baumangel als Richtlinie bzw. Standard die DIN 4108-2. Darin sind die Mindestanforderungen an den Wärmeschutz geregelt, der neben der EnEV den Mindestwärmeschutz von Bauteilen erfasst sowie den sommerlichen Wärmeschutz festlegt6. II. Einzelne Mängel der Mietsache 1. Berechnung der Fläche bei Gewerberaum 354 Die Rechtsprechung zur Flächenabweichung gilt grundsätzlich auch in der Gewerberaummiete7. Für die Berechnung der Fläche von Gewerberaum stehen mehrere Methoden zur Verfügung (z.B. DIN 277, Mietflächen für gewerblichen Raum (MF/G) von der gif8 2012, Frankfurter Aufmaß). Deshalb kommt es darauf an, ob die Parteien dazu eine Festlegung getroffen haben. 355 Da bei Gewerberaum regelmäßig die Nutzfläche maßgeblich ist, kann der Mieter nicht erwarten, dass die Größe der Räume wie eine Wohnfläche ermittelt wird, also Raumteile mit einer geringeren (lichten) Höhe als 2 m nur anteilig berücksichtigt werden9. Hier ist es ohne weiteres zulässig, die DIN 277 zu vereinbaren, wonach die Bruttomietfläche, die durch Übermessen der Innenwände ermittelt wird, der Mietpreisberechnung zugrunde gelegt werden kann10. Ist das nicht geschehen, sind die Flächen der Räume zu bewerten, die in der Beschreibung des Mietobjektes genannt sind oder von einer Grundrisszeichnung erfasst werden11. Damit kommen u.U. auch

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1995, 143; OLG Köln v. 28.10.1991 – 2 U 185/90, MDR 1993, 973 = WuM 1995, 35 = NJW-RR 1993, 466. Dagegen OLG Frankfurt v. 19.1.2007 – 2 U 106/06, MietRB 2007, 228 = NZM 2007, 330; Busse, NJW 2004, 1982; Harms, NZM 2005, 441. OLG Karlsruhe v. 17.12.2009 – 9 U 42/09, MietRB 2010, 228 = MDR 2010, 564 = GE 2010, 542 = GuT 2010, 212. OLG Karlsruhe v. 17.12.2009 – 9 U 42/09, MietRB 2010, 228 = MDR 2010, 564 = GE 2010, 542 = GuT 2010, 212; OLG Frankfurt v. 19.1.2007 – 2 U 106/06, MietRB 2007, 228 = NZM 2007, 330; Busse, NJW 2004, 1982; Harms, NZM 2005, 441. Sie trat zum 1.1.1976 in Kraft und wurde 2004 neu gefasst. Vgl. Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 248 m.w.N. Vgl. OLG Brandenburg v. 12.9.2012 – 3 U 100/09, IMR 2012, 505. BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MietRB 2005, 259 = MDR 2005, 975 = ZMR 2005, 612 = GuT 2005, 163. Gesellschaft für Immobilienforschung e.V. (m2www.gif-ev.de). KG v. 30.9.2005 – 12 U 213/04, MietRB 2006, 124 = GuT 2006, 133. BGH v. 4.10.2000 – XII ZR 44/98, NZM 2001, 234. KG v. 5.2.2009 – 12 U 122/07, MDR 2009, 499 = GE 2009, 516.

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Flächen zur Anrechnung, die vom Mieter nicht alleine genutzt werden. Inhaltlich kann der Vermieter in diesem Fall auf die DIN 277 zurückgreifen1. Allein die Vereinbarung eines Vertragszwecks (hier: Betrieb einer Anwaltskanzlei) 356 steht dabei der Einbeziehung von Terrassen- oder Balkonflächen nicht entgegen2. Enthält der Mietvertrag aber eine Klausel, nach der bei einer nachträglich festgestellten Flächenabweichung keine Partei eine Änderung der Miete verlangen kann, ergibt die Auslegung, dass die Miete nicht von der Fläche abhängig sein soll, so dass eine Minderung nicht geltend gemacht werden kann3. Wird im Mietvertrag auf die DIN 277-1 verwiesen und z.B. die „Nettogrundfläche“ ver- 357 einbart, herrscht oft das Verständnis vor, dass die Mietflächen unter nicht tragenden Innenwänden nicht zu berücksichtigen sind, was sich aus dem Wortlaut der DIN selbst allerdings nicht ohne weiteres ergibt4. Nach den Erläuterungen des Deutschen Instituts für Normung e.V. handelt es sich bei der Nettogrundfläche (NGF) der DIN 277-1 um „die Summe der Grundflächen aller Grundrissebenen eines Bauwerks ohne die Konstruktionsflächen“, wobei die Nettogrundfläche weiter unterteilt ist in Nutzfläche, Technische Funktionsfläche und Verkehrsfläche. Die Konstruktionsfläche wiederum bildet „die Summe der Grundflächen der aufgehenden Bauteile aller Grundrissebenen eines Bauwerkes von“ u.a. Wänden, raumhohen Vormauerungen und Bekleidungen5. Ein Übermessen der nicht tragenden Innenwände ist aber ausgeschlossen, wenn die 358 Parteien trotz Verwendung des Begriffs „Nettogrundfläche“ davon ausgegangen sind, dass bei dieser Berechnungsmethode auch die unter diesen aufstehenden Bauteilen befindliche Fläche berücksichtigt wird6. Die vollständige Flächenerfassung ist insbesondere dann nicht ungewöhnlich, wenn die Herrichtung der Mietsache nach den Vorgaben des Mieters erfolgt7, so dass dessen kleinteilige Aufteilung ansonsten zu einer (willkürlichen) Reduzierung der Mietfläche führen würde. Eine von dem Gewerberaummieter genutzte Außenfläche ist bei der Nutzflächenbe- 359 rechnung nur dann zu berücksichtigen, wenn dem Gewerberaummieter die Außenfläche mitvermietet worden ist. Schließen die Parteien unter Abänderung des ursprünglichen Mietvertrages, in dem die Außenfläche nicht mitvermietet worden war, einen neuen Mietvertrag, ist die Außenfläche bei der Flächenberechnung nur dann zu berücksichtigen, wenn sie bei Abschluss des neuen Mietvertrages mitvermietet worden ist, der Vermieter also dem Mieter die Nutzung nicht lediglich gestattet hat, und aufgrund der Vereinbarungen davon auszugehen ist, dass die Außenfläche bei der Berechnung der Nutzfläche mit berücksichtigt werden soll. Letzteres ist nicht der Fall, wenn die vereinbarte Erhöhung der Miete ersichtlich in keinem Zusammenhang mit der Nutzung der Außenfläche steht und die Größe der Außenfläche in dem Nachtrag zu dem ursprünglichen Mietvertrag nicht genannt ist8. Ob eine von dem Gewerberaummieter genutzte Außenfläche bei der Nutzflächenberechnung voll oder lediglich anteilig zu berücksichtigen ist, hängt im Übrigen von der Mietpreiskalkulation ab. Bei der Vermietung vom Reißbrett kann die Flächenangabe ebenso eine zugesicherte 360 Eigenschaft begründen wie bei der Angabe der Mietfläche unter der Überschrift „Mietzins“ (vgl. § 536 BGB Rz. 218). Enthält der Mietvertrag aber eine Klausel, nach der bei einer nachträglich festgestellten Flächenabweichung keine Partei eine Ände-

1 OLG Düsseldorf v. 17.11.2001 – 24 U 56/11, GE 2012, 616; KG v. 22.10.2001 – 20 U 3713/00, GE 2002, 257. 2 OLG Düsseldorf v. 16.1.2003 – 10 U 182/01, ZMR 2005, 943. 3 OLG Düsseldorf v. 16.1.2003 – 10 U 182/01, ZMR 2005, 943. 4 Vgl. hierzu z.B. OLG Düsseldorf v. 13.1.1994 – 10 U 62/93, WE 1995, 373. 5 Vgl. hierzu DIN, Deutsches Institut für Normung e.V. DIN 277 „Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau“ unter http://messdat.de/310-DIN277.pdf. 6 KG v. 17.5.2010 – 12 U 211/08, MietRB 2010, 224 = ZMR 2010, 951. 7 Vgl. hierzu auch BGH v. 4.10.2000 – XII ZR 44/98, NJW-RR 2001, 439. 8 AG Bad Segeberg v. 22.1.2011 – 17 C 179/10, zitiert nach juris.

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rung der Miete verlangen kann, soll die Auslegung ergeben, dass die Miete nicht von der Fläche abhängig ist, so dass eine Minderung ausscheidet1. 361 Bei der Berechnung der Minderung kann es auf die unterschiedliche Qualität der Flächen ankommen (z.B. Laden und Keller). Lässt sich der Mangel (hier: Flächenabweichung) eindeutig einem bestimmten Bereich zuordnen, kann die Minderung nach dem Mietanteil für diese Fläche berechnet werden. Dies gilt selbst dann, wenn für die verschiedenen Teile der Mietsache keine besondere Miete im Mietvertrag angegeben ist2 (vgl. § 536 BGB Rz. 302). 2. Konkurrenzschutzverletzung 362 Ob eine Konkurrenzschutzverletzung als Mietmangel anzusehen ist, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich bewertet. Während die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung für die Annahme eines Mietmangels plädiert3, vertreten andere Gerichtsentscheidungen4 sowie aktuelle Stimmen aus der Literatur5 die gegenteilige Auffassung6. 363 Der BGH hat sich der überwiegenden Auffassung angeschlossen7, nach der eine Verletzung der Konkurrenzschutzpflicht zu einem Mangel der Mietsache führt. Sowohl die Verletzung des sog. vertragsimmanenten als auch die des ausdrücklich vereinbarten Konkurrenzschutzes sollen Störungen darstellen, die außerhalb der Mietsache liegen und die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch unmittelbar beeinträchtigen können. Bei der Vermietung von Räumen zum Betrieb eines bestimmten Geschäfts gehöre es auch ohne ausdrückliche Vereinbarung zur Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs gemäß § 535 BGB, in anderen Räumen des Hauses oder auf unmittelbar angrenzenden Grundstücken des Vermieters kein Konkurrenzunternehmen zuzulassen8. Die Verpflichtung des Vermieters zum Schutz des Mieters vor Konkurrenz auch bei Fehlen einer vertraglichen Regelung beruhe auf der Erwägung, dass es zur Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs gehört, dass der Vermieter den Mieter in dem vertraglich vereinbarten Gebrauch zum Betrieb des vereinbarten Geschäfts bzw. Gewerbes nicht behindert. Dabei sei der Vermieter allerdings nicht gehalten, dem Mieter jeden fühlbaren oder unliebsamen Wettbewerb fernzuhalten. Vielmehr sei nach den Umständen des einzelnen Falles abzuwägen, inwieweit nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Belange der Parteien die Fernhaltung von Konkurrenz geboten ist. Für einen vertraglichen Konkurrenzschutz gelte nichts anderes9. Durch die ausdrückliche Vereinbarung der Verpflichtung werde der geschuldete vertragsgemäße Gebrauch dahin konkretisiert, dass dem Mieter der von bestimmter Konkurrenz ungestörte Gebrauch der Mieträume eingeräumt wird. 364 Allerdings setzt die Minderung der Miete neben dem Vorliegen eines Mangels voraus, dass dadurch der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. Hierzu müssen besondere Feststellungen getroffen werden. Da1 OLG Düsseldorf v. 16.1.2003 – 10 U 182/01, ZMR 2005, 943. 2 BGH v. 18.7.2012 – XII ZR 97/09, WuM 2012, 550. 3 Vgl. OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 174/00, NZM 2001, 1033; KG v. 25.1.2007 – 8 U 140/06, NZM 2007, 566; OLG Koblenz v. 15.12.2006 – 10 U 1013/05, NZM 2008, 405; offen gelassen: BGH v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, MDR 2007, 202 = NJW 2006, 3060. 4 Vgl. BGH v. 23.12.1953 – VI ZR 244/52, BB 1954, 177; OLG Dresden v. 20.7.2010 – 5 U 1286/09, MDR 2010, 1445 = MietRB 2011, 44 = NZM 2010, 818; OLG Frankfurt v. 1.7.1985 – 4 U 167/84, EWiR 1985, 555. 5 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 729 f.; Leo/Ghassemi-Tabar, NZM 2009, 337 (342 f.). 6 Differenzierend Hübner/Griesbach/Schreiber in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 176 f. (Mietmangel nur bei Verstoß gegen den vertragsimmanenten Konkurrenzschutz, nicht aber bei Verstoß gegen den vertraglich vereinbarten Konkurrenzschutz). 7 BGH v. 10.10.2012 – XII ZR 117/10, MDR 2012, 1396 = NJW 2013, 44 = ZMR 2013, 101; kritisch dazu: Oprée/Reinhard, NZM 2013, 16 f.; vgl. auch § 535 BGB Rz. 1095. 8 Sog. vertragsimmanenter Konkurrenzschutz: BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 101/76, MDR 1978, 400 = NJW 1978, 585 (zur Vermietung von Arztpraxisräumen); BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, NJW 1979, 1404 (1405). 9 A.A. Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 183.

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bei wird darauf abzustellen sein, inwieweit die Konkurrenz die Ertragskraft der Räume, das wesentliche Merkmal einer wettbewerbslosen Situation, negativ beeinflusst. 3. Zugangsbehinderung Auch und gerade in der Gewerberaummiete haben Umweltfehler (vgl. § 536 BGB 365 Rz. 136 ff.) eine besondere Bedeutung. Insbesondere kommen Störungen des Gebrauchs durch bestimmte äußere Einflüsse auf die Mietsache1 oder veränderte Umstände im Umfeld2 in Betracht. Insoweit ist für die Annahme eines Mangels i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB maßgeblich, ob der Mieter bestimmte Eigenschaften des Umfeldes der Mietsache als unveränderlich voraussetzen durfte3. Der ungehinderte Zugang zu den Mieträumen ist Voraussetzung für eine vertrags- 366 gemäße Nutzung insbesondere dann, wenn Gewerberäume vermietet wurden, und das dort betriebene Gewerbe auf Kundenverkehr angewiesen ist. Die Zugangsbehinderung stellt daher grundsätzlich einen Mangel dar, auch wenn sie durch nicht vom Vermieter beeinflussbare Bauarbeiten hervorgerufen wird4. Dies gilt allerdings nicht ohne Ausnahme. Denn erforderlich ist stets, um Ausuferungen des Fehlerbegriffs zu vermeiden, eine 367 unmittelbare Beeinträchtigung der Tauglichkeit bzw. eine unmittelbare Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache (vgl. § 536 BGB Rz. 340 f.). Demgegenüber sind Umstände, die die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nur mittelbar berühren, nicht als Mängel zu qualifizieren5. Insbesondere rein abstrakte Auswirkungen auf die Mietsache können nicht die Annahme eines Mangels rechtfertigen. Die Unmittelbarkeit ist im Einzelfall anhand der konkreten Umstände festzustellen: 368 Sie kann sich bei einer Behinderung des Zugangs zu einem Geschäftslokal durch die Einrichtung einer Drogenberatungsstelle ergeben, wenn die Drogenabhängigen auf dem Gehweg zusammenstehen, weil es sich um eine dauerhafte Veränderung handelt, auf deren Beseitigung der Vermieter keinen Einfluss hat6 (vgl. auch § 536 BGB Rz. 344). Das Gleiche soll bei einer nicht nur vorübergehenden Baustelle gelten, durch die der Zugang zu einem Arkadengang behindert wird7, oder wenn infolge eines U-Bahn-Baus die Gehwegbreite vor dem Ladenlokal verringert wird8. Darüber hinaus kann sich die Unmittelbarkeit aus der Nachhaltigkeit der Auswirkungen ergeben. Das ist z.B. der Fall, wenn ein Ladenlokal an einem zentralen Platz in einer Großstadt vermietet ist, nach etwa einem Jahr umfangreiche Bauarbeiten auf dem Platz beginnen und damit verbundene Erdaushubarbeiten (wegen des Baus einer Tiefgarage) in unmittelbarer Nähe des Ladenlokals stattfinden, so dass über Jahre hinweg der Zugang zu dem Ladenlokal nur über Bretterstege möglich ist9. 4. Zusammenstellung der Mieterschaft (Mietermix) Es ist bereits zweifelhaft, ob die Parteien ein bestimmtes Niveau der Mieter oder eine 369 besondere Zusammenstellung des Mieterklientels als Beschaffenheitsvereinbarung

1 OLG Hamm v. 24.10.1995 – 7 U 171/94, OLGR Hamm 1996, 76 = NJWE-MietR 1996, 80 (Behinderung des beschwerdefreien Zugangs zu einem gemieteten Geschäftslokal über längere Zeit). 2 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, MDR 2006, 506 = GuT 2006, 19 (fehlende Vermietung von Nachbarflächen in einem Einkaufszentrum ist kein Mangel). 3 LG Heidelberg v. 26.2.2010 – 5 S 95/09, WuM 2010, 148 (Eröffnung eines Supermarktes auf dem Nachbargrundstück). 4 OLG Köln v. 9.5.1972 – 15 U 180/71, NJW 1972, 1814; OLG Dresden v. 18.12.1998 – 5 U 1774/98, WuM 1999, 158. 5 BGH v. 21.9.2006 – XII ZR 66/03, MDR 2006/506 = NJW 2006, 899 (900); BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714 (1715) m.w.N. 6 OLG Hamm v. 24.10.1995 – 7 U 171/94, OLGR Hamm 1996, 76 = NJWE-MietR 1996, 80. 7 OLG Hamburg v. 6.12.2000 – 4 U 121/00, WuM 2003, 146; vgl. auch OLG Düsseldorf v. 18.11.1997 – 24 U 261/96, MDR 1998, 768 = ZMR 1999, 471. 8 LG Düsseldorf v. 13.3.2012 – 9 O 193/11, ZMR 2012, 775. 9 OLG Dresden v. 18.12.1998 – 5 U 1774/98, WuM 1999, 158 = ZMR 1999, 241.

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regeln können. Jedenfalls bedarf es zur Begründung der Pflicht des Vermieters, einen bestimmten „Mietermix“ oder ein bestimmtes „Milieuniveau“ zu bewahren1, einer ausdrücklichen Vereinbarung. Allein aus der Preisabsprache lässt sich jedenfalls keine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung herleiten (vgl. § 536 BGB Rz. 345). 370 Deshalb kann allein – auch bei anderem Mietenniveau – die Vermietung von Büroflächen an die ARGE2 oder eine Massagepraxis mit bordellartigen Leistungen3 keinen Mangel begründen. Selbst wenn sich unter den Besuchern der ARGE einschließlich der von ihr für ihre Kunden betriebenen Schuldner- und Suchtberatung ein überdurchschnittlich hoher Anteil sozial auffällig gewordener Personen befindet, könnte ein solcher Personenkreis auch als Mandanten eines Strafverteidigers, Klienten eines Bewährungshelfers und Patienten eines Psychiaters in Betracht kommen, was für sich allein die Annahme eines Mangels noch nicht rechtfertigt. Dies setzt vielmehr voraus, dass der vertragsgemäße Mietgebrauch hierdurch konkret beeinträchtigt wird4. Nichts anderes gilt bei einem bordellartigen Betrieb. 5. Enttäuschte Gewinnerwartung 371 Bei der Gewerberaummiete trägt grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache5. Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich seine Gewinnerwartung nicht, verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters. Danach fällt es in den Verantwortungsbereich des Mieters, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäfts in der gewählten Lage abzuschätzen. Das umfasst auch das Risiko einer Veränderung der Mieterstruktur im Umfeld des Mietobjektes. 372 Eine davon abweichende (teilweise) Risikoübernahme durch den Vermieter kommt in Betracht, wenn der Mietvertrag vorsieht, dass der Vermieter für den geschäftlichen Erfolg des Mieters die (Mit-)Verantwortung übernommen hat. Das kann z.B. dadurch eintreten, dass der Vermieter dem Mieter die Werbung für das eigene Geschäft verbietet und selbst ein einheitliches Werbekonzept für die Immobilie verwirklicht6. 373 Vor diesem Hintergrund wird der vertragsgemäße Gebrauch der Räume auch nicht durch den Leerstand anderer Räume in einem Einkaufszentrum beeinträchtigt7. Ebenso kann der Mieter über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) weder eine Anpassung des Vertrages noch eine Kündigung erreichen, wenn er die Mieträume zum Betrieb eines Cafés anmietet, als der Vermieter noch plant, die Obergeschosse als Büroräume zu vermieten, sie dann aber zu Wohnungen ausbaut, weil sich die Gewerbeflächen nicht vermarkten lassen8. Denn eine Vereinbarung über eine abweichende Risikoverteilung ergibt sich weder aus einer Zusage des Vermieters über die Nutzung der anderen Flächen im Objekt noch aus der übereinstimmenden Vorstellung der Parteien, dass die über den Mieträumen gelegenen vier Stockwerke als Büroeinheiten genutzt werden. Auch aus der Bezeichnung der Einheiten als „Büro“ in der Gesamtflächenzusammenstellung, die dem Mietvertrag als Anlage beigefügt ist, lässt sich nicht herleiten, dass der Vermieter ein eigenes unternehmerisches Risiko für die auf die Vermietung der ersten vier Stockwerke als Büroeinheiten gestützte Gewinnerwartung des Mieters übernehmen wollte. 1 2 3 4 5

BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553. BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, zitiert nach juris. BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553. BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, zitiert nach juris. BGH v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, MDR 2000, 79 = NZM 2000, 36 (40); BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714 (1716); BGH v. 19.7.2000 – XII ZR 176/98, MDR 2001, 22 = NJW-RR 2000, 1535 (1536); BGH v. 26.5.2004 – XII ZR 149/02, MDR 2004, 1233 = MietRB 2004, 261 = NJW-RR 2004, 1236; BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, MDR 2006, 506 = MietRB 2006, 263 = NJW 2006, 899 (901). 6 BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714 (1716); BGH v. 19.7.2000 – XII ZR 176/98, MDR 2001, 22 = NJW-RR 2000, 1535 (1536). 7 Fritz, NZM 2008, 825 (829). 8 BGH v. 17.3.2010 – XII ZR 108/08, MDR 2010, 737 = MietRB 2010, 160 = GuT 2010, 100 = ZMR 2010, 598 = DWW 2010, 296.

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Anders verhält es sich bei einem Shop-in-Shop-Untermietvertrag. Hier gehört der 374 Fortbestand des Ladengeschäfts des Hauptmieters regelmäßig zur Geschäftsgrundlage des Untermietvertrages, so dass eine Veränderung der Situation durch den Hauptmieter jedenfalls zum Wegfall der Geschäftsgrundlage führen kann1. Stellt der Hauptmieter die Tätigkeit ein, kann ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 536a BGB (Verschuldenshaftung) bestehen. 6. Öffentlich-rechtlicher Mangel a) Allgemein Allein weil die Räume nicht die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen einhalten, die 375 für die gewerbliche Nutzung generell oder die Nutzung durch den Mieter speziell gelten, ist auch kein Mangel der Mietsache gegeben. Auch hier gelten die Anforderungen des § 536 Abs. 1 S. 3 BGB, die grundsätzlich erst gegeben sind, wenn die Behörde ihr Einschreiten ankündigt (vgl. § 536 BGB Rz. 197)2. Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränkungen, die 376 dem vertragsgemäßen Gebrauch eines Mietobjekts entgegenstehen, begründen allerdings nur dann einen Sachmangel i.S.d. §§ 536 ff. BGB, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben3. Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Mietverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerblichen Mietobjekts, kann dies nachträglich einen Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB begründen4. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme be- 377 wirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht. Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Mieters5. Denn der Vermieter von Gewerberäumen ist gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich verpflichtet, den Mietgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache trägt bei der Gewerberaummiete dagegen grundsätzlich der Mieter6 (vgl. § 536 BGB Rz. 371). b) Veränderungen des gesetzlichen Rahmens für den Betrieb des Mieters Ebenso wie der Zustand der Mietsache in den Risikobereich des Vermieters fällt, unterliegt die Betriebsführung durch den Mieter allein seinem Risiko (vgl. § 536 BGB Rz. 371).

378

Mit Rücksicht darauf führt z.B. das durch das Nichtraucherschutzgesetz (hier in 379 Rheinland-Pfalz) eingeführte Rauchverbot in öffentlichen Gaststätten nicht zu einem Mangel des Mietgegenstandes i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB7. Die mit dem gesetzlichen Rauchverbot zusammenhängende Gebrauchsbeschränkung beruht nicht auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache, sondern knüpft an die betrieblichen 1 OLG Karlsruhe v. 22.6.1999 – 3 U 4/99, OLGR 1999, 316. 2 OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 195/09, MietRB 2010, 225 = MDR 2010, 1244 = ZMR 2011, 118 = NZM 2010, 820. 3 Vgl. BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, NJW 2009, 124 (Rz. 34); BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = ZMR 2008, 274; BGH v. 2.3.1994 – XII ZR 175/92, ZMR 1994, 253 (254); BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 44/91, MDR 1992, 1147 = NJW 1992, 3226; BGH v. 11.12.1991 – XII ZR 63/90, WuM 1992, 583 (585); BGH v. 22.6.1988 – VIII ZR 232/87, NJW 1988, 2664. 4 Vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 63. 5 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 200. 6 Vgl. BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, MDR 2006, 506 = MietRB 2006, 263 = NJW 2006, 899 (901); BGH v. 26.5.2004 – XII ZR 149/02, MDR 2004, 1233 = MietRB 2004, 261 = NJW-RR 2004, 1236; BGH v. 19.7.2000 – XII ZR 176/98, MDR 2001, 22 = NJW-RR 2000, 1535 (1536); BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714 (1716); BGH v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, MDR 2000, 79 = NZM 2000, 36 (40). 7 BGH v. 13.7.2011 – XII ZR 189/09, MDR 2011, 1092 = MietRB 2011, 313 = ZMR 2011, 943.

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Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle

Verhältnisse des Mieters an. Das gesetzliche Rauchverbot bezieht sich folglich auf die Art und Weise der Betriebsführung des Mieters oder Mieters, betrifft also nur dessen betriebliche Verhältnisse1. Für die Betriebsbezogenheit der Gebrauchseinschränkung spricht zudem, dass sich das Verbot primär an die Personen richtet, die sich in den betroffenen Einrichtungen aufhalten (vgl. z.B. § 1 Abs. 2 NRauchSchG RP) und der Betreiber der Einrichtung nur als mittelbarer Adressat des Verbots für dessen Umsetzung und Einhaltung verantwortlich ist (vgl. z.B. § 10 Abs. 1 S. 1 NRauchSchG RP)2. 380 Bei dem Erlass der Nichtraucherschutzgesetze handelt es sich daher um eine Gesetzesänderung, die, vergleichbar einer nachträglichen Änderung der Sperrzeit3, allein in das wirtschaftliche Risiko des Mieters fällt4. III. Minderung 381 Für die Höhe der Minderung sind auch in der Gewerberaummiete allein die Umstände des Einzelfalles maßgebend5. Von besonderer Bedeutung sind Schwere des Mangels sowie Grad und Dauer der Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit6. Bei gewerblichen Räumen wird besonders die Störung der Betriebsausübung ins Gewicht fallen7.

Anhang § 536 Minderungstabelle 1 Mit aller Vorsicht ist die nachstehende Minderungstabelle anzuwenden. Denn jede Bewertung eines Mangels ist eine Einzelfallentscheidung. Es wurde versucht, die wesentlichen Kriterien der jeweiligen Entscheidung herauszustellen, soweit sie aus der Veröffentlichung ersichtlich waren. Kein Fall ist jedoch wie der andere, so dass die angegebenen Werte nur eine Orientierungshilfe für die Praxis darstellen können und die Tabelle mehr ein Fundstellennachweis für bestimmte Mängel sein soll. 2

Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Abstellraum

Wegfall des unter der Treppe im Hausflur gelegenen Raums zum Abstellen von Fahrrädern und Angebot eines Ersatzraums in der 5. Etage

2,58

Abwasser

Stauung des Abwassers aus dem gesamten Haus infolge defekter Abwasserinstallation; Austreten aus Toilette, zweimalige teilweise Überflutung der Wohnung

389

Zeitweise Fäkalienrückfluss in der Toilette

510

1 2 3 4

5 6 7 8 9 10

Vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 264a; Gerber/Eckert, Rz. 259; Paschke, NZM 2008, 265. So auch OLG München v. 23.9.2009 – 32 U 3956/09, NJW 2010, 1297. Vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 60. Vgl. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 200; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 463; Hannemann/Wiegner/Lehr, § 54 Rz. 73; Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rz. 20; Palandt/Weidenkaff, § 536 BGB Rz. 19; Grühn in jurisPK-BGB, § 581 BGB Rz. 86. OLG Karlsruhe v. 7.4.1989 – 14 U 16/86, ZMR 1990, 214. Bub/Treier/Kraemer, III B Rz. 1366. OLG Düsseldorf v. 16.3.1989 – 10 U 154/88, MDR 1989, 640 = BB 1989, 1934. AG Hamburg v. 22.8.2007 – 46 C 1/07, WuM 2008, 332. AG Groß-Gerau v. 19.7.1979 – 21 C 1336/78, WuM 1980, 128. AG Schöneberg v. 31.10.1990 – 5 C 72/90, GE 1991, 527.

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Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Asbest

Gesundheitsgefahr; Nachtstromspeicheröfen setzen Asbest frei, hier 2000 Fasern pro Kubikmeter anstatt der maximal zulässigen Konzentration von 1000

501

Nachtstromspeicherheizung mit asbesthaltiger Bodenisolierung (5–10 %); Freisetzung von Asbestfasern beim Betrieb; Besorgnis der Gesundheitsgefährdung

202

Asbesthaltiger Nachtspeicherofen; ernsthafte Mög- 183 lichkeit des Austritts ist produktionsbedingt nicht nur unwesentlich erhöht; keine erhöhte Konzentration in der Raumluft Asbesthaltige Fußbodenplatten kein Mangel, solange Asbestfasern in Platten gebunden und noch nicht in Raumluft gelangt sind Aufzug

fi Fahrstuhl

Außenanlage

Neubau: nicht fertig gestellt, fehlende Außenbeleuchtung, unfertiger Hauseingang, nicht angelegter Vorgarten

04

55

Außenanlagen und Zuwegung zum Haus der gemie- ca. 116 teten Wohnung sind mit Hundekot übersät; hierdurch und durch weggeworfene Abfälle ebenfalls Verschmutzung des Hausflures (ungepflegter/verwahrloster Zustand) Bad

1 2 3 4 5 6 7

8 9 10 11 12

Bei Behebung eines Wasserschadens werden die Badezimmerfliesen teilweise durch andersfarbige Fliesen ersetzt; Folge ist ein insgesamt unruhiger optischer Eindruck

57 38

Badeofen defekt, Unbenutzbarkeit des Bades

169

Toilettenschüssel gesprungen, unansehnlich

1010

Wasserdruck der Toilettenspülung kurzfristig zu hoch

111

Handwaschbecken defekt, Fenstergriff muss befestigt werden

212

LG Dortmund v. 16.2.1994 – 11 S 197/93, WuM 1996, 141. AG Hof v. 4.4.1997 – 15 C 2065/95, WuM 1998, 281. LG Hannover v. 30.5.1997 – 8 S 203/96, WuM 1997, 434. LG Berlin v. 27.10.1998 – 65 S 223/98, GE 1999, 47. LG Mannheim v. 15.11.1973 – 12 S 34/73, WuM 1974, 52. AG Dortmund v. 16.10.1997 – 106 C 4855/96, WuM 1998, 570. LG Kleve v. 5.2.1991 – 6 S 285/90, WuM 1991, 261; a.A. AG Köln, v. 8.9.1994 – 215 C 256/93, n.v. (wenn vorhandene Fliesen nicht mehr erhältlich und ein optischer Kontrapunkt durch die neuen andersfarbigen Fliesen gesetzt wird). AG Köln v. 13.4.2012 – 201 C 481/10, ZMR 2012, 632. AG Goslar v. 18.9.1973 – 8 C 716/72, WuM 1974, 53. AG Büdingen v. 1.8.1997 – 20 C 372/97, WuM 1998, 281; vgl. AG Köln v. 13.10.1997 – 213 C 194/96, WuM 1998, 570. LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471. LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471.

Lützenkirchen

375

Anhang § 536 BGB Stichwort

Minderungstabelle Mangel

Minderungsquote in %

Badewanne, Toilette nicht benutzbar, Wasseranschluss in Küche funktioniert nicht

501

Unbenutzbarkeit infolge Sanierungsarbeiten; BeOhne Angabe2 einträchtigung durch Lärm- und Schmutz von 7–20 Uhr; Neuverfliesung weicht von bisherigem Zustand farblich ab, so dass Anspruch auf einheitliche Gestaltung besteht Geruch; Armaturen, Wanne und Fliesen verkeimt; Duschwand verkalkt, verkeimt, verdreckt

73

Einfrieren der Wasserleitungen und Rohre im Monat Januar

104

Toilette lässt sich nicht nach außen, sondern nur über die Küche entlüften

105

Unbenutzbarkeit des einzigen Bades und der Dusche

33,36

Dusche nicht funktionstüchtig

167

6 Fliesen defekt

28

Unzumutbar aufgeraut

39

Nutzung wird in der Hausordnung auf wenige Stunden beschränkt, Freitag: 18–22 Uhr, Samstag: 15–22 Uhr

2310

Fehlende Nutzbarkeit durch hochsteigendes Abwasser aus der Küche

1/6 der Gesamtmiete11

Volumen der Badewanne (Tiefe) ist durch einen Einsatz nach Instandsetzung um ca. 20 cm verkleinert, Minderung des Badegenusses

1012

Abfluss defekt

313

Bahntrasse

Bei Abschluss des Mietvertrages vorhandene Trasse wird zur ICE-Strecke mit erhöhter Lärmbelästigung ausgebaut

014

Balkon

Nutzungsbeeinträchtigung durch Wildtauben, kein Einfluss des Vermieters, unbeherrschbare Umwelteinflüsse

015

Badewanne

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

AG Hannover v. 11.1.1988 – 517 C 17736/87, WuM 1989, 565. AG Neukölln v. 26.11.1997 – 5 C 266/97, GE 1998, 360. LG Berlin v. 13.1.2004 – 64 S 334/03, WuM 2004, 234. LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471. AG Schöneberg v. 8.5.1990 – 16 U 50/90, MM 1990, 231. AG Köln v. 1.4.1996 – 206 C 85/95, WuM 1998, 690. AG Köln v. 28.11.1986 – 221 C 85/86, WuM 1987, 271. LG Berlin v. 28.8.2001 – 64 S 108/01, GE 2001, 1607. LG Stuttgart v. 13.5.1987 – 13 S 347/86, WuM 1988, 109. AG Helmstedt v. 10.2.1987 – 3 C 672/86, WuM 1989, 564. AG Köln v. 12.4.2002 – 201 C 5/02, KM 35 Nr. 56. AG Dortmund v. 22.2.1989 – 136 C 732/88, WuM 1989, 172. AG Schöneberg v. 31.10.1990 – 5 C 72/90, GE 1991, 527. LG Berlin v. 14.3.2008 – 63 S 298/07, GE 2009, 53. LG Kleve v. 28.1.1986 – 3 S 117/85, WuM 1986, 333.

376

Lützenkirchen

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Verunreinigungen durch am Haus nistende Tauben

51

Balkonverunreinigung durch Taubenkot, nicht ortsüblich

52

Taubenkot/-kadaver auf Balkon als Ursache für Befall der Wohnung mit Taubenzecken, Zeckenbisse bei 10 Monate altem Kind sind Gesundheitsbeeinträchtigung; fristlose Kündigung

Ohne Angabe3

Minimale Rostfleckenerscheinungen auf dem Ober- 04 flächenbelag, stark angerostete seitliche Abgrenzung des Balkons

Bauarbeiten

Neubau: stark eingeschränkte Nutzbarkeit im Frühling wegen fehlender Randplatten

65

Abriss des Balkons

56

Unbenutzbarkeit durch streunende Katzen, die vom Nachbarn gefüttert werden; Geruchsbeeinträchtigung, Balkontüre muss geschlossen bleiben, Verschmutzen der Wäsche

157

Unbenutzbarkeit wegen Beschuss mit einem Luftdruckgewehr duerch unbekannte Personen, Minderung bis drei Monate nach dem letzten Beschuss (Wegfall der Wiederholungsgefahr)

58

Beeinträchtigung des Lichteinfalles in Büroräume durch Gerüst für Sanierungsarbeiten vor dem Haus; zeitweilig sind die Stellplätze unbenutzbar, Baumaterial im Hausflur

109

„Einrüstung“ des Hauses und Verhängen mit Planen

1510

fi a. Einrüstung; fi a. Lärm Baumaterial

Lagerung von Baumaterial auf Wohngrundstück

1011

Lagerung vor/gegenüber der Rampe der Mietsache, von der Lieferverkehr abgewickelt wird

1012

Beschuss

fi Balkon

Blickverbauung

fi Lichteinfall

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

AG Hamburg v. 6.1.1988 – 40a C 2574/87, WuM 1988, 121. AG Hamburg v. 6.1.1988 – 40a C 2574/87, WuM 1988, 121. LG Berlin v. 24.3.1997 – 67 S 219/96, GE 1997, 689. AG Lüdinghausen v. 26.6.1996 – 4 C 609/95, WuM 1998, 690. LG Mannheim v. 15.11.1973 – 12 S 34/73, WuM 1974, 52. AG Potsdam v. 7.4.1994 – 26 C 281/93, WuM 1994, 376. AG Bonn v. 27.11.1985 – 5 C 175/85, WuM 1986, 212. AG München v. 23.11.2009 – 412 C 32850/08, MDR 2010, 620 = ZMR 2010, 538. LG Köln v. 27.8.1996 – 3 O 608/95, KM 35 Nr. 4. AG Hamburg v. 24.8.1995 – 38 C 483/95, WuM 1996, 30. AG Bad Segeberg v. 21.11.1991 – 17 C 122/91, WuM 1992, 477. OLG Köln v. 11.6.2010 – 1 U 66/09, ZMR 2010, 850.

Lützenkirchen

377

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle

Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Blitzableiter

Fehlt; infolge Blitzeinschlages werden wertvolle 01 Elektrogeräte beschädigt; mangels besonderer Vereinbarung und Erfordernis nach LBauO kein Mangel

Bodenbelag

Teppichboden löste sich in Diele, Schlaf- und Kinderzimmer vom Untergrund

4,652

Beschädigung des Parkettbodens im Wohnzimmer infolge des Eindringens von Regenwasser (2 m2)

103

Teilweise fehlende Verfugung von Fußbodenleisten 04 in Neubauwohnung; nur optische Beeinträchtigung Bordell

Im Haus; unmittelbare Belästigung

305

Im Haus, ohne Belästigung

06

Nachbarschaft zu einem Café, das als Treffpunkt der Sado-Maso-Szene dient, wenn sich die Beeinträchtigungen beschränken, dass es auf der Straße regelmäßig zu Begegnungen mit provokativ-aufreizend und szenetypisch gekleideten Cafébesuchern kommt

07

Im Erdgeschoss einer Großstadtwohnung; Kunden 108 halten sich zum Teil im Hausflur auf, so dass Belästigungen und Beeinträchtigung des sittlichen Empfindens möglich; 30 % Minderung erfordern konkrete persönliche Belästigungen

1 2 3 4 5 6 7 8

In Nachbarwohnung, so dass ständiges Klingeln im Halbstundenrhythmus bis spät in die Nacht; herumirrende Besucher im Haus

209

Allein die Existenz eines Bordells in Großstadt ohne Sperrbezirk ist kein Mangel; es müssen bordelltypische Störungen (Obszönitäten, Geschlechtsakt-/Foltergeräusche, Kondome im Bereich der Haustür, Handgreiflichkeiten unter den Gästen) vorliegen

2010

In anderer Mietwohnung Belästigung durch Freier, falsches Klingeln, Betrunkene

2211

LG Marburg v. 16.7.1998 – 5 T 12/98, NZM 1998, 909. AG Köln v. 30.1.1987 – 221 C 294/86, WuM 1988, 108. LG Berlin v. 4.12.2006 – 67 S 223/06, GE 2007, 851. AG Saarburg v. 28.11.2001 – 5 C 473/01, WuM 2002, 29. AG Charlottenburg v. 11.8.1988 – 18 C 612/87, MM 1988, Nr. 12, S. 31. LG Berlin v. 21.4.2008 – 63 S 210/07, GE 2009, 453. AG Hamburg v. 23.3.2006 – 49 C 474/05, zitiert nach juris. LG Berlin v. 4.3.2008 – 65 S 131/07, GE 2008, 671; LG Berlin v. 21.7.1995 – 64 S 84/95, GE 1995, 1133; LG Berlin v. 13.1.2004 – 64 S 334/03, WuM 2004, 234. 9 AG Wiesbaden v. 10.2.1998 – 92 C 3285/97, WuM 1998, 315. 10 LG Berlin v. 23.9.1999 – 61 S 518/98, NZM 2000, 377. 11 AG Regensburg v. 20.6.1990 – 3 C 1121/90, 3 C 1146/90, WuM 1990, 386.

378

Lützenkirchen

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle Stichwort

Briefkasten

Mangel

Minderungsquote in %

Einrichtung eines „Swinger-Clubs“ in ehemaliger Gaststätte, wodurch eine Beeinträchtigung der Mieter durch Musik, Fahrzeugverkehr, lautstarke Besucher, Geschlechtsaktsgeräusche sowie Geruchsimmissionen (durch Entlüftungsöffnungen dringende Rauch- und Nikotinschadstoffe) stattfindet

55 im Sommer 70 im Winter1

Defekt

22

Zu geringe Größe, so dass Probleme mit der Zustel- 0,53 lung von Zeitschriften, Umschläge mit Größe DIN A4 etc. entstehen

Dach

Dachgeschoss

Schwer zu öffnender Briefkasten, regenbedingte Durchnässung eingeworfener Post

14

Undichtes Glasdach des Treppenhauses

35

Wasser tropft durch Zimmerdecke, Durchfeuchtung des Teppichbodens

Min. 506

Undicht, Feuchtigkeitsschäden drohen, so dass ständig Vorsorge für Wassereintritt erforderlich

107

Undicht, so dass Wasser eintritt

10 Euro/ Monat8

Gebrauchsbeeinträchtigung der Wohnung im Dachgeschoss durch zu hohe Erwärmung in den Monaten Juni bis August

109

Beeinträchtigung von Lärm, Schmutz, der Nutzung 1010 durch Ausbau Drei Deckendurchbrüche im Schlafzimmer, so dass Beobachtung im Schlaf möglich

3011

Deckendurchbruch im Flur mit einer Größe von 20 × 20 cm

2012

Drogenszene

Zuzug einer Drogenszene in 60 m Entfernung ohne substantiierten Nachweis von konkreten Belästigungen

013

Durchlauferhitzer

Keine kontinuierliche Warmwasserversorgung in Bad und Küche

Jeweils 314

Decke

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

AG Charlottenburg v. 4.11.1998 – 20b C 182/96, NZM 1999, 71. AG Potsdam v. 9.3.1995 – 26 C 406/94, WuM 1996, 760. LG Berlin v. 11.5.1990 – 29 S 20/90, MM 1990, 261. AG Mainz v. 6.5.1996 – 8 C 98/96, WuM 1996, 701. AG Schöneberg v. 31.10.1990 – 5 C 72/90, GE 1991, 527. AG Leverkusen v. 18.4.1979, WuM 1980, 163. AG Hamburg v. 13.10.1993 – 45 C 1322/92, WuM 1998, 570. AG Reutlingen v. 28.2.1990 – 8 C 1430/89, WuM 1990, 146. LG Berlin v. 23.3.1990 – 63 S 376/97, GE 1999, 717. LG Berlin v. 12.4.1994 – 63 S 439/93, MM 1994, 396. LG Berlin v. 9.6.1995 – 64 S 256/94, GE 1996, 549 (bezogen auf den Mietanteil für das Schlafzimmer). 12 LG Berlin v. 9.6.1995 – 64 S 256/94, GE 1996, 549 (bezogen auf den Mietanteil für den Flur). 13 LG Düsseldorf v. 18.11.1994 – 21 S 575/93, NJW-RR 1995, 330. 14 LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471; insgesamt nur 3 %: AG Köln v. 9.4.2008 – 220 C 152/07, GE 2008, 1576.

Lützenkirchen

379

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle

Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Einbruch

6 Einbrüche innerhalb von 1 Jahr in ein Ladengeschäft mit großen Schaufenstern in Großstadt; Fensterflächen sind nach der Baubeschreibung ungesichert

01

Einrüstung

Und Abhängen des Hauses mit Planen über 3 Monate, Lärm der Bauarbeiter, erhebliche Verdunklung der Wohnung, Unbenutzbarkeit des Balkons und erhöhte Einbruchsgefahr

152

Der Fassade

53

fi a. Bauarbeiten Elektrik

Elektrosmog

Von 15 Steckdosen funktionieren 3, WC-Abfluss nicht frei, Post kann wegen fehlendem Briefkasten/ -schlitz nicht ordnungsgemäß zugestellt werden

504

Defekte Steckdose

0,55

Defekte Hausbeleuchtung

1

06 Durch Mobilfunksendeanlage auf dem Nachbargrundstück; Messwerte deutlich unterhalb der Vorgaben der §§ 2, 3 der 26. BImSchV keine Gesundheitsbeeinträchtigung Durch Mobilfunkantenne auf dem Dach des Mietshauses; Messwerte entsprechen den Vorgaben der §§ 2, 3 der 26. BImSchV

07

Mobilfunkantennenanlage in Nachbarschaft; Mess- 08 werte entsprechen den Vorgaben der §§ 2, 3 der 26. BImSchV; bloße theoretische Möglichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung nicht ausreichend Durch Oberleitung einer am Grundstück angren09 zenden S-Bahnstrecke; Störungen an PC-Bildschirmen; da Messwerte weit unterhalb der Vorgaben der 26. BImSchV liegen, kein Mangel Fahrradkeller

Entzug bei Mitbenutzungsrecht

Fahrradraum

fi Abstellraum

2,510

1 KG v. 29.9.1997 – 20 U 4599/97, NZM 1998, 437; a.A. OLG Naumburg v. 16.12.1996 – 1 U 175/96, NZM 1998, 438. 2 AG Hamburg v. 24.8.1995 – 38 C 483/95, WuM 1996, 30. 3 LG Berlin v. 12.4.1994 – 63 S 439/93, MM 1994, 396. 4 AG Hamburg v. 23.7.1974 – 40 C 305/73, WuM 1976, 53. 5 AG Schöneberg v. 31.10.1990 – 5 C 72/90, GE 1991, 527. 6 AG Frankfurt v. 25.6.2001 – 33 C 1237/01-27, NZM 2001, 1031; vgl. OVG Koblenz v. 20.8.2001 – 1 A 10382/01, WuM 2001, 561 (zur Frage der Gesundheitsgefahren bei Einhaltung der Grenzwerte gemäß der §§ 2, 3 der 26. BImSchV). 7 AG Gießen v. 9.7.2001 – 48M C 903/00, WuM 2001, 546; AG Spandau v. 4.7.2001 – 4 C 305/01, MM 2001, 443. 8 AG Traunstein v. 3.3.1999 – 310 C 2158/98, ZMR 2000, 389; a.A. AG München v. 1.4.1998 – 432 C 7381/95, MDR 1998, 645 = WuM 1999, 111. 9 LG Frankfurt v. 21.8.1997 – 3/10 O 54/97, NZM 1998, 371. 10 AG Menden (Sauerland) v. 7.3.2007 – 4 C 407/06, WuM 2007, 190.

380

Lützenkirchen

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Fahrstuhl

Wohnung im 5. Stock; nahezu gänzlicher Ausfall des kleinen Fahrstuhles und vielfacher Ausfall des großen Fahrstuhles an den Wochenenden

7,51

Wohnung im 4. Stock, Ausfall

102

Ständige Verschmutzung des Innenraums, der Treppenaufgänge, Flure, Eingangstür

53

Bremsgeräusche eines Fahrstuhls, die den höchstzulässigen Schallpegel von 30 dB (A) nach DIN 4109 überschreiten

104

Zustand des Fensters ermöglicht ungehindertes Eindringen in das Haus

105

Defekter Schließmechanismus von zwei Schlafzimmerfenstern

46

Verkleinerung der Flächen um ca. 23 % infolge Modernisierung

37

Fenster

Undichtigkeit der Fenster, Oberfenster nicht zu öff- 58 nen Undichtigkeit von Doppelfenstern, gelöste Stäbe des Parketts in einem Zimmer, Funktionsunfähigkeit des Kabelfernsehanschlusses, nicht fest verankerter Waschmaschinenanschluss sowie mangelhafte Elektoinstallation

159

Oberlichter lassen sich wegen mangelhaftem Zustand nicht öffnen

1010

Starke Zugluft durch undichte Fenster, Türen (Luftgeschw. 0,1–0,15 m/sec)

2011

Trübung der Isolierglasscheibe von Fenstern in drei Zimmern und Küche auf Grund deren Undichtigkeit, defekter Teppichboden

512

Fensterläden

Fehlen der Fensterläden wegen Entfernung

1013

Fernsehempfang

Schlechter Empfang

1014

Störung wegen Beseitigung der Gemeinschaftsantenne

515

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

AG Bremen v. 4.12.1986 – 10 C 300/86, WuM 1987, 383. AG Charlottenburg v. 15.12.1989 – 2 C 484/89, GE 1990, 423. AG Kiel v. 19.9.1990 – 7 C 56/90, WuM 1991, 343. LG Berlin v. 11.11.2010 – 67 S 241/08, GE 2011, 58. AG Bergisch Gladbach v. 14.12.1977 – 16 C 696/76, WuM 1980, 17. LG Köln v. 7.9.1989 – 1 S 117/89, WuM 1990, 17. LG Berlin v. 8.1.2004 – 67 S 312/01, MM 2004, 124. AG Potsdam v. 7.4.1994 – 26 C 281/93, WuM 1994, 376. AG Charlottenburg v. 31.3.2011 – 211 C 169/10, GE 2011, 824. AG Hagen v. 26.2.1982 – 6 C 461/81, WuM 1982, 282. LG Kassel v. 30.7.1987 – 1 S 274/84, WuM 1988, 108. AG Köln v. 24.9.1999 – 217 C 536/98, WuM 2001, 467. AG Friedberg v. 1.8.1975 – C 117/75, WuM 1977, 139. AG Schöneberg 8.12.1987 – 12 C 354/87, GE 1988, 361. LG Berlin v. 12.4.1994 – 63 S 439/93, MM 1994, 396.

Lützenkirchen

381

Anhang § 536 BGB Stichwort

Feuchtigkeit

Minderungstabelle Mangel

Minderungsquote in %

Schlechter lagebedingter Empfang ist kein Mangel; kein Anspruch des Mieters auf Kabelanschluss

01

Ausfall der Gemeinschaftsantenne und Ersatzstellung einer Zimmerantenne, mit der nur noch 4 Programme empfangen werden können

22

Defekter Anschluss an Gemeinschaftsantenne, Gemeinschaftsantenne defekt

23 14

Durchfeuchtungen an 8 (Außen-)Wänden eines Einfamilienhauses durch undichtes Dach, muffiger Geruch, drohender Schimmelpilzbefall

205

Durchfeuchtungen aller Außenwände einer Wohnung infolge fehlenden Wärmeschutzes der Giebelwände, Schimmelpilz in Wohn-, Schlafzimmer, Küche und Bad; sinnvolles Stellen der Möbel ohne Inanspruchnahme der Außenwände nicht möglich

206

Und Schimmelpilz in Küche, Wohn- und Schlafzim- 807 mer, so dass dauernder Aufenthalt nur noch in kleinem Zimmer möglich

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Nicht fachgerechte Abdichtung eines Flachdaches, Gefahr von Durchfeuchtungsschäden

108

Wasser tropft durch Zimmerdecke, verursacht durch Schneesturm

309

Eindringende Feuchtigkeit an Fensterbrüstungen hinter Heizkörpern

1010

Durchlaufschäden an Wohnzimmerdecke und an Teilen der Wände

2511

Feuchtigkeit in Wohn- und Schlafzimmer, z.B. durch Kondensierung an den Außenwänden

2012

Feuchtigkeit in Gestalt von Braunverfärbungen, Schimmelpilz, übel riechender Dunst im Schlafund Arbeitszimmer

2013

Ständige Durchfeuchtung der Außenwände, Rattenbefall im Umfeld der Wohnung

10014

AG Hamburg v. 22.6.1988 – 40b 2213/87, WuM 1990, 70. AG Schwäbisch Gmünd v. 7.9.2004 – 2 C 822/04, NZM 2005, 105. LG Berlin v. 16.2.1999 – 64 S 356/98, GE 2000, 345. LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471. AG Hamburg v. 9.1.1979 – 42 C 634/76, WuM 1979, 103. AG Köpenick v. 8.2.2001 – 17 C 475/00, MM 2002, 185; nachgehend LG Berlin v. 6.7.2001 – 64 S 126/01, n.v. LG Berlin v. 8.1.1991 – 65 S 205/89, GE 1991, 625. AG Hamburg v. 13.10.1993 – 45 C 1322/92, WuM 1998, 570. AG Kiel v. 26.6.1980 – 13 C 9/80, WuM 1980, 235. AG Darmstadt v. 17.1.1979 – 37 C 2894/78, WuM 1980, 129. AG Aachen v. 5.4.1973 – 15 C 417/71, WuM 1974, 44. AG Köln v. 23.5.1973 – 152 C 195/73, WuM 1974, 241. AG Ibbenbühren v. 27.12.2001 – 12 C 184/01, WuM 2002, 216. AG Potsdam v. 15.6.1995 – 26 C 533/93, WuM 1995, 534.

382

Lützenkirchen

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle Stichwort

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Mangel

Minderungsquote in %

Nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung durch Feuchtigkeit

101

Feuchtigkeit an den Außenwänden

202

Feuchtigkeitserscheinungen, Schimmel, Algenbefall

103

Oberflächentauwasser aus der Raumluft schlägt sich an Außenwänden nieder, hohe Fugendurchlässigkeit der Fenster

154

Neubaufeuchtigkeit

105

Neubaufeuchtigkeit, Schimmelbildung

206

Neubau: Flecken an den Decken, insbes. im Wohnzimmer feuchte Stellen und Risse an den Wänden

107

Neubaufeuchtigkeit, Schimmelbildung in allen Räumen, so dass Aufstellen von Schränken an den Wänden unmöglich

758

Altbau, Feuchtigkeitschäden, Baumangel

59

Feuchtigkeitsflecken in Toilette, Flur, Mädchenzimmer, Arbeitszimmer, Schlafzimmer

3010

Feuchtigkeitsschäden als Baumangel, Schimmelpilz (Bewohnen mit Kleinkind)

2011

Zunächst im Wohnzimmer, später in der Abstellkammer und im Schlafzimmer

2012

Wasserfleck im Schlafzimmer

313

Nässe dringt bei Schlagregen durch Fenster, Wasserflecken im Fensterbereich von Wohn- und Schlafzimmer

514

Verbliebene Feuchtigkeitsschäden nach Behebung einer Dachundichtigkeit

215

Feuchtigkeit in Küche, Bad, Schlafzimmer und Kinderzimmer

1016

AG Ravensburg v. 12.3.1975 – 5 C 676/74, WuM 1976, 9. LG Hamburg v. 1.12.1987 – 16 S 122/87, WuM 1988, 353. LG Flensburg v. 15.1.1988 – 7 S 166/88, WuM 1988, 354. LG Hannover v. 16.5.1988 – 9 S 389/87, WuM 1988, 354. LG Lübeck v. 8.1.1988 – 6 S 289/87, WuM 1988, 351. AG Bad Schwartau v. 3.11.1987 – 3 C 1176/86, WuM 1988, 55. LG Hamburg v. 2.3.1976 – 11 S 161/75, WuM 1976, 205. LG Köln v. 15.11.2000 – 9 S 25/00, WuM 2001, 604. AG Rheine v. 20.7.1988 – 3 C 431/87, WuM 1988, 302. LG Hamburg v. 30.3.1989 – 7 S 330/88, WuM 1989, 566. LG Kassel v. 1.10.1983 – 1 S 95/83, WuM 1988, 109. AG Waldbröl v. 27.10.1988 – 3 C 2/88, WuM 1989, 71. LG Hamburg v. 19.12.1989 – 16 S 208/89, WuM 1990, 149. LG Berlin v. 18.3.1982 – 61 S 437/81, MDR 1982, 671. LG Hannover v. 15.4.1994 – 9 S 211/93, WuM 1994, 463. AG Neuss v. 18.3.1994 – 36 C 593/93, WuM 1994, 382.

Lützenkirchen

383

Anhang § 536 BGB Stichwort

Minderungstabelle Mangel

Minderungsquote in %

Feuchtigkeit und Schimmelpilzbefall infolge von Kondenswasser in Außenwandbereichen von Küche und Bad; DIN-Anforderungen nur im Zeitpunkt der Wohnungserrichtung erfüllt

81

Stock- und Schimmelflecken im Bad

52

Feuchtigkeitseintritt bei Schlagregen ins Kinderzimmer

53

Schimmelbildung im Schlafzimmer, was dessen 254 Nutzung ausschließt, Schimmelbildung ebenfalls in Bad und Küche, was zu einer Nutzungseinschränkung führt

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Feuchtigkeitserscheinungen, Schimmelbildung im Bereich von 5–60 cm über dem Erdboden, neben der Wohnungsabschlusstür, der Küchenwand zum Flur, der gesamten ostseitigen Außenwand der Wohnung in der Küche, im Badezimmer und in einem der beiden Kinderzimmer; undichte Fenster und Wohnungsabschlusstüre

305

Erhebliche Feuchtigkeit in/an Decken, Wänden, Möbeln und Böden durch von der Decke tropfendes Wasser

506

Wohnzimmer unbenutzbar, durchfeuchtete Decke muss mit Balken abgestützt werden

307

Zur Regenzeit Wassereintritt im Keller, dadurch eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit; Lärm durch an die Zweizimmerwohnung angrenzenden Kinderladen

168

Herkömmliche Feuchtigkeit in Altbau-Keller

09

Feuchtigkeitsschäden im Hobbykeller nach Abdichtungsmaßnahmen können nicht ausgeschlossen werden

50 der auf den Keller entfallenden Nettomiete10

Bauwerksbedingte Feuchtigkeitsschäden mit Schwarzschimmelbildung in Gaststättenraum

1511

Zweifacher Wassereintritt in Ladenlokal eines Modehauses, so dass Feuchtigkeit in Decke und Wände eindringt; teilweises Ablösen der Tapete, Verfärbung, Geruchsbildung

1012

LG Hamburg v. 11.7.2000 – 316 S 227/99, WuM 2001, 193. AG Potsdam v. 7.4.1994 – 26 C 281/93, WuM 1994, 376. AG Potsdam v. 7.4.1994 – 26 C 281/93, WuM 1994, 376. AG Düren v. 1.3.1990 – 3 C 450/89, WuM 1991, 89. AG Pasewalk v. 1.10.1992 – 7 C 94/92, WuM 1992, 683. AG Leverkusen v. 18.4.1979 – 23 C 471/76, WuM 1980, 163. AG Bochum v. 28.11.1978 – 5 C 668/78, WuM 1979, 74. AG Hamburg v. 27.7.1973 – 41 C 6/73, WuM 1975, 209. LG Osnabrück v. 11.4.2001 – 6 S 1247/00, WuM 2004, 233. LG Berlin v. 27.9.2011 – 63 S 641/10, GE 2011, 1685 (zweifelhaft, weil gegen den Grundsatz der Berechnung der Minderung von der Bruttomiete verstoßend). 11 AG Altenburg v. 31.8.2000 – 1 C 1058/98, GuT 2002, 46. 12 LG Wuppertal v. 27.7.1999 – 16 S 55/99, GuT 2002, 19.

384

Lützenkirchen

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Feuchtigkeitsschäden, Salzausblühungen, Wandrisse in Ladenlokal

231

Fliesen

fi Bad

Fluglärm

Ortsüblich, wenn in der weiten Umgebung seit Jah- 02 ren große Bauprojekte wie ein Flughafen stattfinden

Fogging

Schwarzverfärbungen in Küche, Wohnzimmer, Bad, nachdem Mieter Laminat-, Kunststoff- und Teppichböden verlegt hat; keine baulichen Mängel

03

Schwarzverfärbungen an Wänden, Decken, Einrich- 144 tungsgegenständen in der Heizperiode; Beeinflussung des seelischen und körperlichen Wohlbefindens; Ursachen unklar Schwarzverfärbungen im Wohnzimmer durch vermieterseits verlegten PVC-Boden und Textiltapete und durch mieterseits verklebten Korkbelag, Kohleabrieb des Staubsaugers und starken Kerzenabbrand; Verantwortungsanteil Vermieter 40 %, Mieter 60 % Formaldehyd

405

06 Belastung von 97–110 lg/m3 und damit unterhalb des Grenzwertes des Bundesgesundheitsamtes von 120 lg/m3 ist keine Gesundheitsgefährdung; Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation von nur 60 lg/m3 irrelevant Fertighaus; Belastung zwischen 124–221 lg/m3 begründet konkrete Gesundheitsgefahr

507

Fußboden

Loch im Badezimmer

28

Garten

Radikale Beschneidung der Bäume/Sträucher eines 59 jahrelang als Bio- und Naturgarten genutzten Gartens durch Vermieterin; Mieterin standen Nutzung und Gestaltungsrecht an dem Garten zu; nunmehr ist eine Nutzung der Terrasse und des Gartens für Arbeits- und Besprechungsangelegenheiten und Ruhepausen eingeschränkt (Rechtsanwaltskanzlei)

Gegensprechanlage

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Willkürliche Entziehung der Nutzungsmöglichkeit, welche auf Widerruf gewährt wurde

5–710

Ausfall, Wohnung in 4. Etage

511

OLG Naumburg v. 31.5.2000 – 6 U 97/99, GuT 2002, 15. AG Frankfurt v. 23.9.2004 – 33 C 1747/04-26, NZM 2005, 217. AG Pinneberg v. 19.10.2001 – 68 C 346/99, ZMR 2002, 359. LG Ellwangen v. 9.3.2001 – 1 S 244/00, WuM 2001, 545; AG Schwäbisch Gmünd v. 13.10.2000 – 1 C 997/00, WuM 2001, 544. AG Hamburg-Wandsbek v. 29.5.2000 – 712D C 27/99, NZM 2000, 906. AG Königsstein i.Ts. v. 6.7.2000 – 21 C 1807/99, n.v. AG Mettmann v. 13.2.1990 – 21 C 202/88, VuR 1990, 208. LG Berlin v. 13.1.2004 – 64 S 334/03, WuM 2004, 234. LG Köln v. 27.8.1996 – 3 O 608/95, KM 35 Nr. 7. AG Bergisch Gladbach v. 9.2.1989 – 60 C 602/88, WuM 1989, 498. LG Dessau-Roßlau v. 31.1.2012 – 1 T 16/12, NZM 2012, 457; AG Aachen v. 10.8.1989 – 80 C 220/89, WuM 1989, 509.

Lützenkirchen

385

Anhang § 536 BGB Stichwort

Geräusche

Geruch

Minderungstabelle Mangel

Minderungsquote in %

Ausfall

21 12

Ausfall; Wohnung im 2. OG, so dass erhebliche Zugangserschwernis, überdurchschnittliche Miete von 682,70 Euro für 2-Zimmer Wohnung

53

Der Besucher ist nicht zu hören

34

Aus der Heizungsanlage, die die Vorgaben der DIN 4109 oder der TA-Lärm einhalten; insoweit gilt auch bei Wohnräumen nachts eine Grenze von 30dB (A)

05

Von Urinstrahl aus der Nachbarwohnung

106

Unangenehme Gerüche aus Pizzabäckerei im Nachbarhaus, welche durch Lüftungsschacht in der Wohnung verbreitet werden

157

Hundekot im Treppenhaus und Geruchsbelästigung aus Wohnung des Hundehalters

208

Intensive Geruchsbelästigung aus Nachbarwohnung, Schäden an der Fensteranlage

33,3/459

Beeinträchtigung durch Essens- und Zigarettengeruch aus Nachbarwohnung auf Grund der biophysikalischen Bauweise des Gebäudes

2010

Beeinträchtigung durch Zigarettengeruch vom un- 011 terhalb liegenden Nachbarbalkon; biophysikalische Bauweise keine Ursache

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Wie vor – ca. 20 Zigaretten pro Tag

512

Beeinträchtigung beim Lüften durch Abluft eines nahezu täglich betriebenen, nicht üblichen Wäschetrockners eines Nachbarn

1013

Nach Fleisch- und Wurstwaren riechende Luft dringt durch Dielenboden

514

Versandung/unerträglicher Gestank aus Teppichboden, verursacht durch Überschwemmung, für einen Zeitraum von 2–3 Wochen

8015

Im Bad

516

LG Berlin v. 7.12.1999 – 64 S 292/99, GE 2000, 345. AG Schöneberg v. 31.10.1990 – 5 C 72/90, GE 1991, 527. LG Berlin v. 22.9.1998 – 64 S 53/98, WuM 1998, 725. LG Berlin v. 18.11.2004 – 67 S 173/04, MM 2005, 75. LG Berlin v. 13.12.2010 – 67 S 601/09, GE 2011, 549. LG Berlin v. 20.4.2009 – 67 S 335/08, GE 2009, 799. AG Köln v. 19.9.1989 – 208 C 246/89, WuM 1990, 338. AG Münster v. 22.6.1995 – 8 C 749/94, WuM 1995, 534. AG Köln v. 27.9.1988 – 201 C 457/87, WuM 1989, 234. LG Stuttgart v. 27.5.1998 – 5 S 421/97, WuM 1998, 724. AG Wennigsen v. 14.9.2001 – 9 C 156/01, WuM 2001, 487. LG Hamburg v. 15.6.2012 – 311 S 92/10, NZM 2012, 806. LG Köln v. 20.12.1989 – 10 S 201/89, WuM 1990, 385. AG Pankow/Weißensee v. 5.8.2004 – 3 C 71/03, MM 2005, 75. AG Friedberg/Hessen v. 6.7.1983 – C 389/82, WuM 1984, 198. LG Berlin v. 13.1.2004 – 64 S 334/03, WuM 2004, 234.

386

Lützenkirchen

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

In der Küche nach altem Käse oder Schweißfüßen

81

Uringestank bei heißer Witterung aus Nachbarwoh- 52 nung

Gerüst

Gestank nach Fäkalien und sich zersetzendem organischen Müll aus einer Wohnung ins Treppenhaus

5–103

Beeinträchtigung durch Müll-/Biotonnen eines nahe gelegenen Supermarktes in den Monaten Mai– September

54

Beschränkung des Lichteinfalls infolge Arbeiten an der Fassade, wobei wegen der Nutzbarkeit des Balkons in den kälteren Monaten differenziert wurde

10–15 %5

An- und Abbau des Gerüstes

56

Ohne weitere Gebrauchsbeeinträchtigung

37

fi a. Einrüstung Gesundheitsgefährdung

508

Durch asbesthaltige Elektronachtspeicheröfen fi a. Asbest, Formaldehyd, Holzschutzmittel

Gewinnerwartung

Grafitti-Sprüherei

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Durch Verwendung von giftigen Insektiziden zur Bekämpfung von Käferplage in Wohnung, die lt. Hersteller nicht in Wohn-/Schlafraum angewendet werden dürfen

1009

Vermietung eines Ladenlokals zum Betrieb einer Buchhandlung in der Schalterhalle eines Hauptpostamtes mit 2000 Mitarbeitern; Schalter- und Postbetrieb werden später eingestellt, so dass Umsatzeinbußen durch Wegfall wesentlichen Publikumsverkehrs

2010

Fachhandel im Einkaufszentrum; Vermieter duldet Leerstände und die Ansammlung von Billigläden, erwarteter Umsatz bleibt aus; enttäuschte Erwartung, dass auf Grund höheren Vermietungsstandards die Akzeptanz eines Einkaufszentrums größer ist, ist kein Mangel

011

Grafitti-Sprüherei an Außenfassade einer Tierarztpraxis, keine Beeinträchtigung der Nutzung bzw. geschäftsschädigende Wirkung

012

AG Suhl v. 8.2.2012 – 1 C 419/11, WuM 2012, 315. AG Charlottenburg v. 17.3.2004 – 231 C 647/03, MM 2004, 221. LG Berlin v. 28.1.2011 – 65 S 296/10, GE 2011, 821. AG Gifhorn v. 7.3.2001 – 33 C 426/00, WuM 2002, 215; AG Lichtenberg v. 16.3.2004 – 6 C 239/03, MM 2004, 339. AG Ibbenbühren v. 10.12.2003 – 3 C 554/03, WuM 2007, 405. AG Wiesbaden v. 25.6.2012 – 93 C 2696/11 (42), WuM 2012, 439. AG Wiesbaden v. 25.6.2012 – 93 C 2696/11 (42), WuM 2012, 439. LG Dortmund v. 16.2.1994 – 11 S 197/93, WuM 1996, 141. AG Trier v. 14.8.2001 – 6 C 549/00, WuM 2001, 486. OLG München v. 2.7.1999 – 21 U 2362/99, ZMR 1999, 707. OLG Naumburg v. 13.12.1996 – 6 U 126/96, NZM 1998, 373. AG Leipzig v. 27.9.2000 – 49 C 5267/00, WuM 2001, 237.

Lützenkirchen

387

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle

Stichwort

Mangel

Hauseingang

fi a. Außenanlage und Treppenhaus

Minderungsquote in %

Ständig zugestellt (Paletten mit Obst des Ladenmieters) sowie mit Gewerbemüll überfüllter Müllplatz

51

begründete Gefahr, Opfer krimineller Handlungen des Hausnachbarn zu werden

252

Attacken eines Mitbewohners wegen Betretens einer Gartenfläche, die nach Hausordnung dessen alleiniger Nutzung vorbehalten ist

03

Haustür

Schwergängigkeit

04

Heizung

Durchschnittstemperatur niedrig, in Wohn-, Arbeits- und im Kinderzimmer ca. 15 °C

305

Aufheizung der Räume nur auf 16–18 °C möglich

306

Räume können von November bis Februar nur auf 14–15 °C aufgeheizt werden

707

Unzureichende Heizleistung in der Heizperiode

158

Regelmäßig 19 °C anstatt vertraglich geschuldeter 20 °C, aber nie unter 18 °C.

59

Unterdimensionierte Heizkörper, es fehlen im Elternschlafzimmer 9 % und im Kinderzimmer 11 % Heizfläche; Minderung abhängig von der Witterung

5–1010

Wohnungstemperatur im Monat April nicht über 18 °C; vertragliche Regelung, dass eine Temperatur von 18 °C zwischen 7–22 Uhr vertragsgemäß ist, ist unwirksam; erforderlich sind mindestens 20 °C

1011

Heizung arbeitet mit ca. 60 % Energieverlust

10,212

Heizleistung gewährleistet nur eine Wärme der Räume von 19 °C (oder 18 °C)

513

Hausnachbar

Keine bzw. ungenügende Beheizbarkeit von Schlaf- 1014 und Kinderzimmer, Küche und Bad Total- und Teilausfall (im Oktober) der Gasaußenwandgeräte im Wohnzimmer und einem Kinderzimmer mit der Folge, dass von 41/2 Zimmern nur 1 Zimmer zu beheizen war 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

AG Wedding v. 3.5.2010 – 21b C 229/09, MM 2010, 227. AG Köln v. 4.1.1978 – 152 C 1322/77, WuM 1980, 17. AG Königsstein v. 13.10.2000 – 21 C 1002/00 - 11, NZM 2001, 422. LG Berlin v. 27.10.2006 – 63 S 186/06, GE 2007, 367. LG Düsseldorf v. 17.5.1973 – 12 S 382/72, WuM 1973, 187. AG Görlitz v. 3.11.1997 – 1 C 1320/96, WuM 1998, 180. AG Görlitz v. 15.5.1997 – 3 C 1347/96, WuM 1998, 315. AG Köln v. 4.11.1974 – 153a C 587/73, WuM 1975, 69. LG Berlin v. 8.6.2012 – 63 S 423/11, WuM 2012, 670. AG Münster v. 5.5.1987 – 28 C 330/86, WuM 1987, 382. AG Charlottenburg v. 27.5.1999 – 19 C 228/98, MM 2000, 223. OLG Düsseldorf v. 4.11.1982 – 10 U 109/82, MDR 1983, 229. LG Berlin v. 8.6.2012 – 63 S 423/11, GE 2012, 1039. AG Potsdam v. 7.4.1994 – 26 C 281/93, WuM 1994, 376. AG Pasewalk v. 1.10.1992 – 7 C 94/92, WuM 1992, 683.

388

Lützenkirchen

2015

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Keine Heizmöglichkeit von September bis Februar

1001

Totaler Heizungsausfall an drei aufeinander folgen- 502 den Tagen im Januar (Minderungsquote bezieht sich auf die auf den entsprechenden Zeitraum entfallende Miete) Heizungsausfall von Mitte Dezember bis Ende Februar

503

Schlafzimmer (im Februar) wegen Rohrbruch am Heizkörper nicht beheizbar

204

Fehlende Beheizbarkeit während Heizperiode

Min. 755

Wohnung durch teilweise Unbeheizbarkeit unbewohnbar, bei unzureichender Heizbarkeit des Restes, Löcher in der Zimmerdecke, Unbenutzbarkeit der Gartentreppe

1006

Nach dem Einbau von Aluminiumfenstern höherer Heizungsaufwand und umfangreichere Lüftung erforderlich

157

Betrieb der Heizung mit Propan- statt Erdgas, so dass höhere Heizkosten entstehen

08

Fehlende Heizmöglichkeit in Küche noch kein Mangel

09

Heizungsgeräusche

fi Lärm/Heizung

Hellhörigkeit

fi Lärm/Isolierung

Holzschutzmittel

Bronchialbeschwerden, Hauterkrankungen durch Holzschutzmittel in Holzdecke

10010

Akute Gesundheitsgefahr in Raumluft durch überhöhte PCP-Konzentration im Wohnzimmer 3700 ng/m3, im Badezimmer 2400 ng/m3, in Küche 7200 ng/m3

3011

Innenputz

Fehlt infolge Beseitigung zur Behebung von Feuchtigkeitsschäden

2012

Kakerlaken

fi Ungeziefer

1 OLG Dresden v. 18.6.2002 – 5 U 260/02, ZMR 2003, 346; LG Berlin v. 10.1.1992 – 64 S 291/91, GE 1993, 263. 2 AG Bergisch Gladbach v. 21.2.1997 – 61 C 424/96, KM 35 Nr. 9. 3 LG Kassel v. 24.2.1987 – 1 T 17/87, 1 S 26/87, WuM 1987, 271. 4 LG Hannover v. 19.12.1979 – 11 S 296/79, WuM 1980, 130. 5 LG Berlin v. 10.1.1992 – 64 S 291/91, ZMR 1992, 302. 6 LG Wiesbaden v. 4.7.1977 – 1 S 426/76, WuM 1980, 17; AG Köln v. 25.5.1976 – 54 C 596/74, ZMR 1980, 87. 7 AG Emden v. 28.10.1988 – 5 C 1197/86, NJW-RR 1989, 523. 8 LG Münster v. 21.3.2000 – 9 S 115/99, WuM 2000, 354. 9 LG Berlin v. 5.6.1989 – 61 S 189/89, MDR 1990, 56 = WuM 1990, 16. 10 AG Stade v. 14.3.2000 – 63 C 437/98, WuM 2000, 417. 11 AG Rheinbach v. 11.1.1989 – 3 C 454/88, VuR 1990, 212. 12 LG Saarbrücken v. 7.9.2012 – 10 S 78/12, WuM 2012, 608.

Lützenkirchen

389

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle

Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Keller

Feuchtigkeit; Berechnung der Minderung unter Be- 101 rücksichtigung des Flächenanteils und des Nutzungszwecks Ersatzloser Wegfall einer zum mitvermieteten Kellerraum führenden Treppe, so dass dieser nur noch über Nachbarhaus erreichbar ist

32

Kinderspielplatz

Fehlen eines Kinderspielplatzes in Form eines Sandkastens im Bereich der Mietwohnungen

53

Klimaanlage

Ausfall in einer Gaststätte im Sommer

20 %4

Klingel

Fehlende Klingel

55

Konkurrenzschutz

Vertraglich vereinbart; Vermietung eines weiteren Ladenlokals in unmittelbarer Nähe des Mietobjekts, in dem Mieter Einzelhandel betreibt

56

Anmietung von Räumen in Ladencenter zum Betrieb einer Spielhalle; Vermieter duldet, dass anderer Mieter sein Spielcasino ebenfalls auf Betrieb einer Spielhalle umstellt; Mangel auch ohne Feststellung von Umsatzeinbußen

Ohne Angabe7

Betrieb zur Arbeitnehmerüberlassung bevor Vermieter an weiteres Unternehmen zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung vermietet

208

Eröffnung eines Konkurrenzbetriebes durch den Vermieter selbst in 5m Entfernung

259

Küche und Toilette unbenutzbar; Ersatzräume in einer anderen Wohnung des Hauses nutzbar

5010

Entgegen vertraglicher Vereinbarung bei Überlassung der Wohnung nicht eingebaut

2011

Spüle undicht

512

Fehlende Heizmöglichkeit noch kein Mangel

013

Tür des Unterschranks, hinter der sich ein Mülleimer befindet, schließt nicht richtig

014

Setzrisse in Küche bei überdurchschnittlicher Miete; 682,70 Euro für eine 2-Zimmer-Wohnung

215

Küche

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

LG Berlin v. 14.6.2001 – 67 S 475/00, GE 2001, 1606. AG Hamburg v. 21.3.2000 – 46 C 46/99, NZM 2001, 234. LG Freiburg v. 18.2.1975 – 9 S 197/74, ZMR 1976, 210. OLG Köln v. 15.10.2002 – 22 U 94/02, KM 35 Nr. 61. AG Potsdam v. 9.3.1995 – 26 C 406/94, WuM 1996, 760. LG Chemnitz 28.9.2001 – 8 O 453/01, ZMR 2002, 350. OLG Düsseldorf v. 15.5.1997 – 10 U 4/96, NZM 1998, 307. OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 174/00, ZMR 2002, 38 = NZM 2001, 1033. KG v. 16.4.2007 – 8U 199/06, GE 2007, 1551. LG Berlin v. 11.3.1982 – 61 S 359/81, GE 1984, 47. LG Dresden v. 5.5.1998 – 15 S 0603/97, WuM 2001, 336. LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471. LG Berlin v. 5.6.1989 – 61 S 189/89, MDR 1990, 56 = WuM 1990, 16; vgl. LG Berlin v. 21.2.1997 – 63 S 259/96, GE 1997, 429. 14 LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471. 15 LG Berlin v. 22.9.1998 – 64 S 53/98, GE 1998, 1275.

390

Lützenkirchen

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Fehlende Anschlussmöglichkeit für Tiefkühlschrank bei überdurchschnittlicher Miete; 682,70 Euro für eine 2-Zimmer-Wohnung

21

Beeinträchtigung durch Staub und Baulärm vom Nachbargrundstück

122

Lärm, Staub und optische Beeinträchtigung durch Großbaustelle, Straßenbaumaßnahmen in der Nähe der Wohnung (30–40 m)

153

Autobahnbaustelle, auf der von 6–22:00 Uhr eine Steinzerkleinerungsmaschine in Betrieb ist

154

Beeinträchtigung durch Lärm und Staub einer Großbaustelle, bei vorheriger Kenntnis des Mieters über die tatsächlichen Umstände der künftigen Beeinträchtigung

05

Großbaustelle in Innenstadtlage

126

Lärm –

Bau

Gegenüberliegende Großbaustelle beeinträchtigt 157 den Wohnwert der Wohnung durch die Lärmimmissionen über Monate Beeinträchtigung durch Lärm, Geruch, Staub einer 358 Großbaustelle und Sichtbehinderung durch 6 m von Terrasse entferntem Bauzaun

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Mehrmonatige tägliche Beeinträchtigung durch Lärm und Erschütterung infolge Bauarbeiten an nahe gelegener Eisenbahnstrecke

189

Lärmbelästigung infolge geänderter Verkehrsführung nach Straßenumbau und Installation einer Ampel, vermehrte Anfahrgeräusche

13,510

Bauarbeiten im Haus, Ausbau eines Dachstuhles, Stemmarbeiten an Außenwänden u.a.

6011

Starke Lärm- und Staubbelästigung durch Aufstockung des Hauses über der Wohnung um eine Dachgeschosswohnung, Feuchtigkeitsschäden im Mai, Juni, Balkon im Sommer nicht nutzbar

1012

LG Berlin v. 22.9.1998 – 64 S 53/98, GE 1998, 1275. AG Saarburg v. 9.12.1998 – 5 C 498/98, WuM 1999, 64. LG Siegen v. 9.11.1989 – 3 S 87/89, WuM 1990, 17. AG Suhl v. 1.8.2001 – 1 C 306/01, WuM 2005, 656. LG Lübeck v. 6.10.1995 – 6 S 381/94, WuM 1998, 690. LG Frankfurt v. 6.3.2007 – 2-17 S 113/06, ZMR 2007, 698. AG Köln v. 3.5.1995 – 207 C 14/95, WuM 1996, 92. LG Hamburg v. 5.7.2001 – 333 S 13/01, WuM 2001, 444. LG Köln v. 12.1.2000 – 10 S 295/99, WuM 2001, 78. AG Erfurt v. 22.3.2000 – 222 C 1033, WuM 2000, 592. AG Hamburg v. 16.1.1987 – 44 U 1605/86, WuM 1987, 272. AG Hamburg-Altona v. 7.11.1985 – 314b C 271/84, WuM 1986, 245.

Lützenkirchen

391

Anhang § 536 BGB Stichwort

Minderungstabelle Mangel

Minderungsquote in %

Lärm u. Schmutzbelästigung durch Baulärm in un- 251 mittelbarer Nachbarschaft überschreiten das üblich zu erwartende Maß bzgl. Ausmaß und Zeit: Öffnen des Fensters, normale Unterhaltung, Radio, Fernsehen unmöglich, Arbeiten auch nach 17 Uhr und an Samstagen und Sonntagen Durch Umbau und Modernisierungsmaßnahmen verursachte Lärmbeeinträchtigungen, teilweise auch von 17–20 Uhr bei einer Familie mit zwei Kindern

302

Durch Bauarbeiten bedingte Lärmbelästigung, über drei Monate, Trocken- und Wäscheraum nicht nutzbar

503

Durch Stemmarbeiten über mehrere Monate zur Verlegung von Steigleitungen und einer Gegensprechanlage; zwischen den Arbeiten liegen auch Tage ohne Beeinträchtigung

204

Lärm, Staub und optische Beeinträchtigung durch Großbaustelle (Hochhaussanierung), Pressluftund Bohrhämmerlärm

105

1–26



Feiern

Nach dem Lärmimmisionsschutzgesetz verbotene Störungen (lautstarke Feiern eines Rudervereins und von Kleingärtnern)



Fluglärm

fi Fluglärm



Gewerbe

Lärmbelästigung aus an die Wohnung angrenzendem Billard-Café ab 21–22 Uhr

207

Klopfgeräusche aus Lokal, insbesondere zu späten Nachtstunden

118

Lärmbelästigung von Gaststätte im selben Haus in den Abend- und Nachtstunden; Richtwertüberschreitung von bis zu 10 dB, so dass Nutzung des Schlafzimmers unmöglich

509

Ruhestörung (Vibrationen/Geräusche) durch Tanz- 2010 schule v. 22–24 Uhr, Mi, Do, Fr erheblicher Lärm durch Tanzveranstaltungen Lärmbelästigung im 2. Stock durch Waschsalon im EG

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

AG Darmstadt v. 3.5.1982 – 39 C 1706/81, WuM 1984, 245. AG Osnabrück v. 11.10.1996 – 44 C 345/96, WuM 1996, 754. AG Weißwasser v. 18.4.1994 – 3 C 0701/93, WuM 1994, 601. AG Neukölln v. 15.9.1993 – 17 C 87/93, MM 1994, 23. AG Frankfurt v. 2.11.2011 – 33 C 2424/11, NZM 2012, 307. AG Spandau v. 26.11.2008 – 4 C 207/08, GE 2009, 54. AG Köln v. 17.2.1989 – 201 C 581/88, KM 1998, 35 Nr. 10. LG Köln v. 9.12.1986 – 12 S 127/86, WuM 1987, 272. AG Schöneberg v. 17.3.1994 – 2 C 6/94, MM 1995, 28. AG Köln v. 16.7.1987 – 208 C 545/86, WuM 1988, 56. AG Hamburg v. 24.1.1975 – 43 C 268/74, WuM 1976, 151.

392

Lützenkirchen

711

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Durch Kinderarztpraxis in EG, Lärm, Unruhe und Verschmutzung im Treppenhaus, Betrieb der Praxis von 8–19 Uhr

101

Tägliche Lärmbelästigung durch 1–3,5 Stunden dauernden Betrieb einer Papppresse, durch täglichen Anlieferverkehr beginnend ab 4 Uhr in Morgenstunden

152

Beeinträchtigung durch Lärm, Fäkalien, Müll, 203 Klingeln an Wohnungstür, Betreten des Grundstücks von Besuchern eines benachbarten Generalkonsulats in Wohngegend mit Spitzenmiete –



Heizung

Isolierung

Normale Fließ- und Strömgeräusche

04

Knackgeräusche der Heizung, erhebliche Störung der Unterhaltung im einzigen Zimmer

5–105

Knackgeräusche des Gas-Raumheizers, Durchfeuchtungsschaden, Trittschallgeräusche

156

Deutlich hörbare Klopfgeräusche im Schlafzimmer durch Betrieb der Zentralheizung (Minderung bzgl. der auf das Schlafzimmer entfallenden Quadratmetermiete)

757

Laute Knackgeräusche des Gas-Raumheizers, primär im Schwachlastbetrieb

108

Mangelnder Schallschutz, entspricht nicht DIN 4109, Werte gem. VDI 2058 werden nicht eingehalten

209

Hellhörigkeit der Wohnung

1010

Hellhörigkeit, die dazu führt, dass der Mieter intime Geräusche (z.B. Darmwinde) aus der Nachbarwohnung vernehmen kann

ca. 10 %11

Fehlende Trittschalldämmung, Bewohner wurden durch Geräusche aus der Oberwohnung häufig aus dem Schlaf gerissen, jede Tätigkeit aus jener Wohnung ist zu hören

2012

Schlechte Trittschalldämmung, schon normales Gehen in der darüber liegenden Wohnung ist deutlich zu vernehmen

513

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

AG Bad Schwartau v. 20.11.1975 – C 291/75, WuM 1976, 259. AG Gifhorn v. 7.3.2001 – 33 C 426/00, WuM 2002, 215. AG München v. 22.3.2001 – 453 C 7957/00, NZM 2001, 809. LG Berlin v. 27.10.2006 – 63 S 186/06, GE 2007, 367. AG Hamburg v. 8.1.1987 – 49 C 836/86, WuM 1987, 271. LG Hannover v. 15.4.1994 – 9 S 211/93, NJW-RR 1995, 331. LG Mannheim v. 23.11.1977 – 4 S 95/77, ZMR 1978, 84. LG Hannover v. 15.4.1994 – 9 S 211/93, WuM 1994, 463. AG Gelsenkirchen v. 22.12.1975 – 3 C 29/75, WuM 1978, 66. AG Lüdinghausen v. 31.10.1979 – 4 C 132/78, WuM 1980, 52. Geschätzt, da Minderungsquote aus der Veröffentlichung nicht zu ermitteln: AG Neuruppin v. 12.11.2004 – 42 C 263/04, WuM 2005, 653. 12 AG Cloppenburg v. 25.9.1996 – 1 C 678/95, WuM 1996, 760. 13 LG Hannover v. 15.4.1994 – 9 S 211/93, WuM 1994, 463.

Lützenkirchen

393

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle

Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %



Vermeidbarer Kinderlärm in allgemeinen Ruhezeiten (13–15 Uhr und ab 20 Uhr)

101

Lärm durch 2–3 Jahre alte Kinder und lautere Ermahnungen durch Eltern in älterem Mehrparteienhaus

02

Auch wenn Erwartungen an kinderfreies Wohnen bestehen

03

Lärm durch Fußball spielende Kinder auf Kinderspielplatz (ortsüblich)

04

Lärm durch auf Bolzplatz in einer Wohnanlage Fußball spielende Kinder zwischen 7.30 und 21.30 Uhr (ortsüblich)

05

Lärm durch Fußball spielende Kinder auf einer Grünfläche zwischen zwei Wohnblocks

56

Vier Kinder; Trampeln von 7–23 Uhr

117

Kinder in älterem Mehrparteienhaus (Bauzeit vor 1940) unter Berücksichtigung des Alters des Hauses, der Schallisolierung, Mieterzahl, Spielmöglichkeiten außerhalb des Hauses

08

Mitmieter im Altbau im Rahmen des normalen Wohngebrauchs

09

Kinderspielplatz in 4 m Entfernung von Terrasse; aus bestimmungsgemäßer Nutzung resultierende Geräusche sind sozialadäquat

010



Kinder

Musik

Ständiges Klavierspielen in Wohnung im 7. OG, 2011 Mieter wohnt im 5. OG; Klavierspielen ist nur 2 Stunden pro Tag und unter Einhaltung der Ruhezeiten (13–15 Uhr, 20–7.00 Uhr) erlaubt Besonders lautes Klavierspielen des Mieters wird durch Klopfen anderer Mieter gestört; ausreichende Lärmdämmung

012

fi a. Musizieren –

Nachbar

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Ständiger, wenn auch nicht täglicher ruhestörender Lärm aus einer anderen Mietwohnung zur Nachtzeit

2013

AG Neuss v. 1.7.1988 – 36 C 232/88, WuM 1988, 264. AG Oberhausen v. 10.4.2001 – 32 C 608/00, WuM 2001, 464. AG Frankfurt v. 9.9.2005 – 33 C 3943/04 - 13, WuM 2005, 764. AG Köln v. 13.1.1993 – 220 C 275/92, KM 1998, 35 Nr. 11. AG Magdeburg v. 30.4.1998 – 12 C 2885/97, WuM 1998, 627. AG Frankfurt v. 15.4.2005 – 33 C 1726/04-13, NZM 2005, 617. LG Köln v. 24.11.1970 – 12 S 389/70, MDR 1971, 396. AG Braunschweig v. 25.6.1999 – 117 C 1270/99, WuM 2002, 50. AG München v. 29.1.2004 – 453 C 24551/03, NZM 2004, 499. LG Berlin v. 20.7.1999 – 64 S 47/99, GE 1999, 1287; AG Frankfurt v. 13.3.2009 – 33 C 2368/08-50, WuM 2009, 226. 11 AG Düsseldorf v. 31.8.1988 – 22 C 257/88, DWW 1988, 357. 12 AG Tiergarten v. 4.10.1989 – 7 C 259/88, NJW-RR 1990, 398. 13 AG Kerpen v. 14.9.1983 – 3 C 181/83, WuM 1987, 272.

394

Lützenkirchen

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle Stichwort



sonstiges

Mangel

Minderungsquote in %

Erhebliche Lärmerzeugung nahezu jeden Tag, insbesondere nachts, durch Wohngemeinschaft und ihre Besucher

501

Erhebliche Lärmbelästigung durch Mitbewohner des Hauses

352

Jugendgästehaus, das im Interesse der Allgemeinheit betrieben wird

03

Ständiger Lärm aus einer anderen, gewerblich genutzten Mietwohnung infolge Bürotätigkeit nach 22.00 Uhr, hohe Ortsmiete 19,20 DM/qm

9,54

Lärm von einem Stromgenerator, der auf dem Hof des Nachbargrundstücks steht, auf dem ein Hostel betrieben wird, dessen Lärm dem eines laufenden Lkw ähnelt und der über 50 dB (A) beträgt

205

Lärmbelästigung durch Betrieb einer Tiefgarage, Schlafzimmerfenster können wegen Lärm und Geruchsbelästigungen nachts nicht geöffnet werden

106

Lärmbelästigung durch Tor zur Tiefgarage unter der Wohnung nach Austausch des Antriebs

157

Wohnung liegt über einer Tiefgarageneinfahrt, 08 während des Öffnungs-/Schließvorganges des Garagentores sind bei absoluter Stille ein knarrendes Geräusch und der Toranschlag wahrnehmbar; keine Erheblichkeit

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Geräuschbelästigung durch Tiefgaragentor, die die Werte der DIN 4109 überschreitet

159

Lärmbeeinträchtigungen von außerhalb der Wohnung

2510

Erheblicher Fluglärm von 6–23 Uhr, fehlende Isolierverglasung

Je 1011

Bei Beginn des Mietverhältnisses vorhandener Fluglärm berechtigt nicht zur Minderung, auch wenn Besichtigung der Wohnung an einem Sonntag erfolgte

012

Lärmbelästigung durch verbotswidrig abgestellte Pkws vor Parterrewohnung trotz Gegenmaßnahmen durch Vermieter in Form der Abgrenzung des Grundstücks durch Holzpfähle auf Rasenfläche

013

AG Braunschweig v. 3.8.1989 – 113 C 168/89 (9), WuM 1990, 147. AG Chemnitz v. 29.6.1993 – 4 C 1080/93, WuM 1994, 68. AG Schöneberg v. 2.10.2007 – 3 C 14/07, WuM 2007, 638. AG Potsdam v. 12.7.2001 – 26 C 82/01, NZM 2002, 68. AG Wedding v. 8.6.2011 – 3 C 13/11, MM 2011, Heft 9, S. 30. AG Osnabrück v. 3.6.1986 – 14 C 21/85, WuM 1986, 334. LG Hamburg v. 26.3.2009 – 333 S 65/08, WuM 2009, 347. AG Bonn v. 20.10.1989 – 8 C 191/89, WuM 1990, 71. LG Hamburg v. 26.3.2009 – 333 S 65/08, ZMR 2009, 918. AG Köln v. 4.1.1978 – 152 C 1322/77, WuM 1980, 17. LG Kiel v. 8.1.1979 – 1 S 144/78, WuM 1979, 128. LG Berlin v. 28.8.2001 – 64 S 108/01, GE 2001, 1607. AG Leipzig v. 14.3.2000 – 6 C 9579/99, NZM 2001, 378.

Lützenkirchen

395

Anhang § 536 BGB Stichwort



Tiere

Minderungstabelle Mangel

Minderungsquote in %

Lärmbelästigung durch Benutzung einer Skaterbahn außerhalb der Schulzeiten (nach 22 Uhr) in Mischgebiet, das insbesondere für schulische, sportliche Zwecke ausgewiesen ist

51

Lärmbelästigung durch minutenlanges, länger als 10–15 Minuten dauerndes Gebell mehrerer Hunde auf Nachbargrundstück, auch zur Nachtzeit

Ohne Angabe2

Ab morgens nicht unerhebliche Lärmbeeinträchtigung durch Taubenhaltung des Nachbarn, zeitweilig notwendige Schließung der Fenster

253

Leerstand

Unvermietete Nachbarwohnung, so dass der Mieter 04 verstärkt heizen muss

Leuchtreklame

In der Großstadt stellt der durch eine Leuchtreklame verursachte Lichteinfall keinen Mangel dar

05

Lichteinfall

Grundsätzlich keine Minderung, weil Mieter mit der Schließung von Baulücken rechnen muss; anderes gilt aber, wenn die Abstandsflächen nicht eingehalten werden und direkt gegenüber dem Schlafzimmer ein Balkon errichtet wird

56

Einschränkung durch Fassadenbegrünung

37

Loch

Im Fußboden des Badezimmers

28

Madonna

Aufstellen einer Madonnenstatue im Treppenhaus, das auch von einer evangelischen Mieterin benutzt wird

09

Mäuse

fi Ungeziefer

Mobilfunkantenne

fi Elektrosmog

Müllschlucker

Stilllegung

010

Mülltonne

Ständig überfüllt

511

Müllsäcke und Kartons im Kellerbereich einer Mehrfamilienwohnung, Neubau

012

Tür des Unterschranks, hinter der sich ein Mülleimer befindet, schließt nicht richtig

013

1 AG Emmerich v. 5.5.2000 – 9 C 72/00, NZM 2000, 544. 2 AG Köln v. 4.4.2001 – 130 C 275/00, WuM 2001, 493; vgl. OLG Düsseldorf v. 10.1.1990 – 5 Ss (OWi) 476/89-(OWi) 198/89 I, WuM 1990, 122 bzgl. ordnungsgemäße Haltung eines Papageis; OLG Hamm v. 11.4.1988 – 22 U 265/87, MDR 1988, 966 = WuM 1990, 123 bzgl. ordnungsgemäßer Hunde- und Hühnerhaltung. 3 AG Dortmund v. 14.9.1979 – 121 C 151/79, WuM 1980, 6. 4 AG Frankfurt v. 24.11.2004 – 25 C 1002/04, ZMR 2005, 131 = WuM 2005, 766. 5 LG Berlin v. 19.12.2003 – 64 S 353/03, ZMR 2004, 583 = NZM 2004, 548. 6 AG Potsdam v. 5.6.2002 – 25 C 533/01, WuM 2004, 233. 7 AG Köln v. 30.12.2003 – 201 C 68/03, ZMR 2004, 594. 8 LG Berlin v. 13.1.2004 – 64 S 334/03, WuM 2004, 234. 9 AG Münster v. 22.7.2003 – 3 C 2122/03, NZM 2004, 299. 10 AG Hamburg v. 31.1.1984 – 37a C 344/83, WuM 1985, 260. 11 AG Potsdam v. 9.3.1995 – 26 C 406/94, WuM 1996, 760. 12 AG Saarburg v. 28.11.2001 – 5 C 473/01, WuM 2002, 29. 13 LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471.

396

Lützenkirchen

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle Stichwort

Musizieren

Mangel

Minderungsquote in %

Fehlen der blauen Tonne für die Entsorgung von Altpapier

01

Üben und Spielen von Elektrogitarre und Schlagzeug unter Einsatz eines Verstärkers zur Mittagszeit und abends nach 20.00 Uhr

52

fi a. Lärm – Musik Nachbar

Nutzungsbeschränkung

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

fi Hausnachbar Austausch der Wohnungseingangstür im Wege einer Notmaßnahme ohne Aushändigung der neuen Schlüssel

1003

Entzug der Nutzung eines Trockenraumes, worin eine Beeinträchtigung nur im Winter und bei Regenwetter zu sehen ist

24

Nutzungsentzug des Wasch- und Trockenraumes sowie des Gartens von Oktober bis Mai

205

Durch Schädlingsbekämpfungsaktion

206

Zwei im Souterrain gelegene Räume als Bestandteil einer Fünfzimmerwohnung können bauordnungsrechtlich nicht als Aufenthaltsräume genutzt werden

67

Völlige Umgestaltung der Wohnung durch Neueinzug einer Decke, Neuverlegung der elektrischen Leitungen, Küche wegen Verlegung von Leitungen und Neuplattierung nicht nutzbar, Heizkörper aus Verankerung gerissen

1008

Kein Anschluss an die Gemeinschaftsantenne

29

Störung des Betriebsablaufes eines Einzelhandelsgeschäfts durch Wegfall der vertraglich vereinbarten Belieferungsmöglichkeit über eine Hofdurchfahrt

2010

Optische Beeinträchtigung von Schlaf- und Arbeitszimmer durch untapezierte Wände nach Entfernung verschimmelter Tapeten

1011

Drei Deckendurchbrüche im Schlafzimmer, so dass Beobachtung im Schlaf möglich

3012

AG Hamburg-Blankenese v. 19.2.2010 – 518 C 399/09, NZM 2011, 312. LG Berlin v. 15.3.2011 – 65 S 59/10, GE 2011, 752. OLG Düsseldorf v. 7.4.2005 – 10 U 191/04, ZMR 2005, 705. LG Saarbrücken v. 7.6.1996 – 13 BS 13/96, WuM 1996, 468. LG Köln v. 29.6.1993 – 12 S 426/92, KM 1998, 35 Nr. 16; AG Köln v. 6.10.2000 – 218 C 138/00, WuM 2001, 467. AG Bonn v. 8.2.1985 – 6 C 277/84, WuM 1986, 113. LG Lüneburg v. 17.9.1987 – 4 S 246/87, WuM 1989, 368. AG Köln v. 25.5.1976 – 54 C 596/74, ZMR 1980, 87. LG Berlin v. 21.9.2000 – 62 S 133/00, NZM 2001, 986. LG Chemnitz v. 28.9.2001 – 8 O 453/01, ZMR 2002, 350. AG Ibbenbühren v. 27.12.2001 – 12 C 184/01, WuM 2002, 216. LG Berlin v. 30.10.1995 – 67 S 176/95, GE 1996, 549 (bezogen auf den Mietanteil für das Schlafzimmer).

Lützenkirchen

397

Anhang § 536 BGB Stichwort

Minderungstabelle Mangel

Minderungsquote in %

5 Monate Zugangsbeeinträchtigung zu Ladenlokal durch Straßenbauarbeiten, noch kein Fehler der Mietsache

01

Umbaumaßnahme im Einkaufszentrum, die zu einer Änderung des Kundenverhaltens führt; nur mittelbare Einwirkung auf die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch

02

Ersatzloser Wegfall einer zum mitvermieteten Kellerraum führenden Treppe, so dass dieser nur noch über Nachbarhaus erreichbar ist

33

Verweigerung des Zugangs zur Wohnung für den Lebensgefährten des Mieters durch Vermieter; Erlaubnis- und Kontrollvorbehalt im Hinblick auf Schlüsselaushändigung an Mieter

1004

Behördliche Untersagungsverfügung wegen Verstoß der Nutzung gegen Bauordnungsvorschriften

1005

Gefahr der behördlichen Nutzungsuntersagung für den Betrieb eines Gewerbes

106

Offener Kamin

Offener Kamin konnte nicht ordnungsgemäß betrieben werden, erheblicher Rauch im Wohnzimmer nach kurzer Zeit (Minderung nur in den Wintermonaten)

57

PAK

Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe in Innenraumluft auf Grund schadstoffhaltigen Parketts; doppelte Konzentration gegenüber Außenluft

158

Parken

Nutzung der vor dem Gebäude eingerichteten Stellplätze durch Dritte

09

Parkplatz

Unterschreitung der öffentlich-rechtlichen Stellplatzbreite um 10–12 cm ist geringfügig; keine unzumutbaren Rangiermanöver erforderlich, kein Mangel

010

Zusage der Errichtung eines Abstellplatzes in Hausnähe; später wird öffentlicher Parkplatz in Entfernung von 400–500 m eingerichtet

1011

PCP

Pentachlorphenol, fi Holzschutzmittel

Perchlorethylen

Gefahr der Gesundheitsbeeinträchtigung im 1. OG durch Perchlorethylenaustritt in darunter liegenden Textilreinigungsbetrieben

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

OLG Naumburg v. 27.3.2001 – 9 U 211/00, GuT 2002, 14. OLG Dresden v. 24.10.2000 – 23 U 1660/00, NZM 2001, 336. AG Hamburg v. 21.3.2000 – 46 C 46/99, NZM 2001, 234. LG Gießen v. 1.3.2000 – 1 S 443/99, NZM 2001, 232. LG Berlin v. 11.7.2008 – 63 S 476/07, GE 2009, 452. OLG Hamburg v. 27.3.1996 – 4 U 169/95, NJW-RR 1996, 1356. LG Karlsruhe v. 10.7.1987 – 9 S 66/87, WuM 1987, 382. LG Frankfurt v. 13.3.2001 – 2/11 S 306/00, NZM 2001, 890. OLG Düsseldorf v. 11.3.2008 – 24 U 152/07, ZMR 2008, 710 = NZM 2008, 524. AG Sömmerda v. 18.1.1999 – 2 C 1001/96, GE 1999, 1133. AG Köln v. 9.1.1989 – 213 C 295/86, WuM 1990, 146. LG Hannover v. 25.4.1990 – 11 S 358/89, WuM 1990, 337.

398

Lützenkirchen

5012

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Perchlorethylenkonzentration in der Wohnung von 3,6 mg/cbm, in der Wohnungsluft 0,03 mg/cbm und nach 24 Stunden Lüften 0,123 mg/cbm

01

Prostitution

fi Bordell

Ratten

fi Ungeziefer

Rauch

Durch Schornsteinmängel bedingte Rauchentwick- 102 lung Aus älteren Heizungsanlagen der Nachbarhäuser in 03 zulässigem Umfang

Rauchen

fi Geruch

Räumungsverlangen

Unberechtigte Räumungsaufforderung wegen der irrigen Auffassung, Nebenflächen nicht mitvermietet zu haben

04

Risse

Risse in Lehmwand, beschädigte Decke über Ofen

165

Riss in Außenmauer des Badezimmers

156

3 cm lang, 1–2 mm breit in Balkontür, Tür schwergängig und Zugluft am unteren Türspalt

27

Setzrisse in Küche bei überdurchschnittlicher Miete in Höhe von 682,70 Euro für 2-Zimmer-Wohnung

28

Im Wohnzimmer

509

Schimmel

In der Wohnung mit nachgewiesener Auwirkung 10010 auf Gesundheit (Lungenentzündung mit Bauchfellbeteiligung) Im Schlafzimmer durch einen Baumangel, auch wenn geringe Beheizung die Schäden befördert (nicht verursacht) hat Schmutz

Sichtbeeinträchtigung

1011

fi a. Treppenhaus und Außenanlage Ständig in Wohnung eindringender Sand von nahe gelegener Baustelle

1012

fi a. Einrüstung

1013

Beeinträchtigung der Sicht-/Lichtverhältnisse durch den Bau einer 5,5 m hohen Mauer in einem Abstand von 7,5 m bzw. 9,5 m

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

LG Hamburg v. 2.6.1989 – 11 S 479/88, WuM 1989, 368. AG Rendsburg v. 28.5.1974 – 3 C 115/74, WuM 1975, 122. AG Münster v. 24.7.2007 – 3 C 3832/06, WuM 2007, 505. OLG Düsseldorf v. 23.11.2010 – 24 U 67/10, ZMR 2011, 867. AG Goslar v. 18.9.1973 – 8 C 716/72, WuM 1974, 53. AG Bergheim v. 19.6.1998 – 22 C 634/97, WuM 2000, 435. LG Berlin v. 30.10.1995 – 67 S 176/95, GE 1996, 549. LG Berlin v. 22.9.1998 – 64 S 53/98, GE 1998, 1275. LG Hamburg v. 31.1.2008 – 144/07, ZMR 2008, 456. LG Berlin v. 20.1.2009 – 65 S 345/07, GE 2009, 845. LG Berlin v. 4.5.2012 – 65 S 14/11, GE 2012, 831. LG Berlin v. 28.8.2001 – 64 S 108/01, GE 2001, 1607. LG Hamburg v. 12.12.1989 – 16 S 232/89, WuM 1991, 90.

Lützenkirchen

399

Anhang § 536 BGB Stichwort





Sichtbelästigung

Sichtbelästigung und -beeinträchtigung

Minderungstabelle Mangel

Minderungsquote in %

Beschattung der Wohnung durch große stattliche Bäume auf dem Hausgrundstück

01

Beeinträchtigung des ungestörten Fernblicks auf Landschaft (See, Wald, Berg) durch Neubau und Wegfall der Möglichkeit unentgeltlichen Parkens auf Grundstück

102

Belästigung durch Neubau auf dem Nachbargrund- 103 stück, so dass nunmehr Einblick in Bad, Schlafund Wohnraum des Mieters möglich Belästigung infolge der Aufstockung des Wohnhauses mit Dachgeschosswohnung, so dass tiefer liegender Balkon nicht mehr unbeobachtet benutzt werden kann

44

Beeinträchtigung der Sicht aus Wohnzimmer einer 2-Zimmer-Wohnung zu 40 % durch Neubau, durch den zugleich ein vollständiger Einblick ins Wohnzimmer aus 5 m möglich wird

165

Silberfische

fi Ungeziefer

Spielplatz

Einrichtung auf einer bei Mietbeginn vorhandenen Freifläche

06

Stellplatz

Kein Stellplatz, obwohl vertraglich vereinbart

107

Tauben

fi Balkon

Telefon

Anschluss fehlt; überdurchschnittliche Miete von 682,70 Euro für eine 2-Zimmer Wohnung

58

Terrasse

Unbenutzbar

59

Unbenutzbarkeit wegen zwischenzeitlichem Belag mit Kies und Folie

510

Nutzungsbeeinträchtigung einer zur Wohnung ge711 hörenden Terrasse durch eine den anderen Mietern eingeräumte Mitbenutzung

Tierhaltung

Erhebliche Nutzungsbeeinträchtigung in der Sommerzeit durch Bauarbeiten

1512

Katzenhaltung anderer Bewohner trotz Allergie des Mieters, solange diese nicht zu einer Verschmutzung der Gemeinschaftsflächen führt

013

1 LG Berlin v. 5.12.2000 – 63 S 155/00, NZM 2001, 986; LG Hamburg v. 10.9.1998 – 307 S 130/98, NZM 2001, 91. 2 LG Berlin v. 19.6.2000 – 61 S 492/99, MM 2000, 375. 3 LG Berlin v. 5.4.2001 – 67 S 344/00, MM 2001, 246. 4 LG Berlin v. 5.4.2001 – 67 S 344/00, MM 2000, 246. 5 AG Köpenick v. 3.5.2000 – 7 C 524/99, NZM 2001, 334. 6 LG Berlin v. 16.9.2004 – 67 S 57/04, MM 2004, 410. 7 AG Köln v. 9.1.1989 – 213 C 295/86, WuM 1990, 146. 8 LG Berlin v. 22.9.1998 – 64 S 53/98, WuM 1998, 725. 9 AG Potsdam v. 9.3.1995 – 26 C 406/94, WuM 1996, 760. 10 AG Köln v. 29.6.1973 – 151 C 810/72, WuM 1974, 258. 11 AG Augsburg v. 15.1.1998 – 3 C 5191/97, ZMR 1998, 354. 12 AG Eschweiler v. 19.5.1994 – 5 C 114/94, WuM 1994, 427. 13 AG Bad Arolsen v. 8.3.2007 – 2 C 18/07 (70), WuM 2007, 191; LG Hannover v. 19.10.2005 – 12 S 49/05, WuM 2007, 191.

400

Lützenkirchen

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Toilette

Verkalkt

11

fi a. Bad 102

Treppengeländer

Bruchstellen im Geländer einen Innentreppe in einer Maisonettewohnung, wodurch das verkehrssichere Begehen der Treppe beeinträchtigt wird

Treppenhaus

Ungepflegter Zustand einer Hochhausanlage: stark 53 schmierige Schmutzbeläge an Treppenaufgängen, Eingangstür und Feuerschutztüren der Etagen; Schmierereien an den Wänden, Müllschlucker nicht sorgfältig gereinigt; Fahrstuhlkabine teilweise mit Hundekot verdreckt, Gleiches gilt für die Bedienungsleiste des Fahrstuhls, Sandspielplatz nicht von Hunde- und Katzenkot gereinigt; Briefkastenanlage oft zerstört, Postsendungen kamen abhanden; Lärmbelästigung Loser Putz, abblätternde Farbe

54

Neubau: nicht fertig gestelltes Treppenhaus, Wände nicht gestrichen/tapeziert, können abfärben

55

Schlechter Zustand des Treppenhauses zwischen 3. OG und Dachgeschoss (herabblätternde Farbe, poröser sich lösender Putz)

56

Abblätternde Farbe und Verschmierungen

107

Verschmutzung infolge Renovierungsarbeiten

28

Trinkwasser

fi Wasser/Trinkwasser

Trockenraum

Nutzungsentzug

109

fi a. Nutzungsbeschränkung Trocknungsgeräte

Aufstellen in der Wohnung wegen Durchfeuchtung des Bodens im Flur (zentrale Bedeutung für die Nutzung) bei nächtlich anderweitiger Unterbringung des Mieters auf Kosten des Vermieters

Tür

fi Haustür

Überhitzung

Infolge Sonneneinstrahlung erhitzen sich die Büroräume auf regelmäßig 30 °C über einen längeren Zeitraum

2010

2011

Für Wohnraum fi Dachgeschoss

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

LG Berlin v. 13.1.2004 – 64 S 334/03, WuM 2004, 234. AG Jülich v. 10.4.2012 – 4 C 85/11, WuM 2012, 552. AG Kiel v. 19.9.1990 – 7 C 56/90, WuM 1991, 343. LG Köln v. 7.9.1989 – 1 S 117/89, WuM 1990, 17. LG Mannheim v. 15.11.1973 – 12 S 34/73, WuM 1974, 52. LG Köln v. 7.9.1989 – 1 S 117/89, WuM 1990, 17. AG Schöneberg v. 31.10.1990 – 5 C 72/90, GE 1991, 527. LG Berlin v. 12.4.1994 – 63 S 439/93, MM 1994, 396. AG Osnabrück v. 6.5.1988 – 44 C 57/88, WuM 1990, 147. AG Schöneberg v. 10.4.2008 – 109 C 256/07, WuM 2008, 477. OLG Karlsruhe v. 17.12.2009 – 9 U 42/09, MDR 2010, 564 = MietRB 2010, 228 = GuT 2010, 212; vgl. auch BGH v. 15.12.2010 – XII ZR 132/09, MDR 2011, 149 = ZMR 2011, 372.

Lützenkirchen

401

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle

Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Überschwemmung

Der Kellerwohnung, so dass Umzug in Hotel erforderlich; Wohnung liegt im hochwassergefährdeten Gebiet; unterbliebener Hinweis des Vermieters bei Einzug

1001

Ungeziefer

Auftreten von insgesamt 26–36 Ameisen an 18 Tagen innerhalb von 6 Monaten kein Mangel, weil es sich dabei nur um eine sog. „Vorhut“ von Späherameisen ohne konkrete Besiedelung handelt

02

Befall der Wohnung von Kakerlaken und Mäusen (mind. 60 in 10 Monaten)

103

Vereinzeltes Auftreten von Kakerlaken auch nach durchgeführten Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen

104

Kugelkäfer, die als Plage in Erscheinung treten (einschließlich Schimmel im Kinderzimmer)

505

Zahlreiche Mäuse (u.a. 15 tote), Kot, angeknabberte Vorratstüten

106

Mehr als 10 Mäuse in Stadtwohnung, insb. Küche, zeitweise keine Bekämpfung der Plage durch Vermieter, Panikattacke beim Mieter

1007

Mäuse in Wohnung im ländlichen Siedlungsraum; keine bauphysikalischen Bedingungen, die Einnisten fördern

08

Aufkommen von Ratten auf dem Balkon

59

Befall des Haushofes mit Ratten

210

Ständiger Befall mit 5–10 Motten pro Raum

2511

Täglich 25–30 Silberfische in der Wohnung

2012

Silberfische in Feuchträumen, ohne dass das übliche Maß übertroffen ist; kein Mangel

013

Untersagungsverfügung

fi Nutzungsbeschränkung

Urinstrahl

fi Geräusche

Vorgarten

fi Außenanlagen

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

AG Friedberg v. 3.5.1995 – C 1326/94-11, WuM 1995, 393. AG Köln v. 6.4.1998 – 213 C 548/97, ZMR 1999, 262. AG Bonn v. 8.2.1985 – 6 C 277/84, WuM 1986, 113. AG Köln v. 18.3.1997 – 209 C 349/96, KM 1998, 35 Nr. 19. AG Trier v. 11.9.2008 – 8 C 53/08, WuM 2008, 665. AG Rendsburg v. 4.3.1988 – 3 C 551/87, WuM 1989, 284. AG Brandenburg a.d. Havel v. 6.8.2001 – 32 C 520/00, WuM 2001, 605. AG Prüm v. 11.7.2001 – 6 C 434/00, ZMR 2001, 808. AG Köln v. 30.12.2003 – 201 C 68/03, ZMR 2004, 594. LG Berlin v. 16.2.1999 – 64 S 356/98, NZM 2001, 986. AG Bremen v. 6.12.2001 – 25 C 118/01, WuM 2002, 215. AG Lahnstein v. 19.10.1987 – 2 C 675/87, WuM 1988, 55. LG Lüneburg v. 25.6.1998 – 4 S 394/97, WuM 1998, 570.

402

Lützenkirchen

Anhang § 536 BGB

Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Warmwasserversorgung

Durchlauferhitzer kann Wasser nicht ausreichend erhitzen, so dass es nicht möglich ist, gleichzeitig zu duschen, während eine andere Person z.B. das Geschirr spült

31

Waschküche

Entzug der Nutzungsmöglichkeit

102

Wasser

Zwischen 22.00–7.00 Uhr keine Warmwasserversorgung

7,53

Keine durchgehende Versorgung mit Warmwasser mit 40°–50 °C

5–104

Keine Warmwasserversorgung

105

Nutzung der Badewanne als Dusche mittels Hand- 06 brause; Temperaturschwankungen beim Duschen – sobald im Haus anderweitig Wasser entnommen wird – kein Mangel, weil bei einer Badewanne kein ständiger Wasserlauf, sondern nur einmaliges Einfüllen vorgesehen



Trinkwasser

Keine gleichzeitige Entnahme von Warmwasser in Bad und Dusche bei hochwertiger Wohnung

57

Warmduschen nicht störungsfrei möglich

58

Warmwasserversorgung mit Durchlauferhitzer, aber wenn eine Person duscht, kann andere das Geschirr nicht spülen

39

Erzeugung von Warmwasser in Höhe von 37 °C erst nach Vorlauf von 70 l Wasser

510

Trinkwasserversorgung aus dem das Haus speisenden Brunnen nicht möglich, Nitratgehalt über Grenzwert der Trinkwasserverordnung (max. 50 mg/l), hier: 168 mg/l

3011

Frischwasser konnte nicht als Genusswasser wegen 1012 Gesundheitsgefährdung (Nitratgehalt) aus der Leitung entnommen werden, Haus wurde durch zum Grundstück gehörigen Brunnen mit Wasser versorgt Bleigehalt im Trinkwasser 0,23 mg in den gemieteten Büro- und Lagerräumen (Grenze nach Trinkwasserverordnung 0,04)

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

513

AG Köln v. 9.4.2008 – 220 C 152/07, GE 2008, 1576. AG Osnabrück v. 6.5.1988 – 44 C 57/88, WuM 1990, 147. AG Köln v. 24.5.1995 – 206 C 251/94, KM 1998, 35 Nr. 20. LG Frankfurt v. 1.3.2007 – 15 S 231/06, WuM 2010, 447. LG Kassel v. 12.10.1978 – 1 S 89/78, WuM 1979, 51. LG Berlin v. 4.4.1997 – 63 S 443/96, GE 1997, 689. AG Meißen v. 24.3.2005 – 4 C 1719/03, WuM 2010, 447. LG Berlin v. 18.12.1990 – 64 T 187/90, MM 1991, 194. AG Köln v. 9.4.2008 – 220 C 152/07, GE 2008, 1567. LG Berlin v. 28.8.2001 – 64 S 108/01, GE 2001, 1607. AG Brühl v. 7.3.1990 – 2b C 831/89, WuM 1990, 382. AG Osnabrück v. 11.5.1987 – 14 C 33/87, WuM 1989, 12. OLG Köln v. 30.4.1991 – 22 U 277/90, KM 1998, 35 Nr. 18; AG Hamburg-St. Georg v. 28.2.2011 – 910 C 117/10, ZMR 2011, 559.

Lützenkirchen

403

Anhang § 536 BGB Stichwort

Minderungstabelle Mangel

Minderungsquote in %

Überschreiten des Richtwertes von 2 mg/l Kupfer im Trinkwasser

51

Wasser ohne Trinkwasserqualität in Atelier mit Kü- 102 chenzeile sowie Bad mit Duche, Wanne und WC Rostverfärbung

203

Unzureichender Schallschutz und unzulässig hoher 104 Eisengehalt oder Rost im Warmwasser

Wasserschaden

Braunfärbung des Trinkwassers bei einer Überschreitung der Grenzwerte für den Mangangehalt um das Fünffache, für den des Eisengehaltes um das Zehnfache

155

Bräunliche Verfärbung des Trinkwassers

106

Bloße Überschreitung von Grenzwerten nach der TrinkwasserVO um das 2,2fache (Nickel) ohne Verdacht einer Gesundheitsgefährdung kein Mangel

07

Nitrat-Gehalt im Trinkwasser, der die Grenzwerte der TrinkwasserVO übersteigt; Kosten für alternative Trinkwasserbeschaffung als Schadensersatz für 3-köpfige Familie

75 Euro/ Monat8

fi Bad und Feuchtigkeit Wassereinbruch in Wohn- und Schlafzimmer führt 209 zur Ablösung und Verfärbungen der Tapete, Verfärbung der Stuckverzierung im Wohnzimmer auf Fläche von 20 cm × 1,50 m, der Wandseite auf Fläche von 50 × 30 cm

Wohnungstür

Zugangskontrolle

Keine Sicherheitsbeschläge

010

Mangels Trennwand zum Hausflur in der Neubauwohnung fehlt die Möglichkeit zum Abschluss der Wohnung

2511

Der Vermieter setzt bei Bezug vorhandene Z. außer Betrieb und vermietet anstatt – wie im Exposé angepriesen – an besucherarme Gewerbemieter an die Agentur für Arbeit.

1512

1 LG Frankfurt v. 1.3.2007 – 15 S 231/06, WuM 2010, 447. 2 KG v. 8.9.2010 – 12 U 194/09, MDR 2011, 152 = ZMR 2011, 377. 3 AG Görlitz v. 3.11.1997 – 1 C 1320/96, WuM 1998, 180; AG Görlitz v. 15.5.1997 – 3 C 1347/96, WuM 1998, 315. 4 LG Berlin v. 14.9.2005 – 64 S 77/05, GE 2005, 1489. 5 AG Bad Segeberg v. 10.3.1998 – 17a C 164/97, WuM 1998, 280. 6 AG Görlitz v. 15.5.1997 – 3 C 1347/96, WuM 1998, 315. 7 LG Berlin v. 28.8.2001 – 64 S 108/01, GE 2001, 1607. 8 LG Köln v. 10.1.1991 – 6 S 143/90, MDR 1991, 445 = ZMR 1991, 223; AG Köln v. 16.8.2002 – 205 C 9/02, KM 35 Nr. 62. 9 LG Berlin v. 30.10.1995 – 67 S 176/95, GE 1996, 549 (bezogen auf den Mietanteil für Wohnund Schlafzimmer). 10 LG Freiburg v. 16.6.1988 – 3 S 31/88, WuM 1988, 263. 11 AG Potsdam v. 9.3.1995 – 26 C 406/94, WuM 1996, 760. 12 OLG Stuttgart v. 21.12.2006 – 13 U 51/06, ZMR 2007, 272.

404

Lützenkirchen

Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters

§ 536a BGB

§ 536a Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels (1) Ist ein Mangel im Sinne des § 536 bei Vertragsschluss vorhanden oder entsteht ein solcher Mangel später wegen eines Umstands, den der Vermieter zu vertreten hat, oder kommt der Vermieter mit der Beseitigung eines Mangels in Verzug, so kann der Mieter unbeschadet der Rechte aus § 536 Schadensersatz verlangen. (2) Der Mieter kann den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn 1. der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist oder 2. die umgehende Beseitigung des Mangels zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache notwendig ist. Inhalt A. I. II. 1.

2. III. IV. V. 1.

2.

VI.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . a) Allgemein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . . . . . . Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Garantiehaftung . . . . . . . . . . . . . . . b) Verschuldens- und Verzugshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ersatzvornahme und Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerberaummietrecht . . . . . . . . . . . a) Generelle Beschränkung der Gewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftungsausschlüsse . . . . . . . . . . . Haftungsrisiko bei unberechtigter Aufforderung zur Mängelbeseitigung .

B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Garantiehaftung, § 536a Abs. 1 Var. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschuldenshaftung, § 536a Abs. 1 Var. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verschulden des Vermieters . . . . . b) Haftung für Erfüllungsgehilfen. . . 3. Verzugshaftung, § 536a Abs. 1 Var. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gläubiger und Schuldner des Schadensersatzes . . . . . . . . . . . . . . . a) Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umfang des Schadensersatzes . . . . . a) Sachschaden . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 4 4 4 5 7 9 10 15 16 17 19 23 24 25 31 33

. .

38 38

.

39

. . .

45 46 56

.

58

. . . . .

63 63 66 68 72

b) Mehrkosten für die Anmietung von Ersatzraum. . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einmalige Kosten . . . . . . . . . . . (1) Mehrkosten für Einbauten, die im Vertragsobjekt vorhanden waren . . . . . . . . . . . . . . (2) Renovierung und Instandsetzung der Ersatzräume . . . . . (3) Vertragskosten für die Anmietung des Ersatzobjektes . . . . . (4) Maklerkosten . . . . . . . . . . . . . . bb) Differenz der Miete des Ersatzobjektes zum Vertragsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . c) Kosten bei einem Zwischenumzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unterbringungskosten . . . . . . . bb) Umzugskosten . . . . . . . . . . . . . cc) Prozesskosten für Räumung des bisherigen Mietobjektes . . d) Vergebliche Aufwendungen . . . . . . aa) Investitionen in die Mietsache bb) Planungskosten . . . . . . . . . . . . e) Entgangene Nutzung als solche . . . f) Rechtsverfolgungskosten . . . . . . . . aa) Rechtsanwaltsgebühren . . . . . bb) Kosten der Beweissicherung . . g) Zeitaufwand des Geschädigten . . . h) Schmerzensgeld . . . . . . . . . . . . . . . i) Herausgabe des Ersatzes . . . . . . . . j) Sonstige Mangelfolgeschäden . . . . k) Begrenzung des Schadens . . . . . . . aa) Sukzessive eintretende Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 254 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mitverschulden. . . . . . . . . . . . . (2) Schadensminderungspflicht . . 6. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ersatzvornahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand der Ersatzvornahme . . . . a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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78 79

81 82 84 85

87 91 92 92 97 100 103 111 113 114 117 118 122 127 129 139 141 143 143 146 146 148 151 153 161 161

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§ 536a BGB

2. 3.

III. 1.

2.

Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters

b) Mangelndes Eigentum des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausübung der Ersatzvornahme . . . Vorschussanspruch . . . . . . . . . . . . . a) Anspruchsvoraussetzungen . . . . b) Abrechnungspflicht . . . . . . . . . . Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zugrundeliegende Maßnahmen . b) Art und Umfang des Aufwendungsersatzes . . . . . . . . . . . . . . . Kosten der Ersatzvornahme, § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

166 168 171 171 176 183 183 184

. . 187 . . 194

3. Kosten von unaufschiebbaren Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfasste Maßnahmen . . . . . . . b) Dringlichkeit der Maßnahme . c) Eilmaßnahmen . . . . . . . . . . . . d) Umfang der Notmaßnahme . . 4. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. I. 1. 2.

. . . . . .

Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . Besondere Schadenspositionen . . Entgangener Gewinn. . . . . . . . . . . Kosten der geplanten Geschäftseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lohnkosten für Personal . . . . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

196 197 199 204 206 207

. . . 208 . . . 210 . . . 210 . . . 214 . . . 215

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Die Norm regelt in Absatz 1, unter welchen Vorausetzungen der Mieter Schadensersatz wegen eines Mangels der Mietsache verlangen kann, und unterscheidet dabei zwischen anfänglichen und später entstandenen Mängeln. Dazu bestimmt er für anfängliche Mängel eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Vermieters und für andere Mängel eine Verschuldens- bzw. Verzugshaftung. 2 In § 536a Abs. 2 BGB wird incidenter bestimmt, dass der Mieter einen Mangel selbst beseitigen kann. Ausdrücklich ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen er sodann vom Vermieter Ersatz seiner dadurch bedingten Aufwendungen verlangen kann. Hinsichtlich des Umfangs des Aufwendungsersatzes unterscheidet die Norm dabei zwischen der Verzugshaftung des Vermieters und dem Aufwand für Notmaßnahmen. Aus der Wertung im Verhältnis zu § 539 BGB ergibt sich der Vorrang des § 536a Abs. 2 BGB. Liegt ein Mangel der Mietsache vor, kann Aufwendungsersatz nur nach § 536a Abs. 2 BGB verlangt werden. Dem Vermieter wird der Vorrang bei der Beseitigung eines Mangels eingeräumt1. 3 Wegen der gesetzlichen Gewährleistungsausschlüsse wird auf §§ 536b, 536c verwiesen. Auch der Erstattungsanspruch nach § 536a Abs. 2 BGB kann durch § 536b ausgeschlossen sein2. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich a) Allgemein 4 Die allgemeine Vorschrift für Mietverhältnisse gilt für alle Mietverträge. Dazu gehören auch Mietverträge gemäß § 549 Abs. 2, 3 BGB. Über §§ 581 Abs. 2, 586 Abs. 2 BGB gilt § 536a BGB entsprechend für Pachtverhältnisse; zur Landpacht s. auch § 590b BGB. b) Verhältnis zu anderen Vorschriften 5 § 536a Abs. 1 BGB ist in seinem Anwendungsbereich abschließend. Deshalb scheidet ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung mietvertraglicher Nebenpflichten aus, wenn es sich hierbei um einen Bestandteil der Gebrauchsgewährung handelt, da § 280 BGB dann von der speziellen Regelung des § 536a Abs. 1 BGB verdrängt wird3. Bei Sachmängeln ist § 536a BGB aber erst anwendbar, sobald die Übergabe i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB stattgefunden hat. Davor gelten die allgemeinen Vorschriften, insbesondere §§ 280 ff. BGB (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 25 ff.). Zum Anwendungsbereich bei Rechtsmängeln im Zeitraum vor Übergabe vgl. Vor § 536 BGB Rz. 34). 1 BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, WuM 2008, 147. 2 BGH v. 21.1.1976 – VIII ZR 113/74, ZMR 1976, 138. 3 OLG Rostock v. 14.12.2006 – 3 W 52/06, NJW-RR 2007, 1092 = NZM 2007, 704.

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Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters

§ 536a BGB

Grundsätzlich unterscheidet sich der Anwendungsbereich des § 536a Abs. 2 BGB 6 nicht von dem des § 536a Abs. 1 BGB. Zur Abgrenzung von den Ansprüchen aus § 539 BGB s. § 539 BGB Rz. 18. 2. Anwendbare Rechtsprechung Das SchuldRModG 20021 hat in § 536a Abs. 1 BGB den Begriff „Schadensersatz we- 7 gen Nichterfüllung“ durch den Begriff „Schadensersatz“ ersetzt. Trotz der methodischen Unterscheidung zwischen Schadensersatz (§ 280 BGB) und Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 BGB), der am 1.1.2002 an die Stelle des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung getreten ist, hat die andere Begrifflichkeit in § 536a BGB nicht zu einer Beschränkung des Schadensumfangs geführt. Die Formulierung konnte nicht in Schadensersatz statt der Leistung geändert werden, weil bei einem Schadensersatzverlangen ansonsten der Mietvertrag aufgelöst worden wäre, § 281 Abs. 4 BGB2. Andererseits wird der Sinn der Beschränkung auf „Schadensersatz“ in § 536a BGB in der Notwendigkeit gesehen, auch den Fall zu berücksichtigen, dass der Mieter Verwender i.S.v. § 305 BGB ist3. Wäre nach § 536a Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung geschuldet, könnte der Mieter für geschuldete Reparaturmaßnahmen in den AGB keine garantiemäßige Haftung des Vermieters begründen4. Im Übrigen wurde die Vorgängervorschrift des § 538 BGB a.F. auch am 1.9.2001 un- 8 verändert übernommen. Im Hinblick darauf ist die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1.1.2002 ohne Einschränkung anwendbar. III. Zweck der Vorschrift Die Vorschrift ergänzt die Gewährleistungsrechte des Mieters, indem sie ihm einer- 9 seits einen Ausgleich für mangelbedingte Einbußen verschafft5 (Abs. 1 BGB) und andererseits die Rechtsfolgen der Selbsthilfe normiert (Abs. 2). Während § 535 Abs. 1 S. 2 BGB den Anspruch auf Mängelbeseitigung verschafft und § 536 BGB die Störung des Äquivalenzverhältnisses sanktioniert, sollen durch § 536a BGB die zusätzlichen wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, die der Mieter erlitten hat, erfasst werden. IV. Beweislast Nach dem Wortlaut der Vorschrift und der allgemeinen Regel, dass der Anspruchstel- 10 ler die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des von ihm geltend gemachten Anspruchs trägt, hat der Mieter grundsätzlich alle Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs nach § 536a Abs. 1 BGB6 und des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 536a Abs. 2 BGB darzulegen und ggf. zu beweisen, insbesondere – soweit erforderlich – Vermieterverschulden, Ursächlichkeit7 und Höhe des Schadens bzw. der Aufwendungen. Auch die Tatsache, dass ein anfänglicher Mangel haftungsbegündend wirkt, unterliegt 11 der Beweislast des Mieters. Tritt ein Schaden erst längere Zeit nach Vertragsschluss ein, kann dies zwar ein Indiz dafür sein, dass die Mietsache ursprünglich mangelfrei gewesen ist8. Umgekehrt kann aber das Auftreten eines Mangels kurz nach Überlassung der Mietsache ein Indiz dafür darstellen, dass der Mangel bereits bei der Übergabe vorhanden war, auch wenn er sich erst nach Beginn der Nutzung gezeigt hat9. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

BGBl. I, S. 42. BT-Drucks. 14/6857, S. 67 zu Nr. 121. Graf von Westphalen, NZM 2002, 368 (370). Vgl. OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (ein Abweichen von der Verschuldenshaftung verstößt gegen § 307 BGB). MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 1. BGH v. 25.1.2006 – VIII ZR 223/04, MDR 2006, 983 = MietRB 2006, 154 = WuM 2006, 147 = NZM 2006, 659. OLG Hamm v. 25.6.1997 – 30 U 208/96, ZMR 1997, 520. OLG München v. 16.9.1994 – 21 U 5903/93, NJWE-MietR 1996, 177; Blank/Börstinghaus, § 536a BGB Rz. 32. OLG Düsseldorf v. 28.5.2009 – 24 U 151/08, GuT 2011, 151.

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Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters

12 Nur wenn feststeht, dass die Schadensursache im Herrschafts- und Einflussbereich des Vermieters gesetzt worden ist, hat sich der Vermieter hinsichtlich des Verschuldens zu entlasten1. Diese Ausnahme, dass sich der Vermieter entlasten muss, beruht auf der im Mietrecht geltenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nach Verantwortungsbereichen. Diese trägt im Besonderen der fehlenden Einsichtsmöglichkeit in den Verantwortungsbereich der jeweils anderen Seite Rechnung. Bleibt ungeklärt, in wessen Verantwortungsbereich die Schadensursache gesetzt worden ist, muss sich der Vermieter im Rahmen des Schadenersatzanspruches des Mieters aus § 536a Abs. 1 BGB nicht entlasten. 13 Ist der Schaden unstreitig, behauptet aber der Vermieter, die Beschädigung der Sache sei durch ein früheres Ereignis eingetreten, ist der Mieter beweispflichtig, dass der Schaden durch das in den Risikobereich des Vermieters fallende (spätere) Ereignis eingetreten ist2. Jedenfalls findet eine Umkehr der Beweislast zu Lasten des Vermieters nicht statt. 14 Die Behauptungs- und Beweislast für die zur Anwendung des § 254 BGB führenden Umstände trägt grundsätzlich der Schädiger (hier der Vermieter). Denn er will damit seine Ersatzpflicht mindern oder beseitigen. Dabei dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Der Vermieter kann namentlich beanspruchen, dass der Mieter als Geschädigter an der Beweisführung mitwirkt, soweit es sich um Umstände aus seiner Sphäre handelt3. Dies bedeutet – wie bei der Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder Umschulung nach einem Schadensereignis –, dass der Vermieter zwar die Voraussetzungen seines Einwandes aus § 254 Abs. 2 BGB beweisen, der Mieter aber zunächst seiner Darlegungslast genügen muss. Deshalb muss der Vermieter zunächst darlegen, was er unternommen hat, um seiner Schadensminderungspflicht zu genügen. Demgegenüber ist es Sache des Vermieters zu behaupten und zu beweisen, dass der Mieter entgegen seiner Darstellung seine Schadensminderungspflicht hätte erfüllen können4. V. Abweichende Vereinbarungen 15 Die Abdingbarkeit der in § 536a BGB geregelten Ansprüche bewertet sich unterschiedlich. Denn mit den verschiedenen Ansprüchen werden unterschiedliche Zwecke verfolgt. Deshalb sind für die Herbeiführung abweichender Vereinbarungen verschiedene Maßstäbe zu beachten. 1. Wohnraummiete 16 Schon das Fehlen einer dem § 536 Abs. 4 BGB vergleichbaren Regelung macht deutlich, dass die Vorschrift nachgiebiges Recht enthält. Deshalb kann ein Ausschluss und eine Beschränkung durch Individualvertrag in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB herbeigeführt werden. Formularvertragliche Regelungen sind insbesondere an § 307 BGB, aber z.B. auch an § 309 Nr. 4 oder 7 BGB zu messen. a) Garantiehaftung 17 Die verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters für anfängliche Sachmängel ist eine für das gesetzliche Haftungssystem untypische Regelung. Sie kann selbst in der Wohnraummiete5 formularvertraglich ganz abbedungen werden6, auch soweit 1 BGH v. 25.1.2006 – VIII ZR 223/04, MDR 2006, 983 = MietRB 2006, 154 = WuM 2006, 147 = NZM 2006, 659; OLG Hamm v. 25.6.1997 – 30 U 208/96, ZMR 1997, 520. 2 BGH v. 7.6.2006 – XII ZR 47/04, MietRB 2006, 289 = MDR 2006, 1392 = ZMR 2006, 680 = NZM 2006, 659. 3 BGH v. 22.11.2005 – VI ZR 330/04, WuM 2006, 25. 4 Vgl. BGH v. 23.1.1979 – VI ZR 103/78, MDR 1979, 658 = NJW 1979, 2142 = VersR 1979, 424 (425); BGH v. 22.4.1997 – VI ZR 198/96, MDR 1997, 880 = NJW 1997, 3381 = VersR 1997, 1158 (1160). 5 BGH v. 4.10.1990 – XII ZR 46/90, WuM 1992, 316. 6 BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 327/00, MDR 2002, 1361 = NJW 2002, 3232; BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, ZMR 1993, 320; BGH v. 4.10.1990 – XII ZR 46/90, WuM 1992, 316 = ZMR 1992, 241 = NJWRR 1991, 14.

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§ 536a BGB

Körperschäden betroffen sind1. Allerdings darf der Haftungsausschluss aufgrund seiner systematischen Stellung im Vertrag nicht nach § 305c BGB überraschend sein2. Das ist der Fall, wenn die Regelung an einer Stelle des Vertrages platziert ist, bei der gewöhnlich niemand damit rechnet, eine solche Bestimmung zu finden. Der Ausschluss der Garantiehaftung kann schon durch folgende Klausel erreicht 18 werden: „Der Vermieter übernimmt keinerlei Haftung für Schäden, die an der Einrichtung oder dem eingelagerten Gut entstehen können, es sei denn, der Schaden sei durch den Vermieter oder seine Erfüllungsgehilfen vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht worden“3. Ein solcher oder ähnlicher Ausschluss soll auch dann nicht gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn die Parteien bei Abschluss des Vertrages eine gesundheitsgefährdende Schadstoffbelastung der Mietsache für möglich halten und diese sich später tatsächlich realisiert4. Denn der Verzicht des Mieters auf Gewährleistungsansprüche ist grundsätzlich auch im Hinblick auf eine Gesundheitsgefährdung zulässig, sodass die Berufung auf den Haftungsausschluss selbst dann keine unzulässige Rechtsausübung darstellt, wenn die Tauglichkeit der Mieträume zum vertraglich vorgesehenen Gebrauch völlig ausgeschlossen ist. Eine entsprechende formularmäßige Klausel ist aber zumindest gemäß § 309 Nr. 7a BGB unwirksam. Als unwirksame Bestimmung kann sie nach dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion weder eine Haftungsbeschränkung noch einen Ausschluss der Garantiehaftung herbeiführen5. b) Verschuldens- und Verzugshaftung Die Verschuldenshaftung kann formularmäßig grundsätzlich bereits wegen § 307 19 Nr. 7 BGB für Fälle von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen werden. Darüber hinaus ist ein Haftungsausschluss unwirksam, der formularmäßig auch die Fälle erfasst, in denen der Vermieter seine Erhaltungspflicht (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) infolge leichter Fahrlässigkeit verletzt6. Denn damit würde die Pflicht zur Erhaltung der Mietsache ausgehöhlt, indem eine Verletzung dieser Hauptpflicht für den Vermieter ohne wirtschaftliche Folgen bliebe. Allenfalls kommt hier eine Beschränkung auf vertragstypische Risiken in Betracht, wobei es keinen Unterschied macht, ob sich der Mieter gegen entsprechende Schäden versichern kann bzw. konnte7. Soweit die Haftung dem Grunde nach formularmäßig nicht ausgeschlossen werden kann, kann sie auch nach Höhe und Art durch AGB nicht begrenzt werden8. Ein wirksamer Ausschluss erstreckt sich grundsätzlich auch auf die aus demselben 20 Sachverhalt herrührenden außervertraglichen Ansprüche9. Eine zu weit gehende und damit unwirksame Haftungsbeschränkung kann nicht im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion auf einen zulässigen Inhalt zurückgeführt werden10. Wegen der Rechtsfolge bei arglistig verschwiegenen Mängeln vgl. § 536d BGB Rz. 7 ff.

21

Wegen der Aufrechnung und des Zurückbehaltungsrechtes aufgrund des § 536a BGB vgl. § 556b BGB Rz. 50 f.

22

c) Ersatzvornahme und Aufwendungsersatz Das Selbsthilferecht und der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen 23 (§ 536a Abs. 2 BGB) können formularmäßig wegen § 307 BGB nicht wirksam abbe1 Heinrichs, NZM 2003, 6 (9); Joachim, NZM 2003, 387 (388). 2 BGH v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, MietRB 2010, 319 (320) = MDR 2010, 1103 = ZMR 2011, 360 = GE 2010, 1193. 3 OLG Düsseldorf v. 21.1.1999 – 10 U 32/97, NZM 2000, 188. 4 BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 327/00, MDR 2002, 1361 = ZMR 2002, 899 = NZM 2002, 784. 5 A.A. Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 333. 6 BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, MDR 2002, 330 = ZMR 2002, 184 = WuM 2002, 141 = NZM 2002, 116. 7 A.A. Schmitz und Reischauer, NZM 2002, 1019 (1020). 8 Bub/Treier/Bub, II Rz. 520; vgl. auch zu Vertragsgestaltungen Joachim, NZM 2003, 387 f. 9 OLG Frankfurt v. 9.7.1971 – 2 U 57/71, VersR 1973, 425; Palandt/Weidenkaff, § 536a BGB Rz. 7. 10 BayObLG v. 17.12.1984 – REMiet 8/83, MDR 1985, 500 = NJW 1985, 1716.

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dungen werden1. Der Mieter würde unangemessen benachteiligt, wenn er die Kosten der ihm an sich vom Vermieter geschuldeten Maßnahmen letztlich selbst tragen müsste. Dies gilt erst recht, wenn er nicht berechtigt wäre, die Mängel selbst zu beseitigen. Denn würde sich der Vermieter z.B. ernsthaft und endgültig weigern, wäre der Mieter auf Dauer auf die Minderung beschränkt. Deshalb sind allenfalls „Erschwerungen“ denkbar, die z.B. eine Mindestfrist von zwei Wochen voraussetzen. 2. Gewerberaummietrecht 24 Hinsichtlich der individualvertraglichen Möglichkeiten bestehen keine Unterschiede zur Wohnraummiete (vgl. § 536a BGB Rz. 16). a) Generelle Beschränkung der Gewährleistung 25 Grundsätzlich ist es möglich, in einem Gewerberaummietvertrag die Gewährleistungsrechte auch formularmäßig zu beschränken. Deshalb kann z.B. der Automatismus des § 536 Abs. 1 BGB ausgeschlossen werden, so dass der Mieter auf Rückzahlung des geminderten Betrages klagen muss (vgl. § 536 BGB Rz. 55). 26 Ein völliger Ausschluss der Gewährleistung ist formularmäßig grundsätzlich unzulässig. Denn diese Konstellation liefe auf eine Aushöhlung der Hauptpflicht des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB und eine unerträgliche Störung des Äquivalenzprinzips hinaus. 27 Ein solcher unzulässiger Ausschluss der Gewährleistung liegt grundsätzlich vor, wenn die Pflicht zur Erhaltung der Mietsache vollständig auf den Mieter überwälzt wurde. Denn eine solche Regelung bedeutet die Freizeichnung des Vermieters von jeder Haftung und die Belastung des Mieters mit einem nicht im Voraus kalkulierbaren Risiko2. Nach einer solchen Klausel müsste der Mieter auch für Schäden und Abnutzungen aufkommen, die bereits vor Vertragsabschluss vorhanden gewesen sind oder nicht von ihm verursacht werden. Dies gilt erst recht, wenn die Klausel die Auslegung zulässt, dass auch Gegenstände der Erhaltungspflicht des Mieters unterliegen sollen, die in den Gemeinschaftsflächen liegen3. 28 Ein formularmäßiger Gewährleistungsausschluss, wonach der Vermieter keine Gewähr dafür leistet, dass die Geschäftsräume den behördlichen Anforderungen entsprechen und der Mieter behördliche Auflagen auf eigene Kosten zu erfüllen hat, ist unwirksam4. Das Gleiche gilt für die Klausel, die sich nicht nur auf den Fall bezieht, dass die Gaststättenkonzession aufgrund mangelnder persönlicher Eignung des Pächters versagt wird5. Denn für den baulichen Zustand kann sich der Vermieter nicht freizeichnen. 29 Plant jedoch der Mieter einen erheblichen Umbau der Geschäftsräume und hat er hierfür wirksam die Beibringung der behördlichen Genehmigung übernommen, kann er sich nicht auf eine Mangelhaftigkeit wegen fehlender Erlaubnis berufen, wenn er nicht einmal den Versuch unternommen hat, sie zu erlangen6. Dies gilt erst recht, wenn die Mietsache durch eine vom Mieter gewünschte Veränderung ohne Verschulden des Vermieters fehlerhaft wird7. Auf einen Mangel der Mietsache kann sich der Mieter auch nicht berufen, wenn der Änderungswunsch im Rahmen der Herbeiführung des Anfangszustandes erfolgte (Kunststoffbelag statt Teppichboden), selbst wenn er den Sonderwunsch durch den Handwerker ausführen ließ, den auch der Vermieter beauftragt hätte8. 1 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235. 2 OLG Köln v. 17.12.1993 – 19 U 1189/93, DWW 1994, 119; OLG Naumburg v. 12.8.1999 – 2 U(Hs) 34/98, ZMR 2000, 383. 3 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MDR 2006, 17 = MietRB 2005, 285 = DWW 2005, 372 = ZMR 2005, 844; OLG Saarbrücken v. 21.2.2003 – 8 U 463/02-109, NZM 2003, 438. 4 OLG Düsseldorf v. 10.7.1992 – 10 U 142/91, ZMR 1992, 446; OLG Dresden v. 17.6.1996 – 2 U 655/95, NJW-RR 1997, 395; LG Berlin v. 28.8.2001 – 64 S 107/01, ZMR 2002, 271. 5 OLG Köln v. 25.2.1994 – 20 U 87/93, VersR 1995, 840. 6 OLG Düsseldorf v. 7.1.1993 – 10 U 58/92, MDR 1993, 443 = DWW 1993, 99. 7 OLG Düsseldorf v. 5.12.1991 – 10 U 10/91, DWW 1992, 81. 8 KG v. 16.8.2004 – 12 U 310/03, MietRB 2005, 34 = GuT 2004, 230.

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§ 536a BGB

Ausnahmsweise kann eine Individualvereinbarung zulässig sein, mit der dem Mieter 30 die gesamte Erhaltungslast überbürdet wird, wenn die Vertragsauslegung ergibt, dass der Vermieter nur die Anschaffungskosten tragen soll1 oder bei der Anmietung eines Gesamtobjekts zum Ausgleich die Miete entsprechend reduziert wird. Insoweit soll eine unwirksame Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit zum Ausschluss der Garantiehaftung herangezogen werden können2, obwohl sie als solche unwirksam ist3. Dies ist im Hinblick auf § 306 BGB und das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion aber zweifelhaft. Vgl. im Übrigen § 535 BGB Rz. 255 f. b) Haftungsausschlüsse Der Ausschluss der Garantiehaftung ist wie in der Wohnraummiete (vgl. § 536a BGB 31 Rz. 17) formularmäßig jedenfalls mit einer wirksamen Formulierung ohne Weiteres zulässig4. Denn auch hier gilt der Grundsatz, dass die Garantiehaftung in dem Gefüge der Haftungsnormen einen Ausnahmecharakter besitzt. Mithin rechnet ein Mieter ohnehin nicht mit einer derartigen Wohltat, so dass auch eine unangemessene Benachteiligung ausscheidet. Für den Ausschluss der vom Verschulden abhängigen Ansprüche aus § 536a Abs. 1 32 Var. 2, 3 BGB kann bei einem Formularvertrag § 309 Nr. 7 lit. b BGB, der über §§ 307, 310 Abs. 1 BGB auch im Verkehr zwischen Unternehmern als Indiztatbestand relevant ist5, herangezogen werden. Insoweit ergeben sich keine Unterschiede zur Wohnraummiete6. VI. Haftungsrisiko bei unberechtigter Aufforderung zur Mängelbeseitigung Es ist anerkannt, dass allein in der Erhebung einer Klage oder in der sonstigen Inan- 33 spruchnahme eines staatlichen, gesetzlich geregelten Rechtspflegeverfahrens zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte weder eine unerlaubte Handlung i.S.d. §§ 823 ff. BGB7 noch ein Verstoß gegen Treu und Glauben und damit eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung gesehen werden kann8. Für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage haftet der ein solches Verfahren Betreibende außerhalb der schon im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen grundsätzlich nicht, weil der Schutz des Prozessgegners regelmäßig durch das gerichtliche Verfahren nach Maßgabe seiner gesetzlichen Ausgestaltung gewährleistet wird. Eine andere Beurteilung würde den freien Zugang zum staatlichen Rechtspflegeverfahren, an dem auch ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise einengen. Inwieweit und unter welchen Voraussetzungen sich diese Rechtsprechung auf die 34 außerprozessuale Geltendmachung vermeintlicher Rechte übertragen lässt, wird jedoch nicht einheitlich bewertet. Einerseits wird vertreten, dass es beim uneingeschränkten deliktischen Rechtsgüterschutz nach § 823 Abs. 1 BGB und § 826 BGB bleibt, wenn es an der Rechtfertigungswirkung eines gerichtlichen Verfahrens fehlt9. Im Rahmen einer (vor-)vertraglichen Beziehung der Parteien kommt auch ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 BGB in Betracht, wenn jemand unberech1 2 3 4 5 6 7

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OLG Saarbrücken v. 21.2.2003 – 8 U 463/02 – 109, NZM 2003, 438. Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 333. OLG Hamm v. 10.10.1995 – 7 U 12/95, MDR 1996, 256 = ZMR 1996, 199 = NJW-RR 1996, 969. BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 327/00, MDR 2002, 1361 = BGH-Report 2002, 972; für die Wohnraumiete gilt dies ebenfalls: BGH v. 4.10.1990 – XII ZR 46/90, WuM 1992, 316. OLG Hamm v. 17.2.1999 – 30 U 77/98, NZM 1999, 805. Fallak, GuT 2007, 75; Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 333. BGH v. 13.3.1979 – VI ZR 117/77, BGHZ 74, 9, 16; BGH v. 23.5.1985 – IX ZR 132/84, BGHZ 95, 10, 18 f. = MDR 1985, 841; BGH v. 12.5.1992 – VI ZR 257/91, BGHZ 118, 201, 206 = MDR 1992, 751; BGH v. 25.3.2003 – VI ZR 175/02, BGHZ 154, 269, 271 f. = MDR 2003, 740; BGH v. 15.7.2005 – GSZ 1/04, BGHZ 164, 1, 6 = MDR 2006, 280. BGH v. 7.3.1956 – V ZR 106/54, BGHZ 20, 169, 172; BGH v. 20.3.1979 – VI ZR 30/77, MDR 1980, 49 = WPM 1979, 1288 = NJW 1980, 189 (unter I 2), BGH v. 12.11.2004 – V ZR 322/03, MDR 2005, 263 = NJW-RR 2005, 315 (unter II 2). BGH v. 15.7.2005 – GSZ 1/04, BGHZ 164, 1, 6 = MDR 2006, 280.

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Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters

tigt als angeblicher Schuldner außergerichtlich mit einer Forderung konfrontiert wird und ihm bei der Abwehr dieser Forderung Kosten entstehen1. Dagegen wird teilweise die Auffassung vertreten, die außergerichtliche Geltendmachung einer nicht bestehenden Forderung könne nicht anders behandelt werden als die gerichtliche2. In bestehenden Schuldverhältnissen gebe es ein Recht, in subjektiv redlicher Weise – wenn auch unter fahrlässiger Verkennung der Rechtslage – Ansprüche geltend zu machen, die sich als unberechtigt erwiesen. 35 Nach Ansicht des BGH stellt jedenfalls ein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen nach § 439 Abs. 1 BGB eine zum Schadensersatz verpflichtende schuldhafte Vertragsverletzung dar, wenn der Käufer erkannt oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass ein Mangel nicht vorliegt, sondern die Ursache für die von ihm beanstandete Erscheinung in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt3. Für den Käufer liege es auf der Hand, dass von ihm geforderte Mangelbeseitigungsarbeiten auf Seiten des Verkäufers einen nicht unerheblichen Kostenaufwand verursachen könnten. Die innerhalb eines bestehenden Schuldverhältnisses gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen der gegnerischen Vertragspartei erfordere deshalb, dass der Käufer vor Inanspruchnahme des Verkäufers im Rahmen seiner Möglichkeiten sorgfältig prüfe, ob die in Betracht kommenden Ursachen für das Symptom, hinter dem er einen Mangel vermutet, in seiner eigenen Sphäre liegen. 36 Diese Grundsätze sind ohne weiteres auf das Mietrecht übertragbar. Der Mieter, der z.B. nicht ordnungsgemäß lüftet, benötigt keine besonderen Fachkenntnisse, um in Betracht ziehen zu können, dass die Feuchtigkeitserscheinungen in seiner Wohnung selbst verschuldet sind. Wenn er trotzdem den Vermieter wegen angeblicher Unzulänglichkeiten am Baukörper zur Mängelbeseitigung auffordert, handelt er fahrlässig und trägt den adäquat-kausal entstandenen Schaden. 37 Vor diesem Hintergrund kommt es für die Schadensersatzpflicht des Mieters wesentlich darauf an, ob den Mieter ein Verschulden nach § 276 BGB trifft. Insoweit ist maßgeblich darauf abzustellen, ob aus seiner Sicht – abgestellt auf den Zeitpunkt der Aufforderung zur Mängelbeseitigung – sein Handeln plausibel erscheint4. Danach kann das Verschulden fehlen, wenn der Mieter z.B. die Wohnung selbst vermisst und damit im Rahmen seiner Möglichkeiten geprüft hat, ob eine Wohnflächenabweichung vorliegt5. Dies gilt umso mehr, wenn die exakte Wohnungsgröße wegen der Schwierigkeiten bei der Vermessung (Schrägen, Winkel) erst durch einen Gutachter festgestellt werden kann. Von dem Mieter eine weitergehende Überprüfung der von ihm vermuteten Wohnflächenabweichung zu verlangen, würde die an einen nicht mit der Rechtslage vertrauten Mieter zu stellenden Sorgfaltsanforderungen überspannen. Insbesondere erforderte die von ihm zu verlangende Sorgfalt nicht, sich vor der Mängelanzeige über die komplizierte Wohnflächenberechnung bei Dachgeschosswohnungen kundig zu machen oder gar ein mit erheblichen Kosten verbundenes Sachverständigengutachten zur Wohnfläche einzuholen. Denn die Behauptung eines Mangels erfordert nicht seine vorherige zweifelsfreie Feststellung. Andernfalls würde die Durchsetzung von Mängelrechten in nicht hinnehmbarer Weise erschwert. Bleibt somit bei der Mängelanzeige ungewiss, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt, dürfen Mängelrechte geltend gemacht werden, ohne Schadensersatzansprüche befürchten zu müssen, auch wenn sich das Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt6. 1 BGH v. 12.12.2006 – VI ZR 224/05, MDR 2007, 654 = NJW 2007, 1458 (unter II 1 und 2); LG Zweibrücken v. 10.2.1998 – 3 S 178/97, MDR 1998, 524 = NJW-RR 1998, 1105 f.; AG Münster v. 4.5.1994 – 48 C 9/94, NJW-RR 1994, 1261 f. 2 KG v. 18.8.2005 – 8 U 251/04, zitiert nach juris, Rz. 142; OLG Düsseldorf v. 18.12.1998 – 22 U 148/98, NJW-RR 1999, 746 (unter 2); OLG Braunschweig v. 19.3.2001 – 7 U 97/00, OLGR 2001, 196 (198); Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, § 241 BGB Rz. 54. 3 BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, MDR 2008, 373 = ZMR 2008, 285 = NJW 2008, 1147. 4 BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, MDR 2008, 373 = ZMR 2008, 285 = NJW 2008, 1147; Kaiser, NJW 2008, 1709 (1712) (Evidenzkontrolle). 5 BGH v. 22.9.2010 – VIII ZR 285/09, WuM 2010, 688 = GE 2010, 1613. 6 BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, MDR 2008, 373 = NJW 2008, 1147 Rz. 13; vgl. ferner BGH v. 16.1.2009 – V ZR 133/08, MDR 2009, 438 = NJW 2009, 1262 (Rz. 20).

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§ 536a BGB

B. Wohnraummiete I. Schadensersatz § 536a Abs. 1 BGB regelt zugunsten des Mieters drei verschiedene Ansprüche auf 38 Schadensersatz wegen Mängeln der Mietsache: danach kann der Mieter Schadensersatz verlangen, wenn der Mangel – schon bei Vertragsschluss vorgelegen oder der Mietsache eine zugesicherte Eigenschaft gefehlt hat (Garantiehaftung), – erst nach Vertragsschluss infolge eines Umstandes, den der Vermieter zu vertreten hat, entsteht (Verschuldenshaftung), – infolge des Verzugs des Vermieters mit der Beseitigung fortbesteht (Verzugshaftung). 1. Garantiehaftung, § 536a Abs. 1 Var. 1 BGB Nach der ersten Variante des § 536a BGB hat der Vermieter die Garantie dafür zu 39 übernehmen, dass im Zeitpunkt seines Versprechens, den vertragsgemäßen Gebrauch zu gewähren, diesem Gebrauch entgegenstehende Mängel nicht vorliegen1. Deshalb ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Mangel bei Vertragsschluss schon zutage getreten ist, der Vermieter ihn gekannt hat oder hätte beseitigen können. Entscheidend ist, dass die Mangel- und Schadensursache bei Vertragsschluss vorhanden ist2, selbst wenn die negativen Auswirkungen erst nach der Übergabe vorliegen. Die Abgrenzung kann schwierig sein. Dies gilt erst recht, wenn ein Bauteil der Miet- 40 räume erst später funktionsuntüchtig geworden ist. Beruht der Missstand allein auf Alterungs- oder Verschleißprozessen, entsteht der Mangel erst später mit dem Verschleiß. Nicht jedes später funktionsuntüchtig werdende Bauteil kann also bereits als im 41 Zeitpunkt des Vertragsschlusses latent mangelhaft angesehen werden. War ein Bauteil aufgrund seiner fehlerhaften Beschaffenheit bei Vertragsschluss allerdings bereits in diesem Zeitpunkt für die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache ungeeignet und damit unzuverlässig, liegt ein anfänglicher Mangel vor3. Als Beispiele kommen in Betracht – bei Abschluss des Mietvertrags vorhandene Baufehler, die später zu einem Bezugsverbot oder zur Versagung der erforderlichen baupolizeilichen Schlussabnahme führen4, – eine bei Vertragsschluss vorhandene unverschlossene Rauchrohröffnung, die später zum Brand führt5, – eine außerhalb der Mietsache vorhandene, bei Vertragsschluss aber noch nicht hervorgetretene und auch nicht erkennbare Gefahrenquelle, die sich während der Mietzeit negativ auf den Mietgebrauch auswirkt6, – die Versagung der Gaststättenkonzession wegen nicht ausreichend vorhandener Stellplätze7, – Konstruktionsmängel z.B. des Beschlages eines Fensterflügels, der diesem schon bei Vertragsschluss anhaftete8.

1 BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, NJW 1968, 885. 2 BGH v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, MietRB 2010, 319 (320) = MDR 2010, 1103 = ZMR 2011, 360 = GE 2010, 1193. 3 BGH v. 27.3.1972 – VIII ZR 177/70, MDR 1972, 599 = NJW 1972, 944. 4 BGH v. 16.1.1963 – VIII ZR 169/61, MDR 1963, 303 = NJW 1963, 804. 5 BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, NJW 1968, 885. 6 BGH v. 27.3.1972 – VIII ZR 177/70, MDR 1972, 599 = NJW 1972, 944. 7 OLG München v. 19.5.1995 – 21 U 4948/94, ZMR 1995, 401. 8 BGH v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, MietRB 2010, 319 (320) = MDR 2010, 1103 = ZMR 2011, 360 = GE 2010, 1193.

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42 Beseitigt der Vermieter den Mangel bis zum vertraglich festgelegten Übergabetermin, bleibt insoweit für die Garantiehaftung kein Raum. Das Gleiche gilt, wenn eine an sich zulässige Nutzung als Diskothek erst nach mehrjährigem Betrieb verboten wird, weil das Objekt in einem Mischgebiet liegt1. 43 § 536a Abs. 1 Var. 1 BGB ist entsprechend anwendbar, wenn die Mietsache erst nach Abschluss des Mietvertrags fertig gestellt wird. Abweichend vom Gesetzeswortlaut kommt es dann auf den Zeitpunkt der Fertigstellung oder Übergabe der Mietsache an2. 44 Wird die Mietsache aufgrund formloser Nutzungsvereinbarung überlassen, lösen dann aber die Vertragsparteien diese Abrede durch einen ins Einzelne gehenden schriftlichen Mietvertrag ab, trifft den Vermieter, falls er diese Haftung nicht erkennbar ausschließen wollte, wegen der im Ablösezeitpunkt vorhandenen Mängel die Garantiehaftung aus § 536a Abs. 1 Var. 1 BGB3. Bei Abschluss eines eigenständigen Anschlussmietvertrags derselben Parteien über dasselbe Objekt greift die Garantiehaftung bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Anschlussmietvertrags in der Regel nicht erneut ein4. Bei Optionsausübung, fiktiver Vertragsverlängerung nach § 545 BGB oder bloßer nachträglicher Mietzeitverlängerung wird ebenfalls keine neue Garantiehaftung begründet5. Das Gleiche gilt im Fall des Mieterwechsels im Wege der Vertragsübernahme. Vielmehr haftet der Vermieter ohne Verschulden nur für die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem ersten Mieter vorhandenen Mängel6. Anders verhalten sich die Dinge jedoch dann, wenn der neue Mieter nicht in den alten Mietvertrag eintritt, sondern mit dem Vermieter einen neuen Mietvertrag schließt. 2. Verschuldenshaftung, § 536a Abs. 1 Var. 2 BGB 45 In der zweiten Variante des § 536a Abs. 1 BGB (zu vertretende Mängel) haftet der Vermieter für eigenes Verschulden (§ 276 BGB) und für das seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB). a) Verschulden des Vermieters 46 Für das Verschulden reicht Fahrlässigkeit (§ 276 BGB). Insoweit ist sehr häufig darauf abzustellen, ob den Vermieter eine Überprüfungspflicht trifft. Hierbei ist zu untersuchen, inwieweit z.B. Unfallverhütungsvorschriften, die anerkannten Regeln der Technik oder sonstige Bestimmungen verlangen, dass der Vermieter Einzelteile der Mietsache regelmäßig inspiziert7. Eine – zudem unbekannte – Verletzung von DINNormen reicht nicht aus, weil sie keinen Rechtsnormcharakter haben8. 47 Hinsichtlich des Gebäudes wird eine regelmäßige Prüfungspflicht im Abstand von zwei Jahren angenommen. Innerhalb der Wohnung des Mieters muss er jedoch nicht ohne konkreten Anlass Besichtigungen durchführen, um mögliche Gefahren für andere Mieter ggf. zu entdecken9. Unabhängig davon entsteht eine Überprüfungspflicht aber vor allem, wenn der Mieter einen Mangel oder sonstigen gefährlichen Zustand der Mietsache anzeigt (§ 536c BGB). In diesem Fall darf der Vermieter mit der Überprüfung nicht warten10.

1 BGH v. 20.4.1977 – VIII ZR 287/75, MDR 1977, 743 = ZMR 1978, 25 = NJW 1977, 1285. 2 BGH v. 14.5.1971 – V ZR 25/69, MDR 1971, 737 = NJW 1971, 1450; OLG München v. 1.12.1995 – 21 U 3013/95, ZMR 1996, 322; OLG Karlsruhe v. 27.4.1990 – 10 U 187/89, ZMR 1991, 378. 3 BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, NJW 1968, 885. 4 A.A. Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1382. 5 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 281. 6 MünchKomm/Häublein, 536a BGB Rz. 7; Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1382. 7 OLG Hamm v. 7.7.1981 – 7 U 14/81, VersR 1981, 1161; LG Berlin v. 3.11.1995 – 65 S 159/95, GE 1996, 322. 8 LG Bielefeld v. 29.10.2009 – 6 O 262/09, ZMR 2010, 687. 9 OLG Frankfurt v. 7.3.2003 – 24 U 125/02, WuM 2003, 319. 10 BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, ZMR 2009, 345.

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Der Vermieter hat im Übrigen das Mietobjekt so zu erhalten, dass dem Mieter der 48 Gebrauch der vermieteten Sache im Rahmen des vereinbarten Geschäftszwecks für die gesamte Mietdauer möglich ist, und er hat solche Einwirkungen zu unterlassen, die den Mieter in seinem Mietgebrauch beeinträchtigen oder schädigen können1. Deshalb haftet der Vermieter auch dann, wenn durch unsachgemäße Bauarbeiten am und im Bereich des Gebäudes, in dem die Mietsache gelegen ist, ein Mangel der Mietsache und dadurch ein Schaden des Mieters entstehen. Denn der Vermieter ist auch während der Ausführung von Bauarbeiten verpflichtet, die mietvertraglich geschuldete Beschaffenheit der Mietsache grundsätzlich sicherzustellen. Deshalb haftet der Vermieter für – die Unbenutzbarkeit der Mieträume durch eindringendes Gas als Folge von Arbeiten an den Kaminen des Hauses2, – das Eindringen von Feuchtigkeit in die Mieträume infolge unsachgemäßer Arbeiten am Dach des Hauses und dadurch entstehender Schäden des Mieters3, – den Fall eines Platzregenschadens bei umbaubedingter Dachöffnung4, – Umsatzeinbußen des Mieters infolge von Einrüstungsarbeiten an der Fassade des Hauses5.

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Fraglich ist, ob der Vermieter sich bei Sanierungsmaßnahmen (hier: Neueindeckung 50 des Daches) darauf berufen kann, seine Handwerker hätten die während der Ausführung der Arbeiten zu beachtenden technischen Regelwerke eingehalten6. Eine solche Sichtweise ist bei der Beurteilung von Gewährleistungsansprüchen verkürzt. Hier muss sich der Maßstab der erforderlichen Sorgfalt in erster Linie daran orientieren, dass auch während der Bauarbeiten die mietvertraglich geschuldete Beschaffenheit der Mietsache grundsätzlich sicherzustellen ist7. Der Vermieter hat bei Eröffnung von Gefahrenquellen auch Vorkehrungen gegen außergewöhnliche Naturereignisse zu treffen und haftet, wenn starker Wind Abdeckplanen auf dem Flachdach hochwirbelt8. Den Vermieter trifft insbesondere auch die Pflicht, dafür zu sorgen, dass in dem von 51 ihm genutzten Gebäude kein Brand ausbricht, der zu einer Schädigung des Mieters führen kann. Trifft ihn an dem Brand ein Verschulden, ist er dem Mieter schadensersatzpflichtig9. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob es sich um ein Gebäude oder – wie hier auf dem Flughafen Düsseldorf – um einen aus mehreren Teilen bestehenden räumlich zusammenhängenden Gebäudekomplex handelt10. Dennoch ist der Vermieter nicht verpflichtet, z.B. die Elektroleitungen und elektrischen Anlagen in den von ihm vermieteten Wohnungen ohne konkreten Anlass oder Hinweis auf Mängel einer regelmäßigen Überprüfung durch einen Elektrofachmann zu unterziehen, nur weil aus einem Defekt ein Brand entstehen und damit Lebensgefahr für andere Mieter bestehen kann11. Zwar trifft den Vermieter die vertragliche Nebenpflicht, die Mietsache in einem verkehrssicheren Zustand zu erhalten. Diese Pflicht erstreckt sich grundsätzlich auf alle Teile des Hauses. Ihm bekannt gewordene Mängel, von denen eine Gefahr für die Mietwohnungen ausgehen kann, muss der Vermieter deshalb

1 Vgl. BGH v. 16.10.1963 – VIII ZR 28/62, MDR 1964, 139 = NJW 1964, 33; BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, NJW 1968, 885; OLG Hamm v. 10.10.1995 – 7 U 12/95, MDR 1996, 256 = ZMR 1996, 199. 2 BGH v. 15.3.2000 – XII ZR 81/97, MDR 2000, 875 = ZMR 2000, 590. 3 OLG Hamm v. 10.10.1995 – 7 U 12/95, MDR 1996, 256 = ZMR 1996, 199; Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1385. 4 OLG Hamm v. 17.2.1999 – 30 U 77/98, NZM 1999, 804. 5 OLG Düsseldorf v. 16.2.2000 – 15 U 161/99, NJW-RR 2000, 531. 6 Vgl. dazu auch BGH v. 23.10.1984 – VI ZR 85/83, MDR 1985, 481 = NJW 1985, 620. 7 OLG Hamm v. 17.2.1999 – 30 U 77/98, NZM 1999, 804. 8 AG Köln v. 26.5.1998 – 210 C 56/98, KM 30 Nr. 37. 9 BGH v. 20.5.1964 – VIII ZR 242/62, MDR 1964, 750 = LM Nr. 39 zu § 278 BGB. 10 OLG Düsseldorf v. 25.10.2001 – 10 U 67/00, ZMR 2002, 41 = NZM 2002, 21. 11 BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, MDR 2009, 75 = MietRB 2009, 1 = GE 2008, 1555 = ZMR 2009, 345.

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unverzüglich beheben. Er muss im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht aber keine regelmäßige Generalinspektion vornehmen. Im Einzelfall könnten besondere Umstände, wie z.B. ungewöhnliche oder wiederholte Störungen, Anlass bieten, nicht nur einen unmittelbar zu Tage getretenen Defekt zu beheben, sondern eine umfassende Inspektion der gesamten Elektroinstallation durchzuführen. 52 Dem Mieter steht gegen den Vermieter auch kein Schadensersatzanspruch wegen des Austritts von Ruß in seiner Mietwohnung zu1. Denn der Vermieter ist im Rahmen seiner Instandhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht nicht gehalten, ordnungsgemäß installierte Öfen in der Wohnung des Mieters ohne besonderen Anlass einer regelmäßigen Kontrolle, etwa im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit und Dichtigkeit der Wandanschlüsse, zu unterziehen. Ähnlich wie bei der Elektroinstallation in der Wohnung des Mieters reicht es – soweit nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen – aus, wenn auftretende Unregelmäßigkeiten oder vom Mieter angezeigte Mängel unverzüglich von einem Fachmann abgestellt werden. 53 Stolpert der Mieter über Risse schadhafter Bodenplatten der angemieteten Flächen und verletzt sich dabei, so kommt eine Haftung des Vermieters nur in Betracht, wenn der Mieter den Mangel angezeigt hat2. 54 Andererseits liegt ein unverschuldeter Mangel vor, wenn der Vermieter dem Mieter die Räume zu Vertragsbeginn nicht vollständig überlassen kann, weil der Vormieter einen Raum (1/5 der Mietsache) noch in Beschlag hält3. Der Vermieter darf darauf vertrauen, dass der Vormieter die Mieträume rechtzeitig zu Beginn des neuen Mietverhältnisses frei macht. Hat der Mieter einen Mangel gerügt (hier: wiederholtes Auftreten von Braunverfärbung des Leitungswassers), kann sich der Vermieter nicht darauf berufen, dass bei einer einmaligen Überprüfung ein Mangel nicht festgestellt wurde4. 55 Bei unvermeidbaren Mängeln liegt ein Verschulden nicht vor5. Dies kommt z.B. in Betracht, wenn infolge der Einrüstung eines Gebäudes und der damit verbundenen Verdunkelung der Mieträume die Pflanzen des Mieters eingehen. Denn das Aufstellen eines Gerüstes im Zuge von Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen an der Fassade entspricht dem Stand der Technik. Das Gleiche gilt für das Vorhängen von Planen zur Verkehrssicherung, die eine weitere Verdunkelung herbeiführen. b) Haftung für Erfüllungsgehilfen 56 Der Vermieter haftet für Erfüllungsgehilfen, also Personen, die in seinem Pflichtenkreis tätig werden. Deshalb haftet der Vermieter z.B. aus dieser Variante, wenn ein kommunales Energieunternehmen (Gaswerk) fahrlässig einen Defekt in der Energiezufuhr herbeiführt, woraus Heizungsstörungen resultieren6. Im Übrigen sind Erfüllungsgehilfen des Vermieters z.B. Hausmeister7 sowie eingeschaltete Handwerker8 und deren Hilfspersonen9, nicht aber die Mitmieter und Hausgenossen10. Letzteres ist anders zu bewerten, wenn die Mitbewohner/Nachbarn vom Vermieter mit der Erledigung von Vermieterpflichten (z.B. Streupflichten) beauftragt sind. 57 Der Untervermieter hat die Beendigung des Hauptmietvertrages zu vertreten, wenn er selbst den Vertrag kündigt, der Hauptvermieter wegen einer Vertragsverletzung

1 BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 310/10, WuM 2011, 465 = GE 2011, 1013 = ZMR 2011, 938. 2 OLG Düsseldorf v. 12.8.2008 – I-24 U 44/08, MietRB 2009, 63 = MDR 2008, 1330 = ZMR 2008, 952 = DWW 2008, 381. 3 OLG Frankfurt v. 23.4.1999 – 24 U 138/97, MDR 1999, 1190 = ZMR 1999, 814. 4 LG Berlin v. 10.3.2000 – 64 S 471/99, NZM 2000, 709. 5 OLG Düsseldorf v. 16.2.2000 – 15 U 161/99, NJW-RR 2000, 531 (erhöhtes Einbruchrisiko bei Aufstellen eines Gerüsts). 6 OLG Dresden v. 18.6.2002 – 5 260/02, WuM 2002, 541. 7 OLG Karlsruhe v. 27.4.1990 – 10 U 187/89, ZMR 1991, 378. 8 OLG Düsseldorf v. 25.10.2001 – 10 U 67/00, NZM 2002, 21. 9 OLG Hamm v. 10.10.1995 – 7 U 12/95, MDR 1996, 256 = ZMR 1996, 199. 10 RG v. 15.12.1938 – IV 197/38, RGZ 159, 32.

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kündigt (z.B. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB)1 oder wenn er eine unberechtigte (weitere) Untervermietung zum Anlass nimmt, das Hauptmietverhältnis fristlos zu kündigen2. Ist der Untervermieter aber nicht zugleich Partei des Hauptmietvertrages, weil er sein Untervermietungsrecht von einem anderen Untervermieter ableitet, kann er mangels eigenen Verschuldens für eine Auflösung des Hauptmietvertrages nur nach § 278 BGB verantwortlich gemacht werden. Insoweit ist von dem Grundsatz auszugehen, dass der erste Untervermieter im Hinblick auf die Gebrauchsgewährpflicht nicht als Erfüllungsgehilfe der weiteren Untervermieter anzusehen ist und ein weiterer Untervermieter nicht auf Mietausfall haftet, wenn der erste Untervermieter die Beendigung des Hauptmietvertrages zu vertreten hat3. 3. Verzugshaftung, § 536a Abs. 1 Var. 3 BGB Die dritte Variante des § 536a Abs. 1 BGB setzt Verzug des Vermieters mit der Man- 58 gelbeseitigung voraus. Dazu ist zunächst zu prüfen, inwieweit eine Erhaltungspflicht des Vermieters, insbesondere ein Mängelbeseitigungsanspruch des Mieters besteht (vgl. § 535 BGB Rz. 444 f. und Rz. 701 f.). Im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze über den Schuldnerverzug, § 286 BGB. Falls also kein Beseitigungstermin i.S.d. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB festgelegt ist, ist grundsätzlich eine Mahnung des Vermieters erforderlich. Die Mahnung kann mit der Mängelanzeige erfolgen. Allerdings begründet die bloße 59 Mängelanzeige i.S.v. § 536c BGB noch keinen Verzug4. Vielmehr ist dafür eine inhaltlich bestimmte Leistungsaufforderung erforderlich5. Dazu reicht eine Beschreibung des mangelhaften Zustandes. Wie der Mangel zu beseitigen ist, muss der Vermieter im Zweifel unter Mithilfe von Fachleuten herausfinden. Eine Fristsetzung ist nicht erforderlich. Es reicht aus, dass der Mieter zum Ausdruck bringt, dass er die Mängelbeseitigung innerhalb einer angemessenen Zeit, die sich nach den Umständen des Einzelfalles bemisst, erwartet. Der Mieter kann grundsätzlich keine bestimmte Art der Mangelbeseitigung verlan- 60 gen, solange es weitere geeignete Alternativen gibt6. Bei ernsthafter und endgültiger Verweigerung der Mangelbeseitigung ist eine Mahnung entbehrlich, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Andererseits kann der Vermieter grundsätzlich den Mängelbeseitigungstermin nicht einseitig festlegen, sondern muss auf die Belange des Mieters Rücksicht nehmen7. Der Eigentümer-/Vermieterwechsel nach § 566 BGB hat auf die Verzugslage keine Auswirkung. Die Verzugslage wirkt in der Person des Erwerbers fort8.

61

Der Verzug endet, wenn der Mieter die Maßnahme nicht zulässt, § 293 BGB9. Voraus- 62 setzung dafür ist aber grundsätzlich ein tatsächliches Angebot. Das wörtliche Angebot i.S.v. § 295 BGB kann noch nicht damit gerechtfertigt werden, dass der Mieter sich mit dem Handwerker nicht zwecks Vereinbarung eines Termins in Verbindung setzt (vgl. § 535 BGB Rz. 712).

1 2 3 4 5 6 7 8

KG v. 11.8.2003 – 8 U 89/02, MietRB 2004, 139. OLG Düsseldorf v. 18.8.1989 – 15 U 156/88, ZMR 1989, 417. OLG Düsseldorf v. 18.12.2003 – 10 U 86/03, WuM 2004, 18. RG v. 17.9.1920 – III 92/20, RGZ 100, 42. Erman/Hager, § 286 BGB Rz. 29; MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 11. LG Hamburg v. 25.3.2010 – 307 S 152/09, ZMR 2010, 610. LG Osnabrück v. 27.1.2006 – 12 S 620/05, WuM 2010, 448; vgl. auch § 535 BGB Rz. 713. BGH v. 9.2.2005 – VIII ZR 22/04, MietRB 2005, 142 = MDR 2005, 562 = WuM 2005, 201 = NZM 2005, 253. 9 MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 24.

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4. Gläubiger und Schuldner des Schadensersatzes a) Gläubiger 63 Der Schadensersatzanspruch steht grundsätzlich dem Mieter zu. Bei mehreren Mietern müssen alle handeln, wobei ein Mieter auf Leistung an alle klagen kann, § 432 BGB. Auch eine Abtretung des Schadensersatzanspruchs ist grundsätzlich zulässig. 64 Auch dritte, an einem Mietvertrag nicht unmittelbar beteiligte Personen können in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen werden (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 955 f.). Sie haben ein eigenes Klagerecht. Denn ihnen gegenüber ist der Schuldner zwar nicht zur Leistung, wohl aber unter Umständen zum Schadensersatz verpflichtet1. Das setzt voraus, dass ein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte vorliegt, wozu grundsätzlich insbesondere auch der Mietvertrag gehört2. Die Einbeziehung Dritter in die Schutzwirkung eines Vertrages beruht darauf, dass die dritte Person wie der Mieter selbst mit der Leistung des Vermieters in Berührung kommt, also eine gewisse Leistungsnähe vorliegt. Weitere Voraussetzung ist, dass der Mieter der dritten Person Schutz und Fürsorge zu gewährleisten hat, was ein Einbeziehungsinteresse des Dritten begründet, und dies für den Vermieter erkennbar ist. Um Ausuferungen zu vermeiden, ist dazu ein Verhältnis zwischen Mieter und Drittem mit persönlichem Einschlag erforderlich wie etwa ein Arbeits- oder Familienverhältnis. Dann entspricht es Sinn und Zweck des Vertrages sowie Treu und Glauben, dass dem Dritten der Schutz des Vertrages in gleicher Weise zugutekommt wie dem Gläubiger selbst3. 65 Grundsätzlich ist der Anspruch aus § 536a BGB vererblich. Dagegen haben die Erben als nur mittelbar Geschädigte keinen vertraglich ableitbaren Anspruch auf Ersatz der Beerdigungskosten, wenn der Mieter bei Berührung eines fehlerhaft angebrachten stromführenden Handtuchhalters zu Tode kommt4. Insoweit scheidet auch ein deliktischer Anspruch aus, wenn dem Vermieter mangels Kenntnis der unsachgemäßen Elektroinstallation keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Eine Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung der elektrischen Anlagen besteht ohnehin nicht für den Vermieter5. b) Schuldner 66 Schuldner des Schadensersatzes ist der Vermieter. Mehrere Vermieter haften als Gesamtschuldner. Besteht der Vermieter aus einer GbR, ist diese Träger der Rechte und Pflichten. 67 Bei einem Vermieterwechsel nach § 566 BGB ist nach der Fälligkeitstheorie (vgl. § 566 BGB Rz. 59) darauf abzustellen, wer bei Eintitt des Schadens Vermieter war6. Denn der Mieter kann den Anspruch immer nur gegen den Vermieter geltend machen, in dessen Person der Schaden entstanden ist7. Dies kann dazu führen, dass ein und derselbe Anspruchsgrund wegen der unterschiedlichen Schäden gegen zwei Vermieter geltend gemacht werden muss. Findet der Vermieterwechsel z.B. statt, nachdem der Mieter ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet hat, ist die Verfahrensgebühr vom alten und, wenn der Ortstermin nach dem Vermieterwechsel durchgeführt wird, die Terminsgebühr von dem neuen Vermieter im Rahmen des § 536a Abs. 1 Var. 3 BGB zu erstatten.

1 BGH v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, MietRB 2010, 319 = MDR 2010, 1103 = ZMR 2011, 360 = GE 2010, 1193; BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, BGHZ 49, 350 = NJW 1968, 885. 2 BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, BGHZ 49, 350 = NJW 1968, 885 m.w.N. 3 BGH v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, MietRB 2010, 319 = MDR 2010, 1103 = ZMR 2011, 360 = GE 2010, 1193; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a Rz. 77. 4 LG Bielefeld v. 29.10.2009 – 6 O 262/09, ZMR 2010, 687 = GE 2010, 1543. 5 BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, MDR 2009, 75 = MietRB 2009, 1 = GE 2008, 1555 = ZMR 2009, 345. 6 BGH v. 9.2.2005 – VIII ZR 22/04, NZM 2005, 253. 7 KG v. 6.8.2009 – 8 U 61/09, ZMR 2010, 182 = GE 2009, 1554.

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§ 536a BGB

5. Umfang des Schadensersatzes Wie bereits der Wortlaut des § 536a Abs. 1 BGB klarstellt, kann Schadensersatz ne- 68 ben Minderung verlangt werden. Allerdings ist dann die Minderung bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen. Ebenso wenig ist der Mieter gehindert, wegen desselben Mangels Schadensersatz nach § 536a Abs 1 BGB zu verlangen und zu kündigen (§§ 543 Abs. 2 Nr. 1, 569 Abs. 1 BGB). Schließlich können neben dem vertraglichen Schadensersatzanspruch auch deliktische Ansprüche (z.B. wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten) bestehen. Jedenfalls ist eine Spezialität von § 536a Abs. 1 BGB allein gegenüber den allgemeinen Vorschriften der §§ 280 ff. BGB bei Vorliegen eines Sachmangels gegeben. Der Umfang des zu ersetzenden Schadens soll sich gegenüber § 538 Abs. 1 BGB a.F., 69 der noch Schadensersatz wegen Nichterfüllung zubilligte, nicht geändert haben, obwohl jetzt nur noch auf Schadensersatz abgestellt wird (vgl. § 536a BGB Rz. 7). Dieser Anspruch ist – in Angleichung an § 280 Abs. 1 BGB1 – mindestens auf Ersatz des positiven Interesses gerichtet und erstreckt sich auf alle unmittelbaren und mittelbaren Nachteile2, umfasst also auch als Mangelfolgeschäden qualifizierte Kosten3. Der Schadensersatzanspruch nach § 536a Abs. 1 BGB ist auf Geldleistung, nicht z.B. 70 auf Stellen eines Ersatzraums gerichtet4. Insoweit ist nach der Differenzhypothese zu ermitteln5, wie der Mieter mit und ohne das schädigende Ereignis, also in der Regel den Mangel, stehen würde. Dazu sind die beiden in Betracht kommenden Vermögenslagen gegenüberzustellen. Die Differenz bildet den Schaden6, der sich regelmäßig als Vermögensschaden darstellt. Der Mieter kann aber über § 536a BGB auch Beseitigung der Mangelursache und der Mangelfolgen verlangen7. Insbesondere die nachfolgend dargestellten Schadenspositionen (vgl. für das Ge- 71 werbe § 536a BGB Rz. 210 ff.) können sich als adäquat-kausale Rechtsfolge – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – eines tatsächlichen Leistungshindernisses vor der Übergabe aus §§ 280, 286 BGB ergeben. Nach der Übergabe bildet § 536a Abs. 1 BGB die Anspruchsgrundlage. Für Rechtsmängel ergibt sich der Schadensersatzanspruch stets aus § 536a BGB (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 33). a) Sachschaden Als unmittelbaren Mangelschaden, aber auch als Mangelfolgeschaden kann der Mie- 72 ter insbesondere die Beschädigungen seines Eigentums geltend machen. Dazu wird oftmals eine substantiierte Darstellung zum Wert des Gegenstandes verlangt8. Dies ist insoweit richtig, als dass ohne Angabe des Alters der beschädigten Sache der Abzug neu für alt nicht (zutreffend) bewertet werden kann. Bei der Beschädigung von Sachen muss der Abzug neu für alt berücksichtigt wer- 73 den9, sofern nicht bloß eine Reparatur stattgefunden hat10. Ein Vortrag, der die dazu notwendigen Angaben zum Alter und Wert des Gegenstandes nicht beinhaltet, führt entgegen weit verbreiteter gerichtlicher Praxis nicht automatisch zur Klageabweisung. Vielmehr ist zu prüfen, inwieweit die Lebenserfahrung einen Mindestwert vermitteln kann11. Dabei ist zu bedenken, dass bei feststehendem Verlust oder feststehender Beschädigung eines Gegenstandes, für den Ersatz zu leisten ist, mangels näherer Anhaltspunkte ein mittlerer und nicht notwendig der denkbar geringste 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Dazu Emmerich, NZM 2002, 362 (372). Palandt/Grüneberg, § 280 BGB Rz. 32. Emmerich, NZM 2002, 362 (372). AG Lichtenberg v. 29.5.2002 – 7 C 570/01, ZMR 2003, 118 = WuM 2002, 604 = NZM 2003, 714. MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 12. Erman/Ebert, Vor §§ 249–253 BGB Rz. 24. Blank/Börstinghaus, § 536a BGB Rz. 28. Vgl. z.B. Blank/Börstinghaus, § 536a BGB Rz. 33. Palandt/Grüneberg, Vor § 249 BGB Rz. 146. KG v. 28.4.2008 – 8 U 154/07, MietRB 2009, 64 (65) = WuM 2008, 724. BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 = WuM 2010, 578 = GE 2010, 1189 = NZM 2010, 701 = ZMR 2011, 23.

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Wert zu schätzen sein kann1. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn Hinweise darauf vorliegen, dass die Sache gut gepflegt war. Soweit für die zum Ersatz gestellten gebrauchten Gegenstände kein Markt (mehr) besteht2 und deshalb kein Marktwert festgestellt werden kann, muss ein Gericht – und zwar selbst unter Berücksichtigung nicht vorgetragener Tatsachen3 – außerdem erwägen, ob der betreffende Schaden nicht durch Ansatz desjenigen Preises zu schätzen ist, der – unter Abzug eines angemessenen Ausgleichs neu für alt – bei der Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzgegenstandes angefallen wäre4. 74 Der Schadensersatz für (hier: durch Schimmelpilz) gebrauchsuntauglich gewordenes Mobiliar beschränkt sich nicht auf den Wiederbeschaffungswert für Gebrauchtmöbel. Vielmehr ist die Höhe des zu ersetzenden Schadens unter Berücksichtigung des Neuanschaffungspreises sowie eines Abzuges „neu für alt“ zu ermitteln5. Um diese Ermittlung realistisch durchführen zu können, muss die Relation der normalen Nutzungsdauer eines Gegenstandes mit dem neuen Gegenstand dargestellt werden6. Insoweit kann auf § 23 ImmoWertV abgestellt werden, der für die Alterswertminderung eine lineare Abschreibung als Regel vorgibt. Im Übrigen kann für die Ermittlung der normalen Lebensdauer der beschädigten Sachen die Anlage 5 zur Wertermittlungsverordnung, die allerdings gemäß § 24 ImmoWertV zum 1.7.2010 außer Kraft getreten ist7, herangezogen werden. Darin sind für eine Vielzahl von Einrichtungsgegenständen oder Teilen einer Mietsache Richtwerte für die normale Nutzungsdauer aufgeführt. 75 Bei der Beschädigung von Kleidern oder anderen Gebrauchsgegenständen gestalten sich die Ermittlungen jedoch schwierig. Hier könnte (ähnlich wie bei Autos) auf einen Marktwert abgestellt werden, nachdem sog. Secondhandläden sich mittlerweile etabliert haben. Hier kann also der Preis angesetzt werden, der in einem solchen Laden für vergleichbare Sachen erzielt werden kann. 76 Der Abzug neu für alt ist im Prozess nicht erst zu berücksichtigen, wenn der Mieter entsprechende Einwendungen erhebt. Vielmehr gehört der Abzug zum schlüssigen Vortrag8, weil er eine besondere Art der Vorteilsausgleichung darstellt9. Deshalb gehen Zweifel zu Lasten des Gläubigers. 77 Einen Überblick über ausgeurteilte Abzüge neu für alt liefert die nachfolgende Tabelle, bei deren Anwendung jedoch immer berücksichtigt werden muss, dass es sich um Einzelfallentscheidungen handelt: Einrichtungsgegenstand

Normale Lebensdauer in Jahren

Alter in Jahren

Abzug in %

2010

4

20

25

10011

Einbauküche mit einem Wert/einer Größe von –

ca. 6135,50 Euro ohne Elektrogeräte



ca. 7669,40 Euro

1 BGH v. 7.7.1970 – VI ZR 233/69, NJW 1970, 1970 (unter B II 2b aa) m.w.N. 2 Zu denken ist insbesondere an Trödelmärkte, wo auch alte und/oder gebrauchte Möbel verkauft werden. 3 Vgl. BGH v. 24.6.2009 – VIII ZR 332/07, MDR 2009, 1119 = WPM 2009, 1811 (Rz. 16). 4 Vgl. BGH v. 15.10.1991 – VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 (368) = MDR 1992, 131. 5 LG Mannheim v. 14.2.2007 – 4 S 62/06, ZMR 2007, 971 = NZM 2007, 682. 6 BGH v. 6.12.1995 – VIII ZR 270/94, MDR 1996, 361 = NJW 1996, 584. 7 VO v. 19.5.2010, BGBl. I, S. 639. 8 LG Köln v. 4.4.2000 – 12 S 402/99, KM 30 Nr. 46. 9 OLG Koblenz v. 26.6.2003 – 5 U 192/03, WuM 2003, 445. 10 AG Nürnberg v. 10.1.1991 – 25 C 1000/90, WuM 1995, 180 (unter Berücksichtigung der Einschränkung der Weiterverwendbarkeit der Küche infolge Umzuges des Mieters in Höhe von 30 %). 11 LG Berlin v. 14.6.2001 – 62 S 576/00, GE 2001, 1404.

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Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters Einrichtungsgegenstand

Normale Lebensdauer in Jahren



10 109,00 Euro/1,5 Zeilen

141



15 850,00 Euro

172



21 985,55 Euro

203

Alter in Jahren

Abzug in %

Einbauschrank, -regal

über 304

Parkett

12–155 15–206

16

100

PVC-Belag

8–107 158 209

19 26

10–12 pro Jahr 100 100

Teppichboden –

normale Qualität

5–1010 1011 1012 1513

11 1 2 10

100 15 20 67



bessere Qualität

1014 1515

2 10

20 67

1016

5

50

Tisch

b) Mehrkosten für die Anmietung von Ersatzraum Der Mieter kann gezwungen sein, sein Domizil zu wechseln, sowohl wenn ihm die 78 Wohnung – aus welchem Grund auch immer – nicht rechtzeitig i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB zur Verfügung gestellt wird, als auch wenn während der Mietzeit ein erheblicher, Schadensersatzansprüche nach § 536a BGB auslösender Mangel entsteht und er sich zur Beendigung des Mietvertrages entschließt. Im ersten Fall ergeben sich Schadensersatzansprüche aus §§ 280, 281 BGB oder – bei einem Rechtsmangel – aus § 536a BGB (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 33). Im zweiten Fall ist zu beachten, dass die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB zwar kein Verschulden des Vermieters erfordert, Schadensersatz außer bei der Garantiehaftung des § 536a Abs. 1 Var. 1 BGB aber ein Verschulden voraussetzt.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

OLG Koblenz v. 2.5.1991 – S U 1265/90, NJW-RR 1992, 760. OLG Köln v. 18.2.1998 – 13 U 174/97, NJW-RR 1999, 774. OLG Braunschweig v. 3.5.1996 – 5 U 2/96, OLG-Report 1996, 133. OLG Düsseldorf v. 24.11.1988 – 10 U 53/88, MDR 1989, 353 = NJW-RR 1989, 332 (bei normaler Pflege in Form regelmäßigen Anstreichens). AG Köln v. 24.2.1977 – 154 C 523/74, WuM 1984, 197. LG Wiesbaden v. 25.2.1991 – 1 S 395/90, WuM 1991, 540. LG Wiesbaden v. 25.2.1991 – 1 S 395/90, WuM 1991, 540. AG Staufen v. 4.3.1991 – 2 C 471/90, WuM 1992, 430. AG Kassel v. 15.3.1996 – 451 C 7217/95, WuM 1996, 757. LG Kiel v. 19.6.1997 – 1 S 276/96, 1 S 277/96, WuM 1998, 215. AG Böblingen v. 30.6.1997 – 2 C 3212/96, WuM 1998, 33 (unter Hinweis auf einen erhöhten Wertverlust im 1. Benutzungsjahr). LG Köln v. 31.5.1989 – 10 S 343/88, KM 30 Nr. 22. LG Münster v. 14.7.1989 – 10 S 63/89, WuM 1989, 508. LG Dortmund v. 3.9.1996 – 21 S 110/96, NJWE-MietR 1997, 100 (sofern in der Wohnung Hundehaltung erlaubt ist). LG Köln v. 16.9.1982 – 1 S 114/82, WuM 1983, 126. AG Köln v. 17.1.1990 – 207 C 577/88, WuM 1992, 191.

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aa) Einmalige Kosten 79 Soweit sich der Mieter um ein neues Objekt bemüht, wird er regelmäßig alle vorhandenen Möglichkeiten ausschöpfen, um so schnell wie möglich seine prekäre Situation zu beenden. Dazu wird er selbst Zeitungsanzeigen aufgeben und sich bei Maklern und Hausbesitzern schriftlich oder mündlich vorstellen, um deren Angebote prüfen zu können. Die dabei entstehenden Kosten sind ersatzfähig1. 80 Nicht als Schaden gilt der persönliche Arbeitseinsatz des Mieters z.B. für den vergeblichen Umzug2. Der eigene Zeitaufwand, Porto etc. können mit einer allgemeinen Schadenspauschale von 100 Euro angesetzt werden. (1) Mehrkosten für Einbauten, die im Vertragsobjekt vorhanden waren 81 Diese Schadensposition kann entstehen, wenn das Ersatzobjekt über eine geringere Ausstattung verfügt. Ein Schaden entsteht zunächst nicht aus den Anschaffungskosten. Denn insoweit fehlt es am Schaden i.S.d. Differenzhypothese (vgl. § 536a BGB Rz. 70). Ein Schaden kommt aber z.B. durch die Kosten der Anlieferung in Betracht. Im Übrigen ist zu prüfen, inwieweit sich die geringere Ausstattung im Mietpreis niedergeschlagen hat (vgl. dazu § 536a BGB Rz. 87). (2) Renovierung und Instandsetzung der Ersatzräume 82 Die Kosten für die Herrichtung der Ersatzräume stellen grundsätzlich einen ersatzfähigen Aufwand des Mieters dar3. In Betracht kommen die Kosten der Renovierung, die bei Eigenleistung z.B. anhand eines Kostenvoranschlags abstrakt berechnet werden können. Auf die Wirksamkeit der (Anfangs-)Renovierungsvereinbarung mit dem Vermieter der Ersatzräume kommt es nicht an. Maßgeblich kann aber sein, ob sich der unrenovierte Anfangszustand in der Miete niedergeschlagen hat. Wurde die Miete nämlich reduziert, ist dem Mieter auch eine Vermögensposition zugewachsen, die er sich anrechnen lassen muss4. 83 Mangels Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und dem geltend gemachten Schaden können die Aufwendungen des Mieters bei seinem Einzug in der Regel nicht als Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB ersetzt werden5. (3) Vertragskosten für die Anmietung des Ersatzobjektes 84 Aufgrund der Situation, dass der Mieter ein neues Objekt suchen muss, kann sich diese Schadensposition zunächst daraus bilden, dass der Vertrag über das neue Objekt der notariellen Form bedarf (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 36). Andererseits kann aber auch der Umstand, der zum Scheitern des Vertrages geführt hat, es notwendig erscheinen lassen, dass sich der Mieter über den Abschluss des Vertrages über das Ersatzobjekt anwaltlich beraten lässt. Diese Kosten können dann vom Vermieter im Wege des Schadenersatzes geltend gemacht werden, wenn besonders schwierige Regelungen zu treffen sind. (4) Maklerkosten 85 Auch diese Kosten sind ersatzfähiger Schaden, wenn sie durch die Anmietung des Ersatzobjektes angefallen sind6. 86 Ausnahmsweise soll es möglich sein, die (unnütz) für den gescheiterten Mietvertrag aufgewendeten Maklerkosten zu liquideren. Dies soll etwa in Betracht kommen, wenn der Vermieter wegen der fehlenden Zustimmung des Miteigentümers (= Rechtsman1 BGH v. 18.1.1995 – XII ZR 30/93, ZMR 1995, 480 = DWW 1995, 279 = NJW-RR 1995, 715; LG Köln v. 27.5.1992 – 10 S 41/92, ZMR 19932, 544 = NJW-RR 1993, 524. 2 AG Hamburg-St. Georg v. 22.12.2005 – 914 C 445/05, WuM 2006, 302. 3 Vgl. LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 BS 123/88, WuM 1991, 91. 4 Vgl. Erman/Ebert, § 249 BGB Rz. 57. 5 LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 BS 123/88, WuM 1991, 91. 6 LG Köln v. 27.5.1992 – 10 S 41/92, ZMR 19932, 544 = NJW-RR 1993, 524; LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 BS 123/88, WuM 1991, 91.

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gel) die Überlassung der Mietsache verweigert1. Das ist aber nicht richtig. Denn diese Kosten wären dem Mieter auch bei gehöriger Vertragserfüllung durch den Vermieter entstanden. Es fehlt also an der Kausalität2. bb) Differenz der Miete des Ersatzobjektes zum Vertragsobjekt Zahlt der Mieter für das Ersatzobjekt eine höhere Miete, begründet die Mehrbelas- 87 tung grundsätzlich einen ersatzfähigen Schaden. Insoweit ergibt sich die Mehrbelastung regelmäßig allein aus der Grundmiete. Es ist aber auch vorstellbar, dass der Mieter mit zusätzlichen Leistungen des Vermieters konfrontiert wird, die im bisherigen Objekt mit der Miete abgegolten waren. Um die tatsächliche Mehrbelastung zu ermitteln, sind daher zunächst beide Vermieterleistungen gegenüberzustellen. Sowohl bei Gewerbe-3 als auch bei Wohnraum4 müssen beide Objekte miteinander 88 vergleichbar sein. Insofern ist wie bei einer Mieterhöhung nach § 558 BGB nach den Kriterien der Art, Lage, Ausstattung etc. vorzugehen. Die Kriterien müssen nicht exakt übereinstimmen. Vielmehr sind wie bei der Ermittlung der ortsüblichen Miete der Standard zu bewerten und für Vor- und Nachteile Zu- und Abschläge vorzunehmen. Allerdings soll auch die Darstellung zum schlüssigen Vortrag gehören, warum überhaupt der Mieter eine teurere Mieteinheit bezogen hat und ob Wohnraum mindestens zu gleichen Konditionen nicht erhältlich war5. Daneben ist zu prüfen, inwieweit für die Wohnung, die der Mieter nicht erhalten hat 89 oder aus der er wegen ihrer Mangelhaftigkeit ausziehen musste, eine bestimmte Vorzugsmiete galt. War dies der Fall, erstreckt sich der Schadensersatzanspruch des in einer Ersatzwohnung untergebrachten Mieters auf den Unterschiedsbetrag zwischen Vorzugsmiete und Marktmiete für das nicht erhaltene bzw. verlassene Mietobjekt6. Den Ausgleich der Mietdifferenz schuldet der Vermieter solange, bis sich ihm die ers- 90 te Möglichkeit zur Kündigung des Mietvertrages bietet7. Bei einer ordentlichen Kündigung müssen die Voraussetzungen des § 573 BGB vorliegen. Bei einer außerordentlichen Kündigung (z.B. §§ 1056, 573d BGB) müssen sich zusätzlich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben. Eine Begrenzung ist im Übrigen denkbar, wenn aufgrund geänderter Lebensumstände im Bereich des Mieters angenommen werden kann, dass er die nicht bezogene bzw. verlassene Wohnung (wieder) aufgegeben hätte. Mit Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist endet auch die Ausgleichspflicht des Vermieters. cc) Prozessuales Prozessual kann der Anspruch sukzessive gemäß der Fälligkeit der jeweiligen Mehr- 91 beträge verlangt werden8. Daneben kommt eine Klage auf zukünftige Leistung nach § 259 ZPO in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der Vermieter trotz einer Verurteilung den weiteren Schadenersatzforderungen für die Zukunft entziehen wird, sie also nicht freiwillig erfüllen wird. c) Kosten bei einem Zwischenumzug aa) Unterbringungskosten Vor der Übergabe kann diese Schadensposition entstehen, wenn der Mieter seine bis- 92 herige Mietwohnung verlassen muss und, bevor er z.B. Ersatzräume beziehen kann, anderweitige Unterbringungsmöglichkeiten nutzt. Während des laufenden Mietver1 2 3 4

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AG Hamburg-St. Georg v. 22.12.2005 – 914 C 445/05, WuM 2006, 302. Vgl. LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 BS 123/88, WuM 1991, 91. OLG Düsseldorf v. 18.12.2003 – 10 U 33/03, WuM 2004, 86 = NZM 2004, 502. LG Köln v. 27.9.1991 – 10 T 230/91, WuM 1992, 14 = NJW-RR 1992, 77; LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 B S 123/88, WuM 1991, 91; AG Hamburg-St. Georg v. 22.12.2005 – 914 C 445/05, WuM 2006, 302. LG Lübeck v. 17.12.1991 – 14 S 188/90, WuM 1992, 605. LG Köln v. 27.9.1991 – 10 T 230/91, WuM 1992, 14 = NJW-RR 1992, 77. LG Köln v. 27.9.1991 – 10 T 230/91, WuM 1992, 14 = NJW-RR 1992, 77. BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 160/70, MDR 1972, 411.

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Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters

trages kommt diese Schadensposition in Betracht, sofern der Mieter infolge des Mangels oder der Mängelbeseitigungsarbeiten (vorübergehend) aus der Wohnung ausziehen muss. 93 Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Unterbringung des Mieters selbst (z.B. im Hotel) und seines Mobiliars, Inventars, seiner Warenvorräte etc.1. Die Unterbringung des Mieters selbst findet regelmäßig in einem Hotel statt, sofern absehbar ist, dass er alsbald Ersatzwohnraum beziehen oder in seine Wohnung zurückkehren kann. Dabei sind ihm zunächst die reinen Hotelkosten (abzüglich der ersparten Miete2) zu ersetzen, die für eine seinen Verhältnissen angemessene Unterbringung entstehen. Insoweit muss auf die jeweilige Person aber auch auf das (ggf. nicht durchgeführte) Mietverhältnis abgestellt werden. 94 Daneben fallen zusätzliche Kosten der Lebenshaltung an. Da diese auch bei Durchführung des Mietvertrages angefallen wären, muss hier im Wege der Schadensschätzung (§ 287 ZPO) ggf. ermittelt werden, ob höhere Aufwendungen durch die Unterbringung im Hotel entstanden sind (Verpflegungskosten unter Abzug einer Eigenbeteiligung3). Eine Orientierung können dabei die Pauschalsätze für Mehrverpflegungsaufwand nach § 4 Abs. 5 EStG bilden. Jedenfalls können Mehrkosten für Gaststätten- bzw. Restaurantverpflegung erstattungsfähig sein, falls der Mieter üblicherweise selbst gekocht hat und die Küche wegen der Nichtgewährung des Gebrauchs, des Mangels oder der Mängelbeseitigung nicht nutzen konnte. 95 Neben der ersparten Miete4 sind schadensmindernd die Kosten der Haushaltsführung zu berücksichtigen, die der Mieter erspart hat (insbesondere Kosten für Strom, Wasser, Heizung, Telefon). Bei den ersparten Kosten können z.B. die Verbrauchsrechnungen der letzten zwölf Monate zugrunde gelegt und auf den Zeitraum der Unterbringung angerechnet werden. 96 Bei einem Aufenthalt im Hotel bzw. einer nicht durchgeführten gewerblichen Vermietung muss auch das Mobiliar/Inventar anderweitig untergebracht werden. Dies kann z.B. in Lagerräumen einer Spedition erfolgen, die dafür Lagerkosten berechnet. bb) Umzugskosten 97 Diese Kosten entstehen vor der Übergabe und während der Mietzeit, wenn der Mieter infolge des Mangels vorübergehend ein anderes Domizil einnehmen muss. 98 Erfasst werden zunächst alle Schadenspositionen, die mit dem Transport des Umzugsgutes im Zusammenhang stehen. Dazu gehören die Kosten eines Spediteurs, eines Mietwagens5, Trinkgelder in angemessenem Umfang für Mitarbeiter, Bekannte etc., die bei einem Umzug geholfen haben, etc. Allerdings soll grundsätzlich die eigene Arbeitszeit nicht ansatzfähig sein6. 99 Dabei ist zu beachten, dass der Bezug der Mieträume, die nicht zur Verfügung gestellt werden konnten, ebenfalls Kosten verursacht hätte. Müssen also z.B. zwei Umzüge stattfinden, bis ein endgültiges Domizil bezogen werden kann, müssen die fiktiven Kosten des Umzuges in die eigentlichen Mieträume und die tatsächlich entstandenen Kosten gegenübergestellt werden. Die Differenz ist auszugleichen. Dabei muss jede einzelne (Unter-)Schadensposition aufgeführt und möglichst betragsmäßig beziffert werden, um unsubstantiierten Vortrag zu vermeiden7.

1 LG Duisburg v. 1.3.1988 – 7 S 203/87, WuM 1989, 14. 2 AG Hamburg-Harburg v. 19.10.2010 – 642 C 471/09, ZMR 2011, 300 (dort auch zum Abzug von Beträgen, weil die Ersatzunterkunft zusätzliche Einrichtungen zur Verfügung stellt). 3 AG Köpenick v. 21.4.2010 – 15 C 128/09, MM 2010, 227 (Frühstück = 10 Euro); AG HamburgHarburg v. 19.10.2010 – 642 C 471/09, ZMR 2011, 300 (ersparte Verpflegungskosten 10 Euro/ Tag). 4 AG Hamburg-Harburg v. 19.10.2010 – 642 C 471/09, ZMR 2011, 300. 5 LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 B S 123/88, WuM 1991, 91 (93). 6 AG Hamburg-St. Georg v. 22.12.2005 – 914 C 445/05, WuM 2006, 302. 7 Vgl. LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 B S 123/88, WuM 1991, 91 (93).

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Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters cc) Prozesskosten für Räumung des bisherigen Mietobjektes

Diese Schadensposition entsteht grundsätzlich nur vor der Übergabe, wenn das 100 Mietobjekt nicht rechtzeitig frei wird, also vom Mieter nicht bezogen werden kann. Hat sich der Mieter in dieser Situation entschlossen, seine bisherigen Räume weiterzunutzen, bis er Ersatzraum gefunden hat oder die Wohnung beziehen kann, droht ihm ein Räumungsprozess seines bisherigen Vermieters. Diese Kosten sind regelmäßig adäquat-kausal. Allerdings kann für den Mieter erkennbar sein, dass daneben noch weitere Schäden 101 des Vermieters drohen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der (bisherige) Vermieter die Räume schon weitervermietet hat, so dass er sich selber schadensersatzpflichtig gegenüber dem neuen Mieter macht. Insbesondere wenn für den Mieter nicht absehbar ist, in welcher Höhe hier Schäden entstehen können, kann es ihm im Rahmen des § 254 BGB nicht entgegengehalten werden, dass er sich für einen Zwischenumzug z.B. ins Hotel entschieden hat. Im Rahmen des § 254 BGB ist zu prüfen, ob der Mieter die Möglichkeiten des § 93b 102 ZPO genutzt hat1. War also das Freiwerden der neuen Wohnung absehbar, kann der Mieter verpflichtet sein, bei seinem bisherigen Vermieter einen begründeten Antrag auf Gewährung einer Räumungsfrist zu stellen. d) Vergebliche Aufwendungen Bis zur Einführung der Schuldrechtsmodernisierung am 1.1.2002 war diese Schadens- 103 position unter dem Gesichtspunkt der „nutzlosen Aufwendungen“ unter bestimmten Umständen ersatzfähig2. Insoweit kam es zunächst darauf an, dass die Aufwendungen in dem neuen Ersatzobjekt nicht verwendet werden konnten3. Regelmäßig kann dies erst beurteilt werden, wenn tatsächlich ein Ersatzobjekt gefunden wurde. Stellt sich dann z.B. heraus, dass bereits maßgefertigte Möbel oder sonstige Einbauten (z.B. Gasetagenheizung, Telefonanschluss, maßgefertigte Gardinen) im Ersatzobjekt nicht verwendet werden können, stellt sich die Frage der Ersatzfähigkeit. Jedenfalls in der Gewerberaummiete konnte gegen den Ersatz dieser Kosten nicht 104 eingewendet werden, die Kosten hätten das wirtschaftliche Ergebnis des Mieters von vornherein belastet. Denn insoweit bestand die – widerlegliche – Vermutung, dass der Mieter die Aufwendungen unter Einsatz des Mietobjektes wieder erwirtschaftet hätte (sog. Rentabilitätsvermutung)4. Deshalb war diese Vermutung nicht anzuwenden, soweit der Mieter keine wirtschaftlichen Zwecke verfolgte (z.B. bei der Wohnraummiete)5. Hier konnten also nur die zusätzlichen Aufwendungen für das neue Mietobjekt geltend gemacht werden6. Seit dem 1. Januar 2002 werden die vergeblichen („frustrierten“) Aufwendungen 105 durch § 284 BGB dem negativen Interesse des Gläubigers zugeordnet7. Um Ersatz dieser Aufwendungen zu erhalten, kommt es auf eine Rentabilitätsvermutung nicht mehr an8. Der Mieter kann die Aufwendungen ersetzt verlangen, wenn er sie „billigerweise“ tätigen durfte9, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden. Als „Paradebeispiel“ gilt dafür der Fall, in dem sich nach dem Bruch eines Mietvertrages über eine Halle für eine Parteiveranstaltung herausstellt, dass die vorgesehene Veranstaltung ohnehin mangels Mitgliederinteresses abgesagt worden wäre10.

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Vgl. dazu LG Stuttgart v. 17.8.2004 – 19 T 165/04, WuM 2004, 620. Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1213. BGH v. 22.6.1988 – VIII ZR 232/87, NJW 1988, 2664. BGH v. 10.12.1986 – VIII ZR 349/85, BGHZ 99, 182 = MDR 1987, 399. BGH v. 2.3.1994 – XII ZR 175/92, ZMR 1994, 253. Vgl. LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 B S 123/88, WuM 1991, 91 (93). Zimmer, NJW 2002, 1 (10). Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 380. Vgl. dazu: Canaris, JZ 2001, 499 (517). Zimmer, NJW 2002, 1 (10); Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 380.

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Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters

106 § 284 BGB ist nicht nur im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 281 BGB anwendbar, dessen Voraussetzungen vorliegen müssen. Zumindest bei einem Rechtsmangel kommt § 536a BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht. Dessen Wortlaut wurde zwar zum 1.1.2002 durch die Streichung der Worte „wegen Nichterfüllung“ geändert, so dass er formal nun (nur noch?) Schadensersatz i.S.v. § 280 BGB als Rechtsfolge vorsieht. Durch die Streichung soll aber nur eine Anpassung an die neue Terminologie ohne inhaltliche Änderung erfolgt sein1. Hiervon ist auszugehen, zumal auch durch die vier Monate vorher in Kraft getretene Mietrechtsreform keine Änderung hinsichtlich der Rechtsfolge eintreten sollte2. 107 Vor diesem Hintergrund besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Rückgriff auf § 284 BGB im Mietrecht allgemein und erst recht in dem wichtigen Fall der Verletzung der Überlassungspflicht durch einen Rechtsmangel nicht möglich sein sollte3. Ansonsten entsteht das kuriose Ergebnis, dass der Vermieter bei (mutwilliger) Zerstörung der Mietsache auf Ersatz der vergeblichen Aufwendungen haftet, nicht jedoch bei (z.B. vorsätzlicher) Doppelvermietung. Abgesehen davon wollte der Gesetzgeber durch die Einführung des § 284 BGB gerade die Rentabilitätsvermutung abschaffen und einen umfassenden Aufwendungsersatzanspruch einräumen, der gerade auch dem Wohnraummieter zuzubilligen ist4. 108 Ob § 284 BGB auch im Anwendungsbereich des § 539 BGB gilt, der als Rechtsgrundverweisung das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 684 S. 1, 812, 818 BGB erfordert, ist umstritten. Während die h.M. die Anwendbarkeit bejaht5, wird teilweise zwischen befristeten und unbefristeten Mietverträgen differenziert6 oder sogar der Aufwendungsersatz nach § 539 BGB darauf beschränkt, dass eine vorzeitige Beendigung des Mietvertrages stattfindet, so dass durch die parallele Anwendung des § 284 BGB die Vorschrift des § 539 Abs. 1 BGB entwertet würde7. Den zuletzt dargestellten Meinungen kann nicht gefolgt werden. Denn § 284 BGB steht im Allgemeinen Schuldrecht quasi vor der Klammer. Für eine einschränkende Anwendung sind keine durchgreifenden Gründe ersichtlich. 109 Fraglich ist, ob neben dem Anspruch aus § 284 BGB ein auf das negative Interesse gerichteter Schadenersatzanspruch nach § 281 BGB in Betracht kommt. Die Formulierung („anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung …“) spricht dagegen, so dass z.B. kein entgangener Gewinn (zusätzlich) geltend gemacht werden kann8. § 284 BGB ist so zu verstehen, dass der Gläubiger entweder Schadensersatz statt der Leistung oder frustrierte Aufwendungen geltend machen kann. Deshalb wird die Meinung vertreten, dass bei einem auf Gewinnerzielung gerichteten Vertrag (z.B. Gewerberaummietvertrag) wegen der Rentabilitätsvermutung die nutzlosen Aufwendungen ein Unterfall des Schadensersatzes statt der Leistung sind9. Dies ist jedoch schon wegen des klaren Wortlauts abzulehnen. Möglich ist aber, dass neben § 284 BGB ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB besteht10. 110 Für die Geltendmachung von Aufwendungen als Vermögensschaden11 gilt ergänzend § 256 BGB. Demnach hat der Mieter Anspruch auf eine Verzinsung gemäß § 246 BGB in Höhe von 4 % ab dem Zeitpunkt, zu dem er z.B. die Kosten bezahlt hat.

1 BT-Drucks. 14/6857, S. 67 zu Nr. 121. 2 Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1136. 3 AnwaltsKomm/Dauner-Lieb, § 284 BGB Rz. 4; vgl. auch AG Eisenach v. 18.1.2007 – 54 C 502/03, zitiert nach juris. 4 Emmerich, NZM 2002, 362 (364). 5 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 52; Schaub, FS Bilanz, S. 168, 178; Gsell, NZM 2010, 71 (77). 6 Oechsler, NZM 2004, 647 (648). 7 Horst, DWW 2012, 242 (243). 8 Zimmer, NJW 2002, 1 (10). 9 Weitemeyer, AcP 205, 275. 10 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 275/04, MDR 2005, 1335 = NJW 2005, 2848. 11 Erman/Ebert, § 256 BGB Rz. 2.

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Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters aa) Investitionen in die Mietsache

Insbesondere im Stadium vor der Übergabe kann diese Position entstehen. Denn der 111 Mieter kann im Vorgriff auf den Bezug des Mietvertrages schon Einbaumöbel, Vorhänge o.Ä. bestellen. Da sich der Zweck i.S.v. § 284 BGB nicht auf wirtschaftliche Zielsetzungen be- 112 schränkt1, gilt der Aufwendungsersatzanspruch auch für Wohnraummietverträge2. Wird dem Mieter, der sich von seiner Ehefrau trennen will, z.B. eine Dachgeschosswohnung nicht fristgerecht überlassen, für die er maßgefertigte Einbaumöbel erworben hat, kann er über § 284 BGB diesen Aufwand liquidieren. Insoweit ist es unerheblich, wenn er sich mit seiner Ehefrau wieder versöhnt und daher die Übergabe der Wohnung für ihn keinen Sinn mehr macht. Denn für die Annahme der Voraussetzungen des § 284 HS. 2 BGB kommt es auf den Zeitpunkt der vorgesehenen Vertragserfüllung an. bb) Planungskosten In der Wohnraummiete ist es denkbar, dass der Mieter seine (neue) Wohnung z.B. 113 durch einen Innenarchitekten planen lässt. Bei der Errichtung von Geschäftsräumen entstehen nicht selten Kosten für die Planung und behördliche Genehmigung (Nutzungsänderung, Betriebserlaubnis etc.). Diese Kosten sind regelmäßig speziell für das konkrete Mietobjekt entstanden und können daher ebenfalls als „nutzlose Aufwendung“ – bei gewerblichen Mietverhältnissen auch ohne Rentabilitätsvermutung (vgl. § 536a BGB Rz. 104) – ersetzt verlangt werden. Insoweit gilt § 284 BGB. e) Entgangene Nutzung als solche Diese Schadensposition kommt in Betracht, wenn das Vertragsobjekt zu einer gegen- 114 über der Marktmiete geringeren Miete vermietet werden sollte. Denn in der Vorenthaltung einer vertraglich zugesicherten Nutzungsmöglichkeit liegt ein Vermögensschaden3. Damit liegt der Nichterfüllungsschaden im Unterschied zwischen dem entsprechend der Marktmiete zu veranschlagenden Nutzungsinteresse und der tatsächlich vereinbarten geringeren Miete. Die Schadensposition entfällt, wenn die Differenz der Miete des Ersatzobjektes zum Vertragsobjekt und Schadenspositionen im Zusammenhang mit der Beschaffung des Ersatzobjektes geltend gemacht werden4. Im Übrigen erleidet der Mieter durch den vorübergehenden Entgang der Gebrauchsmöglichkeit allenfalls dann einen Vermögensschaden, wenn die Wohnung für seine Lebenshaltung von zentraler Bedeutung war und er sie selbst bewohnen wollte5.

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Ansprüche wegen entgangener Gebrauchsvorteile stehen dem Mieter nicht zu. Denn 116 diese Art von Vermögensschaden kann nur der Eigentümer wegen der entgangenen Selbstnutzung seiner Wohnung/Immobilie geltend machen6. f) Rechtsverfolgungskosten Die Kosten der Rechtsverfolgung bilden eine eigene Schadensposition. Es handelt 117 sich um einen Vermögensfolgeschaden7. Insoweit besteht zumindest ein unselbständiger materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch, der sich in den hier relevanten Konstellationen bis zur Übergabe an §§ 280, 281 BGB anhängt und im Übrigen an § 536a Abs. 1 BGB. Ob daneben ein selbständiger Kostenerstattungsanspruch besteht, kann in der gegebenen Situation dahinstehen. Denn der Schadensersatz-

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Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 380. AnwaltsKomm/Dauner-Lieb, § 284 BGB Rz. 4. BGH v. 16.9.1987 – IVb ZR 27/86, MDR 1988, 129 = NJW 1988, 251 (252). LG Köln v. 27.9.1991 – 10 T 230/91, WuM 1992, 14 = NJW-RR 1992, 77. BGH v. 31.10.1986 – V ZR 140/85, MDR 1987, 394 = NJW 1987, 771. BGH v. 9.7.1986 – GSZ 1/86, MDR 1987, 109 = ZMR 1987, 253 = NJW-RR 1987, 14. Erman/Ebert, § 249 BGB Rz. 94.

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Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters

anspruch ist bereits entstanden, so dass die Unterscheidung grundsätzlich ohne Bedeutung ist1. aa) Rechtsanwaltsgebühren 118 In der gegebenen Konstellation können Gebühren für die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen und/oder die Erklärung von Kündigung/Rücktritt entstehen. Diese hat der Vermieter als notwendige Folge des Vermögensschadens zu tragen. Den Bezugspunkt für die Gebührenberechnung des Rechtsanwalts bildet die (letzten Endes festgestellte) Höhe des Schadens. 119 Der Gebührenstreitwert für den (reinen) Schadensersatzanspruch orientiert sich an der Höhe des Schadens. Insoweit ist das Innenverhältnis zwischen Auftraggeber (= Mieter) und Rechtsanwalt einerseits und der schadensersatzrechtliche Erstattungsanspruch im Verhältnis des Geschädigten (= Mieter) zum Schädiger (= Vermieter) andererseits zu unterscheiden2. Der dem Gläubiger entstandene Schaden besteht in der anwaltlichen Vergütung, die er seinem Rechtsanwalt für dessen außergerichtliche Tätigkeit schuldet, soweit sie auf der Pflichtverletzung beruht. Selbst wenn die Beauftragung weitere Ansprüche zum Gegenstand hatte, ist der so bestimmte Umfang der Beauftragung nur für die Abrechnung zwischen dem Geschädigten und seinem Anwalt maßgebend (Innenverhältnis). Kostenerstattung aufgrund des materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte dagegen insoweit verlangen, als seine Forderung diesem gegenüber besteht3. Dem Erstattungsanspruch des Geschädigten hinsichtlich der ihm entstandenen Anwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger somit grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht. 120 Im anderen Fall hat eine Rechtsverfolgung zumindest auch über die Beendigung des Mietvertrages stattgefunden. Im Fall des anfänglichen Rechtsmangels, in dem die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB erklärt werden muss, liegt eine gesondert zu vergütende Angelegenheit i.S.v. § 15 RVG vor, weil sie auf eine andere Rechtsfolge gerichtet ist4. Dies gilt auch dann, wenn die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB im laufenden Mietvertrag erklärt wird und sich der Vermieter in Verzug befindet. Denn mit einer eventuellen anschließenden Räumungsklage oder der Weiterverfolgung von Schadensersatzansprüchen besteht keine innere Verbindung. 121 Die Berechnung des Gegenstandswertes für die Erklärung einer Kündigung ist strittig. Ein Teil der Rechtsprechung will gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 RVG auf § 41 GKG abstellen und damit auf den Jahresmietwert5. Maßgeblich soll danach die Miete eines Jahres sein und, sofern die Dauer des Mietverhältnisses geringer sei, der Mietbetrag für den geringeren Zeitraum6. Andere halten die Vorschrift des § 23 Abs. 1 S. 3 RVG für nicht anwendbar, da der Ausspruch einer Kündigung niemals Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein kann7. Der BGH hat sich hier der erstgenannten Meinung angeschlossen8. Zwar ist diese Entscheidung für die Kündigung des Vermieters ergangen, der anschließend ein Räumungsklageverfahren führen kann. Als Argument wird aber auch der Zweck des § 42 GKG angeführt. Danach beruht die zu einem verhältnismäßig niedrigen Gegenstandswert führende Regelung auf sozialen Erwägungen des Gesetzgebers; insbesondere Wohnraummietstreitigkeiten sollten für die Be-

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Staudinger/Schiemann, § 251 BGB Rz. 115 m.w.N. BGH v. 7.11.2007 – VIII ZR 341/06, MDR 2008, 351 = MietRB 2008, 74 = NZM 2008, 204. BGH v. 18.1.2005 – VI ZR 73/04, MDR 2005, 751 = NJW 2005, 1112 (unter II 2). LG Köln v. 4.11.1998 – 20 O 343/98, MDR 2000, 730 = NZM 1999, 1053. AG Köln v. 29.5.2002 – 141 C 17/02, MDR 2002, 1030 m. abl. Anm. N. Schneider. Hansens, ZAP Fach 24 S. 549 ff., vgl. auch BGH v. 13.3.2007 – VIII ZR 189/06, MietRB 2007, 288 = MDR 2007, 917 = WuM 2007, 283 = NZM 2007, 355. 7 So insbesondere LG Karlsruhe v. 14.10.2005 – 9 S 177/05, AGS 2006, 112 m. Anm. N. Schneider = NZM 2006, 259 = NJW 2006, 1526 = InfoM 2005, 324 (325) = RVG professionell 2006, 65; Lützenkirchen/N. Schneider, AHB Mietrecht, N Rz. 491 m.w.N. 8 BGH v. 14.3.2007 – VIII ZR 184/06, MDR 2007, 982 = MietRB 2007, 172 = WuM 2007, 330.

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teiligten „bezahlbar“ bleiben1. Diese Zielsetzung spricht dafür, die Berechnung der Geschäftsgebühr für die Kündigung des Mieters nicht höher anzusetzen. bb) Kosten der Beweissicherung Hierbei können Kosten sowohl hinsichtlich des Vertragsobjektes im Stadium vor der Übergabe nach § 535 Abs. 1 BGB entstehen, um das Leistungshindernis zu dokumentieren, als auch hinsichtlich des Ersatzobjektes, um den Zustand festzuhalten, der weitere Schadensersatzpositionen begründen soll. Schließlich sind im Anwendungsbereich des § 536a BGB Mangelfeststellungskosten denkbar.

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Gerade bei den Mangelfeststellungskosten ist das Wertungssystem der §§ 535 Abs. 1 123 S. 2, 536, 536a BGB zu beachten. Danach hat der Vermieter grundsätzlich die Kosten der Mängelfeststellung zu tragen, wenn ein Mangel der Mietsache vorliegt2. Bei der Abgrenzung, ob Schadensersatz nach § 536a Abs. 1 BGB oder Aufwendungsersatz nach § 536a Abs. 2 BGB verlangt werden kann, ist von der gesetzgeberischen Wertung auszugehen, wonach grundsätzlich dem Vermieter Vorrang bei der Beseitigung eines Mangels eingeräumt werden soll3. Dies hat zur Folge, dass Aufwendungsersatzansprüche des Mieters zur Mängelbeseitigung nach § 536a Abs. 2 BGB nicht alternativ als Schadensersatzansprüche nach § 536a Abs. 1 BGB geltend gemacht werden können, wenn die Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 BGB nicht vorliegen. Grob kann insoweit die Unterscheidung getroffen werden, dass Mangelfeststellungskosten grundsätzlich unter § 536a Abs. 1 BGB fallen, während Mangelbeseitigungs- und damit zusammenhängende Mangelerforschungskosten § 536a Abs. 2 BGB zuzuordnen sind4. Deshalb sind z.B. Feuchtigkeitsmessungen, die dazu dienen sollen, die Entwicklung 124 eines Abtrocknungsprozesses bewerten und einschätzen zu können, vorrangig dem Vermieter zu überlassen. Ein Ersatz der dafür seitens des Mieters aufgewendeten Kosten kann also nur nach § 536a Abs. 2 BGB verlangt werden5. Ein Mieter kann die Kosten für die private Beauftragung eines Sachverständigen zur 125 Mangelfeststellung nur dann als Mangelfolgeschaden gem. § 536a Abs. 1 BGB ersetzt verlangen, wenn die betreffenden gutachterlichen Feststellungen nach den Umständen erforderlich erscheinen, und nur dann, wenn den Mieter die Darlegungs- und Beweislast trifft6. Das ist nicht der Fall, wenn es um die Beseitigung eines vom Vermieter anerkannten Mangels geht7. Kosten entstehen dabei durch Sachverständigengutachten, Fotos, Fahrgelder für Zeugen etc.8.

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g) Zeitaufwand des Geschädigten Nach ständiger Rechtsprechung bildet der Zeitaufwand des Geschädigten bei der 127 außergerichtlichen Abwicklung von Schadensersatzansprüchen keine selbständige bzw. ersatzfähige Schadensposition9. Das Gleiche soll für vertanen Urlaub10 oder persönlichen Arbeitseinsatz des Mieters z.B. für den vergeblichen Umzug11 Gelten.

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Vgl. Hartmann, Kostengesetze, § 41 RVG Rz. 2. AG Suhl v. 8.2.2012 – 1 C 419/11, WuM 2012, 315. Vgl. BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, MDR 2008, 440 = NJW 2008, 1218. OLG Düsseldorf v. 29.7.2010 – 24 U 20/10, InfoM 2010, 532. OLG Düsseldorf v. 29.7.2010 – 24 U 20/10, InfoM 2010, 532. OLG Düsseldorf v. 29.7.2010 – 24 U 20/10, InfoM 2010, 532. OLG Düsseldorf v. 29.7.2010 – 24 U 20/10, InfoM 2010, 532. BGH v. 26.5.2004 – VIII ZR 77/03, MDR 2004, 1108 = WuM 2004, 466 = ZMR 2004, 659 = NZM 2004, 615 = MietRB 2004, 284; OLG Hamm v. 3.2.1983 – 4 REMiet 7/82, MDR 1983, 491 = NJW 1983, 1332 = WuM 1983, 76; KG v. 22.11.1984 – 8 U 87/84, GE 1985, 249; OLG Köln v. 17.12.1993 – 19 U 189/93, NJW-RR 1994, 524; KG v. 3.7.1995 – 20 U 2209/94, GE 1995, 1011; LG Berlin v. 28.4.2000 – 64 S 561/99, GE 2000, 811; LG Berlin v. 4.7.2001 – 82 T 408/01, GE 2001, 1198. 9 AG Hamburg-St. Georg v. 22.12.2005 – 914 C 445/05, WuM 2006, 302. 10 AG Bergisch Gladbach v. 21.2.1997 – 61 C 424/96, KM 30 Nr. 25; a.A. LG Köln v. 10.1.1990 – 10 S 349/89, KM 32 Nr. 11. 11 AG Hamburg-St. Georg v. 22.12.2005 – 914 C 445/05, WuM 2006, 302.

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Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters

128 Dagegen kann für Telefon, Porto und Fahrtkosten ohne weitere Spezifizierung eine Auslagenpauschale verlangt werden, die zwischen 30 und 100 Euro angesetzt werden kann. h) Schmerzensgeld 129 Wirkt sich die Pflichtverletzung des Vermieters im Stadium vor der Übergabe oder der Mangel, der den Anspruch nach § 536a BGB begründet, in einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit aus, kann gemäß § 253 Abs. 2 BGB auch Schmerzensgeld verlangt werden. 130 Das Schmerzensgeld verfolgt vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden zu bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (sog. Ausgleichsfunktion). Wesentliche Bemessungskriterien sind insoweit Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychischen Beeinträchtigungen, wobei als objektivierbare Umstände vor allem die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere etwaiger Operationen, die Dauer der stationären und ambulanten Heilbehandlungen, der Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und das Verbleiben eines Dauerschadens besonderes Gewicht besitzen1. Darüber hinaus soll das Schmerzensgeld nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dem Geschädigten auch Genugtuung für das erlittene Unrecht gewähren2. Wesentliche Beurteilungskriterien sind insoweit das Maß des Verschuldens des Schädigers, die Höhe des Mitverschuldens des Geschädigten sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Seiten3. Schließlich ist das Schmerzensgeld an Urteilen für vergleichbare Fälle zu orientieren4. 131 Unter Beachtung dieser Maßgaben ist die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes 132 – in Höhe von 6000 Euro zum Ausgleich der immateriellen Beeinträchtigungen einer schweren beidseitigen Lungenpneumonie aufgrund einer Legionelleninfektion angemessen, wenn dem Vermieter lediglich einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist und sich die Infektion annähernd an der Grenze eines allgemeinen Lebensrisikos realisiert hat5; 133 – nicht gerechtfertigt, wenn die Mietwohnung aufgrund von Baumängeln (und nicht des Nutzungsverhaltens des Mieters) Feuchtigkeitsschäden und Schimmelpilzbildung aufweist und beim Mieter während der Mietzeit eine Erkrankung in Form eines Fibromyalgiesyndroms aufgetreten ist, jedoch keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse über die Ursache der Erkrankung bestehen, und die vorhandenen Erfahrungen und Forschungsergebnisse nicht die Annahme tragen, dass die in der Wohnung bestehende Feuchtigkeit in einem auslösenden oder das Krankheitsbild verstärkenden ursächlichen Zusammenhang steht6; 134 – wegen einer nach einem Wassereinbruch ausgebrochenen Allergieerkrankung möglich, wenn diese irreversibel ist und zu einer nicht mehr umkehrbaren Asthmaerkrankung einschließlich einer Lungenschädigung geführt hat7; 135 – von 20 000 Euro gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf die Asbestexposition durch den grob fahrlässig untätigen Vermieter eine Risikoerhöhung asbestbedingter Krankheitsbilder herbeigeführt wurde, so dass mit Blick auf die Dauer der Schadstoffexposition von einer psychischen Beeinträchtigung des Mieters mit Krankheitswert auszugehen ist (hier: im Zeitraum von November 1990 bis Juni 2004); 1 BGH v. 6.7.1955 – GrZS 1/55, NJW 1955, 1675; BGH v. 29.11.1994 – VI ZR 93/94, BGHZ 128, 117 = MDR 1995, 482; BGH v. 29.11.1994 – VI ZR 93/94, NJW 1995, 781 m.w.N. 2 BGH v. 6.7.1955 – GrZS 1/55, NJW 1955, 1675; BGH v. 13.10.1992 – VI ZR 201/91, BGHZ 120, 4; kritisch dazu Palandt/Heinrichs, § 253 BGB Rz. 11. 3 BGH v. 6.7.1955 – GrZS 1/55, NJW 1955, 1675. 4 BGH v. 18.11.1969 – VI ZR 81/68, VersR 1970, 134. 5 LG Saarbrücken v. 11.12.2009 – 10 S 26/08, MietRB 2010, 132. 6 AG Siegburg v. 4.1.2008 – 117 C 306/06, WuM 2010, 448; vgl. auch KG v. 9.3.2006 – 22 W 33/05, MietRB 2006, 259 = WuM 2006, 390 = GE 2006, 908. 7 BGH v. 22.11.2005 – VI ZR 330/04, WuM 2006, 25.

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– von 250 Euro möglich, sofern der Abfluss eines Wasserklosetts verstopft ist, so 136 dass der 80 Jahre alte Mieter die Toilette insbesondere zur Nachtzeit nicht benutzen kann mit der Folge erheblicher psychischer Beeinträchtigungen aufgrund möglicher Gesundheitsschäden (Pilzinfektionen) wegen der notwendigen Benutzung öffentlicher Toiletten1; – in Höhe von 7500 Euro möglich, wenn der Mieter infolge des Sturzes von einer 137 Raumspartreppe, die aus zwei Gründen nicht den baurechtlichen Anforderungen entspricht (nicht ausreichende Auftrittstiefe und Nichterreichen der erforderlichen Breite von 0,60 m), eine Fersenbeintrümmerfraktur erleidet, drei stationäre Krankenhausaufenthalte nach sich zieht und im ersten Jahr nach dem Unfall dazu zwingt, einmal wöchentlich zur orthopädischen und (separat) zur physiotherapeutischen Behandlung zu fahren2. Für unflätige Beleidigungen (Arschloch, Wichser) und die Bezeichnung als „Haus- 138 besetzer“ kann der Mieter 800 t beanspruchen3. i) Herausgabe des Ersatzes Beruht das Leistungshindernis auf tatsächlichen Umständen und wird dadurch die 139 Übergabe i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB unmöglich, kann der Mieter vom Vermieter Herausgabe des Erlangten nach § 285 BGB verlangen. Da bei Vorliegen eines Rechtsmangels die mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften vorrangig sind4 (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 33), stellt sich die Frage, ob § 285 BGB in Fällen des § 536a BGB anwendbar ist. Dies ist zu bejahen, so dass die vom Hauptvermieter an den Hauptmieter für die Aufhebung des Mietvertrages gezahlte Abfindung an den Untermieter herauszugeben ist5. Allerdings muss neben der Kausalität für § 285 BGB auch eine Identität zwischen 140 dem geschuldeten Gegenstand und dem, für den Ersatz erlangt worden ist, bestehen6. Daran fehlt es z.B., wenn der Mieter ein Grundstück zur Nutzung als Parkplatz gemietet hat und der Vermieter während der befristeten Mietzeit Teilflächen an Markthändler zur Errichtung und zum Betrieb von Verkaufsständen vermietet. Im Hinblick auf Sinn und Zweck des § 285 BGB ist insoweit maßgebend, dass dem Mieter nur die geringwertigere Nutzung als Parkplatz, den Markthändlern aber die weitergehende Nutzung zur Errichtung und zum Betrieb von Verkaufsständen erlaubt gewesen war7. j) Sonstige Mangelfolgeschäden Die weiteren in Betracht kommenden Mangelfolgeschäden sind mannigfaltig. Wird 141 der Mieter z.B. an Körper oder Gesundheit verletzt, entstehen ihm Arztkosten, Haushaltsführungsschäden8 und sonstige Krankheitsfolgekosten, die er aus §§ 536a Abs. 1 Alt. 2, 249 ff. BGB ersetzt verlangen kann9. Insoweit sind die Positionen denkbar, die bei jedem Autounfall entstehen können.

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AG Hannover v. 10.10.2008 – 559 C 3475/08, WuM 2009, 346. OLG Dresden v. 28.7.2006 – 5 U 581/06, ZMR 2006, 922 = NZM 2006, 865. LG Bonn v. 14.1.2010 – 6 T 17/10, IMR 2010, 218. BGH v. 29.11.1995 – XII ZR 230/94, MDR 1996, 355 = NJW 1996, 714; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 271 m.w.N. BGH v. 19.11.1984 – II ZR 6/84, MDR 1985, 647 = NJW-RR 1986, 234; offen gelassen: BGH v. 10.5.2006 – XII ZR 124/02, MDR 2006, 1396 = ZMR 2005, 770 = GuT 2005, 56 = NZM 2005, 303 = MietRB 2006, 215. Erman/Westermann, § 285 BGB Rz. 8. BGH v. 10.5.2006 – XII ZR 124/02, MDR 2006, 1396 = ZMR 2005, 770 = GuT 2005, 56 = NZM 2005, 303 = MietRB 2006, 215. OLG Dresden v. 28.7.2006 – 5 U 581/06, ZMR 2006, 922 = NZM 2006, 865. LG Saarbrücken v. 11.12.2009 – 10 S 26/08, MietRB 2010, 132.

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142 Entsteht dem Mieter Aufwand im Zusammenhang mit der Mängelbeseitigung (z.B. Stromkosten für Trocknungsgeräte), ist stets auch eine Anspruchsgrundlage durch § 555a Abs. 3 BGB eröffnet1. k) Begrenzung des Schadens aa) Sukzessive eintretende Schäden 143 Insbesondere beim Ersatz der Mietdifferenz (vgl. § 536a BGB Rz. 87) und dem des entgangenen Gewinns (vgl. § 536a BGB Rz. 210 f.) ist die Höhe des Schadens laufzeitabhängig. Bei befristeten Mietverträgen können diese Schäden grundsätzlich für die gesamte Laufzeit des gescheiterten Vertrages berechnet werden2. Allerdings realisiert sich der Schaden bei periodisch fällig werdenden Schadenspositionen (z.B. Differenz der Miete des Ersatzobjektes zum Vergleichsobjekt) erst sukzessive, so dass er periodisch geltend gemacht werden muss3. 144 Bei unbefristeten Mietverträgen kommt es darauf an, wann der Vermieter frühestens hätte kündigen können4. Bei einer ordentlichen Kündigung müssen die Voraussetzungen des § 573 BGB vorliegen. Bei einer außerordentlichen Kündigung (z.B. §§ 1056, 573d BGB) müssten sich zusätzlich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben. Eine Begrenzung ist im Übrigen denkbar, wenn aufgrund geänderter Lebensumstände im Bereich des Mieters angenommen werden kann, dass er die nicht bezogene bzw. verlassene Wohnung (wieder) aufgegeben hätte. Mit Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist endet auch die Ausgleichspflicht des Vermieters. 145 Andererseits soll der Mieter aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderung (§ 254 Abs. 2 BGB) verpflichtet sein, nach einer angemessenen Überlegungsfrist selbst zu kündigen, um den Verzögerungsschaden zu begrenzen5, wobei sich die angemessene Frist nach den Umständen des Einzelfalles richtet. Dies kann aber nur für den Fall gelten, dass der Zeitpunkt der Überlassung der zugesagten Räume nicht absehbar ist. bb) § 254 BGB (1) Mitverschulden 146 § 254 BGB ist auch auf § 536a Abs. 1 BGB anwendbar. Ein Mitverschulden des Mieters kann auch im Rahmen der Garantiehaftung des Vermieters nach § 536a Abs. 1 Var. 1 BGB relevant sein6. Insoweit geht es um die Frage, ob der Mieter schuldhaft zur Schadensentstehung beigetragen hat7. 147 Das Verschulden muss nicht an den Anforderungen des § 276 BGB gemessen werden. Vielmehr geht es um die Frage, ob der Mieter die im eigenen Interesse gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, mit der ein verständiger Mensch handeln würde, um sich selbst vor Schaden zu bewahren. Das kann z.B. nicht angenommen werden, wenn der Mieter in einem als Lager angemieteten Raum hochwertige Elektrogeräte lagert, obwohl eine von ihm nicht erkannte und nicht zu erkennende Einbruchgefahr besteht8. (2) Schadensminderungspflicht 148 Im Übrigen bezweckt die Schadensminderungpflicht des § 254 Abs. 2 BGB den bereits eingetretenen Schaden möglichst gering zu halten oder mit möglichst geringen

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AG Schöneberg v. 10.4.2008 – 109 C 256/07, WuM 2008, 477. BGH v. 18.1.1995 – XII ZR 30/93, NJW-RR 1995, 715. BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 160/70, MDR 1972, 411. LG Köln v. 27.9.1991 – 10 T 230/91, WuM 1992, 14 = NJW-RR 1992, 77. Bub/Treier/Kraemer, III. Rz. 1212 und 1390. BGH v. 5.12.1990 – VIII ZR 331/89, NJW-RR 1991, 970. Erman/Ebert, § 254 BGB Rz. 20. BGH v. 7.6.2006 – XII ZR 34/04, MietRB 2006, 264 = MDR 2007, 22 = ZMR 2006, 678 = NZM 2006, 626.

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Kosten zu beseitigen1. Insoweit kann sich die Verletzung dieser Pflicht sowohl auf die Gesamthaftungsquote auswirken wie auch auf eine einzelne Position. Letzteres kommt eher in Betracht, wenn für eine spezielle Position (z.B. Mietdifferenz) eine besondere Schadensminderungspflicht besteht. Letztlich kann dies nur im Einzelfall entschieden werden. Eine Pflicht zur Schadensminderung kann sich realisieren, indem

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– der Mieter verpflichtet ist, mit dem Untermieter gemeinsam ein Ersatzquartier zu 150 beziehen, wenn es sich um den Lebensgefährten handelt2; – sich der Mieter einen Eigenanteil an Verpflegungskosten anrechnen lassen muss, wenn er im Restaurant ist, weil ihm seine Küche nicht zur Verfügung steht3; – der Mieter durch eine Ersatzvornahme bei zumutbarem Aufwand dem Vermieter einen größeren Verlust ersparen kann und der Mangel in zumutbarer Weise einfach zu beseitigen ist4. 6. Verjährung Die Schadensersatzansprüche nach § 536a Abs. 1 BGB verjähren gemäß § 195 BGB 151 nach drei Jahren5. Eine Verjährung nach § 548 Abs. 2 BGB kommt auch nicht in Betracht, wenn der Mieter Schadensersatz wegen eines Rechtsmangels verlangt, der vor der Übergabe aufgetreten ist. Die gegenteilige Auffassung6 verkennt, dass § 548 Abs. 2 BGB zumindest Aufwendungen voraussetzt, also Investitionen in die Mietsache7. Insoweit gilt eine einheitliche Verjährungsfrist selbst dann, wenn die Schäden erst 152 sukzessive entstehen. Denn es gilt der verjährungsrechtliche Grundsatz der Schadenseinheit. Danach ist für den Verjährungsbeginn auf den Zeitpunkt abzustellen, bei dem der Schadensersatzanspruch erstmals fällig wurde. Das ist bei einem einheitlichem Schadensgrund der Moment, in dem der erste Schaden eingetreten ist8. II. Ersatzvornahme § 536a Abs. 2 BGB räumt dem Mieter die Möglichkeit zur Selbsthilfe (Ersatzvornah- 153 me) ein. Einer besonderen Ankündigung oder Androhung dieser Maßnahme bedarf es nicht. Der Vermieter muss sich allerdings in Verzug (§ 286 BGB) befinden, also insbesondere schuldhaft handeln (vgl. § 536a BGB Rz. 46). Liegen die Voraussetzungen des Verzuges i.S.d. §§ 286, 536a Abs. 1 BGB vor, hat der 154 Mieter dem Vermieter insbesondere eine angemessene Frist gesetzt, ist er unmittelbar nach Ablauf berechtigt, die Ersatzvornahme durchzuführen. Dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn der Vermieter eine Woche zuvor mitgeteilt hat, dass er den Mangel selbst beseitigen wolle. Allenfalls bei über die Kosten der Ersatzvornahme hinausgehendem Schaden des Vermieters (z.B. Verlust von Gewährleistungsrechten gegen Dritte) oder geringfügigen, insbesondere rein optischen Beeinträchtigungen kann sich aus § 242 BGB eine Pflicht des Mieters ergeben, mit der Selbsthilfe zuzuwarten. Das setzt aber voraus, dass der Vermieter einen verbindlichen Termin mitteilt, der nur wenige Tage nach Ablauf der Frist liegt, und zugleich den Grund für die Verzögerung nachvollziehbar mitteilt. Damit nicht vergleichbar ist die Situation, dass der Vermieter anbietet, Mietmängel durch eine fachlich nicht ausreichend (formell) qualifizierte Hilfskraft oder einen

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Erman/Ebert, § 254 BGB Rz. 60. AG Schöneberg v. 10.4.2008 – 109 C 256/07, WuM 2008, 477. AG Hamburg-Harburg v. 19.10.2010 – 642 C 471/09, ZMR 2011, 300. OLG Düsseldorf v. 11.2.2003 – 24 U 87/02, WuM 2003, 386. OLG Düsseldorf v. 29.7.2010 – 24 U 20/10, InfoM 2010, 532. LG Berlin v. 19.2.2002 – 63 S 242/01, GE 2002, 596. BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 195/10, MietRB 2011, 201 = MDR 2011, 777 = WuM 2011, 363 = ZMR 2011, 705 = NZM 2011, 452. 8 OLG Hamm v. 13.3.1981 – 7 U 196/80, MDR 1981, 674 = WuM 1981, 280.

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Schwarzarbeiter beseitigen zu lassen. Dies darf der Mieter grundsätzlich erst ablehnen, wenn vorherige Arbeiten der Hilfskraft in der Wohnung bereits mehrfach zu inakzeptablen Ergebnissen geführt haben1. Denn der Vermieter schuldet nur den Erfolg der Mängelbeseitigung. Ob dies handwerklich einwandfrei ist und dem Stand der Technik entspricht, ist grundsätzlich unerheblich. 156 Zwar soll dem Vermieter grundsätzlich der Vorrang eingeräumt werden, um zu entscheiden, ob und wie der Mangel beseitigt oder z.B. eine Modernisierung durchgeführt werden soll2. Hat der Mieter aber zur Mängelbeseitigung mit angemessener Frist aufgefordert, ist er selbst dann grundsätzlich zur Ersatzvornahme berechtigt, wenn er dem Vermieter innerhalb der Frist bereits mitteilt, dass er statt der Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustandes (hier: Ersetzen des verschlissenen Teppichbodens durch einen neuen) eine Wohnwertverbesserung (durch Verlegung eines Laminatbodens) herbeiführen wird3. 157 Eine Mahnung i.S.d. § 286 BGB ist jedenfalls dann entbehrlich, wenn der Vermieter endgültig die Mängelbeseitigung verweigert4. Eine endgültige Erfüllungsverweigerung ist grundsätzlich nur anzunehmen, wenn der Vermieter die Erfüllung bestimmt, ernstlich und endgültig verweigert5, im Ergebnis also kein Zweifel daran bestehen kann, dass der Vermieter die Ausführung aufgrund seiner Erklärung nicht vornehmen wird. Notwendig ist aber, dass der Mieter dem Vermieter zuvor deutlich macht, was er von ihm im Einzelnen erwartet bzw. welche Arbeiten durchgeführt werden sollen6. Allein die Erklärung, rechtlich nicht zur Durchführung von Mängelbeseitigungsarbeiten verpflichtet zu sein, kann nicht als endgültige Erfüllungsverweigerung bewertet werden7. Hierin liegt lediglich die Äußerung einer Rechtsansicht. Sobald sich der Vermieter also auf rechtlichen Rat beruft oder seine Erklärung als Rechtsansicht zu verstehen ist, muss die Mahnung doch noch erklärt werden. 158 Solange der Mieter mit der Mängelbeseitigung noch nicht begonnen hat, kann der Vermieter auch nach Eintritt des Verzuges seine Pflicht nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB erfüllen und vom Mieter Zutritt verlangen. Entstehen dem Mieter dadurch z.B. Verbindlichkeiten gegenüber einem Handwerker nach § 649 S. 2 BGB, wird dadurch ein Schadensersatzanspruch nach § 286 BGB begründet. 159 Verstirbt der Vermieter, darf sein Rechtsnachfolger erwarten, dass der Mieter zeitnah zu dessen Kenntnis von der Rechtsnachfolge seine Mängelbeseitigungsansprüche geltend macht. Geschieht das nicht, ist nicht nur das Zeitmoment, sondern auch das Umstandsmoment der Verwirkung erfüllt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Mieter seinen Anspruch erst mehr als zwei Jahre, nachdem er Kenntnis vom Eintritt des Erbfalls erhalten hat, geltend macht8. 160 Ist der Vermieter unbekannten Aufenthalts oder ist dem Mieter aus sonstigen Gründen die Adresse nicht bekannt, muss der Mieter nach § 132 Abs. 2 BGB vorgehen (vgl. auch § 536a BGB Rz. 203). 1. Gegenstand der Ersatzvornahme a) Allgemein 161 Gegenstand der Ersatzvornahme sind Mängel der Mietsache bzw. deren Beseitigung. Die Ersatzvornahme ist in dem gleichen Umfang zulässig, wie der Vermieter nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB zur Mängelbeseitigung verpflichtet ist.

1 AG Wetzlar v. 11.8.2005 – 38 C 2034/04, WuM 2005, 715. 2 BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, MDR 2008, 440 = MietRB 2008, 97 = WuM 2008, 147 = ZMR 2008, 281. 3 AG Dresden v. 2.10.2008 – 145 C 5372/08, GE 2009, 913. 4 AG Wetzlar v. 11.8.2005 – 38 C 2034/04, WuM 2005, 715. 5 BGH v. 16.6.1982 – VIII ZR 89/81, MDR 1983, 223 = NJW 1982, 2316. 6 KG v. 30.10.2006 – 8 U 38/06, WuM 2007, 71. 7 LG Wiesbaden v. 19.8.1985 – 1 S 6/85, WuM 1986, 113. 8 LG Kiel v. 6.6.2008 – 8 S h70/07, ZMR 2009, 209.

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Räumlich ist die Ersatzvornahme nicht auf die Mieträume beschränkt. Vielmehr darf 162 der Mieter grundsätzlich auch an außerhalb der Mietsache liegenden Teilen zur Selbsthilfe schreiten und Mängel an allen Einrichtungen beseitigen, die zur Mietsache gehören (z.B. Treppen, Keller, Zugänge, Heizung, Aufzug etc.)1. Deshalb kann der Mieter bei Gaststättenlärm Schallschutzfenster einbauen lassen, sobald die Voraussetzungen des Verzuges vorliegen2. Allerdings sind in den Gemeinschaftsflächen der Realisierung der eigenen Ge- 163 schmacksvorstellungen Grenzen gesetzt. Eine eigenwillige Farbgebung im Treppenhaus ist z.B. als Beschädigung der Mietsache (mit der Folge des § 280 BGB) zu werten. Auch im Übrigen müssen sich die bei der Mängelbeseitigung verwendeten Materialien dem Stil des Hauses anpassen. Der Mieter ist ausnahmsweise sogar zur Veränderung der Mietsache berechtigt, 164 wenn sich der Mangel nur dadurch endgültig abstellen lässt. Das ist z.B. der Fall, wenn Ratten durch einen nicht abgedichteten Installationsschacht in das Treppenhaus des Gebäudes gelangen. Hier ist der Mieter bei Verzug des Vermieters und zur Wiederherstellung des Bestands der Mietsache berechtigt, dem Mangel durch Verfüllung des Installationsschachtes abzuhelfen3. Dem steht eine Klausel, wonach bauliche Veränderungen durch den Mieter z.B. unter Zustimmungsvorbehalt stehen, nicht entgegen. Sie betrifft im Zweifel nur die Veränderung einer mangelfreien Sache4. Ebenso wie für die Minderung kommt es auch für die Ersatzvornahme nicht darauf 165 an, ob der Vermieter den Mangel zu vertreten hat. Maßgeblich ist allein, dass der Vermieter sich mit der Erfüllung seiner Erhaltungspflicht gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB in Verzug befindet. Deshalb kann der Mieter, der bei seiner Rückkehr (nach einem Klinikbesuch) das Schloss der Wohnungstür derart mit Klebstoff verklebt vorfindet, dass ein Öffnen der Tür mit dem Schlüssel nicht mehr möglich ist, eine Ersatzvornahme ausführen, sobald der Vermieter auf seine telefonische Anfrage die Mängelbeseitigung verweigert5. b) Mangelndes Eigentum des Vermieters Das mangelnde Eigentum des Vermieters bildet grundsätzlich keine natürliche Gren- 166 ze für die Ersatzvornahme. Deshalb ist der Mieter auch bei bloßem Miteigentum des Vemieters, im gestuften Mietverhältnis (vgl. § 565 BGB Rz. 12) oder bei einer Weitervermietung i.S.v. § 565 BGB zur Selbsthilfe berechtigt. Der Eigentümer kann jedoch die Ausführung nach § 1004 BGB verhindern, was im Zweifel durch eine einstweilige Verfügung realisiert werden kann. Diese Möglichkeit soll hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums (z.B. Treppenhaus) 167 bei der Vermietung einer Eigentumswohnung nicht bestehen6. Zur Begründung wird darauf abgestellt, wenn schon der Vermieter selbst keine Maßnahmen im Gemeinschaftseigentum durchführen dürfe, solange sie nicht zur Abwendung eines dem gemeinschaftlichen Eigentum unmittelbar drohenden Schadens (§ 21 Abs. 4 WEG) notwendig sind, auch der Mieter nicht berechtigt sein soll, Selbsthilfe auszuführen. Dies ist zweifelhaft. Der Anspruch des Mieters aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB, vom Vermieter die Beseitigung eines Mangels verlangen zu können, ist durch das Gemeinschaftseigentum nicht beschränkt7. Die Mängelbeseitigung wird dem vermietenden Sondereigentümer erst unmöglich (§ 275 BGB), wenn feststeht, dass sie nicht ausgeführt werden kann. Das ist der Fall, wenn die Eigentümergemeinschaft einen entgegenste-

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Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 107. AG Lichtenberg v. 16.3.2004 – 6 C 239/03, MM 2004, 339. AG Osnabrück v. 30.4.2004 – C 335/03(XXII), WuM 2004, 469. MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 31; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 108. 5 AG Siegburg v. 29.8.2002 – 9 C 146/02, WuM 2004, 233. 6 Blank/Börstinghaus, § 536a BGB Rz. 51; MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 30. 7 KG v. 25.6.1990 – 8 RE-Miet 2634/90, ZMR 1990, 336 = WuM 1990, 376 = NJW-RR 1990, 1166.

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henden Beschluss gefasst hat1. Im Hinblick auf den eingetretenen Verzug tritt das Selbsthilferecht des Mieters an die Stelle seines Mängelbeseitigungsanspruchs. Demnach ist die Ausführung der Ersatzvornahme (zunächst) durch das Gemeinschaftseigentum nicht beschränkt. Der WEG-Verwalter ist u.U. gezwungen, gegen den Mieter vorzugehen, um eine Veränderung des Gemeinschaftseigentums zu verhindern, so dass er durch einstweilige Verfügung dem Mieter die Ausführung verbieten lassen kann (§ 1004 BGB). Dies beschränkt den Wirkungskreis des Mieters aber nicht von vornherein. 2. Ausübung der Ersatzvornahme 168 Für den Mieter besteht ein Wahlrecht, ob er die Beseitigung durchführt oder den Anspruch nach § 536a Abs. 1 BGB geltend macht2. Daneben kann er die Miete mindern, bis die Beseitigung des Mangels erfolgt ist. Allenfalls wenn ein Vorschuss verlangt und gezahlt wurde, muss sich der Mieter ab einem angemessenen Zeitraum seit der Zahlung so behandeln lassen, als hätte die Mängelbeseitigung stattgefunden. Andererseits wird eine einmal wirksam ausgesprochene Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht durch die Ausübung des Selbsthilferechts beseitigt. Allerdings endet das Recht mit der Beendigung des Mietvertrags3. 169 Es besteht keine Pflicht des Mieters zur Selbsthilfe. In Ausnahmefällen kann ein Unterlassen aber ein Mitverschulden begründen, das im Rahmen eines Schadensersatzanspruches zu berücksichtigen ist. Das ist der Fall, wenn der Mieter durch sein Handeln bei zumutbarem Aufwand dem Vermieter einen größeren Verlust ersparen kann und der Mangel in zumutbarer Weise einfach zu beseitigen ist4. Darunter fällt aber nicht der vorübergehende Einsatz zusätzlicher Radiatoren bei einem Heizungsausfall, solange sich der Vermieter ihm gegenüber nicht zur Übernahme der zusätzlichen Kosten bereiterklärt5. 170 Das Selbsthilferecht kann nicht als Befugnis verstanden werden, Aufträge an Handwerker im Namen des Vermieters zu erteilen6. Vielmehr ist der Mieter selbst verantwortlich, wenn er von dem Recht zur Ersatzvornahme Gebrauch macht. Insoweit schuldet er eine fachgerechte Ausführung einer Maßnahme, die objektiv zur Mängelbeseitigung geeignet ist7. Das ist der Fall, wenn nicht nur die Folgen des Mangels, sondern auch die Ursache beseitigt werden. Sieht sich der Mieter selbst dazu im Stande, kann er die Mängelbeseitigung vornehmen. Ansonsten muss er sich einer Fachkraft bedienen. Bei rein optischen Mängeln, die den Dekorationszustand betreffen, besteht ein Spielraum, die eigenen Geschmacksvorstellungen zu realisieren und die Arbeiten nach den Maßstäben für das Do-it-yourself-Verfahren auszuführen8. Technische Mängel und Mängel in Gemeinschaftsflächen müssen jedoch handwerklich einwandfrei ausgeführt werden, wobei es auf den (End-)Zustand ankommt. Führt der Mieter sie aber in Eigenregie durch, muss er die erforderliche Sachkunde walten lassen. Entsteht durch ein schuldhaftes Verhalten des Mieters bei der Ersatzvornahme ein Schaden, besteht ein Schadensersatzanspruch des Vermieters. Das kommt z.B. in Betracht, wenn er eine Maschine zur Mängelbeseitigung einsetzt, mit deren Wirkungsweise er sich vorher nicht vertraut gemacht hat9.

1 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MietRB 2006, 57 = MDR 2006, 199 = WuM 2005, 713 = ZMR 2005, 936; AG Schöneberg v. 30.1.2001 – 11 C 388/00, MM 2001, 357. 2 OLG Hamm v. 3.2.1983 – 4 RE-Miet 7/82, MDR 1983, 491 = WuM 1983, 76. 3 Vgl. auch BGH v. 30.3.1983 – VIII ZR 3/82, MDR 1983, 1018 = NJW 1984, 1552 (für Ausnahmen hiervon MünchKomm/Häublein, § 536a Rz. 31). 4 OLG Düsseldorf v. 11.2.2003 – 24 U 87/02, WuM 2003, 386. 5 KG v. 21.2.2000 – 8 U 2216/97, MDR 2000, 1006. 6 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 111. 7 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 131/09, MDR 2010, 798 = WuM 2010, 348 = ZMR 2010, 672. 8 Vgl. dazu Lützenkirchen, WuM 1989, 110. 9 AG Gießen v. 21.6.2007 – 48-M C 141/07, NJW-RR 2008, 392.

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3. Vorschussanspruch a) Anspruchsvoraussetzungen Einen Vorschuss auf die voraussichtlichen Kosten der Mängelbeseitigung kann der 171 Mieter verlangen, sobald die Verzugsvoraussetzungen vorliegen1. Dieser Anspruch ist zwar nicht in § 536a BGB geregelt. Er ergibt sich aber aus allgemeinen Erwägungen. Immerhin kann der Mieter nach § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB nach Durchführung der Maßnahme Aufwendungsersatz verlangen. Zu diesem Zweck kann der Mieter vom Vermieter die Zahlung eines Vorschusses in Höhe der voraussichtlich erforderlichen Beseitigungskosten verlangen2. Denn die Ersatzpflicht des Vermieters nach § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB beschränkt sich auf die Aufwendungen, die der Mieter bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt für angemessen halten darf. Darunter fallen lediglich solche Kosten, die nach vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtungsweise nötig und zweckmäßig sind3. Erforderlich in diesem Sinn können Beseitigungskosten nur sein, wenn die Maßnahmen, die der Mieter mit dem verlangten Vorschuss durchzuführen beabsichtigt, voraussichtlich zur Mangelbeseitigung geeignet sind. Denn für ungeeignete Maßnahmen schuldet er keine Vorschusszahlung4. Grundsätzlich lässt sich diese Anforderung nur erfüllen, wenn dem Vermieter ein Ver- 172 zeichnis der geplanten Leistungen z.B. in der Form eines detaillierten Kostenvoranschlages übermittelt wird. Das Verzeichnis muss den Vermieter in die Lage versetzen zu erkennen, welche konkreten Arbeiten ausgeführt und welche Materialien verwendet werden sollen und welche Kosten dafür veranschlagt werden. Im Ergebnis muss das Leistungsverzeichnis zeigen, welchen Aufwand der Mieter für notwendig hält5. Grundlage des Anspruchs kann aber auch ein Sachverständigengutachten sein. Befindet sich der Vermieter mit seiner Verpflichtung nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB in 173 Verzug, bildet das von einem Fachhandwerker eingeholte Kostenangebot selbst dann die Grundlage für einen Kostenvorschuss, wenn der Vermieter niedrigere Kostenvoranschläge vorlegt. Denn der Mieter hat einen Anspruch auf fachgerechte Ausführung der Malerarbeiten6. Die Ausübung kann schikanös sein, wenn der Vermieter das Mietverhältnis berechtigterweise gekündigt hat7. Eine weitere Beschränkung kann sich aus der Opfergrenze ergeben (vgl. dazu § 535 174 BGB Rz. 471). Denn es kann gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen Reparaturaufwand einerseits und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter sowie der Höhe der Miete andererseits besteht und die Mangelhaftigkeit nicht vom Vermieter verschuldet worden ist8. Auch die Konstellation, dass der Vermieter Nießbraucher und der Mieter (Mit-)Ei- 175 gentümer ist, kann zu einer Beschränkung des Anspruchs führen. Nach § 1041 S. 2 BGB sind Ausbesserungen und Erneuerungen nur insoweit geschuldet, als sie zu der gewöhnlichen Unterhaltung gehören. Dazu zählen solche Maßnahmen, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung regelmäßig, und zwar wiederkehrend innerhalb kürzerer Zeitabstände zu erwarten sind, also insbesondere normale Verschleißreparaturen9. Muss der Nießbraucher wegen § 535 Abs. 1 S. 2 BGB über die Verpflichtung des

1 BGH v. 11.4.1984 – VIII ZR 315/82, MDR 1985, 49 = NJW 1985, 267; KG v. 29.2.1988 – 8 REMiet 6717/87, NJW-RR 1988, 1039; OLG Düsseldorf v. 25.2.1999 – 10 U 109/95, ZMR 1999, 627 (628). 2 BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 271/07, MietRB 2008, 258 = MDR 2008, 966 = WuM 2008, 476 = ZMR 2008, 869 = NJW 2008, 2432 (Rz. 8) m.w.N. 3 Staudinger/Emmerich, § 536a BGB Rz. 32; vgl. zum Werkvertragsrecht: BGH v. 29.9.1988 – VII ZR 182/87, MDR 1989, 153 = NJW-RR 1989, 86 (unter II 3c); BGH v. 31.1.1991 – VII ZR 63/90, MDR 1991, 970 = NJW-RR 1991, 789 (unter II 2). 4 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 131/09, MDR 2010, 798 = WuM 2010, 348 = ZMR 2010, 672. 5 BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 271/07, MietRB 2008, 258 = MDR 2008, 966 = WuM 2008, 476 = ZMR 2008, 869 = NJW 2008, 2432. 6 LG Berlin v. 27.8.2010 – 65 S 440/09, GE 2010, 1340. 7 LG Berlin v. 3.3.1998 – 65 S 392/97, NZM 1999, 119. 8 OLG Hamburg v. 6.9.2000 – 4 U 15/00, GE 2001, 1266 = NZM 2002, 343. 9 BGH v. 6.6.2003 – V ZR 392/02, MDR 2003, 1170 = NJW-RR 2003, 1290.

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§ 1041 BGB hinaus Arbeiten an der Mietsache ausführen lassen, steht ihm ein Verwendungsersatzanspruch gegen den (Mit-)Eigentümer nach § 1049 BGB (ggf. in Verbindung mit § 421 BGB) zu. Im Hinblick darauf widerspricht es Treu und Glauben (dolo petit qui petit quod statim rediturus est), wenn der Eigentümer als Mieter eine Leistung verlangt, die er als Eigentümer zurückgeben bzw. erstatten muss1. b) Abrechnungspflicht 176 Der Vermieter schuldet den Vorschuss einschließlich Umsatzsteuer2. Zwar handelt es sich um einen Anspruch aus Verzug. Ihm liegt aber Aufwendungs- und nicht Schadensersatz zugrunde. 177 Der Vermieter kann die Zahlung des Vorschusses nicht davon abhängig machen, dass der Mieter ein „Sonderkonto“ z.B. mit den Eigenschaften des § 551 Abs. 3 S. 1 BGB einrichtet. Zum einen handelt es sich nicht um eine Sicherheitsleistung. Zum anderen erfüllt der Vermieter eine Schuld gegenüber seinem Gläubiger, dem Mieter. Auch die Leistung einer zusätzlichen Sicherheit durch den Mieter kann nicht verlangt werden. 178 Sobald der Vermieter die Zahlung geleistet hat, ist der Mieter verpflichtet, die Arbeiten innerhalb angemessener Zeit auszuführen. Angemessen ist ein Zeitraum, der ohne besondere Anstrengungen, aber mit der gebotenen Sorgfalt benötigt wird, um die Maßnahme zu beauftragen und fachgerecht auszuführen. Wie lange dieser Zeitraum zu bemessen ist, lässt sich nicht generell festlegen. Vielmehr hängt die Bestimmung von den Umständen des Einzelfalles ab3. Allerdings kann dem Mieter nach Ablauf der angemessenen Frist eine Kündigung wegen Pflichtverletzung drohen4. 179 Nach Ablauf des angemessenen Zeitraums verliert der Mieter sein Recht zur Minderung wegen des Mangels, für dessen Beseitigung er den Vorschuss erhalten hat. Dazu ist nicht erst eine Mahnung des Vermieters erforderlich. Der Anspruch ergibt sich aus § 280 BGB. Im Übrigen kann der Vermieter die Zahlung zurückfordern, sobald der angemessene Zeitraum verstrichen ist5. 180 Nach Abschluss der Maßnahme muss über die Kosten abgerechnet werden. Ein zu viel erlangter Betrag ist – ohne Zinsen – zu erstatten. War der Vorschuss zu gering, kann der Differenzbetrag nach § 536a Abs. Nr. 2 BGB verlangt werden. Die Abrechnung erfolgt nach § 259 BGB, im Zweifel also unter Vorlage der Handwerkerrechnungen. 181 Im Hinblick auf Sinn und Zweck von § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB soll der Vermieter wegen der Zweckgebundenheit mit eigenen Ansprüchen regelmäßig nicht gegen den Anspruch auf Vorschuss aufrechnen können6. Denn durch den Vorschussanspruch soll der Mieter in den Stand gesetzt werden, anstelle des im Verzug befindlichen Vermieters den Mangel zu beseitigen. Nur zu diesem Zweck wird dem Mieter der Vorschuss zuerkannt. Wenn sich der Vermieter durch Aufrechnung mit Gegenforderungen von der Zahlung des Vorschusses befreien könnte, soll der mit dem Vorschuss bezweckte Erfolg, nämlich die Beseitigung des Mangels, nicht mehr zu erreichen sein. Diese Auffassung ist zweifelhaft. Denn der Anspruch ergibt sich als Vorstufe zum Aufwendungsersatz nach § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB. Dem Mieter soll nur das Risiko der Vorfinanzierung genommen werden. Mit diesem Zweck ist es vereinbar, die Aufrechnung zuzulassen. 182 Der Rückforderungsanspruch des Vermieters verjährt nach § 195 BGB7. Da die Kenntnis des Vermieters von den anspruchsbegründenden Tatsachen in der Regel 1 2 3 4 5

BGH v. 13.7.2005 – VIII ZR 311/04, MDR 2006, 15 = WuM 2005, 587 = ZMR 2005, 783. BGH v. 22.7.2010 – VII ZR 176/09, MDR 2010, 1251 = NJW 2010, 3085 = DWW 2011, 60. BGH v. 17.1.2012 – VIII ZR 63/11, ZMR 2012, 610 = MM 2012, Heft 6, S. 28. BGH v. 17.1.2012 – VIII ZR 63/11, ZMR 2012, 610 = MM 2012, Heft 6, S. 28. OLG Celle v. 28.1.2010 – 2 U 134/09, MietRB 2010, 136 = GuT 2011, 276 = IMR 2010, 188 = InfoM 2010, 173. 6 LG Kleve v. 23.8.1988 – 6 S 335/87, WuM 1989, 14; Blank/Börstinghaus, § 536a BGB Rz. 49. 7 OLG Celle v. 28.1.2010 – 2 U 134/09, MietRB 2010, 136 = GuT 2011, 276 = IMR 2010, 188 = InfoM 2010, 173.

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unproblematisch ist, hängt der Beginn der Verjährung von der Entstehung des Anspruchs ab. Insoweit ist auf den Ablauf der angemessenen Frist zur Ausführung der Ersatzvornahme durch den Mieter abzustellen. III. Aufwendungsersatz 1. Allgemeines § 536a Abs. 2 BGB regelt zwei verschiedene Fälle, in denen der Mieter Aufwendungs- 183 ersatz verlangen kann. Zunächst ergänzt Nr. 1 die Verzugshaftung des Vermieters um den Aufwendungsersatz für den Fall der Ersatzvornahme durch den Mieter. Nr. 2 enthält die Voraussetzungen für den Ausnahmefall, in dem der Mieter ohne Mahnung eine Notreparatur o.Ä. durchführt und dafür Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann. a) Zugrundeliegende Maßnahmen In beiden Fällen des § 536a Abs. 2 BGB muss die Maßnahme, die Grundlage des Auf- 184 wendungsersatzes sein soll, der Beseitigung eines Mangels gedient haben. In Abgrenzung zu den sonstigen Verwendungen nach § 539 BGB muss durch die selbst erbrachte Leistung also der vertragsgemäße Zustand wiederhergestellt worden sein. Das kommt u.a. in Betracht bei – Arbeiten zur 185 – Erneuerung des Dachstuhls und von Elektro- und Sanitärinstallationen1 – Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden, z.B. im Wand- und Fußbodenbereich2, – Ausbesserung oder Erneuerung von Fußbodenbelägen, – Beseitigung eines Rohrbruchs3, – Beseitigung eines Wespennestes, das sich unter dem Dach befindet4, – Behebung eines Defektes am Garagentor5, – Wiederherstellung eines Abflusses6, – Reparatur der – Heizung7 oder eines Heizkörpers8, – Warmwasserversorgung9, – undichten und/oder schwer gängigen Fenster, – klemmenden Türen, – Armaturen und sonstigen sanitären Einrichtungen, – Einbau einer Drainage10, – Zahlungen an Versorger zur Auflösung einer Liefersperre (vgl. § 535 BGB Rz. 508 f.), – Einschaltung eines Elektro-Notdienstes zur Beseitigung eines Stromausfalls11, – Einkauf von Heizöl12. Waren die Maßnahmen oder Teile davon unaufschiebbar, kommt Ersatz nach § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB in Betracht (vgl. § 536a BGB Rz. 196 f.). Ansonsten muss nach § 536a

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BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 = GE 1993, 643 = WuM 1994, 201. BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 = GE 1993, 643 = WuM 1994, 201. LG Hagen v. 7.3.1984 – 13 S 188/82, WuM 1984, 215 = ZMR 1984, 375. AG Meppen v. 11.3.2003 – 8 C 92/03, WuM 2003, 356. AG Köln v. 20.6.2006 – 223 C 8/06, NZM 2007, 161. AG Saarburg v. 19.11.2008 – 5 C 454/08, WuM 2008, 725. AG Münster v. 30.9.2009 – 4 C 2725/09, WuM 2009, 665. AG Hamburg v. 12.12.1990 – 43b C 305/90, WuM 1994, 609. AG Frankfurt v. 11.6.1987 – 33 C 1229/87, WuM 1988, 157. BGH v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, MDR 1996, 1113 = NJW 1996, 921. AG Bonn v. 15.5.1987 – 6 C 138/87, WuM 1987, 219. AG Weilheim v. 3.3.1986 – 1 C 913/85, WuM 1987, 221.

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Abs. 2 Nr. 1 BGB vorgegangen werden, wobei auch Eilmaßnahmen abgerechnet werden können (vgl. § 536a BGB Rz. 204). b) Art und Umfang des Aufwendungsersatzes 187 Beide Ansprüche sind auf Ersatz der Aufwendungen des Mieters gerichtet. Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer im Interesse eines Anderen1. Verwendungen sind gleichfalls Aufwendungen. Unter Verwendungen sind alle Aufwendungen zu verstehen, die das Grundstück in seinem Bestand verbessern2, also Vermögensaufwendungen, die der Sache zugutekommen sollen, indem sie der Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung der Sache dienen3. 188 Der Aufwendungsersatzanspruch nach § 536a Abs. 2 BGB kann zunächst auf Geldersatz in Höhe der tatsächlich aufgewendeten Kosten gerichtet sein. Eine abstrakte Berechnung auf der Basis eines Kostenvoranschlages kommt grundsätzlich nicht in Betracht4. Denn auch bei Eigenleistungen ist der tatsächliche Aufwand zu ermitteln, wobei der Leistung des Vermieters ein Stundensatz von 10 -15 Euro zugrunde gelegt werden kann. 189 Neben dem tatsächlichen Aufwand kann der Mieter gemäß § 256 S. 1 BGB Zinsen ab dem Zeitpunkt verlangen, zu dem er die Handwerkerrechnung bezahlt hat. Bei Eigenleistung setzt die Verzinsung mit der Fertigstellung der Maßnahme ein. Die Höhe der Zinsen richtet sich nach § 246 BGB5, beträgt also 4 %, solange nichts anderes vereinbart ist. Daneben kann mit § 536a Abs. 2 BGB der Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit z.B. des Handwerkers entsprechend § 257 BGB geltend gemacht werden. Auch wenn der Mieter zuvor einen Vorschussanspruch geltend gemacht hat, steht ihm die Anspruchsgrundlage offen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Vorschuss nicht ausreicht. 190 Die Ersatzpflicht beschränkt sich auf solche Kosten, die nach vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtungsweise nötig und zweckmäßig sind6. Zwar darf sich der Mieter insoweit grundsätzlich auf das Urteil eines Fachmanns verlassen7. Indessen darf er keine ungeeigneten Maßnahmen durchführen, wozu insbesondere solche zählen, die die Ursache nicht beseitigen8. 191 Ist die Maßnahme des Mieters fehlgeschlagen, besteht in der Regel kein Anspruch auf Aufwendungsersatz9. Hat der Handwerker mehrere Versuche benötigt, kommt es darauf an, ob der Mehraufwand als notwendig angesehen werden kann. Das ist z.B. der Fall, wenn verschiedene Mängelursachen in Betracht kommen, zumal wenn sie unabhängig voneinander bestehen können. Hat der Handwerker aber eine Maßnahme nicht ausgeführt, die sich geradezu aufdrängte, sind die Fehlersuche und weitere fehlgeschlagene Beseitigungsmaßnahmen nicht erstattungsfähig. 192 Das Gleiche gilt, wenn der Mieter den angekündigten Reparaturarbeiten zuvorkommt, weil ihm die vom Vermieter beauftragte Firma nicht geeignet erscheint. Denn der Mieter muss im Normalfall dem Vermieter die Möglichkeit zur Mängelbeseitigung geben10 (vgl. § 536a BGB Rz. 156). Dafür ist allein die gesetzte (angemessene) Frist maßgeblich. Ein Aufwendungsersatzanspruch besteht aber, wenn der Reparaturversuch des Vermieters fehlgeschlagen ist, ohne dass den Mieter hieran ein Ver-

1 BGH v. 12.10.1972 – VII ZR 51/72, MDR 1973, 129 = NJW 1973, 46 = BGHZ 59, 329. 2 BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 195/10, MietRB 2011, 201 = MDR 2011, 777 = WuM 2011, 363 = ZMR 2011, 705 = NZM 2011, 452; BGH v. 2.10.1985 – VIII ZR 326/84, MDR 1986, 227 = NJW 1986, 254 (unter 2a). 3 BGH v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, MDR 1996, 1113 = NJW 1996, 921. 4 AG Wetzlar v. 13.3.2012 – 38 C 1559/11 (38), GE 2012, 959. 5 Erman/Ebert, § 256 BGB Rz. 4. 6 BGH v. 31.1.1991 – VII ZR 63/90, MDR 1991, 970 = NJW-RR 1991, 789. 7 LG Berlin v. 9.7.1991 – 64 S 103/91, GE 1991, 987. 8 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 131/09, MDR 2010, 798 = WuM 2010, 348 = ZMR 2010, 672. 9 AG Osnabrück v. 18.3.2004 – 6 C 360/03, WuM 2005, 48. 10 KG v. 15.5.2000 – 8 U 4583/99, MDR 2000, 1240.

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schulden trifft1. Der Mieter ist aber anzeigepflichtig. Eine Beschränkung des Anspruchs kann sich daraus ergeben, dass der Vermieter Nießbraucher und der Mieter (Mit-)Eigentümer ist (vgl. § 536a BGB Rz. 175). Zu den ersatzfähigen Aufwendungen gehören zunächst die Kosten, die regelmäßig 193 durch Handwerkerrechnungen begründet werden. Daneben beinhaltet der Aufwendungsersatzanspruch nach § 536a Abs. 2 BGB auch die Arbeitszeit des Mieters2, die dieser für die Mängelbeseitigung aufwendet. Der Wert der von dem Mieter erbrachten Eigenleistungen, der im Allgemeinen nur einen Bruchteil des Betrages ausmacht, den der Mieter bei Beauftragung eines Handwerkers hätte aufbringen müssen, kann gemäß § 287 ZPO geschätzt werden3. Für eine ungelernte, aber gewissenhaft arbeitende Kraft können jedenfalls 8 Euro brutto die Stunde angesetzt werden4. Ob höhere Werte etwa deshalb anzusetzen sind, weil die Ausführung der Arbeiten zugleich Gegenstand eines von dem Mieter in selbständiger beruflicher Tätigkeit geführten Gewerbes ist oder er den Beruf erlernt hat, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Dafür spricht die Tatsache, dass der Mieter die Maßnahme durch einen Handwerker zu den Kosten eines Fachmannes hätte ausführen lassen können und seine eigene Zeit für eine Tätigkeit mit entsprechender Entlohnung hätte nutzen können. 2. Kosten der Ersatzvornahme, § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB Die Vorschrift ergänzt die Rechtsfolgen des Verzuges des Vermieters mit einer Män- 194 gelbeseitigung. Die Geltendmachung des Anspruchs ist nicht davon abhängig, dass der Mieter die Ersatzvornahme und/oder die Geltendmachung von Aufwendungsersatz zuvor angekündigt hat5. Der Aufwendungsersatz kommt nicht nur in Betracht, wenn Investitionen in das 195 Gebäude vorgenommen worden sind. Auch wenn der Vermieter z.B. die Stromversorgung für eine Wohnung von Anfang an übernommen hatte, sich aber dann nach Jahren von der Stromversorgung abgemeldet und einen Nutzerwechsel beim zuständigen Elektrizitätsversorger beantragt hat, kann der Mieter die nunmehr von ihm gezahlten Stromkosten vorbehaltlich § 556b Abs. 2 BGB von der Miete einbehalten. Dem Mieter steht insofern ein aufrechenbarer Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 536a Abs. 2 BGB zu6. Auch bei der Beseitigung optischer Mängel greift § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB. Werden beispielsweise Geschäftsräume zum Betrieb eines Lebensmittelgeschäfts im optisch einwandfreien Gebäude angemietet, kann der Mieter vom Vermieter die Beseitigung nicht mehr hinzunehmender Graffiti-Schäden verlangen. Bei Beeinträchtigung des optischen Zustands der Mietsache durch mutwillig zerkratzte Glasscheiben (sog. Scratching) sind diese vom Vermieter zu erneuern7. Befindet sich der Vermieter damit im Verzug, kann der Mieter nach § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB vorgehen. 3. Kosten von unaufschiebbaren Maßnahmen Die Kosten für sog. Notmaßnahmen hat der Vermieter gemäß § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB 196 ausnahmsweise ohne Verzug zu erstatten. Dafür muss es sich um notwendige Aufwendungen handeln, die für eine unerlässliche Notmaßnahme entstanden sind8. Das ist insbesondere bei Gefahr für die Mietsache oder Rechtsgüter des Mieters oder anderer Mieter der Fall.

1 OLG Düsseldorf v. 18.12.1986 – 10 U 139/86, ZMR 1987, 376. 2 BGH v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, MDR 1996, 1113 = NJW 1996, 921. 3 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = WuM 2009, 395 = GE 2009, 901 = ZMR 2009, 829. 4 AG Pankow/Weißensee v. 5.8.2004 – 3 C 71/03, MM 2005, 75. 5 MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 24. 6 AG Köln v. 29.2.2008 – 201 C 557/07, WuM 2008, 547. 7 LG Berlin v. 24.1.2008 – 32 O 84/07, MietRB 2008, 298 = GuT 2008, 347. 8 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522.

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a) Erfasste Maßnahmen 197 § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB beschränkt die relevanten Maßnahmen zur Beseitigung eines Mangels auf solche zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache. Im Hinblick darauf scheiden Maßnahmen zur Wiederherstellung der Mietsache von vorneherein aus dem Anwendungsbereich des § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB aus1. Dafür und für sonstige Maßnahmen, die nicht der Mängelbeseitigung dienen, kommt ein Anspruch aus § 539 BGB in Betracht. 198 Erfasst werden demnach insbesondere Maßnahmen zur Schadensabwehr und zum Schutz der Mietsache2. Dies ist anzunehmen bei Leistungen, ohne die das Gebäude oder wesentliche Teile (weitere) erhebliche Beschädigungen erleiden oder auf Dauer unbrauchbar würden3. Allein den ungestörten Gebrauch der Mietsache als Maßstab heranzuziehen4, ist nicht gerechtfertigt. Diese Ansicht wird schon von dem Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst. b) Dringlichkeit der Maßnahme 199 Die Maßnahme zur Mängelbeseitigung muss unaufschiebbar sein, um eine Ausnahme von Verzugserfordernis zu rechtfertigen. Dafür ist ein objektiver Maßstab anzulegen5. Es kommt also nicht auf die subjektive Situation des Mieters an. Maßgeblich ist vielmehr, dass aus der Sicht eines objektiven Betrachters ein sofortiges Handeln angezeigt war. 200 Besteht z.B. eine konstruktionsbedingte Verstopfung des WC-Abflusses, kommt es für die Frage, ob die Beseitigung durch eine Fachfirma unmittelbar durch den Mieter mit der Rechtsfolge des § 536a Abs. 2 BGB nicht darauf an, ob der Mieter die Feststellung am Tage seiner Rückkehr aus dem Urlaub trifft6. Maßgeblich ist allein, ob rechtzeitig Hilfe durch den Vermieter zu erhalten ist, um (weiteren) Schaden von der Mietsache abzuhalten. 201 Eine unaufschiebbare Maßnahme kommt z.B. durch den Ausfall der Heizung in Betracht7. Tritt dieses Ereignis im Winter ein, kann die Reparatur eine Notmaßnahme des Mieters darstellen, die zur Wiederherstellung der Mietsache erforderlich ist und keinen Aufschub duldet8. Entsprechende Umstände sind nicht zu erkennen, wenn beim Ausfall der Heizung die Außentemperaturen sich im Bereich von ca. 16,8 °C bewegt haben9, so dass kein sofortiges Handeln erforderlich war. Mit Rücksicht darauf, ist es bei dem Phänomen des Heizungsausfalls in einem der Wohnräume auch unerheblich, an welchem Wochentag und zu welcher Tages- bzw. Nachtzeit der Mangel auftritt. Selbst wenn die Heizung an einem Samstag ausfällt, erhält der Mieter keinen Kostenersatz, wenn er den Installateur ohne Rücksprache mit dem Vermieter oder seinem Hausverwalter ruft, solange die äußeren Umstände ein sofortiges Handeln nicht rechtfertigen. Dies gilt erst recht, wenn der Mieter das Serviceunternehmen, auf das die Hausverwaltung durch einen Aushang im Hausflur hingewiesen hat, wegen des Heizungsausfalls am Samstag erst am nächsten Werktag in Anspruch nimmt. Unabhängig von den klimatischen Verhältnissen in oder außerhalb der Wohnung kann eine Notmaßnahme i.S.v. § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB begründet werden, wenn aus einem Heizkörper in erheblichem Umfang Wasser austritt oder auszutreten droht10.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 25. Blank/Börstinghaus, § 536a BGB Rz. 43. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 129 m.w.N. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VIII 283. LG Hagen v. 7.3.1984 – 13 S 188/82, WuM 1984, 215 = ZMR 1984, 375; MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 26. AG Saarburg v. 19.11.2008 – 5 C 454/08, WuM 2008, 725. LG Heidelberg v. 8.11.1996 – 5 S 95/96, WuM 1997, 42. AG Münster v. 30.9.2009 – 4 C 2725/09, WuM 2009, 665. AG Münster v. 11.9.2008 – 49 C 2864/08, WuM 2008, 688. AG Hamburg v. 12.12.1990 – 43b C 305/90, WuM 1994, 609.

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Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters

§ 536a BGB

Dabei ist die Motivation des Mieters ohne Bedeutung. Deshalb kommt es nicht da- 202 rauf an, ob der Mieter dem Vermieter Rechte abschneiden wollte1. Selbst wenn dies der Fall ist, kann er seine Aufwendungen nicht nach §§ 536a, 539 BGB vom Vermieter ersetzt verlangen2. Sind dem Mieter die Adresse des Vermieters oder auch andere Kontaktmöglichkei- 203 ten (E-Mail, Telefon) auf Anhieb unbekannt (im Mietvertrag stehen z.B. nur der Name und die Bankverbindung des Vermieters) und hat er deswegen keine Möglichkeit, diesen zur Beseitigung eines Mangels der Mietsache aufzufordern (z.B. defektes Garagentor), kann er nach der Selbsthilfe nur dann Ersatz der entstandenen Aufwendungen verlangen, wenn er zuvor entsprechende Nachforschungen bezüglich der Adresse des Vermieters oder seines Hausverwalters durchgeführt hat. Hierzu gehört auch der Versuch, den Vermieter durch eine teilweise bzw. vollständige Einstellung der Mietzahlungen (Minderung) zur Kontaktaufnahme zu bewegen3. Schon weil Mahnungen nach § 132 Abs. 2 BGB auch öffentlich zugestellt werden können, rechtfertigt der unbekannte Aufenthalt des Vermieters als solches keine Notmaßnahme i.S.v. § 536a Abs. 2 BGB, solange kein unmittelbarer konkreter Schaden für die Mietsache abgewendet werden muss. c) Eilmaßnahmen Ist objektiv eine Notmaßnahme nicht erforderlich, weil keine Gefahr für die Mietsa- 204 che droht, kann dennoch eine Durchführung der Maßnahme ohne Einschaltung des Vermieters gerechtfertigt sein, wenn sie zur Abwehr von erheblichem Schaden für die Rechtsgüter des Mieters notwendig ist. Als Orientierung, unter welchen Voraussetzungen dies angenommen werden kann, dient § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB4. Nach dieser Vorschrift bedarf es zur Herbeiführung des Verzugs keiner Mahnung, wenn dies aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist. Dies kann z.B. auch angenommen werden, wenn der Vermieter die alsbaldige Leistung (Mängelbeseitigung) angekündigt hat, aber gleichwohl nicht leistet5. Liegt danach ein Fall vor, in dem ausnahmsweise keine Mahnung erforderlich ist und 205 erhebliche Gefahr für Rechtsgüter des Mieters droht oder besteht, richtet sich der Aufwendungsersatz nach § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB6. d) Umfang der Notmaßnahme Die Beschränkung auf Notmaßnahmen kann vor dem Hintergrund, dass die Maßnah- 206 me (nur) dem Erhalt der Mietsache dienen darf, dazu führen, dass die Ersatzvornahme in einen Teil unterfällt, der nach § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB abgerechnet werden kann, und einen weiteren Teil, der unter den Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB geltend gemacht werden muss. Hat z.B. ein Rohrbruch am Wochenende stattgefunden, erhält der Mieter über § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB die Kosten für die Leckageortung und die Beseitigung des Rohrbruchs als solchem, also in der Regel die Kosten des Installateurs7. Die anschließenden Arbeiten zur Wiederherstellung des vertragsgemäßen Gebrauchs (Verputzen, Renovierung) können nur nach § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB verlangt werden, erfordern also in der Regel den Verzug des Vermieters.

1 Zu diesem Argument vgl. BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, MietRB 2008, 97 = MDR 2008, 440 = ZMR 2008, 281 = WuM 2008, 147 = NZM 2008, 279. 2 A.A. AG Hamburg v. 1.4.2009 – 46 C 108/08, ZMR 2009, 928. 3 AG Köln v. 20.6.2006 – 223 C 8/06, NZM 2007, 161. 4 Blank/Börstinghaus, § 536a BGB Rz. 44 m.w.N. 5 Erman/Hager, § 286 BGB Rz. 45; Staudinger/Emmerich, § 536a BGB Rz. 16; Schmidt-Futterer/ Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 124; Blank/Börstinghaus, § 536a BGB Rz. 41; Schmid/Harting, § 536a BGB Rz. 32; a.A. Staudinger/Löwisch, § 286 BGB Rz. 8.7. 6 BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, MietRB 2008, 97 = MDR 2008, 440 = ZMR 2008, 281 = WuM 2008, 147 = NZM 2008, 279. 7 LG Hagen v. 7.3.1984 – 13 S 188/82, WuM 1984, 215.

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§ 536a BGB

Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters

4. Verjährung 207 Die Erstattungsansprüche nach § 536a Abs. 2 BGB verjähren nach § 548 Abs. 2 BGB in sechs Monaten nach Beendigung des Mietvertrages1. Im Hinblick darauf tritt nach der hier vertretenen Ansicht eine Verjährung während der Mietzeit nicht ein. C. Gewerberaummiete 208 Bei der Anwendung des § 536a BGB muss darauf geachtet werden, ob eine von § 535 Abs. 1 S. 2 BGB abweichende Vereinbarung besteht. Denn ist der Mieter für die Erhaltung der Mietsache z.B. durch Übertragung der Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht verantwortlich (vgl. § 536a BGB Rz. 27 f.), können die in § 536a BGB enthaltenen Gewährleistungsansprüche insoweit nicht geltend gemacht werden. 209 Neben der Abdingbarkeit ergeben sich wesentliche Unterschiede bei den Schadenspositionen. I. Besondere Schadenspositionen 1. Entgangener Gewinn 210 Für die Bewertung dieser Schadensposition ist § 252 BGB relevant. Danach gilt der Gewinn als entgangen, welcher nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge (= abstrakte Schadensberechnung) oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen (= konkrete Schadensberechnung), mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden durfte. Die Vorschrift enthält für den Geschädigten eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung. Der Geschädigte braucht nur die konkreten „Anknüpfungstatsachen für eine Wahrscheinlichkeitsprognose nach § 252 BGB und eine daran angeknüpfte Schadenschätzung nach § 287 ZPO“ darzulegen2. Dabei sollen die Anforderungen an Darlegung und Beweis der Umstände, die den Gewinn wahrscheinlich machen, nicht überspannt werden. Denn volle Gewissheit, dass der Gewinn gezogen worden wäre, ist nicht erforderlich; insoweit dürfen an das Vorbringen eines selbständigen Unternehmers, ihm seien erwartete Gewinne entgangen, wegen der damit regelmäßig verbundenen Schwierigkeiten keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden3. Vielmehr genügt als Maß eine „gewisse Wahrscheinlichkeit“4. Das ist bereits dann anzunehmen, „wenn es nach den Umständen des Falles wahrscheinlicher ist, dass der Gewinn ohne das haftungsbegründende Ereignis erzielt worden wäre, als dass er ausgeblieben wäre“5. 211 Ist der Erwerbsschaden eines Selbständigen oder sonstigen etablierten Unternehmens festzustellen, ist es im Rahmen der §§ 252 BGB, 287 ZPO in der Regel erforderlich und angebracht, an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren anzuknüpfen6. Zur Darlegung des entgangenen Gewinns im Rahmen der abstrakten Schadensberechnung nach § 252 S. 2 BGB genügt es, diese Tatsachen vorzutragen. Deshalb genügt der Mieter diesen Anforderungen, wenn erden ihm durch die Nichtgewährung des Gebrauchs der Mietsache entgangenen Gewinn abstrakt berechnet, indem er die von ihm in den vergangenen Jahren erzielten Gewinne darlegt und unter Zeugen- und/oder Sachverständigenbeweis stellt7. Damit hat er gemäß § 252 S. 2 BGB hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt, welchen Gewinn er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwarten konnte. Zur Schlüssigkeit ist es nicht erforderlich, auch noch die Eckdaten der Berechnung mitzuteilen.

1 2 3 4 5 6 7

BGH v. 13.2.1974 – VIII ZR 233/72, NJW 1974, 743. BGH v. 26.7.2005 – XII ZR 134/04, MDR 2006, 320 = NJW 2005, 3348 (3349). BGH v. 26.7.2005 – XII ZR 134/04, MDR 2006, 320 = NJW 2005, 3348 (3349). Vgl. z.B. BGH v. 30.5.2001 – VIII ZR 70/00, MDR 2001, 1249 = NJW-RR 2001, 1542. BGH v. 27.9.2001 – IX ZR 281/00, NJW 2002, 825 (826). BGH v. 6.2.2001 – VI ZR 339/99, MDR 2001, 689 = NJW 2001, 1640 (1641). BGH v. 27.10.2007 – XIII ZR 128/09, GE 2010, 1741.

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Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters

§ 536a BGB

Dennoch kann im Einzelnen zu untersuchen sein, ob der Gewinn realistisch ist. Denn 212 oftmals sind insbesondere saisonale Besonderheiten (z.B. Weihnachtsverkäufe, Vorweihnachtszeit, Schlussverkauf), aber auch Standortfragen zu beachten. Der Mieter liefert aber ausreichend Anknüpfungstatsachen zur Ermittlung des entgangenen Gewinns im Prozess, wenn er den behaupteten Gewinn durch Vorlage von – Umsatzbögen, – Steuererklärungen, – Steuerbescheiden, – Gewinn- und Verlustrechnungen, – betriebswirtschaftliche Auswertungen und – Wareneingangsbüchern unter Beweis stellt1. Schwieriger wird die Beweisführung bei Existenzgründern. Hier fehlen in der Regel 213 die Vergleichszahlen für den Zeitraum vor der Anmietung. Deshalb muss bei diesen Unternehmen mit entsprechenden Prognoseberechnungen gearbeitet werden, die von einem Sachverständigen (Berufsverband, Steuerberater, Innung etc.) anhand von Vergleichsfällen aufgestellt wurden und in der Regel auch Grundlage der Finanzierung sind bzw. waren. Allenfalls kann hier aus einer späteren Geschäftsentwicklung ein Rückschluss gezogen werden. Dabei ist jedoch ggf. die Standortfrage zu berücksichtigen. 2. Kosten der geplanten Geschäftseröffnung Greift § 536a Abs. 1 BGB, weil die Übergabe i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB durch einen 214 Rechtsmangel verhindert wird (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 33), kommt Aufwendungsersatz nach § 284 BGB in Betracht (vgl. § 536a BGB Rz. 105 f.). Darunter können auch die Aufwendungen fallen, die dem Mieter im Hinblick auf eine geplante, aber abgesagte Geschäftseröffnung entstanden sind. Denn die Vorbereitungen des Mieters zur Geschäftseröffnung können schon so weit gediehen sein, dass er Werbeanzeigen in Auftrag gegeben oder sonstige Events geplant hat. Trotz der Stornierung dieser Aufträge können Kosten z.B. durch die Anwendung des § 649 BGB entstanden sein. Ist dafür z.B. eine pauschalierte Abfindung vereinbart2, an deren Wirksamkeit keine Bedenken bestehen, kann der dadurch ermittelte Betrag geltend gemacht werden. 3. Lohnkosten für Personal Sofern der Gewerbemieter sein Personal bis zum Bezug der Ersatzräume bzw. bei ei- 215 ner Betriebsunterbrechung infolge mangelhafter Mietsache weiterbezahlen muss, ergibt sich nach der Differenztheorie grundsätzlich eine Schadensposition. Wird entgangener Gewinn geltend gemacht, sind die Lohnkosten ein Abzugsposten und daher nicht noch einmal gesondert zu berücksichtigen. Zu den Lohnkosten zählen neben dem vereinbarten Bruttoentgelt auch die Arbeit- 216 geberanteile zur Sozialversicherung. Daneben können (anteilig) Beiträge für Berufsgenossenschaften oder sonstige Vereinigungen entstehen.

1 BGH v. 31.8.2005 – XII ZR 63/03, NJW-RR 2005, 1603 = ZMR 2006, 184 = MietRB 2006, 65. 2 Vgl. dazu Palandt/Sprau, § 649 BGB Rz. 3.

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§ 536b BGB

Kenntnis des Mieters vom Mangel

§ 536b Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme Kennt der Mieter bei Vertragsschluss den Mangel der Mietsache, so stehen ihm die Rechte aus den §§ 536 und 536a nicht zu. Ist ihm der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, so stehen ihm diese Rechte nur zu, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat. Nimmt der Mieter eine mangelhafte Sache an, obwohl er den Mangel kennt, so kann er die Rechte aus den §§ 536 und 536a nur geltend machen, wenn er sich seine Rechte bei der Annahme vorbehält. Inhalt A. I. II. 1. 2.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . a) Unmittelbarer Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analoge Anwendung . . . . . . . III. Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . IV. Darlegungs- und Beweislast . . . V. Abweichende Vereinbarungen . B. I. 1. 2. 3. II.

Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . Kenntnis bei Vertragsschluss . . Umfang der Kenntnis . . . . . . . . Kenntnis vom Rechtsmangel . . Umfang der Ausschlusswirkung Grob fahrlässige Unkenntnis, § 536b S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . 1. Grobe Fahrlässigkeit . . . . . . . . . 2. Arglistiges Verschweigen des Mangels . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Mangelkenntnis bei Annahme der Mietsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . a) Übergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertragsverlängerung und -änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kenntnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arglistiges Verschweigen des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfasste Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zum vertragsgemäßen Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verwirkung von Gewährleistungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geltung der Verwirkung neben § 536c BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen der Verwirkung. .

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C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . .

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A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Die von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung1 regelt drei Fälle rund um den Vertragsbeginn, die die Gewährleistungsrechte des Mieters einschränken. Besteht ein Mangel im maßgeblichen Zeitpunkt und liegen die jeweils geforderten subjektiven Voraussetzungen vor, kann der Mieter die Rechte aus den §§ 536, 536a, 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht für sich reklamieren. Im Einzelnen muss zwischen – der Kenntnis des Mieters bei Vertragsschluss, – seiner grob fahrlässigen Unkenntnis und – seiner Mangelkenntnis bei der Annahme der Mietsache unterschieden werden. § 536b BGB ist im Zusammenhang mit § 536c BGB zu lesen. Dort ist geregelt, wie und unter welchen Voraussetzungen der Mieter seine Gewährleistungsrechte verlieren kann, wenn ein Mangel während der Mietzeit entsteht. Hier wird der Ausschluss bei ursprünglich vorhandenen Mängeln behandelt.

1 BGH v. 10.11.1965 – Ib ZR 101/63, NJW 1966, 343.

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Kenntnis des Mieters vom Mangel

§ 536b BGB

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Vorschrift ist für alle Mietverhältnisse einschließlich derer i.S.d. § 549 Abs. 2 und 2 3 BGB – unmittelbar und über § 581 Abs. 2 BGB entsprechend auch auf Pachtverhältnisse anwendbar. 2. Anwendbare Rechtsprechung a) Unmittelbarer Anwendungsbereich § 536b BGB entspricht weitestgehend § 539 BGB in der bis zum 31.8.2001 gültigen 3 Fassung (a.F.). Eingearbeitet wurde zusätzlich der für die Rechtsmängelhaftung bis zum 1.9.2001 in § 541 BGB a.F. enthaltene Verweis auf § 539 S. 1 BGB a.F. Damit ist seit 1.9.2001 der gesetzliche Gewährleistungsausschluss für Sach- und Rechtsmängel einheitlich geregelt. Zu dieser Einheitlichkeit gehört, dass ein Gewährleistungsausschluss für Sach- und Rechtsmängel bezogen auf den Vertragsschluss nur noch bei positiver Kenntnis des Mieters vom Mangel besteht (§ 536b S. 1 BGB). Hinsichtlich der Rechtsmängel entspricht dies bereits der bis zum 31.8.2001 bestehenden Rechtslage. Für Sachmängel war der Gesetzgeber der Auffassung, dass die grob fahrlässige Unkenntnis des Mieters sich als sehr streitträchtig erwiesen habe, da die Frage, ob grob fahrlässige Unkenntnis bei Vertragsschluss vorgelegen habe, je nach den konkreten Umständen von Fall zu Fall unterschiedlich beantwortet werden musste1. Deshalb wurde dieser Ausschlusstatbestand aus § 539 BGB a.F. zum 1.9.2001 nicht übernommen. S. 2 des § 536b BGB regelt seit dem 1.9.2001 den noch in § 539 BGB a.F. enthaltenen 4 Verweis auf die §§ 460, 464 BGB a.F. durch Klartext. Bei grober Fahrlässigkeit stehen dem Mieter die Rechte aus den §§ 536, 536a BGB nur zu, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Übrigen muss sich der Mieter seit 1.9.2001 auch bei Rechtsmängeln gemäß S. 3 bei der Annahme der Mietsache seine Rechte aus den §§ 536, 536a BGB ausdrücklich vorbehalten, um sie später noch geltend machen zu können. Dies bedeutet aber im Ergebnis keine Änderung der Rechtslage, denn die vorbehaltlose Annahme der Mietsache, die mit Rechtsmängeln behaftet ist, kann als Verzicht auf evtl. Ansprüche angesehen werden, was auf dasselbe Ergebnis hinausläuft. In erster Linie stand hier die Vereinfachung einer einheitlichen Regelung im Vordergrund2. Unter Beachtung dieser Besonderheiten sind Entscheidungen aus der Zeit vor dem 5 1.9.2001 heute noch verwertbar. b) Analoge Anwendung Nach bis zum 1.9.2001 fast einhelliger Meinung konnte § 539 BGB a.F. analog ange- 6 wendet werden, wenn ein Mangel erst nach Übergabe der Mietsache entstand3. Lag ein solcher Fall vor, und setzte der Mieter trotz Kenntnis des Mangels den Mietgebrauch rügelos fort, zahlte er insbesondere die Miete in voller Höhe weiter, ohne sich Gewährleistungsrechte vorzubehalten, wurde sein Verhalten dahin interpretiert, dass er aus dem Vorhandensein des Mangels Rechte nicht ableiten wollte, er also insbesondere die vereinbarte Miete auch für die fehlerhafte Mietsache als angemessen ansah4. In diesem Fall verlor der Mieter seine Rechte auf Minderung, Schadensersatz und fristlose Kündigung wegen Gebrauchsentziehung, und zwar nicht nur für die Vergangenheit, sondern vor allem auch für die Zukunft5. Dabei wurden in der Regel die Voraussetzungen zur analogen Anwendung des § 539 BGB a.F. angenommen, wenn der Mieter über einen Zeitraum von sechs Monaten die Mietsache rügelos ge1 2 3 4 5

Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1137. Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1137. Lützenkirchen, WuM 2001, 55 (59) m.w.N. BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 63/95, MDR 1997, 1112 = NJW 1997, 2674 = WuM 1997, 488. BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 63/95, MDR 1997, 1112 = NJW 1997, 2674 = WuM 1997, 488; BGH v. 31.5.2000 – XII ZR 41/98, MDR 2000, 1004 = WuM 2000, 416 = ZMR 2000, 666.

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§ 536b BGB

Kenntnis des Mieters vom Mangel

braucht und in dieser Zeit die Miete in der vereinbarten Höhe vorbehaltlos gezahlt hatte1. 7 Im Gesetzgebungsverfahren zum MRRG wurde diese Rechtsprechung in Frage gestellt2. Dies allein war Grund genug, die Voraussetzungen für die analoge Anwendung unter der Geltung des § 536b BGB mit Inkrafttreten des MRRG am 1.9.2001 entfallen zu lassen3. Denn dadurch war die für eine analoge Anwendung notwendige planwidrige Regelungslücke entfallen. Deshalb kann § 539 BGB a.F. analog nur auf Zahlungszeiträume bis zum 1.9.2001 angewendet werden (die inzwischen aber verjährt sind). Für sich daran anschließende Zeiträume muss ermittelt werden, ob die Voraussetzungen einer Verwirkung vorliegen. Auf den Tatbestand der Verwirkung können die bisherigen Anforderungen (ca. sechsmonatige vorbehaltlose Mietzahlung) nicht übertragen werden. 8 Demzufolge ist die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1.9.2001, die auf einer analogen Anwendung des § 539 BGB a.F. aufbaut, auf Fälle, die Mietzahlungen seit dem 1.9.2001 betreffen, nicht anwendbar. Selbst für den Tatbestand der Verwirkung von Gewährleistungsrechten bietet sie keine Orientierung. III. Zweck der Vorschrift 9 Der Zweck der Vorschrift wird nicht einheitlich beurteilt. Sowohl die Ausformung des Grundsatzes vom Verbot widersprüchlichen Verhaltens4, eines vermuteten Verzichts5, eine Sanktion des sorglosen Abschlusses von Mietverträgen6 wie aber auch das Ziel, Rechtsfrieden zu stiften7, werden als Zweck hinter der Vorschrift gesehen. Letzlich ist von allem etwas richtig, wenngleich die These vom vermuteten Verzicht wenig überzeugt. 10 Die Vorschrift muss im Zusammenhang mit § 536c BGB, aber auch mit § 536a Abs. 1 Var. 1 BGB (Garantiehaftung) sowie § 538 BGB gesehen werden und soll vor diesem Hintergrund der Rechtssicherheit dienen. Bei Beginn des Mietvertrages soll – weil die Parteien hier noch die Möglichkeit haben, den Zustand der Mietsache in ihren Einigungsprozess einzubringen – feststehen, ob der vorhandene Zustand von Beginn an die Ausübung von Gewährleistungsrechten nach §§ 536, 536a BGB und (über § 543 Abs. 4 BGB) des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB rechtfertigen soll. IV. Darlegungs- und Beweislast 11 Der Vermieter muss die Kenntnis des Mieters vom Mangel oder dessen grob fahrlässige Unkenntnis beweisen. Für Letzteres muss er vortragen (und ggf. beweisen), dass der Mieter aber zumindest die Umstände erkennen konnte8. Der Mieter muss beweisen, dass er sich die Gewährleistungsrechte vorbehalten hat, dass der Vermieter baldige Abhilfe zugesagt oder den Mangel arglistig verschwiegen hat9. Darüber hinaus muss er beweisen, dass eine von den Rechtsfolgen des § 536b BGB abweichende Vereinbarung getroffen wurde10. Die Anforderungen ändern sich nicht, wenn dem Mieter in einem früheren Verfahren aus dem gleichen Grund Minderungsansprüche bereits

1 OLG Frankfurt v. 22.11.1999 – 16 U 56/99, WuM 2000, 116 m.w.N. 2 Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1137. 3 BGH v. 16.2.2005 – XII ZR 24/02, ZMR 2005, 770 = DWW 2005, 153 = NZM 2005, 303; BGH v. 16.7.2003 – VIII ZR 274/02, MDR 2003, 1103 = WuM 2003, 440 = ZMR 2003, 667 = NZM 2003, 679 = MietRB 2003, 1; kritisch dazu Gerber, NZM 2003, 825. 4 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b BGB Rz. 1. 5 Bamberger/Roth/Ehlert, § 536b BGB Rz. 2. 6 Blank/Börstinghaus, § 536b BGB Rz. 2. 7 MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 2. 8 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MietRB 2007, 195 = MDR 2007, 1065. 9 KG v. 17.6.2010 – 12 U 51/10, ZMR 2010, 956; MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 32; Bub/ Treier/Kraemer, III B Rz. 1416. 10 OLG Düsseldorf v. 23.10.2008 – 24 U 25/08, ZMR 2009, 752 = GuT 2011, 272 = DWW 2009, 309 = GE 2009, 843.

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zuerkannt worden sind1. Denn regelmäßig wird der Streitgegenstand durch die Dauer, für die die Minderung berechtigt war, bestimmt, so dass neue Zeitabschnitte einen neuen Streitgegenstand bilden. V. Abweichende Vereinbarungen Die Vorschrift ist abdingbar2, was sich in der Regel zugunsten des Mieters auswirkt. 12 Die formularmäßige Bestätigung der Kenntnis vom Mangel stellt zumeist eine nach § 309 Nr. 12b BGB unzulässige Klausel dar3. Allein die Klausel, der Mieter erkenne den derzeitigen Zustand als vertragsgemäß an, führt auch nicht die Rechtfolgen des § 536b BGB herbei. Denn sie bezieht sich nur auf den Zustand der Mietsache als solchem, so dass die räumliche Aufteilung als vertragsgemäß angesehen werden kann4. Eine Verschärfung der Anforderungen, indem z.B. die Schriftform für den Vorbehalt 13 gefordert wird, ist jedenfalls formularmäßig unzulässig, § 307 BGB. Denn dadurch könnte der vertragstreue Mieter davon abgehalten werden, trotz mündlichem Vorbehalt seine Rechte allein wegen der mangelnden Schriftform geltend zu machen. Das Gleiche gilt, wenn die Ausschlusswirkung des § 536b BGB per AGB auf den Mängelbeseitigungsanspruch (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) erweitert wird, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Letzteres gilt auch in der Gewerberaummiete5. Dagegen ist insbesondere in der Gewerberaummiete eine Erweiterung des Gewähr- 14 leistungsausschlusses auf den Fall der einfach fahrlässigen Unkenntnis zulässig. Das Gleiche gilt für eine ausdrückliche Regelung von Untersuchungspflichten des Mieters. Beides setzt aber eine Individualvereinbarung voraus. Denn ansonsten – also AGB-mäßig – würde eine Entlastung des Vermieters von seiner Hauptpflicht aus § 535 Abs. 1 BGB stattfinden. Das ist aber formularmäßig nicht regelbar, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB6. B. Wohnraummiete I. Kenntnis bei Vertragsschluss Für die Mangelkenntnis bei Vertragsschluss ist das eigene Wissen des Mieters erfor- 15 derlich. Wird der Mieter bei Vertragsschluss vertreten, kommt es auf die Kenntnis des Vertreters an, § 166 BGB. Bei einer juristischen Person ist die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters maßgeblich (z.B. Geschäftsführer, Vorstand)7, bei einer Gesamtvertretung reicht allerdings die Kenntnis eines Vertreters. Bei einer Personenmehrheit gelten keine anderen Grundsätze. Es genügt die Kennt- 16 nis eines Mieters. Woher die Kenntnis stammt, ist unerheblich. Sie muss nicht vom Vermieter herrüh- 17 ren. Weiß der Mieter z.B., dass die Gemeinde vor dem Grundstück in absehbarer Zeit eine Tiefgarage bauen will, kann er wegen der Baustellenbeeinträchtigungen nicht mindern8. 1. Umfang der Kenntnis Bei dem Mieter muss positive Kenntnis festgestellt werden. Allerdings erfüllt allein 18 die Kenntnis des Mieters von einem bestimmten Zustand (z.B. Gewölbekeller) den Tatbestand des § 536b BGB nicht. Vielmehr müssen dem Mieter auch die Auswirkun-

1 2 3 4 5 6

LG Berlin v. 21.4.2010 – 63 S 210/07, GE 2009, 453. BGH v. 22.10.2003 – XII ZR 126/00, NZM 2004, 27. MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 4. BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MietRB 2007, 195 = MDR 2007, 1065. Kritisch dazu Schenkel, NZM 1998, 502 (504). BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274. 7 OLG Düsseldorf v. 28.10.2010 – 24 U 28/10, ZMR 2011, 795. 8 OLG Dresden v. 14.10.2008 – 5 U 1030/08, InfoM 2009, 120.

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gen (z.B. poröses Fugenmaterial) bewusst sein1. Dazu müssen konkrete Vorstellungen bestehen, für die die Lebenserfahrung als Maßstab herangezogen werden kann. Ob und ggf. wie der Mieter subjektiv die Tragweite des (mangelhaften) Zustandes für den Mietgebrauch einschätzt, ist ohne Belang2. Denn abzustellen ist auf den Erkenntnishorizont eines durchschnittlichen Mieters. 19 Deshalb reicht die Kenntnis des Mieters von der Lage der (Souterrain-)Wohnung in einem hochwassergefährdeten Gebiet allein nicht aus. Dies gilt insbesondere, wenn die Ursache der Überschwemmung seiner Wohnung (anlässlich eines Hochwassers) eine fehlende Rückstausicherung darstellt3. Eine grob fahrlässige Unkenntnis kann nicht angenommen werden, weil keine Untersuchungspflicht besteht. 20 Selbst wenn der Vermieter Hinweise auf außergewöhnliche Phänomene erteilt, muss noch keine Kenntnis des Mieters gegeben sein, wenn daraus nicht auf das Vorliegen eines konkreten Mangels geschlossen werden kann. Deshalb reicht der Hinweis des Vermieters auf eine Überschwemmungsgefahr durch Hochwasser nicht aus. Vielmehr muss er dem Mieter auch deren Auswirkungen schildern4. Ebenso unzureichend ist der Hinweis bei der Besichtigung auf eine Braunfärbung des Trinkwassers bis zum Anschluss des Hauses an die öffentliche Trinkwasserversorgung, wenn nicht zugleich auf eine gesundheitsgefährdende Überschreitung der Grenzwerte für Eisen und Mangan aufmerksam gemacht wird5. 21 Insbesondere wenn Mängel (ohne Vorbehalt) bereits in einem Übergabeprotokoll vermerkt sind, tritt der Ausschluss ein. Dieser Tatbestand entfällt jedoch, wenn der Vermieter ankündigt, die vermerkten Mängel zu beseitigen, die Mängelbeseitigung dann jedoch unterlässt6. Erst recht kann sich ein Vermieter gegenüber einem Nachmieter nicht auf den Minderungsausschluss des § 536b BGB berufen, wenn zwar im Übergabeprotokoll bestimmte vorhandene Mängel nicht vermerkt sind, diese Mängel aber in dem im Beisein des neuen Mieters gefertigten Abnahmeprotokoll zwischen dem Vermieter und dem Vormieter genannt sind und eine Mängelbeseitigung vereinbart ist7. 2. Kenntnis vom Rechtsmangel 22 Bei einem Rechtsmangel reicht allein die Kenntnis der Umstände, die das Recht des Dritten begründen, nicht aus. Denn es ist nicht ungewöhnlich, dass bei der Miete das Recht eines Dritten besteht, wie schon der Fall der Untervermietung zeigt. Deshalb muss der Mieter sich zusätzlich darüber im Klaren sein, dass der Dritte sein Recht ausüben wird, und das damit verbundene Risiko bewusst in Kauf nehmen8. 23 Fehlt eine behördliche Genehmigung, kann § 536b BGB eingreifen, wenn der Mieter die fehlende Nutzungserlaubnis kennt. Berichtet der Vermieter aber von einem schwebenden Genehmigungsverfahren, kann er sich nicht auf § 536b BGB berufen, wenn beide Parteien mit einem positiven Ausgang dieses behördlichen Verfahrens rechneten und rechnen durften9. 3. Umfang der Ausschlusswirkung 24 Bei positiver Mangelkenntnis ist die Anwendung der §§ 536, 536a BGB und über § 543 Abs. 4 BGB auch des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Diese Gewährleistungs-

1 OLG Düsseldorf v. 7.3.2006 – I-24 U 112/05, ZMR 2006, 518; LG Frankfurt v. 4.10.1988 – 2/11 S 18/88, ZMR 1990, 17; LG Berlin v. 5.8.2002 – 67 S 342/01, MM 2003, 46. 2 OLG Nürnberg v. 9.6.1959 – 3 U 162/57, ZMR 1960, 300. 3 LG Köln v. 3.1.1996 – 10 S 314/95, WuM 1996, 334. 4 OLG Düsseldorf v. 19.5.2005 – 10 U 196/04, ZMR 2006, 925 = GE 2006, 1295 = GuT 2006, 265. 5 AG Bad Segeberg v. 10.3.1998 – 17a C 164/97, WuM 1998, 280. 6 BGH v. 21.1.1976 – VIII ZR 113/74, ZMR 1976, 138; AG München v. 21.8.2003 – 452 C 11234/03, WuM 2004, 90. 7 LG Berlin v. 14.9.2006 – 62 S 90/06, GE 2006, 1407. 8 BGH v. 4.10.1995 – XII ZR 215/94, MDR 1996, 252 = NJW 1996, 46. 9 OLG Hamburg v. 26.4.1995 – 4 U 137/94, MDR 1996, 358.

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beschränkung greift selbst dann ein, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat. Denn der Mieter ist bei positiver Kenntnis nicht schutzbedürftig1. Haben die Parteien im Wohnungsmietvertrag vereinbart, dass der Mieter wegen der 25 bei Mietbeginn am Haus noch auszuführenden Restarbeiten auf eine Mietminderung verzichtet, beinhaltet dies die Zusage des Vermieters, dass diese Mängel in absehbarer Zeit beseitigt werden. Insoweit ist das Minderungsrecht des Mieters wegen § 536b BGB nicht dauerhaft ausgeschlossen. Nach Treu und Glauben durfte spätestens nach einem bis eineinhalb Jahren mit einer Erledigung der Restarbeiten gerechnet werden. Spätestens, wenn die Mängel mehr als zwei Jahre nach Mietbeginn noch immer nicht beseitigt sind, ist der Mieter zur Mietminderung berechtigt2. Der Vereinbarung steht eine entsprechende Zusage des Vermieters bei Abschluss des Mietvertrages, den oder die Mängel zu beseitigen, gleich3. II. Grob fahrlässige Unkenntnis, § 536b S. 2 BGB 1. Grobe Fahrlässigkeit Für die Annahme grober Fahrlässigkeit ist zu prüfen, ob ein Zustand gegeben war, bei dem sich das Vorliegen eines Mangels geradezu aufdrängen musste. Insoweit trifft den Mieter in der Regel keine Erkundungs- und Untersuchungspflicht4.

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Grob fahrlässig handelt der Mieter, wenn er die erforderliche Sorgfalt bei Vertrags- 27 schluss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen5. Dazu müssen die Umstände, die auf bestimmte Unzulänglichkeiten hindeuten, den Verdacht eines dadurch begründeten Mangels besonders nahelegen, der Mieter aber gleichwohl weitere zumutbare Nachforschungen unterlassen haben. Das erfordert, dass der Mieter die Umstände zumindest erkennen konnte6. Das ist bei einer Wohnflächenabweichung grundsätzlich nicht der Fall, selbst wenn dem Mieter bei einer Wohnungsbesichtigung eine erhebliche Wohnflächenabweichung nicht auffällt (hier: Mietvertragsangabe „ca. 40 qm“, tatsächliche Größe 28, 26 qm)7. Insoweit erlangt der Mieter die für § 536b BGB notwendige Kenntnis überhaupt erst durch Nachmessung8. Allein die Anmietung ohne Besichtigung begründet für sich genommen in der Regel 28 noch nicht den Vorwurf grober Fahrlässigkeit9. Dazu müssen weitere Umstände hinzutreten. Deshalb kann grobe Fahrlässigkeit z.B. angenommen werden, wenn es sich um offensichtliche Mängel handelt, die bei einer Besichtigung sofort ins Auge gefallen wären. Dazu können undichte Fenster gehören10. Das setzt aber voraus, dass ihr mangelhaf- 29 ter Zustand offensichtlich ist, weil sie Farbabplatzungen aufweisen sowie die Fensterrahmen gerissen und verzogen sind11. Hier drängt es sich dem Mieter geradezu auf, die Fenster näher zu untersuchen. Deshalb kommt eine Anwendung des § 536b BGB in Betracht, wenn es später zu Feuchtigkeits- und Schimmelpilzbildungen kommt12. Ebenso deutet ein bei Vertragsschluss überstrichener und mit Acryllack verschmierter Fensterrahmen auch für den Laien darauf hin, dass sich unter dem schlechten

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

BGH v. 1.12.1971 – VIII ZR 88/70, NJW 1972, 249. LG Konstanz v. 4.3.2010 – 61 S 40/09 C, WuM 2011, 361. KG v. 1.3.2012 – 8 U 197/10, ZMR 2013, 26 (27); Palandt/Weidenkaff, § 536b BGB Rz. 5. BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, NJW 1977, 1236. BGH v. 28.11.1979 – VIII ZR 302/78, MDR 1980, 306 = NJW 1980, 777. BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MietRB 2007, 195 = MDR 2007, 1065 (Riesel der Verfugung im Kellergewölbe). LG Berlin v. 2.2.2006 – 67 S 345/05, MM 2007, 333. LG Krefeld v. 7.11.2012 – 2 S 23/12, WuM 2012, 674. MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 5; Blank/Börstinghaus, § 536b BGB Rz. 7; a.A. LG Berlin v. 1.4.2011 – 63 S 338/10, GE 2011, 887; Staudinger/Emmerich, § 536b BGB Rz. 14. A.A. LG Berlin v. 1.4.2011 – 63 S 338/10, GE 2011, 887. LG Berlin v. 18.3.2005 – 63 S 336/04, MietRB 2005, 171. Vgl. auch OLG München v. 26.3.1993 – 21 U 6002/92, WuM 1993, 607 = NJW-RR 1994, 654.

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Zustand des Anstrichs eventuelle Mängel der Holzrahmen verbergen können. Das Unterbleiben einer Untersuchung in diesem Zusammenhang ist jedenfalls grob fahrlässig mit der Folge, dass ein Minderungsrecht des Mieters entfällt1. Nichts anderes gilt bei einer Undichtigkeit der Wohnungseingangstür, wenn dem Mieter deren Zustand bei Anmietung bekannt war2. 30 In die Überlegungen ist einzubeziehen, dass der Mieter mit Veränderungen der Verhältnisse im Umfeld der Wohnung oder des Gebäudes rechnen muss3. Deshalb ist eine Mietminderung wegen Baulärms bzw. Beeinträchtigungen aufgrund von Bauarbeiten nicht gerechtfertigt, wenn schon bei Abschluss des Mietvertrages erkennbar ist, dass mit Bautätigkeiten in der räumlichen Umgebung des Mietobjekts zu rechnen ist4. Der Vermieter schuldet dem Mieter dann nur die um das Risiko derartiger baulicher Maßnahmen verminderte Gebrauchsgewährung. Dies gilt insbesondere bei einem ausgewiesenen Sanierungsgebiet sowie bei baufälligen Gebäuden, erneuerungsbedürftigen Fassaden sowie bei nahe gelegenen Baulücken. In diesen Fällen muss der Mieter grundsätzlich mit Bauarbeiten rechnen5. Insoweit liegt es aber näher, von der stillschweigenden Festlegung eines vertragsgemäßen Zustandes auszugehen, der die Bautätigkeit beinhaltet (vgl. § 536 BGB Rz. 79 f.). 31 Zu einer grob fahrlässigen Unkenntnis i.S.d. § 536b BGB gehört, dass die Umstände, die auf bestimmte Unzulänglichkeiten hindeuten, den Verdacht eines dadurch begründeten Mangels besonders nahe legen und dass der Mieter dennoch weitere zumutbare Nachforschungen unterlassen hat, sofern bei einer auch nur oberflächlichen Prüfung der Mangel ohne weiteres zu erkennen gewesen wäre. Deshalb kann der Mieter die Rechte aus §§ 536, 536a BGB wegen des Ausbaus einer bei Abschluss des Mietvertrages vorhandenen S-Bahn-Trasse nicht erheben, wenn seinerzeit bereits verkehrspolitische Planungen für den Ausbau vorlagen und ohne Weiteres die zumutbare Möglichkeit bestand, sich über den möglichen Ausbau zu erkundigen6. Ebenso wird von § 536b BGB erfasst, wenn hinter dem Gebäude, in dem sich die Mietwohnung befindet, eine Industriebrache in verwildertem Zustand liegt. Hier muss nach der Lebenserfahrung zumindest in Ballungsräumen damit gerechnet werden, dass sie über kurz oder lang bebaut wird7. Wer in der Nähe einer (Universitäts-)Klinik eine Wohnung mietet, muss von Beeinträchtigungen durch den Klinikbetrieb ausgehen. Hierzu zählt die Inbetriebnahme eines Hubschrauberlandeplatzes, aber auch noch dessen Verlegung innerhalb des Klinikgeländes. Beeinträchtigungen durch den Flugbetrieb in Form von Lärm, Geruch und hellem Licht sind vorhersehbar und berechtigen nicht zur Mietminderung8. 2. Arglistiges Verschweigen des Mangels 32 Trotz grob fahrlässiger Unkenntnis vom Mangel greift der Gewährleistungsausschluss nicht ein, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen oder Fehlerfreiheit zugesichert hat. Von einer arglistigen Täuschung ist auszugehen, wenn der Vermieter schon bei Vertragsschluss gegen den Bauunternehmer, der die Mieträume vor Bezug saniert hat, einen Prozess wegen der vom Mieter grob fahrlässig nicht erkannten Mängel führt9. 33 Kennt der Mieter den Mangel, kommt eine arglistige Täuschung nicht in Betracht. Denn wer den Umstand, über den er getäuscht werden soll, kennt, wird gerade nicht getäuscht. Für den Ausschluss der Haftung ist daher unerheblich, ob der Vermieter 1 2 3 4 5 6 7 8 9

LG Berlin v. 15.9.2006 – 63 S 153/06, GE 2007, 55. AG Charlottenburg v. 19.6.2009 – 206 C 317/07, GE 2010, 129. Vgl. AG Köpenick v. 2.7.2010 – 4 C 116/10, GE 2010, 1277. LG Berlin v. 7.10.2011 – 63 S 59/11, GE 2012, 64; a.A. Blank/Börstinghaus, § 536b BGB Rz. 3. Vgl. dazu OLG Brandenburg v. 1.10.2007 – 3 U 10/07, zitiert nach juris; KG v. 3.6.2002 – 8 U 74/01, GE 2003, 115 = NZM 2003, 718; LG Berlin v. 17.3.2009 – 63 S 397/08, GE 2009, 847. LG Berlin v. 14.3.2008 – 63 S 398/07, GE 2009, 53. AG Lichtenberg v. 24.11.2011 – 9 C 143/11, GE 2012, 68. LG Frankfurt v. 16.10.2009 – 2-11 S 9/09, ZMR 2010, 362. OLG Celle v. 8.8.2002 – 2 U 11/02, OLGR 2003, 1.

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den Mangel arglistig verschwiegen hat1. Das kommt auch bei offenkundigen Tatsachen in Betracht. Davon kann z.B. ausgegangen werden, wenn die Nähe der Wohnung zu einem Klinikum bei der Anmietung offenkundig war, so dass eine Minderung wegen des Verkehrs zum Klinikum (einschließlich Hubschraubern) ausgeschlossen ist2. Vgl. zur arglistigen Täuschung im Übrigen § 536d BGB Rz. 11 ff. III. Mangelkenntnis bei Annahme der Mietsache 1. Maßgeblicher Zeitpunkt a) Übergabe Mit der Annahme der Mietsache ist die Übergabe i.S.d. § 535 Abs. 1 BGB gemeint und 34 nicht erst der Einzug des Mieters3. Denn durch die Überlassung wird der Mietvertrag in Vollzug gesetzt. Der Vermieter kann zu diesem Zeitpunkt erwarten, dass der Mieter ihn darauf hinweist, wenn er aus einem Missstand Rechte herleiten will, die die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung betreffen und ggf. von ihm (schnell) beseitigt werden können. b) Vertragsverlängerung und -änderung Der Anwendungsbereich des § 536b BGB ist nicht auf die Zeit vor Mietbeginn bzw. 35 bis zur (ersten) Übergabe beschränkt. § 536b BGB soll auch eingreifen, wenn die Parteien einen Verlängerungsvertrag abschließen4 oder der Mieter den Vertrag durch Ausübung einer Verlängerungsoption verlängert5. In diesen Fällen soll sich der Mieter die durch den Mangel bedingten Rechte vorbehalten müssen, um sie nicht zu verlieren. Andererseits, also im Falle des Vorbehalts, sollen die bislang ausgeschlossenen Mietrechte für die Zukunft wieder aufleben6. Die h.M. wendet diese Grundsätze aber bei der Verlängerung nach § 545 BGB schon wieder nicht an7; da es sich nicht um eine vertragliche, sondern um eine gesetzlich angeordnete, vom Parteiwillen unabhängige Vertragsänderung handelt. Die h.M. verdient Kritik, denn sie ist noch von der Rechtsprechung zur analogen An- 36 wendung des § 539 BGB a.F. geprägt8. § 536b BGB ist aber im laufenden Mietvertrag gerade nicht (analog) anwendbar. Auch durch die Realisierung eines Verlängerungsmechanismus wird das bisherige Mietverhältnis nur fortgesetzt, was für die Verlängerungsautomatik ausdrücklich festgestellt wurde9. Demnach verliert der Mieter weder bei Mangelkenntnis ohne Vorbehalt die Rechte aus §§ 536, 536a BGB, noch bewirkt ein Vorbehalt ein Wiederaufleben dieser Rechte. Ein Verlust tritt nur über § 536c BGB und die Verwirkung ein, wenn der Mietvertrag verlängert wird. Mit der h.M. kann allenfalls beim Mieterwechsel oder einem (wirklichen) Neu- 37 abschluss des Mietvertrages von der Anwendung des § 536b BGB ausgegangen werden. Beim Mieterwechsel tritt ein Wechsel des Kenntnisträgers ein. Tritt der Mieter aber ausdrücklich in den laufenden (oder) bestehenden Mietvertrag ein, können zum Einen die durch § 536b BGB bereits ausgeschlossenen Rechte nicht wieder aufleben. Zum Anderen liegt eine Fortsetzung des Mietvertrages vor, so dass eine Anwendung des § 536b BGB bereits auscheidet. Denn seine Anwendung setzt den Neuabschluss 1 Vgl. BGH v. 1.12.1971 – VIII ZR 88/70, NJW 1972, 249 (250); KG v. 17.6.2010 – 12 U 51/09, MietRB 2011, 10 = MDR 2010, 1446 = ZMR 2010, 956; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b BGB Rz. 22. 2 LG Frankfurt v. 16.10.2009 – 2-11 S 9/09, ZMR 2010, 362. 3 So aber: Schach in Kinne/Schach/Bieber, § 536b BGB Rz. 4. 4 Blank/Börstinghaus, § 536b BGB Rz. 5. 5 BGH v. 13.7.1970 – VIII ZR 230/68, NJW 1970, 1740; OLG Brandenburg v. 12.9.2012 – 3 U 100/09, IMR 2012, 505; OLG Düsseldorf v. 10.2.1994 – 10 U 50/93, ZMR 1994, 402 (405). 6 H.M. u.a. MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 15; Bub/Treier/Kraemer, III B Rz. 1415 m.w.N. 7 OLG Köln v. 19.12.2000 – 3 U 56/00, ZMR 2001, 532 = OLGR 2001, 121; OLG Düsseldorf v. 7.10.1993 – 10 U 3/93, MDR 1994, 371 = WuM 1994, 324 = NJW-RR 1994, 399. 8 Vgl. dazu Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VIII 405. 9 BGH v. 29.4.2002 – II ZR 330/00, MDR 2002, 1199 = ZMR 2002, 582 = NZM 2002, 604.

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des Mietvertrages voraus. Stellt sich also der Mieterwechsel als Neuabschluss eines Mietvertrages dar und hat der (neue) Mieter Kenntnis vom Mangel, gilt § 536b BGB unmittelbar. Dem Eintritt eines neuen Mieters kraft Umwandlung kommt diese Wirkung nicht zu1. Im Übrigen kommt § 536b BGB zur Anwendung, wenn die Parteien eine Fortsetzung der Nutzung durch den Neuabschluss eines Mietvertrages herebiführen. Deshalb ist hier ein Vorbehalt erforderlich, soweit noch kein Verlust nach § 536b S. 1 oder 2 BGB eingetreten ist2. Für Kenntnis und Vorbehalt ist hier der Zeitpunkt des Neuabschlusses des Mietvertrages maßgebend. 38 Für eine Anwendung des § 536b ist auch kein Platz, wenn vertragliche oder gesetzlich erlaubte Mieterhöhungen durchgeführt werden und die neue erheblich erhöhte Miete außer Verhältnis zum Gebrauchswert der mangelhaften Sache steht3. Nach h.M. ist für Kenntnis und Vorbehalt der Zeitpunkt der Mieterhöhung maßgebend. Hatte der Mieter vor der Erhöhung seine Gewährleistungsrechte gemäß § 536b BGB verloren, soll zwar das Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB uneingeschränkt wieder aufleben4. Die Minderung soll jedoch nach unten durch die alte Miete begrenzt sein5 Insoweit werden allerdings unterschiedliche Berechnungsmethoden angewendet: einerseits soll der Minderungsbetrag als solcher durch die Erhöhung begrenzt sein6; andererseits wird die Minderungsquote nur auf den Erhöhungsbetrag angewendet7. 39 Auch diese Meinung ist aus der seit 2001 geltenden Gesetzessystematik nicht zu begründen8. Schon der Wortlaut des § 536b BGB, der in Kenntnis der Rechte aus §§ 558 ff. BGB formuliert wurde, lässt einen solchen Ansatz nicht zu. Denn danach ist die Anwendung des § 536b BGB auf die Sachverhalte vor Beginn des Mietvertrages beschränkt. Im Übrigen kommt eine analoge Anwendung gerade nicht in Betracht, weil es an der Lücke im Gesetz fehlt. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der Mietrechtsreform Gedanken dazu gemacht, ob und wie er spätere Sachverhalte regeln will. § 536b BGB gehört nicht zu diesem Instrumentarium. 2. Kenntnis 40 Für die Mangelkenntnis bei Annahme der Mietsache gelten die gleichen Anforderungen wie zum Umfang der Kenntnis bei Vertragschluss (vgl. § 536b BGB Rz. 15 ff.). Maßgebend ist der Zeitpunkt der Annahme, also der Überlassung i.S.d. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Dafür ist aller Regel die Einräumung des Besitzes erforderlich9. Kenntnis ist z.B. anzunehmen, wenn der Mieter während der Renovierungsphase vor Übergabe bereits Lärm rügt, der auch nach der Übergabe fortdauert10. 3. Arglistiges Verschweigen des Vermieters 41 Arglistiges Verschweigen des Mangels durch den Vermieter steht dem Gewährleistungsausschluss hier nicht entgegen11. Der Mieter ist wegen seiner positiven Mangelkenntnis nicht schutzbedürftig. Denn wer den Umstand, über den er getäuscht werden soll, kennt, wird gerade nicht getäuscht. Für den Ausschluss der Haftung ist daher unerheblich, ob der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat12.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

KG v. 21.2.2002 – 8 U 6/01, NZM 2002, 562. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 308 m.w.N. A.A. BGH v. 13.7.1970 – VIII ZR 230/68, NJW 1970, 1740. Bub/Treier/Kraemer, III B Rz. 1415. MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 16; Lammel, § 536b BGB Rz. 2. LG Berlin v. 5.7.2001 – 62 S 49/01, GE 2002, 196. Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1415. Schach in Kinne/Schach/Bieber, § 536b BGB Rz. 6. Staudinger/Emmerich, § 536b BGB Rz. 16; Bub/Treier/Kraemer, III B Rz. 1410. KG v. 17.6.2010 – 12 U 51/10, ZMR 2010, 956. Staudinger/Emmerich, § 536b BGB Rz. 6; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b BGB Rz. 22; Bub/Treier/Kraemer, III B Rz. 1409; a.A. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 304. 12 Vgl. BGH v. 1.12.1971 – VIII ZR 88/70, NJW 1972, 249 (250); KG v. 17.6.2010 – 12 U 51/10, ZMR 2010, 956.

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4. Vorbehalt Der Vorbehalt der Gewährleistungsrechte ist eine empfangsbedürftige Willenserklä- 42 rung1, die keiner besonderen Form bedarf, aber zugehen muss. Sie ist vom Empfängerhorizont auszulegen und muss deshalb eindeutig sein, indem sie sich auf konkrete Mängel bezieht, diese also genau bezeichnet. Ein allgemein gehaltener, in keinem direkten Bezug zu konkreten Mängeln stehender Vorbehalt der Mieterrechte genügt nicht2. Der Mieter muss vielmehr zusätzlich zu erkennen geben, dass er den Mangel nicht hinnehmen, sich mit dem mangelhaften Zustand der Mietsache nicht abfinden will. Hat der Mieter seine Rechte nach §§ 536, 536a BGB bereits nach § 536b S. 1 oder 2 43 BGB verloren, ist ein Vorbehalt bei der Übergabe bedeutungslos. Die Rechte können dadurch nicht wieder aufleben. Ein Vorbehalt ist aber entbehrlich, wenn der Mieter die mangelhafte Sache annimmt, nachdem ihm der Vermieter die Beseitigung des Mangels zugesagt hat3 (vgl. § 536b BGB Rz. 25). IV. Rechtsfolge 1. Erfasste Rechte Der Ausschluss erfasst in allen Alternativen Rechts- und Sachmängel sowie zugesi- 44 cherte Eigenschaften. Der Rechtsverlust erstreckt sich, wie sich aus der Verweisung auf die §§ 536, 536a BGB ergibt, auf die Minderung (§ 536 BGB), den Schadensersatzanspruch in allen Varianten (§ 536a Abs. 1 BGB), das Selbsthilferecht (§ 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB) und damit auch auf den Aufwendungsersatzanspruch (§ 536a Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB4). Im Übrigen verliert der Mieter auch das Recht zur fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB, was durch § 543 Abs. 4 BGB klargestellt wird. Nicht erfasst wird aber die außerordentliche Kündigung nach § 569 Abs. 1 BGB5. Wegen des abstrakten Zwecks, wonach § 569 BGB allgemein die Volksgesundheit und nicht nur die körperliche Unversehrtheit des konkreten Mieters schützen soll, kann aber auf die Kündigung nach § 569 Abs. 1 BGB nicht verzichtet werden6. Abgesehen davon würde die gegenteilige Auffassung zu einer Umgehung von § 569 Abs. 1 S. 2 BGB führen. Demgegenüber erstreckt sich der Haftungsausschluss nicht auf Mieteransprüche aus 45 Delikt7. Auch lässt der Gewährleistungsausschluss den Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 BGB (Mangelbeseitigung) und damit auch die Einrede des nicht erfüllten Vertrags nach § 320 BGB unberührt8. 2. Abgrenzung zum vertragsgemäßen Zustand Kennt der Mieter den schlechten Zustand der Mietsache bei der Anmietung nicht 46 nur, sondern billigt ihn sogar, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass er die Mietsache als vertragsgemäß ansieht. In diesem Fall ist nicht nur ein Ausschluss der Gewährleistungsrechte nach den §§ 536, 536a BGB anzunehmen, sondern auch des Erfüllungsanspruchs aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB9. Ein solcher Schluss liegt insbesondere dann nahe, wenn der Mieter bei Vertragsschluss ausdrücklich (nicht for-

1 MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 7; Blank/Börstinghaus, § 536b BGB Rz. 8. 2 Staudinger/Emmerich, § 536b BGB Rz. 16. 3 BGH v. 21.1.1976 – VIII ZR 113/74, ZMR 1976, 138; AG München v. 21.8.2003 – 452 C 11234/03, WuM 2004, 90. 4 BGH v. 21.1.1976 – VIII ZR 113/74, MDR 1976, 571. 5 MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 12. 6 OLG Brandenburg v. 2.7.2008 – 3 U 156/07, ZMR 2009, 190. 7 H.M., u.a. Bub/Treier/Kraemer, III B Rz. 1402. 8 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, ZMR 2007, 605; BGH v. 26.2.2003 – XII ZR 66/01, NZM 2003, 355. 9 BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2575; Bub/Treier/Kraemer, III B Rz. 1401.

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mularmäßig) versichert, den mangelhaften Zustand des Mietobjekts zu kennen1. Im Rahmen der Abwägung nach § 320 Abs. 2 BGB kann der Rechtsgedanke des § 536b BGB herangezogen werden2. 47 Gewährleistungsansprüche können in diesem Fall aber wieder aufleben, wenn sich der zunächst hingenommene Mangel erheblich verschlimmert. Das ist z.B. der Fall, wenn der bei Vertragsbeginn gebilligte schlechte Bodenbelag verschlissen ist3. Aus dem gleichen Grund können Gewährleistungsrechte wieder geltend gemacht werden, nachdem sie (nur) durch § 536b BGB ausgeschlossen waren4. V. Verwirkung von Gewährleistungsrechten 1. Ausgangslage 48 Die Vorgängervorschrift des § 539 BGB a.F. konnte analog angewendet werden, wenn im laufenden Mietvertrag ein Mangel auftrat und der Mieter trotz Kenntnis dieses Mangels die Mietzahlung vorbehaltlos erbrachte. Dieser Tatbestand ist für Mängel, die seit dem 1.9.2001 im laufenden Mietverhältnis auftreten, weggefallen (vgl. § 536b BGB Rz. 3). Seitdem kann wegen nachträglichen Mängeln ein Verlust der Gewährleistung nur noch unter den Voraussetzungen der Verwirkung eintreten. 2. Geltung der Verwirkung neben § 536c BGB 49 Ob seit dem 1.9.2001 der Tatbestand der Verwirkung überhaupt gelten kann, wird nicht einheitlich bewertet. Eine Verwirkung des Minderungsrechts für die künftigen, noch nicht gezahlten Mieten soll mit der Regelung des § 536c BGB nicht zu vereinbaren sein5. Demgegenüber wird überwiegend angenommen, dass der allgemeine Tatbestand der Verwirkung auch neben § 536c BGB zur Anwendung kommt6. 50 § 536c BGB schließt die Verwirkung nicht aus. Es ist bereits fraglich, ob § 536c BGB den Tatbestand der Verwirkung überhaupt erfasst. Er knüpft immerhin zum Verlust von Gewährleistungsrechten an eine Pflichtverletzung an. Entscheidend ist jedoch, dass die Tatbestände nicht identisch sind. Während bei der Verwirkung noch hinzutritt, dass der Mieter beim Vermieter ein Vertrauen hervorrufen muss, reicht es für § 536c BGB aus, dass der Mieter den Mangel kennt. Eine Einbeziehung des Vermieters ist nicht erforderlich. 3. Voraussetzungen der Verwirkung 51 Eine Verwirkung kommt nur dann in Betracht, wenn – abgesehen vom bloßen Zeitablauf – Umstände vorliegen, die für den Schuldner einen Vertrauenstatbestand schaffen und die spätere Geltendmachung des Rechts als treuwidrig erscheinen lassen7. Dazu muss ein Umstands- und ein Zeitmoment festgestellt werden. Das Umstandsmoment ist gegeben, wenn der Mieter durch sein Verhalten beim Vermieter das Vertrauen erweckt, er werde aus dem Mangel keine Gewährleistungsrechte herleiten. Dieses Vertrauen muss sich über einen längeren Zeitraum gebildet bzw. verfestigt haben (Zeitmoment), so dass in der späten Geltendmachung eine Illoyalität gesehen werden kann8. Das lässt sich grundsätzlich nur im Einzelfall feststellen.

1 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 298. 2 BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 63/95, MDR 1997, 1112 = NJW 1997, 2674. 3 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517. 4 KG v. 2.4.2001 – 8 U 5710/99, NZM 2002, 69 = GE 2001, 989. 5 OLG Koblenz v. 15.12.2006 – 10 U 1013/05, NZM 2008, 405. 6 BGH v. 16.2.2005 – XII ZR 24/02, ZMR 2005, 770 = DWW 2005, 153 = NZM 2005, 303; BGH v. 16.7.2003 – VIII ZR 274/02, MDR 2003, 1103 = WuM 2003, 440 = ZMR 2003, 667 = NZM 2003, 679 = MietRB 2003, 1; MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 9; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b BGB Rz. 36 m.w.N. 7 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 199/04, WuM 2005, 581 = NZM 2005, 735 = MietRB 2006, 1 m.w.N. 8 Erman/Hohloch, § 242 BGB Rz. 123 m.w.N.

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Für das Umstandsmoment ist zunächst Voraussetzung, dass der Mieter den Mangel 52 kennt. Bei saisonal auftretenden Mängeln wie einem Heizungsausfall im Herbst/Winter liegt diese Kenntnis des Mangels erst dann vor, wenn die Störungen nicht nur vereinzelt, sondern gehäuft und über die gesamte (Heiz-)Saison auftreten, so dass der Mieter erkennen muss, dass an der Heizung ein grundlegender Defekt vorhanden ist. Der Mieter kann daher wegen des gehäuften Auftretens von Störungen der Heizung auch noch im vierten Winter gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB kündigen, wenn die Heizung bereits während der vorausgegangenen drei kalten Jahreszeiten wiederholt ausgefallen ist, die jeweiligen Störungen vom Vermieter unmittelbar behoben wurden und der Mieter die Miete mehr als drei Jahre lang ungekürzt gezahlt hat1. Der Mieter verwirkt seine Gewährleistungsrechte noch nicht, weil er z.B. eine Min- 53 derung längere Zeit nicht geltend macht2. Um den Vertrauenstatbestand beim Vermieter hervorzurufen, muss dieser mindestens wissen, dass der Mieter den Mangel kennt. Hat der Mieter den Mangel angezeigt und bis zum Ausgang des von ihm angestrengten selbständigen Beweisverfahrens die Miete in voller Höhe weiterbezahlt, ist er mit seinem auf §§ 812, 536 BGB gestützten Rückforderungsanspruch nicht ausgeschlossen. Denn in einem solchen Fall kann von einer vorbehaltlosen Mietzahlung mit der Folge eines Vertrauenstatbestandes zu Gunsten des Vermieters nicht ausgegangen werden. Auch § 814 BGB steht daher dem Rückforderungsanspruch nicht entgegen3. Erst recht kommt in der beschriebenen Situation keine Verwirkung in Betracht. Denn wegen des Beweisverfahrens muss der Vermieter damit rechnen, dass der Mieter spätestens nach einem positiven Ausgang dieses Verfahrens für die Zukunft Gewährleistungsrechte geltend macht. C. Gewerberaummiete In der Gewerberaummiete werden an die Anwendung des § 536b BGB keine anderen, 54 insbesondere keine strengeren Anforderungen gestellt. Schon die systematische Stellung im allgemeinen Teil des Mietrechts verdeutlicht seine einheitliche Geltung. Deshalb können sich Unterschiede nur aufgrund vertraglicher Konstellationen, insbesondere einer unterschiedlichen Gestaltung bei abweichenden Vereinbarungen ergeben (vgl. dazu § 536b BGB Rz. 14). Hat der Mieter nicht nachgefragt, ob für sdein Gewerbe eine Nutzungsgenehmigung 55 überhaupt vorliegt, kann es darauf ankommen, ob der Vermieter eine fehlende Nutzungsgenehmigung von sich aus hätte offenbaren müssen. Denn die Annahme einer groben Fahrlässigkeit liegt jedenfalls dann nahe, wenn die Räume zuvor als Wohnung oder für ein anderes Gewerbe genutzt wurden. Diese Frage kann offen bleiben, wenn der Vermieter eine fehlende Nutzungserlaubnis von sich aus offenbaren muss, so dass eine arglistige Täuchung anzunehmen ist. Grundsätzlich besteht keine allgemeine Aufklärungspflicht vor Abschluss eines Miet- 56 vertrages hinsichtlich aller Einzelheiten oder Umstände, die die Willensentschließung beeinflussen könnten, weil einerseits die Verhandlungspartner selbstverantwortlich handeln und andererseits bestimmte Interessenskonflikte entgeltlichen Verträgen immanent sind4. Aufklärungspflichten werden bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien gegenläufige Interessen verfolgen, aber hinsichtlich wesentlicher Umstände angenommen, die den Vertragszweck vereiteln können und daher für die Willensentschließung des anderen Teils von hoher Bedeutung sind5. Ein solcher Umstand ist gegeben, wenn im Rahmen von Mietvertragsverhandlungen Räume vermietet werden sollen, die für die vertraglich vorgesehene Nutzung nicht öf-

1 OLG Dresden v. 18.6.2002 – 5 U 260/02, WuM 2002, 541 = ZMR 2003, 346 = NZM 2002, 662. 2 AG Schöneberg v. 27.2.2002 – 5 C 540/01, MM 2002, 228. 3 LG Berlin v. 10.8.2006 – 62 S 101/06, GE 2007, 151; ähnlich BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 199/04, WuM 2005, 581 = NZM 2005, 735 = MietRB 2006, 1 = GE 2005, 1183. 4 Vgl. Staudinger/Singer/von Finckenstein, § 123 BGB Rz. 10. 5 BGH v. 2.3.1979 – V ZR 157/77, NJW 1979, 2243; MünchKomm/Kramer, § 123 BGB Rz. 18; Staudinger/Singer/von Finckenstein, § 123 BGB Rz. 19.

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Mängelanzeige durch den Mieter

fentlich-rechtlich genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig sind1. Die Vereitelung des Vertragszwecks träte ein, wenn nach Aufnahme der vertraglichen Nutzung eine Nutzungsuntersagung durch die zuständige Behörde wegen einer Nutzung unter Verletzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erklärt wird. 58 Diese Voraussetzungen liegen z.B. vor, wenn die Nutzung von Räumen im Souterrain als Büroräume nicht bauordnungsrechtlich genehmigt ist2. Insoweit reicht bereits das Fehlen einer Bau- bzw. Nutzungsgenehmigung für das konkrete Gewerbe unabhängig von der Frage der materiellen Genehmigungsfähigkeit für die Annahme der arglistigen Täuschung aus. Denn auch bei nur formeller Baurechtswidrigkeit kann eine Nutzungsuntersagung ergehen3. Damit tritt aber das Risiko ein, dass die Nutzung für die ungewisse Dauer eines nachzuholenden Genehmigungsverfahrens vereitelt würde. Eine solche Unterbrechung der Nutzung wirkt sich wesentlich auf den Bürobetrieb des Mieters aus, zumal wenn Baugenehmigungsverfahren erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Eine arglistige Täuschung ist in jedem Fall anzunehmen, wenn bei Abschluss des Mietvertrages die Räume im Souterrain für die vorgesehene Nutzung bauordnungsrechtlich auch nicht genehmigungsfähig sind.

§ 536c Während der Mietzeit auftretende Mängel; Mängelanzeige durch den Mieter (1) Zeigt sich im Laufe der Mietzeit ein Mangel der Mietsache oder wird eine Maßnahme zum Schutz der Mietsache gegen eine nicht vorhergesehene Gefahr erforderlich, so hat der Mieter dies dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Das Gleiche gilt, wenn ein Dritter sich ein Recht an der Sache anmaßt. (2) Unterlässt der Mieter die Anzeige, so ist er dem Vermieter zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Soweit der Vermieter infolge der Unterlassung der Anzeige nicht Abhilfe schaffen konnte, ist der Mieter nicht berechtigt, 1. die in § 536 bestimmten Rechte geltend zu machen, 2. nach § 536a Abs. 1 Schadensersatz zu verlangen oder 3. ohne Bestimmung einer angemessenen Frist zur Abhilfe nach § 543 Abs. 3 Satz 1 zu kündigen. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV. V. VI.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich . . . Anwendbare Rechtsprechung . . . . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . . . . Haftungsrisiko des Rechtsanwalts .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

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B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand der Anzeigepflicht. . . . . .

12 12 14

2. Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anzeigepflichtiger . . . . . . . . . . . . . . b) Adressat der Anzeige . . . . . . . . . . . c) Inhalt der Anzeige. . . . . . . . . . . . . . d) Zeitpunkt der Anzeige . . . . . . . . . . 3. Wegfall der Anzeigepflicht. . . . . . . . . . II. Schadensersatzanspruch . . . . . . . . . . 1. Schuldhaftes Verhalten des Mieters. . 2. Umfang des Schadensersatzes . . . . . . 3. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verlust von Gewährleistungsrechten . 1. Erfasste Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . a) Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MDR 2009, 19 = MietRB 2009, 4 = ZMR 2009, 103 (Rz. 23). 2 OLG Brandenburg v. 11.11.2009 – 3 U 5/03, zitiert nach juris. 3 OVG Brandenburg v. 3.11.2004 – 3 A 449/01, BauR 2005, 1676.

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Mängelanzeige durch den Mieter b) Schadensersatz (§ 536a Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dauer der Gewährleistungsbeschränkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 55

C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . I. Instandsetzungspflicht des Mieters . . II. Kenntnis des Vermieters . . . . . . . . . . .

56 57 59

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Vorschrift findet ihre Grundlage in der Obhutspflicht des Mieters. Als besonderer 1 Ausdruck dieser Nebenpflicht regelt sie eine sanktionsbewehrte Anzeigepflicht. Anzuzeigen sind erkennbare Gefahren und Missstände für die Mietsache. Das hat unverzüglich (§ 122 BGB) zu geschehen. Für den Fall, dass der Mieter diese Pflicht verletzt, ordnet § 536c Abs. 2 BGB eine Schadensersatzpflicht und den Verlust der im Einzelnen bestimmten Gewährleistungsrechte an. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Vorschrift ist unmittelbar auf alle Mietverhältnisse sowie über § 581 Abs. 2 BGB 2 entsprechend auf Pachtverhältnisse anwendbar. 2. Anwendbare Rechtsprechung § 536c BGB entspricht § 545 BGB in der bis zum 31.8.2001 (a.F.). Dabei wurde im We- 3 sentlichen das Vokabular angepasst. Materielle Änderungen haben sich nicht ergeben. Deshalb ist die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1.9.2001 uneingeschränkt anwendbar. III. Zweck der Vorschrift Durch die Übergabe nach § 535 Abs. 1 BGB wird der Mieter in die Lage versetzt, das 4 Betreten der Mietsache durch Dritte, also auch den Vermieter zu verhindern. Im Übrigen kommt der Mieter regelmäßig auch mit den Gemeinschaftseinrichtungen in Kontakt. Vor diesem Hintergrund bezweckt die Anzeigepflicht, den Vermieter vor Schäden am Mietobjekt zu bewahren1, und manifestiert damit eine Handlungspflicht als Teil der Obhutspflicht des Mieters. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Vermieter die Mietsache nicht laufend auf ihren Zustand überprüfen kann, ohne den Besitz des Mieters zu stören. Deshalb wird der Vermieter dagegen geschützt, dass der Mieter während der Mietzeit übersieht, „was jedermann sieht“, sowie dagegen, dass der Mieter etwaige Mängel trotz positiver Kenntnis nicht anzeigt2. IV. Beweislast Der Vermieter hat darzulegen und zu beweisen, dass und wann der Mieter den Man- 5 gel oder die Gefahr gekannt hat oder davon hätte Kenntnis haben müssen3, so dass er gerade wegen der Unterlassung oder Hinauszögerung der Anzeige außerstande war, Abhilfe zu schaffen4. Beträgt die Mindestdauer der Schadensbeseitigung drei Monate und lässt sich nicht beurteilen, ob dem Vermieter bei sofortiger Anzeige Abhilfe möglich gewesen wäre, bleibt der Vermieter hinsichtlich der Kausalität zwischen Unterlassen und Schaden beweisfällig5. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass sich der Schaden aufgrund eines einmaligen heftigen Wassereintritts erst kurz vor seiner Entdeckung entwickelt hat6.

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BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, NJW 1977, 1236. Vgl. BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, NJW 1977, 1236 (1237). MünchKomm/Häublein, § 536c BGB Rz. 14. BGH v. 17.12.1986 – VIII ZR 279/85, MDR 1987, 575 = NJW 1987, 1072. OLG Brandenburg v. 20.2.2008 – 3 U 138/06, ZMR 2008, 706. OLG Brandenburg v. 20.2.2008 – 3 U 138/06, ZMR 2008, 706.

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Mängelanzeige durch den Mieter

6 Demgegenüber muss der Mieter die Anzeige1 und deren Rechtzeitigkeit oder anderweitig erlangte, rechtzeitige Kenntnis des Vermieters beweisen2. Ebenso trifft den Mieter die Beweislast, wenn infolge Unterbleibens der Anzeige nicht geklärt werden kann, ob er den Mangel vertreten muss. V. Abweichende Vereinbarungen 7 Der Vermieter kann die Anzeigepflicht vertraglich dadurch erweitern, dass er auf bestimmte Einrichtungen und deren Zweck hinweist und den Mieter verpflichtet, sie zu beobachten3. Dies ist im Rahmen des Transparenzgebotes auch formularmäßig zulässig, solange daraus keine Prüfungspflicht des Mieters erwächst4. 8 Die Erfüllung der Anzeigepflicht kann formularmäßig nicht an die Schrift- oder Textform gebunden werden, § 307 Abs. 1 BGB. Denn damit würde die Anzeigepflicht für den Mieter erschwert. Im Übrigen ist § 309 Nr. 13 BGB zu beachten. Allein die Angabe von Bürozeiten im Mietvertrag stellt keine unzulässige Erschwernis dar. Der Vermieter muss – auch vor dem Hintergrund von § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB – nicht 24 Stunden täglich erreichbar sein. VI. Haftungsrisiko des Rechtsanwalts 9 Es gehört zu den Regeln der anwaltlichen Kunst, dass die Ausübung der Gewährleistungsrechte erst zulässig ist, wenn eine Mängelanzeige erfolgt ist. Die Verletzung dieser Pflicht in der Beratung des Vermieters führt zum Regress. Das Gleiche kann auf Mieterseite passieren, wenn eine Minderung empfohlen wird, obwohl der Mieter die notwendige Mängelanzeige nicht erstattet hat. 10 Eine Regresssituation kann aber auch entstehen, wenn der Mieter im Zusammenhang mit der Zurückbehaltung oder Minderung der Miete wegen Mängeln der Mietsache beraten wird und kein Hinweis darauf erfolgt, dass er nach Beseitigung der Mängel durch den Vermieter die Höhe der Minderung nicht ohne Weiteres fortsetzen kann. Daneben muss der Rechtsanwalt darauf aufmerksam machen, dass bei erneut auftretenden Mängeln die Minderung anzupassen ist. Nach solchen Mängeln muss sich der Rechtsanwalt notfalls beim Mieter erkundigen, wobei er ihm das Kündigungsrisiko verdeutlichen und eine erneute Mängelanzeige vorschlagen muss5, wenngleich Letzteres nicht unbedingt gefordert wird6. 11 Schließlich sollte der Mieter darauf aufmerksam gemacht werden, dass eine unberechtigte Mängelanzeige zu Schadensersatzansprüchen des Vermieters führen kann. Für den Bereich des Kaufrechts ist das der Fall, wenn der Käufer erkannt oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass ein Mangel der Kaufsache nicht vorliegt, sondern die Ursache des Symptoms, hinter dem er einen Mangel vermutet, in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt7. Nichts anderes gilt im Mietrecht. Schon anhand des Phänomens der Feuchtigkeitsschäden zeigt sich in der Praxis, wie nahe die Verursachung durch Vermieter oder Mieter beieinander liegen können (vgl. § 536 BGB Rz. 116). Allerdings fehlt es an einem Verschulden des Mieters nach § 276 BGB, wenn der Mieter eine Flächenabweichung aufgrund eigener Flächenberechnung rügt und gleichzeitig darauf hinweist, dass die exakte Wohnungsgröße wegen der Schwierigkeiten bei der Vermessung (Schrägen, Winkel) erst durch einen Gutachter festgestellt werden könne8. Bleibt somit bei der Mängelanzeige ungewiss, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt, dürfen Mängelrechte geltend gemacht werden, ohne Schadens-

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OLG Brandenburg v. 14.11.2007 – 3 U 27/07, zitiert nach juris. BGH v. 14.11.2001 – XII ZR 142/99, NZM 2002, 217 = NJW-RR 2002, 515. BGH v. 17.3.1976 – VIII ZR 274/74, MDR 1976, 753. A.A. für generelle Unvereinbarkeit Lammel, § 536c BGB Rz. 23; Staudinger/Emmerich, § 536c BGB Rz. 24. BGH v. 27.9.2009 – IX ZR 86/04, WuM 2007, 625. OLG Düsseldorf v. 4.4.2006 – I-24 U 145/05, MDR 2006, 1276 = GuT 2006, 133. BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147. BGH v. 22.9.2010 – VIII ZR 285/09, WuM 2010, 688 = GE 2010, 1613.

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ersatzansprüche befürchten zu müssen, auch wenn sich das Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt1. B. Wohnraummiete I. Anzeigepflicht Der Vermieter ist verpflichtet, die Mietsache für die Dauer des Mietverhältnisses in- 12 stand zu halten bzw. instand zu setzen, § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Er hat jedoch ohne konkreten Anlass keine Verpflichtung zur Untersuchung der im ausschließlichen Besitz des Mieters befindlichen Räume oder Flächen2. Dies resultiert aus der Obhutspflicht des Mieters, die vom Gesetz als selbstverständlich vorausgesetzt wird, und diese wiederum folgt aus der Natur des Mietverhältnisses, in dessen Vollzug die Sache in den Besitz des Mieters übergeht3. Aus dieser Obhutspflicht (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 836 f.) ergibt sich die Anzeige- 13 pflicht des Mieters i.S.v. § 536c Abs. 1 BGB. Als echte Nebenpflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB4 wird bestimmt, dass der Mieter einen Mangel oder eine sonstige Gefahr für die Mietsache dem Vermieter anzuzeigen hat. Diese Pflicht wird nicht nur bei positiver Kenntnis des Mangels oder der Gefahr, sondern auch dann ausgelöst, wenn der Mangel oder die Gefahr jedem Mieter auffallen musste, ihm also grob fahrlässig unbekannt geblieben ist5. 1. Gegenstand der Anzeigepflicht Gegenstand der Anzeigepflicht sind nicht nur Mängel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB6, son- 14 dern im Prinzip jeder schlechte Zustand der Mietsache. Denn § 536c BGB ist Ausdruck der Obhutspflicht. Diese verlangt mehr als den Schutz der Mietsache vor Mängeln. Wie sich schon aus dem Wortlaut erschließt, sind alle (denkbaren) Gefahren für die Mietsache anzeigepflichtig. Selbst wenn ein neues Phänomen entsteht, das mit einem bereits angezeigten Mangel zusammenhängt, ist eine Anzeige erforderlich. Hat der Mieter z.B. zugige Fenster gerügt, kann er nicht ohne erneute Anzeige mindern, wenn daraus im Winter Heizprobleme entstehen, die zu Feuchtigkeitsschäden führen. Für die Entstehung der Anzeigepflicht ist es ohne Bedeutung, ob durch den Miss- 15 stand der vertragsgemäße Gebrauch beeinträchtigt wird7. Deshalb muss eine Anzeige auch erfolgen, wenn ein Mangel nicht vollständig oder nur unzureichend behoben wurde8. Das gilt selbst dann, wenn der Mieter die Beseitigung übernommen hat und sein Vorhaben misslingt und er Gewährleistungsrechte geltend machen will9. Eine Schlossauswechslung durch Dritte hat der Mieter, wenn nicht nach § 536c BGB, so doch nach § 242 BGB dem Vermieter anzuzeigen10. Bei nicht konstant auftretenden Mängeln (z.B. Lärmbeeinträchtigung durch Mitmieter) ist eine wiederholte Anzeige selbst dann erforderlich, wenn zwischen den Parteien bereits zwei Rechtsstreite über das gleiche Phänomen geführt wurden11. Das gilt erst recht bei saisonalen Mängeln (z.B. Heizungsausfall). 1 BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147 Rz. 13; vgl. ferner BGH v. 16.1.2009 – V ZR 133/08, NJW 2009, 1262 Rz. 20. 2 Vgl. hierzu BGH v. 12.5.1969 – VIII ZR 164/67, ZMR 1969, 271; OLG Frankfurt v. 7.3.2003 – 24 U 125/02, ZMR 2003, 674. 3 BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, NJW 1977, 1236. 4 BGH v. 12.5.1969 – VIII ZR 164/67, ZMR 1969, 271. 5 BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, NJW 1977, 1236. 6 A.A. Lammel, § 536c BGB Rz. 9. 7 BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, MDR 1977, 743 = WuM 1978, 88 = NJW 1977, 1236 = BGHZ 68, 281. 8 OLG Düsseldorf v. 25.10.1990 – 10 U 15/90, ZMR 1991, 24; LG Berlin v. 11.11.2010 – 67 S 241/08, GE 2011, 58; a.A. OLG Düsseldorf v. 4.4.2006 – I-24 U 145/05, MDR 2006, 1276 = GuT 2006, 133. 9 OLG Düsseldorf v. 18.12.1986 – 10 U 139/86, ZMR 1987, 376. 10 BGH v. 14.11.2001 – XII ZR 142/99, NZM 2002, 217 = NJW-RR 2002, 515. 11 AG Pankow/Weißensee v. 10.9.2007 – 100 C 163/07, ZMR 2008, 975 = GE 2007, 1491.

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16 Soweit es für die Beurteilung des Zustandes auf Standards ankommt, ist grundsätzlich – wie bei der Mängelbewertung (vgl. § 536 BGB Rz. 97 f.) – auf die Anforderungen abzustellen, die bei der Errichtung des Gebäudes galten. Deshalb muss der Mieter nicht nach § 536c BGB anzeigen, dass der Elektriker die in der Mietsache vorhandene Elektrounterverteilung nicht mehr für zeitgemäß und daher gefährlich hält1. Einen nachfolgenden Brand, der seine Ursache in der Elektrounterverteilung hat, hat er nicht grob fahrlässig herbeigeführt. 17 Andererseits kommt es nicht darauf an, dass bei der Errichtung des Gebäudes die Regeln der Technik eingehalten wurden und/oder für die Nutzung als solche die erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen vorliegen. Dies allein lässt die Anzeigepflicht nicht entfallen, wenn für die Nutzer z.B. wegen brandschutztechnischer Mängel eine Gefahr besteht2. 18 Den Mieter trifft aber keine Prüfungs- oder Untersuchungspflicht3. Deshalb schuldet er über leichte Pflegearbeiten hinaus nicht die Überwachung des Pflanzenbewuchses am Haus im Einzugsbereich seiner Wohnung (hier: Efeu) auf Schadensentwicklungen am Gebäude4. Auch kann grundsätzlich nicht vom Mieter verlangt werden, dass er bei einer Reparaturmaßnahme prüft, ob diese fachgerecht erfolgt ist. Dies gilt bei einer wegen Dunkelheit nicht gänzlich durchgeführten Wohnungsübergabe mit entsprechendem Protokoll auch dann, wenn der Vermieter nachfragt, ob der Mieter weitere Schäden festgestellt hat5. Ebenso wenig ist der Mieter verpflichtet, kleinere Beschädigungen des Waschbeckens mitzuteilen, soweit es sich auch um normale Abnutzungsspuren handeln könnte. Es handelt sich letztlich um eine Wertungsfrage, welche Veränderungen als normale Abnutzung und welche als Beschädigung zu werten sind. Von einem insoweit auch nicht unbedingt fachkundigen Mieter kann eine entsprechende Einschätzung nicht erwartet werden. Dem Mieter nicht ohne Weiteres erkennbare, verborgene Mängel sind nicht anzuzeigen6. Deshalb erstreckt sich die Pflicht nicht auf Gefahren, die aus dem Inneren der Mieträume heraus nicht sichtbar sind und von außen nur bei einer besonderen Nachschau zu erkennen wären7. 19 Räumlich bezieht sich die Anzeigepflicht zunächst auf alle Teile des Mietobjektes, die dem vertragsgemäßen Gebrauch des Mieters unterliegen. Dazu gehört die Mieteinheit selbst, aber auch alle Teile des Grundstücks, die vom Mieter mitbenutzt werden dürfen. Kann er von dort aus an anderen Teilen der Mietsache Missstände leicht erkennen, sind auch diese anzuzeigen (z.B. durchgeschlagene Feuchtigkeit). Die übrigen Teile des Grundstücks muss der Vermieter in regelmäßigen Abständen (selbst) prüfen, z.B. Dach und Außenflächen eines Miethauses8. 2. Anzeige 20 Die Anzeige ist eine formlose Tatsachenerklärung, die mit ihrem Zugang beim Vermieter oder seinem Vertreter vollendet wird. Sie kann schriftlich, in Textform, über Internet-Foren (z.B. facebook), per Telefon9 oder sonst wie mündlich erfolgen. Streng genommen kann eine Anzeige auch durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden, was im Hinblick auf den notwendigen Inhalt jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen gelingen dürfte.

1 OLG Düsseldorf v. 8.5.2008 – I-10 U 24/08, ZMR 2009, 276 = DWW 2009, 226 = MietRB 2009, 129. 2 OLG Brandenburg v. 17.1.2007 – 3 U 66/06, zitiert nach juris. 3 BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, MDR 1977, 743 = WuM 1978, 88 = NJW 1977, 1236 = BGHZ 68, 281. 4 AG Köln v. 14.2.2001 – 208 C 537/00, WuM 2002, 668. 5 AG Hamburg v. 6.5.2010 – 44 C 93/09, zitiert nach juris. 6 AG Hamburg v. 6.5.2010 – 44 C 93/09, zitiert nach juris. 7 BGH v. 7.6.2006 – XII ZR 34/04, MietRB 2006, 264 = MDR 2007, 22 = ZMR 2006, 678 = NZM 2006, 626. 8 BGH v. 22.10.2008 – XII ZR 148/06, MDR 2009, 75 = GuT 2008, 434 = NJW 2009, 142. 9 BGH v. 30.11.2010 – VIII ZR 293/08, WuM 2010, 45.

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Ob eine wirksame Mängelanzeige angenommen werden kann, wenn der Mieter auf 21 den Überweisungen die Mängel schlagwortartig angegeben hat1, hängt davon ab, ob der Vermieter den Text tatsächlich zu sehen bekommen hat. Teilt die Bank dem Vermieter auf dem Kontoauszug die Nachricht des Mieters nur fragmentarisch mit, geht dies zu Lasten des Mieters. Denn es fällt in seinen Risikobereich, wenn die Mitteilung nicht bzw. nicht vollständig zugeht. a) Anzeigepflichtiger Die Anzeigepflicht trifft grundsätzlich den Mieter. Es genügt, wenn einer von mehre- 22 ren Mietern die Anzeige erstattet. Als Tatsachenerklärung kann sie auch wirksam von einem Geschäftsunfähigen abgegeben werden. b) Adressat der Anzeige Die Anzeige ist grundsätzlich gegenüber dem Vermieter zu erstatten. Bei mehreren 23 Vermietern reicht es aus, wenn einer von ihnen informiert wird. Wird ein Dritter in Kenntnis gesetzt, ist die Anzeigepflicht erfüllt, wenn sie dem Vermieter weitergegeben wird oder der Dritte zum Empfang der Anzeige oder ganz allgemein von Erklärungen des Mieters bevollmächtigt ist2. Dies trifft für den Hausmeister in der Regel nicht zu3. Allenfalls wenn zu seinem Aufgabengebiet auch Verwaltungs- und Instandsetzungstätigkeiten gehören, er insbesondere zur Weiterleitung von Beschwerden und Vorkommnissen verpflichtet ist, kann er als Sachwalter des Vermieters angesehen werden. Sind nach einem Mietvertrag über Sondereigentum Schadensanzeigen durch den 24 Mieter dem Vermieter oder dessen Beauftragten gegenüber abzugeben, muss der Vermieter dem Mieter die Beauftragten bekannt geben, will er sich eine Schadensanzeige gegenüber dem Hausmeisterservice des WEG-Verwalters nicht zurechnen lassen4. Dies ist in mehrfacher Hinsicht zweifelhaft. Denn ohne die Voraussetzungen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht bestehen keine Anhaltspunkte, einen Hausmeisterservice überhaupt als Vertreter des Vermieters anzusehen. Im Übrigen muss mindestens der WEG-Verwalter sich auch (einmal) als Vertreter des Sondereigentümers aufgeführt haben. Wenn der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages selbst auftritt, besteht zunächst jedenfalls für den Mieter kein Anlass, am Vertrag nicht beteiligte Dritte, die der Vermieter mangels schuldrechtlicher Sonderbeziehung nicht in Regress nehmen kann, als Empfangsberechtigte für Mängelanzeigen mit den Konsequenzen des § 536c BGB anzusehen. Vielmehr trägt der Mieter in einem solchen Fall das Risiko der fehlerhaften Übermittlung. c) Inhalt der Anzeige Inhaltlich muss der Mieter die Mängelanzeige so gestalten, dass der Vermieter in der 25 Lage ist zu erkennen, an welchen Teilen der Mietsache welche Gefahr für die Mietsache aufgetreten ist, so dass die sachgerechten Maßnahmen zur Mängelbeseitigung oder deren Vorbereitung (z.B. durch Besichtigung) getroffen werden können. Im Hinblick darauf reicht es nicht aus, allgemein auf Feuchtigkeit im Keller hinzuwei- 26 sen. Der Mieter muss angeben, wenn er anschließend Gewährleistungsrechte ausüben will, wo im Keller Feuchtigkeit von außen oder aus Leitungen auftritt. Zwar kann kein bautechnisches Fachwissen vorausgesetzt werden, aber eine konkrete Beschreibung des aufgetretenen Phänomens. Zeigt der Mieter dem Vermieter als Mangel die Lärmstörung durch eine andere Miet- 27 partei an, genügt eine Bezeichnung der Lage der Wohnung im Haus. Es ist nicht erforderlich, zusätzlich den Namen der störenden Mietpartei zu benennen5. Allerdings

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AG Neukölln v. 14.7.2006 – 5 C 306/05, GE 2006, 1173. AG Köln v. 31.7.1973 – 153 C 603/72, MDR 1974, 47. A.A. Kraemer, WuM 2000, 515 (518); Blank/Börstinghaus, § 536c BGB Rz. 7. OLG Saarbrücken v. 24.10.2007 – 5 W 219/07, WuM 2007, 714 = ZMR 2008, 240. AG Erfurt v. 4.8.2004 – 5 C 3235/03, WuM 2004, 660.

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reicht auch die Bekanntgabe des Namens ohne Angabe der Lage der Wohnung, wenn keine Namensgleichheit mehrerer Mieter besteht. d) Zeitpunkt der Anzeige 28 Die Anzeige muss unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 122 BGB) erfolgen. Das Maß der gebotenen Sorgfalt hängt von der Dringlichkeit der Gefahrenabwehr ab. Die Hinauszögerung der Anzeige kann der Unterlassung gleichstehen, wenn sie in etwa gleiche Folgen wie diese hat. Dies gilt insbesondere bei „weiterfressenden“ Mängeln (z.B. Feuchtigkeit, die sich über die Zeit ausbreitet). 3. Wegfall der Anzeigepflicht 29 Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift ist eine Mängelanzeige entbehrlich, wenn der Vermieter den Mangel kennt oder ein unbehebbarer Mangel vorliegt1. Letzteres erfasst nicht nur objektiv unbehebbare Mängel, wie z.B. die Flächenabweichung2. Nicht der Anzeigepflicht unterliegen vielmehr auch subjektive, also allein vom Vermieter nicht zu behebende Mängel. Diese Voraussetzung ist bei einer (Groß-)Baustelle in der Nachbarschaft nur anzunehmen, wenn sich keine Möglichkeit zum Lärmschutz bietet3. Hat der Vermieter aber eine Einwirkungsmöglichkeit, die die Situation des Mieters mindestens verbessert, kann von einem unbehebbaren Mangel nicht mehr ausgegangen werden4. Auch die Ausgasung von Bahnschwellen in einem U-Bahn-Schacht, die in den umliegenden Wohnungen zu Geruchsbelästigungen führt, gehört hierher5. 30 Die Anzeigepflicht entfällt im Übrigen, wenn der Vermieter den Mangel kennt. Davon ist – jedenfalls wegen Missständen in Gemeinschaftsflächen – auszugehen, wenn der Vermieter die Mietsache wie der Mieter nutzt (z.B. weil er im Hause wohnt oder sein Büro unterhält). Im Übrigen kommt es darauf an, ob der Vermieter die maßgeblichen Umstände, die eine Gefahr oder einen Mangel begründen sollen, bereits zur Kenntnis genommen hat (z.B. im Rahmen einer Begehung). Hat er für die Überwachung Personal eingestellt, das das Grundstück regelmäßig in kurzfristigen Abständen überprüft6, muss er sich deren Wissen zurechnen lassen. Dies gilt insbesondere für Hausmeister und Hausverwalter7. Allein weil der Vermieter ein Besichtigungsrecht hat oder einen Mangel fahrlässig nicht erkannt hat, entfällt die Anzeigepflicht jedoch nicht. 31 Auch die Kenntnis von einer Gefahrenlage kann die Mängelanzeige entbehrlich machen. Das ist z.B. der Fall, wenn der Vermieter die Verschmutzung eines Flachdaches kennt und ihm mitgeteilt wurde, dass die Dachrinnen und Gullys gereinigt werden müssen. Dann kann er sich gegenüber dem Schadensersatzanspruch des Mieters aus § 536a BGB wegen der Verstopfung der Abflüsse nicht auf eine Verletzung der Anzeigepflicht berufen8. 32 Als Ausfluss der Obhutspflicht erlischt die Anzeigepflicht nicht mit dem Ende des Vertrages, wenn der Mieter nicht auszieht. Vielmehr trifft den Mieter die Pflicht ohne Rücksicht auf die Dauer des Mietverhältnisses von der Übergabe bis zur Rückgewähr der Mietsache9.

1 BGH v. 17.12.1986 – VIII ZR 279/85, MDR 1987, 575 = NJW 1987, 1072. 2 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 347/04, MietRB 2005, 281 (282) = MDR 2006, 197 = WuM 2005, 573 = ZMR 2005, 854; AG Köln v. 22.6.2005 – 203 C 109/05, WuM 2006, 109; a.A. LG Berlin v. 14.9.2004 – 63 S 126/04, WuM 2005, 454 = Mietrecht express 2005, 55. 3 LG Hamburg v. 4.7.1986 – 11 S 80/86, WuM 1986, 313 = MM 1986, Heft 10, 26. 4 OLG Düsseldorf v. 8.3.2012 – 24 U 162/11, GE 2012, 827 (828). 5 AG München v. 27.4.2009 – 424 C 1052/08, WuM 2011, 465. 6 OLG Karlsruhe v. 18.9.1987 – 14 U 30/86, ZMR 1988, 52 = NJW-RR 1988, 528; enger SchmidtFutterer/Eisenschmid, § 536c BGB Rz. 25. 7 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536c BGB Rz. 25. 8 OLG Düsseldorf v. 2.6.2008 – 24 U 193/07, MDR 2008, 1205 = ZMR 2009, 114 = NZM 2009, 280. 9 BGH v. 14.6.1967 – VIII ZR 268/64, NJW 1967, 1803 = LM § 556 BGB Nr. 2.

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Grundsätzlich wirkt die Mängelanzeige auch gegenüber dem Erwerber. Er tritt in 33 den Mietvertrag zu den Bedingungen ein, die beim Vermieterwechsel i.S.v. § 566 BGB bestehen1. Hat der Mieter die Mietsache geräumt, ohne dass eine Beendigung des Mietvertrages herbeigeführt wurde, und hat der bisherige Vermieter vor Übergang von Nutzen und Lasten auf einen Erwerber die Schlösser ausgetauscht, kann der Mieter ohne ausdrückliche Anzeige jedenfalls gegenüber dem Erwerber die Miete nicht vollständig einbehalten2. II. Schadensersatzanspruch 1. Schuldhaftes Verhalten des Mieters Als Rechtsfolge einer Unterlassung oder Verzögerung der Anzeige ordnet § 536c 34 Abs. 2 S. 1 BGB zunächst eine Schadensersatzpflicht des Mieters an. Dazu ist aber grundsätzlich ein schuldhaftes Verhalten erforderlich. Deshalb macht die Unterlassung einer Mängelanzeige den Mieter z.B. nicht ersatzpflichtig, wenn er ohne Verschulden von einem gleichen Kenntnisstand des Vermieters ausgehen darf. 2. Umfang des Schadensersatzes Im Umfang ist der Schadensersatz nicht durch § 280 BGB beschränkt. Vielmehr hat 35 der Mieter dem Vermieter den Schaden zu ersetzen, der adäquat kausal durch die unterlassene oder verspätete Anzeige entstanden ist. Der Mieter muss den Vermieter also so stellen, wie er bei einer rechtzeitigen Anzeige gestanden hätte. Zu ersetzen sind daher zusätzliche Aufwendungen des Vermieters bei weiterfressenden Mängeln, aber auch erhöhte Kosten (Lohnsteigerungen, Erhöhung der Umsatzsteuer etc.). Macht der Vermieter erhöhte Betriebskosten, die durch einen vom Mieter nicht 36 angezeigten Mangel der Mietsache verursacht wurden (z.B. Wassermehrverbrauch aufgrund defekter Toilettenspülung), nur gegenüber diesem Mieter in der Betriebskostenabrechnung geltend, handelt es sich in Wahrheit um einen Schadensersatzanspruch gemäß § 536c Abs. 2 BGB3. Die unterlassene oder verspätete Anzeige muss für den Schadenseintritt ursächlich 37 gewesen sein. Daran fehlt es bei einer Unterlassung des Mieters, wenn dem Vermieter nach verspäteter Anzeige zur Schadensabwendung noch hinreichende Gelegenheit blieb. Im Rahmen des Mitverschuldens nach § 254 BGB muss sich der Vermieter schuldhaf- 38 te Verzögerungen seines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen4. Das kommt z.B. bei einer verzögerten Bearbeitung durch den Hausverwalter in Betracht. 3. Verjährung Besteht der Schaden – wie häufig – in einer Veränderung oder Verschlechterung der 39 Mietsache, unterliegt er der kurzen Verjährung nach § 548 Abs. 1 BGB5. Macht der Vermieter den Schaden erst in der Betriebskostenabrechnung geltend, muss die Abrechnung so rechtzeitig erfolgen, dass noch eine Hemmung der Verjährung innerhalb von sechs Monaten seit der Rückgabe herbeigeführt werden kann. Diesem Risiko kann der Vermieter sich nicht dadurch entziehen, dass er die Vorauszahlungen unter Anwendung des § 215 BGB zuerst gegen die erhöhten Kosten verrechnet. Denn gemäß § 556 Abs. 3 S. 1 BGB ist über die Vorauszahlungen auf der Basis der entstandenen Betriebskosten abzurechnen und daher eine (vorrangige) Verrechnung mit Schadensersatzansprüchen zweckwidrig.

1 BGH v. 9.2.2005 – VIII ZR 22/04, MietRB 2005, 142 = MDR 2005, 562 = WuM 2005, 201 = ZMR 2005, 354; BGH v. 3.5.2000 – XII ZR 42/98, MDR 2000, 947 = WuM 2000, 422 = ZMR 2000, 595 = GE 2000, 957. 2 BGH v. 14.11.2001 – XII ZR 142/99, NZM 2002, 217 = NJW-RR 2002, 515. 3 LG Kaiserslautern v. 14.4.2009 – 1 S 145/08, zitiert nach juris. 4 OLG Düsseldorf v. 25.9.2001 – 24 U 14/01, GE 2002, 1262. 5 LG Kaiserslautern v. 14.4.2009 – 1 S 145/08, zitiert nach juris.

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III. Verlust von Gewährleistungsrechten 1. Erfasste Ansprüche 40 Als weitere Rechtsfolge ordnet § 536c Abs. 2 S. 2 BGB den Verlust bestimmter Gewährleistungsrechte für den Mieter an. Voraussetzung ist aber, dass der Vermieter gerade infolge des Ausbleibens der Anzeige keine Abhilfe schaffen konnte. Dazu muss er vortragen, dass die Mängelbeseitigung rechtzeitig möglich gewesen wäre und infolge der Unterlassung des Mieters z.B. unmöglich geworden ist1. 41 Der Rechtsverlust tritt aber nicht ein, wenn feststeht, dass der Vermieter die erforderlichen Beseitigungsmaßnahmen nicht unverzüglich nach Kenntniserlangung von der Mangelhaftigkeit der Mietsache durchgeführt hat (hier: erst rund zwei Jahre später). In diesem Fall ist es offensichtlich, dass der Verstoß des Mieters gegen seine Obliegenheit zur Schadensanzeige nicht ursächlich dafür war, dass sich die Mietsache ab der Kenntniserlangung nicht in vertragsgemäßem Zustand befand2. 42 Der Verlust erstreckt sich auf – das Recht zur Minderung (§ 536 BGB), – den Schadensersatzanspruch (§ 536a Abs. 1 BGB) und – das Recht, ohne Abhilfefrist i.S.v. § 543 Abs. 3 BGB nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu kündigen3. 43 Nicht ausdrücklich erwähnte Rechte werden durch § 536c Abs. 2 S. 2 BGB grundsätzlich nicht erfasst. Die Ersatzvornahme und der Aufwendungsersatz nach § 536a Abs. 2 BGB sind nicht erwähnt, weil sie Verzug und damit durch die Mahnung grundsätzlich die Kenntnis des Vermieters voraussetzen. Deren Verlust tritt also nicht ein. Das Gleiche gilt für den Mängelbeseitigungsanspruch aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. 44 Allerdings kann das Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB ohne Kenntnis des Vermieters über die mangelhafte Situation nicht ausgeübt werden. Mit § 320 BGB soll nämlich der Zweck verfolgt werden, auf den Schuldner (Vermieter) Druck auszuüben, um ihn zur Durchführung (hier:) der Mängelbeseitigung anzuhalten4. Diese Funktion kann die Leistungsverweigerung nicht erfüllen, wenn der Vermieter nicht weiß, warum er unter Druck gesetzt wird. a) Minderung 45 Solange und soweit der Mieter eine Mängelrüge gegenüber dem Vermieter unterlässt, ist insbesondere die Minderung i.S.v. § 536 BGB ausgeschlossen5. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn gerade durch die Instandsetzung (z.B. Abreißen von Tapeten) eine erhöhte Gesundheitsgefährdung zu befürchten ist (Schimmel als Gesundheitsgefährdung)6. 46 Die Minderung kommt auch gegenüber dem Saldo aus der Betriebskostenabrechnung in Betracht (vgl. § 536 BGB Rz. 310 f.). Dieses Recht ist nicht beschränkt auf einen Mangel (z.B. defekte Toilettenspülung), der Betriebskosten (z.B. für Wasser) tangiert. Vielmehr kommt die Minderung des Abrechnungsergebnisses bei jedem Mangel, der in der Abrechnungsperiode aufgetreten ist (z.B. Baulärm), in Betracht. Voraussetzung ist aber, dass der Mangel angezeigt wurde7. Ist das der Fall, kann durch den Einwand der Minderung bei entsprechend hoher Quote aus der Nachforderung ein Guthaben entstehen.

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OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 20/01, ZMR 2003, 21 = GE 2002, 1261. OLG Düsseldorf v. 24.7.2009 – 24 U 6/09, GuT 2010, 355 = DWW 2010, 198 = MietRB 2010, 39. BGH v. 17.12.1986 – VIII ZR 279/85, MDR 1987, 575 = ZMR 1987, 169. BGH v. 3.11.2010 – VIII ZR 330/09, MDR 2011, 92 = MietRB 2011, 37 = WuM 2011, 12 = NZM 2011, 197 = ZMR 2011, 275 m. Anm. Schläger. 5 Vgl. dazu auch BGH v. 10.8.2010 – VIII ZR 316/09, WuM 2010, 679 = ZMR 2011, 107. 6 AG Charlottenburg v. 9.7.2007 – 203 C 607/06, GE 2007, 1387. 7 AG Hannover v. 13.11.2008 – 514 C 7283/08, WuM 2009, 178.

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Lützenkirchen

Mängelanzeige durch den Mieter

§ 536c BGB

War der Mieter während der Abrechnungsperiode mit der Minderung nach § 536c 47 Abs. 2 S. 2 BGB ausgeschlossen, setzt sich dieser Ausschluss gegenüber der Betriebskostenabrechnung fort. Das gilt selbst dann, wenn der Mieter zwischen Ende des Abrechnungszeitraums und Vorlage der Abrechnung die Mängelrüge nachholt. Hatte der Mieter in der Abrechnungsperiode den Mangel verspätet gerügt (z.B. Man- 48 gelkenntnis im Januar, Anzeige im April), ist er auch gegenüber der Abrechnung der Betriebskosten im Verhältnis der vom Ausschluss erfassten Zeit zum Abrechnungszeitraum (teilweise) ausgeschlossen (z.B. 3/12). Erfolgte eine Mängelanzeige durch den Mieter während des Abrechnungszeitraums, 49 ohne dass der Mieter eine Minderung durchgeführt und die Zahlung der Vorauszahlungen unter Vorbehalt gestellt hat, kann er gegenüber der Nachforderung dennoch mindern, soweit das Ergebnis der Abrechnung auf die Zeit nach der Mängelanzeige entfällt. b) Schadensersatz (§ 536a Abs. 1 BGB) Der Ausschluss des § 536a Abs. 2 BGB erfasst alle drei Varianten des § 536a Abs. 1 BGB.

50

Zu den ausgeschlossenen Ansprüchen im Falle der Nichtanzeige von Mängeln zählen 51 auch solche wegen Körperschäden sowie auf Zahlung von Schmerzensgeld1. Stolpert der Mieter über Unebenheiten schadhafter Bodenplatten der angemieteten Flächen und verletzt er sich dabei, kommt eine Haftung des Vermieters nur in Betracht, wenn der Mieter den Mangel angezeigt hat2. Nach einer verspäteten Schadensanzeige steht dem Mieter gemäß § 536c Abs. 1 S. 1 52 BGB ein Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter einer Wohnung wegen Feuchtigkeitsschäden am Inventar nur zu, wenn es bei rechtzeitiger Anzeige zu demselben Schaden gekommen wäre3. Der Mieter einer Wohnung hat dafür Sorge zu tragen, dass eine Wohnung regelmäßig mindestens zweimal täglich gelüftet wird, wenn es der Mietvertrag entsprechend erfordert. Ist er selbst verhindert (hier: wegen eines zweimonatigen stationären Krankenhausaufenthalts), muss er einen Dritten damit beauftragen. Für ein Verschulden seines Erfüllungsgehilfen hat der Mieter nach § 278 BGB einzustehen4.

53

Gegenüber Ansprüchen aus § 823 BGB ist § 536c BGB nicht anwendbar5. Das Unter- 54 lassen der Anzeige ist aber unter Umständen hier und bei vertraglichen Ansprüchen als Mitverschulden von Bedeutung6. Entstehen durch das Unterbleiben der Anzeige eines Mieters einem anderen Mieter Schäden, ist das in dem Unterbleiben der Anzeige evtl. liegende Verschulden des Mieters dem Vermieter nicht zuzurechnen. Denn der Mieter ist auch in diesem Punkt kein Erfüllungsgehilfe des Vermieters7. 2. Dauer der Gewährleistungsbeschränkung Der Rechtsverlust tritt nur für die Zeit ein, während derer wegen Unterbleibens der 55 Anzeige die Mängel nicht behoben oder die Gefahr nicht beseitigt werden können8. Voraussetzung ist natürlich, dass der Mangel behebbar war. Denn die Unterlassung oder Verzögerung der Anzeige gemäß § 536c Abs. 2 S. 2 BGB führt nur zu einem Verlust des Minderungsrechts, wenn der Vermieter infolge der Unterlassung/Verspätung der Anzeige dem Mangel nicht oder nicht rechtzeitig abhelfen konnte9. 1 Palandt/Weidenkaff, § 536a BGB Rz. 14. 2 OLG Düsseldorf v. 12.8.2008 – I-24 U 44/08, MietRB 2009, 63 = MDR 2008, 1330 = ZMR 2008, 952 = GuT 2008, 345. 3 BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, BGHZ 68, 281. 4 LG Köln v. 26.3.2008 – 10 S 190/07, MietRB 2009, 35 = ZMR 2008, 629. 5 RG v. 6.11.1940 – VI 67/40, RGZ 165, 159. 6 BGH v. 11.11.1969 – VI ZR 88/68, WM 1969, 1481. 7 BGH v. 12.5.1969 – VIII ZR 164/67, ZMR 1969, 271. 8 LG Köln v. 28.4.1966 – 1 S 168/65, MDR 1966, 761. 9 Vgl. BGH v. 17.12.1986 – VIII ZR 279/85, NJW 1987, 1072 ff. = MDR 1987, 575 f.; KG v. 28.4.2008 – 8 U 209/07, MietRB 2009, 6 (7, 11) = ZMR 2008, 790 = DWW 2008, 347; OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 20/01, GE 2002, 1261 f. = ZMR 2003, 21 f.

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§ 536d BGB

Vertraglicher Ausschluss von Rechten

C. Gewerberaummiete 56 In der Gewerberaummiete gelten keine anderen Anforderungen. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift sind weder geringere noch höhere Anforderungen gerechtfertigt. Dennoch ergeben sich Besonderheiten: I. Instandsetzungspflicht des Mieters 57 Wurde die Erhaltungslast dem Mieter wirksam (teilweise) überbürdet, besteht grundsätzlich keine Anzeigepflicht. Das gilt auch dann, wenn der Mieter in Ausübung seiner Instandhaltungspflichten einen Mangel behebt. 58 Eine Anzeigepflicht besteht in diesen Fällen aber gleichwohl, wenn die Kenntnis vom Auftreten des Mangels für den Vermieter von Interesse ist. Das kommt etwa in Betracht, wenn – er selbst Gewährleistungs- oder sonstige Rechte gegenüber Dritten geltend machen kann, – aus dem beseitigten Mangel ein Phänomen hervorgeht, dass in Zukunft (weitere) Schäden verursachen kann (z.B. Lochfraß). II. Kenntnis des Vermieters 59 Die Entbehrlichkeit der Mängelanzeige i.S.d. § 536c BGB wegen Kenntnis des Vermieters kann nicht damit begründet werden, dass dem Vermieter der Zutritt zum Mietobjekt dadurch möglich ist, dass der Mieter im Hinblick auf die von ihm ausgeübte gewerbliche Tätigkeit der Öffentlichkeit das Mietobjekt zugänglich macht, wie es z.B. im Betrieb eines Teppichbodenlagerverkaufs der Fall ist1. Denn hier beschränkt sich die Dritten gegenüber erfolgte Gestattung des Mieters, die gemieteten Räumlichkeiten und Flächen zu betreten, nur darauf, dies im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs als Kunden zu tun.

§ 536d Vertraglicher Ausschluss von Rechten des Mieters wegen eines Mangels Auf eine Vereinbarung, durch die die Rechte des Mieters wegen eines Mangels der Mietsache ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Vermieter nicht berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV. V.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarung . . .

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. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

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1 1 2 2 3 4 5 6

B. I. II. III. 1. 2.

Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . Geltung in der Wohnraummiete . Inhalt der Vereinbarung . . . . . . . Arglistige Täuschung . . . . . . . . . Arglist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Offenbarungspflicht . . . . . . . . . .

. . . . . .

7 7 8 11 11 15

C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . .

19

1 OLG Düsseldorf v. 12.8.2008 – 24 U 44/08, GE 2008, 1326 = GuT 2008, 345.

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Vertraglicher Ausschluss von Rechten

§ 536d BGB

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Vorschrift bestimmt, dass eine arglistige Täuschung des Vermieters über die Ab- 1 wesenheit von Mängeln automatisch zur Unwirksamkeit eines Gewährleistungsausschlusses, nicht aber zur Unwirksamkeit des gesamten Mietvertrages führt. Damit bildet die Vorschrift eine weitere Schranke für Begrenzungen der Gewährleistungsrechte1. Der Mieter ist nicht auf die Erklärung der Anfechtung und die dafür geltenden Zeitbestimmungen (§ 124 BGB) angewiesen. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Als Teil der allgemeinen mietrechtlichen Vorschriften findet die Norm auf alle Miet- 2 verhältnisse unmittelbar und über § 581 Abs. 2 BGB auch auf Pachtverhältnisse Anwendung. Sie gilt für Sach- und Rechtsmängel. 2. Anwendbare Rechtsprechung Da eine Überleitungsregelung fehlt, gilt § 536d BGB auch für Altverträge aus der Zeit 3 vor dem 1.9.2001. Gegenüber § 540 BGB in der bis zum 31.8.2001 gültigen Fassung (a.F.) hat sich auch nur der Wortlaut geändert. Denn die Nichtigkeit der Beschränkung oder des Ausschlusses der Gewährleistungsrechte war auch vor dem 1.9.2001 bereits gesetzlich angeordnet. Im Unterschied dazu macht § 536d BGB durch die geänderte Formulierung, wonach sich der Vermieter auf die Vertragsklausel nicht berufen kann, deutlich, dass eben keine Gesamtnichtigkeit des Mietvertrages eintreten soll. Dies war aber auch schon vor dem 1.9.2001 allgemeine Meinung2. Deshalb ist die vor dem 1.9.2001 ergangene Rechtsprechung ohne weiteres anwendbar. III. Zweck der Vorschrift Der eigentliche Zweck der Vorschrift besteht in ihrer Funktion, eine Grenze für die 4 Beschränkung von Gewährleistungsrechten herbeizuführen, indem sie missbilligtes Verhalten des Vermieters sanktioniert. Damit besteht eine Ordnungsfunktion. Denn sie dient der Klarstellung, dass die arglistige Täuschung des Vermieters in Abweichung zu §§ 123, 142 BGB nicht zur Gesamtnichtigkeit des Mietvertrages führt. IV. Beweislast Die Beweislast für die Arglist des Vermieters trägt der Mieter3. Der Vermieter muss 5 darlegen und beweisen, dass er die maßgeblichen Tatsachen mitgeteilt hat oder sie dem Mieter bekannt waren4, sowie ggf., dass sein arglistiges Verhalten keinen Einfluss auf die Entschließung des Mieters hatte5. V. Abweichende Vereinbarung Die Vorschrift ist ihrer Natur nach unabdingbar. Sie gebietet den Parteien aber gera- 6 dezu, über die bei den Vertragsverhandlungen angesprochenen Tatsachen zumindest Protokoll zu führen, wenn sie nicht in den Vertrag aufgenommen werden sollen. B. Wohnraummiete I. Geltung in der Wohnraummiete § 536d BGB kann auch in der Wohnraummiete zur Anwendung kommen. Zwar sind 7 Gewährleistungsausschlüsse an § 536 Abs. 4 BGB zu messen und ist eine Haftungs1 2 3 4 5

Staudinger/Emmerich, § 536d BGB Rz. 2. Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 1138. BGH v. 1.10.1969 – VIII ZR 255/67, BB 1969, 1412. Staudinger/Emmerich, § 536d BGB Rz. 7. MünchKomm/Häublein, § 536d BGB Rz. 6.

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§ 536d BGB

Vertraglicher Ausschluss von Rechten

beschränkung in Formularverträgen nach §§ 307, 309 Nr. 7 BGB selbst dann grundsätzlich unwirksam, wenn dadurch die Haftung des Vermieters auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt wird (Näheres dazu § 536a BGB Rz. 19). Indessen bleiben damit immer noch die Fälle übrig, in denen (wirksam) die Garantiehaftung ausgeschlossen oder doch eine wirksame Haftungsbeschränkung gelungen ist. II. Inhalt der Vereinbarung 8 Die Vereinbarung, durch die die Mieterrechte wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann im Mietvertrag selbst, in einem Nachtrag oder einer Ergänzung enthalten sein. Soweit § 550 BGB gilt (z.B. beim Kündigungsverzicht), ist die Schriftform zu beachten. Denn eine Gewährleistungsbeschränkung ist von wesentlicher Bedeutung. 9 Wann die Vereinbarung getroffen wurde, ist unerheblich. Sie kann zeitlich vor, bei oder nach Abschluss des Mietvertrages herbeigeführt werden. 10 Eine einschlägige Vereinbarung liegt z.B. vor, wenn der Mieter vereinbarungsgemäß wegen bestimmter nicht erledigter Fertigstellungsarbeiten nicht mindern kann. In diesem Fall wirkt der Minderungsausschluss jedoch nicht unbegrenzt. Denn bei verständiger Auslegung will der Mieter auf die Arbeiten nicht auf Dauer verzichten, so dass nach Ablauf einer angemessenen Zeit nach der Übergabe eine Minderung zulässig ist1. III. Arglistige Täuschung 1. Arglist 11 Zur Feststellung einer Arglist ist grundsätzlich auf die Person des Vermieters abzustellen. Handelt ein Vertreter, kommt es auf dessen Kenntnis an, § 166 BGB2. Deshalb liegt arglistiges Verhalten des Vermieters vor, wenn er den Hauswart anweist, bei den Vertragsverhandlungen das Vorhandensein eines störenden Betriebes auf dem Grundstück oder in der Nachbarschaft nicht ohne Nachfrage zu erwähnen3. Bei mehreren Vermietern genügt bereits die Arglist eines einzigen, um die Rechtsfolge nach § 536d BGB anzunehmen. 12 Um arglistig zu handeln, muss der Vermieter den Mangel nicht nur (positiv) kennen. Es muss auch eine Aufklärungspflicht bestehen. Daneben muss dem Vermieter bewusst sein oder er muss mindestens mit der Möglichkeit rechnen, dass der Mieter bei Kenntnis des Mangels den Vertrag nicht oder jedenfalls nicht mit dem Inhalt geschlossen hätte4. 13 Grob fahrlässiges Handeln reicht für eine Arglist nicht aus. Diese Voraussetzungen können gegeben sein, wenn der Vermieter aufgrund der Umstände (z.B. jahrelange Nutzung trotz – öffentlich-rechtlich – formeller Illegalität) darauf vertraut, dass die Nutzung mittlerweile zulässig ist5. Allerdings kann auch bedingter Vorsatz den Tatbestand erfüllen6. Mithin muss zumindest eine vorsätzliche Täuschung vorliegen. 14 Kennt der Mieter den Mangel, kommt eine arglistige Täuschung nicht in Betracht. Denn wer den Umstand, über den er getäuscht werden soll, kennt, wird gerade nicht getäuscht. Für den Ausschluss der Haftung ist daher unerheblich, ob der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat7.

1 2 3 4 5 6 7

LG Konstanz v. 4.3.2010 – 61 S 40/09 C, WuM 2011, 361. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536d BGB Rz. 7. Staudinger/Emmerich, § 536d BGB Rz. 5. Lammel, § 536d BGB Rz. 3; Blank/Börstinghaus, § 536d BGB Rz. 2. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536d BGB Rz. 4. Staudinger/Emmerich, § 536d BGB Rz. 3. Vgl. BGH v. 1.12.1971 – VIII ZR 88/70, NJW 1972, 249 (250); KG v. 17.6.2010 – 12 U 51/09, MietRB 2011, 10 = MDR 2010, 1446 = ZMR 2010, 956.

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Vertraglicher Ausschluss von Rechten

§ 536d BGB

2. Offenbarungspflicht Eine allgemeine Offenbarungs- oder Aufklärungspflicht des Vermieters über Mängel 15 im Rahmen von Vertragsverhandlungen besteht nicht1. Grundsätzlich ist es Sache des Mieters, selbst Erkundigungen einzuziehen2. Der Vermieter muss aber Umstände, die für die Willensbildung des Mieters zum Vertragsschluss offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind, ungefragt offenbaren3. Das ist anzunehmen, wenn der Mieter nach der Verkehrsanschauung damit rechnen konnte, dass der Vermieter ihn von dem Mangel unterrichten werde4. Dies ist ohne Zweifel der Fall, wenn sich der Mieter nach Mängeln erkundigt. Die Offenbarungspflicht erfasst aber nicht jeden negativen Umstand der Wohnung 16 oder ihres Umfeldes. Dies gilt insbesondere für Mängel, die für die Höhe der Miete und den Umfang des Mietgebrauchs nur von untergeordneter Bedeutung sind5. Auch offenkundige Tatsachen bzw. Nachteile begründen keine besondere Hinweispflicht des Vermieters6. Davon ist auszugehen, wenn z.B. ein Bauvorhaben schon seit mehreren Jahren sowohl in der lokalen als auch in der überregionalen Presse sowie in Rundfunk und Fernsehen Gegenstand vielfältiger Berichterstattung gewesen ist und auf diesem Wege weiträumig angekündigt wurde7. Auch die unübersehbare Nähe der Wohnung zu einem Klinikum kann eine bei der Anmietung offenkundige Tatsache darstellen mit der Folge, dass eine Minderung wegen des Verkehrs zum Klinikum (einschließlich Hubschraubern) ausgeschlossen ist8. Nicht offenkundig ist der Mangel aber, wenn der Vermieter im Rahmen der Vertragsverhandlungen die Erneuerung einer Einrichtung oder Anlage anbietet (z.B. der Heizung)9. Zwar liegt die Annahme nahe, dass mit der Anlage etwas nicht stimmt, wenn der Vermieter schon deren Erneuerung freiwillig anbietet. Indessen bedeutet es gerade nicht die konkrete Offenbarung eines Mangels und dessen Auswirkungen. Vor diesem Hintergrund scheidet eine arglistige Täuschung des Vermieters aus, 17 wenn – der Mieter vor Abschluss des Mietvertrages über eine Wohnung in einem sanierten Mietshaus anlässlich einer Ortsbesichtigung und durch Informationen des Bauingenieurs des Vermieters erfahren hat, welche Maßnahmen zur Verbesserung der Trittschallverhältnisse durchgeführt wurden, und darüber hinaus ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass ein rechnerischer Nachweis der erreichten Luft- und Trittschalldämmwerte nach der DIN 4109 nicht möglich sei, und die Anforderungen der Norm nur bedingt anwendbar seien10; – der Mieter sein bisheriges Domizil unweit der künftigen Wohnung hatte, so dass der Vermieter auch deswegen Grund zu der Annahme hatte, dem Mieter sei das in der Nachbarschaft geplante Bauvorhaben, über das in der Presse mehrfach berichtet wurde, nicht verborgen geblieben11; – der maßgebliche Schallschutz für das Haus in ruhiger Lage eingehalten ist, dennoch aber zuweilen Wohngeräusche mit tiefer Frequenz (z.B. Schnarchgeräusche) aus der Nachbarwohnung zu vernehmen sind12.

1 Staudinger/Emmerich, § 536d BGB Rz. 4. 2 OLG Düsseldorf v. 21.6.2005 – 24 U 85/04, zitiert nach juris. 3 BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 = WuM 2000, 593 = ZMR 2000, 508; BGH v. 28.4.1971 – VIII ZR 258/69, NJW 1971, 1795. 4 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 5. 5 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 6. 6 Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1420. 7 AG Hamburg v. 11.11.2004 – 49 C 172/04, NZM 2005, 222. 8 LG Frankfurt v. 16.10.2009 – 2-11 S 9/09, ZMR 2010, 362. 9 OLG Düsseldorf v. 4.11.1982 – 10 U 109/82, MDR 1983, 229 = WuM 1984, 54 = ZMR 1983, 377. 10 OLG Dresden v. 15.7.2008 – 9 U 388/08, BauR 2009, 1637. 11 AG Hamburg v. 11.11.2004 – 49 C 172/04, NZM 2005, 222. 12 AG Bonn v. 25.3.2010 – 6 C 598/08, NZM 2010, 619.

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§ 537 BGB

Entrichtung der Miete bei persönlicher Verhinderung

18 Indessen besteht eine Hinweispflicht vor Abschluss des Mietvertrages auf – die geplante Errichtung einer Mobilfunkanlage, sofern für den Vermieter erkennbar ist, dass der Mietinteressent diesem Umstand besondere Bedeutung beimisst1; – eine bestehende Zwangsverwaltung2; – die mangelnde Nutzungsgenehmigung für die vertraglich vorgesehene Nutzung und die mangelnde Genehmigungsfähigkeit3; – die Notwendigkeit zum Abrücken der Möbel um 10 cm von der Wand, weil die Wand mit einer Styropor-Wärmedämmung auf der Innenseite mit der Wirkung als Dampfsperre zur Vermeidung von Schimmelbildung ausgestattet ist und eine Schimmelbildung nur so verhindert werden kann4; – die Notwendigkeit einer besonderen Belüftungsart, weil sich Feuchtigkeit (auch bei Altbauten) nur z.B. durch eine sog. L- oder U-Lüftung verhindern lässt5. C. Gewerberaummiete 19 In der Gewerberaummiete gelten weder geringere noch schärfere Anforderungen an § 536d BGB. Auch hier muss bei der Annahme einer arglistigen Täuschung danach differenziert werden, ob der maßgebliche Umstand überhaupt in den Risikobereich des Vermieters fällt (vgl. § 536 BGB Rz. 68). Ist das nämlich nicht der Fall, können auch falsche Angaben grundsätzlich nicht sanktioniert werden. Das gilt z.B. bei der Vermietung eines Hotels für die Behauptung, mit dem Mietobjekt seien hohe Gewinne zu erzielen und der Erteilung einer Konzession stünden keine Hinderungsgründe entgegen. Denn diese Sachverhalte gehören zur Risikosphäre des Mieters6.

§ 537 Entrichtung der Miete bei persönlicher Verhinderung des Mieters (1) Der Mieter wird von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Der Vermieter muss sich jedoch den Wert der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vorteile anrechnen lassen, die er aus einer anderweitigen Verwertung des Gebrauchs erlangt. (2) Solange der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren, ist der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht verpflichtet. Inhalt A. I. II. 1.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich

. . . .

. . . .

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. . . .

. . . .

1 1 2 2

2. III. IV. 1.

Anwendbare Rechtsprechung Praktische Relevanz . . . . . . . . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . § 537 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . .

. . . .

. . . .

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4 5 7 7

1 LG Hamburg v. 26.1.2006 – 307 S 130/05, ZMR 2007, 198. 2 AG Bonn v. 4.12.1990 – 5 C 229/90, WuM 1992, 474; ähnlich LG Ulm v. 14.5.1979 – 1 S 23/79, WuM 1980, 31. 3 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MDR 2009, 19 = MietRB 2009, 4 = ZMR 2009, 103; OLG Brandenburg v. 11.11.2009 – 3 U 5/03, zitiert nach juris. 4 LG Münster v. 22.3.2011 – 3 S 208/10, WuM 2011, 359. 5 LG Kleve v. 9.1.2003 – 6 S 329/01, WuM 2003, 142. 6 OLG Düsseldorf v. 21.6.2005 – 24 U 85/04, zitiert nach juris.

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Entrichtung der Miete bei persönlicher Verhinderung 2. V. VI. VII. 1. 2. B. I. 1. 2. II. 1. 2.

§ 537 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften Abweichende Vereinbarungen . . . . Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozess über Nutzungsausfall nach wirksamer Vermieter-Kündigung . .

. . . . .

. . . . .

9 10 14 17 17

..

18

Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . § 537 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortbestand der Mietzahlungspflicht Ersparte Aufwendungen . . . . . . . . . . . § 537 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einschränkende Anwendung . . . . . . . a) Vertragsuntreuer Mieter. . . . . . . . . b) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 19 19 25 27 27 28 28 31

§ 537 BGB

III. Ersatzmieterstellung . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der Vertragsfreiheit. . . 2. Vertragliche Ersatzmieterklausel . a) Zustandekommen der Ersatzmietervereinbarung . . . . . . . . . b) Unechte Ersatzmieterklausel. . c) Echte Ersatzmieterklausel . . . . d) Akzeptabler Ersatzmieter . . . . e) Zusätzliche Bedingungen des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gewerberaummiete . . . . . . . I. Geltung der Grundsätze der Wohnraummiete . . . . . . . . . . 1. Mietzahlungspflicht . . . . . . . 2. § 537 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . II. Ersatzmieterstellung . . . . . . .

... ... ...

32 32 36

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36 40 41 42

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...

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A. Allgemeines I. Regelungsgehalt § 537 Abs. 1 S. 1 BGB beinhaltet eine Ausnahmeregel gegenüber den allgemeinen Be- 1 stimmungen über Leistungsstörungen, indem er das Verwendungsrisiko dem Mieter zuordnet1. Gleichzeitig werden Einschränkungen in Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 der Vorschrift zu dieser Ausnahmeregelung getroffen. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Norm gehört zu den allgemeinen Vorschriften des Mietrechts und ist daher grundsätzlich auf alle Mietverhältnisse2 und über § 581 Abs. 2 BGB entsprechend auf die Pacht anwendbar.

2

Ein Fitnessstudiovertrag enthält zwar auch Elemente des Mietvertrages (vgl. Vor 3 § 535 BGB Rz. 82), ist aber zunächst ein Vertrag eigener Art. Mit dem gesetzlichen Leitbild dieser Verträge ist es nicht vereinbar, wenn der Studionutzer das vereinbarte Nutzungsentgelt weiter zahlen muss, obwohl er wegen einer Erkrankung oder Verletzung die von dem Studiobetreiber angebotenen Leistungen nicht in Anspruch nehmen kann3. Deshalb sind entsprechende Klauseln in solchen Verträgen unwirksam4. 2. Anwendbare Rechtsprechung Auf die Vorschrift ist die Rechtsprechung zur Vorgängernorm (§ 552 BGB a.F.) unein- 4 geschränkt anwendbar. Dies gilt insbesondere für die einschränkende Anwendung von § 537 Abs. 2 BGB auf vertragsuntreue Mieter (vgl. § 537 BGB Rz. 28). Dies ist nicht dadurch unzulässig geworden, dass im Rahmen des MRRG eine Ergänzung von § 537 Abs. 2 BGB zugunsten von § 242 BGB wegen der Einzelfallproblematik unterlassen wurde5.

1 BGH v. 23.10.1996 – XII ZR 55/95, MDR 1997, 126 = NJW 1997, 193; BGH v. 14.11.1990 – VIII ZR 13/90, MDR 1991, 524 = NJW-RR 1991, 267. 2 Auch soweit die Miete nur ein Element darstellt wie beim Beherbergungsvertrag, Nettesheim, BB 1986, 547; Ferienhaus: LG Düsseldorf v. 20.10.1989 – 22 S 228/89, MDR 1991, 440 = ZMR 1990, 379; Messestand: BGH v. 19.12.2007 – XII ZR 13/06, NJW 2008, 1148 = ZMR 2008, 278 = MDR 2008, 442. 3 LG München v. 3.8.2006 – 34 S 21754/05, MDR 2007, 260. 4 BGH v. 23.10.1996 – XII ZR 55/95, MDR 1997, 126 = NJW 1997, 193; vgl. auch Blank/Börstinghaus, § 537 BGB Rz. 2. 5 BGH v. 19.12.2007 – XII ZR 13/06, NJW 2008, 1148 = ZMR 2008, 278 = MDR 2008, 442.

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III. Praktische Relevanz 5 In der Praxis wird die Vorschrift in der Regel relevant, wenn der Mieter den Besitz vorzeitig aufgibt, etwa weil er unwirksam (fristlos) gekündigt hat oder der erwartete Mietaufhebungsvertrag doch nicht geschlossen wird. 6 Hat der Vermieter unwirksam gekündigt, soll die Norm nach dem Grundsatz unanwendbar sein, dass sich niemand auf die Unwirksamkeit seiner eigenen Kündigung berufen kann1. Unabhängig davon, ob es einen solchen Grundsatz (ohne Ausnahme) gibt, kann der Mieter mit der dolo-petit-Einrede den Mietzahlungsanspruch abwehren. Denn der Vermieter, der eine unwirksame Kündigung ausspricht, ist zum Schadensersatz verpflichtet, weil er dem Mieter unberechtigterweise den Besitz streitig macht2. Demgemäß hat der Vermieter den Mieter von der Mietzahlungspflicht freizustellen, wenn dieser der unwirksamen Kündigung Folge leistet. IV. Zweck der Vorschrift 1. § 537 Abs. 1 BGB 7 Die Vorschrift dient der Klarstellung, dass die Miete nicht für den Gebrauch, sondern für die Gebrauchsgewährung geschuldet wird3 und damit der Mieter das Verwendungsrisiko trägt4. Weil der Mieter andererseits nicht ohne Weiteres verpflichtet ist, die Mietsache zu nutzen, sollen Zweifel über seine Mietzahlungspflicht ausgeräumt werden. 8 Damit wird zugleich deutlich, dass der Vermieter nicht gehalten ist, sich um eine anderweitige Nutzung der Mietsache zu bemühen, wenn der Mieter die Nutzung der Mietsache vorzeitig aufgibt. Eine solche Pflicht des Vermieters ergibt sich auch nicht aus Schadensminderungsgesichtspunkten oder Treu und Glauben5. § 254 BGB ist schon nicht anwendbar, weil der Vermieter einen Erfüllungsanspruch geltend macht, nämlich den auf Mietzahlung (§ 535 Abs. 2 BGB). Über Treu und Glauben kann eine gesetzliche Rechtsfolge nur korrigiert werden, wenn das Ergebnis unerträglich ist. Das hängt per se von den Umständen des Einzelfalles ab, kann aber im Regelfall nicht angenommen werden. Denn ansonsten wäre der Wille des Gesetzgebers der Willkür der Rechtsprechung ausgeliefert. 2. § 537 Abs. 2 BGB 9 Zweck dieser Bestimmung ist es, das Gleichgewicht zwischen den gegenseitigen Hauptleistungspflichten, nämlich der Gebrauchsüberlassung durch den Vermieter (§ 535 Abs. 1 BGB) und der Zahlung der Miete durch den Mieter (§ 535 Abs. 2 BGB), zu wahren6. Der Mieter soll nach § 537 Abs. 2 BGB das ihm gemäß § 537 Abs. 1 BGB auferlegte Verwendungsrisiko dann nicht tragen, wenn der Vermieter nicht in der Lage ist, ihm den Gebrauch der Mietsache zu gewähren. V. Verhältnis zu anderen Vorschriften 10 Auf die Mietzahlungspflicht ist § 536 BGB ohne Einschränkung anwendbar. Ist die Mietsache mangelhaft, ist nur die geminderte Miete zu zahlen. Dies setzt aber grundsätzlich eine Mängelanzeige voraus, § 536c BGB. 11 Der Mieter, der trotz Besitzaufgabe zur Weiterzahlung der Miete verpflichtet ist, kann sich unter bestimmten Umständen auf Unmöglichkeit (§ 275 BGB) oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) berufen.

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Blank/Börstinghaus, § 537 BGB Rz. 1. BGH v. 14.1.1988 – IX ZR 265/86, MDR 1988, 575 = NJW 1988, 1268 (1269). Blank/Börstinghaus, § 537 BGB Rz. 1. BGH v. 19.12.2007 – XII ZR 13/06, NJW 2008, 1148 = ZMR 2008, 278 = MDR 2008, 442. A.A. LG Braunschweig v. 24.1.1997 – 6 S 225/96, WuM 1998, 220. BGH v. 19.12.2007 – XII ZR 13/06, NJW 2008, 1148 = ZMR 2008, 278 = MDR 2008, 442.

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Eine Unmöglichkeit ist denkbar, wenn ein Vertragszweck vereinbart wurde, der nicht 12 mehr erreichbar ist, obwohl beide Parteien bestimmte Umstände als sicher angenommen haben, und keiner von beiden die Zweckverfehlung zu vertreten hat1. Dazu reicht aber weder die bloße Angabe des Verwendungszwecks im Mietvertrag noch die Kenntnis des Vermieters, dass der Mieter den Vertrag mit einer ganz bestimmten Absicht schließt. Vielmehr ist maßgeblich, dass nach dem Vertrag das Verwendungsrisiko vom Vermieter oder zumindest von beiden Parteien getragen wird (Beispiel: Mietvertrag über Fensterplätze an Rosenmontag, bevor sich herausstellt, dass der Rosenmontagszug einen anderen Weg nimmt). Einen Anwendungsfall der Unmöglichkeit oder auch des Wegfalls der Geschäfts- 13 grundlage (§ 313 BGB) können gesetzliche Verbote bilden, die nach Abschluss des Vertrages erlassen werden und den Gebrauch der Mietsache verbieten2. Nicht hierher gehören die gesetzlichen Vorschriften zum Nichtraucherschutz3. Denn der Vermieter schuldet nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB bei der Vermietung/Verpachtung von Räumen zum Betrieb einer Gaststätte einen konzessionsfähigen Zustand. Dieser Zustand bleibt durch die Bestimmungen zum Nichtraucherschutz unberührt. VI. Abweichende Vereinbarungen § 537 BGB ist grundsätzlich abdingbar4. Dies gilt sowohl für die Wohn- wie die Gewer- 14 beraummiete. Die häufigste Abweichung erfolgt durch sog. Ersatzmieterklauseln, in denen geregelt ist, dass der Mieter unter ganz bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Vertragsentlassung haben kann (vgl. § 537 BGB Rz. 41). § 537 Abs. 1 S. 2 BGB kann jedoch durch den Vermieter formularmäßig zum Nachteil 15 des Mieters nicht abbedungen5 oder eingeschränkt werden, § 307 BGB, solange der Vermieter Verwender ist. Demnach ist es insbesondere nicht zulässig, die Anrechnung z.B. im Falle des Leerstandes von weiteren Bedingungen (z.B. schriftliche Anzeige) abhängig zu machen. Die formularmäßige Abweichung von der Regelung, dass der Mieter zur Entrichtung 16 der Miete nicht verpflichtet ist, solange der Vermieter den Gebrauch der Mietsache nicht gewähren kann (§ 537 Abs. 2 BGB), widerspricht wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und hält deshalb einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand6. Denn die Vorschrift soll ja gerade das Gleichgewicht zwischen den Hauptleistungspflichten in der konkreten Situation herstellen (vgl. § 537 BGB Rz. 9). Demnach ist es z.B. nicht möglich, den Entfall der Mietzahlungspflicht von einer Fristsetzung o.Ä. abhängig zu machen. VII. Prozessuales 1. Beweislast Der Mieter hat darzutun und zu beweisen, dass die Gebrauchsverhinderung nicht 17 aus seiner Risikosphäre herrührt, dass der Vermieter Aufwendungen erspart und/ oder Vorteile erzielt hat (h.M.) sowie deren Höhe7, dass Gebrauchsüberlassung an ei-

1 Blank/Börstinghaus, § 537 BGB Rz. 6. 2 RG v. 3.2.1920 – VII 394/19, RGZ 98, 101 (Verbot der Jagdausübung auf gepachtetem Gebiet aus militärischen Gründen). 3 OLG Koblenz v. 18.11.2009 – 1 U 579/09, MDR 2010, 501 = NZM 2010, 83; vgl. zu Ausnahmen vom Rauchverbot z.B. OLG Koblenz v. 27.1.2010 – 2 SsBs120/09, NZM 2010, 202. 4 MünchKomm/Bieber, § 537 BGB Rz. 17 m.w.N. 5 Staudinger/Emmerich, § 537 BGB Rz. 38. 6 BGH v. 19.12.2007 – XII ZR 13/06, NJW 2008, 1148 = ZMR 2008, 278 = MDR 2008, 442; Bub/Treier/v. Brunn, III A Rz. 130; Staudinger/Emmerich, 2006, § 537 BGB Rz. 38; MünchKomm/Bieber, § 537 BGB Rz. 20. 7 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 543, 544; Emmerich/Sonnenschein, § 537 BGB Rz. 25; a.A. OLG Düsseldorf v. 11.7.1985 – 10 U 19/85, ZMR 1985, 382 (soweit es dabei um Einzelheiten aus dem Vermögensbereich des Vermieters geht).

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nen Dritten oder Eigennutzung vorliegt1. Demgegenüber muss der Vermieter seine Erfüllungsbereitschaft beweisen2. 2. Prozess über Nutzungsausfall nach wirksamer Vermieter-Kündigung 18 Macht der Vermieter nach einer Kündigung wegen Zahlungsrückständen gegen den zwischenzeitlich ausgezogenen Mieter Nutzungsausfall geltend, ist der Einwand unerheblich, die Kündigung sei unwirksam, wenn die Voraussetzungen des § 537 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegen. Hat der Vermieter seine konkreten Bemühungen um Nachmieter hinreichend dargetan, darf der Mieter sich nicht auf pauschales Bestreiten beschränken. Angesichts der Möglichkeit, die vom Vermieter namhaft gemachten Mietinteressenten zu befragen, ist es Sache des (ehemaligen) Mieters, das Vorbringen des Vermieters zu widerlegen. Mit dem Vorwurf, der Vermieter habe sich nicht hinreichend um Nachmieter bemüht, wird ein Unterlassen behauptet. Der ehemalige Mieter muss daher darlegen, dass bei adäquaten Bemühungen des Vermieters frühzeitig ein akzeptabler Nachmieter gefunden worden wäre3. B. Wohnraummiete I. § 537 Abs. 1 BGB 1. Fortbestand der Mietzahlungspflicht 19 Nach § 537 Abs. 1 S. 2 BGB muss der Mieter unabhängig davon, ob er die Räume nutzt, Miete zahlen. Dies bedeutet auf der anderen Seite, dass der Vermieter den Mieter grundsätzlich nicht verpflichten kann, die Mietsache zu nutzen. Entsprechende Klauseln verstoßen in der Wohnraummiete gegen § 307 BGB. Ob und wie der Mieter seine Obhuts- und sonstigen Nebenpflichten erfüllt, wenn er die Nutzung nicht durchführt, ist eine Frage des Sorgfaltsmaßstabes. 20 Der Vermieter kann aber – was sich mittelbar aus Abs. 2 ergibt – nur Mietzahlung verlangen, wenn er selbst erfüllungsbereit ist. Daran fehlt es, wenn der Vermieter nach dem (vorzeitigen) Auszug des Mieters die Schlüssel zum Mietobjekt austauscht4 oder sich weigert, dem Mieter die Schlüssel wieder auszuhändigen5. 21 Die Erfüllungsbereitschaft fehlt nicht, wenn der Vermieter nicht bereit ist, eine vorzeitige Rückgabe der Mietsache zu akzeptieren. Denn selbst wenn der Vermieter selbst (wirksam) gekündigt hat, kann er ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung der Kündigungsfrist reklamieren und ist auch nicht verpflichtet, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen6. Eine Ausnahme kann angenommen werden, wenn die Rückgabe zeitnah (z.B. zwei Wochen) zum Ende der Mietzeit angeboten wird. Doch selbst wenn eine vorzeitige Rückgabe vollzogen wird, kann die Mietzahlungspflicht erst mit dem Mietende entfallen, solange kein anderslautender Aufhebungsvertrag geschlossen wird oder nicht die Voraussetzungen von § 537 Abs. 2 BGB geschaffen werden. Im Zweifel ist durch einen Aufhebungsvertrag der Mietzahlungsanspruch nur ausgeschlossen, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist. Immerhin ist der Vermieter bei pflichtwidrigem Verhalten des Mieters schadensersatzberechtigt, so dass der Mieter in diesem Fall den Betrag schuldet, den er bei normalem Vertragsverlauf bis zum erstmöglichen Endtermin als Miete hätte zahlen müssen7. 22 Die Mietzahlungspflicht besteht nach § 537 Abs. 1 S. 1 BGB auch fort, wenn der Mieter am Gebrauch der Mietsache gehindert ist, solange die dafür relevanten Umstände in seinen Risikobereich fallen. Insoweit ist es unerheblich, ob der Grund, der den

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OLG Oldenburg v. 10.11.1980 – 5 UH 11/80, ZMR 1981, 91. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 544; MünchKomm/Bieber, § 537 BGB Rz. 18. OLG Koblenz v. 17.4.2008 – 5 U 315/08, MDR 2008, 1206 = ZMR 2009, 282. AG Köln v. 22.8.1985 – 216 C 401/84, WuM 1986, 92. AG Langenfeld v. 5.12.1986 – 23 C 523/86, WuM 1988, 159. LG Mannheim v. 3.6.2009 – 4 S 5/09, WuM 2009, 398 = ZMR 2010, 194. OLG Brandenburg v. 15.11.2006 – 3 U 88/06, WuM 2007, 14 = OLGR Brandenburg 2007, 215.

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Mieter am Gebrauch hindert, überhaupt von ihm beeinflusst werden kann1. Die Mietzahlungspflicht besteht auch bei schuldloser Gebrauchsverhinderung fort, sofern die Ursache der Verhinderung in seine Risikosphäre fällt (z.B. Tod, Krankheit, Wohnortswechsel, von anderen Vertragspartnern des Mieters ausgehende Hindernisse2). Auch wenn der Wortlaut von § 537 Abs. 1 S. 1 BGB nahelegt, dass nur unfreiwillige Hindernisse relevant sind, besteht Einigkeit darüber, dass die Vorschrift auch greift, wenn ein Gebrauchshindernis durch freiwilliges Verhalten des Mieters entsteht3. Dabei ist es unerheblich, ob die Gebrauchshinderung vor oder nach der Überlassung der Mietsache eintritt4. Führt allerdings der Vermieter bei vorzeitiger Rückgabe, aber vor Beendigung des Mietvertrages Renovierungsarbeiten aus, reduziert sich die Miete auf Null5.

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Die Mietzahlungspflicht entfällt aber, wenn das Gebrauchshindernis auf objektiven, 24 nicht aus der Mietersphäre herrührenden oder auf aus dem Risikobereich des Vermieters resultierenden Umständen beruht. Aufgrund dieser Umstände entfällt die Pflicht zur Zahlung der Miete nach §§ 326 Abs. 1, 536 BGB, selbst wenn der Mieter nicht nutzen will (vgl. auch § 537 BGB Rz. 21). 2. Ersparte Aufwendungen Nach § 537 Abs. 1 S. 2 BGB hat sich der Vermieter ersparte Aufwendungen anrechnen 25 zu lassen. Hierunter fallen bei einer Brutto- oder Teilinklusivmiete z.B. verbrauchsabhängige Betriebskosten (z.B. Kosten für Wasser, Abwasser, Strom, nicht aber für die Heizung, soweit der Vermieter die ungenutzten Räume weiter heizen muss) und u.U. Wartungs- und Instandhaltungskosten6; beim Beherbergungsvertrag die Kosten ersparter Serviceleistungen7. Der Vermieter muss sich die tatsächlich erzielten Vorteile anrechnen lassen. Dazu 26 kann eine Vertragsstrafe gehören, die der Vermieter von einem Dritten erhält, an den er weitervermietet hat und der die Vertragsstrafe für die vorzeitige Beendigung des Mietvertrages zahlt8. Eine Pflicht zur anderweitigen Verwertung besteht aber nicht9. Ebenso wenig gilt 26a § 254 BGB, da es um die Erfüllung des Mietanspruches geht und nicht um Schadensersatz. Eine anderweitige Verwertung kann auch in der Eigennutzung durch den Vermieter liegen10. Dazu reicht das Betreten zwecks Reparaturen nicht aus, weil der Mieter sie auch bei fortgesetzter Nutzung hätte dulden müssen. Relevant ist aber die im Interesse des Vermieters liegende Vornahme von Instandsetzungs-, Umbau- und Modernisierungsarbeiten, die über das übliche Maß von Ausbesserungen hinausgehen11. II. § 537 Abs. 2 BGB 1. Grundsatz § 537 Abs. 2 BGB greift ein, wenn der Vermieter durch die Gebrauchsgewährung an 27 einen Dritten außerstande ist, dem an sich persönlich verhinderten Mieter den Ge1 BGH v. 28.11.1962 – VIII ZR 77/61, NJW 1963, 341. 2 BGH v. 14.11.1990 – VIII ZR 13/90, MDR 1991, 524 = ZMR 1991, 57. 3 BGH v. 24.9.1980 – VIII ZR 299/79, MDR 1981, 135 = NJW 1981, 43; OLG Hamm v. 13.3.1986 – 4 REMiet 3/85, NJW 1986, 2321; OLG Düsseldorf v. 2.5.1991 – 10 U 191/90, NJW-RR 1991, 1143. 4 H.M.: z.B. BGH v. 22.12.1999 – XII ZR 339/97, MDR 2000, 323 = NJW 2000, 1105; BGH v. 14.11.1990 – VIII ZR 13/90, MDR 1991, 524 = ZMR 1991, 57; LG Düsseldorf v. 20.10.1989 – 22 S 228/89, ZMR 1990, 379; krit. Emmerich/Sonnenschein, Rz. 3 und 4. 5 KG v. 10.3.2011 – 8 U 187/10, GE 2011, 690. 6 OLG Düsseldorf v. 11.7.1985 – 10 U 19/85, ZMR 1985, 382. 7 OLG Düsseldorf v. 2.5.1991 – 10 U 191/90, NJW-RR 1991, 1143. 8 KG v. 25.1.1999 – 8 U 2822/97, ZMR 1999, 705 = GE 1999, 569. 9 BGH v. 26.11.1986 – VIII ZR 354/85, MDR 1987, 402 = NJW 1987, 842. 10 Bub/Treier/v. Brunn, III A Rz. 130. 11 BGH v. 28.11.1962 – VIII ZR 77/61, NJW 1963, 341.

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brauch zu gewähren. Dabei steht auch hier die Selbstnutzung der Überlassung an einen Dritten gleich. Eine anderweitige Vermietung liegt noch nicht vor, wenn der Vermieter dem Nachfolgemieter lediglich gestattet, bereits vor Vertragsbeginn für kurze Zeit Arbeiten im Mietobjekt vorzunehmen1. Von einer Selbstnutzung ist hingegen bei Ausführung umfangreicher Ausbesserungsarbeiten auszugehen2. Maßgeblich ist stets, ob er die Eigennutzung oder anderweitige Vermietung (z.B. infolge eines Kündigungsvorbehaltes) jederzeit kurzfristig beenden kann. 2. Einschränkende Anwendung a) Vertragsuntreuer Mieter 28 Hat der Mieter durch sein vertragsuntreues Verhalten die Maßnahmen des sonst vertragstreuen Vermieters veranlasst, durch die die Voraussetzungen des § 537 Abs. 2 BGB herbeigeführt werden (z.B. Weitervermietung), ist es unbillig, dass er sich auf § 537 Abs. 2 BGB berufen kann, wenn die Maßnahme auch in seinem Interesse erfolgt ist3. Dies gilt vor allem bei Zahlungseinstellung und Auszug4 oder verweigertem Bezug der Mietsache5. 29 Da die einschränkende Anwendung auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) beruht, kann eine Ausnahme gerechtfertigt sein, wenn der Mieter aus nachvollziehbaren Gründen davon ausgeht, das Mietverhältnis sei beendet. Das soll der Fall sein, wenn der Vermieter eine vom Mieter gewünschte Untervermietung abgelehnt und der Mieter danach ohne namentliche Nennung des Untermieters das Sonderkündigungsrecht des § 540 Abs. 1 S. 2 BGB in Anspruch genommen hat6. Im Zweifel wird der Mieter aber spätestens beim Streit über die Beendigung des Mietverhältnisses auf einen Weitervermietungshinweis des Vermieters verbunden mit der Ankündigung, die Mietdifferenz zu verlangen, klarstellend reagieren müssen7. 30 Auf die Vertragsuntreue kommt es nicht an – so dass § 537 Abs. 2 BGB gilt –, wenn der vorzeitig ausgezogene Mieter die Weiterzahlung der Miete anbietet und der Vermieter trotzdem – teilweise unentgeltlich – die Mietsache einem Dritten überlässt8. Denn in dieser Situation erfolgte die Weitervermietung ohne Anlass durch den Mieter, der nicht verpflichtet ist, die Mietsache bis zum Mietende zu nutzen. b) Rechtsfolge 31 Der ausgezogene Mieter ist dann weiterhin zur Mietzahlung verpflichtet, der Vermieter muss sich die durch die Weitervermietung tatsächlich9 vereinnahmte Miete anrechnen lassen (§ 537 Abs. 1 S. 2 BGB). Soweit dem Vermieter Kosten durch einen zum Zwecke der Weitervermietung bewirkten Umbau der Mietsache entstanden sind, kann er diese regelmäßig nicht nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangen10.

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OLG Koblenz v. 20.1.1994 – 5 U 494/93, MDR 1995, 251 = ZMR 1995, 157. BGH v. 28.11.1962 – VIII ZR 77/61, NJW 1963, 341. OLG Düsseldorf v. 26.11.1992 – 10 U 212/91, MDR 1993, 340 = ZMR 1993, 114. BGH v. 31.3.1993 – XII ZR 198/91, BGHZ 122, 163 = MDR 1993, 641 = NJW 1993, 1645; OLG Düsseldorf v. 11.3.2008 – I-24 U 138/07, ZMR 2009, 23 = OLGR 2008, 621. BGH v. 22.12.1999 – XII ZR 339/97, MDR 2000, 323 = NJW 2000, 1105; BGH v. 31.3.1993 – XII ZR 198/91, BGHZ 122, 163 = MDR 1993, 641 = NJW 1993, 1645; OLG Brandenburg v. 15.11.2006 – 3 U 88/06, WuM 2007, 14 = OLGR Brandenburg 2007, 215. KG v. 16.9.1996 – 8 RE Miet 2891/96, ZMR 1996, 648 = WuM 1996, 696 = NJW-RR 1997, 333. BGH v. 31.3.1993 – XII ZR 198/91, BGHZ 122, 163 = MDR 1993, 641 = NJW 1993, 1645. AG Neuruppin v. 15.1.2009 – 42 C 273/08, WuM 2009, 227. OLG Düsseldorf v. 9.11.2010 – 24 U 169/09, ZMR 2011, 718; OLG Celle v. 29.1.2003 – 2 U 150/02, ZMR 2003, 343. BGH v. 25.11.1981 – VIII ZR 299/80, MDR 1982, 484 = NJW 1982, 875.

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III. Ersatzmieterstellung 1. Grundsatz der Vertragsfreiheit Ohne Regelung im Mietvertrag ist der Vermieter nicht verpflichtet, den Mieter gegen 32 Stellung eines Nachmieters (vorzeitig) aus dem Mietvertrag zu entlassen (sog. Ersatzmieterstellung). Auch Mietverträge sind einzuhalten. Das gilt im Grundsatz für alle Mietverhältnisse, also auch für die Wohnraummiete1. Der Mietanspruch entfällt in einem solchen Fall ausnahmsweise, wenn der Vermieter 33 es arglistig unterlässt, das Mietobjekt an einen ihm vom Mieter benannten akzeptablen Ersatzmieter zu vermieten2. Das ist auch bei Gestellung eines akzeptablen Ersatzmieters nur dann der Fall, wenn ein berechtigtes Interesse des Mieters an seinem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Vertrag das Interesse des Vermieters an dessen Fortbestand ganz erheblich übersteigt3. Je kürzer die restliche Laufzeit des Vertrages ist, umso weniger führt die Einzelfallabwägung dazu, dass dem Vermieter das mit einem Mieterwechsel verbundene Risiko noch zuzumuten ist4. Beispiele für ein überragendes Interesse des Mieters sind 34 – schwere Erkrankung des Mieters5, so dass eine Nutzung der Wohnung in Zukunft ausgeschlossen ist, – nicht vorhergesehene Versetzung aus beruflichen Gründen6, sofern sie nicht vom Mieter selbst gewünscht wurde, – erhebliche Vergrößerung/Verkleinerung der Familie, – Ehescheidung7. An einem berechtigten Mieterinteresse fehlt es insbesondere, wenn der Mieter aus 35 freien Stücken die Wohnung wechseln will8. Dies gilt auch bei dem Wunsch des Mieters, in einer anderen Wohnung mit einem Lebensgefährten zusammenzuziehen9. 2. Vertragliche Ersatzmieterklausel a) Zustandekommen der Ersatzmietervereinbarung Ist vertraglich festgelegt, dass der Mieter zur Gestellung eines Ersatzmieters berech- 36 tigt sein soll, hat der Vermieter den Mieter bei Benennung eines akzeptablen Interessenten für die Zukunft aus dem Mietvertrag zu entlassen10. Derartige Vereinbarungen können im Mietvertrag selbst enthalten sein, aber auch (formlos) nach Überlassung der Mietsache geschlossen werden, und zwar auch schlüssig. Sie kommen noch nicht dadurch zustande, dass der Vermieter seine Bereitschaft signalisiert, mit einem Mietinteressenten als Nachfolger des Mieters zu verhandeln. Vielmehr muss aus den Erklärungen des Vermieters abzulesen sein, dass er den Mieter gegen Stellung eines Ersatzmieters aus den vertraglichen Pflichten entlässt. Davon zu unterscheiden ist die Ersatzmieterstellung durch schlüssiges Verhalten. 37 Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der Vermieter, ohne den Mieter ausdrücklich aus dem Vertrag zu entlassen, mit einem Dritten auf Vorschlag des Mieters 1 BGH v. 22.1.2003 – VIII ZR 244/02, MDR 2003, 562 = NJW 2003, 1246; OLG Oldenburg, OLGR 1981, 315; OLG Oldenburg v. 23.4.1981 – 5 UH 1/81, ZMR 1982, 285; OLG Karlsruhe v. 25.3.1981 – 3 REMiet 2/81, NJW 1981, 1741; OLG Hamm v. 6.4.1983 – 4 REMiet 13/82, MDR 1983, 842 = FamRZ 1983, 1117 = NJW 1983, 1564. 2 BGH v. 24.9.1980 – VIII ZR 299/79, MDR 1981, 135 = NJW 1981, 43. 3 OLG Hamm v. 22.8.1995 – 30 REMiet 1/95, MDR 1995, 1116 = ZMR 1995, 525. 4 OLG Oldenburg v. 23.4.1981 – 5 UH 1/81, ZMR 1982, 285 (für eine dreimonatige Restzeit). 5 A.A. für Gewerberaummiete: OLG Düsseldorf v. 6.6.2000 – 24 U 186/99, WuM 2002, 94 = ZMR 2001, 106 = MDR 2001, 83. 6 LG Hamburg v. 1.12.1987 – 16 S 23/87, DWW 1988, 85; LG Gießen v. 30.11.1994 – 1 S 413/94, NJW-RR 1995, 395. 7 OLG Karlsruhe v. 25.3.1981 – 3 REMiet 2/81, WuM 1981, 173. 8 OLG Karlsruhe v. 25.3.1981 – 3 REMiet 2/81, NJW 1981, 1741. 9 AG Wiesbaden v. 12.8.1988 – 98 C 408/88, WuM 1988, 400; a.A. Bub/Treier/Heile, II Rz. 821. 10 BGH v. 2.11.1983 – VIII ZR 135/82, MDR 1984, 393 = ZMR 1984, 54.

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einen neuen Mietvertrag, z.B. zu den Konditionen des bisherigen Vertrages, schließt1. Insoweit wird in der Regel unterstellt werden können, dass der bisherige Mietvertrag einvernehmlich aufgehoben wird2. Ein solches Einverständnis ist aber dann nicht anzunehmen, wenn der Vermieter im Wege der Neuvermietung lediglich versucht, den Schaden gering zu halten. Gegen ein solches Einverständnis spricht auch, dass die Gründe, die den Mieter veranlasst haben, den Mietgebrauch aufzuheben und die Mietzahlungen einzustellen, ausschließlich in seiner Person lagen, so dass der Vermieter keinerlei Veranlassung hatte, das Bonitätsrisiko hinsichtlich des Nachmieters auf sich zu nehmen3. 38 Hinsichtlich des Inhalts von Ersatzmieterklauseln wird in der Praxis nach unechten und echten Ersatzmieterklauseln unterschieden. Welche Form der Klausel vorliegt, ist eine Auslegungsfrage4, für die zunächst der Wortlaut maßgeblich ist. 39 Regelt die Klausel zusätzliche Anforderungen (z.B. ein dringendes berechtigtes Interesse des Mieters an der Vertragsentlassung), bestehen aus § 307 BGB keine Bedenken an der Wirksamkeit. Denn die Ersatzmieterstellung (= Entlassung aus dem Mietvertrag + Abschluss eines Mietvertrages mit einem Ersatzmieter) ist eine für den Mieter vom Gesetz abweichende Regelung seines Verwendungsrisikos. Eine unangemessene Benachteiligung kommt daher allenfalls in Betracht, wenn der Vermieter über eine Aufwandsentschädigung hinaus Zahlungen des Mieters regelt, die einer Vertragsstrafe gleichkommen (§ 555 BGB). b) Unechte Ersatzmieterklausel 40 Es ist zwischen echten und unechten Ersatzmieterklauseln zu unterscheiden5. Letztere geben dem Mieter nur das Recht, bei Gestellung eines zumutbaren Ersatzmieters Entlassung aus dem Mietvertrag zu verlangen. c) Echte Ersatzmieterklausel 41 Bei einer echten Ersatzmieterklausel hat der Mieter zudem einen Anspruch gegen den Vermieter, dass der gestellte Ersatzmieter an seine Stelle in den Mietvertrag eintritt. Welche der beiden Alternativen vorliegt, ist durch Auslegung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Die Ersatzmietergestellung ist in beiden Alternativen Sache des Mieters. Zumutbar ist ein Nachmietinteressent, bei dem der Vermieter nicht schlechter gestellt wird, als wenn er auf Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem bisherigen Mieter bestehen würde6. Ausländereigenschaft des gestellten Ersatzmieters ist für sich allein grundsätzlich kein begründeter Ablehnungsgrund7. d) Akzeptabler Ersatzmieter 42 Besteht die Pflicht des Vermieters, einen Ersatzmieter zu akzeptieren, muss er seine Entscheidung nicht sofort nach Benennung der Person des Mietwilligen treffen, sondern kann dafür eine angemessene Prüfungs- und Nachforschungsfrist beanspruchen, die zwei bis drei Monate beträgt8. Grundsätzlich kann der Vermieter eine Mitwirkung ablehnen, wenn der Vertragszweck geändert werden soll. Bei der Gewerberaummiete soll der Nachmieter aber zu Wohnzwecken nutzen dürfen9. Dem kann – wenn überhaupt – nur für ganz besonders gelagerte Ausnahmefälle gefolgt werden. Denn grundsätzlich besteht kein Anspruch auf Änderung des Vertragszwecks. Im 1 2 3 4 5 6

OLG Düsseldorf v. 23.10.1997 – 10 U 39/97, WuM 1998, 483. BGH v. 21.2.2012 – VIII ZR 117/11, NZM 2012, 341. OLG Düsseldorf v. 23.10.1997 – 10 U 39/97, WuM 1998, 483. Staudinger/Emmerich, § 537 BGB Rz. 17 ff. OLG Frankfurt v. 26.4.1991 – 11 U 3/91, ZMR 1991, 382. OLG Düsseldorf v. 5.1.1995 – 10 U 70/94, MDR 1995, 570 = ZMR 1995, 467; zur erforderlichen Ersatzmieterbonität vgl. BGH v. 12.7.1995 – XII ZR 95/93, NJW 1995, 3052. 7 OLG Frankfurt v. 31.5.2000 – 9 U 71/99, NZM 2001, 586 m.w.N. 8 LG Gießen v. 21.8.1996 – 1 S 119/96, WuM 1997, 264; LG Saarbrücken v. 17.2.1995 – 13 BS 218/94, WuM 1995, 313; AG Steinfurt v. 14.11.1996 – 4 C 182/96, WuM 1997, 45. 9 OLG Rostock v. 14.1.2010 – 3 U 50/09, IMR 2010, 233.

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Übrigen richtet sich das Maß, nach dem der Vermieter einen Ersatzmieter ablehnen darf, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB)1. Der Ersatzmieter ist danach akzeptabel, wenn er bereit ist, zu den alten Bedingun- 43 gen für die restliche Vertragszeit in den bestehenden Mietvertrag einzutreten2, was grds der Mieter zu beweisen hat3. Auf den Abschluss eines neuen Mietvertrages braucht sich der Vermieter schon mit Rücksicht auf die dann – erneut – gem. § 536a Abs. 1 BGB begründete Garantiehaftung nicht einzulassen4. Darüber hinaus muss der Ersatzmieter dem Vermieter auch von der Person her zumutbar sein. Es dürfen keine Zweifel an der Bonität und der Verträglichkeit des Mieters bestehen5. Persönliche, moralische, selbst religiöse Vorbehalte des Vermieters gegen die Person des Ersatzmieters sind nicht von vorneherein unbeachtlich6. Allein vorangegangene häufige Wohnungswechsel sind kein ausreichendes Kriterium zur Ablehnung des Ersatzmieters, wenn dabei keine wesentlichen Mietschulden hinterlassen wurden7. Ein Ersatzmieter ist auch – unabhängig von der Geltung des AGG – nicht schon deshalb ungeeignet, weil er Ausländer ist8. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn nicht die Ausländereigenschaft, sondern damit zusammenhängende besondere Risiken in Betracht kommen9. Einen Anspruch auf Vermietung an einen bestimmten Ersatzmieter hat der Mieter 44 grundsätzlich selbst dann nicht, wenn dieser zu einer Abstandszahlung an den Mieter bereit ist10. Der Vermieter kann zwischen mehreren Interessenten frei wählen. Akzeptiert er einen von ihnen und schließt mit ihm einen neuen Mietvertrag ab, hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, inwieweit der Mietvertrag mit dem bisherigen Mieter (durch schlüssiges Verhalten) aufgehoben wird11. Lehnt der Vermieter den (ggf. ersten) Nachmieter ohne ausreichenden Grund ab, 45 kann der Mieter nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB fristlos kündigen und Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB geltend machen12. Beim Schadensersatz ist der Mieter so zu stellen, wie er bei rechtmäßigem Verhalten des Vermieters stehen würde. Damit endet das Mietverhältnis spätestens mit Ablauf des dritten Monats nach Stellung des (geeigneten) Nachmieters. Diese zeitliche Bestimmung ergibt sich aus der Nachforschungs- und Überlegungsfrist (vgl. § 537 BGB Rz. 42). Dies gilt nur dann nicht, wenn der oder die Ersatzinteressenten ohne Prüfung bzw. bei Inanspruchnahme einer kürzeren Überlegungsfrist durch den Vermieter abgelehnt werden. Hier endet die Mietzahlungspflicht im Zeitpunkt der Ablehnung13. e) Zusätzliche Bedingungen des Vermieters Ob der Vermieter den Eintritt des Ersatzmieters von zusätzlichen Bedingungen abhängig machen darf, ist streitig. Während Gerichte dies grundsätzlich verneinen14,

1 BGH v. 29.4.1992 – XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1032 (1035); OLG Düsseldorf v. 8.3.1990 – 10 U 77/88, MDR 1990, 724; OLG Hamm v. 22.8.1995 – 30 REMiet 1/95, MDR 1995, 1116 = ZMR 1995, 525. 2 OLG Düsseldorf v. 5.1.1995 – 10 U 70/94, MDR 1995, 570 = ZMR 1995, 467. 3 BGH v. 22.1.2003 – VIII ZR 244/02, MDR 2003, 562 = NJW 2003, 1246. 4 MünchKomm/Bieber, § 537 BGB Rz. 15. 5 Heile, ZMR 1990, 249 (251). 6 OLG Hamm v. 6.4.1983 – 4 REMiet 13/82, MDR 1983, 842 = FamRZ 1983, 1117 = NJW 1983, 1564. 7 LG Flensburg v. 24.9.2002 – 1 S 29/02, WuM 2007, 287. 8 BGH v. 27.11.1969 – VIII ZR 259/67, MDR 1970, 320 f.; LG Hannover v. 26.7.1977 – 8/11 S 8/75, WM 1977, 223; LG Saarbrücken v. 17.2.1995 – 13 B S 218/94, WM 1995, 313. 9 Bub/Treier/Heile, II Rz. 825. 10 BGH v. 8.4.1963 – VIII ZR 219/61, NJW 1963, 1299; OLG München v. 8.9.1995 – 21 U 6375/94, ZMR 1995, 579. 11 BGH v. 21.2.2012 – VIII ZR 117/11, WuM 2012, 371. 12 OLG Frankfurt v. 31.5.2000 – 9 U 71/99, ZMR 2000, 607 = MDR 2000, 1005. 13 LG Oldenburg v. 24.5.1996 – 13 S 150/96, WuM 1997, 491. 14 BGH v. 24.5.1976 – VIII ZR 301/74, ZMR 1977, 107; OLG Koblenz v. 27.9.2001 – 5 U 467/01, DWW 2002, 127.

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ist der Verfasser der Auffassung, dass jedenfalls bei einer unechten Ersatzmieterklausel und dem überragenden berechtigten Interesse des Mieters der Vermieter z.B. eine Erhöhung der Miete oder der Kaution, eine verbesserte (= wirksame) Renovierungsklausel, geänderte Betriebskostenregelungen oder die Zustimmung zu einer Modernisierungsmaßnahme verlangen kann1. Dafür spricht bereits die Vertragsfreiheit2. Auf keinen Fall muss sich der Vermieter aber auf den Wunsch des Ersatzmieters nach Änderung der Vertragsbedingungen einlassen. C. Gewerberaummiete I. Geltung der Grundsätze der Wohnraummiete 1. Mietzahlungspflicht 47 Die Verteilung des Verwendungsrisikos ist in der Gewerberaummiete nicht unterschiedlich. Deshalb muss auch hier der Mieter die Miete weiterzahlen, selbst wenn die Nutzung wegen behördlicher Verbote behindert ist. Dies gilt jedenfalls solange, wie die Betriebshindernisse aus der Person des Mieters oder seinem Betrieb resultieren. Erst recht liegt kein ausreichendes Gebrauchshindernis vor, wenn die Behörde dem Mieter wegen persönlicher Unzuverlässigkeit die Konzession oder Betriebserlaubnis entzieht. 48 Dem ist eine Gesetzesänderung gleichzusetzen, wenn sie ausschließlich an den Betrieb des Mieters geknüpft ist. Deshalb kann der Mieter nicht die Zahlung verweigern, weil z.B. infolge eines geänderten Nichtraucherschutzes gesetzliche Vorschriften für den Betrieb einer Gaststätte geändert werden. Solange der Zustand der Mietsache konzessionsfähig ist, trägt der Mieter das Risiko der Verwendung3. 2. § 537 Abs. 2 BGB 49 Auch die einschränkende Anwendung des § 537 Abs. 2 BGB bei Vertragsuntreue des Mieters ist grundsätzlich bei Gewerberaummiete anwendbar. Im Hinblick auf eine bestehende Betriebspflicht (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 1103 ff.) kann der (vertragsuntreue) Mieter sogar zur Weiterzahlung der Miete verpflichtet sein, obwohl der Vermieter die Mietsache unentgeltlich einem Dritten überlassen hat4. Dies kann sich z.B. daraus ergeben, dass der Schaden des Vermieters ansonsten gerade wegen der zusätzlichen Verletzung der Betriebspflicht höher ausfallen würde. II. Ersatzmieterstellung 50 Auch in der Gewerberaummiete ist der Vermieter nicht ohne Weiteres verpflichtet, einen Nachmieter zu akzeptieren5. Ohne eine Vereinbarung, dass der Vermieter einen vom Mieter angebotenen geeigneten Nachmieter akzeptieren und den Mieter aus dem Vertrag entlassen müsse, ist der Vermieter ebenso grundsätzlich nicht verpflichtet, mit einem vom Mieter angebotenen Nachmieter zu kontrahieren, so dass er ihn auch folgenlos ablehnen kann6. 51 Ausnahmsweise kann der Vermieter auch bei Gewerberaummiete im Einzelfall verpflichtet sein, einen vom Mieter angebotenen Nachmieter zu akzeptieren und den Mieter aus dem Vertrag zu entlassen, wenn die gegenseitige Interessenabwägung dies nach § 242 BGB geboten erscheinen lässt. Dazu muss das Festhalten an dem Vertrag für den Mieter eine gewisse Härte bedeuten und der Abschluss des Vertrages mit

1 Lützenkirchen, AHB Mietrecht, C Rz. 265. 2 Vgl. auch OLG Zweibrücken v. 11.7.1996 – 3 W-RE 81/96, WuM 1998, 147. 3 OLG Koblenz v. 18.11.2009 – 1 U 579/09, MDR 2010, 501 = NZM 2010, 83; vgl. zu Ausnahmen vom Rauchverbot z.B. OLG Koblenz v. 27.1.2010 – 2 SsBs 120/09, NZM 2010, 202. 4 BGH v. 19.12.2007 – XII ZR 13/06, NJW 2008, 1148 = ZMR 2008, 278 = MDR 2008, 442. 5 OLG Naumburg v. 18.6.2002 – 9 U 8/02, WuM 2002, 537; OLG Hamburg v. 17.12.1986 – 4 U 215/85, MDR 1987, 325 = ZMR 1987, 93; OLG Hamburg v. 18.2.1987 – 4 U 22/87, DWW 1987, 98. 6 OLG Rostock v. 14.1.2010 – 3 U 50/09, MDR 2010, 1045; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 595.

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dem gestellten Ersatz- bzw. Nachmieter für den Vermieter akzeptabel sein1. Allerdings wird sich dies regelmäßig auf wenige Ausnahmefälle beschränken, weil der Mieter das Ertragsrisiko des Mietverhältnisses trägt2 und es hierfür nicht ausreicht, wenn sich nur das wirtschaftliche Risiko des Mieters realisiert3. Das Gleiche gilt für gesundheitliche Gründe4. Bei der Abwägung ist auch zu berücksichtigen, ob der Mieter die Ursachen selbst oder bewusst gesetzt hat5.

§ 538 Abnutzung der Mietsache durch vertragsgemäßen Gebrauch Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt werden, hat der Mieter nicht zu vertreten. Inhalt A. I. II. 1. 2. III.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Abweichende Vereinbarungen .

. . . . . .

1 1 2 2 3 4

Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragsgemäßer Gebrauch . . . . . . . . Zulässige Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . Einräumung des vertragsgemäßen Gebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Haftung des Mieters für vertragsgemäßen Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftungsbeschränkung durch Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 7 8 9

B. I. 1. 2. 3.

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

12 14 17 24

IV. Darlegungs- und Beweislast . . . 1. Umkehr der Beweislast . . . . . . . 2. Übergabeprotokoll . . . . . . . . . . a) Bei Vertragsbeginn . . . . . . . . b) Bei Vertragsende. . . . . . . . . . 3. Konkurrierende Ansprüche . . . 4. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Brandschaden . . . . . . . . . . . . b) Rohrverstopfung . . . . . . . . . . c) Gasetagenheizung . . . . . . . . d) Frostschaden . . . . . . . . . . . . e) Feuchtigkeit und Schimmel .

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

29 29 34 34 38 40 41 41 44 46 47 48

C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . I. Zulässige Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einräumung des vertragsgemäßen Gebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49 49 51 55

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Vorschrift spricht in materiell-rechtlicher Hinsicht eigentlich eine Selbstver- 1 ständlichkeit aus: Der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ist, weil er Zweck des Mietvertrags (§ 535 Abs. 1 BGB) und damit erlaubt ist, rechtmäßig. Die daraus resultierenden Veränderungen und Verschlechterungen beruhen mithin auf rechtmäßigem Handeln des Mieters. Rechtmäßiges Handeln kann aber nicht schuldhaft i.S.d. § 276

1 Vgl. OLG Düsseldorf v. 14.7.1994 – 10 U 174/93, WuM 1994, 469 f.; OLG Hamburg v. 17.12.1986 – 4 U 215/85, MDR 1987, 325 = ZMR 1987, 93 f.; Bub/Treier/Heile, II Rz. 830 f.; Fritz, NJW 1996, 2068 (2070 f.). 2 Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 537 BGB Rz. 42. 3 Palandt/Weidenkaff, § 537 BGB Rz. 10. 4 OLG Düsseldorf v. 6.6.2000 – 24 U 186/99, WuM 2002, 94 = ZMR 2001, 106 = MDR 2001, 83. 5 OLG München v. 8.9.1995 – 21 U 6375/94, ZMR 1995, 579; OLG München v. 18.11.1994 – 21 U 3072/94, ZMR 1995, 156; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 595.

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BGB sein. Denn Verschulden setzt notwendig Rechtswidrigkeit voraus1. Ihre besondere Bedeutung hat diese Bestimmung für die Darlegungs- und Beweislast (vgl. § 538 BGB Rz. 29 ff.). II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 2 Anwendbar ist die Vorschrift als Teil der allgemeinen mietrechtlichen Bestimmungen auf alle Mietverhältnisse und über § 581 Abs. 2 BGB entsprechend auch auf Pachtverhältnisse. 2. Anwendbare Rechtsprechung 3 Durch die mit Wirkung zum 1.9.2001 eingeführte Vorschrift des § 538 BGB haben sich keine Änderungen gegenüber der früheren Rechtslage ergeben. Die Vorschrift wurde textlich unverändert aus dem bis zum 1.9.2001 geltenden § 548 BGB a.F. übernommen2. Dementsprechend ist die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1.9.2001 ohne Einschränkung anwendbar. III. Abweichende Vereinbarungen 4 § 538 BGB ist nach allgemeiner Meinung in den Grenzen der §§ 134, 138, 307 f. BGB grundsätzlich abdingbar3. Zu den besonders bedeutsamen Abänderungen gehört die Überbürdung der Instandhaltungs- und Instandsetzungspflichten (vgl. § 535 BGB Rz. 526 ff.) einschließlich der Schönheitsreparaturen (vgl. § 535 BGB Rz. 540 ff.) auf den Mieter4. 5 Bei der Klausel „Rückgabe der Mietsache in demselben Zustand wie übernommen“ handelt es sich um eine Leerformel, die nicht mehr besagt, als dass die Mietsache im vertragsgemäßen Zustand zurückzugeben ist. Aus vertragsgemäßem Gebrauch resultierende Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache und deren Beseitigungskosten werden dadurch nicht auf den Mieter abgewälzt5. 6 Eine formularvertragliche Abwälzung der Haftung für Zufallsschäden auf den Mieter ist wegen § 307 BGB unwirksam, und zwar auch in einem Gewerberaummietvertrag6. Eine entsprechende individualvertragliche Vereinbarung verstößt jedenfalls im Bereich der Wohnraummiete gegen § 138 BGB7. B. Wohnraummiete I. Vertragsgemäßer Gebrauch 7 Nach § 535 Abs. 1 BGB hat der Vermieter dem Mieter die Mietsache in einem zum „vertragsgemäßen“ Gebrauch geeignetem Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Der Begriff des vertragsgemäßen Gebrauchs stellt das zentrale Kriterium des Mietrechts dar. Wenn das Gesetz für die Nutzungsrechte des Mieters von dem Gebrauch ausgeht, der dem Vertrag gemäß ist, so folgt daraus, dass es sich hierbei nicht um ein objektives Kriterium handelt.

1 Palandt/Grüneberg, § 276 BGB Rz. 8. 2 Begründung des Referentenentwurfs, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1141. 3 Vgl. Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 8; Blank/Börstinghaus, § 538 BGB Rz. 35; Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 538 BGB Rz. 7. 4 Erman/Lützenkirchen, § 538 BGB Rz. 3. 5 OLG München v. 17.9.1986 – 21 U 5063/85, DWW 1987, 125; Palandt/Weidenkaff, § 538 BGB Rz. 2; a.A. Bub/Treier/Scheuer, V A Rz. 203. 6 BGH v. 5.10.2005 – VIII ZR 16/05, MDR 2006, 378 = NJW 2006, 47; BGH v. 1.4.1992 – XII ZR 100/91, MDR 1992, 643 = WuM 1994, 191; OLG Brandenburg v. 12.5.2004 – 7 U 165/03, NZM 2004, 905; KG v. 26.1.2006 – 8 U 128/05, NZM 2007, 41. 7 Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 12.

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1. Zulässige Nutzung Zunächst wird durch die Bestimmung, welche Nutzung nach dem Vertrag zulässig 8 sein soll, festgelegt, wie bzw. zu welchem Zweck der Mieter die Räume nutzen darf. Dies ist bei einem „Wohnraummietvertrag“ unproblematisch. Die Räumlichkeiten werden zu Wohnzwecken überlassen. Der Begriff der Wohnnutzung umfasst alle Tätigkeiten, die regelmäßig in Privaträumlichkeiten entfaltet werden. Auch die Einrichtung eines Arbeitszimmers fällt noch hierunter. Zur zulässigen Nutzung von Gewerberäumlichkeiten (vgl. § 538 BGB Rz. 49). 2. Nutzungsänderung Eine Nutzungsänderung liegt vor, wenn die Nutzung nicht mehr den vertraglichen Absprachen entspricht. Dies ist im Rahmen eines Wohnraummietvertrages insbesondere dann der Fall, wenn der Mieter die Räume ganz oder teilweise zu gewerblichen Zwecken nutzt.

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Ohne besondere vertragliche Abrede ist der Vermieter grundsätzlich nicht verpflich- 10 tet, an einer Nutzungsänderung mitzuwirken. Etwas anders kann sich nur aus den Grundsätzen ergeben, die der Vermieter bei der Zustimmung zur Untervermietung (vgl. § 553 BGB Rz. 15 ff.) oder beim Eintritt eines Ersatzmieters (vgl. § 537 BGB Rz. 32 ff.) zu beachten hat1. Dazu muss ein dringendes und überwiegendes Interesse des Mieters vorliegen. Jede nicht durch das Vertragswerk abgedeckte Nutzungsänderung begründet gene- 11 rell einen vertragswidrigen Gebrauch mit den möglichen Sanktionen durch die §§ 541, 543, 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. 3. Einräumung des vertragsgemäßen Gebrauchs Im Hinblick auf die Überlassungspflicht (= Kardinalpflicht) kann der Vermieter 12 grundsätzlich das Risiko, ob die vertraglich vereinbarte Nutzung in den Räumen überhaupt stattfinden kann und darf, nicht auf den Mieter abwälzen. Deshalb ist die formularmäßige Freizeichnungsklausel, wonach der Vermieter keine Gewähr dafür leistet, dass die Wohnräume den behördlichen Vorschriften entsprechen und/oder der Mieter behördliche Auflagen auf seine Kosten zu erfüllen hat, unwirksam, weil sie auch den baulichen Zustand der Räume erfasst2. Mit der Vertragsunterzeichnung übernimmt der Vermieter auch die Haftung dafür, 13 dass die Nutzung tatsächlich stattfinden kann. Ist dies nicht der Fall, stehen dem Mieter die gesetzlichen Gewährleistungsrechte zu, insbesondere die verschuldensunabhängige Haftung des § 536a Abs. 1 Alt. 1 BGB. Auch eine (fristlose) Kündigung kommt u.U. in Betracht (vgl. § 543 BGB Rz. 175 ff.). 4. Haftung des Mieters für vertragsgemäßen Gebrauch Gemäß § 538 BGB hat der Mieter Veränderungen oder Verschlechterungen der Miet- 14 sache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch entstehen, nicht zu vertreten. Er schuldet demnach keinen Schadensersatz für die mit der Nutzung verbundene Abnutzung. Diese ist durch den Vertrag gedeckt und mit der Miete abgegolten3. Fehlt es z.B. an einer wirksamen Abwälzung der laufenden Schönheitsreparaturen auf den Mieter, kann der Vermieter von diesem keinen Schadensersatz wegen der infolge der Wohnnutzung eingetretenen Abnutzung von Tapeten, Bodenbelägen usw. verlangen, sofern diese Folge einer üblichen Wohnnutzung ist (zu Schönheitsreparaturen im Einzelnen vgl. § 535 BGB Rz. 540 ff.).

1 KG Berlin v. 11.10.2007 – 8 U 34/07, MietRB 2008, 203 = NZM 2008, 287; OLG München v. 18.10.2002 – 21 U 2900/02, NZM 2003, 23. 2 Vgl. OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 20/01, ZMR 2003, 21 (22); LG Berlin v. 28.8.2001 – 64 S 107/01, NZM 2002, 787 m.w.N. 3 BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, NZM 2002, 913; Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 1.

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16 Weitere Beispiele für vertragsgemäßen Gebrauch (vgl. auch § 541 BGB Rz. 85 ff.): – unvermeidbarer Ölverlust eines Pkw auf einem Stellplatz1; – Rollstuhlspuren auf dem Parkett2; – normale Abnutzungsspuren an den Böden des Mietobjekts3, auch durch Pfennigabsätze, jedenfalls sofern dies den jeweiligen modischen Gepflogenheiten entspricht4; – Rohrverstopfungen durch normalen langjährigen Gebrauch (vgl. aber auch § 535 BGB Rz. 44)5; – Rauchen in der Wohnung, selbst starkes, übermäßiges Rauchen, es sei denn, hierdurch werden Verschlechterungen des Mietobjekts verursacht, die nicht mehr durch normale Schönheitsreparaturen beseitigt werden können, sondern besonderer Reparaturmaßnahmen bedürfen6. Strittig ist, ob etwas anderes gilt, wenn andere Mieter durch Rauch belästigt werden (vgl. insgesamt zu dieser Thematik auch § 535 BGB Rz. 554)7; – Anbringen von Dübeln, Haken und Schrauben im üblichen Umfang, gegebenenfalls mit Durchbohrung von Fliesen8; – Verlegen eines Teppichbodens auf einen bereits vorhandenen Bodenbelag9. Zur Abwälzung von Reinigungs- und Erneuerungspflichten auf den Mieter vgl. § 535 BGB Rz. 444. II. Haftungsbeschränkung durch Versicherung 17 Das Haftungsrisiko des Mieters oder Pächters wird in eine reine Sachversicherung des Vermieters (z.B. Leitungswasser- oder Feuerversicherung) grundsätzlich nicht einbezogen. Der Mieter oder Pächter ist weder in der Leitungswasserversicherung10 noch in der Feuerversicherung11 des Vermieters mitversichert12. 18 Eine ergänzende Vertragsauslegung ergibt aber einen konkludenten Regressverzicht des Gebäudeversicherers für die Fälle, in denen der Mieter einen abgedeckten Schaden (z.B. Brandschaden) durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat, und zwar unabhängig davon, ob der Mieter haftpflichtversichert ist oder nicht13. Besteht eine solche Haftpflichtversicherung, ist der Regressverzicht gegenüber dieser nicht subsidiär. Vielmehr kommen in dieser Konstellation die Grundsätze über die Doppelver-

1 LG Mannheim v. 28.2.1974 – 12 S 92/73, WuM 1975, 33. 2 AG Leipzig v. 13.5.2004 – 167 C 12622/03, NJW-RR 2004, 1378. 3 OGL Düsseldorf v. 8.5.2008 – I-10 U 8/08, GE 2008, 731; OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 – I-10 U 46/03, WuM 2003, 621. 4 OLG Karlsruhe v. 26.9.1996 – 11 U 13/96, NJW-RR 1997, 139; LG Mannheim v. 8.3.1968 – 5 S 126/67, ZMR 1969, 16; a.A. LG Mannheim v. 14.6.1973 – 12 S 9/72, MDR 1974, 319. 5 AG Ravensburg v. 23.2.2005 – 9 C 1470/04, NZM 2005, 538. 6 BGH v. 28.6.2006 – VIII ZR 124/05, MDR 2007, 205 = WuM 2006, 513; OLG Düsseldorf v. 1.10.2009 – I-10 U 58/09, ZMR 2010, 356; LG Köln v. 10.1.1991 – 1 S 307/90, NJW-RR 1991, 1162; LG Berlin v. 3.3.2009 – 63 S 470/08, GE 2009, 781; AG Esslingen v. 12.11.2004 – 1 C 254/04, ZMR 2005, 199; Paschke, NZM 2008, 265. 7 Vgl. LG Berlin v. 3.3.2009 – 63 S 470/08, GE 2009, 781. 8 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = NJW 1993, 1061; OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56; LG Hamburg v. 30.11.2006 – 333 S 10/06, WuM 2007, 194; AG Rheinbach v. 7.4.2005 – 3 C 199/04, NZM 2005, 822. 9 LG Mannheim v. 16.5.1974 – 12 S 103/73, WuM 1976, 49; Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 5. 10 BGH v. 23.1.1991 – IV ZR 284/89, MDR 1991, 604 = ZMR 1991, 168. 11 BGH v. 18.12.1991 – IV ZR 259/91, VersR 1992, 311. 12 BGH v. 13.12.1995 – VIII ZR 41/95, MDR 1996, 353 = NJW 1996, 715; OLG Hamm v. 15.4.1988 – 30 U 192/87, ZMR 1988, 300. 13 BGH v. 28.5.2008 – IV ZR 276/06, NZM 2008, 683; BGH v. 13.9.2006 – IV ZR 273/05, MDR 2007, 211 = NJW 2006, 3707; BGH v. 8.11.2000 – IV ZR 298/99, MDR 2001, 272 = NJW 2001, 1353; OLG Hamm v. 9.1.2002 – 20 U 58/01, NZM 2002, 503; OLG Düsseldorf v. 8.5.2008 – I-10 U 24/08, ZMR 2009, 276; vgl. ausführlich Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 9 ff.

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sicherung im Verhältnis des Gebäudeversicherers des Vermieters und des Haftpflichtversicherers des Mieters entsprechend zur Anwendung1. Eines Rückgriffs auf eine stillschweigende Beschränkung der Mieterhaftung durch 19 Vereinbarung mit dem Vermieter bei ausdrücklicher Übernahme der Versicherungskosten durch den Mieter bedarf es nach der neuen BGH-Rechtsprechung nicht mehr2. Während der BGH den Regressverzicht zunächst davon abhängig gemacht hatte, dass der Mieter die Kosten der Gebäudeversicherung anteilig mitträgt3, besteht nach der neueren Rechtsprechung des BGH ein konkludenter Regressverzicht in allen Fällen, in denen der Mieter einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat4, und zwar unabhängig davon, ob er die Versicherungsprämie ganz, anteilig oder überhaupt nicht trägt. Schließlich liegt es auch nicht im wirtschaftlichen Interesse des Vermieters, wenn das Vermögen seines Mieters mit Regressforderungen belastet wird, weil sich diese Belastungen auf die Mietzahlungen auswirken können5. Vertragswidriger Gebrauch schließt die Haftungseinschränkung grundsätzlich nicht 20 aus6. Der Mieter haftet im Falle der Haftungseinschränkung nur für das eigene grobe Verschulden, nicht über § 278 BGB für Fremdverschulden7. Diese Rechtsprechung ist auf die Hausratversicherung des Vermieters nicht über- 21 tragbar8. Sie gilt aber auch für die Pacht und die Leihe9. Der Regressverzicht des Gebäudeversicherers lässt die Schadensersatzansprüche 22 des Vermieters unberührt. Diesem gegenüber haftet der Mieter daher grundsätzlich auch bei einfacher Fahrlässigkeit. Allerdings geht der BGH von einer Nebenpflicht des Vermieters aus dem Mietverhältnis aus, den Mieter im Falle eines bestehenden Versicherungsschutzes nicht in Anspruch zu nehmen, wenn ein Regreß des Versicherers gegen den Mieter ausgeschlossen ist und der Vermieter nicht ausnahmsweise ein besonderes Interesse an einem Schadensausgleich durch den Mieter hat, z.B. weil eine Prämienerhöhung oder Vertragskündigung im Falle der Inanspruchnahme des Versicherers droht10. Die erschwerte Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber dem Versicherer wegen einer Obliegenheitsverletzung des Vermieters stellt aber noch kein legitimes Interesse an der Inanspruchnahme des Mieters dar11. Im Prozess kann der Mieter dem Schadensersatzanspruch die Unterlassungspflicht des Vermieters einredeweise entgegenhalten12. Der BGH hingegen nimmt eine Schadensersatzpflicht des Vermieters wegen der Verletzung einer Nebenpflicht an13.

1 BGH v. 13.9.2006 – IV ZR 273/05, MDR 2007, 211 = NJW 2006, 3707; Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 10. 2 So noch BGH v. 26.1.2000 – XII ZR 204/97, NZM 2000, 688; BGH v. 13.12.1995 – VIII ZR 41/95, MDR 1996, 353 = NJW 1996, 715. Vgl zum Ganzen Prölls, ZMR 2001, 157; BGH v. 19.10.1995 – IX ZR 82/94, MDR 1996, 356 = NJW 1996, 321 (323); Jendrek, NZM 2003, 697. 3 BGH v. 26.1.2000 – XII ZR 204/97, NJW-RR 2000, 1110. 4 BGH v. 8.11.2000 – IV ZR 298/99, MDR 2001, 272 = NJW 2001, 1353; BGH v. 14.2.2001 – VIII ZR 292/98, VersR 2001, 856; OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 137/01, WuM 2002, 489. 5 BGH v. 8.11.2000 – IV ZR 298/99, MDR 2001, 272 = NJW 2001, 1353. 6 OLG Düsseldorf v. 20.3.1997 – 24 U 102/94, NZM 1998, 728. 7 Celle v. 19.3.1998 – 2 U 184/96, NZM 1998, 731. 8 BGH v. 13.9.2006 – IV ZR 26/04, MDR 2007, 214 = NJW 2006, 3714; zu den Auswirkungen einer Inanspruchnahme des Mieters durch den Vermieter s. BGH v. 3.11.2004 – VIII ZR 28/04, NZM 2005, 100 m. Anm. Prölls, ZMR 2005, 241 ff. und Jendrek, BGH-Report 2005, 352. 9 BGH v. 13.9.2006 – IV ZR 116/05, WuM 2006, 624. 10 BGH v. 10.11.2006 – V ZR 62/06, NZM 2007, 88; BGH v. 3.11.2004 – VIII ZR 28/04, MDR 2005, 386 = MietRB 2005, 65 = WuM 2005, 57; LG Frankfurt v. 30.5.2006 – 2-11 S 283/04, ZMR 2006, 776. 11 BGH v. 10.11.2006 – V ZR 62/06, NZM 2007, 88. 12 Prölls, ZMR 2005, 241. 13 BGH v. 10.11.2006 – V ZR 62/06, NZM 2007, 88; Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 10a.

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23 Beispiele für grobe Fahrlässigkeit: – Der Mieter lässt Waschmaschine längere Zeit unbeaufsichtigt laufen1. – Unvorsichtiger Umgang mit Propangasflaschen2. – Längeres Abstellen von Heizkörpern während Frostperiode, so dass diese einfrieren3. – Schäden wegen nicht rechtzeitigem Absperren der Wasserzufuhr. – Unfachmännische Rohrreinigung, die zu einem Wasserschaden führt4. – Verlassen der Wohnung, ohne den Herd abzustellen5, wobei auch ein „Augenblicksversagen“ zu berücksichtigen sein kann6. 23a Die Rechtsprechung zum Regressverzicht des Gebäudeversicherers bei einfacher Fahrlässigkeit des Mieters im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung7 kann nicht auf die Haftung der Vermieters übertragen werden. Verursacht dieser leicht fahrlässig einen Brand, ist der Versicherer des Mieters (z.B. wenn eine Feuer-, Einbruch-, Diebstahl- und Leitungswasserversicherung abgeschlossen wurde) nicht an einer Geltendmachung des regulierten Schadens aus übergegangenem Recht gehindert, selbst wenn den Vermieter nur leichte Fahrlässigkeit trifft8. III. Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs 24 Die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs werden im Mietvertrag durch den Vertragszweck festgelegt (vgl. § 535 BGB Rz. 1015 ff.)9. Bei einem Wohnraummietvertrag ist nur eine Wohnraumnutzung zulässig, es sei denn, es wurde auch eine (teil-)gewerbliche Nutzung geregelt (insoweit kann auf die Ausführungen unter § 538 BGB Rz. 49 ff. verwiesen werden). 25 Überschreitet der Mieter die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs (handelt er rechtswidrig (vgl. § 541 BGB Rz. 37). Der Vermieter kann dann nach Abmahnung Unterlassung verlangen (§ 541 BGB), u.U. nach §§ 543, 569 Abs. 2 BGB fristlos kündigen und darüber hinaus bei Verschulden des Mieters (§§ 276, 278 BGB) wegen der nicht auf vertragsgemäßem Gebrauch beruhenden Abnutzungen Schadensersatz nach § 280 BGB (gegebenenfalls auch nach § 823 BGB) verlangen. Dieser Schadensersatzanspruch ist sofort fällig10, und zwar sowohl in Form der Naturalrestitution als auch in Form von Geldersatz11. 26 Erfüllungsgehilfen des Mieters, für die er gemäß § 278 BGB haftet, sind sämtliche Personen, die auf seine Veranlassung oder mit seinem Willen die Mietsache – einschließlich der zur Mitbenutzung bestimmten Räume – benutzen oder mit ihr sonst in Beziehung kommen (Näheres § 535 BGB Rz. 968)12. Erfasst werden sowohl die Fa-

1 OLG Hamm v. 27.3.1984 – 27 U 433/83, MDR 1984, 668 = NJW 1985, 332; LG München I v. 24.2.1994 – 24 O 22468/93, ZMR 1994, 478; AG Germersheim v. 27.4.1995 – 2 C 727/94, ZMR 1996, 92. 2 OLG Hamm v. 10.3.1992 – 7 U 148/91, NJW-RR 1992, 906. 3 AG Köln v. 6.10.1976 – 152 C 185/76, WuM 1985, 258. 4 AG Gießen v. 21.6.2007 – 48-M C 141/07, NJW-RR 2008, 392. 5 OLG Düsseldorf v. 10.12.2009 – 10 U 88/09, NJW-RR 2010, 695. 6 Hierzu vgl. BGH v. 8.7.1992 – IV ZR 223/91, MDR 1992, 945 = NJW 1992, 2418; OLG Köln v. 25.10.1995 – 13 U 42/95, VersR 1996, 1491. 7 Vgl. z.B. BGH v. 2.11.2004 – VIII ZR 28/04, NZM 2005, 100; BGH v. 12.12.2001 – XII ZR 153/99, NJW-RR 2002, 1243. 8 BGH v. 12.12.2012 – XII ZR 6/12, zitiert nach juris. 9 Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 2. 10 OLG Saarbrücken v. 3.4.1996 – 1 U 581/95-93, NJW-RR 1997, 248. 11 AG Köln v. 13.12.1990 – 210 C 352/90, WuM 1991, 679; a.A. LG Berlin v. 23.9.1994 – 63 S 178/94, ZMR 1995, 258. 12 BGH v. 21.5.2010 – V ZR 244/09, MDR 2010, 1044 = NJW 2010, 2341; OLG München v. 12.1.1989 – 29 U 2366/88, NJW-RR 1989, 1499; Erman/Lützenkirchen, § 538 BGB Rz. 2.

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milienmitglieder als auch die Mitarbeiter des Mieters sowie beauftragte Handwerker1 und etwaige Lieferanten, aber auch der Untermieter, vgl. § 540 Abs. 2 BGB. Keine Erfüllungsgehilfen sind hingegen ungebetene Gäste2, wie z.B. die getrennt le- 27 bende Ehefrau, die sich unerlaubt Zugang zum Mietobjekt verschafft3. Auch durch den Vermieter beauftragte Personen sind keine Erfüllungsgehilfen des Mieters4. Formularvertraglich kann die Haftung des Mieters auch nicht auf das Verschulden solcher Personen, die keine Erfüllungsgehilfen sind, ausgedehnt werden5, auch nicht auf Schäden, welche von Erfüllungsgehilfen lediglich anlässlich ihrer Tätigkeit verursacht wurden6. Inhaltlich richtet sich der Schadensersatzanspruch des Vermieters nach den §§ 249 ff. BGB. Er kann daher auch die Kosten der Beweissicherung, z.B. die Kosten eines Privatgutachtens7, und die Erstattung des entgangenen Gewinns geltend machen, § 252 BGB.

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IV. Darlegungs- und Beweislast 1. Umkehr der Beweislast Zur Darlegungs- und Beweislast ist von dem Grundsatz auszugehen, dass der Anspruchsteller die Voraussetzungen des von ihm geltend gemachten Anspruchs darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat.

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Allerdings findet sowohl nach § 538 BGB als auch nach den Regeln über die pVV bzw. 30 § 280 BGB unter bestimmten Voraussetzungen nicht nur hinsichtlich des Verschuldens, sondern auch bezüglich der objektiven Pflichtverletzung eine Umkehr der Beweislast statt8. Dazu ist erforderlich, dass der Schaden im Obhutsbereich des Nutzungsberechtigten durch Mietgebrauch entstanden ist. Kommt nur eine – wenn auch gegebenenfalls unbekannte – Schadensursache aus der Sphäre des Mieters in Betracht, entfällt die Nachweispflicht des Vermieters von vornherein. Der Mieter muss sich entlasten9. Lässt sich dagegen nicht ausschließen, dass der Schadenseintritt vom Mieter in kei- 31 ner Weise veranlasst oder beeinflusst worden ist, bleibt es bei der Beweislast des Vermieters10. Der Vermieter muss danach insbesondere nachweisen, dass die Schadensursache nicht aus seinem Verantwortungsbereich und auch nicht aus dem Verhalten eines Dritten (z.B. einem anderen Mieter) herrührt. Steht fest, dass die Schaden stiftende Handlung in dem durch den Mietgebrauch begrenzten Bereich stattgefunden hat, ist eine Beweislastverteilung zum Nachteil des Mieters gerechtfertigt11. Dazu muss der Vermieter ausräumen, dass eine in seinem Risiko- und Verantwortungsbereich liegende Schadensursache in Betracht kommt12. Dies bedarf regelmäßig einer sorgfältigen Analyse, die nicht nur alle in Betracht kommenden Schadensursachen erfasst, sondern z.B. auch das Schadensbild. 1 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = NJW 1991, 1750; OLG Hamburg v. 10.4.1991 – 5 U 135/90, WuM 1991, 385; vgl. OLG Düsseldorf v. 18.2.1988 – 10 U 137/87, ZMR 1988, 222. 2 OLG Hamburg v. 10.4.1991 – 5 U 135/90, WuM 1991, 385; OLG Hamburg v. 29.6.1990 – 324 O 75/90, WuM 1990, 416. 3 AG Frankfurt v. 24.9.1987 – 33 C 1885/87-29, WuM 1988, 12. 4 Vgl. KG v. 26.4.1976 – 8 U 1871/74, ZMR 1976, 204. 5 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = NJW 1991, 1750; OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103. 6 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = NJW 1991, 1750. 7 AG Ratingen v. 3.6.1994 – 8 C 256/94, ZMR 1994, 519. 8 Erman/Lützenkirchen, § 538 BGB Rz. 4. 9 BGH v. 13.12.1990 – III ZR 336/89, NJW-RR 1991, 575; OLG Hamm v. 15.4.1988 – 30 U 192/87, ZMR 1988, 300. 10 OLG Hamm v. 15.4.1988 – 30 U 192/87, ZMR 1988, 300; OLG Karlsruhe v. 9.8.1984 – 3 REMiet 6/84, NJW 1985, 142; z.B. Spannungsriss in Glasscheibe: AG Münster v. 16.1.2008 – 48 C 881/07, WuM 2010, 415. 11 OLG München v. 12.1.1989 – 29 U 2366/88, NJW-RR 1989, 1499 (1501). 12 BGH v. 18.5.1994 – XII ZR 188/92, MDR 1994, 911 = WuM 1994, 466.

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32 Sind sämtliche Ursachen, die in den Obhuts- und Verantwortungsbereich des Vermieters fallen, ausgeräumt, trägt der Mieter die Beweislast dafür, dass er den Schaden nicht zu vertreten hat1 bzw. dessen Ursache nicht in seinem Gefahrenbereich liegt2. Zu weit geht jedoch die Auffassung, dass der Mieter zu seiner Entlastung nachweisen müsse, dass die Schadensursache dem Verantwortungsbereich des Vermieters zuzuordnen ist3. 33 Eine von der zuvor dargestellten Beweisregel abweichende Formularklausel, wonach die Mieter für die Verstopfung von Abflussleitungen haften, deren Ursache nicht festgestellt werden kann, ist bei einem Wohnraummietverhältnis wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 12 BGB unwirksam4. Dem Mieter kann auch nicht die Beweislast für Räume oder Einrichtungsgegenstände, die Dritten zugänglich sind, wie z.B. Briefkästen, formularvertraglich auferlegt werden5. Im Bereich der Gewerberaummiete dürfte zumindest eine generelle Beweislastumkehr unzulässig sein6. 2. Übergabeprotokoll a) Bei Vertragsbeginn 34 Eine Umkehr der Beweislast erfolgt nur dann, wenn feststeht, dass der Schaden aus der Verantwortungssphäre des Mieters herrührt. Ist dies nicht offensichtlich, muss der Vermieter im Streitfall zumindest nachweisen, dass der – von ihm ebenfalls zu beweisende – Schaden bei Vertragsbeginn bzw. Übergabe des Mietobjekts noch nicht existent war7. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich die Anfertigung eines Übergabeprotokolls. 35 Werden in dem Übergabeprotokoll keine Schäden aufgeführt, obliegt dem Mieter wegen der für das Protokoll sprechenden Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der abgegebenen Erklärungen die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Beschädigung bereits zu Vertragsbeginn8. Hierzu gehört auch eine nachvollziehbare Erläuterung, aus welchem Grunde die Beschädigung nicht bereits im Übergabeprotokoll vermerkt wurde. 36 Nach einer weit verbreiteten Auffassung soll die Vermutungswirkung eines Übergabeprotokolls betreffend die Übergabe an den Mieter zugunsten des Vermieters aber nur dann greifen, wenn dieses ähnlich spezifiziert und strukturiert ist wie ein Abnahmeprotokoll. Vermerke wie „keine Mängel“ alleine würden nicht genügen9. 36a Dem ist nicht zu folgen. Im Ergebnis ist nicht auf die Aufmachung oder Strukturierung eines Übergabeprotokolls, sondern den Inhalt der abgegebenen Erklärungen abzustellen. Bekundet der Mieter, dass keine Schäden vorliegen, ist unerheblich, ob dies auf einem „Bierdeckel“ oder in Form eines mehrseitigen Übergabeprotokolls erfolgt. Der Mieter hat bei Übergabe die Möglichkeit, das Mietobjekt gründlich zu überprüfen und Beanstandungen festzuhalten. Überdies ist er grundsätzlich nicht verpflichtet, ein Übergabeprotokoll zu unterzeichnen. Bestätigt er aber, dass keine Schäden vorhanden sind, muss er die von ihm selbst gesetzte Vermutung erschüttern. Darüber hinaus besteht keine Veranlassung, ein Übergabeprotokoll zu Vertrags-

1 BGH v. 3.11.2004 – VIII ZR 28/04, ZMR 2005, 116; BGH v. 10.11.2004 – XII ZR 71/01, ZMR 2005, 120; vgl. zur Unterbrechung der Stromzufuhr BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MDR 2011, 216 = MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 97 = GE 2011, 261 = NZM 2011, 198 = ZMR 2011, 371. 2 BGH v. 26.11.1997 – XII ZR 28/96, NZM 1998, 117; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 4. 3 LG Hildesheim v. 19.11.2004 – 7 S 220/04, WuM 2005, 717. 4 OLG Hamm v. 19.5.1982 – 4 REMiet 10/81, MDR 1982, 852 = NJW 1982, 2005; OLG Karlsruhe v. 9.8.1984 – 3 REMiet 6/84, NJW 1985, 142. 5 LG Berlin v. 7.7.2000 – 64 S 74/00, GE 2000, 1257. 6 Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 16. 7 OLG Stuttgart v. 22.9.1986 – 2 U 297/85, WuM 1987, 250; LG Baden-Baden v. 12.6.2007 – 5 S 19/06, MDR 2007, 1014. 8 OLG Düsseldorf v. 27.3.2003 – 10 U 64/02, MietRB 2004, 9 = NJW-RR 2004, 300. 9 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 408.

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§ 538 BGB

beginn rechtlich anders zu behandeln als ein Übergabeprotokoll bei Vertragsende (vgl. hierzu § 538 BGB Rz. 38 f.). Allgemeine Geschäftsbedingungen, in denen der Mieter den ordnungsgemäßen Zu- 37 stand bei Vertragsbeginn bestätigt, sind hingegen wegen § 309 Nr. 12b BGB unwirksam1. Dies gilt auch für Regelungen, nach denen der Mieter Mängel innerhalb einer bestimmten Frist rügen muss, da er das Mietobjekt andernfalls als vertragsgerecht anerkennt2. b) Bei Vertragsende Die Wirkung eines Übergabeprotokolls bei Mietvertragsende ist umstritten. Nach 38 einer älteren Entscheidung des BGH hat ein Übergabeprotokoll den Sinn und Zweck, den Zustand des Mietobjekts beweissicher festzuhalten3. Hiernach käme dem Übergabeprotokoll die Wirkung eines negativen Schuldanerkenntnisses gemäß § 397 Abs. 2 BGB zu, nach dem Vermieter gehindert wäre, den vertragsgerechten Zustand zu bestreiten4. Der Vermieter könnte keine Schadensersatzansprüche wegen nicht aufgeführter Schäden geltend machen. Nach der Gegenmeinung kommt auch dem Übergabeprotokoll bei Vertragsende lediglich die Funktion eines widerlegbaren Beweisanzeichens zu5. Zunächst einmal stellt ein Übergabeprotokoll die Beschreibung des Ist-Zustandes zu 39 einem bestimmten Zeitpunkt dar6. Welcher weitergehende Erklärungswert dem Protokoll beizumessen ist, kann nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall beurteilt werden. Ohne besondere Anhaltspunkte für eine abschließende Bindung der Parteien an das Übergabeprotokoll kann diesem – ebenso wie einem Protokoll bei Vertragsbeginn – nur eine Vermutungswirkung beigemessen werden. Nur dann, wenn deutlich wird, dass die Parteien mit dem Protokoll eine weitergehende Bindung eingehen wollten, kann ausnahmsweise ein negatives Schuldanerkenntnis angenommen werden7. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn ausdrücklich bestimmt wird, dass keine weiteren Mängel vorhanden sind, oder aufgenommen wird, dass die aufgeführten Mängel von dem Mieter zu beseitigen sind. Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass weitere Arbeiten von dem Mieter nicht durchgeführt werden sollen. 3. Konkurrierende Ansprüche Die Regelung des § 538 BGB ist nur für mietvertragliche, nicht jedoch für damit kon- 40 kurrierende deliktische Ansprüche maßgebend8. Zur Beweislast bei Schadensersatzansprüchen wegen bodenbelasteter Mietgrundstücke9. 4. Einzelfälle a) Brandschaden Die vorstehend beschriebene Beweislastverteilung gilt auch im Falle eines Brandes 41 im Mietobjekt, insbesondere auch bei dem Rückgriff des Feuerversicherers des als

1 OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 – I-10 U 46/03, WuM 2003, 621. 2 BGH v. 10.10.1991 – III ZR 141/90, NJW 1992, 575; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 409. 3 BGH v. 10.11.1982 – VIII ZR 252/81, MDR 1983, 394 = NJW 1983, 446. 4 So OLG Celle v. 16.7.1997 – 2 U 70/96, MDR 1998, 149 (für einen Leasingvertrag); KG v. 13.2.2003 – 8 U 371/01, GE 2003, 524 (525); LG Hamburg v. 15.10.1998 – 327 S 79/98, ZMR 1999, 405 (406); AG Wesel v. 4.11.1986 – 4 C 544/86, WuM 1987, 84; AG Münster v. 9.1.1990 – 4 C 720/89, WuM 1990, 201; Blank, PiG 52, 27, 43. 5 So OLG Düsseldorf v. 27.3.2003 – I-10 U 64/02, GE 2003, 1080; Emmerich, NZM 2000, 1155 (1162); Sternel, PiG 35, 111. 6 Vgl. LG Potsdam v. 26.2.1009 – 11 S 127/08, ZMR 2009, 761. 7 Vgl. AG Hamburg v. 20.2.2006 – 644 C 111/05, zitiert nach juris. 8 BGH v. 16.3.1988 – VIII ZR 184/87, MDR 1988, 668 = NJW 1988, 1778 (1781); Erman/Lützenkirchen, § 538 BGB Rz. 5. 9 BGH v. 27.4.1994 – XII ZR 16/93, NJW 1994, 1880.

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§ 538 BGB

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Vermieter fungierenden Eigentümers1, z.B. bei einem von einem Fernsehgerät ausgehenden Brand (vgl. insoweit auch § 538 BGB Rz. 18)2. 42 Die Darlegungs- und Beweislast für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit des Mieters obliegt dem Gebäudeversicherer, falls er den Mieter gemäß § 67 VVG aus vom Vermieter abgeleitetem Recht auf Ersatz der durch den Brand verursachten Schäden in Anspruch nimmt3, es sei denn, es steht fest, dass die Schadensursache aus dem Verantwortungsbereich des Mieters stammt. Dann greift auch insoweit eine Beweislastumkehr. 43 Beispiele für Beweislastumkehr: – Wohnungsbrand mit unklarer Ursache, der Brand ist aber in einem Raum entstanden, in dem ein Kleinkind unbeaufsichtigt gespielt hat4. – Brandherd liegt im Gastraum eines Restaurants und der Brand ist im nahen zeitlichen Zusammenhang mit dem Verlassen des Raums von Personal und Gästen entstanden5. b) Rohrverstopfung 44 Bei einer Verstopfung der WC-Abwasserleitung steht zunächst fest, dass diese durch den Mieter verursacht wurde, denn ohne die Toilettenbenutzung wäre es nicht zur Rohrverstopfung gekommen. Einzustehen hat der Mieter aber für den Mangel nur, wenn er ihn zu vertreten hätte. Was der Mieter zu vertreten hat, bestimmt sich nach § 538 BGB. Danach haben die Beklagten als Mieter nur für diejenigen Mängel einzustehen, die nicht durch vertragsgemäßen Gebrauch hervorgerufen worden sind. Dabei obliegt dem Vermieter im Rahmen des § 538 BGB jedenfalls bei solchen Mängeln, die sowohl durch vertragsgemäßen Gebrauch als auch auf Mängeln der Mietsubstanz beruhen können, die Beweislast dafür, dass der konkret aufgetretene Mangel nicht in seiner Sphäre liegt6. Kann er diese Möglichkeit nicht ausräumen, kommt eine Umkehr der Beweislast nicht in Betracht7. 45 Bei einer Rohrverstopfung muss zunächst der Vermieter darlegen und beweisen, dass die Schadensursache nicht in seinem Risiko- und Verantwortungsbereich liegt, also die Rohrverstopfung nicht auf Mängeln oder Schwachstellen der Bausubstanz beruht. Kann dies nach einer – gegebenenfalls sachverständigen – Überprüfung nicht ausgeschlossen werden, weil z.B. eine Rohrverkrümmung im Rohrsystem als mögliche Schadensursache festgestellt wird, geht dies zu Lasten des Vermieters8. c) Gasetagenheizung 46 Kommt als Ursache für den Defekt an einer Gasetagenheizung sowohl ein altersbedingter technischer Verschleiß als auch ein unsachgemäßer Gebrauch durch den Mieter in Betracht, muss zunächst der Vermieter darlegen und beweisen, dass ein technischer Verschleiß als Schadensursache ausscheidet. Nur dann findet eine Beweislastumkehr zu Lasten des Mieters statt, so dass sich dieser nunmehr hinsichtlich der Schadensverursachung entlasten muss. d) Frostschaden 47 Zu den Obhutspflichten des Mieters zählen auch Vorsichtsmaßnahmen gegen Schäden an der Heizungsanlage durch Frost. Sind Mieter länger abwesend, müssen sie 1 OLG Köln v. 22.6.1988 – 13 U 24/88, NJW-RR 1989, 597; OLG Hamm v. 15.4.1988 – 30 U 192/87, ZMR 1988, 300. 2 Erman/Lützenkirchen, § 538 BGB Rz. 6. 3 BGH v. 8.11.2000 – IV ZR 298/99, MDR 2001, 272 = NJW 2001, 1353; OLG Hamm v. 11.2.1998 – 30 U 167/97, NZM 1998, 682; Erman/Lützenkirchen, § 538 BGB Rz. 6. 4 LG Mannheim v. 8.3.1995 – 4 S 170/94, DWW 1995, 286. 5 OLG Hamm v. 4.10.1996 – 30 U 60/96, ZMR 1997, 21. 6 LG Düsseldorf v. 8.10.1991 – 24 S 82/91, WuM 1992, 187. 7 OLG Karlsruhe v. 9.8.1984 – 3 REMiet 6/84, ZMR 1984, 418; LG Kiel v. 30.1.1985 – 1 S 76/84, DWW 1986, 118. 8 LG Kiel v. 9.8.1990 – 1 S 136/89, NJW-RR 1991, 400.

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entweder den Vermieter informieren oder für eine ausreichende Kontrolle der Wohnung Sorge tragen1, wobei für den notwendigen Umfang der Sicherungsmaßnahmen auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist2. Allein der Umstand, dass es während der Ortsabwesenheit in der Wohnung des Mieters zu einem Frostschaden gekommen ist, genügt aber noch nicht für eine Beweislastumkehr, so dass sich der Mieter nun seinerseits entlasten muss. Es muss zumindest feststehen, dass der Frostschaden seinen Ursprung in der Wohnung des Mieters hat. Kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Heizung zunächst außerhalb der Mietwohnung, z.B. in einer anderen Wohnung, eingefroren ist oder aufgrund eines technischen Defekts nicht mehr funktionierte, verbleibt es dabei, dass der Vermieter die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen muss. Gelingt ihm dies nicht, geht dies zu seinen Lasten3. e) Feuchtigkeit und Schimmel Insoweit kann auf die Ausführungen zu § 536 BGB Rz. 116 ff. verwiesen werden.

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C. Gewerberaummiete I. Zulässige Nutzung Auch im Rahmen eines Gewerberaummietverhältnisses hängt die zulässige Nutzung 49 des Mietobjektes von den vertraglichen Vereinbarungen ab. Diese sind insoweit – in Hinblick auf die Vielzahl denkbarer unternehmerischer Tätigkeiten – von besonderer Bedeutung. Bei der Gewerberaummiete engt die vertragliche Festlegung des Nutzungszwecks 50 aber zunächst die unternehmerische Tätigkeit des Mieters ein. So wird z.B. durch die Erlaubnis zur Weitervermietung für ein Technologiezentrum der Betrieb eines CallCenters nicht gedeckt4. Von dem Nutzungszweck „Grillstube (Gaststätte)“ ist zwar der Betrieb einer Pizzeria gedeckt, nicht aber der eines Pizza-Taxi-Betriebes5. II. Einräumung des vertragsgemäßen Gebrauchs Im Hinblick auf die Überlassungspflicht (= Kardinalpflicht) kann der Vermieter 51 grundsätzlich das Risiko, ob die vertraglich vereinbarte Nutzung in den Räumen überhaupt stattfinden kann und darf, nicht auf den Mieter abwälzen. Deshalb ist die formularmäßige Freizeichnungsklausel, wonach der Vermieter keine Gewähr dafür leistet, dass die Geschäftsräume den behördlichen Vorschriften entsprechen und/ oder der Mieter behördliche Auflagen auf seine Kosten zu erfüllen hat, unwirksam, weil sie auch den baulichen Zustand der Räume erfasst6. Eine Beschränkung ist nur zulässig, soweit sie in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben7. Deshalb verstößt – jedenfalls gegenüber einem Nichtkaufmann – die Verwendung der Klausel „der Mieter übernimmt die Mieträume in dem vorhandenen und ihm bekannten Zustand nach eingehender Besichtigung (…) als vertragsgemäß, insbesondere als in jeder Hinsicht bezugsfertig und unbeschädigt mit folgenden Ausnahmen (…)“ gegen § 309 Nr. 13b BGB8.

51a

Mit der Vertragsunterzeichnung übernimmt der Vermieter auch die Haftung dafür, 52 dass die Nutzung tatsächlich stattfinden kann. Umso mehr ist – auch vom Vermieter – darauf zu achten, dass der im Vertrag über Gewerberäume formulierte Vertragszweck tatsächlich auch genehmigungsfähig ist, weil der Mieter sonst nach § 543 1 2 3 4 5 6

BGH v. 20.10.1971 – VIII ZR 164/70, NJW 1972, 34. BGH v. 9.10.1968 – VIII ZR 173/66, NJW 1969, 41. OLG Hamm v. 9.6.1995 – 12 U 9/95, WuM 1996, 470. OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – I-24 U 207/01, WuM 2003, 136 = ZMR 2003, 349. OLG Düsseldorf v. 29.5.2006 – 24 U 179/05, DWW 2007, 117. OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 20/01, ZMR 2003, 21 (22); LG Berlin v. 28.8.2001 – 64 S 107/01, NZM 2002, 787 m.w.N. 7 BGH v. 2.3.1994 – XII ZR 175/92, ZMR 1994, 253. 8 OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 – I-10 U 46/03, WuM 2003, 621.

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§ 539 BGB

Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht

Abs. 2 Nr. 1 BGB außerordentlich fristlos kündigen und gegebenenfalls Schadensersatz verlangen kann (vgl. § 543 BGB Rz. 130). 53 Allein mit der Festlegung des vertragsgemäßen Gebrauchs ist dem Vermieter aber nicht unbedingt gedient. Vielmehr kann es auch sinnvoll sein, die Grenzen der Nutzung für den Mieter aufzuzeigen. Denn wird allein der Betriebszweck festgelegt, gelten nach der Verkehrsanschauung die für das jeweilige Gewerbe geltenden Umweltrichtlinien oder sonstigen Standards1, so dass der Vermieter keine Ansprüche wegen Beschädigung der Mietsache herleiten kann, wenn diese Anforderungen eingehalten und im Übrigen nichts Besonderes geregelt ist. 54 Deshalb können bei einem Tankstellengrundstück Kontaminationen, die durch ordnungsgemäßes Betanken von Fahrzeugen entstehen, vom vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt sein, wenn der Betrieb die geltenden Richtlinien einhält2. Das Gleiche gilt, wenn in einem Mietvertrag über eine Tankstelle bzw. Kfz-Werkstatt nebst Verkaufsbüro eine Instandhaltung nach den gesetzlichen Vorschriften vorgesehen ist. Dann besteht im Fall einer Kontamination von Grund und Boden aufgrund Überlaufens eines Koaleszenzabscheiders nebst anschließender Sanierung kein Ausgleichsanspruch des Vermieters gegen den Mieter3. III. Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs 55 Die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs werden im Mietvertrag durch den Vertragszweck festgelegt (vgl. § 535 BGB Rz. 1015), z.B. darf als Büro vermieteter Raum nicht als Ladenlokal genutzt, ein nur zur Eigennutzung überlassener Raum nicht untervermietet werden4. Aber auch die Folgen des vertragsgemäßen Gebrauchs sind von § 538 BGB erfasst. 56 Überschreitet der Mieter die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs, handelt er rechtswidrig und der Vermieter von Gewerberäumen kann dann die gleichen Ansprüche geltend machen, wie der Vermieter von Wohnraum (vgl. § 538 BGB Rz. 25).

§ 539 Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht des Mieters (1) Der Mieter kann vom Vermieter Aufwendungen auf die Mietsache, die der Vermieter ihm nicht nach § 536a Abs. 2 zu ersetzen hat, nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangen. (2) Der Mieter ist berechtigt, eine Einrichtung wegzunehmen, mit der er die Mietsache versehen hat. Inhalt A. I. II. 1.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich

. . . .

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1 1 3 3

2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . III. Abweichende Vereinbarungen . . . . . .

4 6

B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . .

8 11

1 BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, ZMR 2002, 901. 2 BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 163/03, GuT 2004, 233; BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, ZMR 2002, 901. 3 BGH v. 14.7.2004 – XII ZR 352/00, MDR 2005, 26; BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 163/03, MietRB 2005, 6. 4 Erman/Lützenkirchen, § 538 BGB Rz. 2.

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§ 539 BGB

Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mängelbeseitigung . . . . . . . . . . 3. Rechtsgrundverweisung . . . . . . . . a) Fremdgeschäftsführungswillen b) Interesse des Vermieters . . . . . c) Wille des Vermieters . . . . . . . . . d) Zustimmung/Genehmigung . . . 4. Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . 5. Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Sonstige Aufwendungen . . . . . . . . a) Bereicherungsanspruch . . . . . . b) Ausschluss des Bereicherungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

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11 15 15 18 23 24 29 33 37 40

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41

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45 51 53 54 55 55

...

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11.

II. 1. 2. 3.

4. 5. 6. 7. 8.

c) Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verjährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorzeitige Vertragsbeendigung . . . a) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . b) Bereicherungsanspruch . . . . . . . Wegnahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsätzliches. . . . . . . . . . . . . . . . Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Duldungspflicht des Vermieters . . . a) Inhalt der Duldungspflicht. . . . . b) Verletzung der Duldungspflicht. c) Wegfall der Duldungspflicht . . . . Ausübung des Wegnahmerechts . . Übertragung des Wegnahmerechts Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgleichsanspruch des Mieters . .

. . . . . . . . . . . . . . . . .

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60 64 65 67 73 80 80 84 89 89 93 95 97 101 102 106 107

C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . 108

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt § 539 Abs. 1 BGB bestimmt, dass der Mieter unter den Voraussetzungen der Ge- 1 schäftsführung ohne Auftrag von dem Vermieter Ersatz für die auf die Mietsache getätigten Aufwendungen verlangen kann. § 539 Abs. 2 BGB begründet hingegen das Wegnahmerecht des Mieters hinsichtlich Einrichtungen, mit denen der Mieter die Mietsache versehen hat.

2

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Vorschrift, für die in Bezug auf die „Mietrechtsreform 2001“ zum 1.9.2001 keine besondere Übergangsregelung besteht, gilt für alle Mietverhältnisse, auch für die des § 549 Abs. 2 und 3 BGB. Bei der Pacht sind §§ 582, 582a BGB, bei der Landpacht die §§ 590b, 591, 591a BGB zu beachten1.

3

2. Anwendbare Rechtsprechung Die Vorschrift hat mit Wirkung zum 1.9.2001 die früheren Regelungen der §§ 547 4 Abs. 2 und 547a Abs. 1 BGB a.F. in der jeweils bis dahin geltenden Fassung zusammengefasst. Im Interesse einer einheitlichen Terminologie innerhalb des Mietrechts wurde der bis dahin von § 547 Abs. 2 BGB a.F. verwendete Begriff der „Verwendungen“ durch „Aufwendungen“ ersetzt, ohne dass hiermit eine inhaltliche Änderung verbunden war2, so dass die vor dem 1.9.2001 ergangene Rechtsprechung nach wie vor Gültigkeit hat. Auch der „alte“ § 547a Abs. 1 BGB wurde zum 1.9.2001 durch § 539 Abs. 2 BGB inhalt- 5 lich unverändert übernommen, so dass auch insoweit auf die frühere Rechtsprechung verwiesen werden kann. Allerdings entfiel die bis dahin in § 547a Abs. 1 S. 2 BGB enthaltene Regelung über die Fütterungskosten eines Tieres, da diese Regelung in der Praxis keine Rolle (mehr) spielt3.

1 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 2. 2 Gesetzentwurf zur Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 42. 3 Gesetzentwurf zur Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 42.

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§ 539 BGB

Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht

III. Abweichende Vereinbarungen 6 Die Vorschrift ist grundsätzlich abdingbar1. Im Bereich der Wohnraummiete ist in Bezug auf § 539 Abs. 2 BGB aber die Einschränkung in § 552 Abs. 2 BGB zu beachten. In der Gewerberaummiete kann der Ausschluss auch Bereicherungsansprüche erfassen2 oder den Aufwendungsersatzanspruch durch einen Bereicherungsanspruch ersetzen3. 7 Häufig enthalten Mietverträge bereits Regelungen über das rechtliche Schicksal von Aufwendungen und Einrichtungen, so dass diese grundsätzlich den Regelungen des § 539 BGB vorgehen. Von besonderem Interesse ist es insoweit, wenn der Mieter nach dem Mietvertrag aufgrund einer entsprechenden Verpflichtung tätig wurde (vgl. § 539 BGB Rz. 47) oder der Rückbau vereinbart ist (vgl. auch § 546 BGB Rz. 75 ff.)4. B. Wohnraummiete 8 Während § 539 Abs. 1 BGB den Ersatzanspruch bei Aufwendungen (zum Begriff vgl. zunächst § 539 BGB Rz. 15) regelt, normiert § 539 Abs. 2 BGB ein Wegnahmerecht des Mieters hinsichtlich eingebrachter Einrichtungen (zum Begriff vgl. zunächst § 539 BGB Rz. 84). Die Differenzierung darüber, ob eine Aufwendung oder eine Einrichtung vorliegt, ist daher wegweisend für die dem Mieter zustehenden Rechte. 9 Die notwendige Abgrenzung zwischen dem Begriff der Aufwendung und dem Begriff der Einrichtung kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten und z.T. allein anhand der konkreten Maßnahme teilweise nicht getroffen werden. So kann es sich bei einer Einbauküche der reinen Begrifflichkeit nach sowohl um eine Aufwendung als auch um eine Einrichtung handeln. In diesem Fall kann nach der diesseits vertretenen Auffassung auf die Rechtsprechung des BGH5 zur Zubehöreigenschaft gemäß § 97 BGB – die z.B. für die Frage des Eigentumserwerbs im Rahmen der Zwangsversteigerung von Bedeutung ist (§§ 90, 55 ZVG) – zurückgegriffen werden. 10 Maßgeblich ist insoweit zunächst die allgemeine Verkehrsanschauung, welche regional allerdings verschieden sein kann. Geht es danach bei dem Gegenstand um eine dauerhaft eingebrachte Sache, handelt es sich um eine Aufwendung. Kann eine allgemeine Verkehrsanschauung nicht festgestellt werden, ist maßgeblich, ob nach der Zweckbestimmung des Mieters nur eine vorübergehende Benutzung der Sache, z.B. Einbauküche, für die Wohnung begründet werden sollte. Es handelt sich dann um eine Einrichtung. Anders ist dies, wenn es sich um eine eingemauerte Einbauküche handelt, welche gesondert angepasst wurde, so dass eine Verwendung in anderen Räumlichkeiten ausscheidet6. Für die Voraussetzungen des jeweils in Anspruch genommenen Rechts ist der Mieter darlegungs- und beweispflichtig. I. Aufwendungsersatz 1. Grundsätzliches 11 § 539 Abs. 1 BGB greift nur im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter, also auch zwischen Untermieter und Mieter, nicht aber zwischen Hauptvermieter und Untermieter ein7. Diese können eine entsprechende Anwendung aber vereinbaren8. 12 Ob Aufwendungen eines Miteigentümers, der zugleich Mieter ist, nach den §§ 744 Abs. 2, 748 BGB oder § 539 BGB zu behandeln sind, bestimmt sich danach, auf wel-

1 BGH v. 13.10.1959 – VIII ZR 193/58, NJW 1959, 2163; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 5; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 2. 2 OLG Karlsruhe v. 31.10.1985 – 15 U 129/84, NJW-RR 1986, 1394. 3 LG Braunschweig v. 11.3.2008 – 6 O 1105/07 (077), ZMR 2008, 453. 4 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 16. 5 BGH v. 20.11.2008 – X ZR 180/07, MDR 2009, 374 = MietRB 2009, 94 = NZM 2009, 121. 6 Vgl. OLG Düsseldorf v. 2.11.1998 – 9 U 64/98, NZM 1999, 237. 7 BGH v. 2.10.1985 – VIII ZR 326/84, NJW 1986, 254; Erman/Lützenkirchen, § 539 BGB Rz. 2. 8 BGH v. 2.10.1985 – VIII ZR 326/84, NJW 1986, 254.

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chem Rechtsverhältnis die Aufwendungen beruhen1. Anhaltspunkt für die Abgrenzung von Ansprüchen des Mieters und Grundstücksmiteigentümers gegen seine Teilhaber aus dem Gemeinschaftsverhältnis einerseits und aus den mietrechtlichen Regelungen über den Aufwendungsersatz andererseits kann die Interessenlage sein, die der Maßnahme, deren Ersatz verlangt wird, zugrunde liegt. Dienen die Maßnahmen allein dem Interesse eines Miteigentümers, erfolgen sie gerade nicht in Hinblick auf das Gemeinschaftsverhältnis. Erst recht ist für einen Anspruch aus Miteigentum kein Raum, wenn es sich nicht um notwendige Erhaltungsmaßnahmen handelt. Sind notwendige Maßnahmen mit solchen verbunden, die nur nützlich oder verbessernd wirken, und kommen Nützlichkeit und Verbesserung in erster Linie dem MiteigentümerMieter zugute, so kann das gegen Ansprüche aus Miteigentum und für Ansprüche auf mietrechtlichen Aufwendungsersatz sprechen2. Der Ersatzanspruch wird grundsätzlich im Zeitpunkt der Aufwendungen fällig. Die Fälligkeit kann jedoch einvernehmlich hinausgeschoben werden.

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Die Aufwendungen müssen während der Mietzeit vom Mieter getätigt worden sein3. 14 Für vorher erbrachte Aufwendungen, die Teil der Gegenleistung sein sollen, ist § 539 Abs. 1 BGB in der Regel entsprechend anwendbar4. Nach Vertragsende getätigte Aufwendungen sind, da der Mieter nicht mehr zum Besitz berechtigt ist, ausschließlich nach – den ansonsten während der Mietzeit nicht anwendbaren – §§ 994 ff. BGB ersatzfähig5. 2. Aufwendungen a) Begriff Aufwendungen auf die Mietsache sind solche Maßnahmen, die objektiv dazu dienen, 15 die Mietsache zu erhalten, wiederherzustellen oder zu verbessern6. Die Maßnahmen dürfen die Mietsache aber nicht grundlegend verändern7. Deshalb fällt die Bebauung eines unbebauten Grundstücks (z.B. mit einem Wohn- oder Geschäftshaus) in keinem Fall unter § 539 Abs. 1 BGB8. Dagegen können bauliche Sicherungsmaßnahmen (z.B. gegen Hochwasser oder Abrutschen des Erdreiches) oder strukturverbessernde Maßnahmen (z.B. die Errichtung eines Stalles auf einem landwirtschaftlichen oder eines Kesselhauses auf einem industriellen Grundstück) im Einzelfall Aufwendungen darstellen9. Für den Begriff der Aufwendung ist es unerheblich, ob es sich um nützliche Aufwen- 16 dungen, also solche, die den Verkehrswert des Objektes oder seiner Nutzungsmöglichkeiten steigern, oder Luxusaufwendungen handelt, die zu keiner Wertsteigerung führen10. Dieser Differenzierung kommt erst bei der Beurteilung, ob ein Ersatzanspruch des Mieters besteht, Bedeutung zu (vgl. § 539 BGB Rz. 32).

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6 7 8 9 10

BGH v. 13.2.1974 – VIII ZR 233/72, NJW 1974, 743. BGH v. 13.2.1974 – VIII ZR 233/72, NJW 1974, 743. Bub/Treier/Scheuer, V B Rz. 382; Palandt/Weidenkaff, § 539 BGB Rz. 1. Emmerich, NZM 1998, 49 (50). BGH v. 4.10.1995 – XI ZR 152/94, MDR 1996, 57 = NJW 1996, 121; BGH v. 21.12.1960 – VIII ZR 89/59, NJW 1961, 499; BGH v. 11.10.1989 – VIII ZR 285/88, MDR 1990, 330 = NJW-RR 1990, 142; OLG Karlsruhe v. 5.7.1972 – 6 U 158/71, NJW 1972, 2225; a.A. ohne nähere Begründung Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 22. BGH v. 3.11.1989 – V ZR 143/87, MDR 1990, 325 = NJW 1990, 447; BGH v. 2.10.1985 – VIII ZR 326/84, NJW 1986, 254; Erman/Lützenkirchen, § 539 BGB Rz. 4. BGH v. 26.2.1964 – V ZR 105/61, NJW 1964, 1125; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 10. BGH v. 23.10.1953 – V ZR 38/52, NJW 1954, 265. BGH v. 26.2.1964 – V ZR 105/61, NJW 1964, 1125. LG Bochum v. 4.7.2006 – 11 S 350/05, zitiert nach juris; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 4; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 10.

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17 Beispiele für Aufwendungen: – Mängelbeseitigungsmaßnahmen (vgl. zur Erstattungsfähigkeit insoweit aber § 539 BGB Rz. 18 ff.), – Modernisierungsmaßnahmen, wie z.B. Verbesserung der Wärmedämmung, – Umbau einer Scheune zu Gewerbeeinheiten1, – Erneuerung von Boden- und Wandbelägen, – Erneuerung/Verbesserung von Elektro- und Sanitäranlagen2, – Austausch der defekten Heizungsanlage. b) Mängelbeseitigung 18 Liegt ein Mangel i.S.d. § 536 BGB vor, ist fraglich, ob der Mieter ausschließlich nach § 536a Abs. 2 BGB Aufwendungsersatz verlangen oder – sofern dessen Voraussetzungen nicht vorliegen – auf § 539 BGB zurückgreifen kann. Nach einer Auffassung kann in Fällen einer Selbstbeseitigung von Mängeln der Mietsache durch den Mieter auf § 539 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden, wenn die Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 Nr. 1 oder 2 BGB nicht vorliegen. Hierdurch würde vermieden, dass dem Vermieter Vorteile erwachsen, die nur deshalb nicht ausgleichspflichtig seien, weil der Mieter das Verfahren des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht beachtet habe3. 19 Dem ist nicht zu folgen4. Zwar kann der Wortlaut der Norm auch dahingehende verstanden werden, dass der Vermieter grundsätzlich alle Aufwendungen zu ersetzen hat, die nicht bereits nach § 536a Abs. 2 BGB zu ersetzen sind. Dies ist aber bereits mit der Entstehungsgeschichte der Norm nicht in Einklang zu bringen. Nach den Gesetzesmaterialien hatte der Gesetzgeber bei § 539 Abs. 1 BGB gerade nicht die Beseitigung von Mängeln, sondern vornehmlich im eigenen Interesse von dem Mieter eingebrachte Einbauten im Blick, wie z.B. Ausstattung von Küchen und Badezimmern5. 20 Auch der Sinn und Zweck des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB steht einem anderen Verständnis entgegen. Der Vermieter soll vorrangig entscheiden können, ob und wie die Mietsache erhalten wird6. Auf diese Weise erhält der Vermieter zudem die Möglichkeit einer Untersuchung und Beweissicherung. Beseitigt der Wohnraummieter einen (vermeintlichen) Mangel der Mietsache selbst, ohne den Vermieter zuvor in Verzug gesetzt zu haben (§ 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB), und liegt auch keine Notmaßnahme i.S.v. § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB vor, würde die Möglichkeit des Rückgriffs auf § 539 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag dazu führen, dass dem Vermieter diese Vorgehensweise genommen wird7 und § 536a BGB letztlich überflüssig wäre8. 21 Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für den Fall eines vereinbarten Gewährleistungsausschlusses für anfängliche Mängel, der im Bereich der Wohnraummiete aber nicht in Betracht kommt und auch im Bereich der Gewerberaummiete jedenfalls formularmäßig nicht möglich ist (vgl. hierzu § 536a BGB Rz. 26). Die Vereinbarung eines solchen zeigt zudem deutlich, dass nach dem Willen der Parteien der

1 BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, ZMR 1999, 93. 2 Vgl. LG Darmstadt v. 3.2.1960 – 2 S 122/59, MDR 1962, 739; AG Wuppertal v. 16.5.1980 – 29 C 77/80, WuM 1980, 235. 3 Vgl. Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 3; Kinne/Schach/Bieber, § 539 BGB Rz. 6; Herresthal/Riehm, NJW 2005, 1457. 4 BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, MDR 2008, 440 = MietRB 2008, 97 = NJW 2008, 1216; OLG Düsseldorf v. 5.2.2009 – I-10 U 128/08, MDR 2009, 801; AG Münster v. 30.9.2009 – 4 C 2725/09, WuM 2009, 665. 5 BT-Drucks. 14/4553, S. 42. 6 BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, ZMR 2008, 281. 7 Vgl. BGH v. 23.2.2005 – VIII ZR 100/04, BGHZ 162, 219 = MDR 2005, 673 zum Kaufrecht; s. auch BGH v. 11.10.1965 – VII ZR 124/63, NJW 1966, 39. 8 BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, ZMR 2008, 281; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 165; Staudinger/Emmerich, § 536a BGB Rz. 41; Blank/Börstinghaus, § 539 BGB Rz. 11; Derleder, NZM 2002, 676 (681).

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Vermieter mit den Kosten für die Beseitigung anfänglicher Mängel nicht belastet werden soll1. Gleiches gilt, wenn zwar noch kein Mangel besteht, die zwangsläufige Veränderung 22 des bestehenden Zustandes aber darauf hinausläuft, dass alsbald die Voraussetzungen des § 536 BGB erfüllt werden (z.B. aktuelle mangelnde Renovierungsbedürftigkeit). Auch in diesem Fall kann der Mieter der Mängelbeseitigung des Vermieters nicht im Wege der Ersatzvornahme vorgreifen und für die Aufwendungen – sofern die Voraussetzungen des § 536a BGB nicht vorliegen – Aufwendungsersatz nach § 539 Abs. 1 BGB verlangen. 3. Rechtsgrundverweisung Da es sich in § 539 Abs. 1 BGB um eine Rechtsgrundverweisung handelt2, müssen die Voraussetzungen der §§ 663, 670 BGB vorliegen3.

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a) Fremdgeschäftsführungswillen Die Aufwendungen müssen insbesondere mit Fremdgeschäftsführungswillen getätigt 24 sein4. Dies setzt voraus, dass der Mieter das Geschäft nicht nur als eigenes, sondern zumindest auch als fremdes führt. Er muss also das Bewusstsein und den Willen haben, auch im Interesse des Vermieters zu handeln5. Zu differenzieren ist insoweit zwischen objektiv und subjektiv fremden Geschäften. Der Fremdgeschäftsführungswille wird bei einem (auch) objektiv fremden Geschäft 25 vermutet. Ein solches liegt vor, wenn bereits nach dessen Inhalt in einen fremden Rechts- und Interessenkreis eingegriffen wird6. Ausreichend ist, wenn das Geschäft seiner äußeren Erscheinung nach nicht nur dem Mieter, sondern zumindest auch – nicht zwingend ausschließlich – dem Vermieter zugutekommt, insbesondere wenn dessen Interesse an der Vornahme der Handlung im Vordergrund steht oder gar vorrangig ist. Dies ist insbesondere bei Mängelbeseitigung der Fall, wobei hier der Vorrang des § 536a BGB zu berücksichtigen ist (vgl. § 539 BGB Rz. 20). In Betracht kommen auch Modernisierungsmaßnahmen, wie z.B. der Austausch noch funktionsfähiger einfachverglaster Fenster gegen isolierverglaste Fenster oder der Austausch alter, durch eine Vielzahl von Bohrlöchern unansehnlich gewordener Fliesen durch Fliesen mit modernem Design. Hingegen erhalten objektiv eigene oder neutrale Geschäfte ihren (subjektiven) 26 Fremdcharakter allenfalls durch einen Willen des Geschäftsführers zur vordringlichen Wahrnehmung fremder Interessen. Hierfür besteht grundsätzlich keine tatsächliche Vermutung. Der Wille, für jemand anderen tätig zu werden, muss sich hier eindeutig nach außen manifestieren7. Daran mangelt es, wenn der Mieter die Aufwendungen im eigenen Interesse8 oder zur Erfüllung eigener (Haupt-)Pflichten9 bewirkt 1 KG v. 14.5.2009 – 8 U 106/08, GuT 2010, 431. 2 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, ZMR 2009, 829; OLG Brandenburg v. 5.4.2007 – 5 U 129/06, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf v. 19.10.2009 – I-24 U 58/09, ZMR 2010, 679; Lammel, § 539 BGB Rz. 12; MünchKomm/Bieber, § 539 BGB Rz. 8; Erman/Lützenkirchen, § 539 BGB Rz. 6. 3 BGH v. 24.2.1982 – IVa ZR 306/80, MDR 1982, 736 = WM 1982, 698; Palandt/Weidenkaff, § 539 BGB Rz. 6. 4 Gesetzentwurf zum Mietrechtsreformgesetz, BT-Drucks. 14/4553, S. 42. 5 Vgl. BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, NJW 2009, 2590 = MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254; BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, ZMR 1999, 93; BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522; OLG Düsseldorf v. 19.10.2009 – I-24 U 58/09, ZMR 2010, 679. 6 Z.B. Hilfe für einen Verletzten, BGH v. 7.11.1960 – VII ZR 82/59, BGHZ 33, 251, 254 ff.; Abwendung der von einem unbeleuchteten Fahrzeug drohenden Gefahren, BGH v. 16.3.1965 – VI ZR 210/64, BGHZ 43, 188, 191 f.; Tilgung fremder Schulden, BGH v. 20.4.1967 – VII ZR 326/64, BGHZ 47, 370, 371; Veräußerung einer fremden Sache, RG v. 11.10.1932 – II 58/32, RGZ 138, 45, 48 f. 7 BGH v. 21.10.2003 – X ZR 66/01, MDR 2004, 386 = WM 2004, 1397. 8 OLG Düsseldorf v. 19.10.2009 – I-24 U 58/09, ZMR 2010, 679; OLG München v. 21.4.1995 – 21 U 5722/94, NJW-RR 1997, 650. 9 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, ZMR 2009, 829 (Schönheitsreparaturen trotz unwirksamer Klausel).

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hat. Allein der Umstand, dass der Mieter bei der Geschäftsführung noch nicht die Absicht hatte, später Ersatz zu verlangen, steht der Annahme einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag nicht entgegen1. 27 Möchte ein Mieter z.B. die Mieträumlichkeiten so herrichten, dass er seinem Gewerbe nachkommen kann, wird er ausschließlich im eigenen Interesse tätig2. Dies gilt erst recht, wenn die Vertragsparteien den ursprünglichen, schlechten Zustand als vertragsgerecht vereinbart haben. In diesem Fall ist das Objekt im Rechtssinne nicht mangelbehaftet3. 28 Umstritten in Rechtsprechung und Literatur ist insbesondere der Fall, dass der Mieter aufgrund einer unwirksamen Schönheitsreparaturklausel renoviert. Nach zutreffender Auffassung liegt jedenfalls dann kein Fremdgeschäftsführungswille vor, wenn der Mieter die Unwirksamkeit nicht erkannt hat4. Der Mieter, der in Hinblick auf eine vermeintliche vertragliche Verpflichtung Schönheitsreparaturen in der Mietwohnung vornimmt, führt damit kein Geschäft des Vermieters, sondern wird nur im eigenen Rechts- und Interessenkreis tätig. Er möchte eine Leistung erbringen, die er als Teil der von ihm für die Gebrauchsüberlassung an der Wohnung geschuldeten Entgelts ansieht5. In Betracht kommt dann aber ein Schadensersatz- und Bereicherungsanspruch6. b) Interesse des Vermieters 29 Eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag setzt weiter voraus, dass die Geschäftsführung im Interesse des Vermieters liegt. Hierdurch soll der Vermieter insbesondere gegen eine aufgedrängte Bereicherung geschützt werden7. 30 Im Interesse des Vermieters liegt die Geschäftsführung regelmäßig dann, wenn sie objektiv nützlich ist8, was insbesondere dann anzunehmen ist, wenn der Vermieter verpflichtet gewesen wäre, selbst entsprechende Maßnahmen durchzuführen9. 31 Ansonsten ist die Nützlichkeit der Maßnahme abhängig von den Umständen des konkreten Einzelfalls. Ein Aufwendungsersatzanspruch kann insbesondere aus der Erwägung heraus abzulehnen sein, dass der Mieter regelmäßig Verbesserungen in der Wohnung nur im eigenen Interesse und zu eigenen Zwecken durchführt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Veränderungen (z.B. Deckenabhängung und Holzverklei-

1 A.A. OLG München v. 26.4.1995 – 7 U 5093/94, NJWE-MietR 1996, 10. 2 BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, NZM 1999, 19; OLG Hamburg v. 8.11.2000 – 4 U 205/99, WuM 2001, 542; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 25. 3 LG Dortmund v. 20.11.2007 – 3 O 223/07, MietRB 2008, 267 = ZMR 2008, 376. 4 LG Berlin v. 23.10.2006 – 62 S 187/06, GE 2007, 517 (518); LG Waldshut-Tiengen v. 25.3.1999 – 1 S 66/98, WuM 2000, 240; AG Köln v. 21.1.2004 – 214 C 527/03, WuM 2006, 261 (262); AG München v. 14.5.2001 – 453 C 17448/00, NZM 2001, 1030; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 6; Both, WuM 2007, 3 (6); Horst, DWW 2007, 48 (52); Lange, NZM 2007, 785 (787); Paschke, WuM 2008, 647 (648 f.); Kinne, GE 2009, 358 f.; a.A. LG Landshut v. 21.11.2007 – 12 S 2236/07, WuM 2008, 335; LG Wuppertal v. 23.8.2007 – 9 S 478/06, ZMR 2007, 973; LG Karlsruhe v. 28.4.2006 – 9 S 479/05, NZM 2006, 508. 5 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, ZMR 2009, 829; vgl. auch BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, BGHZ 92, 363, 370 f. = MDR 1985, 400; BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, BGHZ 101, 253, 262; BGH v. 6.7.1988 – VIII ARZ 1/88, BGHZ 105, 71, 79 ff. = MDR 1988, 1051; BGH v. 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, MDR 1998, 1155 = WM 1998, 2145 (unter III 2c); BGH v. 28.4.2004 – VIII ZR 230/03, MietRB 2004, 253 = NJW 2004, 2087 (unter IIIa); BGH v. 20.10.2004 – VIII ZR 378/03, MDR 2005, 266 = MietRB 2005, 62 = WuM 2005, 50 (unter II 2b); BGH v. 5.6.2002 – XII ZR 220/99, MDR 2002, 1304 = WuM 2002, 484. 6 Ausführlich BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, ZMR 2009, 829. 7 Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 7. 8 BGH v. 28.10.1992 – VIII ZR 210/91, MDR 1993, 515 = NJW-RR 1993, 200; OLG München v. 10.12.1987 – 19 U 6312/86, NJW-RR 1988, 1013. 9 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 32.

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dung) primär durch die Geschmacksvorstellungen des Mieters beeinflusst sind1. Das Risiko einer Fehleinschätzung obliegt dem Mieter2. Aufwendungen, die den Verkehrswert der Mietsache nicht steigern, stellen sogenann- 32 te Luxusaufwendungen dar, die grundsätzlich nicht im Interesse des Vermieters liegen und daher nicht über § 539 Abs. 1 BGB erstattungsfähig sind3. c) Wille des Vermieters Im Übrigen müssen die Maßnahmen des Mieters dem wirklichen oder mutmaßlichen 33 Willen des Vermieters entsprechen (§ 683 BGB). Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung4. Die Abhängigkeit des Aufwendungsersatzanspruchs vom Willen des Vermieters dient dem Schutz des Vermieters. Hierdurch soll verhindert werden, dass der Mieter ohne Rücksicht auf den Willen des Vermieters Maßnahmen auf Kosten des Vermieters im oder am Mietobjekt durchführt. Maßgeblich ist zunächst der wirkliche Wille, sofern dieser ausdrücklich oder durch 34 schlüssiges Verhalten deutlich zum Ausdruck kommt5. Ist die Geschäftsführung nicht durch den Willen des Vermieters gedeckt, scheidet ein Anspruch aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag aus, selbst wenn es sich um ein objektiv nützliches Geschäft handelt6. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter nach den vertraglichen Regelungen nur mit Zustimmung des Vermieters zur Durchführung von baulichen Maßnahmen berechtigt sein soll. Hieraus ist für den Mieter erkennbar, dass ohne eine solche Zustimmung des Vermieters entsprechende Maßnahmen nicht mit dem Willen des Vermieters in Einklang stehen7. Gleiches gilt, wenn der Mieter eine entsprechende Nachfrage stellt, der Vermieter hierauf aber nicht reagiert. Das Risiko einer Fehleinschätzung obliegt dem Mieter. Er kann sich nicht darauf berufen, dass er die Voraussetzungen des Aufwendungsersatzanspruchs irrtümlich angenommen hat8. Ausnahmsweise ist ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Vermie- 35 ters gemäß § 679 BGB unbeachtlich, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, oder eine gesetzliche Unterhaltungspflicht des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt werden würde. Dies ist insbesondere bei Verkehrssicherungspflichten der Fall9, z.B. die Verhinderung von Dachlawinen durch rechtzeitige Schnee- und Eisbeseitigung, aber auch die Durchführung vom Bauordnungsamt vorgeschriebener dringlicher Maßnahmen10. Ist der tatsächliche Wille des Vermieters nicht feststellbar, ist auf den mutmaßlichen 36 Willen abzustellen. Insoweit kommt es nicht auf die Vorstellungen des Mieters an. Vielmehr ist der mutmaßliche Wille des Vermieters objektiv zu bestimmen. Ist die Maßnahme objektiv nützlich, entspricht sie – mangels anderweitiger Anhaltspunkte – regelmäßig dem mutmaßlichen Willen des Vermieters11. Hierfür genügt aber nicht be-

1 Vgl. OLG Köln v. 23.2.1996 – 19 U 126/95, WuM 1996, 269; OLG Düsseldorf v. 28.6.2007 – I-10 U 16/07, ZMR 2008, 127; LG Dortmund v. 20.11.2007 – 3 O 223/07, ZMR 2008, 376; LG Aachen v. 21.12.1988 – 7 S 349/88, DWW 1989, 136. 2 LG Aachen v. 21.12.1988 – 7 S 349/88, DWW 1989, 136. 3 Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 4. 4 LG Dortmund v. 20.11.2007 – 3 O 223/07, ZMR 2008, 376; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 37. 5 MünchKomm/Seiler, § 683 BGB Rz. 9. 6 LG Duisburg v. 8.12.1998 – 23 S 95/98, WuM 1999, 112. 7 Derleder, WuM 2006, 175. 8 BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, NZM 1999, 19; BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, ZMR 1999, 93; OLG Düsseldorf v. 28.6.2007 – I-10 U 16/07, ZMR 2008, 127; LG Duisburg v. 8.12.1998 – 23 S 95/98, WuM 1999, 112. 9 Prütting/Wegen/Weinreich/Fehrenbacher, § 679 BGB Rz. 5. 10 Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 5. 11 BGH v. 20.4.1967 – VII ZR 326/64, BGHZ 47, 370, 374; BGH v. 7.3.1989 – XI ZR 25/88, NJW-RR 1989, 970; AG Leipzig v. 13.4.1999 – 6 C 440/99, WuM 1999, 484.

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reits der Umstand, dass der Vermieter die tatsächliche Durchführung der Maßnahme erkennt, aber nicht interveniert1. d) Zustimmung/Genehmigung 37 Hat der Vermieter der Geschäftsführung im Vorfeld zugestimmt, ist zu differenzieren, ob der Vermieter hiermit lediglich zum Ausdruck bringen wollte, dass der Mieter die Maßnahmen durchführen kann, oder ob er damit einverstanden ist, dass die Maßnahmen auch für ihn, und zwar mit der Folge eines Aufwendungsersatzanspruchs des Mieters, erfolgen sollen. Letzteres kann nicht automatisch im Rahmen einer Zustimmung angenommen werden, insbesondere dann nicht, wenn die Geschäftsführung allein im Interesse des Mieters erfolgt, z.B. die Herrichtung von Geschäftsräumen. In Hinblick auf die regelmäßig in Mietvertragsformularen zu findenden Zustimmungsvorbehalte in Bezug auf bauliche Veränderungen bedeutet die ausdrückliche Zustimmung des Vermieters zunächst einmal nur, dass dieser mit einer entsprechenden Veränderung des Mietobjekts für die Dauer der Mietzeit einverstanden ist. Ein weiterer Erklärungsgehalt kann der Zustimmung nicht ohne weiteres entnommen werden2. Hierfür bedarf es eindeutiger Anhaltspunkte, dass der Vermieter die Maßnahme auch als in seinem Interesse ansieht3. 38 Der Vermieter kann eine Geschäftsführung, die nicht seinem Interesse oder seinem Willen entspricht4, auch genehmigen, § 684 S. 2 BGB. Dies führt allerdings nur dann zu einem Aufwendungsersatzanspruch des Mieters, wenn auch die übrigen Voraussetzungen für eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen, also insbesondere der Fremdgeschäftsführungswille. Die Genehmigung bedarf keiner Form und kann auch konkludent erteilt werden5. Sie wirkt zurück, so dass die Geschäftsführung von Beginn an eine berechtigte darstellt, § 184 Abs. 1 BGB. An die Annahme einer Genehmigung sind aufgrund der damit verbundenen Rechtsfolge hohe Anforderungen zu stellen. Es muss hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen, dass der Vermieter nicht nur auf einen Rückbau verzichtet, sondern die Geschäftsführung auch als in seinem Interesse vorgenommen anerkennt, z.B. ein Mieterhöhungsverlangen gemäß § 558 BGB, in dessen Rahmen der Vermieter auch die Aufwendungen des Mieters als wohnwertsteigernd ansetzt6. 39 Weiß der Mieter, dass der Vermieter nicht mit der Geschäftsführung einverstanden ist, liegt eine unechte Geschäftsführung gemäß § 687 Abs. 2 BGB vor. Der Vermieter kann – nicht muss – die Rechte aus den §§ 677, 678, 681, 682 BGB geltend machen. Nur dann kann der Mieter einen Bereicherungsanspruch geltend machen. 4. Anspruchsgegner 40 Der Anspruch auf Aufwendungsersatz entsteht in dem Zeitpunkt der Vornahme der Aufwendung7. Dieser Zeitpunkt ist auch maßgeblich für die Bestimmung des Anspruchsgegners. Den Aufwendungsersatz schuldet derjenige, der zum vorgenannten Zeitpunkt Vermieter ist. Ein Vermieterwechsel, z.B. gemäß § 566 BGB, führt nicht dazu, dass auch die Person des Anspruchsgegners wechselt8.

1 BGH v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, ZMR 1999, 43; Kinne/Schach/Bieber, § 539 BGB Rz. 2; a.A. wohl OLG Düsseldorf v. 24.11.1995 – 22 U 127/95, NJW-RR 1996, 592. 2 Vgl. BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 387/04, NZM 2007, 682; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 38. 3 AG Lüdenscheid v. 4.11.1987 – 8 C 899/87, WuM 1988, 303. 4 Prütting/Wegen/Weinreich/Fehrenbacher, § 684 BGB Rz. 2. 5 BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, NZM 1999, 19; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 40. 6 LG Münster v. 25.3.1999 – 8 S 260/98, WuM 1999, 515; Lente, DWW 1982, 175; Emmerich, NZM 1998, 49. 7 BGH v. 14.10.1987 – VIII ZR 246/86, WuM 1988, 16. 8 BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, NZM 2006, 15; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 40.

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5. Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs Liegen die Voraussetzungen der Rechtsgrundverweise des § 539 Abs. 1 BGB vor, bestimmt sich die Höhe des Ersatzanspruchs nach den §§ 683 S. 1, 670 BGB1. Der Mieter kann die Aufwendungen ersetzt verlangen, die er nach den Umständen für erforderlich halten durfte2. Maßgeblich ist, was der Mieter unter Berücksichtigung des wirklichen oder mutmaßlichen Willen sowie der Interessen des Vermieters vernünftigerweise als sachlich angemessen und notwendig erachten durfte, wobei auch der verfolgte Zweck sowie das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu beachten ist3.

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Sofern die Beauftragung eines Fachmanns notwendig und für die konkrete Ge- 42 schäftsführung üblich ist, ist der Einwand des Vermieters, er hätte die Arbeiten kostengünstiger durchführen können, unbeachtlich4. Auch die von dem Mieter aufgewendete eigene Arbeitskraft ist – ebenso wie aufge- 43 wandte Materialkosten – erstattungsfähig, und zwar unabhängig davon, ob der Mieter ein entsprechendes Gewerbe betreibt oder einen entgangenen Verdienst nachweist. Maßgeblich ist vielmehr, dass die der Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung der Sache dienende Arbeitsleistung einen Vermögenswert darstellt, den der Besitzer „geopfert“ hat, also eine geldwerte Arbeitsleistung mit einem Marktwert erbracht hat5. Zudem ist der Aufwendungsersatzanspruch nach Maßgabe des § 256 BGB zu verzinsen. Nach Ausgleich des Aufwendungsersatzanspruchs, was z.B. auch durch Verrechnung 44 mit der Miete erfolgen kann, steht das Ergebnis der Geschäftsführung dem Vermieter zu; sie gilt als vom Vermieter getätigt. Er kann sie daher auch im Rahmen eines Mieterhöhungsverlangens gemäß § 558 BGB6 oder nach § 559 BGB berücksichtigen. Er schuldet sodann aber auch gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB die Instandhaltung und Instandsetzung. 6. Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs Die Vertragsparteien können den Anspruch des Mieters auf Aufwendungsersatz vertraglich ausschließen7. Ein solcher Ausschluss kann sich auch aus den Umständen des Einzelfalls ergeben.

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Haben Vermieter und Mieter z.B. die Gestaltung der zum Mietobjekt gehörenden 46 Freifläche oder Gärten in das Ermessen des Mieters nach dessen individuellen Wünschen und in Abstimmung mit den Nachbarn gestellt, wird hierdurch kein Anspruch auf Aufwendungsersatz begründet, sofern dies nicht vertraglich vorgesehen ist. Die Auslegung dieser Regelung lässt bei einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung8 auf den Willen der Parteien schließen, dass der Mieter die Kosten für die Gestaltung der Freiflächen selbst tragen soll und Ansprüche auf den Ersatz von Aufwendungen insoweit ausgeschlossen sein sollen. Es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der Vermieter, der dem Mieter erlaubt, die Mietsache nach dessen individuellen Wünschen und in dessen eigenem Interesse zu verändern, auch noch verpflichtet sein soll, dem Mieter die Aufwendungen hierfür zu ersetzen. Damit würde er ein unabsehbares Kostenrisiko übernehmen9.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Erman/Dornis, § 683 BGB Rz. 9; Palandt/Sprau, § 683 BGB Rz. 7. BGH, LM BGB § 683 Nr. 17; Erman/Dornis, § 683 BGB Rz. 9. MünchKomm/Seiler, § 670 BGB Rz. 9. AG Regensburg v. 10.2.1993 – 9 C 1784/92, WuM 1993, 185. BGH v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, MDR 1996, 1112 = NJW 1996, 921 (für Verwendungen i.S.d. § 994 BGB). BayObLG v. 24.6.1981 – AllgReg 41/81, WuM 1981, 208. Vgl. BGH v. 13.10.1959 – VIII ZR 193/58, WM 1959, 1369. Vgl. BGH v. 26.9.2002 – I ZR 44/00, BGHZ 152, 153, 156 = MDR 2003, 357; BGH v. 31.10.1995 – XI ZR 6/95, BGHZ 131, 136, 138 = MDR 1996, 322. BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 387/04, MDR 2007, 1123 = MietRB 2007, 256 = ZMR 2007, 684; vgl. auch LG Aachen v. 21.12.1988 – 7 S 349/88, DWW 1989, 136.

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47 Ein Aufwendungsersatzanspruch scheidet auch dann aus, wenn der Mieter sich vertraglich verpflichtet hat, bestimmte Arbeiten auszuführen. Die insoweit übernommene Pflicht stellt im Zweifel eine neben die Mietzahlungsverpflichtung tretende Gegenleistung des Mieters für die Überlassung des Mietobjekts dar1. 48 Haben die Parteien einen Aufwendungsersatz im Rahmen eines Vertrags mit Festlaufzeit ausdrücklich ausgeschlossen oder ergibt sich ein solcher Ausschluss aus den Umständen, können sich bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung Schadensersatzoder Bereicherungsansprüche für den Mieter ergeben. Ein Schadensersatzanspruch kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die vorzeitige Beendigung auf einer (verschuldeten) Pflichtverletzung des Vermieters beruht. Ist die Beendigung des Mietvertrages auf ein Fehlverhalten des Mieters zurückzuführen, kommen grundsätzlich nur Bereicherungsansprüche in Betracht. 49 Werden Bereicherungsansprüche für diesen Fall vertraglich ausgeschlossen, handelt es sich inhaltlich im Ergebnis um eine Vertragsstrafe, so dass die §§ 339 ff. BGB jedenfalls entsprechend Anwendung finden2. Eine formularmäßige Verfallklausel verstoßt auch im Bereich der Gewerberaummiete gegen § 307 BGB, erst recht, wenn sie auch für den Fall gilt, dass die vorzeitige Vertragsbeendigung vom Vermieter zu vertreten ist3. Im Rahmen eines Wohnraummietverhältnisses ist die Regelung bereits nach § 555 BGB unwirksam. 50 § 539 Abs. 1 BGB ist auch dann nicht anwendbar, wenn es sich bei den Aufwendungen des Mieters nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien um einen Baukostenzuschuss oder eine Mietvorauszahlung handeln soll. In diesem Fall bestimmt sich die Abwicklung allein nach den Regeln über Baukostenzuschüsse (vgl. § 547 BGB)4. Anhaltspunkte für die Annahme eines Baukostenzuschusses oder einer Mietvorauszahlung können die Verrechnung mit der Miete und Unkündbarkeit sein5. 7. Verjährung 51 Der Anspruch auf Aufwendungsersatz verjährt gemäß § 548 Abs. 2 BGB binnen sechs Monaten. Die Frist wird ab Beendigung – und nicht wie bei § 548 Abs. 1 BGB ab Rückgabe – berechnet. Die kurze Verjährung des § 548 Abs. 2 BGB erfasst auch sämtliche Ansprüche des Mieters wegen Schönheitsreparaturen, die er während des Mietverhältnisses im Hinblick auf eine später als unwirksam erkannte Renovierungsklausel vorgenommen hat. Dies gilt sowohl für einen Bereicherungsanspruch als auch für einen etwaigen Schadensersatzanspruch des Mieters (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB) unter dem Gesichtspunkt, dass den Vermieter wegen der Verwendung der unwirksamen Renovierungsklausel ein Schuldvorwurf trifft6. 52 Im Falle der Veräußerung des Mietobjekts – die keinen Einfluss auf die Person des Anspruchsgegners hat (vgl. § 539 BGB Rz. 40) – beginnt die Frist des § 548 Abs. 2 BGB erst mit der Kenntnis des Mieters von der Veräußerung zu laufen. Ohne diese Einschränkung bestünde die Gefahr, dass die Ansprüche des Mieters verjähren, ohne dass er etwas von den tatsächlichen Voraussetzungen des Verjährungsbeginns erfährt. Wird das Grundstück veräußert, so tritt der Erwerber gemäß § 566 Abs. 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag ein. Maßgeblich sind Auflassung und Eintragung in das Grundbuch (§§ 925, 873 BGB). Zu diesem Zeitpunkt endet das Mietverhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Mieter. Beide stehen sich nicht mehr als Vertragspartner gegenüber. Für die Kenntnis des Mieters von der Veräuße1 BGH v. 8.11.1995 – XII ZR 202/94, ZMR 1996, 122; AG Dessau v. 10.6.1999 – C 1260/96, DWW 1999, 297. 2 BGH v. 22.5.1968 – VIII ZR 69/66, NJW 1968, 1625; OLG Karlsruhe v. 31.10.1985 – 15 U 129/84, NJW-RR 1986, 1394. 3 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 21. 4 Vgl. OLG Düsseldorf v. 21.11.1991 – 10 U 47/91, ZMR 1992, 110; OLG Frankfurt v. 6.5.1986 – 8 U 164/85, ZMR 1986, 358; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 19. 5 BGH v. 21.10.1970 – VIII ZR 63/69, NJW 1970, 2289; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 19. 6 BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 265/10, WuM 211, 418; BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 195/10, NZM 2011, 452; LG München II v. 21.9.2010 – 12 S 561/10, WuM 2011, 417.

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rung ist darauf abzustellen, wann er von dem Zeitpunkt der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch Kenntnis erlangt. Erst wenn der Mieter hinreichend sichere Kenntnis von der Eintragung des Erwerbers hat, ist der Beginn der kurzen Verjährungsfrist von nur sechs Monaten gerechtfertigt1. 8. Verwirkung Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich der Vermieter gegenüber dem An- 53 spruch des Mieters auf Erstattung von Aufwendungen auch auf den Tatbestand der Verwirkung berufen. Neben dem Zeitmoment muss aber auch das Umstandsmoment vorliegen. Der Ablauf eines auch längeren Zeitraums genügt für die Annahme einer Verwirkung nicht2. Es müssen vielmehr Umstände neben dem Zeitablauf hinzutreten, aufgrund derer der Vermieter darauf vertrauen durfte, dass der Mieter seinen Aufwendungsersatzanspruch nicht mehr geltend machen wird. Hiervon kann z.B. ausgegangen werden, wenn ein längerer Zeitraum verstrichen ist, in Hinblick auf die Verwendungen eine geringe Miete vereinbart wurde und der Mieter Ersatz für sonstige Instandsetzungsmaßnahmen geltend gemacht hat, nicht aber für die Aufwendungen3. 9. Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Aufwendungsersatzanspruchs gemäß § 539 Abs. 1 BGB obliegt dem Mieter. Eine etwaige Vereinbarung über den Ausschluss des Anspruchs auf Aufwendungsersatz ist vom Vermieter darzulegen und zu beweisen.

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10. Sonstige Aufwendungen a) Bereicherungsanspruch Aufwendungen, welche die Voraussetzungen der §§ 536a Abs. 2, 539 Abs. 1 BGB nicht 55 erfüllen, jedoch zu einer Wertverbesserung der Mietsache führen, können Bereicherungsansprüche gegen den Vermieter auslösen4. Dies gilt insbesondere bei vorzeitiger Beendigung eines langfristigen Mietvertrages5 (vgl. § 539 BGB Rz. 48) oder rechtsgrundlos durchgeführter Renovierung6. Ein solcher Ausgleich kann in den Grenzen des § 138 BGB auf dem Gebiet der ge- 56 werblichen Miete – nicht im Bereich der Wohnraummiete – zumindest einzelvertraglich ausgeschlossen werden7. Jedenfalls bleibt ein eventueller Vermieteranspruch auf Beseitigung der Mietermaßnahme vorrangig. Der Bereicherungsanspruch richtet sich grundsätzlich gegen den Vermieter. Bei ei- 57 nem Vermieterwechsel schuldet der neue Vermieter die Herausgabe der Bereicherung (vgl. § 539 BGB Rz. 75). Luxusaufwendungen begründen keinen Bereicherungsanspruch, da es insoweit an der notwendigen Bereicherung fehlt. Eine Steigerung des Verkehrswerts ist mit solchen Aufwendungen gerade nicht verbunden8.

1 BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 133/07, MDR 2008, 850 = MietRB 2008, 226 = WuM 2008, 402. 2 MünchKomm/Bieber, § 539 BGB Rz. 9 (10 Jahre); Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 69; a.A. LG Aachen v. 21.12.1988 – 7 S 349/88, DWW 1989, 136. 3 LG Rostock v. 15.9.2004 – 4 O 73/04, ZMR 2004, 917. 4 BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, NZM 1999, 19. 5 BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, NZM 2006, 15; BGH v. 25.10.2000 – XII ZR 136/98, NZM 2001, 425 LS; BGH v. 8.11.1995 – XII ZR 202/94, ZMR 1996, 122. 6 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, ZMR 2009, 829. 7 BGH v. 3.2.1967 – V ZR 59/64, NJW 1967, 1223; BGH v. 13.10.1959 – VIII ZR 193/58, NJW 1959, 2163; BGH v. 26.2.1957 – VIII ZR 277/56, NJW 1957, 827; OLG Karlsruhe v. 31.10.1985 – 15 U 129/84, NJW-RR 1986, 1394. 8 Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 4.

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b) Ausschluss des Bereicherungsanspruchs 59 In Fällen der aufgedrängten Bereicherung kann der Mieter seine Aufwendungen allerdings dann nicht nach Bereicherungsrecht ersetzt verlangen, wenn er etwa vom Vermieter von vornherein für seine Maßnahmen keinen Ersatz verlangen wollte (§ 685 Abs. 1 BGB)1 oder wenn die Parteien vereinbart haben, dass der Mieter die baulichen Veränderungen auf eigene Kosten durchführen sollte2. Ein solcher Fall liegt z.B. vor, wenn die baulichen Veränderungen bereits Gegenstand der Mietvertragsverhandlungen waren, in den Mietvertrag aber keine Aufwendungsersatzregelung aufgenommen wurde. Hieraus ergibt sich regelmäßig, dass der Mieter dann auch keinen Aufwendungsersatz verlangen wollte3. Ein solcher Ausschluss von Wertersatzansprüchen für Maßnahmen des Mieters erfasst durch ergänzende Auslegung im Übrigen auch Ansprüche aus § 951 Abs. 1, §§ 812, 818 Abs. 2 BGB4. c) Bereicherung 60 Herauszugebende Bereicherung ist in der Regel gemäß § 818 Abs. 2 BGB nicht der Wertersatz für die wertsteigernden Investitionen des Mieters nach den Kosten der getätigten Aufwendungen oder der dadurch geschaffenen objektiven Wertsteigerung des Bauwerks, sondern es ist (nur) die Differenz zwischen dem Ertragswert der Mietsache ohne die Mieterinvestition und dem durch diese Investition erhöhten Ertragswert zu erstatten5. Anhaltspunkt hierfür ist in erster Linie die Zahlung einer höheren Miete durch einen Nachmieter6. Dieser Bereicherungsanspruch besteht nur gegenüber demjenigen, der im Zeitpunkt der Beendigung der Geschäftsführung Vermieter war, und geht nicht auf einen Erwerber über7. 61 Die Bereicherung ist herauszugeben, wenn sie eingetreten ist, also entsprechend der mit dem Nachmieter vereinbarten Zahlungsmodalitäten, mithin in der Regel monatlich8. Ein – wenn auch abgezinster – Gesamtbetrag für die Restlaufzeit kann nicht geltend gemacht werden9. Zahlt der Nachmieter an den Vermieter einen Abstand für die Investitionen, erstreckt sich der Bereicherungsanspruch des Mieters auch hierauf, und zwar in voller Höhe10. 62 Nach einer teilweise vertretenen Auffassung schuldet der Vermieter auch dann nur Erstattung des erhöhten objektiven Ertragswertes, wenn der Mieter eine Dienstoder Werkleistung rechtsgrundlos erbracht hat, z.B. die Durchführung nicht geschul-

1 BGH v. 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, MDR 1985, 666 = NJW 1985, 313; OLG München v. 24.1.1997 – 21 U 2244/96, ZMR 1997, 235; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 2. 2 BGH v. 8.11.1995 – XII ZR 202/94, WM 1996, 1265; BGH v. 11.10.1989 – VIII ZR 285/88, MDR 1990, 330 = NJW-RR 1990, 142; BGH v. 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, MDR 1985, 666 = NJW 1985, 313; OLG München v. 24.1.1997 – 21 U 2244/96, ZMR 1997, 235; OLG München v. 26.4.1995 – 7 U 5093/94, ZMR 1995, 406; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 12. 3 BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 387/04, NJW-RR 2007, 1309 = MDR 2007, 1123 = MietRB 2007, 256; OLG Düsseldorf v. 19.10.2009 – I-24 U 58/09, ZMR 2010, 679. 4 BGH v. 26.9.2001 – XII ZR 130/99, NZM 2001, 1078; OLG Brandenburg v. 5.8.2009 – 3 U 110/08, zitiert nach juris (für den Ausbau einer Einliegerwohnung durch den Schwiegersohn); Palandt/Weidenkaff, § 539 BGB Rz. 8. 5 St. Rspr. des BGH v. 26.7.2006 – XII ZR 46/05, GE 2006, 1224; BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, NZM 2006, 15; BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, ZMR 1999, 93; BGH v. 8.11.1995 – XII ZR 202/94, ZMR 1996, 122. 6 BGH v. 22.5.1967 – VIII ZR 25/65, WM 1967, 750 (752); BGH v. 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, MDR 1985, 666 = NJW 1985, 313 (315); BGH v. 28.11.1984 – VIII ZR 186/83, MDR 1985, 665 = NJW 1985, 2527 (2528); BGH v. 4.4.1990 – VIII ZR 71/89, BGHZ 111, 125, 131; vgl. auch BGH v. 12.2.1959 – VIII ZR 54/58, BGHZ 29, 289, 298. 7 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 49. 8 BGH v. 4.4.1990 – VIII ZR 71/89, MDR 1990, 913 = NJW 1990, 1789; OLG Frankfurt v. 6.5.1986 – 8 U 164/85, ZMR 1986, 358. 9 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 61; a.A. BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, GuT 2006, 32. 10 BGH v. 8.11.1995 – XII ZR 202/94, ZMR 1996, 122.

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deter Schönheitsreparaturen1. Nach Auffassung des BGH passt diese auf den Ausgleich von Grundstücksverwendungen maßgebliche Sichtweise2 jedoch nicht, weil die Leistung des Mieters darin bestanden hat, einen rechtlich und wirtschaftlich als Teil des von ihm für die Gebrauchsüberlassung an der Wohnung vermeintlich geschuldeten Entgelts durch Vornahme der Schönheitsreparaturen und damit durch eine Werkleistung zu erbringen. Daher bestimmt sich die Bereicherung in diesen Fällen grundsätzlich nach dem Wert der üblichen, hilfsweise der angemessenen Vergütung3. Insoweit ist allerdings zu beachten, dass der Mieter häufig von der Möglichkeit der 63 Selbstvornahme Gebrauch macht. In einem solchen Fall richtete sich der maßgebliche Wert danach, was der Mieter billigerweise neben einem Einsatz an freier Zeit als Kosten für das notwendige Material sowie als Vergütung für die Arbeitsleistung seiner Helfer aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis aufgewendet hat oder hätte aufwenden müssen4. Dieser kann auch gemäß § 287 ZPO geschätzt werden5. d) Verjährung Der Bereicherungsanspruch unterliegt der kurzen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 2 64 BGB. Der BGH hat bereits zum § 558 BGB a.F., der Vorgängervorschrift des jetzigen § 548 BGB, entschieden, dass unter dem damals verwendeten Begriff der „Verwendungen“ alle Aufwendungen zu verstehen sind, die das Grundstück in seinem Bestand verbessern6. Für den Begriff der „Aufwendungen“ im jetzigen § 548 BGB gilt nichts anderes, da mit der entsprechenden Änderung durch das Mietrechtsreformgesetz keine inhaltliche Änderung beabsichtigt war7. Die kurze Verjährung des § 548 Abs. 2 BGB findet ihre Rechtfertigung zum einen darin, dass nach Beendigung des Mietverhältnisses alsbald Klarheit über bestehende Ansprüche im Zusammenhang mit dem Zustand der Mietsache erreicht werden soll8. Zum anderen dient die in § 548 Abs. 2 BGB getroffene Spezialregelung auch dem Zweck, das laufende Mietverhältnis nicht unnötig mit Auseinandersetzungen zu belasten9. Hieraus folgt, dass sämtliche Ansprüche, die der Mieter wegen der Vornahme von Aufwendungen gegen den Vermieter erhebt, nach § 548 BGB und nicht nach §§ 199, 195 BGB verjähren, mithin auch der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereichung nach § 812 Abs. 1 BGB10. 11. Vorzeitige Vertragsbeendigung Hat der Mieter im Rahmen eines Mietverhältnisses Aufwendungen getätigt, z.B. weil 65 er sich vertraglich hierzu verpflichtet hat, können diese nutzlos werden, wenn das Vertragsverhältnis vorzeitig endet, der Vermieter also früher als vereinbart den Nutzen an den Aufwendungen des Mieters erlangt. Dies kommt – nicht zwingend ausschließlich – insbesondere bei einer langfristigen 66 Bindung in Betracht. Im Rahmen eines Wohnraummietverhältnisses kann eine solche durch eine Befristung gemäß § 575 BGB oder einen Kündigungsverzicht herbeigeführt werden. Im Bereich der Gewerberaummiete bestehen insoweit grundsätzlich keine Einschränkungen.

1 LG Berlin v. 23.10.2006 – 62 S 187/06, GE 2007, 517 (518 f.); AG Karlsruhe v. 6.9.2005 – 5 C 212/05, DWW 2005, 374 (375); Hannemann, FS Blank, S. 189, 203. 2 Vgl. BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, NZM 1999, 19. 3 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, ZMR 2009, 829; Palandt/Sprau, § 818 BGB Rz. 21; Bamberger/Roth/Wendehorst, § 818 BGB Rz. 30. 4 BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, BGHZ 92, 363 = MDR 1985, 400. 5 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, ZMR 2009, 829. 6 BGH v. 2.10.1985 – VIII ZR 326/84, NJW 1986, 254. 7 BT-Drucks. 14/4553, S. 45; BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 195/10, NZM 2011, 452. 8 BT-Drucks. 14/4553, S. 45. 9 BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 133/07, NZM 2008, 519. 10 BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 195/10, NZM 2011, 452.

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a) Schadensersatz 67 Ein Schadensersatzanspruch des Mieters kommt dann in Betracht, wenn der Vermieter die Auflösung des Mietverhältnisses zu vertreten hat, z.B. im Fall des § 543 Abs. 2 S. 1 BGB. Im Rahmen eines solchen Schadensersatzanspruchs kommt eine Erstattungspflicht für getätigte Investitionen in Betracht. 68 Die vergeblichen („frustrierten“) Aufwendungen werden durch § 284 BGB allgemein dem negativen Interesse des Gläubigers/Mieters zugeordnet1. Um Ersatz dieser Aufwendungen zu erhalten, kommt es auf eine Rentabilitätsvermutung nicht (mehr) an2. Ersatzfähig sind z.B. Finanzierungskosten, Umbaumaßnahmen, Transport und Vorsorge für Lagerung und Aufstellung3. Vor allem bei der Einrichtung von Geschäftsräumen entstehen zudem nicht selten Kosten für die Planung und behördliche Genehmigungen (Nutzungsänderung4, Betriebserlaubnis etc.). 69 Ersetzt verlangen kann der Mieter die Aufwendungen allerdings nur, wenn er sie „billigerweise“ tätigen durfte5, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn sich nach dem Bruch eines Mietvertrages über eine Halle für eine Parteiveranstaltung herausstellt, dass die vorgesehene Veranstaltung ohnehin mangels Mitgliederinteresses abgesagt worden wäre6. Aufwendungen zur Vertragsanbahnung sind nicht zu erstatten, da diese nicht im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung getätigt wurden, da ein solches erst mit Abschluss des Vertrages entstehen kann7. 70 Da sich der Zweck i.S.v. § 284 BGB nicht auf wirtschaftliche Zielsetzungen beschränkt8, gilt der Aufwendungsersatzanspruch auch für Wohnraummietverträge9. Der Zweck, nach Abschluss des Mietvertrages die Wohnung einzurichten, ist grundsätzlich billigenswert, so dass lediglich zu überprüfen ist, inwieweit die Investitionen noch verwertbar sind. 71 Fraglich ist, ob neben dem Anspruch aus § 284 BGB ein auf das negative Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB, insbesondere nach § 280 Abs. 3 BGB i.V.m. §§ 281–283 BGB, in Betracht kommt. § 284 BGB ist so zu verstehen, dass der Gläubiger an Stelle des Schadensersatzes statt der Leistung die vergeblichen Aufwendungen verlangen kann. Dies zeigt bereits der Wortlaut, der nicht als „nach Maßgabe“ oder „unter den Voraussetzungen“ zu interpretieren ist10. Der Mieter kann also entweder nur Schadensersatz statt der Leistung oder Aufwendungsersatz verlangen. 72 Dagegen kommt der Ersatz vergeblicher Aufwendungen nicht im Rahmen des einfachen Schadensersatzes nach § 280 BGB in Betracht. Durch den Verweis auf den Schadensersatz statt der Leistung in § 284 BGB wird deutlich, dass der Schuldner zunächst noch einmal die Chance der vertragsgemäßen Leistung haben soll11. Möglich ist aber, dass neben dem Aufwendungsersatz Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB bestehen12. Weiter kommt § 536a BGB – wenn ein Mangel vorlag – als Anspruchsgrundlage in Betracht, über die der Mieter dann auch Ersatz des Mangelfolgeschadens verlangen kann13.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Zimmer, NJW 2002, 1 (10). Gesetzesbegründung zu § 284 BGB, BT-Drucks. 14/6040, S. 142 f.; Schmidt-Räntsch, Rz. 380. Erman/Westermann, § 284 BGB Rz. 6. Vgl. OLG Düsseldorf v. 10.7.1992 – 10 U 142/91, ZMR 1992, 446. Vgl. Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 58; dazu Canaris, JZ 2001, 499 (517). Zimmer, NJW 2002, 1 (10); Schmidt-Räntsch, Rz. 380. Erman/Westermann, § 284 BGB Rz. 7. Schmidt-Räntsch, Rz. 380. Dauner-Lieb, § 284 BGB Rz. 4; Palandt/Heinrichs, § 284 BGB Rz. 4. Palandt/Heinrichs, § 284 BGB Rz. 4; Staudinger/Ott, § 284 BGB Rz. 18; Zimmer, NJW 2002, 1 (10). 11 Dauner-Lieb, § 284 BGB Rz. 7. 12 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 275/04, MDR 2005, 1335 = NJW 2005, 2848. 13 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 57.

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b) Bereicherungsanspruch Bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung kommt weiter ein Bereicherungsanspruch 73 in Betracht1. Der Vermieter ist in diesen Fällen ohne Rechtsgrund vorzeitig auf Kosten des Mieters bereichert. Der Mieter kann daher den erhöhten Ertragswert ersetzt verlangen (vgl.hierzu § 539 BGB Rz. 60), allerdings beschränkt auf den Zeitraum bis zur regulären Vertragsbeendigung2. Dem Bereicherungsanspruch des Mieters bei vorzeitiger Beendigung kann auch nicht 74 entgegengehalten werden, dass der auf eine bestimmte Zeit fest geschlossene Mietvertrag wegen Nichteinhaltung der Schriftform des § 550 BGB mit gesetzlicher Kündigungsfrist kündbar war. Der Umstand, dass der Mietvertrag in einem solchen Fall vorzeitig kündbar ist, ändert nichts daran, dass die Parteien einen für längere Zeit unkündbaren Mietvertrag haben vereinbaren wollen. Der Abschluss eines insoweit langfristigen Vertrages bildet nach wie vor die Grundlage für die von dem Beklagten getätigten Investitionen. Mit der Beendigung des Mietvertrages vor dem von den Parteien geplanten Ende ist der Rechtsgrund für die vom Beklagten vorgenommene Investition insoweit weggefallen3 mit der Folge, dass der Vermieter bereichert sein kann4. Grundsätzlich der derjenige Bereicherungsschuldner, der im Zeitpunkt der Vornah- 75 me der Investitionen Vermieter war5. Bei einem Vermieterwechsel ist aber derjenige Schuldner des Bereicherungsanspruchs, der die Mietsache vorzeitig zurückerhält6. Dies beruht auf der Überlegung, dass sich der Umfang der Bereicherung nicht nach der Höhe der Aufwendung des Mieters richtet und auch nicht im Zeitwert der Investition oder der Verkehrswertsteigerung des Mietobjektes bei Rückgabe (und erst recht nicht zu einem früheren Zeitpunkt) besteht, sondern allein in der Erhöhung des Ertragswertes, soweit der Vermieter diesen früher als vertraglich vorgesehen durch anderweitige Vermietung zu einem höheren Mietzins realisieren kann. Um eine derartige Möglichkeit ist der Voreigentümer, der die Nutzung zum vertrag- 76 lich vereinbarten Mietzins dem Mieter bis zum Eigentumsübergang gewähren musste und gewährt hat, nicht bereichert worden. Bereichert ist vielmehr der neue Vermieter, der die Mietsache vor Ablauf der vereinbarten Mietzeit zurückerhält und sie dadurch zu einem höheren Mietzins weitervermieten kann7. Diese Grundsätze gelten auch bei einem Erwerb durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren8. Ist ein Nießbrauch bestellt, ist der Bereicherungsanspruch gegen den Nießbrauchsberechtigten gerichtet9. Ein Bereicherungsanspruch gegenüber dem Mietnachfolger kommt nicht in Be- 77 tracht, selbst wenn ihm die getätigten Aufwendungen zugutekommen. Der Nachmieter erlangt die Nutzungsmöglichkeit an dem Mietobjekt aufgrund des Mietvertrages mit dem Vermieter. Da somit eine Leistung vorliegt, käme nur eine Leistungskondiktion, und zwar im Verhältnis Leistender/Leistungsempfänger, in Betracht. Ein Anspruch aus Nichtleistungskondiktion scheidet aus.

1 BGH v. 22.5.1967 – VIII ZR 25/65, NJW 1967, 2255; BGH v. 14.2.1968 – VIII ZR 2/66, NJW 1968, 888; BGH v. 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, MDR 1985, 666 = NJW 1985, 313; BGH v. 4.4.1990 – VIII ZR 71/89, NJW 1990, 1789 = MDR 1990, 913; BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522; BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, NZM 1999, 19; OLG Rostock v. 24.2.2005 – 3 U 187/04, NZM 2005, 666. 2 BGH v. 29.4.2009 – XII ZR 66/07, NZM 2009, 514; BGH v. 10.12.1955 – VI ZR 44/53, MDR 1956, 598; BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, ZMR 1999, 93; OLG Düsseldorf v. 19.4.2007 – I-10 U 122/06, ZMR 2007, 446; Eckert, NZM 2009, 768. 3 BGH v. 21.1.1960 – VIII ZR 16/59, WM 1960, 497 (498). 4 BGH v. 29.4.2009 – XII ZR 66/07, NZM 2009, 514. 5 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 60. 6 BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, NJW-RR 2006, 294 = NZM 2006, 15. 7 BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, NJW-RR 2006, 294 = NZM 2006, 15. 8 BGH v. 29.4.2009 – XII ZR 66/07, MDR 2009, 920 = MietRB 2009, 230 = NZM 2009, 514. 9 OLG Frankfurt v. 6.5.1986 – 8 U 164/85, ZMR 1986, 358.

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78 Ähnlich gelagert ist der Fall, dass der Mieter Aufwendungen in Hinblick auf einen späteren Erwerb des Grundstücks tätigt, dieses z.B. bebaut, der Eigentumsübergang aber nicht vollzogen wird. Auch hier gesteht die Rechtsprechung dem Mieter einen Bereicherungsanspruch zu, § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB1. In diesen Fällen ist weder der Mietvertrag noch ein etwaiger bereits abgeschlossener Kaufvertrag Rechtsgrund der Bauleistung. Die condictio ob rem wird auch nicht durch die Vorschriften der §§ 994 ff. BGB ausgeschlossen. Zwar finden die Vorschriften der §§ 987 ff. BGB nach gefestigter Rechtsprechung auch auf den bei Geltendmachung des Vindikationsanspruchs nicht mehr berechtigten Besitzer Anwendung2 und schließen die Anwendbarkeit des allgemeinen Bereicherungsrechts aus3. Dies gilt jedoch nicht für Bereicherungsansprüche wegen Baumaßnahmen auf fremdem Grund und Boden, die von einem berechtigten Besitzer in der begründeten Erwartung des späteren Eigentumserwerbs vorgenommen werden4. 79 Der Vermieter ist zur Herausgabe der Bereicherung verpflichtet. Zur Höhe des Bereicherungsanspruchs vgl. § 539 BGB Rz. 60. II. Wegnahmerecht 1. Grundsätzliches 80 § 539 Abs. 2 BGB gewährt dem Mieter ein Wegnahmerecht. Eine Pflicht zur Wegnahme wird durch die Vorschrift nicht begründet. Eine solche kann sich aber aus dem Mietvertrag oder aus § 546 Abs. 1 BGB ergeben5. Nach dieser Vorschrift ist die Mietsache, abgesehen von den unvermeidlichen Änderungen infolge des vertragsgemäßen Gebrauchs, in dem Zustand zurückzugeben, in dem sie sich bei Überlassung befand (vgl. § 546 BGB Rz. 75)6. 81 Das Recht zur Wegnahme gemäß § 539 Abs. 2 BGB kann durch vertragliche Regelung grundsätzlich ausgeschlossen werden, im Bereich der Wohnraummiete aber nur, wenn ein angemessener Ausgleich vorgesehen ist, § 552 Abs. 2 BGB7. Es ist auch stets zu prüfen, ob die Parteien eine abschließende Übertragung des Eigentums an der Einrichtung an den Vermieter beabsichtigt haben, die auch durch konkludentes Handeln erfolgen kann8. Auch ohne vertragliche Regelung ist der Vermieter gemäß § 552 Abs. 1 BGB berechtigt, das Wegnahmerecht durch eine angemessene Ausgleichszahlung abzuwenden, es sei denn, der Mieter hat ein berechtigtes Interesse an der Wegnahme. § 552 Abs. 1 BGB gilt über § 578 Abs. 2 auch für Gewerberaummietverträge. 82 Kommt der Mieter mit der Einbringung einer vertraglichen Instandhaltungs- oder Instandsetzungspflicht nach, steht ihm kein Wegnahmerecht zu. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Mieter einen Heizkessel im Rahmen von Instandhaltungs-, Instandsetzungs- oder Sanierungsmaßnahmen am Objekt einbringt, zu denen er sich gegenüber

1 BGH v. 12.7.1989 – VIII ZR 286/88, MDR 1989, 1096 = NJW 1989, 2745; BGH v. 22.6.2001 – V ZR 128/00, MDR 2001, 1227 = NJW 2001, 3118; OLG Oldenburg v. 5.11.2007 – 15 U 19/07, MDR 2008, 150 = NJW-RR 2008, 503. 2 BGH v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, MDR 1996, 1112 = NJW 1996, 921; BGH v. 22.6.2001 – V ZR 128/00, MDR 2001, 1227 = NJW 2001, 3118. 3 BGH v. 29.9.1995 – V ZR 130/94, NJW 1996, 52. 4 BGH v. 29.11.1965 – VII ZR 214/63, BGHZ 44, 321, 323; BGH v. 12.7.1989 – VIII ZR 286/88, BGHZ 108, 256, 262; BGH v. 29.9.1995 – V ZR 130/94, NJW 1996, 52 mit Besprechung Canaris, JZ 1996, 344 (347); a.A. Emmerich, NZM 1998, 49 der einen Ausgleich über eine ergänzende Vertragsauslegung befürwortet. 5 BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, MDR 1981, 1008 = NJW 1981, 2564; OLG Düsseldorf v. 5.10.2009 – I-24 U 17/09, ZMR 2010, 959; Erman/Lützenkirchen, § 539 BGB Rz. 8. 6 BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, NJW 2002, 3234. 7 Vgl. hierzu auch BGH v. 31.10.1952 – V ZR 36/51, BGHZ 8, 1 (7); BGH v. 10.7.1953 – V ZR 22/52, BGHZ 10, 171 (175 f.); BGH v. 21.12.1956 – V ZR 245/55, BGHZ 23, 57 (58); BGH v. 1.2.1984 – VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 70 (73 f.); BGH v. 20.5.1988 – V ZR 269/86, BGHZ 104, 298 (301 f.). 8 OLG Düsseldorf v. 5.2.2008 – 10 U 189/07, NZM 2009, 242.

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dem Vermieter vertraglich verpflichtet hat, was regelmäßig aber nur bei der Gewerberaummiete wirksam möglich sein wird1. § 539 Abs. 2 BGB trifft keine Aussage darüber, ob der Mieter überhaupt berechtigt 83 ist, eine Einrichtung einzubringen. Dies richtet sich allein nach den vertraglichen Regelungen und den gesetzlichen Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs, § 535 Abs. 1 BGB2. Das Wegnahmerecht besteht aber unabhängig davon, ob der Mieter zur Anbringung berechtigt war oder nicht. 2. Einrichtungen Einrichtungen sind bewegliche Sachen, die vom Mieter im eigenen Interesse mit der 84 Mietsache zusätzlich verbunden werden, um deren wirtschaftlichen Zweck zu dienen3. Ohne Relevanz ist die Art der Verbindung. Die verbundene Sache muss aber – sei es auch mit Mühen und Kosten verbunden – wieder abtrennbar sein4 und einen gewissen wirtschaftlichen Wert behalten5. Dies ist nicht der Fall, wenn die Sache nicht ohne Beschädigung entfernt werden kann, wie z.B. ein angebrachter Fliesenbelag6, wobei dann dennoch die Rückbauverpflichtung aus § 546 BGB besteht. Schließlich muss die verbundene Sache als Nebensache dem Mietobjekt zugeordnet sein7. Gegenstände, die lediglich aufgestellt oder an Wände gehangen werden, sind aber nicht mit dem Mietobjekt verbunden und werden von dem Begriff der Einrichtung nicht erfasst8. Daher fallen Möbel grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des § 539 Abs. 2 BGB, es sei denn sie sind darauf ausgerichtet, mit dem Mietobjekt – z.B. durch Verschraubung – verbunden zu werden9. Ohne Belang ist, ob die Einbauten zu einem vorübergehenden Zweck erfolgten und 85 im Eigentum des Mieters blieben (§ 95 BGB10) oder als bauliche Veränderungen zu wesentlichen Bestandteilen der Mietsache wurden und deshalb in das Eigentum des Vermieters übergingen (§§ 947 Abs. 2, 94 BGB11), wie z.B. eine eingemauerte Einbauküche12. Denn das Wegnahmerecht ist ein Aneignungsrecht und erfasst auch Veränderungen in der baulichen Substanz13. Es ist unerheblich, ob die Einrichtung zum wesentlichen Bestandteil der Mietsache geworden ist und der Mieter sein Eigentum verloren hat14. Das Wegnahmerecht wird als dinglicher Anspruch qualifiziert15. Denn selbst wenn 86 der Vermieter durch die Einfügung Eigentümer geworden ist, kann sich der Mieter die Sache wieder aneignen. Im Übrigen wird der dingliche Charakter des Gestattungsanspruchs in der Beschränkung des Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB in seinen Voraussetzungen und Wirkungen deutlich16.

1 OLG Brandenburg v. 25.3.2009 – 3 U 172/07, ZMR 2010, 23. 2 Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 25. 3 BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861; MünchKomm/Bieber, § 539 BGB Rz. 13; Blank/Börstinghaus, § 539 BGB Rz. 16; Scholl, WuM 1998, 327. 4 Bub/Treier/Scheuer, V B Rz. 245. 5 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 139. 6 AG Homburg v. 18.9.2012 – 23 C 58/12 (20), WuM 2012, 674. 7 MünchKomm/Bieber, § 539 BGB Rz. 13. 8 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 12; MünchKomm/Bieber, § 539 BGB Rz. 14. 9 BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861. 10 Vgl. auch BGH v. 14.5.1997 – XII ZR 140/95, NJW-RR 1997, 1216; OLG Düsseldorf v. 5.10.2009 – I-24 U 17/09, ZMR 2010, 959 m.w.N. 11 Vgl. hierzu Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 27 m.w.N. 12 OLG Düsseldorf v. 2.11.1998 – 9 U 64/98, NZM 1999, 237. 13 BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, MDR 1981, 1008 = NJW 1981, 2564; OLG Düsseldorf v. 4.8.2011 – I-24 U 48/11, GuT 2011, 280; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 27. 14 BGH v. 12.6.1991 – XII ZR 17/90, MDR 1992, 237 = NJW 1991, 3031. 15 BGH v. 12.6.1991 – XII ZR 17/90, MDR 1992, 237 = NJW 1991, 3031. 16 BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, MDR 1981, 1008 = NJW 1981, 2564.

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Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht

87 Beispiele für dem Wegnahmerecht unterliegende Einbauten: – Einbauküchen1, auch Teeküchen2, – sonstige Einbaumöbel; Badezimmereinrichtungen und sanitäre Installationen3, – Teppichböden4 und sonstige Fußbodenbeläge5, – Heizungsanlagen6, – Heizkörper, – Steckdosen und Schalter, – Beleuchtungsanlagen, – Türen, z.B. auch eine Kiosktür7, – verankerte Maschinen, – Anschlussgleise8, – umpflanzbare Anpflanzungen – auch Bäume9, – Schlösser10, – EDV- und Telefonanlagen11. 88 Zu den Einrichtungen zählen nicht: die Errichtung eines Gebäudes12 mit Ausnahme von Bauwerken, die im Beitrittsgebiet vor dem 3.10.1990 errichtet wurden, § 12 Abs. 4 SchuldRAnpG; Sachen, die eingefügt werden, um die Mietsache erst in den vertragsgemäßen Zustand zu versetzen oder um die Mietsache zu verändern13, weil sie nicht der Verbesserung der vertragsgemäßen Benutzbarkeit dienen; bloße Baumaterialien (Tapete, Fliesenspiegel) und unter Putz verlegte Leitungen14, weil sie zur Mietsache selbst gehören und vom Verkehr nicht als Nebensache angesehen werden; bewegliche Gegenstände, wie z.B. Inventar und Mobiliar15. 3. Duldungspflicht des Vermieters a) Inhalt der Duldungspflicht 89 Der Vermieter schuldet Duldung der Wegnahme, nicht Herausgabe der Einrichtung16, auch keine Mitwirkung, bis auf die Gestattung des Zutritts, soweit erforderlich17. Mit der Rückgabe der Mietsache geht das Wegnahmerecht des Mieters entsprechend § 258 S. 2 BGB in einen Anspruch auf Gestattung der Wegnahme über18.

1 BGH v. 20.11.2008 – IX ZR 180/07, WuM 2009, 129; OLG Düsseldorf v. 3.12.1998 – 10 U 191/97, NZM 1999, 668; a.A. OLG München v. 22.6.1984 – 18 U 2537/84, WuM 1985, 90. 2 LG Hamburg v. 24.1.2012 – 311 O 302/11, ZMR 2012, 871. 3 BGH 14.7.1969 – VIII ZR 5/68, ZMR 1969, 340; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 12. 4 KG v. 2.3.1971 – 1 W 11964/70, ZMR 1972, 80. 5 OLG Frankfurt v. 6.5.1986 – 8 U 164/85, ZMR 1986, 358. 6 BGH v. 18.11.1968 – VIII ZR 189/66, NJW 1969, 40. 7 OLG Düsseldorf v. 5.10.2009 – 24 U 17/09, ZMR 2010, 959. 8 BGH v. 9.2.1966 – VIII ZR 19/64, MDR 1966, 498. 9 OLG Köln v. 8.7.1994 – 11 U 242/93, ZMR 1994, 509; OLG Düsseldorf v. 3.4.1998 – 22 U 161/97, NJW-RR 1999, 160. 10 LG Karlsruhe v. 13.12.1996 – 9 S 271/96, WuM 1998, 22. 11 LG Hamburg v. 24.1.2012 – 311 O 302/11, ZMR 2012, 871. 12 BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, MDR 1981, 1008 = NJW 1981, 2564. 13 Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 27; MünchKomm/Bieber, § 539 BGB Rz. 14; Erman/Lützenkirchen, § 539 BGB Rz. 12. 14 MünchKomm/Bieber, § 539 BGB Rz. 14; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 11. 15 BGH v. 12.6.1991 – XII ZR 17/90, MDR 1992, 237 = NJW 1991, 3031; OLG Düsseldorf v. 3.12.1998 – 10 U 191/97, WuM 2000, 21; OLG München v. 22.6.1984 – 18 U 2537/84, WuM 1985, 90. 16 OLG Düsseldorf v. 3.12.1998 – 10 U 191/97, NZM 1999, 668; Erman/Lützenkirchen, § 539 BGB Rz. 13. 17 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1186. 18 BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, MDR 1981, 1008 = NJW 1981, 2564.

512

Dickersbach

Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht

§ 539 BGB

Grundsätzlich ist der Vermieter zur Mitwirkung bei der Wegnahme nicht verpflichtet. 90 Dies gilt auch dann nicht, wenn der Vermieter dem Mieter wegen vorausgegangener erheblicher Auseinandersetzungen ein Hausverbot erteilt. Durch ein solches Hausverbot wird das Wegnahmerecht auch nicht vereitelt, sofern der Ausbau und die Wegnahme durch Beauftragte des Mieters gestattet wird1. Verweigert der Vermieter die Duldung, ist der Klageantrag nicht auf Herausgabe, 91 sondern auf die Duldung der Wegnahme zu richten2. Die Vollstreckung richtet sich dann nach § 890 ZPO. Der Streitwert bemisst sich nach dem Wert der Einrichtung nach Ausbau, nicht nach dem Gebrauchswert3. Der Duldungsanspruch ist gemäß § 398 BGB abtretbar, was insbesondere für die Ver- 92 äußerung einer Einrichtung an einen Nachmieter von Bedeutung ist. In der Veräußerung ist in der Regel eine zumindest konkludente Abtretung des Duldungsanspruchs zu sehen4. b) Verletzung der Duldungspflicht Eine Verletzung der Duldungspflicht kann einen Schadensersatzanspruch des Mie- 93 ters aus § 280 Abs. 1 BGB (pVV) bzw. nach fruchtloser Fristsetzung aus § 281 Abs. 1 BGB begründen5, bzw. bei einer verzögerten Duldung zur Verzugshaftung gemäß § 286 BGB führen. Auch Ansprüche gemäß §§ 987 ff. BGB kommen in Betracht, allerdings erst ab dem 94 Zeitpunkt, in dem Mieter die Einrichtung wegnehmen möchte und dies verweigert wird. Bis zur Ausübung des Wegnahmerechts ist der Vermieter zum Besitz berechtigt, und zwar selbst dann, wenn das Eigentum an der Einrichtung dem Mieter zusteht6. Gleiches gilt in Bezug auf einen Nachmieter, dem der Vermieter den unmittelbaren Besitz einräumt7. Weder Vermieter noch Nachmieter schulden daher eine Nutzungsentschädigung nach den §§ 987 ff. BGB, bis der Mieter sein Wegnahmerecht ausüben möchte8. c) Wegfall der Duldungspflicht Die Duldungspflicht des Vermieters entfällt durch Ausübung des Vermieterpfand- 95 rechts. Das Vermieterpfandrecht berechtigt den Vermieter, der Entfernung der dem Pfandrecht unterworfenen Sachen des Mieters zu widersprechen. Hat der Mieter das Mietobjekt mit Einrichtungen versehen, so handelt es sich jedenfalls dann auch insoweit um eingebrachte Sachen des Mieters, als diese Einrichtungen – als Scheinbestandteile des Grundstücks (§ 95 BGB) – im Eigentum des Mieters bleiben. Ist der Vermieter berechtigt, der Entfernung der seinem Pfandrecht unterworfenen Einrichtungen des Mieters zu widersprechen, so braucht er die Wegnahme nicht zu dulden, d.h., er ist aus diesem Grunde berechtigt, seine Leistung vorübergehend, und zwar solange das Pfandrecht besteht, zu verweigern9. Teilweise wird vertreten, dass die Ausübung des Wegnahmerechts auch gegen den 96 Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verstoßen kann, nämlich dann, wenn die Wegnahme dem Mieter keinen Vorteil bringt10. Insoweit ist allerdings Zurückhaltung geboten, da grundsätzlich allein dem Mieter die Entscheidung darüber 1 OLG München v. 24.1.1997 – 21 U 2244/96, ZMR 1997, 235. 2 BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 36. 3 Vgl. KG v. 2.3.1971 – 1 W 11964/70, ZMR 1972, 80. 4 BGH v. 18.11.1968 – VIII ZR 189/66, NJW 1969, 40; LG München v. 22.2.1961 – 15 S 450/60, ZMR 1962, 198; Erman/Lützenkirchen, § 539 BGB Rz. 16. 5 BGH v. 18.11.1968 – VIII ZR 189/66, NJW 1969, 40; OLG München v. 24.1.1997 – 21 U 2244/96, ZMR 1997, 235. 6 BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861. 7 BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, WuM 1982, 50. 8 BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, BGHZ 101, 37 = MDR 1987, 927. 9 BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861. 10 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 77; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 31.

Dickersbach

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§ 539 BGB

Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht

obliegt, ob er von seinem Wegnahmerecht Gebrauch macht oder nicht, zumal er über § 258 S. 1 BGB das (ehemalige) Mietobjekt wieder in den vorigen Zustand versetzen muss und der Vermieter insoweit zuvor eine Sicherheit verlangen kann, also hinreichend geschützt ist. Der Einwand von Treu und Glauben kann daher nach der hier vertretenen Meinung nur dann greifen, wenn dem Mieter die Herstellung des vorigen Zustandes nicht möglich oder unzumutbar ist1. 4. Ausübung des Wegnahmerechts 97 Zur Ausübung des Wegnahmerechts besteht keine Anzeigepflicht des Mieters2. Korrekturen können sich im Einzelfall aus § 242 BGB ergeben, wenn der Mieter kein berechtigtes Interesse (§ 552 Abs. 1 BGB) reklamieren kann und die Entfernung die Mietsache unangemessen entwertet3. 98 Das Wegnahmerecht muss einheitlich, also hinsichtlich der gesamten Einrichtung ausgeübt werden. Es kann nicht auf einzelne Bestandteile beschränkt werden. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Mieter lediglich besonders werthaltige Gegenstände wegnimmt oder die zurückgelassenen Bestandteile nicht mehr funktionstüchtig und damit wertlos sind. Übt er das Wegnahmerecht aus, muss er den vorigen Zustand wiederherstellen, § 258 S. 1 BGB. 99 Das Wegnahmerecht kann nach Beendigung des Mietvertrags, vor oder nach der Rückgabe der Mietsache ausgeübt werden, aber auch schon im Verlaufe des Mietvertrags4. Im Falle des § 566 BGB richtet sich das Wegnahmerecht, wenn die Mietsache zuvor nicht zurückgegeben wurde, gegen den Erwerber5, selbst wenn der Erwerb in der Zwangsversteigerung erfolgt und das Recht dort nicht angemeldet wurde6. 100 Da es sich bei § 539 Abs. 2 BGB um ein Wegnahmerecht i.S.d. § 258 BGB handelt, ist der Mieter im Falle der Wegnahme verpflichtet, das Mietobjekt auf seine Kosten in den vorigen Zustand zu versetzen, § 258 S. 1 BGB. Befindet sich der Vermieter vor der Wegnahme bereits wieder im Besitz des Mietobjektes, muss er die Wegnahme dulden, kann die Gestattung aber gemäß § 258 S. 2 BGB davon abhängig machen, dass der Mieter ihm für die mit der Wegnahme verbundenen Schäden Sicherheit leistet. Das Wegnahmerecht scheidet aus, wenn die Herstellung des früheren Zustandes nicht möglich ist (vgl. § 539 BGB Rz. 96). 5. Übertragung des Wegnahmerechts 101 Der Mieter kann sein Wegnahmerecht abtreten7. Eine Abtretung ist in der Regel anzunehmen, wenn der Mieter die von ihm eingebrachten Einrichtungen dem Nachmieter einvernehmlich überlässt8. 6. Verjährung 102 Die Verjährung der von § 539 Abs. 2 BGB erfassten Ansprüche bestimmt sich grundsätzlich nach § 548 Abs. 2 BGB. Die Verjährungsfrist von sechs Monaten wird ab Beendigung und nicht ab Rückgabe, wie bei § 548 Abs. 1 BGB, berechnet9.

1 A.A. Gather, DWW 2008, 122; MünchKomm/Krüger, § 258 BGB Rz. 8, Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 82 (die dem Vermieter lediglich einen Schadensersatzanspruch zugestehen möchten). 2 OLG Köln v. 8.7.1994 – 11 U 242/93, ZMR 1994, 509. 3 Vgl. BGH v. 12.6.1991 – XII ZR 17/90, MDR 1992, 237 = NJW 1991, 3031; OLG München v. 22.6.1984 – 18 U 2537/84, WuM 1985, 90; Bub/Treier/Scheuer, V B Rz. 251, str. 4 Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 32; Bub/Treier/Scheuer, V B Rz. 251. 5 BGH v. 12.6.1991 – XII ZR 17/90, MDR 1992, 237 = NJW 1991, 3031. 6 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 141. 7 BGH v. 12.6.1991 – XII ZR 17/90, MDR 1992, 237 = NJW 1991, 3031. 8 MünchKomm/Bieber, § 539 BGB Rz. 19; vgl. auch BGH v. 18.11.1968 – VIII ZR 189/66, NJW 1969, 40. 9 OLG Bamberg v. 6.6.2003 – 6 U 20/03, NJW-RR 2004, 227.

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Dickersbach

§ 540 BGB

Gebrauchsüberlassung an Dritte

Die Verjährung wird nicht durch die Geltendmachung des Vermieterpfandrechts ge- 103 hemmt1. Soweit § 205 BGB bestimmt, dass die Verjährung gehemmt wird, wenn die Einrede des Zurückbehaltungsrechts erhoben wird, ist diese Vorschrift auf das Vermieterpfandrecht nicht anwendbar. Dieses wird in § 205 BGB gerade nicht genannt. Weiter handelt es sich zweifelsohne um eine nicht analogiefähige Ausnahmeregelung2. Ist der Anspruch auf Duldung der Wegnahme verjährt, so kann der Vermieter dem 104 Mieter das Recht zum Besitz als dauernde Einrede entgegenhalten. Damit entfällt zugleich die Möglichkeit, den Vermieter als unrechtmäßigen Besitzer auf Nutzungsvergütung gemäß §§ 987 ff. BGB in Anspruch zu nehmen3. Nach Eintritt der Verjährung stehen dem Mieter auch keine Schadensersatz- oder 105 Bereicherungsansprüche wegen Eigentumsverlusts zu, wenn der Vermieter das Mietobjekt einschließlich der eingebauten Einrichtungen veräußert4. 7. Beweislast Der Mieter hat vorzutragen und zu beweisen, dass er die Einrichtung eingebracht 106 hat. Begehrt der Mieter eine Entschädigung nach § 552 Abs. 2 BGB, muss er die Angemessenheit der verlangten Entschädigung darlegen und beweisen, aber auch, dass der Vermieter die Wegnahme nicht gestattet hat5. Ein behaupteter Verzicht auf das Wegnahmerecht oder eine Entschädigung ist von dem Vermieter – da für ihn günstig – darzulegen und zu beweisen. 8. Ausgleichsanspruch des Mieters Dem Mieter steht ohne vertragliche Regelung kein Ausgleichsanspruch, insbesondere kein Bereicherungsanspruch gemäß § 812 BGB, gegen den Vermieter zu, sofern er Einrichtungsgegenstände zurücklässt. Vielmehr kann der Vermieter den Mieter auf sein Wegnahmerecht verweisen6. Der Vermieter muss sich die Einrichtungsgegenstände nicht aufdrängen lassen.

107

C. Gewerberaummiete Es bestehen keine Unterschiede zur Wohnraummiete.

108

§ 540 Gebrauchsüberlassung an Dritte (1) Der Mieter ist ohne die Erlaubnis des Vermieters nicht berechtigt, den Gebrauch der Mietsache einem Dritten zu überlassen, insbesondere sie weiter zu vermieten. Verweigert der Vermieter die Erlaubnis, so kann der Mieter das Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen, sofern nicht in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt. (2) Überlässt der Mieter den Gebrauch einem Dritten, so hat er ein dem Dritten bei dem Gebrauch zur Last fallendes Verschulden zu vertreten, auch wenn der Vermieter die Erlaubnis zur Überlassung erteilt hat.

1 OLG Stuttgart v. 14.4.2008 – 13 U 139/07, MDR 2008, 679. 2 BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861. 3 BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, MDR 1981, 1008 = NJW 1981, 2564; OLG Bamberg v. 6.6.2003 – 6 U 20/03, NJW-RR 2004, 227; LG Berlin v. 12.1.2004 – 99 O 82/03, zitiert nach juris. 4 BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861; BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, BGHZ 81, 146. 5 Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 36. 6 LG Hamburg v. 24.1.2012 – 311 O 302/11, ZMR 2012, 871.

Lützenkirchen

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§ 540 BGB

Gebrauchsüberlassung an Dritte Inhalt

A. I. II. 1. 2. III. 1. 2. 3. IV. 1. 2. 3. 4. V. B. I. 1. 2. II. 1. 2. 3. III. 1. 2. 3. 4.

5.

6. 7. 8. 9.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . § 540 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . § 540 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . § 540 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . Generelle Untervermietungserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbot mit Erlaubnisvorbehalt . Andere Beschränkungen . . . . . . Abhängigkeit des Unter- vom Hauptmietvertrag . . . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 1 3 3 6 7 7 8 9 10

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12 15 17

..... .....

19 21

Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . Gebrauchsüberlassung . . . . . . . . . . . . Untermiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigungsschutz des Untermieters gegenüber dem Vermieter . . . . . . . . . . Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Angehörige . . . . . . . . . . . . . . Lebensgefährte . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere privilegierte Personen . . . . . . Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsnatur der Erlaubnis . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umfang der Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . a) Konkreter Untermieter. . . . . . . . . . b) Abstrakte Anfrage . . . . . . . . . . . . . . Anspruch auf Erlaubnis . . . . . . . . . . . . a) Vertragliche Regelung . . . . . . . . . . b) Weitere Anspruchsgrundlagen . . . . Überlegungsfrist des Vermieters. . . . . Erlöschen der Erlaubnis . . . . . . . . . . . Widerruf der Erlaubnis . . . . . . . . . . . . Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 23 28 33 35 35 36 37 39 42 43 47 50 50 53 55 55 60 62 63 65 68

IV. Rechtsfolgen einer verweigerten Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechte des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . a) Kündigung nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wichtiger Grund . . . . . . . . . . . . cc) Andere Kündigungstatbestände zugunsten des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechte des Vermieters . . . . . . . . . . . . a) Beseitigung und Unterlassung, § 541 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kündigung des Mietvertrages . . . . c) Herausgabe des Mehrerlöses . . . . . aa) Bestehender Mietvertrag . . . . . bb) Erlaubte Untervermietung bei nichtigem Hauptmietvertrag. . cc) Verweigerte Herausgabe nach Mietende . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Haftung des Mieters für den Untermieter (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsbeziehung Vermieter – Untermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestehender Hauptmietvertrag . . . . . 2. Beendeter Hauptmietvertrag . . . . . . . a) Ansprüche des Vermieters . . . . . . . aa) Räumung der Mietsache . . . . . bb) Anspruch auf Nutzungsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ansprüche des Untermieters . . . . . c) Exkurs: Rechtsmangel durch Kündigung des Hauptmietvertrages? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. I. II. III. IV. V.

Gewerberaummiete . . . Allgemeines . . . . . . . . . . Dritte . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Erlaubnis . . . Anspruch auf Erlaubnis. Wichtiger Grund . . . . . .

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70 73 73 73 74

77 80 81 82 82 85 87 87 89 90 91 93 93 94 94 94 96 98

99 101 101 103 108 112 114

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Da der Mieter das wirtschaftliche Risiko der Nutzung trägt und er seine Ansprüche grundsätzlich nicht abtreten kann, versucht die Vorschrift, einen Interessenausgleich herzustellen. Dazu macht sie die Gebrauchsüberlassung als solche abhängig von der Zustimmung des Vermieters und schafft eine Ausstiegsmöglichkeit für den Mieter, wenn ihm die Zustimmung ohne besonderen Grund verweigert wird. 2 § 540 Abs. 2 BGB stellt klar, dass durch die Erlaubniserteilung keine Entlastung des Mieters eintritt, wenn der Dritte schuldhaft einen Schaden verursacht.

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Lützenkirchen

Gebrauchsüberlassung an Dritte

§ 540 BGB

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Norm ist auf alle Mietverhältnisse und über § 581 Abs. 2 BGB grundsätzlich auch 3 auf die Pacht entsprechend anwendbar. Zweifel bestehen bei der Rechtspacht1. Denn die Vorschrift sollte im Wesentlichen nur für die Miete unbeweglicher Sachen von Bedeutung sein2, zumal in der Mehrzahl der Fälle persönliche Eigenschaften des Mieters, sein Beruf, seine Lebensweise etc. für den Abschluss und die Bedingungen des Mietvertrags von entscheidender Bedeutung sind3. Bei Wohnraummiete ist ergänzend § 553 BGB zu beachten.

4

Im allgemeinen Pachtrecht ist das Kündigungsrecht nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB aus- 5 geschlossen, § 584a Abs. 1 BGB. Bei der Landpacht gilt § 589 BGB. 2. Anwendbare Rechtsprechung Zur Vorgängervorschrift, die bis zum 31.8.2001 galt (§ 549 Abs. 1 und 3 BGB a.F., erge- 6 ben sich keine inhaltlichen Veränderungen. Deshalb ist die Rechtsprechung zu den alten Bestimmungen ohne Einschränkung auch auf § 540 BGB anzuwenden. Das MietRÄndG 2013 hat die Vorschrift nicht tangiert. III. Zweck der Vorschrift 1. § 540 Abs. 1 S. 1 BGB Die Ansprüche des Mieters aus dem Mietvertrag sind regelmäßig nicht abtretbar, 7 weil es auf die Person des Mieters ankommt4. Andererseits trägt grundsätzlich der Mieter das wirtschaftliche Risiko der Nutzung. In dieser Situation soll die Bestimmung dem Mieter zunächst die Möglichkeit bieten, z.B. bei Aufgabe der Nutzung seinen wirtschaftlichen Verlust aufzufangen, indem er den Gebrauch einem Dritten (gegen Entgelt) überlässt5. Insoweit zeigt das Zustimmungserfordernis, dass dem Vermieter nicht jeder Nutzer aufgedrängt werden können soll6. Dieser Interessenausgleich kann natürlich auf alle anderen Situationen übertragen werden, in denen der Mieter an der Nutzung gehindert ist, aber weiter an den Vertrag gebunden bleibt. 2. § 540 Abs. 1 S. 2 BGB Mit der Beschränkung des Rechts des Mieters zur außerordentlichen Kündigung 8 wird das Interesse des Vermieters sichergestellt, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in der Person des Untermieters die Erlaubnis versagen und seinen Mieter am Vertrag festhalten zu können. Demnach muss er also nicht jeden Mieter akzeptieren, sondern kann unabhängig vom Interesse des Mieters selbständig prüfen, ob er die Nutzung gerade durch diesen Mietinteressenten gestatten will7. 3. § 540 Abs. 2 BGB Diese Bestimmung hat nur klarstellende Funktion. Sie soll deutlich machen, dass 9 der Mieter durch die Erlaubnis des Vermieters nicht aus der eigenen Haftung entlassen wird.

1 2 3 4

BGH v. 26.1.1994 – XII ZR 93/92, MDR 1994, 346 = NJW-RR 1994, 558. Mugdan, II S. 844. Mugdan, II S. 846, 1250. BGH v. 26.1.1994 – XII ZR 93/92, MDR 1994, 346 = NJW-RR 1994, 558; zweifelnd: Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 540 BGB Rz. 48 (mit Zustimmung des Vermieters ist Abtretung möglich). 5 BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, NJW 1995, 2034 = MDR 1995, 1115 = WuM 1995, 481. 6 Riecke in Elzer/Riecke, § 540 BGB Rz. 1. 7 Vgl. BGH v. 29.4.1992 – XII ZR 221/90, ZMR 1993, 57.

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Gebrauchsüberlassung an Dritte

IV. Abweichende Vereinbarungen 10 § 540 BGB ist grundsätzlich abdingbar. 11 Soweit sich eine Klausel auch auf Besuch als den Aufenthalt Dritter von nicht länger als drei Monaten Dauer beziehen kann, sind selbst Individualregelungen nach § 138 BGB unwirksam1, denn damit wird unzulässig in das Hausrecht des Mieters eingegriffen. 1. Generelle Untervermietungserlaubnis 12 Eine generelle Untervermietungsbefugnis ist auch formularmäßig unproblematisch. Neben der ausdrücklichen Regelung kann eine solche Befugnis z.B. schon in einer Formulierung zu sehen sein, die dem Mieter nur eine Anzeigepflicht auferlegt oder enumerativ Verbotssachverhalte aufzählt, so dass der Schluss gerechtfertigt ist, dass in den nicht genannten Fällen die Gebrauchsüberlassung an Dritte ohne Zustimmung zulässig ist. Das Gleiche gilt bei einer Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt2. 13 In einem solchen Fall steht die Untervermietung im freien Ermessen des Mieters, das im Prinzip nur durch den Vertragszweck beschränkt ist3. Denn durch die Ausübung z.B. eines anderen Gewerbes durch den Dritten ist die Nutzung als solche trotz Untervermietungserlaubnis unzulässig und kann die Rechtsfolgen der §§ 541, 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB nach sich ziehen. Entsprechendes gilt z.B., wenn Wohnraum durch den Untermieter zu gewerblichen Zwecken genutzt wird. 14 Auch wenn der Mieter in diesem Fall nur den vertragsgemäßen Gebrauch ausübt, muss er die Untervermietung anzeigen4. Denn der Vermieter muss nicht nur, wenn er Betriebskosten nach Personen abrechnet, wissen, wer sich dauerhaft in seiner Mietsache aufhält. 2. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 15 Derartige Klauseln sind in der Regel auch in der Wohnraummiete unbedenklich5, sofern die Erlaubnis nicht von der schriftlichen Erteilung abhängig gemacht wird6. Sie finden sich in der Formulierung, dass – die Untervermietung der Erlaubnis des Vermieters bedarf, – dem Mieter die Untervermietung gestattet sei, eine besondere Nutzung (z.B. Zweckentfremdung) aber der Zustimmung des Vermieters bedarf7, – der Mieter zur Untervermietung oder sonstigen Überlassung der vermieteten Räume – ganz oder teilweise – der vorherigen Zustimmung des Vermieters bedarf8. 16 Hier gelten für die Zustimmung zur Untervermietung die gleichen Voraussetzungen, wie bei § 540 BGB Rz. 39 ff. dargestellt. Ausnahmsweise kann ein Anspruch auf Zustimmung bestehen, wenn die Parteien dazu bestimmte Voraussetzungen vereinbart haben und der Mieter deren Vorliegen darlegt. 3. Andere Beschränkungen 17 Individuell ist eine Abänderung des § 540 BGB prinzipiell möglich. In der Wohnraummiete darf jedoch nicht in den Regelungsgehalt des § 553 BGB zu Lasten des Mieters eingegriffen werden, § 553 Abs. 3 BGB. Demnach kann insbesondere das berechtigte 1 Blank/Börstinghaus, § 540 BGB Rz. 35. 2 Vgl. dazu Blank/Börstinghaus, § 540 BGB Rz. 54. 3 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, NJW 1982, 376 = MDR 1982, 314; KG v. 8.9.2003 – 8 U 181/02, GE 2003, 1490 = KGR 2004, 23; OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 24 U 207/01, ZMR 2003, 349 = WuM 2003, 136 = NZM 2003, 945; OLG Köln v. 12.4.1996 – 20 U 166/95, WuM 1997, 620 = ZMR 1997, 298 = OLGR 1997, 18. 4 Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 540 BGB Rz. 8. 5 OLG Hamburg v. 29.10.1993 – 4 U 167/93, WuM 1993, 737. 6 Vgl. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, WuM 1991, 381 (382) = MDR 1991, 628. 7 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, NJW 1982, 376 = MDR 1982, 314. 8 OLG Hamburg v. 29.10.1993 – 4 U 167/93, WuM 1993, 737.

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Interesse weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. In der Gewerberaummiete ist es aber ohne Weiteres zulässig, z.B. bestimmte wichtige Gründe zu vereinbaren oder die Untervermietung nur unter ganz besonderen Voraussetzungen (z.B. Krankheit) zuzulassen. Formularmäßigen Abänderungen werden durch § 307 BGB Schranken gesetzt. Un- 18 wirksam sind danach jedenfalls bei langfristigen Verträgen insbesondere Formularklauseln, die die Untervermietung generell verbieten1. Ansonsten kommt eine Unzulässigkeit in Betracht, wenn die Klauseln – für die Erteilung der Untervermietungserlaubnis Schriftform verlangen2, – die Untervermietung von Leasingobjekten verbieten, weil sie mit den Besonderheiten des Finanzierungsleasings, insbesondere wegen der für die Amortisation der Gesamtkosten des Leasinggebers unbedingt erforderlichen Mindestlaufzeit, nicht vereinbar sind3, – das Sonderkündigungsrecht des Gewerberaum-4 oder Wohnraummieters5 ausschließen, – den Widerruf einer Erlaubnis zur Untervermietung ohne sachlichen Grund zulassen6, – die (Sicherungs-7)Abtretung der Untermiete an den Vermieter vorsehen8, – einen (festen) Untermietzuschlag für den Fall der Erteilung der Erlaubnis vorsehen, – eine Beschränkung für den Zuzug engster Familienangehöriger vorsehen9, – eine Abtretung des Mehrerlöses aus der Untervermietung regeln. 4. Abhängigkeit des Unter- vom Hauptmietvertrag In der Wohnraummiete können Wirksamkeit und Dauer des Untermietvertrags in 19 den Grenzen des § 572 BGB vom Bestand und der Dauer des Hauptmietvertrags abhängig gemacht werden. Demnach können die Parteien – auch formularmäßig – vereinbaren, dass die Beendigung des Hauptmietvertrages ein berechtigtes Interesse des Mieters an der Beendigung des Untermietvertrages i.S.v. § 573 Abs. 1 BGB begründet. Auf eine unmittelbare Abhängigkeit i.S.e. auflösenden Bedingung kann sich allein der Mieter berufen, § 572 Abs. 2 BGB. In der Gewerberaummiete ist eine aufschiebende Bedingung im Untermietvertrag im 20 Hinblick auf die nach § 540 BGB notwendige Erlaubnis ebenfalls unproblematisch. Eine auflösende Bedingung, die sofort und automatisch – also ohne Vor- oder Nachlauffrist – bei (vorzeitigem) Ende des Hauptmietvertrages zur Beendigung des Untermietvertrages führen soll, verstößt in der Regel gegen § 307 BGB. Denn dem Untermieter muss in der Regel die Möglichkeit gegeben werden, z.B. durch einen Räumungsverkauf die eingelagerte Ware abzuverkaufen. Eine Ausnahme kann für die Fälle vorgesehen werden, dass der Hauptmietvertrag wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Untermieters gekündigt wird. Erfasst die Klausel nach ihrem Wortlaut aber sogar den Fall, dass ein vertragswidriges Verhalten des Mieters/Unterver-

1 LG Bonn v. 20.2.2002 – 2 O 346/01, NZM 2003, 397; LG München v. 8.4.1993 – 7 O 15862/92, WuM 1994, 370; offen gelassen: BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, MDR 1995, 1115 = NJW 1995, 2034; differenzierend: Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. II 263, der von einer Trennbarkeit der Klausel ausgeht, so dass nur das Schriftlichkeitsgebot unwirksam ist. 2 BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, MDR 1995, 1115 = NJW 1995, 2034; BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, WuM 1991, 381 (382) = MDR 1991, 628 = NJW 1991, 1750. 3 BGH v. 4.7.1990 – VIII ZR 288/89, MDR 1990, 1105 = CR 1991, 407 = NJW 1990, 3016. 4 BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, MDR 1995, 1115 = NJW 1995, 2034. 5 LG Hamburg v. 19.5.1992 – 316 S 320/90, MDR 1992, 1149 = ZMR 1992, 452. 6 BGH v. 11.2.1987 – VIII ZR 56/86, MDR 1987, 753 = NJW 1987, 1692. 7 OLG Hamburg v. 10.12.1997 – 4 U 98/97, WuM 1999, 278 = NZM 1999, 806. 8 OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103. 9 BayObLG v. 14.9.1983 – REMiet 8/82, MDR 1984, 55 = FamRZ 1984, 169 = NJW 1984, 60; OLG Karlsruhe v. 16.3.1987 – 3 REMiet 1/87, FamRZ 1987, 1028 = ZMR 1987, 263.

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mieters zur (automatischen) Beendigung des Untermietvertrages führen soll, wird dem Mieter ein Risiko überbürdet, dass nach der gesetzlichen Wertung der Vermieter zu tragen hat. Deshalb ist eine solche Formularklausel unwirksam1. Dies gilt erst recht bei einem „Shop-in-Shop-Untermietvertrag“ mit einer festen Laufzeit. Denn hier gehört der Fortbestand des Ladengeschäftes des Hauptvermieters zum vertragsgemäßen Zustand2. V. Beweislast 21 Den Vermieter trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, die Mietsache sei dem Untermieter zur alleinigen Nutzung überlassen3 und dass – bei Versagung oder Widerruf der Erlaubnis – in der Person des Dritten ein wichtiger Grund liegt. 22 Der Mieter muss die Erteilung der Erlaubnis4, im Falle der Kündigung nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB das Begehren um Erlaubnis, und deren Verweigerung beweisen. Im Übrigen muss der Mieter die Voraussetzungen einer Vereinbarung darlegen, wenn sich daraus ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis ergeben soll5. B. Wohnraummiete I. Gebrauchsüberlassung 23 § 540 BGB erfasst die entgeltliche und die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung der Mietsache an einen Dritten. Der Rechtsgrund für diese Gebrauchsüberlassung ist ohne Bedeutung. In der Regel wird es sich dabei um Untermiete, Unterpacht oder Leihe handeln. Aber auch die Gebrauchsüberlassung aus Gefälligkeit ist ein Fall des § 540 BGB. Es kommt auch nicht darauf an, ob eine vollständige oder nur teilweise Gebrauchsüberlassung stattgefunden hat. 24 Gebrauchsüberlassung ist die Einräumung eines selbständigen Besitzes6. Dieser muss sich nicht auf die Mietsache als Ganzes beziehen. Vielmehr reicht es aus, das Teile der Mietsache (selbständig) überlassen werden. Dies kann ein Zimmer innerhalb der Wohnung des Mieters sein, wobei dem Dritten ein eigener Schlüssel zur Wohnungstür überlassen wurde, aber auch die Nutzung einer Garage bei einem einheitlichen Mietvertrag, der aus Wohnung und Garage besteht. 25 Ein selbständiger Besitz wird nicht von Besitzdienern i.S.v. § 855 BGB ausgeübt. Sie üben den Besitz innerhalb eines Haushalts oder eines Erwerbsgeschäftes aus. Darunter fallen vor allem Haushaltshilfen und Pflegepersonen sowie Arbeiter und Angestellte. Selbständigen Besitz üben aber Ehegatten, Familienangehörige, Lebenspartner, Lebensgefährten oder sonstige Personen, die sich auf Dauer in dem Haushalt des Mieters aufhalten, aus. 26 Zur Untermiete i.S.v. § 540 BGB wird die Gebrauchsüberlassung, wenn der Dritte den selbständigen Besitz für längere Zeit ausüben soll7. Davon abzugrenzen ist der Besuch, dessen Aufnahme in die Wohnung in der Regel durch den vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt ist8 und auch durch ein Hausverbot des Vermieters nicht eingeschränkt werden kann9. Besuch liegt bei vorübergehendem Aufenthalt von Personen

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BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, ZMR 1993, 320; KG v. 26.1.2006 – 8 U 128/05, NZM 2007, 41. OLG Karlsruhe v. 22.6.1999 – 3 U 4/99, OLGR 1999, 316. LG Berlin v. 7.6.2005 – 65 S 364/04, MM 2005, 335. OLG Koblenz v. 27.12.2011 – 5 U 839/11, WuM 2012, 613; OLG Köln v. 1.9.2000 – 19 U 53/00, WuM 2000, 597. BGH v. 8.5.1972 – VIII ZR 36/71, NJW 1972, 1267. Zur früher vertretenen Auffassung, dass ein unselbständiges Gebrauchsrecht nicht erfasst sei vgl. die Darstellung bei Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 540 BGB Rz. 2. BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 371/02, WuM 2003, 688 = NZM 2004, 22. LG Hagen v. 11.5.1992 – 10 S 104/92, WuM 1992, 430. AG Köln v. 22.9.2004 – 209 C 108/04, WuM 2004, 673.

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in den Mieträumen vor. Sobald drei Monate überschritten sind, sprechen die Umstände gegen Besuch1. Dem Vermieter steht ein Auskunftsanspruch über die Umstände der Gebrauchsüber- 27 lassung und die Person des Untermieters zu2. 1. Untermiete Untermiete definiert sich als die entgeltliche (vollständige oder teilweise) Ge- 28 brauchsüberlassung der Mietsache auf längere Zeit durch den Mieter an den Untermieter aufgrund eines schuldrechtlichen Vertrages3. Der Untermietvertrag selbst ist ein eigenständiger Mietvertrag, der hinsichtlich der 29 Nutzung (Wohnraum oder Gewerberaum) nach den allgemeinen Kriterien zu bewerten ist. (Unter-)Vermieter ist der Hauptmieter, Mieter ist der Untermieter. Das Hauptmietverhältnis ist die erste Stufe, das Untermietverhältnis die zweite Stufe eines sog. gestuften Nutzungsverhältnisses. Tiefer gestufte Nutzungsverhältnisse (Unter-Unter-Mietverhältnisse usw.) sind zulässig. Das Fehlen der Erlaubnis zur Untervermietung berührt die Wirksamkeit des Unter- 30 mietvertrags nicht4. Die Erteilung der Untervermieterlaubnis kann allerdings Bedingung des Untermietvertrags sein. Fehlt die Erlaubnis, kann ein Rechtsmangel entstehen, § 536 Abs. 3 BGB. Das ist auch der Fall, wenn der Hauptmietvertrag vor Ablauf des Untermietvertrages endet und der Vermieter dem Untermieter die Geltendmachung seiner Rechte ernsthaft in Aussicht stellt. Im Hinblick auf die Eigenständigkeit der Verträge werden die Rechte und Pflichten 31 im Rahmen der jeweiligen Vertragsbeziehung abgewickelt. Das gilt insbesondere für Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche. Der vertragsgemäße Gebrauch des Untermieters richtet sich grundsätzlich allein nach den Abreden der Parteien des Untermietvertrages. Hat der Untervermieter mehr Rechte eingeräumt, als ihm selber zustehen, wird die Wirksamkeit des Untermietvertrages davon nicht berührt, sondern löst Erfüllungsansprüche und Gewährleistungsrechte aus. Am Ende der Mietzeit muss der Untermieter die Rückgabe nach § 546 BGB bewirken. Hier entfällt eine Rückbaupflicht, wenn der Hauptvermieter gegenüber dem Mieter auf die Wiederherstellung des früheren Zustandes verzichtet hat5. Vorbehaltlich einer (wirksamen) anderslautenden Vereinbarung (vgl. dazu § 540 BGB 32 Rz. 19) tritt durch die Beendigung des Hauptmietvertrages grundsätzlich nicht automatisch das Ende des Untermietvertrages ein. Der Bestand der Verträge ist unabhängig voneinander. Des Weiteren besteht keine Rückbaupflicht, wenn die Einbauten bei der Übergabe an den Untermieter bereits vorhanden waren6. 2. Kündigungsschutz des Untermieters gegenüber dem Vermieter Kündigungsschutz besteht grundsätzlich nur zwischen den Parteien des Wohnraum- 33 mietvertrages. Bei einem gestuften Mietverhältnis besteht ein solches Mietverhältnis nur zwischen dem Untervermieter (= Mieter) und dem Endmieter. Denn in der Regel handelt der Hauptmieter gewerblich (schon weil er nicht selber wohnen, sondern weitervermieten soll), so dass zum Eigentümer/Vermieter ein Gewerbemietvertrag besteht. Endet der Hauptmietvertrag, besteht zunächst kein Kündigungsschutz für den Endmieter, wenn der Eigentümer (= Vermieter) z.B. aus § 985 BGB Herausgabe verlangt. Dieses Ergebnis ist verfassungsrechtlich bedenklich. Deshalb verstößt es gegen Art. 3 Abs. 1 GG, einem Mieter, der – in Kenntnis der Eigentumsverhältnisse – Wohnraum von einem gewerblichen Zwischenmieter und nicht unmittelbar vom Ei1 OLG Hamm v. 23.10.1991 – 30 REMiet 1/91, MDR 1992, 156 = FamRZ 1992, 308 = ZMR 1992, 20; OLG Schleswig v. 17.11.1992 – 4 REMiet 1/92, FamRZ 1993, 547 = ZMR 1993, 69. 2 OLG Hamburg NZM 1998, 785; LG Kiel v. 8.3.2010 – 18 O 233/09, ZMR 2010, 532. 3 BGH v. 9.10.1985 – VIII ZR 198/84, MDR 1986, 226 = NJW 1986, 308; BGH, NJW 1995, 45 (48). 4 BGH v. 9.10.1985 – VIII ZR 198/84, MDR 1986, 226 = NJW 1986, 308. 5 LG Berlin v. 22.3.1982 – 61 S 344/81, ZMR 1982, 281. 6 OLG Hamburg v. 19.4.2000 – 4 U 73/99, WuM 2000, 356 = ZMR 2000, 669 = MDR 2000, 1372.

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gentümer gemietet hat, den Kündigungsschutz des sozialen Mietrechts zu versagen1. Aus diesen Überlegungen ist die Vorgängervorschrift des § 565 BGB entstanden. 34 Außerhalb des Anwendungsbereiches des § 565 BGB kommt es für die Anwendung des Kündigungsschutzes darauf an, in wessen Interesse die Weitervermietung erfolgt (sog. Lagertheorie)2 oder ob der Vermieter von vorneherein auch mit dem Endmieter einen Vertrag abgeschlossen hätte. Kein Kündigungsschutz des Endmieters besteht z.B., wenn ein karitativer Verein ein Gebäude mietet, um darin von ihm ausgewählte Personen einer besonderen Bevölkerungsgruppe3 oder einen Mitarbeiter4 unterzubringen, ohne dass der Vermieter ein Mitspracherecht hinsichtlich der Auswahl der Personen hat. Kündigungsschutz besteht aber, wenn ein Arbeitgeber Wohnraum vom Eigentümer mietet, um ihn an seine Mitarbeiter zu vermieten, und dem Eigentümer ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Endmieter eingeräumt ist5. Das Gleiche gilt, wenn ein gemeinnütziger Verein mit dem Eigentümer einen Mietvertrag schließt und es der Verein satzungsgemäß übernimmt, die Wohnräume für und durch seine Mitglieder instand zu setzen6. II. Dritte 1. Nächste Angehörige 35 Die Gebrauchsüberlassung muss an einen Dritten erfolgen. Dazu zählen im Hinblick auf Art. 6 GG nicht die nächsten Angehörigen wie Ehepartner7, gemeinsame Kinder8, der Lebenspartner nach dem LPartG und u.U. Enkel9. Denn die Aufnahme der engsten Angehörigen gehört grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietwohnung10. Das ist selbst bei der Aufnahme von Kindern der Fall, die volljährig sind und vor dem Einzug einen eigenen Hausstand geführt haben11. Das Gleiche gilt bei der Anstellung von Hauspersonal, das nicht in die Wohnung einzieht, und dem Aufenthalt von sonstigen Personen für kürzer als drei Monate, weil diese Nutzung als Besuch gilt (vgl. § 540 BGB Rz. 26). Der Einzug dieser privilegierten Personen wird zur unberechtigten Untervermietung, wenn ihnen der Mieter die Wohnung zur alleinigen Nutzung überlässt12. 2. Lebensgefährte 36 Der Lebensgefährte, der nicht unter das LPartG fällt, gehört unabhängig von sexuellen Beziehungen nicht zu den privilegierten Personen13. Gerade wegen der weitreichenden Konsequenzen der Bildung einer Lebensgemeinschaft in der Wohnung muss der Vermieter über die Personen, die mit dem Mieter einen auf Dauer angelegten Haushalt begründen wollen, informiert werden. Immerhin erwerben sie gemäß § 563 BGB das Recht, anstelle des verstorbenen Mieters in den Mietvertrag einzutreten. Dem steht auch das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit des Mieters nicht entgegen. Denn für ihn hätte der Gesetzgeber eine Ausnahme regeln müssen, weil er nach § 563 BGB in den Mietvertrag eintreten kann.

1 BVerfG v. 11.6.1991 – 1 BvR 538/90, MDR 1991, 864 = WuM 1991, 422. 2 KG v. 24.8.1995 – RE-Miet 4785/95, GE 1996, 49; OLG Hamburg v. 16.4.1993 – 4 U 243/92, MDR 1993, 640 = NJW 1993, 2322. 3 BayObLG v. 28.7.1995 – RE-Miet 4/94, WuM 1995, 638 = NJW-RR 1996, 73 = MDR 1996, 42. 4 BayObLG v. 30.8.1995 – RE-Miet 5/94, WuM 1995, 642 = NJW-RR 1996, 71 = MDR 1996, 40. 5 BayObLG v. 30.8.1995 – RE-Miet 6/94, WuM 1995, 645 = NJW-RR 1996, 76 = MDR 1996, 41. 6 BGH v. 3.7.1996 – VIII ZR 278/95, MDR 1996, 1108 = WuM 1996, 537. 7 Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1013. 8 Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1013. 9 LG Wuppertal v. 25.6.1970 – 9 S 79/70, MDR 1991, 49. 10 BGH v. 14.7.1993 – VIII ARZ 1/93, MDR 1993, 970 = NJW 1993, 2528. 11 LG Potsdam v. 4.9.2012 – 4 S 96/12, WuM 2012, 612. 12 LG Berlin v. 7.6.2005 – 65 S 364/04, MM 2005, 335. 13 BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 371/02, NJW 2004, 56; a.A. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 162.

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3. Weitere privilegierte Personen Schließlich ist streitig, ob weitere Verwandte des Mieters als Dritte angesehen werden 37 müssen oder ebenfalls zu einem privilegierten Personenkreis gehören, für deren Gebrauchsüberlassung der Mieter keine Erlaubnis benötigt. Dies gilt für die Schwester des Mieters1, seinen Bruder2, seine Eltern3, seine Schwiegermutter4, seinen Schwiegersohn5, seine Schwiegertochter6, seine Schwägerin oder seinen Schwager7, seinen Stiefsohn8, den Verlobten seiner Tochter9 oder den Freund der Tochter10. Hier kann keine allgemeingültige Lösung gefunden werden. Der Vergleich mit den 38 Familienangehörigen i.S.v. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB11 erscheint zu schematisch. Allein darauf abzustellen, wer nach § 563 BGB privilegiert wäre, ist unscharf, weil dort auch Personen erfasst werden, die keine Verwandten sind. Aber auch auf das „Wohnen“ als Vertragszweck abzustellen, ist nicht alleine zielführend12. Denn ob die Aufnahme von Verwandten zum „vertragsgemäßen Gebrauch“ des Wohnens gehört, ist eine Frage der gesellschaftlichen Einstellung und ggf. der Frage, ob, wie z.B. in ländlichen Strukturen, das Leben in der Großfamilie gesellschaftlich noch akzeptiert ist. In städtischen Wohngegenden fehlen dazu in der Regel bereits die baulichen Voraussetzungen. Andererseits ist der Mieter seinen Eltern z.B. gegenüber unterhaltspflichtig und kann u.U. Pflegeleistungen einfacher in der eigenen Umgebung erbringen. Deshalb muss zumindest eine moralische Verpflichtung des Mieters zur Aufnahme der verwandten Person vorliegen, um auf die Erlaubnis verzichten zu können, weil die Gebrauchsüberlassung vom vertragsgemäßen Zustand gedeckt ist. III. Erlaubnis § 540 BGB macht die Untervermietung von der Erlaubnis des Vermieters abhängig. 39 Das Fehlen der Erlaubnis des Hauptvermieters führt allerdings nicht zur Unwirksamkeit des Untermietvertrags13, sondern zur Unzulässigkeit der Nutzung (= vertragswidriger Gebrauch). Das gilt nicht im Beitrittsgebiet für den Grundstücksnutzer, der vor dem 3.10.1990 40 mit Billigung staatlicher Stellen ein Wohn- oder gewerblichen Zwecken dienendes Bauwerk errichtet hat. Er ist im Rahmen des § 46 SchuldRAnpG vom Erfordernis der Untervermieterlaubnis befreit, wenn das Bauwerk nach dem Inhalt des Vertrages zwischen dem Nutzer und dem Dritten weiter genutzt werden soll. Enthält der Mietvertrag keine Selbstbindung des Vermieters und tritt durch die beabsichtigte Untervermietung eine Nutzungsänderung ein, sind die Möglichkeiten des Mieters von vorneherein eingeschränkt14. Denn der Vermieter muss derartigen Veränderungen schon deshalb nicht zustimmen, weil sie einen wichtigen Grund i.S.v. § 540 Abs. 1 S. 2 BGB bilden (vgl. dazu § 540 BGB Rz. 74 ff.).

1 Dafür: LG Berlin, GE 1991 879; dagegen: Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1013. 2 Dagegen: BayObLG v. 29.11.1983 – REMiet 9/82, WuM 1984, 13. 3 Dafür: unter bestimmten Umständen BayObLG v. 6.10.1997 – RE-Miet 2/96, 1Z RE-Miet 2/96, WuM 1997, 603; dagegen: LG München II v. 10.12.1996 – 12 S 4713/96, WuM 1997, 104. 4 Dafür: LG Berlin GE 1980, 660; dagegen: Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1013. 5 Dafür: AG Limburg v. 20.4.1989 – 4 C 54/89, WuM 1989, 372; dagegen: Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1013. 6 Dafür: AG Köln v. 22.11.1965 – 75 C 1013/64, MDR 1966, 331. 7 Dagegen: AG Schöneberg, GE 1990, 265. 8 Dagegen: LG Berlin v. 16.10.1990 – 64 S 301/90, FamRZ 1991, 433 = ZMR 1990, 458. 9 Dafür: AG Limburg v. 20.4.1989 – 4 C 54/89, WuM 1989, 372; dagegen: LG Berlin, GE 1988, 409. 10 Dafür: LG Köln v. 20.12.1971 – 1 S 51/71, MDR 1972, 612; LG Berlin v. 28.1.1986 – 64 S 359/85, ZMR 1986, 313 (314). 11 BGH v. 3.3.2009 – VIII ZR 247/08, WuM 2009, 294 = DWW 2009, 189 = GE 2009, 714. 12 Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 540 BGB Rz. 6 m.w.N. 13 BGH v. 4.10.1995 – XII ZR 215/94, MDR 1996, 252 = ZMR 1996, 15. 14 Vgl. KG v. 11.10.2007 – 8 U 34/07, GE 2008, 1626.

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1. Rechtsnatur der Erlaubnis 42 Die Erlaubnis nach § 540 Abs. 1 BGB ist keine Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft (§§ 182 ff. BGB), sondern eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die die sonst gegebene Vertragswidrigkeit der Gebrauchsüberlassung an Dritte (§§ 541, 542 Abs. 2 Nr. 2 BGB) ausschließt1. Es gelten also die §§ 104 ff., 116 ff., 130 ff. BGB. Wird die Erlaubnis dem Dritten gegenüber erklärt, wird sie wirksam, sobald sie dem Mieter zugeht2, wenn der Dritte von ihm nicht als Empfangsbote bestimmt wurde. 2. Form 43 Für die Erlaubniserteilung ist keine Form vorgesehen. Selbst in einem Vertrag, der der Schriftform nach § 550 BGB unterliegt, kann sie mündlich oder stillschweigend erteilt werden. Denn die Erlaubnis hat keine vertragsändernde Wirkung. Der Erwerber, der durch § 550 BGB geschützt werden soll (vgl. § 550 BGB Rz. 5), kann durch den Besitz des Dritten erkennen, dass der Mieter nicht selbst oder alleine nutzt. 44 Einzelvertraglich kann Schriftform festgelegt werden. Dann ist zu prüfen, inwieweit die Schriftform deklaratorische oder konstitutive Wirkung haben sollte, § 155 Abs. 2 BGB. In der Regel wird sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ein eindeutiger Hinweis ergeben („… bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform …“). Ansonsten ist nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB auf der Grundlage des Wortlautes die Klausel nach ihrem Sinn und Zweck auszulegen. Gilt die Schriftform, ist § 127 BGB anzuwenden, so dass nach dessen Abs. 2 im Zweifel auch die Erlaubnis per Telefax wirksam ist. 45 Formularvertraglich ist die Vereinbarung der Schriftform nicht zulässig3. Denn bei kundenfeindlichster Auslegung hätte der Vermieter als Verwender sonst die Möglichkeit, den vertragstreuen Mieter durch Hinweis auf die vermeintlich vereinbarte Schriftform davon abzuhalten, die mündliche Erlaubnis als wirksam anzusehen und zu realisieren. 46 Solange keine Schriftform vertraglich (wirksam4) vorgesehen ist, kann die Erlaubnis auch schlüssig erteilt werden. Das setzt aber ein Verhalten voraus, dass auf einen entsprechenden Rechtsbindungswillen schließen lässt. Dazu reicht die bloße Kenntnis des Vermieters von der Gebrauchsüberlassung in der Regel nicht aus. Hinzutreten muss ein Verhalten, dass als Zustimmung gewertet werden kann (z.B. Erweiterung des Personenschlüssels bei der Betriebskostenabrechnung). Insoweit kann auch die vertragliche Situation von Bedeutung sein. Soll der Mieter z.B. nach dem Vertrag nur die Zustimmung einholen müssen, wenn er das Mietobjekt insgesamt untervermietet, kann darin bereits eine generelle Erlaubnis zur Untervermietung gesehen werden5. Dann ist aber auch das Schweigen des Vermieters auf das Gesuch, die Untervermietung einer Teilfläche zu erlauben, als Zustimmung zu werten, zumal der Vermieter die Erlaubnis nicht willkürlich verweigern darf. 3. Umfang der Erlaubnis 47 Ohne Zusatzabsprache bezieht sich die Erlaubnis nur auf die Person, für die sie erteilt wird6, und deckt nur einen solchen Gebrauch durch den Untermieter, der nach dem Hauptmietvertrag zulässig ist7. Zieht der Untermieter aus, benötigt der Mieter eine neue Erlaubnis, wenn er erneut untervermieten will. 1 BGH v. 8.5.1972 – VIII ZR 36/71, NJW 1972, 1267. 2 BGH v. 25.4.2008 – LwZR 10/07, GuT 2009, 110. 3 BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, MDR 1995, 1115 = NJW 1995, 2034; BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = NJW 1991, 1750. 4 Vgl. dazu BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, WuM 1991, 381 (382) = MDR 1991, 628. 5 OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 170/09, ZMR 2011, 282. 6 BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 92/04, MDR 2007, 261 = NJW 2007, 288 = GE 2007, 142. 7 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031; OLG Hamm v. 10.9.1991 – 7 U 63/91, NJW 1992, 916; AG Hamburg v. 12.11.2003 – 40 B C 149/03, ZMR 2005, 297.

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Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Mieter die Erlaubnis zur Untervermie- 48 tung an mehrere Personen eingeholt hat. Zieht eine dieser Personen aus, soll der Mieter berechtigt sein, auch einen anderen Untermieter (ersetzend) aufzunehmen1. Das ist nur insoweit richtig, als von einer antizipierten Zustimmung des Vermieters (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 301) ausgegangen werden kann. In der Wohnraummiete besteht für den Vermieter auch bei der Ersetzung das Risiko, dass der Untermieter nach § 563 BGB in den Mietvertrag eintritt, so dass er an dieser Stelle prüfen können muss, ob ein wichtiger Grund vorliegt. In der Gewerberaummiete kann nichts anderes gelten, weil auch hier der Vermieter durch seine Erlaubnis das Recht hat, den Umfang der Nutzung im Rahmen des § 540 Abs. 1 S. 2 BGB zu bestimmen und zu prüfen, ob in der Person des Dritten ein wichtiger Grund besteht. Ohne besondere Anhaltspunkte ist eine Gebrauchserweiterung durch den Untermie- 49 ter z.B. dahin, dass er seinerseits die Mietsache untervermietet, von der Erlaubnis nicht erfasst2. 4. Antrag auf Erlaubnis a) Konkreter Untermieter Bevor der Vermieter die Erlaubnis erteilen kann, muss der Mieter grundsätzlich ein 50 konkretes Begehren stellen. Ausnahmsweise ist ein (formloser) Antrag entbehrlich, wenn der Vermieter die Anfrage des Dritten beantwortet3. Eine gegenüber dem Makler abgegene Erklärung kommt nur Bedeutung zu, wenn der Makler Übermittlungsoder Empfangsbote oder sogar Vertreter einer Partei ist4. Bei einem Hausverwalter – nicht aber bei einem WEG-Verwalter – ist aber in der Regel davon auszugehen, dass er den Vermieter vertritt. In der Anfrage muss der Mieter die Daten zur Person des Untermieters mitteilen, die 51 der Vermieter benötigt, um Auskünfte über den Mieter einholen zu können5. Dazu gehören mindestens Name, Anschrift6 und Geburtsdatum des Dritten. Eine weitergehende Informationspflicht des Mieters, z.B. über die Konditionen des Untermietvertrages oder die wirtschaftlichen Verhältnisse, wird überwiegend abgelehnt7. Denn weder aus § 540 BGB noch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) lässt sich ein allgemeiner Auskunftsanspruch des Vermieters über alle Umstände im Zusammenhang mit der Untermiete herleiten8. Diese ergibt sich auch nicht aus der Rechtsstellung des Vermieters. Dies ist insoweit richtig, als mangelnde Einkünfte nicht unbedingt einen wichtigen 51a Grund rechtfertigen (Beispiel: Lebensgefährtin soll gemeinsames Kind betreuen und Haushalt führen). Indessen muss z.B. berücksichtigt werden, ob dem Dritten ggf. ein Eintrittsrecht nach § 563 BGB zusteht9. Dafür ist es schon von Bedeutung, ob er schon einmal die eidesstattliche Versicherung i.S.v. § 807 ZPO abgegeben oder ein (Privat-)Insolvenzverfahren durchlaufen hat und sich die Wohnung überhaupt leisten kann. Abgesehen davon haftet der Dritte auch bei Beschädigungen und sollen die Untermieteinnahmen oftmals sicherstellen, dass der Mieter die laufende Miete bestreiten kann. Im Hinblick darauf kann der Vermieter weitere Auskünfte verlangen, um zu ermitteln, ob Umstände für die Annahme eines wichtigen Grundes (vgl. § 540 BGB Rz. 74 ff.) vorliegen, und das Risiko als solches abzuschätzen. Deshalb kann der 1 LG Saarbrücken v. 25.10.1991 – 13 BS 144/91, NJW-RR 1992, 781; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 171. 2 OLG Hamm v. 17.1.1992 – 30 U 36/91, NJW-RR 1992, 783; a.A. Heintzmann, NJW 1994, 1177 (1179). 3 BGH v. 25.4.2008 – LwZR 10/07, GuT 2009, 110. 4 OLG Koblenz v. 27.12.2011 – 5 U 839/11, WuM 2012, 613 = ZMR 2013, 35. 5 OLG Dresden v. 29.4.2004 – 16 U 237/04, NZM 2004, 461. 6 A.A. LG Hamburg v. 20.12.1990 – 334 S 111/90, WuM 1991, 585. 7 LG Hamburg v. 20.12.1990 – 334 S 111/90, WuM 1991, 585; LG Berlin v. 15.1.2002 – 65 S 559/00, NZM 2002, 947; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 175 m.w.N. 8 OLG Düsseldorf v. 20.9.2012 – 10 U 33/12, ZMR 2013, 28. 9 Ähnlich: Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 540 BGB Rz. 27.

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Vermieter Auskunft über die nach den Umständen des Einzelfalles relevanten persönlichen und vertragsbezogenen Daten verlangen1. 52 Die Erteilung der Erlaubnis steht vorbehaltlich § 553 BGB und abweichenden Vertragsbestimmungen nach der hier vertretenen Meinung grundsätzlich im freien Ermessen des Vermieters (vgl. dazu § 540 BGB Rz. 57). Eine Bindung kann durch eine Vertragsregelung herbeigeführt werden, in der der Vermieter generell oder bei Vorliegen bestimmter Umstände zur Erteilung verpflichtet wird. 52a Grundsätzlich kann die Erlaubnis auch stillschweigend erteilt werden. Das setzt aber ein Verhalten des Vermieters voraus, dass einen entsprechenden rechtsbindungswillen erkennen lässt. Dazu ist eine Anfrage in der Regel Mindestvoraussetzung. Insbesondere aus der mangelnden Ablehnung kann zumeist nicht auf eine stillschweigende Erteilung der Erlaubnis geschlossen werden. Dies widerspricht dem Grundsatz, dass aus einem Unterlassen nicht auf ein positives Tun geschlossen werden kann. Dies gilt erst recht, wenn der Vermieter zuvor eine Zustimmung ausdrücklich abgelehnt hat und auf die Bitte des Mieters, seine Entscheidung zu überdenken, nicht mehr reagiert2. b) Abstrakte Anfrage 53 Aus dem Gedanken, sich nur der Mühe der Suche nach einem Untermieter unterziehen zu wollen, wenn der Vermieter nicht generell jede Untervermietung verbietet, ist die abstrakte Anfrage entstanden. Darin fragt der Mieter einfach nur nach, ob der Vermieter generell mit einer Untervermietung nicht einverstanden ist. Ein Anspruch auf eine generelle Untervermietungserlaubnis besteht zwar nicht3. Reagiert der Vermieter im Einzelfall aber nicht auf eine solche Anfrage, kann dem Schweigen der Erklärungswert einer Verweigerung zukommen4 mit der Folge, dass der Mieter nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB kündigen kann5. Das soll nicht gelten, wenn sich aus der Anfrage des Mieters nicht ergibt, dass er das Schweigen des Vermieters als Verweigerung der Erlaubnis ansehen wird6. Deshalb muss in der Anfrage deutlich zum Ausdruck kommen, dass nach Ablauf der Frist unterstellt wird, dass der Vermieter generell mit einer Untervermietung nicht einverstanden ist7. 54 Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob die Anfrage des Mieters in einer Situation erfolgt, in der sein Beendigungswille erkennbar ist oder sich wegen einer langen Kündigungsfrist bereits im Beendigungsstadium befindet8. Denn bis zur Beendigung des Mietvertrages kann sich der Mieter auf seine gesetzlichen und vertraglichen Rechte berufen. Grundsätzlich ist der Mieter bei seiner ersten Anfrage wegen einer generellen Untervermietungserlaubnis nicht verpflichtet, dem Vermieter einen konkreten Untermieter zu benennen9. Solange er jedoch keinen konkreten Untermieter genannt

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Blank/Börstinghaus, § 540 BGB Rz. 60. A.A. LG Stuttgart v. 11.6.2012 – 19 T 148/12, WuM 2012, 675. KG v. 11.6.1992 – 8 RE Miet 1946/92, WuM 1992, 350 = ZMR 1992, 382 = GE 1992, 819. KG v. 16.9.1996 – 8 RE Miet 2891/96, WuM 1996, 696 = ZMR 1996, 648 = GE 1996, 1363; OLG Hamm v. 2.6.1992 – 7 U 15/92, OLG-Report 1992, 275; LG Berlin v. 24.11.2000 – 64 S 237/00, NZM 2001, 231; LG Nürnberg-Fürth v. 16.6.1995 – 7 S 1697/95, WuM 1995, 587; LG Köln v. 30.6.1994 – 6 S 18/94, KM 3 Nr. 23 = WuM 1994, 468; AG Köln v. 5.6.1997 – 215 C 23/97, WuM 1998, 346; AG Bergisch Gladbach, WuM 1999, 524; a.A. OLG Koblenz v. 30.4.2001 – 4 W-RE 525/00, MDR 2001, 983 = WuM 2001, 272 = ZMR 2001, 530. Ähnlich: Schmidt-Futterer/Blank, § 540 BGB Rz. 73 (Wegen Verletzung des aus § 242 BGB herzuleitenden Anspruchs auf Verbescheidung liegt eine Vertragsverletzung vor, die zur Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB berechtigt). LG Gießen v. 28.4.1999 – 1 S 53/99, MDR 1999, 861 = WuM 1999, 458 = NZM 1999, 640; LG Mönchengladbach v. 25.6.1999 – 2 S 154/98, WuM 1999, 570; a.A. LG Mainz v. 21.6.2000 – 3 S 371/99, WuM 2000, 484. OLG Köln v. 1.9.2000 – 19 U 53/00, WuM 2000, 597. LG Hamburg v. 3.7.1998 – 311 S 8/98, NZM 1998, 1003; AG Dülmen v. 6.2.1998 – 3 C 690/97, WuM 1998, 346; a.A. LG Braunschweig v. 12.1.1999 – 6 S 184/98, WuM 1999, 217. LG Köln v. 3.12.1997 – 10 S 367/97, WuM 1998, 154; a.A. OLG Koblenz v. 30.4.2001 – 4 W-RE 525/00, WuM 2001, 272 = ZMR 2001, 530.

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hat, führt eine Verweigerung nicht zum Kündigungsrecht nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB1, wenn der Vermieter seine Entscheidung von näheren Auskünften über die Person des Untermieters abhängig macht2. 5. Anspruch auf Erlaubnis a) Vertragliche Regelung Im Gegensatz zu § 553 BGB regelt § 540 Abs. 1 BGB keinen Anspruch des Mieters auf 55 Zustimmung zur Untervermietung. Unmittelbar kann sich ein solcher Anspruch daher grundsätzlich nur aus den vertraglichen Absprachen der Parteien ergeben. Die Wirksamkeit der Bestimmungen hängt im Wesentlichen davon ab, dass nicht von § 553 BGB abgewichen wird, also insbesondere das berechtigte Interesse für den Wohnraummieter nicht eingeengt wird, § 553 Abs. 3 BGB. Sieht der Mietvertrag eine generelle Erlaubniserteilung vor3, ist der Vermieter grund- 56 sätzlich verpflichtet, im Einzelfall eine (bestätigende) Zustimmung zu erteilen (z.B. bei Wechsel des Untermieters)4. Das Gleiche gilt, wenn der Vermieter die Zustimmung nur aus wichtigem Grund verweigern kann. Auch in diesem Fall ist im Übrigen ein Anspruch auf Zustimmung gegeben5. Regelt der Mietvertrag ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu der vom Mieter durch- 57 geführten Nutzung (z.B. Untervermietung), ist deren Auslegung nicht einheitlich. Während die eine Meinung die Erlaubniserteilung in das freie Ermessen des Vermieters stellt6, ist nach der Gegenansicht7 eine Interessenabwägung durchzuführen. Beide Auffassungen stimmen insoweit überein, dass die Zustimmung zu versagen ist, wenn eine Nutzungsänderung durch die vertragswidrige Handlung (z.B. Untervermietung) herbeigeführt werden soll8. Im Übrigen verdient außerhalb des Anwendungsbereichs des § 553 BGB die Auffassung den Vorzug, die dem Vermieter ein freies Ermessen einräumt. Denn es geht um die Vermietung einer Sache, mit der der Vermieter im Rahmen des Art. 14 GG und der einfachen Gesetze nach Belieben verfahren darf. Dazu gehört auch, dass er das Leben im Gebäude einheitlich, das heißt aufeinander abgestimmt, organisieren darf. In den Fällen, in denen nicht wegen besonderer oder höherwertiger Interessen des Mieters eine Ausnahme gilt, bestimmt der Vermieter den Rahmen des vertragsgemäßen Umgangs mit der Mietsache. Zumindest formularmäßig kann der Vermieter als Verwender sich in der Regelung 58 keinen Untermietzuschlag versprechen lassen9. Hierauf hat er nach § 553 Abs. 2 BGB nämlich nur einen Anspruch, wenn ihm die Überlassung ansonsten unzumutbar wäre. Mithin ist eine Einzelfallabwägung erforderlich, die formularmäßig schon wegen § 553 Abs. 3 BGB nicht umgangen werden kann. Im Übrigen muss der Mieter die Voraussetzungen der Vereinbarung darlegen. In die- 59 sem Fall ist der Vermieter nicht berechtigt, die Erlaubnis von weiteren Bedingungen abhängig zu machen10.

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OLG Celle v. 5.3.2003 – 2 W 16/03, MDR 2003, 1044 = NZM 2003, 396. LG Köln v. 17.12.1998 – 6 S 122/98, NZM 1999, 616. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031. BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, WuM 2011, 74 = MDR 2011, 347 = NZM 2011, 275. OLG Düsseldorf v. 1.6.2010 – 24 U 32/10, GE 2011, 336 = GuT 2011, 281; OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 105/01, WuM 2002, 673 = ZMR 2003, 177 = OLGR 2003, 197. BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, MDR 1982, 314 = ZMR 1992, 11 = NJW 1982, 376; OLG Hamm v. 13.1.1981 – 4 REMiet 5/80, MDR 1981, 406 = WuM 1981, 53 = ZMR 1981, 153. KG v. 8.9.2003 – 8 U 181/02, GE 2003, 1490 = WE 2004, 162; OLG Hamburg v. 29.10.1993 – 4 U 167/93, WuM 1993, 737. Blank/Börstinghaus, § 540 BGB Rz. 51. A.A. Blank/Börstinghaus, § 540 BGB Rz. 55. BGH v. 8.5.1972 – VIII ZR 36/71, NJW 1972, 1267.

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b) Weitere Anspruchsgrundlagen 60 Neben der Möglichkeit des § 553 BGB für die Wohnraummiete kann ausnahmsweise z.B. ein Anspruch auf Zustimmung bestehen, wenn der Vermieter bereits im Mietvertrag bezüglich zweier Untermieter die Erlaubnis erteilt hat, so dass beide Parteien – auch nach einer Vertragsverlängerung – von der Möglichkeit einer weiteren Untervermietung ausgehen mussten, und Nachteile für den Vermieter nicht ersichtlich sind, weder also das Hauptmietverhältnis tangiert wird, noch sich sonstige negative Auswirkungen für den Vermieter ergeben1. 61 Im Übrigen soll sich in besonders gelagerten Fällen ein Anspruch auf Zustimmung aus § 242 BGB2 oder unter dem Gesichtspunkt des Schikaneverbots ergeben3. Wegen Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB könnte eine Erlaubnis auch aus einem Schadensersatzanspruch erzwungen werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dem Vermieter bei der Entscheidung, sofern nicht die Voraussetzungen des § 553 Abs. 1 BGB vorliegen oder der Vertrag etwas anderes regelt, ein freies Ermessen zusteht4. Ob er sich dabei von (erkennbar) sachwidrigen Motiven leiten lässt, begründet keinen Anspruch auf Zustimmung, sondern ist Ausdruck des freien Ermessens. Ohnehin kann § 242 BGB immer nur herangezogen werden, um die Subsumtion unter eine gesetzliche Vorschrift zu korrigieren, wenn das Ergebnis unerträglich ist5. 6. Überlegungsfrist des Vermieters 62 Der Vermieter muss die Entscheidung über die Zustimmung zur Untervermietung erst nach einer angemessenen Prüfungszeit treffen6. Die Länge der Frist hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und kann zehn Tage7, aber auch schon einmal drei Wochen betragen. Eine vom Mieter gesetzte Frist ist unbeachtlich, wenn sie diese Überlegungsfrist nicht berücksichtigt. 7. Erlöschen der Erlaubnis 63 Wird die Erlaubnis unter Auflagen erteilt, wird sie automatisch unwirksam, wenn die Auflagen nicht erfüllt werden. Ohne Auflagen erlischt die Erlaubnis, wenn der Mieter auszieht und mehrere Untermieter/Personen in der Wohnung zurücklässt. Dies gilt selbst dann, wenn sich die Erlaubnis auf mehrere Personen bezieht8. 64 Dem Erlöschen gleichzustellen, ist der Tatbestand, in dem der Mieter die Wohnung mit privilegierten Personen nutzt, die keine Dritte i.S.d. § 540 BGB sind (vgl. § 540 BGB Rz. 35). Diese Situation wird zur unberechtigten Untervermietung, wenn ihnen der Mieter die Wohnung zur alleinigen Nutzung überlässt9. 8. Widerruf der Erlaubnis 65 Der Widerruf der Erlaubnis ist zulässig, wenn dies vertraglich (wirksam) vorgesehen ist oder ein wichtiger Grund dafür vorliegt10. Daneben kann der Widerruf bei der Erteilung der Genehmigung vorbehalten worden sein11. Letzteres kann aber auch als

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OLG Hamburg v. 29.10.1993 – 4 U 167/93, WuM 1993, 737. Schmidt-Futterer/Blank, § 540 BGB Rz. 45. Lammel, § 540 BGB Rz. 18. BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, NJW 1982, 376 = MDR 1982, 314; KG v. 8.9.2003 – 8 U 181/02, GE 2003, 1490 = KGR 2004, 23; OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 24 U 207/01, ZMR 2003, 349 = WuM 2003, 136 = NZM 2003, 945; OLG Köln v. 12.4.1996 – 20 U 166/95, WuM 1997, 620 = ZMR 1997, 298 = OLGR 1997, 18. BGH v. 9.7.2003 – VIII ZR 311/02, MDR 2003, 1104 = ZMR 2003, 665 = NZM 2003, 682. OLG Düsseldorf v. 2.8.2007 – I-10 U 148/06, GuT 2008, 122 = ZMR 2008, 783. LG Berlin v. 6.10.1998 – 63 S 127/98, WuM 1998, 725 = NZM 1999, 405. Hess. StGH v. 18.8.1999 – P.ST. 1391, WuM 1999, 565. LG Berlin v. 7.6.2005 – 65 S 364/04, MM 2005, 335. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031. A.A. Lammel, § 540 BGB Rz. 22.

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Verweigerung der Zustimmung aufgefasst werden, denn der Mieter hat eben nicht vorbehaltlose Erlaubnis erhalten1. Eine wirksame Klausel, mit der der Widerruf vorbehalten bleiben soll, muss auch for- 66 mularmäßig keinen hohen Anforderungen gerecht werden. Wenn sie als Widerrufsmöglichkeit auf den wichtigen Grund abstellt, bestehen keine Bedenken, wobei eine Beschränkung auf einige Tatbestände, die einen wichtigen Grund bilden, zulässig ist. Alle davon abweichenden Kriterien führen nach § 307 BGB zur Unwirksamkeit, weil es den Mieter unangemessen benachteiligt, wenn der Vermieter ohne wichtigen Grund widerrufen kann. Das gilt insbesondere für eine Klausel, die den Widerruf von keinen Gründen abhängig macht. Dass ein wichtiger Grund auch ohne Vertragsklausel ausreicht, ergibt sich aus einem 67 Erst-Recht-Schluss. Wenn der Vermieter einen Mietvertrag aus wichtigem Grund kündigen (§ 543 Abs. 1 BGB) und dem Mieter dadurch den Gebrauch der Mietsache in vollem Umfang entziehen kann, muss es ihm erst recht gestattet sein, aus wichtigem Grund den Gebrauch der Mietsache durch den Widerruf der allgemein erteilten Erlaubnis zur Untervermietung nur teilweise zu entziehen. Deshalb ist vom Vorliegen eines wichtigen Grundes auszugehen, wenn Umstände vorliegen, die den Vermieter berechtigen, das Hauptmietverhältnis zu kündigen, oder eine Erlaubnisversagung gerechtfertigt hätten. 9. Prozessuales Besteht (ausnahmsweise) ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis, muss auf Abga- 68 be einer Willenserklärung geklagt werden. Im Klageantrag sind der Name des Dritten, die Mietsache und der Mietzweck anzugeben. Es kann aber auch die Zustimmung zu einem bestimmten Untermietvertrag begehrt werden. Der Streitwert eines solchen Verfahrens richtet sich nach dem Jahresbetrag der voraussichtlichen Untermiete2. Hat der Vermieter die Erlaubnis versagt und beabsichtigt der Mieter, den Untermie- 69 ter dennoch aufzunehmen bzw. ihm die Räume zu überlassen, kann der Vermieter seinen Unterlassungsanspruch aus § 541 BGB im Wege der einstweiligen Verfügung sichern3. IV. Rechtsfolgen einer verweigerten Erlaubnis Von einer Verweigerung der Erlaubnis ist nicht nur auszugehen, wenn der Vermieter 70 dies ausdrücklich formuliert, sondern bei jeder Äußerung, in der zum Ausdruck kommt, dass er mit einer Untervermietung nicht einverstanden ist. Derartige Erklärungen sind stets vom Empfängerhorizont, also aus der Sicht des Mieters, zu bewerten. Selbst ausweichende Antworten stellen im Zweifel eine Verweigerung dar. Äußerungen gegenüber Dritten können aber nur als Versagung der Erlaubnis angesehen werden, wenn sie als endgültig aufzufassen sind und der Vermieter den Dritten als Erklärungsboten einsetzt. Das Gleiche gilt, wenn die Zustimmung unter Auflagen erteilt wird4. Insoweit verhindert allein die Tatsache, dass die Wohnung öffentlich gefördert ist, nicht die Rechtsfolgen der Versagung5. Dem Widerspruch des Vermieters (= mangelnde Erlaubniserteilung) gegen eine Un- 71 tervermietung steht es gleich, wenn die Untervermietung gesetzlich nicht mehr zulässig ist6. Eine stillschweigende Verweigerung kann insbesondere angenommen werden, wenn 72 der Vermieter die vom Mieter zur Zustimmung gesetzte (angemessene) Frist verstrei-

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Riecke in Elzer/Riecke, § 540 BGB Rz. 10. KG v. 10.2.2006 – 22 W 47/05, ZMR 2006, 528; OLG Celle v. 15.7.1999 – 2 W 59/99, NZM 2000, 190. LG Berlin v. 1.11.2012 – 12 O 507/12, GE 2013, 125. AG Albstadt v. 24.10.1997 – 6 C 660/97, WuM 1998, 556. LG Berlin v. 6.10.1998 – 63 S 127/98, WuM 1998, 725 = NZM, 1999, 405. BGH v. 30.9.2009 – XII ZR 39/08, MDR 2009, 1381 = NZM 2009, 908 = GuT 2009, 309.

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chen lässt, selbst wenn der Mieter nur den Namen des Untermieters (anstatt weiterer Merkmale) angibt1. Denn benötigt der Vermieter mehr Informationen, ist eine entsprechende Rückäußerung erforderlich, § 241 Abs. 2 BGB. Ohne Angabe des Namens und/oder anderer Informationen kann das Ablaufenlassen der Frist nur als Verweigerung angesehen werden, wenn der Mieter die generelle Einstellung des Vermieters zur Untervermietung abfragt (vgl. § 540 BGB Rz. 53). 1. Rechte des Mieters a) Kündigung nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB aa) Allgemeines 73 § 540 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt ein Recht zur außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist (§§ 573d, 580a BGB). Die Kündigung muss nicht zum erstmöglichen Termin erklärt werden. Zu langes Zuwarten kann aber zur Verwirkung führen2,3. Der Vermieter hat die Erlaubnisverweigerung auf Befragen zu begründen, damit der Mieter die Berechtigung einer Kündigung nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB prüfen kann4. Gründe können vom Vermieter aber jederzeit nachgeschoben werden. Erfolgt die Angabe erst nach Verzugseintritt oder im Prozess, kann dies für den Vermieter nachteilige Kostenfolgen haben5. 73a In der Wohnraummiete muss die Kündigung schriftlich erfolgen, § 568 Abs. 1 BGB. Einer Begründung bedarf es nicht. § 569 Abs. 4 BGB gilt nur für die außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Mit Rücksicht darauf bedarf es weder der Angabe, dass die Kündigung wegen der unberechtigten Verweigerung der Erlaubnis zur Untervermietung erfolgt, noch der Erwähnung des § 540 Abs. 1 S. 2 BGB. bb) Wichtiger Grund 74 Das Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB ist ausgeschlossen, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund liegt. Das setzt voraus, dass dem Vermieter nach den Umständen des Einzelfalles die Gebrauchsüberlassung an den Dritten nicht zugemutet werden kann. 75 Ein wichtiger Grund ist anzunehmen, wenn die Gebrauchsüberlassung an den Dritten zu einer Überbeanspruchung der Mietsache führt oder eine sichere Beeinträchtigung des Hausfriedens, der übrigen Mieter oder des Vermieters durch Beruf (z.B. Musiker), Lebensweise (Alkoholiker, Prostituierte) oder Charakter (Dieb, Schläger, unverträglicher Mensch) des Dritten zu erwarten ist. Auch die Solvenz6 des Untermieters kann von Bedeutung sein7. Immerhin kommt ein Eintritt des Untermieters nach § 563 BGB jedenfalls dann in Betracht, wenn in einer Wohnung ein auf Dauer angelegter Haushalt geführt wird. Hier ist eine Abwägung der wechselseitigen Interessen im Einzelfall ausschlaggebend. Diese Abwägung fällt in der Regel zugunsten des Mieters aus, wenn er eine Lebensgemeinschaft gründen will. Bei erwiesener mangelnder Zahlungsmoral des Dritten in der Vergangenheit, die durch eine eidesstattliche Versicherung indiziert wird, kann ein solches Abwägungsergebnis schon zweifelhaft sein. Als Orientierung kann insoweit vor allem die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mieters selbst dienen. Je schwächer diese ausfällt, umso eher tritt die Solvenz des Dritten als ausschlaggebender Punkt für die abschlägige Entscheidung des Vermieters in den Hintergrund. Als wichtige Gründe kommen im Übrigen in Betracht:

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LG Berlin v. 6.10.1998 – 63 S 127/98, WuM 1998, 725 = NZM 1999, 405 (10 Tage). BGH v. 8.5.1972 – VIII ZR 36/71, NJW 1972, 1267. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031. RG v. 16.9.1910 – III 514/09, RGZ 74, 176. Blank/Börstinghaus, § 540 BGB Rz. 49. Zur Gewerberaummiete vgl. § 540 BGB Rz. 114. Kossmann, § 28 Rz. 4; a.A. Staudinger/Emmerich, § 540 BGB Rz. 23; Schmidt-Futterer/Blank, § 553 BGB Rz. 13.

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eine Erweiterung1 oder sonstige Änderung des Verwendungszwecks2; der Betrieb eines anstößigen Gewerbes3; Untervermietung gewerblich genutzter Räume als Wohnung4; Unterbringung von Asylanten5; erhöhte Abnutzung der Mietsache durch eine Vielzahl von Untermietern an Stelle eines Mieters6; persönliche Feindschaft zwischen Untermieter und Vermieter oder anderen Mietern7; Besorgnis der Belästigung der übrigen Hausbewohner8; Beruf des Untermieters (Klavierlehrer, Berufsposaunist, Schlagzeuger, Sänger,)9; sonstige Eigenschaften des Untermieters (Trinker, Drogenabhängiger, entlassener Serienstraftäter, chronisch Kranker mit Ansteckungsgefahr,); fehlende Wohnberechtigung hinsichtlich einer öffentlich geförderten oder mit Wohnungsfürsorgemitteln geförderten Wohnung10.

Für eine kirchliche Organisation können auch religiöse Motive ausreichen, soweit 76 sich ihre Stellung nicht allein darauf beschränkt, wie ein Vermieter aufzutreten, sondern die kirchlichen Belange auch das Wohnumfeld prägten11. Deshalb kann auch ein „unsittlicher“ Lebenswandel in diesen Fällen einen wichtigen Grund ergeben. Dazu gehört nach religiösem Verständnis auch die nichteheliche Lebensgemeinschaft. Ansonsten sind als wichtiger Grund nicht ausreichend Homosexualität, ausländische Herkunft oder AIDS12. cc) Andere Kündigungstatbestände zugunsten des Mieters Neben § 540 Abs. 1 S. 2 BGB kann sich eine Kündigungsmöglichkeit aus § 543 Abs. 2 77 Nr. 1 BGB ergeben, wenn die Erlaubnisverweigerung den vertragsgemäßen Gebrauch tangiert13. Vielmehr setzt dies voraus, dass die Untervermietung im Vertrag vorgesehen ist. Dann ist auch die Untervermietung ein Gebrauch, den der Mieter von der Mietsache macht. Denn ist sie im Vertrag allgemein gestattet, widerspricht aber der Vermieter im Einzelfall der Untervermietung, gewährt er dem Mieter den Gebrauch der Mietsache nicht mehr in dem im Vertrag vereinbarten Umfang. Er entzieht durch die Vertragsverletzung, die er durch einen unberechtigten Widerspruch begeht, dem Mieter teilweise den vertragsmäßigen Gebrauch der Mietsache. Deshalb kann der Mieter bei unberechtigtem Widerspruch gegen die Untervermietung den Mietvertrag fristlos kündigen, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorliegen, wenn nämlich der Mieter erfolglos eine angemessene Frist zur Abhilfe gesetzt oder die Erfüllung des Vertrages infolge des Widerspruchs für ihn kein Interesse mehr hat (§ 543 Abs. 3 BGB). Das Gleiche gilt, wenn dem Mieter ein Anspruch auf Zustimmung zusteht, der sich insbesondere aus § 553 BGB ergeben kann, was aber auch in der Anfrage dargelegt werden muss. 1 OLG Düsseldorf v. 2.8.2007 – I-10 U 148/06, GuT 2008, 122 = ZMR 2008, 783. 2 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, NJW 1984, 1032; KG v. 11.10.2008 – 8 U 34/07, GE 2008, 1626; OLG Köln v. 12.4.1996 – 20 U 166/95, WuM 1997, 620; OLG Nürnberg v. 28.6.1967 – 2 U 86/67, WuM 1967, 202. 3 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, NJW 1984, 1032; LG Frankfurt v. 5.7.1966 – 2/11 S 115/66, MDR 1967, 216. 4 OLG Koblenz v. 25.2.1986 – 3 U 1073/85, MDR 1986, 496. 5 LG Berlin, GE 1984, 51 (53). 6 KG v. 29.5.1940 – 17 U 1704/40, DR 1940, 1430; OLG Königsberg, GE 1941, 340. 7 Staudinger/Emmerich, § 540 BGB Rz. 22. 8 LG Bamberg v. 23.6.1973 – 2 S 26/73, WuM 1974, 197. 9 Lützenkirchen, WuM 1990, 413. 10 LG Koblenz v. 2.12.1986 – 6 S 276/86, WuM 1987, 201. 11 OLG Hamm v. 23.10.1991 – 30 REMiet 1/91, MDR 1992, 156 = FamRZ 1992, 308 = ZMR 1992, 20; LG Aachen v. 10.7.1992 – 5 S 472/90, FamRZ 1993, 325 = NJW 1992, 2897. 12 Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 540 BGB Rz. 25; a.A. Schopp, ZMR 1994, 141. 13 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031.

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78 In allen anderen Fällen kann sich eine Kündigung nur aus § 543 Abs. 1 BGB ergeben1. Das setzt aber eine Vertragsverletzung des Vermieters voraus. Diese kann nicht ohne weiteres in der Versagung gesehen werden, weil die Erteilung der Erlaubnis in freiem Ermessen des Vermieters steht. Ein Pflichtverstoß kann aber angenommen werden, wenn die Versagung schikanös ist2. 79 In jedem Fall setzt die Kündigung aber voraus, dass der Dritte die Mietsache tatsächlich nutzen will. Eine Kündigung verstößt gegen § 242 BGB, wenn der Nutzungswunsch des Dritten in Wahrheit nicht besteht3. b) Minderung 80 Eine Minderung (§ 536 BGB) kommt erst bei einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung in Betracht. Die Mietsache als solche bleibt durch die (unberechtigte) Versagung einer Erlaubnis zur Untervermietung grundsätzlich unberührt. Der Gebrauch ist nicht beeinträchtigt, solange die Untervermietung nicht dazugehört. Letzteres ist der Fall, wenn der Mieter nach dem Vertrag generell berechtigt ist, die Wohnung unterzuvermieten4, oder ein Anspruch nach § 553 Abs. 1 BGB besteht. Ist die Gebrauchsbeeinträchtigung als erheblich anzusehen, kann der Mieter die Miete mindern. c) Schadensersatz 81 Schadensersatz kommt in Betracht, wenn die unberechtigte Versagung einen Mangel begründet (vgl. § 540 BGB Rz. 80) oder eine Pflichtverletzung darstellt (vgl. dazu § 540 BGB Rz. 77), was bei Vorliegen eines wichtigen grundes in der regel anzunehmen ist. Als Schaden kommt insbesondere die entgangene Untermiete in Betracht5. Ein Anspruch auf Herausgabe des Mehrerlöses aus der Untervermietung besteht grundsätzlich nicht6. Eine formularmäßige Abtretung des Mehrerlöses ist unwirksam7. 2. Rechte des Vermieters a) Beseitigung und Unterlassung, § 541 BGB 82 Ohne die Erlaubnis des Vermieters ist die Gebrauchsüberlassung an Dritte vertragswidrig, selbst wenn darauf z.B. nach § 553 BGB ein Anspruch besteht. Eine Ausnahme ist anzunehmen, wenn die Untervermietung generell nach dem Vertrag ohne Zustimmung des Vermieters zulässig sein soll. 83 In diesem Fall kann der Mieter nach erfolgloser Abmahnung auf Beseitigung und Unterlassung der Untermiete gemäß § 541 BGB klagen. Im Klageantrag ist hinsichtlich der Beseitigung der Name des Untermieters zu nennen. Bei der Unterlassung kann der Antrag nicht abstrakt formuliert werden (z.B. „… zukünftig jede Untervermietung zu unterlassen“). Der Antrag muss einschränkend vorsehen, dass der Vermieter zustimmen kann (z.B. „… zukünftig keine Untervermietung oder sonstige Gebrauchsüberlassung ohne vorherige Zustimmung des Vermieters durchzuführen“). 84 Sofern der Vermieter Eigentümer ist, kann er ergänzend aus § 1004 BGB gegen den Untermieter vorgehen. b) Kündigung des Mietvertrages 85 Die außerordentliche fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist treuwidrig, wenn der Mieter die Zustimmung zur Untermiete hätte verlangen können8. Dazu müssen entweder die Voraussetzungen des § 553 Abs. 1 BGB (berechtigtes Interesse) 1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Frankfurt v. 8.12.2005 – 2 U 128/05, InfoM 2007, 312. RG v. 28.11.1932 – VIII 350/32, RGZ 138, 359. BGH v. 11.11.2009 – VIII ZR 294/08, WuM 2010, 30 = MDR 2010, 200 = ZMR 2010, 281. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, NJW 1984, 1032. LG Berlin v. 4.12.2006 – 67 S 425/05, GE 2007, 783. BGH v. 13.12.1995 – XII ZR 194/93, MDR 1996, 461 = WuM 1996, 216. OLG Hamburg v. 10.12.1997 – 4 U 98/97, NJW-RR 1999, 1316. BayObLG v. 26.10.1990 – RE-Miet 1/90, MDR 1991, 253 = WuM 1991, 18.

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vorliegen oder eine entsprechende vertragliche Bestimmung erfüllt sein. Im Übrigen soll die Kündigung nach vorheriger Abmahnung aber selbst dann zulässig sein, wenn der Mieter dem Untermieter nach Erhalt der Abmahnung sofort ordentlich kündigt1. Dem kann nicht uneingeschränkt gefolgt werden, weil es sonst dem Zweck der Abmahnung widerspricht, den Mieter zu einer Korrektur seines vertragswidrigen Verhaltens anzuhalten. Immerhin muss der Mieter die Möglichkeit haben, den Untermietvertrag wenigstens ordentlich zu beenden. Deshalb ist eine fristlose Kündigung erst zulässig, wenn die Gebrauchsüberlassung auch noch drei Monate seit der Abmahnung fortgesetzt wird. Die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist ebenfalls eingeschränkt 86 durch einen Anspruch auf Zustimmung. Indessen kann eine ausreichende Pflichtverletzung vorliegen, wenn aus dem Verhalten des Mieters deutlich wird, dass er das Recht des Vermieters, eine Untervermietung erst dulden zu müssen, wenn er ihr zugestimmt hat, leugnet2. Davon ist auszugehen, wenn der Mieter trotz Abmahnung die Voraussetzung für eine Zustimmung (nach § 553 BGB mindestens berechtigtes Interesse, Name, Anschrift und Geburtsdatum des Untermieters) nicht darlegt. c) Herausgabe des Mehrerlöses aa) Bestehender Mietvertrag Erfolgt eine unerlaubte Untervermietung kann der Vermieter vom Mieter nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung nicht die Herausgabe des die Hauptmiete übersteigenden Mehrbetrages der Untermiete verlangen. Denn der Untermieter leistet an den Hauptmieter ebenso mit Rechtsgrund wie der Hauptmieter an den Vermieter3.

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Im laufenden Mietvertrag kann der Vermieter vom Mieter die Herausgabe eines Mehr- 88 erlöses aus einer Untervermietung auch nicht aus GoA oder § 812 BGB verlangen. Denn insbesondere die Reaktionsmöglichkeiten aus §§ 543 Abs. 2 Nr. 2, 541 BGB zeigen, dass der Vermieter nicht unbillig benachteiligt ist4. Im damaligen Fall hatte der Mieter bei fortgesetztem Mietverhältnis untervermietet, die im Vertrag vorgesehene Vereinbarung eines Untermietzuschlages war jedoch nicht zustande gekommen. bb) Erlaubte Untervermietung bei nichtigem Hauptmietvertrag Für den Fall der an sich erlaubten Untervermietung, bei (ex tunc) nichtigem Mietver- 89 trag hat der BGH5 die gleiche Rechtsfolge – also keine Herausgabepflicht des Mehrerlöses – angenommen. Hier sei der Mieter nicht auf Kosten des Vermieters bereichert, weil er von einer eigenen Dispositionsmöglichkeit Gebrauch mache. cc) Verweigerte Herausgabe nach Mietende Für den Fall der verweigerten Herausgabe der Mietsache nach Mietende besteht ein 90 Anspruch auf den Mehrerlös ab Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs6. Nach § 292 BGB bestimmt sich, wenn der Schuldner einen bestimmten Gegenstand herauszugeben hat, von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an der Anspruch des Gläubigers auf Herausgabe von Nutzungen nach den Vorschriften, die für das Verhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer von dem Eintritt der Rechtshängigkeit des Eigentumsanspruchs an gelten. Herausgabeansprüche i.S.d. § 292 BGB sind auch vertragliche Ansprüche auf Rückgabe der Mietsache. Zu diesen Nutzungen gehören gemäß §§ 100, 99 Abs. 3 BGB u.a. die mittelbaren Sachfrüchte, d.h. die Erträge, die die Sache vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt. Das sind hier die Untermietzinsen, die der Mieter durch die Untervermietung der herauszugebenden Mieträume 1 2 3 4 5

LG Hamburg v. 1.9.2000 – 311 S 70/00, ZMR 2001, 39. BayObLG v. 26.4.1995 – RE-Miet 3/94, WuM 1995, 380. OLG Celle v. 7.10.1994 – 2 U 276/93, WuM 1995, 655. BGH v. 13.12.1995 – XII ZR 194/93, MDR 1996, 461 = WuM 1996, 216. BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, UR 2009, 155 = MDR 2009, 19 = GuT 2008, 330 = ZMR 2009, 103. 6 BGH v. 12.8.2009 – XII ZR 76/08, MDR 2009, 1267 = GE 2009, 1248 = ZMR 2010, 21.

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tatsächlich erzielt hat1, und die aufgrund einer Vereinbarung über die Auflösung des Untermietvertrages erhaltene Entschädigung. V. Haftung des Mieters für den Untermieter (Abs. 2) 91 § 540 Abs. 2 BGB stellt klar, dass durch die Erlaubniserteilung keine Entlastung des Mieters eintritt, wenn der Dritte schuldhaft einen Schaden verursacht. Umgekehrt haftet der Mieter bei Überlassung ohne Erlaubnis auch für solche Schäden, die der Dritte ohne Verschulden herbeigeführt hat2. 92 Verschulden des Dritten umfasst Fahrlässigkeit und Vorsatz; es muss sich aber um ein Verschulden beim Gebrauch der Mietsache handeln. Auf ein Eigenverschulden des Mieters kommt es dann nicht an. Selbst die vorsätzliche Herbeiführung einer Explosion beim Aufenthalt in den Mieträumen erfolgt bei dem Gebrauch der Mietsache3. VI. Rechtsbeziehung Vermieter – Untermieter 1. Bestehender Hauptmietvertrag 93 Zwischen dem Hauptvermieter und dem Untermieter bestehen keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen, so dass vom Untermieter gegenüber dem Vermieter z.B. keine Gewährleistungsansprüche geltend gemacht werden können. Aus dem gleichen Grund besteht keine Konkurrenzschutzpflicht des Vermieters gegenüber dem Untermieter4. Der Untermieter ist zudem grundsätzlich nicht in den Schutzbereich des Hauptmietvertrages einbezogen5. Umgekehrt hat der Vermieter an den vom Untermieter eingebrachten Sachen kein Vermieterpfandrecht. 2. Beendeter Hauptmietvertrag a) Ansprüche des Vermieters aa) Räumung der Mietsache 94 Ist das Hauptmietverhältnis beendet, kann der Hauptvermieter auch vom Untermieter Herausgabe der Mietsache verlangen, § 546 Abs. 2 BGB. Dabei ist es unerheblich, ob der Untermietvertrag (ebenfalls) beendet ist. Die gesetzliche Rückgabepflicht aus § 546 Abs. 2 BGB begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis, so dass der Untermieter dem Vermieter Schadensersatz nach den §§ 280 Abs. 2, 286 BGB schuldet, wenn er mit der Rückgabe in Verzug gerät6. 95 Für die Zwangsvollstreckung gegen den Untermieter benötigt er einen gegen diesen gerichteten Räumungstitel7. Zur Herbeiführung dieses Titels wird die Auffassung vertreten, dass die Rechtskraft eines Räumungstitels gegen den Mieter sich insoweit auf den Untermieter erstreckt, dass dieser die Herausgabepflicht des Mieters nicht mehr leugnen können soll, wenn er seinerseits vom Vermieter auf Rückgabe nach § 546 Abs. 2 BGB in Anspruch genommen wird8. Die h.M. lehnt eine derartige Rechtskrafterstreckung auf den Untermieter jedoch ab, jedenfalls unter der Voraussetzung, dass der Untermieter den unmittelbaren Besitz vor Rechtshängigkeit des Verfahrens zwi-

1 BGH v. 21.9.2001 – V ZR 228/00, MDR 2002, 83 = NJW 2002, 60 (61); BGH v. 11.11.1994 – V ZR 116/93, MDR 1995, 463 = NJW 1995, 454 (455); zur Herausgabe erzielter Zinsen als Nutzungen des Kapitals: BGH v. 8.10.1987 – VII ZR 185/86, BGHZ 102, 41 (47); BGH v. 6.3.1998 – V ZR 244/96, BGHZ 138, 160 (163). 2 MünchKomm/Bieber, § 540 BGB Rz. 25. 3 BGH v. 17.10.1990 – VIII ZR 213/89, MDR 1991, 240 = NJW 1991, 489. 4 OLG Naumburg v. 22.9.2009 – 9 U 129/09, GE 2009, 1621 = MietRB 2010, 197. 5 BGH v. 15.2.1978 – VIII ZR 47/77, NJW 1978, 883. 6 BGH v. 19.10.1995 – IX ZR 82/94, MDR 1996, 356 = NJW 1996, 321 = ZMR 1996, 124. 7 BGH v. 14.8.2008 – I ZB 39/08, NZM 2008, 805; BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/03, ZMR 2004, 324. 8 Blomeyer, Zivilprozessrecht, Erkenntnisverfahren, 2. Aufl., S. 520; Bettermann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 218 f.; AG Hamburg v. 24.4.1992 – 43b C 1967/91, NJW-RR 1992, 1487.

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schen Vermieter und Hauptmieter erlangt hat1. Soweit eine Rechtskrafterstreckung wegen materiell-rechtlicher Abhängigkeit befürwortet wird, soll dies zwar der Vermeidung nachfolgender Prozesse zwischen anderen Parteien dienen, in denen der Streitgegenstand des ersten Verfahrens Vorfrage ist. Eine solche Durchbrechung des Grundsatzes, dass die Rechtskraft einer Entscheidung sich auf die Parteien beschränkt, zwischen denen sie ergeht, sei aber abzulehnen, wenn dies für den Dritten, der auf diese Entscheidung keinen Einfluss nehmen konnte, zu prozessual unzumutbaren Ergebnissen führen kann. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Untermieter, der vom (Haupt-)Vermieter nach Kündigung des Hauptmietvertrages bedrängt wurde, entweder einen Mietvertrag unmittelbar mit ihm zu schließen oder aber zu räumen, die Mietzahlung an den Hauptmieter einstellt und sich auf einen Rechtsmangel beruft. Sein Einwand, sein Mietbesitz sei durch das Recht eines Dritten (hier: des Hauptvermieters) beeinträchtigt, darf ihm nicht dadurch abgeschnitten werden, dass – gegebenenfalls Jahre später – in einem Verfahren zwischen den Parteien des Hauptmietvertrages rechtskräftig festgestellt wird, dass dieses Recht des Hauptvermieters auf Räumung und Herausgabe mangels wirksamer Beendigung des Hauptmietvertrages nicht bestanden hat. bb) Anspruch auf Nutzungsentschädigung Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung des Hauptvermieters gegen den Unter- 96 mieter ergibt sich nicht schon aus § 546a Abs. 1 BGB, weil diese Sondervorschrift nur im Verhältnis Vermieter/Mieter anwendbar ist. Das Recht, Nutzungsentschädigung zu verlangen, kann sich aber aus §§ 987, 990 BGB ergeben. Zur Herbeiführung der Bösgläubigkeit ist es mindestens notwendig, den Untermieter durch Übersendung der Kündigung oder des befristeten Vertrages von der Beendigung in Kenntnis zu setzen. Davon kann nur abgesehen werden, wenn der Mieter den Untermieter entsprechend informiert hat. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Vermieter einen unmittelbaren An- 97 spruch gegen den Untermieter auf Leistung einer Nutzungsentschädigung geltend machen kann, ist streitig. Relevanz gewinnt diese Frage vor allem bei Insolvenz des Mieters. Insoweit steht dem Eigentümer nach h.M. ein Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme des mittelbaren Besitzers (Mieters) und dessen unmittelbaren Besitzers (Untermieter) aus den §§ 987, 990, 991 BGB zu2. Von einer endgültigen Ausübung des Wahlrechts ist dabei noch nicht durch die Klageerhebung gegen den unmittelbaren Besitzer (Mieter) auszugehen, solange nicht der Eigentümer in voller Höhe befriedigt wurde. Denn es ist nicht zu rechtfertigen, dem Eigentümer die Inanspruchnahme des Untermieters solange zu verwehren, bis die Fruchtlosigkeit der Zwangsvollstreckung gegen den früheren Hauptmieter feststeht3. b) Ansprüche des Untermieters Auch der Untermieter kann Ansprüche gegen den Vermieter geltend machen. Mangels 98 Vertragsbeziehungen muss er für Verwendungsersatz z.B. auf die §§ 994 ff. BGB zurückgreifen4. In Betracht kommen aber auch Ansprüche aus GoA oder § 812 BGB. Hat der Vermieter das Eigentum des Untermieters beschädigt, haftet er nach §§ 823 ff. BGB. c) Exkurs: Rechtsmangel durch Kündigung des Hauptmietvertrages? Der Rechtsmangel i.S.v. § 536 Abs. 3 BGB setzt voraus, dass ein dauerhaftes Recht ei- 99 nes Dritten besteht, das der Nutzung durch den Mieter entgegensteht. Dabei reicht das bloße Bestehen des Rechts nicht aus. Vielmehr muss es auch zu einer Gebrauchs1 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 6/09, WuM 2010, 353 = MDR 2010, 856 = ZMR 2010, 747; BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, MDR 2007, 78 = NZM 2006, 699; vgl. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1266; MünchKomm/Gottwald, § 325 ZPO Rz. 74; Stein/Jonas/Leipold, § 325 ZPO Rz. 91; Musielak, § 325 ZPO Rz. 18; Wieczorek, § 325 ZPO Anm. B III b; Berg, NJW 1953, 30; vgl. zum Meinungsstand auch Zöller/Vollkommer, § 325 ZPO Rz. 38. 2 BGH v. 6.11.1968 – V ZR 85/65, MDR 1969, 128. 3 OLG Hamburg v. 29.5.1996 – 4 U 190/95, WuM 1997, 223. 4 Vgl. dazu: Greiner, ZMR 1998, 403.

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beeinträchtigung kommen1. Sobald der Vermieter den Untermieter zur Räumung auffordert, macht er ihm den Besitz streitig. Deshalb kann ab dem Zugang einer solchen Aufforderung eine Gebrauchsbeeinträchtigung i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 3 BGB im Rahmen des Untermietvertrages bestehen, die den Untermieter sogar berechtigen kann, die (Unter-)Miete um 100 % zu mindern2. 100 Voraussetzung ist allerdings, dass der Hauptmietvertrag wirksam beendet ist3. Denn ansonsten steht dem Untermieter auch gegenüber dem Vermieter ein Recht zum Besitz (z.B. i.S.d. § 986 BGB) zu bzw. liegen die Voraussetzungen des § 546 Abs. 2 BGB nicht vor. Die Rechtskraft des Räumungsurteils im Verhältnis des Vermieters zum Mieter hat keine Auswirkungen auf das Prozessrechtsverhältnis des Mieters und des Untermieters4. Umso mehr sollte z.B. durch eine Streitverkündung an den Untermieter eine Rechtskrafterstreckung herbeigeführt werden, wenn nicht eine auflösende Bedingung oder ein Sonderkündigungsrecht im Untermietvertrag für den Fall der Beendigung des Hauptmietvertrages vereinbart ist. C. Gewerberaummiete I. Allgemeines 101 Der Gewerberaummietvertrag zwischen Mieter (als Vermieter) und Untermieter unterliegt ebenfalls den allgemeinen Regeln. Deshalb gelten die Darstellungen in Abschnitt B entsprechend. 102 Problematisch ist insoweit der vertragsimmanente Konkurrenzschutz, da der Mieter von vorneherein gegenüber anderen Mietern (anders als der Vermieter) keine mietrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten hat. Gleichwohl soll der Mieter eines Sondereigentümers in einem Einkaufszentrum gegenüber seinem Untermieter auch ohne besondere Vereinbarung zum Konkurrenzschutz verpflichtet sein, soweit er nicht auf eine abweichende, ihn freistellende Vereinbarung vor Abschluss des Untermietvertrages hinwirkt5. Diese Meinung ist abzulehnen, wenn der Untermieter weiß, dass er nicht vom Vermieter mietet. II. Dritte 103 Auch in der Gewerberaummiete kann die Aufnahme Dritter zum vertragsgemäßen Gebrauch gehören. Dazu bedarf es aber regelmäßig einer ausdrücklichen Vereinbarung, wenn sich die Untervermietung nicht schon aus dem Zweck des Mietvertrages ergibt (z.B. Überlassung einer Veranstaltungshalle). In Verträgen mit konzernzugehörigen Unternehmen als Mieter gehört es heute zum Standard, für die Konzernmutter oder andere Konzerntöchter die Anwendung des § 540 Abs. 1 BGB im Mietvertrag auszuschließen. Selbstverständlich ist die Untervermietung ohne eine solche Klausel unzulässig. 104 Der vertragsgemäße Gebrauch wird ebenfalls nicht tangiert, wenn das Gewerbe von vorneherein die Überlassung an Dritte vorsieht. Neben der Zwischen- und Weitervermietung (§ 565 BGB) sind hier vor allem der Betrieb von Hotels, Pensionen o.Ä. zu nennen. Auch die Einrichtung eines Boardinghauses, in dem Berufstätige für die (kurze) Dauer einer Tätigkeit am Ort eine möblierte Wohnung beziehen können, gehört in diese Kategorie, ebenso Büroservices, bei denen möblierte Geschäfts- und Konferenzräume für Dritte überlassen werden. 105 Problematisch ist die Einrichtung von sog. Briefkastenfirmen, weil hier keine Nutzung im eigentlichen Sinn stattfindet, sondern die Mietsache lediglich als postalische Adresse herhält. Selbst wenn der Mietvertrag zu diesem Phänomen nichts hergibt,

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OLG Düsseldorf v. 14.11.2011 – 24 U 43/10, IMR 2012, 187. OLG Düsseldorf v. 14.11.2011 – 24 U 43/10, IMR 2012, 187. KG v. 14.5.2001 – 8 U 7673/98, KGR Berlin 2001, 223. BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 6/09, WuM 2010, 353 = GE 2010, 840; BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, NZM 2006, 699 = ZMR 2006, 763. 5 LG Karlsruhe v. 24.7.1990 – 8 O 436/89, WuM 1991, 83.

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§ 540 BGB

Gebrauchsüberlassung an Dritte

muss im Zweifel eine erlaubnispflichtige Untervermietung angenommen werden. Denn solange keine Betriebspflicht besteht, muss auch der Gewerberaummieter die Mietsache nicht nutzen. Dann stellt sich sein Gebrauch aber in gleicher Weise dar, wie der einer Briefkastenfirma. Nur weil der Mieter die Mietsache intensiver nutzt, wird die Nutzung der Briefkastenfirma nicht zulässig. Immerhin muss jemand ihren Briefkasten nutzen. Keine Untermiete besteht bei einem Gesellschafterwechsel, und zwar auch bei der 106 GbR (vgl. § 535 BGB Rz. 1008). Denn im Hinblick auf die eigene Rechtspersönlichkeit von Gesellschaften verändert sich die Person des (nutzenden) Mieters nicht. Dagegen ist die Aufnahme eines Gesellschafters durch einen Einzelkaufmann als Untermiete zu bewerten1, ebenso die Aufnahme eines Partners durch einen Freiberufler. Das Gleiche gilt für die Tatbestände des UmwG, weil hier keine „andere“ Person die Nutzung fortsetzt, sondern eine Verschmelzung oder Umwandlung stattfindet (vgl. § 535 BGB Rz. 1010). Davon zu unterscheiden ist die Veräußerung eines Handelsgeschäftes. Hier wird die 107 Nutzung (nach Veräußerung) durch einen Dritten (= Erwerber) fortgesetzt2. Nichts anderes gilt, wenn ein Freiberufler (Arzt, Rechtsanwalt, Steuerberater, Architekt etc.) seinen Betrieb veräußert. Insoweit kann keine Ausnahme von der Erlaubnispflicht oder sogar ein Anspruch auf Erlaubniserteilung begründet werden, wenn der Mietvertrag zur Rechtsnachfolge keine Regelung trifft3. III. Antrag auf Erlaubnis Die Informationspflicht des Mieters gilt auch in der Gewerberaummiete.

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Insbesondere wenn eine Betriebspflicht des Mieters besteht, ist die Solvenz des Drit- 109 ten für die Entscheidung über die Erlaubnis ein wesentliches Kriterium, so dass der Vermieter die Einkommens- und Vermögensverhältnisse eingehend überprüfen kann4. Im Ergebnis rechtfertigen daher begründete Zweifel an der Solvenz des Dritten einen wichtigen Grund i.S.d. § 540 Abs. 1 S. 2 BGB. Das Gleiche gilt bei Gaststätten wegen der Zuverlässigkeit des Dritten i.S.v. § 4 110 GastG. Ist der Dritte nicht konzessionswürdig, liegt der Schluss nahe, dass zwischen Mieter und Drittem ein sog. Kastellanvertrag besteht. Danach überlässt der Konzessionsinhaber die Gaststätte entgeltlich an einen Dritten, der diese selbständig betreibt, ohne selbst eine Konzession zu besitzen. In diesen Fällen liegt ein Verstoß gegen §§ 2 Abs. 1, 9 GastG vor, der über § 134 BGB zur Unwirksamkeit des Mietvertrages führt5. Mithin kann der Vermieter mindestens (und zusätzlich) Einsicht in den Untermietvertrag verlangen. Generell ist daher auch hier ein umfassendes Informationsrecht des Vermieters gege- 111 ben. Er kann die Auskünfte verlangen, die er zur Bewertung, ob der vertragsgemäße Gebrauch (für die Dauer der Untermiete) erhalten bleibt, benötigt. Dies reicht von der Vorlage des Mietvertrages6 mit dem Untermieter über persönliche Auskünfte (Vermögen, beruflicher Werdegang, Name der Gesellschafter etc.) bis hin zur Angabe bisher betriebener Geschäfte. IV. Anspruch auf Erlaubnis Vorbehaltlich konkreter Vereinbarungen sind auch unternehmensrechtliche Kon- 112 tinuitätsmodelle grundsätzlich nicht ausreichend, um einen Anspruch auf Zustimmung zur Untermiete für die Fortführung eines Handelsgewerbes o.Ä. zu begründen7. 1 2 3 4 5 6

BGH v. 25.4.2001 – XII ZR 43/99, MDR 2001, 862. Palandt/Weidenkaff, § 540 BGB Rz. 6. A.A. Stellmann in Lindner-Figura u.a., Kap. 18 Rz. 6 m.w.N. BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 92/04, MDR 2007, 261 = NJW 2007, 288. OLG Düsseldorf v. 11.12.1986 – 10 U 130/86, NJW-RR 1987, 687. Selbstverständlich muss der Mieter auch die beabsichtige Nutzung mitteilen: OLG Nürnberg v. 3.11.2006 – 5 U 754/06, NZM 2007, 567. 7 A.A. Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 540 BGB Rz. 16 m.w.N.

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§ 540 BGB

Gebrauchsüberlassung an Dritte

Vor dem Hintergrund der klaren gesetzlichen Regelung, die bei keiner der Reformen trotz der bekannten Problematik verändert wurde, würde die durch das Gesetz vorgegebene Risikoverteilung zu Lasten des Vermieters verschoben. Ohne konkreten Anhaltspunkt im Vertrag besteht noch nicht einmal Anlass, über eine „vergessene“ Regelung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nachzudenken, weil der Vermieter bei Abschluss des Vertrages gerade wegen der bekannten Aufteilung der wirtschaftlichen Gefahrenkreise keinen Anlass hat, hierüber ohne Not eine Vereinbarung zu treffen. 113 Unabhängig davon, ob dem Mieter im Mietvertrag allgemein die Erlaubnis zur Untervermietung zum Betrieb eines Gewerbes erteilt wurde oder er einen Anspruch auf Zustimmung reklamiert, ist er nicht berechtigt, die Mietsache zur Ausübung eines Gewerbes unterzuvermieten, das ihm selbst nach dem Mietvertrag nicht gestattet ist1. Deshalb besteht kein Anspruch auf Zustimmung zur Nutzungsänderung (vgl. § 535 BGB Rz. 1045) V. Wichtiger Grund 114 Bei Gewerberaummietverträgen kann sich der wichtige Grund insbesondere daraus ergeben, dass das Gewerbe des Dritten vom Vertragszweck abweicht. Dies ist unabhängig davon relevant, ob der Vermieter Dritten gegenüber zum Konkurrenzschutz verpflichtet ist. Selbst bei einer dem Hauptmieter allgemein erteilten Erlaubnis zur Untervermietung kann der Vermieter der Untervermietung widersprechen, wenn der Untermieter in den Mieträumen ein Gewerbe betreiben will, dessen Ausübung dem Mieter selbst nach dem Mietvertrag nicht gestattet ist2. Dies gilt erst recht, wenn die Untervermietung zu einer völligen Veränderung der Branche des in den Räumen betriebenen Geschäfts führt3. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob Umbauarbeiten o.Ä. stattfinden müssen, um den neuen Betrieb durchführen zu können4. Dies gilt erst recht, wenn durch die Untervermietung eine Konkurrenzsituation entsteht5. 115 Deshalb kann der Mieter nicht kündigen, wenn der Vermieter die Erlaubnis versagt, weil anstelle der bisherigen Nutzung – als Zahnarztpraxis mit Labor eine Tierarztpraxis für Kleintiere6, – als Supermarkt eine Spielhalle7 oder – als Metzgerei ein Geschäft für Damenoberbekleidung8 betrieben werden soll. Das Gleiche gilt, wenn – in den Räumen einer Steuerberaterpraxis der Untermieter wohnen soll9, – der Untermieter ein anstößiges Gewerbes betreibt10, – das Gewerbe des Untermieters Konkurrenz für den Vermieter oder andere Mieter herbeiführt11 oder – die bisher zur Unterbringung von Betriebsangehörigen genutzten Räume als Hotel garni untervermietet werden sollen12.

1 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031. 2 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031 (1032); OLG Hamburg, OLGE 13, 364; OLG Nürnberg v. 28.6.1967 – 2 U 86/67, WuM 1967, 202; OLG Koblenz v. 25.2.1986 – 3 U 1073/85, MDR 1986, 496 = NJW-RR 1986, 1343. 3 LG Nürnberg-Fürth v. 18.7.1990 – 7 O 2439/90, WuM 1991, 344. 4 OLG Köln v. 12.4.1996 – 20 U 166/95, NJW-RR 1997, 204 = WuM 1997, 620 = ZMR 1997, 298. 5 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, ZMR 1982, 11; Staudinger/Emmerich, § 540 BGB Rz. 22; Schmidt-Futterer/Blank, § 540 BGB Rz. 71. 6 OLG Köln v. 12.4.1996 – 20 U 166/95, WuM 1997, 620. 7 OLG Celle v. 8.3.1989 – 2 U 2/88, OLGZ 1990, 88. 8 LG Nürnberg-Fürth v. 18.7.1990 – 7 O 2439/90, WuM 1991, 344. 9 OLG Koblenz v. 25.2.1986 – 3 U 1073/85, NJW-RR 1986, 1343. 10 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 663 = NJW 1984, 1032. 11 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, ZMR 1982, 11; LG Oldenburg v. 11.5.1988 – 12 O 4090/87, NJW-RR 1989, 81. 12 OLG Nürnberg v. 28.6.1967 – 2 U 86/67, WuM 1967, 202.

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§ 541 BGB

Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

§ 541 Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch Setzt der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann dieser auf Unterlassung klagen. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV. V. VI. 1. 2. 3. 4. 5.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarung . . . Darlegungs- und Beweislast . . . Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . Klageantrag . . . . . . . . . . . . . . . . Streitverkündung . . . . . . . . . . . Erledigung der Hauptsache? . . Einstweilige Verfügung . . . . . . . Isolierte Anfechtung der Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Streitwert/Beschwer . . . . . . . . .

B. I. II. 1. 2.

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17 21

Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . Entstehung des Anspruchs . . . . . Vertragswidriges Verhalten . . . . . Vertragswidrige Nutzung . . . . . . Notwendige Erlaubniserteilung . a) Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Widerruf der Erlaubnis . . . . . . 3. Gläubiger des Unterlassungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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23 23 25 27 31

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31 37

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4. Schuldner des Unterlassungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mehrere Mieter . . . . . . . . . . . . . b) Zurechnung des Verhaltens Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Subjektive Anforderungen . . . . . . 2. Inhaltliche Anforderungen . . . . . . 3. Entbehrlichkeit der Abmahnung . 4. Identität zwischen abgemahntem und verfolgtem Verhalten . . . . . . . IV. Weitere Vermieterrechte . . . . . . . . 1. Bestehende Vermieterrechte . . . . 2. Rangfolge bei der Ausübung? . . . . V. Beispiele vertragswidrigen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erweiterung des vereinbarten Mietgebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchführung des Gebrauchs . . . 3. Gebrauchsüberlassung an Dritte . 4. Verletzung von Obhuts- und Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bauliche Veränderungen . . . . . . . . VI. ABC der Vertragswidrigkeiten . . .

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C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . 207 I. Vertragswidrige Nutzung . . . . . . . . . . 208 II. Durchführung des Gebrauchs . . . . . . 210

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Verhält sich der Mieter vertragswidrig, bietet § 541 BGB dem Vermieter die An- 1 spruchsgrundlage für einen Unterlassungsanspruch, neben § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB und § 543 BGB das mildeste Mittel der möglichen Sanktionen. Dazu muss zunächst eine Abmahnung erfolgen. Sobald dies erfolglos erteilt wurde, kann der Vermieter auf Unterlassung klagen. Dass er oder ein Dritter einen Schaden erleidet oder auf andere Weise beeinträchtigt wird, ist nicht erforderlich. § 541 BGB ist seinem Wesen nach ein Erfüllungsanspruch, der auf die Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustandes gerichtet ist. Trotz der amtlichen Überschrift bildet er auch die Anspruchsgrundlage für eine Beseitigung des vom Mieter geschaffenen vertragswidrigen Zustands1. Er hat weder eine Beschädigung des Mietobjekts noch eine Gefährdung des Rückgabeanspruchs zur Voraussetzung.

2

Anders als § 1004 BGB richtet sich dieser vertragliche Anspruch nur gegen den Vertragspartner. Gegen den Untermieter kann der Hauptvermieter nur nach § 1004 BGB

3

1 BGH v. 16.11.2005 – VIII ZR 5/05, NJW 2006, 1062 m.w.N.

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§ 541 BGB

Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

vorgehen. Aus § 541 BGB kann er in diesem Fall aber gegen den Mieter klagen, der wiederum dann ebenfalls aus § 541 BGB gegen den Untermieter vorgehen kann. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 4 Die Norm ist als Teil der allgemeinen mietrechtlichen Vorschriften auf alle Mietverhältnisse und über § 581 Abs. 2 BGB entsprechend auf Pachtverhältnisse anwendbar; für die Landpacht gilt § 590a BGB. 2. Anwendbare Rechtsprechung 5 Durch die Mietrechtsreform 2001 hat der frühere § 550 BGB keine inhaltlichen Änderungen erfahren. Vielmehr haben nur sprachliche Anpassungen stattgefunden. Dies macht deutlich, dass die Rechtsprechung zu § 550 BGB aus der Zeit vor dem 1.9.2001 ohne weiteres noch auf den heutigen § 541 BGB angewendet werden kann. Dementsprechend sah die Mietrechtsreform 2001 auch keine Überleitungsvorschrift vor. III. Zweck der Vorschrift 6 Durch § 541 BGB soll der Vermieter ein schnelles und einfaches Mittel erhalten, den vertragsgemäßen Zustand wiederherzustellen. Die Unterlassungsklage stellt nach der Abmahnung die mildeste Sanktion des Mietrechts dar. IV. Abweichende Vereinbarung 7 § 541 BGB ist einzelvertraglich abdingbar. Deshalb kann individuell z.B. die sofortige Unterlassungsklage ohne Abmahnung geregelt werden, was sich aber wegen § 93 ZPO nicht empfiehlt. 8 Ist der Vermieter Verwender i.S.v. § 305 BGB, kann formularmäßig nicht auf die Abmahnung des Mieters verzichtet werden. Denn dies führt zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters, § 307 BGB1. Es können aber Formanforderungen und Zugangsbedingungen hinsichtlich der Abmahnung geregelt werden. V. Darlegungs- und Beweislast 9 Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs hat der Vermieter vorzutragen. Der Mieter muss seine Einwendungen (z.B. dolo-petit-Einrede) darlegen und beweisen. VI. Prozessuales 1. Klageantrag 10 Bei der Unterlassungsklage muss der Klageantrag die Handlungsweise des Mieters oder den vertragswidrigen Zustand identifizierbar beschreiben, damit er vollstreckungsfähig ist. Im oder neben dem Unterlassungsantrag kann die Androhung nach § 890 Abs. 2 ZPO formuliert werden2. Hängt das beanstandete Verhalten von einer Erlaubnis des Vermieters ab, soll der Antrag die Einschränkung enthalten müssen, dass z.B. die Tierhaltung nicht mehr ohne Zustimmung des Vermieters betrieben wird. 11 Hält der rechtswidrige Zustand nach der Abmahnung an, kann im gleichen Verfahren Beseitigung begehrt werden, die nach § 887 ZPO vollstreckt wird. 2. Streitverkündung 12 Zumindest auf Mieterseite muss über eine Streitverkündung nachgedacht werden. Dies gilt zumindest, wenn der vertragswidrige Zustand oder die Störung als solche (auch) von einem Dritten (z.B. Untermieter) verursacht wird.

1 Staudinger/Emmerich, § 541 BGB Rz. 8. 2 Schmidt-Futterer/Blank, § 541 BGB Rz. 16a.

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Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

§ 541 BGB

Auf der Vermieterseite kommt eine Streitverkündung insbesondere in Betracht, wenn mehrere verschiedene Mietparteien z.B. an einer Störung des Hausfriedens beteiligt sind. Für den Fall, dass der Rechtsstreit verloren geht, kann mit der Streitverkündung Vorsorge getroffen werden.

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3. Erledigung der Hauptsache? Beseitigt der Mieter nach Rechtshängigkeit den vertragswidrigen Zustand oder gibt 14 er sein vertragswidriges Verhalten auf, tritt keine Erledigung der Hauptsache nach § 91a ZPO ein1. Denn § 541 BGB verlangt im Gegensatz zu § 1004 BGB keine Wiederholungsgefahr. Ein sofortiges Anerkenntnis i.S.d. § 93 ZPO ist bei einer Unterlassungsklage nach 15 § 541 BGB ebenfalls undenkbar. Denn der Mieter gibt durch das vertragswidrige Verhalten, das er nach der Abmahnung fortgesetzt hat, Anlass zur Klageerhebung2. 4. Einstweilige Verfügung Der Unterlassungsanspruch kann auch mittels einstweiliger Verfügung geltend ge- 16 macht werden (§ 935 ZPO). Sowohl die Unterlassungsklage als auch der Verfügungsantrag setzen keine Wiederholungsgefahr voraus; es genügt, dass der vertragswidrige Gebrauch trotz Abmahnung fortgesetzt wird. Allerdings muss eine Dringlichkeit dargelegt werden. Diese wird entweder eine Gefährdung der Mietsache, des Mieters selbst oder sonstiger Dritter voraussetzen. Im Übrigen ist zu prüfen, inwieweit die Hauptsache vorweggenommen werden darf. 5. Isolierte Anfechtung der Abmahnung Bei der in §§ 541, 543 Abs. 3 BGB angesprochenen Abmahnung handelt es sich um 17 eine rechtsgeschäftsähnliche Erklärung, die darauf abzielt, der anderen Vertragspartei ein bestimmtes, als Vertragsverletzung beanstandetes Fehlverhalten vor Augen zu führen, und zwar verbunden mit der Aufforderung, dieses Verhalten zur Vermeidung weiterer vertragsrechtlicher Konsequenzen aufzugeben oder zu ändern3. Darin erschöpfen sich ihre gegenwärtigen Wirkungen für den abgemahnten Mieter, so dass einer Unterlassungs- und/oder Beseitigungsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehlt4. Insbesondere ändert die Abmahnung nichts daran, dass der Vermieter, wenn er sich in einem späteren Rechtsstreit auf das abgemahnte Verhalten stützen will, durch die Abmahnung keinen Beweisvorsprung erlangt, sondern den vollen Beweis für die vorausgegangene Pflichtwidrigkeit zu führen hat. Die arbeitsrechtliche Beurteilung zu den Folgen einer fehlerhaften Abmahnung ließe 18 sich nicht auf das Mietvertragsrecht übertragen. Im Arbeitsrecht werde dem Arbeitnehmer über § 242 BGB und eine entsprechende Anwendung von § 1004 BGB ein Beseitigungsanspruch gegen eine zu Unrecht erteilte Abmahnung zugebilligt5. Grundlagen der Zubilligung eines Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs gegen eine auf arbeitsrechtlichem Gebiet liegende Abmahnung sind die ausgeprägte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers sowie damit einhergehend weitgehende persönlichkeitsrechtliche Pflichtenbindungen. Diese sind im Mietvertragsrecht – wenn überhaupt – jedenfalls nicht in einer auch nur annähernd vergleichbaren Form anzutreffen6. Auch eine Feststellungsklage ist unzulässig, weil sie nicht auf die Feststellung eines 19 Rechtsverhältnisses i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet ist7. Zulässiger Gegenstand ei-

1 Blank/Börstinghaus, § 541 BGB Rz. 15. 2 Lützenkirchen/Dickersbach, AHB Mietrecht, I Rz. 285. 3 Vgl. BGH v. 11.1.2006 – VIII ZR 364/04, NJW 2006, 1585 (unter II 2b); BGH v. 18.11.1999 – III ZR 168/98, NZM 2000, 241 (unter II 2); Schmidt-Futterer/Blank, § 541 BGB Rz. 5 m.w.N. 4 BGH v. 20.2.2008 – VIII ZR 139/07, WuM 2008, 217 = GE 2008, 473 = ZMR 2008, 446. 5 Dazu BAG v. 27.11.1985 – 5 AZR 101/84, NZA 1986, 227 (228); BAG v. 30.5.1996 – 6 AZR 537/95, NZA 1997, 145 (146); BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965 (966). 6 Vgl. dazu MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 147 f. m.w.N. 7 BGH v. 20.2.2008 – VIII ZR 139/07, WuM 2008, 217.

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Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

ner Feststellungsklage kann – abgesehen von der Echtheit einer Urkunde – nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein. Dazu können auch einzelne, aus einem Rechtsverhältnis sich ergebende Rechte und Pflichten gehören, nicht aber bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, reine Tatsachen oder etwa die Wirksamkeit von Willenserklärungen oder die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens1. Bei der gegen eine Abmahnung gerichteten Feststellungsklage geht es dem Mieter nicht darum, die mietvertragliche Zulässigkeit eines von ihm praktizierten Mietgebrauchs oder dessen durch die Abmahnung in Frage gestellte Grenzen klären zu lassen. Er will mit seinem Feststellungsbegehren vielmehr die Tatsache geklärt wissen, ob er die ihm angelastete Verletzungshandlung begangen hat, um auf diesem Wege einen verbindlichen Ausspruch über die (Un-)Wirksamkeit der hierauf gestützten Abmahnung zu erlangen. Weder die zur Klärung gestellte Tatsache noch die Bewertung der hieran anknüpfenden Abmahnung als vertrags- oder rechtswidrig sind jedoch feststellungsfähig. 20 Bleibt allein die Möglichkeit, eine Feststellungsklage wegen des einen oder anderen Rechts zu einem bestimmten Gebrauch der Mietsache zu erheben oder die Klage auf Zustimmung, um die Erlaubnis für ein gewünschtes Verhalten oder einen gewünschten Zustand zu legalisieren. 6. Streitwert/Beschwer 21 Es ist umstritten, nach welchen Kriterien und demgemäß wie hoch der Streitwert einer Klage des Mieters auf Zustimmung des Vermieters z.B. zur Tierhaltung oder umgekehrt des Vermieters auf Unterlassung der Tierhaltung durch den Mieter zu bemessen ist2. Ausgangspunkt der Überlegungen sind die § 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO. Danach ist das Interesse der Partei maßgeblich. Dies hängt vom Einzelfall ab, wobei die Interessen der Parteien auf Beseitigung und Unterlassung (Vermieter) bzw. Zustimmung (Mieter) unterschiedlich sein können3. Der BGH hat nicht beanstandet, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes für den zur Unterlassung der Tierhaltung verurteilten Mieter nicht auf mehr als 600 Euro festgesetzt worden ist4. 22 Hat das Amtsgericht den Streitwert auf über 600 Euro festgesetzt und daher keine Veranlassung gesehen, die Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, hält aber das Berufungsgericht den Beschwerdewert nicht für erreicht, muss das Landgericht, das insoweit nicht an die Streitwertfestsetzung des Erstgerichts gebunden ist5, die Entscheidung darüber nachholen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO erfüllt sind. Hat das Berufungsgericht diese Entscheidung nicht getroffen, weil es im Hinblick auf den Streitwert keine Notwendigkeit gesehen hat, hat es aber die Revision zugelassen, ist davon auszugehen, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO ebenso als erfüllt angesehen und demgemäß die Berufung als zugelassen behandelt hätte, wenn ihm die Notwendigkeit einer Entscheidung hierüber bewusst gewesen wäre6. Denn die Gründe für die Zulassung der Revision nach 1 BGH v. 2.10.1991 – VIII ZR 21/91, WPM 1991, 2081 (unter II 1); BGH v. 19.4.2000 – XII ZR 332/97, NJW 2000, 2280 (unter 1a). 2 Lützenkirchen/N. Schneider, AHB Mietrecht, N Rz. 575; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 518 f. jeweils m.w.N. 3 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48. 4 BGH v. 6.5.2003 – VIII ZB 16/03 (Hund) und BGH v. 18.5.2005 – VIII ZB 113/04 (drei Tauben); in einem Verfahren (VIII ZR 11/06), das durch Rücknahme der Revision erledigt wurde, hat der Senat die Parteien im Hinblick auf eine Zurückweisung der Revision gemäß § 552a ZPO darauf hingewiesen, dass er keine Veranlassung sieht, den Wert des Beschwerdegegenstandes für den Vermieter, der mit seiner Klage auf Unterlassung der Tierhaltung (zwei Katzen) unterlegen war, auf mehr als 300 Euro bis 400 Euro anzusetzen; alles zitiert nach BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48. 5 BGH v. 9.7.2004 – V ZB 6/04, NJW-RR 2005, 219 (unter II 2a m.w.N.). 6 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48.

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§ 543 Abs. 2 ZPO und die Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO sind identisch. B. Wohnraummiete I. Entstehung des Anspruchs Der Unterlassungsanspruch entsteht erst, wenn der Mieter wegen seines vertrags- 23 widrigen Verhaltens vergeblich abgemahnt wurde. Dazu muss bei einem Dauerverhalten (z.B. Tierhaltung) ein angemessener Zeitraum zwischen Zugang der Abmahnung (vgl. § 541 BGB Rz. 52 ff.) und Klageerhebung liegen, wenn nicht eine gesetzte (angemessene) Frist abgelaufen ist. Ansonsten ist die Wiederholung des (konkret) abgemahnten Verhaltens erforderlich. Die Abmahnung kann keinesfalls in der Erhebung der Unterlassungs- bzw. Beseitigungsklage gesehen werden, wenn keine endgültige Erfüllungsverweigerung des Mieters vorliegt. Ein besonderes Interesse für sein Unterlassungsbegehren muss der Vermieter grund- 24 sätzlich nicht darlegen. Es genügt, dass der Mieter gegen den vereinbarten Nutzungszweck verstößt und sich damit vertragswidrig verhält1. II. Vertragswidriges Verhalten Vertragswidrig ist der Gebrauch der Mietsache dann, wenn er nicht vertragsgemäß 25 ist2. Was zum vertragsgemäßen Gebrauch gehört, richtet sich in erster Linie nach dem Inhalt des Mietvertrags3 (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 729 ff.). Ist im Mietvertrag das beanstandete Verhalten nicht ausdrücklich erwähnt, ist durch 26 Auslegung unter Berücksichtigung des Zwecks des konkreten Mietvertrags sowie der Verkehrssitte zu ermitteln, was erlaubt und was verboten ist (vgl. auch § 535 BGB Rz. 735). Eine bloß abstrakte Gefahr eines Vertragsverstoßes durch den Mieter begründet kein vertragswidriges Verhalten4. 1. Vertragswidrige Nutzung Eine vom vertraglich festgelegten Gebrauch abweichende Benutzung der Mietsache 27 braucht der Vermieter grundsätzlich nicht zu dulden5. Eine erhebliche Verletzung der Vermieterrechte ist für § 541 BGB im Gegensatz zu § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB oder § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht erforderlich6. Mithin kann grundsätzlich in den Grenzen der §§ 226, 242 BGB jede Vertragswidrigkeit verfolgt werden. Ob sich die veränderte Benutzung noch im Rahmen des Mietvertrags bewegt, hängt 28 von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere den vertraglichen Abreden und – in Ermangelung einer solchen – der Verkehrsanschauung (vgl. § 535 BGB Rz. 731). Die völlige Zweckentfremdung von zu Wohnzwecken vermieteten Räumen in Gewerberäume ist z.B. ebenso vertragswidrig wie das ständige Wohnen in Gewerberäumen7. Demgegenüber muss die gewerbliche Tätigkeit in den weiterhin auch zu Wohnzwe- 29 cken benutzten Räumen nicht unbedingt vertragswidrig sein. Denn berufliche Tätigkeiten, die der Mieter – etwa im häuslichen Arbeitszimmer – ausübt (z.B. Lehrer, Schriftsteller, Journalist, Home-Office), ohne dass sie nach außen in Erscheinung tre1 LG Bonn v. 24.4.2007 – 7 O 333/06, InfoM 2007, 311. 2 BayObLG v. 4.11.1983 – REMiet 13/83, MDR 1984, 234 = WuM 1984, 12 = ZMR 1984, 85 = NJW 1984, 496. 3 BGH v. 1.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = WuM 2010, 235 = ZMR 2010, 517 = NZM 2010, 356. 4 LG Hannover v. 28.10.2010 – 1 S 30/10, ZMR 2011, 211; AG Hannover v. 20.8.2010 – 546 C 2917/10, ZMR 2011, 46. 5 OLG Düsseldorf v. 18.3.1987 – 15 U 183/86, ZMR 1987, 423; OLG Hamm v. 10.9.1991 – 7 U 63/91, NJW 1992, 916 (unerlaubte Untervermietung eines Hotels an die Gemeinde zur Asylantenunterbringung). 6 BGH v. 14.7.1993 – VIII ARZ 1/93, NJW 1993, 2528. 7 OLG Düsseldorf v. 18.3.1987 – 15 U 183/86, ZMR 1987, 423.

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ten, fallen nach der Verkehrsanschauung von vornherein unter den Begriff des „Wohnens“. Deshalb kommt es darauf an, ob der Mieter mit einer geschäftlichen Tätigkeit nach außen in Erscheinung tritt, etwa indem er die Wohnung als seine Geschäftsadresse angibt, er in der Wohnung Kunden empfängt oder dort Mitarbeiter beschäftigt1. Ausnahmsweise kann der Vermieter im Einzelfall nach Treu und Glauben verpflichtet sein, eine Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung zu erteilen (z.B. Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr, Existenzgründungsphase einer selbständigen Tätigkeit). 30 Der Unterlassungsanspruch setzt ein Verschulden des Mieters oder des Dritten, der mit seinem Wissen die Mietsache benutzt, nicht voraus2. Es genügt ein objektiv vertragswidriger Gebrauch. 2. Notwendige Erlaubniserteilung a) Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis 31 Zunächst handelt ein Mieter vertragswidrig, der für sein vom vertragsgemäßen Gebrauch abweichendes Verhalten eine Erlaubnis benötigt und diese nicht eingeholt hat. Dies gilt selbst dann, wenn er letztlich einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis hat3. Dies kommt insbesondere in Betracht in den Fällen der – Untervermietung nach § 553 BGB4, – Barrierefreiheit nach § 554a BGB, – Tierhaltung (vgl. § 535 BGB Rz. 767 f.), – sonstigen baulichen Veränderungen (vgl. § 535 BGB Rz. 747 f.), – Installation von Parabolantennen (vgl. § 535 BGB Rz. 793 f.). 32 Dennoch kann die Unterlassungsklage abzuweisen sein, wenn ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis besteht. Denn insoweit kann sich der Mieter auf die dolo-agit-Einrede (§ 242 BGB) berufen. Immerhin wäre es treuwidrig, den Unterlassungsanspruch gegen den Mieter durchzusetzen, wenn der Vermieter – auf Erlaubniserteilung in Anspruch genommen – seine Zustimmung erteilen müsste5. 33 Der Anspruch auf Erlaubniserteilung kann sich aus dem Mietvertrag, dem Gesetz (vgl. §§ 553, 554a BGB) oder aus einer Interessenabwägung im Rahmen des § 535 BGB (vgl. z.B. § 535 BGB Rz. 795 für Parabolantennen) ergeben. Im Mietvertrag kann die Erlaubniserteilung unterschiedlich ausgestaltet sein. 34 Die Wirksamkeit der Vertragsregeln setzt im Geltungsbereich des § 307 BGB in der Regel voraus, dass die Klausel nicht z.B. von § 553 BGB abweicht, wonach ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis bei Vorliegen eines berechtigten Interesses besteht und keine Schriftform für die Erteilung vorsieht6. Denn dadurch könnte der vertragstreue Mieter davon abgehalten werden, sich auf eine mündliche Erlaubnis zu berufen. 35 Sieht der Mietvertrag eine generelle Erlaubniserteilung vor7, ist der Vermieter grundsätzlich verpflichtet, im Einzelfall eine (bestätigende) Zustimmung zu erteilen (z.B. bei Wechsel des Untermieters)8. Das Gleiche gilt, wenn der Vermieter die Zustim-

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BGH v. 14.7.2009 – VIII ZR 165/08, NJW 2009, 3157. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 614. MünchKomm/Häublein, § 573 BGB Rz. 52; Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 79. BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, WuM 2011, 74 = MDR 2011, 347 = NZM 2011, 275; OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 105/01, WuM 2002, 673 = ZMR 2003, 177; OLG Hamm v. 11.4.1997 – 30 REMiet 1/97, WuM 1997, 364 = ZMR 1997, 349 = NJW-RR 1997, 1370; BayObLG v. 26.4.1995 – 1Z REMiet 3/94, NJW-RR 1995, 969 (970); BayObLG v. 26.10.1990 – REMiet 1/90, NJW-RR 1991, 461 (462). BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, WuM 2011, 74 = MDR 2011, 347 = NZM 2011, 275. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, WuM 1991, 381 (382) = MDR 1991, 628. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031. BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, WuM 2011, 74 = MDR 2011, 347 = NZM 2011, 275.

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mung nur aus wichtigem Grund verweigern kann. Auch in diesem Fall ist im Übrigen ein Anspruch auf Zustimmung gegeben1. Regelt der Mietvertrag ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu der vom Mieter durch- 36 geführten Nutzung (z.B. Untervermietung), ist deren Auslegung nicht einheitlich. Während die eine Meinung die Erlaubniserteilung in das freie Ermessen des Vermieters stellt2, ist nach der Gegenansicht3 eine Interessenabwägung durchzuführen. Beide Auffassungen stimmen insoweit überein, dass die Zustimmung zu versagen ist, wenn eine Nutzungsänderung durch die vertragswidrige Handlung (z.B. Untervermietung) herbeigeführt werden soll4. Im Übrigen verdient die Auffassung den Vorzug, die dem Vermieter ein freies Ermessen einräumt. Denn es geht um die Vermietung einer Sache, mit der der Vermieter im Rahmen des Art. 14 GG und der einfachen Gesetze nach Belieben verfahren darf. Dazu gehört auch, dass er das Leben im Gebäude einheitlich, das heißt aufeinander abgestimmt, organisieren darf. In den Fällen, in denen nicht wegen besonderer oder höherwertiger Interessen des Mieters eine Ausnahme gilt, bestimmt der Vermieter den Rahmen des vertragsgemäßen Umgangs mit der Mietsache. b) Widerruf der Erlaubnis Der Vermieter kann grundsätzlich die Erlaubnis unter dem Vorbehalt des Widerrufs 37 erteilen. Besteht aber ein Anspruch auf Erteilung, ist der Vorbehalt unwirksam. Denn der Anspruch ist auf vorbehaltlose Zustimmung gerichtet. Besteht für die (beanstandete) Nutzung des Mieters keine Vereinbarung, ist der Ver- 38 mieter berechtigt, eine etwaige Gestattung, gleich ob diese ausdrücklich oder nur stillschweigend durch Duldung erteilt worden sein sollte, frei zu widerrufen5. Dies gilt insbesondere in den Fällen behaupteter Zustimmung durch bloße Duldung. Im Übrigen kann der Widerruf einer erteilten Erlaubnis wirksam nur aus wichtigem 39 Grund erfolgen6. Das gilt selbst dann, wenn die Erteilung der Erlaubnis im freien Ermessen des Vermieters gestanden hat. Denn der Vermieter kann einen Mietvertrag aus wichtigem Grund kündigen und dem Mieter dadurch den Gebrauch der Mietsache in vollem Umfang entziehen. Erst recht muss es ihm gestattet sein, aus wichtigem Grund den Gebrauch der Mietsache durch den Widerruf der erteilten Erlaubnis z.B. zur Untervermietung nur teilweise zu entziehen7. Vor diesem Hintergrund kommen als wichtiger Grund die Tatbestände in Betracht, 40 die ein Recht nach § 543 BGB begründen. Auch der Wegfall der für die Erteilung der Erlaubnis maßgeblichen Umstände zählt dazu. Daneben ist ein wichtiger Grund anzunehmen bei der – Untermiete, wenn – der Mieter nach Zustimmung gemäß § 553 BGB auszieht und der Untermieter die Räume alleine nutzt8, – eine Überbelegung der Wohnung eintritt, – der von vorneherein numerisch begrenzte Personenkreis überschritten wird9.

1 OLG Düsseldorf v. 1.6.2010 – 24 U 32/10, GE 2011, 336 = GuT 2011, 281; OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 105/01, WuM 2002, 673 = ZMR 2003, 177 = OLGR 2003, 197. 2 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, MDR 1982, 314 = ZMR 1992, 11 = NJW 1982, 376; OLG Hamm v. 13.1.1981 – 4 REMiet 5/80, MDR 1981, 406 = WuM 1981, 53 = ZMR 1981, 153. 3 KG v. 8.9.2003 – 8 U 181/02, GE 2003, 1490 = WE 2004, 162; OLG Hamburg v. 29.10.1993 – 4 U 167/93, WuM 1993, 737. 4 Blank/Börstinghaus, § 540 BGB Rz. 51. 5 KG v. 14.12.2006 – 8 U 83/06, WuM 2007, 68 = ZMR 2007, 613 = MietRB 2007, 111; LG Wuppertal v. 15.9.1995 – 10 S 23/95, WuM 1996, 267 (jeweils m.w.N.). 6 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031; Bub/ Treier/Kraemer, III Rz. 1041. 7 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031. 8 LG Berlin v. 22.2.1993 – 66 S 126/92, WuM 1995, 38. 9 HessStGH v. 18.8.1999 – P.ST.1391, WuM 1999, 565 = ZMR 2000, 12.

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42 – Tierhaltung (vgl. auch § 535 BGB), wenn – ein anderer Mieter an einer Hunde- oder Katzenallergie leidet1, wobei es unerheblich ist, ob der Mieter im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung bereits im Objekt wohnte, – das Tier allgemein genutzte Flächen verunreinigt, – das Tier andere Bewohner belästigt (z.B. Bellen, Heulen etc.). 43 Ein ohne ausreichenden Grund ausgesprochener Widerruf ist unbeachtlich. Allerdings kann darin auch eine teilweise Gebrauchsentziehung liegen mit der Folge, dass der Mieter nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorgehen kann2. 3. Gläubiger des Unterlassungsanspruchs 44 Grundsätzlich kann der Anspruch durch den Vermieter geltend gemacht werden, der nicht Eigentümer sein muss. Bei mehreren müssen alle Vermieter agieren. Eine Stellvertretung ist zulässig. Sie muss aber offen erfolgen. Der Anspruch kann auch über § 432 BGB von einem Vermieter für alle geltend gemacht werden. 4. Schuldner des Unterlassungsanspruchs 45 Grundsätzlich ist der Mieter in der Haftung. Er hat die Obhutspflicht und muss für eine vertragsgemäße Nutzung Sorge tragen. a) Mehrere Mieter 46 Bei mehreren Mietern richtet sich die Unterlassungsklage grundsätzlich gegen alle Mieter, wenn sie auch alle für den vertragswidrigen Zustand oder das vertragswidrige Verhalten verantwortlich sind. 47 Übt nur einer von mehreren Mitmietern einen vertragswidrigen Gebrauch aus (z.B. nächtliches Muszieren), soll sich gemäß § 425 BGB der Unterlassungsanspruch nur gegen denjenigen Mitmieter, der die Mietsache vertragswidrig gebraucht, richten3. Andere räumen dem Vermieter eine Wahlmöglichkeit ein, ob er allein den störenden oder alle Mieter in Anspruch nimmt4. Dabei wird jedoch verkannt, dass die Nebenpflichten aus dem Mietvertag alle Beteiligten auf Mieterseite gleichermaßen treffen. Insoweit hat der „unbeteiligte“ Mieter aus § 241 Abs. 2 BGB die Verpflichtung, auf den anderen Mieter einzuwirken, sein vertragswidriges Verhalten zu unterlassen und den vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache zu unterbinden. 48 Voraussetzung ist natürlich, dass er eine Einwirkungsmöglichkeit hat. Diese fehlt, wenn ihn der andere Mieter ausgesperrt hat oder er umgekehrt nach einem Verweis aus der Wohnung ohne den Willen des anderen Mieters in die Wohnung eingedrungen ist. In diesem Fall kann der Vermieter aber dennoch alle Mieter abmahnen, um für die „unbeteiligten“ Mieter die Pflicht der Einwirkung auf den „störenden“ Mieter zu schaffen. Immerhin kann die Abmahnung auch Grundlage der fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund werden (§ 543 Abs. 3 BGB) und wird der Mietvertrag als solcher auch durch die Störung nur durch einen der Mieter belastet. b) Zurechnung des Verhaltens Dritter 49 Der vertragswidrige Gebrauch braucht nicht vom Mieter selbst auszugehen. Der Mieter schuldet Unterlassung auch dann, wenn seine Hausgenossen, Arbeitnehmer, Untermieter und sonstigen Personen, die mit seinem Wissen die Mietsache mitbenutzen, die Mietsache vertragswidrig gebrauchen. Denn auch insoweit besteht die Pflicht des Mieters, auf die genannten Personen einzuwirken und deren vertragswidriges Verhalten zu unterbinden.

1 Vgl. AG Aachen v. 5.11.2005 – 85 C 85/05, WuM 2006, 304. 2 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031; OLG Frankfurt v. 8.12.2005 – 2 U 128/05, InfoM 2007, 312. 3 Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1056; MünchKomm/Bieber, § 541 BGB Rz. 5. 4 Schmidt-Futterer/Blank, § 541 BGB Rz. 5.

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Diese Voraussetzungen – der Aufenthalt von Dritten in den Mieträumen mit Wissen 50 und Wollen des Mieters – liegen aber nicht vor, wenn der Dritte ohne oder gegen den Willen des Mieters in die Räume eingedrungen ist. Auch hier scheitert die Zurechnung an der mangelnden Einwirkungsmöglichkeit. Das ist z.B. der Fall, wenn der Ehegatte des Mieters nach einem Platzverweis durch die Polizei gewaltsam in die Mieträume eindringt und Einrichtungen des Vermieters (z.B. Wohnungstüre) beschädigt1. Dennoch kann der Vermieter den Mieter abmahnen, um eine Einwirkungspflicht zu begründen. Hat der Mieter dem Folge geleistet, haftet er nicht aus § 541 BGB, wenn sich der Vorfall ohne sein Zutun wiederholt. Ein Verschulden des Dritten, der mit seinem Wissen die Mietsache benutzt, ist nicht 51 erforderlich2. Es genügt ein objektiv vertragswidriger Gebrauch. III. Abmahnung Die Abmahnung gegenüber dem Mieter ist grundsätzlich Voraussetzung für die Ent- 52 stehung des Anspruchs aus § 541 BGB. Sie bedarf keiner besonderen Form. Deshalb kann sie auch per Mail oder mündlich erklärt werden. 1. Subjektive Anforderungen Berechtigt, eine Abmahnung auszusprechen, ist der Vermieter. Bei mehreren Per- 53 sonen müssen alle handeln. Stellvertretung ist zulässig, muss aber offen erfolgen. Verdeckte Stellvertretung führt zur Unwirksamkeit der Abmahnung. § 174 BGB gilt3. Der Erwerber ist grundsätzlich erst berechtigt, eine Abmahnung zu erteilen, wenn er in den Mietvertrag nach § 566 BGB eingetreten ist. Zuvor benötigt er eine Ermächtigung des (bisherigen) Vermieters, wenn er im eigenen Namen handeln will (vgl. § 566 BGB Rz. 102).

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Die Abmahnung muss dem Mieter, bei mehreren allen zugehen. Auch insoweit ist 55 Stellvertretung zulässig, die sich insbesondere auch aus einer formularmäßigen Empfangsvollmacht4 ergeben kann. Dazu muss sie aber erkennbar an alle Mieter gerichtet sein. 2. Inhaltliche Anforderungen Eine Abmahnung ist eine rechtsgeschäftsähnliche Erklärung, die mit ihrem Zugang 56 wirksam wird. Inhaltlich zielt sie darauf ab, der anderen Vertragspartei ein bestimmtes, als Vertragsverletzung beanstandetes Fehlverhalten vor Augen zu führen, und zwar verbunden mit der Aufforderung, dieses Verhalten zur Vermeidung weiterer vertragsrechtlicher Konsequenzen aufzugeben oder zu ändern5. Schon im Hinblick auf die Warnfunktion der Abmahnung ist es erforderlich, das be- 57 anstandete Verhalten des Mieters jedenfalls so zu beschreiben, dass es identifizierbar ist und von anderen Sachverhalten unterschieden werden kann. Hinzukommen muss eine Äußerung, der der Empfänger entnehmen kann, dass das beschriebene Verhalten beanstandet wird und er es ändern oder aufgeben soll. Diese Anforderungen können auch erfüllt werden durch – eine mündliche Erläuterung, welches Verhalten abgestellt werden soll, und die nachträgliche schriftliche Abmahnung, die auf das Gespräch zur Beschreibung des Verhaltens Bezug nimmt6;

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LG Würzburg v. 25.11.2010 – 3 T 2449/10, NZM 2011, 582 = NJW-RR 2011, 951 = IMR 2011, 497. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 614. OLG Celle v. 18.12.1981 – 2 U 202/81, WuM 1982, 206. BGH v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, WuM 1997, 599. BGH v. 20.2.2008 – VIII ZR 139/07, MDR 2008, 556 = WuM 2008, 217 = ZMR 2008, 446 = NJW 2008, 1303; BGH v. 11.1.2006 – VIII ZR 364/04, NJW 2006, 1585 (unter II 2b); BGH v. 18.11.1999 – III ZR 168/98, NZM 2000, 241 (unter II 2); Schmidt-Futterer/Blank, § 541 BGB Rz. 5 m.w.N. 6 Blank/Börstinghaus, § 541 BGB Rz. 5.

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Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

– ein Schreiben, in dem der Vermieter für eine in Aussicht genommene Fortsetzung des Mietverhältnisses, zu der es nach Rücknahme der ursprünglichen Räumungsklage im Ergebnis gekommen ist, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er zumindest für die nächsten zwölf Monate kein weiteres vertragswidriges Verhalten dulden wird1; – eine unwirksame Kündigung, die in eine Abmahnung umgedeutet werden kann, § 140 BGB2. 58 Eine Androhung von konkreten Konsequenzen, insbesondere der Erhebung der Unterlassungsklage3, oder eine Fristsetzung muss die Abmahnung nicht enthalten. Der Vermieter kann nach Ablauf einer angemessenen Frist Klage erheben. 59 Im Übrigen hat die Abmahnung Warnfunktion und muss dem Mieter daher nur das beanstandete Verhalten vor Augen führen. Deshalb kann in dem Widerruf einer Erlaubnis eine Abmahnung nicht gesehen werden4. Allerdings kann der Widerruf mit der Abmahnung verbunden werden. 3. Entbehrlichkeit der Abmahnung 60 Aus dem Rechtsgedanken des § 543 Abs. 3 BGB sowie § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB folgt, dass auch bei § 541 eine Abmahnung zumindest bei ernsthafter und endgültiger Ablehnung des Mieters entbehrlich ist. Insoweit gelten strenge Anforderungen5. Deshalb sind diese Voraussetzungen erst erfüllt, wenn sich die Abmahnung als bloße Förmelei darstellt. Zur Annahme einer endgültigen Erfüllungsverweigerung i.S.v. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB muss daher aufgrund des Verhaltens des Mieters und/oder seinen Äußerungen z.B. feststehen, dass er das vertragswidrige Verhalten trotz einer Abmahnung (Warnung) fortsetzen wird. 61 Die Erklärung kann auch durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden. Das erfordert aber ein Handeln des Mieters, dass eindeutig, also ohne jeden Zweifel, zum Ausdruck bringt, dass er das beanstandete Verhalten oder den vertragswidrig geschaffenen Zustand in jedem Fall aufrechterhalten wird. 4. Identität zwischen abgemahntem und verfolgtem Verhalten 62 Die Abmahnung ist nur wirksam, wenn bei ihrem Ausspruch tatsächlich ein vertragswidriges Verhalten (schon) vorlag6. Ansonsten ist sie für die Unterlassungsklage untauglich. 63 Der nachfolgenden Unterlassungsklage kann nicht jede Abmahnung zugrunde gelegt werden. Die Abmahnung muss sich zumindest auf eine ähnliche Vertragsverletzung beziehen, die Gegenstand der Unterlassung sein soll. Ansonsten würde die Warnfunktion, die mit der Abmahnung verbunden ist, leer laufen. Das ist etwa der Fall, wenn der Mieter wegen unpünktlicher Mietzahlung abgemahnt wurde und mit der Unterlassungsklage Lärmemissionen unterbunden werden sollen. 64 Die Abmahnung eines identischen kontinuierlichen Verhaltens muss in einem engen zeitlichen Zusammenhang zur Kündigung stehen. Denn ansonsten wird für den Mieter nicht mehr ersichtlich, dass seine Maßnahmen gegen den Vertragsverstoß (hier: Kinderlärm) nicht erfolgreich waren7.

1 BGH v. 4.2.2009 – VIII ZR 66/08, WuM 2009, 228. 2 BGH v. 26.3.1969 – VIII ZR 76/67, MDR 1969, 657; KG v. 20.12.2004 – 8 U 66/04, GE 2005, 236 = WE 2005, 257; OLG München v. 9.2.1996 – 21 U 4494/94, ZMR 1996, 487; OLG Hamm v. 3.12.1991 – 7 U 145/91, NJW-RR 1993, 1163. 3 Palandt/Weidenkaff, § 541 BGB Rz. 8. 4 Blank/Börstinghaus, § 541 BGB Rz. 5. 5 Blank/Börstinghaus, § 541 BGB Rz. 8 m.w.N. 6 AG Frankfurt v. 3.2.1999 – 33 C 3600/98-76, NZM 1999, 707. 7 LG Halle v. 11.1.2002 – 1 S 192/01, NZM 2003, 309.

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IV. Weitere Vermieterrechte 1. Bestehende Vermieterrechte § 541 BGB schließt die Anwendung des § 1004 aus1. Denn er ist spezieller und hat in seinem eigenen Anwendungsbereich die engeren Voraussetzungen.

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Verletzt die Fortsetzung des vertragsgemäßen Gebrauchs die Vermieterrechte in er- 66 heblichem Maße, kann der Vermieter fristlos kündigen, §§ 543 Abs. 2 Nr. 2, 569 Abs. 2, 543 Abs. 1 BGB. Daneben ist an die ordentliche Kündigung nach § 573 BGB zu denken. Übt der Mieter schuldhaft vertragswidrigen Gebrauch aus, haftet er nach § 280 BGB 67 wegen Pflichtverletzung auf Schadensersatz. Der Anspruch geht auf Beseitigung und Wiederherstellung des früheren Zustandes2. Daneben kann der Vermieter auch die Minderungen (§ 536 BGB), die andere Mieter infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Mieters durchgeführt haben, geltend machen3. 2. Rangfolge bei der Ausübung? Nicht selten wird vertreten, dass der Vermieter bei der Ausübung seiner Rechte den 68 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten habe. Deshalb soll der Vermieter selbst bei erheblichen Verletzungen von Duldungspflichten durch den Mieter darauf beschränkt sein, diese Pflichten einzuklagen und gegebenenfalls nach § 890 ZPO vollstrecken zu lassen, und ihm daneben das Recht zur außerordentlichen Kündigung verwehrt sein4. Für eine derartige Unterscheidung zwischen Duldungspflichten und sonstigen Pflich- 69 ten des Mieters bieten die §§ 541, 543, 573 BGB keinen Ansatzpunkt5. Gemäß § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund von jeder Vertragspartei fristlos gekündigt werden. Aus § 543 Abs. 3 S. 1 BGB wird deutlich, dass der wichtige Grund in jedweder Pflichtverletzung aus dem Mietvertrag liegen kann. Die Qualität der Pflicht ist dabei nicht von Bedeutung. Mithin kommt z.B. auch die Verletzung der vertraglich festgelegten Pflicht des Mieters in Betracht, dem Vermieter Zutritt zur Wohnung zu gestatten, wenn dieser die Wohnung veräußern und deshalb Kaufinteressenten zeigen will6. Unter welchen Umständen die Zumutbarkeitsgrenze für den Vermieter überschritten ist, wenn der Mieter die Erfüllung dieser vertraglichen Pflicht beharrlich verweigert, ist eine vom Tatrichter anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu treffende Wertung. Innerhalb dieser Wertung kann auch die Frage erheblich sein, ob es dem Vermieter im Einzelfall zuzumuten ist, vor Ausspruch der fristlosen Kündigung einen Duldungstitel gegen den Mieter zu erwirken und gegebenenfalls Vollstreckungsversuche nach § 890 ZPO zu unternehmen. Eine generelle Pflicht des Vermieters, diesen Verfahrensgang einzuhalten, besteht aber nicht. V. Beispiele vertragswidrigen Verhaltens Anknüpfungspunkte für vertragswidriges Verhalten können gebildet werden durch die – Erweiterung des vereinbarten Mietgebrauchs, – Durchführung des Gebrauchs, – Gebrauchsüberlassung an Dritte, – Verletzung von Obhuts- und Sorgfaltspflichten, – bauliche Veränderungen.

1 BGH v. 17.4.2007 – VIII ZB 93/06, WuM 2007, 387; Schmidt-Futterer/Blank, § 541 BGB Rz. 2 m.w.N. 2 BGH v. 26.6.1974 – VIII ZR 43/73, NJW 1974, 1463. 3 AG Bremen v. 9.3.2011 – 17 C 105/10, WuM 2011, 362. 4 Z.B. LG Baden-Baden v. 24.7.2009 – 1 S 11/09, zitiert nach juris. 5 BGH v. 5.10.2010 – VIII ZR 221/09, GE 2011, 198 = ZMR 2011, 366. 6 BGH v. 5.10.2010 – VIII ZR 221/09, GE 2011, 198 = ZMR 2011, 366.

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1. Erweiterung des vereinbarten Mietgebrauchs 71 Die Erweiterung des vereinbarten Mietgebrauchs liegt vor, wenn die Nutzung durch den Mieter von der nach dem Vertrag vorgesehenen Nutzung abweicht. Dies kann erfolgen durch – vom Vertragszweck abweichende Nutzung (vgl. § 535 BGB Rz. 1115), – Sondernutzung von Gemeinschaftsflächen (z.B. Treppenhaus, Garten). 2. Durchführung des Gebrauchs 72 Bei der Durchführung des Gebrauchs kommt insbesondere eine Verletzung von Nebenpflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB in Betracht. Der Mieter ist insbesondere obhutspflichtig hinsichtlich der Mietsache (vgl. § 535 BGB Rz. 836 ff.). Weiter gehört hierher die Pflicht zur Rücksichtnahme. 3. Gebrauchsüberlassung an Dritte 73 Die Gebrauchsüberlassung an Dritte ist unter den Voraussetzungen der §§ 540, 553 zulässig. Die danach erforderliche Erlaubnis muss vor Überlassung an den Dritten vorliegen1. Zwar kann ein Vorgehen des Vermieters treuwidrig sein (vgl. § 541 BGB Rz. 32), wenn dem Mieter ein Anspruch auf Zustimmung z.B. nach § 553 BGB zusteht2. Für die Unterlassungsklage ist aber die Fortsetzung des vertragsgemäßen Gebrauchs nach Abmahnung (oder dessen Wiederholung) maßgeblich. Solange dies erst nach Rechtshängigkeit unterbleibt, muss der Mieter seinen Anspruch auf Zustimmung im Wege der Widerklage verfolgen. 74 In den Fällen des § 540 BGB ist die Untervermietung unzulässig, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund besteht (vgl. § 540 BGB Rz. 74 f.). Ansonsten liegt ein vertragswidriger Zustand vor – bei Überlassung der Wohnung an den Sohn und dessen Familie nach Auszug und Einrichtung eines Arbeitszimmers für den Mieter3, – bei Auszug des Mieters, obwohl Genehmigung sich auf mehrere Untermieter/Personen bezieht4, – nach Auszug (Verlagerung des Lebensmittelpunktes ins Ausland) und Überlassung an seine erwachsenen Kinder5, – bei Fortdauer der Gebrauchsüberlassung nach Ablauf der befristet erteilten Erlaubnis6, – bei Vortäuschen der Zustimmungstatsachen7, – bei nachträglicher Benennung des eingezogenen Dritten und Weigerung, außer dem Namen weitere Daten anzugeben8, oder – bei ständigem Überlassen eines Schlüssels an den Freund der Tochter, um ihm den Gebrauch der Wohnung dauernd zu ermöglichen9. 75 In jedem Fall ist der Mieter bei der beabsichtigten oder bereits erfolgten Gebrauchsüberlassung an Dritte zur Auskunft gegenüber dem Vermieter verpflichtet10. Verletzt er die ihm obliegende Auskunftspflicht, verhält er sich vertragswidrig. Die Auskunft des Mieters soll dem Vermieter die Prüfung ermöglichen, ob er die Erlaubnis zur Gebrauchsüberlassung erteilt oder nicht. Erst recht muss er bei einer bereits erfolgten Gebrauchsüberlassung diese Prüfmöglichkeit erhalten. Notwendig ist in jedem Fall 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 371/02, ZMR 2004, 100. BayObLG v. 26.10.1990 – REMiet 1/90, WuM 1991, 18. LG Cottbus v. 30.8.1994 – 4 S 99/94, WuM 1995, 38. HessStGH v. 18.8.1999 – P.ST.1391, WuM 1999, 565. LG Frankfurt v. 25.1.2000 – 2/11 S 211/99, WuM 2002, 92. LG Stuttgart v. 21.11.1991 – 6 S 208/91, WuM 1992, 122. LG Berlin v. 22.2.1993 – 66 S 126/92, WuM 1995, 38. AG Köln v. 13.7.1999 – 210 C 110/99, KM 6 Nr. 13. AG Münster v. 17.10.1990 – 29 C 432/90, WuM 1991, 96. LG Kiel v. 8.3.2010 – 18 O 233/09, ZMR 2010, 532.

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die namentliche Benennung des Dritten. Auf Nachfrage ist der Mieter auch verpflichtet, nähere Angaben zur Person zu machen1. Nur so hat er die Gelegenheit festzustellen, ob z.B. eine Störung des Hausfriedens zu befürchten ist, weil der Dritte mit einem anderen Hausbewohner verfeindet ist. Im Bereich der Gewerberaummiete ist – u.a. wegen etwaigen Konkurrenzschutzverpflichtungen – zudem das vom Dritten betriebene Gewerbe von immenser Bedeutung2. 4. Verletzung von Obhuts- und Sorgfaltspflicht Die nebenvertragliche Obhuts- und Sorgfaltspflicht des Mieters bezieht sich darauf, 76 vorhersehbare und vermeidbare Beschädigungen der Mietsache sowie sonstiger Teile des Gebäudes oder auch sonstige Beschädigungen infolge unsachgemäßen Gebrauchs der Mietsache zu unterlassen bzw. zu vermeiden3 (vgl. § 535 BGB Rz. 836). Diese Verpflichtung hat im Mietrecht eine wesentliche Bedeutung, da der Vermieter (Eigentümer) dem Mieter in der Regel sein Vermögen anvertraut. Er darf daher erwarten, dass der Mieter es vor Schaden bewahrt. Eine gesetzliche Ausgestaltung dieser Nebenverpflichtung findet sich in der Anzeigepflicht des § 536c BGB. Hat der Mieter die Mietsache beschädigt und ist der Beschädigung eine Abmahnung 77 vorausgegangen, kann Unterlassung nach § 541 BGB verlangt werden. Daneben haftet er gemäß § 280 Abs. 1 BGB auf Ersatz des hierdurch bedingten Schadens. Dabei wird ihm das Fehlverhalten seiner Hilfspersonen, die für ihn nach den tatsächlichen Verhältnissen als Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB tätig sind, zugerechnet. Maßgeblich ist, dass dem Dritten in Bezug auf die Mietsache irgendeine Funktion übertragen wurde4. Erfüllungsgehilfen sind insbesondere Arbeitnehmer des Mieters, wenn sie mit Wissen und Wollen im Pflichtenkreis des Mieters tätig werden5. Der Verantwortungsbereich des Mieters kann jedoch nicht weiter gehen, als sein ver- 78 tragsgemäßer Gebrauch sich erstreckt. Er beschränkt sich daher auf den durch den Mietvertrag begründeten Macht- und Einflussbereich, solange im Mietvertrag nichts anderes geregelt ist6. Diese Verpflichtung hört nicht mit der Beendigung des Mietvertrages auf, sondern 79 erlischt erst mit der Rückgabe der Mietsache. Während der Mietzeit muss der Mieter daher auch bei länger andauernder Abwesenheit (z.B. Betriebsferien, Urlaub) für eine regelmäßige Betreuung der Räume und die Durchführung etwa erforderlich vorhandener Sicherungsmaßnahmen durch eine vertrauenswürdige Person sorgen7. 5. Bauliche Veränderungen Der Mieter muss die Mieträume grundsätzlich in dem Zustand belassen, in dem er 80 sie angemietet hat. Will er auf eigene Kosten bauliche Veränderungen durchführen, bedarf er prinzipiell der Zustimmung des Vermieters, und zwar auch dann, wenn der Mietvertrag keinen ausdrücklichen Erlaubnisvorbehalt enthält8. Eingriffe in die bauliche Substanz sind dem Mieter deshalb regelmäßig nicht gestattet. (vgl. § 535 BGB Rz. 747 ff.) Von der Zustimmungspflicht ausgenommen sind – Hilfsmaßnahmen bei der Einrichtung und Ausstattung der Räume (z.B. Bildernägel, Dübel, Scheuerleisten);

1 BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 92/04, GE 2007, 142 = ZMR 2007, 184 = NZM 2007, 127; OLG Dresden v. 29.4.2004 – 16 U 237/04, GuT 2005, 170 = NZM 2004, 461. 2 BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 92/04, GE 2007, 142 = ZMR 2007, 184 = NZM 2007, 127. 3 KG v. 11.2.2008 – 8 U 151/07, ZMR 2008, 618; OLG Dresden v. 17.4.2007 – 5 U 8/07, NZM 2007, 803. 4 OLG Dresden v. 17.4.2007 – 5 U 8/07, NZM 2007, 803; OLG Bamberg v. 4.12.1997 – 1 U 78/97, OLGR 1998, 213. 5 KG v. 11.2.2008 – 8 U 151/07, ZMR 2008, 618. 6 OLG Karlsruhe v. 9.8.1984 – 3 REMiet 6/84, WuM 1984, 267. 7 OLG Düsseldorf v. 19.5.1994 – 10 U 138/93, WuM 1994, 461. 8 BGH v. 26.6.1974 – VIII ZR 43/73, NJW 1974, 1463.

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– Einrichtungsmaßnahmen (Raumteiler, Einbauküche); – notwendige Verwendungen (§ 539 BGB). 81 Erfasst sind jedoch von vornherein Eingriffe, die die Mietsache in ihrer räumlichen Aufteilung oder ihrem baulichen Zustand verändern. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der jeweilige Substanzeingriff ohne Folgen für die Statik des Objektes ist und ob die Maßnahmen bei Vertragsende folgenlos beseitigt werden können. Denn der Vermieter kann seine Zustimmung von Bedingungen abhängig machen (vgl. § 535 BGB Rz. 761), die seinem schutzwürdigen Interesse dienen (z.B. Sicherheitsleistung). 82 Je nach dem Grund für die bauliche Veränderung besteht ein Anspruch des Mieters auf Zustimmung zur Durchführung der beabsichtigten Maßnahme. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die Veränderung z.B. zur Anpassung des Mietgebrauchs an einen üblichen Standard dient und dass sie auf Kosten des Mieters vorgenommen wird1. Hier muss im Einzelfall geprüft werden, ob die bauliche Veränderung etwa im Zusammenhang mit der Ausübung von Grundrechten (z.B. Informationsfreiheit) steht, so dass die Zustimmung zwar von Bedingungen abhängig gemacht, aber nicht versagt werden kann (z.B. Parabolantenne, s. § 535 BGB Rz. 793). Das ist nicht der Fall, wenn der Mieter den Einbau einer Gasetagenheizung begehrt, obwohl die Wohnung bereits mit Kachelöfen und GAMAT-Außenwandheizern ausgestattet ist2. Dies gilt auch für bauliche Maßnahmen außerhalb der angemieteten Räume und sogar dann, wenn die Maßnahmen im Interesse von Personen erfolgen sollen, die sich (nur) berechtigterweise in den Räumen aufhalten3. 83 Die Wirkung einer vom Vermieter erteilten Zustimmung bzw. der dem Vermieter obliegenden Genehmigungspflicht erstreckt sich lediglich auf die Mietzeit. Aus ihr folgt nicht, dass der Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses das Mietobjekt in verändertem Zustand zurückgeben darf. Dies folgt bereits aus § 546 BGB4. Deshalb hat der Mieter keinen Anspruch auf Verzicht des Rückbaus und Erstattung des Zeitwertes bei Beendigung des Mietvertrages5 und kann daher diese Bedingungen auch nicht mit dem Zustimmungsverlangen verknüpfen6. 84 Gibt der Mieter die Mietsache mit der baulichen Veränderung zurück, bestehen Beseitigungsansprüche des Vermieters aus § 546 BGB (vgl. § 546 BGB Rz. 75 ff.). VI. ABC der Vertragswidrigkeiten 85

l Abzugshaube. Der Mieter darf keine Abzugshaube mit Abluftsystem in der Küche installieren und dafür die Außenwand durchbrechen. War eine Abluftanlage vorhanden und hat der Vermieter eine Wärmedämmung an der Fassade aufgebracht, hat der Mieter keinen Anspruch auf (Wieder-)Installation der Abluftanlage, wenn dadurch die Funktion der Wärmedämmung gestört wird und eine Umstellung der Abzugshaube auf Umluftsystem möglich ist7.

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l Alarm. Wer in der irrtümlichen Annahme einer Notsituation die Feuerwehr alarmiert, die daraufhin die Tür aufbricht, haftet nicht auf Schadensersatz8.

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l Antenne

88 – Zur Installation einer Funkantenne auf dem Balkon der Wohnung im Mehrfamilienhaus benötigt der Mieter eine Zustimmung9. Die Umrüstung der Gemeinschaftsantenne auf den Empfang weiterer ausgestrahlter Fernsehprogramme (auf eigene Kosten) soll dagegen ohne Zustimmung zulässig sein10.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 985. LG Berlin v. 21.12.2010 – 63 S 208/10, GE 2011, 201. BVerfG v. 28.3.2000 – 1 BvR 1460/99, WuM 2000, 298. OLG Düsseldorf v. 14.10.2008 – I-24 U 7/08, ZMR 2009, 843; OLG Brandenburg v. 1.10.2007 – 3 U 28/06, zitiert nach juris. LG Dortmund v. 20.11.2007 – 3 O 223/07, ZMR 2008, 376. AG Potsdam v. 17.2.2000 – 26 C 354/99, WuM 2000, 179. AG Neuss v. 31.5.2012 – 82 C 852/12, n.v. LG Berlin v. 26.1.2011 – 49 S 106/10, GE 2011, 614. AG Kenzingen v. 22.6.1993 – C 96/93, WuM 1996, 403. AG Hamburg v. 26.10.1989 – 48 C 1264/89, WuM 1990, 422.

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Die Installation einer baurechtlich zulässigen Parabolantenne muss der Vermieter an einem von ihm zu bestimmenden Aufstellungsort gestatten1, soweit der Mieter für die Versicherung Sorge trägt und die Rückbaukosten sicherstellt, wenn eine Abwägung ergibt, dass das Grundrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 GG, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, das Eigentumsrecht des Vermieters überwiegt (vgl. § 535 BGB Rz. 795). Das ist in der Regel bei ausländischen Mietern der Fall, für die die vorhandene Empfangsanlage keine ausreichende Informationsquelle zur Verfügung stellt2. Dies gilt auch, soweit der Mieter die Parabolantenne benötigt, um einen Sender zu empfangen, der nur in einem Mitgliedsstaat der EU ausgestrahlt wird und in der BRD keine Lizenz erhält3. Stellt der Mieter die Antenne allerdings auf dem Balkon auf, so dass sie durch die Brüstung und/oder die vorstehende Gebäudekante verdeckt wird, sind die Rechte des Vermieters nicht tangiert4. Der Vermieter kann aber die Beseitigung verlangen, wenn er nachträglich den Empfang des benötigten Senders z.B. über eine Gemeinschaftssatellitenanlage sicherstellt5.

89

Ein vertragswidriger Gebrauch liegt durch das Aufstellen der Parabolantenne auf dem Balkon dann nicht vor, wenn weder eine Substanzverletzung noch eine nennenswerte ästhetische Beeinträchtigung des Eigentums des Vermieters zu besorgen ist, sondern die Antenne keine oder lediglich geringfügige optische Beeinträchtigungen verursacht, beispielsweise weil sie im Innern des Gebäudes am Fenster6 oder auf dem Fußboden im hinteren Bereich auf einem durch Vorder- und Seitenwände sichtgeschützten Balkon aufgestellt ist7. Denn in diesen Fällen kann der Vermieter wegen des durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interesses des Mieters am zusätzlichen Empfang von (ausländischen) Satellitenprogrammen8 nach Treu und Glauben verpflichtet sein, einer solchen Aufstellung zuzustimmen (§ 242 BGB). Anders kann es dagegen liegen, wenn eine auf dem Balkon aufgestellte Parabolantenne von außen deutlich sichtbar ist und dadurch zu einer ästhetischen Beeinträchtigung des im Eigentum des Vermieters stehenden Gebäudes führt9.

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Die Informationsfreiheit des Mieters wiegt aber nicht höher, wenn das Mietobjekt mit einem Breitbandkabelanschluss ausgestattet ist, der den Empfang von digitalen Zusatzprogrammen ermöglicht10. Bei der notwendigen Abwägung kann auch die Religionsfreiheit nicht ausschlaggebend sein, wenn der türkische Mieter alevitischen Glaubens ist11. Denn die Religionsfreiheit schützt nur die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, und die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, und damit das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass Informationen über Rundfunk und Fernsehen erreichbar sein müssen, die auch durch Druckerzeugnisse erlangt werden könnten.

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Ein kurdischstämmiger Mieter, der inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat, soll wie ein Ausländer behandelt werden können, weil sich durch die Staatsangehörigkeit seine Bindung zur Heimat nicht (automatisch) löst, so dass es auch nicht auf seine Rückkehrwilligkeit ankommen soll12.

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1 Außerhalb des Balkons des Mieters ist dieses Recht des Vermieters quasi exklusiv, wenn er (nach billigem Ermessen) einen Ort wählt, der den Empfang von Signalen gewährleistet: AG Hamburg-Bergedorf v. 23.3.2010 – 409 C 15/10, ZMR 2011, 43. 2 BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 260/06, NJW 2008, 216; BGH v. 16.5.2007 – VIII ZR 207/04, NJW-RR 2007, 1243; BGH v. 17.4.2007 – VIII ZR 63/04, WuM 2007, 380; BGH v. 16.11.2005 – VIII ZR 5/05, NJW 2006, 1062; BGH v. 2.3.2005 – VIII ZR 118/04, NJW-RR 2005, 596; BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, BVerfGE 90, 27; BVerfG v. 24.1.2005 – 1 BvR 1953/00, NJW-RR 2005, 661; BGH v. 17.4.2007 – VIII ZB 93/06, GE 2007, 902. 3 BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 244/08, WuM 2010, 28. 4 LG Berlin v. 26.10.2010 – 63 S 95/10, GE 2010, 1686. 5 LG Krefeld v. 10.3.2010 – 2 S 68/09, DWW 2010, 299 = IMR 2010, 322. 6 Vgl. AG Gladbeck v. 10.9.1998 – 5 C 493/98, NZM 1999, 221 f. 7 Vgl. AG Herne-Wanne v. 28.7.2000 – 3 C 193/00, WuM 2001, 277; AG Siegen v. 22.6.1999 – 13 C 358/99, WuM 1999, 454; weitergehend LG Hamburg v. 18.5.1999 – 316 S 17/99, WuM 1999, 454; LG Berlin v. 12.9.2003 – 63 S 66/03, GE 2003, 1330. 8 Vgl. BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, BVerfGE 90, 27, 32 f. 9 Vgl. BVerfG v. 24.1.2005 – 1 BvR 1953/00, NJW-RR 2005, 661 (662); BVerfG v. 17.3.2005 – 1 BvR 42/03, BeckRS 2005, Nr. 25459. 10 BGH v. 17.4.2007 – VIII ZR 63/04, WuM 2007, 380 = ZMR 2007, 676 = GE 2007, 903; BVerfG v. 14.2.2005 – 1 BvR 1908/01, WuM 2007, 379. 11 BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 260/06, WuM 2007, 678. 12 KG v. 11.10.2007 – 8 U 210/06, WuM 2007, 618.

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Die Unterscheidung zwischen Deutschen und Ausländern in den vorliegenden Fällen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden1. Insoweit ist es zwar richtig, dass durch die Einbürgerung die Herkunft nicht verändert wird. Es begegnet jedoch verfassungsrechtlichen Bedenken, einige Deutsche ohne sachlichen Grund deutscher zu behandeln. Dabei wird übersehen, dass der ohne Zwang gefällte Entschluss, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen, freiwillig umgesetzt wird. Im Übrigen ist nicht verständlich, warum der Deutsche, der im Ausland geboren ist und nach 30 Jahren nach Deutschland zurückkehrt, anders behandelt werden darf, nur weil er von Anfang an Deutscher war.

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l Außenfassade. Die Verkleidung mit blauen und goldenen Keramikfliesen über die gesamte

Front im Erdgeschoss kann der Vermieter verbieten2, ebenso wie die Installation von Warenautomaten3. Reklameeinrichtungen darf der Gewerberaummieter im üblichen Umfang anbringen4, solange dies nicht vor den im Obergeschoss gelegenen Mieträumen geschehen soll5. Zustimmungspflichtig ist auch das Anbringen eines Schildes zum Hinweis auf ein vom Wohnraummieter ausgeübtes Kleingewerbe (Nachhilfe, Musikunterricht etc.)6. Das Gleiche gilt für die Anbringung einer Außenjalousie7, insbesondere wenn dadurch die Wärmedämmung beschädigt wird8. Allerdings soll für den EG-Mieter ein Anspruch auf Zustimmung bestehen, wenn er Sicherheitsrisiken reklamieren kann9.

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l Ausverkauf fi Räumungsverkauf

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l Baden (und Duschen) während der Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr ist nur in Ausnahmefällen ver-

tragswidrig10, z.B. wenn andere Mieter unerträglich beeinträchtigt sind11. Dazu reicht die bloße Störung der Nachtruhe nicht aus12.

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l Badewanne. Duschen in der Badewanne ist erlaubt, obwohl die Fliesen nicht deckenhoch verlegt sind und dadurch eine Durchfeuchtung des Putzes eintritt13.

98

l Badezimmer. Ein- oder Umbau eines Bades ist zustimmungspflichtig14 und kann von der Leistung einer Sicherheit abhängig gemacht werden15. Dagegen sollen die Neuverfliesung16 und die Installation eines neuen Toilettentopfes17 ohne Einwilligung zulässig sein. Benutzung des Bades in einem Mehrfamilienhaus zum Duschen und Baden während der Nachtzeit von 22 Uhr bis 6. Uhr ist zulässig, selbst wenn dadurch andere Hausbewohner in ihrer Nachtruhe gestört werden können18, jedenfalls solange die nächtlichen Badegeräusche nicht zu unerträglichen Beeinträchtigungen führen19.

99

l Balkon. Hier kann der Mieter grundsätzlich keine Verkleidung20 oder ein Plexiglasvordach ohne Zustimmung installieren; allerdings soll ein Anspruch auf Zustimmung bestehen, wenn der Vermieter die Installation von Markisen und Außenvorhängen auf anderen Balkonen duldet21. Ausnahmsweise kann ein Schutz am Balkon gerechtfertigt sein, wenn ein unbekannter Täter die Loggia wiederholt mit einer Luftdruckwaffe beschießt22. Die allseitige Umhüllung des Balkons

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/02, NJW 1994, 1147. AG Bad Säckingen v. 15.6.2001 – 1 C 40/01, GuT 2002, 18. A.A. OLG Hamm v. 6.5.1958 – 4 U 4/58, NJW 1958, 1239. Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 989. OLG Düsseldorf v. 21.3.1958 – 10 U 99/57, NJW 1958, 1094. Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 990. A.A. AG Zeitz v. 16.9.1997 – 4 C 297/97, WuM 1998, 16. LG Köln v. 12.6.1997 – 1 S 328/96, KM 3 Nr. 32. LG Hamburg v. 2.2.2006 – 334 S 39/05, WuM 2007, 502. AG Rottenburg v. 31.10.1994 – 2 C 356/94, ZMR 1995, 163. LG Köln v. 17.4.1997 – 1 S 304/96, WuM 1997, 323. OLG Düsseldorf v. 25.1.1991 – 5 Ss (OWi) 411/90 – (OWi) 181/90 I, WuM 1991, 288. LG Bochum v. 8.11.1991 – 5 S 100/91, WuM 1992, 431. LG Berlin v. 13.12.1994 – 64 S 266/94, GE 1995, 429. AG Hamburg v. 17.5.1995 – 40a C 1309/94, WuM 1996, 29. AG Schöneberg v. 3.3.1995 – 15 C 11/95, GE 1995, 703. LG Köln v. 16.2.1995 – 1 S 22/94, WuM 1996, 93. OLG Düsseldorf v. 25.1.1991 – 5 Ss (OWi) 411/90 – (OWi) 181/90 I, WuM 1991, 288. LG Köln v. 17.4.1997 – 1 S 304/96, WuM 1997, 323 = KM 3 Nr. 25. AG Köln v. 15.7.2011 – 220 C 27/11, ZMR 2011, 886; a.A. solange optische Beeinträchtigungen nicht gegeben sind bis zur Höhe des Handlaufs: AG Köln v. 15.9.1998 – 212 C 124/98, WuM 1999, 331. 21 LG Nürnberg-Fürth v. 6.7.1990 – 7 S 1401/90, WuM 1990, 422. 22 AG München v. 23.11.2009 – 412 C 32850/08, MDR 2010, 620 = ZMR 2010, 538.

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Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

§ 541 BGB

mit einem an Schienen aufgehängten Vorhang muss der Mieter wieder beseitigen1. Das Gleiche gilt für einen Sichtschutz2. Auch Rankgitter beeinträchtigen das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes derart, dass sie nicht ohne Zustimmung des Eigentümers/Vermieters installiert werden dürfen3. Das Anbringen einer Wäschetrocken-Vorrichtung ist zustimmungsfrei, solange damit keine bauliche Veränderung (Substanzverletzung) oder eine dauerhafte optische Beeinträchtigung verbunden ist. Deshalb ist das Wäschetrocknen über eigens dafür angebrachte Vorrichtungen zulässig4. Das Gleiche gilt für das Aufstellen einer nicht störenden Parabolantenne5 oder die Installation einer Außensteckdose6. l Barrierefreiheit. s. § 554a BGB Rz. 9 ff.

100

l Bauliche Veränderungen s. § 535 BGB Rz. 747 ff. l Befahren einer zum Mietobjekt führenden (Privat-)Straße zum Zwecke des Be- und Entladens

101

l Behindertengerechte Einrichtung: Dazu zählt eine an der Wohnungstür installierte Kamera

102

ist erlaubt7. fi Entladen

nicht, wenn dem Bedürfnis nach ausreichend schneller Kontaktaufnahme mit Personen, die sich vor der Wohnungstür befinden, durch eine vorhandene Wechselsprechanlage Genüge getan ist8. l Beleidigung/Bedrohung: Rechtswidrig ist das anonyme Übersenden eines Zeitungsberichts

103

über eine Gasexplosion in einem Mietshaus mit Todesfolge9. Dagegen ist die Veröffentlichung eines Zeitungsartikels, in dem dem Vermieter Insiderhandel und Umlage von Instandhaltungskosten als Modernisierung unterstellt werden, wenn in der Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt wird10. l Beschuss mit Gewehr fi Balkon

104

l Besichtigung: der Vermieter kann berechtigt sein, aufgrund einer Verweigerung der vertraglich

104a

geschuldeten Besichtigung nach einer Abmahnung den Mietvertrag sogar ordentlich zu kündigen, ohne zuvor einen Duldungstitel herbeifürhen zu müssen11. l Besuch. Liegt bei vorübergehendem Aufenthalt von Personen in den Mieträumen vor. Sobald

105

drei Monate überschritten sind, sprechen die Umstände gegen Besuch. Zulässig ist das Empfangen von Personen aus der Verwandtschaft des Mieters als Besucher, obwohl mietvertraglich geregelt ist, dass bestimmte Personen aus der Verwandtschaft nicht empfangen werden dürfen12. Das Gleiche soll gelten, wenn der Mieter seinem Besucher trotz Hausverbot des Vermieters Zugang zu den Mieträumlichkeiten gewährt13. Diese Auffassung ist aber abzulehnen. Denn das Hausverbot tangiert den vertragsgemäßen Gebrauch und ist daher auch vom Mieter zu beachten. Im Übrigen sind regelmäßige Trinkgelage mit mehreren Personen unzulässig, wodurch die übrigen Mitbewohner insbesondere nachts gestört werden14. Im Rahmen der Beweiswürdigung darf das Gericht aus dem Gesamteindruck der vom Mieter benannten Zeugen auf deren Alkoholabusus und auch auf ihr dadurch bedingtes unzuträgliches Verhalten als häufige Gäste des Mieters schließen15. fi Feiern l Betriebspflicht s. § 535 BGB Rz. 1103 f.

106

l Be- und Entladen fi Entladen

107

l Bilder. Dem Mieter ist es ohne Zustimmung des Vermieters nicht gestattet, Gemeinschaftsein-

108

richtungen (z.B. das Treppenhaus) zu dekorieren (z.B. Bilder)16. Dies stellt eine unzulässige Sondernutzung dar.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

AG Münster v. 18.7.2001 – 48 C 2357/01, WuM 2001, 445. AG Köln v. 15.7.2011 – 220 C 27/11, ZMR 2011, 886. OLG Zweibrücken v. 4.5.1999 – 3 W 32/99, ZMR 1999, 587. LG Nürnberg-Fürth v. 19.1.1990 – 7 S 6265/89, WuM 1990, 199; AG Nürnberg v. 27.6.1989 – 28 C 2514/89, DWW 1997, 47. AG Lichtenberg v. 28.5.2008 – 14 C 95/08; AG Lörrach v. 29.9.2004 – 3 C 72/04, WuM 2004, 658. AG Hamburg v. 10.10.2006 – 39A C 118/05, WuM 2007, 505. AG Hamburg v. 5.4.1995 – 41a C 2114/94, WuM 1996, 534. KG v. 15.6.2009 – 8 U 245/08, WuM 2009, 738. AG Köln v. 23.5.1997 – 219 C 36/97, WuM 2000, 356. LG Leipzig v. 11.1.2002 – 14 S 6332/01, NZM 2002, 247. LG Oldenburg v. 3.8.2012 – 6 S 75/12, ZMR 2012, 956. LG Hagen v. 11.5.1992 – 10 S 104/92, WuM 1992, 430. AG Köln v. 22.9.2004 – 209 C 108/04, WuM 2004, 673. LG Köln v. 10.6.1992 – 10 S 121/92, KM 12 Nr. 17. AG Rheine v. 28.11.1996 – 4 C 627/96, WuM 1997, 217. AG Köln v. 15.7.2011 – 220 C 27/11, ZMR 2011, 886.

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Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

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l Blumenkästen können nur mit Zustimmung des Vermieters auf äußeren Fensterbänken oder Balkonbrüstungen angebracht werden1, wobei sie genügend gegen Herabstürzen gesichert und Vorkehrungen getroffen worden sein müssen, dass z.B. auslaufendes Wasser das Mietobjekt oder parkende Autos nicht beschädigt oder Dritte belästigt werden. Auch wenn dem Mieter bei der Übergabe der Wohnung Halter zum Aufhängen von Blumenkästen durch den Architekten des Vermieters überlassen werden, folgt daraus keine Erlaubnis, die Blumenkästen and er Außenseite des Balkons aufzuhängen2.

110

l Blumenkübel dürfen auf einer Terrasse aufgestellt werden (Gebrauchsflecken auf dem Boden

sind nicht im Rahmen der Schönheitsreparaturpflicht [Anstreicherarbeiten/Tapezierung] des Mieters zu entfernen)3. In einem Gemeinschaftsgarten darf der Mieter Blumenkübel, Liegestühle, Strandkörbe und andere Sachen jedenfalls dann nicht aufstellen, wenn der Mietvertrag vorsieht, dass der Vermieter die endgültige Regelung über die Nutzung des Gartens treffen kann4.

111

l Bodenbeläge können grundsätzlich ohne weiteres erneuert werden5, selbst wenn ein Austausch gegen Laminatboden stattfindet, solange dadurch nicht die Zimmertüren gekürzt werden müssen6. Das gilt auch für Fliesen7, insbesondere in der Küche, wenn diese dadurch erst als solche nutzbar wird8. Allerdings ist das Verkleben eines Teppichbodens auf einem vorhandenen Teppichboden unzulässig9.

112

l Bohren von Dübellöchern gehört grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch10, wenn Gegenstände installiert werden sollen, die zur Realisierung des Vertragszwecks gehören (Regalwand, Hängeschränke etc.). Das Anbohren von Fliesen z.B. im Bad ist davon aber nur ausnahmsweise gedeckt, nämlich wenn es zur Anbringung für den vertragsgemäßen Gebrauch notwendiger Gegenstände dient und die Beschädigung der Fliesen unabwendbar ist11.

113

l Bordell. Der Mietvertrag über eine Wohnung zum Betrieb eines Bordells ist nichtig, wenn die

Miete überhöht ist und nur durch wirtschaftliche Ausbeutung der Prostituierten vom Mieter aufgebracht und erwirtschaftet werden kann12. Die Mieterin darf in ihrer Wohnung grundsätzlich nicht der Prostitution nachgehen13 und hat sich so zu verhalten, dass kein entsprechender Eindruck entsteht14. Ein Bordellbetrieb ist aber bei teilgewerblicher Vermietung von Wohnraum zulässig, wenn hierdurch keine Störungen verursacht werden15.

114 Einen Briefkasten kann der Mieter mit einem DIN-gerechten Einwurfschlitz verlangen16. 115

l Brunnen, die zum Garten gehören, darf der Mieter grundsätzlich benutzen17.

116 Einen Dachboden darf der Mieter nicht zu Wohnzwecken ausbauen18. 117

l Decken fi Wände

118

l Deckenplatten. Alleine schon der Verdacht, dass es durch die Anbringung von Styropordecken

zu Schimmelbildungen kommen kann, reicht aus, um ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Entfernung einer solchen Decke zu begründen19. Zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache gehören jedenfalls nicht solche Maßnahmen des Mieters, durch die Bewohner oder 1 LG Berlin v. 3.7.2012 – 65 S 40/12, GE 2012, 1098; AG Schöneberg v. 7.12.2000 – 13 C 356/00, MM 2001, 442. 2 LG Berlin v. 3.7.2012 – 65 S 40/12, ZMR 2013, 42. 3 AG Langen v. 26.10.1990 – 3 C 248/90, WuM 1991, 31. 4 LG Berlin v. 27.1.2006 – 63 S 287/05, GE 2006, 579. 5 LG Köln v. 16.2.1995 – 1 S 22/94, WuM 1996, 93. 6 AG Lichtenberg v. 9.6.2011 – 111 C 319/09, GE 2011, 1027; a.A. AG Hamburg v. 23.6.1998 – 39A C 114/98, WuM 1998, 723. 7 A.A. AG Birkenfeld v. 2.11.1992 – 3 C 248/92, WuM 1993, 191. 8 AG Dortmund v. 30.1.1991 – 117 C 13406/90, WuM 1992, 125. 9 LG Köln v. 15.2.1989 – 10 S 80/88, KM 30 Nr. 4. 10 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, WuM 1993, 109. 11 AG Münster v. 29.1.2008 – 28 C 3053/07, WuM 2010, 447. 12 BGH v. 16.5.1988 – II ZR 316/87, NJW-RR 1988, 1379; OLG Koblenz v. 15.5.1997 – 5 U 289/96, NZM 1998, 479. 13 LG Lübeck v. 20.10.1992 – 6 S 48/92, NJW-RR 1993, 525; AG Berlin-Mitte v. 6.1.1994 – 3 C 552/93, GE 1994, 813; AG Mönchengladbach-Rheydt v. 17.6.1992 – 20 C 563/90, ZMR 1993, 171. 14 AG Münster v. 14.6.1995 – 6 C 547/94, WuM 1995, 538. 15 AG Aachen v. 26.9.2006 – 10 C 181/06, ZMR 2007, 41. 16 AG Charlottenburg v. 16.5.2001 – 27 C 262/00, MM 2001, 402. 17 AG Görlitz v. 26.4.2004 – 2 C 0727/03, WuM 2004, 600. 18 LG Hamburg v. 26.4.1991 – 311 S 1/91, WuM 1992, 190. 19 LG Bad Kreuznach v. 16.5.1989 – 1 S 31/89, WuM 1990, 292.

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Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

das Gebäude geschädigt oder gefährdet werden können. Eine solche erhöhte Gefährdung ergibt sich daraus, dass im Falle eines Brandes geschmolzenes zähflüssiges Styropor von der Decke abtropft und bei Personen, die hiervon betroffen werden, zu erheblichen Brandverletzungen führen kann. Darüber hinaus kann giftiges Gas entstehen, was weitere Gefährdungen mit sich bringt1. l Dekoration von Gemeinschaftseinrichtungen/-flächen fi Bilder und fi Weihnachtsschmuck

119

l Dübeln s. § 541 BGB Rz. 80.

120

l Duftkerzen auf dem Balkon sind unzulässig, wenn sie andere Mieter beeinträchtigen2.

121

l Duschen in der Badewanne ist selbst dann zulässig, wenn die Fliesen nicht deckenhoch verlegt

122

sind und dadurch eine Durchfeuchtung des Putzes eintritt3. l Duschkabinen (fahrbare) darf der Mieter im Bad und in der Küche4 aufstellen.

123

l Einbauküche fi Küche

124

l Entladen von Fahrzeugen auf dem Grundstück ist zulässig, soweit die Ladetätigkeit mit dem

125

Mietgebrauch zusammenhängt; deshalb hat der Mieter einen Anspruch auf dauerhafte Aushändigung eines Schlüssels zur Toreinfahrt5. Das Gleiche gilt für die Nutzung eines befahrbaren Zuweges zum Wohnhaus zum Be- und Entladen6, zumindest wenn dem Mieter eine Anfahrtmöglichkeit bzw. Be- und Entlademöglichkeit unmittelbar auf der öffentlichen Straße nicht zur Verfügung steht7. Einen Garagenhof darf der Mieter zum Be- und Entladen benutzen, selbst wenn er keine Garage gemietet hat8. fi Befahren l Fahrräder kann der Mieter in seinem Kellerraum abstellen, obwohl die Hausordnung die Benutzung des eigens hergestellten Fahrradkellers regelt9. Das Gleiche soll für das Abstellen am Gitterzaun gelten, obwohl Fahrradständer vorhanden sind10, soweit keine Behinderung entsteht, auch bei Längerfristigkeit11. Das gilt ebenso für einen Fahrradanhänger für den Transport von zwei Kleinkindern im Hof12.

126

l Feiern müssen grundsätzlich so abgehalten werden, dass andere Mieter (nachts) nicht gestört werden; aus Art. 2 GG ergibt sich nicht anderes13. Das gilt auch für gelegentliche Feiern14. Eine Auszugsparty mit 120 Personen15 oder eine Gartenparty, insbes. bei Geruchsbelästigung16, sind grundsätzlich unzulässig. fi auch Besuch und fi Grillen

127

l Fenster dürfen ohne Zustimmung nicht verändert werden, insbesondere nicht Holz- gegen

128

Kunststofffenster ausgetauscht17 oder eine Fensteröffnung zugemauert werden18. l Fensterln (nächtliches Einsteigen mittels einer Leiter in die Wohnung einer Mieterin gegen deren Willen) gehört jedenfalls in Frankfurt/Main nicht zum kulturellen Erbe19.

129

l Feuerwehr fi Alarm

130

l Fliesen fi Bohren

131

l Fliesenspiegel gehört zur üblichen Ausstattung einer Küche20.

132

1 Vgl. dazu LG Braunschweig v. 24.4.1985 – 12 S 231/84, WuM 1986, 248. 2 Frage des Einzelfalls: OLG Düsseldorf v. 16.5.2003 – 3 Wx 98/03, WuM 2003, 515 = ZMR 2004, 52 = NZM 2003, 605. 3 LG Bochum v. 8.11.1991 – 5 S 100/91, WuM 1992, 431. 4 LG Berlin v. 26.1.1990 – 63 S 216/89, WuM 1990, 421. 5 LG Wuppertal v. 15.9.1995 – 10 S 23/95, WuM 1996, 267. 6 LG Lübeck v. 4.1.1990 – 14 S 160/89, WuM 1990, 336. 7 AG Hohenschönhausen v. 22.2.2007 – 10 C 492/07, GE 2007, 725. 8 AG Augsburg v. 4.4.1997 – 2 C 705/97, WuM 1998, 438. 9 AG Münster v. 2.6.1993 – 7 C 127/93, WuM 1994, 198. 10 AG Schöneberg v. 6.4.1999 – 19 C 532/98, NZM 2001, 233. 11 AG Schöneberg v. 6.4.1999 – 19 C 532/98, NZM 2001, 233. 12 AG Schöneberg v. 12.12.2005 – 6 C 430/05, MM 2006, 39. 13 OLG Düsseldorf v. 15.1.1990 – 5 Ss (OWi) 475/89 – (OWi) 197/89 I, WuM 1990, 116. 14 LG Bonn v. 3.11.1994 – 6 S 251/94, WuM 1998, 439. 15 AG Bad Homburg v. 25.2.1991 – 2 C 405/91, NJW-RR 1992, 335. 16 OLG Düsseldorf v. 26.5.1995 – 5 Ss (OWi) 149/95 – (OWi) 79/95 I, ZMR 1995, 415. 17 LG Berlin v. 5.3.1984 – 61 S 387/83, MDR 1985, 57. 18 OLG Düsseldorf v. 21.12.1995 – 10 U 142/94, WuM 1996, 410. 19 AG Frankfurt v. 30.11.1999 – 33 C 2982/99-67, NZM 2000, 961. 20 AG Fürstenwalde v. 24.1.2002 – 15 C 248/01, MM 2002, 143.

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133

l Gartengestaltung ist Sache des Mieters, solange der Mietvertrag ihm die Pflege des Gartens auferlegt. Ein Direktionsrecht des Vermieters besteht nicht1 fi auch Gartennutzung

134

l Gartennutzung. Auch soweit der Mieter einen Garten zur alleinigen Nutzung gemietet hat, ist die Errichtung eines Gartenhauses zustimmungspflichtig2. Das Gleiche gilt für die Einrichtung eines Sandkastens3 und das Aufstellen von Wegsperren oder Einfriedungen, selbst wenn sie die Gesamterscheinung des Gartens nicht beeinträchtigen4. Vom Mietgebrauch gedeckt sind aber die Umgestaltung des zur Wohnung gehörenden Gartens, auch wenn dabei geringfügig Mutterboden verloren geht5, und Anpflanzungen auf Freiflächen6. Wird nichts geregelt, ist der Mieter auch berechtigt, einen Naturgarten zu unterhalten oder ihn sonst wie zu gestalten7. Die Anlage von Gartenteichen bedarf aber der Zustimmung8. Die Kosten hat der Mieter selbst dann ohne Aufwendungsersatzanspruch zu tragen, wenn der Mietvertrag ihm das Recht gibt, Freiflächen zu gestalten9.

135

l Gartenpflege



Sie umfasst – auch ohne ausdrückliche Vereinbarung – Rasenmähen und Nachsäen, Schneiden von Bäumen und Sträuchern, Beseitigung von Unkraut und Reinigung des Gartens10, also einfache Pflegetätigkeiten11. Weitergehende, zeit- und kostenaufwendige sowie gärtnerisch gestaltende Arbeiten sollen nicht geschuldet sein, wenn sie nicht besonders vereinbart wurden12. Dies gilt insbesondere für Arbeiten, die Fachkenntnisse voraussetzen (z.B. Zurückschneiden von Bäumen)13. Eine solche besondere Vereinbarung wird noch nicht dadurch erreicht, dass nach dem Mietvertrag der Garten vom Mieter „gärtnerisch“ zu unterhalten ist14. Allerdings soll die Bezugnahme auf § 2 Nr. 10 BetrKV dazu verpflichten, erforderlichenfalls Bäume und Sträucher zu beschneiden, Rasenflächen neu anzulegen und kranke oder morsche Bäume zu fällen15. Dies ist zweifelhaft. Das Zurückschneiden von Bäumen setzt Fachkenntnisse voraus, die nicht als allgemein bekannt angesehen werden können. Abgesehen davon begründet eine solche Ausführungspflicht für den Mieter das Risiko, bei unfachmännischer Erledigung eine Beschädigung der Mietsache bzw. des Eigentums des Vermieters herbeizuführen, wenn der Baum z.B. infolge der fehlerhaften Pflege eingeht. Ein solches Risiko kann aber – in entsprechender Anwendung der Grundsätze über Kleinreparaturen (vgl. § 535 BGB Rz. 528) – jedenfalls formularmäßig nicht überbürdet werden.

136 – Der Mieter handelt aber auch nicht rechtswidrig, wenn er Pflegearbeiten entgegen den Anweisungen des Vermieters durchführt16. Ihm steht ein Zurückbehaltungsrecht an der Pflege zu, wenn der Vermieter den exklusiv vermieteten Garten als Auslauf für seinen Hund nutzt17. Er ist zur Änderung der Bepflanzung einer abschüssigen Böschung berechtigt, wenn die bauartliche und gärtnerische Gestaltung der Festigkeit dieser Fläche dient18, und darf einen Teich anlegen, solange der Mietvertrag das nicht verbietet und der Teich bei Vertragsende folgenlos beseitigt werden kann19. Er darf auch Obst von den Bäumen ernten20 und einen Naturgarten

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

14 15 16 17 18 19 20

LG Köln v. 21.10.2010 – 1 S 119/09, ZMR 2011, 955 = IMR 2011, 54. AG Brühl v. 7.3.1989 – 2a C 710/88, WuM 1989, 498. A.A. AG Bonn v. 23.11.1993 – 8 C 475/93, WuM 1994, 20. A.A. AG Münster v. 15.7.1997 – 5 C 3/97, WuM 1997, 486. LG Münster v. 4.7.1996 – 8 S 2/96, WuM 1996, 756. BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 387/04, ZMR 2007, 684. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 273; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. II 188 m.w.N. LG Dortmund v. 18.1.2000 – 1 S 11/99, WuM 2001, 278. BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 387/04, WuM 2007, 443. LG Berlin v. 23.2.1988 – 64 S 365/87, GE 1988, 355. LG Siegen v. 13.9.1990 – 3 S 211/90, WuM 1991, 85. LG Detmold v. 7.12.1988 – 2 S 180/88, WuM 1990, 289. OLG Düsseldorf v. 7.10.2004 – 10 U 70/04, WuM 2004, 603; LG Hamburg v. 29.9.2002 – 316 T 66/02, ZMR 2003, 265; LG Wuppertal v. 16.9.1997 – 16 S 54/97, WuM 2000, 353; LG Detmold v. 7.12.1988 – 2 S 189/88, WuM 1990, 389. LG Wuppertal v. 16.9.1997 – 16 S 54/97, WuM 2000, 353. LG Frankfurt v. 2.11.2004 – 2/11 S 64/04, NZM 2005, 338. OLG Düsseldorf v. 7.10.2004 – I-10 U 70/04, WuM 2004, 603; LG Köln v. 10.1.1995 – 12 S 185/94, WuM 1996, 402. LG Köln v. 10.1.1995 – 12 S 185/94, WuM 1996, 402. AG Köln v. 5.12.1989 – 205 C 287/89, WuM 1991, 84. LG Lübeck v. 24.11.1992 – 14 S 61/92, WuM 1993, 669. AG Leverkusen v. 14.12.1993 – 28 C 277/93, WuM 1994, 199.

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Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

§ 541 BGB

anlegen, solange der Garten nicht verwildert und verkommt1. Das Aufstellen einer Hundehütte im Garten kann nicht beanstandet werden2. fi Blumenkübel l Gartenzwerge mit untypischen Gesten („Frustzwerge“: herausgestreckte Zunge und erhobener Mittelfinger = sog. „Fuck-you“-Zeichen“) sind grundsätzlich verboten3, solange ihnen nicht der Mittelfinger verbunden und mit einer Blume verziert wurde4.

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l Gehhilfen können im Treppenhaus jedenfalls bei alter Mieterschaft (nicht störend) abgestellt werden5. fi Kinderwagen und fi Rollstuhl

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l Gemeinschaftsfläche dürfen von Kindern der Hausbewohner zum Spielen (auch mit ihren Freunden) genutzt werden6. Größere Gegenstände dürfen aber auf (nicht mitvermieteten) Stellplätzen für längere Zeit nicht abgestellt werden7.

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l Gerüche, die beim haushaltsüblichen Kochen entstehen, können nicht unterbunden werden8, auch wenn sie fremdartig sind.

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l Gewerbliche Tätigkeit fi Heimarbeit

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l Grillen kann untersagt werden, wenn dadurch Imponderabilien i.S.d. § 906 BGB einwirken, wo-

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bei der Gestörte die Unzumutbarkeit beweisen muss9. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Lage und Größe des Gartens bzw. der sonstigen Örtlichkeiten, die Häufigkeit des Grillens und das verwendete Grillgerät10. Diese Abwägung kann dazu führen, dass der Mieter in der Zeit von April bis September einmal monatlich auf dem Balkon oder der Terrasse grillen darf, wenn er die übrigen Mieter im Haus, deren Belästigung durch Rauchgase unvermeidlich ist, 48 Stunden vorher informiert11. l Haushaltsgeräte darf der Mieter im üblichen Umfang (Waschmaschine, Staubsauger etc.) in der Wohnung betreiben12, solange nicht (wirksam) etwas anderes vereinbart wurde, was i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB eindeutig geschehen muss13, formularmäßig aber grundsätzlich unzulässig ist14. Die Nutzung einer Waschmaschine in der Wohnung ist nicht wegen der vertraglichen Pflicht zur Nutzung einer Gemeinschaftswaschmaschine im Hause unzulässig15.

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l Hausreinigung kann dem Mieter auch formularmäßig überbürdet werden, wegen § 305c Abs. 1 BGB aber nicht erst in der Hausordnung. Besteht eine wirksame Klausel, kann der Vermieter nicht ohne Einverständnis des Mieters die Hausreinigung zu seinen Lasten (z.B. § 2 Nr. 9 BetrKV) an einen Gebäudereiniger vergeben16. Der Mieter muss dann grundsätzlich die Reinigung wie vorgesehen durchführen, ansonsten droht ihm sogar eine (fristgerechte) Kündigung17, wobei der Mieter die Reinigung anstatt zur vertraglich vorgesehenen zu einer ihm genehmen Zeit während der Woche erledigen kann18. Ein Verstoß gegen eine in der Hausordnung vorgegebene Zeitspanne für die Reinigung des Trockenbodens ist dann unerheblich, wenn eine Reinigung nach dem subjektiven Sauberkeitsempfinden des Mieters nicht notwendig war19. Das Gleiche gilt, wenn das

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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

LG Köln v. 10.1.1995 – 12 S 185/94, WuM 1996, 402. AG Hamburg-Wandsbek v. 20.11.1995 – 713b C 736/95, WuM 1996, 401. AG Grünstadt v. 11.2.1994 – 2a C 334/93, NJW 1995, 889. AG Elze v. 18.10.1999 – 4 C 210/99, ZMR 2001, 625. AG Hannover v. 13.5.2005 – 503 C 3987/05, WuM 2006, 27. LG Heidelberg v. 23.10.1996 – 8 S 2/96, WuM 1997, 38. AG Hamburg v. 5.4.1995 – 41a C 2114/94, WuM 1996, 534. AG Hamburg-Harburg v. 21.9.1992 – 643 C 230/92, WuM 1993, 39. LG München v. 12.1.2004 – 15 S 22735/03, WuM 2004, 368. OLG Frankfurt v. 10.4.2008 – 20 W 119/06, NZM 2008, 736. AG Bonn v. 29.4.1997 – 6 C 545/96, WuM 1997, 325; AG Berlin-Mitte v. 7.1.2010 – 25 C 159/09, GE 2010, 417 (gelegentlich). BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174; LG Düsseldorf v. 18.4.2008 – 21 T 38/08, WuM 2008, 547. BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, WuM 2010, 235. AG Tettnang v. 19.3.2010 – 4 C 1304/(09, IMR 2010, 221. LG Detmold v. 18.3.1998 – 10 S 276/97, WuM 2002, 51; AG Köln v. 11.1.2001 – 207 C 221/00, WuM 2001, 276; AG Hameln v. 17.12.1993 – 23 C 380/93, WuM 1994, 426. AG Frankfurt v. 30.1.1997 – 2.2 C 1295/96, WuM 1997, 432. AG Hamburg-Blankenese v. 18.12.1996 – 508 C 345/96, WuM 1998, 286; a.A. AG Wiesbaden v. 1.7.1999 – 91 C 2213/99-19, NZM 2001, 334. AG Reichenbach v. 12.8.1993 – C 88/93, WuM 1994, 322. AG Münster v. 6.4.1994 – 28a C 59/94, WuM 1994, 428.

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Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

Treppenhaus montags trotz Verpflichtung in verschärfter Form („große und kleine Hauswoche“) nicht in einem blitzblanken Zustand ist1.

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l Haustüren müssen nicht verschlossen werden, obwohl die Hausordnung dies ausdrücklich vorsieht2.

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l Hausverbote, die vom Mieter berechtigt ausgesprochen wurden (hier gegenüber Handwerkern nach vorangegangenen nachhaltigen Auseinandersetzungen), sind vom Vermieter bei der Beauftragung zur Instandsetzung zu beachten3. Ansonsten kann der Vermieter gegenüber Besuchern des Mieters ein Hausverbot erteilen (vgl. § 535 BGB Rz. 744 f.).

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l Heimarbeit ist in einer Wohnung solange zulässig, wie der Mieter mit einer geschäftlichen Tätigkeit nicht nach außen in Erscheinung tritt, in der Wohnung keine Kunden empfängt oder dort Mitarbeiter beschäftigt4. Berufliche Tätigkeiten, die der Mieter – etwa im häuslichen Arbeitszimmer – ausübt, ohne dass sie nach außen in Erscheinung treten, fallen nach der Verkehrsanschauung von vornherein unter den Begriff des „Wohnens“; hierzu gehört die Unterrichtsvorbereitung eines Lehrers ebenso wie die Telearbeit eines Angestellten, die schriftstellerische Tätigkeit oder der Empfang oder die Bewirtung eines Geschäftsfreundes des Mieters in der Wohnung. Bei geschäftlichen Aktivitäten freiberuflicher oder gewerblicher Art, die nach außen in Erscheinung treten, liegt hingegen eine Nutzung vor, die der Vermieter einer Wohnung ohne entsprechende Vereinbarung grundsätzlich nicht dulden muss. Er kann jedoch im Einzelfall nach Treu und Glauben verpflichtet sein, eine Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung zu erteilen (z.B. Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr, selbständige berufliche Tätigkeit in der Existenzgründungsphase).

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l Heizen ist Gegenstand der Obhutspflicht des Mieters. Solange keine Schäden entstehen, bleibt es ihm unbenommen, seine Wohnung nach individuellen Bedürfnissen zu beheizen5. Bei Abwesenheit (z.B. wegen Urlaubs) ist es vertragsgerecht, die Wohnung zwischen 15 und 25 °C zu heizen, selbst wenn ein Wasserschaden bereits eingetreten ist6.

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l Heizung. Sowohl der Einbau einer Gasetagenheizung7 als auch die Umrüstung einer Heizung auf andere Brennstoffe8 bedarf der Zustimmung des Vermieters.

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l Hundegebell fi Lärm

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l Kameras darf der Mieter im Treppenhaus oder in sonstigen Gemeinschaftsräumen nicht installieren9, auch nicht als Attrappe10, wenn sie geeignet sind, Persönlichkeitsrechte Dritter zu verletzen11. Das ist nicht der Fall, wenn mit der Kamera öffentliche und fremde private Flächen nicht erfasst werden12. Eine installierte Kamera ist zur behindertengerechten Nutzung der Wohnung nicht erforderlich, wenn dem Bedürfnis nach ausreichend schneller Kontaktaufnahme mit Personen, die sich vor der Wohnungstür befinden, durch eine vorhandene Wechselsprechanlage Genüge getan ist13.

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l Kinderlärm fi Lärm

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l Kinderwagen können im Hausflur abgestellt werden, solange sie nicht stören, was auch vor der

Briefkastenanlage der Fall sein kann14, wobei nicht jede Unbequemlichkeit vermieden werden

1 AG Braunschweig v. 12.12.2001 – 121 C 3691/01, WuM 2002, 211. 2 BayObLG v. 14.9.1988 – BReg 2 Z 80/88, WuM 1988, 410; LG Trier v. 25.8.1992 – 1 S 77/92, WuM 1993, 192; AG Hannover v. 20.3.2007 – 544 C 8633/06, WuM 2010, 446; a.A. jedenfalls für die Nacht, obwohl Gründe des Brandschutzes dagegen sprechen: Jacoby, WE 2000, 156; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 337. 3 AG Hamburg-Blankenese v. 27.7.2007 – 509 C 45/06, ZMR 2007, 867. 4 BGH v. 14.7.2009 – VIII ZR 165/08, NJW 2009, 3157. 5 AG Saarbrücken v. 9.12.2009 – 4 C 487/08, ZMR 2010, 698. 6 LG Berlin v. 17.9.2012 – 67 S 28/12, WuM 2012, 605. 7 LG Berlin v. 5.12.1994 – 62 S 345/94, GE 1995, 109. 8 BGH v. 8.5.1963 – VIII ZR 252/61, NJW 1963, 1539. 9 KG v. 15.6.2009 – 8 U 245/08, WuM 2009, 738; vgl. auch BGH v. 16.3.2010 – VI ZR 176/09, ZMR 2010, 619. 10 AG Hamburg-Wandsbek v. 11.10.2007 – 716 C 230/07, WuM 2008, 22. 11 BGH v. 16.3.2010 – VI ZR 176/09, ZMR 2010, 619 mit Anm. Huff, ZMR 2010, 668. 12 LG Hamburg v. 2.12.2010 – 307 73/10, ZMR 2011, 288. 13 KG v. 15.6.2009 – 8 U 245/08, WuM 2009, 738. 14 AG Köln v. 15.5.1995 – 207 C 43/95, WuM 1995, 652.

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Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

§ 541 BGB

muss1, solange keine Alternative für den Mieter besteht2. Dabei ist auch zu prüfen, inwieweit es dem Mieter zumutbar ist, den Kinderwagen in die Wohnung zu verbringen3. Daran ändert auch eine entgegenstehende Bestimmung in der Hausordnung nichts4. Gehören die Kinderwagen zu (haus-)fremden Kindern, die die Mieterin als Tagesmutter betreut, ist das Abstellen vertragswidrig5. fi Gehhilfen und fi Rollstuhl l Kriminelle Handlungen des Mieters sind vertragswidrig, wenn sie in unmittelbarem Zusam-

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menhang mit der Mietsache stehen. Das ist beim Anbau von Cannabis im Garten zum Konsum in den Mieträumen der Fall, wenn Maßnahmen der Ermittlungsbehörde sich nachteilig auf den Ruf des Vermieters auswirken6. Der ein- oder zweimalige Anbau von Cannabis, eventuell verbunden mit Eigenkonsum, reicht aber grundsätzlich noch nicht aus7, wenn er nicht umfangreich erfolgt8. l Küche. Das Aufstellen einer Einbauküche ist erlaubnisfrei9.

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l Lagern alter Kleidung oder Sperrmülls in der Wohnung ohne Beeinträchtigung der Sicherheit

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des Hauses ist nicht verboten10, s. § 569 Abs. 2 BGB. l Lärm ist im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme zu vermeiden. Ist das Gebäude bekann-

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termaßen hellhörig, kann auch von dem Mieter eine besondere Rücksichtnahme verlangt werden11. Im Übrigen sind grundsätzlich die allgemeinen Ruhezeiten zu beachten (z.B. Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr: § 9 ImSchutzG NW). Kinderlärm, der das übliche Maß überschreitet12, muss nicht hingenommen werden. Allerdings verkürzt eine allgemein durch die Hausordnung beachtliche Ruhezeit nicht das Toleranzgebot gegenüber der Beurteilung der Wesentlichkeit von Kinderlärm13, wobei sich die Üblichkeit nicht nach den Ruhe- und Ordnungsvorstellungen Dritter bestimmt, sondern nach den Lebensbedingungen sowie den Bedürfnissen der Kinder und ihrer pflegenden und erziehenden Eltern14. Lärmstörungen im Mehrparteienhaus darf der Gestörte nicht durch Lärmstörung seinerseits beantworten15, wobei gelegentliches „Türenknallen“ und Beleidigungen der Nachbarn durch regelmäßig den Mieter besuchende Familienangehörige oder Verängstigung gegenüber sonstigen Besuchern des Mieters wohl abgemahnt werden können, aber – ohne Abmahnung – keine erhebliche Verletzung i.S.v. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellen16. Vertragswidrig ist grundsätzlich vermeidbarer Lärm durch Musik, Streit und lautes Stöhnen17, auch wenn er von Behinderten ausgeht18. Das gilt erst recht für Hundegebell19. Zur Vermeidung von Lärmemissionen ist der Mieter weder verpflichtet, einen Teppichboden zu verlegen, noch die Wohnung ausschließlich mit Hausschuhen zu betreten20. fi Musizieren l Liegestühle fi Blumenkübel

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l Lüften gehört im üblichen Umfang zum vertragsgemäßen Gebrauch. Deshalb handelt der Mie-

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ter vertragswidrig, wenn er einen massiven Schimmelschaden durch Unterlassen einer zwei- bis dreimal täglichen Stoßlüftung von 10–15 Minuten herbeiführt21 oder sich weigert, das Wohn- und Lüftungsverhalten nach Modernisierung im notwendigen Umfang zu ändern22. Allerdings besteht

1 AG Reichenbach v. 12.8.1993 – C 88/93, WuM 1994, 322. 2 BGH v. 10.11.2006 – V ZR 46/06, WuM 2007, 29; LG Bielefeld v. 16.9.1992 – 2 S 274/92, WuM 1993, 37. 3 LG Berlin v. 31.7.2012 – 63 S 576/11, GE 2012, 1377. 4 AG Winsen v. 28.4.1999 – 16 C 602/99, NZM 2000, 237. 5 LG Hamburg v. 6.8.1991 – 316 S 110/91, WuM 1992, 188. 6 LG Lüneburg v. 15.12.1994 – 6 S 104/94, WuM 1995, 708. 7 AG Köln v. 28.3.2003 – 208 C 141/02, WuM 2006, 220. 8 AG Hamburg-Blankenese v. 8.2.2008 – 518 C 359/07, WE 2008, 137. 9 LG Konstanz v. 14.10.1988 – 1 S 216/88, WuM 1989, 67. 10 AG Friedberg v. 16.1.1991 – C 1690/90, WuM 1991, 686. 11 OLG Düsseldorf v. 29.1.1997 – 9 U 218/96, WuM 1997, 221 = ZMR 1997, 465 = DWW 1997, 149. 12 LG Berlin v. 11.1.1999 – 62 S 290/98, WuM 1999, 329. 13 LG Heidelberg v. 23.10.1996 – 8 S 2/96, WuM 1997, 38. 14 AG Braunschweig v. 25.6.1999 – 117 C 1270/99, WuM 2002, 50; AG Kassel v. 23.4.1991 – 872 C 855/91, WuM 1991, 558. 15 AG Hamburg v. 28.11.1995 – 47 C 1789/95, WuM 1996, 214. 16 AG Reichenbach v. 12.8.1993 – C 88/93, WuM 1994, 322. 17 AG Warendorf v. 19.8.1997 – 5 C 414/97, DWW 1997, 344. 18 Köln v. 8.1.1998 – 7 U 83/96, ZMR 1998, 161. 19 VGH Baden-Württemberg v. 28.11.1995 – 1 S 3201/94, ZMR 1996, 347. 20 OLG Düsseldorf v. 29.1.1997 – 9 U 218/96, WuM 1997, 221 = ZMR 1997, 465 = DWW 1997, 149. 21 AG Hannover v. 31.8.2005 – 565 C 15388/04, WuM 2005, 767. 22 AG Erkelenz v. 26.1.1995 – 14 C 157/95, DWW 1996, 22.

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Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

keine Pflicht zum übermäßigen Lüften (z.B. bis zu sieben mal täglich1). Das (gelegentliche) Öffnen eines Fensters im Hausflur zum Lüften kann nicht beanstandet werden2.

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l Müllcontainer, die der Mieter für seinen privaten Gebrauch angeschafft hat, dürfen nicht außerhalb der Mieträume aufgestellt werden3. Ansonsten hat der Mieter die von dem Vermieter bereitgestellten Müllcontainer zu nutzen. Stellt der Vermieter auf Mülltrennung um, hat sich der Mieter entsprechend zu beteiligen. Allerdings bedarf es insoweit einer Aufklärung durch den Vermieter.

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l Munition fi Waffen

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l Musizieren gehört zu den Gebrauchsrechten des Mieters, es zählt zur Ausübung des Persönlichkeitsrechts4. Deshalb ist ein völliger Ausschluss unzulässig, was bei dem Gebot, nur in Zimmerlautstärke zu musizieren, angenommen werden kann5. Unabhängig von der Ausgestaltung durch mietvertragliche Regelungen ist die Ausübung auf Zeiten zu beschränken, die den konkreten Wohnverhältnissen im Hause Rechnung tragen6. Deshalb kann Klavierspielen über täglich bis zu 90 Minuten in einem hellhörigen Mietwohnhaus außerhalb der Ruhezeiten hinzunehmen sein7 und ein Überschreiten um 10 bis 25 Minuten der vereinbarten Hausmusikzeiten von zwei bis drei Stunden an den Wochentagen von Montag bis Samstag zwischen 15 und 19 Uhr nicht sanktioniert werden8. Auch die Übungszeiten eines Schlagzeugers im Wohngebäude sollen in zumutbarem Rahmen von den Nachbarn in die eigene Lebensgestaltung einzuplanen sein9. Das Gleiche gilt für die Erteilung von wöchentlich sechs bis sieben Stunden Musikunterricht10. Das Musizieren außerhalb der Ruhezeiten durch Berufsmusiker11 kann nicht geahndet werden, wohl aber, wenn es innerhalb der Ruhezeiten am Wochenende stattfindet (Sonntag ist grundsätzlich Ruhetag12).

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l Namens- und/oder Firmenschilder darf der Mieter im notwendigen Umfang vorbehaltlich entgegenstehender Bestimmungen im Vertrag anbringen. Dies gilt insbesondere für Schilder am Klingeltableau oder Briefkasten mit dem Namen des Mieters oder berechtigterweise in die Räume aufgenommener Personen13. Nach Ende der Mietzeit besteht ein Recht, an gleicher oder ähnlicher Stelle einen Hinweis auf die geänderte Anschrift anzubringen, grundsätzlich nur bei Zustimmung des Vermieters. Eine Ausnahme besteht bei der Auflösung einer Anwaltskanzlei unter Zurückbleiben eines Sozius14.

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l Parabolantenne fi Antenne

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l Parken, also das dauerhafte Abstellen eines Fahrzeuges auf dem Grundstück, ist grundsätzlich ohne vertragliche Erlaubnis unzulässig15, insbesondere wenn Belästigungen der Hausbewohner durch Abgase entstehen16 oder es sich um eine teilweise unbefestigte Grundstücksauffahrt handelt17. Dies gilt auch für Stellplätze, die nicht mitvermietet sind18, oder das Abstellen eines Mofas auf dem Hof19. Ausnahmsweise kann der Vermieter nicht einschreiten, wenn das Abstellen zum Schutz des Pkw vor unvermeidbaren Beschädigungen auf dem öffentlichen Parkgrund (Karnevalsumzug) erfolgt20. Eine jahrelange Duldung des Vermieters kann ein Beseitigungsverlangen allerdings treuwidrig machen21, was eine umfassende Abwägung auch der Interessen des Vermie-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

LG Dortmund v. 20.11.2007 – 1 S 49/07, WuM 2008, 333. AG Altena v. 9.2.1990 – 2a C 261/89, WuM 1990, 144. AG Brühl v. 4.4.1997 – 23 C 193/96, WuM 1997, 549. LG Frankfurt v. 3.6.2005 – 2/11 T 36/05, WuM 2006, 142. BayObLG v. 23.8.2001 – 2Z BR 96/01, ZMR 2002, 64. LG Frankfurt v. 12.10.1989 – 2/25 O 359/89, WuM 1990, 287. AG Frankfurt v. 22.5.1996 – 33 C 1437/96, WuM 1997, 430. AG Königstein v. 16.7.2001 – 21 C 775/01 – 12, NZM 2001, 1033. LG Nürnberg-Fürth v. 17.9.1991 – 13 S 5296/90, WuM 1992, 253. AG Freiburg v. 14.12.1990 – 10 C 2250/90, WuM 1991, 686. LG Flensburg v. 18.12.1992 – 7 S 167/92, DWW 1993, 102. OLG Braunschweig v. 24.7.1986 – 3 W 55/86, WuM 1986, 353. AG Schöneberg v. 15.11.1999 – 109 C 178/99, MM 2000, 335. OLG Düsseldorf v. 27.5.1988 – 16 U 56/88, NJW 1988, 2545. LG Wuppertal v. 15.9.1995 – 10 S 23/95, WuM 1996, 267. AG Wiesbaden v. 17.10.1997 – 92 C 4418/97-12, WuM 1998, 605. LG Görlitz v. 8.2.1995 – 2 S 97/94, WuM 1995, 388. AG Hamburg v. 5.4.1995 – 41a C 2114/94, WuM 1996, 534. AG Flensburg v. 21.12.1995 – 63 C 801/94, WuM 1996, 613. AG Brühl v. 4.4.1997 – 23 C 193/96, WuM 1997, 549. AG Gießen v. 26.11.1992 – 48 C 2699/92, WuM 1994, 198.

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Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

§ 541 BGB

ters erfordert1. Eine zunächst – ohne Widerrufsvorbehalt – erlaubte unentgeltliche Parkmöglichkeit kann der Vermieter nicht wegen zunehmender Motorisierung der Mieter umwidmen2. Einen abgemeldeten Pkw darf der Mieter auch nicht auf einem gemieteten Stellplatz abstellen3. Der Vermieter soll eine Erlaubnis, den Pkw auf dem Wohngrundstück abzustellen, widerrufen können, sofern ein sachlicher Grund besteht4. fi Be-/Entladen l Pflanzen von Knöterich, der am Haus rankt, ist erlaubt5, solange durch seinen Wuchs am Gebäude tatsächlich keine Schäden angerichtet werden6.

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l Plakate können innerhalb der Mieträume ohne weiteres aufgehangen werden. An Fenstern und in den Gemeinschaftsräumen hängt die Zulässigkeit von ihrem Inhalt ab7. Deshalb reichen zwei briefbogengroße Aushänge mit Politvokabular, das nicht ernst zu nehmen ist, in den straßenwärts gelegenen Fenstern einer von einer Wohngemeinschaft gemieteten Wohnung jedenfalls nicht zu einer Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB8. Das Gleiche gilt für das Anbringen eines durchschnittlich auffälligen Plakates mit der Inschrift „Wir bleiben hier!“, auch wenn der Vermieter die Eigentumswohnung veräußern möchte9, oder die plakative Meinungsäußerung in kritischer Form zu dem Verhalten der Grundstückseigentümer, denen ein unseriöses und spekulatives Verhalten vorgeworfen wird, solange sie nicht als Schmähkritik zu werten ist10. Zu beanstanden ist aber das Anbringen eines Schildes im Treppenhaus mit der Aufschrift „Militärischer Sicherheitsbereich, Unbefugtes Betreten verboten, Vorsicht Schusswaffengebrauch. Der Kasernenkommandant“11.

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l Polizeieinsätze gegen nicht gewaltfernen Mieter wegen nachhaltiger Hausfriedensstörungen

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muss der Vermieter nicht hinnehmen12. l Rauchen s. § 535 BGB Rz. 554

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l Räumungsverkauf ist generell seit der UWG-Reform 2004 innerhalb der durch die allgemeinen

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Vorschriften des UWG geregelten Grenzen zulässig. Der Kunde darf also durch die Werbung für Räumungsverkäufe nicht getäuscht oder unzulässig beeinflusst werden. Dies gilt insbesondere für den angegebenen Grund der Verkaufsaktion und für die beworbenen Preisreduzierungen. Wer einen Räumungsverkauf wegen Geschäftsschließung (auch Ausverkauf genannt) ankündigt, muss seinen Geschäftsbetrieb aufgeben und den beworbenen Preisnachlass tatsächlich anbieten. Solange sich der Räumungsverkauf (z.B. wegen Sortimentsumstellung oder Umbau) innerhalb dieser Grenzen hält, liegt grundsätzlich auch kein vertragswidriges Verhalten vor. Dies gilt auch in einem Einkaufszentrum. Eine Formularklausel, die jede Form von besonderer Verkaufsaktion untersagt, verstößt gegen § 307 BGB. Das Gleiche gilt für einen Erlaubnisvorbehalt, wenn er die Entscheidung in das freie Ermessen des Vermieters stellt. Zwar kann der Vermieter verpflichtet sein, andere Mieter zu schützen. Indessen muss er auch die Interessen des Mieters berücksichtigen, der einer besonderen Situation, insbesondere einer Geschäftsaufgabe, Rechnung tragen will. Deshalb muss entweder eine Abwägung vorgesehen oder allein die Versagung der Erlaubnis aus wichtigem Grund möglich sein. l Reinigung der allgemeingenutzten Teile des Gebäudes (Treppenhaus, Kellergänge etc.) schuldet der Mieter, wenn der Vertrag dazu eine wirksame Regelung enthält (vgl. § 535 BGB Rz. 860 f.). Ist die Pflicht kalendermäßig i.S.v. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB bestimmt, kann der Vermieter nach Eintritt der Fälligkeit zur Ersatzvornahme schreiten13, sofern er nicht auf Erfüllung klagen will.

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l Reklameeinrichtungen fi Außenfassade

171

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, NZM 2009, 855. AG Neubrandenburg v. 1.2.1994 – C 1076/93, WuM 1994, 262. AG Detmold v. 21.7.1999 – 7 C 344/99, WuM 2002, 51. AG Düsseldorf v. 6.8.1993 – 32 C 4631/93, WuM 1994, 426. AG Köln v. 25.6.1993 – 221 C 362/92, WuM 1993, 604. AG Bonn v. 15.7.1993 – 5 C 529/92, WuM 1993, 735. BayObLG v. 4.11.1983 – REMiet 13/83, NJW 1984, 496. AG Waldkirch v. 25.1.1996 – 1 C 371/95, WuM 1996, 219. AG Stuttgart-Bad Cannstadt v. 16.8.1990 – 4 C 1832/90, WuM 1991, 28. AG Schöneberg v. 28.6.2001 – 10 C 183/01, ZMR 2001, 982. AG Brühl v. 14.8.1992 – 23 C 224/92, WuM 1994, 198. LG Hamburg v. 3.11.2005 – 307 S 124/05, WuM 2005, 768. AG Bremen v. 15.11.2012 – 9 C 346/12, WuM 2012, 669.

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563

§ 541 BGB

Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

172

l Rohrverstopfung ist vom Mieter vertragswidrig verursacht, wenn sie durch Fett und Essensreste in der Küchenleitung und Haare aus dem gegenüberliegenden Waschbecken des Badezimmers hervorgerufen wurde1.

173

l Rollladen darf der Mieter an den Fenstern im Erdgeschoss auch aus Sicherheitsgründen nicht ohne die Zustimmung des Vermieters installieren2. Sind sie aber installiert, kann er sie auch nachts betätigen3. Nach Aufbringen einer Wärmedämmfassade hat der Mieter keinen Anspruch auf (Wieder-)Installation der Rollladen, wenn dadurch die Funktion der Wärmedämmung gestört wird4.

174

l Rollstuhl kann im Treppenhaus abgestellt werden, auch wenn sich dadurch der Zugang zur Kellertreppe auf weniger als 1 m Breite verengt, sofern dem Mieter wegen der Lage seiner Wohnung der Transport nicht möglich ist5 (fi Gehhilfe).

175

l Rückbau. Solange nichts anderes vereinbart wurde, muss der Mieter selbst bei Zustimmung des Vermieters bauliche Veränderungen am Ende der Mietzeit zurückbauen6. Dies soll nicht gelten, wenn der Mieter nur einen allgemein üblichen Zustand (Einrichtung eines Bades) geschaffen hat7.

176

l Satellitenanlage oder -schüssel fi Antenne

177

l Sauna. Ihr Einbau ist zustimmungspflichtig auf der Loggia8, im Schlafzimmer9 oder im Kellerraum10.

178

l Schießen. Der Gebrauch von Schusswaffen ist auch ohne vertragliche Regelung auf dem Mietgrundstück nicht erlaubt. fi Balkon

179

l Schwarzarbeit ist grundsätzlich ohne Einfluss auf den vertragsgemäßen Gebrauch. Es ist daher nicht vertragswidrig, wenn der Mieter seine Einbauküche durch „Schwarzarbeiter“ montieren lässt11. Umgekehrt kann der Vermieter eine Anzeige des Mieters gegen ihn wegen des Verdachts der Schwarzarbeit nicht ahnden, wenn objektiv ein eigenes Interesse des Mieters an der Aufklärung des ihm verdächtigen Sachverhalts vorliegt, obwohl er fahrlässig nicht erkannt hat, dass der angezeigte Sachverhalt unzutreffend ist12.

180

l Sichtschutz am Balkon und der Terrasse fi Balkon

181

l Solaranlage. Solange keine Substanzeingriffe notwendig sind, kann sie ohne weiteres auf der Terrasse aufgestellt werden13.

182

l Spielen fi Gemeinschaftsfläche

183

l Staubflusen, die durch das Ausschütteln von Bodenbelägen wie Teppichen, Matten u.ä. Textilien im Freien in den Wohnbereich eines Hausnachbarn fliegen, müssen hingenommen werden14.

184

l Staubsauger fi Haushaltsgeräte

185

l Stellplatz fi Gemeinschaftsfläche

186

l Strandkörbe fi Blumenkübel

187

l Stromversorgung. Die Stromentnahme aus der zur Wohnung gehörenden Anlage, um das nicht

beheizte Badezimmer gegen Frostschäden aufzuheizen, ist zustimmungsfrei15.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

AG Ravensburg v. 23.2.2005 – 9 C 1470/04, NZM 2005, 538. LG Hamburg v. 2.2.2006 – 334 S 39/05, WuM 2007, 502. AG Düsseldorf v. 29.11.2010 – 55 C 7723/10, WuM 2011, 173. LG Berlin v. 22.3.2010 – 67 S 306/09, MM 2010, 182; AG Neuss v. 31.5.2012 – 82 C 852/12, n.v. AG Wennigsen v. 9.5.1996 – 3 C 125/96, WuM 1996, 468; vgl. auch BGH v. 10.11.2006 – V ZR 46/06, WuM 2007, 29. OLG Düsseldorf v. 14.10.2008 – I-24 U 7/08, ZMR 2009, 843. LG Hamburg v. 4.3.2005 – 311 S 128/04, WuM 2010, 448. LG Hannover v. 22.12.1983 – 3 S 319/83, WuM 1984, 129. AG Dortmund v. 28.6.1984 – 114 C 287/84, WuM 1985, 263. Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 983. AG Tiergarten v. 5.10.1999 – 2 C 177/99, MM 2000, 90. LG Mannheim v. 23.2.2000 – 4 S 125/99, NZM 2000, 543. AG München v. 4.10.1990 – 214 C 24821/90, WuM 1991, 537. AG Kassel v. 16.5.1994 – 432 C 1145/94, WuM 1994, 610. AG Potsdam v. 6.10.1994 – 26 C 205/94, WuM 1995, 40.

564

Lützenkirchen

Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

§ 541 BGB

l Styropordecken fi Deckenplatten

188

l Teppichboden fi Bodenbelag

189

l Tierhaltung kann nicht durch eine Formular-Klausel, die die Haltung von Haustieren ohne nä-

190

here Spezifizierung auf bestimmte Tiere verbietet, eingeschränkt werden1. Vielmehr ist stets ein eindeutiger Vorbehalt mindestens für alle Kleintiere vorzusehen2 (vgl. § 535 BGB Rz. 767). Ohne (wirksame) Klausel ist die Tierhaltung grundsätzlich von einer umfassenden Abwägung der Interessen abhängig3 (vgl. § 535 BGB Rz. 781). Es besteht kein Hindernis, die Beseitigung zu verlangen, nur weil der Hausmeister von der Tierhaltung Kenntnis hat oder ein Prokurist bei gelegentlichen Besuchen Notiz von dem Tier genommen hat4. Auch die Zustimmung der anderen Mieter ist unerheblich5. Im Hinblick auf die notwendige Abwägung bei der Aufnahme des Tieres in die Wohnung ist ein Einschreiten auch gerechtfertigt, obwohl die Haltung der Tiere bereits zu Beginn des Mietvertrages begonnen wurde und dies fünf Jahre zurückliegt6, insbesondere wenn erhebliche Beeinträchtigungen der Nachbarschaft verursacht wurden7. l Treppenhaus. Das Abstellen von Schuh- und Besenschränken sowie sonstigen Gegenständen

191

einschließlich des Aufhängens von Bildern im Hausflur kann abgemahnt werden8, auch wenn der Vermieter dies jahrelang geduldet hat9. Denn daraus ergibt sich kein Erklärungsbewusstsein für ein Einverständnis (fi Kinderwagen, fi Gehhilfe und fi Rollstuhl). l Trinkgelage fi Besuch

192

l Türen Vertragswidrig ist das Kürzen der Türblätter zwecks Verlegung von das Aushängen von Zimmertüren und Verbringen in den Keller11, nicht aber das Durchbohren der Badezimmertür zum Anbringen von Kleiderhaken12.

193

l Überbelegung s. § 573 BGB Rz. 67

194

l Uhr kann in der Wohnung aufgestellt werden, auch wenn ihr halbstündiges Schlagen in der

195

Teppichböden10,

Nachbarwohnung zu vernehmen ist13. l Verkaufsaktionen fi Räumungsverkauf

196

l Videoanlage fi Kamera

197

l Videokamera kann in Gemeinschaftsflächen auch nicht als bloße Attrappe zum Schutz des Pri-

198

l Waffen. Die bloße abstrakte Gefahr, die mit der Lagerung von Waffen in der Wohnung verbunden ist, macht diese Lagerung nicht zu einer vertragswidrigen Nutzung15.

199

l Wände. Unzulässig ist das Ersetzen der Tapete durch Rauputz ohne Zustimmung des Vermieters16, das Anbringen einer Holzvertäfelung17 sowie die Installation von Styroporplatten, jedenfalls wenn diese leicht entflammbar sind18. Vom vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt ist dagegen

200

vateigentums installiert werden14. fi Kamera

1 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, NJW 1993, 1061. 2 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, WuM 2008, 23. 3 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48; nunmehr auch BGH v. 20.3.2013 – VIII ZR 168/12, zitiert nach www.dejure.org. 4 AG Westerburg v. 23.2.1990 – 2 C 1213/89, WuM 1992, 600. 5 AG Spandau v. 13.4.2011 – 13 C 574/10, ZMR 2011, 650. 6 AG Aachen v. 13.3.1992 – 81 C 459/91, WuM 1992, 601. 7 LG München I v. 27.1.1999 – 14 S 13615/98, WuM 1999, 217. 8 AG Köln v. 15.7.2011 – 220 C 27/11, ZMR 2011, 886. 9 A.A. AG Bergisch Gladbach v. 6.8.1993 – 61 C 291/93, WuM 1994, 197. 10 AG Lichtenberg v. 9.6.2011 – 111 C 319/09, GE 2011, 1027; a.A. LG Mannheim v. 14.10.1976 – 4 S 109/75, DWW 1977, 20; AG Köln v. 23.9.1986 – 214 C 1176/86a, WuM 1987, 152. 11 LG Berlin v. 13.2.1995 – 67 S 351/94, WuM 1996, 138. 12 AG Kassel v. 15.3.1996 – 451 C 7217/95, WuM 1996, 757. 13 AG Spandau v. 25.6.2003 – 8 C 13/03, MM 2004, 264. 14 AG Aachen v. 11.11.2003 – 10 C 386/03, NZM 2004, 339. 15 LG Hannover v. 28.10.2010 – 1 S 30/10, ZMR 2011, 211; AG Hannover v. 20.8.2010 – 546 C 2917/10, ZMR 2011, 46. 16 AG Kerpen v. 28.6.1989 – 3 C 199/89, WuM 1990, 198. 17 LG Osnabrück v. 11.2.1976 – 1 S 343/75, WuM 1986, 231. 18 LG Braunschweig v. 24.4.1985 – 12 S 231/84, NJW 1986, 322; LG Bad Kreuznach v. 16.5.1989 – 1 S 31/89, WuM 1990, 292.

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§ 541 BGB

Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

das Aufbringen eines wischfesten Anstrichs1, das Aufstellen von Leichtbauwänden2 und die farbliche Umgestaltung, die das äußere Erscheinungsbild der Wohnung wesentlich verändert3.

201

l Warenautomaten fi Außenfassade

202

l Wäschetrocknen ist erlaubt bei sog. „kleiner Wäsche“ auf einem Wäscheständer, der im Wesentlichen durch die Balkonbrüstung gegen Sicht abgedeckt ist4, insbesondere wenn dies nur etwa sieben mal jährlich erfolgt, ohne dass die Mietsache erheblich gefährdet wird5. Wäschetrocknen in der Wohnung ist trotz vorhandenem Trockenraum und (unwirksamem) Verbot in der Hausordnung zulässig6, insbesondere auf dem Balkon über eigens dafür angebrachte Vorrichtungen7. Rechtswidrig ist aber das Aufstellen einer Wäschespinne im Garten eines Mehrparteienhauses, der einem anderen Mieter zur alleinigen Nutzung und Pflege überlassen ist8.

203

l Waschmaschine kann in der Wohnung genutzt werden, obwohl der Mietvertrag die Nutzung einer Gemeinschaftswaschmaschine im Hause vorsieht9. fi Haushaltsgeräte

204

l Wasserversorgung. Ohne Zustimmung kann der Mieter kein Brunnenwasser zur Toilettenspü-

lung entnehmen, wenn dies von den zuständigen Wasserwerken beanstandet wird10.

205

l Weihnachtsschmuck/-dekoration muss der Vermieter in der Vorweihnachtszeit bis zum 6. Januar dulden, solange sie fachgerecht installiert ist, ein übliches Maß nicht überschreitet, die Mietsache nicht verschandelt und Nachbarn nicht beeinträchtigt11. Das Versprühen von Duftsprays im Treppenhaus ist allerdings per se verboten12.

206

l Zweckentfremdung von Wohnraum ist im Geltungsbereich eines Zweckentfremdungsverbots grundsätzlich unzulässig. Die Nutzung des Mieters ist aber nur unzulässig, wenn sie ohne Einverständnis mit dem Vermieter erfolgt. Bei preisgebundenem Wohnraum, dessen Überlassung an eine bestimmte Bewohnerzahl geknüpft ist, handelt der Mieter im Fall der Unterbelegung nur vertragswidrig, wenn eine ausreichende Aufklärung stattgefunden hat13.

C. Gewerberaummiete 207 § 541 BGB macht schon durch seine Stellung in den allgemeinen mietrechtlichen Regelungen deutlich, dass er auch in der Gewerberaummiete gilt. I. Vertragswidrige Nutzung 208 In der Gewerberaummiete liegt regelmäßig vertragswidriger Gebrauch vor, wenn die Tätigkeit in den Mieträumen von dem beschriebenen Vertragszweck abweicht14. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. In erster Linie kommt es darauf an, ob der Charakter der vertraglichen Nutzung verändert wird und Störungen des Vermieters (z.B. aus dem Gesichtspunkt des Konkurrenzschutzes, § 535 BGB Rz. 1070) oder anderer Mieter (z.B. verstärkter Publikumsverkehr, Lärmbeeinträchtigung) eintreten können.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14

LG Berlin v. 13.2.1995 – 67 S 351/94, WuM 1996, 138. LG Essen v. 22.4.1987 – 10 S 633/86, WuM 1987, 257. BGH v. 18.6.2008 – VIII ZR 224/07, NJW 2008, 2499. AG Euskirchen v. 11.1.1995 – 13 C 663/94, WuM 1995, 310. AG Naumburg v. 29.9.1992 – 3 C 290/92, WuM 1992, 680. AG Düsseldorf v. 23.7.2008 – 53 C 1736/08, WuM 2008, 547. LG Nürnberg-Fürth v. 19.1.1990 – 7 S 6265/89, WuM 1990, 199; AG Nürnberg v. 27.6.1989 – 28 C 2514/89, DWW 1997, 47. AG Brilon v. 23.8.2000 – 2 C 173/00, WuM 2001, 392. LG Aachen v. 10.3.2004 – 7 S 46/03, NZM 2004, 459 (Familie mit drei kleinen Kindern); LG Detmold v. 18.3.1998 – 10 S 276/97, WuM 2002, 51; AG Köln v. 11.1.2001 – 207 C 221/00, WuM 2001, 276; AG Hameln v. 17.12.1993 – 23 C 380/93, WuM 1994, 426. LG Gießen v. 1.6.1994 – 1 S 507/93, WuM 1994, 681. Leiß, MM 2010, Heft 12, S. 19. OLG Düsseldorf v. 16.5.2003 – 3 Wx 98/03, WuM 2003, 515 = ZMR 2004, 52 = NZM 2003, 605. AG Hamburg-Blankenese v. 4.7.2007 – 508 C 68/07, ZMR 2007, 705. BGH v. 28.11.1984 – VIII ZR 186/83, NJW 1985, 2527 (Umwandlung einer Kfz-Werkstatt in einen Supermarkt).

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Lützenkirchen

Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

§ 541 BGB

Deshalb ist es vertragswidrig1, 209 – eine Kleintierpraxis anstelle einer Zahnarztpraxis zu betreiben2, – in einer „Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie“ schwerpunktmäßig eine Drogenersatztherapie durchzuführen3, – ein Café (Tageslokal) in ein Nachtcafé mit Tanzgelegenheit4 umzuwandeln, – einen Laden in eine Gaststätte oder einen Stehimbiss5 umzuwandeln, – eine Eisdiele in ein Bierlokal6 umzuwandeln, – eine Metzgerei in einen Imbissbetrieb oder ein Bekleidungsgeschäft7 umzuwandeln, – Büroräume zur Unterbringung von Asylbewerbern zu nutzen8, – eine Sortimentserweiterung herbeizuführen (z.B. Schneiderei, die Betrieb auf industrielle Fertigung von Konfektionsware umstellt9), – Theaterveranstaltungen in einer als „Konzeptions- und Design-Center“ gemieteten Halle durchzuführen10, – einen „Laden“ als – Teestube mit Spielsalon11, – Salatrestaurant ohne Alkoholausschank12, – Gaststätte13, – Sportvereinskantine14, – Sexshop oder Sexkino15, – Kindertagesstätte bzw. Schülerladen16, – Spielsalon17 zu nutzen. Das Gleiche gilt bei der Nutzung von „zu beliebigen geschäftlichen Zwecken“ überlassenen Räumen als Bordell18. Der Betrieb von „zur Nutzung für jeden behördlich zulässigen Zweck“ überlassenen Räumen als Wellnessbetrieb19 ist dagegen zulässig. II. Durchführung des Gebrauchs Bei der Durchführung des Gebrauchs hat der Mieter die bestehenden rechtlichen Be- 210 stimmungen zu beachten. Diese können sich unmittelbar aus dem Mietvertrag, dem Gesetz oder der Betriebserlaubnis ergeben. Der Vermieter kann sich jedoch nur auf Rechte und Pflichten berufen, in deren 211 Schutzbereich er derart einbezogen ist, dass er oder Dritte, die seinem Schutz unterliegen (z.B. andere Mieter) umfasst werden. Demnach scheidet z.B. die Verletzung ar1 Zur vertragsgemäßen, aber vom Wortlaut der Vertragsbestimmung abweichenden Nutzungen vgl. § 535 BGB Rz. 1045 f. 2 OLG Köln v. 12.4.1996 – 20 U 166/95, WuM 1997, 620 = ZMR 1997, 298. 3 LG Bonn v. 12.4.2010 – 9 O 440/09, ZMR 2010, 689. 4 BGH v. 8.10.1957 – VIII ZR 47/56, NJW 1957, 1833. 5 OLG Düsseldorf v. 21.12.1992 – 3 Wx 464/92, NJW-RR 1993, 587. 6 OLG München v. 25.2.1992 – 25 U 3550/91, WuM 1992, 326. 7 LG Nürnberg-Fürth v. 18.7.1990 – 7 O 2439/90, WuM 1991, 344. 8 OLG Düsseldorf v. 14.2.1991 – 10 U 171/90, ZMR 1991, 176. 9 BGH v. 8.10.1957 – VIII ZR 47/56, NJW 1957, 1833. 10 OLG Düsseldorf v. 21.12.1995 – 10 U 142/94, WuM 1996, 410. 11 BayObLG v. 15.2.1984 – 2 Z 113/83, WuM 1985, 235. 12 KG v. 6.3.1985 – 24 W 3538/84, WuM 1985, 236. 13 BayObLG v. 21.2.1985 – BReg 2 Z 101/84, WuM 1985, 238. 14 KG v. 21.5.1986 – 24 W 1511/86, WuM 1986, 287. 15 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = ZMR 1984, 275. 16 KG v. 15.4.1992 – 24 W 3386/91, NJW-RR 1992, 1102. 17 OLG Zweibrücken v. 9.1.1987 – 3 W 198/86, NJW-RR 1987, 464. 18 KG v. 6.5.1987 – 24 W 5641/86, NJW-RR 1987, 1160. 19 KG v. 20.5.2009 – 8 U 38/09, GuT 2009, 305.

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§ 542 BGB

Ende des Mietverhältnisses

beitsschutzrechtlicher Bestimmungen durch den Mieter aus, wenn dadurch lediglich dessen Arbeitnehmer tangiert werden. Einschlägig sind insoweit bei 212 – Gaststätten: z.B. die SperrzeitVOen der Länder, die zumindest auch die Mitmieter vor nächtlichen Lärmbelästigungen schützen sollen; NichtraucherschutzG1, – Gewerbe, die mit gefährlichen Stoffen umgehen: z.B. die GefStoffVO, TA Luft oder BBodSchG, – Lärm-emittierenden Gewerben: z.B. TA Lärm nach BImSchG, LärmschutzVO, DIN 4109 oder DIN 18005, – Lagerung und Vorratshaltung: bautechnische Bestimmungen zur Tragfähigkeit und zu raumklimatischen Verhältnissen (z.B. DIN 4108, s. auch § 535 BGB Rz. 370.

§ 542 Ende des Mietverhältnisses (1) Ist die Mietzeit nicht bestimmt, so kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften kündigen. (2) Ein Mietverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen ist, endet mit dem Ablauf dieser Zeit, sofern es nicht 1. in den gesetzlich zugelassenen Fällen außerordentlich gekündigt oder 2. verlängert wird. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV. B. I. II. 1. 2. 3. 4.

III. 1. 2.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Sinn und Zweck der Vorschrift . Abweichende Vereinbarungen .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

1 1 4 4 6 7 8

Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . Mietverträge auf unbestimmte Zeit . . Mietverträge auf bestimmte Zeit . . . . Entstehung eines Endtermins . . . . . . Auflösend bedingter Mietvertrag . . . . Folgen eines vereinbarten Endtermins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verlängerung der Mietzeit . . . . . . . . . . a) Verlängerung durch Vereinbarung. b) Verlängerung durch Option . . . . . . c) Konkurrenz von Kündigungsrecht und Optionsklausel . . . . . . . . . . . . . Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ordentliche Kündigung . . . . . . . . . b) Außerordentliche Kündigung . . . . c) Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . .

10 10 12 12 19 22 24 25 31 32 34 34 36 38 40 43

3. Allgemeine Anforderungen an die Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4. Kündigungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . 52 aa) Handeln in fremdem Namen . . 52 bb) Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 cc) § 174 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 dd) Handeln aufgrund Prozessvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 ee) Handeln des Erwerbers . . . . . . 66 5. Kündigungsadressat . . . . . . . . . . . . . . 72 6. Form und Begründung der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 7. Zugang der Kündigung . . . . . . . . . . . . 78 8. Kündigungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . 87 9. Teilkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 10. Widerruf der Kündigung . . . . . . . . . . . 95 11. Wiederholte Kündigung . . . . . . . . . . . 96 12. Rechtsmissbräuchliches Verhalten im Zusammenhang mit der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 13. Pflicht zum Ausspruch der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 14. Schadensersatzanspruch des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Wegen unberechtigter Kündigung des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . 104

1 Vgl. dazu BGH v. 13.7.2011 – XII ZR 189/09, ZMR 2011, 943.

568

Lützenkirchen

§ 542 BGB

Ende des Mietverhältnisses

15.

IV. 1. 2. V. 1. 2.

b) Verschulden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wiedereinräumung des Besitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstiger Schaden . . . . . . . . . . cc) Mitverschulden . . . . . . . . . . . . . Schadensersatzanspruch des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kosten der Kündigung . . . . . . . . . . b) Kündigungsfolgeschaden . . . . . . . . aa) Mietausfall . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mitverschulden . . . . . . . . . . . . . (2) Untervermietung . . . . . . . . . . . bb) Sonstige Schadenspositionen . cc) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Formen der Beendigung . . . . . Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliche Zulässigkeit . . . . . b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nutzungsentschädigung inklusive Umsatzsteuer . . . . . . bb) Nutzungsentschädigung inklusive verbrauchsabhängiger Nebenkosten . . . . . . . . . . . . . . . cc) Herausgabe des Gewinns aus der Untervermietung? . . . . . . .

106 109 111 111 113 115 117 119 123 124 128 132 135 138 139 139 149 150 150 153 153 157 157

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3. Konfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Umdeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umdeutung unwirksamer fristloser in ordentliche Kündigung . . . . . . . . . . 2. Umdeutung einer fristgemäßen Kündigung in eine außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umdeutung fristgemäßer Kündigung zu unrichtigem Beendigungstermin in Kündigung zum zulässigen Termin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umdeutung unwirksamer Kündigung in Angebot zur Vertragsaufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umdeutung beiderseitiger Kündigungen in Aufhebungsvereinbarung . C. I. 1. 2. 3. 4. II. 1. 2.

Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . § 542 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . Vollmachtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . Schriftform der Kündigung? . . . . . . . Besondere Anforderungen an die Form der Kündigung . . . . . . . . . . . . . Zugang der Kündigung per Telefax . § 542 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung des Insolvenzverwalters, § 109 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung des Erwerbers aus der Insolvenz, § 111 InsO . . . . . . . . . . . . .

. . . .

161 163 164

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169 171 172 172 174 175

. 179 . 181 . 186 . 187 . 192

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A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Vorschrift regelt das System der Beendigung. Dazu zeigt sie in Abs. 1 auf, dass 1 ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit in jeder Art, die das Gesetz zulässt, beendet werden kann. Aus Abs. 2 wird deutlich, dass Mietverträge auf bestimmte Zeit nur außerordentlich gekündigt werden können und im Übrigen mit Zeitablauf enden, wenn sie nicht verlängert werden. Damit verdeutlicht die Norm aber auch schon den Unterschied zwischen den Kündi- 2 gungsarten, die das Gesetz vorhält. Bei der Kündigung wird nach ordentlicher und außerordentlicher Kündigung unterschieden, wobei man bei der außerordentlichen Kündigung zwischen der fristlosen aus wichtigem Grund (§§ 543, 659 BGB) und der mit gesetzlicher Frist (§ 573d BGB) unterscheidet. Daneben können diese Mietverträge selbstverständlich z.B. durch formfreien Auf- 3 hebungsvertrag, Bedingungseintritt (§ 158 Abs. 2 BGB) oder vertraglich vereinbartes Rücktrittsrecht (§ 346 BGB) beendet werden. Dabei sind aber die besonderen Vorschriften für die Wohnraummiete nach § 572 Abs. 2 BGB (auflösende Bedingung) und § 572 Abs. 1 BGB (vertragliches Rücktrittsrecht) zu beachten. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Der Geltungsbereich der Norm erfasst unmittelbar alle Mietverhältnisse und über 4 § 581 Abs. 2 BGB auch Pachtverhältnisse; für die Landpacht ist § 594 BGB maßgebend. Da eine Übergangsregelung fehlt, gilt die Norm auch für Altverträge. Bei den Kündi- 5 gungen selbst ist aber Art. 229 § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB zu beachten. Danach ist für

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die Unterscheidung der formellen und materiellen Voraussetzungen auf den Zugang der Kündigung abzustellen. 2. Anwendbare Rechtsprechung 6 Das System der Beendigung und Kündigungen hat sich durch die Mietrechtsreform 2001 nicht geändert. Allein die formellen Anforderungen des § 564 BGB weichen wesentlich von der Vorgängernorm (§ 569a Abs. 6 BGB) ab. Deshalb ist die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1.9.2001, die die Systematik der Beendigung, insbesondere der Kündigungen betrifft, uneingeschränkt anwendbar. III. Sinn und Zweck der Vorschrift 7 Die Vorschrift soll das System der Beendigung von Mietverträgen festigen und klarstellen, welcher Vertrag wie beendet werden kann. Sie dient damit einerseits dem Verständnis der nachfolgenden Kündigungsregelungen1 und andererseits der Betonung des Unterschiedes zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung. Schließlich wird durch § 543 Abs. 2 BGB aber auch die Privatautonomie hervorgehoben, indem die einvernehmliche Verlängerung angesprochen wird. IV. Abweichende Vereinbarungen 8 Vertragsregelungen, die das System der Beendigung verändern wollen, sind unwirksam, und zwar unabhängig davon, ob sie durch individuelle Vereinbarung oder durch eine Formularklausel getroffen werden. Denn das gesetzlich festgelegte System kann nicht verändert werden. Dazu bedurfte es auch keiner besonderen Verbotsvorschrift. 9 Möglich sind dagegen Vertragsklauseln, die die Abwicklung des Systems betreffen. Ein Beispiel ist der (wechselseitige) Kündigungsverzicht (vgl. § 575 BGB Rz. 11 ff.). Damit wird ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit, der nach § 542 Abs. 1 BGB eigentlich jederzeit kündbar ist, für die Dauer seiner Geltung unkündbar gestellt. Dadurch entsteht eine Mindestlaufzeit, die im System des § 542 Abs. 1 BGB so nicht vorgesehen ist. B. Wohnraummiete I. Mietverträge auf unbestimmte Zeit 10 Der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit entspricht dem gesetzlichen Leitbild. Dies erschließt sich auch aus § 575 Abs. 1 BGB. Denn scheitert ein Mietvertrag, der befristet werden soll, am Vorliegen des Befristungsgrundes, führt dies nicht zur Unwirksamkeit, sondern es entsteht ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit. 11 Grundsätzlich müssen die Parteien nicht besonders regeln, dass sie einen jederzeit kündbaren Mietvertrag schließen wollen. Denn der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit entsteht schon dann, wenn die Parteien keine Mietzeit geregelt haben. Dann ist nämlich im Hinblick auf das gesetzliche Leitbild im Zweifel davon auszugehen, dass der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit laufen soll. Erst recht entsteht ein solcher Vertrag dadurch, dass die Parteien ausdrücklich regeln, dass der Vertrag auf unbestimmte Zeit laufen soll, oder eine ähnlich formulierte, entsprechend auszulegende Formulierung verwenden. Schließlich kann ein solcher Mietvertrag durch eine widersprüchliche Regelung entstehen, da im Zweifel nach § 550 BGB von einem unbefristeten Mietvertrag auszugehen ist2. II. Mietverträge auf bestimmte Zeit 1. Entstehung eines Endtermins 12 Die Vereinbarung des Endtermins kann im Mietvertrag selbst oder in einer Zusatz-, Abänderungs- oder Aufhebungsvereinbarung erfolgen, und zwar dergestalt, dass ein 1 Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 3. 2 OLG Rostock v. 21.8.2000 – 3 U 135/99, MDR 2001, 208 = ZMR 2001, 27 = NZM 2001, 426.

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kalendermäßig exakt bestimmter oder bestimmbarer Endtermin (z.B. 31.12. oder Sonntag nach Pfingsten jeweils eines bestimmten Jahres) oder dass eine sich an den Mietbeginn anschließende genau bemessene Mietzeit (z.B. ein Jahr nach Übergabe) festgelegt wird. Die Begrenzung der Mietzeit kann sich auch aus dem Vertragszweck ergeben (z.B. 13 Zimmermiete für die Dauer einer Messe oder einer Tagung; Anmietung eines Erntegerätes für die Dauer der Ernte). Schließlich kann das Ende der Mietzeit auf den Zeitpunkt des Eintritts eines bestimmten Ereignisses (z.B. Tod bei Mietvertrag auf Lebenszeit1) gelegt werden2. Ist in einem schriftlichen Mietvertrag, der hinsichtlich der Mietzeit keine ausdrückliche Regelung enthält, formuliert, dass die Miete für einen bestimmten Zeitraum (z.B.: drei Jahre) „verbindlich bleiben“ soll, führt dies nicht ohne weiteres zur Unkündbarkeit des Mietvertrages für die Dauer des genannten Zeitraums3.

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Solange nicht anzunehmen ist, dass die Vereinbarung der Mietzeit konstitutiv für die 15 Einigung sein soll, kann sie mündlich, schlüssig oder schriftlich geregelt werden (vgl. § 535 BGB Rz. 20 ff.). Soll die Mietzeit aber mehr als ein Jahr betragen, ist der Vertrag nach einem Jahr kündbar, wenn die Schriftform nicht eingehalten ist, § 550 BGB. Haben die Parteien die Laufzeit des Vertrags nicht begrenzt, aber die ordentliche 16 Kündigung für eine bestimmte Zeit ausgeschlossen, liegt ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit verbunden mit einer Mindestmietzeit vor (häufig bei der Gewährung von Baukostenzuschüssen4): Das Gleiche gilt bei einem sog. Kündigungsverzicht, der zu einer Mindestlaufzeit im Rahmen eines auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrages führt (vgl. § 575 Rz. 11 ff.). Für die Dauer der Mietzeit bestehen grundsätzlich keine Höchstgrenzen. Denn § 544 17 BGB macht deutlich, dass der über 30 Jahre hinauslaufende Vertrag gekündigt werden kann. Das Gleiche gilt im Fall des § 557a Abs. 3 BGB; hier kann nach vier Jahren gekündigt werden. Da § 309 Nr. 9 BGB nicht unmittelbar anwendbar ist, können sich Grenzen nur aus § 307 BGB ergeben5, sofern die ungewöhnlich lange Dauer der Mietzeit nicht überraschend ist, § 305c Abs. 2 BGB. Insoweit gibt § 309 Nr. 9 BGB aber keine allgemeine Grenze (von zwei Jahren) als gesetzliches Leitbild für Dauerschuldverhältnisse vor. Dies erschließt sich schon aus § 557a Abs. 3 BGB. Deshalb sind mittelfristige Bindungen des Mieters zwischen fünf und acht Jahren auch unter dem Gesichtspunkt der Mobilität, der insbesondere die asymmetrischen Kündigungsfristen des § 573c BGB beeinflusst hat, nicht zu beanstanden. Im Zweifel sind im Rahmen der Abwägung nach § 307 BGB insoweit auch Vorteile, die dem Mieter gewährt wurden (z.B. Staffelmiete), zu berücksichtigen6. Das Gleiche gilt für die formularvertragliche Laufzeitfestlegung in Mietverträgen über Funkstandorte7.

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2. Auflösend bedingter Mietvertrag Die Mietzeit kann auch von dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses abhängig ge- 19 macht werden. Ist der Eintritt des Ereignisses ungewiss, handelt es sich um ein Mietverhältnis unter auflösender Bedingung, das zugunsten des Mieters unter der Einschränkung des § 572 Abs. 2 BGB steht (vgl. § 572 BGB Rz. 15 ff.). Die Frage, ob ein unter einer auflösenden Bedingung geschlossener Mietvertrag vor 20 Bedingungseintritt ordentlich gekündigt werden kann, ist vor allem im Wohnraum-

1 2 3 4 5 6

BayObLG v. 2.7.1993 – REMiet 5/92, MDR 1993, 972 = ZMR 1993, 462. H.M. z.B. Staudinger/Rolfs, § 542 BGB Rz. 137. BGH v. 28.1.1976 – VIII ZR 263/74, NJW 1976, 1351 = MDR 1976, 662. LG Stuttgart v. 4.10.1960 – 3 S 214/59, ZMR 1967, 113. Vgl. dazu Hannemann, NZM 1999, 585 (589). BGH v. 12.11.2008 – VIII ZR 270/07, MDR 2009, 135 = WuM 2009, 45 = GE 2009, 45 = NZM 2009, 80 = ZMR 2009, 189. 7 Jendrek, NZM 2005, 241 f.

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mietrecht umstritten1. Zum einen sollen solche Verträge wie andere unbefristete Mietverhältnisse zu behandeln sein, so dass sie vor Bedingungseintritt ordentlich gekündigt werden können2. Die gegenteilige Meinung geht davon aus, dass mit der Aufnahme der Bedingung nicht eine Lösungsmöglichkeit zusätzlich zum Kündigungsrecht geschaffen solle, sondern der Bestand des Vertrags einzig vom Eintreten der Bedingung abhängig gemacht werde3. Nach einer dritten Auffassung ist auf den beim Vertragsschluss zum Ausdruck kommenden Willen der Parteien abzustellen: Solle die auflösende Bedingung der alleinige Grund für die Vertragsbeendigung sein, sei das Nutzungsverhältnis vor Eintritt der Bedingung grundsätzlich nicht ordentlich kündbar; sei die auflösende Bedingung dagegen nur als spätestmöglicher Beendigungszeitpunkt bestimmt, könne das Nutzungsverhältnis auch schon vor Bedingungseintritt ordentlich gekündigt werden4. 21 Richtigerweise steht der Mietvertrag unter einer auflösenden Bedingung grundsätzlich einem Mietvertrag auf unbestimmte Zeit gleich5. Gleichwohl ist das Recht zur ordentlichen Kündigung eines solchen Vertrages ausgeschlossen, wenn anzunehmen ist, dass die Parteien mit der Vereinbarung der auflösenden Bedingung die Beendigung abschließend regeln wollten6. 3. Folgen eines vereinbarten Endtermins 22 Mietverträge auf bestimmte Zeit, die in der Wohnraummiete nur nach § 575 BGB zulässig sind, enden, ohne dass es einer besonderen Erklärung bedarf, mit dem Ablauf der vereinbarten Zeit, § 542 Abs. 2 BGB. Während der festen Laufzeit kann ein solches Mietverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung, sondern vorzeitig nur durch außerordentliche Kündigung, und zwar durch außerordentliche fristlose oder durch außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist beendet werden. Daneben kommen die sich aus allgemeinen Grundsätzen ergebenden Beendigungsgründe nach den §§ 119 ff., 313 BGB in Betracht (s. Vor § 535 BGB Rz. 168 ff.). Dazu ergänzend regelt § 575 Abs. 2, 3 BGB für den Zeitmietvertrag in der Wohnraummiete, welche Rechte der Mieter geltend machen kann. 23 Die Vereinbarung einer festen Miete für eine bestimmte Zeit kann u.U. eine Mieterhöhung für diesen Zeitraum ausschließen7, bedeutet aber nicht, dass der Mietvertrag für diesen Zeitraum fest (= unkündbar) geschlossen ist8. 4. Verlängerung der Mietzeit 24 Ein auf bestimmte Zeit abgeschlossenes Mietverhältnis endet, wie § 542 Abs. 2 Nr. 2 BGB klarstellt, dann nicht, wenn es verlängert wird. Dies kann durch eine Parteiabrede (Verlängerungsvereinbarung), durch Ausübung einer Verlängerungsoption (vgl. Vor § 535 Rz. 131 ff.) oder durch stillschweigende Verlängerung nach § 545 BGB erfolgen. Wird bei einem befristeten Mietverhältnis formularvertraglich nur einer Vertragspartei ein Recht zur jederzeitigen Kündigung eingeräumt, verstößt dies in der Regel gegen § 307 BGB9. a) Verlängerung durch Vereinbarung 25 Bei einer Verlängerungsvereinbarung ist vorrangig zu prüfen, ob sie den Abschluss eines neuen Mietvertrages oder die Fortsetzung des alten zu ggf. geänderten Konditio-

1 Die Frage stellt sich grds. in gleicher Weise auch für gewerbliche Miet- oder Pachtverträge und ist dort nicht anders zu beurteilen. 2 Palandt/Weidenkaff, § 572 BGB Rz. 5. 3 Vgl. Lammel, § 572 BGB Rz. 13 m.w.N. 4 Staudinger/Rolfs, § 572 BGB Rz. 11 f. m.w.N.; Schmidt-Futterer/Blank, § 572 BGB Rz. 13. 5 BGH v. 1.4.2009 – XII ZR 95/07, NZM 2009, 433 = MDR 2009, 795. 6 BGH v. 1.4.2009 – XII ZR 95/07, NZM 2009, 433 = MDR 2009, 795. 7 Vgl BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 164/03, MDR 2004, 1434. 8 BGH v. 28.1.1976 – VIII ZR 263/74, MDR 1976, 662 = NJW 1976, 1351. 9 BGH v. 30.5.2001 – XII ZR 273/98, MDR 2001, 1228 = ZMR 2001, 784.

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nen bedeutet. Dabei ist zunächst vom Wortlaut auszugehen, aber auch der Zweck der Vereinbarung zu erforschen. Die Formvorschrift des § 550 BGB ist jedenfalls zu beachten, wenn die Verlängerung durch Vertrag herbeigeführt werden und länger als ein Jahr dauern soll. Dies gilt auch, wenn die Vereinbarung auf § 575 Abs. 3 BGB beruht.

26

In einem Mietvertrag aus der Zeit vor dem 1.9.2001 kann noch eine Verlängerungs- 27 klausel enthalten sein, wonach sich ein befristeter Mietvertrag auf bestimmte oder unbestimmte Zeit verlängert, wenn nicht eine Partei kündigt bzw. der Fortsetzung widerspricht. Darin liegt ein befristetes Angebot auf Vertragsfortsetzung, das durch Schweigen angenommen wird; die etwa ausgesprochene „Kündigung“ ist keine Kündigung im technischen Sinne, sondern nur die Ablehnung eines befristeten Vertragsangebotes1. Auf den Widerspruch gegen die Vertragsfortsetzung findet § 193 BGB Anwendung2. 28 Wird fristgerecht „gekündigt“, endet das Vertragsverhältnis mit Ablauf der festgelegten Mietzeit. Wird hingegen das Mietverhältnis mangels „Kündigung“ vereinbarungsgemäß auf bestimmte Zeit fortgesetzt, gilt künftig § 542 Abs. 2 BGB; wird es allerdings entsprechend der vertraglichen Absprache auf unbestimmte Zeit verlängert, gilt mit Ablauf der festen Mietzeit § 542 Abs. 1 BGB. Wird der Vertragsfortsetzung nicht oder nicht fristgerecht widersprochen, verlängert 29 sich das Mietverhältnis zu den alten Bedingungen. Die Identität des Mietverhältnisses bleibt erhalten; es wird wie grundsätzlich bei jeder anderen Verlängerung der Vertragszeit vor Ablauf des Mietverhältnisses auch in der Regel kein neues Mietverhältnis begründet3. Verlängerungsklauseln können auch formularmäßig vereinbart werden. § 309 Nr. 9 30 BGB ist auf Miet-, Leasing- und Pachtverhältnisse nicht anwendbar4. Eine Verlängerungsklausel, welche die Vertragszeit ungewöhnlich verlängert, kann allerdings im Einzelfall unangemessen sein5. Überraschend ist sie regelmäßig nicht, da § 565a BGB a.F. diese Verlängerungsmöglichkeit ausdrücklich vorsah. b) Verlängerung durch Option Wird in einem an sich auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrag einer Ver- 31 tragspartei eine Verlängerungsoption eingeräumt, endet das Mietverhältnis infolge Zeitablaufs nach § 542 Abs. 2 BGB, falls von der Option nicht oder nicht rechtzeitig Gebrauch gemacht wird. Demgegenüber wird mit der gestaltenden Optionserklärung der bestehende Mietvertrag um die Optionszeit verlängert; ein neues Mietverhältnis wird nicht begründet6 (vgl. Vor § 535 Rz. 136). c) Konkurrenz von Kündigungsrecht und Optionsklausel Enthält ein Gewerberaum-Mietvertrag neben Optionen auch Regelungen zur Kündi- 32 gung, ergeben sich in der Praxis oft Auslegungsprobleme. Oft besteht z.B. ein zweimaliges Optionsrecht, dass jeweils sechs Monate vor Vertragsende ausgeübt werden muss, und ist daneben geregelt, dass sich der Mietvertrag jeweils um ein Jahr verlängern soll, wenn er nicht innerhalb einer bestimmten Frist gekündigt wird. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob der Mieter die erste und/oder die zweite Option (noch) ausüben kann, wenn sich der Mietvertrag im Stadium der befristeten Verlängerung befindet und damit das Kündigungsrecht des Vermieters unterlaufen würde. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass der Mieter sein Recht auf Ausübung der Ver- 33 längerungsoption dadurch verliert, dass er eine Option verspätet oder gar nicht aus1 BGH v. 16.10.1974 – VIII ZR 74/73, MDR 1975, 132 = NJW 1975, 40; OLG Düsseldorf v. 29.7.1993 – 10 U 253/92, MDR 1993, 1077 = ZMR 1993, 521. 2 BGH v. 16.10.1974 – VIII ZR 74/73, MDR 1975, 132 = NJW 1975, 40. 3 BGH v. 29.4.2002 – II ZR 330/00, MDR 2002, 1199 = NJW 2002, 2170. 4 BGH v. 13.2.1985 – VIII ZR 154/84, MDR 1986, 49 = NJW 1985, 2328 (zu § 11 Nr. 12 AGBG). 5 OLG Karlsruhe v. 9.9.1988 – 10 U 62/88, NJW-RR 1989, 243. 6 BGH v. 20.12.1967 – VIII ZR 119/65, MDR 1968, 403 = NJW 1968, 551.

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übt1. Damit verlängert sich das Mietverhältnis automatisch um die jeweils bestimmte Frist. Ist eine solche nicht geregelt, kann der Mietvertrag von jeder Partei ordentlich gekündigt werden. Ein Wiederaufleben der Optionsrechte ist grundsätzlich ausgeschlossen, weil die Ausübung der Optionsrechte, und dazu gehört auch eine vereinbarte Verhandlungsoption, von einer vorhergehenden wirksamen und fortlaufenden Optionsrechtsausübung abhängt. Der zwischenzeitliche Nichtgebrauch einer Option bringt die Optionsrechte insgesamt zum Erlöschen2. Ein anderes Verständnis ist im Regelfall nicht interessengerecht, weil es die Vermieterseite einseitig benachteiligt3. Die Optionsklausel hat wirtschaftlich den Sinn, dem Mieter die Möglichkeit einer angemessenen Amortisation seiner erheblichen Investitionen dadurch zu geben, dass er eine genügend lange Mietdauer durch Ausübung der Optionen herbeiführen kann. Der Vermieter hat andererseits ein berechtigtes Interesse daran, eine längerfristige Planungssicherheit über die weitere Verwertungsmöglichkeit der Mietsache zu erhalten. Dieses Interesse wäre nicht berücksichtigt, wenn der Mieter zunächst die automatische Verlängerungsklausel anlaufen ließe und die für ihn durch fristgemäße Kündigung des Vermieters erkennbare Beendigungsabsicht durch Ausübung der Option durchkreuzen könnte. Hierbei könnte der Mieter die Gesamtdauer gegen den Willen des Vermieters mit unbestimmbarer Länge herbeiführen. Eine interessengerechte Auslegung führt deshalb regelmäßig dazu, dass die Verlängerungsoptionen nur im Anschluss an die Grundmietzeit und nur im Anschluss an eine vorhergehende ausgeübte Verlängerungsoption ausgeübt werden können. III. Kündigung 1. Allgemeines 34 Das Recht zur Kündigung ist ein Gestaltungsrecht, das in Form einer einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärung ausgeübt wird. Ziel der Kündigung ist es, das Mietverhältnis für die Zukunft zu beenden (ex nunc), und zwar bei der fristlosen Kündigung mit sofortiger Wirkung, sonst, also bei der außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist und der ordentlichen Kündigung, ab dem nach Vertrag oder Gesetz zulässigen Kündigungstermin. 35 Der auf dieses Ziel gerichtete Wille des Kündigenden muss in der Kündigungserklärung eindeutig, unmissverständlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden4. Dafür kann auch schlüssiges Verhalten ausreichen (z.B. Rückgabe der Mietsache), wenn keine besondere Form wie bei § 568 BGB gilt. Auch eine Räumungsklage kann die – erneute – Kündigung des Mietvertrages beinhalten. Das setzt voraus, dass eindeutig erkennbar ist, dass mit dem prozessualen Schriftsatz auch materiell-rechtlich eine Willenserklärung abgegeben und nicht nur eine bereits außerprozessual erklärte Kündigung durchgesetzt werden soll5. Deshalb kann eine Kündigungserklärung z.B. angenommen werden, wenn der Vermieter in der Klageschrift das Zahlungsverhalten des Mieters detailliert darlegt, auf die bereits vorprozessual ausgesprochenen fristlosen Kündigungen verweist und erklärt, dass mangels Zahlung die fristlose Kündigung nicht geheilt und der Mieter sich weiterhin mit der Zahlung von mindestens zwei Monatsmieten in Verzug befinde, so dass die Erhebung der Räumungsklage geboten sei6. 2. Kündigungsarten 36 Das Gesetz unterscheidet mehrere Kündigungvarianten, nämlich die außerordentliche und die ordentliche Kündigung. Bei der außerordentlichen Kündigung unter-

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OLG Düsseldorf v. 6.9.2007 – 10 U 25/07, ZMR 2008, 785. Vgl. OLG Hamburg v. 23.6.1997 – 4 U 82/96, NZM 1998, 333 m.w.N. OLG Düsseldorf v. 6.9.2007 – 10 U 25/07, ZMR 2008, 785. BGH v. 22.12.1999 – XII ZR 339/97, MDR 2000, 323 = NJW 2000, 1105. BGH v. 6.11.1996 – XII ZR 60/95, ZMR 1997, 280; OLG Düsseldorf v. 8.1.2009 – 24 U 97/08, ZMR 2009, 845 = GuT 2009, 309 = GE 2009, 841. 6 LG Hagen v. 3.12.2010 – 1 T 80/10, zitiert nach juris.

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scheidet das Gesetz zwischen der fristlosen und der Kündigung mit gesetzlicher Frist. Die Tatbestände der verschiedenen Kündigungsarten können kumulativ vorliegen. 37 Der Zahlungsverzug kann z.B. sowohl die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB als auch des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfüllen. In einem solchen Fall muss aus der Kündigung ersichtlich sein, auf welchen Tatbestand der Vermieter seine Kündigung stützt. Deshalb können fristlose und fristgerechte Kündigung weder alternativ noch kumulativ, sondern nur in einem Stufenverhältnis (hilfsweise) erklärt werden1. a) Ordentliche Kündigung Die ordentliche Kündigung löst mit ihrem Zugang eine bestimmte Frist aus, nach de- 38 ren Ablauf das Mietverhältnis endet. Die Frist berechnet sich grundsätzlich nach § 573c BGB. Die ordentliche Kündigung ist bereits vor Überlassung der Mietsache zulässig2. Für 39 die ordentliche Vermieterkündigung ist grds. ein berechtigtes Interesse des Kündigenden erforderlich (vgl. § 573 BGB). b) Außerordentliche Kündigung Diese einseitige Beendigungsmöglichkeit knüpft das Gesetz in der Regel an den Ein- 40 tritt bestimmter Ereignisse, die zu einer Veränderung des Mietvertrages führen. Für den Vermieter sind sie im Gesetz ausdrücklich geregelt. Zugunsten des Mieters können sie über den gesetzlichen Rahmen hinaus auch vertraglich begründet werden. Derartige Sonderkündigungsrechte beziehen sich sowohl auf Mietverträge, die auf be- 41 stimmte Zeit eingegangen sind, als auch auf Mietverhältnisse auf unbestimmte Zeit. Die Kündigungsfrist ergibt sich aus § 573d BGB. Darin ist u.a. bestimmt, dass bei Wohnraummiete neben den Voraussetzungen des Sonderkündigungsrechtes grundsätzlich die des § 573 BGB vorliegen müssen (Ausnahme: Kündigung gegenüber den Erben des verstorbenen Mieters, § 564 BGB), § 573d Abs. 1 BGB. Folgende Sonderkündigungsrechte sind besonders bedeutsam: 42 – § 540 Abs. 1 S. 2 BGB (Kündigung wegen nicht erlaubter Untervermietung), – § 544 BGB (Kündigung nach 30 Jahren Laufzeit), – § 554 Abs. 3 S. 2 BGB (Kündigung nach Ankündigung einer Modernisierung), – § 561 BGB (Kündigung nach Geltendmachung einer Mieterhöhung), – § 563 Abs. 4 BGB (Kündigung gegenüber dem Eintretenden nach Tod des Mieters), – § 563a Abs. 2 BGB (Kündigung nach Tod des Mitmieters), – § 564 S. 2 BGB (Kündigung gegenüber bzw. des Erben nach Tod des Mieters), – § 1056 Abs. 2 BGB (Kündigung nach Beendigung des Nießbrauchs), – § 2135 BGB (Kündigung bei Beendigung der Vorerbschaft), – § 37 Abs. 3 S. 2 WEG (Kündigung des Erstehers bei Zwangsversteigerung eines Dauerwohnrechts), – § 30 Abs. 2 ErbbauRG (Kündigung nach Erlöschen des Erbbaurechts), – § 57a ZVG (Kündigung des Erstehers in der Zwangsversteigerung, § 573d BGB Rz. 25 f.), – § 111 InsO (Kündigung des Erwerbers aus der Insolvenzmasse, § 542 BGB Rz. 192), – § 109 Abs. 1 InsO (Kündigung des Insolvenzverwalters, § 542 BGB Rz. 187)3.

1 BVerfG v. 15.8.1996 – 2 BvR 1694/94, NJW-RR 1996, 1479; LG Wiesbaden v. 10.3.1998 – 8 S 416/97, WuM 1998, 284. 2 BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 253/85, MDR 1987, 228 = NJW 1987, 948. 3 Vgl. dazu OLG Hamburg v. 29.3.2012 – 8 U 78/11, MDR 2012, 738 = GE 2012, 955 = NZM 2012, 684.

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c) Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 43 Mit der außerordentlichen fristlosen Kündigung können sowohl befristete als auch unbefristete Mietverhältnisse beendet werden. Die Beendigung tritt grundsätzlich im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein. Die fristlose vorzeitige Beendigung findet ihre Rechtfertigung im Verhalten des anderen Vertragspartners oder darin, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertrags unzumutbar ist. 44 Die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses ist ausdrücklich geregelt in §§ 543, 569 BGB. An sich ist die Ausübung des Rechts zur fristlosen Kündigung an keine Frist gebunden. Der Kündigungsberechtigte kann jedoch sein Kündigungsrecht verwirken, wenn er es nach Kenntnis des Kündigungsgrundes nicht in angemessener Zeit ausübt1. 3. Allgemeine Anforderungen an die Kündigung 45 Wie jedes Gestaltungsrecht ist auch die Kündigung bedingungsfeindlich2. Dies dient dem Schutze des Erklärungsempfängers vor Ungewissheit. 46 Bedingte Kündigungen sind dann unbedenklich, wenn der Eintritt der Bedingung allein vom Willen des Empfängers abhängt – Potestativbedingung3 – oder wenn der Gekündigte in die Bedingung eingewilligt hat4. Ebenso kann eine Kündigung unter einer Rechtsbedingung ausgesprochen werden5. Deshalb ist eine Kündigung zulässig, die für den Fall der Wirksamkeit des Mietvertrags oder der Unwirksamkeit eines vorausgegangenen Aufhebungsvertrags ausgesprochen wird; Gleiches gilt für die vorsorgliche Erklärung einer ordentlichen Kündigung für den Fall der Unbegründetheit einer fristlosen Kündigung. Wird eine Kündigung unter der Bedingung ausgesprochen, dass bis zu einem bestimmten Zeitpunkt der Rückstand nicht ausgeglichen ist, wird sie nach § 112 InsO dennoch unwirksam, wenn der Mieter vor Ablauf der Zahlungsfrist den Antrag auf Insolvenzeröffnung stellt6. 47 Vereinbarungsgemäß kann die Kündigung auch von der Zustimmung eines Dritten (z.B. einer Behörde) abhängig gemacht werden (z.B. beim Besetzungsrecht, vgl. Vor § 535 BGB Rz. 42). 48 Die vom Gesetz jeweils vorgesehene Frist, die mit Zugang ausgelöst wird, kann der Erklärende jedenfalls dahin beeinflussen, dass er eine längere als die gesetzliche Frist in der Kündigung bestimmt. Maßgeblich ist, dass das Ende der Mietzeit mindestens bestimmbar ist. Das ist nicht der Fall, wenn außerordentlich fristlos gekündigt wird zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Ersatzobjekt gefunden wird7. 4. Kündigungsbefugnis a) Vertragsparteien 49 Die Kündigungsbefugnis liegt grundsätzlich bei den Mietvertragsparteien. Eine Kündigung muss deshalb in der Regel von allen Vermietern oder Mietern an alle Vermieter oder Mieter ausgesprochen werden. Wer dazu gehört, ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln (vgl. § 535 BGB Rz. 282a und Rz. 293 f.). Eine Ausnahme kann in der Insolvenz des Mieters bestehen. Hier soll das Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters nach § 109 Abs. 1 InsO das Mietverhältnis auch im Verhältnis zwischen Vermieter und nicht insolventem Mitmieter des Schuldners beenden8.

1 BGH v. 15.2.1967 – VIII ZR 222/64, WM 1967, 515; OLG Karlsruhe v. 14.11.1986 – 14 U 149/84, ZMR 1987, 419. 2 Vgl. BGH v. 30.4.1986 – VIII ZR 112/85, MDR 1987, 49 = NJW 1986, 2245 (2246). 3 BGH v. 30.4.1986 – VIII ZR 112/85, MDR 1987, 49 = NJW 1986, 2245; OLG Hamburg v. 21.7.2000 – 4 U 238/99, NZM 2001, 131. 4 RG v. 4.12.1917 – III 251/17, RGZ 91, 307. 5 BGH v. 30.4.1986 – VIII ZR 112/85, MDR 1987, 49 = NJW 1986, 2245. 6 KG v. 10.2.2003 – 8 U 140/02, MietRB 2004, 73 = GE 2003, 740 = KGR Berlin 2004, 105. 7 BGH v. 22.10.2003 – XII ZR 112/02, MDR 2004, 269 = WuM 2004, 271 = ZMR 2004, 172. 8 OLG Hamburg v. 29.3.2012 – 8 U 78/11, MDR 2012, 738 = ZMR 2013, 111.

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Bevor der Erwerber zur Kündigung befugt ist, muss der Erwerb i.S.d § 566 BGB voll- 49a ständig vollzogen sein. Das setzt neben dem Erwerb vom Vermieter in der Regel die Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch voraus. Der Untervermieter verliert seine Kündigungsbefugnis gegenüber dem Untermieter nicht deshalb, weil der Hauptmietvertrag beendet ist1. Ist Vermieter eine Erbengemeinschaft, kann sie als Bruchteilsgemeinschaft ein Miet- 50 verhältnis über ein gemeinschaftliches Grundstück wirksam mit Stimmenmehrheit kündigen, wenn sich die Kündigung als Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung i.S.v. § 745 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt2. Zwar begründet die Kündigung eine Verfügung; indessen kann sie auch als solche eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung sein. Das gilt insbesondere, wenn die Gemeinschaft durch die Kündigung die Möglichkeit erhält, das Grundstück zu den aktuellen Bedingungen zu vermieten. Das Kündigungsrecht kann nicht selbständig abgetreten werden3. Auch bei einer Ab- 51 tretung oder einer Pfändung der Mietzahlungsansprüche bleibt das Recht zur Kündigung beim Vermieter, und zwar auch das Kündigungsrecht wegen Zahlungsverzuges4. b) Stellvertretung aa) Handeln in fremdem Namen Die Kündigung ist kein höchstpersönliches Geschäft der Parteien und kann daher 52 auch von einem Dritten erklärt werden. Ob die Kündigung durch einen Vertreter ausgesprochen wird, muss aus der Kündigung hervorgehen. Dazu muss deutlich werden, dass ein Handeln in fremdem Namen erfolgt. Eine versteckte Stellvertretung ist unzulässig5. Deshalb müssen auch Parteien kraft Amtes (Insolvenz- oder Zwangsverwalter, Testamentsvollstrecker, Vergleichsverwalter, Nachlasspfleger) deutlich machen, dass sie in Ausübung ihres Amtes handeln. Dazu reicht aber aus, dass im Betreff des Schreibens auf das jeweilige Verfahren hingewiesen wird (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB). Solange ein Hausverwalter im Kündigungsschreiben offen legt, dass er im Namen 53 des Vermieters handelt, gelten die allgemeinen Vertretungsregeln. Zweifelhaft wird die Rechtslage, wenn der Hausverwalter ohne Zusatz agiert6. Für den Abschluss eines Vertrages durch einen Hausverwalter wird vertreten, dass ohne ausdrückliche Angabe des Namens des Eigentümers nicht die Annahme gerechtfertigt sei, der Hausverwalter habe als Vertreter des Eigentümers gehandelt7. Andererseits kann es zur Bindung des Eigentümers ausreichen, wenn die Hausverwaltung mit dem Zusatz „bevollmächtigt“ aufgeführt ist8. Richtigerweise ist aber darauf abzustellen, dass der Wille, in fremdem Namen zu handeln, sich auch aus den Umständen ergeben kann (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB). Insoweit ist darauf abzustellen, dass der Hinweis auf die Tätigkeit nach der allgemeinen Verkehrsanschauung deutlich macht, dass der Verwalter nicht im eigenen, sondern in fremdem Namen handeln wollte9. Deshalb ist zu prüfen, ob der Hausverwalter ein typisches Verwaltergeschäft erledigt. Dann ist in der Regel ein Handeln für dessen Auftraggeber anzunehmen, soweit sich aus den Umständen

1 KG v. 1.3.2012 – 8 U 197/10, ZMR 2013, 26. 2 BGH v. 20.10.2010 – XII ZR 25/09, MDR 2010, 1442 = NZM 2011, 73 = GE 2011, 53 = ZMR 2011, 202; BGH v. 11.11.2009 – XII ZR 210/05, MDR 2010, 138 = GE 2010, 57 = NZM 2010, 161. 3 Staudinger/Rolfs, § 542 BGB Rz. 18; offengelassen von BGH v. 10.12.1997 – XII ZR 119/96, MDR 1998, 271 = NJW 1998, 896. 4 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 475. 5 LG Köln v. 18.1.1995 – 10 S 420/94, KM 11 Nr. 2 = WuM 1997, 219; LG München I v. 9.3.1988 – 14 S 20173/87, WuM 1989, 282. 6 Vgl. die Nachweise bei Blank/Börstinghaus, § 542 BGB Rz. 43. 7 KG v. 11.7.1983 – 12 U 506/83, MDR 1983, 1023; KG v. 8.9.1997 – 8 W 6047/97, MDR 1998, 529; OLG Düsseldorf v. 7.1.2003, 24 – U 75/02, MDR 2003, 385 = ZMR 2003, 351. 8 LG Berlin v. 28.8.1987 – 64 S 483/86, MDR 1988, 54. 9 OLG Brandenburg v. 18.9.1996 – 3 U 99/96, ZMR 1997, 598.

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(§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB) nichts anderes ergebe1. Voraussetzung ist demnach lediglich, dass dem Adressaten die Eigenschaft als Hausverwalter offen gelegt wird. Dafür reicht in der Regel ein entsprechend gestalteter Briefkopf aus2. bb) Vollmacht 54 Dem Handelnden muss eine Vollmacht von dem zur Kündigung Befugten erteilt worden sein. Trotz § 568 Abs. 1 BGB ist auch die mündliche Vollmacht wirksam, wenngleich das Handeln aufgrund mündlicher Vollmacht das Risiko des § 174 BGB herbeiführt. 55 Die in einem Formularvertrag erteilte Vollmacht („Die Mieter bevollmächtigen sich wechselseitig im Rahmen des Mietverhältnisses zur Abgabe und Entgegennahme von Willenserklärungen.“) soll zur aktiven Kündigung nicht ausreichen. Denn derartige Klauseln sollen einen Verstoß gegen § 307 BGB begründen3, solange sie nicht ausdrücklich Erklärungen ausnehmen, die auf die Beendigung des Mietverhältnisses gerichtet seien4. Deshalb ist die Klausel, nach der ausdrücklich auch die Kündigung eines Mieters für die übrigen Mieter wirkt, unwirksam5. Allerdings ist die Klausel wirksam, soweit es die Empfangnahme von Erklärungen im Rahmen des fortbestehenden Mietverhältnisses betrifft. Ob es sich ebenso für Kündigungserklärungen verhält, steht offen6. Richtigerweise ist insoweit sowohl für die passive als auch die aktive Vollmacht in einer Formularklausel darauf abzustellen, ob die Klausel klar und deutlich formuliert ist, so dass der Vertragspartner des Verwenders ihre Tragweite erkennen kann. Das ist auch der Fall, wenn Kündigung und Aufhebungsvertrag nicht ausdrücklich erwähnt sind. Insoweit besteht kein Anlass, die Klausel einschränkend auszulegen, was vor dem Hintergrund von § 305c Abs. 2 BGB problematisch ist. Auch die über eine Formularklausel erteilte Vollmacht ist widerruflich. Deshalb liegt in der Reichweite der Klausel keine unangemessene Benachteiligung. 56 Ein solcher Widerruf der Vollmacht ist im Zweifel anzunehmen, wenn die Ehe der Mieter geschieden wird7. Wird in einer Vollmachtklausel nicht darauf hingewiesen, dass die Vollmacht widerruflich ist, soll darin ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vorliegen8. Allerdings hat der BGH für eine Empfangsvollmacht das Fehlen des Hinweises auf die Widerruflichkeit der Vollmacht nicht als ausreichend angesehen, um eine Unwirksamkeit einer entsprechenden Klausel festzustellen9. Dies gilt auch für die Vollmachtklausel, die zur Abgabe einer Willenserklärung befugt. Denn allein aus dem fehlenden Hinweis auf die Widerrufsmöglichkeit ergibt sich nicht dessen Ausschluss. Vielmehr gilt auch hier der Grundsatz, dass alles erlaubt ist, was nicht (ausdrücklich) verboten wurde. cc) § 174 BGB 57 Wird dem Kündigungsschreiben des Vertreters eine Vollmacht nicht beigefügt, kann der Adressat die Erklärung grundsätzlich schon deshalb nach § 174 BGB zurückweisen, wenn der Vollmachtgeber den Kündigungsempfänger nicht anderweitig über die Bevollmächtigung unterrichtet hat (§ 174 S. 2 BGB). Die Vorschrift ist nur anwend1 2 3 4 5

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BGH v. 8.1.2004 – VII ZR 12/03, MDR 2004, 743 = BGHReport 2004, 721 = MietRB 2004, 213. Eupen, MietRB 2004, 298. OLG Hamm v. 24.11.1983 – 4 REMiet 1/83, WuM 1984, 20. KG v. 5.1.2004 – 12 U 122/02, MietRB 2004, 201. OLG Düsseldorf v. 17.10.2006 – 24 U 7/06, ZMR 2006, 2008 (44) = GuT 2007, 293 m.w.N.; OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (112); OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56 (61). BGH v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, MDR 1997, 1111 = WuM 1997, 599. OLG Schleswig v. 22.3.1983 – 6 REMiet 4/82, WuM 1983, 130. OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56 (61); OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (112) (u. Hinweis auf das Transparenzgebot); OLG Nürnberg v. 23.2.1988 – 3 U 2870/87, ZIP 1988, 363 (Ratenkreditvertrag); LG Kiel v. 8.1.1986 – 1 S 78/85, WuM 1986, 371 (Erklärungen nach § 10 WoBindG); LG Hannover v. 5.7.1988, WuM 1988, 259 (Verbandsklage nach § 13 AGBG). BGH v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, MDR 1997, 111 = WuM 1997, 599.

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bar auf rechtsgeschäftliche Vollmachten. Handelt der gesetzliche Vertreter, ist die Vollmachtsvorlage nicht erforderlich. Insoweit muss kein Unterschied hinsichtlich der Art der Bevollmächtigung erfolgen. Es ist unerheblich, ob sich die Befugnis zur Stellvertretung aus einem öffentlichen Register (z.B. Handelsregister) ergibt, eine Partei kraft Amtes (z.B. Insolvenzverwalter, Zwangsverwalter) oder der gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen handelt. § 174 BGB greift ein, wenn die Vollmacht nicht im Original vorgelegt wird1. Das ist 58 nicht nur der Fall, wenn sie lediglich als Abschrift, Kopie oder Telefax dem Kündigungsschreiben beigefügt wird2, sondern auch als beglaubigte Abschrift3. Eine notarielle Urkunde wird im Original durch Beifügung einer Ausfertigung überreicht4. Besteht ein mehrstufiges Vertretungsverhältnis, müssen die Vollmachten im Original vorgelegt werden, die eine geschlossene Kette vom Handelnden (z.B. Rechtsanwalt) über den (Zwischen-)Vertreter (z.B. Hausverwalter) zum eigentlich Kündigungsbefugten (z.B. Vermieter) ergeben5. Wurde die Vollmacht einer Sozietät erteilt, muss keine besondere Vollmacht für den sachbearbeitenden Rechtsanwalt dokumentiert werden, wenn sein Name auf dem Briefbogen der Kanzlei steht. Denn seine Vollmacht ergibt sich aus den Umständen (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB). Andererseits ist § 174 BGB auf die Bevollmächtigung eines BGB-Gesellschafters durch seine Mitgesellschafter anwendbar6. Deshalb genügt es nicht, die Vollmacht des Gesellschafters (mit der er z.B. einen Rechtsanwalt beauftragt) in beglaubigter Abschrift beizufügen7. Die Vollmachtsvorlage ist grundsätzlich auch dann erforderlich, wenn der Handelnde 59 in der Vergangenheit schon einmal mit Vollmacht gegenüber dem Adressaten tätig geworden ist. Dies gilt insbesondere für Rechtsanwälte, weil insoweit davon ausgegangen werden muss, dass jeweils einzelne Mandate erteilt werden8. Ausnahmsweise kann aber auf die bereits überreichte Vollmacht Bezug genommen werden, wenn die Kündigung erneuert werden soll, sich aus der Handlung also ergibt, dass ohne Unterbrechung das gleiche Rechtsschutzziel verfolgt wird. Die Zurückweisung muss aus dem in § 174 BGB angegebenen Grund erfolgen. Erhebt 60 der Adressat „Widerspruch“ oder verwendet er einen anderen Begriff, aus dem sich durch Auslegung ermitteln lässt, dass die Kündigung nicht akzeptiert werden soll, muss zusätzlich ersichtlich sein, dass jedenfalls auch die mangelnde Vollmachtsvorlage reklamiert wird. Die Zurückweisung hat unverzüglich zu erfolgen (= ohne schuldhaftes Zögern, § 121 61 BGB). Schuldhaftes Zögern setzt neben der objektiven Komponente, einem nicht mehr hinnehmbaren Zeitablauf, subjektiv ein schuldhaftes, also vorwerfbares Handeln voraus9. Ein schuldhaftes Zögern kann deshalb nur dann angenommen werden, wenn der Adressat der Kündigung ab Kenntnis der Umstände, die eine Zurückweisung nach § 174 S. 1 BGB rechtfertigen, seinen Widerspruch gegen die Kündigung zeitlich verzögert anbringt. In dieser Einzelfallbetrachtung ist zu berücksichtigen, wenn sich der Adressat bei Zugang der Kündigung in Urlaub befand10. Selbst wenn er mit dem Eingang der Kündigung rechnen musste, ist grundsätzlich allein der Zeit1 Schmidt-Futterer/Blank, § 542 BGB Rz. 49. 2 OLG Hamm v. 26.10.1990 – 20 U 71/90, NJW 1991, 1185; LG Berlin v. 22.12.1995 – 65 S 259/95, NJWE-MietR 1996, 220. 3 BGH v. 10.2.1994 – IX ZR 109/93, MDR 1994, 837 = NJW 1994, 1472; BGH v. 4.2.1981 – VIII ZR 313/79, MDR 1981, 664 = NJW 1981, 1210. 4 Schmidt-Futterer/Blank, § 542 BGB Rz. 49. 5 Blank/Börstinghaus, § 542 BGB Rz. 45. 6 Hierzu ausführlich Kraemer, NZM 2002, 465. 7 OLG Karlsruhe v. 10.12.2002 – 17 U 97/02, NZM 2003, 513 = OLGR Karlsruhe 2003, 201. 8 LG Hamburg v. 24.4.1987 – 11 S 209/86, WuM 1987, 209; LG Mannheim v. 1.2.1987 – 4 S 142/77, WuM 1978, 139. 9 OLG München v. 4.8.1995 – 21 U 5934/94, ZMR 1997, 286 = OLGR München 1997, 110 = NJWRR 1997, 904. 10 OLG München v. 4.8.1995 – 21 U 5934/94, ZMR 1997, 286 = OLGR München 1997, 110 = NJWRR 1997, 904.

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raum zwischen Urlaubsrückkehr und Zurückweisung zu beurteilen, wenn er nach der Rückkehr umgehend tätig wird. Im Übrigen können verbindliche (zeitliche) Höchstgrenzen nicht ermittelt werden. Der Empfänger darf sich zunächst um Rechtsrat bemühen und handelt dann innerhalb von zehn Tagen zwischen Zugang der Kündigung und der Zurückweisung noch unverzüglich1. Dies gilt umso mehr, wenn ein Wochenende dazwischen liegt2. Deshalb können auch zwei Wochen noch ausreichen3. Allerdings sind drei Wochen zu lang4. 62 Nach § 174 S. 2 BGB ist die Zurückweisung z.B. einer Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. Welche Anforderungen insoweit gelten, ist einzelfallabhängig. Wird der Vertreter in eine Stellung berufen, die üblicherweise mit einer entsprechenden Vollmacht ausgestattet ist, steht dies zwar einer Mitteilung der Bevollmächtigung gleich5. Wird dagegen vom Sachbearbeiter, vom Referatsleiter oder dem Sozius des Insolvenzverwalters gekündigt, besteht das Zurückweisungsrecht6. Auch bei einem (einfachen) Sachbearbeiter einer Grundstücksgesellschaft kann grundsätzlich aus der Stellung selbst nicht hergeleitet werden, dass er vom Vermieter in eine Stellung berufen ist, die üblicherweise mit einer Vollmacht zur Kündigung des Mietvertrages ausgestattet ist7. Dies ergibt sich auch nicht aus (vorausgegangenen) Verhandlungen mit dem Mieter über Mieterhöhungen, in deren Zuge ein Angebot zur Beendigung des Mietverhältnisses unterbreitet wurde. Denn es macht einen qualitativen Unterschied, ob Verhandlungen im Rahmen des Betriebsverhältnisses eines Mietvertrages geführt werden oder ob das Grundverhältnis begründet oder beendet werden soll. Nichts Anderes gilt grundsätzlich für die Kündigung durch den Hausverwalter. Allerdings kann von dessen Bevollmächtigung zum Kündigungsausspruch regelmäßig ausgegangen werden, wenn er den Mietvertrag für den Vermieter abgeschlossen hat8. Hier kann jedoch (ausnahmsweise) statt des Originals eine Kopie der Vollmacht genügen9. 63 In Ausnahmesituationen kann die Zurückweisung der Kündigung rechtsmissbräuchlich sein. Dies soll insbesondere gelten, wenn zwischen den Parteien bzw. deren Bevollmächtigten zuvor eine längere Korrespondenz geführt wurde und im Zuge dieser Korrespondenz der Vertreter als vertretungsberechtigt anerkannt wurde10. Diese Auffassung mag im Einzelfall gerechtfertigt sein, weil der handelnde Rechtsanwalt auch schon die Vertretung gegenüber der anderen Partei in vorangegangenen Rechtsstreitigkeiten hatte. Indessen dient § 174 BGB der Rechtssicherheit, so dass auch in solchen Situationen eine Vollmachtsvorlage zu fordern ist. dd) Handeln aufgrund Prozessvollmacht 64 Wird die Kündigung im Prozess durch den Prozessbevollmächtigten erklärt, bedarf es nicht der Beifügung einer Originalvollmacht11. Denn der Auftrag zur Klageerhebung (= Prozessvollmacht i.S.v. § 81 ZPO) beinhaltet die Befugnis, alle materiellrechtlichen Erklärungen abzugeben, die zur Erreichung des Prozesszieles notwendig sind. Auf die Prozessvollmacht ist § 174 BGB nicht anwendbar. 65 Umgekehrt gilt die einem Rechtsanwalt zur Abwehr einer Räumungsklage erteilte Prozessvollmacht regelmäßig als Empfangsvollmacht für eine Kündigungserklä-

1 LG Hamburg v. 20.10.1998 – 316 S 126/98, WuM 1998, 725; LG München II v. 20.6.1995 – 12 S 5539/94, WuM 1995, 478. 2 LG München II v. 14.11.1985 – 8 S 1394/85, WuM 1986, 259. 3 LG Berlin v. 22.12.1995 – 65 S 259/95, NJWE-MietR 1996, 221. 4 LG Berlin v. 24.1.1994 – 61 S 301/94, GE 1994, 1317. 5 Vgl. BAG v. 18.12.1980 – 2 AZR 980/78, NJW 1981, 2374. 6 Vgl. Palandt/Grüneberg, § 174 BGB Rz. 7. 7 KG v. 3.8.2009 – 12 U 96/09, ZMR 2010, 180. 8 A.A. LG Berlin v. 28.8.1986 – 61 S 173/86, WuM 1986, 331 = ZMR 1986, 439. 9 OLG Frankfurt v. 17.3.1995 – 10 U 98/94, NJW-RR 1996, 10 = OLGR Frankfurt 1995, 97. 10 OLG München v. 12.7.1995 – 21 U 4334/95, ZMR 1996, 557 = OLGR München 1996, 198. 11 BGH v. 18.12.2002 – VIII ZR 141/02, WuM 2003, 149.

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rung1, selbst wenn die Kündigung während des Prozesses in einem außergerichtlichen Schreiben erklärt wird. ee) Handeln des Erwerbers Der Erwerber einer vermieteten Immobilie ist vor Eintragung in das Grundbuch nicht 66 zur Kündigung des Mietvertrages im eigenen Namen berechtigt2. Eine solche unwirksame Kündigung kann auch nicht vom Voreigentümer genehmigt werden3. Der Erwerber kann sich nach h.M. die Kündigungsbefugnis vom Veräußerer auch nicht abtreten lassen4. Isoliert abtretbar ist nur der Räumungsanspruch aus § 546 BGB. Der Erwerber kann aber aufgrund einer Ermächtigung (= Befugnis, im eigenen Na- 67 men ein fremdes Recht geltend zu machen) schon vor dem Vermieterwechsel nach § 566 BGB handeln. Anerkannt ist dies sowohl für die Wohn- als auch die Geschäftsraummiete für die Kündigung wegen Zahlungsverzugs5. Zweifelhaft ist ein solches Vorgehen aber bei Kündigungen, die an das Vorliegen von in der Person des Vermieters angelegten Kündigungsgründen (z.B. Eigenbedarf nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gebunden sind. Dieser hat jedoch meist gar kein Beendigungsinteresse (mehr), da er mit Vollzug des Verkaufs aus dem Mietverhältnis ausscheidet. Deshalb wird die Ermächtigung auch bei der Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht zugelassen6. Die Umdeutung einer (unwirksamen) Abtretung des Kündigungsrechts gemäß § 140 68 BGB in eine Ermächtigung (§ 185 BGB) zum Kündigungsausspruch mit der Folge, dass der Ermächtigte im eigenen Namen zum Kündigungsausspruch befugt ist, ist jedenfalls bei der Geschäftsraummiete möglich, weil die Ermächtigung hier generell zulässig ist7. Bei der Wohnraummiete wird die Ermächtigung jedenfalls bei der Kündigung wegen Zahlungsverzuges als zulässig angesehen8. Dies wird bezweifelt, weil der Mieter bestimmte Schutzrechte (§§ 569 Abs. 3, 574 BGB) nur gegenüber dem Vermieter geltend machen kann, insbesondere einen eventuellen Anspruch auf Vertragsfortsetzung9. Diese Bedenken greifen aber nicht durch. Denn mit der Ermächtigung handelt der Erwerber zwar in eigenem Namen. Er macht aber ein fremdes Recht geltend, so dass die Rechte dem Mieter nicht verloren gehen. Der Mieter kann sie vielmehr sowohl gegenüber dem Erwerber als auch dem Vermieter wahrnehmen. Die (ohne Zustimmung des Mieters unwirksame) Regelung in einem Grundstückskaufvertrag, dass der Käufer mit dem Tag des Vertragsschlusses in einen bestehenden Mietvertrag eintritt, kann nicht in eine Ermächtigung zur Kündigung umgedeutet werden10.

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Der Nachweis der Ermächtigung ist gesetzlich nicht geregelt. Naheliegend ist jedoch 70 eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Stellvertretung (§ 174 Satz 1 BGB) bzw. die Abtretung (§ 410 Abs. 1 S. 2 BGB)11. Ebenso kommt § 182 i.V.m. § 111 S. 2 BGB (zustimmungsbedürftiges Rechtsgeschäft) in Betracht. In allen Fällen ist die Vorlage einer vom Berechtigten ausgestellten Urkunde vorgesehen, sofern die Bevollmächtigung, Abtretung oder Zustimmung nicht schon durch den Berechtigten

1 BGH v. 23.2.2000 – XII ZR 77/98, NZM 2000, 382 = NJW-RR 2000, 745. 2 OLG München v. 17.1.1997 – 21 U 5288/93 und 21 U 5618/93, OLGR München 1997, 62; OLG Celle v. 9.6.1999 – 2 U 166/98, ZMR 1999, 618 = NZM 2000, 93. 3 LG Osnabrück v. 18.10.1989 – 1 S 248/89, WuM 1990, 81. 4 LG Berlin v. 1.12.1995 – 64 S 271/95, ZMR 1996, 325; LG Kiel v. 31.1.1991 – 1 S 185/90, WuM 1992, 128; LG Augsburg v. 8.10.1991 – 4 S 1785/91, NJW-RR 1992, 520. 5 BGH v. 10.12.1997 – XII ZR 119/96, WuM 1998, 99 = MDR 1998, 271 = ZMR 1998, 214; KG v. 4.2.2008 – 8 U 167/07, WuM 2008, 153. 6 AG Mitte v. 17.8.2004 – 2 C 126/04, MM 2004, 375. 7 BGH v. 10.12.1997 – XII ZR 119/96, WuM 1998, 99 = MDR 1998, 271 = ZMR 1998, 214. 8 KG v. 4.2.2008 – 8 U 167/07, WuM 2008, 153. 9 Deshalb gehen von der Unzulässigkeit aus: LG München I v. 3.2.1999 – 14 S 18876/98, WuM 1999, 161; AG Berlin-Mitte v. 17.8.2004 – 2 C 126/04, MM 2004, 375. 10 OLG Celle v. 9.6.1999 – 2 U 166/98, ZMR 1999, 618 = NZM 2000, 93. 11 Beuermann, GE 1999, 84.

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erklärt wurde. Praktisch bedeutet dies, dass dem Kündigungsschreiben das Original einer Ermächtigungsurkunde beigefügt werden sollte. 71 Wird die Kündigung namens des Ermächtigten von einem Bevollmächtigten ausgesprochen, ist zusätzlich Vollmachtsvorlage erforderlich, um das Risiko des § 174 BGB zu vermeiden. Außerdem muss klar erkennbar sein, dass der Bevollmächtigte im Namen des Ermächtigten (und nicht etwa des Ermächtigenden) handelt1. 5. Kündigungsadressat 72 Kündigungsadressat ist stets der andere Vertragspartner. Wer dazu gehört, ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln (s. § 535 BGB Rz. 282a und Rz. 293 f.). Muss die Kündigung danach mehreren natürlichen oder juristischen Personen zugehen, kommt es für die Wirksamkeit darauf an, dass die Erklärung allen in einem zeitlichen Zusammenhang zugeht (zum Zugang vgl. § 542 BGB Rz. 78 f.). 73 Soweit Personenmehrheiten auf der Vermieter- oder Mieterseite eine Einheit bilden, kann auch die Kündigung nur einheitlich von und gegenüber allen beteiligten Personen abgegeben werden2. Denn über die Frage der Beendigung des Mietvertrages müssen alle Vertragspartner auf der Aktivseite der Kündigung entscheiden und alle Personen, die die Passivseite bilden, Bescheid wissen, um ggf. Gegenrechte (z.B. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) ausüben zu können. Wer Vertragspartei ist/war, muss im Zweifel anhand des Mietvertrages (einschließlich seiner Nachträge – und seien sie nur mündlich geschlossen worden) ermittelt werden3. Im Einzelfall kann aber die Berufung des gekündigten Mitmieters darauf, dem anderen Mitmieter sei nicht gekündigt worden, treuwidrig sein4. 74 Bei einer (rechtsfähigen) Außen-GbR als Partei des Mietvertrags ist die Kündigung durch den bzw. gegenüber dem vertretungsberechtigten Gesellschafter zu erklären5. Im Falle der Gesamtvertretung muss die Erklärung durch sämtliche Gesamtvertretungsberechtigte (§§ 709, 714 BGB) erfolgen, Abgabe gegenüber einem Gesamtvertreter genügt jedoch6. Selbstverständlich können sich die Vertragspartner gegenseitig zur Abgabe der Kündigungserklärung und/oder zu deren Empfang bevollmächtigen. Gegenseitige Bevollmächtigung zum Empfang der Kündigungserklärung kann auch auf dem Gebiet der Wohnraummiete formularmäßig festgelegt werden. Die Bevollmächtigung kann, ohne dass ein entsprechender Hinweis in die Formularklausel aufgenommen werden muss, aus wichtigem Grund widerrufen werden, wobei der Auszug des Mitmieters aus dem Mietobjekt einen wichtigen Grund darstellt7. 6. Form und Begründung der Kündigung 75 Generell bedarf die Kündigung keiner Form und kann daher sowohl mündlich wie konkludent8 erklärt werden. Für die Wohnraummiete schreibt aber § 568 BGB die Schriftform des § 126 BGB vor. Deshalb müssen in der Wohnraummiete die Grundsätze beachten werden, die im Rahmen des § 550 BGB für zusammengesetzte Urkunden entwickelt wurden, wenn das Kündigungsschreiben aus mehreren Blättern besteht oder sogar auf Anlagen Bezug genommen wird. 76 Entgegen dem Wortlaut des § 568 Abs. 2 BGB ist die Begründung bei der Wohnraummiete nach den §§ 573 Abs. 3, 569 Abs. 4 BGB zwingend, also Wirksamkeitsvoraussetzung. Deshalb muss der Vermieter mit Ausnahme der Kündigung nach § 564 BGB 1 Vgl. dazu LG Berlin v. 23.2.1999 – 65 S 322/98, GE 1999, 777. 2 BGH v. 28.6.2000 – VIII ZR 240/99, MDR 2000, 1235 = NJW 2000, 3133; BGH v. 27.11.1985 – VIII ZR 316/84, MDR 1986, 401 = NJW 1986, 918; BGH v. 1.12.1971 – VIII ZR 88/70, MDR 1972, 318 = NJW 1972, 249. 3 BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 146/10, MDR 2011, 841 = GE 2011, 882. 4 BGH v. 16.3.2005 – VIII ZR 14/04, MDR 2005, 858 = NZM 2005, 452. 5 Vgl. dazu BGH v. 23.11.2011 – XII ZR 210/09, ZMR 2012, 261; BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = NJW 2001, 1056; Kraemer, NZM 2002, 465 (471). 6 BGH v. 23.11.2011 – XII ZR 210/09, ZMR 2012, 261; BGH v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, NJW 1997, 3437 (3439). 7 Zum Ganzen: BGH v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, NJW 1997, 3437. 8 BGH v. 10.10.2001 – XII ZR 93/99, NZM 2001, 1077.

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(vgl. § 573d Abs. 1 BGB) jede Kündigung begründen. Insoweit gelten für ordentliche und außerordentliche Kündigungen keine unterschiedlichen Anforderungen. Der Zweck der Begründungsvorschriften besteht darin, dem Mieter zum frühest- 77 möglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen1. Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Personen, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Personen an der Erlangung der Wohnung haben, ausreichend2. 7. Zugang der Kündigung Da die Kündigung nach § 568 BGB schriftlich erfolgen muss, ist ein Zugang durch 78 mündliche Erklärung nicht möglich. Deshalb ist eine körperliche Zustellung erforderlich, § 130 Abs. 1 BGB. In diesem Sinne ist die Kündigung zugegangen, sobald sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne von ihr Kenntnis erlangen3. Das ist regelmäßig der Fall, wenn der Brief mit der Kündigung in den Briefkasten des Adressaten eingeworfen wird. Erfolgt dies zu einer Zeit, zu der damit gerechnet werden kann, dass der Empfänger den Briefkasten noch am selben Tag leert, gilt der Zugang am Tag der Zustellung als bewirkt – ansonsten einen Tag später. Es ist umstritten, ob ein Brief, der im privaten Verkehr vor 18:00 Uhr in den Briefkas- 79 ten eingeworfen wird, in jedem Fall am gleichen Tag zugegangen ist, weil die Post AG und andere Dienstleister zwischenzeitlich Briefe nicht nur vormittags zustellen4. Im Hinblick auf die geänderten Lebensgewohnheiten ist ein Zugang noch am selben Tag zu bejahen. Immer mehr Menschen sind berufstätig und kommen daher erst abends nach Hause. Deshalb kann mittlerweile angenommen werden, dass Briefkästen abends geleert werden. Im geschäftlichen Verkehr muss der Einwurf während der Geschäftszeiten erfolgen. 80 Der Zugang einer Willenserklärung erfolgt jedenfalls nicht mehr am selben Tag, wenn er nach Geschäftsschluss in den Briefkasten eines Betriebs eingeworfen wird. In diesem Fall kann mit einer Leerung des Briefkastens am selben Tag nicht gerechnet werden. Dies ist auch der Fall, wenn in einem Bürobetrieb Silvester nachmittags nicht gearbeitet wird, so dass kurz vor 16.00 Uhr mit einer Briefkastenleerung am selben Tag nicht mehr zu rechnen ist. Daran ändert sich auch nichts, wenn der gewerbliche Empfänger auf seinen Geschäftsbriefen angibt, an Werktagen außer freitags von 14.00 bis 17.00 Uhr Sprechzeiten abzuhalten. Denn Silvester ist jedenfalls in der Dienstleistungsbranche kein Werktag5. Der Zugang ist auch bewirkt, wenn der Adressat die Kündigung nur gelesen hat. Hat 81 z.B. der Vermieter dem Mieter in seinen Räumen die Kündigungserklärung zur Lektüre vorgehalten, der Mieter sie gelesen und anschließend das Schreiben weisungsgemäß an den Vermieter (ggf. nach schriftlicher Bestätigung der Kenntnisnahme) zurückgegeben, ist der Zugang bewirkt. Die mangelnde Überlassung des Schreibens oder mindestens einer Kopie steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Obwohl die Kündigung zugegangen ist, hat der Mieter einen Anspruch auf Überlas1 Vgl. BT-Drucks. 6/1549, S. 6 f. zu § 564a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. 2 So schon BayObLG v. 14.7.1981 – AllgReg 32/81, MDR 1981, 1020 = NJW 1981, 2197 (2199 f.); BGH v. 27.6.2007 – VIII ZR 271/06, MDR 2007, 1301 = NZM 2007, 679 (Rz. 23). 3 BGH v. 21.1.2004 – XII ZR 214/00, MDR 2004, 560 = NZM 2004, 258; BGH v. 26.11.1997 – VIII ZR 22/97, MDR 1998, 337 = NJW 1998, 976. 4 Vgl. zu den unterschiedlichen Meinungen Palandt/Grüneberg, § 130 BGB Rz. 6; Reichold, Juris PK-BGB, § 130 BGB Rz. 12.1; offen gelassen BGH v. 5.12.2007 – XII ZR 148/05, MDR 2008, 439 = GuT 2008, 28 = ZMR 2008, 275 = NZM 2008, 167. 5 BGH v. 5.12.2007 – XII ZR 148/05, MDR 2008, 439 = GuT 2008, 28 = ZMR 2008, 275 = NZM 2008, 167.

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sung des Schreibens und kann im Rahmen des Schadensersatzes verlangen, so gestellt zu werden, wie er bei sofortiger (schriftlicher) Überlassung der Kündigung gestanden hätte. 82 Geht dem Mieter fristgerecht nur der von dem Postzusteller gefertigte Benachrichtigungsschein zu, wird der Empfänger dadurch nur davon unterrichtet, dass für ihn eine Einschreibesendung bei der Post zur Abholung bereitliegt. Er enthält aber keinen Hinweis auf den Absender des Einschreibebriefes und lässt den Empfänger im Ungewissen darüber, welche Angelegenheit die Einschreibesendung zum Gegenstand hat. Der Zugang des Benachrichtigungsscheines ersetzt daher nicht den Zugang des Einschreibebriefes. 83 Die Niederlegung des Kündigungsschreibens bei der Post im Auftrag des Absenders reicht nicht aus, es sei denn, der Adressat holt das Kündigungsschreiben bei der Post ab. Dieser Fall kann eintreten, wenn in der Räumungsklage gekündigt wird und die Klage nach § 181 ZPO zugestellt wird. Der Adressat kann sich jedoch dann nicht auf mangelnden Zugang berufen, wenn er den Zugang bewusst verzögert oder vereitelt, obwohl er nach Sachlage mit rechtsgeschäftlichen Mitteilungen des Absenders rechnen musste1. Der Verzicht auf den Zugang kann nicht allein daraus geschlossen werden, dass der Mieter seine Geschäftstätigkeit eingestellt hat2. 84 Wann sich der Adressat einer Kündigung gemäß § 242 BGB so behandeln lassen muss, als ob ihm die Kündigungserklärung rechtzeitig zugegangen wäre, ist einzelfallabhängig3. Der Empfänger einer Benachrichtigung über die Niederlegung einer Zustellung ist nicht ohne weiteres gehalten, das für ihn niedergelegte Schriftstück abzuholen4. Andererseits kann der Erklärende nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aus seiner nicht zugegangenen Willenserklärung ihm günstige Rechtsfolgen nur ableiten, wenn er alles Erforderliche und ihm Zumutbare getan hat, damit seine Erklärung den Adressaten erreichen konnte5. Dazu gehört in der Regel, dass er nach Kenntnis von dem nicht erfolgten Zugang unverzüglich einen erneuten Versuch unternimmt, seine Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers zu bringen, dass diesem ohne weiteres eine Kenntnisnahme ihres Inhalts möglich ist6. Ein wiederholter Zustellungsversuch ist nur dann entbehrlich, wenn der Empfänger die Annahme einer an ihn gerichteten Mitteilung grundlos verweigert, obwohl er mit dem Eingang rechtserheblicher Mitteilungen seines Vertrags- oder Verhandlungspartners rechnen muss, oder wenn der Adressat den Zugang der Erklärung arglistig verweigert. Diese Voraussetzungen lassen sich nicht allein aus dem Umstand herleiten, dass ein Dauerschuldverhältnis besteht. Deshalb muss eine Partei noch nicht mit dem Eingang einer rechtserheblichen Mitteilung rechnen7. 85 Der Zugang einer Kündigung bei der Empfangsvertreterin eines von zwei Mitgliedern einer Miteigentümergemeinschaft genügt zu ihrer Wirksamkeit nicht8. 86 Ist der Adressat unbekannten Aufenthalts, kann die öffentliche Zustellung bewirkt werden, § 132 BGB. Dazu muss der Kündigende alle der Sache nach geeigneten und zumutbaren Nachforschungen angestellt haben, um den Aufenthalt des Zustelladressaten zu ermitteln, und seine ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht darlegen9. Allein die ergebnislose Anfrage beim Einwohnermeldeamt und dem Zustellungspostamt des letzten Wohnsitzes des Adressaten genügen dafür in der Regel nicht.

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BGH v. 21.1.2004 – XII ZR 214/00, MDR 2004, 560 = NZM 2004, 258. KG v. 12.4.2010 – 8 U 175/09, MDR 2010, 1044 = GuT 2010, 224. KG v. 10.6.2010 – 8 U 11/10, ZMR 2010, 954. BGH v. 3.11.1976 – VIII ZR 140/75, MDR 1977, 388 = NJW 1977, 194. BGH v. 26.11.1977 – VIII ZR 22/97, MDR 1998, 337 = NJW 1998, 976. BGH v. 26.11.1977 – VIII ZR 22/97, MDR 1998, 337 = NJW 1998, 976. KG v. 10.6.2010 – 8 U 11/10, ZMR 2010, 954. OLG München v. 4.8.1995 – 21 U 5934/94, ZMR 1997, 286 = OLGR München 1997, 110 = NJWRR 1997, 904. 9 BGH v. 4.7.2012 – XII ZR 94/10, HKA 2012, 22.

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8. Kündigungsfristen Die relevanten Kündigungsfristen sind für Wohnraum in § 573c BGB (ordentliche Kündigung) und in § 573d Abs. 2 BGB (außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist) geregelt. Im Übrigen ergeben sich die Kündigungsfristen aus § 580a BGB.

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Die Angabe der Kündigungsfrist ist kein konstitutives Element der Kündigung. Wird 88 die Kündigung ohne Frist erklärt, gilt sie regelmäßig zum nächstzulässigen Termin, sofern ihre Auslegung nicht eine fristlose Kündigung ergibt. Enthält die Kündigung des Mieters keine Frist und bestätigt der Vermieter oder dessen Hausverwalter (§ 278 BGB) die Kündigung zu einem zu späten Termin, soll daraus eine Schadensersatzpflicht des Vermieters erwachsen1. Eine Kündigung mit unrichtiger Frist kann in der Regel in eine Kündigung für den nächstzulässigen Termin nach § 140 BGB umgedeutet werden2. Die Kündigung schon vor Vertragsbeginn ist zulässig3. Ob die Frist der ordentlichen 89 oder befristeten außerordentlichen Kündigung mit dem Zugang dieser Kündigung zu laufen beginnt oder erst mit dem vorgesehenen Vertragsbeginn, hängt in erster Linie von den zwischen den Vertragsteilen getroffenen Vereinbarungen ab. Falls die Parteien eine Abrede hierüber nicht getroffen haben und eine solche auch nicht im Wege der (ergänzenden) Auslegung des Vertrages anzunehmen ist, beginnt die Frist mit dem Zugang der Kündigungserklärung4. Denn soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, können die Vertragsteile vereinbaren, von welchem Zeitpunkt an eine vereinbarte oder gesetzliche Kündigungsfrist zu laufen beginnt. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Der Umstand, dass der Vertrag eine ausdrückliche Regelung dieser Frage nicht enthält, steht der Annahme einer entsprechenden Vereinbarung nicht entgegen, falls die Auslegung der Erklärungen der Vertragsteile ergibt, dass diese einen Fristbeginn festlegen wollten. Das ist z.B. anzunehmen, wenn die Kündigungsfrist ausdrücklich mit dem Vertragsbeginn geregelt wird („… beginnt am … und kann mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden“). 9. Teilkündigung Aus dem Grundsatz der Einheit des Mietvertrages folgt, dass er grundsätzlich nicht 90 hinsichtlich einzelner Teile gekündigt werden kann, selbst wenn sie räumlich abtrennbar sind. Denn die Kündigung als solche ist auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses als Ganzes gerichtet5. Eine Ausnahme bildet § 573b BGB für den Spezialfall, dass der Vermieter eine nicht zum Wohnen benötigte Teilfläche zur Schaffung neuen Wohnraums benötigt. Eine weitere Ausnahme kann sich aus § 57a ZVG ergeben, wenn der Ersteher in der Zwangsversteigerung (oder Erwerber nach § 111 InsO) eine Teilfläche eines einheitlich vermieteten Objektes erwirbt6. Im Übrigen können sich Ausnahmen im Hinblick auf mögliche stärkere Sanktionen ergeben. Kann der Vermieter z.B. außerordentlich kündigen, weil der Untermieter den Hausfrieden stört, könnte er auch – als milderes Mittel – aus wichtigem Grund die Erlaubnis zur Untervermietung widerrufen (vgl. § 535 BGB Rz. 783). Der Grundsatz der Unzulässigkeit der Teilkündigung gilt auch bei einem einheitli- 91 chen Mietvertrag (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 74). Werden z.B. Wohnung und Garage einheitlich vermietet, ist es grundsätzlich unzulässig, die Garage gesondert zu kündigen7. Dies gilt generell auch dann, wenn die zusätzliche Anmietung der Garage später

1 LG Berlin v. 15.11.2010 – 67 S 115/10, ZMR 2012, 274. 2 OLG Frankfurt v. 23.1.1990 – 5 U 61/89, NJW-RR 1990, 337. 3 BGH v. 21.2.1979 – VIII ZR 88/78, WuM 1979, 139 = MDR 1979, 574; OLG Düsseldorf v. 12.1.1995 – 10 U 36/94, WuM 1995, 439; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. X 91. 4 BGH v. 21.2.1979 – VIII ZR 88/78, WuM 1979, 139 = MDR 1979, 574. 5 OLG Rostock v. 3.11.2011 – 3 U 36/11, GE 2012, 1229. 6 KG v. 8.11.2010 – 8 U 43/10, NZM 2012, 304. 7 BGH v. 12.11.2011 – VIII ZR 251/10, WuM 2012, 14 = GE 2012, 58; LG Braunschweig v. 10.10.1985 – 7 S 145/85, ZMR 1986, 165.

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erfolgt, sofern ein räumlicher oder zeitlicher Zusammenhang besteht1. Liegen Wohnung und Garage nicht auf demselben Hausgrundstück oder Anwesen, sondern auf verschiedenen Grundstücken, die etwa 150 Meter voneinander entfernt sind, greift die Vermutung aber nicht2. 92 Gegen die Einheit von zwei Verträgen können Indizien sprechen wie etwa – ein großer zeitlicher Unterschied zwischen der Begründung beider Verträge3, – unterschiedliche Vertragsparteien4, – unterschiedliche Vertragsdauer oder Kündigungsfristen5, – getrennte Zahlung der Miete oder – getrennte Abrechnung der Betriebskosten. 93 Dennoch kann bei Eigenbedarf i.S.v. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB eine weitere Ausnahme vom Grundsatz des Verbots der Teilkündigung gegeben sein. Dies soll z.B. anzunehmen sein, wenn im Einzelfall durch die den Belangen des Kündigenden entsprechende Teilkündigung die Interessen des Mieters nicht oder jedenfalls nicht unzumutbar beeinträchtigt werden6, was allgemein auf Kritik stößt7. Denn dabei werden die Grundsätze verkannt, die im Rahmen des durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG geprägten § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB gelten (s. § 573 BGB Rz. 221). 94 Bei der Wohnraummiete kann grundsätzlich nur durch individuelle Parteivereinbarung die Zulässigkeit einer Teilkündigung vereinbart werden. Formularmäßig sind derartige Bestimmungen nach § 307 BGB unwirksam. 10. Widerruf der Kündigung 95 Ein Widerruf der Kündigung ist nach deren Zugang nicht mehr möglich, § 130 Abs. 1 S. 2 BGB. Vor Ablauf der Kündigungsfrist können allerdings die Parteien die Kündigung und damit ihre Wirkung dergestalt einvernehmlich aufheben, dass der alte – noch bestehende – Vertrag unverändert in Kraft bleibt8. Nach Ablauf der Kündigungsfrist ist eine solche Vereinbarung grundsätzlich als Abschluss eines neuen Mietvertrages zu verstehen, so dass auch die Schriftform des § 550 BGB zu beachten ist. 11. Wiederholte Kündigung 96 Ob der Vermieter, der im Prozess unterlegen ist, erneut kündigen kann, richtet sich nach dem Streitgegenstand des Vorprozesses. Weist das Gericht die Klage als zzt. unbegründet ab, kann der Vermieter ggf. unter Behebung des Mangels erneut (aus dem gleichen Grund) kündigen und Räumungsklage erheben9. Im Übrigen hindert die Rechtskraft eines klageabweisenden Urteils eine neue Klage nicht, wenn die Klage im Vorprozess nicht als (schlechthin) unbegründet, sondern nur als derzeit unbegründet abgewiesen worden ist, wobei es unschädlich ist, wenn dies im Tenor der Entscheidung nicht zum Ausdruck kommt10.

1 BayObLG v. 12.12.1990 – REMiet 2/90, ZMR 1991, 174 = BayObLGZ 1990, 329 (333); OLG Karlsruhe v. 30.3.1983 – 3 REMiet 1/83, NJW 1983, 1499. 2 BGH v. 12.11.2011 – VIII ZR 251/10, WuM 2012, 14 = GE 2012, 58. 3 18 Jahre: BayObLG v. 12.12.1990 – REMiet 2/90, WuM 1991, 78. 4 AG Mannheim v. 21.6.1992 – 14 C 92/92, DWW 1992, 370; AG Wuppertal v. 26.3.1992 – 97 C 8/92, WuM 1992, 611; AG Dorsten v. 29.6.1990 – 8 C 444/90, WuM 1991, 35; AG Köln v. 11.9.1992 – 221 C 172/92, WuM 1993, 611. 5 OLG Frankfurt v. 23.1.1990 – 5 U 61/89, NJW-RR 1990, 337; a.A. LG Göttingen v. 23.1.1991 – 5 S 109/90, WuM 1991, 266; LG Osnabrück v. 18.10.1989 – 1 S 248/89, WuM 1990, 81. 6 OLG Karlsruhe v. 3.3.1997 – 3 REMiet 1/97, MDR 1997, 449 = WuM 1997, 202 = ZMR 1997, 283. 7 Lammel, § 542 BGB Rz. 51; Schmidt-Futterer/Blank, § 542 BGB Rz. 87 m.w.N. 8 BGH v. 24.6.1998 – XII ZR 195/96, MDR 1998, 1216 = NJW 1998, 2664. 9 BVerfG v. 30.9.2003 – 1 BvR 2388/02, ZMR 2004, 94. 10 BGH v. 21.1.2009 – VIII ZR 62/08, MDR 2009, 498 = WuM 2009, 180; BVerfG v. 30.9.2003 – 1 BvR 2388/02, NJW 2003, 3759 (unter II 1b); a.A. LG Hamburg v. 31.3.1978 – 11 S 27/78, MDR 1978, 847, vgl. auch Schopp, MDR 1979, 57 f.; Stadie, MDR 1978, 798 ff.

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Für Kündigungen im Arbeitsrecht entspricht es ständiger Rechtsprechung des BAG, 97 dass ein Arbeitgeber eine erneute Kündigung nicht erfolgreich auf Kündigungsgründe stützen kann, die er schon zur Begründung einer vorherigen Kündigung erfolglos vorgebracht hat1. Diese mit prozessualen Besonderheiten des Kündigungsschutzprozesses begründete Rechtsprechung ist jedenfalls dann nicht auf das Mietrecht anwendbar, wenn es bei der erneuten Kündigung (erneut) um die Frage geht, ob ihr deshalb der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) entgegensteht, weil der Vermieter den Mieter bei Abschluss des unbefristeten Mietvertrages nicht darauf hingewiesen hat, dass er die Wohnung alsbald für seine erwachsene Tochter benötigen könnte2. Allerdings soll Rechtsmissbrauch eintreten können, wenn die Kündigung ausschließ- 98 lich auf solche Gründe gestützt wird, die bereits Gegenstand des Vorprozesses waren3. Dem kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, dass schon die Vielzahl der möglichen formellen und materiellen Abweisungsgründe eine generalisierte Betrachtung verbietet, ist die Kündigung stets nach den Umständen zu prüfen, die sie rechtfertigen sollen. Liegt aber der Tatbestand vor, können aus der Tatsache, dass der Vermieter (ggf. irrtümlich) etwa zu früh gekündigt hatte (z.B. Vorratskündigung, vgl. § 573 BGB Rz. 232), eine Alternativwohnung nicht angegeben hatte oder die Pflichtverletzungen bis dahin nicht als ausreichend erheblich angesehen werden konnten, keine Wirkungen mehr hergeleitet werden. 12. Rechtsmissbräuchliches Verhalten im Zusammenhang mit der Kündigung Rechtsmissbräuchlich kann eine Kündigung insbesondere unter den Fallgruppen des 99 venire contra factum proprium4 oder des Ausnutzens einer formalen Rechtsposition5 sein. Ist dem Vermieter vertraglich ein jederzeitiges ordentliches Kündigungsrecht eingeräumt, ist dessen Ausübung ohne weitergehende Anhaltspunkte selbst dann nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er mit der Kündigung zugleich bezweckt haben sollte, einem (berechtigten) Mängelbeseitigungsverlangen seines Mieters nicht mehr nachkommen zu müssen6. Im Übrigen kommt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten in Betracht, wenn der Mieter wegen fehlender Gebrauchsmöglichkeit der Mietsache nach § 542 Abs. 2 Nr. 1 BGB kündigt, obwohl er ungeachtet des Kündigungsgrundes von der Mietsache keinen Gebrauch machen wollte7. Daneben kommt insbesondere ein widersprüchliches Verhalten in Betracht, wenn 100 die Parteien jahrelang in Kenntnis bestimmter Umstände das Mietverhältnis abgewickelt haben und gegenüber der Kündigung plötzlich auf die Einhaltung des durch den Mietvertrag dokumentierten Zustandes bestehen. Das ist z.B. der Fall, wenn der Mietvertrag von mehreren Mietern als Partner einer Lebens- oder Wohngemeinschaft abgeschlossen wurde und einer der Mieter auszieht. In dieser Situation verstößt der Mieter gegen Treu und Glauben (venire contra factum proprium), wenn er einerseits das Mietverhältnis nicht gemeinsam mit dem ausziehenden Mieter kündigt, sondern die Wohnung weiter nutzt, und andererseits seine Zustimmung zur Entlassung des Mitmieters verweigert, ohne dass dies durch schutzwürdige Interessen gerechtfertigt wäre. Der in dieser Weise widersprüchlich handelnde Mieter muss sich gegenüber seinen Vertragspartnern so behandeln lassen, als habe er seine Zustimmung zur Entlassung des Mitmieters und zur Fortsetzung des Mietverhältnisses mit ihm allein erteilt8.

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BAG v. 26.8.1993 – 2 AZR 159/93, BAGE 74, 143, 149 ff. = MDR 1994, 595. BGH v. 21.1.2009 – VIII ZR 62/08, MDR 2009, 498 = WuM 2009, 180. Blank/Börstinghaus, § 542 BGB Rz. 90. Zu den Anforderungen: Erman/Hohloch, § 242 BGB Rz. 106 f. Zu den Anforderungen: Erman/Hohloch, § 242 BGB Rz. 108 f. OLG Düsseldorf v. 16.8.2010 – 10 W 114/10, GE 2010, 1337. OLG Hamm v. 13.12.2010 – 7 W 33/10, MDR 2011, 535 = NZM 2011, 277. BGH v. 16.3.2005 – VIII ZR 14/04, MDR 2005, 858 = WuM 2005, 341 = ZMR 2005, 522 = NZM 2005, 452.

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101 Dagegen handelt eine Genossenschaft nicht widersprüchlich, wenn sie die „Rücknahme“ der Kündigung des Mieters verweigert, gleichzeitig aber auf dem Fortbestand der Mitgliedschaft des Ex-Mieters besteht1. Letzteres kommt dadurch in Betracht, dass die Genossenschaft das Geschäftsguthaben nicht vor Ablauf der dafür in der Satzung vorgesehenen Kündigungsfrist (in der Regel zwei Jahre) frei gibt. 13. Pflicht zum Ausspruch der Kündigung 102 Eine Pflicht zum Ausspruch der fristlosen Kündigung besteht grundsätzlich nicht. 103 Ausnahmsweise kann jedoch die Fürsorgepflicht des Vermieters gegenüber anderen Mietern gebieten, z.B. zur Wiederherstellung des Hausfriedens von seinem Recht Gebrauch zu machen2. Voraussetzung ist aber in der Regel eine Abmahnung gegenüber dem störenden Mieter3. Ohne eine solche Erklärung i.S.v. § 543 Abs. 3 BGB fehlen in der Regel die Anspruchsvoraussetzungen des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB für die gestörten Mieter. 14. Schadensersatzanspruch des Mieters a) Wegen unberechtigter Kündigung des Vermieters 104 Neben der Möglichkeit, den Mietvertrag fristlos zu kündigen (vgl. § 543 BGB Rz. 153), kann der Mieter bei einer unberechtigten Kündigung Schadensersatzsprüche geltend machen. Voraussetzung ist, dass der Vermieter schuldhaft eine (materiell) unberechtigte Kündigung ausspricht und dem Mieter dadurch die weitere Nutzung des Mietobjekts vorwerfbar streitig macht4. Denn durch die unbegründete Kündigung verletzt der Vermieter seine vertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf und seine Fürsorgepflicht (vgl. § 535 BGB Rz. 500) für den Vertragspartner. Eine solche Pflichtverletzung kommt insbesondere in Betracht bei einer – Eigenbedarfskündigung ohne tatsächlichen Selbstnutzungswunsch5, – auf falsche Sachdarstellung gestützten Kündigung6, – auf Zahlungsrückstände gestützten Kündigung7, – auf eine unwirksame AGB-Klausel gestützten Kündigung8. 105 Diese Grundsätze, die sich aus der Frage herleiten, ob sich der Vermieter zu Unrecht auf einen nicht bestehenden (materiellen) Kündigungsgrund berufen hat, sollen sich nicht auf die Situation übertragen lassen, in der die Nichteinhaltung der formellen Kündigungsvoraussetzungen (z.B. die fehlende Angabe der Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der ordentlichen Kündigung, § 573 Abs. 3 BGB) reklamiert wird9. Insoweit soll keine vertragliche Nebenpflicht des Vermieters bestehen, eine aus formellen Gründen unwirksame Kündigung zu unterlassen. Der Zweck der Begründungspflicht liege darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt über seine Position Klarheit zu verschaffen und ihn in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen10. Nach der gesetzlichen Regelung sei die Begründung der ordentlichen Kündigung des Vermieters von Wohnraum Wirksamkeitsvoraussetzung, eine Kündigung ohne Angabe konkreter Gründe mithin von vornherein unwirksam11. Dem Interesse des Mieters, die Kündigungsgründe frühzeitig zu erfahren und die Wahrnehmung seiner Rechte darauf ein1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

AG Hamburg-Wandsbek v. 19.6.2012 – 716b C 75/12, ZMR 2012, 785. Ähnlich Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XII 5. LG Berlin v. 27.8.2010 – 65 S 89/10, GE 2011, 616. BGH v. 6.2.1974 – VIII ZR 239/72, MDR 1974, 838. BGH v. 18.5.2005 – VIII ZR 368/03, MDR 2005, 1218 = NJW 2005, 2395 (unter II 1). BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 297, 302 = MDR 1984, 571. BGH v. 15.3.2000 – XII ZR 81/97, MDR 2000, 875 = WuM 2000, 598 = ZMR 2000, 590. BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718 (unter 2a). BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 9/10, MDR 2011, 150 = WuM 2011, 33. Vgl. BT-Drucks. 6/1549, S. 6 f. zu § 564a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. Blank/Börstinghaus, § 573 BGB Rz. 173; vgl. auch BGH v. 22.6.2005 – VIII ZR 326/04, WuM 2005, 584 (unter II 2), betreffend § 569 Abs. 4 BGB.

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zustellen, werde somit bereits durch die Rechtsfolge der Unwirksamkeit einer nicht mit Gründen versehenen Kündigung umfassend Rechnung getragen. Diese Auffassung ist zweifelhaft. Für den juristisch nicht vorgebildeten Kündigungsempfänger ist es nicht erkennbar, ob die Kündigung formell wirksam ist. Faktisch macht der Vermieter dem Mieter daher den Besetz streitig und erschüttert die Vertrauensgrundlage, zumal der Mieter nicht erkennen kann, ob materiell ein Kündigungsrecht besteht. Deshalb macht sich der Vermieter auch schadensersatzpflichtig, wenn der Eigenbedarf zwar entgegen § 573 Abs. 3 S. 1 BGB nicht im Kündigungsschreiben als berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses angegeben und die Kündigung deshalb unwirksam ist, der Vermieter dem Mieter den Eigenbedarf aber schlüssig dargetan und der Mieter keine Veranlassung hatte, die Angaben des Vermieters in Zweifel zu ziehen1. b) Verschulden Für die Annahme eines Verschuldens reicht grundsätzlich jede Fahrlässigkeit des 106 Vermieters. Um ermitteln zu können, ob der Vermieter bei seiner Rechtsausübung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, ist zu berücksichtigen, auf welcher tatsächlichen und/oder rechtlichen Grundlage er seine Rechte geltend macht. In tatsächlicher Hinsicht muss der Vermieter alle Erkenntnisquellen ausschöpfen, 107 die für ihn in zumutbarer Weise erreichbar sind. Danach muss sich der Sachverhalt für ihn ohne Zweifel so darstellen, dass er zur Rechtsausübung berechtigt ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, befindet er sich in einem entschuldigenden Rechtsirrtum, wenn eine für ihn nicht erkennbare erhebliche Tatsache der Kündigung entgegensteht. Dazu muss er auch überprüfen, ob z.B. die Vertragsstörung des Mieters auf eine Ursache zurückzuführen ist, die seinem eigenen Verantwortungsbereich zuzuordnen ist (z.B. Ursachenbeitrag zur Pflichtwidrigkeit des Mieters), der eigene Rechtsstandpunkt mithin plausibel ist2. Mit dieser Plausibilitätskontrolle3 hat es grds. sein Bewenden. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Vermieter z.B. die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen, ohne den Vorwurf schuldhaften Verhaltens befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt4. Dies soll auch bei einer Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB gelten, wenn der Mieter wegen einer (im Nachhinein) begründeten Flächenabweichung gemindert hat5. Insoweit hätte aber mindestens eine eigene Überprüfung der Fläche verlangt werden können. Im Übrigen muss der Vermieter die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrich- 108 terlichen Rechtsprechung sorgfältig prüfen. Entschuldigt ist ein Rechtsirrtum bei unsicherer Rechtslage insoweit grundsätzlich nur dann, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte6. Dazu kann nicht von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass zweifelhafte Rechts- und Tatsachenfragen in Forderungsprozessen auszutragen sind, so dass ein Verschulden erst angenommen werden kann, wenn für den Vermieter durch eine erstinstanzliche Entscheidung die reale Erkenntnismöglichkeit besteht, dass seine tatsächliche und rechtliche Wertung unzutreffend ist7. Dafür bietet weder das Gesetz noch der Gedanke des Mieter- oder Kündigungsschutzes eine Grundlage. Vielmehr wird dadurch das Risiko der eigenen Rechtsausübung 1 2 3 4

BGH v. 8.4.2009 – VIII ZR 231/07, MDR 2009, 794 = WuM 2009, 359 = GE 2009, 710. Vgl. BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, MDR 2008, 373 = NJW 2008, 1147 (1148). Ähnlich Kaiser, NJW 2008, 1709 (1712) (Evidenzkontrolle). BGH v. 16.1.2009 – V ZR 133/08, MDR 2009, 438 = NJW 2009, 1262; BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147 (1148); Haertlein, MDR 2009, 1 (2). 5 LG Köln v. 10.11.2011 – 1 S 243/10, ZMR 2012, 190. 6 BGH v. 12.7.2006 – X ZR 157/05, MDR 2007, 200 = BB 2006, 1819; BGH v. 26.1.1983 – IVb ZR 351/81, MDR 1983, 651 = NJW 1983, 2318; BGH v. 18.4.1974 – KZR 6/73, NJW 1974, 1903. 7 A.A. LG Frankfurt v. 14.11.2003 – 2-11 U 326/02, NZM 2004, 297; AG Hamburg-Altona v. 8.1.2008 – 318c C 67/07, ZMR 2008, 297.

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durch den Mieter ohne rechtfertigenden Grund auf den Vermieter verlagert1. Deshalb muss der Vermieter im Zweifel Rechtsrat einholen, bevor er kündigt, wobei er sich ein Verschulden des Rechtsberaters zurechnen lassen muss2. c) Kausalität 109 Der Kausalzusammenhang zwischen der von dem Vermieter geltend gemachten (vorgetäuschten) Eigennutzungsabsicht und dem Schaden des Mieters wird durch eine einvernehmliche Beendigung des Mietverhältnisses nicht unterbrochen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt mangels ordnungsgemäß begründeter Kündigungserklärungen nicht zur Räumung des Mietobjekts verpflichtet war3. Unerheblich ist schließlich, ob der Mieter bei Abschluss des Aufhebungsvertrags bereits eine neue Wohnung angemietet hat. Steht die Anmietung der neuen Wohnung unter dem Eindruck der scheinbar materiell gerechtfertigten Eigenbedarfskündigung, ist auch insoweit die arglistige Täuschung des Vermieters ursächlich für den hieraus entstehenden Schaden des Mieters4. 110 Dies kann anders zu beurteilen sein, wenn die Mietvertragsparteien die Beendigung des Mietverhältnisses im Wege eines Vergleichs vereinbaren, durch den der Streit über den vom Vermieter behaupteten, vom Mieter in Abrede gestellten Eigenbedarf beigelegt wird5. Mit dem Vergleich soll gerade die Situation bereinigt und dem Streit der Parteien die Grundlage entzogen werden. Damit ist es regelmäßig nicht vereinbar, wenn aus dem (streitigen) Sachverhalt, der Grundlage des Vergleichs war, noch Schadensersatzansprüche hergeleitet werden könnten. d) Schaden aa) Wiedereinräumung des Besitzes 111 Hat der Vermieter eine unwirksame (z.B. Eigenbedarfs-)Kündigung erklärt (z.B. weil der Eigenbedarf nicht bestand), kann der Mieter auf Wiedereinräumung des Besitzes klagen. Anspruchsgrundlage für dieses Begehren kann einmal § 535 Abs. 1 BGB sein, weil der (ursprüngliche) Mietvertrag nicht beendet wurde. Die gleiche Rechtsfolge vermittelt aber auch ein Schadensersatzanspruch (§ 249 BGB = Naturalrestitution). 112 Ist das Objekt in der Zwischenzeit veräußert, stellt sich die Frage, ob dieses Leistungshindernis das Rechtsschutzbedürfnis der Klage des Mieters tangiert. Insoweit wird vertreten, dass der Schuldner – hier der Vermieter – auch unter der Geltung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ohne Beweisaufnahme zur Leistung verurteilt werden kann, wenn die Unmöglichkeit zwischen den Parteien streitig ist, sie aber in jedem Fall von dem Schuldner zu vertreten wäre6. Diese Frage kann offen bleiben, wenn der Mieter keinen Erfüllungsanspruch, sondern einen auf Wiedereinräumung der vertraglichen Rechte gerichteten Schadensersatzanspruch auf Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) geltend macht, an dessen Stelle bei einer etwaig bestehenden Unmöglichkeit der Herstellung ein Anspruch auf Geldentschädigung tritt (§ 251 Abs. 1 BGB)7. Eine – von dem Vermieter darzulegende und zu beweisende8 – Unmöglichkeit der Herstellung führt deshalb dazu, dass der Vermieter den Mieter in Geld zu

1 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MDR 2007, 454 = GE 2007, 46 = WuM 2007, 24. 2 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MDR 2007, 454 = GE 2007, 46 = WuM 2007, 24. 3 Vgl. OLG Karlsruhe v. 7.10.1981 – 3 REMiet 6/81, NJW 1982, 54 (55); BayObLG v. 25.5.1982 – REMiet 2/82, MDR 1982, 939 = NJW 1982, 2003 (2004); MünchKomm/Häublein, § 573 BGB Rz. 108; Schmidt-Futterer/Blank, § 573 BGB Rz. 79. 4 OLG Karlsruhe v. 7.10.1981 – 3 REMiet 6/81, NJW 1982, 54 (56). 5 Vgl. dazu OLG Frankfurt v. 6.9.1994 – 20 REMiet 1/93, MDR 1995, 35 = NJW-RR 1995, 145 (146). 6 Vgl. Schur, NJW 2002, 2518 ff.; Kaiser, MDR 2004, 311 ff.; Kohler, AcP 205 (2005), 93 ff.; jeweils m.w.N. 7 BGH v. 16.12.2009 – VIII ZR 313/08, MDR 2010, 375 = WuM 2010, 165 = GE 2010, 339 = NZM 2010, 273. 8 Vgl. Baumgärtel/Helling, § 251 BGB Rz. 1; MünchKomm/Oetker, § 251 BGB Rz. 72; jeweils m.w.N.

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entschädigen hat1. Er kann aber nicht zur Wiedereinräumung der Besitz- und Mietrechte an der Wohnung verurteilt werden, ohne dass geklärt wird, ob ihm dies noch möglich ist, §§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB. bb) Sonstiger Schaden Neben der Naturalrestitution kommen alle anerkannten wirtschaftlichen Schadens- 113 positionen in Betracht. Speziell auf Seiten des Mieters kommen insoweit in Betracht – die Kosten – der Rechtsberatung2, die nicht ausgeschlossen sind, weil der Mieter auch Beratungshilfe hätte in Anspruch nehmen können3; die Tätigkeit zur Einholung der Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers begründet aber keine notwendige Schadensposition4, – des Räumungsprozesses5, – des Umzugs – für den Transport des Umzugsgutes6, – für die Vergütung an private Hilfspersonen7, – der Beschaffung des Ersatzraumes – der Maklerprovision8, – des Inserats, – zur Finanzierung und Herrichtung einer Eigentumswohnung9, – der neuen Wohnung – für Ummeldung10, – für Telefon-Anschluss-Kosten11, – für die Mietdifferenz12, einschließlich der Kosten für Schönheitsreparaturen, falls sie in der bisherigen Wohnung nicht vom Mieter geschuldet wurden; bei der reinen Miete muss eine Vergleichbarkeit mit der bisherigen Wohnung bestehen oder hergestellt werden können (§ 287 ZPO)13; Schadensersatz ist bis zu dem Zeitpunkt zu leisten, zu dem der Vermieter das Mietverhältnis durch eine berechtigte Kündigung hätte beenden können14, wobei die zukünftige Entwicklung der Miete zu berücksichtigen ist15,

1 Vgl. BGH v. 29.2.1984 – IVa ZR 188/82, MDR 1984, 1008 = NJW 1984, 2570 ff. 2 AG Hamburg-Altona v. 23.8.1984 – 317b C 351/84, WuM 1985, 121; AG Hamburg-Wandsbek v. 9.11.1990 – 715 C 390/90, NJW-RR 1991, 973; AG Waldbröl v. 15.3.1991 – 6 C 1/91, WuM 1993, 121. 3 BGH v. 24.2.2011 – VII ZR 169/10, MDR 2011, 697 = WuM 2011, 376. 4 BGH v. 9.3.2011 – VIII ZR 132/10, MDR 2011, 512 = WuM 2011, 214 = ZMR 2011, 536. 5 LG Karlsruhe v. 25.8.1994 – 5 S 185/94, DWW 1995, 145; LG Berlin v. 24.6.1988 – 64 S 30/88, ZMR 1988, 387; AG Hildesheim v. 14.7.1994 – 19 C 611/93, WuM 1995, 179. 6 LG Hamburg v. 6.11.1992 – 311 S 180/91, WuM 1995, 175; LG Karlsruhe v. 25.8.1995 – 5 S 185/94, DWW 1995, 145; AG Bad Oldesloe v. 26.8.1992 – 2 C 629/91, WuM 1995, 170. 7 LG Stuttgart v. 4.10.1990 – 13 S 148/90, WuM 1991, 41; LG Tübingen v. 7.3.1991 – 1 S 257/90, WuM 1991, 493; AG Betzdorf v. 16.12.1994 – 3 C 817/93, WuM 1995, 172. 8 BGH v. 16.12.2009 – VIII ZR 313/08, MDR 2010, 375 = WuM 2010, 165 = ZMR 2010, 355. 9 LG Karlsruhe v. 12.7.1991 – 9 S 530/90, DWW 1992, 22. 10 LG Karlsruhe v. 25.8.1994 – 5S 185/94, DWW 1995, 145; AG Pforzheim v. 2.3.1994 – 2 C 426/93, DWW 1995, 144. 11 LG Karlsruhe v. 13.7.1990 – 9 S 507/89, WuM 1991, 272. 12 BGH v. 16.12.2009 – VIII ZR 313/08, MDR 2010, 375 = WuM 2010, 165 = ZMR 2010, 355. 13 LG Berlin v. 24.6.1988 – 64 S 30/88, ZMR 1988, 387; LG Düsseldorf v. 10.1.1995 – 24 S 214/94, DWW 1996, 280; LG Wuppertal v. 28.10.1997 – 16 S 80/97, WuM 1997, 681; AG Betzdorf v. 16.12.1994 – 3 C 817/93, WuM 1995, 172. 14 LG Köln v. 27.9.1991 – 10 T 230/91, WuM 1992, 14; vgl. auch Eisenhardt, MDR 1999, 1481; a.A. LG Düsseldorf v. 10.1.1995 – 24 S 214/94, DWW 1996, 280: Begrenzung auf ein Jahr; AG Saarlouis v. 27.10.1993 – 24b C 893/91, WuM 1995, 173: Begrenzung auf drei Jahre; dazu: Staudinger/ Rolfs, § 573 BGB Rz. 237. 15 LG Darmstadt v. 8.10.1993 – 6 T 20/93, WuM 1995, 165.

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– für die Anfangsrenovierung1, – für die Übernahme des Mobiliars des Vormieters/Vermieters2, in dieser Allgemeinheit zweifelhaft, da Mieter einen Gegenwert erhält; – der (vorübergehenden) doppelten Mietzahlung3, – Zinsverluste bei der Kaution4; – der Verlust noch nicht abgewohnter Investitionen durch bauliche Maßnahmen5, insoweit ist allerdings § 284 BGB zu beachten, – der Verlust von nicht mehr verwendbaren Einrichtungsgegenständen6, insoweit ist allerdings § 284 BGB zu beachten, – entgangener Gewinn7, – Schmerzensgeld8, – Detektivkosten9, – entgangener Urlaub, soweit er für Wohnungsbesichtigungen genommen wurde10, – entgangener Gewinn für die Zeit, bis der Vermieter erstmals ordentlich kündigen konnte11. 114 Ist die neue Wohnung günstiger als die bisherige, braucht der Mieter sich diesen Vorteil nicht auf die übrigen Schadenspositionen wie Umzugskosten etc. anrechnen zu lassen12. cc) Mitverschulden 115 Grundsätzlich kommt eine Kürzung des Schadens nach § 254 BGB in Betracht, wenn der Mieter einen Ursachenbeitrag zur Entstehung des Schadens geliefert hat. Ausreichende Anhaltspunkte dafür können sich ergeben, wenn der Mieter – vor der Räumung nicht prüft, ob die Gründe stichhaltig sind, die der Vermieter angegeben hat13, – nicht prüft, ob ein Widerspruch nach § 574 BGB Erfolg verspricht14, – keinen kompetenten Rechtsrat einholt15. 116 Liegt der Kündigung eine arglistige Täuschung des Vermieters zugrunde, kann ein Mitverschulden des Mieters grundsätzlich unberücksichtigt bleiben16. Ob er sich auf

1 LG Düsseldorf, DWW 1996, 280; LG Karlsruhe v. 13.7.1990 – 9 S 507/89, WuM 1991, 272; AG Nürnberg v. 10.1.1991 – 25 C 1000/90, WuM 1995, 180. 2 AG Siegen v. 9.8.1994 – 5 C 108/94, WuM 1995, 167. 3 LG Hamburg v. 6.11.1992 – 311 S 180/91, WuM 1995, 175; LG Köln v. 23.6.1983 – 6 S 52/83, WuM 1984, 197. 4 AG Saarlouis v. 27.10.1993 – 24b C 893/91, WuM 1995, 173. 5 OLG Karlsruhe v. 2.9.1975 – 1 U 61/75, WuM 1976, 99; AG Heidelberg v. 29.3.1973 – 23 C 364/72, WuM 1973, 185. 6 AG Saarlouis v. 27.10.1993 – 24b C 893/91, WuM 1995, 173. 7 BGH v. 27.10.2010 – XII ZR 128/09, WuM 2011, 256 = GuT 2010, 343 = GE 2010, 1741. 8 AG Reinbek v. 20.5.2008 – 5 C 624/96, ZMR 2008, 719; zweifelnd Staudinger/Rolfs, § 573 BGB Rz. 234. 9 Einzelfallabhängig: LG Berlin v. 9.12.1997 – 84 T792/97, WuM 2000, 313; AG Hamburg v. 10.10.1996 – 38 C 110/96, WuM 1997, 220; a.A. stets zu ersetzen, wenn adäquat kausal: SchmidtFutterer/Blank, § 573 BGB Rz. 81. 10 LG Karlsruhe v. 25.8.1994 – 5 S 185/94, DWW 1995, 145; AG Pforzheim v. 2.3.1994 – 2 C 426/93, DWW 1995, 144. 11 BGH v. 17.3.2004 – XII ZR 254/00, GuT 2004, 120. 12 OLG Düsseldorf v. 14.5.1998 – 10 U 123/97, NZM 1998, 916 (keine Vorteilsausgleichung). 13 AG Aschaffenburg v. 14.3.1984 – C 1943/83 (M), WuM 1984, 249; AG Saarlouis v. 27.10.1993 – 24b C 893/91, WuM 1995, 173; a.A. LG Kassel v. 16.10.1986 – 1 S 245/85, WuM 1987, 85. 14 LG Kassel v. 27.8.1987 – 1 S 58/87, WuM 1989, 392; LG Hamburg v. 22.4.1976 – 11 S 193/75, MDR 1976, 844. 15 Vgl. dazu z.B. BGH v. 10.2.2011 – VII ZR 8/10, MDR 2011, 479 = NZM 2011, 320 (Rz. 44). 16 Staudinger/Rolfs, § 573 BGB Rz. 238.

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einen Rechtsstreit einlassen muss, ist eine Frage des Einzelfalles1. Die generelle Ablehnung dieser Verpflichtung2 erscheint jedenfalls zweifelhaft. Soweit z.B. Umstände aus seinem eigenen Wahrnehmungskreis die Kündigung rechtfertigen sollen und der Vermieter seine Kündigung auf die von anderen Mietern mitgeteilten Umstände stützt, ist es dem Mieter zumutbar, seine Rechtsposition im Prozess zu verteidigen. Immerhin muss er bei einer Schadensersatzklage ebenso verfahren und trägt in diesem Verfahren dann auch noch die Beweislast. Demgegenüber muss der Vermieter im Räumungsprozess den Kündigungstatbestand beweisen, also auch die behauptete Pflichtverletzung. Erst recht muss sich der Mieter nicht auf einen Rechtsstreit einlassen. 15. Schadensersatzanspruch des Vermieters Schadensersatzansprüche des Vermieters kommen in Betracht, wenn er den Mietver- 117 trag wegen einer Pflichtwidrigkeit des Mieters kündigt. Dies ist insbesondere bei Zahlungsverzug denkbar, aber auch bei sonstigen Pflichtverletzungen etwa wegen Hausfriedensstörungen, unpünktlicher Mietzahlung oder Beschädigungen der Mietsache. Ebenso wie auf Seiten des Mieters kommt als Anspruchsgrundlage insbesondere 118 § 280 Abs. 1 BGB in Betracht. Das Verschulden muss deshalb nicht besonders festgestellt werden, solange die Pflichtverletzung feststeht. Es liegt am Mieter, entlastende Umstände vorzutragen. Insoweit kommt insbesondere ein Rechtsirrtum aus (falscher) Würdigung der Tatsachen (vgl. § 542 BGB Rz. 107) oder der Rechtslage (vgl. § 542 BGB Rz. 108) in Betracht. Fehlt es für die Kündigung wegen Zahlungsverzuges nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB bereits am verzugsbegründenden Verschulden (vgl. § 543 BGB Rz. 256 ff.), kommt in der Regel auch kein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht. a) Kosten der Kündigung Über § 249 BGB kann der Geschädigte Aufwendungen ersetzt verlangen, die zur Wah- 119 rung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren3. Deshalb bilden die durch die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts entstehenden Kosten grundsätzlich eine Schadensposition. Die Beauftragung ist aber nicht notwendig, wenn eine Vermietungsgesellschaft einen 120 Rechtsanwalt beauftragt, um eine ohne weiteres gerechtfertigte Kündigung wegen unzweifelhaft bestehendem Verzug mit zwei Monatsmieten nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB auszusprechen4. Dies gilt auch für eine im Ausland ansässige Gesellschaft mit inländischem Wohnungsbestand5. Ob die Vermietungsgesellschaft eine eigene Rechtsabteilung unterhält, ist unerheblich. Maßgeblich ist insoweit nur, ob der Vermieter anwaltlicher Hilfe bei der Abfassung des Kündigungsschreibens bedarf. Dies ist für jeden Vermieter im Einzelfall und objektiv zu bestimmen. Bei einem gewerblichen Großvermieter bedarf es grundsätzlich keiner anwaltlichen 121 Hilfe bei der Abfassung eines auf Zahlungsverzug gestützten Kündigungsschreibens, da dieses ohne weiteres durch das kaufmännische Personal eines gewerblichen Großvermieters gefertigt werden kann. Auch die formalen Anforderungen an ein Kündigungsschreiben erfordern kein Tätigwerden eines Rechtsanwalts. Die Kündigung eines Mietverhältnisses bedarf gemäß § 568 Abs. 1 BGB der schriftlichen Form, außerdem ist nach § 569 Abs. 4 BGB der zur Kündigung führende wichtige Grund in dem 1 LG Tübingen v. 10.10.1979 – 1 S 109/79, WuM 1980, 248. 2 So z.B. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 296, 307 = MDR 1984, 571 = NJW 1984, 1028; LG Freiburg v. 2.10.1984 – 9 S 127/84, WuM 1985, 116; LG Mannheim v. 8.11.1995 – 4 S 138/94, WuM 1995, 711; LG Mosbach v. 7.12.1991 – S 91/91, WuM 1992, 192. 3 BGH v. 30.4.1986 – VIII ZR 112/85, MDR 1987, 49 = NJW 1986, 2243 (unter B II 2b); BGH v. 8.11.1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348 (350) = MDR 1995, 150; MünchKomm/Oetker, § 249 BGB Rz. 175. 4 BGH v. 6.10.2010 – VIII ZR 271/09, MDR 2011, 151 = GE 2010, 1741 = NZM 2011, 34. 5 BGH v. 31.1.2012 – VIII ZR 277/11, NZM 2012, 607.

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Kündigungsschreiben anzugeben. Es genügt aber zur Wirksamkeit einer auf Mietzahlungsverzug gestützten Kündigung des Vermieters, dass der Mieter anhand der Begründung des Kündigungsschreibens erkennen kann, von welchem Mietrückstand der Vermieter ausgeht und dass er diesen Rückstand als gesetzlichen Grund für die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs heranzieht. Darüber hinausgehende Angaben sind selbst dann nicht erforderlich, wenn es sich nicht um eine klare und einfache Sachlage handelt1. 122 Dies kann aber anders zu beurteilen sein, wenn der Vermieter zuvor eine Mahnung erklärt hat und der Mieter hierauf nicht reagierte. Stellt sich die Beauftragung des Rechtsanwalts durch den Vermieter als nächste Stufe im Eskalationsszenario dar, sind die Kosten zu ersetzen. Denn in dieser Situation ist der Vermieter berechtigt anzunehmen, dass die Einschaltung des Rechtsanwalts zu einer Verbesserung der Zahlungsmoral des Mieters führen wird2. 122a Ebenso notwendig kann die Beauftragung eines Rechtsanwalts sein, wenn die Sachoder Rechtslage schwierig ist. In Betracht kommen hier Fälle, in denen der Mieter die Miete z.B. beim Amtsgericht hinterlegt und die Voraussetzungen des § 372 BGB zweifelhaft sind3. Überhaupt ist die Geltendmachung von Gegenrechten durch den Mieter in der Regel Anlass genug, um die Kosten einer Kündigung als ersatzfähigen Schaden des Vermieters anzuerkennen. b) Kündigungsfolgeschaden 123 Hat der Vermieter den Mietvertrag wegen einer Pflichtverletzung des Mieters gekündigt (z.B. wegen Zahlungsverzuges, Hausfriedensstörung), kann ihm ein Kündigungsfolgeschaden entstehen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen haftet der Mieter dem Vermieter nicht nur für den Mietausfall, sondern auch für die Kosten für die Suche nach einem neuen Mieter und die erforderliche Herrichtung der Räume, um sie wieder schneller oder zumindest ebenso gut wie bisher vermieten zu können. Eine Haftung des Mieters kommt in Betracht, wenn der Vermieter aus vom Mieter zu vertretenden Gründen – fristlos aus wichtigem Grund kündigt4, – ein befristetes Mietverhältnis vorzeitig durch fristlose Kündigung endet5. aa) Mietausfall 124 Wurde der Mietvertrag infolge einer Pflichtwidrigkeit des Mieters vorzeitig beendet, entsteht ein Schaden des Vermieters durch die entgangenen Mieten. Dieser Schaden ist grundsätzlich auf den Zeitraum beschränkt, bis zu dem der Mieter erstmalig ordentlich hätte kündigen können6. Liegt ein befristeter Mietvertrag vor, kann der Vermieter also grundsätzlich bis zum Ablauf der vorgesehenen Mietzeit die vereinbarte Miete (einschließlich Betriebs- und Heizkosten7) als Schaden geltend machen, wobei der Schaden grundsätzlich nur entsprechend der Fälligkeit der ausgefallenen Mieten (sukzessive) geltend gemacht werden kann8. 125 Eine Verkürzung der Dauer, für die der Schaden anfällt, tritt ein, wenn der Mieter seinerseits den Mietvertrag fristlos kündigen kann9. Insoweit kann sich der Mieter aber nicht darauf berufen, der Vermieter sei infolge einer Weitervermietung (zu einem geringeren Mietpreis) nicht mehr in der Lage, ihm den Besitz einzuräumen10. Allerdings 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BGH v. 12.5.2010 – VIII ZR 96/09, MDR 2010, 979 = NZM 2010, 548 (Rz. 32 ff.). AG Schöneberg v. 21.6.2012 – 106 C 61/12, NZM 2012, 806. Vgl. dazu etwa BGH v. 12.12.2003 – XII ZR 23/00, NZM 2003, 315. BGH v. 30.6.2004 – VIII ZR 379/03, MDR 2004, 1408 = WuM 2004, 542 = ZMR 2004, 802; BGH v. 15.9.1997 – II ZR 94/96, MDR 1998, 95 = ZMR 1998, 20 = NZM 1998, 75. BGH v. 16.2.2005 – XII ZR 162/01, MDR 2005, 618 = ZMR 2005, 433 = NZM 2005, 340. BGH v. 15.9.1997 – II ZR 94/96, MDR 1998, 95 = ZMR 1998, 20 = NZM 1998, 75. KG v. 21.12.2000 – 2 U 1591/00, GE 2001, 624. BGH v. 11.7.1979 – VIII ZR 183/78, MDR 1979, 1016 = WuM 1980, 197 = ZMR 1979, 351. OLG Bamberg v. 28.6.1984 – 1 U 229/83, ZMR 1984, 373. OLG Nürnberg v. 18.6.1999 – 6 U 288/99, MDR 1999, 1131 = NZM 1999, 1099.

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kann er sein Kündigungsrecht verwirken, wenn er sich nicht zeitgerecht darauf beruft1. Leidet der Mietvertrag aber unter einem Schriftformmangel i.S.v. § 550 BGB, umfasst die Ersatzpflicht nur die Mieten bis zum Ablauf des ersten Vertragsjahres bzw. danach bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist2. Im Gegensatz zu dem Mietausfallschaden, der für die Zeit nach Ablauf des Mietvertrages geltend gemacht wird, muss der Vermieter hier nicht vortragen, dass ein Nachfolgemieter zur Verfügung stand3. Die Schadenshöhe wird im Umfang durch die Miete bestimmt, die der Vermieter bei 126 ordnungsgemäßer Abwicklung des Mietvertrages erhalten hätte, § 252 BGB (entgangener Gewinn)4. Sie wird regelmäßig durch ein Insolvenzrisiko nicht beeinflusst. Ein derartiges Risiko kann darin bestehen, dass der Vermieter zur Geringhaltung des Schadens mit einem Dritten einen Folgemietvertrag abschließt und dieser notleidend wird5. Allerdings soll der Vermieter verpflichtet sein, zunächst den Nachmieter in Anspruch zu nehmen und (erfolglos) die Zwangsvollstreckung zu betreiben6. Ist im Mietvertrag allerdings vereinbart, dass der gekündigte Mieter für den Mietausfall (nur) bis zur Weitervermietung haftet, erledigt sich der Schadensersatzanspruch mit der ersten Anschlussvermietung7. Andere Formularklauseln, die den Schaden pauschalieren sind an § 309 Nr. 5 BGB zu messen. Die Anrechnung einer höheren Miete, die der Vermieter nach Ablauf der ursprüng- 127 lichen Mietzeit erzielt, findet nicht statt. Denn eine Vorteilsausgleichung ist von zwei Voraussetzungen abhängig: Zum einen muss zwischen dem schädigenden Ereignis und dem entstandenen Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen8; zum anderen muss die Anrechnung des Vorteils aus der Sicht des Geschädigten zumutbar sein, sie muss dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und darf den Schädiger nicht unbillig entlasten9. Vorteile aus einem von dem Geschädigten abgeschlossenen günstigen Vertrag sind in der Regel nicht anzurechnen, werden ausnahmsweise jedoch dann berücksichtigt, wenn sie nach Art und Entstehung mit dem entstandenen Nachteil in einem unlösbaren inneren Zusammenhang stehen10. Zwischen dem Mietausfall und den (späteren) Mehreinnahmen des Vermieters besteht schon kein adäquater Kausalzusammenhang11. (1) Mitverschulden Ein Mitverschulden des Vermieters führt zu einer Kürzung des Schadens, § 254 BGB. 128 Dazu muss der Vermieter die Maßnahmen unterlassen, die ein ordentlicher und verständiger Geschädigter zur Schadensbegrenzung oder -minderung ergreifen würde. Deshalb muss sich der Vermieter grundsätzlich um eine Weitervermietung bemühen12, um durch die Erzielung einer angemessenen, ggf. auch geringeren Miete den Schaden des Mieters in einem erträglichen Maß zu halten13. Dies bedeutet weder, dass der Vermieter immer nur zum bisherigen Preis vermieten darf, noch dass er den erstbesten Interessenten nehmen muss. Selbst bei schwierigen Marktverhältnissen ist der Vermieter regelmäßig nicht verpflichtet, eine Weiterverpachtung nur auf der Grundlage einer niedrigeren Miete vorzunehmen. Vielmehr darf 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

OLG Köln v. 24.11.1998 – 13 W 38/98, WuM 1999, 288. OLG Düsseldorf v. 6.5.2008 – 24 U 188/07, ZMR 2008, 711. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XII 192. In der Gewerberaummiete regelmäßig ohne Umsatzsteuer: OLG Frankfurt v. 21.6.2012 – 2 U 46/12, ZMR 2013, 29. OLG Düsseldorf v. 18.1.2001 – 10 U 152/99, ZMR 2001, 529 = GE 2001, 345 = DWW 2001, 301. KG v. 22.11.2001 – 20 U 3584/00, MDR 2002, 692 = GE 2002, 329. KG v. 22.11.2001 – 20 U 3584/00, MDR 2002, 692 = GE 2002, 329. BGH v. 13.7.1981 – II ZR 91/80, MDR 1981, 996 = NJW 1982, 32. BGH v. 17.5.1984 – VII ZR 169/82, MDR 1984, 833. Palandt/Grünberg, Vor § 249 BGB Rz. 69. OLG Düsseldorf v. 14.5.1998 – 10 U 194/96, MDR 1998, 1217 = ZMR 1998, 622 = NZM 1998, 916. BGH v. 16.2.2005 – XII ZR 162/01, MDR 2005, 618 = ZMR 2005, 433. OLG Düsseldorf v. 22.3.2007 – 10 U 145/06, ZMR 2007, 780 = GuT 2007, 210.

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er zunächst versuchen, einen Mietvertrag zu den bisherigen finanziellen Konditionen abzuschließen1. Es ist dem Vermieter sogar erlaubt, neue Bedingungen zur Vermietung zu stellen, insbesondere eine höhere Miete zu verlangen2, ohne dass er sich eine Kürzung seines Anspruchs gefallen lassen müsste3. 130 Der Vermieter verstößt nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn er nicht sofort einen Makler einschaltet, sondern zunächst Zeitungsanzeigen schaltet und ein Vermietungsschild aufstellt4. Für die Annahme einer Pflicht zur teilweisen Vermietung ist erforderlich, dass die Vermietung der gesamten Fläche aussichtslos ist5. Auch eine vom Mietinteressenten gewünschte Nutzungsänderung muss der Vermieter nicht akzeptieren. Deshalb ist er nicht gehalten, einen branchenfremden Mieter zu nehmen oder sogar eine Wohnraumnutzung im Gewerbe zu billigen6. 131 Eine zeitliche Grenze, ab der nicht mehr allein die unternehmerischen Überlegungen des Vermieters maßgeblich sind, kann nur im Einzelfall gefunden werden. Als Orientierung kann ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Auszug des Mieters dienen7. (2) Untervermietung 132 Grundsätzlich schuldet der Untermieter dem Mieter einen Kündigungsfolgeschaden in dem gleichen Umfang wie der Mieter gegenüber dem Hauptvermieter. Bei vorzeitiger Beendigung des Untermietvertrages wegen einer Pflichtverletzung des Mieters kann also grundsätzlich bis zum (ordentlichen) Ablauf der Mietzeit der Mietausfall geltend gemacht werden (vgl. § 542 BGB Rz. 124). 133 Als Folge der Verletzung seiner Pflichten aus einem langfristigen Untermietvertrag kann sich die Ersatzpflicht des Untermieters auf den Mietausfallschaden erstrecken, der von dem Hauptvermieter gegen den Mieter geltend gemacht wird. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn die Auflösung des Hauptmietvertrages darauf beruht, dass der Untermieter seine Mietzahlungen eingestellt hat8 und die Miete im Hauptmietvertrag höher ist. Daneben hat er als Verzugsschaden den Betrag zu ersetzen, den der (Unter-)Vermieter seinerseits an den Hauptvermieter als Abfindung für die deswegen erfolgte vorzeitige Beendigung des Hauptmietvertrags geleistet hat9. Er kann sich nicht darauf berufen, dass ihm durch die vorzeitige Beendigung des Hauptmietvertrags die Mietsache nicht mehr zur Verfügung gestellt werden könne. 134 Besteht ein Zwischenmietverhältnis i.S.v. § 565 BGB, ergibt sich keine Änderung der Rechtslage10. Auch der Zwischenmieter haftet dem Vermieter, wenn der Endmieter nicht räumt. bb) Sonstige Schadenspositionen 135 Muss der Vermieter Aufwendungen tätigen, um die Mietsache in einen vermietbaren Zustand zu versetzen, kann er die notwendigen Kosten als Schaden bei dem vertragsuntreuen Mieter geltend machen. Dazu zählen insbesondere Renovierungskosten und Aufwendungen, die sonstige Abnutzungserscheinungen oder Schäden betreffen. Nicht erfasst sind aber Einbauten oder Umbauten, die dem Eigentum des Vermieters zugutekommen11.

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OLG Düsseldorf v. 18.1.2001 – 10 U 152/99, ZMR 2001, 529 = GE 2001, 345 = DWW 2001, 301. KG v. 20.8.2001 – 20 U 1221/00, GE 2001, 1402. OLG Frankfurt v. 10.6.1992 – 19 U 113/91, WuM 1992, 436 = ZMR 1993, 64. LG Hamburg v. 13.5.2003 – 307 O 175/02, ZMR 2003, 841. BGH v. 16.2.2005 – XII ZR 162/01, MDR 2005, 618 = ZMR 2005, 433. LG Berlin v. 9.2.1995 – 67 S 328/94, WuM 1996, 145 = GE 1996, 187. LG Lüneburg v. 9.4.2002 – 6 S 201/01, WuM 2002, 267 = DWW 2002, 207. OLG Saarbrücken v. 2.6.2005 – 8 U 180/04, NZM 2006, 180. OLG Nürnberg v. 18.6.1999 – 6 U 288/99, MDR 1999, 1131 = NZM 1999, 1099. BGH v. 28.2.1996 – XII ZR 123/93, MDR 1996, 896 = WuM 1996, 413. OLG Düsseldorf v. 5.11.1987 – 10 U 73/86, ZMR 1988, 94 = NJW-RR 1988, 652.

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Daneben kommen alle adäquat kausal entstandenen Schadenspositionen in Be- 136 tracht. Dazu gehören u.a. die Maklerkosten sowie Rückbaukosten z.B. für eine auf Mieterwunsch eingebrachte Deckenkonstruktion1. Nicht ersatzfähig ist der eigene Zeitaufwand des Vermieters. Denn der allgemeine, 137 mit einem Wohnungswechsel verbundene Zeitaufwand (Wohnungsabnahme/Wahrnehmung von Besichtigungsterminen/Ausfertigung des neuen Mietvertrags usw.) gehört grundsätzlich zum allgemeinen Pflichtenkreis des Vermieters2. Das Gleiche gilt für etwaige Materialkosten (z.B. für das Vertragsmuster). Allerdings ist es ein Trugschluss anzunehmen, dass der ohnehin bestehende personelle und organisatorische Verwaltungsaufwand durch Vertragsbeendigungen, die durch einzelne Mieter verschuldet worden sind, nicht messbar erhöht sein werde3. Denn gerade bei der vorzeitigen Beendigung drängen die Mieter auf die Übernahme durch einen Nachmieter. Im Übrigen war gerade diese Neuvermietung nicht geplant, so dass es zumindest gerechtfertigt erscheint, dem Vermieter die allgemeine Schadenspauschale von 50 Euro zuzubilligen. cc) Verjährung Für die Schadensersatzansprüche gilt nicht die kurze Verjährungsfrist des § 548 BGB, 138 sondern die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB4. IV. Aufhebungsvertrag 1. Allgemeines Der Freiheit der Parteien zum Abschluss eines Mietvertrags entspricht ihre Freiheit, 139 ihn durch Vertrag aufzuheben. Dem stehen die Kündigungsschutzrechte des Wohnraummieters nicht entgegen. Gegebenenfalls besteht sogar ein Anspruch auf Herbeiführung eines Aufhebungsvertrages wie z.B. bei einer wirksamen Ersatzmieterklausel (vgl. § 537 BGB Rz. 36 ff.). Für das Zustandekommen des Mietaufhebungsvertrages gelten die allgemeinen Re- 140 geln für den Abschluss von Verträgen. Ist der Mietvertrag bereits beendet, kann das alte Mietverhältnis nicht wieder aufleben; vielmehr bewirkt hier z.B. die einvernehmliche „Rücknahme der Kündigung“ in der Regel den schlüssigen Abschluss eines neuen Mietvertrags zu den Bedingungen des beendeten Mietvertrags, so dass bei Laufzeiten von mehr als einem Jahr § 550 BGB zu beachten ist5. Allein die Einstellung des Betriebes durch die mietende GmbH lässt aber nicht den Schluss auf einen Aufhebungsvertrag oder den (konkludenten) Verzicht auf den Zugang einer Kündigung zu6. Der Mietaufhebungsvertrag kann auch konkludent geschlossen werden. Je nach den 141 Umständen kann eine solche Erklärung aber auch als bloße Unmutsäußerung verstanden werden. Entscheidend ist der Rechtsbindungswille. An ihn sind vor allem auf Seiten des Wohnraummieters hohe Anforderungen zu stellen. Er muss sich bewusst sein, durch die Vereinbarung auf jeglichen Kündigungsschutz zu verzichten7. Die bloße Erklärung des Mieters, er wolle sich um eine Ersatzwohnung bemühen, ist deshalb kein Angebot zur Aufhebung des Mietvertrags8. Das Gleiche gilt, wenn der Mieter auf eine Kündigungserklärung des Vermieters mitteilt, er habe eine neue Wohnung gefunden9. Nicht ausreichend ist die Übersendung der Schlüssel zu den Miet-

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KG v. 29.9.2003 – 8 U 323/02, KGR 2004, 154. Schmidt-Futterer/Blank, § 542 BGB Rz. 113. So aber Schmidt-Futterer/Blank, § 542 BGB Rz. 113. KG v. 29.9.2003 – 8 U 323/02, KGR 2004, 154. BGH v. 24.6.1998 – XII ZR 195/96, MDR 1998, 1216 = NJW 1998, 2664. KG v. 12.4.2010 – 8 U 175/09, MDR 2010, 1044 = GE 2010, 1337 = ZMR 2010, 953. LG Köln v. 25.2.1993 – 6 S 321/92, WuM 1993, 675. LG Detmold v. 16.5.1990 – 2 S 50/90, WuM 1990, 301. LG Düsseldorf v. 28.5.1991 – 24 S 117/91, WuM 1991, 673.

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räumen und deren kommentarlose Annahme durch den Vermieter1. Die Erklärung des Vermieters, der Mieter könne „sich ungeachtet des befristeten Mietvertrages kurzfristig nach einer Ersatzwohnung umsehen“, ist kein Angebot zum Abschluss einer Mietaufhebungsvereinbarung, sondern der Verzicht, sich auf die Befristung des Vertrages zu berufen; der Mieter hat damit die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung2. Dagegen kann sich die mündliche Äußerung des Vermieters – „dann zieht doch endlich aus“ – als Angebot zur Vertragsaufhebung darstellen, welches der Mieter durch umgehenden Auszug konkludent annehmen kann3. 142 Liegt ein Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages vor, kann dies nur innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2 BGB angenommen werden. Insoweit ist die Annahme nach zwei Monaten in der Regel verspätet4. 143 Ein Mietaufhebungsvertrag kann jedoch sittenwidrig sein, wenn darin jeder Räumungs- und Vollstreckungsschutz ausgeschlossen ist5. Bedenken gegen die Wirksamkeit einer Mietaufhebungsvereinbarung ergeben sich auch, wenn diese vom Erwerber der Mieträume vor Eintragung im Grundbuch geschlossen wurde6. 144 Mietaufhebungsverträge unterliegen auch den Bestimmungen über das Haustürwiderrufsgeschäft7. Daneben sind die Vorschriften über allgemeine Geschäftsbedingungen anwendbar. Das ist insbesondere zu beachten, wenn schon im Formular-Mietvertrag eine bestimmte Regelung für den Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung vorgesehen ist. 145 Wirksam ist eine Klausel, die für den Neuvermietungsaufwand des Vermieters eine Pauschalabgeltung in Höhe einer Monatsmiete netto/kalt vorsieht8. 146 Ist die Mietaufhebungsvereinbarung gleichzeitig mit einer Vertragsübernahme verbunden, muss eine etwaige Anfechtung sowohl gegenüber dem bisherigen Mieter als auch gegenüber dem Ersatzmieter erklärt werden9. Sie ist im Falle der Anfechtung gemäß § 123 BGB nicht begründet, wenn nur einer der beiden Anfechtungsgegner getäuscht hat, während der andere diese weder gekannt hat noch kennen musste10. 147 Hat der Mieter die Mieträume untervermietet und schließt er mit dem Vermieter eine Mietaufhebungsvereinbarung gegen Zahlung einer Abfindung, muss er diese gemäß § 285 BGB an den Untermieter herausgeben11. Andererseits bewirkt die rechtskräftige Feststellung der Beendigung des Hauptvertrages grundsätzlich keine automatische Herausgabepflicht des Untermieters, weil die Rechtskraft der Entscheidung allein zwischen Vermieter und Mieter wirkt12. 148 Die vorstehenden Grundsätze gelten entsprechend für die Entlassung eines von mehreren Mietern aus dem Mietvertrag. Auch hier sind die Umstände des Einzelfalls zu werten und es ist zu ermitteln, inwieweit eine dreiseitige Vereinbarung vorliegt, die das Ausscheiden eines Mieters und die Fortführung des Mietvertrages mit dem oder den restlichen Mietern umfasst. Zur Annahme einer solchen Entlassung reicht es aber weder aus, dass der Ehemann seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau Hausverbot erteilt und dies dem Vermieter mitgeteilt haben soll, noch der Umstand, dass

1 OLG Köln v. 9.7.1997 – 27 U 5/97, OLGR Köln 1997, 277 = ZMR 1998, 91; LG Gera v. 19.11.2003 – 1 S 332/03, WuM 2005, 647. 2 LG Koblenz v. 24.6.1998 – 12 S 416/97, NZM 1998, 859. 3 AG Bergheim v. 22.12.1998 – 22 C 167/98, WuM 1999, 218. 4 LG Berlin v. 24.7.1998 – 64 S 230/98, ZMR 1998, 776. 5 LG Heidelberg v. 23.4.1993 – 5 S 231/92, WuM 1993, 397. 6 LG Ellwangen v. 15.5.1991 – 1 S 119/91-10, WuM 1991, 489. 7 LG Heidelberg v. 23.4.1993 – 5 S 231/92, WuM 1993, 397. 8 OLG Hamburg v. 17.4.1990 – 4 U 22/89, WuM 1990, 244 = OLG Hamburg v. 17.4.1990 – 4 U 222/89, MDR 1990, 724 = ZMR 1990, 270. 9 BGH v. 27.11.1985 – VIII ZR 316/84, BGHZ 96, 302 = MDR 1986, 401 = NJW 1986, 918. 10 BGH v. 3.12.1997 – XII ZR 6/96, MDR 1998, 394 = NZM 1998, 113. 11 BGH v. 19.11.1984 – II ZR 6/84, MDR 1985, 647 = WuM 1986, 54 = ZMR 1985, 87. 12 BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, MDR 2007, 78 = GE 2006, 1095.

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die Ehefrau schon seit mehr als zwei Monaten nicht mehr in der Mietsache gesehen worden sein soll1. 2. Form Für die Mietaufhebungsvereinbarung gilt kein Formzwang, sie unterliegt auch nicht 149 der Form, die für den Abschluss bzw. die Änderung des Vertrags maßgeblich ist2. Die Mietaufhebungsvereinbarung kann also grundsätzlich auch mündlich abgeschlossen werden, und zwar auch bei der Wohnraummiete3. Dies gilt sogar bei bestehender Schriftformklausel4. V. Andere Formen der Beendigung 1. Rücktritt Der Rücktritt vom Vertrag hat im Mietrecht geringe Bedeutung. Gesetzliche Rück- 150 trittsrechte sind weitestgehend beschränkt auf den Zeitraum vor Überlassung des Mietgebrauchs. Die Ausübung gesetzlicher Rücktrittsrechte scheidet nach Überlassung des Mietgebrauchs jedenfalls dann aus, wenn die Möglichkeit zur fristlosen Kündigung (insbesondere gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB) besteht5. Auch vertragliche Rücktrittsrechte haben praktische Bedeutung fast nur vor Ge- 151 brauchsüberlassung. Für die Wohnraummiete regelt § 572 Abs. 1 BGB, dass der Vermieter sich auf ein vertragliches Rücktrittsrecht nach Überlassung des Wohnraums nicht berufen kann. Die Erklärung des Rücktritts kann in eine Kündigung umzudeuten sein, wenn der 152 rechtsgeschäftliche Wille, das Vertragsverhältnis unter allen Umständen zu beenden, unmissverständlich zum Ausdruck kommt6. 2. Anfechtung a) Grundsätzliche Zulässigkeit Ein Mietvertrag kann von Vermieter und Mieter wegen Irrtums (§ 119 BGB), falscher 153 Übermittlung (§ 120 BGB), arglistiger Täuschung oder Drohung (§ 123 BGB) durch Erklärung gegenüber dem anderen Vertragsteil (§ 143 Abs. 1 BGB) angefochten werden, wobei die Anfechtungsfristen der §§ 121, 124 BGB zu beachten sind. Er ist dann von Anfang an nichtig und muss gemäß §§ 812 ff. BGB rückabgewickelt werden7. Im Übrigen kann ein Anfechtungsrecht angenommen werden bei objektiv unzutref- 154 fenden Erklärungen des Vermieters über die Wohnungsgröße anlässlich der Vertragsverhandlungen (Anfechtung vor Überlassung)8, bei abredewidrigem Ausfüllen eines mit Blankounterschrift versehenen Formularmietvertrags9, bei Täuschung des Vermieters über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mieters bei Abschluss eines Mietvertrages10 (falsche Angaben zu vorangegangener Insolvenz11) oder Mietvorvertrages12.

1 OLG Düsseldorf v. 29.9.2005 – 10 U 20/05, GE 2006, 325. 2 LG Aachen v. 2.12.1992 – 7 S 388/92, WuM 1993, 734. 3 BGH v. 2.6.1976 – VIII ZR 97/74, MDR 1976, 925 = BGHZ 66, 378; a.A. AG Köln v. 15.6.1992 – 206 C 227/91, WuM 1993, 119. 4 Vgl. dazu BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, NJW 2006, 138 = MDR 2006, 508 = ZMR 2006, 104. 5 BGH v. 10.7.1968 – VIII ZR 120/66, BGHZ 50, 312. 6 BGH v. 17.12.1986 – VIII ZR 328/85, MDR 1987, 491 = WuM 1987, 116. 7 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MDR 2009, 19 = GuT 2008, 330; BGH v. 29.1.1971 – V ZR 112/68, WPM 1971, 528; KG v. 4.10.2001 – 8 U 1086/00, KGR Berlin 2001, 394. 8 LG Mannheim v. 15.11.1973 – 12 S 42/73, MDR 1974, 672. 9 LG Köln v. 8.6.1977 – 9 S 93/77, WuM 1980, 235. 10 LG München I v. 25.3.2009 – 14 S 18532/08, ZMR 2010, 367; AG Saarlouis v. 17.9.1999 – 29 C 739/99, NZM 2000, 459; LG Mannheim v. 8.11.1989 – 4 S 173/89, ZMR 1990, 303. 11 AG Hamburg v. 6.5.2003 – 48 C 636/02, ZMR 2003, 744. 12 AG Wolfsburg v. 9.8.2000 – 22 C 498/99, NZM 2001, 987.

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155 Ein Anfechtungsrecht wurde verneint bei gelegentlichem Rauchen der Mieterin in der Einliegerwohnung trotz ihrer Versicherung bei Vertragsschluss, sie habe aufgehört zu rauchen1, und bei der Anmietung eines Gemeindesaals durch einen Mann zur „Feier seiner Hochzeit“, obwohl es sich um die Feier einer vom Vertragspartner begründeten Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann i.S.d. Lebenspartnerschaftsgesetzes handelt2. 156 Daneben kommt eine Anfechtung wegen des Fehlens einer verkehrswesentlichen Eigenschaft (§ 119 Abs. 2 BGB) in Betracht. Von diesem Recht kann z.B. eine alleinerziehende Mutter Gebrauch machen, die ohne Besichtigung der Wohnung einen Mietvertrag abschließt, nachdem sie darauf hingewiesen hat, für sie komme nur eine kinderfreundliche Wohnung in Betracht, und beim ersten Besuch der Wohnung (vor dem Einzug) beschwert sich eine Nachbarin über das Trampeln des Kindes3. Dem Mieter soll eine verkehrswesentliche Eigenschaft (Zahlungsfähigkeit) fehlen, wenn er bei Vertragsschluss nicht offenbart hat, dass er die eidesstattliche Versicherung gemäß § 807 ZPO abgegeben hat4. Vgl. im Übrigen zur Anfechtung Vor § 535 BGB Rz. 47 f. b) Rechtsfolgen aa) Nutzungsentschädigung inklusive Umsatzsteuer 157 Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) eines unwirksamen Mietvertrages erfolgt nach den Grundsätzen der Saldotheorie, indem durch Vergleich der durch den Bereicherungsvorgang hervorgerufenen Vor- und Nachteile ermittelt wird, ob sich für den Vermieter ein Überschuss (Saldo) ergibt5. Eine Einschränkung der Saldotheorie zum Schutz eines arglistig Getäuschten ist grundsätzlich nicht geboten, wenn der Täuschende Bereicherungsausgleich verlangt. Nach der Saldotheorie werden Gegenansprüche des Getäuschten ohne weiteres als Abzugspositionen in die Saldierung einbezogen. 158 Herauszugeben ist gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB das durch die Leistung des Vermieters Erlangte. Das ist regelmäßig die gewährte Gebrauchsüberlassung der Räume. Da die Herausgabe der Gebrauchsüberlassung wegen ihrer Beschaffenheit nicht möglich ist, hat der Mieter als gutgläubiger Bereicherungsschuldner nach § 818 Abs. 2 BGB deren Wert zu ersetzen. Dessen Höhe richtet sich nach dem objektiven Verkehrswert des rechtsgrundlos Erlangten, somit nach der Miete, die auf dem örtlichen Markt für vergleichbare Objekte erzielt wird6. bb) Nutzungsentschädigung inklusive verbrauchsabhängiger Nebenkosten 159 Der nach § 818 Abs. 2 BGB zu ersetzende Wert der erlangten Gebrauchsvorteile bestimmt sich nach der ortsüblichen Miete. Diese beinhaltet in dem Umfang, in dem verbrauchsunabhängige Nebenkosten ortsüblich als Teil der Miete mit vereinbart werden, auch diese Nebenkosten. Da bei der Geschäftsraummiete die vereinbarte Miete abweichend von der gesetzlichen Bestimmung in § 535 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB in der Regel die Grundmiete und verbrauchsunabhängige Nebenkosten enthält, spricht eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass üblicherweise bestimmte verbrauchsunabhängige Nebenkosten vom Mieter zu tragen sind7. Ob und in welchem Umfang dies der Fall ist, muss erforderlichenfalls durch Sachverständigengutachten festgestellt werden. Ferner sind im Rahmen des Bereicherungsanspruchs des Vermieters die verbrauchsabhängigen Nebenkosten nur zu berücksichtigen, wenn der Vermieter sie 1 2 3 4

LG Stuttgart v. 2.7.1992 – 16 S 137/92, NJW 1993, 73 = NJW-RR 1992, 1360. AG Neuss v. 25.7.2003 – 77/32 C 6064/02, NZM 2003, 975. LG Essen v. 20.7.2004 – 15 S 56/04, WuM 2005, 47. AG Hagen v. 5.7.1984 – 13 C 414/84, WuM 1984, 296; a.A. LG Ravensburg v. 8.3.1984 – S 264/83, WuM 1984, 297 (Vorrang der Kündigungsmöglichkeit). 5 BGH v. 10.2.1999 – VIII ZR 314/97, MDR 1999, 695 = NJW 1999, 1181. 6 BGH v. 22.10.1997 – XII ZR 142/95, NZM 1998, 192 (194); BGH v. 21.3.1996 – III ZR 245/94, BGHZ 132, 198, 207; BGH v. 5.7.2006 – VIII ZR 172/05, BGHZ 168, 220, 239. 7 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/07, GuT 2008, 330.

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konkret darlegt, was z.B. durch Vorlage der Nebenkostenabrechnungen geschehen kann. cc) Herausgabe des Gewinns aus der Untervermietung? Neben dem Anspruch auf Ersatz des objektiven Mietwerts für die Gebrauchsüberlas- 160 sung ist ein Anspruch auf Herausgabe eines durch eine Untervermietung evtl. erzielten Gewinns nicht gegeben1. Mit der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des fehlgeschlagenen Mietvertrages im Wege der Leistungskondition sollen die gegenseitigen, von den Parteien aufgrund des unwirksamen Mietvertrages vorgenommenen Vermögensverschiebungen rückabgewickelt werden. Die Gewinne des Mieters aus einer Untervermietung beruhen jedoch nicht auf einer rückabzuwickelnden Leistung des Vermieters, sondern auf seiner eigenen vermögensmäßigen Disposition. Dem Mieter stand es frei, den Bereicherungsgegenstand – die Gebrauchsüberlassung – selbst, gar nicht oder durch Untervermietung zu nutzen. Mit der Erstattung des objektiven Mietwerts für die Gebrauchsüberlassung wird erschöpfender Ersatz für den Wert des erlangten Gebrauchsvorteils geleistet2. 3. Konfusion Vereinigen sich die Vermieter- und Mieterstellung in einer Person (Konfusion), geht 161 der Mietvertrag unter. Im Rahmen der Zwangsversteigerung endet der Mietvertrag z.B. durch Konfusion, wenn der Mieter den Zuschlag erhält3. Der Annahme eines Mietvertrages steht es aber nicht entgegen, wenn die Personen 162 auf Vermieter- und Mieterseite teilidentisch sind. Das ist z.B. bei der Vermietung an einen Miteigentümer durch die Miteigentümergemeinschaft der Fall4, aber auch bei einer entgeltlichen Gebrauchsüberlassung durch einen Erbbauberechtigten an einen weiteren Erbbauberechtigten und dessen Ehefrau5. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass sich Gewährleistungsansprüche teilweise gegen den „Mieter“ selber richten oder eine Pflicht besteht, einen Teil der Kosten zu tragen, selbst wenn nur eine reduzierte Miete gezahlt wird. VI. Umdeutung Einseitige Rechtsgeschäfte, wie z.B. Kündigungserklärungen, sind fehleranfällig. Eine 163 nichtige Erklärung lässt sich jedoch bisweilen durch Umdeutung retten. Gemäß § 140 BGB müssen dazu zwei Voraussetzungen vorliegen: – Das tatsächlich vorgenommene, nichtige Rechtsgeschäft entspricht zugleich den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts und – es ist anzunehmen, dass bei Kenntnis der Nichtigkeitsgründe das andere, wirksame Rechtsgeschäft vorgenommen worden wäre. Beide Voraussetzungen müssen im Einzelfall überprüft werden, da es keine allgemeingültigen Umdeutungsregeln gibt. Unabhängig von der Frage der Umdeutung wird in den Fällen unwirksamer Kündigung meist entscheidend sein, dass der Kündigende sich nach Treu und Glauben nicht zu Lasten des Vertragspartners auf die Unwirksamkeit seiner Kündigungserklärung berufen kann, da er sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzt und rechtsmissbräuchlich handelt6.

1 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MDR 2009, 19 = GuT 2008, 330. 2 Vgl. für bereicherungsrechtliche Ansprüche bei Verletzung gewerblicher Schutzrechte: BGH v. 24.11.1981 – X ZR 7/80, BGHZ 82, 299, 307 f. = MDR 1982, 489. 3 BGH v. 9.6.2010 – VIII ZR 189/09, MDR 2010, 916 = NZM 2010, 698; BGH v. 17.12.2008 – VIII ZR 13/08, NJW 2009, 1076 = WuM 2009, 127 = GE 2009, 260 = NZM 2009, 151. 4 BGH v. 11.9.2000 – II ZR 324/98, MDR 2001, 151 = ZMR 2001, 90 (92) = NZM 2001, 45 (unter II 1b); BGH v. 15.9.1997 – II ZR 94/96, MDR 1998, 95 = NJW 1998, 372 (unter I); BGH v. 17.12.1973 – II ZR 59/72, NJW 1974, 364 (unter II 2b); BGH v. 8.1.1969 – VIII ZR 184/66, WPM 1969, 298 (unter 1b). 5 Vgl. BGH v. 15.9.2010 – VIII ZR 16/10, MDR 2010, 1306 = ZMR 2011, 109. 6 LG Berlin v. 11.11.1986 – 65 S 86/86, GE 1987, 93.

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1. Umdeutung unwirksamer fristloser in ordentliche Kündigung 164 Sie ist nur dann möglich, wenn der Wille, den Vertrag auf jeden Fall zum nächstmöglichen Termin zu beenden, für den Kündigungsempfänger zweifelsfrei erkennbar ist. Dabei kann sich der maßgebliche Wille auch aus Umständen außerhalb der Kündigungserklärung ergeben1. Das ist insbesondere bei entsprechenden mündlichen Äußerungen des Erklärenden der Fall. 165 Ob die gleichen Grundsätze gelten, wenn ein Rechtsanwalt außergerichtlich handelt, kann zweifelhaft sein. Immerhin kann von einem Rechtsanwalt, den der Mandant im Vertrauen auf dessen Rechtskenntnisse beauftragt, erwartet werden, dass er die juristische Terminologie beherrscht und zur Vermeidung von Unklarheiten „kündigt“, wenn er kündigen will2. Deshalb soll es nicht möglich sein, eine unwirksame ordentliche Kündigung eines Rechtsanwalts in eine außerordentliche fristlose Kündigung umzudeuten3. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Selbst die Mitteilung des Mieters, er werde die Mieträume nicht beziehen, wird als ordentliche Kündigung angesehen4. Deshalb ist in einem anwaltlichen Schriftsatz eine ordentliche Kündigung zu sehen, wenn er deutlich den Willen der Partei erkennen lässt, sich möglichst bald aus dem Mietverhältnis zu lösen, ohne das Wort „Kündigung“ zu verwenden5. 166 Eine Umdeutung ist nur erfolgreich, wenn die fristlose Kündigung den im Einzelfall an die ordentliche Kündigung zu stellenden Wirksamkeitsanforderungen genügt; bei Kündigung von Wohnraum gemäß § 573 BGB muss sie z.B. ausreichend begründet sein (§ 573 Abs. 3 BGB)6. 2. Umdeutung einer fristgemäßen Kündigung in eine außerordentliche Kündigung 167 Ob diese Möglichkeit nicht von vorneherein ausgeschlossen ist, weil die außerordentliche Kündigung nicht als Minus in der ordentlichen Kündigung enthalten ist, ist umstritten. Während eine Meinung eben deshalb die Möglichkeit ausschließt7, hält der BGH sie grundsätzlich für denkbar8. Eine Umdeutung scheitert aber regelmäßig daran, dass der Mieter durch die Angabe einer Kündigungsfrist nicht den sofortigen Beendigungswillen zum Ausdruck bringt9. 3. Umdeutung fristgemäßer Kündigung zu unrichtigem Beendigungstermin in Kündigung zum zulässigen Termin 168 Eine solche Umdeutung wird in den meisten Fällen möglich sein10. Denn die exakte Kündigungsfrist ist in der Regel kein bestimmendes Moment für die Entscheidung zum Kündigungsausspruch11. Liegt zwischen dem angegebenen und dem nächstmöglichen Kündigungstermin nur ein verhältnismäßig geringer Zeitraum, so kann davon ausgegangen werden, dass die Kündigung hilfsweise zum nächstmöglichen Termin wirken soll, falls keine gewichtigen Anhaltspunkte für einen abweichenden Willen bestehen12.

1 BGH v. 12.1.1981 – VIII ZR 332/79, MDR 1981, 665 = WuM 1981, 106 = ZMR 1981, 113; OLG Hamburg v. 23.6.1997 – 4 U 82/96, WuM 1998, 160 = NJW-RR 1998, 807; OLG Düsseldorf v. 12.7.1990 – 10 U 212/89, DWW 1990, 304; a.A. AG Münster v. 20.2.2008 – 48 C 61/08, WuM 2008, 218. 2 BGH v. 4.6.1996 – IX ZR 51/95, NJW 1996, 2648. 3 OLG Köln v. 9.7.1997 – 27 U 5/97, ZMR 1998, 91. 4 BGH v. 10.10.2001 – XII ZR 93/99, NZM 2001, 1077 (1078). 5 OLG Rostock v. 28.12.2001 – 3 U 173/00, NZM 2002, 955 (957). 6 LG Hamburg v. 17.10.1989 – 16 S 140/89, WuM 1990, 19; LG Berlin v. 23.4.1991 – 64 S 453/90, GE 1991, 1033. 7 Schmidt-Futterer/Blank, § 542 BGB Rz. 22 m.w.N. 8 BGH v. 2.3.2004 – XI ZR 288/02, MDR 2004, 737 = NJW-RR 2004, 873 = GuT 2004, 89; BGH v. 12.1.1981 – VIII ZR 332/79, MDR 1981, 665 = WuM 1981, 106. 9 BGH v. 22.6.2005 – VIII ZR 326/04, WuM 2005, 584. 10 LG Berlin v. 12.4.1991 – 64 T 59/91, GE 1991, 575. 11 AG Hamburg-Barmbek v. 30.1.2004 – 819 C 277-03, ZMR 2005, 202. 12 OLG Frankfurt v. 23.1.1990 – 5 U 61/89, NJW-RR 1990, 337; a.A. LG Göttingen v. 23.1.1991 – 5 S 109/90, WuM 1991, 266; LG Osnabrück v. 18.10.1989 – 1 S 248/89, WuM 1990, 81.

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4. Umdeutung unwirksamer Kündigung in Angebot zur Vertragsaufhebung Eine unwirksame Kündigung des Vermieters, die den Mieter zur Räumung der Miet- 169 räume veranlasst, kann grundsätzlich nicht in ein Angebot zur Vertragsaufhebung umgedeutet werden, welches der Mieter annimmt, indem er die Mieträume herausgibt1. Nimmt aber der Vermieter die unwirksame Kündigung des Mieters ausdrücklich an, bietet er damit dem Mieter die Aufhebung des Mietvertrages an. In der stillschweigenden Hinnahme dieser Erklärung durch den Mieter kann dann die Annahme des Angebots liegen2, zumal wenn er kurz danach auszieht. Die Umdeutung einer einseitigen rechtsgestaltenden Willenserklärung in ein annah- 170 mebedürftiges Vertragsangebot ist nur dann zulässig, wenn sich aus der Erklärung ergibt, dass sie hilfsweise auf den Abschluss einer Vereinbarung gerichtet ist, was z.B. in einer Aufforderung zur Stellungnahme zum Ausdruck kommen kann3. Ist diese Aufforderung jedoch mit weiteren Forderungen verknüpft – z.B. Anerkennung einer Schadensersatzpflicht –, ist in der Regel kein annahmefähiges Angebot zur Vertragsbeendigung gegeben4. 5. Umdeutung beiderseitiger Kündigungen in Aufhebungsvereinbarung Auch wenn Vermieter und Mieter wechselseitig unwirksame Kündigungen ausspre- 171 chen, kommt eine Mietaufhebungsvereinbarung nur dann zustande, wenn dies mit den jeweiligen Erklärungen erkennbar als Hilfsziel bezweckt wurde. Letzteres ist keineswegs selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass eine berechtigte fristlose Kündigung Schadensersatzansprüche auslösen kann. Droht nach fristloser Kündigung durch den Vermieter erheblicher Schaden durch Mietausfall, so hat der Mieter ein vitales Interesse, den Vertrag seinerseits fristlos zu kündigen, um den Mietausfall zu begrenzen. Daraus folgt jedoch nicht, dass er das Mietverhältnis auf jeden Fall beenden wollte. Davon kann aber ausgegangen werden, wenn es nach wechselseitiger unwirksamer Kündigung zur einvernehmlichen Rückgabe der Mieträume kommt. Denn darin kann eine schlüssige Mietaufhebungsvereinbarung zu sehen sein5. C. Gewerberaummiete I. § 542 Abs. 1 BGB Der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit ist eher selten, weil die Parteien auf beiden 172 Seiten des Gewerberaummietvertrages Planungssicherheit brauchen. Denn auf beiden Seiten wird nicht nur zu Beginn der Mietzeit in den Umbau und die Herbeiführung des vertragsgemäßen Zustandes investiert, sondern auch während der Mietzeit, wobei sich der Vermieter auf die Erhaltung konzentriert und die Investitionen des Mieters seinem Unternehmen zugutekommen sollen. Dennoch werden Mietverträge auf unbestimmte Zeit nicht nur geschlossen, wenn sich die Parteien z.B. mündlich über eine Vermietung einigen, sondern entstehen insbesondere durch Verstöße gegen die Schriftform des § 550 BGB. Diese Vorschrift ordnet nämlich an, dass ein Mietvertrag nach einem Jahr den Bestimmungen des § 542 Abs. 1 BGB folgt, wenn er länger als ein Jahr gelten sollte, die Schriftform aber nicht eingehalten ist. Für die ordentliche Kündigung gelten die in Abschnitt B. dargestellten Grundsätze in gleicher Weise. Allerdings bestehen folgende Besonderheiten:

1 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 296 = MDR 1984, 571 = NJW 1984, 1028; BGH v. 7.12.1983 – VIII ZR 206/82, WPM 1984, 171 = GE 1984, 377; OLG Dresden v. 19.10.2011 – 13 U 1179/10, ZMR 2012, 268. 2 OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 – 10 U 46/03, WuM 2003, 621; OLG Hamm v. 9.10.1996 – 33 U 17/96, NJW-RR 1997, 264. 3 BGH v. 24.9.1980 – VIII ZR 299/79, MDR 1981, 135 = WuM 1981, 57 = ZMR 1981, 84. 4 OLG Köln v. 2.8.2001 – 8 U 24/01, MDR 2002, 390 = ZMR 2001, 967. 5 KG Berlin v. 10.9.1998 – 8 U 8910/97, NZM 1999, 462.

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1. Vollmachtsklauseln 174 Auch bei der Gewerberaummiete sollen Vollmachtsklauseln unwirksam sein1. Richtigerweise gelten hier die gleichen Anforderungen wie bei der Wohnraummiete (vgl. § 542 BGB Rz. 55). Ist die Klausel nicht an versteckter Stelle geregelt und ihr Inhalt klar und verständlich, besteht kein Grund zur Beanstandung nach § 307 BGB. Der Mieter muss nicht vor seinem Mitmieter geschützt werden. Das Interesse des Vermieters an Rechtssicherheit ist vorrangig. 2. Schriftform der Kündigung? 175 Da § 578 BGB nicht auf § 568 BGB verweist, gilt für die Kündigung des Gewerberaummietvertrages grundsätzlich keine Schriftform. Ohne besondere Vereinbarung kann sie also auch mündlich erklärt werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Mietvertrag als solcher (wegen § 550 BGB) der Form bedarf und die Schriftform eingehalten ist, hinsichtlich der Form der Kündigung aber keine Regelung getroffen wurde2. 176 Soll die Wirksamkeit einer Kündigung von der Schriftform abhängen, muss dies ausdrücklich vereinbart werden. Insoweit werden keine hohen Anforderungen an die Wirksamkeit entsprechender Klauseln gestellt. Weder die Formulierung, dass die Kündigung der Schriftform bedarf3, noch die Regelung, dass alle einseitigen Willenserklärungen zu ihrer Wirksamkeit schriftlich erklärt werden müssen, können beanstandet werden. Immerhin dient die Vereinbarung der Schriftform der Verkehrssicherheit4. Dies gilt selbst dann, wenn im Mietvertrag geregelt ist, dass die Kündigungserklärung schriftlich zu erfolgen hat und durch eingeschriebenen Brief übermittelt werden muss5. Denn Regelungen über die Versendungsart sollen nur den Zugang der Kündigungserklärung und damit den Beweis sichern. Deshalb wird bei einer solchen Klausel regelmäßig nur die Schriftform als Wirksamkeitserfordernis für die Kündigungserklärung vereinbart, so dass deren Zugang auch auf andere Weise wirksam erfolgen kann6. 177 Wird die Schriftform vereinbart, ist gemäß § 127 Abs. 2 BGB die telekommunikative Übermittlung nicht ausreichend, wenn nicht ein anderer Wille anzunehmen ist. Dies ist der Fall, wenn der Vertrag ausdrücklich die Schriftform des § 126 BGB verlangt oder sich ein entsprechender Wille der Parteien im Wege der Auslegung ermitteln lässt. Letzteres kann nicht allein daraus gefolgert werden, dass die Schriftform für die Kündigung vereinbart wurde. Allerdings reicht schon die Vereinbarung, dass eine besondere Übersendungsart gelten soll (z.B. Einschreiben). 178 Besteht kein entgegenstehender Wille der Parteien, reicht eine Übersendung der Kündigung per Telefax, E-Mail, SMS, Fernschreiben oder Telegramm aus7. Für diesen Fall besteht ein Anspruch des Adressaten, die Kündigung (nachträglich) durch eine der Form nach § 126a BGB (Textform) entsprechende Erklärung zu bestätigen oder ggf. sogar die Abgabe in der Form des § 126 BGB zu verlangen, § 127 Abs. 2 S. 2 BGB. 3. Besondere Anforderungen an die Form der Kündigung 179 Gemäß § 309 Nr. 13 BGB dürfen Erklärungen, die dem Verwender gegenüber abzugeben sind, nicht an besondere Zugangserfordernisse gebunden sein. Darunter fällt nach allgemeiner Auffassung auch die Vereinbarung der Übermittlung durch einge1 KG v. 5.1.2004 – 12 U 122/02, GE 2004, 753; OLG Koblenz v. 20.5.1999 – 5 U 2044/98, WuM 1999, 694; a.A. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 51; Fritz, Rz. 196. 2 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 876. 3 Oprée in Lindner-Figura u.a., Kap. 15 Rz. 26. 4 OLG Hamm v. 23.11.1981 – 4 REMiet 8/81, NJW 1982, 452. 5 BGH v. 21.1.2004 – XII ZR 214/00, MDR 2004, 560 = WuM 2004, 269 = ZMR 2004, 344 = NZM 2004, 258. 6 BGH v. 22.4.1996 – II ZR 65/95, NJW-RR 1996, 866 (867); BAG v. 20.9.1979 – 2 AZR 967/77 – NJW 1980, 1304. 7 Oprée in Lindner-Figura u.a., Kap. 15 Rz. 26.

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schriebenen Brief1, was sich im Zweifel aus dem Transparenzgebot des § 307 BGB ergibt2. Deshalb genügt auch die Übermittlung per Telefax3. Ist vereinbart, dass die Kündigung durch eingeschriebenen Brief erfolgen soll, hat 180 die Schriftform im Zweifel konstitutive Bedeutung, während die Versendung als Einschreiben im Zweifel nur den Zugang sichern soll. Dann ist nur die schriftlich erklärte Kündigung gültig; ihr Zugang kann aber auch in anderer Weise als durch Einschreibebrief wirksam erfolgen4. Gegenüber einem Verbraucher kann formularmäßig ohnehin nicht wirksam festgelegt werden, dass eine Kündigung per Einschreiben zu erfolgen hat, § 309 Nr. 13 BGB. 4. Zugang der Kündigung per Telefax Gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine Willenserklärung dann zugegangen, wenn sie so 181 in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen objektiv in der Lage war, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen5. Zum Bereich des Empfängers gehören alle Einrichtungen, die zur Entgegennahme von Erklärungen bereitgestellt werden, wie z.B. Briefkasten, Postfach, Anrufbeantworter und Telefaxgerät6. Bei der Übermittlung per Telefax ist von einem Zugang beim Empfänger erst mit Ab- 182 schluss des Druckvorganges an dessen Gerät auszugehen7. Insoweit ist der Zugang dann vollendet, wenn nach der Verkehrsanschauung zugleich auch die Kenntnisnahme durch den Empfänger zu erwarten ist. Da die Möglichkeit der Kenntnisnahme abstrakt zu verstehen ist, kommt es auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme durch den Empfänger nicht an, wenn dieser bei Eingang des Faxschreibens z.B. wegen Krankheit oder Urlaubs ortsabwesend ist. In einem solchen Fall besteht für den Empfänger die Verpflichtung, Vorkehrungen für eine zeitnahe Kenntnisnahme zu treffen8. Dies gilt umso mehr, wenn der Adressat dem Erklärenden den Telefaxanschluss zu Korrespondenzzwecken angegeben hat. Dann muss er an diesem Anschluss ein Telefaxgerät bereithalten und sicherstellen, dass der Zugang von Sendungen nicht durch Umstände, die in seinem Verantwortungs- und Organisationsbereich liegen, verhindert wird9. Ob die Vorlage einer Faxsendebestätigung ausreicht, um den Zugang zu beweisen, ist 183 umstritten. Nach einer Auffassung ist das Sendeprotokoll nur geeignet, das Bestehen einer Telefonverbindung zwischen dem Faxgerät des Absendenden und dem Faxgerät des Empfängers zu beweisen, aber nicht die Übermittlung bestimmter Daten10. Die Datenübertragung könne nicht nur an Defekten des Empfangsgerätes, sondern auch an Leitungsstörungen, die zum Abbruch der Verbindung geführt hätten, gescheitert sein, ohne dass dies im Sendebericht dokumentiert werde. Im Hinblick auf derartige Leitungsfehler, die nach dem Grundgedanken des § 120 BGB in den Risikobereich des Absenders fielen, könnte der „O.K.“-Vermerk nur ein Indiz für den Zugang bieten, nicht aber einen Anscheinsbeweis rechtfertigen.

1 BGH v. 28.2.1985 – IX ZR 92/84, MDR 1985, 668 = NJW 1985, 2585; LG Hamburg v. 16.10.1985 – 17 S 277/84, NJW 1986, 262. 2 OLG Naumburg v. 15.4.1999 – 7 U 94/98, WuM 2000, 117 = NZM 2000, 90. 3 OLG Frankfurt v. 21.1.1999 – 4 U 61/98, NZM 1999, 419. 4 BGH v. 21.1.2004 – XII ZR 214/00, MDR 2004, 560 = NZM 2004, 258 m.w.N.; BAG v. 20.9.1979 – 2 AZR 967/77, NJW 1980, 1304. 5 A.M. vgl. nur BGH v. 26.11.1997 – VIII ZR 22/97, NJW 1998, 976 (977); Palandt/Grüneberg, § 130 BGB Rz. 5 m.w.N. 6 KG v. 19.8.2002 – 8 U 380/01-KGR Berlin 2003, 149 = GE 2002, 1559. 7 BGH v. 7.12.1994 – VIII ZR 153/93, MDR 1995, 952 = NJW 1995, 665 (667). 8 BGH v. 21.1.2004 – XII ZR 214/00, MDR 2004, 560 = NZM 2004, 258. 9 KG v. 19.8.2002 – 8 U 380/01, GE 2002, 1559 = KGR Berlin 2003, 149. 10 BGH v. 7.12.1994 – VIII ZR 153/93, MDR 1995, 952 = NJW 1995, 665.

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184 Die Gegenansicht räumt zwar ein, dass der „O.K.“-Vermerk lediglich das Zustandekommen der Verbindung belegt1. Infolgedessen könne aber belegt werden, dass in einem bestimmten Zeitraum zwischen zwei Faxgeräten (Festnetznummern) eine Leitungsverbindung bestanden habe, was zur Annahme ausreiche, dass das versendete Dokument beim Adressaten auch angekommen sei. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn die einwandfreie Funktionsweise des Absendegerätes außer Zweifel steht. Deshalb kann durch die Vorlage des Sendeprotokolls allein nicht der wirksame Zugang eines Faxes bewiesen werden2. 185 Diese Gegenansicht verdient den Vorzug. Die moderne Übertragungstechnik liefert in der Regel einwandfreie Ergebnisse und vermerkt auch auf größeren Strecken Übertragungsfehler im Sendeprotokoll. Deshalb kommt diesen Dokumenten durchaus ein Beweiswert zu. Dieser Anscheinsbeweis kann aber durch Vorlage des Empfangs-Journals der Faxstelle entkräftet werden. Denn kann davon ausgegangen werden, dass das Empfängerfaxgerät zum fraglichen Zeitpunkt technisch in Ordnung und nicht durch den Empfang anderweitiger Nachrichten blockiert war, und ergibt sich deshalb neben der Möglichkeit einer vom Sendegerät nicht erkannten Übermittlungsstörung die nicht auszuschließende Möglichkeit einer Manipulation, so reicht die Vorlage des in Ablichtung überreichten Sendeberichts mit dem „O.K.“-Vermerk allein nicht aus3. II. § 542 Abs. 2 BGB 186 Insoweit ergeben sich grundsätzlich keine nennenswerten Unterschiede zur Wohnraummiete. Die Probleme spielen sich hier in der Regel im Rahmen des § 550 BGB ab. Allerdings kann die Ausübung von Sonderkündigungsrechten zu erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen führen: 1. Kündigung des Insolvenzverwalters, § 109 InsO 187 Die Insolvenzordnung gewährt dem Verwalter gemäß § 109 Abs. 1 S. 1 InsO ein Sonderkündigungsrecht. Das Kündigungsrecht ist nicht zu einem bestimmten Termin auszuüben, sondern besteht während des gesamten Verfahrens4. Das Sonderkündigungsrecht gilt allerdings nicht für Mietverträge, die der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Verfahrens neu abgeschlossen hat. Hierbei verbleibt es bei den sonstigen mietrechtlichen Regelungen. 188 Die Kündigungsfist beträgt gemäß § 109 Abs. 1 S. Hs. 2 InsO für alle Mietverhältnisse drei Monate zum Monatende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgebend ist. 189 Das Privileg des Vermieters, als Massegläubiger einen Anspruch auf vorrangige Befriedigung aus einer laufenden Mietforderung zu erlangen, wirkt naturgemäß nur soweit, wie die Insolvenzmasse ausreicht, sämtliche Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Sobald der Insolvenzverwalter feststellt, dass die Masse nicht ausreicht, um fällige oder sonstige Verbindlichkeiten zu befriedigen, ist er gemäß § 208 Abs. 1 InsO verpflichtet die Unzulänglichkeit der Masse anzuzeigen. In jedem Fall hat der Insolvenzverwalter die Masse zunächst zur Begleichung der Verfahrenskosten, im Anschluss gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO zur Befriedigung von Masseverbindlichkeiten zu verwenden, die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet wurden. Gleichgestellt sind diesen gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO Mieten aus Dauerschuldverhältnissen für die Zeit nach dem ersten Termin zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte sowie gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen, soweit der Verwalter nach der Anzeige der Masseun-

1 OLG Karlsruhe v. 30.9.2008 – 12 U 65/08, DB 2008, 2479; OLG Celle v. 19.6.2008 – 8 U 80/07, VersR 2008, 1477; OLG Jena v. 18.5.2006 – 9 U 50/03, GuT 2008, 54 (Faxschreiben mit „O.K.“-Vermerk bei Sendung an den Vermieter); OLG München v. 8.10.1998 – 15 W 2631/98, MDR 1999, 286. 2 LG Berlin v. 22.5.2002 – 64 T 34/01, ZMR 2002, 751. 3 OLG Düsseldorf v. 26.5.1999 – 3 Wx 53/99, ZMR 1999, 656 = OLGR 2000, 39. 4 Begründung, RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 71, 147.

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zulänglichkeit die Gegenleistung für die Insolvenzmasse noch in Anspruch genommen hat1. Bei § 109 InsO kann es problematisch werden, wenn der Insolvenzverwalter nur für ei- 190 nen von mehreren Mietern tätig ist. Denn ob die Kündigung des Insolvenzverwalters, die auf § 109 Abs. 1 InsO gestützt wird, in diesem Fall das Mietverhältnis insgesamt mit Wirkung für und gegen sämtliche Beteiligte beendet, ist streitig. Dies wird teilweise abgelehnt mit der Begründung, § 109 InsO sichere nur die Interessen der Masse. Dafür reiche es aus, allein die Masse aus dem Mietverhältnis zu entlassen2. Teilweise wird danach differenziert, ob der weitere Mieter nur die Mithaftung für die durch den Mieter eingegangenen Verpflichtungen übernehmen oder gleichberechtigter Mieter sein sollte3. Überwiegend wird generell davon ausgegangen, dass die Kündigung des Insolvenzverwalters das Mietverhältnis insgesamt mit Wirkung für und gegen sämtliche Beteiligte beendet4. Überzeugender erscheint ein Differenzierung: sollte der andere „Mieter“ nur als zu- 191 sätzliches Haftungssubjekt dienen, ohne dass dadurch lediglich ein Schuldbeitritt begründet wurde5, besteht kein Anlass, das Mietverhältnis mit ihm fortzusetzen. Die Kündigung des Insolvenzverwalters hat umfassende Wirkung und beendet den Mietvertrag insgesamt. Sollten der oder die anderen Mieter jedoch zur einheitlichen Nutzung mit dem insolventen Mieter berechtigt sein, besteht kein Grund, ihnen die Nutzungsberechtigung zu entziehen. Sie wirken an der Kündigung nicht mit. Sie soll § 109 Abs. 1 InsO nicht schützen. Vielmehr soll die Masse geschützt werden, so dass es gerechtfertigt ist, eine Ausnahme von dem Grundsatz des Verbots der Teilkündigung zuzulassen. 2. Kündigung des Erwerbers aus der Insolvenz, § 111 InsO Dem Erwerber, der ein Grundstück aus der Insolvenzmasse erwirbt, steht nach § 111 192 InsO grundsätzlich ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Schon der Wortlaut der Vorschrift macht deutlich, dass sich die Kündigungsvoraussetzungen an § 57a ZVG orientieren (vgl. dazu § 573d BGB Rz. 25 ff.). Die Kündigungsbefugnis erhält der Erwerber erst mit Vollendung des Erwerbs i.S.d. 193 § 566 Abs. 1 BGB, also in der Regel erst mit Eintragung als Eigentümer im Grundbuch. Mit Eintritt in die Vermieterstellung muss der Erwerber für den ersten Termin kündigen, für den sie zulässig ist, § 111 S. 2 InsO. Das ist in der Regel spätestens der dritte Werktag des nächsten Quartals, § 580a Abs. 2 BGB. Da zwischen dem schuldrechtlichen und dem dinglichen Erwerbsvorgang zumeist eine größere Zeitspanne liegt, ist es nicht erforderlich, dem Erwerber eine Überlegungsfrist wie bei § 57a ZVG zuzubilligen (vgl. § 573d BGB Rz. 26). Lässt der Erwerber die Frist verstreichen, ist das Sonderkündigungsrecht hinfällig. Um das Risiko der Sondekündigung nach § 111 InsO zu vermeiden, bietet sich die 194 Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit in das Grundbuch an (vgl. § 535 BGB Rz. 1151). Die schuldrechtliche Begründung dieses dinglichen Rechts erfordert keine notarielle Beurkundung des Mietvertrages, weil ein Fall des § 311b BGB nicht vorliegt.

1 Lützenkirchen/Gemeinhardt/Weber, AHB Mietrecht, P Rz. 199. 2 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1589; MünchKomm/Eckert, § 109 InsO Rz. 37 ff. m.w.N. 3 Hörndler in Lindner-Figura u.a., Kap. 20 Rz. 68 ff.; Lützenkirchen/Gemeinhardt/Weber, AHB Mietrecht, P Rz. 202 jeweils m.w.N. 4 OLG Hamburg v. 29.3.2012 – 8 U 78/11, MDR 2012, 738 = GE 2012, 955 = NZM 2012, 684; OLG Düsseldorf v. 2.7.1987 – 10 U 23/87, NJW-RR 1987, 1369; OLG Celle v. 15.2.1974 – 2 U 62/73, MDR 1974 673 = NJW 1974, 2012. 5 Vgl. dazu LG Lübeck v. 25.3.2010 – 14 S 146/09, ZMR 2010, 857; LG Leipzig v. 26.1.2005 – 1 S 5846/04, NZM 2006, 175; vgl. § 551 BGB Rz. 195 ff.

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Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

§ 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund (1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. (2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn 1. dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird, 2. der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder 3. der Mieter a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt. (3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn 1. eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht, 2. die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder 3. der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist. (4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast. Inhalt A. I. II. 1. 2. 3.

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Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich . . . . Anwendbare Rechtsprechung . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften . a) § 543 Abs. 1 BGB zu §§ 543 Abs. 2, 569 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 314 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) § 313 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . d) § 573 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. . . . . .

1 1 4 4 5 9

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9 12 18 19

III. IV. V. VI.

e) § 541 BGB . . . . . . . . . . . . . . . f) Anfechtung, §§ 119, 123 BGB Sinn und Zweck der Vorschrift . Abweichende Vereinbarungen . Darlegungs- und Beweislast . . . Beratungsrisiko . . . . . . . . . . . . .

B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . I. § 543 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . 1. Abwägung der beiderseitigen Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . .

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20 22 23 24 30 31

...... ......

34 34

...... ......

35 44

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 3. Kurzfristige Beendigung des Vertrages? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zeitkomponenten der Abwägung . . . . 5. Kasuistik: Wichtige Gründe . . . . . . . . a) Für den Vermieter . . . . . . . . . . . . . . b) Für den Mieter. . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . 1. Gebrauchsentziehung . . . . . . . . . . . . . 2. Verschulden des Vermieters . . . . . . . . 3. Erhebliche Beeinträchtigung . . . . . . . 4. Abmahnung oder Fristsetzung . . . . . . 5. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . 6. § 543 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . III. § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . 1. Vernachlässigung von Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unbefugte Überlassung an einen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mangelnde Erlaubniserteilung. . . . b) Erhebliche Verletzung der Rechte des Vermieters . . . . . . . . . . c) Abmahnung und Fristsetzung . . . . d) Fortbestand der Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtsmissbräuchliche Kündigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB (Zahlungsverzug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rückstandsermittlung . . . . . . . . . . . . a) Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . aa) Erlöschen durch Zahlung, § 543 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . bb) Erlöschen durch Aufrechnung . b) § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a Alt. 1 BGB . . c) § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a Alt. 2 BGB . . d) § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB . . . . . . 3. Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fällige Mieten . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . .

47 48 53 54 130 175 175 182 184 187 193 195 198 199

V. 1. 2. 3. 4. 5.

204 205

6.

207 208 211 213 215 216 217 223 227 229 233 240 242 245 248 248 250

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c) Verschulden des Mieters . . . . . . . . aa) Eigenes Verschulden . . . . . . . . (1) Lastschrifteinzug . . . . . . . . . . . (2) Hinterlegung. . . . . . . . . . . . . . . (3) Überzogene Minderung . . . . . . (4) Nichtbeachtung einer Mieterhöhung . . . . . . . . . . . . . . bb) Zurechnung fremden Verschuldens . . . . . . . . . . . . . . d) Treuwidrige Kündigung . . . . . . . . . e) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abmahnung und Fristsetzung . . . . . . Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . Fristsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Form und Inhalt der Fristsetzung . . . Sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen Abmahnung und Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung trotz fehlender Abmahnung oder Fristsetzung (Umdeutung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entbehrlichkeit der Abmahnung oder Fristsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Offensichtliche Erfolglosigkeit . . . . b) Sofortige Kündigung aus besonderen Interessen . . . . . . . . . . . . . . . c) Zahlungsverzug. . . . . . . . . . . . . . . .

C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . I. Wichtiger Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragliche Festlegung des wichtigen Grundes . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragliche Regelungen zum Zahlungsverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nicht unerheblicher Rückstand i.S.v. § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BGB . . . . . . . . . 4. Aufrechnung nach § 543 Abs. 2 S. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kündigungssperre im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

256 256 258 262 267 276 278 282 286 287 291 292 295 298

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A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Vorschrift enthält in Abs. 1 die Generalklausel für die außerordentliche fristlose 1 Kündigung aus wichtigem Grund für alle Mietverträge. Trotz der in § 543 Abs. 1 BGB enthaltenen Definition des wichtigen Grundes hielt es der Gesetzgeber – in Anlehnung an § 573 BGB – für sinnvoll, in Abs. 2 typisierte Fälle der Unzumutbarkeit zu regeln1. Die Tatbestände des Abs. 2 bilden eigenständige, gesetzlich definierte Kündigungs- 2 gründe, die weder eine konkrete Unzumutbarkeitsprüfung erfordern2 noch als Kündigungsgrund entkräftet werden können3. Liegen die Voraussetzungen der Nr. 1–3 vor, besteht auch ein wichtiger Grund4. Eine zusätzliche Prüfung der Unzumutbarkeit 1 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XII 2. 2 BGH v. 18.10.2006 – XII ZR 33/04, MDR 2007, 391 = NZM 2006, 929. 3 Kraemer, NZM 2001, 553 (558); Lammel, § 543 BGB Rz. 60; Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 6. 4 BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, WuM 2009, 349.

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Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

muss nicht erfolgen. Allerdings wird bei der Ausfüllung von unbestimmten Rechtsbegriffen der einzelnen Kündigungstatbestände der Grundtatbestand des § 543 Abs. 1 BGB zu beachten sein1. 3 Daneben werden generelle (zusätzliche) Anforderungen wie die Fristsetzung und Abmahnung (Abs. 3) bestimmt. Für das Regelbeispiel des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist ergänzend die Anwendbarkeit besonderer Vorschriften des Gewährleistungsrechts normiert (Abs. 4). II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 4 Die Norm ist unmittelbar auf alle Mietverhältnisse und über § 581 Abs. 2 BGB entsprechend auf Pachtverhältnisse anwendbar. Für Wohnraummietverträge und für Mietverhältnisse über andere Räume (vgl. § 578 Abs. 2 BGB) wird der Anwendungsbereich teilweise durch § 569 BGB ergänzt. Bei der Landpacht ist § 594e BGB einschlägig. 2. Anwendbare Rechtsprechung 5 Das bis zur Mietrechtsreform 2001, also bis zum 31.8.2001 gültige Recht regelte das Recht zur fristlosen Kündigung für den Mieter in den §§ 542, 544 BGB der seinerzeitigen Fassung, für den Vermieter in den §§ 553, 554 BGB a.F. und für beide Parteien in § 554a BGB a.F., der als Auffangtatbestand angesehen wurde2. Daneben konnte der Mietvertrag wie jedes andere Dauerschuldverhältnis auch aus wichtigem Grund gekündigt werden3. Während eine Kündigung gemäß § 554a BGB a.F. ein Verschulden der anderen Vertragspartei voraussetzte, bestand die Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund verschuldensunabhängig4. Gemeinsam war beiden Kündigungen, dass aufgrund der verschuldeten oder unverschuldeten Umstände der betroffenen Partei die Fortsetzung des Mietverhältnisses objektiv unzumutbar geworden sein musste5. Dabei wurde der Maßstab eines vernünftigen Durchschnittsbetrachters, der die Besonderheiten von Mietverhältnissen kennt, angelegt6. Diese Entwicklung war bereits durch das Reichsgericht begründet worden, das in Analogie zu den §§ 626, 723 BGB, §§ 89a, 133 HGB den allgemeinen Grundsatz aufstellte, dass Rechtsverhältnisse von längerer Dauer, die ein persönliches Zusammenarbeiten der Beteiligten und daher ein gutes Einvernehmen erfordern, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in Gestalt der Unzumutbarkeit einer weiteren Zusammenarbeit gekündigt werden können7. 6 Diese Grundsätze waren am 1. September 2001 der Ausgangspunkt, um ein allgemeines und unabdingbares Recht bei der Vertragsparteien zur fristlosen Kündigung zu schaffen und das bislang aus allgemeinen Rechtssätzen hergeleitete Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund sowie die über mehrere Einzelvorschriften verstreuten speziellen Kündigungsgründe in einer Vorschrift zusammenzufassen8. Dazu wurde in § 543 Abs. 1 BGB eine Generalklausel bestimmt, die die allgemeinen Anforderungen an den wichtigen Grund regelt. Diese Generalklausel wird durch die Regelbeispiele in §§ 543 Abs. 2 und 569 Abs. 1, 2 BGB ergänzt. Diese Beispiele sollten nach dem Willen des Gesetzgebers 2001 die bisherigen Kündigungstatbestände

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Kraemer, NZM 2001, 553 (558); ähnlich Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 6. OLG Koblenz v. 16.7.1997 – 4 W RE 602/96, MDR 1997, 1113 = ZMR 1997, 578 = WuM 1997, 482. A.M., vgl. nur Emmerich/Sonnenschein (7. Aufl.), § 553 BGB Rz. 9 m.w.N. BGH v. 27.2.1963 – V ZR 100/61, MDR 1963, 576 = NJW 1963, 1451; BGH v. 4.6.1969 – VIII ZR 134/67, MDR 1969, 1003 = NJW 1969, 1845. BGH v. 2.6.1959 – VIII ZR 20/59, MDR 1959, 754 = NJW 1959, 2017; BGH v. 4.6.1969 – VIII ZR 134/67, MDR 1969, 1003 = NJW 1969, 1845. Staudinger/Emmerich (1998), § 554a BGB Rz. 10. RG v. 27.2.1912 – Rep. II 445/11, RGZ 78, 385; RG v. 13.12.1918 – Rep. III 265/18, RGZ 94, 234. Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1145.

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(§§ 542, 544, 553, 554, 554a BGB a.F.) als Anwendungsfälle des wichtigen Grundes festlegen1. Mit Rücksicht darauf ist die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1.9.2001 grund- 7 sätzlich auf die Regelbeispiele der §§ 543 Abs. 2, 569 Abs. 1, 2 BGB ohne Weiteres anwendbar2. Das Gleiche gilt für die Rechtsprechung zur Kündigung aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 1 BGB. Noch nicht abschließend geklärt ist diese Frage für das Regelbeispiel des § 543 Abs. 2 8 Nr. 2 BGB. Danach müssen durch die sorgfaltswidrige Gefährdung der Mietsache und/oder die unbefugte Gebrauchsüberlassung der Mietsache die Rechte des Vermieters in erheblichem Maße verletzt sein. Insoweit soll auf die Rechtsprechung zu § 553 BGB a.F., wonach die beiden Kündigungstatbestände des § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB gesetzlich geregelte Beispiele einer erheblichen Verletzung der Vermieterinteressen waren3, nicht zurückgegriffen werden können. Denn nach der Fassung von § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB soll es sich bei den beiden darin angeführten Kündigungstatbeständen nicht mehr um Beispiele eines Grundtatbestandes, sondern um zwei die gesamte Norm der Nr. 2 ausfüllende Sondertatbestände handeln4. In Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber am 1.9.2001 für die Anwendung der in § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB geregelten Tatbestände nichts ändern wollte, muss die gegenüber § 553 BGB a.F. abweichende Formulierung als Redaktionsversehen angesehen werden mit der Folge, dass auch hier die ältere Rechtsprechung anwendbar bleibt5. 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften a) § 543 Abs. 1 BGB zu §§ 543 Abs. 2, 569 BGB § 543 Abs. 1 BGB bildet eine Generalklausel als Auffangtatbestand für die außer- 9 ordentliche fristlose Kündigung und definiert den wichtigem Grund. Abs. 2 der Vorschrift zeigt dazu Regelbeispiele auf. Es ist umstritten, ob bei Vorliegen eines der Regelbeispiele die in § 543 Abs. 1 BGB 10 genannten Voraussetzungen, wie etwa die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung, zusätzlich vorliegen müssen6. Mit der h.M. ist davon auszugehen, dass bei Vorliegen der Tatbestände des § 543 Abs. 2 BGB eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich ist, ohne dass die in § 543 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen zusätzlich erfüllt sein müssen7. Nach der Gesetzessystematik handelt es sich bei den in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BGB aufgeführten Kündigungsgründen um gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit. Soweit deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind, ist grundsätzlich auch ein wichtiger Grund i.S.v. § 543 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung gegeben8. Nicht anders ist das Verhältnis von § 569 BGB zur Generalklausel zu werten. Auch 11 die dort geregelten Fälle sind Regelbeispiele des wichtigen Grundes9. Daher ist eine Abmahnung nach § 543 Abs. 3 BGB grundsätzlich auch für diese Anwendungsfälle obligatorisch, wenn der wichtige Grund auf einer Pflichtverletzung beruht. Anderer1 Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1145. 2 Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 5. 3 BGH v. 28.11.1984 – VIII ZR 186/83, MDR 1985, 665 = NJW 1985, 2527; OLG Hamm v. 11.4.1997 – 30 REMiet 1/97, ZMR 1997, 349; BayObLG v. 26.10.1990 – REMiet 1/90, MDR 1991, 253 = WuM 1991, 18; Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 169. 4 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XII 3; ähnlich Kraemer, NZM 2001, 553 (560). 5 Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 74. 6 So MünchKomm/Bieber, § 543 BGB Rz. 22, 23; einschränkend Kraemer, NZM 2001, 553 (557 f.). 7 BGH v. 18.10.2006 – XII ZR 33/04, MDR 2007, 391 = NJW 2007, 147 (Rz. 10); Schmidt-Futterer/ Blank, § 543 BGB Rz. 3 m.w.N.; Lammel, § 543 Rz. 60; Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 6; Kandelhard in Kandelhard/Herrlein, § 543 BGB Rz. 3. 8 BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, MDR 2009, 793 = WuM 2009, 349 = GE 2009, 709 = NZM 2009, 431. 9 BGH v. 13.4.2010 – VIII ZR 206/09, WuM 2010, 352 = NZM 2011, 32; BGH v. 18.4.2007 – VIII ZR 182/06, WuM 2007, 319 = MDR 2007, 1064 = ZMR 2007, 601.

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seits ist bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Interessenabwägung i.S.v. § 543 Abs. 1 S. 2 BGB nicht erforderlich. b) § 314 BGB 12 Diese Vorschrift im Allgemeinen Teil des Schuldrechts bildet die generelle Grundlage für die außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen. Im Hinblick darauf wird sie durch speziellere Vorschriften des besonderen Teils des Schuldrechts verdrängt. Dazu gehören auch § 543 Abs. 1, 2 BGB1. Die Spezialität wirkt jedoch nur soweit, wie § 543 BGB Regelungen enthält, also zunächst nur gegenüber § 314 Abs. 1, 2 BGB. 13 Nach § 314 Abs. 3 BGB kann die Kündigung aus wichtigem Grund nur innerhalb angemessener Frist ab Kenntnis des Kündigungsgrundes2 ausgesprochen werden. Die Regelung bezweckt zum einen eine beschleunigte Herbeiführung klarer Verhältnisse; zum anderen liegt ihr die Erwägung zugrunde, dass nach längerem Zuwarten auch die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht unzumutbar ist3. Denn wartet der zur Kündigung Berechtigte zu lange, kann dies den Schluss rechtfertigen, dass ihm die Fortsetzung des Vertrages in Wahrheit doch zuzumuten ist, weil er damit zu erkennen gibt, dass er die Vertragsverletzung selbst als nicht so schlimm angesehen4 oder sein Kündigungsrecht verwirkt hat5. 14 Unstreitig gilt § 314 Abs. 3 BGB für die Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB6. 15 Ob dies auch für die Tatbestände der §§ 543 Abs. 2, 569 Abs. 1 und 2 BGB gilt, wird nicht einheitlich bewertet. Weil sie abschließende Spezialregelungen zu § 543 Abs. 1 BGB darstellen, soll § 314 Abs. 3 BGB auf sie nicht ohne weiteres anwendbar sein7. Allerdings soll der Vermieter ein Urteil über seine Zahlungsansprüche abwarten können, bevor er nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB kündigt8. Hierzu, also zu der Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB wird überwiegend die Anwendbarkeit wegen des spezielleren Charakters verneint9. Der BGH hat die Entscheidung der Streitfrage offen gelassen10, da im konkreten Fall auch bei einer Anwendung von § 314 Abs. 3 BGB die erklärte Kündigung wirksam war. 16 In der Praxis handelt es sich um ein Scheinproblem, jedenfalls hinsichtlich der Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wenn es um anhaltende Pflichtverletzungen geht (z.B. unberechtigte Untervermietung)11. Denn der Vermieter kann mit einer (erneuten) Abmahnung jederzeit deutlich machen, dass er den vertragswidrigen Zustand nicht hinzunehmen bereit ist. Damit würde der angemessene Zeitraum erneut anfangen zu laufen. 17 Dogmatisch gesehen ist § 314 Abs. 3 BGB auch auf die Tatbestände des § 543 Abs. 2 BGB anwendbar. Zwar enthält § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB auch eine Zeitkomponente im 1 Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 2; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 5. 2 Vgl. dazu BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 36/05, MDR 2007, 1009 = GE 2007, 711 = ZMR 2007, 525 Rz. 21. 3 OLG Hamm v. 13.12.2010 – 7 W 33/10, MDR 2011, 535 = NZM 2011, 277. 4 BGH v. 23.3.1983 – VIII ZR 336/81, WuM 1983, 661; OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 105/01, ZMR 2003, 177. 5 BGH v. 7.12.1983 – VIII ZR 257/82, NJW 1984, 871 = MDR 1984, 573. 6 BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 36/05, MDR 2007, 1009 = GE 2007, 711 = ZMR 2007, 525; Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 1; unklar insoweit Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 2. 7 Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 5; Kandelhard, NZM 2005, 43 (46); a.A. OLG Hamm v. 13.12.2010 – 7 W 33/10, MDR 2011, 535 = NZM 2011, 277; Hinz, NZM 2004, 681, (692); Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 275. 8 OLG Bremen v. 5.4.2007 – 2 U 7/07, ZMR 2007, 688. 9 Vgl. dazu Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 127 f.; Erman/Hohloch, § 314 BGB Rz. 10; Lammel, § 543 BGB Rz. 175, 183, 185; MünchKomm/Bieber, § 543 BGB Rz. 53; MünchKomm/ Gaier, § 314 BGB Rz. 9; Palandt/Grüneberg, § 314 BGB Rz. 6; Weth, jurisPK-BGB, § 314 BGB Rz. 5, 40; vgl. zur Gewerberaummiete auch BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 36/05, MDR 2007, 1009 = NJW-RR 2007, 886 (Rz. 21 für eine auf die Nichtleistung der Kaution gestützte Kündigung). 10 BGH v. 11.3.2009 – VIII ZR 115/08, WuM 2009, 231 = GE 2009, 511. 11 Vgl. auch OLG Hamm v. 13.12.2010 – 7 W 33/10, MDR 2011, 535 = NZM 2011, 277.

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Tatbestand. Indessen kommt es auf den Zeitraum zwischen Erfüllung des Tatbestandes und Erklärung der Kündigung an. Dazu macht § 543 Abs. 2 BGB keine Angaben und kann daher § 314 Abs. 3 BGB nicht verdrängen, der im Übrigen einen allgemeinen Rechtsgedanken enthält1. Dies ist z.B. relevant, wenn bei einer einmaligen Pflichtverletzung die außergerichtliche Kündigung unwirksam ist und es auf die im Prozess erneut erklärte Kündigung ankommt2. Welcher Zeitraum angemessen ist, muss im konkreten Einzelfall entschieden wer- 17a den3. Klar ist aber, dass § 626 Abs. 2 BGB weder als starre Vorgabe noch als „Regelfrist“ herangezogen werden kann4 und die Frist mit Kenntnis des Kündigenden von den maßgeblichen Umständen zu laufen beginnt5. Der angemessene Zeitraum darf die Dauer nicht wesentlich überschreiten, die erforderlich ist für die Abklärung der Kündigungsmöglichkeiten und die Vorbereitung der eigenen Entscheidung über die Beendigung des Mietvertrages durch Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB6. Sie kann durchaus mehrere Monate dauern. Deshalb ist auch die Orientierung an einem Monat7 verfehlt8. Der Vermieter soll z.B. noch rechtzeitig gehandelt haben, wenn er am 10.11. eine Frist 17b zum 30.11. setzt, Weihnachten und anschließend weitere drei Monate abwartet, ob der Mieter die titulierte Forderung ausgleicht, bevor er wegen Zahlungsverzuges kündigt9. Auch vier Monate wegen Nichtzahlung der Kaution sind hinnehmbar10. Kündigt der Mieter wegen einer Pflichtverletzung des Vermieters, muss bei der Be- 17c messung des Zeitraums i.S.v. § 314 Abs. 3 BGB berücksichtigt werden, dass der Mieter zunächst angemessenen Ersatzraum finden muss. Das kann je nach Marktlage einfach oder schwierig, also zeitraubend sein. Auch die Größe des Haushalts oder des Betriebes, die umgesiedelt werden sollen, sind in die Überlegungen einzubeziehen. Erklärt der Vermieter eine unbegründete (außerordentliche) Kündigung z.B. wegen § 550 BGB kann sich die Angemessenheit an der Kündigungsfrist orientieren. Selbst wenn die angemessene Frist abgelaufen ist, kann eine fristlose Kündigung we- 17d gen Zahlungsverzuges wirksam sein, wenn ein Vertrauen des Mieters, der Vermieter werde einen entstandenen Mietrückstand hinnehmen und auch bei einem weiteren Anstieg des Rückstands von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen, jeglicher Grundlage entbehrt. Das soll jedenfalls noch nach fünf Monaten der Fall sein11. c) § 313 Abs. 3 BGB Bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage kann eine Beendigung des Mietvertrages 18 auch über § 313 Abs. 3 BGB herbeigeführt werden, sofern eine Anpassung des Vertrages für eine Partei nicht möglich oder ihr unzumutbar ist. § 313 BGB ist generell subsidiär gegenüber den spezielleren mietrechtlichen Vorschriften. Vor diesem Hintergrund ist er aber uneingeschränkt anwendbar12, wobei die Begründungen durchaus unterschiedlich ausfallen13.

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OLG Düsseldorf v. 27.5.2010 – 10 U 147/09, MDR 2010, 1447 = ZMR 2011, 544. LG Berlin v. 10.10.2003 – 63 S 143/03, GE 2004, 481. Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 5. BGH v. 25.11.2010 – Xa ZR 48/09; MDR 2011, 148 = NJW 2011, 1438; a.A. LG Berlin v. 18.11.1991 – 62 S 220/91, MM 1992, 135. BGH v. 11.3.2009 – VIII ZR 115/08, WuM 2009, 231 = ZMR 2009, 521. Vgl. Erman/Hohloch, § 314 BGB Rz. 10. OLG Saarbrücken v. 23.9.1998 – 1 U 969/97-185, MDR 1999, 86. Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 33. OLG Bremen v. 5.4.2007 – 2 U 7/07, ZMR 2007, 688. BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 36/05, MDR 2007, 1009 = ZMR 2007, 525 = NZM 2007, 400. BGH v. 11.3.2009 – VIII ZR 115/08, WuM 2009, 231 = ZMR 2009, 521. Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 1. Vgl. Hirsch, NZM 2007, 110 (zum Meinungsstand insgesamt); Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 3.

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d) § 573 BGB 19 Das Recht des Wohnungsvermieters, aufgrund desselben Sachverhalts das Mietverhältnis gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB z.B. wegen einer Pflichtverletzung ordentlich zu kündigen, wird durch § 543 BGB nicht ausgeschlossen1. Dieselbe Pflichtverletzung kann im Einzelfall eine fristlose und eine ordentliche Kündigung des Wohnraumvermieters rechtfertigen. Kündigungsgründe aus § 543 Abs. 2 BGB und § 569 Abs. 1, 2 BGB können miteinander konkurrieren. Sind die Voraussetzungen nicht (voll) erfüllt, kann die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB gerechtfertigt sein. e) § 541 BGB 20 Nicht selten wird vertreten, dass der Vermieter bei der Ausübung seiner Rechte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten habe. Deshalb soll der Vermieter selbst bei erheblichen Verletzungen z.B. von Duldungspflichten durch den Mieter darauf beschränkt sein, diese Pflichten einzuklagen und ggf. nach § 890 ZPO vollstrecken zu lassen, und ihm daneben das Recht zur außerordentlichen Kündigung verwehrt sein2. 21 Für eine derartige Unterscheidung zwischen Duldungspflichten und sonstigen Pflichten des Mieters bietet § 543 BGB keinen Ansatzpunkt3. Gemäß § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund von jeder Vertragspartei fristlos gekündigt werden. Dazu definiert § 543 Abs. 1 S. 2 BGB den wichtigen Grund. Aus § 543 Abs. 3 S. 1 BGB wird deutlich, dass der wichtige Grund in jedweder Pflichtverletzung aus dem Mietvertrag liegen kann, mithin auch in der Verletzung der vertraglich festgelegten Pflicht des Mieters, dem Vermieter z.B. Zutritt zur Wohnung zu gestatten, wenn dieser die Wohnung veräußern und deshalb Kaufinteressenten zeigen will. Unter welchen Umständen die Zumutbarkeitsgrenze für den Vermieter überschritten ist, wenn der Mieter die Erfüllung dieser vertraglichen Pflicht beharrlich verweigert, ist eine vom Tatrichter anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu treffende Wertung. Innerhalb dieser Wertung kann auch die Frage erheblich sein, ob es dem Vermieter im Einzelfall zuzumuten ist, vor Ausspruch der fristlosen Kündigung einen Duldungstitel gegen den Mieter zu erwirken und ggf. Vollstreckungsversuche nach § 890 ZPO zu unternehmen. Ein genereller Vorrang wird dadurch aber nicht begründet. f) Anfechtung, §§ 119, 123 BGB 22 § 543 BGB verdrängt auch nach Übergabe der Mietsache nicht die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB, wobei auch eine Einschränkung der ex-tuncRechtsfolge nicht gerechtfertigt ist4. Das Gleiche gilt für eine Anfechtung nach § 119 BGB5 (vgl. im Einzelnen § 542 BGB Rz. 153 f.). III. Sinn und Zweck der Vorschrift 23 Vor dem Hintergrund von § 314 BGB, der den Grundtatbestand für alle Dauerschuldverhältnisse bildet, besteht der Zweck des § 543 BGB vor allem darin, die gesetzlichen Anforderungen der außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund für die Miete festzulegen. Dies kommt insbesondere in den Absätzen 2 bis 5 zum Ausdruck.

1 Vgl. z.B. BGH v. 16.2.2005 – VIII ZR 6/04, MDR 2005, 680 = ZMR 2005, 356 = NZM 2005, 334; OLG Stuttgart v. 28.8.1991 – 8 REMiet 2/91, WuM 1991, 526 = NJW-RR 1991, 1487; OLG Karlsruhe v. 19.8.1992 – 3 REMiet 1/92, WuM 1992, 517 = NJW-RR 1993, 79. 2 Z.B. LG Baden-Baden v. 24.7.2009 – 1 S 11/09, zitiert nach juris; AG Lichtenberg v. 20.1.2003 – 7 C 319/02, NZM 2003, 153 = ZMR 2003, 506. 3 BGH v. 5.10.2010 – VIII ZR 221/09, WuM 2011, 13 = GE 2011, 198 = ZMR 2011, 366. 4 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MDR 2009, 19 = GuT 2008, 330. 5 A.A. Bub/Treier/Bub, II Rz. 673.

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IV. Abweichende Vereinbarungen Generell ist es nicht zulässig, das Recht zur fristlosen Kündigung durch Vertrag aus- 24 zuschließen1, wobei für die Wohnraummiete § 569 Abs. 5 S. 2 BGB zu beachten ist. Verschärfungen zu Lasten des Verwenders von AGB sind zulässig, zu Lasten des Kunden (in der Regel der Mieter) scheitern sie an § 307 BGB. Die Notwendigkeit der Abmahnung kann formularvertraglich nicht abbedungen wer- 25 den2. Es ist jedoch zulässig, die Ausnahmen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB etwa durch die Aufzählung einschlägiger Beispielsfälle inhaltlich zu spezifizieren. Formularmäßig kann die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB durch die Notwen- 26 digkeit einer besonderen Zahlungsaufforderung (Abmahnung etc.) erschwert werden, wenn der Vermieter der Verwender ist. Diese ist für den Vermieter selbst dann bindend (§ 242 BGB), wenn die Klausel im Übrigen wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam ist3. Ohnehin genießen Regelungen in Mietverträgen, die die außerordentliche Kündigung 27 betreffen, im Zweifel jedenfalls dann Vorrang vor den gesetzlichen Bestimmungen, wenn sie sich zum Nachteil des Verwenders auswirken. Dies ergibt sich schon aus dem Grundsatz des venire contra factum proprium4. Regelt der Vertrag also z.B. das Recht des Vermieters zur fristlosen Kündigung mit Beispielsfällen, ohne die vom Gesetz vorgesehenen Regelbeispiele erschöpfend zu erfassen und deutlich zu machen, dass die Bestimmung eine nicht abschließende Aufzählung enthält, ist im Zweifel anzunehmen, dass andere als die geregelten Fälle zu Lasten des Verwenders ausgeschlossen sein sollen. Auf eine etwaige Unwirksamkeit einer oder aller Regelungen kann sich der Verwender ebenfalls nicht berufen5. Vielmehr macht er sich mit einer Kündigung, die er auf eine unwirksame Klausel stützt, schadensersatzpflichtig (vgl. § 542 BGB Rz. 104 ff.). Die Höhe der zur Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB berechtigenden Mietschuld 28 kann formularvertraglich nicht auf den Teil einer Mietrate herabgesetzt und auch nicht auf einen bloßen – verschuldensunabhängigen – Zahlungsrückstand statt auf den Zahlungsverzug beschränkt werden6. Individualvereinbarungen sind neben § 569 Abs. 54 BGB für die Wohnraummiete grundsätzlich an §§ 138, 242 BGB zu messen. Soweit sie auf eine Vermögensverschlechterung abstellen, kommt eine Kollision mit 29 § 112 InsO in Betracht. V. Darlegungs- und Beweislast Der Kündigende trägt die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen seines 30 Kündigungsrechtes. Lediglich dann, wenn der Pflichtverstoß in einer falschen Verdächtigung oder üblen Nachrede liegt, muss der Kündigungsgegner die Richtigkeit seiner Behauptung oder aber beweisen, dass er in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat. VI. Beratungsrisiko Gerade wenn der Mieter die Mietzahlungen (teilweise) einstellen will, muss der 31 Rechtsanwalt über das Kündigungsrisiko aus § 543 Abs. 1 Nr. 3 BGB aufklären. Dies gilt auch bei der Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen, die zur Einstellung der Mietzahlung führt. Insoweit sind insbesondere Klauseln zu beachten, die sich an

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BGH v. 5.6.1992 – LwZR 11/91, MDR 1992, 770 = NJW 1992, 2628. LG Hannover v. 15.12.1983 – 3 S 277/83, MDR 1984, 670. BGH v. 25.3.1987 – VIII ZR 71/86, MDR 1987, 838 = NJW 1987, 2506. BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718. BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718. BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, ZMR 1993, 320; BGH v. 22.3.1989 – VIII ZR 154/88, MDR 1989, 731 = NJW 1989, 1673.

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§ 556b Abs. 2 BGB orientieren und eine Ankündigungsfrist für die Aufrechnung verlangen1. 32 Macht der Mieter von seinem Recht zur fristlosen Kündigung Gebrauch, muss darauf hingewiesen werden, dass damit der Mietvertrag sofort endet und die vertraglichen Leistungsansprüche gegen den Vermieter ihre Grundlage verlieren. Es kann also zu einer Versorgungssperre kommen2. Sind die Tatsachen unsicher, droht das Risiko der unbegründeten Kündigung mit der Folge, dass der Mietvertrag bestehen bleibt. Deshalb sollte immer geprüft werden, inwieweit eine Sicherung der Beweismittel möglich ist, insbesondere auch durch einen außergerichtlich bestellten Sachverständigen. Allerdings besteht kein (Schadensersatz-)Anspruch auf Erstattung der durch die Einholung eines Privatgutachtens entstandenen Kosten, wenn das Gutachten erst während eines laufenden Zivilprozesses, in dem über die nämliche Fragestellung gestritten wird, in Auftrag gegeben wird3. Im Übrigen hat der Vermieter gegen den Mieter Anspruch auf Schadensersatz bei unberechtigter Kündigung durch den Mieter4. 33 Der Vermieter muss bedenken, dass seine fristlose Kündigung eine Schadensersatzpflicht5 (vgl. § 314 Abs. 4 BGB) oder ein Kündigungsrecht des Mieters6 herbeiführen kann, wenn sie unbegründet ist. Denn mit einer unbegründeten Kündigung7 macht der Vermieter dem Mieter den Besitz streitig. Dies rechtfertigt – nach Abmahnung – den Tatbestand des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Im Übrigen verletzt der Vermieter seine Fürsorgepflicht. Denn er muss sich im Zweifel darüber beraten lassen, ob er zur (fristlosen) Kündigung berechtigt ist. B. Wohnraummiete I. § 543 Abs. 1 BGB 34 Die in diesem Absatz geregelte Generalklausel enthält in S. 2 die Legaldefinition des wichtigen Grundes. Danach muss für den Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, ggf. auch der Suizidgefahr beim Mieter8, die das Schuldverhältnis tragende Vertrauensgrundlage derart zerstört sein, dass ihm unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes nicht mehr zugemutet werden kann9. 1. Abwägung der beiderseitigen Interessen 35 Für eine Mietvertragspartei kann ein Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB bestehen, wenn infolge des Verhaltens des anderen Vertragsteils die Durchführung des Vertrages wegen der Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage derart gefährdet ist, dass dem Kündigenden unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses 1 OLG Düsseldorf v. 14.12.2010 – I-24 U 126/10, MDR 2011, 395 = WuM 2011, 114. 2 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947. 3 AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, zitiert nach juris. 4 AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, zitiert nach juris. 5 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 297, 302 = MDR 1984, 571 (betreffend eine auf falsche Sachdarstellung gestützte Kündigung); BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718 (unter 2a – betreffend eine auf eine unwirksame AGB-Klausel gestützte Kündigung); BGH v. 18.5.2005 – VIII ZR 368/03, MDR 2005, 1218 = NJW 2005, 2395 (unter II 1 – betreffend eine Eigenbedarfskündigung ohne tatsächlichen Selbstnutzungswunsch). 6 BGH v. 18.5.2005 – VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395 (unter II 1) m.w.N. 7 Zur formell unwirksamen Kündigung vgl. BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 9/10, MDR 2011, 150 = WuM 2011, 33 = ZMR 2011, 278. 8 BGH v. 8.12.2004 – VIII ZR 218/03, ZMR 2005, 183 = WuM 2005, 125 = NZM 2005, 300. 9 BGH v. 15.9.2010 – XII ZR 188/08, MDR 2010, 1305 = NZM 2010, 901 = ZMR 2011, 29; Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 543 BGB Rz. 3.

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auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes nicht mehr zugemutet werden kann1. Über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB ist auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung zu entscheiden2. Hierfür sind die Interessen des Kündigenden an der Vertragsbeendigung und die Interessen der anderen Vertragspartei an der Fortdauer des Mietverhältnisses zu ermitteln und zu bewerten3. Frühere Vertragsverletzungen des Kündigungsgegners können berücksichtigt werden, selbst wenn diese für sich genommen eine Kündigung nicht rechtfertigen würden4. Die notwendige Abwägung ist auf die Umstände zu stützen, die im Zeitpunkt des 36 Ausspruchs der Kündigung vorlagen5. Die Abwägung muss aber nicht allein auf aktuelle Verfehlungen gestützt werden. Auch längere Zeit zurückliegende Vorfälle können zur Rechtfertigung einer fristlosen Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer schuldhaft schweren Pflichtverletzung herangezogen werden, wenn neuerliche Verstöße gegen die vertraglichen Verpflichtungen hinzutreten6. Verschiedentlich wird das nachfolgende Verhalten insbesondere des Kündigungsgeg- 37 ners als Abwägungskriterium herangezogen7. Dies ist in der Regel aber zweifelhaft. Nicht nur bei einem einmaligen Verstoß ergibt sich die Unzumutbarkeit nach einer Abwägung auch aus der Prognose, ob aufgrund der im Zeitpunkt der Kündigung bestehenden Tatsachen die Fortsetzung des Mietvertrages unzumutbar ist. Demnach muss z.B. aus einem einmaligen Verhalten abgelesen werden können, dass der Kündigende das Vertrauen in das vertragsgemäße Verhalten des Kündigungsadressaten – zu Recht – verloren hat, also die Vertrauensgrundlage zerstört wurde. Insoweit ist insbesondere zu beachten, dass der Kündigung eine Abmahnung vorauszugehen hat, § 543 Abs. 3 BGB. Demnach kommt es darauf an, ob trotz des zwar einmaligen, aber nach einer Abmahnung wiederholten Verhaltens des Kündigungsempfängers die Annahme gerechtfertigt ist, dass das beschädigte Vertrauen des Kündigenden in ein vertragsgemäßes Verhalten seines Vertragspartners wieder auf die notwendige Grundlage gestellt werden kann8. Das setzt aber gerade eine Prognose voraus, für die auf den Zeitpunkt der Kündigung abgestellt wird. Denn der Kündigende hat nicht die Möglichkeit, das nachfolgende Verhalten zu erkennen oder zu bewerten. Die vorgeschriebene Abwägung kann sich vor allem an folgenden Kriterien orientieren9: – die objektive Bedeutung der Störung (unmittelbare und mittelbare Auswirkungen), – die Dauer und der (störungsfreie?) Verlauf des Mietvertrages, – das Verschulden einer oder beider Parteien, – das Gewicht der beiderseitigen Interessen, – eine Wiederholungsgefahr.

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Es ist nicht gerechtfertigt, allein aus der Schwere des Vertragsverstoßes wegen des 39 Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zunächst andere Sanktionen, also z.B. das Vorgehen nach § 541 BGB zu fordern, und daran den wichtigen Grund scheitern zu lassen10. Denn eine Geltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist in den mietrechtlichen Vorschriften nicht geregelt. Deshalb kommt es allein darauf an, ob die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 BGB vorliegen. 1 BGH v. 23.1.2002 – XII ZR 5/00, NJW-RR 2002, 946; BGH v. 10.4.2002 – XII ZR 37/00, NJW-RR 2002, 947 (948); Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1030; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 163. 2 Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 6; Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 190 m.w.N. 3 Emmerich/Sonnenschein, § 543 BGB Rz. 4. 4 Müller/Walther, § 543 BGB Rz. 5. 5 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XII 20. 6 OLG Düsseldorf v. 27.5.2010 – I-10 U 147/09, MDR 2010, 1447 = ZMR 2011, 544. 7 Z.B. AG Hamburg-Harburg v. 7.12.2010 – 642 C 271/10, ZMR 2011, 302. 8 BGH v. 11.1.2006 – VIII ZR 364/04, WuM 2006, 193 = MDR 2006, 864 = ZMR 2006, 425. 9 Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 262. 10 BGH v. 5.10.2010 – VIII ZR 221/09, WuM 2011, 13 = GE 2011, 198 = ZMR 2011, 366.

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40 In der Interessenabwägung ist stets das Verhalten beider Parteien zu würdigen, vor allem inwieweit der Kündigende zur Störung des Vertrauensverhältnisses beigetragen hat. Liegt ein solcher Fall vor, ist damit die Annahme des wichtigen Grundes nicht ausgeschlossen. Vielmehr muss dieser Umstand in der Abwägung hinreichend gewürdigt werden1. Dazu reicht es nicht aus, z.B. allein auf die Anzahl der Prozesse zwischen den Parteien abzustellen2. 41 Das Gleiche gilt für Umstände, die aus dem Risikobereich einer Partei stammen. Denn grundsätzlich kann eine Kündigung aus wichtigem Grund nur ausgesprochen werden, wenn der Kündigungsgegner die maßgeblichen Umstände auch beeinflussen konnte3. 42 Andererseits kann zu berücksichtigen sein, inwieweit sich die Parteien in der Vergangenheit immer wieder über wesentliche Streitpunkte geeinigt haben, so dass einem neu eingetretenen Streit noch kein hinreichendes Gewicht beizumessen ist, um eine Unzumutbarkeit herbeizuführen4. Ebenso abmildernd kann die Ursache für das Verhalten des Störers wirken, das z.B. durch seelische, alters- oder krankheitsbedingte Zwänge ausgelöst sein kann. Eine Suizidgefahr, die sich durch die Räumung ergeben soll, wird erst im Verfahren der Zwangsvollstreckung berücksichtigt. Wird sie jedoch bereits durch die Gefahr des Wohnungsverlustes ausgelöst, kann sie in die Abwägung einbezogen werden5. 43 Grundsätzlich ist bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen auch zu berücksichtigen, ob sich der Kündigende selbst nicht vertragstreu verhalten hat6. Ist das der Fall, wiegt das den Vertragsverstoß des Anderen regelmäßig auf. Voraussetzung ist aber, dass die Vertragsverstöße in einem inneren Zusammenhang stehen und der Vertragsverstoß des Kündigenden zeitlich fortwirkt. Allein weil der Kündigende vor langer Zeit einmal einen Vertragsverstoß begangen hat, ist es ihm nicht verwehrt, sich auf die Unzumutbarkeit der Durchführung des Mietvertrages zu berufen. Das Gleiche gilt, wenn die eigene Pflichtverletzung gegenüber dem Vertragsverstoß des Kündigungsempfängers als Bagatelle wirkt. 2. Verschulden 44 Ein Verschulden ist nicht – wie der Wortlaut zeigt – zwingende Voraussetzung. Handelt der Störende aber schuldlos, werden besonders strenge Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung zu fordern sein7. Insoweit steht insbesondere die Schwere des Verstoßes im Vordergrund der Abwägung8. Deshalb liegt ein wichtiger Grund vor, wenn der infolge einer seelischen Erkrankung für seine Handlungen nicht verantwortliche Mieter die Eingangstür eines anderen Mieters mit Kot verschmiert und dort Essensreste auskippt9. Ist ein Betreuer bestellt, muss die Kündigung an diesen gerichtet werden. Ansonsten geht sie dem Mieter unmittelbar zu, solange seine beschränkte Geschäftsfähigkeit nicht festgestellt wurde10. 45 Ansonsten ist bei der Abwägung nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB das Verschulden beider Parteien an der Zerrüttung zu berücksichtigen. Demgemäß kann auch der Kündigende schuldhaft zur Zerrüttung beigetragen haben. Insoweit ist nicht jede seiner Vertragsverletzungen hinderlich. Je größer aber der schuldhafte Zerrüttungsbeitrag des 1 BGH v. 8.10.1990 – VIII ZR 247/89, MDR 1991, 143 = NJW 1991, 102; BGH v. 11.2.1981 – VIII ZR 312/79, MDR 1981, 839 = NJW 1981, 1264; OLG Celle v. 7.10.2008 – 2 U 99/08, ZMR 2009, 192 (194) = OLGR Celle 2008, 886. 2 OLG Düsseldorf v. 27.5.2010 – 10 U 147/09, ZMR 2011, 544. 3 Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 5. 4 LG Bielefeld v. 21.11.2008 – 3 O 365/06, zitiert nach juris. 5 BGH v. 8.12.2004 – VIII ZR 218/03, ZMR 2005, 183 = WuM 2005, 125 = NZM 2005, 300. 6 BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 255/04, MDR 2007, 1126 = NZM 2007, 401 (402). 7 Vgl OLG Karlsruhe v. 14.12.1999 – 3 U 20/99, MDR 2000, 578; LG München v. 20.3.2002 – 14 S 17178/01, NZM 2002, 697. 8 AG Düren v. 22.9.2010 – 47 C 117/10, WuM 2010, 627. 9 AG Braunschweig v. 18.2.2005 – 119 C 3037/04, ZMR 2005, 369. 10 LG Dresden v. 29.3.1994 – 9 S 0311/93, WuM 1994, 377.

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Kündigenden ist, umso weniger kann die Abwägung (für ihn) eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung ergeben1. Insbesondere der Partei, die das (beanstandete) Verhalten des Mieters provoziert hat, wird in der Regel die Kündigungsbefugnis versagt sein2. Im Rahmen des Verschuldens ist grundsätzlich eine Zurechnung von Fehlverhalten 46 Dritter nicht ausgeschlossen. Insoweit ist der Begriff des Dritten nicht identisch mit dem in §§ 540, 553 BGB (vgl. dazu § 540 BGB Rz. 35 ff.), wo Dritter z.B. nicht die engsten Familienmitglieder des Mieters sind. Nach § 543 BGB muss sich der Mieter auch für das Verhalten von engen Familienangehörigen (z.B. Kinder, Ehegatte) verantworten. Maßgeblich ist insoweit allein, dass der Dritte mit seinem Wissen und Wollen in seinen Pflichtenkreis (= Erfüllungsgehilfe, § 278 BGB) einbezogen worden ist. Das ist nicht der Fall, wenn der Dritte in Wahrnehmung eigener (hoheitlicher) Aufgaben handelt3. Andererseits ist nicht Voraussetzung für die Zurechnung, dass der sich vertragsmäßig verhaltende Mieter vor Ausspruch der Kündigung es unterlassen hat, mit seinen Möglichkeiten auf den Mitmieter oder sonstigen Dritten einzuwirken4. Daneben kommt insbesondere bei Gesellschaften eine Haftung für Vertragsverletzungen aus § 31 BGB in Betracht5. 3. Kurzfristige Beendigung des Vertrages? Wie schon der Wortlaut des § 543 Abs. 1 S. 2 BGB hervorhebt, kommt der Frage, wel- 47 che andere Möglichkeit besteht, sich kurzfristig vom Vertrag zu lösen, im Rahmen der Abwägung maßgebliche Bedeutung zu. Dabei muss von dem Gedanken ausgegangen werden, dass die Frist des § 573c Abs. 1 BGB von drei Monaten die Zeitspanne repräsentiert, die der Mieter benötigt, um einen Wohnungswechsel zu organisieren, und der Vermieter, um einen neuen Mieter zu finden6. Deshalb gibt § 543 Abs. 1 BGB für die Abwägung vor, dass nicht darauf abzustellen ist, ob dem Kündigenden die Fortsetzung ab sofort, sondern ob sie ihm bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Damit wird einerseits deutlich, dass die außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund die Ultima Ratio der Sanktionsmöglichkeiten darstellen soll. Andererseits ergibt sich die scheinbar paradoxe Situation7, dass eine fristlose Kündigung umso eher zuzulassen ist, je länger die Parteien sich ursprünglich vertraglich binden wollten bzw. je länger die Kündigungsfrist oder die Restlaufzeit des Vertrages ist. Dogmatisch soll dies dadurch aufzulösen sein, dass die Kündigung aus wichtigem Grund als verselbständigter Sonderfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzusehen ist8. Für die Praxis ist daraus zu schließen, dass für den Mieter von Wohnraum neben den in §§ 543 Abs. 2, 569 BGB geregelten Beispielsfällen des wichtigen Grundes eine außerordentliche fristlose Kündigung eines Mietvertrages auf unbestimmte Zeit nur noch in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommt9. Denn der Mieter kann in diesen Fällen immer mit Frist von drei Monaten kündigen, § 573c Abs. 1 BGB. Aber auch im Übrigen ist die Restlaufzeit10 ein maßgebliches Kriterium der Abwägung zur Feststellung der Unzumutbarkeit. 4. Zeitkomponenten der Abwägung Soweit keine Ausnahme von § 543 Abs. 3 BGB vorliegt, kann nur diejenige Pflichtver- 48 letzung des Vertragspartners einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündi1 LG Köln v. 26.9.1990 – 10 S 117/90, WuM 1991, 98. 2 LG Frankfurt v. 10.9.1996 – 2/11 S 309/95, PE 1999, 49. 3 BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 64/09, WuM 2009, 736 (für Jobcenter bei der Auszahlung der Transferleistungen). 4 AG Hamburg v. 27.9.2002 – 47 C 145/02, ZMR 2003, 581. 5 BGH v. 15.9.2010 – XII ZR 188/08, MDR 2010, 1305 = NZM 2010, 901 = ZMR 2011, 29. 6 Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1202. 7 Kraemer, WuM 2001, 163 (167). 8 Kraemer, WuM 2001, 163 (167). 9 Häublein, ZMR 2005, 1; Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 6. 10 OLG Celle v. 7.10.2008 – 2 U 99/08, ZMR 2009, 192 (194) = OLGR Celle 2008, 886.

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gung des Vermieters darstellen, die zeitlich nach der letzten Abmahnung erfolgt ist. Denn nur dann war die Abmahnung erfolglos i.S.v. § 543 Abs. 3 BGB. Unerheblich ist, wann der Andere von einer Pflichtverletzung erfährt; maßgeblich ist allein, ob der Mieter trotz der letzten Abmahnung erneut eine Pflicht aus dem Mietvertrag verletzt hat1. 49 Unabhängig davon, ob § 314 Abs. 3 BGB anwendbar ist (vgl. § 543 BGB Rz. 12 ff.), kann die Feststellung der Unzumutbarkeit insbesondere von zeitlichen Faktoren abhängen. Nimmt der Vermieter z.B. ein vertragswidriges Verhalten des Mieters über einen längeren Zeitraum hin, kann dies ein Indiz dafür sein, dass er die Fortsetzung des Mietvertrages selbst nicht als unzumutbar angesehen hat2. 50 Andererseits kann gerade bei Verstößen ohne Dauercharakter eben auch der Zeitraum zwischen Vertragsverstoß und Ausspruch der Kündigung als Indiz für die Zumutbarkeit gewertet werden. Welche Zeiträume insoweit herangezogen werden können, ist noch nicht abschließend geklärt und im Ergebnis auch vom Einzelfall abhängig3. Einigkeit besteht aber insoweit, dass § 626 Abs. 2 BGB nicht (analog) anzuwenden ist, weil diese Vorschrift keinen allgemeinen Rechtsgedanken enthält4. 51 Dennoch wird als Obergrenze verschiedentlich ein Zeitraum von zwei5 bis drei6 Monaten genannt. In der Rechtsprechung des BGH lag die kürzeste Frist bei einem Monat7, allerdings hat er auch schon vier Monate noch für unschädlich gehalten8. Die vierzehn Monate nach Ablauf der gesetzten Frist erklärte Kündigung ist allerdings als verwirkt anzusehen9. 52 Selbst wenn aber wegen Zeitablaufs nach Abmahnung eine Berufung auf Unzumutbarkeit verwirkt ist, ist die jeweilige Partei berechtigt, durch eine erneute Abmahnung oder Fristsetzung deutlich zu machen, dass sie das vertragswidrige Verhalten des Anderen nicht länger hinzunehmen bereit ist10. Beachtet der Andere dieses Begehren nicht, besteht grundsätzlich die Möglichkeit zur (erneuten) Kündigung. 5. Kasuistik: Wichtige Gründe 53 Nachfolgend werden Einzelfälle skizziert, die wichtige Gründe bilden können. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass in der Regel erst die Erfolglosigkeit einer Abmahnung die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung begründen kann. Im Übrigen müssen die Umstände des Einzelfalles belegen, dass die für eine Fortsetzung des Mietvertrages notwendige Vertrauensgrundlage zerstört ist und dem Kündigenden eine Fortsetzung des Mietvertrages unzumutbar ist. a) Für den Vermieter 54

l Abriss. Ein befristeter Mietvertrag im Wohnhochhaus kann vom Vermieter nicht bereits deswe-

gen außerordentlich gekündigt werden, weil er den Abriss des im Übrigen leer stehenden Gebäudes plant11.

1 AG Charlottenburg v. 14.7.2010 – 213 C 111/10, GE 2010, 1205. 2 BGH v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, MDR 2000, 79 = NJW 2000, 354 = NZM 2000, 36 = ZMR 2000, 76 m.w.N. 3 Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 64. 4 BGH v. 27.1.1982 – VIII ZR 295/80, MDR 1982, 662 = NJW 1982, 2432; a.A. OLG Frankfurt v. 24.6.1991 – 11 U 3/91, WuM 1991, 475 = NJW-RR 1992, 143; LG Berlin v. 14.5.2001 – 67 S 385/00, GE 2001, 1676. 5 KG v. 27.2.2003 – 8 U 316/01, KGR Berlin 2003, 186. 6 OLG Saarbrücken v. 23.9.1998 – 1 U 969/97-185, MDR 1999, 86 = OLGR 1998, 457. 7 BGH v. 15.2.1967 – VIII ZR 222/64, WPM 1967, 515. 8 BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 36/05, MDR 2007, 1009 = GE 2007, 711 = ZMR 2007, 525. 9 OLG Nürnberg v. 10.2.2010 – 12 U 1306/09, ZMR 2010, 524. 10 KG v. 22.11.2010 – 8 U 87/10, MDR 2011, 536 = GE 2011, 481 = ZMR 2011, 543; OLG Hamm v. 20.5.1998 – 30 U 193/97, NZM 1999, 1050. 11 OLG Dresden v. 3.12.2002 – 5 U 1270/02, WuM 2003, 32 = NZM 2003, 356 = NJW-RR 2003, 1819.

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l Anschuldigungen

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Vorsätzlich falsche Anschuldigung eines Mieters gegen andere Mieter1 oder des Vermieters bei Behörden2,



leichtfertig falsche Strafanzeige3, wobei maßgeblich darauf abzustellen ist, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt ist4, unverhältnismäßige Anzeige aus Böswilligkeit oder geringem Anlass, selbst wenn sie auf zutreffenden Angaben beruht5, Strafanzeige des Mieters gegen den Vermieter wegen Betrugs, wobei das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wird, berechtigt zunächst zur ordentlichen Kündigung des Vermieters gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB; Belästigungen des Vermieters können zu einem Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 1 BGB führen, weil es dem Vermieter in einem solchen Fall aufgrund des Verhaltens des Mieters nicht mehr zuzumuten ist, länger am Mietvertrag festzuhalten6,

– –





nicht, wenn das „Anschwärzen“ des Vermieters durch ein objektives eigenes Interesse des Mieters an der Aufklärung des verdächtigen Sachverhalts gerechtfertigt ist (hier bejaht wegen der Tätigkeit der angeblichen Schwarzarbeiter in der Mietwohnung) und der Mieter fahrlässig nicht erkannt hat, dass der angezeigte Sachverhalt nicht zutrifft7, nicht aber, wenn der Mieter eine Betrugsanzeige erstattet und der Vermieter zuvor versucht hat, eine unberechtigte Forderung durchzusetzen8.

l Aufklärung/Auskunft

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Vorsätzlich falsche Selbstauskunft zu vertragswesentlichen Punkten9, Vorlage wahrheitswidriger Erklärung des Arbeitgebers des Mieters, es bestehe keine Gehaltspfändung10, verweigerte Auskunft über künftige Zahlungsfähigkeit des Mieters bei begründetem Anlass11,

– –

Täuschen des Vermieters über Umsätze bei Umsatzmiete12, fi auch Täuschungen.

– –

l Auseinandersetzungen. Eine Hausfriedensstörung, verbunden mit einem tätlichen Angriff auf

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eine andere Mietpartei, begründet auch ohne Abmahnung die fristlose Kündigung des Wohnraummietverhältnisses durch den Vermieter13; fi auch Gewalt und fi Hausfriedensstörung. l Bauliche Veränderung

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– –

Eigenmächtiger Umbau, insbesondere Ausbau eines Dachbodens zu Wohnzwecken14, eigenmächtige Veränderungen an der Heizungsanlage15,



Verweigerung der Entfernung ungenehmigter Einbauten (Dusche, Handwaschbecken und Toilettenschüssel) trotz Abmahnung16,

1 LG Kaiserslautern v. 22.3.1983 – 2 S 104/82, WuM 1983, 263. 2 LG Frankfurt v. 10.8.1993 – 2/11 S 142/93, WuM 1994, 15; vgl. aber auch AG Schöneberg v. 22.8.1989 – 12 C 42/89, GE 1990, 429. 3 BVerfG v. 2.10.2001 – 1 BvR 1372/01, WuM 2002, 22; KG v. 24.6.2002 – 8 U 87/01, KGR 2003, 153. 4 KG v. 24.6.2002 – 8 U 87/01, KGR Berlin 2003, 153 = GE 2002, 1265. 5 OLG Brandenburg v. 19.4.2006 – 3 U 157/05, MietRB 2007, 65; vgl. aber auch LG Wiesbaden v. 2.5.1995 – 8 S 411/94, WuM 1995, 707; LG Osnabrück v. 6.8.1993 – 11 T 66/93, WuM 1993, 617; LG München v. 20.3.2002 – 14 S 17178/01, NZM 2002, 697. 6 AG Gummersbach v. 12.7.2010 – 10 C 172/09, ZMR 2010, 864. 7 LG Mannheim v. 23.2.2000 – 4 S 125/99, NZM 2000, 543 = NJW-RR 2000, 675. 8 LG Wuppertal v. 2.10.1969 – 9 S 121/69, WuM 1970, 60. 9 LG München I v. 25.3.2009 – 14 S 18532/08, ZMR 2010, 367; LG Itzehoe v. 28.3.2008 – 9 S 132/07, WuM 2008, 281; AG Saarlouis v. 17.9.1999 – 29 C 739/99, NZM 2000, 459. 10 OLG Koblenz v. 6.5.2008 – 5 U 28/08, WuM 2008, 471. 11 Mieter hat kein geregeltes Einkommen, kein Bankkonto und zahlt unregelmäßig die Miete, LG Hamburg v. 2.6.1998 – 316 S 23/98, WuM 2001, 281. 12 OLG Düsseldorf v. 14.11.2000 – 24 U 34/00, NZM 2001, 1033. 13 AG Münster v. 28.8.2006 – 48 C 1739/06, WuM 2007, 19. 14 LG Hamburg v. 26.4.1991 – 311 S 1/91, WuM 1992, 190. 15 AG Saarburg v. 31.10.2001 – 5 C 392/01, WuM 2003, 357. 16 AG Tiergarten v. 16.11.1999 – 2 C 394/98, GE 2000, 127.

Lützenkirchen

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§ 543 BGB

59

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund



Einbau einer Toilettenspülanlage zur Nutzung von Brunnenwasser nach Beanstandung durch städtisches Wasserwerk und Abmahnung durch Vermieter1,



bauliche Veränderungen (Einbau eines modernen Fensters in Altbau2) gegen den ausdrücklichen Willen des Vermieters3,

– –

nicht aber, wenn sie sich als Verbesserung darstellen (WC-Schüssel, Fußbodenbeläge)4 nicht, wenn durch sie erst der vertragsgemäße Zustand hergestellt wird5,



nicht Einbau einer einbruchssicheren Wohnungstür6.

l Bedrohen eines Mitmieters mit einem Schlagring, selbst wenn der Mieter unter Alkoholeinfluss

steht7.

60 61

l Belästigung mit Mängelrügeschreiben (174 Schreiben in knapp drei Monaten)8. l Beleidigung



Bewusste und wiederholte grobe Beleidigung9, soweit nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen i.S.v. § 193 StGB bzw. im Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG10 oder im Rahmen eines verständlichen Wutausbruchs11 gehandelt wird,

– –

insbesondere durch „Götz“-Zitat12, die Bezeichnung des Vermieters als „Arschloch“13 oder kumulativ als „dumme Kuh“ und „Arschloch“14 bzw. „Penner“ und „Sau“15, auch gegenüber Angehörigen, Mitarbeitern oder dem Hausverwalter des Vermieters16, bei Mitarbeitern eines Großvermieters nur nach Abmahnung17,

– –

Beleidigung anderer Mieter als „Saujude“, „Drecksack“ oder „altes Schwein“18, Beleidigungen per SMS („dumme Kuh“ und „Arschloch“)19 oder Transparent an der Außenwand20, in der Presse veröffentlicht21, nicht aber eine vulgäre Beschimpfung der Familie des Hauswarts, wenn auch dieser sich gegenüber dem Mieter vulgär ausdrückt22, nicht ernstzunehmendes Gerede („Der Vermieter ist ein Drecksack, den man erschießen sollte.“)23, nicht ausreichend ist die Äußerung des Mieters, der Vermieter sei „krankhaft streitsüchtig“24, ein „Massenmörder“25 oder sein Pkw sei ein „Zuhälterwagen“26,

– – –

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

LG Gießen v. 1.6.1994 – 1 S 507/93, WuM 1994, 681. AG Schöneberg v. 29.3.2000 – 7 C 521/99, ZMR 2000, 685. LG Köln v. 15.9.1998 – 12 S 173/98, KM 12 Nr. 44. LG Köln v. 16.2.1995 – 1 S 22/94, WuM 1996, 93. OLG Frankfurt v. 19.8.1998 – 23 U 116/95, NZM 1999, 125. LG Detmold v. 18.3.1998 – 10 S 276/97, WuM 2002, 51 (nur Beseitigungsanspruch bei Mietende). AG Tempelhof-Kreuzberg v. 6.5.2010 – 15 C 241/09, GE 2010, 1207. LG Bielefeld v. 26.7.2001 – 22 S 240/01, WuM 2001, 553. LG Köln v. 21.1.1993 – 1 S 365/92, WuM 1993, 349. OLG München v. 9.2.1996 – 21 U 4494/94, ZMR 1996, 487; LG Leipzig v. 11.1.2002 – 14 S 6332/01, NZM 2002, 247. LG Köln v. 14.8.1996 – 10 S 178/96, KM 12 Nr. 7. LG Köln v. 21.1.1993 – 1 S 365/92, WuM 1993, 349; LG Berlin v. 13.5.1986 – 63 S 24/85, WuM 1987, 56; a.A. LG Offenburg v. 1.10.1985 – 1 S 347/94, WuM 1986, 250. LG Berlin v. 15.10.1990 – 62 S 46/90, GE 1991, 151. LG Berlin v. 22.2.2005 – 63 S 410/04, GE 2005, 675. LG Berlin v. 15.1.1991 – 64 S 297/90, GE 1991, 933. LG Berlin v. 13.5.1986 – 63 S 24/85, WuM 1987, 56; AG Berlin-Neukölln v. 22.4.2009 – 16 C 481/08, GE 2009, 1193. LG Fulda v. 13.3.2006 – 1 S 176/05, WuM 2007, 220. AG Dortmund v. 2.11.1994 – 127 C 11283/94, DWW 1996, 282. LG Berlin v. 22.2.2005 – 63 S 410/04, GE 2005, 675. LG München I v. 20.7.1983 – 14 S 18033/81, WuM 1983, 263. LG Köln v. 7.4.1988 – 1 S 463/87, DWW 1988, 325. AG Neukölln v. 25.7.2005 – 6 C 93/05, GE 2005, 1555. LG Stuttgart v. 22.7.1987 – 13 S 90/87, DWW 1988, 45; vgl. auch OLG Bamberg v. 25.4.1996 – 1 U 109/95, zitiert nach juris. LG Mannheim v. 25.1.1995 – 4 S 63/94, DWW 1995, 316. LG Berlin v. 24.8.1989 – 62 S 89/89, GE 1990, 537. AG Hamburg-Harburg v. 14.6.1995 – 647 C 96/95, WuM 1997, 266.

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Lützenkirchen

§ 543 BGB

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund –

– –

nicht, wenn der Brief an den Verwalter des Vermieters mit „Sehr geehrtes Verwalterlein“ anfängt und der Inhalt im Übrigen den Sarkasmus und Zynismus früherer Korrespondenz nicht übertrifft1, bei allen Beleidigungen ist immer zu prüfen, inwieweit der Vermieter die Handlung provoziert hat; auch fi üble Nachrede.

l Betriebskosten fi Nebenkosten

62

l Betriebspflicht. Verletzung der Betriebspflicht trotz Abmahnung2.

63

l Blumenkästen/-töpfe. Aufstellen auf dem Balkon trotz vorherigem Hinweis (Abmahnung) auf

64

die Gefährdung von Passanten3. l Brandgefahr

– –

65

Wiederholte Verursachung einer Brandgefahr in kurzer Zeit4, auch durch die unbeaufsichtigten Kinder des Mieters5.

l Denunzieren fi Anschuldigung

66

l Diebstahl

67



Strom-Diebstahl zu Lasten des Vermieters6, – auch des Untermieters7,



bei geringfügiger Beeinträchtigung ist jedoch eine Abmahnung unabdingbar8.

l Drogen

68



Aufbewahrung von9 oder Handel mit Drogen10 in der Wohnung (ohne Abmahnung) oder in der Wohnanlage11,



Cannabis-Anbau im Garten12, in erheblichem Umfang in der Wohnung13 oder auf dem Balkon in strafbarer Menge14.

l Drohung



mit Gewaltanwendung15,



soweit sie ernst zu nehmen ist16.

69

l Duldung

70



Verweigerte Duldung von Erhaltungsmaßnahmen17,



Weigerung, Heizkostenverteiler anbringen zu lassen18, nur bei Hinzutreten weiterer Umstände.

l Eidesstattliche Versicherung fi Vermögensverfall

71

1 LG Berlin v. 13.6.2008 – 63 S 352/07, GE 2008, 1197 = ZMR 2009, 207. 2 BGH v. 29.4.1992 – XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1032; OLG Düsseldorf v. 21.1.1997 – 10 W 153/96, ZMR 1997, 296. 3 LG Berlin v. 26.11.2009 – 67 S 278/09, GE 2010, 203 = WE 2010, 236. 4 AG Charlottenburg v. 15.10.2003 – 212 C 150/03, GE 2004, 353. 5 A.A. AG Siegen v. 22.5.1990 – 5 C 752/90, WuM 1990, 503. 6 KG v. 18.11.2004 – 8 U 125/04, WuM 2004, 721 (722) = NZM 2005, 254; LG Köln v. 17.3.1994 – 1 S 251/93, NJW-RR 1994, 909. 7 LG Berlin v. 6.5.2002 – 34 O 554/01, GE 2002, 996. 8 KG v. 18.11.2004 – 8 U 125/04, DWW 2005, 21. 9 AG Linz v. 11.3.1991 – 2 C 992/90, NJW-RR 1991, 1225. 10 LG Berlin v. 9.1.1990 – 65 S 254/89, GE 1990, 255. 11 AG Pinneberg v. 29.8.2002 – 68 C 23/02, NJW-RR 2003, 944 (ohne Abmahnung). 12 LG Lüneburg v. 15.12.1994 – 6 S 104/94, WuM 1995, 708. 13 AG Köln v. 25.3.2008 – 219 C 554/07, WuM 2008, 595. 14 LG Ravensburg v. 6.9.2001 – 4 S 127/01, WuM 2001, 608. 15 OLG Düsseldorf v. 8.3.2005 – 10 U 32/05, NZM 2006, 295; LG Berlin v. 15.1.1991 – 64 S 297/90, GE 1991, 933. 16 LG Berlin v. 22.2.2000 – 64 S 418/99, GE 2000, 541. 17 LG Saarbrücken v. 8.2.2008 – 10 S 33/08, ZMR 2008, 974; LG Schwerin v. 22.12.1995 – 6 S 76/95, WuM 1996, 767. 18 LG Hamburg v. 18.2.1992 – 316 S 188/91, WuM 1992, 245.

Lützenkirchen

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§ 543 BGB 72 73

74 75

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l Einzugsermächtigung. Widerruf durch den Insolvenzverwalter reicht nicht, weil Mieter sich dessen Verhalten nicht zurechnen lassen muss1. l Erfüllungsverweigerung



Erklärung des Mieters (hier: Insolvenzverwalter), keine Miete mehr zu zahlen (weiterzuleiten), schon bevor ein Mietrückstand überhaupt entstanden ist2,

– –

der Mieter kündigt oder ficht den Vertrag ohne Grund an3, die grundlose Verweigerung einer ohne Zweifel geschuldeten Vertragsanpassung4.

l Fensterln fi Hausfriedensbruch l Gebrauchsüberlassung

– –

(Unberechtigte) trotz Abmahnung5, auch bei vorübergehender Überlassung (z.B. als Ferienwohnung)6,

– –

nicht jedoch bei Anspruch auf Erlaubniserteilung7, Überlassung der Wohnung an Familienangehörige nach Auszug des Mieters8;



s. auch § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

l Geruchsbelästigungen



Unzumutbare Geruchsbelästigungen aus der Wohnung, die auch nach Schließen der täglich mehrfach geöffneten Wohnungstüre noch einige Zeit im Hausflur verbleiben9, starker Gestank in der Wohnung10,



Geruchsbelästigungen durch Katzenhaltung11.



77

78

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

l Geschäftsgrundlage



Störung der Geschäftsgrundlage durch dringenden Bedarf an dem vermieteten Grundstück zum Bau eines Kraftwerks12,



nicht aber die Unvereinbarkeit der vertragsgemäßen Nutzung mit Teilungserklärung13 oder Leerstand aller übrigen Räume des Gebäudes14,

l Gewalt

– –



durch Bedrohung des Vermieters mit einem Messer15 oder einer Pistole16, auch Schusswaffengebrauch des Mieters gegen Nachbarn17, gewaltsames Entreißen des Fotoapparates während des Besichtigungstermins und längeres Umklammern von hinten eines Mitarbeiters der Hausverwaltung, wodurch sich dieser bedroht fühlt18, Verletzung eines Beauftragten des Vermieters durch Faustschläge19,

1 LG Hamburg v. 30.4.2010 – 311 S 107/09, ZinsO 2010, 958; AG Hamburg-Bergedorf v. 20.10.2010 – 410A C 192/10, ZinsO 2011, 342. 2 BGH v. 9.3.2005 – VIII ZR 394/03, NJW 2005, 2552 = MDR 2005, 1043 = ZMR 2005, 688. 3 BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 144/85, MDR 1987, 312 = ZMR 1987, 51 (53). 4 LG Heilbronn v. 1.6.2001 – 6 O 2489/00, ZMR 2001, 803 (805). 5 BGH v. 28.11.1984 – VIII ZR 186/83, MDR 1985, 665; OLG Zweibrücken v. 16.1.1996 – 8 U 43/94, OLGR 1998, 78; OLG Frankfurt v. 10.10.1988 – 20 REMiet 4/88, MDR 1989, 67; OLG Hamburg v. 17.12.1981 – 4 U 130/81, NJW 1982, 1157. 6 AG München v. 17.4.2012 – 473 C 2781/12, WuM 2012, 614. 7 BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, WuM 2011, 74 = MDR 2011, 347 = NZM 2011, 275; BayObLG v. 26.10.1990 – REMiet 1/90, MDR 1991, 253 = WuM 1991, 18; OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 105/01, WuM 2002, 673. 8 LG Frankfurt v. 9.10.1992 – 2/17 S 370/91, NJW-RR 1993, 143; LG Hannover v. 29.4.1993 – 16 S 270/92, ZMR 1993, 473. 9 LG Braunschweig v. 10.4.2007 – 6 S 313/06 (101), ZMR 2007, 536. 10 LG Hamburg v. 26.5.1987 – 16 S 307/85, WuM 1988, 18. 11 LG Berlin v. 30.9.1996 – 67 S 46/96, NJW-RR 1997, 395. 12 BGH v. 13.12.1995 – XII ZR 185/93, ZMR 1996, 309. 13 BGH v. 29.11.1995 – XII ZR 230/94, MDR 1996, 355. 14 OLG Dresden v. 3.12.2002 – 5 U 1270/02, WuM 2003, 32. 15 AG Plau am See v. 5.10.1995 – 2 C 95/95, DWW 1996, 342. 16 AG Warendorf v. 27.6.1995 – 10 C 75/95, WuM 1996, 412. 17 LG Berlin v. 23.7.1992 – 67 S 132/92, GE 1993, 207. 18 LG Berlin v. 5.5.2008 – 67 S 160/07, GE 2008, 871. 19 LG Berlin v. 26.6.2008 – 67 S 337/07, GE 2008, 1052.

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Lützenkirchen

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – – – –

§ 543 BGB

Tätlichkeiten gegen Hausverwalter1 oder Beauftragten des Vermieters2, Angriff auf Mitmieter (Tritte und Faustschläge) und Versuch, in dessen Wohnung einzudringen3, Versuch des Mieters, im Haus eine Gasexplosion herbeizuführen4, nicht jedoch bei leichter Rangelei mit Hausmeister5 oder Tätlichkeiten gegen Mieter eines anderen Hauses6.

l Grillen

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Hausordnungswidriges Grillen und Frittieren auf dem Balkon trotz Abmahnung7,



im normalen Umfang und bei normaler Bauweise ist dem Mieter durchaus gestattet, gelegentlich auf dem Balkon zu grillen8;



s. auch § 541 BGB Rz. 142 „Grillen“ und § 569 Abs. 2 BGB.

l Hausfriedensbruch. Durch nächtliches Eindringen des Mieters in bewohnte Wohnung im Haus

80

durch offen stehendes Fenster9 oder Eintreten der Wohnungstür10. l Hausfriedensstörung

81



durch eigenmächtige Abschaltung des Heizungsstroms eines Hausnachbarn bei sehr kaltem Wetter11,



Belästigung von Mitmietern durch nächtliche Beleuchtung der Hausfassade durch Scheinwerfer mit Bewegungsmelder12,



Lagerung sperrigen Gerümpels (Matratzen, Einkaufswagen, Müll) in großem Umfang auf Gemeinschaftsflächen innerhalb und außerhalb des Hauses durch psychisch kranken Mieter nach Abmahnung13,



Provokation mehrfacher Polizeieinsätze durch lautstarke handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen den Mietern einer Wohnung14,



wiederholte schwere Belästigungen und grundlose Verursachung von Polizeieinsätzen durch paranoide (schuldunfähige) Mieterin15,

Störungen durch einen alkoholkranken Mieter in einem Mehrfamilienhaus, die sich nicht in vereinzelten Ruhestörungen erschöpfen, sondern deutlich über das hinausgehen, was in einem Mehrfamilienhaus hinzunehmen ist (hier: Belästigungen und Bedrohungen von anderen Mietern). Dem alkoholkranken Mieter sind diese Störungen insbesondere vorwerfbar, wenn er sich zuvor einer medizinischen Behandlung seiner ihm bewussten Alkoholkrankheit entzogen hat, dann ist mindestens eine (hilfsweise ausgesprochene) ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wirksam16. Keine Unzumutbarkeit wurde angenommen:





Bei Störungen des Hausfriedens durch krankheitsbedingt schuldunfähigen Mieter, wenn die bisherige Mietzeit (15 Jahre) störungsfrei verlief, der Mieter die Erkrankung nicht durch eigenes Verhalten herbeigeführt hat und die Notwendigkeit einer Behandlung einsieht, und wenn zu erwarten ist, dass er sich dementsprechend verhalten wird17, wobei es je nach Schwere der krankheitsbedingt schuldlosen Pflichtverletzung darauf ankommt18, ob sie nicht doch die ordentliche oder außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grunde rechtfertigt,

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

LG Köln v. 1.2.1980 – 12 S 316/79, WuM 1981, 233. LG Berlin v. 3.9.2001 – 67 S 210/00, GE 2001, 1673. AG Münster v. 28.8.2006 – 48 C 1739/06, WuM 2007, 19. AG Helmstedt v. 14.1.1988 – 3 C 908/87, WuM 1989, 569. AG Köln v. 7.7.2004 – 211 C 78/04, WuM 2005, 249. LG Paderborn v. 5.12.1991 – 5 S 237/91, WuM 1992, 191. LG Essen v. 7.2.2002 – 10 S 438/01, ZMR 2002, 597. AG Berlin-Mitte v. 7.1.2010 – 25 C 159/09, GE 2010, 417 m. Anm. Bieber, GE 2010, 379. AG Frankfurt v. 30.11.1999 – 33 C 2982/99-67, NZM 2000, 961. LG Berlin v. 21.10.1983 – 64/63a S 147/83, GE 1984, 83. LG Münster v. 6.9.2001 – 8 S 265/01, WuM 2002, 52. Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 286 (Hausfriedensstörung). LG Frankfurt v. 10.10.2005 – 2/11 S 42/05, PE 2007, 133. LG Hamburg v. 3.11.2005 – 307 S 124/05, WuM 2005, 768. LG Berlin v. 11.6.2001 – 62 S 570/00, NZM 2002, 733. AG Berlin-Pankow-Weißensee v. 22.10.2009 – 102 C 213/09, WuM 2010, 755. LG Frankfurt v. 17.1.2006 – 2/17 S 1/05, PE 2007, 415. AG Düren v. 22.9.2010 – 47 C 117/10, WuM 2010, 627.

Lützenkirchen

625

§ 543 BGB

82



bei Störungen durch Wohnverhalten und persönliches Befinden eines hochbetagten und langjährigen Mieters1,



trotz erheblicher Störungen nach Abmahnung, wenn bei psychisch krankem Mieter im Falle der Räumung ernsthafte Suizidgefahr besteht2,

– –

bei Belästigungen durch altersbedingt geistig verwirrten Mieter, wenn sie als hinnehmbar angesehen werden müssen3, bei Beeinträchtigungen durch vertragsgemäße Nutzung der Mieträume als Swinger-Club4,



grundsätzlich ist eine erfolglose Abmahnung des Mieters erforderlich5;



s. auch § 569 Abs. 2 und § 541 BGB.

l Hausordnung



Beharrliche Verweigerung der zur ordnungsgemäßen Durchführung des Mietvertrages erforderlichen Zusammenarbeit mit dem Hausverwalter6,



nachhaltige Verletzung der Hausordnung trotz mehrfacher Abmahnung (Grillen auf dem Balkon und Gestattung des Parkens Dritter im Hof7), Entfernen der Wäschepfähle und Wäscheleinen vom Wäschetrockenplatz8,

– –

83

nicht aber das Unterlassen des Abschließens der Hauseingangstüre zu den in der Hausordnung angegebenen Zeiten9.

l Hausverbot

– –

84

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

Nicht der Empfang von Besuchern, denen der Vermieter ohne hinreichenden Grund Hausverbot erteilt hat10, ein Hausverbot gegen den störenden Mieter ist kein geeignetes Mittel, um eine Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem nicht störenden Mieter zumutbar zu machen11.

l Instandsetzung. Erhebliche Substanzgefährdung der vermieteten Räume durch Verzug des

Mieters mit vertraglichen Instandsetzungspflichten12.

85

l Kaution



Hinsichtlich der Nichtleistung der Kaution gibt § 569 Abs. 2a BGB für die Wohnraummiete vor, unter welchen besonderen Voraussetzungen ein wichtiger Grund angenommen werden kann, sofern der Mietvertrag nach dem 30.4.2013 geschlossen wurde. Daneben kommt aber auch die Anwendung des § 543 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 569 Abs. 2a BGB (noch) nicht vorliegen. Denn als bloßes Regelbeispiel kommt § 569a BGB kein Ausschließlichkeitscharakter zu. Ein wichtiger Grund kann auch nicht deshalb verneint werden, weil dem Vermieter mildere Sanktionen bei Nichtzahlung der Kaution offen stehen. Zwar kann der Vermieter bei einer vereinbarten Barkaution den Zahlungsanspruch als milderes Mittel einklagen. Regelmäßig bietet ihm dazu das Urkundenverfahren eine erleichterte Möglichkeit. Wegen des Sicherungsinteresses kann der Vermieter aber nicht darauf verwiesen werden, seinen Leistungsanspruch zunächst einzuklagen. Im Übrigen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass nach einer Abmahnung in solchen Fällen ein Recht zur fristlosen Kündigung des Vermieters besteht13, was in der Gewerberaummiete schon wegen des Vertrauensverlustes, der mit der fehlenden Sicherstellung des Vermieters verbunden ist, unzweifelhaft ist14. In der Wohnraummiete ist außerhalb des Anwendungsbereiches des § 569 Abs. 2a BGB

1 LG Siegen v. 10.1.2006 – 1 S 117/05, WuM 2006, 158. 2 BGH v. 8.12.2004 – VIII ZR 218/03, ZMR 2005, 183 = WuM 2005, 125 = NZM 2005, 300. 3 OLG Karlsruhe v. 14.12.1999 – 3 U 20/99, MDR 2000, 578; LG München I v. 20.3.2002 – 14 S 17178/01, NZM 2002, 697. 4 KG v. 1.9.2003 – 12 U 20/03, ZMR 2004, 261. 5 AG Wedding v. 29.9.2010 – 3 C 22/10, GE 2010, 1545. 6 LG Göttingen v. 15.11.1989 – 5 S 60/89, WuM 1990, 18. 7 LG Essen v. 7.2.2002 – 10 S 438/01, ZMR 2002, 597. 8 LG Göttingen v. 15.11.1989 – 5 S 60/89, WuM 1990, 18. 9 LG Trier v. 25.8.1992 – 1 S 77/92, WuM 1993, 192. 10 AG Köln v. 22.9.2004 – 209 C 108/04, WuM 2004, 673. 11 A.A. AG Hamburg v. 27.9.2002 – 47 C 145/02, ZMR 2003, 581 = WE 2004, 17. 12 LG Düsseldorf v. 14.10.1997 – 24 S 273/97, WuM 1999, 333. 13 LG Berlin v. 17.10.2011 – 67 S 58/11, GE 2011, 1684; vgl. mit zahlreichen Nachweisen Horst, DWW 2012, 162 (164); a.A. LG Berlin v. 24.8.2000 – 61 T 23/00, GE 2000, 1475; Palandt/Weidenkaff, § 551 BGB Rz. 5. 14 BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 36/05, MDR 2007, 1009 = ZMR 2007, 525 = GE 2007, 711 = NZM 2007, 400; OLG Koblenz v. 3.6.2011 – 2-793/10, MDR 2011, 1162 = GuT 2011, 391; OLG Düsseldorf v. 25.3.2010 – 10 U 136/09, ZMR 2011, 284.

626

Lützenkirchen

§ 543 BGB

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

– –

streitig, ob der wichtige Grund schon bei Fehlen einer Kautionsrate1 oder in Anlehnung an § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB erst dann vorliegen kann, wenn ein Rückstand von mehr als einer Monatsmiete gegeben ist2. Richtigerweise sind die Umstände des Einzelfalls zu bewerten. Zwar müssen keine zusätzlichen Pflichtverletzungen festgestellt werden, sondern reicht grundsätzlich auch die Nichtzahlung der ersten Rate3. Indessen macht es qualitativ bei der Abwägung im Rahmen des § 543 Abs. 1 BGB einen Unterschied, ob der Mieter die Kaution nicht zahlt, weil er ein vermeintliches Zurückbehaltungsrecht reklamiert oder er den Vermieter einfach nur nicht absichert. Ausreichend ist auch bei Wohnraummiete die hartnäckige Weigerung, die Kaution zu erbringen4, wobei schon die Erklärung eines von mehreren Mietern bei Vertragsbeginn, er könne die vereinbarte Kaution nicht zahlen, ausreichen kann5. Sieht der Mietvertrag vor, dass eine Nachfrist von vierzehn Tagen zu setzen ist, ist eine Kündigung unwirksam, die der Vermieter nach Setzung einer kürzeren Frist erklärt6, nicht, wenn der Vermieter selbst nicht vertragstreu ist und z.B. trotz mehrfacher Fristsetzungen eine Mietsache anbietet, die sich nicht im vertragsgemäßen Zustand befindet7, nicht, wenn seit der Fälligkeit des Kautionsanspruchs zehn Monate vergangen sind8, was sich auch aus der Anwendung des § 314 Abs. 3 BGB ergeben kann9.

l Körperverletzung. Schlagen von Kindern anderer Mieter10; fi auch Gewalt.

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l Kündigung. Eine unberechtigte fristlose Kündigung11.

87

l Lagern

88



– – –

von Gerümpel und Müll in einer Weise oder einem Umfang, dass andere Mieter (z.B. durch Gerüche) belästigt werden oder die Bausubstanz konkret gefährdet wird (z.B. durch das Gewicht der abgestellten Sachen)12, nicht das Abstellen von Gegenständen auf einem nur dem Mieter zugänglichen Laubengang bis zur maximalen Höhe der Brüstung13, von leicht entzündbarer oder explosiver Flüssigkeit im Keller14, nicht die Lagerung feuergefährlicher Stoffe (25 kg Munition und 2 l Petroleum) in Räumen zum Betrieb eines Dentallabors, wenn keine Gefährdung der Mieträume ersichtlich ist15.

l Lärm

89



durch Türenknallen und Schreien aus Nachbarwohnung16,

– –

anhaltender Lärm – bisweilen mehrfach am Tag mehr als zwei Stunden – auch nach 22 Uhr17, Lärmstörungen durch unerlaubt gehaltenen Hund18,

– –

wiederholte lautstarke Trinkgelage19, nicht aber laute Musik in den Abendstunden zweimal in fünf Monaten20,

1 LG Berlin v. 17.10.2011 – 67 S 58/11, GE 2011, 1684; LG München I v. 8.12.1999 – 14 S 12619/99, WuM 2001, 359; LG Kassel v. 6.8.1987 – 1 S 192/87, NJW-RR 1997, 1495. 2 Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 184; Hinz, ZMR 2012, 153 (161). 3 Horst, DWW 2012, 162 (165). 4 LG Berlin v. 24.8.2000 – 61 T 23/00, GE 2000, 1475. 5 OLG Düsseldorf v. 12.1.1995 – 10 U 36/94, WuM 1995, 438. 6 OLG Nürnberg v. 10.2.2010 – 12 U 1306/09, ZMR 2010, 524. 7 BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 255/04, ZMR 2007, 444 = MDR 2007, 1126 = NZM 2007, 401; OLG München v. 17.4.2000 – 3 W 1332/00, MDR 2000, 1006; OLG Celle v. 23.4.1997 – 2 U 118/96, ZMR 1998, 272. 8 OLG Koblenz v. 3.6.2011 – 2 793/10, MDR 2011, 1162 = GuT 2011, 391. 9 Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 183. 10 AG Saarburg v. 21.12.2007 – 5 C 372/07, zitiert nach juris. 11 OLG Düsseldorf v. 8.2.2001 – 10 U 202/99, OLGR 2001, 239 = NZM 2002, 292. 12 AG Rheine v. 2.7.1986 – 3 C 73/86, WuM 1987, 153; AG Dortmund v. 6.3.1989 – 109 C 570/88, DWW 1990, 179. 13 LG Berlin v. 9.5.2008 – 63 S 376/07, MM 2009, 74. 14 Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 543 BGB Rz. 45. 15 OLG Stuttgart v. 15.9.2005 – 13 U 63/05, ZMR 2005, 953. 16 AG Pinneberg v. 21.3.2005 – 64 C 144/04, WE 2005, 209. 17 LG Frankfurt v. 1.4.2003 – 2/11 S 230/02, PE 2006, 175. 18 AG Frankfurt v. 18.8.1976 – 33 C 4380/75, WuM 1978, 127. 19 LG Köln v. 10.6.1992 – 10 S 121/92, KM 12 Nr. 8. 20 LG Bonn v. 3.11.1994 – 6 S 251/94, WuM 1998, 439.

Lützenkirchen

627

§ 543 BGB

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

– –

nicht normaler Kinderlärm1, nicht Geschrei und gelegentliches Trampeln von Kleinkindern2,

– –

nicht durch altersgerechtes kindliches Verhalten ausgelöste Störungen3; auch fi Nachtruhe.

90

l Lüften. Mangelnde Lüftung der Mieträume, so dass Schimmelpilzbildung entsteht, sofern die Entstehung dieses Mangels nicht aus dem Risikobereich des Vermieters herrührt (vgl. § 536 BGB Rz. 121);

91

l Messie-Syndrom fi Vermüllung und § 569 Abs. 2 BGB.

92

93

l Mieterhöhung

– –

Grundlose Ablehnung einer nach § 558 BGB geschuldeten Zustimmung4, schuldhafte Weigerung, an einer vertraglich vorgesehenen Mietanpassung mitzuwirken5,



bei Nichtzahlung nach Verurteilung ist § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu beachten.

l Mietzahlungen

Unpünktliche Mietzahlungen nach einer oder mehreren Abmahnungen6, – u.U. kann schon die einmalige unpünktliche Zahlung nach Abmahnung genügen7, maßgeblich ist insoweit, ob das Vertrauen des Vermieters in die (zukünftige) pünktliche Zahlung bis zur Kündigung wiederhergestellt ist8, also die weitere unpünktliche Zahlung keine wesentliche Störung der Vertrauensgrundlage bildet,



– – –

selbst wenn nach der letzten von vielen Abmahnungen zunächst pünktlich gezahlt wird9, wobei grundsätzlich unbeachtlich ist, dass der Vermieter die unpünktlichen Zahlungen einige Zeit unbeanstandet gelassen hat10, so dass aus der jahrelangen widerspruchslosen Hinnahme unpünktlicher Zahlungen nicht hergeleitet werden können darf, dass dem Vermieter die Fortsetzung des Mietvertrages nach wiederholten unpünktlichen Zahlungen trotz Abmahnung zugemutet werden kann11,



obwohl der Mieter auf Leistungen des Job-Centers angewiesen ist und dieses die Rückstände bisher nicht übernommen hat, denn auch eine unverschuldete Zahlungsunfähigkeit befreit nicht von der Leistungspflicht12;



der Mieter kommt jedenfalls auch dann in Verzug, wenn er nicht alles getan hat, um die pünktlichen Zahlungen durch die ARGE zu gewährleisten13;



soweit die Fälligkeitstermine zwar jeweils nur um einige Tage überschritten wurden, dies aber im Laufe des Jahres für neun Monate festzustellen war14,



wobei der nachträgliche Ausgleich bestehender Rückstände die Kündigung nicht heilt15,

94 – bezieht der Mieter neben Arbeitslosengeld nach § 117 SGB III lediglich Krankengeld und lebt in engen finanziellen Verhältnissen, ist er gehalten, sich ggf. bereits im Vorfeld der Zahlungen

1 2 3 4 5 6

7 8 9 10 11 12 13 14 15

LG Lübeck v. 31.1.1984 – 6 S 354/83, WuM 1989, 627. AG Frankfurt v. 9.9.2005 – 33 C 3943/04, WuM 2005, 764. LG Halle v. 11.1.2002 – 1 S 192/01, NZM 2003, 310 m.w.N. Blank, WuM 2007, 655. LG Heilbronn v. 1.6.2001 – 6 O 2489/00, ZMR 2001, 803. BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 191/10, MDR 2011 = WuM 2011, 418 = ZMR 2011, 708; BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 64/09, WuM 2009, 736; BGH v. 4.2.2009 – VIII ZR 66/08, MDR 2009, 558 = WuM 2009, 228; BGH v. 28.11.2007 – VIII ZR 145/07, MDR 2008, 258 = WuM 2008, 31; BGH v. 19.1.2007 – V ZR 26/06, MDR 2007, 799 = WuM 2007, 155; BGH v. 11.1.2006 – VIII ZR 364/04, MDR 2006, 864 = WuM 2006, 193; BGH v. 23.9.1987 – VIII ZR 265/86, MDR 1988, 225 = NJW-RR 1988, 77; OLG Hamm v. 3.12.1991 – 7 U 145/91, NJW-RR 1993, 1163; vgl. auch OLG Rostock v. 7.10.2001 – 3 U 90/02, OLGR 2003, 30; OLG Karlsruhe v. 10.12.2002 – 17 U 97/02, NJW-RR 2003, 945. BGH v. 11.1.2006 – VIII ZR 364/04, MDR 2006, 864 = WuM 2006, 193 = NZM 2006, 338; LG Berlin v. 22.10.2010 – 63 S 690/09, GE 2010, 1623. LG Berlin v. 31.10.2010 – 65 S 505/09, GE 2010, 1341. LG Berlin v. 25.10.2011 – 65 S 409/10, GE 2011, 1621. BGH v. 14.9.2011 – VIII ZR 301/10, GE 2012, 57. BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 191/10, MDR 2011, 840 = WuM 2011, 418 = ZMR 2011, 708. LG Berlin v. 9.2.2010 – 67 T 18/10, GE 2010, 487. LG Bonn v. 9.7.2010 – 6 T 144/10, ZMR 2011, 551. LG Hagen v. 7.5.2010 – 1 S 13/10, zitiert nach juris. OLG Düsseldorf v. 8.7.2008 – I-24 U 177/07, ZMR 2009, 196.

628

Lützenkirchen

§ 543 BGB

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

der Betriebskrankenkasse, spätestens jedoch, nachdem diese das Krankengeld erstmals erst im Nachhinein erbracht hatte, und erst recht, nachdem er erstmals abgemahnt wurde, wegen eines Dispenses von der pünktlichen Mietzahlung an den Vermieter zu wenden und sich zudem mit der Betriebskrankenkasse in Verbindung zu setzen, um auf eine Beschleunigung der Bearbeitung und Auszahlung des Krankengeldes hinzuwirken1, –

nicht bei Fehlen einer Miete und Verrechnung späterer Zahlungen durch den Vermieter jeweils auf den Vormonat (keine „ständig unpünktliche Mietzahlung“)2.

l Möblierung. Die Auslagerung der mitvermieteten Möblierung während der Mietzeit reicht

95

nicht aus3. l Modernisierung. Hat der Mieter eine Modernisierung verhindert, muss der Vermieter konkret darlegen, welche Maßnahmen durchgeführt werden sollten, weil eine Vertragsverletzung nur angenommen werden kann, wenn der Mieter duldungspflichtig war4.

96

l Nachtruhe

97



Wiederholte Störung der Nachtruhe der Mitbewohner im Haus durch lautstarke Auseinandersetzungen der Mieter5,

– –

anhaltender Lärm – bisweilen mehrfach am Tag mehr als zwei Stunden – auch nach 22 Uhr6, nicht bei Störungen durch Schnarchgeräusche in Altbauwohnung mit Holzdecken7,



Belästigung von Mitmietern durch nächtliche Beleuchtung der Hausfassade durch Scheinwerfer mit Bewegungsmelder8.

l Nebenkosten

98



Wiederholt unpünktliche Leistung der Vorauszahlungen auf Nebenkosten9,



nicht aber die Nichtzahlung titulierter Forderung aus einer Betriebskosten-Abrechnung10, was jedenfalls dann zweifelhaft erscheint, wenn der Mieter die Eidesstattliche Versicherung abgegeben hat.

l Nichtzahlung

– –



99

eines titulierten Vergleichsbetrages trotz Mahnung und Kündigungsandrohung11, nicht aber unpünktliche Mietzahlungen durch das Sozialamt12 oder das Jobcenter13, sofern der Mieter selbst alles ihm Obliegende getan, um pünktliche Mietzahlung durch die ARGE zu gewährleisten14, nicht die Nichtzahlung der titulierten Kosten aus einem nach § 91a ZPO wegen § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB erledigten Räumungsrechtsstreits15.

l Nutzungsänderung



– –

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

100

Der Mieter darf die vertraglich festgelegte Nutzung grundsätzlich nicht ohne Zustimmung des Vermieters überschreiten oder ändern; maßgeblich ist aber in der Regel, dass die Änderung nach außen in Erscheinung tritt16 und von erheblichem Umfang ist, durch teilgewerbliche Nutzung einer Wohnung als Ingenieurbüro mit Publikumsverkehr gemeinsam mit einem Berufskollegen, der nicht Mieter ist17, nicht jedoch Ausübung von Buchhaltungs- und Bürotätigkeiten ohne Publikumsverkehr durch Mieterin allein18,

LG Frankfurt v. 15.7.2010 – 2/11 S 342/09, NZM 2011, 152. AG Hamburg-Bergedorf v. 1.4.2010 – 509 C 336/09, ZMR 2010, 696. LG Landau v. 27.4.1993 – 1 S 13/93, WuM 1997, 428. LG Berlin v. 26.2.2010 – 63 S 236/09, ZMR 2011, 550. LG Berlin v. 11.2.2010 – 67 S 382/09, GE 2010, 488. LG Frankfurt v. 1.4.2003 – 2/11 S 230/02, PE 2006, 175. AG Bonn v. 25.3.2010 – 6 C 598/08, NZM 2010, 619 = NJW-RR 2010, 1239 = GE 2010, 1753. Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 286 (Hausfriedensstörung) m.w.N. OLG München v. 28.2.2001 – 3 U 5169/00, MDR 2001, 745. LG Köln v. 22.6.1994 – 10 S 140/96, KM 12 Nr. 37. LG Berlin v. 24.5.2005 – 65 S 39/05, GE 2005, 1195. KG v. 11.12.1997 – 8 RE-Miet 1354/96, MDR 1998, 586 = WuM 1998, 85. BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 64/09, WuM 2009, 736. LG Bonn v. 9.7.2010 – 6 T 144/10, zitiert nach juris. BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 267/09, MDR 2010, 1105 = GE 2010, 1197 = WuM 2010, 571. Vgl. dazu BGH v. 14.7.2009 – VIII ZR 165/08, MDR 2009, 1215 = GE 2009, 1117. LG Schwerin v. 4.8.1995 – 6 S 96/94, WuM 1996, 214. LG Frankfurt v. 28.7.1995 – 2/17 S 42/95, WuM 1996, 532.

Lützenkirchen

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§ 543 BGB – –

nicht Ausübung einer Nebentätigkeit als Versicherungsvertreter1, Betrieb einer Krabbelstube in Mietwohnung täglich von 8.30 Uhr bis 13.30 Uhr2,



nicht aber fünfminütiges Parken auf dem Mietgrundstück und die damit verbundenen Beeinträchtigungen Dritter beim Bringen und Abholen der von der Tagesmutter in der Mietwohnung erlaubterweise betreuten Kinder3, vollständige Wohnungsnutzung eines ausschließlich zur Freizeitnutzung vermieteten Grundstücks4,



101



die teilweise Nutzung zu Wohnzwecken einer zu gewerblichen Zwecken vermieteten Wohnung in einem Mehrfamilienhaus5,



Unterbringung von Asylbewerbern statt vereinbarter Nutzung als Lager, Ausstellungsräume und Café mit Betriebswohnungen6,

– –

prinzipiell ist eine Abmahnung erforderlich7, nicht bei Angebot einer Drogenersatztherapie in zum Betrieb einer Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie vermieteten Räumen8.

l Obhutspflichtverletzung



Wiederholte Verursachung von schweren Wasserschäden durch Verletzung der Obhutspflicht an der Bausubstanz9,



unterlassene Entfernung einer unerlaubt in die Wohnungstür eingebauten Katzenklappe trotz Abmahnung10,



Verursachung von Feuchtigkeitsschäden in Mietwohnung durch falsches Lüftungsverhalten trotz Abmahnung11, Verursachung einer beträchtlichen Brandgefahr trotz Abmahnung und Feuerbeschau12,



nicht aber eine einmalige Obhutspflichtverletzung13, zumal wenn der Schaden von Kindern verursacht wurde14.



102

l Parabolantenne

Installation einer Parabolantenne auf der Fensterbank trotz Abmahnung15, Wiederanbringung einer Parabolantenne trotz rechtskräftiger Verurteilung zur Beseitigung16.

– –

103

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Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

l Polizeieinsätze



Wiederholte nächtliche Polizeieinsätze gegen gewalttätigen Mieter17,



Veranlassung eines Polizeieinsatzes und Weigerung, dieser die Tür zu öffnen, so dass die Wohnungstür aufgebrochen werden muss18.

l Prostitution



Förderung der Prostitution in Räumen, die als Diskothek und Tanzbar angemietet wurden19,



vertragswidrige Bordell-Nutzung von Gewerbe-20 oder Wohnraum21,

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

AG Charlottenburg v. 13.1.1992 – 3 C 548/91, MM 1992, 357. Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 286 (vertragswidriger Gebrauch) m.w.N. AG Wiesbaden v. 26.11.2002 – 92 C 546/02 – 34, WuM 2003, 88. Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 286 (vertragswidriger Gebrauch) m.w.N. OLG Köln v. 12.7.1995 – 2 U 45/95, NJW-RR 1996, 265. OLG München v. 26.1.2001 – 21 U 3595/94, OLGR 2001, 63 = ZMR 2001, 347. OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 170/09, ZMR 2011, 282. OLG Köln v. 12.11.2010 – 1 U 26/10, ZMR 2011, 285; a.A. LG Berlin v. 12.4.2010 – 9 O 440/09, ZMR 2010, 689. LG Berlin v. 26.11.1987 – 62 S 103/87, GE 1988, 145; AG Wiesbaden v. 15.5.1991 – 98 C 189/91, NJW-RR 1992, 76. LG Berlin v. 24.9.2004 – 63 S 199/04, GE 2004, 1394. AG Hannover v. 31.8.2005 – 565 C 15388/04, WuM 2005, 767. LG Coburg v. 7.9.2001 – 33 S 96/01, GuT 2002, 20. LG Wuppertal v. 29.10.1991 – 16 S 189/91, WuM 1992, 370 (Wohnungsbrand). AG Siegen v. 22.5.1990 – 5 C 752/90, WuM 1990, 503. AG Köln v. 16.6.1998 – 209 C 559/97, KM 12 Nr. 45. LG Kleve v. 29.3.1995 – 6 S 351/94, ZMR 1995, 313. LG Hamburg v. 3.11.2005 – 307 S 124/05, WuM 2005, 768. LG Mannheim v. 20.10.1993 – 4 S 113/93, DWW 1994, 50. BGH v. 10.9.1997 – XII ZR 222/95, MDR 1998, 148. AG Berlin-Mitte v. 6.1.1994 – 3 C 552/93, GE 1994, 813 (ohne Abmahnung). LG Lübeck v. 20.10.1992 – 6 S 48/92, NJW-RR 1993, 525.

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Lützenkirchen

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

§ 543 BGB



allein der nahe liegende Verdacht kann nicht genügen, auch wenn die Mieterin ihn nicht ausräumt1,



nicht bordellartige Einrichtung, wenn das Mietobjekt nach Erlass des Prostitutionsgesetzes „zu Wohnzwecken und auch zu gewerblichen Zwecken“ vermietet wurde, nicht gegen Vorschriften des öffentlichen Rechts verstoßen wird und Mitbewohner nicht belästigt werden2,



nicht bei Einverständnis des Vermieters mit der Nutzung der Wohnung als Bordell3.

l Rauschgift fi Drogen

105

l Rechtsstreitigkeiten

106



Eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten reicht allein nicht aus4, sofern darin nicht eine querulatorische Veranlagung des Mieters zum Ausdruck kommt,



eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses ist nicht schon bei einer Vielzahl gerichtlicher Verfahren anzunehmen, auch wenn dies einen hohen Lästigkeitswert hat5,

– –

insbesondere wenn die Prozesse sachlich geführt wurden6, Versuch der Zeugenbeeinflussung im Räumungsprozess7.

l Sachbeschädigung

107

Ob eine Abmahnung erforderlich ist, richtet sich nach der Schwere der Tat, insbesondere nach dem Schuldvorwurf, nicht ohne Abmahnung, wenn anzunehmen ist, dass es sich um eine einmalige Entgleisung handelt8.

– –

l Schönheitsreparaturen. Beharrliche Verweigerung der Vornahme vertraglich geschuldeter

108

Schönheitsreparaturen9. l Stellplatz

109

Vertragswidrige Nutzung eines Pkw-Stellplatzes als Kfz-Werkstatt10, wiederholtes Parken auf fremdem Stellplatz (Kündigung des gemieteten Stellplatzes)11.

– –

l Strafanzeige fi Anschuldigung

110

l Straftaten. Duldung der Begehung durch Dritte aus der Wohnung heraus12; fi auch Drogen

111

l Strom-Diebstahl fi Diebstahl

112

l Täuschungen

113

und fi Gewalt.

– –

Wenn sie gehäuft auftreten und dass Vertrauensverhältnis dadurch zerstört wird13, Täuschungsabsicht des Mieters ist nicht generell erforderlich14,



bei einer einzelnen Täuschung ist abzuwägen, inwieweit hierdurch die Belange einer Partei erheblich verletzt oder gefährdet werden. Das kommt in Betracht, wenn durch die Täuschung ein Schaden beim Vertragspartner entsteht oder dieser von der Wahrung seiner Interessen abgehalten wird. Diese Anforderungen können als erfüllt angesehen werden, wenn wesentliche Vertragsinteressen des Vermieters verletzt oder gefährdet sind15,

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

A.A. AG Münster v. 14.6.1995 – 6 C 547/94, WuM 1995, 538. AG Aachen v. 26.9.2006 – 10 C 181/06, ZMR 2007, 41. AG Köln v. 3.10.1983 – 203 C 726/83, WuM 1984, 281. OLG Hamm v. 5.6.1992 – 30 U 305/91, NJW-RR 1993, 16. LG Hamburg v. 23.6.2005 – 307 S 32/05, ZMR 2005, 867. OLG Hamm v. 5.6.1992 – 30 U 305/91, NJW-RR 1993, 16. BGH v. 4.12.1985 – VIII ZR 33/85, WuM 1986, 60. AG Hamburg-Harburg v. 7.12.2010 – 642 C 271/10, ZMR 2011, 302. LG Hamburg v. 2.3.1982 – 16 S 287/81, WuM 1984, 85; AG Hamburg v. 15.11.2001 – 41B C 90/01, NZM 2002, 735. LG Berlin v. 11.10.1991 – 64 S 230/91, GE 1991, 1253. AG Lörrach v. 3.11.1988 – 1 C 395/88, WuM 1989, 180. OLG Hamburg v. 4.11.1991 – 4 U 24/91, MDR 1991, 1165 = ZMR 1992, 23. LG Berlin v. 16.4.2010 – 65 S 307/09, WuM 2011, 220. OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 174/00, NZM 2001, 1033; a.A. LG Berlin v. 16.4.2010 – 65 S 307/09, WuM 2011, 220; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 202. OLG Hamburg v. 3.7.1996 – 4 U 109/96, WuM 1997, 216.

Lützenkirchen

631

§ 543 BGB –

bewusst wahrheitswidrige Angaben über Vermögensverhältnisse in der sog. Mieterselbstauskunft werden gemacht1, –

wenn die eidesstattliche Versicherung entgegen der Mitteilung in der Selbstauskunft abgegeben wurde2,



wenn bekannt wird, dass Anträge auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorliegen, solange das Mietobjekt noch nicht übergeben ist3, nicht aber, wenn Falschangabe in Selbstauskunft erst entdeckt wird, nachdem die Miete längere Zeit beanstandungslos gezahlt wurde4, wenn wiederholt unrichtige Umsatzangaben bei vereinbarter Umsatzmiete erfolgen5,

– – – –

114

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

nicht aber bei wahrheitswidrigem Bestreiten des Zugangs einer schriftlichen Abmahnung6, nicht bei Vortäuschen des Besitzes wertvoller Gemälde, um Vorschussanspruch wegen beabsichtigter Modernisierung zu begründen7.

l Tierhaltung





– – – – –

Übermäßige Tierhaltung, z.B. 60 Chinchillas in 40 Käfigen (auch in ländlicher Gegend unzumutbar8), 100 freifliegende Vögel in Zwei-Zimmer-Wohnung9, zwei Schäferhunde in Ein-Zimmer-Wohnung in Mehrfamilienhaus10, zooähnliche Tierhaltung von drei Schweinen, Kaninchen, Meerschweinchen, Schildkröten und Vögeln am Rande einer Großstadt, wenn der Mietvertrag nur Haltung eines Hundes erlaubt11, unerlaubte Hundehaltung trotz Abmahnung auch, wenn im Haus Erlaubnis zur Haltung einer Katze erteilt wurde12 oder der Vermieter den Hund kurzfristig geduldet hatte13, Fortsetzung ungenehmigter Tierhaltung trotz rechtskräftiger Verurteilung14, Fortsetzung trotz berechtigt widerrufener Genehmigung15, Haltung eines Kampfhundes trotz Abmahnung16, auch wenn Tierhaltung durch Mietvertrag nicht untersagt ist und der Hund den Hausfrieden nicht stört17, Lärmstörungen durch unerlaubt gehaltenen Hund18,



lautes und anhaltendes Hundegebell und Gestank19, drei Frettchen sowie unpünktliche Mietzahlung und Verlegung von Stromkabeln ohne Erlaubnis20, unzulässiges Füttern von Tauben mit Verschmutzung des Hauses und Lärmbelästigung trotz mehrfacher Abmahnung21, Geruchsbelästigungen durch Katzenhaltung22,



nicht gelegentliches Urinieren des Hundes ins Treppenhaus23,

– – –

1 LG Wuppertal v. 17.11.1998 – 16 S 149/96, WuM 1999, 39; LG Mannheim v. 8.11.1989 – 4 S 173/89, ZMR 1990, 303. 2 LG Wiesbaden v. 29.4.2004 – 2 S 112/03, WuM 2004, 399; AG Hagen v. 5.7.1984 – 13 C 414/84, WuM 1984, 296. 3 OLG München v. 6.10.1993 – 27 W 227/93, OLGR 1994, 85. 4 LG Wiesbaden v. 29.4.2004 – 2 S 112/03, WuM 2004, 399. 5 OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 174/00, NZM 2001, 1033. 6 LG Köln v. 27.3.1996 – 10 S 431/95, ZMR 1996, 666. 7 LG Berlin v. 16.4.2010 – 65 S 307/09, WuM 2011, 220. 8 Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 286 (Tierhaltung) m.w.N. 9 LG Karlsruhe v. 12.1.2001 – 9 S 360/00, NZM 2001, 891. 10 AG Frankfurt v. 4.6.1999 – 33 C 4476/98 – 67, WuM 2000, 569. 11 AG München v. 18.12.1998 – 462 C 27294/98, NZM 1999, 616. 12 LG Waldshut-Tiengen v. 22.11.2002 – 2 S 39/02, DWW 2003, 36. 13 AG Waldshut-Tiengen v. 24.5.2002 – 7 C 59/02, DWW 2002, 234. 14 LG Köln v. 3.4.1991 – 10 S 520/90, KM 12 Nr. 10. 15 LG Berlin v. 1.10.1992 – 62 S 276/92, GE 1993, 97. 16 AG Spandau v. 22.3.2002 – 3b C 956/01, GE 2002, 670. 17 A.A. LG Berlin v. 6.5.2005 – 64 S 503/04, GE 2005, 871. 18 AG Frankfurt v. 18.8.1976 – 33 C 4380/75, WuM 1978, 127. 19 AG Potsdam v. 22.2.2001 – 26 C 76/00, NZM 2002, 735. 20 AG Neukölln v. 15.6.2012 – 2 C 340/11, GE 2012, 1045. 21 AG Frankfurt v. 17.12.1975 – 33 C 4831/74, WuM 1977, 66. 22 LG Berlin v. 30.9.1996 – 67 S 46/96, NJW-RR 1997, 395. 23 AG Köln v. 8.8.2000 – 208 C 164/00, WuM 2001, 512.

632

Lützenkirchen

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund –

§ 543 BGB

nicht die Errichtung von Taubenschlägen auf gemietetem Hausgrundstück, wenn diese problemlos entfernt werden können1,

l Überbelegung

– –

115

Erhebliche Überbelegung durch Zuzug von Kindern des Mieters, nur wenn Interessen des Vermieters beeinträchtigt sind2, nicht die bloße Überschreitung der vereinbarten Bewohnerzahl3.

l Üble Nachrede

116



Insoweit trägt analog § 186 StGB derjenige die Beweislast für die Richtigkeit der Behauptung, der sie aufgestellt hat4, reicht zur Kündigung, wenn Mieter gegenüber dem Baufinanzierer einen Vermögensverfall des Vermieters andeutet und behauptet, dass grundlose Kündigungen ausgesprochen werden5,

– –

nicht aber wenn sie durch Art. 5 GG gedeckt ist6, nicht öffentliche Kritik an überhöhter Miete7;



auch fi Beleidigung.



l Umsatzmiete. Wenn der Mieter sich weigert, dem Vermieter Einsicht in die testierten Jahres-

117

abschlüsse und andere Umsatznachweise zu gewähren, obwohl er sich zur Meldung der Umsätze verpflichtet hat8. l Untervermietung fi Gebrauchsüberlassung

118

l Urinieren

119

– –

im Keller9, in den gemeinschaftlichen Garten10.

l Vermögensverfall

120



Bloße Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. § 807 ZPO ist allein noch kein Kündigungsgrund11, anders, wenn dadurch eine berechtigte Nebenkostennachforderung nicht durchsetzbar ist und der Mieter die Zahlung verweigert12,



die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist kein Kündigungsgrund wegen Kündigungssperre gem. § 109 InsO13,

– –

nicht die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse14, nicht die fruchtlose Zwangsvollstreckung aus einem Kostentitel, der aus einem nach § 91a ZPO erledigten Räumungsklageverfahren wegen Zahlungsverzuges stammt15.

l Vermüllung (auch fi Messie-Syndrom)

– –

121

Totale Vermüllung trotz wiederholter Versuche des Vermieters zur Abhilfe16, Messie-Syndrom mit Herumliegen und -stehen von Unrat, Kartons mit abgelaufenen und verschimmelten Lebensmitteln, Küche nicht zugänglich wegen herumliegendem Müll17;

1 AG Jülich v. 25.4.2006 – 11 C 19/06, WuM 2006, 562. 2 BGH v. 14.7.1993 – VIII ARZ 1/93, MDR 1993, 970 = WuM 1993, 529 = ZMR 1993, 508; BVerfG v. 18.10.1993 – 1 BvR 1335/93, WuM 1994, 119 = ZMR 1994, 10 = NJW 1994, 41. 3 LG Kempten v. 26.7.1995 – 5 S 1276/95, NJW-RR 1996, 264. 4 BGH v. 13.12.1995 – XII ZR 97/94, BGHR BGB § 554a Üble Nachrede 1. 5 LG Potsdam v. 17.8.2011 – 4 S 193/10, ZMR 2012, 627. 6 LG Leipzig v. 11.1.2002 – 14 S 6332/01, NZM 2002, 247. 7 AG Solingen v. 24.10.1990 – 10 C 399/90, WuM 1991, 97. 8 LG Berlin v. 25.3.2011 – 12 O 449/10, GE 2011, 690. 9 AG Zerbst v. 31.3.2003 – 6 C 614/02, NZM 2003, 897. 10 AG Köln v. 21.10.2010 – 210 C 398/09, ZMR 2012, 708 (nach Abmahnung). 11 OLG München v. 7.6.1991 – 21 U 4248/90, ZMR 1997, 458; LG Berlin v. 15.6.2005 – 29 O 769/04, ZMR 2005, 789. 12 OLG Brandenburg v. 14.11.2007 – 3 U 86/07, ZMR 2008, 116. 13 OLG Hamm v. 7.3.2001 – 30 U 192/00, NZM 2002, 343. 14 BGH v. 23.1.2002 – XII ZR 5/00, NZM 2002, 524. 15 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 267/09, MDR 2010, 1105 = WuM 2010, 571 = NZM 2010, 696 = ZMR 2011, 16. 16 AG Rheine v. 26.2.2008 – 4 C 731/07, WuM 2008, 218. 17 AG Hamburg-Harburg v. 18.3.2011 – 641 C 363/10, ZMR 2011, 644.

Lützenkirchen

633

§ 543 BGB 122

l Verschmutzungen

– –

123

124

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

durch Müllabwurf aus dem Fenster in den Hof trotz mehrfacher Abmahnung1, Verschmieren der Wohnungstür eines Mitmieters mit Fäkalien (fristlose Kündigung ohne Abmahnung trotz Schuldunfähigkeit des Mieters2).

l Vertrauensbruch



Eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses ist nicht schon bei einer Vielzahl gerichtlicher Verfahren anzunehmen, auch wenn dies einen hohen Lästigkeitswert hat3,

– –

insbesondere wenn die Prozesse sachlich geführt wurden4, durch unsachlich herabsetzende Äußerungen zur Mietwohnung gegenüber Kaufinteressenten5,



Unterstützung von Hausbesetzern durch den Mieter6,

– –

Einbeziehung des Arbeitgebers des Vermieters in Mietstreitigkeit7, nicht die Aufzeichnung eines Gesprächs mit dem Vermieter in der Wohnung mit sichtbar bedientem Diktiergerät8,



nicht kritische Meinungsäußerungen des Mieters zu Vorhaben des Vermieters in Bezug auf die Mietsache, wenn die Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten wird9,



nicht die Verteilung von Flugblättern an Kaufinteressenten mit dem Aufdruck „Mieter wehren sich erfolgreich“, wenn dies durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist10,



nicht Aufruf an Mitmieter zur Unterstützung im Kampf gegen „Willkür“ des Vermieters11.

l Verwahrlosung

– –

Verwahrlosung der Wohnung, wenn dadurch die Substanz des Mietobjektes gefährdet ist12, unzumutbarer Gestank, der ins Treppenhaus und die übrigen Räume eindringt13,

– –

jedenfalls nach Abmahnung14, nicht durch bloße Anhäufung von Gerümpel15.

125

l Vorwürfe. Nicht, wenn der Vermieter zuvor z.B. durch eine Kündigung versucht hat, sich seinen Pflichten aus dem Mietvertrag zu entziehen16.

126

l Wäschetrocknen. Nicht: unbefugtes Trocknen von Wäsche auf dem Geländer des Laubengan-

127

l WEG. Nicht: die Untersagung der Vermietung von Teileigentum durch Eigentümergemein-

128

l Zutritt

ges17. schaft18. –

Nicht bloße Verweigerung19, wobei die Umstände des Einzelfalles maßgeblich sind20, weil hier die Grundrechte des Mieters aus Art. 13 und Art. 14 GG zu beachten sind21,

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 286 (Verschmutzungen) m.w.N. AG Braunschweig v. 18.2.2005 – 119 C 3037/04, ZMR 2005, 369. LG Hamburg v. 23.6.2005 – 307 S 32/05, ZMR 2005, 867. OLG Hamm v. 5.6.1992 – 30 U 305/91, NJW-RR 1993, 16. LG Hannover v. 2.6.1995 – 9 S 199/94, WuM 1995, 538. AG Wedding v. 2.6.1981 – 5 C 162/81, WuM 1981, 210. LG Münster v. 6.9.2001 – 8 S 265/01, WuM 2002, 52. LG Hamburg v. 11.3.1999 – 333 S 110/98, WuM 1999, 333. LG Berlin v. 22.9.2006 – 63 S 126/06, GE 2007, 723. VerfGH Berlin v. 22.1.2008 – VerfGH 70/06, ZMR 2008, 605. LG Koblenz v. 10.6.1975 – 6 S 377/74, WuM 1976, 98. AG Frankfurt v. 16.1.1998 – 33 C 2515/97-67, WuM 1998, 343. LG Hamburg v. 26.5.1987 – 16 S 307/85, WuM 1988, 18; AG Münster v. 8.3.2011 – 3 C 4334/10, WuM 2012, 372; AG Saarbrücken v. 29.10.1993 – 37 C 267/93, DWW 1994, 186. AG Rheine v. 26.2.2008 – 4 C 731/07, WuM 2008, 218. AG Friedberg v. 16.1.1991 – C 1690/90, WuM 1991, 686. OLG München v. 13.9.1996 – 21 U 5861/95, ZMR 1996, 654 (656). LG Berlin v. 22.2.2007 – 62 S 277/05, MM 2007, 181. BGH v. 29.11.1995 – XII ZR 230/94, MDR 1996, 355 = NJW 1996, 714. LG Berlin v. 31.3.2000 – 64 S 534/99, ZMR 2000, 535 = NZM 2001, 40. BGH v. 5.10.2010 – VIII ZR 221/09, WuM 2011, 13 = GE 2011, 198 = ZMR 2011, 366. BVerfG v. 16.1.2004 – 1 BvR 2285/03, MDR 2004, 266.

14 15 16 17 18 19 20 21

634

Lützenkirchen

§ 543 BGB

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – –

Verweigerung der Wohnungsbesichtigung durch Kaufinteressenten1, nicht die Duldung von nur einer Besichtigung pro Woche2,



Installation einer ungewöhnlichen Einbruchssicherung, die ungewollt einen Gerichtsvollzieher von der Wohnungsdurchsuchung abhält3.

l Zwischenvermietung. Nicht die enttäuschte Erwartung steuerlicher Vorteile aus der Zwischenvermietung im Bauherrenmodell4.

129

b) Für den Mieter l Bauliche Mängel des Gebäudes

130



Das Fehlen ausreichender Rettungswege im Brandfall5,

– –

fehlendes Geländer an einer Galerie des Obergeschosses im gemieteten Haus6, eine Einsturzgefahr verpachteter Hühnerställe7,



nicht die bloß formelle Baurechtswidrigkeit ohne konkret drohende Gefahr der Gebrauchsentziehung8,

l Bedrohung



131

mit Messer durch Sohn des Vermieters9,



anhaltend bedrohliches, beleidigendes und aggressives Verhalten eines Mitbewohners10,



nicht Äußerung des Vermieters, die Fristsetzung des Mieters zur Mängelbeseitigung wirke wie eine Nötigung11.

l Behördliche Genehmigung

132



wie z.B. die Nichterteilung der Schankerlaubnis wegen bauordnungsrechtlicher Beanstandungen, wenn dem Mieter der zeitlich nicht absehbare Schwebezustand nicht zumutbar ist12,



ein behördliches Vertriebsverbot (nach der HackfleischVO) wegen mangelhafter Einrichtung der als „Fleischwarenverkaufsstelle“ vermieteten Räume13.

l Belichtung. Mangelnde Belichtung der Mieträume durch Bebauung des Nachbargrundstücks über das durch öffentlich-rechtliche Vorschriften vorgegebene Maß hinaus14.

133

l Beschuldigung. Grundlose Beschuldigung, Mieter verhalte sich querulantenhaft und aufwieg-

134

lerisch15. l Betriebskosten

135

– –

Unredlichkeiten bei der Abrechnung der Betriebskosten16, wiederholt vorsätzlich falsche Abrechnung und Verweigerung der Einsicht in Belege17,



nicht grundlose Verzögerung der Abrechnung18.

l Briefgeheimnis. Öffnen der Post des Mieters durch Vermieter und Weitergabe des Inhalts an

Dritte19.

1 BGH v. 5.10.2010 – VIII ZR 221/09, WuM 2011, 13 = GE 2011, 198 = ZMR 2011, 366; a.A. AG Erkelenz v. 4.1.1985 – 8 C 461/84, WuM 1986, 251. 2 LG Kiel v. 1.6.1992 – 1 S 315/91, WuM 1993, 52. 3 LG Frankfurt v. 16.7.1991 – 2/11 S 637/90, WuM 1992, 608. 4 LG Tübingen v. 25.3.1991 – 1 S 547/90, WuM 1991, 553. 5 KG v. 22.9.2003 – 12 U 15/02, GuT 2003, 215. 6 OLG Brandenburg v. 2.7.2008 – 3 U 156/07, ZMR 2009, 190. 7 OLG Koblenz v. 12.5.1992 – 3 U 1765/91, NJW-RR 1992, 1228. 8 LG Frankfurt v. 29.12.1999 – 2/17 S 99/99, NZM 2000, 1053. 9 LG Hannover v. 14.3.2000 – 18 S 665/99, WuM 2001, 446. 10 OLG Köln v. 6.2.2006 – 16 Wx 197/05, OLGR 2006, 524. 11 OLG Düsseldorf v. 19.7.2011 – 24 U 31/11, GuT 2012, 358. 12 OLG Düsseldorf v. 16.6.1988 – 10 U 177/87, MDR 1988, 866. 13 OLG Rostock v. 29.4.2002 – 3 U 12/01, NZM 2002, 701. 14 OLG Hamm v. 22.6.1982 – 7 U 13/81, MDR 1983, 579. 15 AG Borken v. 5.11.1998 – 12 C 161/98, WuM 2000, 189. 16 LG Gießen v. 12.6.1996 – 1 S 571/95, WuM 1996, 767; OLG Düsseldorf v. 20.12.1990 – 10 U 137/90, DWW 1991, 78. 17 LG Berlin v. 24.6.2003 – 65 S 421/02, GE 2003, 1081. 18 OLG München v. 10.1.1997 – 21 U 2464/95, ZMR 1997, 233. 19 AG Rendsburg v. 20.5.1986 – 11 C 124/86, WuM 1989, 178.

Lützenkirchen

635

136

§ 543 BGB 137

138

139

140

l Einbruchgefahr



Gefahr des Diebstahls durch offene Verkaufsfläche, die außerhalb der Geschäftszeiten für Dritte zugänglich ist1,



Verlust des Versicherungsschutzes nach Einbruchsserie in Geschäftsräume2.

l Einsturzgefahr. Gesundheitsgefährdung (§ 569 Abs. 1 BGB), wenn die Nutzung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch als Imbiss- und Restaurantbetrieb infolge eines beschädigten Stahlträgers der Kellerdecke insgesamt betroffen ist und sich nicht nur auf den Kellerbereich beschränkt3. l Feuchtigkeit



Eindringen von Feuchtigkeit wegen Dachundichtigkeit4,



nach Fenstermodernisierung5,

– –

Feuchtigkeitsschäden mit Schimmelpilzbefall durch bauliche Mängel6, infolge Überschwemmung der Wohnung bei Hochwasser7, jedenfalls dann, wenn der Zeitpunkt der Schadensbeseitigung nicht absehbar ist8,



nicht bei unerheblicher Gebrauchsminderung (Schimmel in einer Fuge im Bad, Wasserschaden und Schimmelbildung im Keller)9;

l Flächenabweichung



bei Unterschreitung der vereinbarten Mietfläche um mehr als 10 % vor Überlassung der Räume10, nach dreijähriger Nutzung11,



nicht bei Angabe einer falschen Wohnungsgröße in einer Zeitungsanzeige12.



141

142

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

l Gebrauchsentziehung



durch bevorstehende Modernisierung für die Dauer von neun Monaten, in denen eine vertragsgemäße Nutzung nicht möglich ist13,



Nicht bei einem Aufzugsausfall an 21 Tagen in drei Jahren, wenn der Vermieter jeweils umgehend Abhilfe geschaffen hatte14,



nicht bei Entzug einer nur gefälligkeitshalber überlassenen, nicht mitvermieteten Fläche15;

l Geruchsbelästigung

– –

durch städtische Kläranlage16, durch Lebensmittelbetrieb infolge unzureichender Abluftanlage17,

1 OLG Dresden v. 11.12.2007 – 5 U 1526/07, InfoM 2008, 68; vgl. auch BGH v. 7.6.2006 – XII ZR 34/04, NZM 2006, 626. 2 Kündigungsrecht bejaht: OLG Naumburg v. 16.12.1996 – 1 U 175/96, NZM 1998, 438; verneint: KG v. 29.9.1997 – 20 U 4599/97, NZM 1998, 437; OLG Rostock v. 25.6.2001 – 3 U 162/00, OLGR 2002, 34. 3 OLG Düsseldorf v. 14.1.2010 – 10 U 74/09, OLG Düsseldorf v. 14.1.2010 – I-10 U 74/09, MietRB 2010, 134. 4 OLG Düsseldorf v. 28.7.1998 – 24 U 173/97, MDR 1999, 220. 5 LG Düsseldorf v. 8.10.1991 – 24 S 82/91, WuM 1992, 187. 6 LG München I v. 26.9.1990 – 31 S 20071/89, WuM 1991, 584; LG Düsseldorf v. 9.9.1988 – 21 S 625/87, WuM 1989, 13; LG Duisburg v. 23.1.2001 – 13/23 S 359/00, NZM 2002, 214; a.A. LG Mainz v. 14.11.1997 – 3 T 102/97, DWW 1999, 295. 7 AG Köln v. 8.9.1994 – 214 C240/94, WuM 1997, 261; AG Döbeln v. 11.9.2003 – 1 C 0227/03, NZM 2004, 499. 8 AG Grimma v. 22.1.2003 – 2 C 0983/02, NJW 2003, 904. 9 AG Schöneberg v. 24.9.2008 – 103 C 30/08, GE 2009, 55. 10 BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MDR 2005, 975. 11 BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, WuM 2009, 349. 12 AG Frankfurt v. 5.5.2006 – 33 C 582/06-50, MDR 2007, 26. 13 BGH v. 31.10.2012 – XII ZR 126/11, MDR 2013, 82 = WuM 2013, 37 = GE 2013, 52. 14 KG v. 12.4.2007 – 12 U 65/06, MDR 2007, 1305 = ZMR 2007, 862 = NZM 2008, 42. 15 OLG Düsseldorf v. 19.10.2000 – 10 U 227/99, MDR 2001, 446. 16 LG Augsburg v. 1.2.1984 – 7S 4332/83, WuM 1986, 137. 17 OLG Brandenburg v. 4.11.1998 – 3 U 46/98, OLGR 2000, 150.

636

Lützenkirchen

§ 543 BGB

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund durch Zigarettenrauch1, durch Essensgerüche2.

– –

l Geschäftsgrundlage

143



Eine Störung der Geschäftsgrundlage durch erheblichen Leerstand von Ladenlokalen in einem Einkaufszentrum oder einer Ladenpassage, wenn der Vermieter das Funktionieren seines Konzeptes der Branchenmischung zu seinem Risiko gemacht hat3,



eine solche Risikoübernahme ergibt sich nicht schon daraus, dass der Vermieter ein Gesamtkonzept für das Einkaufszentrum entwickelt hat, in welches sich der Betrieb des Mieters einfügt4, Geschäftsaufgabe des Hauptmieters, der mit dem Untermieter einen „Kombiladen Bäcker/ Fleischer“ betreibt5 oder mit diesem einen „Shop in Shop“-Untermietvertrag hat6,

– –

Kündigung des Untermieters (Bäcker), der sein Geschäft in räumlichem Zusammenhang mit einem Lebensmittelmarkt betreibt, nach Kündigung des Lebensmittelmarktes durch den gemeinsamen Vermieter7, Schließung des Operationssaales einer Privatklinik, auf deren Gelände Anästhesist im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung vom Klinikbetreiber Praxisräume angemietet hat8, nicht, wenn Wegfall der Geschäftsgrundlage schon vorhersehbar ist (Leerstand eines Wohnheims wegen Rückgang von Asylbewerber)9, oder

– –

nicht bei einer schweren Erkrankung des Mieters10.



l Geschäftsschädigung. Nicht, wenn sich ein Rechtsanwalt, der überwiegend strafrechtlich tätig

144

ist, durch die Vermietung von Räumen im gleichen Haus an Staatsanwaltschaft beeinträchtigt fühlt11. l Gesundheitsgefährdung

145

durch fehlendes Geländer an einziger Treppe zu dem im Obergeschoss gelegenen Büroraum12, Brandgefahr in Gewerberäumen wegen nicht funktionsfähiger Brandschutzvorrichtungen13,

– –

nicht bei Errichtung einer Mobilfunkanlage in der Nähe der Wohnung, wenn die Grenzwerte der 26. BImSchVO eingehalten sind14.



l Hausfriedensbruch

146



durch Betreten der Wohnung des Mieters ohne Ankündigung15,

– –

durch unbefugtes Betreten der Wohnung mittels Zweitschlüssel16, Zugangsgewährung für Dritte zur Wohnung ohne Kenntnis des Mieters17,



eigenmächtige Inbesitznahme der vom Mieter nicht mehr benutzten Wohnung zwecks Vornahme von Renovierungsarbeiten18,



nicht einmaliges unerlaubtes Betreten der nach Auszug des Mieters noch nicht zurückgegebenen Wohnung durch den Vermieter mit Kaufinteressenten19, 1 2 3 4 5 6 7

8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

LG Stuttgart v. 27.5.1998 – 5 S 421/97, WuM 1998, 724. Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 456 (Gerüche). OLG Naumburg v. 9.4.1998 – 3 U 1062/97, zitiert nach juris. BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821; BGH v. 19.7.2000 – XII ZR 176/98, 2001, 22. OLG Düsseldorf v. 19.2.2009 – 10 U 142/08, NZM 2010, 477; OLG Dresden v. 10.4.2001 – 23 U 3114/00, NZM 2002, 292. OLG Karlsruhe v. 22.6.1999 – 3 U 4/99, OLGR 1999, 316. OLG Hamm v. 9.10.1996 – 33 U 17/96, NJW-RR 1997, 264; ähnlich OLG München v. 23.6.1999 – 3 U 6412/98, MDR 1999, 1434. OLG Koblenz v. 8.11.2004 – 12 U 1470/03, OLGR 2005, 652. OLG Brandenburg v. 19.6.1998 – 3 U 104/95, NZM 1999, 222. OLG Düsseldorf v. 6.6.2000 – 24 U 186/99, ZMR 2001, 106. OLG Köln v. 13.1.2004 – 22 U 125/03, MDR 2004, 660. LG Landau v. 26.3.2002 – 1 S 323/01, GuT 2003, 214. KG v. 22.9.2003 – 12 U 15/02, ZMR 2004, 259. LG Hamburg v. 26.1.2006 – 307 S 130/05, ZMR 2007, 198. LG Berlin v. 9.2.1999 – 64 S 305/98, WuM 1999, 332 = ZMR 1999, 400; LG Köln v. 23.9.1993 – 6 S 130/93, ZMR 1994, VI Nr. 9. LG Berlin v. 9.2.1999 – 64 S 305/98; WuM 1999, 332 = ZMR 1999, 400 = NZM 2000, 543. AG Magdeburg v. 13.11.2012 – 163 C 2857/11 (163), WuM 2012, 676. AG Braunschweig v. 26.6.2002 – 117 C 4321/01, ZMR 2003, 499. LG Lüneburg v. 9.5.2005 – 6 S 51/05, WuM 2005, 586.

Lützenkirchen

637

§ 543 BGB –

147



l Heizung

Ungenügende Beheizbarkeit der Mieträume4,



mangelnde Erwärmung in Büroräumen im November und Dezember mit Temperaturen anhaltend – teils erheblich – unter 20 °C5,



wiederholter Heizungsausfall in der Wohneigentumsanlage auf Grund einer Stromabschaltung nach offenen Rechnungen des Elektrizitätswerks6 und in Geschäftsräumen7; fi auch Raumtemperatur.

l Insolvenz des Vermieters

– –

150



153

Wenn Vermieter einer regelmäßigen Instandsetzungspflicht nicht nachgekommen ist oder nachhaltige Verzögerungen der Sanierungsarbeiten verursacht hat10, Weigerung trotz wiederholter Aufforderung, durch geeignete Baumaßnahmen behördliche Auflagen zur Instandsetzung zu erfüllen11.

l Konkurrenzschutz

– –

152

nicht die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse8, nicht die Löschung des Vermieters im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit9.

l Instandsetzung



151

durch vom Vermieter geduldeten Aufenthalt unbekannter Personen in leerstehender Wohnung desselben Hauses2, unzumutbare Belästigung durch Mitmieter (unberechtigte Vorwürfe, Strafanzeige, Drohbriefe, lautes Schreien ohne erkennbaren Anlass, Klopfen gegen die Decke, nächtliches Klingeln und Tritte gegen die Wohnungstür, Abstellen des Stroms)3.





149

nicht das einmalige Auswechseln des Schlosses zur Eingangstür und sofortiger Rückbau nach Belehrung durch die Polizei1.

l Hausfriedensstörung



148

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

Verstoß gegen den vertraglich zugesicherten Konkurrenzschutz12, nicht jede Überschneidung der Angebote im Nebensortiment reicht für eine Konkurrenzschutzverletzung aus („Lebensmitteldiscounter“ gegen Geschäft mit zum großen Teil russischen Lebensmitteln)13.

l Krankheit des Mieters reicht nicht14. l Kündigung.

– –

Schuldhaft unberechtigte Kündigung des Vermieters15; nicht aber eine Kündigung, die ohne Anhaltspunkte auf eine Verletzung der Schriftform gestützt wird, wenn nach dem Mietvertrag zwei Jahre später zur Vermeidung einer Verlängerung ohnehin eine Kündigung erforderlich ist, so dass sich die Kündigung im Zweifel als solche zum falschen Termin darstellt16.



fi auch Räumungsverlangen.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

KG v. 2.4.2009 – 12 U 118/08, ZMR 2010, 111 = NZM 2009, 820 = GE 2009, 978. LG Göttingen v. 5.2.1986 – 5 S 15/85, WuM 1990, 75. LG Berlin v. 8.6.2006 – 67 S 465/05, MM 2007, 333. LG Landshut v. 18.12.1985 – 1 S 1222/85, WuM 1989, 175. KG v. 28.4.2008 – 8 U 209/07, ZMR 2008, 790. LG Saarbrücken v. 17.6.1994 – 13 BS 58/94, WuM 1995, 159. OLG Dresden v. 18.6.2002 – 5 U 260/02, WuM 2002, 541. BGH v. 23.1.2002 – XII ZR 5/00, NZM 2002, 524. BGH v. 10.4.2002 – XII ZR 37/00, NZM 2002, 525. KG v. 26.8.2002 – 8 U 181/01, GE 2002, 1561 = KGR 2003, 124; LG Berlin v. 30.3.2001 – 32 O 759/00, GE 2001, 993. OLG Frankfurt v. 21.2.1979 – 13 U 227/77, WuM 1980, 133. KG v. 3.3.1997 – 20 U 1624/96, KGR 1997, 133. KG v. 6.5.2010 – 12 U 150/09, GuT 2010, 208 = GE 2010, 1338 = ZMR 2011, 30. OLG Düsseldorf v. 6.6.2000 – 24 U 186/99, MDR 2001, 83 = WuM 2002, 94; OLG Düsseldorf v. 25.7.2008 – I-24 W 53/08, MDR 2008, 1204. BGH v. 15.3.2000 – XII ZR 81/97, MDR 2000, 875 = WuM 2000, 598 = ZMR 2000, 590; OLG Düsseldorf v. 8.2.2001 – 10 U 202/99, OLGR 2001, 239; vgl. aber auch OLG Düsseldorf v. 26.6.1997 – 10 U 95/96, WuM 1997, 556. OLG Frankfurt v. 23.1.2013 – 2 U 276/12, n.v.

11 12 13 14 15

16

638

Lützenkirchen

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

§ 543 BGB

l Lärm

154

– –

Störungen durch Lärm aus Nachbarwohnung über längeren Zeitraum1, nächtliche Ruhestörungen durch lautstarke Auseinandersetzungen von Nachbarn2,

– –

Lärmbelästigungen aus Gaststätte3, Klopfgeräusche der Heizungsanlage4.

l Mietpreisüberhöhung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab5.

155

l Nutzungsbeschränkung

156



Die Nutzungsuntersagung durch die Behörde, wobei eine Abmahnung nicht erforderlich ist6,



die behördliche Androhung von Zwangsmitteln kann ausreichen, weil damit die Nutzung als solche ungewiss wird7, wenn trotz bisheriger Duldung mit einem Einschreiten der Behörde während der vereinbarten Vertragszeit zu rechnen ist8, obwohl die Behörde eine weiträumige Räumungsfrist gewährt, innerhalb derer auch eine ordentliche Kündigung möglich wäre9, nicht, wenn eine formlose Mitteilung der Gemeinde in der aktuellen Planlage das von dem Mieter ausgeübte Gewerbe in den Mieträumen nicht vorsieht, zumal wenn das Schreiben der Gemeinde am Ende die Gelegenheit „zu einem gemeinsamen Gespräch“ anbietet10, nicht das bloße Fehlen der erforderlichen behördlichen Nutzungsgenehmigung11.

– – –



l Nutzungsbeschränkung durch Teilungserklärung. Wenn dem vermietenden Teileigentümer durch rechtskräftiges Urteil aufgegeben wurde, die mietvertraglich vereinbarte Nutzung zu beenden, und dieser daraufhin den Mieter unter Androhung von Schadensersatzansprüchen zur Räumung auffordert12.

157

l Prostitution

158



in Nachbarwohnung13,

– –

insbesondere wegen der Gefahr für weibliche Mieter, durch Freier belästigt zu werden14, auch ohne Abmahnung, wenn Abhilfe ungewiss ist15.

l Raumtemperatur

159

– –

von mehr als 35 °C16, Eindringen von Kälte und Zugluft durch offene Zwischendecke zum Dachgebälk17,



nicht aber, wenn Kündigung wegen Raumüberhitzung während der Sommermonate im Winter ausgesprochen wird, der Mangel leicht zu beheben und der Vermieter zu sofortiger Abhilfe bereit ist18,

1 AG Köln v. 11.7.1997 – 201 C 37/97, KM 13 Nr. 10. 2 LG Duisburg v. 15.3.1988 – 7 S 252/87, WuM 1988, 264. 3 LG Hamburg v. 21.10.1986 – 16 S 32/86, WuM 1987, 218; AG Berlin-Mitte v. 10.9.1998 – 16 C 196/98, MM 1999, 36. 4 LG Darmstadt v. 25.10.1978 – 7 S131/78, WuM 1980, 52. 5 OLG Frankfurt v. 7.8.2000 – 20 RE-Miet 1/98, WuM 2000, 537; bejaht: LG Darmstadt v. 12.3.1997 – 21 S 210/96, WuM 1997, 442; verneint: LG Berlin v. 19.2.1998 – 67 S 506/96, NZM 1999, 305; LG Berlin v. 20.12.2004 – 67 S 213/04, MM 2005, 145. 6 LG Itzehoe v. 16.12.2011 – 9 S 24/11, ZMR 2012, 555. 7 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, ZMR 2008, 274; BGH v. 22.6.1988 – VIII ZR 232/87, MDR 1988, 1052. 8 OLG Frankfurt v. 26.3.1993 – 2 U 110/92, OLGR 1994, 254. 9 AG Plettenberg v. 22.7.1998 – 1 C 131/98, NZM 1998, 862. 10 OLG Rostock v. 1.7.2010 – 3 U 37/10, MDR 2011, 127. 11 OLG Köln v. 10.11.1997 – 19 W 48/97, MDR 1998, 709 = WuM 1998, 152; OLG Nürnberg v. 16.7.1998 – 8 U 197/98, ZMR 1999, 255. 12 OLG Düsseldorf v. 8.7.1998 – 10 U 159/97, WuM 1999, 37. 13 LG Kassel v. 2.10.1986 – 1 S 376/85, WuM 1987, 122. 14 AG Osnabrück v. 12.12.2007 – 83 C 186/07, WuM 2008, 84. 15 AG Köln v. 25.3.2002 – 22 C 324/01, WuM 2003, 145. 16 OLG Düsseldorf v. 4.6.1998 – 24 U 194/96, MDR 1998, 1217. 17 AG Schöneberg v. 1.12.1999 – 7 C 67/99, ZMR 2000, 101. 18 OLG Naumburg v. 24.9.2002 – 9 U 44/02, WuM 2003, 144; KG v. 2.9.2002 – 8 U 146/01, GE 2003, 48 = KGR Berlin 2003, 97.

Lützenkirchen

639

§ 543 BGB

nicht, wenn die Raumtemperatur an zwei Tagen außerhalb der Heizperiode unter 20 °C lag1; fi auch Heizung.

– –

160

l Räumungsverlangen

des Hauptvermieters gegenüber Untermieter nach wirksamer Beendigung des Hauptmietvertrags (Kündigungsrecht des Mieters)2, nicht nach unwirksamer Kündigung des Hauptmietvertrages, denn eine Androhung der Räumung steht dem Gebrauchsentzug durch den Eigentümer nur unter der Voraussetzung gleich, dass der Eigentümer den Untermieter nach § 546 BGB bzw. § 985 BGB auf Herausgabe und Räumung gerichtlich in Anspruch nehmen kann und dies androht; insoweit reicht es nicht aus, dass der Untermieter sich lediglich auf die fristlose Kündigung des Eigentümers gegenüber dem Hauptmieter beruft, denn es kommt darauf an, ob die fristlose Kündigung auch berechtigt war3, Zahlungsaufforderung unter Räumungsandrohung des Eigentümers gegenüber dem Untermieter nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses, aber vor Beendigung des Untermietverhältnisses4, schuldhaft unberechtigte Räumungsklage5,

– –





nicht Räumungsverlangen des Eigentümers gegenüber Untermieter bei fortbestehendem Hauptmietverhältnis6.



161

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

l Rechtsmängel in Form von Sicherungseigentum Dritter an mitgemieteten Gegenständen

reicht nicht, solange dadurch der Gebrauch nicht beeinträchtigt wird7; s. auch § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

162

163

164 165

l Schadstoffbelastung

– –

durch Holzschutzmittel8, durch Formaldehyd9,



Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Insektizide10.

l Täuschung



durch Verschweigen des Vermieters, dass er selbst nicht Eigentümer ist11, sofern dies für den Mieter erkennbar von Bedeutung ist12,



Verschweigen von Schwierigkeiten der Erlangung einer behördlichen Genehmigung für die beabsichtigte Nutzung13,



unrichtige Angaben zum erzielbaren Umsatz eines verpachteten Unternehmens14.

l Trinkwasser. Rostverfärbung15. l Unbenutzbarkeit der Mieträume

– –

durch einen (vom Mieter nicht zu vertretenden) Brand16, durch Stromsperre des Elektrizitätswerks wegen unbezahlter Rechnungen17,



nicht bei Unbenutzbarkeit der Wohnung durch einen vom Mieter zu vertretenden Brand18,

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

OLG Düsseldorf v. 25.10.2001 – 10 U 122/00, ZMR 2002, 46. BGH v. 30.10.1974 – VIII ZR 69/73, NJW 1975, 1108. KG v. 14.5.2001 – 8 U 7673/98, KGR Berlin 2001, 223. OLG Hamm v. 26.8.1987 – 30 REMiet 1/87, MDR 1987, 1025 = ZMR 1987, 462. BGH v. 28.11.2001 – XII ZR 197/99, NZM 2002, 291. OLG Hamburg v. 27.3.1990 – 4 U 236/89, WuM 1990, 340. OLG Düsseldorf v. 18.7.1991 – 10 U 180/90, DWW 1992, 15. Z.B. Lindan: LG Lübeck v. 6.11.1997 – 14 S 135/97, ZMR 1998, 433 (mit Anm. Schläger); AG Stade v. 14.3.2000 – 63 C 437/98, WuM 2000, 417. LG München I v. 26.9.1990 – 31 S 20071/89, WuM 1991, 584. AG Trier v. 14.8.2001 – 6 C 549/00, WuM 2001, 486. LG Kiel v. 30.4.1986 – 1 S 165/85, 1 S172/85, WuM 1987, 319. OLG Düsseldorf v. 19.10.2000 – 10 U 227/99, MDR 2001, 446. LG Nürnberg-Fürth v. 19.1.1999 – 7 O 5596/98, NZM 2000, 384. BGH v. 16.4.1997 – XII ZR 103/95, JurBüro 1997, 555. LG Köln v. 25.3.1986 – 12 S 488/85, WuM 1987, 122. BGH v. 25.2.1987 – VIII ZR 88/86, MDR 1987, 753 = WuM 1987, 315. LG Saarbrücken v. 17.6.1994 – 13 BS 58/94, WuM 1995, 159. LG Frankfurt v. 30.5.2006 – 2-11 S 283/04, ZMR 2006, 776.

640

Lützenkirchen

§ 543 BGB

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

nicht, wenn der Mieter ungeachtet des Kündigungsgrundes von der Mietsache keinen Gebrauch machen wollte1.



l Ungeziefer



166

Befall einer Mietwohnung – –

mit Kakerlaken2, Silberfischen3,

– –

Taubenzecken4, Kellerasseln5,

– Mäusen6, jedoch nicht in ländlicher Gegend7, Rattenbefall von Geschäftsräumen, sofern die Erheblichkeit der Beeinträchtigung aus den Angaben im vorausgegangenen Abhilfeverlangen ersichtlich war8.



l Unrentabilität

167



nicht durch Verschlechterung der Ertragslage eines Geschäftslokals9,



nicht die fehlende Kundenakzeptanz eines Einkaufszentrums, wenn aus dem Vertrag keine eindeutige Risikoübernahme durch den Vermieter ersichtlich ist10.

l Untervermietung

168

Verweigerung der Erlaubnis im Einzelfall ohne ausreichenden Grund bei allgemein erteilter Erlaubnis zur Untervermietung11; hier kann der Vermieter in der Regel nur aus wichtigem Grund widersprechen12.



l Verkehrsanbindung. Veränderung im öffentlichen Nahverkehrsnetz mit der Folge erschwerter

169

Erreichbarkeit eines Geschäftslokals13. Vermieterpfandrecht. Unbegründete Geltendmachung und dadurch bedingte Behinderung des vertragsgemäßen Gebrauchs des Mieters14.

169a

l Versorgungssperre nach wiederholter Androhung aus Gründen, die von dem Mieter (einer

170

Arztpraxis) nicht zu vertreten sind15. l Vertrauensbruch durch Kontaktaufnahme mit Arbeitgeber des Mieters, um Druck auszuüben,

171

damit er auszieht16. l Vormietrecht

172



Vereitelung des Rechts17,



nicht bei Vormietrecht über Kfz-Stellplatz bei Gewerberaummietvertrag18.

l Warmwasserversorgung. Störung durch Vorlauf von Kaltwasser von ca. 10 Litern19.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

173

OLG Hamm v. 13.12.2010 – 7 W 33/10, MDR 2011, 535 = NZM 2011, 277. LG Freiburg v. 30.5.1985 – 3 S 1/85, WuM 1986, 246. LG Kiel v. 9.1.1980 – 1 S 222/79, WuM 1980, 235. LG Berlin v. 24.3.1997 – 67 S 219/96, GE 1997, 689. LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 BS 123/88, WuM 1991, 91. AG Wedding v. 21.5.2001 – 19 C 577/00, MM 2001, 444; AG Brandenburg v. 6.8.2001 – 32 C 520/00, WuM 2001, 605; AG Tiergarten v. 30.1.1997 – 6 C 177/96, MM 1997, 243. AG Prüm v. 11.7.2001 – 6 C 434/00, ZMR 2001, 808. OLG Düsseldorf v. 30.1.2003 – 10 U 16/02, NZM 2003, 553. OLG Düsseldorf v. 13.12.1990 – 10 U 84/90, MDR 1991, 446. BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 = WuM 2000, 593 = ZMR 2000, 508. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = NJW 1984, 1031; OLG Düsseldorf v. 19.4.1994 – 24 U 160/93, WuM 1995, 585. OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 170/09, ZMR 2011, 282. LG Düsseldorf v. 10.6.2003 – 24 S 49/03, NZM 2003, 899. OLG Frankfurt v. 3.2.2012 – 2 U 122/11, ZMR 2012, 943. OLG Düsseldorf v. 21.3.2006 – I-24 U 132/05, OLGR Düsseldorf 2006, 670. LG Bonn v. 26.2.1998 – 6 S 264/97, WuM 1998, 486. BGH v. 6.2.1974 – VIII ZR 239/72, MDR 1974, 838. KG v. 28.10.2002 – 8 U 213/01, zitiert nach juris. AG Köpenick v. 15.11.2000 – 12 C 214/00, MM 2001, 106.

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Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

l Zugangshindernisse

– – –

durch Straßenarbeiten der Gemeinde z.B. bei U-Bahnbau1, sonstige Baustellen = jahrelange Baugrube vor Geschäftslokal bei vereinbarter attraktiver Lage2, Beschädigung des Schließzylinders der Hauseingangstür, so dass die Haustür nicht mehr von außen zu öffnen ist3.

II. § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB 1. Gebrauchsentziehung 175 Die Bestimmung räumt nur dem Mieter ein Recht zur fristlosen Kündigung ein. Dazu muss ihm der vertragsgemäße Gebrauch ganz oder teilweise (a) überhaupt nicht oder (b) nicht rechtzeitig gewährt oder (c) wieder entzogen worden sein. Der Nichtgewährung und Entziehung des Gebrauchs stehen (erhebliche) Sachmängel4, das Fehlen zugesicherter Eigenschaften und Rechtsmängel gleich (vgl. dazu § 536 BGB Rz. 264), ebenso wie die Verzögerung der Gebrauchsgewährung aus sonstigen Gründen und eine Teilleistung, also Teilnichterfüllung (z.B. beim Leasingvertrag über Hardware und Software wird die Hardware nur teilweise5 oder die Software nicht geliefert6). 176 Bis zur Überlassung der Mietsache gelten die allgemeinen Vorschriften7, so dass eine Lösung vom Vertrag grundsätzlich nur unter den in § 323 BGB festgelegten Merkmalen möglich ist. Im Hinblick auf die nahezu identischen Voraussetzungen beider Tatbestände ist die Unterscheidung an dieser Stelle eher akademisch, zumal der BGH auch bei der Feststellung eines erheblichen Sachmangels vor Überlassung § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB anwendet8. 177 Das Gleiche gilt für die teilweise und nicht rechtzeitige Gewährung. Auch hier sind bis zur Überlassung die allgemeinen Vorschriften, insbesondere § 323 BGB, anwendbar. Nach der Überlassung werden diese durch die §§ 536 f., 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB als lex specialis verdrängt. Insoweit ist aber insbesondere § 543 Abs. 4 BGB zu beachten9. Denn die Entgegennahme einer mangelhaften Sache ohne Vorbehalt kann das Kündigungsrecht ausschließen, §§ 543 Abs. 4 S. 1, 536b BGB. 178 Eine Entziehung des vertragsgemäßen Gebrauchs liegt entweder vor, wenn ein nachträglicher (erheblicher) Mangel i.S.d. § 536 BGB (vgl. § 536 BGB Rz. 67 ff.) eintritt oder der Vermieter auf sonstige Weise dem Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch streitig macht. Letzteres liegt z.B. nicht nur vor, wenn der Vermieter bei allgemein erteilter Erlaubnis zur Untervermietung dieser im Einzelfall widerspricht10. Vielmehr kann auch die unbegründete Kündigung eine Gebrauchsentziehung darstellen11. 178a Steht eine Gebrauchsentziehung – unzweifelhaft – unmittelbar bevor, muss der Mieter mit der Kündigung nicht abwarten, bis sie eingetreten ist, sondern kann schon vorher kündigen. Deshalb kann er bei angekündigter Modernisierung, die für neun Monate eine vertragsgemäße Nutzung ausschließt und daher eine Härte i.S.d. § 555d

1 Bejaht: OLG Köln v. 9.5.1972 – 15 U 180/71, NJW 19721814, verneint: OLG Düsseldorf v. 18.11.1997 – 24 U 261/96, MDR 1998, 768 = ZMR 1999, 471. 2 OLG Dresden v. 18.12.1998 – 5 U 1774/98, ZMR 1999, 241. 3 LG Berlin v. 3.12.1999 – 64 S 325/99, ZMR 2000, 176. 4 BGH v. 1.12.2004 – XII ZR 3/03, MDR 2005, 576 = NJW 2005, 500; BGH v. 22.10.1975 – VIII ZR 160/74, MDR 1976, 217 = WuM 1976, 95 = ZMR 1976, 46 = NJW 1976, 796. 5 BGH v. 7.10.1992 – VIII ZR 182/91, MDR 1993, 317 = NJW 1993, 122. 6 BGH v. 1.7.1987 – VIII ZR 117/86, MDR 1988, 137 = NJW 1988, 204. 7 BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 44/91, MDR 1992, 1147 = NJW 1992, 3226. 8 BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MDR 2005, 975 = GuT 2005, 163. 9 Vgl. dazu Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 150. 10 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = ZMR 1984, 275. 11 OLG Düsseldorf v. 8.2.2001 – 10 U 202/99, OLGR 2001, 239; vgl. aber auch OLG Düsseldorf v. 26.6.1997 – 10 U 95/96, WuM 1997, 556.

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§ 543 BGB

Abs. 2 BGB begründet, nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB kündigen, obwohl die Frist des § 555e BGB bereits verstrichen ist1. Problematisch wird ein solches Handeln aber dann, wenn der Vermieter bereit ist, auf die Belange des Mieters, die eine Härte begründen, Rücksicht zu nehmen. Denn damit entfällt u.U. die Härte und der (erhebliche) Mangel, weil der Mieter die Modernisierung dulden muss. Daneben kommen Eingriffe in den Mietgebrauch in Betracht, z.B. das eigenmächtige 179 Auswechseln des Türschlosses2 oder der unbefugte Zutritt zur Wohnung. Allerdings muss im ersten Fall die rechtswidrige Situation im Zeitpunkt der Kündigung noch bestehen. Das ist nicht der Fall, wenn der Vermieter nach Belehrung durch die Polizei das Schloss wieder zurückbaut3. Dann kommt aber – nach vorheriger Abmahnung – im Wiederholungsfall eine Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB in Betracht. Neben den im ABC des wichtigen Grundes aufgeführten Nutzungsbeschränkungen 180 kommen als Gebrauchsentziehung in Betracht: – wiederholter Heizungsausfall4; nach § 3 Abs. 1 der ArbeitsstättenVO müssen Arbeitsstätten so eingerichtet werden, dass von ihnen keine Gefährdung der Gesundheit der Beschäftigten ausgeht, wozu nach Ziffer 3.5 des Anhangs zu § 3 Abs. 1 der ArbeitsstättenVO eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur erreicht werden muss; das setzt die Erwärmung der Räume auf eine Mindesttemperatur von 20 °C voraus5; – Absicht des Vermieters, das Mietobjekt umfangreich zu sanieren, so dass die Mieträume über einen nicht unerheblichen Zeitraum nicht erreichbar sind6, – Auftreten von Ungeziefer in den Mieträumen7, – ständiges Eindringen von Wasser in die Mieträume8. Grundsätzlich kann sich der Mieter jedoch auf das außerordentliche Kündigungs- 181 recht wegen fehlender Gebrauchsmöglichkeit der Mietsache nur berufen, wenn er ungeachtet des Kündigungsgrundes von der Mietsache Gebrauch machen will9. Denn es verstößt gegen das aus § 242 BGB abzuleitende Verbot widersprüchlichen Verhaltens, wenn der Mieter trotz fehlender Bereitschaft, die vermieteten Räume zu nutzen, den Vermieter erst nach Fassen und Mitteilung des Auszugentschlusses zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes der Mietsache auffordert, um sich sodann unter Hinweis auf die nicht erfolgte Mangelbeseitigung aus dem Vertrag zu lösen10. 2. Verschulden des Vermieters Ein Verschulden des Vermieters ist nicht erforderlich. Ein Verschulden ist nur Vo- 182 raussetzung für einen Anspruch auf Ersatz des Kündigungsfolgeschadens, sofern nicht die Voraussetzungen der Garantiehaftung nach § 536a Abs. 1 BGB vorliegen. Die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist selbst dann zulässig, wenn der Ver- 183 mieter auf die Umstände, die zur Gebrauchsentziehung oder -einschränkung führen, keinen Einfluss hat11. Hat aber der Mieter die Störung des vertragsgemäßen Ge-

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11

BGH v. 31.10.2012 – XIII ZR 126/11, MDR 2013, 82 = WuM 2013, 37 = GE 2013, 52. OLG Düsseldorf v. 7.7.2005 – 10 U 202/04, ZMR 2005, 710 = OLGR Düsseldorf 2005, 331. KG v. 2.4.2009 – 12 U 118/08, NZM 2009, 820 = KGR Berlin 2009, 685 = ZMR 2010, 111. OLG Dresden v. 18.6.2002 – 5 U 260/02, ZMR 2003, 346 = OLGR Dresden 2003, 201 = WuM 2002, 541. KG v. 28.4.2008 – 8 U 209/07, ZMR 2008, 790 = KGR Berlin 2008, 774 = DWW 2008, 347. OLG Brandenburg v. 26.2.1997 – 3 U 219/96, NJWE-MietR 1997, 224. LG Freiburg v. 30.5.1985 – 3 S 1/85, WuM 1986, 246. OLG Düsseldorf v. 19.5.2005 – 10 U 196/04, ZMR 2006, 923 = GE 2006, 1295. OLG Hamm v. 13.12.2010 – I-7 W 33/10, MDR 2011, 535 = NZM 2011, 277; Lammel, § 543 BGB Rz. 74; Bieber in Kinne/Schach/Bieber, § 543 BGB Rz. 24; a.A. Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 11. OLG Celle v. 31.10.2001 – 2 U 96/01, ZMR 2002, 187. BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, WuM 2009, 349.

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brauchs verursacht1 oder gar zu vertreten2, ist er nicht zur fristlosen Kündigung berechtigt. 3. Erhebliche Beeinträchtigung 184 Unerhebliche Einschränkungen des vertragsgemäßen Gebrauchs können nur bei Vorliegen eines besonderen Mieterinteresses relevant sein. Auch wenn diese Einschränkung nicht ausdrücklich in Nr. 1 enthalten ist, ergibt sie sich aus der Wertung im Grundtatbestand des § 543 Abs. 1 BGB3, zumindest aber aus § 242 BGB. Dieses Ergebnis wird unterstrichen durch die Einschränkung der Minderung in § 536 Abs. 1 S. 3 BGB4. Ist nämlich die Minderung in Bagatellfällen ausgeschlossen, ist nicht einsichtig und mit der Rechtslogik nicht zu vereinbaren, dass in diesen Fällen das weit einschneidendere Recht zur fristlosen Kündigung gegeben sein soll. 185 Für die Einzelfallentscheidung, ob die Gebrauchsbeeinträchtigung erheblich ist, ist maßgeblich auf den Vertragszweck abzustellen5. Dabei können vor allem Dauer, Häufigkeit und Intensität der Störung von Bedeutung sein. Insoweit ist zunächst davon auszugehen, dass jede Gebrauchsbeeinträchtigung nicht unerheblich ist. Ist das nicht der Fall, muss für die Feststellung des besonderen Interesses des Mieters ebenfalls auf den Vertragszweck abgestellt werden. Es ist insbesondere zu bejahen, wenn sich der Mieter eine bestimmte Form des Gebrauchs oder eine besondere Eigenschaft der Mietsache ausbedungen hat6. 186 Deshalb berechtigt eine Abweichung der tatsächlichen von der vereinbarten Mietfläche um mehr als 10 % vor Überlassung der Räume zur Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB7, selbst wenn sie erst nach dreijähriger Nutzung festgestellt wird8. Daneben kommen insbesondere Heizungsausfall (im Winter)9, aber auch Wasser- oder Feuchtigkeitsschäden als relevante Mängel in Betracht, Letzteres aber nur, wenn die Entstehung des Mangels in den Risikobereich des Vermieters fällt (vgl. § 536 BGB Rz. 68, vgl. im Übrigen die Stichworte § 543 BGB ab Rz. 53). 4. Abmahnung oder Fristsetzung 187 Die Kündigung ist grundsätzlich erst nach Ablauf einer angemessenen Abhilfefrist zulässig, § 543 Abs. 3 BGB (vgl. dazu § 543 BGB ff. Rz. 287 ff.). Diese muss zur Behebung bestimmter, genau bezeichneter Gebrauchsbeeinträchtigungen gesetzt werden10. Dabei reicht es, wenn der Mieter deutlich macht, dass er diesen Zustand nicht hinnehmen will11. Eine bloße Mängelanzeige gemäß § 536c Abs. 1 BGB erfüllt die Voraussetzungen jedoch nicht12. 188 Die Kündigung kann schon im Abhilfeverlangen für den Fall erklärt werden, dass innerhalb der Frist keine Abhilfe geschaffen wird. Zwar ist eine Kündigung grundsätzlich bedingungsfeindlich; dies gilt jedoch nicht für Bedingungen, deren Eintritt der Erklärungsgegner allein in der Hand hat13. 189 Hat der Mieter für den Fall des Fristablaufs die Ersatzvornahme oder eine Klage auf Mängelbeseitigung angedroht, soll er nur kündigen können, wenn er dem Vermieter 1 BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MDR 2011, 216 = WuM 2011, 97 = GE 2011, 261 = NZM 2011, 198; MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 32 m.w.N.; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 572. 2 BGH v. 10.11.2004 – XII ZR 71/01, ZMR 2005, 120. 3 Kraemer, NZM 2001, 553 (560); ähnlich Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XII 4. 4 Lammel, § 543 BGB Rz. 75; im Ergebnis ähnlich MünchKomm/Bieber, § 543 BGB Rz. 23. 5 Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 147. 6 Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 19; Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 147. 7 BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MDR 2005, 975. 8 BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, WuM 2009, 349. 9 Z.B. KG v. 28.4.2008 – 8 U 209/07, ZMR 2008, 790. 10 OLG Naumburg v. 30.6.1999 – 6 U 92/98, OLGR Naumburg 2000, 218. 11 LG Berlin v. 3.12.1999 – 64 S 325/99, ZMR 2000, 176 = GE 2000, 206. 12 LG Berlin v. 17.8.1998 – 62 S 87/98, GE 1999, 45. 13 OLG Hamburg v. 21.7.2000 – 4 U 238/99, ZMR 2001, 25 = NZM 2001, 131.

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§ 543 BGB

zuvor eine erneute Frist zur Mängelbeseitigung setzt1. Dies kann wegen § 543 Abs. 3 Nr. 1 BGB aber dann nicht gelten, wenn der Vermieter den Mangel durchgängig bestreitet2. Die erste Fristsetzung ist nicht mehr maßgeblich, wenn die Parteien danach erfolglos zunächst über einen Termin zur Mängelbeseitigung verhandeln. Nach dem Scheitern der Verhandlungen muss dann eine erneute Frist gesetzt werden3. Eine ausdrückliche Fristsetzung ist entbehrlich, wenn auf eine behördliche Verfügung Bezug genommen wird, die dem Vermieter unter Fristsetzung die Mängelbeseitigung aufgibt4. Wird eine zu kurze Frist gesetzt, ist die Fristsetzung nicht insgesamt unwirksam; 190 vielmehr tritt an die Stelle der unangemessen kurzen Frist grundsätzlich eine angemessene Frist. Kündigt der Mieter erst nach deren Ablauf, war die zu kurze Fristbemessung unschädlich. Die Angemessenheit der Frist beurteilt sich auch danach, ob dem Vermieter der 191 Mangel schon vor Fristsetzung, u.U. auch unabhängig von der Mängelanzeige oder Abhilfeforderung des Mieters bekannt war5. Bei sehr erheblicher Gebrauchsbeeinträchtigung (Eindringen von Regenwasser durch undichtes Dach) muss der Vermieter u.U. sofortige Notmaßnahmen ergreifen, wenn innerhalb der Abhilfefrist eine Reparatur nicht möglich ist6. Wegen der Entbehrlichkeit von Fristsetzung und Abmahnung nach den gesetzlichen Ausnahmen vgl. § 543 BGB Rz. 305 ff.

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5. Darlegungs- und Beweislast Der Mieter muss den Mangel der Mietsache7 oder die sonstige Störung, die Fristset- 193 zung oder die Tatsachen, die eine Fristsetzung überflüssig machen, die Kündigung, sein besonderes Interesse an der Beendigung trotz Unerheblichkeit der Vorenthaltung sowie bei Zerstörung der Mietsache infolge des Mietgebrauchs sein fehlendes Verschulden darlegen und beweisen8. Den Vermieter trifft die Darlegungs- und Beweislast für rechtzeitige Gebrauchs- 194 gewährung9 oder Abhilfe (§ 543 Abs. 4 S. 2 BGB). Auch die Unerheblichkeit der Behinderung oder Vorenthaltung ist vom Vermieter darzulegen und ggf. zu beweisen10. 6. § 543 Abs. 4 BGB Die Bestimmung stellt klar, dass die allgemeinen Ausschlusstatbestände für die Ge- 195 währleistungsrechte, nämlich §§ 536b, 536c BGB, auch für die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB gelten. Damit wird zugleich deutlich, dass das Kündigungsrecht nicht durch § 536 Abs. 1a BGB tangiert wird. Führt also eine energetische Modernisierung i.S.v. § 555b Nr. 1 BGB zu einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung, kann der Mieter zwar möglicherweise nicht mindern. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung wegen Gebrauchsentziehung steht ihm aber offen. Der Ausschluss nach § 536b BGB setzt voraus, dass der Mieter bei Abschluss des 196 Mietvertrages von dem Gebrauchshindernis positive Kenntnis hatte oder ihm der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbemerkt geblieben ist. Insoweit trifft den Mieter aber in der Regel keine Untersuchungs- oder Erkundigungspflicht11. Erst 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

OLG Hamm v. 25.9.1990 – 7 U 48/90, NJW-RR 1991, 1035. BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 281/06, MDR 2007, 1182 = ZMR 2007, 686. AG Köln v. 28.6.2005 – 223 C 265/04, KM 13 Nr. 19. BGH v. 23.3.1983 – VIII ZR 336/81, WPM 1983, 660. LG Frankfurt v. 18.11.1986 – 2/11 S 219/86, WuM 1987, 55. OLG Düsseldorf v. 28.7.1998 – 24 U 173/97, ZMR 1999, 26; OLG Düsseldorf v. 18.11.1997 – 24 U 261/96, NJW-RR 1998, 1236 = MDR 1998, 768. BGH v. 13.2.1985 – VIII ZR 154/84, MDR 1986, 49 = NJW 1985, 2328. BGH v. 26.11.1997 – XII ZR 28/96, MDR 1998, 207 = NJW 1998, 594. OLG Köln v. 18.12.1996 – 27 U 17/96, ZMR 1997, 230. BGH v. 22.10.1975 – VIII ZR 160/74, NJW 1976, 796. BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, NJW 1977, 1236.

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wenn sich ein Mangel geradezu aufdrängt, darf der Mieter nicht wegsehen. In vielen Mietverträgen findet sich die Formulierung: „Der Mieter hat das Objekt besichtigt und übernimmt es im derzeit vorhandenen Zustand“. Eine derartige Klausel dient allein der Beschreibung des Mietobjektes1. Ein Hinweis auf verborgene Mängel oder gar darauf, dass dem Mieter solche bekannt gewesen seien, mit der Rechtsfolge des § 536b BGB, könne ihr nicht entnommen werden. 197 Schließlich kann der Mieter, falls er die gebotene Mängelanzeige unterlassen hat, ohne Bestimmung einer angemessenen Abhilfefrist wegen dieses Mangels nicht kündigen, § 536c Abs. 2 Nr. 3 BGB. III. § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB 198 Nach dieser Norm rechtfertigt nicht jede trotz Abmahnung fortgesetzte Vertragspflichtverletzung eine fristlose Kündigung durch den Vermieter, sondern nur einer der beiden aufgeführten Tatbestände, nämlich die Gefährdung der Vermieterrechte durch Vernachlässigung der Mietsache und die unbefugte Überlassung der Mietsache an einen Dritten. Andere Pflichtverletzungen durch den Mieter können zu einem wichtigen Grund nach § 543 Abs. 1 BGB führen. 1. Vernachlässigung von Sorgfaltspflichten 199 Vom Zeitpunkt der Überlassung der Mietsache (nicht ab Vertragsschluss) bis zur Rückgabe der Mietsache ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache sorgfältig und pfleglich zu behandeln (vgl. § 535 BGB Rz. 836 f.). Demgemäß verletzt der Mieter seine Sorgfaltspflicht z.B., wenn er Heizkörper bei Frostgefahr abstellt2, das Mietobjekt durch vertragswidrigen Gebrauch Brandgefahren aussetzt3, die Mieträume nicht im gebotenen Maße lüftet, übernommene Instandhaltungs- und/oder Instandsetzungsmaßnahmen unterlässt oder seiner Anzeigepflicht nach § 536c BGB nicht nachkommt. Vgl. im Übrigen die Stichworte im ABC der wichtigen Gründe ab Rz. 53 ff. 200 Allein weil der Mieter die Mietsache nicht nutzt, liegt noch keine Pflichtverletzung vor4. Deshalb ist auch der Grund für eine Einstellung der Nutzung nicht relevant (z.B. Einstellung des Betriebes zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens5). 201 Die Pflichtverletzung muss die Mietsache gefährden. Letzteres kommt bei der Implosion eines Fernsehers nicht in Betracht6, solange sie nicht vorhersehbar war. Im Übrigen muss durch die Pflichtverletzung zwar noch kein Schaden eingetreten sein, ein Schadenseintritt aber konkret drohen7. Das ist z.B. der Fall, wenn der Mieter Gegenstände abstellt, deren Gewicht die zulässige Tragfähigkeit der Decken überbeansprucht oder die eine konkrete Brandgefahr hervorruft. Bei mangelndem Lüftungsund Heizverhalten besteht die Gefahr in der Regel in der zu erwartenden Schimmelbildung. Allerdings reicht es nicht aus, dass die Mieter über oder unter der Mieteinheit des Mieters reklamieren, besonders intensiv heizen zu müssen, weil der Mieter sparsam heizt8. Vielmehr ist eine Gefahr oder sogar ein Schaden (z.B. Einfrieren von Rohren9) an der Mietsache selbst erforderlich. 202 Deshalb kann auch der unbeaufsichtigte Betrieb von Elektrogeräten die Kündigung rechtfertigen, wenn mit ihrem Betrieb ein Schaden entstehen kann, der bei einer Beaufsichtigung vermieden werden könnte. Dies ist nicht von vorneherein bei jedem

1 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = GuT 2007, 208 = ZMR 2007, 605 = GE 2007, 840 = NZM 2007, 484. 2 LG Görlitz v. 25.3.1994 – 2 S 79/93, WuM 1994, 669. 3 AG Siegen v. 22.5.1990 – 5 C 752/90, WuM 1990, 503. 4 BGH v. 8.12.2011 – VIII ZR 93/10, WuM 2011, 98. 5 BGH v. 7.10.2004 – I ZR 18/02, MDR 2005, 973 = NJW 2005, 1360. 6 LG Stendal v. 27.5.1993 – 22 S 4/93, WuM 1993, 597. 7 Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 165. 8 Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 543 BGB Rz. 45. 9 Vgl. dazu LG Görlitz v. 25.3.1994 – 2 S 79/93, WuM 1994, 669; AG Tempelhof-Kreuzberg v. 9.1.1987 – 10 C 533/86, GE 1987, 283.

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Gerät der Fall; selbst wenn – unbemerkt – hinter der Spülmaschine Wasser versickert, muss dies nicht für eine Kündigung reichen1. Auch der bloße unbeaufsichtigte Betrieb einer Wasch- oder Spülmaschine reicht für sich genommen noch nicht aus. Die ausreichende Gefährdung ist aber anzunehmen bei Geräten, die nicht einwandfrei funktionieren und in der Vergangenheit bereits Defekte gezeigt oder Schäden verursacht haben2. Insbesondere reicht zur Kündigung die Verursachung von 16 Wasserschäden in zwei Jahren3 oder auch nur vier mit erheblichen Auswirkungen in vier Jahren4. Durch die sorgfaltswidrige Gefährdung der Mietsache müssen die Rechte des Ver- 203 mieters im erheblichen Maße verletzt sein (zum Streit über die Anwendung des Tatbestandsmerkmals vgl. § 543 BGB Rz. 207). Dies muss anhand der Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und bei Abwägung der Interessen beider Parteien ermittelt werden5. 2. Unbefugte Überlassung an einen Dritten Dazu wird zunächst auf die Kommentierung der §§ 540, 553 BGB verwiesen. Wegen 204 der Rechtslage, wenn der Mieter zwar einen Anspruch auf Erteilung einer Untervermietung hat, diese aber nicht eingeholt hat, s. § 541 BGB Rz. 31 ff. S. auch § 543 BGB ABC der wichtigen Gründe § 543 BGB Rz. 53 ff. a) Mangelnde Erlaubniserteilung Für den Kündigungstatbestand macht es keinen Unterschied, ob die vollständige 205 oder teilweise Überlassung der Mieträume an Dritte entgeltlich als Untervermietung oder unentgeltlich als sonstige Gebrauchsüberlassung stattfindet. Entscheidend ist zunächst, ob der Mieter zur Überlassung berechtigt ist. Dies ist er nur mit Erlaubnis des Vermieters. Deshalb verletzt der Mieter durch eine Untervermietung ohne die Erlaubnis seines Vermieters seine vertraglichen Pflichten auch dann, wenn er einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis hat6. Die Erlaubnis kann schon im Mietvertrag vereinbart sein oder nachträglich erteilt 206 werden. Zumindest bei Vorliegen eines berechtigten Interesses hat der Wohnraummieter nach § 553 Abs. 1 BGB einen gesetzlichen Anspruch auf die Erteilung der Untervermietungserlaubnis (vgl. § 553 BGB Rz. 13 ff.). Daneben kommen vertragliche Ansprüche oder besondere aus § 242 BGB zu rechtfertigende Tatbestände in Betracht (vgl. § 540 BGB Rz. 55 ff.). Ein solcher Anspruch ersetzt im Allgemeinen aber nicht schon die ausdrückliche Erlaubnis. Das Kündigungsrecht besteht aber nicht, wenn der Vermieter nach der im Mietvertrag vorgesehenen Regelung die Erlaubnis nur aus wichtigem Grund verweigern darf und ein solcher nicht vorliegt bzw. nicht dargetan ist7. b) Erhebliche Verletzung der Rechte des Vermieters Die Rechtsfrage, ob die außerordentliche Kündigung wegen vertragswidriger Ge- 207 brauchsüberlassung an einen Dritten voraussetzt, dass die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt worden sind8, oder – wie es vormals zu § 553 BGB a.F. angenommen wurde – die unrechtmäßige Gebrauchsüberlassung bereits für sich allein der wichtige, die außerordentliche Kündigung rechtfertigende Grund

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LG Gießen v. 27.11.1996 – 1 S 379/96, MDR 1997, 452 = ZMR 1997, 301. AG Achern v. 17.1.1994 – C 203/73, DWW 1974, 237. AG Görlitz v. 28.3.1994 – 4 C 0676/93, WuM 1994, 668. AG Wiesbaden v. 15.5.1991 – 98 C 189/91, NJW-RR 1992, 76. BVerfG v. 18.10.1993 – 1 BvR 1335/93, ZMR 1994, 10 (11); OLG Stuttgart v. 20.1.1989 – 2 U 259/88, ZMR 1989, 377. 6 BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, WuM 2011, 74 = MDR 2011, 347 = NZM 2011, 275. 7 OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 105/01, WuM 2002, 673 = ZMR 2003, 177 = OLGR 2003, 197. 8 So AnwK-BGB/Klein-Blenkes, § 543 BGB Rz. 16; Krämer, DWW 2001, 110 (118), Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 68, 70.

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ist1, ist streitig. Diese Erheblichkeit soll fehlen, wenn der Mieter einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis hat2. Richtigerweise ist aber auch hier die Frage der Erheblichkeit von einer Interessenabwägung abhängig, die im Regelfall zugunsten des Mieters ausfällt3. Allerdings kann z.B. die wiederholte pflichtwidrige Untervermietung durch § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB geahndet werden4. c) Abmahnung und Fristsetzung 208 Im Hinblick auf § 543 Abs. 3 BGB ist die Kündigung grundsätzlich erst nach Abmahnung oder Fristsetzung zulässig (vgl. allgemein § 543 BGB Rz. 287 ff.). 209 Die Abmahnung des Vermieters ist unwirksam, wenn sie zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem die Untervermietung noch befristet gestattet war5. Die Kündigung soll nach vorheriger Abmahnung auch dann zulässig sein, wenn der Mieter dem Untermieter nach Erhalt der Abmahnung sofort ordentlich kündigt6. Dies widerspricht jedoch dem Zweck der Abmahnung, dem Mieter Gelegenheit zu einer Korrektur seines vertragswidrigen Verhaltens zu geben. Immerhin ist eine Kündigung wegen unberechtigter Untervermietung unbegründet, wenn diese im Zeitpunkt der vorangehenden Abmahnung bereits beendet war7. Dann muss der Mieter aber auch überhaupt die Gelegenheit haben, zu einem vertragsgemäßen Gebrauch zurückzufinden. Erklärt der Untermieter sodann, nicht ausziehen zu wollen, oder zieht er nach Ablauf einer angemessenen Frist nicht aus, kann der Vermieter kündigen. 210 Eine Abmahnung wegen unbefugter Nutzungsüberlassung ist solange nicht entbehrlich, wie nicht feststeht, dass der Mieter eindeutig nicht in der Lage oder nicht willens ist, die Nutzung wieder selbst zu übernehmen. Neben der endgültigen Erfüllungsverweigerung durch den Mieter kommt insoweit auch die entsprechende Erklärung des Untermieters in Betracht. Allein weil der Vertrag mit dem Untermieter grundsätzlich nicht (außerordentlich) kündbar ist, entfällt nicht das Abmahnerfordernis. Denn es ist immer zu berücksichtigen, dass für den Mieter auch die Möglichkeit besteht, einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Der Umstand, dass ein Gewerbemieter (Pächter) sein Einzelunternehmen abmeldet, ist für die Annahme der Erfolglosigkeit dann nicht ausreichend, wenn der Mieter eine GbR zum gemeinsamen Betrieb des Gewerbes gründet und in dieser Form die Mietsache vertragsgemäß bewirtschaften kann8. d) Fortbestand der Rechtsverletzung 211 Der Vermieter kann nur kündigen, wenn die unberechtigte Gebrauchsüberlassung im Zeitpunkt der Kündigung noch fortbesteht. Hat der Mieter seinerseits dem Untermieter zur Beseitigung der Untervermietung gekündigt, kommt es darauf an, ob dem Vermieter zumutbar ist, bis zur tatsächlichen Beendigung der Untervermietung abzuwarten. Das ist in der Regel nicht der Fall, wenn der Untermieter erklärt hat, nicht ausziehen zu wollen, so dass der Mieter zunächst eine Räumungsklage führen müsste. 212 Ansonsten muss die Kündigung in angemessenem Zeitraum nach der Abmahnung erfolgen, § 314 Abs. 3 BGB. Insoweit soll es auch darauf ankommen, inwieweit der Vermieter die unbefugte Gebrauchsüberlassung in der Vergangenheit ohne einzu-

1 So MünchKomm/Bieber, § 543 BGB Rz. 40; Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 20; Soergel/ Heintzmann, § 543 BGB Rz. 20. 2 Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 79; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 543 BGB Rz. 51. 3 BayObLG v. 26.10.1990 – RE-Miet 1/90, MDR 1991, 253 = WuM 1991, 18 = ZMR 1991, 64 = NJWRR 1990, 461. 4 BayObLG v. 26.4.1995 – REMiet 3/94, MDR 1995, 689 = WuM 1995, 378 (zur ordentlichen Kündigung). 5 AG Frankfurt v. 3.2.1999 – 33 C 3600/98-76, NZM 1999, 707. 6 LG Hamburg v. 1.9.2000 – 311 S 70/00, ZMR 2001, 39. 7 LG Berlin v. 23.6.1998 – 64 S 45/98, ZMR 1998, 636 = NZM 1999, 71 = GE 1998, 1089. 8 OLG Brandenburg v. 8.7.2010 – 5 U (Lw) 118/09, zitiert nach juris.

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schreiten geduldet hat1, wobei 15 Monate schon ausreichen sollen, um die Kündigung auszuschließen2, jedenfalls aber zehn Jahre3. Richtigerweise ist in diesen Fällen zu prüfen, ob das Verhalten des Vermieters als Zustimmung/Genehmigung aufzufassen ist. Insoweit sind aber strenge Anforderungen zu stellen, insbesondere kann die bloße Kenntnis von der Gebrauchsüberlassung nicht als Einwilligung in das vertragswidrige Verhalten verstanden werden. Dazu ist mindestens eine entsprechende Information durch den Mieter mit Angabe des Namens und der letzten Anschrift des Untermieters zu fordern. Liegt danach keine Erlaubnis vor, kann der Vermieter grundsätzlich auch nach längerer Kenntnis des vertragswidrigen Zustandes eine Abmahnung erteilen und damit einen eventuell entstandenen Verwirkungstatbestand ausräumen. Danach kann er innerhalb angemessener Zeit kündigen. e) Rechtsmissbräuchliche Kündigung Ein Mieter, der eine Untervermietung vornimmt, ohne die erforderliche Erlaubnis sei- 213 nes Vermieters einzuholen, verletzt damit seine vertraglichen Pflichten auch dann, wenn er letztlich einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis hat4. Indessen ist die Kündigung des Vermieters rechtsmissbräuchlich, wenn dem Mieter ein Anspruch auf Erlaubniserteilung zusteht5. In diesem Fall kann aber eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein (vgl. § 573 BGB Rz. 165 f.). Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten (§ 242 BGB) kommt in Betracht, wenn der Ver- 214 mieter wegen einer unberechtigten Untervermietung das Mietverhältnis kündigt und anschließend mit dem bisherigen Untermieter ein Mietverhältnis eingeht, nur um eine höhere Miete zu erzielen. Denn hier nützt der Vermieter möglicherweise lediglich eine formale Rechtsposition aus, die mit dem Sinn und Zweck der Untermieterregelungen, zumal wenn sie vertraglich besonders fixiert sind, nicht zu vereinbaren wäre. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt jedoch nicht vor, wenn die Bedingungen des Untermietvertrages nicht den berechtigten Interessen des Vermieters entsprechen6. Das Erfordernis der Erlaubnis zur Untervermietung dient aber auch der Sicherstellung, dass die Bedingungen des Untermietverhältnisses den Interessen des Vermieters entsprechen. Insoweit geht z.B. das Interesse des Vermieters einer Gaststätte für gewöhnlich dahin, dass der Betreiber der Gaststätte nicht allzu häufig wechselt und das Objekt nicht leer steht. Denn dadurch wird der Good-Will des Betriebes geschädigt und die Vermietbarkeit beeinträchtigt. Es ist deshalb eine durchaus berechtigte Sorge, wenn der Vermieter die Gesamtbelastungen des Untermieters aufgrund des Untermietvertrages als zu hoch ansieht und deshalb fürchtet, der Untermieter werde diese Gesamtbelastungen nicht tragen können. Ein Rechtsmissbrauch entfällt in einem solchen Fall nur dann, wenn diese Sorge völlig unbegründet wäre. f) Beweislast Der Vermieter hat grundsätzlich alle Voraussetzungen seines Kündigungsrechts 215 nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB darzutun und ggf. zu beweisen7. Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die den Anspruch auf Erlaubniserteilung sowie den Rechtsmissbrauch ergeben sollen, obliegt jedoch dem Mieter. IV. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB (Zahlungsverzug) Die Kündigung des Vermieters wegen Zahlungsverzuges setzt zunächst fällige, vom 216 Mieter laufend geschuldete Mieten voraus. Ferner dürfen die Mietzahlungsansprüche 1 2 3 4 5

Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 146. OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 105/01, WuM 2002, 673 = ZMR 2003, 177 = OLGR 2003, 197. LG München I v. 10.4.1991 – 14 S 4544/89, WuM 1991, 548 = NJW-RR 1991, 1112. BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, MDR 2011, 347 = WuM 2011, 169 = ZMR 2011, 453. BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, MDR 2011, 347 = WuM 2011, 169 = ZMR 2011, 453; BayObLG v. 26.10.1990 – REMiet 1/90, MDR 1991, 253 = WuM 1991, 18 = NJW-RR 1991, 461 (462); Blank/ Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 79. 6 OLG Hamm v. 12.12.1995 – 7 U 71/95, DWW 1996, 162 = OLGR 1996, 97. 7 OLG Köln v. 12.7.1995 – 2 U 45/95, ZMR 1996, 24.

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des Vermieters zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung1 noch nicht (vollständig) erfüllt sein. Maßgeblich ist, dass einmal ein Kündigungstatbestand entstanden ist, der bis zum Zugang der Kündigungserklärung nicht wieder erloschen ist2. 1. Miete 217 Miete i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist der für den vereinbarten Zeitabschnitt laufend geschuldete Betrag. Das ist zunächst die Brutto- oder Gesamtmiete. Dementsprechend gehören neben der Grundmiete auch die laufend mit der Miete zu zahlenden Betriebskostenpauschalen und/oder -vorauszahlungen dazu3. 218 Der ausreichende Rückstand kann sich sogar allein aus den laufenden Zahlungen auf die Betriebskosten (Vorauszahlungen, Pauschale) zusammensetzen4, sofern z.B. bei Teilzahlungen des Mieters eine Verrechnung nur auf die anderen Teile der Miete in Betracht kommt. Insoweit ist weder relevant, ob die Abrechnungsperiode abgelaufen ist5, noch ob inzwischen Abrechnungsreife eingetreten ist. Denn sanktioniert werden soll die unterlassene Mietzahlung. Ob der dadurch entstehende Rückstand noch als Zahlungsforderung geltend gemacht werden kann, ist davon unabhängig. Denn ein einmal entstandener Kündigungstatbestand entfällt erst, wenn der Rückstand ausgeglichen ist, § 543 Abs. 2 S. 2 BGB. Demgegenüber werden die Nachforderungen aus den jährlichen Betriebskostenabrechnungen im Rahmen der Rückstandsermittlung nicht berücksichtigt6. 219 Neben dem Entgelt für die Überlassung sind alle vereinbarten Zuschläge in die Rückstandsberechnung einzubeziehen. Dazu gehören insbesondere die Zuschläge für Möblierung, Modernisierung, Untervermietung, gewerbliche Nutzung7. 220 Bei einem einheitlichen Mietvertrag (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 74 f.) kommt es ebenfalls auf die gesamte Miete an. Eine (Teil-)Kündigung ist nicht gerechtfertigt, weil der Mieter z.B. für die einheitlich vermietete Garage keine Mietzahlungen mehr leistet, sofern der Rückstand nicht zwei Gesamtmieten erreicht. Umgekehrt ist bei getrennten Verträgen der Rückstand separat zu ermitteln8. Das gilt erst recht bei zusammengesetzten Verträgen (z.B. Mietvertrag und Bierlieferungsvertrag). 221 Anzusetzen ist die für den jeweiligen Zeitabschnitt dem Grund und der Höhe nach geschuldete Miete. Ist also eine Staffelmiete vereinbart, ist ab Eintritt der Staffel die danach zu zahlende Miete maßgeblich. Das Gleiche gilt grundsätzlich auch für vereinbarte oder aufgrund einseitiger, wirksamer Mietänderung (z.B. nach § 559 oder § 560 BGB) eingetretene Erhöhungen. Allerdings ist insoweit § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu beachten. Dies gilt vor allem bei rückwirkend vereinbarten Mieterhöhungen, die für sich ein Kündigungsrecht begründen können, wenn sie sich z.B. gleichmäßig auf die relevanten Zeitabschnitte vereinbarungsgemäß verteilen sollen9 und nicht eine bloße Einmalzahlung vereinbart wird. 222 Bei Einmalzahlungen führt die Nichtzahlung selbst dann nicht zur Anwendung des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB, wenn ihr Rückstand bezogen auf die vorgesehene Mietzeit den auf zwei Monate entfallenden Betrag erreicht oder sogar übersteigt. Dies gilt

1 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 267/09, MDR 2010, 1105 = GE 2010, 1197 = WuM 2010, 571 = NZM 2010, 696 = ZMR 2011, 16; a.A. LG Duisburg v. 24.3.2006 – 13 T 28/06, WuM 2006, 257; LG Köln v. 18.1.2001 – 6 S 221/00, ZMR 2002, 123. 2 BGH v. 23.9.1987 – VIII ZR 265/86, WuM 1988, 126. 3 BGH v. 28.5.1975 – VIII ZR 70/74, WM 1975, 897. 4 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MDR 2007, 454 = WuM 2007, 24; LG Leipzig v. 31.3.2006 – 01HK O 4441/05, ZMR 2006, 608. 5 LG Berlin v. 12.8.1985 – 61 S 22/85, MDR 1986, 412 f. 6 OLG Koblenz v. 26.7.1984 – 4 W RE 386/84, ZMR 1984, 351 = WuM 1984, 269. 7 Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 89; Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 543 BGB Rz. 73. 8 AG Hannover v. 25.5.2009 – 414 C 1533/09, WuM 2009, 480. 9 Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 112; a.A. LG Köln v. 9.7.1992 – 6 S 9/92, WuM 1993, 191.

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selbst dann, wenn sich der Mieter in einem gerichtlichen Vergleich zur Nachzahlung von Miete, die angesichts einer ungewissen Rechtslage dadurch möglicherweise überhaupt erstmals begründet ist, verpflichtet und der Zahlbetrag die Summe von zwei Monatsmieten übersteigt1. Klassische Einmalzahlungen sind Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen oder Baukostenzuschüsse, Mietvorauszahlungen und Kaution2, aber auch Prozesskosten. 2. Rückstandsermittlung Bei der Rückstandsberechnung ist allein der Betrag der für den Zeitabschnitt verein- 223 barten Mietschuld maßgeblich. Wegen der kalendermäßigen Bestimmung der Fälligkeit (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) nach dem dritten Werktag geschuldeter Zinsen und sonstiger Verzugsschäden kann jedenfalls nicht nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB gekündigt werden. Außer Betracht bleiben bei der Rückstandsermittlung verjährte und verwirkte Mie- 224 ten3. Dazu muss sich der Mieter nicht erst die Einrede der Verjährung erheben. Denn das Leistungsverweigerungsrecht nach § 214 BGB hindert bereits den Verzug4. Hat sich eine Mieterhöhung ergeben, ist bei allen drei Varianten des § 543 Abs. 2 Nr. 3 225 BGB die erhöhte Miete maßgeblich, weil es auf die Miethöhe im Zeitpunkt der Kündigung ankommt5. Kommt es auf den erheblichen Rückstand an, der sich nach § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB nach der Monatsmiete richtet, bildet der erhöhte Betrag ebenso die Hürde wie bei der Bemessung des Gesamtrückstandes i.S.v. § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB. Im Falle der Minderung gemäß § 536 BGB ist die tatsächlich geschuldete Miete maß- 226 geblich6. Andernfalls könnte nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB gekündigt werden, obwohl der Mieter die Miete nicht oder nicht in der vereinbarten Höhe schuldete. Das Gleiche gilt bei einer teilweisen Unwirksamkeit der Miete nach § 138 BGB, § 5 WiStrG oder § 8 Abs. 2 WoBindG. a) Maßgeblicher Zeitpunkt Für die Rückstandsberechnung ist nicht auf die Verhältnisse bei der Abgabe der 227 Kündigungserklärung7, sondern bei Zugang der Erklärung abzustellen8. Zwar unterliegt auch die Kündigung wegen Zahlungsverzuges dem Begründungserfordernis des § 569 Abs. 4 BGB und kann der Vermieter im Kündigungsschreiben eine Zahlung nicht berücksichtigen, die er nicht kennt9. Indessen wäre in diesem Fall eine Kündigung wirksam, obwohl der Vermieter (materiell vollständig) befriedigt ist, so dass die Zahlung des Mieters nur noch nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB berücksichtigt werden kann. Immerhin kommt es auf den Verzug des Mieters an. Dieser entfällt aber z.B. durch Erfüllung unabhängig vom Willen und der Kenntnis des Vermieters. Es ist nicht erforderlich, dass in dem Zeitpunkt des Zugangs einer der drei Tat- 228 bestände des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB (noch) vollständig vorliegt. Vielmehr reicht es aus, dass er einmal entstanden und bis zum Zugang der Kündigungserklärung nicht

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OLG München v. 9.12.2002 – 15 U 2940/02, NZM 2003, 554. Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 49. LG Berlin v. 17.3.1983 – 61 S 165/82, MDR 1983, 843; Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 57. Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 82. LG Osnabrück v. 13.5.1988 – 11 S 102/88, WuM 1988, 268; Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 59. BGH v. 11.7.2012 – VIII ZR 138/11, GE 2012, 1161 = ZMR 2012, 1161 = NZM 2012, 637; a.A. Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 543 BGB Rz. 88 (geschuldete Miete). LG Köln v. 18.1.2001 – 6 S 221/00, ZMR 2002, 123; LG Köln v. 18.10.1990 – 1 S 215/90, MDR 1991, 157 = WuM 1991, 263; Sternel, Mietrecht aktuell, 3. Aufl., Rz. 1186. BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 267/09, MDR 2010, 1105 = GE 2010, 1197 = WuM 2010, 571 = NZM 2010, 696 = ZMR 2011, 16. LG Duisburg v. 24.3.2006 – 13 T 28/06, WuM 2006, 257.

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wieder erloschen ist1. Erlöschen kann der Tatbestand nur durch Erfüllung, also Zahlung, Aufrechnung oder Hinterlegung. aa) Erlöschen durch Zahlung, § 543 Abs. 2 S. 2 BGB 229 Die vor dem Zugang der Kündigung erfolgte (vollständige) Zahlung auf den bis dahin entstandenen Rückstand kann auch unter Vorbehalt bewirkt werden. Denn auch mit einer solchen Zahlung wird ein Erlöschen der Mietschuld herbeigeführt. Denn der Vorbehalt soll lediglich das Risiko aus § 814 BGB vermeiden, also die Annahme, dass die Zahlung in Kenntnis einer Nichtschuld erfolgte2. Ob die Zahlung in Teilbeträgen oder als Einmalzahlung herbeigeführt wird, ist unerheblich. Maßgeblich ist allein das Ergebnis bis zum Zugang der Kündigung, nämlich die Rückführung des Mietkontos auf Null. 230 Eine Teilleistung, mag sie auch erheblich sein, genügt für § 543 Abs. 2 S. 2 BGB nicht3. Auf die Höhe des (geringfügigen) verbleibenden Rückstands kommt es nicht an, auch nicht aus dem Gesichtspunkt von § 242 BGB. Dagegen ist für die Rechtzeitigkeit die Erfüllungshandlung maßgeblich4. Verjährte Forderungen sollen nur zu tilgen sein, solange sich der Mieter nicht auf Verjährung beruft5. Dies ist zweifelhaft. Denn insoweit besteht bereits kein Verzug, weil die Forderung einredebehaftet ist. 231 Da für die Leistungshandlung des Mieters auf den Eingang des Geldes auf dem Konto des Vermieters abzustellen ist (vgl. dazu § 556b BGB Rz. 29), ist auch mit Blick auf § 543 Abs. 2 S. 2 BGB auf das Prioritätsprinzip abzustellen. Finden Zugang der Kündigung und Zahlung am selben Tag statt, muss im Zweifel der Vermieter darlegen und beweisen, dass der Zugang der Kündigung i.S.v. § 130 BGB vor der Zahlung des Mieters erfolgte. 232 § 543 Abs. 2 S. 3 BGB, wonach eine unverzügliche Aufrechnung zur Unwirksamkeit der Kündigung führt, kann schon deshalb nicht auf andere Erfüllungsarten (z.B. Zahlung) analog angewandt werden, da dann der Schutzzweck der Norm in sein Gegenteil verkehrt würde. bb) Erlöschen durch Aufrechnung 233 Nach § 543 Abs. 2 S. 3 BGB hat die Aufrechnung die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge, wenn die Gegenforderung bereits vor der Kündigung bestanden hatte und der Mieter unverzüglich die Aufrechnung erklärt. Davon sind auch Aufrechnungen erfasst, die vor dem Zugang der Kündigung oder gleichzeitig mit ihr erklärt werden. Die Aufrechnungslage muss schon vor der Kündigung bestanden haben6. Der Rechtsgrund der zur Aufrechnung gestellten Mietforderung ist ohne Belang. 234 Maßgeblicher Zeitpunkt für das Bestehen der Aufrechnungslage ist der Zugang der Kündigung7. Ist die Forderung des Mieters bis dahin entstanden, kann er aufrechnen. Ansonsten bleibt ihm nur der Weg über § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB, sofern dessen Voraussetzungen vorliegen. 235 Davon zu unterscheiden ist die Aufrechnung vor Zugang der Kündigung. Sie tilgt den Rückstand und lässt damit den Kündigungsgrund entfallen. Tilgt sie die Forderung des Vermieters nur teilweise, führt dies in der Regel nicht zum Erlöschen des Kündigungsgrundes8. Denn nur die vollständige Tilgung führt zu einem Wegfall eines einmal entstandenen Kündigungsrechts, § 543 Abs. 2 S. 2 BGB.

1 BGH v. 23.9.1987 – VIII ZR 265/86, MDR 1988, 225 = WuM 1988, 126 = NJW-RR 1988, 77 = ZMR 1988, 16. 2 LG Frankfurt v. 7.7.1987 – 2/11 S 32/87, WuM 1987, 318. 3 BGH v. 14.7.1970 – VIII ZR 12/69, ZMR 1971, 27. 4 BGH v. 11.1.2006 – VIII ZR 364/04, MDR 2006, 864 = NJW 2006, 1585. 5 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XII 149. 6 BGH v. 2.6.1959 – VIII ZR 20/59, MDR 1959, 754 = NJW 1959, 2017. 7 Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 121. 8 A.A. Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 66 (a.E.).

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Das Bestehen einer Aufrechnungsbeschränkung ist in der Wohnraummiete unbe- 236 achtlich. Denn solche Regelungen werden durch § 569 Abs. 5 S. 1 BGB verboten. Zwar bestimmt § 556b Abs. 2 BGB, dass z.B. mit den dort bezeichneten Ansprüchen trotz eines (wirksamen) Aufrechnungsverbots nach vorheriger Ankündigung von einem Monat aufgerechnet werden kann. § 556b BGB setzt aber ein wirksames Aufrechnungsverbot voraus. Da ein Aufrechnungsverbot aber die Schutzvorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zu Lasten des Mieters einschränkt, ist es unwirksam. Die Aufrechnung muss grundsätzlich ausdrücklich erklärt werden, was aber formfrei 237 möglich ist. Zwar kann auch die Aufrechnung durch schlüssiges Verhalten, etwa durch die Aufzählung von Gegenansprüchen geltend gemacht werden, wenn sich daraus ablesen lässt, dass der Mieter die Forderung des Vermieters mit den z.B. aufgezählten Ansprüchen tilgen will. In der Übersendung einer Mängelliste kann aber eine eindeutige Aufrechnungserklärung jedenfalls nicht gesehen werden1. Ob die Handlungsweise des Mieters unverzüglich ist, beurteilt sich nach § 121 Abs. 1 238 BGB. Diese Voraussetzungen liegen zwei Monate nach Zugang der Kündigung nicht mehr vor2. Der Anspruch auf Auskehrung der Kaution kann vom Mieter nicht unverzüglich zur Aufrechnung gestellt werden. Abgesehen von mangelnder Fälligkeit (vgl. § 551 BGB Rz. 144 f.) schränkt § 543 Abs. 2 S. 3 BGB den § 389 BGB (rückwirkende Kraft der Aufrechnung) aus Gründen der Rechtssicherheit zugunsten des Vermieters dahin ein, dass die Aufrechnungslage bereits vor der Kündigung bestanden haben muss. Im Übrigen kann die Aufrechnungserklärung des Mieters nur dann zur Unwirksam- 239 keit der fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges führen, wenn die Gegenforderung so bestimmt bezeichnet ist, dass sie der Vermieter prüfen kann3. Der allgemeine Hinweis auf eine Aufrechnungsbefugnis genügt nicht4. Anderenfalls ließe sich nicht feststellen, welche konkrete Gegenforderung aus einem bestimmten Lebenssachverhalt im Wege der Aufrechnung mit den rückständigen Mietforderungen gemäß § 389 BGB erloschen ist und damit anderweitig nicht mehr geltend gemacht werden kann. b) § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a Alt. 1 BGB Danach muss sich der Mieter mit zwei aufeinander folgenden Mieten in Verzug befin- 240 den. Diese Alternative wirft keine sonderlichen Probleme auf. Voraussetzung ist, dass der Mieter an zwei aufeinander folgenden Terminen überhaupt keine Miete zahlt. Dagegen stellt § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. a BGB nicht darauf ab, ob bei einem Gesamtvergleich der für eine gewisse Zeit zu entrichtenden Miete mit den real geleisteten Zahlungen eine Differenz verbleibt, die der Entgeltschuld für zwei aufeinander folgende Termine ganz oder weitgehend entspricht5. Mit Zahlungsterminen, auf die hier abgestellt wird, sind die Fälligkeitstermine ge- 241 meint, an denen nach dem Vertrag oder, sofern eine Regelung dazu fehlt, nach § 556b Abs. 1 BGB die Miete zu entrichten ist. Dabei kann es sich um Wochen-, Monats-, Quartals- oder Jahrestermine handeln. c) § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a Alt. 2 BGB Diese Alternative setzt voraus6, dass der nicht unerhebliche Gesamtrückstand aus 242 zwei aufeinander folgenden Terminen resultiert7. Der erhebliche Rückstand bemisst sich für die Wohnraummiete nach § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB und muss daher mehr als eine Monatsgesamtmiete betragen. Das ist schon bei einem Rückstand von einer Monatsmiete + 0,01 Euro der Fall. Hat sich von dem einen zum anderen Zahlungstermin

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OLG Brandenburg v. 5.1.2011 – 3 U 55/10, MietRB 2011, 174. LG Hamburg v. 20.8.2010 – 311 S 156/10, ZMR 2011, 129 (für Gewerberaummietvertrag). OLG Celle v. 16.2.2007 – 2 U 9/07, OLGR Celle 2007, 349 = GE 2007, 1252. Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 181 m.w.N. OLG Brandenburg v. 24.2.2010 – 3 U 112/09, zitiert nach juris. BGH v. 23.7.2008 – XII ZR 134/06, MDR 2008, 1265 = WuM 2008, 595. BGH v. 15.4.1987 – VIII ZR 126/86, MDR 1987, 928 = NJW-RR 1987, 903.

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eine Mieterhöhung ergeben, ist für die Bemessung des ausreichenden Rückstandes die höhere Miete maßgeblich. 243 Die Bewertung hat allein anhand der Summe der beiden aufeinanderfolgenden Mieten, die nicht oder nicht vollständig bezahlt wurden, zu erfolgen. Insoweit ist es unerheblich, ob die Miete monatlich oder für längere Zeiträume geschuldet wird1. Dies macht bereits der Wortlaut deutlich. Andererseits genügt zur Erfüllung dieses Tatbestandes nicht, dass sich der Rückstand in Höhe von mehr als einer Monatsmiete (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB) aus Einzelbeträgen zusammensetzt, die für einen Zeitraum von mehr als zwei aufeinander folgenden Terminen angefallen sind2. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a Alt. 2 BGB setzt vielmehr voraus, dass der Gesamtrückstand von mehr als einer Monatsmiete aus zwei aufeinander folgenden Monatsmieten resultiert3. Diese Auslegung von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a BGB ergibt sich aus dem Wortlaut, der systematischen Stellung und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift4. 244 Allenfalls kann für Altverträge aus der Zeit vor dem 1.9.2001 § 551 Abs. 2 BGB a.F. eingreifen, wonach mangels anderweitiger Regelung eine vierteljährliche Zahlung geschuldet ist. In der Wohnraummiete muss der Rückstand für die beiden Monate mehr als eine Monatsmiete betragen (§ 569 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Daraus ist für andere Mietverträge zu folgern, dass der für Abs. 2 Nr. 3 lit. a relevante Rückstand auch geringer als eine Miete sein kann. d) § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB 245 Bei diesem Tatbestand muss der Mieter über mehr als zwei Zahlungstermine etwas schuldig geblieben sein. Die Fälligkeitstermine brauchen nicht hintereinander zu liegen. 246 Der Gesamtrückstand muss die Höhe der Miete für zwei Monate erreichen. Insoweit ist im Falle einer Mieterhöhung auf die zuletzt gültige Miete abzustellen. Es genügt, wenn Verzug mit diesem Betrag im Zeitpunkt der Kündigung besteht5 oder einmal bestanden hat und bis zur Kündigung nicht beseitigt wurde6. Das ist aber noch nicht der Fall, wenn sich die Parteien angesichts einer ungewissen Rechtslage über die Höhe der Miete vergleichen und erst dadurch möglicherweise überhaupt erstmals eine Mietforderung begründen7. 247 Die Vorschrift kann auf Verträge, bei denen die Miete in längeren als Monatsabschnitten zu zahlen ist, nicht entsprechend angewendet werden8. Andererseits ist ausnahmsweise eine Abmahnung erforderlich, wenn sich dem Vermieter der Schluss aufdrängen muss, dass die Nichtzahlung der Miete nicht auf Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit beruht9. 3. Verzug a) Fällige Mieten 248 Verzug (§ 286 BGB) mit der Mietzahlung setzt zunächst Fälligkeit voraus. Diese richtet sich nach dem Vertrag, sonst nach §§ 556b, 579 BGB. Unter Berücksichtigung der

1 BGH v. 17.9.2008 – XII ZR 61/07, MDR 2009, 18 = ZMR 2009, 106. 2 OLG Düsseldorf v. 30.3.2006 – 10 U 166/05, DWW 2006, 240. 3 BGH v. 15.4.1987 – VIII ZR 126/86, MDR 1987, 928 = NJW-RR 1987, 903; MünchKomm/Bieber, § 543 BGB Rz. 46; Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 52; Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 178; Gramlich, § 553 BGB Rz. 10. 4 BGH v. 17.9.2008 – XII ZR 61/07, MDR 2009, 18 = ZMR 2009, 106. 5 LG Berlin v. 27.9.1991 – 64 S 141/91, MDR 1992, 376 = ZMR 1992, 24; Nierwetberg, NJW 1991, 1804; Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 25; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 110. 6 BGH v. 15.4.1987 – VIII ZR 126/86, MDR 1987, 928 = NJW-RR 1987, 903. 7 OLG München v. 9.12.2002 – 15 U 2940/02, NZM 2003, 554. 8 Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 25; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 118; a.A. Staudinger/Emmerich, Rz. 58; ähnlich MünchKomm/Bieber, § 543 BGB Rz. 48. 9 OLG Düsseldorf v. 25.3.2004 – I-10 U 109/03, MDR 2004, 1234 = ZMR 2004, 570; a.A. OLG Frankfurt v. 10.8.2007 – 2 U 229/06, zitiert nach juris.

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Zahlungsdienstrichtlinie1 ist die Mietschuld grundsätzlich als Bringschuld zu qualifizieren2. Dennoch trifft den Mieter bei rechtzeitiger Veranlassung der Überweisung nicht die Verzögerungsgefahr, sofern ein Verschulden der Bank vorliegt. Für eine derartige Zurechnung gibt die Richtlinie nichts her3. Allerdings hat der Schuldner mit Blick auf §§ 556b Abs. 1, 286 Abs. 2 BGB im Zweifel nur rechtzeitig geleistet, wenn das Geld bis zum dritten Werktag auf dem Konto des Vermieters eingegangen ist (vgl. § 556b BGB Rz. 29), sofern nichts anderes vereinbart ist. Dazu muss die Gutschrift spätestens am dritten Werktag erfolgen und die Wertstellung zum zweiten Werktag herbeiführen4. Die Mietschuld ändert sich z.B. in eine Holschuld, wenn der Mieter vereinbarungs- 249 gemäß eine Lastschrift-Einzugsermächtigung erteilt hat (vgl. dazu § 556b BGB Rz. 35 ff.). Hier muss der Vermieter bei der Erfüllung mitwirken und die Lastschrift der Bank vorlegen. Auch wenn die Miete mehrfach zurückbelastet wurde, kann der Vermieter das Verfahren nur aussetzen, wenn dies vereinbart ist, also das Recht zur Teilkündigung besteht5. Deshalb kann auch nicht auf § 314 BGB zurückgegriffen werden6. b) Keine Einrede Grundsätzlich reicht das bloße Bestehen einer Einrede (z.B. § 214 BGB), um den Verzug zu hindern7. Die Forderung ist nämlich in diesem Fall nicht voll wirksam.

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Das gilt grundsätzlich auch für die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 BGB)8. 251 Allerdings muss dem Vermieter insoweit bekannt sein, warum ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht wird. Das setzt zumindest Kenntnis der Mangellage voraus9. Deshalb muss der Mieter z.B. einen Mangel anzeigen10 oder den Grund für den Einbehalt der Mietzahlungen mitteilen. Beruft er sich erst zeitlich nach der (begründeten) Mängelanzeige auf ein Leistungsverweigerungsrecht, bleibt die Forderung dennoch ab dem Zugang der Mängelanzeige nicht durchsetzbar11. Ein Zurückbehaltungs- und/oder Leistungsverweigerungsrecht kann zwar auch 252 durch schlüssiges Verhalten ausgeübt werden. Dazu ist aber kein Raum, wenn der Mieter sein Verhalten in der Korrespondenz stets auf Minderung gestützt hat und sich auch seinem sonstigen Verhalten nicht entnehmen lässt, dass er einbehaltene Beträge an den Vermieter zahlen würde, sobald der Rechtsgrund für die Einrede weggefallen ist. Deshalb ist eine nachträgliche Geltendmachung zweifelhaft12. Dies gilt erst recht, wenn der Mieter die Mietzahlung einbehält, ohne dem Vermieter den Grund mitzuteilen. Denn als Druckmittel kann die Leistungsverweigerung ihren Zweck nur erfüllen, wenn der Vermieter weiß, was von ihm verlangt wird.

1 Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenverkehr, zur Änderung der Richtlinien 97/7EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie der Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABlEG Nr. L 319 v. 5.12.2007, S. 1. 2 Herresthal, NZM 2011, 833 (837). 3 EuGH v. 3.4.2008 – C-306/06, NJW 2008, 1935. 4 Herresthal, NZM 2011, 833 (837). 5 BGH v. 7.12.1983 – VIII ZR 257/82, MDR 1984, 573 = NJW 1984, 871. 6 A.A. OLG Stuttgart v. 2.6.2008 – 5 U 20/08, ZMR 2008, 967 = GuT 2008, 349. 7 Erman/Hager, § 286 BGB Rz. 21 m.w.N. 8 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = GE 2007, 840 = ZMR 2007, 605 Rz. 24 m.w.N. 9 BGH v. 3.11.2010 – VIII ZR 330/09, MDR 2011, 92 = WuM 2011, 12 = NZM 2011, 197 = ZMR 2011, 275 m. Anm. Schläger. 10 BGH v. 3.11.2010 – VIII ZR 330/09, MDR 2011, 92 = WuM 2011, 12 = NZM 2011, 197 = ZMR 2011, 275 m. Anm. Schläger. 11 LG Berlin v. 11.5.2012 – 63 S 503/11, GE 2012, 898. 12 BGH v. 12.3.2008 – XII ZR 147/05, MDR 2008, 909 = ZMR 2008, 693; a.A. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XII 125.

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253 Die Möglichkeit, gegenüber der Mietforderung aufzurechnen, steht dem Verzug mit der Mietzahlung nicht entgegen1. Das ist anders, wenn der Vermieter dem Mieter die Mietzahlung etwa durch Ratenzahlung (teilweise) gestundet hat, und zwar auch, wenn der Rückstand die für § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB maßgebliche Höhe erreicht. Dann ist der Verzug wegen der Einrede der Stundung gehindert. Hält der Mieter aber die Stundungsvereinbarung zur Raten- und pünktlichen Mietzahlung nicht ein, lebt das Recht zur fristlosen Kündigung nach 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB ohne erneute Abmahnung wieder auf2. Denn mit Wegfall der Stundungseinrede gerät der Mieter unmittelbar in Verzug mit den rückständigen Mietzahlungen. 254 Wegen der Kündigungsmöglichkeit infolge Rückstandes mit Erhöhungsbeträgen nach §§ 558–560 BGB ist § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu beachten. Die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB und die danach erhobene Räumungsklage (§ 546 Abs. 1 BGB) setzen nicht voraus, dass der Vermieter die rückständige Miete (zunächst) in einem gesonderten Verfahren eingeklagt hat3 (vgl. § 569 BGB Rz. 159). 255 Die Bestellung von Sicherheiten zugunsten des Vermieters verhindert den Mieterverzug grundsätzlich nicht4. Der Vermieter ist nicht gehalten, zur Abwendung des Mieterverzuges auf die Mietkaution oder andere Sicherheiten zurückzugreifen5. c) Verschulden des Mieters aa) Eigenes Verschulden 256 Die nicht geleistete oder verspätete Zahlung muss auf Umständen beruhen, die der Mieter zu vertreten hat, § 286 Abs. 4 BGB. Für das Verschulden gelten die allgemeinen Vorschriften (§ 276 BGB), insbesondere hat der Mieter für seine Leistungsfähigkeit einzustehen. 257 Ein Verschulden kann z.B. fehlen, wenn nach dem Tod des Vermieters Ungewissheit über die Rechtsnachfolge besteht, weil im Grundbuch zwar eine Erbengemeinschaft eingetragen wird, insoweit aber ein Vorbehalt wegen eines Nießbrauchs besteht, über dessen Berechtigung noch keine Klarheit (mangels Eintragung) besteht6. Das Gleiche soll gelten, wenn eine ausländische Limited als Erwerber auftritt und infolge mehrfachen Verwalterwechsels berechtigte Zweifel bestehen, dass es sich um eine existierende Gesellschaft oder einen wirklich berechtigten Anspruchsteller handelt7. (1) Lastschrifteinzug 258 Bei erteilter Einzugsermächtigung soll sich der Mieter darauf verlassen können, dass der Vermieter davon regelmäßig Gebrauch macht8. Dennoch besteht auch insoweit eine Kontrollpflicht des Mieters, so dass er in der Regel einmal im Quartal überprüfen muss, ob seine Mietzahlungen erfolgt sind. Spätestens nach Ablauf dieses Zeitraums handelt der Mieter fahrlässig, wenn er sein Konto nicht überprüft. 259 Mit der Vereinbarung des Lastschrift-Einzugsverfahrens zur Mietzahlung verändert sich die gesetzlich vorgesehene Leistungsmodalität für Geldschulden von einer qualifizierten Schickschuld gemäß § 270 Abs. 1 BGB in eine Holschuld gemäß § 269 BGB9. Im Hinblick darauf tritt der Schuldnerverzug gemäß § 286 BGB grundsätzlich nicht ein, wenn der Gläubiger (= Vermieter) seiner Mitwirkungshandlung – Vornahme der

1 BGH v. 15.4.1987 – VIII ZR 126/86, MDR 1987, 928 = ZMR 1987, 289; vgl. aber § 543 Abs. 2 S. 3 BGB. 2 OLG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 24 U 141/10, GE 2011, 1159. 3 BVerfG v. 15.3.1989 – 1 BvR 1428/88, NJW 1989, 1917. 4 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 910. 5 BGH v. 12.1.1972 – VIII ZR 26/71, MDR 1972, 411. 6 BGH v. 7.9.2005 – VIII ZR 24/05, MDR 2006, 438 = WuM 2005, 769. 7 AG Hagen v. 17.6.2010 – 10 C 155/09, ZMR 2011, 729. 8 KG v. 9.6.2008 – 8 U 217/07, MDR 2008, 1331 = ZMR 2009, 30. 9 BGH v. 7.12.1983 – VIII ZR 257/82, MDR 1984, 573 = NJW 1984, 871 (872).

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Abbuchung in den konkreten Monaten – nicht nachkommt1. An diesem Ergebnis ändert die Frage, ob das Konto gedeckt war, in der Regel nichts. Denn die bei der Holschuld erforderliche Mitwirkungshandlung des Gläubigers ist für die Annahme des Schuldnerverzugs grundsätzlich nur dann entbehrlich, wenn eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Schuldners (= Mieters) vorliegt, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Diese kann nicht allein in der mangelnden Deckung auf dem Schuldnerkonto gesehen werden. Hierauf kann allenfalls verzichtet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Konto des Schuldners zum Zeitpunkt der Fälligkeit keine Deckung aufweist2. Die Anhaltspunkte für eine mangelnde Deckung müssen so konkret sein, dass sie ins- 260 besondere auch für den Schuldner so eindeutig auf der Hand liegen, dass es treuwidrig wäre, wenn er sich weiterhin auf das Lastschriftverfahren berufen dürfte3. Auch für ihn muss es aus Gründen der Rechtsklarheit und zur Vermeidung von Doppelzahlungen eindeutig erkennbar sein, dass die vereinbarte Abbuchung wegen offensichtlicher Unzumutbarkeit nicht mehr erfolgen wird und er selbst unzweifelhaft für die Rechtzeitigkeit der Leistung zu sorgen hat. Um diese Voraussetzungen zu erfüllen, genügt ein vorübergehender Liquiditätsengpass trotz mehrmaligen Scheiterns des Lastschriftverfahrens jedenfalls dann nicht, wenn in der Vergangenheit jeweils erfolgreiche Absprachen über die Begleichung der Rückstände getroffen wurden. Allerdings kann der Schuldnerverzug trotzdem eintreten, wenn der Schuldner das 261 Unterbleiben der Mitwirkungshandlung des Gläubigers in von ihm zu vertretender Weise (mit-)veranlasst hat4. Insoweit gilt für den Verschuldensmaßstab des Schuldners § 300 Abs. 1 BGB, weil die Voraussetzungen des Gläubigerverzugs vorliegen. Dazu müsste der Mieter dem Vermieter aber z.B. mitteilen, dass keine ausreichende Deckung auf dem Konto vorhanden ist, oder er müsste die Einzugsermächtigung widerrufen. Die Rücklastschriften der Vormonate und eine vereinbarte Ratenzahlung genügen nicht für eine schuldhafte – grob fahrlässige – Veranlassung der Nichtabbuchung. (2) Hinterlegung Gemäß § 372 S. 2 BGB kann der Mieter u.a. dann den Anspruch auf Mietzahlung 262 durch Hinterlegung erfüllen, wenn er infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Schuldner verpflichtet ist, bei nicht einfach gelagerten Sachverhalten professionellen, kostenpflichtigen Rechtsrat einzuholen, bevor er sich zur Hinterlegung entschließt, ist im Einzelnen umstritten5. Die Voraussetzungen für eine Hinterlegung sind aber nicht gegeben, wenn im Miet- 263 vertrag das Konto des Verwalters für die Mietzahlungen angegeben ist, der Vermieter den Verwaltervertrag kündigt und Zahlung an sich verlangt, während der Verwalter weiterhin Zahlung auf das im Mietvertrag angegebene Konto verlangt6. Hier besteht über die Person des Gläubigers keine Ungewissheit. Welche Umstände dem Zahlungsverlangen des Verwalters zugrunde liegen, ist für die Gläubigerstellung unerheblich. Eine (unverschuldete) Ungewissheit führt auch ohne eine Hinterlegung nach § 372 264 BGB zum Ausschluss eines Verschuldens und damit zur Unbegründetheit einer Kündigung wegen Zahlungsverzuges. Dies gilt insbesondere bei der Rechtsnachfolge wegen des Todes des Gläubigers (Vermieters).

1 BGH v. 23.1.1996 – X ZR 105/93, MDR 1996, 567 = NJW 1996, 1745; BGH v. 28.6.1994 – X ZR 95/92, NJW-RR 1994, 1469 ff. 2 BGH v. 19.10.1977 – IV ZR 149/76, NJW 1978, 215. 3 OLG Stuttgart v. 2.6.2008 – 5 U 20/08, GuT 2008, 349 (351). 4 BGH v. 28.6.1994 – X ZR 95/92, NJW-RR 1994, 1469 ff. 5 Palandt/Grünberg, § 372 BGB Rz. 6 m.w.N. 6 BGH v. 12.12.2003 – XII ZR 23/00, NZM 2003, 315.

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265 In diesem Fall darf der Mieter abwarten, bis der oder die Erben unter Bezeichnung ihrer Rechtsstellung an ihn herantreten. Solange das nicht geschieht und der Schuldner auch auf andere Weise Sicherheit darüber gewinnen kann, wer sein Gläubiger ist, unterbleibt die Leistung infolge eines Umstandes, den er nicht zu vertreten hat1. 266 Obwohl der Schuldner auf andere Weise, z.B. durch Einsicht in das Grundbuch, Sicherheit gewinnen kann, handelt er unverschuldet, wenn im Grundbuch zwar die Erben eingetragen sind, deren Eintragung aber unter dem Vorbehalt eines Nießbrauchs steht und dem Grundbuch nicht zu entnehmen ist, dass der Nießbrauch infolge des Todes erloschen ist2. Allerdings muss der Erbe zum Nachweis nicht unbedingt einen Erbschein vorlegen. Vielmehr hat er auch die Möglichkeit, einen anderen Nachweis zu erbringen (z.B. durch ein eröffnetes Testament3). (3) Überzogene Minderung 267 Die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs ist ausgeschlossen, wenn sich der Mieter unverschuldet zur Minderung berechtigt gehalten hat und so in Rückstand mit der Zahlung der Miete geraten ist4. Teilweise wird sogar die Auffassung vertreten, solange sich der Mieter auf einen Mangel der Mietsache berufe, könne der Vermieter nicht kündigen; der Streit über das Minderungsrecht sei im Verfahren der Leistungsklage auszutragen5. Dieser Meinung kann aber nicht gefolgt werden. Auch im Wohnraummietrecht sind an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums strenge Anforderungen zu stellen, insbesondere besteht kein Grund, im Rahmen des § 543 Abs. 3 BGB zugunsten des Mieters einen milderen Sorgfaltsmaßstab anzulegen6. Auch bei einem im Bereich des Tatsächlichen – wie z.B. der Ursache einer Schimmelpilzbildung angesiedelten – Irrtums ist eine geänderte Beurteilung nicht gerechtfertigt7. Nach § 286 Abs. 4 BGB kommt der Schuldner nicht in Verzug, solange die Leistung aufgrund eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat; zu vertreten hat der Schuldner gemäß § 276 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit. Wäre es gerechtfertigt, die bloße Einschätzung, z.B. ein Schimmelbefall sei auf einen vom Vermieter zu vertretenden Baumangel zurückzuführen, für eine Entschuldigung des Mieters ausreichen zu lassen, liefe dies darauf hinaus, dass sich die Haftung des Mieters auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkte8. Für eine derartige Privilegierung des Mieters besteht kein Anlass, zumal er nicht mindern muss. Denn der Mieter kann den Minderungsbetrag, den er für angemessen hält, unter dem einfachen, lediglich die Wirkungen des § 814 BGB ausschließenden Vorbehalt der Rückforderung an den Vermieter zahlen, so dass ihm die Möglichkeit bleibt, eine gerichtliche Klärung seiner Rechte herbeizuführen, ohne dem Risiko einer fristlosen Kündigung ausgesetzt zu sein. 268 Einer Anzeige des Mieters, die Miete zukünftig zu mindern, bedarf es nicht. Es reicht die Anzeige des (angenommenen) Mangels der Mietsache. Die Mietminderung tritt von Gesetzes wegen ein9. 269 Vor diesem Hintergrund kann ein Verschulden des Mieters ausgeschlossen sein, wenn der Vermieter eine laufende Minderung über längere Zeit hingenommen hat und der Mieter diese trotz zwischenzeitlicher Zahlungsaufforderung des Vermieters

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BGH v. 7.2.1973 – VIII ZR 205/71, WPM 1973, 386 (387). BGH v. 7.9.2005 – VIII ZR 24/05, MDR 2006, 438 = WuM 2005, 769. BGH v. 7.6.2005 – XI ZR 311/04, MDR 2005, 1352 = WuM 2005, 524. LG Frankfurt v. 14.11.2003 – 2-11 S 326/02, NZM 2004, 297; LG Kassel v. 8.11.1994 – 1 T 61/94, ZMR 1996, 90; LG Görlitz v. 28.9.1994 – 2 S 48/94, WuM 1994, 601 (602). LG Berlin v. 22.2.2007 – 62 S 277/05, GE 2007, 1486; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 103 f. BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MDR 2007, 454 = WuM 2007, 24 = ZMR 2007, 103 Rz. 25 ff. Vgl. BGH v. 27.9.1989 – IVa ZR 156/88, NJW-RR 1990, 160 (161). BGH v. 11.7.2012 – VIII ZR 138/11, GE 2012, 1161 = ZMR 2012, 1161 = NZM 2012, 637. AG Köpenick v. 14.10.2010 – 13 C 156/09, GE 2010, 1627.

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fortsetzt1. Diese Voraussetzungen können aber nicht angenommen werden, wenn der Vermieter (schon) nach sechs Monaten die rückständige Miete anmahnt2. Dennoch kann eine überzogene Minderung schuldhaft sein, so dass die Kündigung 270 durch den unberechtigten Teil der Kürzungen gerechtfertigt sein kann. Insoweit ist bei der Frage, ob der Mieter bei seiner Rechtsausübung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, zu berücksichtigen, auf welcher tatsächlichen oder rechtlichen Grundlage er seine Rechte geltend macht. Hat der Mieter in tatsächlicher Hinsicht alle Erkenntnisquellen ausgeschöpft, so 271 dass sich der Sachverhalt für ihn ohne Zweifel so darstellt, dass er zur Rechtsausübung berechtigt ist, befindet er sich in einem entschuldigenden Rechtsirrtum. Dabei ist auf den objektiven Tatbestand abzustellen3. Dazu muss er auch überprüfen, ob die Vertragsstörung auf eine Ursache zurückzuführen ist, die dem eigenen Verantwortungsbereich zuzuordnen (z.B. eigenes Heizungs- und Lüftungsverhalten), der eigene Rechtsstandpunkt mithin plausibel ist4. Mit dieser Plausibilitätskontrolle5 hat es grundsätzlich sein Bewenden. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Gläubiger (hier also der Mieter) die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen, ohne den Vorwurf schuldhaften Verhaltens befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt6. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt wird aber außer Acht gelassen, wenn der Mieter wegen Feuchtigkeit mindert, obwohl er infolge Tierhaltung von vornherein nur eingeschränkt lüften kann7. Die Rechtslage muss der Schuldner unter Einbeziehung der höchstrichterlichen 272 Rechtsprechung sorgfältig prüfen. Entschuldigt ist ein Rechtsirrtum insoweit grundsätzlich nur dann, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte8. Dazu kann nicht von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass zweifelhafte Rechts- und Tatsachenfragen in Forderungsprozessen auszutragen sind, so dass ein Verschulden erst angenommen werden kann, wenn für den Mieter durch eine erstinstanzliche Entscheidung die reale Erkenntnismöglichkeit besteht, dass seine tatsächliche und rechtliche Wertung (hier: der Hellhörigkeit seiner Wohnung) unzutreffend ist9. Dafür bietet weder das Gesetz noch der Gedanke des Mieter- oder Kündigungsschutzes eine Grundlage. Vielmehr wird dadurch das Risiko der eigenen Rechtsausübung durch den Mieter ohne rechtfertigenden Grund auf den Vermieter verlagert10. Befindet sich der Mieter in einem Rechtsirrtum, ist sein Verschulden ausgeschlossen, 273 höchstens aber solange ihm das Gericht seine gegenteilige Rechtsansicht nicht mitgeteilt hat11. Ein Rechtsirrtum kommt in Betracht, wenn sich die Situation für den Mieter unter Abwägung aller Umstände und Einholung von Rechtsrat so darstellt, dass er ein Minderungs- und/oder Zurückbehaltungsrecht12 auch in der durchgeführten Höhe ausüben darf. Dazu kann sich der Mieter aber nicht auf eine tägliche Zeitungslektüre berufen, weil hier meist nicht erkennbar ist, auf welchem Sachverhalt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

OLG Köln v. 4.2.2000 – 1 U 92/99; ZMR 2000, 459 (Kürzung der Miete über acht Jahre). BGH v. 11.4.2012 – XII ZR 48/10, WuM 2012, 323 (325). LG Bückeburg v. 2.12.2010 – 1 S 9/10, ZMR 2012, 623. Vgl. BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, MDR 2008, 373 = NJW 2008, 1147 (1148). Ähnlich Kaiser, NJW 2008, 1709 (1712) (Evidenzkontrolle). BGH v. 16.1.2009 – V ZR 133/08, MDR 2009, 438 = NJW 2009, 1262; BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147 (1148); Haertlein, MDR 2009, 1 (2). BGH v. 11.7.2012 – VIII ZR 138/11, GE 2012, 1161 = ZMR 2012, 1161 = NZM 2012, 637. BGH v. 12.7.2006 – X ZR 157/05, MDR 2007, 200 = BB 2006, 1819; BGH v. 26.1.1983 – IVb ZR 351/81, MDR 1983, 651 = NJW 1983, 2318; BGH v. 18.4.1974 – KZR 6/73, NJW 1974, 1903. A.A. LG Frankfurt v. 14.11.2003 – 2-11 U 326/02, NZM 2004, 297; AG Hamburg-Altona v. 8.1.2008 – 318c C 67/07, ZMR 2008, 297. BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MDR 2007, 454 = GE 2007, 46 = WuM 2007, 24. LG Frankfurt v. 14.11.2003 – 2-11 U 326/02, NZM 2004, 297; AG Hamburg-Altona v. 8.1.2008 – 318c C 67/07, ZMR 2008, 297. VerfGH Berlin v. 19.8.2005 – VerfGH 84/04, ZMR 2005, 842.

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die (zugelassene) Reduzierung der Miete beruht1. Ebenso handelt der Mieter schuldhaft, wenn er durchgängig mindert, der Mangel jedoch nur zeitweise auftritt2. Auch von einem redlichen Mieter kann verlangt werden, dass er statt der Minderung eine Vorbehaltszahlung leistet, wenn sein Einbehalt nicht auf gesicherten Erkenntnissen beruht, so dass sich im Prozess nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ergibt, dass einzelne Mängel nicht vorlagen und wegen anderer zu hoch gemindert wurde3. 274 Irrt sich der Mieter über den Umfang einer Aufrechnungsforderung (nur teilweise erforderlicher Aufwendungsersatz wegen Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden), soll es am Verschulden fehlen4. Dies erscheint angesichts der dargestellten strengen Maßstäbe zweifelhaft. 275 Wird ein Verschulden des Mieters festgestellt, kommt eine Treuwidrigkeit nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht5. Denn insoweit ist immer zu berücksichtigen, dass mit der Versagung des Räumungsanspruchs das Risiko der Rechtsausübung ohne sachlichen Grund auf den Vermieter abgewälzt wird. Immerhin kann der Mieter das Risiko vermeiden, indem er unter Vorbehalt zahlt6. Den Vermieter demgegenüber auf eine Zahlungsklage zu verweisen, kann allenfalls gerechtfertigt sein, wenn der Mieter – sichtbar – den geminderten Betrag zurück- oder hinterlegt. (4) Nichtbeachtung einer Mieterhöhung 276 Bei Mieterhöhungen nach § 559 und § 560 BGB tritt eine unmittelbare Mietänderung ein. Da § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB den Mieter nur schützt, wenn der Vermieter zunächst auf Zahlung der Erhöhungsbeträge geklagt hatte (vgl. § 569 BGB Rz. 159), besteht also für den Mieter, der eine Mieterhöhung für unberechtigt hält, das Risiko der Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB. 277 Ergeben sich keine formellen Fehler oder ist ein materieller Fehler der Mieterhöhung aus dem Begehren selbst nicht evident (z.B. falscher Wirkungszeitpunkt), kann der Mieter den Standpunkt, die Mieterhöhung nicht leisten zu müssen, unter Beachtung der erforderlichen Sorgfalt nur plausibel vertreten (vgl. dazu § 543 BGB Rz. 271), wenn er sich mit den Grundlagen der Mieterhöhung befasst hat. Dazu muss er zumindest Einsichtnahme in die Berechnungsgrundlagen genommen haben, worauf er sowohl bei § 559 BGB (s. § 559b BGB Rz. 28) als auch bei § 560 BGB einen Anspruch hat. Zu § 560 BGB ergibt sich dies bereits daraus, dass die Erhöhung der Vorauszahlungen im Zusammenhang mit der Abrechnung erfolgt, zu der der Mieter Einsicht verlangen kann (vgl. § 556 BGB Rz. 748 ff.). Bei einer Erhöhung der Pauschale ist das Recht zur Einsichtnahme ebenfalls zulässig. bb) Zurechnung fremden Verschuldens 278 Grundsätzlich findet auch im Rahmen des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Zurechnung des Verschuldens Dritter über § 278 BGB statt7. Erfüllungsgehilfe ist insoweit, wer nach den tatsächlichen Verhältnissen des gegebenen Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung der diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird. Deshalb muss sich der Mieter Verzögerungen der kontoführenden Bank des Vermieters bei der Mietgutschrift nicht zurechnen lassen8, sehr wohl aber der eigenen Bank. 279 Ein Rechtsberater (Rechtsanwalt, Mieterverein etc.) wird nicht zur Ausführung der eigentlichen Erfüllungshandlung (= der Zahlung der Miete) tätig, sondern berät den Mieter in rechtlicher Hinsicht bei der Entscheidung darüber, ob erfüllt werden oder 1 2 3 4 5 6 7 8

LG Berlin v. 18.11.2004 – 67 S 173/04, MM 2005, 75. LG Berlin v. 18.4.2011 – 67 S 502/10, GE 2011, 691. A.A. AG Lübeck v. 15.6.2011 – 24 C 4044/09, ZMR 2012, 277. LG Berlin v. 22.2.2007 – 62 S 277/05, GE 2007, 1486. A.A. LG Berlin v. 22.10.2010 – 63 S 690/09, GE 2010, 1623 (grundsätzliche Treuwidrigkeit). BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MDR 2007, 454 = GE 2007, 46 = WuM 2007, 24. BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MDR 2007, 454 = GE 2007, 46 = WuM 2007, 24. AG Hamburg-Barmbek v. 6.7.2004 – 815 C 550/03, WuM 2005, 769.

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z.B. von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht werden soll. Ob ein in dieser Weise mitwirkender Rechtsberater als Erfüllungsgehilfe anzusehen ist, ist umstritten. Teilweise wird die Auffassung vertreten, der Beratene hafte nur für ein Auswahlverschulden1. Zu Recht geht die überwiegende Ansicht aber davon aus, dass der Mieter für ein Verschulden seines Rechtsberaters, auch eines Rechtsanwalts, nach § 278 BGB einzustehen hat2. Allein so wird eine angemessene Risikoverteilung zwischen Gläubiger und Schuldner ermöglicht und eine ungerechtfertigte Privilegierung des Beraters verhindert. Müsste der Schuldner nur für eine sorgfältige Auswahl des Beraters haften, ginge eine etwaige Falschberatung durch diesen zulasten des Gläubigers, der an dem Beratungsverhältnis nicht beteiligt ist und dem auch kein Schadensersatzanspruch gegen den Berater zustünde, während der Schuldner dadurch geschützt ist, dass er bei seinem Rechtsberater Regress nehmen kann. Auch das Fehlverhalten staatlicher Stellen kann dem Mieter im Rahmen des § 543 280 Abs. 2 Nr. 3 BGB grundsätzlich zugerechnet werden3. Denn insoweit geht es um die Nichtzahlung der laufenden Schulden und nicht um die Pflichtverletzung, die das Vertrauen in eine zukünftige Vertragserfüllung erschüttert (vgl. dazu § 543 BGB Rz. 46). Ein Verschulden des Mieters besteht erst recht, wenn der Mieter eine verspätete Auszahlung von Transferleistungen dadurch verursacht hat, dass er Nachfragen der Behörde zu seinem Antrag nicht sofort beantworten konnte4. Im Übrigen soll es gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der Vermieter weiß, dass die Miete vom Sozialamt gezahlt wird, und er Mietrückstände auflaufen lässt, die die fristlose Kündigung rechtfertigen, ohne sich vorher mit dem Sozialamt in Verbindung zu setzen5. Dies kann aber nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden. Denn zunächst erhält der Vermieter bei der Behörde keinerlei Auskünfte. Im Übrigen ist der Mieter für die Mietzahlung selbst verantwortlich und muss die Erfüllung auch überwachen, wenn sie durch eine staatliche Stelle bewirkt wird. Wird die Versagung der staatlichen Unterstützung dadurch herbeigeführt, dass der 281 Vermieter sich weigert, dem Mieter eine Mieterbescheinigung auszustellen, bleibt die Nichtzahlung des Mieters verschuldet. Denn es besteht keine vertragliche (Neben-)Pflicht des Vermieters, dem Mieter eine Bescheinigung auszustellen, damit dieser öffentliche Mittel zur Unterhaltssicherung erhält6. Die Mitwirkungspflicht nach § 60 SGB II besteht nur gegenüber der Behörde. d) Treuwidrige Kündigung Eine Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a BGB erfordert grundsätzlich keine 282 Abmahnung, was durch § 543 Abs. 3 S. 2 BGB auch ausdrücklich klargestellt ist. Der Vermieter ist aber vor einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges ausnahmsweise gehalten, den Mieter unter konkreter Darstellung der Zahlungsrückstände abzumahnen, wenn sich ihm der Schluss aufdrängen muss, dass die Nichtzahlung der Miete nicht auf der Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit, sondern auf einem bloßen Versehen und auf sonstigen von ihm nicht zu vertretenden Umstän-

1 LG Karlsruhe v. 23.3.1990 – 5 S 563/89, WuM 1990, 294. 2 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MDR 2007, 454 = GE 2007, 46 = WuM 2007, 24; BGH v. 12.7.2006 – X ZR 157/05, MDR 2007, 200 = BB 2006, 1819; Staudinger/Löwisch, § 286 BGB Rz. 163; Fischer, ZMR 1994, 309 (311); Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 543 BGB Rz. 87. 3 AG Frankfurt v. 9.6.2010 – 33 C 1381/10-76, InfoM 2010, 325; Abgrenzung BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 64/09, MDR 2010, 75 = NJW 2009, 3781; LG Berlin v. 19.1.2001 – 64 S 334/00, NZM 2002, 289; LG Mönchengladbach v. 19.2.1983 – S S 345/92, ZMR 1993, 571; a.A. LG Berlin v. 9.1.2012 – 65 T 227/11, NZM 2013, 121 (ausschließliches Fehlverhalten des Jobcenters); Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XII 131. 4 KG v. 24.7.2008 – 8 U 26/08, DWW 2008, 379 = MM 2008, 334. 5 LG Saarbrücken v. 30.6.2005 – 13B T 17/05, ZMR 2006, 46; LG Berlin v. 9.8.1994 – 65 S 125/94, WuM 1997, 216; LG Karlsruhe v. 14.7.1989 – 9 S 57/89, ZMR 1989, 421. 6 LG Köln v. 20.4.1994 – 1 S 39/04, WuM 1995, 104; AG Wetzlar v. 19.2.2009 – 38 C 1681/08 (38), WuM 2009, 289; a.A. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XII 132.

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den beruht1. Fehlt es bei einer derartigen Sachlage an einer Abmahnung, verstößt die Kündigung des Vermieters gegen Treu und Glauben. Dies gilt auch, wenn die Mietzahlungen des Untermieters im Einvernehmen mit dem Vermieter seit längerer Zeit unmittelbar an diesen erfolgt2. Dann obliegt es dem Vermieter, dem Mieter vor der Kündigung die konkreten Zahlungsrückstände mitzuteilen, da diese wegen der Zahlungen durch den Untermieter nur ihm bekannt sein können. 283 Zahlungsverzug des Mieters tritt auch dann ohne Abmahnung ein, wenn der Vermieter über einen längeren Zeitraum verspätete Zahlungen unbeanstandet hinnimmt3. Hat aber der Vermieter einen Rückstand, der ihn zur Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB berechtigt hätte, längere Zeit ohne Beanstandung hingenommen, muss er vor Ausspruch der Kündigung dem Mieter unmissverständlich zu verstehen geben (§ 242 BGB), dass er bei weiterem Verzug kündigen werde bzw. dass er in Zukunft pünktliche Zahlung erwarte4. Der Zeitraum muss ein halbes Jahr aber deutlich überschreiten. 284 Ob frühere Kündigungslagen, die der Vermieter nicht zum Anlass der Kündigung genommen hat, eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtsmissbräuchlich machen, ist einzelfallabhängig5. Denn letztlich ist das eine Frage der Verwirkung, so dass beim Mieter ein Vertrauenstatbestand entstanden sein muss, der Vermieter werde höchstens nach Abmahnung oder Fristsetzung kündigen. Dem kann der Vermieter schon dadurch entgegenwirken, dass er überhaupt (zeitnah) z.B. Widerspruch gegen eine Minderung erhebt6. Insoweit kann insbesondere keine gerichtliche Geltendmachung verlangt werden, um die evtl. doch zwischenzeitlich eingetretene Verwirkung für die Zukunft zu beseitigen7. 285 Allein weil eine Kaution dem Vermieter eine Befriedungsmöglichkeit bietet, ist die Kündigung nicht rechtsmissbräuchlich8. Das Gleiche gilt, wenn dem Vermieter die Kündigung gelegen kommt, weil er eine bessere Verwertungs- oder Vermietungsmöglichkeit für das Mietobjekt hat9. 285a Schließlich kann eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs treuwidrig sein, wenn der Vermieter durch sein eigenes Verhalten die Zahlungsrückstände mitverursacht hat. Ob diese Voraussetzungen bereits vorliegen, wenn der Vermieter durch eigene Mitteilung einer falschen Miehöhe das Zahlungsverhalten des Mieters beeinflusst hat, muss im Einzelfall entschieden werden. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt in einer Kündigung aber jedenfalls dann, wenn der Vermieter durch eine eigene, später wieder aufgehobene (Vor-)Pfändung des Mieterkontos Zahlungen des Mieters verhindert hat10. War die Pfändung allerdings berechtigt, kann der Mieter sich auf einen Treueverstoß nicht berufen. e) Beweislast 286 Der Vermieter muss zunächst die Voraussetzungen seines Kündigungsrechtes und den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung11 dartun und beweisen. Sodann muss der Mieter darlegen und beweisen die Befriedigung vor Kündigungszugang (§ 543 Abs. 2

1 Vgl. OLG Hamm v. 24.4.1998 – 33 U 97/97, WuM 1998, 485 = ZMR 1998, 493; OLG Düsseldorf v. 8.3.2002 – 10 U 17/01, DWW 2002, 260; LG Berlin v. 9.8.1994 – 65 S 125/94, WuM 1997, 216. 2 OLG Düsseldorf v. 25.3.2004 – I-10 U 109/04, ZMR 2004, 570 = NZM 2004, 786 = GuT 2004, 122. 3 BGH v. 24.2.1959 – VIII ZR 33/58, MDR 1959, 386 = NJW 1959, 766. 4 BGH v. 22.9.1971 – VIII ZR 135/70, ZMR 1972, 306; BGH v. 24.2.1959 – VIII ZR 33/58, MDR 1959, 386 = NJW 1959, 766; OLG Hamm v. 9.9.1994 – 30 U 73/94, ZMR 1994, 560. 5 Vgl. OLG Hamm v. 9.9.1994 – 30 U 73/94, ZMR 1994, 560; LG Hamburg v. 9.1.1996 – 316 S 174/95, NJWE-MietR 1996, 104. 6 BGH v. 4.2.2004 – VIII ZR 171/03, WuM 2004, 198 = MietRB 2004, 161. 7 A.A. OLG Naumburg v. 4.11.2003 – 9 U 50/03, WuM 2004, 91. 8 BGH v. 12.1.1972 – VIII ZR 26/71, MDR 1972, 411; a.A. Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 61. 9 Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 61. 10 LG Hamburg v. 6.9.2012 – 307 S 133/11, ZMR 2012, 948. 11 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 913; a.A. MünchKomm/Bieber, § 543 BGB Rz. 57.

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S. 2 BGB), Aufrechnungslage vor Kündigungszugang und Unverzüglichkeit der Aufrechnung (§ 543 Abs. 2 S. 3 BGB). V. Abmahnung und Fristsetzung Die fristlose Kündigung wegen Vertragsverletzungen ist in aller Regel erst nach ver- 287 geblicher Abmahnung oder Fristsetzung begründet. Denn generell erlangt die Pflichtverletzung das für eine Kündigung erforderliche Gewicht erst dadurch, dass dem Anderen sein Fehlverhalten vor Augen geführt und klargestellt wird, dass es nicht (mehr) geduldet werden wird. Damit kommt der Abmahnung und Fristsetzung auch eine Warnfunktion zu. Erst wenn durch Fortsetzung des abgemahnten Verhaltens die Gefahr weiterer Vertragsuntreue droht, wird die Vertragsfortsetzung unzumutbar1. Abmahnung und Fristsetzung sind rechtsgeschäftliche Erklärungen, so dass die 288 Voraussetzungen einer einseitigen, empfangsbedürftigen Willenserklärung vorliegen müssen (vgl. § 542 BGB Rz. 45 f.). Auch ist § 174 BGB anwendbar. Die Abmahnung ist nur wirksam, wenn bei ihrem Ausspruch tatsächlich ein vertrags- 289 widriges Verhalten (schon) vorlag2. Dies kann aber erst im Räumungsprozess ermittelt werden, weil Abmahnung und Fristsetzung nicht isoliert gerichtlich angreifbar sind (z.B. mit einer negativen Feststellungsklage)3. Denn als solche sind sie zunächst ohne Konsequenzen. Anders als im Arbeitsrecht kommt der Existenz der Abmahnung oder Fristsetzung in der Mieterakte keine Bedeutung zu, solange keine Kündigung erklärt wird. Eine unbegründete Abmahnung stellt grundsätzlich keine Persönlichkeitsrechtver- 290 letzung dar, die die Menschenwürde des Mieters antastet und deshalb zu einem Schmerzensgeldanspruch führen würde4. 1. Pflichtverletzung Durch die Anknüpfung an Vertragsverletzungen wird jede Missachtung der Haupt- 291 und Nebenpflichten aus dem Mietvertrag durch den Kündigungsgegner dem § 543 Abs. 3 BGB unterworfen5. Auf die Bedeutung der Pflicht kommt es allenfalls bei der Frage an, ob die Fristsetzung oder Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich ist. Selbst ein Zustand der Mietsache kann von § 543 Abs. 3 BGB erfasst sein, wenn er auf einer Pflichtverletzung beruht. Das kommt z.B. bei einem gesundheitsgefährdenden Zustand in Betracht, weil er regelmäßig auf einer Verletzung der Erhaltungspflicht nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB beruht6. 2. Fristsetzung Die Fristsetzung dient in der Regel dazu, den Empfänger zur Beseitigung eines ver- 292 tragswidrigen Zustandes anzuhalten, wie z.B. den mangelhaften Zustand der Mietsache (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder die unbefugte Gebrauchsüberlassung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Eine allgemein gültige Abgrenzung zur Abmahnung ist entbehrlich, weil beide Begriffe im Zusammenhang mit § 543 BGB synonym verwendet werden und materiell gleich bedeutend sind7. Inhaltlich muss die Fristsetzung die bestimmte Aufforderung zur Beseitigung oder 293 Unterlassung bestimmter Vertragswidrigkeiten unter Fristsetzung enthalten. Hier gelten die gleichen Anforderungen wie an eine Mahnung i.S.v. § 286 BGB oder die 1 2 3 4 5 6

OLG Koblenz v. 10.7.1998 – 8 U 1229/97, OLGR Koblenz 1998, 469. AG Frankfurt v. 3.2.1999 – 33 C 3600/98-76, NZM 1999, 707. BGH v. 20.2.2008 – VIII ZR 139/07, MDR 2008, 556 = WuM 2008, 217. AG Neukölln v. 26.1.2009 – 22 C 85/08, GE 2009, 329. Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 72; Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 130. BGH v. 18.4.2007 – VIII ZR 182/06, MDR 2007, 1064 = WuM 2007, 319 = ZMR 2007, 601 = GE 2007, 841 = NZM 2007, 439. 7 BGH v. 18.4.2007 – VIII ZR 182/06, MDR 2007, 1064 = WuM 2007, 319 = ZMR 2007, 601 = GE 2007, 841 = NZM 2007, 439.

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Fristsetzung nach §§ 281, 323 BGB. Der Erklärungsempfänger muss aus der Fristsetzung erkennen können, was er innerhalb der gesetzten Frist zu tun oder zu unterlassen hat. Dafür muss mindestens das beanstandete Verhalten oder der beanstandete Zustand inhaltlich bestimmt beschrieben werden. 294 Die Länge der angemessenen Frist beurteilt sich nach dem Einzelfall. Für den Empfänger muss die Möglichkeit bestehen, innerhalb der gesetzten Frist die Pflichtverletzung abzustellen1. Insoweit setzt eine unangemessene Frist grundsätzlich eine angemessene Frist in Lauf2. Gerade deshalb ist es nicht unbedingt erforderlich, einen Endtermin zu setzen. Vielmehr können auch Begriffe ohne Zeitangabe verwendet werden, die eine bestimmbare Frist ergeben („umgehend“, „unverzüglich“)3. Maßgeblich ist insoweit, dass der Adressat erkennen kann, dass ihm nur noch ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht, um zu einem rechtmäßigen Verhalten zurückzukehren. 3. Abmahnung 295 Das Ziel der Abmahnung besteht darin, den Anderen zum Unterlassen einer Vertragsstörung zu veranlassen4. Deshalb kommt sie – im Gegensatz zur Fristsetzung – eher bei vertragswidrigem Verhalten in Betracht, wie z.B. der unpünktlichen Mietzahlung. 296 Schon wegen der Gleichstellung mit der Fristsetzung muss die Abmahnung keine Kündigungsandrohung enthalten5, wenngleich dies empfehlenswert ist6. Die Gegenansicht7 lässt sich mit dem Wortlaut des § 543 Abs. 3 BGB nicht vereinbaren. Denn wenn schon die Fristsetzung als Vorstufe der Kündigung ausreicht, kann nicht zusätzlich bei der Abmahnung eine Kündigungsandrohung verlangt werden. Allerdings reicht die bloße Aufforderung zur Stellungnahme nicht aus8. Vielmehr muss der Empfänger unzweideutig der Erklärung entnehmen können, dass sein Verhalten missbilligt wird, so dass eine Fortsetzung Konsequenzen nach sich ziehen kann. 297 Ob im Einzelfall dem Abgemahnten zusätzlich eine Prüfungs- oder Abhilfefrist eingeräumt werden muss, hängt von den Umständen ab9. Bei der unbefugten Gebrauchsüberlassung an Dritte muss dem Mieter ausreichend Zeit bleiben, die Untervermietung zu beenden. Dafür ist nicht der Lauf der Kündigungsfrist innerhalb des Untermietvertrages maßgeblich, sondern die Kündigung des Mieters gegenüber dem Untermieter. Insoweit benötigt der Mieter eine Prüfungsfrist, die allerdings in der Regel acht bis zehn Tage nicht überschreiten muss. Erklärt der Untermieter sodann, nicht ausziehen zu wollen, oder zieht er nach Ablauf einer angemessenen Frist nicht aus, kann der Vermieter kündigen.

1 LG Mannheim v. 12.8.1981 – 4 S 111/80, WuM 1985, 262. 2 BGH v. 12.8.2009 – VIII ZR 254/08, MDR 2009, 1329 = NJW 2009, 3153; OLG Nürnberg v. 10.2.2010 – 12 U 1306/09, ZMR 2010, 524. 3 BGH v. 12.8.2009 – VIII ZR 254/08, MDR 2009, 1329 = WuM 2009, 580; a.A. KG v. 9.2.2004 – 8 U 160/03, MietRB 2004, 234; vgl. im Übrigen auch dazu Erman/Westermann, § 281 BGB Rz. 13 m.w.N. 4 Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 71. 5 BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 281/06, MDR 2007, 1182 = WuM 2007, 570 = ZMR 2007, 686; BGH v. 18.4.2007 – VIII ZR 182/06, MDR 2007, 1064 = WuM 2007, 319 = ZMR 2007, 601 = GE 2007, 841 = NZM 2007, 439. 6 LG Hamburg v. 29.8.1985 – 7 S 69/85, WuM 1986, 338 = NJW-RR 1986, 11; LG Frankfurt v. 21.4.1992 – 2/11 S 421/91, WuM 1992, 370; AG Hamburg-Altona v. 26.4.2002 – 318 C 327/01, NZM 2003, 60. 7 Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 128; Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 78. 8 OLG Frankfurt v. 8.9.2010 – 15 U 53/10, ZMR 2011, 121. 9 BGH v. 11.1.2006 – VIII ZR 364/04, MDR 2006, 864 = NJW 2006, 1585 = WuM 2006, 193 (195) Rz. 16.

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§ 543 BGB

4. Form und Inhalt der Fristsetzung Eine besondere Form ist für die Abmahnung oder Fristsetzung nicht vorgesehen, so 298 dass sie auch mündlich oder schlüssig erklärt werden können1. § 569 Abs. 4 BGB ist – auch nicht in der Wohnraummiete – analog anwendbar. Denn es fehlt an einer planwidrigen Lücke. Immerhin hat sich der Gesetzgeber am 1.9.2001 mit Formvorschriften besonders auseinandergesetzt. Unabhängig davon empfiehlt sich schon aus Beweisgründen die Schriftform, wobei ein Telefax ausreicht2. Sieht der Mietvertrag für Willenserklärungen oder sonstige einseitige Rechtsge- 299 schäfte die Schriftform vor, ist im Zweifel davon auszugehen, dass diese Regelung nur eine deklaratorische Wirkung herbeiführen soll. Ergibt die Auslegung aber, dass der Schriftform konstitutive Wirkung beizumessen ist, gilt insbesondere § 127 Abs. 2 BGB. Bedenken wegen § 307 BGB bestehen gegen ein solches Formerfordernis nicht. Inhaltlich müssen Abmahnung und Fristsetzung so abgefasst sein, dass der Erklä- 300 rungsempfänger den Vertragsverstoß, der ihm vorgeworfen wird, erkennen kann. Dazu müssen die Vertragsstörungen genau bezeichnet werden3. Denn nur die ausdrücklich gerügten Verstöße gegen Vertragspflichten werden bei der nachfolgenden fristlosen Kündigung berücksichtigt4. Insoweit reicht es aber aus, dem Mieter – wie bei der Kündigung – die Kerntatsachen mitzuteilen, die den Sachverhalt von anderen unterscheidbar machen. Der Mieter muss wissen, wann er wie gegen welche Pflicht verstoßen haben soll. Aufgrund dieser Angaben kann er ermitteln, ob seine Täterschaft unzweifelhaft ist, und ggf. sein Verhalten einstellen oder ändern5. Die Anforderungen sind aber nicht erfüllt, wenn aus der Abmahnung nicht hervorgeht, gegenüber wem der Mieter „laut geworden“ sein soll und ob eine vorgebrachte Beschwerde unberechtigt war6. Darüber hinaus muss aus der Abmahnung und Fristsetzung deutlich werden, dass 301 das beanstandete Verhalten nicht geduldet wird7. Denn nur so ist der Schuldner in der Lage, die Konsequenzen seines Verhaltens zu erkennen8, um es abzustellen oder aber inhaltlich die Abmahnung zurückzuweisen. Nur die ausdrücklich gerügten Vertragsstörungen werden bei der nachfolgenden fristlosen Kündigung berücksichtigt9. Immerhin muss sich zeigen, ob sich die Warnfunktion realisiert hat. 5. Sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen Abmahnung und Kündigung Einer nachfolgenden Kündigung kann nicht jede Abmahnung zugrunde gelegt wer- 302 den. Die Abmahnung muss sich zumindest auf eine ähnliche Vertragsverletzung beziehen, die Gegenstand der Kündigung sein soll. Ansonsten würde die Warnfunktion, die mit der Abmahnung verbunden ist, leer laufen. Für die Kündigung kann unter besonderen Umständen die Notwendigkeit eines an- 303 gemessenen Zeitzusammenhangs bestehen. Dies gilt nicht nur im Verhältnis zur Pflichtverletzung (vgl. § 314 Abs. 3 BGB), sondern auch zur Warnung mittels Fristsetzung oder Abmahnung. Dies ist insbesondere bei der Abmahnung eines identischen kontinuierlichen Verhaltens zu fordern. Denn sonst ist für den Vertragspartner nicht mehr ersichtlich, dass seine Maßnahmen gegen den Vertragsverstoß (hier: Kinderlärm) nicht erfolgreich waren10.

1 Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 74; Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 47. 2 Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 543 BGB Rz. 130. 3 OLG Naumburg v. 30.6.1999 – 6 U 92/98, WuM 2000, 246 = ZMR 2000, 381; LG Gießen v. 29.9.1980 – 7 T 270/80, WuM 1981, 232. 4 OLG Düsseldorf v. 30.1.2003 – 10 U 16/02, NZM 2003, 553; LG Frankfurt v. 12.12.1996 – 15 S 114/96, GE 1997, 306. 5 AG Berlin-Mitte v. 7.1.2010 – 25 C 159/09, GE 2010, 417. 6 AG Köln v. 19.7.2011 – 209 C 170/11, WuM 2012, 371. 7 BGH v. 4.2.2009 – VIII ZR 66/08, MDR 2009, 558 = WuM 2009, 228. 8 OLG Frankfurt v. 8.9.2010 – 15 U 53/10, ZMR 2011, 121. 9 OLG Düsseldorf v. 30.1.2003 – 10 U 16/02, NZM 2003, 553. 10 LG Halle v. 11.1.2002 – 1 S 192/01, NZM 2003, 309.

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6. Kündigung trotz fehlender Abmahnung oder Fristsetzung (Umdeutung) 304 Außer in den in § 543 Abs. 3 BGB ausdrücklich genannten Ausnahmefällen ist eine außerordentliche Kündigung ohne vorausgehende Abmahnung grundsätzlich unwirksam. Die unwirksame Kündigung stellt aber grundsätzlich selbst eine Abmahnung dar1. In der Regel kann sie umgedeutet werden2. Denn im Zweifel ist anzunehmen, dass der Erklärende eine Abmahnung oder Fristsetzung erteilt hätte, wenn er die Unwirksamkeit der Kündigung aus diesem Grund vorausgesehen hätte, § 140 BGB. Dies übersieht die Gegenmeinung3. 7. Entbehrlichkeit der Abmahnung oder Fristsetzung 305 Ob eine der in § 543 Abs. 3 BGB genannten Ausnahmen vorliegt, ist im Einzelfall zu prüfen. a) Offensichtliche Erfolglosigkeit 306 Abmahnung oder Fristsetzung sind ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht. Damit sind die Fälle erfasst, bei denen sich das Abmahnerfordernis als bloße Förmelei darstellt. 307 Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der Kündigungsempfänger eine endgültige Erfüllungsverweigerung erklärt hat4. Dazu ist aber eine Erklärung erforderlich, die als sein letztes Wort zu verstehen ist. Besteht noch Anlass zu der Vermutung eines Sinneswandels, können Abmahnung oder Fristsetzung ihre Funktion noch erfüllen und sind daher nicht entbehrlich. 308 Das Gleiche gilt bei dem (vertragswidrigen) Bestehen eines unveränderbaren Zustandes5. Das ist z.B. bei (nachträglichen) unbehebbaren Mängeln der Fall6 oder wenn der Vermieter weder rechtlich noch tatsächlich in der Lage ist, den Mangel zu beseitigen7. Die Ausnahme kommt auch in Betracht, wenn die Abhilfe eine zu lange Zeit in Anspruch nehmen würde oder für den Kündigenden unzumutbare Belastungen hervorruft8. Dies trifft bei angestiegenem Grundwasser in den Kellerräumen zu, wenn der Vermieter auch zukünftiges Eindringen nicht verhindern kann9. Auch der Betrieb einer Großbaustelle, die erhebliche Staub- und Lärmbeeinträchtigungen verursacht und noch länger als sechs Monate dauert, kann zu einer sofortigen Kündigung Anlass geben10, weil der Vermieter regelmäßig weder rechtlich noch tatsächlich in der Lage ist, die Einstellung der Großbaustelle herbeizuführen, und keine Möglichkeit besteht, für nachträgliche und wirksame Schallschutzmaßnahmen zu sorgen. 309 Auch das absolute Fixgeschäft macht – wie schon § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB zeigt – die Abmahnung oder Fristsetzung entbehrlich, weil die Leistung nicht nachgeholt werden kann. Indessen ist zu differenzieren, ob die Leistung insgesamt oder nur ein Teil unmöglich geworden ist. Ist nur die erste Zeit einer Vertragslaufzeit vergangen, ist aber die Restzeit des Vertrages erfüllbar, kommt eine Kündigung nicht ohne Abmahnung oder Fristsetzung in Betracht, wenn der Vermieter erfüllungsbereit und -fähig ist. 1 BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 91/10, MDR 2011, 909 = ZMR 2011, 783; LG Berlin v. 22.10.2010 – 63 S 690/09, GE 2010, 1623. 2 LG Berlin v. 22.10.2010 – 63 S 690/09, GE 2010, 1623; LG Berlin v. 3.8.2010 – 63 S 607/09, GE 2010, 1271. 3 LG Köln v. 20.8.2003 – 9 S 126/03, MietRB 2004, 35. 4 BGH v. 22.10.1975 – VIII ZR 160/74, MDR 1976, 217 = ZMR 1976, 46. 5 Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 80. 6 BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, MDR 2009, 793 = WuM 2009, 349 = ZMR 2009, 681. 7 LG Hamburg v. 4.7.1986 – 11 S 80/86, WuM 1986, 313 = MM 1986, Heft 10, 26. 8 RG v. 1.11.1918 – Rep. III 190/18, RGZ 94, 29; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 34 m.w.N. 9 OLG Düsseldorf v. 19.5.2005 – 10 U 196/04, OLGR Düsseldorf 2007, 103 = ZMR 2006, 923 = GE 2006, 1295; LG Köln v. 29.3.2012 – 1 S 176/11, ZMR 2012, 625 (6 Wochen noch laufende Trocknungsgeräte nach Wasserschaden). 10 LG Hamburg v. 4.7.1986 – 11 S 80/86, WuM 1986, 313 = MM 1986, Heft 10, 26.

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Auch die Art der Vertragsstörung kann das Abmahnerfordernis entfallen lassen1. 310 Dies gilt insbesondere bei kurzer Laufzeit und langer Mängelbeseitigungsfrist2. Ähnlich ist die Situation, wenn die Straße, an welcher ein Verkaufsgeschäft (z.B. Kiosk) liegt, zur Durchführung von mehrere Jahre dauernden U-Bahn-Bauarbeiten aufgebrochen und dadurch der Zugang zum Laden erheblich erschwert wird3. Namentlich können Ausnahmen entstehen bei 311 – einer Vertragsstörung durch eine Straftat4, – einer Erklärung des vorläufigen Insolvenzverwalters des Zwischenmieters, die Miete nicht mehr an die Eigentümer weiterzuleiten5, – unbehebbaren Mängeln6, – wenn der vertragsgemäße Zustand der Miet- oder Pachtsache nicht in angemessener Zeit hergestellt werden kann (z.B. schon ein Jahr andauernde Mängelbeseitigung dauert noch mehrere Monate)7. b) Sofortige Kündigung aus besonderen Interessen Die zweite Fallgruppe des § 543 Abs. 3 BGB umfasst besonders schwerwiegende 312 Vertragsverletzungen, welche auch nach früherer Rechtsprechung ausnahmsweise schon nach einmaliger Begehung eine Kündigung rechtfertigten, wenn die Vertrauensgrundlage des Vertrages endgültig zerstört ist8. Insbesondere wenn der Vertragsverletzung das Verhalten eines Dritten zugrunde liegt, sollte von einem Abmahnerfordernis ausgegangen werden9. Beispielsfälle für die Entbehrlichkeit der Abmahnung nach diesem Tatbestand bil- 313 den – der Schusswaffengebrauch des Mieters gegen Nachbarn10, – eine erweislich falsche Anschuldigung des Vermieters bei Behörden11, – eine in der Presse veröffentlichte schwere Beleidigung12, – eine vertragswidrige Bordell-Nutzung von Gewerberaum13, – Handel mit Drogen in der Wohnung oder im Hausflur14, – eine Hausfriedensstörung verbunden mit einem tätlichen Angriff auf eine andere Mietpartei15, – der Betrieb von Trocknungsgeräten für weitere 1,5 Monate zur Behebung eines Wasserschadens im Einzimmerappartment16, – unberechtigte Geltendmachung des Vermieterpfandrecht mit unbegründeter fristloser Kündigung und Behinderung des vertragsgemäßen Gebrauchs17. Ob eine unberechtigte Stromentnahme stets einen Straftatbestand (§ 248c StGB) 314 darstellt, der gem. § 543 Abs. 3 Nr. 1 BGB den Verzicht auf das Abmahnungserfordernis rechtfertigt, wird nicht einheitlich gesehen. Ohne Abmahnung kommt eine Kün-

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BGH v. 28.11.1979 – VIII ZR 302/78, MDR 1980, 306 = NJW 1980, 777 = WuM 1981, 92. OLG Karlsruhe v. 11.3.1988 – 14 U 313/86, MDR 1988, 580 = ZMR 1988, 223. OLG Köln v. 9.5.1972 – 15 U 180/71, NJW 1972, 1814. AG Köln v. 19.7.2011 – 209 C 170/11, WuM 2012, 371. BGH v. 9.3.2005 – VIII ZR 394/03, MDR 2005, 1043 = WuM 2005, 401. BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, MDR 2009, 793 = WuM 2009, 349 = ZMR 2009, 681. OLG Düsseldorf v. 14.1.1993 – 10 U 88/92, DWW 1993, 99. BGH v. 11.2.1981 – VIII ZR 312/79, MDR 1981, 839. AG München v. 9.8.2002 – 473 C 18703/02, WuM 2004, 204. LG Berlin v. 23.7.1992 – 67 S 132/92, GE 1993, 207. LG Frankfurt v. 10.8.1993 – 2/11 S 142/93, WuM 1994, 15. LG Köln v. 7.4.1988 – 1 S 463/87, DWW 1988, 325. AG Berlin-Mitte v. 6.1.1994 – 3 C 552/93, GE 1994, 813. AG Pinneberg v. 29.8.2002 – 68 C 23/02, NZM 2003, 553. AG Münster v. 28.8.2006 – 48 C 1739/06, WuM 2007, 19. LG Köln v. 29.3.2012 – 1 S 176/11, ZMR 2012, 625. OLG Frankfurt v. 3.2.2012 – 2 U 122/11, ZMR 2012, 943.

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digung in Betracht, wenn der Mieter unberechtigt Strom entnommen hat, um sein Badezimmer aufzuheizen1. Das Gleiche soll gelten, wenn der Mieter mit dem gestohlenen Strom Kühlschrank und Telefon betrieben hat2. Dagegen soll wegen der unerheblichen Schädigung die Stromentnahme zum Betrieb der Beleuchtung seines Einzelkellers keine Ausnahme vom Abmahnerfordernis bilden, wenn der Mieter nur ein bis zwei Mal im Monat den Keller aufsucht und Licht einschaltet3. Dies ist zweifelhaft. Zwar ist auf den Einzelfall abzustellen. Ob das Ausmaß der Schädigung aber in solchen Fällen maßgeblich sein kann, muss bezweifelt werden. Allein die Tatsache, dass eine Strafnorm verletzt ist, macht die Warnfunktion der Abmahnung überflüssig. 315 Auf Mieterseite kommt die Ausnahme zur Anwendung, wenn dem Mieter das Abwarten bis zur Durchführung bzw. Beendigung der Mängelbeseitigung nicht zugemutet werden kann. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Erfolgslosigkeit einer Abmahnung von vornherein feststeht, weil der Vermieter weder rechtlich noch tatsächlich in der Lage ist, den Mangel zu beseitigen. Letzteres kommt z.B. bei einer störenden Großbaustelle in Betracht, bei der auch keine Möglichkeit besteht, für nachträgliche und wirksame Schallschutzmaßnahmen zu sorgen4. Auch bei einer Überschwemmung der Wohnung infolge Hochwasser kann die Abmahnung entbehrlich sein, weil nicht absehbar ist, wann der vertragsgemäße Zustand wiederhergestellt sein wird5. c) Zahlungsverzug 316 Der Zahlungsverzug ist zwar generell vom Abmahnerfordernis ausgenommen. Dennoch können sich davon Ausnahmen ergeben, wenn sich dem Vermieter der Schluss aufdrängen muss, dass die Nichtzahlung der Miete nicht auf Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit beruht6. C. Gewerberaummiete 317 Für die Gewerberaummiete gelten die in den Abschnitten A. und B. dargestellten Grundsätze regelmäßig entsprechend. Deshalb wurden auch schon wesentliche Beispielsfälle (§ 543 BGB ab Rz. 53 ff.) alphabetisiert aufgeführt. Dennoch bestehen einige Unterschiede: I. Wichtiger Grund 318 Für die Beurteilung des wichtigen Grundes nach § 543 Abs. 1 BGB oder die Prüfung der Regelbeispiele des Abs. 2 sind die gleichen Anforderungen wie in der Wohnraummiete zu stellen. Deshalb ist der Vermieter nicht berechtigt, den befristeten Mietvertrag außerordentlich zu kündigen, weil er das Objekt abreißen will und der Mieter der letzte Nutzer im Gebäude ist7. Denn dieser Sachverhalt begründet keinen wichtigen Grund. 1. Vertragliche Festlegung des wichtigen Grundes 319 Für die Gewerberaummiete ist anerkannt, dass § 543 Abs. 1 BGB in einem gewissen Rahmen disponibel ist8. Die Grenzen werden in §§ 138, 307 BGB gesehen und sollen dadurch bestimmt sein, dass der Vermieter bzw. der Verwender nicht über die Regelbeispiele des § 543 Abs. 2 BGB hinaus ein unbeschränktes außerordentliches Kündigungsrecht erhält9. Ist der Mieter der Verwender oder die treibende Kraft, gelten die-

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AG Potsdam v. 6.10.1994 – 26 C 205/94, WuM 1995, 40. LG Köln v. 17.3.1994 – 1 S 251/93, NJW-RR 1994, 909. KG v. 18.11.2004 – 8 U 125/04, NZM 2005, 254. LG Hamburg v. 4.7.1986 – 11 S 80/86, WuM 1986, 313. OLG Düsseldorf v. 19.5.2005 – 10 U 196/04, ZMR 2006, 923 = GE 2006, 1295. OLG Düsseldorf v. 25.3.2004 – 10 U 109/03, MDR 2004, 1234 = ZMR 2004, 570. OLG Dresden v. 3.12.2002 – 5 U 1270/02, WuM 2003, 32. OLG Hamm v. 4.11.1994 – 30 U 185/94, NJW-RR 1995, 750 = ZMR 1995, 248. Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 100.

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se Grundsätze entsprechend. Auch für ihn darf die Bindung an den Mietvertrag nicht beliebig sein. Vor diesem Hintergrund sind die Parteien aber insbesondere berechtigt, im Mietver- 320 trag weitere Fallgestaltungen, die einen wichtigen Grund bilden sollen, zu definieren oder Regelbeispiele des § 543 Abs. 2 BGB zu verschärfen1. Als individuelle Vereinbarung ist dies ohne weiteres zulässig2. Insbesondere bei formularmäßigen Bedingungen ist insoweit zu beachten, dass zu Lasten des Vertragspartners des Verwenders nicht von dem Abmahnerfordernis abgewichen wird und der Beispielsfall so bedeutend ist, dass er eine Zerstörung der Vertrauensgrundlage bildet. Denn eine in AGB erfolgte Festlegung von Kündigungsgründen, die noch innerhalb der Zumutbarkeitsgrenze liegen, ist mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar3. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die Parteien, die eine Pflicht 321 im Mietvertrag ausdrücklich regeln, dieser eine erhebliche Bedeutung beimessen4. Deshalb stellt die Missachtung solcher Pflichten in der Regel eine so massive Vertragsverletzung dar, dass daraus ein wichtiger Grund hergeleitet werden kann. Wird also bei der Aufzählung von wichtigen Gründen im Mietvertrag auf eine ausdrücklich geregelte Pflicht des Vermieters oder des Mieters Bezug genommen oder diese in der Aufzählung besonders geregelt, kann darin regelmäßig ein für die Annahme eines wichtigen Grundes ausreichendes Fallbeispiel gesehen werden. Diesen Anforderungen genügt insbesondere eine Klausel nicht, wonach dem Ver- 322 mieter ein Recht zur fristlosen Kündigung schon dann zustehen soll, wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Mieters bloß einzutreten droht. Eine nachhaltige Beeinträchtigung der Belange des Vermieters, die es für ihn unzumutbar macht, an dem Vertrag festzuhalten, wird erst dann angenommen, wenn sich eine Gefährdung seiner Ansprüche aus objektiven Umständen wie Maßnahmen der Zwangsvollstreckung oder Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergibt5. Das bloße Drohen ist hingegen so zu verstehen, dass der Vermieter die Kündigung schon bei der bloßen Befürchtung einer Vermögensverschlechterung beim Mieter erklären kann, ohne dass sich die Vermögensverschlechterung bereits tatsächlich äußerlich dokumentiert haben muss. Damit wird das Kündigungsrecht des Vermieters auf einen Zeitpunkt vorverschoben, zu dem die Leistungsfähigkeit des Mieters und damit auch die Erfüllung des Vertrags durch diesen lediglich potenziell und nicht bereits tatsächlich gefährdet ist6. Nicht zu beanstanden ist dagegen die Klausel, die dem Vermieter nach Abmahnung 323 u.a. die fristlose Kündigung zubilligt, wenn der Mieter den Betrieb untervermietet. Befindet sich die Formulierung aber in einem einheitlichen Mietvertrag über Gewerbe- und Wohnräume, beschränkt sie zugleich das Kündigungsrecht des Vermieters nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf die unbefugte Untervermietung der Gewerberäume7. Findet eine unzulässige Gebrauchsüberlassung der Wohnung statt, ist der Vermieter auf seine Rechte aus § 541 BGB beschränkt. 2. Vertragliche Regelungen zum Zahlungsverzug Durch Individualvertrag kann das Kündigungsrecht aus § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB auf den Fall erweitert werden, dass sich der Mieter mit einer Miete in Verzug befindet8.

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OLG Hamm v. 4.11.1994 – 30 U 185/94, NJW-RR 1995, 750 = ZMR 1995, 248. Oprée in Lindner-Figura u.a., Kap. 15 Rz. 230. BGH v. 8.10.1990 – VIII ZR 247/89, MDR 1991, 143 = NJW 1991, 102 = BGHZ 112, 279. BGH v. 2.10.1996 – XII ZR 65/95, WuM 1997, 217 = NJW 1997, 394. BGH v. 8.10.1990 – VIII ZR 247/89, MDR 1991, 143 = NJW 1991, 102 = BGHZ 112, 279; OLG Dresden v. 1.9.1999 – 8 U 1458/99, ZMR 2000, 375; Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, Anh. § 310 BGB Rz. 547; Stoffels in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, L 166. 6 LG Kiel v. 27.7.2009 – 18 O 68/09, NJW-RR 2010, 518. 7 OLG Hamm v. 4.11.1994 – 30 U 185/94, NJW-RR 1995, 750 = ZMR 1995, 248. 8 Oprée in Lindner-Figura u.a., Kap. 15 Rz. 230.

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§ 543 BGB

Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

Eine solche Erweiterung führt nicht dazu, dass der Rest des Kündigungstatbestandes ausgeschlossen wird. Dies ergibt sich schon aus einem Erst-Recht-Schluss. 325 Fraglich ist aber der umgekehrte Fall, wenn in einer enumerativen Aufzählung von wichtigen Gründen z.B. nur der Tatbestand des § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a 1. Alt. BGB genannt ist. Auch wenn dies im Ergebnis durch Auslegung ermittelt werden muss, sprechen gute Gründe für eine Beschränkung des Kündigungsrechts, also den Ausschluss der beiden weiteren Varianten. Denn es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, den einen Tatbestand besonders hervorzuheben, wenn ansonsten das Gesetz (uneingeschränkt) gelten soll. Deshalb sind derartige Regelungen grundsätzlich eng zu interpretieren1. 326 Formularvertraglich kann der Tatbestand nicht auf einen bloßen Rückstand, also einen unverschuldeten Zahlungsverzug beschränkt werden2. Andererseits kann der Tatbestand z.B. zu Lasten des Verwenders/Vermieters dadurch verschärft werden, dass die Kündigung nur nach vorheriger Fristsetzung zulässig sein soll3. Ist der Mieter Verwender, ist eine entsprechende Klausel wegen Verstoß gegen § 307 BGB unwirksam. 3. Nicht unerheblicher Rückstand i.S.v. § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BGB 327 Ein Verzug mit einem nicht unerheblichen Teil der Miete i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a 2. Alt. BGB liegt bei vereinbarter monatlicher Mietzahlung auch bei der Geschäftsraummiete jedenfalls dann vor, wenn der Rückstand den Betrag von einer Monatsmiete übersteigt4. Allerdings reicht ein solcher Rückstand für diesen Kündigungstatbestand nur aus, wenn er aus zwei aufeinanderfolgenden Zahlungszeiträumen (hier: Monaten) resultiert. Ein Rückstand, der diese Voraussetzung nicht erfüllt, weil er (auch) aus anderen Zahlungszeiträumen herrührt, rechtfertigt die außerordentliche fristlose Kündigung lediglich, wenn seine Höhe zwei Monatsmieten erreicht5. 328 Aus § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB folgt der Umkehrschluss, dass in der Gewerberaummiete auch ein Rückstand zur Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3a BGB reichen muss, der eine Monatsmiete nicht übersteigt. Eine starre Grenze lässt sich insoweit nicht festlegen. Sinn und Zweck des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist es vor allem, den Vermieter zu schützen, damit er seine Ausgaben, insbesondere seinen Kapitaldienst bestreiten kann6. Sobald die Miete einen fünfstelligen Eurobetrag erreicht, wird jeder darunterliegende Rückstand den Vermieter erheblich „schmerzen“ und er muss dann grundsätzlich auch die Möglichkeit haben, den Mietvertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen. 4. Aufrechnung nach § 543 Abs. 2 S. 3 BGB 329 Das Bestehen einer Aufrechnungsbeschränkung ist hier unbeachtlich. Liegt also z.B. ein wirksames Aufrechnungsverbot vor, das die Aufrechnung nur mit rechtskräftig festgestellten oder unstreitigen Forderungen zulässt, läuft eine Aufrechnung leer. 5. Kündigungssperre im Insolvenzverfahren 330 § 112 InsO, der auch bei Mietkauf gilt7, verbietet die Kündigung wegen Mietrückständen, die vor Beantragung des Insolvenzverfahrens aufgelaufen sind, in zwei Fällen, nämlich

1 Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 101. 2 Oprée in Lindner-Figura u.a., Kap. 15 Rz. 230. 3 BGH v. 25.3.1987 – VIII ZR 71/86, MDR 1987, 838 = NJW 1987, 2506 = BGH v. 15.4.1987 – VIII ZR 126/86, MDR 1987, 928 = NJW-RR 1987, 903. 4 BGH v. 23.7.2008 – XII ZR 134/06, MDR 2008, 1265 = ZMR 2009, 19. 5 BGH v. 23.7.2008 – XII ZR 134/06, MDR 2008, 1265 = ZMR 2009, 19. 6 BVerfG v. 15.3.1989 – 1 BvR 1428/88, NJW 1989, 1917. 7 OLG Düsseldorf v. 17.11.2008 – 24 U 51/08, ZMR 2009, 601.

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Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

§ 543 BGB

– wenn der Mieter bereits vor dem Insolvenzantrag mit den Mietzahlungen in Verzug geraten war, – wenn die Vermögensverhältnisse des Mieters sich verschlechtern. Die Vorschrift gilt auch für die private Wohnung des Schuldners und wirkt auch zugunsten eines Mitmieters1.

331

Da die unbedingte Kündigung als Willenserklärung mit ihrem Zugang beim Empfän- 332 ger wirksam wird (§ 130 BGB), bleiben bereits ausgesprochene Kündigungen, die vor dem Eingang des Insolvenzantrages beim Amtsgericht zugegangen sind, wirksam2. Andererseits wird dem Vermieter das schon entstandene Kündigungsrecht genommen, wenn zwar sämtliche Kündigungsvoraussetzungen bei Antragstellung vorlagen, er aber noch nicht gekündigt hatte3. Dies veranschaulicht der Sachverhalt der Entscheidung des KG vom 10.3.20034: Mit Schreiben vom12.1.2001 erklärte der Kläger gegenüber der Fa.A. die Kündigung wegen Zahlungsverzuges, sofern der Ausgleich des Rückstandes nicht bis zum 20.1.2001 erfolgt sei. Am 15.1.2001 wurde Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Fa.A. gestellt. Die Beklagte, die sich für Mietforderungen gegenüber dem Kläger verbürgt hat, ist der Auffassung, der Mietvertrag sei durch die Kündigung vom 12.1.2001 beendet. Die Erklärung vom 12.1.2001 ist als Kündigung unter einer zulässigen Bedingung (sog. Potestativbedingung) auszulegen, weil der Eintritt der Kündigungswirkung allein vom Willen des Mieters abhing. Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Kündigungssperre, die nach § 112 InsO mit der Antragstellung verbunden ist, ist auf den Eintritt der Bedingung (hier: 20.1.2001) abzustellen. Denn erst zu diesem Zeitpunkt hat die Kündigung Wirkung entfalten sollen. § 112 InsO verbietet aber Kündigungen wegen vor Antragstellung aufgelaufener Mietrückstände. Wenn bis zum 20.1.2001 aber ungewiss gewesen war, ob die Kündigung wirksam wurde, konnte der Eintritt der Bedingung nicht auf den Zeitpunkt des Zugangs zurückwirken, wenn inzwischen ein Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt wurde. Da der Kündigungsschutz des § 112 InsO bisherige Sanierungschancen erhalten soll, indem die wirtschaftliche Einheit im Besitz des Schuldners nicht vorzeitig auseinandergerissen wird5, ist es konsequent, die Rückwirkung der unter einer Potestativbedingung erklärten Kündigung zu verbieten, wenn zwischenzeitlich eine Antragstellung nach der InsO erfolgt ist. Der geschilderte Fall ist mit der (unbedingten) Kündigung unter Gewährung einer 333 dem § 569 Abs. 3 BGB nachgebildeten Schonfrist nicht vergleichbar6. Denn dabei hat der Mieter die Möglichkeit, die unbedingt eingetretenen Wirkungen der Kündigung nachträglich zu heilen. Hier greift die Sperre des § 112 InsO ebenso wenig ein wie in dem Fall, in dem der Vermieter die Kündigung wegen Zahlungsverzuges mit einer Kündigungsfrist ausspricht. Ob die Sperre auch für andere Kündigungsgründe, bei denen ein Zusammenhang mit 334 der Zahlungspflicht besteht (z.B. wegen unpünktlicher Mietzahlungen) gilt7, ist noch nicht geklärt. Für rückständige Nebenkostenforderungen soll sie jedenfalls nicht gelten8. Das Recht zur ordentlichen Kündigung und zur fristlosen Kündigung aus anderen als den in § 112 InsO genannten Gründen bleibt unberührt. Ist ein Treuhänder bestellt, der die Aufgaben des Insolvenzverwalters wahrnimmt 335 (§§ 80 Abs. 1, 108 f., 148, 304 Abs. 1, 313 InsO), ist er der richtige Kündigungsempfänger9.

1 2 3 4 5 6

AG Köln v. 11.9.2009 – 205 C 158/09, NZM 2010, 473. Franken, Rz. 175. Kübler/Prütting, § 112 InsO Rz. 8. KG v. 10.2.2003 – 8 U 140/02, KGR 2003, 740 = GE 2004, 104 = MietRB 2004, 73. Kübler/Prütting, § 112 InsO Rz. 1. Vgl. dazu MünchKomm/Eckert, § 112 InsO Rz. 21; Wimmer in Frankfurter Kommentar, § 112 InsO Rz. 8. 7 So Minuth/Wolf, NZM 1999, 289. 8 LG Karlsruhe v. 13.2.2003 – 5 S 149/02, NZM 2004, 137. 9 LG Karlsruhe v. 13.2.2003 – 5 S 149/02, NZM 2004, 137.

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§ 544 BGB

Vertrag über mehr als 30 Jahre

II. Abmahnung 336 Das Abmahnerfordernis nach § 543 Abs. 3 BGB gilt ohne Einschränkung auch im Gewerberaummietrecht. Ihm gleichgestellt ist die Fristsetzung. 337 Keine Abmahnung ist z.B. erforderlich, wenn der Mieter sich weigert, dem Vermieter Einsicht in die testierten Jahresabschlüsse und andere Umsatznachweise zu gewähren, obwohl die Parteien eine Umsatzmiete vereinbart haben und sich der Mieter zur Meldung der Umsätze verpflichtet hat1.

§ 544 Vertrag über mehr als 30 Jahre Wird ein Mietvertrag für eine längere Zeit als 30 Jahre geschlossen, so kann jede Vertragspartei nach Ablauf von 30 Jahren nach Überlassung der Mietsache das Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen. Die Kündigung ist unzulässig, wenn der Vertrag für die Lebenszeit des Vermieters oder des Mieters geschlossen worden ist. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV. V. B. I. 1. 2.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Sinn und Zweck der Vorschrift . Abweichende Vereinbarung . . . Darlegungs- und Beweislast . . .

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Wohnraummiete . . . . . . . . Laufzeit des Mietvertrages 30-Jahres-Frist . . . . . . . . . . Wirksame Vereinbarung . . a) § 575 BGB . . . . . . . . . . .

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11 11 11 17 18

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C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . I. Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verträge auf Lebenszeit . . . . . . . . . . .

43 46 47

II. 1. 2. III. 1. 2. 3.

b) Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Formularmäßige Vereinbarungen Kündigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigungsbeschränkung . . . . . . . . Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . Verträge auf Lebenszeit . . . . . . . . . . Begründung der Lebenszeitabrede . Wirksamkeit der Abrede . . . . . . . . . . Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Die Norm erfasst alle Mietverträge, deren Laufzeit mehr als 30 Jahre beträgt. Für diese Verträge wird angeordnet, dass sie ab dem 31. Vertragsjahr außerordentlich kündbar sind, sofern sie nicht auf Lebenszeit geschlossen wurden. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung gilt grundsätzlich für beide Parteien, also für Vermieter und Mieter. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 2 Die Bestimmung gilt für die Miete und entsprechend für die Pacht (§ 581 Abs. 2 BGB) einschließlich Untermiete und Unterpacht sowie für miet- und pachtähnliche Rechtsverhältnisse2. Das Sonderkündigungsrecht greift auch bei Verträgen, die dem Berech1 LG Berlin v. 25.3.2011 – 12 O 449/10, GE 2011, 690. 2 BGH v. 17.4.1996 – XII ZR 168/94, MDR 1996, 784 = NJW 1996, 2028 = WuM 1996, 476 = ZMR 1996, 424; RG v. 30.3.1928 – III 504/26, RGZ 121, 11.

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Vertrag über mehr als 30 Jahre

§ 544 BGB

tigten die Möglichkeit einräumen, Versorgungsleitungen durch ein fremdes Grundstück zu führen1. Ist das Entgelt im Voraus in einer Summe bezahlt worden, greift ggf. § 547 BGB. Die Regelung ist auch auf Vorverträge anwendbar2. Der Gegenmeinung3 ist zwar zu- 3 zugeben, dass § 544 BGB zunächst die Verfügungsbefugnis des Vermieters schützen will und diese unmittelbar durch einen Vorvertrag nicht beeinträchtigt wird. Der Vermieter ist aber auch durch einen Vorvertrag in seiner Verfügungsgewalt insoweit eingeschränkt, als dass er nur noch Miet- oder sonstige Nutzungsverträge über das Mietobjekt abschließen kann, die eine Realisierung des Anspruchs aus dem Vorvertrag nicht verhindern. Diese Beschränkung wird auch vom Schutzzweck des § 544 BGB erfasst. Ob eine analoge Anwendung auf andere Vertragstypen (z.B. Leihe) in Betracht 4 kommt4, ist zweifelhaft. Auch wenn der Zweck der Vorschrift bei anderen Überlassungsverträgen ebenso relevant sein kann, ist doch zu bedenken, ob das Gesetz den Fall nicht bereits geregelt hat. Dies ist für die Leihe in § 605 BGB geschehen. Danach kann der Entleiher die Sache jedenfalls dann zurückfordern, wenn er sie benötigt, und zwar auch bei einer Befristung und insbesondere bei Abschluss auf Lebenszeit5. 2. Anwendbare Rechtsprechung Gegenüber § 567 BGB in der Fassung bis zur Mietrechtsreform 2001 hat es zum 5 1.9.2001 keine inhaltlichen Änderungen gegeben. Vielmehr haben nur sprachliche Anpassungen stattgefunden. So wurde der Wortlaut wegen der neuen einheitli chen Terminologie für die verschiedenen Kündigungsarten („außerordentlich mit der gesetzlichen Frist“) geändert. Durch eine weitere sprachliche Umformulierung wurde zudem ausdrücklich klargestellt, dass die Kündigung erst nach Ablauf von dreißig Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt der (vereinbarten) Überlassung der Mietsache, möglich ist. Dies macht deutlich, dass die Rechtsprechung zu § 567 BGB in der Fassung aus der Zeit vor dem 1.9.2001 ohne Weiteres heute noch angewendet werden kann. Deshalb gibt es auch keine Überleitungsvorschrift zu § 544 BGB.

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III. Sinn und Zweck der Vorschrift Durch § 544 BGB soll die Verfügungsgewalt des Vermieters geschützt werden6. Spä- 7 testens nach 30 Jahren soll er die Möglichkeit haben, die Sache zurückzuerhalten, so dass der Mieter sich nicht als „Erbmieter“ oder in einem vergleichbaren Verhältnis fühlen kann7. Der Gesetzgeber8 geht davon aus, dass nach dieser Zeit die Schwelle zur ewigen Nutzung im Sinne eines Gewohnheitsrechts überschritten wird. Praktische Bedeutung gewinnt dieser Zweck vor allem bei Verträgen, bei denen die Parteien erheblich investieren oder die dem Nutzer seine Existenz sichern. IV. Abweichende Vereinbarung Die Vorschrift enthält zwingendes Recht9. Verträge, die gegen § 544 BGB verstoßen, sind gültig, erhalten nur ohne Rücksicht auf den Willen der Vertragsparteien mit Be-

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BGH v. 8.7.1993 – III ZR 146/92, NJW 1993, 313. Staudinger/Emmerich, § 544 BGB Rz. 2. Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 BGB Rz. 13; MünchKomm/Bieber, § 544 BGB Rz. 2. Dafür: OLG Celle v. 29.6.1994 – 20 U 9/94, NJW-RR 1994, 1473; Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 3. Vgl. Erman/Graf v. Westphalen, § 605 BGB Rz. 2. Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 BGB Rz. 1. BGH v. 27.11.2003 – IX ZR 76/00, MDR 2004, 439 = ZMR 2004, 328; BGH v. 20.5.1994 – V ZR 292/92, MDR 1994, 796 = WuM 1994, 460 = ZMR 1994, 457. Motive II, S. 413. BGH v. 27.11.2003 – IX ZR 76/00, ZMR 2004, 328; OLG Hamm v. 11.6.1999 – 30 U 238/98, NZM 1999, 753 (jeweils zu § 567 BGB a.F.).

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§ 544 BGB

Vertrag über mehr als 30 Jahre

zug auf die Vertragsdauer einen anderen Inhalt1, solange nicht eine Gesamtunwirksamkeit über § 139 BGB angenommen werden muss. 9 Eine abweichende Vereinbarung liegt auch vor, wenn § 544 BGB erst nach einer Laufzeit von mehr als 30 Jahren anwendbar sein soll2 oder die Ausübung der Kündigung erschwert wird. Letzteres ist der Fall, wenn der Mietvertrag vorsieht, dass sich die Kündigungsfrist nach 30 Jahren gegenüber der gesetzlichen Frist verlängert3. V. Darlegungs- und Beweislast 10 Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Kündigungsbeschränkung muss derjenige darlegen und beweisen, der sich auf § 544 BGB beruft. Das ist in der Regel der Kündigungsempfänger. B. Wohnraummiete I. Laufzeit des Mietvertrages 1. 30-Jahres-Frist 11 § 544 BGB setzt voraus, dass der Mietvertrag für eine längere Zeit als 30 Jahre abgeschlossen wurde. Dabei ist die Vertragszeit, also gerechnet ab (vereinbartem) Vertragsbeginn, und nicht das Kalenderjahr maßgeblich4. Auch eine vor Vertragsbeginn liegende Überlassung (etwa zur Durchführung von Renovierungsarbeiten) ist nicht mitzurechnen5. 12 Davon sind zunächst Mietverträge erfasst, in denen von vorneherein eine Laufzeit von mehr als 30 Jahren festgelegt worden ist. Weiter unterfallen der Vorschrift aber auch Verträge mit unbestimmter Dauer, bei denen für einen oder beide Teile die Kündigung für diese Zeit ausgeschlossen6 wurde. Dies tritt auch ein, wenn die Kündigung des Vermieters solange ausgeschlossen ist, wie der Mieter die Mietsache nutzt7. 13 Schließlich unterliegen dem Anwendungsbereich jene Verträge, die über eine oder mehrere Verlängerungsoptionen die maßgebliche Laufzeit erreichen8. Sind im Mietvertrag Verlängerungsoptionen und Verlängerungsautomatik geregelt, kann der Mieter grundsätzlich eine (weitere) Option nicht ausüben, wenn inzwischen die Verlängerungsautomatik in Kraft getreten ist9. Bei einem Mietvertrag mit einer Grundmietzeit von 15 Jahren und einem Optionsrecht des Mieters über eine Fortführung des Vertrages für insgesamt weitere 15 Jahre kann eine Klausel, nach der sich das Mietverhältnis nach Ablauf der Mietzeit (einschließlich der Optionszeiträume) jeweils um fünf Jahre verlängert, falls es nicht seitens einer Vertragspartei gekündigt wird, dahingehend auszulegen sein, dass mit „Ablauf der Mietzeit“ der Ablauf der gesamten möglichen Mietzeit von 30 Jahren gemeint ist10. 14 Daneben kommt auch ein Mietvertrag unter einer auflösenden Bedingung in Betracht, wenn das bestimmte Ereignis, auf das zumindest eine Partei keinen Einfluss hat, erst später als 30 Jahre nach Abschluss des Vertrags eintreten kann11.

1 BGH v. 27.9.1951 – I ZR 85/50, LM § 581 BGB Nr. 2; RG v. 14.6.1907 – III 12/07, RGZ 66, 216, 218; RG v. 20.10.1930 – VIII 229/30, RGZ 130, 143, 146. 2 Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 25. 3 OLG Frankfurt v. 21.1.1999 – 4 U 61/98, NZM 1999, 419. 4 OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 214/00, ZMR 2002, 189 (190); Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 17. 5 Schach in Kinne/Schach/Bieber, § 544 BGB Rz. 2. 6 OLG Hamm v. 11.6.1999 – 30 U 238/98, NZM 1999, 753; OLG Frankfurt v. 21.1.1999 – 4 U 61/98, NZM 1999, 419. 7 LG Stuttgart v. 26.3.1992 – 16 S 384/91, WuM 1992, 438 = NJW-RR 1992, 908. 8 BGH v. 27.11.2003 – IX ZR 76/00, ZMR 2004, 328; MünchKomm/Bieber, § 544 BGB Rz. 4. 9 OLG Düsseldorf v. 6.9.2007 – 10 U 25/07, ZMR 2008, 785 m.w.N. 10 OLG Hamm v. 21.12.2010 – 7 U 33/10, InfoM 2011, 170 (171). 11 BGH v. 20.2.1992 – III ZR 193/90, NJW-RR 1992, 780.

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Vertrag über mehr als 30 Jahre

§ 544 BGB

Wird die maßgebliche Bindung erst in einem Nachtrag geregelt, beginnt die 30-Jah- 15 res-Frist erst mit Abschluss dieser Vereinbarung1. Die bis dahin aufgelaufene Vertragszeit wird nicht hinzugerechnet2. Das Gleiche gilt für jede freiwillige Verlängerung eines Mietvertrages oder den Abschluss mehrerer aufeinander folgender Mietverträge3. Der Vermieterwechsel (§ 566 BGB) bleibt grundsätzlich ohne Einfluss auf die Berechnung der relevanten Laufzeit4. § 544 BGB ist nicht anzuwenden, wenn die Kündigung an sich möglich, aber durch 16 Entschädigungspflicht oder andere wirtschaftliche Nachteile erschwert ist5. Dann hätte der Gesetzgeber zum 1.9.2001 diesen Tatbestand aufnehmen müssen. Es bleibt jedoch zu prüfen, ob nicht in der Festlegung übermäßiger Erschwernisse eine unzulässige Umgehung des § 544 BGB liegt: Auch eine Unwirksamkeit nach § 138 BGB kommt in Betracht. 2. Wirksame Vereinbarung Einer außerordentlichen Kündigung bedarf es nur, wenn die Befristung als solche 17 wirksam ist. Eine längere als die 30-jährige Laufzeit als solche führt noch nicht zur (Teil-)Unwirksamkeit, sondern nur zur Kündbarkeit des Vertrages nach 30 Jahren6. a) § 575 BGB Diese Norm bestimmt in ihrem Abs. 1 S. 2, dass eine zeitliche Befristung, die nicht 18 aus einem der in § 575 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–3 BGB genannten Gründe vereinbart wird, unwirksam ist und der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt. Demnach kann – abgesehen von Verträgen aus der Zeit vor dem 1.9.2001 – auch eine außerordentliche Kündigung nach § 544 BGB nur in Betracht kommen, wenn die Befristung § 575 BGB standhält. Zum Einfluss von § 544 S. 2 BGB vgl. § 544 BGB Rz. 34 ff. b) Schriftform Liegt in der Schriftform ein konstitutives Element der Einigung (§ 154 Abs. 2 BGB), 19 ist der Vertrag im Zweifel unwirksam, wenn die Schriftform nicht beachtet ist (vgl. § 535 BGB Rz. 36 ff.). Die konstitutive Wirkung der Schriftform ist nach einer derart langen Laufzeit aber regelmäßig ohne Bedeutung, Denn bei einem Leistungsaustausch über 30 Jahre ist zumindest ein Mietvertrag durch schlüssiges Verhalten (Überlassung der Mietsache gegen Entgegennahme der Miete) zustande gekommen. Dann wirkt sich die fehlende Schriftform über § 550 BGB aus, so dass der Mietvertrag ordentlich gekündigt werden kann. Da die Vorschrift zumindest eine einseitige Bindung von mehr als einem Jahr voraus- 20 setzt, ist § 550 BGB zu beachten. Bei einem Verstoß ist die Befristung unwirksam und damit eine ordentliche Kündigung möglich. Neben den Schriftformmängeln, die in der Kommentierung zu § 550 BGB dargestellt wurden, kommt hier eine Unwirksamkeit der Befristung z.B. in Betracht, wenn die Parteien in Wirklichkeit den Willen hatten, einen Vertrag auf Lebenszeit des Mieters abzuschließen und dies, statt eine entsprechende Formulierung zu wählen, durch die Vereinbarung einer Laufzeit von 99 Jahren zum Ausdruck bringen wollten7.

1 BGH v. 17.4.1996 – XII ZR 168/94, MDR 1996, 784 = NJW 1996, 2028 = WuM 1996, 476 = ZMR 1996, 424; OLG Hamm v. 21.9.2001 – 30 U 54/01, NZM 2002, 218. 2 Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 19. 3 Fritz, Rz. 401 (der diese Art aufeinanderfolgender Verträge aber fälschlicherweise Kettenmietverträge nennt). 4 OLG Karlsruhe v. 21.12.2007 – 1 U 119/07, ZMR 2008, 533. 5 Lammel, § 544 BGB Rz. 14; a.A. Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 223. 6 BGH v. 7.11.1991 – IX ZR 3/91, NJW-RR 1992, 291. 7 OLG Frankfurt v. 22.4.1994 – 2 U 259/93, OLGR Frankfurt 1994, 146.

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Vertrag über mehr als 30 Jahre

c) Formularmäßige Vereinbarungen 21 Es ist streitig, ob eine Vertragslaufzeit von mehr als 30 Jahren formularmäßig vereinbart werden kann. Überwiegend wird dies mit dem Argument abgelehnt, in dieser langen Bindung liege eine unangemessene Benachteiligung des Mieters (§ 307 Abs. 1 BGB)1, wobei auch eine überraschende Klausel angenommen wird2. Jedenfalls soll eine Laufzeit von mehr als fünf Jahren unwirksam sein3. Andere sehen dagegen in der Länge der Laufzeitbindung auch unter dem Gesichtspunkt der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB kein Problem4. 22 Zunächst ist festzuhalten, dass das Gesetz selbst erst nach Ablauf von dreißig Jahren Anlass sieht, die Parteien im Hinblick auf eine vereinbarte Laufzeit zu schützen. Deshalb können geringere Laufzeiten grundsätzlich auch unter dem Gesichtspunkt des § 307 BGB ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht als solche beanstandet werden5. 23 Im Übrigen hängt richtigerweise die Antwort von der Art der Laufzeitvereinbarung und den wechselseitigen Interessen ab. Bei der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung oder einer Verlängerungsoption ist es schon kaum denkbar, dass eine formularmäßige Regelung zustande kommt. Denn die Laufzeit ist in der Regel bei Abschluss eines Vertrages ein so wesentlicher Gesichtspunkt, dass darüber verhandelt wird. Bei der Verlängerungsoption scheidet aber eine unangemessene Benachteiligung schon deshalb aus, weil sie für den Mieter grundsätzlich einen Vorteil bildet. Doch selbst wenn der Mieter Verwender i.S.v. § 305 BGB ist, kommt eine Benachteiligung des Vermieters nicht in Betracht. Immerhin sieht das Gesetz als Modell vor, dass Verträge eine Laufzeit von 30 Jahren haben können. Ein Verstoß gegen § 307 BGB kann dann allenfalls vorliegen, wenn weitere Benachteiligungen des Vermieters bestehen (z.B. fehlende Mietanpassungsmöglichkeit während der Laufzeit des Mietvertrages). 24 Andererseits ist unabhängig von der Verwendereigenschaft Unwirksamkeit anzunehmen, wenn der Vertrag für beide Parteien – selbst nach Ablauf von 30 Jahren – nur aus (jeweils) einem ausdrücklich geregelten Grund kündbar ist6. Das Gleiche gilt bei einem völligen Ausschluss des Kündigungsrechts jedenfalls dann, wenn nach der Art des Vertrages nur eine von vorneherein begrenzte Nutzung in Betracht kommt (Mietvertrag über Werbetafel)7. II. Kündigungsrecht 1. Kündigungsbeschränkung 25 Nach dem klaren Wortlaut kann erst nach Ablauf von 30 Jahren gerechnet ab Überlassung der Mietsache außerordentlich mit gesetzlicher Frist gekündigt werden. Mit der Überlassung ist nur dann die tatsächliche Invollzugsetzung des Mietverhältnisses gemeint, wenn der Mietvertrag mit der Übergabe beginnen sollte. Ansonsten kommt es auf den nach dem Vertrag maßgeblichen (vereinbarten) Beginn an8.

1 OLG Celle v. 16.8.1989 – 2 U 219/88, MDR 1990, 154; LG Kassel v. 29.7.1993 – 4 O 802/93, NJW-RR 1995, 269; Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 BGB Rz. 11; Staudinger/Emmerich, § 544 BGB Rz. 1. 2 Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 16. 3 Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 544 BGB Rz. 19. 4 OLG Hamm v. 15.11.1991 – 30 U 164/91, NJW-RR 1992, 270; LG Berlin v. 15.1.2002 – 65 S 559/00, NZM 2002, 947 (948); Bub/Treier/Bub, II Rz. 419. 5 OLG Jena v. 21.7.2005 – 1 U 114/05, OLGR-NL 2005, 265 = NJW-RR 2006, 809 (20 Jahre); LG Stuttgart v. 30.10.2009 – 19 O 181/08, DWW 2010, 189 (21 Jahre). 6 OLG Celle v. 16.8.1989 – 2 U 219/88, MDR 1990, 154. 7 LG Kassel v. 29.7.1993 – 4 O 802/93, NJW-RR 1995, 269. 8 OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 214/00, ZMR 2002, 189 (190); Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 18 m.w.N.

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§ 544 BGB

Das Kündigungsrecht kann vor Ablauf dieser Frist nicht wirksam ausgeübt werden1. 26 Sind die 30 Jahre abgelaufen, kann von dem Kündigungsrecht jederzeit Gebrauch gemacht werden. Die Kündigung muss nicht zum erstzulässigen Termin erklärt werden2. Immerhin steht das Recht beiden Parteien zu. Eine analoge Anwendung des § 575 Abs. 3 BGB, der dem Mieter einen Fortsetzungs- 27 anspruch einräumt, scheidet aus3. Insoweit fehlt es nicht nur an der planwidrigen Lücke für eine Analogie. Vorrangig kommt zum Tragen, dass ein solcher Anspruch dem Sinn und Zweck des § 544 BGB zuwiderlaufen würde. Im Allgemeinen ist das Berufen darauf, die Kündigung nach § 544 BGB sei eine unzulässige Rechtsausübung, nicht möglich4. Denn die Vorschrift gibt ja gerade vor, dass jede Partei nach einer Laufzeit von 30 Jahren mit der Kündigung des anderen Vertragspartners rechnen muss5.

28

Schließlich ist § 575a Abs. 1 BGB zu beachten, so dass auch nach 30 Jahren eine 29 außerordentliche Kündigung des Vermieters grundsätzlich nur bei Bestehen eines berechtigten Interesses zulässig ist (§ 573 BGB)6 und die Kündigung begründet werden muss. Durch den beschränkten Verweis in § 575a BGB auf § 573a BGB soll die Teilkündigung nach § 573b BGB nicht ausgeschlossen werden. Insoweit ist die außerordentliche Kündigung gerade ohne ein berechtigtes Interesse möglich. 2. Kündigungsfrist Für die Kündigungsfrist gilt § 575a Abs. 3 BGB und damit die gesetzliche Drei-Mo- 30 nats-Frist, sofern nicht Wohnraum i.S.v. § 549 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliegt. Allerdings findet § 573a Abs. 1 S. 2 BGB keine Anwendung (§ 575a Abs. 3 S. 2 BGB) und tritt auch sonst keine Verlängerung der Frist ein. III. Verträge auf Lebenszeit 1. Begründung der Lebenszeitabrede Die Regelung in § 544 S. 2 BGB gilt nur für natürliche Personen. Denn juristische Per- 31 sonen haben kein Leben und damit auch keine Lebenszeit. Ein Mietvertrag auf Lebenszeit ist anzunehmen, wenn der Mietvertrag mit dem Tod 32 von Vermieter oder Mieter enden soll7. Diese Form der Befristung kommt aber noch nicht durch eine zeitliche Bestimmung zustande, von der die Parteien wissen, dass der Mieter das Ende der vereinbarten Mietzeit nicht erleben wird (Vertrag über 99 Jahre)8. Der Vertrag auf Lebenszeit kann auch nicht durch erbrechtliche Zuwendung (z.B. Wohnrecht im Wege des Vermächtnisses) begründet werden9. Solange nicht in Vollzug dieser Zuwendung ein Mietvertrag auf Lebenszeit geschlossen wird, besteht allein ein erbrechtliches Verhältnis zwischen Erben und Vermächtnisnehmer. 2. Wirksamkeit der Abrede Abgesehen davon, dass die Schriftform des § 550 BGB zu beachten ist, sind Verträge 33 auf Lebenszeit in jedem Fall wirksam, wenn sie vor dem 1.9.2001 geschlossen wurden, und zwar auch gegenüber dem Erwerber10. Denn Art. 229 § 3 EGBGB regelt zwar insoweit keine besondere Übergangsvorschrift, so dass nach Art. 11 MRRG die aktuel-

1 BGH v. 10.2.1994 – IX ZR 109/93, NJW 1994, 1473; OLG Hamm v. 29.11.1996 – 30 U 109/96, ZMR 1997, 182. 2 BGH v. 20.2.1992 – III ZR 193/90, WuM 1992, 318 = NJW-RR 1992, 780. 3 Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 22. 4 BGH v. 20.11.1967 – VIII ZR 92/65, BB 1967, 1451. 5 Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 20. 6 A.A. Schach in Kinne/Schach/Bieber, § 544 BGB Rz. 2. 7 Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 24. 8 OLG Frankfurt v. 22.4.1994 – 2 U 259/93, OLGR 1994, 146. 9 Staudinger/Emmerich, § 544 BGB Rz. 11. 10 LG Hannover v. 19.12.1990 – 11 S 192/90, WuM 1991, 349.

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len Vorschriften auch auf Verträge anzuwenden sind, die am 1.9.2001 bereits bestanden. Indessen wird auch nach aktueller Rechtslage ein Mietvertrag auf Lebenszeit des Vermieters nicht durch § 575 Abs. 1 S. 2 BGB erfasst und kann daher auch nicht schon vorher ordentlich gekündigt werden. 34 Allerdings ist insoweit die Rechtslage umstritten. Eine Meinung geht davon aus, dass auch diese Verträge von § 575 Abs. 1 S. 2 BGB erfasst werden, weil die Befristungsgründe in § 575 Abs. 1 BGB abschließend geregelt sind1. Dem wird ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers entgegengehalten mit Hinweis darauf, dass mit der Anknüpfung an die Lebenszeit regelmäßig der Zweck verfolgt werde, ihm eine preisgünstige Wohnung zu sichern2, jedenfalls aber seinen Lebensmittelpunkt. Das Bestandsinteresse des Mieters werde aber durch § 575 BGB nicht geschützt, so dass Lebenszeitverträge wirksam seien3. Schließlich soll § 544 BGB als Spezialvorschrift zu § 575 BGB zu verstehen sein4. 35 Ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers ist zweifelhaft. Immerhin hat er sich am 1.9.2001 mit den Befristungsgründen inhaltlich auseinandergesetzt und ganz bewusst die einfache Befristung des § 564c BGB a.F. abgeschafft und in § 575 BGB einen abschließenden Katalog ausreichender Befristungsgründe geschaffen. Auch für die Annahme einer Spezialität sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Schon die Stellung und der mangelnde Verweis in § 575 BGB sprechen gegen diese Annahme. § 544 S. 2 BGB kann aber unmittelbar in der Wohnraummiete angewendet werden5, weil er zunächst eine auflösende Bedingung (vgl. § 544 BGB Rz. 14) und damit keine Befristung im Sinne eines bestimmten Endtermins regelt6. Für Mietverträge, die unter einer auflösenden Bedingung geschlossen wurden, gilt aber § 572 Abs. 2 BGB. 36 Die Frage, ob ein unter einer auflösenden Bedingung geschlossener Mietvertrag vor Bedingungseintritt ordentlich gekündigt werden kann, ist namentlich umstritten. Nach einer Auffassung sind solche Verträge wie andere unbefristete Mietverhältnisse zu behandeln mit der Folge, dass sie vor Bedingungseintritt ordentlich gekündigt werden können7. Nach anderer Auffassung sind solche Verträge nicht ordentlich kündbar; denn mit der Aufnahme der Bedingung solle nicht eine Lösungsmöglichkeit zusätzlich zum Kündigungsrecht geschaffen, sondern der Bestand des Vertrags einzig vom Eintreten der Bedingung abhängig gemacht werden8. Nach einer dritten Auffassung ist auf den beim Vertragsschluss zum Ausdruck kommenden Willen der Parteien abzustellen. Solle die auflösende Bedingung der alleinige Grund für die Vertragsbeendigung sein, sei das Nutzungsverhältnis vor Eintritt der Bedingung grundsätzlich nicht ordentlich kündbar. Sei die auflösende Bedingung dagegen nur als spätestmöglicher Beendigungszeitpunkt bestimmt, könne das Nutzungsverhältnis auch schon vor Bedingungseintritt ordentlich gekündigt werden9. 37 Der zuletzt dargestellten Meinung gebührt der Vorzug10. Unter einer auflösenden Bedingung geschlossene Mietverträge sind als unbefristete Verträge zwar grundsätzlich ordentlich kündbar. Die Vertragsparteien sind jedoch nicht gehindert, die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung auszuschließen. Ein solcher Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung kann auch schon in der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung als solcher zu finden sein. Dies ist allerdings nur dann der Fall,

1 MünchKomm/Häublein, § 575 BGB Rz. 11; Staudinger/Rolfs, § 575 BGB Rz. 8; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 544 BGB Rz. 6; Hinz, NZM 2003, 659 (662). 2 Blank/Börstinghaus, § 575 BGB Rz. 87. 3 Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 BGB Rz. 4. 4 Schmidt-Futterer/Streyl, § 563 BGB Rz. 12. 5 Vgl. BGH v. 12.10.2011 – VIII ZR 50/11, GE 2011, 1614. 6 Vgl. dazu auch BGH v. 22.12.2003 – VIII ZR 81/03, WuM 2004, 157 = ZMR 2004, 251 = NZM 2004, 216 = MietRB 2004, 161. 7 Palandt/Weidenkaff, § 572 BGB Rz. 5. 8 Vgl. etwa Lammel, § 572 BGB Rz. 13 m.w.N. 9 Staudinger/Rolfs, § 572 BGB Rz. 11 f. m.w.N.; ähnlich auch Schmidt-Futterer/Blank, § 572 BGB Rz. 13. 10 BGH v. 1.4.2009 – XII ZR 95/07, MDR 2009, 795 = GuT 2009, 108 = NZM 2009, 433.

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wenn die Parteien mit der auflösenden Bedingung die Beendigung des Nutzungsverhältnisses – vorbehaltlich des Eintritts außerordentlicher Kündigungsgründe – abschließend regeln und nicht nur einen Zeitpunkt festlegen wollten, zu dem das Nutzungsverhältnis in jedem Falle – also unbeschadet der Möglichkeit einer früheren Auflösung – enden sollte. Ob der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung eine solche weitergehende, das ordentliche Kündigungsrecht ausschließende Bedeutung zukommt, hat im Streitfall diejenige Vertragspartei darzulegen und zu beweisen, die sich auf diese Bedeutung beruft. Soweit der Mietvertrag nichts anderes regelt, kommt es bei mehreren Personen als 38 Vermieter oder Mieter auf den Tod des Längstlebenden an1. Solange besteht die Kündigungssperre des § 544 S. 2 BGB. Nach dem Ableben des Längstlebenden auf Mieterseite finden die §§ 563 ff. BGB Anwendung. 3. Rechtsfolge Liegt eine wirksame Lebenszeitabrede vor, besteht ein auflösend befristeter Mietver- 39 trag2. Mit Rücksicht darauf endet der Mietvertrag grundsätzlich mit dem Tod des Mieters. Dieses Ergebnis kollidiert nicht mit § 572 Abs. 2 BGB. Denn der Mietvertrag auf Le- 40 benszeit ist nicht auflösend bedingt. Es fehlt an dem für eine Bedingung maßgeblichen Schwebezustand. Das Ereignis, an das die Laufzeit geknüpft ist, steht von vorneherein fest3. Deshalb ist von einer Befristung auszugehen. Den Belangen derjenigen Personen, die mit dem verstorbenen Mieter in der Miet- 41 wohnung als Ehegatte, Partner einer Lebenspartnerschaft oder einer eheähnlichen Gemeinschaft oder Familienangehörige einen gemeinsamen Hausstand geführt und in gleicher Weise wie der Mieter den Mittelpunkt ihrer Lebens- und Wirtschaftsführung in dieser Wohnung hatten, soll dadurch Rechnung getragen werden können, das ihnen in entsprechender Anwendung von § 563 BGB ein Fortsetzungsanspruch eingeräumt wird4. Nur dem dem Hausstand des Mieters nicht angehörenden Erben soll die Möglichkeit verschlossen bleiben, das Mietverhältnis fortzusetzen, weil dieses mit dem Tod des Mieters endet und daher keine Rechtsstellung auf den Erben übergeht, die im Rahmen des für den Erblasser geltenden Bestandsschutzes5 einen Fortsetzungsanspruch begründen könnte. Diese Rechtsauffassung ist überholt. Der Gesetzgeber hat zwar am 1.9.2001 § 544 42 BGB nur sprachlich und nicht inhaltlich reformiert (vgl. § 544 BGB Rz. 5). Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass er sich von dem Regelungsgehalt der Vorgängervorschrift (§ 567 BGB a.F.) ein Bild verschafft und sich mit der Rechtslage zumindest anhand der bestehenden Rechtsentscheide vertraut gemacht hat6. Wenn er in dieser Situation keine Regelung für die durch §§ 563 ff. BGB begünstigten Personen schafft, diese Normen aber zugleich (für sich genommen) inhaltlich anpasst (vgl. § 563 BGB Rz. 6 f.), kann daraus nur der Schluss gezogen werden, dass er die Situation für § 544 BGB gerade nicht regeln wollte. Für eine Analogie fehlt es daher an der notwendigen planwidrigen Lücke. C. Gewerberaummiete Nicht erst seit dem 1.9.2001, der für die Wohnraummiete die Restriktion des § 575 43 BGB gebracht hat, liegt der Hauptanwendungsbereich des § 544 BGB in der Gewer1 2 3 4

Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 24. Staudinger/Emmerich, § 544 BGB Rz. 13. BayObLG v. 2.7.1993 – RE-Miet 5/92, MDR 1993, 972 = WuM 1993, 523 = ZMR 1993, 462. BayObLG v. 2.7.1993 – RE-Miet 5/92, MDR 1993, 972 = WuM 1993, 523 = ZMR 1993, 462; Bub/ Treier/Grapentin, Kap. IV Rz. 260. 5 Vgl. BayObLG v. 4.12.1984 – 1 ZS RE-Miet 2/84, BayObLGZ 1984, 279 (282); OLG Hamburg v. 21.9.1983 – 4 U 42/83, NJW 1984, 60 (61); OLG Karlsruhe v. 29.12.1989 – 3 ReMiet 2/89, WuM 1990, 60 (61). 6 Ähnlich für § 577a BGB: BGH v. 27.6.2007 – VIII ZR 271/06, WuM 2007, 515.

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beraummiete. Denn hier sind lange Laufzeiten üblich, insbesondere Verlängerungsoptionen und Kettenmietverträge, bei denen sich die Laufzeit automatisch auf bestimmte Zeit verlängert, wenn nicht gekündigt oder widersprochen wird. 44 In der Regel sind beide Parteien im Hinblick auf ihre Investitionen, ihren Standort oder sonstige Gesichtspunkte an einer langen Laufzeit interessiert. Das ist bei der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, einer formularmäßigen Laufzeit und ihrer Verlängerung zu berücksichtigen1. 45 Grundsätzlich ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber der Darstellung in Abschnitt A. und B. I. Kündigungsfrist 46 In der Gewerberaummiete bemisst sich die Frist der außerordentlichen Kündigung nach § 580a Abs. 4 BGB. Demnach kommt die Frist des § 580a Abs. 2 BGB zur Anwendung, die (vereinfacht ausgedrückt) sechs Monate zum Ende des Quartals beträgt. II. Verträge auf Lebenszeit 47 Da eine juristische Person keine Lebenszeit hat, kommt der Kündigungsausschluss nach § 544 S. 2 BGB nur zur Anwendung, wenn auf das Ableben einer natürlichen Person auf Vermieter- oder Mieterseite abgestellt wird. Die Anknüpfung an eine juristische Person insbesondere für den Fall der Insolvenz ist ausgeschlossen. Eine solche Regelung würde auch § 112 InsO widersprechen.

§ 545 Stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses Setzt der Mieter nach Ablauf der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache fort, so verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, sofern nicht eine Vertragspartei ihren entgegenstehenden Willen innerhalb von zwei Wochen dem anderen Teil erklärt. Die Frist beginnt 1. für den Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs, 2. für den Vermieter mit dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis erhält. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV. V.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Sinn und Zweck der Vorschrift . Abweichende Vereinbarung . . . Darlegungs- und Beweislast . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

1 1 3 3 6 8 9 12

B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beendigung des Mietvertrages . . . . . . II. Fortsetzung der Nutzung . . . . . . . . . .

13 13 15

1. 2. III. 1. 2. 3. 4. 5.

Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dauer der Nutzung . . . . . . . . . . . . Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausdrücklicher Widerspruch . . . . Konkludenter Widerspruch . . . . . Zwei-Wochen-Frist . . . . . . . . . . . . Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlüssige Fortsetzung des Mietvertrages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

15 22 23 23 30 32 36

...

38

C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . .

40

1 Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 544 BGB Rz. 21.

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A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Norm regelt die Rechtslage, wenn der Mieter trotz Beendigung des Mietvertrages 1 die Nutzung fortsetzt und keine Partei zum Ausdruck gebracht hat, dass damit kein Einverständnis besteht. Für diesen Fall ordnet § 545 BGB die Fortsetzung des Mietvertrages kraft Gesetzes, also unabhängig vom Willen der Parteien an. Ohne die angeordnete Verlängerung des Mietverhältnisses würde die erfasste Situati- 2 on, von den Vertragsparteien häufig unbemerkt, zu einem vertragslosen Zustand führen, dessen (rechtlich im Einzelnen umstrittene) Abwicklung nach Bereicherungsrecht oder den Grundsätzen über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 987 ff. BGB) nicht sachgerecht wäre und in den meisten Fällen auch dem mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien nicht entspräche1. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die allgemeine mietrechtliche Vorschrift ist auf alle Mietverhältnisse, insbesondere 3 auch über bewegliche Sachen und über Wohnraum, anwendbar. Für die Pacht kommt die Anwendbarkeit durch § 581 Abs. 2 BGB zustande. Die Landpacht ist von der Anwendung ausgeschlossen2. Gemäß § 4 Abs. 1 BKleingG greift sie auch auf Kleingartenpachtverträge3. Kein Anwendungsfall des § 545 BGB liegt vor, wenn die Parteien die sofortige Beendi- 4 gung des Mietvertrages vereinbaren, dem Mieter aber noch eine Räumungsfrist gewährt wird4. Denn aus dieser Konstellation ergibt sich zumindest ein schlüssiger Widerspruch des Vermieters. Immerhin beinhaltet die Vereinbarung eine Stundung des Räumungsanspruchs5. Das Gleiche gilt bei gerichtlichen Räumungsvergleichen6, in denen eine Beendigung des Mietvertrages geregelt ist. Ebenso ausgenommen sind regelmäßig außergerichtliche Vergleiche über eine Räumung7. Allerdings muss sowohl bei der gerichtlichen wie bei der außergerichtlichen Variante auf die Formulierung geachtet werden. Wird z.B. geregelt, dass der Mieter „Miete“ zahlen soll, liegt die Annahme des Abschlusses eines Mietvertrages nicht fern8. Auch die gerichtliche Anordnung von Räumungsfristen nach § 721 oder § 765a ZPO 5 führen nicht zur Anwendung des § 545 BGB9. Allerdings führt eine Verlängerung des Mietvertrages z.B. nach § 574 BGB dazu, dass nach Beendigung des Vertrages ein Widerspruch erfolgen muss, um die Rechtsfolge des § 545 BGB zu vermeiden10. Insoweit ist es unerheblich, ob die (befristete) Fortsetzung des Mietvertrages gerichtlich oder außergerichtlich zustande gekommen ist. 2. Anwendbare Rechtsprechung § 545 BGB hat den früheren § 568 BGB in seiner Fassung vor der Reform 2001 über- 6 nommen, wobei eine sprachliche Überarbeitung erfolgte. Die bis dahin als Fiktion formulierte Rechtsfolge wirkte nach Auffassung des Gesetzgebers11 sprachlich schwerfällig und die schlichte Anordnung der Verlängerung sollte mit geringerem 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Begr. d. RegE in Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 1147. OLG Köln v. 11.1.1990 – 23 U 9/89, AgrarR 1990, 263. BGH v. 25.1.1991 – V ZR 116/90, MDR 1991, 517 = WuM 1991, 276 = ZMR 1991, 213. Both in Herrlein/Kandelhard, § 545 BGB Rz. 8 m.w.N. Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 10. Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 10; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 879; a.A. Haase, ZMR 2001, 557 (559). Both in Herrlein/Kandelhard, § 545 BGB Rz. 8. Blank, NZM 2010, 31. MünchKomm/Bieber, § 545 BGB Rz. 7; Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 11. Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 11. Begr. d. RegE in Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 1147.

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sprachlichen Aufwand die gleiche Rechtsfolge zum Ausdruck bringen. Auch Satz 2 sollte im Hinblick auf den unterschiedlichen Fristbeginn für Mieter und Vermieter durch die Aufteilung in zwei Ziffern gegenüber der bisherigen Fassung nur äußerlich verändert werden1. 7 Dies macht deutlich, dass keine Änderung der Rechtslage gegenüber dem ehemaligen § 568 BGB eingetreten ist. Die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1.9.2001 ist also ohne Einschränkung anwendbar, soweit nicht die Rechtsentwicklung eine Einschränkung erzwingt. III. Sinn und Zweck der Vorschrift 8 Die Vorschrift bezweckt, einen vertragslosen Zustand zu verhindern und innerhalb kurzer Zeit, nämlich zwei Wochen nach Vertragsende, Klarheit für beide Vertragsteile zu schaffen, ob ein Vertrag fortbesteht2. Damit kommt ihr eine Ordnungs-, aber keine mieterschützende Funktion3 zu. Vielmehr dient die Bestimmung der Rechtssicherheit4. IV. Abweichende Vereinbarung 9 Die Vorschrift enthält nachgiebiges Recht und kann selbst bei der Wohnraummiete durch Formularvertrag abbedungen werden5. 10 Insoweit soll allerdings der bloße Hinweis, dass die Vorschrift als solche nicht gelte, nicht ausreichen, § 305c BGB6. Ein wirksamer Ausschluss soll daher (formularmäßig) nur erreicht werden können, wenn neben der Vorschrift in der vertraglichen Regelung auch der entsprechende Sachverhalt beschrieben wird, der von § 545 BGB erfasst wird („Eine Verlängerung des Mietvertrages durch widerspruchslose Fortsetzung der Nutzung nach § 545 BGB wird ausgeschlossen.“). 11 Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Durch die Fiktion, dass gesetzliche Vorschriften seit ihrer Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt (o.Ä.) allgemein wahrgenommen werden7, kann auch unterstellt werden, dass dem Mieter der Inhalt des § 545 BGB bekannt ist8. Wenn er diese Norm nun im Mietvertrag liest, hat er keine Verständnisprobleme. Abgesehen davon enthält jeder halbwegs durchdachte Mustervertrag den Ausschluss, so dass eigentlich das Gegenteil überraschend ist. V. Darlegungs- und Beweislast 12 Die Gebrauchsfortsetzung durch den Mieter muss derjenige beweisen, der sich auf Vertragsverlängerung beruft. Erklärung, Zugang und Rechtzeitigkeit des Widerspruchs muss derjenige beweisen, der trotz der Gebrauchsfortsetzung die Vertragsbeendigung geltend macht. Behauptet der Mieter, der Vermieter habe vor dem von ihm eingeräumten Zeitpunkt Kenntnis von der Gebrauchsfortsetzung gehabt, muss er diesen Sachverhalt beweisen9.

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Begr. d. RegE in Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 1147. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, ZMR 1991, 291. Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 1 BGB. Begr. d. RegE in Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 1147. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, NJW 1991, 1750. OLG Schleswig v. 27.3.1997 – 4 RE-Miet 1/93, NJW 1995, 2858 = WuM 1996, 85 = ZMR 1996, 254; kritisch dazu Voelskow, ZMR 1996, 431; OLG Frankfurt v. 8.11.1999 – 20 REMiet 1/97, WuM 2000, 15; LG Berlin v. 8.7.1996 – 61 S 4/96, WuM 1996, 707; Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 28; Staudinger/Emmerich, § 545 BGB Rz. 12; Horst, Rz. 1419. 7 Both in Herrlein/Kandelhard, § 545 BGB Rz. 11; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 792. 8 OLG Köln v. 7.9.2012 – 1 U 50/11, zitiert nach juris; OLG Rostock v. 29.5.2006 – 3 U 167/05, ZMR 2006, 692 = NZM 2006, 692 = OLGR Rostock 2006, 740; LG Erfurt v. 29.2.2008 – 2 T 318/07, WuM 2008, 283. 9 OLG Saarbrücken v. 5.7.2007 – 8 U 655/05, OLGR Saarbrücken 2007, 736.

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B. Wohnraummiete I. Beendigung des Mietvertrages Die Vorschrift ist grundsätzlich auf jede Beendigung des Mietvertrages anwendbar, 13 unabhängig davon, ob sie durch Zeitablauf bzw. vom Mieter oder Vermieter z.B. durch Kündigung herbeigeführt worden ist. Selbst bei einer Anfechtung findet ein Ablauf der Mietzeit statt1. Bei der vereinbarten Mietaufhebung ist dies streitig. Hier wird die Anwendbarkeit 14 des § 545 ebenso befürwortet2 wie abgelehnt3. Richtigerweise muss differenziert werden4: Kommt in der Vereinbarung zum Ausdruck, dass nach Ablauf der (Rest-)Laufzeit § 545 BGB ausgeschlossen sein soll, ist die Norm nicht anwendbar. Dazu reicht natürlich der ausdrückliche Ausschluss. Daneben sind aber insbesondere Fälle denkbar, in denen die Parteien z.B. die Abwicklungsmodalitäten geregelt haben, so dass zum Ausdruck kommt, dass mit der vorgesehenen Beendigung das Abwicklungsstadium eintreten soll. Aber auch der Anlass der Vereinbarung kommt als Anhaltspunkt in Betracht, insbesondere wenn zuvor eine Situation bestand, die den Vermieter zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigte. Andernfalls, also vor allem in der bestimmten Verlängerung der (bisher befristeten) Mietzeit, kann § 545 BGB ohne weiteres angewendet werden, wenn sein Ausschluss nicht ausdrücklich und wirksam vereinbart wurde. II. Fortsetzung der Nutzung 1. Gebrauch Mit diesem Tatbestandsmerkmal wird lediglich an ein tatsächliches Verhalten des 15 Mieters angeknüpft5, so dass eine Anfechtung wegen fehlenden Fortsetzungswillens ausscheidet. Auf den Willen der Parteien, das Mietverhältnis fortzusetzen, kommt es nicht an. Zur Fortsetzung des Mietgebrauchs müssen Art und Umfang des Mietgebrauchs, wie 16 er bis zur Beendigung der Mietzeit ausgeübt wurde, auch über den Zeitpunkt der Beendigung hinaus aufrechterhalten bleiben6. Hat der Mieter also z.B. einen von mehreren Schlüsseln bereits abgegeben und die Mietsache geräumt, ist zwar möglicherweise eine Vorenthaltung i.S.v. § 546a BGB gegeben, eine Fortsetzung des Gebrauchs liegt aber nicht vor. Überhaupt verlangt eine Fortsetzung des Gebrauchs mehr als die bloße Vorenthaltung i.S.d. § 546a BGB7, für den abgesehen von subjektiven Voraussetzungen die bloße Nichterfüllung der Rückgabepflicht genügt. Dennoch muss der Mieter den Gebrauch aktiv betreiben8. Deshalb kommt die Rechtsfolge des § 545 BGB nicht in Betracht, wenn der Mieter zwar ausgezogen ist, aber seine Wohnungseinrichtung noch in den Mieträumen steht. Welche Motive der Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs verfolgt, ist unerheb- 17 lich9. Deshalb liegen die Voraussetzungen des § 545 BGB selbst dann vor, wenn der Mieter davon ausgeht, dass der Mietvertrag fortbesteht. Selbst die Gebrauchstauglichkeit ist für dieses Tatbestandmerkmal grundsätzlich ohne Bedeutung10. Allenfalls

1 Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 5. 2 Staudinger/Emmerich, § 545 BGB Rz. 4; Both in Herrlein/Kandelhard, § 545 BGB Rz. 16. 3 Lammel, § 545 BGB Rz. 10; Schmid/Harz, § 545 BGB Rz. 3; Palandt/Weidenkaff, § 545 BGB Rz. 2. 4 Vgl. auch Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 9. 5 BGH v. 9.4.1986 – VIII ZR 100/85, ZMR 1986, 274. 6 BGH v. 16.9.1987 – VIII ZR 156/86, MDR 1988, 225 = ZMR 1988, 18 = WuM 1988, 59 m.w.N. 7 BayObLG v. 1.9.1981 – AllgReg 58/81, MDR 1982, 56 = NJW 1981, 2759 = ZMR 1982, 16 = WuM 1981, 253. 8 Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 10. 9 Staudinger/Emmerich, § 545 BGB Rz. 8. 10 Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 10.

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wenn die Mietsache untergegangen ist (z.B. durch Zerstörung), kann es an der Fortsetzung des Gebrauchs fehlen1. 18 Auf die Zulässigkeit des Mietgebrauchs kommt es nicht an2. Insoweit können sowohl öffentlich-rechtliche Bestimmungen als auch die vereinbarte Nutzung als Hindernisse auftreten, ohne dass dadurch die Annahme des Tatbestandsmerkmals ausgeschlossen wird. 19 Ob die Nutzung durch einen von mehreren Mietern ausreicht, ist umstritten. Weil es sich inhaltlich nicht um den gleichen Gebrauch handelt, wird die Fortsetzung durch einen Mieter teilweise nicht als Fall des § 545 BGB gewertet3. Dagegen stellt die Gegenmeinung auf die äußere Situation4 ab und bejaht die Anwendbarkeit. Diese Sicht verdient den Vorzug. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, Klarheit zu schaffen, kann es nicht darauf ankommen, ob alle Mieter den Gebrauch fortsetzen. Dies wird jedenfalls der Vermieter von außen ohnehin nicht feststellen. Abgesehen davon reicht es aus, wenn ein Mieter widerspricht. Deshalb können die scheidenden (vertragstreuen) Mieter aus eigener Initiative für Klarheit sorgen. 20 Für die GbR gelten keine Besonderheiten5. Die gemeinschaftliche Vertretung nach §§ 709, 714 BGB verlangt nicht, dass der Gebrauch durch alle Gesellschafter fortgesetzt wird6. Maßgeblich ist, ob sich von außen die Situation so darstellt, dass der Mieter die Nutzung in gleicher Weise wie vor der Beendigung des Mietvertrages durchführt. 21 Eine Eigennutzung ist nicht erforderlich. Sowohl die Fortsetzung der Nutzung durch einen Untermieter als auch durch Ehegatten, Lebenspartner oder enge Familienangehörige als Personen, die keine Dritten i.S.v. §§ 540, 553 BGB sind, führt die Rechtsfolgen des § 545 BGB herbei7. Auch der innere Wille des Untermieters ist nicht relevant. Deshalb kommt eine Fortsetzung i.S.v. § 545 BGB in Betracht, wenn der Untermieter den Gebrauch unverändert fortsetzt, obwohl mit dem Hauptvermieter ein Mietvertrag geschlossen wurde, er aber nicht erklärt, diesen aktiv ausführen zu wollen8. Auch auf die Zulässigkeit der Untervermietung kommt es nicht an. Selbst wenn sie erst nach Beendigung des Mietvertrages erfolgt, inhaltlich aber der bisherigen Nutzung entspricht, setzt sich der Vertrag mangels Widerspruchs fort. 2. Dauer der Nutzung 22 Wie schon die Widerspruchsfrist deutlich macht, reicht eine bloße Überschreitung des Endtermins nicht aus. Vielmehr ist eine Nutzung von gewisser Dauer erforderlich. Dazu soll die Fortsetzung des Gebrauchs lediglich für eine Übergangszeit bis zu der schon für den nächsten Tag ins Auge gefassten Räumung nicht ausreichen9. Insoweit stellt die Widerspruchsfrist klare Anforderungen. Jeder fortgesetzte Gebrauch der Mietsache, der eine Dauer von 14 Tagen erreicht, führt die Rechtsfolge des § 545 BGB herbei. Darunterliegende Nutzungen genügen nicht. III. Widerspruch 1. Ausdrücklicher Widerspruch 23 Der gegen die gesetzlich angeordnete Verlängerung gerichtete Widerspruch wird durch formlose, empfangsbedürftige Willenserklärung zum Ausdruck gebracht. Eine besondere Form ist nicht vorgesehen, so dass sie auch mündlich oder in Textform abgegeben werden kann. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Koblenz v. 16.2.1989 – 5 U 1071/88, NJW-RR 1989, 1526 = BB 1989, 1997. BGH v. 16.9.1987 – VIII ZR 156/86, MDR 1988, 225 = ZMR 1988, 18 = WuM 1988, 59. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. IV 82; Staudinger/Emmerich, § 545 BGB Rz. 8. Lammel, § 545 BGB Rz. 15; Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB 14. A.A. Both in Herrlein/Kandelhard, § 545 BGB Rz. 22. Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 12. BGH v. 9.4.1986 – VIII ZR 100/85, MDR 1986, 1016 = ZMR 1986, 274 = WuM 1986, 281. OLG Düsseldorf v. 4.6.1992 – 10 U 147/91, MDR 1993, 45 = DWW 1992, 366. Staudinger/Emmerich, § 545 BGB Rz. 8.

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Der Widerspruch ist bedingungsfeindlich und darf auch keine Auflage enthalten1. Zu- 24 lässig sind aber stets sog. Potestativbedingungen, also Bedingungen, deren Eintritt vom Willen des Erklärungsempfängers abhängen. Deshalb kann der Vermieter z.B. bei einem einheitlichen Mietvertrag die Fortsetzung des Mietvertrages an die Rückgabe eines Teils der (einheitlichen) Mietsache knüpfen. Allerdings muss ein eindeutiger Wille, die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ab- 25 zulehnen, aus der Erklärung hervorgehen2. Dies ist bei ausdrücklicher Formulierung eines Widerspruchs („einer Verlängerung des Mietvertrages wird widersprochen“) unzweifelhaft. Aber auch eine Äußerung, die deutlich macht, dass der Erklärende in die Abwicklung des beendeten Mietvertrages eintritt (z.B. Angebot der Kautionsauszahlung oder deren Forderung), ist ausreichend. Dies kann z.B. dadurch geschehen, dass der Vermieter darauf hinweist, dass bei unterlassener Räumung Klage erhoben wird3. Ausreichend ist auch der Hinweis des Vermieters, dass weitere Mietzahlungen als Nutzungsentschädigung entgegengenommen werden4, oder die Bitte um Mitteilung des Räumungstermins bei gleichzeitigem Verlangen nach Bestätigung der Beendigung des Mietvertrages5. Daneben kommt ein für § 545 BGB ausreichender Widerspruch zweifelsfrei durch die 26 Erhebung6 oder die Aufrechterhaltung einer vorzeitigen Räumungsklage7 (vgl. § 259 ZPO) zum Ausdruck. Ebenso ausreichend ist der Klageabweisungsantrag gegenüber der Feststellungsklage des Mieters auf Fortbestand des Mietvertrages8 sowie die Aufforderung des Vermieters zur Rückgabe der Mietsache und zur Räumung des Mietobjekts9 spätestens innerhalb der Zwei-Wochen-Frist. Eine vergleichbare Erklärung liegt in der Gewährung einer Räumungsfrist. Der Mieter kann seinen Widerspruch dadurch zum Ausdruck bringen, dass er seine Auszugsbereitschaft unter Hinweis auf die mangelnde Bezugsfertigkeit seines neuen Domizils erklärt10. Wird von einer Partei der Fortsetzung des Mietverhältnisses im Rahmen von erfolg- 27 losen Verhandlungen über die Aufhebung des Mietvertrages widersprochen, soll dieser Erklärung nicht die Wirkung eines Widerspruchs i.S.v. § 545 BGB zukommen11. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Sie beruht noch auf dem Gedanken, dass der Widerspruch i.S.v. § 545 BGB in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Ablauf einer (langen) Kündigungsfrist erklärt werden muss12. Diese Sicht der Rechtslage hat der BGH ausdrücklich aufgegeben13. Auch die auf die Kündigung des Vermieters folgende Erklärung des Mieters, ein zu- 28 künftiger Mietvertrag könne nur noch über einen Teil der Räumlichkeiten zustande kommen, stellt einen Fortsetzungswiderspruch i.S.d. § 545 BGB dar14. Denn der Mieter bringt klar zum Ausdruck, dass er einen neuen (reduzierten) Mietvertrag mit veränderten Konditionen schließen will.

1 BayObLG v. 1.9.1981 – AllgReg 58/81, MDR 1982, 56 = WuM 1981, 253 = ZMR 1982, 16 = NJW 1981, 2759. 2 BGH v. 16.9.1987 – VIII ZR 156/86, MDR 1988, 225 = ZMR 1988, 18 = WuM 1988, 59. 3 LG Bonn v. 5.10.1992 – 6 S 213/92, WuM 1992, 617. 4 Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 19. 5 OLG München v. 10.9.1993 – 21 U 2281/93, OLGR München 1994, 63. 6 OLG Köln v. 12.7.1995 – 2 U 45/95, ZMR 1996, 24. 7 Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 19. 8 BGH v. 25.1.1991 – V ZR 116/90, MDR 1991, 517 = WuM 1991, 276 = ZMR 1991, 213. 9 MünchKomm/Bieber, § 545 BGB Rz. 12. 10 OLG Hamm v. 25.5.1993 – 7 U 146/92, OLGR Hamm 1993, 221. 11 OLG Köln v. 23.9.2005 – 1 U 43/04, OLGR Köln 2005, 697 = GuT 2006, 14. 12 Vgl. dazu BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 184/09, WuM 2010, 418 = MDR 2010, 856 = ZMR 2010, 671 zur aktuellen Rechtslage und BGH v. 9.4.1986 – VIII ZR 100/85, NJW-RR 1986, 1020 = ZMR 1986, 274 = MDR 1986, 1016 = WuM 1986, 281. 13 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 184/09, WuM 2010, 418 = MDR 2010, 856 = ZMR 2010, 671. 14 A.A. OLG Hamm v. 19.2.1997 – 30 U 197/96, NJWE-MietR 1997, 268.

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29 Bei mehreren Mietern ist der Widerspruch eines Mieters ausreichend1. Das Gleiche gilt bei mehreren Vermietern, allerdings müssen alle positive Kenntnis von der Gebrauchsfortsetzung haben2. 2. Konkludenter Widerspruch 30 Der Widerspruch gegen eine Vertragsverlängerung auf unbestimmte Zeit gemäß § 545 BGB kann auch durch konkludentes Verhalten abgegeben werden. Dabei muss sich allerdings der Wille, die Fortsetzung des Mietverhältnisses abzulehnen, eindeutig ergeben3. Auf frühere Erklärungen kann dabei nur insoweit zurückgegriffen werden, als sie für etwaige Rückschlüsse auf den entgegenstehenden Willen im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsendes noch Aussagekraft haben4. 31 Ein Widerspruch durch schlüssiges Verhalten kann mit dem Ausspruch der fristlosen Kündigung verbunden sein, wobei es im Einzelfall auf das Gewicht der Kündigungsgründe und deren Bedeutung ankommt5. Bei einer auf grobe Vertragsverstöße, insbesondere auf eine daraus resultierende Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung gestützten fristlosen Kündigung liegt ein konkludenter Widerspruch besonders nahe. Gewährt der Vermieter gleichzeitig mit der fristlosen Kündigung eine Räumungsfrist, bringt er damit objektiv einen der Fortsetzung des Gebrauchs der Mietsache entgegenstehenden Willen zum Ausdruck6. Für den Willen des Vermieters, mit der außerordentlichen Kündigung zugleich die Fortsetzung des Mietverhältnisses abzulehnen, kann das Beharren des Vermieters auf Zahlung vorher geforderter höherer Miete sprechen7. Gleiches gilt für das Mietergesuch um Räumungsaufschub8. Im Anschluss an einen Räumungstitel bedarf es keines gesonderten Widerspruchs gegen eine Gebrauchsfortsetzung9. Allerdings kann die Vollstreckung aus einem Räumungstitel bei ungebührlich verzögerter Vollstreckung unter besonderen Umständen wegen Verstoßes gegen § 242 BGB unzulässig werden10. 3. Zwei-Wochen-Frist 32 Die zweiwöchige Widerspruchsfrist beginnt – für den Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs (S. 2 Nr. 1), – für den Vermieter mit der Kenntnis davon (S. 2 Nr. 2). 33 Die Frist berechnet sich unter Berücksichtigung der §§ 187, 188, 193 BGB. Sie beginnt für den Mieter regelmäßig mit der rechtlichen Beendigung des Mietvertrages unabhängig davon, ob er Kenntnis davon hat11. Die Norm stellt nur bezüglich des Vermieters auf subjektive Momente ab. Insoweit ist aber positive Kenntnis12 des Vermieters, bei mehreren Personen aller Vermieter erforderlich13.

1 OLG Rostock v. 23.3.2004 – 3 U 273/03, NZM 2004, 423. 2 BayObLG v. 1.9.1981 – AllgReg 58/81, MDR 1982, 56 = NJW 1981, 2759 = ZMR 1982, 16 = WuM 1981, 253. 3 BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, MDR 2007, 78 = ZMR 2006, 763 = NJW-RR 2006, 1385; OLG Köln v. 23.9.2005 – 1 U 43/04, OLGR Köln 2005, 697 = GuT 2006, 14; OLG Rostock v. 23.3.2004 – 3 U 273/03, MDR 2004, 1292 = WuM 2004, 470 = NZM 2004, 423. 4 OLG Brandenburg v. 21.4.2010 – 3 U 75/09, MietRB 2010, 194. 5 BGH v. 16.9.1987 – VIII ZR 156/86, MDR 1988, 225 = ZMR 1988, 18 = WuM 1988, 59. 6 OLG Schleswig v. 23.11.1981 – 6 RE-Miet 2/81, NJW 1982, 449. 7 Vgl. BGH v. 8.1.1969 – VIII ZR 184/66, WuM 1969, 298. 8 MünchKomm/Bieber, § 545 BGB Rz. 12. 9 OLG Hamm v. 1.10.1981 – 4 REMiet 6/81, NJW 1982, 341. 10 OLG Hamm v. 1.10.1981 – 4 REMiet 6/81, NJW 1982, 341. 11 BGH v. 26.3.1980 – VIII ZR 150/79, NJW 1980, 1577; MünchKomm/Bieber, § 545 BGB Rz. 14 (allg.M.). 12 Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 24; Both in Herrlein/Kandelhard, § 545 BGB Rz. 34. 13 BayObLG v. 1.9.1981 – AllgReg 58/81, MDR 1982, 56 = NJW 1981, 2759 = ZMR 1982, 16 = WuM 1981, 253.

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§ 545 BGB

Maßgebend für die Fristwahrung ist der Zugang des Widerspruchs beim Erklärungsgegner. Wird der Gebrauchsfortsetzung in einer (Räumungs-)Klageschrift widersprochen, gilt § 167 ZPO. Durch eine verfristete Zustellung wird die Frist nicht gewahrt1.

34

Der Widerspruch kann schon vor Ablauf der Mietzeit2, z.B. im Kündigungsschrei- 35 ben3, ausgesprochen werden. Ebenso zulässig ist ein Widerspruch außerhalb der Kündigung etwa bei der Übergabe des Kündigungsschreibens. Auf den zeitlichen Zusammenhang mit dem Endtermin kommt es grundsätzlich nicht an4. Generell kann der Widerspruch nämlich vor Ablauf der Kündigungsfrist5 erklärt (bzw. zum Ausdruck gebracht) werden. Ist dies geschehen, muss nach Beendigung des Mietverhältnisses der Widerspruch nicht wiederholt werden, und zwar auch dann nicht, wenn die Kündigungsfrist neun Monate beträgt6. 4. Rechtsfolge Liegt ein Widerspruch nicht vor, tritt die Verlängerung des Mietverhältnisses ein7, 36 ohne dass ein auf den Eintritt dieser Rechtsfolge gerichteter Parteiwille erforderlich ist8. Selbst bei bisheriger Befristung wird das Vertragsverhältnis auf unbestimmte Zeit verlängert. Da das alte Mietverhältnis fortgesetzt wird, ist für die Frage, ob ein Anfangsmangel i.S.d. § 536a Abs. 1 BGB vorliegt, weiterhin nur der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend9. Allerdings treten die gesetzlichen an die Stelle eventuell vertraglich vereinbarter Kündigungsfristen. Ein bereits begründetes Vermieterpfandrecht dauert fort. Gleiches gilt für vom Mie- 37 ter rechtsgeschäftlich bestellte Sicherheiten. Ob Bürgschaften und Pfänder Dritter sich auch auf den Verlängerungszeitraum beziehen, richtet sich nach den zugrundeliegenden Absprachen, wird aber im Zweifel nur anzunehmen sein, wenn diese Personen mit der Vertragsfortsetzung und ihrer Haftung für die Verlängerungszeit einverstanden sind10. Die bürgenähnliche Haftung des Veräußerers gemäß § 566 Abs. 2 S. 1 BGB findet trotz Verlängerungsfiktion ihr Ende (vgl. § 566 BGB Rz. 169). 5. Schlüssige Fortsetzung des Mietvertrages Ob trotz vertraglichem Ausschluss von § 545 BGB die Fortsetzung des Vertrags 38 schlüssig vereinbart sein kann, wird nicht einheitlich bewertet. Die h.M. nimmt an, dass dies möglich ist, wenn der Mieter nach Ablauf eines Mietverhältnisses den Mietgebrauch unter Weiterzahlung des als Miete vereinbarten Entgelts fortsetzt und der Vermieter dieses Verhalten hinnimmt11. Die Gegenmeinung geht davon aus, dass ein Wohnraummietverhältnis nach erfolgter Kündigung nicht durch monatelange beiderseitige Erfüllung wieder auflebt, wenn im Mietvertrag die Anwendung des § 545 BGB wirksam abbedungen worden ist12. Richtigerweise ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen13. Eine Fortsetzung 39 oder Neubegründung des Mietvertrages setzt Kenntnis der wesentlichen Umstände und ein daran anknüpfendes Erklärungsbewusstsein voraus. Dazu gehört nicht nur

1 OLG Stuttgart v. 9.3.1987 – 8 REMiet 1/86, ZMR 1987, 179. 2 BGH v. 16.9.1987 – VIII ZR 156/86, ZMR 1988, 18; OLG Rostock v. 23.3.2004 – 3 U 273/03; MDR 2004, 1292 = WuM 2004, 470 = NZM 2004, 423. 3 OLG Hamburg v. 27.7.1981 – 4 U 27/81, NJW 1981, 2258. 4 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 184/09, WuM 2010, 418. 5 BayObLG v. 1.9.1981 – AllgReg 58/81, MDR 1982, 56 = NJW 1981, 2759 = ZMR 1982, 16 = WuM 1981, 253. 6 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 184/09, WuM 2010, 418. 7 Keine Fiktion wie bei § 568 a.F.: BT-Drucks. 14/4553, S. 44. 8 BGH v. 9.4.1986 – VIII ZR 100/85, ZMR 1986, 274. 9 MünchKomm/Bieber, § 545 BGB Rz. 9, Staudinger/Emmerich, § 545 BGB Rz. 15. 10 LG Gießen v. 19.10.1994 – 1 S 376/94, ZMR 1995, 33; Staudinger/Emmerich, § 545 BGB Rz. 16. 11 OLG Düsseldorf v. 8.6.2006 – 24 U 189/05, OLGR Düsseldorf 2007, 138 = GE 2007, 222; OLG Oldenburg v. 28.9.2000 – 8 U 140/00, DWW 2001, 88 m.w.N. 12 AG Halle v. 16.12.2010 – 93 C 2291/10, WuM 2011, 209. 13 Vgl. BGH v. 2.5.2012 – XII ZR 88/10, GE 2012, 822.

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Rückgabepflicht des Mieters

die bloße Fortsetzung der Nutzung, sondern vor allem die Beendigung des Mietvertrages und das Bewusstsein, dass die bloße Fortsetzung wegen des Ausschlusses von § 545 BGB nicht zu einer vertraglichen Beziehung führt. Letzteres wird in der Praxis kaum feststellbar sein. Die Folge wäre, dass der Leistungsaustausch allein an § 812 BGB gemessen werden könnte. Insbesondere § 818 Abs. 2 BGB führt dabei zu einem nicht praxisgerechten Ergebnis1, denn weichen die Zahlungen des Mieters von der objektiv zu bewertenden Nutzungsentschädigung ab2, kommt es entweder zu erheblichen Nach- oder Rückzahlungen. Je nach Dauer der Nutzung kann dies ruinöse Auswirkungen nach sich ziehen. C. Gewerberaummiete 40 Die Vorschrift ist ohne Einschränkung auch auf Gewerberaummietverträge anwendbar. Es gelten die in Abschnitt A. und B. dargestellten Grundsätze. 41 Hinsichtlich der Frage des konkludenten Widerspruchs ist streitig, ob das mit einer Kündigung verbundene Verlangen nach einer höheren Miete zur Annahme eines Fortsetzungswiderspruchs gegen die Verlängerung des befristeten Mietverhältnisses ausreicht3. Für die Gewerberaummiete ist das zu bejahen. Denn ist die Kündigung möglich, beendet sie den Mietvertrag. Sie ist nicht unwirksam, wenn daran eine Fortsetzung unter der Bedingung der höheren Miete geknüpft wird. Diese Bedingung ist allein vom Willen des Erklärungsempfängers abhängig (= Potestativbedingung) und damit zulässig (vgl. § 542 BGB Rz. 46). Abgesehen davon kommt in dem Verlangen eindeutig zum Ausdruck, dass der Mietvertrag beendet bleibt, wenn die Bedingung nicht eintritt. Also äußert der Vermieter einen der Fortsetzung des Mietvertrages entgegenstehenden Willen.

§ 546 Rückgabepflicht des Mieters (1) Der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. (2) Hat der Mieter den Gebrauch der Mietsache einem Dritten überlassen, so kann der Vermieter die Sache nach Beendigung des Mietverhältnisses auch von dem Dritten zurückfordern. Inhalt A. I. II. 1. 2. 3. III. IV. V.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften Anwendbare Rechtsprechung . . . . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

1 1 2 2 3 4 5 6 7

VI. Prozessuales. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herbeiführung eines Titels . . . . . . . . a) Ordentliches Verfahren . . . . . . . . aa) Ziehfrist. . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Versäumnisurteil vor Ablauf der Schonfrist? . . . . . . . . . . . . cc) Klage auf künftige Räumung . (1) Kalendermäßige künftige Leistung (§ 257 ZPO) . . . . . . . (2) Besorgnis der nicht rechtzeitigen Erfüllung (§ 259 ZPO) . .

. . . .

9 9 9 10

. .

14 16

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18

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21

1 Ebenso Fritz, Rz. 82. 2 Vgl. dazu BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, GuT 2008, 330; KG v. 4.10.2001 – 8 U 1086/00, KGR Berlin 2001, 394. 3 Dafür: Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 19: dagegen: OLG Hamm v. 19.2.1997 – 30 U 197/96, NJWE-MietR 1997, 268; Both in Herrlein/Kandelhard, § 545 BGB Rz. 24.

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§ 546 BGB

Rückgabepflicht des Mieters

2. 3.

4. 5.

cc) Räumungsklage und Vermieterpfandrecht . . . . . . . . . . . . . b) Einstweilige Verfügung . . . . . . . . . c) Rückgabeanspruch in der Insolvenz des Mieters . . . . . . . . . . . . . . Richtiger Kläger. . . . . . . . . . . . . . . . . Richtiger Beklagter . . . . . . . . . . . . . . a) Familie und Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Untermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtskrafterstreckung eines Titels gegen den (Unterver-)Mieter . . . . . . Haftungsfalle „kalte Räumung“ . . . .

B. I. 1. 2. 3. 4. 5.

Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . Räumungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beendigung des Mietvertrages . . . . . Anspruchsberechtigter . . . . . . . . . . . Schuldner der Räumungspflicht . . . . Inhalt der Räumungspflicht . . . . . . . a) Besitzübertragung . . . . . . . . . . . . b) Räumlicher Umfang . . . . . . . . . . . c) Zustand bei Rückgabe . . . . . . . . . aa) Wiederherstellungs- und Beseitigungspflicht . . . . . . . . bb) Reinigung der Mietsache . . . . cc) Beseitigung von Abnutzungsspuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vereinbarungen anlässlich der Rückgabe . . . . . . . . . . . . . (1) Abnahmeprotokoll . . . . . . . . . (2) Sonstige Vereinbarungen . . . . 6. Erfüllungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Fälligkeit des Rückgabeanspruchs . . 8. Annahmeverzug des Vermieters . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Annahmeverzug bei vorzeitiger Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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28 30

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9. Rechtsfolgen der Verletzung der Räumungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verzögerte Rückgabe . . . . . . . . . . . b) Schadensersatz wegen Schlüsselverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Haftungsgrund . . . . . . . . . . . . . bb) Umfang des Schadens . . . . . . . c) Schadensersatz wegen unterbliebenem Rückbau . . . . . . . . . . . . d) Versorgungssperre . . . . . . . . . . . . . II. Räumungsanspruch gegen Dritte . . . 1. Inhalt des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . 2. Beendigung des Hauptmietvertrages. a) Hauptmietvertrag . . . . . . . . . . . . . . b) Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besitz des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verhältnis Vermieter zu Mieter/ Untermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fälligkeit des Anspruchs . . . . . . . . . . . 7. Folgen der Nichterfüllung . . . . . . . . . . III. Wohnungsabnahme . . . . . . . . . . . . . . . IV. Selbsthilfe (kalte Räumung) und ihre Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Darlegungs- und Beweislast bei Schadensersatz des Mieters . . . . . . . . 3. Umfang des Schadens . . . . . . . . . . . . . C. I. 1. 2. 3.

Gewerberaummiete . . . . . . . . . Inhalt der Rückgabepflicht . . . . Reklame- und Hinweisschilder . Teilrückgabe . . . . . . . . . . . . . . . Bodenkontaminationen und vertragsgemäßer Gebrauch . . . 4. Bereicherung bei vorzeitiger Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Versorgungssperre . . . . . . . . . . .

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. . . . . 170 . . . . . 172 . . . . . 175

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt § 546 BGB gewährt einen schuldrechtlichen Rückgabeanspruch, der mit der Been- 1 digung des Mietvertrages fällig wird und selbständig neben anderen gesetzlichen Ansprüchen steht, die eine Rückgabe anordnen (z.B. § 985 BGB). Abs. 1 regelt dabei den Anspruch auf Rückgabe durch den Mieter. Abs. 2 gewährt einen inhaltsgleichen Anspruch gegen einen Dritten, der seinen Besitz an der Mietsache von dem Mieter ableitet. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Vorschrift gilt als Teil der allgemeinen Mietvorschriften für alle Mietverhältnisse. 2 Auf dem Gebiet der Pacht wird ihr Regelungsgehalt durch § 582a Abs. 3 BGB variiert, zur Landpacht s. §§ 596, 596b BGB.

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2. Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 Der dingliche Herausgabeanspruch aus § 985 BGB steht ggf. gleichberechtigt neben § 546 Abs. 1 oder 2 BGB1. Soweit sich der Räumungsanspruch mit § 985 BGB deckt, gewährt er in der Insolvenz ein Aussonderungsrecht2. Die Aussonderung beschränkt sich ihrem Umfang nach stets auf die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes an der Mietsache. Ein (etwaiger) weitergehender Räumungsanspruch begründet demgegenüber allenfalls eine Insolvenzforderung. 3. Anwendbare Rechtsprechung 4 § 546 BGB hat durch das Mietrechtsänderungsgesetz 2001 ohne inhaltliche Änderung § 556 BGB a.F. ersetzt. Deshalb ist die vor dem 1.9.2001 ergangene Rechtsprechung ohne weiteres anwendbar. III. Zweck der Vorschrift 5 Die Vorschrift dient der Abwicklung beendeter Mietverträge und hat damit vor allem Ordnungsfunktion. IV. Beweislast 6 Der Vermieter muss die anspruchsbegründenden Tatsachen, also bei § 546 Abs. 1 BGB insbesondere die wirksame Begründung und Beendigung des Mietvertrags und eventuelle Veränderungen der Mietsache beweisen. Der Mieter hat die Einwendung zu beweisen, dass die Veränderungen auf vertragsgemäßem Gebrauch beruhen. Der Dritte trägt die Beweislast, dass er den Anspruch aus § 546 Abs. 2 BGB durch Rückgabe an den Mieter erfüllt hat. V. Abweichende Vereinbarungen 7 Die Rückgabe gehört zum Wesen der Miete und bildet eine nicht abdingbare Hauptpflicht. Davon abweichende allgemeine Geschäftsbedingungen verstoßen gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Deshalb ist insbesondere eine Klausel unwirksam, wonach der Vermieter bei Verletzung der Räumungspflicht das Mietobjekt selbst öffnen und räumen lassen darf3. 8 Allerdings kann die Rückgabe inhaltlich in den Grenzen des §§ 307, 138 gestaltet werden. Dazu bieten sich insbesondere Regelungen über Ort und Zeit, aber auch über eine Wohnungsabnahme an. Damit kann der Vermieter nicht nur den Rückgabetermin innerhalb seiner Arbeitszeiten festlegen, sondern auch eine Bestimmung treffen, wie zu verfahren ist, wenn der letzte Tag der Mietzeit auf einen Sonnabend, Sonn- oder Feiertag fällt. Für diesen Fall kann im Mietvertrag z.B. festgelegt werden, dass die Rückgabe am letzten davor liegenden Werktag zu erfolgen hat. Daneben kann auch eine Pflicht zur Ausfertigung und Unterschrift eines Abnahmeprotokolls begründet werden. Im Übrigen ist es unbedenklich, wenn der Vermieter auf die Beseitigung von Mieterein- oder -umbauten verzichtet4. VI. Prozessuales 1. Herbeiführung eines Titels a) Ordentliches Verfahren 9 Der Räumungsanspruch des Vermieters aus § 546 BGB kann grundsätzlich nur im ordentlichen Verfahren (Erkenntnisverfahren) durchgesetzt werden. Dies setzt die Erhebung einer Räumungsklage voraus5. 1 BVerfG v. 14.6.1991 – 1 BvR 1437/90, NJW 1991, 2894; BGH v. 21.1.1981 – VIII ZR 41/80, MDR 1981, 490 = NJW 1981, 865. 2 BGH v. 7.7.2010 – XII ZR 158/09, ZMR 2010, 943 = GuT 2010, 244 = NZM 2011, 75. 3 LG Duisburg v. 28.2.2012 – 13 S 243/12, ZMR 2012, 550. 4 OLG Düsseldorf v. 6.2.2012 – 24 U 227/11, GE 2012, 547. 5 Vgl. dazu Lützenkirchen/N. Schneider, AHB Mietrecht, M Rz. 128 f.

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aa) Ziehfrist Unter einer Ziehfrist wird die Zeitspanne verstanden, die dem Mieter zu gewähren 10 sein soll, um seine Räumungspflicht nach der Beendigung des Mietvertrages zu erfüllen. Sie spielt bei der ordentlichen Kündigung keine Rolle, weil sich der Mieter hier auf die Räumung ausreichend vorbereiten kann. Da aber die außerordentliche fristlose Kündigung das Mietverhältnis sofort beendet, vermeidet eine Ziehfrist in diesem Fall für den Mieter das Kostenrisiko einer Räumungsklage, wenn er sich nach Zugang der Kündigung unverzüglich um Alternativwohnraum bemüht und innerhalb kürzester Zeit auszieht. Die Bedeutung der Ziehfrist liegt in der Kostenfolge: Erhebt der Vermieter z.B. mit 11 der fristlosen Kündigung zugleich Räumungsklage oder kündigt er erst in der Klageschrift, erledigt sich der Räumungsanspruch durch den Auszug des Mieters. Wird nach Zugang der Kündigung eine Ziehfrist angenommen, hat der Mieter bei einer Räumung innerhalb dieser Zeitspanne keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben und sich auch nicht in Verzug befunden. Denn die Wirkung der Ziehfrist ist ähnlich einer Stundung. Dies führt regelmäßig dazu, dass der Vermieter die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Teilweise räumen Gerichte dem Mieter eine Ziehfrist von bis zu zwei Wochen ein1, 12 und zwar auch bei einer fristlosen Kündigung des Mieters2. Auf die Erklärung der Mieter, im Hinblick auf die fristlose Kündigung drei Monate später auszuziehen, muss der Vermieter allerdings nicht vertrauen und kann sofort Räumungsklage erheben3. Die Ziehfrist stellt eine Korrektur des Gesetzes, insbesondere der prozessualen Kos- 13 tenregelungen dar, die auf dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beruhen. Sie ist abzulehnen. Der Mieter, der die außerordentliche fristlose Kündigung erhält, hat sich regelmäßig vertragswidrig verhalten und schon deshalb schadensersatzpflichtig gemacht. Im Hinblick auf die hohe Schwelle, die bei den §§ 543, 569 BGB für die Kündigung gelten, und das grundsätzliche Abmahnerfordernis nach § 543 Abs. 3 BGB trifft ihn die Kündigung nicht überraschend. Im Übrigen stellt das Gesetz dem Mieter z.B. durch die Beantragung einer Räumungsfrist Möglichkeiten zur Verfügung, die seiner Situation Rechnung tragen. Für die (antragslose) Gewährung einer Ziehfrist ist daher kein Raum. Allenfalls, wenn der Mieter unverzüglich nach Erhalt der Kündigung seinen Auszug innerhalb einer Frist von z.B. acht Tagen ankündigt oder eine entsprechend kurze Räumungsfrist beantragt, kann dem Vermieter, der trotzdem Räumungsklage erhebt, das Kostenrisiko auferlegt werden. bb) Versäumnisurteil vor Ablauf der Schonfrist? Es ist umstritten, ob nach fristloser Kündigung eines Mietvertrages über Wohnraum 14 wegen Zahlungsverzugs gegen den beklagten Mieter ein Versäumnisurteil schon vor Ablauf der zweimonatigen Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB erlassen werden darf. Immerhin beträgt diese Frist zwei Monate, während im schriftlichen Verfahren nach § 276 ZPO bereits zwei Wochen nach Rechtshängigkeit der Räumungsklage ein Versäumnisurteil ergehen kann, weil der Mieter seine Verteidigungsbereitschaft nicht angezeigt hat, § 331 Abs. 3 ZPO. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass vor Erlass eines Versäumnisurteils der 15 Ablauf der Schonfrist abzuwarten sei4. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Sie ist mit dem Gesetz nicht vereinbar und führt zu einer unangemessenen Einschränkung der Interessen des Vermieters. Die vom Vermieter ausgesprochene frist1 LG Baden-Baden v. 14.5.1996 – 1 T 17/96, WuM 1996, 472 = NJWE-MietR 1997, 4 (ein bis zwei Wochen); LG Berlin v. 8.4.1994 – 63 T 29/94, GE 1994, 707 (mindestens eine Woche); LG Hannover v. 6.2.1992 – 9 T 229/91, NJW-RR 1992, 659 (vierzehn Tage); LG München II v. 26.1.1989 – 2 T 2301/88, WuM 1989, 181; AG Bergisch Gladbach v. 27.9.1989 – 23 C 223/89, WuM 1990, 297. 2 LG Hannover v. 6.2.1992 – 9 T 229/91, NJW-RR 1992, 659. 3 AG Idar-Oberstein v. 7.2.2003 – 3 C 773/02, MietRB 2003, 97 = WuM 2003, 178. 4 OLG Hamburg v. 23.2.1988 – 7 W 6/88, ZMR 1988, 225 = WuM 1989, 139.

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lose Kündigung ist wirksam. Der auflösend bedingte Räumungsanspruch ist entstanden. Der Klagevortrag ist daher schlüssig, so dass auf entsprechenden Antrag ein Versäumnisurteil ergehen muss. Wenn der beklagte Mieter innerhalb der Schonfrist zahlt und die Kündigung damit unwirksam wird, kann er sich durch Einspruch oder Vollstreckungsgegenklage verteidigen1, sofern der Vermieter die Unwirksamkeit der Kündigung nicht freiwillig anerkennt. cc) Klage auf künftige Räumung 16 Bei der fristgebundenen Kündigung, z.B. nach §§ 573, 573a, 573b, 573d BGB, muss der Vermieter grundsätzlich den Ablauf der Kündigungsfrist abwarten. Denn § 257 ZPO gilt nicht für Wohnraummietverhältnisse. Ausnahmsweise kann eine Klage auf künftige Räumung zulässig sein, wenn die Voraussetzungen des § 259 ZPO vorliegen. Dazu muss zu befürchten sein, dass sich der Mieter einer rechtzeitigen Räumung entziehen wird. 17 Diese Voraussetzungen sind nicht nur zu prüfen, wenn der Vermieter/Kläger einen Antrag auf künftige Räumung stellt. Auch ein Klageantrag auf „sofortige Räumung“ z.B. einer Mietwohnung enthält als „Weniger“ den Anspruch auf zukünftige Räumung2. Demnach sind im Rahmen des § 308 ZPO die Voraussetzungen für eine künftige Räumung auch zu prüfen, wenn das Gericht z.B. die Kündigungsfrist abweichend bewertet oder aus sonstigen Gründen ein späteres Mietende annimmt. (1) Kalendermäßige künftige Leistung (§ 257 ZPO) 18 Eine Klage auf künftige Räumung ist nach § 257 ZPO zulässig, wenn die Fälligkeit der Räumung an „den Eintritt eines Kalendertages“ geknüpft ist. Die Räumung ist nicht nur dann an „den Eintritt eines Kalendertages“ geknüpft, wenn ein befristetes Mietverhältnis ausläuft, sondern auch dann, wenn das Mietverhältnis gekündigt worden ist und auf Grund der Kündigung in Verbindung mit den entsprechenden vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen nunmehr die Fälligkeit feststeht3. 19 Die Vorschrift des § 257 ZPO ist auf Gewerberaum beschränkt; sie gilt – im Gegensatz zu § 259 ZPO – nicht für Wohnraummietverhältnisse. Dafür ist wiederum – im Gegensatz zu § 259 ZPO – für die Zulässigkeit der Klage keine Besorgnis der nicht rechtzeitigen Erfüllung erforderlich. 20 Ein besonderes Rechtsschutzinteresse setzt die Klage nach § 257 ZPO nicht voraus. Die Klage ist daher auch dann zulässig, wenn Räumungsanspruch und Fälligkeit unstreitig sind und der Beklagte räumungsbereit ist. Der Kläger hat dann allerdings bei einem sofortigen Anerkenntnis des beklagten Räumungsschuldners die Kosten des Verfahrens nach § 93 ZPO zu tragen. (2) Besorgnis der nicht rechtzeitigen Erfüllung (§ 259 ZPO) 21 Im Gegensatz zu § 257 ZPO fordert § 259 ZPO als Zulässigkeitsvoraussetzung, dass die Besorgnis der nicht rechtzeitigen Erfüllung bestehe. Fehlt es an der Besorgnis, ist die Klage unzulässig und nicht etwa nur unbegründet. Die Vorschrift ist auch auf Wohnraummietverhältnisse anwendbar4. 22 Bei einer Klage nach § 259 ZPO muss die Besorgnis gegeben sein, dass der Mieter ohne Klageerhebung nicht rechtzeitig erfüllen werde. Häufig wird dabei verkannt, dass nicht die Besorgnis der Nichterfüllung gegeben sein muss, sondern dass die Besorgnis der nicht rechtzeitigen Erfüllung ausreicht5. Die Voraussetzungen des § 259 ZPO

1 LG Köln v. 21.10.2003 – 1 T 375/03, NZM 2004, 65; LG Köln v. 1.10.2003 – 12 T 199/03, NZM 2004, 66; LG Hamburg v. 5.3.2003 – 311 T 16/03, WuM 2003, 275 = NZM 2003, 432; LG Kiel v. 9.1.2002 – 13 T 263/01, WuM 2002, 149; LG Stuttgart v. 18.10.2002 – 5 T 26/02, MK 2002, 190. 2 LG Köln v. 19.5.2010 – 10 S 264/09, ZMR 2010, 764. 3 Zöller/Greger, § 357 ZPO Rz. 5. 4 AG Bonn v. 31.3.1992 – 6 C 74/92, WuM 1992, 611; AG Münster v. 18.6.1985 – 29 C 46/85, WuM 1988, 364; Hartmann in Baumbach/Lauterbach, § 259 ZPO Rz. 6. 5 So auch Monschau, MietRB 2008, 117 ff.

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sind daher nicht nur dann gegeben, wenn der Schuldner den Räumungsanspruch überhaupt nicht erfüllen will, sondern auch dann, wenn er erst zu einem späteren Zeitpunkt räumen will und damit die Besorgnis begründet, er werde den Anspruch bei dessen Fälligkeit nicht erfüllen. Die erforderliche Besorgnis ist immer gegeben, wenn der Mieter die Wirksamkeit der 23 Kündigung bestreitet1. Eine Ausnahme soll insoweit vorliegen, wenn die Kündigung nur aus formellen Gründen angegriffen wird2. Dem kann nicht gefolgt werden. Denn auch durch die Auffassung, die Kündigung wäre formell unwirksam, wird deutlich, dass mangels Entstehens eines Räumungsanspruchs eine Rückgabe i.S.v. § 546 BGB nicht erfolgen soll3. Erst recht wird die Besorgnis i.S.v. § 259 ZPO durch den Widerspruch gegen die Kün- 24 digung gemäß § 574 BGB begründet4. Nicht ausreichend ist aber, dass der Mieter auf eine Anfrage des Vermieters, ob er fristgerecht ausziehen werde, keine Auskunft erteilt, da eine entsprechende Erklärungspflicht des Mieters nicht besteht5. Sofern der Mieter allerdings auf mehrfaches Nachfragen schweigt, kann durchaus eine Besorgnis angenommen werden6. Der Vermieter hat zwar ein berechtigtes Interesse, rechtzeitig eine Antwort zu erhalten, wann die Wohnung geräumt und übergeben wird, insbesondere wenn er bereits nachvermietet hat. Die bloße Erklärung des Mieters, seine Wohnungssuche sei bisher noch erfolglos gewesen, reicht für eine Besorgnis des Vermieters allerdings noch nicht aus7. § 259 ZPO gilt auch beim Widerspruch nach § 574 Abs. 2 BGB. Allein die Notwendig- 25 keit, zur Vermeidung eines Rechtsverlustes den Widerspruch zwei Monate vor Ablauf der Mietzeit aussprechen zu müssen, hindert die Anwendbarkeit des § 259 ZPO nicht. Vielmehr begründet der Widerspruch beim Vermieter regelmäßig die Besorgnis der nicht fristgerechten Räumung8. Eine Räumungsklage ist auch vor Ablauf der Widerspruchsfrist des § 574 Abs. 2 BGB zulässig, wenn der Mieter der Kündigung mit der Begründung widersprochen hat, der vom Vermieter angegebene Kündigungsgrund liege nicht vor9. Zweifel an der Zulässigkeit einer Klage auf künftige Räumung nach § 259 ZPO beste- 26 hen ggf., wenn der Mieter bereits vor Ablauf der Widerspruchsfrist des § 574 Abs. 2 BGB den Räumungsanspruch des Vermieters anerkannt und lediglich eine Räumungsfrist erbeten hat, die über den Kündigungszeitpunkt hinausgeht, sofern die geforderte Räumungsfrist nicht unangemessen lang ist. Die antragsgemäße Verurteilung des Mieters zu zukünftiger Räumung beinhaltet 27 nicht bereits die Gewährung einer Räumungsfrist10. Dies kann vielmehr gem. § 721 Abs. 2 ZPO auch bei einer Verurteilung zu künftiger Räumung noch begehrt werden.

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LG Bochum v. 8.7.1982 – 11 T 48/82, WuM 1983, 56 m.w.N. LG Berlin v. 10.2.1997 – 62 S 513/96, GE 1997, 429. Wie hier: Both, DWW 2010, 82 (89). Jeweils zu § 556a BGB a.F.: LG Aachen v. 20.4.1976 – 3 T 5/76, MDR 1976, 848; LG Bonn v. 7.12.1970 – 6 S 334/70, NJW 1971, 433; LG Bochum v. 8.7.1982 – 11 T 48/82, WuM 1983, 56; LG Wiesbaden v. 3.5.1989 – 8 T 14/89, WuM 1989, 428; a.A. OLG Celle v. 11.11.1965 – 4 W 156/65, NJW 1966, 668; LG Braunschweig v. 2.3.1972 – 7 S 242/71, MDR 1972, 695; LG Hamburg v. 11.12.1969 – 7 S 126/69, MDR 1971, 138; LG Hamburg v. 16.12.1969 – 16 S 109/69, MDR 1971, 397. AG Hersbruck v. 23.8.2012 – 3 C 461/12, WuM 2012, 687; AG Berlin-Charlottenburg v. 21.4.1989 – 13 T 179/89, WuM 1989, 427; AG Köln v. 12.5.1976 – 154 C 3915/75, ZMR 1977, 240. Lützenkirchen/N. Schneider, AHB Mietrecht, M Rz. 162. AG Waiblingen v. 20.12.1988 – 8 C 1928/88, WuM 1989, 428. Vgl. Kaarst, ZMR 1988, 453. OLG Karlsruhe v. 10.6.1983 – 9 REMiet 1/83, NJW 1984, 2953 = WuM 1983, 253; KG v. 12.1.1981 – 8 W RE-Miet 4154/80, WuM 1981, 54; a.A. LG Kempten v. 3.6.1992 – S 790/92, NJW-RR 1993, 1101, jeweils zu § 556a BGB a.F. LG Düsseldorf v. 26.4.1990 – 21 S 26/90, WuM 1993, 471.

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cc) Räumungsklage und Vermieterpfandrecht 28 Hat der Vermieter mit der Kündigung sein Pfandrecht nach § 562 BGB geltend gemacht, steht diese Ausübung einem Räumungs- und Herausgabeanspruch grundsätzlich entgegen. Hat der Vermieter also z.B. fristlos wegen Zahlungsverzuges gekündigt, ist eine Räumungsklage abzuweisen1. Denn der Mieter ist bei rechtmäßigem Verhalten gerade nicht in der Lage, die Mietsache zu räumen und dem Vermieter den vollständigen unmittelbaren Besitz zu verschaffen, weil er die dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Gegenstände in den Räumen zurücklassen muss. 29 Davon zu unterscheiden ist der Fall, in dem das Vermieterpfandrecht auf einige wertvolle bzw. gut verwertbare Gegenstände beschränkt wird. In diesem Fall kann mit der entsprechenden Einschränkung der Räumungsanspruch grundsätzlich geltend gemacht werden. Andererseits kann der Räumungsanspruch von vorneherein nur auf Herausgabe (= Besitzverschaffung) beschränkt werden2. b) Einstweilige Verfügung 30 Die Schaffung eines Räumungstitels im Wege der einstweiligen Verfügung ist gemäß § 940a BGB auf Ausnahmefälle beschränkt. Erforderlich ist zumindest eine verbotene Eigenmacht oder eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben. 31 Eine verbotene Eigenmacht liegt nicht vor, wenn der Mieter nach der Beendigung des Mietvertrages die Schlüssel zur Wohnung einem Mitbewohner/Untermieter überlässt. Dies gilt selbst dann, wenn in der Zwischenzeit ein Räumungstitel vorliegt3. Schon der Wortlaut macht deutlich, dass diese einengenden Voraussetzungen nur bei der Wohnraummiete gelten. Bei Gewerberaum kann eine einstweilige Verfügung in Betracht kommen, wenn der Mieter nach Beendigung des Mietvertrages die Räume einem Dritten überlässt und dadurch eine Verschlechterung der Mietsache droht4. Diese Gefahr kann bereits in einer anderen als der vertraglich zulässigen Nutzung liegen5. 32 Zum Anspruch aus § 940a Abs. 2 BGB vgl. die Erläuterungen unter Anhang § 546 BGB Rz. 107 ff. und aus § 940a Abs. 3 BGB vgl. die Erläuterungen unter Anhang § 546a BGB Rz. 46 f. c) Rückgabeanspruch in der Insolvenz des Mieters 33 Ist das Mietverhältnis vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst worden, sind der Rückgabeanspruch gemäß § 546 BGB sowie alle Abwicklungsansprüche bereits vor Eröffnung entstanden und folglich grundsätzlich Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO6. Dies schließt den Anspruch des Vermieters auf Entschädigung bei verspäteter Rückgabe ein; auf dessen Fälligkeit kommt es insoweit nicht entscheidend an7. 34 Dieser Grundsatz ist durchbrochen, wenn der Insolvenzverwalter die Mietsache nach Verfahrenseröffnung (weiter) nutzt und den Vermieter oder Verpächter dabei gezielt vom Besitz ausschließt8. Dies kommt in Betracht, wenn sich (noch) Gegenstände des Schuldners (Mieters) in der Mietsache befinden, die der Verwaltungsbefugnis des In1 KG v. 14.2.2005 – 8 U 144/04, MietRB 2005, 288 = WuM 2005, 348 = NZM 2005, 422. 2 BGH v. 10.8.2006 – I ZB 135/05, MDR 2007, 238 = WuM 2006, 580; BGH v. 17.11.2005 – I ZB 45/05, MDR 2006, 836 = MietRB 2006, 121 = NZM 2006, 149 = WuM 2006, 50. 3 LG Lüneburg v. 16.11.2011 – 6 S 88/11, WuM 2011, 672; a.A. LG Hamburg v. 13.3.2003 – 311 O 62/03, ZMR 2003, 493. 4 LG Hamburg v. 13.3.2003 – 311 O 62/03, ZMR 2003, 492. 5 OLG Celle v. 26.7.2000 – 2 W 58/00, NZM 2001, 194 = ZMR 2001, 194. 6 BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 207/06, GE 2009, 322; BGH v. 21.12.2006 – IX ZR 66/05, MDR 2007, 914 = WuM 2007, 387 = ZMR 2007, 348 m.w.N. 7 BGHZ 130, 38, 41; vgl. auch MünchKomm/Hefermehl, § 55 InsO Rz. 140 f.; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1646 ff. 8 BGH v. 21.12.2006 – IX ZR 66/05, MDR 2007, 914 = WuM 2007, 387 = ZMR 2007, 348 m.w.N.; OLG Dresden v. 13.8.1998 – 7 U 1192/98, ZMR 1999, 170 = ZIP 1998, 1725; OLG Dresden v. 24.6.1999 – 4 U 928/99, DZWIR 1999, 388; OLG Hamm v. 26.10.1992 – 31 U 130/92, OLGR 1993, 229 = ZIP 1992, 1563.

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solvenzverwalters unterliegen1. Allerdings ist die schlichte Übernahme der Masse nach § 148 InsO für die Annahme der Weiternutzung nicht ausreichend2. Darlegungs- und beweisbelastet für die Weiternutzung ist der Vermieter3.

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2. Richtiger Kläger Den Räumungsanspruch aus § 546 BGB muss der Vermieter geltend machen. Ist ein 36 Erwerber in den Mietvertrag eingetreten, müssen die Voraussetzungen des § 566 BGB vorgetragen werden, also regelmäßig der Erwerb vom Vermieter und die Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch. Findet dieser Erwerb während des laufenden Verfahrens statt, bleibt der Prozess dadurch grundsätzlich unberührt, § 265 ZPO. Der Kläger/Vermieter ist Prozessstandschafter des Erwerbers, muss den Räumungsantrag aber auf Herausgabe an den Erwerber umstellen4, sofern er die Hauptsache nicht für erledigt erklärt. Hat der (frühere) Vermieter einen Titel geschaffen, kann der Erwerber den Räumungstitel nach § 727 ZPO auf sich umschreiben lassen. Das gilt nicht, wenn der Erwerb vom Zwangsverwalter stattgefunden hat, weil der Erwerber nicht dessen Rechtsnachfolger ist5. Mehrere Vermieter sind gemeinschaftliche Gläubiger i.S.v. § 432 BGB6. Denn die 37 Räumungspflicht ist eine im Rechtssinne unteilbare Leistung. Deshalb kann ein Vermieter alleine klagen; dabei muss er jedoch auf Räumung und Herausgabe an alle Vermieter beantragen7. Eine Ausnahme gilt, wenn auf Feststellung des Bestehens eines Mietvertrages geklagt wird8. Denn die Wirksamkeit eines Mietvertrages kann nur einheitlich zwischen den Parteien festgestellt werden. 3. Richtiger Beklagter Um eine erfolgreiche Zwangsvollstreckung durchzuführen, ist grundsätzlich ein eige- 38 ner Räumungstitel gegen alle Personen, die Besitz an den herauszugebenden Räumlichkeiten haben, erforderlich, und zwar unabhängig davon, ob sie Mieter sind oder nicht oder zu den in § 885 Abs. 2 ZPO genannten nahen Angehörigen zählen9. Deshalb muss die Räumungs- und Herausgabeklage zumindest gegen den/die Mieter gerichtet werden. Dies gilt auch dann, wenn einer von mehreren Mietern bereits ausgezogen ist. Denn der Auszug allein kann den vertraglichen Räumungsanspruch nicht erfüllen. Immerhin ist eine willensgetragene Besitzübergabe erforderlich. Deshalb fehlt der Räumungsklage gegen den nicht mehr besitzenden Mitmieter nicht das Rechtsschutzbedürfnis10. Eine Ausnahme von dem Grundsatz der Notwendigkeit eines Räumungstitels ist 39 nicht gerechtfertigt, nur weil sich der Nutzer ohne Wissen bzw. ohne Erlaubnis des Vermieters in den Mieträumen aufhält11. Denn durch die nach § 885 Abs. 1 ZPO durchzuführende Zwangsvollstreckung wird auch der Mitbesitzer aus dem Besitz gesetzt und daher sein Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG tangiert (vgl. auch Anhang § 546 BGB Rz. 122). Besitz an den Mieträumen hat auch der Mitbesitzer. Deshalb muss auch er klagewei- 40 se in Anspruch genommen werden, um die Zwangsvollstreckung erfolgreich zu ge1 OLG Düsseldorf v. 14.4.2011 – 10 U 160/10, ZMR 2012, 13. 2 OLG Hamburg v. 17.12.2008 – 4 U 112/06, ZMR 2009, 603; OLG Dresden v. 13.8.1998 – 7 U 1192/98, ZMR 1999, 170 = ZIP 1998, 1725. 3 OLG Düsseldorf v. 14.4.2011 – 10 U 160/10, ZMR 2012, 13. 4 Gsell, WuM 2012, 411 (416) m.w.N. 5 BGH v. 14.6.2012 – VII ZB 47/10, WuM 2012, 457 = GE 2012, 1033. 6 OLG Düsseldorf v. 24.8.1999 – 24 U 93/98, ZMR 2000, 210. 7 OLG Düsseldorf v. 10.7.1996 – 9 U 10/96, NJW-RR 1998, 11. 8 OLG Celle v. 12.1.1994 – 2 U 14/93, NJW-RR 1994, 854. 9 KG v. 26.10.1993 – 1 W 6068/93, WM 1994, 32 = MDR 1994, 162. 10 BGH v. 22.11.1995 – VIII ARZ 4/95, MDR 1996, 251 = NJW 1996, 515. 11 BGH v. 5.11.2004 – IXa ZB 51/04, FamRZ 2005, 269; OLG Düsseldorf v. 27.5.1998 – 3 W 192/98, MDR 1998, 1474 = ZMR 1998, 621; OLG Hamburg v. 19.8.1992 – 6 W 49/92, MDR 1993, 274 = WM 1992, 548.

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stalten. Ob eine (weitere) Person Mitbesitzer ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Nach der Lebenserfahrung wird als Mitbesitzer zumindest die Person anzusehen sein, deren Name auf dem Klingel- oder Briefkastenschild steht1. Auch das Aufstellen eigener Möbelstücke oder der Besitz eines Haus- und/oder Wohnungsschlüssels lassen Mitbesitz vermuten. 41 In der Insolvenz des Mieters kommt es nach der Eröffnung des Verfahrens darauf an, ob der Insolvenzverwalter – aktiv – Besitz von der Mietsache ergriffen hat. Das Mietverhältnis ist zwar auch nach Abgabe der Erklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO massezugehörig, so dass ein Herausgabeanspruch gegenüber dem Verwalter besteht, der jedoch nach der Rechtsprechung des BGH den Besitz des Insolvenzverwalters voraussetzt2. Insoweit verleiht der Räumungsanspruch dem Vermieter ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO. Da das Aussonderungsrecht mit Verschaffung des unmittelbaren Besitzes erfüllt ist3, stellt das Hinterlassen von Gegenständen in der Mietsache oder von Materialien auf dem Mietgrundstück keinen Anspruch gegen die Masse dar. Aus der Nichterfüllung der Räumungspflicht kann lediglich eine Insolvenzforderung entstehen4. Lediglich für den Fall, dass der Verwalter nach Verfahrenseröffnung Gegenstände in die Mietsache eingebracht hat oder rechtskräftig zur Räumung verurteilt wurde, ist die Räumungspflicht eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. a) Familie und Lebensgemeinschaften 42 Die dargestellten Grundsätze gelten auch, wenn beide Eheleute Mieter sind und ein Ehegatte – bekanntermaßen – ausgezogen ist5. Denn allein durch den Auszug kann sich der Mieter nicht seiner Rückgabepflicht entledigen. Ein Räumungstitel gegen den mitbesitzenden Ehegatten ist erst recht notwendig6, wenn er zwar nicht Mieter ist, aber in den Mieträumen lebt. 43 Nichts anderes gilt für den Lebenspartner nach dem LPartG oder das Mitglied einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft7. Voraussetzung ist stets, dass der Partner, der nicht Mieter ist, Mitbesitz hat. Dies ist bei Ehegatten und Lebenspartnern nach dem LPartG in der Regel unproblematisch, wenn sie in der Wohnung leben. Allerdings kann bei einem Lebensgefährten allein aus der Aufnahme in die Wohnung nicht ohne weiteres auf einen Mitbesitz geschlossen werden. Vielmehr muss die Einräumung des Mitbesitzes an den Lebensgefährten durch eine Handlung des Mieters nach außen dokumentiert sein8. Relevante Indizien können z.B. durch die Mitteilung an den Vermieter über die Aufnahme des Lebensgefährten oder seine melderechtliche Anmeldung in der Wohnung begründet werden9. 44 Minderjährige Kinder haben grundsätzlich keinen Mitbesitz an der mit den Eltern benutzten Wohnung. Für eine Räumungsvollstreckung reicht deshalb ein Vollstreckungstitel gegen die Eltern aus. Die Besitzverhältnisse ändern sich im Regelfall auch nicht, wenn das Kind volljährig wird und mit seinen Eltern weiter zusammen-

1 OLG Hamburg v. 5.9.2011 – 8 W 55/11, NZM 2012, 387. 2 BGH v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, MDR 2002, 54 = ZMR 2001, 792 = NJW 2001, 2966 (zu einem Herausgabeanspruch im Gesamtvollstreckungsverfahren). 3 BGH v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, MDR 2002, 54 = ZMR 2001, 792 = NJW 2001, 2966. 4 BGH v. 5.10.1994 – XII ZR 53/93, MDR 1995, 687 = ZMR 1995, 13 = NJW 1994, 3232. 5 OLG Düsseldorf v. 27.5.1998 – 3 W 192/98, MDR 1998, 1474 = ZMR 1998, 621; OLG Hamburg v. 6.12.1990 – 6 W 73/90, MDR 1991, 453 = WuM 1992, 70; a.A. u.a. Palandt/Weidenkaff, § 546 BGB Rz. 13. 6 BGH v. 5.11.2004 – IXa ZB 51/04, FamRZ 2005, 269; BGH v. 25.6.2004 – IXa ZB 29/04, MietRB 2005, 2 = MDR 2004, 1257 = NZM 2004, 701 m. Anm. Schuschke, NZM 2005, 10; OLG Köln v. 5.9.1996 – 2 W 101/96, MDR 1997, 782. 7 BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MDR 2008, 824 = MietRB 2008, 228 = NJW 2008, 1959 = NZM 2008, 400. 8 Lützenkirchen/N. Schneider, AHB Mietrecht, M Rz. 104. 9 BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MDR 2008, 824 = MietRB 2008, 228 = NJW 2008, 1959 = NZM 2008, 400.

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wohnt1. Selbst wenn es zwischendurch ausgezogen ist, soll ein Titel gegen das volljährige Kind des Mieters nicht erforderlich sein2. b) Untermieter Hat der Mieter die Räume untervermietet, kann sowohl gegen den Hauptmieter als 45 auch gegen den Untermieter geklagt werden. Beide haften als Gesamtschuldner3. Bei teilweiser Untervermietung besteht nur hinsichtlich des untervermieteten Teils Gesamtschuldnerschaft4. Die Klage aus § 546 Abs. 2 BGB kann auch gesondert verfolgt werden. Dabei ist so- 46 wohl eine gleichzeitige wie nachfolgende Verfahrensweise zulässig. Die Rechtskraft einer der beiden Entscheidungen lässt das jeweils andere Verfahren unberührt (vgl. § 546 BGB Rz. 47), so dass auch gegenläufige Entscheidungen denkbar sind. Unabhängig von der fehlenden Rechtskrafterstreckung entspricht es regelmäßig billigem Ermessen, das zwischen Vermieter und Untermieter geführte Folgeverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens zwischen Vermieter und Mieter nach § 148 ZPO auszusetzen5. 4. Rechtskrafterstreckung eines Titels gegen den (Unterver-)Mieter Es wird die Auffassung vertreten, dass die Rechtskraft eines Räumungstitels gegen 47 den Mieter sich insoweit auf den Untermieter erstreckt, dass dieser die Herausgabepflicht des Mieters nicht mehr leugnen können soll, wenn er seinerseits vom Vermieter auf Rückgabe nach § 546 Abs. 2 BGB in Anspruch genommen. Eine derartige Rechtskrafterstreckung auf den Untermieter ist abzulehnen6. Zwar kann eine Rechtskrafterstreckung der Vermeidung nachfolgender Prozesse zwischen anderen Parteien dienen. Die Umsetzung kann aber zu prozessual unzumutbaren Ergebnissen führen. Das ist z.B. der Fall, wenn der Untermieter, der vom (Haupt-)Vermieter nach Kündigung des Hauptmietvertrages bedrängt wurde, entweder einen Mietvertrag unmittelbar mit ihm zu schließen oder aber zu räumen, die Mietzahlung an den Hauptmieter einstellt und sich auf einen Rechtsmangel beruft. Sein Einwand, sein Mietbesitz sei durch das Recht eines Dritten (hier: des Hauptvermieters) beeinträchtigt, darf ihm nicht dadurch abgeschnitten werden, dass – ggf. Jahre später – in einem Verfahren zwischen den Parteien des Hauptmietvertrages rechtskräftig festgestellt wird, dass dieses Recht des Hauptvermieters auf Räumung und Herausgabe mangels wirksamer Beendigung des Hauptmietvertrages nicht bestanden hat. 5. Haftungsfalle „kalte Räumung“ Insbesondere wegen der wirtschaftlichen Konsequenzen nach einer fristlosen Kündi- 48 gung wegen Zahlungsverzug (Mietausfall, Prozesskosten, Kosten der Zwangsvollstreckung) sind Vermieter kreativ auf der Suche, Mittel und Wege zu finden, die den Mieter zur „freiwilligen“ Aufgabe des Besitzes veranlassen können. Die häufigsten Maßnahmen bestehen in der Einrichtung einer Versorgungssperre und der Ausübung des Vermieterpfandrechts bzw. von falsch ausgeübten Begleitmaßnahmen (z.B. Auswechseln der Schlösser). Abgesehen davon, dass in beiden Fällen auch strafrechtliche Tatbestände erfüllt sein können (z.B. §§ 123, 240 StGB), kann eine Mitwirkung des Rechtsanwalts haftungsträchtig sein.

1 BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MDR 2008, 824 = MietRB 2008, 228 = NJW 2008, 1959 = NZM 2008, 400. 2 LG Berlin v. 17.10.2011 – 51 T 589/11, GE 2011, 1555. 3 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 69. 4 AG Hamburg v. 24.4.1992 – 43b C 1967/91, DWW 1992, 245 = NJW-RR 1992, 1487. 5 LG Berlin v. 29.5.2012 – 63 T 78/12, WuM 2012, 389. 6 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 6/09, MDR 2010, 856 = WuM 2010, 353 = GE 2010, 840; BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, MDR 2007, 78 = MietRB 2006, 316 = NZM 2006, 699 = ZMR 2006, 763; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1266; Zöller/Vollkommer, § 325 ZPO Rz. 38; MünchKomm/Gottwald, § 325 ZPO Rz. 74; Stein/Jonas/Leipold, § 325 ZPO Rz. 91; Musielak, § 325 ZPO Rz. 18; ZPO-HK/Saenger, § 325 ZPO Rz. 22; Wieczorek, § 325 ZPO Anm. B III b.

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49 Der um Rat gebetene Rechtsanwalt ist seinem Auftraggeber zu einer umfassenden und erschöpfenden Belehrung verpflichtet1. Er muss den ihm vorgetragenen Sachverhalt dahin überprüfen, ob er geeignet ist, den vom Auftraggeber erstrebten Erfolg herbeizuführen, und er hat die Schritte zu empfehlen, die zu dem erstrebten Ziel führen können. Der Rechtsanwalt muss den Auftraggeber vor Nachteilen bewahren, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Mandanten den sichersten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann. Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlass gibt, muss der Rechtsanwalt darlegen und mit dem Auftraggeber erörtern2. 50 Die Ausübung der Versorgungssperre (vgl. § 535 BGB Rz. 514 ff.) muss sich z.B. stets als Zurückbehaltungsrecht darstellen. Eine davon abweichende, unzulässige Selbstvollstreckung kommt insbesondere bei der „Sibirischen Räumung“ in Betracht. Hier soll der Mieter durch Abstellen der Heizung zum Auszug bewegt werden3. Davon kann erst recht ausgegangen werden, wenn der Vermieter unter Bezugnahme auf die gerade verkündete Entscheidung im Räumungsrechtsstreit die Unterbrechung der Wasserversorgung ankündigt4. Es kommt also maßgeblich auf die Formulierung an. 51 Der Rechtsanwalt muss auch vom Auswechseln der Türschlösser abraten, wenn der Mandant ihm mitteilt, er werde auf diese Weise sein Vermieterpfandrecht geltend machen, weil der Mieter seinen Auszug angekündigt habe. Er kann sich nicht auf den Hinweis beschränken, die Ausübung des Vermieterpfandrechts müsse angekündigt werden5. Kündigt der Mieter aufgrund des eigenmächtigen Auswechselns der Schlösser fristlos, haftet der Anwalt für den gesamten Mietausfallschaden – selbst bei einer bloß telefonischen Information des Anwalts durch den Vermieter6. 52 Auch auf die Schadensersatzfolgen muss der Mandant hingewiesen werden. Denn zum einen kann sich eine Garantiehaftung aus § 231 BGB ergeben. Zum Anderen bestehen erhebliche Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Vermieters (vgl. § 546 BGB Rz. 161) zu einem solchen Schaden, die er in der Regel nur durch Vorlage eines Inventarverzeichnisses und einer Wertermittlung bzw. -schätzung durch einen Sachverständigen erfüllen kann7. Schmerzensgeld wird in diesem Zusammenhang allerdings mangels Rechtsgrundlage in § 253 BGB nicht geschuldet8. B. Wohnraummiete I. Räumungspflicht 1. Rechtsnatur 53 § 546 Abs. 1 BGB legt eine vertragliche Abwicklungspflicht fest, die zu den Vermieterpflichten zwar nicht im synallagmatischen Zusammenhang steht, aber dennoch eine Hauptpflicht bildet9. Ihre Verletzung führt zu Ansprüchen aus § 546a BGB und weiter grundsätzlich zu solchen aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB, unter Umständen auch

1 BGH v. 19.3.2009 – IX ZR 214/07, NJW 2009, 2949 m.w.N. 2 BGH v. 20.10.1994 – IX ZR 116/93, MDR 1995, 417 = WuM 1995, 212 = ZMR 1995, 64 = NJW 1995, 449. 3 LG Koblenz v. 24.5.2011 – 6 S 8/11, WuM 2012, 140. 4 OLG Celle v. 28.4.2005 – 11 U 44/05, NZM 2005, 741. 5 OLG Koblenz v. 16.10.2003 – 5 U 197/03, MDR 2004, 180 = MietRB 2004, 99 = WuM 2003, 693 = NZM 2004, 39. 6 OLG Koblenz v. 16.10.2003 – 5 U 197/03, MDR 2004, 180 = MietRB 2004, 99 = WuM 2003, 693 = NZM 2004, 39. 7 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, WuM 2010, 578 = GE 2010, 1189 = NZM 2010, 701 = ZMR 2011, 23. 8 A.A. AG Reinbek v. 20.5.2008 – 5 C 624/06, ZMR 2008, 719. 9 H.M. z.B. MünchKomm/Bieber, § 546 BGB Rz. 1 m.w.N.

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aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB1. § 546 Abs. 1 BGB gilt auch im Rahmen eines Untermietverhältnisses zwischen Mieter und Untermieter2. Auch wenn § 546 BGB als Hauptpflicht anerkannt ist, soll eine Anwendung des § 281 54 BGB nicht in Betracht kommen. Nach dieser Vorschrift könnte der Vermieter im Fall der Nicht-Räumung dem Mieter eine (angemessene) Frist setzen und nach ergebnislosem Ablauf gemäß § 281 Abs. 4 BGB „Schadensersatz statt der Leistung“ fordern. Dieser Schadensersatz würde im Ergebnis auf den Ersatz des Wertes der Mietsache (gegen deren Übereignung), also eine Art „Zwangsverkauf“ hinauslaufen3. Im Gesetzgebungsverfahren ist dieses Problem erkannt worden, im Hinblick auf andere Fallgestaltungen jedoch davon abgesehen worden, allein für den Räumungsanspruch eine einschränkende Formulierung in den Gesetzestext aufzunehmen; das Problem wurde „übergangen“ mit dem Hinweis darauf, dass es sich um eine theoretische Fallgestaltung handelt und Missbrauchsfälle über § 242 BGB gelöst werden sollen4. Dies soll an dieser Stelle unkommentiert bleiben, wobei allerdings darauf hinzuweisen ist, dass die Korrektur von Missbrauchsfällen über § 242 BGB zumindest ein unredliches Verhalten des Gläubigers voraussetzt; zunächst macht aber der Vermieter beim „Zwangsverkauf“ nur von seinem Recht aus § 281 Abs. 1 BGB Gebrauch. Deshalb ist es bei der Wohnraummiete nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass die Geltendmachung gegen § 571 BGB verstößt5. In der Insolvenz des Mieters begründet der Anspruch aus § 546 Abs. 1 BGB ein Aus- 55 sonderungsrecht6, selbst wenn das Mietverhältnis vor Insolvenzeröffnung beendet wurde7. Das Aussonderungsrecht ist durch § 985 BGB begrenzt, so dass z.B. Rückbaupflichten lediglich eine Insolvenzforderung begründen8, soweit der Insolvenzverwalter den vertragswidrigen Zustand nicht in ihm zurechenbarer Weise verursacht hat9. 2. Beendigung des Mietvertrages Das Mietverhältnis muss – gleich aus welchem Grund – beendet sein (z.B. infolge 56 Zeitablaufs, Kündigung, Aufhebungsvereinbarung). Ist der Mietvertrag wegen Anfechtung oder aus sonstigen Gründen von Anfang an nichtig, ergibt sich ein Anspruch aus § 812 BGB; § 546 Abs. 1 BGB ist nicht anwendbar. Die Beendigung entfällt nachträglich, wenn eine stillschweigende Fortsetzung des Mietvertrages nach § 545 BGB stattfindet.

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3. Anspruchsberechtigter Gläubiger des Anspruchs aus § 546 Abs. 1 BGB ist der Vermieter, der nicht Eigentü- 58 mer zu sein braucht. Anspruchsinhaber ist daher auch der Mieter gegenüber seinem Untermieter10. Ist der Vermieter zugleich Eigentümer, kann er seinen Anspruch auch auf § 985 BGB 59 stützen. Eine weitere Anspruchsgrundlage kann § 812 BGB bilden. Sind mehrere Miteigentümer vorhanden, von denen nur einer Vermieter ist, können der obligatorische und der dingliche Anspruch jedenfalls dann gleichzeitig geltend gemacht werden, wenn sich die Parteien über die Person des Rückgabeberechtigten einig sind11.

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BGH v. 13.1.2010 – IV ZR 188/07, ZMR 2010, 431. OLG München v. 8.12.1988 – 21 W 3055/88, NJW-RR 1989, 524. Schmidt-Räntsch, Rz. 339. BT-Drucks. 14/6040, S. 138 f. So aber: Schmidt-Futterer/Steyl, § 546a BGB Rz. 86 m.w.N. OLG Celle v. 6.10.2003 – 2 W 107/03, ZMR 2004, 505. BGH v. 5.10.1994 – XII ZR 53/93, MDR 1995, 687 = NJW 1994, 3232. BGH v. 7.7.2010 – XII ZR 158/09, ZMR 2010, 943. BGH v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, MDR 2002, 54 = NJW 2001, 2966. OLG München v. 8.12.1988 – 21 W 3055/88, NJW-RR 1989, 524. Blank/Börstinghaus, § 546 BGB Rz. 6.

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60 Mehrere Vermieter sind gemeinschaftliche Gläubiger i.S.v. § 432 BGB1. Denn die Räumungspflicht ist eine im Rechtssinne unteilbare Leistung. Deshalb kann ein Vermieter alleine klagen; dabei muss er jedoch Räumung und Herausgabe an alle Vermieter beantragen2. Eine Ausnahme gilt, wenn auf Feststellung des Bestehens eines Mietvertrages (parallel) geklagt wird3. Denn die Wirksamkeit eines Mietvertrages kann nur einheitlich zwischen den Parteien festgestellt werden. 61 Die Abtretung des Räumungsanspruchs ist zulässig4. 62 Der Erwerber gemäß § 566 BGB tritt nach h.M. auch in das Abwicklungsverhältnis ein und wird damit Gläubiger des Anspruchs aus § 546 Abs. 1 BGB5. 4. Schuldner der Räumungspflicht 63 Schuldner ist der Mieter. Bei einer oHG oder KG als Mieterin haftet auch der nach der Anmietung ausgeschiedene Komplementär6. Das Gleiche gilt für die Gesellschafter der GbR. 64 Bei mehreren Mietern besteht gemäß § 431 BGB eine gesamtschuldnerische Haftung7. Der Rückgabeanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB setzt nicht voraus, dass der Mieter unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer der Mietsache ist8 bzw. noch ist9. Verpflichtet ist jeder Mieter, selbst wenn er aus den Räumen ausgezogen ist (vgl. § 546 BGB Rz. 38). Dies ist anders zu beurteilen, wenn der Besitz des im Mietobjekt verbliebenen Mieters auf einem selbständigen Rechtsgrund beruht. Dieser Fall kann z.B. durch eine Vereinbarung zwischen Vermieter einerseits und im Objekt verbliebenem Mitmieter andererseits geschaffen werden, wonach der zurückgebliebene Mitmieter erst zum Verbleib im Mietobjekt bewegt wird. Die geschuldete Rückgabe der Mietsache vom ausgezogenen Mieter erfolgt dann nicht aus Gründen, die in seine Sphäre fallen, sondern hat ihre Ursache in den neu zwischen dem Vermieter und dem im Objekt verbliebenen Mieter getroffenen Abreden10. Das Gleiche gilt, wenn der verbliebene Mieter zunächst auszieht und anschließend im Wege der verbotenen Eigenmacht wieder Besitz von den Räumen ergreift. 65 Der Insolvenzverwalter ist Schuldner des Anspruchs aus § 546 BGB (und auch des aus § 985 BGB), wenn er Besitz an der Mietsache ausübt11 oder unter Anerkennung des fremden Eigentums das Recht beansprucht, die Mietsache für die Masse zu nutzen und darüber zu entscheiden, ob, wann und in welcher Weise er sie an den Vermieter zurückgibt12. Ein Ausnahmetatbestand ist nicht begründet, wenn der Insolvenzverwalter die Räumungs- und Verwertungsmöglichkeit erlangt, innerhalb vertretbarer Zeit davon Gebrauch macht und die Mietsache anschließend zurückgibt13.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

OLG Düsseldorf v. 24.8.1999 – 24 U 93/98, ZMR 2000, 210. OLG Düsseldorf v. 10.7.1996 – 9 U 10/96, NJW-RR 1998, 11. OLG Celle v. 12.1.1994 – 2 U 14/93, NJW-RR 1994, 854. BGH v. 13.10.1982 – VIII ZR 197/81, MDR 1983, 306 = NJW 1983, 112; OLG München v. 23.9.1994 – 21 U 2235/94, NJW-RR 1996, 907. BGH v. 28.6.1978 – VIII ZR 139/77, MDR 1979, 134 = NJW 1978, 2148. BGH v. 1.4.1987 – VIII ZR 15/86, MDR 1987, 838 = NJW 1987, 2367. BGH v. 22.11.1995 – VIII ARZ 4/95, MDR 1996, 251 = NJW 1996, 515. BGH v. 2.10.1992 – V ZR 185/91, MDR 1992, 1147 = NJW 1993, 55; BGH v. 30.6.1971 – VIII ZR 147/69, NJW 1971, 2065. BGH v. 22.11.1995 – VIII ARZ 4/95, MDR 1996, 251 = NJW 1996, 515. OLG Hamburg v. 17.12.2008 – 4 U 112/06, ZMR 2009, 603. BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 207/06, BGHZ 148, 252, 260; BGH v. 19.6.2008 – IX ZR 84/07, MDR 2008, 1240 = MietRB 2008, 299 = NZI 2008, 554 (555) Rz. 14 f. BGH v. 5.10.1994 – XII ZR 53/93, BGHZ 127, 156, 161 = MDR 1995, 687. BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 207/06, GE 2009, 322.

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Rückgabepflicht des Mieters

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5. Inhalt der Räumungspflicht a) Besitzübertragung Gleichzeitig mit der rechtlichen Beendigung des Mietvertrags hat der Mieter den Ge- 66 brauch einzustellen und die Mietsache dem Vermieter zurückzugeben. Die Räumung verhält sich zu der Übergabe i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB spiegelbildlich. Deshalb muss der Mieter von Räumen dem Vermieter grundsätzlich den unmittelbaren Besitz an der Mietsache verschaffen1, was auch eine willentliche Besitzübertragung voraussetzt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Mieter die Mietsache – befugt oder unbefugt – einem Dritten (z.B. Untermieter) überlassen hat2, unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer ist3 oder überhaupt eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit hat. Der unmittelbare Besitz kann dem Vermieter grundsätzlich nur verschafft werden, indem die Räume zumindest von allen beweglichen Sachen, die der Mieter eingebracht hat, „entleert“ werden. Denn er muss nach der Rückgabe die Sachherrschaft über die Mietfläche ausüben können (vgl. zur Teilrückgabe § 546 BGB Rz. 72 und Rz. 168). Bei der Überlassung an Dritte genügt grundsätzlich nicht das Angebot zur Abtretung 67 des eigenen Herausgabeanspruchs4. Allerdings beschränkt sich bei der gewerblichen Weitervermietung die Rückgabepflicht des Zwischenvermieters bei Fortbestehen des Endmietvertrages auf die Abtretung des Räumungsanspruchs5. Dies beruht auf der Erwägung, dass der Wegfall des Hauptmietverhältnisses dem gewerblichen Zwischenvermieter regelmäßig kein berechtigtes Interesse i.S.d. § 573 BGB an der Beendigung der Wohnraummietverhältnisse gegeben hätte6. Dem Hauptvermieter steht dagegen zur Zeit des Vertragsschlusses der Herausgabeanspruch nach § 546 Abs. 2 BGB zu, wenn dem End- oder Untermieter bei Abschluss seines Mietvertrages bekannt war, dass sein Vermieter nicht Wohnungseigentümer ist. Denn in diesem Fall hätte er erkennen können, nur gegenüber seinem Vertragspartner, nicht aber gegenüber dem Wohnungseigentümer Kündigungsschutz zu genießen7. Deshalb kann der Zwischenvermieter selbst nur dann für die Räumung der Wohnungen – notfalls im Wege der Klage – Sorge tragen, wenn ihm der Vermieter zur Erfüllung der Verpflichtung zur Rückgabe wiederum seine Herausgabeansprüche gegen den Endmieter abtritt8. Demgemäß schuldet der Zwischenvermieter die Räumung der Wohnung nur gegen Abtretung wirksamer Herausgabeansprüche des Eigentümers/Vermieters. Ebenso wenig genügt die bloße Besitzaufgabe9. Ausnahmsweise entfällt die Rück- 68 gabeverpflichtung eines ausgezogenen Mieters i.S.v. § 546 Abs. 1 BGB, wenn die verweigerte Räumung des verbliebenen früheren Mitmieters darauf beruht, dass der Vermieter mit diesem eine Vereinbarung getroffen hat, an der der ausgezogene Mieter nicht beteiligt wurde und die den anderen Mieter erst zum Bleiben verleitet hat10. Das Gleiche gilt, wenn eine entsprechende Vereinbarung mit dem Untermieter zustande kommt. Bei der Raummiete wird die notwendige Besitzverschaffung regelmäßig durch die 69 Aushändigung von Schlüsseln dokumentiert, die grundsätzlich vollständig zurückzugeben sind11. Dies ist aber nicht zwingend. Maßgebend ist vielmehr, ob der Mieter – bei wertender Betrachtung – den Besitz am Mietobjekt aufgegeben und dem Ver1 BGH v. 11.5.1988 – VIII ZR 96/87, MDR 1988, 855 = NJW 1988, 2665; OLG Hamm v. 26.6.2002 – 30 U 29/02, NZM 2003, 26. 2 BGH v. 30.6.1971 – VIII ZR 147/69, NJW 1971, 2065. 3 BGH v. 1.4.1987 – IX ZR 68/86, NJW 1987, 2367. 4 BGH v. 30.6.1971 – VIII ZR 147/69, NJW 1971, 2065. 5 BGH v. 28.2.1996 – XII ZR 123/93, MDR 1996, 896 = WuM 1996, 413. 6 Bub/Treier/Reinstorf, I Rz. 88 m.w.N. 7 BGH v. 21.4.1982 – VIII ARZ 16/81, MDR 1982, 747 = WuM 1982, 178. 8 BGH v. 28.2.1996 – XII ZR 123/93, MDR 1996, 896 = WuM 1996, 413. 9 OLG Hamm v. 26.6.2002 – 30 U 29/02, NZM 2003, 26; OLG Düsseldorf v. 15.1.1987 – 10 U 122/86, ZMR 1987, 377; OLG München v. 17.5.1985 – 21 U 4708/84, ZMR 1985, 298. 10 OLG Hamburg v. 17.12.2008 – 4 U 112/06, ZMR 2009, 603. 11 BGH v. 10.1.1983 – VIII ZR 304/81, MDR 1983, 395 = NJW 1983, 1049; OLG Hamm v. 26.6.2002 – 30 U 29/02, NZM 2003, 26.

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Rückgabepflicht des Mieters

mieter verschafft hat1. Dazu kann auch die Übergabe eines Schlüssels ausreichen2. Dies gilt ohne weiteres, wenn sich aus der Übergabe der Wille zur endgültigen Rückgabe ableiten lässt. Dies ist der Fall, wenn die restlichen Schlüssel verloren gegangen sind, ohne dass die Gefahr des Missbrauchs besteht. Wird jedoch über die Schlüsselübergabe eine Quittung ausgestellt, die als Grund einen „Wasserschaden“ bezeichnet, fehlt es in der Regel an der endgültigen Rückgabe3. Auch die bloße Besitzaufgabe durch Zurücklassen der Schlüssel in den Mieträumen oder Einwurf in den Briefkasten des Vermieters reicht nicht aus4. Denn in diesen Fällen fehlt die willentliche Besitzübertragung. Das Gleiche gilt für die Aushändigung an einen im Hause wohnenden Mitmieter5 oder den Hauswart, sofern dieser nicht ausdrücklich vom Vermieter dazu beauftragt wurde6. 70 Da die Rückgabe ein Realakt ist, kann der Hauswart weder Erfüllungsgehilfe des Vermieters noch Besitzdiener sein, da zunächst der Mieter allein Besitz hat. Deshalb kann § 546 Abs. 1 BGB durch Rückgabe an einen Dritten auch nur unter der Voraussetzung des § 854 Abs. 2 BGB erfüllt werden. 71 Besteht ein Räumungstitel und erlangt der Vermieter wieder Besitz an der Mietsache, tritt dennoch keine Erfüllungswirkung ein, solange der Mieter z.B. mit der Berufung unverändert (auch) den Räumungs- und Herausgabeanspruch bekämpft. Denn eine Erfüllung kommt nur in Betracht, wenn der Mieter Erfüllungsbereitschaft gehabt hätte7. Diese hat der Mieter indes nicht, solange er die Mieträume wegen des angedrohten Räumungszwangs und deshalb unfreiwillig zurückgegeben hat8. 72 Eine Teilrückgabe ist unzulässig, § 266 BGB9, und führt grundsätzlich zur Nichterfüllung der Räumungspflicht. Sie liegt vor, wenn nicht alle Räume zurückgegeben werden oder der Vermieter z.B. durch zurückgelassene Sachen an einer Inbesitznahme gehindert wird. Denn eine Rückgabe i.S.d. § 546 BGB kann weder dann angenommen werden, wenn der Mieter zwar seine Sachen aus den Mieträumen fortschafft, aber die Schlüssel mitnimmt, noch dann, wenn er zwar die Räume unter Rückgabe der Schlüssel verlässt, aber seine Sachen nicht aus den Räumen entfernt. In jedem der beiden Fälle gibt der Mieter die Mietsache nicht zurück und enthält sie dem Vermieter vor10. Von daher stehen dem Vermieter die Ansprüche nach § 546a BGB auch dann zu, wenn der Mieter bei Auszug aus der Wohnung eine erhebliche Anzahl ihm gehörender Gegenstände zurücklässt (hier: eine komplette Einbauküche, einen Einbauschrank im Badezimmer, eine Garderobe im Flur, Rollos an den Fenstern, ferner eine Balkonverkleidung und einen von dem Mieter eingebrachten Teppichboden), vgl. im Einzelnen § 546a BGB Rz. 39 ff. 73 Vom Mieter zurückgelassene Sachen hat der Vermieter vor Beschädigungen und Verlust zu bewahren11. Zur Vermeidung einer Schadensersatzpflicht muss er eine Inventarliste erstellen und eine Wertermittlung durchführen12. Im Einzelnen vgl. § 546 BGB Rz. 163.

1 OLG Brandenburg v. 24.3.1999 – 3 U 216/98, NZM 2000, 463. 2 OLG Düsseldorf v. 13.3.2008 – 10 W 4/08, GuT 2008, 359; OLG Köln v. 27.1.2006 – 1 U 6/05, ZMR 2006, 859. 3 KG v. 30.1.2012 – 8 U 192/10, GE 2012, 752 = ZMR 2012, 693. 4 LG Köln v. 2.7.1987 – 1 S 609/86, DWW 1987, 236. 5 LG Berlin v. 4.3.1983 – 65 S 333/82, GE 1983, 437. 6 KG v. 2.7.2001 – 8 U 1044/99, MDR 2002, 272. 7 Vgl. BGH v. 19.3.1998 – I ZR 264/95, MDR 1998, 1494 = NJW-RR 1998, 1572 f.; OLG Düsseldorf v. 24.6.2008 – 24 U 74/08, MDR 2008, 1029 m.w.N. 8 OLG Düsseldorf v. 6.11.2008 – 24 U 149/07, ZMR 2011, 629. 9 BGH v. 11.5.1988 – VIII ZR 96/87, MDR 1988, 855 = NJW 1988, 2665. 10 LG Köln v. 4.7.1996 – 1 S 331/95, NJW-RR 1996, 1480. 11 BGH v. 27.4.1971 – VI ZR 191/69, WPM 1971, 943. 12 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, WuM 2010, 575 = GE 2010, 1189 = NZM 2010, 701 = ZMR 2011, 23.

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Rückgabepflicht des Mieters

§ 546 BGB

b) Räumlicher Umfang Die Rückgabeverpflichtung bezieht sich zunächst auf die Mieträume. Daneben sind 74 das überlassene Zubehör, Nebenräume und sonstige Grundstücksteile, auf denen der Mieter im Rahmen der Nutzung (unberechtigt) z.B. Gegenstände abgestellt hat, zurückzugeben1. Insoweit ist es unerheblich, ob die Nebenflächen durch den Mieter exklusiv oder anteilig genutzt wurden und genutzt werden durften. Maßgeblich ist sein (Mit-)Besitz, der rückgängig zu machen ist. c) Zustand bei Rückgabe aa) Wiederherstellungs- und Beseitigungspflicht Die Mietsache ist vom Mieter grundsätzlich in dem Zustand zurückzugeben, in dem 75 sie sich bei Mietbeginn befunden hat2. Deshalb muss der Mieter bei Mietende das Inventar entfernen3, solange der Vermieter nicht gleichzeitig ein Vermieterpfandrecht geltend macht4 oder die eingebrachten Sachen einvernehmlich zurückbleiben sollen. Vom Vormieter zurückgelassene Sachen muss der Mieter nur fortschaffen, wenn er sie übernommenen hat5. Zur Räumung gehört auch die Entfernung von Einrichtungen und Ausbauten, mit 76 denen der Mieter die Mietsache versehen hat; Gleiches gilt für Umbauten6. Selbst ein vom Mieter auf dem Mietgrundstück errichtetes Gebäude ist, falls nichts anderes vereinbart ist, bei Vertragsende abzureißen und der ursprüngliche Zustand wiederherzustellen7. Der Mieter kann die Erfüllung dieser Pflicht nicht wegen der Höhe der Rückbaukosten ablehnen8. Auch eine Veränderung der vom Mieter eingebrachten Sachen hat auf die Räumungsverpflichtung grundsätzlich keinen Einfluss. Die Wiederherstellungspflicht besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob der Ver- 77 mieter der baulichen Veränderung zugestimmt hat9, was auch konkludent geschehen kann10. Es ist auch unerheblich, ob die eingebauten Sachen in das Eigentum des Vermieters übergegangen sind11. Eine Ausnahme kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn die Einbauten/Umbauten des Mieters nicht zu einer Werterhöhung geführt haben12. Sie kann allerdings bestehen, wenn aus den Umständen, unter denen die Zustimmung erklärt wurde, ein anderer Wille des Vermieters gefolgert werden kann. Dies ist noch nicht der Fall, wenn die Parteien im Mietvertrag eine Regelung getrof- 78 fen haben, deren Inhalt sich auf die Wiedergabe der ohnehin bestehenden Verpflichtung aus § 546 BGB beschränkt. Wird in diesem Fall der Rückbau durch Umbauabsichten des Vermieters hinfällig, ergibt die Auslegung, dass der Vermieter weder Rückbau noch Ausgleich in Geld für das Entfallen der Wiederherstellungspflicht verlangen kann13. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Mieter zur Durchführung von Schönheitsreparaturen (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 649 ff.) oder Instandsetzungen14 verpflichtet war. In diesem Fall ergibt die ergänzende Vertragsauslegung ei-

1 BGH v. 23.6.2010 – XII ZR 52/08, MDR 2010, 1042 = GuT 2010, 229 (230). 2 BGH v. 16.12.2009 – VIII ZR 39/09, NJW 2010, 1064; BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = ZMR 2010, 431; BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 107/99, NJW 2002, 3234; zur rechtlichen Einordnung dieser Verpflichtung Kandelhard, NJW 2002, 3291 (3292 ff.). 3 BGH v. 11.5.1988 – VIII ZR 96/87, MDR 1988, 855 = NJW 1988, 2665. 4 KG v. 14.2.2005 – 8 U 144/04, NZM 2005, 422. 5 OLG Hamburg v. 13.6.1990 – 4 U 118/89, ZMR 1990, 341. 6 BGH v. 23.10.1985 – VIII ZR 231/84, MDR 1986, 226 = NJW 1986, 309. 7 BGH v. 27.4.1966 – VIII ZR 148/64, ZMR 1966, 238. 8 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1005. 9 BGH v. 14.5.1997 – XII ZR 140/95, ZMR 1997, 568 = GE 1997, 1160 = NJW-RR 1997, 1216; OLG Düsseldorf v. 14.10.2008 – 24 U 7/08, ZMR 2009, 843. 10 KG v. 17.6.2010 – 12 U 51/10, ZMR 2010, 956. 11 BGH v. 17.5.1995 – XII ZR 235/93, MDR 1996, 254 = ZMR 1995, 478. 12 AG Warendorf v. 13.9.2001 – 5 C 865/00, WuM 2001, 488. 13 BGH v. 23.10.1985 – VIII ZR 231/84, MDR 1986, 226 = NJW 1986, 309. 14 Was im relevanten Umfang nur in der Gewerberaummiete in Betracht kommt.

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Rückgabepflicht des Mieters

nen unmittelbaren Anspruch auf Geldleistung, wenn die Arbeiten infolge geplanter Umbaumaßnahmen des Vermieters sinnlos werden1. 79 Bauwerke gemäß § 5 Abs. 1 SchuldRAnpG, die vor dem 3.10.1990 im Beitrittsgebiet vom Nutzer auf fremdem Grundeigentum errichtet wurden, unterliegen dem Wegnahmerecht des Mieters (§ 12 Abs. 4 SchuldRAnpG), wodurch allerdings grundsätzlich keine Pflicht herbeigeführt wird. Mit Vertragsende wird der Grundstückseigentümer gemäß § 11 SchuldRAnpG auch Eigentümer der errichteten Baulichkeiten und hat den Nutzer/Mieter dann grundsätzlich zu entschädigen (§ 12 Abs. 1 SchuldRAnpG). 80 Im Hinblick darauf ist die formularmäßig geregelte Verpflichtung des Mieters, „Einund Ausbauten … zu entfernen“, wenn durch sie „eine weitere Vermietung erschwert sein (sollte)“, rechtlich unbedenklich2. Denn jeder Mieter schuldet kraft Gesetzes gemäß § 546 Abs. 1 BGB die Entfernung seiner Sachen (Inventar, Einbauten) nach Beendigung des Mietvertrages3. Die Klausel begünstigt den Mieter im Vergleich zur gesetzlichen Regelung insofern, als der Rückbau nicht unbedingt (allein vom Willen des Vermieters abhängig) zu erfolgen hat, sondern nur dann, wenn der Nachfolgemieter das wünscht. Die Fälligkeit des Rückbauanspruchs hängt in einem solchen Fall von einem entsprechenden Beseitigungsverlangen des Nachmieters ab. bb) Reinigung der Mietsache 81 Die Rückgabe hat in gereinigtem Zustand zu erfolgen. Ist der Mieter nach dem Vertragstext verpflichtet, die Mieträume ordnungsgemäß gereinigt zu übergeben, handelt es sich lediglich um eine übliche Reinigung von dem sich allmählich ansammelnden Schmutz etwa durch Staubsaugen. Sie ergibt sich aus der vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflicht des Mieters zur Beseitigung von Verschmutzungen und entspricht dem Abwischen von verschmutzten Heizkörpern, Fenstern Türen und Sanitäranlagen4. Daran ändert selbst die Klausel, die eine Rückgabe in besenreinem Zustand fordert, nichts. Denn danach kann nur eine Beseitigung grober Verschmutzungen gefordert werden („mit dem Besen grob gereinigt“5). Mangels vertraglicher Abrede ist der Mieter auch nicht zu einer Grundreinigung von Sanitäranlagen verpflichtet6. cc) Beseitigung von Abnutzungsspuren 82 Die Beseitigung von Abnutzungen und verschleißbedingten Veränderungen infolge vertragsgemäßen Gebrauchs sind jedenfalls nicht Inhalt der Rückgabepflicht7. Deshalb schuldet der Mieter am Ende der Mietzeit nicht automatisch Schönheitsreparaturen. Vielmehr ist dafür eine wirksame Renovierungsklausel sowie Fälligkeit der Renovierungsleistung erforderlich. 83 Formularklauseln, nach denen der Mieter bei Mietende ohne Einschränkung verpflichtet ist, Dübel zu entfernen, Bohrlöcher unkenntlich zu schließen und etwa durchbohrte Kacheln durch gleichartige zu ersetzen, verstoßen jedenfalls bei der Wohnraummiete gegen § 307 BGB8. Eine abweichende Beurteilung bei anderen Mietverhältnissen ist nicht gerechtfertigt.

1 BGH v. 5.6.2002 – XII ZR 220/99, MDR 2002, 1304 = WuM 2002, 484 = ZMR 2002, 735. 2 OLG Düsseldorf v. 21.4.2009 – 24 U 56/08, MDR 2009, 977 = MietRB 2009, 256 = GE 2009, 1045. 3 Vgl. BGH v. 23.10.1985 – VIII ZR 231/84, MDR 1986, 226 = WuM 1986, 57 = ZMR 1986, 48; OLG Düsseldorf v. 8.6.2006 – 24 U 166/05, GE 2007, 515 = DWW 2007, 20 = OLGR 2007, 71; OLG Düsseldorf v. 20.12.2001 – 10 U 145/00, ZMR 2002, 513 = GuT 2002, 81 = NZM 2002, 563. 4 Vgl. BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 15/07, MDR 2009, 255 = MietRB 2009, 69 = GE 2009, 111 = GuT 2008, 484 = WuM 2009, 225. 5 BGH v. 29.3.2006 – VIII ZR 250/05, MDR 2006, 1275 = WuM 2006, 260 = NJW 2006, 2915. 6 OLG Düsseldorf v. 1.10.2009 – I-10 U 58/09, MietRB 2010, 7 (8) = GE 2009, 1553. 7 BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = NJW 2002, 3234. 8 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = NJW 1993, 1061.

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Rückgabepflicht des Mieters

§ 546 BGB

dd) Vereinbarungen anlässlich der Rückgabe Gibt der Mieter nach Beendigung des Mietvertrages die Wohnung an den Vermieter 84 zurück, treten die Umstände, aus denen der Vermieter seine Ansprüche herleiten kann, regelmäßig offen zu Tage. Das Gleiche gilt für den Mieter insbesondere im Hinblick auf die von § 548 Abs. 2 BGB erfassten Ansprüche. Umso mehr sind die Parteien in der Lage, über ihre Ansprüche zu verhandeln und eine Einigung zu erzielen, wenn sie die Rückgabe nicht auf einen bloßen Austausch der Schlüssel beschränken, sondern sich im Mietobjekt zusammenfinden. Dabei bietet sich eine breite Palette von Möglichkeiten, Vorsorge zu treffen und Streit zu vermeiden. Die kleinste Lösung besteht darin, dass der Rückgabezustand gemeinsam festgehal- 85 ten wird. Dazu wird in der Praxis häufig ein Abnahmeprotokoll gefertigt. Darüber hinaus können die Parteien natürlich die Ansprüche, die sich aus dem Zustand ergeben können, anlässlich des Rückgabetermins aber auch im Zuge der weiteren Abwicklung des beendeten Mietvertrages regeln. Findet eine Rückgabe quasi unter Abwesenden statt, ist der Vermieter nicht ge- 86 halten, die Mietsache unverzüglich zu untersuchen1. Welche Zeitkomponente er zu berücksichtigen hat, gibt § 548 BGB vor. Allerdings läuft der Vermieter Gefahr, dass sich die Beweislast zu seinen Ungunsten verändert. Denn solange er nachweisen kann, dass eine Beschädigung bei der Übergabe nicht vorhanden war und sie bei der Rückgabe festgestellt wird, spricht nach der Lebenserfahrung eine Vermutung dafür, dass sie vom Mieter herbeigeführt wurde2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um eine Verschlechterung der Mietsache handelt, die typischerweise auf einer von § 538 BGB nicht gedeckten Nutzung des Mieters beruht. Unterlässt der Vermieter aber eine zeitnahe Zustandsfeststellung, eröffnet er dem 87 Mieter den Einwand, eine Verschlechterung sei nicht von ihm verursacht. Haben in der Zwischenzeit bereits Dritte (z.B. Makler, Nachmieterinteressenten, Handwerker) die Mieträume betreten, erhält sein Bestreiten sogar Substanz. Dennoch ist dem Unterlassen der Untersuchung durch den Vermieter kein Erklärungswert beizumessen. Ein wie auch immer geartetes Einverständnis mit einem schlechten Zustand kann daraus nicht hergeleitet werden3. Das Gegenteil kann nur angenommen werden, wenn die Parteien zuvor über den Zustand gesprochen haben4. (1) Abnahmeprotokoll Eine Pflicht zur Durchführung einer Abnahme ist gesetzlich nicht geregelt. Die Rück- 88 gabe ist bereits vollzogen, wenn die Besitzverhältnisse nach den Vorgaben des § 546 BGB verändert werden. Allerdings lässt sich eine Pflicht zur Abnahme, also mindestens eine einvernehmliche Zustandsfeststellung, vertraglich regeln. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn die Parteien im Mietvertrag bestimmt haben, dass über die Rückgabe und den vorgefundenen Zustand ein Protokoll zu fertigen ist. Es ist anerkannt, dass bei Bescheinigung des Vermieters im Abnahmeprotokoll be- 89 züglich der Mangelfreiheit der Mietsache es dem Vermieter versagt ist, sich später auf bestehende Mängel, die er hätte visuell wahrnehmen können, zu berufen5. Rechtsgrundlage des Abschneidens von Ansprüchen des Vermieters nach vorbehaltloser Rücknahme einer Mietwohnung kann im Einzelfall – ein tatsächliches Anerkenntnis, – ein Erlassvertrag,

1 Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 54. 2 AG Bremen v. 24.5.2007 – 21 C 269/05, NZM 2008, 247; Lützenkirchen/Horst, AHB Mietrecht, K Rz. 18 f.; Blank, ZdW Bay 1998, 67 f. 3 Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 54 m.w.N. 4 KG v. 13.2.2003 – 8 U 371/01, GE 2003, 524 = WE 2004, 91; vgl. aber MünchKomm/Bieber, § 546 BGB Rz. 12. 5 BGH v. 10.11.1982 – VIII ZR 252/81, MDR 1983, 394 = ZMR 1983, 93 = NJW 1983, 446; KG v. 13.2.2003 – 8 U 371/01, GE 2003, 524.

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Rückgabepflicht des Mieters

– eine Verzichtserklärung, – ein negatives Schuldanerkenntnis i.S.v. § 397 Abs. 2 BGB, – ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis oder – ein Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB sein1. Die Abgrenzung erfolgt nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und der abgegebenen Erklärungen2. 90 Beschränkt sich der Erklärungswert auf die bloße Beschreibung des Zustandes, liegt regelmäßig ein tatsächliches Anerkenntnis vor. Dies führt zwar keine Verbindlichkeit der Feststellung herbei. Indessen trägt derjenige, der sich auf einen abweichenden Zustand beruft, dafür die volle Beweislast3. 91 Ein Erlassvertrag i.S.v. § 397 Abs. 1 BGB kommt in Betracht, wenn zwischen den Parteien Einigkeit über das Bestehen einer Forderung (z.B. des Vermieters) herrscht und diese Schuld (z.B. zugunsten des Mieters) erledigt werden soll, ohne dass das der Schuld zugrundeliegende Schuldverhältnis aufgehoben wird. Da der Mietvertrag in der gegebenen Situation regelmäßig beendet ist, kommt diese Erledigung in der Praxis kaum vor. 92 Der Verzichtsvertrag kommt zustande, wenn durch Vereinbarung festgestellt wird, dass der Gläubiger den ihm zustehenden Anspruch aufgibt4. Oftmals lässt sich der Verzicht nur schwer vom Erlass unterscheiden. Häufig handelt es sich beim Verzicht auch um ein einseitiges Rechtsgeschäft. 93 In vielen Fällen wird das Protokoll, das anlässlich einer Wohnungsübergabe über den Zustand der Räume gefertigt wird, als negatives Schuldanerkenntnis der Parteien, insbesondere des Vermieters i.S.v. § 397 Abs. 2 BGB angesehen5. Das setzt voraus6, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen wollen und sich dahingehend einigen7. Ansprüche bzw. Zustände, die für bestimmte Ansprüche vorliegen müssen, die in dem Protokoll nicht vermerkt sind, können danach nicht mehr geltend gemacht werden. Allerdings sind derartige Erklärungen einschränkend auszulegen. Denn eine Vermutung für einen Verzicht auf Rechte besteht nicht8. 94 Die Anerkenntniswirkung gilt auch dann, wenn die äußeren Umstände nicht geeignet waren, den Zustand vollständig zu erfassen (z.B. schlechte Beleuchtung bei abendlicher Rückgabe), oder sich erst bei näherer Untersuchung feststellen lassen, die Parteien, insbesondere der Vermieter aber eine bloße visuelle Prüfung durchgeführt haben9. Der Mieter darf insoweit annehmen, der Vermieter verzichte auf Ansprüche aus Zuständen, die er bei gehöriger Prüfung hätte erkennen können10. Allerdings ist der Vermieter grundsätzlich nicht mit Ansprüchen ausgeschlossen, wenn sich die dazu notwendigen Feststellungen erst bei Hinzuziehung eines Sachverständigen oder sonstigen Fachmannes treffen lassen11. Das Gegenteil muss – eindeutig12 – vereinbart werden.

1 Nachweise bei Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 55; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 33 f.; Blank/Börstinghaus, § 538 BGB Rz. 6; Lehmann-Richter, ZMR 2006, 833 f. 2 Vgl. auch Erman/Wagner, § 397 BGB Rz. 1. 3 BGH v. 11.11.2008 – VIII ZR 265/07, MDR 2009, 192 = GuT 2009, 122 = NJW 2009, 580. 4 Erman/Wagner, § 397 BGB Rz. 1. 5 LG Potsdam v. 26.2.2009 – 11 S 127/08, GE 2009, 519; LG München I v. 25.9.2002 – 15 S 22038/01, NZM 2003, 714; LG Hamburg v. 15.10.1998 – 327 S 79/98, ZMR 1999, 405 = NZM 1999, 838; Blank, PiG 52, 43. 6 BGH v. 11.1.2007 – VII ZR 165/05, NJW-RR 2007, 530 m.w.N. 7 BGH v. 1.12.1994 – VII ZR 215/93, NJW 1995, 960; BGH v. 11.7.1995 – X ZR 42/93, NJW 1995, 3311; BGH v. 29.4.1999 – VII ZR 248/98, BauR 1999, 1021 = ZfBR 1999, 310; BGH v. 6.12.2001 – VII ZR 241/00, BauR 2002, 613 = NZBau 2002, 338. 8 BGH v. 13.1.1999 – XII ZR 208/96, NZM 1999, 371 = NJW-RR 1999, 593. 9 Lehmann-Richter, ZMR 2006, 834 (835). 10 Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 57. 11 Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 57. 12 BGH v. 13.1.1999 – XII ZR 208/96, NZM 1999, 371 = NJW-RR 1999, 593.

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Ohne ein schriftliches Protokoll soll eine Anerkenntniswirkung entstehen, wenn der 95 Vermieter sich anlässlich der Wohnungsübergabe zufrieden über den Renovierungszustand geäußert hat1 oder die sofortige Rückzahlung der Kaution zugesagt2, im Ergebnis also keinerlei Vorbehalte gemacht hat3. Dies gilt erst recht, wenn er dem Mieter versichert, mit der Schlüsselrückgabe sei die Sache erledigt4. Erst recht gelten diese Grundsätze im kaufmännischen Verkehr, wenn ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben vorliegt, also eine Partei nach der Abnahme die dabei getroffenen Abreden einseitig schriftlich festhält und die andere Partei dem nicht widerspricht5. Die für die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses notwendigen 96 Umstände liegen in der Regel vor, wenn die Parteien anlässlich der Rückgabe nicht nur Zustandsfeststellungen treffen, sondern auch über die daraus herzuleitenden Ansprüche (z.B. wegen Schönheitsreparaturen) debattieren und deren Bestehen regeln6. Insoweit ist es unbedeutend, ob die Durchführung, Abgeltung oder die Leistung von Schadensersatz vereinbart wird. Solange die Parteien die Wirkungen nicht ausdrücklich festlegen, muss auch bei dem deklaratorischen Schuldanerkenntnis geprüft werden, ob die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen wollen und sich dahingehend einigen7. Gerade weil Erklärungen vom Empfängerhorizont auszulegen sind, kann dem dekla- 97 ratorischen Schuldanerkenntnis keine Wirkung beigemessen werden, die über die Kenntnis der Erklärenden hinausgeht. Deshalb kann z.B. in der Verpflichtung zur Durchführung einer Renovierung keine Bestätigung einer unwirksamen Klausel im Mietvertrag gesehen werden, solange der Mieter die Unwirksamkeit nicht kannte8. Der Mieter kann sein Anerkenntnis also nach § 812 Abs. 2 BGB kondizieren, wenn die Parteien nicht ausdrücklich die Unwirksamkeit der Klausel angesprochen hatten9. Sind die Erklärungen, die zu dem Anerkenntnis führen, im Protokoll für eine Vielzahl 98 von Fällen vorformuliert, ist zu unterscheiden. Die Beweislastumkehr, die durch das Anerkenntnis herbeigeführt wird, begründet keinen Verstoß gegen § 309 Nr. 12 BGB10. Denn sie ist Rechtsfolge der Vereinbarung und nicht Gegenstand. Werden aber Erklärungen fingiert (§ 308 Nr. 5 BGB) oder soll der Vermieter das Recht haben, auch ohne Mahnung Schadensersatz z.B. für nicht ausgeführte Schönheitsreparaturen zu verlangen (§ 309 Nr. 4 BGB), muss eine Inhaltskontrolle stattfinden. (2) Sonstige Vereinbarungen Im Rahmen der Rückgabe können die Parteien über ihre (wechselseitigen) Ansprü- 99 che verhandeln und sie durch ein Anerkenntnis oder eine Abgeltung regeln. Denkbar ist insoweit, dass der Mieter auf die Rückzahlung der Kaution verzichtet oder eine – ggf. darüber hinausgehende – Pauschale zur Abgeltung der Ansprüche des Vermieters vereinbart wird. Auch eine Ausgleichsquittung, mit der beide Parteien auf ihre wechselseitigen Ansprüche verzichten, kommt in Betracht.

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LG Köln v. 18.5.2000 – 1 S 307/99, KM 36 Nr. 7. AG Köln v. 30.11.1999 – 201 C 341/99, KM 36 Nr. 8. OLG Hamm v. 10.5.2012 – 28 U 166/11, zitiert nach juris m.w.N. LG Görlitz v. 10.2.1999 – 2 S 112/98, WuM 1999, 363. OLG Düsseldorf v. 18.12.2003 – I-10 U 184/02, NZM 2004, 260. Lehmann-Richter, ZMR 2006, 834 (836). BGH v. 11.1.2007 – VII ZR 165/05, NJW-RR 2007, 530; BGH v. 6.12.2001 – VII ZR 241/00, BauR 2002, 613 = NZBau 2002, 338; BGH v. 29.4.1999 – VII ZR 248/98, BauR 1999, 1021 = ZfBR 1999, 310; BGH v. 11.7.1995 – X ZR 42/93, NJW 1995, 3311; BGH v. 1.12.1994 – VII ZR 215/93, NJW 1995, 960. 8 AG Hildesheim v. 27.2.2009 – 49 C 144/08, NJW-RR 2009, 1613; Lehmann-Richter, GE 2009, 1023 (1024). 9 Lehmann-Richter, ZMR 2006, 834 (837). 10 BGH v. 5.3.1991 – XI ZR 75/90, MDR 1991, 841 = NJW 1991, 1677.

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100 Die Grenzen für die Zulässigkeit solcher Abreden ergeben sich regelmäßig aus §§ 134, 138 BGB, sofern die Rückgabe nicht als Haustürwiderrufgeschäft zu werten ist1 oder Klauseln zur Anwendung kommen, die der Vermieter für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert hat. 6. Erfüllungsort 101 Räume und Grundstücke können nur an dem Ort, an dem sie sich befinden, zurückgegeben werden. Bewegliche Sachen sind, da die Rückgabepflicht eine Bringschuld ist2, am Wohn- oder Geschäftssitz des Vermieters herauszugeben3. Die Parteien können einen anderen Erfüllungsort festlegen. 7. Fälligkeit des Rückgabeanspruchs 102 Nach seinem Wortlaut soll die Fälligkeit des Räumungsanspruchs nach Beendigung des Mietverhältnisses eintreten. Obwohl der Vermieter damit eigentlich erst am Tag nach der Beendigung des Mietvertrages eine Rückgabe verlangen kann (§ 271 BGB), geht die überwiegende Meinung davon aus, dass der Anspruch bereits am letzten Tag der Mietzeit fällig wird4. Dies ist dem praktischen Bedürfnis geschuldet, dass der Wohnungswechsel regelmäßig mit dem Ultimo des Monats vereinbart wird und der Vertragsbeginn auf den Anfang des Monats gelegt wird. Bedenken ergeben sich aber daraus, dass der Gesetzgeber am 1.9.2001 trotz der Meinungsverschiedenheit keine Klarstellung herbeigeführt hat. 103 § 193 ZPO ist anwendbar5. Dies kann zu praktischen Komplikationen führen. Deshalb ist auch ein formularvertraglicher Ausschluss zulässig und sogar regelbar, dass in den Fällen des § 193 BGB eine vorzeitige Rückgabe stattzufinden hat. Voraussetzung für die Wirksamkeit ist aber, dass der Anspruch auf Erstattung zu viel gezahlter Miete nicht ausgeschlossen ist. 8. Annahmeverzug des Vermieters a) Allgemeines 104 Der Annahmeverzug tritt nicht automatisch mit dem Angebot zur Erfüllung der Rückgabeverpflichtung nach § 546 Abs. 1 BGB ein6. Während der Rückgabeschuldner bei einer beweglichen Sache die Möglichkeit hat, sich durch Hinterlegung nach § 372 BGB von seiner Verpflichtung zu befreien, muss derjenige, der zur Herausgabe eines Grundstücks verpflichtet ist, nach § 303 S. 2 BGB zur Herbeiführung des Annahmeverzugs des Gläubigers die Besitzaufgabe androhen, bevor er sie realisiert. Werden diese Vorgaben beachtet, tritt gleichzeitig mit der Besitzaufgabe eine schuldbefreiende Wirkung ein. Nach der Besitzaufgabe (Preisgabe) kann der Gläubiger keine Herausgabe mehr verlangen7. 105 § 303 BGB ist auf den vertraglichen Herausgabe- und Räumungsanspruch gemäß § 546 Abs. 1 BGB anwendbar8, soweit er auf die Rückgabe gemieteter Räume gerichtet ist. Danach setzt ein Erlöschen des Rückgabeanspruchs eine Besitzaufgabe i.S.v. §§ 303, 856 Abs. 1 BGB voraus, die allein durch eine bloße Rückgabe sämtlicher Schlüssel noch nicht herbeigeführt wird. Vielmehr ist dazu grundsätzlich auch die 1 AG Köln v. 18.8.2005 – 222 C 82/05, KM 31 Nr. 52; Löfflad, MietRB 2004, 87. 2 Zweifelnd Palandt/Weidenkaff, § 546 BGB Rz. 9. 3 MünchKomm/Bieber, § 546 BGB Rz. 18; Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 36; a.A. Wolf/Eckert/ Ball, Rz. 976 (danach im Zweifel Rückgabe am Überlassungsort). 4 BGH v. 19.10.1988 – VIII ZR 22/88, MDR 1989, 247 = NJW 1989, 451 (452); LG Düsseldorf v. 19.11.1991 – 24 S 294/91, WuM 1992, 191; Blank/Börstinghaus, § 546 BGB Rz. 13; Bamberger/ Roth/Ehlert, § 546 BGB Rz. 19; a.A. AG Köln v. 8.3.1985 – 218 C 285/84, WuM 1985, 265; Bub/Treier/Scheuer, V Rz. 3 m.w.N. 5 OLG Hamm v. 4.11.1980 – 4 U 136/80, WuM 1981, 40 (41). 6 OLG Düsseldorf v. 16.1.1997 – 10 U 6/96, MDR 1997, 342 = WuM 1997, 218. 7 OLG Düsseldorf v. 21.1.1999 – 10 U 32/98, MDR 1999, 538 = WuM 1999, 279 = NZM 1999, 1142 = ZMR 1999, 326. 8 OLG Düsseldorf v. 16.1.1997 – 10 U 6/96, MDR 1997, 342 = WuM 1997, 218.

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vollständige Räumung der Mietsache erforderlich. Deshalb kommt der Vermieter noch nicht in Annahmeverzug, weil er die Rückgabe der Räume wegen des vertragswidrigen Zustandes ablehnt1. Weitere Voraussetzung ist, dass der Mieter ausdrücklich oder durch konkludentes 106 Verhalten vor der Besitzaufgabe eine Erklärung abgibt, die als Androhung i.S.v. § 303 BGB verstanden werden kann. Diese Anforderung bezweckt, Klarheit über das Vorhaben des Mieters zu schaffen und dem Herausgabegläubiger die erforderliche Planungssicherheit zu geben2. Deshalb kann von einer Androhung nicht allein deshalb abgesehen werden, weil der Mieter sämtliche Schlüssel zurückgegeben hat. Denn allein durch die Schlüsselrückgabe ist aus Sicht des Vermieters nicht klar, ob der Mieter seinen Besitz nunmehr als beendet ansieht oder ob er ihn mit Rücksicht z.B. auf einen nur teilgeräumten Zustand des Mietobjekts weiterhin ausüben möchte. Nur in Ausnahmefällen ist eine vorherige Androhung der Besitzaufgabe entbehrlich. 107 Sie muss untunlich sein (§ 303 S. 2 BGB). Das kommt z.B. in Betracht, wenn der Vermieter zum vereinbarten Übergabetermin nicht erscheint oder die Rücknahme des Objekts unberechtigterweise verweigert3. Letzteres ist auch der Fall, wenn der Vermieter nicht bereit ist, vor dem Auszug des Mieters einen Übergabetermin zu benennen4. In diesen Fällen reicht die Besitzaufgabe durch den Mieter, die z.B. durch die Schlüsselübergabe dokumentiert werden kann5, aus, um einen Annahmeverzug zu begründen. Dazu muss die Übergabe der Schlüssel aber wenigstens in Form des § 295 BGB angeboten werden. b) Annahmeverzug bei vorzeitiger Rückgabe Ob bei einer vorzeitigen, also vor Beendigung des Mietvertrages angebotenen Rück- 108 gabe überhaupt ein Annahmeverzug des Vermieters eintreten kann, ist umstritten. Nach einer Auffassung6 ist dies möglich und der Vermieter grundsätzlich zur Rücknahme der Mietsache vor Ende der Mietzeit verpflichtet. Dies soll uneingeschränkt jedoch nur dann gelten, wenn das Ende der Mietzeit unmittelbar bevorsteht, nicht jedoch, wenn der Mieter die Räume etwa fünf Monate vor dem Ablauf des Vertrages zurückgeben will. Demgegenüber wird die Meinung vertreten7, der Vermieter sei nicht verpflichtet, die Schlüssel zur Mietsache vor Beendigung des Mietvertrages zurückzunehmen. Im konkreten Fall hatte der Mieter ca. zehn Tage vor Ablauf der Mietzeit die Rückgabe der Mietsache angeboten. Vermittelnd soll ein Recht zur vorzeitigen Rückgabe nur beim Vorliegen eines berechtigten Interesses des Mieters bestehen8. Unabhängig davon, dass eine klarstellende Regelung im Mietvertrag grundsätzlich 109 auch formularmäßig zulässig ist, sofern sie für Ausnahme- bzw. Einzelfälle einen Vorbehalt vorsieht (z.B. „im Allgemeinen“), verdient die Meinung den Vorzug, die eine vorzeitige Rücknahmepflicht des Vermieters prinzipiell ablehnt. Denn mit der Rücknahme vor Beendigung des Mietvertrages entfällt regelmäßig nach § 537 BGB der Anspruch des Vermieters auf Mietzahlung. Bei der Begründung einer entsprechenden Pflicht wird daher einseitig auf die Interessen des Mieters abgestellt, wofür ein sachlicher Grund nicht ersichtlich ist. Dies gilt umso mehr, als der Vermieter mit der Rück-

1 OLG Hamburg v. 6.12.1989 – 4 U 26/89, MDR 1990, 247 = WuM 1990, 75. 2 OLG Düsseldorf v. 21.1.1999 – 10 U 32/98, MDR 1999, 538 = WuM 1999, 279 = NZM 1999, 1142 = ZMR 1999, 326. 3 Vgl. Bub/Treier/Scheuer, V Rz. 6. 4 LG Lüneburg v. 29.10.2008 – 6 S 96/08, ZMR 2010, 765. 5 OLG Düsseldorf v. 16.1.1997 – 10 U 6/96, MDR 1997, 342 = WuM 1997, 218. 6 OLG Dresden v. 20.6.2000 – 23 U 403/00, MDR 2001, 82 = ZMR 2001, 265 = NZM 2000, 827; ähnlich BezG Cottbus v. 9.11.1993 – 3 S 44/93, WuM 1994, 146; LG Mannheim v. 28.10.1981 – 4 S 62/81, WuM 1982, 298. 7 KG v. 6.5.1999 – 8 U 1700/98, KGR 1999, 265 = NZM 2000, 92; OLG Düsseldorf v. 19.5.1988 – 8 U 163/87, VersR 1989, 46; offengelassen BGH v. 12.10.2011 – VIII ZR 8/11, MDR 2012, 18 = WuM 2012, 95 = ZMR 2012, 175; BGH v. 15.3.2006 – VIII ZR 123/05, MDR 2006, 1398 = MietRB 2006, 231 = NJW 2006, 1588. 8 Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 34.

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nahme auch die Obhutspflicht für die Mietsache zurückgewinnt, was u.U. zu einem besonderen Aufwand führt. Deshalb kann eine Pflicht des Vermieters nur angenommen werden, wenn sich der Mieter in der Androhung der Besitzaufgabe gleichzeitig bereit erklärt, den Mietausfall zu übernehmen und eventuelle Mehrkosten durch eine notwendige Beaufsichtigung der Wohnung zu tragen. Ausnahmefälle können sich nach einer Interessenabwägung aus § 242 BGB ergeben1. 9. Rechtsfolgen der Verletzung der Räumungspflicht a) Verzögerte Rückgabe 110 Eine verspätete Rückgabe kann zu Ansprüchen aus § 546a Abs. 1 BGB (bei Wohnraummiete ist § 571 BGB zu beachten) und ggf. auch zu Ansprüchen auf Ersatz des weiteren Verzugsschadens (§§ 546a Abs. 2, 280 Abs. 1, 2, 286 BGB) führen2. Verzug tritt dabei ohne Mahnung ein, weil die Leistung durch die Rückgabepflicht am letzten Tag der Mietzeit kalendermäßig bestimmt ist3. Ein Verschulden kann durch einen Rechtsirrtum behaftet sein (vgl. § 543 BGB Rz. 267 f.); allerdings muss sich der Mieter das Verschulden seines Rechtsberaters zurechnen lassen4. 111 § 281 BGB soll bei einer unterbliebenen Rückgabe nicht anwendbar sein5. Zwar stellt die Rückgabe eine Hauptpflicht des Mieters dar. Der Schadensersatz statt der Leistung liefe aber unter Anwendung des § 281 Abs. 4 BGB im Ergebnis auf den Ersatz des Wertes der Mietsache (gegen deren Übereignung), also eine Art „Zwangsverkauf“ hinaus. Das Problem wurde im Gesetzgebungsverfahren „übergangen“ mit dem Hinweis, dass es sich um eine theoretische Fallgestaltung handelt und Missbrauchsfälle über § 242 BGB gelöst werden sollen6. b) Schadensersatz wegen Schlüsselverlust aa) Haftungsgrund 112 Zu den Obhutspflichten des Mieters gehört es, die Schlüssel zur Mietsache sorgsam aufzubewahren und darauf zu achten, dass sie nicht in Verlust geraten7. Deshalb muss der Mieter Sicherungsvorkehrungen dagegen treffen8. Rührt ein Schaden an der Mietsache aus der Sphäre des Mieters her, ist es sine Sache, sich dahin zu entlasten, dass der Schaden unvermeidbar war9. Durch den Verlust der Schlüssel zu den Mieträumen verletzt der Mieter nicht nur das Eigentum des Vermieters an den Schlüsseln, sondern zusätzlich die Sachgesamtheit Schließanlage für das Gebäude, wenn eine missbräuchliche Verwendung der zu der Schließanlage passenden Schlüssel infolge der bei dem Verlust bestehenden Umstände zu befürchten ist10. 113 Kann der Mieter nicht alle Schlüssel zur Wohnung zurückgeben, besteht daher grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch des Vermieters. Dies gilt auch dann, wenn der/die fehlenden Schlüssel vom Mieter selbst angeschafft wurden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein Missbrauch droht, so dass Gefahr für die Sicherheit der anderen Bewohner des Hauses oder einen Nachmieter besteht. 114 Ein Schadensersatzanspruch, der sich zusätzlich aus § 280 BGB wegen des Verlustes bzw. der Schlechterfüllung der Rückgabe ergeben kann, setzt allerdings voraus, dass

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Vgl. Pauly, NZM 2012, 553. Gruber, WuM 2002, 252 (253); näheres unter § 546a BGB Rz. 88 ff. Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 31. LG Bonn v. 11.3.2011 – 6 S 170/09, zitiert nach juris. Palandt/Grüneberg, § 281 BGB Rz. 4. BT-Drucks. 14/6040, S. 138; vgl. auch Kandelhard, NJW 2002, 3291 (3294 ff.). Vgl. LG Hamburg v. 14.7.1998 – 316 S 55/98, NZM 1999, 410 = NJW-RR 1999, 663 = WuM 1999, 327 f.; Landvoigt, GE 2007, 1301 (1303). 8 OLG Bamberg v. 25.6.1987 – 1 U 30/87, zitiert nach juris, Rz. 2. 9 Vgl. Wolf/Eckert/Ball/Eckert, Rz. 549. 10 KG v. 11.2.2008 – 8 U 151/07, DWW 2008, 145 = GE 2008, 599 = GuT 2008, 113 = ZMR 2008, 618; LG Münster v. 14.7.1989 – 10 S 63/89, WuM 1989, 508 f.

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der Mieter den Verlust zu vertreten hat1. Mit Rücksicht darauf ist eine Formularklausel in einem Mietvertrag über Wohnraum, nach der der Vermieter bei Verlust eines Schlüssels berechtigt ist, auf Kosten des Mieters ein Austauschschloss anzubringen und die erforderliche Anzahl von Schlüsseln anzufertigen, nach § 307 BGB unwirksam. Denn sie eröffnet eine verschuldensunabhängige Haftung des Mieters2. Ein ausreichendes fahrlässiges Verhalten liegt z.B. vor, wenn der mietende Arzt den 115 Generalschlüssel im Behandlungszimmer offen liegen lässt und er von dort gestohlen wird, zumal wenn es sich um eine Praxis handelt, in der Drogentherapie betrieben wird3. Gleiches gilt, wenn der Mieter die Schlüssel in einem unbeaufsichtigt abgestellten Pkw zurücklässt und diese bei einem Einbruch entwendet werden4, selbst wenn sich der Schlüssel in einer Notebooktasche unter dem Sitz des abgeschlossenen Pkw befindet5. Hat der Mieter aber den Schlüssel im Krankenhaus in einem Wertfach deponiert, hat er für einen Diebstahl nicht einzustehen6. Denn ein solches Schließfach wird ja gerade zur Vermeidung von Diebstahl o.Ä. angemietet. Der Mieter muss sich über § 278 BGB auch das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen 116 zurechnen lassen7. Dazu zählen Mitarbeiter8, Angehörige oder sonstige Personen, die mit Wissen und Wollen des Mieters im Rahmen seiner Obhutspflicht tätig werden. Der Schadensersatzanspruch ist ausgeschlossen, wenn der Vermieter dem Mieter in 117 einer Aufhebungsvereinbarung eine Generalquittung erteilt hat. Dies gilt jedenfalls für einen Schlüsselverlust vor Abschluss der Aufhebungsvereinbarung9. Für einen späteren Verlust des Schlüssels, der von der Generalquittung nicht erfasst wird, ist der Vermieter darlegungs- und beweispflichtig. bb) Umfang des Schadens Der Umfang des Schadensersatzanspruchs richtet sich nach den Umständen des Ein- 118 zelfalls. Ist ausgeschlossen, dass ein Dritter den Schlüssel einer bestimmten Wohnung zuordnen kann, haftet der Mieter nur für die Kosten der Beschaffung eines Ersatzschlüssels. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Schlüssel auf einer Bootsfahrt an einer unzugänglichen Stelle über Bord geht. Ergibt sich aus den Umständen ein besonderes Gefährdungsrisiko10, ist der Ver- 119 mieter nicht nur auf die Ersatzbeschaffung eines Schlüssels beschränkt. Ein solches Gefährdungspotential ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Schlüssel zusammen mit Ausweispapieren abhandenkommen, so dass eine Identifikation der Mieträume für einen Dritten ohne weiteres möglich ist11. Gleiches gilt, wenn sich die Schlüssel im Besitz eines sonstigen Dritten befinden, z.B. des ehemaligen Lebensgefährten, der die Herausgabe verweigert und die Wohnung kennt. Ebenso kann von dem Dienstwagen eines Mitarbeiters auf den Hauptsitz des Mieters geschlossen werden12. Die Gefahr entfällt auch nicht dadurch, dass seit dem Verlust ein längerer Zeitraum vergangen ist. Immerhin muss damit gerechnet werden, dass Diebe jede Gele1 AG Spandau v. 10.12.2012 – 6 C 546/12, GE 2013, 271; AG Halle/Saale v. 17.3.2009 – 93 C 4044/08, NZM 2009, 739; AG Hamburg v. 26.8.1999 – 47 C 178/99, WuM 1999, 687 = NZM 1999, 618. 2 LG Hamburg v. 14.7.1998 – 316 S 55/98, NJW-RR 1999, 663; AG Spandau v. 10.12.2012 – 6 C 546/12, GE 2013, 271. 3 AG Frankfurt v. 12.5.2010 – 33 C 4131/09-30, GE 2010, 1750. 4 AG Hohenschönhausen v. 27.7.2004 – 5 C 348/03, GE 2004, 1397. 5 KG v. 11.2.2008 – 8 U 151/07, DWW 2008, 145 = GE 2008, 599 = GuT 2008, 113 = ZMR 2008, 618. 6 AG Ahrensburg v. 25.6.2010 – 47 C 1171/09, GE 2010, 1750. 7 AG Frankfurt v. 12.5.2010 – 33 C 4131/09-30, GE 2010, 1750. 8 KG v. 11.2.2008 – 8 U 151/07, DWW 2008, 145 = GE 2008, 599 = GuT 2008, 113 = ZMR 2008, 618. 9 AG Hamburg v. 22.1.2009 – 40A C 303/08, ZMR 2009, 927. 10 AG Frankfurt v. 12.5.2010 – 33 C 4131/09, ZMR 2010, 862 (für Arztpraxis mit Drogentherapie); AG Ludwigshafen v. 13.4.2010 – 8 C 3212/09, WuM 2010, 355; Zich, MietRB 2004, 302. 11 AG Neuss v. 6.2.1991 – 30 C 439/90, WuM 1991, 679. 12 KG v. 11.2.2008 – 8 U 151/07, DWW 2008, 145 = GE 2008, 599 = GuT 2008, 113 = ZMR 2008, 618.

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genheit ergreifen1. Ist eine Zentralschließanlage vorhanden, zu der die verlorenen Schlüssel passten, kann der Vermieter sämtliche Schließzylinder im Haus auswechseln lassen und die Kosten von dem Mieter ersetzt verlangen2. 120 Besteht kein Gefährdungspotential, reicht regelmäßig zunächst das Auswechseln der Schlösser und Schlüssel aus, die zu der jeweiligen Schließanlage gehören (z.B. Haustür, Zwischentür oder Zimmertür)3. 121 Teilweise wird vertreten, dass ein Schadensersatzanspruch bei Schlüsselverlust nur dann bestehen soll, wenn der Schlüssel bzw. das Schloss auch tatsächlich ausgetauscht wird (konkrete Schadensberechnung); denn durch einen verlorenen Schlüssel und der damit einhergehenden Befürchtung, damit könne Missbrauch betrieben werden, erleide die Mietsache keine Wertminderung, sodass auf der Grundlage eines Kostenvoranschlages durch abstrakte Schadensberechnung kein Schadensersatz gewährt werden könne4. Dem ist nicht zu folgen. Der schuldhafte Verlust eines Schlüssels stellt eine zum Schadensersatz verpflichtende Eigentumsbeeinträchtigung dar. Diese ist nicht anders zu bewerten als die Beschädigung eines Fensters oder einer sonstigen Einrichtung. 122 Ein nach § 287 ZPO zu schätzender Abzug „neu für alt“, der sich zudem nur auf die Materialkosten auswirken kann, ist auch bei einer älteren Schließanlage nicht vorzunehmen, wenn die Anlage einwandfrei funktioniert und Abnutzungserscheinungen nicht festzustellen sind5. c) Schadensersatz wegen unterbliebenem Rückbau 123 Grundsätzlich führt die Schlechterfüllung der Räumungspflicht zu einem Schadensersatzanspruch des Vermieters nach § 280 Abs. 1 BGB. Denn die Beseitigungspflicht des Mieters ist eine Nebenpflicht der eigentlichen Räumungspflicht6. Dieser Ersatzanspruch wird mit der Beendigung und Rückgabe der Mietsache fällig. 124 Ist diese Fälligkeitsvoraussetzung eingetreten, bedarf es grundsätzlich keines weiteren Beseitigungsverlangens zur Herbeiführung von Schadensersatzansprüchen des Vermieters. Ausnahmsweise ist aber eine Fristsetzung gemäß § 281 BGB erforderlich, wenn der Rückbau mit Blick auf Umfang und Kosten der Maßnahmen zu erheblichen Aufwendungen führt7. Die Erheblichkeitsgrenze wird bei 2500 Euro angelegt8. In diesem Fall ist eine Hauptverpflichtung des Mieters anzunehmen9, so dass § 281 BGB zwar nicht unmittelbar, sondern mittelbar über §§ 323, 325 BGB anzuwenden ist10. Dies gilt erst recht, wenn der Rückbau im Vertrag ausdrücklich erwähnt ist; denn dadurch bringen die Parteien zum Ausdruck, dass der Rückbaupflicht ein besonderes Gewicht beizumessen ist11. 125 Der Anspruch aus § 281 BGB wird zwar erst mit der Beendigung des Mietvertrags fällig, so dass grundsätzlich auch erst danach Verzug eintreten und wirksam eine Frist

1 KG v. 11.2.2008 – 8 U 151/07, DWW 2008, 145 = GE 2008, 599 = GuT 2008, 113 = ZMR 2008, 618. 2 AG Hohenschönhausen v. 27.7.2004 – 5 C 348/03, GE 2004, 1397. 3 LG Köln v. 29.7.1992 – 10 S 150/92, VersR 1994, 690. 4 LG Wiesbaden v. 17.12.1998 – 1 S 146/97, NZM 1999, 308; AG Ludwigshafen v. 13.4.2010 – 8 C 3212/09, WuM 2010, 355; AG Rheinbach v. 7.4.2005 – C 199/04, NZM 2005, 822. 5 KG v. 11.2.2008 – 8 U 151/07, DWW 2008, 145 = GE 2008, 599 = GuT 2008, 113 = ZMR 2008, 618; AG Frankfurt v. 12.5.2010 – 33 C 4131/09, ZMR 2010, 862. 6 BGH v. 2.10.1996 – XII ZR 65/95, NJWE-MietR 1996, 266; offen gelassen BGH v. 16.3.1988 – VIII ZR 184/87, NJW 1988, 1779 (1780). 7 OLG Düsseldorf v. 21.4.2009 – 24 U 56/08, MDR 2009, 977 = MietRB 2009, 256 = GE 2009, 1045 (hier: 3361,08 Euro). 8 Lützenkirchen/Horst, AHB Mietrecht, K Rz. 328 m.w.N. 9 OLG Brandenburg v. 26.3.1997 – 3 U 159/96, ZMR 1997, 584. 10 Vgl. BGH v. 20.10.1976 – VIII ZR 51/75, NJW 1977, 36; BGH v. 16.3.1988 – VIII ZR 184/87, NJW 1988, 1779 (1780) (unter II 1b); BGH v. 2.10.1996 – XII ZR 65/95, NJWE-MietR 1996, 266, jeweils zu § 326 BGB a.F.; Palandt/Weidenkaff, § 546 BGB Rz. 7. 11 BGH v. 19.10.1988 – VIII ZR 22/88, NJW 1989, 451 (452).

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i.S.d. §§ 325, 281 Abs. 1 BGB gesetzt werden kann. Dieser Voraussetzung bedarf es aber dann nicht, wenn der Mieter bereits vor Eintritt der Fälligkeit die Leistung endgültig und ernsthaft ablehnt1. Dies kann insbesondere angenommen werden, wenn die ablehnende Haltung des Mieters nach rechtlicher Beratung durch einen Rechtsanwalt erfolgt2. d) Versorgungssperre Grundsätzlich entfällt mit der Mietvertragsbeendigung auch die Pflicht des Vermie- 126 ters zur Gebrauchsüberlassung gemäß § 535 Abs. 1 BGB. Denn der Mietvertrag fällt als Anspruchsgrundlage weg. Allerdings können nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) einzelne Verpflichtungen des Vermieters noch nach der Vertragsbeendigung bestehen, wozu auch die Pflicht zur Erbringung von Versorgungsleistungen gehören kann3. Solche nachvertraglichen Pflichten können sich im Einzelfall aus der Eigenart des – 127 beendeten – Mietvertrages (z.B. Wohnraummiete) oder den besonderen Belangen des Mieters (z.B. Gesundheitsgefährdung oder etwa durch eine Versorgungssperre drohender, besonders hoher Schaden) ergeben4. Eine über die Vertragsbeendigung hinausgehende Versorgungsverpflichtung würde allerdings allein den Interessen des Mieters dienen. Die trotz beendeten Vertrages aus Treu und Glauben nach § 242 BGB herzuleitende Verpflichtung lässt sich daher nur rechtfertigen, wenn sie auf der anderen Seite den berechtigten Interessen des Vermieters nicht in einer Weise zuwiderläuft, die ihm die weitere Leistung unzumutbar macht. Ist dem Vermieter die Weiterbelieferung nicht zumutbar, so kommt es anders als bei bestehendem Mietvertrag auf den Umfang und die Grenzen eines Zurückbehaltungsrechts nicht an, weil der Vermieter in diesem Fall schon nicht mehr zur Gebrauchsüberlassung verpflichtet ist. Davon ist – auch bei der Wohnraummiete – grundsätzlich auszugehen, wenn der Mietvertrag wegen Nichtzahlung der Miete (fristlos) gekündigt wurde. Die Einrichtung einer Versorgungssperre (= Ausübung eines Zurückbehaltungs- 128 rechts an der Lieferung von Energie und Wasser) stellt keine verbotene Eigenmacht i.S.v. § 858 BGB dar5. Der Zufluss von Versorgungsleistungen kann zwar Voraussetzung für den vertragsgemäßen Gebrauch sein (der nach Beendigung des Vertrages grundsätzlich nicht mehr geschuldet wird). Er ist hingegen nicht Bestandteil der tatsächlichen Sachherrschaft als solcher. Die Einstellung der Versorgungsleistungen beeinträchtigt weder den Zugriff des Besitzers auf die Mieträume noch schränkt sie die sich aus dem bloßen Besitz ergebende Nutzungsmöglichkeit ein. Versorgungsleistungen führen vielmehr dazu, dass die im Besitz liegende Gebrauchsmöglichkeit erweitert wird. Die Gewährleistung der Versorgungsleistungen kann sich demnach allein aus dem ihnen zugrunde liegenden Vertragsverhältnis ergeben. Die im Rahmen des § 242 BGB notwendige Abwägung führt bei einem Wohnraum- 129 mietvertrag zur ausnahmsweisen Pflicht des Vermieters, den Mieter weiterhin mit den vorhandenen Medien zu versorgen, solange sich der Mieter nicht in einem Zahlungsrückstand befindet, der die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB rechtfertigt6. Die Versorgungssperre ist unzulässig, wenn sich die Unterbrechung als (unzulässige) 130 Selbstvollstreckung eines noch nicht rechtkräftigen Räumungstitels darstellt. Das ist der Fall, wenn der Vermieter unter Bezugnahme auf die gerade verkündete Ent1 Vgl. BGH v. 19.10.1988 – III ZR 22/88, MDR 1989, 247 = NJW 1989, 451 (452) (unter II 2c). 2 OLG Düsseldorf v. 21.4.2009 – I-24 U 56/08, MDR 2009, 977 = MietRB 2009, 256 = GE 2009, 1045. 3 Vgl. MünchKomm/Bieber, § 546a BGB Rz. 28 ff.; allgemein MünchKomm/Ernst, § 280 BGB Rz. 109 ff. 4 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 5 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 6 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263.

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scheidung im Räumungsrechtsstreit die Unterbrechung der Wasserversorgung ankündigt1. 131 Will der Mieter die Versorgung (nach Mietende) bis zum Auszug wieder erreichen, genügt es nicht, dem Vermieter die künftige Zahlung von Abschlägen oder der Miete/ Nutzungsentschädigung anzubieten. Vielmehr muss der gesamte Zahlungsrückstand ausgeglichen werden, weil sonst das Zurückbehaltungsrecht des Vermieters nicht entfällt2. II. Räumungsanspruch gegen Dritte 1. Inhalt des Anspruchs 132 Die Regelung in § 546 Abs. 2 BGB ist erforderlich, weil der Vermieter z.B. mangels Eigentums nicht immer aus § 985 BGB vorgehen kann. Deshalb wird ein vertraglicher Anspruch besonderer Art3 geregelt, der den vertraglichen Rückgabeanspruch auf dritte, nicht am Vertrag beteiligte Personen erweitert. 133 Die Verpflichtungen aus § 546 Abs. 1, 2 BGB sind inhaltlich grundsätzlich gleich4. Mieter und Dritter haften als Gesamtschuldner, soweit sich ihr Besitz deckt (vgl. § 546 BGB Rz. 45). Da sich der Anspruch aus § 546 Abs. 2 BGB aus dem Hauptmietverhältnis ableitet, stehen dem Dritten gegenüber dem Vermieter sämtliche Einwendungen des (Haupt-)Mieters zu5. Hinsichtlich eines Rückbaus besteht für den Untermieter aber keine Verpflichtung, die Einbauten des Mieters zu beseitigen6. Diese Leistung schuldet der Mieter allein. Umgekehrt besteht aber eine gesamtschuldnerische Haftung, soweit der Untermieter Veränderungen vorgenommen oder Einbauten herbeigeführt hat. 2. Beendigung des Hauptmietvertrages a) Hauptmietvertrag 134 § 546 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass ein Hauptmietverhältnis wirksam begründet worden ist. Dafür gelten die allgemeinen Anforderungen. Bei Nichtigkeit des Hauptmietvertrages ergeben sich die Rechtsfolgen aus den §§ 985, 812 BGB. 135 Andere (Haupt-)Nutzungsverhältnisse (z.B. Leihe) rechtfertigen die Anwendung von § 546 Abs. 2 BGB nicht7. Hier muss aus §§ 985, 812 BGB vorgegangen werden. Leitet der Dritte den Besitz von dem berechtigten Besitzer ab, besteht grundsätzlich ein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 Abs. 1 BGB8, allerdings nur solange, wie der mittelbare Besitzer zum Besitz berechtigt ist9. b) Beendigung 136 Das Hauptmietverhältnis muss rechtlich beendet sein10. Insoweit kommen alle vertraglichen Beendigungsgründe in Betracht, also insbesondere Kündigung, Zeitablauf oder Aufhebungsvereinbarung, aber auch in den Grenzen des § 572 BGB Rücktritt und Bedingungseintritt. Die Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB vernichtet den Mietvertrag rückwirkend und führt zur Anwendung der §§ 985, 812 BGB. 137 Die Rechtskraft eines zwischen den Parteien des Hauptmietvertrags ergangenen Räumungsurteils erstreckt sich jedenfalls dann nicht auf das Untermietverhältnis, wenn die Mietsache dem Untermieter bereits vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

OLG Celle v. 28.4.2005 – 11 U 44/05, NZM 2005, 741. KG v. 19.4.2010 – 20 U 247/08, GE 2010, 482. RG v. 17.3.1932 – VIII 551/31, RGZ 136, 33. BGH v. 22.11.1995 – VIII ARZ 4/95, MDR 1996, 251 = NJW 1996, 515. Bub/Treier/Scheuer, V A Rz. 28. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 69 m.w.N. OLG Schleswig v. 14.3.1990 – 4 U 131/89, WuM 1990, 194. Vgl. Erman/Ebbing, § 986 BGB Rz. 24 f. Palandt/Bassenge, § 986 BGB Rz. 7. OLG Hamm v. 4.11.1980 – 4 U 136/80, WuM 1981, 40.

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überlassen worden war1. Das Räumungsurteil gegen den Hauptmieter hat auch keine Bindungswirkung im Prozess gegen den Dritten2. Deshalb muss die Beendigung des Hauptmietvertrages ggf. noch einmal gesondert festgestellt werden (vgl. § 546 BGB Rz. 47). 3. Dritter Der Begriff des Dritten ist in § 546 weiter gefasst als in §§ 540, 553 BGB. Passiv legiti- 138 miert ist jeder, dem der Mieter oder ein Untermieter (usw.) das Mietobjekt zum Gebrauch überlassen hat. Es genügt, wenn die Mietsache mit Wissen, mindestens mit Duldung des Mieters vom Dritten in Gebrauch genommen wird. Wirksamkeit der Gebrauchsvereinbarung zwischen Mieter und Drittem ist nicht Vo- 139 raussetzung. Sie muss nicht einmal vorliegen, denn der Anspruch richtet sich gegen jeden Dritten, der die Mietsache (dauerhaft) nutzt und sein Besitzrecht vom Mieter ableitet. Deshalb kommt § 546 Abs. 2 BGB bei einer Besitzerlangung durch verbotene Eigenmacht3 ebenso wenig in Betracht wie Besitzdienerschaft. Ob selbständiger oder unselbständiger Gebrauch stattfindet, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass der Dritte infolge Gebrauchsüberlassung Besitzer geworden ist4 und den Besitz bis zur Inanspruchnahme nicht verloren hat. Das ist z.B. der Fall, wenn der Dritte als Familien- oder Haushaltsangehöriger seinen Besitz vom Mieter ableitet. § 546 Abs. 2 BGB gilt auch für Zwischenmietverhältnisse gegenüber dem Endmieter, 140 so dass er sich grundsätzlich nicht auf Kündigungsschutz gegenüber dem Vermieter berufen kann. Voraussetzung ist nach der sog. Lagertheorie, dass der Zwischenvermieter im Lager des Mieters steht (§ 565 BGB Rz. 17). Wegen der hiervon abweichenden Rechtslage bei gewerblicher Weitervermietung vgl. § 565 BGB und die dortigen Erläuterungen. 4. Besitz des Dritten Der Dritte muss die Mietsache nicht unbedingt noch (teilweise) in Besitz haben. 141 Ebenso wenig, wie sich der Mieter durch Aufgabe des unmittelbaren Besitzes dem Räumungsanspruch entziehen kann5, kann der Untermieter den Anspruch aus § 546 Abs. 2 BGB durch Besitzaufgabe erfüllen6. Gegenüber dem Vermieter kann die Besitzaufgabe allenfalls ausreichen, wenn der Dritte seine Sachen aus den Mieträumen entfernt hat und eine Rückgabe der Schlüssel und damit Einräumung des unmittelbaren Besitzes an den Mieter stattgefunden hat. Insoweit gelten die Voraussetzungen des § 303 BGB nicht. Denn hier geht es nicht um die Frage, ob sich der Vermieter oder der Mieter in Annahmeverzug befinden, sondern ob der Dritte Besitz an der Mietsache ausübt, den er vom Mieter ableitet. Der Besitz entfällt, wenn der Dritte den Rückgabeanspruch aus § 546 Abs. 2 BGB er- 142 füllt. Gibt der Untermieter die Mietsache nach beendetem Hauptmietvertrag an den Hauptvermieter zurück, erfüllt er damit gleichzeitig seine Rückgabepflicht gegenüber dem Untervermieter7. Daneben entfällt § 546 Abs. 2 BGB, wenn der Dritte die Mietsache dem Mieter zurückgibt8. Findet die Rückgabe während des Prozesses statt, tritt Erledigung i.S.v. § 91a ZPO ein. Die Beweislast für die Erfüllung trägt der Dritte. Einstweilen frei.

1 2 3 4 5 6 7 8

143–144

BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, NZM 2006, 699. BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 6/09, MDR 2010, 856 = NZM 2010, 699. Blank/Börstinghaus, § 546 BGB Rz. 45. Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 64. Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 67. OLG München v. 6.3.2012 – 32 U 4456/11, ZMR 2012, 620. LG Berlin v. 23.2.2011 – 29 S 8/10, GE 2011, 819. OLG München v. 8.12.1988 – 21 W 3055/88, NJW-RR 1989, 524.

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5. Verhältnis Vermieter zu Mieter/Untermieter 145 Mieter und Dritter haften aus § 546 Abs. 1, 2 BGB als Gesamtschuldner für die Rückgabe1, soweit die Mietobjekte identisch sind, § 428 BGB. Der Vermieter kann beide Gesamtschuldner gleichzeitig oder in getrennten Verfahren auf Räumung und Herausgabe verklagen. 146 Ist auch das Untermietverhältnis beendet, tritt der Herausgabeanspruch des Mieters gegen den Untermieter aus § 546 Abs. 1 BGB neben den Herausgabeanspruch des Vermieters aus § 546 Abs. 2 BGB2. Vorrangig ist keiner der beiden. Der Mieter kann in dieser Situation auch auf Herausgabe an den Vermieter klagen3. 147 Im Hinblick auf § 428 BGB wird der Dritte durch Leistung an einen seiner beiden Gesamtgläubiger befreit4, so dass insbesondere die Rückgabe an den Eigentümer/ Hauptvermieter zur Erfüllung auch gegenüber dem Mieter führt5. Selbstverständlich kann bei Beendigung von Haupt- und Untermietverhältnis der Mieter verlangen, dass der Untermieter unmittelbar an den Vermieter leistet. 6. Fälligkeit des Anspruchs 148 Der Anspruch aus § 546 BGB wird in der Regel mit der Beendigung des Hauptmietvertrages fällig. Insoweit gelten die gleichen Anforderungen wie unter § 546 BGB Rz. 102 dargestellt. 149 Eine besondere Aufforderung gegenüber dem Dritten ist nicht erforderlich (§ 271 BGB)6, und zwar weder als Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs7 noch als Fälligkeitsvoraussetzung8. Allerdings tritt ohne eine Aufforderung grundsätzlich kein Verzug des Dritten ein9. Die gegenteilige Auffassung verkennt, dass eine Forderung auch ohne Wissen des Schuldners entstehen kann und Fälligkeit nach § 271 BGB eintritt, sobald der Gläubiger die Forderung geltend machen kann. Auch der Wortlaut des § 546 Abs. 2 BGB gibt nichts für eine zusätzliche Entstehungs- oder Fälligkeitsvoraussetzung her. 7. Folgen der Nichterfüllung 150 Die Nichterfüllung aus § 546 Abs. 2 BGB führt zu Schadensersatzansprüchen des Vermieters aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB. § 546a BGB ist im Verhältnis zwischen Vermieter und Dritten nicht anwendbar. Zum ersatzpflichtigen Schaden können die zur Durchsetzung des Räumungsanspruchs aufgewendeten vorgerichtlichen Kosten des Rechtsanwalts des Vermieters gehören. Gleiches gilt für die Kosten der Räumungsklage, die nach Herausgabe durch den Mieter/Untermieter zurückgenommen wird. Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass der Vermieter den Untermieter durch eine Räumungsaufforderung in Verzug gesetzt hat10. Nutzungsentschädigung kann der Vermieter nur verlangen, wenn er nach §§ 987, 990 BGB vorgeht11.

1 OLG München v. 8.12.1988 – 21 W 3055/88, NJW-RR 1989, 524. 2 KG v. 1.3.2012 – 8 U 197/10, ZMR 2013, 26. 3 KG v. 1.3.2012 – 8 U 197/10, ZMR 2013, 26; OLG München v. 8.12.1989 – 21 W 3055/88, NJW-RR 1989, 524. 4 Vgl. auch BGH v. 4.10.1995 – XII ZR 215/94, MDR 1996, 252 = ZMR 1996, 15 = WuM 1996, 32. 5 LG Bonn v. 11.3.2011 – 6 S 170/09, zitiert nach juris. 6 Wie hier: Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 64; MünchKomm/Bieber, § 546 BGB Rz. 22; Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 70; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 546 BGB Rz. 62; Lammel, § 546 BGB Rz. 34. 7 A.A. Stellmann in Lindner-Figura u.a., Kap. 18 Rz. 69; Bub/Treier/Scheuer, V Rz. 69; Palandt/ Weidenkaff, § 546 BGB Rz. 20. 8 A.A. Blank/Börstinghaus, § 546 BGB Rz. 51. 9 MünchKomm/Bieber, § 546 BGB Rz. 22. 10 AG Charlottenburg v. 22.3.2012 – 210 C 370/11, GE 2012, 957. 11 LG Kempten v. 14.12.1994 – 5 S 1550/94, WuM 1996, 34.

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III. Wohnungsabnahme Die Rückgabe der Mietsache erfordert grundsätzlich nur die reine Besitzverschaf- 151 fung, was regelmäßig durch die Übergabe der Schlüssel dokumentiert werden kann. Viele Vermieter, aber auch Mieter sind der Auffassung, dass neben der reinen Besitzverschaffung auch eine „Abnahme“ im handwerklichen Sinne stattzufinden hat. Das Gesetz sieht diese Abnahme nicht vor. Insbesondere im Hinblick auf die Verpflichtung des Mieters zur Durchführung von Schönheitsreparaturen, aber auch zur (gemeinschaftlichen) Feststellung des Umfang von Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung der Mietsache, ist es vielerorts Praxis, einen gemeinsamen Termin in der Wohnung durchzuführen, bei dem der Zustand der Mietsache (gemeinsam) bewertet wird. Vor diesem Hintergrund kann auch formularmäßig eine Pflicht zur Wohnungsabnah- 152 me begründet werden. Eine entsprechende Klausel ist wirksam, wenn die Belange der Parteien angemessen berücksichtigt sind. Dazu gehört auf Mieterseite insbesondere, dass die Abnahme nicht dazu führen darf, dass der Mietvertrag unzulässig verkürzt und ein Termin, den der Vermieter vorgibt, verbindlich ist. Die Terminbestimmung muss vielmehr durch gegenseitiges Nachgeben erfolgen. Andererseits kann der Vermieter grundsätzlich verlangen, dass die Abnahme innerhalb seiner üblichen Bürozeiten stattfindet. In der formularmäßigen Regelung kann auch vorgesehen sein, dass ein Protokoll zu 153 fertigen und zu unterschreiben ist. Eine solche Klausel verstößt nicht gegen § 309 Nr. 12 BGB. Die Klausel darf nur nicht den Eindruck erwecken, dass darin nicht auch abweichende Standpunkte des Mieters festgehalten werden dürfen. Nach überwiegender Meinung1 wird das Protokoll, das anlässlich einer Wohnungs- 154 übergabe über den Zustand der Räume gefertigt wird, als deklaratorisches Schuldanerkenntnis des Vermieters i.S.v. § 397 Abs. 2 BGB angesehen2, weil damit eine bestehende Schuld lediglich bestätigt und keine neue Schuld geschaffen wird3. Ansprüche bzw. Zustände, die für bestimmte Ansprüche vorliegen müssen, die in dem Protokoll nicht vermerkt sind, sollen nicht mehr vom Vermieter geltend gemacht werden können4. Ohne ein schriftliches Protokoll soll dies sogar gelten, wenn der Vermieter sich anlässlich der Wohnungsübergabe zufrieden über den Renovierungszustand geäußert5 oder die sofortige Rückzahlung der Kaution zugesagt hat6. Erst recht gelten diese Grundsätze im kaufmännischen Verkehr, wenn ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben vorliegt, also eine Partei nach der Abnahme die dabei getroffenen Abreden einseitig schriftlich festhält und die andere Partei dem nicht widerspricht7. Es ist aber nicht erforderlich, dass aus dem Inhalt des Protokolls hervorgeht, dass 155 und ggf. in welchem Umfang Ansprüche geltend gemacht werden sollen. Vielmehr reicht es aus, den beanstandeten Zustand festzuhalten. Aus dem Protokollvermerk „Trennwand und Tür zum Treppenhaus mieterseits“ ist zu entnehmen, dass der Vermieter den vorhandenen Zustand, nämlich den Einbau einer Einrichtung „mieterseits“, bemängelt und verlangen kann, diese zu beseitigen8. Dies gilt selbst dann, wenn bezüglich anderer bemängelter Punkte konkrete Arbeitsanweisungen in das Protokoll aufgenommen wurden. Denn dadurch, dass die Verpflichtung des Mieters zur Beseitigung bestimmter Mängel im Protokoll festgehalten wird, wird kein Ver-

1 Zum Meinungsstand Lehmann-Richter, ZMR 2006, 833. 2 LG München I v. 25.9.2002 – 15 S 22038/01, NZM 2003, 714; LG Hamburg v. 15.10.1998 – 327 S 79/98, ZMR 1999, 405; Blank, PiG 52, 43; Harsch, Schönheitsreparaturen, Rz. 606; zweifelnd aber mit dem gleichen Ergebnis: Langenberg, Schönheitsreparaturen, L Rz. 15. 3 LG Berlin v. 21.2.2005 – 62 S 349/04, MM 2005, 146. 4 LG Potsdam v. 26.2.2009 – 11 S 127/08, GE 2009, 519 = ZMR 2009, 761. 5 LG Köln v. 18.5.2000 – 1 S 307/99, KM 36 Nr. 7. 6 AG Köln v. 30.11.1999 – 201 C 341/99, KM 36 Nr. 8. 7 OLG Düsseldorf v. 18.12.2003 – 10 U 184/02, NZM 2004, 260. 8 LG Potsdam v. 26.2.2009 – 11 S 127/08, GE 2009, 519 = ZMR 2009, 761.

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trauenstatbestand dahingehend begründet, der Rückbau der Trennwand werde nicht mehr verlangt werden1. 156 Die Wirkungen des Abnahmeprotokolls in einer vertraglichen Regelung aufzuheben, würde den Sinn und Zweck des Protokolls unterlaufen und daher bei Vorliegen einer Formularklausel zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters nach § 307 Abs. 2 BGB führen. Auch in dem Protokoll vorformulierte Pflichten des Mieters unterliegen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Sollen also z.B. Schadensersatzansprüche aus § 281 BGB ohne die notwendige Fristsetzung geltend gemacht werden können, liegt ein Verstoß gegen § 309 Nr. 4 BGB vor. Sehen die Regelungen vor, dass sie ergänzt werden (z.B. durch eine Ausführungsfrist), spricht eine Vermutung dafür, dass ihre endgültige Fassung im Einzelnen ausgehandelt wurde. IV. Selbsthilfe (kalte Räumung) und ihre Rechtsfolgen 1. Allgemeines 157 Räumt der Mieter nicht freiwillig, steht dem Vermieter kein Selbsthilferecht zu, und zwar weder an der Wohnung noch an Zubehörräumen (z.B. Garage)2. Vielmehr folgt aus Art. 20 GG, dass dem Staat das Monopol für die zwangsweise Durchsetzung von materiellen Ansprüchen zusteht. Übt der Vermieter dennoch Selbsthilfe, liegt regelmäßig mindestens eine verbotene Eigenmacht i.S.v. § 858 BGB3 und Hausfriedensbruch i.S.v. § 123 StGB vor. 158 Ein Selbsthilferecht kann dem Vermieter auch nicht vorab (z.B. im Mietvertrag) wirksam eingeräumt werden4. Denn es kommt auf den tatsächlichen Willen zur Duldung der Selbsthilfe an, so dass trotz vorheriger Zusage verbotene Eigenmacht vorliegen kann5. Mangels Gebrauchsbefugnis kann der Mieter für eine ihm durch die verbotene Eigenmacht entgangene Gebrauchsmöglichkeit keinen Schadensersatz verlangen6. 159 Die nicht durch einen gerichtlichen Titel gedeckte eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung und deren eigenmächtiges Ausräumen durch den Vermieter stellen jedenfalls solange, wie der Mieter seinen an der Wohnung bestehenden Besitz nicht erkennbar aufgegeben hat, eine verbotene Eigenmacht i.S.v. § 858 Abs. 1 BGB und zugleich eine unerlaubte Selbsthilfe i.S.v. § 229 BGB dar, für deren Folgen der Vermieter verschuldensunabhängig nach § 231 BGB haftet7. Das gilt selbst dann, wenn der gegenwärtige Aufenthaltsort des Mieters unbekannt und/oder das Mietverhältnis wirksam gekündigt und dadurch ein vertragliches Besitzrecht des Mieters entfallen ist8. Vielmehr ist der Vermieter auch in diesen Fällen verpflichtet, sich – ggf. nach öffentlicher Zustellung der Räumungsklage – einen Räumungstitel zu beschaffen und zwecks rechtmäßiger Besitzverschaffung aus diesem vorzugehen. 160 Wie sich schon aus dem Wortlaut des § 231 BGB ergibt, kann sich der Vermieter bei einer sog. kalten Räumung auch nicht darauf berufen, sich über die Voraussetzungen und den Umfang seines Selbsthilferechts geirrt zu haben9. Von der Ersatzpflicht er1 LG Potsdam v. 26.2.2009 – 11 S 127/08, GE 2009, 519 = ZMR 2009, 761. 2 KG v. 14.7.2011 – 12 U 149/10, ZMR 2011, 859. 3 OLG Naumburg v. 18.5.2012 – 1 W 17/12, ZMR 2013, 112; OLG Hamm v. 23.8.2012 – 10 U 68/12, ZMR 2013, 31; OLG Rostock v. 4.8.2010 – 3 U 82/10, MDR 2011, 476. 4 OLG Hamm v. 20.12.1991 – 30 U 93/91, MDR 1992, 644 = ZMR 1992, 152. 5 BGH v. 6.7.1977 – VIII ZR 277/75, NJW 1977, 1818. 6 BGH v. 21.1.1981 – VIII ZR 41/80, MDR 1981, 490 = NJW 1981, 865. 7 BGH v. 6.7.1977 – VIII ZR 277/75, WPM 1977, 1126 (unter II 2); BGH v. 1.10.2003 – VIII ZR 326/02, MDR 2004, 226 = WuM 2003, 708 (unter III); Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 25; vgl. ferner OLG Köln v. 25.7.1995 – Ss 340/95, NJW 1996, 472 (473); Horst, NZM 1998, 139 (140); Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 546 BGB Rz. 34; Lehmann-Richter, NZM 2009, 177 (178). 8 OLG Celle v. 10.11.1993 – 2 U 115/93, WuM 1995, 188; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 546 BGB Rz. 34; Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 39; Bamberger/Roth/Ehlert, § 546 BGB Rz. 22; Horst, NZM 1998, 139 (140). 9 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 = WuM 2010, 578 = GE 2010, 1189 = NZM 2010, 701 = ZMR 2011, 23.

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fasst wird insbesondere eine eigenmächtige Entsorgung des hierbei in Besitz genommenen Hausrats und der sonst in der Wohnung vorgefundenen Gegenstände. Denn den Vermieter trifft mit seiner Inbesitznahme zugleich eine Obhutspflicht, welche einer Entsorgung grundsätzlich entgegensteht1. 2. Darlegungs- und Beweislast bei Schadensersatz des Mieters Die – bei Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung zumindest nachvertragliche 161 – Obhutspflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB hat nur zur Folge, dass der Vermieter die nachweislich in Obhut genommenen Gegenstände vollständig und in einem gegenüber dem Zustand bei Inobhutnahme nicht verschlechterten Zustand wieder herausgeben muss. Im Falle einer Unmöglichkeit der Herausgabe oder einer im Vergleich zum übernommenen Zustand nachweislich eingetretenen Verschlechterung der herauszugebenden Gegenstände hat er sich darüber hinaus – wie § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zeigt – zu entlasten, so dass ihn und nicht den Mieter insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft2. Die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast reicht zu Lasten des Vermieters aber 162 noch weiter und erstreckt sich zugleich auf den Bestand, den Zustand und die wertbildenden Merkmale der Gegenstände, die sich in der durch verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) in Besitz genommenen Wohnung befunden haben3. Denn zu den Obhutspflichten des Vermieters bei Inbesitznahme der Wohnung und der darin befindlichen (Einrichtungs-)Gegenstände gehört auch die Pflicht, die Interessen des durch Ortsabwesenheit und mangelnde Kenntnis von der Inbesitznahme an einer eigenen Interessenwahrnehmung verhinderten Mieters zu wahren. Der Vermieter muss nicht nur dafür Sorge tragen, dass an den in Besitz genommenen Gegenständen während der Dauer ihrer Obhut oder der anschließenden Einlagerung keine Beschädigungen oder Verluste eintreten. Es obliegt ihm vielmehr schon bei Inbesitznahme, ein aussagekräftiges Verzeichnis der verwahrten Gegenstände aufzustellen und deren Wert schätzen zu lassen, um dem Mieter eine Sicherung seiner Ansprüche zu ermöglichen4. 3. Umfang des Schadens Bei einer Verletzung der Inventarisierungs- und Schätzungspflicht ist der Vermieter 163 deshalb zugleich verpflichtet, den Schaden auszugleichen, der darin liegt, dass der Mieter hinsichtlich Bestand, Zustand und Wert seiner (Einrichtungs-)Gegenstände zur Zeit der Inbesitznahme durch den Vermieter in Beweisnot geraten ist5. Denn um dem Mieter eine vom Bestand und Wert der Sachen ausgehende Schadensberechnung bezogen auf den Zeitpunkt, als der Vermieter den Besitz ergriffen hat, zu ermöglichen, ist dieser verpflichtet, bei der Inbesitznahme ein vollständiges Bestandsverzeichnis aufzustellen und den Wert der darin aufgenommenen Gegenstände feststellen zu lassen. Wenn er dem nicht nachkommt, geht der dem Mieter aus einer Verletzung dieser Pflicht zustehende Schadensausgleich deshalb auch dahin, dass der Vermieter seinerseits verpflichtet ist zu beweisen, in welchem Umfang Bestand und Wert der der Schadensberechnung zugrunde gelegten Gegenstände von den Angaben abweichen, die der Mieter hierzu gemacht hat, soweit die vom Mieter angesetzten Werte plausibel sind.

1 BGH v. 1.10.2003 – VIII ZR 326/02, MDR 2004, 226 = WuM 2003, 708; vgl. ferner BGH v. 27.4.1971 – VI ZR 191/69, WM 1971, 943 (unter II 1b). 2 Vgl. BGH v. 5.10.1989 – III ZR 126/88, MDR 1990, 416 = WPM 1990, 438 (unter III 1). 3 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 = WuM 2010, 578 = GE 2010, 1189 = NZM 2010, 701 = ZMR 2011, 23. 4 Vgl. BGH v. 27.9.1951 – IV ZR 155/50, BGHZ 3, 162, 172 f.; OLG Naumburg v. 18.5.2012 – 1 W 17/12, ZMR 2013, 112. 5 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, WuM 2010, 575 = GE 2010, 1189 = NZM 2010, 701 = ZMR 2011, 23.

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C. Gewerberaummiete 164 Als allgemeine Vorschrift gilt § 546 BGB in der Gewerberaummiete unmittelbar. Die Rückgabe vollzieht sich grundsätzlich auch nicht nach anderen als in Abschnitt B. dargestellten Regeln. Allerdings bestehen aus der Natur der Gewerberaummietverträge u.a. folgende Besonderheiten: I. Inhalt der Rückgabepflicht 1. Reklame- und Hinweisschilder 165 Reklame- und sonstige Schilder, die am Gebäude befestigt sind und auf den Betrieb des Mieters hinweisen, sind bei der Rückgabe zu entfernen. Zusätzlich darf der Mieter aber neue Hinweisschilder installieren, die auf die neue Betriebsstätte des Mieters verweisen. Diese neuen Schilder müssen gut sichtbar sein, dürfen aber im Übrigen nur an einem Ort angebracht werden, der mit dem Vermieter abgestimmt ist. Dabei sind auch die Belange des Nachmieters zu berücksichtigen. 166 Die Größe der Hinweisschilder orientiert sich maximal an dem bisherigen Format, wobei die Funktion im Vordergrund steht. Danach soll der Kunde, der zu der bisherigen Adresse des ehemaligen Mieters kommt, ohne Schwierigkeiten erkennen können, wohin der Mieter verzogen ist. Dazu reichen Schilder in der Größe von maximal 30 × 40 cm aus. Die Installation einer Leucht-Reklame o.Ä. (z.B. Werbebanner) an der Fassade kann der Mieter nur mit einer besonderen Vereinbarung, die auch ein Entgelt regeln kann, erreichen. Denn für derartige Anlagen ist in der Regel eine Baugenehmigung notwendig und wird die Gebäudehaftung nach § 836 BGB ausgelöst. 167 Der nachvertragliche Anspruch auf Duldung der Hinweisschilder am Gebäude besteht für eine angemessene Zeit, z.B. sechs Monate1. Danach hat der Mieter das Hinweisschild auf seine Kosten zu entfernen. 2. Teilrückgabe 168 Auch in der Gewerberaummiete gilt der Grundsatz des § 266 BGB. Dennoch wird eine Teilrückgabe als zumutbar angesehen, wenn bei verständiger Würdigung der Interessen des Mieters und der Lage des Mieters keine berechtigten Belange der Rückgabe entgegenstehen2. Beispielhaft werden die Weitervermietung von Teilflächen an verschiedene Personen3 und die Rückgabe von Teilflächen unbebauter Grundstücke4 angeführt. 169 Dem kann nicht uneingeschränkt zugestimmt werden. Es mag Fälle geben, in denen sich das Berufen des Vermieters auf § 266 BGB in der gegebenen Situation als das Ausnutzen einer formalen Rechtsposition darstellt. Indessen muss berücksichtigt werden, dass Art. 14 GG auch vorsieht, dass der Vermieter in der bisherigen Weise eine (teilbare) Mietsache einheitlich vermieten will oder sein Konzept ändert. Ebenso wenig wie ein Gericht dem Vermieter nicht vorschreiben kann, wie er seinen Eigenbedarf befriedigt5, kann dem Vermieter unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten ein unternehmerisches Konzept aufgezwungen werden. Mit Rücksicht darauf kommen überhaupt nur ganz besonders gelagerte Ausnahmefälle in Betracht, die den vertragswidrig handelnden Mieter entlasten können.

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Vgl. OLG Düsseldorf v. 27.5.1988 – 16 U 56/88, NJW 1988, 2545. Pietz/Leo in Lindner/Figura u.a., Kap. 16 Rz. 39. Bub/Treier/Scheuer, V Rz. 9. OLG Köln v. 5.10.2004 – 22 U 112/04, GuT 2004, 232. BVerfG v. 11.11.1993 – 1 BvR 696/93, WuM 1993, 729 = ZMR 1994, 208 = NJW 1994, 309.

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3. Bodenkontaminationen und vertragsgemäßer Gebrauch Gemäß § 538 BGB haftet der Mieter nicht für Verschlechterungen der Mietsache, die 170 infolge des vertragsgemäßen Gebrauchs eingetreten. Dafür wird grundsätzlich allein auf den Vertragszweck abgestellt, sofern keine zusätzlichen Abreden bestehen. Wird aber allein der Betriebszweck festgelegt, gelten nach der Verkehrsanschauung insbesondere die für das jeweilige Gewerbe geltenden Umweltrichtlinien oder sonstigen Standards1, so dass der Vermieter keine Ansprüche wegen Beschädigung der Mietsache herleiten kann, wenn diese Anforderungen eingehalten sind und im Übrigen nichts Besonderes geregelt ist. Deshalb können bei einem Tankstellengrundstück Kontaminationen, die durch ordnungsgemäßes Betanken von Fahrzeugen entstehen, vom vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt sein, wenn der Betrieb die geltenden Richtlinien einhält2. Das Gleiche gilt, wenn in einem Mietvertrag über eine Tankstelle bzw. Kfz-Werkstatt nebst Verkaufsbüro eine Instandhaltung nach den gesetzlichen Vorschriften vorgesehen ist; hier besteht im Fall einer Kontamination von Grund und Boden aufgrund Überlaufens eines Koaleszenzabscheiders nebst anschließender Sanierung kein Ausgleichsanspruch des Vermieters gegen den Mieter3. Diese Rechtslage ändert sich durch § 24 BBodSchG nicht4. Danach besteht ein Aus- 171 gleichsanspruch zwischen mehreren Verursachern von Bodenkontaminationen, wofür eine Inanspruchnahme eines von ihnen durch die zuständige Behörde nicht unbedingt erforderlich ist5. Dieser Ausgleichsanspruch steht aber gemäß § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG unter dem Vorbehalt einer anderweitigen Vereinbarung zwischen den Parteien. Eine solche anderweitige Vereinbarung bildet vor dem Hintergrund von § 538 BGB grundsätzlich die Festlegung des Vertragszwecks im Mietvertrag6. Dann muss der Mieter aber die gefahrbringende Anlage mitgemietet haben. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Mieter nur ein Grundstück gemietet und die gefährlichen Anlagen (hier: Tankstellenausstattung) selbst geschaffen hat7. Dann muss der Mieter die Mietsache (Tankstelle) so betreiben, dass für den Vermieter kein Schaden entsteht. Hat der Mieter sodann die Mietsache (Tankstelle) so geführt, dass eine schädliche Bodenveränderung eingetreten ist, hat er sich damit nicht vertragsgemäß verhalten und kann sich nicht auf eine den Ausgleichsanspruch ausschließende Vereinbarung berufen. 4. Bereicherung bei vorzeitiger Rückgabe Dem Mieter kann ein Bereicherungsanspruch (§ 812 Abs. 1, 2. Alt. BGB = Bereiche- 172 rung in sonstiger Weise) zustehen, weil der Vermieter vorzeitig, und zwar in Folge z.B. einer außerordentlichen Kündigung und nicht erst mit Ablauf der vertraglich vorgesehenen Mietzeit, in den Genuss von wertsteigernden Investitionen des Mieters kommt8. Dem steht nicht entgegen, dass der auf eine bestimmte Zeit fest geschlossene Mietvertrag wegen Nichteinhaltung der Schriftform des § 550 BGB mit gesetzlicher Kündigungsfrist kündbar war9. Der Umstand, dass der Mietvertrag in einem solchen Fall vorzeitig kündbar ist, ändert nichts daran, dass die Parteien einen auf bestimmte Zeit unkündbaren Mietvertrag vereinbaren wollten. Der Abschluss eines insoweit langfristigen Vertrages bildet die Grundlage für die Investitionen des Mie-

1 BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = ZMR 2002, 901. 2 BGH v. 12.7.2004 – XII ZR 163/03, MDR 2005, 25 = MietRB 2005, 6 = GuT 2004, 233; BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = ZMR 2002, 901. 3 BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 163/03, MDR 2005, 26 = ZMR 2004, 898 = MietRB 2005, 6. 4 Pietz/Leo in Lindner-Figura u.a., Kap. 16 Rz. 41. 5 BGH v. 1.10.2008 – XII ZR 52/07, MDR 2009, 16 = NZM 2008, 933 = GuT 2009, 327. 6 BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 163/03, MDR 2005, 26 = ZMR 2004, 898 = MietRB 2005, 6. 7 BGH v. 1.10.2008 – XII ZR 52/07, MDR 2009, 16 = NZM 2008, 933 = GuT 2009, 327; OLG Bremen v. 23.3.2007 – 5 U 44/06, MietRB 2007, 262 = OLGR 2007, 673 = NZM 2008, 85. 8 BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, MietRB 2006, 94 = MDR 2006, 505 = ZMR 2006, 185 = NJW-RR 2006, 294. 9 BGH v. 16.9.2009 – XII ZR 71/07, NZM 2009, 783 = NJW-RR 2010, 86.

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ters. Mit der Beendigung des Mietvertrages vor dem von den Parteien geplanten Ende ist der Rechtsgrund für die von der Beklagten vorgenommene Investition weggefallen1 mit der Folge, dass der Vermieter bereichert sein kann. 173 Schuldner eines solchen Bereicherungsanspruchs ist nicht der ursprüngliche Vermieter, sondern der Erwerber2 oder sogar der Ersteigerer3, jedenfalls nicht der Vermieter im Zeitpunkt der Investition, sondern der Vermieter bei vorzeitiger Beendigung des Mietvertrages. Denn der Umfang der Bereicherung richtet sich nicht nach der Höhe der Aufwendungen des Mieters und besteht auch nicht im Zeitwert der Investition und der Verkehrswertsteigerung des Mietobjektes bei Rückgabe (und erst recht nicht zu einem früheren Zeitpunkt), sondern allein in der Erhöhung des Ertragswertes, soweit der Vermieter diesen früher als vertraglich vorgesehen durch anderweitige Vermietung zu einer höheren Miete realisieren kann. Um eine derartige Möglichkeit ist der Voreigentümer, der die Nutzung zur vertraglich vereinbarten Miete dem Mieter bis zum Eigentumsübergang gewährt hat, nicht bereichert. Bereichert ist vielmehr der neue Vermieter, der die Mietsache vor Ablauf der vereinbarten Mietzeit zurückerhält und sie dadurch zu einer höheren Miete weitervermieten kann4. 174 Zur Höhe muss der Mieter darlegen und beweisen, dass der Vermieter durch die Weitervermietung mehr erlöst, als er nach dem bisherigen Vertrag erhalten hat. Nur dann liegt eine Bereicherung vor. Erlöst der Vermieter nur das, was er bisher erhalten hat, besteht kein Anspruch gegen ihn. Zeitlich ist der Anspruch auf die ursprüngliche Dauer des vorzeitig beendeten Mietvertrages beschränkt. II. Versorgungssperre 175 Auch gegenüber dem Gewerberaummieter ist grundsätzlich die Versorgungssperre zulässig, wenn der Mietvertrag beendet ist5 (vgl. § 546 BGB Rz. 126). Ausnahmen ergeben sich aus Treu und Glauben (§ 242 BGB). 176 Vor diesem Hintergrund soll der Vermieter selbst dann, wenn er aufgrund der Beendigung des Mietverhältnisses nicht mehr zur Gebrauchsüberlassung verpflichtet sein sollte, nach Treu und Glauben zur Erbringung der Versorgungsleistungen, insbesondere der Wasserversorgung verpflichtet sein, wenn der Mieter vertragsgemäß in den Mieträumen ein Friseurgeschäft betreibt6. Da ein Friseurgeschäft ohne Wasser nicht betrieben werden kann, droht dem Mieter bei fehlender Wasserversorgung ein besonders hoher Schaden, zumal wenn der weit überwiegende Anteil der von ihm angebotenen Dienstleistungen ohne Wasser nicht erbracht werden kann, so dass der Laden mangels Wasserversorgung geschlossen werden müsste und erhebliche Umsatzeinbußen entstünden. Eine über die Vertragsbeendigung hinausgehende Versorgungsverpflichtung würde aber allein den Interessen des Mieters dienen, wenn dieser sich in Zahlungsverzug befindet. 177 Im Prinzip ist nahezu jeder Gewerbebetrieb auf Versorgung mit Strom, Heizenergie und Wasser angewiesen. Denn regelmäßig läuft kein Computer ohne Strom und kann nichts ohne Wasser produziert werden. Mit Rücksicht darauf ist auch hier der Anwendungsbereich in der Regel auf die Kündigung wegen Nichtzahlung der Mieter beschränkt.

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BGH v. 21.1.1960 – VIII ZR 16/59, WPM 1960, 497 (498). BGH v. 20.5.2009 – XII ZR 66/07, MDR 2009, 920 = ZMR 2009, 749 = NJW 2009, 2374. BGH v. 16.9.2009 – XII ZR 71/07, NZM 2009, 783 = NJW-RR 2010, 86. BGH v. 20.5.2009 – XII ZR 66/07, MDR 2009, 920 = ZMR 2009, 749 = NJW 2009, 2374. BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 6 KG v. 16.5.2011 – 8 U 2/11, GE 2011, 1082.

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Anhang § 546 BGB

Räumungszwangsvollstreckung

Anhang § 546 Räumungszwangsvollstreckung Inhalt A. Räumungszwangsvollstreckung . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Räumungstitel. . . . . . . . . . . . . . . a) Das Urteil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der gerichtliche Räumungsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Einstweilige Verfügung . . . . . d) Die vollstreckbare notarielle Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Anwaltsvergleich . . . . . . . . . . f) Der Schiedsspruch . . . . . . . . . . . . g) Der Zuschlagsbeschluss . . . . . . . . h) Der Beschluss nach § 149 Abs. 2 ZVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Der Eröffnungsbeschluss über das Insolvenzverfahren . . . . . . . . . j) Die Zuweisung der Ehewohnung . 2. Räumungsschuldner . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Untermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nichteheliche Lebensgefährten . . e) Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Sonstige Personen . . . . . . . . . . . . g) Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . h) Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . i) Teilräumung . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Auskunftsanspruch des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ablauf der Räumungsvollstreckung nach § 885 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besitzeinweisung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Räumung, § 885 Abs. 2 ZPO. . . . . . . . a) Bewegliche Sachen . . . . . . . . . . . . b) Beseitigung von Aufbauten . . . . . 4. Verwahrung des Räumungsgutes, § 885 Abs. 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Verwertung des Räumungsgutes, § 885 Abs. 4 ZPO . . . . . . . . . . . 6. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Alternativen zu § 885 ZPO . . . . . . . . . 1. Frankfurter Räumung . . . . . . . . . . . . 2. Hamburger Räumung . . . . . . . . . . . . 3. Berliner Räumung . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beschränkter Vollstreckungsauftrag, § 885a ZPO . . . . . . . . . . . . . . a) § 885a Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . b) Pfändungsprotokoll, § 885a Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwahrung des Inventars, § 885a Abs. 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . d) Selbsthilfeverkauf, § 885a Abs. 4 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II.

IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. V. 1. 2.

B. I. 1. 2. 3.

7. 8. 9.

e) Behandlung unpfändbarer Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Aufklärungspflicht des Gerichtsvollziehers, § 885a Abs. 6 ZPO . . . g) Kostenregelung, § 885a Abs. 7 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 940a Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Statthaftigkeit des Antrags . . . . . . . Bestehen eines Räumungstitels . . . . (Mit-)Besitz eines Dritten . . . . . . . . . Mangelnde Kenntnis des Vermieters Name des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . Erfüllung und Verwirkung des Räumungsanspruchs. . . . . . . . . . . . . Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . b) Neubegründung eines Mietverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einzelfälle für angenommene Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einzelfälle für abgelehnte Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Prozessuale Geltendmachung . . .

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Räumungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . Räumungsfrist nach § 721 ZPO . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzicht auf Räumungsfrist . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wohnraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . aa) Interessen des Vermieters . . . . bb) Interessen des Mieters . . . . . . . Beendigung des Mietverhältnisses durch Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auflagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Materiell-rechtliche Auswirkungen der Räumungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . Verlängerung und Verkürzung . . . . . . Zeitliche Begrenzung . . . . . . . . . . . . . Prozessuales. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsbehelfe des Mieters . . . . bb) Rechtsbehelfe des Vermieters . cc) Anschlussbeschwerde . . . . . . . dd) Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . Versorgungsleistungen des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Räumungsfrist nach § 794a ZPO . . . . .

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141 141 141 144 146 146 147 156 157 162 167 168 170 173 177 179 179 181 182 187 189 190 191 192

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Anhang § 546 BGB 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. III. IV.

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Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . Erstmalige Bewilligung . . . . . . . . . Antrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interessenabwägung . . . . . . . . . . . Verlängerung und Verkürzung . . . Dauer der Räumungsfrist . . . . . . . Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . Räumungsschutz nach § 719 ZPO. Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkurrenz zu anderen Vollstreckungsschutzvorschriften . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . a) Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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b) Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . c) Interessenabwägung . . . . . . . . aa) Berücksichtigungsfähige Gesichtspunkte . . . . . . . . . bb) Gefahr für Leben und Gesundheit . . . . . . . . . . . . . d) Materielle Einwendungen und Einreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einzelfälle aus der Praxis . . . . . 4. Eilentscheidung des Gerichtsvollziehers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Prozessuales. . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . c) Auflagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . e) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Räumungszwangsvollstreckung § 885 ZPO Herausgabe von Grundstücken oder Schiffen (1) Hat der Schuldner eine unbewegliche Sache oder ein eingetragenes Schiff oder Schiffsbauwerk herauszugeben, zu überlassen oder zu räumen, so hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitz zu setzen und den Gläubiger in den Besitz einzuweisen. Der Gerichtsvollzieher hat den Schuldner aufzufordern, eine Anschrift zum Zweck von Zustellungen oder einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. (2) Bewegliche Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, werden von dem Gerichtsvollzieher weggeschafft und dem Schuldner oder, wenn dieser abwesend ist, einem Bevollmächtigten des Schuldners oder einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner übergeben oder zur Verfügung gestellt. (3) Ist weder der Schuldner noch eine der bezeichneten Personen anwesend oder wird die Entgegennahme verweigert, hat der Gerichtsvollzieher die in Absatz 2 bezeichneten Sachen auf Kosten des Schuldners in die Pfandkammer zu schaffen oder anderweitig in Verwahrung zu bringen. Bewegliche Sachen, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, sollen unverzüglich vernichtet werden. (4) Fordert der Schuldner die Sachen nicht binnen einer Frist von einem Monat nach der Räumung ab, ver äußert der Gerichtsvollzieher die Sachen und hinterlegt den Erlös. Der Gerichtsvollzieher veräußert die Sachen und hinterlegt den Erlös auch dann, wenn der Schuldner die Sachen binnen einer Frist von einem Monat abfordert, ohne binnen einer Frist von zwei Monaten nach der Räumung die Kosten zu zahlen. Die §§ 806, 814 und 817 sind entsprechend anzuwenden. Sachen, die nicht verwertet werden können, sollen vernichtet werden. (5) Unpfändbare Sachen und solche Sachen, bei denen ein Verwertungserlös nicht zu erwarten ist, sind auf Verlangen des Schuldners jederzeit ohne weiteres herauszugeben. § 885a ZPO Beschränkter Vollstreckungsauftrag (1) Der Vollstreckungsauftrag kann auf die Maßnahmen nach § 885 Absatz 1 beschränkt werden. (2) Der Gerichtsvollzieher hat in dem Protokoll (§ 762) die frei ersichtlichen beweglichen Sachen zu dokumentieren, die er bei der Vornahme der Vollstreckungshand-

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lung vorfindet. Er kann bei der Dokumentation Bildaufnahmen in elektronischer Form herstellen. (3) Der Gläubiger kann bewegliche Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, jederzeit wegschaffen und hat sie zu verwahren. Bewegliche Sachen, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, kann er jederzeit vernichten. Der Gläubiger hat hinsichtlich der Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. (4) Fordert der Schuldner die Sachen beim Gläubiger nicht binnen einer Frist von einem Monat nach der Einweisung des Gläubigers in den Besitz ab, kann der Gläubiger die Sachen verwerten. Die §§ 372 bis 380, 382, 383 und 385 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden. Eine Androhung der Versteigerung findet nicht statt. Sachen, die nicht verwertet werden können, können vernichtet werden. (5) Unpfändbare Sachen und solche Sachen, bei denen ein Verwertungserlös nicht zu erwarten ist, sind auf Verlangen des Schuldners jederzeit ohne Weiteres herauszugeben. (6) Mit der Mitteilung des Räumungstermins weist der Gerichtsvollzieher den Gläubiger und den Schuldner auf die Bestimmungen der Absätze 2 bis 5 hin. (7) Die Kosten nach den Absätzen 3 und 4 gelten als Kosten der Zwangsvollstreckung. § 940a ZPO Räumung von Wohnraum (1) Die Räumung von Wohnraum darf durch einstweilige Verfügung nur wegen verbotener Eigenmacht oder bei einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben angeordnet werden. (2) Die Räumung von Wohnraum darf durch einstweilige Verfügung auch gegen einen Dritten angeordnet werden, der im Besitz der Mietsache ist, wenn gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt und der Vermieter vom Besitzerwerb des Dritten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hat. (3) Ist Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs erhoben, darf die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung auch angeordnet werden, wenn der Beklagte einer Sicherungsanordnung (§ 283a) im Hauptsacheverfahren nicht Folge leistet. (4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 hat das Gericht den Gegner vor Erlass einer Räumungsverfügung anzuhören. I. Allgemeines Dem Vermieter (= Gläubiger) ist die eigenmächtige Durchsetzung eines Räumungs- 1 und Herausgabeanspruchs nach Beendigung des Mietverhältnisses verwehrt. Die nicht durch einen Titel gedeckte Inbesitznahme stellt eine unerlaubte Selbsthilfe dar, für deren Konsequenzen der Vermieter gemäß § 231 BGB verschuldensunabhängig haftet1. Schmerzensgeld schuldet er aber mangels Rechtsgrundlage in § 253 BGB nicht2. Der Vermieter muss einen Räumungstitel erwirken und anschließend die Zwangsvoll- 2 streckung betreiben. Für die Zwangsvollstreckung des titulierten Räumungs- und Herausgabeanspruchs müssen die allgemeinen (§ 750 ZPO) sowie die etwaigen weiteren besonderen (§§ 751 ff. ZPO) Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen3. Zu be-

1 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 = WuM 2010, 579; BGH v. 1.10.2003 – VIII ZR 326/02, MDR 2004, 226 = WuM 2003, 708. 2 A.A. AG Reinbek v. 20.5.2008 – 5 C 624/06, ZMR 2008, 719. 3 Hierzu ausführlich Zöller/Stöber, §§ 750 ff. ZPO.

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achten ist insbesondere die Vorschrift des § 751 Abs. 1 ZPO. Hängt die Geltendmachung des Anspruchs von dem Eintritt eines Kalendertages ab, so darf die Zwangsvollstreckung erst mit Ablauf dieses Kalendertages beginnen. 3 Die Zwangsräumung erfolgt gemäß § 885 ZPO durch den Gerichtsvollzieher, der den Mieter (= Schuldner) aus dem Besitz des Mietobjektes setzt und die Räumung vornimmt1. Vollstreckt der Gerichtsvollzieher ohne Vollstreckungstitel, handelt er pflichtwidrig und ist dem Mieter – bei Verschulden – zum Ersatz des aus Anlass der Räumungszwangsvollstreckung entstandenen Schadens verpflichtet2. 1. Die Räumungstitel 4 Voraussetzung für die Durchführung der Zwangsräumung ist ein Vollstreckungstitel, aus dem die Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe folgt. a) Das Urteil 5 Die zwangsweise Durchsetzung einer sich aus einem Urteil ergebenden Räumungsund Herausgabeverpflichtung erfolgt gemäß § 724 ZPO aufgrund einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung des Urteils. Diese wird grundsätzlich von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts erteilt, bei dem der Rechtsstreit anhängig ist. Hängt die Vollstreckung von weiteren von dem Vermieter zu beweisenden Tatsachen – nicht von der Erbringung einer notwendigen Sicherheitsleistung – ab, ist der Rechtspfleger (§ 20 Nr. 12 RPflG) zuständig und der Vermieter muss den Beweis für den Eintritt der Bedingung durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden führen, § 726 Abs. 1 ZPO. Bei einem Räumungsurteil ist eine solche Konstellation die Ausnahme, da auch die Gewährung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO hiervon nicht erfasst wird. Diese stellt zwar eine besondere Voraussetzung der Zwangsvollstreckung dar, welche jedoch von § 751 Abs. 1 ZPO geregelt wird3. b) Der gerichtliche Räumungsvergleich 6 Die Parteien eines Rechtsstreits können einen gerichtlichen Räumungsvergleich gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO schließen. Die Zuständigkeiten für die Erteilung der Vollstreckungsklausel entsprechen den Regelungen bei einem Urteil. Wird die Zwangsvollstreckung von einer Bedingung abhängig gemacht, greift § 726 ZPO. Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts fällt nicht hierunter, sofern Adressat des Widerrufs das Gericht ist, § 795b ZPO4. Anders verhält es sich, wenn die Räumungsverpflichtung durch den Mieter davon abhängig ist, dass der Vermieter zuvor eine Entschädigungszahlung leistet. Vereinbaren die Parteien die Räumung des Mietobjekts Zug-um-Zug gegen Zahlung eines Abstandsbetrages, stellt die Räumung eine aufschiebende Bedingung i.S.d. § 151 Abs. 1 BGB für den Zahlungsanspruch dar, so dass für die diesbezügliche Erteilung der Vollstreckungsklausel der Rechtspfleger zuständig ist. Der Mieter muss den rechtszeitigen Auszug mittels öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden nachweisen5. Vereinbaren die Parteien, die Räumung so lange nicht zwangsweise durchzuführen, wie der Mieter die zugesagten Raten pünktlich leistet (sog. Verfallklausel), bleibt es hingegen bei der Zuständigkeit des Urkundsbeamten nach § 724 BGB, da der Mieter – anders als von § 726 Abs. 1 ZPO vorausgesetzt – die Beweislast für die rechtzeitige Leistung trägt6.

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Vgl. hierzu Schuschke, NZM 2005, 681. OLG Celle v. 15.12.1987 – 16 U 242/86, NJW-RR 1988, 913. Thomas/Putzo/Hüßtege, § 726 ZPO Rz. 2. BGH v. 30.9.2005 – V ZR 275/04, NJW 2005, 3576. LG Kassel v. 6.1.1994 – 1 S 438/93, NJW-RR 1994, 466; a.A. LG Frankfurt v. 5.9.1989 – 2/11 S 177/89, WuM 1990, 196. 6 BGH v. 14.10.2009 – VIII ZR 272/08, MDR 2010, 17 = MietRB 2009, 352 = WuM 2009, 739; BGH v. 30.9.1964 – V ZR 143/62, DNotZ 1965, 544.

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Die Ausführungen zum Prozessvergleich gelten gemäß § 797a ZPO entsprechend für Vergleiche vor den in § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgeführten Gütestellen. Allerdings kann die jeweilige Landesjustizverwaltung den Vorsteher einer Gütestelle ermächtigen, die Aufgabe des Urkundsbeamten zu übernehmen, § 797a Abs. 4 S. 1 ZPO.

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c) Die Einstweilige Verfügung Eine Einstweilige Verfügung kann ebenfalls Grundlage für eine Zwangsräumung sein. 8 Allerdings darf gemäß § 940a Abs. 1 ZPO im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht auf Räumung einer Wohnung erkannt werden (vgl. dazu § 546 BGB Rz. 30). d) Die vollstreckbare notarielle Urkunde Gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO kann die Räumungsvollstreckung aufgrund einer nota- 9 riellen Urkunde über die Räumungsverpflichtung betrieben werden, wenn sich der Mieter in dieser der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat und nicht der Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betroffen ist. Daher kann die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung auch die Räumungsverpflichtung eines Gewerberaummieters betreffen1. Die Unterwerfungserklärung kann auch bereits bei Vertragsabschluss abgegeben werden. Materielle Einwendungen gegen die Räumungsverpflichtung kann der Mieter dann nur im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach §§ 767, 797 Abs. 4 ZPO geltend machen. Bei Wohnraummietverhältnissen scheidet ein solches Vorgehen aus. Damit wird dem 10 gegenüber dem Gewerberaummieter erhöhten Schutzbedürfnis des Wohnraummieters Rechnung getragen. Unzulässig ist daher die Errichtung einer vollstreckbaren notariellen Urkunde bei Beginn des Wohnraummietverhältnisses oder während dessen Fortbestands über die künftige Räumungsverpflichtung des Mieters2. Ist das Mietverhältnis beendet, kann sich der Mieter aber wegen dem dann bestehenden Räumungsanspruch der sofortigen Zwangsvollstreckung in einer notariellen Urkunde unterwerfen3. Der Umstand, dass es sich um eine Abwicklungsvereinbarung zum beendeten Mietverhältnis handelt, steht dem nicht entgegen, da dessen Bestand selbst nicht betroffen ist4. Personen, welche selbst nicht in unmittelbarer vertraglicher Beziehung zum Vermieter stehen, können sich jederzeit der sofortigen Zwangsvollstreckung eines Räumungsanspruchs unterwerfen5. Bei gemischten Mietverhältnissen kommt die Unterwerfung unter die Zwangsvollstre- 11 ckung dann in Betracht, wenn die überwiegend gewerbliche Nutzung das Mietverhältnis schwerpunktmäßig prägt (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 64 ff.)6. Teilweise wird dies anders beurteilt, sofern Gewerbe- und Wohnräume dergestalt baulich und funktional getrennt sind, dass diese unabhängig voneinander herausgegeben werden können7. Dies ist abzulehnen, da dies zu einer Splittung eines einheitlichen Mietverhältnisses führen würde. Durch den Abschluss nur eines Vertrages haben die Vertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass sie die Überlassung der Räume als einheitliches Rechtsgeschäft ansehen, welches auch in rechtlicher Hinsicht einheitlich behandelt werden soll. Ein Grund, hiervon im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens abzuweichen, besteht nicht. Dies kann auch nicht mit dem besonderen Schutz des Wohnraummieters begründet werden, da es sich hier gerade nicht um ein Wohnraummietverhältnis, sondern um ein Mietverhältnis handelt, das den Regeln über das Gewerberaummietrecht unterfällt.

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Vgl. hierzu Moeser, NZM 2004, 769; Groh, NZM 1999, 698. Thomas/Putzo/Hüßtege, § 794 ZPO Rz. 51. Zöller/Stöber, § 794 ZPO Rz. 26. A.A. AG Detmold v. 17.2.2003 – 9 M 298/2003, DGVZ 2003, 60. Staudenmayer, InfoM 2006, 256. Schultes, DBVZ 1998, 177; Wolfsteiner, DNotZ 1999, 306. Zöller/Stöber, § 794 ZPO Rz. 26.

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12 Die vollstreckbare Ausfertigung einer notariellen Urkunde erteilt gemäß § 797 Abs. 2 ZPO der Notar, der die Urkunde verwahrt oder die Behörde, bei der sich die Urkunde in Verwahrung befindet. 13 Hat sich ein Gewerberaummieter hinsichtlich seiner Räumungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen, kann die Vertragsauslegung ergeben, dass der Notar die Vollstreckungsklausel nur dann erteilen darf, wenn er aufgrund der im Kündigungsschreiben angegebenen Gründe selbst feststellen kann, dass diese nach dem Vertrag auch die (fristlose) Kündigung rechtfertigen und damit die Beendigung des Vertrages glaubhaft gemacht ist1. e) Der Anwaltsvergleich 14 Die Ausführungen zur notariellen Urkunde gelten entsprechend für den Anwaltsvergleich gemäß § 796a ZPO. Der Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum darf nicht betroffen sein. Die materiell-rechtliche Vereinbarung über die Beendigung des Mietverhältnisses bleibt hiervon unberührt. Ist das Mietverhältnis bereits beendet, kann die Räumungsverpflichtung tituliert werden. Zuständig für die Vollstreckbarerklärung ist das Amtsgericht, bei dem der Vergleich niedergelegt wurde, im Falle des § 796c ZPO der Notar. f) Der Schiedsspruch 15 Die Zwangsräumung kann auch aufgrund eine Schiedsspruchs erfolgen. Eine Schiedsvereinbarung über den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum ist aber unwirksam, §§ 794 Abs. 1 Nr. 4a, 1030 Abs. 2 ZPO. Die Räumungsverpflichtung infolge eines beendeten Wohnraummietverhältnisses wiederum kann Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein. Die Zuständigkeit für die Vollstreckbarerklärung richtet sich nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. g) Der Zuschlagsbeschluss 16 Wird das Eigentum an einem Grundstück aufgrund des Zuschlagsbeschlusses im Rahmen der Zwangsversteigerung erlangt, kann der Ersteher gemäß § 93 ZVG aus diesem selbst die Räumungs- und Herausgabevollstreckung gegen den (früheren) Eigentümer und dessen mitbesitzenden Familienangehörigen betreiben. Hierzu bedarf es zunächst einer Klauselerteilung, die analog § 726 ZPO erfolgt. 17 Die Zwangsräumung gegen einen Mieter aus dem Zuschlagsbeschluss ist nicht möglich, da der Ersteher gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 ZVG i.V.m. §§ 57 ZVG, 566, 578 BGB in das bestehende Mietverhältnis eintritt, sofern das Mietobjekt dem Mieter bereits vor der Versteigerung überlassen wurde2. Der Ersteher kann aber von seinem Sonderkündigungsrecht gemäß § 57a ZVG (vgl. § 573d BGB Rz. 25) Gebrauch machen, das aber lediglich zu einer Verkürzung der Kündigungsfrist führt und bei Wohnraummietverhältnissen unter dem Vorbehalt des gesetzlichen Kündigungsschutzes des Mieters steht3. Leistet der Mieter dem aus der Kündigung resultierenden Räumungsanspruch keine Folge, muss der Ersteher Räumungsklage erheben. Ein Rückgriff auf den Zuschlagsbeschluss ist nicht möglich. h) Der Beschluss nach § 149 Abs. 2 ZVG 18 Im Rahmen der Zwangsverwaltung kann das Gericht dem die Wohnung selbst nutzenden Eigentümer unter den Voraussetzungen des § 149 Abs. 2 ZVG die Räumung durch Beschluss aufgeben. Hierbei handelt es sich um einen Vollstreckungstitel i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO4, der allerdings nur gegenüber dem Wohnungseigentümer

1 LG Wuppertal v. 10.3.2000 – 6 T 91/00, ZMR 2000, 836. 2 BGH v. 27.2.2004 – IXa ZB 269/03, NZM 2004, 478; BGH v. 19.10.1983 – VIII ZR 159/82, MDR 1984, 575 = WPM 1983, 1364. 3 BGH v. 21.4.1982 – VIII ARZ 16/81, MDR 1982, 747 = ZMR 1982, 274; LG Saarbrücken v. 18.12.2009 – 5 T 627/09, zitiert nach juris. 4 BGH v. 12.1.2006 – IX ZR 131/04, MDR 2006, 949 = NJW 2006, 1124.

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durchgreift und nicht gegen (mit-)besitzende Angehörige1 oder Mieter. Ist das Grundstück oder die Wohnung mit einem Nießbrauch belastet, kann in analoger Anwendung des § 149 Abs. 2 ZVG – nach vorheriger Anordnung der Verwaltung des Nießbrauchs nach § 857 Abs. 4 ZPO – ein Räumungstitel gegen den Nießbraucher erwirkt werden2. i) Der Eröffnungsbeschluss über das Insolvenzverfahren Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens muss der Insolvenzverwalter gemäß § 148 19 Abs. 1 InsO das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen in Besitz nehmen. Aus dem Eröffnungsbeschluss kann gemäß § 148 Abs. 2 InsO auch die Herausgabevollstreckung nach § 885 ZPO betrieben werden, sofern der Insolvenzschuldner die Herausgabe verweigert. Der Beschluss ist ein Herausgabetitel i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO3. Ob aus diesem auch gegen den besitzenden Ehegatten die Räumungsvollstreckung betrieben werden kann, ist strittig4. In Hinblick auf § 750 ZPO ist dies aber abzulehnen5. Bei gemieteten Wohnungen ist § 109 Abs. 1 S. 2 InsO zu beachten. j) Die Zuweisung der Ehewohnung Durch das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschafts- 20 rechts vom 6.7.2009 (BGBl. I, S. 1696) wurden die Vorschriften der Hausratsverordnung, also auch die Regelungen über die Zuweisung der Ehewohnung, in die §§ 1568a und 1568b BGB übernommen6. 2. Räumungsschuldner a) Allgemeines Gemäß § 546 Abs. 1 BGB ist der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses zur 21 Rückgabe des Mietobjektes verpflichtet, so dass er auch gerichtlich auf Räumung und Herausgabe in Anspruch genommen werden kann. Ein Räumungs- und Herausgabetitel gegen den Mieter allein genügt aber nicht, wenn er den Gebrauch der Mieträume Dritten überlassen hat, selbst wenn dies gegenüber dem Vermieter verschwiegen wurde7. Gemäß § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO kann die Zwangsvollstreckung nur gegen die im Titel und der Vollstreckungsklausel als Schuldner bezeichneten Personen betrieben werden. Ob materiell-rechtlich ein Herausgabe- und Räumungsanspruch gegen nicht im Vollstreckungstitel genannte Personen besteht (vgl. § 546 Abs. 2 BGB), ist grundsätzlich unerheblich8 (vgl. aber auch Anhang § 546 BGB Rz. 107 ff.). Der Vollstreckungstitel muss die zur Räumung und Herausgabe verpflichtete Person 22 hinreichend konkret bezeichnen9. Ein Titel gegen unbekannt genügt grundsätzlich nicht. Handelt es sich aber bei den unbekannten Personen um einen nach räumlichen und zeitlichen Kriterien zumindest vorübergehend feststehenden Personenkreis, also um eine bestimmte Anzahl von nicht wechselnden Personen, ist eine hinreichende Konkretisierung gegeben10, z.B. den gewalttätigen Untermieter oder Dauergast des Mieters.

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Hogenschurz, NZM 2005, 611. BGH v. 12.1.2006 – IX ZR 131/04, MDR 2006, 949 = NJW 2006, 1124. BGH v. 21.9.2006 IX ZB 127/05, MDR 2007, 360 = ZInsO 2006, 1105. Vgl. Schmidt/Jarchow, § 148 InsO Rz. 29. LG Trier v. 4.4.2005 – 4 T 4/05, NZM 2005, 599. Vgl. dazu z.B. die Kommentierung bei Erman/Blank, § 1568a BGB ff. BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/03, MDR 2004, 53 = MietRB 2004, 7 = ZMR 2003, 826; a.A. KG Berlin v. 11.12.2001 – 25 W 220/01, GE 2002, 799. 8 BGH v. 14.8.2008 – I ZB 39/08, MDR 2008, 1356 = WuM 2008, 678; BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/03, MDR 2004, 53 = WM 2003, 1825. 9 OLG Köln v. 18.8.1981 – 3 W 24/81, NJW 1982, 1888. 10 OLG Oldenburg v. 24.2.1995 – 5 W 24/95, MDR 1995, 793 = WuM 1996, 1164; LG Krefeld v. 30.7.1981 – 5 O 303/81, NJW 1982, 289.

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Räumungszwangsvollstreckung

b) Untermieter 23 Hat der Mieter weitere Personen in die Mieträume aufgenommen oder diese Dritten zur Nutzung überlassen, kommt eine Zwangsräumung nur dann in Betracht, wenn gegen sämtliche besitzende Personen ein Räumungstitel vorliegt. Deshalb genügt ein gegen den Mieter erwirkter Räumungstitel bei der Untervermietung an natürliche oder juristische Personen nicht, da diese aufgrund des Untermietvertrages ein eigenes Besitzrecht für sich beanspruchen1. Vollstreckt der Gerichtsvollzieher dennoch, handelt er pflichtwidrig und ist dem Untermieter – bei vorliegendem Verschulden – zum Ersatz des aus Anlass der Räumungszwangsvollstreckung entstandenen Schadens verpflichtet2. 24 Erfahren der Gläubiger bzw. der Gerichtsvollzieher erst anlässlich des Vollstreckungstermins, dass ein Dritter (angeblich) Mitbesitz an den Räumen haben soll, muss der Gerichtsvollzieher diese Angaben überprüfen. Zur Glaubhaftmachung des Mitbesitzes reicht eine bloße Meldebescheinigung nicht aus. Vielmehr muss sich der Gerichtsvollzieher anhand der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort ein Bild vom Umfang des Besitzes machen3. Ist der Dritte bei der Vollstreckung nicht anwesend, kann er seine Rechte gegenüber dem Gerichtsvollzieher nicht wahrnehmen. 25 Fraglich ist, inwieweit von dem Grundsatz, dass die Räumungsvollstreckung gegen einen Untermieter grundsätzlich einen gegen diesen gerichteten Vollstreckungstitel erfordert4, Ausnahmen gerechtfertigt sind. Ansatzpunkte ergeben sich aus § 242 BGB. Denn auch das Zwangsvollstreckungsverfahren steht unter dem Grundsatz von Treu und Glauben5. Insbesondere die Berufung auf eine nur formale Rechtsstellung kann den Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechen und daher rechtsmissbräuchlich sein. Eine Person, gegen die die Zwangsvollstreckung stattfinden soll, beruft sich jedoch nicht auf eine nur formale Rechtsstellung, wenn sie geltend macht, die Zwangsvollstreckung sei nach § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO unzulässig, weil sie in dem Titel oder der Klausel namentlich nicht bezeichnet sei6. Die Bestimmung des § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO sichert nicht lediglich die Einhaltung einer Formalität, sondern gewährleistet, dass staatlicher Zwang nur zur Durchsetzung eines urkundlich bereits ausgewiesenen Anspruchs gegen die in dem Titel oder der Klausel genannten Personen ausgeübt wird7. Deshalb ist die Räumungsvollstreckung des Vermieters gegen den im Räumungstitel nicht genannten Untermieter selbst dann unzulässig, wenn feststeht, dass das Mietverhältnis zwischen dem Vermieter und dem Hauptmieter beendet und der Untermieter daher nach § 546 Abs. 2 BGB zur Herausgabe der Mietsache an den Vermieter verpflichtet ist8. Billigkeitserwägungen sollen es erst recht nicht rechtfertigen, die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung außer Acht zu lassen und staatlichen Zwang gegen Personen auszuüben, gegen die kein Vollstreckungstitel bzw. keine Vollstreckungsklausel vorliegt9.

1 Vgl. BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/03, MDR 2004, 53 = NJW-RR 2003, 1450 (1451) = ZMR 2003, 337. 2 OLG Celle v. 15.12.1987 – 16 U 242/86, NJW-RR 1988, 913. 3 AG Wedding v. 28.6.2012 – 31 M 8006/12, GE 2012, 1705. 4 BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/03, MDR 2004, 53 = MietRB 2004, 7 = NJW-RR 2003, 1450 (1451). 5 Vgl. BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MDR 2008, 824 = MietRB 2008, 228 = NJW 2008, 1959 Rz. 17. 6 BGH v. 14.8.2008 – I ZB 39/08, MDR 2008, 1356 = MietRB 2008, 363 = GE 2008, 1317 = NZM 2008, 805. 7 Vgl. BGH v. 25.6.2004 – IXa ZB 29/04, BGHZ 159, 383, 385 f. = MDR 2004, 1257 = MietRB 2005, 2; BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/03, MDR 2004, 53 = MietRB 2004, 7 = NJW-RR 2003, 1450 (1451); BGH v. 29.5.2008 – IX ZB 102/07, MDR 2008, 1125 = ZIP 2008, 1338 Rz. 14. 8 Vgl. BGH v. 25.6.2004 – IXa ZB 29/04, BGHZ 159, 383, 385 f. = MDR 2004, 1257 = MietRB 2005, 2; BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/03, MDR 2004, 53 = MietRB 2004, 7 = NJW-RR 2003, 1450 (1451); BGH v. 29.5.2008 – IX ZB 102/07, MDR 2008, 1125 = ZIP 2008, 1338 Rz. 14. 9 Vgl. BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/03, MDR 2004, 53 = NJW-RR 2003, 1450 (1451); BGH v. 29.5.2008 – IX ZB 102/07, ZIP 2008, 1338 (Rz. 14); a.A. OLG Hamburg v. 19.8.1992 – 6 W 49/92, MDR 1993, 274; KG v. 11.12.2001 – 25 W 220/01, NZM 2003, 105; AG Lübeck v. 11.10.1994 – 51 M

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Räumungszwangsvollstreckung

Anhang § 546 BGB

Diese Grundsätze führen zu dem Dilemma, dass der Vermieter im schlimmsten Fall 26 seine Räume nie zurückerhält, weil bei jedem neuen Räumungstermin, den der Gerichtsvollzieher ansetzt, eine neue Person auftritt, die zumindest Mitbesitz an der Mieteinheit ausübt. Neben § 940a Abs. 2 ZPO kann ein Ausweg aus dieser enteignenden Situation darin gefunden werden, dass der Mieter (Vollstreckungsschuldner) vor dem Räumungstermin um Auskunft gebeten wird, ob sich weitere Personen in der Wohnung befinden. Antwortet er nicht oder abschlägig, soll dennoch aus dem Räumungstitel auch gegen evtl. angetroffene Personen, die im Vollstreckungstitel nicht genannt sind, vollstreckt werden können1. Dies soll sich, worauf der BGH selbst hinweist, aus Treu und Glauben ergeben. Das Auskunftsbegehren kann schon in die Kündigung aufgenommen werden2. c) Ehegatten Nicht einheitlich wurde die rechtliche Beurteilung bei Familienangehörigen des Mie- 27 ters vorgenommen. Bei Ehegatten ist regelmäßig von Mitbesitz auszugehen, selbst wenn nur einer von ihnen Mieter ist. Dies ergibt sich aus dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1352 Abs. 1 BGB), aus dem die Pflicht zur Einräumung der Mitbenutzung der ehelichen Wohnung folgt. Ohne besondere Anhaltspunkte kann der Ehegatte des Mieters nicht lediglich als Besitzdiener ohne selbständige Nutzungsbefugnis an der Wohnung qualifiziert werden3. Grundsätzlich bedarf es daher auch eines gegen den Ehegatten gerichteten Räumungs- und Herausgabetitels. Gleiches gilt für den Lebenspartner i.S.d. Lebenspartnerschaftsgesetzes. d) Nichteheliche Lebensgefährten Für den nichtehelichen Lebensgefährten wurde teilweise die Notwendigkeit zur Er- 28 wirkung eines eigenen Räumungs- und Herausgabetitels verneint, wenn er sein Besitzrecht nicht vom Vermieter ableitete4 oder ohne dessen Willen begründet und vor diesem verheimlicht hatte5. Der BGH6 hat zwischenzeitlich klargestellt, dass maßgeblich ist, ob der nichteheliche Lebensgefährte – was vom Gerichtsvollzieher im Rahmen der Zwangsräumung zu prüfen ist – Mitbesitz begründet hat oder nicht. Anders als bei Ehegatten rechtfertigt allein die Aufnahme in die Wohnung die Annahme von Mitbesitz nicht. Dies muss anhand der Gesamtumstände klar und eindeutig festzustellen sein, z.B. durch die Anmeldung nach den jeweiligen landesrechtlichen Meldegesetzen7, die Mitteilung über die Aufnahme gegenüber dem Vermieter oder die Anbringung eines Namensschildes am Briefkasten. Ob der Vermieter sein Einverständnis zu der Aufnahme erteilt hat, ist unerheblich. e) Kinder Ein Räumungsurteil gegen die minderjährigen in der Wohnung lebenden Kinder des 29 Mieters ist nicht notwendig, da diese lediglich Besitzdiener sind. Der gegen die Eltern gerichtete Titel genügt daher. Der Eintritt der Volljährigkeit ändert an den Besitzverhältnissen in der Regel nichts. Nur wenn eine Änderung der Besitzverhältnis-

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4071/94, DGVZ 1995, 92; AG Ludwigshafen v. 20.3.2001 – 3a M 200/00, ZMR 2003, 197; AG Hamburg-St. Georg v. 21.2.2007 – 903a M 1682/06, ZMR 2007, 280. Scholz, ZMR 2009, 99; Klimesch, ZMR 2009, 431. Klimesch/Wedel, ZMR 2012, 679 (681). BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 254/08, MDR 2009, 1329 = NZM 2008, 281; BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MDR 2008, 824 = MietRB 2008, 228 = NZM 2008, 400; BGH v. 25.6.2004 – IXa ZB 29/04, MDR 2004, 1257 = MietRB 2005, 2 = NZM 2004, 701; OLG Jena v. 16.1.2002 – 6 W 10/02, WuM 2002, 221. LG Lübeck v. 2.4.1991 – 7 T 203/91, JurBüro 1992, 1967; LG Berlin v. 25.8.1993 – 81 T 391/93, DGVZ 1993, 173. KG v. 11.12.2001 – 25 W 220/01, NZM 2003, 105; AG Hamburg-St. Georg v. 21.2.2007 – 903a M 1682/06, ZMR 2007, 280. BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MDR 2008, 824 = MietRB 2008, 228 = WuM 2008, 364. A.A. AG Bad Neuenahr-Ahrweiler v. 2.7.2009 – 1 M 1017/09, DGVZ 2009, 167.

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Räumungszwangsvollstreckung

ses nach außen deutlich wird, kann ausnahmsweise etwas anders gelten1, z.B. bei Zuweisung bestimmter Räume zur ausschließlichen Nutzung und eigener Haushaltsführung2 oder Beteiligung an der Miete, wodurch je nach Ausgestaltung auch ein Untermietverhältnis zustande kommen kann. Zieht das Kind nach einem zwischenzeitlichen Umzug jedoch wieder zurück zu den Eltern, soll ein Titel gegen das volljährige Kind des Mieters nicht erforderlich sein3. f) Sonstige Personen 30 Für sonstige (erwachsene) Angehörige, wie Eltern oder Geschwister, gilt die gleiche Rechtslage wie für nichteheliche Lebensgefährten, selbst wenn sie dauerhaft in die Wohnung aufgenommen werden. Nur wenn diese nach außen hin einen eigenen (Mit-)Besitz begründen, bedarf es eines eigenen Räumungstitels gegen diese Personen4. Besucher des Mieters oder Bedienstete sind, da gegenüber dem Mieter weisungsabhängig, lediglich Besitzdiener, so dass kein gesonderter Räumungstitel notwendig ist5. Insoweit ist im Einzelfall zu klären, ob sich die betreffende Person nur vorübergehend in der Wohnung aufhält. g) Insolvenzverwalter 31 Ist ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Mieters anhängig, scheidet eine Einzelvollstreckung gemäß § 89 Abs. 1 InsO aus. Dies gilt aber nicht für die Zwangsräumung6. Da das Mietverhältnis massezugehörig ist, besteht gegenüber dem Insolvenzverwalter ein Herausgabeanspruch. Ein Titel gegen den Insolvenzverwalter ist aber nur dann notwendig, wenn dieser gemäß § 148 InsO Besitz an den Räumlichkeiten begründet hat7 oder unter Anerkennung des fremden Eigentums das Recht beansprucht, die Mietwohnung für die Masse zu nutzen und darüber zu entscheiden, ob, wann und in welcher Weise er sie an den Vermieter zurückgibt8. Die Vollstreckung aufgrund eines gegen den Mieter gerichteten Titels scheidet dann aus9. Es ist ein gegen den Insolvenzverwalter gerichteter Titel notwendig. Hat der Insolvenzverwalter keinen Besitz begründet, bedarf es auch keiner Aussonderungsklage neben der Klage auf Räumung und Herausgabe gegenüber dem Mieter10. 32 Hat der Insolvenzverwalter die Erklärung gemäß § 109 Abs. 1 S. 2 InsO abgegeben, ist ein Zugriff auf die Wohnung nicht mehr möglich11. Ist der Insolvenzverwalter zur Räumung verurteilt worden, kann eine Freigabe aus der Insolvenzmasse nicht mehr zum Erlöschen dieser Masseverbindlichkeit führen12. Gleiches gilt für die im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs geregelte Räumungs- und Herausgabeverpflichtung. Hat der Insolvenzverwalter bei Abschluss eines Räumungsvergleichs über die Rechte des Mieters verhandelt, kann hierdurch Besitz begründet werden mit der Folge einer Herausgabeverpflichtung des Insolvenzverwalters13.

1 BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MDR 2008, 824 = MietRB 2008, 228 = WuM 2008, 364; KG v. 26.10.1993 – 1 W 6068/93, MDR 1994, 163 = WuM 1994, 32; a.A. Schuschke, NZM 2005, 10 (der Kindern ab 14 Jahren Mitbesitz einräumt). 2 A.A. offenbar Prütting/Gehrlein/Olzen, § 885 ZPO Rz. 16. 3 LG Berlin v. 17.10.2011 – 51 T 589/11, GE 2011, 1555. 4 A.A. LG Baden-Baden v. 15.4.1992 – 1 T 29/92, WuM 1992, 493 (das grundsätzlich davon ausgeht, das Mietbesitz begründet wird). 5 Prütting/Gehrlein/Olzen, § 885 ZPO Rz. 19. 6 LG Hannover v. 17.7.1990 – 11 T 145/90, DGVZ 1990, 170. 7 BGH v. 21.12.2006 – IX ZR 66/05, MDR 2007, 914 = MietRB 2007, 110 = ZIP 2007, 340 (341); LG Mannheim v. 9.11.2005 – 4 S 69/05, WuM 2006, 694 = NZM 2007, 443; Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 14; vgl. BGH v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, MDR 2002, 54 = NJW 2001, 2966. 8 BGH v. 19.6.2008 – IX ZR 84/07, MDR 2008, 1240 = MietRB 2008, 299 = NZM 2008, 606. 9 Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 14. 10 Lützenkirchen/Gemeinhardt/Weber, AHB Mietrecht, P Rz. 224; a.A. Eckert, NZM 2001, 260. 11 Lützenkirchen/Gemeinhardt/Weber, AHB Mietrecht, P Rz. 224. 12 BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 46/05, MDR 2006, 1190; vgl. hierzu auch Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 73. 13 Gemeinhardt, InfoM 2008, 390.

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Räumungszwangsvollstreckung

Anhang § 546 BGB

Ergreift der Insolvenzverwalter erst nach Erlass eines rechtskräftigen Räumungs- 33 und Herausgabeurteils Besitz an der Wohnung, kommt in entsprechender Anwendung des § 727 Abs. 1 ZPO eine Titelumschreibung in Betracht1. Voraussetzung ist, dass die Rechtsnachfolge bzw. das Besitzverhältnis offenkundig ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird. Hieran wird es regelmäßig fehlen, so dass nur eine Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel gemäß § 731 ZPO in Betracht kommt. Einer selbständigen neuen Räumungs- und Herausgabeklage gegen den Insolvenzverwalter fehlt aber nicht das Rechtsschutzbedürfnis2. h) Rechtsnachfolge Überlässt der Mieter den Besitz an den Räumlichkeiten Dritten, nachdem ein Räu- 34 mungsprozess rechtshängig geworden ist, kann der Vermieter gemäß § 727 Abs. 1 ZPO unter den Voraussetzungen des § 325 Abs. 1 Alt. 2 ZPO die Erteilung einer Vollstreckungsklausel gegen diese Dritten verlangen3. Allerdings muss die Rechtsnachfolge sowie deren Zeitpunkt in der von § 727 Abs. 1 ZPO geforderten Form erbracht werden, also offenkundig sein oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden, z.B. durch einen Erbschein. In der Praxis wird es regelmäßig an der Offenkundigkeit fehlen und ein Nachweis in 35 der verlangten Form nicht möglich sein. Neben der Möglichkeit, nach § 940a Abs. 2 ZPO vorzugehen (vgl. dazu Anhang § 546 BGB Rz. 107 ff.), kann der Vermieter gemäß § 731 ZPO Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel erheben. Teilweise wird vertreten, dass die Möglichkeit der Klage nach § 731 ZPO einer neuen selbständigen Räumungs- und Herausgabeklage das notwendige Rechtsschutzbedürfnis nimmt4. Dem kann nicht gefolgt werden. Räumt das Gesetz verschiedene Rechtsbehelfe für das gleiche Anliegen ein, steht dem Rechtsschutzsuchenden grundsätzlich ein Wahlrecht zu, welchen Rechtsbehelfs er sich bedient. Eine Einschränkung dieses Wahlrechts ist nur dann geboten, wenn sich die verschiedenen Vorgehensweisen nach Einfachheit und Billigkeit eindeutig unterscheiden. Dies ist hier nicht der Fall. Es handelt sich in beiden Fällen um ein Erkenntnisverfahren, welches den gleichen prozessualen Regelungen unterliegt. Insbesondere ist der Prüfungsumfang der gleiche. Mangels Rechtskrafterstreckung kann der Rechtsnachfolger sowohl der Klage aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als auch der Klage aus § 731 ZPO sämtliche Einwendungen entgegenhalten5. i) Teilräumung Liegt nur ein Räumungstitel gegen einen von mehreren Besitzern vor, kommt eine 36 Teilräumung nicht in Betracht. Die Zwangsräumung erfolgt gemäß § 885 ZPO, indem die besitzende Person aus dem Besitz gesetzt und der Gläubiger in den Besitz eingewiesen wird. Zwar kann einer von mehreren Besitzern der Räumlichkeiten verwiesen werden, der Vermieter aber nicht – ohne Zustimmung des verbleibenden Besitzers – in den Besitz eingewiesen werden, da dies ein Eingriff in den unmittelbaren (Mit-)Besitz des verbleibenden Besitzers wäre, der mangels Vollstreckungstitel nicht legitimiert ist. Diesem würde ohne Titel ein neuer Mitbesitzer, nämlich der Vermieter, aufgedrängt. Daher führt die Einstellung der Zwangsräumung gegenüber einem von mehreren Besitzern praktisch zur Einstellung der Zwangsräumung insgesamt.

1 BGH v. 5.7.2005 – VII ZB 16/05, MDR 2006, 53 = Rpfleger 2005, 610. 2 BGH v. 9.4.1987 – IX ZR 138/86, NJW 1987, 2863; A.A. Thomas/Putzo/Hüßtege, § 731 ZPO Rz. 1; Stein/Jonas/Münzberg, § 731 ZPO Rz. 6. 3 LG Münster v. 30.5.1973 – 5 T 191/73, MDR 1973, 934. 4 Thomas/Putzo/Hüßtege, § 731 ZPO Rz. 1; Stein/Jonas/Münzberg, § 731 ZPO Rz. 6. 5 So auch BGH v. 9.4.1987 – IX ZR 138/86, NJW 1987, 2863; sofern eine Rechtskrafterstreckung bejaht wird, hätte dies ebenfalls keinen Einfluss, da sich diese in beiden Prozessen in gleichem Umfang auswirken würde.

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Anhang § 546 BGB

Räumungszwangsvollstreckung

j) Auskunftsanspruch des Vermieters 37 Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter Namen und Anschriften der Personen mitzuteilen, denen er den Gebrauch des Mietobjektes überlassen hat, z.B. im Rahmen eines Untermietverhältnisses. Verweigert der Mieter die Mitteilung, kann der Vermieter nicht auf Grundlage eines Räumungstitels gegen den Mieter die Namhaftmachung zwangsweise durchsetzen, insbesondere kein Zwangsmittel nach § 888 Abs. 1 ZPO festsetzen lassen1. Er muss den Auskunftsanspruch selbst gerichtlich geltend machen. 38 Unter Umständen kann der Vermieter aber bei einem rechtzeitigen Auskunftsverlangen die Zwangsvollstreckung auch gegen unbekannte Dritte durchführen (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 26). II. Ablauf der Räumungsvollstreckung nach § 885 ZPO 1. Allgemeines 39 Die Räumungs- und Herausgabevollstreckung nach § 885 Abs. 1 S. 1 ZPO setzt zunächst voraus, dass der zu vollstreckende Titel hinsichtlich der Person des Schuldners hinreichend bestimmt ist (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 22). 40 Hinsichtlich des Gegenstandes der Zwangsvollstreckung, also insbesondere der Wohnung, genügt regelmäßig die Angabe der postalischen Anschrift sowie die Lage im betreffenden Gebäude. Fehlt eine solche Anschrift, muss der Vermieter das Grundstück auf sonstige Weise hinreichend konkret benennen. Gegebenenfalls muss er das herauszugebende Grundstück grundbuchmäßig (Gemarkung, Band, Blatt und Flurstücksnummer) bezeichnen. Der Gerichtsvollzieher muss sich anhand der Angaben im Titel über die Lage der dort genannten Flurstücksnummern mit allgemein zugänglichen Hilfsmitteln wie Grundbuchauszug und Flurkarte in Kenntnis setzen2. 41 Der Ablauf der Räumungs- und Herausgabevollstreckung richtet sich nach den §§ 885 ZPO, 180, 181 GVGA3. Sie hat möglichst schonend und kostengünstig zu erfolgen. Der Gerichtsvollzieher bestimmt aufgrund des Vollstreckungsauftrages des Gläubigers einen Räumungstermin. Dieser soll nach § 18 Nr. 2 GVGA dem Mieter (bzw. dem besitzenden Dritten) rechtzeitig im Vorfeld angekündigt werden. Nur in Kenntnis des Räumungstermins ist es dem Mieter möglich, die Frist des § 765a Abs. 3 ZPO (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 228) zur Stellung eines Räumungsschutzantrages zu wahren. 42 Der Gerichtsvollzieher kann nicht wegen Befangenheit abgelehnt werden4. 2. Besitzeinweisung 43 Bei der Vollstreckung setzt der Gerichtsvollzieher den Mieter aus dem Besitz und weist den Gläubiger in den Besitz ein. Dies setzt die Übertragung der Sachherrschaft über die Räumlichkeiten voraus, also die Übergabe sämtlicher Schlüssel zu den Mieträumlichkeiten. 44 Widersetzt sich der Mieter/Schuldner der Besitzentziehung, ist der Gerichtsvollzieher berechtigt, Gewalt anzuwenden und Amtshilfe bei den Polizeibehörden anzufordern, § 758 Abs. 3 ZPO. Die Anwesenheit des Vermieters oder einer von ihm beauftragten Person ist nicht zwingend erforderlich. In diesem Fall muss der Gerichtsvollzieher dem Vermieter durch Übermittlung des Schlüssels die Möglichkeit geben, die tatsächliche Gewalt über das Grundstück bzw. die Räume auszuüben5. Bei einem brachliegenden Grundstück erfolgt die Zwangsvollstreckung dergestalt, dass der Gerichtsvollzieher den Vermieter durch Protokollerklärung in den Besitz einweist, selbst wenn mangels Grenzsteinen oder sonstiger Markierungen die Gren1 BGH v. 27.11.2008 – I ZB 46/08, MDR 2009, 468 = WuM 2009, 142. 2 BGH v. 4.12.2008 – I ZB 120/05, MDR 2009, 289 = GuT 2009, 39; OLG München v. 18.12.1998 – 14 W 311/98, DGVZ 1999, 56. 3 Vgl. Hüermann, WuM 2004, 135. 4 BGH v. 24.9.2004 – IXa ZB 10/04, MDR 2005, 169; LG Köln v. 8.2.2001 – 32 T 8/01, MDR 2001, 89. 5 Prütting/Gehrlein/Olzen, § 885 ZPO Rz. 21.

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Räumungszwangsvollstreckung

Anhang § 546 BGB

zen des Grundstücks vor Ort nicht bestimmt werden können1. Eine Räumung in Form eines schriftlichen Verfahrens kommt mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht. 3. Räumung, § 885 Abs. 2 ZPO a) Bewegliche Sachen Neben der Zuweisung des Besitzes an den Räumlichkeiten an den Vermieter obliegt 45 dem Gerichtsvollzieher gemäß § 885 Abs. 2 S. 1 ZPO die Entfernung der beweglichen Sachen, die sich in diesen befinden.2 Ob das Räumungsgut im Eigentum des Mieters oder einer dritten Person steht, bleibt bei der Anwendung der § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO unberücksichtigt3. Nimmt der Mieter, ein von ihm beauftragter Dritter oder eine andere in § 885 Abs. 2 46 ZPO genannte Person das Räumungsgut nicht bei der Räumung in Empfang, hat der Gerichtsvollzieher diese in dem Pfandlokal oder anderweitig einzulagern, § 180 Nr. 5 GVGA. Bei der Einlagerung außerhalb des Pfandlokals kommt kein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis zwischen Mieter und Gerichtsvollzieher zustande. Der Lagerführer ist kein Verwaltungshelfer, für dessen Fehlverhalten der Gerichtsvollzieher bzw. der Staat im Wege der Amtshaftung einstehen muss. Verwahrungsverträge i.S.d. § 885 Abs. 3 ZPO schließt der Gerichtsvollzieher regelmäßig als Vertreter des Justizfiskus4. Eine Sortierung des Räumungsguts kann der Mieter nicht verlangen. Vielmehr ob- 47 liegt es dem Mieter, sich entsprechend einzurichten, sobald der Räumungstermin bekannt ist5. Objektiv wertlose Sachen, die kein Unrat sind, unterfallen aber der Einlagerungspflicht des § 885 Abs. 4 S. 2 ZPO. Eine Entsorgung, sofern es sich nicht offensichtlich um wertloses Räumungsgut handelt6, oder das Abstellen auf der Straße7 ist dem Gerichtsvollzieher verwehrt und begründet Amtshaftungsansprüche. Der Gerichtsvollzieher ist nicht verpflichtet, die Gegenstände in die neue Wohnung des Mieters zu verbringen8. Etwas anderes kann gelten, wenn der Mieter die hierfür entstehenden Kosten verauslagt9. Auch die Verbringung des Räumungsguts durch den Vermieter in die neue Wohnung des Mieters kann aus Kostengründen dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtsvollziehers entsprechen10. Das soll nach teilweise vertretener Auffassung der Fall sein, wenn die Verbringung 48 des Räumungsgutes in die neue Wohnung günstiger ist als die Verwahrung11. Dem ist nicht zu folgen. Bei einer solchen Vorgehensweise begibt sich der Gerichtsvollzieher eines Druckmittels gegenüber dem Mieter. Gemäß § 885 Abs. 4 ZPO ist er nach Einlagerung nur gegen Zahlung der Kosten zur Herausgabe verpflichtet, wodurch das Interesse des Vermieters besonders berücksichtigt wird. Andernfalls kann er nach Ablauf von zwei Monaten das Räumungsgut veräußern. Diese Veräußerung erfolgt zwar von Amts wegen aber zumindest auch im Interesse des Vermieters, der nach Hinterlegung die Möglichkeit der Pfändung des Auszahlungsanspruchs des Mieters gemäß § 829 ZPO hat. 1 BGH v. 4.12.2008 – I ZB 120/05, MDR 2009, 289 = GuT 2009, 39. 2 Die Beseitigung von auf dem Grundstück gelagerten großen Mengen von Abfall soll aber über das dem Gerichtsvollzieher im Rahmen der Herausgabevollstreckung obliegende „Wegschaffen von beweglichen Sachen“ hinaus gehen und nach § 887 ZPO zu vollstrecken sein, LG Limburg v. 20.4.2004 – 7 T 352/03, DGVZ 2005, 70. 3 Prütting/Gehrlein/Olzen, § 885 ZPO Rz. 22. 4 BGH v. 17.6.1999 – IX ZR 308/98, MDR 1999, 1220 = ZMR 1999, 744. 5 AG Siegen v. 20.12.1988 – 10 M 7612/88, DGVZ 1989, 44. 6 OLG Zweibrücken v. 5.9.1997 – 3 W 152/97, DGVZ 1998, 8; AG Leverkusen v. 11.7.1995 – 45 M 2019/95, DGVZ 1996, 44; AG Bremen v. 6.9.1996 – 2 C 115/95, DGVZ 1999, 63. 7 OLG Karlsruhe v. 18.2.1974 – 1 W 90/73, Rpfleger 1974, 408. 8 LG Aschaffenburg v. 7.2.1997 – 4 T 232/96, DGVZ 1997, 115; Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 17. 9 AG Herne v. 27.7.1979 – 12 M 2622/79, DGVZ 1980, 30; Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 22. 10 Schuschke, NZM 2005, 681; a.A. Lörrach, DGVZ 2005, 109. 11 AG Herne v. 27.7.1979 – 12 M 2622/79, DGVZ 1980, 30; Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 22.

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49 Können die auf einem zu räumenden Grundstück befindlichen beweglichen Sachen, z.B. große Landmaschinen, nicht in einem Pfandraum untergebracht werden und ist die Anmietung von Lagerraum bei einem gewerblichen Lagerhalter und der Transport dorthin mit erheblichen Kosten verbunden, dann hat der Gerichtsvollzieher zur Kostenersparnis möglichst für eine Unterbringung bei dem Gläubiger oder nahe des zu räumenden Objektes Sorge zu tragen. Ist der Abtransport des Räumungsgutes in Hinblick auf die hohen Kosten wirtschaftlich nicht zu vertreten, kann die Zwangsräumung dergestalt erfolgen, dass der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitz setzt und die beweglichen Gegenstände des Schuldners in den Räumen des Gläubigers in Verwahrung nimmt1. 50 Tiere sind im Rahmen der Zwangsvollstreckung wie bewegliche Sachen zu behandeln2, § 90a BGB. Nimmt der Mieter oder eine andere der in § 885 Abs. 2 ZPO genannten Personen die Tiere nicht in Empfang, soll der Gerichtsvollzieher nach einer teilweise vertretenen Meinung nicht zur Unterbringung oder Pflege der Tiere verpflichtet sein. Vielmehr soll er die Räumungsvollstreckung gegebenenfalls vorübergehend einstellen müssen, um die zuständigen Ordnungs- und Polizeibehörden zu unterrichten, damit diese im Rahmen der Gefahrenabwehr tätig werden3. Dem kann nicht gefolgt werden. Bei den üblichen Haustieren wie Hund, Katze und Kleintieren kommt ohne Weiteres eine Unterbringung nach § 885 Abs. 3 ZPO in einem Tierheim in Betracht. Gegegebenenfalls sind insoweit auf Tiertransporte spezialisierte Unternehmen hinzuzuziehen. Eines Rückgriffs auf ordnungsbehördliche Vorschriften bedarf es nicht. Bei Exoten muss auch eine Unterbringung in einem Zoo geprüft werden. Bei einem zu räumenden landwirtschaftlichen Betrieb kann die Belassung auf dem zu räumenden Grundstück oder eine Unterbringung auf einem anderen landwirtschaftlichen Betrieb pflichtgemäßem Ermessen entsprechen. Die voraussichtlichen Kosten der Unterbringung sowie des Transports durch Spezialfirmen sind gegenüber dem Vermieter zu erheben. b) Beseitigung von Aufbauten 51 Wenn ein Mieter/Schuldner ein Grundstück zu räumen hat, muss er notwendig auch das darauf errichtete Gebäude verlassen bzw. aus dessen Besitz gesetzt werden. Mit einer Beseitigung des Gebäudes durch den Schuldner im Vollstreckungsverfahren hat dies indes nichts zu tun. Insoweit erfasst ein Titel auf Herausgabe und Räumung eines Grundstücks auch die Räumungsverpflichtung hinsichtlich eines darauf errichteten Gebäudes4. 52 Für die notwendigen Leistungen zur Beseitigung von Aufbauten (= Abbruch, Entfernung, Entsorgung und Rückbau der auf dem geräumten Grundstück befindlichen Gebäude und Anlagen) muss in der Regel ein auf eine vertretbare Handlung gerichteter Vollstreckungstitel nach § 887 ZPO vorliegen5. Eine entsprechende (titulierte) Leistungsverpflichtung lässt sich einem Räumungsurteil grundsätzlich auch im Wege der Auslegung nicht entnehmen, solange der Tenor nur die Räumung und Herausgabe in geräumtem Zustand vorsieht. Dadurch werden nur die Besitzverschaffung und das Wegschaffen der beweglichen Sachen erfasst. Allenfalls aus den Entscheidungsgründen kann sich ergeben, dass die titulierte Verpflichtung weitergehende Leistungen der Schuldnerin beinhalten sollte als die auf der Grundlage von § 885 ZPO durchzuführende Räumung6. Welche Einbauten konkret davon erfasst sind und (sofort) im Wege 1 LG Detmold v. 15.1.1996 – 2 T 5/96, DGVZ 1996, 171. 2 BGH v. 4.4.2012 – I ZB 19/11, GE 2012, 1164. 3 OLG Karlsruhe v. 4.12.1996 – 14 W 64/96, ZMR 1997, 78; Schneider, MDR 1998, 1133 (1136) m.w.N. 4 Vgl. OLG Celle v. 30.1.1962 – 8 W 9/62, NJW 1962, 595; OLG Hamm v. 24.8.1965 – 15 W 327/65, NJW 1965, 2207. 5 OLG Frankfurt v. 21.11.2002 – 26 W 122/02, MietRB 2003, 8 = MDR 2003, 655; OLG Düsseldorf v. 5.7.1999 – 3 W 195/99, MDR 2000, 414 = NJW-RR 2000, 533; OLG Celle v. 30.1.1962 – 8 W 9/62, NJW 1962, 595. 6 Vgl. zur Auslegung eines Räumungstitels: dazu BGH v. 19.3.2004 – IXa ZB 328/03, MDR 2004, 1021 = GE 2004, 811 = NJW-RR 2005, 212.

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der Zwangsvollstreckung beseitigt werden können, kann sich z.B. aus dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des Räumungsurteils ergeben1, zu dessen Auslegung dann ein im Prozess vorgelegtes Abnahmeprotokoll herangezogen werden kann. Erstrebt ein Gläubiger aber eine weitergehende Leistung, bedarf es grundsätzlich der gesonderten Titulierung des Anspruchs auf Beseitigung von Baumaßnahmen und Rückbau, wie er sich aus § 546 BGB oder einer entsprechenden mietvertraglichen Abrede ergeben kann2. 4. Verwahrung des Räumungsgutes, § 885 Abs. 3 ZPO Nach Satz 1 der Regelung kann der Gerichtsvollzieher grundsätzlich den Abtrans- 53 port und die Einlagerung der Habseligkeiten des Schuldners nicht nur durchführen, wenn dieser oder eine der bezeichneten Personen beim Räumungstermin abwesend ist, sondern auch dann, wenn die Übernahme verweigert wird. Der Abwesenheit des Schuldners steht es gleich, wenn zwar eine der in Abs. 2 genannten Personen anwesend ist, diese sich aber weigert, die Sachen entgegenzunehmen3. Durch den Hinweis auf die „in Absatz 2 bezeichneten Sachen“ wird deutlich, dass nur 54 solche Gegenstände in die Verwahrung zu nehmen sind, die nicht als Zubehör oder in sonstiger Weise gleichzeitig Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, z.B. wegen einer Geldforderung (titulierte Mietrückstände, Kosten etc.). Vom Gerichtsvollzieher nach § 803 Abs. 1 ZPO parallel zur Räumung gepfändete bewegliche Sachen hat er gemäß § 808 Abs. 1 ZPO in Besitz zu nehmen. Nach § 885 Abs. 3 S. 2 ZPO sollen bewegliche Sachen, an deren Aufbewahrung offen- 55 sichtlich kein Interesse besteht, unverzüglich vernichtet werden. Hierbei ist vom offensichtlichen Fehlen eines Interesses an der Aufbewahrung nur unter engen Voraussetzungen auszugehen4. Ein offensichtliches Fehlen eines Interesses an der Aufbewahrung kann bei gewöhnlichem Abfall und Unrat angenommen werden. Sie sollen nicht in die Verwahrung gebracht, sondern der Verwertung oder der Beseitigung unter Beachtung der einschlägigen abfallrechtlichen Bestimmungen zugeführt werden. Die Entsorgung von Müll oder Unrat ist in der Praxis vielfach üblich und als ordnungsgemäßes Vorgehen bei dem Verfahren zur Sonderung und Verwahrung der in der unbeweglichen Sache befindlichen Gegenstände anerkannt5. Diese Sachen sollen grundsätzlich vernichtet werden. Dem Gerichtsvollzieher steht 56 aber die Möglichkeit offen, in Ausnahmefällen von der Vernichtung abzusehen. Dies gilt insbesondere, wenn der Schuldner sein Interesse daran, die Sachen ausgehändigt zu bekommen, im Vorfeld der Räumung substantiiert dargelegt hat. Nicht unverzüglich zu vernichten sind demgegenüber wertlose oder im gegenwärti- 57 gen Zustand nicht (mehr) gebrauchsfähige Sachen, deren weitere Verwendung durch den Schuldner bei Betrachtung durch einen objektiven Dritten nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Diese Sachen sind im Zweifel in die Verwahrung zu nehmen, es sei denn, es bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Schuldner sie nicht mehr behalten will. Dies ergibt sich auch aus dem Regelungsgehalt des § 885 Abs. 5 ZPO, der die Herausgabe unverwertbarer Sachen regelt, deren Nutzung gleichwohl für den Schuldner weiterhin von Interesse sein kann. Demgegenüber ist die unmittelbare Beseitigung durch den Gerichtsvollzieher in sol- 58 chen Fällen nicht vom Vollstreckungsauftrag umfasst, die eine aufwändige und kostenintensive Entsorgung von sehr großen Mengen Mülls, die auf dem herauszugeben1 OLG Celle v. 20.7.2007 – 2 U 85/07, MietRB 2007, 287 = ZMR 2007, 956. 2 Derleder, JurBüro 1994, 450 (452). 3 Vgl. OLG Hamburg v. 19.7.1966 – 6 W 77/66, NJW 1966, 2319; OLG Karlsruhe v. 18.2.1974 – 1 W 90/33, DGVZ 1974, 114 (115); LG Essen v. 30.4.1974 – 11 T 174/73, DGVZ 1974, 118; Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 17; Musielak/Lackmann, § 885 ZPO Rz. 15. 4 BT-Drucks. 17/10485, S. 30. 5 OLG Karlsruhe v. 18.2.1974 – 1 W 90/33, DGVZ 1974, 114 (115); LG Berlin v. 21.7.1980 – 81 T 314/80, DGVZ 1980, 154; LG Bochum v. 10.1.1968 – 7 T 282/67, DGVZ 1968, 86; Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 18; Musielak/Lackmann, § 885 ZPO Rz. 14; Stein/Jonas/Brehm, § 885 ZPO Rz. 33.

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den Grundstück gelagert sind, oder von Altlasten erforderlich machen. Ein zivilrechtlicher Beseitigungsanspruch, der in einer über die Herausgabeverpflichtung hinausgehenden eigenständigen Handlungspflicht des Schuldners besteht, ist nach den Bestimmungen der §§ 887 und 888 ZPO durchzusetzen1. 59 Das Gleiche gilt, wenn der Mieter zur Herausgabe eines Grundstückes verurteilt wurde, auf dem er einen Betrieb geführt hatte. Soll der Mieter auch zur Überlassung der Geschäftsunterlagen verpflichtet sein, damit der Vermieter nach der Herausgabe zur Fortführung in der Lage ist, muss darüber ein gesonderter Titel herbeigeführt worden sein2. 5. Die Verwertung des Räumungsgutes, § 885 Abs. 4 ZPO 60 Nach dieser Bestimmung erfolgt die Liquidation des Verwahrgutes ohne weiteres in entsprechender Anwendung der Bestimmungen über die Pfandversteigerung, insbesondere die Versteigerung im Internet. Dies wird durch die Formulierung „veräußert“ und die Bezugnahme der Vorschriften über die Pfandversteigerung ausdrücklich geregelt. 61 Durch § 885 Abs. 4 ZPO ist die bisher streitige Frage, nach welchen Vorschriften die Verwertung des Räumungsgutes erfolgt, seit Inkrafttreten des MietRÄndG 2013 gesetzlich geklärt. Auf der Grundlage des bisher geltenden Rechts wurde teilweise vertreten, die Verwertung könne im Wege des Selbsthilfeverkaufs nach den §§ 383 ff. BGB erfolgen3, teilweise wurden auch die Vorschriften über die öffentliche Versteigerung4 in Bezug genommen. Als weitere Möglichkeit wurde die freihändige Veräußerung nach § 825 ZPO5 erörtert. Gegen eine Veräußerung nach den Vorschriften über die Pfandverwertung wurde auf der Grundlage des bisher geltenden Rechts eingewendet, dass es nicht um die Versteigerung gepfändeter Sachen gehe6. Die Vorschrift regelt nunmehr ausdrücklich, dass die Veräußerung unter entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Pfandverwertung zu erfolgen hat. Dadurch wird die Liquidation des Räumungsguts zwar nicht zur echten Pfandverwertung. Wie bisher sind verwahrte Sachen, sofern sie nicht zugleich wegen einer Geldforderung für den Gläubiger gepfändet sind, nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung, so dass Vollstreckungsschutzbestimmungen (§ 803 Abs. 2, §§ 811, 812, 813a, 813b, 816, 817a ZPO) grundsätzlich nicht eingreifen. Indessen hat der Gerichtsvollzieher zu berücksichtigen, dass die mit der Verfügung über das nicht abgeholte Eigentum verbundene Beendigung der kostenträchtigen Verwahrung vorrangig den Belangen des Schuldners selbst dient. Er hat daher Härten, z.B. eine Veräußerung während eines Krankenhausaufenthalts des Schuldners, möglichst zu vermeiden7. 62 Der für die Pfandverwertung vorgesehene Gewährleistungsausschluss ist für die hoheitliche Liquidation von Räumungsgut entsprechend anwendbar, um Haftungsrisiken für die öffentliche Hand bei der Veräußerung zu begrenzen. 63 Der Schuldner muss zur Vermeidung der Verwertung seinen Herausgabeanspruch fristgerecht geltend machen. Insoweit hat sich die Frist durch das MietRÄndG 2013 von zwei Monaten auf einen Monat verkürzt. Die Verkürzung dient der Harmonisierung mit dem neu eingefügten § 885a Abs. 4 S. 1 ZPO. Gleichzeitig bleiben die Rechte des Schuldners, der seinen Herausgabeanspruch binnen eines Monats geltend macht, im bisherigen Umfang gewahrt. Er hat gemäß § 885 Abs. 4 S. 2 ZPO binnen zwei Monaten die Kosten zu zahlen. Zahlt der Schuldner die Kosten binnen zwei Monaten nicht, veräußert der Gerichtsvollzieher die Sachen.

1 BGH v. 19.3.2004 – IXa ZB 328/03, MDR 2004, 1021 = DGVZ 2004, 88; BGH v. 25.6.2004 – IXa ZA 9/04, DGVZ 2005, 70. 2 BGH v. 14.2.2003 – IXa ZB 10/03, ZMR 2004, 734 = DGVZ 2003, 88. 3 Musielak/Lackmann, § 885 ZPO Rz. 16; Stein/Jonas/Brehm, § 885 ZPO Rz. 42. 4 MünchKomm/Gruber, § 885 ZPO Rz. 46. 5 Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 25. 6 Musielak/Lackmann, § 885 ZPO Rz. 16. 7 Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 28 f.

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Das Räumungsgut ist zwei Monate einzulagern. Auf Verlangen des Mieters ist das 64 Räumungsgut vom Gerichtsvollzieher herauszugeben. Diesem steht wegen der offenen Kosten ein Zurückbehaltungsrecht an den pfändbaren Gegenständen zu, selbst wenn diese durch den Vorschuss gedeckt sind1. Dieses Zurückbehaltungsrecht kann auch gegenüber Dritten, vor allem dem Eigentümer, bis zum Ausgleich der anteiligen Transport- und Lagerkosten geltend gemacht werden2. Macht ein Dritter sein Eigentum gegenüber dem Gerichtsvollzieher an dem eingelagerten Räumungsgut geltend, ist eine Herausgabe der Gegenstände nur mit Zustimmung des Mieters zulässig. Andernfalls hat er den Dritten auf eine Herausgabeklage zu verweisen3. Dies gilt auch dann, wenn der Dritte ein naher Angehöriger des Mieters, z.B. Ehegatte, ist. Der Gerichtsvollzieher ist zur Überprüfung der materiellen Rechtslage gerade nicht befugt4. Eine Herausgabeklage ist gegen den Mieter, nicht gegen den Gerichtsvollzieher zu richten5. Nicht einzulagern sind Gegenstände, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein 65 Interesse besteht, § 885 Abs. 3 S. 2 ZPO (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 55). Unter den gleichen Voraussetzungen können die einschlägigen Gegenstände (i.d.R. Abfall und Unrat) der Verwertung oder der Beseitigung unter Beachtung der einschlägigen abfallrechtlichen Bestimmungen zugeführt werden. Die Entsorgung von Müll oder Unrat ist in der Praxis vielfach üblich und gilt regelmäßig als ordnungsgemäßes Vorgehen bei dem Verfahren zur Sonderung und Verwahrung der in der unbeweglichen Sache befindlichen Gegenstände6. Gemäß § 811 Abs. 1 ZPO der Pfändung nicht unterfallende Gegenstände sowie Ge- 66 genstände, die einen Verwertungserlös nicht erwarten lassen, sind auf Verlangen des Mieters herauszugeben, ohne dass ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden kann, § 885 Abs. 3 S. 2 ZPO. Letzteres wird nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber aus dem Wortlaut der Norm („ohne weiteres“). Der Mieter kann die Herausgabe bis zum Verkauf oder bis zur Vernichtung verlangen. Nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten ab der Räumung ist das Räumungsgut zu 67 verkaufen und der Erlös zu hinterlegen. Unverwertbare Gegenstände sind zu vernichten, § 885 Abs. 4 S. 1 ZPO. Die Beurteilung der Verwertbarkeit obliegt dem Gerichtsvollzieher, wobei die Grundsätze des § 813 Abs. 1 S. 1 ZPO entsprechende Anwendung finden. Im Einzelfall kann es pflichtgemäßem Ermessen entsprechen, das Räumungsgut weiterhin in Verwahrung zu halten, z.B. bei aufbewahrungspflichtigen Geschäftsunterlagen. 6. Kosten Für die Kosten der Zwangsräumung ist der Vermieter nach § 13 Abs. 1 Nr. GvKostG 68 i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 1 GvKostG vorschusspflichtig7. Das Einfordern des Vorschusses stellt eine Amtspflicht des Gerichtsvollziehers dar. Er hat insoweit keinen Ermessensspielraum8. Bei der Bemessung des Vorschusses sind Kosten eines Schlossers, Kosten für die Einlagerung des Räumungsgutes und für die sofortige Vernichtung nicht einlagerungsfähiger Sachen sowie für die Vernichtung nicht abgeholter Sachen aus § 811 ZPO nach Ablauf der Lagerfrist zu berücksichtigen, so dass ein Vorschuss

1 Thomas/Putzo/Hüßtege, § 885 ZPO Rz. 18; Schultes, DGVZ 1999, 1. 2 LG Berlin v. 4.7.1974 – 81 T 158/74, DGVZ 1974, 156; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 885 ZPO Rz. 18. 3 AG Essen v. 23.2.2000 – 32 M 634/00, DGVZ 2000, 125; a.A. Brox/Walker, Rz. 1057a, wonach die Darlegung der Eigentümerstellung und der fehlende Widerspruch des Mieters ausreichen soll. 4 A.A. AG Siegburg v. 8.5.1998 – 33 M 797/98, DGVZ 1998, 190. 5 AG Essen v. 23.2.2000 – 32 M 634/00, DGVZ 2000, 125; Prütting/Gehrlein/Olzen, § 885 ZPO Rz. 28. 6 Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 18; Musielak/Lackmann, § 885 ZPO Rz. 14; Stein/Jonas/Brehm, § 885 ZPO Rz. 33 jeweils m.w.N. 7 Riecke, ZMR 2006, 919; Schuschke, NZM 2005, 681. 8 LG Frankenthal v. 25.8.2004 – 1 T 198/04, DGVZ 2004, 187; AG Leipzig v. 15.1.2009 – 431 M 26798/08, DGVZ 2009, 169.

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für eine Wohnung mit 90 qm in Höhe von 5000 Euro angemessen sein kann1. Der Räumungstermin wird erst nach Zahlung des Vorschusses bestimmt. Es liegt im Ermessen des Gerichtsvollziehers, ob er eine ihm bekannte vertrauenswürdige oder eine vom Gläubiger genannte, ihm aber nicht bekannte preisgünstigere Spedition mit dem Transport des Räumungsguts beauftragt2. 69 Die verauslagten Kosten können von dem Vermieter über § 788 ZPO erstattet verlangt werden. Auf Antrag sind sie von dem Vollstreckungsgericht festzusetzen. Hat der Vermieter aber sein Vermieterpfandrecht geltend gemacht, kann er später anfallende Kosten für Transport, Einlagerung und/oder Entsorgung/Entrümpelung von Räumungsgut nicht über § 788 ZPO zu erstatten verlangen, da diese Kosten gerade nicht im Rahmen der Zwangsräumung angefallen sind. Kosten, die dem Vermieter aufgrund des geltend gemachten Vermieterpfandrechts entstanden sind, muss er gegenüber dem Mieter im ordentlichen Erkenntnisverfahren nach der ZPO titulieren lassen3. III. Alternativen zu § 885 ZPO 70 Bei der klassischen Räumung wird das Räumungsgut (in der Regel das Inventar des Mieters) durch eine hinzugezogene Spedition in die Pfandkammer oder den anderweitigen Verwahrungsort verbracht. Die dadurch hervorgerufenen Kosten führen grundsätzlich zu einem hohen Kostenvorschuss, den der Gerichtsvollzieher vor Einleitung der Zwangsvollstreckung vom Gläubiger/Vermieter fordert (z.B. werden für die Räumung einer 2-Zimmer-Wohnung oftmals 3000 Euro als Vorschuss verlangt). Alternativ dazu sind verschiedene Kostensenkungsmodelle entwickelt worden, die als „Frankfurter Räumung“4, „Hamburger Räumung“5 und „Berliner Räumung“6 bezeichnet werden. 1. Frankfurter Räumung 71 Bei dieser Methode führt der Gläubiger die Räumungsvollstreckung durch eigenes Personal durch. Das Räumungsgut wird überdies durch dieses Personal in eigene oder von ihm angemietete Räume verbracht7. Diese Art der Räumungsvollstreckung ist zulässig8, wenn – die Räumung durch fachkundiges Personal durchgeführt wird (erforderlich ist die Eignung zum fachgerechten Abbau von Möbeln), – das Räumungsgut in einem bereits gestellten und abgetrennten Raum eingelagert wird, – dem Gerichtsvollzieher durch die Übergabe von Schlüsseln eine eigene Zugangsmöglichkeit eingeräumt wird, – der Gläubiger sich verpflichtet, dem Schuldner etwaige Schäden zu ersetzen, – der Gerichtsvollzieher von einer etwaigen Haftung freigestellt wird9. 72 Der Vorteil der Frankfurter Räumung besteht in den geringeren Kosten aufgrund der Einschaltung von eigenem Personal und der Zurverfügungstellung eigener Räumlichkeiten10.

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LG Heidelberg v. 20.5.2009 – 6 T 20/09b, DGVZ 2009, 168. AG Hamburg-St. Georg v. 23.9.2004 – 903c M 1057/04, ZMR 2005, 298. AG Hannover v. 25.8.2010 – 703 M 35462/10, zitiert nach juris. Horst, MDR 2006, 249 (251). Riecke, GE 2006, 623. Schuschke, NZM 2006, 284. Riecke, GE 2006, 623. AG Frankfurt v. 1.12.2003 – 33 M 59/03-28, NZM 2004, 359. Horst, MDR 2006, 249 (251). Riecke, GE 2006, 623 (624).

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2. Hamburger Räumung Diese Art der Räumungsvollstreckung wird in mehreren Schritten vollzogen. Zuerst 73 wird der Schuldner durch den Gerichtsvollzieher aus der Wohnung gesetzt und ihm durch den Einbau eines neuen Schlosses der Zutritt zur Wohnung unmöglich gemacht1. Die neuen Schlüssel händigt der Gerichtsvollzieher nicht dem Gläubiger aus, um auf diese Weise die Zwangsvollstreckung noch nicht zu beenden, sondern übergibt sie den Mitarbeitern der hinzugezogenen Spedition, der er die weitere Veranlassung hinsichtlich des Räumungsguts überlässt2. Die hinzugezogene Spedition wird zugleich angewiesen, das Mietobjekt erst nach zwei Wochen zu räumen. Meldet sich der Schuldner in dieser Frist und gibt er einen Bestimmungsort für das Räumungsgut an, so verweist der Gerichtsvollzieher auf den beauftragten Spediteur. Diesen weist er an, das Räumungsgut zu dem vom Schuldner genannten Bestimmungsort zu bringen, wenn der Kostenvorschuss dies zulässt oder der Schuldner selbst die Kosten vorstreckt3. Ansonsten sichtet die hinzugezogene Spedition die in dem Mietobjekt befindlichen Sachen, entsorgt den Müll und verbringt die verbliebenen Sachen in das Pfandlokal oder zu einem anderweitigen Verwahrungsort. Im Übrigen wird wie im Fall der klassischen Räumung verfahren. Das Einsparpotential bei der Hamburger Räumung liegt in der Arbeitsökonomie4. 74 Die zweiaktige Räumung hat den Vorteil, dass wirklich nur die notwendigen Hilfskräfte und Lkw-Kapazitäten angefordert werden5. Darüber hinaus können verschiedene Transporte miteinander verbunden werden. 3. Berliner Räumung Bei diesem Modell beschränkt der Vermieter den Räumungsantrag an den Gerichts- 75 vollzieher darauf, den Mieter aus der Wohnung zu setzen (Herausgabevollstreckung), während alle Sachen in dem Mietobjekt verbleiben, weil der Vermieter zuvor an dem Inhalt der Mietsache das Vermieterpfandrecht geltend gemacht hat6. Dadurch wird der Kostenvorschuss um die Transport- und Lagerkosten reduziert. Es bleiben nur die Kosten für das Öffnen der Wohnungstür durch einen Schlüsseldienst und die Gebühren des Gerichtsvollziehers. Die Zulässigkeit der Berliner Räumung war seit dem Beschluss des BGH vom 76 17.11.20057 nicht mehr streitig. Denn der BGH hatte herausgestellt, dass der Gerichtsvollzieher nicht berechtigt ist, eine Prüfung, ob die bei Durchführung der Herausgabevollstreckung in der Wohnung befindlichen Sachen vom Vermieterpfandrecht erfasst werden, vorzunehmen, weil er als Vollstreckungsorgan grundsätzlich nicht zuständig ist, materiell-rechtliche Ansprüche der Parteien im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu klären. 4. Beschränkter Vollstreckungsauftrag, § 885a ZPO Durch das MietRÄndG 2013 ist ein der Berliner Räumung nachgebildetes Vollstre- 77 ckungsmodell in § 885a ZPO verankert worden. Um die Vorteile der Berliner Räumung zu erreichen, musste gleichzeitig, spätestens jedoch im Vollstreckungstermin das Vermieterpfandrecht nach den §§ 562 ff. BGB hinsichtlich des Inventars ausgeübt werden. Die beschränkte Herausgabevollstreckung nach § 885a ZPO erfolgt aber nicht als Teil des Vermieterpfandrechts8. Vielmehr unterliegt das Inventar der Aufsicht des Gerichtsvollziehers, der ein Pfändungspfandrecht begründet (§ 885a Abs. 2 ZPO) und die Sachen vom Vermieter verwahren lässt (§ 885a Abs. 3 ZPO). 1 2 3 4 5 6 7

Horst, MDR 2006, 249 (250). Schuschke, NZM 2005, 681 (684). Horst, MDR 2006, 249 (251). Horst, MDR 2006, 249 (251). Riecke, GE 2006, 623 (624). Schuschke, NZM 2006, 284. BGH v. 17.11.2005 – I ZB 48/05, NZM 2006, 149 = ZMR 2006, 199; kritisch z.B. Flatow, NJW 2006, 1396. 8 Vgl. dazu Dötsch, NZM 2012, 73.

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78 Die Bestimmungen der beschränkten Herausgabevollstreckung bringen vor allem für den Gläubiger (Vermieter) Rechtssicherheit. Durch das in § 885a ZPO klar geregelte Prozedere und die Haftungsmilderungen werden nämlich die wesentlichen Risiken der Berliner Räumung abgefangen. Denn die Vorschrift bestimmt eine – Dokumentation des Inventars, § 885a Abs. 2 ZPO, – Haftungsprivilegierung des Vermieters, § 885a Abs. 3 ZPO, – erleichterte Verwertung, § 885a Abs. 4 ZPO. a) § 885a Abs. 1 ZPO 79 Die Vorschrift stellt klar, dass der Vollstreckungsauftrag auf die Herausgabevollstreckung nach § 885 Abs. 1 ZPO beschränkt werden kann. Dazu muss ein entsprechend beschränkter Zwangsvollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher erteilt werden, der aus dem Räumungstitel ersehen kann, dass er zur Vorbereitung des Vollstreckungstermins einen Schlüsseldienst organisieren muss. Der Geltendmachung des Vermieterpfandrechts bedarf es nicht1. b) Pfändungsprotokoll, § 885a Abs. 2 ZPO 80 Bis zum Inkrafttreten der Vorschrift entstanden nach der Herausgabevollstreckung im Berliner Modell regelmäßig ein großes Defizit und Unsicherheit: Da das Vermieterpfandrecht durch Verwertung nach den §§ 1228 ff. BGB realisiert werden musste, vielen Vermietern dieser Aufwand aber zu groß war, weil das Inventar des Mieters wegen seiner geringen Qualität keine Erlöse erwarten ließ, schritten Vermieter oftmals zur „kalten Räumung“ mit der Folge des Schadensersatzrisikos nach § 231 BGB (vgl. § 546 BGB Rz. 52). Diesem Risiko konnten sie grundsätzlich nur vorbeugen, indem sie ein Inventar mit Wertermittlung oder zumindest eine vollständige Dokumentation der vorgefundenen Sachen errichteten, die eine spätere Wertermittlung ermöglichte2. 81 Dieses Risiko minimiert § 885a Abs. 2 ZPO, der durch ein Haftungsprivileg des Vermieters in § 885a Abs. 3 ZPO flankiert wird. Nach § 885a Abs. 2 ZPO hat der Gerichtsvollzieher die frei ersichtlichen Sachen im Vollstreckungsprotokoll nach § 762 ZPO aufzunehmen und kann (auf besonderen Antrag: muss) die Dokumentation durch Bildaufnahmen ergänzen3. Damit erhält der Gläubiger jedenfalls hinsichtlich der frei ersichtlichen Sachen die notwendigen Informationen, um einem etwaigen Schadensersatzanspruch des Schuldners wegen Beschädigung oder (angeblichem) Verlust von Inventar vorbeugen zu können. Allerdings entspricht das Protokoll keinem Inventarverzeichnis, was durch die Beschränkung der Dokumentation auf frei ersichtliche Sachen deutlich werden soll4. 82 Frei ersichtlich werden in der Regel die Sachen sein, die im Raum stehen und liegen (was allerdings auch schon einen erheblichen Umfang annehmen kann). Auf keinen Fall gehört der Inhalt von Schränken, Schubladen, Tüten, Taschen etc. dazu. Auch Sachen, die sich hinter Schränken u.Ä. befinden, werden nicht erfasst. 83 Fraglich ist, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der freien Ersichtlichkeit abzustellen ist. In Betracht kommen der Beginn der Vollstreckungshandlung, also in der Regel das Betreten der Räume durch den Gerichtsvollzieher, oder die Beendigung des Vollstreckungsauftrages. Wäre das Ende des Auftrages maßgeblich, hätte der Gläubiger die Möglichkeit, den Protokollumfang zu erweitern, indem er z.B. den Inhalt der Schränke „frei ersichtlich“ macht. Wortlaut und Zweck der Vorschrift sprechen dafür, auf den Beginn der Maßnahme abzustellen. Denn das Protokoll soll eine Übersicht über die Habe des Mieters liefern und ein Inventar gerade nicht ersetzen.

1 BT-Drucks. 17/10485, S. 31. 2 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 = WuM 2010, 578 = GE 2010, 1189 = NZM 2010, 701 = ZMR 2011, 23. 3 Kritisch dazu Dötsch, NZM 2012, 73. 4 BT-Drucks. 17/10485, S. 31, 32.

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Das Risiko, dass durch die nicht vollständige Inventarisierung entsteht, wird durch die fotografische Dokumentation, die der Gerichtsvollzieher nach § 885a Abs. 2 S. 2 ZPO herstellt, nicht wesentlich verringert. Denn damit werden ebenfalls nur die frei ersichtlichen Sachen festgehalten. Die Bilder sollen das Protokoll ergänzen, so dass die Dokumentation nur in dem durch § 885a Abs. 2 S. 1 gezogenen Rahmen stattfindet.

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Das Protokoll i.S.d. § 762 ZPO ist eine öffentliche Urkunde. Damit begründet es ge- 85 mäß §§ 415 ff. ZPO den vollen Beweis für seinen Inhalt. Durch die ergänzende Dokumentation in Form der Fotografien, die zur Augenscheinseinnahme nach § 371 ZPO geeignet sind, ist der Vermieter in der Lage, in einem evtl. nachfolgenden Schadensersatzprozess dem Gericht jedenfalls einen Eindruck über den Bestand und Zustand der vom Mieter hinterlassenen Gegenstände zu verschaffen. Die Vorschrift leidet nicht darunter, dass ihr eine dem § 885 Abs. 5 ZPO entsprechen- 86 de Bestimmung fehlt1. Durch die Aufnahme der Gegenstände in das Protokoll nach § 762 ZPO entsteht ein Pfändungspfandrecht. Hierüber kann der Gerichtsvollzieher auch nach § 885 Abs. 5 ZPO verfügen. Denn ob sich die Sachen in der Pfandkammer oder im Gewahrsam des Gläubigers befinden, tangiert die Befugnis des Gerichtsvollziehers nicht. Deshalb können auch unpfändbare Sachen ohne weiteres herausgegeben werden. c) Verwahrung des Inventars, § 885a Abs. 3 ZPO Schon ohne § 885a ZPO hatte der Vermieter im Rahmen der Berliner Räumung die 87 Verantwortung für die in der Wohnung zurückgelassenen Sachen des Mieters, mit denen er sorgfältig umzugehen hatte2. Nunmehr bestimmt § 885a Abs. 3 ZPO, wie mit den beweglichen Sachen, die in der Wohnung verblieben sind, verfahren werden kann. § 885a Abs. 3 S. 1 ZPO räumt dem Vermieter die Befugnis ein, die beweglichen Sa- 88 chen, die in der Wohnung zurückgeblieben sind, im Anschluss an die Herausgabevollstreckung an einen anderen Ort zu verbringen und sie dort zu verwahren. Trotz der Haftungsmilderung nach § 885a Abs. 3 ZPO muss der Ort, an den der Vermieter die Sachen verbringt, sicher sein, also vor dem Zugriff Dritter geschützt sein. In Betracht kommen insoweit z.B. abschließbare Keller, Lagerräume und Garagen. Das Wegschaffen der beweglichen Sachen ist indes – anders als bei der Räumung nach § 885 Abs. 2 ZPO – nicht obligatorisch. Kommt eine kurzfristige erneute Vermietung nicht in Betracht oder erscheint es dem Gläubiger aus anderen Erwägungen vorzugswürdig, die beweglichen Sachen zunächst nicht wegzuschaffen, kann er sie ohne Weiteres zunächst in der Wohnung belassen. Nach § 885a Abs. 3 S. 2 ZPO kann der Vermieter Sachen, an deren Aufbewahrung of- 89 fensichtlich kein Interesse besteht, vernichten. Diese Voraussetzung sind in jedem Fall bei Unrat und Müll gegeben3. Von einer Vernichtung ist aber abzusehen, wenn der Mieter sein Interesse an einer Aushändigung der Sachen zum Ausdruck gebracht hat, was auch vor der Räumung, spätestens aber vor der Vernichtung erfolgen muss. Insoweit reicht eine allgemeine Erklärung, Wert auf seine Sachen zu legen, aber nicht aus. Vielmehr muss der Mieter die Sachen, die nicht vernichtet werden sollen, spezifizieren. Die Kosten der Müllbeseitigung kann der Vermieter als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 885a Abs. 5 ZPO geltend machen. Von der Vernichtungsbefugnis ausgenommen sind wertlose oder im gegenwärtigen 90 Zustand nicht (mehr) gebrauchsfähige Gegenstände, deren weitere Verwendung durch den Mieter bei objektiver Betrachtung nicht von vorneherein ausgeschlossen werden kann. Diese Gegenstände sind nur dann nicht in die Verwahrung zu nehmen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Mieter sie nicht mehr behalten will. 1 A.A. Hinz, ZMR 2012, 153 (160); Schwieren, ZMR 2011, 765 (769). 2 BGH v. 17.11.2005 – I ZB 48/05, NZM 2006, 149 = ZMR 2006, 199 (Rz. 15). 3 BT-Drucks. 17/10485, S. 32.

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91 Im Hinblick auf das Risiko, vom Schuldner wegen einer Verschlechterung oder des Verlustes seines Hausrates auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, ordnet § 885a Abs. 3 S. 3 ZPO eine Haftungsmilderung zugunsten des Vermieters an. Die Geltung der Haftungsmilderung, die auf dem Rechtsgedanken des § 300 BGB aufbaut1, setzt voraus, dass sich der Vermieter in den Grenzen des § 885a ZPO gehalten hat. Demnach schützt sie im Rahmen der Sonderung, der Vernichtung, des Wegschaffens und des Verwahrens, wie sie in § 885a ZPO vorgesehen sind. Werden aber z.B. Sachen vernichtet, die nicht wertlos sind, haftet der Vermieter auch bei fahrlässigem Handeln2. Erst recht gilt das Haftungsprivileg nicht für die Durchführung des Selbsthilfeverkaufs nach § 885a Abs. 4 ZPO3. 92 Die Haftungsmilderung erstreckt sich auch auf den Verlust von Inventar, das nicht in dem Protokoll nach § 885a Abs. 2 ZPO aufgeführt ist, weil es z.B. nicht frei ersichtlich war. Das betrifft insbesondere Wertgegenstände, die sich in den Schränken, Schubladen oder sonstigen Behältnissen befanden. Denn im Hinblick auf die Ankündigung durch den Gerichtsvollzieher nach § 885a Abs. 5 ZPO hat der Mieter ausreichend Gelegenheit, der staatlichen Anordnung der Räumung nachzukommen, zumindest aber vorzubereiten und seine Wertgegenstände zu schützen. d) Selbsthilfeverkauf, § 885a Abs. 4 ZPO 93 Hat der Vermieter das Inventar einen Monat seit dem Vollstreckungstermin verwahrt, kann er die Sachen verwerten. Eine Pflicht besteht nicht. Vielmehr kann der Vermieter die Sachen auch weiter aufbewahren4. 94 Einer besonderen Ankündigung der Verwertung, wie sie etwa in den §§ 384, 1234 Abs. 2 ZPO vorgesehen ist, bedarf es nicht. Immerhin hat der Gerichtsvollzieher nach § 885a Abs. 6 ZPO bereits auf das Verwertungsrecht des Vermieters hingewiesen. 95 Für die Verwertung gelten die Vorschriften der Hinterlegung nach den §§ 372 ff. BGB entsprechend, soweit nicht die Anwendung bestimmter Vorschriften in § 885a Abs. 4 ZPO ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Letzteres gilt z.B. für § 381 BGB, der eigentlich die Kostentragung zu Lasten des Gläubigers anordnet. 96 Die zentrale Norm der Verwertung bildet § 383 BGB. Danach kann der Vermieter grundsätzlich das Inventar durch den Gerichtsvollzieher öffentlich versteigern lassen. Ein freihändiger Verkauf kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Die in § 384 BGB vorgesehene Androhung der Versteigerung kann gemäß § 885a Abs. 4 S. 3 ZPO unterbleiben, weil dem Mieter das Verfahren bereits durch die Hinweise nach § 885a Abs. 5 ZPO bekannt gemacht wurde. 97 Sachen, die nicht verwertet werden können, kann der Vermieter vernichten. Das setzt nicht voraus, dass ein erfolgloser Verwertungsversuch unternommen wurde. Die Befugnis, über die sofortige Vernichtung zu entscheiden, liegt aber letztlich beim Gerichtsvollzieher entsprechend § 885 Abs. 4 S. 4 ZPO. Denn er soll die Versteigerung durchführen, so dass er auch entscheiden kann, welche Gegenstände im Zweifel keinen Erlös versprechen. e) Behandlung unpfändbarer Sachen 98 Unpfändbare Sachen und solche Sachen, bei denen ein Verwertungserlös nicht zu erwarten ist, sind nach § 885a Abs. 5 ZPO auf Verlangen des Schuldners jederzeit ohne weiteres herauszugeben. Durch diese Bestimmung wird klargestellt, dass der Mieter (Schuldner) auch bei einem beschränkten Vollstreckungsauftrag die gleichen Rechte ausüben kann, wie bei der Räumungs- und Herausgabevollstreckung nach § 885 ZPO. 99 Das Verlangen des Schuldners nach § 885a Abs. 5 ZPO ist formlos möglich. Es kann vor und nach der Zwangsvollstreckung gestellt werden. Die Fristen nach § 885a Abs. 4

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BT-Drucks. 17/10485, S. 32. Zweifelnd Hinz, ZMR 2012, 153 (164). BT-Drucks. 17/10485, S. 33. BT-Drucks. 17/11894, S. 35.

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ZPO sind nur insoweit relevant, als noch keine Verwertung oder Entsorgung stattgefunden hat. Auf das Verlangen ist der Gläubiger (Vermieter) zur jederzeitigen Herausgabe ver- 100 pflichtet. Der Schuldner kann eine sofortige Herausgabe verlangen. Die Pflicht muss jedoch nicht zur Unzeit (z.B. in den Nachtstunden) erfüllt werden1. Weigert sich der Vermieter, die Sachen herauszugeben, steht dem Mieter die Erinnerung nach § 766 ZPO offen. f) Aufklärungspflicht des Gerichtsvollziehers, § 885a Abs. 6 ZPO Die Vorschrift dient dazu, den Vermieter in die Lage zu versetzen, im unmittelbaren 101 Anschluss an die Vollstreckungsmaßnahme nach § 885a Abs. 1 ZPO sachgerecht über das weitere Vorgehen im Hinblick auf die vorgefundenen beweglichen Sachen entscheiden zu können2. Sie soll damit letztlich zu einer Beschleunigung des Verfahrens beitragen. Voraussetzung dafür ist eine umfassende Aufklärung durch den Gerichtsvollzieher über das in § 885a ZPO vorgesehene Verfahren, insbesondere – die skizzenhafte Protokollierung, – die Aussonderung von Müll und Unrat, – die Verwahrungs- und Vernichtungsbefugnis des Vermieters, – die Fristen nach § 885a Abs. 3 und 4 ZPO, – die ohne weitere Ankündigung mögliche Verwertung, – die Haftungsmilderung des Vermieters.

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Die notwendigen Hinweise haben mit der Mitteilung des Vollstreckungstermins nach 103 § 885a Abs. 1 ZPO zu erfolgen. Wird der Termin abgesetzt, etwa weil eine Beschlagnahme zur Vermeidung von Obdachlosigkeit durch die Ordnungsbehörde erfolgt, müssen die Hinweise für den weiteren Vollstreckungstermin wiederholt werden. Ist der Schuldner/Mieter nicht erreichbar, muss die Mitteilung öffentlich zugestellt werden. Unterlässt der Gerichtsvollzieher die Hinweise bei der Mitteilung, kann er sie bis 104 zum Beginn des Termins nachholen. Ansonsten ist die Zwangsvollstreckung unzulässig, was der Schuldner mit der Erinnerung nach § 766 ZPO geltend machen kann. Wird die Vollstreckung dennoch durchgeführt und vollzieht der Gläubiger die Rechte nach § 885a Abs. 4 ZPO, bleibt sein Handeln ohne Sanktion, soweit er nicht seine Befugnisse nach § 885a Abs. 3 und 4 ZPO überschreitet. Die Haftungsmilderung nach § 885a Abs. 3 S. 3 ZPO greift auch insoweit. g) Kostenregelung, § 885a Abs. 7 ZPO Die Kosten, die dem Vermieter durch den Vollstreckungsauftrag nach § 885a Abs. 1 105 ZPO entstehen, sind Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.v. § 788 ZPO. Ergänzend ordnet § 885a Abs. 6 ZPO an, dass der Aufwand, den der Vermieter durch das Verfahren nach § 885a Abs. 3, 4 ZPO betreibt, ebenfalls zu diesen Kosten der Zwangsvollstreckung gehört. Zwar wird durch diese Anordnung ein Erkenntnisverfahren über die Kostentragung 106 des Mieters, wie es ansonsten bei einem Verfahren nach den §§ 372 ff. BGB notwendig wäre, erspart. Indessen kann der Schuldner den Einwand unangemessen hoher Kosten mit der Erinnerung nach § 766 ZPO verfolgen. IV. § 940a Abs. 2 ZPO Vor der Erweiterung des § 940a ZPO durch das MietRÄndG 2013 konnte eine einst- 107 weilige Räumungsverfügung des Vermieters von Wohnraum gegen einen bis dahin unbekannten Untermieter mangels verbotener Eigenmacht und bestehendem Be1 BT-Drucks. 17/11894, S. 35. 2 BT-Drucks. 17/10485, S. 33.

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sitzrecht des Untermieters nicht erwirkt werden. Das galt selbst dann, wenn der Hauptmieter die Wohnung aufgrund eines Räumungsurteils, ohne dass eine Zwangsräumung erfolgt war, verlassen und er seinem Mitbewohner/Untermieter den Wohnungsschlüssel überlassen hatte1. 1. Ausgangslage 108 Die Vorschrift des § 940a Abs. 2 ZPO regelt den einen Fall, dass sich nach Schaffung des Räumungstitels gegen den Mieter (und ggf. bekannte Mitbewohner) herausstellt, dass es ohne Kenntnis des Vermieters weitere (Mit-)Besitzer der Wohnung gibt. Dazu muss nicht notwendigerweise bereits der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung aus dem Räumungstitel durchgeführt bzw. abgebrochen haben. Erfährt der Vermieter nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Räumungsprozess, dass ein oder mehrere weitere Besitzer in der Wohnung sind, kann er das Verfahren nach § 940a Abs. 2 ZPO eröffnen. 109 Der Rechtsbehelf des § 940a Abs. 2 ZPO kann in Konkurrenz zur Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO stehen. Denn allein die Behauptung des Mieters/Schuldners oder eines Dritten, der Dritte habe Mitbesitz an den Räumen, reicht als solches nicht aus, die begonnene Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO oder § 885a ZPO einzustellen. Vielmehr muss der Gerichtsvollzieher diese Angaben überprüfen. Insoweit kann der Gerichtsvollzieher seine Erkenntnis nicht auf eine Meldebescheinigung des Dritten beschränken, sondern muss sich anhand der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort ein Bild vom Umfang des Besitzes machen2. Ist der Dritte bei der Vollstreckung nicht anwesend, kann er seine Rechte gegenüber dem Gerichtsvollzieher nicht wahrnehmen. 110 Voraussetzung der Titelschaffung ist neben § 940a Abs. 4 ZPO, dass – ein Räumungstitel gegen den Mieter besteht, – ein Dritter, der im Räumungstitel nicht benannt ist, (Mit-)Besitz hat, – der Vermieter vom Besitz des Dritten im Erkenntnisverfahren keine Kenntnis hatte und – der Name des Dritten bekannt ist. 2. Statthaftigkeit des Antrags 111 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 940a Abs. 2 ZPO ist nur statthaft, wenn die Räumung von Wohnraum begehrt wird. Bei der gewerblichen Nutzung der Mieteinheit hat der Antrag demnach keine Aussicht auf Erfolg. Denn als Ausnahmevorschrift ist die Bestimmung nicht analogiefähig. Insoweit kann der Vermieter nur nach § 940a Abs. 1 ZPO vorgehen. Bei gemischter Nutzung kommt es darauf an, auf welcher Nutzung der Schwerpunkt liegt3 (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 64). 3. Bestehen eines Räumungstitels 112 Auf welcher Rechtsgrundlage der Räumungstitel ergangen ist, ist unerheblich. Er kann auf Zahlungsverzug beruhen, aber auch Folge einer ordentlichen Kündigung sein. Ein Titel nach § 940a Abs. 1 ZPO reicht nur aus, wenn zwischen den Prozessparteien in dem Verfahren, in dem der Räumungstitel erwirkt wurde, ursprünglich ein Mietvertrag bestand. Denn der Räumungstitel, aus dem die Zwangsvollstreckung nicht mehr erfolgreich betrieben werden kann, muss gegen den Mieter ergangen sein. Damit bleiben Räumungstitel aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§ 985 BGB) vom Anwendungsbereich des § 940a ZPO ebenso ausgeschlossen wie die Herausgabetitel aus anderen Schuldverhältnissen (z.B. Leihe), selbst wenn sie Wohnraum betreffen. 113 Der bestehende Räumungstitel muss nicht rechtskräftig sein. Es kann sich auch um einen vorläufig vollstreckbaren Titel nach § 708 Nr. 7 ZPO handeln. Insoweit ist es we1 LG Lüneburg v. 16.11.2011 – 6 S 88/11, WuM 2011, 672. 2 AG Wedding v. 28.6.2012 – 31 M 8006/12, GE 2012, 1705. 3 LG Karlsruhe v. 27.7.2005 – 4 O 510/05, ZMR 2005, 869.

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der notwendig, dass der Schuldner versucht hat, die Zwangsvollstreckung nach § 711 ZPO abzuwenden, noch dass der Vermieter die danach erforderliche Sicherheit geleistet hat. Es kann sich auch um einen nach § 727 ZPO auf den Erwerber umgeschriebenen Titel handeln, wobei der Erwerb auch im Rahmen der Zwangsversteigerung stattgefunden haben kann1. Vollstreckungsschutzanträge des Mieters, z.B. im Berufungsverfahren nach § 712 ZPO, sind weder Voraussetzung noch Hindernis im Verfahren nach § 940a Abs. 2 ZPO. Das Fehlen solcher Anträge kann allenfalls als Indiz dafür gewertet werden, dass der Mieter und der Dritte allein in der Absicht handeln, die Zwangsvollstreckung zu vereiteln.

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Allein das Bestehen eines Räumungstitels macht die materiell-rechtliche Prüfung, 114a ob der Hauptmietvertrag beendet ist, nicht überflüssig. Dies ergibt sich bereits aus dem Grundsatz, dass die Rechtskraft des Räumungstitels sich nicht auf einen Dritten erstreckt, der am Verfahren nicht beteiligt war2 (vgl. § 546 BGB Rz. 47). Trägt der Mieter schlüssig vor, dass der Hauptmietvertrag noch besteht bzw. bestreitet er, dass eine wirksame Kündigung vorliegt (z.B. mangelnder Zugang), kann selbst dann keine Einstweilige Verfügung nach § 940a Abs. 2 ZPO ergehen, wenn der Vermieter erst nach der mündlichen Verhandlung Kenntnis vom Besitz des Dritten erlangt hat. Denn Voraussetzung für den Erlass einer Einstweiligen Verfügung nach § 940a Abs. 2 ZPO ist – wie bei jeder Einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 ff. ZPO – das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs (z.B. §§ 985, 546 Abs. 2 BGB). Allein der Verfügungsgrund wird durch die Voraussetzungen des § 940a Abs. 2 ZPO ersetzt. Nur wenn es der Vermieter schafft, die Kündigung gegenüber dem Mieter (rechtzeitig) nachzuholen, kann eine Entscheidung zu seinen Gunsten im Verfahren nach § 940a Abs. 2 ZPO ergehen. Dies ist bei einer ordentlichen Kündigung fast undenkbar. Daher muss der Vermieter das Verfahren ggf. wiederholen. Die Situation kann aber auch zu einer Regressfalle für den Mieter (bzw. dessen An- 114b walt) werden. Denn durch den Räumungsanspruch des Vermieters nach § 546 Abs. 2 BGB entsteht ein Rechtsmangel (vgl. § 536 BGB Rz. 264 f.) im Verhältnis Mieter/Untermieter. Sobald der Vermieter den Untermieter zur Räumung auffordert, macht er ihm den Besitz streitig. Deshalb kann ab dem Zugang einer solchen Aufforderung eine Gebrauchsbeeinträchtigung i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 3 BGB im Rahmen des Untermietvertrages bestehen, die den Untermieter sogar berechtigen kann, die (Unter-)Miete um 100 % zu mindern3. 4. (Mit-)Besitz eines Dritten Grundsätzlich benötigt der Vermieter/Eigentümer einen Titel gegen Drittbesitzer/ 115 Untermieter selbst dann, wenn der Verdacht besteht, dass der Mieter dem Dritten den Besitz nur eingeräumt hat, um die Zwangsvollstreckung zu vereiteln4. Vor diesem Hintergrund soll § 940a Abs. 2 ZPO dem Vermieter von Wohnraum die Möglichkeit einräumen, ohne langes Erkenntnisverfahren einen Titel im Wege der einstweiligen Verfügung gegen den Dritten herbeizuführen. Der Antrag ist gegen alle Personen zu richten, von denen der Vermieter erst nach 116 dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Räumungsprozess Kenntnis erlangt hat. Dafür gelten die zu § 546 BGB Rz. 38 f. gegebenen Erläuterungen. Hatte er eine Person übersehen und muss daher gegen sie einen Räumungstitel im Erkenntnisverfahren erstreiten, hindert dies die Zulässigkeit des Verfügungsverfahrens gegen einen Dritten, der unter die Anwendung des § 940a Abs. 2 ZPO fällt, nicht. Umgekehrt

1 Vgl. dazu Derleder, ZMR 2013, 88 f. 2 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 6/09, MDR 2010, 856 = WuM 2010, 353 = GE 2010, 840; BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, MDR 2007, 78 = MietRB 2006, 316 = NZM 2006, 699 = ZMR 2006, 763. 3 OLG Düsseldorf v. 14.11.2011 – 24 U 43/10, ZMR 2012, 436 = IMR 2012, 187. 4 BGH v. 14.8.2008 – I ZB 39/08, MDR 2008, 1356 = MietRB 2008, 363 = GE 2008, 1317 = NZM 2008, 805.

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wird ein solches Räumungsklageverfahren gegen den übersehenen Mitbewohner nicht erst zulässig, wenn ein Hauptsacheverfahren nach der einstweiligen Verfügung eingeleitet wird. 5. Mangelnde Kenntnis des Vermieters 117 Der Vermieter darf keine Kenntnis von der Überlassung der Mietsache an den Dritten haben. Maßgeblich ist die positive Kenntnis des Vermieters von der Änderung der Besitzverhältnisse gegenüber der durch den Räumungstitel dokumentierten Situation. Insoweit ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Räumungsprozess abzustellen. Denn hatte der Vermieter zu diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Besitz des Dritten, hätte er die Klage erweitern können1. Im Übrigen reicht auch eine grob fahrlässige Unkenntnis nicht aus. Kenntnis liegt z.B. vor, wenn der Vermieter gegen die Person vermietet hat, gegen die der Räumungstitel erwirkt wurde, und wusste, dass dieser Mieter geheiratet oder eine sonstige Person mit in die Wohnung aufgenommen hat. Allerdings kommt es nicht darauf an, wann der Dritte in die Wohnung eingezogen ist. 118 Die mangelnde Kenntnis ist im Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom Vermieter schlüssig vorzutragen und glaubhaft zu machen2, § 940a Abs. 2 ZPO. Dazu gehört auch die mangelnde Kenntnis vom (Mit-)Besitz des Dritten. 119 Die davon zu unterscheidende Darlegungs- und Beweislast für die Kenntnis des Vermieters trägt aber im Übrigen der Dritte. Zweifel an der vorherigen Kenntnis gehen also zu seinen Lasten. Insoweit reicht es nicht aus vorzutragen, dass der Vermieter die Person des Dritten kannte und wusste, dass er sich in der Wohnung aufhält. Denn die bloße Aufnahme eines Dritten in die Mieträume reicht zur Besitzbegründung nicht aus3. Vielmehr muss durch den Dritten dargelegt werden, dass der Vermieter positive Kenntnis davon hatte, dass ihm, dem Dritten, (Mit-)Besitz an der Wohnung eingeräumt wurde. Dazu muss z.B. vorgetragen werden, dass der Dritte einen eigenen Wohnungsschlüssel hatte und der Vermieter davon wusste. 6. Name des Dritten 120 Ohne den Namen des Dritten kann der Vermieter keinen Antrag nach § 940a Abs. 2 ZPO stellen. In der Regel erfährt der Vermieter den Namen aus dem Protokoll über die erfolglose Vollstreckung (ggf. nach § 885a ZPO). Denn der Gerichtsvollzieher muss den Namen der angetroffenen Personen ermitteln. Ohne eine solche Ermittlung kann er nicht prüfen, ob die Zwangsvollstreckung gegen nicht im Titel benannte Personen stattfindet4. 121 Weigern sich die Angetroffenen, dem Gerichtsvollzieher den Namen des Dritten zu nennen, kann die Zwangsvollstreckung fortgesetzt werden5. Diese Befugnis des Gerichtsvollziehers ergibt sich entgegen der Auffassung der Entwurfsverfasser zu § 940a Abs. 2 ZPO6 nicht aus dem Gedanken des Rechtsmissbrauchs7. Zwar klingt es zunächst schlüssig, in der Weigerung der Namensnennung ein kollusives Zusammenwirken zu sehen und daraus einen Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB zu konstruieren. Insoweit beruft sich die Entwurfsbegründung aber zu Unrecht auf das LG Lübeck8. Diese Entscheidung wurde nämlich durch den BGH9 aufgehoben. Aber auch unab1 BT-Drucks. 17/11894, S. 35. 2 BT-Drucks. 17/10485, S. 34. 3 BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MietRB 2008, 228 = MDR 2008, 824 = WuM 2008, 364 = ZMR 2008, 695. 4 Stein/Jonas/Münzberg, § 750 ZPO Rz. 28. 5 Hinz, ZMR 2012, 153 (165); zweifelnd Dötsch, ZMR 2012, 83 (84). 6 Vgl. BT-Drucks. 17/10485, S. 34. 7 BGH v. 14.8.2008 – I ZB 39/08, MDR 2008, 1356 = MietRB 2008, 363 = GE 2008, 1317 = NZM 2008, 805. 8 LG Lübeck v. 23.4.2008 – 7 T 193/08, DGVZ 2008, 172. 9 BGH v. 14.8.2008 – I ZB 39/08, MDR 2008, 1356 = MietRB 2008, 363 = GE 2008, 1317 = NZM 2008, 805.

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hängig davon ist die Heranziehung von Treu und Glauben nicht erforderlich. Vielmehr kann der Gerichtsvollzieher ohne die Namensnennung nicht vollständig prüfen, ob tatsächlich ein Vollstreckungshindernis gegeben ist. Solange dies aber nicht vorliegt, bleibt die Zwangsvollstreckung zulässig. Immerhin könnte es sich um ein Kind des Schuldners handeln, das bereits als Minderjährige (= Besitzdiener) in der Wohnung gelebt hat, und zwischendurch ausgezogen ist. Denn gegen eine solche Person ist ein Titel nicht erforderlich, selbst wenn in der Zwischenzeit die Volljährigkeit eingetreten ist1. Dennoch kann die Namensermittlung nicht von vorneherein unterbleiben. Die Alter- 122 native zu einem personenenbezogenen Titel, nämlich die objektbezogene Verfügung, ist grundsätzlich nicht zulässig2. Sie lässt sich insbesondere nicht mit der Rechtsprechung vereinbaren, wonach gegen jeden Besitzer einer Wohnung im Hinblick auf Art. 13 GG ein Titel erforderlich ist3. 7. Rechtliches Gehör § 940a Abs. 4 ZPO ordnet auch für das Verfahren nach § 940a Abs. 2 ZPO die Gewäh- 123 rung rechtlichen Gehörs an. Dadurch werden der Dritte und der Mieter zwar gewarnt, was dem Zweck der Vorschrift zuwiderlaufen kann4. Indessen können durch entsprechend abgekürzte Einlassungs- und Ladungsfristen nach § 226 ZPO die Möglichkeiten zu (weiterem) kollusiven Zusammenwirken eingeengt werden. Dazu ist allerdings ein Antrag erforderlich. V. Erfüllung und Verwirkung des Räumungsanspruchs 1. Erfüllung Führt der Gerichtsvollzieher die Zwangsräumung durch und weist er den Vermieter in 124 den Besitz der früheren Mieträume ein, ist der Räumungs- und Herausgabeanspruch des Vermieters erfüllt, und zwar auch gegenüber einem Mitmieter, der die Mieträume selbst nicht mehr in Mitbesitz hatte5. Übt der Vermieter sein Vermieterpfandrecht aus, wählt also die sog. Berliner Räumung (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 75 f.), endet die Zwangsräumung bereits mit Austausch des Schlosses und Übergabe der Schlüssel an den Vermieter. Er kann nicht anschließend erneut Räumung oder Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB verlangen. Eine nochmalige Beauftragung des Gerichtsvollziehers mit der Zwangsräumung scheidet aufgrund der Erfüllung des titulierten Räumungsanspruchs ebenfalls aus bzw. ist auf eine Vollstreckungsgegenklage hin für unzulässig zu erklären. 2. Verwirkung a) Voraussetzungen Rechtskräftig titulierte Anspruche verjähren gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB in 30 Jah- 125 ren. Dies gilt auch für titulierte Räumungsansprüche. Unterlässt der Vermieter aber eine zeitnahe Einleitung der Zwangsräumung, kann sich der Mieter ggf. auf den Tatbestand der Verwirkung berufen, wobei der Grund für die Beendigung des Mietverhältnisses unerheblich ist, also auch ein aufgrund nachhaltiger Störung des Hausfriedens erwirkter Räumungstitel verwirken kann6. Dies richtet sich nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalls7.

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LG Berlin v. 17.10.2011 – 51 T 589/11, GE 2011, 1555. Vgl. Musielak/Huber, § 940 ZPO Rz. 4 m.w.N. Hinz, ZMR 2012, 153 (165). Vgl. dazu Hinz, ZMR 2012, 153 (166). BayObLG v. 26.7.1989 – RE-Miet 5/88, WuM 1989, 1291; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIV 81. LG Itzehoe v. 14.7.1993 – 1 T 88/93, WuM 1995, 662. OLG Hamm v. 1.10.1981 – 4 REMiet 6/81, ZMR 1981, 342; LG Mönchengladbach v. 2.2.1990 – 2 T 44/89, WuM 1990, 161.

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126 Erforderlich ist zunächst das Zeitmoment. Eine Mindestfrist ist nicht zu verlangen1. Andererseits genügt das Verstreichenlassen eines längeren Zeitraums allein ebenfalls nicht2. Es muss stets noch das Umstandsmoment hinzukommen, also ein Verhalten des Vermieters, aus dem der Mieter schließen darf, dass eine Vollstreckung aus dem Räumungstitel nicht betrieben werden wird. b) Neubegründung eines Mietverhältnisses 127 Es ist zu differenzieren, ob tatsächlich der Tatbestand der Verwirkung erfüllt ist oder die Parteien durch schlüssiges Verhalten nachträglich ein neues Mietverhältnis begründet haben (vgl. hierzu auch § 535 BGB Rz. 39 f.). Häufig wird beides zusammenfallen3. Es sind aber auch Konstellationen denkbar, in denen dies nicht der Fall ist. Erweckt der Vermieter beim Mieter – um seine Zahlungsansprüche zu realisieren – den Eindruck, beim Ausgleich der Mietrückstände endgültig nicht mehr aus dem Räumungstitel zu vollstrecken, greift der Tatbestand der Verwirkung. Hierin muss aber nicht automatisch der Abschluss eines neuen Mietvertrages liegen, insbesondere wenn deutlich wird, dass der Vermieter einen solchen Abschluss von dem Zahlungsverhalten des Mieters in der Zukunft abhängig macht. 128 Der Abschluss eines neuen Mietvertrages ist z.B. zu bejahen, wenn der Vermieter trotz erwirktem Räumungsurteil nicht vollstreckt, sondern den Mieter über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr durch Übersendung von Überweisungsformularen zur Mietzahlung auffordert und die Mietzahlungen entgegennimmt4. Ein neues Mietverhältnis kommt aber noch nicht zustande, wenn der Vermieter die Zahlung einer Nutzungsentschädigung über einen längeren Zeitraum widerspruchslos entgegennimmt5, selbst wenn er diese sogar aktiv verlangt. Der Mieter ist nach Beendigung des Mietverhältnisses gemäß § 546a Abs. 1 BGB verpflichtet, eine entsprechende Leistung zu erbringen. In die bloße Annahme einer geschuldeten Leistung durch den Gläubiger kann kein Rechtsbindungswille zum Abschluss eines neuen Vertragsverhältnisses hineininterpretiert werden. Auch für eine Änderung des Mietvertrages durch schlüssiges Verhalten bedarf es eindeutiger Anhaltspunkte6. Dies gilt erst recht für die Neubegründung eines solchen. Zum Teil wird aus der Vorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 2 BGB gefolgert, dass, wenn zwei Jahre keine Zwangsräumung eingeleitet wird, ein neues Mietverhältnis entsteht7. Hierbei wird unberücksichtigt gelassen, dass § 569 BGB gerade die Beendigung des Mietverhältnisses regelt und nicht die Begründung. Der Abschluss eines Vertrages unterliegt vielmehr den allgemeinen Regeln, die von dieser Vorschrift nicht tangiert werden. 129 Hinzu kommt, dass titulierte Räumungsansprüche gemäß § 197 Abs. 1 BGB erst nach 30 Jahren verjähren. Dieser besondere gesetzliche Schutz würde ausgehöhlt, würde nach Erwirken eines Räumungstitels die bloße – gegebenenfalls auch längere – widerspruchlose Entgegennahme der geschuldeten Nutzungsentschädigung zur Begründung eines neuen Mietverhältnisses ausreichen. Es bedarf eindeutiger Anhaltspunkte im Verhalten von Vermieter und Mieter, dass der Neuabschluss eines Mietvertrages gewollt ist.

1 A.A. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIV 158 (der von einer untersten Grenze von 5 Jahren ausgeht, die gegebenenfalls auf 3 Jahre herab zu setzen sein soll). 2 A.A. AG Hamburg v. 26.10.2005 – 46 C 89/05, zitiert nach juris (wonach sich der Vermieter innerhalb von 2 Jahren entscheiden muss, ob er die Zwangsvollstreckung betreiben möchte oder nicht); ähnlich AG Hamburg-Altona v. 1.3.2005 – 316 C 635/04, WuM 2006, 697. 3 AG Hamburg-Altona v. 1.3.2005 – 316 C 635/04, WuM 2006, 697 (geht davon aus, dass Verwirkung und Neuabschluss immer zusammenfällt). 4 LG Düsseldorf v. 16.2.1979 – 21 S 402/78, MDR 1979, 496. 5 A.A. AG Frankfurt v. 3.10.1986 – 3 C 2297/86, NJW-RR 1988, 204; AG Hamburg v. 26.10.2005 – 46 C 89/05, zitiert nach juris. 6 BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 279/06, MDR 2008, 197 = MietRB 2008, 66 (67) = WuM 2007, 694. 7 Vgl. LG Hamburg v. 20.5.1988 – 11 S 384/87, WuM 1989, 32; AG Hamburg-Blankenese v. 8.3.2006 – 508 C 416/05, ZMR 2006, 783.

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c) Einzelfälle für angenommene Verwirkung Der Tatbestand der Verwirkung wurde in der Praxis in folgenden Fällen bejaht, wobei 130 regelmäßig nicht zwischen Verwirkung und Abschluss eines neuen Mietvertrages differenziert wird: – Vermieter lässt Mieter 2 1/2 Jahre nach Erlass des Räumungsurteils in der Wohnung 131 trotz unpünktlicher Mietzahlung verweilen und nimmt Räumungsaufträge nach Bestimmung eines Räumungstermins mehrfach nach Ausgleich der Rückstände zurück, missbraucht den Räumungstitel also als Druckmittel1. – Vermieter vollstreckt mehrere Jahre nicht aus einem wegen Zahlungsverzugs er- 132 wirkten Räumungsurteil, sondern verlangt auch weiterhin die Zahlung von Nutzungsentschädigung, wobei mehrfach die Vollstreckung aus dem Räumungsurteil für den Fall der Nichtzahlung angedroht wird2. – Vermieter gewährt trotz Räumungstitels über längere Zeit hinweg Verlängerungen der Räumungsfrist gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung und verlangt die Erhöhung derselben in der Form des § 2 MHG (= § 558 BGB)3.

133

d) Einzelfälle für abgelehnte Verwirkung Der Tatbestand der Verwirkung wurde in folgenden Fällen verneint:

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– Vermieter sieht von der Durchführung der Zwangsvollstreckung zunächst ab, da 135 er mit dem Wohnungsamt über eine Regulierung der Mietrückstände verhandelt4. – Zuwarten mit der Zwangsräumung über einen Zeitraum von fast fünf Jahren und 136 Vermieter teilt dem Mieter nach Erwirken des Räumungsurteils mit, dass eine Fortsetzung des beendeten Mietverhältnisses nicht gewünscht wird, die Wohnung nur zur Nutzung überlassen und sofort vollstreckt wird, wenn erneuter Zahlungsverzug eintritt5. – Der Vermieter nimmt mehrfach Nutzungsentschädigung entgegen mit dem aus- 137 drücklichen Hinweis, dass aus sozialen Gründen die Zwangsvollstreckung vorläufig nicht betrieben wird6. – Mehrmalige Rücknahme des Vollstreckungsauftrages und Verwendung des Voll- 138 streckungstitels als Druckmittel in einem Zeitraum von zwei Jahren7. e) Prozessuale Geltendmachung Sowohl die Einrede der Verwirkung als auch die Behauptung, es sei zum Abschluss 139 eines neuen Mietverhältnisses gekommen, ist im Wege der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend zu machen. Dafür werden in der Regel die Voraussetzungen des § 767 Abs. 2 vorliegen. Die Darlegungs- und Beweislast für Verwirkung oder Neubegründung eines Mietver- 140 trages trägt in aller Regel der Mieter.

1 2 3 4 5 6 7

LG Hamburg v. 29.10.1985 – 2 T 239/85, WuM 1987, 233. OLG Hamm v. 1.10.1981 – 4 REMiet 6/81, ZMR 1981, 342. Vgl. AG Pinneberg v. 5.7.1994 – 40 C 150/93 (38), NJW-RR 1995, 76. AG Hamburg v. 8.7.2008 – 48 C 421/07, WuM 2008, 609. LG Mönchengladbach v. 2.2.1990 – 2 T 44/89, WuM 1990, 161. AG Hohenschönhausen v. 4.11.1998 – 9 C 614/97, GE 1999, 114. AG Hamburg-Blankenese v. 8.3.2006 – 508 C 416/05, ZMR 2006, 783.

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B. Räumungsschutz I. Räumungsfrist nach § 721 ZPO § 721 ZPO Räumungsfrist (1) Wird auf Räumung von Wohnraum erkannt, so kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewähren. Der Antrag ist vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen, auf die das Urteil ergeht. Ist der Antrag bei der Entscheidung übergangen, so gilt § 321; bis zur Entscheidung kann das Gericht auf Antrag die Zwangsvollstreckung wegen des Räumungsanspruchs einstweilen einstellen. (2) Ist auf künftige Räumung erkannt und über eine Räumungsfrist noch nicht entschieden, so kann dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewährt werden, wenn er spätestens zwei Wochen vor dem Tag, an dem nach dem Urteil zu räumen ist, einen Antrag stellt. §§ 233 bis 238 gelten sinngemäß. (3) Die Räumungsfrist kann auf Antrag verlängert oder verkürzt werden. Der Antrag auf Verlängerung ist spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Räumungsfrist zu stellen. §§ 233 bis 238 gelten sinngemäß. (4) Über Anträge nach den Absätzen 2 oder 3 entscheidet das Gericht erster Instanz, solange die Sache in der Berufungsinstanz anhängig ist, das Berufungsgericht. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Vor der Entscheidung ist der Gegner zu hören. Das Gericht ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. (5) Die Räumungsfrist darf insgesamt nicht mehr als ein Jahr betragen. Die Jahresfrist rechnet vom Tage der Rechtskraft des Urteils oder, wenn nach einem Urteil auf künftige Räumung an einem späteren Tage zu räumen ist, von diesem Tage an. (6) Die sofortige Beschwerde findet statt 1. gegen Urteile, durch die auf Räumung von Wohnraum erkannt ist, wenn sich das Rechtsmittel lediglich gegen die Versagung, Gewährung oder Bemessung einer Räumungsfrist richtet; 2. gegen Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 2 oder 3. (7) Die Absätze 1 bis 6 gelten nicht für Mietverhältnisse über Wohnraum im Sinne des § 549 Abs. 2 Nr. 3 sowie in den Fällen des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Endet ein Mietverhältnis im Sinne des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch außerordentliche Kündigung, kann eine Räumungsfrist höchstens bis zum vertraglich bestimmten Zeitpunkt der Beendigung gewährt werden. 1. Allgemeines 141 Der Mieter (= Schuldner) von Wohnraum kann im Erkenntnisverfahren die Bewilligung einer Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO mit der Folge des § 751 Abs. 1 ZPO beantragen. Der Antrag kann hilfsweise für den Fall der Verurteilung zur Räumung zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden. Da die Vorschrift unter anderem im Interesse der Allgemeinheit einer drohenden Obdachlosigkeit entgegenwirken soll1, hat das Gericht auch ohne Antrag von Amts wegen die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Räumungsfrist zu prüfen2, so dass – aufgrund eines entsprechenden Sachvortrags des Vermieters – selbst in einem Versäumnisurteil eine solche zuerkannt werden kann3. Ohne Anhaltspunkte und Antrag ist keine Entscheidung veranlasst4. Der Mieter kann die Bewilligung einer Räumungsfrist auch erstmals im Be-

1 KG v. 4.7.2008 – 11 W 9/08, MDR 2008, 1090 = ZMR 2009, 200; a.A. Schmidt-Futterer/Blank, Anhang 1 zu §§ 574–574c BGB Rz. 1. 2 BVerfG v. 17.12.1998 – 2 BvR 1556/98, ZMR 1999, 224; LG Rostock v. 11.8.2000 – 2 T 253/00, NZM 2002, 213. 3 LG München v. 15.1.1982 – 14 T 21414/81, WuM 1982, 81 für zweites Versäumnisurteil. 4 AG Hamburg-Blankenese v. 30.4.2010 – 532 C 3/10, ZMR 2010, 695.

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rufungsverfahren beantragen1, allerdings nur vor Schluss der mündlichen Verhandlung. Die unterlassene (hilfsweise) Beantragung durch einen Rechtsanwalt kann Regressansprüche begründen2. Hat das Gericht einen Antrag des Mieters auf Gewährung einer Räumungsfrist im Ur- 142 teil übergangen, kann der Mieter die Ergänzung des Urteils nach §§ 721 Abs. 1 S. 3, 321 ZPO verlangen. Voraussetzung ist, dass der Antrag rechtzeitig gestellt, aber weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen beschieden, also übergangen wurde. Dies gilt auch, wenn lediglich eine kürzere als die beantragte Räumungsfrist gewährt wurde und eine Auseinandersetzung mit den vom Mieter vorgetragenen Gründen im Urteil nicht erfolgt3. Ergibt sich allerdings aus dem Tenor oder den Gründen, dass eine Zurückweisung erfolgte und die vorgebrachten Gründe nicht akzeptiert wurden, fehlt es an einem Übergehen des Antrages, ebenso wenn der Mieter keinen Antrag gestellt hat und das Gericht auch nicht von Amts wegen hierüber entschieden hat4. Wurde der Antrag des Vermieters auf Zurückweisung des Räumungsfristantrages übergangen, kommt eine Urteilsberichtigung mangels Rechtsschutzbedürfnis nicht in Betracht, da eine Räumungsfrist gerade nicht bewilligt wurde. Der Antrag auf Urteilsergänzung muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils gestellt werden, § 321 Abs. 2 ZPO. Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist nicht möglich. Zuständig für die Entscheidung über die Urteilsergänzung ist das Gericht, dass über den Räumungsfristantrag zu entscheiden hat. Ist der Mieter rechtskräftig zur Räumung verurteilt, kann keine Räumungsfrist nach 143 § 721 ZPO gewährt werden, selbst wenn die maßgeblichen Umstände erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind. Der Mieter kann nur noch Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO beantragen5. 2. Verzicht auf Räumungsfrist Der Mieter kann vertraglich auf die Möglichkeit zur Gewährung einer Räumungsfrist 144 ganz oder teilweise verzichten. Unzulässig soll aber der Verzicht bereits bei Mietvertragsabschluss sein6. Dem kann nicht ohne weiteres gefolgt werden. Ob der Mieter im Rahmen eines Vergleichs (vgl. hierzu Anhang § 546 BGB Rz. 197) oder im Mietvertrag auf die Einräumung einer Räumungsfrist verzichtet, kann grundsätzlich nicht anders beurteilt werden. Allerdings verstößt ein formularvertraglicher Verzicht ohne konkreten Anlass gegen § 307 Abs. 1 BGB. Bedenken gegen die individualvertragliche Vereinbarung eines Verzichts im Mietvertrag bestehen hingegen nicht. Der Verzicht umfasst auch solche Sachverhalte, die der Schuldner beim Abschluss 145 des Vergleichs nicht vorhergesehen hat oder nicht vorhersehen konnte7. Ein unwirksamer Verzicht auf den Vollstreckungsschutz des § 765a ZPO kann in einen Verzicht auf Gewährung einer Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO umgedeutet werden8. 3. Voraussetzungen a) Urteil § 721 Abs. 1 ZPO gilt nur für Urteile. Für Räumungsvergleiche enthält § 794a ZPO ei- 146 ne eigenständige Regelung. Über die Räumungsfrist ist im Urteil zu entscheiden. Eine durch Beschluss bewilligte Räumungsfrist, z.B. nach Einspruch gegen Versäum-

1 OLG Köln v. 11.2.1980 – 20 U 198/79, MDR 1980, 764; LG Münster v. 8.12.2006 – 8 S 157/06, WuM 2007, 19. 2 OLG Hamm v. 25.10.1994 – 28 U 40/94, WiB 1995, 444. 3 Stein/Jonas/Münzberg, § 721 ZPO Rz. 19. 4 LG Rostock v. 11.8.2000 – 2 T 253/00, NZM 2000, 213. 5 LG Darmstadt v. 24.1.2000 – 5 T 44/2000, NZM 2000, 376. 6 Schmidt-Futterer/Blank, Anhang 1 zu §§ 574–574c BGB Rz. 77. 7 LG München I v. 26.3.2008 – 14 T 4822/08, ZMR 2009, 371. 8 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIV 176.

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nisurteil, ist auf die sofortige Beschwerde ohne nähere Prüfung aufzuheben1. Hat der Mieter keinen Antrag auf Bewilligung einer Räumungsfrist gestellt und unterlässt das Gericht eine Entscheidung von Amts wegen, findet keine Urteilsergänzung statt2. b) Wohnraum 147 Das Urteil muss sich auf Wohnraum beziehen (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 27 ff.). Der Begriff des Wohnraums erfasst alle Räume, die bestimmungsgemäß Wohnzwecken dienen3, also die Wohn- und Schlafräume, die Räume für das Lagern und Zubereiten von Nahrungsmitteln sowie die Räume für die Körperpflege. Erfasst werden auch Arbeitsräume, in denen eine berufliche Tätigkeit ausgeübt wird, die üblicherweise in der Wohnung stattfindet, z.B. Vor- und Nachbereitung des Unterrichts durch einen Lehrer. Auf eine bauordnungsrechtliche Genehmigung kommt es nicht an4. 148 Ob der Wohnraum von dem Mieter (z.B. auf einem unbebauten Grundstück) selbst errichtet wurde, ist unerheblich5. Erfasst werden auch die zur Wohnung gehörenden Nebenräume. Die Möglichkeit, die als Wohnung genutzten Räume zu entfernen, ist unerheblich. Maßgeblich ist allein, dass sie mit dem Boden fest verbunden sind, so dass auch Wohncontainer oder ein Gartenhäuser in den Anwendungsbereich des § 721 Abs. 1 ZPO fallen, sofern sie zu Wohnzwecken genutzt werden6. 149 Auf Gewerberäume ist die Vorschrift nicht anwendbar, auch nicht auf die Zwischenvermietung, in der der Mieter Wohnräume vereinbarungsgemäß an Dritte weitervermietet7. Wird die Räumung unmittelbar von dem Dritten begehrt, kann dieser den Schutz des § 721 Abs. 1 ZPO selbst in Anspruch nehmen, auch wenn er Kenntnis von der gewerblichen Zwischenvermietung hat und weiß, dass er dem Eigentümer gegenüber nicht zum Besitz berechtigt ist8. Hier ist zudem gegebenenfalls § 565 BGB zu beachten. 150 Teilweise wird für die Anwendung des § 721 Abs. 1 ZPO nur auf die tatsächliche Nutzung abgestellt, unabhängig von den schuldrechtlichen Vereinbarungen9. Dem ist nicht ohne weiteres zu folgen. Denn sonst müsste auch dem Mieter Räumungsschutz gewährt werden, der zu gewerblichen Zwecken gemietete Räume vertragswidrig zu Wohnzwecken nutzt. Damit würde dem Mieter die Möglichkeit eingeräumt, durch ein vertragswidriges Verhalten selbst die Voraussetzungen für die Gewährung einer Räumungsfrist zu schaffen, und dessen mangelnde Vertragstreue sogar noch honoriert. Dies ist mit der Rechtsordnung nicht in Einklang zu bringen. Aus einem nicht vertragsgerechten Verhalten können keine rechtlichen Vorteile erwachsen. Maßgeblich ist daher, ob der Mieter oder sonstige Nutzer die Räumlichkeiten bestimmungsgemäß zu Wohnzwecken nutzen darf, wobei der Rechtsgrund selbst nicht entscheidend ist. Denkbar ist neben der Miete auch Pacht, Nießbrauch, Dienstbarkeit, Leihe). 151 Wurden die Räumlichkeiten zu Wohnzwecken überlassen, werden diese tatsächlich aber anders genutzt, ist § 721 ZPO nach seinem Sinn und Zweck nicht anwendbar. Die Norm dient dem Schutz des Mieters und soll diesem die Beschaffung von Ersatzwohnraum ermöglichen und eine drohende Obdachlosigkeit vermeiden. 152 Bei gemischten Mietverhältnissen ist die Vorschrift nur anwendbar, wenn die Wohnnutzung überwiegt (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 64 ff.). Dem kann nicht entgegengehalten

1 OLG München v. 19.2.2010 – 32 W 827/10, ZMR 2010, 524; vgl. LG Rostock v. 11.8.2000 – 2 T 253/00, NZM 2002, 213. 2 LG Rostock v. 11.8.2000 – 2 T 253/00, NZM 2002, 213. 3 Zöller/Stöber, § 721 ZPO Rz. 2. 4 Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 3. 5 OLG Hamburg v. 29.5.1996 – 4 U 47/96, ZMR 1998, 28. 6 Zöller/Stöber, § 721 ZPO Rz. 2; Stein/Jonas/Münzberg, § 721 ZPO Rz. 8. 7 A.A. LG Lübeck v. 12.2.1993 – 6 S 244/92, WuM 1996, 717 (für ein sog. Frauenhaus). 8 LG Stuttgart v. 8.2.1990 – 16 S 416/89, NJW-RR 1990, 654. 9 Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 3.

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werden, dass der tatsächliche Schwerpunkt der Nutzung nicht maßgeblich sei, da der Schuldner nicht weniger schutzwürdig wird, wenn er die Räumlichkeiten auch gewerblich nutzt1. Denn auch das materielle Recht schützt den Mieter nur im notwendigen Umfang. Der Gesetzgeber hat eine solche Schutzbedürftigkeit nur bei Wohnraummietverhältnissen angenommen und nur für diese einen besonderen Kündigungsschutz normiert. Besondere Regelungen für Mischmietverhältnisse schuf der Gesetzgeber nicht. Auch im Rahmen der Mietrechtsreform führte der Gesetzgeber trotz Kenntnis der ständigen Rechtsprechung zur Qualifizierung von Mischmietverhältnissen2 keine eigenständige Regelung ein. Hiermit brachte er sein Einverständnis mit dieser Rechtsanwendung zum Ausdruck und bestätigte, dass der Mieter bei überwiegend gewerblicher Nutzung nicht schutzbedürftig ist und das Mietverhältnis insgesamt als gewerbliches einzuordnen ist. § 721 ZPO setzt den materiellen Schutz des Mieters auf vollstreckungsrechtlicher Ebene fort3, beruht also auf dem gleichen Schutzgedanken wie die §§ 573 ff. BGB. Ein Grund, zwischen der Schutzbedürftigkeit des Mieters auf materieller und zwangsvollstreckungsrechtlicher Ebene zu differenzieren, besteht nicht, auch dann nicht, wenn sich Wohn- und Geschäftsräume baulich und funktional voneinander trennen lassen4. Auf die Zumutbarkeit für den Vermieter kommt es nicht an, da diese Überlegung nur dann relevant wäre, wenn § 721 Abs. 1 ZPO dem Grunde nach anwendbar wäre. Bei beweglichen Wohngelegenheiten wie Schiffen oder Wohnwagen findet die Vor- 153 schrift keine Anwendung. Etwas anderes gilt dann, wenn an sich bewegliche Gegenstände fest mit dem Boden verbunden werden und nur noch Wohnzwecken dienen (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 27 ff.). Teilweise wird unter Verweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz die entsprechen- 154 de Anwendung des § 721 Abs. 1 ZPO auf die aus einem Zuschlagsbeschluss nach § 93 ZVG resultierende Räumungsverpflichtung vertreten5. Dies ist abzulehnen6. Anders als bei einem gerichtlichen Räumungsprozess steht bei einer Zwangsversteigerung von vornherein fest, dass der Schuldner sein Eigentum und damit sein Besitzrecht verlieren wird. Aufgrund der Dauer eines Versteigerungsverfahrens hatte er hinreichend Zeit für die Suche nach Ersatzwohnraum. Daher ist er nicht gleichermaßen schutzwürdig, wie der von einem für ihn positiven Ausgang des Räumungsprozesses ausgehende Mieter. Mangels vergleichbarer Sachverhalte scheidet eine Analogie aus. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs enthält § 721 Abs. 7 ZPO. Nach dieser 155 Vorschrift ist bei Mietverhältnissen i.S.d. § 549 Abs. 2 Nr. 3 BGB, also mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder mit einem anerkannten privaten Träger der Wohlfahrtspflege, keine Räumungsfrist zu gewähren. Bei Zeitmietverträgen gemäß § 575 BGB kommt die Bewilligung einer Räumungsfrist nur bei vorzeitiger Beendigung des Mietverhältnisses durch eine außerordentliche Kündigung, höchstens bis zum regulären Beendigungszeitpunkt in Betracht. Ist eine Befristung wegen Verstoßes gegen § 550 BGB, mangels Befristungsgrundes oder dem fehlenden schriftlichen Hinweis auf diesen unwirksam, findet § 721 ZPO uneingeschränkt Anwendung. c) Interessenabwägung Ob und wie lange eine Räumungsfrist zu bewilligen ist, ist im Rahmen einer Interes- 156 senabwägung zu ermitteln, welche im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht7.

1 Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 3. 2 Vgl. nur BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842 = WuM 1986, 274; OLG Köln v. 10.10.2006 – 22 U 74/06, GuT 2007, 114. 3 Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 3. 4 A.A. LG Hamburg v. 30.12.1992 – 316 T 100/92, MDR 1993, 444 = ZMR 1993, 419; LG Mannheim v. 26.11.1992 – 4 T 314/92, NJW-RR 1993, 713; Stein/Jonas/Münzberg, § 721 ZPO Rz. 8. 5 LG Aschaffenburg v. 17.12.2001 – 5 T 174/01, DGVZ 2992, 169; LG Kiel v. 11.2.1992 – 1 T 137/91, NJW 1992, 1174. 6 So auch Zöller/Stöber, § 721 ZPO Rz. 3. 7 OLG Hamm v. 25.10.1994 – 28 U 40/94, NJW-RR 1995, 526; LG Mannheim v. 26.11.1992 – 4 T 314/92, NJW-RR 1993, 713.

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aa) Interessen des Vermieters 157 Zugunsten des Vermieters ist zu berücksichtigen, dass er oder Verwandte die Wohnung dringend selbst beziehen müssen, um eine drohende Obdachlosigkeit abzuwenden1, oder diese als Werkwohnung benötigt wird. Gegen die Bewilligung einer Räumungsfrist spricht auch, dass der Vermieter die Wohnung bereits ab dem Räumungstermin weitervermietet hat und bei nicht fristgerechter Übergabe an den Nachmieter Schadensersatzansprüche drohen2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Kündigung offensichtlich wirksam war. In diesem Fall musste der Mieter mit einer Verurteilung rechnen. Hat er dann entsprechende Vorkehrungen unterlassen, kann dies nicht zu Lasten des Vermieters gehen. Nur dann, wenn der Mieter seine Bemühungen belegen kann, kann auch bei bereits erfolgter Anschlussvermietung die Abwägung zugunsten des Mieters ausfallen. Nur eine solche eingeschränkte Auslegung des § 721 ZPO wird dessen Ausnahmecharakter gerecht. Kurze Verzögerungen im Zusammenhang mit geplanten baulichen Maßnahmen sind für den Vermieter zumutbar, es sei denn, die Verzögerung würde zu erheblichen Preissteigerungen führen oder andere Nachteile im Zusammenhang mit bereits abgeschlossenen Verträgen mit sich bringen, z.B. die Verwirkung einer Vertragsstrafe. Auch hier überwiegen die Interessen des Vermieters jedenfalls dann, wenn der Mieter bislang keine Bemühungen für die Anmietung von Ersatzwohnraum unternommen hat. 158 Weiter ist zu berücksichtigen, ob von dem Mieter oder dessen Familienangehörigen und Besuchern Gefahren für den Vermieter oder die übrigen Mitbewohner ausgehen. Eine Räumungsfrist wird daher regelmäßig dann ausscheiden, wenn die Begehung von Straftaten, z.B. Beleidigung, Körperverletzung, Nötigung, zu befürchten ist3. Auch sonstige Störungen des Hausfriedens nach Ausspruch der Kündigung, wie nächtliches Lärmen oder lautstarkes Streiten, sprechen gegen die Gewährung einer Räumungsfrist4. 159 Beruht die Kündigung auf Zahlungsverzug, kommt die Bewilligung einer Räumungsfrist von Amts wegen grundsätzlich nicht in Betracht5. Auch auf Antrag ist ihre Gewährung nur dann zu erwägen, wenn der Mieter zur Zahlung der Nutzungsentschädigung während der Räumungsfrist bereit ist und diese sicherstellt oder der Vermieter zumindest eine hinreichende Sicherheit für die anfallende Nutzungsentschädigung erhält6. Dies kann z.B. durch die Zusage einer öffentlichen Stelle, die Verpfändung werthaltiger Gegenstände oder durch eine Bankbürgschaft erfolgen. Dem Vermieter kann nicht zugemutet werden, dass finanzielle Ausfälle noch weiter ansteigen7. Allein der Umstand, dass weitere in der Wohnung lebende Familienangehörige von der Räumung betroffen sind, hat hierauf keinen Einfluss8. 160 Besteht zwischen den Parteien keine Einigkeit hinsichtlich der Höhe der Nutzungsentschädigung, z.B. weil der Mieter eine Vielzahl von Mängeln behauptet, hat das Gericht diese unter Berücksichtigung des Sachvortrages der Parteien und in Hinblick auf § 546a Abs. 1 BGB zu bestimmen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine der Rechtskraft fähige, sondern lediglich vorläufige Regelung ohne materiell-rechtliche Wirkung. Materiell-rechtliche Streitfragen können auch nicht im Rahmen des § 721 ZPO geklärt werden. Ein Vermieter kann daher im Anschluss an die Räumung

1 Vgl. LG Hamburg v. 25.10.1990 – 307 S 231/90, WuM 1991, 38. 2 A.A. LG Mannheim v. 28.11.1966 – 5 T 31/66, MDR 1967, 596; AG Dortmund v. 4.3.1969 – 37 C 5/69, ZMR 1970, 372. 3 AG Helmstedt v. 24.10.1984 – 3 C 1112/83, WuM 1987, 63; Musielak/Lackmann, § 721 ZPO Rz. 6. 4 AG Dortmund v. 3.1.1990 – 117 C 681/89, DWW 1990, 242; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIV 185. 5 AG Dortmund v. 2.11.2004 – 125 C 10067/04, WuM 2004, 720. 6 OLG Stuttgart v. 7.6.2006 – 13 U 89/06, NZM 2006, 880; LG Bonn v. 27.4.2004 – 6 T 91/04, zitiert nach juris. 7 LG Berlin v. 11.10.2007 – 67 T 105/07, GE 2007, 1637; a.A. LG Düsseldorf v. 26.1.1993 – 24 S 430/92, DWW 1993, 103 (das bei Mietrückständen offenbar kategorisch die Bewilligung einer Räumungsfrist ablehnt). 8 LG Berlin v. 7.5.2007 – 65 T 65/07, GE 2007, 1253.

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noch eine aus seiner Sicht höhere Nutzungsentschädigung geltend machen. Die Bestimmung der zu zahlenden Nutzugsentschädigung durch das Gericht dient allein der Beschränkung der gewährten Räumungsfrist zugunsten des Gläubigers. Hat das Mietverhältnis aus anderen Gründen als Zahlungsverzug durch die fristlose 161 Kündigung des Vermieters geendet, scheidet eine Räumungsfrist ebenfalls grundsätzlich aus, da ansonsten die Wirkung der fristlosen Kündigung ausgehebelt würde. Erforderlich ist für eine solche stets ein wichtiger Grund, also regelmäßig eine schwerwiegende Vertragsverletzung seitens des Mieters, welche eine Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar erscheinen lässt. Hieraus ergibt sich aber zugleich die Unzumutbarkeit einer Räumungsfrist für den Vermieter. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass es zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung schon längere Zeit nicht mehr zu Störungen durch den Mieter gekommen ist1. Hierdurch würde die fristlose Kündigung und ihre Wirkung nachträglich relativiert werden. bb) Interessen des Mieters Auf Seiten des Mieters sind insbesondere die persönlichen Lebensumstände zu be- 162 rücksichtigen. Dazu gehören vor allem Situationen, die einen kurzfristigen Umzug oder die Anmietung von Ersatzwohnraum erschweren, wie z.B. das Alter2, Behinderung3, Erkrankung, fortgeschrittene Schwangerschaft4. Auch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Mieters5 sowie die ausländische Herkunft6 können zu Schwierigkeiten bei der Anmietung von Wohnraum führen und sind daher zu berücksichtigen7. Gleiches gilt für etwaige aktuelle berufliche Erschwernisse, wie z.B. der unmittelbar bevorstehende Abschluss einer Promotion8, Abschluss des Referendariats9 oder des Examens10. Neben diesen persönlichen Umständen ist auch die objektive Lage am Wohnungs- 163 markt beachtlich11. Die Dauer der bisherigen Mietzeit ist hingegen unerheblich12, da dies keinen Einfluss auf die Beschaffung von Ersatzwohnraum hat. § 721 ZPO ermöglicht es dem Mieter unter bestimmten Umstände trotz entsprechender Räumungsverpflichtung noch vorübergehend in der Wohnung zu bleiben. Die hiermit verbundene Einschränkung der grundrechtlich geschützten Eigentumsgarantie des Vermieters rechtfertigt sich nur in Hinblick auf die Vermeidung einer unverschuldeten drohenden Obdachlosigkeit des Mieters, ist also zukunftsorientiert. Hierauf hat die Dauer des Mietverhältnisses keinen Einfluss. Neben den persönlichen Lebensumständen und der Lage am Wohnungsmarkt muss 164 der Mieter seine subjektiven Bemühungen zur Erlangung von Ersatzwohnraum darlegen13. Ab welchem Zeitpunkt der Mieter sich um Ersatzwohnraum bemühen muss, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Ist die Kündigung offensichtlich begründet, muss der Mieter umgehend mit der Suche nach Ersatzwohnraum beginnen. Nur wenn ihm dies im Rahmen seiner persönlichen Möglichkeiten nicht gelingt, kann eine Räumungsfrist bewilligt werden. Muss der Mieter hingegen nicht zwingend mit einer Verurteilung rechnen, ist er nicht gehalten, umgehend mit der Suche nach Er1 AG Bremen v. 3.3.2004 – 17 C 144/04, zitiert nach juris. 2 LG Essen v. 19.9.1967 – 11 T 477/67, WuM 1968, 132; AG Hamm v. 21.8.2008 – 27 C 377/07, DWW 2009, 104. 3 LG München v. 28.6.1989 – 14 S 15492/88, WuM 1989, 412. 4 AG Bergheim v. 11.1.1999 – 22 C 234/98, WuM 1999, 530. 5 AG Hamburg v. 28.11.2007 – 46 C 24/07, zitiert nach juris. 6 LG Hamburg v. 3.2.1998 – 316 T 3/98, WuM 1999, 365. 7 LG Mannheim v. 29.3.1990 – 4 T 66/90, WuM 1990, 307. 8 Vgl. AG Tübingen v. 22.4.1985 – 8 C 203/85, WuM 1989, 240 = ZMR 1986, 60. 9 Vgl. AG Lübeck v. 23.1.1989 – 22 C 5528/88, WuM 1989, 413. 10 LG Aachen v. 27.2.1985 – 7 S 182/84, NJW-RR 1986, 313. 11 LG Essen v. 12.12.1991 – 11 T 746/91, WuM 1992, 202; Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 6. 12 A.A. AG Hamm v. 21.8.2008 – 27 C 377/07, DWW 2009, 104. 13 BGH v. 27.6.1990 – XII ZR 73/90, MDR 1990, 1003 = DWW 1991, 45; LG Berlin v. 7.5.2007 – 65 T 65/07, GE 2007, 1253.

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satzwohnraum zu beginnen1. Häufig wird ein solcher – sofern er gefunden wird – auch nicht bis zum Abschluss des Verfahrens reserviert werden können. Allerdings darf der Mieter mit dem Beginn seiner Bemühungen auch nicht bis zur Rechtskraft des Räumungsurteils zuwarten2. Zumindest nach einer Verurteilung in der ersten Instanz und damit einem vorläufig vollstreckbarem Urteil muss der Mieter mit einer Zwangsräumung rechnen3. Nur wenn er keinen Ersatzwohnraum trotz entsprechender Bemühungen findet, kommt die Bewilligung einer Räumungsfrist im Berufungsurteil in Betracht4. Wird das erstinstanzliche Räumungsurteil in der Berufung aufgehoben und sind dem Mieter bereits Kosten für die Beschaffung von Ersatzwohnraum entstanden, z.B. Maklerkosten, doppelte Mietzahlung wegen der bereits erfolgten Anmietung, steht ihm ein Schadensersatzanspruch zu. 165 Wäre ein Zwischenumzug notwendig, da der Mieter Ersatzwohnraum gefunden hat, diesen aber noch nicht sofort beziehen kann, ist ihm gegebenenfalls eine Räumungsfrist zu bewilligen5. Auch dies setzt aber voraus, dass der Mieter darlegen und beweisen kann, dass er trotz intensiver Bemühungen keinen anderen früher verfügbaren Wohnraum anmieten konnte. 166 Besteht keine konkrete Aussicht, dass der Mieter innerhalb einer Räumungsfrist Ersatzwohnraum finden wird, ist diese objektiv sinnlos und nicht zu gewähren6. Die Versorgung des Mieters mit Wohnraum obliegt dann der öffentlichen Hand im Rahmen der Gefahrenabwehr zur Vermeidung von Obdachlosigkeit. 4. Beendigung des Mietverhältnisses durch Mieter 167 § 721 ZPO ist auch dann anwendbar, wenn das Mietverhältnis durch den Mieter selbst gekündigt oder der Mieter an einer Mietaufhebungsvereinbarung mitgewirkt hat, dann aber nicht auszieht. Allerdings ist in diesem Fall ein deutlich überwiegendes Interesse des Mieters an der Bewilligung einer Räumungsfrist notwendig, da die Beendigung des Mietverhältnisses (auch) aus dem Verantwortungsbereich des Mieters herrührt. In Betracht kommen Fälle, in denen das bereits abgeschlossene neue Mietverhältnis ohne Verschulden des Mieters aufgelöst oder nicht umgesetzt werden kann, z.B. weil der andere Mieter nicht auszieht, das Gebäude unbewohnbar wird und die Mieter trotz entsprechender Bemühungen noch keinen Ersatzwohnraum finden konnten. Auch bei einer fristlosen Kündigung wegen schwerwiegender Vertragsverletzungen seitens des Vermieters, z.B. Beleidigung, Bedrohung, kommt eine Räumungsfrist in Betracht. Andernfalls müsste sich der Mieter zwischen Obdachlosigkeit und der Ausübung des ihm zustehenden Kündigungsrechts entscheiden. 5. Auflagen 168 Grundsätzlich kommt die Bewilligung einer Räumungsfrist nur dann in Betracht, wenn die Zahlung der Nutzungsentschädigung sichergestellt ist. Das Gericht kann dies als Auflage zur Räumungsfrist ausgestalten7, so dass bei einer schuldhaften Verletzung der Auflage eine Verkürzung der Räumungsfrist in Betracht kommt. 169 Die Gewährung einer Räumungsfrist ist bedingungsfeindlich. Dies ergibt sich daraus, dass sie jederzeit auf Antrag abgeändert werden kann. Die Räumungsfrist kann also nicht derart ausgestaltet werden, dass sie bei Einstellung der Zahlungen automatisch entfällt. Es ist nur ein Antrag auf Verkürzung möglich. Andererseits kann nicht bestimmt werden, dass sie sich jeweils für einen bestimmten Zeitraum verlängert, sofern die Nutzungsentschädigung fristgerecht geleistet wird8. Die Rechtzeitigkeit von 1 AG Hamburg v. 5.6.2009 – 46 C 21/09, zitiert nach juris. 2 A.A. LG Wuppertal v. 17.10.1994 – 6 T 792/94, WuM 1996, 429; LG Hamburg v. 6.4.1983 – 16 S 52/83, WuM 1987, 62. 3 Vgl. LG Münster v. 8.12.2006 – 8 S 157/06, WuM 2007, 19. 4 Vgl. auch Stein/Jonas/Münzberg, § 721 ZPO Rz. 10a. 5 Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 6. 6 LG Berlin v. 7.5.2007 – 65 T 65/07, GE 2007, 1253. 7 LG Mainz v. 19.12.1995 – 3 T 118/95, WuM 1997, 233. 8 A.A. Thomas/Putzo/Hüßtege, § 721 ZPO Rz. 11.

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Zahlungen ist durch den Gerichtsvollzieher gerade nicht zu prüfen. Wird die Räumungsfrist unter einer unzulässigen Bedingung gewährt, kann diese aber in eine Auflage umgedeutet werden1. Eine Sicherheitsleistung kann dem Mieter mangels entsprechender Rechtsgrundlage für die Dauer der gewährten Räumungsfrist nicht abverlangt werden2. 6. Materiell-rechtliche Auswirkungen der Räumungsfrist Die Bewilligung einer Räumungsfrist lässt die materiell-rechtlichen Beziehungen zwi- 170 schen den Parteien grundsätzlich unberührt. Es bleibt bei der Regelung des § 546a BGB (vgl. § 546a BGB Rz. 36). Insbesondere bleibt das Mietverhältnis beendet, so dass die Verpflichtung zur Zahlung der Nutzungsentschädigung mit der Räumung entfällt3. Den Mieter trifft aber die nachvertragliche Pflicht, den beabsichtigten Auszugster- 171 min mitzuteilen, so dass der Vermieter die Wohnung alsbald neu vermieten kann4. Verletzt der Mieter seine Verpflichtung, kommt ein Schadensersatzanspruch in Betracht. Dessen Höhe hängt davon ab, ob eine unmittelbare oder zumindest frühere Anschlussvermietung bei rechtzeitiger Mitteilung möglich gewesen wäre. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt insoweit dem Vermieter (vgl. dazu § 546 BGB Rz. 6). Dieser genügt der Vermieter grundsätzlich nicht, wenn er z.B. lediglich zwei in einem Monat hervorgetretene Mietinteressenten benennt, ohne angeben zu können, ab wann diese die Wohnung überhaupt hätten anmieten wollen. Dies gilt umso mehr, wenn der Wohnungsmarkt am Ort nicht derart angespannt ist, dass allein schon aus dem Angebot der Wohnung am Markt auf deren umgehende Weitervermietung hätte geschlossen werden können5. Trägt der Vermieter aber den Anforderungen entsprechend vor, kann es nicht dahinstehen, ob der von ihm benannte Mietinteressent tatsächlich einen Mietvertrag abgeschlossen hätte6. Zwar ist es in der Tat dem Vermieter nicht zuzumuten, einen Nachfolgevertrag mit kalendermäßig bestimmtem Mietbeginn abzuschließen, wenn zunächst ungewiss ist, wann der säumige Mieter die Sache zurückgibt. Er braucht sich nicht der Gefahr auszusetzen, sich dem Nachfolgemieter gegenüber schadensersatzpflichtig zu machen7. Indessen kann auch unter Berücksichtigung des § 252 BGB eine für § 286 ZPO ausreichende Wahrscheinlichkeit eines Vertragsschlusses erst angenommen werden, wenn wenigstens einer der beiden potentiellen Partner abschlussbereit war. Während der Räumungsfrist sind Schadensersatzansprüche wegen einer verspäteten 172 Rückgabe der Wohnung gemäß § 571 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Der Ausschluss erfasst den Zeitraum ab Beginn der Berechtigung des Mieters zum Besitz bis zum Ende der bewilligten Räumungsfrist und nicht erst ab der gerichtlichen Bewilligung einer Räumungsfrist8. 7. Verlängerung und Verkürzung Eine Verlängerung oder Verkürzung der im Urteil bewilligten Räumungsfrist kann 173 nach § 721 Abs. 3 ZPO auf Antrag erfolgen. Insoweit sind die gegenläufigen Interessen der Parteien im Rahmen einer Ermessensentscheidung abzuwägen. In die Abwägung hat auch der Umstand einzufließen, dass nicht über die erstmalige Gewährung einer Räumungsfrist, sondern die Gewährung einer weiteren oder die Verkürzung einer bereits bewilligten Räumungsfrist zu entscheiden ist. Beantragt der Mieter die Verlängerung einer Räumungsfrist, kommt es für eine sach- 174 gerechte Beurteilung des Antrags auf Verlängerung der Räumungsfrist wesentlich 1 2 3 4 5 6 7 8

LG Hamburg v. 2.1.1991 – 311 T 118/90, WuM 1992, 491; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIV 191. Schmidt-Futterer/Blank, Anhang 1 zu §§ 574–574c BGB Rz. 36. LG Freiburg v. 31.12.1979 – 9 S 226/79, WuM 1980, 224. LG Mönchengladbach v. 15.11.1991 – 2 S 23/91, DWW 1992, 215. BGH v. 13.7.2010 – VIII ZR 326/09, WuM 2010, 632 = GE 2010, 1265 = NZM 2010, 815. OLG Düsseldorf v. 8.5.2012 – 24 U 195/11, ZMR 2012, 861. Vgl. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1144. LG Stuttgart v. 8.2.1990 – 16 S 416/89, NJW-RR 1990, 654.

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darauf an, ob der Räumungsschuldner sich nach der erstmaligen Bewilligung dieser Frist hinreichend um eine Ersatzwohnung bemüht hat1 und zu erwarten ist, dass der Mieter alsbald eine neue Wohnung finden wird2. Hat der Mieter bereits eine neue Wohnung gefunden, kann diese aber nicht sofort beziehen, kann die Verlängerung der Räumungsfrist zur Vermeidung eines Zwischenumzugs geboten sein3. Ist ein sofortiger Umzug aus dem Grunde nicht möglich, weil die neue Wohnung erst noch kernsaniert werden muss, muss der Mieter nachvollziehbar darlegen, dass die Anmietung von anderem Ersatzwohnraum nicht möglich war4. Persönliche oder krankheitsbedingte Einschränkungen des Mieters sind nur von untergeordneter Relevanz und regelmäßig nicht zu berücksichtigen5. Sie wurden in der Regel bereits bei der erstmaligen Gewährung der Räumungsfrist berücksichtigt und führten zu der festgelegten Räumungsfrist. Gegebenenfalls sind sie bei der Frage zu berücksichtigen, welche Bemühungen einem Mieter im Zusammenhang mit der Suche nach Ersatzwohnraum abzuverlangen sind. 175 Verändern sich die im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände zu Lasten des Mieters, kommt eine Verkürzung der im Urteil gewährten Räumungsfrist in Betracht, z.B. wenn der Mieter die Zahlung der Nutzungsentschädigung einstellt, den Vermieter beleidigt oder bedroht. 176 Der Antrag auf Verlängerung muss spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Räumungsfrist gestellt werden. Der letzte Tag der Räumungsfrist ist bei der Berechnung der zwei Wochen zu berücksichtigen. Endet die Räumungsfrist am 31.7., ist der Antrag bis zum 17.7. zulässig, wobei der Eingang bei Gericht maßgeblich ist. Fällt das Ende der vom Gericht gewährten Räumungsfrist auf einen Feiertag/Sonntag, berechnet sich die Zwei-Wochen-Frist zur Antragstellung einer Fristverlängerung gemäß § 222 Abs. 2 ZPO nach dem ersten folgenden, zur Räumung verpflichtenden Werktag6. Wird die Frist versäumt, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand in Betracht, § 721 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO, aber auch ein Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 765a ZPO. 8. Zeitliche Begrenzung 177 Zeitlich ist die Räumungsfrist auf maximal ein Jahr begrenzt, und zwar ab Rechtskraft des Urteils bzw. bei einer Verurteilung auf künftige Räumung von diesem Tag an, § 721 Abs. 5 ZPO. Eine Überschreitung dieser Zeitspanne durch Verlängerung nach § 721 Abs. 3 ZPO ist unzulässig. Sofern es die örtlichen Gegebenheiten zulassen, kann die Räumungsfrist auf einzelne Räume beschränkt oder für verschiedene Räume unterschiedlich lange festgesetzt werden, nicht aber bei einem Mischmietverhältnis, welches als Gewerberaummietverhältnis zu qualifizieren ist (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 149). 178 Das Ende der Räumungsfrist muss nicht zwingend mit Datum konkret bezeichnet werden. Ein solches Erfordernis stellt § 721 ZPO nicht auf. Die Frist kann daher auch nach Monaten, Wochen oder Tagen bestimmt werden. Unschädlich ist auch, wenn kein bestimmter Anfangstermin genannt wird, da die Frist entsprechend § 721 Abs. 5 S. 2 ZPO jedenfalls nicht vor Rechtskraft des Urteils zu laufen beginnt. Zur Vermeidung von Unklarheiten ist es aber sachdienlich, das Ende der Räumungsfrist mit dem konkreten Datum zu benennen, da sich aus dem Urteil selbst nicht ergibt, wann es rechtskräftig wird. Auf eine sofortige Beschwerde hin kann eine nur nach Zeit1 BGH v. 27.7.1990 – XII ZR 73/90, MDR 1990, 1003 = DWW 1991, 45; KG v. 4.7.2008 – 11 W 9/08, MDR 2008, 1090 = ZMR 2009, 200; LG Wiesbaden v. 16.2.2007 – 2 S 80/06, WuM 2007, 201; Buche, MDR 1972, 189; AG Köln v. 30.5.2003 – 201 C 253/02, MietRB 2003, 33. 2 Vgl. LG Münster v. 10.11.1992 – 5 T 461/92, WuM 1993, 62; LG Waldshut-Tiengen v. 15.11.1993 – 1 T 71/93, WuM 1996, 53; LG Berlin v. 7.5.2007 – 65 T 65/07, GE 2007, 1253. 3 Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 6. 4 LG Köln v. 7.10.2010 – 10 T 266/10, n.v. 5 LG München v. 10.3.2004 – 14 T 4140/04, NZM 2005, 360. 6 LG Hamburg v. 5.2.1990 – 307 T 13/90, WuM 1993, 470; a.A. LG Berlin v. 3.4.1992 – 64 T 36/92, 64 T 38/92, ZMR 1992, 394; Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 8.

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abschnitten bezeichnete Räumungsfrist in eine Frist mit konkretem Enddatum umgewandelt werden1. 9. Prozessuales a) Zuständigkeit Zuständig für die Bewilligung der Räumungsfrist nach § 721 Abs. 1 ZPO ist das Pro- 179 zessgericht, welches das Räumungsurteil erlässt. Ist das Verfahren in der Berufungsinstanz anhängig, entscheidet das Berufungsgericht2. Eine Räumungsfrist kann auch noch im Revisionsurteil ausgesprochen werden3. Sie kann – mit Ausnahme des Falls einer Verurteilung zur künftigen Räumung nach § 721 Abs. 2 ZPO – nicht vom Urteil isoliert bewilligt werden4. Für die Verlängerung oder Abkürzung einer bereits bewilligten Frist ist das Gericht 180 der ersten Instanz, im Rahmen des Berufungsverfahrens das Berufungsgericht zuständig, § 721 Abs. 4 ZPO. Befindet sich das Verfahren in der Revision, bleibt das Gericht der ersten Instanz zuständig, da der Revision als reine Rechtsinstanz die notwendige (neue) Tatsachenermittlung verwehrt ist5. Die Entscheidung über die Verlängerung oder Verkürzung einer Räumungsfrist ergeht durch Beschluss und bedarf keiner mündlichen Verhandlung, § 128 Abs. 4 ZPO. Der Gegner ist zuvor zu hören. Das Gericht kann aber vor Erlass der Entscheidung eine einstweilige Anordnung nach § 732 Abs. 2 ZPO erlassen. b) Rechtsbehelfe Der zutreffende Rechtsbehelf richtet sich nach der beabsichtigten Zielrichtung.

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aa) Rechtsbehelfe des Mieters Möchte der Mieter gegen seine in einem Urteil erkannte Räumungsverpflichtung vor- 182 gehen, muss er Einspruch oder Berufung, gegebenenfalls auch Revision einlegen. Die Räumungsfrist ist dann zu überprüfen, wenn sich das Rechtmittel auch gegen diese richtet. Handelt es sich bei dem Urteil um ein Versäumnisurteil, richtet sich der Einspruch grundsätzlich auch gegen die Versagung einer Räumungsfrist6. Ein Einspruch kann – jedenfalls bei einer anwaltlich vertretenen Partei – aber nicht als sofortige Beschwerde gegen die Nichtbewilligung einer Räumungsfrist ausgelegt werden7. Akzeptiert der Mieter das Räumungsurteil grundsätzlich, möchte aber gegen die 183 Entscheidung über die Gewährung einer Räumungsfrist im Urteil nach § 721 Abs. 1 ZPO vorgehen, ermöglicht § 721 Abs. 6 Nr. 1 ZPO die isolierte Anfechtbarkeit im Wege der sofortigen Beschwerde, selbst wenn das Urteil Ausführungen zur Räumungsfrist nicht enthält, da sie dann als versagt gilt8, und zwar auch bei einem ersten9, nicht aber bei einem zweiten Versäumnisurteil10. Die Notfrist des § 569 Abs. 1 ZPO beginnt mit Zustellung der Entscheidung zu laufen. Erfolgte die Entscheidung über die Räumungsfrist erst im Urteil des Berufungsgerichts, kommt die Rechtsbeschwerde nur dann in Betracht, wenn sie zugelassen wurde, § 574 Abs. 1 ZPO. Gegen eine Entscheidung über die Verlängerung oder Versagung einer Räumungsfrist durch das Prozessgericht gemäß § 721 Abs. 2 und 3 ZPO ist nach § 721 Abs. 6 1 LG Berlin v. 16.2.2006 – 65 T 17/06, GE 2006, 653. 2 LG Münster v. 8.12.2006 – 8 S 157/06, WuM 2007, 19. 3 BGH v. 27.4.2010 – VIII ZR 282/09, WuM 2010, 322; BGH v. 13.3.1963 – V ZR 224/60, NJW 1963, 1307. 4 BGH v. 27.4.2010 – VIII ZR 282/09, WuM 2010, 322. 5 BGH v. 27.7.1990 – XII ZR 73/90, MDR 1990, 1003 = DWW 1991, 45; Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 7. 6 LG München v. 20.8.1998 – 14 T 14943/98, NZM 1999, 308. 7 OLG München v. 19.2.2010 – 32 W 827/10, ZMR 2010, 524; LG Köln v. 14.3.1986 – 9 T 45/86, NJW-RR 1987, 143. 8 LG Köln v. 14.3.1986 – 9 T 45/86, NJW-RR 1987, 143. 9 LG Berlin v. 16.2.2006 – 65 T 17/06, GE 2006, 653. 10 LG Dortmund v. 13.4.1965 – 9 T 149/65, MDR 1965, 579.

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Nr. 2 ZPO ebenfalls die sofortige Beschwerde statthaft. Entscheidungen des Berufungsgerichts durch Beschluss sind nur anfechtbar, wenn die Rechtsbeschwerde zugelassen wird, § 574 Abs. 1 ZPO. 185 Die gleichzeitige Einlegung von Berufung und sofortiger Beschwerde ist nicht möglich. Eine solche sofortige Beschwerde ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 721 Abs. 6 Nr. 1 ZPO. Hiernach findet die sofortige Beschwerde nur dann statt, wenn sich das Rechtsmittel „lediglich gegen die Versagung, Gewährung oder Bemessung einer Räumungsfrist richtet“. Gleiches gilt, wenn zunächst – während der laufenden Berufungsfrist – Beschwerde und später unbeschränkt Berufung eingelegt wird. In diesem Fall entfällt das Rechtsschutzbedürfnis nachträglich und die Beschwerde ist für erledigt zu erklären1. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt aber nur bei Zulässigkeit des Rechtsmittels. Wird die Berufung zu spät oder auf sonstige Weise nicht in zulässiger Form eingelegt, findet eine Entscheidung über die Berufung in der Sache nicht statt. Bei der Rücknahme einer zulässigen Berufung kann die Rücknahme auf den Ausspruch über die Räumungsverpflichtung beschränkt werden, so dass eine Entscheidung über die Räumungsfrist dem Berufungsgericht auch weiterhin möglich ist. 186 Das Gleiche gilt, wenn der Mieter erstinstanzlich keinen Antrag auf Bewilligung einer Räumungsfrist gestellt hat, gegen die Versagung von Amts wegen dann sofortige Beschwerde einlegt und anschließend in der Berufungsinstanz erstmals einen Antrag stellt. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass gegen das Berufungsurteil Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 1 ZPO eingelegt ist2. Solange der Nichtzulassungsbeschwerde nicht stattgegeben wird, bleibt unklar, ob die Entscheidung über die Räumungsfrist in der Revision überprüft werden wird. Die sofortige Beschwerde über die Verlängerung oder Verkürzung einer Räumungsfrist nach § 721 Abs. 2 und 3 ZPO bleibt daher zulässig. Eine sofortige Beschwerde über die Verlängerung oder Verkürzung kann auch vor Rechtskraft des Räumungsurteils zu Lasten des Mieters beschieden werden, zumal dieser über § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO hinreichend geschützt ist. bb) Rechtsbehelfe des Vermieters 187 Der Vermieter kann gegen die in einem Urteil oder nach § 721 Abs. 2 und 3 ZPO bewilligte Räumungsfrist sofortige Beschwerde einlegen. Das Rechtsschutzbedürfnis bleibt auch bei der Einlegung der Berufung durch den Mieter erhalten. Er ist nicht gezwungen (unselbstständige) Anschlussberufung einzulegen3, da über diese wegen § 524 Abs. 4 ZPO nicht zwingend entschieden wird und es zu Verzögerungen in der Zwangsvollstreckung kommen kann. Legt der Vermieter allerdings hinsichtlich der Räumungsfrist Anschlussberufung ein, ist die sofortige Beschwerde für erledigt zu erklären. 188 Hat das Gericht erster Instanz erstmals durch Beschluss eine Räumungsfrist bewilligt, z.B. nach Einspruch gegen Versäumnisurteil, aber vor der Entscheidung über den Einspruch, ist der Beschluss auf die sofortige Beschwerde des Vermieters hin ohne Sachprüfung aufzuheben, da über die erstmalige Bewilligung einer Räumungsfrist nur durch Urteil zu entscheiden ist4. cc) Anschlussbeschwerde 189 Wird eine sofortige Beschwerde eingelegt, kann von der Gegenseite auch nach Ablauf der Beschwerdefrist Anschlussbeschwerde eingelegt werden, § 567 Abs. 3 S. 1 ZPO. 1 Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 Rz. 12; a.A. LG Düsseldorf v. 26.4.1990 – 21 S 26/90, WuM 1993, 471; Stein/Jonas/Münzberg, § 721 ZPO Rz. 37. 2 Vgl. KG v. 4.7.2008 – 11 W 9/08, MDR 2008, 1090 = ZMR 2009, 200; a.A. LG Wuppertal v. 17.10.1994 – 6 T 792/94, WuM 1996, 429; LG Essen v. 12.12.1991 – 11 T 746/91, WuM 1992, 202. 3 Schmidt-Futterer/Blank, nach §§ 574–574c BGB Rz. 68; a.A. LG Gießen v. 21.4.1994 – 1 T 39/93, WuM 1994, 551. 4 OLG München v. 19.2.2010 – 32 W 827/10, ZMR 2010, 524; vgl. LG Rostock v. 11.8.2000 – 2 T 253/00, NZM 2002, 213.

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Diese ist nicht fristgebunden. Wird die sofortige Beschwerde zurückgenommen, verliert auch die Anschlussbeschwerde ihre Wirkung, § 567 Abs. 3 S. 2 ZPO. dd) Verfahrensablauf Der Verfahrensablauf richtet sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 567 ff. ZPO. Die 190 Kostenentscheidung richtet sich nach den §§ 91 ff. ZPO. Der Antrag auf Gewährung einer Räumungsfrist nach § 721 Abs. 1 ZPO erhöht den Streitwert nicht, so dass allein die Bewilligung einer solchen nicht zu einer Kostenbelastung des Vermieters führt1. Erkennt der Mieter den Räumungsanspruch aber sofort an und wird ihm eine Räumungsfrist bewilligt, können die gesamten Kosten des Rechtsstreits unter den Voraussetzungen des § 93b Abs. 3 ZPO dem Vermieter auferlegt werden2. Anders gilt, wenn der Mieter zuvor die Räumungsverpflichtung grundsätzlich bestritten hat3. 10. Versorgungsleistungen des Vermieters Versorgungsleistungen, z.B. Beheizung und Lieferung von Wasser, muss der Vermie- 191 ter während einer gerichtlich gewährten Räumungsfrist nicht erbringen, da das Mietverhältnis bereits beendet ist (vgl. § 535 BGB Rz. 514 ff.). Mit der Beendigung der vertraglichen Beziehung endet auch die Versorgungsverpflichtung des Vermieters. Teilweise wird vertreten, dass dies unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben im Einzelfall anders zu bewerten sein kann4. Auch der BGH hält dies bei einer nach den §§ 721, 765a, 794a ZPO gewährten Räumungsfrist für denkbar5, was aber abzulehnen ist. Durch eine Räumungsfrist wird lediglich die zwangsweise Vollstreckung eines Räumungstitels hinausgeschoben, um eine drohende Obdachlosigkeit zu vermeiden. Die Beendigung des Mietverhältnisses wird nicht tangiert, vielmehr ist diese gerade zwingende Voraussetzung für die Bewilligung einer Räumungsfrist. Um eine drohende Obdachlosigkeit abzuwenden, bedarf es aber gerade nicht der Aufrechterhaltung von Versorgungsleistungen. Zudem kann der Mieter eine Beheizbarkeit selbst sicherstellen, indem er einen Radiator an das Stromnetz anschließt. Die anfallenden Stromkosten rechnet der Mieter in der Regel unmittelbar mit dem Energieversorger ab. Handelt es sich bei der Stromversorgung ausnahmsweise ebenfalls um eine vom Vermieter geschuldete Versorgungsleistung, ist auch diese nicht mehr geschuldet. Ein Eingriff in Versorgungsleistungen Dritter, z.B. die Unterbrechung der Strom- und Wasserlieferung aufgrund unmittelbarer Verträge zwischen dem Mieter und einem Versorgungsunternehmen, ist dem Vermieter nicht gestattet. II. Räumungsfrist nach § 794a ZPO § 794a ZPO Zwangsvollstreckung aus Räumungsvergleich (1) Hat sich der Schuldner in einem Vergleich, aus dem die Zwangsvollstreckung stattfindet, zur Räumung von Wohnraum verpflichtet, so kann ihm das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Wohnraum belegen ist, auf Antrag eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist bewilligen. Der Antrag ist spätestens zwei Wochen vor dem Tag, an dem nach dem Vergleich zu räumen ist, zu stellen; §§ 233 bis 238 gelten sinngemäß. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Vor der Entscheidung ist der Gläubiger zu hören. Das Gericht ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. (2) Die Räumungsfrist kann auf Antrag verlängert oder verkürzt werden. Absatz 1 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend.

1 OLG Stuttgart v. 28.6.1956 – 2 W 46/56, MDR 1956, 555; OLG München OLGReport 1994, 172. 2 AG Warendorf v. 23.9.1969 – 5 C 366/69, ZMR 1971, 156; AG Münster v. 30.4.1969 – 7 C 148/69, ZMR 1971, 156. 3 OLG Koblenz v. 22.7.2004 – 5 W 475/04, WuM 2004, 621. 4 Vgl. MünchKomm/Bieber, § 546a BGB Rz. 28 ff. 5 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = ZMR 2010, 263.

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(3) Die Räumungsfrist darf insgesamt nicht mehr als ein Jahr, gerechnet vom Tag des Abschlusses des Vergleichs, betragen. Ist nach dem Vergleich an einem späteren Tag zu räumen, so rechnet die Frist von diesem Tag an. (4) Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts findet die sofortige Beschwerde statt. (5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht für Mietverhältnisse über Wohnraum im Sinne des § 549 Abs. 2 Nr. 3 sowie in den Fällen des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Endet ein Mietverhältnis im Sinne des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch außerordentliche Kündigung, kann eine Räumungsfrist höchstens bis zum vertraglich bestimmten Zeitpunkt der Beendigung gewährt werden. 1. Allgemeines 192 Zweck der Vorschrift ist die Vermeidung unnötiger Prozesse und von Obdachlosigkeit. Sie will verhindern, dass sich der Mieter nur aus dem Grunde einer vergleichsweisen Regelung verschließt, um sich die Beantragung einer Räumungsfristverlängerung offen zu halten, falls nachträglich unvorhergesehene Umstände eintreten1. Die Regelung entspricht im Wesentlichen § 721 ZPO. 2. Anwendungsbereich 193 Der Anwendungsbereich der Norm ist auf gerichtliche Vergleiche beschränkt, in denen sich einer der Verfahrensbeteiligten zur Räumung von Wohnraum verpflichtet. Für Räumungsvergleiche über Gewerberäume gilt sie nicht. Bei Bestehen eines Mischmietverhältnisses ergeben sich keine Unterschiede zur Situation bei § 721 ZPO (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 141 ff.). Außergerichtliche Vergleiche, welche nicht Grundlage einer Räumung im Wege der Zwangsvollstreckung sein können, fallen nicht unter § 794a ZPO2. In diesem Fall droht keine unmittelbare Zwangsräumung, welche es abzuwenden gilt. Für vollstreckbare Anwaltsvergleiche gelten die §§ 796a ff. ZPO. 194 Die Ausschlusstatbestände des § 794a Abs. 5 ZPO entsprechen denen des § 721 Abs. 7 ZPO (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 155). 3. Erstmalige Bewilligung 195 Die erstmalige Bewilligung einer Räumungsfrist richtet sich nach § 794a Abs. 1 ZPO. Eine erstmalige Räumungsfrist in diesem Sinne liegt sowohl dann vor, wenn die Parteien eine fristgerechte Räumung zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses vereinbart haben3, als auch dann, wenn die im Räumungsvergleich vereinbarte Räumungsfrist abläuft und der Mieter einen weiteren Aufschub beantragt4. 4. Antrag 196 Die Räumungsfrist wird nur auf Antrag bewilligt. Eine Gewährung von Amts wegen ist nicht vorgesehen. 197 Hat der Mieter im Räumungsvergleich auf Räumungsschutz nach § 794a ZPO verzichtet, ist der Antrag unzulässig5. Ein Verzicht ist auch konkludent möglich, z.B. wenn die Parteien vereinbaren, dass die Höchstfrist des § 721 Abs. 3 ZPO von einem Jahr ab Vergleichsschluss gelten soll und nicht der Räumungstermin zu ermitteln ist6. Der Verzicht umfasst auch solche Sachverhalte, die der Schuldner beim Abschluss des Vergleichs nicht vorhergesehen hat oder nicht vorhersehen konnte7. In Hinblick auf die Privatautonomie bestehen keine Bedenken an der Wirksamkeit einer 1 LG Kiel v. 1.10.1990 – 1 T 114/90, WuM 1993, 555; vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, § 794a ZPO Rz. 1. 2 Vgl. nur Zöller/Stöber, § 794a ZPO Rz. 1; a.A. Dengler, ZMR 1968, 316. 3 LG Wuppertal v. 28.11.1980 – 6 T 780/80, WuM 1981, 113. 4 LG Mannheim v. 31.3.1981 – 4 T 50/81, DWW 1981, 175. 5 LG Aachen v. 13.2.1995 – 6 T 7/95, WuM 1996, 568; LG Heilbronn v. 5.5.1992 – 1b T 73/92, JurBüro 1992, 569. 6 LG München I v. 4.11.1983 – 14 T 19261/83, WuM 1987, 66. 7 LG München I v. 26.3.2008 – 14 T 4822/08, ZMR 2009, 371.

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solchen Vereinbarung. Der Mieter ist nicht gezwungen, eine solche vergleichsweise Vereinbarung abschließen. Härtefälle sind über den Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO hinreichend abgedeckt, auf den im Vorfeld nicht verzichtet werden kann (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 227). Ein unwirksamer Verzicht auf den Vollstreckungsschutz des § 765a ZPO kann in einen Verzicht auf Gewährung einer Räumungsfrist gemäß § 794a ZPO umgedeutet werden1. Die Verkürzung einer zwischen den Parteien im Räumungsvergleich vereinbarten 198 Räumungsfrist auf Antrag des Vermieters kommt nicht in Betracht. § 794a ZPO bietet hierfür keine Rechtsgrundlage2. Eine entsprechende Zuständigkeit des Gerichts kann durch die Vertragsparteien auch nicht vereinbart werden, da diese nicht zur Disposition der Parteien steht. Praktisch kann die Dauer der Räumungsfrist im Vergleich von anderen Umständen 199 abhängig gemacht werden, wie z.B. die pünktliche Zahlung der Nutzungsentschädigung. Hier gelten die gleichen Kriterien wie bei der Räumungsfrist nach § 721 ZPO (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 156). 5. Antragsfrist Gemäß § 794a Abs. 1 S. 2 ZPO muss der Antrag auf Gewährung einer Räumungsfrist 200 spätestens zwei Wochen vor dem Räumungstermin bei Gericht eingehen. Wurde die Räumungsfrist bereits außergerichtlich verlängert, fehlt einem gleichwohl gestellten Antrag auf Bewilligung einer Räumungsfrist das Rechtsschutzbedürfnis. Wegen der Berechnung der Zweiwochenfrist vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 176. Bei unverschuldeter Versäumung der Frist kommt eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand in Betracht. Haben die Parteien im Räumungsvergleich eine sofortige Räumung vereinbart, kommt 201 ebenfalls die Bewilligung einer Räumungsfrist in Betracht. Dies wird teilweise mit dem Hinweis abgelehnt, dass hier die Antragsfrist nicht eingehalten werden kann3. Dem wird entgegengehalten, dass dies nicht mit dem Schutzzweck der Vorschrift in Einklang zu bringen sei4. Im Rahmen dieser Argumentation wird übersehen, dass § 794a ZPO selbst bestimmt, dass auch bei einer sofortigen Räumungsverpflichtung eine Räumungsfrist noch gewährt werden kann. § 794a Abs. 3 ZPO bestimmt, dass die maximal zu gewährende Räumungsfrist ab dem Tag des Vergleichsabschlusses zu bestimmen ist, es sei denn, nach der vergleichsweisen Regelung ist erst zu einem späteren Tag zu räumen. Eine Berechnung der Räumungsfrist ab dem Tag des Vergleichsabschlusses kommt nur im Falle einer sofortigen Räumungsverpflichtung in Betracht, so dass das Gesetz selbst davon ausgeht, dass auch in diesem Fall eine Räumungsfrist bewilligt werden kann. Allerdings ist es zutreffend, dass die in § 794a Abs. 1 S. 2 ZPO vorgesehene Antragsfrist hier nicht gewahrt werden kann. Diese Antragsfrist kann aber nach ihrem Sinn und Zweck nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Räumungsverpflichtung zeitlich nicht mit dem Vergleichsabschluss zusammenfällt bzw. mindestens zwei Wochen zwischen diesen beiden Zeitpunkten liegen. Dies wurde vom Gesetzgeber übersehen. Ein zeitlich unbefristetes Antragsrecht ist mit Sinn und Zweck der Vorschrift aber ebenfalls nicht in Einklang zu bringen, so dass die Zweiwochenfrist analog § 794a Abs. 1 S. 2 ZPO ab Vergleichsabschluss zu laufen beginnt5. Allerdings ist in dieser Konstellation im Rahmen der vorzunehmenden Interessen- 202 abwägung zu berücksichtigen, dass der Mieter eine sofortige Räumungsverpflichtung eingegangen ist. Umstände, die bei Vergleichsabschluss bekannt waren, können die

1 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIV 176. 2 LG Stuttgart v. 19.3.1991 – 2 T 222/91, WuM 1992, 32; LG Bremen v. 2.5.1991 – 2 T 193/91, WuM 1991, 564; LG Hamm v. 10.6.1988 – 3 T 114/88, WuM 1988, 316. 3 Thomas/Putzo/Hüßtege, § 794a ZPO Rz. 4. 4 Schmidt-Futterer/Blank, nach §§ 574–574c BGB Anhang 2 Rz. 12; Zöller/Stöber, § 794a ZPO Rz. 3. 5 Zöller/Stöber, § 794a ZPO Rz. 3.

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Bewilligung einer Räumungsfrist nicht rechtfertigen (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 204), da der Mieter durch den Vergleichsabschluss zum Ausdruck gebracht hat, dass derzeit keine Gründe gegen einen sofortigen Auszug bestehen. Hierin ist ein (konkludenter) Verzicht auf die Anführung von bekannten Umständen zu sehen. Eine Räumungsfrist bei Eingehung einer sofortigen Räumungsverpflichtung wird daher nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht kommen. 6. Interessenabwägung 203 Wie bei § 721 ZPO hat das Gericht im Rahmen einer Abwägung der widerstreitenden Interessen über die Gewährung und die Dauer einer Räumungsfrist zu befinden (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 156 ff.). 204 Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass den Interessen des Mieters bei Abschluss des Räumungsvergleichs bereits Rechnung getragen wurde. Deshalb kann ein (zusätzlicher) Räumungsschutz nur noch im eingeschränkten Umfang gewährt werden. Umstände, welche zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bereits bekannt waren, den Mieter hiervon aber nicht abgehalten haben, können nun nachträglich nicht angeführt werden, um eine Räumungsfrist herbeizuführen. Dies würde einen zu großen Eingriff in die Privatautonomie der Vertragsparteien darstellen, welcher nicht gerechtfertigt werden kann. Durch den Abschluss des Vergleichs hat der Mieter zum Ausdruck gebracht, dass die bereits bekannten Umstände für ihn nicht derart relevant sind, dass sie eine verlängerte Räumungsfrist gebieten. Hieran muss er sich festhalten lassen. 205 Relevant sind allein neue, nach Vergleichsabschluss eingetretene, wesentliche Ereignisse, die vorher nicht oder zumindest nicht klar zu übersehen waren1. Letzteres liegt z.B. vor, wenn trotz über das erforderliche Maß hinausgehenden Bemühungen kein Ersatzwohnraum zu finden ist. Die entsprechenden Bemühungen sind von dem Mieter in prüfbarer Weise darzulegen. Dies gilt auch für sozial schwache Familien, bei denen nicht von vornherein angenommen werden kann, dass sie auf dem großstädtischen Wohnungsmarkt chancenlos sind2. In solchen Fällen kann dem Mieter abverlangt werden, auch im städtischen Randgebiet oder ländlicheren Gegenden nach Ersatzwohnraum zu suchen. Längere Auslandsurlaube können den Mieter nicht entlasten3. 7. Verlängerung und Verkürzung 206 Auf Antrag ist die Verlängerung oder Verkürzung der Räumungsfrist gemäß § 794a Abs. 2 ZPO möglich. Dies gilt nur für die nach § 794a Abs. 1 ZPO gewährte Räumungsfrist. Eine im Vergleich selbst gewährte Frist kann nur nach § 794 Abs. 1 ZPO selbst verlängert werden (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 6). Ob eine Verlängerung oder Verkürzung der Räumungsfrist in Betracht kommt, ist anhand einer erneuten Interessenabwägung zu ermitteln wie bei § 721 ZPO (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 156 ff.). 207 Haben die Parteien eines gerichtlichen Räumungsvergleichs außergerichtlich eine Räumungsfrist vereinbart oder eine solche verlängert, kann diese nicht nach § 794a Abs. 2 ZPO nochmals – nun durch das Gericht – verlängert werden4. Sowohl der Wortlaut als auch die Systematik der Vorschrift verbieten eine solche Auslegung. Dem kann auch nicht der Grundsatz der Prozessökonomie und der wirksame Schuldnerschutz entgegengehalten werden5. Auf diese Weise würde eine Zuständigkeit des Gerichts begründet, die das Gesetz nicht vorsieht. Der Mieter ist auch nicht schutzlos, da Härtefälle über § 765a ZPO abgedeckt sind. 1 LG Waldshut-Tiengen v. 19.7.1993 – 1 T 21/93, WuM 1993, 621; LG Kiel v. 1.10.1990 – 1 T 114/90, WuM 1993, 555; LG Darmstadt v. 12.9.1989 – 5 T 1012/89, WuM 1990, 28; a.A. LG Mannheim v. 6.7.1993 – 4 T 176/93, ZMR 1994, 21. 2 So aber LG Mannheim v. 26.11.1992 – 4 T 318/92, WuM 1993, 62. 3 LG Stuttgart v. 3.7.1990 – 2 T 500/90, WuM 1990, 447. 4 So auch LG Wuppertal, 24.1.1967 – 6 T 33/67, NJW 1967, 832; A.A. LG Essen v. 5.6.1967 – 11 T 206/67, NJW 1968, 162; LG Ulm v. 30.5.1980 – 1 T 17/80, MDR 1980, 944. 5 A.A. LG Ulm v. 30.5.1980 – 1 T 17/80, MDR 1980, 944.

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8. Dauer der Räumungsfrist Die maximale Dauer der Räumungsfrist beträgt gemäß § 794a Abs. 3 ZPO ein Jahr, 208 gerechnet ab dem Tag des Vergleichsabschlusses. Ist im Vergleich selbst bereits eine Räumungsfrist vereinbart, ist der Tag maßgeblich, an dem die Räumung erfolgen soll. Die Parteien können aber auch für diesen Fall vereinbaren, dass die Frist ab dem Tag des Vergleichsabschlusses zu laufen beginnen soll1, womit der Mieter teilweise auf seine Rechte aus § 794a ZPO verzichtet. Gewährt das angerufene Gericht eine länger als von § 794a Abs. 3 ZPO vorgesehene Frist, ist diese wirksam, auf eine sofortige Beschwerde hin aber aufzuheben. 9. Prozessuales Zuständig für die Entscheidung über den Räumungsfristantrag ist das Amtsgericht, 209 in dessen Bezirk der zu räumende Wohnraum liegt. Hinsichtlich des Verfahrens ergeben sich keine Unterschiede zu § 721 ZPO (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 179 ff.). Als Rechtsmittel gegen die Gewährung einer Räumungsfrist nach § 794a Abs. 1 ZPO 210 bzw. deren Verlängerung oder Verkürzung nach § 794a Abs. 2 ZPO findet gemäß § 794a Abs. 4 ZPO die sofortige Beschwerde statt. Eine Anschlussbeschwerde ist statthaft, § 567 Abs. 3 ZPO (vgl. § 546 BGB Rz. 189). Räumt der Mieter nach Einlegung des Rechtsmittels, entfällt das Rechtsschutz- 211 bedürfnis wegen § 571 Abs. 2 BGB nicht. Der Mieter hat auch weiterhin ein Interesse an der gerichtlichen Entscheidung. Anderen Räumungsschuldnern kommt dieses Haftungsprivileg nicht zugute, so dass für sie das Rechtsschutzbedürfnis entfällt und sie daher das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache für erledigt erklären müssen. III. Räumungsschutz nach § 719 ZPO § 719 ZPO Einstweilige Einstellung bei Rechtsmittel und Einspruch (1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war. (2) Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen. (3) Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Legt der Mieter Einspruch oder Berufung gegen ein Versäumnis- oder streitiges Ur- 212 teil ein, kann er gemäß den §§ 719 Abs. 1, 707 ZPO die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragen. Das Rechtsmittel muss eingelegt sein. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt nicht2. Die Zwangsvollstreckung ist nur bei hinreichender Erfolgsaussicht der Berufung ein- 213 zustellen und grundsätzlich nur gegen Sicherheit, es sei denn, dass der Mieter glaubhaft gemacht hat, zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage zu sein und die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, § 707 Abs. 1 ZPO. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil hingegen darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Versäumnis-

1 LG München I v. 4.11.1983 – 14 T 19261/83, WuM 1987, 66. 2 Thomas/Putzo/Hüßtege, § 719 ZPO Rz. 2.

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urteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass die Säumnis unverschuldet war, § 719 Abs. 1 S. 2 ZPO. 214 Wird Revision eingelegt, wird die Zwangsvollstreckung auf Antrag gemäß § 719 Abs. 2 ZPO einstweilen eingestellt, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und kein überwiegendes Interesse des Vermieters entgegensteht. Nicht unersetzlich sind Nachteile, die der Schuldner selbst vermeiden kann1. Deshalb kann ein entsprechender Antrag grundsätzlich nur dann mit Aussicht auf Erfolg eingereicht werden, wenn ein inhaltlich begründeter Antrag nach § 712 ZPO in der vorangegangenen Instanz gestellt wurde2. In besonders gelagerten Fällen sind Ausnahmen denkbar, z.B. wenn der Vermieter gegenüber dem Mieter den Eindruck erweckt, er werde vor Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung nicht vollstrecken, auch wenn kein Schutzantrag nach § 712 ZPO gestellt wird3. 215 Zuständig für die Einstellung ist hier der BGH. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss, der unanfechtbar ist, entsprechend § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO. IV. Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO § 765a ZPO Vollstreckungsschutz (1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen. (2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war. (3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war. (4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist. (5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses. 1. Allgemeines 216 Der Mieter kann im Rahmen der Zwangsvollstreckung gemäß § 765a ZPO4 Räumungsschutz beantragen, wenn die Vollstreckungsmaßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Vermieters wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist5. Die Vorschrift gilt nicht 1 BGH v. 18.7.2012 – VIII ZR 107/12, ZMR 2013, 25. 2 BGH v. 18.7.2012 – VIII ZR 107/12, ZMR 2013, 25; BGH v. 29.7.2004 – III ZR 263/04, NJW-RR 2005, 147. 3 BGH v. 23.5.2006 – VIII ZR 28/06, NZM 2006, 909. 4 Zur historischen Entwicklung vgl. Weyhe, NZM 2000, 1147. 5 BGH v. 14.1.2010 – I ZB 34/09, WuM 2010, 250. Zur grundsätzlichen Gewährung einer Räumungsfrist über § 765a ZPO bei einer Vollstreckung aus einem Zuschlagsbeschluss vgl. LG Augsburg v. 3.3.2010 – 4 T 4849/09, zitiert nach juris.

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nur für Wohnräume, sondern für jede Zwangsvollstreckungsmaßnahme und damit auch für sonstige Räumlichkeiten1. Die Vorschrift gilt nicht im Erkenntnisverfahren. In diesem kann sich der Mieter von 217 Wohnraum gegebenenfalls auf § 574 BGB berufen. 2. Konkurrenz zu anderen Vollstreckungsschutzvorschriften Der Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO und die Regeln über die Bewilligung einer 218 Räumungsfrist nach den §§ 721, 794a ZPO schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern sind grundsätzlich nebeneinander anwendbar2. Allerdings kommt die Gewährung von Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO nur dann in Betracht, wenn andere vollstreckungsrechtliche Schutzvorschriften erschöpft sind oder nicht zur Anwendung kommen3. Andernfalls fehlt einem Antrag nach § 765a ZPO das Rechtsschutzbedürfnis. Sind die Antragsfristen abgelaufen4, wobei es auf ein Verschulden nicht ankommt, oder ist die gesetzlich zulässige Räumungsfrist ausgereizt5 oder soll sie überschritten werden6, kommt ein Antrag auf Vollstreckungsschutz nach dieser Vorschrift wieder in Betracht. Bei anderen Räumen als Wohnräumen scheidet eine Räumungsfrist nach den §§ 721, 219 794a ZPO von vornherein aus, so dass Vollstreckungsschutz nur über § 765a ZPO erlangt werden kann. Ist ein Berufungsverfahren anhängig und betreibt der Vermieter aus dem erst- 220 instanzlichen Räumungsurteil die Zwangsvollstreckung, ist umstritten, ob der Mieter neben den §§ 707, 719 ZPO auch nach § 765a ZPO Vollstreckungsschutz beantragen kann. Teilweise wird dies angenommen, da ein Vorrang einer der Vorschriften nicht zu erkennen sei7. Dies ist unzutreffend. § 765a ZPO ist eine Ausnahmevorschrift, mit der ganz besonderen Umständen Rechnung getragen werden soll. Kann der Mieter noch nach anderen Vorschriften Vollstreckungsschutz erlangen, ist er gehalten, zunächst diese Möglichkeiten zu ergreifen8. Sind Antragsfristen für anderweitigen Vollstreckungsschutz abgelaufen, ohne dass 221 der Mieter einen Antrag auf Vollstreckungsschutz gestellt hat, kann dies bei der Interessenabwägung, die im Rahmen des § 765a ZPO vorzunehmen ist, zu Ungunsten des Mieters berücksichtigt werden9. Dies kann insbesondere im Rahmen eines Revisionsverfahrens von Bedeutung werden, da ein Antrag nach § 719 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nur dann erfolgreich gestellt werden kann, wenn ein inhaltlich begründeter Antrag nach § 712 ZPO in der vorangegangenen Instanz gestellt wurde10. In diesem Fall greift dann wieder § 765a ZPO. Hat der Mieter bereits im Erkenntnisverfahren ein Fortsetzungsverlangen nach 222 §§ 574 ff. BGB geltend gemacht und wurde dieses zurückgewiesen oder ein solches unterlassen, obwohl die Voraussetzungen vorlagen, können die gleichen Gründe dann nicht zur Begründung eines – strengeren Anforderungen unterliegenden – Vollstreckungsschutzantrages nach § 765a ZPO herangezogen werden. Mit diesem Vorbrin1 LG Gießen v. 28.5.2002 – 7 T 323/02, DGVZ 2002, 121. 2 OLG Nürnberg v. 11.12.2000 – 4 W 3613/00, 4 W 3614/00, MDR 2001, 835; LG Mönchengladbach v. 1.4.2005 – 5 T 114/05, Rpfleger 2005, 614; LG Essen v. 25.9.2001 – 11 T 293/01, Rpfleger 2002, 162. 3 BGH v. 4.7.2007 – VII ZB 15/07, NJW 2007, 2703; OLG Zweibrücken v. 14.2.2002 – 3 W 6/02, MDR 2002, 720 = NZM 2002, 925; Schuschke/Walker, § 765a Rz. 6; Walker/Gruß, NJW 1996, 352. 4 LG Darmstadt v. 24.1.2000 – 5 T 44/00, NZM 2000, 376. 5 OLG Köln v. 14.6.1995 – 2 W 96/95, ZMR 1995, 535; OLG Frankfurt v. 18.8.1980 – 20 W 484/80, WuM 1981, 46. 6 OLG Frankfurt v. 18.8.1980 – 20 W 484/80, JurBüro 1980, 1898; Zöller/Stöber, § 765a ZPO Rz. 13. 7 Schmidt-Futterer/Blank, nach §§ 574–574c BGB Anhang 3 Rz. 6. 8 So auch BGH v. 4.7.2007 – VII ZB 15/07, NJW 2007, 2703; OLG Zweibrücken v. 14.2.2002 – 3 W 6/02, MDR 2002, 720 = NZM 2002, 925; Prütting/Gehrlein/Scheuch, § 765a ZPO Rz. 6. 9 MünchKomm/Heßler, § 765a ZPO Rz. 59, 75; Prütting/Gehrlein/Scheuch, § 765a ZPO Rz. 6. 10 BGH v. 29.7.2004 – III ZR 263/04, NJW-RR 2005, 147.

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gen ist der Mieter präkludiert. Andernfalls würde die Rechtskraft des Räumungsurteils unterlaufen1. Eine solche Präklusion ist dem Gesetz auch nicht fremd. Vielmehr führt die unterlassene Geltendmachung von Einwendungen im Erkenntnisverfahren auch in anderen Konstellationen zur Präklusion mit Rechtskraft des Urteils, z.B. § 767 Abs. 2 ZPO. Versäumnisse im Erkenntnisverfahren können nicht auf der Ebene des Zwangsvollstreckungsverfahrens geheilt werden. 223 Allein nachträglich aufgetretene Umstände können im Rahmen des Vollstreckungsschutzes berücksichtigt werden, ebenso wie Umstände, die im Rahmen der §§ 574 ff. BGB unbeachtlich sind. Insoweit ist die Sachlage anders zu beurteilen als bei einem unterlassenen Antrag auf Gewährung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO. Dies folgt bereits daraus, dass das Prozessgericht bereits von Amts wegen zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen zur Gewährung einer Räumungsfrist vorliegen. Zudem berührt die Räumungsfrist selbst nicht die materiell-rechtliche Räumungs- und Herausgabeverpflichtung des Mieters, sondern nur die vollstreckungsrechtliche Durchsetzbarkeit derselben, so dass eine Präklusion nicht in Betracht kommt. 3. Voraussetzungen a) Antrag 224 Räumungsschutz gemäß § 765a ZPO wird nur auf Antrag des Mieters gewährt. Dieser kann auch bereits bei einer drohenden Zwangsvollstreckung gestellt werden, es müssen keine konkreten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen abgewartet werden2. Fallen die Räumlichkeiten in die Insolvenzmasse, steht das Antragsrecht nur dem Insolvenzverwalter zu3, nicht aber dem Mieter. Etwas anders gilt dann, wenn der Insolvenzverwalter die Räume, wegen derer die Zwangsräumung betrieben wird, freigibt4. Allerdings entfällt die Antragsbefugnis des Mieters nur, soweit dessen Vermögen betroffen ist. Unberührt bleibt die Befugnis, Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO wegen der Gefahr der Selbsttötung des Schuldners oder eines nahen Angehörigen zu beantragen, weil nur so dem Bedeutungsgehalt des Grundrechts auf Leben aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG Rechnung getragen werden kann. Das verfassungsrechtliche betroffene Schutzgut ist in diesem Fall nicht das Eigentum des Schuldners, sondern dessen Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit5. Auch bei der Eigenverwaltung steht dem Mieter das Antragsrecht zu. 225 Für die Vertretung ist § 79 ZPO zu beachten. Der Antrag muss nicht als Antrag nach § 765a ZPO bezeichnet werden. Es genügt, wenn er erkennen lässt, dass der Mieter die Zwangsvollstreckung für sittenwidrig und damit als unzulässig ansieht. Gegebenenfalls ist eine Erinnerung als Antrag auf Gewährung von Räumungsschutz auszulegen. Der Antrag ist zulässig bis zum Ende der Räumungsvollstreckung. Dieses tritt grundsätzlich erst dann ein, wenn der Gerichtsvollzieher das Schloss gewechselt und das Räumungsgut in die Pfandkammer verbracht hat. Je nach gewähltem Räumungsmodell (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 70 ff.) kann dieser Zeitpunkt aber variieren. 226 Der Antrag kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung zurückgenommen werden, also auch noch im Beschwerdeverfahren. In diesem Fall wird ein bereits erfolgter Beschluss über den Antrag auf Gewährung von Vollstreckungsschutz wirkungslos, ohne dass es einer besonderen Aufhebung bedarf. Nach Rechtskraft kommt nur ein Antrag auf Änderung oder Aufhebung gemäß § 765a Abs. 4 ZPO in Betracht.

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Walker/Gruß, NJW 1996, 352; Bloedhorn, DGVZ 1976, 104. LG Heilbronn v. 22.4.1993 – 1b T 48/93 Be, WuM 1993, 364. BVerfG v. 18.7.1979 – 1 BvR 655/79, NJW 1979, 2510. BGH v. 18.12.2008 – V ZB 57/08, MDR 2009, 348 = WuM 2009, 140; BGH v. 18.10.2007 – V ZB 141/06, MDR 2008, 105 = ZfIR 2008, 150. 5 BGH v. 12.3.2009 – V ZB 155/08, WuM 2009, 314; BGH v. 18.12.2008 – V ZB 57/08, MDR 2009, 348 = WM 2009, 358; vgl. BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 77/08, BGH v. 16.10.2008 – IX ZB 77/08, MDR 2009, 226 = NJW 2009, 78.

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Der Mieter kann auf den Vollstreckungsschutz nicht vorab, z.B. bei einem gericht- 227 lichen Räumungsvergleich verzichten1, auch nicht während der Vollstreckung vor der Wirksamkeit der jeweiligen Vollstreckungsmaßnahmen2. Ein unwirksamer Verzicht auf den Vollstreckungsschutz des § 765a ZPO kann in einen Verzicht auf Gewährung einer Räumungsfrist gemäß § 721 oder § 794a ZPO umgedeutet werden3. b) Antragsfrist Der Antrag auf Gewährung von Räumungsschutz gemäß § 765a ZPO ist fristgebun- 228 den und muss nach Abs. 3 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin gestellt werden. Die Fristberechnung erfolgt wie bei den Fristen nach § 721 Abs. 2, 3 S. 2 ZPO (vgl. Anhang § 546 BGB Rz. 176)4. Der Antrag ist spätestens an dem Wochentag zu stellen, der dem zwei Wochen später bestimmten Räumungstag entspricht. Bei § 765a Abs. 3 ZPO handelt es sich grundsätzlich um eine zwingende Regelung. 229 Die Ausgestaltung als Soll-Vorschrift wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens erörtert5, aber nicht umgesetzt. Hierdurch soll den berechtigten Interessen des Vermieters an der Durchsetzung einer titulierten Räumungsverpflichtung Rechnung getragen werden. Insbesondere besteht die Gefahr, dass vom Vermieter in Hinblick auf die bevorstehende Räumung bereits getätigte Aufwendungen nutzlos werden und zusätzliche Kosten entstehen. Der Mieter selbst ist auch nicht schutzlos, da die durch das Gesetz eingeräumte Frist ausreichend ist, um entsprechende Maßnahmen zur Erlangung von Räumungsschutz einzuleiten. Ein nach Ablauf der Frist gestellter Antrag ist ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig zurückzuweisen6. Sind die Umstände, auf denen der begehrte Räumungsschutz gründet, erst nach Frist- 230 ablauf entstanden oder wurde die Frist unverschuldet versäumt, kann ausnahmsweise auch noch in den letzten zwei Wochen vor dem Räumungstermin Vollstreckungsschutz beantragt werden7. Unverschuldet ist die Versäumung der Antragsfrist z.B. dann, wenn der Räumungstermin nicht rechtzeitig durch den Gerichtsvollzieher angekündigt wurde oder der Ersatzwohnraum zerstört oder unbewohnbar wird. Auch eine kurzfristige schwere Erkrankung kann ein fehlendes Verschulden begründen. Voraussetzung ist aber, dass der Mieter auch mit Hilfe eines Angehörigen nicht mehr in der Lage ist, einen Rechtsanwalt mit der Antragstellung zu beauftragen8. Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand kommt nicht in Betracht, da es sich 231 bei der Frist des § 765a Abs. 3 ZPO nicht um eine Notfrist handelt9. Gewährt das Vollstreckungsgericht dennoch Wiedereinsetzung, ist das Beschwerdegericht hieran nicht gebunden. § 238 Abs. 3 ZPO greift nicht, da eine Wiedereinsetzung bereits dem Grunde nach nicht in Betracht kommt10. Liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung aber im Übrigen vor, ist die Fristversäumung regelmäßig unverschuldet, so dass bereits ohnehin noch ein Antrag auf Gewährung von Räumungsschutz gestellt werden kann. Die Darlegungs- und Beweislast für die Ausnahmevoraussetzungen obliegt dem Mieter. Die Glaubhaftmachung genügt nicht11.

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LG Aachen v. 13.2.1995 – 6 T 7/95, WuM 1996, 568. OLG Hamm v. 30.9.1959 – 15 W 383/59, NJW 1960, 104. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIV 176. Hierzu ausführlich Weyhe, NZM 2000, 1147. BT-Drucks. 13/341, S. 4. Zöller/Stöber, § 765a ZPO Rz. 19b. LG Mönchengladbach v. 27.1.2000 – 5 T 25/00, WE 2001, 136. OLG Köln v. 6.5.1999 – 2 W 116/99, NZM 2001, 495. Zöller/Stöber, § 765a ZPO Rz. 19b; Schultes, DGVZ 1999, 1; Weyhe, NZM 2000, 1147. Weyhe, NZM 2000, 1147. Stein/Jonas/Münzberg, § 765a ZPO Rz. 22; a.A. Prütting/Gehrlein/Scheuch, § 765a ZPO Rz. 24; Zöller/Stöber, § 765a ZPO Rz. 19b.

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c) Interessenabwägung 232 Vollstreckungsschutz ist zu gewähren, wenn die Zwangsräumung unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte darstellt, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Als Ausnahmevorschrift ist § 765a ZPO eng auszulegen1. 233 Ob die Voraussetzungen für die Einstellung der Zwangsräumung vorliegen, ist im Rahmen einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zu ermitteln. In Hinblick auf den Charakter als Ausnahmevorschrift bedarf es eines besonderen Missverhältnisses zwischen den für und gegen die Zwangsvollstreckung sprechenden Interessen, so dass kein Raum für Zweifel bleibt2. aa) Berücksichtigungsfähige Gesichtspunkte 234 Allein der Umstand, dass die Zwangsvollstreckung betrieben wird, begründet noch keine Härte i.S.d. Vorschrift3, auch dann nicht, wenn es sich um einen nur vorläufig vollstreckbaren Titel handelt und das Berufungsgericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung abgelehnt hat4. Die sittenwidrige Härte kann sich sowohl aus der Art oder dem Zeitpunkt der Vollstreckung ergeben, z.B. wenn Ersatzwohnraum bereits gefunden ist, aber ein Zwischenumzug notwendig wäre. Ein bloß notwendiger Zwischenumzug genügt nicht5. Wurde noch kein Ersatzwohnraum gefunden, bedarf es zumindest der Darlegung, dass innerhalb des als Vollstreckungsschutz beantragten Zeitraums eine neue Wohnung angemietet werden kann. Andernfalls wäre die Gewährung von Vollstreckungsschutz sinnlos. Die Einstellung kann vorübergehend oder in absoluten Ausnahmesituationen dauerhaft sein6. 235 Die sittenwidrige Härte kann sich auch aus Umständen ergeben, die nicht in der Person des Mieters begründet sind, sondern wenn nahe Angehörige, z.B. wegen Suizidgefahr7 oder sonstiger Umstände, betroffen sind. 236 Mindestvoraussetzung für eine Einstellung ist aber, dass die Zahlung der Nutzungsentschädigung sichergestellt ist (vgl. auch Anhang § 546 BGB Rz. 1598. Auch ansonsten dürfen dem Vermieter durch die Einstellung keine schweren finanziellen Nachteile entstehen. Drohen dem Vermieter, der das Objekt bereits verkauft hat – wenn auch noch keine Eigentumsumschreibung erfolgt ist – eine Vertragsstrafe oder der Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag und damit verbunden erhebliche Vermögenseinbußen, kann es an einem Überwiegen der Interessen des Mieters fehlen9. bb) Gefahr für Leben und Gesundheit 237 Der Umstand, dass die Zwangsvollstreckung mit einer konkreten Gefahr für Leben oder Gesundheit des Mieters einhergeht, begründet allein noch keine sittenwidrige Härte10. Im Rahmen der Interessenabwägung ist vielmehr zu berücksichtigen, ob der Mieter selbst Maßnahmen ergreifen kann, um die mit der Zwangsvollstreckung einhergehenden Härten abzumildern. Beruft sich der Mieter darauf, dass bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Suizidgefahr für ihn oder einen Haushaltsangehö-

1 BGH v. 8.2.2007 – IX ZR 215/05, MDR 2007, 863 = NJW-RR 2007, 720. 2 LG Braunschweig v. 4.9.1991 – 8 T 582/91, DGVZ 1991, 187; Zöller/Stöber, § 765a ZPO Rz. 6. 3 BGH v. 25.6.2004 – IXa ZB 267/03, MDR 2005, 55 = NJW 2004, 3635; OLG Zweibrücken v. 14.2.2002 – 3 W 6/02, MDR 2002, 720 = NJW-RR 2002, 1664; LG Rostock v. 4.11.2002 – 2 T 351/02, DGVZ 2003, 155. 4 Zöller/Stöber, § 765a ZPO Rz. 14. 5 Zöller/Stöber, § 765a ZPO Rz. 12; LG Köln v. 12.10.2010 – 10 T 287/10, n.v. 6 BVerfG v. 27.6.2005 – 1 BvR 224/05, NZM 2005, 657; BVerfG v. 8.9.1997 – 1 BvR 1147/97, WuM 1997, 591; BGH v. 22.11.2007 – I ZB 104/06, NZM 2008, 163. 7 BGH v. 4.5.2005 – I ZB 10/05, WuM 2005, 407. 8 AG Hamburg v. 19.9.2008 – 49 M 61/08, zitiert nach juris. 9 Vgl. OLG Köln v. 30.4.1993 – 2 W 50/93, NJW 1993, 2248. 10 BGH v. 15.7.2010 – V ZB 1/10, WuM 2010, 587; BGH v. 14.6.2007 – V ZB 28/07, WM 2007, 1667; BGH v. 6.12.2007 – V ZB 67/07, NJW 2008, 586.

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Anhang § 546 BGB

rigen1 besteht, hat er diese darzulegen. An fachärztliche Atteste sind insoweit hohe Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss den Attesten entnommen werden können, aufgrund welcher Umstände und Untersuchungen welche gesundheits- und lebensbedrohlichen Konsequenzen mit welchem Grad der Wahrscheinlichkeit für den Mieter oder dessen Haushaltsangehörigen im Falle einer Zwangsräumung zu befürchten sind. Die Wiedergabe einer persönlichen Einschätzung des Mieters über den eigenen Gesundheitszustand genügt nicht2. Die Qualifizierung einer drohenden Selbsttötung als „Bilanzselbstmord“ führt nicht zwangsläufig zu einer Versagung von Vollstreckungsschutz. Auch in dieser Konstellation ist eine Gefahr für das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf Schutz von Leben und Gesundheit gefährdet, was zu berücksichtigen ist3. Gelangt das Gericht zu der Annahme einer Gefährdung von Leib und Leben für den 238 Mieter, hat es sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung zu begegnen ist. Hierzu gehören insbesondere zumutbare Anstrengungen des Suizidgefährdeten selbst4, z.B. die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe, u.U. auch der Antritt eines stationären Klinikaufenthaltes. Zudem kommt auch eine Ingewahrsamnahme des Betroffenen oder gar die Unterbringung nach etwaigen landesrechtlichen Normen in Betracht5. Die Anforderungen an die Einstellung der Zwangsvollstreckung sind in diesen Fällen hoch anzusetzen. Dem Vermieter steht der in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz zu. Die nach dem Sozialstaatsprinzip dem Staat und damit der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben dürfen nicht im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens dem Vermieter auferlegt werden6. Daher sind die Vollstreckungsorgane gegebenenfalls auch angehalten, bei den zuständigen Stellen eine Betreuung anzuregen7. Ist das Gericht von einer konkreten Gefahr für Leben und Gesundheit überzeugt, 239 kann die Zwangsvollstreckung zunächst eingestellt werden. Die Einstellung ist aber zu befristen und mit Auflagen zu versehen, die darauf gerichtet sind, die Gesundheit des Schuldners wiederherzustellen, z.B. dem Mieter aufzugeben, sich in ambulante oder stationäre fachärztliche Behandlung zu begeben und den Verlauf der Behandlung durch Vorlage von fachärztlichen Bescheinigungen bis zum Ablauf der Befristung darzulegen8. Obwohl ausreichende Gründe vorliegen, scheidet dennoch eine Einstellung der 240 Zwangsvollstreckung aus, wenn erhebliche Interessen des Vermieters entgegenstehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Gläubiger selbst suizidgefährdet ist oder sonstige erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen zu befürchten sind, sofern er seinen titulierten Anspruch nicht durchsetzen kann. In dieser Konstellation kann die Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht damit begründet werden, dass das Versterben des Mieters nicht weniger schwerwiegend sei als das Versterben des Vermieters9. Voraussetzung für die Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nämlich ein derart deutliches Überwiegen der Mieterinteressen, dass eine sittenwidrige Härte anzunehmen ist. Bei gleicher Betroffenheit der Parteien ist diese Situation gerade nicht gegeben.

1 BGH v. 22.11.2007 – I ZB 104/06, WuM 2008, 36; vgl. BGH v. 12.3.2009 – V ZB 155/08, WuM 2009, 314. 2 AG Hamburg v. 21.11.2005 – 46 M 115/05, zitiert nach juris. 3 BVerfG v. 16.8.2001 – 1 BvR 1002/01, WuM 2001, 482. 4 BVerfG v. 20.5.2003 – 1 BvR 922/03, ZMR 2003, 729; BGH v. 15.7.2010 – V ZB 1/10, WuM 2010, 587. 5 BGH v. 24.11.2005 – V ZB 99/05, MDR 2006, 775 = NJW 2006, 505; BGH v. 4.5.2005 – I ZB 10/05, NJW 2005, 1859. 6 BGH v. 14.1.2010 – I ZB 34/09, WuM 2010, 250; vgl. BGH v. 4.5.2005 – I ZB 10/05, NJW 2005, 1859. 7 BGH v. 4.5.2005 – I ZB 10/05, NJW 2005, 1859. 8 BGH v. 14.1.2010 – I ZB 34/09, WuM 2010, 250. 9 So wohl Dorn, Rpfleger 1989, 262.

Dickersbach

773

Anhang § 546 BGB

Räumungszwangsvollstreckung

241 Wurde das Mietverhältnis aus wichtigem Grund von dem Vermieter fristlos gekündigt, ist regelmäßig kein Raum für den Vollstreckungsschutz des § 765a ZPO. Kann der Vermieter das Mietverhältnis mit sofortiger Wirkung beenden, da ihm die Fortsetzung nicht zumutbar ist, werden regelmäßig die Voraussetzungen für die Annahme einer sittenwidrigen Härte nicht vorliegen. Hat der Mieter selbst fristlos gekündigt, kann er aber Vollstreckungsschutz in Anspruch nehmen. d) Materielle Einwendungen und Einreden 242 Materielle Einwendungen und Einreden gegen den titulierten Anspruch, z.B. Verwirkung1 und Erlass, können keine sittenwidrige Härte i.S.d. § 765a ZPO begründen2. Insoweit ist der Vollstreckungstitel im Klageverfahren, vor allem nach § 767 ZPO, anzugreifen, selbst dann, wenn der Mieter behauptet, der Titel sei nicht korrekt erlangt worden, z.B. erschlichen, und die Zwangsvollstreckung daher sittenwidrig3. e) Einzelfälle aus der Praxis 243

l Alter

– –

Einstellung der Zwangsräumung, wenn bei einer 99-jährigen Mieterin, die seit 38 Jahren in der Wohnung lebt, gesundheitliche Nachteile im Falle einer Räumung drohen4,



wenn die über 80 Jahre alten herzkranken Mieter durch das Wohnungsamt eine Wohnung vermittelt erhalten haben, diese aber erst drei Monate nach dem Räumungstermin beziehen können und sie in dieser Zeit in ein Obdachlosenheim ziehen müssten (befristete Einstellung)5, wenn für den über 70 Jahre alten Mieter die Aufnahme in den geplanten Neubau eines Seniorenheims sicher ist, selbst wenn die Neuerrichtung noch mindestens 1 1/4 Jahre dauert6.



244

l Berufstätigkeit



Befristete Einstellung, wenn der Mieter erst vor Jahresfrist eingezogen ist und kurz nach dem Räumungstermin seine Berufsausbildung beenden wird und unabsehbar ist, wo er eine Arbeitsstelle finden wird7.



Keine Einstellung, wenn der Mieter arbeitslos ist, noch keine Ersatzwohnung gefunden hat und für die Ehefrau des Mieters die Gefahr besteht, durch die Zwangsräumung ihren Arbeitsplatz zu verlieren8.

l Ersatzwohnraum/Zwischenumzug

245 – Befristete Einstellung, – –



wenn der Mieter in kurzer Zeit in eine Ersatzwohnung umziehen wird (hier: sechs Wochen nach dem Räumungstermin) und die Zahlung einer Nutzungsentschädigung nachweist9, bei Zwangsräumung einer Familie mit vier Kindern, die alle noch zur Schule bzw. in den Kindergarten gehen, das Schuljahresende wenige Wochen bevorsteht und die Befristung bis dahin zumutbar ist10, wenn eine vierköpfige Familie mit zwei Kleinkindern in einem Vierteljahr den Ersatzwohnraum beziehen kann, ein Zwischenumzug notwendig wäre sowie Nutzungsentschädigung gezahlt wird11,

1 LG Frankenthal v. 25.10.1983 – 1 T 322/83, Rpfleger 1984, 68. 2 OLG Hamm v. 9.8.2001 – 5 W 242/01, NJW-RR 2002, 790. 3 OLG Hamburg v. 20.1.1970 – 6 W 4/70, MDR 1970, 426; OLG Koblenz v. 4.1.1957 – 5 W 444/56, NJW 1957, 1197; a.A. LG Düsseldorf v. 18.11.1958 – 15 T 307/58, MDR 1959, 309. 4 BVerfG v. 8.9.1997 – 1 BvR 1147/97, WuM 1997, 591; BGH v. 13.8.2009 – I ZB 11/09, WuM 2009, 678. 5 AG Lübeck v. 24.3.1969 – 11 C 182/68, WuM 1970, 13; bestätigt durch LG Lübeck v. 10.6.1969 – 7 T 168/69, WuM 1970, 13. 6 AG Sonthofen v. 2.7.1969 – M 355/69, WuM 1969, 173. 7 Vgl. AG Dortmund v. 3.10.1969 – 37 C 416/69, WuM 1970, 13. 8 LG Wiesbaden v. 14.3.1994 – 4 T 149/94, DGVZ 1994, 120. 9 LG Berlin v. 13.10.2009 – 51 T 643/09, GE 2009, 1627. 10 OLG Köln v. 14.6.1995 – 2 W 96/95, NJW-RR 1995, 1163. 11 LG Koblenz v. 14.2.1997 – 2 T 66/97, JurBüro 1997, 553.

774

Dickersbach

Räumungszwangsvollstreckung –



Anhang § 546 BGB

wenn der alte Vermieter dem neuen potentiellen Vermieter mitteilt, dass Grund für die Beendigung des Mietverhältnisses Zahlungsschwierigkeiten bzw. Zahlungsausfälle gewesen sind und der Abschluss des neuen Mietvertrages deshalb scheitert1, wenn die Errichtung des Eigenheims des Mieters sieben Monate nach dem Räumungstermin abgeschlossen sein wird und der Mieter mit drei Kindern im Alter von fünf bis zehn Jahren in dieser Zeit in ein Obdachlosenasyl ziehen müsste, selbst wenn dringender Eigenbedarf des Vermieters besteht2,



wenn der Mieter drei Tage nach dem Räumungstermin ohnehin auszieht, weil dann seine neue Wohnung bezugsfertig ist3,



wenn die arbeitsunfähig kranke Mieterin, die sich in den vergangenen Monaten intensiv um Ersatzwohnraum bemüht hatte, die die laufende Miete sowie den Mietrückstand ratenweise zahlt und die einen zwölfjährigen Sohn hat, durch eine Obdachlosigkeit in unzumutbarer Weise getroffen würde4.

246

Keine Einstellung, wenn





lediglich auf die Notwendigkeit eines Zwischenumzugs und die damit verbundenen Umzugskosten von 10 000,00 v verwiesen wird5,

– –

die Suche nach Ersatzwohnraum nicht hinreichend betrieben wird6, der Umzug in Ersatzwohnraum erst drei Monate nach dem Räumungstermin erfolgen soll, weil dieser noch kernsaniert werden muss und nicht dargelegt wird, dass kein anderer Ersatzwohnraum gefunden werden konnte7,



ein alleinstehender Mieter erst einen Monat nach dem angesetzten Räumungstermin eine Ersatzwohnung beziehen kann8, die laufende Nutzungsentschädigung nicht gezahlt wird und kein Ersatzwohnraum zur Verfügung steht9 und daher Unterbringung in einem Obdachlosenasyl droht10, allein auf den schlechten Zustand der kommunalen Notunterkunft verwiesen wird11,

– – –

der Mieter nach einem Umzug in ein Obdachlosenasyl eine ersthafte Schädigung der Entwicklung seiner Kinder in einem kriminellen Umfeld befürchtet12,



keine Obdachlosigkeit des alleinstehenden Mieters droht, da die Gemeinde verpflichtet ist, eine Notwohnung zur Verfügung zu stellen13,



einer vierköpfigen Familie von der Gemeinde als Notunterkunft (nur) eine Drei-Raumwohnung angeboten wurde14.

l Gesundheitsgefährdung

247

Befristete Einstellung, wenn



1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16



eine ernsthafte Suizidgefahr besteht; ggf. Auflage, sich in fachärztliche Behandlung zu begeben und deren Aufnahme dem Gericht unverzüglich nachzuweisen sowie den Verlauf der Behandlung durch Vorlage von fachärztlichen Bescheinigungen darzulegen15,



im Falle einer Zwangsräumung bei einem nahen Angehörigen des Schuldners eine Suizidgefahr besteht16.

OLG Köln v. 19.5.1995 – 2 W 85/95, ZMR 1995, 413. LG Aachen v. 2.11.1971 – 5 T 2/71, WuM 1973, 174. LG Köln v. 25.2.1969 – 12 T 36/69, WuM 1969, 103. LG Hamburg v. 22.2.1991 – 311 T 12/91, WuM 1991, 360. LG Köln v. 12.10.2010 – 10 T 287/10, n.v.; vgl. auch OLG Zweibrücken v. 31.8.2001 – 3 W 199/01, JurBüro 2002, 49. LG Heilbronn v. 22.4.1993 – 1b T 48/93, DGVZ 1993, 140; LG Hannover v. 20.2.1986 – 8 T 38/86, Rpfleger 1986, 439. LG Köln v. 7.10.2010 – 10 T 266/10, n.v. LG Hamburg v. 12.6.2001 – 307 T 49/01, ZMR 2001, 802. AG Hamburg v. 19.9.2008 – 49 M 61/08, zitiert nach juris; vgl. auch LG Hildesheim v. 28.6.1995 – 5 T 535/95, NJW-RR 1995, 1164. AG Velbert v. 20.1.1988 – 14 M 260/87, DWW 1988, 118. LG Oldenburg v. 1.8.2012 – 6 T 491/12, ZMR 2012, 957. AG Charlottenburg v. 29.6.2007, GE 2007, 1055. LG Münster v. 30.3.2000 – 5 T 303/00, WuM 2000, 314. LG Oldenburg v. 1.8.2012 – 6 T 491/12, ZMR 2012, 957. BGH v. 14.1.2010 – I ZB 34/09, WuM 2010, 250. BGH v. 4.5.2005 – I ZB 10/05, NJW 2005, 1859.

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Anhang § 546 BGB

Räumungszwangsvollstreckung

248 – Keine Einstellung, wenn –

nach einem ärztlichen Attest ein Wohnungswechsel allein deshalb unzumutbar ist, weil eine Veränderung der Wohnverhältnisse aufgrund der hochgradigen Sehbehinderung sich als schwerwiegender Eingriff negativ auf eingespielte Abläufe auswirkt und somit ein erzwungener Umgebungswechsel nicht zu der konkreten Gefahr einer erheblichen Verschlechterung der Augenerkrankung führt1,



eine Besserung des gesundheitlichen Zustandes nicht absehbar ist, aber ein Betreuer bestellt ist, der die notwendigen Schritte – ggf. unter Einbindung von Ärzten – einleiten kann, um den Mieter vor einer Kurzschlusshandlung zu bewahren, z.B. durch eine (erneute) geschlossene stationäre Behandlung2, zur Begründung einer drohenden Gesundheitsbeeinträchtigung ein fachärztliches Attest vorgelegt wird, welches nur die subjektive Einschätzung des Mieters über den eigenen Gesundheitszustand wiedergibt3,







– –

249

l Schwangerschaft



Befristete Einstellung –

bei Geburt eines Kindes, wobei durch den Mieter die Zahlung der Nutzungsentschädigung während der Räumungsfrist sichergestellt sein muss8,

– –

für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt9, für einen Zeitraum von bis zu fünf Tagen nach der Entbindung, wenn sich die Mieterin bislang nicht intensiv um die Beschaffung von Ersatzwohnraum bemüht hat10, wenn der Umzug für die Mieterin eine Fehlgeburt zur Folge haben kann11.



250

l Störung des Hausfriedens



251

Keine Einstellung, bei fortgesetzter Störung des Hausfriedens durch den Mieter12.

l Suizidgefahr



252

nicht nachgewiesen ist, dass eine Kausalität zwischen dem Wohnungswechsel und der Erkrankung des Kindes des Mieters an Neurodermitis und einem ADHS-Syndrom besteht, die zu schwerwiegenden und im Ergebnis nicht tragbaren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen wird4, bei Räumung einer Klinik die Transportfähigkeit der zu verlegenden Patienten ärztlich festgestellt wird und eine Verlegung in eine Klinik mit ausreichender fachlicher Betreuung sichergestellt ist5, der Mieter zum festgesetzten Räumungstermin kurzzeitig stationär im Krankenhaus behandelt werden muss6, Suizidgefahr nicht endgültig feststeht und durch eine Einstellung ein erheblicher finanzieller Schaden für den Vermieter zu befürchten ist, weil eine Vertragsstrafe wegen nicht rechtzeitiger Räumung zugunsten des Erwerbers droht7.

fi Gesundheitsgefährdung

l Zahlungsverzug



Keine Einstellung, wenn – erhebliche Mietrückstände bestehen und Zahlung der Nutzungsentschädigung nicht sichergestellt ist13, –

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

die laufende Nutzungsentschädigung nicht gezahlt wird und kein Ersatzwohnraum zur Verfügung steht14.

LG Augsburg v. 3.3.2010 – 4 T 4849/09, zitiert nach juris. AG Köln v. 25.2.2009 – 288 M 279/09, FamRZ 2009, 1082. AG Hamburg v. 21.11.2005 – 46 M 115/05, zitiert nach juris. LG Rostock v. 4.11.2002 – 2 T 351/02, DGVZ 2003, 155. LG Gießen v. 28.5.2002 – 7 T 323/02, DGVZ 2002, 121. AG Münster v. 4.4.2000 – 10 M 76/00, WuM 2000, 315. OLG Köln v. 30.4.1993 – 2 W 50/93, NJW 1993, 2248. LG Münster v. 5.1.1999 – 5 T 1150/98, DGVZ 2000, 24. LG Bonn v. 25.11.1992 – 6 T 330/92, DGVZ 1994, 75. LG Wuppertal v. 10.1.1994 – 6 T 979/93, DGVZ 1995, 41. OLG Frankfurt v. 18.8.1980 – 20 W 484/80, JurBüro 1980, 1898. LG Hamburg v. 2.12.2005 – 316 T 77/05, zitiert nach juris. LG Hildesheim v. 28.6.1995 – 5 T 535/95, MDR 1995, 1010 = DWW 1995, 316. AG Hamburg v. 19.9.2008 – 49 M 61/08, zitiert nach juris; vgl. auch LG Hildesheim v. 28.6.1995 – 5 T 535/95, NJW-RR 1995, 1164.

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Räumungszwangsvollstreckung

Anhang § 546 BGB

4. Eilentscheidung des Gerichtsvollziehers Im Rahmen der Räumungsvollstreckung kann der Gerichtsvollzieher gemäß § 765a 253 Abs. 2 ZPO im Wege einer Eilentscheidung die Räumung bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts aufschieben. Voraussetzung ist, dass der Mieter glaubhaft macht, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Räumungsschutz nach § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO vorliegen und dem Mieter die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts noch nicht möglich war. Ist bereits ein Antrag nach § 765a Abs. 1 ZPO gestellt, scheidet ein Vorgehen nach § 765a Abs. 2 ZPO aus, da eine einstweilige Anordnung bei dem Vollstreckungsgericht beantragt werden kann. Ein Aufschub von mehr als einer Woche ist nicht möglich, selbst dann nicht, wenn die Notlage des Schuldners offenkundig ist1.

254

5. Prozessuales a) Zuständigkeit Sachlich zuständig für die Entscheidung über einen Antrag auf Räumungsschutz ist 255 das Vollstreckungsgericht. Nach § 20 Nr. 17 RPflG entscheidet das Vollstreckungsgericht durch den Rechtspfleger. Gemäß § 764 Abs. 2 ZPO ist als Vollstreckungsgericht das Amtsgericht örtlich zu- 256 ständig, in dessen Gerichtsbezirk die Vollstreckungsmaßnahme stattfindet, bei der Zwangsräumung von Wohn- und Gewerberäumen also stets das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Räumlichkeiten liegen. Die Zuständigkeit ist gemäß § 802 ZPO ausschließlich. Es besteht kein Anwaltszwang. § 139 ZPO ist zu beachten2. Vor der Entscheidung ist dem Vermieter rechtliches Gehör zu gewähren. Dies folgt nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG, da dieser in einem Verfahren vor dem Rechtspfleger keine Anwendung findet, aber aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG. Die mündliche Verhandlung ist fakultativ, §§ 764 Abs. 3, 128 Abs. 4 ZPO. Der Vermie- 257 ter kann auch eine Schutzschrift bei dem Vollstreckungsgericht hinterlegen, wenn er mit einem entsprechenden Antrag rechnet3. Das Gericht kann die in § 732 Abs. 2 ZPO bezeichneten Anordnungen erlassen. b) Verfahrensablauf Das Vollstreckungsgericht entscheidet grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung 258 durch Beschluss, der erst mit formeller Rechtskraft wirksam wird, § 765a Abs. 5 ZPO. Auf diese Weise werden Nachteile für den die Zwangsvollstreckung betreibenden Vermieter vermieden, die bei sofortiger Wirksamkeit bis zur erneuten Zwangsvollstreckungsmaßnahme im Beschwerdeverfahren eintreten könnten. Eine einstweilige Einstellung der Zwangsräumung in Form der einstweiligen An- 259 ordnung gemäß § 732 Abs. 2 ZPO ist möglich, § 765a Abs. 1 S. 2 ZPO. Die einstweilige Anordnung ist nur mittels der Erinnerung anfechtbar. Eine einstweilige Anordnung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Sachverhalt weiterer Aufklärung bedarf und eine abschließende Entscheidung über den Vollstreckungsschutzantrag noch nicht möglich ist, also z.B. unklar ist, ob die von dem Mieter behauptete Gesundheitsgefährdung tatsächlich besteht. Da die Entscheidung über eine einstweilige Anordnung nur anhand einer summarischen Prüfung erfolgt, besteht die Gefahr des Missbrauchs durch den Mieter, so dass grundsätzlich eine zurückhaltende Handhabung geboten ist. Das Gericht kann die Zwangsräumung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder 260 einstweilen einstellen4. Im Fall der Zwangsräumung wird in einem stattgebenden Be1 2 3 4

AG Hameln v. 10.11.1971 – 12 M 2093/71, DWW 1972, 83. BGH v. 13.3.2008 – I ZB 59/07, GuT 2008, 214. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIV 202; Lämmer/Muckle, NZM 2008, 69. Ein rechtskräftiger Zuschlagsbeschluss kann aber nicht nach § 765a ZPO aufgehoben werden, BGH v. 1.10.2009 – V ZB 37/09, MDR 2010, 50 = NZM 2009, 878; vor Rechtskraft vgl. BGH v. 12.3.2009 – V ZB 155/08, WuM 2009, 314.

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Anhang § 546 BGB

Räumungszwangsvollstreckung

schluss die Zwangsvollstreckung regelmäßig einstweilen eingestellt. Bereits erfolgte Maßnahmen der Zwangsvollstreckung bleiben bestehen, dass Verfahren ruht aber. Die zeitliche Befristung der einstweiligen Einstellung ist geboten. Im Einzelfall kann auch eine Untersagung der Zwangsräumung auf Zeit1 oder auf Dauer in Betracht kommen. Dies ist aber in der Regel nur auf der Grundlage solcher Umstände gerechtfertigt, die nach Erlass des Urteils eingetreten sind oder in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu berücksichtigen waren, wie z.B. die Erkrankung oder eine Suizidgefahr. Die Aufhebung einer Zwangsräumung kommt von vornherein nicht in Betracht. Lediglich bei Dauermaßnahmen, wie Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen, ist dies denkbar. c) Auflagen 261 Die Entscheidung des Gerichts kann unter Anordnung bestimmter Auflagen erfolgen. Bei der einstweiligen Einstellung der Zwangsräumung kommen insbesondere – anders als im Rahmen des § 721 ZPO – die Erbringung einer Sicherheitsleistung2 oder Zahlungsauflagen für den Mieter3 in Betracht. 262 Die Vorschrift des § 850c ZPO ist insoweit nicht unmittelbar anwendbar, da Gegenstand nicht die direkte Pfändung des Arbeitseinkommens ist. Auch eine entsprechende Anwendung kommt nicht in Betracht. Zum einen ist dem Gesetz eine Herabsetzung der Pfändungsfreigrenze nicht grundsätzlich fremd. Zum anderen würde die öffentliche Hand ihre aus dem Sozialstaatsprinzip folgenden Aufgaben jedenfalls teilweise auf den Vermieter abwälzen, wenn die Zwangsräumung einstweilen eingestellt würde, dem Mieter aber nur die teilweise Zahlung einer Nutzungsentschädigung abverlangt würde. Im Übrigen muss der Mieter auch im Falle des § 850c ZPO seine Lebenshaltungskosten aus dem unpfändbaren Teil seines Einkommens bestreiten. 263 Die Vollstreckungseinstellung wegen Selbstmordgefahr kann mit der Auflage angeordnet werden, dass der Vollstreckungsschuldner eine erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeit wahrnimmt und dass er die Notwendigkeit weiterer Behandlung in halbjährlichem Abstand durch eine Bescheinigung des Sozialpsychiatrischen Dienstes nachweist (vgl. auch § 546 BGB Rz. 238)4. d) Rechtsbehelfe 264 Gegen die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts ist gemäß § 793 ZPO die sofortige Beschwerde und gegen das Verfahren des Gerichtsvollziehers gemäß § 766 ZPO die Vollstreckungserinnerung statthaft. Eine Anschlussbeschwerde oder -erinnerung ist zulässig und nicht fristgebunden. e) Kosten 265 Die Pflicht zur Kostentragung richtet sich in der ersten Instanz nach § 788 Abs. 1 ZPO. Grundsätzlich hat daher der Mieter die Kosten zu tragen, und zwar auch dann, wenn Vollstreckungsschutz gewährt wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn besondere im Verhalten des Vermieters liegende Gründe aus Billigkeitsgesichtspunkten eine andere Entscheidung gebieten. Hierbei handelt es sich aber um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. 266 § 788 ZPO gilt auch im Rechtsmittelverfahren5. Richtet sich der Vermieter mit der Beschwerde erfolglos gegen den erstinstanzlich gewährten Vollstreckungsschutz, fallen ihm die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 97 ZPO zur Last6.

1 2 3 4 5

LG Frankenthal v. 25.10.1983 – 1 T 322/83, Rpfleger 1984, 68. OLG Jena v. 22.5.2000 – 6 W 331/00, NZM 2000, 839. AG Hamburg v. 19.9.2008 – 49 M 61/08, zitiert nach juris. OLG Jena v. 22.5.2000 – 6 W 331/00, NZM 2000, 839. OLG Düsseldorf v. 24.1.1996 – 3 W 22/93, WuM 1996, 235; OLG Köln v. 14.6.1995 – 2 W 96/95, ZMR 1995, 535. 6 OLG Köln v. 14.6.1995 – 2 W 96/95, ZMR 1995, 535.

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Dickersbach

Entschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe

§ 546a BGB

Wird das Verfahren zur Gewährung von Vollstreckungsschutz übereinstimmend für 267 erledigt erklärt, richtet sich die Kostenentscheidung nicht nach § 91a ZPO, sondern allein nach dem von § 788 Abs. 4 ZPO genannten „Verhalten des Gläubigers“1.

§ 546a Entschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe (1) Gibt der Mieter die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurück, so kann der Vermieter für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung die vereinbarte Miete oder die Miete verlangen, die für vergleichbare Sachen ortsüblich ist. (2) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen. Inhalt A. I. II. 1. 2. 3. III. IV. V. VI. 1.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften Anwendbare Rechtsprechung . . . . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . . . . Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzungsentschädigung im Urkundenprozess . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klage auf künftige Nutzungsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . .

B. I. 1. 2. 3. 4. 5.

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

1 1 2 2 4 8 9 10 12 13

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13

..

14

Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzungsentschädigung . . . . . . . . . . Rechtsnatur des Anspruchs . . . . . . . Anspruchsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beendigung des Mietvertrages . . . . . Vorenthaltung der Mietsache . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Teilrückgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rücknahmewille des Vermieters . 6. Höhe der Nutzungsentschädigung . . a) Mindestbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dauer der Entschädigungspflicht c) Erhöhung bis zur ortsüblichen Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ermittlung der Höhe . . . . . . . bb) Das Erhöhungsverlangen . . . . d) Preisgebundener Wohnraum . . . . 7. Fälligkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nutzungsentschädigung in Mindesthöhe . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

18 18 18 26 29 31 34 34 39 45 50 50 56

. . . . .

59 59 63 68 71

.

71

8. 9. 10. 11. II. III. 1. 2. 3. 4. IV. 1.

2. C. I. II. 1. 2. III. 1. 2.

b) Erhöhte Nutzungsentschädigung c) Aufrechnungsbeschränkung . . . . Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzungsentschädigung in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anspruch auf Herausgabe der Untermiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsbeziehung während der Vorenthaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ersatz weitergehenden Schadens. . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mietausfallschaden . . . . . . . . . . . . . . Weitergehende Schadenspositionen Mitverschulden, § 254 BGB . . . . . . . . Anspruch auf Nutzungsentschädigung gegen Dritte . . . . . . . . . . . . . . . Vermieter gegen Dritte (Untermieter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) §§ 987 ff. BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . b) Höhe des Anspruchs . . . . . . . . . . . Mieter gegen Dritte . . . . . . . . . . . . . . Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsatzsteuer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anspruch gegen den vorenthaltenden Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anspruch gegen den Dritten . . . . . . . Höhe der Nutzungsentschädigung . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nebenkosten als Teil der Nutzungsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

73 75 76 78

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79

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80

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83 88 88 90 96 99

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102 103 106 107

. 108 . 108 . 109 . . . .

109 112 113 113

. 114

1 OLG Düsseldorf v. 24.1.1996 – 3 W 22/93, WuM 1996, 235; LG Frankfurt v. 25.11.1999 – 2/17 T 52/99, NZM 2000, 88.

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§ 546a BGB

Entschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Die Vorschrift ergänzt § 546 BGB für den Fall der verspäteten Räumung und Rückgabe. Dafür ordnet sie an, dass der Mieter grundsätzlich eine Nutzungsentschädigung in Höhe der bisherigen Miete zu zahlen hat. Gleichzeitig räumt sie dem Vermieter eine Möglichkeit ein, diese Nutzungsentschädigung auf das Niveau der ortüblichen Vergleichsmiete anzuheben, ohne das Verfahren nach den §§ 558 ff. BGB einzuhalten. Ergänzend stellt § 546a Abs. 2 BGB klar, dass der Vermieter daneben weitere Schäden geltend machen kann, also insbesondere einen (höheren) Mietausfallschaden. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 2 Die Vorschrift gilt als Teil der allgemeinen Mietvorschriften für alle Mietverhältnisse. Auf dem Gebiet der Pacht wird ihr Regelungsgehalt durch § 584b BGB variiert, zur Landpacht s. § 597 BGB. 3 § 546a Abs. 1 BGB ist nicht entsprechend anwendbar, wenn ein gemeinschaftliches Grundstück von einem Miteigentümer den Übrigen zur alleinigen Nutzung entgeltlich überlassen wurde1. Denn auf dieses Rechtsverhältnis sind in erster Linie die Regeln des Gemeinschaftsrechts anzuwenden2. 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften 4 Als weitere Anspruchsgrundlagen für die Zahlung von Nutzungsentschädigung durch den Mieter, der nicht (ordnungsgemäß) räumt, kommen Bereicherungsansprüche (§ 812 Abs. 1 S. 2 BGB) und, sofern der Vermieter Eigentümer ist, Ansprüche aus §§ 987 ff. BGB in Betracht3. Diese Ansprüche bestehen selbständig neben § 546a Abs. 1 BGB, der keine abschließende Sondernorm bildet4. Dabei ist der Bereicherungsanspruch insbesondere heranzuziehen, wenn das Zustandekommen des Mietvertrages scheitert5 oder von Anfang an kein Mietvertrag bestanden hat. 5 Im Gegensatz zu § 546a BGB haben die weiteren Anspruchsgrundlagen keine Mindestabsicherung nach unten, weil der Vermieter nur den objektiven Nutzungswert verlangen kann. Liegt die vereinbarte Miete aber über der ortsüblichen Miete, wird die Nutzungsentschädigung nach §§ 987 ff., 812 BGB geringer ausfallen. 6 Bei einer nur teilweisen Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit durch zurückgelassene Sachen besteht kein Anlass, die Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB teilweise zu reduzieren, selbst wenn der Nutzer den Besitz aufgegeben hat6. Denn auch der Mieter ist – wie der Vermieter bei der Übergabe – bei der Rückgabe zu einer Teilleistung nicht berechtigt, § 266 BGB. Dies kann bei der Nutzungsentschädigung nach den §§ 987 f., 812 BGB anders sein: besteht die Nutzungsbeschränkung hier nur hinsichtlich eines selbständigen, also abtrennbaren Teils der Mietsache, kann nur hinsichtlich dieses Bereichs Nutzungsentschädigung geltend gemacht werden7. 7 Sind Eigentümer und Vermieter nicht identisch, tritt der Erwerber gemäß § 566 BGB nicht in den Mietvertrag ein. In diesem Fall bietet § 812 BGB für ihn die Anspruchs1 BGH v. 15.9.1997 – II ZR 94/96, MDR 1998, 95 = ZMR 1998, 20 NZM 1998, 75. 2 BGH v. 17.12.1973 – II ZR 59/72, MDR 1974, 385 = NJW 1994, 364. 3 BGH v. 15.12.1999 – XII ZR 154/97, NZM 2000, 183; a.A. OLG Köln v. 5.8.1998 – 19 W 23/98, NZM 1999, 710; Lammel, § 546a BGB Rz. 4 (für die Wohnraummiete, der insoweit jedenfalls für den Schadensersatz nach den §§ 989, 990 BGB in § 571 BGB eine Sonderregelung sieht). 4 BGH v. 15.12.1999 – XII ZR 154/97, NZM 2000, 183; Bub/Treier/Scheuer, V Rz. 124; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 546a BGB Rz. 40; a.A. OLG Köln v. 5.8.1998 – 19 W 23/98, WuM 1999, 288 = NZM 1999, 710; LG Düsseldorf v. 22.2.1967 – 14 S 309/66, WuM 1967, 134; LG Mannheim v. 24.6.1970 – 5 S 131/69, NJW 1970, 1881. 5 Blank/Börstinghaus, § 546a BGB Rz. 46. 6 A.A. Blank/Börstinghaus, § 546a BGB Rz. 47. 7 BGH v. 15.12.1999 – XII ZR 154/97, NZM 2000, 183.

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Entschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe

§ 546a BGB

grundlage für die Nutzungsentschädigung1. Unabhängig von einem Erwerb bilden §§ 987 f., 812 BGB für den Eigentümer die Möglichkeit, Nutzungsentschädigung zu verlangen, wenn der Mietvertrag unwirksam ist oder aus sonstigen Gründen nicht zustande gekommen ist. 3. Anwendbare Rechtsprechung § 546a BGB hat ohne inhaltliche Änderung § 557 BGB a.F. ersetzt. Deshalb ist die vor dem 1.9.2001 ergangene Rechtsprechung ohne weiteres anwendbar.

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III. Zweck der Vorschrift Die Norm ist dazu bestimmt, dem Vermieter die Verfolgung seiner Ansprüche zwi- 9 schen Mietende und (vollständiger) Rückgabe zu erleichtern. Dazu gewährleistet sie, dass der Mieter für die Dauer der Vorenthaltung jedenfalls die vereinbarte Miete weiterzahlt, weil es an ihm liegt, die Mietsache zurückzugeben, wenn ihm die vereinbarte Miete zu hoch ist2. Darüber hinaus soll der Vermieter durch die Option, eine höhere Miete als die vereinbarte verlangen zu können, die gleiche Situation herbeiführen können, wie sie bei rechtzeitiger Räumung durch den Mieter und Weitervermietung durch den Vermieter entstanden wäre. Insofern verfolgt die Norm für den Vermieter eine Erleichterung, um Streitigkeiten über die Höhe eines etwaigen Schadens- oder Bereicherungsanspruchs in einfacher und angemessener Weise zu vermeiden3. IV. Beweislast Der Vermieter hat den (ursprünglichen) Bestand eines Mietvertrages, dessen recht- 10 liche Beendigung, die bisher vereinbarte Miete, ggf. die ortsübliche Miete i.S.d. § 546a Abs. 1 HS. 2 BGB sowie den weiter gehenden Schaden i.S.d. § 546a Abs. 2 BGB (für die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen des Anspruchs i.S.d. § 546a Abs. 2 BGB gelten die allgemeinen Beweisregeln) zu beweisen. Zur Darlegungs- und Beweislast bei Mietausfallschäden vgl. § 546a BGB Rz. 90 ff. Der Mieter muss zunächst die Rückgabe der Mietsache4 beweisen. Behauptet der 11 Vermieter eine im Hinblick auf § 266 BGB unzulässige Teilrückgabe, muss der Mieter im Einzelnen darlegen, welche Gegenstände sich nach seinem Auszug noch auf dem Grundstück bzw. in der Mietsache befanden5. Ist die Nichtrückgabe unstreitig, muss der Mieter die einer Vorenthaltung entgegenstehenden Umstände (z.B. Annahmeverzug des Vermieters, Untergang der Mietsache) und im Rahmen des § 546a Abs. 2 BGB sein fehlendes Verschulden bei der verspäteten Rückgabe darlegen und beweisen. V. Abweichende Vereinbarungen Abweichende Vereinbarungen sind grundsätzlich zulässig. Formularvertraglich kann 12 der Vermieter allerdings nicht die Pflicht des Mieters zur Zahlung von Nutzungsentschädigung ohne „Vorenthaltung“ begründen6. Ebenso unwirksam soll eine formularmäßige Regelung sein, die die Nutzungsentschädigung von vornherein durch eine Pauschale oder einen anderen Zuschlag über die vereinbarte Miete oder die ortsübliche Vergleichsmiete hebt, um sie der Marktmiete anzupassen7.

1 2 3 4 5

OLG Düsseldorf v. 10.5.2005 – 24 U 257/03, ZMR 2007, 33. BGH v. 10.11.1965 – VIII ZR 12/64, NJW 1966, 248. Staudinger/Rolfs, § 546a BGB Rz. 3 m.w.N. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1135. KG v. 3.6.2010 – 12 U 164/09, MDR 2010, 1375 = MietRB 2010, 356 = GuT 2010, 225 = GE 2010, 1201 = ZMR 2011, 114. 6 BGH v. 7.1.2004 – VIII ZR 103/03, ZMR 2004, 256 (für Leasingverträge). 7 Drettmann, WuM 2012, 535 (543).

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VI. Prozessuales 1. Nutzungsentschädigung im Urkundenprozess 13 Die Klage auf Nutzungsentschädigung kann im Urkundenprozess nach § 592 ff. ZPO geführt werden. Denn auf die Frage der Angemessenheit bzw. Ortsüblichkeit kommt es nicht an, solange der Vermieter die bisher vereinbarte Miete verlangt1. Dann sind aber alle Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich durch Urkunden zu belegen. Dies gilt jedenfalls solange, wie die Beendigung auf eine Kündigung wegen Zahlungsverzuges gestützt wird. 2. Klage auf künftige Nutzungsentschädigung 14 Nach §§ 257, 258 ZPO ist eine Klage auf künftige, nach Erlass des Urteils fällig werdende wiederkehrende Leistungen dann zulässig, wenn ihre Geltendmachung nicht von einer Gegenleistung abhängig ist. Diese Voraussetzungen sind bei einer Klage auf Miet- oder Pachtzahlung nicht gegeben, weil der Anspruch auf Miet- oder Pachtzins mit einer Gegenleistung verknüpft ist. Hingegen ist bei einer auf eine gesetzliche Anspruchsgrundlage (§§ 987 ff., 812 BGB) gestützten Klage auf wiederkehrende Nutzungsentschädigung ein Gegenseitigkeitsverhältnis zu verneinen, weil mit dem Nutzungsentgelt die rein tatsächliche Nutzung, nicht eine entsprechende Leistung des zur Entschädigung Berechtigten abgegolten werden soll2; daher können diese künftigen Forderungen auf Nutzungsentschädigung im Wege einer Klage nach §§ 257, 258 ZPO geltend gemacht werden. 15 Ob diese Grundsätze auch auf den Entschädigungsanspruch nach § 546a BGB zu übertragen sind, ist umstritten3. Der Anspruch aus § 546a BGB ist zwar ein vertraglicher Anspruch eigener Art, der an die Stelle des Anspruchs auf Mietzahlung tritt4. Damit findet er seinen Grund gleichfalls in der Gewährung einer (Gegen-)Leistung5. Deshalb findet § 258 ZPO bei einer Klage auf zukünftige Nutzungsentschädigung keine Anwendung, zumal der Vermieter auch im Abwicklungsverhältnis noch eine Fülle weiterer Leistungen schuldet6. 16 Unabhängig davon kann die Klage auf zukünftige Nutzungsentschädigung bis zur Räumung und Rückgabe7 auch auf § 259 ZPO gestützt werden. Dies ist regelmäßig unzweifelhaft, wenn der Schuldner seine zukünftige Leistungspflicht bestreitet8. Die bloße Vermutung einer zukünftigen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ist grundsätzlich nicht ausreichend9. Dies ist jedoch anders zu beurteilen, wenn der Mieter über einen längeren Zeitraum fällige Mietzahlungsansprüche nicht erfüllt hat, so dass daraus die Besorgnis der Zahlungsunfähigkeit oder -willigkeit auch für die Zukunft hergeleitet werden kann10, oder wenn feststeht, dass der Mieter dem Vermieter einen Betrag schuldet, der eine Bruttomonatsmiete in mehrfacher Höhe übersteigt11. Denn dann ist zu besorgen, dass er künftige Nutzungsentgeltforderungen des Vermieters – unabhängig davon, ob sie Miete oder Nutzungsentschädigung zum Gegenstand haben – nicht rechtzeitig erfüllen wird.

1 OLG München v. 26.3.2008 – 3 U 3608/07, zitiert nach juris. 2 BGH v. 20.6.1996 – III ZR 116/94, MDR 1996, 1232 (unter I 1). 3 Vgl. BGH v. 20.11.2002 – VIII ZB 66/02, MDR 2003, 452 = WuM 2003 = ZMR 2003, 333 = NZM 2003, 231 m.w.N. 4 BGH v. 11.5.1988 – VIII ZR 96/87, MDR 1988, 855 = WuM 1988, 270 = ZMR 1988, 378; Bub/Treier/Scheuer, V Rz. 97. 5 BGH v. 22.10.1997 – XII ZR 142/95, MDR 1998, 94 = ZMR 1998, 137 = NJW-RR 1998, 803. 6 Musielak/Foerste, § 258 ZPO Rz. 2; a.A. Schmidt-Futterer/Streyl, § 546a BGB Rz. 107; MünchKomm/Lüke, § 258 ZPO Rz. 9. 7 AG Neukölln v. 28.3.2012 – 13 C 396/11, GE 2013, 271. 8 Zöller/Greger, § 259 ZPO Rz. 3. 9 RG v. 26.4.1917 – Rep. VI 37/17, RGZ 90, 180. 10 OLG Dresden v. 24.9.1998 – 21 U 1565/98, WuM 2000, 138. 11 BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 146/10, MDR 2011, 841 = MietRB 2011, 201 = WuM 2011, 434 = ZMR 2011, 709.

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§ 546a BGB

Lässt sich die Besorgnis i.S.d. § 259 ZPO durch Urkunden belegen, kann auch die Kla- 17 ge auf zukünftige Nutzungsentschädigung im Urkundenprozess nach § 592 ff. ZPO geltend gemacht werden. B. Wohnraummiete I. Nutzungsentschädigung 1. Rechtsnatur des Anspruchs Durch die Beendigung des Mietvertrages und die fortgesetzte Nutzung entsteht zwi- 18 schen den Parteien ein Rückgewährsschuldverhältnis, das auf die Abwicklung des beendeten Mietvertrages gerichtet ist1. Wesentliches Ziel dieses gesetzlichen Schuldverhältnisses2 ist die Realisierung der Rückgabe, in dem unter besonderen Umständen nachvertragliche Pflichten gelten können3. Da aber zunächst ein gesetzliches Schuldverhältnis die Grundlage des Entschädi- 19 gungsanspruchs aus § 546 Abs. 1 BGB bildet, wird er als ein vertraglicher Anspruch eigener Art qualifiziert4, der an die Stelle des Anspruchs auf Zahlung der vereinbarten Miete tritt5. Deshalb kommt eine Anspruchskürzung über § 254 BGB nicht in Betracht, auch nicht in analoger Anwendung6. Der Inhalt des gesetzlichen Schuldverhältnisses bestimmt sich zunächst nach den 20 §§ 546, 546a BGB und im Übrigen nach den vertraglichen und nachrangig nach den gesetzlichen Regelungen, die für die Mietzahlung gelten. Die Fälligkeit und Durchsetzbarkeit des Anspruchs nach § 546a Abs. 1 BGB richten sich deshalb z.B. nach den Vereinbarungen des ursprünglichen Mietvertrages7 oder aber – mangels eines solchen – nach den mietrechtlichen Normen, § 556b Abs. 1 BGB. Umgekehrt gilt nichts anderes, deshalb kann der Mieter mit seinen Forderungen aus dem Mietverhältnis grundsätzlich gegenüber dem Anspruch des Vermieters aus § 546a Abs. 1 BGB aufrechnen8. Folgerichtig erstreckt sich ein zulässig vereinbartes Aufrechnungsverbot auch auf den 21 Anspruch auf Nutzungsentschädigung9. Gleichwohl soll der Aufrechnungseinwand des Mieters gegenüber dem Zwangsverwalter wegen Investitionskosten aufgrund einer Vereinbarung mit dem Vermieter unbeachtlich sein, da die mit dem Vermieter getroffene Vereinbarung mit Beendigung des Mietverhältnisses gegenstandslos wird10. Denn das Vertrauen des Mieters auf den Fortbestand einer Aufrechnungslage ist nur solange schützenswert, wie er selbst das Mietobjekt berechtigt nutzt. Ansonsten würde der Mieter zum Vertragsbruch verleitet, indem er trotz Räumungsverzuges den Zwangsverwalter an der Erwirtschaftung von Erträgen aus dem beschlagnahmten Grundstück hindert, weil er seine finanziellen Beiträge nach Mietende zu Lasten der anderen Gläubiger „abwohnen“ will. Andererseits ist aber die Entschädigung nicht die Miete selbst, so dass sie von einer 22 Unterwerfungsklausel i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO für die Miete nicht erfasst wird11. Für abgelaufene Zeiträume stellt der Anspruch aus § 546a Abs. 1 BGB eine Entschä-

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BGH v. 15.2.1984 – VIII ZR 213/82, MDR 1984, 662 = WuM 1984, 131 = ZMR 1984, 380. Schmidt-Futterer/Streyl, § 546a BGB Rz. 10; Staudinger/Rolfs, § 546a BGB Rz. 6. BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947. BGH v. 22.10.1997 – XII ZR 142/95, MDR 1998, 94 = ZMR 1998, 137 = NJW-RR 1998, 803; BGH v. 11.5.1988 – VIII ZR 96/87, MDR 1988, 855 = WuM 1988, 270 = ZMR 1988, 378. Schmidt-Futterer/Streyl, § 546a BGB Rz. 19. BGH v. 20.11.2002 – VIII ZB 66/02, MDR 2003, 452 = ZMR 2003, 333 = NJW 2003, 1395; OLG Bremen v. 22.7.2009 – 1 U 11/09, MietRB 2009, 329 = MDR 2011, 1268. BGH v. 23.1.1974 – VIII ZR 219/72, NJW 1974, 556. OLG Köln v. 30.10.1997 – 12 U 29/97, ZMR 1998, 763. BGH v. 12.1.2000 – XII ZA 21/99, MDR 2000, 515 = NZM 2000, 336 = WuM 2000, 779; OLG Düsseldorf v. 27.10.1994 – 10 U 76/93, NJW-RR 1995, 850. OLG Rostock v. 9.7.2004 – 3 U 91/04, MDR 2005, 139 = MietRB 2004, 346 = OLGR 2004, 369. OLG Frankfurt v. 21.1.1987 – 17 U 52/85, MDR 1987, 506 = ZMR 1987, 177.

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digungsforderung gemäß § 562 Abs. 2 BGB dar, so dass der Vermieter auch sein Vermieterpfandrecht darauf stützen kann1. 23 War die Miete zur Zeit der Vertragsbeendigung als Folge von Mängeln der Mietsache gemäß § 536 BGB gemindert, ist auch nach Vertragsende die geminderte Miete als Entschädigung zu zahlen2. Ein (wirksamer) Minderungsausschluss wirkt aber fort3 (zur Höhe der Nutzungsentschädigung vgl. im Übrigen § 546a BGB Rz. 50 f.). 24 Die (wirksame) Verpflichtung zur Ausführung von Schönheitsreparaturen wird durch die Vorenthaltung nicht tangiert4. Der Mieter hat auch die Gebrauchsspuren zu beseitigen, die während der Vorenthaltung eintreten. 25 § 5 WiStrG ist nicht anwendbar. Die Vorschrift setzt eine Vermietung voraus. Diese ist bei einer Vorenthaltung gerade nicht gegeben. Im Übrigen sind Strafvorschriften nicht analog anwendbar5. 2. Anspruchsinhaber 26 Gläubiger des Entschädigungsanspruchs ist der Vermieter. Eine Abtretung des Räumungsanspruchs ist unerheblich6. Besteht ein Untermietverhältnis, kann der Vermieter gegen den Untermieter nach §§ 987 f. BGB vorgehen7, nicht aber aus § 546a BGB8. Insoweit steht ihm grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme des mittelbaren Besitzers (Mieter) und des unmittelbaren Besitzers (Untermieter) zu9, das aber noch nicht dadurch ausgeübt wurde, dass einer von beiden klageweise in Anspruch genommen wurde10. 27 Dem Hauptmieter steht, wenn auch das Hauptmietverhältnis beendet ist, gegen seinen Untermieter kein Anspruch aus § 546a Abs. 1 BGB zu, allenfalls ein solcher aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB11. Denn eine Nutzungsentschädigung kann nur verlangt werden, wenn eine eigene Nutzungsberechtigung besteht12. Diese ist aber mit der Beendigung des Hauptmietvertrages entfallen. 28 Im Falle des § 566 BGB stehen für die Zeit ab Eigentumsübergang die Ansprüche aus § 546a Abs. 1, 2 BGB dem Erwerber zu13. 3. Schuldner 29 Schuldner ist derjenige, der im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung als Mieter Vertragspartner des Vermieters gewesen ist. Dem Hauptvermieter steht also gegen den Untermieter kein Anspruch aus § 546a Abs. 1 BGB zu14. 30 Mehrere Mieter haften gesamtschuldnerisch15, und zwar solange auch nur einer von ihnen dem Vermieter die Mietsache vorenthält16. Das gilt auch für Eheleute. War nur

1 BGH v. 8.3.1972 – VIII ZR 183/70, MDR 1972, 598 = NJW 1972, 721. 2 BGH v. 21.2.1990 – VIII ZR 116/89, MDR 1990, 813 = ZMR 1990, 206; KG v. 22.2.2010 – 20 U 80/08, MDR 2010, 1311 = GE 2010, 1335. 3 OLG Düsseldorf v. 6.5.2010 – I-10 U 154/09, GuT 2010, 196. 4 LG Hamburg v. 21.4.2011 – 333 S 28/10, ZMR 2011, 879. 5 Blank/Börstinghaus, § 546a BGB Rz. 29. 6 BGH v. 13.10.1982 – VIII ZR 197/81, MDR 1983, 306 = NJW 1983, 112. 7 OLG Düsseldorf v. 26.11.2009 – 24 U 91/09, ZMR 2010, 755 = DWW 2010, 38 = IMR 2010, 271. 8 BGH v. 4.10.1995 – XII ZR 215/94, MDR 1996, 252 = WuM 1996, 32. 9 BGH v. 6.11.1968 – V ZR 85/65, MDR 1969, 128. 10 OLG Hamburg v. 29.5.1996 – 4 U 190/95, NJWE-MietR 1997, 228. 11 BGH v. 13.6.2001 – XII ZR 49/99, MDR 2001, 1105 = NJW 2002, 55. 12 BGH v. 4.10.1995 – XII ZR 215/94, MDR 1996, 252 = NJW 1996, 46; OLG Saarbrücken v. 2.6.2005 – 8 U 180/04, NZM 2006, 180. 13 BGH v. 28.6.1978 – VIII ZR 139/77, MDR 1979, 134 = NJW 1978, 2148. 14 MünchKomm/Bieber, § 546a BGB Rz. 8. 15 OLG Schleswig v. 25.6.1982 – 6 REMiet 1/82, MDR 1982, 1019 = NJW 1982, 2672. 16 Bub/Treier/Scheuer, V A Rz. 62.

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der Ausgezogene Mieter, haftet er, da er als Mieter Herausgabe und Räumung schuldet, allein aus § 546a Abs. 1 BGB für das Verhalten des Zurückgebliebenen1. 4. Beendigung des Mietvertrages Anspruchsvoraussetzung ist, dass ein wirksam zustande gekommenes Mietverhältnis 31 rechtlich beendet ist. Ist der Mietvertrag wegen Anfechtung oder aus sonstigen Gründen von Anfang an nichtig, ergibt sich ein Anspruch unmittelbar aus § 812 BGB, und sofern der Vermieter Eigentümer ist, aus den §§ 987 ff. BGB; § 547 Abs. 1 BGB ist nicht anwendbar. Das Eingreifen der Fortsetzungsanordnung des § 545 BGB steht einer Vertragsbeen- 32 digung ebenso entgegen wie die vereinbarte Vertragsfortsetzung. War der Mietvertrag wirksam beendet, muss der Mieter die vom Vermieter geforder- 33 te, über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegende Nutzungsentschädigung entrichten, um die fristlose Kündigung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zu heilen. Fraglich ist, wie mit der Differenz zwischen bisheriger Miete und Nutzungsentschädigung in Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete zu verfahren ist, wenn die fristlose Kündigung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geheilt wird. Dazu wird die Auffassung vertreten, der Rechtsgrund würde nachträglich entfallen und die Differenz sei gemäß § 812 Abs. 1 S. 2 BGB zurückzuerstatten2. Dabei wird jedoch unterstellt, dass die Heilungswirkung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB ex-tunc eintritt. Das ist aber – jedenfalls nach der hier vertretenen Auffassung (vgl. § 569 BGB Rz. 148) – nicht der Fall. Die Nutzungsentschädigung wird während der Dauer der Vorenthaltung mit Rechtsgrund geleistet, weil ein gesetzliches Schuldverhältnis besteht. Würde die Heilungswirkung rückwirkend eintreten, wäre der Mieter auch von anderen Rechtsfolgen (z.B. Schadensersatz) befreit. Selbst der Zinsanspruch nach §§ 20 Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB müsste entfallen, weil keine Nutzungsentschädigung mehr geschuldet war, sondern Miete. Obwohl der Vermieter eine Möglichkeit gehabt hätte, zu einer höheren Miete zu vermieten, soll er diesen Schaden nicht mehr geltend machen können. Dies ist weder mit dem Zweck des § 546a BGB zu rechtfertigen noch mit dem des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Dieser beschränkt sich darauf, dem Mieter eine Bewährungschance zu geben3. Diesem Zweck ist ausreichend Rechnung getragen, wenn das Mietverhältnis ex-nunc fortgesetzt wird. 5. Vorenthaltung der Mietsache a) Allgemeines Die Vorenthaltung der Mietsache setzt voraus, dass das Unterlassen der Rückgabe dem Willen des Vermieters widerspricht4. Vorenthaltung setzt also das Bestehen der Rückgabeverpflichtung aus § 546 Abs. 1 BGB voraus; unmittelbarer oder mittelbarer Besitz des Mieters ist nicht erforderlich.

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Zur Rückgabe gehört neben der Verschaffung der tatsächlichen Gewalt auch die 35 Räumung (vgl. § 546 BGB Rz. 66)5. Demgemäß liegt unter Beachtung des § 266 BGB eine Rückgabe weder dann vor, wenn der Mieter die Mieträume zwar leer räumt, aber die Schlüssel mitnimmt, noch dann, wenn er die Räume, ohne seine Sachen auszuräumen, unter Rückgabe der Schlüssel verlässt6. Dagegen ist keine Vorenthaltung (mehr) gegeben, wenn der Vermieter den Mieter nach Beendigung des Mietverhält-

1 MünchKomm/Bieber, § 546a BGB Rz. 9. 2 So Schmidt-Futterer/Streyl, § 546a BGB Rz. 25. 3 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 267/09, MDR 2010, 1105 = MietRB 2010, 317 = GE 2010, 1197 = WuM 2010, 571 = ZMR 2011, 16. 4 BGH v. 28.2.1996 – XII ZR 123/93, MDR 1996, 896 = NJW 1996, 1886; OLG Hamburg v. 25.10.1989 – 4 U 255/88, ZMR 1990, 8. 5 BGH v. 28.6.1978 – VIII ZR 139/77, MDR 1979, 133 = NJW 1994, 3232 (3234); OLG Hamm v. 12.12.1995 – 29 U 80/95, ZMR 1996, 372 (373). 6 BGH v. 11.5.1988 – VIII ZR 96/87, MDR 1988, 855 = NJW 1988, 2665.

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nisses durch fristlose Kündigung im Wege der verbotenen Eigenmacht aus dem Besitz setzt1. 36 Die Sache wird dem Vermieter auch dann vorenthalten, wenn dem Mieter eine Räumungsfrist nach §§ 721, 794a ZPO bzw. Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO bewilligt wird2. Denn ausreichend ist der grundsätzliche Rückerlangungswille des Vermieters, der auch bei Einräumung einer Räumungsfrist gegeben ist3 und auch nicht dadurch entfällt, dass der Vermieter die Rücknahme ablehnt, weil die Mietsache nicht vollständig geräumt ist. 37 Die Vorenthaltung endet mit Erfüllung der Rückgabepflicht4, der Neubegründung eines Mietvertrages oder wenn dem Mieter die Rückgabe unmöglich wird, § 275 BGB5. Unmöglichkeit liegt nicht vor, wenn der Mieter sich die Sache wieder beschaffen kann6. Deshalb führt allein die Untervermietung durch den Mieter und die nicht rechtzeitige Rückgabe durch den Untermieter nicht zum Untergang des Anspruchs7. Ob der Vermieter anschließend vermieten will, ist unerheblich8. Werden die Schlüssel an einen nicht bevollmächtigten Dritten, der im Lager des Vermieters steht, übergeben, entfällt der Anspruch auf Nutzungsentschädigung in dem Zeitpunkt, zu dem der Vermieter von der Übergabe der Schlüssel an den Dritten erfährt. Denn ab diesem Moment ist er verpflichtet, die Schlüssel von dem Dritten herauszuverlangen9. 38 Wird die Rückgabe der Mietsache, wie z.B. im Fall der Zwischenvermietung, nur gegen Abtretung der Herausgabeansprüche des Hauptvermieters geschuldet (vgl. § 546 BGB Rz. 67), kann ein Vorenthalten nur vorliegen, wenn die abgetretenen Ansprüche den Zwischenvermieter in die Lage versetzt hätten, die Rückgabepflicht zu erfüllen10. Insofern unterscheidet sich der Fall der gewerblichen Zwischenvermietung von einem typischen Untermietverhältnis. Dort liegt eine Vorenthaltung der Mietsache i.S.d. § 546a Abs. 1 S. 1 BGB auch dann vor, wenn der Mieter zur Rückgabe außerstande ist, weil sich das Mietobjekt im Besitz eines Untermieters befindet und der Hauptmieter wegen des Fortbestandes des Untermietverhältnisses nicht in der Lage ist, sich die Mietsache rechtzeitig wieder zu beschaffen. Denn der Hauptmieter hat dann aus eigenem Antrieb veranlasst, dass der Mietgegenstand in den Besitz des Untermieters gelangt ist und deshalb von ihm nicht zurückgegeben werden kann11. Um ein derartiges Untermietverhältnis, bei dem die Untervermietung regelmäßig im Interesse des Hauptmieters liegt und deshalb von ihm veranlasst worden ist, handelt es sich bei der gewerblichen Zwischenvermietung aber nicht. Anders als bei jener wird eine solche Vertragsgestaltung vom Eigentümer im eigenen Interesse gewählt. Er hat die Mietsache in der Regel errichtet oder erworben, um sie auf dem Wohnungsmarkt zu nutzen, und weiß, dass der Zwischenvermieter sie an einen Mieter zur Nutzung als Wohnung vermieten will, dem gegenüber er an die gesetzlichen Vorschriften über den Mieterschutz gebunden ist. Diese Nutzung entspricht seinem Willen und regelmäßig auch seinem Interesse12. Gerade dieser Unterschied hat zu der Annahme geführt, dass die Beklagte zur Räumung der Wohnungen nur gegen Abtretung der Herausgabeansprüche der Klägerin verpflichtet war. 1 KG v. 14.9.2009 – 8 U 135/09, MietRB 2010, 105 = WuM 2009, 667 = GE 2009, 1493 = ZMR 2010, 183. 2 BGH v. 23.8.2006 – XII ZR 214/04, NZM 2006, 820; BGH v. 13.10.1982 – VIII ZR 197/81, MDR 1983, 306 = NJW 1983, 112. 3 BGH v. 23.8.2006 – XII ZR 214/04, NZM 2006, 820. 4 KG v. 3.6.2010 – 12 U 164/09, MietRB 2010, 356 = MDR 2010, 1375 = ZMR 2011, 114 = GuT 2010, 225; Bub/Treier/Scheuer, V Rz. 74. 5 BGH v. 13.4.2005 – VIII ZR 377/03, MDR 2005, 1154 = ZMR 2005, 609. 6 BGH v. 2.10.1992 – V ZR 185/91, MDR 1992, 1147 = NJW 1993, 55. 7 BGH v. 28.2.1996 – XII ZR 123/93, MDR 1996, 896 = NJW 1996, 1886; 1984, 1527. 8 KG v. 3.6.2010 – 12 U 164/09, MietRB 2010, 356 = MDR 2010, 1375 = ZMR 2011, 114 = GuT 2010, 225. 9 OLG Hamm v. 26.6.2002 – 30 U 29/02, NZM 2003, 26. 10 BGH v. 28.2.1996 – XII ZR 123/93, MDR 1996, 896 = WuM 1996, 413. 11 Vgl. BGH v. 15.2.1984 – VIII ZR 213/82, BGHZ 90, 149. 12 Vgl. BVerfG v. 11.6.1991 – 1 BvR 538/90, BVerfGE 84, 197 = MDR 1991, 864.

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b) Teilrückgabe Ein Vorenthalten i.S.v. § 546a Abs. 1 BGB liegt bei unterlassener vollständiger Räu- 39 mung der Mietsache nur dann vor, wenn die zurückgelassenen Aufbauten, Einrichtungen oder Umbauten eine Inbesitznahme durch den Vermieter verhindern1. Deshalb stellt die Teilrückgabe grundsätzlich eine Vorenthaltung der gesamten Mietsache dar. Hat der Mieter dem Vermieter zwar den Besitz an der Mietsache (z.B. durch Übergabe der Schlüssel) verschafft, das Mietobjekt jedoch nicht geräumt, liegt grundsätzlich eine Vorenthaltung vor2. Das Gleiche gilt, wenn der Untermieter dem Mieter die Schlüssel zurückgibt, ohne dass dieser sie an den Vermieter weitergibt3. Eine Teilrückgabe muss nicht unbedingt angenommen werden, wenn noch einzelne 40 Gegenstände in den Räumen zurückbleiben. Vielmehr hängt dies von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab4. Maßgeblich ist insoweit, ob der Vermieter bei wertender Betrachtung durch die zurückgelassenen Sachen gehindert ist, den unmittelbaren, störungsfreien Besitz auszuüben. Dies kann noch nicht angenommen werden, wenn der Mieter Müll in geringem Umfang in den Mieträumen zurückgelassen oder den (festverklebten) Teppichboden nicht herausgenommen hat5. Befindet sich hingegen eine Vielzahl von Gegenständen in den Mieträumen, die nur mit erheblichem Aufwand beseitigt werden können, liegt nur eine teilweise Räumung vor, die, weil Teilleistungen gemäß § 266 BGB unzulässig sind, zur Vorenthaltung der gesamten Mietsache führt6. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die zurückgelassenen Gegenstände den Vermieter an der Weitervermietung hindern7. Für die Erfüllung der Pflicht aus § 546 Abs. 1 BGB kommt es prinzipiell nicht auf den 41 Zustand der Mietsache bei der Rückgabe an. Dies gilt aber nicht, wenn wegen der Zurücklassung von Einrichtungsgegenständen, zu deren Beseitigung der Mieter verpflichtet ist, nur von einer – unzulässigen – Teilräumung auszugehen ist8. Haben die Parteien indessen vereinbart, dass der Vermieter bei Beendigung des Mietvertrages einen sofort fälligen Anspruch in Höhe der Wiederherstellungskosten geltend machen kann, liegt auch bei einer Teilräumung eine Vorenthaltung der Mietsache nicht mehr vor9. Dieser Fall ist aber nicht schon deshalb anzunehmen, weil der Vermieter bestimmten baulichen Veränderungen des Mieters während der Mietzeit zugestimmt und der Mieter auch Einrichtungen des Vormieters übernommen hat10. Solange nichts anderes vereinbart wurde, hat der Mieter die Mietsache im Ursprungszustand zurückzugeben. Müssen Einrichtungen mit erheblichem Aufwand beseitigt werden, liegt eine Vorenthaltung i.S.v. § 546a BGB vor. Vor diesem Hintergrund ist von einer unzulässigen Teilrückgabe und damit – sofern 42 ein Rücknahmewille besteht – einer Vorenthaltung auszugehen, wenn – sich in der Mietsache noch ein Verkaufscontainer, mehrere Mülltonnen, Blumenbehälter sowie mehrere Kubikmeter Sperrmüll und auch Einrichtungsgegenstände befinden11;

1 OLG Brandenburg v. 26.3.1997 – 3 U 159/96, ZMR 1997, 584 ff.; Lützenkirchen, WuM 1998, 187 (193). 2 BGH v. 11.5.1988 – VIII ZR 96/87, MDR 1988, 855 = NJW 1988, 2665. 3 OLG Düsseldorf v. 30.7.2002 – 24 U 187/01, MDR 2003, 82 = NZM 2003, 397. 4 BGH v. 10.1.1983 – VIII ZR 304/81, MDR 1983, 395 = NJW 1983, 1049 (1050). 5 KG v. 10.3.2011 – 8 U 187/10, MDR 2011, 591 = WuM 2012, 142 (einschl. Türöffner, Sprechanlage, eine Stange und Befestigungshaken im Bad sowie eine Lampe). 6 Vgl. OLG Koblenz v. 2.6.2005 – 5 U 266/05, NZM 2006, 181; OLG Hamm v. 12.12.1995 – 29 U 80/95, ZMR 1996, 372 (374). 7 OLG Brandenburg v. 26.3.1997 – 3 U 159/96, ZMR 1997, 584. 8 OLG Hamm v. 12.12.1995 – 29 U 80/95, ZMR 1996, 372 (374). 9 OLG Düsseldorf v. 7.12.1999 – 24 U 27/99, ZMR 2002, 814 (816). 10 OLG Düsseldorf v. 14.10.2008 – I-24 U 7/08, MietRB 2009, 229 = GE 2009, 842 = ZMR 2009, 843. 11 KG v. 3.6.2010 – 12 U 164/09, MDR 2010, 1375 = MietRB 2010, 356 = GuT 2010, 225 = GE 2010, 1201.

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– der Untermieter dem Mieter die Schlüssel zurückgibt, ohne dass dieser sie an den Vermieter weitergibt1; – der Mieter bei Auszug aus der Wohnung eine erhebliche Anzahl ihm gehörender Gegenstände zurücklässt (hier: eine komplette Einbauküche, einen Einbauschrank im Badezimmer, eine Garderobe im Flur, Rollos an den Fenstern, eine Balkonverkleidung und einen von dem Mieter eingebrachten Teppichboden)2; – wenn das Inventar verbrannt, aber in verkohltem Zustand zurückbleibt, es sei denn, der Vermieter ist im Besitz eines Räumungstitels, von dem er über eine längere Zeit nicht Gebrauch macht3. 43 Trotz einer Teilrückgabe durch den Mieter kann der Vermieter die Entschädigung für die gesamte Mietsache verlangen, weil die Rücknahme eines Teils der Mietsache nur als Vorbereitung der Gesamtrückgabe des Grundstückes angesehen werden kann4 oder mangels entgegenstehender ausdrücklicher Erklärung erst dann von einer übereinstimmenden Teilerfüllung ausgegangen werden kann, wenn ein Interesse des Vermieters an der Teilleistung erkennbar ist. 44 Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB entfällt, wenn trotz fehlender Räumung der Vermieter dem Mieter durch verbotene Eigenmacht (z.B. eigenmächtiges Auswechseln der Schlösser) den Zugang versperrt5. c) Rücknahmewille des Vermieters 45 Weiteres Wesensmerkmal der Vorenthaltung i.S.v. § 546a Abs. 1 BGB ist der Rücknahmewille des Vermieters. Denn im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift wird die weitere Nutzung durch den Mieter bzw. die unterbliebene (vollständige) Rückgabe erst zur Vorenthaltung, wenn sie dem Willen des Vermieters widerspricht6. Diese Anforderung entfällt aber nicht dadurch, dass der Vermieter die Rücknahme der Mietsache wegen nicht vollständiger Räumung oder mangelhaftem Zustand (z.B. unterlassener Renovierung) ablehnt. Vielmehr bringt der Vermieter auch in dieser Situation regelmäßig zum Ausdruck, dass er die Mietsache zurück- haben will. Deshalb kommt die Annahme eines fehlenden Rücknahmewillens erst in Betracht, wenn das Verhalten des Vermieters deutlich macht, dass die fortgesetzte Nutzung sein Einverständnis findet. 46 Für die Erfüllung des Tatbestandes der Vorenthaltung reicht der grundsätzliche Rückerlangungswille des Vermieters aus, so dass die Entschädigungsforderung dem Vermieter im Allgemeinen auch für den Zeitraum zusteht, für den er eine Räumungsfrist gewährt hat7. Auch die mit der Gewährung einer Räumungsfrist verbundene Aufforderung, den Mietbereich bis zum Ablauf der Frist in ordnungsgemäß zurückgebautem Zustand zurückzugeben, steht der Annahme eines Rücknahmewillens des Vermieters nicht grundsätzlich entgegen. Der Hinweis auf den Rückbau beschreibt nämlich lediglich den Inhalt der Rückgabepflicht des Mieters, wie er sich bereits unmittelbar aus § 546 Abs. 1 BGB und ggf. den diese Verpflichtung präzisierenden Abreden der Parteien im Mietvertrag ergibt. Eine andere Beurteilung ist jedoch dann gerechtfertigt, wenn der Vermieter die Rücknahme des Mietobjekts mit Rücksicht auf die noch vom Mieter vorzunehmenden Renovierungs- oder Rückbauleistungen ablehnt bzw. wenn die verspätete Rückgabe darauf beruht, dass der Mieter auf Verlangen des Vermieters oder mit dessen Einvernehmen noch Renovierungs- oder Rück-

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OLG Düsseldorf v. 30.7.2003 – 24 U 187/01, MDR 2003, 82 = NZM 2003, 397. LG Köln v. 4.7.1996 – 1 S 331/95, NJW-RR 1996, 1480. OLG Düsseldorf v. 1.12.2005 – I-10 U 74/05, GuT 2006, 29. OLG Hamburg v. 29.11.1995 – 4 U 66/95, MDR 1996, 790 = WuM 1996, 543. OLG Düsseldorf v. 23.11.2010 – 24 U 67/10, ZMR 2011, 867. BGH v. 1.3.2007 – IX ZR 81/05, MDR 2007, 910 = NZM 2007, 500 = GuT 2007, 368 (Rz. 15) m.w.N. Vgl. BGH v. 23.8.2006 – XII ZR 214/04, NZM 2006, 820; BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 254/81, MDR 1983, 485 = NJW 1983, 1122.

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bauarbeiten durchführt1. Zwar darf der Vermieter die Rücknahme der Mietsache immer dann ablehnen, wenn sich die Mietsache nicht in einem rücknahmefähigen, der Nichterfüllung der Rückgabepflicht gleichkommenden Zustand befindet, ohne dass dadurch der Anspruch auf Nutzungsentschädigung berührt wird. Die bloße Schlechterfüllung der Rückgabepflicht, die insbesondere bei Verstößen gegen die Rückbaupflicht vorliegt, berechtigt ihn indessen nicht zur Verweigerung der Rücknahme2. Das kommt allenfalls in Betracht, wenn sich die Räume nicht in einem rücknahmefähigen Zustand befinden, also insbesondere der Besitz durch den Vermieter nicht ausgeübt werden kann3. Wenn es dem Willen des Vermieters entspricht, dass der Mieter nach der Beendigung 47 des Mietverhältnisses zunächst weiter den Besitz an dem Mietobjekt ausübt, um die von dem Vermieter verlangten Rückbauarbeiten durchzuführen, steht dem Vermieter mangels Vorenthaltung der Mietsache kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung zu4. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn der Vermieter sein Einverständnis mit einer Räumungsfristverlängerung ausdrücklich „zum Zwecke des vertragsgemäßen Rückbaus“ erteilt. Daran kommt unzweifelhaft zum Ausdruck, dass der Vermieter von dem Mieter die Vornahme von Rückbauarbeiten in der verlängerten Frist verlangt hat5. Im Übrigen kann ein mangelnder Rücknahmewille des Vermieters angenommen wer- 48 den, wenn – der Vermieter der (begründeten) Kündigung des Mieters widersprochen hat6; insoweit ändert sich durch einen Rechtsirrtum des Vermieters nichts, weil es nicht auf ein Verschulden ankommt; – der Vermieter sein Einverständnis mit der Verlängerung der im Kündigungsschreiben gesetzten Räumungsfrist zum Zwecke des vertragsgemäßen Rückbaus des Mietobjekts durch den Mieter erteilt7; – der Vermieter irrig von einem konkludenten Neuabschluss des Mietvertrages ausgeht8; – der Vermieter mit dem Fortbestand des Untermietvertrages einverstanden ist9; – der Vermieter sein Vermieterpfandrecht ausübt10; – der Vermieter mit dem Mieter einen neuen Mietvertrag abschließen will11; dagegen stehen Vertragsverhandlungen nach der Kündigungsbestätigung der Annahme eines Rücknahmewillens nicht entgegen12; – der Vermieter die Rücknahme der Räume verweigert, weil sie sich in einem vertragswidrigen Zustand befindet und den Mieter auffordert, Schönheitsreparaturen13 oder Mängelbeseitigungsarbeiten durchzuführen14; – der Vermieter sich in Annahmeverzug befindet15 (vgl. dazu § 546 BGB Rz. 104 ff.); 1 Vgl. auch OLG Düsseldorf v. 6.5.2010 – 10 U 154/09, ZMR 2010, 757 = NZM 2010, 582; OLG Düsseldorf v. 27.3.2003 – 10 U 64/02, NJW-RR 2004, 300 = GE 2003, 1080. 2 Vgl. Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 4. 3 Schmidt-Futterer/Streyl, § 546a BGB Rz. 47. 4 KG v. 19.7.2001 – 8 RE-Miet 2/01, MDR 2002, 86 = WuM 2001, 437. 5 OLG Celle v. 20.6.2011 – 2 U 49/11, MietRB 2011, 341 = InfoM 2011, 328. 6 BGH v. 21.2.1973 – VIII ZR 44/71, WM 1973, 383; OLG Düsseldorf v. 28.6.1990 – 10 U 183/89, WuM 1991, 264; OLG Hamm v. 9.10.1996 – 33 U 17/96, NJW-RR 1997, 264. 7 OLG Celle v. 20.6.2011 – 2 U 49/11, MietRB 2011, 341 = InfoM 2011, 328. 8 OLG München v. 10.10.2002 – 19 U 3289/02, WuM 2002, 614. 9 OLG Düsseldorf v. 14.12.2000 – 10 U 134/98, ZMR 2001, 882. 10 KG v. 14.2.2005 – 8 U 144/04, DWW 2005, 199; OLG Hamburg v. 25.10.1989 – 4 U 255/88, ZMR 1990, 8. 11 KG v. 1.10.1970 – 8 U 2633/69, ZMR 1971, 321. 12 BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 66/06, MDR 2009, 79 = NZM 2008, 931. 13 OLG Hamburg v. 6.12.1989 – 4 U 26/89, MDR 1990, 247 = WuM 1990, 75. 14 OLG Düsseldorf v. 28.5.2002 – 24 U 133/01, MDR 2002, 1244 = NZM 2002, 742 = WuM 2002, 494. 15 OLG Köln v. 27.11.1992 – 19 U 114/92, WuM 1993, 46; OLG Düsseldorf v. 16.1.1997 – 10 U 6/96, MDR 1997, 342 = WuM 1997, 218.

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– der Mieter nur einen Schlüssel zurückgegeben hat, sich der Vermieter aber monatelang nicht darum bemüht, die restlichen Schlüssel zurückzuerlangen1; – der Mieter in die Wohnung durch die Obdachlosenbehörde eingewiesen wurde; hier besteht ein öffentlich-rechtliches Nutzungsverhältnis zwischen Behörde und Vermieter; – der Vermieter aus einem vorliegenden Räumungstitel über einen längeren Zeitpunkt nicht vollstreckt2; – der Vermieter über einen längeren Zeitraum nicht die Schlüssel vom Hausmeister oder der sonstigen Person abfordert, obwohl er weiß, dass der Mieter an diese Person die Schlüssel unter Besitzaufgabe im Übrigen zurückgegeben hat3. 49 In allen Fällen, in denen der Anspruch aus § 546a BGB scheitert, ist zu prüfen, ob der Vermieter Nutzungsentschädigung aus weiteren Anspruchsgrundlagen (in der Regel §§ 812, 987, 989, 990 BGB) reklamieren kann4. 6. Höhe der Nutzungsentschädigung a) Mindestbetrag 50 Die vereinbarte Miete im Zeitpunkt der Beendigung ist der Mindestbetrag der dem Vermieter zustehenden Entschädigung. Wie diese Miete zustande gekommen ist, ist unerheblich. Insoweit sind zurückliegende Erhöhungen gem. § 558 BGB zu berücksichtigen; relevant ist aber auch ein Mietniveau, das sich über §§ 557a, 557b BGB entwickelt hat5. 51 Da der Mieter infolge Vorenthaltung der Mietsache (= rechtswidriges Verhalten) nicht bessergestellt sein darf als bei rechtmäßigem Besitz der Mietsache, darf der Vermieter auch noch während der Vorenthaltung vertraglich oder gesetzlich vorgesehene Mieterhöhungen für sich in Anspruch nehmen6. Dies betrifft insbesondere vereinbarte Staffel- oder Indexmieten7, die entsprechend den Grundsätzen der §§ 557a, 557b BGB während der Vorenthaltung vom Vermieter realisiert werden können. Die Entschädigung umfasst auch die im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung vereinbarungsgemäß zu zahlenden Betriebskosten und sonstigen Nebenentgelte8. Deshalb ist der Vermieter insbesondere zu deren Abrechnung berechtigt, wenn Vorauszahlungen geschuldet waren. Insoweit gilt § 556 Abs. 3 BGB entsprechend. Für eine Pauschale ist § 560 Abs. 1–3 BGB anwendbar. 52 Bei der Vorenthaltung einer Mietsache, deren Mietwert im Augenblick der Beendigung des Mietverhältnisses nach § 536 BGB gemindert war, richtet sich der Mindestbetrag des Schadens, den der Vermieter gemäß § 546a BGB zu fordern berechtigt ist, nach dieser geminderten Miete. Denn dieser Betrag ist die im Augenblick der Beendigung des Mietverhältnisses vereinbarte Miete9. Nichts anderes gilt, wenn die Parteien vertraglich eine Bewertung hinsichtlich des Umfangs der Minderung des Wertes der Mietsache getroffen haben. Diese Regelung ist auch für die Zeit der Vorenthaltung der Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses relevant10. Andererseits wirkt ein (wirksamer) Minderungsausschluss aber fort11.

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OLG Düsseldorf v. 17.6.2004 – 10 U 3/04“ MDR 2005, 85 = NZM 2004, 870. OLG Düsseldorf v. 1.12.2005 – 10 U 74/05, DWW 2006, 65 = GE 2006, 189. OLG Hamm v. 26.6.2002 – 30 U 29/02, NZM 2003, 26. BGH v. 21.2.1973 – VIII ZR 44/71, ZMR 1973, 238. Schmidt-Futterer/Streyl, § 546a BGB Rz. 55 m.w.N. BGH v. 7.12.1960 – VIII ZR 16/60, MDR 1961, 499 = NJW 1961, 916. BGH v. 21.2.1973 – VIII ZR 44/71, ZMR 1973, 238. Staudinger/Rolfs, § 546a BGB Rz. 43. BGH v. 7.12.1960 – VIII ZR 16/60, NJW 1961, 916 (unter A I 4); KG v. 22.2.2010 – 20 U 80/08, MDR 2010, 1311 = GE 2010, 1335. 10 BGH v. 21.2.1990 – VIII ZR 116/89, MDR 1990, 813 = ZMR 1990, 206 = WuM 1990, 246. 11 OLG Düsseldorf v. 6.5.2010 – 10 U 154/09, GuT 2010, 196.

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Entschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe

§ 546a BGB

Wird der Mangel während der Zeit der Vorenthaltung beseitigt, ist die ungeminderte 53 Nutzungsentschädigung geschuldet1. Tritt die Verschlechterung der Mietsache erst nach Beendigung des Mietverhältnisses ein, hat dies keine Herabsetzung der Nutzungsentschädigung zur Folge2. Das Gleiche gilt, wenn der Mangel auch schon vor Beendigung des Mietvertrages bestand, der Mieter ihn aber erst nachher i.S.v. § 536c Abs. 1 BGB anzeigt3. Der Vermieter ist nämlich nach Vertragsbeendigung nicht mehr zur Mängelbeseitigung und Erhaltung der Mietsache verpflichtet. Die Gegenansicht4 verkennt, dass im Abwicklungsverhältnis gerade keine Obligationen des Vermieters bestehen und daher auch das Äquivalenzprinzip nicht greift. Aus diesem Grund steht dem Mieter auch kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB zu. Eine Kürzung des Anspruchs aus § 546a Abs. 1 BGB ist nicht unter dem Gesichts- 54 punkt des Mitverschuldens (§ 254 BGB) deshalb gerechtfertigt, weil der Vermieter von seinem Herausgabeanspruch nach § 546 Abs. 2 BGB keinen Gebrauch gemacht hat5. Da es sich bei § 546a Abs. 1 BGB um einen vertraglichen Anspruch eigener Art handelt6, ist § 254 BGB nicht anwendbar. Dessen Anwendungsbereich beschränkt sich auf Schadensersatzansprüche. Ebenso wenig kommt grundsätzlich eine Reduzierung der Nutzungsentschädigung 55 in Betracht, wenn der Vermieter eine Teilleistung des Mieters entgegen § 266 BGB annimmt7. Denn auch in diesem Fall ist die Rückgabepflicht nicht erfüllt. Allenfalls, wenn der Vermieter die Teilleistung als Erfüllung annimmt8, weil er den selbständigen Teil der Mietsache separat vermieten kann oder selber nutzen will, kommt eine andere Sichtweise in Betracht. Insoweit wird aber regelmäßig der Rechtsgedanke des § 537 BGB gelten. b) Dauer der Entschädigungspflicht Im Hinblick darauf, dass eine Weitervermietung regelmäßig zum Ersten des Monats 56 stattfindet, könnte es gerechtfertigt sein, die Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB für jeden angefangenen Monat (voll) zu berechnen9. Diese Ansicht steht aber nicht mit dem Wortlaut des § 546a Abs. 1 BGB in Einklang. Danach ist die Zahlung für die Dauer der Vorenthaltung geschuldet, also für die Zeit ab rechtlicher Beendigung des Mietverhältnisses bis zur Beendigung der Vorenthaltung (taggenau) geschuldet10. Die Beendigung der Vorenthaltung tritt entweder durch die Rückgabe der Mietsache 57 ein oder eine Fortsetzung bzw. Neubegründung des Mietvertrages. Inwieweit durch § 569 Abs. 2 Nr. 3 BGB ein rückwirkender Entfall der Vorenthaltung eintreten kann, ist streitig (vgl. § 569 BGB Rz. 148). Eine Fortsetzung des Mietvertrages kann im Übrigen durch einvernehmliches Handeln oder nach § 545 BGB stattfinden. Weitergehende Einbußen kann der Vermieter nur über einen Schadensersatzan- 58 spruch als Mietausfallschaden geltend machen (vgl. § 546a BGB Rz. 90 ff.).

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Blank/Börstinghaus, § 546a BGB Rz. 27. BGH v. 7.12.1960 – VIII ZR 16/60, NJW 1961, 916. LG Berlin v. 17.3.1992 – 64 S 347/91, ZMR 1992, 541. MünchKomm/Bieber, § 546a BGB Rz. 10; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 546a BGB Rz. 21. BGH v. 15.2.1984 – VIII ZR 213/82, MDR 1984, 662 = NJW 1984, 1527. BGH v. 22.10.1997 – XII ZR 142/95, MDR 1998, 94 = ZMR 1998, 137 = NJW-RR 1998, 803. OLG Hamburg v. 29.11.1995 – 4 U 66/95, MDR 1996, 790 = ZMR 1996, 259 = WuM 1996, 543. Blank/Börstinghaus, § 546a BGB Rz. 28. OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 150/01, ZMR 2003, 105 = DWW 2002, 329 = GE 2002, 1428; KG v. 3.5.2001 – 8 U 5568/99, GE 2001, 989. BGH v. 5.10.2005 – VIII ZR 57/05, MDR 2006, 436 = ZMR 2006, 32 = WuM 2005, 771 = NZM 2006, 52.

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Entschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe

c) Erhöhung bis zur ortsüblichen Miete aa) Ermittlung der Höhe 59 Anstelle des Mindestbetrages der vereinbarten Miete kann der Vermieter als Entschädigung die Miete beanspruchen, die für vergleichbare Sachen ortsüblich ist. Darunter ist auch bei Wohnraum regelmäßig die Marktmiete1 zu verstehen2. 60 Die Gegenmeinung3, die jedenfalls für die Wohnraummiete die ortsübliche Vergleichsmiete fordert, übersieht, dass durch die Änderung des § 557 BGB a.F., der bis 31.8.2001 gültigen Vorgängervorschrift, die durch das dritte Mietänderungsgesetz vom 21.12.19674 eingeführt wurde, der Begriff der ortsüblichen Miete in das Gesetz aufgenommen wurde und bei Inkrafttreten des Miethöhegesetzes vom 18.12.19745 dieser Begriff nicht geändert wurde. Dies wäre durch einen Verweis für die Wohnraummiete auf § 2 MHG (heute: § 558 Abs. 2 BGB) ohne weiteres möglich gewesen. Zwar hat der Gesetzgeber des MRRG 2001 in der Begründung zu § 546a BGB mehrfach den Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete verwendet6. Indessen hat er insbesondere unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 14.7.19997 deutlich gemacht, dass sich nichts ändern sollte. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass keine materielle Änderung des Begriffs herbeigeführt werden sollte. Dies gilt umso mehr, als die Vorschrift im allgemeinen Teil der mietrechtlichen Vorschriften platziert ist und auch für andere Mietverhältnisse (also z.B. bewegliche Sachen) gelten soll. Maßgeblich ist im Übrigen, dass der Vermieter durch die Vorenthaltung gehindert wird, eine Neuvermietung durchzuführen. Dann muss sich die Entschädigung aber auch an den dafür relevanten Kriterien orientieren. Andernfalls müssten z.B. die Mietereinbauten bei der Bewertung der Höhe der Entschädigung berücksichtigt werden und wären eben nicht die Marktverhältnisse relevant, sondern die fiktive Fortsetzung des Mietvertrages. Dass § 546a BGB damit einen Schadensersatzcharakter erhält8, ist die natürliche Folge des Verzuges, in dem sich der Mieter wegen seiner Räumungspflicht befindet, und dem Zweck der Vorschrift geschuldet (vgl. § 546a BGB Rz. 9). 61 Dennoch kann zur Ermittlung der maßgeblichen Nutzungsentschädigung bei preisfreiem Wohnraum zunächst nach den gleichen Kriterien wie bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Rahmen des § 558 Abs. 2 BGB vorgegangen werden. Insoweit kann auch ein qualifizierter Mietspiegel herangezogen werden. Die positiven wie negativen Beschaffenheitsmerkmale sind zu bewerten. Entscheidend ist aber im Ergebnis, welche Miete der Vermieter im Fall einer Weitervermietung hätte durchsetzen können, was im Zweifel durch ein Sachverständigengutachten zu ermitteln ist und sich nicht an den Bestandmieten, sondern den Neuvermietungsmieten orientiert. Dabei können durchaus Besonderheiten berücksichtigt werden. Soll das Haus z.B. nach dem Auszug des Mieters abgerissen werden, wird sich eine Neuvermietungsmiete, die über der bisher gezahlten Miete liegt, nicht feststellen lassen9. Andererseits ist der auch durch Leistungen des Mieters verbesserte Zustand bei (unterbliebener) Rückgabe der Bewertung jedenfalls dann zugrunde zu legen, wenn dem Mieter weder Aufwendungsersatz- noch Wegnahmeansprüche zustehen. Letzteres ist

1 Die gegenteilige Auffassung in Erman/Lützenkirchen, § 546a BGB Rz. 12 wird aufgegeben. 2 Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 546a BGB Rz. 23; Schmidt-Futterer/Streyl, § 546a BGB Rz. 59; MünchKomm/Bieber, § 546a BGB Rz. 13; Staudinger/Rolfs, § 546a BGB Rz. 53. 3 Blank/Börstinghaus, § 546a BGB Rz. 31; Bub/Treier/Scheuer, V Rz. 109; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 111. 4 BGBl. I, S. 1248. 5 BGBl. I, S. 3603, 3604. 6 Vgl. Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1149. 7 BGH v. 14.7.1999 – XII ZR 215/97, MDR 1999, 1255 = MDR 1999, 1495 m. Anm. Waas = NJW 1999, 2808. 8 So Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 111. 9 LG Köln v. 21.3.1985 – 1 S 387/84, WuM 1987, 123.

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Entschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe

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auch der Fall, wenn solche Ansprüche wegen Verjährung nach § 548 Abs. 2 BGB nicht mehr geltend gemacht werden können1. Bei preisgebundenem Wohnraum ist die ortsübliche Miete i.S.v. § 546a Abs. 1 BGB identisch mit der Kostenmiete.

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bb) Das Erhöhungsverlangen Das Verlangen nach Erhöhung der Nutzungsentschädigung ist eine geschäftsähn- 63 liche Handlung, auf die die Vorschriften über Willenserklärungen entsprechend anwendbar sind. Dies gilt insbesondere für § 174 BGB. Als Ersetzungsbefugnis kann die Erhöhungsmöglichkeit nicht angesehen werden mit der Folge, dass der Vermieter ein Gestaltungsrecht in Form einer einseitigen, empfangsbedürftigen Willenserklärung ausüben müsste2. Denn der Anspruch entsteht ohne weiteres mit der Beendigung des Mietvertrages und wird durch bloßes Verlangen fällig (vgl. § 546a BGB Rz. 73). Deshalb kann es auch rückwirkend gestellt werden3. Die Formulierung in § 546a Abs. 1 S. 1 BGB und die Entstehungsgeschichte lassen keine andere Auslegung zu4, zumal der Gesetzgeber des MRRG bewusst die Formulierung „oder“ aufgenommen hat, um deutlich zu machen, dass er sich der Meinung des BGH anschließt5. Formelle und inhaltliche Anforderungen können an das Verlangen des Vermieters 64 grundsätzlich nicht gestellt werden. Insbesondere muss der Vermieter keine Begründung, z.B. durch Bezugnahme auf einen Mietspiegel, erteilen. Die erhöhte Nutzungsentschädigung muss aber mindestens bestimmbar angegeben werden. Immerhin reicht es auch, eine Fristsetzung bestimmbar zu formulieren6. Deshalb genügt die Forderung nach einer „Nutzungsentschädigung in Höhe der Miete, die für vergleichbare Wohnungen ortsüblich ist“. Die weitere Zahlung von Beträgen in Höhe der vereinbarten Miete durch den Mieter 65 führt nicht zum Verlust des Rechts, eine Erhöhung der Nutzungsentschädigung zu verlangen. Die Wirkung der Zahlungen beschränkt sich auf eine Teilerfüllung des (gesetzlichen) Anspruchs. Die Geltendmachung des Anspruchs auf erhöhte Nutzungsentschädigung ist auf die 66 Dauer der Vorenthaltung beschränkt. Allerdings wirkt ein Verlangen nicht automatisch für die Vergangenheit. Vielmehr muss der Vermieter eine Rückwirkung geltend machen, was auch konkludent geschehen kann. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Vermieter sein Verlangen für die Dauer der Vorenthaltung stellt. Die Vorenthaltung beginnt mit der rechtlichen Beendigung des Mietvertrages und endet mit der Rückgabe oder einer Fortsetzung bzw. Neubegründung des Mietvertrages (vgl. § 546a BGB Rz. 37). Nach der hier vertretenen Auffassung kann das Verlangen auch noch nach Eintritt 67 der Heilungswirkung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB gestellt werden (vgl. § 569 BGB Rz. 148). d) Preisgebundener Wohnraum Bei preisgebundenem Wohnraum aus der Zeit vor dem 1.1.2002 gilt die Kostenmiete 68 als Orientierungsgröße7, selbst wenn sie die ortsübliche Vergleichsmiete übersteigt oder niedriger ist. Zwar sieht § 546a BGB keine Differenzierung vor8. Dies gilt aber für die §§ 535 ff. BGB generell. § 8 Abs. 1 WoBindG stellt bei der Definition der Kosten-

1 OLG Düsseldorf v. 10.5.2005 – 24 U 257/03, ZMR 2007, 33. 2 So aber Bub/Treier/Scheuer, V Rz. 107. 3 BGH v. 14.7.1999 – XII ZR 215/97, MDR 1999, 1255 = ZMR 1999, 749 = WuM 1999, 689 = NJW 1999, 2808. 4 Schmidt-Futterer/Streyl, § 546a BGB Rz. 53; Staudinger/Rolfs, § 546a BGB Rz. 52; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 110. 5 Begr. d. RegE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1149. 6 BGH v. 12.8.2009 – VIII ZR 254/08, WuM 2009, 580. 7 Blank/Börstinghaus, § 546a BGB Rz. 31 m.w.N. 8 So Schmidt-Futterer/Streyl, § 546a BGB Rz. 61.

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miete aber auf die Überlassung des Gebrauchs ab, wozu auch die Zeit der Vorenthaltung gehört. 69 Während der Dauer der Vorenthaltung gilt § 10 WoBindG entsprechend1, wobei die Formalien nicht so streng zu sehen sind. Es reicht aus, dass der Vermieter eine Erhöhung der laufenden Aufwendungen mitteilt. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung, die Zusatzberechnung oder der Auszug aus der Wirtschaftlichkeitsberechnung müssen dem Erhöhungsverlangen nicht beigefügt werden. Auch eine Berechnung und Erläuterung können nachgeliefert werden. 70 Eine Erhöhung ist jedenfalls nur bei Veränderung der laufenden Aufwendungen zulässig. Diese können auch ohne eine Klausel i.S.v. § 4 Abs. 8 NMV rückwirkend geltend gemacht werden. Der Vermieter kann die Nutzungsentschädigung also nur erhöhen, wenn sich seine laufenden Aufwendungen i.S.v. § 18 II.BV entsprechend geändert haben. Auch eine Senkung der Nutzungsentschädigung bei entsprechender Reduzierung der laufenden Aufwendungen kommt unter diesen Gesichtspunkten in Betracht. 7. Fälligkeit a) Nutzungsentschädigung in Mindesthöhe 71 Die Nutzungsentschädigung wird jedenfalls in der Mindesthöhe des § 546a BGB ohne weiteres nach den gleichen Regeln fällig wie die Miete2. Ansonsten würde der vertragsuntreue Mieter gegenüber dem vertragstreuen Mieter privilegiert3. Demnach sind für die Fälligkeit in erster Linie die vertraglichen Bestimmungen maßgeblich. Fehlen einschlägige Regelungen oder sind sie unwirksam, gelten die §§ 556b Abs. 1, 579 BGB. 72 Im Hinblick auf die kalendermäßige Bestimmung ist § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB anwendbar, so dass mit der Fälligkeit gleichzeitig Verzug eintritt4. b) Erhöhte Nutzungsentschädigung 73 Hinsichtlich der erhöhten Nutzungsentschädigung tritt Fälligkeit erst mit dem Zugang des Verlangens i.S.v. § 546a Abs. 1 2. Alt. BGB ein5. Denn solange die Geltendmachung nicht erfolgt ist, weiß der Mieter nicht, ob und ggf. in welcher Höhe der Vermieter die Marktmiete verlangt. Allerdings ist es grundsätzlich nicht erforderlich, die erhöhte Nutzungsentschädigung zu beziffern. Vielmehr reicht ein bestimmbares Verlangen. Dieses liegt z.B. vor, wenn der Vermieter die Forderung nach Zahlung einer „Nutzungsentschädigung in Höhe der Miete, die für vergleichbare Wohnungen ortsüblich ist“ stellt (vgl. § 569 BGB Rz. 118). Denn damit liegt ein bestimmbares Verlangen vor. Die Gegenmeinung6 übersieht, dass § 546a BGB keinerlei Erläuterungsanforderungen an den Vermieter stellt und daher ein einfaches Begehren nach höherer Nutzungsentschädigung (formell) ausreicht. 74 Der Verzug mit der Nutzungsentschädigung wird erst durch Mahnung gemäß § 286 Abs. 1 BGB bzw. durch eine Rechnung oder eine gleichwertige Zahlungsaufstellung herbeigeführt. Denn bei der Nutzungsentschädigung handelt es sich um eine Entgeltforderung i.S.d. § 286 Abs. 3 BGB7. Soweit das Verlangen rückwirkend gestellt wird, kann Verzug ebenfalls nur für die Zukunft eintreten, und zwar durch eine Mahnung oder die Wirkungen des § 286 Abs. 3 BGB. Hinsichtlich der künftigen erhöhten Zah1 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 112; a.A. LG Berlin v. 27.10.1995 – 64 S 174/95, GE 1996, 127; LG Freiburg v. 14.9.1993 – 7 S 14/93, WuM 1993, 671. 2 BGH v. 22.3.1989 – VIII ZR 155/88, MDR 1989, 808 = NJW 1989, 1730; BGH v. 23.1.1974 – VIII ZR 219/72, MDR 1974, 484 = NJW 1974, 556. 3 OLG Düsseldorf v. 27.10.1994 – 10 U 76/93, WuM 1995, 392 = ZMR 1995, 303 = NJW-RR 1995, 850. 4 BGH v. 22.3.1989 – VIII ZR 155/88, MDR 1989, 808 = NJW 1989, 1730. 5 Schmidt-Futterer/Blank, § 546a BGB Rz. 71 m.w.N. 6 Schmidt-Futterer/Blank, § 546a BGB Rz. 71 (der für die Berechnung die Parallele zur Betriebskostenabrechnung heranzieht). 7 OLG Köln v. 23.5.2006 – 3 U 203/05, ZMR 2006, 772 = OLGR Köln 2006, 785.

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Entschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe

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lungen richtet sich der Verzug nach den vertraglichen oder gesetzlichen (§§ 556b Abs. 1, 579 BGB) Fälligkeitsregeln. Danach besteht in der Regel eine kalendermäßige Bestimmung, so dass mit der Fälligkeit Verzug eintritt. c) Aufrechnungsbeschränkung Ein nach Maßgabe der AGB-rechtlichen Bestimmungen zulässiges Verbot (vgl. 75 § 556b BGB Rz. 50 ff.), gegen Mietforderungen aufzurechnen, oder die sonstige zulässige Beschränkung von Gewährleistungsrechten wirkt auch nach Mietende weiter, da andernfalls der im Zahlungsverzug befindliche Mieter gegenüber dem vertragstreuen Mieter privilegiert würde1. Im Übrigen soll das Aufrechnungsverbot dem Vermieter die Durchsetzung seiner Mietzahlungsansprüche sichern, indem es dem Mieter die Berufung auf streitige Gegenforderungen versagt. Dieses Interesse entfällt nicht schon mit der Beendigung des Mietverhältnisses, sondern besteht fort, solange Mietraten rückständig sind und insbesondere das Mietobjekt nicht zurückgegeben ist2. Unbeachtlich wird allerdings eine Regelung, nach der die Aufrechnung zusätzlich an eine vorherige Ankündigung gegenüber dem Vermieter geknüpft wird. Sie verliert ihren Sinn mit der Beendigung des Mietverhältnisses und der Rückgabe des Mietobjekts3. 8. Minderung Besteht bei Beendigung des Mietvertrages ein Mangel der Mietsache und war die 76 Miete deshalb schon vor Mietende gemindert, gilt diese geminderte Miete als die vereinbarte Miete i.S.v. § 546a Abs. 1 BGB. Dies beruht darauf, dass die Minderung kraft Gesetzes eintritt4. Ebenso wirkt eine Einigung der Parteien über eine bestimmte Minderung fort5. Selbstverständlich ist der Vermieter zur Beseitigung des Mangels berechtigt mit der Folge, dass die Minderung entfällt. Eine Verpflichtung zur Mängelbeseitigung besteht nicht, weil § 535 Abs. 1 BGB nicht mehr gilt. Entsteht der Mangel erst während der Dauer der Vorenthaltung oder tritt eine Ver- 77 schlimmerung ein, soll aus dem vertragsähnlichen Charakter der Nutzungsentschädigung geschlossen werden können, dass die Miete auch in diesem Fall gemindert sei, weil für ein mangelhaftes Mietobjekt nur eine geringere Marktmiete zu erzielen sei6. Dabei wird übersehen, dass selbst im Rahmen der Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete zwischen behebbaren und unbehebbaren Mängeln unterschieden wird (vgl. § 558 BGB Rz. 120). Die erhöhte Nutzungsentschädigung tritt als Marktmiete an die Stelle, die der Vermieter bei rechtmäßigem Verhalten erzielt hätte. Da dem Mieter kein Anspruch auf Instandsetzung (= Mängelbeseitigung) infolge der Beendigung des Mietvertrages zusteht, kann er auch keine Minderung geltend machen, wenn der Mangel erstmals nach Mietende eingetreten ist7. Dies gilt für die Minderung der Nut-

1 BGH 12.1.2000 – XII ZA 21/99, MDR 2000, 515 = WuM 2000, 240; OLG Düsseldorf v. 27.10.1994 – 10 U 76/93, WuM 1995, 392 = ZMR 1995, 303 = NJW-RR 1995, 850. 2 OLG Düsseldorf v. 28.5.2009 – 10 U 2/09, GE 2009, 1043; OLG Düsseldorf v. 30.4.1997 – 10 U 73/96, WuM 1997, 428 = ZMR 1997, 466. 3 Vgl. BGH v. 12.1.2000 – XII ZA 21/99, MDR 2000, 515 = WuM 2000, 240; BGH v. 16.12.1987 – VIII ZR 48/87 = BGHR BGB § 387 Beschränkung 1 = WPM 1988, 159. 4 BGH v. 21.2.1990 – VIII ZR 116/89, MDR 1990, 813 = WuM 1990, 246 = ZMR 1990, 206; KG v. 1.3.2012 – 8 U 197/10, ZMR 2013, 26 (27); OLG Düsseldorf v. 28.6.1990 – 10 U 183/89, WuM 1991, 264; Schmidt-Futterer/Blank, § 546a BGB Rz. 68 m.w.N.; a.A. MünchKomm/Bieber, § 546a BGB Rz. 10; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 546a BGB Rz. 21. 5 BGH v. 21.2.1990 – VIII ZR 116/89, MDR 1990, 813 = WuM 1990, 246 = ZMR 1990, 206. 6 Lammel, § 546a BGB Rz. 30; Schmidt-Futterer/Blank, § 546a BGB Rz. 68; MünchKomm/Bieber, § 546a BGB Rz. 10; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 546a BGB Rz. 21. 7 KG v. 1.3.2012 – 8 U 197/10, ZMR 2013, 26 (27); OLG Düsseldorf v. 7.12.2000 – 10 U 199/99, OLGR Düsseldorf 2001, 263; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 114; Staudinger/Rolfs, § 546a BGB Rz. 42; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 320, 321; Palandt/Weidenkaff, § 546a BGB Rz. 11.

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zungsentschädigung in der Mindesthöhe ebenso wie für die erhöhte Nutzungsentschädigung1. 9. Verjährung 78 Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung verjährt nicht nach § 548 BGB, sondern gemäß den §§ 195, 199 BGB in drei Jahren2. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Vermieter z.B. wusste, dass er nach § 546a Abs. 1 BGB eine erhöhte Nutzungsentschädigung bis zur ortsüblichen Miete verlangen kann. Maßgeblich für den Beginn der Verjährung ist allein die Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen3, hier also im Wesentlichen der Beendigung des Mietvertrages. 10. Nutzungsentschädigung in der Insolvenz 79 Ansprüche auf Nutzungsentschädigung gemäß § 546a BGB aus einem schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendeten Mietverhältnis stellen grundsätzlich auch insoweit nur Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) dar, als das sie erst nach der Eröffnung fällig werden4. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Insolvenzverwalter die Mietsache nach der Eröffnung des Verfahrens für die Masse in Anspruch nimmt. Ergreift der Verwalter für die Masse Besitz an der Mietsache und schließt er zugleich den Vermieter gegen dessen Willen gezielt aus, begründet er eine Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO)5. 11. Anspruch auf Herausgabe der Untermiete 80 Überschreitet der Mieter seine Befugnisse aus dem Mietvertrag, indem er z.B. die Mietsache ohne Einwilligung des Vermieters untervermietet, kommen sowohl Ansprüche aus den §§ 987 ff. BGB als auch aus § 812 BGB in Betracht. Dennoch besteht kein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB gegen den Mieter auf Herausgabe eines durch die Untervermietung erzielten Mehrerlöses6. Denn insoweit fehlt es an dem erforderlichen Merkmal der Bereicherung des Mieters auf Kosten des Vermieters. Die Untervermietung ist auch dann, wenn sie unberechtigt vorgenommen wird, ein dem Mieter zugewiesenes Geschäft. Denn der Vermieter hat sich durch den Abschluss des Hauptmietvertrages der Gebrauchs- und Verwertungsmöglichkeit begeben, die der Mieter durch die Untervermietung wahrnimmt7. 81 Ein Anspruch des Vermieters gegen den Hauptmieter auf Auskehrung des Mehrerlöses aus der nach Beendigung des Hauptmietvertrages fortgesetzten Untervermietung besteht ebenfalls grundsätzlich nicht. Er ergibt sich insbesondere nicht nach GoA oder Bereicherungsrecht8. Denn weder übt der Mieter ein objektiv fremdes Geschäft aus, noch liegt eine unmittelbarer Bereicherungsvorgang vor. Nach Rechtshängigkeit des Rückgabeanspruchs schuldet der Mieter aber im Rahmen der Herausgabe von Nutzungen nach §§ 546 Abs. 1, 292 Abs. 2, 987 Abs. 1, 99 Abs. 3 BGB auch die Auskehr eines durch Untervermietung erzielten Mehrerlöses9. Dazu gehört auch eine „Entschädigung“, die der Mieter von dem Untermieter als Abfindung für eine vorzeitige Beendigung des Untermietverhältnisses erhalten hat10.

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BGH v. 7.12.1960 – VIII ZR 16/60, NJW 1961, 916. Müller in Müller/Walther, § 546a BGB Rz. 32. BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 91/10, MDR 2011, 909 = MietRB 2011, 238 = GE 2011, 1013. BGH v. 21.12.2006 – IX ZR 66/05, MietRB 2007, 110 = MDR 2007, 914 = WuM 2007, 387 = ZMR 2007, 348; BGH v. 24.11.1993 – VIII ZR 240/92, MDR 1994, 272 = ZMR 1994, 103 = ZIP 1993, 1874 (1875 f.). BGH v. 1.3.2007 – IX ZR 81/05, MDR 2007, 910 = NZM 2007, 500 = GuT 2007, 368. BGH v. 13.12.1995 – XII ZR 194/93, MDR 1996, 461; BGH v. 20.5.1964 – VIII ZR 235/63, MDR 1964, 751 = NJW 1964, 1853; BGH v. 8.1.1969 – VIII ZR 184/66, WPM 1969, 298. BGH v. 13.12.1995 – XII ZR 194/93, MDR 1996, 461. BGH v. 8.7.2008 – VIII ZR 5/08, ZMR 2009, 102. BGH v. 12.8.2009 – XII ZR 76/08, MDR 2009, 1267 = ZMR 2010, 21. BGH v. 12.8.2009 – XII ZR 76/08, MietRB 2009, 284 = MDR 2009, 1267 = ZMR 2010, 21 = GuT 2009, 306 = NZM 2009, 701.

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Erfolgt die Besitzüberlassung jedoch nicht aufgrund eines Vertrages, sondern einer 82 gesetzlichen Anordnung, ist die Rechtslage anders zu bewerten, selbst wenn das Gesetz die Überlassung an einen bestimmten Dritten zur Verwirklichung bestimmter öffentlicher Zwecke verlangt1. In diesem Fall bleibt nämlich dem Vermieter die Möglichkeit der Nutzung durch Vermietung und Verpachtung zugeordnet. Schließt der durch das Gesetz Begünstigte mit einem Dritten einen Mietvertrag, greift er damit in eine Rechtsposition des Vermieters/Eigentümers ein, so dass Ansprüche aus § 812 BGB (Eingriffskondiktionen) gegeben sind. Erzielt der Dritte von den Nutzern Mieten, kann der Eigentümer über § 988 BGB im Übrigen die tatsächlich gezogenen Nutzungen herausverlangen2. II. Rechtsbeziehung während der Vorenthaltung Mit der Beendigung des Mietvertrages und der Fortsetzung der Nutzung entsteht zwischen den Parteien ein gesetzliches Schuldverhältnis, aus dem der Anspruch nach § 546a Abs. 1 BGB entspringt. Daher handelt es sich um einen vertraglichen Anspruch eigener Art3.

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Welche Rechte und Pflichten im Übrigen gelten, muss im Einzelfall untersucht wer- 84 den. Ausgangspunkt der Überlegungen ist dabei, dass mit der Beendigung des Mietvertrags grundsätzlich auch die Pflicht des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung gemäß § 535 Abs. 1 BGB endet4 und damit auch die Pflicht zur Erhaltung der Mietsache. Allerdings können nach Treu und Glauben einzelne Verpflichtungen des Vermieters noch nach der Vertragsbeendigung bestehen, wozu z.B. die Pflicht zur Erbringung von Versorgungsleistungen in Ausnahmefällen gehören kann (vgl. § 535 BGB Rz. 514 f.). Solche nachvertraglichen Pflichten können sich im Einzelfall aus der Eigenart des – 85 beendeten – Mietvertrages (z.B. Wohnraummiete) oder den besonderen Belangen des Mieters (z.B. Gesundheitsgefährdung) ergeben. Andererseits muss stets beachtet werden, dass nicht allein auf die Interessen des Mieters abgestellt werden kann5. Deshalb kann sich z.B. die nachvertragliche Pflicht zur Versorgung des Mieters mit Energie und Wasser aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) nur rechtfertigen, wenn sie auf der anderen Seite den berechtigten Interessen des Vermieters nicht in einer Weise zuwiderläuft, die ihm die weitere Leistung unzumutbar macht6. Ist dem Vermieter die Weiterbelieferung nicht zumutbar, kommt es anders als bei bestehendem Mietvertrag auf den Umfang und die Grenzen eines Zurückbehaltungsrechts nicht an, weil der Vermieter in diesem Fall schon nicht mehr zur Gebrauchsüberlassung verpflichtet ist (vgl. im Einzelnen § 535 BGB Rz. 514). Nach diesen Grundsätzen kann der Vermieter z.B. zur Fortsetzung von Versorgungsleistungen verpflichtet sein, wenn dem Mieter eine Räumungsfrist nach §§ 721, 765a, 794a ZPO gewährt worden ist und dem Vermieter wegen der regelmäßig entrichteten Nutzungsentschädigung kein Schaden entsteht. Bestimmungen des Mietvertrages oder gesetzliche Vorschriften sind auf das durch 86 § 546a BGB begründete Schuldverhältnis nach Beendigung des Mietvertrages anwendbar, sofern sie nicht unbedingt einen Mietvertrag mit seinen synallagmatischen Verpflichtungen voraussetzen. Letzteres ist z.B. bei der Minderung nach § 536 BGB der Fall (vgl. dazu § 546a BGB Rz. 76). Sie ist Ausdruck des Äquivalenzprinzips und setzt eine Erhaltungspflicht des Vermieters voraus. Dagegen sind z.B. Vorfälligkeitsregelungen aus dem Mietvertrag oder dem Gesetz (§ 556b Abs. 1 BGB) ebenso an1 2 3 4

BGH v. 21.9.2001 – V ZR 228/00, MDR 2002, 83 = NZM 2001, 1149. BGH v. 21.9.2001 – V ZR 228/00, MDR 2002, 83 = NZM 2001, 1149. BGH v. 22.10.1997 – XII ZR 142/95, MDR 1998, 94 = ZMR 1998, 137 = NJW-RR 1998, 803. BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 5 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263; Staudinger/Rolfs, § 546a BGB Rz. 6. 6 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263.

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wendbar, wie Aufrechnungsverbote bzw. -beschränkungen fortgelten (vgl. § 546a BGB Rz. 75). Andererseits bleib der Mieter zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet, weil sie auch im Rahmen des gesetzlichen Schuldverhältnisses Teil seiner Gegenleistung sind1. Auch hat der Mieter die Betriebskosten im gleichen Umfang zu tragen wie vor der Beendigung des Mietvertrages und es gelten für Vermieter und Mieter die Fristen des § 556 Abs. 3 BGB. Auch die Duldungspflichten nach den §§ 555a, 555d BGB gelten fort2. Schließlich findet eine über § 538 BGB hinausgehende Haftungserweiterung zu Lasten des Mieters nicht statt3. Problematisch ist die Fortgeltung der Abrechnungsfrist nach § 556 Abs. 3 BGB und der übrigen Folgen der Abrechnungsreife (zur Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts vgl. § 556 BGB Rz. 561, zum Verlust des Vorauszahlungsanspruchs vgl. § 556 BGB Rz. 303). Dafür spricht einerseits, dass die Nutzungsentschädigung in der Mindesthöhen-Variante an die Stelle der bisherigen Miete tritt. Andererseits erhält der Mieter gerade mit dem Zurückbehaltungsrecht ein Instrument, dass ihm die Dauer der Vorenthaltung „schmackhaft“ machen kann. Deshalb ist es zwar gerechtfertigt, den Vermieter auch zur Abrechnung von Vorauszahlungen, die der Mieter im Rahmen der Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB leistet, zu verpflichten. Zur Durchsetzung dieses Anspruchs ist es dem Mieter bei Eintritt der Abrechnungsreife aber versagt, sich auf ein Zurückbehaltungsrecht zu berufen. Immerhin hat er die Situation durch sein eigenes vertragswidriges Verhalten (Vorenthaltung) hervorgerufen und kann sich daher nicht auf einen Pflichtverstoß des Vermieters berufen (§ 242 BGB). 87 Die Beendigung des Mietvertrages führt aber nicht dazu, dass der Vermieter den Besitz des Mieters beeinträchtigen darf4. Vielmehr kann der Mieter sich auch bei unberechtigtem Besitz auf die §§ 858, 861 BGB berufen und gegen eine verbotene Eigenmacht vorgehen. Denn der Vermieter hat trotz der Beendigung den freien und ungehinderten Zugang zu den Räumen zu gewähren5. Glaubt der Vermieter insoweit irrtümlich, zur Selbsthilfe (§ 226 BGB) berechtigt zu sein, indem er z.B. den Gewahrsam bricht, haftet er aus § 231 BGB garantiemäßig6. III. Ersatz weitergehenden Schadens 1. Allgemeines 88 Für den Ersatz weitergehenden Schadens (§ 546a Abs. 2 BGB) gelten die allgemeinen Vorschriften, die für die Wohnraummiete durch § 571 BGB ergänzt werden. Die gerichtliche Bewilligung einer Räumungsfrist beseitigt nicht den Verzug7; ob eine außergerichtliche Bewilligung, eine verzugausschließende Stundung oder nur Verzicht auf eine zwangsweise Durchsetzung des Herausgabeanspruchs, der den Verzug unberührt lässt, zu sehen ist, ist Frage des Einzelfalles8. 89 Ist ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB nicht gegeben, weil z.B. der Rücknahmewille des Vermieters fehlt oder eine verbotene Eigenmacht vorliegt, kann ein Mietausfall auch als Schadensersatz nicht beansprucht werden. Denn ein Anspruch auf Ersatz des Kündigungsfolgeschadens kommt grundsätzlich erst ab Rückgabe der Mietsache bzw. im Fall verbotener Eigenmacht erst ab dem

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Schmidt-Futterer/Streyl, § 546a BGB Rz. 12. Blank/Börstinghaus, § 546a BGB Rz. 53. Schmidt-Futterer/Streyl, § 546a BGB Rz. 15; a.A. MünchKomm/Bieber, § 546a BGB Rz. 27. Schmidt-Futterer/Streyl, § 546a BGB Rz. 12. BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 6 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, WuM 2010, 578 = ZMR 2011, 23 = NZM 2010, 701; BGH v. 19.12.1979 – VIII ZR 46/79, NJW 1980, 1043 (unter II 1b); BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 247/80, NJW 1981, 2686 (unter I 2); Staudinger/Rieble, Vor §§ 339 ff. BGB Rz. 28 f.; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 BGB Rz. 8; Palandt/Grüneberg, § 339 BGB Rz. 6. 7 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1048. 8 BGH v. 29.4.1987 – VIII ZR 258/86, MDR 1987, 926 = ZMR 1987, 287.

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Zeitpunkt der einvernehmlichen Besitzrückgabe durch den Mieter oder der offiziellen Besitzeinweisung durch den Gerichtsvollzieher in Betracht1. 2. Mietausfallschaden Kündigt z.B. der Vermieter gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB wegen Zahlungsverzuges, 90 umfasst sein Ersatzanspruch grundsätzlich sämtliche Schäden, die ihm infolge der Kündigung entstehen. Dazu gehört insbesondere die ihm entgehende Miete für die vereinbarte feste Vertragsdauer oder bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Mieter erstmals ordentlich hätte kündigen können2. Der Umfang des weitergehenden Schadens richtet sich nach §§ 249 ff. BGB, insbeson- 91 dere auch nach § 252 BGB. Zur Berechnung dieses Mietausfallschadens ist die Darlegung des Vermieters erforderlich, wann und zu welcher Miete das Mietobjekt bei rechtzeitiger Rückgabe hätte vermietet werden können3. Daran ändert die Darlegungserleichterung gemäß § 252 S. 2 BGB nichts. Der Geschädigte hat Anknüpfungstatsachen vorzutragen und zu beweisen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit ergibt, dass der geltend gemachte Gewinn zu erzielen gewesen wäre. Denn die durch § 252 S. 2 BGB zugelassene Wahrscheinlichkeitsprüfung erfordert den Vortrag greifbarer Tatsachen, weil sich nur anhand eines bestimmten Sachverhalts sagen lässt, wie sich die Dinge weiterentwickelt hätten, und dass die in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende Vermutung erst nach Beibringung der erforderlichen (Ausgangs- oder Anknüpfungs-)Tatsachen zum Tragen kommen kann4. Darüber hinaus ist es für die Darlegung eines durch die verspätete Rückgabe der Mietsache entstandenen konkreten Mietausfallschadens sogar als erforderlich angesehen worden, dass dargetan wird, wann, an wen und zu welchem Entgelt die Mietsache hätte vermietet werden können5. Allerdings ist immer auch darauf hingewiesen worden, dass sich eine feste Regel nicht aufstellen lässt, sondern vieles von den Umständen des jeweiligen Falles abhängt und deshalb die Beurteilung einer hinreichenden Schadenswahrscheinlichkeit Aufgabe des Tatrichters ist6. Mit Rücksicht darauf genügt der Vermieter den Anforderungen an die Darlegungs- 92 last nicht, wenn er lediglich zwei in einem Monat hervorgetretene Mietinteressenten benennt, ohne angeben zu können, ab wann diese die Wohnung überhaupt hätten anmieten wollen. Dies gilt umso mehr, wenn der Wohnungsmarkt am Ort nicht derart angespannt ist, dass allein schon aus dem Angebot der Wohnung am Markt auf deren umgehende Weitervermietung hätte geschlossen werden können7. Trägt der Vermieter aber den Anforderungen entsprechend vor, kann es nicht dahinstehen, ob der von ihm benannte Mietinteressent tatsächlich einen Mietvertrag abgeschlossen hätte8. Zwar ist es in der Tat dem Vermieter nicht zuzumuten, einen Nachfolgevertrag mit kalendermäßig bestimmtem Mietbeginn abzuschließen, wenn zunächst ungewiss ist, wann der säumige Mieter die Sache zurückgibt. Er braucht sich nicht der Gefahr auszusetzen, sich dem Nachfolgemieter gegenüber schadensersatzpflichtig zu machen9. Indessen kann auch unter Berücksichtigung des § 252 BGB eine für § 286 ZPO ausreichende Wahrscheinlichkeit eines Vertragsschlusses erst angenommen werden, wenn beide potentiellen Partner abschlussbereit sind.

1 KG v. 14.9.2009 – 8 U 135/09, MietRB 2010, 105 = WuM 2009, 667 = GE 2009, 1493 = ZMR 2010, 183. 2 BGH v. 12.6.1985 – VIII ZR 148/84, MDR 1985, 1018 = NJW 1985, 2253; BGH v. 28.10.1981 – VIII ZR 302/80, MDR 1982, 485 = NJW 1982, 870. 3 BGH v. 25.1.2007 – IX ZR 216/05, MDR 2007, 798 = MietRB 2007, 114 = WPM 2007, 606. 4 BGH v. 17.6.1998 – XII ZR 206/96, WPM 1998, 1787 (unter 3a); BGH v. 27.9.2001 – IX ZR 281/00, MDR 2002, 169 = WPM 2001, 2450 (unter III 1a). 5 BGH v. 15.12.1999 – XII ZR 154/97, NJW-RR 2000, 382 (unter 2); OLG Düsseldorf v. 21.12.2006 – I-10 U 80/06, GE 2006, 327 (329); OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 150/01, ZMR 2003, 105. 6 BGH v. 5.5.1970 – VI ZR 212/68, MDR 1970, 752 = BGHZ 54, 45, 56 m.w.N. 7 BGH v. 13.7.2010 – VIII ZR 326/09, WuM 2010, 632 = GE 2010, 1265 = NZM 2010, 815. 8 OLG Düsseldorf v. 8.5.2012 – -24 U 195/11, ZMR 2012, 861. 9 Vgl. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1144.

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93 Wird dagegen ein konkreter Mietinteressent benannt, der eben nicht nur Interesse an der Wohnung, sondern auch an einer Anmietung zu einem bestimmten Zeitpunkt, insbesondere dem vorgesehenen Rückgabetermin, bekundet hat, kann nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge von einer Vermietung und damit von einem Mietausfallschaden ausgegangen werden1. Noch einfacher kann die Argumentation bei mechanisch ablaufenden Vermietungsvorgängen aussehen. Viele Vermieter, insbesondere Vermietungsgesellschaften und Genossenschaften, führen z.B. eine Liste, in der laufend Mietinteressenten (Mitglieder) registriert sind. Sobald eine Wohnung frei wird, wird sie diesen Wohnungssuchenden angeboten. Kommt es zum Abschluss eines Mietvertrages mit einem registrierten Wohnungssuchenden, spricht eine Vermutung dafür, dass der Vorgang sich in gleicher Weise abgespielt hätte, wenn die Wohnung früher, nämlich z.B. zum Beendigungszeitpunkt hätte angeboten werden können. Evtl. Verzögerungen im Ablauf der Vermietung sind zu berücksichtigen. 94 Mietausfall kann nicht verlangt werden, wenn eine Weitervermietung der Wohnung nicht beabsichtigt ist2 oder aus sonstigen Gründen feststeht, dass eine Weitervermietung der Wohnung auch bei ordnungsgemäßer Durchführung der Rückgabe durch den Mieter nicht erfolgt wäre. Dazu muss der Mieter aber zunächst hinreichende Anhaltspunkte, die die durch § 252 BGB begründete Vermutung widerlegen können, darlegen und beweisen. 95 Auch bei vorzeitiger Beendigung des Mietvertrages kommt eine Vorteilsausgleichung nicht in Betracht, wenn es dem Vermieter gelingt, die Mietsache zu einer höheren Miete weitervermietet. Denn es besteht schon kein adäquat kausaler Zusammenhang zwischen der in der Folgezeit erzielten höheren Miete und der Vertragsverletzung des Mieters3. 3. Weitergehende Schadenspositionen 96 Der Vermieter kann auch Ersatz des Schadens verlangen, den er selbst seinem Nachfolgemieter ersetzen muss, weil er diesem das Mietobjekt infolge Vorenthaltung nicht oder nur verspätet zur Verfügung stellen kann. Insoweit ist § 254 BGB anwendbar4. Bei befristeten Verträgen, die der Vermieter wegen vertragswidrigem Verhalten des Mieters fristlos kündigt, kann sich der Schaden aus der Miete bis zum Ablauf der fest vereinbarten Mietzeit oder bis zu dem Zeitpunkt ergeben, zu dem der Mieter erstmals ordentlich hätte kündigen können5. 97 Dem Geschädigten aus dem Schadensfall zufließende Vermögensvorteile sind auf den Schadensersatz anzurechnen, wenn zwischen schädigendem Ereignis und Vermögensvorteil ein adäquater Kausalzusammenhang besteht und keine normativen Erwägungen entgegenstehen, die eine Anrechnung des Vermögensvorteils verbieten (Vorteilsausgleichung)6. Dazu gehört eine „Mietabfindung“, die der Mieter im Zusammenhang mit der Auflösung des Mietvertrages vereinbarungsgemäß leistet7. Dagegen ist eine Vorteilsausgleichung nicht gerechtfertigt, wenn der Vermieter bei vorzeitiger Beendigung des Mietvertrages die Mietsache zu einer höheren Miete weitervermietet hat8. Durch diese höheren Mieteinnahmen wird der Mietausfallschaden während der Zeit des Leerstandes nicht kompensiert. Es wirkt sich nicht zugunsten des schadenersatzpflichtigen Mieters aus, dass es dem Vermieter gelingt, nach Ablauf des Anspruchszeitraumes eine höhere Miete zu vereinbaren. Insoweit besteht

1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 150/01, ZMR 2003, 105. LG Hamburg v. 24.11.1981 – 16 S 235/81, WuM 1984, 74. OLG Düsseldorf v. 14.5.1998 – 10 U 123/97, MDR 1998, 1405 = ZMR 1998, 692 = WuM 2000, 591. OLG Celle v. 19.5.1993 – 2 U 192/92, WuM 1993, 400; OLG München v. 17.3.1989 – 21 U 3209/88, ZMR 1989, 224. BGH v. 28.10.1981 – VIII ZR 302/80, MDR 1982, 485 = NJW 1982, 870; BGH v. 12.6.1985 – VIII ZR 148/84, MDR 1985, 1018 = NJW 1985, 2253. Vgl. z.B. BGH v. 17.10.2003 – V ZR 84/02, GuT 2004, 56 = NZM 2004, 100. OLG Saarbrücken v. 4.4.2006 – 4 U 579/04, OLGR 2006, 721. OLG Düsseldorf v. 14.5.1998 – 10 U 123/97, WuM 2000, 591.

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schon kein adäquat kausaler Zusammenhang zwischen der in der Folgezeit erzielten höheren Miete und der Vertragsverletzung des Mieters. Verzögert der Mieter die Räumung mit der Folge, dass der neue Mieter den Vertrag 98 mit dem Vermieter fristlos kündigt, kann der Vermieter ebenfalls Mietausfallschaden geltend machen, §§ 280, 286, 252 BGB. Wird das Mietgrundstück später zwangsversteigert, steht dem Vermieter ein Anspruch auf Ersatz des Mietausfallschadens über den Zeitpunkt der Zwangsversteigerung hinaus nur dann zu, wenn er nachweist, dass im Falle der rechtzeitigen Rückgabe der Mieträume und damit der Durchführung des Mietvertrages mit dem neuen Mieter die Zwangsversteigerung des Grundstücks mit Wahrscheinlichkeit unterblieben wäre1. 4. Mitverschulden, § 254 BGB Ein Mitverschulden nach § 254 BGB ist immer dann zu bejahen, wenn der Geschädig- 99 te die Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder -minderung ergreifen würde2. Dazu zählt für den Fall der vorzeitigen Beendigung die Pflicht des Vermieters, den Schaden durch eine anderweitige Vermietung gering zu halten. Deshalb muss er sich bemühen, die Mieteinheit zu einer angemessenen, erforderlichenfalls auch zu einer niedrigeren Miete neu zu vermieten3. Die Voraussetzungen des § 254 BGB muss nach allgemeinen Regeln grundsätzlich 100 der Mieter vortragen4. Allerdings trifft den Vermieter eine sekundäre Darlegungslast. Immerhin handelt es sich bei dem Vorgang der Weitervermietung um Umstände aus seiner Sphäre. Deshalb hat er darzulegen, was er im Einzelnen zwecks Weitervermietung unternommen hat. Dazu reicht der Hinweis, eine Weitervermietung sei mangels Interessenten und trotz entsprechend eigener Bemühungen offenbar nicht möglich gewesen, nicht aus. Hat der Vermieter, der den ehemaligen Mieter wegen unterlassener Schönheitsrepa- 101 raturen in Anspruch nimmt, nach Beendigung des Mietvertrages ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet, ist er spätestens nach der Durchführung des Ortstermins durch den Sachverständigen gehalten, sich um die Neuvermietung zu bemühen5. Ein weiteres Zuwarten ist in der Regel nicht geboten. Dies gilt insbesondere, wenn der Vermieter abstrakten Schadensersatz in Form fiktiver Reparaturkosten geltend macht. Denn dann bedarf es keiner weiteren Zeit zur Durchführung der erforderlichen Arbeiten (z.B. Schönheitsreparaturen, Schadensbeseitigung)6. Ist dem Vermieter die Durchführung der notwendigen Arbeiten möglich, kann sich ein überwiegendes Mitverschulden des Vermieters ergeben7. Insoweit ist bedeutungslos, dass das Gutachten zu diesem Zeitpunkt noch nicht erstellt und das Beweissicherungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Denn ungeachtet etwaiger Beanstandungen des noch zu erstellenden Gutachtens kann der Sachverständige unabhängig von seinem Gutachten nach Durchführung der Inaugenscheinnahme als sachverständiger Zeuge herangezogen werden. Zudem hat der Sachverständige regelmäßig, wie es auch dem Vermieter zuvor möglich ist, entsprechende Lichtbilder gefertigt. IV. Anspruch auf Nutzungsentschädigung gegen Dritte 1. Vermieter gegen Dritte (Untermieter) Sobald der Hauptmietvertrag beendet ist, ist streitig, ob und ggf. unter welchen Vo- 102 raussetzungen der Vermieter einen unmittelbaren Anspruch gegen den Untermieter 1 2 3 4

BGH v. 23.4.2008 – XII ZR 136/05, MDR 2007, 968 = ZMR 2008, 867 = GuT 2008, 463. BGH v. 8.1.1952 – I ZR 70/51, NJW 1952, 299. OLG Schleswig v. 27.10.1999 – 4 W 13/99, WuM 2000, 355. OLG Celle v. 19.5.1993 – 2 U 192/92, WuM 1993, 400; OLG München v. 17.3.1989 – 21 U 3209/88, ZMR 1989, 224. 5 OLG Düsseldorf v. 22.3.2007 – 10 U 145/06, OLGR 2007, 581 = ZMR 2007, 780 = GuT 2007, 210. 6 Bub/Treier/Scheuer, V Rz. 179. 7 OLG Düsseldorf v. 22.3.2007 – 10 U 145/06, OLGR 2007, 581 = ZMR 2007, 780 = GuT 2007, 210.

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auf Leistung einer Nutzungsentschädigung geltend machen kann. Diese Frage ist vor allem bei Insolvenz des Mieters relevant. Insoweit steht dem Eigentümer nach h.M. ein Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme des mittelbaren Besitzers (Mieters) und dessen unmittelbaren Besitzers (Untermieter) aus den §§ 987, 990, 991 BGB zu1. Von einer endgültigen Ausübung des Wahlrechts ist dabei noch nicht durch die Klageerhebung gegen den unmittelbaren Besitzer (Mieter) auszugehen, solange nicht der Eigentümer in voller Höhe befriedigt wurde. Denn es ist nicht zu rechtfertigen, dem Eigentümer die Inanspruchnahme des Untermieters solange zu verwehren, bis die Fruchtlosigkeit der Zwangsvollstreckung gegen den früheren Hauptmieter feststeht2. a) §§ 987 ff. BGB 103 Die Vorschriften der §§ 987 ff. BGB sind auf den Besitzer einer Sache anwendbar, wenn dessen ursprüngliches Besitzrecht entfallen ist3, und damit auch auf den infolge des Wegfalls des Hauptmietvertrages nicht mehr zum Besitz berechtigten Untermieter4. Dies gilt auch für den Fall der Beendigung des Hauptmietvertrages. Hier endet zugleich das von dem Hauptmieter abgeleitete Besitzrecht des Untermieters5. Insoweit kommt es nicht auf den Bestand des Untermietvertrages an. Der Untermieter kann seine vertraglichen Rechte gegenüber dem Untervermieter nicht dem Hauptvermieter entgegenhalten, wenn dieser von ihm nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses eigene Ansprüche verfolgt6. 104 Um den Nutzungsentschädigungsanspruch gegenüber dem Untermieter aus den §§ 987, 989, 990 BGB zur Entstehung zu bringen, muss der Untermieter zumindest bösgläubig sein. Dazu muss der Untermieter regelmäßig von der Beendigung des Hauptvertrages in Kenntnis gesetzt und zur Räumung aufgefordert werden. Die Aufforderung an den Untermieter, zu räumen und Nutzungsentschädigung zu leisten, sollte daher gleichzeitig mit der Kündigung, spätestens aber mit Kenntnis vom Namen des/der Untermieter/s erfolgen. Denn eine rückwirkende Zahlungspflicht besteht nur, wenn der Vermieter die Bösgläubigkeit für diesen Zeitraum auch beweisen kann. 105 Auch nach Erwerb eines Grundstückes im Zwangsversteigerungsverfahren schuldet der frühere Eigentümer, welcher auch weiterhin den Besitz innehält, nach § 987 BGB Nutzungsentschädigung. Dies setzt jedoch positive Kenntnis vom Verlust seines Besitzrechts voraus. Nach dem LG Lübeck7 reicht hierfür die grob fahrlässige Unkenntnis oder auch ein dolus eventualis i.S. einer billigenden Inkaufnahme der bewusst gewordenen Möglichkeit, dass das zunächst angenommene Besitzrecht vielleicht doch nicht besteht, jedenfalls nicht aus. Gleiches gilt für die bloße Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich die fehlende Berechtigung ergibt, solange der Besitzer hieraus nicht den zutreffenden Schluss auf sein fehlendes Besitzrecht zieht, was selbst bei einem verschuldeten bzw. vermeidbaren Rechtsirrtum gilt. Den nach dieser Entscheidung erforderlichen Nachweis der Kenntnis zu erbringen, dürfte einem Ersteher in der Zwangsversteigerung äußerst schwerfallen. b) Höhe des Anspruchs 106 Die von dem nicht mehr berechtigten Untermieter geschuldete Nutzungsentschädigung bemisst sich nach dem objektiven Mietwert der genutzten Räume, der ggf. zu schätzen ist (§ 287 ZPO). Der nach §§ 987 ff., 812, 818 Abs. 2 BGB zu ersetzende Wert 1 BGH v. 6.11.1968 – V ZR 85/65, MDR 1969, 128. 2 OLG Hamburg v. 29.5.1996 – 4 U 190/95, WuM 1997, 223 = GE 1997, 489. 3 BGH v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, MDR 1996, 1113 = NJW 1996, 921 = GE 1996, 539 m.w.N.; BGH v. 3.6.2005 – V ZR 106/04, MDR 2005, 1282 = NZM 2005, 830 f.; s. auch BGH v. 12.8.2009 – XII ZR 76/08, MietRB 2009, 284 = MDR 2009, 1267 = ZMR 2010, 21 = GuT 2009, 306 = NZM 2009, 701; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1270 m.w.N. 4 BGH v. 19.10.1995 – IX ZR 82/94, MDR 1996, 356 = ZMR 1996, 124 = NJW 1996, 321; BGH v. 3.6.2005 – V ZR 106/04, MDR 2005, 1282 = NZM 2005, 830. 5 OLG Düsseldorf v. 26.11.2009 – 24 U 91/09, ZMR 2010, 755 m.w.N. 6 Vgl. hierzu Bub/Treier/Kraemer, III. Rz. 1264. 7 LG Lübeck v. 18.3.2005 – 4 O 198/04, DWW 2007, 28.

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Entschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe

§ 546a BGB

der erlangten Gebrauchsvorteile (§ 100 BGB) bestimmt sich nach der ortsüblichen Miete. Diese bestimmt sich nach den Kriterien des § 558 Abs. 2 BGB. Soweit Nebenkosten ortsüblich als Teil der (Gesamt-)Miete vereinbart werden, beinhaltet auch die Nutzungsentschädigung diese Kostenposition1. Die verbrauchsabhängigen Nebenkosten sind nur zu berücksichtigen, wenn der Vermieter sie konkret darlegt, was z.B. durch Vorlage der Nebenkostenabrechnungen (der Vorjahre, § 287 ZPO) geschehen kann. 2. Mieter gegen Dritte Nach Beendigung des Untermietverhältnisses bestehen keine eigenen Nutzungsent- 107 schädigungsansprüche des Hauptmieters gegen den Untermieter mehr, wenn auch das Hauptmietverhältnis bereits beendet ist2. Das folgt daraus, dass in diesem Fall dem Untervermieter keine eigene Nutzungsberechtigung mehr zusteht3. Andererseits kann der Mieter gegen den Untermieter die Ansprüche aus § 546a BGB geltend machen, wenn allein das Untermietverhältnis beendet wurde. C. Gewerberaummiete I. Allgemeines Schon weil § 546a BGB im Abschnitt der allgemeinen Vorschriften angesiedelt ist, be- 108 darf die Anwendbarkeit auf Gewerberaummietverträge keiner besonderen Erörterung. Dennoch bestehen einige Besonderheiten, die sich aus der Natur des Gewerberaummietrechts erklären. II. Umsatzsteuer 1. Anspruch gegen den vorenthaltenden Mieter Hat der Vermieter hinsichtlich seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ge- 109 mäß § 9 UStG für die Umsatzsteuer optiert (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 1136), umfasst sein Anspruch wegen verspäteter Rückgabe der Mietsache auch die Umsatzsteuer, die auf den Teil des Anspruchs entfällt, der der nach § 546a Abs. 1 BGB geschuldeten Entschädigung entspricht4. Gleiches gilt im Falle der Nichtigkeit des Mietvertrags für die Nutzungsentschädigung aus §§ 987, 990 BGB5 oder aus § 812 BGB6. Maßgeblich ist insoweit jeweils eine entsprechende (ggf. unwirksame) Vereinbarung im Mietvertrag über die gesonderte Erhebung der Umsatzsteuer und die (unberechtigte) Nutzung durch den Mieter, denn Umsatzsteuer fällt nur bei einem Leistungsaustausch i.S.v. § 1 Abs. 1 UStG an. Der Anspruch aus § 546 Abs. 1 BGB wiederum ist ein vertraglicher Anspruch sui generis, der im Rahmen des nach Beendigung des Mietverhältnisses bestehenden Abwicklungsverhältnisses an die Stelle des Mietzahlungsanspruchs tritt, so dass für ihn grundsätzlich die gleichen Bedingungen wie für die vereinbarte Miete gelten7. Nimmt der Vermieter eines gewerblich genutzten Grundstücks, der hinsichtlich der 110 Mieteinkünfte für die Mehrwertsteuer optiert hat, den zur Räumung verpflichteten Mieter wegen Räumungsverzuges auf Schadensersatz in Höhe des im Falle einer nachweislich möglichen Neuvermietung erzielbar gewesenen Mietmehrbetrages in Anspruch, handelt es sich bei diesem „Schadensersatz“ steuerrechtlich um umsatz1 Vgl. BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MietRB 2009, 4 = MDR 2009, 19 = GuT 2008, 330 = ZMR 2009, 103. 2 KG v. 1.3.2012 – 8 U 197/10, ZMR 2013, 26 (27). 3 Vgl. BGH v. 4.10.1995 – XII ZR 215/94, MDR 1996, 252 = ZMR 1996, 15 = NJW 1996, 46 (47); OLG Saarbrücken v. 2.6.2005 – 8 U 180/04, OLGR 2005, 781 = NZM 2006, 180. 4 BGH v. 6.12.1995 – XII ZR 228/93, MDR 1996, 354 = ZMR 1996, 131 = GE 1996, 600. 5 BGH v. 22.10.1997 – XII ZR 142/95, MDR 1998, 94 = NZM 1998, 192. 6 BGH v. 8.7.2008 – VIII ZR 5/08, ZMR 2009, 102; BGH v. 22.10.1997 – XII ZR 142/95, MDR 1998, 94 = ZMR 1998, 137 = DWW 1998, 17. 7 BGH v. 6.12.1995 – XII ZR 228/93, MDR 1996, 354 = ZMR 1996, 131 = GE 1996, 600; BGH v. 11.5.1988 – VIII ZR 96/87, MDR 1988, 855 = WuM 1988, 270 = ZMR 1988, 378.

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Entschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe

steuerbares Entgelt i.S.d. §§ 1 Abs. 1, 10 Abs. 1 UStG für einen Leistungsaustausch1. Entgelt – und damit kein echter Schadensersatz i.S.d. UStG – liegt nämlich vor, wenn ein Mieter den gemieteten Gegenstand nach Ablauf der Mietzeit behält und deshalb an den Vermieter den bei Nichtrückgabe vorgesehenen Ersatz entrichtet. Dazu gehört nicht nur die in § 546a Abs. 1 BGB vorgesehene Entschädigung (in Höhe der vormals vereinbarten Miete), sondern auch der Ersatz weitergehenden Verzugsschadens, denn der Gefahr auch solcher Ansprüche als „Gegenleistung“ für die Mietsache setzt sich der Mieter aus, wenn er die Mietsache unter den Voraussetzungen des Verzuges über das Ende der Vertragszeit hinaus weiterbehält und nutzt2. Die Mehrwertsteuer, die der Vermieter mithin auf den geforderten Ersatz des Verzugsschadens zu entrichten hat, ist deshalb gemäß § 249 Abs. 2 S. 2 BGB Bestandteil dieses Schadens und vom Mieter ebenfalls zu ersetzen. 111 Weitergehender Schadensersatz, der den Mietausfall während des Leerstandes sanktionieren soll, unterliegt nicht der Umsatzsteuer. Ihm liegt ein Leistungsaustauch i.S.v. § 1 Abs. 1 UStG nicht zugrunde. Dies gilt auch, wenn der Mieter die Mieträume nicht zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt räumt mit der Folge, dass der neue Mieter den Vertrag mit dem Vermieter fristlos kündigt. In diesem Fall steht dem Vermieter ein Anspruch auf Ersatz des Mietausfallschadens zu (§ 546a Abs. 2 i.V.m. §§ 280, 286, 252 BGB). Bei einem derartigen echten Schadensersatz kann der Geschädigte den Ersatz der Mehrwertsteuer nicht verlangen, weil er diese mangels eines Leistungsaustauschs nicht abzuführen hat3. 2. Anspruch gegen den Dritten 112 Der Anspruch gegen den Dritten aus §§ 987 ff., 812 BGB (ggf. i.V.m. § 292 BGB) basiert nicht auf einem Leistungsaustausch i.S.v. § 1 Abs. 1 UStG. Er ist daher grundsätzlich der Umsatzsteuer nicht unterworfen, selbst wenn der Vermieter und/der Mieter zur Umsatzsteuer gemäß § 9 UStG optiert haben und der Untermietvertrag die zusätzliche Zahlung der Umsatzsteuer vorsieht. III. Höhe der Nutzungsentschädigung 1. Allgemeines 113 An Stelle der (bisher) vereinbarten Miete kann der Vermieter von Gewerberaum die (höhere) Marktmiete verlangen4. Sie beurteilt sich nach den objektiven Kriterien, die im Zweifel durch einen Sachverständigen zu ermitteln sind. Maßgeblich ist insoweit das Entgelt, dass der Vermieter im Falle der Neuvermietung hätte erzielen können. Eine Pauschalierung im Formularvertrag auf das 1,5fache der bisher vom Mieter geleisteten Beträge ist nach § 307 BGB auf der Grundlage des Gedankens des § 309 Nr. 5b) BGB unwirksam5. 2. Nebenkosten als Teil der Nutzungsentschädigung 114 Da bei der Geschäftsraummiete die vereinbarte Miete abweichend von der gesetzlichen Bestimmung in § 535 Abs. 1 S. 2, 3 BGB in der Regel die Grundmiete und verbrauchsunabhängige Nebenkosten enthält, spricht eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch im örtlichen Bereich der im Streit befindlichen Räume üblicherweise bestimmte verbrauchsunabhängige Nebenkosten vom Mieter zu tragen sind6. Ob und in welchem Umfang dies der Fall ist, muss im Zweifel durch ein Sachverständigengutachten festgestellt werden.

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BFH v. 5.5.1971 – I R 166/69, DStR 1971, 543 Nr. 388 = BStBl. II 1971, S. 624 = BB 1971, 994. OLG Hamm v. 28.6.1979 – 4 U 109/79, ZMR 1980, 375. BGH v. 23.4.2008 – XII ZR 136/05, MDR 2007, 968 = ZMR 2008, 867 = GuT 2008, 463. OLG Brandenburg v. 12.6.2007 – 3 U 8/07, OLGR 2007, 937 = MietRB 2007, 286 = InfoM 2007, 357; Blank/Börstinghaus, § 546a BGB Rz. 31. 5 OLG Frankfurt v. 28.1.2011 – 2 U 135/10, MietRB 2011, 276 = Info M 2011, 379. 6 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MDR 2009, 19 = GuT 2008, 330 = ZMR 2009, 103.

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Anhang § 546a BGB

§ 283a ZPO Sicherungsanordnung

Anhang § 546a § 283a ZPO § 283a Sicherungsanordnung (1) Wird eine Räumungsklage mit einer Zahlungsklage aus demselben Rechtsverhältnis verbunden, ordnet das Prozessgericht auf Antrag des Klägers an, dass der Beklagte wegen der Geldforderungen, die nach Rechtshängigkeit der Klage fällig geworden sind, Sicherheit zu leisten hat, soweit 1. die Klage auf diese Forderungen hohe Aussicht auf Erfolg hat und 2. die Anordnung nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Abwendung besonderer Nachteile für den Kläger gerechtfertigt ist. Hinsichtlich der abzuwägenden Interessen genügt deren Glaubhaftmachung. Streiten die Parteien um das Recht des Klägers, die Geldforderung zu erhöhen, erfasst die Sicherungsanordnung den Erhöhungsbetrag nicht. Gegen die Entscheidung über die Sicherungsanordnung findet die sofortige Beschwerde statt. (2) Der Beklagte hat die Sicherheitsleistung binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist nachzuweisen. (3) Soweit der Kläger obsiegt, ist in einem Endurteil oder einer anderweitigen den Rechtsstreit beendenden Regelung auszusprechen, dass er berechtigt ist, sich aus der Sicherheit zu befriedigen. (4) Soweit dem Kläger nach dem Endurteil oder nach der anderweitigen Regelung ein Anspruch in Höhe der Sicherheitsleistung nicht zusteht, hat er den Schaden zu ersetzen, der dem Beklagten durch die Sicherheitsleistung entstanden ist. § 717 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Inhalt A. I. II. III. IV. B. I. 1. 2. 3. 4. II. 1.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Zeitlicher Anwendungsbereich . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . .

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Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessuale Ausgangslage . . . . . . . . Räumungs- und Zahlungsklage . . . . Klage auf künftige Nutzungsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere prozessuale Anforderungen . Materielle Voraussetzungen . . . . . . . Hohe Erfolgsaussichten der Klage . .

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5 5 6

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2. 3. III. IV. 1.

Zeitpunkt der Entscheidung. . . . . . Abwägung der Interessen . . . . . . . . Die Anordnung und ihre Erfüllung . Rechtsfolgen der Nichterfüllung. . . Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 940a Abs. 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . a) Räumungsklage wegen Zahlungsverzuges . . . . . . . . . . . . b) Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . V. Obsiegen des Klägers . . . . . . . . . . . VI. Unterliegen des Klägers (Schadensersatz). . . . . . . . . . . . . . .

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30 33 36 40

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41 46

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C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . .

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A. Allgemeines I. Regelungsgehalt § 283a ZPO bietet dem Vermieter eine Möglichkeit, bei gleichzeitig eingereichter Kla- 1 ge auf Räumung, Zahlung von rückständiger Miete/Nutzungsentschädigung und Zahlung zukünftiger Nutzungsentschädigung die Forderung wegen der nach Rechtshängigkeit fällig werdenden Beträge besonders zu sichern. Bietet die Klage auf künftige Zahlung eine hohe Aussicht auf Erfolg und hat der Vermieter gegenüber der üblichen Prozesssituation ein besonderes Sicherungsinteresse, kann dem Mieter die Leistung einer Sicherheit aufgegeben werden. Konsequenz der Nichterfüllung der SiLützenkirchen

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§ 283a ZPO Sicherungsanordnung

cherungsanordnung kann eine (vorzeitige) Räumung auf der Grundlage des § 940a Abs. 3 ZPO sein. II. Sachlicher Anwendungsbereich 2 Die Vorschrift ist nur auf die Räumungsklage, die mit einer Zahlungsklage verbunden ist, anwendbar. Ob die Räumung auf Wohn- oder Gewerberaum gerichtet ist oder ein Pachtobjekt geräumt werden soll, ist unerheblich. Ebenso irrelevant ist die Art der Beendigung, also ob eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung oder sogar ein Rücktritt vorliegt oder der Räumungsanspruch auf gesetzliche Anspruchsgrundlagen gestützt wird (z.B. §§ 985, 812 BGB). Maßgeblich ist allein, dass als Prozessziel ein Titel gemäß § 885 Abs. 1, 2 ZPO geschaffen werden soll und in dem Verfahren Zahlungsansprüche auch nach den §§ 257, 259 ZPO geltend gemacht werden. Damit ist der Anwendungsbereich letztlich auf die klassische Räumungs- und Zahlungsklage, die nach einer Kündigung wegen Zahlungsverzuges erhoben wird, zugeschnitten. III. Zeitlicher Anwendungsbereich 3 Die Vorschrift ist mit dem Inkrafttreten des MietRÄndG anwendbar. Die Sicherungsanordnung kann daher auch in Verfahren beantragt werden, die am 1.5.2013 (noch) laufen. IV. Zweck der Vorschrift 4 Dieses Instrument der Sicherungsanordnung hat den Zweck, den tatsächlichen Wert des Titels über die nach Rechtshängigkeit fällig werdenden und bis zum Urteil auflaufenden Forderungen nach deren Fälligkeit zu sichern1. In gleicher Weise soll der Anreiz gemindert werden, den Zivilprozess als Instrument zu missbrauchen, den Ausgleich berechtigter Geldforderungen zu verzögern2. B. Wohnraummiete I. Prozessuale Ausgangslage 5 Die Klage auf zukünftige Zahlung von Nutzungsentschädigung kann der Vermieter durch einen Antrag auf Sicherungsanordnung nach § 283a ZPO begleiten, wenn er zugleich eine Räumungs- und Zahlungsklage erhoben hat. 1. Räumungs- und Zahlungsklage 6 Die notwendige Räumungs- und Zahlungsklage muss nur anhängig sein. Beide Klagen müssen nicht gleichzeitig eingereicht werden. Es ist auch denkbar, dass sowohl die eine als auch die andere zeitlich versetzt erhoben wurden. Selbst eine Prozessverbindung ist ausreichend. Maßgeblich ist allein, dass im Zeitpunkt, in dem der Vermieter den Antrag nach § 283a ZPO stellt, Räumungs- und Zahlungsklage anhängig sind. Werden die Klagen von vorneherein verbunden, kann der Antrag nach § 283a Abs. 1 ZPO gleichzeitig mit der Klageerhebung erfolgen. 7 Räumungs- und Zahlungsklage müssen Ansprüche aus demselben Rechtverhältnis betreffen. Damit soll die Begrenzung der Anwendbarkeit des Rechtsmittels auf die Situationen des Mietrechts erreicht werden3. Da bei einer Räumungs- und Zahlungsklage wegen Zahlungsverzuges beide Ansprüche aus dem Mietvertrag herrühren, ist das Tatbestandsmerkmal in der Regel unproblematisch. 8 Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es nicht darauf an, ob die Räumungs- und Zahlungsklage zulässig und begründet ist. Die Zulässigkeit ist aber Mindestvoraussetzung. Denn sonst könnte z.B. ein sachlich, örtlich oder funktional unzuständiges Gericht eine Sicherungsanordnung erlassen.

1 BT-Drucks. 17/10485, S. 27. 2 BT-Drucks. 17/10485, S. 27. 3 BT-Drucks. 17/11894, S. 35.

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§ 283a ZPO Sicherungsanordnung

Anhang § 546a BGB

Hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen des Räumungsanspruchs findet eine 9 Prüfung insoweit statt, als im Rahmen der Ermittlungen zu § 283a Abs. 1 Nr. 1 ZPO gerade die Erfolgsaussichten des Zahlungsanspruchs untersucht werden. Wenn aber die hohen Erfolgsaussichten für den Antrag nach § 283a ZPO bejaht werden, ist in der Regel auch die Räumungs- und Zahlungsklage begründet. Eine Ausnahme könnte gelten, wenn die Räumungsklage auf einen anderen Tat- 10 bestand als § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB gestützt wird. Hat der Vermieter z.B. wegen mietwidrigen Verhaltens nach §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 2 BGB oder sogar nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB gekündigt und verfolgt gleichzeitig Zahlungsansprüche, die aus einer Minderung des Mieters wegen eines nach der Kündigung entstandenen Mangels herrühren, wird im Rahmen des § 283 ZPO allein auf die Erfolgsaussichten des Zahlungsanspruchs abgestellt. Dies ruft im Hinblick auf Art. 13, 20 GG jedoch keine verfassungsrechtlichen Bedenken hervor. Denn in diesem Fall bleibt die Nichterfüllung der Sicherungsanordnung für den Mieter ohne Konsequenzen. Denn § 940a Abs. 3 ZPO, der die Rechtsfolge der Nichterfüllung der Sicherungsanordnung bildet, setzt voraus, dass eine Räumungsklage wegen Zahlungsverzuges rechtshängig ist. In § 940a ZPO, der die Rechtsfolge bei Nichterfüllung der Sicherungsanordnung 11 bildet, wird die Rechtshängigkeit einer Räumungsklage wegen Zahlungsverzuges verlangt. Dabei muss es sich nicht unbedingt um eine Räumungsklage handeln, die (allein) auf § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB gestützt wird. Maßgeblich ist allein, dass der Vermieter das Mietverhältnis wegen der in § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB erfassten Tatbestände gekündigt hat. In Betracht kommt daher auch eine Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Dazu muss der Vermieter in der Regel die Kündigung aber von vornherein auf § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB gestützt haben. Denn wurde die ordentliche Kündigung nur hilfsweise nach der außerordentlichen Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB ausgesprochen und hat der Mieter diese Kündigung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geheilt, kommt eine Sicherungsanordnung grundsätzlich nicht (mehr) in Betracht. In diesem Fall sind regelmäßig die auch nach Rechtshängigkeit fällig gewordenen Ansprüche aus § 546a Abs. 1 BGB befriedigt worden. Ausnahmsweise kann § 283a ZPO auch nach Eintritt der Heilungswirkung des § 569 12 Abs. 3 Nr. 2 BGB zur Anwendung gelangen, wenn neue Zahlungsansprüche entstehen. Dann muss der Vermieter im laufenden Prozess, in dem mittlerweile nur noch die Räumungsklage verfolgt wird, nachdem die Zahlungsklagen in der Hauptsache nach § 91a ZPO erledigt waren, die neuen Rückstände im Wege der Zahlungsklage sowie der Klage nach den §§ 257, 259 ZPO verfolgen. In diesem Fall wird die Zahlungsklage zeitlich nach der Räumungsklage anhängig. 2. Klage auf künftige Nutzungsentschädigung Neben der Räumungsklage muss eine Klage auf Zahlung künftiger Nutzungsentschä- 13 digung anhängig sein. Zum einen erschließt sich dies aus § 283a Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Zum anderen soll ja gerade im Hauptsacheverfahren auch über die Verwertung der Sicherheitsleistung (mit-)entschieden werden, § 283a Abs. 3 ZPO. Das Klagebegehren kann auch im Rahmen einer Widerklage verfolgt werden. Auch hier muss die Rechtshängigkeit der Klage nach den §§ 257, 259 ZPO noch nicht 14 eingetreten sein. Klage und Antrag nach § 283a ZPO können gleichzeitig, also z.B. bereits mit der Klageschrift, bei Gericht eingereicht werden. Denkbar und zulässig ist aber auch ein getrennter, mit gesondertem Schriftsatz verfolgter Antrag, der in jedem Stadium des Verfahrens bis zur letzten mündlichen Verhandlung gestellt werden kann. Wird die Klage auf zukünftige Zahlung im Zusammenhang mit einer Mieterhöhung 15 erhoben, ist die Sicherungsanordnung nicht zulässig, soweit mit der Klage nach den §§ 257, 259 ZPO Erhöhungsbeträge verfolgt werden, § 283a Abs. 1 S. 3 ZPO. Dies betrifft vor allem die Mieterhöhungen nach §§ 559 ff., 560 Abs. 1, 4 BGB. Diesen Verfahren liegen Mietänderungserklärungen zugrunde, die einen unmittelbaren Anspruch auf Zahlung des erhöhten Betrages herbeiführen. Damit soll vermieden werden, dass

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die häufig komplizierten Rechtsfragen einer Mieterhöhung im Rahmen des Verfahrens über die Sicherungsanordnung entschieden werden müssen1. 3. Zuständigkeit 16 Der Antrag ist bei dem Prozessgericht zu stellen, § 283a Abs. 1 ZPO. Das ist grundsätzlich das Gericht des ersten Rechtszuges, bei dem die Klagehäufung (Räumungs- und Zahlungsklage sowie Klage auf zukünftige Zahlung) anhängig ist. Der Antrag kann aber auch noch im Berufungsverfahren gestellt werden. In diesem kann die Sicherungsanordnung als „Ersatzmittel“ herangezogen werden, um nicht für die Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil der ersten Instanz Sicherheit leisten zu müssen2. Ebenso ist die Antragstellung im Berufungsverfahren denkbar, wenn das erstinstanzliche Urteil zugunsten des Klägers abgeändert werden soll. 4. Weitere prozessuale Anforderungen 17 Die Formulierung des Antrags orientiert sich an der Klage auf zukünftige Zahlung. Ergänzend dazu muss (vorab) die Sicherungsanordnung verlangt werden. Dazu bietet sich an, einleitend zu formulieren „… im Wege der Sicherungsanordnung zu beschließen, …“. 18 Soweit die Klage nach §§ 257, 258 ZPO im Urkundenprozess zulässig ist, kann auch der Antrag gestellt werden. Im Hinblick auf die beschränkten Beweismittel der §§ 592 ff. ZPO kann die Bewertung der Erfolgsaussichten nur in einem eingeschränkten Rahmen durchgeführt werden. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen reicht jedoch auch hier die in § 283a Abs. 1 Nr. 2 ZPO vorgesehene Glaubhaftmachung. 19 Verfolgt der Kläger seine Rechte aus § 283a ZPO und hat das Gericht das schriftliche Vorverfahren nach § 276 ZPO angeordnet, kann die Bescheidung des Antrages auch in zeitlichem Zusammenhang mit dem Versäumnisurteil erfolgen, das nach Ablauf der Frist für die Verteidigungsanzeige ergeht. Zwar ist ein Versäumnisurteil auch ohne Sicherheit vorläufig vollstreckbar. Im Hinblick auf den Vollstreckungsschutz, der gemäß § 719 Abs. 1 S. 2 ZPO auch ohne Sicherheit gewährt werden kann, besteht für den Kläger jedoch im Zeitpunkt der Entscheidung kein gleichwertiges Mittel, seine Forderung zu sichern. Damit liegt das notwendige Rechtsschutzbedürfnis vor. Die Tatsache, dass der Mieter noch die Heilungsmöglichkeit nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB ergreifen kann, hindert die Sicherungsanordnung aus den gleichen Gründen nicht wie ein Versäumnisurteil (vgl. § 546 BGB Rz. 15). 20 Die Entscheidung über den Antrag erfasst alle Geldforderungen, die nach Rechtshängigkeit und bis zum Erlass der Sicherungsanordnung fällig geworden sind3. Später fällig werdende Geldbeträge sollen schon deshalb nicht erfasst werden, weil der Beklagte aus der Anordnung entnehmen können muss, in welcher Höhe und wann er Sicherheit zu leisten hat4. 21 Gegen den Beschluss, mit dem die Sicherung angeordnet wird, ist die sofortige Beschwerde nach den §§ 567 ff. ZPO statthaft. Dieses Rechtsmittel hat keine aufschiebende Wirkung, weil der Anordnungsbeschluss als solcher noch keine Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels enthält, § 570 Abs. 1 ZPO. Das Beschwerdegericht kann aber die Vollziehung der angeordneten Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 570 Abs. 2 ZPO aussetzen, was zumindest angeregt werden sollte.

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II. Materielle Voraussetzungen Dem Antrag ist nach § 283a Abs. 1 ZPO stattzugeben, wenn – die Klage auf diese Forderung hohe Aussicht auf Erfolg hat und – die Anordnung nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Abwendung besonderer Nachteile für den Kläger gerechtfertigt ist.

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1. Hohe Erfolgsaussichten der Klage Für die hohen Erfolgsaussichten bedarf es keiner besonderen Argumentation des 23 Klägers, weshalb seine Rechtsverfolgung besonders erfolgversprechend ist. Vielmehr orientiert sich dieses Tatbestandmerkmal an den Einwendungen des Beklagten und einer Einschätzung des Gerichts über den Ausgang des Prozesses. Deshalb kommt eine Entscheidung über den Antrag regelmäßig erst in Betracht, wenn dem Beklagten rechtliches Gehör gewährt wurde. Vor diesem Hintergrund liegen hohe Erfolgsaussichten für die Klage vor, wenn dem 24 Zahlungsanspruch nach dem bisherigen Sach- und Streitstand mit hoher Wahrscheinlichkeit keine berechtigten Einwendungen oder Einreden entgegenstehen. Die Entscheidung darüber kann das Gericht nur anhand des Prozessstoffes und eines evtl. Beweisergebnisses treffen. Dazu ist eine Prognose über den Verfahrensausgang erforderlich. Dieser Prognose hat das Gericht – die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Fragen, – das Maß der verbleibenden Unklarheiten und – ggf. den Beweiswert bisher nicht ausgeschöpfter Beweisangebote zugrunde zu legen1. Dies macht zunächst deutlich, dass dem Antrag schon dann Erfolg beschieden sein kann, wenn die Einwendungen des Beklagten nicht den gesamten Anspruch erschüttern. Soweit der Anspruch des Klägers tangiert ist, liegt der Prognose quasi eine vorweg- 25 genommene Beweiswürdigung zugrunde. Das Gericht schätzt aufgrund eigener Erfahrung in einem möglichst frühen Stadium, wie das Verfahren ausgehen wird. Hat also der Beklagte z.B. allein als Beweismittel die Parteivernehmung des Klägers beantragt, kann schon anhand des Prozessstoffes die Prognose gerechtfertigt sein, dass die Klage hohe Aussicht auf Erfolg hat. Denn die Erfahrung lehrt, dass in den ganz überwiegenden Fällen die Parteivernehmung nicht den Vortrag des Beweisführers bestätigt. Das Maß der Überzeugung, an dem das Gericht seine Entscheidung orientieren muss, 26 ist geringer als der für § 286 ZPO geltende Maßstab2. Andererseits reicht eine Glaubhaftmachung nicht aus, sondern es gelten zunächst die Regeln des Strengbeweises3. Das Maß liegt also höher als die für § 294 ZPO relevante „überwiegende Wahrscheinlichkeit“4. Vor diesem Hintergrund kann das Gericht schon im Anfangsstadium eines Prozesses 27 zu der Erkenntnis kommen, dass hohe Erfolgsaussichten jedenfalls hinsichtlich eines Teils der Forderung zugunsten des Klägers bestehen. Das kommt etwa in Betracht, wenn der Mieter übermäßig mindert und sein Vortrag nur eine geringere Minderung rechtfertigt. Das Gleiche gilt, wenn der Mieter wegen verschiedener Mängel mindert und nach einem (z.B. ersten) Teil der Beweisaufnahme feststeht, dass wegen Beweisfälligkeit der erste Mangel nicht anerkannt werden kann. Auch bei den weiteren Schritten in der Beweisaufnahme wird das Gericht stets zu prüfen haben, inwieweit die Minderung des Mieters übermäßig ist. Hat der Mieter in den geschilderten Fällen allerdings von Anfang an auch ein Zurück- 28 behaltungsrecht geltend gemacht, kann dies die Erfolgsaussichten nicht hindern. 1 2 3 4

BT-Drucks. 17/10485, S. 28. Hinz, ZMR 2012, 153 (162). BT-Drucks. 17/10485, S. 28. BGH v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, NJW 2003, 3558 (3559).

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Anhang § 546a BGB

§ 283a ZPO Sicherungsanordnung

Denn der Zweck des durch § 283a ZPO eingeführten Instituts besteht darin, dem Vermieter seine Realisierung der Ansprüche zu sichern. Dieser Zweck greift auch bei der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts ein. 29 Soll dem Antrag des Vermieters nur teilweise stattgegeben werden, hat das Gericht nicht die für ein Teilurteil nach § 301 ZPO geltenden Grundsätze zu beachten. Danach ist ein Teilurteil unzulässig, wenn die Entscheidung über den restlichen Anspruch auch Einfluss auf den durch das Teilurteil erfassten (Teil-)Anspruch haben kann1. Denn die Sicherungsanordnung führt zu keiner endgültigen Entscheidung über den Anspruch, der in materieller Rechtskraft erwachsen könnte. 2. Zeitpunkt der Entscheidung 30 Ebenso wie der Antrag jederzeit gestellt und wiederholt werden kann, kann die Sicherungsanordnung in jedem Stadium des Verfahrens ergehen. Maßgeblich ist zunächst allein, dass das Gericht eine hohe Erfolgsaussicht erkennt. 31 Dies kann u.U. zu Problemen führen, denn durch die Anordnung der Sicherheitsleistung z.B. im Laufe einer Beweisaufnahme bringt das Gericht zum Ausdruck, dass der Beklagte mit seinem Verteidigungsvorbringen nicht durchdringt. Stehen noch weitere Beweiserhebungen an, kann dies eine Ablehnung nach §§ 42 ff. ZPO begründen2. Dasselbe gilt im umgekehrten Fall, wenn sich das Gericht weigert, die Anordnung nach § 283a ZPO zu treffen, obwohl eine hohe Erfolgsaussicht gegeben ist. 32 Dennoch wird eine Zurückweisung des Antrags nur ausnahmsweise in einem frühen Stadium des Verfahrens erfolgen. Dies wird z.B. gerechtfertigt sein, wenn der Vortrag des Klägers unschlüssig ist und Hinweise nach § 139 ZPO keine Verbesserung gebracht haben. Ansonsten ist es tunlich, mit einer zurückweisenden Entscheidung bis gegen Ende des Prozesses bzw. der Instanz zuzuwarten. Denn vor besserer Erkenntnis ist auch ein Gericht nicht geschützt. 3. Abwägung der Interessen 33 Schon der Wortlaut macht deutlich, dass der Kläger zunächst den Eintritt eines besonderen Nachteils vortragen muss, um die Abwägung in der zweiten Stufe einzuleiten Ein solcher Nachteil ergibt sich nicht allein aus der zu erwartenden Verfahrensdauer und dem Risiko der späteren Zahlungsunfähigkeit des Beklagten3. Auch der Ausfall der Forderung als solcher ist nicht ausreichend. 34 Als besondere Nachteile kommen in Betracht, – eine konkrete Existenzgefährdung des Klägers, – der z.B. den fortdauernden Mietausfall nur durch die Inanspruchnahme von Krediten auffangen kann; – für den die Wohnung die einzige Einkunftsquelle darstellt (z.B. als Rente); – konkrete Substanzgefährdungen des Mietobjektes, weil Reparaturen nicht finanziert werden können. 35 Bei der sich anschließenden Interessenabwägung sind als Belange zu berücksichtigen – auf Seiten des Klägers – die Höhe des Zahlungsrückstandes, – die wirtschaftliche Bedeutung der Forderung für den Kläger, – auf Seiten des Beklagten – ob und ggf. welche Nachteile die Sicherheitsleistung für ihn bringen, – die anderweitige Absicherung des Klägers (z.B. Kaution, wenn der Prozess nach Ende der Mietzeit geführt wird). 1 BGH v. 11.4.1990 – XII ZR 32/89, NJW 1991, 570 m.w.N. 2 Vgl. Hinz, ZMR 2012, 153 (162). 3 BT-Drucks. 17/10485, S. 28.

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§ 283a ZPO Sicherungsanordnung

Anhang § 546a BGB

III. Die Anordnung und ihre Erfüllung Die Entscheidung über den Antrag nach § 283a ZPO ergeht durch Beschluss. Darin 36 wird die Sicherheitsleistung der Höhe nach festgesetzt, und zwar einschließlich Zinsen. Denn mit der Klage auf künftige Zahlung, die die Sicherungsanordnung absichern soll, werden auch die Verzugszinsen (bei Miete z.B. ab dem vierten Werktag) verfolgt. Die Art der Sicherheit steht im freien Ermessen des Gerichts, § 108 Abs. 1 S. 1 ZPO. 37 Soweit das Gericht eine Bestimmung nicht trifft und die Parteien nichts anderes vereinbart haben, ist die Sicherheit durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren zu bewirken, die nach § 234 Abs. 1, 3 BGB zur Sicherheitsleistung geeignet sind. Ist der Beklagte Mieter, sollte neben der Möglichkeit, Sicherheit durch Bankbürgschaft erbringen zu können, angeregt werden, die Übernahmeerklärung einer öffentlichen Stelle i.S.v. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB ausreichen zu lassen. Zugleich wird eine Frist zur Beibringung der Sicherheit im Beschluss angeordnet. 38 Die Länge der Frist bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Höhe der Sicherheitsleistung. Größere Summen aufzubringen, kann längere Zeit in Anspruch nehmen, wenngleich der vorsichtige Mieter die Beträge, um die er die Miete gekürzt hat, nicht ausgegeben, sondern zur Seite gelegt hat. Es ist zweckmäßig, die Frist mit Zugang des Beschlusses beginnen zu lassen. Die Frist wird nicht dadurch eingehalten, dass gegenüber dem Gericht der Nachweis 39 der vorhandenen Sicherheit erbracht wird. Die Sicherheit ist dem Kläger zur Verfügung zu stellen. Dazu ist z.B. die Hinterlegungsquittung dem Kläger zuzustellen. Für die Zustellung gelten die §§ 191 ff. ZPO. Wird die Sicherheit durch eine Bürgschaft erbracht, muss ein Vertrag zwischen Kläger und Bürgen nach den §§ 765 ff. BGB zustande kommen. Insoweit stellt die Übermittlung der Bürgschaft nur das Angebot zum Abschluss des Bürgschaftsvertrages dar. Die Annahme wird in der Regel nach § 151 BGB erfolgen. Damit kann der Beklagte die (rechtzeitige) Überlassung der Bürgschaft als Sicherheit i.S.v. § 283a ZPO durch den Zustellungsnachweis erbringen. Eine Vereitelung der Sicherheitsleistung durch den Kläger ist damit ausgeschlossen1. IV. Rechtsfolgen der Nichterfüllung In seiner ursprünglichen Fassung sah § 283a ZPO in Abs. 2 noch als Rechtsfolge man- 40 gelhafter Erfüllung der Sicherungsanordnung die Verhängung eines Ordnungsgeldes oder Ordnungshaft vor2. Diese besonderen Rechtsfolgen sind in der letzten Sitzung des Rechtsausschusses gestrichen worden3. Nunmehr ergibt sich die einzige Rechtsfolge aus § 887 und § 940a Abs. 3 ZPO (Wortlaut abgedruckt im Anhang § 546 BGB). 1. Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO Die Sicherungsanordnung wird nicht von Amts wegen überwacht. Vielmehr obliegt 41 es dem Vermieter, die von ihm erwirkte Sicherungsanordnung im Wege der Parteivollstreckung durchzusetzen. Nach den allgemeinen Regelungen der Zwangsvollstreckung handelt es sich bei der 42 Verpflichtung, Sicherheit zu leisten, um eine vertretbare Handlung nach § 887 ZPO4. Die Leistung ist vertretbar, da es ohne Bedeutung ist, wer die Bank beauftragt, eine Sicherheit für den Schuldner zu stellen5. Demnach muss sich der Vermieter/Gläubiger vom Prozessgericht des ersten Rechts- 43 zuges nach § 887 Abs. 1 ZPO ermächtigen lassen, die Handlung auf Kosten des Schuldners vornehmen zu dürfen. Mithilfe einer solchen Ermächtigung kann der Vermieter für den Mieter eine Sicherheit hinterlegen. 1 2 3 4 5

MünchKomm/Habersack, § 765 BGB Rz. 11. BT-Drucks. 17/10485, S. 10. BT-Drucks. 17/11894, S. 21. Vgl. Zöller/Stöber, § 887 ZPO Rz. 3 „Sicherheitsleistung“. OLG Köln v. 20.4.1988 – 13 W 19/88, MDR 1989, 169 zur Bürgschaft.

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Anhang § 546a BGB

§ 283a ZPO Sicherungsanordnung

44 Der Anspruch auf Sicherheitsleistung aus der Anordnung nach § 283a ZPO ist zunächst auf alle möglichen Formen der Sicherheitsleistung gemäß § 232 BGB gerichtet. Das damit verbundene Wahlrecht des Schuldners (Mieters) geht unter den Voraussetzungen des § 264 BGB analog auf den Vermieter über1. Übt dieser das Wahlrecht dahingehend aus, dass die Sicherheitsleistung z.B. durch Hinterlegung von Geld erfolgen soll, wird durch eine entsprechende Ermächtigung nach § 887 Abs. 1 ZPO ein konkreter Anspruch auf Hinterlegung von Geld geschaffen. Dieser Anspruch kann wie eine Geldforderung vollstreckt werden2. 45 Da der Vermieter die Sicherheit letztlich nicht aus eigenen Mitteln aufbringen will, kann er nach § 887 Abs. 2 ZPO beantragen, den Mieter zur Leistung eines Vorschusses zu verurteilen. Das kommt z.B. in Betracht, wenn der Vermieter eine Bürgschaft als Sicherheit gewählt hat. Damit wird der Vermieter diejenigen Kosten verlangen, die er aufwenden muss, um seinerseits die verlangte Sicherheit zu erbringen3. 2. § 940a Abs. 3 ZPO 46 Neben der unmittelbaren Zwangsvollstreckung sieht das MietRÄndG durch die Novellierung des § 940a BGB (Wortlaut abgedruckt im Anhang § 546 BGB) eine weitere Rechtsfolge vor, nämlich die Schaffung eines Räumungstitels im Wege der einstweiligen Verfügung. a) Räumungsklage wegen Zahlungsverzuges 47 Die Anwendung des § 940a Abs. 3 ZPO setzt neben der Nichterfüllung der Sicherungsanordnung voraus, dass Räumungsklage wegen Zahlungsverzuges erhoben wurde. Damit muss also (mittlerweile) Rechtshängigkeit der Räumungsklage eingetreten sein. 48 Es muss sich nicht unbedingt um eine Räumungsklage handeln, die (allein) auf § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB gestützt wird. Maßgeblich ist allein, dass der Vermieter das Mietverhältnis wegen der in § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB erfassten Tatbestände gekündigt hat. In Betracht kommt daher auch eine Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. auch Anhang § 546a BGB Rz. 10). b) Antragstellung 49 Der Antrag ist bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Räumungsklage rechtshängig ist. Zwar wird dies wegen § 29a ZPO in der Regel örtlich das gleiche Gericht sein. Da einige Gerichte aber keine Zuständigkeit des Sachzusammenhangs kennen, können bei zeitlich versetzter Räumungs- und Zahlungsklage unterschiedliche Abteilungen des Amtsgerichts oder verschiedene Kammern des Landgerichts zuständig sein. 50 Der Antrag kann grundsätzlich in jeder Phase des Erkenntnisverfahrens auf Räumung und Zahlung gestellt werden. Insbesondere kommt es nicht darauf an, dass der Antrag direkt (kurz) nach Ablauf der Beibringungsfrist, die gemäß § 283a Abs. 2 ZPO festgesetzt wurde, eingebracht wird. Der Kläger kann auch zunächst die Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO betreiben und anschließend zu § 940a Abs. 3 ZPO wechseln. Bei einer Klage auf künftige Räumung (der Vermieter geht z.B. wegen Zahlungsverzuges nur aus § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit langer Kündigungsfrist vor), ist der Antrag erst zulässig, wenn die Kündigungsfrist abgelaufen ist. 51 Andererseits ist der Antrag grundsätzlich unzulässig, wenn über die Räumungsklage entschieden ist. Zwar haben die Räumungsklage und der Antrag nach § 940a Abs. 3 ZPO unterschiedliche Streitgegenstände. Da dem Kläger aber bereits ein Räumungstitel vorliegt, fehlt dem Antrag nach § 940a Abs. 3 ZPO das Rechtsschutzbedürfnis. Ausnahmen können gerechtfertigt sein, wenn dem Mieter z.B. eine (lange) Räumungsfrist gewährt wurde.

1 OLG Düsseldorf v. 12.3.1984 – 3 WF 40/84, FamRZ 1984, 704. 2 OLG Düsseldorf v. 12.3.1984 – 3 WF 40/84, FamRZ 1984, 704. 3 OLG Köln v. 20.4.1988 – 13 W 19/88, MDR 1989, 169.

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§ 283a ZPO Sicherungsanordnung

Anhang § 546a BGB

Der Antrag ist nicht nur gegen den Mieter zu richten, sondern gegen alle Personen, die 52 mit der Räumungsklage in Anspruch genommen wurden. Hat der Vermieter in der Zwischenzeit erfahren, dass eine weitere volljährige Person Besitz an der Wohnung hat, muss zunächst die Räumungsklage erweitert werden. Sobald insoweit Rechtshängigkeit eingetreten ist, kann der Antrag nach § 940a Abs. 3 ZPO auf den zusätzlichen Räumungsschuldner i.S.v. § 546 Abs. 2 BGB erstreckt werden. Eine neue Sicherungsanordnung nach § 283a ZPO ist nicht erforderlich. Besteht ein Räumungstitel nach § 940a Abs. 3 ZPO, kann der Vermieter nach § 940a Abs. 2 ZPO verfahren, wenn sich im Vollstreckungsverfahren herausstellt, dass ein (weiterer) Dritter (Mit-)Besitz an der Wohnung hat. Zur Schlüssigkeit des Antrages muss der Vermieter mindestens die Anordnung nach 53 § 283a Abs. 2 ZPO vorlegen und im Zweifel durch Eidesstattliche Versicherung glaubhaft machen, dass die Anordnung von dem Mieter nicht befolgt wurde. Der Räumungsanspruch als solcher muss in dem anhängigen Räumungsprozess schlüssig vorgetragen sein. Ist dort der für den Zahlungsverzug relevante Rückstand streitig oder die Räumungsklage aus sonstigen Gründen nicht entscheidungsreif, kann nach dem Wortlaut des § 940a Abs. 3 ZPO dennoch eine einstweilige Verfügung auf Räumung ergehen. Damit kommt eine Räumung in Betracht, obwohl der Rückstand, der Gegenstand der Sicherungsanordnung nach § 283a ZPO ist, nicht die Tatbestandvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB erfüllt. Ist der Räumungsprozess entscheidungsreif und kann eine Klageabweisung erfolgen, ist der Antrag nach § 940a Abs. 3 ZPO zurückzuweisen. In dem Verfahren ist dem Mieter rechtliches Gehör zu gewähren, § 940a Abs. 4 ZPO. 54 Macht der Mieter glaubhaft, dass er der Sicherungsanordnung – wenn auch verspätet – nachgekommen ist, hat sich der Antrag nach § 940a Abs. 3 ZPO in der Hauptsache erledigt. Denn die Vorschrift stellt allein darauf ab, dass der Mieter der Sicherungsanordnung nicht Folge geleistet hat. Diese Voraussetzung liegt aber auch bei einer verspäteten Beibringung nicht mehr vor. Da es sich um ein unselbständiges Verfahren handelt, ist über die Kosten im Rahmen des Hauptsacheverfahrens auf Räumung zu entscheiden. V. Obsiegen des Klägers Nach § 283a Abs. 3 ZPO wird in der das Verfahren abschließenden Entscheidung (z.B. Urteil oder Beschluss nach § 91a ZPO) oder Regelung (z.B. gerichtlicher Vergleich) bestimmt, inwieweit sich der Kläger aus der hinterlegten Sicherheit befriedigen darf.

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Bei der Sicherheit durch Bürgschaft dient ein solcher Ausspruch eher der Klarstel- 56 lung. Denn im Hinblick auf die mit der Akzessorietät der Bürgschaft verbundenen Folgen hat der Bürge den Ausgang des Rechtsstreits anzuerkennen. Dazu ist weder die Streitverkündung im Prozess noch ein weiterer Rechtsstreit gegen den Prozessbürgen erforderlich1. Soweit die Sicherheit durch Hinterlegung erbracht wurde, wird durch den Aus- 57 spruch eine nach den Hinterlegungsgesetzen der Länder notwendige Voraussetzung zur Auszahlung der hinterlegten Beträge geschaffen. Denn spätestens durch mit dem Rechtskraftvermerk versehene Entscheidung kann der Kläger den (ausreichenden) Nachweis führen, hinsichtlich des hinterlegten Betrages der (Allein-)Berechtigte zu sein. VI. Unterliegen des Klägers (Schadensersatz) Wird die Klage abgewiesen, entfällt der Grund für die Sicherheitsleistung, sobald die 58 Rechtskraft der Entscheidung eingetreten ist. Insoweit kann der Beklagte die Rückgabe der Sicherheit in dem durch § 109 ZPO vorgesehenen Verfahren erreichen. Soweit die Sicherungsanordnung im Hauptsacheverfahren wieder aufgehoben wird, 59 hat der Kläger dem Beklagten den durch die Sicherungsanordnung entstandenen 1 BGH v. 13.4.2005 – VIII ZR 44/04, MDR 2005, 978 = WuM 2005, 471 = ZMR 2005, 530.

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§ 547 BGB

Erstattung von im Voraus entrichteter Miete

Schaden zu ersetzen, § 283a Abs. 4 ZPO. Dies gilt auch, wenn die Sicherungsanordnung nur teilweise aufgehoben wird, weil der Mieter z.B. zu hoch gemindert hat. 60 Als Schaden kommen insbesondere Avalprovisionen des Bürgen, entgangene Zinsen oder Finanzierungsvermittlungskosten in Betracht. Daneben sind aber auch entgangener Gewinn und sonstige Vermögensschäden denkbar. Da der Anspruch dem aus § 717 ZPO angenähert ist, sind die dazu entwickelten Schadensgrundsätze übertragbar. 61 Der Anspruch kann bereits in dem Verfahren, in dem die Sicherungsanordnung ergangen ist, geltend gemacht werden, §§ 283a Abs. 3 S. 2, 717 Abs. 2 S. 2 ZPO. Dazu ist in der Regel eine Widerklage erforderlich, wenn nicht die hilfsweise Aufrechnung erklärt wird, weil ein Teil der Klageforderung als möglicherweise begründet erkannt wird. In diesem Fall gilt der Anspruch ab Leistung der Sicherheit als rechtshängig. Demnach können z.B. Zinsen gemäß § 291 BGB ab Leistung der Sicherheit verlangt werden. C. Gewerberaummiete 62 Die Sicherungsanordnung als solche ist auch bei Räumungs- und Zahlungsklagen auf dem Gebiet der Gewerberaummiete zulässig. Die besondere Rechtsfolge des § 940a Abs. 3 ZPO ist aber auf die Wohnraummiete beschränkt, wie der Wortlaut deutlich macht. Eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht.

§ 547 Erstattung von im Voraus entrichteter Miete (1) Ist die Miete für die Zeit nach Beendigung des Mietverhältnisses im Voraus entrichtet worden, so hat der Vermieter sie zurückzuerstatten und ab Empfang zu verzinsen. Hat der Vermieter die Beendigung des Mietverhältnisses nicht zu vertreten, so hat er das Erlangte nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuerstatten. (2) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV. V. B. I. II. 1. 2.

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Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . Darlegungs- und Beweislast . . . Abweichende Vereinbarungen .

. . . . . . . .

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Wohnraummiete . . . . . . . . . . . Rechtsnatur des Anspruchs . . Tatbestandsmerkmale . . . . . . Beendigung des Mietvertrages Mietvorauszahlung . . . . . . . . . a) Vorfällig gezahlte Miete . . . b) Einmalmiete . . . . . . . . . . . . c) Abwohnbarer Baukostenzuschuss . . . . . . . . . . . . . . .

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III. 1. 2. 3.

Rückzahlungsanspruch. . . . . . . . . . . Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstattungsanspruch, § 547 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verzinsung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bereicherungsanspruch, § 547 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertretenmüssen der Vertragsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umfang der Bereicherung . . . . . . 5. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verlorener Baukostenzuschuss . . . .

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26 26 28

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30 31 33

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C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rückerstattung verlorener Baukostenzuschüsse . . . . . . . . . . . . . .

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Erstattung von im Voraus entrichteter Miete

§ 547 BGB

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt § 547 BGB regelt den Fall, dass der Mieter Zahlungen an den Vermieter geleistet hat, 1 die Entgelt i.S.v. § 535 Abs. 2 BGB darstellen und für eine Zeit nach Beendigung des Mietvertrages gelten sollen. Dafür wird eine Erstattungspflicht des Vermieters angeordnet, die sich materiell erleichtert, wenn der Vermieter die Beendigung des Mietvertrages nicht zu vertreten hat. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Vorschrift ist unmittelbar auf alle Mietverhältnisse und über § 581 Abs. 2 BGB 2 entsprechend auf Pachtverhältnisse anwendbar1. Bei gemischten Verträgen kommt es darauf an, ob deren Schwerpunkt im miet-/pachtrechtlichen Teil liegt2. 2. Anwendbare Rechtsprechung Auch wenn sich der Wortlaut gegenüber dem früheren § 557a BGB in der Fassung vor 3 der Reform 2001 erheblich verändert hat, sollen sich inhaltlich keine Änderungen ergeben haben3. Im Prinzip ist auch nur der Verweis auf § 347 BGB weggefallen. Deshalb kann die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1.9.2001 ohne weiteres auf § 547 BGB angewendet werden. III. Zweck der Vorschrift Die Vorschrift soll den Mieter vor dem Verlust seiner Mietvorauszahlung schützen. Dazu wird durch § 547 BGB in beiden Alternativen ein Rückerstattungsanspruch vertraglicher Natur begründet4.

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IV. Darlegungs- und Beweislast Der Mieter muss darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen der Rückerstat- 5 tung vorliegen. Dazu muss er die Beendigung des Mietvertrages und die Mietvorauszahlung, also eine Leistung, die über das Mietende hinaus wirken sollte, vortragen. Demgegenüber trägt der Vermieter die Darlegungslast hinsichtlich der Umstände, die ein mangelndes Verschulden an der Beendigung ergeben sollen. V. Abweichende Vereinbarungen Von den Regelungen des § 547 BGB zum Nachteil des Mieters abweichende Verein- 6 barungen sind bei der Wohnraummiete unwirksam, § 547 Abs. 2 BGB. Der Anwendungsbereich dieser Regelung unterscheidet sich nicht von dem anderer Vorschriften, die die Vertragsfreiheit einschränken sollen (vgl. dazu § 557 BGB Rz. 7 ff.). Davon unberührt bleiben Vereinbarungen (auch zum Nachteil des Mieters), die nach 7 Überlassung der Mietsache bezogen auf eine konkrete Situation getroffen werden (Umkehrschluss aus § 555f BGB; vgl. auch § 556 BGB Rz. 16 f.). Dies gilt erst recht, wenn der Nachteil des Mieters durch einen Vorteil kompensiert wird5. Vor diesem Hintergrund kann zu Lasten des Wohnraummieters insbesondere der Rückerstattungsanspruch für den Fall der Zwangsversteigerung6 oder der Veräußerung des Mietgrundstücks nicht ausgeschlossen werden. Auch Haftungsregelungen

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BGH v. 17.5.2000 – XII ZR 344/97, NJW 2000, 2987. BGH v. 14.10.1981 – VIII ZR 331/80, NJW 1982, 221 zu bestimmten Altenheimverträgen. Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1150. BGH v. 17.12.1954 – V ZR 4/54, NJW 1955, 302. Lehmann-Richter, WuM 2010, 3; dagegen allerdings BGH v. 7.2.2007 – VIII ZR 122/05, WuM 2007, 133 = GE 2007, 510. 6 BGH v. 29.10.1969 – VIII ZR 130/68, NJW 1970, 93.

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§ 547 BGB

Erstattung von im Voraus entrichteter Miete

zugunsten des Vermieters (z.B. Vermieterhaftung nur nach Bereicherungsrecht1) und Fälligkeitsverschiebungen (z.B. Rückerstattung statt in einer Summe monatlich im Umfang der bisherigen Anrechnung2) sind nur außerhalb der Wohnraummiete – vorbehaltlich § 307 BGB – zulässig. 9 Der formularmäßige Ausschluss der Rückzahlung, der auch bei einer vom Mieter nicht zu vertretenden vorzeitigen Vertragsbeendigung und unabhängig vom Eintritt eines Schadens beim Vermieter gelten soll, ist aber auch in der Gewerberaummiete unwirksam3. Verfallsklauseln, nach denen der Rückerstattungsanspruch des Mieters bei von ihm zu vertretender Vertragsauflösung entfällt, sind wie Vertragsstrafenversprechen zu behandeln4 mit der Folge, dass in der Gewerberaummiete § 343 BGB gilt und bei der Wohnraummiete § 555 BGB. Im Übrigen ist § 309 Nr. 6 BGB zu beachten. B. Wohnraummiete I. Rechtsnatur des Anspruchs 10 Die Vorschrift begründet in beiden Alternativen einen Rückerstattungsanspruch vertraglicher Natur5. Da diese Ansprüche erst mit der Beendigung des Mietvertrages entstehen, gehören sie zu den nachvertraglichen Abwicklungspflichten des Vermieters6. II. Tatbestandsmerkmale 1. Beendigung des Mietvertrages 11 Das Mietverhältnis muss – gleich aus welchem Grund – beendet sein. Die Beendigungsart ist unerheblich7. Die Vorschrift greift insbesondere auch bei der Kündigung des Erstehers gem. § 57a ZVG8, des Insolvenzverwalters gemäß § 109 InsO, bei Beendigung durch Zeitablauf oder durch Aufhebungsvertrag9, durch Nichtausübung einer Verlängerungsoption oder durch Eintritt einer auflösenden Bedingung. 12 Ist der Mietvertrag wegen Anfechtung oder aus sonstigen Gründen von Anfang an nichtig, ergibt sich ein Anspruch unmittelbar aus § 812 BGB; § 547 Abs. 1 BGB ist nicht anwendbar. Das Eingreifen der Fortsetzungsanordnung des § 545 BGB steht einer Vertragsbeendigung ebenso entgegen wie die vereinbarte Vertragsfortsetzung. 2. Mietvorauszahlung 13 Die vereinbarungsgemäß im Voraus erbrachte Miete umfasst nicht nur die reine Miete nach § 535 Abs. 2 BGB, sondern jede Mieterleistung, die nach dem Inhalt des Mietvertrags Bezug zur Miete hat und mit ihr innerlich verbunden ist, also letztlich Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung der Mietsache ist10, insbesondere also Betriebskosten11, vereinbarungsgemäß – vorfällig gezahlte Miete12, – Einmalmiete für Zeiträume nach Beendigung des Mietvertrages,

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Vgl. Staudinger/Rolfs, § 547 BGB Rz. 43. BGH v. 23.6.1971 – VIII ZR 166/70, NJW 1971, 1658. OLG Hamm v. 9.1.2001 – 7 U 58/00, NZM 2001, 709. BGH v. 22.5.1968 – VIII ZR 69/66, WM 1968, 799. BGH v. 17.12.1954 – V ZR 4/54, NJW 1955, 302. Lammel, § 547 BGB Rz. 5; Blank/Börstinghaus, § 547 BGB Rz. 10. Schmidt-Futterer/Streyl, § 547 BGB Rz. 25 m.w.N. BGH v. 29.10.1969 – VIII ZR 130/68, NJW 1970, 93; BGH v. 11.3.1970 – VIII ZR 96/68, NJW 1970, 1124. OLG Celle v. 16.12.1977 – 2 U 180/77, MDR 1978, 492. BGH v. 17.5.2000 – XII ZR 344/97, NJW 2000, 2987. Staudinger/Rolfs, § 547 BGB Rz. 7. Blank/Börstinghaus, § 547 BGB Rz. 4.

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abwohnbare Baukostenvorschüsse1, über die Miete rückzahlbare Mieterdarlehen2, wie Mietvorauszahlungen zu behandelnde Aufwendungsersatzansprüche3 und reduzierte Miete, die vom Verkäufer (= anschließend Mieter) an den Käufer (= anschließend Vermieter) zu zahlen ist, als Gegenleistung für einen im Kaufvertrag geregelten Kaufpreisnachlass4.

Wegen der Zulässigkeit der vorgenannten Leistungen ist im preisgebundenen Wohn- 14 raum aus der Zeit vor dem 1.1.2002 (vgl. § 50 WoFG) im Hinblick auf § 9 WoBindG zu prüfen, inwieweit einmalige Leistungen zulässig sind. Diese Vorschrift bestimmt in ihren Abs. 2 bis 6 Ausnahmen von dem Verbot der Vereinbarung einmaliger Leistungen nach § 9 Abs. 1 WoBindG. Sofern dagegen verstoßen wird, ist die Leistung zurückzuerstatten, § 9 Abs. 7 WoBindG. Insoweit war insbesondere nach § 50 Abs. 2 II. WoBauG eine Genehmigung der Bewilligungsstelle erforderlich. Soll die Leistung des Mieters zur Deckung von Modernisierungskosten verwendet werden, darf das Darlehen oder die Mietvorauszahlung höchstens eine vierfache Jahresmiete betragen. Bei vorzeitiger Vertragsbeendigung gilt auch hier, dass der Vermieter den noch nicht abgewohnten Teil nach Maßgabe des § 547 BGB zurückzuzahlen hat. Im Hinblick auf § 547 Abs. 2 BGB ist eine Vereinbarung, wonach der Baukostenzuschuss in Form eines selbständigen von der Beendigung des Mietverhältnisses unabhängigen Darlehens geleistet werden muss, als Umgehungsgeschäft unwirksam5. Allerdings gilt seit dem 1.1.2007 das WoBindG gemäß Art. 125 GG nur noch insoweit, 15 wie die Länder nach der Föderalismusreform nicht eigene Bestimmungen erlassen haben. In der Zwischenzeit haben alle Länder von dieser Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. Für Berlin und das Saarland gilt das schon vor Inkrafttreten der Föderalismusreform zum 1.1.2007 geltende Landesrecht weiter. Für diese Länder galten auch schon vor diesem Zeitpunkt die Bestimmungen des WoBinG und des WoFG nicht, §§ 30 WoBinG, 50 WoFG. In den neuen Bundesländern konnte das WoBindG ebenfalls nicht angewendet werden. Dort gab es immer schon eigene Belegungsbindungsgesetze. Seit dem 1.1.2007 bestehen eigene gesetzliche Regelungen in 16 – Baden-Württemberg nach dem Landeswohnraumförderungsgesetz (LWoFG BW)6, – Bremen nach dem Bremischen Gesetz zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Bremisches Wohnungsbindungsgesetz – BremWoBindG)7, – Bayern nach dem Bayerischen Wohnungsbindungsgesetz (BayWoBindG8), – Hamburg nach dem Hamburger Wohnungsbindungsgesetz (HmbWoBindG9) und dem Hamburger Wohnraumförderungsgesetz (HmbWoFG10), – Nordrhein-Westfalen nach dem Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG NRW11). Soweit ersichtlich, haben die Bestimmungen aber keine Änderung der Rechtslage für die erfassten Fälle herbeigeführt.

1 BGH v. 23.6.1971 – VIII ZR 166/70, NJW 1971, 1658; OLG München v. 9.12.1992 – 7 U 4858/92, ZMR 1994, 15. 2 BGH v. 11.3.1970 – VIII ZR 96/68, NJW 1970, 1124; BGH v. 29.10.1969 – VIII ZR 130/68, NJW 1970, 93. 3 BGH v. 21.10.1970 – VIII ZR 63/69, NJW 1970, 2289. 4 BGH v. 17.5.2000 – XII ZR 344/97, NJW 2000, 2987. 5 BGH v. 23.6.1971 – VIII ZR 166/70, NJW 1971, 1658. 6 www.landesrecht-bw.de; vgl. dazu Feßler, WuM 2010, 267. 7 Gesetz v. 18.11.2008, Gbl. der Freien Hansestadt Bremen, Nr. 57 S. 391. 8 www.stmi.bayern.de/imperia/md/content/stmi/bauen/wohnungswesen/recht/wobindg/baywo bindg.pdf. 9 www.landesrecht.hamburg.de. 10 www.landesrecht.hamburg.de. 11 www.recht.nrw.de.

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17 Bei Wohnraum, der seit dem 1.1.2002 öffentlich gefördert wurde, richtet sich die Zulässigkeit von verlorenen Baukostenzuschüssen gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 2 WoFG nach den Bestimmungen der Förderzusage. a) Vorfällig gezahlte Miete 18 Im Hinblick auf § 556b Abs. 1 BGB zahlt der Mieter die Miete für den vereinbarten Zeitabschnitt im Voraus. Findet vor Ablauf dieses Zeitraums die Beendigung des Mietvertrages statt und gibt der Mieter die Mietsache „vorzeitig“ zurück, bestimmt § 547 BGB die Rückerstattung der zu viel gezahlten Miete. b) Einmalmiete 19 Bestand die Gegenleistung nach den vertraglichen Abreden der Parteien aus einer einmaligen Leistung des Mieters für einen bestimmten Zeitraum, ist deren „Restwert“ nach § 547 BGB zu erstatten1. In der Regel tritt eine vorzeitige Beendigung des Vertrages ein. c) Abwohnbarer Baukostenzuschuss 20 Unter einem abwohnbaren Baukostenzuschuss werden alle messbaren wirtschaftlichen Leistungen des Mieters oder eines Dritten zum Neubau, Wiederaufbau, Ausbau, zur Erweiterung oder Instandsetzung von Räumen zusammengefasst, die mit dem Mietvertrag so gekoppelt oder in Beziehung gesetzt sind, dass sie sich in einer Ermäßigung der Miete niederschlagen2. Davon zu unterscheiden ist der verlorene Baukostenzuschuss. Darunter wird ein in Geld geleisteter Finanzierungsbeitrag verstanden, den der Mieter oder ein Dritter im Hinblick auf das Mietverhältnis dergestalt geleistet hat, dass er vom Vermieter/Grundstückseigentümer nicht zurückzuzahlen ist3. 21 Abwohnbare Baukostenzuschüsse kommen in der Form von Mieterdarlehen oder Mietvorauszahlungen vor. Bei einem Mieterdarlehen wird die „Rückzahlung“ in der Regel nach einem festgelegten Zins- und Tilgungsplan durch das Abwohnen bewirkt. Bei einer Mietvorauszahlung ist bestimmt, dass der Zuschuss über einen bestimmten Zeitraum (zu gleichen Teilbeträgen) abgewohnt werden kann. 22 Ein Baukostenvorschuss kann auch in einer bloßen Arbeitsleistung zur Instandsetzung, Sanierung oder Modernisierung bestehen. Denn wirtschaftlich ist es kein Unterschied, ob der Mieter an den Vermieter mit Rücksicht auf das abzuschließende Mietverhältnis eine Vorauszahlung leistet, mit der dieser den Mietgegenstand herstellt, wiederherstellt, ausbaut oder verbessert, oder ob der Mieter einen entsprechenden Betrag in das Mietobjekt selbst verbaut und den aufgewendeten Betrag nach einer vertraglicher Abrede von der festgelegten Miete in bestimmten Raten jeweils abzieht4. Maßgeblich ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise5. Es kommt weder darauf an, ob und ggf. welche Einzelleistung der Mieter selbst erbracht und welche er – wie auch immer – finanziert hat oder ob einzelne Leistungen sogar durch Dritte z.B. unentgeltlich erbracht wurden. Maßgeblich ist allein, dass dem Mieter die Leistungen – bei wirtschaftlicher Betrachtung – zugerechnet werden können. 23 Die Investition des Mieters kann vor und nach dem Abschluss des Mietvertrages erfolgen, so dass auch ein Aufwendungsersatzanspruch des Mieters nach § 555a Abs. 3 BGB oder § 555d Abs. 5 BGB als Verrechnungsgröße dienen kann6. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn die Parteien im Hinblick auf den Aufwendungsersatzanspruch die Unverzinslichkeit und Unkündbarkeit während der Dauer des Mietverhältnisses sowie die Verrechnung mit den monatlichen Mietraten vereinbaren7.

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Blank/Börstinghaus, § 547 BGB Rz. 5. BGH v. 3.2.1959 – VIII ZR 91/58, NJW 1959, 872. Vgl. auch OLG Düsseldorf v. 21.3.2000 – 24 U 115/99, NZM 2001, 1093. OLG Düsseldorf v. 12.12.1991 – 10 U 69/91, DWW 1992, 114. BGH v. 15.2.2012 – VIII ZR 166/10, GE 2012, 477 = ZMR 2012, 432 = NZM 2012, 301. OLG Düsseldorf v. 21.11.1991 – 10 U 47/91, ZMR 1992, 110. BGH v. 21.10.1970 – VIII ZR 63/69, BGHZ 54, 347 = WPM 1970, 1456.

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Erbringt der Mieter selber Arbeitsleistungen, kann die Gewährleistung problema- 24 tisch werden. Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass der Mieter nicht bessergestellt werden kann als ein Handwerker, der vom Vermieter anstelle des Mieters für die gleiche Leistung entlohnt worden wäre. Führt die Bauleistung des Mieters zu einer Gebrauchsbeeinträchtigung, kann sich der Mieter selbst dann nicht auf § 536 Abs. 1 BGB berufen, wenn er eine ursprünglich vom Vermieter selbst ausgeschriebene Leistung übernommen und den vom Vermieter vorgesehenen Handwerker beauftragt hat1. Zum abwohnbaren Baukostenzuschuss wird die Leistung des Mieters, wenn ihr Wert 25 vereinbarungsgemäß auf die Miete verrechnet werden soll. An einer solchen Vereinbarung fehlt es, wenn der Mieter bei Abschluss des Mietvertrages den schlechten Zustand der Räumlichkeiten kannte und dementsprechend eine erkennbar geringe Miete vereinbart wurde. Investitionen sind in einem solchen Fall nicht notwendig, da sie nicht dazu dienen, die Mietsache in einen vertragsgerechten Zustand zu versetzen oder einen Sachmangel zu beheben. Stimmt der Vermieter den Investitionen zu oder genehmigt sie sogar, bedeutet dies nicht zwingend, dass sie damit in seinem Interesse liegen und er die Kosten zu übernehmen hat2. III. Rückzahlungsanspruch 1. Gläubiger Anspruchsberechtigt aus § 547 BGB ist grundsätzlich der Mieter, der die Vorauszahlung geleistet hat. Bei Mietermehrheit steht der Anspruch allen Mitmietern gemeinsam zu. Der Anspruch ist abtretbar.

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Gerade bei größeren Vorauszahlungen werden oftmals sog. Nachfolgeklauseln verein- 27 bart, nach der der Mieter seinen Nachfolger bestimmen kann. Denkbar ist aber auch eine Ersatzmieterstellung, mit der der Nachmieter in die Stellung des Mieters, der die Mietvorauszahlungen geleistet hat, einrückt3. Dadurch wird die Entschädigungszahlung im Ergebnis auf den Nachmieter verlagert. Bei vorzeitiger Beendigung kann sich der Nachfolger seinerseits auf § 547 BGB berufen, soweit die Voraussetzungen vorliegen4. In der Wohnraummiete wird der Vermieter wegen § 547 Abs. 2 BGB nur insoweit von seiner Rückerstattungspflicht befreit, als der Nachfolger seinen Vorgänger (Mieter) tatsächlich abgefunden hat, was auch die Erfüllung der Ansprüche umfasst5. Dem Nachfolger stehen gegen den Vermieter keine Bereicherungsansprüche zu, und zwar selbst dann nicht, wenn der Vermieter von ihm eine erhöhte Miete erhält6. 2. Schuldner Passivlegitimiert ist der Vermieter. Mehrere Vermieter haften als Gesamtschuldner.

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Im Falle der Veräußerung haftet der Erwerber dann, wenn die Vorauszahlung ihm ge- 29 genüber nach §§ 566b, 566c Wirksamkeit entfaltet, anderenfalls schuldet der Vermieter dem Mieter Schadensersatz7. Gleiches gilt bezüglich der Haftung des Erstehers in der Zwangsversteigerung, des Grundstückseigentümers nach Erlöschen des Erbbaurechtes (§ 30 ErbbauRG) und nach Ende des Nießbrauchs (§ 1056 BGB). Soweit der Erwerber nicht haftet, soll ein Rückerstattungsanspruch gegen den (alten) Vermieter bestehen8.

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KG v. 16.8.2004 – 12 U 310/03, GuT 2004, 230. LG Dortmund v. 20.11.2007 – 3 O 223/07, ZMR 2008, 376. Schmidt-Futterer/Streyl, § 547 BGB Rz. 31. BGH v. 29.6.1966 – VIII ZR 163/64, NJW 1966, 1705. Staudinger/Rolfs, § 547 BGB Rz. 40. BGH v. 7.10.1963 – VIII ZR 139/62, NJW 1964, 37. BGH v. 6.7.1966 – VIII ZR 169/64, NJW 1966, 1703. Blank/Börstinghaus, § 547 BGB Rz. 13.

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3. Erstattungsanspruch, § 547 Abs. 1 S. 1 BGB 30 Grundsätzlich hat der Vermieter gemäß § 547 Abs. 1 S. 1 BGB die noch nicht verbrauchte Miete bei Vertragsbeendigung zu erstatten und ab Empfang zu verzinsen. Auf Entreicherung kann sich der Vermieter in dieser Alternative nicht berufen. a) Fälligkeit 31 Fälligkeit tritt mit der Beendigung des Mietvertrags ein. Nutzt der Mieter nach Beendigung des Mietvertrages die Mietsache weiter, ist die Fälligkeit bis zur vollständigen Rückgabe gehindert1. Denn die Mietvorauszahlung ist grundsätzlich auch auf die Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB anzurechnen. Würde ein Zurückbehaltungsrecht entstehen, müsste gegen den Erstattungsanspruch aufgerechnet werden. Dabei können Aufrechnungsbeschränkungen hinderlich sein. 32 Der Mieter kann vor der Fälligkeit nicht mit dem Rückerstattungsanspruch aufrechnen. Dies gilt auch dann, wenn der Vermieter in Vermögensverfall gerät2, denn der Mieter kann auch nach Insolvenzeröffnung verrechnen. b) Verzinsung 33 Die Verzinsung hat mit dem gesetzlichen Zinssatz (§ 246 BGB) zu erfolgen. Demgemäß hat eine Verzinsung über die Laufzeit der Mietvorauszahlung bis zur Beendigung des Mietvertrages von 4 % zu erfolgen. Mit dem Ende der Mietzeit tritt auch Verzug ein, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB, denn die Rückzahlung wird mit der Beendigung des Mietvertrages fällig. Damit liegt eine kalendermäßig bestimmte Leistung vor3. Ab Ende der Mietzeit richtet sich die Verzinsung also nach § 288 BGB. 34 Die Verzinsungspflicht gilt nur für den noch nicht abgewohnten bzw. verrechneten Anteil4. Allein dieser (Teil-)Betrag der ursprünglichen Leistung des Mieters ist von ihrem Empfang an zu verzinsen. 4. Bereicherungsanspruch, § 547 Abs. 1 S. 2 BGB 35 § 547 Abs. 1 S. 2 BGB enthält eine Rechtsfolgeverweisung5. Danach tritt eine Haftungserleichterung für den Vermieter nur dann ein, wenn er die Beendigung des Mietverhältnisses nicht zu vertreten hat. Dann nämlich haftet der Vermieter nur nach Bereicherungsgrundsätzen, kann sich also insbesondere auf Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen. a) Vertretenmüssen der Vertragsbeendigung 36 Zu vertreten hat der Vermieter die Beendigung, wenn sie mindestens auf von ihm fahrlässig herbeigeführten Umständen beruht. Weder Wortlaut noch Zweck der Vorschrift rechtfertigen eine von § 276 BGB abweichende Inhaltsbestimmung6. Die Gegenansicht7 führt zu einer ungerechtfertigten Privilegierung des Mieters. Denn er erhält eine (rückwirkende) Verzinsung, obwohl der Vermieter nur – ohne eigentliches Verschulden i.S.v. § 276 BGB – eine Ursache für die (ggf. vorzeitige) Beendigung gesetzt hat. Zinsen sind ohne den Nachweis der gezogenen Nutzung regelmäßig nur bei Schadensersatz zu leisten. Ein solcher Anspruch setzt aber regelmäßig Verschulden voraus, solange Zinsen nicht als gezogene Nutzungen zu erstatten sind (vgl. § 347 BGB). Im Übrigen wollte der Gesetzgeber zum 1.9.2001 insbesondere einen einheitlichen Sprachgebrauch einführen8. Hätte er den Begriff anders verstanden haben wol-

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A.A. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. III 174 (Zurückbehaltungsrecht des Vermieters). Blank/Börstinghaus, § 547 BGB Rz. 10 m.w.N. Staudinger/Rolfs, § 547 BGB Rz. 23. Schmidt-Futterer/Streyl, § 547 BGB Rz. 44. BGH v. 21.10.1970 – VIII ZR 63/69, NJW 1970, 2289. Staudinger/Rolfs, § 547 BGB Rz. 14; Müller in Müller/Walther, § 547 BGB Rz. 5. Schmidt-Futterer/Streyl, § 547 BGB Rz. 33; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 547 BGB Rz. 9; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 153 m.w.N. 8 Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1111.

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len, hätte er den Begriff im Rahmen der Neuformulierung nicht verwendet. Der Mieter hat es schließlich in der Hand, bei der Vereinbarung des Baukostenzuschusses für ihn günstige Bedingungen z.B. in Form eines langfristigen Kündigungsverzichts o.Ä. auszuhandeln. Mangelndes Verschulden kommt in Betracht durch 37 – das Ende der Mietzeit durch Zeitablauf, – Nichtausübung einer Verlängerungsoption1, – Eintritt einer auflösenden Bedingung, – ordentliche Kündigung des Mieters oder Vermieters2, solange sie nicht auf Umständen beruht, die der Vermieter zu vertreten hat3, – außerordentliche (fristlose) Vermieterkündigung aus wichtigem Grund, – außerordentliche Kündigung des Vermieters mit gesetzlicher Frist4, insbesondere nach § 57a ZVG5 oder beim Tode des Mieters gemäß § 564 BGB, – Vertragsauflösung durch Aufhebungsvertrag. b) Umfang der Bereicherung Gegenstand der Bereicherung ist die noch nicht abgewohnte Mietvorauszahlung6. 38 Die zur Rückzahlung von verlorenen Baukostenvorschüssen entwickelten Grundsätze7 sind nicht anwendbar8. Selbst wenn der Mieter seinen Beitrag in mehreren Tranchen geleistet hat, ist der Anspruch in einer Summe, nicht in Raten zu erfüllen9. Wegen der Rechtsfolgeverweisung ist allein zu prüfen, ob die empfangene Vorauszah- 39 lung wirtschaftlich gesehen noch im Vermögen des Vermieters vorhanden ist10. Im Falle der Verlegung eines neuen Bodenbelags auf Kosten des Mieters kann als im Vermögen des Vermieters verbliebene Bereicherung die werthaltige Aufwendung als solche, also nicht die Kosten für die Entfernung des alten Bodenbelags oder auf die Rechnung des Fliesenlegers entfallene Mehrwertsteuer, angesehen werden11. Der Höhe nach berechnet sich der Anspruch nach den gleichen Grundsätzen, wie 40 sich der Bereicherungsanspruch des Gewerberaummieters nach vorzeitiger Beendigung und Leistung eines verlorenen Baukostenzuschusses bemisst (vgl. § 547 BGB Rz. 20 f.)12. Eine Verzinsung für die Zeit vor Vertragsbeendigung setzt tatsächlich gezogene Nut- 41 zungen voraus, § 818 Abs. 1 BGB. Ab Vertragsbeendigung beginnt eine Verzinsungspflicht mit Kenntnis von der Rückerstattungspflicht, §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 2, 897 Abs. 2 BGB, sonst nur bei Verzug, §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB. 5. Verjährung Der Rückerstattungsanspruch verjährt nicht nach § 548 BGB, sondern gemäß den 42 §§ 195, 199 BGB in drei Jahren13. Dies gilt selbst dann, wenn vereinbarungsgemäß Aufwendungsersatzansprüche des Mieters als Mietvorauszahlungen behandelt werden sollen14.

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Bub/Treier/Scheuer, V Rz. 331. A.A. MünchKomm/Bieber, § 547 BGB Rz. 10. Staudinger/Rolfs, § 547 BGB Rz. 18. BGH v. 6.7.1990 – LwZR 8/89, ZIP 1990, 1485. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1069. Staudinger/Rolfs, § 547 BGB Rz. 30 ff. BGH v. 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, NJW 1985, 313. OLG Düsseldorf v. 12.12.1991 – 10 U 69/91, DWW 1992, 114. BGH v. 23.6.1971 – VIII ZR 166/70, NJW 1971, 1658. BGH v. 21.10.1970 – VIII ZR 63/69, NJW 1970, 2289. OLG Düsseldorf v. 12.12.1991 – 10 U 69/91, DWW 1992, 114. Zur Kritik vgl. Schmidt-Futterer/Streyl, § 547 BGB Rz. 48 m.w.N. Bamberger/Roth/Ehlert, § 547 BGB Rz. 14. BGH v. 21.10.1970 – VIII ZR 63/69, NJW 1970, 2289.

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IV. Verlorener Baukostenzuschuss 43 Unter einem verlorenen Baukostenzuschuss wird ein in Geld geleisteter Finanzierungsbeitrag verstanden, den der Mieter oder ein Dritter im Hinblick auf das Mietverhältnis dergestalt geleistet hat, dass er vom Vermieter/Grundstückseigentümer nicht zurückzuzahlen ist1. Insoweit ist es nicht erforderlich, dass die Parteien eine lange Nutzbarkeit durch den Mieter regeln. Auch die Möglichkeit, überhaupt Mieter zu werden, stellt eine ausreichende Verknüpfung mit dem Mietvertrag dar2. 44 Verlorene Baukostenzuschüsse können bei preisgebundenem Wohnraum aus der Zeit vor dem 1.1.2002 nicht vereinbart werden, § 9 Abs. 1 WoBindG (zur zeitlichen Anwendung vgl. § 547 BGB Rz. 15). Bei öffentlich gefördertem Wohnraum, der der Anwendung des WoFG oder den Bestimmungen der Länder unterliegt (vgl. Art. 125a GG), richtet sich die Zulässigkeit nach der Förderzusage. 45 Bei frei finanziertem Wohnraum sind solche Vereinbarungen zulässig; im Falle der vorzeitigen Vertragsbeendigung ist der nicht abgewohnte Teil des Zuschusses nach dem Gesetz über die Rückzahlung von Baukostenzuschüssen3 an den Mieter herauszugeben. Danach wohnt der Mieter eine Investition in Höhe einer Jahresmiete über vier Jahre ab. 46 Der Rückforderungsanspruch ist grundsätzlich abdingbar4, was aber nur individualvertraglich durch eine eindeutige Regelung realisierbar ist5. Durch die Vereinbarung eines selbständigen Darlehensvertrages kann sie nicht umgangen werden. C. Gewerberaummiete I. Allgemeines 47 Die Norm gilt auch für die Gewerberaummiete, was schon durch ihre Stellung im allgemeinen Teil der Mietvorschriften deutlich wird. In der Praxis der Gewerberaummiete kommen Baukostenzuschüsse häufig vor. Insbesondere wenn die Parteien darüber verhandeln, wie und wer Leistungen zur Herbeiführung des vertragsgemäßen Zustandes zu erbringen hat, wird oftmals eine Regelung getroffen, die eine Bauleistung des Mieters vorsieht. 48 Wird insoweit eine feste Laufzeit vereinbart und handelt es sich um Investitionen, die nicht allein dem Nutzungszweck des Mieters dienen, besteht eine Vermutung, dass zumindest ein verlorener Baukostenzuschuss geregelt werden sollte. Allein, weil der Vermieter im Rahmen der Verhandlungen zum Abschluss des Vertrages die Übernahme der Leistung gegen Zahlung einer höheren Miete angeboten hatte, entsteht aus der Ausführung durch den Mieter kein abwohnbarer Baukostenzuschuss. Dazu ist eine konkrete und eindeutige Vereinbarung erforderlich. II. Rückerstattung verlorener Baukostenzuschüsse 49 Außerhalb der Wohnraummiete sind verlorene Baukostenzuschüsse, soweit sie nicht „abgewohnt“ sind, nach §§ 812 ff. BGB zurückzuerstatten6. Denn die Vereinbarung eines verlorenen Baukostenzuschusses in einem Mietvertrag steht regelmäßig, ohne dass es hierfür auf seine Rechtsnatur ankommt, in Beziehung zur Mietzeit, so dass der Mieter, soweit der verlorene Baukostenzuschuss bei der vorzeitigen Beendigung eines ursprünglich langfristig konzipierten Mietvertrages noch nicht „abgewohnt“ ist, grundsätzlich einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2, 1. Hs. BGB (ob causam finitam) hat, weil der rechtliche Grund der für die Zeit nach der Beendigung des 1 Vgl. auch OLG Düsseldorf v. 21.3.2000 – 24 U 115/99, NZM 2001, 1093. 2 Schmidt-Futterer/Streyl, § 547 BGB Rz. 13. 3 Gesetz v. 21.7.1961, BGBl. I 1041, geändert durch Gesetz v. 14.7.1964, BGBl. I, S. 457 und v. 24.8.1965, BGBl. I, S. 969. 4 BGH v. 13.10.1959 – VIII ZR 193/58, NJW 1959, 2163; BGH v. 14.10.1958 – VIII ZR 155/57, NJW 1958, 2109. 5 Schmidt-Futterer/Streyl, § 547 BGB Rz. 19. 6 BGH v. 26.4.1978 – VIII ZR 236/76, NJW 1978, 1483.

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Verjährung der Ersatzansprüche und des Wegnahmerechts

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Mietverhältnisses erbrachten Leistung weggefallen ist1. Da der mit der Hingabe des verlorenen Baukostenzuschusses erstrebte Erfolg sich infolge der vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht voll verwirklicht hat, ist auf Mieterseite ein Vermögensverlust in Gestalt des vorzeitig eingetretenen Wegfalls der Nutzungsmöglichkeit entstanden und der Vermieterseite eine vorzeitige Nutzungsmöglichkeit zugefallen. Gleiches gilt, wenn sich der Mieter zur Erbringung der Investitionen, für die er Ersatz 50 fordert, vertraglich verpflichtet hat2. In diesem Fall hat er nach Beendigung des Mietverhältnisses hinsichtlich der geschaffenen Einrichtungen weder ein Wegnahmerecht aus § 539 Abs. 2 BGB noch einen Anspruch auf Ersatz von Verwendungen gemäß § 539 Abs. 1 BGB, unabhängig davon, ob es sich um notwendige oder nützliche Verwendungen handelt3, wohl aber bei vorzeitiger Vertragsbeendigung einen Bereicherungsanspruch gegen den Vermieter4. Die Bereicherung ist weder nach den mit dem Zuschuss gedeckten Baukosten noch 51 nach der durch die Mieterleistung geschaffenen Werterhöhung des Bauwerks zu bemessen, sondern allein nach den Vorteilen, die der Vermieter daraus hat erzielen können, dass er vorzeitig in den Genuss derjenigen Nutzungsmöglichkeit des vermieteten Objekts gelangt ist, die dem Mieter für die Zeit nach tatsächlicher Vertragsbeendigung bis zum an sich vorgesehenen Vertragsablauf entgangen ist. Eine etwaige Bereicherung des Vermieters liegt – sofern es ihm nicht gelingt, von dem Folgemieter einen neuen Baukostenzuschusses zu erhalten – in den genannten Fällen daher allein in der Erhöhung des Ertragswerts, soweit der Vermieter diesen früher als vertraglich vorgesehen durch anderweitige Vermietung zu einem höheren Mietzins realisieren kann, d.h., maßgeblich sind die Vorteile, die der Vermieter aus dem erhöhten objektiven Ertragswert der Mietsache tatsächlich erzielen kann oder hätte erzielen können5. Kann der Vermieter das Mietobjekt zu einem höheren Gesamtpreis neu vermieten, ist die Höhe der Bereicherung auch nach Maßgabe der Mietfälligkeit zu bemessen, d.h., der Bereicherungsanspruch ist auf eine laufende Zahlung in Höhe und nach Fälligkeit des zusätzlichen Entgelts gerichtet6, so dass vom Zeitpunkt der Beendigung des Mietvertrages aus betrachtet nur ein Anspruch auf zukünftig fällig werdende laufende Zahlungen in Betracht kommen kann7.

§ 548 Verjährung der Ersatzansprüche und des Wegnahmerechts (1) Die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren in sechs Monaten. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. Mit der Verjährung des Anspruchs des Vermieters auf Rückgabe der Mietsache verjähren auch seine Ersatzansprüche. (2) Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung verjähren in sechs Monaten nach der Beendigung des Mietverhältnisses.

1 2 3 4 5

BGH v. 26.4.1978 – VIII ZR 236/76, NJW 1978, 1483 m.w.N. BGH v. 8.11.1995 – XII ZR 202/94, ZMR 1996, 122. BGH v. 8.11.1995 – XII ZR 202/94, ZMR 1996, 122 m.w.N. OLG Düsseldorf v. 19.4.2007 – 10 U 122/06, OLGR 2007, 610 = ZMR 2007, 446 = NZM 2007, 643. BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, MDR 2006, 505 = ZMR 2006, 185 = NZM 2006, 15; BGH v. 26.7.2006 – XII ZR 46/05, GE 2006, 1224 = InfoM 2007, 18. 6 BGH v. 12.2.1959 – VIII ZR 54/58, BGHZ 29, 289, 300; BGH v. 9.6.1959 – VIII ZR 61/58, NJW 1959, 1424 (1428); BGH v. 21.1.1960 – VIII ZR 16/59, WM 1960, 497 (498); OLG Düsseldorf v. 21.3.2000 – 24 U 115/99, NZM 2001, 1093. 7 BGH v. 14.2.1968 – VIII ZR 2/66, NJW 1968, 888.

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Verjährung der Ersatzansprüche und des Wegnahmerechts Inhalt

A. I. II. 1. 2. 3. III. IV. V. VI. VII. 1. 2.

3.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . Verhältnis zum allgemeinen Verjährungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . Rechtsnatur des § 548 BGB. . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . . . . . . Ergänzend anwendbare Vorschriften . Neubeginn der Verjährung . . . . . . . . . Hemmung der Verjährung . . . . . . . . . . a) Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . bb) Ende der Hemmung . . . . . . . . . b) Gerichtliche Maßnahmen . . . . . . . . aa) Klageverfahren . . . . . . . . . . . . . bb) Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . cc) Demnächstige Zustellung . . . . dd) Selbständiges Beweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ende der Hemmung bei gerichtlichen Maßnahmen . . . . . . ff) Verjährung – Erledigung der Hauptsache – Verspätung . . . . Aufrechnung mit verjährter Forderung, § 215 BGB . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 2 3 5 9 10 11 12 16 17 20 22 23 26 28 29 33 38 41 42 44

B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . I. Ansprüche des Vermieters . . . . . . . 1. Ansprüche bei Veränderung und Verschlechterung der Mietsache . . a) Konkurrierende Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erfasste Rechtsfolgen . . . . . . . . . c) Mietsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einredeberechtigte . . . . . . . . . . . . . 3. Beginn der Verjährung . . . . . . . . . . II. Ansprüche des Mieters . . . . . . . . . . 1. Erfasste Ansprüche . . . . . . . . . . . . . a) Ersatz von Aufwendungen . . . . . b) Wegnahme von Einrichtungen . . c) Einzelne Ansprüche des Mieters 2. Beginn der Verjährung . . . . . . . . . . C. I. II. III. D. I. II. 1. 2. 3. 4.

Gewerberaummiete . . . . . Grundsätzliches. . . . . . . . . Ansprüche des Vermieters Ansprüche des Mieters . . .

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49 49

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53

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60 62 65 67 68 75 76 76 79 81 84 87 87 88 92

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Exkurs: Allgemeine Verjährung . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Beginn der Verjährungsfrist . Entstehung des Anspruchs . . . . . Kenntnis der Umstände . . . . . . . Grob fahrlässige Unkenntnis . . . § 199 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. 93 . 93 . 95 . 96 . 99 . 101 . 102

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A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Die Norm regelt für bestimmte Ansprüche des Vermieters (Abs. 1) und des Mieters (Abs. 2) eine kurze Verjährung und weicht nicht nur insoweit von den allgemeinen Vorschriften der §§ 195 ff. BGB ab. Dabei lässt sie die jeweils sechsmonatige Verjährung zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen. Die Verjährung zu Lasten des Vermieters beginnt mit dem Rückerhalt der Wohnung zu laufen. Das kann durchaus weit nach dem Mietende sein. Der Mieter muss hingegen ab dem Mietende die Zeit im Auge behalten, weil die zu seinen Lasten geregelte Verjährung daran anknüpft. Mit jeder anderen Lösung würde der Mieter motiviert, sich nicht rechtmäßig zu verhalten und über das Ende der Mietzeit hinaus die Wohnung zu nutzen. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 2 § 548 BGB ist unmittelbar anwendbar auf alle Mietverträge und damit grundsätzlich auch auf Leasingverträge1, entsprechend auf Pachtverträge (§ 581 Abs. 2 BGB; wegen der Landpachtverträge vgl. § 591b BGB), auf Leihverhältnisse (§ 606 BGB) und diesen ähnliche Verträge2, auf den Pensions- und Hotelaufnahmevertrag3, auf Ersatzansprüche aus Anbahnungsverhältnissen, wie z.B. des Kfz-Verkäufers wegen Beschädigungen anlässlich einer Probefahrt4, auf gemischte Verträge, wenn das Schwergewicht bei 1 2 3 4

BGH v. 22.1.1986 – VIII ZR 318/84, NJW 1986, 1334. BGH v. 19.12.2001 – XII ZR 233/99, MDR 2002, 749 = NJW 2002, 1336. BGH v. 29.3.1978 – VIII ZR 220/76, NJW 1978, 1426. BGH v. 21.5.1968 – VI ZR 131/67, NJW 1968, 1472.

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der mietvertraglichen Regelung liegt1, oder bei Trennbarkeit der einzelnen Bestandteile, soweit es sich um mietvertragliche Bestandteile handelt2. 2. Anwendbare Rechtsprechung Inhaltlich hat das MRRG 2001 keine Änderungen gebracht gegenüber der Vorgänger- 3 vorschrift des § 558 BGB a.F. Deshalb ist auch die dazu ergangene Rechtsprechung uneingeschränkt anwendbar, soweit sie nicht auf Grundsätzen des allgemeinen Verjährungsrechts aufbaut. Dazu gehört z.B. der § 198 BGB a.F. Danach begann die Verjährung grundsätzlich erst mit der Entstehung (Fälligkeit) des Anspruchs. Obwohl auch § 558 BGB in der Fassung vor 2001 den Verjährungsbeginn zu Lasten des Vermieters an die Rückgabe knüpfte, wurde er durch § 198 BGB a.F. überlagert mit der Folge, dass für Ansprüche, die bei der Rückgabe noch nicht entstanden waren, die sechsmonatige Verjährung erst zu laufen begann, wenn deren Fälligkeit eingetreten war3. Durch die grundlegende Änderung des Verjährungsrechts zum 1.1.2002 ist diese Rechtsprechung überholt. Das Gleiche gilt grundsätzlich für Entscheidungen, die sich mit der Unterbrechung von Verjährungstatbeständen befassen. Die Unterbrechung der Verjährung ist mit der Schuldrechtsmodernisierung weggefallen. Allerdings können die Entscheidungen durchaus herangezogen werden, wenn sie unter einen Hemmungstatbestand der §§ 203 f. BGB passen. Dies muss im Einzelfall geprüft werden.

4

3. Verhältnis zum allgemeinen Verjährungsrecht Bei der Anwendung des § 548 BGB ist § 200 BGB zu beachten4. Danach beginnt die 5 Verjährung mit der Entstehung eines Anspruchs, sofern nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist. § 548 BGB erfüllt diese Voraussetzungen sowohl für die Verjährung der Vermieter- als auch der Mieteransprüche. Denn zum einen knüpft er den Verjährungsbeginn an die Rückgabe (Abs. 1) und zum anderen an das Mietende. Im Hinblick auf den Befriedungscharakter der Verjährungsregeln stellt § 548 BGB im 6 Umfang der erfassten Ansprüche lex specialis gegenüber § 199 BGB dar. Deshalb kann eine Verjährung nach den allgemeinen Vorschriften auch während der Mietzeit nicht eintreten. Die von § 548 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB erfassten Ansprüche verjähren ausschließlich innerhalb der jeweiligen Sechsmonatsfrist. Auf Seiten des Vermieters betrifft dies z.B. Ansprüche wegen (unterlassener) Schön- 7 heitsreparaturen während der Mietzeit. Würde die allgemeine Verjährung greifen, müsste der Vermieter, der während der Mietzeit erkennt, dass die auf den Mieter vertraglich abgewälzte Renovierung in den Mieträumen fällig ist, verjährungshemmende Maßnahmen (z.B. durch Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens) ergreifen. Denn anders als z.B. bei Ansprüchen wegen Veränderung der Mietsache entstehen Ansprüche wegen unterlassener Schönheitsreparaturen weder durch die Beendigung des Mietvertrages noch durch die Rückgabe der Mietsache neu. Das Gleiche gilt aber auch für Ansprüche wegen unterlassenem Rückbau o.Ä.5. Ebenso kann der Anspruch des Mieters auf Aufwendungsersatz wegen Durchführung 8 einer Ersatzvornahme (§ 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB) während der Mietzeit nicht verjähren6.

1 BGH v. 29.3.1978 – VIII ZR 220/76, NJW 1978, 1426. 2 Bub/Treier/Gramlich, VI Rz. 35. 3 BGH v. 12.4.1989 – VIII ZR 52/88, MDR 1989, 808 = WuM 1989, 376; KG v. 2.12.1996 – 8 REMiet 3802/96, WuM 1997, 32; OLG Düsseldorf v. 1.6.1995 – 10 U 151/94, WuM 1995, 581; OLG München v. 16.9.1994 – 21 U 2269/94, WuM 1995, 532; OLG Frankfurt v. 11.5.1992 – 12 U 172/91, DWW 1992, 336. 4 BGH v. 15.3.2006 – VIII ZR 123/05, MDR 2006, 1398 = NJW 2006, 1588. 5 A.A. Langenberg, PiG 65, 235 f. 6 A.A. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VIII 339; Lehmann-Richter, NZM 2009, 76.

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III. Zweck der Vorschrift 9 Im Hinblick darauf, dass sich der Zustand der Mietsache durch die Nutzung regelmäßig verändert, soll § 548 BGB zwischen den Parteien des Mietvertrages eine rasche Auseinandersetzung gewährleisten und eine beschleunigte Klarstellung der Ansprüche wegen des Zustandes der überlassenen Sache bei Rückgabe erreichen1. Deshalb ist die Bestimmung weit auszulegen2. IV. Rechtsnatur des § 548 BGB 10 Als Einrede muss die Verjährung des § 548 BGB von dem jeweiligen Schuldner ausdrücklich geltend gemacht werden. Sie ist von Amts wegen im Prozess nicht zu berücksichtigen. Beruft sich der Schuldner erstmalig im Prozess auf Verjährung, führt dies zu einer Erledigung der Hauptsache nach § 91a ZPO3. V. Beweislast 11 Derjenige, der die Einrede der Verjährung erhebt, hat die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich der Verjährungseintritt ergibt, also auch die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Anspruchsstellers i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB4. Allerdings muss dieser erforderlichenfalls darlegen, was er zur Ermittlung der Anspruchsvoraussetzungen und der Person des Schuldners unternommen hat5. VI. Abweichende Vereinbarungen 12 § 202 BGB macht deutlich, dass Vereinbarungen über die Verjährung zulässig sind. § 202 BGB verbietet Erleichterungen für die Haftung wegen Vorsatzes (Abs. 1) und eine Überschreitung der Frist durch Vertrag von 30 Jahren (Abs. 2). In den Grenzen des § 202 BGB ist § 548 BGB daher grundsätzlich abdingbar. 13 Als weitere Grenzen für Vereinbarungen, mit denen von § 548 BGB abgewichen werden soll, sind die §§ 138, 307 BGB zu beachten. Insbesondere wenn abweichende Verjährungsregelungen im Rahmen eines Formularvertrages getroffen werden, ist zu beachten, dass den gesetzlichen Verjährungsvorschriften eine Ordnungs- und Leitbildfunktion zukommt6. Die Vereinbarkeit mit diesem System ist anhand des Sinns und Zwecks der jeweiligen Verjährungsnorm, von der abgewichen wird, insbesondere im Hinblick auf den Interessenausgleich von Gläubiger und Schuldner zu messen7. Deshalb waren nach dem bis 1.1.2002 geltenden Recht Erschwerungen unwirksam, die den Beginn der Frist vom Ermessen des Vermieters abhängig machten und nicht gewährleisteten, dass der Mieter vom Beginn der Verjährung und deren Ablauf Kenntnis erlangte8. Auch das Hinausschieben der Fälligkeit ohne zeitliche Begrenzung wurde beanstandet9. Danach führt eine formularmäßige Abkürzung jedenfalls der Frist des § 548 Abs. 2 BGB in aller Regel zu einer unangemessenen Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB. Ob unterschiedlich lange Fristen für Vermieter und Mieter vorgegeben werden können, ist streitig10. Das Problem kann dadurch entschärft werden, dass der Verjährungsbeginn vereinheitlicht wird, z.B. für beide Seiten auf die Rückgabe. 1 BGH v. 22.2.2006 – XII ZR 48/03, MDR 2006, 739 = NJW 2006, 1963; BGH v. 19.12.2001 – XII ZR 233/99, MDR 2002, 749 = NJW 2002, 1336; BGH v. 18.9.1986 – III ZR 227/84, BGHZ 98, 235 (237) = MDR 1987, 122 = NJW 1987, 187 (188). 2 BGH v. 21.3.1997 – V ZR 217/95, MDR 1997, 724 = NJW 1997, 1983. 3 BGH v. 27.1.2010 – VIII ZR 58/09, NZM 2010, 511. 4 Mansel, NJW 2002, 89 (92). 5 Palandt/Ellenberger, § 199 BGB Rz. 46 unter Hinweis auf BGHZ 91, 260. 6 AnwKomm/Mansel, § 202 BGB Rz. 20. 7 BGH v. 17.1.1990 – VIII ZR 292/88, MDR 1990, 537 = CR 1990, 718 = NJW 1990, 2065 (2066). 8 BGH v. 8.1.1986 – VIII ZR 313/84, NJW 1986, 1609. 9 BGH v. 16.3.1994 – XII ZR 245/92, MDR 1994, 885 = NJW 1994, 1788; OLG Karlsruhe v. 29.5.1991 – 4 U 293/90, NJW-RR 1992, 244. 10 Dagegen z.B. Langenberg, Schönheitsreparaturen, IV. A. Rz. 18; dafür z.B. Kandelhard, NZM 2002, 929 (933).

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Deshalb ist im Hinblick auf die Beschleunigungsfunktion des § 548 BGB eine formu- 14 larmäßige Verlängerung der Sechsmonatsfrist nicht zulässig1. Bei der Beurteilung ist immer zu beachten, inwieweit auf die berechtigten Belange des Mieters Rücksicht zu nehmen ist2. Insoweit hat das Gesetz die Anordnung getroffen, das sechs Monate nach der Rückgabe der Mietsache Rechtsfrieden eintreten soll. Danach treten insbesondere für den Mieter, der während des Laufs der Frist regelmäßig keinen Zutritt zur Mietsache hat, Beweisschwierigkeiten ein, die ohnehin durch die Möglichkeit der Hemmung z.B. im Wege der Verhandlungen nach § 203 BGB vergrößert werden. Das Gesetz sieht also schon selbst vor, dass die Verjährung auf mindestens neun Monate verlängert werden kann, § 203 S. 2 BGB. Eine weitere Verlängerung durch eine entsprechend längere Frist führt daher zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters. Dies gilt jedenfalls bei einer formularmäßigen Verlängerung auf ein Jahr3. Aber auch verjährungsverkürzende Regelungen zu Lasten des Mieters können im 15 Anwendungsbereich des § 548 BGB nicht akzeptiert werden. Die in § 548 Abs. 2 BGB erwähnten Ansprüche des Mieters setzen teilweise umfangreiche (Wert-)Ermittlungen voraus. Dafür ist die Zeit von sechs Monaten oft schon knapp bemessen. Endet der Mietvertrag z.B. durch fristlose Kündigung, die zwischen den Parteien streitig ist, ist der Mieter gezwungen, bereits während des Prozesses über die Wirksamkeit der Kündigung, und zwar im Prinzip unmittelbar nach dessen Einleitung, verjährungshemmende Maßnahmen im Hinblick auf die in § 548 Abs. 2 BGB genannten Ansprüche zu ergreifen. VII. Ergänzend anwendbare Vorschriften Grundsätzlich sind alle nach § 200 BGB stehenden Vorschriften des allgemeinen Verjährungsrechts, die die Hemmung, den Neubeginn und sonstige Rechtsfolgen der Verjährung regeln, auch auf § 548 BGB anwendbar.

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1. Neubeginn der Verjährung Bis zum 1.1.2002 war die Unterbrechung der Verjährung (= Ende der Verjährung und 17 Neubeginn nach Beendigung des Unterbrechungstatbestandes) der gesetzlich geregelte Normalfall. Das ist nun die Hemmung (vgl. §§ 203 ff. BGB). Das Gesetz regelt aber noch für das Anerkenntnis des Schuldners und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einen Neubeginn der Verjährung (§ 212 BGB). Neben den in § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB ausdrücklich aufgezählten Tatbeständen, die als 18 Anerkenntnis gewertet werden (Abschlagzahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung), ist ein Verhalten des Schuldners erforderlich, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs unzweideutig ergeben muss4. Insoweit ist es ausreichend, dass der Schuldner den Anspruch dem Grunde nach anerkennt. Davon ist z.B. auszugehen, wenn der Schuldner auf eine Forderungsaufstellung eine Teilzahlung ohne Beschränkung auf eine bestimmte Forderung leistet. Auch das Verhandeln über einen Schadensersatzanspruch lediglich in Bezug auf die Höhe kann vom Empfängerhorizont aus wie ein Anerkenntnis dem Grunde nach gewertet werden. Führt der Mieter Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten durch und erklärt, er 19 handele ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, beschränkt sich die Anerkenntniswirkung auf den geleisteten Teil5. Hinsichtlich weiterer, nicht durchgeführter Renovierungsarbeiten beginnt die Verjährung daher nicht neu.

1 Blank/Börstinghaus, § 548 BGB Rz. 63 m.w.N.; a.A. Langenberg, PiG 65, 235 (Verlängerung auf ein Jahr ist zulässig); vgl. auch Kandelhard, NZM 2002, 929 ff. 2 Palandt/Ellenberger, § 202 BGB Rz. 13. 3 AG Detmold v. 31.10.2008 – 6 C 241/08, WuM 2012, 142; a.A. Langenberg, Schönheitsreparaturen, IV. A. Rz. 19; Kandelhard, NZM 2002, 929 (933); Fritz, NZM 2002, 713 (719). 4 BGH v. 1.3.2005 – VI ZR 101/04, NJW-RR 2005, 1044 (1047) m.w.N. 5 OLG Düsseldorf v. 27.6.2000 – 24 U 140/99, ZMR 2001, 267.

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2. Hemmung der Verjährung 20 Eine Hemmung der Verjährung tritt ein, wenn die Parteien dies (ausdrücklich) vereinbaren oder ein in den §§ 203 ff. BGB vorgesehener Hemmungstatbestand erfüllt ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, stoppt der Lauf der Verjährung, sobald der Hemmungstatbestand einsetzt, und läuft weiter, sobald die angeordnete Hemmungswirkung endet. 21 Allerdings muss grundsätzlich der Hemmungstatbestand spätestens am letzten Tag der Verjährungsfrist erfüllt sein. Nach § 193 BGB kann eine an einem bestimmten Tag oder innerhalb einer Frist abzugebende Willenserklärung oder zu bewirkende Leistung noch am nächsten Werktag abgegeben bzw. erbracht werden, wenn der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. Fällt der letzte Tag der Verjährung auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag, stellt sich die Frage, ob § 193 BGB (entsprechend) anwendbar ist und es deshalb ausreicht, dass der Gläubiger seine verjährungshemmende Maßnahme erst am darauffolgenden Werktag ergreift. Dies gilt auch für die Verjährung nach § 548 BGB1, da die ohnehin kurze Verjährung ansonsten noch einmal verkürzt würde2. a) Verhandlungen 22 Durch § 203 BGB ist die Verhandlung als genereller Hemmungstatbestand eingeführt. Dieser gilt nicht nur für die Verjährungsfristen der §§ 195 ff. BGB, sondern auch für § 548 BGB. aa) Voraussetzungen 23 Unter Verhandlungen ist jeder Meinungsaustausch zu verstehen, sofern nicht erkennbar ist, dass die Verhandlungen über die Ersatzpflicht sofort abgelehnt werden3. Es reicht aus, wenn der Schuldner aufgrund der Erklärungen oder des Verhaltens des anderen Teils annehmen darf, dass der Gläubiger hinsichtlich der Ersatzforderung Entgegenkommen zeigen wird. Umgekehrt gilt dasselbe: Erweckt der Schuldner den Eindruck, dass er die Argumente des Gläubigers einer näheren Prüfung unterzieht, liegt darin ein Verhandeln, das zur Hemmung führt4. Ebenso kann in der Erklärung des Schuldners, er wolle dem Gläubiger seinen Standpunkt erläutern, dass der Anspruch verjährt sei, der Beginn von Verhandlungen zu sehen sein5. Dies gilt erst recht, wenn eine Partei die andere wegen Urlaubs des Anwalts um Geduld in der Bearbeitung des geltend gemachten Zahlungsanspruchs bittet6. Das Angebot einer Teilrenovierung ist jedoch nicht ausreichend, um eine verjährungshemmende Verhandlung annehmen zu können7. Nicht ausreichend sind zudem allgemeine Gespräche über eine pauschale Abfindungssumme ohne Eingehen auf die einzelnen Schäden8 oder die Überlassung der Schlüssel an den Mieter, um vom Vermieter verlangte Schönheitsreparaturen ausführen zu können. Als Verhandlungsbeginn kann aber der Hinweis auf eine bisher nicht hinreichende Substantiierung zum Haftungsgrund und zur Höhe verstanden werden, weil sie nicht als eine klare und eindeutige Weigerung, weiter mit dem Gläubiger zu verhandeln, angesehen werden kann9. 24 Teilt der Mieter mit, dass er die Berechtigung der geforderten Renovierungsarbeiten prüfe, kommt darin zum Ausdruck, dass er sich auf eine Erörterung der Ansprüche 1 BGH v. 6.12.2007 – III ZR 146/07, MDR 2008, 375 = ZMR 2008, 276. 2 RG v. 11.6.1936 – VI 480/35, RGZ 151, 345 (348 f.); BGH v. 3.2.1978 – I ZR 116/76, WM 1978, 461 (464) (unter II 3 m.w.N.); MünchKomm/Grothe, § 193 BGB Rz. 8 m.w.N.; Palandt/Ellenberger, § 193 BGB Rz. 2; Soergel/Niedenführ, § 193 BGB Rz. 8; Staudinger/Repgen, § 193 BGB Rz. 10. 3 BGH v. 4.2.1987 – VIII ZR 355/85, MDR 1987, 575 = NJW 1987, 2072. 4 OLG Hamm v. 5.11.1985 – 4 U 89/85, ZMR 1986, 200 (201). 5 BGH v. 13.5.1997 – VI ZR 181/96, DB 1997, 2073. 6 AG Donaueschingen v. 29.4.2004 – 31 C 38/04, WuM 2004, 606. 7 AG Butzbach v. 13.9.1988 – 5 C 118/88, WuM 1989, 20. 8 OLG Düsseldorf v. 15.10.1987 – 10 U 217/86, MDR 1988, 145 = ZMR 1988, 57. 9 OLG Düsseldorf v. 20.7.2000 – 10 U 153/96, ZMR 2002, 583 (584).

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einlassen will, so dass Verhandlungen angenommen werden können1. Erst recht liegt eine Hemmung durch Verhandlungen vor, wenn die Parteien im Rahmen einer gerichtlichen Güteverhandlung einen Widerrufsvergleich schließen. Die Hemmung endet mit der Erklärung des Widerrufs2. Demgegenüber hemmt die Ausübung des Vermieterpfandrechtes nicht die Verjäh- 25 rung nach § 548 Abs. 2 BGB hinsichtlich des Wegnahmeduldungsanspruchs des Mieters aus § 539 Abs. 2 BGB3. bb) Ende der Hemmung Die Hemmung endet gemäß § 203 BGB, wenn der eine oder der andere Teil die Fort- 26 setzung der Verhandlungen verweigert. Diese Voraussetzungen sind bei einem ausdrücklichen Abbruch der Verhandlungen4, aber auch bei der endgültigen Weigerung, sie fortzusetzen5 oder Schadensersatz über einen bestimmten Abfindungsbetrag hinaus zu leisten6, gegeben. Ein Abbruch der Verhandlungen kann aber noch nicht angenommen werden, wenn der Vertreter des Vermieters mitteilt, er sei „noch nicht“ zu Verhandlungen über eine gütliche Einigung bevollmächtigt7. Denn in dieser Erklärung kommt nicht zum Ausdruck, dass weitere Verhandlungen nicht stattfinden werden. Werden die Verhandlungen (einfach) nicht fortgesetzt (sog. Einschlafenlassen von 27 Verhandlungen), tritt das Ende der Hemmung ein, wenn der Anspruchsberechtigte den Zeitpunkt versäumt, zu dem eine Antwort auf die letzte Anfrage des Ersatzpflichtigen spätestens zu erwarten gewesen wäre, falls die Verhandlungen mit verjährungshemmender Wirkung spätestens hätten fortgesetzt werden sollen8. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn die andere Partei innerhalb einer Frist von zwei Wochen auf eine Offerte nicht reagiert9. b) Gerichtliche Maßnahmen § 204 BGB sieht die Hemmung der Verjährung durch gerichtliche Für das Mietrecht sind neben der Hemmung durch gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs (§ 204 Abs. 1 Nr. 1–5, 9–11 BGB) vor führung des selbständigen Beweisverfahrens (§ 204 Abs. 1 Nr. 7 Streitverkündung (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB) von Bedeutung.

Maßnahmen vor. 28 Maßnahmen zur allem die DurchBGB) sowie die

aa) Klageverfahren Eine Klageschrift entfaltet Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Ob und 29 in welchem Umfang eine erhobene Leistungsklage die Unterbrechung der Verjährung eines Anspruchs herbeiführt, richtet sich allein danach, was der nach prozessualen Grundsätzen zu ermittelnde Streitgegenstand dieser Klage ist. Jede andere Betrachtungsweise führt zu einer Beeinträchtigung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit10. Demnach hemmt eine Leistungsklage die Verjährung des Anspruchs auf Mietausfall- 30 schaden zunächst nur in dem Umfang, wie er mit der Klage geltend gemacht wird. Der Vermieter muss daher, will er die Verjährung auch für die künftigen, zeitlich noch nicht überschaubaren Mietausfälle unterbrechen, insoweit gesondert Feststellungs-

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BGH v. 12.5.2004 – XII ZR 223/01, NZM 2004, 583. BGH v. 4.5.2005 – VIII ZR 93/04, MDR 2005, 1153 = WuM 2005, 381 = NZM 2005, 535. BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861. OLG Düsseldorf v. 17.1.1991 – 10 U 29/90, DWW 1991, 52. BGH v. 26.1.1988 – VI ZR 120/87, MDR 1988, 570 = VersR 1988, 718 (719). OLG Hamm v. 15.12.1994 – 27 U 39/94, VersR 1996, 243 (245). BGH v. 12.5.2004 – XII ZR 223/01, NZM 2004, 583. OLG Karlsruhe v. 9.7.1992 – 9 U 292/90, DWW 1994, 82 (83). LG Hannover v. 22.6.1998 – 20 S 201/97, NZM 1998, 627 (628). BGH v. 3.11.1987 – VI ZR 176/87, MDR 1988, 396 = NJW 1988, 965 (966) m.w.N.

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klage erheben, da die Reichweite der Ursprungsklage nicht auch diese Schäden abdeckt1. 31 Die Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB soll nicht eintreten, wenn nur einer von mehreren Vermietern Klage mit dem Antrag auf Zahlung an sich erhebt, ohne eine Abtretung oder Ermächtigung zur Klage innerhalb der Verjährungsfrist offengelegt zu haben2. Das Gleiche gilt für die Prozessstandschaft. Wird die dazu erforderliche Ermächtigung (z.B. dem Erwerber oder anderen Vermieter) erst im laufenden Prozess erteilt, führt dies nicht zu einer rückwirkenden Verjährungshemmung3. Im Prozess, mit dem die Hemmungswirkung eintreten soll, muss klar sein, wessen Recht verfolgt wird4. Dies lässt sich nur durch eine Offenlegung der (vollständigen) Gläubigerstellung erreichen. Deshalb muss diese in jedem Stadium des Prozesses vorliegen, insbesondere mit seinem Beginn. 32 Unabhängig davon tritt die Hemmungswirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB aber auch dann ein, wenn der Anspruch zunächst nur hilfsweise geltend gemacht wird5. Denn es kommt maßgeblich darauf an, dass der Gläubiger die Durchsetzung seines Anspruchs aktiv betreibt. Deshalb führt eine negative Feststellungsklage oder die Verteidigung dagegen nicht zur Hemmung6. bb) Mahnverfahren 33 Der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides kann nur verjährungshemmende Wirkung entfalten, wenn die geltend gemachten Forderungen hinreichend bestimmt und individualisiert werden. Fehlt es daran, kommt weder dem Mahnbescheid noch dem Vollstreckungsbescheid eine verjährungshemmende Wirkung zu. 34 Die Zustellung eines Mahnbescheides hat also nur dann verjährungshemmende Wirkung, wenn der Bescheid die geltend gemachten Ansprüche unverwechselbar erkennen lässt7. Denn der im Mahnbescheid bezeichnete Anspruch muss durch die Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden können, dass er über einen Vollstreckungsbescheid Grundlage eines Vollstreckungstitels sein kann und dass dem Schuldner die Beurteilung möglich ist, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht8. Dabei hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab9. Bei der Geltendmachung einer Mehrzahl von Einzelforderungen muss deren Bezeichnung im Mahnbescheid dem Beklagten ermöglichen, die Zusammensetzung des verlangten Gesamtbetrages aus für ihn unterscheidbaren Ansprüchen zu erkennen10. Allein die Individualisierung als Gesamtforderung reicht also bei einer aus mehreren Einzelansprüchen zusammengesetzten Forderung nicht aus; vielmehr muss auch die Zusammensetzung der Höhe nach für den Antragsgegner nachvollziehbar sein11. Daran mangelt es z.B., wenn zwar die Betriebskostenabrechnungen als solche im Antrag bezeichnet sind, die Addition aber nicht die Summe der Einzelforderungen ergibt12.

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BGH v. 19.11.1997 – XII ZR 281/95, NJW 1998, 1303 = ZMR 1998, 208 = MDR 1998, 272. OLG Düsseldorf v. 24.8.1999 – 24 U 93/98, ZMR 2000, 210. OLG Koblenz v. 24.11.2011 – 5 U 652/11, ZMR 2012, 700. BGH v. 23.3.1999 – VI ZR 101/98, NJW 1999, 2110 (2111) m.w.N. BGH v. 9.2.2000 – XII ZR 202/97, NZM 2000, 547. BGH v. 15.8.2012 – XII ZR 86/11, WuM 2012, 601 m.w.N. BGH v. 5.12.1991 – VII ZR 106/91, MDR 1992, 554; BGH v. 17.12.1992 – VII ZR 84/92, MDR 1993, 381. BGH v. 17.12.1992 – VII ZR 84/92, MDR 1993, 381 = NJW 1993, 862; BGH v. 17.10.2000 – XI ZR 312/99, NJW 2001, 305; BGH v. 6.12.2001 – VII ZR 183/00, MDR 2002, 286 = NJW 2002, 520. BGH v. 30.11.1999 – VI ZR 207/98, MDR 2000, 348 = NJW 2000, 1420. BGH v. 17.10.2000 – XI ZR 312/99, NJW 2001, 305. LG Düsseldorf v. 25.1.2007 – 21 S 430/05, ZMR 2007, 966 = NZM 2007, 599. LG Hamburg v. 6.5.2010 – 316 O 68/09, ZMR 2010, 760.

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Nicht ausreichend sind insbesondere die Angaben: 35 – Schadensersatz aus beendetem Pachtverhältnis … Gaststätte A in B1; – Schadensersatz wegen nichtvertragsgemäßer Rückgabe der Wohnung … X-Straße in W2; – Schadensersatz aus Mietvertrag3; – Mietnebenkosten – auch Renovierungskosten4 –, selbst wenn die Wohnung zusätzlich bezeichnet ist5, sofern nicht auf ein außergerichtliches Schreiben Bezug genommen wird6; – Anspruch auf Schadensersatz, Beschädigung einer Mietwohnung7; – Miete für Wohnraum … gem. Mietkonto vom …8; – Schadensersatz aus Gewerberaummietvertrag gemäß Mietvertrag vom … geltend gemacht wird9. Auch die Bezugnahme auf ein vorgerichtliches Schreiben betreffend Renovierungs- 36 und Schadensbeseitigungskosten reicht nicht aus, wenn sich aus diesem Schreiben nicht die Höhe der geltend gemachten Forderung ergibt10. In einem solchen Fall kann sich der Kläger/Vermieter auch nicht darauf berufen, dass es weiterer Angaben im Mahnbescheid nicht bedurft hätte, weil es sich bei den Forderungen um einzelne Rechnungspositionen innerhalb eines einheitlichen Schadensersatzanspruchs handelt11. Zwar bildet auch der Mietausfall eine Position innerhalb des Gesamtschadens z.B. aus § 281 BGB. Es handelt sich jedoch um eine von den übrigen Schadenspositionen verschiedene Schadensart. In den Fällen der Schadenseinheit bestimmt sich die Frage der Hemmung der Verjährung des Anspruchs allein danach, was der nach prozessualen Grundsätzen zu ermittelnde Streitgegenstand ist. Beim Zusammentreffen verschiedener Schadensarten handelt es sich um eine Mehrheit von Streitgegenständen i.S.v. § 260 ZPO12. Im Falle der Rückgabe der Mietsache bildet der mit der Nichtwiederherstellung, Unterlassung der Schönheitsreparaturen und Mietausfall begründete Schaden verschiedene Streitgegenstände13. Bei der Kostenbeteiligung aufgrund einer Abgeltungsklausel zu Schönheitsreparatu- 37 ren handelt es sich um einen primären Erfüllungsanspruch, also nicht etwa um Schadensersatz14. Deshalb unterliegt er auch selbständig der Verjährung nach § 548 Abs. 1 BGB15, muss also in einer Klageschrift oder einem Mahnbescheidsantrag neben dem Schadensersatz besonders erwähnt werden und kann nicht zur Umgehung der Voraussetzungen des § 281 BGB herangezogen werden16.

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LG Gießen v. 25.1.1995 – 1 S 383/94, MDR 1995, 1066 = WuM 1995, 588. LG Wuppertal v. 20.12.1996 – 10 S 251/96, WuM 1997, 110. LG Mannheim v. 14.4.1999 – 4 S 155/98, WuM 1999, 460. LG Bielefeld v. 4.12.1996 – 2 S 391/96, WuM 1997, 112. LG Essen v. 26.10.1999 – 15 S 165/99, WuM 2000, 305. BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 46/07, MDR 2008, 584 = WuM 2008, 238 = NZM 2008, 202. AG Wuppertal v. 22.3.1989 – 91 C 475/88, MDR 1990, 437. LG Köln v. 2.12.1999 – 1 S 128/99, KM 20 Nr. 66 (jedenfalls keine Hemmung der Verjährung für Schadensersatzansprüche). KG v. 16.9.2002 – 8 U 62/01, WuM 2002, 614. AG Köln v. 15.1.2001 – 214 C 228/00, KM 20 Nr. 60. Vgl. dazu BGH v. 19.11.1997 – XII ZR 281/95, MDR 1998, 272 m. Anm. Börstinghaus = NJW 1998, 1303 = WuM 1998, 155. Zöller/Vollkommer, Einl. Rz. 73 u. § 253 ZPO Rz. 15. BGH v. 16.3.1988 – VIII ZR 184/87, WuM 1988, 272; LG Berlin v. 22.6.2001 – 64 S 18/01, ZMR 2001, 970. BGH v. 6.7.1988 – VIII ARZ 1/88, NJW 1988, 2790 = BGHZ 105, 71 = MDR 1988, 1052 = ZMR 1988, 455 = WuM 1988, 294. LG Berlin v. 23.4.2001 – 67 S 345/00, NZM 2002, 121; LG Lüneburg v. 20.6.2001 – 6 S 36/01, ZMR 2001, 713. AG Schönau v. 27.3.2001 – C 166/00, WuM 2001, 334.

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cc) Demnächstige Zustellung 38 Um die Hemmung der Verjährung zu bewirken, reicht es nicht aus, den Mahnbescheidsantrag oder den sonstigen verfahrenseinleitenden Schriftsatz (Antrag auf Beweissicherung, Klageschrift, Streitverkündung etc.) beim zuständigen Gericht vor Ablauf der Verjährungsfrist einzureichen. Vielmehr muss auch eine demnächstige Zustellung erfolgen, §§ 167, 700 Abs. 2 ZPO. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hängt entscheidend davon ab, ob der Antragsteller bzw. Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter für die Verzögerung der Zustellung verantwortlich ist. Eine schuldhaft verursachte Verzögerung darf dabei nur gering sein, wobei die Grenze der Geringfügigkeit regelmäßig bei einer Überschreitung von maximal 14 Tagen anzusiedeln ist1. Eine absolute zeitliche Grenze, nach der eine Zustellung unabhängig von einer Verantwortlichkeit des Gläubigers nicht mehr als demnächst anzusehen wäre, ist dabei jedoch nicht anzunehmen2. 39 Hat der Kläger z.B. eine Klageschrift eingereicht, wird bei einer fehlenden Zahlungsaufforderung eine Zahlung der Gerichtskosten nach vier Wochen als ausreichend3, eine Untätigkeit von nahezu zwei Monaten als regelmäßig zu lang angesehen4. Andererseits wird sogar bei einem bezahlten Vorschuss eine Nachfragepflicht angenommen und eine fristwahrende Rückwirkung der Zustellung für den Fall verneint, dass eine ausgebliebene Zustellung deutlich länger als vier Wochen untätig hingenommen worden ist. 40 Ein auf vermeidbare Verzögerungen im Geschäftsablauf des Gerichts zurückzuführender Zeitraum wird dem Antragsteller/Kläger jedoch nicht angelastet5. Mit Rücksicht darauf ist bei verzögerten Zustellungen, die dem Gericht anzulasten sind, den Interessen des Antragstellers/Klägers, der alles Erforderliche getan hat, grundsätzlich Vorrang zu geben vor denen des Antragsgegners/Beklagten, der möglicherweise auf eine kalendarisch anscheinend abgelaufene Verjährung vertraut. Das setzt aber voraus, dass der Kläger/Antragsteller alles Erforderliche getan hat, um die Zustellung zu bewirken. Hat er z.B. einen Prozessbevollmächtigten des Beklagten angegeben, der außergerichtlich seine Prozessvollmacht nicht erklärt oder vorgelegt hat, kann die durch die Zurückweisung der Zustellung durch diesen nicht bevollmächtigten Vertreter eingetretene Zeitverzögerung die demnächstige Zustellung verhindern. dd) Selbständiges Beweisverfahren 41 Nach § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB wird durch die Zustellung eines Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens die Verjährungsfrist gehemmt. Auch auf diesen Tatbestand ist die Vorwirkung des § 167 ZPO anwendbar6, wonach bei demnächstiger Zustellung auf die Einreichung des Antrags abzustellen ist (vgl. dazu § 548 BGB Rz. 38). ee) Ende der Hemmung bei gerichtlichen Maßnahmen 42 Gemäß § 204 Abs. 2 BGB endet die Hemmung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Folgt einer nicht abschließend beantworteten gerichtlichen Vergleichsanregung die Ankündigung des Gerichts, die Akten würden für eine weitere bestimmte Zeit auf Frist und danach weggelegt, ist darin eine Prozesshandlung i.S.d. § 204 Abs. 2 BGB zu sehen, die die Verjährungshemmung mit Zugang der gerichtlichen Ankündigung beendet7. 1 BGH v. 20.4.2000 – VII ZR 116/99, MDR 2000, 897 = NJW 2000, 2282. 2 BGH v. 22.6.1993 – VI ZR 190/92, MDR 1994, 144 = NJW 1993, 2614 (2615); BGH v. 31.10.2000 – VI ZR 198/99, MDR 2001, 164 = NJW 2001, 885. 3 OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 115/01, WuM 2002, 674. 4 BGH v. 19.10.1977 – IV ZR 149/76, NJW 1978, 215 (216). 5 OLG Hamm v. 22.3.2002 – 30 U 183/01, NZM 2002, 562 = ZMR 2002, 912; vgl. auch BGH v. 31.10.2000 – VI ZR 198/99, MDR 2001, 164 = NJW 2001, 885; BGH v. 20.4.2000 – VII ZR 116/99, MDR 2000, 897 = NJW 2000, 2282 jew. m.w.N. 6 AnwKomm/Mansel, § 204 BGB Rz. 18. 7 OLG Koblenz v. 28.11.2002 – 5 U 1327/01, GuT 2003, 20.

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Das selbständige Beweisverfahren endet mit der Verlesung der mündlichen Aussage 43 des/der Zeugen oder des Sachverständigen im Termin (§ 162 ZPO)1 bzw. mit der Zustellung des schriftlichen Gutachtens, wenn eine mündliche Anhörung nicht stattfindet2 und keine Aufforderung an die Parteien mit Fristsetzung gemäß § 411 Abs. 4 S. 1 ZPO ergeht, Einwendungen gegen das Gutachten vorzutragen oder weiterführende Anträge zu stellen. Im letzteren Fall endet das selbständige Beweisverfahren mit (ergebnislosem) Ablauf der Frist3. Erfolgt keine Fristsetzung, beurteilt sich ein Fortgang des Verfahrens danach, ob ein Antrag auf Ergänzung/Erläuterung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Zustellung des Gutachtens gestellt wurde4. Bei einem selbständigen Beweisverfahren kann daher grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass frühestens sechs Monate nach Zugang des Gutachtens Verjährung eintreten kann. ff) Verjährung – Erledigung der Hauptsache – Verspätung Ob die Erhebung der Einrede der Verjährung ein erledigendes Ereignis i.S.d. § 91a 44 ZPO darstellt, ist umstritten. Teilweise wird dies verneint, weil keine Erledigung gegeben sei, wenn sich Umstände, deren Eintritt der Kläger beeinflussen könne, insbesondere solche, die auf seinem Verhalten selbst beruhten und deren Eintritt er hätte verhindern können, verändern würden5. Begründet wird diese Auffassung auch damit, dass die Geltendmachung der Einrede im Prozess auf den Zeitpunkt des Verjährungseintritts zurückwirke6. Andere unterscheiden danach, ob der Eintritt der Verjährung vor oder nach Erhebung der Klage oder der Beantragung einer einstweiligen Verfügung erfolgt ist. Danach begründet die Einrede der Verjährung gegenüber einer bereits vor Verfahrensbeginn verjährten Forderung kein erledigendes Ereignis7. Der BGH8 hat sich der überwiegenden Auffassung9 angeschlossen. Der Eintritt der 45 Verjährung habe für sich genommen weder Auswirkungen auf das Bestehen noch auf die Durchsetzbarkeit des Anspruchs10. Der Schuldner sei ab dem Verjährungseintritt lediglich berechtigt, dauerhaft die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB)11, was dem Anspruch die Durchsetzbarkeit nehme12. Erhebe der Beklagte erstmals während des Prozesses die Einrede der Verjährung, so werde hierdurch für den Kläger ein Hindernis geschaffen, den geltend gemachten Anspruch erfolgreich durchzusetzen. Seine ursprünglich zulässige und begründete Klage wird durch die Erhebung der Einrede unbegründet. Erst Letztere und nicht bereits der Eintritt der Verjährung führe zur sachlichen Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache.

1 Zöller/Herget, § 492 ZPO Rz. 4. 2 BGH v. 3.12.1992 – VII ZR 86/92, MDR 1993, 979. 3 OLG Köln v. 18.9.1996 – 2 W 151/96, NJW-RR 1997, 1220; OLG Köln v. 24.1.1997 – 1 W 1/97, NJW-RR 1998, 210; OLG Karlsruhe v. 25.11.1997 – 19 W 68/97, MDR 1998, 238. 4 OLG Celle v. 12.7.2000 – 14 W 20/00, MDR 2001, 108 (3 Monate); OLG München v. 1.12.2000 – 28 W 3034/00, MDR 2001, 531 (4 Monate); LG Dortmund v. 10.12.1999 – 2 OH 11/99, NJW-RR 2001, 714 (1 Monat). 5 OLG Schleswig v. 3.9.1985 – 6 U 32/85, NJW-RR 1986, 38 f.; MünchKomm/Lindacher, § 91a ZPO Rz. 152; Wieczorek/Schütze/Steiner, § 91a ZPO Rz. 33; Ulrich, WRP 1990, 651 (654); Bork, WRP 1987, 8 (12). 6 Vgl. Zöller/Vollkommer, § 91a ZPO Rz. 58 – „Verjährung“; El-Gayar, MDR 1998, 698 (699). 7 Zöller/Vollkommer, § 91a ZPO Rz. 5 und 58 – „Verjährung“; El-Gayar, MDR 1998, 698; Hase, WRP 1985, 254 (255 f.). 8 BGH v. 27.1.2010 – VIII ZR 58/09, ZMR 2010, 591. 9 Vgl. OLG Frankfurt v. 8.2.2002 – 6 W 9/02, MDR 2002, 778 (779); OLG Stuttgart v. 3.4.1996 – 2 W 63/95, NJW-RR 1996, 1520; Stein/Jonas/Bork, § 91a ZPO Rz. 6; Prütting/Gehrlein/Hausherr, § 91a ZPO Rz. 8 und 11; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 91a ZPO Rz. 5; Saenger/Gierl, § 91a ZPO Rz. 7; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 91a ZPO Rz. 59 – „Verjährung“; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, § 130 ZPO Rz. 2; El-Gayar, MDR 1998, 698 f.; Meller-Hannich, JZ 2005, 656 (663); Peters, NJW 2001, 2289 f.; Wernecke, JA 2004, 331 (334); Thesen, WRP 1981, 304 (305). 10 Vgl. BGHZ 156, 269, 271; MünchKomm/Grothe, Vor § 194 BGB Rz. 5 und § 214 BGB Rz. 1; Palandt/Ellenberger, § 214 BGB Rz. 2. 11 BGH v. 15.10.2004 – V ZR 100/04, WPM 2004, 2443 (unter II 2c). 12 BGH v. 4.12.2007 – XI ZR 144/06, BauR 2008, 666 (unter IV 3d).

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46 Die Verjährung unterliegt nicht dem Verspätungseinwand nach §§ 296, 531 ZPO. Deshalb kann der Beklagte die Verjährung auch noch in der zweiten Instanz geltend machen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Kläger erst in der Berufungsinstanz vollständig vorträgt1. 3. Aufrechnung mit verjährter Forderung, § 215 BGB 47 Gemäß § 215 BGB kann trotz Eintritts der Verjährung die Forderung (wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache) noch im Wege der Aufrechnung geltend gemacht werden, wenn sich die Ansprüche in unverjährter Zeit aufrechenbar gegenüber gestanden haben. Die Verjährung hindert den Vermieter deshalb grundsätzlich nicht, seine Ansprüche gegenüber dem Anspruch auf Rückzahlung der Kaution aufzurechnen, § 215 BGB2. Dies gilt aber nur für die Barkaution. Der Bürge ist gegenüber seiner Inanspruchnahme nicht gehindert, sich auf die Verjährung der Hauptforderung zu berufen (vgl. § 551 BGB Rz. 182). 48 An der Aufrechnungslage fehlt es auch, wenn der Vermieter gegen ein Guthaben aufrechnen will, das aus einer Betriebskostenabrechnung stammt, die erst nach Eintritt der Verjährung nach § 548 BGB erteilt wurde3. B. Wohnraummiete I. Ansprüche des Vermieters 49 Die unter § 548 Abs. 1 fallenden Ansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache können auf Gesetz oder auf vertraglichen Absprachen beruhen4. Insoweit ist auch unerheblich, ob durch Parteivereinbarung die Mieterhaftung gegenüber der gesetzlichen Regelung erweitert wurde5. 50 Nicht erfasst werden Ansprüche gegen den Mieter wegen seiner Verletzung von Obhutspflichten, für die der Vermieter Dritten Schadensersatz (§ 836 BGB) zu leisten hat6. Im konkreten Fall waren offenstehende Fenster infolge Windeinwirkung zerborsten und hatten darunter stehende Pkws beschädigt. 51 Hat der Eigentümer einem Dritten die Benutzung der Sache durch den Abschluss eines Miet- oder Pachtvertrages gestattet, kann sich der (Unter-)Mieter/Pächter bei Beschädigung/Veränderung der Sache auch dem Eigentümer gegenüber auf § 548 BGB berufen7. Ebenso greift § 548 BGB ein, wenn der Vermieter den vollmachtlosen Vertreter des Mieters gemäß § 179 Abs. 1 BGB in Anspruch nimmt8. Ebenso kommt eine Anwendung des 548 BGB in Betracht, wenn der Vermieter Ansprüche gegen einen Dritten richtet, der – ohne Vertragspartei zu sein – in den Schutzbereich des Mietvertrages einbezogen ist9. Eine von den Parteien gewollte Einbeziehung in den Schutzbereich des Mietvertrages ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für zum Hausstand gehörende Personen, insbesondere Familienangehörige des Mieters, anerkannt10.

1 2 3 4 5 6 7

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OLG Koblenz v. 24.11.2011 – 5 U 652/11, ZMR 2012, 700. BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 2/87, MDR 1987, 929 = NJW 1987, 2372. AG Ahlen v. 10.10.2003 – 3 C 136/03, WuM 2004, 23. BGH v. 23.5.2006 – VI ZR 259/04, MDR 2006, 1393 = WuM 2006, 437 = ZMR 2006, 754 = NJW 2006 2399 (2400); BGH v. 7.11.1979 – VIII ZR 291/78, NJW 1980, 389. BGH v. 8.12.1982 – VIII ZR 219/81, MDR 1983, 396 = NJW 1983, 679; OLG Köln v. 15.6.1998 – 19 U 259/97, NZM 1998, 767. OLG Dresden v. 17.4.2007 – 5 U 8/07, ZMR 2007, 803. BGH v. 21.3.1997 – V ZR 217/95, MDR 1997, 724 = NJW 1997, 1983; für den Fall wirtschaftlicher Verflechtung von Eigentümer und Vermieter vgl. BGH v. 11.12.1991 – XII ZR 269/90, NJW 1992, 1820. BGH v. 19.11.2003 – XII ZR 68/00, MDR 2004, 268 = NJW 2004, 774 = ZMR 2004, 108. BGH v. 21.6.1988 – VI ZR 150/87, MDR 1989, 55 = NJW-RR 1988, 1358; BGH v. 7.7.1976 – VIII ZR 44/75, NJW 1976, 1843 (1844); Staudinger/Emmerich, § 548 BGB Rz. 15. BGH v. 23.5.2006 – VI ZR 259/04, MDR 2006, 1393 = WuM 2006, 437 = GE 2006, 1222 = ZMR 2006, 754.

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Selbst wenn ein Mietvertrag nicht besteht, kann § 548 BGB Ansprüche erfassen, und 52 zwar solche aus Verschulden bei Vertragsschluss, §§ 331 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 BGB1. Im konkreten Fall hatte der Vermieter Umbauarbeiten im Hinblick auf einen sicher geglaubten Vertragsabschluss durchgeführt. Als die Verhandlungen scheiterten bzw. der Mieter den ausgehandelten Vertrag nicht unterschrieb, musste der Vermieter zurückbauen und verlangte ein Jahr später Schadensersatz. 1. Ansprüche bei Veränderung und Verschlechterung der Mietsache Eine Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache setzt voraus, dass der An- 53 spruch auf dem schlechten Zustand des Mietobjektes aufbaut und dieser nicht vertragsgerecht ist. Der maßgebliche Zustand muss sich nicht notwendig während der Mietzeit verschlechtert haben. Allerdings müssen die Ansprüche auf einem Zustand beruhen, der vor der Rückgabe entstanden ist2. Auf erst nach der Rückgabe entstandene Ansprüche ist § 548 Abs. 1 BGB nicht anwendbar3. Entscheidend ist, dass der Zustand der Mietsache nicht den vertraglichen oder gesetzlichen Vorgaben gerecht wird und sich daraus Ansprüche ableiten. Demgemäß werden Ansprüche wegen Schlechterfüllung der Räumungsverpflichtung von § 548 Abs. 1 BGB nicht erfasst. Ohne (bei der Rückgabe bestehende) Substanzverletzung kommt weder eine Ver- 54 änderung noch eine Verschlechterung in Betracht. Droht wegen eines vor der Rückgabe beseitigten Zustandes ein behördliches Einschreiten, greift § 548 Abs. 1 BGB nicht ein (vgl. § 548 BGB Rz. 88). Eine Veränderung der Mietsache erfordert einen Zustand, der von dem bei der Über- 55 lassung vorhandenen vertragsgemäßen Zustand abweicht oder der in einer Vertragsbestimmung als zurückzubauen definiert wurde, also auf einer Parteivereinbarung beruht4. Letzteres kann noch bei der Rückgabe geschehen. Ob der Zustand mit oder ohne Zustimmung des Vermieters herbeigeführt wurde, ist unbeachtlich. Die Verschlechterung der Mietsache tritt durch Abnutzung oder Beschädigung der 56 Mietsache selbst oder ihrer Einrichtungsgegenstände ein. Insoweit ist es unerheblich, ob der Zustand durch vertragsgemäße Nutzung oder ein vertragswidriges Verhalten herbeigeführt wurde. Auch ein Verschulden des Mieters oder eines Dritten ist nicht Voraussetzung. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Beschädigung sichtbar ist. Auch Kontaminationen des Grundstücks führen zu einer Verschlechterung der Mietsache. Das Gleiche gilt, wenn der Mieter die Reste der Aufbauten unterpflügt und den Besitz am Grundstück aufgibt5. Es reicht aus, dass die Beschädigung der Mietsache zu weiteren Sachschäden geführt hat6. Es ist ausreichend, wenn ein unzulässiger Zustand der Mietsache vorhanden ist. Ins- 57 besondere muss ein Schaden noch nicht eingetreten sein. Denn sind die Schäden ihrer Art nach vorhersehbar, kann der Vermieter Feststellungsklage einreichen, um der Beschleunigungsfunktion entgegenzuwirken7. Erfasst sind insbesondere Ansprüche auf – Durchführung oder auf Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen8, – Abgeltung nicht fälliger Schönheitsreparaturen,

1 BGH v. 22.2.2006 – XII ZR 48/03, MDR 2006, 739 = WuM 2006, 320. 2 BGH v. 29.4.1970 – VIII ZR 29/69, NJW 1970, 1182; OLG Schleswig v. 1.11.1995 – 4 U 3/95, WuM 1996, 220. 3 BGH v. 12.6.1991 – XII ZR 17/90, MDR 1992, 237 = NJW 1991, 3031 m.w.N. 4 BGH v. 8.12.1982 – VIII ZR 219/81, MDR 1983, 396 = NJW 1983, 679. 5 BGH v. 23.6.2010 – XII ZR 52/08, MDR 2010, 1042 = NJW 2010, 2652 = NZM 2010, 621 = ZMR 2010, 932. 6 BGH v. 6.11.1991 – XII ZR 216/90, MDR 1992, 671 = ZMR 1992, 96. 7 Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 17 Rz. 13. 8 BGH v. 4.2.1987 – VIII ZR 355/85, MDR 1987, 575 = NJW 1987, 2072.

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– Durchführung der vom Mieter übernommenen Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten, insbesondere die Ersatzansprüche wegen vertragswidrigen Gebrauchs1, – Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, also auch wegen der Beschädigung der Mietsache oder vertraglich übernommener Rückbaupflicht2, – Beseitigung von baulichen Veränderungen, – Rückbau sonstiger Veränderungen der Mietsache, – Mietausfallschaden, – Wiederherstellung, Herstellung oder Zahlung3, – Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes unabhängig davon, ob sie auf Gesetz oder Vertrag beruhen4, – Beseitigung von Einrichtungen, Umbauten und Anlagen5, – Beseitigung von Mineralölrückständen6 sowie wegen – vertragswidriger Unterlassung des Abschlusses einer Feuerversicherung7, – Verstoßes gegen die Reinigungspflicht8, – Verletzung der Anzeigepflicht nach § 536c BGB oder einer sonstigen Obhutspflicht9, – Beeinträchtigung des Goodwills des angepachteten Unternehmens10. 59 § 548 Abs. 1 BGB ist nicht anwendbar, wenn die Mietsache völlig zerstört ist11. Dafür ist ohne Bedeutung, ob ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt; entscheidend ist ausschließlich die Möglichkeit der Wiederherstellung12. Demgemäß ist die Mietsache nur dann völlig zerstört, wenn jegliche Rückgabe der Mietsache ausscheidet. Ob es sich hierbei um einen wesentlichen Gebäudeteil handelt, ist unerheblich. Eine Rückgabe kann stattfinden, wenn noch Reste der Mietsache vorhanden sind oder neben einem total zerstörten Gebäude auch das Grundstück herauszugeben ist13. a) Konkurrierende Anspruchsgrundlagen 60 Sinn und Zweck der Norm (beschleunigte Abwicklung des Mietvertrages) erfordern, dass neben den unmittelbar erfassten Ansprüchen auch die konkurrierenden Ansprüche aus demselben Sachverhalt der kurzen Verjährungsfrist unterliegen14, insbesondere Ansprüche aus

1 BGH v. 10.7.1991 – XII ZR 105/90, MDR 1992, 159 = NJW 1991, 2416. 2 BGH v. 10.4.2002 – XII ZR 217/98, NZM 2002, 605. 3 BGH v. 16.3.1988 – VIII ZR 184/87, MDR 1988, 669 = NJW 1988, 1778; OLG Düsseldorf v. 7.12.1999 – 24 U 27/99, ZMR 2002, 814. 4 BGH v. 10.4.2002 – XII ZR 217/98, NZM 2002, 605; BGH v. 23.11.1994 – XII ZR 150/93, MDR 1995, 140 = NJW 1995, 252. 5 BGH v. 12.4.1989 – VIII ZR 52/88, MDR 1989, 808 = NJW 1989, 1854. 6 BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, NJW 2002, 3234; OLG Köln v. 11.7.2001 – 11 U 179/00, OLGR 2002, 107 m.w.N. 7 BGH v. 18.12.1963 – VIII ZR 193/62, NJW 1964, 545. 8 Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 17 Rz. 12 m.w.N. 9 Staudinger/Emmerich, § 548 BGB Rz. 9 m.w.N. 10 BGH v. 17.6.1993 – IX ZR 206/92, MDR 1993, 1126 = ZMR 1993, 458; OLG Karlsruhe v. 13.2.1969 – 9 U 184/67, BB 1970, 147. 11 BGH v. 23.5.2006 – VI ZR 259/04, NZM 2006, 624; BGH v. 21.6.1988 – VI ZR 150/87, MDR 1989, 55 = ZMR 1988, 419. 12 BGH v. 16.3.1994 – XII ZR 245/92, MDR 1994, 885 = NJW 1994, 1788 m.w.N.; BGH v. 15.6.1981 – VIII ZR 129/80, MDR 1982, 135 = NJW 1981, 2406; BGH v. 17.1.1968 – VIII ZR 207/65, MDR 1968, 401 = NJW 1968, 694. 13 BGH v. 23.5.2006 – VI ZR 259/04, MDR 2006, 1393 = GE 2006, 1222 = NZM 2006, 624; BGH v. 17.6.1993 – IX ZR 206/92, MDR 1993, 1126 = NJW 1993, 2797 m.w.N. 14 BGH v. 23.5.2006 – VI ZR 259/04, NZM 2006, 624; BGH v. 16.3.1994 – XII ZR 245/92, MDR 1994, 885 = NJW 1994, 1788.

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– Verschulden bei Vertragsschluss (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB)1, und zwar selbst dann, wenn ein rechtswirksamer Mietvertrag nicht zustande kommt2, – positiver Vertragsverletzung (§ 280 BGB)3, allerdings nur dann, wenn der Schaden hinreichenden Bezug zum Mietobjekt selbst hat4, – GoA5, – Eigentum6, – Delikt7, – § 7 StVG8, – § 22 WHG9. Entscheidend ist, dass diese Ansprüche dem Vermieter gerade wegen der Verän- 61 derung oder Verschlechterung der Mietsache erwachsen sind. Soweit die konkurrierenden Ansprüche Verschulden voraussetzen, greift die kurze Verjährungsfrist auch dann ein, wenn die schadensbegründende Pflichtverletzung vorsätzlich begangen wird10, allerdings nicht bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung i.S.v. § 826 BGB11. Nicht zu den Ansprüchen wegen Veränderung und Verschlechterung der Mietsache 61a gehört er Ausgleichsanspruch des Vermieters nach § 24 Abs. 2 BBodSchG12. Denn dabei handelt es sich schon nicht um einen Schadensersatzanspruch13. Insoweit ist entscheidend, dass der Ausgleichsanspruch bei Anwendung der kurzen Verjährung letztlich ins Leere ginge14 (vgl. § 548 BGB Rz. 88 f.). b) Erfasste Rechtsfolgen Die kurze Verjährung gilt zunächst für alle Schadensfolgen der erfassten Ansprü- 62 che15. Dazu zählen insbesondere die Kosten der Wiederherstellung der Mietsache, mit der Schadensfeststellung verbundene Kosten für Gutachter, Kostenvoranschläge und sonstige Beweissicherung sowie der Mietausfallschaden. Letzterer verjährt im Hinblick auf den Grundsatz der einheitlichen Verjährung mit dem Stammrecht16. Andererseits hemmt eine Leistungsklage auf Ersatz eines Mietausfallschadens die Verjährung für künftige Mietausfälle auch dann nicht, wenn es sich um einen einheitlichen Verzugsschaden handelt17. Der Fristbeginn für die Verjährung gilt danach einheitlich für alle voraussehbaren künftigen Mietausfälle, die z.B. aus der Verletzung der vertraglichen Instandsetzungspflicht folgen, ohne dass es auf den jeweiligen monatlichen Entstehungszeitpunkt der Mietausfälle ankommt. Der Vermieter muss also insoweit Feststellungsklage erheben.

1 BGH v. 18.2.1964 – VI ZR 260/62, NJW 1964, 1225; BGH v. 18.9.1986 – III ZR 227/84, BGHZ 98, 235 (238). 2 BGH v. 22.2.2006 – XII ZR 48/03, MDR 2006, 739 = NJW 2006, 1963. 3 BGH v. 6.11.1991 – XII ZR 216/90, MDR 1992, 671 = ZMR 1992, 96; BGH v. 23.1.1991 – IV ZR 284/89, ZMR 1991, 169 (für die Verletzung von Obhutspflichten). 4 BGH v. 24.11.1993 – XII ZR 79/92, MDR 1994, 160 = NJW 1994, 251. 5 OLG Hamm v. 18.3.1988 – 30 U 18/87, MDR 1988, 585 = NJW-RR 1988, 784. 6 BGH v. 21.3.1997 – V ZR 217/95, MDR 1997, 724 = NJW 1997, 1983. 7 BGH v. 8.1.1986 – VIII ZR 313/84, MDR 1986, 578 = NJW 1986, 1608. 8 BGH v. 19.9.1973 – VIII ZR 175/72, NJW 1973, 2059. 9 BGH v. 18.9.1986 – III ZR 227/84, MDR 1987, 122 = NJW 1987, 187; OLG Düsseldorf v. 15.3.1991 – 22 U 185/90, ZMR 1992, 392. 10 BGH v. 17.6.1993 – IX ZR 206/92, MDR 1993, 1126 = NJW 1993, 2797. 11 BGH v. 27.4.2001 – LwZR 6/00, MDR 2001, 928 = NJW 2001, 2253 zu § 591b BGB. 12 BGH v. 1.10.2008 – XII ZR 52/07, MDR 2009, 16 = NZM 2008, 933; a.A. LG Frankenthal v. 27.2.2002 – 5 O 208/01, ZMR 2002, 753 m. krit. Anm. Kadel; LG Hamburg v. 7.11.2000 – 316 O 154/00, NZM 2001, 339. 13 BGH v. 18.10.2012 – III ZR 312/11, NZM 2012, 862. 14 BGH v. 1.10.2008 – XII ZR 52/07, MDR 2009, 16 = NZM 2008, 933. 15 Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 17 Rz. 11. 16 BGH v. 23.11.1994 – XII ZR 150/93, MDR 1995, 140 = NJW 1995, 252. 17 BGH v. 19.11.1997 – XII ZR 281/95, WuM 1998, 155 = MDR 1998, 272 = ZMR 1998, 208.

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63 Daneben wirkt die Verjährung aber auch gegen Aufwendungsersatzansprüche des Vermieters, die z.B. anlässlich der Rückgabe dadurch entstanden sind, dass der Mieter den Vermieter beauftragte, auf seine Kosten Schäden zu beseitigen oder Schönheitsreparaturen geltend zu machen. Selbst wenn sich die Parteien über den (vermeintlichen) Anspruch des Vermieters vergleichen und sich der Mieter zur Zahlung einer bestimmten Summe verpflichtet, unterliegt dieser Anspruch dem § 548 Abs. 1 BGB. Denn durch den Vergleich erfolgt keine Schuldumschaffung1. 64 Gemäß § 217 BGB verjähren mit den erfassten Ansprüchen auch die Nebenleistungen (Zinsen, Früchte etc.). c) Mietsache 65 Der Begriff der Mietsache ist weit zu verstehen. Neben den zur alleinigen Nutzung überlassenen Mieträumen wird auch das Gebäude erfasst, in dem sich die Mieteinheit befindet. Dabei muss es sich nicht um ein einheitliches Gebäude handeln, das nur zu einem kleinen Teil an den Mieter vermietet war. Denn § 548 Abs. 1 BGB gilt auch für den Fall, dass der Mieter eines Hausgrundstücks sowohl die von ihm gemieteten Grundstücks- und Gebäudeteile als auch solche beschädigt, die nicht Gegenstand des Mietvertrages sind2. Selbst wenn dem Ersatzanspruch die Verschlechterung eines Grundstücks zugrunde liegt, das zwar nicht Mietsache geworden ist, zu dessen Räumung sich der Mieter aber in einem gerichtlichen Vergleich über die Räumung der Mietsache verpflichtet hat, greift § 548 Abs. 1 BGB3. 66 Die Veränderungen und Verschlechterungen können auch auf zur Mitbenutzung überlassenen Grundstücksteilen und Räumen (Hoffläche, Treppen und Flure) entstanden sein, unabhängig davon, ob sie Gegenstand des Mietvertrags waren4. Denn grundsätzlich besteht auch hier der notwendige Bezug zum Mietvertrag5. Dabei ist es unerheblich, ob der Schaden an der Mietsache oder der an den nicht mitgemieteten Grundstücks- und Gebäudeteilen überwiegt6. Handelt es sich um Gemeinschaftseigentum, verjähren die Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht nach § 548 BGB7. 2. Einredeberechtigte 67 Auf die Verjährung nach § 548 Abs. 1 BGB können sich alle Personen berufen, gegen die sich der Anspruch des Vermieters richtet (vgl. dazu § 548 BGB Rz. 53 ff.). Das sind neben dem Mieter auch solche Personen, die in den Schutzbereich des Mietvertrages einbezogen sind8, insbesondere die Familienangehörigen9, die sonstigen zum Haushalt des Wohnungsmieters gehörenden Personen, die Angestellten des Mieters gewerblich genutzter Grundstücke oder Räume oder der berechtigte Fahrer eines

1 BGH v. 2.6.2010 – XII ZR 110/08, GuT 2010, 231 = GE 2010, 973 = ZMR 2010, 844; BGH v. 7.3.2002 – III ZR 73/01, MDR 2002, 839 = NJW 2002, 1503. 2 BGH v. 23.1.1991 – IV ZR 284/89, MDR 1991, 604 = VersR 1991, 462 (463); BGH v. 6.11.1991 – XII ZR 216/90, MDR 1992, 671 = NJW 1992, 687; BGH v. 10.5.2000 – XII ZR 149/98, MDR 2000, 1068 = NJW 2000, 3203 (3205); BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 153/03, MDR 2005, 22 = NJW-RR 2004, 1566 (1568). 3 BGH v. 2.6.2010 – XII ZR 110/08, GuT 2010, 231 = GE 2010, 973 = ZMR 2010, 844; BGH v. 23.6.2010 – XII ZR 52/08, MDR 2010, 1042 = NJW 2010, 2652 = NZM 2010, 621 = ZMR 2010, 932. 4 BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 153/03, NJW-RR 2004, 1566 (1568); BGH v. 10.5.2000 – XII ZR 149/98, NJW 2000, 3203 (3205); BGH v. 6.11.1991 – XII ZR 216/90, NJW 1992, 687; BGH v. 23.1.1991 – IV ZR 284/89, MDR 1991, 604 = ZMR 1991, 168 = VersR 1991, 462. 5 BGH v. 10.5.2000 – XII ZR 149/98, MDR 2000, 1068 = NJW 2000, 3203. 6 BGH v. 23.1.1991 – IV ZR 284/89, MDR 1991, 604 = ZMR 1991, 168; BGH v. 19.9.1973 – VIII ZR 175/72, NJW 1973, 2059. 7 A.A. OLG Stuttgart v. 5.8.2010 – 7 U 82/10, WuM 2010, 563. 8 BGH v. 27.4.2001 – LwZR 6/00, MDR 2001, 928 = NJW 2001, 2253 zu § 591b; BGH v. 16.3.1994 – XII ZR 245/92, NJW 1994, 1788; BGH v. 21.6.1988 – VI ZR 150/87, MDR 1989, 55 = ZMR 1988, 419. 9 BGH v. 23.5.2006 – VI ZR 259/04, GE 2006, 1222 = ZMR 2006, 754; Jendrek, NZM 1998, 593 (594).

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gemieteten Fahrzeuges1, bei berechtigter Untervermietung auch der – nicht in den Schutzbereich des Hauptmietvertrages einbezogene – Untermieter2 oder der (Bei-)Fahrer bei der Kfz-Miete. 3. Beginn der Verjährung Der Beginn der Verjährung der Vermieteransprüche ist an den Rückerhalt geknüpft. 68 Schon der andere Begriff macht deutlich, dass noch keine Rückgabe i.S.v. § 546 BGB (= einvernehmliche Besitzübergabe) stattgefunden haben muss. Allerdings wird durch eine Rückgabe i.S.d. § 546 BGB der späteste Termin gekennzeichnet, zu dem die Verjährung zu laufen beginnt. Mit Rücksicht darauf liegt ein Rückerhalt vor, wenn der Vermieter freien Zutritt zur Mietsache hat, um sie auf Veränderungen und Mängel untersuchen zu können3. Daraus kann aber wiederum nicht abgeleitet werden, dass es für den Beginn der Verjährung auf die Erkennbarkeit eines Schadens ankommt4. Die rechtliche Beendigung des Mietverhältnisses ist dafür grundsätzlich nicht erfor- 69 derlich5; der Mietvertrag kann erst später enden6. Für einen Rückerhalt reicht es aber grundsätzlich nicht aus, dass sich der Vermieter irgendwie – mit oder ohne Zustimmung des Mieters – ungestört ein Bild vom Zustand der Mietsache verschaffen kann. Auch der Rückerhalt der Mietsache i.S.v. § 548 Abs. 1 S. 2 BGB erfordert regelmäßig eine Veränderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters7. Die bloße Gestattung des Mieters, die Mietsache zu besichtigen oder kontaminiertes Material durch einen Unternehmer entsorgen zu lassen, genügt nicht, da es sich dann nicht um einen aufgrund eigener Sachherrschaft bestehenden freien Zutritt zur Mietsache handelt. Andererseits ist keine endgültige Änderung der Besitzverhältnisse erforderlich. Vielmehr kann die Verjährung auch beginnen, wenn der Vermieter die Wohnung vorübergehend zurückerhält8. Maßgeblich ist, dass er sich ein umfassendes Bild vom Zustand verschaffen kann. Das setzt in der Regel voraus, dass der Mieter die Möbel aus der Wohnung entfernt hat. Ausnahmsweise reicht die unmittelbare Sachherrschaft aufgrund freien Zutritts bei 70 fortbestehendem Mietverhältnis für den Verjährungsbeginn aus, wenn die Mietsache zerstört ist. Denn auch in diesem Fall kann sich der Vermieter über den Umfang der zur Wiederherstellung notwendigen Maßnahmen ungestört ein Bild machen9. Auch wenn diese Ausnahmesituation nicht verallgemeinert werden kann, wird dadurch deutlich, dass für den Rückerhalt eine endgültige Rückgabe der Mietsache nicht unbedingt erforderlich ist10. Deshalb ist es unerheblich, ob der Mieter nach Übergabe der Schlüssel noch weitere Schlüssel in Besitz hat und wann er diese dem Vermieter übergibt11. Denn anders als bei der Rückgabe des Objekts gemäß § 546 BGB ist die Herausgabe sämtlicher Schlüssel für die Besitzerlangung des Vermieters gemäß § 548 Abs. 1 S. 2 BGB nicht entscheidend. Abzustellen ist allein auf die mit der unmittelbaren Besitzverschaffung verbundene Möglichkeit des Vermieters zur ungehinderten

1 BGH v. 29.3.1978 – VIII ZR 220/76, NJW 1978, 1426. 2 BGH v. 21.3.1997 – V ZR 217/95, MDR 1997, 724 = NJW 1997, 1983. 3 BGH v. 10.5.2000 – XII ZR 149/98, MDR 2000, 1068 = NJW 2000, 3203; BGH v. 6.11.1991 – XII ZR 216/90, MDR 1992, 671 = NJW 1992, 687; OLG Düsseldorf v. 18.3.1993 – 10 U 132/92, DWW 1993, 139 (für den Fall der „Übernahme“ eines abgrenzbaren Teils des Mietobjekts zum Zwecke der gründlichen Untersuchung und Reparatur). 4 OLG Frankfurt v. 8.6.2001 – 24 U 198/00, GuT 2002, 81. 5 BGH v. 12.10.2011 – VIII ZR 8/11, GE 2011, 1678; Lammel, § 548 BGB Rz. 17. 6 BGH v. 15.3.2006 – VIII ZR 123/05, MDR 2006, 1398 = NJW 2006, 1588. 7 BGH v. 19.11.2003 – XII ZR 68/00, MDR 2004, 268 = NJW 2004, 774; BGH v. 10.5.2000 – XII ZR 149/98, NJW 2000, 3203. 8 AG Köln v. 8.7.2011 – 201 C 25/11, WuM 2012, 375. 9 BGH v. 14.5.1986 – VIII ZR 99/85, MDR 1987, 135 = NJW 1986, 2103. 10 BGH v. 10.3.1994 – IX ZR 236/93, MDR 1994, 794 = NJW 1994, 1858; KG v. 21.5.2004 – 12 U 9284/99, ZMR 2005, 455. 11 OLG Düsseldorf v. 20.9.2007 – I-24 U 7/07, WuM 2008, 554 = OLGR 2008, 544.

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Prüfung der Mieträume1, um sich ein umfassendes Bild zu verschaffen2. Diese besteht unabhängig davon, ob evtl. noch Schlüssel beim Mieter verblieben oder etwa im Laufe des Mietverhältnisses verloren gegangen sind. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn Umstände vorliegen, nach denen der Einbehalt von Schlüsseln durch den Mieter einer unmittelbaren Besitzverschaffung des Vermieters entgegenstünde. 71 Ob ein Rückerhalt i.S.v. § 548 Abs. 1 BGB angenommen werden kann, wenn sich der Vermieter im Verzug der Annahme befindet, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden. Es kann auch solange dahinstehen, wie ein solcher Annahmeverzug nicht eingetreten ist3. So kann etwa nicht allein in der bloßen Verweigerung einer nicht angekündigten Schlüsselrücknahme ein Annahmeverzug gesehen werden4. Denn jedenfalls ist der Vermieter nicht verpflichtet, die Mietsache jederzeit – sozusagen „auf Zuruf“ – zurückzunehmen. Der Vermieter gerät deshalb durch seine Weigerung, die Schlüssel sofort „an der Haustür“ entgegenzunehmen, als sie ihm von dem kurzfristig ausgezogenen Mieter angeboten wurden, nicht in Annahmeverzug. Sofern die Voraussetzungen eines Annahmeverzuges vorliegen, ist im Übrigen § 303 BGB zu beachten. Dies wird im Ergebnis aber nicht dazu führen, dass die Fiktion eines Rückerhalts infolge Annahmeverzuges erst angenommen werden kann, wenn der Mieter eine Besitzaufgabe androht. 72 Deshalb beginnt die Verjährung ohne einvernehmliche Rückgabe, wenn der Mieter zur Herausgabe der Mietsache bereit ist, der Vermieter aber die Rücknahme als solche (= Ausübung der unmittelbaren Sachherrschaft) nicht vollzieht, sondern den bisherigen Untermieter den unmittelbaren Besitz nunmehr als Hauptmieter fortsetzen lässt: Hier beginnt die Verjährung mit der Beendigung des Mietvertrages5. Das Gleiche gilt beim Ausscheiden des Mieters zugunsten eines Dritten infolge Vertragsübernahme, und zwar selbst dann, wenn der Mieter aus einem gestuften Nutzungsverhältnis zugleich als Hauptmieter und als Untervermieter ausscheidet6. Demgegenüber soll im Neuabschluss eines Mietvertrags zwischen denselben Parteien über dasselbe Mietobjekt grundsätzlich keine fingierte Rückgabe liegen7. 73 Soweit sich die Ersatzansprüche des Vermieters aus Verschulden bei Vertragsschluss ergeben (vgl. § 548 BGB Rz. 52 und Rz. 60), beginnt die Verjährungsfrist mit dem tatsächlichen Ende der Vertragsverhandlungen zu laufen8. Ob sich der Schaden dann im maßgeblichen Moment bereits berechnen lässt, ist unerheblich. 74 Wann der einzelne Anspruch wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache entstanden ist und der Vermieter davon Kenntnis erhalten hat, ist im Hinblick auf § 200 BGB unerheblich. Mit dem Rückerhalt beginnt eine einheitliche Verjährung selbst dann, wenn die Ansprüche erst zu einem späteren Zeitpunkt entstehen9 oder der Mietvertrag erst später endet10. II. Ansprüche des Mieters 75 Für die unter Abs. 2 fallenden Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung ist es unerheblich, ob sie auf

1 Vgl. auch OLG Düsseldorf v. 27.6.2000 – 24 U 140/99, ZMR 2001, 267; OLG Düsseldorf v. 27.4.2006 – 24 U 152/05, GuT 2006, 243 f. 2 AG Köln v. 8.7.2011 – 201 C 25/11, WuM 2012, 375. 3 BGH v. 15.3.2006 – VIII ZR 123/05, NJW 2006, 1588. 4 BGH v. 12.10.2011 – VIII ZR 8/11, GE 2011, 1678. 5 BGH v. 2.10.1968 – VIII ZR 197/66, NJW 1968, 2241; OLG München v. 11.11.1994 – 21 U 2262/94, ZMR 1997, 178. 6 BGH v. 6.11.1991 – XII ZR 216/90, MDR 1992, 671 = ZMR 1992, 96. 7 KG v. 31.5.1999 – 8 U 3844/97, NZM 2000, 383. 8 BGH v. 22.2.2006 – XII ZR 48/03, MDR 2006, 739 = NJW 2006, 1963. 9 BGH v. 19.1.2005 – VIII ZR 114/04, MDR 2005, 439 = BRAK 2005, 111 m. Anm. Chab = NJW 2005, 739; Emmerich, NZM 2005, 248 ff.; Börstinghaus, DWW 2005, 92 (94 ff.). 10 BGH v. 15.3.2006 – VIII ZR 123/05, NJW 2006, 1588 = WuM 2006, 319.

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Gesetz oder vertraglicher Absprache beruhen1. Maßgeblich ist allein, dass die Ansprüche dem Mieter gerade wegen seiner Verwendungen bzw. Einrichtungen zustehen. Selbst die gegen den Vermieter gerichteten Aufwendungsersatzansprüche des Untermieters, die sich auf eine zwischen ihnen getroffene Absprache gründen, unterliegen der kurzen Verjährung des § 548 Abs. 2 BGB, wobei hier für den Beginn der Verjährung auf die Beendigung des Untermietverhältnisses abzustellen ist2. 1. Erfasste Ansprüche a) Ersatz von Aufwendungen Der Begriff der Aufwendungen entspricht dem in §§ 536a Abs. 2, 539 BGB. Auch Auf- 76 wendungen i.S.v. § 554 Abs. 4 BGB fallen darunter3. Der VIII. Senat hat bereits zu der Vorgängervorschrift des § 558 BGB a.F. entschieden, dass mit dem damals verwendeten Begriff der „Verwendungen“ alle Aufwendungen zu verstehen sind, die das Grundstück in seinem Bestand verbessern4. Für den Begriff der „Aufwendungen“ im jetzigen § 548 BGB gilt nichts anderes, da mit der entsprechenden Änderung durch das Mietrechtsreformgesetz keine inhaltliche Änderung beabsichtigt war5. Die Mieteransprüche müssen aber vor der (rechtlichen) Beendigung des Mietverhältnisses entstanden sein6. Trotz einer gewissen Nähe zu Verwendungsersatzansprüchen unterliegt der An- 77 spruch des Mieters auf Ersatz der Abstandssumme, die der unberechtigt zurückgewiesene Nachmieter an ihn gezahlt hätte und die er im Wege des Schadensersatzes nun vom Vermieter fordert, nicht der kurzen Verjährung des § 548 Abs. 2 BGB7. Denn die Abstandszahlung kommt dem Vermieter nicht unmittelbar zugute. Schadensersatzansprüche des Mieters im Anschluss an eine unberechtigte fristlose 78 Vermieterkündigung fallen ebenfalls nicht unter die kurze Verjährung8. b) Wegnahme von Einrichtungen Das von § 548 Abs. 2 BGB erfasste Wegnahmerecht des Mieters ergibt sich zunächst 79 aus § 539 Abs. 2 BGB. Vom Sinn und Zweck des § 548 BGB ist aber auch der Herausgabeanspruch eines Dritten erfasst, der einem Mieter Einrichtungsgegenstände überlassen hat9. Diese Ansprüche gehen mit der Rückgabe der Mietsache in einen Anspruch auf Gestattung der Wegnahme der Einrichtung über (§ 258 S. 2 BGB), der aber ebenso wie der Entschädigungsanspruch10 in den angeordneten sechs Monaten verjährt11. Letzteres erklärt sich schon aus dem Zweck der Vorschrift (vgl. § 548 BGB Rz. 9). Mithin muss auch der Verzugsschaden innerhalb der gleichen Frist verjähren, der dadurch entsteht, dass der Vermieter die Realisierung des Wegnahmerechts vereitelt hat12. Die Verjährung der Wegnahmebefugnis führt zu einem dauernden Recht des Vermie- 80 ters und des von ihm eingesetzten Mietnachfolgers zum Besitz13, so dass auch keine Nutzungsentschädigung geschuldet wird. Nach Eintritt der Verjährung stehen dem Mieter auch bei einer Veräußerung gemäß § 566 BGB Schadensersatzansprüche oder Bereicherungsansprüche wegen des Eigentumsverlustes an seiner Einrichtung nicht 1 BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 133/07, MDR 2008, 850 = WuM 2008, 402 m.w.N. 2 BGH v. 2.10.1985 – VIII ZR 326/84, NJW 1986, 254. 3 BGH v. 13.2.1974 – VIII ZR 233/72, NJW 1974, 743; a.A. Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 548 BGB Rz. 33. 4 BGH v. 2.10.1985 – VIII ZR 326/84, NJW 1986, 254 (unter 2a). 5 Vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 45. 6 BGH v. 12.6.1991 – XII ZR 17/90, MDR 1992, 237 = NJW 1991, 3031. 7 OLG Frankfurt v. 31.5.2000 – 9 U 71/99, ZMR 2000, 607. 8 BGH v. 12.1.1994 – XII ZR 167/92, MDR 1994, 613 = ZMR 1994, 150. 9 LG Berlin v. 10.1.2013 – 12 O 133/12, GE 2013, 269. 10 OLG Bremen v. 16.2.2001 – 5 U 21/00c, NZM 2002, 292. 11 OLG Bamberg v. 6.6.2003 – 6 U 20/03, NZM 2004, 342. 12 OLG Hamm v. 13.3.1981 – 7 U 196/80, WuM 1986, 280. 13 BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, MDR 1981, 1008 = NJW 1981, 2564.

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zu1. Auch der neue Mieter kann dann dem früheren Mieter das Recht zum Besitz als dauernde Einrede entgegenhalten2. c) Einzelne Ansprüche des Mieters 81 Zu den unter § 548 Abs. 2 BGB fallenden Mieteransprüchen zählen insbesondere Ansprüche – auf Ersatz von Aufwendungen aus § 536a Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB3, § 539 BGB, aber auch aus § 554 Abs. 4 BGB, Letztere selbst dann, wenn sie auf einer Modernisierungsvereinbarung beruhen4, – auf Aufwendungsersatz, die z.B. im Rahmen des § 536a Abs. 1 BGB gemäß § 284 BGB an die Stelle von Schadensersatz treten, – auf Auskehrung der Entschädigung, die der Vermieter mittels Fremdversicherung von Mietereinrichtungen eingezogen hat5, allerdings dann nicht, wenn der Vermieter die Entschädigung erst nach Beendigung des Mietvertrags eingezogen hat6, – auf Gestattung bzw. Duldung der Wegnahme von Einrichtungen (§§ 539 Abs. 2, 258 S. 2 BGB7), – auf Schadensersatz wegen Verletzung des Wegnahmerechts8, – sonstige wegnahmeersetzende Zahlungsansprüche, insbesondere nach § 552 BGB9. 82 Der Anspruch auf Mängelbeseitigung nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verjährt grundsätzlich während der Mietzeit nicht10. Dazu zählt auch der Anspruch auf Durchführung von Schönheitsreparaturen11. 83 Insoweit wird die Frage kontrovers diskutiert, ob der Bereicherungsanspruch des Mieters wegen der Durchführung nicht geschuldeter Schönheitsreparaturen12 der kurzen Verjährung unterliegt. Dagegen soll sprechen, dass sich der Anspruch aus einer Leistungskondiktion (§ 812 BGB) ergibt, die der regelmäßigen Verjährung nach §§ 195 f. BGB unterliegt13. Für die kurze Verjährung wird darauf abgestellt, dass der Anspruch auf den Ersatz von Aufwendungen, die der Mietsache zugutegekommen sind, gerichtet sei14. Bestand bei Ausführung Renovierungsbedürftigkeit und hatte der Vermieter trotz Aufforderung die Schönheitsreparaturen nicht ausgeführt, kann der Mieter Aufwendungsersatz nach § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB verlangen, für den § 548 Abs. 2 BGB gilt. Ohne die Fristsetzung ergibt sich der Anspruch zwar aus anderen Grundlagen (z.B. § 812 BGB oder Verschulden bei Vertragsschluss, §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 BGB), die auch andere Rechtsfolgen haben. Er ist aber auf die inhaltlich gleiche Leistung gerichtet, so dass § 548 Abs. 2 BGB einschlägig ist15. Nichts anderes gilt im Hinblick auf § 200 BGB, soweit die Ansprüche durch die Ausführung im laufen-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861. OLG Düsseldorf v. 21.5.1987 – 10 U 232/86, ZMR 1987, 327. Vgl. BGH v. 13.2.1974 – VIII ZR 233/72, NJW 1974, 743. LG Berlin v. 1.10.2001 – 67 S 52/00, GE 2002, 331. OLG Düsseldorf v. 14.12.1989 – 10 U 54/89, ZMR 1990, 272. BGH v. 12.6.1991 – XII ZR 17/90, MDR 1992, 237 = NJW 1991, 3031. OLG Bamberg v. 6.6.2003 – 6 U 20/03, NZM 2004, 342. OLG Hamm v. 13.3.1981 – 7 U 196/80, WuM 1986, 280 = MDR 1981, 674. OLG Bremen v. 16.2.2001 – 5 U 21/00, NZM 2002, 292. BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 104/09, MDR 2010, 562 = WuM 2010, 238. A.A. AG Wetzlar v. 2.1.2008 – 38 C 1882/07, ZMR 2010, 372. Vgl. dazu BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, ZMR 2009, 829. Dagegen Jacoby, ZMR 2010, 335; Blank, WuM 2010, 234; Eisenschmid, WuM 2010, 459 (470); Wiek, WuM 2010, 535 (537). 14 LG Kassel v. 7.10.2010 – 1 S 67/10, WuM 2010, 681 = NZM 2010, 860; LG Freiburg v. 15.7.2010 – 3 S 102/10, WuM 2010, 480; AG Schöneberg v. 16.4.2010 – 17b C 206/09, NZM 2010, 785; AG Chemnitz v. 11.3.2010 – 16 C 2997/09; AG Freiburg v. 5.3.2010 – 6 C 4050/09, WuM 2010, 232; Paschke, GE 2010, 30; Gsell, NZM 2010, 71. 15 BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 195/10, MDR 2011, 777 = WuM 2011, 363 = GE 2011, 813 = ZMR 2011, 705 = NZM 2011, 452.

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den Mietvertrag entstanden sind (vgl. § 535 BGB Rz. 640 ff.)1. Auch die Rückforderung des auf einen (vermeintlichen) Abgeltungsanspruch geleisteten Betrages unterliegt der kurzen Verjährung2. 2. Beginn der Verjährung § 548 Abs. 2 BGB knüpft den Beginn der Verjährung der Mieteransprüche an die 84 rechtliche (nicht die tatsächliche) Beendigung des Mietvertrages3. Eine Verjährung der erfassten Mieteransprüche vor Vertragsbeendigung scheidet aus4, wohl aber ist ihre Verjährung vor Rückgabe der Mietsache möglich. Wird eine Kündigung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB über sechs Monate nach dem Ende der Mietzeit unwirksam, wird die bis dahin eingetretene Verjährung wieder aufgehoben. Dies ergibt sich mindestens aus dem Rechtsgedanken des § 158 Abs. 2 BGB. Im Falle der Veräußerung der Mietsache i.S.v. § 566 BGB bestimmt sich der Beginn 85 der Verjährung nach dem Zeitpunkt des Vermieterwechsels, frühestens jedoch ab Kenntnis des Mieters5. Auch im Übrigen kommt es grundsätzlich nicht auf die Kenntnis des Mieters von der Rechtslage an. Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen führt eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage zu einem Hinausschieben des Verjährungsbeginns6. Dies kann jedenfalls nicht angenommen werden, wenn einschlägige BGH-Entscheidungen vorliegen7. Alle nicht erfassten Ansprüche verjähren nach der Regelfrist von drei Jahren. Dies 86 gilt insbesondere für die Ansprüche des Vermieters auf Zahlung von Miete, Nachforderung aus Betriebskostenabrechnung, Kaution8 sowie Schadensersatz, soweit nicht von Abs. 1 erfasst. Zu den Ansprüchen des Mieters zählen insbes. die auf Abrechnung der Betriebskosten, Rückforderung überzahlter Miete oder Nebenkosten, Rückzahlung der Kaution sowie Schadensersatz (z.B. wegen vorgetäuschtem Eigenbedarf). Nicht verjährbar ist aber der Anspruch auf Mängelbeseitigung9. C. Gewerberaummiete I. Grundsätzliches § 548 BGB hat in der Gewerberaummiete zunächst den gleichen Regelungsgehalt und 87 es bestehen auch keine anderen Voraussetzungen, als sie im Abschnitt B. dargestellt wurden. Schon aufgrund der anderen Sachverhalte, insbesondere dem geschäftlichen Gebrauch durch den Mieter, der häufig auch den Umgang mit gefährlichen Stoffen oder eine sonstige intensivere Nutzung erfordert, gewinnt die Verjährung auch wegen der wirtschaftlichen Konsequenzen eine andere Bedeutung. II. Ansprüche des Vermieters Die erfassten Ersatzansprüche wegen Veränderung und Verschlechterung müssen 88 auf einer Substanzbeeinträchtigung beruhen. Das ist nicht der Fall, wenn der Mieter die kontaminierte Substanz (restlos) vom Grundstück abgefahren hat und nur die Gefahr eines behördlichen Einschreitens besteht, weil aufgrund der Substanzen für das bestehende Mietgrundstück und das Grundwasser eine Gefahr bestanden haben könnte. Deshalb sind die für die Beseitigung der kontaminierten Substanzen aufgewendeten Kosten nicht von § 548 Abs. 1 BGB erfasst, weil sie keine Kosten wegen 1 2 3 4 5 6 7 8 9

LG Berlin v. 11.3.2011 – 63 S 277/10, WuM 2011, 365 = GE 2011, 547. BGH v. 20.6.2012 – VIII 12/12, WuM 2012, 445 = GE 2012, 1031 = ZMR 2012, 766. BGH v. 2.10.1985 – VIII ZR 326/84, NJW 1986, 254. Palandt/Weidenkaff, § 548 BGB Rz. 12. Palandt/Weidenkaff, § 548 BGB Rz. 12; Emmerich/Sonnenschein, § 548 BGB Rz. 22; offengelassen in BGH v. 19.3.1965 – V ZR 268/62, NJW 1965, 1225. BGH v. 23.9.2008 – XI ZR 262/07, NJW-RR 2009, 547 Rz. 15 u. 19; BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 30/98, NJW 1999, 2041 (unter II 1). BGH v. 31.1.2012 – VIII ZR 141/11, WuM 2012, 374. LG Darmstadt v. 7.3.2007 – 4 O 529/06, NZM 2007, 801. BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 104/09, MDR 2010, 562 = WuM 2010, 238.

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der Veränderung oder Verschlechterung des Grundstücks als solchem sind, sondern eben nur der gelagerten Stoffe1. 89 Diese Konstellation, aber auch das Risiko, in einschlägigen Fällen innerhalb von drei Jahren (§ 24 BBodSchG) von der Behörde wegen Bodenkontaminationen in Anspruch genommen werden zu können, verlangen geradezu danach, vertraglich geregelt zu werden2. Im Hinblick auf das in der Regel durch den Mietzweck vorgegebene Risiko besteht hier ein überragendes Interesse des Vermieters3, eine z.B. dem § 24 BBodSchG oder sonstigen Risiken des Vertragszwecks angepasste Verjährung im Mietvertrag zu regeln. Deshalb muss auch die Leitbildfunktion des § 548 Abs. 1 BGB zurückstehen und eine Formularklausel, soweit sie klar und verständlich formuliert ist, dem § 307 BGB standhalten, wenn sie die Verjährung der mietvertraglichen Ansprüche dem Risiko des § 24 BBodSchG anpasst. Dies gilt erst recht für Individualklauseln. 90 Insoweit ist zu bedenken, dass die Verjährung des Ausgleichsanspruchs zwischen den zur Sanierung Verpflichteten gemäß § 24 Abs. 2 S. 4 BBodSchG erst mit der vollständigen Beendigung der Sanierungsmaßnahmen, nicht schon mit dem Abschluss von Teilmaßnahmen beginnt4. 91 Dem Ausgleichsanspruch unterliegen grundsätzlich nur die reinen Sanierungskosten. Dazu zählen alle Aufwendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Maßnahme entstanden sind. Davon werden nicht solche Kosten erfasst, die einem Beteiligten im Rahmen des Verwaltungsverfahrens entstanden sind (z.B. Rechtsverfolgungskosten). Für die Ausgleichspflicht hinsichtlich dieser Kosten gelten die allgemeinen Regeln (z.B. GoA)5. III. Ansprüche des Mieters 92 Auch hier muss überlegt werden, inwieweit z.B. Baukostenzuschüsse des Mieters oder eigene (umfangreiche) bauliche Maßnahmen eine ergänzende Vertragsregelung zu den Verjährungsvorschriften erfordern. D. Exkurs: Allgemeine Verjährung I. Allgemeines 93 Die kurze Verjährungsfrist des § 548 BGB bezieht sich nicht auf Ansprüche des Vermieters auf Zahlung rückständiger Miete6. Der Anspruch auf Miete verjährt vielmehr in der Regelverjährungsfrist von drei Jahren. Es handelt sich um eine Ultimoverjährung, die subjektive Kenntnis vom Anspruch und vom Schuldner voraussetzt. 94 In drei Jahren verjähren also – der Anspruch auf Zahlung der Miete inklusive der laufenden Betriebskostenvorauszahlungen gemäß §§ 535 Abs. 2, 556 Abs. 2 BGB, – Ansprüche auf Nutzungsentschädigung gemäß § 546a BGB, – Ansprüche auf Vorlage der Betriebskostenabrechnung, – Ansprüche auf Nachzahlungen bzw. Auszahlung eines Guthabens aus einer Betriebs-/Heizkostenabrechnung, – alle Formen von Schadensersatzansprüchen, soweit sie nicht die Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache betreffen,

1 BGH v. 10.5.2000 – XII ZR 149/98, MDR 2000, 1068 = NJW 2000, 3203 = WuM 2000, 419 = ZMR 2000, 596. 2 Lützenkirchen/Leo, AHB Mietrecht, A Rz. 485. 3 Vgl. zu diesem Argument im Rahmen der Inhaltskontrolle: BGH v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, MDR 2010, 1308 = GE 2010, 1333 = NZM 2010, 705. 4 OLG Bremen v. 24.3.2011 – 5 U 32/10, NZM 2011, 745. 5 OLG Bremen v. 24.3.2011 – 5 U 32/10, NZM 2011, 745. 6 OLG Düsseldorf v. 25.10.1990 – 10 U 15/90, ZMR 1991, 24.

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– Bereicherungsansprüche, z.B. wegen Zahlung von mietpreiswidrigen Mieten oder Überzahlungen auf Betriebs- oder Heizkostenabrechnungen, – titulierte Ansprüche auf künftig fällig werdende Mieten oder Nutzungsentschädigung, § 197 Abs. 2 BGB, – der Anspruch des Vermieters auf Leistung der Kaution1, – der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Kaution. II. Der Beginn der Verjährungsfrist Die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB fängt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit 95 dem Schluss des Jahres (31.12.) an zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Für den Beginn der Verjährung ist daher nicht mehr allein (vgl. § 198 BGB a.F.) auf die Entstehung des Anspruchs abzustellen, sondern daneben (kumulativ) auf die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände und die Person des Schuldners. 1. Entstehung des Anspruchs Entstanden ist der Anspruch in dem Zeitpunkt, in dem der Gläubiger ihn erstmals geltend machen und notfalls Klage erheben kann, um die Hemmung der Verjährung herbeizuführen2. Grundsätzlich reicht dazu die Erhebung einer Feststellungsklage, denn die Höhe des Anspruchs muss nicht feststehen3. Deshalb ist in der Regel die Fälligkeit des Anspruchs i.S.d. § 271 BGB erforderlich.

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Wann ein Anspruch entstanden ist, kann insbesondere bei Schadensersatzansprü- 97 chen problematisch sein. Der BGH geht nämlich davon aus, dass ein Schaden entstanden ist, wenn die Vermögenslage des Geschädigten sich z.B. durch eine unerlaubte Handlung verschlechtert und sich diese Verschlechterung wenigstens dem Grunde nach verwirklicht hat4. Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen kann nach dem Grundsatz der Schadenseinheit auch für nachträglich auftretende, zunächst also nur drohende, aber noch nicht vorhersehbare Folgen beginnen, sobald irgendein (Teil-)Schaden entstanden ist. Diese Grundsätze gelten auch über den 1.1.2002 fort5. Selbst wenn also z.B. Heilungskosten erst fünf Jahre nach dem schadensbegründenden Ereignis anfallen, ist der Anspruch bereits im Zeitpunkt der schädigenden Handlung entstanden. Immerhin sind solche Schäden auch vorhersehbar. Um hier ein Risiko zu vermeiden, sollte zur Verjährungshemmung auf jeden Fall zusätzlich ein Feststellungsantrag hinsichtlich zukünftiger Schäden gestellt werden. Anspruchsentstehung und Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen, ins- 98 besondere der Person des Schuldners, müssen nicht zeitlich zusammenfallen. Da die Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen, ist für den Beginn der Verjährung auf die vollständige Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB abzustellen. Der Anspruch auf Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung wird schon in dem Abrechnungsjahr fällig, wenn der Vermieter kurz vor Ablauf der Abrechnungsperiode gegenüber dem Mieter abrechnet6. 2. Kenntnis der Umstände Bei diesem Tatbestandmerkmal wird allein darauf abgestellt, wann der Gläubiger 99 Kenntnis von den Tatsachen erlangt hat, die den Anspruch begründen. Mit Ablauf

1 KG v. 3.3.2008 – 22 W 2/08, ZMR 2008, 624 = GuT 2008, 126 = NZM 2009, 743; LG Darmstadt v. 7.3.2007 – 4 O 529/06, NZM 2007, 801; LG Duisburg v. 28.3.2006 – 13 S 334/05, WuM 2006, 250. 2 Erman/Schmidt-Räntsch, § 199 BGB Rz. 3 m.w.N. 3 Bamberger/Roth/Henrich/Spindler, § 199 BGB Rz. 5 m.w.N. 4 BGH v. 15.10.1992 – IX ZR 43/92, MDR 1993, 693 = NJW 1993, 648 (650). 5 AnwKomm/Mansel, § 199 BGB Rz. 21. 6 LG Hamburg v. 6.5.2010 – 316 O 68/09, ZMR 2010, 760.

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des Jahres, in dem diese Voraussetzungen vorliegen, beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB die Verjährung. 100 Insoweit kommt es für den Beginn der Verjährung nicht darauf an, wann der Mieter z.B. einen Hinweis auf die Rechtslage erhalten oder sogar erfahren hat, dass eine Vereinbarung unwirksam ist und ihm daraus z.B. Rückforderungsansprüche erwachsen. Vielmehr genügt es, wenn der Gläubiger die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen sich für einen rechtskundigen Dritten der Anspruch ergibt. Bei einem Anspruch aus ungerechtfertigter Leistung liegt die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis des Gläubigers vor, wenn er von der Leistung und vom Fehlen des Rechtsgrundes weiß, das heißt von den Tatsachen, aus denen dessen Fehlen folgt. Eine zutreffende rechtliche Würdigung setzt § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hingegen nicht voraus1. Eine Ausnahme wird lediglich für die Fälle in Betracht gezogen, in denen es sich um eine unübersichtliche oder zweifelhafte Rechtslage handelt, so dass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag2. 3. Grob fahrlässige Unkenntnis 101 Diese dem § 852 Abs. 1 BGB nachgebildeten Voraussetzungen werden um die grob fahrlässige Unkenntnis erweitert. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen3. 4. § 199 Abs. 4 BGB 102 Unabhängig von der Entstehung des Anspruchs und der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen verjähren Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit spätestens dreißig Jahre von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis, § 199 Abs. 2 BGB. Für sonstige Schadensersatzansprüche regelt § 199 Abs. 3 BGB, dass sie ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an verjähren und ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in dreißig Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis. Maßgeblich ist insoweit stets die früher endende Frist, § 199 Abs. 3 S. 2 BGB.

1 BGH v. 29.1.2008 – XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rz. 26; BGH v. 15.6.2010 – XI ZR 309/09, NJWRR 2010, 1574 (Rz. 12). 2 BGH v. 19.3.2008 – III ZR 220/07, NJW-RR 2008, 1237 m.w.N. 3 BGH v. 11.5.1953 – IV ZR 170/52, BGHZ 10, 14 (16); BGH v. 5.12.1983 – II ZR 252/82, MDR 1984, 469 = NJW 1984, 789; BGH v. 28.6.1994 – X ZR 95/92, CR 1995, 265 = NJW-RR 1994, 1469 (1471); BGH v. 29.9.1992 – XI ZR 265/91, MDR 1993, 41 = NJW 1992, 3235 (3236).

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Untertitel 2

Mietverhältnisse über Wohnraum Kapitel 1

Allgemeine Vorschriften § 549 Auf Wohnraummietverhältnisse anwendbare Vorschriften (1) Für Mietverhältnisse über Wohnraum gelten die §§ 535 bis 548, soweit sich nicht aus den §§ 549 bis 577a etwas anderes ergibt. (2) Die Vorschriften über die Mieterhöhung (§§ 557 bis 561) und über den Mieterschutz bei Beendigung des Mietverhältnisses sowie bei der Begründung von Wohnungseigentum (§ 568 Abs. 2, §§ 573, 573a, 573d Abs. 1, §§ 574 bis 575, 575a Abs. 1 und §§ 577, 577a) gelten nicht für Mietverhältnisse über 1. Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist, 2. Wohnraum, der Teil der vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung ist und den der Vermieter überwiegend mit Einrichtungsgegenständen auszustatten hat, sofern der Wohnraum dem Mieter nicht zum dauernden Gebrauch mit seiner Familie oder mit Personen überlassen ist, mit denen er einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führt, 3. Wohnraum, den eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein anerkannter privater Träger der Wohlfahrtspflege angemietet hat, um ihn Personen mit dringendem Wohnungsbedarf zu überlassen, wenn sie den Mieter bei Vertragsschluss auf die Zweckbestimmung des Wohnraums und die Ausnahme von den genannten Vorschriften hingewiesen hat. (3) Für Wohnraum in einem Studenten- oder Jugendwohnheim gelten die §§ 557 bis 561 sowie die §§ 573, 573a, 573d Abs. 1 und §§ 575, 575a Abs. 1, §§ 577, 577a nicht. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV. V.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen .

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B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . I. Begründung eines Wohnraummietvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausnahmen nach § 549 Abs. 2 BGB 1. Wohnraum zu vorübergehendem Gebrauch, § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorübergehender Gebrauch . . . .

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2. Möblierter Wohnraum i.S.v. § 549 Abs. 2 Nr. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . a) Möblierter Wohnraum . . . . . . . . . b) Teil der Vermieterwohnung . . . . . c) Vermietung an Familie oder Haushaltsangehörige . . . . . . . . . . 3. Untervermietung durch juristische Person des öffentlichen Rechts und anerkannte private Träger der Wohlfahrtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begünstigte Mieter . . . . . . . . . . . . b) Erfasste Personengruppen . . . . . . c) Hinweispflicht . . . . . . . . . . . . . . . . III. Studenten- und Jugendwohnheime . 1. Erfasste Einrichtungen . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Auf Wohnraummietverhältnisse anwendbare Vorschriften

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Die Vorschrift regelt für das besondere Kapitel der Vorschriften über die Wohnraummiete dessen Anwendungsbereich. Zunächst stellt die Vorschrift klar, dass die besonderen Bestimmungen der §§ 549 ff. BGB denen der §§ 535 ff. BGB im Zweifel vorgehen. Sodann wird in Abs. 2, 3 geregelt, welche Mietverträge vom Mieterschutz für Wohnraum oder auch nur einzelnen Aspekten ausgenommen sind. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 2 § 549 BGB gilt für Mietverträge über Räume, die zum (dauernden) Wohnen überlassen werden sollen bzw. überlassen wurden. Voraussetzung ist also, dass der Zweck des Mietvertrages auf den privaten Aufenthalt von Menschen gerichtet ist. Dies gilt auch bei Mischmietverhältnissen, bei denen die Wohnraummiete das Übergewicht bildet. 2. Anwendbare Rechtsprechung 3 Die Vorschrift als Ordnungsnorm gab es vor dem 1.9.2001 nicht. Indessen wurden in den § 564b Abs. 7 BGB a.F., § 10 MHG die jetzt in § 549 Abs. 2 BGB aufgezählten Mietverhältnisse vom Kündigungs- bzw. Mieterhöhungsschutz ausgenommen. Insoweit haben sich gegenüber dem alten Recht keine wesentlichen Änderungen ergeben. Lediglich die Geltung der Teilkündigung nach § 573b BGB wurde auf die Tatbestände nach § 549 Abs. 2 Nr. 1–3 und Abs. 3 BGB erweitert. 4 Daneben wurde die Ausnahme nach § 549 Abs. 2 Nr. 3 BGB auf private Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege erweitert, soweit sie Wohnraum an Personen mit dringendem Wohnbedarf weitervermieten1, sowie neu bestimmt, dass diese Mietverhältnisse auch keinen Schutz vor Mieterhöhungen genießen und die Schriftform für die Kündigung gilt. 5 Unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten ist die Rechtsprechung, die sich auf das Gesetz in der Fassung vor dem 1.9.2001 bezieht, noch anwendbar. Dies gilt insbesondere für die Definition der Mietverhältnisse nach § 549 Abs. 2, 3 BGB. Die Überleitungsregelung des Art. 229 § 3 Abs. 2 EGBGB ist obsolet geworden. III. Zweck der Vorschrift 6 Im Hinblick auf die Neugliederung der mietrechtlichen Vorschriften durch das MRRG (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 9) stellt § 549 Abs. 1 BGB klar, dass für Mietverträge über Wohnraum die allgemeinen mietrechtlichen Vorschriften der §§ 535–548 BGB gelten, soweit sich aus den spezielleren Vorschriften der §§ 549–577a BGB nichts anderes ergibt. Damit kommt der Vorschrift eine Ordnungsfunktion zu. 7 Die gleiche Funktion erfüllt § 549 Abs. 2, 3 BGB. Darin werden einerseits die Mietverhältnisse bestimmt, die vom Mieterschutz bei Mieterhöhung und Vertragsbeendigung ausgenommen sein sollen. Andererseits wird der sachliche Umfang der Ausnahmen festgelegt, also auf welchen Schutz der Mieter eines betroffenen Mietvertrages verzichten muss. IV. Beweislast 8 Derjenige, der sich auf ein Wohnraummietverhältnis beruft, muss dessen Vorliegen beweisen. Das Gleiche gilt für die Ausnahmetatbestände des § 549 Abs. 2, 3 BGB. Die dafür maßgeblichen Umstände sind von dem Begünstigten vorzutragen und ggf. zu beweisen. Das wird in aller Regel der Vermieter sein.

1 Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1152.

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Auf Wohnraummietverhältnisse anwendbare Vorschriften V. Abweichende Vereinbarungen

Ein ausdrückliches Verbot für abweichende Vereinbarungen von § 549 BGB sieht das 9 Gesetz nicht vor. Allerdings legen § 536 Abs. 4 BGB und die meisten Vorschriften der §§ 550–577a BGB diese Beschränkung für sich fest („Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.“). Aus dem gleichen Grund können die Parteien nicht (wirksam) vereinbaren, dass ihr Mietverhältnis unter einen der in § 549 Abs. 2, 3 BGB aufgeführten Mietverträge fällt, also eine Ausnahme vom Mieterschutz der Wohnraummiete besteht. Maßgeblich für die Geltung des Mieterschutzes sind die tatsächlichen Verhältnisse.

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B. Wohnraummiete I. Begründung eines Wohnraummietvertrages Ob die Parteien ein Mietverhältnis über Wohnraum, das nach § 549 Abs. 1 BGB ge- 11 schützt ist, begründen wollen, richtet sich nach dem übereinstimmenden Parteiwillen. Dieser muss darauf gerichtet sein, dass der Mieter die Räume zu seinem privaten Aufenthalt (im Gegensatz zu gewerblicher oder beruflicher Tätigkeit) nutzen können soll. Ob die Räume dazu überhaupt geeignet oder zugelassen sind, ist grundsätzlich unerheblich, weil der Parteiwille maßgeblich ist. Die Parteien können auch für andere Räume bzw. andere Mietzwecke vereinbaren, 12 dass das Recht der Wohnraummietverhältnisse gelten soll. Denn wegen der regelmäßig strengeren Anforderungen und engeren Voraussetzungen wird in der Regel keine Benachteiligung für den Mieter eintreten. Allenfalls wenn der Mieter Verwender i.S.v. § 305 BGB ist, können sich Ausnahmen ergeben1. Für gestufte und Mischmietverhältnisse wird auf die Erläuterungen zu Vor § 535 BGB 13 Rz. 64 ff. verwiesen. II. Ausnahmen nach § 549 Abs. 2 BGB Die Einschränkungen des Mieterschutzes nach § 549 Abs. 2 BGB können sachlich in 14 drei Fallgruppen gegliedert werden, bei denen die Vorschriften – über die Mieterhöhung nach §§ 557–561 BGB, – zum Kündigungsschutz bei Vertragsbeendigung nach §§ 568 Abs. 2, 573, 573a, 573d Abs. 1, 574–575, 575a Abs. 1 BGB, – über die Besonderheiten bei der Bildung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnungen (§§ 577, 577a BGB: Vorkaufsrecht und Kündigungssperre bei Wohnungsumwandlung) nicht gelten. Zu beachten ist, dass weder § 568 Abs. 1 BGB (Form der Kündigung) noch § 573b BGB (Teilkündigung des Vermieters) ausgeschlossen ist. 1. Wohnraum zu vorübergehendem Gebrauch, § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB a) Allgemeines Der Ausnahmetatbestand beruht auf der Erwägung, dass der Eingriff in die Eigen- 15 tumsrechte des Vermieters durch die Vorschriften des sozialen Mietrechts nur deshalb gerechtfertigt ist, weil der Wohnung als Lebensmittelpunkt für den Mieter eine besondere Bedeutung zukommt. Wählt der Mieter aber selbst die Wohnung nicht zu seinem Lebensmittelpunkt, weil sie ihm lediglich zu einem vorübergehenden Gebrauch dienen soll, ist eine Beschränkung der Rechte des Vermieters auch nicht zu rechtfertigen. Für eine Überlassung von Wohnraum zu nur vorübergehendem Gebrauch muss ein 16 Vertragszweck bestehen, der auf die Abdeckung eines vorübergehenden Wohnbedarfs des Mieters gerichtet ist. In der Regel entsteht ein solcher Bedarf aus besonde1 OLG Hamburg v. 11.9.1991 – 4 U 89/91, ZMR 1991, 476 = DWW 1991, 307 = NJW-RR 1992, 74 (allerdings für die Gewerberaummiete).

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rem Anlass. Maßgeblich ist, dass die Wohnung nicht bezogen wird, um den allgemeinen Wohnbedarf vorübergehend zu decken1. 17 Unerheblich ist, ob der Wohnraum leer oder möbliert vermietet wird. Das Aufstellen eigener Möbel und sonstiger Einrichtungen schließt das Merkmal nicht aus2. b) Vorübergehender Gebrauch 18 Zur Begründung dieses Merkmals ist zu prüfen, ob die kurze Mietzeit sich aus Umständen rechtfertigt, die in der Sphäre des Mieters liegen. Dazu ist es grundsätzlich nicht erforderlich, dass der Mieter seinen bisherigen Lebensmittelpunkt aufrechterhält. Auch ein Künstler, der im Rhythmus von zwei Wochen oder einem Monat von Ort zu Ort zieht, ohne irgendwo eine feste Wohnung zu haben, mietet für die Dauer seines Engagements „vorübergehend“. Voraussetzung ist aber, dass beide Parteien bei Vertragsschluss wegen des Zwecks der Anmietung von einer kurzen, absehbaren Mietzeit ausgehen3. Diese wird regelmäßig drei Monate nicht überschreiten4. Denn ansonsten könnte der Mieter auch nach § 573c Abs. 1 BGB kündigen. Es kann deshalb nicht angenommen werden, wenn der Mietvertrag zwar zunächst eine kurze Mietzeit von drei Wochen vorsieht, nach deren Ablauf eine (wiederholte) Verlängerung um sechs Monate eintreten soll5. 19 Als vorübergehender Wohnbedarf ist regelmäßig anzusehen, – die Zimmermiete für die Dauer befristeter beruflicher Tätigkeiten (Montage, Messe oder sonstige Ausstellung, Saisonarbeiter in Ferienorten), – die Zimmermiete für die Dauer eines zeitlich festgelegten Engagements am Ort der Wohnung (Schauspieler, Musiker, Sportler, Leiharbeiter etc.), – die Anmietung von Ferienwohnung oder Ferienhaus, – die Miete eines Hotelzimmers. 20 Ein nur vorübergehender Gebrauch liegt indes dann nicht vor, wenn – Wohnräume ohne zeitliche Begrenzung gemietet werden6, – für länger als ein Semester7 an einen Studenten vermietet wird, und zwar selbst dann, wenn das Zimmer Teil eines Studentenwohnheimes ist8, – eine mehrjährige Anmietung eines Ferienhauses bzw. einer Ferienwohnung stattfindet9 oder – Kettenmietverträge über jeweils ein Jahr geschlossen werden10. 21 Wird ein vorübergehendes Mietverhältnis durch Vereinbarung oder nach § 545 BGB verlängert, verliert es seinen Charakter nach § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Ab diesem Zeitpunkt gilt der Mieterschutz. 2. Möblierter Wohnraum i.S.v. § 549 Abs. 2 Nr. 2 BGB a) Möblierter Wohnraum 22 Der möblierte Wohnraum braucht bei Abschluss des Mietvertrags noch nicht möbliert zu sein. Entscheidend ist, dass der Vermieter vertraglich verpflichtet ist, den Wohnraum überwiegend zu möblieren. Völlig möbliert ist ein Raum dann, wenn alle zur Lebensführung benötigten Inventargegenstände vorhanden sind und die

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OLG Frankfurt v. 19.11.1990 – 20 REMiet 3/90, ZMR 1991, 63 (64). Blank/Börstinghaus, § 549 BGB Rz. 5. OLG Bremen v. 7.11.1980 – 1 UH 1/80 (a), WuM 1981, 8. A.A. Lammel, § 549 BGB Rz. 40, der eine Vermietung an einen Studenten für ein Semester dem § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB zuordnet. AG Schöneberg v. 17.4.2012 – 15 C 384/11, GE 2012, 756. OLG Bremen v. 7.11.1980 – 1 UH 1/80 (a), WuM 1981, 8. OLG Hamm v. 4.4.1986 – 7 W 13/86, ZMR 1986, 234. OLG Hamm v. 31.10.1980 – 4 REMiet 1/80, NJW 1981, 290. OLG Hamburg v. 30.9.1992 – 4 U 94/92, ZMR 1992, 538. OLG Frankfurt v. 19.11.1990 – 20 REMiet 3/90, ZMR 1991, 63.

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Räume keinen Platz bieten, weitere Möbel des Mieters aufzustellen. Überwiegend möbliert ist ein solcher Raum dann, wenn alle für die Lebensführung in diesem Raum benötigten Einrichtungen nach wirtschaftlicher Bedeutung und Anzahl zu mehr als der Hälfte vorhanden sind1. Geschirr und Wäsche gehören nicht zur Ausstattung im Sinne dieser Bestimmung. Welche weiteren Gegenstände neben Bett, Schrank, Tisch, Stuhl, Lampen, Gardinen und Bodenbelag erforderlich sind, hängt maßgeblich von der Größe und dem Schnitt der Wohnung ab. Wird die Möblierung nach Beginn des Mietvertrages geändert, insbesondere verrin- 23 gert oder sogar ganz entfernt, führt dies grundsätzlich nicht zu einer Änderung des Mietvertrages2. Erfolgt z.B. ein Austausch der Möbel durch den Mieter gegen eigenes Inventar, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an: Hat der Vermieter der Entfernung seiner Möbel ausdrücklich zugestimmt, kann sein Bewusstsein unterstellt werden, dass der Wohnraum damit seinen Möblierungsstatus verliert und der Mietvertrag dem Mieterschutz unterliegt. Nimmt der Vermieter den Austausch von Möbeln durch den Mieter lediglich zur Kenntnis, kann damit in aller Regel keine Vertragsänderung verbunden werden. b) Teil der Vermieterwohnung Der möblierte Wohnraum muss Teil der vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung 24 sein. Dazu ist es nicht erforderlich, dass sich der Vermieter ständig in dieser Wohnung aufhält3. Nicht ausreichend ist aber, wenn es sich um die Ferienwohnung oder ein Ferienhaus des Vermieters handelt. Im Hinblick auf den Zweck des § 549 Abs. 2 Nr. 2 BGB, eine schnelle Trennung der 25 räumlich engen Lebensbereiche von Mieter und Vermieter zu ermöglichen, muss ein solcher Kontakt im Rahmen der Benutzung bestehen, die Parteien also quasi „auf Tuchfühlung“ leben4. Das ist auch der Fall, wenn der eigentliche Mietraum außerhalb (z.B. im Souterrain) liegt, aber die Mitbenutzung von innerhalb der Vermieterwohnung gelegenen Räumen (z.B. Küche, Bad, Toilette) vereinbart ist. Eine derartige funktionelle Einbeziehung des Mieters und der von ihm genutzten Räume in den Wohn- und Lebensbereich des Vermieters reicht aus5. Deshalb ist eine Anwendung des § 549 Abs. 2 Nr. 2 BGB bei einem Einfamilienhaus, aber auch in einem Mehrfamilienhaus möglich6. c) Vermietung an Familie oder Haushaltsangehörige Schließlich darf der möblierte Wohnraum dem Mieter nicht zum dauernden Ge- 26 brauch mit seiner Familie oder mit Personen überlassen sein, mit denen er einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führt. Familie in diesem Sinne sind auch kinderlose Ehepaare oder Verwandte und Verschwägerte. Eine analoge Anwendung auf eine Lebensgemeinschaft, deren Mitglieder nach § 563 Abs. 2 S. 4 BGB nach dem Tod des Mieters hinsichtlich seiner Nachfolge in den Mietvertrag eintrittsberechtigt sind, ist nicht möglich. Dem Gesetzgeber des MRRG 2001 war diese Form des Zusammenlebens am 1.9.2001 bekannt und er hat sie in § 563 Abs. 2 BGB aufgenommen, ohne § 549 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu erweitern. Es fehlt also an einer planwidrigen Lücke. 3. Untervermietung durch juristische Person des öffentlichen Rechts und anerkannte private Träger der Wohlfahrtspflege a) Begünstigte Mieter § 549 Abs. 2 Nr. 3 BGB stellt die Anmietung durch einen anerkannten privaten Träger 27 der Wohlfahrtspflege derjenigen durch eine juristische Person des öffentlichen 1 2 3 4 5 6

Staudinger/Weitemeyer, § 549 BGB Rz. 30. Franke in WoBauR, § 549 BGB Anm. 5–4.2. LG Berlin v. 5.11.1979 – 61 S 153/79, WuM 1980, 134. KG v. 21.4.1981 – 8 W REMiet 1397/81, WuM 1981, 154. AG Königswinter v. 18.5.1994 – 3 C 134/94, WuM 1994, 689. KG v. 21.4.1981 – 8 W REMiet 1397/81, WuM 1981, 154; a.A. LG Mannheim v. 27.7.1977 – 4 S 16/77, DB 1977, 2374.

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Rechts gleich. Damit werden insbesondere die Verbände der freien Wohlfahrtspflege i.S.d. § 5 SGB XII, also insbesondere1 – das Deutsche Rote Kreuz e.V., – das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche e.V., – der Deutsche Caritasverband e.V., – der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband e.V., – die Arbeiterwohlfahrt Deutschland e.V., – der Verband der Kriegs- und Wehrdienstopfer, Behinderter und Sozialrentner Deutschlands e.V., – der Verband Deutscher Wohltätigkeitsstiftungen e.V., – der Bund der Kriegsblinden Deutschlands e.V., – die Bundesarbeitsgemeinschaft „Hilfe für Behinderte“ e.V., – die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V., einschließlich ihrer Landes-, Regional- oder Bezirksverbände, auf die gleiche Stufe gestellt mit den – Gemeinden, – Gemeindeverbänden, – Kirchen, – kirchlichen Organisationen, – Stiftungen des öffentlichen Rechts, – Anstalten des öffentlichen Rechts, – Studentenwerken an den deutschen Hochschulen, soweit sie nicht privatrechtlich organisiert sind2. Letzteres trifft insbesondere für die kommunalen Wohnungsgesellschaften zu3. 28 Voraussetzung ist das Bestehen eines gestuften Mietvertrages. Der Wohnraum muss – auf der oberen Stufe – von einem der vorgenannten Personen angemietet worden sein, um ihn – auf der unteren Stufe – Personen mit dringendem Wohnbedarf zu überlassen. b) Erfasste Personengruppen 29 Welche Personen zu denjenigen zählen, bei denen ein dringender Wohnbedarf besteht, wird nicht einheitlich bewertet. Einerseits werden dazu alle Personengruppen gezählt, die besondere Schwierigkeiten bei der Wohnraumsuche haben4. Dazu können dann auch Rentner, Alleinerziehende oder Studenten gehören5. Andererseits soll sich der Personenkreis an § 5 Abs. 1 WoBindG bzw. § 27 WoFG6 orientieren7. Daran ist richtig, dass die Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins auch daran geknüpft ist, dass ein Wohnbedarf besteht und die besondere Berechtigung nach Dringlichkeitsstufen unterscheidet. Indessen wäre in diesem Fall jede Weitervermietung von öffentlich gefördertem Wohnraum durch eine der begünstigten Personen ein Anwendungsfall des § 549 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Dies hätte zur Konsequenz, dass z.B. eine Gemeinde als Mieter stets den Kündigungsschutz umgehen könnte. Im Übrigen bestehen für die Wohnungssuchenden i.S.v. § 5 Abs. 1 WoBindG bzw. § 27 WoFG staatliche Wohnungsbauprogramme, so dass grundsätzlich ein zusätzliches Bedürfnis, diese Bevölkerungsgruppe vom Mieterschutz auszunehmen, nicht zu erkennen ist. Das Gleiche gilt für Rentner und Studenten. Letztere sind bereits durch § 549 Abs. 3 BGB 1 2 3 4 5 6

Vgl. Lammel, § 549 BGB Rz. 33. Blank/Börstinghaus, § 549 BGB Rz. 17. Schmidt-Futterer/Blank, § 549 BGB Rz. 18. Elzer/Riecke, § 549 BGB Rz. 7; Schmidt-Futterer/Blank, § 549 BGB Rz. 21. Schmidt-Futterer/Blank, § 549 BGB Rz. 21. Natürlich gelten aktuell die entsprechenden Bestimmungen der Landesgesetze, die die Nachfolge des WoFG angetreten haben. 7 Lammel, § 549 BGB Rz. 35; Franke in WoBauR, § 549 BGB Anm. 6–9.

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erfasst, ohne dass ersichtlich ist, den fehlenden Mieterschutz innerhalb der Bevölkerungsgruppe zu erweitern. Bei Rentnern würde die Annahme eines Falles des § 549 Abs. 2 Nr. 3 BGB dazu führen, dass in Altenheimen der begünstigten Institutionen kein Kündigungsschutz gelten würde. Auch dafür ist kein Grund ersichtlich. Schließlich sind ethnische Merkmale (Gastarbeiter, Aussiedler1) unabhängig von der Geltung des AGG kein ausreichender Grund, die Anwendung des § 549 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu rechtfertigen. Im Hinblick auf den Wortlaut der Vorschrift kann deshalb eine Einschränkung des 30 Kündigungsschutzes nur angenommen werden, wenn die Anmietung auf der ersten Stufe erfolgt, um die Beherbergung von Mietgliedern aus gesellschaftlichen Randgruppen sicherzustellen, die ohne Weiteres keine (eigene) Wohnung auf dem allgemeinen Markt finden. Dazu zählen Drogenabhängige in Therapie, entlassene Strafgefangene, Behinderte, Nichtsesshafte (Obdachlose) oder ähnliche Randgruppen, deren Versorgung mit Wohnraum gesellschaftlich erwünscht, praktisch aber nur über besondere Einrichtungen zu realisieren ist. Auch die Einrichtung eines Frauenhauses gehört hierher. Der konkrete Mieter muss bei Abschluss des Mietvertrages keinen dringenden Be- 31 darf an Wohnraum gehabt haben2. Maßgeblich ist der Zweck auf der ersten Stufe, also dass der Wohnraum zum Zwecke der Weitervermietung an entsprechende Personen angemietet und darauf bei Abschluss des Mietvertrages ausreichend hingewiesen wurde. Nicht erfasst wird die Anmietung zum Zweck der Überlassung an in Ausbildung 32 befindliche Personen. Diese Fälle werden regelmäßig unter § 549 Abs. 3 BGB subsumiert. c) Hinweispflicht Der Kündigungsschutz entfällt nur bei einem bei Vertragsschluss erteilten Hinweis an den Endnutzer (Untermieter). Die danach notwendige Aufklärung muss sich beziehen auf – die Zweckbestimmung und – das Entfallen des Kündigungsschutzes.

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Eine Form ist für den Hinweis nicht vorgesehen. Deshalb kann er auch mündlich 34 erteilt werden3. Inhaltlich reicht die Bezugnahme auf das Gesetz (§ 549 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Es ist nicht erforderlich, auf jede einzelne Norm, deren Anwendung ausgeschlossen werden soll, hinzuweisen und deren „Nichtgeltung“ zu erläutern4. Abgesehen davon, dass das Gesetz als bekannt vorausgesetzt werden kann, reicht der Hinweis aus, dass Kündigungsschutz nicht besteht und auch der gesetzliche Schutz vor Mieterhöhungen ausgeschlossen ist. Eine inhaltliche Belehrung schuldet der Vermieter nicht5. Denn dann müsste es auch darauf ankommen, dass der Mieter die Belehrung verstanden hat. Die Anwendung des § 549 Abs. 2 Nr. 3 BGB wäre dann abhängig vom Intellekt des Mieters, also dem Zufall unterworfen. III. Studenten- und Jugendwohnheime 1. Erfasste Einrichtungen § 549 Abs. 3 BGB soll wegen des geringen Bestandes an Studenten- und Jugendwohn- 35 heimen ein Auswechseln der Bewohner erleichtern, so dass möglichst viele Mietglieder der begünstigten Personengruppe zumindest zeitweilig in den Genuss eines solchen (in der Regel: preiswerten) Wohnplatzes kommen können. Vor diesem Hin1 Vgl. Franke in WoBauR, § 549 BGB Anm. 6–9. 2 Staudinger/Weitemeyer, § 549 BGB Rz. 40; MünchKomm/Bieber, § 549 BGB Rz. 25; SchmidtFutterer/Blank, § 549 BGB Rz. 24. 3 Blank/Börstinghaus, § 549 BGB Rz. 25. 4 A.A. offenbar Schmidt-Futterer/Blank, § 549 BGB Rz. 26. 5 A.A. Franke in WoBauR, § 549 BGB Anm. 6–10; Lammel, § 549 BGB Rz. 37.

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tergrund ist die Einschränkung des sozialen Mieterschutzes nach dem Willen des Gesetzgebers gerechtfertigt1. Die Bestimmung differenziert nicht zwischen leerem und möbliertem Wohnraum. 36 Mit Rücksicht darauf kommt es für die Qualifizierung als Studentenwohnheim nicht darauf an, ob ein Wohngebäude nach seiner baulichen Anlage und Ausstattung ausschließlich oder überwiegend zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Unterbringung einer Vielzahl von Studenten der Universitäten, Technischen Hochschulen und höheren Fachschulen für die Dauer ihrer Ausbildung bestimmt ist und/oder die Aufnahme dieses Personenkreises nicht mit der Absicht der Gewinnerzielung, sondern zu fremdnützigen Zwecken erfolgt2. Vielmehr setzt ein solches Wohnheim in der Regel die Zweckwidmung des Gebäudes voraus, verfügt über eine Heimverfassung und bietet Wohnraum zu einem Preis an, der weit unter dem ortsüblichen Mietzins liegt. 37 Solange der Charakter des Gebäudes und die damit verbundene Rotationsabsicht jedoch nicht durch eine Selbstbindung bestimmt ist, kann sich der Vermieter nicht auf die Ausnahme vom Mieterschutz berufen3. Eine solche Selbstbindung ergibt sich noch nicht aus der Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Studentenwohnheimes. Vielmehr ist die Dokumentation eines Belegungskonzepts erforderlich4. Dieses Konzept kann sich z.B. ergeben aus einer – Satzung, – Selbstbindung, – konstanten tatsächlichen Übung. 38 Die Norm bezieht auch nicht auf die konkrete Wohnung, sondern die Einrichtung, in der der Wohnraum liegt. Deshalb fällt das Studentenzimmer eines privaten Vermieters nicht in den Anwendungsbereich der Norm, möglicherweise aber unter § 549 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Begünstigt werden Heime mit öffentlicher, kirchlicher und privater Trägerschaft, die eine Versorgung der begünstigten Personengruppe mit preiswertem Wohnraum verfolgen. Diese Heime müssen nicht in separaten Gebäuden untergebracht sein. Die Voraussetzungen können auch von einer Einrichtung erfüllt werden, die sich nur auf einer einzelnen Etage befindet. Auch weitere bauliche Anforderungen werden nicht gestellt5. 39 Eine Einrichtung gilt als Heim i.S.d. § 549 Abs. 3 BGB, wenn sie nach der Bestimmung ihres Trägers der Aufnahme einer Vielzahl von Studenten oder bei Jugendheimen von Schülern, Lehrlingen und sonstigen Jugendlichen dienen und diesen Personen preisgünstigen Wohnraum nur mit Rücksicht auf ihre Zugehörigkeit zu dieser Bevölkerungsgruppe zur Verfügung stellen soll6. Dabei muss aber eine Rotation nach abstrakt-generellen Kriterien vom Träger vorgesehen und praktiziert werden7. Maßgeblich ist insoweit einerseits die Vergabepraxis, nach der der Zweck im Vordergrund stehen muss, und ein im Verhältnis zur ortsüblichen Miete preisgünstiges Entgelt. Das setzt nicht unbedingt voraus, dass Gemeinschaftseinrichtungen und eine Heimleitung vorhanden ist8. 40 Die Eigenschaft der jeweiligen Einrichtung geht nicht dadurch verloren, dass ein Student über die Beendigung seines Studiums hinaus in dem Wohnraum bleibt oder ein Jugendlicher volljährig wird9. Die Einrichtung verliert während der Dauer des Miet-

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BGH v. 13.6.2012 – VIII ZR 92/11, WuM 2012, 447 = GE 2012, 954 = ZMR 2013, 98. A.A. AG München v. 11.10.1991 – 233 C 17396/91, WuM 1992, 133. BGH v. 13.6.2012 – VIII ZR 92/11, MDR 2012, 897 = WuM 2012, 447 = NZM 2012, 606. BGH v. 13.6.2012 – VIII ZR 92/11, MDR 2012, 897 = WuM 2012, 447 = NZM 2012, 606. OLG Bremen v. 12.12.1988 – 1 UH 2/88 (b), ZMR 1989, 218; AG München v. 11.10.1991 – 233 C 17396/91, WuM 1992, 133. OLG Bremen v. 12.12.1988 – 1 UH 2/88 (b), ZMR 1989, 218. BGH v. 13.6.2012 – VIII ZR 92/11, MDR 2012, 897 = WuM 2012, 447 = NZM 2012, 606; LG Heidelberg v. 25.2.2011 – 5 S 87/10, WuM 2011, 167 = ZMR 2011, 470. LG Konstanz v. 8.7.1994 – 1 S 26/94, WuM 1995, 539. Schmidt-Futterer/Blank, § 549 BGB Rz. 38.

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Form des Mietvertrags

vertrages ihren Status auch nicht deshalb, weil der Vermieter z.B. den Zweck nicht weiterverfolgt. Eine Änderung des Charakters des Mietvertrages setzt eine Vertragsänderung durch 41 die Parteien voraus. Die bloße Aufgabe der Bestimmung des Wohnraums durch den Vermieter führt dies noch nicht herbei. Maßgeblich ist, der übereinstimmende Wille bei Abschluss des Mietvertrages. Deshalb kann der Vermieter auch bei (einseitigem) Wegfall der Eigenschaft des § 549 Abs. 3 BGB frei entscheiden, wann er – ohne Mieterhöhungs- oder Kündigungsschutz – die Miete erhöht oder kündigt. Die Gegenansicht1, die das Vorliegen der Voraussetzungen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung verlangt, kann zwar für sich reklamieren, dass der Status des Mietvertrages von der Zweckbestimmung des Wohnraums abhängt. Indessen ist der Ausschluss des Mieterschutzes nach § 549 Abs. 3 BGB vom Willen der Parteien bei Abschluss des Mietvertrages getragen. Deshalb kann er nur einvernehmlich aufgehoben werden. 2. Rechtsfolge Bei den Mietverträgen i.S.d. § 549 Abs. 3 BGB wird nur die Anwendbarkeit der auf- 42 gezählten Vorschriften ausgeschlossen. Die Sozialklausel der §§ 574–574b BGB bleibt anwendbar. Wird allerdings in einem solchen Heim ein Zimmer zu nur vorübergehendem Gebrauch vermietet (z.B. Praktikum des Studenten in einer anderen Stadt), greift § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein mit der Folge, dass die Sozialklausel nicht anwendbar ist. Für die Kündigung gilt im Übrigen § 568 BGB. Eine Teilkündigung nach § 573b BGB ist grundsätzlich möglich.

§ 550 Form des Mietvertrags Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV. V.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . Darlegungs- und Beweislast . . . Abweichende Vereinbarungen .

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B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff der Schriftform. . . . . . . . . . . . 1. Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einheit der einzelnen Blätter (Lose-Blatt-Rechtsprechung) . . . c) Urkundeneinheit bei Nachträgen. d) Unterschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schriftzug . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterschrift der Parteien . . . . cc) Handeln von Vertretern . . . . .

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11 11 13 13

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dd) Gesamtvertreter . . . . . . . . . . . 2. Schriftform und Zustandekommen des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarte Schriftform, § 154 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schriftform bei Angebot und Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einigung unter Abwesenden, § 147 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verspätete Annahme, § 147 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einigung unter Anwesenden . dd) Notwendige Anzahl der Ausfertigungen . . . . . . . . . . . . II. Längere Zeit als ein Jahr . . . . . . . . . . III. Einhaltung der Schriftform . . . . . . . . 1. Wesentliche Vertragsabreden . . . . . . 2. Bestimmbare Dokumentation . . . . . 3. Beschreibung des Mietobjektes . . . . 4. Angabe der Vertragsparteien . . . . . .

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1 Lammel, § 549 BGB Rz. 41.

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§ 550 BGB 5. Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Mietzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Einwand des Rechtsmissbrauchs . a) Allgemein. . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachholklausel . . . . . . . . . . . . . 8. Folgen des Schriftformmangels . . IV. Nachträgliche Änderungen . . . . . . 1. Anforderungen des § 550 BGB . . . 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formwirksame Änderung . . . . .

Form des Mietvertrags . . . . . . . . . .

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74 77 79 79 84 88 90a . 91 . 93 . 93

V. VI. VII. VIII.

b) Formunwirksame Änderung . . . . . Heilung von Schriftformmängeln . . . . Rechtsfolgen der Schriftform . . . . . . . Notwendige notarielle Beurkundung . Schriftlichkeitsgebot des § 6 Abs. 1 ZwVwVO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97 101 106 107 109

C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . 110 I. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110a

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 § 550 BGB macht zunächst deutlich, dass die Wirksamkeit von Mietverträgen grundsätzlich nicht von Formfragen abhängig ist. Die Einhaltung der Schriftform ist vielmehr nur für die Laufzeit relevant. Dieser Grundsatz gilt für Verträge, deren Laufzeit länger als ein Jahr betragen soll. Wird die Schriftform nicht beachtet, führt dies nicht zur Unwirksamkeit, sondern zu einem Recht beider Parteien, den Mietvertrag ordentlich zu kündigen. Denn die mangelnde Beachtung der Schriftform führt zur Unwirksamkeit der Befristung, so dass der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 2 Neben der unmittelbaren Anwendbarkeit auf Wohnraummietverträge gilt die Norm über § 578 Abs. 1 und 2 BGB entsprechend für Mietverträge über Räume, die keine Wohnräume sind, sowie für Grundstücke (einschließlich Grundstücksteile) und über § 581 Abs. 2 BGB entsprechend für Pachtverhältnisse, soweit dabei Grundstücke oder Räume überlassen werden1. Für die Landpacht gilt § 585a BGB. 3 Auch wenn die Regelung ihren Standort bei den Mietverträgen über Wohnraum hat, ist sie in der Praxis überwiegend im Zusammenhang mit Mietverträgen über Gewerberaum relevant. In der Wohnraummiete findet sie Anwendung im Zusammenhang mit Zeitmietverträgen nach § 575 BGB und dem Kündigungsverzicht, und zwar auch dem einseitigen, sofern der Vermieter länger als ein Jahr gebunden sein soll. Ob es sich dabei um Untermiet- oder Unterpachtverträge handelt, ist unerheblich. Nicht anwendbar ist § 550 BGB auf Vorverträge, Automatenaufstellverträge2 und die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung3. 2. Anwendbare Rechtsprechung 4 Da eine Übergangsregelung fehlt, ist die Vorschrift ohne zeitliche Einschränkung anwendbar. Dementsprechend ist auch die Rechtsprechung, die Fragen der Schriftform in der Rechtslage vor dem 1.9.2001 betrifft, auf § 550 BGB übertragbar. III. Zweck der Vorschrift 5 In erster Linie soll die Norm den potentiellen Grundstückserwerber schützen, der nach § 566 BGB in den Mietvertrag eintritt. Dieser soll sicher in die Lage versetzt werden, sich ein Bild über die Rechte und Pflichten zu verschaffen, die ihn länger als ein Jahr binden können4. Dies bedeutet nicht, dass es Aufgabe der Schriftform ist, dem Erwerber Gewissheit zu verschaffen, ob der Mietvertrag wirksam zustande gekom-

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BGH v. 13.1.1982 – VIII ZR 225/80, WM 1982, 431. BGH v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65, NJW 1967, 1414. OLG Köln v. 24.11.1993 – 11 U 127/93, ZMR 1994, 260. BGH v. 20.4.2005 – XII ZR 192/01, MDR 2005, 857 = ZMR 2005, 534 = NJW 2005, 1861.

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men ist1. Denn soweit ein Eintritt des Grundstückserwerbers in einen Mietvertrag nicht stattfindet, weil dieser nicht oder nicht mehr besteht, bedarf es auch nicht des Schutzes der Schriftform vor einer langjährigen Bindung an unbekannte Bedingungen. Dieser Schutzzweck beschränkt den Anwendungsbereich der Vorschrift nicht. Viel- 6 mehr können sich auch die ursprünglichen Vertragsparteien auf den Schutz des § 550 BGB berufen2. Diese sollen durch § 550 BGB vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen geschützt werden (Warnfunktion); ihnen dient die Schriftform des § 550 BGB dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden sicherzustellen (Beweisfunktion)3. Davon ist offensichtlich auch der Gesetzgeber ausgegangen, indem er durch das Mietrechtsreformgesetz die frühere Vorschrift des § 566 BGB a.F. in Kenntnis dieser Rechtsprechung nur mit redaktionellen, aber ohne inhaltliche Änderungen als § 550 BGB übernommen hat4. IV. Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der Schriftform trifft grundsätz- 7 lich denjenigen, der aus dem formungültig geschlossenen Vertrag eine für ihn günstige Rechtsfolge herleiten will5. Beweispflichtig ist danach nicht die Vertragspartei, für die die mündliche Abrede günstig ist, sondern derjenige, der sich auf die Kündigungsmöglichkeit beruft. Dazu kann grundsätzlich auch eine Auslegung geltend gemacht werden6. Dann muss der Beweisbelastete die dafür tragenden Umstände beweisen. Allerdings sind außerhalb der Urkunde liegende Umstände, wie z.B. eine gemeinsame Besichtigung des Mietobjektes, regelmäßig ungeeignet, die Einhaltung der Schriftform im Wege der Auslegung herbeizuführen. Eine Beweisbelastung des anderen Vertragspartners kommt in Betracht, wenn der 8 Beweispflichtige durch eine Urkunde oder sonstige Umstände, die einen Schriftformmangel begründen, den Nachweis führt, dass die Voraussetzungen der §§ 550, 126 BGB nicht eingehalten sind. In diesem Fall obliegt es dem Prozessgegner, einen davon abweichenden Sachverhalt vorzutragen und zu beweisen. Hat also z.B. der Erwerber dargelegt, dass (allein) eine mündliche Verlängerung der Mietzeit vereinbart wurde, muss nicht der Erwerber beweisen, dass die vom Mieter behauptete Optionsausübung nicht stattgefunden hat. Vielmehr muss der Mieter die wirksame Ausübung der Option darlegen und beweisen. V. Abweichende Vereinbarungen § 550 BGB enthält zwingendes Recht7. Dies ergibt sich bereits aus seinem Regelungsgehalt.

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Sog. Nachholklauseln (vgl. § 550 BGB Rz. 84) verpflichten die Parteien, insbesondere 10 an der Heilung später entdeckter Schriftformmängel mitzuwirken. Damit hindert eine solche Regelung die Kündigung als solche nicht8. Allerdings führt die Heilungspflicht zu einer Erschwerung des (unabdingbaren) Kündigungsrechts, indem sie den Kündigenden Schadensersatzansprüchen aussetzt. Dies allein macht deutlich, dass sie jedenfalls formularmäßig gegen § 307 BGB verstößt. Ist allerdings von vornherein 1 BGH v. 19.9.2007 – XII ZR 121/05, MDR 2007, 1414 = ZMR 2007, 953 = NJW 2007, 3346 m.w.N. 2 BGH v. 7.5.2008 – XII ZR 69/06, MDR 2008, 851 = GE 2008, 798 = ZMR 2008, 794 = NZM 2008, 482. 3 Vgl. BGH v. 24.6.1998 – XII ZR 195/96, NJW 1998, 2664 (2666) (zur Beweis- und Warnfunktion); BGH v. 24.9.1997 – XII ZR 234/95, NJW 1998, 58 (61); BGH v. 15.6.1981 – VIII ZR 166/80, NJW 1981, 2246 (2247) (zur Warnfunktion). 4 Vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 47 = BR-Drucks. 439/00, S. 118. 5 Staudinger/Emmerich, § 550 BGB Rz. 50; Blank/Börstinghaus, § 550 BGB Rz. 95. 6 BGH v. 30.6.1999 – XII ZR 55/97, WuM 1999, 516. 7 Palandt/Weidenkaff, § 550 BGB Rz. 2. 8 OLG Rostock v. 10.7.2008 – 3 U 108/07, NZM 2008, 646; a.A. KG v. 13.11.2006 – 8 U 51/06, NJWRR 2007, 805; OLG Düsseldorf v. 11.5.2004 – I-24 U 264/03, DWW 2004, 224; OLG Köln v. 23.9.2005 – 1 U 43/04, OLGR 2005, 697; OLG Celle v. 22.7.2004 – 13 U 71/04, NZM 2005, 219.

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der Vertrag (bewusst) lückenhaft (hier: noch nicht festgelegte Freifläche), kann eine entsprechende Klausel über § 242 BGB ausnahmsweise eine Pflicht zur Nachbeurkundung begründen1. B. Wohnraummiete I. Begriff der Schriftform 11 Obwohl der Gesetzgeber (im Gegensatz zu § 566 BGB a.F.) nicht ausdrücklich auf die Schriftform abgestellt hat, erfasst die „schriftliche Form“ die Anforderungen des § 126 BGB2. Die gewillkürte Schriftform – mit ihren Erleichterungen nach § 127 Abs. 2 BGB – ist nicht ausreichend, um die Vorgaben des § 550 BGB einzuhalten3. 12 Demgemäß müssen die Vorgaben des § 126 BGB beachtet werden. Es muss eine Urkunde geschaffen werden, die grundsätzlich von beiden Parteien unterschrieben werden muss, § 126 Abs. 2 S. 1 BGB. Werden mehrere gleichlautende Urkunden hergestellt, reicht die Unterschrift der jeweiligen Partei auf der für die andere Partei vorgesehenen Ausfertigung aus. 1. Urkunde a) Allgemein 13 Zur Einhaltung der Schriftform ist es nach § 126 Abs. 2 BGB zunächst erforderlich, dass eine Urkunde errichtet wird. Dies erfordert, dass die (wesentlichen) Abreden der Parteien in einer Urkunde zusammengefasst werden, die von beiden Parteien unterzeichnet wird. Denn unter einer Urkunde ist jede in Schriftzeichen dauerhaft verkörperte Gedankenäußerung zu verstehen, die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist und einen Aussteller erkennen lässt. 14 Zur Wahrung der Schriftform des § 550 BGB ist es grundsätzlich erforderlich, dass sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere Mietgegenstand, Miete sowie Dauer und Parteien des Mietverhältnisses – aus der Vertragsurkunde ergibt4. Diesen Anforderungen wird nicht genügt, wenn die Vertragsurkunde zwar von beiden Parteien unterschrieben ist, die Unterschriften jedoch nicht die zur Herbeiführung der übereinstimmenden Willenserklärungen abgegebenen Erklärungen dokumentieren, diese vielmehr in dem außerhalb der Urkunde liegenden Schriftwechsel enthalten sind5. Dieser Fall liegt z.B. vor, wenn der Vermieter dem Mieter das einseitig von ihm unterschriebene Exemplar des Mietvertrages übermittelt, im Anschreiben aber mitteilt, er sei nur bereit, den Mietvertrag zu akzeptieren, wenn der Mieter vorab eine Zahlung von 5000 Euro leiste, die nicht mit Mietansprüchen zu verrechnen sei, der Mieter den gegengezeichneten Vertrag übermittelt und den geforderten Betrag überweist. 15 Grundsätzlich verlangt die Schriftform, dass die von den Parteien getroffene Einigung in einer Urkunde niedergelegt wird. Haben sich die Parteien also mündlich geeinigt, besteht die Aufgabe der Schriftform darin, den Inhalt dieser Einigung zu dokumentieren. Ist die Einigung nach § 147 BGB, also unter Abwesenden zustande gekommen, kommt der Schriftform regelmäßig auch konstitutive Wirkung zu.

1 OLG Celle v. 22.7.2004 – 13 U 71/04, NZM 2005, 219. 2 MünchKomm/Bieber, § 550 BGB Rz. 10; Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rz. 7; Blank/ Börstinghaus, § 550 BGB Rz. 27; Staudinger/Emmerich, § 550 BGB Rz. 3; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. I 106; Palandt/Weidenkaff, § 550 BGB Rz. 1. 3 A.A. Eckert, NZM 2001, 409 (410); Ormanschick/Riecke, MDR 2002, 247; ähnlich Löwe, NZM 2000, 577 (580). 4 Vgl. BGH v. 29.4.2009 – XII ZR 142/07, NJW 2009, 2195 (2196); BGH v. 7.5.2008 – XII ZR 69/06, MDR 2008, 851 = GE 2008, 798 = ZMR 2008, 794 = NZM 2008, 482 (Rz. 18); a.A. Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rz. 33 m.w.N. 5 BGH v. 18.10.2000 – XII ZR 179/98, ZMR 2001, 98.

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b) Einheit der einzelnen Blätter (Lose-Blatt-Rechtsprechung) Bei einer Urkunde, die aus mehreren Blättern besteht (was bei Mietverträgen die Re- 16 gel ist), muss zwischen den einzelnen Blättern eine Einheit geschaffen werden, um ihre Zusammengehörigkeit zu dokumentieren. Dazu wurde zunächst eine körperlich feste Verbindung zwischen den einzelnen Blättern derart verlangt, dass die Herausnahme einzelner Seiten nicht ohne Zerstörung der festen Verbindung möglich war1. Mittlerweile hat die Rechtsentwicklung ergeben, dass die Einheit der einzelnen Blätter sich auch aus anderen Umständen ergeben kann, wie z.B. der fortlaufenden Paginierung der einzelnen Blätter, der fortlaufenden Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, der einheitlichen graphischen Gestaltung des Textes, dem inhaltlichen Zusammenhang des Textes oder vergleichbaren Merkmalen2. Das Problem der Urkundeneinheit stellt sich auch bei der Beifügung von Anlagen. 17 Dies gilt jedenfalls dann, wenn durch die in Bezug genommene Anlage eine wesentliche Vertragsbedingung tangiert wird. Das ist bei der (losen) Beifügung eines Katalogs der umlegbaren Betriebskosten nicht der Fall, wenn im Mietvertrag selbst eine Regelung enthalten ist, die die Umlagefähigkeit und den Umlagemaßstab hinreichend bestimmbar regelt, und in der Anlage keine davon abweichenden Bestimmungen enthalten sind3. Das Gleiche gilt für eine Hausordnung, die nur belanglose Regelungen (z.B. Teppichklopfen, Waschküchenbenutzung, Beaufsichtigung von Kindern) enthält. Bestimmt der Vertrag aber, dass die Nichteinhaltung der Hausordnung als Vertragsverletzung, die zur Kündigung berechtigt, anzusehen ist, liegt die Annahme einer wesentlichen Vertragsabrede nahe4. Eine Einheit zwischen Urkunde und Anlagen wird, sofern keine körperlich feste Ver- 18 bindung besteht, durch eine Bezugnahme hergestellt. Dazu ist bei einer losen Beifügung von Anlagen grundsätzlich ein eindeutiger Verweis im Text des Vertrages erforderlich, der eine Zuordnung zu dem Vertrag ermöglicht5. Denn auch wenn sich aus der Anlage nicht ergibt, welcher Vertrag durch die Anlage ergänzt werden soll, wird der potentielle Grundstückserwerber durch die Verweisung im Hauptvertrag auf die Existenz einer solchen Anlage hingewiesen und kann eine sichere gedankliche Verbindung mit der Anlage herstellen6. An der Zuordnung kann erst recht kein Zweifel bestehen, wenn die Parteien zusätzlich jedes Blatt der Anlage unterschrieben haben7. Ausnahmsweise kann auch die Unterschrift auf der letzten Seite einer (durchnummerierten) Anlage ausreichen, die aus mehreren Blättern besteht8, oder der ausdrückliche Verweis im Text des Mietvertrages auf eine vom Vermieter handschriftlich ausgefüllte Anlage, die vom Mieter unterschrieben wird9. Die erforderliche Einheit wird jedoch nicht hergestellt, wenn zwar Vertrag und Anlagen fortlaufend nummeriert sind, im Mietvertrag selbst aber nicht zu erkennen ist, in welchem Umfang Anlagen dem Vertragstext beigefügt sind, und sich aus der fortlaufenden Nummerierung nicht entnehmen lässt, wo der Mietvertrag zu Ende ist10. c) Urkundeneinheit bei Nachträgen Nachträgliche Änderungen des Mietvertrages können in unterschiedlicher Form er- 19 folgen. Wird die Änderung dadurch bewirkt, dass der Text des Vertrages in der Urkunde selbst ergänzt oder nachträglich abweichend formuliert wird, liegt eine Verlet-

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So noch z.B.: BGH v. 13.11.1963 – V ZR 8/62, BGHZ 40, 255, 263. BGH v. 24.9.1997 – XII ZR 234/95, MDR 1998, 31 = WuM 1997, 667 = ZMR 1998, 12. BGH v. 30.6.1999 – XII ZR 55/97, ZMR 1999, 691. OLG Naumburg v. 13.7.1999 – 11 U 352/98, WuM 2000, 671. BGH v. 18.12.2002 – XII ZR 253/01, ZMR 2003, 337. BGH v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, NJW 2000, 354. BGH v. 21.1.1999 – VII ZR 93/97, ZMR 1999, 535. KG v. 25.1.1999 – 8 U 2822/97, ZMR 1999, 705. OLG Köln v. 26.2.1999 – 11 U 163/98, NJW-RR 1999, 1313. OLG Dresden v. 18.2.1998 – 12 U 3202/97, ZMR 1998, 420.

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zung der Schriftform nicht vor, wenn dieses Verhalten übereinstimmend stattfindet. Denn dann ist davon auszugehen, dass die Unterschrift (auch) die Änderung deckt1. 20 Für die Errichtung von Nachtragsurkunden gilt nichts anderes als für die Urkundeneinheit, wenn in der Nachtragsurkunde wesentliche Vertragsabreden geändert oder (erstmals) dokumentiert werden sollen. Ergibt sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel von „verstreuten“ Bedingungen, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit der Schriftstücke in geeigneter Weise (zweifelsfrei) kenntlich machen2. Dazu ist eine feste Verbindung des Nachtrages mit der Ausgangsurkunde grundsätzlich nicht erforderlich3. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss4. Diese eindeutige Bezugnahme kann z.B. durch die Bezeichnung des Mietobjektes, der Parteien und des Datums des Ursprungsvertrages hergestellt werden5. Diese Anforderungen sind erfüllt, wenn Veräußerer und Erwerber im notariellen Vertrag unter Mitwirkung des Mieters Änderungen des Mietobjektes (hier: Verringerung der Fläche) vereinbaren und im Übrigen festhalten, dass ansonsten der Mietvertrag unverändert bleiben soll6. 21 Die Bezugnahme auf frühere Urkunden ist aber nicht ausreichend, wenn in der Nachtragsurkunde nicht auf alle Schriftstücke verwiesen wird, aus denen sich sämtliche wesentlichen Vertragsabreden ergeben7. Denn insoweit fehlt es an der für die Wahrung der Schriftform erforderlichen lückenlosen Dokumentation der Einigung, aus der sich die wesentlichen vertraglichen Abreden der Parteien ergeben8. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn der Mieter in der ursprünglichen Vertragsurkunde den Vorbehalt einer Nachprüfung der Baubeschreibung erklärt, dieser Vorbehalt später durch einvernehmliche Regelung aufgehoben wird, dabei aber gleichzeitig Regelungen zum Übergabetermin vereinbart werden und in einem (noch) späteren Nachtrag über einen Mieterwechsel nach Invollzugsetzung des Mietvertrages allein auf die ursprüngliche Vertragsurkunde Bezug genommen wird. 22 Eine Urkunde, die eine Änderung dokumentiert und ihrerseits dem Schriftformerfordernis genügt, heilt den Mangel vorher errichteter Urkunden, es sei denn, der Mangel ist inhaltlicher Natur und wird in der Nachtragsvereinbarung nicht geändert9. Ein Nachtrag heilt also grundsätzlich einen Formverstoß des Ursprungsvertrages10. War im Ausgangsvertrag z.B. das noch zu errichtende Mietobjekt nicht ausreichend beschrieben (fehlende Beifügung einer Grundrisszeichnung) und schließen die Parteien nach Fertigstellung einen Nachtrag, in dem sie zur Beschreibung auf den Ursprungsvertrag verweisen, ist die Schriftform gewahrt, weil das Objekt nun fertiggestellt und die Mietsache zumindest bestimmbar ist11. Das gilt auch dann, wenn schon das wirksame Zustandekommen des Ursprungsvertrages zweifelhaft ist, die Parteien aber in einem Nachtrag auf die Ursprungsurkunde Bezug nehmen (z.B. in der Präambel), so dass eine (innerliche) Einheit zwischen der formwirksamen Nachtragsvereinbarung und dem (unwirksamen) Ausgangsvertrag besteht12. 1 BGH v. 27.6.1994 – III ZR 117/93, NJW 1994, 2300; BGH v. 24.1.1990 – VIII ZR 296/88, NJW-RR 1990, 518. 2 BGH v. 30.6.1999 – XII ZR 55/97, BGHZ 142, 158, 161; BGH v. 7.7.1999 – XII ZR 15/97, NJW 1999, 3257 (3258); BGH v. 10.10.2001 – XII ZR 93/99, NJW-RR 2002, 8; BGH v. 18.12.2002 – XII ZR 253/01, NJW 2003, 1248; BGH v. 25.7.2007 – XII ZR 153/05, NJW 2007, 3202. 3 BGH v. 30.6.1964 – V ZR 7/63, BGHZ 42, 333. 4 BGH v. 18.12.2002 – XII ZR 253/01, NJW 2003, 1248. 5 BGH v. 26.2.1992 – XII ZR 129/90, NJW 1992, 2283. 6 BGH v. 23.2.2000 – XII ZR 251/97, NZM 2000, 381. 7 BGH v. 9.4.2008 – XII ZR 89/06, GE 2008, 805 = ZMR 2008, 701. 8 OLG Rostock v. 8.10.2009 – 3 U 137/08, ZMR 2010, 682. 9 BGH v. 9.4.2008 – XII ZR 89/06, GE 2008, 805 = ZMR 2008, 701. 10 BGH v. 4.11.2009 – XII ZR 86/07, GE 2010, 53. 11 OLG Düsseldorf v. 6.11.2008 – 24 U 149/07, ZMR 2011, 629; OLG Naumburg v. 7.6.2005 – 9 U 20/05, GuT 2006, 16. 12 BGH v. 29.4.2009 – XII ZR 142/07, NZM 2009, 515.

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Der Formmangel eines Änderungsvertrages führt dazu, dass der zunächst formwirk- 23 sam geschlossene Vertrag nunmehr gleichfalls der Schriftform entbehrt1. Eine Ausnahme besteht, wenn der Änderungsvertrag in den Inhalt des laufenden Vertrages nicht eingreift, sondern lediglich zur Folge hat, dass der vereinbarten Laufzeit ein weiterer Zeitabschnitt angefügt wird2. Dann bleibt die ursprüngliche Laufzeit unberührt. Der Mietvertrag kann erst gekündigt werden, wenn die Laufzeit beendet ist. d) Unterschrift aa) Schriftzug Zur Einhaltung der Schriftform ist es erforderlich, dass alle Vertragspartner die Ur- 24 kunde unterzeichnen. Dabei muss die Unterschrift den Text abschließen. Dazu muss sie grundsätzlich am Ende des Textes stehen. Denn sie soll kennzeichnen, dass alles über ihr Stehende von der Person des Unterzeichners akzeptiert wird3. Den Anforderungen an die Unterschrift genügt ein die Identität des Unterschreiben- 25 den ausreichend kennzeichnender, individueller Schriftzug mit entsprechend charakteristischen Merkmalen, der sich als Unterschrift des vollen Namens und nicht nur als Abzeichnung mit einer Namensabkürzung darstellt; auf Lesbarkeit kommt es grundsätzlich nicht an4. Dem genügt eine Wellenlinie, wenn die ersten beiden Wellen den Anfangsbuchstaben „W“ des Unterschreibenden erkennen lassen5. Auch ein „K“ mit einem weiteren Aufstrich ist eine Unterschrift6. Die Unterschrift muss nicht unbedingt der letzte Akt der Einigung sein. Es ist auch 26 möglich, eine Blanko-Unterschrift zu erteilen, über die nachfolgend der Text gesetzt wird. Maßgeblich ist dabei, dass der (nachträglich hinzugefügte) Inhalt der Urkunde vom Willen der Personen, die (blanko) unterschrieben haben, gedeckt ist7. Aus den gleichen Gründen begründen nachträgliche Änderungen im Text keinen Verstoß gegen § 550 BGB, wenn die Änderung nach dem Willen der Unterzeichner von deren Unterschrift gedeckt sein soll. Denn es wäre bloßer Formalismus, hier eine weitere Unterzeichnung zu fordern. bb) Unterschrift der Parteien Da eine Einigung dokumentiert werden soll, ist mindestens die Unterschrift der beiden Vertragspartner erforderlich.

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Geben für eine Vertragspartei mehrere die auf Herbeiführung der Einigung abzielen- 28 den Willenserklärungen ab, sind die Erklärungen, z.B. der mehreren Vermieter, in Schriftform abzufassen. Dies erfordert grundsätzlich die Unterschrift sämtlicher Mitglieder einer Partei8. Deshalb liegt ein Verstoß gegen § 550 BGB vor, wenn z.B. von zwei Vermietern nur einer unterschreibt und die Vollmacht des Unterzeichners sich weder aus der Urkunde noch außerhalb liegenden objektiven Umständen (z.B. Handelsregister) ergibt9. Nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB müssen beide Vertragsparteien auf derselben Urkunde 29 unterschreiben. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn ein in Form eines fertigen Vertragsentwurfs gemachtes Angebot zum Abschluss eines Mietvertrages vom Mieter unterschrieben an den Vermieter übersandt wird, der Vermieter es zwar ebenfalls unterzeichnet, es aber mit einem Anschreiben an den Mieter übermittelt, in dem zusätzliche Bedingungen aufgeführt sind, und der Mieter eine Kopie dieses An-

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BGH v. 22.2.1994 – LwZR 4/93, NJW 1994, 1649 m.w.N. OLG Naumburg v. 6.5.2003 – 9 U 14/03, GuT 2004, 18. BGH v. 27.6.1994 – III ZR 117/93, NJW 1994, 2300. BGH v. 29.10.1986 – IVa ZB 13/86, NJW 1987, 1333. OLG Köln v. 28.6.2005 – 22 U 34701, NZM 2005, 705. BGH v. 10.7.1997 – IX ZR 24/97, NJW 1997, 3380 (3381). BGH v. 27.6.1994 – III ZR 117/93, NJW 1994, 2300. BGH v. 22.2.1994 – LwZR 4/93, MDR 1994, 579 = NJW 1994, 1649. OLG Rostock v. 25.9.2000 – 3 U 75/99, NZM 2001, 46 = ZMR 2001, 29.

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schreibens gegengezeichnet an den Vermieter zurücksendet1. Zwar lässt § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB es ausreichen, wenn über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen werden und jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. Dies setzt aber zusätzlich voraus, dass jede der beiden Urkunden auch die zum Vertragsschluss notwendige rechtsgeschäftliche Erklärung des Vertragspartners enthält. Demzufolge genügt es nicht, wenn eine der unterschriebenen Urkunden nur die Willenserklärung einer Partei enthält und sich die Willensübereinstimmung erst aus der Zusammenfassung beider Urkunden ergibt. cc) Handeln von Vertretern 30 Handelt der Unterzeichner als Vertreter der Vertragspartei, müssen der Vertretungswille und die Vertretung als solche in der Urkunde hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen2. Dies erfolgt in der Praxis häufig dadurch, dass im Rubrum des Vertrages der Vertreter aufgeführt oder neben die Unterschrift ein Vertreterzusatz gesetzt wird. 31 Ein Vertretungszusatz ist erforderlich, wenn als Mieter oder Vermieter mehrere Personen (etwa Eheleute) auftreten, von denen nur eine den Vertrag unterschreibt. Denn aus der bloßen Unterschrift ist grundsätzlich noch nicht ersichtlich, ob der Vertrag zugleich in Vertretung mitunterzeichnet worden ist oder ob es noch der Unterschrift weiterer Personen bedarf. 32 Wird die Vertretung der Partei durch die den Vertrag unterzeichnende Person allerdings auf andere Weise deutlich, ist ein zusätzlicher Vertretungszusatz nicht erforderlich3. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn nur eine natürliche Person als Mieter oder Vermieter auftritt und eine andere Person den Vertrag unterschreibt. Dann kann deren Unterschrift auf der im Mietvertrag mit „Mieter“ oder „Vermieter“ gekennzeichneten Unterschriftenzeile grundsätzlich nur bedeuten, dass sie mit ihrer Unterschrift die Vertragspartei vertreten will4. Dementsprechend bedarf es in diesem Falle ebenso wenig wie bei einer GmbH, für die der alleinige Geschäftsführer ohne Hinweis auf seine Vertreterstellung unterzeichnet5, eines Vertreterzusatzes. 33 Ein Vertretungszusatz ist auch dann entbehrlich, wenn sich aus den Umständen (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB) zweifelsfrei ergibt, dass der Unterzeichnende als Vertreter der Vertragspartei aufgetreten ist6. Das ist z.B. der Fall, wenn im Rubrum des Vertrages eine bestimmte juristische Person genannt ist (z.B. KG oder AG), der Vertrag aber durch eine oder mehrere natürliche Personen unterschrieben ist7. Solange keine Hinweise darauf bestehen, dass die Personen selbst Vertragspartner werden sollen, genügt die bloße Unterschrift ohne Firmenstempel. Das Gleiche gilt, wenn der im Rubrum des Vertrages genannte Ehegatte nicht identisch ist mit dem unterzeichnenden Ehegatten8. Dabei steht auch eine Unterzeichnung als Vertreter ohne Vertretungsmacht der Schriftform nicht entgegen, so dass es auch der Kennzeichnung der Art eines Vertretungsverhältnisses nicht bedarf9. Denn bei der Prüfung der Schriftform spielen Fragen der Wirksamkeit der Einigung keine Rolle. Ist der Vertrag un-

1 BGH v. 18.10.2000 – XII ZR 179/98, WuM 2001, 112 = ZMR 2001, 97 = DWW 2001, 300. 2 BGH v. 5.11.2003 – XII ZR 134/02, MDR 2004, 325 = ZMR 2004, 106 = NJW 2004, 1103; BGH v. 22.2.1994 – LwZR 4/93, BGHZ 125, 175, 178 f.; BGH v. 11.9.2002 – XII ZR 187/00, NJW 2002, 3389 (3391); BGH v. 16.7.2003 – XII ZR 65/02, NJW 2003, 3053 (3054); Palandt/Ellenberger, § 126 BGB Rz. 9; MünchKomm/Bieber, § 550 BGB Rz. 10; MünchKomm/Einsele, § 126 BGB Rz. 13. 3 BGH v. 7.5.2008 – XII ZR 69/06, MDR 2008, 851 = ZMR 2008, 704 = NJW 2008, 2178. 4 BGH v. 19.9.2007 – XII ZR 121/05, NJW 2007, 3346; BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, MDR 2005, 1040 = ZMR 2005, 691 = NJW 2005, 2225. 5 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, MDR 2005, 1040 = ZMR 2005, 691 = NJW 2005, 2225. 6 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, MDR 2005, 1040 = ZMR 2005, 691 = NJW 2005, 2225 (2226 f.); BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 92/04, NJW 2007, 288 (290); BGH v. 19.9.2007 – XII ZR 121/05, NJW 2007, 3346. 7 OLG Hamm v. 26.10.2005 – 30 U 121/05, OLGR 2006, 138. 8 BGH v. 7.5.2008 – XII ZR 69/06, MDR 2008, 851 = ZMR 2008, 704 = NJW 2008, 2178. 9 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, MDR 2005, 1040 = ZMR 2005, 691 = NJW 2005, 2225.

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wirksam, bedarf es einer Prüfung der Schriftform nicht. Zur Gesamtvertretung vgl. § 550 BGB Rz. 36. Für den Vertretungszusatz ist ein Hinweis ausreichend, der den handelsrechtlichen 34 Gepflogenheiten entspricht (vgl. §§ 51, 57 HGB). Im Übrigen muss der Vertreterzusatz erkennen lassen, dass der Unterzeichner als Vertreter gehandelt hat, wobei zwischen der Vertretung durch einen Gesellschafter oder einen Dritten nicht unterschieden wird1. Auch eine Unterzeichnung als Vertreter ohne Vertretungsmacht steht der Schrift- 35 form nicht entgegen2. Ob der Mietvertrag bereits mit dieser Unterzeichnung wirksam zustande kommt oder mangels Vollmacht des Unterzeichnenden erst noch der Genehmigung der von ihm vertretenen Partei bedarf, ist keine Frage der Schriftform, sondern der Wirksamkeit des Vertragsschlusses. dd) Gesamtvertreter Die wirksame Dokumentation einer Einigung, an der auf mindestens einer Seite Ge- 36 samtvertreter mitgewirkt haben, erfordert grundsätzlich die Unterschrift sämtlicher Personen, so dass ein Verstoß gegen § 550 BGB z.B. eintritt, wenn von zwei Vermietern, die nur einheitlich handeln dürfen, nur einer unterschreibt und die Vollmacht des Unterzeichners weder aus der Urkunde noch aus außerhalb liegenden objektiven Umständen (z.B. Handelsregister) hervorgeht3. Denn sonst lässt sich der vorliegenden Urkunde nicht eindeutig entnehmen, ob der Vertrag mit den vorhandenen Unterschriften, auch für und in Vertretung der anderen Vertragsparteien, zustande gekommen ist oder ob die Wirksamkeit des Vertrages so lange hinausgeschoben sein soll, bis auch die weiteren Parteien unterschrieben haben. Das ist für die GbR wegen § 719 BGB4, die Aktiengesellschaft wegen § 78 Abs. 1 S. 1 AktG5 und die Erbengemeinschaft6 entschieden, allerdings in den jeweils vorliegenden Konstellationen des Einzelfalles. Ob es bei der GbR gerechtfertigt ist, nur dann eine Gesamtvertretung anzunehmen, wenn diese auch im Rubrum des Vertrages vorgegeben wird7, ist zweifelhaft. Insoweit ist stets zu prüfen, inwieweit nicht zumindest die Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegen und sich die Vollmacht nicht aus den – im Vertrag angedeuteten – Umständen ergibt. Ein Schriftformmangel besteht auch, wenn der im Handelsregister als Gesamtprokurist Eingetragene allein unterschreibt8. Enthält der Mietvertrag mit einer Rechtsanwaltssozietät auf der Unterschriftsleiste 37 den Kanzleistempel und einen Namenszug, dem ein Vertretungszusatz nicht beigefügt war, und sind weitere im Rubrum des Vertrages als Mieter aufgeführte Personen nicht im Kanzleistempel erwähnt, soll die Schriftform nicht eingehalten sein9. Das Gleiche gilt, wenn der Unterschrift des einen Gesellschafters nicht entnommen werden kann, dass er den Vertrag auch für die weiteren Gesellschafter der Klägerin mitunterzeichnet hat10. Unproblematisch soll es jedoch sein, wenn sich unterhalb der Unterschriftenleiste der Name der GbR befindet, die Leiste durch die Unterschriften der geschäftsführenden Gesellschafter vollständig ausgefüllt und zusätzlich ein Stempelaufdruck der GbR vorhanden ist, der den vollständigen Namen der GbR und

1 OLG Düsseldorf v. 2.12.2005 – I-24 U 46/05, GuT 2006, 9. 2 BGH v. 7.5.2008 – XII ZR 69/06, MDR 2008, 851 = ZMR 2008, 704 = NJW 2008, 2178; BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, MDR 2005, 1040 = ZMR 2005, 691 = NJW 2005, 2225; Jacoby, NZM 2011, 1. 3 OLG Rostock v. 25.9.2000 – 3 U 75/99, NZM 2001, 46. 4 BGH v. 5.11.2003 – XII ZR 134/02, MDR 2004, 325 = ZMR 2004, 106 = NJW 2004, 1103; BGH v. 16.7.2003 – XII ZR 65/02, NJW 2003, 3053. 5 BGH v. 4.11.2009 – XII ZR 86/07, GE 2010, 53. 6 BGH v. 11.9.2002 – XII ZR 187/00, NJW 2002, 3389 (3391). 7 So z.B. OLG Koblenz v. 11.8.2011 – 5 U 439/11, WuM 2012, 616 (617) = ZMR 2013, 33. 8 LG Braunschweig v. 7.7.2005 – 2 O 487/05 (058), GuT 2005, 208. 9 OLG Nürnberg v. 5.8.2004 – 8 U 1809/03, GuT 2005, 4; ähnlich OLG Köln v. 14.12.2004 – 22 U 117/04, GuT 2005, 5. 10 OLG Hamm v. 16.2.2011 – 30 U 53/10, NZM 2011, 584 = ZMR 2011, 632 m. Anm. Späth.

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deren Anschrift zeigt1. Besteht eine GbR aus mehreren juristischen Personen (hier: GmbH und AG) und wird nur für eine von diesen unterschrieben, ohne dass der Hinweis auf eine Vertretung ersichtlich ist, ist die Schriftform nicht gewahrt2. 37a Ob die Vertretungsverhältnisse für den Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages ersichtlich waren3, ist grundsätzlich unerheblich. Denn nach dem Zweck des § 550 BGB ist maßgeblich auf die Erkenntnismöglichkeit eines potentiellen Erwerbers abzustellen4. Deshalb müssen die Umstände, aus denen sich das Vertreterhandeln ergeben soll, grundsätzlich im Mietvertrag angeklungen sein. Im Hinblick auf § 164 Abs. 1 S. 2 BGB kann dies in der Praxis zu erheblichen Problemen führen. Denn ein schlüssiges Handeln und eine Dokumentation der Vollmacht, die sich aus den Umständen ergibt, schließen sich prinzipiell aus. Daher ist auf den Einzelfall abzustellen. Der BGH5 hat auf § 164 Abs. 1 S. 2 BGB abgestellt, als ein Rechtsanwalt die Vertragsverhandlungen geführt hatte und später einen Vertrag präsentierte, in dem seine Ehefrau als Vermieterin angegeben war, er aber ohne Vertretungszusatz unterschrieben hatte. 2. Schriftform und Zustandekommen des Vertrages a) Vereinbarte Schriftform, § 154 Abs. 2 BGB 38 Die Annahme eines schriftlichen Vertragsangebots durch schlüssiges Verhalten oder mündliche Erklärung ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn der schriftliche Mietvertragsantrag nur deklaratorische Bedeutung hat, also die zu vereinbarenden wesentlichen Vertragsbedingungen lediglich wiedergeben und nicht konstitutiv für die Einigung sein soll. Davon kann grundsätzlich nicht ausgegangen werden, wenn die Parteien vereinbart haben, den Mietvertrag schriftlich zu beurkunden (Schriftformklausel)6. Allerdings soll bereits die Zahlung der ersten Miete und der Kaution bei gleichzeitiger Überlassung der Mieträume selbst dann einen konkludenten Vertragsabschluss begründen, wenn die Parteien durch Aushandeln eines schriftlichen (unbefristeten) Vertrages deutlich gemacht haben, dass sie ihre Einigung schriftlich niederlegen wollen7. Der Vollzug soll nämlich zum Ausdruck bringen, dass die Schriftform kein konstitutives Element der Einigung war, so dass § 154 Abs. 2 BGB nicht eingreift. Dies gilt erst recht, wenn eine Einigung über die essentialia stattgefunden hat und der Vertrag monatelang vollzogen wird8. 39 Die Verabredung, einen Mietvertrag schriftlich zu beurkunden, wird dann vermutet, wenn der Vertrag eine feste Dauer von mehr als einem Jahr haben soll, denn dann ist die Schriftform gemäß § 550 BGB wesentlich, so dass die Voraussetzungen des § 154 Abs. 2 BGB anzunehmen sind. Besteht ein solcher Vorbehalt oder wurde er sogar ausdrücklich erklärt, kann auch durch mehrfachen Leistungsaustausch nicht ohne weiteres ein schlüssiger Mietvertrag begründet werden9. 40 Unabhängig davon können die Umstände des Einzelfalls gleichwohl dafür sprechen, dass die Parteien ein Mietverhältnis begründen wollten. Hierzu müssen jedoch Umstände gegeben sein, aus denen (übereinstimmende) Willenserklärungen der Parteien ersichtlich sind, insbesondere auf deren Rechtsbindungswillen geschlossen werden kann10. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob sich aus der (konkludenten oder mündlichen) Einigung eine bestimmte Miethöhe ergibt. Denn die Höhe der Miete kann durch das Gericht in ergänzender Vertragsauslegung oder analog §§ 612 Abs. 2,

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OLG Dresden v. 31.8.2004 – 5 U 0946/04, NZM 2004, 827. OLG Naumburg v. 7.9.2004 – 9 U 3/04, NZM 2004, 825. So OLG Koblenz v. 11.8.2011 – 5 U 439/11, WuM 2012, 616 (617). BGH v. 5.11.2003 – XII ZR 134/02, MDR 2004, 325 = ZMR 2004, 106 = NJW 2004, 1103. BGH v. 7.5.2008 – XII ZR 69/06, MDR 2008, 851 = ZMR 2008, 704 = NJW 2008, 2178. KG v. 29.4.2004 – 8 U 261/03, MietRB 2004, 286. OLG Frankfurt v. 1.8.2003 – 19 U 217/02, MietRB 2003, 67. KG v. 10.3.2005 – 8 U 217/04, WuM 2005, 336 = NZM 2005, 537. BGH v. 8.12.2004 – XII ZR 96/01, MDR 2005, 474 = MietRB 2005, 149. Vgl. dazu mit Beispielsfällen: Lützenkirchen, AHB Mietrecht, B Rz. 91 f.

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632 Abs. 2 BGB ermittelt werden1. Der Rechtsbindungswille fehlt z.B., wenn der Vermieter dem Untermieter die Kündigung des Hauptmietvertrages mitteilt und ihm die (befristete) Fortsetzung der Nutzung gestattet, ohne dass der Untermieter darauf außer durch Fortsetzung der Nutzung reagiert2. Aus dem unveränderten Verhalten des Untermieters kann nicht auf einen Rechtsbindungswillen, der die Annahme des Angebotes rechtfertigen könnte, geschlossen werden. Gemäß §§ 125 Satz 2, 154 Abs. 2 BGB kann die schriftliche Niederlegung der Verein- 41 barung zur Wirksamkeitsvoraussetzung erhoben werden. In diesen Fällen ist aber das Zustandekommen des Mietvertrages nicht von der Einhaltung der Schriftform des § 550 BGB abhängig3. Vielmehr kommt der Vertrag mit Unterzeichnung der Vertragsurkunde regelmäßig zustande, und zwar selbst dann, wenn diese die Form des § 550 BGB nicht wahrt. Sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte ersichtlich sind, soll dem nachträglichen Verhalten der Vertragsparteien nämlich zu entnehmen sein, dass sie unter als konstitutiv vereinbarte Schriftform nur diejenige Form verstanden haben, die sie anschließend durch die Vertragsunterzeichnung und die später unterzeichneten Zusatzverträge verwirklicht haben. Vor diesem Hintergrund bleibt die Anwendung der §§ 125 S. 2, 154 Abs. 2 BGB regelmäßig auf die Fälle mündlicher Einigung beschränkt, während nach Vertragsunterzeichnung allein § 550 BGB gilt4. Das Nichtzustandekommen des Vertrages ist nach der Auslegungsregel des § 154 42 Abs. 2 BGB nur im Zweifel Rechtsfolge einer vereinbarten, aber nicht eingehaltenen Form. Die Regel des § 154 Abs. 2 BGB greift nicht ein, wenn die Schriftform für die Parteien keine konstitutive Bedeutung hat, der Vertragsschluss also nicht mit der Beurkundung steht und fällt. An einer konstitutiven Bedeutung fehlt es etwa dann, wenn die Schriftform nur Beweiszwecken dienen soll. Aber auch wenn die Parteien den noch nicht beurkundeten Vertrag einvernehmlich in Vollzug setzen, können sie damit zu erkennen geben, dass der Vertrag ohne Rücksicht auf die nicht eingehaltene Schriftform wirksam werden soll5. Das Gleiche gilt, wenn die Vorstellungen der Parteien zur Miethöhe zunächst offenkundig voneinander abwichen, sie jedoch von vornherein darum bemüht waren, zu einer inhaltlichen Einigung zu gelangen und diese rückwirkend erzielt wird, zumal wenn der Mieter in der Folgezeit in der entsprechenden Höhe entrichtet6. In diesem Fall zeigt das Verhalten der Parteien, dass sie die Schriftform nicht als für die Wirksamkeit des Vertrages unerlässlich ansahen und die vereinbarte Schriftformklausel durch schlüssiges Verhalten abbedungen wurde. Ob es sich bei der Klausel um eine allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB handelt7, kann hierfür offen bleiben. Denn auch eine Individualvereinbarung wäre wirksam abbedungen worden. b) Schriftform bei Angebot und Annahme Beim Zustandekommen des Vertrages wird nach § 147 BGB zwischen der Einigung 43 unter Anwesenden und unter Abwesenden unterschieden. aa) Einigung unter Abwesenden, § 147 BGB Es kann problematisch sein, wenn sich die Parteien nicht zur Vertragsunterzeich- 44 nung zusammenfinden, sondern zeitlich versetzt ihre Unterschriften leisten. Dies wird besonders deutlich am Briefwechsel, wobei Telefaxübermittlungen von vorneherein wegen des mangelnden Originals ausscheiden8. Unterbreitet nämlich die eine Partei ein schriftliches Vertragsangebot und nimmt die andere Partei dieses in einem 1 BGH v. 31.1.2003 – V ZR 333/01, WuM 2003, 263 = ZMR 2003, 415 = GuT 2003, 86 = NZM 2003, 314. 2 OLG Brandenburg v. 23.9.1998 – 3 U 55/98, ZMR 1999, 102. 3 BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 258/97, NZM 2000, 548. 4 Vgl. auch BGH v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, NJW 2000, 354 (356). 5 Vgl. BGH v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283, 291; BGH v. 27.1.1997 – II ZR 213/95, NJW-RR 1997, 669 (670); KG v. 10.3.2005 – 8 U 217/04, MDR 2005, 1276. 6 BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 66/06, NZM 2008, 931. 7 Vgl. BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, BGHZ 164, 133, 136. 8 OLG Düsseldorf v. 22.1.2004 – 10 U 102/03, ZMR 2004, 508.

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separaten Schreiben an, ist die Schriftform schon deshalb nicht gewahrt, weil sich die Unterschriften auf verschiedenen Urkunden befinden, also Angebot und Annahme nicht in einer Urkunde dokumentiert sind. 45 Deshalb sollte auch eine weitere Unterschrift des Antragenden erforderlich sein, wenn der Annehmende durch Gegenzeichnung unterhalb der Unterschrift des Antragenden das Angebot akzeptierte1. Denn dadurch war noch nicht die Einigung dokumentiert, sondern lediglich das Angebot und die gesonderte Annahme, solange der Text nicht darauf schließen ließ, dass eine mündliche Einigung bereits vorher stattgefunden hatte. Diese Anforderungen sind aber überzogen2. Denn diese Grundsätze sind auch auf den Fall übertragbar, dass die eine Partei der anderen den fertigen Vertragstext unterschrieben übermittelt und der andere das gegengezeichnete Exemplar nur zurücksendet. Hat in diesem Fall vorher keine mündliche Einigung stattgefunden, wären auch nur Angebot und Annahme (getrennt) schriftlich dokumentiert. Juristisch nicht geschulten Vertragsparteien ist aber nicht zu vermitteln, dass in einem solchen Fall lediglich der später Unterschreibende den gesamten Vertrag unterzeichnet hat. Auch der Schutz des Grundstückserwerbers verlangt keine andere Sichtweise. Für ihn ist maßgeblich, dass der Inhalt der Einigung der Parteien schriftlich dokumentiert ist. 46 Es ist weder Aufgabe der Schriftform, dem Erwerber Gewissheit über das wirksame Zustandekommen des Mietvertrags zu verschaffen, noch kann die Schriftform das leisten3. Denn das Zustandekommen eines Mietvertrages hängt von zahlreichen Umständen ab, die sich nicht aus der Urkunde ergeben müssen. So genügt der Schriftform ein Mietvertrag, der vorsieht, dass er erst nach Zustimmung eines Dritten wirksam werden soll, ohne dass die Zustimmung schriftlich erfolgen muss (§ 182 Abs. 2 BGB). Ebenso genügt der Schriftform ein Mietvertrag, der vorsieht, dass er nur im Falle des Eintritts einer Bedingung wirksam werden soll, oder der auf Seiten einer Partei von einem als solchen bezeichneten vollmachtlosen Vertreter unterzeichnet ist4. Nichts anderes kann gelten, wenn der Erwerber aus der Urkunde nicht ersehen kann, ob das Angebot auf Abschluss des Mietvertrages von der anderen Vertragspartei rechtzeitig angenommen worden ist, etwa weil gesondert eine Annahmefrist eingeräumt oder eine in der Urkunde enthaltene Annahmefrist verlängert worden ist5. In allen diesen Fällen verschafft die Urkunde selbst dem Erwerber keine Gewissheit darüber, ob der Vertrag besteht, sondern lediglich darüber, wie die Vertragsbedingungen lauten, in die er eintritt, falls der Vertrag besteht. Das genügt für die Schriftform des § 550 BGB. bb) Verspätete Annahme, § 147 Abs. 2 BGB 47 Bei der Annahmefrist i.S.d. § 147 Abs. 2 BGB und deren Einhaltung handelt es sich grundsätzlich nicht um wesentliche, den Vertragsinhalt bestimmende Bedingungen, die zur Einhaltung der Schriftform dokumentiert sein müssen6. Sie betreffen vielmehr allein das Zustandekommen des Vertrages und werden mit dessen Abschluss bedeutungslos. Der von § 550 BGB in erster Linie bezweckte Schutz eines späteren Grundstückserwerbers gebietet keine Ausdehnung des Schriftformerfordernisses 1 RG v. 19.6.1922 – III 657/21, RGZ 105, 60, 62. 2 BGH v. 14.7.2004 – XII ZR 68/02, WuM 2004, 534 = NZM 2004, 738 = MietRB 2004, 344; ähnlich bereits: BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 162/98, WuM 2000, 351 = ZMR 2000, 590; ebenso: OLG Hamburg v. 22.4.1998 – 4 U 116/97, ZMR 2000, 589. 3 BGH v. 7.5.2008 – XII ZR 69/06, BGHZ 176, 301 = NJW 2008, 2178 (Rz. 13, 14); BGH v. 29.4.2009 – XII ZR 142/07 – NJW 2009, 2195 (2196); BGH v. 19.9.2007 – XII ZR 121/05, NJW 2007, 3346 (3347) und BGH v. 14.7.2004 – XII ZR 68/02, BGHZ 160, 97, 104. 4 BGH v. 7.5.2008 – XII ZR 69/06, BGHZ 176, 301 = NJW 2008, 2178 (Rz. 15); BGH v. 14.7.2004 – XII ZR 68/02, BGHZ 160, 97, 105; BGH v. 12.3.2003 – XII ZR 18/00, BGHZ 154, 171, 179; BGH v. 19.9.2007 – XII ZR 121/05, NJW 2007, 3346 (3347). 5 Vgl. KG v. 12.5.2005 – 2 Ss 57/05-5 Ws (B) 180/05, NZM 2007, 86; Palandt/Weidenkaff, 69. Aufl., § 550 BGB Rz. 11; Regenfus, JA 2008, 246 (249 f.). 6 BGH v. 24.2.2010 – XII ZR 120/06, ZMR 2010, 593 = GE 2010, 614 = GuT 2010, 93 = NZM 2010, 319.

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auf solche, allein das Zustandekommen des Vertrages betreffende Regelungen. Durch § 550 BGB soll vor allem sichergestellt werden, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Vertrag ersehen kann. Somit scheitert die Schriftform des Mietvertrages nicht daran, dass z.B. eine Verlän- 48 gerung der Annahmefrist stattgefunden hat und der rechtzeitige Zugang der Annahme nicht aus der Urkunde ersichtlich ist1. Die Schriftform des Mietvertrages ist ohne weiteres gewahrt, wenn der Mieter das schriftliche Angebot des Vermieters innerhalb der gesetzten Frist schriftlich angenommen hat (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Denn dann enthält die von beiden Mietvertragsparteien unterzeichnete Vertragsurkunde sowohl das Angebot als auch die rechtzeitige Annahmeerklärung. Die Schriftform des § 550 BGB ist auch gewahrt, wenn die von dem anderen Vertrags- 49 partner gegengezeichnete Urkunde dem Vertragspartner erst nach der gesetzten Annahmefrist und damit nach Ablauf der Annahmefrist zugeht2. In diesem Fall gilt die Annahmeerklärung gemäß § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot, dass der aAndere regelmäßig nicht (mehr) schriftlich annimmt. In dieser Situation kommt ein Mietvertrag regelmäßig spätestens mit der Übergabe konkludent zustande. Insoweit ist umstritten, ob die Schriftform des § 550 BGB gewahrt ist, wenn zwar eine von beiden Parteien unterzeichnete Vertragsurkunde existiert, jedoch eine Partei das formgerechte Angebot der anderen Partei verspätet angenommen hat und ein inhaltsgleicher Vertrag sodann durch Vollzug konkludent abgeschlossen worden ist. Teilweise wird angenommen, in diesen Fällen sei die Schriftform nicht gewahrt3. 50 Denn zur Wahrung der Form genüge nicht die bloße Schriftlichkeit der Erklärungen („äußere Form“). Vielmehr müsse auch der Vertragsschluss selbst formgerecht erfolgt sein. Daran fehle es, wenn der Mietvertrag nicht durch ein schriftliches Angebot und dessen schriftliche Annahme, sondern erst später konkludent abgeschlossen worden sei. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden4. Denn nach § 126 Abs. 2 BGB genügt 51 ein Vertrag der gesetzlichen Schriftform, wenn eine einheitliche Vertragsurkunde von beiden Parteien unterzeichnet worden ist. Von der Einhaltung dieser äußeren Form ist zu trennen, ob der Vertrag unter Einhaltung der gesetzlichen Schriftform wirksam zustande gekommen ist. Das richtet sich nach den allgemeinen Regeln über den Abschluss von Verträgen (§§ 145 ff., 130 BGB). Danach kommt ein Vertrag unter Abwesenden, für den die gesetzliche Schriftform vorgeschrieben ist, grundsätzlich nur dann rechtswirksam zustande, wenn sowohl der Antrag als auch die Annahme (§§ 145 ff. BGB) in der Form des § 126 BGB erklärt werden und in dieser Form dem anderen Vertragspartner zugegangen sind; § 130 BGB5. § 550 BGB setzt aber über die Einhaltung der äußeren Form hinaus nicht voraus, dass der Vertrag durch die schriftlich abgegebenen Erklärungen zustande gekommen ist. Vielmehr dient die Vorschrift in erster Linie dem Informationsbedürfnis des Erwerbers. Diesen Schutzzweck erfüllt 1 BGH v. 24.2.2010 – XII ZR 120/06, ZMR 2010, 593 = GE 2010, 614 = GuT 2010, 93 = NZM 2010, 319. 2 BGH v. 24.2.2010 – XII ZR 120/06, ZMR 2010, 593 = GE 2010, 614 = GuT 2010, 93 = NZM 2010, 319. 3 KG v. 25.1.2007 – 8 U 129/06, GuT 2007, 87 = WuM 2007, 346 = NZM 2007, 517; OLG Rostock v. 18.4.2005 – 3 U 90/04, OLGR 2005, 697; KG v. 2.9.2002 – 8 U 146/01, GE 2003, 48 (49); OLG Dresden v. 24.9.1998 – 7 U 937/98, ZMR 1999, 104; Horst, MDR 2008, 365 (366); Möller, ZfIR 2008, 87 (88); Regenfus, JA 2008, 246 (249); Lindner-Figura/Hartl, NZM 2003, 750 (751); Leo, MietRB 2003, 15; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 112. 4 So auch BGH v. 24.2.2010 – XII ZR 120/06, ZMR 2010, 593 = GE 2010, 614 = GuT 2010, 93 = NZM 2010, 319; OLG Jena v. 13.3.2008 – 1 U 130/07, NZM 2008, 572 (573); OLG Hamm v. 23.11.2005 – 30 U 45/05, ZMR 2006, 205 (206); Neuhaus, Rz. 304; Pfleister/Ehrich, ZMR 2009, 818; Schultz, NZM 2007, 509 f.; Stiegele, NZM 2004, 606 (607); Wichert, ZMR 2005, 593 (594 f.); differenzierend: MünchKomm/Bieber, § 550 BGB Rz. 10. 5 BGH v. 18.12.2007 – XI ZR 324/06, NJW-RR 2008, 1436 (1438 f.); BGH v. 30.7.1997 – VIII ZR 244/96, NJW 1997, 3169 (3170).

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eine nur der äußeren Schriftform genügende Vertragsurkunde, in der die von beiden Parteien unterzeichneten Bedingungen des später konkludent abgeschlossenen Vertrages enthalten sind1. 52 Auf die Einhaltung der Annahmefrist kommt es nicht (mehr) an, wenn die Parteien in einem Nachtrag auf den Ursprungsvertrag Bezug genommen haben und der Nachtrag formwirksam zustande gekommen ist2. 53 Vor diesem Hintergrund kann die Schriftform auch im Fall des § 151 BGB eingehalten werden, indem nur einer Partei ohne Kenntnis der anderen eine vollständige Urkunde i.S.d. § 126 BGB vorliegt. Nach § 151 BGB ist eine Einigung auch dann wirksam, wenn der Antragende auf die Annahmeerklärung verzichtet oder nach der Verkehrsanschauung eine Annahmeerklärung nicht zu erwarten ist. Haben die Parteien z.B. mündlich dem Mieter Optionen gewährt und bestätigt der Vermieter dem Mieter jeweils schriftlich die (wirksame) Optionsausübung durch Mitteilung des „neuen“ Vertragsendes, ist die Schriftform gewahrt, wenn nur eine Partei ein von beiden unterschriebenes Exemplar der Bestätigung in Händen hält. Hat also der Mieter auf der Bestätigung durch seine Unterschrift sein Einverständnis zum Ausdruck gebracht, liegt eine Urkunde i.S.d. § 126 BGB vor, die die (wahre) Einigung i.S.d. § 550 BGB dokumentiert. cc) Einigung unter Anwesenden 54 Unter Anwesenden kommt die Einigung sofort zustande, § 147 Abs. 1 BGB. Hier beschränkt sich die Aufgabe der Schriftform darauf, die getroffene Einigung zu dokumentieren, also die wesentlichen Vertragsabreden niederzulegen3. Dazu muss eine Urkunde geschaffen werden, in der die Abreden ausformuliert sind. 55 Bestehen Zweifel an der vollständigen Dokumentation, kann zwar auch eine mündliche Vereinbarung zur Auslegung dessen herangezogen werden, was in der Vertragsurkunde unvollkommen, aber zumindest andeutungsweise niedergelegt ist, sofern es sich jedenfalls um eine bloße Erläuterung oder Präzisierung des Vertragstextes handelt4. Ist jedoch mündlich etwas anderes vereinbart worden, als im – ggf. vorrangig anhand des in Bezug genommenen Schriftwechsels auszulegenden – Text der Vertragsurkunde niedergelegt wurde, gibt diese den Inhalt des von den Parteien wirklich Gewollten nicht wieder und entbehrt der Schriftform5. 56 Bis zu welchem Zeitpunkt die Errichtung dieser Urkunde erfolgt, ist unerheblich. Denn die Parteien können die Beurkundung eines zunächst formlos geschlossenen (Nachtrags-)Vertrages jederzeit nachholen; der Vertrag gilt dann von Anfang an als in der gesetzlich vorgeschriebenen Form abgeschlossen6. Wurde die Errichtung der Urkunde bisher übersehen, kann der Vertrag zwar grundsätzlich nach Ablauf von einem Jahr gekündigt werden. Insoweit besteht aber ein Anspruch auf Einhaltung der Schriftform, also auf Herstellung der notwendigen Urkunde. Dieser Anspruch ergibt sich schon aus dem Rechtsgedanken des § 127 Abs. 2 S. 2 BGB. Wenn schon bei der gewillkürten Schriftform ein Anspruch auf Errichtung einer formgerechten Urkunde besteht, gilt dies erst recht, wenn die gesetzliche Schriftform anzuwenden ist. Dabei kommt es auf eine Kenntnis der Parteien von § 550 BGB oder dessen Inhalt nicht an. dd) Notwendige Anzahl der Ausfertigungen 57 Gemäß § 126 Abs. 2 S. 2 BGB ist es für die Einhaltung der Schriftform ausreichend, dass jede Partei ein von dem Vertragspartner unterschriebenes Exemplar besitzt. Das bedeutet nicht, dass bei Verträgen stets mindestens zwei Ausfertigungen zur 1 Vgl. OLG Jena v. 13.3.2008 – 1 U 130/07, NZM 2008, 572 (573); OLG Hamm v. 23.11.2005 – 30 U 45/05, ZMR 2006, 205 (206); Schultz, NZM 2007, 509; Stiegele, NZM 2004, 606 (607); Wichert, ZMR 2005, 593 (595). 2 BGH v. 29.4.2009 – XII ZR 142/07, NZM 2009, 515. 3 BGH v. 19.10.2005 – XII ZR 67/02, GuT 2006, 7. 4 Vgl. BGH v. 23.12.1953 – VI ZR 57/53, NJW 1954, 425 (426). 5 BGH v. 19.10.2005 – XII ZR 67/02, GuT 2006, 7. 6 BGH v. 14.7.2004 – XII ZR 68/02, MDR 2004, 1347 = ZMR 2004, 804 = WuM 2004, 534.

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Wahrung der Schriftform hergestellt werden müssen. Vielmehr wird §§ 550, 126 Abs. 2 BGB genügt, wenn nur eines von mehreren Vertragsexemplaren von beiden Vertragsparteien unterzeichnet worden ist1 (vgl. zur Unterschrift auch § 550 BGB Rz. 24 ff.). II. Längere Zeit als ein Jahr Die nach § 550 BGB maßgebliche Jahresfrist läuft ab dem vorgesehenen Beginn/Voll- 58 zug des Mietverhältnisses, nicht ab Vertragsschluss2. Wie die zeitliche Bindung erreicht wird, ist unbedeutend. Deshalb unterliegen § 550 BGB nicht nur Verträge, bei denen die Mietdauer ausdrücklich mit mehr als einem Jahr festgelegt worden ist, sondern auch Einigungen über die mittelbare Herbeiführung dieser Laufzeit. Nach Sinn und Zweck des § 550 BGB kann die maßgebliche Laufzeit deshalb auch er- 59 reicht werden durch – ein einseitiges Verlängerungsrecht (z.B. Option3), selbst wenn die ursprüngliche Laufzeit ein Jahr oder kürzer ist, – einen Vertrag auf Lebenszeit4, – einen Baukostenzuschuss, der länger als ein Jahr abgewohnt werden soll5, – einen Kündigungsverzicht6, – einen partiellen Kündigungsverzicht (z.B. Verzicht auf Eigenbedarf7), – eine entsprechend lange Kündigungsfrist8, – eine auflösende Bedingung, wenn danach davon auszugehen ist, dass eine längere als ein Jahr dauernde Vertragszeit begründet wird. III. Einhaltung der Schriftform 1. Wesentliche Vertragsabreden Zur Einhaltung der Schriftform müssen alle wesentlichen Vertragsabreden, also min- 60 destens zur Mietsache, Miete, Mietzeit und den Parteien in einer der Schriftform entsprechenden Weise niedergelegt sein9. Auf das Merkmal der Wesentlichkeit der Abrede kann nicht verzichtet werden10. Denn im Gegensatz zu § 313b BGB steht die Warnfunktion nicht im Vordergrund. Vielmehr wird durch § 550 BGB in erster Linie der Erwerber geschützt (vgl. § 550 BGB Rz. 5). Dieser Schutzzweck gebietet es nicht, auch Abreden von geringer Bedeutung in die Urkunde aufzunehmen. Denn der Erwerber ist regelmäßig daran interessiert, aus dem Mietvertrag Aspekte zu erfahren, die seine Finanzierung gefährden können oder erhebliche Erschwerungen bei der Abwicklung des Mietvertrages herbeiführen. Ob aber z.B. im Rahmen der Hausordnung wöchentlich das Treppenhaus gereinigt werden muss oder im Rhythmus von zwei Wochen, ist für ihn regelmäßig ohne Belang. Neben den vier Mindestmerkmalen für eine Einigung nach § 535 BGB sind die Ver- 61 tragsabreden wesentlich, die eine Partei als bedeutend für den Vertragsschluss angesehen hat. Deshalb unterliegt eine in der (mündlichen) Einigung der Parteien enthaltene Erlaubnis zu unbeschränkt zulässiger Untervermietung der Schriftform, weil der Erwerber zuverlässig über dieses wesentliche Recht des Mieters informiert wer-

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OLG Düsseldorf v. 19.10.2000 – 10 U 227/99, WuM 2001, 113 = ZMR 2001, 446 = MDR 2001, 446. Palandt/Weidenkaff, § 550 BGB Rz. 6. BGH v. 28.11.1962 – VIII ZR 142/61, ZMR 1963, 82. BGH v. 30.9.1958 – VIII ZR 134/57, NJW 1958, 2062. OLG Düsseldorf v. 19.4.2007 – I-10 U 122/06, ZMR 2007, 446. BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 117/06, ZMR 2008, 883. BGH v. 4.4.2007 – VIII ZR 223/06, WuM 2007, 272. BGH v. 8.12.1959 – VIII ZR 164/58, NJW 1960, 475. Vgl. BGH v. 29.4.2009 – XII ZR 142/07, NJW 2009, 2195 (2196); BGH v. 7.5.2008 – XII ZR 69/06, BGHZ 176, 301 = NJW 2008, 2178 (Rz. 18). 10 A.A. Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rz. 33 m.w.N.

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den muss1. Kein Formmangel entsteht, wenn sich die mit einer nur geduldeten unerlaubten Untervermietung verbundene Änderung der Nutzung der Mieträume nicht wesentlich von der bisherigen Nutzung des Hauptmieters unterscheidet2. 2. Bestimmbare Dokumentation 62 Ebenso wie eine Einigung wirksam ist, wenn ihr Inhalt bestimmbar ist, ist die Schriftform gewahrt, wenn die Abrede in bestimmbarer Weise bzw. mit bestimmbarem Inhalt dokumentiert ist3. Grundsätzlich ist eine Bestimmbarkeit gegeben, wenn der Inhalt der Abrede objektiv festgestellt werden kann, z.B. durch eine Beweisaufnahme. 63 Insoweit ist in der Praxis oftmals die Grenze zur Vertragsauslegung, nämlich die Korrektur einer bloßen Falschbezeichnung der im Vertrag vereinbarten Rechte, schwer zu ziehen. Grundsätzlich kann die Auslegung formbedürftiger Erklärungen auch auf Umstände außerhalb der Urkunde gestützt werden4. Das setzt aber voraus, dass der darauf bezogene rechtsgeschäftliche Wille, wenn auch nur in unvollkommener Weise, Ausdruck in der Urkunde gefunden hat5. Hieran werden je nach der Schutzrichtung der Formvorschriften mehr oder weniger strenge Anforderungen gestellt6. Mit Blick auf die Hauptschutzrichtung des § 550 BGB sind eher strenge Anforderungen zu stellen, weil es in diesem Fall um den Umfang der begründeten Pflichten geht, welche der Erwerber als Dritter und am Vertrag nicht Beteiligter zu erfüllen haben wird7. Maßgeblich für den Erwerber und seine Entscheidung zum Kauf sind die Umstände, die er an Verpflichtungen der Vertragsurkunde entnehmen kann. Zwar muss er nach der Regelungssystematik des § 566 BGB auch mündlich getroffene Abreden einhalten8. Als Ausgleich für dieses ihm im Interesse des Mieters auferlegte Risiko hat er aber das Recht, sich gemäß § 550 BGB unter Einhaltung der gesetzlichen Frist vom Mietvertrag zu lösen. Diese Schutzfunktion würde zu Lasten von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in erheblichen Weise ausgehöhlt, wenn zugelassen würde, über die Auslegung des schriftlichen Mietvertrags Vertragspflichten in den Vertragstext hineinzulesen, die aus objektiver Drittsicht nicht festgestellt werden können. 64 Das gilt in ganz besonderem Maße bei Falschbezeichnungen, die sich als solche aus dem Vertragstext nicht erschließen lassen. Deshalb wird der Erwerber insbesondere vor solchen Vertragsauslegungen geschützt, die er nicht erkennen konnte9. Andernfalls würde das durch § 550 BGB angeordnete Kündigungsrecht obsolet. Der Schutzzweck des § 550 BGB gebietet es daher, wegen der verdinglichten Stellung des Grundstückserwerbers auf schuldrechtlicher Ebene einer Auslegung den Vorzug zu geben, die sich eher der objektiv-normativen annähert10. Das hat zur Folge, dass solche Auslegungsergebnisse, die keinen hinreichenden Ausdruck in der Urkunde finden, im Rahmen des § 550 BGB nicht berücksichtigt werden können. Deshalb ist es z.B. notwendig, dass das von § 540 BGB abweichende Recht zur Untervermietung ohne Zustimmung des Vermieters im Mietvertrag deutlich geregelt ist11.

1 OLG Düsseldorf v. 29.6.1999 – 24 U 5/98, ZMR 2002, 741 = DWW 2002, 230. 2 OLG Düsseldorf v. 15.11.2001 – 10 U 98/00, NZM 2002, 824. 3 BGH v. 2.11.2005 – XII ZR 212/03, MDR 2006, 561 = ZMR 2006, 115 = NZM 2006, 54; BGH v. 2.5.2007 – XII ZR 178/04, MDR 2007, 1063 = ZMR 2007, 611 = NZM 2007, 443. 4 BGH v. 12.7.1996 – V ZR 202/95, NJW 1996, 2793. 5 Kritisch zu dieser Andeutungstheorie Palandt/Ellenberger, § 133 BGB Rz. 19. 6 Weiter einschränkend für die Bürgschaftserklärung gemäß § 766 BGB vgl. BGH v. 2.2.1989 – IX ZR 99/88, NJW 1989, 1486. 7 OLG Düsseldorf v. 29.6.1999 – 24 U 5/98, ZMR 2002, 741 = DWW 2002, 230. 8 Vgl. dazu Wolf/Eckert/Ball, Rz. 124 und 1437. 9 BGH v. 10.3.1965 – VIII ZR 116/63, WPM 1965, 680; BGH v. 30.5.1962 – VIII ZR 173/61, NJW 1962, 1388. 10 OLG Düsseldorf v. 29.6.1999 – 24 U 5/98, ZMR 2002, 741 = DWW 2002, 230. 11 OLG Düsseldorf v. 29.6.1999 – 24 U 5/98, ZMR 2002, 741 = DWW 2002, 230.

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3. Beschreibung des Mietobjektes Unerlässlich für die Einhaltung der Schriftform ist insbesondere die bestimmbare 65 Umschreibung des Mietobjektes1. Insoweit wird der Schriftform auch genügt, wenn sich die Beschreibung erst aus dem Gesamtinhalt des Mietvertrages und damit aus dem Zusammenspiel verstreuter Bestimmungen (z.B. in Anlagen) ergibt2. Besteht das Gebäude, ist die Schriftform gewahrt, wenn sich anhand der Beschreibung im Mietvertrag das Mietobjekt feststellen lässt3. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Fehlt zu diesem Ereignis, z.B. bei einer Vermietung vom Reißbrett, die Grundrisszeichnung, die das Objekt erst identifizierbar macht, ist die Schriftform nicht gewahrt. Dieser Mangel wird allerdings geheilt, wenn nach der Errichtung des Mietobjektes ein Nachtrag geschaffen wird, in dem auf das dann bestehende Objekt hingewiesen wird4. Dies gilt selbst dann, wenn in dem Nachtrag ganz andere Vereinbarungen festgehalten werden sollen. Zur Beschreibung einer Wohnung5 oder einer Gewerbeeinheit6 muss deren Lage im 66 Haus oder der Etage jedenfalls dann mitgeteilt werden, wenn mehrere Einheiten bestehen. Dabei kann sich die Bestimmbarkeit des Mietobjekts auch aus der Bezeichnung als „SB-Markt“ im Erdgeschoss im Zusammenspiel mit der ungefähren Größendarstellung in einer Skizze ergeben7. Dagegen reicht eine Bezeichnung einzelner Räume nicht, wenn sie sich nicht eindeutig zuordnen lassen und die Mietsache nur 30 % der Gesamtfläche ausmacht8. Sind außer einer vagen Flächenangabe keine Indizien zur Identifizierung vorhanden, 67 liegt ein Schriftformmangel vor9. Das gilt erst recht, wenn der Teil eines Grundstücks vermietet werden soll10. Aber auch bei der Beschreibung einer Mieteinheit in einem Gebäude kann ein derartiger Mangel auftreten. Bestehen z.B. zwei Mietverträge über Teilflächen einer Mieteinheit, ohne dass sich die eine oder die andere Fläche bestimmen lassen, liegt ein Schriftformmangel vor, weil sich nicht der Gegenstand der Rückgabe nach § 546 BGB ermitteln lässt11. Dagegen muss die Lage von Nebenflächen (z.B. mitvermietete Stellplätze oder Kel- 68 lerraum) grundsätzlich nicht exakt angegeben werden. Wird der Raum nur als solches bezeichnet, ist die Klausel so auszulegen, dass der Vermieter die Lage gemäß § 315 BGB bestimmen kann12. Damit liegt eine für § 550 BGB ausreichende bestimmbare Beschreibung der Nebenfläche vor, die inhaltlich durch die Ausübung der Leistungsbestimmung konkretisiert wird. Ebenso ausreichend ist die Einräumung eines Mitbenutzungsrechts an „ca. 45 Parkplätzen“, wenn dadurch gekennzeichnet werden soll, dass der Mieter seinen Kunden von den freien Parkplätzen wenigstens 45 zur Verfügung stellen können soll13. Wesentliche Bedeutung hat aber die im Vertrag bezeichnete „notwendige Fläche für die Anlieferung“14. Denn diese Formulierung lässt den konkreten Umfang der Fläche offen und lässt sich daher vor Ort nicht feststellen. Ist die Mietsache in der Ausgangsurkunde nicht ausreichend bezeichnet, kommt eine 69 Heilung dieses Mangels der Schriftform in Betracht, wenn die Parteien einen Nach-

1 BGH v. 30.6.1999 – XII ZR 55/97, WuM 1999, 516 = ZMR 1999, 691. 2 OLG Hamm v. 11.3.1998 – 33 U 89/97, ZMR 1998, 623. 3 BGH v. 21.11.2007 – XII ZR 149/05, GE 2008, 195 = GuT 2008, 38; BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, MDR 2005, 1040 = ZMR 2005, 691 = NZM 2005, 502. 4 OLG Düsseldorf v. 6.11.2008 – 24 U 149/07, ZMR 2011, 629. 5 LG Gießen v. 10.11.2006 – 1 S 221/06, WuM 2007, 11. 6 BGH v. 2.11.2005 – XII ZR 233/03, MDR 2006, 561 = ZMR 2006, 116 = NZM 2006, 104 (Rz. 20). 7 BGH v. 21.11.2007 – XII ZR 149/05, GE 2008, 195 = GuT 2008, 38. 8 OLG Hamm v. 5.12.2008 – 30 U 220/07, ZMR 2010, 441. 9 KG v. 17.8.2006 – 8 U 33/06, NZM 2007, 248. 10 BGH v. 2.6.2010 – XII ZR 110/08, GE 2010, 973 = ZMR 2010, 844 = NZM 2010, 704. 11 LG Stuttgart v. 10.7.2012 – 26 O 483/11, ZMR 2012, 960. 12 OLG Frankfurt v. 21.2.2007 – 2 U 220/06, ZMR 2007, 532. 13 BGH v. 21.11.2007 – XII ZR 149/05, GE 2008, 195 = GuT 2008, 38. 14 OLG Rostock v. 10.7.2008 – 3 U 108/07, NZM 2008, 646.

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trag – wegen anderer Absprachen – schaffen, in dem sie das Mietobjekt mit einer Nummer bezeichnen, mit deren Hilfe über eine Liste eine Identifizierung möglich ist1. 70 Anlagen wie z.B. Grundrisszeichnungen enthalten wesentliche Abreden, wenn sie nicht bloß als Orientierungsbehelf dienen, ihnen also lediglich ergänzende oder erläuternde Funktionen ohne eigenständigen Regelungsgehalt zukommen2. Das ist nicht der Fall, wenn sich erst aus dem Grundrissplan die vermietete Fläche konkret ergibt3. Ein Schriftformmangel entsteht auch, wenn im Mietvertrag, mit dem mehrere Gebäude und ein (Betriebs-)Gelände vermietet werden sollen, zur Beschreibung auf eine dem Vertrag nicht beigefügte Anlage verwiesen und im Vertragstext nur ein Gebäude angegeben wird4. Dagegen ist z.B. die unterlassene Beifügung eines im Vertrag erwähnten Lageplans unschädlich, wenn das Mietobjekt in der Urkunde selbst ausreichend identifizierbar beschrieben ist („Grundstück …-Straße 5 nebst Aufbauten“)5. 4. Angabe der Vertragsparteien 71 Die Schriftform ist verletzt, wenn die Vertragsparteien nicht wenigstens in einer bestimmbaren Form angegeben sind. Denn auch die Parteien gehören zum wesentlichen Vertragsinhalt. Maßgeblich ist, dass der Erwerber nicht erst durch außerhalb der Urkunde liegende Informationen die Vertragspartei/-en ermitteln kann6. 72 Die Einhaltung dieser Vorgaben kann durch die Beschreibung eines bestimmten Vorgangs erfolgen (z.B. die „künftigen Erwerber“)7. Nicht ausreichend ist aber die Bezeichnung des Vermieters als „Erbengemeinschaft S“ ohne Angabe einer Anschrift o.Ä., weil nicht ersichtlich ist, ob mit „S“ der Erblasser oder die Erben benannt werden sollten und eine Bestimmbarkeit mangels Angabe der Anschrift nicht gewährleistet ist8. Unverwechselbar ist aber die Bezeichnung „Immobilien-Fonds, …-straße“, mit dem eine Publikums-KG als Vermieter beschrieben ist9. 73 Mit Rücksicht auf den Schutzzweck gehört auch der Beitritt eines weiteren Mieters10 oder das Auswechseln der Mietparteien zu den wesentlichen Bestimmungen. Vereinbaren Vermieter und Erwerber den Vermieterwechsel im Kaufvertrag, führt die konkludente Zustimmung des Mieters zum Vermieterwechsel nicht zu einem Formmangel, § 182 Abs. 2 BGB11. Das Gleiche gilt, wenn der Vermieter und der (alte) Mieter (formwirksam) vereinbaren, dass ein Dritter auf Mieterseite in den Vertrag anstelle des Mieters eintreten soll12. Eine schriftliche Vereinbarung ist aber erforderlich, wenn der Mieter von dem im Mietvertrag vorgesehenen Recht Gebrauch machen will, den Mietvertrag auf Mieterseite auf einen Dritten zu übertragen13. Insoweit reicht jedoch die schriftliche Dokumentation der Vereinbarung zwischen dem bisherigen und dem eintretenden Mieter, der der Vermieter formlos zustimmt, § 182 Abs. 2 BGB14. 5. Miete 74 Die Höhe der Miete gehört grundsätzlich zu den wesentlichen Vertragsbestandteilen, die dem Beurkundungszwang unterliegen15. Dies soll dann aber nicht gelten, wenn 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

BGH v. 2.5.2007 – XII ZR 178/04, NJW 2007, 3273. BGH v. 7.7.1999 – XII ZR 15/97, MDR 1999, 1374 = ZMR 1999, 810 = WuM 1999, 698. OLG Jena v. 20.7.1999 – 3 U 1623/98, NZM 1999, 906. OLG Rostock v. 28.12.2001 – 3 U 173/00, NZM 2002, 955 (956). BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, GuT 2005, 143 (145) = NZM 2005, 502. OLG Rostock v. 10.1.2005 – 3 U 61/04, NZM 2005, 506. BGH v. 2.11.2005 – XII ZR 233/03, ZMR 2006, 116. BGH v. 11.9.2002 – XII ZR 187/00, NJW 2002, 3389. OLG Hamm v. 11.3.1998 – 33 U 89/97, NZM 1998, 720. BGH v. 31.1.1991 – III ZR 150/88, NJW 1991, 3095. BGH v. 12.3.2003 – XII ZR 18/00, MDR 2003, 865; OLG Brandenburg v. 24.3.2010 – 3 U 117/09, MietRB 2010, 194. BGH v. 20.4.2005 – XII ZR 29/02, NZM 2005, 584. BGH v. 16.2.2005 – XII ZR 162/01, MDR 2005, 618. OLG Düsseldorf v. 28.1.2010 – 24 U 145/09, ZMR 2010, 756. OLG Karlsruhe v. 10.12.2002 – 17 U 97/02, OLGR 2003, 201 (207); OLG Rostock v. 25.6.2001 – 3 U 162/00, OLGR 2002, 34.

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für sich genommen (auch mehrfach) unwesentliche Änderungen aufgrund eines Vorbehalts im Vertrag vorgenommen werden, da der Grundstückserwerber durch den Vorbehalt darauf aufmerksam gemacht wird, dass sich die Miete verändert haben kann1. Beruhen Mieterhöhungen auf einer gesetzlichen Grundlage (z.B. § 558 BGB) und be- 75 dürfen einer Einigung, muss die Schriftform eingehalten werden, wenn sie für die Laufzeit maßgeblich ist. Das ist z.B. bei einem Zeitmietvertrag nach § 575 BGB oder einem Kündigungsverzicht der Fall. Im Übrigen sind dauerhafte Mietänderungen beurkundungspflichtig, wenn sie erheblich sind, was ab einer Änderung um mehr als 10 % der Fall sein soll2. Wird eine Mietsenkung allerdings mündlich – jederzeit für die Zukunft – widerrufbar vereinbart, ist der Schutzzweck des § 550 BGB nicht tangiert3. Das Gleiche gilt für eine mündliche Senkung, deren Laufzeit weniger als ein Jahr betragen soll. Ist die Mietsenkung aber endgültig und für länger als ein Jahr gültig, liegt ein Formfehler vor4. Auch die Umlagevereinbarung zu den Betriebskosten betrifft die Miete. Insoweit 76 kann z.B. die stillschweigende Abänderung der Nebenkosten dazu führen, dass der schriftliche Mietvertrag hinsichtlich der Höhe der monatlichen Nebenkostenvorauszahlungen und des Umfangs der Nebenkostenübernahme unvollständig wird. Hierin soll jedoch nur ein unerheblicher Verstoß gegen § 550 BGB liegen, wenn eine grundsätzliche Umlage der Nebenkosten auf den Mieter vereinbart und auch der Umfang der Nebenkosten grundsätzlich klar ist, demgegenüber lediglich zwei Positionen nicht ausdrücklich (schriftlich) aufgeführt worden sind5. Dabei wird die Unwesentlichkeit aus dem Verhältnis der Miete (12 685,15 Euro) zu den Nebenkostenvorauszahlungen (ca. 590,00 Euro) hergeleitet. 6. Mietzeit Zu den beurkundungspflichtigen Abreden gehört auch die Mietzeit. Diese kann ins- 77 besondere bei der Vermietung vom Reißbrett oder sonstigen Vorhaben, bei denen die Mietsache noch in einen vertragsgemäßen Zustand versetzt werden muss, problematisch sein, wenn der Fertigstellungstermin ungewiss ist. Vielfach wird hier die Mietzeit an die Übergabe geknüpft, die vom Vermieter mit einer bestimmten Frist anzukündigen sein soll. Insoweit ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Einigung abzustellen. Wird die Mietzeit im Vertrag mit „ab der Übergabe 15 Jahre“ festgehalten, ist die Schriftform eingehalten, weil die Mietzeit ausreichend bestimmbar ist6. Denn die Übergabe ist ein Ereignis, dass objektiv – ggf. durch Zeugenbeweis oder Urkunde – festgestellt werden kann und an das durch § 550 BGB keine höheren Anforderungen gestellt werden können als an die Wirksamkeit der Einigung. Die Parteien können sich während einer laufenden Kündigungsfrist mündlich ohne 78 Verletzung der Schriftform darauf verständigen, die Wirkungen der Kündigung aufzuheben7. Diese Grundsätze sind aber nicht anzuwenden, wenn die Beendigung des Vertrages durch eine fristlose Kündigung erfolgt und die Parteien sich damit erst nach Beendigung des Mietvertrages darauf verständigen, dass die Kündigung nicht wirken soll8. In diesen Fällen besteht kein Vertrag, der fortgesetzt werden könnte.

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KG v. 28.2.2005 – 12 U 74/03, NZM 2005, 457. OLG Karlsruhe v. 22.3.2001 – 9 U 174/00, GE 2001, 694 = DWW 2001, 273. KG v. 28.2.2005 – 12 U 74/03, NZM 2005, 457. LG Berlin v. 13.8.2012 – 12 O 82/12, ZMR 2013, 39. OLG Hamm v. 26.10.2005 – 30 U 121/05, OLGR 2006, 138. BGH v. 2.11.2005 – XII ZR 212/03, MDR 2006, 561 = ZMR 2006, 115 = NZM 2006, 54; BGH v. 2.5.2007 – XII ZR 178/04, MDR 2007, 1063 = ZMR 2007, 611 = NZM 2007, 443. 7 BGH v. 20.3.1974, VIII ZR 31/93, MDR 1974, 741 = NJW 1974, 1081. 8 BGH v. 24.6.1998 – XII ZR 195/96, MDR 1998, 1216 = ZMR 1998, 612 = NZM 1998, 628.

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7. Einwand des Rechtsmissbrauchs a) Allgemein 79 Ein Mangel der durch Gesetz vorgeschriebenen Form kann nur ausnahmsweise zur Vermeidung schlechthin untragbarer Ergebnisse wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich sein, weil sich grundsätzlich jede Partei darauf berufen darf, die für den Vertrag vorgeschriebene Form sei nicht eingehalten1. Allein die Tatsache, dass der Vertrag jahrelang anstandslos vollzogen wurde, hindert eine Partei nicht, sich auf einen Schriftformmangel zu berufen2, weil der Vertrag nicht unwirksam, sondern nur kündbar ist. 80 Allerdings kann es darauf ankommen, dass die Regelung, durch die der Schriftformmangel begründet wird, einseitig den Kündigenden begünstigt. Das ist z.B. der Fall, wenn die Parteien mündlich eine Mietsenkung vereinbaren und der Mieter daraus einen Verstoß gegen § 550 BGB herleiten will3. Dies gilt erst recht, wenn die die Initiative zu diesem Nachtrag vom Mieter ausging4. Hierauf kommt es allerdings nicht an, wenn die Mietsenkung zur Abwendung von Gewährleistungsrechten vereinbart wurde5. 81 Ein Ausschluss der Anwendbarkeit des § 550 BGB aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kommt nur in besonders krassen Ausnahmefällen in Betracht, in denen das Ergebnis schlechthin untragbar wäre. Ein solcher Ausnahmefall liegt z.B. vor, wenn die Parteien aus außerhalb der Urkunde liegenden Gründen zur Erfüllung der Schriftform verpflichtet sind6. Das ist z.B. der Fall, wenn die Parteien sich zur schriftlichen Beurkundung verpflichtet haben, nachträglich aber nur eine wechselseitige Telefax-Bestätigung erfolgt7, oder sich die Parteien in einem (formwirksamen) Nachtrag verpflichten, den Nachtrag dem (unerkannt formunwirksamen) Mietvertrag beizuheften8. Ebenso soll ein Rechtsmissbrauch vorliegen, wenn der Vermieter das Formular vollständig gestellt hat und sich anschließend auf die nicht ausreichende Dokumentation seiner Vertretungsverhältnisse beruft9. 82 In einer weiteren Fallgruppe des Rechtsmissbrauchs wird darauf abgestellt, ob eine Partei arglistig über das Bestehen des Schriftformerfordernisses hinweggetäuscht hat10. Dazu muss der eine den anderen Vertragspartner von der schriftlichen Abfassung der Abrede abgehalten oder darauf verwiesen haben, dass bei ihm auch mündliche Versprechen gelten. Der Mieter kann einem Erwerber des Grundstücks jedenfalls dann nicht entgegenhalten, sein früherer Vermieter habe den Abschluss eines langfristigen Vertrages gegen Treu und Glauben verhindert, wenn der Erwerber beim Erwerb des Grundstücks von den entsprechenden Vorgängen keine Kenntnis gehabt hat11. 83 Ein weiterer Ausnahmefall ist anzunehmen, wenn die andere Vertragspartei durch die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses ernsthaft in ihrer Existenz bedroht würde12. Insoweit ist es grundsätzlich unbedeutend, wer den Vertragstext gestellt hat13. Allerdings reichen dazu die ohnehin mit einem Umzug verbundenen wirtschaftlichen Folgen nicht aus. Vielmehr kommen die Fälle in Betracht, bei denen der Mieter

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BGH v. 5.11.2003 – XII ZR 134/02, MDR 2004, 325 = ZMR 2004, 106 = NJW 2004, 1103. BGH v. 5.11.2003 – XII ZR 134/02, MDR 2004, 325 = ZMR 2004, 106 = NJW 2004, 1103. BGH v. 2.7.1975 – VIII ZR 223/73, BGHZ 65, 49. OLG Naumburg v. 26.7.2012 – 9 U 38/12, ZMR 2013, 36 = NZM 2012, 808. OLG Rostock v. 25.6.2001 – 3 U 162/00, OLGR 2002, 34. BGH v. 27.11.1963 – VIII ZR 116/62, ZMR 1964, 79. OLG Düsseldorf v. 22.1.2004 – 10 U 102/03, NZM 2004, 143. BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, MDR 2005, 1040. OLG Köln v. 23.11.2004 – 22 U 77/04, GuT 2005, 52. BGH v. 24.1.1990 – VIII ZR 296/88, NJW-RR 1990, 518. BGH v. 30.5.1962 – VIII ZR 173/61, MDR 1962, 647 = NJW 1962, 1388. BGH v. 9.4.2008 – XII ZR 89/06, GE 2008, 805 = ZMR 2008, 701; BGH v. 25.7.2007 – XII ZR 143/05, NJW 2007, 3202. 13 OLG Rostock v. 10.7.2008 – 3 U 108/07, NZM 2008, 646.

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gerade erst eingezogen ist und im Vertrauen auf ein langjähriges Mietverhältnis investiert hat, diese Investitionen an einem anderen Standort nicht mehr verwerten kann und wirtschaftlich nicht in der Lage ist, an einem neuen Standort gleiche Verhältnisse herzustellen. Eine reine Standortabhängigkeit ist dagegen unbeachtlich. b) Nachholklausel Eine sog. Nachholklausel (vgl. schon § 550 BGB Rz. 10) bedingt die Anwendung des 84 § 550 BGB nicht unmittelbar ab. Denn darin die Parteien haben nicht bestimmt, dass die Kündigung unter Berufung auf einen Schriftformmangel ausgeschlossen wird. Die Klausel verpflichtet die Vertragsparteien vielmehr dazu, an der Herstellung einer ordnungsgemäßen Schriftform des Vertrages und von Nachträgen sowie an der Heilung späterhin entdeckter Schriftformmängel mitzuwirken1. Die bislang zu dieser Frage ergangene überwiegende obergerichtliche Rechtspre- 85 chung2 und auch große Teile der Literatur3 haben die ordentliche Kündigung wegen eines im Sinne einer Nachholungsklausel heilbaren Formverstoßes für treuwidrig erachtet. Dabei sollen auch formularvertragliche Nachholklauseln wirksam sein4. Nach vereinzelter Ansicht5 soll bei individualvertraglichen Vereinbarungen zunächst durch Auslegung zu ermitteln sein, ob die Vertragspartner nur die Ursprungsparteien oder auch die jeweiligen Rechtsnachfolger binden wollten; sollten auch die Rechtsnachfolger gebunden werden, sei selbst bei individualvertraglicher Gestaltung die Regelung wegen Verstoßes gegen den zwingenden § 550 BGB unwirksam. Dies gilt für Formularklauseln erst recht6. Denn sie erfassen auch den Fall, dass die Kündigung rechtsmissbräuchlich ist, obwohl der Kündigungsgegner den Kündigenden davon abgehalten hat, die für die Einhaltung der Schriftform notwendigen Handlungen vorzunehmen. Nachholklauseln sind weder individuell noch formularmäßig wirksam. Denn der 86 Zweck des § 550 BGB, den Erwerber vor langfristigen Verpflichtungen zu schützen, entzieht den Parteien insoweit die Dispositionsbefugnis7. Hierauf kommt es im Ergebnis aber auch nicht an. Denn in der Regel geht es um die Frage, ob die Kündigung wirksam ist8. Spielt dabei die Schriftform eine Rolle, kann von der gesetzlichen Anordnung des § 550 BGB nach § 242 BGB nur in krassen Ausnahmefällen abgewichen werden, nämlich wenn die Anwendung der Norm und damit das Kündigungsrecht zu schlechthin untragbaren Ergebnissen führen oder den Kündigungsgegner in seiner Existenz bedrohen würde. Ansonsten würden die Formvorschriften des BGB weitgehend ausgehöhlt9. Bereits die Möglichkeit des gekündigten Vertragspartners, gegenüber dem Kündigenden Schadensersatz u.U. wegen Verletzung einer Vertragspflicht aus §§ 280 ff. BGB geltend machen zu können, lässt das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles verneinen. Allein der Grundsatz „pacta sunt servanda“ begründet kein untragbares Ergebnis, denn die Anwendung des § 550 BGB führt regelmäßig zur Durchbrechung dieses Grundsatzes10. Insbesondere stellt die Kündigung 1 Vgl. zu den verschiedenen Typen von Nachholklauseln: Sommer, MietRB 2013, 54 (55). 2 Vgl. u.a. OLG Naumburg v. 26.7.2012 – 9 U 38/12, ZMR 2013, 36 = NZM 2012, 808; KG v. 13.11.2006 – 8 U 51/96, NJW-RR 2007, 805; OLG Düsseldorf v. 11.5.2004 – 24 U 264/03, DWW 2004, 224; OLG Köln v. 23.9.2005 – 1 U 43/04, OLGR 2005, 697; OLG Celle v. 22.7.2004 – 13 U 71/04, NZM 2005, 219. 3 Möller, ZfIR 2008, 87; Lindner-Figura, NZM 2007, 705; Wichert, ZMR 2006, 257; Horst, MDR 2008, 365; Jud, NZM 2006, 913 (916); MünchKomm/Bieber, § 550 BGB Rz. 19. 4 OLG Düsseldorf v. 11.5.2004 – 24 U 264/03, DWW 2004, 224; a.A. Sommer, MietRB 2013, 54 (55). 5 Leo, NZM 2006, 815 (816); ähnlich differenzierend Timme/Hülk, NJW 2007, 3313. 6 OLG Düsseldorf v. 29.11.2012 – 10 U 34/12, MietRB 2013, 41; Staudinger/Emmerich, § 550 BGB Rz. 47. 7 LG Berlin v. 8.3.1991 – 64 S 394/90, WuM 1991, 498; RegE, BT-Drucks. 14/4553, S. 47; Börstinghaus/Eisenschmid, S. 157; Both in Herrlein/Kandelhard, § 550 BGB Rz. 39; Palandt/Weidenkaff, § 550 BGB Rz. 2; Lindner-Figura, NZM 2007, 705; Eckert, ZfIR 2007, 666. 8 OLG Rostock v. 10.7.2008 – 3 U 108/07, NZM 2008, 646; ähnlich Streyl, NZM 2009, 261 (262). 9 Für § 125 BGB: Staudinger/Hertel, § 125 BGB Rz. 111. 10 OLG Rostock v. 10.7.2008 – 3 U 108/07, NZM 2008, 646.

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des Mieters keinen Verstoß gegen den Grundsatz dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est dar1. 86a Vor diesem Hintergrund muss für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs mehr als die Nachholklausel angeführt werden, selbst wenn zusätzlich eine salvatorische Klausel geregelt ist (vgl. § 550 BGB Rz. 104)2. Erst durch das Hinzutreten zusätzlicher Umstände kann ein untragbares Ergebnis hervortreten. Ob dazu neben der Nachholklausel der (unwirksame) vertragliche Verzicht, sich auf einen Schriftformmangel zu berufen, und das Hervorrufen eines Schriftformmangels durch eine den Kündigenden begünstigende Regelung allein ausreicht3, ist zweifelhaft. Hier muss zumindest zusätzlich auf die Höhe der Begünstigung und die Zeit, während der sie gewährt wurde, abgestellt werden. Schließlich ist beachtlich, wer an dem Schriftformmangel mitgewirkt hat. Je eher anzunehmen ist, dass dem Kündigenden die besonderen Anforderungen an die Schriftform bekannt waren, desto mehr spricht für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Denn wer weiß, wie die Schriftform einzuhalten ist, verhält sich widersprüchlich, wenn er sich auf einen (vermeidbaren) Schriftformmangel beruft. Die bloße Kenntnis, dass die Schriftform einzuhalten ist, führt noch nicht zu einem untragbaren Ergebnis. Das ist der Normalfall, wobei unterstellt werden kann, dass jeder Mitwirkende die Schriftform auch einhalten will. 87 Die Heilungs- oder Nachholungsklausel kann vor allem nicht dahin verstanden werden, dass sie quasi wie ein Vorvertrag zum Abschluss eines neuen Mietvertrages zu den alten Bedingungen verpflichtet4. Mit einem solchen Verständnis würde die Grenze zulässiger Auslegung überschritten, weil die Klausel einen bestehenden Mietvertrag voraussetzt. Die Frage, ob mittels eines formlosen Vorvertrages die Pflicht zum Abschluss eines langfristigen, § 550 BGB genügenden Mietvertrages begründet werden kann, stellt sich nicht5. Denn bei Abschluss eines Mietvertrages, der der Form nicht genügt, besteht gerade keine Einigung mit dem Inhalt eines Vorvertrages. 8. Folgen des Schriftformmangels 88 Als Rechtsfolge der Verletzung der Schriftform ordnet die Vorschrift die (ordentliche) Kündbarkeit des Mietvertrages an. Für die Kündigung des Vermieters gilt § 573 BGB. 89 Die Kündigung ist frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung zulässig. Damit ist die Überlassung i.S.v. § 535 BGB gemeint. Ist der Mieter als Nachfolger in den Mietvertrag eingetreten, ist auf die Überlassung an seinen Vorgänger abzustellen (sofern dieser nicht auch in einen Mietvertrag eingetreten ist). Hat eine Übergabe bisher nicht stattgefunden, ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem nach dem Mietvertrag die Übergabe hätte stattfinden sollen. 90 Wurden im Vertrag längere als die gesetzlichen (§§ 573d, 580a Abs. 2 BGB) Kündigungsfristen vereinbart, haben die gesetzlichen den Vorrang. Andernfalls könnten die Parteien willkürlich den durch die Schriftform bezweckten Schutz eines späteren Grundstückserwerbers durch mündliche Vereinbarung einer mehrjährigen Kündigungsfrist unterlaufen6. Nichts anderes kann im umgekehrten Fall gelten mit der Einschränkung, dass bei der Wohnraummiete § 573 Abs. 3 BGB zu beachten ist. IV. Nachträgliche Änderungen 90a Für die Schriftform relevante Änderungen des Mietvertrages liegen vor, wenn sie zu wesentlichen Abreden des Mietvertrages in Bezug stehen. Wird der Turnus der Treppenhausreinigung geändert, tangiert das nicht die Grundfesten des Mietvertrages und ist daher unbeachtlich. Problematischer sind dagegen die Änderungen hinsicht1 2 3 4 5 6

Vgl. MünchKomm/Roth, § 242 BGB Rz. 373. Im Ergebnis ebenso: Sommer, MietRB, 2013, 54 (56). So OLG Naumburg v. 26.7.2012 – 9 U 38/12, ZMR 2013, 36 = NZM 2012, 808. Vgl. BGH v. 29.9.1989 – V ZR 1/88, BGHZ 108, 380. Vgl. hierzu Eckert, ZfIR 2007, 666 m.w.N. BGH v. 29.3.2000 – XII ZR 316/97, ZMR 2000, 593.

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lich der Mietparteien, des Mietobjektes, der Mietzeit und der Miete (vgl. § 550 BGB Rz. 60 ff.). Darüber hinaus sind Änderungen des Mietvertrages unbeachtlich, wenn sie nicht 90b wirksam vereinbart sind1. Auf den Grund für die Unwirksamkeit kommt es nicht an. In Betracht kommen Gesetzesverstöße nach § 134 BGB aber auch sittenwidrige Einigungen i.S.v. § 138 BGB und bei formularmäßiger Änderungen Geschäfte i.S.d. §§ 305 ff. BGB. 1. Anforderungen des § 550 BGB Nachträgliche Änderungen des Mietvertrages können in unterschiedlicher Form er- 91 folgen. Wird die Änderung dadurch bewirkt, dass in dem vorhandenen Dokument der Vertragstext ergänzt oder nachträglich abweichend formuliert wird, liegt eine Verletzung der Schriftform nur vor, wenn dies einseitig erfolgt. Findet die Änderung übereinstimmend statt, ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die Unterschrift (auch) die Änderung deckt2. Voraussetzung ist natürlich, dass der Mietvertrag noch besteht, also die Unterschriften noch gültig sind. Das ist nach Ablauf der Mietzeit nicht mehr der Fall. Deshalb liegt ein Schriftformmangel vor, wenn die Partien nach einer fristlosen Kündigung deren Wirkungen übereinstimmend aufheben, um den Mietvertrag fortzusetzen. Denn diese Einigung ist schriftlich nicht dokumentiert3. Schaffen die Parteien für die Änderungen des Mietvertrages einen Nachtrag, gelten 92 zunächst für die Nachtragsurkunde selbst die Anforderungen des § 550 BGB, soweit damit wesentliche Änderungen verbunden sind. Daneben ist eine feste Verbindung mit dem Ursprungsvertrag nicht erforderlich, um die Anforderungen der Urkundeneinheit zu wahren4. Vielmehr ist eine eindeutige Bezugnahme ausreichend, die z.B. durch die Bezeichnung des Mietobjektes der Parteien und des Datums des Ursprungsvertrages hergestellt werden kann5. Deshalb sind die Voraussetzungen des § 550 BGB erfüllt, wenn Veräußerer und Erwerber im Rahmen des notariellen Vertrages unter Mitwirkung des Mieters Änderungen des Mietobjektes (hier: Verringerung der Fläche) vereinbaren und im Übrigen festhalten, dass ansonsten der Mietvertrag unverändert bleiben soll6. Insoweit ist es unschädlich, wenn der Mietvertrag in der notariellen Urkunde nicht mit Datum und genauer Parteibezeichnung erwähnt ist; auch wenn über das Gebäude weitere Mietverträge mit anderen Mietern bestehen, reicht die Erwähnung des Mietvertrages mit dem mitwirkenden Mieter aus, solange mit ihm nur ein Mietverhältnis besteht. Immerhin wirken Vermieter, Mieter und Erwerber in diesem Fall zusammen, so dass der Schutz des Erwerbers gewahrt ist. 2. Rechtsfolgen a) Formwirksame Änderung Eine formwirksame Änderung heilt grundsätzlich einen Formverstoß des Ursprungsvertrages7.

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Ist etwa im Ausgangsvertrag das noch zu errichtende Mietobjekt nicht ausreichend 94 beschrieben (z.B. fehlende Beifügung einer Grundrisszeichnung) und schließen die Parteien nach Fertigstellung einen Nachtrag, in dem sie zur Beschreibung des Mietobjektes auf den Ursprungsvertrag verweisen, ist der Formmangel geheilt8. Die Hei-

1 OLG Naumburg v. 26.7.2012 – 9 U 38/12, ZMR 2013, 36 = NZM 2012, 808. 2 BGH v. 27.6.1994 – III ZR 117/93, NJW 1994, 2300; BGH v. 24.1.1990 – VIII ZR 296/88, NJW-RR 1990, 518. 3 BGH v. 24.6.1998 – XII ZR 195/96, MDR 1998, 1216 = NJW 1998, 2664. 4 BGH v. 30.6.1964 – V ZR 7/63, BGHZ 42, 333. 5 BGH v. 29.1.1992 – XII ZR 175/90, NJW-RR 1992, 654; BGH v. 26.2.1992 – XII ZR 129/90, WuM 1992, 316 = NJW 1992, 2283. 6 BGH v. 23.2.2000 – XII ZR 251/97, NZM 2000, 381. 7 BGH v. 20.12.1989 – VIII ZR 203/88, NJW-RR 1990, 270; BGH v. 11.11.1987 – VIII ZR 326/86, NJWRR 1988, 201. 8 OLG Naumburg v. 7.6.2005 – 9 U 20/05, GuT 2006, 16.

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lung tritt zwar nicht durch die nach Vertragsschluss hergestellte Bauleistung ein. Denn Bezugnahmen auf Umstände außerhalb der Urkunde wahren nur dann die Schriftform, wenn diese Umstände bei Vertragsschluss gegeben sind1. Geheilt wird der ursprüngliche Schriftformmangel aber spätestens durch die schriftformwahrende Unterzeichnung des Nachtrages, und zwar auch dann, wenn dieser Vereinbarung die Baupläne nicht beigefügt sind2. Denn im Unterschied zur Lage bei Vertragsschluss hat der Vermieter zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Nachtrags die Bauleistungen erbracht. Dadurch haben die Baupläne ihre frühere Funktion, einen wesentlichen Teil des Vertragsinhalts zu beschreiben, verloren. Die Baupläne werden bei der Unterzeichnung des Nachtrags durch die körperlich vorhandene, den Vertragsparteien bekannte und von ihnen akzeptierte Bauleistung selbst ersetzt, so dass die frühere unwirksame Bezugnahme auf die aus der Mietvertragsurkunde ausgelagerten Baupläne im unterzeichneten Nachtrag ohne Relevanz ist3. Jedenfalls ist die Mietsache bei Herstellung des Nachtrages wegen der Fertigstellung zumindest bestimmbar. Dies gilt erst recht, wenn die Parteien einen Nachtrag – wegen anderer Absprachen – schaffen, in dem sie das Mietobjekt mit einer Nummer bezeichnen, mit deren Hilfe über eine Liste eine Identifizierung möglich ist4. 95 Eine Heilung tritt auch ein, wenn schon das wirksame Zustandekommen des Ursprungsvertrages zweifelhaft ist (z.B. wegen § 147 Abs. 2 BGB), die Parteien aber in einem Nachtrag auf die Ursprungsurkunde Bezug nehmen (z.B. in der Präambel), so dass eine (innerliche) Einheit zwischen der formwirksamen Nachtragsvereinbarung und dem (unwirksamen) Ausgangsvertrag besteht5. 96 Die Anforderungen sind nicht erfüllt, wenn in der Nachtragsurkunde nicht auf alle Schriftstücke Bezug genommen wird, aus denen sich sämtliche wesentlichen Vertragsabreden ergeben6. Denn insoweit fehlt es an der für die Wahrung der Schriftform erforderlichen lückenlosen Dokumentation der Einigung. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn der Mieter in der ursprünglichen Vertragsurkunde den Vorbehalt einer Nachprüfung der Baubeschreibung erklärt, dieser Vorbehalt später durch einvernehmliche Regelung aufgehoben wird, dabei aber gleichzeitig Regelungen zum Übergabetermin vereinbart werden und in einem (noch) späteren Nachtrag über einen Mieterwechsel nach Invollzugsetzung des Mietvertrages allein auf die ursprüngliche Vertragsurkunde Bezug genommen wird. b) Formunwirksame Änderung 97 Wird die Schriftform bei einer Vertragsverlängerung nicht eingehalten, kann insgesamt nicht mehr von einem befristeten Mietvertrag ausgegangen werden7. Dies betrifft insbesondere die Verlängerungen, die weit vor Ablauf des Mietvertrages vereinbart werden. 98 Der Formmangel eines Änderungsvertrages führt dazu, dass der zunächst formwirksam geschlossene Vertrag nunmehr gleichfalls der Schriftform entbehrt und nach § 550 BGB kündbar ist8. Eine Ausnahme soll dann bestehen, wenn der Änderungsvertrag in den Inhalt des zur Zeit der Änderung bestehenden ursprünglichen Vertrages während der Laufzeit in keiner Weise eingreift, sondern lediglich zur Folge hat, dass der vereinbarten Laufzeit ein weiterer Zeitabschnitt angefügt wird, es sich also um ei-

1 Vgl. BGH v. 7.3.2007 – XII ZR 40/05, NJW 2007, 1817. 2 OLG Düsseldorf v. 6.11.2008 – 24 U 149/07, ZMR 2011, 629. 3 Vgl. zu rechtsähnlichen Fällen der Heilung formunwirksam abgeschlossener Mietverträge durch formwirksam abgeschlossene Nachträge BGH v. 14.7.2004 – XII ZR 68/02, BGHZ 160, 97 = NJW 2004, 2962 (unter II 1); BGH v. 2.5.2007 – XII ZR 178/04, NJW 2007, 3273 (3275) (unter II). 4 BGH v. 2.5.2007 – XII ZR 178/04, NJW 2007, 3273. 5 BGH v. 29.4.2009 – XII ZR 142/07, NZM 2009, 515. 6 BGH v. 9.4.2008 – XII ZR 89/06, GE 2008, 805 = ZMR 2008, 701. 7 OLG Celle v. 24.6.1998 – 2 U 232/96, NZM 2000, 863. 8 BGH v. 22.2.1994 – LwZR 4/93, NJW 1994, 1649 (1651) m.w.N.

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nen reinen Verlängerungsvertrag handelt1. Eine weitere Ausnahme wird dadurch gebildet, dass unwesentliche Vertragsabreden geändert werden. Vor diesem Hintergrund tritt z.B. ein Formverstoß ein, wenn die Parteien nachträg- 99 lich eine Mietanpassung vereinbaren, ohne ausreichend auf den Vertrag Bezug zu nehmen2. Das Gleiche gilt, wenn die Parteien mündlich eine Verlängerungsvereinbarung treffen, wonach das Mietobjekt bis zur Berentung des Mieters von diesem genutzt werden können soll3. In beiden Fällen ist der Mietvertrag zum Ablauf des ersten Jahres nach Überlassung kündbar. Ansonsten geht die Rechtsprechung zu Nachträgen im Rahmen des § 550 BGB davon 100 aus, dass der in Bezug genommene Ursprungsvertrag ebenfalls der Schriftform entsprochen hat. Verweist eine nach dem Beitritt unter der Geltung des BGB abgeschlossene Änderungsvereinbarung auf einen Ursprungsvertrag, der vor dem Beitritt auf dem Gebiet der ehemaligen DDR abgeschlossen worden ist, ist das nicht selbstverständlich, weil das ZGB/DDR eine dem § 550 BGB entsprechende Vorschrift nicht kannte. Nach dem ZGB konnten vielmehr auch langfristige Mietverträge formfrei abgeschlossen werden. Im Hinblick darauf kann es zweifelhaft sein, ob der in einer schriftlichen Abänderungsvereinbarung enthaltene Bezug auf einen vor dem Beitritt formlos abgeschlossenen Mietvertrag zur Einhaltung der Schriftform genügt4. V. Heilung von Schriftformmängeln Die Parteien können die Beurkundung eines zunächst formlos geschlossenen Miet- 101 vertrages oder Nachtrages jederzeit nachholen5. Der Vertrag gilt dann als von Anfang an in der gesetzlich vorgeschriebenen Form abgeschlossen. Maßgeblich für die Einhaltung der Schriftform ist, dass wenigstens eines von mehreren Vertragsexemplaren von beiden Vertragsparteien unterzeichnet worden ist6, soweit nicht die Voraussetzungen des § 126 Abs. 2 S. 2 BGB vorliegen. Sofern keine Dokumentation der ersten Einigung (nachträglich) erfolgt, ist weitere 102 Voraussetzung, dass in dem Nachtrag auf die früheren Vertragsurkunden Bezug genommen wird7. In dieser Form kann eine ungenaue Bezeichnung des Mietgegenstandes bei einer Vermietung von Reißbrett, die einen Schriftformmangel begründet, durch die bloße Bezugnahme auf die im Zeitpunkt des Nachtrages bestehende Immobilie geheilt werden8. Eine Heilung des Schriftformmangels tritt nicht durch die formwirksame Ausübung 103 einer Option ein. Haben sich die Parteien z.B. in einem Nachtrag, der nicht ausreichend unterschrieben ist, auf die Einräumung einer Option geeinigt und übt der Mieter diese Verlängerungsoption in der Form des § 126 BGB aus, bleibt der Vertrag kündbar. Ansonsten hätte es eine Partei in der Hand, durch einseitiges Handeln die Schriftform herbeizuführen. Das sieht aber § 126 BGB gerade nicht vor. Ein Anspruch auf Vornahme von Handlungen zur nachträglichen Wahrung der ge- 104 setzlichen Schriftform resultiert noch nicht aus einer salvatorischen Klausel9. Allerdings soll die Verbindung mit einer Nachholklausel jede Partei berechtigen, gegen die andere auf Abschluss eines schriftlichen Vertrages zu klagen10, was jedoch zweifelhaft ist (vgl. § 550 BGB Rz. 84).

1 BGH v. 22.2.1994 – LwZR 4/93, NJW 1994, 1649 (1651); OLG Naumburg v. 6.5.2003 – 9 U 14/03, GuT 2004, 18 = MietRB 2004, 105. 2 OLG Karlsruhe v. 22.3.2001 – 9 U 174/00, DWW 2001, 273. 3 OLG Köln v. 1.9.2000 – 19 U 147/99, OLGR 2001, 107. 4 BGH v. 30.6.1999 – XII ZR 55/97, WuM 1999, 518 (521). 5 BGH v. 14.7.2004 – XII ZR 68/02, MDR 2004, 1347 = WuM 2004, 534 = ZMR 2004, 804 (Rz. 22). 6 OLG Düsseldorf v. 19.10.2010 – 10 U 227/99, MDR 2001, 446 = WuM 2001, 113 = ZMR 2001, 446. 7 BGH v. 9.4.2008 – XII ZR 89/06, GE 2008, 805 = ZMR 2008, 701. 8 OLG Düsseldorf v. 6.11.2008 – 24 U 149/07, ZMR 2011, 629. 9 BGH v. 17.7.2002 – XII ZR 248/99, GE 2002, 1193 = NZM 2002, 823. 10 OLG Düsseldorf v. 11.5.2004 – 24 U 264/03, MDR 2004, 1179 = ZMR 2004, 749 = NZM 2005, 147; kritisch dazu Leo, NZM 2006, 815.

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105 Schließen die Parteien in dem Bewusstsein des § 550 BGB einen Mietvertrag von längerer Dauer als einem Jahr bzw. einen schriftformbedürftigen Nachtrag, resultiert daraus ein Anspruch auf Einhaltung der Schriftform1. Dies gilt jedenfalls bis zum Ablauf von einem Jahr nach der Überlassung bzw. bei vollzogenem Mietvertrag dem Zustandekommen des Nachtrages. Denn selbst bei der gewillkürten Schriftform ist nach § 127 Abs. 2 S. 2 BGB ein Anspruch auf Herstellung einer Urkunde i.S.d. § 126 BGB gegeben, wenn die Form lediglich durch telekommunikative Übermittlung oder Briefwechsel eingehalten ist. Der Anspruch kann noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist geltend gemacht werden2. Allerdings setzt er voraus, dass lediglich eine mündliche Vereinbarung besteht. Haben die Parteien eine formunwirksame Urkunde geschaffen, ist der Anspruch bereits erfüllt. VI. Rechtsfolgen der Schriftform 106 Die Schriftform führt unabhängig davon, ob alle Voraussetzungen des § 550 BGB eingehalten sind, grundsätzlich zu der widerleglichen Vermutung, dass ihr Inhalt vollständig und richtig ist. Diese Vermutung ist begründet, wenn der Urkundentext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte einen bestimmten Regelungsinhalt zum Ausdruck bringt. Zu ihrer Widerlegung kann auf außerhalb der Urkunde liegende Mittel der Auslegung (Begleitumstände des Geschäfts, Äußerungen der Parteien außerhalb der Urkunde etc.) zurückgegriffen werden3. VII. Notwendige notarielle Beurkundung 107 An die notarielle Beurkundung ist aber auch bei der Vermietung vom Reißbrett zu denken. Verpflichtet sich der Vermieter z.B. zur Errichtung eines Mietobjektes auf einem Grundstück, das er erst noch erwerben muss, greift § 311b Abs. 1 BGB. Deshalb muss auch der Mietvertrag notariell beurkundet werden. 108 Das Gleiche gilt, wenn z.B. dem Mieter ein Vorkaufsrecht am Mietgrundstück oder der Eigentumswohnung eingeräumt wird4. Insoweit liegt gemäß §§ 125, 139 BGB im Zweifel Nichtigkeit des gesamten Vertrages vor, was jedoch bei einer salvatorischen Klausel anders zu beurteilen sein kann. Die Missachtung dieser Formvorschrift führt aber nur zur Nichtigkeit des Mietvertrages, wenn der Vertrag nicht ohne das Vorkaufsrecht abgeschlossen worden wäre. Davon kann im Zweifel nicht ausgegangen werden5. Denn der Mieter wird regelmäßig in erster Linie das Mietobjekt anmieten. Das kann anders zu beurteilen sein, wenn Mietvertrag und Vorkaufsrecht eine rechtliche Einheit bilden6, was z.B. in Betracht kommt, wenn das Vorkaufsrecht der Absicherung der Verwendungen des Mieters dient7. Haben die Parteien in Unkenntnis der Formvorschrift das Vorkaufsrecht vereinbart, tritt trotz salvatorischer Klausel Gesamtnichtigkeit ein, selbst wenn sie im Fall der Kenntnis die notarielle Form herbeigeführt hätten8. VIII. Schriftlichkeitsgebot des § 6 Abs. 1 ZwVwVO 109 Die Zwangsverwalterverordnung vom 19.12.2003 (ZwVwVO)9 bestimmt in § 6 Abs. 1 S. 1, dass Miet- und Pachtverträge vom Zwangsverwalter in schriftlicher Form abzuschließen sind. Eine Sanktion für den Fall der Nichtbeachtung ist nicht geregelt. Weder der Wortlaut des § 6 ZwVwVO noch dessen Zweck sprechen dafür, dass die Einhaltung der Schriftform Wirksamkeitsvoraussetzung der vereinbarten Maßnahme 1 2 3 4 5 6 7 8 9

A.A. Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rz. 64. Vgl. dazu BGH v. 20.3.1974 – VIII ZR 31/93, MDR 1974, 741 = NJW 1974, 1081. BGH v. 5.7.2002 – V ZR 143/01, MDR 2002, 1361. BGH v. 9.1.2003 – IX ZR 422/99, NJW 2003, 1940. BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 117/06, ZMR 2008, 883. OLG Hamm v. 27.1.2011 – 18 U 145/09, zitiert nach juris. OLG Düsseldorf v. 25.3.2003 – I-24 U 100/01, WuM 2005, 194. OLG Düsseldorf v. 25.3.2003 – I-24 U 100/01, WuM 2005, 194. BGBl. I, S. 2804.

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sei1. Denn die Schriftform wurde in § 6 ZwVwVO insbesondere deshalb eingeführt, weil die von dem Zwangsverwalter abgeschlossenen Verträge nach Aufhebung der Zwangsverwaltung auch für den Schuldner bindend sind2. Damit dient das Schriftformerfordernis aber in erster Linie Beweiszwecken; eine Funktion als Wirksamkeitsvoraussetzung ist aus dem dargelegten Zweck der Vorschrift nicht abzuleiten. C. Gewerberaummiete I. Allgemein § 550 BGB findet in der Praxis überwiegend Anwendung in der Gewerberaummiete. 110 Insoweit ergeben sich in der Anwendung der Vorschrift keine Besonderheiten. Allerdings ist in der Gewerberaummiete die Vereinbarung von Optionen insbesondere zur Verlängerung des Mietvertrages sehr verbreitet, was in der Wohnraummiete im Hinblick auf § 575 BGB nicht mehr möglich ist. Dazu besteht Streit, inwieweit die Schriftform des § 126 BGB auch für die Ausübung der Option gilt, obwohl dafür nur die gewillkürte Schriftform nach § 127 BGB vereinbart wurde (vgl. § 550 BGB Rz. 112). II. Option Die Mietzeit wird auch berührt, wenn eine Option des Mieters zur Verlängerung der 110a Mietzeit begründet wird. Unabhängig davon, ob dies bei Abschluss des Mietvertrages oder nachträglich geschieht, muss die Vereinbarung darüber in Schriftform dokumentiert werden, wenn die Option die Verlängerung des Mietvertrages über mehr als ein Jahr herbeiführen soll3. Nichts anderes gilt, wenn dem Mieter die Option eingeräumt wird, die Mietfläche durch einseitige Erklärung zu vergrößern oder zu verkleinern. Hier ist der Mietgegenstand tangiert und damit ein wesentlicher Bestandteil des Mietvertrages. Die Schriftform ist verletzt, wenn das Formerfordernis für die Ausübung einer Opti- 111 on zwischen den Mietvertragsparteien formlos aufgehoben wird4. Denn der Erwerber kann nicht sicher erkennen, dass das Formerfordernis nicht mehr gilt oder ob eine Option tatsächlich ausgeübt wurde. Die Ausübung einer Option, die eine Verlängerung von mehr als einem Jahr herbei- 112 führen soll, muss nicht in der Schriftform der §§ 550, 126 BGB erfolgen5. Die Gegenansicht6 verkennt, dass der Schutzzweck des § 550 BGB sich auf den Mietvertrag beschränkt. Daraus soll der Erwerber aus dem Mietvertrag (sicher) ersehen können, wie sich die Laufzeit des Mietvertrages gestaltet. Deshalb muss im Mietvertrag geregelt sein, ob und wenn ja, welche Formerfordernisse für die ansonsten formfreie mögliche Option gelten sollen. Es ist aber nicht die Aufgabe des § 550 BGB, dem Erwerber auch die außerhalb der Urkunde liegenden Umstände, die ihre Ursache im Vertrag haben, in der Form des § 126 BGB zu präsentieren7. Deshalb wird die für die für die Ausübung der Option vereinbarte Schriftform nach § 127 Abs. 2 BGB auch durch ein Telefax eingehalten. Auch Optionsregelungen, bei denen die Ausübung im Vertrag fingiert wird, so dass 113 die Beendigung durch Widerspruch oder Verzicht auf die Option herbeigeführt wer-

1 BGH v. 20.5.1992 – XII ZR 77/91, MDR 1992, 871 = NJW 1992, 3041. 2 Zeller/Stöber, § 152 ZVG Rz. 9.4. 3 OLG Köln v. 29.11.2005 – 22 U 105/05, MDR 2006, 925 = GUT 2006, 122; Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rz. 12 und Rz. 42; Palandt/Weidenkaff, § 550 BGB Rz. 16. 4 OLG Celle v. 23.4.1997 – 2 U 106/96, ZMR 1998, 339. 5 BGH v. 7.5.2008 – XII ZR 69/06, MDR 2008, 851 = ZMR 2008, 794 = NZM 2008, 482 (Rz. 15); Zöll in Lindner-Figura u.a., Kap. 9 Rz. 26 m.w.N. 6 OLG Köln v. 29.11.2005 – 22 U 105/05, MDR 2006, 925 = GuT 2006, 122; OLG Frankfurt v. 20.5.1998 – 23 U 121/97, NZM 1998, 1006. 7 BGH v. 7.5.2008 – XII ZR 69/06, MDR 2008, 851 = GE 2008, 798 = ZMR 2008, 794 = NZM 2008, 482.

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den muss, begegnen keinen Bedenken1. Hier liegt die Beendigung des Mietvertrages durch Kündigung oder Widerspruch gegen die Vertragsfortsetzung ebenfalls außerhalb der Urkunde und kann – wie bei der Option – den Anforderungen des § 127 BGB folgen. Denn mangels gesetzlicher Vorschrift, die z.B. wie § 568 BGB für die Wohnraummiete die Schriftform für die Kündigung anordnet, besteht für die Gewerberaummiete kein zwingendes Formerfordernis. Deshalb reicht auch bei der Kündigung die gewillkürte Schriftform mit der Folge, dass § 127 Abs. 2 BGB grundsätzlich gilt.

§ 551 Begrenzung und Anlage von Mietsicherheiten (1) Hat der Mieter dem Vermieter für die Erfüllung seiner Pflichten Sicherheit zu leisten, so darf diese vorbehaltlich des Absatzes 3 Satz 4 höchstens das Dreifache der auf einen Monat entfallenden Miete ohne die als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesenen Betriebskosten betragen. (2) Ist als Sicherheit eine Geldsumme bereitzustellen, so ist der Mieter zu drei gleichen monatlichen Teilzahlungen berechtigt. Die erste Teilzahlung ist zu Beginn des Mietverhältnisses fällig. Die weiteren Teilzahlungen werden zusammen mit den unmittelbar folgenden Mietzahlungen fällig. (3) Der Vermieter hat eine ihm als Sicherheit überlassene Geldsumme bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen. Die Vertragsparteien können eine andere Anlageform vereinbaren. In beiden Fällen muss die Anlage vom Vermögen des Vermieters getrennt erfolgen und stehen die Erträge dem Mieter zu. Sie erhöhen die Sicherheit. Bei Wohnraum in einem Studenten- oder Jugendwohnheim besteht für den Vermieter keine Pflicht, die Sicherheitsleistung zu verzinsen. (4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV. 1. 2. 3. 4. 5.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . Kautionshöhe. . . . . . . . . . . . . . . Keine getrennte Anlage? . . . . . . Ratenzahlungsgebot . . . . . . . . . Zinsanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . Inanspruchnahme der Kaution während der Mietzeit. . . . . . . . . 6. Rückerstattung der Kaution. . .

. . . . . . . . . . .

B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . I. Der Anspruch auf Leistung der Kaution. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kautionsarten . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehung des Anspruchs . . . . a) Vertraglicher Anspruch . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

1 1 3 3 5 6 9 11 16 18 20

..... .....

24 26

.....

27

. . . .

27 29 32 32

. . . .

. . . . . . . . . . .

. . . .

. . . . . . . . . . .

. . . .

. . . .

b) Gesetzlicher Anspruch . . . . . . . . . . 3. Gläubiger des Kautionsanspruchs . . . 4. Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Leistungsverweigerung und Aufrechnung des Mieters . . . . . . . . . . . . . 6. Aufstockung der Kaution . . . . . . . . . . 7. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begrenzung der Höhe der Kaution . . . 1. Ermittlung der zulässigen Höhe . . . . . 2. Durchbrechung der Obergrenze . . . . . 3. Sachliche Beschränkung der Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentlich geförderter Wohnungsbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Förderung bis zum 31.12.2001 . bb) Förderung seit dem 1.1.2002 . . b) Aufrechnungsverbot für nicht mietvertragliche Ansprüche. . . . . . c) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . III. Die Barkaution. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35 37 40 43 48 54 56 57 57 60 64 64 64 67 68 70 71

1 OLG Rostock v. 8.10.2009 – 3 U 137/08, ZMR 2010, 682; OLG Hamm v. 26.10.2005 – 30 U 121/05, OLGR 2006, 138.

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§ 551 BGB

Begrenzung und Anlage von Mietsicherheiten 1. Ratenzahlungsgebot . . . . . . . . . . . . . a) Erste Rate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Folgeraten . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verzugsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Annahmeverzug des Vermieters . . . . 4. Getrennte Anlage . . . . . . . . . . . . . . . a) Anlagepflicht des Vermieters . . . . b) Wahl des Kreditinstituts . . . . . . . c) Auskunftsanspruch des Mieters . 5. Andere Anlageform . . . . . . . . . . . . . . 6. Inanspruchnahme im laufenden Mietvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Recht zur Inanspruchnahme . . . . b) Pflicht zur Wiederauffüllung . . . . . aa) Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vermieter . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Behandlung der Zinsen . . . . . . . . . . . a) Mietrechtliche Grundsätze . . . . . aa) Mietverträge aus der Zeit vor dem 1.1.1983 . . . . . . . . . . . . . . bb) Verzinsliche Kautionen . . . . . cc) Höhere Zinsen und andere Entgelte. . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Höhere Zinsen beim Anspruch auf gesetzeskonforme Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Studenten und Jugendwohnheime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kapitalertragsteuerliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Rückforderung zu viel gezahlter Kaution. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Anspruch auf Rückzahlung nach Mietende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gläubiger des Anspruchs . . . . . . . b) Schuldner des Rückzahlungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Modalitäten der Erfüllung (Aufrechnung). . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . .

. 73 . 75 . 77 . 85 . 88 . 89 . 89 . 96 . 98 . 101 . . . . . . .

104 104 107 107 109 110 113

. 113 . 116

IV. 1. 2. 3. 4. 5. V. 1. 2. 3.

. 117

. 122 . 124 . 126 . 134 . 137 . 138

4. C. I. 1. 2. II. 1. 2.

. 141

3. 4.

. 144

5.

. 149 . 149

6.

(1) Zeitpunkt der Auflösung des Sparbuchs . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erlöschen des Rückzahlungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verrechnungen des Mieters . . cc) Aufrechnung mit kautionsfremden Ansprüchen . . . . . . . e) Rechtsfolgen der Kautionsabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verjährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirksame Bürgschaftsverpflichtung Umfang der Bürgschaftsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dauer der Bürgenhaftung . . . . . . . . . Inanspruchnahme des Bürgen . . . . . Rückgabe der Bürgschaft . . . . . . . . . Andere Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . Verpfändung eines Sparguthabens . Garantieversprechen . . . . . . . . . . . . . Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendbarkeit des § 551 BGB . . . c) Erklärungen der ARGE . . . . . . . . Sicherungsabtretung. . . . . . . . . . . . . Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . Arten von Sicherheiten . . . . . . . . . . . Patronatserklärung . . . . . . . . . . . . . . Mietgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kautionsvereinbarung . . . . . . . . . . . Kautionshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirksame Bürgschaft eines Kaufmanns oder gesetzlichen Vertreters . Fälligkeit der Sicherheitsleistung . . . Pflicht zur getrennten Anlage und Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwertung der Kaution im laufenden Mietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachschusspflicht . . . . . . . . . . . . . . .

. 149 . 151 . 160 . 162 . . . .

165 166 168 168

. . . . . . . . . . . .

172 177 179 183 185 185 194 195 195 198 199 202

. . . . . .

205 206 207 212 216 216

. 218 . 220 . 223 . 225 . 228

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Norm legt die Grenzen fest, in denen die Parteien eine Sicherheitsleistung gene- 1 rell festlegen können. Dazu wird in § 551 Abs. 1 BGB zunächst die Höhe für alle denkbaren Kautionsarten auf das Dreifache der Grundmiete festgelegt. Im Weiteren wird die Barkaution behandelt, für die dem Mieter ein Ratenzahlungsrecht (§ 551 Abs. 2 BGB) eingeräumt wird, das die Zahlung von drei gleichen Teilbeträgen vorsieht und als Grundsatz erhebt, dass der Vermieter den Geldbetrag getrennt von seinem Vermögen auf einem Sparkonto anzulegen hat (§ 551 Abs. 3 S. 1 BGB). Diese Pflicht zur treuhänderischen Verwahrung gilt auch für eine von dem Sparkonto abweichende Anlageform, wobei klarstellend hinzugesetzt wird, dass die Zinsen die Sicherheit erhöhen. § 551 BGB begründet keine Pflicht des Mieters zur Beibringung einer Kaution. Viel- 2 mehr setzt die Regelung voraus, dass eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien getroffen wird.

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II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 3 Unmittelbar ist die Vorschrift grundsätzlich auf alle Wohnraummietverträge anwendbar. Das gilt auch für Mischmietverhältnisse, die ihren Schwerpunkt in der Wohnraummiete haben1. § 551 BGB ist nicht anwendbar auf Mietverträge über Objekte mit betreutem Wohnen; hier ist § 14 WBVG mit der Begrenzung auf zwei Gesamtmieten vorrangig. Schließlich ist die Bestimmung mittelbar anwendbar über §§ 554a Abs. 3, 563b Abs. 3 BGB sowie § 9 Abs. 5 WoBindG. 4 § 551 Abs. 1 BGB gilt grundsätzlich für jede Form der Sicherheitsleistung, die der Mieter dem Vermieter für die Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Mietvertrag verspricht. Demgegenüber ist § 551 Abs. 2 und 3 BGB ausdrücklich allein auf die Barkaution anwendbar. 2. Anwendbare Rechtsprechung 5 Gegenüber § 550b BGB a.F., der zum 1.1.1983 eingeführt wurde, wurde mit der Mietrechtsreform 2001 lediglich die andere Anlageform in § 551 Abs. 3 BGB aufgenommen. Damit ist aber keine inhaltliche Veränderung der gesetzlichen Anordnungen verbunden. Rechtsprechung zu § 550b BGB a.F. aus der Zeit vor dem 1.1.2001 kann ohne Bedenken übernommen werden. III. Zweck der Vorschrift 6 Die Höhenbegrenzung der Kaution dient zuvorderst dem Ausgleich der Interessen der Parteien. Dem Vermieter ist an einer ausreichenden Sicherheit für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Mieters oder einem Streit über die Höhe seiner Forderung gelegen. Der Mieter möchte seine ohnehin hohe finanzielle Belastung im Zusammenhang mit einem Umzug oder einer Haushaltsgründung im überschaubaren Rahmen halten. 7 § 551 Abs. 2 BGB dient dem Mieterinteresse. Wegen seiner wirtschaftlichen Belastung zu Beginn des Mietvertrages wird ihm eine Ratenzahlung ermöglicht. Andererseits wird davon ausgegangen, dass der Vermieter in diesem Stadium des Mietvertrages regelmäßig keine Ansprüche hat, die bereits eine vollständige Sicherheit erfordern. 8 Zur Begründung der Anlagepflicht des Vermieters (§ 551 Abs. 3 BGB) wird in den Gesetzesmaterialien ausgeführt, dass die Kaution wie ein Treuhandvermögen oder Mündelgeld zu behandeln sei, um sie im Falle der Insolvenz des Vermieters zu schützen und das Pfandrecht der Banken an dem Kautionskonto auszuschließen2. Die Anlagepflicht soll also den Rückzahlungsanspruch des Mieters für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Vermieters sichern, insbesondere vor dem Zugriff der Gläubiger des Vermieters schützen3. Legt der Vermieter die Barkaution – sei es sofort, sei es später – auf einem Treuhandkonto an, so steht dem Mieter bei Insolvenz des Vermieters ein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO) in Bezug auf seine Mietkaution zu4. In der Einzelzwangsvollstreckung kann er seine Rechte im Wege der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO geltend machen. IV. Abweichende Vereinbarungen 9 Grundsätzlich verbietet § 551 Abs. 4 BGB zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen. Der Anwendungsbereich dieser Norm ist – wie die inhaltsgleichen Bestimmungen in anderen Normen – auf abstrakt generelle Regelungen in einem Mietvertrag beschränkt (vgl. § 557 BGB Rz. 7 ff.). Für nachträgliche Vereinbarungen 1 BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842 = NJW-RR 1986, 877. 2 BT-Drucks. 9/2079, S. 10. 3 BGH v. 23.8.1995 – 5 StR 271/95, MDR 1996, 86 = NJW 1996, 65 unter Bezugnahme auf BTDrucks. 9/2079, S. 10. 4 BayObLG v. 8.4.1988 – RE-Miet 1/88, MDR 1988, 675 = NJW 1988, 1796.

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greift schon der Zweck des § 551 Abs. 2 BGB nicht ein. Während der Mietzeit können die Parteien daher insbesondere einzelvertraglich andere Regelungen treffen. Formularmäßige Bestimmungen, die im Laufe der Mietzeit vereinbart werden, sind an § 307 BGB zu messen. Ihre Wirksamkeit wird im Einzelfall davon abhängen, inwieweit dem Mieter auch ein Vorteil gewährt wurde. Verstößt eine Vereinbarung gegen § 551 Abs. 4 BGB oder ist sie aus sonstigen Grün- 10 den (z.B. § 307 BGB) unwirksam, beschränkt sich die Wirkung nicht allein auf die schuldrechtliche Kautionsvereinbarung. Vielmehr erfasst die Unwirksamkeit auch das Erfüllungs- bzw. Verfügungsgeschäft (z.B. Abtretung)1. 1. Kautionshöhe Die in § 551 Abs. 1 BGB festgelegte Höhe der Kaution auf drei (Grund-)Mieten steht 11 unter dem Verbot des § 551 Abs. 4 BGB. Generell sind daher abweichende Vereinbarungen unwirksam, soweit sie ohne konkreten Anlass bei Abschluss des Mietvertrages begründet werden. Dies gilt erst recht für Formularklauseln. Zulässig ist es aber, schon im Mietvertrag – auch formularmäßig – eine Nachschuss- 12 pflicht zu regeln, die eine Erhöhung der Kaution für den Fall der Mieterhöhung nach § 558 BGB vorsieht. Eine solche Klausel begründet keinen Verstoß gegen § 551 Abs. 4 BGB2. Denn sie knüpft an eine nachträgliche Veränderung des Mietvertrages an, für die diese Mieterbegünstigungsklausel gerade nicht gilt. Deshalb kann auch die Nachschusspflicht für den Fall des Verlustes bei einer anderen Anlage i.S.v. § 551 Abs. 3 BGB im Formularvertrag geregelt werden3. Daneben sind Vereinbarungen während der Mietzeit zulässig, auch wenn sie zum 13 Nachteil des Mieters von den Bestimmungen des § 551 BGB abweichen (vgl. § 551 BGB Rz. 9). Aber auch weitere Ausnahmen von § 551 Abs. 4 BGB sind denkbar. Das Gesetz sieht selbst vor, dass zumindest eine zusätzliche Sicherheitsleistung neben der ursprünglichen Kaution in besonderen Fällen in Betracht kommen kann (vgl. § 554a Abs. 2 BGB). Weitere sachliche Ausnahmen ergeben sich zum Teil aus der Person des Schuldners oder einem besonderen Änderungswunsch (vgl. § 551 BGB Rz. 62 f.). Wird eine der Höhe nach unzulässige Vereinbarung getroffen, weil sie z.B. gegen § 551 14 Abs. 4 BGB verstößt, wird die Kaution in der Regel auf den nach § 551 Abs. 1 BGB zulässigen Inhalt zurückgeführt4. Soweit die Kaution also z.B. drei (Grund-)Mieten überschreitet, sind Ansprüche aus § 812 BGB gegeben. Nur auf diese Weise kann letztlich der von der Norm bezweckte Mieterschutz erreicht werden. Hat der Mieter eine Kaution geleistet, die den Höchstbetrag erreicht, und bietet er oder ein Dritter dem Vermieter nach Beginn des Mietvertrages unaufgefordert eine weitere Sicherheit, z.B. in Form einer Bürgschaft, führt dies nicht zu einem Verstoß gegen § 551 Abs. 4 BGB5, soweit der Mieter dadurch nicht belastet wird. Auf die Unwirksamkeit kann sich auch ein Dritter berufen6. Zum Kumulationsverbot vgl. § 551 BGB Rz. 59. Eine weitere Einschränkung gilt bei preisgebundenem Wohnraum gemäß § 9 Abs. 5 WoBindG. Wurden die öffentlichen Mittel bis zum 31.12.2001 bewilligt (vgl. § 50 WoFG), kann eine Kaution danach nur für Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache oder unterlassenen Schönheitsreparaturen vereinbart werden.

1 OLG Celle v. 17.9.2010 – 7 U 62/10, ZMR 2011, 379. 2 Schmidt-Futterer/Blank, § 551 BGB Rz. 62; Wiek, WuM 2005, 685; a.A. Staudinger/Emmerich, § 551 BGB Rz. 9; Bamberger/Roth/Ehlert, § 551 BGB Rz. 19; Derleder, WuM 2002, 239 (241); Lammel, § 551 BGB Rz. 18. 3 A.A. Blank/Börstinghaus, § 551 BGB Rz. 47; Geldmacher in WoBauR, § 551 BGB Anm. 5. 4 BGH v. 25.6.2003 – VIII ZR 344/02, WuM 2003, 495; BGH v. 3.12.2003 – VIII ZR 86/03, WuM 2004, 147; BGH v. 17.3.2004 – VIII ZR 166/03, WuM 2004, 269; BGH v. 30.6.2004 – VIII ZR 243/03, MDR 2004, 1107 = WuM 2004, 473. 5 BGH v. 7.6.1990 – IX ZR 16/90, MDR 1990, 913 = ZMR 1990, 327; LG Mannheim v. 26.11.2009 – 10 O 28/09, ZMR 2010, 367. 6 OLG Celle v. 17.9.2010 – 7 U 62/10, ZMR 2011, 379.

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Der Grund dafür liegt in § 29 II. BV. Danach hat der Vermieter für das Mietausfallrisiko bereits das sog. Mietausfallwagnis kalkuliert. Deshalb würde der Mieter doppelt belastet, wenn die Kaution dieses Risiko ebenfalls abdecken würde. Sobald die Kautionsvereinbarung also auch die Inanspruchnahme z.B. wegen rückständiger Mietzahlungen oder Betriebskosten zulässt, ist sie unwirksam1. Wurden die öffentlichen Mittel nach dem 31.12.2001 bewilligt, gilt § 28 Abs. 4 Nr. 2 WoFG. Danach kommt es für eine Beschränkung der Höhe der Kaution auf die Auflagen und Bedingungen im Bewilligungsbescheid an. 2. Keine getrennte Anlage? 16 Eine von § 551 Abs. 2 BGB abweichende Vereinbarung ist in § 551 Abs. 3 BGB ausdrücklich vorgesehen. Diese Abweichung betrifft aber nur die Anlageform, nicht die Form der Verwahrung. Diese muss generell getrennt vom Vermögen des Vermieters stattfinden, also insolvenzfest (vgl. dazu § 551 BGB Rz. 89). Davon kann im Rahmen des § 551 Abs. 4 BGB nicht abgewichen werden. 17 Bei der Einführung der Anlagepflicht zum 1.1.1983 hielt der Gesetzgeber noch eine abweichende Vereinbarung für zulässig, wenn anstelle der Anlage auf einem Treuhandkonto die Rückzahlung des Kautionsbetrages nebst Zinsen durch die Bürgschaft eines geeigneten Kreditinstituts abgesichert wird2. Diese die Rechtsprechung nicht bindende Rechtsauffassung des Gesetzgebers ist unzutreffend. Denn selbst wenn unterstellt werden könnte, dass durch die Bürgschaft der Rückzahlungsanspruch des Mieters zusätzlich gesichert werden soll, wird dadurch die notwendige Sicherheit für den Mieter (= insolvenzfeste Anlage der Kaution) gerade nicht erreicht. Zwar ist die Bürgschaft ein Sicherungsmittel. Indessen besteht diese Sicherung nur solange, wie das Bankinstitut selbst nicht insolvent ist3. Soll also durch § 551 Abs. 3 BGB der Rückzahlungsanspruch des Mieters insolvenzfest gesichert werden, kann dies durch eine reine Bankbürgschaft nicht erreicht werden. Denn damit ist das Risiko des Mieters im Falle der Insolvenz der Bank (nach der Insolvenz des Vermieters) nicht abgesichert. 3. Ratenzahlungsgebot 18 Allein die Formulierung, die entgegen § 551 Abs. 2 BGB (Ratenzahlung) die sofortige Zahlung vor oder bei Beginn des Mietvertrages anordnet, führt nicht zur Unwirksamkeit der Kautionsklausel als solcher, selbst wenn die Formulierung für eine Vielzahl von Fällen geschaffen wurde (§ 307 BGB). Vielmehr muss jede einzelne Klausel darauf untersucht werden, inwieweit die Abweichung von der Ratenzahlungsmöglichkeit den Sinn der ganzen Klausel entstellt. Deshalb bleibt eine Klausel bestehen, die im ersten Absatz die Kautionsvereinbarung der Höhe nach enthält und im vierten Absatz eine von § 551 Abs. 2 BGB abweichende Fälligkeitsregelung4. 19 Das Gleiche gilt für eine Klausel, in der der Mieter verpflichtet wird, „bei Abschluss des Vertrages“ die Kaution zu zahlen5. Selbst wenn die wirksame schriftliche Kautionsvereinbarung ohne Fälligkeitsregelung mit einer unwirksamen mündlichen Zusatzabrede sowie darüber hinaus mit einer unwirksamen schriftlichen Bürgschaftsvereinbarung gekoppelt ist, soll der Wohnraummieter die Rückzahlung einer Mietkaution nicht verlangen können6. Ist die gesamte Klausel unwirksam, besteht für den Mieter ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 BGB, den er während des laufenden Mietvertrages geltend machen kann7. 1 LG Berlin v. 13.3.2012 – 65 S 254/11, GE 2012, 755. 2 BT-Drucks. 9/2079, S. 14. 3 Insofern haben die Ereignisse im September 2008 um die Lehmann Brothers Holdings Inc. völlig neue Perspektiven eröffnet. 4 BGH v. 25.6.2003 – VIII ZR 344/02, NZM 2003, 754. 5 BGH v. 3.12.2003 – VIII ZR 86/03, WuM 2004, 147; BGH v. 17.3.2004 – VIII ZR 166/03, WuM 2004, 269. 6 BGH v. 30.6.2004 – VIII ZR 243/03, MDR 2004, 1107. 7 LG Potsdam v. 13.2.2003 – 11 S 177/02, MM 2003, 141.

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4. Zinsanlage Grundsätzlich sind auch insoweit abweichende Vereinbarungen zu Lasten des Mie- 20 ters unzulässig, § 551 Abs. 4 BGB. Davon nicht erfasst werden Vereinbarungen, wonach dem Mieter die Zinsen z.B. jährlich ausbezahlt werden müssen. Sie begünstigen ihn. Das Gesetz sieht selbst in § 551 Abs. 3 BGB eine unverzinsliche Sicherheitsleistung 21 vor. Denn eine andere Anlage kann dazu führen, dass keine Zinsen anfallen (vgl. § 551 BGB Rz. 101). Dennoch muss nach Sinn und Zweck der Bestimmung darauf abgestellt werden, ob den Parteien das Risiko einer Anlage bewusst war oder von vornherein eine Verzinsung ausgeschlossen oder beschränkt werden sollte. Letzteres führt zur Unwirksamkeit. Ob das auch für eine Vereinbarung gilt, die einen höheren (festen) Zinssatz vorsieht, 22 kann zweifelhaft sein. Denn verändert sich der für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist maßgebliche Zinssatz, kann eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung entstehen. Richtigerweise ist insoweit aber auf den Vertragsschluss abzustellen. Liegt der Zinssatz hier über dem nach § 551 Abs. 3 BGB üblichen Satz, ist und bleibt die Vereinbarung wirksam. Immerhin ist sie auch als andere Anlage anzusehen. Unabhängig davon müssen Vor- und Nachteile bei der Betrachtung nach § 551 Abs. 4 BGB gegeneinander abgewogen werden1. Bei Studenten- und Jugendwohnheimen (vgl. § 549 BGB Rz. 35 ff.) kann die Verzin- 23 sungspflicht freiwillig begründet werden. Dazu ist eine Vertragsabrede Voraussetzung. 5. Inanspruchnahme der Kaution während der Mietzeit Die h.M. geht davon aus, dass aus der Treuhandabrede zugleich ein grundsätzliches 24 Verbot der Inanspruchnahme während der Mietzeit folgt. Dies wirkt sich in der Praxis wie ein (stillschweigendes) Aufrechnungsverbot aus (vgl. dazu im Einzelnen § 551 BGB Rz. 104 f.). Die Formularklausel, die dem Vermieter unabhängig von weiteren Bedingungen das 25 Recht einräumt, auch während der Mietzeit Ansprüche aus dem Mietvertrag durch Rückgriff auf die Kaution zu befriedigen, soll zwar in einem Mietvertrag über Gewerberaum wirksam sein2. Für einen Wohnraummietvertrag muss im Hinblick auf das Transparenzgebot zumindest die Einschränkung vorgesehen sein, dass sich der Mieter in Verzug befinden muss. Allerdings wird ihre grundsätzliche Zulässigkeit auch verneint3. 6. Rückerstattung der Kaution Vereinbarungen zur Rückzahlung der Kaution sind innerhalb der Grenzen des § 307 26 BGB zulässig. Insbesondere besteht kein Hinderungsgrund, die angemessene Prüfungszeit des Vermieters, nach der der Rückzahlungsanspruch fällig wird, konkret zu bestimmen (z.B. auf sechs Monate). Aber auch die Klausel, die die Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs von der fristgerechten Vorlage der Betriebs- und Heizkostenabrechnung über die letzte Abrechnungsperiode abhängig macht, ist zulässig. B. Wohnraummiete I. Der Anspruch auf Leistung der Kaution Der Kautionsanspruch entsteht durch Vereinbarung der Parteien, die von § 551 BGB 27 vorausgesetzt wird (vgl. § 551 BGB Rz. 2). Diese Sicherungsabrede begründet ein

1 Lehmann-Richter, WuM 2010, 3. 2 OLG Karlsruhe v. 2.7.2004 – 1 U 12/04, NZM 2004, 742. 3 Derleder, WuM 2002, 239 (242).

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Treuhandverhältnis1, das den Vermieter bei der Verwertung der Sicherheit beschränken kann. Dieses Treuhandverhältnis ist in der Wohnraummiete2, nicht aber in der Gewerberaummiete3, durch § 266 StGB geschützt. 28 Der Anspruch auf Leistung der Kaution ist nicht abtretbar. Er erfüllt die Voraussetzungen des § 399 BGB, weil die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger (Vermieter) nicht ohne Veränderung des Inhalts erfolgen kann. Denn die Sicherheit soll vereinbarungsgemäß dazu dienen, Forderungen des Vermieters aus dem Mietvertrag zu sichern4. Immerhin besteht eine treuhänderische Bindung des Vermieters, die Sicherheitsleistung – jedenfalls im Rahmen des Mietvertrages – allein zu dem vertraglich bestimmten Zweck zu verwenden5. 1. Kautionsarten 29 Als Sicherheitsleistungen kommen alle von § 232 BGB erfassten Möglichkeiten in Betracht, also insbesondere die Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren, die Verpfändung beweglicher Sachen (z.B. Sparbücher), die Gestellung von Hypotheken sowie die Stellung eines tauglichen Bürgen, § 232 BGB. Genossenschaftsanteile, die der Mieter zum Erwerb der Mitgliedschaft in der Genossenschaft anlässlich des Bezugs der Wohnung erwerben muss, unterliegen nicht dem § 551 BGB6. Denn sie stellen keine Sicherheitsleistung dar, sondern den satzungsgemäßen Beitrag jedes Mitglieds der Genossenschaft. 30 Auch die verbindliche Erklärung eines Dritten, für die Schuld des Mieters einstehen zu wollen, kann als Sicherheit i.S.d. § 551 BGB ausgelegt werden. Ob es sich dabei um einen Schuldbeitritt, eine Schuldübernahme oder Bürgschaft handelt, muss im Einzelfall entschieden werden7. Hier können sich Abgrenzungsprobleme ergeben, wenn der Dritte als Mieter den Mietvertrag unterschreibt, von vorneherein jedoch klar war, dass er die Wohnung nicht nutzen soll, sondern dem Vermieter lediglich als zusätzlicher Schuldner dienen soll (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 290)8. 31 Solange keine Kostenzusage gemäß § 34 SGB X, die in der Regel durch Verwaltungsakt erfolgt, vorliegt, ist die an den Vermieter gerichtete Erklärung der ARGE, die Kosten der Unterkunft und der Heizung für einen bedürftigen Mieter zu übernehmen und direkt an den Vermieter zu zahlen, in der Regel als reine Tatsachenerklärung zu werten9. Eine bindende Verpflichtungserklärung ist erst bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt. Diese müssen zu der Annahme führen, eine dem Vermieter gegenüber abgegebene Erklärung der ARGE beschränke sich nicht auf die Mitteilung des Hilfeanspruchs und der direkten Zahlungsweise, sondern bezwecke die Begründung einer materiell-rechtlichen Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Vermieter. Notwendig ist insoweit vor allem, dass die ARGE ihren Rechtsbindungswillen unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat. 2. Entstehung des Anspruchs a) Vertraglicher Anspruch 32 Der Anspruch auf Zahlung der Kaution entsteht durch eine bestimmbare Vereinbarung. Als wesentliche Vereinbarung muss die Abrede über die Zahlung der Kaution 1 KG v. 1.10.1998 – 20 W 6592/98, NZM 1999, 376; OLG Frankfurt v. 29.5.1991 – 17 U 110/90, NJWRR 1991, 1416; Palandt/Weidenkaff, § 551 BGB Rz. 12. 2 BGH v. 23.8.1995 – 5 StR 371/95, MDR 1996, 86 = NJW 1996, 65. 3 BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, ZMR 2008, 698. 4 OLG Düsseldorf v. 20.1.2000 – 10 U 182/98, ZMR 2000, 212. 5 OLG Frankfurt v. 29.5.1991 – 17 U 110/90, ZMR 1991, 340. 6 LG Regensburg v. 18.8.2009 – 2 S 82/09, ZMR 2010, 368; AG Kiel v. 11.8.2011 – 108 C 24/11; NZM 2012, 610 = MM 2011, Nr. 12, 30; a.A. AG Saarbrücken v. 24.7.2007 – 37 C 132/07, WuM 2007, 506; vgl. im Übrigen umfassend Drasdo, NZM 2012, 585 (589 f.). 7 Vgl. im Einzelnen Derleder, NZM 2006, 601 (605). 8 LG Lübeck v. 25.3.2010 – 14 S 146/09, ZMR 2010, 857; LG Leipzig v. 26.1.2005 – 1 S 5846/04, NZM 2006, 175. 9 OLG Düsseldorf v. 27.7.2010 – 24 U 230/09, WuM 2010, 696 = ZMR 2011, 713 = MietRB 2011, 6.

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im Anwendungsbereich des § 550 BGB schriftlich dokumentiert sein. Auch wenn die Einhaltung der Form nicht notwendig ist, ist die Vereinbarung wirksam, wenn bestimmbar ist, dass eine Sicherheit geleistet werden soll, der Mieter also eine werthaltige Sache überlassen soll, die der Absicherung der Ansprüche des Vermieters dient. Dies kann z.B. zweifelhaft sein, wenn der Vermieter eine Provision für den Abschluss des Mietvertrages fordert. Eher als Sicherheit (mit der bei der Wohnraummiete geltenden Höhenbegrenzung nach § 551 Abs. 1 BGB) ist es anzusehen, wenn der Mieter eine weitere Person „als Mieter“ stellen soll, obwohl von vorneherein dessen Nutzung nicht gewollt ist1. Die Wirksamkeit der Vereinbarung ist nicht davon abhängig, dass die Höhe der Kau- 33 tion exakt geregelt ist. Auch insoweit reicht die Bestimmbarkeit aus. Wird die „übliche“ Kaution vereinbart, ist zu ermitteln, welchen Inhalt die Parteien dieser Abrede geben wollten. Im Zweifel ist insoweit auf die ortsübliche Höhe abzustellen. Dies wird vielerorts das Dreifache sein. Mitunter, gerade wenn ein Mietermarkt herrscht (wie z.B. in Randgebieten), wird aber die Kautionshöhe darunter liegen, weil sie als Messlatte bei der Entscheidung des Mieters über die Günstigkeit des Angebots des Vermieters herangezogen wird. Die Vereinbarung kann auch unter Bedingungen gestellt werden. Häufig anzutreffen 34 ist die Regelung, dass der Mieter z.B. bis zur Übergabe eine Bürgschaft als Sicherheit übergeben darf, der Vermieter danach aber eine Barkaution verlangen kann, sofern die Bürgschaft nicht übergeben wird. Hier ist im Zweifel von einem Wahlrecht des Mieters auszugehen, das mit der Übergabe erlischt. Andererseits konzentriert sich das Schuldverhältnis gemäß § 263 Abs. 2 BGB aus einer solchen Abrede auf die Bürgschaft, wenn der Vermieter statt der Barkaution diese Sicherheit verlangt2. b) Gesetzlicher Anspruch Die vorstehenden Grundsätze gelten prinzipiell auch im Fall des § 554a Abs. 3 BGB. 35 Denn danach macht der Vermieter seine Zustimmung von der Leistung einer Kaution abhängig. Dies kann auch dadurch erfolgen, dass der Mieter dem Kautionsbegehren zustimmt, so dass ein Anspruch auf Zahlung durch Vereinbarung entsteht (vgl. § 554a BGB Rz. 45 ff.). Der Anspruch wird, sofern die Parteien keine andere Abrede treffen, grundsätzlich nicht sofort fällig. Vielmehr setzt die Sicherheit voraus, dass der Mieter von der Zustimmung des Vermieters Gebrauch macht. Regelmäßig wird daher die Sicherheit erst mit Beginn der Installation/baulichen Veränderung fällig, und zwar bei vereinbarter Barkaution in einer Summe. Denn auf § 551 Abs. 2 BGB wird nicht verwiesen. Anders ist die Rechtslage bei § 563b Abs. 3 BGB. Hier entsteht der Anspruch auf Leis- 36 tung der Kaution kraft Gesetzes und wird mit dem Verlangen des Vermieters fällig. Insoweit steht dem Vermieter ein Leistungsbestimmungsrecht in den Grenzen des § 551 BGB zu (vgl. § 563b BGB Rz. 52). Im Hinblick auf die Ablehnungsbefugnis der Berechtigten nach § 563 Abs. 3 BGB ist der Anspruch auf Leistung der Kaution hier auflösend bedingt. Alle bis zur Ablehnung eingegangenen Rechtsgeschäfte verlieren ihre Wirkung, § 158 Abs. 2 BGB. 3. Gläubiger des Kautionsanspruchs Grundsätzlich wird der Vermieter (vgl. § 535 BGB Rz. 273 ff.) Gläubiger des Anspruchs auf Leistung der Kaution. Bei mehreren Personen sind also alle gemeinsam forderungsberechtigt. Im Zweifel kann auf Leistung an alle geklagt werden, § 432 BGB.

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Grundsätzlich kommt eine Abtretung nicht in Betracht. Die Kaution dient der Siche- 38 rung der Ansprüche des Vermieters aus dem Mietvertrag, so dass eine Abtretung mit

1 LG Lübeck v. 25.3.2010 – 14 S 146/09, ZMR 2010, 857. 2 OLG Düsseldorf v. 9.6.2011 – 10 U 148/10, ZMR 2011, 869.

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ihrem Zweck nicht vereinbar und daher durch § 399 BGB sanktioniert ist1. Denkbar ist aber eine Einziehungsermächtigung, z.B. bei der Veräußerung für den bisherigen Vermieter, der dem Erwerber Sicherheit geleistet hat2. 39 Mit der Veräußerung tritt der Erwerber nach § 566 BGB in einen entstandenen und fälligen Anspruch auf Leistung der Kaution ein3. Denn bei diesem Anspruch handelt es sich um eine Forderung mit mietrechtlichem Charakter. 4. Fälligkeit 40 Vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarungen, die in der Wohnraummiete nur in den Grenzen des § 551 Abs. 4 BGB zulässig sind, wird der Anspruch auf Zahlung der Kaution grundsätzlich spätestens mit Beginn des Mietvertrages fällig. Damit kann der Vermieter die Sicherheit gemäß § 271 Abs. 2 BGB grundsätzlich spätestens zu dem Zeitpunkt fordern, in dem das Mietverhältnis nach den Abreden der Parteien in Vollzug gesetzt werden soll (vgl. dazu § 551 BGB Rz. 75). Bei der Barkaution ist § 551 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. 41 Bis zum Eintritt der Verjährung kann der Kautionsanspruch auch noch nach Ende der Mietzeit geltend gemacht werden, solange nicht der Anspruch des Mieters auf Abrechnung der Kaution fällig wird4. Voraussetzung ist allerdings, dass ein Sicherungsbedürfnis besteht5. Dazu muss der Vermieter vortragen, dass ihm aus dem beendeten Vertrag noch Forderungen zustehen, wozu auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abgestellt wird6. In diesen Fällen braucht der Vermieter erst über die Kaution abzurechnen, wenn er sie erhalten hat7. 42 Das Gleiche gilt, wenn die Pflicht zur Stellung einer Bürgschaft nicht erfüllt wurde. Hier ergibt sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach Beendigung des Mietvertrages ein Anspruch des Vermieters gegen den Mieter auf unmittelbare Zahlung der Kautionssumme8. 5. Leistungsverweigerung und Aufrechnung des Mieters 43 Grundsätzlich ist § 273 BGB auf die Barkaution anwendbar. Für § 320 BGB ist – vorbehaltlich anderer Vereinbarungen der Parteien – regelmäßig kein Raum, weil die Sicherheitsleistung in keinem Gegenseitigkeitsverhältnis steht9. Ausnahmen können sich aus dem Zweck der Sicherheitsleistung in besonderen Fällen ergeben. 44 Ein Zurückbehaltungsrecht ist trotz des Wortlautes des § 551 Abs. 3 BGB (… eine ihm als Sicherheit überlassene Geldsumme …) bei der Barkaution in der Regel begründet, wenn der Mieter die Zahlung der Kautionssumme von der Angabe eines insolvenzfesten Kontos abhängig macht, auf das er die Zahlung leisten will10. Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten insoweit gerade eine restriktive Auslegung. Danach besteht das Risiko des Verlustes der Kaution auch für den ggf. kurzen Zeitraum, in dem der Vermieter die Barzahlung des Mieters auf seinem (ungesicherten) Girokonto verwahrt. Der Verlust kann durch Pfändung Dritter und/oder Aufrechnung der Bank erfolgen.

1 OLG Düsseldorf v. 20.1.2000 – 10 U 182/98, ZMR 2000, 211 = NZM 2001, 380 (382); OLG Frankfurt v. 29.5.1991 – 17 U 110/90, WuM 1991, 484 = ZMR 1991, 340 = NJW-RR 1991, 1416; offen gelassen von BGH v. 25.7.2012 – XII ZR 22/11, MDR 2012, 1082 = GE 2012, 1125 (1126). 2 BGH v. 25.7.2012 – XII ZR 22/11, MDR 2012, 1082 = GE 2012, 1125 (1126). 3 BGH v. 25.7.2012 – XII ZR 22/11, MDR 2012, 1082 = GE 2012, 1125 (1126). 4 BGH v. 12.1.1981 – VIII ZR 332/79, NJW 1981, 976; KG v. 21.1.2008 – 12 W 90/07, GE 2008, 670 = ZMR 2008, 617; LG Berlin v. 14.5.2009 – 67 S 450/08, GE 2009, 980. 5 BGH v. 22.11.2011 – VIII ZR 65/11, ZMR 2012, 434 = NZM 2012, 156. 6 OLG Düsseldorf v. 20.1.2000 – 10 U 182/98, ZMR 2000, 212. 7 OLG Düsseldorf v. 30.5.1996 – 10 U 158/95, WuM 1996, 704; a.A. für die Zwangsvollstreckung LG Nürnberg-Fürth v. 8.7.1992 – 7 O 1609/92, WuM 1994, 708. 8 OLG Düsseldorf v. 23.3.2000 – 10 U 160/97, ZMR 2000, 452. 9 BGH v. 13.12.2012 – IX ZR 9/12, WuM 2013, 103. 10 BGH v. 13.10.2010 – VIII ZR 98/10, MDR 2010, 1444 = GE 2010, 1677 = DWW 2010, 372.

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Die Eigenart der Sicherheitsleistung verbietet es aber grundsätzlich, dass der Mieter 45 sich auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB oder § 320 BGB beruft, wenn der Vermieter die Mietsache nicht in einem vertragsgerechten Zustand übergeben kann1. Damit würde der Sicherungszweck vereitelt2. Immerhin kann der Mieter die Übernahme schon wegen § 266 BGB ablehnen und ist er durch § 536 BGB bzw. die Möglichkeit, einem Mängelbeseitigungsanspruch durch die Leistungsverweigerung nach § 320 BGB Nachdruck zu verleihen, ausreichend geschützt. Eine Aufrechnung des Mieters gegen den Kautionsanspruch soll auch ohne aus- 46 drückliche Regelung ausgeschlossen sein3. Dieses Aufrechnungsverbot soll sich aus der Natur des Kautionsanspruchs erklären. Diese Auffassung ist richtig, solange die Ansprüche des Mieters streitig sind. Denn mit dem Sicherungsinteresse des Vermieters ist es nicht vereinbar, dass der Mieter die Kautionszahlungspflicht zur Befriedigung eigener streitiger Gegenforderungen nutzen kann4. Sobald aber unstreitige, entscheidungsreife oder rechtskräftig festgestellte Forderungen bestehen, ist die Aufrechnung zulässig. Dies ergibt sich aus § 569 Abs. 2a S. 3 BGB. Es begründet keine Gegenrechte des Mieters, wenn der Vermieter nur von finanziell 47 schwächer gestellten Mietern eine Kaution verlangt. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das AGG vor5. 6. Aufstockung der Kaution Nicht nur im Fall der besonderen Anlageform nach § 551 Abs. 3 S. 2 BGB (vgl. dazu 48 § 551 BGB Rz. 101) stellt sich insbesondere bei langen Mietverträgen die Frage, inwieweit der Vermieter berechtigt ist, eine Aufstockung der Kaution im Hinblick darauf zu verlangen, dass die Kaution an Wert verloren hat. Ein solcher Wertverlust kann unter zwei Gesichtspunkten relevant werden: Zum einen kann der Wert der Sicherheit als solcher hinter den vereinbarten Wert zurückgehen. Zum anderen kann die Kaution hinter der – zwischenzeitlich gestiegenen – aktuellen Miete zurückbleiben. Gerade bei rapide gestiegenen Mieten nimmt die Absicherung des Vermieters durch 49 eine statische Kaution, die allein durch Zinsen einen Zuwachs erfährt, überproportional ab. Die Schere zwischen aktueller Miete und der Sicherheit kann in der Gewerberaummiete durch eine zusätzliche Vereinbarung im Mietvertrag geschlossen werden, wenn sich eine entsprechende Nachschusspflicht nicht schon durch Auslegung der Vertragsklausel ergibt (vgl. dazu § 551 BGB Rz. 228). Für die Wohnraummiete ergibt sich die Notwendigkeit einer besonderen Vereinbarung bereits aus § 551 Abs. 1 BGB, der die Kautionsvereinbarung auf das Dreifache der Monatsmiete festlegt und keine Anpassung während der Mietzeit vorsieht (aber auch nicht verbietet). Im Übrigen wird das Ergebnis durch Auslegung bestätigt. Denn solange die Parteien keinen Änderungsmodus vereinbaren, ist von einer statischen Kaution auszugehen. Davon nicht erfasst wird aber der Wertverlust der Sicherheit. Dabei sind nicht die 50 Folgen einer Inflation gemeint, so dass eine Barkaution nicht mehr der bei Abschluss des Mietvertrages vereinbarten wahren Höhe entspricht. Diese wird von § 551 BGB unterstellt. § 557b BGB ist nicht (analog) anwendbar. Es bleibt nur die Möglichkeit einer anderen Vereinbarung. Diese kann sich nur an der Miete in der vereinbarten Höhe orientieren. Sofern dafür in der Regelung nicht ausdrücklich auf Mietsteigerungen abgestellt wird, bildet allein die Miete bei Abschluss des Mietvertrages den Maßstab. Davon zu unterscheiden ist der Wertverlust der bei einer anderen Anlage i.S.v. § 551 51 Abs. 3 BGB durch eine schlechtere Bewertung der Sicherheit eintreten kann. Dies 1 BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 255/04, GuT 2007, 128; OLG Celle v. 20.2.2002 – 2 U 183/01, NZM 2003, 64. 2 OLG Düsseldorf v. 23.3.2000 – 10 U 160/97, ZMR 2000, 453; OLG München v. 17.4.2000 – 3 W 1332/00, ZMR 2000, 528. 3 LG Hamburg v. 18.10.1990 – 311 O 92/90, ZMR 1991, 344 = WuM 1991, 586. 4 Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 551 BGB Rz. 11. 5 AG Kiel v. 11.8.2011 – 108 C 24/11; MM 2011, Nr. 12, 30.

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gilt insbesondere für Wertpapiere, die frei gehandelt werden, so dass ihr Wert jederzeit (öffentlich) festgestellt werden kann. Diesen Wertverlust regelt § 240 BGB für die Sicherheit, der grundsätzlich eine Nachschusspflicht – für das Mietrecht – des Mieters regelt. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb § 240 BGB als Bestimmung des allgemeinen Schuldrechts nicht für die Kaution gelten soll, die im Rahmen eines Mietvertrages über Wohn- oder Gewerberaum versprochen wird. Weder ist ein entgegenstehender Wille des Gesetzgebers (bei der Wohnraummiete) feststellbar1, noch aus dem Gesichtspunkt des Mieterschutzes eine eingeschränkte Anwendung geboten. Der Mieter wird in den Grenzen des § 551 BGB insgesamt geschützt. Wenn er eine darüber hinausgehende Vereinbarung trifft, besteht kein Grund, den Schutz des § 551 BGB zu erweitern. 52 Schließlich ist nicht ersichtlich, dass eine entsprechende vertraglich begründete Pflicht zur Wiederauffüllung nach § 551 Abs. 4 BGB unwirksam sein sollte2. Bis zur Einführung des § 551 Abs. 3 S. 2 BGB zum 1.9.2001 hat niemand daran gezweifelt, dass eine Vorschrift des allgemeinen Schuldrechts nicht auf einen Fall, der im besonderen Schuldrecht geregelt ist, anwendbar ist. Allein durch das MRRG sind keine Anhaltspunkte geschaffen worden, die eine andere Sichtweise rechtfertigen. Im Hinblick auf die Risiken, die mit einer anderen Anlage i.S.v. § 551 Abs. 3 S. 2 BGB verbunden sind, ist eine formularvertragliche Regelung grundsätzlich unwirksam (vgl. § 551 BGB Rz. 102). Wird die Vereinbarung aber individuell getroffen, ist kein aus den §§ 134, 138 BGB herzuleitender sachlicher Grund ersichtlich, der den Mieter von der gesetzlich geregelten Nachschusspflicht befreien könnte. § 240 BGB schafft eine eindeutige Risikoverteilung, die auch für die Kaution gilt, die durch einen Mietvertrag begründet wird. 53 Davon unabhängig ist die Frage, ob der Mieter der Nachschusspflicht einen Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter entgegenhalten kann3. Dies ist gerechtfertigt, wenn der Vermieter eine Aufklärungs- oder Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die vereinbarte Kaution verletzt hat. Diese im Einzelfall zu treffende Entscheidung kann jedoch nicht mit der Frage verbunden werden, ob § 240 BGB auf die Mietkaution anwendbar ist. Weder das Wesen der Kaution noch Sinn und Zweck des § 551 BGB stehen einer Anwendung des § 240 BGB entgegen. 53a In welchen zeitlichen Abständen die Überprüfung der Werthaltigkeit der Sicherheit stattfinden kann und damit eine Nachschusspflicht begründet werden kann, ist im Einzelfall zu entscheiden. Maßgeblich ist, dass sich die Wertminderung verfestigt hat4. Deshalb reichen kurzfristige Kursschwankungen nicht aus, um den Nachschussanspruch zu begründen. Andererseits kann der Mieter einem Anspruch nicht entgegenhalten, dass sich der Kurs auch wieder erholen wird. Mit Rücksicht darauf wird in der Regel von einer Nachschusspflicht auszugehen sein, wenn der Kurs in den letzten sechs Monaten unter dem ursprünglichen Niveau geblieben ist. Besteht eine Nachschusspflicht kann der Mieter entscheiden, ob er die bestehende Sicherheit in der Form der anderen Anlage ergänzt oder anderweitig Sicherheit leisten will5, also insbesondere eine Barkaution leistet. 7. Beweislast 54 Der Vermieter muss die Kautionsvereinbarung beweisen, wenn er eine Mietsicherheit verlangt. Daneben hat er die gesetzeskonforme Anlage zu beweisen. 55 Der Mieter muss die Erfüllung und die Fälligkeit des Rückforderungsanspruchs darlegen und beweisen.

1 A.A. (ohne nähere Begründung): Herrlein in Herrlein/Kandelhard, § 551 BGB Rz. 19 (wer die Diskussion auf dem Deutschen Mietgerichtstag 2002 in Dortmund erlebt hat, wird noch wissen, dass dem Gesetzgeber 2001 die Relevanz der Vorschrift nicht bewusst war). 2 A.A. Blank/Börstinghaus, § 551 BGB Rz. 47. 3 Vgl. dazu Langenberg, NZM 2001, 69 (70); Kandelhard, WuM 2002, 302. 4 Erman/Schmidt-Jäntsch, § 240 BGB Rz. 1. 5 Erman/Schmidt-Jäntsch, § 240 BGB Rz. 4 m.w.N.

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8. Verjährung Die regelmäßige Verjährung (§ 195 BGB) erfasst auch den vertraglichen Anspruch 56 auf Zahlung der Kaution1. Der Verjährungsbeginn ist nicht bis zum Ende der Mietzeit hinausgeschoben2. II. Begrenzung der Höhe der Kaution 1. Ermittlung der zulässigen Höhe Nach § 551 Abs. 1 BGB darf die Mietsicherheit höchstens das Dreifache der Grund- 57 miete betragen, sofern die Parteien daneben gemäß § 556 Abs. 1 BGB die gesonderte Zahlung eines Betrages für die Betriebskosten vereinbart haben. Bei einer Bruttomiete oder einer Teilinklusivmiete muss der auf die Betriebskosten entfallende Anteil nicht herausgerechnet werden. Ein (unbegrenzter) Bürgschaftsvertrag ist daher nach § 551 Abs. 4 BGB nichtig, so- 58 weit er zu einer Inanspruchnahme über den Betrag von drei Monatsraten hinausführen kann3. Das Gleiche soll gelten, wenn die Miete von Anfang an in unzulässiger Höhe (z.B. wegen Verstoßes gegen § 5 WiStrG) vereinbart wurde4 oder die Mietsache mit einem unbehebbaren Mangel behaftet ist, der bereits bei Vereinbarung über die Barkaution vorlag5. In diesem Fall soll die Miete von vornherein nach § 536 BGB gemindert sein, so dass die geminderte Miete Ausgangspunkt der Berechnung sein soll mit der Folge, dass der Mieter im laufenden Mietvertrag die Miete zurückfordern kann6. Letzteres ist zweifelhaft. Die Vereinbarung der Miete unterliegt in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB der Privatautonomie. § 536 BGB bildet keine (absolute) Grenze für die Mietpreisgestaltung, sondern begründet eine Einwendung. Dies bringt auch § 536b BGB zum Ausdruck. Danach kann der Mieter dem Vermieter 100 % Miete versprechen, obwohl die Mietsache im Hinblick auf einen Mangel einen geringeren Wert hat. Werden mehrere Sicherheiten nebeneinander vereinbart (z.B. Barkaution und Bürg- 59 schaft), gilt das sog. Kumulationsverbot. Danach sind alle Sicherheiten zu addieren, so dass der Vermieter, der z.B. eine Barkaution in Höhe der dreifachen Nettomiete erhalten hat, vom Mieter keine weitere Sicherheit, z.B. in Form der Bürgschaft eines Dritten, verlangen kann7. 2. Durchbrechung der Obergrenze Vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen (vgl. § 551 BGB Rz. 12) besteht kein An- 60 spruch des Vermieters, z.B. wegen Geldentwertung, höherer ortsüblicher Vergleichsmiete oder im konkreten Mietvertrag gestiegener Miete eine Nachforderung auf die Kaution zu verlangen8. Das Gleiche gilt im umgekehrten Verhältnis, solange kein absoluter Unwirksamkeitsgrund wie z.B. bei § 5 WiStrG vorliegt, der bereits bei Abschluss de Mietvertrages bestand (vgl. § 551 BGB Rz. 58)9. Die Obergrenze von maximal drei (Grund-)Mieten darf aber ausdrücklich durch die Zuschreibung der Zinsen gemäß § 551 Abs. 3 S. 4 BGB durchbrochen werden. Bei der Sicherheit gemäß § 554a Abs. 3 BGB findet die Beschränkung des § 551 Abs. 2 61 BGB mangels Verweises keine Anwendung. Entsprechendes gilt für sonstige Sicher1 LG Darmstadt v. 7.3.2007 – 4 O 529/06, NZM 2007, 801; LG Duisburg v. 28.3.2006 – 13 S 334/05, WuM 2006, 250; ebenso für den Rückforderungsanspruch wegen überhöhter Kaution: BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 91/10, GE 2011, 1013. 2 KG v. 3.3.2008 – 22 W 2/08, ZMR 2008, 624 = GuT 2008, 126 = NZM 2009, 743. 3 OLG Köln v. 30.4.1988 – 22 U 83/88, ZMR 1988, 429; LG Kassel v. 19.12.1996 – 1 S 613/96, WuM 1997, 555 = NZM 1998, 328. 4 Blank/Börstinghaus, § 551 BGB Rz. 35. 5 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 347/04, NZM 2005, 699. 6 Derleder, NZM 2006, 601 (605) (Frustrationsschaden). 7 BGH v. 20.4.1989 – IX ZR 212/88, MDR 1989, 732 = NJW 1989, 1853. 8 Palandt/Weidenkaff, § 551 BGB Rz. 9. 9 Blank/Börstinghaus, § 551 BGB Rz. 36.

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heiten, die nach Abschluss des Mietvertrages im Zusammenhang mit der Zustimmung zu baulichen Veränderungen vereinbart werden dürfen, wie z.B. bei der Installation von Parabolantennen1. Der Sinn erschließt sich aus dem Vorhaben des Mieters. Der Vermieter soll in Höhe der Rückbaukosten abgesichert werden. Damit verträgt sich keine Höhenbegrenzung, die an der Miete orientiert wird. 62 Die Grenze von drei (Grund-)Mieten gilt prinzipiell auch unabhängig von der Bonität des Mieters. Verfügt der (potentielle) Mieter nicht über ein regelmäßiges Einkommen (z.B. Studenten), ist prinzipiell schon wegen § 551 Abs. 4 BGB keine Ausnahme gerechtfertigt, selbst wenn der Mieter die zusätzliche Sicherheit von sich aus anbietet (z.B. Elternbürgschaft)2. Eine Abweichung kommt aber in Betracht, wenn die (höhere) Kaution erst im laufenden Mietvertrag geregelt wird, oder nach dessen Beendigung zur Vermeidung der Zwangsräumung3. In beiden Fällen ist nämlich § 551 Abs. 4 BGB nach Sinn und Zweck nicht anwendbar (vgl. § 551 BGB Rz. 9). 63 Im Übrigen ist umstritten, ob die vom Mieter angebotene höhere Sicherheitsleistung wirksam ist. Während die h.M. darin keinen Verstoß gegen § 551 Abs. 4 BGB sieht, wenn die Leistung freiwillig angeboten wird und für den Mieter nicht mit besonderen Belastungen verbunden ist4, wird in der Literatur teilweise die Anwendung des Kumulationsverbots auch in diesem Fall befürwortet5. Insoweit verdient aber die h.M. den Vorzug. § 551 Abs. 4 BGB ist keine so absolute Grenze, dass zugunsten des Mieters eingegangene Vereinbarungen ohne Ausnahme erfasst werden müssen. Die Kaution bleibt dem Mieter. Wird sie durch einen Dritten eingegangen, belastet sie den Mieter in der Regel nicht, sondern verhilft ihm regelmäßig bei der Wohnungssuche zum Erfolg. Mit Rücksicht darauf ist auch die unbegrenzte Bürgschaft wirksam, deren Lieferung der Mieter übernimmt, um den Vermieter zu bewegen, mit dem von ihm benannten Nachmieter einen Mietvertrag zu schließen. 3. Sachliche Beschränkung der Sicherheit a) Öffentlich geförderter Wohnungsbau aa) Förderung bis zum 31.12.2001 64 Für einen Mietvertrag über eine bis zum 31.12.2001 öffentlich geförderte Wohnung schreibt § 9 Abs. 5 WoBindG vor, dass eine Kaution nur als Sicherheit für Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter aus Schäden an der Wohnung oder unterlassenen Schönheitsreparaturen verlangt werden kann. Der Grund besteht darin, dass bei der Berechnung der Miete ein Mietausfallwagnis (§ 29 II. BV) und bei den Betriebskosten ein Umlageausfallwagnis (§ 25a NMV) berechnet werden können. 65 Ohne die Beschränkung auf Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter aus Schäden an der Wohnung oder unterlassenen Schönheitsreparaturen ist die Kautionsabrede unwirksam (§ 134 BGB, § 9 Abs. 5 WoBindG). Die Rechtsfolge tritt schon ein, wenn die Einschränkung als solche in der Kautionsabrede nicht formuliert ist6. Ein weiterer Fall liegt vor, wenn im Mietvertrag zusätzlich formuliert ist, dass der Vermieter berechtigt ist, die Kaution nach der Rückgabe bis zur Abrechnung der Heiz- und Betriebskosten zurückzuhalten7. 66 Ein Verstoß gegen diese Beschränkungen hat zur Folge, dass der Mieter (auch im laufenden Mietverhältnis) die Kaution zurückfordern kann, ohne dass der Vermieter auf-

1 OLG Karlsruhe v. 24.8.1993 – 3 REMiet 2/93, WuM 1993, 525; OLG Hamm v. 3.9.1993 – 30 REMiet 6/92, WuM 1993, 659; OLG Stuttgart v. 8.9.1993 – 8 REMiet 1/93, WuM 1995, 306; a.A. Sternel, ZMR 2002, 1. 2 A.A. AG Charlottenburg v. 29.8.2008 – 238 C 17/08, GE 2009, 523. 3 AG Dillingen v. 28.2.2002 – 1 C 775/01, ZMR 2003, 39 mit ablehnender Anm. Siedler. 4 BGH v. 7.6.1990 – IX ZR 16/90, MDR 1990, 913 = ZMR 1990, 327; LG Mannheim v. 26.11.2009 – 10 O 28/09, ZMR 2010, 367; MünchKomm/Bieber, § 551 BGB Rz. 11 m.w.N. 5 Staudinger/Emmerich, § 551 BGB Rz. 7; Derleder, NZM 2006, 601 (603). 6 LG Aachen v. 23.9.2005 – 5 S 92/05, WuM 2006, 101. 7 AG Neukölln v. 11.5.2011 – 4 C 199/11, GE 2011, 891.

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rechnen können soll1. Eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt2. Wird der Verstoß erst am Ende der Mietzeit geltend gemacht, soll der Vermieter sogar nicht berechtigt sein, gegen den Rückzahlungsanspruch z.B. mit Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen aufzurechnen3, was allerdings zweifelhaft ist (vgl. § 551 BGB Rz. 70)4. bb) Förderung seit dem 1.1.2002 Wurden die öffentlichen Mittel nach dem 31.12.2001 bewilligt, ist § 28 Abs. 4 Nr. 2 67 WoFG einschlägig. Danach kommt es für eine Beschränkung der Höhe der Kaution oder ihrer sachlichen Geltung auf die Auflagen und Bedingungen im Bewilligungsbescheid an. Dieser hat zugunsten des Mieters Drittwirkung. b) Aufrechnungsverbot für nicht mietvertragliche Ansprüche Die Kaution dient der Sicherung der Ansprüche des Vermieters aus dem Mietver- 68 trag. Hieraus ist eine Aufrechnungsbeschränkung für den laufenden Mietvertrag herzuleiten, die dem Vermieter grundsätzlich verbietet, wegen anderer Ansprüche die Kaution zu verrechnen5. Deshalb können erst recht keine abgetretenen Ansprüche gegen die Kaution aufgerechnet werden6. Dieses Aufrechnungsverbot soll sich auch nach Ende der Mietzeit gegenüber dem 69 Rückzahlungsanspruch für Gegenansprüche ergeben, die ihren Grund nicht im Mietvertrag haben (vgl. dazu § 551 BGB Rz. 162). c) Kritische Würdigung Eine (nachvertragliche) Aufrechnungsbeschränkung im preisgebundenen Wohnraum 70 ist ebenso zweifelhaft wie die generelle Beschränkung des Aufrechnungsrechts auf Ansprüche aus dem (beendeten) Mietvertrag über preisfreien Wohnraum7. Eine solche Beschränkung hat nämlich u.a. zur Folge, dass der Vermieter selbst wegen Prozesskosten aus einem Mietprozess (nach Ende des Mietvertrages) nicht aufrechnen könnte8 oder dem Mieter im preisgebundenen Wohnraum die Mietsicherheit zurückgewähren müsste, weil allein noch Nebenkostenforderungen offen stehen. Abgesehen davon, dass die treuhänderische Bindung mit Ablauf des Mietvertrages endet, zwingen weder Sinn und Zweck des § 9 Abs. 5 WoBindG noch die Sicherheitsleistung als solche den Vermieter zur Selbstschädigung. Die Mietsicherheit soll generell das Insolvenzrisiko des Vermieters abfedern. Dieses Risiko besteht für außerhalb des Mietvertrages entstandene oder nicht vom Zweck der Kautionsabrede erfasste Ansprüche in gleicher Qualität9. Während des Mietvertrages ist eine Aufrechnungsbeschränkung ohne Zweifel anzuerkennen. Nach Ende des Mietvertrages ist sie nicht mehr zu rechtfertigen. III. Die Barkaution Von einer Barkaution ist auszugehen, wenn der Mieter nach den vertraglichen Regelungen verpflichtet ist, an den Vermieter einen bestimmten Geldbetrag zu übergeben oder auf ein vom Vermieter bestimmtes Konto zu zahlen. Davon zu unterscheiden ist die Pflicht zur Überlassung eines verpfändeten Sparguthabens. Ein solcher Anspruch wird nach § 888 ZPO vollstreckt10. Übergibt der Mieter lediglich ein Sparbuch, auf 1 2 3 4 5 6 7 8 9

AG Coesfeld v. 6.1.2004 – 11 C 371/03, WuM 2004, 115. AG Neukölln v. 11.5.2011 – 4 C 199/11, GE 2011, 891. AG Köln v. 4.5.1999 – 218 C 26/99, WuM 2000, 22. AG Spandau v. 28.7.2011 – 10 C 222/11, GE 2011, 1488. Allg.M. vgl. z.B. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. III 183. OLG Düsseldorf v. 25.10.2007 – 10 U 24/07, ZMR 2008, 47. LG Köln v. 31.1.2007 – 10 S 165/06, MietRB 2007, 113. LG Duisburg v. 18.5.2010 – 13 S 58/10, IMR 2010, 273. Vgl. im Einzelnen: AG Spandau v. 28.7.2011 – 10 C 222/11, GE 2011, 1488; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. III 159a; Dickersbach, WuM 2006, 595; a.A. AG Köln v. 4.5.1999 – 218 C 26/99, WuM 2000, 22; Bellinger, WuM 2007, 177. 10 LG Berlin v. 15.5.2007 – 67 T 34/07, GE 2007, 1191.

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das er den Kautionsbetrag eingezahlt hat, ist darin keine Verpfändung, sondern eine Abtretung des Sparguthabens zu sehen, wenn bei der Übergabe keine weiteren Erklärungen abgegeben werden1. 72 Die Annahme eines dinglichen Charakters der Barkaution ist verfehlt2. Die Barkaution beruht auf der Begründung durch einen Treuhandvertrag, dessen Abwicklung sich rein schuldrechtlich vollzieht. 1. Ratenzahlungsgebot 73 Für die Barkaution gilt unabdingbar (§ 551 Abs. 4 BGB) das Recht des Mieters zur Teilzahlung in drei gleichen Monatsraten (§ 551 Abs. 2 S. 1 BGB). Dies gilt entsprechend, wenn der Mieter ein Sparbuch mit Verpfändungsvermerk oder im Wege der Abtretung schuldet3. 74 Die Höhe der Raten ergibt sich stets mit einem Drittel der – in zulässiger Höhe – vereinbarten Kautionssumme. Das gilt auch dann, wenn z.B. eine Kaution in Höhe einer Monatsmiete i.S.v. § 551 BGB vereinbart wurde. Eine Regelung, die den Mieter in einem solchen Fall zur Leistung der Kaution in einer Summe verpflichtet, ist nach § 551 Abs. 4 BGB unwirksam. Deshalb können die Raten auch nicht in unterschiedlicher Höhe im Vertrag festgelegt werden. Unabhängig davon ist es dem Mieter unbenommen, die Kaution in einem Betrag oder höheren Raten zu zahlen. a) Erste Rate 75 Die erste Rate ist nach § 551 Abs. 2 S. 2 BGB zu Beginn des Mietvertrages fällig. Damit kommt es darauf an, wann die Parteien den Mietvertrag in Gang setzen wollten4. Das wird in der Regel der erste Tag des Monats sein. Ansonsten gilt der Tag, den die Parteien als Mietbeginn festlegen. Fällt der Fälligkeitstermin auf einen Sonntag, Sonnabend oder Feiertag, gilt § 193 BGB. Der Mietbeginn muss nicht identisch mit der tatsächlichen Übergabe i.S.v. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB sein, die vorher, aber auch nachher stattfinden kann. Der Zeitpunkt liegt auch vor der Fälligkeit nach § 556b Abs. 1 BGB, wie sich schon aus der Fälligkeitsanordnung in § 551 Abs. 2 S. 3 BGB für die zweite und dritte Rate ergibt. 76 Die Zahlung muss vom Mieter so bewirkt werden, dass der Vermieter am Fälligkeitstag über den Betrag verfügen kann, ihn also insolvenzfest anlegen kann. Da es sich um einen kalendermäßig bestimmten Termin handelt, gerät der Mieter mit Ablauf des Tages der Fälligkeit sofort in Verzug. Der Vermieter kann entgangene Zinsen fordern (vgl. § 551 BGB Rz. 86). b) Die Folgeraten 77 Für die Anzahl der Folgeraten kommt es nicht darauf an, in welcher Höhe die Parteien die Zahlung einer Barkaution vereinbart haben. Selbst wenn eine Kaution von einer Monatsmiete vereinbart wurde, kann der Mieter den geschuldeten Betrag in drei gleichen Teilzahlungen erbringen. 78 Die beiden Folgeraten sind im Regelfall jeweils bis zum dritten Werktag des zweiten und dritten Monats zu zahlen, wie § 551 Abs. 2 S. 3 BGB, der durch das MietRÄndG 2013 eingefügt wurde, ausdrücklich klarstellt. Insoweit gelten die Grundsätze des § 556b Abs. 1 BGB. Immerhin sollen die zweite und dritte Rate mit der Miete zu zahlen sein. Insbesondere gilt damit, dass die jeweilige Rate bis zum dritten Werktag auf dem Konto des Vermieters verfügbar sein muss, soweit eine Rechtzeitigkeitsklausel vereinbart ist oder die Zahlungsverzugsrichtlinie gilt (vgl. § 556b BGB Rz. 28 f.). 79 Wirtschaftlich problematisch wegen der Gefährdung des Sicherungszwecks wird das Ratenzahlungsgebot für den Vermieter, wenn größere Zeitabschnitte für die Mietzah1 AG Dortmund v. 17.1.2006 – 125 C 13588/05, WuM 2006, 251. 2 So aber Kandelhard, NZM 2001, 696 (698 f.); ihm folgend Herrlein in Herrlein/Kandelhard, § 551 BGB Rz. 5. 3 BT-Drucks. 9/2079, S. 13. 4 LG Mannheim v. 12.7.1989 – 4 S 38/89, ZMR 1990, 18.

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lung vereinbart sind. Da die Fälligkeit der Kautionsraten an die Fälligkeit der weiteren Mietzahlungen anknüpft, kann der Vermieter für längere Zeit ungesichert sein. Eine Verkürzung der Zeitabstände z.B. in der Form, dass mit dem Mieter eine Zahlung innerhalb von drei Monaten vereinbart wird, ist nach § 551 Abs. 4 BGB unwirksam. Haben die Parteien für die Anfangsmonate Mietfreiheit vereinbart, tangiert das zu- 80 nächst die Pflicht zur Zahlung der ersten Rate nicht. Denn diese ist am Mietbeginn fällig und nicht davon abhängig, dass zum gleichen Zeitpunkt auch eine Mietzahlung zu leisten ist. Hinsichtlich der späteren Raten ergibt sich kein Problem, wenn nur die Grundmiete erlassen wurde, daneben aber die Betriebskostenvorauszahlungen geschuldet sind. Denn Betriebskosten sind Miete, so dass „weitere Mietzahlungen“ i.S.v. § 551 Abs. 2 S. 3 BGB geschuldet sind. Soll eine Gegenleistung in den ersten Monaten überhaupt nicht geschuldet sein, ist 81 durch Auslegung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu ermitteln, ob mit der Mietfreiheit auch eine weitere Stundung der Kaution verbunden sein sollte. Ist das der Fall, sind die weiteren Raten erst am Fälligkeitstag der „weiteren“ Mietzahlungen zu erbringen. Regelmäßig wird aber eine weitere Kautionsstundung nicht dem übereinstimmenden 82 Willen der Parteien entsprechen, und zwar auch nicht im Fall der Mängelbeseitigung durch den Mieter in den Anfangsmonaten1. Denn haben die Parteien z.B. eine monatlich zu zahlende Miete vereinbart und soll dem Mieter für Leistungen, die er auf die Mietsache erbringt, die Miete vorübergehend erlassen werden, erbringt er die Miete in Form einer Sachleistung. Zwar spricht das Gesetz von „unmittelbar folgenden Mietzahlungen“ und soll diese Formulierung klarstellen, dass die weiteren Kautionsraten mit den zeitlich unmittelbar nachfolgenden Mietzahlungen zu leisten sind2. Erfüllungssurrogate sind aber auch im Mietrecht bekannt. Im Hinblick darauf kann im Wege der Auslegung von dem übereinstimmenden Verständnis ausgegangen werden, dass die weiteren Raten im zweiten und dritten (Miet-)Monat gezahlt werden sollten. Denn der Erlass oder Verzicht des Vermieters auf die entsprechenden Mietzahlungen setzt das Bestehen der Schuld voraus. Erlassen wird nur die Leistungspflicht3. Diese (stillschweigende) Vereinbarung verstößt auch nicht gegen § 551 Abs. 4 BGB. Es ist bereits zweifelhaft, ob in der Zahlung der Kaution während der Dauer der Mietfreiheit überhaupt eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung liegt. Denn das gesetzliche Leitbild in § 551 Abs. 2 BGB geht von einer kontinuierlichen Ratenzahlung aus. Indessen wird dem Mieter bei der Mietfreiheit die Gegenleistung erlassen. Damit ist die Vereinbarung insgesamt für ihn vorteilhaft. Eine vor der Fälligkeit geleistete Kaution kann nicht (z.B. im Wege der Aufrechnung) 83 zurückgefordert werden, wenn das Mietverhältnis wirksam begründet wurde. Die Zahlung erfolgte mit Rechtsgrund, nämlich der Kautionsvereinbarung. Dass sie vor der Fälligkeit erbracht wurde, rechtfertigt keine andere Sicht. Auch wenn das Ratenzahlungsgebot als solches auf die höchstzulässige Kaution zugeschnitten ist, kann der Mieter, mit dem eine geringere Barkaution vereinbart wurde, ebenfalls in drei gleichen Raten zahlen4. Das Recht zur Ratenzahlung kann der Mieter nicht in Anspruch nehmen, wenn die 84 Kautionsabrede erst im laufenden Mietvertrag getroffen wurde5. Das ist sowohl bei einer nachträglichen Vereinbarung der Fall als auch bei einer zusätzlichen Sicherheit, z.B. im Rahmen der Zustimmung zu einer baulichen Veränderung, insbesondere zur Installation einer Parabolantenne oder nach § 554a Abs. 2 BGB. Nach Sinn und Zweck soll der Mieter durch die Kautionsleistung gerade im Anfangsstadium, in dem

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Vgl. dazu Hinz, ZMR 2012, 153 (160). BT-Drucks. 17/11894, S. 32/33. Erman/Wagner, § 397 BGB Rz. 1. Blank/Börstinghaus, § 551 BGB Rz. 38. A.A. Blank/Börstinghaus, § 551 BGB Rz. 38 (erste Rate ist sofort fällig, Folgeraten jeweils einen Monat später).

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zu sichernde Gegenansprüche des Vermieters eher selten sind, vor einem finanziellen Kollaps geschützt werden. Diese Situation ist mit der nachträglichen Vereinbarung, für die § 551 Abs. 4 BGB nicht gilt (vgl. § 551 BGB Rz. 9), nicht vereinbar. Abgesehen davon fehlt es für eine Analogie an der notwendigen Lücke. Denn wie sich aus § 554a Abs. 3 und § 563b Abs. 3 BGB ergibt, war dem Gesetzgeber spätestens 2001 bewusst, dass das Bedürfnis nach Vereinbarung einer Kaution auch während der Mietzeit entstehen kann. Bezeichnenderweise hat er in § 554a Abs. 2 BGB auf die Pflicht zur treuhänderischen Anlage in § 551 Abs. 3 BGB verwiesen, nicht aber auf § 551 Abs. 2 BGB. Deshalb gilt das Ratenzahlungsgebot nur, wenn die Parteien es besonders vereinbaren. 2. Verzugsfolgen 85 Hat der Mieter die drei Raten nicht gezahlt, kommt er ohne weiteres in Verzug. Diese Rechtsfolge tritt für jede Rate gesondert und unabhängig von den anderen Raten ein. Denn die Leistung der (jeweiligen) Raten ist kalendermäßig bestimmt i.S.v. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der Vermieter hat Anspruch auf Zahlung der fälligen Kautionssumme und kann daher die fällige/n Rate/n jeweils einklagen. Daneben besteht in der Regel ein generelles Kündigungsrecht des Vermieters1 (vgl. § 543 BGB Rz. 85), das unabhängig von den besonderen Voraussetzungen des § 569 Abs. 2a BGB geltend gemacht werden kann. 86 Es ist umstritten, ob der Vermieter daneben Verzugszinsen nach § 286 BGB verlangen kann2. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Kaution materiell das Vermögen des Mieters bleibt. Richtigerweise kann ein Verzugsschaden jedenfalls nicht mit der Begründung gerechtfertigt werden, in Höhe der Klageforderung hätte der Vermieter Fremdgeld in Anspruch nehmen müssen3. Allerdings ist ein Verzugsschaden mindestens in Höhe der Zinsen begründet, die der Vermieter bei einer üblichen Anlage gemäß § 551 Abs. 3 BGB hätte erzielen können und die die Sicherheit erhöht hätten4. 87 Mit Eintritt der Rechtshängigkeit sind dem Vermieter die Prozesszinsen nach § 291 BGB zuzubilligen5, im Zweifel also mindestens fünf Prozentpunkte über Basiszinssatz, § 288 Abs. 1 BGB. Die Verzugs- und Prozesszinsen sind mit der (beigetriebenen) Kautionssumme auf das Treuhandkonto nach § 551 Abs. 3 BGB einzuzahlen6. 3. Annahmeverzug des Vermieters 88 Der Vermieter gerät in den Verzug der Annahme, wenn der Mieter ihm die Kaution so wie vereinbart anbietet und er sie nicht entgegennimmt. Liegen diese Voraussetzungen vor, reicht ein wörtliches Angebot aus, § 295 BGB. Davon kann aber noch nicht ausgegangen werden, wenn sich der Mieter mit der Kautionserbringung in Verzug befindet und für einen in der Zukunft liegenden, aber festen Termin die Kaution angeboten hat und nun ein Angebot auf sofortige Zahlung (mündlich) unterbreitet7. Denn den eigenen Verzug konnte er nur durch sofortige Leistung beseitigen. 4. Getrennte Anlage a) Anlagepflicht des Vermieters 89 § 551 Abs. 3 BGB bezweckt die insolvenzfeste Anlage der Kaution8. Mit der Anlage der Barkaution auf einem Treuhandkonto steht dem Mieter bei Insolvenz des Ver-

1 BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 36/05, MDR 2007, 1009 = ZMR 2007, 525 = GE 2007, 711 = NZM 2007, 400; OLG Düsseldorf v. 25.3.2010 – 10 U 136/09, ZMR 2011, 284; vgl. auch Horst, DWW 2012, 162 (164). 2 Vgl. Bub/Treier/v. Martius, III. Rz. 788 m.w.N. 3 OLG Düsseldorf v. 23.3.2000 – 10 U 160/97, ZMR 2000, 452 (453). 4 LG Nürnberg-Fürth v. 2.8.1991 – 7 S 2303/91, ZMR 1991, 479 = NJW-RR 1992, 335. 5 LG Köln v. 7.5.1987 – 1 S 379/86, Wu M 1987, 257. 6 Kraemer, PiG 62, 213 (218). 7 BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 36/05, NZM 2007, 400. 8 BGH v. 13.10.2010 – VIII ZR 98/10, MDR 2010, 1444 = GE 2010, 1677 = DWW 2010, 372.

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mieters ein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO) in Bezug auf seine Mietkaution zu1. In der Einzelzwangsvollstreckung kann er seine Rechte im Wege der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO geltend machen. Ohne Trennung der Kaution von dem übrigen Vermietervermögen bildet der Anspruch des Mieters auf Auskehrung der Kaution im Insolvenzfalle eine einfache Insolvenzforderung2. Dies hat zur Folge, dass der Anspruch nur an der Quote teilnimmt und nicht gesondert (vorab) befriedigt wird. Der Mieter verliert also in der Regel seine Kaution. Es genügt also nicht, wenn der Vermieter ein besonderes Konto anlegt; das Konto 90 muss auch als Treuhandkonto deklariert werden, und zwar gegenüber dem Kreditinstitut. Denn nach den AGB-Banken sind Kreditinstitute ansonsten berechtigt, wegen eigener Forderungen auch gegen die Kaution aufzurechnen, weil Kontoinhaber (allein) der Vermieter ist. Die Bezeichnung eines Kontos als „Mietkonto“ ist nicht ausreichend3, wohl aber die Bezeichnung als „Kautionskonto“4. Wird der Treuhandcharakter des Kontos erst nachträglich offenbart, bedarf es einer besonderen Vereinbarung zwischen Bank und Kontoinhaber, dass das Pfandrecht nach Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken ausgeschlossen sein soll; die Bank kann sich aber schadensersatzpflichtig machen (§ 826 BGB), wenn sie ihr Pfandrecht wegen persönlicher Forderungen des Vermieters an solchen Geldern geltend macht, die nach Offenlegung eingehen5. Nach dem Wortlaut des § 551 Abs. 2 BGB trifft die Anlagepflicht den Vermieter. Da- 91 gegen wird verstoßen, wenn die Kaution auf ein Sparbuch, das unter dem Namen eines Dritten (z.B. des Hausverwalters) geführt wird, eingezahlt wird. Damit wird nicht nur der in § 566a S. 1 BGB vorgesehene Kontoinhaberwechsel verhindert. Es liegt auch ein Verstoß gegen § 551 Abs. 2 BGB vor. Selbst wenn die Anlage durch den Dritten insolvenzfest ist, ist sie für den Mieter nicht mehr identifizierbar. Dem Vermieter droht ein Verfahren nach § 566 StGB. Die getrennte Anlage bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimo- 92 natiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz wird in der Praxis dadurch erreicht, dass der Vermieter auf seinen Namen ein als Kautionssparbuch gekennzeichnetes Sparbuch anlegt oder sich ein Sparbuchguthaben des Mieters abtreten oder verpfänden lässt. Wird der Treuhandcharakter des Kontos erst nachträglich offenbart, bedarf es einer besonderen Vereinbarung zwischen Bank und Kontoinhaber, dass das Pfandrecht nach Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken ausgeschlossen sein soll; die Bank kann sich aber schadensersatzpflichtig machen (§ 826 BGB), wenn sie ihr Pfandrecht wegen persönlicher Forderungen des Vermieters an solchen Geldern geltend macht, die nach Offenlegung eingehen6. Überwiegend wird angenommen, dass es nicht erforderlich ist, für jede einzelne Kau- 93 tion ein gesondertes Konto anzulegen; vielmehr soll es ausreichen, wenn ein Sammelkonto für sämtliche Kautionsgelder vorhanden ist7. Dagegen werden insbesondere vollstreckungsrechtliche Gesichtspunkte eingewendet8: Durch die Sammelanlage sei der Mieter nicht in der Lage, im Konkurs oder bei Vollstreckungshandlungen gegen den Vermieter nachzuweisen, dass sein Kautionsguthaben auf dem Sammelkonto angelegt sei. Sein Kautionsguthaben sei im Rahmen der Aussonderung nach § 47 InsO bzw. der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO nicht identifizierbar9. Allein die fehlende sofortige Identifizierbarkeit der Kaution spricht nicht gegen die 94 materielle Möglichkeit, die Kaution vor dem Zugriff der Gläubiger auch durch Anlage auf einem Sammelkonto zu schützen. Zunächst steht dem Mieter selbst nach § 3 Abs. 2 S. 2 EAEG eine solche Nachweismöglichkeit im Rahmen der Einlagensiche1 2 3 4 5 6 7 8 9

BayObLG v. 8.4.1988 – REMiet 1/88, MDR 1988, 675 = NJW 1988, 1796. OLG Hamburg v. 29.11.1989 – 4 U 141/89, MDR 1990, 246 = ZMR 1990, 103. BGH v. 25.9.1990 – XI ZR 94/89, MDR 1991, 339 = NJW 1991, 101. Geldmacher in WoBauR, § 551 BGB Rz. 6. BGH v. 25.9.1990 – XI ZR 94/89, NJW 1991, 101 = WuM 1991, 50. BGH v. 25.9.1990 – XI ZR 94/89, MDR 1991, 339 = NJW 1991, 101. Palandt/Weidenkaff, § 551 BGB Rz. 12; Bamberger/Roth/Ehlert, § 551 BGB Rz. 26 m.w.N. Vgl. Lammel, § 551 BGB Rz. 40 und Rz. 58. Vgl. dazu OLG Schleswig v. 29.11.1988 – 3 U 117/87, ZIP 1989, 252.

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rung zu. Daneben steht dem Mieter gegen den Vermieter/Insolvenzverwalter ein entsprechender Auskunftsanspruch zu. Immerhin kann er jederzeit Auskunft über die Anlage der geleisteten Kaution verlangen1. Diesem Auskunftsbegehren kann er durch Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts an der Miete Nachdruck verleihen2. Für den Vermieter/Insolvenzverwalter ist die Erteilung der Auskunft auch ohne weiteres möglich. Sobald der Mieter seinen Zahlungsnachweis über die Leistung des Kautionsbetrages z.B. auf das Girokonto vorlegt, kann der Vermieter anhand des Girokontos nachvollziehen, wann er den Betrag auf das Treuhandkonto weitergeleitet hat. Deshalb stehen derartige Umsetzungsschwierigkeiten der Zulässigkeit der Anlage der Kaution auf einem Sammelkonto nicht entgegen. 95 Die Grundsätze für die getrennte Kautionsanlage gelten nicht nur für die erstmalige Anlage. Vielmehr hat der Vermieter die Anlage aufrechtzuerhalten, und zwar nach Sinn und Zweck der Vorschrift bis zur Rückgewähr bzw. Verwertung3. Es ist dem Vermieter aber – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen – unbenommen, das Kreditinstitut zu wechseln, wobei der Mieter (z.B. hinsichtlich der Zinsen) nicht schlechtergestellt werden darf, §§ 280, 241 Abs. 2 BGB4. b) Wahl des Kreditinstituts 96 Der Vermieter ist in der Wahl des Kreditunternehmens, bei dem er die Kaution (getrennt) anlegt, frei5. Insbesondere besteht keine Verpflichtung des Vermieters, dasjenige Kreditinstitut auszuwählen, das die höchsten Zinsen zahlt6. Allerdings muss es sich um ein Kreditinstitut handeln, das den Anforderungen des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 oder 10 KWG entspricht. Dies ergibt sich aus dem Zweck des § 551 Abs. 3 BGB (insolvenzfeste Anlage). Denn nur ein solches Kreditinstitut ist durch den Einlagensicherungsfonds gedeckt, § 1 Abs. 1 Nr. 2 EAEG. 97 Missachtet der Vermieter das Gebot zur getrennten Anlage, kann darin eine Untreue i.S.v. § 266 StGB gesehen werden7, was entsprechende Konsequenzen aus § 823 Abs. 2 BGB nach sich ziehen kann. c) Auskunftsanspruch des Mieters 98 Hat der Mieter die Kaution geleistet, kann er auch im laufenden Mietvertrag Auskunft über die ordnungsgemäße Anlage der Barkaution verlangen8. Ergänzend kann er den Namen des Bankinstituts, die Anlageart, das Anlagedatum und den maßgeblichen Zinssatz erfragen9. Besondere Verdachtsmomente müssen nicht bestehen. Im Zweifel hat der Vermieter dazu eine Kopie des Sparbuches oder eine Bestätigung der Bank über die Anlage auf dem Sammelkonto vorzulegen. 99 Befindet sich der Vermieter mit der Auskunft in Verzug, kann der Mieter ein Zurückbehaltungsrecht an der laufenden Miete bis in Höhe der geleisteten Barkaution geltend machen10. Die gleichen Rechte bestehen gegenüber einem Zwangsverwalter, der im Zweifel die Kaution (aus Mitteln der Masse) anzulegen hat11. Eine vertragliche Beschränkung des Zurückbehaltungsrechts ist, sofern sie denn wirksam ist, im Hinblick auf Sinn und Zweck des § 551 BGB nicht anwendbar. Das Zurückbehaltungsrecht

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BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 132/06, MDR 2008, 470 = WuM 2008, 149. BGH v. 11.3.2009 – VIII ZR 184/08, MDR 2009, 620 = WuM 2009, 289. LG Hamburg v. 19.2.2004 – 333 S 84/03, NZM 2005, 255. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. III 177. Schmidt-Futterer/Blank, § 551 BGB Rz. 68. Staudinger/Emmerich, § 551 BGB Rz. 18. BGH v. 23.8.1995 – 5 StR 371/95, MDR 1996, 86 = NJW 1996, 65; für Gewerberaum vgl. aber BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, ZMR 2008, 698. BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 132/06, WuM 2008, 149. LG Berlin v. 27.9.2010 – 65 S 203/10, GE 2010, 1744. BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 132/06, WuM 2008, 149. BGH v. 11.3.2009 – VIII ZR 184/08, WuM 2009, 289.

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kann in der Insolvenz des Vermieters wegen Mieten, die vor Insolvenzeröffnung fällig geworden sind, nicht geltend gemacht werden1. Das Zurückbehaltungsrecht entfällt spätestens bei Mietende. Damit wird die zurück- 100 behaltene Miete durchsetzbar. Hat der Mieter erst kurz vor Mietende den Nachweis der insolvenzfesten Anlage verlangt, tritt an die Stelle des Zurückbehaltungsrechts im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kein Anspruch auf sofortige Zahlung in Höhe der vereinbarten Kaution2. Denn die Pflicht zur insolvenzfesten Anlage endet mit dem Mietvertrag. Vorbehaltlich anderer Regelungen im Mietvertrag ist der Vermieter berechtigt, die Kaution aufzulösen und seinem Vermögen einzuverleiben. Damit kann der Zweck des Zurückbehaltungsrechts am Ende der Mietzeit nicht mehr realisiert werden. Es besteht ohnehin nur – im Ergebnis – ein Zahlungsanspruch des Mieters auf die (ggf. restliche) Kaution. 5. Andere Anlageform Gemäß § 551 Abs. 3 S. 2 BGB können die Parteien eine andere Anlageform verein- 101 baren, wobei aus der Begründung des MRRG deutlich wird, dass dabei insbesondere an Aktien oder Aktienfonds gedacht ist3. Für den Vermieter ergibt sich aus einer solchen Anlageform das Risiko, dass er seine Sicherheit verliert. Immerhin können gerade Papiere, die Kursschwankungen unterliegen, im Wert erheblich sinken. Auch zinslose Papiere erhöhen die Sicherheit zunächst nicht. Gegen Kursverluste ist der Vermieter grundsätzlich durch einen Nachschussanspruch geschützt, § 240 BGB (vgl. § 551 BGB Rz. 49 ff.). Der Mieter muss bei einer solchen Vereinbarung damit rechnen, dass er das einge- 102 setzte Kapital nicht zurückerhält. Insoweit stellt die Insolvenz des Vermieters deshalb kein Risiko für ihn dar, weil die Anlage wiederum getrennt vom Vermögen des Vermieters erfolgen muss und die erwirtschafteten Erträge die Sicherheit erhöhen, § 551 Abs. 3 S. 3, 4. Im Hinblick auf dieses Risiko kann die Vereinbarung nicht ohne Aufklärung getroffen werden, insbesondere nicht formularmäßig4. Auch bei dieser Anlageform gilt die Ratenzahlungsmöglichkeit nach Abs. 2. Denn Abs. 3 S. 2 regelt nur eine besondere Verwahrungsart. Treffen die Parteien eine Vereinbarung über eine andere Anlage, ist bei Inhaberpapieren § 234 Abs. 3 BGB zu beachten. Danach werden diese Papiere nur mit zwei Drittel ihres Wertes als Sicherheit anerkannt.

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6. Inanspruchnahme im laufenden Mietvertrag a) Recht zur Inanspruchnahme Ob der Vermieter im laufenden Mietverhältnis die Kaution in Anspruch nehmen darf, 104 wird nicht einheitlich bewertet: Aus der Sicherungsabrede und dem Treuhandcharakter der Kaution wird hergeleitet, dass der Vermieter nicht berechtigt ist, wegen eines beliebigen Anspruchs während des laufenden Mietvertrages die Kaution zu verrechnen und Wiederauffüllung zu verlangen5. Bestehen keine abweichenden Regelungen, soll die Kautionsvereinbarung dahin auszulegen sein, dass sich der Vermieter während des laufenden Mietverhältnisses zur Befriedigung mietvertraglicher Forderungen nur dann aus der Kaution bedienen darf, wenn diese Forderungen entweder rechtskräftig festgestellt oder unstreitig oder so offensichtlich begründet sind, dass ein Bestreiten mutwillig erscheint6. Jedenfalls muss sich der Mieter zumindest in Ver1 BGH v. 13.12.2012 – IX ZR 9/12, WuM 2013, 103 m.w.N.; a.A. Streyl, GuT 2009, 368 (371); Derleder, NZM 2004, 568 (577). 2 Parallele zu dem Anspruch auf Rückforderung der Betriebskostenvorauszahlungen bei Abrechnungsreife und Mietende, vgl. dazu § 556 BGB Rz. 704 ff. 3 Begr. d. RefE, NZM 2000, 436. 4 Staudinger/Emmerich, § 551 BGB Rz. 21. 5 Kluth/Grün, NZM 2002, 1016 m.w.N. 6 LG Mannheim v. 20.3.1996 – 4 S 123/95, WuM 1996, 269 = NJW-MietR 1996, 219; AG HamburgAltona v. 17.9.2012 – 314a C 28/12, ZMR 2013, 47; AG Neukölln v. 5.1.2012 – 3 C 149/11, GE 2012,

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zug befinden, bevor der Vermieter die Kaution ziehen darf, wozu er allerdings nicht verpflichtet ist1. Das Verwertungsrecht des Vermieters soll aber grundsätzlich nicht bestehen, wenn seine Forderungen von dem Mieter bestritten werden2, wobei ein mutwilliges Bestreiten unbeachtlich sein soll3. Andererseits soll insoweit, und zwar auch bei der Bürgschaft, auf die Pfandreife abgestellt werden, die nur durch einen (tatsächlich) bestehenden Anspruch herbeigeführt werden kann4. Zulässig soll die Inanspruchnahme sein, wenn sie im Interesse des Mieters liegt5. Solange keine dieser Voraussetzungen vorliegt, soll der Mieter im Wege der einstweiligen Verfügung das Verbot zur Inanspruchnahme der Mietsicherheit (während der Mietzeit) erreichen können6, sofern nicht vereinbart wurde, dass sich der Vermieter jederzeit aus der Kaution befriedigen darf7. 105 Die Bedenken, die eine Einschränkung des Verwertungsrechts tragen sollen, greifen nicht durch8. Weder sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass (stillschweigend) ein Verwertungsverbot (= Aufrechnungsverbot) vereinbart wurde, noch ergibt sich eine Beschränkung aus dem Sinn und Zweck der Kaution. Der Vermieter soll sich wegen bestehender mietvertraglicher Ansprüche während und nach Beendigung des Mietverhältnisses auf einfache Weise und ohne die Verschaffung eines gerichtlichen Vollstreckungstitels aus der Kaution befriedigen können9. Dies gilt sogar im preisgebundenen Wohnraum, allerdings mit der Einschränkung des § 9 Abs. 5 WoBindG. Deshalb ist generell allein die Beschränkung gerechtfertigt, dass der Vermieter die Kaution im laufenden Mietvertrag nicht wegen Ansprüchen angreifen darf, die ihre Grundlage nicht im Mietvertrag finden. Soweit sie sich aber aus dem Mietvertrag ergeben, besteht das Recht zur Verwertung der Kaution. Immerhin soll die Sicherheit dem Vermieter insbesondere Liquiditätsnachteile ersparen, die z.B. dadurch entstehen, dass der Mieter mindert. Erfolgt die Minderung zu Recht, muss der Vermieter die Kaution wieder anlegen, einschließlich der nicht (tatsächlich) erwirtschafteten Zinsen. Insoweit ist das Insolvenzrisiko des Mieters überschaubar. Er kann seinem Anspruch auf Wiederanlage durch Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts Nachdruck verleihen und ggf. den zurückbehaltenen Betrag wieder dem Kautionskonto (selbst) zuführen. Eine andere Sichtweise führt dazu, dass dem Vermieter das Risiko der Rechtsausübung durch den Mieter aufgebürdet wird. Das widerspricht aber unserer Rechtsordnung10. 106 Deshalb besteht auch kein Recht des Mieters, vom Vermieter die Unterlassung der Inanspruchnahme der Kaution im Wege der einstweiligen Verfügung verlangen zu können, insbesondere wenn der Mieter statt der vereinbarten Barkaution ein Sparbuch verpfändet hat11. Damit erschwert er nämlich das Verwertungsrecht des Vermieters. b) Pflicht zur Wiederauffüllung aa) Mieter 107 Hat sich der Vermieter während des Mietverhältnisses wegen seiner Forderungen gegen den Mieter aus der Kautionsleistung – berechtigterweise – befriedigt, hat er ge-

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493; AG Neuss v. 7.12.2001 – 34 C 472/01, NZM 2002, 1027; Schmidt-Futterer/Blank, § 551 BGB Rz. 93 m.w.N. BGH v. 12.1.1972 – VIII ZR 26/71, MDR 1972, 411 = NJW 1972, 625. LG Darmstadt v. 11.9.2007 – 25 S 135/07, WuM 2008, 726. Geldmacher in WoBauR, § 551 BGB Anm 7.4. LG Wuppertal v. 27.11.2003 – 9 S 194/03, NZM 2004, 298. LG Mannheim v. 20.3.1996 – 4 S 123/95, WuM 1996, 269. LG Wuppertal v. 27.11.2003 – 9 S 194/03, NZM 2004, 298; LG Darmstadt v. 13.12.2004 – 11 T 11/04, ZMR 2005, 193. LG Potsdam v. 21.6.2007 – 11 S 192/06, GE 2007, 1253. Wie hier: LG Berlin v. 2.6.2003 – 67 S 378/02, GE 2003, 1161. Vgl. auch LG Potsdam v. 21.6.2007 – 11 S 192/06, GE 2007, 1253 (1254) m.w.N.; LG Berlin v. 15.1.2007 – 62 T 5/07, GE 2007, 449 (451). BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MDR 2007, 454 = GE 2007, 46 = WuM 2007, 24. AG Charlottenburg v. 12.1.2011 – 203 C 1001/11, ZMR 2011, 477 = MietRB 2011, 141.

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gen den Mieter einen Anspruch auf Wiederauffüllung der Mietkaution gemäß § 240 BGB1. Der Anspruch kann auch im Wege der Aufrechnung (z.B. gegen ein Betriebskostenguthaben) geltend gemacht werden. Der Anspruch des Vermieters soll aber auf die Kautionssumme in ursprünglicher Hö- 108 he beschränkt sein, weil der Mieter nur verpflichtet sei, im Falle von Wohnraum bis zur Kautionshöchstgrenze von drei Nettomonatsmieten zu zahlen2. Dies ist nur formal gesehen richtig. Hat der Vermieter die Kaution berechtigt in Anspruch genommen, muss dem zwangsläufig ein rechtswidriges Verhalten des Mieters vorausgegangen sein. Mithin bestehen zumindest Ansprüche aus einer positiven Vertragsverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB). Danach ist der Vermieter so zu stellen, wie er ohne das pflichtwidrige Verhalten stehen würde. Mithin kann er die nicht erwirtschafteten Zinsen verlangen. Dies gilt erst recht, wenn er den Mieter zur Auffüllung aufgefordert hat und dadurch die Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB herbeigeführt wurden. bb) Vermieter Der Vermieter ist zur Wiederauffüllung der Kaution verpflichtet, wenn er sie unbe- 109 rechtigt in Anspruch genommen hat. Auch er schuldet Wiederauffüllung einschließlich der nicht erwirtschafteten Zinsen. Der Mieter kann seinem Begehren durch ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Höhe des Wiederauffüllungsanspruchs Nachdruck verleihen. 7. Behandlung der Zinsen Die erwirtschafteten Zinsen stehen grundsätzlich dem Mieter zu, auch wenn dies 110 durch Formularverträge vor dem 1.1.1983 ausgeschlossen wurde3. Im Übrigen gilt Art. 229 § 3 Abs. 8 EGBGB. Die Berechnung der Kautionszinsen erfolgt anhand der §§ 187 ff. BGB4. Dazu ist eine 111 jährliche Abrechnung der Zinsen nicht erforderlich5. Zwar ist nach den AGB-Banken eine jährliche Verzinsung üblich, wobei der Zinssatz vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarungen variabel ist. Nach § 551 Abs. 3 BGB kommt es jedoch allein auf die gesetzliche Anlage an. Insoweit gilt auch nicht das Zinseszinsverbot des § 248 BGB, weil die Zinsen die Si- 112 cherheit gerade erhöhen. Zumindest am Ende des jeweiligen (Bank-)Jahres gibt es daher eine neue (aus Kapital und Zinsen gebildete) Berechnungsgrundlage für die Zinsen. a) Mietrechtliche Grundsätze aa) Mietverträge aus der Zeit vor dem 1.1.1983 Da die Verzinsungspflicht erst zum 1.1.1983 gesetzlich eingeführt wurde, ist bei einem Vertrag aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des § 550b BGB a.F. zu differenzieren:

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Wurde in einem solchen Altvertrag keine Regelung zur Verzinsung getroffen, besteht 114 eine Verzinsungspflicht des Vermieters, die sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelt6. Diese Folge besteht heute noch, weil Art. 229 § 3 Abs. 8 EGBGB nur den Fall regelt, dass die Verzinsungspflicht ausgeschlossen ist. Ist die Verzinsungspflicht in einem Altvertrag ausgeschlossen, kommt es darauf an, 115 ob die Regelung auf einer individuellen oder einer formularmäßigen Abrede beruht.

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AG Neukölln v. 29.1.1996 – 14 C 54/95, MM 1996, 207. Geldmacher, DWW 1993, 191 (192) m.w.N. Palandt/Weidenkaff, § 551 BGB Rz. 13. BGH v. 24.1.1990 – VIII ZR 296/88, MDR 1990, 711 = NJW-RR 1990, 518; LG Berlin v. 2.9.1999 – 62 S 107/99, NZM 2001, 618. 5 LG Ulm v. 19.12.2007 – 1 S 164/07, DWW 2008, 96. 6 BGH v. 8.7.1982 – VIII ARZ 3/82, NJW 1982, 2186 = WuM 1982, 240 = ZMR 1982, 366 = MDR 1982, 925.

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Im ersten Fall ist sie wirksam. In der anderen Variante ist die Rechtslage umstritten. Überwiegend wird ein Verstoß gegen § 307 BGB angenommen, weil es dem Wesen der Kaution widerspricht, dass der Vermieter durch die Zinsen bereichert wird1. Diese Diskussion ist durch Art. 229 § 3 EGBGB nicht überholt2. Vielmehr ist diese Überleitungsvorschrift so zu lesen, dass ein wirksamer Ausschluss bestehen muss3. Ab 1.1.1983 setzt eine Verzinsungspflicht aber in jedem Fall ein. bb) Verzinsliche Kautionen 116 Andere Kautionen, also bei denen entweder vor dem 1.1.1983 keine Verzinsung ausgeschlossen wurde oder die seit dem 1.1.1983 vereinbart wurden, müssen verzinst werden, und zwar mindestens in Höhe des für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatzes, der im Zweifel beim Kreditinstitut zu erfragen ist. cc) Höhere Zinsen und andere Entgelte 117 Im Hinblick auf den Wortlaut des § 551 Abs. 3 S. 3, 2. HS BGB, wonach dem Mieter die Erträge zustehen, hat der Vermieter auf jeden Fall die seit dem 1.9.2001 erwirtschafteten höheren Zinsen zugunsten des Mieters dem Mietkautionskonto gutzuschreiben. Denn § 551 Abs. 3 S. 3 BGB formuliert im Gegensatz zu § 550b Abs. 3 BGB a.F. nicht mehr, dass die Zinsen dem Mieter zustehen, sondern erweitert diese Rechtsposition auf den Ertrag. 118 Für die Zeit vor dem 1.9.2001 wurde die Rechtslage nicht einheitlich bewertet. Insoweit wurde aber überwiegend die Meinung vertreten, dass nicht nur die Zinsen, die für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblicherweise anfallen, die Sicherheit erhöhen, sondern der Vermieter auch die tatsächlich erwirtschafteten (höheren) Zinsen anzusetzen habe4. Dies gilt seit dem 1.9.2001 uneingeschränkt. Der Gesetzgeber hat für Altverträge in Art. 229 § 3 Abs. 8 EGBGB allein bestimmt, dass die Verzinsung für Verträge aus der Zeit vor dem 1.1.1983 ausgeschlossen sein soll, wenn eine entsprechende Regelung im Mietvertrag vorhanden ist. Im Übrigen soll – nach den allgemeinen Grundsätzen des Überleitungsrechts zum MRRG – das neue Mietrecht sofort, insbesondere eben auch auf Altverträge anwendbar sein. Unabhängig von der Frage, ob § 550b BGB a.F. nach dem 31.8.2001, also mit dem Inkrafttreten des MRRG, überhaupt noch anwendbar ist, kann hieraus nur geschlossen werden, dass auch für Verträge aus der Zeit vor dem 1.9.2001 die Erträge der Kaution gutzuschreiben sind, wie dies eben in § 551 Abs. 3 S. 3 BGB vorgesehen ist, zumal diese Auffassung schon (überwiegend) zu § 550b BGB vertreten wurde5. 119 Diese Auslegung wäre nur dann unzulässig, wenn sie gegen das Verbot der echten Rückwirkung von Gesetzen (Art. 20 GG) verstieße. Dies ist indessen nicht der Fall. Das Verbot der echten Rückwirkung von Gesetzen wird tangiert, wenn im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage und aufgrund eines abgeschlossenen Sachverhalts eine Partei Rechte erworben hat6. 120 Hat der Vermieter weitere Erträge erwirtschaftet, sind diese ebenfalls der Kaution zuzuschreiben. Dies gilt insbesondere für Provisionen, die z.B. ein Großvermieter für die Anlage von Sparbüchern mit gesetzlicher Kündigungsfrist erhält7. Zwar wurde der Wortlaut von § 551 Abs. 3 S. 3 BGB zum 1.9.2001 im Wesentlichen deshalb geän1 LG Lübeck v. 22.7.2010 – 14 S 59/10, ZMR 2011, 42; LG Hamburg v. 9.7.1996 – 316 S 95/96, WuM 1996, 765 = NJWE-MietR 1997, 126; LG Itzehoe v. 26.5.1988 – 1 S 297/87, WuM 1989, 290; LG Frankfurt v. 20.8.1986 – 2/17 S 41/86, WuM 1986, 336; AG Hamburg-Altona v. 8.1.2003 – 318A C 193/02, WuM 2007, 90; a.A. LG Frankfurt v. 22.12.1987 – 2/11 S 314/87, DWW 1988, 348 = WuM 1988, 307. 2 LG Lübeck v. 22.7.2010 – 14 S 59/10, ZMR 2011, 42 (43). 3 Derleder, WuM 2002, 239. 4 MünchKomm/Schilling, 4. Aufl., § 551 BGB Rz. 25 m.w.N. 5 BGH v. 8.7.1982 – VIII ARZ 3/82, MDR 1982, 925; OLG Koblenz v. 28.1.1993 – 5 U 80/92, BB 1993, 2270; LG Köln v. 11.9.1997 – 1 S 35/97, KM 5 Nr. 11; LG Düsseldorf v. 6.10.1992 – 24 S 162/92, WuM 1993, 400. 6 BGH v. 9.3.2005 – VIII ZR 381/03, WuM 2005, 404 = ZMR 2005, 686. 7 Blank/Börstinghaus, § 551 BGB Rz. 59; Derleder, WuM 2002, 239 (242).

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dert, weil auch andere Erträge als Zinsen, nämlich z.B. Dividenden erfasst werden sollten1. Gerade wegen der vielen Komponenten der besonderen Anlagen i.S.v. § 551 Abs. 3 S. 1 BGB ist der Wortlaut weit zu verstehen. Da aber zumindest die Erträge nach § 99 Abs. 3 BGB erfasst sind, sind auch mittelbare Früchte der Kaution gutzubringen2. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Vermieter oder ein Dritter (z.B. verbun- 121 denes Unternehmen, Hausverwalter) die Früchte erhält. Wird also z.B. durch die Bank an den Verwalter eine Bonuszahlung geleistet, wie dies insbesondere bei Brancheninstituten der Fall ist, stehen diese Früchte dem Mieter zu. Dies gilt unabhängig davon, ob der Bonus prozentual dem vermittelten Kautionsvolumen berechnet oder eine Pauschale gezahlt wird. dd) Höhere Zinsen beim Anspruch auf gesetzeskonforme Anlage Hat der Vermieter die Kautionen nicht gesetzeskonform angelegt, stellt sich die Fra- 122 ge, inwieweit hier Erträge, die die Kautionen erhöhen würden, angefallen sind. Zu denken ist etwa an den erhöhten Ertrag aus Tagesgeldzinsen, sonstigen Anlagen (Dividende) oder infolge geringerer Kreditaufnahme. Gemäß § 99 Abs. 2 und 3 BGB sind Erträge Früchte. Die unmittelbaren Rechtsfrüchte i.S.v. § 99 Abs. 2 BGB beschränken sich zunächst auf die Erträge, welche das Recht seiner Bestimmung gemäß gewährt. Danach wären also allein die Früchte/Zinsen gutzuschreiben, die für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblicherweise angefallen wären. Nach § 99 Abs. 3 BGB sind jedoch auch die Erträge, welche eine Sache oder ein Recht vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt, Früchte. Mit diesen mittelbaren Sachfrüchten sollen Gegenleistungen für die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung abgeschöpft werden3. Hat der Vermieter also höhere Erträge erwirtschaftet oder auch nur eine Kreditaufnahme vermieden, sind die entsprechenden Früchte dem Mieter gutzuschreiben. Darüber muss der Vermieter im Zweifel Auskunft erteilen.

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b) Studenten und Jugendwohnheime Die Verzinsungspflicht gilt gemäß § 551 Abs. 3 S. 4 BGB ausdrücklich nicht für Miet- 124 verträge über Wohnraum in einem Studenten- oder Jugendwohnheim (vgl. dazu § 549 BGB Rz. 35 ff.). Dieser Regelung liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass die Betreiber derartiger Einrichtungen aufgrund des Zinsvorteils günstigere Mieten gewähren4. Wird davon (in der Praxis) abgewichen, führt dies aber nicht zur Geltung einer Verzinsungspflicht5. Die „Gewährung“ einer günstigen Miete ist eines der Wesensmerkmale für die Er- 125 leichterungen des § 549 Abs. 3 BGB. Deshalb steht der Verlust des Status „Studenten- oder Jugendwohnheim“ im Raum, wenn dieses Merkmal nicht erfüllt ist. Werden derartige Voraussetzungen (nachträglich) festgestellt, ist auch die Kaution von Anfang an zu verzinsen. Eine getrennte Anlage i.S.v. § 551 Abs. 3 S. 1 BGB ist ohnehin geschuldet. c) Kapitalertragsteuerliche Behandlung Als Kapitalerträge sind Zinsen aus Mietkautionen Einkünfte i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 126 EStG und – sobald der Sparerfreibetrag überschritten ist – als solche in der Jahressteuererklärung anzugeben. Durch das Gesetz zur Neuregelung der Zinsbesteuerung vom 9.11.19926 hat der Gesetzgeber für Zinseinkünfte mit Wirkung zum 1.1.1993 eine als Zinsabschlag deklarierte Kapitalertragsteuer in Höhe von 30 % eingeführt.

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Begr. d. RegE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1154. Z.B. MünchKomm/Bieber, § 551 BGB Rz. 25. Erman/Michalski, § 99 BGB Rz. 9 m.w.N. BT-Drucks. 9/2284, S. 3. Blank/Börstinghaus, § 551 BGB Rz. 63. BGBl. I, S. 1853.

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127 Deren Schuldner ist nach § 44 Abs. 1 S. 1 EStG der Gläubiger der Kapitalerträge, also grundsätzlich der formelle Kontoinhaber. Der Entstehungszeitpunkt der Kapitalertragsteuer wird nach § 44 Abs. 1 EStG durch das Zuflussprinzip bestimmt. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge in die wirtschaftliche Verfügungsmacht des Gläubigers gelangen. Dies ist bei Anlage der Kaution auf einem Sparbuch der Zeitpunkt der Zinsgutschrift1. 128 Der Zinsabschlag, der nach § 44 Abs. 1 S. 3 EStG einbehalten und an das zuständige Finanzamt abgeführt werden muss, stellt keine zusätzliche Steuer dar. Es handelt sich vielmehr um eine Form der Einkommensteuervorauszahlung. Der Zinsabschlag wird also im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung auf die Steuerschuld angerechnet bzw. dem Steuerpflichtigen vergütet2. 129 Der Schuldner der Kapitalerträge oder das Kreditinstitut als auszahlende Stelle haben dem Zinsgläubiger auf Verlangen nach amtlich vorgeschriebenem Muster eine Kapitalertragsteuerbescheinigung zu erteilen, § 45a Abs. 2 EStG. Wie das Verfahren im Einzelnen abzuwickeln ist, richtet sich nach den Rundschreiben des Bundesministers der Finanzen vom 28.10.1992, Rz. 63 und vom 9.5.19944. 130 Auf welchen Namen die Steuerbescheinigung auszustellen ist, hängt danach bei einem durch den Vermieter angelegten Treuhandkonto davon ab, ob dem Kreditinstitut der Name des Treugebers bekannt ist oder nicht. Das Kreditinstitut stellt die Steuerbescheinigung auf den Namen des Mieters aus, denn sie weiß, dass es sich um ein Kautionskonto für den namentlich bekannten Mieter handelt. Der Vermieter ist zur Weitergabe dieser Bescheinigung an den Mieter verpflichtet. Weiß die Bank nur um die Eigenschaft des Kontos als Kautionskonto, kennt sie aber den Namen des Mieters nicht, so stellt sie die Steuerbescheinigung auf den Namen des Vermieters mit dem Vermerk „Treuhandkonto“ aus. In diesen Fällen muss der Vermieter die Bescheinigung dem betreffenden Mieter weitergeben. Bei einem Sammelkonto wird die Steuerbescheinigung ebenfalls auf den Namen des Vermieters mit der Bezeichnung „Treuhandkonto“ ausgestellt. Der Vermieter ist aber jetzt als Vermögensverwalter dem Finanzamt verpflichtet, eine Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Kapitalvermögen der Miete abzugeben, sofern er nicht den Erlass eines sog. negativen Feststellungsbescheides erreicht5. 131 Mangels Identität des Kontoinhabers (Vermieter) mit demjenigen, dem die Zinserträge zufließen (Mieter), kann kein Freistellungsauftrag erteilt werden, § 44a Abs. 6 EStG. Das ist aber z.B. anders, wenn der Mieter ein auf seinen Namen lautendes Sparkonto angelegt und dieses an den Vermieter verpfändet hat. Denn der Mieter kann jetzt den Freistellungsauftrag selbst bei seinem Kreditinstitut einreichen und erhält von diesem auch die gesetzlich vorgesehene Steuerabzugsbescheinigung. 132 Umstritten ist, ob die in dem beschriebenen Verfahren in Abzug gebrachte Zinsabschlagsteuer vom Mieter dem Konto wieder gutgebracht werden muss. Nach einer Auffassung ist dem Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses die volle Kautionssumme samt Zinsen auch dann auszuzahlen, wenn sich die auf einem Konto des Vermieters angelegte Kautionssumme um Abzüge für die Zinsabschlagssteuer vermindert habe. Anders sei dies nur, wenn der Vermieter bei seiner Einkommensteuererklärung dafür Sorge getragen habe, dass die Zinsabschlagsteuer zugunsten des Mieters verrechnet werden könne, § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO6. Nach der Gegenmeinung verringert die Zinsabschlagsteuer das Kautionsguthaben des Mieters, wenn dieses

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Horst, Rz. 808. Geldmacher, DWW 1993, 191. NJW 1993, 115 (117). NJW 1994, 2600. Schreiben des Bundesministers der Finanzen v. 9.5.1994, NJW 1994, 2600; LG Berlin v. 2.9.1999 – 62 S 107/99, NJW-RR 2000, 1537. 6 AG Hamburg-Altona v. 3.4.1997 – 315c C 95/96, NZM 1998, 913.

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vereinbarungsgemäß zugunsten des Mieters angelegt und dessen Steuersatz für den Zinsabschlag auschlaggebend ist1. Die zuletzt angeführte Auffassung ist vorzugswürdig. Die Pflicht zur treuhänderi- 133 schen Anlage der Kaution dient dem Mieterinteresse und soll ihn vor einem Vermögensverfall des Vermieters schützen. Daher ist es sachgerecht, wenn der Mieter auch alle Abzüge (Bankspesen, Vorschusszinsen, Zinsabschlag) zu tragen hat, die aus der Führung des Treuhandkontos resultieren und den Kautionsgrundbetrag bzw. die gutgeschriebenen Zinsen vermindern. Da sich die Kaution nur um die Nettozinsen, die ihr zuwachsen, erhöht, ist der Mieter nicht verpflichtet, den durch den Zinsabschlag geminderten Teil der Kautionszinsen wieder aufzufüllen2. 8. Rückforderung zu viel gezahlter Kaution Die gezahlte Kaution ist ohne Rechtsgrund erbracht, soweit sie drei Monatsmieten 134 übersteigt, so dass sich Rückforderungsansprüche aus § 812 Abs. 1 BGB ergeben. Denn eine Kautionsvereinbarung ist gemäß § 551 Abs. 1, 4, §§ 134, 139 BGB unwirksam, soweit sie über die bei einem Mietverhältnis über Wohnraum maximal zulässige Höhe von drei Monatsmieten hinausgeht. Ist dies durch einen Verstoß gegen das Kumulationsverbot erreicht, hat der Mieter die Wahl, welche der geleisteten Sicherheiten er zurückverlangt. Der daraus resultierende Bereicherungsanspruch des Mieters (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB) 135 unterliegt der regelmäßigen dreijährigen Verjährung3. Die Verjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres, in dem die Kautionszahlung in unberechtigter Höhe erbracht wird. Insoweit kommt es für den Beginn der Verjährung nicht darauf an, wann der Mieter erfahren hat, dass die Vereinbarung einer die Anforderungen des § 551 Abs. 1 BGB übersteigenden Kaution gesetzwidrig ist und ihm deshalb ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrages zusteht. Denn gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB genügt es, wenn der Gläubiger die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen sich für einen rechtskundigen Dritten der Anspruch ergibt. Bei einem Anspruch aus ungerechtfertigter Leistung liegt die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis des Gläubigers vor, wenn er von der Leistung und vom Fehlen des Rechtsgrundes weiß, das heißt von den Tatsachen, aus denen dessen Fehlen folgt. Eine zutreffende rechtliche Würdigung setzt § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hingegen nicht voraus4. Eine Ausnahme wird lediglich für die Fälle in Betracht gezogen, in denen es sich um eine unübersichtliche oder zweifelhafte Rechtslage handelt, so dass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag5. Die Verjährung erfasst aber nicht den Rückforderungsanspruch des Mieters nach 136 Mietende (vgl. dazu § 551 BGB Rz. 166). Dieser besteht selbständig und hat seine Grundlage in der Sicherungsabrede, die in der Höhe besteht, wie die Kaution tatsächlich geleistet wurde. 9. Anspruch auf Rückzahlung nach Mietende Durch die Leistung der Kaution entsteht ein Treuhandverhältnis zwischen den Par- 137 teien. Diese Treuhandabrede enthält bereits den durch das Mietende aufschiebend bedingten Rückzahlungsanspruch6. Tritt also das Mietende ein, entsteht der Rückzahlungsanspruch durch Eintritt der aufschiebenden Bedingung, seine Fälligkeit ist vom Ablauf der Prüfungsfrist abhängig. 1 LG Köln v. 11.9.1997 – 1 S 35/97, KM 5 Nr. 11. 2 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. III 182; Bub/Treier/v. Martius, III Rz. 812a; Geldmacher, DWW 1993, 191; a.A. Herrlein in Herrlein/Kandelhard, § 551 BGB Rz. 36; Drasdo, NZM 2000, 225 (228). 3 BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 91/10, GE 2011, 1013 = ZMR 2011, 783. 4 BGH v. 29.1.2008 – XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rz. 26; BGH v. 15.6.2010 – XI ZR 309/09, NJWRR 2010, 1574 (Rz. 12). 5 BGH v. 19.3.2008 – III ZR 220/07, NJW-RR 2008, 1237 m.w.N. 6 BGH v. 8.7.1982 – VIII ARZ 3/82, MDR 1982, 925 = WuM 1982, 240 = NJW 1982, 2186.

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a) Gläubiger des Anspruchs 138 Der Kautionsrückzahlungsanspruch ist grundsätzlich vom Mieter, also bei mehreren Mietern von allen geltend zu machen1, und zwar mit Zahlung an alle Berechtigten2. Die (alleinige) Aktivlegitimation der Personenmehrheit besteht auch dann, wenn die Sicherheit nur von einem Mieter geleistet wurde3. Hat die Gemeinde/das Sozialamt zu Beginn des Vertrages die Kaution für beide Mieter gezahlt, soll die Abtretung eines Mieters ausreichen, um die Aktivlegitimation der Gemeinde zu begründen, jedenfalls dann, wenn die Kaution für den Mieter erfolgt, welcher sodann seinen Kautionsrückzahlungsanspruch abtritt4. Die Aktivlegitimation der Mieter ist ebenfalls nicht mehr gegeben, wenn einer der Mieter während der Mietzeit in Insolvenz gefallen ist5. 139 Ist einer von mehreren Mietern während der Mietzeit ausgezogen, ist zu differenzieren. Wurde der Mietvertrag unter Ausscheiden des ausgezogenen Mieters mit dem/ den verbliebenen Mieter/n fortgesetzt, sind grundsätzlich die Verbliebenen allein klagebefugt. Dafür spricht in der Regel, wenn der Vermieter nach einer Bitte um Entlassung die Korrespondenz mit der/den Verbliebenen weiterführt, insbesondere rechtsgeschäftliche Erklärungen nur diesen gegenüber abgibt6. Lehnt der Vermieter ein Ausscheiden (schlüssig) ab, muss der Anspruch von allen geltend gemacht oder jedenfalls Zahlung an alle verlangt werden. 140 Verstirbt der Mieter und wird das Mietverhältnis nach § 563 BGB fortgesetzt, wird der Eintretende Gläubiger des Rückzahlungsanspruchs. Das Gleiche gilt für den überlebenden Mitmieter i.S.d. § 563a BGB7. Nach dessen Tod treten dessen Erben nach § 564 BGB auch in die Kautionsabrede ein, solange keine Berechtigten i.S.v. § 563 BGB vorhanden sind. b) Schuldner des Rückzahlungsanspruchs 141 Der Rückzahlungsanspruch richtet sich gegen den Vermieter. Mehrere Vermieter haften als Gesamtschuldner nach den §§ 421 ff. BGB. Selbst wenn die Kaution seinerzeit an den Hausverwalter geleistet wurde, kann von ihm keine Rückforderung verlangt werden8, wenn nicht die Voraussetzungen für eine persönliche Haftung z.B. nach § 311 Abs. 2 BGB oder § 826 BGB vorliegen. 142 Der Zwangsverwalter haftet auf Rückzahlung, wenn die Zwangsverwaltung vor Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs eingerichtet wird, und zwar unabhängig davon, ob er die Kaution (vom Schuldner) erhalten hat9. Seine Rückgewährspflicht erstreckt sich auch auf die Zinsen, selbst wenn sie nicht erwirtschaftet wurden10. Erwirbt der Mieter das Objekt in der Zwangsversteigerung selbst durch Zuschlag, besteht kein Anspruch gegen den Zwangsverwalter, und zwar auch kein Schadensersatzanspruch11. Der Mietvertrag erlischt durch Konfusion12. 143 Im Falle des Vermieterwechsels richtet sich die Rechtslage nach § 566a BGB. Insoweit besteht kein Hindernis für den (bisherigen) Vermieter, sich aus der Kaution zu befriedigen, selbst wenn er die Erklärung erst nach dem Vermieterwechsel abgegeben hat13.

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KG v. 2.2.2012 – 8 U 193/11, ZMR 2012, 695. LG Flensburg v. 9.10.2008 – 1 S 56/08, GE 2009, 717. KG v. 2.2.2012 – 8 U 193/11, ZMR 2012, 695. AG Pinneberg v. 5.12.2003 – 66 C 202/03, ZMR 2004, 276. AG Brandenburg v. 25.4.2012 – 31 C 175/10, GE 2012, 758. LG Berlin v. 20.7.2010 – 63 S 632/09, GE 2011, 266. AG Düsseldorf v. 18.8.2011 – 50 C 3305/11, ZMR 2012, 629. LG Kaiserslautern v. 9.4.2002 – 1 S 12/02, WuM 2003, 630. BGH v. 16.7.2003 – VIII ZR 11/03, WuM 2003, 630. AG Wetzlar v. 15.3.2011 – 38 C 987/10, WuM 2012, 376. BGH v. 9.6.2010 – VIII ZR 189/09, MDR 2010, 916 = NZM 2010, 698. BGH v. 17.12.2008 – VIII ZR 13/08, NJW 2009, 1076 = WuM 2009, 127 = GE 2009, 260 = NZM 2009, 151. 13 OLG Frankfurt v. 15.4.2011 – 2 U 192/10, GE 2011, 885.

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c) Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs Die Rückzahlung wird fällig nach Ablauf einer angemessenen Frist zur Prüfung1 und 144 Entscheidung, ob und inwieweit der Vermieter die Kaution für seine Forderungen aus dem Mietvertrag und dessen Abwicklung in Anspruch nehmen will2. Diese Zeitspanne kann ohne weiteres sechs Monate dauern3. Aus Sinn und Zweck der Prüfungsfrist folgt, dass sie solange dauert, bis der Vermieter seine Ansprüche dem Grunde nach ermitteln und die Höhe in etwa nach Erfahrungswerten bestimmen kann, so dass der Mieter ersehen kann, ob und ggf. in welchem Umfang eine sofortige Rückzahlung stattfindet und/oder die Kaution für Ansprüche verbraucht werden soll. Die Prüfungsfrist ist mit sechs Monaten nicht starr festgelegt. Vielmehr ist der Ver- 145 mieter berechtigt, die Kaution ausnahmsweise auch länger einzubehalten, wenn nach wie vor mögliche Ansprüche im Raum stehen, die ein besonderes Sicherungsbedürfnis rechtfertigen4. Dies ist solange der Fall, wie ernsthafte nicht bezifferbare Gegenansprüche in Betracht kommen. Diese liegen z.B. vor, wenn die Abwicklung eines vom Mieter verursachten Wasserschadens längere Zeit in Anspruch nimmt5. Andererseits verlängert sich die Prüfungsfrist nicht dadurch, dass der Vermieter seine Ansprüche noch nicht der Höhe nach vollständig bestimmen kann. Es reicht aus, dass sie bestimmbar sind, wie z.B. die Nachforderung aus einer zukünftigen Betriebskostenabrechnung6 (vgl. § 551 BGB Rz. 148). Kann der Vermieter jedoch schon früher abrechnen, z.B. weil er dem Mieter alle An- 146 sprüche mitgeteilt hat, wird der Rückzahlungsanspruch in diesem Zeitpunkt fällig7. Eine Prüfungsfrist entfällt völlig, wenn der Vermieter – insbesondere stillschweigend – zu erkennen gegeben hat, dass er die Kaution nicht mehr in Anspruch nehmen will. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Vermieter bei der Rückgabe erklärt, die Wohnung befinde sich in einem ordnungsgemäßen Zustand. Hier ist es ihm verwehrt, auf die Kaution zurückzugreifen, wenn er nachträglich feststellt, dass noch Ansprüche aus dem Rückgabezustand hergeleitet werden könnten. Das gilt erst recht, wenn die Kaution – vorbehaltlos – teilweise zurückgezahlt wird8, obwohl der Vermieter zuvor deutlich gemacht hat, dass seine Ansprüche jedenfalls höher sind als der noch einbehaltene Betrag. Ansonsten muss auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt werden, inwieweit das Verhalten des Vermieters geeignet ist, einen Verzicht auf die Inanspruchnahme der Kaution zu begründen. Das kommt bei Verpfändung eines Sparbuchs in Betracht, wenn der Vermieter das Sparbuch an den Mieter herausgibt. Darin liegt die (stillschweigende) Abtretung, so dass auch ein Anspruch auf Freigabe besteht9. Andererseits muss jedenfalls bei Wohnraum, für den §§ 9 Abs. 5 WoBindG, 50 WoFG gelten, berücksichtigt werden, dass die Kaution ohnehin nur für Ansprüche gilt, die aus der Beschädigung der Mietsache oder unterlassenen Schönheitsreparaturen resultieren. Ist Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs eingetreten, entfällt ein etwaiges „Recht“ an der Kaution10. Aus dem Sicherungszweck rechtfertigt sich eine Ausnahme, wenn noch über geleistete Betriebskostenvorauszahlungen abzurechnen ist11. Insoweit entsteht ein Zurückbehaltungsrecht, das spätestens mit Eintritt der Abrechnungs1 BGH v. 18.1.2006 – VIII ZR 71/05, MDR 2006, 1100 = GE 2006, 510 = NZM 2006, 343 m.w.N. 2 OLG Düsseldorf v. 28.9.2006 – 10 U 61/06, GE 2006, 1613 = ZMR 2007, 269 = OLGR 2007, 302. 3 LG Berlin v. 30.12.2010 – 65 S 139/10, GE 2011, 268; LG Ulm v. 19.12.2007 – 1 S 164/07, DWW 2008, 96; LG Darmstadt v. 7.9.2005 – 7 S 72/05, WuM 2006, 708; AG Potsdam v. 30.8.2007 – 23 C 76/06, ZMR 2011, 48. 4 LG Köln v. 20.9.2006 – 10 S 78/05, Info M 2007, 110; OLG Düsseldorf v. 19.6.2007 – 24 U 55/07, OLGR 2008, 513 = ZMR 2008, 708 (33 Monate). 5 AG Hamburg-Blankenese v. 18.7.2012 – 531 C 347/11, ZMR 2012, 783. 6 AG Bergheim v. 6.10.2011 – 24 C 162/11, n.v. 7 OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 – I-10 U 46/03, WuM 2003, 621. 8 OLG München v. 16.9.1994 – 21 U 2269/94, ZMR 1995, 20 (22). 9 LG Augsburg v. 23.2.2010 – 4 S 3445/09, WuM 2011, 366. 10 OLG Düsseldorf v. 15.11.2001 – 10 U 142/00, ZMR 2002, 109. 11 BGH v. 18.1.2006 – VIII ZR 71/05, WuM 2006, 197 = NJW 2006, 1422; OLG Düsseldorf v. 1.10.2009 – 10 U 58/09, IMR 2010, 134.

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reife entfällt1. Der Höhe nach ist der Einbehalt nicht auf den Betrag einer Monatsmiete beschränkt2, sondern orientiert sich an der Nachforderung aus der letzten Abrechnung zzgl. einem Sicherheitszuschlag für eingetretene Erhöhungen. Endete die letzte Abrechnung mit einem Guthaben, entfällt das Zurückbehaltungsrecht nicht grundsätzlich3. Vielmehr kommt es auf die Höhe des Sicherheitszuschlages an, der sich an den bekannten Preissteigerungen orientiert. 148 Macht der Mieter den Rückzahlungsanspruch verfrüht geltend, kann darin eine Nebenpflichtverletzung liegen, die über § 280 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Dieser greift jedenfalls durch, wenn der Vermieter bereits sechs Wochen nach Ende der Mietzeit zur Rückgabe der Sicherheit aufgefordert wird4. Ansonsten ist bei der Prüfung des Verschuldens darauf abzustellen, inwieweit der Mieter davon ausgehen konnte, dass die Prüfungsfrist bereits abgelaufen ist. d) Modalitäten der Erfüllung (Aufrechnung) aa) Allgemeines (1) Zeitpunkt der Auflösung des Sparbuchs 149 Der Sinn und Zweck der Kautionsstellung liegt vor allem darin, den Vermieter hinsichtlich seiner Ansprüche aus dem Mietvertrag (in begrenztem Umfang) abzusichern. Dieser Sicherungszweck verbietet es dem Vermieter nicht, sich vor Austragung eines Streites über die Berechtigung seiner Ansprüche vollständig zu befriedigen5. Vielmehr kann er, sobald sich für ihn finanzielle Belastungen aus dem beendeten Mietverhältnis ergeben, denen – aus seiner Sicht – Ansprüche gegen den Mieter gegenüberstehen, die Kaution auflösen, und zwar unabhängig von der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs. Er ist nicht darauf beschränkt, den durch die Auflösung herbeigeführten Liquiditätsvorteil erst zu generieren, wenn seine Forderungen unstreitig, entscheidungsreif oder rechtskräftig festgestellt sind6. 150 Der Mieter kann deshalb auch im Wege der einstweiligen Verfügung nicht verhindern, dass der Vermieter die Kaution bei Fälligkeit in Anspruch nimmt, weil nach seiner Auffassung keine aufrechenbaren Ansprüche bestehen7. Denn mit dem Mietende tritt die aufschiebende Bedingung, unter der der Rückzahlungsanspruch aus der Treuhandabrede steht8, ein. Der Rückzahlungsanspruch entsteht. Seine Fälligkeit ist zwar noch vom Ablauf der Prüfungsfrist abhängig. Da die Treuhandabrede aber beendet ist, entfällt auch die daraus resultierende Pflicht zur insolvenzfesten Anlegung aus § 551 Abs. 3 BGB. Insoweit spielt es für den Erlass einer einstweiligen Verfügung keine Rolle, ob die Ansprüche des Vermieters streitig sind. Dies gilt erst recht, wenn die Parteien vereinbart haben, dass sich der Vermieter jederzeit aus der Kaution befriedigen kann9. (2) Erlöschen des Rückzahlungsanspruchs 151 Der Rückzahlungsanspruch erlischt durch Erfüllung, spätestens also durch Herausgabe der Sicherheit an den Mieter oder sonstigen Berechtigten (vgl. zur Bürgschaft § 551 BGB Rz. 184). Der Anspruch kann nur in der Form verlangt und erfüllt werden, in der die Kaution vom Vermieter erlangt wurde. Deshalb kann z.B. keine Rückzahlung verlangt werden, wenn eine Bürgschaft überlassen wurde10.

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OLG Düsseldorf v. 12.6.2001 – 24 U 168/00, ZMR 2002, 37. A.A. AG Köln v. 9.8.2004 – 201 C 169/02, WuM 2004, 609. A.A. AG Krefeld v. 12.6.2007 – 12 C 301/06, zitiert nach juris. LG Würzburg v. 20.4.2011 – 43 S 67/11, Info M 2011, 274. A.A. LG Darmstadt v. 11.9.2007 – 25 S 135/07, WuM 2008, 726. A.A. LG Halle v. 25.9.2007 – 2 S 121/07, NZM 2008, 685. OLG Karlsruhe v. 18.8.2008 – 8 W 34/08, MDR 2009, 320 = ZMR 2009, 120 = NJW-RR 2009, 514. 8 BGH v. 8.7.1982 – VIII AZR 3/82, MDR 1982, 925 = WuM 1982, 240 = NJW 1982, 2186. 9 LG Potsdam v. 21.1.2007 – 11 S 192/06, 2007, GE 1253. 10 LG Kaiserslautern v. 9.4.2002 – 1 S 12/02, WuM 2003, 630.

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In der Regel erklärt der Vermieter zumindest teilweise die Aufrechnung gegenüber 152 dem Rückzahlungsanspruch, wenn ihm eigene Ansprüche zustehen. Im Hinblick auf § 387 BGB müssen dafür seine Ansprüche fällig sein. Für den Kautionsrückzahlungsanspruch ist es ausreichend, wenn er erfüllbar ist1. Dies ist – vorbehaltlich anderer Bestimmungen im Mietvertrag – ab Mietende der Fall. Zur wirksamen Aufrechnung gehört eine Aufrechnungserklärung gegenüber dem 153 Mieter. Diese kann stillschweigend abgegeben werden und wird oftmals in der Übersendung der Kautionsabrechnung zu sehen sein. Dies setzt aber voraus, dass die Aufrechnungserklärung zumindest inhaltlich bestimmbar ist und die Ansprüche identifizierbar dem Grund und der Höhe nach angegeben werden. Eine Reihenfolge der Verrechnung muss aber nicht erklärt werden, denn im Zweifel gelten über § 396 BGB die §§ 366 Abs. 2, 367 BGB. Deshalb ist das Kautionsguthaben zunächst gegen fällige Nebenkostennachforderungen und erst dann auf die restliche Miete zu verrechnen2, sofern der Vermieter die Verrechnungsreihenfolge bei der Kautionsabrechnung nicht bestimmt hat. Ohne weitere Anhaltspunkte erlischt der Rückzahlungsanspruch noch nicht da- 154 durch, dass der Vermieter eine Forderungsaufstellung an einen Dritten (z.B. den Bürgen) übermittelt. Deshalb kann er die vereinnahmte Kautionssumme (z.B. aus der Bürgschaft) gegenüber dem Mieter noch anders verrechnen3. Bei der Aufrechnung hat der Vermieter Aufrechnungsverbote zu beachten. Diese sol- 155 len sich z.B. aus der Unwirksamkeit der Kautionsabrede ergeben4. Ein Aufrechnungsverbot kann aber in der gegebenen Situation nur aus einer (konkludenten) Einigung hergeleitet werden. Dafür fehlt es in der Regel an einem entsprechenden Willen des Vermieters. Aus der Natur der Sache oder dem Zweck der Verbotsnorm des § 551 Abs. 4 BGB lassen sich zu Lasten des Vermieters keine Aufrechnungsbeschränkungen ableiten. Das gilt auch bei preisgebundenem Wohnraum, wenn ein Verstoß nach § 9 Abs. 5 WoBindG vorliegt. Denn der Mieter ist durch die Möglichkeit, mit seinem Bereicherungsanspruch im laufenden Mietvertrag aufzurechnen5, ausreichend geschützt (vgl. auch § 551 BGB Rz. 162 ff.: Aufrechnung mit kautionsfremden Ansprüchen). Hat der Vermieter die Kaution ohne Grund oder in der irrigen Annahme in Anspruch 156 genommen, ihm würden Ansprüche zustehen, begeht er eine regelmäßig fahrlässige Verletzung des Treuhandvertrages. Fahrlässig handelt er bei falscher Beurteilung der Rechtslage nur dann nicht, wenn er sich sicher sein konnte, dass ein Gericht nicht anders als von ihm angenommen entscheiden würde6. Ansonsten kommt es darauf an, ob sein Handeln plausibel war und er die ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausreichend genutzt hat. Erfüllungsort ist im Zweifel die Wohnung7. Die Verjährung richtet sich nach § 195 157 BGB, wobei Modifizierungen nach § 202 BGB in den Grenzen des § 307 BGB zulässig sind8. Mangels Aufrechnungslage kann der Vermieter nicht mehr mit Ansprüchen aufrech- 158 nen, die bereits vor Mietende verjährt sind, § 215 BGB9. Allerdings kann der Vermieter trotz rechtkräftiger Abweisung seiner Schadensersatzansprüche wegen Verjäh-

1 Vgl. dazu Erman/Wagner, § 387 BGB Rz. 21. 2 OLG Düsseldorf v. 25.10.2001 – 10 U 122/00, DWW 2002, 28; a.A. OLG Düsseldorf v. 18.1.2001 – 10 U 152/99, ZMR 2001, 528. 3 OLG Düsseldorf v. 16.12.1999 – 10 U 72/98, WuM 2000, 212. 4 AG Gießen v. 31.8.2000 – 48 M 248/00, ZMR 2001, 459; AG Dortmund 28.2.1997 – 125 C 15016/96, WuM 1997, 212. 5 Dazu LG Potsdam v. 13.2.2003 – 11 S 177/02, WuM 2003, 206 = MM 2003, 141. 6 BGH v. 8.3.2006 – VIII ZR 78/05, MDR 2006, 802 m. Anm. Walter = WuM 2006, 200 = NZM 2006, 340 = MietRB 2006, 157. 7 AG Freiburg v. 7.12.2007 – 7 C 2246/07, WuM 2010, 449. 8 AG Erfurt v. 9.6.2010 – 5 C 30/10, WuM 2010, 561. 9 OLG Düsseldorf v. 30.10.2001 – 24 U 77/01, WuM 2002, 495 = ZMR 2002, 658.

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rung noch aufrechnen, wenn sich die Ansprüche in unverjährter Zeit aufrechenbar gegenübergestanden haben1. 159 Der Vermieter muss eine Abrechnung über die Kaution vorlegen, die den Anforderungen des § 259 BGB gerecht wird. Dazu ist die Vorlage einer nach Kapital, jeweiligem Zinssatz und Erhöhungsbetrag geordneten Zusammenstellung erforderlich. Klageweise kann dieser Anspruch im Wege der Stufenklage geltend gemacht werden2. bb) Verrechnungen des Mieters 160 Eine Aufrechnung durch den Mieter ist vor Ablauf der angemessenen Prüfungsfrist bedeutungslos, weil noch kein fälliger Rückforderungsanspruch besteht3. Erklärt der Mieter nach Eintritt der Fälligkeit des Rückforderungsanspruchs die Aufrechnung mit mehreren Forderungen, findet über § 396 Abs. 1 BGB eine Verrechnung nach § 366 Abs. 2 BGB statt, wenn sie ohne Tilgungsbestimmung erfolgt oder der Vermieter einer bestimmten Verrechnung unverzüglich widerspricht4. Dazu reicht aber der Hinweis des Vermieters, der Kautionsrückzahlungsanspruch sei noch nicht fällig, nicht aus5. 161 Ein vertragliches Aufrechnungsverbot kann der Verrechnung durch den Mieter entgegenstehen, soweit die Beschränkung wirksam ist6. Das setzt in der Regel nicht nur einen Vorbehalt für unbestrittene und rechtskräftige, sondern auch für entscheidungsreife Forderungen voraus (vgl. § 556b Rz. 58). cc) Aufrechnung mit kautionsfremden Ansprüchen 162 Der Vermieter kann nach Ablauf der Prüfungsfrist mit allen Ansprüchen aufrechnen, die ihm gegen den Mieter zustehen7. Bei preisgebundenem Wohnraum gilt die Beschränkung des § 9 Abs. 5 WoBindG nicht fort8. 163 Die h.M.9 geht allerdings davon aus, dass ein (stillschweigendes) Aufrechnungsverbot besteht, und zwar bei § 9 Abs. 5 WoBindG wegen der Beschränkung der Kaution auf die darin ausdrücklich genannten (Schadensersatz-)Ansprüche (also keine Aufrechnung z.B. mit Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen10) und bei preisfreiem Wohnraum auf Ansprüche aus dem Mietvertrag11 (also z.B. keine Aufrechnung gegen Ansprüche aus einem zweiten Mietvertrag12). Dies soll erst recht gegenüber dem Zwangsverwalter gelten oder für die Rückzahlung einer Sonderkaution (z.B. für die Anbringung einer Parabolantenne)13. 164 Die durch die Kautionsvereinbarung hervorgerufene Zweckbestimmung und der durch die Leistung der Sicherheit hervorgerufene Treuhandcharakter sollen nicht in Abrede gestellt werden. Indessen ist die Zweckbestimmung insbesondere bei § 9 Abs. 5 WoBindG auf die Befriedigung während der Mietzeit zugeschnitten. Hier erhält der Vermieter das Mietausfallwagnis mit der regelmäßigen Zahlung der Miete. Dieses Surrogat fließt dem Vermieter aber nach Ende der Mietzeit nicht mehr zu. Hat der Mieter nun seine Kaution abgewohnt und die letzten Mieten nicht bezahlt,

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OLG Düsseldorf v. 14.12.2006 – 24 U 113/06, GuT 2007, 211. OLG Karlsruhe v. 16.6.2009 – 19 W 23/09, NJW-RR 2010, 585. OLG Düsseldorf v. 16.12.1999 – 10 U 72/98, WuM 2000, 212. Vgl. auch OLG Düsseldorf v. 5.11.2009 – 24 U 12/09, DWW 2010, 182. OLG Düsseldorf v. 15.11.2001 – 10 U 142/00, ZMR 2002, 109. OLG Düsseldorf v. 1.10.2009 – 10 U 58/09, ZMR 2010, 356. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. III 183; Blank/Börstinghaus, § 551 Rz. 82; Dickersbach, WuM 2006, 595 m.w.N. AG Spandau v. 28.7.2011 – 10 C 222/11, GE 2011, 1488. BGH v. 11.7.2012 – VIII ZR 36/12, GE 2012, 1093; OLG Düsseldorf v. 25.10.2007 – 10 U 24/07, ZMR 2008, 47; AG Schöneberg v. 12.12.1989 – 16 C 674/89, WuM 1990, 426; Staudinger/Emmerich, § 551 BGB Rz. 32; Bub/Treier/Scheuer, V B Rz. 295c. AG Köln v. 1.8.2007 – 203 C 175/07, WuM 2008, 222. BGH v. 11.7.2012 – VIII ZR 36/12; GE 2012, 1093. LG Köln v. 31.1.2007 – 10 S 165/06, MietRB 2007, 113 m.w.N. AG Köln v. 7.4.2008 – 222 C 480/07, NZM 2009, 433.

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müsste der Vermieter nach der h.M. die Kaution zurückzahlen und wegen der Mieten klagen. Auch im preisfreien Wohnraum bestehen weder dogmatische noch Gründe der Zweckmäßigkeit, den Vermieter mit der Aufrechnung auf Ansprüche aus dem Mietvertrag zu beschränken1. Im Gegenteil: Die Sicherheitsleistung hat ihren Hauptzweck gerade am Ende der Mietzeit. Hier bleiben Forderungen offen, die nicht durch laufende Leistungen (z.B. wiederkehrende Guthaben aus Betriebskostenabrechnungen) verrechnet werden können, so dass das Insolvenzrisiko voll durchschlägt. Selbst wenn der Treuhandcharakter, der das Aufrechnungsverbot im Wesentlichen begründen soll2, erst mit der Rückgabe der Sicherheit endet, ist es unserer Rechtsordnung nicht fremd, dass sich Rechte bei Eintritt besonderer Umstände ändern können. Dies ist hier mit der Beendigung des Mietvertrages der Fall. Ansonsten würde der zahlungssäumige Mieter geschützt3. Dies gilt auf jeden Fall, wenn es ausdrücklich vereinbart ist. Letzteres ist auch formularvertraglich zulässig. e) Rechtsfolgen der Kautionsabrechnung Allein durch die vorbehaltlose Abrechnung des Vermieters über die Kaution nach 165 Beendigung des Mietverhältnisses entsteht hinsichtlich weiterer dem Vermieter bekannter Ansprüche kein negatives Schuldanerkenntnis mit der Folge, dass diese Ansprüche nicht mehr geltend gemacht werden können4. Das Anerkenntnis setzt einen Vertrag voraus. Deshalb ist im Einzelfall zu prüfen, ob in der Kautionsabrechnung des Vermieters ein Angebot auf Abschluss eines Schuldanerkenntnisvertrages zu sehen ist, das der Mieter z.B. dadurch annimmt, dass er die Abrechnung widerspruchslos hinnimmt und den Nachforderungsbetrag ohne Vorbehalt zahlt5. Im Ergebnis müssen die weiteren Umstände zeigen, dass sich die Parteien über den Bestand und die Rechtmäßigkeit der verrechneten Forderungen einig sind6. Ein solches Anerkenntnis schließt die Einwendungen beider Parteien aus, die sie bei der Abgabe der Erklärung kannten oder mit denen sie rechnen mussten7. f) Verjährung Der Anspruch auf Rückgewähr des Mieters verjährt nach § 195 BGB. Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem das Mietverhältnis endet. Gleichzeitig verjähren die Zinsen8.

166

Ist Gegenstand der Rückgewähr eine Bürgschaft, führt der Eintritt der Verjährung 167 zu einem dauernden Besitzrecht des Vermieters an der Urkunde. Einlösen kann der Vermieter die Urkunde/Bürgschaft nur, soweit nicht auch gegenüber dem Bürgen oder im Hinblick auf die Hauptforderung Verjährung eingetreten ist. IV. Bürgschaft 1. Wirksame Bürgschaftsverpflichtung Die materielle Wirksamkeit einer Mietbürgschaft richtet sich nach § 765 Abs. 1 BGB. 168 Grundsätzlich bezieht sie sich nur auf die Ansprüche, die sich aus dem Mietvertrag ergeben, wie er dem Bürgen vorgelegt wurde. Soweit spätere Vereinbarungen die Rechtsstellung des Bürgen verschlechtern, indem sie seine Bürgschaftspflicht erweitern, sind sie ihm gegenüber unwirksam, § 767 Abs. 1 S. 3 BGB. Eine solche Erweiterung tritt noch nicht durch den Beitritt eines weiteren Mieters ein9. Der Bürge haftet aber nicht, wenn als Gegenleistung für eine vorzeitige Entlassung aus dem Mietver1 2 3 4 5 6 7

Dickersbach, WuM 2006, 595 m.w.N. BGH v. 11.7.2012 – VIII ZR 36/12, MDR 2012, 954 = WuM 2012, 502 = ZMR 2012, 855. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. III 159a, 183 a.E. A.A. AG Tiergarten v. 16.5.2007 – 4 C 592/06, GE 2007, 855. BGH v. 18.10.2006 – VIII ZR 52/06, MDR 2007, 262 = WuM 2006, 677 = ZMR 2007, 28. LG Mannheim v. 8.2.2006 – 4 S 52/05, WuM 2006, 190 = NZM 2006, 223. BGH v. 23.3.1983 – VIII ZR 335/81, MDR 1983, 1017 = NJW 1983, 1903 (unter II 2a); BGH v. 18.1.2006 – VIII ZR 94/05, MDR 2006, 1038 = NJW 2006, 903 (unter II 1c), jeweils m.w.N. 8 LG Lübeck v. 22.7.2010 – 14 S 59/10, ZMR 2011, 42. 9 OLG Stuttgart v. 30.11.2009 – 5 U 86/09, IMR 2010, 189.

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trag eine (zusätzliche) Renovierungslast begründet wird1. Das Gleiche gilt, wenn die Parteien ohne Beteiligung des Bürgen vereinbaren, dass die für das bisherige Mietverhältnis vorliegende Bürgschaft für den neu begründeten Mietvertrag gelten soll. Allerdings kann sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ergeben, dass der Vermieter einen Anspruch auf Überlassung einer Bürgschaft für das neue Mietverhältnis hat2. 169 Im Hinblick auf § 766 S. 1 BGB muss die Bürgschaftsurkunde neben dem Willen, für eine fremde Schuld einzustehen, insbesondere die Bezeichnung des Gläubigers (Vermieter), des Hauptschuldners (Mieter) und der verbürgten Forderung enthalten3. Insoweit reicht die Bezugnahme auf den Mietvertrag; sicherer ist aber, die Hauptforderung durch Angabe der Parteien des Mietvertrages und der Urkunde mit Datum zu bezeichnen. Die Anforderungen sind nicht erfüllt, wenn in der Urkunde weder der Vermieter als Gläubiger noch der Mieter als Hauptschuldner ausdrücklich aufgeführt sind4. Wird die Bürgschaft im Rahmen des Mietvertrages durch die Unterschrift eines Dritten begründet, muss die Stellung als Bürge deutlich werden5. 170 Im Übrigen muss die Vereinbarung aber auch den allgemeinen Wirksamkeitsanforderungen gerecht werden. Insoweit können die Vorschriften über das Haustürwiderrufsgeschäft zu beachten sein6. Ein Verstoß gegen 307 BGB ist z.B. gegeben, wenn die Einrede der Aufrechenbarkeit formularmäßig ausgeschlossen ist7. Allein die Tatsache, dass der nicht berufstätige Ehegatte die Bürgschaft erklärt, verursacht keine Bedenken gegen die Wirksamkeit, weil eine Begrenzung auf drei Monatsmieten gemäß § 551 BGB stattfindet8. Ist der Mieter nicht mehr in der Lage, eine Bürgschaft zu stellen, weil die Bank ihre Anforderungen an die Stellung einer Bürgschaft verschärft, kann er sich nicht auf § 313 BGB berufen9. Denn die Finanzierung einer Leistung (hier: Sicherheit) fällt allein in den Risikobereich der verpflichteten Partei. 171 Ist die im Mietvertrag enthaltene Bürgschaftsverpflichtung unwirksam, wird die Wirksamkeit des Mietvertrages in der Regel nicht berührt. Denn es kann nicht angenommen werden, dass der Mietvertrag ohne die Bürgschaftsverpflichtung nicht zustande gekommen wäre, § 139 BGB. 2. Umfang der Bürgschaftsverpflichtung 172 Grundsätzlich können die Parteien den Umfang der Bürgschaftsverpflichtung im Rahmen des § 766 BGB bestimmen, wobei für preisgebundenen Wohnraum § 9 Abs. 5 BGB zu beachten ist (vgl. dazu § 551 BGB Rz. 15). Außer § 551 Abs. 4 BGB bestehen insoweit keine Schranken. Eine der Höhe nach unbegrenzte Bürgschaft wird auf das Maß des § 551 Abs. 1 BGB zurückgeführt, ohne dass es der Vorlage einer neuen, die Höchstgrenze berücksichtigenden Urkunde bedarf. 173 Eine wirksame Bürgschaftsverpflichtung liegt selbst dann vor, wenn im Zeitpunkt der Hingabe der Bürgschaft der Mietvertrag noch nicht geschlossen wurde. Maßgeblich und ausreichend ist, dass objektiv festgestellt werden kann, für welche Schuld der Bürge einstehen sollte10. Das ist ohne weiteres möglich, wenn im Zeitpunkt der Abgabe der Bürgschaftserklärung in schriftlicher Form (§ 766 BGB) das Angebot des Vermieters vorliegt, das der Mieter später annimmt11.

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OLG Frankfurt v. 12.4.2006 – 2 U 34/05, NZM 2006, 900. LG Hamburg v. 22.4.2004 – 307 S 165/03, ZMR 2004, 586. BGH v. 29.2.1996 – IX ZR 153/95, BGHZ 132, 119 = MDR 1996, 810. OLG Düsseldorf v. 9.3.2000 – 10 U 194/98, ZMR 2000, 287. Vgl. auch BGH v. 19.7.2001 – IX ZR 411/00, NJW 2001, 3186. Vgl. dazu BGH v. 2.5.2007 – XII ZR 109/04, MDR 2007, 1004 = ZMR 2007, 609. KG v. 9.1.2006 – 8 U 86/05, MDR 2006, 1158 = ZMR 2006, 524. Vgl. auch OLG Brandenburg v. 4.2.2009 – 4 U 96/08, zitiert nach juris. KG v. 5.11.2012 – 6 U 171/11, GE 2013, 265. BGH v. 17.2.2000 – IX ZR 32/99, MDR 2000, 714 = NJW 2000, 1569. BGH v. 30.3.1995 – IX ZR 98/94, MDR 1995, 892 = NJW 1995, 1886.

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Grundsätzlich bezieht sich die Bürgschaft nur auf die Verbindlichkeiten des Mieters. 174 Dies gilt insbesondere bei nahen Angehörigen. Deshalb ist der Sicherungszweck regelmäßig auf Verbindlichkeiten beschränkt, die zu Lebzeiten des Mieters begründet wurden1. Für die Ausweitung der Bürgschaftshaftung auf andere Hauptschuldner besteht keine Veranlassung. Übernehmen Eltern die Bürgenhaftung für die „rechtzeitige Zahlung“ der monatlichen Miete der Wohnung, deren Mitmieter im Rahmen einer Wohngemeinschaft ihr Kind ist, erstreckt sich die Haftung mangels abweichender Vereinbarung auf die Gesamtmiete2. Die Bürgschaftsverpflichtung, die sich ausdrücklich auf den Anspruch auf Miete bezieht, sichert auch den Anspruch des Vermieters auf Nutzungsentschädigung wegen Vorenthaltung der Mietsache nach Vertragsende3. Im Übrigen ist der Umfang der Bürgschaft durch Auslegung zu ermitteln4. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die Bürgschaft zunächst nur das Erfüllungsinteresse absichert5 bzw. Ansprüche aus dem Mietvertrag. Umfasst eine Formularbürgschaft neben Erfüllungsansprüchen ausdrücklich mit die- 175 sem Vertrag in Zusammenhang stehende Bereicherungsansprüche, ist dies nicht ohne weiteres überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB6. Das Gleiche gilt für erfasste Schadensersatzansprüche des Vermieters, solange nicht die Voraussetzungen des § 767 Abs. 1 S. 3 BGB vorliegen, weil der Bürge in diesem Fall einem für ihn in seinem Umfang nicht vorhersehbaren, über das aktuelle Sicherungsinteresse des Gläubigers hinausreichenden Risiko ausgesetzt wird, also der Kreis der zukünftigen Forderungen nicht von Anfang an klar abgesteckt ist7. Der Verstoß führt zur Unwirksamkeit der Zweckerklärung, ohne dass der Bestand der Bürgschaft im Übrigen berührt wird8. Etwas anderes gilt allenfalls bei einer Bürgschaft für Ansprüche aus zukünftigen Verträgen oder wenn die Haftungserweiterung von vorneherein im ihr zugrundeliegenden Mietvertrag angelegt ist, wie z.B. bei der Mieterhöhung9. Generell ist eine formularmäßige Ausdehnung der Bürgschaft auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners aus der Geschäftsverbindung aber grundsätzlich unwirksam, soweit sie Forderungen aus künftigen Verträgen und nachträglichen Vertragsänderungen betrifft10. Grundsätzlich ist eine Formularklausel über die Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern wirksam11, solange der Bürge keine Privatperson ist12. Seine Erklärung bleibt aber als selbstschuldnerische Bürgschaft wirksam13. Erfolgte die Stellung der Bürgschaft auf erstes Anfordern durch eine Privatperson im Wege der Individualvereinbarung, ist diese Regelung nicht zu beanstanden14.

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3. Dauer der Bürgenhaftung Ist in der Bürgschaftsurkunde eine Zeit nicht bestimmt, ist der Bürgschaftsvertrag 177 grundsätzlich ordentlich kündbar. Die für einen befristeten Mietvertrag eingegangene Bürgschaft ist jedoch nicht vor Ablauf der vorgesehenen Vertragsdauer kündbar, und zwar auch nicht außerordentlich mit der Begründung, die Umstände hätten sich

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OLG München v. 29.11.2012 – 23 U 3400/12, zitiert nach juris. LG Kassel v. 19.12.1996 – 1 S 613/96, WUM 1997, 555 = NZM 1998, 328. OLG Rostock v. 30.9.2002 – 3 U 143/01, WuM 2003, 55. BGH v. 17.2.2000 – IX ZR 32/99, MDR 2000, 714 = NJW 2000, 1569. BGH v. 21.3.1989 – IX ZR 82/88, MDR 1989, 734 = NJW 1989, 1856. BGH v. 21.11.1991 – IX ZR 60/91, MDR 1992, 866 = NJW 1992, 1234. BGH v. 28.10.1999 – IX ZR 364/97, MDR 2000, 342 = NJW 2000, 658. BGH v. 15.4.1997 – IX ZR 112/96, MDR 1997, 777 = NJW 1997, 3230. OLG Hamburg v. 21.4.1999 – 4 U 113/89, ZMR 1999, 630. BGH v. 18.1.1996 – IX ZR 69/95, MDR 1996, 596. OLG Karlsruhe v. 2.7.2004 – 1 U 12/04, NZM 2004, 742; a.A. Leo/Ghassemi-Tabar, NZM 2012, 97. 12 Bub/Treier/Bub, II Rz. 445a m.w.N. 13 LG Hamburg v. 12.4.2001 – 307 S 8/01, WuM 2003, 36; Fischer, NZM 2003, 497 (499). 14 BGH v. 2.4.1998 – IX ZR 79/97, MDR 1998, 759 = NJW 1998, 2280.

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verändert1. Die Gegenmeinung2 verkennt die Grenzen der Auslegung und berücksichtigt nicht in ausreichendem Maß, dass die Sicherheit gerade für diesen Fall gegeben wird. Ein Recht zur außerordentlichen Kündigung durch den Bürgen ergibt sich auch nicht daraus, dass der Bürge seine Vertragsbeziehung zum Mieter beendet3. Vielmehr ist es Aufgabe des Mieters, dem Vermieter eine neue (gleich werthaltige) Bürgschaft zu stellen, wenn der bisherige Bürge aus seiner Haftung entlassen wird. 178 Verlängern die Parteien einen befristeten Mietvertrag, hängt die Verpflichtung des Bürgen davon ab, ob der bisherige Mietvertrag verlängert (z.B. Ausübung einer Option) oder ein neuer Vertrag begründet wurde. Bei einer einvernehmlichen Erweiterung ist darauf abzustellen, ob der Mietvertrag noch das durch den Bürgen erfasste Risiko dokumentiert oder das Risiko wirtschaftlich (auch zeitlich) erweitert wird4. Im Übrigen endet die Verpflichtung des Bürgen im Zweifel mit dem Tod des Mieters/Hauptschuldners5, es sei denn, die Bürgschaft erstreckt sich auch auf die durch die Erben verursachten Schulden. 4. Inanspruchnahme des Bürgen 179 Der Bürge muss bei einer Inanspruchnahme, die mit Eintritt der Fälligkeit der Hauptforderung möglich ist6, selbständig prüfen, ob die Hauptforderung besteht bzw. zumindest schlüssig dargestellt wurde. Dazu kann er (muss aber nicht) auch den Hauptschuldner befragen und ggf. seine Einwendungen prüfen7. Er muss sich also im Zweifel darauf einlassen, dass die Berechtigung der Forderung im gegen ihn gerichteten Erstprozess geklärt wird8. Denn grundsätzlich muss er selbst die ihm verfügbaren und beweisbaren Einwendungen und Einreden erheben9. 180 Auch bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern kann der Bürge nicht ohne weiteres Zahlung leisten und den Mieter auf die Rückforderung gegenüber dem Vermieter verweisen. Dies gilt jedenfalls für solche Einwendungen, die sich auf die Zahlungspflicht des Bürgen an sich beziehen10. Im Übrigen kann der Bürge nur sog. liquide beweisbare Einwendungen11 geltend machen. Das setzt voraus, dass sich der Einwand ohne weiteres aus dem unstreitigen Sachverhalt, der Bürgschaftsurkunde oder dem Mietvertrag und seinen Nachträgen ergibt. Im Übrigen kann der Bürge seine Einwendungen nur im Rückforderungsprozess12 gegen den Vermieter erheben13. Denn selbst wenn der Vermieter als Gläubiger seine Forderung gegen den Bürgen im Urkundenprozess geltend macht, kann der Bürge nicht im Nachverfahren andere als liquide beweisbare Einwendungen erheben14. 181 Verletzt er diese Pflicht und zahlt ohne weiteres an den Vermieter, besteht keine Regressmöglichkeit gegenüber dem Mieter, wenn der Anspruch des Vermieters nicht begründet war. Hat der Vermieter vor Eintritt der Verjährung (§ 548 BGB) die Bürgschaftssumme erhalten, entsteht durch die dem Bürgen übermittelte Forderungsaufstellung gegenüber dem Mieter keine Bindungswirkung hinsichtlich einer Verrechnung15. Verrechnungsversuche des Mieters vor Eintritt der Fälligkeit des Rückforderungsanspruches sind bedeutungslos. Ist die Verjährungsfrist nach § 548 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

KG v. 24.7.2007 – 12 U 193/05, GE 2007, 1247. OLG Düsseldorf v. 24.11.1998 – 24 U 264/97, ZMR 2000, 89. BGH v. 20.7.2011 – XII ZR 155/09, ZMR 2011, 945 = GE 2011, 1303 = NZM 2011, 709. OLG Düsseldorf v. 19.1.2005 – 15 U 35/04, ZMR 2005, 785. LG Münster v. 23.4.2008 – 14 S 7/07, WuM 2008, 481. OLG Düsseldorf v. 5.11.2009 – 24 U 12/09, DWW 2010, 182. BGH v. 19.9.1985 – IX ZR 16/85, MDR 1986, 229 = NJW 1986, 310. BGH v. 14.12.1995 – IX ZR 57/95, MDR 1996, 568 = NJW 1996, 717. Palandt/Sprau, Einf. vor § 765 BGB Rz. 5. Z.B. nicht gesicherte Hauptschuld: OLG Düsseldorf v. 19.1.2005 – 15 U 35/04, ZMR 2005, 785; vgl. auch BGH v. 28.10.1993 – IX ZR 141/93, NJW 1994, 380. Vgl. Leo/Ghassemi-Tabar, NZM 2012, 97 (98). Vgl. dazu BGH v. 9.3.1989 – IX ZR 64/88, MDR 1989, 735 = NJW 1989, 1606. Leo/Ghassemi-Tabar, NZM 2012, 97 (98); a.A. MünchKomm/Habersack, § 765 BGB Rz. 104. BGH v. 28.10.1993 – IX ZR 141/93, MDR 1994, 721 = NJW 1994, 380. OLG Düsseldorf v. 16.12.1999 – 10 U 72/98, WuM 2000, 212.

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BGB abgelaufen, ohne dass der Bürge in Anspruch genommen wurde bzw. geleistet hat, kann der Bürge einwenden, die Hauptforderung sei einredebehaftet1. Eine analoge Anwendung des § 215 BGB ist nicht möglich2, selbst bei Vermögensverfall (Insolvenz) des Mieters3. Auch der Mietbürge kann die Rechte aus den §§ 774 ff. BGB geltend machen, wenn er 182 den Vermieter befriedigt hat. Ein Bankbürge, der sich für die Ansprüche des Vermieters aus einem Mietvertrag entgegen dem Bürgschaftsauftrag auf erstes Anfordern verbürgt hat, darf das Konto des Mieters im Rückgriff erst belasten, wenn sich der Anspruch aus der Bürgschaft ebenfalls als begründet erweist4. In diesem Fall kann der Mieter anstatt der Kontoberichtigung auch Auszahlung des belasteten Betrages verlangen. 5. Rückgabe der Bürgschaft Grundsätzlich richtet sich der Rückgabeanspruch des Mieters gegen den Vermieter 183 nach den gleichen Modalitäten wie der Rückzahlungsanspruch bei einer Barkaution, insbesondere tritt die Fälligkeit erst nach Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist ein (vgl. § 551 BGB Rz. 144). Dies ist nicht zu verwechseln mit dem Anspruch aus der Bürgschaft, der mit der Hauptforderung fällig wird und der dreijährigen Verjährung unterliegt5. Die Bürgschaft soll aber nach sechs Monaten in jedem Fall herauszugeben sein, wenn der Vermieter bis dahin seine Ansprüche nicht aktiv geltend macht6. Dies ist aber überzogen. Denn nach sechs Monaten ist allenfalls eine Verrechnung mit Ansprüchen ausgeschlossen, die der Verjährung des § 548 BGB unterliegen. Mietund Betriebskostennachforderungen können jedoch auch später noch verfolgt werden, so dass eine unbedingte Herausgabe nicht sachgerecht ist. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann die Frist auch verkürzt sein, insbesondere wenn der Vermieter bereits zu einem früheren Zeitpunkt seine Ansprüche vollständig offen legt7. Nach Ablauf der Frist steht dem Vermieter dagegen kein Zurückbehaltungsrecht an der Bürgschaftsurkunde zu. Dies käme einer Verlängerung der Abrechnungsfrist gleich8. Nach h.M. ist der Mieter nur berechtigt, vom Vermieter die Herausgabe der Bürg- 184 schaftsurkunde, die als Urkunde i.S.v. § 371 BGB anzusehen ist9, unmittelbar an den Bürgen zu verlangen10. Es besteht kein nachvollziehbares rechtliches Interesse des Mieters an der Herausgabe der Bürgschaftsurkunde unmittelbar an sich, zumal der Hingabe regelmäßig ein Bürgschaftsvertrag zwischen Vermieter und Bürgen zugrunde liegt. An dessen Beendigung hat der Mieter aber schon deshalb ein Interesse, weil er von dem Bürgen regelmäßig mit sog. Avalprovisionen, also einem Entgelt für die Stellung der Bürgschaft bis zum Erlöschen der Verpflichtung des Bürgen belastet wird. Deshalb besteht ein Klagerecht, mit dem die Herausgabe an den Bürgen verfolgt werden kann. Der Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaft (= Herausgabe an den Bürgen) verjährt 184a nach § 195 BGB in drei Jahren ab Kenntnis. Damit beginnt die Verjährung in der Regel mit der Beendigung des Mietvertrages bzw. der Rückgabe der Mietsache zu laufen. Wurde die rechtzeitige Verjährungshemmung versäumt und belastet die Bank den Mieter weiterhin mit Avalprovision, kann Feststellungsklage gegen den Vermie1 KG v. 26.4.2007 – 12 U 193/05, MDR 2007, 1180 = ZMR 2007, 961 = GE 2007, 1247. 2 BGH v. 28.1.1998 – XII ZR 63/96, MDR 1998, 461 = NJW 1998, 981. 3 BGH v. 28.1.2003 – XI ZR 243/02, MDR 2003, 583 = GmbHR 2003, 417 = NJW 2003, 1250; OLG Düsseldorf v. 30.6.2005 – 10 U 28/05, ZMR 2006, 36. 4 OLG Köln v. 16.1.2002 – 13 U 52/01, NZM 2003, 518. 5 BGH v. 23.9.2008 – XI ZR 395/07, MDR 2009, 40; OLG Düsseldorf v. 5.11.2009 – 24 U 12/09, DWW 2010, 182 = GE 2010, 410 = GuT 2011, 270. 6 OLG Hamm v. 3.12.1991 – 7 U 101/91, NJW-RR 1992, 1036. 7 OLG Köln v. 5.12.1997 – 19 W 45/97, ZMR 1998, 346. 8 OLG Hamm v. 3.12.1991 – 7 U 101/91, NJW-RR 1992, 1036. 9 OLG München v. 19.11.1997 – 27 U 177/97, NJW-RR 1998, 992. 10 BGH v. 14.7.2004 – XII ZR 352/00, MDR 2005, 26 = NJW 2004, 3553 m.w.N.; OLG Frankfurt v. 15.6.2012 – 2 U 252/11, ZMR 2012, 863; a.A. AG Siegburg v. 15.1.2008 – 103 C 140/07, WuM 2010, 449 m.w.N.

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ter mit dem Antrag erhoben werden, dass die Bürgschaft zugunsten des Vermieters erloschen ist. V. Andere Sicherheiten 1. Verpfändung eines Sparguthabens 185 Hat der Wohnungsmieter die Mietkaution auf ein eigenes Sparkonto eingezahlt und übergibt er das Sparbuch dem Vermieter, ist mangels weiterer Vereinbarung nicht von einer Verpfändung des Sparbuchs, sondern von einer Abtretung des Auszahlungsanspruchs gegen die Bank auszugehen1. Es bedarf also einer ausdrücklichen Verpfändungserklärung der Parteien, mindestens aber einer Verpfändungsanzeige gegenüber dem Kreditinstitut, in der nicht nur der Verwendungszweck, sondern auch der Name des Vermieters genannt sein muss2. Denn in der bloßen Übergabe des Sparbuchs an den Vermieter liegt keine Sicherheitsleistung, da die hier einzig in Betracht kommende Form durch Verpfändung der Forderung gemäß den §§ 1273, 1274, 398 BGB an der gemäß § 1280 BGB erforderlichen Mitteilung an den Schuldner, also die Bank, scheitert. Hat in einem solchen Fall die Bank mit dem Mieter durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ein vorrangiges Pfandrecht an den Konten des Mieters vereinbart, erstreckt sich dieses Pfandrecht auch auf dieses „Kautionssparbuch“. 186 Allerdings kann das Berufen der Bank auf ihr Pfandrecht dann gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen, wenn die Bank auf einem zum Zwecke der Sicherheit für Forderungen aus dem Mietverhältnis angelegten Sparkonto den Aufdruck anbringt: „Gesperrt wegen Mietkaution“3. Der Vermieter darf in einem solchen Fall darauf vertrauen, dass er nach Übergabe des Sparbuches an ihn wegen seiner Forderungen aus dem Mietverhältnis gesichert ist und kein anderer ohne seine Einwilligung über die Forderung verfügen kann. 187 Auch im Übrigen sollten die AGB der betroffenen Bank überprüft werden. Denn darin können sowohl Abtretung als auch Verpfändung wirksam ausgeschlossen sein (z.B. Postbank). 188 Wenn die Mietkaution durch Verpfändung eines Sparbuchs geleistet worden ist, darf der Vermieter das Sparkonto nur im Falle der Pfandreife auflösen, also dann, wenn ihm gegen den Mieter ein fälliger Anspruch zusteht (im Ergebnis eine berechtigte, verrechenbare Gegenforderung). 189 Grundsätzlich muss der Vermieter als Pfandgläubiger nicht nur sein Pfandrecht, sondern auch die Pfandreife beweisen. Daran ändert sich nichts dadurch, dass nach dem Inhalt der Verpfändungsvereinbarung die Bank als Schuldnerin zur Auszahlung des Kautionsguthabens an den Vermieter auch ohne entsprechenden Nachweis befugt sein oder der Vermieter unter Vorlage der Sparurkunde jederzeit Auszahlung verlangen können soll. Darin liegt nur eine Erleichterung für den Schuldner, der nicht in die eventuellen Streitigkeiten der Mietvertragsparteien untereinander hineingezogen werden soll. Andererseits kann die Bank die Auszahlung grundsätzlich nicht mit der Begründung verweigern, die gesicherte Forderung sei zwischen den Mietvertragsparteien streitig4. In einem solchen Fall darf die Bank die Auszahlung an den Vermieter verweigern, wenn auf Grund des unstreitigen Parteivorbringens oder liquider Beweismittel feststeht, dass der Vermieter im Verhältnis zum Mieter zur Einziehung nicht berechtigt ist. Ein solcher Fall liegt aber noch nicht vor, wenn der Mieter die gesicherte Forderung, über die der Vermieter eine Abrechnung erteilt hat, bestreitet. Der Mieter soll auch hier einem unzulässigen Zugriff auf das Kautionssparbuch mit einer Unterlassungsverfügung (während der Mietzeit) im einstweiligen Rechtsschutz) begegnen können5, was allerdings zweifelhaft ist (vgl. § 551 BGB Rz. 105). 1 2 3 4 5

LG Dortmund v. 5.12.2006 – 1 S 23/06, WuM 2007, 73. LG Berlin v. 12.1.2010 – 65 S 271/09, IMR 2010, 514 (Schmid). OLG Nürnberg v. 15.5.1998 – 8 U 4293/97, MDR 1998, 1111 = NZM 1998, 660. OLG Karlsruhe v. 13.10.2009 – 19 U 88/09, zitiert nach juris. LG Wuppertal v. 27.11.2003 – 9 S 194/03, NZM 2004, 298.

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Eine Aufrechnung mit Forderungen gegen den Mieter gegenüber dem Rückgewährsanspruch des Mieters ist nicht möglich1. Insoweit fehlt es an der Gleichartigkeit beider Ansprüche (Geldzahlung einerseits und Rückgewähr des Pfandgutes anderseits).

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Deshalb ist auch § 215 BGB nicht anwendbar, wobei der Anspruch auf Rückgewähr 191 des Sparbuchs nach § 195 BGB verjährt2. Das Erfordernis der Gleichartigkeit beschränkt die Aufrechnung im Wesentlichen auf beiderseitige Geldleistungen. Der Anspruch auf Freigabe eines Sparbuchs ist aber auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet. Eine Gleichartigkeit mit dem Zahlungsanspruch liegt daher nicht vor3. Die gegenteilige Auffassung4, die sich auf eine Parallele zur Hinterlegung beruft, verkennt, dass der Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung hinterlegten Geldes einen Geldbetrag zum Gegenstand hat. Danach betrifft es lediglich die äußere Form, in der dieser Anspruch verwirklicht werden müsste. Deshalb ist die Freigabeforderung ihrem Gegenstand nach gleichartig mit der Geldzahlung5. Im Übrigen geht es um die Beseitigung eines dinglichen Rechts, nämlich des Pfand- 192 rechts des Vermieters an der Sparforderung (§§ 1273, 1274, 1289, 1255 BGB). In diesem Falle ist die Vorschrift des § 216 BGB zu beachten. Nach § 216 Abs. 1 BGB hindert zwar die Verjährung eines Anspruchs den Gläubiger nicht, auch aus dem belasteten Gegenstand Befriedigung zu suchen. Diese Vorschrift ist aber gemäß § 216 Abs. 3 BGB nicht auf die Verjährung von Ansprüchen auf Zinsen und wiederkehrende Leistungen – wie es die Mietforderungen sind – anwendbar. Würde nunmehr die Aufrechnung zugelassen, würde die Vorschrift des § 216 Abs. 3 BGB unterlaufen6. Zulässig bleibt aber nach Eintritt der Verjährung eine Feststellungsklage mit dem Antrag, dass das Pfandrecht zugunsten des Vermieters erloschen ist7. Denn nur so kann der Mieter gegenüber der Bank nachweisen, dass das Pfandrecht erloschen ist8. Übergibt der Vermieter nach Beendigung des Mietvertrages dem Mieter das Kauti- 193 onssparbuch, ist darin eine formfreie Aufgabe des Pfandrechts zu sehen. Daraus resultiert ein Anspruch des Mieters auf Abgabe einer Erklärung zur Pfandfreigabe des Vermieters gegenüber der Bank9. 2. Garantieversprechen Das selbständige Garantieversprechen ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Ver- 194 pflichtung zur Schadloshaltung übernommen wird, falls der garantierte Erfolg nicht eintritt10. Insoweit ist das Garantieversprechen von der Bürgschaft nach dem Grad der Anlehnung an die Hauptforderung voneinander abzugrenzen11. Verbleiben bei der Auslegung einer Vertragsurkunde letzte Zweifel, ob eine selbständige Garantie oder eine akzessorische Bürgschaft zwischen den Parteien begründet werden sollte, ist wegen der weitergehenden Haftung des Garanten im Zweifel eher eine Bürgschaft anzunehmen12. 3. Schuldbeitritt a) Allgemeines Beim Schuldbeitritt übernimmt der Sicherungsgeber die vom Mieter begründeten 195 Verpflichtungen (hier zumeist aus dem Mietvertrag) im Rahmen der Sicherungsabre1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

KG v. 9.5.2011 – 8 U 172/10, GE 2011, 885. LG Berlin v. 3.7.2012 – 63 S 13/12, WuM 2013, 106. KG v. 11.8.2003 – 8 U 124/02, KGR 2004, 81. KG v. 8.2.2010 – 20 U 167/08, GE 2010, 693. KG v. 9.5.2011 – 8 U 172/10, ZMR 2011, 858. KG v. 9.5.2011 – 8 U 172/10, ZMR 2011, 858. LG Berlin v. 3.7.2012 – 63 S 13/12, WuM 2013, 106. Streyl, WuM 2013, 107 (108). LG Augsburg v. 23.2.2010 – 4 S 3445/09, WuM 2011, 366. BGH v. 16.12.1960 – II ZR 137/59, WPM 1961, 204 (unter III); BGH v. 11.7.1985 – IX ZR 11/85, MDR 1986, 50 = WM 1985, 1035 = NJW 1985, 2941 (unter II 1 c bb). 11 OLG Düsseldorf v. 30.7.2002 – 24 U 163/01, ZMR 2003, 735 = OLGR 2003, 204. 12 OLG Bamberg v. 7.8.2001 – 3 U 260/01, OLGR 2003, 176.

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de. Die Aufnahme eines weiteren Mieters kann sich bereits als Schuldbeitritt darstellen, wenn Einigkeit bei allen Beteiligten besteht, dass der Beitretende keinen Besitz an den Mieträumen erhalten soll und seine Aufnahme in den Vertrag reinen Sicherungscharakter hat1. 196 Der Schuldbeitritt ist grundsätzlich formlos wirksam. Bei Verträgen, die der Schriftform des § 550 BGB unterliegen, kann ein formloser Beitritt aber zur Kündbarkeit führen. Im Übrigen kann die Auslegung der Sicherungsabrede ergeben2, dass eine Bürgschaft vorliegt, die in jedem Fall der Schriftform unterliegt, § 766 BGB. 197 Die Inanspruchnahme des Beigetretenen soll wegen des Sicherungszwecks nur nach dem Subsidiaritätsprinzip möglich sein3. Demnach kann der Vermieter den Mieter und den Sicherungsgeber erst als Gesamtschuldner verklagen, wenn eine Erfüllung durch den Mieter trotz Aufforderung unterbleibt. Im Übrigen ist § 425 BGB zu beachten, so dass der Sicherungsgeber nicht automatisch in Verzug gerät, wenn der Mieter trotz Mahnung nicht leistet. b) Anwendbarkeit des § 551 BGB 198 Ob § 551 Abs. 1, 4 BGB auf den Schuldbeitritt anwendbar ist, ist umstritten. Während dies von einigen ohne weiteres bejaht wird4, wird teilweise danach differenziert, in wessen Interesse die Mitschuld begründet wird5: Erfolgt der Schuldbeitritt ausschließlich im Interesse des Mieters (z.B. damit der Mietvertrag mit ihm wegen der finanziellen Schwäche überhaupt geschlossen wird), soll ein Schuldbeitritt nicht unter § 551 BGB fallen6. Dabei wird jedoch übersehen, dass diese Abgrenzung maßgeblich ist, um zwischen Bürgschaft und Schuldbeitritt zu differenzieren. Ist die Entscheidung (durch Auslegung) gefallen, ist der Vertragsbeitritt ebenso eine Sicherheit wie die Barkaution. Letzteres ist z.B. anzunehmen, wenn der Dritte als Mieter den Mietvertrag unterschreibt, von vorneherein jedoch klar war, dass er die Wohnung nicht nutzen, sondern dem Vermieter lediglich als zusätzlicher Schuldner dienen soll7. c) Erklärungen der ARGE 199 Die von einer ARGE an einen Vermieter gerichtete Erklärung im Rahmen des § 22 SGB II, die Kosten der Unterkunft und der Heizung für einen grundsicherungsberechtigten Mieter zu übernehmen, kann nicht nur eine öffentlich-rechtliche, sondern auch eine privatrechtliche Willenserklärung darstellen8. Diese Erklärung kann auf der einen Seite eine Willenserklärung im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages oder eine Zusage, d.h. eine hoheitliche Selbstverpflichtung mit Bindungswillen, darstellen. In Betracht kommt auf der anderen Seite auch eine privatrechtliche Willenserklärung, die auf Abschluss eines Vertrages gerichtet ist, der privatrechtlich als Bürgschaft oder Garantieversprechen anzusehen ist, oder auch eine befreiende Schuldübernahme oder ein Schuldbeitritt. Allerdings wird regelmäßig keine mit Rechtsbindungswillen abgegebene Willenserklärung, sondern lediglich eine bloße Tatsachenmitteilung der ARGE über ihre gegenüber dem Arbeitsuchenden zu erbringenden Leistungen vorliegen9.

1 LG Lübeck v. 25.3.2010 – 14 S 146/09, ZMR 2010, 857. 2 Moeser in Lindner-Figura u.a., Kap. 12 Rz. 146. 3 BGH v. 30.1.1967 – III ZR 248/64, DB 1967, 723 = BB 1967, 476; Moeser in Lindner-Figura u.a., Kap. 12 Rz. 147. 4 LG Lübeck v. 25.3.2010 – 14 S 146/09, ZMR 2010, 857; LG Leipzig v. 26.1.2005 – 1 S 5846/04, NZM 2006, 175; Palandt/Weidenkaff, § 551 BGB Rz. 3; Schmid/Harz/Riecke, § 551 BGB Rz. 22. 5 Vgl. Schmidt-Futterer/Blank, § 551 BGB Rz. 36. 6 AG Bergheim v. 31.8.2012 – 22 C 79/12, n.v. 7 LG Lübeck v. 25.3.2010 – 14 S 146/09, ZMR 2010, 857; LG Leipzig v. 26.1.2005 – 1 S 5846/04, NZM 2006, 175. 8 Vgl. BVerwG v. 19.5.1994 – 5 C 33.91, BVerwGE 96, 71, 75. 9 BVerwG v. 19.5.1994 – 5 C 33.91, MDR 1995, 1213 = BVerwGE 96, 71, 75; OVG NW v. 17.10.2000 – 22 A 5519/98, WuM 2001, 119 = ZMR 2001, 401; LG Saarbrücken v. 18.9.1987 – 11 S 131/86, NJWRR 1987, 1372.

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Der Anspruch des Arbeitsuchenden auf Grundsicherung und die (behauptete) Selbst- 200 verpflichtung der ARGE gegenüber dem Vermieter stehen in einem untrennbaren rechtlichen Zusammenhang. Dieser Zusammenhang rechtfertigt in aller Regel die Annahme, dass die ARGE mit ihrer Erklärung die Handlungsebene des öffentlichen Rechts nicht verlassen will1. Eine privatrechtliche Natur der Erklärung kommt demgegenüber nur in Betracht, wenn besondere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die ARGE privatrechtlich handeln wollte2, beispielsweise wenn die Erklärung selbst durch Nennung einer zivilrechtlichen Vertrags- oder Anspruchsnorm eine privatrechtliche Einordnung vornimmt oder wenn die ARGE (etwa durch Anmieten einer Wohnung) selbst bereits privatrechtliche Bindungen gegenüber dem Vermieter eingegangen ist3. Vor diesem Hintergrund ergibt z.B. die Erklärung der ARGE „Der Mietvertrag wurde 201 genehmigt. Ab 1.8.2007 wird die Miete überwiesen.“ unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Anspruchsgrundlage für ein Zahlungsverlangen des Vermieters. Denn daraus lässt sich eine Kostenzusage, die eine eigene Anspruchsgrundlage für das Zahlungsverlangen des Vermieters sein könnte, weder nach öffentlichem Recht noch nach bürgerlichem Recht herleiten. – Eine Kostenzusage gemäß § 34 SGB X liegt nicht vor. Diese Vorschrift betrifft behördliche Zusagen, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen, die als „Zusicherung“ bezeichnet werden. – Auch eine – nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtete – Zahlungszusage als behördliche Willenserklärung des öffentlichen Rechts kann in der Erklärung der ARGE nicht gesehen werden. Derartige Zusagen zu einem späteren Tun oder Unterlassen erlangen Rechtsverbindlichkeit, wenn sie Ausdruck einer hoheitlichen Selbstverpflichtung mit Bindungswillen sind4. Insoweit genügt weder das wirtschaftliche Interesse des Vermieters an einem potenten und zuverlässigen Zahler in Gestalt der ARGE als Trägerin der Grundsicherung noch das von dieser verfolgte öffentliche Interesse daran, einem Hilfesuchenden Unterkunft und Heizung zu sichern, für die Annahme, die ARGE wolle mit einer solchen Erklärung, eine eigene materiell-rechtliche Leistungspflicht gegenüber dem Vermieter begründen. Vielmehr rechtfertigt diese Interessenlage allenfalls eine Auslegung der Übernahmeerklärung bzw. Kostenzusage dahin, dass die ARGE den Vermieter über das gegenwärtige Bestehen eines die Unterkunftskosten einschließenden Hilfeanspruchs des Mieters, hier nach § 22 Abs. 2 SGB II, unterrichtet und unter der Voraussetzung fortbestehender Hilfsbedürftigkeit zugleich eine bestimmte verwaltungstechnische Abwicklung des Zahlungsverkehrs, nämlich die Überweisung der mietvertraglich zu zahlenden Beträge direkt an den Vermieter, bekannt gibt. Die Erklärung der ARGE, sie übernehme die Miete, stellt insoweit regelmäßig keine Willenserklärung, sondern eine bloße Tatsachenmitteilung dar. 4. Sicherungsabtretung Neben ausdrücklichen Regelungen über dieses Sicherungsmittel kann eine Verein- 202 barung über eine Sicherungsabtretung schon durch die Übergabe eines Sparbuchs an den Vermieter entstehen5. Auch für diese Form der Sicherheit gilt die Begrenzung des § 551 Abs. 1 BGB. Wird die unwirksam vereinbarte Mietsicherheit dennoch geleistet – hier also durch eine Abtretung –, ist auch die Abtretung insoweit unwirksam6. Der Zedent kann sich auch auf die (Teil-)Unwirksamkeit berufen. Gegenüber der Verpfändung eines Sparbuchs hat dieses Sicherungsmittel für den Vermieter den Vorteil, dass er auch ohne Einwilligung des Mieters über die Sparforderung verfügen kann, wenn sich das Sparbuch in seinem Besitz befindet (§ 808 1 2 3 4 5 6

OLG Düsseldorf v. 27.7.2010 – 24 U 230/09, ZMR 2011, 713. OLG Düsseldorf v. 27.7.2010 – 24 U 230/09, ZMR 2011, 713. BVerwG v. 19.5.1994 – 5 C 33.91, BVerwGE 96, 71, 75. OVG NW v. 17.10.2000 – 22 A 5519/98, WuM 2001, 119. LG Dortmund v. 5.12.2006 – 1 S 23/06, WuM 2007, 73. OLG Celle v. 17.9.2010 – 7 U 62/10, MDR 2011, 152 = MietRB 2011, 5.

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BGB) und der Mieter zuvor nicht durch sein Kreditinstitut einen Sperrvermerk hat anbringen lassen. 204 Auch hier wird der Vermieter erst durch die Einziehung des Kautionsbetrages infolge der Sicherungsabtretung des Sparguthabens oder der sonstigen Werte befriedigt1, was jedenfalls bei sonstigen Werten regelmäßig noch eine besondere Verwertung erfordert. Deshalb gelten auch hier die gleichen Grundsätze zur Verrechnung und Verjährung wie bei der Bürgschaft (vgl. § 551 BGB Rz. 179) C. Gewerberaummiete 205 In der Gewerberaummiete spielt die Mietsicherheit nicht nur bei den Vertragsverhandlungen eine wichtige Rolle. Im Hinblick darauf, dass Insolvenzen oftmals viel größere Auswirkungen haben, ist ihre Bedeutung als Absonderungsrecht (§§ 49 f. InsO) um ein Vielfaches höher. I. Arten von Sicherheiten 206 In der Gewerberaummiete sind zunächst die klassischen Sicherungsmittel, die in Abschnitt B bei Rz. 71 ff., Rz. 168 ff. und Rz. 185 ff. dargestellt wurden, gebräuchlich. Die dazu bestehenden Besonderheiten werden in diesem Abschnitt erläutert. Daneben kommen nicht selten neue Arten der Absicherung vor. 1. Patronatserklärung 207 Mit einer Patronatserklärung, für die eine besondere Form nicht vorgeschrieben ist, bringt der Erklärende (Patron) zum Ausdruck, dass er sich in einem gewissen Umfang für die Vertragserfüllung des Mieters stark machen wird. Regelmäßig finden sich derartige Erklärungen in der Praxis bei konzernangehörigen Unternehmen als Mieter, wenn die Muttergesellschaft eine solche Erklärung für die Tochter abgibt. In welcher Form und mit welcher Verbindlichkeit das Einstehen für die Vertragserfüllung erfolgt, hängt von der inhaltlichen Gestaltung der Erklärung ab. 208 Bei der sog. weichen Patronatserklärung2 bringt der Patron im Ergebnis nur sein Bemühen um die Vertragserfüllung durch den Mieter zum Ausdruck („… dafür Sorge zu tragen, dass die Gesellschaft ihre Mietverpflichtungen erfüllt“3). Sie ist daher regelmäßig allein als „good-will“-Erklärung auszulegen, die weder einklagbar ist noch Schadensersatzansprüche begründen kann4. Wegen ihrer Unverbindlichkeit muss sie nicht bilanziert werden. 209 Das ist anders bei einer sog. harten Patronatserklärung. Darin verpflichtet sich der Patron regelmäßig, den Mieter finanziell so auszustatten, dass dieser in der Lage ist, seine Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter zu erfüllen5. Sie ist daher verschuldensunabhängig und hat garantieähnlichen Charakter6. Eine solche Erklärung, die der Patron in seiner Bilanz aktivieren muss, kann nicht einer Bestätigung entnommen werden, die Gesellschafter eines beherrschenden Unternehmens gegenüber der Tochtergesellschaft abgeben7. Sie muss gerade gegenüber dem Vermieter erklärt werden. 210 Ebenso wie die Bürgschaft8 ist auch die Patronatserklärung nach Ablauf eines gewissen Zeitraumes oder nach Eintritt besonders wichtiger Umstände jedenfalls dann 1 Schmid/Riecke/Schmidt, Miete und Mietprozess, Kap. 6 Rz. 97. 2 Vgl. die Formulierungsbeispiele von Moeser in Lindner-Figura u.a., Kap. 12 Rz. 130. 3 OLG Brandenburg v. 19.7.2007 – 3 U 129/06, zitiert nach juris; vgl. auch OLG Düsseldorf v. 14.11.2002 – 12 U 47/02, GmbHR 2003, 178 („Wir stehen als Teilhaber hinter der A-GmbH“). 4 Vgl. Bieber/Ingendoh/Schröer, § 8 Rz. 77. 5 OLG Rostock v. 16.12.2004 – 1 U 28/04, MDR 2005, 1277; vgl. auch LG Düsseldorf v. 11.1.2005 – 16 O 201/04, RIW 2005, 629. 6 Moeser in Lindner-Figura u.a., Kap. 12 Rz. 131. 7 OLG München v. 17.3.2009 – 5 U 2321/08, zitiert nach juris. 8 BGH v. 21.1.1993 – III ZR 15/92, NJW-RR 1993, 944 = WPM 1993, 897; BGH v. 4.7.1985 – IX ZR 135/84, WPM 1985, 969.

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kündbar, wenn der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit eingegangen wurde und damit selbst ordentlich kündbar ist. Die Kündigung hat die Wirkung, dass der Patron für alle bis dahin begründeten Verbindlichkeiten haftet1. Erfüllt der Mieter seine Verpflichtungen, die durch die Patronatserklärung abge- 211 sichert sind, nicht, kann der Vermieter den Patron sofort auf Zahlung in Anspruch nehmen2. Dies gilt unabhängig davon, ob die Hauptleistung des Patrons in der Ausstattungspflicht oder in der Erfüllung der gesicherten Zahlungspflichten des Schuldners besteht und die Zahlungspflicht aus § 280 BGB a.F. hergeleitet wird3. 2. Mietgarantie Neben dem herkömmlichen Garantieversprechen („stehe ich für die Verpflichtungen 212 … ein“), werden in der Praxis gerade im Zusammenhang mit Projektentwicklungen Mietgarantien übernommen, die für eine bestimmte Zeit dem Anleger/Vermieter eine bestimmte Miete garantieren sollen, damit er seinen Kreditverbindlichkeiten nachkommen kann. Die Kosten für die Mietgarantie gehen in den Kaufpreis der Immobilie/Eigentumswohnung ein und werden beim Erwerb des Eigentums als Vollfinanzierung – zusammen mit allen anderen Nebenkosten – von der Bank in der Regel mitfinanziert. Die Mietgarantie selbst ist dabei das wesentliche Verkaufsargument für den Immobilienerwerb gegenüber dem Erwerber, da diesem mit der garantierten Miete eine erhebliche Sicherheit angeboten wird. Durch die Mietgarantie braucht der Käufer das wirtschaftliche Risiko von Mietsenkungen und Leerstand in den ersten Jahren nicht zu tragen. Mietgarantien müssen nicht dem real erzielbaren Mietzins entsprechen. Teilweise 213 werden Immobilien mit Mietgarantien über dem marktüblichen Mietniveau angeboten. Ob darin bereits eine Täuschung des Käufers über die mittelfristig erzielbaren Mieten liegt, muss im Einzelfall entschieden werden. Bei einer Mietgarantie wird seitens des Garantiegebers dem Anleger/Vermieter eine 214 anfängliche Mindestmiete zugesichert. Die einzelnen Mietverträge mit den Endmietern werden dann aber zwischen Anleger/Vermieter und Endmieter direkt abgeschlossen. Der Garantiegeber muss lediglich die Differenz zwischen garantierter und tatsächlich vereinbarter Miete bezahlen, sofern die Miete im Einzelfall unterhalb der garantierten Höhe liegt. Der Sicherungszweck beschränkt sich also auf das Einstehenmüssen für eine bestimmte erzielbare Miethöhe. Ist die Miete wegen anderer Faktoren (z.B. § 536 BGB) reduziert, tritt der Sicherungszweck nicht ein. Insoweit kommen in der Praxis eine Vielzahl unterschiedlicher Vertragsgestaltungen 215 vor. So wird teilweise vereinbart, dass eventuell höhere Mieteinnahmen als die Garantiemiete dem Anleger zustehen. Daneben sind aber auch Regelungen gebräuchlich, nach denen aus solchen positiven Mietdifferenzen Zuschüsse des Garantiegebers beglichen werden, die dieser in früheren Zeiten getätigt hat. Alternativ kann auch eine Verteilung der Mehreinnahmen zwischen Anleger/Vermieter und Garantiegeber vereinbart werden. II. Kautionsvereinbarung 1. Kautionshöhe In der Gewerberaummiete bestehen keine speziellen gesetzlichen Schranken. Bei in- 216 dividuell ausgehandelten Vereinbarungen verbleibt es prinzipiell bei dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Eine Unwirksamkeit wegen Wucher (§ 138 BGB) oder wucherähnlichem Geschäft scheidet von vorneherein aus. Allenfalls kann die Kautionsabrede unwirksam sein, wenn sie schikanös außerhalb eines nachvollziehbaren Siche-

1 KG v. 20.2.2012 – 8 U 20/11, ZMR 2012, 618. 2 KG v. 20.2.2012 – 8 U 20/11, ZMR 2012, 618. 3 Vgl. dazu BGH v. 8.5.2003 – IX ZR 334/01, WPM 2003, 1178 Rz. 20 m.w.N.

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rungsinteresses des Vermieters festgesetzt ist. Das ist aber bei einer Kaution in Höhe des Siebenfachen der Monatsmiete noch nicht der Fall1. 217 Bei Formularklauseln gelten die §§ 305 ff. BGB. Insoweit soll die Klausel, die ohne drucktechnische Hervorhebung eine Kaution regelt, die drei Monatsmieten übersteigt, unwirksam sein2. Dies ist zweifelhaft. Es ist bereits kaum vorstellbar, dass die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages nicht auch über die Kautionshöhe sprechen. Unabhängig davon ist auch die Inhaltskontrolle am Interesse der Parteien zu orientieren3. Das Sicherungsinteresse des Vermieters wird durch die Grenze des § 551 Abs. 1 BGB nicht ausreichend berücksichtigt. Denn bei Zahlungseinstellung des Mieters erleidet der Vermieter mindestens sechs Monate Mietausfall, bevor er im günstigsten Fall einen Räumungstitel vollstrecken kann. Deshalb kann die Grenze der Unangemessenheit überhaupt erst bei einer Kaution, die sechs Monatsmieten übersteigt, anfangen. Diese Grenze ist auch bei der Bewertung des Überraschungseffektes zu beachten. Dieser kann durch drucktechnische Hervorhebung vermieden werden. 2. Wirksame Bürgschaft eines Kaufmanns oder gesetzlichen Vertreters 218 Grundsätzlich gelten für die Bürgschaft als Sicherheit im Rahmen eines Mietvertrages bei der Gewerberaummiete keine anderen Anforderungen als bei der Wohnraummiete. Deshalb muss auch hier zunächst die Schriftform des § 766 BGB beachtet werden. Der Zweck dieser Schutzvorschrift, dem Bürgen Inhalt und Umfang seiner Haftung deutlich vor Augen zu führen, erfordert es, dass auch die Vollmacht zur Erteilung einer Bürgschaft schriftlich erklärt wird4. Die Formvorschrift des § 766 BGB findet auf eine Bürgschaft dann keine Anwendung, wenn diese auf der Seite des Bürgen ein Handelsgeschäft ist, § 350 HGB5. Bei dem Betreiber einer Dönerbude mit einem monatlichen Umsatz von 10 000 Euro handelt es sich in der Regel nicht um einen Kaufmann6. 219 Soll die Mithaftung des Geschäftsführers oder sonstigen gesetzlichen Vertreters im Mietvertrag durch Bürgschaft begründet werden, muss dies deutlich hervorgehoben werden. Denn ist in der über den Hauptvertrag aufgenommenen Urkunde die Bestimmung über die Eigenhaftung des Vertreters räumlich in den Text des Hauptvertrages integriert, fehlt es grundsätzlich an der gesetzlich geforderten gesonderten Erklärung7. Für andere Haftungsinstitute (z.B. Schuldbeitritt) werden jedenfalls im Rahmen des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB keine anderen Anforderungen gelten. Die fehlende räumliche Trennung ist nicht deshalb unschädlich, weil innerhalb der die Eigenhaftung des Vertreters betreffenden Formularbestimmung dessen Name handschriftlich eingesetzt ist und er eine auf die Mithaftung bezogene gesonderte Widerrufsbelehrung unterzeichnet hat8. 3. Fälligkeit der Sicherheitsleistung 220 Die Fälligkeit der Kaution können die Parteien frei vereinbaren. Deshalb ist auch die formularmäßige Pflicht zur Übergabe der Kaution vor Beginn des Mietvertrages nicht zu beanstanden9. 221 Soll die Wirksamkeit des Vertrages von der Kautionsleistung abhängen, ist zunächst auszulegen, ob die Beibringung der Kaution eine auflösende oder aufschiebende Be-

1 OLG Brandenburg v. 4.9.2006 – 3 U 78/06, ZMR 2006, 853. 2 Bieber/Ingendoh/Schröer, § 8 Rz. 23; Schmidt-Futterer/Blank, § 551 BGB Rz. 9; a.A. Moeser in Lindner-Figura u.a., Kap. 12 Rz. 61 (Unwirksamkeit höherer Beträge auch ohne drucktechnische Hervorhebung). 3 BGH v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, MDR 2010, 1308 = GE 2010, 1333 = NZM 2010, 705. 4 BGH v. 29.2.1996 – IX ZR 153/95, MDR 1996, 810 = NJW 1996, 1467. 5 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 83/96, MDR 1997, 757 = NJW 1997, 1779. 6 KG v. 21.10.2002 – 8 U 255/01, GE 2003, 118. 7 BGH v. 19.7.2001 – IX ZR 411/00, NJW 2001, 3186. 8 BGH v. 19.7.2001 – IX ZR 411/00, NJW 2001, 3186. 9 KG v. 21.1.2008 – 12 W 90/07, GE 2008, 670 = ZMR 2008, 617 m.w.N.

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dingung darstellt1. Eine aufschiebende Bedingung soll auch formularmäßig wirksam sein. Wird der Mietvertrag dennoch, also ohne Kautionszahlung in Gang gesetzt und mehrere Monate abgewickelt, liegt darin ein konkludenter Verzicht auf die Bedingung (nicht auf die Kaution)2. Auch eine auflösende Bedingung in Gewerbemietverträgen ist nicht grundsätzlich 222 wegen ihrer Wirkungen als unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners anzusehen, da die Vertragsbeendigung sich gleichermaßen zum Nachteil beider Vertragsparteien auswirken kann und mit einer solchen Regelung keine Risiken verbunden sind, die unternehmerisch handelnde Parteien nicht überschauen können. Auf die generelle Zulässigkeit einer auflösenden Bedingung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kommt es jedoch nicht an, wenn die konkrete Klausel über die Vereinbarung einer bloßen Bedingung hinausgeht und z.B. gleichzeitig anordnet, dass der Mieter trotz Eintritts der auflösenden Bedingung für ausgefallene Miete einzustehen hat3. Denn eine solche Anordnung ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), da kraft Gesetzes ein solcher Schadensersatzanspruch nur als Kündigungsschaden in Betracht kommt, während eine auflösende Bedingung zur ersatzlosen Beendigung des Vertrages führt. 4. Pflicht zur getrennten Anlage und Verzinsung Aus der Sicherungsabrede ist die Vermieterpflicht zur getrennten Anlage der Kauti- 223 on auf einem treuhänderischen Konto zu entnehmen4, die allerdings keine Vermögensbetreuungspflicht i.S.v. § 266 StGB begründet5. Solange keine andere Vereinbarung getroffen ist, ist diese Kaution regelmäßig vom 224 Empfang an zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz zu verzinsen6. Dies gilt auch für Verträge, die vor 1981 abgeschlossen wurden7. 5. Verwertung der Kaution im laufenden Mietvertrag Die Formularklausel, die dem Vermieter unabhängig von weiteren Bedingungen das 225 Recht einräumt, auch während der Mietzeit Ansprüche aus dem Mietvertrag durch Rückgriff auf die Kaution zu befriedigen, soll jedenfalls in einem Mietvertrag über Gewerberaum wirksam sein8. Eine solche Regelung soll aber dahingehend auszulegen sein, dass sich der Vermieter 226 während des laufenden Mietverhältnisses zur Befriedigung mietvertraglicher Forderungen nur dann aus der Kaution bedienen darf, wenn diese Forderungen entweder rechtskräftig festgestellt oder unstreitig oder jedenfalls so offensichtlich begründet sind, dass ein Bestreiten mutwillig erscheint9. Weitere Voraussetzung soll der Verzug des Mieters sein10. Ohne eine solche Abrede kann sich der Vermieter auch in der Gewerberaummiete 227 aus der Kaution im laufenden Mietvertrag befriedigen, wenn er Ansprüche aus dem Mietvertrag reklamiert (vgl. § 551 BGB Rz. 104 ff.).

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Moeser in Lindner-Figura u.a., Kap. 12 Rz. 42. BGH v. 29.6.1983 – VIII ZR 135/81, WPM 1983, 991 (992); Wolf/Eckert/Ball, Rz. 763. KG v. 26.1.2006 – 8 U 128/05, NZM 2007, 41. KG v. 4.12.2003 – 8 U 121/03, DWW 2004, 85; OLG Frankfurt v. 1.10.1998 – 20 W 6592/98, NZM 1999, 376. BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, ZMR 2008, 698. BGH v. 21.9.1994 – XII ZR 77/93, MDR 1994, 1211 = NJW 1994, 3287. OLG Koblenz v. 28.1.1993 – 5 U 80/92, ZMR 1993, 565 = WuM 1993, 667 = DWW 1993, 332 = NJW-RR 1993, 1486. OLG Karlsruhe v. 2.7.2004 – 1 U 12/04, MDR 2005, 85 = NZM 2004, 742. OLG Düsseldorf v. 24.9.2009 – 5 U 5/09, GuT 2011, 169. Kluth/Grün, NZM 2002, 1015 (1016).

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Abwendung des Wegnahmerechts des Mieters

6. Nachschusspflicht 228 Neben den Fällen, in denen sich die Sicherheit durch Inanspruchnahme oder Wertverlust reduziert, ist gerade bei langfristigen Verträgen der Wert der Sicherheit durch Inflation oder sonstige Geldentwertung gefährdet. Im Hinblick darauf kann die Auslegung des Vertrages (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 151 ff.) ergeben, dass in solchen Fällen eine Nachschusspflicht bestehen soll1.

§ 552 Abwendung des Wegnahmerechts des Mieters (1) Der Vermieter kann die Ausübung des Wegnahmerechts (§ 539 Abs. 2) durch Zahlung einer angemessenen Entschädigung abwenden, wenn nicht der Mieter ein berechtigtes Interesse an der Wegnahme hat. (2) Eine Vereinbarung, durch die das Wegnahmerecht ausgeschlossen wird, ist nur wirksam, wenn ein angemessener Ausgleich vorgesehen ist. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV. V. 1.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich . . . Anwendbare Rechtsprechung . . . . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Zahlung der Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klage auf Duldung der Wegnahme .

B. I. 1. 2. 3. 4.

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7 8

Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . Abwendungsbefugnis . . . . . . . . . . . . Befugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehung der Befugnis. . . . . . . . . . Erlöschen der Befugnis . . . . . . . . . . . Ausübung der Abwendungsbefugnis a) Ausübungsbefugter . . . . . . . . . . . b) Form und Inhalt der Ausübung . .

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12 12 12 14 16 19 19 22

5. Anspruch auf Entschädigung . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . b) Angemessenheit der Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnis zu § 539 BGB? . . . . . . d) Verjährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vorrangiges Interesse des Mieters, § 552 Abs. 1 Hs. 2 BGB . . . . . . . . . . . a) Berechtigtes Interesse . . . . . . . . b) Geltendmachung durch den Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abweichende Vereinbarungen . . . . 1. Regelungen im Mietvertrag . . . . . . 2. Nachträgliche Vereinbarungen . . . . C. I. II. 1. 2.

Gewerberaummiete . . . . . . . . Geltung des § 552 Abs. 1 BGB . Abweichende Vereinbarungen Grundsätzliches. . . . . . . . . . . . Besondere Gestaltungen. . . . .

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45 45 46 46 49

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Die Vorschrift ergänzt § 539 Abs. 2 BGB, indem sie dem Vermieter eine Abwendungsbefugnis gegenüber dem Wegnahmerecht des Mieters an Einrichtungen der Mietsache einräumt. Diese Abwendungsbefugnis steht allerdings unter dem Vorbehalt eines berechtigten Interesses des Mieters, wodurch ein Vorrang der Interessen des Mieters angezeigt wird. Zusätzlich wird für die Wohnraummiete das Wegnahmerecht der Vertragsfreiheit durch § 552 Abs. 2 BGB entzogen, soweit nicht ein angemessener Ausgleich vorgesehen ist.

1 OLG Düsseldorf v. 5.5.1994 – 10 U 186/93, OLGR Düsseldorf 1994, 294 = BB 1994, 1814.

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II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich § 552 BGB ist schon wegen seiner systematischen Stellung auf Wohnraummietver- 2 träge, auch auf solche nach § 549 Abs. 2 und 3 BGB, unmittelbar anwendbar. Gegenstand der Vermietung müssen also Räume zum privaten Aufenthalt von Menschen sein. Weiterhin gilt die unter dem Vorbehalt berechtigter Interessen des Mieters stehende 3 Abwendungsbefugnis des § 552 Abs. 1, über § 578 Abs. 2 und § 581 Abs. 2 BGB für die davon erfassten Verträge. Für die Landpacht geht § 591a BGB vor. Bei Mietverträgen über Grundstücke (§ 578 Abs. 1 BGB) besteht kein Abwendungsrecht des Vermieters, wenn es nicht vertraglich geregelt ist. 2. Anwendbare Rechtsprechung § 552 BGB hat mit der Mietrechtsreform 2001 ohne inhaltliche Änderung § 547a BGB 4 a.F. ersetzt. Deshalb ist die vor dem 1.9.2001 ergangene Rechtsprechung ohne Weiteres anwendbar. III. Zweck der Vorschrift Die Norm dient dem Interessenausgleich1. Der Vermieter soll die Beschädigung (und 5 ggf. Zerstörung) der Mietsache verhindern können, indem er einen finanziellen Ausgleich für den Mieter schafft. Diese am Bestandsinteresse des Vermieters orientierte Wertentscheidung tritt aber (ausnahmsweise) wieder zurück, wenn der Mieter ein höherwertiges, berechtigtes Interesse reklamieren kann. IV. Beweislast Der Mieter hat zu beweisen, dass er die Einrichtung eingebracht hat, dass er ein be- 6 rechtigtes Interesse i.S.d. § 552 Abs. 1 Hs. 2 BGB hat, dass der Vermieter deren Wegnahme untersagt bzw. deren Verbleib gefordert hat2, ggf. dass der Vermieter die Wegnahme verhindert hat. Demgegenüber hat der Vermieter, falls er den Verbleib in den Mieträumen gefordert hat, zu beweisen, dass der Mieter auf eine Entschädigung verzichtet hat3. V. Prozessuales 1. Klage auf Zahlung der Entschädigung Nach der hier vertretenen Ansicht (vgl. § 552 BGB Rz. 24) kann der Anspruch auf Ent- 7 schädigung eingeklagt werden4. Für die Leistungsklage gelten keine Besonderheiten. Der Mieter muss entsprechend den §§ 315, 316 BGB seinen Anspruch beziffern. Dies gilt auch für die Geltendmachung der Entschädigung aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes (vgl. dazu § 552 BGB Rz. 28). 2. Klage auf Duldung der Wegnahme Eine Klage auf Duldung der Wegnahme des Mieters kommt in Betracht, wenn der Mieter ein höherwertiges Interesse gegenüber dem Angebot des Vermieters auf Zahlung der angemessenen Entschädigung reklamiert (vgl. § 552 BGB Rz. 24).

8

Hat der Vermieter auch nicht schlüssig ein Angebot abgegeben, ist die Klage mög- 9 lich, wenn der Vermieter ohne Angabe von Gründen die Wegnahme verbietet oder sonst wie verhindert. Stützt der Mieter seine Klage auf ein (vorrangiges) berechtigtes Interesse nach § 552 Abs. 1 HS. 2 BGB, muss er schon wegen der drohenden Verjäh1 2 3 4

Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 552 BGB Rz. 2. BGH v. 14.7.1969 – VIII ZR 5/68, LM Nr. 2 = ZMR 1969, 340. BGH v. 14.7.1969 – VIII ZR 5/68, LM Nr. 2 = ZMR 1969, 340. Ausdrücklich verneinend: Blank/Börstinghaus, § 552 BGB Rz. 13 (Ausnahme soll aber bestehen, wenn der Anspruch im Vertrag geregelt ist).

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rung nach § 558 BGB hilfsweise den Schadensersatzanspruch auf Leistung der angemessenen Entschädigung (vgl. dazu § 552 BGB Rz. 28) geltend machen. Bietet der Vermieter erstmals eine angemessene Entschädigung an, ohne dass der Mieter vorrangige Interessen reklamieren kann, muss er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären. 10 Ist zwischen den Parteien die Höhe der angemessenen Entschädigung streitig, kommt ein Leistungsbestimmungsrecht des Mieters (§§ 315, 316 BGB) zur Anwendung. Deshalb ist die Duldungsklage nach der hier vertretenen Auffassung die falsche Klageart. Denn selbst wenn das Angebot des Vermieters zu niedrig war, kommt dies einer Verweigerung der Wegnahme gleich mit der Folge, dass sich der Vermieter schadensersatzpflichtig macht und die angemessene Entschädigung schuldet. Keinesfalls bleibt dadurch aber das Wegnahmerecht erhalten (vgl. § 552 BGB Rz. 24)1. 11 Vor diesem Hintergrund stellt sich nicht die Frage, ob im Rahmen des Duldungsprozesses eine Widerklage auf Feststellung, dass der Vermieter gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung berechtigt ist, die Wegnahme abzuwenden, zulässig ist2. B. Wohnraummiete I. Abwendungsbefugnis 1. Befugnis 12 Die Befugnis des Vermieters bezieht sich auf die Einrichtungen, die der Mieter gemäß § 539 Abs. 2 BGB wegnehmen darf (vgl. dazu § 539 BGB Rz. 84), und besteht unabhängig davon, ob der Mieter im Begriff ist, von dem Wegnahmerecht Gebrauch zu machen, oder der Vermieter einer ggf. vorausgegangenen baulichen Veränderung zugestimmt hat. Die Verhinderung der Wegnahme durch angemessene Entschädigung gilt allerdings nur bei Räumen. Die Wegnahme von Pflanzen, die der Mieter in einem Grundstück eingepflanzt hat, kann der Vermieter nicht verhindern3, wie sich schon aus § 578 Abs. 1 BGB ergibt. 13 Nach § 552 Abs. 1 BGB erfolgt die Abwendung durch Zahlung einer angemessenen Entschädigung. Daraus lässt sich eine Pflicht zur Übernahme von Einrichtungen nicht herleiten, selbst wenn sie mit Einverständnis des Vermieters eingebracht wurden. Ebenso wenig begründet das bloße Zurücklassen der Einrichtung durch den Mieter eine Entschädigungspflicht des Vermieters4. Gleiches gilt, wenn der Vermieter es dem Mieter freistellt, ob er die Einrichtung wegnehmen oder zurücklassen will. 2. Entstehung der Befugnis 14 Die Abwendungsbefugnis entsteht durch die Verbindung der Einrichtung mit der Mietsache. Auch wenn der sachliche und praktische Zusammenhang der Vorschrift eher dafür spricht, dass die Abwendungsbefugnis mit der Beendigung des Mietvertrages relevant wird, kann der Vermieter dem Mieter eine Einrichtung bereits während der Mietzeit gemäß § 552 BGB „abkaufen“. Der Vermieter ist also jederzeit befugt, von § 552 Abs. 1 BGB Gebrauch zu machen. 15 Die Entstehung der Abwendungsbefugnis wird verhindert, wenn der Vermieter z.B. bei der Zustimmung zur baulichen Veränderung die Auflage formuliert, dass die Einrichtung spätestens bei Beendigung des Mietvertrages entfernt werden muss. Damit hat der Vermieter bereits vor der Entstehung der Abwendungsbefugnis (= Verbindung der Einrichtung mit der Mietsache) darauf verzichtet, so dass die Abwendungsbefugnis schon nicht entstehen konnte. Selbst wenn dadurch kein Verzichtsvertrag (schlüssig) zustande kommen würde, würde die spätere Geltendmachung der Abwendungsbefugnis ein venire contra factum proprium darstellen. Denn für den Mie1 A.A. Blank/Börstinghaus, § 552 BGB Rz. 13. 2 Vgl. dazu einerseits Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 552 BGB Rz. 8; andererseits Blank/ Börstinghaus, § 552 BGB Rz. 13. 3 OLG Köln v. 8.7.1994 – 11 U 242/93, ZMR 1994, 509 = OLGR Köln 1994, 224. 4 BGH v. 14.7.1969 – VIII ZR 5/68, LM Nr. 2 = ZMR 1969, 340.

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ter kann eine derartige Erklärung durchaus ausschlaggebend sein, von der Zustimmung tatsächlich auch Gebrauch zu machen. Das Gleiche gilt, wenn der Vermieter nach der Schaffung der Einrichtung eine Erklärung (auch schlüssig) abgibt, aus der ersichtlich wird, dass er auf die Entfernung spätestens bei Beendigung besteht. Das gilt erst recht, wenn der Vermieter z.B. bei ungenehmigter Veränderung der Mietsache schon während der Mietzeit auf Entfernung besteht. 3. Erlöschen der Befugnis Die Abwendungsbefugnis erlischt, weil die Nebensache die Qualität einer Einrich- 16 tung verliert, spätestens mit der Trennung der Einrichtung von der Mietsache, nicht erst mit deren Entfernung aus den Mieträumen1. In diesem Fall besteht kein Recht auf Wiederherstellung der Verbindung. Vor der Trennung kann die Abwendungsbefugnis dadurch erlöschen, dass der Ver- 17 mieter (auch schlüssig) zum Ausdruck bringt, dass er spätestens am Ende der Mietzeit auf Entfernung besteht. Denn darin kann auch ein konkludenter Verzicht auf die Abwendungsbefugnis gesehen werden. Schließlich ist der Fall denkbar, dass die Parteien anlässlich der Rückgabe über alles, 18 nur nicht das Wegnahmerecht und die Abwendungsbefugnis verhandeln, der Mieter z.B. noch Schönheitsreparaturen nachholt und in diesem Zusammenhang – was bei der Rückgabe übersehen wurde – Einrichtungen entfernen muss und will. Hat der Vermieter nicht bei der Rückgabe oder ggf. der Fristsetzung nach § 281 BGB die Abwendungsbefugnis ausgeübt, ist der Mieter auch dann noch ohne Weiteres zur Entfernung der Einrichtung i.S.v. § 539 Abs. 2 BGB berechtigt2. 4. Ausübung der Abwendungsbefugnis a) Ausübungsbefugter Die Abwendungsbefugnis kann nur vom Vermieter ausgeübt werden. Insoweit ist darauf abzustellen, wer im Zeitpunkt der Ausübung des Wegnahmerechts, also in der Regel bei der Rückgabe i.S.v. § 546 BGB, die Position des Vermieters inne hat. Das ist im Falle der Veräußerung nach § 566 BGB der Erwerber, sofern er im Zeitpunkt der Rückgabe schon im Grundbuch eingetragen ist.

19

Es besteht keine Pflicht des Mieters, den Vermieter davon in Kenntnis zu setzen, 20 dass er von seinem Wegnahmerecht Gebrauch machen will3. Auch wenn die Abwendungsbefugnis letztlich von der Ausübung abhängig ist, ist der Mieter nicht verpflichtet, dem Vermieter die Übernahme gegen Entschädigung anzubieten4. Umgekehrt ist der Vermieter – vorbehaltlich anderer Abreden – nicht verpflichtet, eine Einrichtung gegen Entschädigung zu übernehmen. Ob der Vermieter Kenntnis von der Abwendungsbefugnis als solcher hat oder von 21 den Tatsachen, die die Abwendungsbefugnis begründen, ist unerheblich. Der Mieter ist noch nicht einmal verpflichtet, dem Vermieter die Ausübung der Abwendungsbefugnis anzubieten. Die Regelung einer solchen Anbietpflicht ist sogar ausdrücklich im Gesetzgebungsverfahren verworfen worden5. Immerhin hat der Vermieter durch Ausübung seines (turnusmäßigen) Besichtigungsrechts die Möglichkeit, sich über Grund und Umfang seiner Rechte Kenntnis zu verschaffen. b) Form und Inhalt der Ausübung Die Ausübung der Abwendungsbefugnis bedarf keiner besonderen Form. Sie ist also 22 auch mündlich oder schlüssig möglich.

1 2 3 4 5

Bub/Treier/Scheuer, V Rz. 263 m.w.N. Staudinger/Emmerich, § 552 BGB Rz. 3. OLG Köln v. 8.7.1994 – 11 U 242/93, ZMR 1994, 509 = OLGR Köln 1994, 224. Staudinger/Emmerich, § 552 BGB Rz. 5. Blank/Börstinghaus, § 552 BGB Rz. 3 m.w.N.

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23 Nach dem Gesetzeswortlaut wird das Abwendungsrecht durch Zahlung der Entschädigung ausgeübt. Demnach reicht es ohne weiteres aus, dass der Vermieter mit dem Mieter z.B. vor Ort anlässlich der Rückgabe einen Zahlungsbetrag aushandelt und (danach) die Zahlung erfolgt. 24 Damit stellt das bloße Angebot einer angemessenen Ausgleichszahlung (z.B. unter Abwesenden, § 147 BGB) aber noch keine wirksame Ausübung der Abwendungsbefugnis dar1. Deshalb wird teilweise die Abwendungsbefugnis ausschließlich im Falle der Zahlung angenommen2. Dafür spricht zwar der Wortlaut, der die Abwendungsbefugnis von der Zahlung der Entschädigung abhängig macht. Insofern kann auch eingebracht werden, dass der Mieter die Annahme der Zahlung nicht ohne weiteres verweigern kann (§ 242 BGB)3. Indessen reicht es nach Sinn und Zweck der Vorschrift aus, dass der Vermieter dem Mieter ein tatsächliches Angebot in einer Weise unterbreitet, die einen Annahmeverzug begründet (§ 294 BGB)4. Dieses Angebot beseitigt einerseits das Wegnahmerecht des Mieters, sofern seine Interessen nicht ausnahmsweise vorrangig sind (vgl. dazu § 552 BGB Rz. 34 f.), und begründet andererseits eine entsprechende Schuld des Vermieters, deren Höhe im Zweifel der Mieter nach den §§ 315, 316 BGB zu bestimmen hat5. Sein berechtigtes Interesse muss der Mieter in der nach § 147 BGB zu bestimmenden Frist geltend machen. Unter Anwesenden ist er also zur sofortigen Erklärung verpflichtet. Ist danach eine Abwendungsbefugnis entstanden, kann der Vermieter sein Recht durch einstweilige Verfügung (Verbot der Trennung) schützen. 25 In dem Angebot des Vermieters muss die Entschädigungssumme nicht beziffert werden. Vielmehr genügt es, dass sie aufgrund des Angebots des Vermieters, dass der Mieter durch ein einfaches „Ja“ annehmen kann, bestimmbar ist. Weitere Anforderungen können auch schon deshalb nicht gestellt werden, weil der Begriff der angemessenen Entschädigung nicht einheitlich definiert wird (vgl. § 552 BGB Rz. 29). Demnach liegt ein wirksames Angebot vor, wenn der Vermieter einen Mindestbetrag nennt, diesen zur Zahlung tatsächlich anbietet und sich bereit erklärt, den evtl. höheren Betrag, den ein Sachverständiger ermittelt, zu zahlen. 26 Ob und ggf. in welcher Form der Vermieter bei der Ausübung die Zahlung in Aussicht stellt, ist unerheblich. Die Zahlung kann unmittelbar, aber auch durch Aufrechnung erfolgen. Selbst die Gewährung anderer Vorteile (z.B. vorzeitige Vertragsentlassung) ist ausreichend, solange der wirtschaftliche Wert, der dem Mieter zufließen soll, der angemessenen Entschädigung i.S.v. § 552 BGB entspricht6. Nur weil das Gesetz von „Zahlung“ spricht, ist eine andere Sichtweise nicht gerechtfertigt7. 5. Anspruch auf Entschädigung a) Grundsätzliches 27 Der Anspruch auf Entschädigung entsteht mit der Erklärung des Vermieters, die Abwendungsbefugnis in Anspruch zu nehmen8. 28 Hat der Vermieter ohne Angebot einer Entschädigung verlangt, der Mieter solle eine Einrichtung zurücklassen, besteht der Entschädigungsanspruch des Mieters, der dieser Weisung gefolgt ist, in Form eines Schadensersatzanspruches. Der Vermieter hat seine Pflicht aus § 552 BGB, ein Verbot der Ausübung des Wegnahmerechts nur ge-

1 AG Aachen v. 23.2.1987 – 7 C 2/87 – WuM 1987, 123; Staudinger/Emmerich, § 552 BGB Rz. 4; Bub/Treier/Scheuer, V Rz. 265; Blank/Börstinghaus, § 552 BGB Rz. 7. 2 Lammel, § 552 BGB Rz. 9 m.w.N. 3 Staudinger/Emmerich, § 552 BGB Rz. 4. 4 KG v. 9.4.2001 – 8 W 52/01, MDR 2001, 984 = GE 2001, 850; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 552 BGB Rz. 7; Staudinger/Emmerich, § 552 BGB Rz. 4. 5 AG Köln v. 28.5.1997 – 219 C 306/94, WuM 1998, 345. 6 Blank/Börstinghaus, § 552 BGB Rz. 6. 7 So aber: Staudinger/Emmerich, § 552 BGB Rz. 8. 8 BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, MDR 2006, 505 = ZMR 2006, 185 = NJW-RR 2006, 294 (Rz. 23).

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gen Zahlung einer angemessenen Entschädigung verlangen zu können, verletzt und muss den Mieter so stellen, wie er bei gehöriger Ausübung stehen würde. Dies gilt selbst dann, wenn der Vermieter ausdrücklich erklärt, eine Entschädigung dafür nicht zahlen zu wollen. Anderenfalls würde derjenige Mieter benachteiligt, der das Verlangen des Vermieters für rechtmäßig hält oder sich ihm nur beugt1. Eine Ausnahme gilt lediglich in dem Fall, dass die Erklärung des Vermieters als Vertragsangebot auf kostenlose Übernahme zu verstehen war, auf das der Mieter einging. Das hat aber der Vermieter zu beweisen. b) Angemessenheit der Entschädigung Für die Ermittlung der angemessenen Entschädigung werden unterschiedliche 29 Maßstäbe herangezogen. Einerseits wird vertreten, dass allein der Zeitwert der Einrichtung maßgeblich sei2. Ausgangspunkt der Bewertung ist danach der Anschaffungswert, der um die Abnutzung im Wege der Abschreibung nach allgemeinen Erfahrungssätzen zu reduzieren ist. Im Übrigen muss sich der Mieter den durch den Ausbau bedingten Wertverlust sowie die Vorteile des ersparten Ausbaus der Einrichtung und die der Wiederherstellung des früheren Zustandes der Mietsache anrechnen lassen3. Andererseits wird darauf abgestellt, welchen Wert die Einrichtung für den Vermieter hat. Dazu ist im Zweifel der Wert heranzuziehen, den der Vermieter aufwenden müsste, um die Einrichtung selbst zu beschaffen4. Zwar liegt die Ausübung der Abwendungsbefugnis des Mieters im Interesse des Ver- 30 mieters. Dies allein ist aber kein rechtfertigender Grund, vom Zeitwert abzuweichen und dem Mieter mehr erstatten zu müssen, als seine Sache wert ist bzw. als den Wert, mit dem sie in seiner Vermögensbilanz steht. Eine solche Bereicherungsverpflichtung ist unserer Rechtsordnung fremd, wird durch den Sozialcharakter des Mietrechts nicht vorausgesetzt und widerspricht auch dem Willen des Gesetzgebers5. Eine Entschädigung bemisst sich eben unter Berücksichtigung des Abzuges neu für alt. Immerhin hat der Mieter die Möglichkeit, die Abwendungsbefugnis zu verhindern, wenn die Einrichtung für ihn einen höheren Wert hat. Der Vermieter genehmigt mit der Abwendungsbefugnis auch nicht die Aufwendungen des Mieters nach § 684 S. 2 BGB6. Es fehlt bereits an den Voraussetzungen der GoA, weil der Mieter kein fremdes Geschäft erledigt hat. Eventuelle Mängel der übernommenen Einrichtung sind bei der Festlegung der Ent- 31 schädigung zu berücksichtigen; dem Vermieter stehen insoweit keine Gewährleistungsansprüche zu7. c) Verhältnis zu § 539 BGB? Es ist theoretisch denkbar, dass dem Mieter neben dem Anspruch auf Entschädigung 32 wegen der Ausübung der Abwendungsbefugnis ein Anspruch nach § 539 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen der GoA zusteht. Insoweit bilden § 552 BGB oder eine entsprechende Vertragsregelung einen spezielleren Tatbestand, der den Anspruch aus § 539 BGB zurückdrängt. d) Verjährung Der Anspruch auf Entschädigung verjährt in derselben Frist wie das Wegnahmerecht, 33 also gemäß § 548 BGB innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Mietver-

1 BGH v. 14.7.1969 – VIII ZR 5/68, LM Nr. 2 = ZMR 1969, 340. 2 BGH v. 14.7.1969 – VIII ZR 5/68, LM Nr. 2 = ZMR 1969, 340. 3 H.M. z.B. Bub/Treier/Scheuer, V Rz. 266; Palandt/Weidenkaff, § 552 BGB Rz. 3; weit enger Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 145 m.w.N.; kritisch Scholl, WuM 1998, 327. 4 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 552 BGB Rz. 9; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 552 BGB Rz. 4; Staudinger/Emmerich, § 552 BGB Rz. 7 m.w.N. 5 Vgl. dazu Blank/Börstinghaus, § 552 BGB Rz. 4. 6 So aber Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 552 BGB Rz. 4. 7 Staudinger/Emmerich, § 552 BGB Rz. 8.

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§ 552 BGB

Abwendung des Wegnahmerechts des Mieters

trages1. Insoweit ist es unerheblich, ob sich der Anspruch aus dem Verfahren nach § 552 Abs. 1 BGB ergibt oder auf einer sonstigen mietvertraglichen Regelung beruht2. 6. Vorrangiges Interesse des Mieters, § 552 Abs. 1 Hs. 2 BGB a) Berechtigtes Interesse 34 Das Abwendungsrecht entfällt, wenn der Mieter ein berechtigtes Interesse an der Wegnahme reklamieren kann. Die Berücksichtigung aller plausiblen Gründe des Mieters stellt das Korrektiv dafür dar, dass das Abwendungsrecht des Vermieters unabhängig vom jeweiligen Zustand des Mietverhältnisses besteht. Sie ist überdies auch deshalb geboten, weil die Berechnung der vom Vermieter zu zahlenden Entschädigung zum Nachteil des Mieters ausschlagen kann. 35 Für ein berechtigtes Interesse reichen alle vom Mieter für die Wegnahme im Einzelfall angeführten vernünftigen und sachlichen Gründe aus3. Dabei kann es sich um wirtschaftliche Interessen, aber auch Liebhaberinteressen handeln4. Auch ein sonstiges Affektionsinteresse (z.B. wertvolles und unersetzliches Erbstück) kann den Vorrang ebenso begründen wie die Tatsache, dass die Einrichtung auf dem Markt nicht mehr erhältlich ist oder wenn die Kosten der Wegnahme gering, die Kosten der Anschaffung einer neuen Einrichtung jedoch erheblich sind5. Erst recht begründet die Zahlungsunfähigkeit des Vermieters ein vorrangiges Interesse an der Wegnahme. 36 Das vorrangige Interesse des Mieters muss spätestens im Zeitpunkt der Trennung der Einrichtung von der Mietsache (noch) gegeben sein. Dieser Zeitpunkt kann vor der Rückgabe liegen. 37 Kein besonderes Interesse wird durch den Wunsch des Mieters, die Einbauten an den Nachmieter verkaufen zu wollen, begründet. Hier ist die Abwendungsbefugnis des Vermieters aus § 552 BGB vorrangig. Deshalb soll der Mieter in diesem Fall verpflichtet sein, die Sache zuvor dem Vermieter anzubieten6. b) Geltendmachung durch den Mieter 38 Nach der hier vertretenen Auffassung (vgl. § 552 BGB Rz. 24) macht der Mieter sein höherwertiges Interesse als Ablehnung des Angebots des Vermieters geltend. Dies bedarf keiner besonderen Form. 39 Inhaltlich muss zum Ausdruck kommen, dass der Mieter ein stärkeres Interesse reklamiert. Dazu reicht die bloße Ablehnung der Abwendungsbefugnis nicht aus. Fehlt ein Hinweis auf ein entgegenstehendes Interesse, bleibt das Angebot des Vermieters wirksam und bewirkt das Verbot der Trennung der Einrichtung von der Mietsache. Dies führt nicht zu einem dem § 569 Abs. 4 BGB vergleichbaren Begründungszwang. Insoweit fehlt es schon an dem Schriftlichkeitsgebot. Allerdings verlangt die Rechtssicherheit, dass der Mieter seine Gründe für die Ablehnung des Angebots des Vermieters skizziert und damit dem Vermieter die Möglichkeit verschafft, seinerseits zu prüfen, inwieweit mit Aussicht auf Erfolg die Abwendungsbefugnis im Zweifel klageweise durchgesetzt werden kann. Ein derartiges Verhalten ist auch aus § 241 Abs. 2 BGB geboten. 40 Hält sich der Mieter nicht an das Verbot, macht er sich schadensersatzpflichtig. Er hat dem Vermieter den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass der Vermieter eine der weggenommenen Einrichtung vergleichbare Situation schaffen muss.

1 2 3 4 5 6

OLG Bremen v. 16.2.2001 – 5 U 21/00, NZM 2002, 292. Blank/Börstinghaus, § 552 BGB Rz. 8. Staudinger/Emmerich, § 552 BGB Rz. 9. MünchKomm/Bieber, § 552 BGB Rz. 7; Bub/Treier/Scheuer, V Rz. 268. Staudinger/Emmerich, § 552 BGB Rz. 9. Blank/Börstinghaus, § 552 BGB Rz. 7.

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Abwendung des Wegnahmerechts des Mieters

§ 552 BGB

II. Abweichende Vereinbarungen 1. Regelungen im Mietvertrag Der Ausschluss des Wegnahmerechts ist bei Wohnraummietverhältnissen nur wirk- 41 sam, wenn ein angemessener Ausgleich vorgesehen ist. Dies schreibt § 552 Abs. 2 BGB zwingend vor. Damit sind in jedem Fall Vereinbarungen ausgeschlossen, die in einem Mietvertrag enthalten sind und abstrakt den Tatbestand des Wegnahmerechts beschränken oder sogar ausschließen. Zulässig ist aber z.B. die Regelung einer Anzeigepflicht des Mieters über die Aus- 42 übung seines Wegnahmerechts, und zwar auch formularvertraglich1. Demgegenüber verstößt eine Bestimmung, die das Wegnahmerecht für den Fall der Mieterkündigung einschränkt, gegen § 309 Nr. 6 BGB2 (als Formularklausel) bzw. gegen § 555 BGB. 2. Nachträgliche Vereinbarungen Fraglich ist, ob § 552 Abs. 2 BGB auch anwendbar ist, wenn nach Abschluss des 43 Mietvertrages eine Vereinbarung getroffen wird, mit der ein konkreter Einzelfall in beiderseitigem Interesse geregelt werden soll. Dies wird mit Bezug auf den Wortlaut bejaht3, ist aber zweifelhaft. Zweck der Vorschrift ist, den Mieter vor einem Vermögensverlust zu schützen. Dieses Schutzes bedarf der Mieter im laufenden Mietvertrag nicht mehr. Denn er muss dem Begehren des Vermieters nicht nachgeben. Es herrscht Abschlussfreiheit. Die Situation ist die gleiche wie bei der Modernisierung (§§ 555b ff. BGB) oder anderen, dem Verbot der abweichenden Vereinbarungen unterliegenden Vorschriften (z.B. §§ 556 Abs. 5, 558 Abs. 6 BGB). Wie schon § 555f BGB deutlich macht, will der Gesetzgeber die Vertragsfreiheit im laufenden Mietverhältnis nicht über das übliche Maß (§§ 305 ff., 312 f. BGB) hinaus beschränken. Umso mehr kann nach Abschluss des Mietvertrages von den Parteien eine Pflicht des Mieters begründet werden, dass er eine Einrichtung schafft, die er nach Beendigung entschädigungslos zurücklassen muss. Jedenfalls unproblematisch sind aber Vereinbarungen, die für den Mieter selbst einen 44 Vorteil enthalten, auf dessen Gewährung er keinen Anspruch hatte. Das ist z.B. der Fall, wenn der Vermieter ihm den Erwerb von Einrichtungen des Vormieters, die der Mieter ausdrücklich wünscht, finanziert. C. Gewerberaummiete I. Geltung des § 552 Abs. 1 BGB Aus § 578 Abs. 2 BGB geht hervor, dass die Vorschrift auch für die Gewerberaummie- 45 te gilt. Demnach sind zunächst die in Abschnitt A. und B. aufgezeigten Grundsätze auch hier zu beachten. II. Abweichende Vereinbarungen 1. Grundsätzliches Insoweit ergeben sich vielfältige Gestaltungen in der Praxis. Dabei ist von dem 46 Grundsatz auszugehen, dass außerhalb der Wohnraummiete der entschädigungslose Ausschluss des Wegnahmerechts nicht von vornherein unangemessen ist4, bei Hinzutreten besonderer Umstände kann aber auch eine Unwirksamkeit nach § 138 BGB eintreten5. Ist das Wegnahmerecht wirksam ausgeschlossen, besteht naturgemäß keine Abwendungsbefugnis.

1 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 552 BGB Rz. 13; Blank/Börstinghaus, § 552 BGB Rz. 3; a.A. Staudinger/Emmerich, § 552 BGB Rz. 5. 2 BGH v. 15.11.1967 – VIII ZR 150/65, WuM 1968, 776. 3 LG Köln v. 14.7.2011 – 6 S 267/10, ZMR 2011, 956. 4 OLG Karlsruhe v. 31.10.1985 – 15 U 129/84, NJW-RR 1986, 1394; LG Braunschweig v. 11.3.2008 – 6 O 1105/07, ZMR 2008, 453. 5 BGH v. 3.2.1967 – V ZR 59/64, NJW 1967, 1223.

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§ 553 BGB

Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte

47 Besteht schon die Möglichkeit des vollständigen Ausschlusses, kann erst recht ein bestimmtes Szenario, das insbesondere bei der Abwicklung des im Endstadium befindlichen Mietvertrages einzuhalten ist, vereinbart werden. 48 Bei vorzeitiger Beendigung eines langfristigen Mietvertrags kommt trotz zulässigem Ausschluss ein Ausgleich in Betracht, und zwar entweder nach § 547 BGB, wenn sich die Anbringung der Einrichtung als Teil der Miete darstellt, oder nach § 812 BGB1. 2. Besondere Gestaltungen 49 Bei der Vermietung vom Reißbrett liefert und bezahlt der Mieter oftmals schon vor Beginn des Mietvertrages Einrichtungen, durch die erst der vertragsgemäße Zustand herbeigeführt wird. Haben die Parteien zum Verbleib oder hinsichtlich der Wegnahme dieser Einrichtungen nichts geregelt, muss im Wege (ergänzender) Vertragsauslegung ermittelt werden, inwieweit der Mieter überhaupt berechtigt ist, eine Einrichtung wegzunehmen. 50 Auch wenn die Umstände des Einzelfalles ausschlaggebend sind, ist im Grundsatz davon auszugehen, dass ein Wegnahmerecht besteht, je spezieller die Einrichtung den Gebrauch der Mietsache unterstützt (z.B. Behandlungsstuhl des Zahnarztes). Dient die Einrichtung der allgemeinen Nutzung und wurde sie auf Kosten des Mieters zur Herbeiführung des vertragsgemäßen Zustandes mit der Mietsache verbunden (z.B. Elektrounterverteilung), ist eher davon auszugehen, dass ein Wegnahmerecht ausgeschlossen sein sollte. Immerhin liegt dann die Annahme eines (verlorenen) Baukostenzuschusses nahe (vgl. dazu § 547 BGB Rz. 20).

§ 553 Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte (1) Entsteht für den Mieter nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, so kann er von dem Vermieter die Erlaubnis hierzu verlangen. Dies gilt nicht, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt, der Wohnraum übermäßig belegt würde oder dem Vermieter die Überlassung aus sonstigen Gründen nicht zugemutet werden kann. (2) Ist dem Vermieter die Überlassung nur bei einer angemessenen Erhöhung der Miete zuzumuten, so kann er die Erlaubnis davon abhängig machen, dass der Mieter sich mit einer solchen Erhöhung einverstanden erklärt. (3) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV. V.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarung . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überlassung an Dritten . . . . . . . . . . . .

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II. 1. 2. 3. III. IV. 1. 2.

Berechtigtes Interesse . . . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltendmachung gegenüber dem Vermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehung nach Vertragsschluss . Unzumutbarkeit der Erlaubniserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtiger Grund in der Person des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überbelegung. . . . . . . . . . . . . . . . . .

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13 15 22

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30 31

1 BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, ZMR 2006, 185; s. auch BGB v. 16.9.2009 – XII ZR 71/07, NZM 2009, 783; BGH v. 16.9.2009 – XII ZR 72/07, ZMR 2010, 104.

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Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte 3. Sonstige Unzumutbarkeitsgründe . . . V. Erhebung eines Untermietzuschlages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 553 BGB

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VI. Erlöschen und Widerruf der Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

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C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . .

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A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Vorschrift ergänzt § 540 BGB für die Wohnraummiete, indem sie unter bestimm- 1 ten Umständen einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung vorsieht (§ 553 Abs. 1 BGB). Die durch den Anspruch ausgelöste Zustimmung kann der Vermieter nur dann versagen, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt, der Wohnraum übermäßig belegt würde oder dem Vermieter die Überlassung aus sonstigen Gründen nicht zugemutet werden kann (§ 553 Abs. 2 BGB). II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Vorschrift gilt unmittelbar nur für Wohnraummietverhältnisse, auch für solche 2 i.S.d. § 549 Abs. 2 und 3 BGB. 2. Anwendbare Rechtsprechung Der Wortlaut des § 553 BGB ist – von dem nur sprachlich angepassten Begriff der 3 „Mietsache“ anstelle der „gemieteten Sache“ in § 549 Abs. 2 BGB in seiner Fassung bis zur Mietrechtsreform 2001 abgesehen – unverändert geblieben. Die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1.9.2001 kann also unbedenklich übernommen werden. III. Zweck der Vorschrift Die Vorschriften der §§ 540, 553 BGB gewährleisten einen angemessenen Ausgleich 4 zwischen den berechtigten Belangen sowohl des Mieters als auch des Vermieters; sie greifen weder in das Persönlichkeitsrecht des Mieters noch in das Eigentumsrecht des Vermieters über Gebühr ein1. Dabei ergänzt § 553 BGB den § 540 BGB für die Wohnraummiete und dokumentiert 5 bei der Abwägung der Interessen von Vermieter und Mieter die Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten des Bestandsinteresses des Mieters. Der Ausnahmecharakter wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass bei § 540 BGB die Entscheidung noch zugunsten der Interessen des Vermieters an der Bestimmung der Person des Nutzers ausgefallen ist. Um zu vermeiden, dass der Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch unter Berufung auf § 553 BGB unterlaufen kann, besteht als Korrektiv, dass die Ausnahme nur durch ein berechtigtes Interesse begründet werden kann, das nach Abschluss des Mietvertrages entstanden ist2. IV. Abweichende Vereinbarung Zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen sind unwirksam, § 553 Abs. 3 BGB. Dagegen verstößt bereits die Klausel, die vorschreibt, dass die Wohnung nur von einer Person genutzt werden darf3. Im Übrigen gilt § 540 BGB Rz. 10 f.

6

Die formularmäßige Festlegung eines der Höhe nach bestimmten Untermietzuschla- 7 ges bereits im Mietvertrag ist unzulässig4. Denn damit wird in unangemessener Weise vom gesetzlichen Leitbild des § 553 Abs. 2 BGB abgewichen, der eine fallbezogene Prüfung verlangt. Eine Klausel kann auch nicht vorsehen, dass die Erteilung der Er1 2 3 4

BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 371/02, NJW 2004, 56 = MDR 2004, 141 = ZMR 2004, 100. Staudinger/Emmerich, § 553 BGB Rz. 5. AG Lörrach v. 8.1.1986 – 1 C 570/85, WuM 1988, 361. AG Hamburg-Altona v. 18.11.1997 – 317b C 334/97, WuM 1999, 600.

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§ 553 BGB

Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte

laubnis von anderen Bedingungen als einem Untermietzuschlag abhängig ist (z.B. Verlangen nach zusätzlicher Sicherheitsleistung)1. V. Beweislast 8 Der Mieter hat sein berechtigtes Interesse, insbesondere die Ernsthaftigkeit des dahinterstehenden Wunsches und dessen Entstehen nach Vertragsschluss darzulegen und ggf. zu beweisen. Ihn trifft auch die Beweislast für ein ausreichendes Begehren um Erlaubniserteilung und dessen Zugang beim Vermieter. Bestreitet der Vermieter, dass der Mieter noch Besitz an der Wohnung hat, muss der Mieter seinen Besitz beweisen2. Uneinheitlich wird in diesem Zusammenhang bewertet, wie die meldegesetzliche An- oder Abmeldung des Mieters oder des Dritten zu werten ist. Hat der Dritte sich zur Wohnung polizeilich angemeldet, wird dies als wenig aussagekräftiges Indiz gewertet3. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Nach den Vorschriften des Meldegesetzes4 muss eine Ummeldung erfolgen, wenn die betreffende Person ihren Wohnsitz verändert bzw. in eine Wohnung einzieht. Dies wird gegenüber der Behörde auch so deklariert und ist bußgeldbewehrt5. Mithin hat der An- bzw. Abmeldende selbst einen Umstand herbeigeführt, aus dem sich auf seinen Wohnsitz schließen lässt. Da es für § 553 BGB unerheblich ist, ob es sich dabei um den Hauptwohnsitz handelt, ist die Eintragung im Melderegister als Indiz zu werten6. 9 Den Vermieter trifft die Beweislast für die Untervermietung als solche7, wenn sie bereits ohne seine Zustimmung stattfindet, die Versagungsgründe und die Unzumutbarkeit i.S.v. § 553 Abs. 2 BGB. Ebenso ist er beweisbelastet, wenn der Mieter eine Zustimmung zur teilweisen Untervermietung begehrt, der Vermieter aber davon ausgeht, dass in Wahrheit eine vollständige Untervermietung angestrebt wird8. B. Wohnraummiete I. Überlassung an Dritten 10 § 553 BGB bezieht sich nur auf die Überlassung eines Teils des angemieteten Wohnraums. Ob dafür ein Rechtsgrund besteht oder ob die Gebrauchsüberlassung entgeltlich erfolgt, ist unerheblich. Die Überlassung der kompletten Mietwohnung zum Alleingebrauch an einen Dritten fällt aber grundsätzlich nicht unter § 553 BGB, sondern richtet nach § 540 Abs. 1 BGB (zur Ausnahme vgl. § 553 BGB Rz. 18). 11 Die Anwendung der Norm ist nicht davon abhängig, dass der Mieter seinen Lebensmittelpunkt in der Wohnung unterhält und nach dem Zuzug des Dritten beibehält9. Maßgeblich ist allein, ob er weiterhin (Mit-)Gewahrsam ausübt, was im Zweifel durch den Besitz von Schlüsseln oder dem Belegen von Zimmern dokumentiert wird oder er die Wohnung nutzt, und sei es nur einmal monatlich10. Nach einem vollständigen Auszug kann der Mieter sich nicht auf § 553 BGB berufen. Das gilt selbst dann, wenn Eltern (= Mieter) aus den bisher mit den Kindern gemeinsam bewohnten Räumen ausziehen11. Auch eine ausdrückliche Zustimmung des Vermieters zu einer bestimmten Person als Drittem wird mit dem Auszug des Mieters hinfällig (vgl. § 540 BGB Rz. 64). 1 LG Hamburg v. 10.6.1993 – 334 S 24/93, WuM 1993, 737. 2 LG Berlin v. 26.6.1992 – 63 S 166/92, MM 1992, 353; LG Berlin v. 13.10.1992 – 64 S 209/92, MM 1993, 109. 3 LG Köln v. 27.5.1982 – 1 S 478/81, WuM 1983, 327. 4 Vgl. z.B. § 13 MG NRW. 5 Vgl. § 37 Abs. 1 Nr. 2 MG NRW. 6 Wie hier: Blank/Börstinghaus, § 553 BGB Rz. 22. 7 LG Berlin v. 7.6.2005 – 65 S 364/04, MM 2005, 335. 8 AG Hamburg v. 10.5.2012 – 44 C 260/11, ZMR 2012, 785. 9 BGH v. 23.11.2005 – VIII ZR 4/05, ZMR 2006, 261; LG Hamburg v. 20.7.2001 – 311 S 5/01, ZMR 2001, 973. 10 AG Hamburg v. 12.5.2005 – 44 C 344/04, zitiert nach juris. 11 LG Frankfurt v. 25.1.2000 – 2/11 S 211/99, WuM 2002, 92; LG Frankfurt v. 9.10.1992 – 2/17 S 370/91, NJW-RR 1993, 143.

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Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte

§ 553 BGB

§ 553 BGB greift allerdings unmittelbar, wenn der Mieter einen Dritten – insbesondere einen nicht eingetragenen Lebensgefährten – zum Mitgebrauch der Wohnung für dauernd in den Haushalt aufnehmen will1.

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II. Berechtigtes Interesse Der Anspruch auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis ist nicht auf eine generelle2, son- 13 dern nur auf eine personenbezogene Untervermieterlaubnis ausgerichtet3. Im Falle der Erlaubnisverweigerung besteht ein Wahlrecht des Mieters zwischen der Klage auf Zustimmung und der Kündigung nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB (ggf. § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB, vgl. § 540 BGB Rz. 73 ff.). Der Anspruch nach § 553 Abs. 1 S. 1 BGB auf Erteilung der Erlaubnis ersetzt die Er- 14 laubnis selbst nicht (vgl. § 541 BGB Rz. 32). Deshalb ist der Mieter trotz Vorliegens eines berechtigten Interesses nicht zur Gebrauchsüberlassung berechtigt, sondern erst, wenn die Zustimmung erteilt wurde4. 1. Voraussetzungen Nach § 553 Abs. 1 S. 1 BGB steht dem Mieter, der ein berechtigtes Interesse an der 15 Aufnahme des Dritten in seine Wohnung hat, ein Anspruch auf Erlaubnis gegen den Vermieter zu. Für die Geltendmachung eines berechtigten Interesses genügt die nachvollziehbare Darlegung vernünftiger Gründe für die Bildung einer Wohngemeinschaft oder einer anderen Form des Zusammenlebens5. Allein das Interesse, „Miete einzunehmen“ oder „einen Dritten aufzunehmen“, reichen für sich allein nicht aus6. Vor dem Hintergrund gewandelter sozialer Anschauungen über hetero- oder homosexuelle Lebensgemeinschaften und der darauf beruhenden Wertentscheidungen des MRRG ist aber z.B. der – nicht näher zu begründende, weil auf höchstpersönlichen Motiven beruhende – Wunsch des Mieters, eine solche Gemeinschaft zu bilden oder fortzusetzen, in aller Regel für die Darlegung eines berechtigten Interesses an der Aufnahme des Dritten in die Wohnung ausreichend7. Als Ursache für das berechtigte Interesse kommen insbesondere Umstände aus dem 16 familiären, sonst persönlichen oder wirtschaftlichen Bereich in Betracht (z.B. Verkleinerung der Familie, Aufnahme eines nahen Verwandten, soweit die Aufnahme nicht bereits zum vertragsgemäßen Gebrauch gehört, wie das z.B. bei nahen Angehörigen der Fall ist, vgl. § 540 BGB Rz. 35, Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage, doppelte Haushaltsführung8). Die Bedeutung des Interesses als solchem ist unerheblich. Maßgeblich ist, dass es sich innerhalb der Rechts- und Sozialordnung hält. Innerhalb dieses Interessenbegriffs können auch die persönlichen Vorstellungen des Mieters über seine künftige Lebensplanung Berücksichtigung finden9. Selbstverständlich muss der Mieter auch in diesem Fall die Ernsthaftigkeit seiner Lebensplanung, ihre beabsichtigte Dauerhaftigkeit und weiter darlegen und beweisen, dass er seine dahingehenden Entschlüsse erst nach Abschluss des Mietvertrags gefasst hat10. Stets muss ein berechtigtes Interesse gerade des Mieters bestehen. Zwar ist ein sol- 17 ches Interesse gegeben, wenn ein naher Angehöriger des Mieters in Not gerät und 1 BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 371/02, NJW 2004, 56 = MDR 2004, 141 = ZMR 2004, 100; OLG Hamm v. 23.10.1991 – 30 REMiet 1/91, MDR 1992, 156 = FamRZ 1992, 308 = ZMR 1992, 20. 2 BGH v. 21.2.2012 – VIII ZR 290/11, GE 2012, 825. 3 KG v. 11.6.1992 – 8 REMiet 1946/92, ZMR 1992, 382. 4 BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 371/02, NJW 2004, 56 = MDR 2004, 141 = ZMR 2004, 100. 5 Vgl. z.B. BGH v. 3.10.1984 – VIII ARZ 2/84, BGHZ 92, 213, 218 f. = MDR 1985, 401 = FamRZ 1985, 42; Schmidt-Futterer/Blank, § 540 BGB Rz. 25 m.w.N.; Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 218. 6 Blank/Börstinghaus, § 553 BGB Rz. 4. 7 BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 371/02, NJW 2004, 56 = MDR 2004, 141 = ZMR 2004, 100. 8 BGH v. 23.11.2005 – VIII ZR 4/05, MDR 2006, 740 = NJW 2006, 1200. 9 BGH v. 3.10.1984 – VIII ARZ 2/84, MDR 1985, 401 = FamRZ 1985, 42 = NJW 1985, 130. 10 BGH v. 3.10.1984 – VIII ARZ 2/84, MDR 1985, 401 = FamRZ 1985, 42 = NJW 1985, 130.

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§ 553 BGB

Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte

der Mieter zumindest sittlich verpflichtet ist zu helfen. Jedoch gilt dies nicht für sonstige Bekannte. Denn nur in Fällen der Familienangehörigkeit des Untermieters im weitesten Sinne kann ein berechtigtes Interesse an der Untervermietung angenommen werden. Dazu müssen sich die Gründe aus der unmittelbaren Sphäre des Mieters herleiten. Humanitäre und billigenswerte Gründe, die allein im Interesse des Untermieters geltend gemacht werden können, verpflichten den Vermieter nicht zur Erlaubnis der Untervermietung1. 18 Das Interesse an der Gebrauchsüberlassung darf sich nur auf einen Teil der Mietsache beziehen. Aus der Formulierung des § 553 Abs. 1 BGB, dass die Gebrauchsüberlassung nur auf einen „Teil des Wohnraumes“ beschränkt werden darf, ist nicht der Schluss zu ziehen, dass ausschließlich für baulich oder räumlich abgegrenzte Teile einer Wohnung die Erlaubnis zur Untervermietung begehrt werden kann2. Dies kann auch für eine Einzimmerwohnung in Betracht kommen, z.B. wenn ein Mieter für die Dauer einer berufsbedingten Abwesenheit derartigen Wohnraum untervermieten will, um einerseits die Kosten einer doppelten Haushaltsführung zu sparen und andererseits für eine Betreuung der Wohnung während seiner Abwesenheit zu sorgen; denn einem Mieter kann nicht zugemutet werden, die Wohnung zu kündigen und sich nach Rückkehr in seinen Heimatort auf Wohnungssuche zu begeben – jedenfalls wenn die Abwesenheit unter zwölf Monaten dauern soll. 19 Andererseits kann bei einem einheitlichen Mietvertrag, bei dem der Schwerpunkt in der Wohnraummiete liegt, über § 553 BGB nicht die Untervermietung des nicht zum Wohnen überlassenen Teils der einheitlichen Mietsache erreicht werden. Denn in § 553 BGB ist nicht von Mietsache, sondern von Wohnraum die Rede. Genau dafür soll die Vorschrift eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz des § 540 BGB bilden. 20 Vor diesem Hintergrund kommen als berechtigtes Interesse in Betracht – die Verkleinerung der Familie durch den Tod oder den Auszug einzelner Familienangehöriger3, – die Trennung von Eheleuten4 oder das Auseinanderbrechen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft5 und die Aufnahme eines neuen Partners oder sonstigen Dritten, um nicht alleine zu leben, – wenn der Mieter auf Grund einer nachträglichen Verringerung seiner Einkünfte auf die Untervermietung aus finanziellen Gründen angewiesen ist (zu unterscheiden von dem Fall, dass der Mieter bloß die Absicht zur Erzielung zusätzlicher Einnahmen hat)6, – der Auszug eines Mitmieters, so dass der Mieter allein in der Wohnung verbleibt7, – die Schwangerschaft einer berufstätigen Mieterin8, – die Aufnahme eines Dritten zur Betreuung des Kindes des Mieters9, – die Heiratsabsichten des Untermieters, der den hochbetagten Mieter pflegt10,

1 LG Berlin v. 25.2.1994 – 64 S 1/94, WuM 1994, 326. 2 LG Berlin v. 13.7.1990 – 29 S 4/90, MM 1994, 323. 3 LG Berlin v. 30.1.2002 – 64 S 422/00, ZMR 2002, 49 = GE 2002, 1133; AG Friedberg v. 27.10.1980 – C 876/80, WuM 1981, 231; AG Tiergarten v. 16.12.1986 – 8 C 283/86, GE 1987, 523. 4 LG Frankfurt v. 15.5.1979 – 2/11 S 32/79, WuM 1981, 39; AG Hamburg v. 17.8.1982 – 42b C 129/82, WuM 1985, 87; LG Berlin v. 12.10.1985 – 64 S 137/85, WuM 1987, 221. 5 AG Köln v. 23.6.1994 – 215 C 36/94, WuM 1995, 654. 6 OLG Hamburg v. 29.10.1993 – 4 U 167/93, WuM 1993, 737; LG Hamburg v. 16.12.1993 – 334 S 77/93, WuM 1994, 203; LG Landau v. 12.1.1989 – 3 S 50/88, WuM 1989, 510; LG Berlin v. 4.3.1993 – 62 S 112/92, WuM 1993, 344 (345). 7 LG Berlin v. 31.10.1989 – 64 S 274/89, NJW-RR 1990, 457. 8 LG Berlin v. 12.2.1985 – 64 S 360/84, GE 1985, 479. 9 LG Berlin v. 30.1.2002 – 64 S 422/00, ZMR 2002, 49 = GE 2002, 1133. 10 AG Hamburg-Blankenese v. 6.1.1984 – 509 C 428/83, WuM 1985, 88; AG Tiergarten v. 1.10.1980 – 3 C 252/80, WuM 1985, 88.

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Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte

§ 553 BGB

– die Absicht, einer Vereinsamung im Alter zu begegnen1, – die Aufnahme des Lebenspartners, auch eines solchen gleichen Geschlechts2, – der Aufenthalt an einem anderen Ort für einen gewissen Zeitraum, um die Kosten für eine doppelte Haushaltsführung vermindern zu können3, selbst wenn es sich um einen längeren Auslandsaufenthalt handelt4, – bei nur sporadischer Nutzung die Aufnahme eines Dritten, um Einbrüche zu verhindern5. Kein berechtigtes Interesse begründen regelmäßig folgende Umstände: 21 – Abwesenheit des Mieters während eines längeren Urlaubs verbunden mit dem Wunsch, wirtschaftliche Vorteile durch eine Untervermietung zu erzielen6, – die bloße Gewinnerzielungsabsicht7, – die dauerhafte Aufnahme der eigenen Eltern8. 2. Dritter Die Problematik, wer Dritter i.S.v. § 553 BGB ist, ist ebenso wie bei § 540 BGB zu lö- 22 sen (vgl. § 540 BGB Rz. 35 ff.). 3. Geltendmachung gegenüber dem Vermieter Im Prinzip muss der Mieter bei § 553 BGB das gleiche Verfahren durchlaufen wie bei 23 § 540 BGB. Er kann also einen konkreten Untermieter präsentieren. Eine abstrakte Abfrage, ob der Vermieter generell eine Untervermietung erlaubt, ist selbst dann nicht beachtlich, wenn der Vermieter die Erlaubnis von vornherein abgelehnt hatte (vgl. § 540 BGB Rz. 53). Wichtig ist, dass die Zustimmung vorher eingeholt wird9. Neben den Angaben zur Person des Dritten muss der Mieter sein berechtigtes Inte- 24 resse darlegen. Dazu genügt die nachvollziehbare Darlegung vernünftiger Gründe für die Bildung einer Wohngemeinschaft oder einer ähnlichen Form des Zusammenlebens10. Insoweit werden nicht die gleichen Anforderungen gestellt wie bei § 573 Abs. 3 BGB an die Darstellung des berechtigten Interesses des Vermieters. Dies macht schon das Fehlen einer Formbestimmung deutlich. Deshalb reicht es zunächst aus, die Gründe mündlich vorzutragen (was aber möglicherweise Probleme auf der Beweisebene verursacht). Inhaltlich muss der Mieter die Gründe so mitteilen, dass der Vermieter das berech- 25 tigte Interesse erkennen und würdigen kann. Dazu reicht es nicht aus, den Wunsch als solchen mitzuteilen, sondern es müssen auch die Motive, die zu der Entscheidung geführt haben, offen gelegt werden. Dies kann aber auch schlagwortartig geschehen („… Lebensgemeinschaft gründen …“). Der Vermieter kann während der Überlegungsfrist (vgl. § 540 BGB Rz. 62) nachfragen, wenn er mehr wissen will.

1 AG Hamburg v. 16.5.1990 – 45 C 334/90, WuM 1990, 500. 2 BGH v. 3.10.1984 – VIII ARZ 2/84, BGHZ 92, 213, 218 = MDR 1985, 401 = FamRZ 1985, 42; OLG Hamm v. 23.10.1991 – 30 REMiet 1/91, MDR 1992, 156 = FamRZ 1992, 308 = NJW 1992, 513; LG Berlin v. 2.11.1987 – 61 S 100/87, GE 1988, 143; LG Berlin v. 18.1.1991 – 67 S 184/90, GE 1991, 571; AG Aachen v. 2.11.1990 – 9 C 382/90, NJW-RR 1991, 1112; LG Hamburg v. 6.2.1989 – 16 T 150/88, WuM 1989, 510; AG Fürth v. 28.6.1990 – 1 C 712/90, WuM 1991, 32. 3 Vgl. aber BGH v. 23.11.2005 – VIII ZR 4/05, WuM 2006, 147 = ZMR 2006, 261; LG Berlin v. 4.12.2006 – 67 S 425/05, GE 2007, 783; LG Berlin v. 14.2.1994 – 67 S 297/93, MM 1994, 210 = NJWRR 1994, 1289; a.A. LG Berlin v. 26.4.1982 – 61 S 34/82, MDR 1982, 850; LG Hamburg v. 8.1.1993 – 311 S 225/92, WuM 1994, 536. 4 LG Berlin v. 10.4.2003 – 67 S 383/02, GE 2003, 880; LG Berlin v. 14.2.1994 – 67 S 297/93, NJW-RR 1994, 1289. 5 LG Lüneburg v. 13.10.1994 – 4 S 71/94, WuM 1995, 705. 6 LG Berlin v. 6.8.1996 – 64 S 249/96, WuM 1996, 762. 7 Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 553 BGB Rz. 5. 8 BayObLG v. 6.10.1997 – 1Z REMiet 2/96, WuM 1997, 603. 9 BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 371/02, WuM 2003, 688. 10 BGH v. 3.10.1984 – VIII ARZ 2/84, BGHZ 92, 213, 218 f. = MDR 1985, 401 = FamRZ 1985, 42.

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Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte

26 Die Angaben des Mieters müssen der Wahrheit entsprechen. Wird der Vermieter über den Umfang und die Dauer der Untervermietung getäuscht, ist eine ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB gerechtfertigt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Mieter nach Zugang des Kündigungsschreibens die Untervermietung beendet hatte1. III. Entstehung nach Vertragsschluss 27 Das notwendige berechtigte Interesse des Mieters muss nach Abschluss des Mietvertrags entstanden sein, die Mietsache braucht aber noch nicht überlassen zu sein. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt der Einigung und ob nach diesem Zeitpunkt, der in der Regel vor der Überlassung nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB liegt, Umstände entstanden sind, auf die der Mieter sein berechtigtes Interesse stützen kann. Insoweit kommt es nicht darauf an, wann der Mieter den Entschluss zur Aufnahme des Dritten gefasst hat. 28 Die Lösung von Abgrenzungsproblemen muss mit Blick auf den Zweck des Tatbestandsmerkmals gefunden werden. Danach soll vermieden werden, dass der Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch unter Berufung auf § 553 BGB unterlaufen kann2. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der Mieter bei einer bei Vertragsschluss bereits bestehenden Beziehung absehen konnte, welche Entwicklung sie nimmt. Maßgeblich ist, ob die Beziehung bei Abschluss des Vertrages in einer Intensität bestand, die bereits als auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft anzusehen war. Eine bloß lockere Beziehung, die sich nach Vertragsschluss intensiviert, erfüllt die Voraussetzungen des § 553 BGB. Dazu muss der Mieter konkrete und nachprüfbare Umstände darlegen, die die spätere Entstehung des berechtigten Interesses belegen und die zeigen, dass sich die Situation bei Vertragsschluss von der späteren Situation deutlich abgrenzt3. IV. Unzumutbarkeit der Erlaubniserteilung 29 Das berechtigte Interesse des Mieters tritt zurück, wenn die beabsichtigte Gebrauchsüberlassung für den Vermieter unzumutbar wäre4. Dazu zählt § 540 Abs. 1 S. 2 BGB zwei Regelbeispiele und einen Auffangtatbestand auf. 1. Wichtiger Grund in der Person des Dritten 30 Das Vorliegen eines wichtigen Grundes in der Person des Dritten beurteilt sich nach den gleichen Anforderungen wie bei § 540 BGB (vgl. § 540 BGB Rz. 75), wobei es immer darauf ankommt, dass eine für das Wohnraummietverhältnis bestimmte Situation gegeben sein muss. 2. Überbelegung 31 Die Überbelegung der Wohnung kann sich an den Vorgaben des Wohnungsaufsichtsgesetzes des jeweiligen Bundeslandes orientieren. Insoweit ist es unerheblich, ob die Überschreitung der Orientierungswerte durch Zuzug oder Geburt von Familienangehörigen überschritten werden5. Maßgeblich ist vielmehr, ob mit der Überbelegung tatsächlich eine übermäßige Abnutzung verbunden ist. Deshalb kann der Vermieter nicht allein deshalb widersprechen, weil die Wohnung z.B. durch Zuzug von Kindern des Mieters in erheblichem Umfang überbelegt ist. Vielmehr müssen auch den Vermieter beeinträchtigende Auswirkungen festgestellt werden können6.

1 2 3 4

LG Berlin v. 23.6.1998 – 64 S 45/98, ZMR 1998, 636 = NZM 1999, 71 = GE 1998, 1089. Staudinger/Emmerich, § 553 BGB Rz. 5. Blank/Börstinghaus, § 553 BGB Rz. 10. BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 371/02, ZMR 2004, 100; BGH v. 3.10.1984 – VIII ARZ 2/84, MDR 1985, 401 = FamRZ 1985, 42 = NJW 1985, 130. 5 AG Hanau v. 16.2.1996 – 34 C 1372/94, WuM 1997, 556. 6 BGH v. 14.7.1993 – VIII ARZ 1/93, MDR 1993, 970 = WuM 1993, 529 = ZMR 1993, 508.

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§ 553 BGB

Die Rechtsprechung zur fristlosen (vgl. § 543 BGB Rz. 115) und fristgerechten (vgl. 32 § 573 BGB Rz. 67) Kündigung kann uneingeschränkt auf das Tatbestandsmerkmal übertragen werden. Deshalb kann der Vermieter die Erlaubnis nicht allein deshalb versagen, weil in der 78 qm großen Wohnung insgesamt sieben Personen wohnen würden1. 3. Sonstige Unzumutbarkeitsgründe Weitere Umstände, die die Versagung der Erlaubnis rechtfertigen sollen, müssen den 33 Regelbeispielen vergleichbar sein, also erhebliche Belange des Vermieters berühren2. Das ist noch nicht der Fall, wenn der Vermieter die Wohnung verkaufen will. Ethische und sonstige Moralanschauungen des Vermieters sind grundsätzlich unbedeutend, solange er nicht selbst im Objekt wohnt oder bestimmte Moralvorstellungen sein Erscheinungsbild prägen (z.B. örtliche katholische Kirchengemeinde als Vermieter)3. Insoweit ist zwar auch zu berücksichtigen, dass die Wohnung letztlich der Ort ist, an dem der Mieter seine Persönlichkeit frei entfalten kann. Mindestens gleichwertige grundrechtlich geschützte Werte sind aber zu respektieren. Die verstärkte Abnutzung durch den Zuzug des Dritten kann kein Argument sein, 34 weil sie bei der Überbelegung relevant ist. Dies gilt erst recht, wenn die Wohnung durch die Aufnahme einer weiteren Person lediglich die vertraglich vorausgesetzte Abnutzung erfährt4. V. Erhebung eines Untermietzuschlages Die Erhebung eines Untermietzuschlages setzt nach § 553 Abs. 2 BGB voraus, dass 35 dem Vermieter die Erlaubniserteilung nur bei einer angemessenen Erhöhung der Miete zuzumuten ist. Stimmt der Mieter der Festlegung des Zuschlages nicht zu, gilt die Erlaubnis des Vermieters als verweigert. Zur Herausgabe des vom Mieter erzielten Mehrerlöses vgl. § 540 BGB Rz. 87 ff. Der Vermieter hat grundsätzlich keinen Anspruch auf die Mieterhöhung, erst recht 36 nicht bei unberechtigter Untervermietung5. Vielmehr setzt die Entstehung des Zuschlages eine Einigung der Parteien voraus. Das Angebot liegt regelmäßig in der Erteilung der Erlaubnis verbunden mit dem Begehren nach erhöhter Miete. Dieses muss der Mieter annehmen, was stillschweigend geschehen kann. Daraus entsteht eine Mieterhöhungsvereinbarung gemäß § 557 BGB. Die Vereinbarung gilt fort, wenn die Untermiete beendet ist6, solange nicht z.B. eine 37 auflösende Bedingung bestimmt wurde7. Inwieweit eine solche Abrede stillschweigend getroffen wurde, ist eine Frage des Einzelfalls. Allein aus der Bezeichnung „Untermietzuschlag“ kann dies nicht gefolgert werden8. Immerhin wird dieser „Zuschlag“ auch Teil der Miete, die gemäß § 558 BGB Grundlage der Mieterhöhungen wegen gestiegener ortsüblicher Vergleichsmiete wird. Allenfalls wenn in diesem Verfahren der „Zuschlag“ von den Parteien als Fremdkörper behandelt wird, indem der Zuschlag an der Erhöhung nicht teilnimmt, liegt ein Indiz für eine auflösende Bedingung vor.

1 LG Kempten v. 26.7.1995 – 5 S 1276/95, WuM 1997, 371 = NJW-RR 1996, 264; a.A. AG Zwickau v. 21.4.1995 – 4 C 0438/95, WuM 1996, 409. 2 OLG Hamm v. 17.8.1982 – 4 REMiet 1/82, MDR 1983, 56 = FamRZ 1983, 273 = NJW 1982, 2876 (2880). 3 A.A. OLG Hamm v. 23.10.1991 – 30 REMiet 1/91, MDR 1992, 156 = FamRZ 1992, 308 = ZMR 1992, 20. 4 LG Stuttgart v. 2.4.2008 – 5 S 224/07, MietRB 2008, 229; Börstinghaus, GE 1996, 88 (90); a.A. LG München v. 28.7.1999 – 14 S 7728/99, WuM 1999, 575. 5 BGH v. 13.12.1995 – XII ZR 194/93, NJW 1996, 838 = ZMR 1996, 189 = MDR 1996, 461. 6 AG Kiel v. 4.11.1983 – 16 C 317/83, WuM 1985, 262; Schmidt-Futterer/Blank, § 553 BGB Rz. 16; Sonnenschein, PiG 23, 167, 182. 7 Vgl. dazu Börstinghaus, GE 1996, 88 (90). 8 A.A. Blank/Börstinghaus, § 553 BGB Rz. 17.

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38 Für die Zulässigkeit des Zuschlages kommt es nicht darauf an, ob der Vermieter durch die Untervermietung zusätzlich belastet wird1, etwa durch erhöhte Betriebskosten oder eine höhere Abnutzung. Ebenso unbedeutend ist die Frage, ob sich durch die Untervermietung die Anzahl der die Wohnung nutzenden Personen erhöht2. Maßgeblich ist im Rahmen des § 553 BGB – richtigerweise – allein, dass der Vermieter durch die Genehmigung zur Untervermietung z.B. einzelner Zimmer eine zusätzliche, am Markt regelmäßig gesondert vergütete Leistung erbringt3. 39 Der Maßstab des § 26 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 NMV ist hier nicht anwendbar4. Die Vorschrift gilt unmittelbar nur für preisgebundenen Wohnraum. Auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht. Es fehlt jedenfalls an einer Interessengleichheit. Die Kostenmiete wird anhand einer Wirtschaftlichkeitsberechnung ermittelt, die es dem Vermieter erlaubt, die zur Deckung der laufenden Aufwendungen erforderliche Miete unabhängig vom Markt zu verlangen. Dagegen richtet sich die Miete auf dem hier relevanten Markt für nicht preisgebundenen Wohnungsbau nach den Kriterien Angebot und Nachfrage. Eine Korrektur über § 26 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 NMV würde ein dem freien Wohnungsmarkt fremdes Kostenelement einführen. Auch auf die ortsübliche Vergleichsmiete kommt es nicht an. Die Erhöhung der Miete wegen Genehmigung der Untervermietung nach § 553 Abs. 2 BGB ist Entgelt für eine zusätzliche Leistung des Vermieters und beruht daher auf einem anderen Rechtsgrund als eine Mieterhöhung nach § 558 BGB. Dessen Maßstab ist daher von vorneherein nicht anwendbar. Selbst wenn die aktuelle Miete über der ortsüblichen Miete für vergleichbare Wohnungen liegt, führt dies nicht dazu, dass dem Vermieter die Genehmigung zur weitergehenden Untervermietung auch ohne eine Erhöhung der Miete zumutbar ist. Damit würde nämlich außer Acht gelassen, dass die erhöhte Miete Gegenleistung für die Einräumung des erweiterten Mietgebrauchs ist und marktüblicherweise eine solche Erweiterung nur gegen eine Erhöhung der bereits gezahlten Miete – unabhängig von deren Höhe – gewährt wird. Bei einer Mieterhöhung gemäß § 558 BGB wird demgemäß ein etwaiger Untermietzuschlag außer Betracht gelassen5; umgekehrt ist dementsprechend bei dessen Ermittlung die ortsübliche Vergleichsmiete nicht zu berücksichtigen. 40 Der Zuschlag kann in angemessener Höhe vereinbart werden. Insoweit wird allgemein davon ausgegangen, dass 20 % der Untermiete in der Regel noch innerhalb dieser Grenze liegen6. VI. Erlöschen und Widerruf der Erlaubnis 41 Die erteilte Erlaubnis erlischt mit Zeitablauf, wenn sie befristet erteilt wurde7 und der Mieter nicht rechtzeitig eine Verlängerung beantragt. Auch mit dem Auszug des Dritten, dessen Aufnahme der Vermieter zugestimmt hat, wird die Erlaubnis hinfällig. Schließlich kann sich auch der Vorbehalt, den der Vermieter mit der Erlaubnis verbunden hat, realisieren, so dass mit dem Widerruf die Erlaubnis unwirksam wird. Das Gleiche gilt bei einem Widerruf aus wichtigem Grund (vgl. § 540 BGB Rz. 67). 42 Im Übrigen wird die Erlaubnis unwirksam, wenn der Mieter endgültig aus der Wohnung auszieht8. Ein solcher Auszug ist aber nicht allein deshalb anzunehmen, weil der Mieter die Wohnung nur noch einmal monatlich nutzt9. Vielmehr ist eine vollständige Besitzaufgabe erforderlich. Deshalb wird die Aufnahme naher Angehöriger (z.B. Tochter und Enkel) in die Mietwohnung nicht dadurch mietvertragswidrig, dass der 1 A.A. Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1024; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 553 BGB Rz. 7. 2 LG Berlin v. 18.12.2003 – 67 S 277/03, MM 2004, 46. 3 AG Hamburg v. 13.9.2007 – 49 C 95/07, ZMR 2008, 213; vgl. auch Proppe, ZMR 2008, 802; Schmidt-Futterer/Blank, § 553 BGB Rz. 17; Staudinger/Emmerich, § 553 BGB Rz. 16. 4 A.A. Lammel, § 553 BGB Rz. 25. 5 BayObLG v. 25.3.1986 – REMiet 4/85, WuM 1986, 205. 6 AnwKomm/Hinz, § 553 BGB Rz. 19; Blank/Börstinghaus, § 553 BGB m.w.N. 7 Was zulässig ist: LG Stuttgart v. 21.11.1991 – 6 S 208/91, WuM 1992, 122. 8 LG Frankfurt v. 9.10.1992 – 2/17 S 370/91, NJW-RR 1993, 143. 9 AG Hamburg v. 12.5.2005 – 44 C 344/04, zitiert nach juris.

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§ 554a BGB

Barrierefreiheit

Mieter sein Leben überwiegend auf Mallorca verbringt1. Das Gleiche gilt bei einer vorübergehenden Abwesenheit aus berufsbedingten Gründen, wenn der Mieter rückkehrwillig ist2. C. Gewerberaummiete Die Vorschrift kann in einem Mietverhältnis über Gewerberaum nur Anwendung fin- 43 den, wenn ihre Geltung vereinbart ist3. Dies kann ausdrücklich geschehen, aber auch mittelbar durch Formulierungen, aus denen hervorgeht, dass dem Mieter unter ganz bestimmten Umständen, insbesondere bei Vorliegen eines berechtigten Interesses, ein Anspruch auf Zustimmung zur Untervermietung zustehen soll. Aber auch die Formulierung, dass die Untervermietung nur aus wichtigem Grund versagt werden kann, macht deutlich, dass dem Mieter ansonsten ein Anspruch auf Zustimmung zur Untervermietung zusteht4 (vgl. im Übrigen § 540 BGB Rz. 112).

§ 554 (aufgehoben5)

§ 554a Barrierefreiheit (1) Der Mieter kann vom Vermieter die Zustimmung zu baulichen Veränderungen oder sonstigen Einrichtungen verlangen, die für eine behindertengerechte Nutzung der Mietsache oder den Zugang zu ihr erforderlich sind, wenn er ein berechtigtes Interesse daran hat. Der Vermieter kann seine Zustimmung verweigern, wenn sein Interesse an der unveränderten Erhaltung der Mietsache oder des Gebäudes das Interesse des Mieters an einer behindertengerechten Nutzung der Mietsache überwiegt. Dabei sind auch die berechtigten Interessen anderer Mieter in dem Gebäude zu berücksichtigen. (2) Der Vermieter kann seine Zustimmung von der Leistung einer angemessenen zusätzlichen Sicherheit für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes abhängig machen. § 551 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. (3) Eine zum Nachteil des Mieters von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist unwirksam. Inhalt A. I. II. III. IV. V.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen

. . . . . .

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B. I. 1. 2. 3. 4.

Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . Anspruch auf Zustimmung . . . . Privilegierter Personenkreis . . . Begriff der Behinderung . . . . . . Beabsichtigte Maßnahme . . . . . Erforderlichkeit der Maßnahme

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8 9 10 12 13 19

1 2 3 4

LG Hamburg v. 5.10.1999 – 316 S 133/98, WuM 1999, 687 = NZM 2000, 379. LG Berlin v. 14.2.1994 – 67 S 297/93, MM 1994, 210 = NJW-RR 1994, 1289. A.A. Blank/Börstinghaus, § 553 BGB Rz. 1. OLG Düsseldorf v. 1.6.2010 – 24 U 32/10, GE 2011, 336 = GuT 2011, 281; OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 105/01, WuM 2002, 673 = ZMR 2003, 177 = OLGR 2003, 197. 5 Aufgehoben durch MietRÄndG v. 11.3.2013, BGBl. I, S. 434 ff.

Lützenkirchen/Dickersbach

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§ 554a BGB 5. Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsfolge. . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gewährleistungsrechte anderer Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Besonderheiten bei Eigentumswohnungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

Barrierefreiheit ..... .....

22 28

..... .....

34 37

.....

1. 2. V. VI.

WEG-rechtliche Ausgangslage . . . Prozessuales Vorgehen . . . . . . . . . Zusätzliche Sicherheit. . . . . . . . . . Entfernung der Veränderung oder Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

... ... ...

40 42 45

...

52

C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . .

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A. Allgemeines I. Anwendungsbereich 1 Die Norm ist, da in § 578 BGB eine Verweisung fehlt, nur auf Wohnraummietverhältnisse anwendbar, und zwar auch auf solche i.S.d. § 549 Abs. 2 und 3 BGB. II. Entwicklung 2 Die Vorschrift ist durch das MRRG zum 1.9.2001 eingefügt worden und soll dem Mieter die Möglichkeit bieten, Hindernisse in der Wohnung, die wegen einer nachträglichen Behinderung oder altersbedingten Bewegungseinschränkungen entstehen, auf eigene Kosten zu beseitigen1. 3 Die Einführung des § 554a BGB beruht auf der grundlegenden Treppenlift-Entscheidung des BVerfG2, in der der Senat feststellte, dass das durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ebenfalls geschützte Besitzrecht des Mieters verletzt werde, wenn bei der ablehnenden Entscheidung über die Zulässigkeit baulicher Veränderungen allein auf die Belange des Vermieters abgestellt werde. Die Interessen des Mieters würden durch eine möglichst ungehinderte Nutzung seiner Wohnung bestimmt. Dazu gehöre auch die Mitbenutzung des Treppenhauses, das zu seiner Wohnung hinführt. Habe der Mieter zulässigerweise einen Lebensgefährten in die Wohnung aufgenommen, erstrecke sich das Recht des Mieters i.S.v. Art. 14 Abs. 1 GG auch darauf, dass dem Lebensgefährten der Zugang zur Wohnung gewährt werde. Grundsätzlich unterliege zwar die bauliche Gestaltung der allen Mietern dienenden Gemeinschaftsanlagen der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Vermieters. Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf, könne es dem Vermieter jedoch gebieten, dem Mieter die Erlaubnis zur Installation eines Behindertenliftes im Treppenhaus zu erteilen, wenn der Lebensgefährte des Mieters nur so ungehindert Zugang zur Wohnung habe, obwohl der Einbau möglicherweise zu Nachteilen für andere Mieter (Verengung der Fluchtwege) führe3. III. Regelungsgehalt 4 Mit Einführung des § 554a BGB sollte das Recht des Mieters zum Gebrauch des Mietobjektes nicht eingeschränkt werden. Vielmehr ist der Mieter berechtigt, die Mietsache in dem gleichen Umfang zu nutzen, wie vor Einführung des § 554a BGB4. Der Mieter sollte durch die Vorschrift nicht schlechter gestellt werden als zuvor5. § 554a BGB greift erst ein, wenn nach den allgemeinen Regeln die Mieterbefugnis, die zur vertragsgemäßen Nutzung des Mietobjekts erforderlichen Einrichtungen auch ohne Zustimmung des Vermieters anzubringen, nicht ausreicht, was z.B. in Bezug auf bauliche Veränderungen (vgl. § 554a BGB Rz. 13 ff.) in der Regel der Fall ist6. Darüber hinaus kann der Mieter u.U. auch einen Anspruch auf Erteilung einer Zustimmung zu einer nicht unter § 554a BGB fallenden Maßnahme geltend machen, z.B. Installation

1 BT-Drucks. 14/5663, S. 78. 2 BVerfG v. 28.3.2000 – 1 BvR 1460/99, WuM 2000, 298 = ZMR 2000, 435. 3 BVerfG v. 28.3.2000 – 1 BvR 1460/99, WuM 2000, 298 = ZMR 2000, 435; a.A. seinerzeit LG Köln v. 30.10.1997 – 6 T 472/97, NZM 1998, 759. 4 BT-Drucks. 14/5663, S. 78; Staudinger/Rolfs, § 554a BGB Rz. 2; Drasdo, WuM 2002, 123. 5 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 3. 6 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 5.

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einer Parabolantenne, vgl. § 535 BGB Rz. 793. Der Anwendungsbereich des § 554a BGB ist allein auf Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit einer Wohnung beschränkt und hat keinen abschließenden Charakter für sonstige Maßnahmen oder Einrichtungen1. IV. Zweck der Vorschrift § 554a BGB soll die Verhandlungsposition behinderter Menschen gegenüber ihrem 5 Vermieter stärken2, stellt also keine abschließende Regelung der Mieterrechte im Zusammenhang mit der Einrichtung und Ausstattung der Mietwohnung dar. Dem Mieter soll auf diese Weise die Möglichkeit gegeben werden, trotz seiner Behinderung in seiner angestammten und vertrauten Umgebung verbleiben zu können und die Belastungen eines Wohnungswechsels zu vermeiden3. Es sollte Rechtssicherheit für den Mieter geschaffen werden. Durch die Regelung in § 554a Abs. 2 BGB wird jedoch gleichermaßen klargestellt, dass das finanzielle Risiko beim Mieter verbleiben soll. Die der Vorschrift innewohnende gesetzgeberische Wertung kann auch bei der Auslegung der wechselseitigen Pflichten der Vertragsparteien im Rahmen des § 535 BGB herangezogen werden, z.B. beim Abstellen von Gehhilfen, z.B. Rollatoren, im Treppenhaus4. V. Abweichende Vereinbarungen § 554a Abs. 1 BGB ist zum Nachteil des Mieters gemäß § 554a Abs. 3 BGB nicht ab- 6 dingbar. Demgemäß kann also der Vermieter von einem behinderten Mietinteressenten insbesondere nicht die Bestätigung verlangen, dass er auf die Ausführung seiner Rechte nach § 554a BGB verzichtet. Vereinbarungen im Einzelfall, insbesondere zur Umsetzung der gewünschten Maßnahme, sind davon jedoch nur berührt, wenn sie einen abstrakt generellen Inhalt haben, z.B. genereller Verzicht auf Mieterschutzrechte auch für die Zukunft (vgl. ausführlich § 557 BGB Rz. 7 ff.). Von dem Verbot abweichender Vereinbarungen wird die Regelung in § 554a Abs. 2 7 BGB ausdrücklich ausgenommen. Zwar verweist § 554a Abs. 2 BGB wiederum auf § 551 Abs. 4 BGB, wonach ebenfalls zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen unwirksam sind. Diese Verweisung bezieht sich jedoch lediglich auf die Regelung des § 551 Abs. 3 BGB, auf die ebenfalls in § 554a Abs. 2 BGB verwiesen wird, so dass also eine andere als die vom Vermögen des Vermieters getrennte Aufbewahrung der Sicherheit unzulässig ist5. Inhaltlich kann § 554a Abs. 2 BGB auch zum Nachteil des Mieters abgeändert werden. Der Vermieter könnte also z.B. im Vertrag von vornherein eine der Höhe nach festgelegte Sicherheit verlangen, wobei jedoch die Grundsätze des § 307 BGB zu beachten sind. B. Wohnraummiete Die Vorschrift des § 554a BGB bildet von dem Grundsatz, dass der Vermieter bei sei- 8 ner Entscheidung über die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung unter anderem die Belange anderer Mieter, das Willkürverbot sowie die Interessen des Mieters zu berücksichtigen hat, keine Ausnahme. Durch die Regelung sollen aber gerade ältere Menschen, für die ein Umbau wegen einer altersbedingten Gebrechlichkeit wichtig werden kann, um in der angestammten Wohnung bleiben zu können, ermutigt werden, in eine Auseinandersetzung mit dem Vermieter über behindertengerechte Einrichtungen einzutreten6.

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Blank/Börstinghaus, § 554a BGB Rz. 2. BT-Drucks. 14/5663, S. 166; Both in Herrlein/Kandelhard, § 554a BGB Rz. 4. LG Duisburg v. 10.12.1996 – 23 S 452/96, ZMR 2000, 463; Staudinger/Rolfs, § 554a BGB Rz. 3. Vgl. BGH v. 10.11.2006 – V ZR 46/06, MDR 2007, 453 = NJW 2007, 146; LG Hannover v. 17.10.2005 – 20 S 39/05, NZM 2007, 245; AG Hannover v. 13.5.2005 – 503 C 3987/05, NJW 2006, 3359. 5 BT-Drucks. 14/5663, S. 168. 6 Vgl. BT-Drucks. 14/5663, S. 165; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 2.

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I. Anspruch auf Zustimmung 9 Gemäß § 554a Abs. 1 BGB steht dem Mieter ein Anspruch auf die Zustimmung des Vermieters zu baulichen Veränderungen oder sonstigen Einrichtungen zu, die für eine behindertengerechte Nutzung der Mietsache oder den Zugang zu ihr erforderlich sind, wenn er ein berechtigtes Interesse daran hat. 1. Privilegierter Personenkreis 10 Notwendig für den Anspruch auf Zustimmung ist, dass der Mieter ein berechtigtes Interesse an der behindertengerechten Nutzung der Mietsache oder am behindertengerechten Zugang geltend machen kann. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm (vgl. § 554a BGB Rz. 2) sowie ihrem Sinn und Zweck folgt, dass der Mieter selbst oder ein Haushaltsangehöriger behindert sein muss1. Der denkbare Personenkreis umfasst zunächst alle diejenigen, für deren Aufnahme es keiner Erlaubnis des Vermieters i.S.v. §§ 540, 553 BGB bedarf, also insbesondere den Ehegatten, enge Familienangehörige, den Lebenspartner oder den Lebensgefährten (vgl. § 540 BGB Rz. 35). Die behinderte Person muss noch nicht zum Haushalt des Mieters gehören, die Aufnahme, z.B. eines gebrechlichen Elternteils, muss aber zumindest in Kürze beabsichtigt sein. 11 Teilweise wird vertreten, dass auch der regelmäßige Besucher in den von § 554a BGB begünstigten Personenkreis einzubeziehen ist, da der Empfang von (behinderten) Besuchern Bestandteil der vertraglichen Nutzung ist2. Diese Auslegung ist zwar vom Wortlaut der Vorschrift, nicht aber von ihrem Sinn und Zweck gedeckt. Die Norm zielt darauf ab, den in der Wohnung lebenden Personen trotz entsprechender Einschränkung auch künftig einen weiteren Aufenthalt in der Wohnung zu ermöglichen (vgl. § 554a BGB Rz. 2). Der erleichterte Zugang für am Mietverhältnis nicht beteiligte Personen soll nicht gewährleistet sein, so dass die Vorschrift einer teleologischen Reduktion zu unterziehen ist. Andere lassen den Anspruch des Mieters hingegen regelmäßig an der vorzunehmenden Interessenabwägung scheitern3. Erst recht sind behinderte Personen, die den Mieter nur gelegentlich besuchen, nicht in den Schutzbereich der Norm einbezogen4. 2. Begriff der Behinderung 12 Der Begriff der Behinderung ist nicht im engen Sinne des Sozialrechts, wie etwa in § 3 BGG oder § 2 SGB IX, zu verstehen. Vielmehr reicht grundsätzlich jede erhebliche und dauerhafte Einschränkung der Bewegungsfähigkeit aus, unabhängig davon, ob sie bereits bei Mietbeginn vorhanden ist5 (vgl. insoweit aber auch § 554a BGB Rz. 24) oder erst im Laufe des Mietverhältnisses, z.B. aufgrund eines Unfalls oder des Alterungsprozesses, entsteht6. Unerheblich ist, ob die Beeinträchtigung behördlich, z.B. durch Ausstellung eines Behindertenausweises, anerkannt ist7. Das typische Beispiel ist der Mieter, der die Wohnung altersbedingt umgestalten möchte, um nicht in ein Pflegeheim ziehen zu müssen8. Erfasst werden aber nicht nur körperliche Einschränkungen, selbst wenn diese in der Praxis im Vordergrund stehen. Vorstellbar sind auch Maßnahmen zugunsten einer in den privilegierten Personenkreis fallenden Person mit einer geistigen Behinderung9. Unerheblich ist, ob der Mieter die Behinderung zu vertreten hat, sie also z.B. Folge eines selbstverschuldeten Verkehrsunfalls ist.

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BT-Drucks. 14/5663, S. 167; Staudinger/Rolfs, § 554a BGB Rz. 5. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 32. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 32. Blank/Börstinghaus, § 554a BGB Rz. 7; Staudinger/Rolfs, § 554a BGB Rz. 5. Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender/Mersson, § 554a BGB Anm. 3.1; Both in Herrlein/Kandelhard, § 554a BGB Rz. 13. BT-Drucks. 14/5663, S. 167. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 8. BT-Drucks. 14/5663, S. 165. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 9; Mersson, NZM 2002, 313.

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Unter baulichen Veränderungen sind alle Eingriffe in die Bausubstanz zu verstehen, 13 die in der Regel nicht mehr unter den vertragsgemäßen Gebrauch i.S.d. § 535 BGB fallen1. Räumlich können sich die Maßnahmen auf die Mieträume selbst oder den Zugang be- 14 ziehen. Deshalb kann sich der Anspruch auf Zustimmung auch auf andere Gebäudeteile beziehen, wie etwa Veränderungen im Treppenhaus oder der Eingangstreppe. Ebenfalls können Veränderungen an Balkonen, Terrassen, Kellern oder Mansarden betroffen sein2. Beispiele Innenbereich: – Treppenlift, – Einbau einer behindertengerechten Duschwanne, – Einbau eines behindertengerechten WC3, – Neuverlegung von Leitungen, – Versetzen von Lichtschaltern4, – Türdurchbrüche zur Schaffung breiterer Durchgänge.

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Beispiele Außenbereich: 16 – Beseitigung störender Stufen5, – Errichtung einer Rampe zur Terrasse, – Errichtung einer Rampe zur Hauseingangstür6, – Verbreiterung der Hauseingangstür, – Entfernung von Türschwellen, – Balkonabsturzsicherungen, – Versetzung von Müllcontainern7, – Verbreiterung von Garagen und Stellplätzen, um den Ein- und Ausstieg zu erleichtern. Nicht betroffen ist die erstmalige Schaffung eines Abstellplatzes für einen Rollstuhl8. Mit dem Auffangmerkmal sonstige Einrichtungen sollen insbesondere Maßnahmen 17 erfasst werden, die nicht massiv in die Bausubstanz eingreifen, aber dennoch nicht mehr als zum vertragsgemäßen Gebrauch gehörend angesehen werden können. Es entspricht dem Einrichtungsbegriff i.S.d. § 539 BGB9, erfasst also insbesondere bewegliche Sachen, welche vorübergehend mit dem Mietobjekt verbunden werden und dessen wirtschaftlichem Zweck dienen10. Einrichtungen, die weder nach außen in Erscheinung treten noch Vermieterinteressen berühren, sind nach allgemeinen Grundsätzen nicht zustimmungspflichtig und fallen damit auch nicht unter § 554a Abs. 1 BGB11.

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Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 8. Drasdo, WuM 2002, 123 (124); Haas, § 554 BGB Rz. 3. Staudinger/Rolf, § 554a BGB Rz. 8. Mersson, NZM 2002, 313. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 22. AG München v. 25.11.2010 – 453 C 27330/10, NZM 2011, 206. LG Hamburg v. 29.4.2004 – 307 S 159/03, ZMR 2004, 914. Drasdo, WuM 2002, 123. Palandt/Weidenkaff, § 554a BGB Rz. 7; Blank/Börstinghaus, § 554a BGB Rz. 5. BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861. Blank/Börstinghaus, § 554a Rz. 21.

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18 Beispiele sonstiger Einrichtungen: – rutschsicherer Bodenbelag1, – Fenstersicherungen bei geistig behinderten Personen2, – Haltegriffe, z.B. im Badezimmer3. 4. Erforderlichkeit der Maßnahme 19 Die Maßnahmen müssen für eine behindertengerechte Nutzung der Räume oder den Zugang zu ihnen erforderlich sein. Die geplante Maßnahme muss dem Mieter bzw. dessen Haushaltsangehörigen die Nutzung der Wohnung erst ermöglichen, zumindest erleichtern. Der in § 554a Abs. 1 S. 1 BGB benutzte Begriff der Erforderlichkeit führt aber nicht dazu, dass der Person mit einer Behinderung das größtmögliche Opfer an Anstrengung abverlangt werden darf, bevor sie einen Anspruch auf barrierefreies Wohnen umsetzen kann. So ist ein Vermieter verpflichtet, die Drehung eines Waschbeton-Rollstuhl-Containers um 180 Grad zu dulden, wenn dies für die schwer gehbehinderte Mieterin eine Erleichterung dahin bedeutet, dass sie vom Hauseingang in vier statt bisher elf Schritten zum Rollstuhl gelangen kann4. Da § 554a BGB ein selbstbestimmtes Leben des Behinderten ermöglichen und eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gewährleisten möchte5, genügt es, wenn dies ohne die beabsichtige Maßnahme nur in deutlich eingeschränktem Umfang möglich wäre6. 20 Maßnahmen zur bloßen Erhöhung der Bequemlichkeit7 oder Sicherheit genügen aber nicht. Letzteres ist z.B. dann der Fall, wenn ein gehbehinderter Mieter eine Außenbeleuchtung anbringen möchte, um sich (weitere) Beschädigungen und Diebstahlshandlungen an seinem Fuhrpark zu ersparen8. Solange in der Wohnung eine Wechselsprechanlage vorhanden ist, ist auch die Installation einer Videokamera vor der Tür nicht erforderlich, selbst wenn der Mieter bettlägerig ist und etwa zwei Minuten benötigt, um zur Wohnungseingangstür zu gelangen9. 21 Obwohl die Vorschrift dies nicht ausdrücklich erwähnt, muss der Mieter darstellen, dass die Maßnahme durch einen geeigneten Fachmann durchgeführt werden soll. Diese Kriterien wurden insbesondere im Zusammenhang mit der Erlaubniserteilung bei Parabolantennen herausgearbeitet10. Sie gelten aber auch hier, weil der Vermieter vor unfachmännischen Eingriffen in die Bausubstanz geschützt sein muss. Dabei reicht es jedoch aus, dass der Mieter nachweist, dass er die fachgerechte Leistung (ggf. durch befreundete Dritte) erbringen kann. Der Vermieter kann nicht auf der Ausführung durch einen von ihm ausgesuchten Handwerker bestehen. Stehen sich aber verschiedene Alternativen zur Erreichung des Zwecks gegenüber, ist der Vermieter berechtigt, die Wahl zu treffen, was selbst dann gilt, wenn die ausgewählte Maßnahme teurer als die vom Mieter bevorzugte ist (vgl. § 554a BGB Rz. 29)11. 5. Abwägung 22 Die Frage der Zustimmung zu einer Umbaumaßnahme durch den Vermieter hängt von einer umfassenden Abwägung ab, und zwar zwischen dem durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Besitzrecht des Mieters an der Wohnung12 einerseits sowie an1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Staudinger/Rolf, § 554a BGB Rz. 9. Blank/Börstinghaus, § 554a BGB Rz. 6. BT-Drucks. 14/5663, S. 78; vgl. KG v. 15.6.2009 – 8 U 245/08, WuM 2009, 738. LG Hamburg v. 29.4.2004 – 307 S 159/03, ZMR 2004, 914. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 7; Braun, MDR 2002, 862. Staudinger/Rolfs, § 554a BGB Rz. 10. Both in Herrlein/Kandelhard, § 554a BGB Rz. 18; Palandt/Weidenkaff, § 554a BGB Rz. 8; a.A. wohl Blank/Börstinghaus, § 554a BGB Rz. 6. KG v. 15.6.2009 – 8 U 245/08, WuM 2009, 738. KG v. 15.6.2009 – 8 U 245/08, WuM 2009, 738. OLG Karlsruhe v. 24.8.1993 – 3 REMiet 2/93, WuM 1993, 525; OLG Hamm v. 3.9.1993 – 30 REMiet 6/92, WuM 1993, 659; OLG Stuttgart v. 8.9.1993 – 8 REMiet 1/93, WuM 1995, 306. Drasdo, WuM 2002, 123 (125); Merrson, NZM 2002, 313 (316). BVerfG v. 26.5.1993 – 1 BvR 208/93, MDR 1993, 728 = NJW 1993, 2035.

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derseits dem nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG grundrechtlich geschützten Eigentum des Vermieters. Weiter ist auch das Benachteiligungsverbot gemäß Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG zu beachten. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werdenAls Bestandteil der objektiven Werteordnung fließt dieses Verbot in die Auslegung des Privatrechts ein und ist auch von den Zivilgerichten zu beachten1, und zwar auch dann, wenn der behinderte Haushaltsangehörige nicht selbst Mieter ist2. Daneben sind die Interessen der anderen Mieter angemessen zu berücksichtigen, § 554 Abs. 2 S. 2 BGB3. Bei Großvermietern ist zudem das Benachteiligungsverbot nach dem AGG zu beachten. Die Abwägung muss sich an allen generellen und im konkreten Einzelfall erheblichen 23 Umständen orientieren, insbesondere an Art, Dauer, Schwere der Behinderung4, Umfang und Erforderlichkeit der Maßnahme. Je schwerwiegender die Behinderung ist, umso gewichtigere Maßnahmen muss der Vermieter grundsätzlich dulden. Insoweit ist auch die Dauer des Mietverhältnisses zu berücksichtigen. Ist der Mieter aufgrund eines langjährigen Mietverhältnisses in seinem Viertel verwurzelt, sind die gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten deutlich ausgeprägter als bei einer erst kurzen Mietdauer. In diesem Fall kann dem Mieter eher ein Umzug in eine bereits barrierefrei ausgebaute Wohnung abverlangt werden5. Auf Vermieterseite sind insbesondere die mit dem Umbau einhergehenden Beein- 24 trächtigungen, die Dauer der Bauzeit sowie die Möglichkeit des Rückbaus zu beachten6. Auch mögliche Haftungsrisiken des Vermieters, etwa aufgrund der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht, dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. Insoweit kann aber bedacht werden, ob durch Auflagen an den Mieter, wie etwa den Abschluss einer Haftpflichtversicherung, mögliche Nachteile für den Vermieter gemildert werden können7, so dass sie insgesamt zur Zulässigkeit der Umbaumaßnahme führen. Zu berücksichtigen ist auch, ob die Behinderung bereits bei Vertragsschluss vorlag. Hat sich der Mieter bewusst und in Kenntnis seiner Behinderung für die Anmietung einer nicht barrierefreien Wohnung entschieden, hat er hiermit zunächst einmal zum Ausdruck gebracht, dass er diese für sich als geeignet ansieht8. Auch dies ist im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen. Hat der Mieter die Maßnahmen von Beginn an geplant, diese aber dem Vermieter verschwiegen, kann hierin die Verletzung einer vorvertraglichen Verpflichtung zu sehen sein, die ebenfalls im Rahmen der Abwägung zu Lasten des Mieters zu beachten ist9. Zu berücksichtigen ist auch die bauordnungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit. 25 Steht diese der beabsichtigten Maßnahme entgegen, scheidet ein Anspruch auf Zustimmung aus10. So besteht kein Zustimmungsanspruch, wenn durch die Maßnahme, z.B. Aufzug oder Treppenlift, der Fluchtweg bauordnungswidrig eingeengt oder gar die Statik des Gebäudes beeinträchtigt wird11. Gleiches gilt für denkmalgeschützte Gebäude. Verstößt die geplante Maßnahme gegen denkmalschützende Vorschriften, ist sie unzulässig. Ebenso wie das Eigentum wird auch das Besitzrecht des Mieters durch diese Vorschriften eingeschränkt12. Hinsichtlich einer dennoch durch den Mieter vorgenommenen Maßnahme kann sowohl der Vermieter als auch die Denkmal1 BVerfG v. 19.1.1999 – 1 BvR 2161/94, NJW 1999, 1853; BayObLG v. 14.2.2002 – 2Z BR 184/01, NZM 2002, 298. 2 BVerfG v. 28.3.2000 – 1 BvR 1460/99, MDR 2000, 756 = NJW 2000, 2658. 3 AG München v. 25.11.2010 – 453 C 27330/10, NZM 2011, 206. 4 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 34. 5 Staudinger/Rolfs, § 554a BGB Rz. 13. 6 Bamberger/Roth/Ehlert, § 554a BGB Rz. 12. 7 Vgl. BVerfG v. 28.3.2000 – 1 BvR 1460/99, MDR 2000, 756 = NJW 2000, 2658; LG Duisburg v. 10.12.1996 – 23 S 452/96, ZMR 2000, 464. 8 A.A. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 19. 9 Staudinger/Rolfs, § 554a BGB Rz. 13. 10 LG Hamburg v. 6.6.2001 – 318 T 70/99, NZM 2001, 767; Staudinger/Rolfs, § 554a BGB Rz. 14; a.A. OLG München v. 12.7.2005 – 32 Wx 051/05, NZM 2005, 707. 11 Drasdo, WuM 2002, 123. 12 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 40.

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schutzbehörde Beseitigung verlangen. Dem Vermieter steht gegebenenfalls auch ein Schadensersatzanspruch zu. 26 Nach § 554a Abs. 1 S. 3 BGB sind in die Abwägung der gegenseitigen Interessen auch die Interessen anderer Mieter im Gebäude einzubeziehen. Soweit die Maßnahme sich ausschließlich auf das Wohnungsinneres beziehen, bleiben sie aber außer Betracht. Betroffen kann aber, wie in der „Treppenliftentscheidung“ des BVerfG, etwa die Frage eines Fluchtweges nach Durchführung der Maßnahme sein. Zugänge für Mitmieter dürfen nicht behindert werden. Kein Argument soll hingegen eine mögliche Minderungsbefugnis des Mitmieters während oder nach Durchführung der Veränderung sein1. Dem ist nicht zu folgen, da eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen ist und damit auch finanzielle Aspekte zu berücksichtigen sind. 27 Der Vermieter kann seine Zustimmung zu der konkreten Maßnahme im Ergebnis nur dann verweigern, wenn die Abwägung dazu führt, dass sein Interesse an der Beibehaltung des unveränderten Zustandes der Wohnung oder des Hauses das Interesse des Mieters an einem Umbau überwiegt2. Ergibt die Abwägung eine Gleichwertigkeit der wechselseitigen Interessen, gehen die Interessen des Mieters vor3. Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Regelung, nach der die Zustimmung nur zu verweigert werden darf, wenn die Vermieterinteressen die Interessen des Mieters überwiegen. 6. Rechtsfolge 28 Liegt in der Person des Mieters ein berechtigtes Interesse an der Durchführung einer Maßnahme i.S.d. § 554a BGB vor und stehen dem keine überwiegenden Interessen des Vermieters bzw. des zu berücksichtigenden Personenkreises vor, steht dem Mieter ein Anspruch auf Zustimmung des Vermieters zu, also die Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung. Eine besondere Form sieht das Gesetz für die Zustimmung nicht vor, so dass sie auch formlos, z.B. mündlich, erteilt werden kann. Der Vermieter muss die Arbeiten aber nicht selbst durchführen4. Die Zustimmung kann unter dem Vorbehalt der fachmännischen Ausführung der Maßnahme erfolgen5. Eine Ausführung durch einen Fachmann selbst kann aber nur in besonderen Ausnahmefällen verlangt werden, z.B. bei Eingriffen in die Statik oder Maßnahmen, die aufgrund gesetzlicher Regelung durch speziell zugelassene Unternehmen durchgeführt werden müssen. Die Wahl des Handwerkers obliegt im Übrigen allein dem Mieter. Möchte der Mieter die Arbeiten in Eigenleistung durchführen, kann ihm dies nicht grundsätzlich untersagt werden, der Vermieter kann vor Zustimmung aber den Nachweis der entsprechenden Fachkunde, z.B. Ausbildung, verlangen6. 29 Stehen sich verschiedene gleich geeignete Alternativen zur Erreichung des Zwecks gegenüber, ist der Vermieter berechtigt, die Wahl zu treffen, was selbst dann gilt, wenn die ausgewählte Maßnahme teurer als die vom Mieter bevorzugte ist7. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Mieter ein überwiegendes Interesse an der von ihm favorisierten Maßnahme darlegen kann. Dass es sich hierbei um die für den Mieter kostengünstigste Variante handelt, genügt aber nicht. Vielmehr sind auch insoweit die Beeinträchtigungen für die übrigen Hausbewohner und die Möglichkeit sowie der Aufwand eines Rückbaus zu berücksichtigen8. 30 Entstehen durch die bauliche Maßnahme laufende Betriebskosten, z.B. durch erhöhten Strombedarf oder für Wartungsarbeiten bei Aufzügen und Treppenliften, sind 1 2 3 4 5

Mersson, NZM 2002, 313. BT-Drucks. 14/5663, S. 167. Drasdo, WuM 2002, 123 (125). KG v. 15.6.2009 – 8 U 245/08, WuM 2009, 738; Mersson, NZM 2002, 313. MünchKomm/Bieber, § 554a BGB Rz. 15; s. auch OLG Frankfurt v. 22.7.1992 – 20 REMiet 1/91, MDR 1992, 869 = NJW 1992, 2490. 6 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 20; vgl. OLG Frankfurt v. 22.7.1992 – 20 REMiet 1/91, MDR 1992, 869 = ZMR 1992, 435. 7 Drasdo, WuM 2002, 123 (125); Merrson, NZM 2002, 313 (316). 8 Staudinger/Rolfs, § 554a BGB Rz. 18; Mersson, NZM 2002, 313.

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diese allein vom Mieter zu tragen. Gemäß § 554a BGB ist der Vermieter zwar zur Zustimmung verpflichtet, soll aber nicht mit Kosten infolge der baulichen Maßnahme belastet werden (vgl. § 554a BGB Rz. 46)1. Auch etwaige im Laufe des weiteren Mietverhältnisses notwendig werdende Reparaturen sind vom Mieter durchzuführen2. Insoweit kann der Vermieter seine Zustimmung von einer entsprechenden Erklärung des Mieters zur Kostenübernahme abhängig machen. Die Zustimmung des Vermieters führt zu einer Erweiterung der vertraglichen Rechte 31 des Mieters, begründet also eine Änderung des Mietvertrages3. Da das Gebrauchsrecht des Mieters nicht unmittelbar betroffen ist, muss der Mieter den Vermieter zusätzlich auf Duldung in Anspruch nehmen, wenn der Vermieter trotz Zustimmung oder entsprechender Verurteilung die betreffende bauliche Maßnahme nicht zulässt4. Gleiches gilt für den Fall des Rückbaus vor Beendigung des Mietverhältnisses. Auch hierfür bedarf es zunächst einer Vertragsänderung, die der Vermieter gegebenenfalls über § 313 BGB durchsetzen kann. Die Geschäftsgrundlage entfällt z.B., wenn die behinderte Person verstorben oder ausgezogen ist. Bevor die Zustimmung nicht vorliegt, darf der Mieter mit der Umsetzung der Maß- 32 nahme nicht beginnen. Beginnt der Mieter ohne die Zustimmung, verhält er sich vertragswidrig5. Dies ergibt sich auch bereits daraus, dass die zusätzliche Mietsicherheit gemäß § 554a Abs. 2 BGB – mangels abweichender Vereinbarung – vor Arbeitsbeginn zu leisten ist6. Der Vermieter ist dann gegebenenfalls berechtigt, das Mietverhältnis – auch fristlos – zu kündigen, sofern die weiteren Voraussetzungen vorliegen, oder den Mieter auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Einen vermeintlichen Anspruch auf Zustimmung kann der Mieter im Rahmen des Unterlassungsprozesses im Wege der Widerklage geltend machen. Im Fall einer Räumungsklage kann er hiermit allerdings keinen Erfolg haben, sofern die Kündigung wirksam ist. In diesem Fall besteht kein Mietverhältnis mehr, auf das ein solcher Zustimmungsanspruch gestützt werden kann. § 554a BGB gilt auch im Rahmen des Untermietverhältnisses. Begehrt der Unter- 33 mieter (berechtigterweise) die Zustimmung des Hauptmieters für die Durchführung von Maßnahmen i.S. dieser Vorschrift, muss dieser seinerseits eine entsprechende Zustimmung des Hauptvermieters einholen. Dieser Zustimmungsanspruch wird teilweise allerdings nicht auf § 554a BGB, sondern auf § 242 BGB gestützt werden, da der Hauptmieter selbst nicht behindert sei7. Dem ist nicht zu folgen. § 554a BGB setzt gerade nicht voraus, dass der Mieter selbst unter einer Behinderung leidet (vgl. § 554a BGB Rz. 10). Ausreichend ist jedes berechtigte Interesse, das aber auch darin liegen kann, dass der Mieter seinerseits gegenüber seinem Untermieter zur Zustimmung verpflichtet ist. Dies kann allerdings nur bei der berechtigten, von dem Hauptmieter gestatteten Untervermietung gelten. II. Gewährleistungsrechte anderer Mieter Je nach Ausgestaltung und Umfang der Maßnahme können die übrigen Mieter im 34 Objekt gegebenenfalls während der Durchführung der Maßnahme in ihrem eigenen Mietgebrauch beeinträchtigt werden, z.B. durch Baulärm oder Staub. Sofern es sich um Maßnahmen im Bereich der Allgemeinflächen, z.B. dem Zugangsbereich, handelt, ist auch eine nach Fertigstellung der Maßnahme fortwirkende Beeinträchtigung vorstellbar. Sofern es sich nicht nur um unwesentliche Gebrauchsbeeinträchtigungen 1 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 44. 2 Staudinger/Rolfs, § 554a BGB Rz. 19. 3 Vgl. Rips, Barrierefreiheit gemäß § 554a BGB, S. 74 ff.; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 16. 4 Rips, Barrierefreiheit gemäß § 554a BGB, S. 168; Derleder, ZWE 2004, 118. 5 AG München v. 25.11.2010 – 453 C 27330/10, NZM 2011, 206; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 15; Palandt/Weidenkaff, § 554a BGB Rz. 3; Both in Herrlein/Kandelhard, § 554a BGB Rz. 20. 6 BT-Drucks. 14/5663, S. 78. 7 So Staudinger/Rolfs, § 554a BGB Rz. 17.

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handelt, können sich diese Mieter dann gemäß § 536 Abs. 1 S. 2 BGB auf eine Mietminderung berufen. Dem wird teilweise entgegengehalten, dass dies dem Sinn und Zweck des § 554a BGB widersprechen würde, da der Vermieter dann eine dauerhafte finanzielle Einbuße hinnehmen müsste. Zudem wäre das durch Art. 14 Abs. 1 geschützte Besitzrecht1 der übrigen Mieter gleichermaßen der Sozialpflichtigkeit unterworfen, wie das Eigentum des Vermieters2. Daher könnten auf § 554a BGB gestützte bauliche Maßnahmen keine Mietminderung zugunsten der übrigen Mieter begründen3. 35 Dem ist nicht zu folgen. § 536 Abs. 1 BGB stellt allein auf die objektive Gebrauchsbeeinträchtigung des Mietobjekts ab, unabhängig davon, ob der Vermieter diese zu vertreten hat (vgl. § 536 BGB Rz. 73 ff.). Zutreffend ist, dass der Vermieter sich hinsichtlich Maßnahmen nach § 554a BGB gegenüber dem Erfüllungsanspruch der übrigen Mieter auf Unmöglichkeit berufen kann4. Dies allein führt aber nicht zum Wegfall der Gebrauchsbeeinträchtigung5. Bei einer vollständigen Zerstörung des Mietobjekts und unverhältnismäßig hohen Kosten für den Wiederaufbau („Opfergrenze“) entfällt der Erfüllungsanspruch des Mieters, ebenso wie bei den Mietgebrauch beeinträchtigenden Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück. In beiden Fällen ist die Mietminderung aber unzweifelhaft. Nach dem Verständnis der gegenteiligen Auffassung müsste das Minderungsrecht daher stets dann ausgeschlossen sein, wenn der Erfüllungsanspruch wegen Unmöglichkeit entfällt. Dies widerspricht Sinn und Zweck des Minderungsrechts. Insbesondere ist kein qualitativer Unterschied zu erkennen, ob auf dem Nachbargrundstück ein Senioren- oder Pflegeheim errichtet oder im eigenen Gebäude ein barrierefreier Zugang hergestellt wird. Nach der Gegenauffassung müsste dann in beiden Fällen eine Mietminderung ausscheiden. Eine drohende Mietminderung der übrigen Mieter ist vielmehr bereits im Rahmen der Interessenabwägung zu beachten (vgl. § 554a BGB Rz. 26). 36 Schadensersatzansprüche werden regelmäßig an einer schuldhaften Pflichtverletzung des Vermieters scheitern. Ist er gemäß § 554a Abs. 1 BGB zur Zustimmung verpflichtet, kann hierin keine Pflichtverletzung im Verhältnis gegenüber den übrigen Mietern gesehen werden. III. Prozessuales 37 Der Anspruch des Mieters ist auf Zustimmung gerichtet. Er wird prozessual im Wege der Zustimmungsklage geltend gemacht. Die Arbeiten, auf die sich die Zustimmung beziehen soll, sind dabei genauso detailliert im Klageantrag zu beschreiben, wie bei der Duldungsklage des Vermieters gemäß § 555d BGB (vgl. § 555d BGB Rz. 90). Das stattgebende Urteil ersetzt die Zustimmung und wird gem. § 894 Abs. 1 ZPO dadurch vollstreckt, dass die Willenserklärung mit Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt. Aufgrund dieser Verurteilung ist der Vermieter zur Duldung verpflichtet. Kommt er dem nicht nach, hat der Mieter allerdings keine Möglichkeit, die Duldung ohne Titel zwangsweise durchzusetzen. 37a Es stellt sich dann die Frage, ob die Klage auf Zustimmung mit einem Klageantrag auf Duldung der beabsichtigten Maßnahmen verbunden werden kann. Dies ist abzulehnen. Ohne Zustimmung des Vermieters ist der Mieter nicht berechtigt, die Maßnahme durchzuführen. Erst die Zustimmung führt zur Erweiterung der vertraglichen Rechte des Mieters und begründet einen Duldungsanspruch6. Da die Zustimmung des Vermieters allerdings erst mit Rechtskraft des Urteils ersetzt wird, ist der Duldungsanspruch vorher noch nicht entstanden. Ein (noch) nicht existenter Anspruch kann aber nicht erfolgreich klageweise geltend gemacht werden. Eine Verbindung von Zustimmungs- und Duldungsklage kann auch nicht mit der Prozessökonomie be1 2 3 4 5 6

Vgl. BVerfG v. 26.5.1993 – 1 BvR 208/93, MDR 1993, 728 = NJW 1993, 2035. Staudinger/Rolfs, § 554a BGB Rz. 20; Mersson, NZM 2002, 313. Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender/Mersson, § 554a BGB Anm. 9.3. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 49. A.A. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 49. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 16.

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gründet werden. Andernfalls würde dem Vermieter die Möglichkeit genommen, sich nach rechtskräftiger Verurteilung zur Zustimmung einer weiteren Verurteilung durch freiwilliges Dulden zu entziehen. Zudem würde er stets mit der Kostenlast des Verfahrens auch hinsichtlich der Duldung belastet, obwohl er möglicherweise im Falle einer erfolgreichen Zustimmungsklage zur Duldung bereit gewesen ist. Auch eine Klage auf künftige Leistung kommt nicht in Betracht, da auch diese voraussetzt, dass der Anspruch bereits dem Grunde nach besteht1. Im Ergebnis kann in diesem Fall nichts anderes gelten, als im Fall einer Mieterhöhung gemäß § 558 BGB. Eine Zahlungsklage kommt erst nach rechtskräftiger Verurteilung zur Zustimmung in Betracht, da erst hierdurch die Vertragsänderung herbeigeführt wird und der Zahlungsanspruch entsteht. Wird ein Duldungstitel erwirkt, kann dieser nach den allgemeinen Regeln zwangsweise vollstreckt werden2. Das Gericht hat gemäß § 139 ZPO auf eine sachgerechte Antragstellung hinzuwirken3.

37b

Der Mieter muss die Behinderung, die Erforderlichkeit der Maßnahme und seine Interessen an dem behindertengerechten Ausbau darlegen und beweisen. Dem Vermieter obliegt die Beweislast für seine gegenläufigen Interessen und für deren Überwiegen i.S.d. § 554a Abs. 1 S. 2 BGB.

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IV. Besonderheiten bei Eigentumswohnungen Sobald der Mieter in dem aufgezeigten Rahmen eine Maßnahme plant, die das Ge- 39 meinschaftseigentum tangiert, greift er nicht nur in die Rechte des Vermieters, sondern auch der übrigen Teileigentümer ein. Dies ist nicht nur der Fall, wenn eine der Treppenlift-Entscheidung4 vergleichbare Konstellation gegeben ist, also der Mieter seinen Anspruch auf ungehinderten Zugang zur Mietsache realisieren will. Auch innerhalb der Mieträume kann das Gemeinschaftseigentum betroffen sein, wenn der Mieter Veränderungen an tragenden Wänden5 oder der Wohnungseingangstüre6 vornehmen will. 1. WEG-rechtliche Ausgangslage Nach § 22 Abs. 1 WEG können bauliche Veränderungen grundsätzlich nicht mehrheit- 40 lich beschlossen werden. Sie bedürfen vielmehr der Zustimmung eines jeden Wohnungseigentümers, dessen Rechte durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Soweit eine solche Beeinträchtigung nicht vorliegt, besteht ein Anspruch auf Duldung der Maßnahme7. § 14 WEG gibt – für die Frage, ob eine Beeinträchtigung vorliegt – dabei Raum für eine die betroffenen Grundrechte zu berücksichtigende Auslegung. Bei sich gegenüberstehenden Grundrechten der Wohnungseigentümer ist eine fallbezogene Abwägung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen erforderlich8. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass dem Mieter selbst keine eigenen unmittelbaren 41 vertraglichen Ansprüche gegen die übrigen Wohnungseigentümer zustehen. Er kann die Zustimmung zu der geplanten Maßnahme nur von seinem Vermieter verlangen. Dieser muss seinerseits die Zustimmung der über das Maß von § 14 Nr. 1 WEG betroffenen Wohnungseigentümer erlangen und den Duldungsanspruch durchsetzen. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft sind auch die Interessen des Mieters zu berücksichtigen. Hieraus 1 2 3 4 5 6

Zöller/Greger, § 259 ZPO Rz. 1. Bamberger/Roth/Ehlert, § 554a BGB Rz. 25; Blank/Börstinghaus, § 554a BGB Rz. 24. Staudinger/Rolfs, § 554a BGB Rz. 22. BVerfG v. 28.3.2000 – 1 BvR 1460/99, WuM 2000, 298 = ZMR 2000, 435. BGH v. 21.12.2000 – V ZB 45/00, NZM 2001, 196. LG Saarbrücken v. 10.10.1997 – 5 T 334/97, NZM 1998, 675; LG Düsseldorf v. 10.10.1989 – 25 T 500/89, MDR 1990, 249. 7 BayObLG v. 13.7.1995 – 2Z BR 15/95, WuM 1995, 674; OLG München v. 12.7.2005 – 32 Wx 051/05, NZM 2005, 707; AG Hamburg v. 26.5.2005 – 102c II 6/05 WEG, ZMR 2005, 821. 8 OLG München v. 22.2.2008 – 34 Wx 66/07, NZM 2008, 848.

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folgt dann aber, dass der Anspruch des Mieters gegenüber seinem Vermieter nicht weiter gehen kann als dessen Anspruch gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern1. 2. Prozessuales Vorgehen 42 Führt die Interessenabwägung zu einem Anspruch des Mieters, kann der Vermieter sich nicht darauf berufen, ihm sei z.B. die Erlaubnis zur Installierung eines Treppenliftes deshalb (rechtlich) unmöglich, weil dazu die Zustimmung der Eigentümergemeinschaft erforderlich ist und diese nicht vorliegt. Die Interessenabwägung erfolgt im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter grundsätzlich nach mietrechtlichen Grundsätzen. In diesem Verhältnis stellt die fehlende Zustimmung der Eigentümergemeinschaft zu einer Veränderung des Gemeinschaftseigentums zunächst nur ein vorübergehendes Leistungshindernis dar2. Der Vermieter ist also gezwungen, den gegen ihn gerichteten Anspruch des Mieters gegenüber der Eigentümergemeinschaft durchzusetzen3. Hat der Mieter den Vermieter gerichtlich in Anspruch genommen und stellt sich in dem Verfahren heraus, dass ein Anspruch des Vermieters auf Erteilung der Zustimmung gegen die Eigentümergemeinschaft nicht von vorneherein ausgeschlossen ist, muss der Mietprozess bis zur (rechtskräftigen) Entscheidung über die Zustimmung ausgesetzt werden4. Erst wenn feststeht, dass dem Vermieter kein Anspruch gegen die übrigen Wohnungseigentümer zusteht, ist ein Anspruch des Mieters zu verneinen. Die Kosten für das Verfahren des Vermieters gegen die übrigen Eigentümer hat dieser selbst zu tragen, da er ein eigenes Recht geltend macht. Eine Freistellung kann er vom Mieter nicht verlangen5. 43 Zwar sind nach diesseitiger Auffassung im Rahmen der nach § 554a Abs. 1 S. 2 BGB notwendigen Interessenabwägung auch die Belange der übrigen Eigentümer zu berücksichtigen. Immerhin können sie als Bestandteil der Vermieterinteressen angesehen werden6. Dies allein führt allerdings nicht dazu, dass ein Urteil gegenüber dem Vermieter auch gleichzeitig eine Duldungspflicht der übrigen Eigentümer titulieren würde. Ein Urteil im Zivilprozess würde gegen die Eigentümer nur Wirkung entfalten, wenn der Mieter sie gemeinsam mit dem Vermieter verklagen würde oder eine Streitverkündung stattfindet. Ein (gerichtlich durchsetzbarer) Anspruch gegen die Eigentümergemeinschaft besteht für den Mieter jedoch nicht. Seine Rechte stützen sich allein auf den Mietvertrag. Eine Streitverkündung hilft insoweit nicht, weil gemäß den §§ 74, 68 ZPO7 nur die Umstände, die im Verhältnis der Mietvertragsparteien zu berücksichtigen sind, verbindlich werden. Der Entscheidungsprozess innerhalb der Eigentümergemeinschaft wird weder ersetzt noch behindert. Denkbar ist jedoch, dass der Vermieter den Mieter ermächtigt, seinen gegen die übrigen Eigentümer gerichteten Duldungsanspruch im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft gerichtlich geltend zu machen. Das notwendige rechtliche Eigeninteresse liegt wegen § 554a BGB vor8. 44 Sofern die Wohnungseigentümergemeinschaft einen Anspruch auf Sicherheitsleistung für etwaige Rückbaukosten hat, kann der Vermieter die Zustimmung des Mie-

1 Drasdo, WuM 2002, 123; vgl. auch LG Hamburg v. 6.6.2001 – 318 T 70/99, NZM 2001, 767; MünchKomm/Bieber, § 554a BGB Rz. 16. 2 Bärmann/Pick/Merle, § 21 WEG Rz. 146; a.A. LG Berlin v. 15.5.1987 – 65 S 279/86, WuM 1988, 156. 3 Drasdo, WuM 2002, 123 (129). 4 Blank/Börstinghaus, § 554a BGB Rz. 16. 5 A.A. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 70; Dauner-Lieb/Heidel/Ring/Hinz, § 554a BGB Rz. 42. 6 Mersson, NZM 2002, 313 (319). 7 Vgl. dazu in Zöller/Vollkommer, § 68 ZPO Rz. 9. 8 Blank/Börstinghaus, § 554a BGB Rz. 25; BayObLG v. 20.4.2000 – 2Z BR 9/00, NZM 2000, 678. Vgl. zur gewillkürten Prozessstandschaft auch BGH v. 10.11.1999 – VIII ZR 78/98, MDR 2000, 294 = NJW 2000, 738; BGH v. 5.2.2009 – III ZR 164/08, NJW 2009, 1213; Dickersbach, NZM 2009, 726.

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ters verlangen, eine geleistete Sicherheit auf die Wohnungseigentümergemeinschaft zu übertragen, bzw. die Zahlung an diese begehren1. V. Zusätzliche Sicherheit Auch und gerade weil der Mieter verpflichtet ist, bei Beendigung des Mietvertrages 45 die bauliche Veränderung rückgängig zu machen, kann der Vermieter gemäß § 554a Abs. 2 BGB seine Zustimmung von der Leistung einer angemessenen zusätzlichen Sicherheit für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes abhängig machen. Lehnt der Mieter eine berechtigterweise verlangte Sicherheit ab, kann der Vermieter seine Zustimmung verweigern. Durch den Hinweis auf eine zusätzliche Sicherheit ist zunächst klargestellt, dass die 46 nach § 551 BGB geleistete Mietsicherheit im Rahmen der Abwägung nach § 554a Abs. 1 BGB unerheblich ist. Im Übrigen kann eine angemessene Mietsicherheit verlangt werden. Demnach richtet sich die Höhe der Sicherheit nach den voraussichtlichen Kosten für den Rückbau, die z.B. durch einen Kostenvoranschlag belegt werden können2. Dabei ist dem Vermieter ein Zuschlag für voraussichtliche Lohn- und Materialkostensteigerungen zuzubilligen3. Etwaige für die Ermittlung der angemessenen Höhe der Sicherheit anfallende Kosten, z.B. für die Einholung eines Kostenvoranschlags, gehen zu Lasten des Mieters, da § 554a BGB gerade sicherstellen soll, dass der Vermieter mit keinen Kosten im Zusammenhang mit dem behindertengerechten Ausbau belastet werden soll4. Hat der Vermieter Kosten verauslagt, steht ihm ein Erstattungsanspruch zu. Allerdings trägt der Vermieter in einem Prozess die Darlegungs- und Beweislast für die Angemessenheit der verlangten Sicherheit5. Eine Sicherheit als Absicherung für ein besonderes gestiegenes Haftungsrisiko, z.B. 47 wegen einer zusätzlichen Verkehrssicherungspflicht, kann der Vermieter nicht verlangen. Dieses zusätzliche Haftungsrisiko und dessen Abmilderung, z.B. durch den Abschluss einer Haftpflichtversicherung durch den Mieter, ist im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen (vgl. § 554a BGB Rz. 24). Die durch § 554a Abs. 2 BGB vorgesehene Mietsicherheit dient ausweislich des eindeutigen Wortlauts nur der Absicherung der Kosten für die Wiederstellung des ursprünglichen Zustandes, also des Rückbaus6. Grundlage der Mietsicherheit ist eine Vereinbarung der Parteien. Sie entsteht in 48 dem Moment, in dem der Mieter in das Begehren nach einer Mietsicherheit einwilligt. Grundsätzlich ist der Vermieter frei, welche Art der Mietsicherheit er verlangt7. Auch insoweit sind allerdings die wechselseitigen Interessenlagen zu berücksichtigen. So verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn ein Vermieter eine Mietsicherheit in Form von Bargeld verlangt, obwohl er weiß, dass der Mieter diese – auch weil er die bauliche Maßnahme finanzieren muss – nicht aufbringen kann, andererseits aber eine gleichwertige Sicherheit, z.B. selbstschuldnerische Bankbürgschaft anbietet. § 554a Abs. 2 BGB verweist nicht auf § 551 Abs. 2 BGB. Somit kann der Vermieter die 49 ungeteilte Leistung der Sicherheit vor Beginn der Baumaßnahme verlangen. Der Mieter hat also bei einer Barkaution kein Recht zur Teilzahlung. Im Übrigen kommen alle denkbaren Sicherheiten in Betracht. Durch den Verweis auf § 551 Abs. 3 BGB wird lediglich deutlich, dass eine Barkaution – wie auch sonst – vom Vermieter getrennt von seinem Vermögen und verzinslich anzulegen ist8. Die Mietsicherheit ist zweckgebunden. Der Vermieter darf sich nicht wegen anderer aus dem Mietverhält1 2 3 4 5

Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 72; Drasdo, WuM 2002, 123. BT-Drucks. 14/5663, S. 78. Blank/Börstinghaus, § 554a BGB Rz. 15; Mersson, ZMR 2001, 956. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 59. Palandt/Weidenkaff, § 554a BGB Rz. 4; Geldmacher, DWW 2002, 182; a.A. Drasdo, WuM 2002, 123. 6 Bamberger/Roth/Ehlert, § 554a BGB Rz. 15. 7 Geldmacher, DWW 2002, 182; a.A. Staudinger/Rolfs, § 554a BGB Rz. 23; Blank/Börstinghaus, § 554a BGB Rz. 15, die das Wahlrecht offenbar dem Mieter einräumen möchten. 8 Rips, Barrierefreiheit gemäß § 554a BGB, S. 132; Derleder, ZWE 2004, 118.

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nis resultierender Forderungen aus der Mietsicherheit befriedigen. Erst nach erfolgtem Rückbau und wenn feststeht, dass keine Ansprüche mehr hinsichtlich der baulichen Maßnahme bestehen, entfällt die Zweckbindung und der Vermieter darf auch wegen anderer Forderungen verrechnen1. Im Falle einer Bürgschaft sind aber die konkreten Vereinbarungen des Bürgschaftsvertrages zu berücksichtigen. 50 Hat der Vermieter seine Zustimmung bereits ohne diese Bedingung erteilt, ist die nachträgliche Forderung einer zusätzlichen Mietsicherheit nicht möglich. Auch eine nachträgliche Erhöhung einer geleisteten Mietsicherheit, z.B. wegen einer Kostensteigerung, kann nicht verlangt werden2. 51 Hat der Mieter die Mietsache in vertragsgemäßem Zustand zurückgegeben, wird die Sicherheit sofort mit Beendigung der Mietzeit zur Rückzahlung (einschließlich der erwirtschafteten Zinsen) fällig3. Eine Überlegungsfrist, die die Fälligkeit des Erstattungsanspruchs hinausschieben kann, kommt nur in Betracht, wenn kein fachgerechter Rückbau stattgefunden hat. VI. Entfernung der Veränderung oder Einrichtung 52 Nach Vertragsende ist der Mieter verpflichtet (und berechtigt, §§ 539 Abs. 2, 552 BGB), die Maßnahme rückgängig zu machen und den ursprünglichen Zustand der Mietsache wiederherzustellen, sofern der Vermieter dies fordert. Dies gilt nicht, wenn die Parteien etwas anderes vereinbart haben, wofür allerdings die Vermieterzustimmung zur Durchführung der Maßnahme grundsätzlich nicht genügt4. Eine Abwendungsbefugnis sieht das Gesetz für den Mieter nicht vor. Die Rückbauverpflichtung folgt aus § 546 BGB. 53 Eine Rückbauverpflichtung kann auch schon vor Ende des Mietvertrages entstehen, etwa bei Wegfall der Behinderung, infolge Todes oder bei Auszug des behinderten Familienangehörigen5. In diesem Fall entfällt die Geschäftsgrundlage für die auf § 554a BGB gestützte Vertragsänderung (vgl. § 554a BGB Rz. 31) und der Vermieter kann gemäß § 313 BGB eine Änderung der vertraglichen Grundlage dahingehend verlangen, dass die Maßnahme bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses zurückzubauen ist6. 54 Dem Vermieter bleibt es unbenommen, nach § 552 Abs. 1 BGB vorzugehen und das Wegnahmerecht des Mieters nach § 539 Abs. 2 BGB durch Zahlung einer Entschädigung abzuwenden. 55 Der Vermieter muss gegen den säumigen Mieter u.U. nach § 281 BGB vorgehen, wenn der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werden soll. Die nach § 554a Abs. 2 BGB hinterlegte Sicherheit bleibt insoweit außer Betracht. Reicht sie nicht aus, um die Pflicht des Mieters zu finanzieren, kann der Vermieter einen Nachschuss nur verlangen, wenn die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach den allgemeinen Regeln vorliegen7. C. Gewerberaummiete In der Gewerberaummiete findet § 554a BGB keine unmittelbare Anwendung. Auch § 578 Abs. 2 BGB verweist nicht auf die Norm. Deshalb muss seine Anwendung ausdrücklich vereinbart werden.

1 Dickersbach, WuM 2006, 595; so offenbar auch Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 64; a.A. AG Köln v. 7.4.2008 – 222 C 480/07, NZM 2009, 433; vgl. auch BGH v. 11.7.2012 – VIII ZR 36/12, MDR 2012, 954. 2 Blank/Börstinghaus, § 554a BGB Rz. 15; a.A. Fischer-Dieskau/Mersson, § 554a BGB Anm. 5.2. 3 AG Köln v. 7.4.2008 – 222 C 480/07, NZM 2009, 433. 4 OLG Düsseldorf v. 14.10.2008 – I-24 U 7/08, ZMR 2009, 843. 5 Drasdo, WuM 2002, 123 (128). 6 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554a BGB Rz. 16. 7 Vgl. Rips, WuM 2003, 429 (431).

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§ 555 BGB

Unwirksamkeit einer Vertragsstrafe

Im Rahmen des § 535 BGB kann dem Einzelmieter (z.B. Freiberufler), aber auch dem 56 gewerblichen Unternehmer ein Anspruch zustehen, die Mieträume durch bauliche Veränderungen behindertengerecht herrichten zu dürfen. Immerhin sind private und öffentliche Arbeitgeber nach dem SGB IX unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, eine bestimmte Anzahl von schwerbehinderten Menschen zu beschäftigen. Das gilt regelmäßig für Arbeitgeber, die jahresdurchschnittlich mindestens 20 Arbeitnehmer beschäftigen. Sie müssen mindestens 5 % der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen oder diesen Gleichgestellten besetzen. Dieser gesetzlichen Pflicht kann der Mieter/Arbeitgeber nur nachkommen, wenn er 57 auch behindertengerechte Arbeitsplätze zur Verfügung stellen kann. Daher gehört es zum vertragsgemäßen Gebrauch, dass der Vermieter dem Mieter entsprechende Umbauarbeiten einräumt. Dafür gelten im Übrigen die allgemeinen Regeln der baulichen Veränderungen (vgl. § 535 BGB Rz. 747 ff.), so dass der Vermieter z.B. eine Sicherheit in Höhe der ungefähren Rückbaukosten verlangen kann (vgl. § 535 BGB Rz. 761).

§ 555 Unwirksamkeit einer Vertragsstrafe Eine Vereinbarung, durch die sich der Vermieter eine Vertragsstrafe vom Mieter versprechen lässt, ist unwirksam. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV. V.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

1 1 2 2 4 5 6 8

B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertragsstrafeversprechen . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 9 9

2. 3. 4. 5. 6. II.

Verfallklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . Rückzahlung einer Belohnung . . . Schadenspauschalen . . . . . . . . . . . Beispiele für unzulässige Klauseln Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragsstrafe des Vermieters. . . .

. . . . . .

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11 14 18 20 21 22

C. 1. 2. 3. 4.

Gewerberaummiete . . . . . . . . Nicht rechtzeitige Übergabe . . Vorfälligkeitsklausel . . . . . . . . Verletzung der Betriebspflicht Vorzeitige Beendigung . . . . . .

. . . . .

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. . . . .

24 27 33 34 35

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A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Vorschrift verbietet Vertragsstrafen in der Wohnraummiete, indem sie derartige 1 Vereinbarungen ohne Ausnahme für unwirksam erklärt. Für preisgebundenen Wohnraum, der bis 31.12.2001 gefördert wurde, gilt ergänzend § 9 WoBindG. Im Anwendungsbereich des WoFG ist § 28 Abs. 4 Nr. 2 WoFG zu beachten. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Norm gilt ausschließlich für Mietverträge über Wohnraum. Insoweit bestehen 2 keine Ausnahmen für Mietverhältnisse i.S.d. § 549 Abs. 2, 3 BGB. Bei Vorliegen eines gemischten Mietverhältnisses (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 64) ist die Anwendbarkeit des § 555 BGB umstritten. Nach einer Meinung soll danach zu differenzieren sein, ob sich die Vertragsstrafe auf den Wohnraum- oder den Gewerbe-

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Unwirksamkeit einer Vertragsstrafe

raumteil bezieht1. Dem wird entgegengehalten, dass die Übergewichtstheorie, die für die Zuordnung von Mischmietverhältnissen maßgeblich ist, eine Unterscheidung nicht zulässt2. Diese Sichtweise ist aber verkürzt. Denn die Übergewichtstheorie dient zunächst der Einordnung im Hinblick auf Kündigungs- und Mieterhöhungsschutz. Nur weil unter diesem Aspekt der Schwerpunkt eines Vertrages auf der Wohnraummiete liegt, verliert z.B. die Betriebspflicht ihre Bedeutung. Gerade für deren Durchsetzung bietet die Vertragsstrafe ein wirksames Mittel. Andererseits richtet sich eine derartige Verpflichtung ausschließlich an den gewerbetreibenden Mieter. Würde die Übergewichtstheorie ohne Ausnahmen die Vorgaben für die betroffenen Mietverhältnisse festlegen, wäre die Vereinbarung einer Betriebspflicht von vornherein ebenso unzulässig wie ein Konkurrenzschutz. 2. Anwendbare Rechtsprechung 4 Bis zum 1.9.2001 galt inhaltsgleich § 550a BGB a.F., der durch das Zweite Mietrechtsänderungsgesetz vom 14.7.19643 eingefügt worden war. Da das MRRG 2001 keine besondere Übergangsregelung enthielt und auch das MietRÄndG 2013 die Vorschrift unberührt gelassen hat, muss bei der Recherche keine zeitliche Differenzierung getroffen werden. Die seit 1964 ergangene Rechtsprechung ist auch heute noch gültig. III. Zweck der Vorschrift 5 § 555 BGB soll den Mieter schützen. Der Vermieter soll außer den durch die Rechtsordnung allgemein zur Verfügung gestellten Rechtsbehelfen kein Mittel erhalten, um Druck auf den Mieter bei der Durchsetzung vertraglicher Rechte ausüben zu können4. Damit dient die Vorschrift in erster Linie dem Schutz des Mieters vor einer Übervorteilung5. IV. Abweichende Vereinbarungen 6 Die Vorschrift ist schon nach ihrem Zweck unabdingbar. Dabei muss nicht unterschieden werden, ob die Vertragsstrafe vor oder während der Mietzeit versprochen wurde. Denn der Schutz vor Übervorteilung (vgl. § 555 BGB Rz. 5) findet während der Mietzeit die gleiche Berechtigung wie vorher. Deshalb greift § 555 BGB auch bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages6, selbst wenn er vor Gericht zu Protokoll beurkundet wird. 7 Mit der Beendigung des Mietvertrages kann § 555 BGB jedoch keine Wirkung mehr entfalten. Einigen sich die Parteien also nach Mietende, z.B. anlässlich eines Räumungs- oder Rückgabetermins, auf eine Verschiebung des Termins und soll die Einhaltung mit einem Druckmittel versehen werden, steht der Wirksamkeit einer Vertragsstrafe jedenfalls nicht § 555 BGB entgegen. Vielmehr gelten die §§ 339 ff. BGB. Dies muss auch gelten, wenn der vereinbarte Rückgabetermin am letzten Tag der Mietzeit oder einige Tage davor liegt. V. Beweislast 8 Die Voraussetzungen des § 555 BGB hat der Mieter zu beweisen. Die Unwirksamkeit der Vertragsstrafe ist eine für ihn günstige Tatsache, so dass er das Vorliegen eines Wohnraummietvertrages und die vereinbarte Vertragsstrafe darlegen und nachweisen muss.

1 Staudinger/Emmerich, § 555 BGB Rz. 2; Lammel, § 555 BGB Rz. 2; Franke in WoBauR, § 555 BGB Anm. 2; Bamberger/Roth/Ehlert, § 555 BGB Rz. 3. 2 Schmidt-Futterer/Blank, § 555 BGB Rz. 1. 3 BGBl. I, S. 457. 4 Schmidt-Futterer/Blank, § 555 BGB Rz. 1. 5 Staudinger/Emmerich, § 555 BGB Rz. 1. 6 Schmidt-Futterer/Blank, Nach § 542 BGB Rz. 30.

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B. Wohnraummiete I. Vertragsstrafeversprechen 1. Allgemeines Die Norm bezieht sich direkt auf Vertragsstrafeversprechen zugunsten des Vermie- 9 ters. Eine Vertragsstrafe liegt vor, wenn der Schuldner (Mieter) für den Fall, dass er eine Leistung nicht oder nicht in gehöriger Weise – insbesondere nicht rechtzeitig – erbringt, eine Zahlung verspricht, §§ 339, 341 BGB. Eine Vertragsstrafe verfolgt damit in erster Linie den Zweck, den Schuldner zur vertragsgemäßen Leistung anzuhalten, und ist damit ein Druckmittel zur Erfüllung der mit ihr verknüpften Forderung. Die vom sozialen Schutzzweck (vgl. § 555 BGB Rz. 5) gebotene weite Auslegung erfor- 10 dert die Anwendung der Norm auch auf ähnliche Abreden mit vergleichbarer Wirkung1. Demgemäß werden vom Schutzzweck des § 555 BGB auch Vertragsstrafeversprechen Dritter erfasst2. 2. Verfallklauseln Der weite Schutzzweck des § 555 BGB verlangt aber auch eine entsprechende An- 11 wendung. Dafür muss geprüft werden, inwieweit eine zugunsten des Vermieters wirkende Leistung einer Vertragsstrafe gleichkommt, indem durch die vereinbarte Konsequenz Druck auf den Mieter ausgeübt wird, bestimmte Rechte nicht wahrzunehmen oder Leistungen nicht zu fordern. Die in der Praxis häufigste Fallgruppe wird durch sog. Verfallklauseln gebildet. Dabei 12 handelt es sich um Klauseln, die für den Fall der Vertragsverletzung, der berechtigten Ausübung von Rechten oder der Inanspruchnahme von Leistungen den Verlust von Rechten vorsehen3. Grundsätzlich keine Vertragsstrafe sind dagegen Vertragsregelungen, nach denen einer Partei unter bestimmten Voraussetzungen eine „Belohnung“ zustehen soll, etwa für die Verpflichtung zu einem Verhalten, auf das der andere Vertragspartner keinen Anspruch hat. Vereinbaren die Parteien allerdings, dass die „Belohnung“ unter bestimmten Voraussetzungen entfallen oder zurückzuzahlen sein soll, kommt eine Einordnung als Vertragsstrafe oder als – dieser gleichgestellte – Verfallklausel in Betracht4. Zur Abgrenzung ist danach zu unterscheiden, für genau welche Umstände dem Begünstigten die Belohnung nach der Vereinbarung zustehen soll und ob der Verfall der Belohnung an das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eben dieser Umstände geknüpft ist5. Schließen die Parteien einen Räumungsvergleich, in dem ein bestimmter Mietrück- 13 stand festgestellt und vereinbart wird, dass der Rückstand ratenweise mit den weiteren „Mietzahlungen“ zu tilgen ist, stellt die vom Mieter für den Fall der nicht rechtzeitigen Erfüllung der Ratenzahlungspflicht übernommene Verpflichtung, die Mietwohnung zu räumen, jedenfalls dann kein unwirksames Vertragsstrafeversprechen dar, wenn im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses der Räumungsanspruch des Vermieters bei Zugrundelegung des im Vergleich festgestellten Mietrückstands begründet war6. Insoweit ist aber bereits bedenklich, ob § 555 BGB wegen der durch die vorhergehende fristlose Kündigung herbeigeführten Beendigung des Mietvertrages überhaupt Anwendung findet. Jedenfalls kann eine solche Verfallklausel aber mit § 572 BGB kollidieren7. Denn durch die Vereinbarung, dass der Mieter während der Bewährungszeit „Miete“ zahlt und ihm der Vermieter die Mieträume weiter überlässt, wird (stillschweigend) ein Mietvertrag begründet. Um dies auszuschließen, sollte im Vergleich daher ausdrücklich geregelt werden, dass ein neuer Mietvertrag erst be1 2 3 4 5 6 7

Staudinger/Emmerich, § 555 BGB Rz. 3. MünchKomm/Bieber, § 555 BGB Rz. 4; Palandt/Weidenkaff, § 555 BGB Rz. 1. BGH v. 30.5.1960 – II ZR 113/58, MDR 1960, 736 = NJW 1960, 1568. Vgl. MünchKomm/Gottwald, § 339 BGB Rz. 8. AG Hamburg-Blankenese v. 28.9.2007 – 518 C 144/07, ZMR 2008, 300. BGH v. 14.10.2009 – VIII ZR 272/08, MDR 2009, 795 = WuM 2009, 739 = NZM 2010, 39. Blank, NZM 2010, 31.

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gründet wird, wenn die Raten vollständig getilgt sind und ein neuer Mietvertrag unterschrieben wird. 3. Rückzahlung einer Belohnung 14 Vereinbaren die Parteien, dass dem Begünstigten die Belohnung als Abgeltung für ein bestimmtes Verhalten oder für den Eintritt bestimmter Umstände zustehen soll, ist das Bestehen dieser Umstände positive Entstehungsvoraussetzung für den Anspruch auf die vertragliche Belohnung. Der Umstand, dass der Anspruch auf die Belohnung bei Nichtvorliegen dieser Umstände nicht entsteht, ist keine Vertragsstrafe, sondern stellt sich als bloße Kehrseite des Nichtentstehens des Anspruchs auf die Belohnung dar. Denn in diesem Fall findet allein ein „Entfallen“ der Belohnung statt. 15 Dies gilt auch, wenn die Parteien eine Vorauszahlungspflicht für die Belohnung vereinbaren und die materiellen Voraussetzungen ganz oder teilweise als aufschiebende oder auflösende Bedingung formulieren. Dies hat nämlich zur Folge, dass dem Vertragspartner im Falle des (Nicht-)Eintritts der Bedingung ein Rückzahlungsanspruch zusteht, der zumeist aus § 812 Abs. 1 BGB folgt, wenn er nicht ausdrücklich vereinbart ist. Ist der Rückzahlungsanspruch vertraglich festgeschrieben, wird durch eine entsprechende Vereinbarung nur der äußere Anschein einer Vertragsstrafe oder Verfallsklausel erweckt. Da sie tatsächlich bloß sicherstellen soll, dass die Belohnung nur unter den vereinbarten materiellen Voraussetzungen an den Begünstigen gezahlt wird bzw. bei diesem verbleibt, kann eine solche Vereinbarung nicht als Vertragsstrafe eingestuft werden. 16 Von einer Vertragsstrafe oder Verfallklausel ist aber dann auszugehen, wenn die Parteien eine Rückzahlung der Belohnung für einen anderen Fall als den Nichteintritt der belohnungsbegründenden Umstände vereinbaren. Denn in diesem Fall liegt der Grund für die Rückzahlung nicht darin, dass – aus der Nachschau – der Begünstigte die Belohnung doch nicht verdient hat, sondern darin, dass der Begünstigte sich – je nach Fassung der Klausel – in anderer Weise nicht vertragsgerecht verhalten hat. Die Rückzahlung der Belohnung stellt dann eine (bloße) Strafe dafür dar, dass der Begünstigte sich in anderer Weise vertragswidrig verhalten hat, und dient dementsprechend lediglich als Druckmittel gegen den Begünstigten für die Einhaltung der in Bezug genommenen vertraglichen Pflichten. 17 Vor diesem Hintergrund ist eine Vereinbarung, wonach eine vom Vermieter geleistete Umzugspauschale vom Mieter zurückzuzahlen ist, wenn er innerhalb von drei Jahren das Mietverhältnis kündigt, keine unzulässige Vertragsstrafe1. 4. Schadenspauschalen 18 Schadenspauschalierungen sind nicht generell unwirksam. Maßgeblich ist insoweit, ob sie nach den Umständen des Falles dieselbe Wirkung haben wie eine Vertragsstrafe2. Das ist der Fall, wenn die Pauschale eindeutig überhöht ist und als Druckmittel dienen soll3, z.B. überhöhte Bearbeitungs-/Verwaltungs- und Mahngebühren4. Das gilt nicht für eine Vertragsausfertigungs- und Übergabegebühr, wenn es sich um einen pauschalierten Aufwendungsersatzanspruch für tatsächlich erbrachte Leistungen des Vermieters bzw. der von ihm beauftragten Verwaltergesellschaft handelt5. 19 Soweit kein Verstoß gegen § 555 BGB vorliegt, kann sich die Unwirksamkeit aus den §§ 307, 309 Nr. 5 BGB ergeben.

1 AG Potsdam v. 18.11.2002 – 24 C 397/02, GE 2003, 594. 2 OLG Hamburg, ZMR 90, 270; offensichtlich für Unwirksamkeit jeglicher Schadenspauschalierung zulasten des Wohnraummieters Staudinger/Emmerich, § 555 BGB Rz. 7. 3 MünchKomm/Bieber, § 555 BGB Rz. 4. 4 Vgl dazu AG Berlin-Charlottenburg v. 20.10.1980 – 7 C 631/79 B, WuM 1981, 227; AG Wuppertal v. 8.9.1980 – 30 C 178/80, WuM 1981, 105. 5 LG Lüneburg v. 9.9.1999 – 1 S 116/99, MDR 1999, 1315 = ZMR 2000, 303 = NZM 2000, 376.

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Unwirksamkeit einer Vertragsstrafe 5. Beispiele für unzulässige Klauseln

Eine Vertragsregelung kann dem Versprechen einer Vertragsstrafe gleichzusetzen 20 sein bei einer Klausel, die vorsieht, dass – eine Abfindungszahlung bei nicht fristgerechter Räumung zurückzuzahlen ist, wenn die fristgerechte Räumung nicht zu den Umständen gehört, die mit der Abfindung abgegolten werden sollten1, – bei Auszug „für“ den Mieter eine Auszugsgebühr (hier: in Höhe von 150 DM) fällig wird2, – im Falle der Beendigung des Mietvertrages – der Mieter vor Ablauf einer Mindestmietzeit für den auf seinen Wunsch zu Beginn der Mietzeit verlegten Laminatboden dem Vermieter für jeden Monat der vorzeitigen Beendigung einen bestimmten Anteil der aufgewendeten Verlegungskosten zahlen muss3, – der Mieter vor Ablauf einer Mindestmietzeit das (Rest-)Darlehen, das der Vermieter zum Erwerb von Inventargegenständen vom Vormieter gewährt hat, sofort zurückzahlen muss, ohne die Einrichtungen mitnehmen zu können, – dem Vermieter ein Anspruch auf Zahlung einer Monatsmiete zum Ausgleich der ihm durch die frühzeitige Beendigung des Mietverhältnisses entstandenen Kosten zusteht4, – der Mieter bei einer Kündigung vor Ablauf der Vertragszeit eine Schadenspauschale für den damit verbundenen Verwaltungsaufwand des Vermieters zahlen soll5, – eine Geldzahlung als Gegenleistung für die vorzeitige Vertragsaufhebung zu entrichten ist6, – Verwendungsersatzansprüche bei vom Mieter zu vertretender vorzeitiger Kündigung entfallen7, – die Kaution verfällt, falls der Mieter im ersten Jahr nach Vertragsbeginn auszieht8, – für Mahngebühren (hier: 20 DM = 10 Euro) und Verzugszinsen (hier: 12 %) Pauschalen gelten9. 6. Rechtsfolge Ein Verstoß gegen § 555 BGB führt nur zur Unwirksamkeit des Vertragsstrafever- 21 sprechens, § 134 BGB. Der Mietvertrag im Übrigen bleibt wegen des Schutzzwecks der Norm wirksam. Geschützt wird nur der Mieter (vgl. § 555 BGB Rz. 5). II. Vertragsstrafe des Vermieters Vertragsstrafeversprechen des Vermieters sind bei Beachtung der allgemeinen Vor- 22 schriften wirksam, §§ 339 f. BGB. Den Ausgangspunkt bildet insoweit § 339 BGB, der dem Schuldnerschutz dient10. Nach dieser Vorschrift ist eine Vertragsstrafe verwirkt, wenn der Schuldner „in Verzug kommt“. Voraussetzung hierfür ist, dass der Schuldner die Nicht- oder Schlechtleistung zu vertreten hat, § 286 Abs. 4 BGB. Dies erfordert grundsätzlich ein Verschulden gemäß § 276 BGB. Von diesem Grundgedanken weicht eine Klausel ab, in der der Vermieter mit Straf- 23 zahlung belegt wird, weil er im Rahmen einer Modernisierungsmaßnahme nicht die 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

AG Hamburg-Blankenese v. 28.9.2007 – 518 C 144/07, ZMR 2008, 300. LG Augsburg v. 1.12.1998 – 10 T 4930/98, ZMR 1999, 257. LG Berlin v. 19.4.2007 – 62 S 11/07, GE 2007, 1695. AG Siegburg v. 27.3.1997 – 2a C 359/96, ZMR 1997, 359. AG Wiesbaden v. 21.9.1995 – 98 C 397/95-38, WuM 1996, 25. AG Charlottenburg v. 20.11.1995 – 21a C 224/95, GE 1996, 869. Mersson, NZM 773, 774; Emmerich/Sonnenschein, § 555 BGB Rz. 3. LG Mannheim v. 11.12.1975 – 4 S 62/75, WuM 1977, 99. AG Schöneberg v. 7.4.1999 – 7 C 509/98, ZMR 1999, 489. BGH v. 18.4.1984 – VIII ZR 50/83, MDR 1985, 50 = NJW 1985, 57 = GE 1984, 625.

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im Einzelnen beschriebene Ausstattung herstellt, ohne dass es nach dem Wortlaut der Klausel darauf ankommt, ob der Vermieter diese Vertragsverletzung zu vertreten hat oder nicht1. C. Gewerberaummiete 24 Da § 555 BGB in der Gewerberaummiete nicht anwendbar ist, ergeben sich für Vertragsstrafevereinbarungen und für Schadenspauschalierungen bei Formularverträgen Einschränkungen durch § 307 BGB i.V.m. § 309 Nr. 6 BGB (Vertragsstrafevereinbarungen) und § 309 Nr. 5 BGB (Schadenspauschalierungen). Im Übrigen sind Vereinbarungen an den §§ 339 ff. BGB zu messen. 25 Bei der Prüfung von Vertragsstrafeversprechen ist zu beachten, dass nach dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 339 BGB eine Vertragsstrafe verwirkt ist, wenn der Schuldner „in Verzug kommt“. Hierfür ist Voraussetzung, dass der Schuldner die Nicht- oder Schlechtleistung zu vertreten hat, § 286 Abs. 4 BGB. Dies erfordert grundsätzlich ein Verschulden gemäß § 276 BGB. Der Vorschrift liegt – als Ausdruck des Gerechtigkeitsgebots – das Bestreben zugrunde, den Schuldner, dem ein Vertragsstrafeversprechen unverhältnismäßig große Nachteile bringen kann, zu schützen2. 26 Das Verschuldenserfordernis i.S.d. § 339 BGB kann zwar abbedungen werden; geschieht dies individualvertraglich, ist eine entsprechende Regelung grundsätzlich nicht zu beanstanden, weil sie – in den Grenzen der §§ 138, 242 BGB – dann durch das Prinzip der Vertragsfreiheit gedeckt wird. In einseitig vom Verwender aufgestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann eine von § 339 BGB abweichende verschuldensunabhängige Vertragsstrafe dagegen regelmäßig nicht wirksam vereinbart werden3. Dies ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn gewichtige Umstände vorliegen, welche die Vertragsstraferegelung trotz der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht mit Recht und Billigkeit noch vereinbar erscheinen lassen, die verschuldensunabhängige Haftung des Vertragsstrafeschuldners also durch sachliche, die Unwirksamkeitsvermutung des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausräumende Gründe gerechtfertigt ist4. 1. Nicht rechtzeitige Übergabe 27 Gerade wenn es der Vermieter übernommen hat, die Räume für den vertragsgemäßen Gebrauch herzurichten, insbesondere bei der Vermietung vom Reißbrett, werden Verzögerungen unter Vertragsstrafe gestellt. Diese wird regelmäßig am Aufwand und Schaden des Mieters orientiert. 28 Auf einen solchen Fall, dass die Gebrauchsgewährung nicht zu dem festgesetzten Übergabezeitpunkt erfolgt, ist § 341 Abs. 3 BGB anzuwenden5. Demnach muss der Mieter sich die Geltendmachung der Vertragsstrafe spätestens bei der Übergabe i.S.d. § 535 Abs. 1 BGB vorbehalten. Dies hat aber zur Folge, dass ein verwirkter Strafanspruch erlischt, wenn der Mieter sich die Geltendmachung der Vertragsstrafe bei der verspäteten Übergabe der Mieträume nicht vorbehält. 29 Der Höhe nach bestimmen sich die Vertragsstrafen oft nach der Dauer der Verzögerung, indem für jeden Tag oder sonstige Zeitabschnitte ein bestimmter Betrag festgesetzt wird.

1 LG Berlin v. 31.1.2012 – 63 S 233/11, ZMR 2012, 441 = GE 2012, 405. 2 BGH v. 18.4.1984 – VIII ZR 50/83, MDR 1985, 50 = NJW 1985, 57 = GE 1984, 625. 3 BGH v. 6.12.2007 – VII ZR 28/07, MDR 2008, 381 = NJW-RR 2008, 615; BGH v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, MDR 2003, 804 = NJW 2003, 1805; BGH v. 13.12.2001 – VII ZR 432/00, MDR 2002, 575 = NJW 2002, 1274; BGH v. 26.9.1996 – VII ZR 318/95, MDR 1997, 140 = NJW 1997, 135; BGH v. 24.4.1991 – VIII ZR 180/90, NJW-RR 1991, 1031, jeweils m.w.N., vgl. auch OLG Köln v. 19.1.2005 – 11 U 4/00, IBR 2006, 247. 4 BGH v. 18.4.1984 – VIII ZR 50/83, MDR 1985, 50 = NJW 1985, 57 = GE 1984, 625. 5 OLG Düsseldorf v. 28.4.2005 – 10 U 129/04, ZMR 2006, 35 = GE 2006, 188 = GuT 2005, 155.

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Bei Bauverträgen gilt eine Vertragsstrafe für Terminüberschreitungen, wenn sie 0,5 % 30 der Auftragssumme pro Tag überschreitet, oder aber die Vereinbarung einer angemessenen Höchstgrenze (nicht mehr als 5 % der Auftragssumme) zwar als unangemessen1. Die Rechtsprechung zu allgemeinen Geschäftsbedingungen in Bauverträgen ist aber auf Dauerschuldverhältnisse wie gewerbliche Mietverträge nicht zu übertragen2. Denn beim Bauvertrag verfällt eine typischerweise zeitabhängige Vertragsstrafe beim Verzug mit einer einmalig zu erbringenden Leistung. Umgekehrt kann auch nicht die Rechtsprechung (insbesondere zu Bierlieferungs- und Automatenaufstellverträgen) herangezogen werden, die sich mit festen, einmaligen Vertragsstrafensummen befasst, die für Verstöße im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses vereinbart wurden. In den hier relevanten Fällen ist nämlich regelmäßig eine Vertragsstrafe vereinbart, deren Höhe von der Zeitspanne abhängig ist, innerhalb derer der Vertragspartner seine Verpflichtung zu fortlaufender Gebrauchsgewährung nicht erfüllt. In einem solchen Fall muss die Vertragsstrafe lediglich in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des mit ihr geahndeten Verstoßes stehen3. Bei der Bewertung der Angemessenheit der Vertragsstrafe ist einerseits die verschul- 31 densunabhängige Garantiehaftung des Vermieters bei einer Vermietung vom Reißbrett zu beachten. Dies führt dazu, dass kaum ein gröberer Vertragsverstoß denkbar ist als die Nichtfertigstellung des Mietobjekts4. Im Rahmen der Prüfung des § 307 BGB kann jedenfalls nicht auf einen theoretisch denkbaren Extremfall abgestellt werden, sondern darauf, in welchem Verhältnis der täglich anfallende Betrag zu dem steht, was eine Überschreitung um einen Tag für einen Mieter bedeutet, der seinem Vertragspartner durch diese Klausel von Anfang an deutlich gemacht hat, dass er allergrößten Wert auf pünktliche Fertigstellung legt. Dazu kann auch die Monatsmiete ins Verhältnis zur Vertragsstrafe für den gleichen Zeitabschnitt gesetzt werden. Im Übrigen kommt es allein darauf an, ob die Vertragsstrafenklausel als allgemeine Lösung angesichts des anhaltenden Interesses des Mieters an der Einräumung der Nutzungsmöglichkeit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses angemessen ist5. Deshalb ist zu bedenken, dass die anfängliche Nichteinräumung des Mietbesitzes den Mieter kaum weniger beeinträchtigt als eine spätere Besitzentziehung. Eine von vornherein vereinbarte Begrenzung der Vertragsstrafe auf einen Höchst- 32 betrag kann nicht gefordert werden6. Denn damit würde die Funktion als Druckmittel, als das die Vertragsstrafe legitimerweise dienen soll, entscheidend entwertet. Denn je länger der Vertragsverstoß des Vermieters schon andauert, desto geringer würde in einem solchen Fall der Restbetrag der Vertragsstrafe, der ihm für den Fall endgültiger Erfüllungsverweigerung noch droht7. 2. Vorfälligkeitsklausel Die Vorfälligkeitsklausel als solche begründet kein (verbotenes) Vertragsstrafe- 33 versprechen. Immerhin entspricht diese Situation seit dem 1.9.2001 der gesetzlichen Regelung, § 579 BGB. Sieht der Mietvertrag vor, dass die Miete – entgegen der eigentlich festgelegten Regel – vorfällig oder für größere als die bisher vereinbarten Zeitabschnitte zu leisten ist, liegt kein Verstoß gegen §§ 307, 339 BGB vor, wenn der Verfall der bisherigen Regel davon abhängig gemacht wird, dass ein Mietrückstand eingetreten ist, der die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB begründet8. Die Formulierung muss aber deutlich machen, dass ein Verschulden notwendig ist. Das ist bereits der Fall, wenn die Klausel auf den Verzug des Mieters abstellt.

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BGH v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, MDR 2003, 804 = NJW 2003, 1805. BGH v. 12.3.2003 – XII ZR 18/00, MDR 2003, 865 = WuM 2003, 417 = ZMR 2003, 647. Bub/Treier/Bub, II Rz. 530 m.w.N. BGH v. 12.3.2003 – XII ZR 18/00, MDR 2003, 865 = WuM 2003, 417 = ZMR 2003, 647. Vgl. OLG Celle v. 25.9.1987 – 2 U 267/86, NJW-RR 1988, 946 (947). BGH v. 12.3.2003 – XII ZR 18/00, MDR 2003, 865 = WuM 2003, 417 = ZMR 2003, 647. BGH v. 12.3.2003 – XII ZR 18/00, MDR 2003, 865 = WuM 2003, 417 = ZMR 2003, 647. Wolf in Lindner-Figura u.a., Kap. 13 Rz. 246; Bub/Treier/Bub, II Rz. 530.

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3. Verletzung der Betriebspflicht 34 Die Betriebspflicht (vgl. § 535 BGB Rz. 1103 f.) kann auch mit einer Vertragsstrafe bewehrt werden. Insoweit braucht eine Begrenzung auf einen bestimmten Zeitraum nicht vorgesehen zu werden und soll die Höhe von 125 % der auf den Tag entfallenden Miete nicht unangemessen hoch sein1. Läuft die Vertragsstrafe aber auf die 2,5-fache Miete hinaus, liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB vor2. Denn die Vertragsstrafe soll u.a. die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erleichtern. Es ist aber kaum nachvollziehbar, dass die negativen Folgen des Leerstandes, zu dem eine Verletzung der Betriebspflicht im Ergebnis führen kann, einen Schaden herbeiführen können, der 2,5-mal so hoch wie das eigentliche Leistungsinteresse des Vermieters ist. 4. Vorzeitige Beendigung 35 Eine Formularklausel, in der sich der Vermieter auch für den Fall, dass das Mietverhältnis auf Wunsch des Mieters vorzeitig einvernehmlich beendet wird, eine Vertragsstrafe versprechen lässt, ist unwirksam3. Denn sie weicht ohne sachlichen Grund von dem in § 339 BGB vorgesehenen Erfordernis eines Verschuldens des Verpflichteten ab4. 36 Nach dem gleichen Maßstab sind Verfallklauseln zu bewerten, die bei einem Vertrag mit Festlaufzeit vorsehen, dass bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche für den Mieter ausgeschlossen sein sollen (vgl. § 539 BGB Rz. 48)5. Eine formularmäßige Verfallklausel verstößt auch im Bereich der Gewerberaummiete gegen § 307 BGB, gerade wenn sie auch für den Fall gilt, dass die vorzeitige Vertragsbeendigung vom Vermieter zu vertreten ist6.

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OLG Rostock v. 8.3.2004 – 3 U 118/03, NZM 2004, 461. OLG Naumburg v. 26.7.2012 – 9 U 38/12, ZMR 2013, 36 = NZM 2012, 808. BGH v. 18.4.1984 – VIII ZR 50/83, MDR 1985, 50 = NJW 1985, 57. BGH v. 24.1.1973 – VIII ZR 147/71, WPM 1973, 388 m.w.N. BGH v. 22.5.1968 – VIII ZR 69/66, NJW 1968, 1625; OLG Karlsruhe v. 31.10.1985 – 15 U 129/84, NJW-RR 1986, 1394. 6 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 21.

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Kapitel 1a

Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen § 555a Erhaltungsmaßnahmen (1) Der Mieter hat Maßnahmen zu dulden, die zur Instandhaltung oder Instandsetzung der Mietsache erforderlich sind (Erhaltungsmaßnahmen). (2) Erhaltungsmaßnahmen sind dem Mieter rechtzeitig anzukündigen, es sei denn, sie sind nur mit einer unerheblichen Einwirkung auf die Mietsache verbunden oder ihre sofortige Durchführung ist zwingend erforderlich. (3) Aufwendungen, die der Mieter infolge einer Erhaltungsmaßnahme machen muss, hat der Vermieter in angemessenem Umfang zu ersetzen. Auf Verlangen hat er Vorschuss zu leisten. (4) Eine zum Nachteil des Mieters von Absatz 2 oder 3 abweichende Vereinbarung ist unwirksam. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen .

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. . . . . . .

1 1 4 4 6 7 8

B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 I. Duldung von Erhaltungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Begriff der Erhaltungsmaßnahme. . . . 11 a) Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 12 b) Instandsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 14 c) Erneuerung und Wiederherstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 d) Nicht vom Vermieter zu vertretende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2. Überprüfungspflichten des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3. Opfergrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4. Vermietete Eigentumswohnung . . . . . 27 5. Umfang der Erhaltungspflicht . . . . . . 32 6. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Ankündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Ankündigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Ausnahmen von der Ankündigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43a

3. Folgen einer unterlassenen, aber notwendigen Ankündigung . . . . . . . . . . . III. Inhalt der Duldungspflicht . . . . . . . . . 1. Umfang der Duldungspflicht . . . . . . . a) Mitwirkungspflichten des Mieters . b) Vertragliche Absprachen . . . . . . . . c) Einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . d) Zumutbarkeit für den Mieter . . . . . 2. Schadensersatzpflicht des Mieters. . . IV. Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . 1. Angemessener Umfang . . . . . . . . . . . . 2. Eigenleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . 6. Mietminderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Prozessuales. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Duldungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klageantrag und Begründung . . . . b) Streitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einstweilige Verfügung des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . .

44 46 46 49 52 54 55 57 62 63 66 67 68 70 71 72 72 73 74 76 77 81 82

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen § 554 Abs. 1 BGB a.F. In § 555a Abs. 1 BGB 1 wird zusätzlich aber eine Legaldefinition der Erhaltungsmaßnahme aufgenommen, um klarzustellen, dass sowohl Instandhaltungs- als auch InstandsetzungsmaßnahDickersbach

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men unter den Begriff der Instandhaltung fallen. Dies entspricht der bislang geltenden Rechtslage1. 2 Auch § 555a Abs. 2 BGB entspricht bislang geltendem Recht. Die Ankündigungspflicht war jedoch gesetzlich nicht geregelt. Der Vermieter ist verpflichtet, eine Erhaltungsmaßnahme rechtzeitig anzukündigen, es sei denn, sie ist nur mit einer unerheblichen Einwirkung auf die Mietsache verbunden. Anders als bei der Modernisierung bedarf es hier keiner besonderen Form oder Frist. Notmaßnahmen, etwa dringende Reparaturen nach Rohrbrüchen, können wie bisher auch ohne vorhergehende Ankündigung durchgeführt werden2, was im Gesetzestext ausdrücklich klargestellt wird. 3 § 555a Abs. 3 und 4 BGB entsprechen bis auf eine rein sprachliche Anpassung § 554 Abs. 4 und 5 BGB a.F. Der Mieter hat nach Abs. 3 also nach wie vor einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen. Von § 555a Abs. 2 und 3 BGB abweichende Vereinbarungen sind nach § 555a Abs. 4 BGB unwirksam3. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 4 Die Vorschrift gilt unmittelbar nur für Wohnraum, über § 578 Abs. 2 BGB aber auch entsprechend für Gewerbemietverträge, sofern es sich um Mietverhältnisse über Räume handelt. Weiter ist die Übergangsregelung in Art. 229 § 29 EGBGB zu berücksichtigen. Hiernach ist nicht die Vorschrift in ihrer neuen Fassung, sondern sind die §§ 554, 578 BGB in der bis zum 1.5.2013 gültigen Fassung weiter anzuwenden, wenn – bei Modernisierungsmaßnahmen die Mitteilung nach § 554 Abs. 3 S. 1 BGB dem Mieter vor dem 1.5.2013 zugegangen ist oder – bei Modernisierungsmaßnahmen, auf die § 554 Abs. 3 S. 3 BGB in der bis zum 1.5.2013 geltenden Fassung anzuwenden ist, der Vermieter mit der Ausführung der Maßnahme vor dem 1.5.2013 begonnen hat. 5 Durch § 555a BGB wird auch der Untermieter verpflichtet4. Allerdings steht der Duldungsanspruch insoweit nur dem Hauptmieter als dem Vertragspartner des Untermieters zu. Der Hauptvermieter kann lediglich von seinem Hauptmieter Duldung verlangen. Dieser muss dann den Untermieter seinerseits zur Duldung anhalten5. Eine analoge Anwendung des § 555a BGB auf den Berechtigten eines dinglichen Wohnrechts scheidet mangels vergleichbarer Sachverhalte aus. Insoweit kommt nur ein Duldungsanspruch aus § 242 BGB in Betracht6. Die Vorschrift greift auch nach Beendigung des Mietverhältnisses, sofern der Mieter rechtmäßig, z.B. bei gewährtem Vollstreckungsschutz, Besitz an der Wohnung hat7. 2. Anwendbare Rechtsprechung 6 Die Vorschrift wurde durch das Gesetz über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln (Mietrechtsänderungsgesetz – MietRÄndG) eingeführt und entspricht inhaltlich § 554 Abs. 1 BGB a.F., so dass die insoweit ergangene Rechtsprechung weiterhin Gültigkeit hat. III. Zweck der Vorschrift 7 Die Vorschrift ergänzt zunächst § 535 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach dem Vermieter während der Dauer des Mietverhältnisses die Erhaltungslast obliegt, und ordnet eine ent1 2 3 4 5 6

Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 18. Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 18. Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 18. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 9; Weimar, ZMR 1976, 33. MünchKomm/Bieber, § 554 BGB Rz. 13. LG Düsseldorf v. 31.7.1980 – 8 O 485/79, WuM 1988, 166; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 9. 7 Abramenko, Das neue Mietrecht in der anwaltlichen Praxis, § 1 Rz. 5.

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sprechende Duldungspflicht des Mieters an. Ohne eine solche Duldungspflicht des Mieters hätte der Vermieter keine Möglichkeit, seiner Erhaltungspflicht nachzukommen, zumal es ihm verwehrt ist, durch eine Kündigung die Erhaltungspflicht zu unterlaufen1. IV. Abweichende Vereinbarungen Eine zum Nachteil des (Wohnraum-)Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirk- 8 sam. Zum Begriff und zur Reichweite dieser Regelung vgl. § 557 BGB Rz. 7 ff. Entsprechende Vereinbarungen in einem Gewerberaummietverhältnis sind zulässig, da § 578 Abs. 2 BGB nur auf § 555a Abs. 1 bis 3 BGB verweist (vgl. § 535 BGB Rz. 1117 ff.). Anlässlich konkret anstehender Erhaltungsmaßnahmen können die Vertragsparteien auch im Rahmen des § 555f BGB Absprachen treffen. B. Wohnraummiete I. Duldung von Erhaltungsmaßnahmen Gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB obliegt dem Vermieter die Pflicht, die Mietsache wäh- 9 rend der Dauer des Mietverhältnisses in einem für dem vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten2. Diese Verpflichtung entfällt nur ausnahmsweise bei völlig außer Verhältnis stehenden Maßnahmen, wobei nach Treu und Glauben auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist3. Damit der Vermieter seiner Instandhaltungspflicht nachkommen kann, bestimmt § 555a Abs. 1 BGB, dass der Mieter Maßnahmen zur Erhaltung der Mietsache zu dulden hat. Durch die veränderte Terminologie ist keine Beschränkung des Duldungsanspruchs aus § 554 Abs. 1 BGB a.F. eingetreten. Schon wegen der Absicht des Gesetzgebers, insoweit allein eine sprachliche Harmonisierung mit dem Duldungsanspruch wegen Modernisierung herbeizuführen, ist eine abweichende Interpretation im Ergebnis nicht gerechtfertigt, zumal dies zu erheblichen Komplikationen in der Praxis vor allem wegen der Abwehrrechte des Mieters führen könnte. Diese sollten und sollen aber gerade nicht erweitert werden. Muss der Vermieter eine objektiv erforderliche Erhaltungsmaßnahme durchführen, hat der Mieter diese unbedingt zu dulden4. Eine Kündigung durch den Vermieter zur Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen ist ausgeschlossen5. Die Duldungspflicht betrifft nur Maßnahmen an dem Mietobjekt selbst, nicht aber 10 Maßnahmen an anderen Objekten, z.B. auf einem ebenfalls im Eigentum des Vermieters stehenden Gebäude auf dem Nachbargrundstück. Insoweit folgt die Duldungspflicht allerdings aus § 242 BGB6. Ist der mangelhafte Zustand der Wohnräume, z.B. bei Putz- und Stuckschäden, zu 10a Vertragsbeginn als vertragsgemäß vereinbart worden, so ist der Mieter nicht verpflichtet, Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden durch den Vermieter zu dulden. Die Duldungspflicht soll dem Vermieter ermöglichen, seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht nachzukommen. Darüber hinaus gehende Maßnahmen braucht der Mieter nur gemäß § 555d BGB zu dulden. Insoweit obliegt dem Vermieter die Darlegungs- und Beweislast für eine Duldungspflicht des Mieters und damit auch für den Inhalt der mietvertraglichen Vereinbarungen betreffend den vertragsgemäßen Zustand7. Etwas anderes gilt aber dann, wenn ohne Instandsetzung eine erhebliche Gefahr für Personen oder Sachen besteht. In diesem Fall folgt die Duldungspflicht aus § 242 BGB. 1 LG Gießen v. 18.5.1983 – 1 S 294/82, WuM 1984, 2; AG Essen v. 5.11.1996 – 9 C 204/96, ZMR 1997, 423; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 4. 2 Vgl. hierzu OLG Düsseldorf v. 25.2.1999 – 10 U 109/95, DWW 1999, 294; LG Erfurt v. 15.11.2007 – 2 T 468/07. 3 LG Osnabrück v. 2.12.1988 – 11 S 277/88, WuM 1989, 370. 4 LG Erfurt v. 15.11.2007 – 2 T 468/07, zitiert nach juris. 5 LG Berlin v. 7.4.1997 – 61 S 302/96, MM 1997, 280; LG Wiesbaden v. 22.7.1997 – 8 S 352/96, NZM 1998, 263. 6 Blank/Börstinghaus, § 554 BGB Rz. 4; Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 5. 7 LG Berlin v. 30.4.2010 – 63 S 493/09, WuM 2010, 564.

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1. Begriff der Erhaltungsmaßnahme 11 § 555a Abs. 1 BGB enthält die Legaldefinition der Erhaltungsmaßnahme. Danach umfasst der Begriff der Erhaltungsmaßnahme im Einklang mit der h.M. in Rechtsprechung und Literatur1 die Instandhaltung und die Instandsetzung des Mietobjekts. a) Instandhaltung 12 Im allgemein verstandenen Sinn umfasst der Instandhaltungsbegriff die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes zur Vermeidung von Schäden und die Beseitigung von Gebrauchsbeeinträchtigungen auf Grund üblicher Abnutzung. Umfassend kann man den Begriff mit demjenigen von vorbeugenden Maßnahmen gleichsetzen2. 13 Beispiele zur Instandhaltung: – Umstellung der Therme von Stadt- auf Erdgas bei fehlender Umrüstungsfähigkeit der alten Therme, – Wiederherstellung der Gasversorgung nach deren Ausfall3, – Wiederherstellung des Gasanschlusses für Etagenheizung, Warmwasser oder Herd nach Brand4, – Ersatz einer installierten Ausstattung zur Verbrauchserfassung für Wärme und Warmwasser durch eine andere5, – Ausstattung der Heizungsanlage mit Thermostatventilen6, – Versorgung der Wohnung mit Warmwasser7, – Erneuerung brüchiger Wasser- und Abwasserleitungen8, – Anbringung eines Korrosionsschutzes am Öltank9, – Ausbesserung beschädigter Putzflächen im Treppenhaus10, – Einbau einer Türschließanlage11, – Einbau eines Türschnappschlosses12, – Erneuerung des Teppichbodens13, – ausreichende Beleuchtung der Zu- und Abgänge, der Treppen und Flure14, – Erhaltungsmaßnahmen außerhalb der Mieträume, insbesondere Fassadenarbeiten15, – Wiederherstellung der Balkonüberdachung nach Balkonerneuerung16,

1 Vgl. z.B. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 16; Hinz, ZMR 2012, 153. 2 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, NJW-RR 2006, 84; OLG Köln v. 17.12.1993 – 19 U 189/93, ZMR 1994, 158; Kinne, GE 1999, 1394; vgl. OLG Brandenburg v. 18.3.2009 – 3 U 37/08, ZMR 2009, 841. 3 AG Berlin-Mitte v. 27.3.1995 – 12 C 862/94, MM 1995, 311. 4 LG Berlin v. 28.5.1998 – 62 S 401/97, WuM 1998, 481. 5 AG Hamburg v. 25.1.1994 – 47 C 170/93, WuM 1994, 695. 6 AG Gelsenkirchen v. 6.10.1992 – 3b C 1105/91, WuM 1993, 735. 7 AG Münster v. 5.5.1987 – 28 C 330/86, WuM 1987, 382; AG Schöneberg v. 29.4.1996 – 102 C 55/94, MM 1996, 401 (45 °C nach 10 Sekunden). 8 LG Hamburg v. 6.12.1994 – 316 S 307/93, WuM 1995, 267. 9 AG Regensburg v. 11.8.1993 – 9 C 2418/93, WuM 1995, 319. 10 LG München I v. 21.10.1992 – 15 S 9753/92, WuM 1993, 736. 11 AG Hamburg v. 3.2.1994 – 37b C 1930/93, WuM 1994, 200. 12 AG Hamburg v. 14.10.1993 – 48 C 932/93, WuM 1994, 676. 13 LG Duisburg v. 27.9.1988 – 7 S 529/87, WuM 1989, 10; AG Köln v. 10.10.1995 – 212 C 170/95, WuM 1997, 553. 14 AG Neuss v. 16.10.1987 – 36 C 674/86, WuM 1989, 10. 15 LG Berlin v. 2.10.1986 – 61 S 53/86, WuM 1987, 386 (für Aufzug im Treppenhaus). 16 LG Braunschweig v. 20.6.2000 – 6 S 617/99, WuM 2001, 510.

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– Ausstattung vermieteter Räume zum Schutz von Nachbarräumen gegen Hitzeeinwirkung (Sonnenstudio)1, – Austausch von Holzfenstern durch Kunststofffenster2. b) Instandsetzung Hingegen versteht man unter der Instandsetzung die Schadensbeseitigung durch 14 Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes3. Lässt sich eine Maßnahme sowohl unter den Begriff der Instandhaltung als auch der Modernisierung fassen (sog. modernisierende Instandhaltung), stellt § 555d BGB grundsätzlich die speziellere Vorschrift dar4. Das typische Beispiel ist der Ersatz alter mangelhafter einglasiger Holzfenster durch isolierverglaste Fenster. Die Beseitigung der mangelhaften Fenster bedeutet eine Erhaltungsmaßnahme nach § 555a Abs. 1 BGB. Da der Erfolg aber durch die zusätzliche Isolierung mit einer Wohnwertverbesserung oder sogar einer Energieeinsparung verbunden ist, kommt eine Duldung nur nach § 555d Abs. 1 BGB in Betracht. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Instandsetzung zwingend mit einer Verbesserung verbunden ist, weil Ersatzteile nicht mehr am Markt erhältlich sind oder die bislang verwendete Technik nicht mehr zugelassen ist. In diesen Fällen muss der Vermieter die Verbesserung gezwungenermaßen in Kauf nehmen. Besteht für den Vermieter daher keine Wahlmöglichkeit, ob er den früheren Zustand wiederherstellt oder eine Verbesserung vornimmt, ist daher trotz der hiermit verbundenen Modernisierung eine Erhaltungsmaßnahme i.S.d. § 555a Abs. 1 BGB anzunehmen5. Zur modernisierenden Instandsetzung vgl. auch § 559 BGB Rz. 84. Beispiele zur Instandsetzung: 15 – Generell Erneuerung untauglicher Teile6 und damit die Beseitigung der Mängel, – Einbau von Isolierglasfenstern an Stelle defekter Holzfenster, was allerdings nicht unumstritten ist, so wird der Fensteraustausch zum Teil auch als Veränderung der Mietsache angesehen, die über eine reine Instandsetzung hinausgeht7; begründet wird diese Auffassung damit, dass sich das geänderte Material sowohl auf die Optik als auch auf das Raumklima auswirkt, was wiederum vom Mieter ein geändertes Lüftungs- und Heizungsverhalten nach sich zieht; diese Ansicht wird jedoch nicht mehr haltbar sein, nachdem der Gesetzgeber durch die Mietrechtsreform 2001 gerade auch die Möglichkeiten der Energieeinsparung erweitern wollte8, – Erneuerung des mangelhaften Teppichbodens9, – Erneuerung des PVC-Belags10, – Austausch gesundheitsgefährdender Trinkwasserleitungen11, – Instandsetzung des baufälligen Balkons12,

1 Vgl. OLG Düsseldorf v. 6.3.2001 – 24 U 122/00, ZMR 2001, 706. 2 KG v. 26.6.2007 – 24 W 15/07, GE 2007, 1561. 3 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, NJW-RR 2006, 84; BGH v. 7.4.2004 – VIII ZR 167/03, NJW-RR 2004, 875. 4 LG Berlin v. 1.2.1994 – 64 S 136/93, GE 1994, 927. 5 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 19a. 6 AG Bremerhaven v. 14.2.1979 – 53 C 2245/78, WuM 1980, 63. 7 LG Berlin v. 17.12.2001 – 62 S 238/01, MM 2002 (97) 37; LG Berlin v. 25.6.1987 – 61 S 428/86, WuM 1987, 384; AG Hamburg v. 2.6.1988 – 39a C 2147/87, WuM 1990, 68. 8 Begründung zum Referentenentwurf zu § 554 BGB, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 1157. 9 AG Gelsenkirchen v. 17.7.1987 – 3 C 387/87, WuM 1988, 13. 10 AG Staufen v. 4.3.1991 – 2 C 471/90, WuM 1992, 430 (Lebensdauer 15 Jahre für Durchschnittsqualität); AG Hamburg v. 10.7.1995 – 49 C 1977/94, WuM 1995, 652. 11 AG Hamburg v. 18.8.1993 – 40a C 1476/92, WuM 1993, 736; AG Halle-Saalkreis v. 21.10.1992 – 24 C 194/92, WuM 1992, 683. 12 AG Mitte v. 15.5.1995 – 12 C 128/95, MM 1995, 359.

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Erneuerung der Hausfassade1, Beseitigung von Undichtigkeiten im Kellermauerwerk2, Beseitigung von Löchern und Rissen im Teppichbelag einer Treppe3, Erneuerung der Beschichtung des Heizöltanks4, Beseitigung von Klopfgeräuschen der Heizung5, Neuerrichtung eines Zauns nach Sturm6, Wiedereinrichtung eines Kinderspielplatzes7, Beseitigung von Wasserflecken und Schimmelbildung nach Wasserschaden8, Austausch asbesthaltiger Nachtstromspeicheröfen9, Dachsanierung10, Erneuerung jahrzehntealter Sanitärkeramik11, Erneuerung schadhafter Treppenstufen im Treppenhaus12, Ersetzen einer defekten Heiztherme13.

16 Die Unterscheidung zwischen Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen kann unter Umständen schwierig sein. Praktisch ist sie, insbesondere im Rahmen des § 555a Abs. 1 BGB, aber von untergeordneter Bedeutung14. Sie kann allerdings ausnahmsweise relevant werden, insbesondere dann, wenn z.B. bei Gewerberaummietverträgen Regelungen vorgesehen sind, die nur den einen oder anderen Begriff verwenden. c) Erneuerung und Wiederherstellung 17 Der dargestellte Inhalt der Begriffe der Instandhaltung und Instandsetzung erschöpft die Erhaltungspflicht nicht vollständig. Grundsätzlich fällt nach der hier vertretenen Auffassung unter den Begriff der Instandsetzung auch die Pflicht zur Erneuerung (z.B. einzelner Teile der Mietsache) und Wiederherstellung (z.B. nach vollständiger Zerstörung). Diese Unterscheidung war bisher insbesondere von Bedeutung, wenn der (Gewerberaum-)Mietvertrag dem Mieter die Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung überbürdet. Denn von einer solchen Regelung sollte eine Erneuerung nach einer teilweise vertretenen Auffassung nicht erfasst sein15. Dem ist der BGH entgegengetreten und hat in Anlehnung an § 28 Abs. 1 II. BV auch die Kosten einer Erneuerung (z.B. von Bodenbelägen) als Instandsetzungskosten qualifiziert16. Diese Vorschrift schließt bestimmte Erneuerungskosten vom Begriff der Instandsetzungskosten aus, nämlich solche, für die eine besondere Abschreibung nach § 25 Abs. 3 II. BV zulässig ist. Im Umkehrschluss folgt hieraus aber, dass jedenfalls die II. BV die Erneuerung grundsätzlich vom Begriff der Instandsetzung erfasst ansieht. Diese gesetzgeberische Intention ist auch außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs der II. BV zu berücksichtigen.

1 AG Halle-Saalkreis v. 21.10.1992 – 24 C 194/92, WuM 1992, 683; AG Hamburg v. 10.7.1995 – 49 C 1977/94, WuM 1995, 652. 2 LG Osnabrück v. 17.9.1991 – 12 S 45/91, WuM 1992, 119. 3 OLG Köln v. 24.1.1996 – 11 U 212/95, NJWE-MietR 1996, 179. 4 LG Frankenthal (Pfalz) v. 10.4.1985 – 2 S 483/84, WuM 1990, 32. 5 AG Hamburg v. 4.8.1987 – 47 C 2816/86, WuM 1987, 382. 6 AG Neuss v. 5.9.1990 – 30 C 321/90, WuM 1991, 85. 7 LG Berlin v. 28.2.1997 – 64 S 503/96, MM 1997, 192. 8 AG Wedding v. 26.8.1993 – 18 C 195/93, MM 1995, 403. 9 LG Berlin v. 6.7.1998 – 67 S 131/97, GE 1998, 1091. 10 OLG Düsseldorf v. 25.2.1999 – 10 U 109/95, ZMR 1999, 627. 11 AG Gelsenkirchen v. 16.4.1999 – 3b C 600/98, NZM 1999, 801; AG Coesfeld v. 11.2.2003 – 4 C 525/02, WuM 2003, 206 (Austausch der Badewanne). 12 LG Berlin v. 15.11.2004 – 67 S 165/04, WuM 2005, 49. 13 AG Osnabrück v. 18.3.20046 – C 360/03 (XXX), WuM 2005, 48. 14 Hinz, ZMR 2012, 153. 15 OLG Hamm v. 30.3.1993 – 7 U 88/92, NJW-RR 1993, 1229. 16 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, GuT 2005, 213 = DWW 2005, 372 = ZMR 2005, 844.

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d) Nicht vom Vermieter zu vertretende Maßnahmen Für Maßnahmen, die der Vermieter nicht zu vertreten hat (z.B. gesetzlich angeord- 18 neter Einbau von Kaltwasserzählern), konnte er zwar nach alter Rechtslage (§ 559 BGB) eine Mieterhöhung verlangen. Eine Duldungspflicht ergab sich aber weder aus § 554 Abs. 1 BGB a.F. noch aus § 554 Abs. 2 BGB a.F., weil weder eine Erhaltungsnoch eine Modernisierungsmaßnahme vorlag1. Der Gesetzgeber hatte bewusst davon abgesehen – anders als in § 559 BGB a.F. –, Maßnahmen aufgrund von Umständen, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, in § 554 Abs. 2 BGB a.F. aufzunehmen. Dies hätte nämlich die Konsequenz, dass der Mieter der Durchführung solcher Maßnahmen bei Vorliegen von Härtegründen widersprechen könnte, obwohl der Vermieter nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften hierzu verpflichtet wäre. Dies wäre nicht sachgerecht2. Hier ergab sich der Duldungsanspruch aus § 242 BGB3, der dann allerdings ebenfalls eine Interessenabwägung voraussetzte (vgl. § 555d BGB Rz. 41). Durch das Mietrechtsänderungsgesetz wurden Maßnahmen, die der Vermieter nicht 19 zu vertreten hat – sofern es sich nicht bereits um eine Erhaltungsmaßnahme i.S.d. § 555a BGB darstellt –, dem Bereich der Modernisierung zugeordnet und in den Katalog der Modernisierungsmaßnahmen des § 555b BGB aufgenommen (vgl. § 555b BGB Rz. 57). 2. Überprüfungspflichten des Vermieters Um seine Verpflichtung, die Mietsache in einem gebrauchsfähigen Zustand zu erhal- 20 ten und den Mieter vor Schaden zu bewahren, erfüllen zu können, trifft den Vermieter eine Pflicht zur regelmäßigen Prüfung des Gebäudezustandes, wobei man Abstände von etwa zwei Jahren annimmt4. Innerhalb der Mietsache des Mieters muss er jedoch – sofern nicht gesetzlich vorgeschrieben5 – nicht ohne konkreten Anlass Besichtigungen durchführen, um gegebenenfalls mögliche Gefahren für den Mieter zu entdecken6. Von der Verkehrssicherungspflicht werden nämlich nur solche Maßnahmen erfasst, die ein umsichtiger und verständiger Mensch für notwendig, aber auch ausreichend erachtet, um Schäden auszuschließen. Ein Tätigwerden ist daher nur dann erforderlich, wenn sich vorausschauend die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können7. Dies ist bei fachgerecht installierten Anlagen und Leitungen im Mietobjekt grundsätzlich nicht zu befürchten. Andererseits darf der Vermieter mit der Überprüfung nicht zu warten, wenn der Mieter einen Mangel oder sonstigen gefährlichen Zustand der Mietsache anzeigt, sondern muss unverzüglich tätig werden8. In der Praxis werden Rechtsfragen der Überprüfung oft bei Rohrleitungen, insbeson- 21 dere für Wasser, relevant. In den Wänden verlaufende, also von außen nicht leicht überprüfbare Wasser- und Abwasserrohre müssen nur kontrolliert werden, wenn sich ein konkreter Korrosionsverdacht, z.B. aufgrund sich häufender Rohrbrüche, stellt9. Dies ist bei kleineren Wasserschäden in längeren zeitlichen Abständen aber nicht

1 Begründung zum Entwurf der Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 49; BGH v. 4.3.2009 – VIII ZR 110/08, WuM 2009, 290; Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 1a. 2 Begründung zum Entwurf der Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 49; Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 609. 3 Begründung zum Entwurf der Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 49; BGH v. 4.3.2009 – VIII ZR 110/08, WuM 2009, 290; Lehmann-Richter, NZM 2011, 572. 4 Blank, „Instandhaltung und Instandsetzung“, S. 236. 5 Eine solche Überprüfungspflicht ist z.B. für Feuerstätten durch § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Schornsteinfegerwesen (BGBl. I Nr. 51) vorgesehen. 6 BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, WuM 2008, 719; OLG Frankfurt v. 7.3.2003 – 24 U 125/02, WuM 2003, 319. 7 BGH v. 3.2.2004 – VI ZR 95/03, NJW 2004, 1449. 8 BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, WuM 2008, 719. 9 LG Duisburg v. 18.5.2010 – 13 S 58/10, zitiert nach juris; AG Menden (Saarland) v. 2.9.1998 – 4 C 117/98, ZMR 1999, 34.

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grundsätzlich der Fall1. Das Gleiche gilt für defekte Einrichtungsgegenstände (z.B. defekter Druckspüler) in den Räumen eines anderen Mieters2. Der Vermieter darf sich darauf verlassen, dass evtl. Schäden an Installationen innerhalb der Mieträume, jedenfalls soweit sie nicht besonders gefährlich sind, von den Mietern rechtzeitig angezeigt werden3. Dies gilt auch für Elektroleitungen4. 22 Andererseits darf sich der Vermieter nicht darauf verlassen, dass Dritte, die das Mietobjekt regelmäßig begehen, ihn auf Gefahrenquellen aufmerksam machen, wenn sich ihr Auftrag nicht auf die Überprüfung der Gefahr bezieht. So liegt eine Sorgfaltspflichtverletzung des Eigentümers vor, wenn er sich darauf verlässt, dass der Schornsteinfeger im Rahmen seiner jährlichen Kaminreinigung darauf achtet, ob die Standsicherheit des Schornsteins (weiterhin) gewährleistet ist5. Andererseits muss es sich der Vermieter gemäß § 278 BGB zurechnen lassen, wenn er einen Klempner mit Installationsarbeiten beauftragt und dieser Handwerker einen schadhaften Waschmaschinenschlauch entdeckt, ohne den Mieter oder den Vermieter auf die daraus resultierenden Gefahren hinzuweisen6. Bei Dacharbeiten hat der Vermieter, selbst oder durch Beauftragte, für die Dauer der provisorischen Dacheindeckung ständig und insbesondere nach witterungsbedingten Einwirkungen das Dach auf seine Dichtigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls durch geeignete Maßnahmen abzudichten7. 23 Die Verletzung der Prüfungspflicht durch den Vermieter muss der Mieter – sofern er Schadensersatzansprüche geltend macht – darlegen8. Besteht die Verletzungshandlung in einem Unterlassen, muss der Geschädigte darlegen und beweisen, dass durch ein pflichtgemäßes Handeln des Vermieters der schädigende Erfolg verhindert worden wäre9. 3. Opfergrenze 24 Die Erhaltungspflicht des Vermieters endet, wo der hierzu erforderliche Aufwand die Opfergrenze überschreitet10. In diesem Fall kann Unmöglichkeit im Rechtssinne vorliegen11, sofern der Vermieter die hierzu führenden Umstände nicht zu vertreten hat. Dessen ungeachtet kommen Schadensersatzansprüche des Mieters in Betracht (§ 275 Abs. 4 BGB). Die Opfergrenze lässt sich nicht allgemein definieren. Vielmehr ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen12. Eine Orientierung kann § 275 Abs. 2 BGB bieten. Deshalb kann die Opfergrenze überschritten sein, wenn die Reparaturkosten den Zeitwert des Mietobjektes erheblich übersteigen13. Dabei kann darauf abgestellt werden, ob eine unverhältnismäßige Belastung des Vermieters bei nur unwesentlichen Vorteilen des Mieters eintritt14. Ferner kann berücksichtigt werden, 1 OLG München v. 16.9.1994 – 21 U 5903/93, NJWE-MietR 1996, 177; BGH v. 4.12.1992 – LwZR 10/91, WuM 1993, 123 (keine Prüfung von Wasserabläufen unter Teich ohne besonderen Anlass bei Pacht); LG Berlin (nicht schon nach 17-jähriger Mietdauer); LG Duisburg v. 18.5.2010 – 13 S 58/10, ZGS 2010, 429; AG Wedding v. 16.2.1999 – 15 C 417/97, GE 1999, 717. 2 OLG Frankfurt v. 7.3.2003 – 24 U 125/02, ZMR 2003, 675. 3 AG Köln v. 5.11.1996 – 201 C 350/96, KM 30 Nr. 20. 4 BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, WuM 2008, 719. 5 AG Grevenbroich v. 2.8.1999 – 11 C 115/99, WuM 2001, 121. 6 LG Hamburg v. 13.6.2002 – 333 S 79/01, WuM 2003, 318. 7 AG Leipzig v. 25.9.2002 – 49 C 8303/02, ZMR 2003, 44. 8 LG Berlin, zitiert nach Kinne, GE 1999, 1394 (1396). 9 OLG Düsseldorf v. 23.7.1999 – 22 U 143/96, OLGR Düsseldorf 2000, 288. 10 BGH v. 26.9.1990 – VIII ZR 205/89, WuM 1990, 546; schon BGH, LM § 536 BGB a.F. Nr. 47; BezG Dresden v. 17.12.1990 – BZB 237/90, WuM 1991, 143; BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, WuM 2005, 713 = ZMR 2005, 935. 11 OLG Hamburg v. 6.9.2000 – 4 U 15/00, GE 2001, 1266 (für teilweise Unmöglichkeit, wenn die aufzuwendenden Mittel nicht innerhalb von 10 Jahren durch die erzielbaren Einnahmen ausgeglichen werden können). 12 LG Dresden v. 14.6.2007 – 4 S 0640/06, NZM 2008, 165. 13 OLG Karlsruhe v. 30.12.1994 – 19 U 113/94, ZMR 1995, 201 (für teilweise durch Brand zerstörtes Gebäude). 14 LG Berlin v. 22.6.1995 – 62 S 58/95, GE 1995, 1013; BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, WuM 2005, 713 = ZMR 2005, 935.

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ob der Nutzen der Reparatur für den Mieter in krassem Missverhältnis zu den aus dem Objekt zu erzielenden Einnahmen steht1. Zum Teil wird die Opfergrenze als überschritten angesehen, wenn die Investitionskosten nicht durch die Mieteinnahmen der nächsten zehn Jahre gedeckt werden. Wurde die Wohnung durch Hochwasser beschädigt und ist eine erneute Schädigung durch Hochwasser denkbar, weil die Wohnung in einem Hochwassergebiet liegt, soll sich dieser Zeitraum sogar auf fünf Jahre verkürzen2. Schließlich kann darauf abgestellt werden, ob wegen der Höhe der Reparaturkosten noch eine angemessene Verzinsung des im Grundstück steckenden Eigenkapitals gewährleistet ist3. Andererseits soll dem Vermieter die Berufung auf die Opfergrenze nicht möglich sein, 25 wenn die Wiederherstellung eines mitgemieteten Balkons einen Aufwand von (zum Entscheidungszeitpunkt) 33 000 DM nach sich ziehen würde4. Umso mehr gilt dies bei Kosten von 2500 Euro5. Gibt es zwei Möglichkeiten, die Erhaltungspflicht zu erfüllen, von denen eine die Opfergrenze überschreitet, steht dem Vermieter das Wahlrecht zu, die nicht die Opfergrenze überschreitende Maßnahme zu wählen6. Macht der Mieter Ansprüche im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Besitzstörung geltend, ist zu beachten, dass der Einwand der Opfergrenze als materiell-rechtliche Einwendung des Vermieters nicht geltend gemacht werden kann.

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4. Vermietete Eigentumswohnung Bei der Durchsetzung des Anspruches des Mieters auf Erhaltungsmaßnahmen gegen- 27 über dem Vermieter ist bei einer Eigentumswohnung grundsätzlich der Mietvertrag maßgebend. Deshalb kann der Mieter einer Eigentumswohnung den Anspruch auf Mängelbeseitigung auch dann durchsetzen, wenn ein Eingriff in das Gemeinschaftseigentum erforderlich ist, obwohl der Vermieter bei Mängeln im Gemeinschaftseigentum eine Beseitigung nur ausnahmsweise selbst durchführen darf, wenn die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 WEG vorliegen. Dies erfordert, dass die Maßnahme zur Abwendung eines dem gemeinschaftlichen Eigentum unmittelbar drohenden Schadens notwendig ist. Beispiele für zulässige Notmaßnahmen: 28 – Noteindeckung/-reparatur eines Dachs nach Sturmschaden, nicht Dachneueindeckung7, – Beauftragung von Handwerkern zur Behebung bereits eingetretener oder drohender Schäden, z.B. Rohrverstopfung, durch Einbruch beschädigte Haus-/Wohnungstüren und Fenster8. Liegen die Voraussetzungen für eine Notmaßnahme nicht vor, ist der Klageantrag, 29 mit dem der Vermieter zur Mängelbeseitigung im Gemeinschaftseigentum verpflichtet werden soll, aber nur dann auf eine unmögliche Leistung gerichtet, wenn ein entgegenstehender Beschluss der Eigentümergemeinschaft vorliegt, was der Vermieter vorzutragen und zu beweisen hat9. Bis dahin bleibt der Vermieter zumindest verpflichtet, einen entsprechenden Beschluss herbeizuführen, wozu § 21 Abs. 4 WEG eine Rechtsgrundlage bildet.

1 OLG Hamburg v. 6.9.2000 – 4 U 15/00, GE 2001, 1266 (für teilweise Unmöglichkeit); BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, WuM 2005, 713 = ZMR 2005, 935. 2 LG Dresden v. 14.6.2007 – 4 S 0640/06, NZM 2008, 165. 3 Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 49 unter Hinweis auf BGH v. 26.9.1990 – VIII ZR 205/89, WuM 1990, 546. 4 LG Berlin v. 22.6.1995 – 62 S 58/95, GE 1995, 1013; vgl. auch BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, WuM 2005, 713. 5 LG Braunschweig v. 20.6.2000 – 6 S 617/99, WuM 2001, 510 (Wiederherstellung einer Balkonüberdachung). 6 AG Neukölln v. 22.11.2001 – 10 C 247/01, GE 2002, 265. 7 OLG Hamburg v. 16.11.2006 – 2 Wx 35/05, ZMR 2007, 129. 8 Vgl. Bärmann/Pick/Merle, § 21 WEG Rz. 46. 9 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, WuM 2005, 713.

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30 Der Erhaltungsanspruch besteht auch uneingeschränkt gegenüber dem gewerblichen Zwischenvermieter, obwohl er gegenüber dem Eigentümer keine entsprechende Verpflichtung übernommen hat1. Dieser muss seinerseits die entsprechenden Maßnahmen einleiten oder den eigenen Erhaltungsanspruch gegenüber seinem Vermieter und Eigentümer geltend machen, der dann wiederum seinen Anspruch auf Instandsetzung gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft durchsetzen muss. 31 Ein insoweit ergehendes Urteil wirkt allein zwischen den Mietvertragsparteien (§ 325 ZPO). Die Vollstreckung des Mieters wird nach § 888 ZPO durchgeführt. Denn es geht darum, den Vermieter dazu anzuhalten, seine Rechte aus § 21 Abs. 4 WEG den anderen Wohnungseigentümern gegenüber durchzusetzen2. Stellt sich dann später aufgrund des Entscheidung der anderen Wohnungeigentümer eine Unmöglichkeit heraus, ist der Vermieter auf eine Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 BGB verwiesen. 5. Umfang der Erhaltungspflicht 32 Der Mieter muss Einwirkungen dulden, die zur Beseitigung natürlicher Verschleißerscheinungen dienen, ebenso wie die, durch die von ihm oder vom Vermieter zu vertretende Schäden behoben werden. Erhaltungsmaßnahmen liegen aber nicht bei Neu- und Umgestaltung der Mietsache vor3. Die Erhaltungspflicht umfasst die Ersetzung von Teilen durch neuere, andersartige, die keine erhebliche Verbesserung des Zustandes i.S.d. § 555b BGB darstellen4. Schließlich erfasst § 555a Abs. 1 BGB alle Vorbereitungsmaßnahmen, so dass von der Feststellung der Instandsetzungswürdigkeit bis zu ihrer Beendigung alle Maßnahmen zu dulden sind. 33 Zur Erhaltungspflicht des Vermieters gehört, dass die Wohnung nach Abschluss der Arbeiten wieder in den vertragsgemäßen Stand versetzt wird. Dies umfasst auch Reinigungsarbeiten in der Wohnung sowie in den Gemeinschaftsräumen. Soweit Möbel und Einrichtungsgegenstände des Mieters verstellt wurden, sind sie wieder an den ursprünglichen Platz zu bringen5. 34 Sofern dies wegen der Instandsetzungsarbeiten notwendig ist, kann der Mieter verpflichtet sein, vorübergehend die Wohnung zu verlassen. Ob er in ein Hotel oder in eine andere Wohnung ziehen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere von der Schwere und der Dauer der durchzuführenden Maßnahme ab. Erforderlichenfalls ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Ersatzwohnraum zur Verfügung zu stellen. 35 Der Vermieter muss gegebenenfalls im Anschluss an die Arbeiten – bei Bedarf – Schönheitsreparaturen durchführen. Er kann die Ausführungen dieser Folgearbeiten auch nicht mit dem Argument verweigern, die vertragliche Pflicht des Mieters zur Durchführung von Renovierungen sei fällig6. Immerhin kann sich der Vermieter gegenüber der Minderung auch nicht darauf berufen, dass ein optischer Mangel (Wasserfleck) durch die (längst fälligen) Schönheitsreparaturen des Mieters ohnehin beseitigt würde7. Denn die Renovierungspflicht des Mieters erfasst nur den Zustand, der durch vertragsgemäßen Gebrauch verursacht wird. Werden diese Grundsätze nicht beachtet, besteht ein Aufwendungsersatzanspruch des Mieters gemäß § 555a Abs. 3 BGB (vgl. § 555a BGB Rz. 62 ff.).

1 OLG Zweibrücken v. 14.12.1994 – 3 W-RE-195/94, WuM 1995, 144. 2 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, WuM 2005, 713 (714); KG v. 25.6.1990 – 8 RE-Miet 2634/90, WuM 1990, 376 m.w.N. 3 LG Göttingen v. 8.11.1989 – 5 S 104/89, ZMR 1990, 59; LG Berlin v. 10.12.1987 – 61 S 139/87, ZMR 1988, 180. 4 LG Berlin v. 5.3.1984 – 61 S 387/83, MDR 1985, 57. 5 AG Gelsenkirchen v. 17.7.1987 – 3 C 387/87, WuM 1988, 13; AG Wuppertal v. 10.6.1987 – 93 C 211/87, WuM 1988, 15. 6 A.A. LG Aachen v. 16.1.1991 – 7 S 338/90, WuM 1991, 341. 7 BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 339/03, WuM 2004, 531.

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Die Maßnahmen müssen der Erhaltung der Mietsache dienen. Damit ist nicht allein 36 die Wohnung oder Mieteinheit gemeint, sondern auch das Gebäude und seine Gemeinschaftseinrichtungen1. Deshalb muss der Mieter auch Reparaturen im Treppenhaus etc. dulden. 6. Erforderlichkeit Die Erhaltungsmaßnahme muss objektiv erforderlich sein2. Sie braucht nicht un- 37 bedingt und unaufschiebbar notwendig zu sein3. Vielmehr ist dem Eigentümer in Hinblick auf Art. 14 GG ein weiter Ermessensspielraum einzuräumen. Erfasst werden daher auch Maßnahmen vorbeugender Art, so z.B. das präventive Auswechseln der Wasserleitung wegen vermehrter Rohrbrüche4. Dies folgt bereits daraus, dass der Vermieter andernfalls seine ihm obliegenden Verkehrssicherungspflichten verletzen würde (vgl. § 555a BGB Rz. 20). Auch der Austausch von verbleiten Rohrleitungen5 oder anderen schadstoffbehafteten Elementen, um die zulässigen Grenzwerte einzuhalten, ist erforderlich. Werden die Grenzwerte hingegen aktuell bereits gewahrt und ist ein Rohraustausch auch nicht aus anderen Gründen geboten, z.B. wegen Korrosion, handelt es sich nicht um eine notwendige Erhaltungsmaßnahme, wenn der Austausch erfolgt, um die Belastungswerte noch weiter abzusenken6. Etwas anderes gilt dann, wenn der Vermieter durch den Austausch einer bereits absehbaren Verschärfung der gesetzlichen Grenzwerte genügen möchte. Dann handelt es sich um eine Maßnahme der vorgezogenen Instandsetzung. Ist dies nicht der Fall, kann der Rohraustausch aber auch nicht als Modernisierungsmaßnahme qualifiziert werden, da eine Verbesserung nicht allein in der anschließend geringeren Konzentration von Blei zu sehen ist. Sofern die Grenzwerte bereits eingehalten sind, fehlt es an einer Gesundheitsgefahr. Der Mieter muss im Ergebnis alle Eingriffe und Handlungen dulden, die der Vermie- 38 ter nach verständiger Würdigung unter Berücksichtigung aller Umstände zur Erhaltung des Hauses oder des Mietobjekt für gerechtfertigt halten kann. Dabei kann nicht auf die Gesamtmaßnahme (z.B. Sanierung eines Gebäudes) abgestellt werden. Vielmehr ist allein die konkrete Maßnahme innerhalb des Gesamtprojektes für die Frage maßgeblich, ob § 555a Abs. 1 oder § 555d Abs. 1 BGB anwendbar ist. So muss der Mieter bei der Sanierung eines alten oder maroden Gebäudes – ohne dass die Voraussetzungen von § 555d BGB vorliegen – nicht hinnehmen, dass der Vermieter eine Elektroheizung und einen Elektroboiler durch eine kombinierte Gasetagenheizung ersetzt7. Die Wahl der Mittel zur Mängelbeseitigung steht grundsätzlich allein dem Vermieter 39 zu. Dieser ist nicht an Vorgaben des Mieters gebunden. Der Vermieter darf aber grundsätzlich keine Veränderung des Mietobjektes vornehmen8. Etwas anderes gilt dann, wenn andernfalls die Erhaltungsmaßnahme technisch nicht durchführbar ist, weil z.B. keine Ersatzteile mehr vorhanden und daher bauliche Umgestaltungen notwendig sind (vgl. § 555a BGB Rz. 14) oder es sich um eine modernisierende Instandhaltung handelt. In diesem Fall richtet sich die Duldungspflicht dann aber nach § 555d BGB. Betreffen die Erhaltungsmaßnahmen mehrere Einheiten, steht es im Ermessen des Vermieters, mit welcher der Einheiten er beginnt9.

1 2 3 4 5 6

Blank/Börstinghaus, § 554 BGB Rz. 2. LG Berlin v. 30.4.2010 – 63 S 493/09, WuM 2010, 565; Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 6. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 21. LG Hamburg v. 6.12.1994 – 316 S 307/93, WuM 1995, 267. Vgl. insoweit auch AG Halle-Saalekreis v. 21.10.1992 – 24 C 194/92, WuM 1992, 683. A.A. offenbar Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 22, der eine Instandhaltungsmaßnahme bejaht. 7 AG Leipzig v. 4.9.2002 – 16 C 8077/02, ZMR 2003, 43. 8 Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 7. 9 LG Hannover v. 30.10.1979 – 9 S 95/79, DWW 1980, 99.

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40 Beispiele für objektiv notwendige Erhaltungsmaßnahmen: – Anschluss des Hauses an die Ortskanalisation1, – Ersatz alter Wasserleitungen2, – Schönheitsreparaturen (Verschleiß), – Ersatz verschlissener Fenster3, – Ersatz der Gemeinschaftsantenne mittels Kabelanschlusses4, – Beseitigung von Feuchtigkeit, u.U. mit Einbau einer Horizontalsperre5, – Austausch schadhafter Sanitäreinrichtungen6, – Austausch der abgenutzten Wohnungseingangstür7, – Korrosionsschutzmaßnahmen am Öltank8, – Beseitigung vom Schwammbefall an der Außenfassade9. II. Ankündigung 1. Ankündigungspflicht 41 Die Ankündigung einer Erhaltungsmaßnahme wurde vor Inkrafttreten des Mietrechtsänderungsgesetz als selbstverständlich angesehen, anderenfalls bestand kein Duldungsanspruch10. Sie wurde aus § 242 BGB11 abgeleitet. Nunmehr wird die Ankündigungspflicht ausdrücklich in § 555a Abs. 2 BGB normiert. Hiernach ist die Erhaltungsmaßnahme dem Mieter rechtzeitig anzukündigen, es sei denn, sie ist nur mit unerheblichen Einwirkungen auf das Mietobjekt verbunden. Die zur ursprünglichen Rechtslage entwickelten Grundsätze gelten aber fort, da eine Änderung der Rechtslage nicht beabsichtigt war (vgl. § 555a BGB Rz. 6). Insbesondere wurde davon abgesehen, eine feste zeitliche Vorgabe wie bei einer Modernisierung vorzugeben. Die erforderliche Frist richtet sich wie bisher nach dem Umfang der Maßnahme sowie der Dringlichkeit. Hierdurch wird dem Vermieter die notwendige Flexibilität gewährleistet, um seine Verpflichtung zur Ankündigung gerade auch bei dringenden Erhaltungsmaßnahmen umzusetzen12. Sowohl nach alter als auch aktueller Rechtslage stellt die Ankündigung eine rechtsgeschäftsähnliche Erklärung dar13, da an sie die Duldungspflicht des Mieters und damit eine gesetzliche Rechtsfolge anknüpft. Die Ankündigung muss durch den Vermieter erfolgen, Stellvertretung ist zulässig. 42 Ohne besondere Form muss der Vermieter den Mieter rechtzeitig vorher über Art, Umfang und Dauer der Maßnahme informieren14, so dass sich dieser aufgrund der Ankündigung auf die anstehenden Arbeiten einstellen kann15. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Terminierung der Arbeiten. Dieser muss konkret mitgeteilt werden. Es muss grundsätzlich nur ein Termin gefunden werden, der innerhalb der üblichen 1 AG Miesbach v. 3.4.1984 – 3 C 1297/83, WuM 1984, 198. 2 LG Hamburg v. 6.12.1994 – 316 S 307/93, WuM 1995, 267; LG Berlin v. 4.2.1992 – 64 S 245/91, ZMR 1992, 546. 3 AG Neuss v. 27.3.1986 – 36 C 745/85, NJW-RR 1986, 891. 4 KG v. 27.6.1985 – 8 RE-Miet 874/85, WuM 1985, 248. 5 LG Erfurt v. 15.11.2007 – 2 T 468/07, zitiert nach juris. 6 AG Charlottenburg v. 18.12.1992 – 12b C 225/92, MM 1993, 111. 7 LG Köln v. 30.4.1992 – 1 S 385/91, WuM 1993, 608. 8 AG Regensburg v. 11.8.1993 – 9 C 2418/93, WuM 1995, 319. 9 AG Frankfurt v. 6.2.1991 – 33 C 3561/89 - 28, WuM 1992, 12. 10 OLG München v. 29.7.1991 – 21 W 1961/91, WuM 1991, 481; AG Hamburg v. 7.3.1996 – 37B C 1061/95, WuM 1997, 531. 11 Lehmann-Richter, NZM 2011, 572; Sternel, ZMR 2001, 937 (942). 12 Hinz, ZMR 2012, 153. 13 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VII 151; Lehmann-Richter, NZM 2011, 572; a.A. Abramenko, Das neue Mietrecht in der anwaltlichen Praxis, § 1 Rz. 15. 14 BGH v. 4.3.2009 – VIII ZR 110/08, WuM 2009, 290; AG Wedding v. 10.10.2007 – 18 C 267/07, GE 2007, 1557; AG Köln v. 30.1.1986 – 208 C 790/85, WuM 1986, 86. 15 BGH v. 4.3.2009 – VIII ZR 110/08, NJW 2009, 1736; AG Wedding v. 10.10.2007 – 18 C 267/07, GE 2007, 1557; Lehmann-Richter, NZM 2011, 572.

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Arbeitszeiten für Handwerker liegt. Dabei ist auf besondere Belange des Mieters Rücksicht zu nehmen. Ist der Mieter z.B. nur halbtags beschäftigt oder ist nachmittags ein Familienangehöriger in der Wohnung, kann er darauf bestehen, dass der Handwerker in dieser Zeit kommt, sofern sich die Maßnahmen innerhalb weniger Stunden durchführen lassen und keine Gefahr im Verzug ist. Der Mieter muss es grundsätzlich aber nicht dulden, dass der Vermieter die Erhaltungsmaßnahme in den Abendstunden oder am Wochenende1 oder gar durch Schwarzarbeiter ausführen lässt. Formularvertragliche Einschränkungen in diesem Zusammenhang sind nicht zulässig2. Die Belange des Vermieters sind jedenfalls dann höher anzusetzen, wenn es sich um 43 eine dringende Maßnahme handelt, ohne deren Durchführung ein Schaden für die Mietsache droht. In diesem Fall kann eine Ankündigung u.U. entbehrlich sein3. Gleiches gilt, wenn die Arbeiten keine oder nur geringe Auswirkungen auf das Mietobjekt haben, insbesondere Instandsetzungsmaßnahmen außerhalb der Wohnung des Mieters. 2. Ausnahmen von der Ankündigungspflicht Notmaßnahmen, deren sofortige Durchführung zwingend erforderlich ist, z.B. Repa- 43a raturen infolge von Rohrbrüchen, müssen nicht angekündigt werden. Dies entspricht der bereits bislang geltenden Rechtslage4. Wann die sofortige Durchführung zwingend notwendig ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Dies wird aber stets dann der Fall sein, wenn eine konkrete Gefahr für Personen oder Sachen, einschließlich das Mietobjekt bestehen. In diesem Fall ist der Mieter ohne vorherige Ankündigung zur Duldung verpflichtet. Weiter ist eine Ankündigung dann nicht notwendig, wenn die Erhaltungsmaßnahme 43b mit nur unerheblichen Einwirkungen auf die Mietsache verbunden ist. Diese Formulierung ist § 554 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. nachgebildet und findet sich auch in § 555c Abs. 4 BGB. Vor diesem Hintergrund kann auf die zu § 554 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Danach sind unerhebliche Einwirkungen regelmäßig anzunehmen, wenn es sich um ganz unbedeutende Maßnahmen handelt, welche die Gebrauchstauglichkeit des Mietobjektes nicht tangieren und auch nicht zu einer Mietminderung berechtigen würden (vgl. § 536 BGB Rz. 213)5. Nicht aber z.B. die Verlegung von neuen Rohrleitungen6. Sobald die Erhaltungsmaßnahmen innerhalb der Mieträume durchgeführt werden müssen, liegt aber keine unerhebliche Einwirkung mehr vor. Der Mieter muss in diesen Fällen die Möglichkeit haben, sich auf die Maßnahme vorzubereiten, was allerdings nur bei vorheriger Ankündigung möglich ist. 3. Folgen einer unterlassenen, aber notwendigen Ankündigung Der Mieter ist bei fehlender – aber mangels Ausnahmetatbestands notwendiger – An- 44 kündigung berechtigt, Handwerkern den Zutritt in seine Wohnung zu untersagen7. Gleiches gilt, wenn die Ankündigung nicht ordnungemäß ist, weil z.B. kein konkreter Termin mitgeteilt wird. Eine Terminsmitteilung des Vermieters, die den gesetzlichen Anfordrungen nicht gerecht wird, löst schon vom Grunde her keine Verpflichtung des Mieters aus, dass Betreten des Mietobjektes zu dulden oder überhaupt auf eine entsprechende Anfrage auch nur zu reagieren8. Er kann auch im Übrigen einen Unterlas1 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 35. 2 Sternel, NZM 1998, 834 (835). 3 BGH v. 4.3.2009 – VIII ZR 110/08, NJW 2009, 1736; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 35. 4 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 18. 5 AG Charlottenburg v. 31.10.1988 – 18 C 353/88, GE 1989, 683; LG Berlin v. 15.4.1986 – 64 S 387/85, ZMR 1986, 444. 6 LG Berlin v. 25.5.1990 – 63 S 229/89, GE 1990, 763. 7 AG Aachen v. 2.7.1985 – 12 C 16/85, WuM 1986, 87. 8 Vgl. BVerfG v. 16.1.2004 – 1 BvR 2285/03, NZM 2004, 186.

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sungsanspruch gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB geltend machen, soweit er in seinem Gebrauch der Mietsache beeinträchtigt wird1. Dies ist z.B. bei Staubentwicklung und Baulärm der Fall2. Er kann aber die Durchführung der Maßnahme bzw. deren Duldung nicht von der Zusicherung des Vermieters abhängig machen, etwaige Schäden zu übernehmen oder den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen3. 45 Teilweise wird auch ein Unterlassungsanspruch bei unterbliebener ordnungsgemäßer Ankündigung gem. § 862 Abs. 1 BGB angenommen, und zwar sowohl bei Arbeiten im Inneren der Wohnung als auch im Außenbereich4. Dem ist insoweit zuzustimmen, dass, wenn mangels ordnungsgemäßer Ankündigung keine Duldungspflicht des Mieters besteht, dennoch durchgeführte Arbeiten im Bereich der Mietwohnung eine verbotene Eigenmacht darstellen, z.B. der Abbruch eines Balkons5. Werden Arbeiten im Außenbereich durchgeführt, stellen diese und die hiermit verbundenen Lärm-, Geruchs- und Schmutzbeeinträchtigungen allerdings keine verbotene Eigenmacht dar6. Der Besitz umfasst lediglich den Bestand der tatsächlichen Sachherrschaft. Der Besitz wird nach § 854 Abs. 1 BGB durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt erworben und durch die Aufgabe oder den Verlust derselben beendigt, § 856 Abs. 1 BGB. Der Besitz besteht als Voraussetzung des Besitzschutzes demnach in dem dauernden Zustand der tatsächlichen Gewalt, welche mit der Einwirkungsmacht auf die Sache und der Ausschlussmacht zwei Komponenten enthält7. Eine verbotene Eigenmacht nach §§ 858, 862 BGB setzt daher voraus, dass in die tatsächliche Sachherrschaft eingegriffen worden ist. Ein Eingriff liegt nur vor, wenn der Besitzer im Bestand seiner tatsächlichen Sachherrschaft beeinträchtigt wird. Beim Besitz von Räumen liegt ein Eingriff etwa dann vor, wenn der Zugang des Besitzers zu den Räumen erschwert oder vereitelt wird oder wenn in anderer Form in einer den Besitzer behindernden Weise auf die Mieträume eingewirkt wird8. Dies ist bei den hier interessierenden Beeinträchtigungen nicht der Fall. Zwar mag das Unterlassen von Lärm-, Geruchs- und Schmutzbeeinträchtigungen Voraussetzung für den vertragsgemäßen Gebrauch sein. Es ist aber nicht Bestandteil der tatsächlichen Sachherrschaft als solcher. Es werden weder der Zugriff auf die Mieträume noch die sich aus dem bloßen Besitz ergebenden Nutzungsmöglichkeiten eingeschränkt. Andernfalls könnte der Mieter auch Unterlassung von dem Eigentümer des Nachbargrundstücks verlangen, wenn dieser dort mit entsprechenden Auswirkungen verbundene bauliche Maßnahmen durchführt. 45a Sofern eine verbotene Eigenmacht vorliegt, kann der Vermieter nicht entgegenhalten, der Mieter sei zur Duldung verpflichtet. Insoweit handelt es sich um eine gemäß § 863 BGB bereits grundsätzlich unbeachtliche petitorische Einwendung9. Beachtlich ist aber die Einwendung, der Mieter sei mit den Maßnahmen einverstanden oder diese beruhten auf einer gesetzlichen Gestattung. III. Inhalt der Duldungspflicht 1. Umfang der Duldungspflicht 46 Im Rahmen des § 555a Abs. 1 BGB bedeutet dulden, dass der Mieter sich in Kenntnis der Absicht des Vermieters zur Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen passiv ver-

1 Hierzu ausführlich Lehmann-Richter, NZM 2011, 572. 2 Vgl. BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 355/03, NZM 2005, 60; OLG München v. 29.7.1991 – 21 W 1961/91, WuM 1991, 481; LG Berlin v. 7.8.2012 – 63 T 118/12, WuM 2012, 554; AG Pankow-Weißensee v. 15.2.2007 – 3 C 1014/06, GE 2007, 989. 3 LG Berlin v. 7.4.1997 – 61 S 302/96, MM 1997, 280. 4 So Lehmann-Richter, NZM 2011, 572. 5 LG Berlin v. 7.8.2012 – 63 T 118/12, WuM 2012, 554. 6 A.A. LG Berlin v. 12.3.2012 – 63 T 29/12, WuM 2012, 213; LG Berlin v. 7.8.2012 – 63 T 118/12, WuM 2012, 554. 7 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, NJW 2009, 482. 8 BGH v. 27.4.1971 – VI ZR 191/69, VersR 1971, 765. 9 Staudinger/Bund, § 863 BGB Rz. 3; LG Berlin v. 7.8.2012 – 63 T 118/12, WuM 2012, 554.

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hält1. Passiv verhält sich ein Mieter dann, wenn er weder dem Vermieter gegenüber der ihm bekannten Absicht (mündlich oder schriftlich) widerspricht noch diesen an der Durchführung der Erhaltungsmaßnahme hindert2, etwa durch Verweigerung des Zutritts zu den Mieträumen3 oder – bei einer Erhaltungsmaßnahme im Außenbereich – durch gerichtliche Unterlassungsverfügung4. Unerheblich ist, aus welchem Grunde die Erhaltungsmaßnahme notwendig wurde. 47 Der Mieter muss diese daher auch dann dulden, wenn der Vermieter den zu beseitigenden Schaden selbst verursacht oder zu vertreten hat. Gleiches gilt, wenn die Schäden Folge anderer vorangegangener Erhaltungsmaßnahmen sind, die der Mieter ebenfalls zu dulden hatte5. Ob die notwendige Zustimmung Dritter vorliegt, z.B. der zuständigen Behörde, ist zivilrechtlich unerheblich6. Diese hat auf den Charakter der Maßnahme als Erhaltungsmaßnahme keinen Einfluss. Die Duldungspflicht ist umfassend. Der Mieter hat also auch Eingriffe in die Sub- 48 stanz und die damit verbundenen Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs, wie z.B. Lärm, Schmutz und Erschütterungen zu dulden. Ebenso muss er Beeinträchtigungen der Lichtverhältnisse sowie der Frischluftzufuhr hinnehmen, z.B. wenn ein Baugerüst aufgestellt werden muss. Dies gilt allerdings nur für erforderliche Maßnahmen. Weitere Einschränkungen der Duldungspflicht können sich aus § 242 BGB ergeben (vgl. § 555a BGB Rz. 55 f.). Der Mieter muss auch die notwendigen Voruntersuchungen, selbst wenn diese sehr umfangreich sind, dulden7. a) Mitwirkungspflichten des Mieters Umstritten ist die Frage, in welchem Umfang den Mieter Mitwirkungspflichten tref- 49 fen. Aufgrund seiner Duldungspflicht muss der Mieter alles unterlassen, was die Durchführung der Erhaltungsmaßnahme stören könnte. Weiter muss der Mieter dem Vermieter und den von diesem beauftragten Personen, insbesondere Handwerkern, Zutritt zur Wohnung gewähren8. Teilweise wird auch eine Pflicht des Mieters angenommen, seine persönlichen Sachen 50 zusammenzustellen, damit sie vom Vermieter beiseite geschafft werden können. Andere erstrecken die Mitwirkungspflicht soweit, dass der Mieter die Mietsache so vorbereiten muss, dass die Handwerker sofort mit ihrer Arbeit beginnen können9. Mit der h.M. ist jedoch davon auszugehen, dass den Mieter grundsätzlich keine Mitwirkungspflicht trifft10. Dies ergibt sich schon durch einem Umkehrschluss aus § 555a Abs. 3 BGB. Denn der Aufwendungsersatzanspruch würde (zumindest teilweise) leer laufen, wenn der Mieter die Mietsache in irgendeiner Weise zur Durchführung der Maßnahme vorbereiten müsste. Allenfalls kann verlangt werden, dass er seine höchstpersönlichen Sachen (z.B. Unterwäsche) zusammenräumt11. Es besteht aber keine Verpflichtung, die Möbel zu entfernen, zusammenzurücken, Tapeten zu beseitigen oder Bodenbeläge zu entfernen bzw. abzudecken. Überlässt der Mieter dem Vermieter diese Arbeiten, muss er sie allerdings auch dulden12. Dem Vermieter steht es dann frei zu ent1 LG Berlin v. 30.11.1995 – 67 S 158/95, WuM 1996, 143; LG Berlin v. 30.11.1995 – 67 S 158/95, NJW-RR 1996, 1163; KG v. 16.7.1992 – 8 RE Miet 3166/92, WuM 1992, 514. 2 LG Berlin v. 1.8.2002 – 67 S 478/01, GE 2002, 1567; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 30. 3 LG Berlin v. 26.3.1996 – 65 T 11/96, GE 1997, 245. 4 So KG v. 16.7.1992 – 8 RE Miet 3166/92, WuM 1992, 515. 5 BGH v. 24.9.2008 – VIII ZR 275/07, NZM 2008, 883; Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 7. 6 A.A. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 34. 7 AG Charlottenburg v. 17.6.2002 – 223 C 1003/02, GE 2002, 1566; AG Frankfurt v. 6.2.1991 – 33 C 3561/89-28, WuM 1992, 12. 8 KG v. 28.9.2009 – 22 W 47/09, WuM 2010, 46; LG Berlin v. 26.3.1996 – 65 T 11/96, GE 1997, 245. 9 Schläger, ZMR 1986, 348. 10 Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 10; Blank/Börstinghaus, § 554 BGB Rz. 35; Hummel, ZMR 1970, 65; Schläger, ZMR 1985, 193. 11 Palandt/Weidenkaff, § 554 BGB Rz. 7 (Platzschaffung durch Wegräumen von Sachen des Mieters). 12 LG Berlin v. 30.11.1995 – 67 S 158/95, NJW-RR 1996, 1163.

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scheiden, wie er verfährt, also ob er z.B. die Möbel einlagert oder nur abdeckt. Handelt er hierbei schuldhaft, haftet er auf Schadensersatz. Ebenso, wenn seine Erfüllungsgehilfen das Eigentum des Mieters schuldhaft beschädigen. Nach Durchführung der Erhaltungsmaßnahme obliegt es ebenfalls dem Vermieter, den früheren Zustand wiederherzustellen. Der Mieter muss auch insoweit nicht selbst tätig werden. 51 Je nach Umfang und Intensität der Maßnahme kann die Duldungspflicht des Mieters auch erfordern, dass dieser das Mietobjekt vorübergehend verlässt, sollte die Maßnahme andernfalls nicht durchgeführt werden können1. Weiter hat der Mieter dafür Sorge zu tragen, dass auch die weiteren in dem Mietobjekt befindlichen Personen die Maßnahme nicht behindern, z.B. Familienangehörige, Mitarbeiter, Untermieter2. Andernfalls macht der Mieter sich schadensersatzpflichtig (vgl. auch § 555a BGB Rz. 60)3. Auch eine Kündigung – welche aber regelmäßig eine Abmahnung voraussetzt – kommt in Betracht. Eine fristlose Kündigung wird aber nur bei der Verweigerung besonders dringender Maßnahmen zulässig sein. b) Vertragliche Absprachen 52 Die Mietvertragsparteien können hinsichtlich der Duldungspflicht des Mieters besondere Vereinbarungen treffen. § 555a Abs. 4 BGB verbietet nur von den Absätzen 2 und 3, also den Regelungen über die Ankündigung und den Aufwendungsersatzanspruch, abweichende Vereinbarungen. Abreden zum Umfang der vom Mieter zu duldenden Maßnahmen, also z.B. die Einbeziehung nicht nur erforderlicher, sondern auch zweckmäßiger Maßnahmen sind deshalb ebenso möglich, wie die Vereinbarung einer Mitwirkungspflicht im Vorfeld von Maßnahmen. Die Parteien können daher bereits bei Mietvertragsabschluss vereinbaren, dass der Mieter im Falle von Erhaltungsmaßnahmen verpflichtet ist, vorbereitend tätig zu werden, also beispielsweise eingebrachte Gegenstände zu entfernen. Eine formularmäßige Verpflichtung des Mieters, an der eigentlichen Erhaltungsmaßnahme selbst aktiv mitzuwirken, scheitert aber an § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, da eine solche Regelung erheblich von dem gesetzlichen Leitbild abweichen würde. Nach Vertragsabschluss, anlässlich einer konkret anstehenden Maßnahme, sind solche Absprachen allerdings gemäß § 555f BGB zulässig, der ausdrücklich auch die technische Durchführung anspricht. 53 Hat der Mieter den von dem Vermieter beauftragten Handwerkern wegen vorangegangener Auseinandersetzungen ein Hausverbot erteilt, muss der Vermieter dies akzeptieren. Auch § 555a Abs. 1 BGB gibt dem Vermieter keinen Anspruch auf Aufhebung des Hausverbotes, da er andere Personen mit der Durchführung der notwendigen Arbeiten beauftragen kann4. c) Einstweilige Verfügung 54 Eine einstweilige Verfügung auf Gestattung des Zutritts zur Mietwohnung kann der Vermieter nur im Fall besonderer Dringlichkeit der Maßnahmen erwirken, z.B. bei einem Wasserrohrbruch. In der Regel ist der Duldungsanspruch daher auf dem Klageweg durchzusetzen. d) Zumutbarkeit für den Mieter 55 Die Duldungspflicht (zum Inhalt vgl. § 555a Rz. 46) findet ihre Grenze in der Zumutbarkeit für den Mieter (§ 242 BGB). Daran fehlt es, wenn der Auszug des Mieters kurz bevorsteht und die Maßnahme (ohne Gebrauchsbeeinträchtigung) aufschiebbar ist5.

1 Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 9. 2 Franke, DWW 2009, 15; a.A. offenbar Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 9 (der von einer eigenen Duldungspflicht dieser Dritter ausgeht, was aber abzulehnen ist, da es insoweit an einer vertraglichen Grundlage fehlt). 3 LG Saarbrücken v. 8.2.2008 – 10 S 33/08, ZMR 2008, 974; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 304. 4 AG Hamburg-Blankenese v. 27.7.2007 – 509 C 45/06, ZMR 2007, 866. 5 LG Stuttgart v. 21.7.1995 – 19 O 269/95, WuM 1997, 260; LG Köln v. 25.11.1994 – 12 T 302/94, WuM 1995, 312.

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Im Übrigen sind die beiderseitigen Interessen abzuwägen. Der Vermieter ist also gehalten, die Beeinträchtigungen für den Mieter – soweit möglich – so gering wie möglich zu halten, also insbesondere unnötige und übermäßige Belästigungen zu vermeiden1. Beispiele fehlender Duldungspflicht: 56 – Badezimmer – Entfernung der Speisekammer zum Zwecke der Vergrößerung des Bades, da § 555a Abs. 1 BGB keine Maßnahmen erfasst, die der Umgestaltung des Vertragsgegenstandes dienen2. – Gleiches gilt für den Austausch von Fliesen im Bad, sofern der Vermieter nicht darlegt, dass sonst konkrete Schäden eintreten werden3. – Erneuerung des Badezimmers einschl. der Wandfliesen und des Fußbodens, wenn der alte Zustand mängelfrei ist4. – Austausch alter Steingutfliesen im Bad ohne drohende Gefahr von Bodenschäden durch sickerndes Wasser5. – Durchlauferhitzer Austausch des vorhandenen Gasdurchlauferhitzers gegen einen elektrischen Durchlauferhitzer6, da dies weder eine Instandhaltungsmaßnahme i.S.d. § 555a Abs. 1 BGB noch eine Wertverbesserung nach § 555b BGB ist. – Fenster Austausch von funktionsfähigen Holzfenstern gegen solche aus Kunststoff7. – Gasherd Austausch eines funktionierenden Gasherdes gegen einen Elektroherd ist keine Instandhaltungsmaßnahme, sondern eine zustimmungsbedürftige Änderung der Wohnungsausstattung8, die nur bei Erforderlichkeit aus zwingenden Gründen vom Mieter zu dulden ist9. 2. Schadensersatzpflicht des Mieters Verweigert der Mieter unberechtigterweise die Duldung von Erhaltungsmaßnahmen, 57 sind auch Fälle vorstellbar, in denen dem Vermieter ein erheblicher Schaden entstehen kann, z.B. Zinssteigerungen für Kredite, die für die Realisierung der Maßnahme aufgenommen werden müssen, oder zusätzliche Kosten bei Folgeschäden. Die gleiche Problematik stellt sich auch bei Modernisierungsmaßnahmen. Hier kommt zusätzlich auch ein Mietausfall in Betracht, der dadurch entsteht, dass (andere) Mietobjekte im gleichen Gebäude nicht weiter vermietet werden können, z.B. weil die Elektroleitungen im Objekt wegen der Weigerung des Mieters nicht ausgetauscht werden können, da hierfür der Zutritt zur Mietwohnung erforderlich ist. Es stellt die Frage, ob der Vermieter in diesen Fällen Regress beim Mieter nehmen kann. Ein solcher Schadensersatzanspruch setzt ein Verschulden des Mieters, also ein fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln voraus. Während Letzteres ohne weiteres angenommen werden kann, wenn der Mieter weiß, dass er die beabsichtigte Maßnahme des Mieters zu dulden hat, ist fraglich, ob ein fahrlässiges Handeln des Vermieters vorliegt, wenn dieser – gegebenenfalls nach vorangegangener rechtlicher Beratung – davon ausgeht, nicht zur Duldung verpflichtet zu sein. In der Praxis wird eine solche Fehleinschätzung vor allem in Hinblick auf Modernisierungsmaßnahmen gemäß § 555b BGB in Betracht kommen. Aber auch bei Erhaltungsmaßnahmen gemäß § 555a Abs. 1 BGB sind 1 2 3 4 5 6 7 8 9

AG Bad Schwartau v. 26.4.1984 – 3 C 70/84, WuM 1984, 215; Emmerich, PiG 16, 43. AG Mitte v. 14.10.1999 – 4 C 263/99, MM 2000, 280. AG Mitte v. 14.10.1999 – 4 C 263/99, MM 2000, 280. AG Köln v. 26.6.2002 – 220 C 275/01, KM 32 Nr. 22. AG Berlin-Mitte v. 14.10.1999 – 4 C 263/99, MM 2000, 280. LG Berlin v. 27.1.2000 – 61 T 3/00, MM 2000, 131. LG Berlin v. 17.12.2001 – 62 S 238/01, MM 2002, 97. LG Berlin v. 7.11.1996 – 61 S 271/96, GE 1997, 185. AG Mitte v. 14.10.1999 – 4 C 263/99, MM 2000, 280.

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solche Fälle denkbar, z.B. wenn der Mieter der Auffassung ist, eine Erhaltungsmaßnahme wäre überflüssig, nicht rechtzeitig angekündigt oder wenn er von einem ihm nicht zustehenden Zurückbehaltungsrecht Gebrauch macht. 58 Meint der Mieter aufgrund einer falschen rechtlichen Würdigung des Sachverhalts, die Maßnahme nicht dulden zu müssen, trifft ihn kein eigenes Verschulden, wenn er sich in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befindet. Allerdings kann ein unverschuldeter Rechtsirrtum nur in eng begrenzten Ausnahmefällen angenommen werden. Es sind hier hohe Anforderungen zu stellen1. Insbesondere ist zu verlangen, dass der Mieter die Rechtslage sorgfältig prüft, erforderlichenfalls Rechtsrat einholt und die höchstrichterliche Rechtsprechung berücksichtigt2. Diesen Anforderungen genügt ein Mieter regelmäßig erst dann, wenn er sich anwaltlich oder durch einen Mieterverein beraten lässt. In diesem Fall darf der Mieter auf die Empfehlungen der fachspezifischen Stellen vertrauen, so dass ihm ein eigenes Verschulden nicht angelastet werden kann3. 59 Für den Bereich der Schadensersatzverpflichtung des Mieters gemäß § 280 BGB hat der BGH seine strikte Rechtsprechung zwischenzeitlich in einem Urteil vom 16.1.20094 relativiert. Macht eine Mietvertragspartei unberechtigte Forderungen geltend, soll der Gläubiger der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) entsprechen, wenn er geprüft hat, ob die Vertragsstörung auf eine Ursache zurückzuführen ist, die dem eigenen Verantwortungsbereich zuzuordnen ist, der eigene Rechtsstandpunkt mithin plausibel ist5. Mehr als diese Plausibilitätskontrolle6 soll nicht verlangt werden können, wenn der Mieter alle verfügbaren Erkenntnisquellen ausschöpft. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Gläubiger die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt7. Dieser Entscheidung des BGH lag jedoch ein Sachverhalt zugrunde, in dem der auf Schadensersatz in Anspruch genommene Vertragsteil von einem unzutreffenden Sachverhalt ausging, bei dessen tatsächlichen Vorliegen die rechtlichen Schlussfolgerungen zutreffend gewesen wären. Es handelte sich daher gerade nicht um eine falsche rechtliche Bewertung eines zutreffend vorliegenden Sachverhalts. Es ist daher davon auszugehen, dass der BGH an seinen engen Voraussetzungen für die Annahme eines Rechtsirrtums festhalten wird und die Plausibilitätskontrolle auf den Bereich fehlerhaft festgestellter Sachverhalte beschränken wird. Dies bleibt aber abzuwarten, da sich der BGH in seiner Entscheidung vom 16.1.2009 mit den Voraussetzungen eines Rechtsirrtums nicht auseinandergesetzt hat. 60 Trifft den Mieter selbst kein Verschulden, kommt noch eine Haftung für ein schuldhaftes Verhalten seiner Erfüllungsgehilfen in Betracht. Erfüllungsgehilfen sind nach der neueren Rechtsprechung des BGH auch die Rechtsberater des Mieters. Damit hat sich der 8. Zivilsenat des BGH8 von der häufig bei den Instanzgerichten festzustellenden gegenteiligen Auffassung9 distanziert und sich der wohl überwiegenden Auffassung in der Literatur angeschlossen10. Zwar erging die Entscheidung des 8. Zivilsenats im Zusammenhang mit einer Verschuldenszurechnung im Rahmen einer or1 BGH v. 11.7.2012 – VIII ZR 138/11, MDR 2012, 1084; BGH v. 27.9.1989 – VIa ZR 156/88, NJW-RR 1990, 160. 2 BGH v. 12.7.2006 – X ZR 157/05, BB 2006, 1819; BGH v. 4.7.2001 – VIII ZR 279/00, NJW 2001, 3114. 3 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, WuM 2007, 24. 4 BGH v. 16.1.2009 – V ZR 133/08, NZM 2009, 367. 5 Vgl. BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147 (1148). 6 Ähnlich Kaiser, NJW 2008, 1709 (1712) (Evidenzkontrolle). 7 BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147 (1148); Haertlein, MDR 2009, 1 (2). 8 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, WuM 2007, 24. 9 Vgl. z.B. KG v. 15.6.2000 – 16 RE-Miet 10611/99, WuM 2000, 481. 10 Vgl. nur Schmidt-Futterer/Blank, § 573 BGB Rz. 19 und Rz. 31 i.V.m. § 543 BGB Rz. 97; Palandt/Weidenkaff, § 573 BGB Rz. 14; MünchKomm/Häublein, § 573 BGB Rz. 64; vgl. auch

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dentlichen Kündigung, die aufgestellten Grundsätze können aber auf die vorliegende Konstellation übertragen werden. Neben einer möglichen Regresspflicht riskiert der die Erhaltungsmaßnahme rechts- 61 widrig blockierende Mieter auch die (ordentliche) Kündigung des Mietverhältnisses und damit den Verlust seiner Wohnung. IV. Aufwendungsersatz Der Aufwendungsersatzanspruch des Mieters nach § 555a Abs. 3 BGB setzt die 62 Durchführung einer Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahme voraus sowie deren Kausalität für das Entstehen der Mieteraufwendungen1. Ob die notwendige Kausalität vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls. Dies wurde z.B. bei der Geltendmachung von Kosten für die Anschaffung von Reinigungsmitteln und Wischer verneint, da Reinigungsarbeiten in einer Wohnung regelmäßig ausgeführt werden2. Aufwendungen i.S.d. Vorschrift sind auch keine Umzugskosten, die dem Mieter entstehen, der kündigt und auszieht, weil er die Erhaltungsmaßnahme nicht dulden möchte3. Vielmehr werden von § 555a Abs. 3 BGB nur solche Aufwendungen umfasst, die im Zusammenhang mit der Erfüllung der Duldungspflicht entstehen. Nach Sinn und Zweck setzt dies die Fortsetzung des Mietverhältnisses voraus4. 1. Angemessener Umfang Der Vermieter hat dem Mieter seine Aufwendungen im angemessenen Umfang zu er- 63 setzen. Maßgebend ist dabei ein objektiver Maßstab für den erforderlichen Aufwand, der im Einzelfall zu klären ist. Verpflegungskosten sind aber z.B. generell zu kürzen um einen Betrag, den der Mieter ohne die Maßnahmen im Rahmen seiner gewöhnlichen Lebensführung hätte aufwenden müssen (Vorteilsanrechnung)5, was im Zweifel zu schätzen ist (§ 287 ZPO). Da der Mieter für die Höhe des Schaden darlegungs- und beweispflichtig ist, hat er die Anknüpfungspunkte für eine Schätzung mitzuteilen und ggf. zu beweisen. Der Mieter ist aber nicht verpflichtet, sich über längere Zeit bei Bekannten einzumieten6, sondern kann sich in ein Hotel einquartieren, das in etwa dem Standard seiner Wohnung entspricht. Der Aufwendungsersatzanspruch des Mieters umfasst nicht Arbeiten, die infolge der 64 Modernisierung in zumutbarem Umfang vom Mieter freiwillig selbst erbracht wurden, wie etwa das Zusammenstellen der Möbel, wenn es nur einen geringen Umfang annimmt (vgl. hierzu aber auch § 555a BGB Rz. 49)7, oder der Zeitaufwand für die Beaufsichtigung der Arbeiten, weil das im Eigeninteresse des Mieters liegt8. Erhöhte Betriebskosten fallen allgemein ebenfalls nicht unter die Ersatzpflicht des Vermieters9. Diese sind aber bei der Betriebskostenabrechnung angemessen als Abzug zu berücksichtigen. Beispiele für Aufwendungsersatz, sofern erforderlich: 65 – Anschaffungskosten für neue Einrichtungsgegenstände, wenn die Anschaffung wegen verändertem Grundriss oder Stellflächen notwendig wurde10, allerdings gegen einen entsprechenden Abzug neu für alt11,

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OLG Köln v. 30.10.1997 – 12 U 29/97, ZMR 1998, 763 (766); LG Berlin v. 6.2.1998 – 64 S 412/97, NZM 1998, 573. LG Berlin v. 27.11.2006 – 62 S 173/06, MM 2007, 111; Horst, NZM 1999, 194. LG Magdeburg v. 8.7.2009 – 2 S 91/09, zitiert nach juris. BGH v. 31.10.2012 – XII ZR 126/11, WuM 2013, 223; BGH v. 22.6.2010 – VIII ZR 192/09, WuM 2010, 565. BGH v. 31.10.2012 – XII ZR 126/11, WuM 2013, 223. Reissmann, MM 1996, 399 m.w.N. AG Köln v. 26.2.1980 – 217 C 36/80, WuM 1981, 95. AG Braunschweig v. 18.5.1988 – 114 C 916/88, WuM 1990, 340. LG Essen v. 8.4.1988 – 1 S 614/87, WuM 1989, 372. Scholz, WuM 1995, 17. AG Kassel v. 19.7.2012 – 452 C 5148/11, WuM 2012, 552. AG Kassel v. 19.7.2012 – 452 C 5148/11, WuM 2012, 552; Reissmann, MM 1996, 399.

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§ 555a BGB

Erhaltungsmaßnahmen

– Auslagern der Möbel1, – Demontage und Wiederaufbau der Einbauküche2, – Installation einer Markise nach Demontage durch den Vermieter bei Fassadenarbeiten3, – Entfernung und Entsorgung von Öfen4, – Reinigung der Wohnung von Staub und Schmutz einschließlich der Verwendung von Putzmaterialien5, – Mietermodernisierungen sind nur zu ersetzen, wenn der dadurch erhöhte Wohnwert noch vorhanden ist6; insoweit kann von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass Aufwendungen in Höhe einer Jahresmiete in vier Jahren abgenutzt sind7, – Aufwendungen für Schönheitsreparaturen sind zu ersetzen., Ein Abzug „Neu für Alt“ ist bei im Anschluss an die Erhaltungsmaßnahme durchzuführenden Schönheitsreparaturen nicht vorzunehmen. Dieses Rechtsinstitut wurde für den Bereich des Schadensersatzes entwickelt. Es passt nicht auf den Aufwendungsersatzanspruch, der im Ergebnis auf die Realisierung des Erfüllungsanspruchs gemäß § 535 Abs. 1 BGB abzielt8. Etwas anders gilt dann, wenn die Schönheitsreparaturen bereits vor Durchführung der Erhaltungsmaßnahme fällig waren9. Dann muss der Mieter die Wohnung ohnehin renovieren. § 555a Abs. 3 BGB dient nich dazu, den Mieter von vertraglichen Pflichten freizustellen. – Unterbringung im Hotel oder Pflegeheim bei Unbewohnbarkeit der Wohnung, sofern die Arbeiten nicht nur kurz dauern und nur tagsüber erfolgen, jeweils abzgl. ersparter Verpflegungskosten10, es sei denn, der Mieter hat ein Hotelappartement mit Küche angemietet11. Die Unterbringung muss allerdings notwendig gewesen sein, was nicht der Fall ist, wenn die Wohnung weiterhin, wenn auch u.U. mit Einschränkungen, nutzbar war12. Anders kann dies bei aufgestellten und lärmverursachenden Trocknungsgeräten sein13. Neuanschaffung können u.U. ebenfalls als Aufwendungen zu ersetzen sein, z.B. Möbel und sonstige Einrichtungsgegenstände, wenn dies aufgrund eines geänderten Grundriss notwendig werden. Insoweit muss aber der Abzug „Neu für Alt“ beachtet werden, da § 555a Abs. 3 BGB nicht bezweckt, dem Mieter einen vermögenswerten Vorteil zu verschaffen. Der Aufwendungsersatzanspruch dient hier auch nicht der Verwirklichung des Erfüllungsanspruchs des Mieters, so dass eine Vorteilsanrechnung durchzuführen ist14. 2. Eigenleistungen 66 Bei der Bemessung des Ersatzanspruches für Eigenleistungen werden 10 Euro pro Stunde für angemessen gehalten15. Mittlerweile sind hier in Hinblick auf die fortschreitende Inflation aber eher 15–20 Euro angemessen, wobei als Obergrenze der 1 2 3 4 5 6 7

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AG Schöneberg v. 10.4.2008 – 109 C 256/07, WuM 2008, 477. AG Lichtenberg v. 26.10.2001 – 5 C 291/01, MM 2002, 142. AG Frankfurt v. 10.3.2000 – 33 C 3139/99-76, NZM 2001, 379. LG Hamburg v. 9.3.1993 – 316 S 290/92, WuM 1993, 399. AG Kassel v. 19.7.2012 – 452 C 5148/11, WuM 2012, 552. A.A. LG Hamburg v. 9.3.1993 – 316 S 290/92, WuM 1993, 399. Vgl. auch LG Berlin v. 4.12.2007 – 63 S 130/07, MM 2008, 75; LG Berlin v. 13.3.1998 – 64 S 35/97, GE 1998, 616; LG Hamburg v. 2.9.1983 – 11 S 157/83, MDR 1983, 1026; Scholz, WuM 1995, 12 (15); Sternel, NZM 2001, 1058 (1062). Vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 338. A.A. LG Aachen v. 16.1.1991 – 7 S 338/90, WuM 1991, 341. AG Genthin v. 13.10.1994 – 1 C 58/93, WuM 1995, 534. LG Hamburg v. 25.7.1986 – 11 S 84/86, WuM 1987, 387. AG Hamburg v. 19.5.2009 – 48 C 49/08, ZMR 2010, 455. AG Schöneberg v. 10.4.2008 – 109 C 256/07, WuM 2008, 477. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 339. LG Essen v. 8.4.1988 – 1 S 614/87, WuM 1989, 372; AG Hamburg v. 27.1.1999 – 45 C 1670/94, WuM 1999, 364; AG Hohenschönhausen v. 12.5.2004 – 11 C 519/03, MM 2004, 265; a.A. Lammel, § 554 BGB Rz. 88 (Eigenleistungen mangels Vermögenseinbuße nicht ersetzbar).

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Stundensatz abhängiger Arbeitnehmer anzunehmen ist1. Der Oberwert kann insbesondere dann angesetzt werden, wenn der Mieter über eine entsprechende eigene Facharbeiterqualifikation verfügt. Ersetzbar sind auch die Kosten von Arbeitshilfen. Der Zeitaufwand kann nach § 287 ZPO geschätzt werden2. Der Zeitaufwand ist substantiiert darzulegen3. 3. Verjährung Der Anspruch verjährt in der Frist des § 548 Abs. 2 BGB4. Hierfür spricht bereits der 67 Sinn und Zweck der Verjährungsregelung, eine rasche Auseinandersetzung der Vertragsparteien zu erreichen und die Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach Beendigung des Mietverhältnisses und Veränderungen an dem Mietobjekt – und der damit einhergehenden Beweisschwierigkeiten – zu verhindern5. Zudem sind der Aufwendungsersatzanspruch und etwaige daneben stehende Schadensersatzansprüche des Mieters häufig nicht klar abgrenzbar. Die Mängelhaftung des § 536a BGB kann vielmehr neben den Anspruch auf Aufwendungsersatz treten. Diese Überschneidung in den Mieterrechten lässt eine einheitliche Verjährungsregelung auch aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit als geboten erscheinen6. 4. Vorschuss Der Mieter ist gemäß § 555a Abs. 3 S. 2 BGB berechtigt, einen Vorschuss zu verlan- 68 gen. Im Prozessfall hat der Mieter hierzu konkrete Angaben zu Art, Umfang und Höhe zu machen7, wobei er auch per einstweiliger Verfügung vorgehen kann8, dies aber nur bei einer besonderen Dringlichkeit, also wenn z.B. ein sofortiger Umzug in ein Hotel notwendig ist. Eine Aufstockung kann verlangt werden, sofern sich nachträglich herausstellt, dass der zunächst geleistete Betrag nicht ausreicht. Steht dem Mieter ein Vorschussanspruch zu, kann er bis zur Zahlung ein Zurück- 69 behaltungsrecht geltend machen9. Das gilt nicht für sonstige Ersatzansprüche, für die eine Vorschusspflicht nicht besteht, weil diese regelmäßig bei Beginn der Arbeiten noch nicht fällig sind, § 273 BGB10. Demgemäß darf der Mieter die Erfüllung seiner Duldungspflicht nicht von einer vorherigen Zusicherung des Vermieters, etwaige Schäden zu ersetzen, abhängig machen11. Auch für erst nach Abschluss der Arbeiten notwendige Aufräum- oder sonstige Arbeiten kann noch kein Vorschuss verlangt oder insoweit ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden, da andernfalls dem Vermieter die Möglichkeit genommen würde, seiner Verpflichtung freiwillig nachzukommen. 5. Abweichende Vereinbarungen Grundsätzlich verbietet § 555a Abs. 4 BGB zum Nachteil des Mieters abweichende 70 Vereinbarungen, so dass auch der Aufwendungsersatzanspruch nicht grundsätzlich mietvertragliche beschränkt werden kann. Haben sich die Parteien jedoch vergleichsweise auf den Erlass einer Monatsmiete als Gegenleistung für die Aufwendungen geeinigt, ist diese Regelung wirksam, da es sich um eine vergleichsweise Konkretisierung der Aufwendungen handelt12. Für nachträgliche Vereinbarungen greift § 555a

1 Vgl. dazu AG Braunschweig v. 18.5.1988 – 114 C 916/88, WuM 1990, 340; AG Kassel v. 19.7.2012 – 452 C 5148/11, WuM 2012, 552;umfassend Maciejewski, MM 2001, 197. 2 AG Hohenschönhausen v. 12.5.2004 – 11 C 519/03, MM 2004, 265 zu § 2 Abs. 3 S. 2 ZSEG. 3 AG Schöneberg v. 27.10.2005 – 9 C 158/05, MM 2006, 299. 4 LG Köln v. 13.12.1990 – 1 S 239/90, WuM 1991, 588; Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 54. 5 BGH v. 19.3.1965 – V ZR 268/62, NJW 1965, 1225. 6 LG Köln v. 13.12.1990 – 1 S 239/90, WuM 1991, 588. 7 Palandt/Weidenkaff, § 554 BGB Rz. 27. 8 AG Köln v. 26.2.1980 – 217 C 36/80, WuM 1981, 95 (Hotelkosten). 9 Horst, NZM 1999, 193. 10 Vgl LG Frankfurt v. 31.1.1967 – 2/11 S 6/67, MDR 1968, 328. 11 AG Neuss v. 27.3.1986 – 36 C 745/85, NJW-RR 1986, 891. 12 LG Berlin v. 23.2.2001 – 63 S 204/00, MM 2002, 52.

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Abs. 4 BGB nach der hier vertretenen Auffassung aber ohnehin nicht (vgl. § 557 BGB Rz. 7 ff.). Zudem wird nunmehr durch § 555f BGB ausdrücklich klargestellt, dass Absprachen zu Aufwendungsersatzansprüchen des Mieters jedenfalls aus Anlass einer konkreten Erhaltungsmaßnahme möglich sind. 6. Mietminderung 71 Während der Dauer der Maßnahme ist die Miete – sofern die Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigt ist – gemäß § 536 BGB gemindert. V. Prozessuales 1. Duldungsklage 72 Der Vermieter muss den Duldungsanspruch mit der Klage durchsetzen. Die Duldungsklage ist eine Leistungsklage. a) Klageantrag und Begründung 73 Die beabsichtigten Maßnahmen der Instandhaltung bzw. Instandsetzung sind detailliert im Duldungsantrag zu bezeichnen1. Wie konkret der Klageantrag zu fassen ist, wird nicht ganz einheitlich beantwortet. Zur Vermeidung eines Risikos sollte der Klageantrag ausführlich gestaltet werden. In der Rechtsprechung ist jedenfalls anerkannt, dass im Wege einer Leistungs- bzw. Duldungsklage gerade keine Möglichkeit für die Vermieterseite geschaffen werden kann, ein generelles Zutrittsrecht zu erreichen2. Der Klageantrag muss daher zumindest eine angemessene Ankündigungsfrist – in der Regel mindestens eine Woche3 – und einen angemessenen Zeitraum angeben, innerhalb dessen der Mieter verpflichtet ist, die Durchführung der notwendigen Arbeiten sowie das Betreten des Mietobjektes zu dulden. Fehlt dies, ist die Klage abzuweisen4. Gleichzeitig kann der Duldungsantrag auch mit der Verpflichtung zur Zutrittsgewährung verbunden werden, um die Vollstreckung nach § 887 ZPO zu eröffnen (vgl. auch § 555d BGB Rz. 87). b) Streitwert 74 Während der Streitwert der Duldungsklage vor Inkrafttreten der Neufassung des Gerichtskostengesetzes vom 5.5.2004 überwiegend mit dem 42fachen Betrag der monatlichen Minderung5 oder dem 42fachen der monatlich veranschlagten Mieterhöhung6 angenommen wurde, richtet er sich jetzt in entsprechender Anwendung des § 41 Abs. 5 GKG nach dem Jahresbetrag einer möglichen Minderung7. Beträgt die verbliebene Mietdauer weniger als ein Jahr, ist der geringere Wert maßgebend, § 41 Abs. 5 S. 2 GKG. 75 Der Beschwerdewert im Berufungsverfahren bei einer Klage des Vermieters auf Gestattung des Betretens der Wohnung zur Durchführung von Instandhaltungs- und

1 2 3 4

Zum Duldungsanspruch für Modernisierungsmaßnahmen Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. V 27. LG Frankfurt v. 24.5.2006 – 2-17 S 194/01, NZM 2002, 696. Vgl. AG Hamburg v. 21.2.1992 – 43b C 1717/91, WuM 1992, 540. AG Hagen v. 7.4.1989 – 15 C 107/89, zitiert nach juris; LG Frankfurt v. 24.5.2002 – 17 S 194/01, NZM 2002 696. 5 OLG Hamburg v. 27.6.1995 – 4 W 26/95, WuM 1995, 595; LG Berlin v. 21.12.2001 – 63 T 97/01, MM 2002, 53; LG Berlin v. 13.2.2001 – 64 S 21/01, MM 2001, 152; LG Berlin v. 28.2.2000 – 67 T 149/99, GE 2000, 472; LG Kiel v. 3.12.2001 – 1 T 61/01, WuM 2003, 37. 6 LG Freiburg v. 18.7.2000 – 3 S 300/99, WuM 2002, 171. 7 KG v. 28.9.2009 – 22 W 47/09, WuM 2010, 46; LG Hamburg v. 15.8.1991 – 311 S 26/91, ZMR 1991, 437; LG Köln v. 11.6.1991 – 1 S 117/91, WuM 1991, 563; Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 64; Lützenkirchen/N. Schneider, AHB Mietrecht, N Rz. 450; a.A. allerdings für den Zeitraum vor Neufassung des Gerichtskostengesetzes LG Hamburg v. 23.10.1984 – 16 T 76/84, ZMR 1985, 127; LG Berlin v. 30.10.1995 – 67 T 103/95, GE 1996, 129; LG Fulda v. 24.1.1992 – 1 S 173/91, WuM 1992, 243.

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Instandsetzungsarbeiten ist mit dem Zwölffachen der monatlichen denkbaren Mietminderung zu bemessen1. c) Vollstreckung Die Vollstreckung aus dem Duldungstitel gegen den Mieter erfolgt nach § 888 ZPO 76 durch Verhängung von Zwangsgeld, wenn der Klageantrag nicht als vertretbare Handlung formuliert ist. Dann richtet sich die Vollstreckung nach § 887 ZPO. 2. Einstweilige Verfügung des Vermieters Nach allgemeiner Meinung muss der Duldungsanspruch aus § 555a I BGB grundsätz- 77 lich im Wege der Duldungsklage durchgesetzt werden2, und zwar auch dann, wenn der Mieter den Arbeiten im Vorfeld ausdrücklich zugestimmt hat. Eine einstweilige Verfügung kommt daher nur ausnahmsweise in Betracht. Die einstweilige Verfügung ist regelmäßig auf Gestattung des Zutritts durch den Ver- 78 mieter oder Handwerker gerichtet und beinhaltet damit eine Vorwegnahme der Hauptsache, die grundsätzlich unzulässig ist. Denn begehrt wird eine Leistungsverfügung, die zur Befriedigung des behaupteten Anspruchs des Vermieters führen würde, da etwa die defekte Heizungsanlage ausgetauscht werden muss3. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Vermieter für die Arbeiten bereits feste Termine geplant hat4. Ausnahmsweise kann ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Gestat- 79 tung des Zutritts der Handwerker in die Mietwohnung begründet sein, wenn dargelegt und glaubhaft gemacht wird, dass durch eine bereits erfolgte oder drohende Änderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Duldungsanspruchs vereitelt oder erschwert werden könnte (§ 935 ZPO) oder dass die Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder der Verhinderung drohender Gewalt (§ 940 ZPO) erforderlich ist. Gefordert wird also insbesondere eine dringliche Notlage für den Vermieter5. Etwaige Interessen anderer Mieter, z.B. bei einem Rohrbruch und weiter austretendem Wasser, sind aber ebenfalls zu berücksichtigen, da der Vermieter insoweit zur Instandsetzung verpflichtet ist. Aus diesem Grund liegen auch die Voraussetzungen für eine einstweilige Verfügung, gerichtet auf Duldung der Installation einer neuen Gasheizungsanlage vor, wenn feststeht, dass die Heizungsanlage dringend erneuerungsbedürftig ist und die Gefahr besteht, dass sich die Zündsicherung des eingebauten Gasofens von selbst abstellt und damit die Gasflamme ohne Gewähr für das gleichzeitige Abstellen der Gaszufuhr erlischt6. Eine einstweilige Verfügung gerichtet auf die vorübergehende Räumung der Woh- 80 nung, da andernfalls die bauliche Maßnahme nicht durchgeführt werden kann, scheitert regelmäßig an § 940a ZPO. Hiernach kommt eine solche einstweilige Verfügung nur bei verbotener Eigenmacht oder einer konkreten Gefahr für Leib und Leben in Betracht. Allenfalls in der zweiten Variante ist bei äußerst dringenden Notmaßnahmen, z.B. bei austretendem Gas, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorstellbar. Dem Vermieter steht auch kein Anspruch auf Erlass einer Nutzungsuntersagung durch die zuständige Bauaufsichtsbehörde zu7.

1 Vgl. LG Saarbrücken v. 11.10.1993 – 13 B S 197/93, WuM 1993, 746. 2 Horst, NZM 1999, 193 (195) m.w.N. 3 BezG Potsdam v. 5.8.1993 – 6 T 61/93, WuM 1993, 599; LG Köln v. 10.2.1977 – 1 S 479/76, WuM 1984, 199; AG Büdingen v. 16.9.1982 – 2 C 455/82, WuM 1982, 282 (für Umbauarbeiten in der Wohnung); AG Wuppertal v. 19.11.1979 – 30 C 611/79, WuM 1980, 180. 4 AG Görlitz v. 10.6.1993 – 7 C 371/93, WuM 1993, 390; LG Frankenthal/Pfalz v. 12.5.1993 – 2 S 3/93, WuM 1993, 418. 5 LG Hamburg v. 27.6.2006 – 334 T 19/06, WuM 2006, 708; LG Hamburg v. 9.11.1984 – 7 T 99/84, WuM 1986, 243; AG Neuss v. 30.8.1985 – 36 C 558/85, WuM 1986, 244. 6 AG Münster v. 23.6.1987 – 6 C 320/87, WuM 1987, 256. 7 OVG Berlin v. 26.6.1989 – 2 S 7.89, DWW 1989, 335; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 55.

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Modernisierungsmaßnahmen

3. Beweislast 81 Der Vermieter, der einen Duldungsanspruch gemäß § 555d Abs. 1 BGB geltend macht, trägt die Beweislast dafür, dass die beabsichtigten Maßnahmen zur Erhaltung der Mieträume oder des Gebäudes erforderlich sind. C. Gewerberaummiete 82 Die Vorschrift des § 555a BGB ist über § 578 Abs. 2 BGB beschränkt auf die Abs. 1–3 auch auf Mietverhältnisse über Gewerbeeinheiten entsprechend anwendbar. Zur Landpacht siehe §§ 586 Abs. 1 S. 2, 588 Abs. 1 BGB. Zur auch formularvertraglichen Abdingbarkeit der Erhaltungspflicht des § 535 BGB vgl. § 535 BGB Rz. 11171. 83 Aufgrund der Beschränkung auf § 555a Abs. 1–3 BGB können die Parteien eines Gewerberaummietvertrages die Duldungspflicht des Mieters vertraglich modifizieren, insbesondere die Ankündigungsfrist verkürzen/verlängern oder Mitwirkungspflichten des Mieters, wie z.B. die Räumung des Mietobjektes, vereinbaren2. Insoweit sind allerdings die §§ 307 ff. BGB zu berücksichtigen.

§ 555b Modernisierungsmaßnahmen Modernisierungsmaßnahmen sind bauliche Veränderungen, 1. durch die in Bezug auf die Mietsache Endenergie nachhaltig eingespart wird (energetische Modernisierung), 2. durch die nicht erneuerbare Primärenergie nachhaltig eingespart oder das Klima nachhaltig geschützt wird, sofern nicht bereits eine energetische Modernisierung nach Nummer 1 vorliegt, 3. durch die der Wasserverbrauch nachhaltig reduziert wird, 4. durch die der Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöht wird, 5. durch die die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessert werden, 6. die auf Grund von Umständen durchgeführt werden, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, und die keine Erhaltungsmaßnahmen nach § 555a sind, oder 7. durch die neuer Wohnraum geschaffen wird. Inhalt A. I. II. 1. 2. III.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . I. Begriff der Modernisierungsmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Legaldefinition . . . . . . . . . . . . . . 2. Berücksichtigung von Mietermodernisierungen . . . . . . . . . . . II. Die einzelnen Modernisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 LG Köln v. 28.10.2004 – 2 O 113/04, NZM 2005, 742. 2 BGH v. 13.11.2002 – XII ZR 310/99, NZM 2003, 313.

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1. Energetische Modernisierung gemäß § 555b Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Endenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bezug zur Mietsache. . . . . . . . . . . . d) Energieeinsparung . . . . . . . . . . . . . aa) Einsparung von Heizenergie . . (1) Endenergieeinsparung . . . . . . . (2) Übersicht von Maßnahmen zur Einsparung von Heizenergie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stromeinsparung . . . . . . . . . . . 2. Einsparung von nicht erneuerbarer Primärenergie, § 555b Nr. 2 BGB . . . . a) Rechtslage bis zum 1.5.2013 . . . . . . b) Rechtslage ab dem 1.5.2013 . . . . . .

17 18 23 25 26 27 27

33 36 38 41 47

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Modernisierungsmaßnahmen

3. 4. 5. 6.

aa) Einsparung in Bezug auf das Mietobjekt. . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einsparung ohne Bezug auf das Mietobjekt . . . . . . . . . . . . . Wassereinsparung, § 555b Nr. 3 BGB . Erhöhung des Gebrauchswerts, § 555b Nr. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse, § 555b Nr. 5 BGB . . . . . . Nicht vom Vermieter zu vertretende Umstände, § 555b Nr. 6 BGB . . . . . . . .

47 48 54 56 61 72

7. Maßnahmen nach EnEV 2009 . . . . . . . a) § 9 Abs. 1 und 3 EnEV . . . . . . . . . . . b) §§ 10 Abs. 2 ff. EnEV . . . . . . . . . . . . c) §§ 10 Abs. 1, 10a Abs. 1 EnEV . . . . . 8. Schaffung neuen Wohnraums, § 555b Nr. 7 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Sonstige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . III. Modernisierende Instandhaltung . . . . IV. Modernisierungs-ABC . . . . . . . . . . . . .

76 77 79 80 83 87 89 90

C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . .

91

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt § 555b Nr. 1 BGB definiert die energetische Modernisierung als eine Maßnahme, 1 durch die in Bezug auf die Mietsache nachhaltig Endenergie eingespart wird. Die Regelung entspricht weitgehend dem bislang geltenden Recht, denn bereits nach den §§ 554, 559 BGB a.F. war die Einsparung von Energie ausdrücklich als Modernisierungsmaßnahme anerkannt1. § 555b Nr. 2 BGB erfasst Maßnahmen, die der Einsparung nicht erneuerbarer Primär- 2 energie dienen, bei denen die Einsparung jedoch nicht in Bezug auf die Mietsache erfolgt. Dies ist z.B. der Fall bei einer Photovoltaikanlage, die auf das Dach eines Mietshauses montiert wird und bei der der erzeugte Strom nicht der Versorgung der Mietsache dient, sondern vom Vermieter gegen Vergütung in das allgemeine Stromnetz einspeist wird. Zum anderen werden Maßnahmen erfasst, die das Klima auf sonstige Weise nachhaltig schützen. Der Tatbestand wird so offen formuliert, dass auch künftige neue Techniken, die dem Klimaschutz dienen, darunter fallen2. Anders als die von § 555b Nr. 1 BGB erfassten Maßnahmen berechtigen die in § 555b Nr. 2 BGB genannten Maßnahmen jedoch nicht zur Mieterhöhung nach § 559 BGB und führen nicht zum Minderungsausschluss nach § 536 Abs. 1a BGB. § 555b Nr. 3 BGB erfasst – wie auch bislang die §§ 554, 559 BGB a.F. – Maßnahmen, die der nachhaltigen Verminderung des Wasserverbrauchs dienen.

3

§ 555b Nr. 4 BGB entspricht wörtlich der ersten Alternative in § 559 Abs. 1 BGB a.F. 4 und bestimmt, dass Maßnahmen, die den Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöhen, als Modernisierungsmaßnahme anzusehen sind. § 555b Nr. 5 BGB entspricht der zweiten Alternative in § 559 Abs. 1 BGB a.F. und er- 5 fasst Maßnahmen zur Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse. § 555b Nr. 6 BGB entspricht – abgesehen von einer Klarstellung – weitgehend der 6 vierten Alternative des § 559 Abs. 1 BGB a.F.3. Nach bisherigem Recht war eine Duldungspflicht für derartige Maßnahmen nicht in § 554 Abs. 2 BGB a.F. vorgesehen. Der Duldungsanspruch wurde aber aus § 242 BGB hergeleitet. Allerdings konnte auch eine Duldungspflicht aus § 242 BGB nur infolge einer Interessenabwägung hergeleitet werden. Denn auch im Rahmen einer aus Treu und Glauben folgenden Duldungspflicht muss auf die Belange der betroffenen Mieter Rücksicht genommen werden4. Durch die Aufnahme in den Katalog der Modernisierungsmaßnahmen ist auch für solche Maßnahmen künftig grundsätzlich eine Härtefallabwägung nach § 555d BGB durchzuführen. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass den Interessen des Vermieters in aller Regel besonderes Gewicht zukommen wird. § 555b Nr. 7 BGB entspricht der dritten Alternative in § 554 Abs. 2 BGB a.F. Wie auch 7 § 555a Nr. 2 BGB rechtfertigt diese Maßnahme im Unterschied zu den übrigen Tat1 2 3 4

Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 19. Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 20. Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 20. BGH v. 4.3.2009 – VIII ZR 110/08, MDR 2009, 738 = MietRB 2009, 191.

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beständen der Vorschrift keine Mieterhöhung wegen Modernisierung nach § 559 Abs. 1 BGB. Aus regelungstechnischen Gründen bietet es sich aber an, den Tatbestand – in der Sache unverändert und mit denselben Rechtsfolgen – wie im bislang geltenden Recht bei den Modernisierungsmaßnahmen mitzuregeln. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 8 Die Vorschrift gilt unmittelbar nur für Wohnraum, über § 578 Abs. 2 BGB aber auch entsprechend für Gewerbemietverträge, sofern es sich um Mietverhältnisse über Räume handelt. Weiter ist die Übergangsregelung in Art. 229 § 29 EGBGB zu berücksichtigen. Hiernach ist nicht § 555b BGB, sondern die §§ 554, 559 bis 559b, 578 BGB in der bis zum 1.5.2013 gültigen Fassung weiter anzuwenden, wenn – bei Modernisierungsmaßnahmen die Mitteilung nach § 554 Abs. 3 Satz 1 BGB dem Mieter vor dem 1.5.2013 zugegangen ist oder – bei Modernisierungsmaßnahmen, auf die § 554 Abs. 3 Satz 3 BGB in der bis zum 1.5.2013 geltenden Fassung anzuwenden ist, der Vermieter mit der Ausführung der Maßnahme vor dem 1.5.2013 begonnen hat. 2. Anwendbare Rechtsprechung 9 Die Vorschrift wurde durch das MietRÄndG eingefügt und regelt nun normübergreifend den Begriff der Modernisierungsmaßnahme, auf den dann in verschiedenen Regelungen verwiesen wird, insbesondere in den §§ 555d und 559 BGB. Mit Ausnahme des § 555b Nr. 2 BGB (insoweit vgl. § 555b BGB Rz. 38) entspricht der Inhalt der Norm der bisherigen Rechtslage, so dass die dort entwickelten Grundsätze auch weiterhin Gültigkeit behalten. III. Zweck 10 Ausgangspunkt für das MietRÄndG war das Energiekonzept der Bundesregierung vom 28.9.2010. Hierin wird klargestellt, dass zentrales Ziel sein muss, den Wärmebedarf des Gebäudebestandes langfristig mit dem Ziel zu senken, bis 2050 nahezu einen klimaneutralen Gebäudebestand zu haben1. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die ausdrückliche Klarstellung, dass es sich auch bei der in § 555b Nr. 1 BGB erwähnten energetischen Modernisierung um eine Modernisierung i.S. dieser Vorschrift handelt. B. Wohnraummiete I. Begriff der Modernisierungsmaßnahme 1. Legaldefinition 11 § 555b BGB enthält die Legaldefinition der Modernisierungsmaßnahme. Erfasst werden alle baulichen Veränderungen, die einen der Tatbestände der Nrn. 1–7 verwirklichen. 12 Der Begriff der baulichen Veränderung ist weit auszulegen. Es genügt, wenn die Maßnahme einen wirtschaftlichen Zusammenhang zum Mietgebrauch aufweist2. Maßnahmen zur Herbeiführung der Abgeschlossenheit und anschließenden Aufteilung in Wohnungseigentum genügen aber nicht3. Ein Eingriff in die Bausubstanz ist nicht zwingend erforderlich. Einrichtungen und Ausstattungen zählen nicht zu den baulichen Maßnahmen, ebenso wenig wie Scheinbestandteile gem. § 95 BGB4. Die Anlage eines Gartens, Kinderspielplatzes oder die Errichtung von Müllboxen stellen hinge-

1 2 3 4

BT-Drucks. 17/3049, S. 17. OLG Hamm v. 30.5.1983 – 4 REMiet 2/83, MDR 1983, 843 = NJW 1983, 2331. LG Stuttgart v. 25.9.1991 – 13 S 204/91, WuM 1992, 13. LG Berlin v. 15.11.1994 – 64 S 237/94, GE 1995, 429; LG Berlin v. 30.10.1995 – 67 T 103/95, GE 1996, 131.

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gen bauliche Maßnahmen i.S.d. § 555b BGB dar1. Maßnahmen der reinen Instandhaltung und Instandsetzung werden nicht erfasst. Insoweit ist § 555a BGB einschlägig (vgl. § 555a BGB Rz. 11 ff.). 2. Berücksichtigung von Mietermodernisierungen Umstritten ist, inwieweit erfolgte Verbesserungsmaßnahmen des Mieters bei der Be- 13 urteilung, ob eine Modernisierungsmaßnahme vorliegt, zu berücksichtigen sind. In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass das Vorliegen einer Modernisierungsmaßnahme nach der beabsichtigten Veränderung des vom Vermieter geschuldeten Zustandes zu beurteilen sei. Maßgeblich soll hiernach allein der vom Vermieter zur Verfügung gestellte Zustand sein. Verbesserungsmaßnahmen des Mieters seien unerheblich, selbst wenn sie mit Zustimmung des Vermieters erfolgt sind2. Nach einer anderen Auffassung ist auf den gegenwärtigen Zustand der Wohnung, inklusive der mieterseits berechtigterweise vorgenommenen Verbesserungsmaßnahmen abzustellen3. Der zuletzt gefassten Auffassung hat sich nun auch der BGH angeschlossen4. Lediglich vertragswidrig vorgenommene bauliche Veränderungen durch den Mieter bleiben unberücksichtigt. Unter Beachtung der gesetzgeberischen Intention (vgl. § 555d BGB Rz. 14) ist es nicht gerechtfertigt, auf einen fiktiven Zustand der Wohnung ohne Berücksichtigung etwaiger Investitionen des Mieters abzustellen. Zudem würde sich der Vermieter widersprüchlich verhalten, wenn er zunächst dem Mieter eine Modernisierung gestattet, diesen mit seiner Zustimmung geschaffenen Zustand dann später aber unberücksichtigt lässt. II. Die einzelnen Modernisierungsmaßnahmen Innerhalb des § 555b BGB ist teilweise eine genaue Zuordnung einer baulichen Maß- 14 nahme zu den einzelnen Tatbeständen der Norm schwierig. Zudem kann ein und dieselbe bauliche Maßnahme auch die Voraussetzungen mehrerer Varianten erfüllen. Bedeutsam ist insbesondere die neue Bestimmung in § 555b Nr. 1 BGB, die eine Legaldefinition der energetischen Modernisierung enthält. Die Vorschrift fasst zugleich die bislang in § 554 Abs. 2 und § 559 Abs. 1 BGB a.F. enthaltenen und nicht völlig deckungsgleichen Tatbestände zusammen. Wirtschaftliche Härten wegen der zu erwartenden Mieterhöhung werden bei allen 15 Modernisierungsmaßnahmen ausschließlich im Mieterhöhungsverfahren nach der durchgeführten Modernisierung berücksichtigt. Weiter werden die formalen Anforderungen im Rahmen der Begründungspflichten des Vermieters insbesondere bei der Modernisierungsankündigung gesenkt. Zur Darlegung der Energieeinsparung genügt künftig der Verweis auf anerkannte Pauschalwerte – und zwar sowohl bei der Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen (vgl. § 555c BGB Rz. 28) als auch im Mieterhöhungsverlangen (vgl. § 559b BGB Rz. 24).

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1. Energetische Modernisierung gemäß § 555b Nr. 1 BGB Größeres Gewicht erhält der neu geschaffene Tatbestand der „energetischen Modernisierung“. Umfasst werden alle Maßnahmen, die zur Einsparung von Endenergie in Bezug auf die Mietsache beitragen.

1 OVG Berlin v. 20.1.1984 – 2 B 88.81, GE 1984, 333. 2 LG Berlin v. 10.1.2012 – 63 S 203/11, ZMR 2012, 704; LG Berlin v. 8.11.2010 – 67 S 47/10; GE 2011, 57; LG Berlin v. 28.7.2010 – 67 S 180/10; GE 2010, 1273; LG Berlin v. 4.12.2007 – 63 S 130/07, MM 2008, 75, jeweils zu § 554 BGB a.F.; LG Hamburg v. 2.9.1983 – 11 S 157/83 zu § 541b BGB a.F.; Emmerich/Sonnenschein, § 554 BGB Rz. 11. 3 AG Hamburg v. 3.7.1992 – 44 C 404/92, WuM 1993, 41; AG Münster v. 27.2.1996 – 5 C 633/95, WuM 1996, 268; Lammel, § 553 BGB Rz. 41. 4 BGH v. 20.6.2012 – VIII ZR 110/11, MDR 2012, 896; BGH v. 10.10.2012 – VIII ZR 25/12, NJW-RR 2012, 1480; BGH v. 10.10.2012 – VIII ZR 56/12, WuM 2012, 678; noch offen gelassen von BGH v. 24.9.2008 – VIII ZR 275/07, NJW 2008, 3630.

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17a Energetische Modernisierungen führen für die Dauer von drei Monaten nicht mehr zu einer Mietminderung in der Bauphase (vgl. § 536 BGB Rz. 319). a) Endenergie 18 Gemäß § 555b Nr. 1 BGB ist eine energetische Modernisierung, also eine bauliche Veränderung, durch die in Bezug auf die Mietsache Endenergie nachhaltig eingespart wird, als Modernisierungsmaßnahme i.S. dieser Vorschrift anzusehen. Während nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf zum Mietrechtsänderungsgesetz auch die Einsparung von nicht erneuerbarer Primärenergie in Bezug auf die Mietsache als energetische Modernisierung i.S.d. § 555b Nr. 1 BGB eingestuft wurde, wurde hiervon aufgrund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses im Ergebnis dann wieder Abstand genommen, da regelmäßig in einem solchen Fall bereits eine Einsparung von Endenergie vorliegt1. 19 Die Begriffe End- und Primärenergie entstammen dem Energierecht und sind insbesondere in der Energieeinsparverordnung (EnEV) sowie den zugehörigen technischen Regeln näher umschrieben. 20 I.S.d. Regelung in § 555a Nr. 1 BGB ist unter Endenergie die Energiemenge zu verstehen, die in einem Gebäude zur Deckung des Energiebedarfs des Endverbrauchers, also u.a. des Mieters, tatsächlich benötigt wird (Nutzenergie), etwa zur Erzeugung von Heizwärme und Warmwasser, zuzüglich der Verluste, die bei der Erzeugung und Bereitstellung der nutzbaren Energie entstehen, beispielsweise bei der Verbrennung im Heizungskessel, bei der Übergabe, der Speicherung und bei der Verteilung der Wärme im Gebäude2. 21 Unter Primärenergie wird hingegen allgemein die Energie aus den natürlich vorkommenden Energieformen oder Energiequellen verstanden, so etwa Kohle, Gas, Wind und Sonne. Hierbei kann weiter unterschieden werden zwischen erneuerbaren Energien (gewonnen etwa aus Wind, Sonneneinstrahlung, aber auch aus Biogas oder Holz) und nicht erneuerbaren Energien (Energie aus Öl, Kohle oder Gas)3. Die bloße Einsparung von Primärenergie genügt für die Annahme einer energetischen Modernisierung i.S.d. § 555b Nr. 1 BGB jedoch nicht. Es bedarf vielmehr (auch) der Einsparung von Endenergie in Bezug auf das Mietobjekt. Diese muss aber nicht zwingend zu einer finanziellen Einsparung beim Mieter führen. 22 Schon nach altem Recht wurde der Begriff der energieeinsparenden Maßnahmen weit ausgelegt4. Dies ergab sich aus dem Zweck des Gesetzes, den hohen Energieverbrauch in Mietwohnungen zu beschränken. Dass die Durchführung von Wohnungsmodernisierungen volkswirtschaftlich sinnvoll ist und im öffentlichen Interesse liegt, wurde auch vom Reformgesetzgeber des Jahres 2001 ausdrücklich betont5 und die Duldungspflicht auf Maßnahmen zur Einsparung aller Arten von Endenergie erweitert6. Die Einsparung von Energie ist eine ökologische Zielsetzung und soll nur mittelbar den Mieter kostenmäßig entlasten. Eine besondere Bedeutung kam und kommt deshalb aus ökologischen Gründen der mengenmäßigen Beschränkung des Verbrauchs zu, die finanzielle Einsparung und Entlastung des Mieters kommt erst an zweiter Stelle. Denn das maßgebliche allgemein- und umweltpolitische Interesse lässt eine Bewertung allein nach Kostengesichtspunkten nicht zu7. Eine Erhöhung des Wohnwertes ist nicht notwendig8. 1 2 3 4 5 6

Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/11894, S. 33. Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 19. Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 19. Vgl. Sternel, PiG 41, 45, 52; Langenberg, PiG 40, 59, 74; Sonnenschein, PiG 13, 65, 72. Begründung zum Gesetzentwurf der Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 49. BGH v. 24.9.2008 – VIII ZR 275/07, WuM 2008, 667; Begründung zum Gesetzentwurf der Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 49. 7 BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 149/03, WuM 2004, 285 (288); BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 151/03, WuM 2004, 288 (290). 8 LG Hamburg v. 22.8.1991 – 334 S 48/91, NZM 2006, 536; LG Berlin v. 25.7.2005 – 67 S 153/04, GE 2005, 1193.

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b) Nachhaltigkeit Die Energieeinsparung muss nachhaltig sein. Nachhaltig ist die Einsparung, wenn sie 23 von Dauer und messbar ist, ein bestimmter Prozentsatz an Einsparung ist nicht erforderlich1. Unerheblich ist auch, ob noch eine Optimierung möglich ist. Entscheidend ist allein, ob mit den durchgeführten Arbeiten eine dauerhafte Energieeinsparung erzielt wird2. Maßnahmen, die grundsätzlich dem Umweltschutz dienen, nicht aber der Energieein- 24 sparung, werden nicht von § 555b Nr. 1 BGB – und auch nicht von § 555b Nr. 2 BGB – erfasst, z.B. Verlegung von Rasengittersteinen, um die Regenwasserversickerung zu fördern. c) Bezug zur Mietsache Bauliche Maßnahmen i.S.d. § 555b Nr. 1 BGB müssen in Bezug auf die Mietsache zur 25 Einsparung von Endenergie führen. Nicht erfasst wird daher z.B. eine Wind- oder Solaranlage, deren Energiegewinnung in das allgemeine Stromnetz eingespeist wird, aber nicht zu einer Energieeinsparung im Mietobjekt führt. d) Energieeinsparung Maßnahmen zur Einsparung von Energie dienen in erster Linie einer ökologischen 26 Zielsetzung. Sie brauchen deshalb auch nicht zwingend zu einer Wohnwertverbesserung zu führen. Es genügt, wenn die erzielte Einsparung wesentlich ist und damit der Allgemeinheit zugutekommt3. Im Ergebnis ist bei jeder einzelnen Maßnahme konkret zu prüfen, ob nicht nur eine ganz unwesentliche Einsparung von Endenergie gegeben ist. Dies ist z.B. bei einer Umstellung auf Fernwärme der Fall, sofern diese nicht zu einer Verringerung der Endenergie führt. aa) Einsparung von Heizenergie (1) Endenergieeinsparung Endenergie wird in der Regel dann eingespart, wenn zur Erbringung derselben Ener- 27 giedienstleistung am Ort des Verbrauchs weniger Nutzenergie als vor der Modernisierung erforderlich ist. Unter Nutzenergie wird die Energiemenge verstanden, die für eine bestimmte Energiedienstleistung am Verbrauchsort (z.B. erwärmter Raum, warmes Wasser) notwendig ist. Der Begriff der Nutzenergie umfasst nicht die Umwandlungsverluste der Anlagentechnik (insbesondere Heizkessel), der Verteilungssysteme (z.B. Leitungen einer Zentralheizung) und die für den Betrieb der Anlagentechnik benötigte Hilfsenergie (z.B. Pumpenstrom, vgl. § 555b BGB Rz. 20)4. Da auch diese Energieverluste aber von dem Begriff der Endenergie (= Nutzenergie zzgl. Energieverluste) erfasst werden, genügt für eine Einsparung von Endenergie auch deren Reduzierung. Maßnahmen zur Einsparung von Endenergie können insbesondere Wärmedämmun- 28 gen an Fassaden, Dach und Keller, aber auch der Einbau von Isolierglasfenstern oder Anlagen zur Wärmerückgewinnung sein. Auch der Einbau eines Blockheizkraftwerks bei Vorhandensein einer konventionell betriebenen Heizungsanlage, z.B. Gas- oder Ölzentralheizung, stellt eine Maßnahme zur Energieeinsparung dar5. Weitere Beispiele für die Einsparung von Endenergie sind die Erneuerung des Heizkessels oder die Dämmung von freiliegenden Rohrleitungen, da hierdurch die Nutzenergie mit größerer Effizienz zur Verfügung gestellt wird, also die Energieverluste verringert werden. 1 BGH v. 12.3.2003 – VIII ZR 175/02, WuM 2004, 154 (155); BGH v. 10.4.2002 – VIII ARZ 3/01, NZM 2002, 519. 2 AG Kehl v. 23.9.2011 – 3 C 20/10, zitiert nach juris. 3 BGH v. 7.1.2004 – VIII ZR 156/03, MietRB 2004, 134 = WuM 2004, 155 = MDR 2004, 625; BGH v. 24.9.2008 – VIII ZR 275/07, WuM 2008, 667. 4 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 19. 5 Paschke, GE 2012, 381.

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29 Bei instandsetzungsbedürftigen Fassaden ist darauf abzustellen, ob die Wärmedämmung gegenüber einer hypothetisch instandgesetzten Fassade nicht nur unwesentlich verbessert wird. Nur dann liegt eine Modernisierung vor (zur Frage, welche Kosten dann im Rahmen einer Mieterhöhung nach durchgeführter modernisierender Instandsetzung auf den Mieter umgelegt werden können, vgl. § 559 BGB Rz. 87 ff.) 30 Endenergie kann aber auch durch die Installation von Anlagen zur Gewinnung von Sonnen- und/oder Windenergie eingespart werden. Wird die hierdurch gewonnene Energie für das Objekt selbst verwendet, z.B. zum Betrieb einer Heizungsanlage oder Wärmepumpe, wird zwar keine Nutzenergie eingespart. Allerdings muss für das versorgte Objekt weniger „zu bezahlende“ Endenergie beschafft werden, was z.B. zu einer Verringerung des zu erwerbenden Heizöls oder Gases führt. Der „von außen“ zu deckende Endenergiebedarf wird im Ergebnis reduziert1. 31 Auch eine elektronische Einzelraumregelung dient der Einsparung von Endenergie. In Modellversuchen ist in der Vergangenheit nachgewiesen worden, dass mit der sachgerechten Anwendung von Systemen zur Einzelraumregelung deutliche Energieeinsparungen von bis zu 30 % erzielt werden können2. Ob im Einzelfall eine entsprechende Einsparung bewirkt wird, ist insoweit unerheblich. Problematisch ist, dass dem Nutzer bei dem Einsatz eines solchen Systems eine große Bedeutung zukommt. Das Einsparpotential einer Einzelraumregelung kann nur erschlossen werden, wenn der Mieter sein individuelles Nutzerprofil hinterlegt, d.h. die Einzelraumregelung entsprechend programmiert und bei Änderung seiner Erfordernisse Anpassungen vornimmt. Dazu benötigt der Mieter spezielle Kenntnisse, die bei bestimmten Zielgruppen – z.B. älteren Menschen ohne Technikaffinität, Menschen mit Lese- und Verständigungsdefiziten – nicht unterstellt werden können. In solchen Fällen kann die tatsächliche Energieeinsparung deutlich hinter dem vorhandenen Potential zurückbleiben. 32 Im Ergebnis steht dies der Einordnung der elektronischen Einzelraumregelung als Modernisierungsmaßnahme aber nicht entgegen. Ob eine Modernisierungsmaßnahme vorliegt, ist anhand objektiver Kriterien zu beurteilen. Unerheblich ist, ob der Mieter aufgrund seiner persönlichen Lebensumstände (z.B. Alter, technisches Knowhow) auch tatsächlich in der Lage ist, diese zu realisieren. Maßgeblich ist stets nur das durch die bauliche Maßnahme geschaffene Einsparpotential. Andernfalls müsste ein und dieselbe Maßnahme je nach der Person des Mieters einmal als Modernisierungsmaßnahme eingeordnet werden und ein anderes Mal nicht. Dies wäre weder praktikabel noch mit dem Gesetzeszweck vereinbar. (2) Übersicht von Maßnahmen zur Einsparung von Heizenergie 33 Nach wie vor kann bei der Beurteilung der Frage, ob eine Maßnahme der Energieeinsparung dient, eine Orientierung an dem aufgehobenen § 4 Abs. 3 ModEnG erfolgen. Zu berücksichtigen ist, dass dieser Katalog nicht abschließend ist. 34 § 4 Abs. 3 ModEnG sprach insbesondere von Maßnahmen zur – wesentlichen Verbesserung der Wärmedämmung von Fenstern, Außentüren und Außenwänden, Dächern, Kellerdecken und den obersten Geschossdecken, – wesentlichen Verminderung des Energieverlustes und des Energieverbrauchs der zentralen Heizungs- und Warmwasseranlagen, – Änderung von zentralen Heizungs- und Warmwasseranlagen innerhalb des Gebäudes für den Anschluss an die Fernwärmeversorgung, die überwiegend aus Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung, zur Verbrennung von Müll oder zur Verwertung von Abwärme gespeist wird, – Rückgewinnung von Wärme.

1 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 19; Abramenko, Das neue Mietrecht in der anwaltlichen Praxis, § 2 Rz. 6. 2 IKZ Haustechnik, Heft 7/2006, S. 60; vgl. auch Hirschberg, Forschungsabschlussbericht „Energieeffizienz regelungstechnischer Einrichtungen von Pumpenwarmwasserheizungen“, Dresden, Aachen 2003.

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Beispiele: – Austausch der einfach verglasten gegen isolierverglaste Fenster1, – Anschluss an das Fernwärmenetz (vorher: Ölzentralheizung), wenn Fernwärme überwiegend aus Kraft-Wärme-Kopplung gespeist wird2, – Anschluss an das Fernwärmenetz (vorher: Gasetagenheizung), wenn Fernwärme überwiegend aus Kraft-Wärme-Kopplung gespeist wird3, – Einbau einer Gasetagenheizung als Ersatz für Gasaußenwandeinzelöfen4, – Umstellung von Einzelöfen oder Gasaußenwandheizern auf Fernwärme5, – Wärmedämmung einer Fassade bei nachhaltiger Energieeinsparung6, – u.U. Austausch einer vorhandenen Wärmedämmung gegen eine Wärmedämmung mit zusätzlichem Kunstharzputz7, – umweltfreundliche Heizenergiequellen.

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bb) Stromeinsparung Bis zum Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes zum 1.9.2001 erkannte das Ge- 36 setz in § 541b BGB a.F. nur die Einsparung von Heizenergie als Modernisierungsmaßnahme an. Der ab 1.9.2001 geltende § 554 Abs. 2 BGB a.F. sprach erweiternd von „Energie“, so dass die Stromeinsparung, etwa durch den Einbau von Umwälzpumpen, Ventilatoren, Aufzugsmotoren und Energiesparlampen, mitumfasst ist8. Die Installation von Photovoltaik-Anlagen oder Sonnenkollektoren kann eine Moder- 37 nisierung begründen9, aber auch sonstige Maßnahmen zur Stromeinsparung (vgl. § 555b BGB Rz. 36). Denn maßgeblich ist, dass Energie als solche eingespart wird. Auf eine finanzielle Einsparung des Mieters kommt es nicht an (vgl. § 555b BGB Rz. 22)10. Die bauliche Maßnahme muss aber in Bezug auf das Mietobjekt erfolgen, damit sie von § 555b Nr. 1 BGB erfasst wird und auch eine anschließende Mieterhöhung gemäß § 559 BGB ermöglicht. Andernfalls ist § 555b Nr. 2 BGB einschlägig. Für den Anwendungsbereich des § 555b Nr. 1 BGB ist allerdings ausreichend, wenn der nun durch Sonnenkollektoren erzeugte Strom der Mietsache zugutekommt, z.B. zur Verwendung als Haushaltsstrom oder zur Stromversorgung einer Heizungsanlage/Wärmepumpe, auch wenn der Mieter insgesamt nicht weniger Strom verbraucht (vgl. § 555b BGB Rz. 30). 2. Einsparung von nicht erneuerbarer Primärenergie, § 555b Nr. 2 BGB Unter Primärenergie wird allgemein die Energie aus den natürlich vorkommenden 38 Energieformen oder Energiequellen verstanden, so etwa Kohle, Gas, Wind und Sonne. Hierbei kann weiter unterschieden werden zwischen erneuerbaren Energien (gewonnen etwa aus Wind, Sonneneinstrahlung, aber auch aus Biogas oder Holz) und nicht erneuerbaren Energien (Energie aus Öl, Kohle oder Gas)11.

1 BGH v. 7.1.2004 – VIII ZR 156/03, WuM 2004, 155 = NZM 2004, 252 = MDR 2004, 625 = MietRB 2004, 134; LG Berlin v. 21.3.2005 – 67 S 433/03, MM 2005, 262 (263). 2 BGH v. 24.9.2008 – VIII ZR 275/07, WuM 2008, 667; LG Hamburg v. 22.8.1991 – 334 S 48/91, NZM 2006, 536; LG Berlin v. 20.4.2007 – 63 S 250/06, GE 2007, 849; LG Berlin v. 17.3.2000 – 65 S 352/99, MM 2000, 278 = NZM 2002, 64. 3 LG Berlin v. 9.11.2007 – 63 S 75/07, GE 2008, 61. 4 AG Lichtenberg v. 23.5.1996 – 3 C 350/95, MM 1996, 454. 5 LG Berlin v. 13.3.1998 – 64 S 35/97, GE 1998, 616. 6 LG Berlin v. 10.12.1998 – 67 S 220/98, GE 1999, 383. 7 LG Berlin v. 10.9.2007 – 67 S 90/07, GE 2007, 1553. 8 Begründung zum Referentenentwurf, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 1157; Gather, DWW 2001, 192 (199); Sternel, NZM 2001, 1058 (1059). 9 Lützenkirchen/Löfflad, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 302; Paschke, GE 2012, 381; a.A. OLG Bamberg v. 30.7.2009 – 3 U 23/09, GuT 2009, 299. 10 BGH v. 24.9.2008 – VIII ZR 275/07, MDR 2008, 1385 = MietRB 2009, 61 = WuM 2008, 667. 11 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 19.

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39 Unter dem Gesichtspunkt der Energieeffizienz und der Ressourcenschonung ist insbesondere die Einsparung nicht erneuerbarer Primärenergie wünschenswert1. Mit Hilfe von Primärenergiefaktoren (vgl. hierzu die Energieeinsparverordnung – EnEV – sowie zugehörige Regelwerke) kann auf Grundlage der durch ein Gebäude benötigten Endenergie der Anteil an hierbei verbrauchter nicht erneuerbarer Primärenergie errechnet werden. Auf diese Weise kann bei einer Modernisierung festgestellt werden, ob beispielweise durch Umstellung des Brennstoffs der Primärenergieverbrauch bei Nutzung der Mietsache sinkt. 40 Zu beachten ist, dass nur dann eine Modernisierungsmaßnahme i.S.d. § 555b Nr. 2 BGB anzunehmen ist, wenn nicht bereits eine energetische Modernisierung nach § 555b Nr. 1 BGB vorliegt. Es ist daher stets vorrangig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine energetische Modernisierung erfüllt sind. Die Differenzierung ist von erheblicher praktischer Bedeutung, da eine Mieterhöhung gemäß § 559 BGB nur im Falle des § 555b Nr. 1 BGB möglich ist. Nur dann greift auch der Minderungsausschluss gemäß § 536 Abs. 1a BGB. a) Rechtslage bis zum 1.5.2013 41 In der Gesetzesbegründung des Mietrechtsreformgesetzes 2001 wird betont, „dass in Zukunft ein sparsamer Umgang mit Energieressourcen immer nötiger wird“2. Damit war die Einsparung von Primärenergie durch einen möglichst geringen Verbrauch fossiler Brennstoffe bereits sinerzeit das erklärte gesetzgeberische Ziel. 42 Umstritten war, ob der Mieter Maßnahmen dulden muss, auf die gegebenenfalls anschließend eine Mieterhöhung gemäß § 559 BGB gestützt wird, die ausschließlich zu einer Einsparung von Primärenergie führen, nicht aber zu einer Ersparnis der Endenergie, z.B. die Installation einer Photovoltaik-Anlage oder eine Windkraftanlage, deren Stromproduktion in das allgemeine Stromnetz gegen Vergütung eingespeist wird und nicht dem Mieter zugutekommt. In diesen Fällen fehlt es zunächst einmal an einer Verbesserung des Mietobjekts als solchem. Eine Duldungspflicht konnte also allein unter dem Gesichtspunkt der Energieeinsparung begründet sein. Allerdings gelangt der Mieter hier nicht in den Genuss der Primärenergieeinsparung. 43 Der BGH3 hatte ausdrücklich offengelassen, ob der Mieter nach § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. Maßnahmen zu dulden hatte, mit denen lediglich Primärenergie eingespart wird. In Hinblick auf die ökologische Zielsetzung des § 554 Abs. 2 BGB wurde dies teilweise bejaht4. Nach anderer Auffassung bedurfte es auch stets der Einsparung von Endenergie5, da sich der in § 554 Abs. 2 BGB enthaltene Aufruf zur Energieeinsparung an den duldungspflichtigen Mieter, nicht aber an den Energieproduzenten richte6. Die Förderung einer bestimmten Form der Energieförderung sei daher sekundär7. 44 In historischer Hinsicht ist die Duldungspflicht des Mieter hinsichtlich Maßnahmen zur Energieeinsparung erstmals mit dem ModEnG vom 12.7.1978 normiert worden. Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung war es, der Volkswirtschaft auch künftig zu angemessenen Kosten ausreichende Energiekapazitäten zur Verfügung stellen zu können8. Im Rahmen der Mietrechtsreform mit Wirkung zum 1.9.2001 wurde die Duldungspflicht sodann auf alle Formen der Energieeinsparung erweitert und in der Gesetzesbegründung deutlich herausgestellt, dass die Durchführung von volkswirtschaftlich und ökologisch sinnvollen Modernisierungsmaßnahmen gefördert werden 1 2 3 4 5 6 7 8

Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 19. Begründung zum Gesetzentwurf der Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 36. BGH v. 24.9.2008 – VIII ZR 275/07, MDR 2008, 1385 = MietRB 2009, 61 = WuM 2008, 667. Vgl. Blank, WuM 2008, 311; Franke, DWW 2009, 138; Mersson, DWW 2009, 122; Ringel, WuM 2009, 71; Sternel, NZM 2010, 721. Eisenschmid, WuM 2006, 119; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 143e; Staudinger/ Emmerich, § 554 BGB Rz. 18; Bamberger/Roth/Ehlert, § 554 BGB Rz. 10. Eisenschmid, WuM 2006, 119. Meyer-Harport, NZM 2006, 524. BT-Drucks. 8/1692, S. 1; BGH v. 24.9.2008 – VIII ZR 275/07, NZM 2008, 883.

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sollte1. Hieraus wurde deutlich, dass im Fokus des Gesetzgebers die Schonung der vorhandenen Ressourcen im gesamtwirtschaftlichen Interesse stand2. Daher deutete auch der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 554 BGB a.F. darauf hin, dass die Einsparung von Primärenergie erfasst wird, zumal der Schutz der natürlichen Lebensgrundlage mit Art. 20a GG sogar verfassungsrechtlich verankert ist. Andererseits ergab sich aus der Gesetzesbegründung zur Mietrechtsreform 2001 45 auch, dass die Qualifizierung als Modernisierungsmaßnahme nicht vollkommen unabhängig von dem Einfluss der Maßnahme auf das Mietobjekt war. Festgehalten werden kann zunächst, dass keine finanzielle Entlastung des Mieters mit der Maßnahme (vgl. § 555b BGB Rz. 22) oder eine Wohnwerterhöhung verbunden sein musste3. Der Gesetzgeber führte aber in der Gesetzesbegründung einige Beispiele für Energieeinsparungen auf, z.B. drehzahlgeregelte Umwälzpumpen, Ventilatoren und Aufzugsmotoren sowie Energiesparlampen4. Hieraus wurde deutlich, dass die konkrete Maßnahme auch stets einen Bezug zum Mietobjekt aufweisen musste. Der Mieter musste nach durchgeführter Maßnahme entweder weniger Strom oder bei gleichbleibendem Stromverbrauch jedenfalls Strom aus erneuerbaren Energien bzw. umweltfreundlicheren Produktionsweisen nutzen können5. Nur dann war auch die mit einer Modernisierungsmaßnahme gemäß § 554 Abs. 2 BGB a.F. verknüpfte Möglichkeit der Umlage der angefallenen Kosten gemäß § 559 BGB a.F. gerechtfertigt. Andernfalls könnte der Vermieter am Mietobjekt eine an das allgemeine Stromnetz angeschlossene Solaranlage installieren, die Kosten auf die Mieter gemäß § 559 BGB a.F. umlegen, die Gewinne aber selbst vereinnahmen. Dies war mit Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbar. Zwar folgte eine Duldungspflicht für solche Maßnahmen in der Regel aus § 242 BGB6. Eine anschließende Mieterhöhung gemäß § 559 BGB a.F. kam aber nicht in Betracht7. Der Mieter hatte allerdings gemäß § 554 Abs. 2 BGB a.F. z.B. den Einbau von Sonnen- 46 kollektoren zum Zwecke der Warmwasseraufbereitung im Mietobjekt zu dulden8. Gleiches gilt für Wärmepumpen, insbesondere, wenn diese nicht mit aus Kohlekraftwerken stammendem Strom betrieben werden, da es sich um Maßnahmen zur Energieeinsparung in Bezug auf das Mietobjekt handelt. b) Rechtslage ab dem 1.5.2013 aa) Einsparung in Bezug auf das Mietobjekt Eine Einsparung von nicht erneuerbarer Primärenergie in Bezug auf das Mietobjekt, 47 ohne das zugleich eine Einsparung von Endenergie vorliegt, ist kaum denkbar9. Regelmäßig geht mit einer Einsparung von Primärenergie nämlich auch die Einsparung von Endenergie einher. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Öl- oder Gasheizung bei gleichbleibender Beheizungsart nach baulichen Veränderungen effizienter betrieben werden kann (z.B. durch Dämmung freiliegender Rohre) oder durch ein effizienteres Modell ersetzt wird. Gleiches gilt, falls die herkömmliche Warmwasserbereitung (z.B. mittels Gastherme) künftig durch Solarkollektoren unterstützt wird. Im Ergebnis muss weniger fossile Endenergie zugekauft werden, was eine Einsparung von Endenergie darstellt10. In diesem Fall ist bereits § 555b Nr. 1 BGB einschlägig. 1 Begründung zum Gesetzentwurf der Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 49, 58. 2 Ringel, WuM 2009, 71. 3 LG Hamburg v. 22.8.1991 – 334 S 48/91, NZM 2006, 536; LG Berlin v. 25.7.2005 – 67 S 153/04, GE 2005, 1193. 4 Begründung zum Gesetzentwurf der Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 49. 5 BGH v. 24.9.2008 – VIII ZR 275/07, MDR 2008, 1385 = MietRB 2009, 61 = WuM 2008, 667 (für den Anschluss einer Wohnung an das durch Anlagen der Kraft-Wärme-Koppelung gespeiste Fernwärmenetz). 6 So auch Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 149. 7 Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 19, der offenbar zwischen Duldungspflicht und Mieterhöhungsmöglichkeit differenzieren möchte; Hinz, ZMR 2012, 153. 8 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 151; Bieber in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 76. 9 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/11894, S. 33. 10 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 19.

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bb) Einsparung ohne Bezug auf das Mietobjekt 48 In Einzelfällen können Maßnahmen der Modernisierung eine ausschließliche Einsparung nicht erneuerbarer Primärenergie zur Folge haben, ohne dass zugleich Endenergie eingespart wird. Während eine Einsparung von Endenergie häufig mit finanziellen Einspareffekten bei den Bereitstellungskosten einhergeht, ist dies bei einer – aus energie- und umweltpolitischen Gründen ebenfalls wünschenswerten – Einsparung von nicht erneuerbarer Primärenergie nicht zwingend der Fall. 49 Die bisherigen Unklarheit bei der Handhabung von solchen baulichen Maßnahmen werden nun durch § 555b Nr. 2 BGB geklärt. Liegt keine Einsparung von Endenergie, sondern ausschließlich eine Einsparung von nicht erneuerbarer Primärenergie in Bezug oder ohne Bezug auf das Mietobjekt vor, ist § 555b Nr. 2 BGB einschlägig. Eine Mieterhöhung gemäß § 559 BGB kommt dann nicht in Betracht. Auch der Minderungsausschluss des § 536 Abs. 1a BGB greift nicht. 50 § 555b Nr. 2 BGB erfasst Maßnahmen, die zwar wie die unter § 555b Nr. 1 BGB genannten Maßnahmen der Einsparung nicht erneuerbarer Primärenergie dienen, bei denen die Einsparung jedoch zu keiner Reduzierung der „zu bezahlenden“ Endenergie führen. 51 Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Heizungsanlage von einem fossilen Energieträger auf einen erneuerbaren Energieträger umgestellt wird, etwa von einem Betrieb durch Öl oder Gas auf einen Betrieb durch Holzpellets. In dieser Konstellation kann dem Tatbestand der Einsparung nicht erneuerbarer Energie ausnahmsweise eine eigenständige Bedeutung zukommen. 52 Gleiches gilt bei einer Photovoltaikanlage, die auf das Dach eines Mietshauses montiert wird und bei der der erzeugte Strom nicht der Versorgung der Mietsache dient, sondern vom Vermieter gegen Vergütung in das allgemeine Stromnetz einspeist wird. Weiter werden Maßnahmen erfasst, die das Klima auf sonstige Weise nachhaltig schützen. Der Tatbestand wird so offen formuliert, dass auch künftige neue Techniken, die ausschließlich dem Klimaschutz dienen, darunter fallen. 53 Beispiele: – Installation eines Abgasgebläses im Kamin zur Erreichung einer größeren Wurfweite zwecks Verdünnung der Abgase. – Installation einer Photovoltaikanlage, deren Strom in das allgemeine Stromnetz eingespeist wird. 3. Wassereinsparung, § 555b Nr. 3 BGB 54 Maßnahmen zur Wassereinsparung sind solche, die der Reduzierung des Verbrauchs oder dessen Kontrolle dienen1. Ob sie tatsächlich zu einer Verringerung der Kosten für den Mieter führen, ist unerheblich, maßgeblich ist allein die Wassereinsparung2. 55 Umfasst werden das Installieren von Wasserzählern in der Mietwohnung zur Verbrauchserfassung3, ferner der Einbau moderner Wasser- und Spülkästen zur Wasserdosierung4 oder die Installation sogenannter Wasserspartasten. Diskutiert wird dies für die Nutzung von Regenwasser zur Toilettenwasserersparnis und für Waschmaschinen des Mieters5. Im Ergebnis dürfte auch hier eine Modernisierung gegeben sein. Erfolgt der Einbau aufgrund gesetzlicher Anordnung, liegt eine vom Vermieter nicht zu vertretende Maßnahme vor. Dafür ergibt sich die Duldungspflicht aus § 555d Abs. 1 BGB i.V.m. § 555b Nr. 6 BGB. Anders als nach der Rechtslage bis zum 1.5.2013 müssen nun auch insoweit die Formalien des § 555c BGB eingehalten werden. Bislang 1 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 175; Franke/Geldmacher, ZMR 1993, 548. 2 Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 20; Franke, DWW 2009, 138. 3 BGH v. 17.12.2008 – VIII ZR 41/08, MietRB 2009, 95 = NZM 2009, 150; Börstinghaus/Meyer, MietPrax, Fach 4, Rz. 18. 4 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 541 BGB Rz. 95; LG Berlin v. 14.7.2005 – 62 S 91/05, MM 2006, 39. 5 Hierzu Schläger, ZMR 1994, 189 (197); Kinne, GE 2001, 1181.

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folgte die Duldungspflicht für gesetzlich angeordnete Maßnahmen aus § 242 BGB, so dass die Formalien des § 554 Abs. 3 BGB a.F. nicht eingehalten werden mussten1. 4. Erhöhung des Gebrauchswerts, § 555b Nr. 4 BGB Eine Modernisierungsmaßnahme liegt auch dann vor, wenn die bauliche Maßnahme 56 den Gebrauchswert des Mietobjekts nachhaltig erhöht. Das Wohnen muss angenehmer, sicherer, bequemer oder gesünder werden und das nachhaltig, also dauerhaft. Der Begriff der Gebrauchswerterhöhung ist weit auszulegen und objektiv zu beurteilen2. Subjektive Vorstellungen und Empfindungen der konkreten Mietvertragsparteien sind unbeachtlich. Es verbietet sich aber eine generalisierende Betrachtungsweise. Maßgeblich ist, ob in 57 den für das Mietobjekt in Betracht kommenden Mieterkreisen der Maßnahme eine Wohnwertverbesserung zugemessen wird. Maßgeblich ist, ob in den für das Mietobjekt in Betracht kommenden Mieterkreis der Maßnahme eine Wohnwertverbesserung beigemessen wird, so dass der Vermieter davon ausgehen kann, dass die Wohnung nach durchgeführter Maßnahme – bei im Übrigen gleichen Konditionen – eher angemietet würde als eine vergleichbare Wohnung, bei der diese Maßnahme nicht durchgeführt worden ist3. Auch die Anbringung eines Balkons oder einer Aufzuganlage sind eine Maßnahme zur Gebrauchswerterhöhung. Ist die bauliche Maßnahme mit einer Wohnflächenvergrößerung verbunden (z.B. Anbau eines Balkons oder Einbeziehung von bislang außerhalb des Mietobjektes liegenden Flächen), steht dies einer Gebrauchswerterhöhung nicht entgegen. Beispiele für gebrauchswerterhöhende Maßnahmen sind z.B. der Einbau einer Hei- 58 zung, einer Warmwasserversorgungsanlage, der Einbau oder die Umgestaltung von Toiletten, Bädern oder Küchen, die Ersetzung von Bodenbelägen durch modernere, die Ersetzung von Wasserleitungen mit zu geringem Querschnitt durch neuere mit weiterem Querschnitt, die Ersetzung von elektrischen Leitungen durch stärkere mit höheren Anschlusswerten, der Anschluss an die Kanalisation4, das Kabelfernsehen5 oder die Satellitenempfangsanlage, die Verbesserung der Belichtung und Belüftung und des Schallschutzes. Auch die Verbesserung des Zuschnitts der Wohnung wird hiervon erfasst6, z.B. Vergrößerung des Bades durch Einbeziehung eines Abstellraumes7. Auch die Installation technischer Erleichterungen im Zusammenhang mit der Bedie- 59 nung und Nutzung einer Heizungsanlage sind grundsätzlich mit einer Erhöhung des Gebrauchswerts verbunden. Dies gilt insbesondere für den Einbau von Messgeräten mit Funkablesung, da für die Ablesung die Wohnung nicht mehr betreten werden muss, was nach der Verkehrsanschauung als Vorteil zu bewerten ist8. Die Installation einer elektronischen Einzelraumregelung ist mit einer Erhöhung des 60 Gebrauchswerts verbunden, da sie individuell auf den Tagesablauf des Mieters eingestellt werden kann. Nach dem einmaligen Programmiervorgang bedarf es künftig keiner manuellen Einstellung mehr, welche andernfalls täglich oder sogar mehrmals täglich erfolgen müsste. Dies stellt eine erhebliche Erleichterung der Wohnnutzung und damit eine Gebrauchswerterhöhung dar.

1 BGH v. 4.3.2009 – VIII ZR 110/08, MDR 2009, 738 = MietRB 2009, 191 = WuM 2009, 290 = GE 2009, 646 = NZM 2009, 394. 2 LG München I v. 29.7.1987 – 14 S 7397/87, WuM 1989, 27. 3 BGH v. 28.9.11 – VIII ZR 326/10, NZM 2011, 804; BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 253/04, NJW 2005, 2995. 4 LG München II v. 17.9.1984 – 6 S 779/84, WuM 1985, 66. 5 KG v. 27.6.1985 – 8 RE-Miet 874/85, WuM 1985, 248 (250); BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 253/04, WuM 2005, 576 (für rückkanalfähiges Breitbandkabel). 6 LG Mannheim v. 19.3.1986 – 4 S 150/85, WuM 1987, 385. 7 BGH v. 13.2.2008 – VIII ZR 105/07, MDR 2008, 557 = WuM 2008, 219. 8 BGH v. 28.9.2011 – VIII ZR 326/10, ZMR 2012, 97; vgl. auch AG Frankfurt v. 11.11.2005 – 33 C 2742/05, NZM 2006, 537.

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5. Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse, § 555b Nr. 5 BGB 61 Der Begriff der Verbesserungsmaßnahmen umfasst allgemein alle Maßnahmen gleich welcher Art, durch die objektiv der Gebrauchswert der Mietsache erhöht wird. Maßgeblich ist nicht die Sicht des einzelnen Mieters, sondern die Verkehrsanschauung, also ein objektiver Maßstab (vgl. § 555b BGB Rz. 57)1. Nachbarschützende Maßnahmen stellen in der Regel keine Verbesserung dar, sofern sie für den (objektiven) Mieter nicht zu einer Verbesserung des Wohnwertes des Mietobjektes führen2. Zu Veränderungen des Grundrisses als Wohnwertverbesserung vgl. § 555b BGB Rz. 84. 62 Ob eine Verbesserung vorliegt, ist stets durch einen Vergleich mit dem vorhandenen Standard zu ermitteln, inklusive der mieterseits berechtigterweise vorgenommenen Verbesserungsmaßnahmen (vgl. insoweit § 555b BGB Rz. 13)3. 63 Die zu duldende Maßnahme schließt alles ein, was dem angeführten Zweck dient, von der Besichtigung und Messung zur Erstellung von Plänen oder zur Vorbereitung von Arbeiten bis zu umfassenden Umbauarbeiten im Raum oder an den sonstigen Teilen des Gebäudes. 64 Die Modernisierung ist nach oben nicht durch den durchschnittlichen Standard des Wohnungsmarktes begrenzt4. Eine derartige Einschränkung der duldungspflichtigen baulichen Maßnahmen widerspräche nicht nur dem Begriff der vom Gesetzgeber beabsichtigten und auch so bezeichneten „Modernisierung“ älterer Wohnungen5, sondern liefe auch dem allgemeinen Interesse an einer laufenden Verbesserung des Wohnungsbestandes zuwider. Der Vermieter darf die Attraktivität seiner Wohnungen daher auch durch eine überdurchschnittliche Ausstattung erhöhen und damit die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt vorantreiben, selbst wenn die Nachfrage danach noch verhältnismäßig gering sein mag. Der Vermieter, der eine Modernisierung beabsichtigt, kann die Art und Weise, wie er den Wohnwert seiner Wohnungen verbessert, bis zur Grenze der „Luxusmodernisierung“6, vgl. § 555b BGB Rz. 69, selbst bestimmen7. 65 Anhaltspunkte für Verbesserungsmaßnahmen i.S.d. § 554 Abs. 2 BGB lassen sich den §§ 3 ff. ModEnG entnehmen, insbesondere dem Katalog des § 4 Abs. 1 ModEnG. Die Vorschrift ist zwar seit dem 1.1.1987 aufgehoben8, wird aber allgemein zur Beurteilung herangezogen, denn der Modernisierungsbegriff der §§ 554, 559 BGB a.F. war dem der §§ 3 ff. ModEnG nachgebildet9. Da auch § 555b BGB den Begriff der Modernisierungsmaßnahme weitestgehend von den §§ 554, 559 BGB a.F. übernommen hat (vgl. § 555b BGB Rz. 9), diesen sogar noch erweitert, kann nach wie vor auf diese Regelungen als Orientierungshilfe zurückgegriffen werden. 66 Danach zählen zu den Verbesserungsmaßnahmen insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung des Zuschnitts der Wohnung, der Belüftung, des Schallschutzes, der Energieversorgung, der Wasserversorgung und der Entwässerung, der sanitären Einrichtungen, der Beheizung und der Kochmöglichkeiten, der Funktionsabläufe in Wohnungen, der Sicherheit vor Diebstahl und Gewalt10, aber in Anlehnung an § 4 Abs. 2 ModEnG auch die Verbesserung des Wohnumfeldes.

1 LG Berlin v. 23.5.1997 – 64 S 507/96, NZM 1998, 189. 2 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 75; a.A. OLG Köln v. 12.5.1997 – 16 Wx 67/97, MDR 1998, 98. 3 AG Hamburg v. 3.7.1992 – 44 C 404/92, WuM 1993, 41; AG Münster v. 27.2.1996 – 5 C 633/95, WuM 1996, 268; Lammel, § 553 BGB Rz. 41. 4 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 253/04, MDR 2006, 142 = MietRB 2006, 91 = NJW 2005, 2995. 5 Vgl. BT-Drucks. 9/2079, S. 2, 9 f.; BT-Drucks. 14/4553, S. 49. 6 BT-Drucks. 9/2079, S. 2, 10. 7 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 253/04, MDR 2006, 142 = MietRB 2006, 91 = NJW 2005, 2995. 8 BGBl. I, S. 2441. 9 BGH v. 24.9.2008 – VIII ZR 275/07, MDR 2008, 1385 = MietRB 2009, 61 = WuM 2008, 667. 10 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 74.

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Beispiele: 67 – Elektrischer Türöffner, – Gegensprechanlage1, insbesondere abhörsichere Gegensprechanlage2, – Neuverfliesung des Bades, – Verbesserung des Zugangs zur Mietwohnung3, – Verstärkung der elektrischen Steigleitung4, – Anschluss der Mietwohnung an das Breitbandkabelnetz5 bzw. an ein rückkanalfähiges Breitbandkabel6, – Installation der Zentralheizung7, – Einbau eines Balkons8, – Einbau eines Fahrstuhls bei konkreter Gebrauchswerterhöhung9, – Vergrößerung des Badezimmers10, – Anbringung einer Gemeinschaftsantenne11, – Anschluss an das Kabelnetz12, und zwar selbst beim Vorhandensein einer Gemeinschaftsantenne mit mehreren Programmen13 oder im Empfangsbereich des terrestrischen Digitalfernsehens14, – Installation einer Satellitenempfangsanlage15, – Anlage und Ausbau von nicht öffentlichen Gemeinschaftsanlagen wie Kinderspielplätzen, Grünanlagen, Stellplätzen16 und anderen Verkehrsanlagen, – Anlage und Ausbau von Gemeinschaftseinrichtungen, wie z.B. Waschküchen, Fahrradkeller und -unterstände, Müllboxen17, – Hausumzäunung18, – Türspione19, – Feuerwehrzufahrten20. Luxusmodernisierungen21 werden vom Modernisierungsbegriff des Gesetzes nicht 68 erfasst. Hierunter fallen alle Maßnahmen, nach deren Durchführung ein derart hoher Standard mit einer entsprechenden Miete erreicht wird, dass er in der Regel nur von einem kleinen finanzstarken Personenkreis nachgefragt wird, z.B. Whirlpool, Sauna, ggf. auch Klimaanlage. Bloß überdurchschnittliche Ausstattungen, für die auch eine entsprechende Nachfrage am Wohnungsmarkt besteht, stellen aber noch keine Lu-

1 LG München I v. 29.7.1987 – 14 S 7397/87, WuM 1989, 27; a.A. LG Berlin v. 9.8.1983 – 63 S 230/82, GE 1983, 1067. 2 AG Schöneberg v. 11.4.2007 – 14 C 561/05, openJur 2012, 5822. 3 AG Dülmen v. 11.11.1997 – 3 C 416/97, WuM 1998, 345. 4 AG Mitte v. 14.10.1997 – 19 C 414/97, GE 1998, 621 (auch wenn der Mieter alle elektrischen Geräte betreiben konnte). 5 KG v. 27.6.1985 – 8 RE-Miet 874/85, WuM 1985, 248 (250) (für Kabelanschluss). 6 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 253/04, WuM 2005, 576. 7 LG Fulda v. 24.1.1992 – 1 S 173/91, MDR 1992, 577 = ZMR 1992, 393. 8 LG München I v. 29.7.1987 – 14 S 7397/87, WuM 1989, 27. 9 LG München I v. 29.7.1987 – 14 S 7397/87, WuM 1989, 27. 10 BGH v. 13.2.2008 – VIII ZR 105/07, MDR 2008, 557 = WuM 2008, 219 = GE 2008, 469. 11 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = NJW 1991, 1750 (1754). 12 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 253/04, MDR 2006, 142 = MietRB 2006, 91 = NJW 2005, 2995. 13 KG v. 27.6.1985 – 8 REMiet 874/85, NJW 1985, 2031. 14 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 253/04, MDR 2006, 142 = MietRB 2006, 91 = NJW 2005, 2995. 15 Palandt/Weidenkaff, § 554 BGB Rz. 11; Engelhard, ZMR 1988, 281. 16 AG Hamburg-Altona v. 14.4.2005 – 318C C 120/03, WuM 2005, 778. 17 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 66. 18 Bieber in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 57. 19 LG Berlin v. 10.4.2003 – 67 S 279/01, GE 2003, 1615. 20 AG Hamburg-Altona v. 14.4.2005 – 318 C 120/03, WuM 2005, 778. 21 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 253/04, MDR 2006, 142 = MietRB 2006, 91 = NJW 2005, 2995.

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xusmodernisierungen dar. Eine bereits in der Vergangenheit erfolgte Verbesserung der Mietsache steht einer erneuten Verbesserung nicht entgegen1. 69 Reine Substanzverbesserungen, durch die der Gebrauchswert des Mietobjektes nicht erhöht wird, stellen keine Maßnahme i.S.d. § 555b Nr. 5 BGB dar2. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Bei reinen Substanzverbesserungen kommt – wenn überhaupt – nur eine Duldungspflicht aus § 242 BGB in Betracht. Auch diese Maßnahmen sind anzukündigen und im Rahmen einer Interessenabwägung ist zu ermitteln, ob die Maßnahme und die hiermit verbundenen Beeinträchtigungen dem Mieter zumutbar sind, wobei für die Annahme einer Duldungspflicht hohe Anforderungen auf Vermieterseite zu stellen sind, z.B. wenn ohne die Maßnahmen eine angemessene Bewirtschaftung nicht mehr möglich oder der Verlust des Grundstücks zu befürchten ist3. 70 Beispiele: – Verschönerungen der Fassade4, – Abhängen von Decken, um Leitungen zu kaschieren5, – Abriss einzelner Wohnungen6, – Schaffung der baulichen Gegebenheiten für eine Abgeschlossenheitsbescheinigung7, – Wandöffnung zwecks Verlegung von Versorgungsleitungen in der Nachbarwohnung8, – sonstige Maßnahmen, die nur Dritten zugutekommen. 71 Bloße Rückbaumaßnahmen, also der Abriss einzelner Gebäude oder Wohnungen, können zwar einen positiven Einfluss auf die verbleibenden Wohnungen entfalten, stellen aber nach Sinn und Zweck des § 555b Nr. 5 BGB keine Verbesserung der Mietsache dar9. Die Vorschrift erfasst nur die Fälle, in denen instandgehaltene Objekte den fortgeschrittenen Anforderungen des Wohnungsmarkts an die technische und qualitative Ausstattung einer Wohnung angepasst werden sollen, und dient nicht der Korrektur wohnungspolitischer Fehlentscheidungen. Es kommt daher auch hier nur eine Duldungspflicht gemäß § 242 BGB in Betracht. Sofern nach dem Abriss neuer moderner Wohnraum geschaffen werden soll, kommt aber die Modernisierungsmaßnahme „Schaffung neuen Wohnraums“ in Betracht (vgl. insoweit § 555b BGB Rz. 83). 6. Nicht vom Vermieter zu vertretende Umstände, § 555b Nr. 6 BGB 72 Ein solcher Tatbestand fand sich bis zum Mietrechtsänderungsgesetz nur in § 559 Abs. 1 BGB a.F. und wurde von dem Begriff der Modernisierungsmaßnahme nicht erfasst. Der Gesetzgeber des Mietrechtsreformgesetzes 2001 hatte diesen Tatbestand bewusst nicht in § 554 Abs. 2 BGB a.F. aufgenommen. Eine analoge Anwendung schied daher mangels unbewusster Regelungslücke aus. Nach Auffassung des Gesetzgebers hätte andernfalls die Gefahr bestanden, dass sich der Mieter auf Härtegründe beruft, obwohl der Vermieter nach öffentlich rechtlichen Vorschriften zur Durchfüh-

1 LG Berlin v. 10.9.2007 – 67 S 90/07, GE 2007, 1553; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 76. 2 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 65; Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 15. 3 Vgl. BGH v. 23.2.1972 – VIII ZR 91/70, NJW 1972, 723; LG Göttingen v. 8.11.1989 – 5 S 104/89, ZMR 1990, 59; LG Köln v. 26.8.1992 – 10 S 139/92, WuM 1993, 40; LG Essen v. 17.4.1997 – 10 S 646/96, WuM 1998, 278; Blank/Börstinghaus, § 554 BGB Rz. 15. 4 AG Köln v. 5.12.1985 – 214 C 322/85 (b), WuM 1987, 31. 5 Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 15. 6 BayObLG v. 17.11.1983 – REMiet 1/83, MDR 1984, 234 = NJW 1984, 372. 7 LG Stuttgart v. 25.9.1991 – 13 S 204/91, WuM 1992, 13; LG Karlsruhe v. 10.1.1992 – 9 S 139/91, WuM 1992, 121. 8 BGH v. 4.3.2009 – VIII ZR 110/08, WuM 2009, 290; Sternel, NZM 2001, 937. 9 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 73; Franke, DWW 2009, 138.

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rung verpflichtet ist1. Nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen wurde dann die Duldungspflicht für derartige Maßnahmen auf § 242 BGB gestützt2. Allerdings konnte auch eine Duldungspflicht aus § 242 BGB nur infolge einer Interessenabwägung hergeleitet werden. Denn auch im Rahmen einer aus Treu und Glauben folgenden Duldungspflicht musste auf die Belange der betroffenen Mieter Rücksicht genommen werden3. Seinen Irrweg hat der Gesetzgeber nunmehr korrigiert. Durch die Aufnahme in den Katalog der Modernisierungsmaßnahmen in § 555b Nr. 6 73 BGB ist auch für solche Maßnahmen künftig grundsätzlich eine Härtefallabwägung nach § 555d BGB durchzuführen. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass den Interessen des Vermieters in aller Regel besonderes Gewicht zukommen wird4. Eine Abwägung zum Nachteil des Vermieters im Falle einer nicht von ihm zu vertretenden Maßnahme ist praktisch kaum vorstellbar, da dies andernfalls zu unzumutbaren Ergebnissen für den Vermieter führen würde (vgl. § 555d BGB Rz. 42)5. Zu den vom Vermieter nicht zu vertretenden Maßnahmen zählen nur solche, die ein 74 Durchschnittsvermieter weder vorhersehen noch vermeiden und deshalb bei der Mietkalkulation nicht berücksichtigen konnte6. Der Vermieter darf die Umstände, die zu diesen Maßnahmen geführt haben, nicht zu vertreten haben (§§ 276, 278 BGB). Dies ist bei allen Maßnahmen der Fall, die nicht in seinen Risikobereich fallen und auch bei einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung angefallen wären. Ob eine ordentliche Bewirtschaftung gegeben ist, richtet sich nach dem Verhalten eines Vermieters, der die Wohnung selbst bewohnt und Modernisierungskosten nicht auf Dritte umlegen kann. Nicht von Bedeutung ist, ob die Maßnahme auch zu einer Gebrauchswertverbesserung oder Einsparung von Heizenergie oder Wasser führt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass dieser Fall alternativ zu den übrigen in § 555b BGB genannten Maßnahmen im Gesetz aufgeführt wird. Erfasst werden z.B. der nachträgliche Einbau von Sicherungstüren in Fahrstühlen, der nachträgliche Anschluss an die Kanalisation7, die Umstellung von Stadtgas auf Erdgas8, Änderung von Freileitungen in Erdleitungen9, Kosten der Anpassung der Heizungsanlage an geänderte Immissionswerte10, Baumaßnahmen zum Zwecke des Denkmalschutzes11, Erstinstallation von Rauchwarnmeldern12, Erschließungsbeiträge für einen nachträglichen Straßenausbau können aber nicht umgelegt werden, da der Vermieter nicht Bauherr ist13. Denkbar sind auch Fälle, in denen Maßnahmen, die der Einsparung von Energie die- 75 nen, nicht auf dem freien Entschluss des Vermieters, sondern auf gesetzlichen Vorgaben beruhen. Bedürfen z.B. mehr als 10 % der Fassadenfläche eines Gebäudes der Instandsetzung, müssen die Vorgaben der EnEV berücksichtigt werden, was in der Regel die Anbringung einer Wärmedämmung erfordert (vgl. § 9 EnEV). Die insoweit zusätzlich anfallenden Kosten können nach § 559 BGB umgelegt werden (vgl. § 555b BGB Rz. 77 ff.).

1 Begründung zum Gesetzentwurf der Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 49; Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 609. 2 BGH v. 4.3.2009 – VIII ZR 110/08, MDR 2009, 738 = MietRB 2009, 191. 3 BGH v. 4.3.2009 – VIII ZR 110/08, MDR 2009, 738 = MietRB 2009, 191. 4 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 19. 5 S. hierzu auch Hinz, ZMR 2012, 153. 6 Scholz, WuM 1995, 87. 7 LG Wiesbaden v. 27.10.1980 – 1 S 568/79, WuM 1982, 77; LG München II v. 17.9.1984 – 6 S 779/84, WuM 1985, 66; a.A. LG Hildesheim v. 23.2.1983 – 7 S 382/82, WuM 1985, 340. 8 LG Berlin v. 27.11.1995 – 67 S 293/95, GE 1996, 131; AG Rostock v. 28.3.1995 – 48 C 429/94, WuM 1996, 559. 9 BT-Drucks. 7/2011, S. 11. 10 Seitz, ZMR 1993, 1. 11 Vgl. Golisch, ZMR 1992, 129. 12 Wall, WuM 2013, 3. Der Beitrag enthält auch eine Übersicht der landesrechtlichen Vorschriften, nach denen der Einbau verpflichtend ist. 13 LG Frankfurt v. 6.12.1982 – 2/24 S 156/82, NJW 1983, 233; LG Hamburg v. 8.5.1990 – 316 S 25/90, WuM 1991, 121; LG Hildesheim v. 23.2.1983 – 7 S 382/82, WuM 1985, 340.

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7. Maßnahmen nach EnEV 2009 76 Eine besondere, in der Zukunft gehäuft auftretende Frage wird sein, ob der Vermieter die Kosten für Maßnahmen, die nur wegen der Bestimmungen der EnEV 2009 (im folgenden nur EnEV) notwendig werden, auf den Mieter gemäß § 559 BGB umlegen kann. Insoweit sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden. a) § 9 Abs. 1 und 3 EnEV 77 Entschließt sich der Vermieter aus freien Stücken zur Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen zum Zwecke der Einsparung von Energie, gibt die EnEV regelmäßig bestimmte Mindestanforderungen vor, die es einzuhalten gilt. So bestimmt § 9 Abs. 1 und 3 EnEV, dass Änderungen an Außenbauteilen, wie z.B. Außenwänden, Fenstern, Fenstertüren, Dächern, dergestalt auszuführen sind, dass die in der Anlage 3 der EnEV vorgegebenen Wärmedurchgangskoeffizienten eingehalten sind. Nur dann, wenn weniger als 10 % der jeweiligen Gebäudeteilfläche betroffen sind, gilt dies nicht. Greift § 9 Abs. 1 und 3 EnEV, liegt eine Modernisierungsmaßnahme vor, die gemäß § 555c BGB anzukündigen ist. Die Duldungspflicht folgt aus § 555d Abs. 1 BGB. In einem solchen Fall kann der Vermieter sämtliche Kosten der Maßnahme als Modernisierungszuschlag auf die Miete gemäß § 559 BGB umlegen1. 78 Die Vorgaben des § 9 EnEV gelten allerdings auch dann, wenn der Vermieter nicht eine Modernisierung, sondern eine Instandsetzung, z.B. der Fassade, beabsichtigt. Anlass für eine solche Instandsetzung kann sowohl der freiwillige Entschluss des Vermieters, aber auch eine entsprechende Verurteilung auf eine Mängelbeseitigungsklage des Mieters hin sein. In beiden Fällen muss der Vermieter aber dann, wenn mehr als 10 % der Bauteilfläche betroffen sind, die erhöhten Anforderungen der Anlage 3 der EnEV einhalten. Dies kann dazu führen, dass die gesamte Fassade mit einer Wärmedämmung versehen werden muss. Insoweit stellt sich zunächst die Frage, ob eine solche Maßnahme unter § 555a Abs. 1 BGB oder § 555d Abs. 1 BGB fällt. Im letzteren Fall, wäre der Vermieter zur Ankündigung gemäß § 555c BGB gezwungen. 78a Die Maßnahme in ihrem gesetzlich angeordneten Umfang wird hier nur durch die Instandsetzungsbedürftigkeit ausgelöst, so dass die ganze Maßnahme unter Verweis auf die vertragliche Risikoverteilung der Instandsetzung zugeordnet werden könnte2. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den durch die EnEV angeordneten, über die reine Instandsetzung hinausgehenden Maßnahmen um solche handelt, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, § 555b Nr. 6 BGB3. Die aufgewendeten Kosten können daher über eine Mieterhöhung nach § 559 BGB umgelegt werden, auch wenn die Kosten der (ersparten) Instandsetzung gemäß § 559 Abs. 2 BGB in Abzug zu bringen sind (vgl. hierzu § 559 BGB Rz. 87)4. Vor diesem Hintergrund besteht jedoch ein Informationsinteresse des Mieters, so dass die Maßnahme insgesamt den §§ 555c und 555d BGB zuzuordnen ist. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Rechte des Mieters in Hinblick auf die mögliche Mieterhöhung gewahrt werden. Insoweit ist in Kauf zu nehmen, dass während der Ankündigungsfrist des § 555c Abs. 1 BGB noch nicht mit der Maßnahme begonnen werden kann. b) §§ 10 Abs. 2 ff. EnEV 79 Weiter werden durch § 10 EnEV gewisse Nachrüstpflichten bestimmt. So müssen z.B. bisher ungedämmte, zugängliche Warmwasserleitungen und Armaturen gedämmt werden, § 10 Abs. 2 EnEV. Auch müssen ungedämmte, nicht begehbare Geschossdecken beheizter Räume so gedämmt werden, dass ein bestimmter Wärmedurchgangskoeffizient erreicht wird, § 10 Abs. 4 EnEV. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich um Maßnahmen zur Einsparung von Energie, die aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Regelung notwendig werden. Die von dem Vermieter aufgewendeten Kosten

1 2 3 4

Eisenschmid, WuM 2009, 624. So Eisenschmid, WuM 2009, 624. Sternel, NZM 2010, 721. Beyer, GE 2009, 944; Blank, WuM 2008, 311; Schläger, ZMR 2009, 339.

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stellen somit nicht zu vertretende Maßnahmen i.S.d. § 555b Nr. 6 BGB dar und können daher umgelegt werden1. c) §§ 10 Abs. 1, 10a Abs. 1 EnEV Ein Sonderfall stellt das Nutzungsverbot der §§ 10 Abs. 1 S. 1, 10a Abs. 1 EnEV dar. 80 Nach § 10 Abs. 1 S. 1 EnEV dürfen Heizkessel, die mit flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen beschickt werden und vor dem 1.10.1978 eingebaut oder aufgestellt worden sind, nicht mehr betrieben werden, sofern nicht die Ausnahme des § 10 Abs. 1 S. 2 EnEV greift. Gemäß § 10a Abs. 1 EnEV gilt dies auch für die dort beschriebenen Nachtstromspeicherheizungen. Faktisch begründet dies eine Verpflichtung des Vermieters zum Einbau eines neuen Heizkessels. Insoweit wird teilweise vertreten, dass es sich um eine gesetzlich angeordnete Instandhaltungsmaßnahme handelt2 und eine Umlage der aufzuwendenden Kosten nach § 559 BGB ausscheidet3. Der Mieter habe sogar einen Erfüllungsanspruch, wenn die Vorgaben der EnEV bei Vertragsabschluss nicht eingehalten seien. Er könne seine Gewährleistungsrechte geltend machen4. Dem kann nicht gefolgt werden. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die EnEV 81 lediglich den weiteren Betrieb bestimmter Heizungsanlagen untersagt. Der Einbau eines neues Heizkessels oder einer neuen Heizungsanlage wird nicht zwingend vorgeschrieben. Allein aus diesem Grund ist es bereits fraglich, von einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Installation einer Heizungsanlage auszugehen. Hierbei handelt es sich letztlich nur um eine faktische Konsequenz der Betriebsuntersagung. Öffentlich-rechtlich steht es dem Vermieter aber frei, ob er einen neuen Heizkessel bzw. eine neue Heizungsanlage einbringt oder nicht. Aber selbst wenn von einer Verpflichtung des Vermieters zur Neuinstallation ausgegangen wird, kann es sich um umlagefähige Kosten handeln. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass die vorhandene Heizungsanlage, die nicht mehr betrieben werden darf, in technischer Hinsicht durchaus völlig ordnungsgemäß kann und ein Austausch in technischer Hinsicht nicht notwendig ist. Aus welchem Grund in diesem Fall dem Vermieter aber die Möglichkeit der Mieterhöhung gemäß § 559 BGB versagt werden soll, ist nicht ersichtlich. Die Situation ist in rechtlicher Hinsicht nicht anders zu beurteilen als bei sonstigen öffentlich-rechtlich angeordneten Verbesserungsmaßnahmen5, z.B. der nachträgliche Einbau von Sicherungstüren in Fahrstühlen oder der nachträgliche Anschluss an die Kanalisation6. Solange die vorhandene Heizungsanlage funktioniert und die ordnungsgemäße Beheizbarkeit sichergestellt ist, fehlt es auch an einer Gebrauchsbeeinträchtigung des Mietobjekts, so dass mietrechtliche Gewährleistungsansprüche des Mieters ausscheiden. Auch ansonsten stellt der Verstoß gegen öffentliches Recht keinen Mangel dar, solange keine Gebrauchsbeeinträchtigung hinzutritt (vgl. § 536 BGB Rz. 194)7. Der Ausstausch ist dann aber gemäß § 555c BGB anzukündigen. Die Duldungspflicht folgt aus § 555d Abs. 1 BGB. Nur so kann sicher gesetellt werden, dass die Mieterrechte in Hinblick auf die voraussichtliche Mieterhöhung gewahrt bleiben. Anders ist dies zu beurteilen, wenn der Heizkessel oder das elektrische Speichersys- 82 tem i.S.d. § 10a Abs. 1 EnEV ohnehin instandsetzungsbedürftig ist. In diesem Fall 1 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 25; Lehmann-Richter, MietRB 2010, 340. 2 Beyer, GE 2009, 944; Eisenschmid, WuM 2009, 624. 3 Eisenschmid, WuM 2009, 624. 4 So Börstinghaus, PiG 73, 39; Lehmann-Richter, MietRB 2010, 340 (stellt hingegen darauf ab, ob der Mieter nach der Verkehrsanschauung die Erfüllung der Standards nach der EnEV erwarten kann). 5 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetz, BT-Drucks. 17/10485, S. 24. 6 LG Wiesbaden v. 27.10.1980 – 1 S 568/79, WuM 1982, 77; LG München II v. 17.9.1984 – 6 S 779/84, WuM 1985, 66; a.A. LG Hildesheim v. 23.2.1983 – 7 S 382/82, WuM 1985, 340. 7 OLG Düsseldorf, GuT 2005, 13; Lützenkirchen/Dickersbach, Vertragsstörungen im Mietrecht, Rz. 1004; z.B. OLG Nürnberg v. 16.7.1998 – 8 U 197/98, NZM 1999, 419 (für den Fall, dass die Behörde trotz eines Verstoßes gegen ihre Bestimmungen oder Richtlinien den von den Parteien vereinbarten Gebrauch der Mietsache duldet).

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können die vom Vermieter aufgewendeten Kosten nicht gemäß § 559 BGB umgelegt werden. Dies gilt allerdings nur für die Kosten, die für die Installation einer gleichwertigen Anlage aufzuwenden wären. Entschließt sich der Vermieter freiwillig oder in Hinblick auf die Regelungen der EnEV, eine verbesserte Anlage zu installieren, kann er die über den reinen Austausch bzw. Reparatur hinausgehenden Kosten als Modernisierungskosten geltend machen. Ob die alte Anlage steuerlich abgeschrieben ist, ist unerheblich1. Maßgeblich ist allein, ob sie noch funktionsfähig ist. Andernfalls könnten auch die Kosten für eine neue verbesserten Wärmedämmfassade nicht umgelegt werden, nur weil die alte, aber noch funktionsfähige Wärmedämmfassade bereits abgeschrieben ist. Dies wäre mit dem Sinn und Zweck der §§ 555b, 559 BGB aber nicht zu vereinbaren. Der Vermieter soll durch die Vorschrift gerade einen Anreiz für Investitionen erhalten (vgl. § 559 BGB Rz. 13). Auch in diesem Fall ist die Maßnahme gemäß § 555c Abs. 1 BGB anzukündigen. Die Duldungspflicht folgt aus § 555d Abs. 1 BGB. 8. Schaffung neuen Wohnraums, § 555b Nr. 7 BGB 83 Zu den Maßnahmen zur Schaffung neuen Wohnraums zählen nicht nur Aus- und Umbaumaßnahmen innerhalb bereits bestehender Gebäudeteile, z.B. der Ausbau eines Dachgeschosses2, sondern auch Aufstockungs-3 und Anbaumaßnahmen4, z.B. Schließung von Baulücken5. Die Maßnahme muss allerdings darauf abzielen und letztlich bewirken, dass neuer Wohnraum, der nicht unbedingt zur Vermietung bestimmt sein muss6, entsteht. Es genügt, wenn der Wohnraum von dem Vermieter selbst genutzt werden soll. 84 Auch die Verbesserung des Zuschnitts der bisherigen Wohnung kann eine Modernisierungsmaßnahme darstellen, sofern hierdurch neuer Wohnraum geschaffen wird7. Eine solche kann z.B. vorliegen, wenn das Badezimmer durch Einbeziehung eines Abstellraums vergrößert werden soll8. Es genügt aber nicht, wenn der Vermieter den vorhandenen Raum lediglich neu auf verschiedene Wohnungen aufteilen möchte, da hierdurch kein neuer Wohnraum geschaffen wird9. Die bloße Grundrissänderung stellt also keine Maßnahme zur Schaffung neuen Wohnraums dar. U.U. kann es sich aber um eine Wohnwertverbesserung i.S.d. § 555b Nr. 5 BGB handeln. Dies entzieht sich aber einer generalisierenden Betrachtungsweise. Maßgeblich ist vielmehr, ob allgemein in den für das Mietobjekt in Betracht kommenden Mieterkreisen der Maßnahme eine Wohnwertverbesserung zugemessen wird, so dass der Vermieter damit rechnen kann, dass die Wohnung nach Durchführung der Maßnahme von künftigen Mietinteressenten – bei im Übrigen gleichen Konditionen – eher angemietet würde als eine vergleichbare Wohnung, bei der diese Maßnahme nicht durchgeführt worden ist10. 85 Wird aufgrund einer Maßnahme die Wohnfläche um mehr als 10 % vergrößert, wird teilweise vertreten, dass es sich nicht mehr um eine zu duldende Verbesserungsmaßnahme i.S.d. § 555b Nr. 5 handelt11. Dies ist abzulehnen. Unabhängig davon würde dann auch eine Maßnahme zur Schaffung von neuem Wohnraum gegeben sein. Jede Vergrößerung der Mietfläche stellt nämlich eine Maßnahme zur Schaffung von Wohn1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

A.A. Eisenschmid, WuM 2009, 627. LG Duisburg v. 10.5.2000 – 23 S 74/00, NZM 2000, 1000. AG Vechta v. 21.6.1994 – 11 C 542/94, WuM 1994, 476 (Aufstockung eines Bungalows). AG Pankow-Weißensee v. 30.1.2008 – 7 C 366/07, NZM 2008, 769; Blank, Verbesserungsmaßnahmen des Vermieters, S. 772. A.A. Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 17 (der von einer bloßen Substanzverbesserung ausgeht, so dass eine Duldungspflicht allenfalls aus § 242 BGB folgen kann). Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 17. LG Mannheim v. 19.3.1986 – 4 S 150/85, WuM 1987, 385 (Schaffung separater Küche und eines Badezimmers mit Zugang vom Flur). BGH v. 13.2.2008 – VIII ZR 105/07, MDR 2008, 557 = WuM 2008, 219. A.A. wohl Franke, DWW 2009, 138. BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 253/04, MDR 2006, 142 = MietRB 2006, 91 = NJW 2005, 2995. LG Köln v. 26.8.1992 – 10 S 139/92, WuM 1993, 40.

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raum dar. Das Gesetz sieht gerade keine Begrenzung vor und verlangt auch nicht, dass eine vollständig neue Wohnung geschaffen wird1. Die Pflicht des Mieters zur Duldung von Maßnahmen, durch die Gewerberaum ge- 86 schaffen werden soll, kann weiterhin allenfalls aus § 242 BGB abgeleitet werden. 9. Sonstige Maßnahmen Maßnahmen, die weder unter den Begriff der Instandhaltung bzw. Reparatur noch un- 87 ter den der Modernisierung fallen, gehen zu Lasten des Vermieters und sind vom Mieter grundsätzlich nur freiwillig zu dulden. Weder § 555a BGB noch §§ 555b, 555c BGB sind insoweit einschlägig. Allenfalls in besonderen Ausnahmesituationen kommt eine aus § 242 BGB abgeleitete Duldungspflicht in Betracht (vgl. § 555d BGB Rz. 23). Beispiele für grundsätzlich nicht zu duldende Maßnahmen: 88 – Ersetzung des Gasherdes durch einen Elektroherd2. – Reine Verschönerungsmaßnahmen wie die reine Fassadenrenovierung. – Austausch einer Holztür gegen eine Metalltür. – Der Austausch einer freistehenden Badewanne gegen eine zum Einfliesen geeignete. – Austausch eines mit Gas betriebenen gegen einen elektrischen Durchlauferhitzer3. – Verlegung von Leerrohren für einen etwaigen künftigen Kabelanschluss. – Verstärkung der elektrischen Leitungen ohne Erhöhung der Anschlusswerte4. – Umstellung von Drehstrom ohne Null-Leiter (220 Volt) auf Drehstrom mit NullLeiter. – Austausch des 5000 Liter umfassenden Heizöltanks gegen einen größeren. – Auswechseln der Holzkastendoppelfenster gegen Kunststofffenster5, es sei denn, dass die neuen Fenster im Vergleich zu den alten eine bessere Qualität mit Gebrauchswerterhöhung aufweisen6 bzw. zu einer Energieersparnis oder zu einem besseren Schallschutz führen7. Teilweise wird beim Ersatz einfacher Holzfenster durch solche mit Isolierverglasung mit Kunststoffrahmen die Modernisierung als solche allein in der Verglasung selbst gesehen8. Die Frage, in welchem Zustand die alten einglasigen Fenster waren, stellt sich erst bei der Mieterhöhung und dem dann vorzunehmenden Abzug für ersparte Instandsetzungsaufwendungen. – Austausch von zehn Jahre alten, nicht defekten Kaltwasserleitungen gegen Edelstahlleitungen9. – Umwandlung einer Loggia in einen Wintergarten10. III. Modernisierende Instandhaltung Überschneiden sich Erhaltungsmaßnahmen mit Modernisierungsmaßnahmen (z.B. 89 schadhafte einfachverglaste Fenster werden durch isolierverglaste Fenster ersetzt), sind grundsätzlich die §§ 555b bis 555d BGB insgesamt einschlägig (vgl. § 555a BGB

1 AG Pankow-Weißensee v. 30.1.2008 – 7 C 366/07, NZM 2008, 769. 2 AG Mitte v. 14.10.1999 – 4 C 263/99, MM 2000, 280; anders wohl nun LG Berlin v. 10.1.2012 – 63 S 203/11, ZMR 2012, 704. 3 LG Berlin v. 27.1.2000 – 61 T 3/00, MM 2000, 131. 4 AG Hoyerswerda v. 19.11.1996 – 1 C 0778/96, WuM 1997, 228; AG Görlitz v. 12.3.1993 – 7 C 0674/92, WuM 1993, 264. 5 BGH v. 7.1.2004 – VIII ZR 156/03, WuM 2004, 155; AG Mitte v. 14.10.1999 – 4 C 263/99, MM 2000, 280. 6 AG Wernigerode v. 13.4.1995 – 10 C 48/95, WuM 1995, 442. 7 LG Berlin v. 26.6.2008 – 62 S 439/07, MM 2008, 370. 8 LG Oldenburg v. 8.8.1979 – 9 C 131/79, WuM 1980, 86; LG Aachen v. 4.1.1980 – 3 S 312/79, WuM 1980, 203; AG Neumünster v. 25.9.1991 – 9 C 1612/90, WuM 1992, 258. 9 AG Schöneberg v. 11.4.2007 – 14 C 561/05, MM 2007, 227. 10 AG Hamburg-Altona v. 7.8.2007 – 316 C 425/06, WuM 2008, 27.

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Modernisierungsmaßnahmen

Rz. 14)1. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Instandsetzung zwingend mit einer Verbesserung verbunden ist, weil Ersatzteile nicht mehr am Markt erhältlich sind oder die bislang verwendete Technik nicht mehr zugelassen ist. In diesen Fällen muss der Vermieter die Verbesserung erzwungener Maßnahmen in Kauf nehmen. Für den Vermieter besteht daher dann keine Ankündigungspflicht nach § 555c BGB. IV. Modernisierungs-ABC 90

Maßnahme

Inhalt der Maßnahme

Allgemein

(–)

Wenn Arbeiten nur dem Vermieter zugutekommen, der nach deren Abschluss die Wohnung selbst beziehen will2

Antenne

(+)

Anbringen von Gemeinschaftsantenne, Anschluss an das Kabel ist i.d.R. Maßnahme zur Modernisierung3

(+)

Erstmaliger Einbau einer Sammelantenne4

(+)

Installation eines Breitbandkabelanschlusses ist eine Modernisierungsmaßnahme5

(+)

Anschluss an Breitbandkabel stellt nach derzeitigem Stand der Informations- und Kommunikationstechnik eine Maßnahme zur Verbesserung dar6.

(+)

Anschluss an rückkanalfähiges Breitbandkabel im Empfangsbereich von DVB-T7

(+)

Anschluss an Kabelfernsehen stellt Maßnahme zur Verbesserung dar8

(–)

Anschluss an Kabelfernsehen stellt bei vorhandener Gemeinschaftsantenne keine Wertverbesserung dar9. Wenn Empfangsmöglichkeit des Kabelanschlusses hinter dem der Antenne zurückbleibt, muss diese neben dem Kabelanschluss beibehalten werden10.

(+)

Anstelle von Einzelantennen11

(+)

Einbau einer Gemeinschaftsantenne ist wertverbessernde Maßnahme12





Breitbandkabel

Gemeinschaftsantenne/Satellitenempfangsanlage

fi Baunebenkosten

Architektenkosten Außenanlagen

(+)

Erneuerung der Erholungsflächen13

1 Emmerich/Sonnenschein, § 554 BGB Rz. 3; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 45. 2 AG Fritzlar v. 31.3.2000 – 8 C 43/00, WuM 2002, 118. 3 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 (385). 4 LG Berlin v. 14.11.2000 – 64 S 265/00, ZMR 2001, 277. 5 AG Köln v. 4.7.1990 – 207 C 171/90, WuM 1991, 159. 6 KG v. 27.6.1985 – 8 REMiet 874/85, NJW 1985, 2031. 7 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 253/04, WuM 2005, 576. 8 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = NJW 1991, 1750 (1754). 9 LG Berlin v. 9.8.1983 – 63 S 96/82, WuM 1984, 82. 10 LG Berlin v. 13.9.1985 – 64 5 239/84, NJW-RR 1986, 890. 11 Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 61. 12 LG München I v. 29.7.1987 – 14 S 7397/87, WuM 1989, 27. 13 AG Hamburg-Altona v. 14.4.2005 – 318 C 120/03, WuM 2005, 778.

1008

Dickersbach

§ 555b BGB

Modernisierungsmaßnahmen Maßnahme Außenfassade

Badezimmer/Sanitäre Einrichtungen

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

11 12 13 14 15 16 17 18

Inhalt der Maßnahme (+)

Aufgrund von Energieeinsparungen bei Klinker1

(+)

Bei Wärmedämmung2

(+)

Bei Wärmedämmung durch neue Fassadenverkleidung3

(–)

Bei Renovierung der Außenfassade eines Altbaus4

(+)

Bei Wärmedämmung an einem Mehrfamilienhaus5

(+)

Bei erstmaligem Einbau6

(–)

Vergrößerung des Bades durch Entfernen einer Speisekammer7, selbst wenn hierdurch die Küche verkleinert wird8 (fi Grundrissänderungen)

(+)

Bei Modernisierung von veralteter sanitärer Einrichtung9 Insbes. bei: – Einbau einer bislang nicht vorhandenen Innentoilette, eines Bades, einer Duschecke10 – räumlicher Trennung von Bad und WC11 – Ersetzen unmoderner Bad- und WC-Einrichtungen durch nicht nur unwesentlich modernere und praktischere Einrichtungen12

(–)

Erneuerung des Badezimmers einschl. der Wandfliesen und des Fußbodens, wenn der alte Zustand mängelfrei ist13

(–)

Erneuerung jahrzehntealter Sanitärinstallationen14

(+)

Bei Ersetzen einer Sitzbadewanne durch eine Vollbadewanne15

(+)

Bei Austausch eines Heizkörpers durch einen Handtuchheizkörper16

(+)

Bei ergänzender Verfliesung des Bades bis zur Decke17

(+)

Bei erstmaliger Verfliesung des Bodens einschl. begleitender Maßnahmen (z.B. Estrich; Putzarbeiten)18

LG Paderborn v. 19.11.1992 – 1 S 135/92, WuM 1993, 360. Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 68. Scholz, WuM 1995, 13. AG Köln v. 5.12.1985 – 214 C 322/85 (b), WuM 1987, 31. AG Celle v. 12.7.1991 – 11 C 128/91, WuM 1992, 379. LG Berlin v. 24.11.1989 – 63 S 268/89, GE 1990, 255; LG Berlin v. 28.10.1991 – 66 S 78/91, GE 1992, 39. AG Mitte v. 14.10.1999 – 4 C 263/99, MM 2000, 280. KG v. 10.5.2007 – 8 U 166/06, GE 2007, 907. LG Berlin v. 1.12.1988 – 62 S 176/88, GE 1989, 99; LG Berlin v. 24.11.1989 – 63 S 268/89, GE 1990, 255. LG Berlin v. 15.4.2010 – 67 S 446/08, GE 2010, 908; LG Berlin v. 1.12.1988 – 62 S 176/88, GE 1989, 99; LG Berlin v. 28.10.1991 – 66 S 78/91, GE 1992, 39 (auch, wenn die Fläche der Küche dadurch halbiert wird); LG Berlin v. 24.11.1989 – 63 S 268/89, GE 1990, 255. Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 54. A.A. teilw. Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 54. AG Köln v. 26.6.2002 – 220 C 275/01, KM 32 Nr. 22. AG Münster v. 1.8.2012 – 48 C 4169/10, WuM 2012, 610; AG Gelsenkirchen v. 16.4.1999 – 3b C 600/98, NZM 1999, 801. Vgl. Scholz, WuM 1995, 13 (14). LG Berlin v. 22.3.2011 – 65 S 321/10, GE 2011, 548. LG Hamburg v. 26.4.1984 – 7 S 311/83, WuM 1984, 217. LG Berlin v. 14.11.2000 – 64 S 265/00, ZMR 2001, 277.

Dickersbach

1009

§ 555b BGB

Modernisierungsmaßnahmen

Maßnahme

Inhalt der Maßnahme (+)

Bei Ersetzung einer Gemeinschaftstoilette durch Klosetts mit Wasserspülung1

(+)

Austausch eines Stand-WCs durch wandhängendes Tiefspülbecken mit Zwei-Mengen-Spültechnik2

(+)

Einbau eines Duschbades3

(+)

Austausch kleines gegen größeres Handwaschbecken4

(+)

Bei erstmaligem Bau5

(–)

Bei Umbau eines Balkons in einen Wintergarten6

(–)

Betonsägen zum Anbau neuer Balkone7

(–)

Wenn erstmaliger Anbau zu einer unverhältnismäßigen Mieterhöhung führt (hier um 1/3)8

Barrierefreiheit

(+)

Behindertengerechter Ausbau von Fluren und Treppen

Baunebenkosten

(+)

Kosten für Architekten- und Ingenieurleistungen, auch entspr. Eigenleistungen9

Belichtung/Belüftung

(+)

In der Regel bei Verbesserung von Belichtung und Belüftung (etwa bei innenliegenden Räumen wie Küche und Bad durch Einbau einer Belüftungsanlage10 (fi Fenster)

Bleirohre

(+/-)

Für Trinkwasserversorgung: Austausch gegen verzinkte Rohre: str.11

(+)

Austausch durch Rohre anderen Materials mit größerem Querschnitt12

(+)

Bei Ersetzung eines vorhandenen durch pflegeleichten; Parkett oder Teppichboden statt Linoleum oder Dielenboden in Wohnzimmern13

(–)

Austausch alter Steingutfliesen im Bad ohne drohende Gefahr von Bodenschäden durch sickerndes Wasser14

(–)

Austausch von Fliesen/Fußbodenbelägen, wenn der bisherige Zustand mängelfrei ist15

(–)

Bei Vergrößerung auf DIN-A4-Umschläge16

Balkon

Bodenbelag

Briefkästen

1 Barthelmess, Wohnraumkündigungsschutzgesetz, Miethöhegesetz, 5. Aufl., § 3 MHG Rz. 10. 2 LG Berlin v. 14.7.2005 – 62 S 91/05, MM 2006, 39; LG Berlin v. 22.3.2011 – 65 S 321/10, GE 2011, 548. 3 LG Berlin v. 12.5.2005 – 67 S 19/05, GE 2005, 919; LG Berlin v. 28.10.1991 – 66 S 78/91, GE 1992, 39. 4 LG Berlin v. 22.3.2011 – 65 S 321/10, GE 2011, 548. 5 LG Wiesbaden v. 23.10.2002 – 2 S 50/02, WuM 2003, 564; LG Berlin v. 23.12.2003 – 65 S 179/03, ZMR 2004, 193; LG München I v. 29.7.1987 – 14 S 7397/87, WuM 1989, 27. 6 LG Berlin v. 23.5.1997 – 64 S 507/96, NJW-RR 1998, 300. 7 LG Potsdam v. 25.5.2000 – 11 S 190/99, WuM 2000, 553. 8 AG Wiesbaden v. 28.3.2002 – 93 C 4042/01-20, WuM 2002, 309. 9 LG Halle/Saale v. 8.8.2002 – 2 S 42/01, ZMR 2003, 35. 10 Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 51; AG Köln v. 6.6.2002 – 220 C 275/01, n.v. 11 Keine Modernisierung: AG Halle-Saalkreis v. 15.9.1992 – 22 (49) C 196/92, WuM 1992, 682; Modernisierung: LG Berlin v. 4.2.1992 – 64 S 245/91, GE 1992, 1099. 12 LG Berlin v. 14.11.2000 – 64 S 265/00, ZMR 2001, 277. 13 Vgl. zu beidem Bub/Treier/Kraemer, III. A Rz. 1101. 14 AG Mitte v. 14.10.1999 – 4 C 263/99, MM 2000, 280. 15 AG Köln v. 26.6.2002 – 220 C 275/01, KM 32 Nr. 22. 16 LG Hannover v. 22.12.1981 – 8 S 147/81, WuM 1982, 83.

1010

Dickersbach

§ 555b BGB

Modernisierungsmaßnahmen Maßnahme

Inhalt der Maßnahme

Dachbodenisolierung

(+)

Bei Energieeinsparung1

Denkmalschutz

(–)

Zusatzkosten wegen Denkmalschutzauflagen im Zuge von Instandsetzungsmaßnahmen2

Drehstromzähler

(+)

Bei Einbau eines Drehstromzählers als Voraussetzung für den Anschluss an eine elektrische Heizung3 fi Wassereinsparung

Drückergarnitur Dunstabzugshaube

(+)

fi Kücheninstallation

Durchlauferhitzer Einbruchhemmende Tür

(+)

Modernisierungsgesichtspunkte und größerer Schutz vor Einbrechern, sichernder und vorbeugender Charakter4

(+)

Bei ausreichender Erläuterung, durch welche Konstruktionsmerkmale der Einbruchschutz erhöht worden ist5

(+)

Einbau einer neuen Wohnungseingangstür mit Einbruchshemmung6 fi Kücheninstallation

Elektroherd Elektroinstallation

fi Kücheninstallation

(+)

Bei Einbau einer neuen Elektroinstallation und Verstärkung der elektrischen Steigleitung, wenn dadurch für den Mieter eine höhere Stromentnahme ermöglicht wird7

(+)

Erneuerung von bisher zweipoligen Stromleitungen, Einbau eines FI-Schalters8 fi Außenfassade, fi Dachbodenisolierung, fi Fenster, fi Heizung

Energiesparmaßnahme (+)

Bei Einsparung von Strom9, auch durch Installation einer Photovoltaik-Anlage, Sonnenkollektoren, Nutzung von Erdwärme u.ä. alternativen Energiequellen, soweit wirtschaftlich10

(–)

Keine Kosten i.S.e. anderen baulichen Änderung aufgrund von Umständen, die der Vermieter nicht zu vertreten hat11

(–)

Keine bauliche Maßnahme des Vermieters12

Fahrstuhl

(+)

Erstmaliger Einbau eines Fahrstuhls13

Fassadenverkleidung

(+)

Bei Energieersparnis fi Außenfassade

Erschließungskosten

1 2 3 4 5 6 7

8 9 10 11 12 13

LG Berlin v. 15.4.1986 – 64 S 387/85, ZMR 1986, 444. AG Lichtenberg v. 5.4.2002 – 9 C 543/01, MM 2002, 227. AG Leonberg v. 27.12.1983 – 5 C 1117/83, WuM 1984, 216. LG Köln v. 30.4.1992 – 1 S 385/91, WuM 1993, 608. LG Berlin v. 16.7.2001 – 67 S 527/00, MM 2001, 401 = HKA 2001, 39. LG Halle/Saale v. 8.8.2002 – 2 S 42/01, ZMR 2003, 35. KG Berlin v. 17.5.1984 – 20 U 1306/83, GE 1984, 757; LG Berlin v. 27.10.1998 – 65 S 224/98, NZM 1999, 705; Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 53 (zweifelhaft, wenn Verstärkung der Elektrosteigeleitungen nur wegen des Dachausbaus nötig wird). AG Köln v. 26.6.2002 – 220 C 275/01, KM 32 Nr. 21. Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 67. Lützenkirchen/Löfflad, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 302. OLG Hamm v. 30.5.1983 – 4 REMiet 2/83, MDR 1983, 843 = NJW 1983, 2331. LG Hildesheim v. 23.2.1983 – 7 S 382/82, WuM 1985, 340. BGH v. 19.9.2007 – VIII ZR 6/07, NZM 2007, 882; LG Berlin v. 24.5.2011 – 63 S 426/10, GE 2011, 1555; LG Berlin v. 19.4.2002 – 63 S 239/01, GE 2002, 930; Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 58 (nicht für Erdgeschossmieter); AG Düsseldorf v. 11.1.1993 – 53 C 10937/92, WuM 1994, 548; AG München v. 13.1.1986 – 25 C 6877/85, WuM 1986, 91.

Dickersbach

1011

§ 555b BGB

Modernisierungsmaßnahmen

Maßnahme Fenster

Inhalt der Maßnahme (+)

Entscheidend ist, dass eine Energieersparnis, bessere Lichtausbeute oder ein verbesserter Schallschutz erreicht wird

(+)

Einbau von Isolierfenstern in Küche und WC1.

(–)

Einbau von Isolierfenstern in Küche und WC2

(+)

Isolierverglaste Fenster im Treppenhaus3

(+)

Isolierverglasung4

(–)

Bei Energieeinsparung von nur 2,5 %, da dann keine wesentliche Verbesserung der Wärmedämmung5

(–)

Bei Verschlechterung des Raumklimas6

(+)

Beim Austausch eines kleinen Lüftungsfensters gegen ein gut zugängliches großes Fenster7

(+)

Bei Einbau eines Schallschutzfensters in einer Fluglärmzone8

(–)

Austausch von Holzkastendoppelfenstern gegen KunststoffIsolierglasfenster9

(+)

Bei Ersatz von Verbundfenstern durch Isolierglasfenster, wenn Verringerung des Heizwärmebedarfs (durch Wärmebedarfsberechnung) dargelegt wird10

(+)

Ersatz vorhandener Isolierglasfenster durch neue Fenster, wenn der Energiespareffekt erläutert wird11

(–)

Einbau isolierverglaster Fenster, wenn aufgrund der Art des Gebäudes hierdurch Feuchtigkeitsschäden drohen12

(–)

Einbau isolierverglaster Fenster im Treppenhaus13

Feuerwehrzufahrt

(+)

Neu geschaffene Feuerwehrzufahrt, die die Sicherheit der Bewohner erhöht14

Fliesen

(–)

Bei reinem Austausch15

(+)

Bei erstmaligem Fliesen in Bad, Küche16

Gasherd

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

fi Kücheninstallation

LG Berlin v. 24.11.1989 – 63 S 268/89, GE 1990, 255. LG Berlin v. 4.2.1992 – 64 S 245/91, GE 1992, 1099. LG Hannover v. 22.12.1981 – 8 S 147/81, WuM 1982, 83. AG Neumünster v. 25.9.1991 – 9 C 1612/90, WuM 1992, 258; zum Ganzen mit Hinweisen zur Berliner Rechtsprechung vgl. auch Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 72. VG Berlin v. 23.7.1991 – 16 A 168/88, NJW-RR 1992, 657. Bub/Treier/Kraemer, III. A Rz. 1101. Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 51. Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 52 (in Gebieten, in denen anhaltende Geräusche von 50 dB [A] und mehr auftreten). AG Mitte v. 14.10.1999 – 4 C 263/99, MM 2000, 280; AG Mitte v. 28.6.2002 – 6 C 23/02, MM 2003, 195; LG Berlin v. 30.4.2002 – 63 S 263/01, WuM 2002, 337. LG Berlin v. 16.7.2001 – 67 S 527/00, MM 2001, 401. BGH v. 25.1.2006 – VIII ZR 47/05, MDR 2006, 982 = MietRB 2006, 160 = WuM 2006, 157. LG Hamburg v. 28.7.1994 – 334 S 35/94, NJW-RR 1995, 1101. OVG Berlin v. 5.2.1985 – 4 B 44.83, GE 1985, 885. AG Hamburg-Altona v. 14.4.2005 – 318 C 120/03, WuM 2005, 778. AG Köln v. 26.6.2002 – 220 C 275/01, KM 32 Nr. 21. LG Hamburg v. 26.4.1984 – 7 S 311/83, WuM 1984, 217.

1012

Dickersbach

§ 555b BGB

Modernisierungsmaßnahmen Maßnahme Gegensprechanlage/ Schließanlage

Gemeinschaftsraum

Inhalt der Maßnahme (+)

Wertverbesserung durch Einbau einer Gegensprechanlage1

(+)

Gegensprechanlage muss bei Abhörsicherheit geduldet werden2

(+)

Einbau einer Türöffner- und Gegensprechanlage3

(+)

Bei Einrichtung von Trockenraum, Waschküche, Fahrradraum4

Grundrissänderungen (–) (+)

Entfernung einer Speisekammer zur Vergrößerung des Badezimmers, auch wenn das halbe Badfenster verdeckt ist5 Bei erstmaligem Einbau eines Badezimmers mit WC zumutbar6 fi auch Wohnungszuschnitt

Grünfläche

(+)

Nur wenn neuer Garten angelegt wird7 fi auch TÜV

Heizung (–)

Wenn alte Heizung instandsetzungsbedürftig geworden ist8

(+)

Bei Umstellung von Öl auf Gas, wenn Energieeinsparung9

(+)

Bei Umstellung von einer Kokszentralheizung auf Fernwärme10

(+)

Bei Umstellung von zentraler Ölheizungsanlage auf Fernwärme auch ohne individuelle Gebrauchsvorteile (bei Kraft-Wärme-Kopplung), jedoch dann nicht, wenn dadurch um 62 % höhere Heizkosten entstehen11

(+)

Bei Umstellung von Nachtstromspeicherheizung auf Gasetagenheizung mit Warmwasserversorgung12

(+)

Bei Umstellung von Nachtstromspeicheröfen auf Gaszentralheizung13

(+)

Bei Einbau einer Zentralheizung14

(+)

Einbau einer Zentralheizung statt Kohleöfen15

1 LG München I v. 29.7.1987 – 14 S 7397/87, WuM 1989, 27; AG Köln v. 26.6.2002 – 220 C 275/01, KM 32 Nr. 21; AG Tiergarten v. 5.11.1990 – 5 C 384/90, GE 1991, 153. 2 AG Schöneberg v. 3.1.1986 – 15 C 538/85, NJW 1986, 2059. 3 LG Berlin v. 14.11.2000 – 64 S 265/00, ZMR 2001, 277. 4 Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III. A Rz. 1101. 5 AG Mitte v. 14.10.1999 – 4 C 263/99, MM 2000, 280. 6 LG Berlin v. 1.12.1988 – 62 S 176/88, GE 1989, 99; LG Berlin v. 24.11.1989 – 63 S 268/89, GE 1990, 255; LG Berlin v. 28.10.1991 – 66 S 78/91, GE 1992, 39. 7 Barthelmess, Wohnraumkündigungsschutzgesetz, Miethöhegesetz, 5. Aufl, § 3 MHG Rz. 11; Scholz, WuM 1995, 13 (14); Börstinghaus, Mieterhöhung, S. 293. 8 Börstinghaus, Mieterhöhungen, S. 293. 9 AG Rheine v. 3.2.1987 – 14 C 744/85, WuM 1987, 127. 10 LG Berlin v. 27.6.1991 – 61 S 355/90, WuM 1991, 482. 11 LG Berlin v. 17.3.2000 – 65 S 352/99, MM 2000, 278 = NZM 2002, 64. 12 LG Berlin v. 27.8.2010 – 63 S 171/09, GE 2010, 1622; AG Hamburg v. 6.1.1988 – 44 C 1519/88, WuM 1991, 30. 13 LG Hamburg v. 6.10.1989 – 11 S 125/89, WuM 1990, 18. 14 LG Fulda v. 24.1.1992 – 1 S 173/91, NJW-RR 92, 658; LG Kiel v. 23.9.1999 – 1 S 65/99, WuM 2000, 613. 15 LG Berlin v. 14.11.2000 – 64 S 265/00, ZMR 2001, 277.

Dickersbach

1013

§ 555b BGB

Modernisierungsmaßnahmen

Maßnahme

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Inhalt der Maßnahme (+)

Bei Einbau einer Gaszentralheizung statt eines Ofens1

(–)

Bei Einbau einer Nachtspeichertherme statt eines Ölofens, da keine Verbesserung2

(+)

Bei Einbau einer Zentralheizung statt Kohle3

(+)

Bei Umstellung einer Zentralheizung von Koks auf Öl4

(+)

Bei Erweiterung einer Zentralheizung durch eine Fußleistenheizung5

(+)

Ölbeheizte Zentralheizung6

(+)

Bei Einbau eines Ölbrenners in eine Kachelofenheizung7

(+)

Einbau von Heizkostenzählern8

(+)

Einbau einer Zweirohrheizungsanlage mit Parallelschaltung der Heizflächen und Verkleinerung der Heizkörper9

(+)

Einbau einer Gasetagenheizung anstelle vorhandener Gasaußenwandheizer10

(–)

Einbau einer Gasetagenheizung bei Angst des alten Mieters vor dem Brennstoff Gas11

(–)

Austausch der Gasetagenheizung durch einen Fernwärmeanschluss12

(+)

Ersatz von Gaseinzelöfen durch eine Zentralheizung auch ohne Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Maßnahme13 oder der Energieersparnis14

(+)

Einbau einer Gaszentralheizung bei vom Mieter von dessen Vormieter übernommenen Nachtstromspeicheröfen15

(–)

Austausch einer vom Mieter mit Einverständnis des Vermieters eingebauten Gasetagenheizung gegen eine Gaszentralheizung16

(+)

Einbau elektronischer Funk-Heizkostenverteiler17

LG Berlin v. 9.8.1983 – 29 S 53/83, WuM 1984, 219. AG Dortmund v. 26.7.1983 – 118 C 373/83, WuM 1983, 291. AG Bochum v. 19.5.1982 – 42 C 30/82, WuM 1983, 140. LG Düsseldorf v. 20.11.1969 – 12 S 333/68, ZMR 1973, 81. AG Köln v. 10.12.1985 – 208 C 372/85, WuM 1986, 313. OVG Berlin v. 7.2.1989 – 7 B 72/88, ZMR 1990, 75. Barthelmess, Wohnraumkündigungsschutzgesetz, Miethöhegesetz, 5. Aufl., § 3 MHG Rz. 10. LG Berlin v. 14.11.2000 – 64 S 265/00, ZMR 2001, 277. LG Halle/Saale v. 8.8.2002 – 2 S 42/01, ZMR 2003, 35. AG Tempelhof-Kreuzberg v. 14.3.2001 – 2 C 350/00, MM 2002, 187. LG Köln v. 8.11.2001 – 1 S 57/01, WuM 2002, 669. LG Hamburg v. 8.1.2002 – 316 S 136/01, WuM 2002, 375. LG Frankfurt v. 9.8.2000 – 2-11 S 51/00, WuM 2002, 171. LG Berlin v. 14.1.2003 – 64 S 49/02, ZMR 2003, 488. LG Berlin v. 14.1.2003 – 64 S 49/02, ZMR 2003, 488. BGH v. 10.10.2012 – VIII ZR 56/12, WuM 2012, 678; BGH v. 10.10.2012 – VIII ZR 25/12, NJW-RR 2012, 1480; LG Berlin v. 26.9.2002 – 67 S 84/02, MM 2003, 193. 17 BGH v. 28.9.2011 – VIII ZR 326/10, ZMR 2012, 97 = MDR 2012, 1344; AG Frankfurt v. 11.11.2005 – 33 C 2742/05 – 50, NZM 2006, 537.

1014

Dickersbach

§ 555b BGB

Modernisierungsmaßnahmen Maßnahme

Hofbefestigung

Inhalt der Maßnahme (+)

Umstellung von GAMAT-Außenwandheizer, also Gasheizautomaten für einen Außenwandanschluss, auf Fernwärme1

(+)

Dauernde Verbesserung der allg. Wohnverhältnisse2 fi Antenne

Kabelanschluss Kanalisation

(+)

Bei Anschluss an die gemeindliche Kanalisation (Frischwasser und Abwasser)3

(–)

Grundsätzlich, da Sache des Vermieters4

Kellerdecke

(+)

Dämmung der Kellerdecke5

Kücheninstallation

(+)

Bei Verbesserung der Kochmöglichkeiten, wenn Gebrauchswert merklich erhöht wird, etwa beim Austausch eines dreiflammigen gegen einen vierflammigen Herd6

(+/-)

Austausch eines Gasherdes gegen einen Elektroherd7

(+)

Installation eines wesentlich moderneren Gas- oder Elektroherdes anstelle eines alten mitvermieteten Herdes8

(+)

Ebenso beim Einzug einer Dunstabzugshaube oder eines Ventilators9

(–)

Austausch eines gasbetriebenen durch einen elektrisch betriebenen Durchlauferhitzer10

Leitungen

(+)

Bei Verlegung von Leitungen unter Putz11

Lüftungsanlage

(+)

Erstmaliger Einbau einer Lüftungsanlage12

Luxusmodernisierung

(–)

Z.B. Schwimmbad13

Müllboxen

(+)

Bei Verlagerung zur Straße oder bei Neuanlage14

(+)

Bei Verlagerung vom Keller in Müllboxbehälter vor dem Haus15

Parkett

(–)

Versiegelung des Parketts16

Rauchmelder

(+)

Da sie dem Schutz von Leib und Leben dienen17, auch bei fehlender Einbaupflicht und Selbstinstallation des Mieters18

1 LG Berlin v. 28.7.2010 – 67 S 180/10, GE 2010, 1273; LG Berlin v. 13.3.1998 – 64 S 35/97, GE 1998, 616. 2 LG Hildesheim v. 23.2.1983 – 7 S 382/82, WuM 1985, 340. 3 Barthelmess, Wohnraumkündigungsschutzgesetz, Miethöhegesetz, 5. Aufl., § 3 MHG Rz. 11. 4 LG Hildesheim v. 23.2.1983 – 7 S 382/82, WuM 1985, 340. 5 LG Halle/Saale v. 8.8.2002 – 2 S 42/01, ZMR 2003, 35. 6 Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 55 a.E. 7 LG Berlin v. 21.12.2010 – 65 S 318/09, GE 2011, 338; a.A. Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 55 a.E.; LG Berlin v. 26.9.2002 – 67 S 84/02, MM 2003, 193; AG Mitte v. 14.10.1999 – 4 C 263/99, MM 2000, 280. 8 Scholz, WuM 1995, 13 (14). 9 Scholz, WuM 1995, 13 (14). 10 LG Berlin v. 27.1.2000 – 61 T 3/00, MM 2000, 131. 11 Bub/Treier/Kraemer, III. A Rz. 1101. 12 Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 24. 13 Bub/Treier/Kraemer, III. A Rz. 1101. 14 LG Hannover v. 22.12.1981 – 8 S 147/81, WuM 1982, 83. 15 AG Hamburg v. 5.2.2002 – 48 C 322/01, WuM 2002, 487. 16 Vgl. OVG Berlin v. 27.3.1984 – 4 B 45.83, GE 1985, 877. 17 AG Lübeck v. 5.11.2007 – 21 C 1668/07, ZMR 2008, 302. 18 AG Burgwedel v. 1.7.2010 – 73 C 2517/09, ZMR 2011, 800.

Dickersbach

1015

§ 555b BGB

Modernisierungsmaßnahmen

Maßnahme

Inhalt der Maßnahme

Rohrleitungen

fi Steigleitungen

Rollläden

(–)

Rohrverkleidungen ohne Darlegung einer Verbesserung des Schallschutzes1

(+)

Wenn Schutz vor Einbrechern, Energieeinsparung und Schutz vor Sonnenstrahlen2 fi Badezimmer

Sanitäreinrichtungen Schallschutz

(+)

Verbesserung des Schallschutzes3 fi Fenster

Schließanlage

(+)

fi Gegensprechanlage

Sicherheit

(+)

Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Diebstahl4

Sicherheitsschlösser

(+)

Austausch eines Bartschlosses gegen ein Ikon-Schloss5

Spardrücker

(+)

fi Wassereinsparung

Spielplatz

(+)

Erstmaliger Bau eines Kinderspielplatzes6 Erneuerung des Spielplatzes7

(+)

Einbau von Rohren mit größerem Querschnitt8

(–)

Einbau von Feuerschutzbekleidungen ohne Erläuterung9

(+)

Erneuerung der Steigleitungen für Strom, Warmwasser, Kaltwasser und Abwasser10

Stellplätze

(+)

Bei Schaffung zusätzlicher Stellplätze11

Terrasse

(+)

Anbau einer Terrasse12, es sei denn, es ist bereits ein großer Wintergarten vorhanden13

Thermostatventile

(+)

Bei Austausch alter Heizungsventile gegen Thermostatventile14

Treppenhaus

(–)

In den meisten Fällen15

(+)

Bei Erneuerung16

Steigleitungen für Wasser/Entwässerung/Elektro

1 LG Berlin v. 14.11.2000 – 64 S 265/00, ZMR 2001, 277. 2 Börstinghaus, Mieterhöhung, S. 293. 3 LG Berlin v. 20.4.1999 – 64 S 316/98, NZM 1999, 1036; Scholz, WuM 1995, 13; Börstinghaus, Mieterhöhung, S. 293. 4 Franke, DWW 2009, 138. 5 VG Berlin v. 28.4.1988 – 14 A 95.87, GE 1988, 687; Scholz, WuM 1995, 13 (14); LG Hannover v. 22.12.1981 – 8 S 147/81, WuM 1982, 83. 6 Scholz, WuM 1995, 13 (14). 7 AG Hamburg-Altona v. 14.4.2005 – 318 C 120/03, WuM 2005, 778. 8 LG Berlin v. 14.11.2000 – 64 S 265/00, ZMR 2001, 277. 9 LG Berlin v. 14.11.2000 – 64 S 265/00, ZMR 2001, 277. 10 AG Köln v. 26.6.2002 – 220 C 275/01, KM 32 Nr. 20. 11 Scholz, WuM 1995, 13 (14). 12 LG Berlin v. 14.11.2000 – 64 S 265/00, ZMR 2001, 277; LG Berlin v. 12.11.2007 – 67 S 16/07, WuM 2008, 85. 13 LG Berlin v. 12.3.2007 – 67 S 389/06, WuM 2007, 322. 14 LG Berlin v. 15.4.1986 – 64 S 387/85, ZMR 1986, 444. 15 Börstinghaus, Mieterhöhungen, S. 293. 16 Barthelmess, Wohnraumkündigungsschutzgesetz, Miethöhegesetz, 5. Aufl., § 3 MHG Rz. 10.

1016

Dickersbach

§ 555b BGB

Modernisierungsmaßnahmen Maßnahme

Treppenhausbeleuchtung

TÜV

Inhalt der Maßnahme (–)

Schaffung der Beheizbarkeit des Treppenhauses, da nur geringer Komfort für Mieter hiermit verbunden ist und höhere Kosten verursacht werden1

(+/–)

Ist vom Vermieter ohnehin geschuldet2

(+)

Erstmalige Ausstattung mit beleuchteten Treppenlichttastern3

(+)

Prüfung und Abnahme einer erstmals eingebauten Zentralheizung4 fi Kücheninstallation

Ventilator Wärmedämmung

(+)

Grundsätzlich bei Energieeinsparung, fi Außenfassade, fi Dachbodenisolierung, fi Fenster, fi Kellerdecke

Wassereinsparung

(+)

Wenn nachhaltige Einsparung von Wasser – etwa durch Einbau von Wasserzählern5

(+)

Austausch von Drückergarnituren gegen Spardrücker, Einbau von Spülkästen6

Wasserversorgung

(+)

Wenn durch das Verlegen neuer Leitungen das neue Leitungsnetz eine größere lichte Weite erhält und mithin mehr Wasser entnommen werden kann als bisher7

Wasserzähler

(+)

Erstmaliger Einbau von Kalt- und Warmwasserzählern8

Wintergarten

(–)

Bei Umbau eines Balkons in einen Wintergarten9

Wohnungszuschnitt

(+)

Wenn bauliche Maßnahmen den Zuschnitt der Wohnung verbessern10 fi auch Grundrissänderungen

C. Gewerberaummiete Die Vorschrift des § 555b BGB ist über § 578 Abs. 2 BGB Gewerberaummietverhält- 91 nisse entsprechend anwendbar. Die Ausführungen zur Wohnraummiete gelten entsprechend.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

AG Tiergarten v. 25.7.1988 – 5 C 246/88, GE 1988, 895. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, § 559 BGB Rz. 139. OVG Berlin v. 12.2.1985 – 4 B 48.83, GE 1985, 683. LG Berlin v. 14.11.2000 – 64 S 265/00, ZMR 2001, 277. Bub, NJW 1993, 2897 (2899); Palandt/Weidenkaff, 62. Aufl., § 559 BGB Rz. 11; Kinne in Kinne/ Schach, § 554 BGB Rz. 77. Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 77. Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 53. AG Münster v. 1.8.2012 – 48 C 4169/10, WuM 2012, 610. LG Berlin v. 23.5.1997 – 64 S 507/96, NJW-RR 1998, 300. Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 50.

Dickersbach

1017

§ 555c BGB

Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen

§ 555c Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen (1) Der Vermieter hat dem Mieter eine Modernisierungsmaßnahme spätestens drei Monate vor ihrem Beginn in Textform anzukündigen (Modernisierungsankündigung). Die Modernisierungsankündigung muss Angaben enthalten über: 1. die Art und den voraussichtlichen Umfang der Modernisierungsmaßnahme in wesentlichen Zügen, 2. den voraussichtlichen Beginn und die voraussichtliche Dauer der Modernisierungsmaßnahme, 3. den Betrag der zu erwartenden Mieterhöhung, sofern eine Erhöhung nach § 559 verlangt werden soll, sowie die voraussichtlichen künftigen Betriebskosten. (2) Der Vermieter soll den Mieter in der Modernisierungsankündigung auf die Form und die Frist des Härteeinwands nach § 555d Absatz 3 Satz 1 hinweisen. (3) In der Modernisierungsankündigung für eine Modernisierungsmaßnahme nach § 555b Nummer 1 und 2 kann der Vermieter insbesondere hinsichtlich der energetischen Qualität von Bauteilen auf allgemein anerkannte Pauschalwerte Bezug nehmen. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Modernisierungsmaßnahmen, die nur mit einer unerheblichen Einwirkung auf die Mietsache verbunden sind und nur zu einer unerheblichen Mieterhöhung führen. (5) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen .

. . . . . . .

1 1 9 9 10 11 12

B. I. II. III. IV. 1. 2.

Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . Reichweite der Ankündigungspflicht . Ankündigung durch Vermieter . . . . . . Form und Frist der Ankündigung . . . . Inhalt der Ankündigung . . . . . . . . . . . Grundlegendes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art und voraussichtlicher Umfang . . . a) Allgemein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Energetische Modernisierung . . . . aa) Rechtslage bis zum 1.5.2013 . . .

13 13 15 17 20 21 22 22 25 25

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

3. 4. 5. 6.

V. VI. 1. 2.

bb) Rechtslage nach dem 1.5.2013 . 27 Voraussichtlicher Beginn . . . . . . . . . . 30 Voraussichtliche Dauer . . . . . . . . . . . . 33 Voraussichtliche Mieterhöhung . . . . . 36 Hinweisobliegenheit . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Form des Hinweis . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Zeitpunkt des Hinweis . . . . . . . . . . 46 c) Inhalt des Hinweis . . . . . . . . . . . . 47a d) Wegfall der Hinweisobliegenheit . . 49 e) Verletzung der Obliegenheit . . . . . 51 Bagatellklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Verstoß gegen Ankündigungspflicht . 57 Duldungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Schadensersatz bei Verstoß gegen die Ankündigungspflicht . . . . . . . . . . . 61 a) Rechtslage bis zum 1.5.2013 . . . . . . 62 b) Rechtslage ab dem 1.5.2013 . . . . . . 65

C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . .

67

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 § 555c Abs. 1 BGB entspricht im Wesentlichen § 554 Abs. 3 S. 1 BGB a.F. In Abs. 1 S. 1 enthält die Vorschrift aber nun eine Legaldefinition der Modernisierungsankündigung, auf die beispielsweise in § 555d BGB Bezug genommen wird. Die Ankündigung stellt eine geschäftsähnliche Handlung dar1, auf welche die Vorschriften über Willenserklärungen grundsätzlich entsprechend anwendbar sind. 1 Ebenso Ulrici, NJW 2003, 2053; a.A. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Abs. 253 für Willenserklärung.

1018

Dickersbach

Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen

§ 555c BGB

§ 555c Abs. 1 S. 1 BGB regelt darüber hinaus Form und Frist der Modernisierungs- 2 ankündigung. Beides entspricht dem mit § 554 Abs. 3 S. 1 BGB a.F. bislang geltenden Recht, so dass die diesbezügliche Rechtsprechung anwendbar ist. Für die Wahrung der Frist kommt es auf den Zugang der Modernisierungsankündigung beim Mieter an (§ 130 BGB). § 555c Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB sind im Vergleich zum bislang geltenden Recht 3 inhaltlich weitgehend unverändert. Es wird jedoch mit der Formulierung „in wesentlichen Zügen“ im Normtext von Nr. 1 verankert, dass insoweit an den Inhalt der Modernisierungsankündigung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen1. § 555c Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BGB stellt klar, dass der Vermieter zur Angabe der erhöhten 4 Miete verpflichtet ist, wenn er eine Mieterhöhung nach § 559 BGB verlangen will. Im Einklang mit der bisherigen Rechtslage wird weiter klargestellt, dass die Mitteilung des Erhöhungsbetrags genügt, ohne dass es einer besonderen Erläuterung bedarf. Zudem hat der Vermieter unabhängig davon, ob eine Mieterhöhung nach § 559 BGB geplant ist, die voraussichtlichen künftigen Betriebskosten mitzuteilen, soweit sich die Betriebskosten durch die Modernisierungsmaßnahme ändern, beispielsweise durch Einbau eines Fahrstuhls in das Gebäude. In § 555c Abs. 2 BGB wird die Obliegenheit des Vermieters geregelt, auf die Aus- 5 schlussfrist für Härtegründe gemäß § 555d Abs. 3 S. 1 BGB hinzuweisen. § 555c Abs. 3 BGB enthält eine ergänzende Regelung zum Inhalt der Modernisie- 6 rungsankündigung. Nach § 555c Abs. 1 Nr. 1 BGB ist über die Art der Modernisierungsmaßnahme zu informieren. Dies beinhaltet bei einer energetischen Modernisierung (§ 555b Nr. 1 BGB) sowie gegebenenfalls bei einer Modernisierungsmaßnahme nach § 555b Nr. 2 BGB auch die Darlegung, dass die geplante Maßnahme zu einer Energieeinsparung führt. Künftig ist es jedoch ausreichend, wenn der Vermieter zu diesem Zweck auf anerkannte Pauschalwerte Bezug nimmt. In § 559b Abs. 1 S. 3 BGB ist geregelt, dass die Bestimmung im Mieterhöhungsverfahren entsprechend gilt. Der Vermieter kann sich also nicht nur im Duldungsverfahren, sondern auch bei der Mieterhöhung auf anerkannte Pauschalwerte beziehen (vgl. hierzu § 555c BGB Rz. 28)2. § 555c Abs. 4 BGB entspricht § 554 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. Hierbei sind die Wörter „die 7 vermieteten Räume“ durch die Wörter „die Mietsache“ ersetzt worden. Inhaltliche Änderungen sind damit nicht verbunden, lediglich der Sprachgebrauch wird vereinheitlicht3. § 555c Abs. 5 BGB entspricht § 554 Abs. 5 BGB a.F. Abreden zum Nachteil des Mie- 8 ters sind also unwirksam. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Vorschrift gilt unmittelbar nur für Wohnraum, über § 578 Abs. 2 BGB aber auch 9 entsprechend für Gewerbemietverträge, sofern es sich um Mietverhältnisse über Räume handelt. Weiter ist die Übergangsregelung in Art. 229 § 29 EGBGB zu berücksichtigen. Hiernach ist nicht § 555c BGB, sondern sind die §§ 554, 559 bis 559b, 578 BGB in der bis zum 1.5.2013 gültigen Fassung weiter anzuwenden, wenn – bei Modernisierungsmaßnahmen die Mitteilung nach § 554 Abs. 3 S. 1 BGB dem Mieter vor dem 1.5.2013 zugegangen ist oder – bei Modernisierungsmaßnahmen, auf die § 554 Abs. 3 S. 3 BGB in der bis zum 1.5.2013 geltenden Fassung anzuwenden ist, der Vermieter mit der Ausführung der Maßnahme vor dem 1.5.2013 begonnen hat.

1 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 20. 2 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 20. 3 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 20.

Dickersbach

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§ 555c BGB

Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen

2. Anwendbare Rechtsprechung 10 Auch § 555c BGB wurde durch das MietRÄndG 2013 eingeführt und ersetzt mit einigen Modifikationen § 554 Abs. 3 BGB a.F. Mit Ausnahme der Neuerungen kann daher auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden. III. Zweck der Vorschrift 11 Die Ankündigungspflicht dient dem Schutz des Mieters1. Dieser soll die notwendigen Informationen erhalten, damit er überprüfen kann, ob er die angekündigte Maßnahme dulden muss, sich auf die Härteregelung des § 555d Abs. 2 S. 2 BGB berufen kann oder ob er von seinem Sonderkündigungsrecht gemäß § 555e BGB Gebrauch machen möchte2. Hierfür ist aber erforderlich, dass er Kenntnis über den Umfang der baulichen Maßnahme und die damit verbundenen Beeinträchtigungen erhält. Dies wird durch die Ankündigungspflicht sicher gestellt. IV. Abweichende Vereinbarungen 12 Zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen sind gemäß § 555c Abs. 4 BGB unwirksam. Zum Begriff des Nachteils sowie zur Reichweite der Regelung vgl. § 557 BGB Rz. 7 ff. Entsprechende Vereinbarungen in einem Gewerberaummietverhältnis sind zulässig, da § 578 Abs. 2 BGB nur auf § 555c Abs. 1 bis 3 BGB verweist (vgl. § 555b BGB Rz. 67). Anlässlich konkret anstehender Modernisierungsmaßnahmen können die Vertragsparteien auch im Rahmen des § 555f BGB Absprachen treffen. B. Wohnraummiete I. Reichweite der Ankündigungspflicht 13 Die Ankündigungspflicht ist nicht auf die in § 554 Abs. 2 BGB a.F. aufgeführten Maßnahmen beschränkt, sondern gilt über den Verweis auf die Legaldefinition des § 555b BGB künftig auch für Maßnahmen, die aufgrund von Umständen durchgeführt werden, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, § 555b Nr. 6 BGB. Eine solche Maßnahme unterfiel gerade nicht der Regelung des § 554 Abs. 2 BGB a.F. und musste daher auch nicht entsprechend den Vorgaben des § 554 Abs. 3 BGB a.F. angekündigt werden. Eine analoge Anwendung schied aus, da der Gesetzgeber solche baulichen Maßnahmen bewusst dem Anwendungsbereich des § 554 Abs. 2 und 3 BGB a.F. entzogen hatte, da seiner Auffassung nach andernfalls die Gefahr bestanden hätte, dass sich der Mieter auf Härtegründe beruft, obwohl der Vermieter nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Durchführung verpflichtet ist3. Nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen wurde die Duldungspflicht für derartige Maßnahmen dann aber auf § 242 BGB gestützt. Allerdings konnte auch eine Duldungspflicht aus § 242 BGB nur in Folge einer Interessenabwägung hergeleitet werden. Denn auch im Rahmen einer aus Treu und Glauben folgenden Duldungspflicht muss auf die Belange der betroffenen Mieter Rücksicht genommen werden4. Diesen Irrweg hat der Gesetzgeber nun korrigiert (vgl. zur Interessenabwägung § 555d BGB Rz. 41). 14 Die Ankündigungspflicht nach § 555c BGB bezieht sich nicht nur auf Arbeiten im Inneren der Mietsache. Die entgegenstehende (angeblich) am Sinn und Zweck der Ankündigungspflicht orientierte Auffassung5 lässt sich nicht mit dem Gesetzeswortlaut vereinbaren. Auch hier besteht das Bedürfnis des Mieters im Vorfeld informiert zu

1 Vgl. zu § 554 BGB a.F. BGH v. 19.9.2007 – VIII ZR 6/07, MDR 2007, 1413 = MietRB 2007, 309 = NJW 2007, 3565. 2 BGH v. 13.11.2002 – XII ZR 310/99, NJW-RR 2003, 584; vgl. auch BayObLG v. 13.11.2000 – 1Z REMiet 1/00, NZM 2001, 89. 3 Begründung zum Gesetzentwurf der Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 49; Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 609. 4 BGH v. 4.3.2009 – VIII ZR 110/08, MDR 2009, 738 = MietRB 2009, 191. 5 LG Berlin v. 22.1.1996 – 62 S 327/95, GE 1996, 415.

1020

Dickersbach

Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen

§ 555c BGB

werden, da Maßnahmen außerhalb der Wohnung ebenfalls mit erheblichen Beeinträchtigungen verbunden sein können, wie z.B. im Fall einer Aufstockung des Gebäudes zur Schaffung neuen Wohnraums i.S.d. § 555b Nr. 7 BGB Die Ankündigungspflicht umfasst aber nicht auch noch die Verpflichtung des Vermieters zu einem klärenden Gespräch, um die Arbeiten vor Ort anhand der Pläne mit den Handwerkern besprechen zu können1. II. Ankündigung durch Vermieter Die Ankündigung der Modernisierungsmaßnahme hat grundsätzlich durch den Vermieter zu erfolgen. Eine Vertretung gem. §§ 164 ff. BGB ist aber möglich. Erfolgt die Ankündigung ohne Vorlage einer Originalvollmacht, kann der Mieter sie unverzüglich zurückweisen, da § 174 BGB auf rechtsgeschäftliche Handlungen2 entsprechend anwendbar ist.

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Die Ankündigung durch eine dritte Person, welche die Vertretungsmacht nicht offen- 16 legt, begründet keine Duldungspflicht gegenüber dem Vermieter, vgl. § 164 Abs. 2 BGB3. Der Veräußerer/Vermieter kann einen Erwerber, der noch nicht in das Grundbuch eingetragen ist, ermächtigen, die Modernisierung im eigenen Namen anzukündigen und unter den Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft gerichtlich geltend zu machen4 (zur anschließenden Mieterhöhung vgl. § 559 BGB Rz. 52). Hat der Veräußerer selbst die Modernisierung angekündigt, kann sich der Erwerber nach seiner Grundbucheintragung hierauf berufen5. III. Form und Frist der Ankündigung Die Ankündigung der Modernisierungsmaßnahme nach § 555c Abs. 1 BGB muss in 17 Textform erfolgen (§ 126b BGB). Die Parteien können höhere Anforderungen an die Ankündigung, z.B. Wahrung der Schriftform, vereinbaren. Da es sich insoweit nicht um eine für den Mieter nachteilige Vereinbarung handelt, liegt kein Verstoß gegen § 555c Abs. 3 BGB vor. Ein solcher ist aber dann gegeben, wenn die Textform abbedungen wird und auch eine nur mündliche Ankündigung genügen soll. Gemäß § 555c Abs. 1 S. 1 BGB ist die Modernisierungsmaßnahme spätestens drei Mo- 18 nate vor ihrem Beginn anzukündigen. Die Frist, die zwischen dem Zugang der Ankündigung und dem Beginn liegen muss, wird nicht eingehalten, wenn der Vermieter in der Mitteilung formuliert, dass die Arbeiten „spätestens in drei Monaten“ beginnen6. Die Frist wird durch Zurückrechnung vom Arbeitsbeginn an gemäß den Vorgaben der §§ 187 f. BGB ermittelt7. Bei der Ankündigungsfrist handelt es sich um eine Mindestfrist, was durch die Formulierung „spätestens“ deutlich wird. Die Mitteilung an den Mieter kann also auch schon früher erfolgen8. Bei einem Mieterwechsel ist zu differenzieren, ob eine Vertragsübernahme vorliegt. Nur dann muss die Ankündigung nicht nochmals erklärt werden. Die Ankündigungsfrist steht der Aufforderung des Vermieters an den Mieter, binnen 19 kürzerer Frist zu erklären, ob er die Maßnahme dulden wird nicht entgegen. Ein Mieter ist nämlich nach Treu und Glauben verpflichtet, auf ein Schreiben des Vermieters, in dem dieser den Mieter unter Beifügung einer von diesem zu unterzeichnenden Duldungserklärung bittet, innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich mitzuteilen, ob er den geplanten Modernisierungsmaßnahmen zustimmt, zu antworten.

1 LG Berlin v. 30.10.1997 – 62 S 241/97, GE 1998, 249. 2 So auch Ulrici, NJW 2003, 2053; für Willenserklärung Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB RZ. 253. 3 Vgl. LG Berlin v. 19.12.1997 – 64 S 363/97, GE 1998, 245. 4 BGH v. 13.2.2008 – VIII ZR 105/07, MDR 2008, 557 = WuM 2008, 219. 5 LG Berlin v. 8.3.1999 – 67 S 381/98, GE 1999, 1359. 6 LG Hamburg v. 7.10.2004 – 333 S 59/03, WuM 2005, 60. 7 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 285–288. 8 Kritisch Sternel, PiG 89, 107.

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Reagiert er nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist, gibt er i.S.d. § 93 ZPO Veranlassung zu einer vom Vermieter erhobenen Duldungsklage1. IV. Inhalt der Ankündigung 20 Welche Angaben die Modernisierungsankündigung enthalten muss, wird von § 555c Abs. 1 S. 2 sowie Abs. 2 BGB vorgegeben. Die Anforderungen an die Modernisierungsmitteilung werden durch die Formulierung „in wesentlichen Zügen“ in § 555c I S. 1 Nr. 1 BGB gegenüber der bisherigen Rechtslage klargestellt. Hintergrund ist, dass die Instanzgerichte zum Teil deutlich überhöhte Anforderungen an die Ankündigung gestellt hatten. Dem war auch bereits der BGH entgegengetreten (vgl. § 555c BGB Rz. 23)2. 1. Grundlegendes 21 Generell bezieht sich die Ankündigungspflicht nicht auf reine Vorbereitungsmaßnahmen ohne Einwirkung auf den Gebrauch der Mietsache3. Die eigentlichen Maßnahmen sind aber so konkret zu beschreiben, dass der Mieter seine Duldungspflicht überprüfen und sich hinreichend genaue Vorstellungen über seine Wohnsituation während und nach der Durchführung der Maßnahme machen kann4. Insoweit kann es erforderlich sein, auch den aktuellen Zustand (zutreffend) zu beschreiben5. Es ist aber grundsätzlich nicht erforderlich, z.B. die Außenmaße der einzelnen Heizkörper, die eingebaut werden sollen, anzugeben6. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann einmal gelten, wenn sich die Größe auf den Gebrauch des Mietobjekts auswirken kann. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Mieter eine Einbauküche aufgestellt hat, die nach (erstmaligem) Einbau des Heizkörpers verändert werden muss. 2. Art und voraussichtlicher Umfang a) Allgemein 22 In der Modernisierungsankündigung sind Art und voraussichtlicher Umfang der Maßnahmen zu beschreiben. Welchen konkreten Inhalt die Mitteilung des Vermieters enthalten muss, um dem Mieter die für die Beurteilung seiner Lage, insbesondere für seine Duldungspflicht, notwendigen Kenntnisse zu verschaffen, ist allerdings umstritten. 23 Die Anforderungen wurden in der Instanzrechtsprechung teilweise sehr hoch gesteckt. So wird z.B. vertreten, dass bei Installation einer Sammelheizung dem Mieter die Anzahl, die Bauart und der Ort der aufzustellenden Heizkörper sowie der horizontale und vertikale Verlauf der Rohrleitungen mitgeteilt werden muss. Nur so könne sich der Mieter eine genaue Vorstellung von der beabsichtigten Umgestaltung der Wohnung verschaffen. Zu diesem Zweck soll es sogar regelmäßig notwendig sein, dem Mieter einen Auszug aus dem Bauplan zu übermitteln, aus dem auch die vorgesehenen Wandöffnungen und etwaigen Durchbrüche erkennbar sind7. Dem ist nicht zu folgen8. Auch unter der Geltung des § 541b BGB a.F. wurden sehr hohe Anforderungen an die Ankündigung einer Modernisierungsmaßnahme gestellt, weshalb der Gesetzgeber sich bereits im Rahmen der Mietrechtsreform 2001 gegen zu hohe Anfor-

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KG v. 16.7.2009 – 8 U 77/09, ZMR 2010, 180. BGH v. 28.9.2011 – VIII ZR 242/10, WuM 2011, 677; Hinz, ZMR 2012, 153. LG Berlin v. 15.8.2002 – 67 S 32/02, GE 2002, 1626. LG Hamburg v. 7.10.2004 – 333 S 59/03, WuM 2005, 60. LG Berlin v. 2.7.2004 – 67 T 52/04, MM 2004, 339. LG Berlin v. 21.3.2005 – 67 S 433/03, MM 2005, 262. LG Hamburg v. 6.10.1989 – 11 S 125/89, WuM 1990, 18; LG Hamburg v. 22.8.1991 – 334 S 48/91, WuM 1992, 121; Blank/Börstinghaus, § 554 BGB Rz. 45; noch weitergehend etwa LG Berlin v. 2.7.2004 – 67 T 52/04, zitiert nach juris; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 265, 267. 8 BGH v. 28.9.2011 – VIII ZR 242/10, MDR 2011, 1413 = MietRB 2011, 371 (379) = NZM 2011, 849; vgl. KG v. 10.5.2007 – 8 U 166/06, GE 2007, 907; LG München I v. 11.2.2009 – 15 S 22980/07, ZMR 2009, 453; Beyer, GE 2009, 943; MünchKomm/Bieber, § 554 BGB Rz. 35.

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derungen ausgesprochen hat1. Erklärtes Ziel war vielmehr die gesetzgeberisch gewünschte Modernisierung insgesamt praxisgerechter zu gestalten. Der Gesetzgeber wollte die zuvor geltenden Maßstäbe absenken, so dass nur noch der voraussichtliche Umfang mitgeteilt werden muss, dies auch vor dem Hintergrund, dass der Vermieter zu dem gesetzlich vorgeschriebenen Zeitpunkt häufig zu präziseren Angaben nicht in der Lage sein wird2. Details werden häufig erst unmittelbar vor Beginn einer baulichen Maßnahme festgelegt. Auch Sinn und Zweck der Modernisierungsankündigung verlangen nicht, dass dem 24 Mieter jedes Detail und jede denkbare Auswirkung der geplanten Maßnahme beschrieben wird. Die Ankündigung muss einerseits zwar dem Informationsbedürfnis des Mieters genügen, damit dieser prüfen und ermitteln kann, wie sich seine Wohnung durch die Maßnahme verändern und sich diese in der Zukunft auf den Mietgebrauch auswirken wird. Andererseits dient die Mitteilungspflicht nicht dazu, die Berechtigung des Vermieters zur Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen zu beschränken3. Der durch die Ankündigungspflicht bezweckte Schutz des Mieters darf daher nicht dazu führen, dass der – gesetzgeberisch ja gerade gewünschte – Anspruch des Vermieters auf Duldung von Modernisierungsmaßnahmen in unzulässiger Weise verkürzt wird4. Mit der Formulierung „in wesentlichen Zügen“ hat nunmehr auch der Gesetzgeber nochmals im Normtext verankert, dass an den Inhalt der Modernisierungsankündigung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen. Inhaltlich handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher durch die Rechtsprechung des BGH5 aber bereits hinreichend ausgefüllt erscheint. Die Ankündigung muss lediglich geeignet sein, dem Mieter Kenntnis darüber zu vermitteln, wie die Wohnung durch diese Maßnahmen verändert wird und welche Auswirkungen die Maßnahmen auf den Mietgebrauch sowie etwaiger Verwendungen des Mieters haben wird. In diesem Fall ist dem Mieter eine sachgerechte Beurteilung der Lage möglich, auch hinsichtlich seiner Duldungspflicht, der für ihn zu treffenden Maßnahmen und der gegebenenfalls zu ziehenden vertragsrechtlichen Konsequenzen6. b) Energetische Modernisierung aa) Rechtslage bis zum 1.5.2013 Unter der Geltung des § 541b BGB a.F. wurden sehr hohe Anforderungen die An- 25 kündigung einer Maßnahme zur Einsparung von Energie in der Instanzrechtsprechung gestellt, was der Gesetzgeber bereits durch die Mietrechtsreform 2001 mit § 554 Abs. 3 BGB a.F. ändern wollte7, um die – erwünschte – Modernisierung insgesamt praxisgerechter zu gestalten. Entgegen dieser Vorgabe wurden auch bis zum 1.5.2013 teilweise von den Instanzge- 26 richten überzogene Anforderungen an die Ankündigung gestellt. Auch wenn eine genaue Bezifferung der Energieeinsparung, etwa in Form einer Wärmebedarfsberechnung, nach der Rechtsprechung des BGH8 nicht erforderlich ist, ist damit häufig ein erheblicher Aufwand verbunden. So verlangte die Rechtsprechung bisher im Rahmen des § 554 Abs. 3 BGB a.F. überwiegend, dass z.B. beim Einbau wärmedämmender Fenster die Wärmedurchgangskoeffizienten der alten Fenster angegeben werden9. Dieser Wert lässt sich unter Umständen nur mit sachverständiger Hilfe und entspre1 Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1157. 2 BT-Drucks. 14/4553, S. 36 f., 49 f.; BGH v. 28.9.2011 – VIII ZR 242/10, MDR 2011, 1413 = MietRB 2011, 371 (379) = NZM 2011, 849. 3 BGH v. 19.9.2007 – VIII ZR 6/07, WuM 2007, 630. 4 BGH v. 28.9.2011 – VIII ZR 242/10, MDR 2011, 1413 = MietRB 2011, 371 (379) = NZM 2011, 849; BayObLG v. 13.11.2000 – RE-Miet 1/00, NZM 2001, 89. 5 BGH v. 28.9.2011 – VIII ZR 242/10, MDR 2011, 1413. 6 Vgl. Begründung zum Entwurf des Mietrechtsreformgesetzes, BT-Drucks. 14/4553, S. 37; BGH v. 28.9.2011 – VIII ZR 242/10, MDR 2011, 1413 = MietRB 2011, 371 (379) = NZM 2011, 849. 7 Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1157. 8 BGH v. 10.4.2002 – VIII ARZ 3/01, MDR 2002, 875 = WuM 2002, 366. 9 AG München v. 26.4.2010 – 424 C 19779/09, zitiert nach juris; LG Berlin v. 26.6.2008 – 62 S 439/07, MM 2008, 370; AG Dortmund v. 13.1.2009 – 425 C 8864/08, WuM 2009, 120.

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chenden Kosten ermitteln, etwa dann, wenn es sich um ältere Fenster handelt und keine Unterlagen über deren energetische Beschaffenheit vorhanden sind. Jedenfalls dann, wenn die Energieeinsparung auf der Hand lag, z.B. bei dem Austausch mehrerer jahrzehntealter einfachverglaster Fenster, waren und sind diese Anforderungen unangemessen. bb) Rechtslage nach dem 1.5.2013 27 Auch nach Inkrafttreten des Mietrechtsänderungsgesetzes 2013 bedarf eine energetische Modernisierung (§ 555b Nr. 1 BGB) sowie gegebenenfalls eine Modernisierungsmaßnahme nach § 555b Nr. 2 BGB der Darlegung, dass die geplante Maßnahme zu einer Energieeinsparung führt1. 28 In Hinblick auf die in der Instanzrechtsprechung aufgestellten Anforderungen sowie die hiermit für den Vermieter verbundenen praktischen Schwierigkeiten (vgl. § 555c BGB Rz. 26) bestimmt § 555c Abs. 3 BGB nunmehr ausdrücklich, dass der Vermieter bei einer energetischen Modernisierung auf allgemein anerkannte Pauschalwerte Bezug nehmen kann, um insbesondere über die energetische Qualität von Bauteilen zu informieren und so die Einsparung von Energie darzulegen. Hierzu gehört beispielsweise die „Bekanntmachung der Regeln zur Datenaufnahme und Datenverwendung im Wohngebäudebestand“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 30. Juli 20092. Diesem Regelwerk können Wärmedurchgangskoeffizienten für bestimmte Bauteile entnommen werden, geordnet nach Baualtersklassen. Der Vermieter kann bei der Modernisierungsankündigung auf diese pauschalierten Werte Bezug nehmen. Den Einspareffekt kann er dann beispielsweise durch Vergleich dieses Wertes mit dem Wärmedurchgangskoeffizienten des zu montierenden Bauteils darlegen, der vom Hersteller mitgeteilt wird. 29 Die Energieeinsparung kann allerdings auch weiterhin in jeder geeigneten anderen Art und Weise erläutert werden. Sofern die Energieeinsparung aufgrund des Alters des zu modernisierenden Bauteils offensichtlich ist, bedarf es nach der hier vertretenen Auffassung keiner weiteren Erläuterung. Ist dies allerdings nicht der Fall, kann eine weitergehende Erläuterungspflicht nicht mit dem Hinweis auf die Formulierung „in wesentlichen Zügen“ verneint werden. Gerade bei energetischen Maßnahmen bedarf es eines gewissen Mindestmaßes – regelmäßig nur dem Vermieter zur Verfügung stehender – technischer Informationen, um die Maßnahme als solche der Modernisierung einordnen zu können. 3. Voraussichtlicher Beginn 30 Der voraussichtliche Beginn der Arbeiten ist einerseits in einer Weise mitzuteilen, dass der Mieter gegebenenfalls die Voraussetzungen seines Sonderkündigungsrechtes nach § 555e BGB prüfen und erkennen kann, ab wann die Handwerker in der Wohnung bzw. dem Gebäude sind, um die hierfür u.U. notwendigen Vorkehrungen zu treffen3. Andererseits lässt sich schon wegen der Länge der Ankündigungsfrist oftmals der genaue Beginn der Arbeiten (noch) nicht exakt vorhersagen. Es reicht aber nicht aus, den Arbeitsbeginn „zwischen Januar und Februar“ oder für das „Frühjahr“ anzukündigen. Das Gleiche gilt für die Angabe eines bestimmten Monats („im April“), zumal wenn es sich dabei um den dritten Monat nach der Ankündigung handelt, sodass die Möglichkeit besteht, dass die Drei-Monats-Frist unterschritten wird4. Die Mitteilung einer bestimmten Kalenderwoche ist hingegen ausreichend5, insbesondere weil der Vermieter kurz zuvor den genauen Termin mit dem Mieter noch abstimmen kann. Sofern der konkrete Termin für den Beginn der Arbeiten feststeht, sollte dieser unbedingt in der Ankündigung aufgenommen werden.

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Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 20. Download unter dem Link: www.otto-schmidt.de/regeln_datenaufnahme_2009.pdf. LG Hamburg v. 7.10.2004 – 333 S 59/03, WuM 2005, 60. LG Hamburg v. 7.10.2004 – 333 S 59/03, WuM 2005, 60. A.A. Lammel, § 554 BGB Rz. 73.

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Soll eine Maßnahme durchgeführt werden, bei der mehrere Gewerke ineinander grei- 31 fen, muss der voraussichtliche Beginn jeder Einzelmaßnahme nur mitgeteilt werden, wenn der Mieter unterschiedliche Vorkehrungen zum Schutz seines Eigentums treffen muss oder verschiedene Räume betroffen sind1. Ist das der Fall, reicht die bloße Beifügung eines Terminplanes ohne weitere Erläuterung nicht aus2, da auch Art und Umfang der Maßnahme zu erläutern sind. Allerdings kann von dem Vermieter nicht verlangt werden, jeden einzelnen Schritt vorauszuplanen3. Übliche Baumaßnahmen müssen nicht detailliert in der Ankündigung beschrieben werden, nicht jede Einzelheit der Maßnahme und jede mögliche Auswirkung muss mitgeteilt werden4. Maßgeblich ist, dass der Mieter erkennen kann, welche Beeinträchtigungen auf ihn während der Dauer der Maßnahme zukommen. Ist der vorgesehene Bauablaufplan durch die Behinderung des Mieters durch Zeit- 32 ablauf gegenstandslos geworden, ist ein Vermieter (insbesondere nach erwirktem Duldungsurteil) nicht verpflichtet, dem Mieter eine neue Ankündigung zu übermitteln5. Gleiches gilt gegenüber den anderen Mietern, solange die Duldungspflicht wirksam entstanden ist. Kommt es aber zu (wesentlichen) Zeitverzögerungen gleich aus welchem Grund – muss der Vermieter den Beginn mit angemessener Frist (= ein bis zwei Wochen6) mitteilen. Die Voraussetzungen des § 555c BGB müssen aber nicht erneut erfüllt werden. 4. Voraussichtliche Dauer Die voraussichtliche Dauer der Baumaßnahmen ist so genau wie möglich anzuge- 33 ben7. Bei längeren Zeiträumen, wie etwa einem Jahr, sollen bloße Datumsangaben unzureichend sein8, ausreichend ist aber jedenfalls die Angabe „insgesamt sechs bis acht Wochen“9. Bereits für § 554a Abs. 3 BGB a.F. konnte aus dem unveränderten Wortlaut ge- 34 genüber § 541b BGB a.F. in seiner Fassung bis zum 31.8.2001 keine Bestätigung der bisherigen strengen Anforderungen hergeleitet werden10. Denn dies ließe schon die Verlängerung der Ankündigungsfrist um einen Monat unberücksichtigt, die der Gesetzgeber im Rahmen der Mietrechtsreform 2001 ausdrücklich zur Begründung der Absenkung der Anforderungen an die Mitteilung hervorhob11. Deshalb ist darauf abzustellen, wie genau die Angabe „spätestens“ drei Monate vor 35 Beginn der Arbeiten sein kann12. Auch nach diesem Maßstab genügen aber bloß ungefähre Angaben nicht13. Der Vermieter muss – unter Berücksichtigung tatsächlichen Planung – möglichst konkrete Angaben machen. Bei mehreren Gewerken muss auch die Dauer der Einzelmaßnahme mitgeteilt werden14. Idealerweise sollte der Ankündigung in diesem Fall ein Bauzeitplan beigefügt werden.

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KG v. 10.5.2007 – 8 U 166/06, GE 2007, 907. LG Hamburg v. 7.10.2004 – 333 S 59/03, WuM 2005, 60. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 266. LG Berlin v. 2.4.2001 – 62 S 486/00, GE 2001, 853. LG Berlin v. 26.6.2008 – 67 S 337/07, GE 2008, 1052; a.A. LG Berlin v. 28.11.1988 – 61 S 166/88, MDR 1989, 547 = WuM 1989, 287 (ursprüngliche Ankündigung ist gegenstandslos). LG Berlin v. 5.11.2001 – 62 S 280/01, MM 2002, 141. LG Köln v. 27.8.1996 – 12 S 144/96, WuM 1997, 212 (unzureichend „im Sommer“). LG Köln v. 27.8.1996 – 12 S 144/96, WuM 1997, 212. A.A. AG Neukölln v. 13.12.1994 – 11 C 237/94, MM 1995, 147. A.A. Lammel, § 554 BGB Rz. 73n. Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 1157. Vgl. BGH v. 28.9.2011 – VIII ZR 242/10, MDR 2011, 1413 = MietRB 2011, 371 (379) = NZM 2011, 849. Vgl. LG Berlin v. 20.4.1999 – 64 S 316/98, ZMR 1999, 554; LG Hamburg v. 22.8.1991 – 334 S 48/91, WuM 1992, 121. LG Berlin v. 12.11.2007 – 67 S 16/07, WuM 2008, 85.

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5. Voraussichtliche Mieterhöhung 36 Gemäß § 555c Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB ist auch die zu erwartende Mieterhöhung in der Ankündigung mitzuteilen. 37 Zur Angabe der voraussichtlichen Mieterhöhung muss bei mehreren Wohnungen der Verteilerschlüssel zur rechnerischen Prüfung einer späteren Mieterhöhung nicht mitgeteilt werden1. Es genügt ein bezifferter Erhöhungsbetrag ohne nähere Erläuterung2. Sollen mehrere verschiedene Maßnahmen durchgeführt werden, muss auch keine Aufschlüsselung nach einzelnem Gewerk erfolgen3. Der Mieter muss in diesem Stadium nicht wissen, wie sich der Erhöhungsbetrag errechnet. Für den Mieter muss nur erkennbar sein, welche finanzielle Gesamtbelastung auf ihn zukommt, um überprüfen zu können, inwieweit die Mieterhöhung eine Härte für ihn darstellt. Die Aufsplittung der voraussichtlichen Mieterhöhung in unterschiedliche Werke würde zu keinem höheren Erkenntniswert für ihn führen. Zudem wird die Duldungspflicht des Mieters durch eine etwaige Härte in Hinblick auf die Mieterhöhung ohnehin nicht tangiert. Die Mieterhöhung hingegen wird auf das noch zulässige Maß beschränkt (vgl. § 559 BGB Rz. 119b). Daher muss auch der Anteil der ersparten Instandhaltungskosten nicht mitgeteilt werden4. Dem Mieter steht aus diesem Grund kein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich seiner Duldungspflicht bis zur genauen Darlegung der ermittelten Mieterhöhung zu. 38 Zur Miete zählen auch die Betriebskosten. Dies galt bereits nach bisheriger Rechtslage, wurde nun aber ausdrücklich im Gesetzestext aufgenommen5. Erhöhen sich diese6 oder werden sogar neue Betriebskosten eingeführt – beispielsweise durch Einbau eines Fahrstuhls in das Gebäude –, was grundsätzlich auch bei vereinbarter Bruttomiete möglich ist7, muss dies im Ankündigungsschreiben mitgeteilt werden8, unabhängig davon, ob die Kosten verbrauchsabhängig entstehen9. Im letzteren Fall können Erfahrungs- oder Durchschnittswerte angegeben werden10, z.B. anhand eines aktuellen Betriebskostenspiegels. In zeitlicher Hinsicht ist auf die erste Abrechnungsperiode nach Beendigung der Modernisierungsmaßnahme abzustellten. Etwaige künftige Veränderungen der Betriebskosten sind insoweit unerheblich (vgl. § 559 BGB Rz. 108). Ob die Umlage tatsächlich zulässig ist, ist bei der Umsetzung zu prüfen (vgl. hierzu § 556 BGB Rz. 358)11. Diese Prüfung hat allerdings auch Bedeutung für die Ankündigung. Nur dann, wenn die Umlage der Betriebskosten überhaupt möglich ist, kann die Ankündigungspflicht insoweit greifen12. Sind die Kosten nicht umlagefähig, wäre eine entsprechende Mitteilung der künftigen (aber nicht umlagefähigen) Betriebskosten für den Mieter und seine Prüfung, ob ein Härtegrund vorliegt, von Relevanz. 39 Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind die voraussichtlichen künftigen Betriebskosten mitzuteilen. Hiervon sind streng genommen auch etwaige Reduzierungen von Betriebskosten erfasst. Dies ist insbesondere bei energetischen Modernisierungen von Bedeutung, da diese regelmäßig eine Senkung der Heizkosten bezwecken. Insoweit bedarf die Regelung einer teleologischen Reduktion. Die Mitteilungspflicht gründet

1 LG Fulda v. 24.1.1992 – 1 S 173/91, ZMR 1992, 393. 2 LG Köln v. 27.8.1996 – 12 S 144/96, WuM 1997, 212. 3 A.A. LG Berlin v. 23.8.2012 – 67 S 416/12, MM 2012, Nr. 11, 29–30; AG Charlottenburg v. 11.9.2012 – 235 C 70/12, MM 2012, Nr. 11, 30; AG Charlottenburg v. 15.6.2012 – 232 C 70/12, MM 2012, Nr 9, 30. 4 LG Berlin v. 3.12.2004 – 63 S 273/04, MM 2005, 111. 5 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 20. 6 Z.B. die Versicherungskosten bei einer baulichen Erweiterung. 7 LG Berlin v. 29.7.2004 – 62 S 111/2004, ZMR 2005, 192 (str.,) s. auch § 556 BGB Rz. 364. 8 Kinne/Schach/Bieber, § 554 BGB Rz. 144; LG Berlin v. 22.1.1993 – 64 S 308/92, GE 1993, 861; LG Berlin v. 4.2.1992 – 64 S 245/91, GE 1992, 1099. 9 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 277 m.w.N. 10 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 14.3.2001 – 2 C 350/00, MM 2002, 187. 11 Vgl. dazu auch BGH v. 27.6.2007 – VIII ZR 202/06, WuM 2007, 571. 12 Abramenko, Das neue Mietrecht in der anwaltlichen Praxis, § 2 Rz. 38.

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sich darin, dass dem Mieter alle Informationen zur Verfügung gestellt werden sollen, damit er prüfen kann, ob die voraussichtlichen Kosten eine Härte i.S.d. § 559 Abs. 4 S. 1 BGB darstellen. Eine Kostensenkung kann aber niemals eine Härte begründen. Nach Sinn und Zweck führt die unterbliebene Mitteilung einer Betriebskostenreduzierung daher nicht zur Unwirksamkeit der Ankündigung. Für den Vermieter ist aber zu beachten, dass eine etwaige Reduzierung von Betriebs- 40 kosten einer Mieterhöhung gegenübergestellt werden kann. Gemäß § 559 Abs. 4 S. 1 BGB ist eine Mieterhöhung nur dann ausgeschlossen, soweit sie auch unter Berücksichtigung künftiger Betriebskosten für den Mieter eine Härte bedeuten. Eine Mieterhöhung ist daher weniger belastend, wenn gleichzeitig die Belastung mit Betriebskosten reduziert wird. Es kann insoweit eine Saldierung stattfinden. Nun könnte vertreten werden, dass eine solche Saldierung im Rahmen der Interessenabwägung des § 559 Abs. 4 BGB nur dann zu berücksichtigen ist, wenn die Kostenreduzierung bereits in der Ankündigung des § 555c BGB mitgeteilt wurde. Nur dann könne der Mieter diese auch im Rahmen seiner Prüfung berücksichtigen, insbesondere, ob er den Härteeinwand, für den die Frist des § 555d Abs. 3 S. 1 BGB gilt, überhaupt geltend macht und damit eine streitige Auseinandersetzung riskiert oder von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch macht. Bei einer solchen Sichtweise würde die Ankündigung einer Betriebskostenreduzierung lediglich eine Obliegenheit des Vermieters darstellen. Tatsächlich ist jedoch kein durchgreifender Grund gegen eine Berücksichtigung einer Betriebskostenreduzierung im Rahmen der Abwägung gemäß § 559 Abs. 4 S. 1 BGB zu erkennen, auch wenn diese im Vorfeld nicht mitgeteilt wurde. Die Duldung kann der Vermieter in Hinblick auf die voraussichtliche Mieterhöhung nicht verweigern. Die Mieterhöhung ist auf das für ihn zumutbare Maß begrenzt (vgl. § 559 BGB Rz. 119b). Diese Obergrenze ändert sich nicht dadurch, dass eine etwaige Reduzierung der Betriebskosten nicht berücksichtigt wird. Vielmehr wird diese allenfalls noch unterschritten. Eine Berücksichtigung kann dem Mieter daher nur zum Vorteil gereichen, diesen aber nicht benachteiligen. Gibt der Vermieter an, keine Erhöhung der Miete verlangen zu wollen, sind auch An- 41 gaben über eine theoretisch mögliche Mieterhöhung entbehrlich1. Diese Angabe ist auch für den Rechtsnachfolger des Vermieters bindend, wobei sie sich grundsätzlich nicht auf eine etwaige Erhöhung nach § 558 BGB bezieht2. Insoweit ist der genaue Inhalt der Erklärung aber durch Auslegung zu ermitteln. Ebenso ist die Ankündigung des Vermieters bindend, dass er die entstehenden Kosten nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag umlegen wird. Dies kann z.B. dann sinnvoll sein, um dem zu erwartenden Einwand des Mieters vorzubeugen, dass die beabsichtigte Modernisierung in finanzieller Hinsicht eine unzumutbare Härte darstellt (vgl. § 559 BGB Rz. 104 ff.). Unabhängig davon sind etwaige erhöhte Betriebskosten aber mitzuteilen3. 6. Hinweisobliegenheit Gemäß § 555c Abs. 2 BGB soll der Vermieter den Mieter in der Modernisierungs- 42 ankündigung auf die Form und die Frist des Härteeinwands nach § 555d Abs. 3 S. 1 BGB hinweisen. Die Regelung wurde erst kurz vor der Verabschiedung des Mietrechtsänderungsgesetzes auf Empfehlung des Rechtsausschusses aufgenommen4. Es handelt sich um ein Regulativ für die weitreichende Ausschlusswirkung des § 555d Abs. 3 BGB, wenn der Mieter die Umstände, aus denen sich eine Härte für ihn ergeben, nicht rechtzeitig vorbringt. Der Hinweis ist auch gegenüber einem Rechtskundigen grundsätzlich nicht entbehr- 43 lich. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Mieter positive Kenntnis von der Ausschluswirkung des § 555d Abs. 3 BGB hat (vgl. § 555c BGB Rz. 49)5.

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BayObLG v. 13.11.2000 – 1Z RE-Miet 1/00, WuM 2001, 16. BGH v. 24.9.2008 – VIII ZR 275/07, MDR 2008, 1385 = MietRB 2009, 61 = WuM 2008, 667. Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 20. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/11894, S. 33. A.A. zu § 568 BGB Schmidt-Futterer/Blank, § 568 BGB Rz. 25.

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a) Form des Hinweis 44 Der Hinweis muss über Form und Frist für den Härteeinwand informieren. Weitergehende Anforderungen lassen sich hinsichtlich Umfang und Form des Hinweises der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. In der Empfehlung des Rechtsausschusses wird lediglich ausgeführt, dass die Regelung an § 568 Abs. 2 BGB angelehnt ist. Auch insoweit bestimmt das Gesetz lediglich, dass der Vermieter den Mieter auf Form und Frist des Widerspruchs nach den §§ 574 bis 574b BGB rechtzeitig hinweisen muss. 45 Gemäß § 555b Abs. 2 BGB soll der Hinweis des Vermieters in der Modernisierungsankündigung erfolgen. Diese muss gemäß § 555c Abs. 1 S. 1 BGB in Textform erfolgen, so dass hieraus gefolgt werden kann, dass auch der Hinweis selbst der Textform genügen muss. Ein Rückgriff auf die Hinweisobliegenheit in § 568 Abs. 2 BGB ist insoweit nicht ohne weiteres möglich. Nach h.M. ist dieser Hinweis grundsätzlich formfrei möglich1. Im Gegensatz zu § 555c BGB fehlt es aber an der ausdrücklichen Regelung, dass der Hinweis in der Kündigung erfolgen muss. Dies wird im Rahmen der Modernisierungsankündigung aber gerade verlangt. Vor diesem Hintergrund kommt der Vermieter seiner Obliegenheit daher nur dann nach, wenn der Hinweis mindestens in Textform erfolgt. b) Zeitpunkt des Hinweis 46 § 555c Abs. 2 BGB verlangt, dass der Hinweis in der Modernisierungsankündigung erfolgt. Der Mieter soll also ab dem Zeitpunkt, in dem er über die beabsichtige Modernisierungsmaßnahme informiert wird, Kenntnis davon erlangen, dass die Mitteilungsfrist des § 555d Abs. 3 BGB zu laufen beginnt. Ein späterer Hinweis ist nicht geeignet, die Obliegenheit des § 555c Abs. 2 BGB zu erfüllen. 47 Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss der Hinweis in der Ankündigung selbst erfolgen. Dies wird auch durch § 555d Abs. 5 BGB bestätigt, der auf den in der Ankündigung unterbliebenen Hinweis abstellt, so dass der Wortlaut zunächst einmal eindeutig erscheint. Eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung der Vorschrift ist nach diesseitiger Auffassung allerdings nicht mit Sinn und Zweck der Regelung in Einklang zu bringen. Die Obliegenheit dient dem Schutz des Mieters vor der Unkenntnis der neu geschaffenen Befristung2. Wurde dieser aber bereits vor der Modernisierungsankündigung hierüber informiert, bedarf es dieses Schutzes nicht. Im Wege der teleologischen Reduktion bedarf es daher nicht zwingend eines Hinweises auf Form und Frist der Mitteilungsfrist gemäß § 555d Abs. 3 BGB in der Ankündigung selbst. Ein vorher oder zeitgleich neben der Ankündigung in mindestens Textform erfolgter Hinweis des Vermieters genügt, sofern dieser gleichermaßen geeignet ist, den Mieter über Form und Frist des Härteeinwandes zu informieren. Der (formularvertragliche) Hinweis auf § 555d Abs. 3 BGB im Mietvertrag ohne Bezug zu einer konkreten Modernisierungsmaßnahme wird hierfür in der Regel aber nicht genügen. Da ein solcher Hinweis nicht im Zusammenhang mit einer unmittelbar anstehenden Modernisierungsmaßnahme erfolgt, wird der Mieter diesen Hinweis nicht gleichermaßen verinnerlichen, wie den Hinweis in der Modernisierungsmaßnahme selbst. Er ist daher nicht gleich geeignet den Mieter zu informieren, wie der Hinweis in der Modernisierungsankündigung selbst oder zumindest im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser. c) Inhalt des Hinweis 47a Nach dem Willen des Gesetzgebers soll der Hinweis gemäß § 555c Abs. 2 BGB den Mieter über Form und Frist für den Härteeinwand informieren. Erfolgt in der Modernisierungsankündigung die wörtliche Wiedergabe des § 555d Abs. 3 S. 1 BGB, ist dies in jedem Fall ausreichend3.

1 Erman/Lützenkirchen, § 568 BGB Rz. 8; Lammel, § 568 BGB Rz. 17. 2 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/11894, S. 33. 3 Vgl. zur gleichen Problematik bei § 568 Abs. 2 BGB Erman/Lützenkirchen, § 568 BGB Rz. 8; LG Rottweil v. 21.2.1980 – 1 T 13/80, ZMR 1980, 183.

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Fraglich ist allerdings, ob allein der Hinweis auf die Vorschrift des § 555d Abs. 3 S. 1 48 BGB genügt, ohne dessen Inhalt näher zu erläutern. Auszugehen ist grundsätzlich davon, dass der Hinweis vollständig und verständlich sein muss. Dies ist aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts zu beurteilen. Auf die Erfahrung des Mieters im Rechtsverkehr kommt es insoweit nicht an1. Unerheblich sind daher die Schulbildung, der berufliche Werdegang des Mieters sowie die Kenntnis der deutschen Sprache. Teilt der Vermieter in seiner Modernisierungsankündigung mit, dass der Mieter zur Wahrnehmung seiner Rechte die Vorgaben des § 555d Abs. 3 S. 1 BGB zu beachten hat, genügt dies, um den juristisch und betriebswirtschaftlich durchschnittlich gebildeten Mieter zu veranlassen, den Inhalt dieser Regelung zu überprüfen. d) Wegfall der Hinweisobliegenheit Die Obliegenheit bezweckt den Schutz des Mieters vor der Unkenntnis der neu ge- 49 schaffenen Befristung2. Dieses Schutzes bedarf der Mieter aber dann nicht, wenn ihm die Form und Frist des Härteeinwands nach § 555d Abs. 3 S. 1 BGB bereits bekannt ist. Hier kann auch auf die Rechtsprechung zu § 536c Abs. 1 S. 1 BGB verwiesen werden. 50 Insoweit ist anerkannt, dass die Anzeigepflicht entfällt, wenn der Vermieter den Mangel kennt3. In diesem Fall wäre das Festhalten des Mieters an der Anzeigepflicht und der damit für ihn verbundenen Schadensersatzverpflichtung sowie dem (vorübergehenden) Gewährleistungsausschluss sachlich nicht gerechtfertigt und reiner Formalismus. Gleiches gilt für die Hinweisobliegenheit des § 555c Abs. 2 BGB. Kennt der Mieter die Anforderungen des § 555d Abs. 3 S. 1 BGB, bedarf es eines Hinweises nicht. Allerdings ist insoweit Vorsicht geboten. Da es sich um einen Ausnahmefall handelt, obliegt die Darlegungs- und Beweislast für die Kenntnis des Mieters dem Vermieter. Dass der Mieter die Vorschrift kennen müsste, genügt insoweit nicht. Vielmehr ist die positive Kenntnis erforderlich und nachzuweisen4. e) Verletzung der Obliegenheit Erfolgt seitens des Vermieters kein Hinweis auf die Mitteilungsfrist des § 555d Abs. 3 51 S. 1 BGB, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Modernisierungsankündigung. Der Mieter kann die Duldung also nicht unter Verweis auf den fehlenden Hinweis verweigern5. Gemäß § 555d Abs. 5 BGB bedarf der Härteeinwand des Mieters allerdings nicht der 52 in § 555d Abs. 3 S. 1 BGB bestimmten Form und Frist (vgl. ausführlich § 555d BGB Rz. 52 ff.)6. V. Bagatellklausel Die Bagatellklausel nach § 555c Abs. 4 BGB sieht den Ausschluss der Ankündigung 53 grundsätzlich nur bei Maßnahmen vor, die mit keiner oder nur einer unerheblichen Einwirkung auf die Mieträume verbunden sind und zu keiner oder nur einer unerheblichen Mieterhöhung führen. Der Gesetzgeber hat damit klar umrissen, wann die Ankündigung entfällt und wann nicht7.

1 A.A. Schmidt-Futterer/Blank, § 568 BGB Rz. 25. 2 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/11894, S. 33. 3 Vgl. nur OLG Düsseldorf v. 2.6.2008 – 24 U 193/07, GuT 2008/440; OLG Hamburg v. 26.4.1991 – 4 U 25/91, MDR 1991, 1170; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536c BGB Rz. 25. 4 Insoweit überzeugt die h.M. zu § 536c BGB nicht, welche danach differenziert, ob der Mangel für den Vermieter offensichtlich ist oder dieser fahrlässig nicht erkannt wurde, vgl. insoweit Schmidt-Futterer/Blank, § 568 BGB Rz. 25. 5 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/11894, S. 33. 6 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/11894, S. 33. 7 Vgl. KG v. 1.9.1988 – 8 RE-Miet 4048/88, WuM 1988, 389; vgl auch BayObLG v. 24.10.1996 – REMiet 3/95, MDR 1997, 136 = WuM 1996, 749; OLG München v. 29.7.1991 – 21 W 1961/91, WuM 1991, 481; LG Berlin v. 15.8.2002 – 67 S 32/02, GE 2002, 1626; LG Hamburg v. 11.11.2008 – 334 S 38/08, ZMR 2009, 208.

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54 Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen1. In diesem Fall greift dann die Duldungspflicht des § 555d Abs. 1 BGB auch ohne vorherige Ankündigung. 55 Unerhebliche Einwirkungen sind dann anzunehmen, wenn es sich um ganz unbedeutende Maßnahmen handelt, welche die Gebrauchstauglichkeit des Mietobjektes nicht tangieren und auch nicht zu einer Mietminderung berechtigen würden (vgl. § 536 BGB Rz. 213 ff.), z.B. Einbau einer Klingelanlage2, Auswechseln von Heizkörperventilen3, nicht aber die Verlegung von Steigleitungen4. Abzustellen ist auf die Gesamtmaßnahme, nicht auf jede einzelne bauliche Veränderung. Selbst wenn jede einzelne Maßnahme nur mit unwesentlichen Einwirkungen für das Mietobjekt verbunden ist, kann sich aus der Gesamtheit der Maßnahmen und der damit verbundenen Einwirkungen eine Ankündigungspflicht ergeben. Maßnahmen innerhalb der Wohnung müssen aber zumindest kurzfristig zuvor angekündigt werden. 56 Wann eine unerhebliche Erhöhung der Miete vorliegt, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Ein Teil der Literatur und Rechtsprechung wendet hier eine betragsmäßige Begrenzung an, wobei eine unerhebliche Erhöhung nach dieser Auffassung jedenfalls unter 10 Euro monatlich liegen muss5. Dafür spricht, dass auch bei teuren Wohnungen die Überschreitung eines bestimmten Betrages nicht mehr als Bagatelle angesehen werden kann. Ein anderer Teil der Literatur und Rechtsprechung misst die Bagatellgrenze allgemein an prozentualen Mieterhöhungen und setzt die Grenze deshalb bei maximal 5 % an6. Dem ist zu folgen. Wann eine erhebliche Erhöhung der Miete vorliegt, kann nicht absolut bestimmt werden, sondern richtet sich vielmehr nach der Höhe der vereinbarten Miete. Maßgebend ist allein die objektive, von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Mieters unabhängige Betrachtungsweise. Von einer nur unerheblichen Mieterhöhung kann jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn sie 5 % der bisherigen Miete (exklusive etwaiger Betriebskostenvorauszahlungen oder -pauschalen) nicht übersteigt. Erhöhungen von Betriebskosten bleiben unberücksichtigt7. VI. Verstoß gegen Ankündigungspflicht 1. Duldungspflicht 57 Kündigt der Vermieter die Modernisierungsmaßnahme nicht gemäß den Vorgaben des § 555c Abs. 1 BGB an oder unterlässt er diese vollständig und ist sie auch nicht gemäß § 555c Abs. 4 BGB entbehrlich, wird die Duldungspflicht des Mieters gemäß § 555d Abs. 1 BGB nicht fällig8. Auch die Ausschlussfrist des § 555d Abs. 3 S. 2 BGB beginnt nicht zu laufen. Der unterbliebene Hinweis des Vermieters gemäß § 555c Abs. 3 BGB führt hingegen nicht zur Unwirksamkeit der Ankündigung als solcher, sondern löst lediglich die Sanktion des § 555d Abs. 5 BGB aus (vgl. § 555d BGB Rz. 52 ff.). Die Duldungspflicht gemäß § 555d Abs. 1 BGB entfällt jedoch nicht9. 58 Führt der Vermieter die Modernisierungsmaßnahme, obwohl eine Duldungspflicht nicht besteht, gleichwohl durch, ist im Rahmen des Mieterhöhungsverlangens § 559b Abs. 2 S. 2 BGB zu beachten. Der Wirkungszeitpunkt der Mieterhöhung verschiebt sich dann um sechs Monate. Hierdurch wird zugleich klargestellt, dass eine ordnungsgemäße Modernisierungsankündigung keine zwingende Voraussetzung für eine Modernisierungsmieterhöhung ist. Lediglich der Zeitpunkt, zu dem die Mieterhöhung greift, verschiebt sich. 1 2 3 4 5 6

LG Köln v. 5.10.2004 – 5 O 200/04, NZM 2005, 741; Blank/Börstinghaus, § 554 BGB Rz. 50. AG Charlottenburg v. 31.10.1988 – 18 C 353/88, GE 1989, 683. LG Berlin v. 15.4.1986 – 64 S 387/85, ZMR 1986, 444. LG Berlin v. 25.5.1990 – 63 S 229/89, GE 1990, 763. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 281 m.w.N. LG Berlin v. 27.6.1991 – 61 S 355/90, WuM 1991, 482; LG Detmold v. 7.12.1988 – 1 S 34/89, WuM 1990, 121; LG Köln v. 5.10.2004 – 5 O 200/04, NZM 2005, 741; Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1118. 7 Abramenko, Das neue Mietrecht in der anwaltlichen Praxis, § 2 Rz. 47. 8 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 21; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VII 150; Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 41. 9 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/11894, S. 33.

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Weiter berechtigt die bevorstehende oder bereits begonnene nicht duldungspflichti- 58a ge Modernisierungsmaßnahme den Mieter zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung gemäß § 543bAbs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB wegen der Entziehung des vertragsgemäßen Gebrauchs, sofern ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn durch die Modernisierungsmaßnahme das Mietobjekt nicht mehr zum vereinbarten Vertragszweck genutzt werden kann (z.B.: Infolge der mit der Maßnahme verbundenen Erschütterungen und Lärm- und Staubbelästigungen, kann die neurologische und psychiatrische Praxis des Mieters nicht mehr betrieben werden)1. Eine Abmahnung oder Fristsetzung ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Vermieter bereits zuvor angekündigt hat, dass er die Maßnahme in jeden Fall durchführen wird. Die fehlerhafte Berechnung der Mieterhöhung im Ankündigungsschreiben um mehr 59 als 10 % führt nicht zur formellen Unwirksamkeit der Modernisierungsankündigung, sondern zieht die Folge des § 559b Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB nach sich2, so dass die Mieterhöhung erst sechs Monate später wirkt (vgl. § 559b BGB Rz. 63). Erfolgt die Falschberechnung aber schuldhaft, können sich daraus Schadensersatzansprüche des Mieters nach §§ 280, 241 Abs. 2 BGB ergeben3. Teilt der Vermieter überhaupt keine Mieterhöhung mit, entspricht die Mieterhöhung nicht den Vorgaben des § 555c BGB, so dass die Duldungspflicht nicht fällig wird, es sei denn, er erklärt ausdrücklich, keine Mieterhöhung geltend machen zu wollen.

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2. Schadensersatz bei Verstoß gegen die Ankündigungspflicht Verletzt der Vermieter seine Ankündigungspflicht schuldhaft, haftet er dem Mieter 61 gemäß § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz4. a) Rechtslage bis zum 1.5.2013 Nach h.M. konnte der Mieter bis zum Mietrechtsänderungsgesetz seinen Scha- 62 densersatzanspruch wegen Verstoßes gegen die Ankündigungspflicht dem Mieterhöhungsverlangen gemäß § 242 BGB als unzulässige Rechtsausübung entgegenhalten5. Allerdings setzte ein solcher Schadensersatzanspruch voraus, dass der kausal auf der Pflichtverletzung beruhende Schaden aus dem Gefahrenbereich stammte, deren Abwendung die verletzte Pflicht diente6. Unterließ es der Mieter mangels Ankündigung der Modernisierungsmaßnahme oder 63 der beabsichtigten Mieterhöhung, sich auf einen bestehenden Härtegrund zu berufen, konnte er seinen Schadensersatzanspruch dem späteren Erhöhungsverlangen des Vermieters entgegenhalten. Dieser war dann auf Freistellung von der Mieterhöhung gerichtet. Allerdings musste der Härtegrund, auf den sich der Mieter nicht berufen hatte, gerade darauf gerichtet sein, den Mieter vor zusätzlichen finanziellen Belastungen zu schützen, also insbesondere der Härtegrund „zu erwartende Mieterhöhung“. Gegebenenfalls konnte der Mieter auch den Rückbau der Maßnahme verlangen, 64 wenn er aufgrund der unterbliebenen Ankündigung nicht in der Lage war, unter Berufung auf den Härtegrund „bauliche Folgen“ die Duldung zu verweigern7. Der Schadensersatzanspruch des Mieters konnte auch auf Vertragsaufhebung gerichtet sein, wenn die unterlassene oder fehlerhafte Ankündigung dazu geführt hatte, dass der Mieter von seinem Sonderkündigungsrecht gemäß § 555e BGB keinen Gebrauch gemacht hatte, obwohl dieses bei ordnungsgemäßer Ankündigung bestanden hätte. Es

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BGH v. 31.10.2012 – XII ZR 126/11, NJW 2013, 223. BGH v. 19.9.2007 – VIII ZR 6/07, NZM 2007, 882. LG Berlin v. 23.8.2004 – 67 S 27/04, MM 2004, 374. Lehmann-Richter, NZM 2011, 572. Vgl. BGH v. 3.12.1991 – VI ZR 378/90, MDR 1992, 453 = NJW 1992, 900. Vgl. BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 88/08, MDR 2009, 1224 = NJW 2009, 3025; Palandt/Brüneberg, Vor § 249 BGB Rz. 29. 7 Lehmann-Richter, NZM 2011, 572.

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konnte die Aufhebung zu dem Zeitpunkt verlangt werden, zu dem das Sonderkündigungsrecht den Vertrag beendet hätte1. b) Rechtslage ab dem 1.5.2013 65 Auch nach dem 1.5.2013 verletzt der Vermieter seine mietvertraglichen Pflichten, kündigt er eine Modernisierungsmaßnahme nicht oder nicht ordnungsgemäß an. Allerdings wurde im Rahmen des Mietrechtsänderungsgesetzes die gesetzliche Konstruktion dahingehend geändert, dass der Mieter die Duldung von Modernisierungsmaßnahmen von vornherein nicht mehr unter Berufung auf eine finanzielle Härte verweigern kann2. Eine solche kann gemäß § 559 Abs. 4 BGB erst dem Mieterhöhungsverlangen selbst entgegengehalten werden. Insoweit bedarf es daher auch im Falle der unterlassenen Ankündigung nicht mehr des Rückgriffs auf einen Schadensersatzanspruch. Die Frist des § 555d Abs. 3 BGB läuft nicht, da die Ankündigung mangels Mitteilung der voraussichtlichen Mieterhöhung gerade nicht den Vorgaben des § 555c BGB entspricht. 66 Im Übrigen verbleibt es bei der alten Rechtslage. Hat die unterbliebene Ankündigung dazu geführt, dass sich der Mieter nicht auf eine unzumutbare Härte i.S.d. § 555d Abs. 2 BGB berufen hat, kann er u.U. den Rückbau der Maßnahme verlangen3. Gegebenenfalls kann auch die Vertragsaufhebung verlangt werden, wenn der Mieter wegen der unterbliebenen Ankündigung von seinem Sonderkündigungsrecht gemäß § 555e BGB keinen Gebrauch gemacht hat, obwohl er dieses bei ordnungsgemäßer Ankündigung ausgeübt hätte. Er kann die Aufhebung des Vertrages zu dem Zeitpunkt verlangen, zu dem auch die Ausübung des Sonderkündigungsrechts den Vertrag beendet hätte4. Auch ein sonstiger Schaden ist über § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen, z.B. entgangener Gewinn bei Gewerberaummietern. C. Gewerberaummiete 67 Die Vorschrift des § 555c BGB ist über § 578 Abs. 2 BGB beschränkt auf die Abs. 1–3 auch auf Gewerberaummietverhältnisse entsprechend anwendbar. 68 Aufgrund der Beschränkung auf § 555c Abs. 1–3 BGB können die Parteien eines Gewerberaummietvertrages die Duldungspflicht des Mieters vertraglich modifizieren, insbesondere die Ankündigungsfrist verkürzen oder Mitwirkungspflichten des Mieters, wie z.B. die Räumung des Mietobjektes, vereinbaren5. Insoweit sind allerdings die §§ 307 ff. BGB zu berücksichtigen.

§ 555d Duldung von Modernisierungsmaßnahmen, Ausschlussfrist (1) Der Mieter hat eine Modernisierungsmaßnahme zu dulden. (2) Eine Duldungspflicht nach Absatz 1 besteht nicht, wenn die Modernisierungsmaßnahme für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen sowohl des Vermieters als auch anderer Mieter in dem Gebäude sowie von Belangen der Energieeinsparung und des Klimaschutzes nicht zu rechtfertigen ist. Die zu erwartende Mieterhöhung sowie die voraussichtlichen künftigen Betriebskosten bleiben bei der Abwägung im Rahmen der Duldungspflicht außer Betracht; sie sind nur nach § 559 Absatz 4 und 5 bei einer Mieterhöhung zu berücksichtigen. 1 2 3 4 5

LG Essen v. 29.6.1990 – 1 S 164/90, WuM 1990, 513. Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 21. Lehmann-Richter, NZM 2011, 572. LG Essen v. 29.6.1990 – 1 S 164/90, WuM 1990, 513. BGH v. 13.11.2002 – XII ZR 310/99, NZM 2003, 313.

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(3) Der Mieter hat dem Vermieter Umstände, die eine Härte im Hinblick auf die Duldung oder die Mieterhöhung begründen, bis zum Ablauf des Monats, der auf den Zugang der Modernisierungsankündigung folgt, in Textform mitzuteilen. Der Lauf der Frist beginnt nur, wenn die Modernisierungsankündigung den Vorschriften des § 555c entspricht. (4) Nach Ablauf der Frist sind Umstände, die eine Härte im Hinblick auf die Duldung oder die Mieterhöhung begründen, noch zu berücksichtigen, wenn der Mieter ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war und er dem Vermieter die Umstände sowie die Gründe der Verzögerung unverzüglich in Textform mitteilt. Umstände, die eine Härte im Hinblick auf die Mieterhöhung begründen, sind nur zu berücksichtigen, wenn sie spätestens bis zum Beginn der Modernisierungsmaßnahme mitgeteilt werden. (5) Hat der Vermieter in der Modernisierungsankündigung nicht auf die Form und die Frist des Härteeinwands hingewiesen (§ 555c Absatz 2), so bedarf die Mitteilung des Mieters nach Absatz 3 Satz 1 nicht der dort bestimmten Form und Frist. Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. (6) § 555a Absatz 3 gilt entsprechend. (7) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen .

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B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . I. Duldung von Modernisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der Modernisierungsmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ankündigung der Modernisierungsmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt der Duldungspflicht . . . . . . . . II. Ausschluss der Duldungspflicht . . . . 1. Vermieterinteressen . . . . . . . . . . . . . 2. Mieterinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorzunehmende Arbeiten . . . . . . b) Bauliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . c) Vorausgegangene Aufwendungen 3. Wirtschaftlichkeit der Maßnahme . . 4. Zu erwartende Mieterhöhung . . . . . . 5. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Interessen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . 7. Energieeffizienz und Klimaschutz . . 8. Vom Vermieter nicht zu vertretende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Mitteilungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fristdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fristversäumnis . . . . . . . . . . . cc) Hinweis gemäß § 555c Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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10. 11. III. IV. V. 1. 2. 3. VI. VII. 1. 2. 3. 4. 5. VIII. 1.

2. 3. 4. IX. 1. 2. 3. 4.

dd) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unanwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . Beispiele für eine bejahte Duldungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele für verneinte Duldungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schadensersatzpflicht des Mieters. . . Änderung des Vertragsgegenstandes . Maßnahmen nach EnEV . . . . . . . . . . . § 9 Abs. 1 und 3 EnEV . . . . . . . . . . . . . §§ 10 Abs. 2 ff. EnEV . . . . . . . . . . . . . . . §§ 10 Abs. 1, 10a Abs. 1 EnEV. . . . . . . . Modernisierungspflicht . . . . . . . . . . . . Mieterrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . Minderung (§ 536 BGB). . . . . . . . . . . . Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) . Prozessuales. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Duldungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klageantrag und Begründung . . . . b) Streitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung des Mieters . . Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . Mietermodernisierung. . . . . . . . . . . . . Duldungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . Zustimmung des Vermieters . . . . . . . . Anspruch auf Zustimmung . . . . . . . . . Weitere Voraussetzungen für die Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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55 57 60 67 68 69 70 71 73 76 78 79 79 81 82 86 87 89 89 90 94 96 97 100 104 106 106 109 112 115

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5. Konsequenzen der Mietermodernisierung bei fehlender vertraglicher Regelung im laufenden Mietverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 6. Vereinbarungen zur Mietermodernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

7. Beispiele von Modernisierungsmaßnahmen des Mieters . . . . . . . . . . . . . . 123 C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . 124

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 § 555d Abs. 1 BGB regelt die grundsätzliche Duldungspflicht des Mieters und entspricht damit im Wesentlichen § 554 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. 2 § 555d Abs. 2 BGB bestimmt, unter welchen Voraussetzungen sich der Mieter auf eine nicht zu rechtfertigende Härte berufen und damit den Duldungsanspruch des Vermieters abwehren kann, enthält also die auch nach bisherigem Recht vorgesehene Härtefallprüfung. Die bislang in § 554 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. enthaltenen Abwägungsgründe entfallen allerdings im Gesetzestext, um die Norm sprachlich zu straffen. In der Sache sind sie wie bislang bei der gebotenen Abwägung zu berücksichtigen1. Neben den Interessen von Mieter, Vermieter und anderen Mietern sind nunmehr aber auch Belange des Klimaschutzes und der Energieeffizienz zu berücksichtigen. Diese konnten bei der Beurteilung einer nicht zu rechtfertigenden Härte bislang keine Berücksichtigung finden. Die Erweiterung ist allerdings konsequent, da die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen auch dem Umweltschutz dient (vgl. § 555d BGB Rz. 10). 3 § 555d Abs. 2 S. 2 BGB bestimmt in Abweichung zur bisherigen Rechtslage und zur Stärkung der umweltpolitischen Zielsetzung, dass aus der angekündigten Mieterhöhung resultierende Härten nicht mehr bei der Abwägung im Rahmen der Duldungspflicht berücksichtigungsfähig sind, sondern erst im Rahmen des Mieterhöhungsverfahrens zum Tragen kommen2. Dies führt zu einer Zweiteilung der Härtefallprüfung dergestalt, dass wirtschaftlichen Härten in Hinblick auf die voraussichtliche Mieterhöhung erst bei dieser Rechnung getragen wird, während bei der Duldung der Maßnahme die sonstigen, eher personalen Härtegründe zu berücksichtigen sind. Damit erlangt der Vermieter insbesondere bei den besonders wichtigen energetischen Modernisierungen weitgehende Baufreiheit und Planungssicherheit, während zugleich die wirtschaftlichen Interessen des Mieters vollumfänglich gewahrt bleiben. Diese Regelung betrifft alle Modernisierungsmaßnahmen und nicht nur energetische Modernisierungen. Eine hierauf beschränkte Zweiteilung der Härteprüfung wäre wenig praktikabel. Hieraus folgt für den Vermieter dann die Schwierigkeit, dass er zwar die Modernisierungsmaßnahme durchführen kann, ohne im Vorfeld genau beurteilen zu können, ob er auch eine hierauf gestützte Mieterhöhung gemäß § 559 BGB durchsetzen kann. Dem kann der Vermieter vorbeugen, indem er nach allgemeinem Prozessrecht eine Feststellungsklage erhebt, um im Streitfall vor Ausführung der Modernisierungsmaßnahme die Zulässigkeit der angekündigten Mieterhöhung – unter Berücksichtigung etwaiger vorgebrachter Härtegründe auf Seiten des Mieters – gerichtlich klären zu lassen3. Klargestellt wird auch, dass bei der Abwägung im Mieterhöhungsverfahren künftige Betriebskosten zu beachten sind. Dass auch die Betriebskosten bei der Frage, ob eine wirtschaftliche Härte vorliegt, zu berücksichtigen sind, entspricht der bisherigen Rechtslage4. 4 § 555d Abs. 3 BGB schafft eine neue Mitteilungsfrist für die Berücksichtigung von Umständen, die eine Härte i.S.d. § 555d Abs. 2 BGB (= § 554 Abs. 2 BGB a.F.) oder des § 559 Abs. 4 BGB begründen. Gemäß § 555d Abs. 3 S. 1 BGB ist der Mieter verpflichtet,

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Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 21. Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 21. Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 21. Vgl. etwa Soergel/Heintzmann, § 554 BGB Rz. 14.

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seine Gründe rechtzeitig mitzuteilen, damit der Vermieter sich hierauf einstellen kann und so für die Durchführung des Bauvorhabens Planungssicherheit erhält1. Nach Fristablauf sind solche Umstände gemäß § 555d Abs. 4 BGB nur noch zu be- 5 rücksichtigen, wenn der Mieter unverschuldet gehindert war, die Gründe fristgerecht mitzuteilen, z.B. wenn die Gründe erst nach Ablauf der Frist entstanden sind, und er die Mitteilung unverzüglich in Textform nachholt. Eine Berücksichtigung von nach Fristablauf mitgeteilten Umständen in Hinblick auf die Mieterhöhung ist aber nur möglich, wenn die Mitteilung bis spätestens zum Beginn der Modernisierungsmaßnahme erfolgt. Sinn dieser Regelung ist es, bis zum Baubeginn klare Verhältnisse zu schaffen. Gemäß § 555d Abs. 5 BGB müssen die in § 555d Abs. 3 S. 1 BGB vorgesehene Form 6 und Frist des Härteeinwands ausnahmsweise nicht eingehalten werden, wenn der Vermieter in der Modernisierungsankündigung nicht hierauf hingewiesen hat, § 555c Abs. 2 BGB (vgl. § 555c BGB Rz. 42 ff.). Allerdings müssen nach § 555d Abs. 5 S. 2 BGB, der auf § 555d Abs. 4 S. 2 BGB verweist, Umstände, die eine Härte im Hinblick auf die Mieterhöhung begründen, dennoch spätestens bis zum Beginn der Modernisierungsmaßnahme mitgeteilt werden. § 555d Abs. 6 BGB verweist auf § 555a Abs. 3 BGB und erklärt damit die Bestimmung 6a über den Aufwendungsersatz bei Erhaltungsmaßnahmen für entsprechend anwendbar. Dies entspricht der bisherigen Rechtslage, da die bisherige Regelung über den Aufwendungsersatz in § 554 Abs. 4 BGB a.F. sowohl für Erhaltungs- als auch für Modernisierungsmaßnahmen galt. Die entsprechende Rechtsprechung ist daher anwendbar. § 555d Abs. 7 BGB entspricht § 554 Abs. 5 BGB a.F. Eine zum Nachteil des Mieters 7 von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende generelle Vereinbarung ist unwirksam. Unbenommen bleibt den Vertragsparteien, im Einzelfall abweichende Vereinbarungen zu schließen und damit Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen im beiderseitigen Interesse zu regeln (vgl. § 555f BGB). II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Vorschrift gilt unmittelbar nur für Wohnraum, und zwar auch für preisgebunde- 8 nen Wohnraum2, über § 578 Abs. 2 BGB aber auch entsprechend für Gewerbemietverträge, sofern es sich um Mietverhältnisse über Räume handelt. Der Verweis ist allerdings auf § 555d Abs. 1 bis 5 BGB beschränkt. Weiter ist die Übergangsregelung in Art. 229 § 29 EGBGB zu berücksichtigen. Hiernach ist nicht § 555d BGB, sondern sind die §§ 554, 559 bis 559b, 578 BGB in der bis zum 1.5.2013 gültigen Fassung weiter anzuwenden, wenn – bei Modernisierungsmaßnahmen die Mitteilung nach § 554 Abs. 3 S. 1 BGB dem Mieter vor dem 1.5.2013 zugegangen ist oder – bei Modernisierungsmaßnahmen, auf die § 554 Abs. 3 S. 3 BGB in der vor dem 1.5.2013 geltenden Fassung anzuwenden ist, der Vermieter mit der Ausführung der Maßnahme vor dem 1.5.2013 begonnen hat. Durch § 555d BGB wird auch der Untermieter verpflichtet3. Allerdings steht der Dul- 9 dungsanspruch insoweit nur dem Hauptmieter als Vertragspartner des Untermieters zu. Der Hauptvermieter kann lediglich von dem Hauptmieter Duldung verlangen. Dieser muss dann den Untermieter seinerseits zur Duldung anhalten4. Eine analoge Anwendung des § 555d BGB auf den Berechtigten eines dinglichen Wohnrechts

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Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 21. BayObLG v. 24.10.1996 – REMiet 3/95, MDR 1997, 136 = ZMR 1997, 73. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 9; Weimar, ZMR 1976, 33. MünchKomm/Bieber, § 554 BGB Rz. 13.

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scheidet mangels vergleichbarer Sachverhalte aus. Insoweit kommt nur ein Duldungsanspruch aus § 242 BGB in Betracht1. 10 Weitere Duldungspflichten des Mieters können sich auch aufgrund von Vorschriften außerhalb des BGB ergeben, z.B. durch Baugebote, Modernisierungsgebote, Pflanzgebote und Rückbaugebote gemäß den §§ 175 ff. BauGB oder § 4 Abs. 2 HeizkV für die Duldung von Ausstattungen für die Erfassung des Wärme- und Warmwasserverbrauch (vgl. § 4 HeizkV Rz. 21). 11 § 555d BGB gilt zunächst während der gesamten Dauer des Mietverhältnisses, aber auch nach dessen Beendigung, sofern der Mieter weiterhin den Besitz an dem Mietobjekt innehat, z.B. weil dem Wohnraummieter eine Räumungsfrist oder Vollstreckungsschutz gewährt wurde2. In diesen Fällen ist der Mieter zwar nicht mehr mietvertraglich gebunden, nutzt die Räume aber weiterhin innerhalb der Rechtsordnung, so dass er nicht rechtlos gestellt ist. Andererseits entfällt die Duldungspflicht des Mieters mangels Mietvertrag ebenfalls nicht, da dieser ansonsten besser gestellt wäre, als der vertraglich gebundene Mieter3. Allerdings ist im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 555d Abs. 2 BGB zu Gunsten des Vermieters angemessen zu berücksichtigen, dass der Mieter kein vertragliches Besitzrecht mehr hat. 2. Anwendbare Rechtsprechung 12 Im Zuge der Mietrechtsreform4 ersetzte § 554 BGB a.F. mit Wirkung zum 1.9.2001 die bis dahin die Duldungspflicht bei Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen regelnden §§ 541a und 541b BGB5. Dessen Inhalt wurde im Wesentlichen übernommen6. Es erfolgte eine Harmonisierung der Begrifflichkeiten dahingehend, dass nunmehr einheitlich der Begriff „Maßnahmen“ verwendet wurde. Die frühere Rechtsprechung war daher nach wie vor anwendbar. Allerdings wurde die Duldungspflicht in § 554 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. gegenüber der Vorgängernorm auf alle Arten von Energieeinsparung erweitert. Während bis zur Mietrechtsreform 2001 nur Maßnahmen zur Einsparung von Heizenergie erfasst wurden, fielen nun auch solche zur Einsparung von Strom, z.B. drehzahlgeregelte Umwälzpumpen, Ventilatoren, Aufzugsmotoren und Energiesparlampen, in den Anwendungsbereich der Norm7. 13 Nunmehr wird § 554 BGB a.F. weitestgehend durch § 555e BGB ersetzt. Inhaltlich wird die Regelung i.S.d. Rechtssicherheit und des Umweltschutzes dahingehend modifiziert, dass der Mieter sich im Hinblick auf die anstehende Mieterhöhung nicht mehr auf eine unzumutbare Härte berufen kann. Dies ist nur im Rahmen der Mieterhöhung gemäß § 559 BGB zu berücksichtigen. Weiter ist der Mieter nunmehr gehalten, die Umstände, auf die er eine Härte stützen möchte, bis zum Ablauf des Monats, der auf die Ankündigung erfolgt, mitzuteilen, da er sich ansonsten nicht mehr hierauf berufen kann, es sei denn, die Fristversäumnis war unverschuldet und die Mitteilung wird unverzüglich nachgeholt. Im Übrigen ist die zu § 554 Abs. 2 BGB a.F. ergangene Rechtsprechung auch weiterhin anwendbar. III. Zweck der Vorschrift 14 Der Gesetzgeber hat bereits im Rahmen der Begründung zur Mietrechtsreform 2001 ausdrücklich klargestellt, dass die Durchführung von Wohnungsmodernisierungen volkswirtschaftlich und ökologisch sinnvoll ist. Die Möglichkeit der Mieterhöhung gemäß § 559 BGB soll einen entsprechenden Anreiz für solche – gerade in den neuen 1 LG Düsseldorf v. 31.7.1980 – 8 O 485/79, WuM 1988, 166; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 9. 2 AG Regensburg v. 31.7.1990 – 5 C 1113/90, WuM 1992, 104. 3 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 11. 4 Mietrechtsreformgesetz v. 19.6.2001, BGBl. I, S. 1149. 5 Im Jahre 1964 durch das 2. Mietrechtsänderungsgesetz v. 14.7.1964 in das BGB eingeführt, BGBl. I 1964, S. 457. 6 Begründung zum Gesetzentwurf der Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 49. 7 Begründung zum Gesetzentwurf der Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 49; vgl. auch BR-Drucks. 439/00, S. 124.

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Bundesländern benötigten – Investitionen bieten1. § 554 Abs. 2 BGB a.F. und nun auch § 555d BGB ermöglichen es dem Vermieter, solche Modernisierungsmaßnahmen durchzusetzen, indem der Mieter zur Duldung verpflichtet wird2. Allerdings bleiben die Interessen des Mieters, seiner Familienangehörigen sowie der sonstigen Angehörigen seines Haushaltes nicht unberücksichtigt. Vielmehr wird er durch die Härteklausel des § 555d Abs. 2 BGB vor mit der Maßnahme verbundenen unbilligen Härten geschützt3. Um seine hieraus resultierenden Rechte geltend machen zu können, ordnet § 555c BGB an, dass die Maßnahme in bestimmter Art und Weise anzukündigen ist. Nur dann kann der Mieter prüfen, ob die Maßnahme eine nicht hinzunehmende Härte darstellt, was wiederum in § 555d Abs. 4 BGB berücksichtigt wird. IV. Abweichende Vereinbarungen Abweichende Vereinbarungen sind grundsätzlich zulässig, nach § 555d Abs. 7 BGB in 15 der Wohnraummiete allerdings nicht zum Nachteil des Mieters (vgl. zum Begriff des Nachteils und zum Umfang der Mieterbegünstigungsklausel zunächst § 557 BGB Rz. 7 ff.). Deshalb kann sich der Mieter nicht schon im Mietvertrag verpflichten, Modernisierungen der Wohnung zuzulassen bzw. zu dulden, ohne dass der Vermieter sich zur formal einwandfreien Ankündigung verpflichtet4. Dies gilt erst recht, wenn dies formularmäßig erfolgt5. Davon bildet auch der genossenschaftliche Treuegedanke keine Ausnahme6. Dem Abschluss einer (nachträglichen) Modernisierungsvereinbarung steht die Vor- 16 schrift aber nicht entgegen7, was nunmehr durch § 555f BGB in Bezug auf konkret anstehende Maßnahmen nunmehr ausdrücklich im Gesetz geregelt wird. Ebenso kann das Recht des Vermieters, Modernisierungen durchzuführen, beschränkt oder ausgeschlossen werden, weil § 555d Abs. 7 BGB nur zum Nachteil des Mieter abweichende Vereinbarungen erfasst. Eine solche Vereinbarung kann auch konkludent geschlossen werden und ist z.B. zu bejahen, wenn der Mieter – mit Zustimmung des Vermieters – eine Gasetagenheizung installierte und vertraglich nicht nur die Pflicht zur Instandhaltung, sondern auch eine gegebenenfalls erforderliche Erneuerung übernommen hat8. Wurde ein Einfamilienhaus vermietet, ist der Vermieter gehindert, dieses durch Aufstockung oder sonstige bauliche Maßnahmen zu einem Mehrfamilienhaus umzugestalten9. Auch der Anspruch nach § 555d Abs. 6 BGB kann bei Abschluss des Mietvertrages 17 nicht beschränkt werden. Haben sich die Parteien jedoch vergleichsweise auf den Erlass einer Monatsmiete als Gegenleistung für die Aufwendungen geeinigt, kann der Mieter nicht unter Berufung auf § 555d Abs. 7 BGB nach Ende der Modernisierungsarbeiten die tatsächlichen (höheren) Kosten verlangen10. Insoweit liegt eine gemäß § 555f BGB zulässige Vereinbarung vor. Abweichende Vereinbarungen zum Nachteil des Mieters sind in einem Gewerberaum- 18 mietverhältnis grundsätzlich zulässig, da § 578 Abs. 2 BGB nur auf § 555d Abs. 1 und 5 BGB verweist (vgl. § 555d BGB Rz. 124).

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Begründung zum Gesetzentwurf der Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 36. BGH v. 20.6.2012 – VIII ZR 110/11, zitiert nach juris. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 6. LG Leipzig v. 20.2.2009 – 08 O 3429/08, GE 2010, 847; LG Berlin v. 11.1.2001 – 67 S 120/00, MM 2001, 202. LG Leipzig v. 20.2.2009 – 08 O 3429/08, GE 2010, 847. AG Köln v. 18.6.2002 – 219 C 102/02, WuM 2002, 669. Vgl. BGH v. 14.10.2009 – VIII ZR 159/08, WuM 2009, 744. KG v. 28.8.2008 – 8 U 99/08, WuM 2008, 597. BGH v. 20.11.2007 – XI ZR 259/06, MDR 2008, 276 = ZIP 2008, 116 Nr. 5; LG Hamburg v. 8.3.2007 – 307 S 151/06, ZMR 2007, 455. LG Berlin v. 23.2.2001 – 63 S 204/00, MM 2002, 52.

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B. Wohnraummiete I. Duldung von Modernisierungsmaßnahmen 19 § 555d Abs. 1 BGB normiert die Pflicht des Mieters zur Duldung von Modernisierungsmaßnahmen. 1. Begriff der Modernisierungsmaßnahme 20 Anders als noch § 554 Abs. 2 BGB a.F. enthält § 555d Abs. 1 BGB selbst keine Regelung darüber, welche Maßnahmen dem Begriff der Modernisierung unterfallen. Insoweit ist vollumfänglich auf § 555b BGB zu verweisen. 2. Ankündigung der Modernisierungsmaßnahme 21 Die Duldungspflicht des Mieters bzw. des Untermieters (vgl. insoweit § 555d BGB Rz. 9) setzt die ordnungsgemäße Ankündigung der Modernisierungsmaßnahme nach § 555c BGB voraus. Unterlässt der Vermieter die Ankündigung oder genügt diese nicht den Vorgaben des § 555c BGB, wird die Duldungspflicht nicht fällig. Der Mieter ist dann auch nicht verpflichtet, die Mitteilungsfrist des § 555d Abs. 2 BGB zu wahren (vgl. § 555d BGB Rz. 49). 3. Inhalt der Duldungspflicht 22 Inhaltlich verlangt die Duldungspflicht ebenso wie bei Maßnahmen gemäß § 555a Abs. 1 BGB, dass sich der Mieter passiv verhält1, also den Vermieter weder mündlich noch schriftlich an der Durchführung der Maßnahme hindert, etwa durch Verweigerung des Zutritts zu den Mieträumen oder – z.B. bei einer Fassadensanierung – durch gerichtliche Unterlassungsverfügung2. Der Vermieter kann aber nicht verlangen, dass der Mieter die Mietsache so vorbereitet, dass die Handwerker sofort mit ihrer Arbeit beginnen können3. Mit der h.M. ist davon auszugehen, dass den Mieter grundsätzlich keine Mitwirkungspflicht trifft4. Dies ergibt sich schon durch einem Umkehrschluss aus § 555d Abs. 5 BGB. Denn der Aufwendungsersatzanspruch würde (zumindest teilweise) leerlaufen, wenn der Mieter die Mietsache in irgendeiner Weise zur Durchführung der Maßnahme vorbereiten müsste. Allenfalls kann verlangt werden, dass er seine höchstpersönlichen Sachen (z.B. Unterwäsche) zusammenräumt (vgl. ausführlich § 555a BGB Rz. 49). 23 Stellt das Vorhaben des Vermieters weder eine Erhaltungs- noch eine Modernisierungsmaßnahme dar, besteht grundsätzlich keine Duldungspflicht (vgl. § 555b BGB Rz. 87). Allenfalls kommt ausnahmsweise ein Duldungsanspruch aus § 242 BGB in Betracht, wenn der Verzicht auf die Maßnahme für den Vermieter unzumutbar und die Weigerung des Mieters treuwidrig ist5. II. Ausschluss der Duldungspflicht 24 Gemäß § 555d Abs. 2 S. 1 BGB kann der Mieter die Duldung einer Modernisierungsmaßnahme verweigern, wenn die Modernisierungsmaßnahme für ihn, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushaltes eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen sowohl des Vermieters als auch anderer Mieter in dem Gebäude sowie von Belangen der Energieeffizienz und des Klimaschutzes nicht zu rechtfertigen sind. Trotz der sprachlichen Änderung gegenüber der bislang in § 554 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. enthaltenen Regelung verbleibt es inhaltlich im Wesentlichen bei der bisherigen Regelung. Die Änderung des Wortlauts dient allein der sprachlichen Straffung. In der Sache sind die ehemals im Gesetzestext aufge-

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LG Berlin v. 30.11.1995 – 67 S 158/95, NJW-RR 1996, 1163. KG v. 16.7.1992 – 8 RE Miet 3166/92, WuM 1992, 515. BFH v. 11.6.1986 – II B 49/83, ZMR 1986, 348. Blank/Börstinghaus, § 554 BGB Rz. 35 m.w.N. BGH v. 23.2.1972 – VIII ZR 91/70, NJW 1972, 723.

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führten Abwägungsgründe – mit Ausnahme der zu erwartenden Mieterhöhung (vgl. § 555d BGB Rz. 36) – wie bislang bei der gebotenen Abwägung zu berücksichtigen1. Neben den Interessen von Mieter, Vermieter und anderen Mietern sind nunmehr aber auch Belange des Klimaschutzes und der Energieeffizienz zu berücksichtigen. Diese konnten bei der Beurteilung einer nicht zu rechtfertigenden Härte bislang keine Berücksichtigung finden2. Erforderlich ist insoweit eine Abwägung der gegenseitigen Interessen sowie des Kli- 25 maschutzes, wobei insbesondere die vorzunehmenden Arbeiten, deren bauliche Folgen und die vorausgegangenen Aufwendungen des Mieters zu berücksichtigen sind. Bereits für § 554 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. war anerkannt, dass die dortige Verwendung des Wortes „insbesondere“ verdeutlichte, dass es sich um eine lediglich beispielhafte Aufzählung handelte. Daneben können – nach wie vor – im konkreten Fall auch noch andere Kriterien zu berücksichtigen sein3. Stets ist eine Interessenabwägung im Einzelfall erforderlich, die dazu führen muss, dass die Modernisierungsarbeiten für den geschützten Personenkreis unzumutbar sind, wobei der Mieter für die Härtegründe darlegungs- und beweispflichtig ist4. Bei einer Mehrheit von Mietern oder (Haushalts-)Angehörigen genügt es, wenn die Maßnahme für eine Person unzumutbar ist5. 1. Vermieterinteressen Auszugehen ist bei der Interessenabwägung vom Modernisierungsinteresse des Ver- 26 mieters6. Dabei steht regelmäßig im Vordergrund, dass der Vermieter die langfristige Vermietbarkeit seiner Immobilie durch Angleichung der Ausstattung an moderne Wohnanforderungen sichern und nebenbei andere Effekte (z.B. Energieeinsparung) erzielen will. Auch günstige Finanzierungsmöglichkeiten sind beachtlich. Befindet sich die Wohnung in einer Wohnungseigentumsanlage, sind zugunsten des Vermieters auch die Interessen der anderen Eigentümer zu berücksichtigen7. Das Gleiche gilt für die Interessen der übrigen Mieter des Gebäudes (vgl. § 555d BGB Rz. 38). Damit ist in erster Linie der Fall gemeint, dass mehrere Mieter mit der Durchführung der Maßnahmen ausdrücklich einverstanden sind und es sich zusätzlich um Maßnahmen handelt, die sich auf das ganze Gebäude beziehen, wie etwa bei Installation einer Zentralheizung. Gleiches gilt, wenn die gesamten Fenster oder sonstige Einrichtungen ausgetauscht werden sollen, und ein einheitliches Erscheinungsbild allein schon von der Optik her geboten erscheint. 2. Mieterinteressen Auf Mieterseite sind in die Abwägung einzubeziehen der Mieter selbst, seine Familie 27 oder andere Angehörige seines Haushalts. Der Begriff der Familie wird hier im familienrechtlichen Sinn verstanden8. Hierzu zählen also Verwandte i.S.d. §§ 1589, 1590 BGB, auch der Ehegatte einschließlich Pflegekinder und Pflegeeltern sowie der Verlobte. „Angehörige des Haushaltes“ können neben dem (gleichgeschlechtlichen oder eheähnlichen) Lebenspartner9 alle Personen sein, mit denen der Mieter in einem auf

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Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 21. Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 21. Emmerich/Sonnenschein, § 554 BGB Rz. 18 m.w.N. Horst, S. 88. AG Bergheim v. 27.5.1994 – 27 C 134/94, WuM 1996, 415; Emmerich/Sonnenschein, § 554 BGB Rz. 20. Emmerich/Sonnenschein, § 554 BGB Rz. 19; vgl. dazu auch BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 253/04, WuM 2005, 576. Blank/Börstinghaus, § 554 BGB Rz. 25. Köhler/Kossmann, § 48 Rz. 38. Begründung zum Gesetzentwurf der Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 49; Blank/Börstinghaus, § 554 BGB Rz. 25; Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 84; a.A. Köhler/Kossmann, § 48 Rz. 38.

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Dauer angelegten Haushalt lebt, oder sonstige im Haushalt des Mieters lebende Dritte, z.B. Kinder des Lebenspartners1. 28 Im Ergebnis werden also neben dem Mieter selbst und seinen Familienangehörigen alle Personen in die Abwägung einbezogen, die sich berechtigt in der Mietsache aufhalten. Dieser Aufenthalt muss dauerhaft angelegt sein2. Erfolgte dagegen eine Untervermietung ohne (ausdrückliche oder gegebenenfalls auch nachträgliche konkludente) Zustimmung des Vermieters, bleiben die Interessen des Untermieters unberücksichtigt, da sich dieser nicht berechtigterweise im Mietobjekt aufhält. Im Rahmen des § 555d Abs. 2 BGB kann der Vermieter nur gehalten sein, die Interessen der Personen zu berücksichtigen, die sich mit seiner Zustimmung in der Wohnung dauerhaft aufhalten oder für deren Aufenthalt keine Zustimmung notwendig ist (z.B. Ehegatte, Kinder). Andernfalls könnte der Mieter aus seinem vertragswidrigen Verhalten (= nicht genehmigte Gebrauchsüberlassung an Dritte) Vorteile für sich herleiten. a) Vorzunehmende Arbeiten 29 Üblicherweise werden hier als Kriterien Art und Intensität der geplanten Maßnahmen herangezogen. Gemeint sind in erster Linie Staub-, Schmutz- und Lärmentwicklungen. Dabei spielen auch Dauer und Umfang der Maßnahmen sowie die Frage, inwieweit der Aufenthalt in der Wohnung durch die Arbeiten eingeschränkt wird, eine Rolle. Gesundheitliche Gründe, z.B. Suizidgefahr3, können hier ebenso berücksichtigt werden wie das hohe Alter4 des Mieters oder sonstiger geschützter Personen. b) Bauliche Folgen 30 Die baulichen Folgen der geplanten Maßnahmen können unzumutbar sein, wenn die Mietsache erheblich umgestaltet wird. Während der Mieter geringfügige Veränderungen ohne weiteres hinnehmen muss, sind Arbeiten unzumutbar, die zu einer wesentlichen Veränderung der Mietsache führen, sodass sie mit dem ursprünglichen Vertragsgegenstand nicht mehr vergleichbar ist5. Dies ist insbesondere der Fall bei nicht nur unwesentlichen Grundrissänderungen6, vor allem, wenn sie nicht zu einer Verbesserung des Wohnungszuschnitts führen7, oder bei Verkleinerung, etwa durch Wegfall einzelner Räumlichkeiten wie oftmals der Speisekammer8. Wann eine Vergrößerungen der Wohnfläche oder Änderung des Grundriss überhaupt eine Modernisierung darstellen, ist im Einzelnen umstritten (vgl. § 555b BGB Rz. 84)9. Liegt bereits keine Modernisierungsmaßnahme im Sinne des § 555b BGB vor, besteht von vornherein keine Duldungspflicht, so dass eine Interessenabwägung nicht statt findet. 31 Die zu würdigenden Folgen erschöpfen sich jedoch nicht in Auswirkungen auf die Raumsituation. Auch ästhetische Gründe sind zu berücksichtigen. So kann die Zerstörung des architektonischen Gesamteindrucks eines durch Jugendstilfenster geprägten Raumes in einem Altbau in Verbindung mit einer Verkleinerung der Verglasung im Einzelfall als bauliche Folge des Einbaus von Isolierglasfenstern zu einer unzumutbaren Härte führen10. Ein wesentlicher Verlust an Licht und Sonne oder ein 1 Vgl. Begr. des RefE zum Mietrechtsreformgesetz, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 1125; Blank/Börstinghaus, § 554 BGB Rz. 25; Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 84. 2 Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 610; Palandt/Weidenkaff, § 554 BGB Rz. 18; a.A. Sternel, ZMR 2001, 1058 (1061) (Die Dauerhaftigkeit ergibt sich weder aus dem Gesetzestext noch lässt sie sich aus dem Merkmal der Haushaltsaufnahme ableiten). 3 BVerfG v. 14.1.1992 – 1 BvR 1273/91, WuM 1992, 104 (für Suizidgefahr). 4 Scholz, WuM 1995, 12 (15). 5 BGH v. 23.2.1972 – VIII ZR 91/70, NJW 1972, 723. 6 AG Mitte v. 14.10.1999 – 4 C 263/99, MM 2000, 280; AG Pankow-Weißensee v. 30.1.2008 – 7 C 366/07, NZM 2008, 769. 7 Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 50. 8 Vgl. AG Mitte v. 14.10.1999 – 4 C 263/99, MM 2000, 280; LG Berlin v. 7.10.2003 – 65 S 147/03, MM 2004, 44. 9 Staudinger/Emmerich, § 541a BGB a.F. Rz. 22; LG Köln v. 26.8.1992 – 10 S 139/92, WuM 1993, 40 m.w.N. (Vergrößerung um mehr als 10 %). 10 LG Berlin v. 26.6.2008 – 62 S 439/07, MM 2008, 370.

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erhöhter Lüftungsbedarf sind ebenso zu beachten wie mögliche Gesundheitsgefahren infolge des veränderten Zustandes. Auch das Alter des Mieters kann bei der Bewertung ausschlaggebend sein, wobei insbesondere seine subjektive Einschätzung der baulichen Folgen maßgeblich ist1. So kann es für den Mieter unzumutbar sein, wenn die 4 m breite, ungeteilte, aber einfach verglaste Panoramascheibe im Wohnzimmer durch ein Isolierglasfenster mit zwei Flügeln ersetzt werden soll, wenn er an einem Gefängnissyndrom leidet, weil er zehn Jahre wegen Republikflucht in Bautzen eingesessen hat und er die Wohnung gerade wegen des ungeteilten Fensters angemietet hat, damit sein Syndrom nicht ausgelöst wird2. c) Vorausgegangene Aufwendungen Vorangegangene Mietermodernisierungen sind nach der jüngeren Rechtsprechung 32 des BGH bereits bei der Beurteilung, ob überhaupt eine Modernisierungsmaßnahme vorliegt, zu berücksichtigen (vgl. § 555b BGB Rz. 13)3. Ist hiernach eine Modernisierungsmaßnahme anzunehmen, bleiben sie im Rahmen der Interessenabwägung des § 555d BGB grundsätzlich unberücksichtigt. Werden ansonsten vorausgegangene Aufwendungen des Mieters, die er noch nicht 33 abwohnen konnte, durch die Modernisierungsmaßnahmen zerstört, entwertet oder nutzlos4, kann dies bei einem deutlichen Überwiegen der Mieterinteressen ausnahmsweise zum Wegfall der Duldungspflicht führen. Typische Aufwendungen sind Bodenbelägeund Dekorationen, wie z.B. hochwertige Tapeten. Auf die Art der Aufwendung (z.B. notwendig oder nützlich) kommt es nicht an. Sofern entgegen der Auffassung des BGH Mietermodernisierungen nicht bereits bei der Frage berücksichtigt werden, ob überhaupt eine Modernisierung vorliegt (vgl. § 555b BGB Rz. 13), wären sie im Rahmen der Interessenabwägung zu beachten. Unter die zu berücksichtigenden Aufwendungen würden dann auch der frühere Ausbau des Bades5 oder der Küche durch den Mieter oder die Verlegung von Parkettböden fallen. In die Interessenabwägung würden aber nur solche Aufwendungen einfließen, denen der Vermieter ausdrücklich oder konkludent zugestimmt hat. Die bloße Duldung würde nicht genügen6. Außerdem wäre zu berücksichtigen, inwieweit der Mieter seine Investitionen ausreichend nutzen konnte. Nach überwiegender Ansicht sollen, in Anlehnung an § 2 des Gesetzes über die Rückerstattung von Baukostenzuschüssen7, Investitionen in Höhe einer Jahresmiete in vier Jahren abgewohnt sein8. Eine vor mehr als 20 Jahren vom Mieter eingebaute Gasetagenheizung würde gegenüber einer Modernisierungsmaßnahme des Vermieters daher in der Regel keine unzumutbare Härte darstellen9. Der Vermieter kann einen etwaigen Härtegrund ausräumen, indem er berücksichtigungsfähige Aufwendungen abgeltet10. Zu berücksichtigen ist auch, inwieweit der Vermieter in der Vergangenheit durch einen Verzicht auf an sich zulässige Mieterhöhungen die Aufwendungen des Mieters mitfinanziert hat.

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3. Wirtschaftlichkeit der Maßnahme Der Mieter kann dem Duldungsanspruch nicht entgegenhalten, die Maßnahme sei 35 unwirtschaftlich, weil z.B. die Ersparnis an Energie in keinem Verhältnis zur Miet1 2 3 4 5 6 7

8 9 10

LG Köln v. 8.11.2001 – 1 S 57/01, KM 32 Nr. 16. AG Köln v. 20.9.2000 – 219 C 484, KM 32 Nr. 15. BGH v. 20.6.2012 – VIII ZR 110/11, zitiert nach juris. Vgl. Lammel, § 554 BGB Rz. 62. AG Schöneberg v. 11.4.2007 – 14 C 561/05, MM 2008, 227. A.A. Bub/Treier/Kraemer, III Rz. 1109; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 199; Emmerich/Sonnenschein, § 554 BGB Rz. 22; Röder, NJW 1983, 2665. Richtig: Art. VI § 2 des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, anderer wohnungsbaurechtlicher Vorschriften und über die Rückerstattung von Baukostenzuschüssen v. 21.7.1961 (BGBl. I, S. 1041). LG Berlin v. 13.3.1998 – 64 S 35/97, GE 1998, 616; LG Hamburg v. 2.9.1983 – 11 S 157/83, MDR 1983, 1026; Scholz, WuM 1995, 12 (15); Sternel, NZM 2001, 1058 (1062), jew. m.w.N. LG Berlin v. 4.12.2007 – 63 S 130/07, MM 2008, 75. Bub/Treier/Kraemer, Rz. III 1109.

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erhöhung stehe1. Diese Erwägungen sind im Rahmen des § 555d Abs. 2 BGB unerheblich2. Zur Berücksichtigung solcher Erwägungen im Rahmen der Härtefallabwägung des § 559 Abs. 4 BGB vgl. § 559 BGB Rz. 106 ff. 4. Zu erwartende Mieterhöhung 36 Ob die zu erwartende Mieterhöhung sowie die künftigen Betriebskosten für den Mieter eine nicht zu rechtfertigende Härte darstellt, ist im Rahmen der Interessenabwägung des § 555d Abs. 2 S. 1 BGB nicht (mehr) zu berücksichtigen. Hierdurch soll verhindert werden, dass sinnvolle, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes gebotene Maßnahmen an der fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit des Mieters scheitern (vgl. auch § 555d BGB Rz. 3). Erst in Hinblick auf die Mieterhöhung ist sie gemäß § 559 Abs. 4 BGB zu berücksichtigen, § 555d Abs. 2 S. 2 BGB. 5. Sonstiges 37 Da die vorstehende Auflistung der Abwägungskriterien im Sinne des § 555d Abs. 2 S. 1 BGB nicht abschließend ist, können auch andere Gesichtspunkte in die Abwägung einfließen. So kann auch der Umstand einer bisher besonders günstigen Miete3 oder die noch verbleibende Mietzeit berücksichtigt werden. Kommt dem Mieter danach die Verbesserung kaum noch zugute (z.B. Restmietdauer: sechs Monate), kann der Vermieter verpflichtet sein die Maßnahme selbst dann zurückstellen, wenn er dadurch den erstrebten Steuervorteil nicht realisieren kann. 6. Interessen Dritter 38 Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist nicht allein auf die Interessen des Vermieters und des Mieters abzustellen, sondern auch auf die Interessen der anderen Mieter. Hier ist vornehmlich zu berücksichtigen, welche günstigen Auswirkungen die Modernisierungsmaßnahme für den genannten Personenkreis hat. So kann z.B. das hohe Alter der übrigen Mieter im mehrgeschossigen Gebäude ein gewichtiges Argument für den Einbau eines Fahrstuhls sein. 7. Energieeffizienz und Klimaschutz 39 Neben den Interessen von Mieter, Vermieter und anderen Mietern sind nunmehr ausdrücklich auch Belange des Klimaschutzes und der Energieeffizienz zu berücksichtigen. Die Möglichkeit, aufgewendete Modernisierungskosten auf die Mieter umzulegen, soll einen Anreiz für den Vermieter sein, kostenintensive Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen4. Letztlich dient die Durchführung von Modernisierungen insbesondere der Einsparung von Energie und Wasser und damit auch der Allgemeinheit, die durch eine sichtbare Verbesserung des Wohnbestandes, der Erhöhung des Wohnkomforts und der Wohnqualität, aber auch von der Entlastung der Umwelt profitiert5. 40 Diesem Allgemeininteresse wird nun ein größeres Gewicht beigemessen, indem ausdrücklich im Gesetz mit dem Hinweis auf die Energieeffizienz und den Klimaschutz die Berücksichtigungsfähigkeit festgelegt wird6. Je energiesparender eine Maßnahme ist, desto größere Beeinträchtigungen durch die Modernisierungsmaßnahme sind für einen Mieter gerechtfertigt (zur Frage, wann eine Maßnahme nach der EnEV als Modernisierung anzusehen ist, vgl. § 555b BGB Rz. 76 ff.).

1 Vgl. Lützenkirchen/Dickersbach, AHB Mietrecht, H Rz. 136; a.A. Blank/Börstinghaus, § 554 BGB Rz. 35; BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 149/03, WuM 2004, 285; BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 151/03, WuM 2004, 288; LG Berlin v. 14.1.2003 – 64 S 49/02, GE 2003, 394. 2 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 24. 3 AG Wiesbaden v. 28.3.2002 – 93 C 4042/01 - 20, WuM 2002, 309. 4 Vgl. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, § 559 BGB Rz. 6. 5 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsreformgesetzes, BT-Drucks. 14/4553, S. 58. 6 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 21.

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8. Vom Vermieter nicht zu vertretende Maßnahmen Eine vom Vermieter nicht zu vertretende Maßnahme unterfiel bis zum Mietrechts- 41 änderungsgesetz gerade nicht der Regelung des § 554 Abs. 2 BGB a.F. und musste daher auch nicht entsprechend den Vorgaben des § 554 Abs. 3 BGB a.F. angekündigt werden. Eine analoge Anwendung schied aus, da der Gesetzgeber solche baulichen Maßnahmen bewusst dem Anwendungsbereich des § 554 Abs. 2 und 3 BGB a.F. entzogen hatte, da seiner Auffassung nach andernfalls die Gefahr bestanden hätte, dass sich der Mieter auf Härtegründe beruft, obwohl der Vermieter nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Durchführung verpflichtet ist1. Nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen wurde dann die Duldungspflicht für derartige Maßnahmen auf § 242 BGB gestützt. Allerdings konnte auch eine Duldungspflicht aus § 242 BGB nur in Folge einer Interessenabwägung hergeleitet werden. Denn auch im Rahmen einer aus Treu und Glauben folgenden Duldungspflicht musste auf die Belange der betroffenen Mieter Rücksicht genommen werden2. Durch die Aufnahme in den Katalog der Modernisierungsmaßnahmen in § 555b Nr. 6 42 BGB ist auch für solche Maßnahmen künftig grundsätzlich eine Härtefallabwägung nach § 555d BGB durchzuführen. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass den Interessen des Vermieters in aller Regel besonderes Gewicht zukommen wird3. Eine Abwägung zum Nachteil des Vermieters im Falle einer nicht von ihm zu vertretenden Maßnahme ist grundsätzlich kaum vorstellbar. Andernfalls wäre er aufgrund der behördlichen oder gesetzlichen Anordnung einerseits verpflichtet, die Maßnahme durchzuführen und würde ggf. bei der Nichtbefolgung die Verhängung von Zwangsmitteln oder einem Bußgeld riskieren. Andererseits könnte er seiner gesetzlichen Verpflichtung aufgrund der fehlenden Duldungspflicht des Mieters nicht nachkommen. Dies kann gesetzgeberisch nicht gewollt sein. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Problematik grundsätzlich eine Interessenabwägung vorgesehen hat, so dass nicht stets von einem überwiegenden Interesse des Vermieters ausgegangen werden kann. In besonderen Ausnahmesituationen kann dennoch das Interesse des Mieters, z.B. drohende erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen, überwiegen. Dies ist dann in einem etwaigen verwaltungsrechtlichen Verfahren im Rahmen der Verhältnismäßigkeit von Zwangsmitteln oder einem Bußgeld zu berücksichtigen. Zudem ist vorstellbar, dass der Vermieter es unterlassen hat, den Rechtsweg gegen eine rechtswidrige behördliche Anordnung zu beschreiten, so dass der entsprechende Verwaltungsakt bestandskräftig geworden ist. Dies kann im Rahmen der Interessenabwägung nicht zu Lasten des Mieters gehen. Der Vermieter muss, soweit dies zumutbar ist, gegen belastende Verwaltungsakte vorgehen, jedenfalls soweit Anlass bestand, deren Rechtsmäßigkeit anzuzweifeln. Dies ist aus Sicht eines juristisch und betriebswirtschaftlich durchschnittlich gebildeten Vermieters zu beurteilen. Der Vermieter kann aber nicht verpflichtet werden, jede belastende Anordnung durch Einholung von Rechtsrat zu hinterfragen, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für deren Rechtswidrigkeit vorlagen. 9. Mitteilungsfrist § 555d Abs. 3 BGB schafft eine neue Frist für die Berücksichtigung von Umständen, die eine Härte i.S.d. § 555d Abs. 2 BGB (= § 554 Abs. 2 BGB a.F.) oder des § 559 Abs. 4 BGB begründen.

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a) Inhalt Gemäß § 555d Abs. 3 S. 1 BGB obliegt es dem Mieter, seine Härtegründe rechtzeitig 44 mitzuteilen, damit der Vermieter sich hierauf einstellen kann und so für die Durchführung des Bauvorhabens Planungssicherheit erhält. Der Mieter muss im eigenen

1 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsreformgesetzes, BT-Drucks. 14/4553, S. 49; Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 609. 2 BGH v. 4.3.2009 – VIII ZR 110/08, MDR 2009, 738 = MietRB 2009, 191. 3 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 20.

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Interesse überprüfen, ob die angekündigte Modernisierungsmaßnahme für ihn, einen Familien- oder sonstigen Haushaltsangehörigen eine ungerechtfertigte Härte i.S.d. § 555d Abs. 2 BGB darstellt. 45 Die Mitteilung muss sich auch auf solche Umstände erstrecken, die erst im Rahmen der Mieterhöhung Berücksichtigung finden können, § 559 Abs. 4 BGB. So soll der Vermieter Planungssicherheit erhalten und bereits vor Baubeginn beurteilen können, ob er die Miete nach Abschluss der Maßnahme nach den §§ 559 ff. BGB erhöhen kann. b) Textform 46 Die Mitteilung hat in Textform (§ 126b BGB) zu erfolgen. Höhere Anforderungen, z.B. Textform oder Zugang mittels eingeschriebenen Briefs, können gemäß § 555d Abs. 6 BGB nicht im Mietvertrag vereinbart werden. 47 Der Vermieter soll gemäß § 555c Abs. 2 BGB in der Modernisierungsankündigung (vgl. insoweit ausführlich § 555c BGB Rz. 142) auf die zu wahrende Textform hinweisen. Unterlässt er den Hinweis, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Modernisierungsankündigung. Die Fälligkeit des Duldungsanspruchs wird durch die Verletzung dieser Obliegenheit des Vermieters nicht berührt1. Allerdings bedarf die Mitteilung des Mieters gemäß § 555d Abs. 5 S. 1 BGB dann nicht der Textform, so dass auch eine mündliche Mitteilung ausreichend ist, es sei denn, der Hinweis wäre ausnahmsweise entbehrlich (vgl. § 555c BGB Rz. 49). Der Wortlaut des § 555d Abs. 5 BGB ist etwas missverständlich, da er darauf abstellt, dass auf Form und Frist nicht hingewiesen worden ist. Hieraus könnte gefolgert werden, dass, wenn auch nur in Bezug auf Form oder Frist ein Hinweis unterbleibt, der Mieter beides nicht einhalten müsste. Dies ist mit Sinn und Zweck der Regelung aber nicht vereinbar. Fehlt lediglich der Hinweis auf die Frist des Härteeinwands, wird auf die Form aber hingewiesen, muss der Mieter letztere wahren. Er ist lediglich nicht an die Frist des § 555d Abs. 3 BGB gebunden. c) Fristdauer aa) Allgemein 48 Die Mitteilungsfrist soll für den Vermieter zeitnah Rechtssicherheit schaffen, ob der Mieter die Maßnahme dulden wird2. Für die Mitteilung gilt die gleiche Fristdauer wie für die Erklärung der außerordentlichen Kündigung nach § 555e Abs. 1 BGB. Die Mitteilung muss bis zum Ablauf des Monats erfolgen, der auf den Zugang der Modernisierungsankündigung folgt. Dies erscheint zumutbar, denn die Frist beträgt mindestens einen, im günstigsten Fall fast zwei Monate. Für die Wahrung der Frist ist der Zugang der Mitteilung beim Vermieter maßgeblich (§ 130 BGB). bb) Fristversäumnis 49 Umstände, die eine Härte i.S.d. § 555d Abs. 2 BGB oder gemäß § 559 Abs. 4 BGB begründen, sind nach Fristablauf nur noch zu berücksichtigen, wenn der Mieter unverschuldet gehindert war, die Gründe fristgerecht mitzuteilen, z.B. wenn die Gründe erst nach Ablauf der Frist entstanden sind und diese sowie der Grund für die Verzögerung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, nach Wegfall des Hindernis mitgeteilt wird. Auch der Grund für die Verzögerung ist mitzuteilen, da der Vermieter nur so beurteilen kann, ob die nachträglich vorgebrachten Härtegründe noch zu berücksichtigen sind oder nicht. Pauschale Angaben genügen aber nicht. Im Übrigen kann hinsichtlich des Verschuldens auf die zu § 556 Abs. 3 S. 6 BGB entwickelten Grundsätze verwiesen werden. Die Darlegungs- und Beweislast für das fehlende Verschulden obliegt dem Mieter. 50 Umstände, die eine Härte im Hinblick auf die Mieterhöhung begründen, müssen aber spätestens bis zum Beginn der Modernisierungsmaßnahme mitgeteilt werden, § 555d

1 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/11894. 2 Hinz, ZMR 2012, 153; Flatow, PiG 90, 15.

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Abs. 4 S. 2 BGB. Eine spätere Mitteilung ist unbeachtlich, selbst wenn die Verspätung unverschuldet war. Sinn dieser Regelung ist es, bis spätestens zum Baubeginn klare Verhältnisse zu schaffen. Es handelt sich um eine zwingende Ausschlussfrist. Nur dann, wenn die tatsächliche Mieterhöhung die angekündigte um mehr als 10 % übersteigt, greift die Ausschlussfrist nicht, § 559 Abs. 5 S. 2 BGB. In diesen Fällen konnte der Mieter nicht im Vorfeld überprüfen, ob und inwieweit die Mieterhöhung eine unzumutbare wirtschaftliche Härte darstellt (hierzu vgl. § 559 BGB Rz. 126)1. Im Umkehrschluss ergibt sich hieraus, dass die personalen Härten, die einer Duldung 51 entgegengehalten werden können, auch noch später, also auch nach Beginn der Maßnahme, geltend gemacht werden können, wenn der Mieter an einer früheren Mitteilung unverschuldet gehindert war. Allerdings ist dem Interesse des Vermieters in der dann vorzunehmenden Abwägung der wechselseitigen Interessen ein besonderes hohes Gewicht beizumessen. Ein Überwiegen der Mieterinteressen wird in diesen Fällen nur ausnahmsweise in Betracht kommen, z.B. wenn Leib und Leben des Mieters konkret gefährdet sind. cc) Hinweis gemäß § 555c Abs. 2 BGB Gemäß § 555c Abs. 2 BGB soll der Vermieter in der Modernisierungsankündigung in 52 Textform auch auf die Frist des § 555d Abs. 3 S. 1 BGB hinweisen. Auf diese Weise soll der Schutz des Mieters vor der Unkenntnis der neu geschaffenen Befristung sichergestellt werden. Kommt der Vermieter dieser Obliegenheit nicht nach, läuft die Mitteilungsfrist des Mieters gemäß § 555d Abs. 5 S. 1 BGB nicht, d.h., der Mieter kann auch noch nach Fristablauf Härtegründe geltend machen. Der Hinweis auf die Frist ist von dem Hinweis auf die notwendige Form zu unterscheiden. Beides ist jeweils unabhängig voneinander zu prüfen (vgl. § 555d BGB Rz. 47). Härtegründe in Hinblick auf die Mieterhöhung müssen jedoch wegen des Verweises 53 in § 555d Abs. 5 S. 2 BGB auf § 555d Abs. 4 S. 2 BGB spätestens bis zum Beginn der Modernisierungsmaßnahme mitgeteilt werden Härtegründe hinsichtlich der Duldung der Maßnahme können hingegen auch noch nach Beginn derselben geltend gemacht werden (vgl. § 555d BGB Rz. 51)2. In diesem Fall kommt den Vermieterinteressen aber ein besonderes Gewicht zu. Insoweit kann auch nicht ohne weiteres darauf verwiesen werden, dass der Vermieter die Situation durch den unterbliebenen Hinweis gemäß § 555c Abs. 2 BGB selbst herbeigeführt hat. Ist dem Mieter die Frist des § 555d Abs. 3 S. 1 BGB zunächst aufgrund des unterlassenen Hinweises unbekannt geblieben, ist dies einer unverschuldeten Fristversäumnis gleichzustellen. Gerade für diese hat der Gesetzgeber das besondere Gewicht des Vermieterinteresses an der Fortsetzung der Arbeiten aber herausgestellt3. War dem Mieter auch ohne Hinweis des Vermieters die Frist des § 555d Abs. 3 S. 1 BGB bekannt, liegt nach der hier vertretenen Auffassung bereits kein Fall des § 555d Abs. 5 BGB vor, da der Mieter dann nicht schutzwürdig ist (vgl. § 555c BGB Rz. 49).

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dd) Übersicht Die Mitteilungsfrist in Hinblick auf die Mieterhöhung endet mit Ablauf des nächsten 55 Monats nach Zugang der Modernisierungsankündigung. Eine spätere Mitteilung wird nur dann berücksichtigt, wenn – die Frist unverschuldet versäumt wurde und die Mitteilung unverzüglich in Textform nachgeholt wird oder – der notwendige Hinweis gemäß § 555c Abs. 2 BGB unterbleibt und die Mitteilung bis spätestens bis zum Beginn der Modernisierungsmaßnahme erfolgt.

1 Begründung zum Gesetzentwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 25. 2 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 22. 3 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 22.

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56 Die Mitteilungsfrist betreffend die Duldungspflicht endet mit Ablauf des nächsten Monats nach Zugang der Modernisierungsmaßnahme. Eine spätere Mitteilung wird nur dann berücksichtigt, wenn – die Frist unverschuldet versäumt wurde und die Mitteilung unverzüglich in Textform nachgeholt wird oder – der notwendige Hinweis gemäß § 555c Abs. 2 BGB unterbleibt. Eine Berücksichtigung ist grundsätzlich auch noch nach Beginn der Maßnahme möglich. d) Unanwendbarkeit 57 Gemäß § 555d Abs. 3 S. 2 BGB kommt die Fristregelung dem Vermieter in bestimmten Fällen nicht zugute. Unterlässt der Vermieter die Ankündigung der Modernisierungsmaßnahme oder entspricht diese nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 555c BGB, wird eine etwaige Duldungspflicht des Mieters nicht fällig1. In diesen Fällen findet gemäß § 555d Abs. 3 Nr. 1 BGB die Ausschlussfrist des § 555d Abs. 3 BGB keine Anwendung. Der Mieter hatte in dieser Situation keine Möglichkeit zu prüfen, ob die beabsichtigte Maßnahme eine unzumutbare Härte für ihn darstellt. 58 Die gewählte Formulierung in § 555d Abs. 3 S. 2 BGB ist allerdings missverständlich. Aufgrund des Wortlautes könnte der Schluss gezogen werden, dass die Duldungspflicht des § 555d Abs. 1 BGB künftig nicht mehr von einer ordnungsgemäßen Modernisierungsankündigung abhängt. Immerhin bedarf es nur dann einer Regelung für die Verlängerung der Mitteilungspflicht, wenn überhaupt eine Duldungspflicht besteht. Besteht diese nicht, bedarf es auch keiner Regelung, dass etwaige Härtegründe auch noch über die Monatsfrist des § 555d Abs. 3 S. 1 BGB hinaus vorgebracht werden können. An der bislang geltenden Rechtslage wollte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung aber nichts ändern2. Eine anschließende Mieterhöhung nach Durchführung der Maßnahme wird hiervon nicht berührt (vgl. § 555c BGB Rz. 58). Allerdings kann der Mieter hier dann noch Härtegründe vortragen, da der Ausschluss nach § 559 Abs. 5 nicht greift. Da eine Mitteilungsfrist nicht ausgelöst wurde, konnte diese auch nicht versäumt werden. 59 Zu beachten ist zusätzlich, dass ein Verstoß gegen die Obliegenheit des § 555c Abs. 2 BGB die Duldungspflicht gemäß § 555d Abs. 1 BGB nicht entfallen lässt. Dennoch beginnt die Mitteilungsfrist nicht zu laufen, was in § 555d Abs. 5 BGB zusätzlich zu § 555d Abs. 3 S. 2 BGB nochmals klargestellt wird. 10. Beispiele für eine bejahte Duldungspflicht 60 – Die Installation eines Außenfahrstuhls ist eine grundsätzlich zu duldende Verbesserungsmaßnahme3. 61 – Examensvorbereitungen eines Studenten sind kein Härtegrund, wenn die Arbeiten nur wenige Tage dauern und das Lernen anderswo möglich ist4. 62 – Der Einbau neuer Fenster innerhalb eines Tages ist auch in der kalten Jahreszeit hinzunehmen5. 63 – Verlegearbeiten für Kabelfernsehen sind grundsätzlich zu dulden6, auch wenn der Mieter zunächst einen Kabelanschluss selbst hat verlegen lassen7. 64 – Das Neuverlegen von Be- und Entwässerungsleitungen unter Putz erhöht den Wohnkomfort8. 1 2 3 4 5 6 7 8

Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 21. Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 21. LG Berlin v. 21.11.1996 – 62 S 197/96, NJWE-MietR 1997, 146. AG Köln v. 5.12.1989 – 217 C 463/89, WuM 1990, 388. Blank, Verbesserungsmaßnahmen des Vermieters, S. 773. KG v. 27.6.1985 – 8 RE-Miet 874/85, WuM 1985, 248. AG Köln v. 4.6.1997 – 203 C 93/97, WuM 1997, 647. LG Berlin v. 29.4.1997 – 64 S 552/96, GE 1997, 1473.

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– Das Zusammenlegen eines kleinen Waschraumes mit Dusche mit dem Badezim- 65 mer ist wohnwertverbessernd und daher zu dulden1. Das Gleiche gilt für das Verlegen weißer Bodenfliesen und das Anbringen weißer Keramikwandfliesen2. – Eine vor mehr als 20 Jahren vom Mieter eingebaute Gasetagenheizung stellt ge- 66 genüber einer Modernisierungsmaßnahme des Vermieters keine unzumutbare Härte dar3. 11. Beispiele für verneinte Duldungspflicht Ankündigung

Bei fehlender Ankündigung besteht keine Duldungspflicht4. Dies gilt bei Außenmodernisierungsarbeiten auch, wenn der Mieter sich rein passiv verhält5. Zum Widerspruch ist der Mieter nicht verpflichtet.

Arbeitszeit

Unzulässig sind Arbeiten an Feiertagen und Sonnabenden sowie täglich etwa ab 18.00 Uhr. Soweit in diesem Zusammenhang spätestens 20.00 Uhr angesetzt wird6, erscheint dies als zu weitgehend.

Dringlichkeit

Bei nicht dringlichen Erhaltungsmaßnahmen und Modernisierungsarbeiten wird der Vermieter für verpflichtet gehalten, diese zurückzustellen, sofern der Auszug des Mieters nach Vertragsende kurzfristig absehbar ist. Hierbei ist unerheblich, ob es sich um Maßnahmen nach § 555a Abs. 1 oder § 555d Abs. 1 BGB7 handelt.

Fenster



– –

Führt der Einbau isolierverglaster Fenster zu einem danach erhöhten Lüftungsbedarf, der die Zumutbarkeit für den Mieter überschreitet, liegt für diesen eine Härte vor8. Das Gleiche gilt bei einer nachhaltigen Verschlechterung des Lichteinfalls9. Steht fest, dass infolge des Austausches von Holzkastenkoppelfenstern oder Holzverbundfenstern gegen Kunststoffisolierglasfenster eine Verbesserung des Gebrauchswertes der Wohnung nicht eintreten wird, muss die Maßnahme mieterseits nicht geduldet werden10.

Gesundheit

Die gesundheitliche Unversehrtheit des Mieters ist stets vorrangig gegenüber dem Modernisierungsinteresse des Vermieters11.

Heizung





Steuerersparnis

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Die Umstellung von Nachtstromspeicherheizungen auf eine Gaszentralheizung wird nur dann als Modernisierungsmaßnahme angesehen, wenn dadurch nachhaltig Energie eingespart wird12. Der Einbau einer neuen Zentralheizung in der Zeit zwischen November und März ist nicht zumutbar, auch wenn damit sonst keine Beschränkung für den Mieter verbunden ist13.

Ist das Ende der Mietzeit absehbar und wäre der Mieter von den Lasten durch Lärm, Schmutz, Aufräumarbeiten betroffen, fällt eine mögliche Steuerersparnis von 40 % für den Vermieter dann nicht ins Gewicht, wenn fraglich ist, ob diese Ersparnis auf Grund eines vorgesehenen Selbstbezugs der Wohnung überhaupt anfallen kann14.

LG Berlin v. 29.4.1997 – 64 S 552/96, GE 1997, 1473. LG Berlin v. 29.4.1997 – 64 S 552/96, GE 1997, 1473. LG Berlin v. 4.12.2007 – 63 S 130/07, MM 2008, 75. KG v. 1.9.1988 – 8 RE-Miet 4048/88, WuM 1988, 389. LG Düsseldorf v. 12.11.1998 – 21 S 433/98, WuM 1999, 113. Köhler/Kossmann, § 48 Rz. 46. LG Köln v. 25.11.1994 – 12 T 302/94, WuM 1995, 312. AG Hamburg-Altona v. 7.11.1985 – 14b C 271/84, WuM 1986, 245. AG Hamburg v. 21.7.1998 – 46 C 395/97, WuM 1999, 160. LG Berlin v. 30.4.2002 – 63 S 263/01, WuM 2002, 337. AG Hamburg v. 16.8.1988 – 43A C 2028/87, WuM 1988, 359 für 77-jährige Mieterin. AG Siegburg v. 8.12.1993 – 10 C 282/93, WuM 1994, 612. AG Köln v. 14.2.1975 – 152 C 1707/74, WuM 1975, 225. AG Fritzlar v. 31.3.2000 – 8 C 43/00, WuM 2002, 118.

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Strom-/Steigleitungen

Der Einbau verstärkter Steigleitungen ist nicht zu dulden, sofern damit nicht auch der Vorteil für den Einzelmieter verbunden ist, verbrauchsintensivere Geräte anschließen zu können1.

Veränderungen

Regelmäßig unzumutbar sind so umfangreiche Umgestaltungen der Wohnung, die dazu führen, dass der Neuzustand mit dem alten Vertragszustand nicht mehr vergleichbar ist. Dies gilt etwa, wenn das Kinderzimmer durch die geplante Vergrößerung des Bades überwiegend in Wegfall käme2.

Verbesserungen

Bewirkt eine Maßnahme nicht zugleich auch eine Verbesserung im Zusammenhang mit einer Energieeinsparung, sondern dient sie lediglich der Aufteilung des Gebäudes in Wohnungseigentum durch die erforderliche Abgeschlossenheit, hat der Mieter die Maßnahme nicht zu dulden3.

Besteht keine Duldungspflicht des Mieters, kündigt der Vermieter aber dennoch an, die Maßnahme durchzuführen zu wollen, kann dies den Mieter zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigen und eine Schadensersatzpflicht des Vermieters begründen4. III. Schadensersatzpflicht des Mieters 68 Verweigert der Mieter unberechtigterweise die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen, kann dies zu einem Schaden auf Seiten des Vermieters führen. Dieser besteht insbesondere in den entgangenen Mieteinnahmen, da er eine Mieterhöhung gemäß § 559 BGB erst nach Durchführung der baulichen Maßnahme erhöhen kann. Im Übrigen gelten die Ausführungen zur Schadensersatzpflicht des Mieters bei verweigerten Erhaltungsmaßnahmen entsprechend (vgl. § 555a BGB Rz. 57). IV. Änderung des Vertragsgegenstandes 69 Die Duldung selbst führt noch nicht zu einer Änderung des Vertragsgegenstandes, so dass der Mieter künftig einen mietvertraglichen Anspruch auf Nutzung der im Wege der Modernisierung eingebrachten Einrichtungen, z.B. eines neu installierten Aufzuges, für sich beanspruchen kann. Eine solche Vertragsänderung kommt erst durch die anschließende Mieterhöhung gemäß § 559 BGB, eine Mieterhöhung im Wege des § 558 BGB oder eine sonstige ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung zustande (vgl. ausführlich § 559 BGB Rz. 24 ff.). V. Maßnahmen nach EnEV 70 Eine besondere, in Zukunft gehäuft zu erwartende Frage wird sein, unter welchen Voraussetzungen der Vermieter die Duldung von Maßnahmen nach der Energieeinsparverordnung verlangen kann. Insoweit sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden. 1. § 9 Abs. 1 und 3 EnEV 71 Entschließt sich der Vermieter aus freien Stücken zur Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen zum Zwecke der Einsparung von Energie, gibt die EnEV regelmäßig bestimmte Mindestanforderungen vor, die es einzuhalten gilt. So bestimmt § 9 Abs. 1 und 3 EnEV, dass Änderungen an Außenbauteilen, wie z.B. Außenwänden, Fenstern, Fenstertüren, Dächern, dergestalt auszuführen sind, dass die in der Anlage 3 der EnEV vorgegebenen Wärmedurchgangskoeffizienten eingehalten sind. Nur dann, wenn weniger als 10 % der jeweiligen Gebäudeteilfläche betroffen sind, gilt dies nicht. In einem solchen Fall handelt es sich um eine reine Modernisierungsmaßnah-

1 2 3 4

LG Berlin v. 27.10.1998 – 65 S 224/98, NZM 1999, 705. LG Frankfurt v. 8.4.1986 – 2/11 S 351/85, WuM 1986, 138. LG Stuttgart v. 25.9.1991 – 13 S 204/91, WuM 1992, 13. BGH v. 31.10.2012 – XII ZR 126/11, NJW 2013, 223.

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me, für welche die Duldungspflicht des § 555d Abs. 1 BGB gilt1. Es ist vom Vermieter daher die Ankündigungspflicht gemäß § 555c BGB zu beachten. Die Vorgaben des § 9 EnEV gelten allerdings auch dann, wenn der Vermieter nicht 72 eine Modernisierung, sondern eine Instandsetzung, z.B. der Fassade, beabsichtigt. Anlass für eine solche Instandsetzung kann sowohl der freiwillige Entschluss des Vermieters, seiner gesetzlichen Erhaltungspflicht nachzukommen, aber auch eine entsprechende Verurteilung auf eine Mängelbeseitigungsklage des Mieters hin sein. In beiden Fällen muss der Vermieter aber dann, wenn mehr als 10 % der Bauteilfläche betroffen sind, die erhöhten Anforderungen der Anlage 3 der EnEV einhalten. Dies kann dazu führen, dass die gesamte Fassade mit einer Wärmedämmung versehen werden muss. Hier ist der Vermieter, der seiner Erhaltungspflicht nachkommen möchte, gezwungen, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen. Ihm steht es gerade nicht frei, nur das für die Erhaltung Notwendige auszuführen. Es handelt sich daher um eine vom Vermieter nicht zu vertretende Maßnahme i.S.d. § 555b Abs. 6 BGB so dass die Maßnahme insgesamt der Modernisierung zuzuordnen und damit auch gemäß § 555c Abs. 1 BGB anzukündigen und nur unter den Voraussetzungen des § 555d BGB vom Mieter zu dulden ist. Nur so kann den Interessen des Mieters in Hinblick auf die mögliche Mieterhöhung Rechnung getragen werden (vgl. auch § 555b BGB Rz. 78). 2. §§ 10 Abs. 2 ff. EnEV Weiter werden durch § 10 EnEV gewisse Nachrüstpflichten bestimmt. So müssen z.B. 73 bisher ungedämmte, zugängliche Warmwasserleitungen und Armaturen gedämmt werden, § 10 Abs. 2 EnEV. Auch müssen ungedämmte, nicht begehbare Geschossdecken beheizter Räume so gedämmt werden, dass ein bestimmter Wärmedurchgangskoeffizient erreicht wird, § 10 Abs. 4 EnEV. Bis zum MietRÄndG war die rechtliche Behandlung dieser Maßnahmen umstritten, da es sich nicht um Maßnahmen zur Erhaltung oder Modernisierung i.S.d. § 554 BGB a.F. handelte, sondern um gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen, so dass sich ein Duldungsanspruch allein aus § 242 BGB ergab2. Zwar ließen sich diese Maßnahmen auch unter § 559 Abs. 1 BGB a.F. subsumieren, zu berücksichtigen war aber, dass dem Mieter gerade nicht die Möglichkeit offenstehen soll, sich auf Härtegründe nach § 554 Abs. 2 BGB a.F. zu berufen. Eben aus diesem Grunde hatte der Gesetzgeber davon abgesehen, gesetzlich angeordnete Maßnahmen in § 554 Abs. 2 BGB a.F. zu normieren3. In § 555b Nr. 6 BGB wird nun jedoch ausdrücklich normiert, dass auch Umstände, die 74 der Vermieter nicht zu vertreten hat und die keine Erhaltungsmaßnahmen darstellen, als Modernisierungsmaßnahmen anzusehen sind. Durch die Aufnahme in den Katalog der Modernisierungsmaßnahmen ist auch für solche Maßnahmen künftig grundsätzlich eine Härtefallabwägung nach § 555d BGB durchzuführen. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass den Interessen des Vermieters in aller Regel besonderes Gewicht zukommen wird. Dies gilt umso mehr, als dass der Gesetzgeber in § 555d Abs. 2 S. 2 BGB die Belange der Energieeffizienz und des Klimaschutzes besonders betont hat (vgl. § 555d BGB Rz. 42).

75

3. §§ 10 Abs. 1, 10a Abs. 1 EnEV Einen Sonderfall stellt jedoch das Nutzungsverbot der §§ 10 Abs. 1 S. 1, 10a Abs. 1 76 EnEV dar. Insoweit ist zunächst auf die Ausführungen zu § 555b BGB Rz. 80 zu verweisen. Sofern die bisherige Anlage technisch einwandfrei funktionierte, ist die Situation in rechtlicher Hinsicht nicht anders zu beurteilen, als bei sonstigen öffentlich-rechtlich angeordneten Verbesserungsmaßnahmen, z.B. der nachträgliche Ein-

1 So auch Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 19e; Schach, GE 2007, 827; a.A. Lehmann-Richter, MietRB 2010, 340. 2 Vgl. Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 1a, der die Duldungspflicht von Maßnahmen nach der EnEV aber offenbar allgemein aus § 242 BGB herleitet. 3 BR-Drucks. 439/00, S. 123; Lehmann-Richter, MietRB 2010, 341.

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bau von Sicherungstüren in Fahrstühlen oder der nachträgliche Anschluss an die Kanalisation1. Auch hier ergibt sich die Duldungspflicht wegen § 555b Nr. 6 BGB nunmehr aus § 555d Abs. 1 BGB (zur Möglichkeit der Mieterhöhung vgl. § 559 BGB Rz. 125)2. 77 Anders ist dies zu beurteilen, wenn der Heizkessel oder das elektrische Speichersystem i.S.d. § 10a Abs. 1 EnEV ohnehin instandsetzungsbedürftig ist. In diesem Fall liegt zunächst einmal die Annahme einer Erhaltungsmaßnahme gemäß § 555a Abs. 1 BGB nahe. Da der Vermieter allerdings zum Einbau einer verbesserten Anlage gesetzlich verpflichtet ist, handelt es sich um eine nicht vom Vermieter zu vertretende Maßnahme im Sinne des § 555b Nr. 6 BGB und damit um eine Modernisierungsmaßnahme, für welche die Duldungspflicht dann – im Interesse des Mieters – insgesamt aus § 555d Abs. 1 BGB folgt (vgl. § 555b BGB Rz. 82). VI. Modernisierungspflicht 78 § 555d BGB begründet keine Modernisierungspflicht des Vermieters3. Solche können sich grundsätzlich allenfalls aufgrund spezialgesetzlicher Regelungen ergeben, z.B. der EnEV 2009 (vgl. § 555b BGB Rz. 76 ff.), aus denen der Mieter dann aber keinen eigenen vertraglichen Anspruch auf Modernisierung herleiten kann. Solche gesetzlich angeordneten Modernisierungen dienen nicht dem Interesse des Mieters, sondern der Allgemeinheit und verfolgen ökologische Zielsetzungen Auch aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit lässt sich eine Verpflichtung des Vermieters zur Modernisierung nicht herleiten. So muss der Vermieter eine vorhandene alte, aber unwirtschaftliche Heizungsanlage nicht austauschen, sofern dies nicht nach der EnEV geboten ist (vgl. § 555b BGB Rz. 80), und die Wärmeversorgung des Mietobjekts sichergestellt ist4. Er ist auch nicht verpflichtet, die Wohnungstür aktuellen Sicherheitsstandards anzupassen, wenn der Zustand der Türe den Sicherheitsanforderungen entsprechend der Bauweise und dem Baujahr genügt5. 78a Der BGH6 hat allerdings – mangels anderweitiger Vereinbarung – einen auf § 535 Abs. 1 BGB gestützten Anspruch des Mieters einer nicht modernisierten Altbauwohnung auf einen Mindeststandard anerkannt. Der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand einer Wohnung, der mangels konkreter vertraglicher Vereinbarungen nach der Verkehrsanschauung zu bestimmen sei, müsse auch bei der Anmietung einer unrenovierten Wohnung in einem Altbau einem Mindeststandard genügen, der ein zeitgemäßes Wohnen ermögliche und alle mit der Haushaltsführung üblicherweise verbundenen Tätigkeiten unter Einsatz technischer Hilfsmittel erlaube. Hierzu gehöre die Bereitstellung einer Stromversorgung, die einen Betrieb der gewöhnlichen Haushaltsgeräte ermögliche. Die bloße Kenntnis vom Zustand der Wohnung bei Anmietung genüge nicht, um eine abweichende Vereinbarung anzunehmen. Eine etwaige Kenntnis der Kläger von den genannten Unzulänglichkeiten bei Vertragsschluss stände gemäß § 536b BGB allenfalls Gewährleistungsansprüchen, nicht aber dem Erfüllungsanspruch des Mieters aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegen7. Dem ist nicht zu folgen, da der Mieter grundsätzlich in bautechnischer Hinsicht, und damit auch hinsichtlich der Stromversorgung, nicht mehr erwarten kann als die Einhaltung der maßgeblichen Standards und technischen Vorgaben im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes8. 1 LG Wiesbaden v. 27.10.1980 – 1 S 568/79, WuM 1982, 77; LG München II v. 17.9.1984 – 6 S 779/84, WuM 1985, 66; a.A. LG Hildesheim v. 23.2.1983 – 7 S 382/82, WuM 1985, 340. 2 Vgl. Lehmann-Richter, MietRB 2010, 340. 3 BGH v. 31.10.2007 – VIII ZR 261/06, MDR 2008, 70; AG Berlin-Mitte v. 6.9.2012 – 27 C 30/12, IMR 2013, 99; AG Hamburg v. 22.6.1988 – 40b 2213/87, WuM 1990, 70. 4 BGH v. 31.10.2007 – VIII ZR 261/06, MDR 2008, 70 = MietRB 2008, 33 (34 f.) = WuM 2007, 700. 5 AG Berlin-Mitte v. 6.9.2012 – 27 C 30/12, IMR 2013, 99. 6 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, NZM 2004, 736. 7 BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 63/95, NJW 1997, 2674; BGH v. 5.7.1989 – VIII ZR 334/88, NJW 1989, 3222; BGH v. 25.1.1982 – VIII ZR 310/80, NJW 1982, 874. 8 So zum Trittschall BGH v. 7.7.2010 – VIII ZR 85/09, MDR 2010, 1041; BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 355/03, NJW 2005, 218.

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VII. Mieterrechte 1. Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes § 555d Abs. 1 BGB regelt nur die Pflicht des Mieters, bestimmte Maßnahmen zu 79 dulden. Er mutet dem Mieter aber nicht zu, darüber hinausgehende dauerhafte Verschlechterungen der Mietsache hinzunehmen. So wurde dem Mieter der Anspruch auf Wiederinstallierung einer verschließbaren Balkontür zugesprochen, die bei Beginn des Vertrages vorhanden und durch das Erneuern der Fenster- und Türanlagen weggefallen war1. Die Wiederherstellung muss allerdings technisch möglich sein. Lediglich zwangsläufige Veränderungen auf Grund der Modernisierungsmaßnahmen, die nicht wiederherzustellen sind, entbinden den Vermieter insoweit. Da den Mieter grundsätzlich keine Mitwirkungspflicht trifft, hat der Vermieter die 80 Möbel des Mieters auf dessen Verlangen hin zu entfernen und für deren Abtransport und das Wiederein- und -aufstellen zu sorgen. Ferner ist der Vermieter verpflichtet, einen früheren vertragsmäßigen Zustand wiederherzustellen. Umfasst sind dabei in erster Linie Aufräumarbeiten, Beseitigung von Verschmutzungen nach Durchführung der Arbeiten. Auch wenn im Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahmen Schönheitsreparaturen fällig waren und dem Mieter wirksam die Renovierungslast überbürdet wurde, hat der Vermieter diese Arbeiten ebenso wie bei § 555a Abs. 1 BGB auszuführen (vgl. § 555a BGB Rz. 35). Umso mehr schuldet der Mieter auch keinen Ausgleich, wenn noch keine Fälligkeit von Renovierungsleistungen eingetreten war2. 2. Aufwendungsersatz § 555d Abs. 5 BGB verweist auf § 555a Abs. 3 BGB und begründet damit einen An- 81 spruch des Mieters auf Erstattung der ihm entstandenen Aufwendungen. Der Aufwendungsersatzanspruch des Mieters setzt die Durchführung von Maßnahmen nach § 555d BGB voraus sowie deren Kausalität für das Entstehen der Mieteraufwendungen3. Im Übrigen kann auf die Ausführungen zu § 555a Abs. 3 BGB verwiesen werden (vgl. § 555a BGB Rz. 62 ff.). 3. Minderung (§ 536 BGB) Die Durchführung von Modernisierungsarbeiten und deren Duldungspflicht für den 82 Mieter schließt das Minderungsrecht auch dann nicht aus, wenn der Mieter den Arbeiten ausdrücklich zugestimmt hat4. Die Höhe der Minderung richtet sich nach dem Ausmaß der Gebrauchsbeeinträchtigung, wobei sich generelle Kriterien hierzu nicht festlegen lassen (vgl. § 536 BGB Rz. 205). Auch das Mitglied einer Wohnungsbaugenossenschaft kann sich in seiner Funktion 83 als Mieter einer Genossenschaftswohnung auf die mietrechtlichen Gewährleistungsansprüche berufen5. Es ist nicht durch die bestehende genossenschaftliche Treuepflicht6 hieran gehindert. Allerdings setzen sich mit dieser Thematik nur wenige Entscheidungen auseinander. Anzusetzen ist bei § 536 Abs. 4 BGB. Danach ist bei der Wohnraummiete eine zum Nachteil des Mieters vom Minderungsrecht abweichende Vereinbarung unwirksam. Es kann nun nicht zweifelhaft sein, dass auch auf das Verhältnis des Mieters einer Genossenschaftswohnung zur Genossenschaft die

1 LG Bonn v. 2.7.1990 – 6 S 86/90, WuM 1990, 388; Horst, NZM 1999, 193 (194) m.w.Bsp. 2 AG Bad Bramstedt v. 26.8.1985 – 5a C 27/85, WuM 1987, 18; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. I 342. 3 Horst, NZM 1999, 194. 4 LG Mannheim v. 3.7.1985 – 4 S 29/85, WuM 1986, 139; LG Berlin v. 21.2.1995 – 64 S 382/94, MM 1995, 187. 5 OLG Karlsruhe v. 21.1.1985 – 3 REMiet 8/84, WuM 1985, 78; OLG Stuttgart v. 11.6.1991 – 8 REMiet 1/91, MDR 1991, 1061 = WuM 1991, 379. 6 BGH v. 14.10.2009 – VIII ZR 159/08, NZM 2010, 121; LG Offenburg v. 10.3.1998 – 1 S 191/97, WuM 1998, 289.

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allgemeinen mietrechtlichen Vorschriften des BGB anwendbar sind1. Damit ist aber auch die Haftung des Vermieters für Sachmängel betroffen. So ist das Minderungsrecht nicht aufgrund des genossenschaftlichen Treuegedankens ausgeschlossen, selbst wenn der Vermieter in Verfolgung seiner satzungsmäßigen Aufgaben handelt2. Die Annahme eines Ausschlusses des Minderungsrechts aus Gründen des genossenschaftlichen Zwecks in Verbindung mit der Treuepflicht des Mitgliedes würde dazu führen, dass das Mitglied einerseits die Zahlung des (vollen) Nutzungsentgelts zu erbringen hätte, wohingegen die Genossenschaft ihre Verpflichtung zur Überlassung einer mangelfreien Wohnung nicht zu erfüllen hätte, was dem Mitglied nicht zumutbar ist3. 84 Hat ein Genossenschaftsmitglied für die Dauer der Modernisierungsarbeiten – im Gegensatz zu den übrigen Genossenschaftsmitgliedern – die Miete gemindert, kann die Genossenschaft nach Abschluss der Arbeiten eine Mieterhöhung gemäß § 558 BGB oder nach § 559 BGB gegenüber diesem Genossenschaftsmitglied erklären, auch wenn sie gegenüber den anderen hierauf verzichtet. Dem steht auch nicht der genossenschaftliche Gleichheitsgrundsatz entgegen. Dieser verbietet nämlich nur eine willkürliche Ungleichbehandlung. Indem der Mieter die Miete gemindert hat, während andere Mitglieder der Genossenschaft in deren Interesse hiervon abgesehen haben, hat der mindernde Mieter selbst einen unterschiedlichen Tatbestand geschaffen, an den die Genossenschaft unterschiedliche Konsequenzen knüpfen kann4. 85 Führt der Vermieter eine energetische Modernisierung gemäß § 555b Nr. 1 BGB durch, ist das Minderungsrecht des mietenden Genossenschaftsmitgliedes gemäß § 536 Abs. 1a BGB allerdings für die Dauer von drei Monaten ausgeschlossen. 4. Schadensersatz 86 Dem Mieter ist auch ein Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 280 BGB oder unerlaubter Handlung nicht verwehrt, sofern sein Eigentum während der Modernisierungsmaßnahmen schuldhaft beschädigt wird5. Aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderung kann der Mieter aber verpflichtet sein, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, also z.B. besonders kostbare Möbel abzudecken6, oder zumindest den Vermieter hierauf hinzuweisen. 5. Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) 87 Die Duldung der Modernisierungsarbeiten kann der Mieter verweigern bis zur Zahlung des (berechtigterweise) verlangten Kostenvorschusses gemäß § 555d Abs. 5 BGB. Das Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) muss allerdings ausgeübt werden. 88 Fraglich ist, ob der Mieter über eine etwaige Minderung hinaus zusätzlich ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen kann. Dies ist im Fall eines mangelhaften Mietobjekts grundsätzlich anerkannt (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 7 ff.). Allerdings dient das Zurückbehaltungsrecht in diesem Fall dazu, den Druck auf den Vermieter zu erhöhen, den Mangel zu beseitigen7. Bei einer Modernisierungsmaßnahme ist der Vermieter grundsätzlich aber bereits selbst an einer zügigen Durchführung interessiert, da er einerseits eine langwierige Mietminderung vermeiden möchte und erst nach Abschluss der Arbeiten eine Mieterhöhung gemäß § 559 BGB erklären kann (vgl. § 559b BGB Rz. 42). Ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters ist daher in der Regel nicht geeignet, den gewünschten Erfolg herbeizuführen, und scheidet damit aus, was sich aus einer teleologischen Reduktion der Norm ergibt. Nur dann, wenn der Vermieter die 1 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. I 37. 2 LG Köln v. 8.5.2008 – 1 S 387/06, ZMR 2008, 718; AG Köln v. 26.5.1994 – 214 C 92/94, KM 32 Nr. 9 = WuM 1995, 312; a.A. Lützenkirchen, WuM 1995, 423. 3 LG Dresden v. 14.10.1997 – 15 S 0316/97, ZMR 1998, 292. 4 BGH v. 14.9.2009 – VIII ZR 159/08, NZM 2010, 121; LG Köln v. 8.5.2008 – 1 S 387/06, ZMR 2008, 718. 5 Horst, NZM 1999, 193 (195) m.w.N. 6 Kinne in Kinne/Schach, § 554 BGB Rz. 151. 7 Vgl. auch Palandt/Heinrichs, § 273 BGB Rz. 1.

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bauliche Maßnahme nicht in der gebotenen Zügigkeit abwickelt, kann sich der Mieter daher über die Minderung hinaus auch noch auf ein Zurückbehaltungsrecht an der laufenden Miete berufen. Für die verzögerte Fertigstellung ist allerdings der Mieter darlegungs- und beweispflichtig, der das Zurückbehaltungsrecht für sich in Anspruch nimmt. VIII. Prozessuales 1. Duldungsklage Der Vermieter muss den Duldungsanspruch mit der Klage durchsetzen. Die Dul- 89 dungsklage ist eine Leistungsklage. a) Klageantrag und Begründung Die baulichen Modernisierungsmaßnahmen sind detailliert im Duldungsantrag zu 90 bezeichnen1. Wie konkret der Klageantrag zu fassen ist, wird nicht ganz einheitlich beantwortet. Vereinzelt wird vertreten, dass ein pauschaler Antrag ausreichend ist („den Einbau einer Zentralheizung zu dulden“), wenn die Maßnahmen in der Klagebegründung ausreichend erörtert werden2. Überwiegend wird jedoch zutreffend angenommen, dass schon im Klageantrag die Arbeiten genügend spezifiziert genannt sein müssen3. Zur Vermeidung eines Risikos sollte der Klageantrag ausführlich gestaltet sein. Gleichzeitig sollte der Duldungsantrag auch mit der Verpflichtung zur Zutrittsgewährung verbunden werden, um sich die Vollstreckung nach § 887 ZPO zu eröffnen. In der Klagebegründung sind die geplanten Arbeiten in jedem Fall mindestens ge- 91 nauso präzise und ausführlich zu schildern wie in einer Ankündigung nach § 555c Abs. 1 BGB4. Darlegungen zur Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen sind keine Voraussetzung für 92 die Begründetheit der Klage5. Der Mieter kann allenfalls vortragen und gegebenenfalls unter Beweis stellen, dass die mitgeteilte Mieterhöhung als solche für ihn eine Härte darstellt. Das Gleiche gilt bei Maßnahmen zur Energieeinsparung zum Verhältnis der voraussichtlichen Mieterhöhung zum Gegenwert der für möglich gehaltenen Energieeinsparung6. Dieser Einwand kann allerdings nunmehr nicht mehr dem Duldungsanspruch ent- 93 gegen gehalten werden, sondern nur noch der Mieterhöhung selbst. Im Duldungsprozess ist er also unbeachtlich. Erst im Rahmen der Zahlungsklage nach Mieterhöhung kann der Einwand vor Gericht Berücksichtigung finden. b) Streitwert Während der Streitwert der Duldungsklage vor Inkrafttreten der Neufassung des Ge- 94 richtskostengesetzes vom 5.5.2004 überwiegend mit dem 42fachen Betrag der monatlichen Minderung7 oder dem 42fachen der monatlich veranschlagten Mieterhöhung8

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Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. V 27. Bub/Treier/Fischer, VIII Rz. 28. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. V 28. Horst, S. 42 f. Vgl. BGH v. 10.4.2002 – VIII ARZ 3/01, WuM 2002, 366; BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 253/04, WuM 2005, 576. 6 Vgl. BGH v. 10.4.2002 – VIII ARZ 3/01, WuM 2002, 366; BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 149/03, WuM 2004, 285; BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 151/03, WuM 2004, 288; BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 253/04, WuM 2005, 576. 7 OLG Hamburg v. 27.6.1995 – 4 W 26/95, WuM 1995, 595; LG Berlin v. 21.12.2001 – 63 T 97/01, MM 2002, 53; LG Berlin v. 13.2.2001 – 64 S 21/01, MM 2001, 152; LG Berlin v. 28.2.2000 – 67 T 149/99, GE 2000, 472; LG Kiel v. 3.12.2001 – 1 T 61/01, WuM 2003, 37. 8 LG Freiburg v. 18.7.2000 – 3 S 300/99, WuM 2002, 171.

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angenommen wurde, richtet er sich jetzt in entsprechender Anwendung des § 41 Abs. 5 GKG nach dem Jahresbetrag einer möglichen Mieterhöhung1. 95 Der Beschwerdewert im Berufungsverfahren soll bei einer Klage des Vermieters auf Gestattung des Betretens der Wohnung zur Durchführung von Modernisierungsarbeiten mit dem zwölffachen der monatlich denkbaren Mietminderung bemessen werden2. Richtigerweise wird man auch hier auf die mit den Arbeiten zu begründende Mieterhöhung abstellen müssen. Der Beschwerdewert bemisst sich dann nach dem 42fachen (möglichen) Erhöhungsbetrag gem. § 9 ZPO3. c) Vollstreckung 96 Die Vollstreckung aus dem Duldungstitel gegen den Mieter erfolgt nach § 888 ZPO durch Verhängung von Zwangsgeld, wenn der Klageantrag nicht als vertretbare Handlung formuliert ist. Dann richtet sich die Vollstreckung nach § 887 ZPO. 2. Einstweilige Verfügung des Vermieters 97 Nach allgemeiner Meinung muss der Duldungsanspruch aus § 555d Abs. 1 BGB grundsätzlich im Wege der Duldungsklage durchgesetzt werden4, und zwar auch dann, wenn der Mieter den Arbeiten ausdrücklich zugestimmt hat. 98 Bei Modernisierungen scheidet regelmäßig ein Eilverfahren aus, weil eine Wohnwertverbesserung oder Energieeinsparung nicht dringlich sein kann. Ausnahmen sind nur denkbar, wenn gleichzeitig oder ausschließlich ein gefährlicher Zustand beseitigt werden muss. Eine einstweilige Verfügung kommt daher allenfalls bei Erhaltungsmaßnahmen gemäß § 555a Abs. 1 BGB oder einer modernisierenden Instandsetzung (vgl. § 555b BGB Rz. 14) in Betracht (vgl hierzu insgesamt § 555a BGB Rz. 77 ff.). 99 Die einstweilige Verfügung ist regelmäßig auf Gestattung des Zutritts durch den Vermieter oder Handwerker gerichtet und beinhaltet damit eine Vorwegnahme der Hauptsache, die grundsätzlich unzulässig ist. Denn begehrt wird eine Leistungsverfügung, die zur Befriedigung des behaupteten Anspruchs des Vermieters führen würde, da etwa die defekte Heizungsanlage ausgetauscht werden muss5. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Vermieter für die Arbeiten bereits feste Termine geplant hat6. 3. Einstweilige Verfügung des Mieters 100 Der Mieter kann einen Anspruch auf Unterlassung bevorstehender oder bereits gegen seinen Willen begonnener Arbeiten grundsätzlich mit der einstweiligen Verfügung geltend machen, sofern die gemäß § 555c BGB geforderte Ankündigung durch den Vermieter fehlerhaft oder gar nicht erfolgte und gegen den Mieter kein rechtskräftiger Duldungstitel vorliegt7. 101 Dies gilt auch für Außenmodernisierungen, welche die Wohnung nicht unmittelbar betreffen8, zumindest wenn der Mieter glaubhaft machen kann, dass mit der Außen1 KG v. 28.9.2009 – 22 W 47/09, MietRB 2010, 72 = WuM 2010, 46; LG Hamburg v. 15.8.1991 – 311 S 26/91, MDR 1991, 1095 = ZMR 1991, 437; LG Köln v. 11.6.1991 – 1 S 117/91, WuM 1991, 563; Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 64; Lützenkirchen/N. Schneider, AHB Mietrecht, N Rz. 450; a.A. allerdings für den Zeitraum vor Neufassung des Gerichtskostengesetzes LG Hamburg v. 23.10.1984 – 16 T 76/84, ZMR 1985, 127; LG Berlin v. 30.10.1995 – 67 T 103/95, GE 1996, 129; LG Fulda v. 24.1.1992 – 1 S 173/91, MDR 1992, 577 = WuM 1992, 243. 2 LG Saarbrücken v. 11.10.1993 – 13 BS 197/93, WuM 1993, 746. 3 BGH v. 21.5.2003 – VIII ZB 10/03, AnwBl. 2003, 597. 4 Horst, NZM 1999, 193 (195) m.w.N. 5 BezG Potsdam v. 5.8.1993 – 6 T 61/93, WuM 1993, 599; LG Köln v. 10.2.1977 – 1 S 479/76, WuM 1984, 199; AG Büdingen v. 16.9.1982 – 2 C 455/82, WuM 1982, 282 (für Umbauarbeiten in der Wohnung); AG Wuppertal v. 19.11.1979 – 30 C 611/79, WuM 1980, 180. 6 AG Görlitz v. 10.6.1993 – 7 C 0371/93, WuM 1993, 390; LG Frankenthal/Pfalz v. 12.5.1993 – 2 S 3/93, WuM 1993, 418. 7 OLG München v. 29.7.1991 – 21 W 1961/91, WuM 1991, 481. 8 Vgl. LG Berlin v. 22.2.1996 – 61 S 257/95, MDR 1996, 899 = WuM 1996, 407 (Fahrstuhleinbau).

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modernisierung eine nicht nur unerhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung seines Mietobjekts verbunden ist (insbesondere Lärm-, Geruchs- und Staubimmissionen)1. In diesem Fall folgt der Unterlassungsanspruch aus §§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB2. Der Mieter kann darüber hinaus die Wiederherstellung eines der bisherigen Wohn- 102 qualität entsprechenden Wohnungszustandes mit einer einstweiligen Verfügung durchsetzen3. Voraussetzung ist aber auch hier die Eilbedürftigkeit, so z.B. bei der Entfernung des Eingangsbereiches im Zuge der Arbeiten mit der Folge, dass der Wohnbereich des Mieters nicht mehr abgesichert ist4. Dies gilt erst recht in Fällen, in denen der Vermieter „Fakten schafft“, die Auswirkungen auf die Nutzung der Wohnung haben. So kann der Mieter per einstweiliger Verfügung die Wiederherstellung der Gasversorgung für die Gasetagenheizung oder die Stromversorgung geltend machen. Bislang wurden vertreten, dass Einwände des Vermieters, der Mieter habe den An- 103 schluss an die neu geschaffene Gaszentralheizung und die Installation eines Elektroherdes nach § 555a Abs. 1 oder § 555d Abs. 1 BGB zu dulden, als materiell-rechtliche Einwände im Besitzschutzprozess ohne Berücksichtigung blieben (§§ 863, 864 Abs. 2 BGB)5. Dem kann nicht mehr gefolgt werden, seit der BGH zutreffend klargestellt hat, dass die zur Nutzung des Mietobjekts erforderlichen Energielieferungen nicht Bestandteil des Besitzes sind und daher auch nicht Gegenstand des Besitzschutzes nach §§ 858 ff. BGB sein können6. Ein etwaiger Anspruch des Mieters auf Fortsetzung der Versorgungsleistungen ergibt sich zwar auch unmittelbar aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB, insoweit sind aber materielle Einwände des Vermieters und damit auch ein Duldungsanspruch zu berücksichtigen. Hier muss dann allerdings berücksichtigt werden, dass es sich bei dem vorläufigen Rechtsschutz lediglich um ein abgekürztes, vorläufiges Verfahren handelt7, in dem lediglich eine summarische Prüfung der Tatsachen stattfindet. Andererseits sind Rechtsfragen ohne Einschränkung zu bescheiden. Hieraus folgt dann, dass wenn nur Rechtsfragen zu klären sind, also z.B. ob es sich bei der beabsichtigen baulichen Maßnahme um eine Modernisierungsmaßnahme handelt oder der unstreitige Sachverhalt eine unzumutbare Härte begründet, das Gericht die jeweilige Rechtsfrage zu entscheiden hat. Sind hingegen Tatsachen, wie z.B. der Zugang der Ankündigung oder die Tatsachen, aus denen eine unzumutbare Härte folgen soll, strittig, muss eine Abwägung der Vor- und Nachteile für die Parteien in beiden Fällen stattfinden. Regelmäßig – wegen der drohenden Vorwegnahme der Hauptsache – wird diese Abwägung zugunsten des Mieters ausfallen. Sofern der Besitz des Mieters durch das Vorgehen des Vermieters beeinträchtigt wird, greift jedoch der gesetzlich verbürgte Besitzschutz, so dass es hierauf nicht ankommt. 4. Darlegungs- und Beweislast Behauptet der Vermieter einen Duldungsanspruch nach § 555d Abs. 1 BGB, obliegt 104 es ihm darzulegen und zu beweisen, dass die beabsichtigte Maßnahme eine objektive

1 LG Hamburg v. 11.11.2008 – 334 S 38/08, ZMR 2009, 208; AG Pankow-Weißensee v. 15.2.2007 – 3 C 1014/06, GE 2007, 989; Palandt/Bassenge, § 862 BGB Rz. 3. 2 LG Berlin v. 12.3.2012 – 63 T 29/12, zitiert nach juris. 3 AG Wolgast v. 12.11.1993 – C 544/93, WuM 1994, 265 (Wiederabsicherung des Eingangsbereichs); a.A. LG Berlin v. 3.9.1998 – 62 S 183/98, GE 1999, 317 (nur bei Eingriff in das Besitzrecht des Mieters oder bei Drohung wesentlicher Nachteile für geplanten Lift). 4 AG Wolgast v. 12.11.1993 – C 544/93, WuM 1994, 265. 5 AG Mitte v. 26.7.2001 – 16 C 1007/01, MM 2002, 227. 6 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = NZM 2009, 482; ebenso KG v. 8.7.2004 – 12 W 21/04, NZM 2005, 65; LG Berlin v. 22.12.2008 – 12 O 480/08, GE 2009, 518; AG Bergheim v. 15.12.2003 – 27 C 744/03, ZMR 2005, 53; AG Hohenschönhausen v. 10.7.2007 – 9 C 120/07, GE 2007, 1127; Ulrici, ZMR 2003, 895 (896); Mummenhoff, DWW 2005, 312 (315); Scholz, NZM 2008, 387 (388 f.); Krause, GE 2009, 484; a.A. OLG Köln v. 26.4.2004 – 1 U 67/03, NZM 2005, 67; OLG Celle v. 28.4.2005 – 11 U 44/05, NZM 2005, 741; OLG Koblenz v. 24.7.2000 – 3 W 472/00, OLGR 2001, 2; Gaier, ZWE 2004, 109 (113); grundsätzlich auch KG v. 29.8.2005 – 8 U 70/05, KGR 2005, 945 = ZMR 2005, 951 (für den Fall des unbeendeten Mietverhältnisses). 7 Prütting/Gehrlein/Fischer, § 916 ZPO Rz. 1.

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Verbesserung des Objekts oder eine Energie- bzw. Wassereinsparung bewirkt, dass sie einen allgemein üblichen Zustand des Mietobjekts herbeiführt sowie sein und das bei der Interessenabwägung zu berücksichtigende Interesse der übrigen Mieter an der Durchführung der Maßnahme. Weiter muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er die Ankündigungspflicht nach § 555c Abs. 1 BGB ordnungsgemäß erfüllt hat oder dass es sich um eine Bagatellmaßnahme i.S.d. § 555c Abs. 3 BGB handelt. Demgegenüber muss der Mieter dartun und beweisen, dass die Maßnahme für ihn, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine besondere Härte bedeutet. 105 Macht der Mieter einen Vorschussanspruch nach § 555d Abs. 5 BGB geltend, muss er die Voraussetzungen eines aus einem Vorschussanspruch abgeleiteten Zurückbehaltungsrechtes (vgl. § 555d BGB Rz. 81) sowie die Voraussetzungen eines Aufwendungsersatzanspruchs selbst beweisen. IX. Mietermodernisierung 1. Duldungsanspruch 106 Eine dem § 555d BGB vergleichbare Regelung, die eine Verpflichtung des Vermieters regeln würde, bestimmten Maßnahmen des Mieters zuzustimmen oder sie zu dulden, gibt es nur für den Ausnahmefall, dass ein behinderter Mieter bauliche Veränderungen durchführen will, § 554a BGB. Hierbei muss es sich allerdings nicht zwingend um eine Modernisierung i.S.v. § 555d Abs. 1 BGB handeln. 107 Daneben erwähnen die §§ 536a Abs. 2 Ziff. 2 und 539 BGB (notwendige und sonstige) Aufwendungen des Mieters. Ansonsten ist in § 552 BGB lediglich festgelegt, dass der Vermieter grundsätzlich ausgleichspflichtig ist, wenn der Mieter geschaffene Einrichtungen auch nach seinem Auszug in der Wohnung zurücklassen soll. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, muss der Mieter spätestens beim Auszug alle Maßnahmen rückgängig machen und den ursprünglichen Zustand wiederherstellen (§ 258 S. 1 BGB). Auch dort wird jedoch nicht danach differenziert, ob es sich dabei um Modernisierungen handelt. 108 Über die Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht hinaus steht dem Mieter grundsätzlich kein Anspruch zu, Modernisierungen der Mietsache vom Vermieter zu verlangen1. Führt der Vermieter Modernisierungsmaßnahmen durch, hat der Mieter aber einen Anspruch darauf, dass der Vermieter die geltenden technischen Normen einhält2. 2. Zustimmung des Vermieters 109 Enthält der Mietvertrag keine Regelungen dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen der Mieter Ein- oder Umbauten vornehmen darf, ist zu untersuchen, ob er im Einzelfall zur Durchführung der Maßnahme die Zustimmung des Vermieters einholen muss. Ein solcher Fall ist z.B. in § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB geregelt: Danach kann der Mieter notwendige Verwendungen auf die Sache machen, ohne vorher den Vermieter zu fragen3. 110 Grundsätzlich bedarf der Mieter auch für Verbesserungsmaßnahmen keiner Zustimmung des Vermieters, wenn es sich bei den Maßnahmen um Arbeiten handelt, die weder das Mietobjekt in der Substanz noch die Wohnanlage oder Mitbewohner beeinträchtigen, da dem Mieter im Rahmen des Vertragszwecks der freiestmögliche Ge-

1 BGH v. 31.10.2007 – VIII ZR 261/06, MDR 2008, 70 = MietRB 2008, 33 (34 f.) = WuM 2007, 700; LG Berlin v. 8.2.2002 – 64 S 355/01, MM 2002, 331; Horst, S. 149 m.w.N.; a.A. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. II 220. 2 LG Berlin v. 11.2.2008 – 67 S 64/07, WuM 2008, 931. 3 OLG Frankfurt v. 26.2.1980 – 5 U 138/79, WuM 1981, 63 (Verlegung der für die Versorgung der Wohnung mit Gas, Wasser und Strom erforderlichen Leitungen oder die zum Schutz notwendige Errichtung einer Einfriedung).

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brauch gewährt werden soll. Bei Beendigung des Mietverhältnisses müssen sich aber die vorgenommenen Veränderungen leicht wieder beseitigen lassen1. Beispiele: Verlegung von Teppichboden, Aufstellen einer transportablen Duschkabi- 111 ne2, Verkleidung des Balkons mit einem Plexiglas-Vordach3 oder Installation moderner Haushaltsgeräte in der Küche4. In diesem Zusammenhang sind ebenfalls das Anbringen von Dübeln und Haken, einer Klingelleitung5 und das Bohren von Löchern wegen der damit verbundenen Substanzbeschädigung, aber nicht das Installieren eines Türspions6 zu nennen. 3. Anspruch auf Zustimmung Gehen die Maßnahmen des Mieters über den beschriebenen Umfang hinaus, ist die Zu- 112 stimmung des Vermieters grundsätzlich einzuholen. Ob der Mieter einen Anspruch auf Zustimmung hat, ist im Rahmen einer Abwägung zu ermitteln7. Ausgangspunkt ist der Vertragszweck8. Insoweit ist zu berücksichtigen, ob der Mieter mit der Maßnahme lediglich einen Zustand herstellen will, wie er allgemein üblich ist, weil nur so die Wohnung diesem Standard entspricht. In diesen Fällen kann der Vermieter selbst bei einem vertraglichen Genehmigungsvorbehalt zur Zustimmung der Maßnahme verpflichtet sein9. Grundlos soll der Vermieter dem Mieter eine bessere Nutzung der Mietsache nicht 113 verweigern dürfen10. Vielmehr müssen überwiegende Belange des Vermieters entgegenstehen11. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die vom Mieter geplanten Arbeiten zu nicht nur geringfügigen Beeinträchtigungen des Eigentums des Vermieters12 führen oder welche sonstigen Folgewirkungen zu erwarten sind13. So handelt der Vermieter, der seine Zustimmung verweigert, nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er die Umstellung der Heizungsart durch den Mieter deshalb nicht zulässt, weil damit nicht nur geringfügige Beeinträchtigungen seines Eigentums drohen würden14 oder weil er demnächst selbst bauliche Veränderungen durchführen will, die der begehrten Mietermodernisierung im Wesentlichen gleichkommen15. Immerhin müsste er im letzteren Fall sonst gegebenenfalls Aufwendungsersatz nach § 555d Abs. 6 BGB 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15

LG Essen v. 22.4.1987 – 10 S 633/86, WuM 1987, 257. LG Berlin v. 26.1.1990 – 63 S 216/89, WuM 1990, 421. LG Nürnberg-Fürth v. 6.7.1990 – 7 S 1401/90, WuM 1990, 422. LG Konstanz v. 14.10.1988 – 1 S 216/88, WuM 1989, 67. AG Münster v. 8.2.1983 – 4 C 7/83, WuM 1983, 176. A.A. AG Hamburg v. 15.3.1979 – 48 C 18/79, WuM 1980, 197; AG Hamburg v. 30.11.1981 – 37b C 125/81, WuM 1985, 256. Vgl. grundlegend BVerfG v. 28.3.2000 – 1 BvR 1460/99, WuM 2000, 298 („Treppenliftentscheidung“). LG Hannover v. 22.12.1983 – 3 S 319/83, WuM 1984, 129. LG Berlin v. 28.2.1975 – 65 S 217/74, ZMR 1975, 271 (für Duschkabine); LG Hamburg v. 23.11.1973 – 11 S 93/73, WuM 1974, 145 (für Fensterlüfter); AG Potsdam v. 17.2.2000 – 26 C 354/99, WuM 2000, 179 (für Heizung); LG München v. 10.5.1989 – 31 S 19840/88, WuM 1989, 556 (für Markisen, Trockengestelle); LG Duisburg v. 10.12.1996 – 23 S 452/96, ZMR 2000, 464 (für Einbau eines Treppenliftes); vgl. dazu auch BVerfG v. 28.3.2000 – 1 BvR 1460/99, WuM 2000, 298; LG Konstanz v. 14.10.1988 – 1 S 216/88, WuM 1989, 67 (für Einbau einer Einbauküche); LG Berlin v. 8.2.2002 – 64 S 355/01, MM 2002, 331 (für Installation einer Gasetagenheizung statt Kohleofen); AG Tiergarten v. 12.2.2003 – 4 C 346/02, GE 2003, 396 (für Einbau von Kaltwasserzählern); LG Berlin v. 8.2.2002 – 64 S 355/01, MM 2002, 331 (kleinere Substanzeingriffe, wie Einbauküche, Raumteiler, sind dem Mieter stets gestattet); a.A. LG Berlin v. 19.9.1996 – 62 S 115/96, NJW-RR 1997, 1097 (wenn vermieterseits gestellte Einbauküche ausgetauscht werden soll); AG Schöneberg v. 29.3.2000 – 7 C 521/99, ZMR 2000, 685 (für Einbau von Fliesen); ablehnend für eine CB-Dachfunkantenne BayObLG v. 19.1.1981 – AllgReg 103/80, WuM 1981, 80; AG Hamburg v. 23.6.1998 – 39A C 114/98, WuM 1998, 723 (für die Verlegung eines Laminatfußbodens). LG Berlin v. 8.2.2002 – 64 S 355/01, MM 2002, 331. Blank/Börstinghaus, § 535 BGB Rz. 312; Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 41. BGH v. 8.5.1963 – VIII ZR 252/61, NJW 1963, 1539. LG Hamburg v. 23.11.1973 – 11 S 93/73, WuM 1974, 145. BGH v. 8.5.1963 – VIII ZR 252/61, NJW 1963, 1539. AG Tempelhof-Kreuzberg v. 20.10.1997 – 20 C 106/97, MM 1998, 204.

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Duldung von Modernisierungsmaßnahmen, Ausschlussfrist

leisten, wenn er seine geplante Maßnahme durchführen wollte. Dem Mieter ist es nicht gestattet, Brunnenwasser zur Toilettenspülung zu nutzen, wenn die Gefahr einer Verunreinigung der Wasserversorgung im öffentlichen Netz gegeben ist und damit eine Verminderung der Trinkwasserqualität hervorgerufen würde1. Ebenso darf der Mieter keine Styropor-Decken anbringen, da diese bei einem Brand giftige Gase abgeben2. 114 Auch Auswirkungen auf das Gesamtbild des Hauses können von Bedeutung sein3. Auf keinen Fall darf der Mieter ohne Zustimmung des Vermieters Eingriffe in die Bausubstanz vornehmen. Ein solcher Eingriff ist gegeben, wenn der Mieter tragende Bauteile bearbeiten will und damit die Statik verändert. Gleiches gilt für Mauerdurchbrüche, die Installation einer Etagenheizung4, Veränderungen an der Außenfassade sowie die Entfernung von festen Trennwänden5. Weitere Beispiele bestehen in dem Ersatz von Holzrahmenfenstern durch Kunststofffenster6, dem Ausbau des Kellers zur Schaffung von zusätzlichem Wohnraum7 oder dem Aufstellen eines Großgartenhauses bei vereinbarter gärtnerischer Nutzung8 sowie dem Verändern einer stabilisierenden Bepflanzung an einer abschüssigen Böschung9. Insoweit ist es unbedeutend, ob der Einbau auch positive Effekte hat (z.B. Einbau von Wasseruhren)10. 4. Weitere Voraussetzungen für die Zustimmung 115 Unabhängig davon kann der Vermieter seine Zustimmung von weiteren Voraussetzungen abhängig machen: Anzeigepflicht

Art und Umfang der vorgesehenen Maßnahmen müssen dem Vermieter zuvor mitgeteilt werden11. Der Vermieter muss in der Lage sein zu prüfen, ob ein Duldungsanspruch besteht. Vor Durchführung der Arbeiten muss der Mieter dem Vermieter deshalb durch Kostenvoranschläge, Baubeschreibungen oder Zeichnungen genau darlegen, auf welche Art und Weise, wo und wie in den Räumlichkeiten Veränderungen stattfinden sollen12. Der Mieter ist berechtigt, dem Vermieter eine Frist von ca. drei Monaten zur Zustimmung zu setzen13.

Haftpflichtversicherung

Deren Abschluss muss der Mieter auf Verlangen des Vermieters nachweisen14 einschließlich der zusätzlichen Freistellung von berechtigten Drittansprüchen.

Ordnungsgemäße Durchführung

Der Mieter muss sicherstellen, dass die Durchführung der Modernisierungsmaßnahmen nach den Regeln des Handwerks und damit fachgerecht erfolgt. Hierzu zählt auch die Vorlage einer fachgerechten Planung.

1 LG Gießen v. 1.6.1994 – 1 S 507/93, WuM 1994, 681. 2 LG Braunschweig v. 24.4.1985 – 12 S 231/84, WuM 1986, 248. 3 LG Hannover v. 22.12.1983 – 3 S 319/83, WuM 1984, 129 (Aufstellen einer Sauna in der Loggia). 4 LG Berlin v. 13.12.1994 – 64 S 266/94, ZMR 1995, 594. 5 BGH v. 26.6.1974 – VIII ZR 43/73, NJW 1974, 1463. 6 LG Berlin v. 5.3.1984 – 61 S 387/83, ZMR 1985, 50. 7 LG Hamburg v. 26.4.1991 – 311 S 1/91, WuM 1992, 190. 8 AG Brühl v. 7.3.1989 – 2a C 710/88, WuM 1989, 498. 9 AG Köln v. 5.12.1989 – 205 C 287/89, WuM 1991, 84. 10 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. II 72; a.A. LG Berlin v. 8.2.2002 – 64 S 355/01, MM 2002, 331. 11 LG Berlin v. 8.2.2002 – 64 S 355/01, MM 2002, 331; KG v. 5.11.2001 – 8 U 76/01, GE 2002, 52; LG Berlin v. 6.5.1999 – 62 S 432/98, GE 1999, 774. 12 KG v. 5.11.2001 – 8 U 76/01, GE 2002, 52. 13 Damrau-Schröter, Mieter-Modernisierung, S. 123. 14 AG Hamburg v. 25.3.1980 – 46 C 676/79, WuM 1980, 176 (Dachfunkantenne).

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Duldung von Modernisierungsmaßnahmen, Ausschlussfrist Sicherheitsleistung

§ 555d BGB

Der Vermieter kann nach h.M. seine Zustimmung von der Leistung einer zusätzlichen Sicherheit abhängig machen, wenn sich für ihn ein neues Haftungsrisiko ergibt (z.B. im Hinblick auf Rückbaukosten oder Gefährdung Dritter)1. Denn der Duldungsanspruch des Mieters und auch das ausdrücklich erklärte Einverständnis des Vermieters beinhalten grundsätzlich keinen Verzicht des Vermieters auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes bei Vertragsende2.

5. Konsequenzen der Mietermodernisierung bei fehlender vertraglicher Regelung im laufenden Mietverhältnis Fehlen anderweitige vertragliche Vereinbarungen, lassen sich die Folgen mieterseits 116 durchgeführter Modernisierungsmaßnahmen darin zusammenfassen, dass – das Eigentum an den geschaffenen Maßnahmen in der Regel beim Mieter verbleibt, jedenfalls dann, wenn die Sachen nur zu einem vorübergehenden Zweck, nämlich für die Dauer der Mietzeit, eingebaut werden, § 95 Abs. 2 BGB3, – dem Mieter das Nutzungsrecht zusteht. Der Mieter ist darüber hinaus berechtigt, während des ungekündigten Mietvertrages die Einrichtung wieder zu beseitigen oder zu ersetzen, – Instandhaltungs- und Instandsetzungslast beim Mieter verbleiben, was abweichend von den Parteien geregelt werden kann4, – der Mieter zusätzlich entstehende Betriebskosten zu tragen hat, – der Mieter zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes bei Vertragsende verpflichtet ist. Das ordentliche Kündigungsrecht des Vermieters bleibt grundsätzlich erhalten5. 117 Dem können Investitionen des Mieters auch nur in engen Ausnahmefällen im Rahmen der Sozialklausel nach § 574 BGB entgegengehalten werden. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Vermieter einen Vertrauenstatbestand dahin geschaffen hat, dass der Mieter gerade in Erwartung einer langen Mietdauer (notwendige, nützliche oder überflüssige) erhebliche Aufwendungen auf die Mietsache getätigt hat, die bei Vertragsende im Wesentlichen nicht zu ersetzen sind und die Verwendungen noch nicht abgewohnt sind, sodass es zu einem wesentlichen Verlust des Mieters kommen würde6. 6. Vereinbarungen zur Mietermodernisierung Eine formularmäßige Regelung, dass Um- und Einbauten nur mit schriftlicher Ein- 118 willigung des Vermieters vorgenommen werden dürfen und auf Verlangen des Vermieters bei Auszug ganz oder teilweise zu entfernen sind und der frühere Zustand wiederherzustellen ist, ohne dass es eines Vorbehalts des Vermieters bedarf, ist unwirksam7, dies zum einen wegen des Schriftformerfordernisses auf Grund der Aufhebung des Vorrangs der Individualabrede (§ 307 BGB); zum anderen trägt die Klau1 OLG Hamm v. 3.9.1993 – 30 REMiet 6/92, WuM 1993, 659; OLG Stuttgart v. 8.9.1993 – 8 REMiet 1/93, WuM 1995, 306 (alle drei zur Installation von Parabolantennen); AG Hamburg v. 17.5.1995 – 40a C 1309/94, WuM 1996, 29. 2 LG Berlin v. 19.9.1986 – 64 S 111/86, MDR 1987, 234; OLG Düsseldorf v. 8.2.1990 – 10 U 127/89, MDR 1990, 551 = ZMR 1990, 218; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. IV 599; a.A. LG Hamburg v. 17.5.1988 – 16 S 230/86, WuM 1988, 305; vgl. auch OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 57. 3 BGH v. 12.6.1991 – XII ZR 17/90, MDR 1992, 237 = NJW 1991, 3031. 4 Eingehend Damrau-Schröter, Mieter-Modernisierung, S. 133 ff. 5 Eingehend Damrau-Schröter, Mieter-Modernisierung, S. 154. 6 OLG Karlsruhe v. 31.3.1971 – 1 RE-Miet 2/70, NJW 1971, 1182 = WuM 1971, 96 = ZMR 1971, 222; OLG Frankfurt v. 23.6.1971 – 14 W 14/71, WuM 1971, 168; Schmidt-Futterer/Blank, § 574 BGB Rz. 51. 7 OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 57 (63), 64; LG Münster v. 25.3.1999 – 8 S 260/98, WuM 1999, 515.

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§ 555d BGB

Duldung von Modernisierungsmaßnahmen, Ausschlussfrist

sel den Ausnahmen von der Beseitigungspflicht des Mieters keine Rechnung. Hat der Mieter Wertverbesserungen durchgeführt, die nur mit erheblichem Kostenaufwand zu beseitigen sind (z.B. den Einbau eines Kachelvollbades oder einer Heizung, die vollflächige Verklebung eines hochwertigen Teppichbodens), deren Entfernung zudem das Mietobjekt in einen schlechteren Zustand versetzen würde, soll der Mieter zumindest einen Erlaubnisvorbehalt des Vermieters erwarten dürfen1. Außerdem kommt in Betracht, dass ein Nachmieter zur Übernahme der eingebrachten Sachen des früheren Mieters bereit ist. Der Vermieter würde rechtsmissbräuchlich handeln, wenn er dennoch die Entfernung verlangen würde2. 119 § 555d Abs. 7 BGB steht dem Abschluss einer individuellen Modernisierungsvereinbarung grundsätzlich nicht entgegen3. Bei einer Modernisierungsvereinbarung ist die Schriftform des § 550 BGB zu beachten, sofern der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr abgeschlossen wird. Unabhängig davon sollte schon aus Beweisgründen eine schriftliche Vereinbarung erfolgen. Denn Auseinandersetzungen entstehen meist lange Zeit nach Durchführung der Arbeiten, insbesondere wenn zwischenzeitlich auf Vermieterseite eine Rechtsnachfolge stattgefunden hat. 120 Zu beachten ist § 312 BGB (Widerspruchsrecht bei Haustürgeschäften), der grundsätzlich auch beim Abschluss einer Modernisierungsvereinbarung anwendbar ist4. 121 Sollen die Einbauten nach Beendigung des Mietverhältnisses in der Mietsache verbleiben, was die Regel sein wird, kann (nicht nur im Hinblick auf eine vorzeitige Auflösung des Mietvertrages) eine – zeitlich gestaffelte – Entschädigungszahlung geregelt werden. Dies kann verbunden werden mit der Vereinbarung einer – echten – Nachmieterklausel, was dem Mieter ermöglicht, mit dem Nachmieter eine Entschädigung gesondert zu vereinbaren. Allerdings hat der Mieter dabei die Grenzen des § 4a WoVermittG zu beachten. 122 Wird eine solche Vereinbarung nicht getroffen, bleibt dem Mieter nur der Anspruch aus § 812 BGB, wozu er eine Ertragswerterhöhung gerade durch die zurückgelassenen Einbauten nachweisen muss (vgl. § 539 BGB Rz. 60)5. Dazu muss er zumindest den Ertragswert der Mietsache ohne und mit den Einbauten ermitteln. Da es aber auf die tatsächliche Bereicherung des Vermieters ankommt, muss sogar berücksichtigt werden, ob die Wertsteigerung tatsächlich realisiert wurde. Dazu kann zwar ein Sachverständigengutachten herangezogen werden, in dem ausdrücklich der Ertragswert ermittelt wird. Der Vermieter kann sich aber auf § 818 Abs. 3 BGB berufen, wenn er nachweist, dass der (Nachfolge-)Mieter auch ohne die Investition die gleiche Miete gezahlt hätte. 7. Beispiele von Modernisierungsmaßnahmen des Mieters 123 Alarmanlage, Bad-Einbau oder -Renovierung, Bodenbeläge, Diebstahlsicherung, Einbauküche, Einbauschränke, Elektro-, Gas- und Sanitärleitungen erneuern bzw. verlegen, Etagenheizung, Fenstererneuerung, Fliesen, Fußbodenerneuerung, Fußbodenheizung, Erneuerung bzw. Einbau, Garagenbau, Garagentorerneuerung, Heimsauna, Heizungsumstellung, Innenputzerneuerung, Isolierverglasung, Kachelofeneinbau und Einbau eines offenen Kamins, Keller-Ausbau (z.B. Sauna, Hobbyraum), Klempnerarbeiten, Kochraum mit Entlüftungsmöglichkeiten und den erforderlichen weiteren Anlagen, Malerarbeiten, Markiseneinbau, Radiatoren für Zentralheizung, Raumteiler, Rollladeneinbau, sanitäre Anlagen, Schallschluckmaßnahmen (z.B. Wandverkleidungen), Schwimmbecken-Einbau, Steckdosen und Schalter (zusätzlich), Tapezieren, Teppichboden, Terrassen- und Balkonrenovierung, Thermostat-Ventil-Einbau, Trep-

1 OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56 (64). 2 OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56 (64). 3 LG Berlin v. 5.11.2001 – 62 S 280/01, MM 2002, 141; vgl. auch die Mustervereinbarung des Bundesjustizministeriums „Modernisierung durch Mieter“, ZMR 1984, 5 (hierzu Landfermann, NJW 1982, 2344). 4 Vgl. Löfflad, MietRB 2004, 87. 5 BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, ZMR 2006, 185.

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§ 555e BGB

Sonderkündigungsrecht bei Modernisierungsmaßnahmen

pen- und Treppenbeläge-Erneuerung, Türerneuerung, Verkleidung von Außen- oder Innenwänden, Verkleidung von Decken und Wänden (z.B. mit Holz), Verputzerneuerung, Versetzen von Wänden, Wärmeschutzmaßnahmen (z.B. Heizkörpernischen, Fußboden, Außenwände), Wärmepumpen-Einbau, Warmwasseranlage-Einbau, WCEinbau, Wohnungsabschluss, Zentralheizungserneuerung, Zwischendecke, Zwischengeschosseinbau. C. Gewerberaummiete Die Vorschrift des § 555d BGB ist über § 578 Abs. 2 BGB beschränkt auf die Abs. 1–6 auch auf gewerbliche Mietverhältnisse entsprechend anwendbar. Zur Landpacht siehe §§ 586 Abs. 1 S. 2, 588 Abs. 1 BGB. Zur auch formularvertraglichen Abdingbarkeit der Erhaltungspflicht des § 535 BGB vgl. § 535 BGB Rz. 11171.

124

Aufgrund der Beschränkung auf § 555d Abs. 1–6 BGB können die Parteien eines Ge- 125 werberaummietvertrages die Duldungspflicht des Mieters vertraglich modifizieren, insbesondere die Ankündigungsfrist verkürzen oder Mitwirkungspflichten des Mieters, wie z.B. die Räumung des Mietobjektes, vereinbaren2. Insoweit sind allerdings die §§ 307 ff. BGB zu berücksichtigen.

§ 555e Sonderkündigungsrecht des Mieters bei Modernisierungsmaßnahmen (1) Nach Zugang der Modernisierungsankündigung kann der Mieter das Mietverhältnis außerordentlich zum Ablauf des übernächsten Monats kündigen. Die Kündigung muss bis zum Ablauf des Monats erfolgen, der auf den Zugang der Modernisierungsankündigung folgt. (2) § 555c Absatz 4 gilt entsprechend. (3) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam. Inhalt A. I. II. 1. 2. III. IV.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

1 1 4 4 5 6 7

B. I. 1. 2. 3. II.

Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . Sonderkündigungsrecht . . . . . . . . Kündigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . Bagatellklausel . . . . . . . . . . . . . . . Unterbliebene Ankündigung . . . . Fristlose Kündigung (§ 543 BGB).

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

8 8 9 12 14 15

C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . .

17

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt § 555e Abs. 1 BGB enthält das nach bisheriger Rechtslage in § 554 Abs. 3 S. 2 BGB 1 a.F. geregelte Recht des Mieters zur außerordentlichen Kündigung wegen einer bevorstehenden Modernisierungsmaßnahme3.

1 LG Köln v. 28.10.2004 – 2 O 113/04, NZM 2005, 742. 2 BGH v. 13.11.2002 – XII ZR 310/99, NZM 2003, 313. 3 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 22.

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§ 555e BGB

Sonderkündigungsrecht bei Modernisierungsmaßnahmen

2 In Entsprechung zum bislang geltenden § 554 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. sowie zu § 555c Abs. 4 BGB sieht § 555e Abs. 2 BGB eine Ausnahme für Maßnahmen vor, die nur mit einer unerheblichen Einwirkung auf die Mietsache verbunden sind und nur zu einer unerheblichen Mieterhöhung führen (Bagatellklausel). Der im bislang geltenden § 554 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. enthaltenen Begriff „vermietete Räume“ wird auch hier durch das Wort „Mietsache“ ersetzt, um den Sprachgebrauch zu vereinheitlichen. 3 § 555e Abs. 3 BGB enthält ein Verbot abweichender genereller Vereinbarungen zum Nachteil des Mieters und knüpft so an die bereits in den §§ 555a–555d BGB vorgesehenen gleichlautenden Regelungen an. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 4 Die Vorschrift gilt unmittelbar nur für Wohnraum, über § 578 Abs. 2 BGB aber auch entsprechend für Gewerbemietverträge, sofern es sich um Mietverhältnisse über Räume handelt. Weiter ist die Übergangsregelung in Art. 229 § 29 EGBGB zu berücksichtigen. Hiernach sind weiterhin die §§ 554, 559–559b, 578 BGB in der bis zum 1.5.2013 gültigen Fassung anzuwenden, wenn – bei Modernisierungsmaßnahmen die Mitteilung nach § 554 Abs. 3 S. 1 BGB dem Mieter vor dem 1.5.2013 zugegangen ist oder – bei Modernisierungsmaßnahmen, auf die § 554 Abs. 3 S. 3 BGB in der bis zum 1.5.2013 geltenden Fassung anzuwenden ist, der Vermieter mit der Ausführung der Maßnahme vor dem 1.5.2013 begonnen hat. 2. Anwendbare Rechtsprechung 5 Die Vorschrift wurde durch das MietRÄndG mit Wirkung zum 1.5.2013 eingeführt. Sie regelt das bereits nach bisheriger Rechtslage bestehende Sonderkündigungsrecht gemäß § 554 Abs. 3 S. 2 BGB a.F. des Mieters nach Ankündigung einer Modernisierung. Eine inhaltliche Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage ist hiermit nicht verbunden1. Die bisherige Rechtsprechung zum Sonderkündigungsrecht ist dementsprechend weiterhin gültig. III. Zweck der Vorschrift 6 Der Mieter soll durch das Sonderkündigungsrecht die Möglichkeit erhalten, sich in Ansehung der bevorstehenden Modernisierung vom Vertrag zu lösen. Praktisch hat das Sonderkündigungsrecht in Hinblick auf die kurze Kündigungsfrist des § 573c Abs. 1 BGB nur noch Bedeutung im Rahmen eines Zeitmietvertrages gemäß § 575 BGB oder bei einem vereinbarten Kündigungsverzicht. IV. Abweichende Vereinbarungen 7 Zum Begriff und zur Reichweite der abweichenden Vereinbarung vgl. § 557 BGB Rz. 7 ff. Unwirksam ist insbesondere der im Wohnraummietvertrag vereinbarte Ausschluss des Sonderkündigungsrechts oder etwaige Beschränkungen, wie z.B. die Verlängerung der Kündigungsfrist. Entsprechende Vereinbarungen in einem Gewerberaummietverhältnis sind zulässig, da § 578 Abs. 2 BGB nur auf § 555e Abs. 1 und 2 BGB verweist (vgl. § 555e BGB Rz. 17). B. Wohnraummiete I. Sonderkündigungsrecht 8 Dem Mieter steht das Recht zu, bei einer Ankündigung von Modernisierungsarbeiten den Mietvertrag (außerordentlich) zu kündigen, es sei denn, es wurden nur Bagatellmaßnahmen gemäß § 555c Abs. 4 BGB angekündigt (vgl. insoweit § 555c BGB Rz. 53). 1 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 22.

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Sonderkündigungsrecht bei Modernisierungsmaßnahmen

§ 555e BGB

1. Kündigungsrecht Das Kündigungsrecht besteht bis zum Ablauf des Monats, der auf den Zugang der 9 Mitteilung folgt. Die Kündigung muss bis zu diesem Zeitpunkt dem Vermieter zugegangen sein. Die Kündigung muss nicht begründet werden. Die gesetzlich vorgesehene Begründungspflicht ist auf die ordentliche Kündigung des Vermieters, § 573 Abs. 3 BGB, und auf die fristlose Kündigung der Vertragsparteien beschränkt, § 569 Abs. 4 BGB1. Aus § 573d Abs. 1 BGB i.V.m. § 573 Abs. 3 BGB folgt nichts anderes, da § 573d BGB nur auf außerordentliche Kündigungen mit gesetzlicher Frist anwendbar ist. § 561 BGB regelt seine Kündigungsfrist gerade selbst und verweist nicht auf die gesetzliche Frist. Im Übrigen, auch zur Stellvertretung, wird auf die Ausführungen zu § 561 BGB Rz. 8 ff. verwiesen. Die Kündigung wirkt zum Ablauf des nächsten Monats. Damit endet die Kündi- 10 gungsfrist regelmäßig vor dem geplanten Beginn der Maßnahme. Für die Kündigung kommt es weder darauf an, ob der Mieter zur Duldung verpflich- 11 tet ist2, noch darauf, ob die Maßnahme rechtzeitig und formgerecht angekündigt wurde3. Vielmehr ist allein maßgeblich, ob die angekündigte Maßnahme nicht nur mit unerheblichen Einwirkungen auf die vermieteten Räume verbunden ist und nicht nur zu einer unerheblichen Mieterhöhung führt, wobei die Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen. 2. Bagatellklausel Ist die Maßnahme nur mit unerheblichen Einwirkungen verbunden und führt sie nur zu einer unerheblichen Mieterhöhung, scheidet eine Kündigung gemäß § 555e Abs. 2 BGB i.V.m. § 555c Abs. 4 BGB aus.

12

Unerhebliche Einwirkungen sind dann anzunehmen, wenn es sich um ganz unbe- 13 deutende Maßnahmen handelt, welche die Gebrauchstauglichkeit des Mietobjektes nicht tangieren und auch nicht zu einer Mietminderung berechtigen würden (vgl. § 536 BGB Rz. 213 ff.). Derartige Einwirkungen sind z.B. dann nicht gegeben, wenn Modernisierungsmaßnahmen am Dach durchgeführt werden, die zu einer Mieterhöhung unter 5 % führen4. Auch der Einbau einer Klingel- und Gegensprechanlage ist als Bagatellmaßnahme anzusehen5. Bei einer Fassadenerneuerung (Wärmedämmfassade), die zu einer Erhöhung der Miete um mehr als 16 % führt, ist hingegen die Kündigung möglich (vgl. auch § 555c BGB Rz. 55)6. 3. Unterbliebene Ankündigung Hat der Mieter aufgrund einer unterbliebenen oder fehlerhaften Ankündigung der 14 baulichen Maßnahme keinen Gebrauch von seinem Sonderkündigungsrecht gemacht – was von ihm darzulegen und zu beweisen ist –, kann er im Wege des Schadensersatzes gemäß § 280 Abs. 1 BGB die Aufhebung des Mietvertrages zu dem Zeitpunkt verlangen, in dem das Sonderkündigungsrecht den Vertrag bei Ausübung beendet hätte (vgl. § 555e BGB Rz. 9)7. Einer analogen Anwendung des § 555e Abs. 1 BGB bedarf es insoweit nicht8.

1 2 3 4 5 6 7 8

Blank/Börstinghaus, § 561 BGB Rz. 12; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. IV 286. Lammel, § 554 BGB Rz. 45. LG Berlin v. 21.2.1995 – 64 S 382/94, MM 1995, 187. LG Köln v. 5.10.2004 – 5 O 200/04, NZM 2005, 741; vgl. auch LG Berlin v. 15.4.1986 – 64 S 387/85, ZMR 1986, 444; LG Detmold v. 7.12.1988 – 1 S 34/89, WuM 1990, 121. Kinne, GE 2001, 1181 (1184). LG Köln v. 28.10.2004 – 2 O 113/04, NZM 2005, 742. Lehmann-Richter, NZM 2011, 572. So aber wohl LG Berlin v. 12.2.1999 – 64 S 172/97, GE 1999, 573.

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§ 555f BGB

Vereinbarungen über Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen

II. Fristlose Kündigung (§ 543 BGB) 15 Auch bei umfangreichen Modernisierungsmaßnahmen scheidet eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB grundsätzlich aus1. Eine außerordentliche Kündigung des Mieters wegen Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs infolge der Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen des Vermieters ist nur dann in Betracht zu ziehen ist, wenn dem Vermieter vorgeworfen werden kann, dass er die Durchführung der Maßnahme verzögert. Ansonsten steht dem Kündigungstatbestand des § 543 BGB die Duldungspflicht des Mieters entgegen2. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Kündigungstatbestand nur an die Nichtgewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs anknüpft und gerade kein Verschulden voraussetzt3. Die Verpflichtung zur Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB wird durch die Duldungspflicht des § 555d Abs. 1 BGB gerade eingeschränkt4. Dann kann diese (nicht bestehende) Verpflichtung zum vertragsgemäßen Gebrauch aber nicht zur Begründung einer fristlosen Kündigung herangezogen werden. Zudem wird es in Hinblick auf das Sonderkündigungsrecht des § 555e BGB regelmäßig daran fehlen, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. 16 Eine fristlose Kündigung kommt allerdings in Betracht, wenn eine – z.B. wegen eines überwiegenden Härtegrunds auf Seiten des Mieters – nicht duldungspflichtige Modernisierungsmaßnahme durchgeführt wird oder sicher bevorsteht. In diesem Fall kann auch bereits vor Beginn der Arbeiten eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden5. Eine Abmahnung oder Fristsetzung bedarf es nicht, sofern diese offensichtlich erfolglos wäre, z.B. weil der Vermieter bereits mitgeteilt hat, dass er die Maßnahme in jedem Fall durchführen wird. C. Gewerberaummiete 17 Die Vorschrift des § 555e BGB ist über § 578 Abs. 2 BGB beschränkt auf die Abs. 1 und 2 auch auf Gewerberaummietverhältnisse entsprechend anwendbar6. Im Bereich der Gewerberaummiete kann das Sonderkündigungsrecht allerdings vertraglich ausgeschlossen werden7. Zu berücksichtigen sind die §§ 307 ff. BGB.

§ 555f Vereinbarungen über Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen Die Vertragsparteien können nach Abschluss des Mietvertrags aus Anlass von Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen Vereinbarungen treffen, insbesondere über die 1. zeitliche und technische Durchführung der Maßnahmen, 2. Gewährleistungsrechte und Aufwendungsersatzansprüche des Mieters, 3. künftige Höhe der Miete.

1 A.A. LG Berlin v. 14.5.2001 – 67 S 385/00, GE 2001, 1676; LG Berlin v. 25.1.1996 – 62 S 321/95, GE 1997, 555. 2 KG v. 26.8.2002 – 8 U 181/01, GE 2002, 1562; LG Berlin v. 30.3.2001 – 32 O 759/00, GE 2001, 993. 3 So aber Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 51; vgl. auch Emmerich/Sonnenschein, § 554 BGB Rz. 32. 4 Was Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 554 BGB Rz. 44 auch selbst so ausführt. 5 BGH v. 31.10.2012 – XII ZR 126/11, NJW 2013, 223. 6 LG Köln v. 28.10.2004 – 2 O 113/04, NZM 2005, 742. 7 LG Köln v. 28.10.2004 – 2 O 113/04, NZM 2005, 742.

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Vereinbarungen über Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen

§ 555f BGB

Inhalt A. I. II. 1. 2. III. B. I. 1. 2. 3.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

1 1 2 2 3 4

Wohnraummiete . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . Form der Vereinbarung . . Zeitliche Komponente. . . Inhaltliche Komponente .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

5 6 7 8 10

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

4. Rechtsfolge bei Verstoß. . . . . . . . . II. Gegenstand der Vereinbarung . . . 1. Zeitliche und technische Durchführung der Maßnahme . . . . . . . . . 2. Gewährleistungsrechte und Aufwendungsersatzansprüche . . . . . . a) Gewährleistungsrechte . . . . . . b) Aufwendungsersatzansprüche. 3. Künftige Miethöhe. . . . . . . . . . . . . 4. Sonstige Inhalte. . . . . . . . . . . . . . .

... ...

11 15

...

16

. . . . .

. . . . .

19 19 21 22 25

C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . .

28

. . . . .

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Vorschrift bestimmt, dass die Vertragsparteien im Rahmen der Vertragsfreiheit 1 aus Anlass einer konkreten Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahme Vereinbarungen treffen können. Dies gilt insbesondere betreffend die zeitliche und technische Durchführung der Maßnahmen, Gewährleistungsrechte und Aufwendungsersatzsprüche des Mieters sowie für die künftige Höhe der Miete. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Vorschrift gilt unmittelbar nur für Wohnraum, über § 578 Abs. 2 BGB aber auch 2 entsprechend für Gewerbemietverträge, sofern es sich um Mietverhältnisse bei Räumen handelt. Weiter ist die Übergangsregelung in Art. 229 § 29 EGBGB zu berücksichtigen. Hiernach ist nicht § 555f BGB, sondern sind die §§ 554, 559 bis 559b, 578 BGB in der bis zum 1.5.2013 gültigen Fassung weiter anzuwenden, wenn – bei Modernisierungsmaßnahmen die Mitteilung nach § 554 Abs. 3 Satz 1 BGB dem Mieter vor dem 1.5.2013 zugegangen ist oder – bei Modernisierungsmaßnahmen, auf die § 554 Abs. 3 S. 3 BGB in der bis zum 1.5.2013 geltenden Fassung anzuwenden ist, der Vermieter mit der Ausführung der Maßnahme vor dem1.5.2013 begonnen hat. 2. Anwendbare Rechtsprechung Die Vorschrift wurde durch das MietRÄndG mit Wirkung zum 1.5.2013 eingeführt. 3 Zuvor existierte keine entsprechende Regelung. Die Möglichkeit zum Abschluss sogenannter Modernisierungsvereinbarungen war aber bereits zuvor in Rechtsprechung und Literatur anerkannt1, so dass auch weiterhin auf diese verwiesen werden kann. Eine tatsächliche Änderung der Rechtslage mit der Einführung des § 555f BGB ist in Bezug auf Modernisierungsmaßnahmen nicht verbunden. Nunmehr werden Vereinbarungen aber auch ausdrücklich in Bezug auf Erhaltungsmaßnahmen gestattet. III. Zweck der Vorschrift Die Vorschrift soll vornehmlich Vermieter mit wenig Erfahrung in Modernisierungs- 4 angelegenheiten darauf aufmerksam machen, dass es neben dem Verfahren, zunächst eine Duldung zu verlangen und danach gegebenenfalls die Miete zu erhöhen, auch die Möglichkeit gibt, all dies nach Abschluss des Mietvertrages im Einzelfall anlass-

1 Vgl. Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 22.

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§ 555f BGB

Vereinbarungen über Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen

bezogen einvernehmlich zu regeln. Durch eine solche Vorgehensweise sollen sachgerechte Vereinbarungen getroffen werden, um letztlich Konflikte zu vermeiden1. B. Wohnraummiete 5 Bereits nach bislang geltendem Recht waren im konkreten Einzelfall Vereinbarungen über Modernisierungsmaßnahmen zulässig. Diese Praxis soll mit der neuen Vorschrift gestärkt werden, denn von sachgerechten Vereinbarungen profitieren sowohl Mieter als auch Vermieter. Die Vorschrift gilt sowohl für Erhaltungs- als auch Modernisierungsmaßnahmen, obwohl diese ansonsten in rechtlicher Hinsicht unterschiedlich behandelt werden. I. Voraussetzungen 6 Die Vorschrift erklärt Vereinbarungen für zulässig, die aus Anlass von Erhaltungsoder Modernisierungsmaßnahmen und nach Abschluss des Mietvertrages geschlossen werden. 1. Form der Vereinbarung 7 Eine bestimmte Form für die Vereinbarung gemäß § 555f BGB schreibt das Gesetz nicht vor, auch wenn die Schriftform zu Beweiszwecken anzuraten ist. Handelt es sich um einen befristeten Vertrag, ist § 550 BGB zu beachten, sofern die Vereinbarung wesentliche Vertragsinhalte betrifft. Dies ist insbesondere bei einer Änderung der Miete der Fall, aber auch dann, wenn durch die Maßnahme das Mietobjekt umgestaltet wird. Ein Verstoß gegen § 550 BGB führt allerdings nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung, sondern lässt die Befristung ggf. entfallen. 2. Zeitliche Komponente 8 Die Vereinbarung muss nach dem Wortlaut der Vorschrift nach Abschluss des Mietvertrages getroffen sein. Damit wird klargestellt, dass § 555f BGB bereits bei Mietvertragsabschluss vereinbarte generell-abstrakte Regelungen, welche in keinem Zusammenhang mit konkreten Maßnahmen stehen, nicht deckt. Dies bedeutet aber auch, dass die Vertragsparteien konkret anstehende Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen nach dieser Vorschrift nicht bereits im Mietvertrag selbst regeln können, was bislang anerkannt war2. Eine entsprechende Auslegung der Vorschrift erscheint hinsichtlich des eindeutigen Wortlauts nicht möglich (vgl. aber auch § 555f BGB Rz. 11 f.)3. 9 Im Übrigen enthält § 555f BGB keine zeitliche Einschränkung. Dies bedeutet, dass auch langfristige Planungen im Wege der Vereinbarung geregelt werden können. Die Vertragsparteien können daher bereits weit im Voraus die Modalitäten einer Maßnahme regeln. Im Fall eines Mietwechsels ist dann aber zu prüfen, ob der ursprüngliche Mietvertrag fortgesetzt oder ein eigenständiger neuer Mietvertrag abgeschlossen werden sollte. Nur im ersten Fall bleibt die getroffene Vereinbarung wirksam. Bei Neuabschluss eines Mietvertrages entfaltet die Regelung keine Bindungswirkung für den neuen Mieter. Es bedarf daher einer erneuten Vereinbarung, nun mit dem neuen Mieter. 3. Inhaltliche Komponente 10 Die Vereinbarung muss aus Anlass von Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen geschlossen werden. Auch hiermit wird lediglich klargestellt, dass abstrakt-generelle Regelungen für die Zukunft nicht von § 555f BGB gedeckt sind4.

1 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 22; Abramenko, Das neue Mietrecht in der anwaltlichen Praxis, § 3 Rz. 1. 2 LG München v. 9.12.2011 – 14 S 9823/11, IMR 2012, 266. 3 Abramenko, Das neue Mietrecht in der anwaltlichen Praxis, § 3 Rz. 7. 4 Dietrich, ZMR 2012, 241.

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4. Rechtsfolge bei Verstoß § 555f BGB selbst bestimmt nicht, welche Rechtsfolgen eintreten, sofern eine Re- 11 gelung nicht anlässlich einer konkreten Maßnahme geschlossen wird, also eine abstrakt-generelle Vereinbarung oder bereits im Mietvertrag Regelungen hinsichtlich einer konkret bevorstehenden Maßnahme getroffen werden. Insbesondere wird die Unwirksamkeit nicht ausdrücklich angeordnet, wie dies durch die Mieterbegünstigungsklausel in anderen Vorschriften erfolgt. Dies ist auch konsequent, da der Gesetzgeber durch § 555f BGB vornehmlich darauf aufmerksam machen möchte, dass es neben dem förmlichen Verfahren auch die Möglichkeit der einvernehmlichen Regelung existiert (vgl. § 555f BGB Rz. 4). Entspricht eine Vorschrift nicht den Voraussetzungen des § 555f BGB führt dies da- 12 her nicht grundsätzlich zur Unwirksamkeit. Vielmehr bestimmt sich die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung dann danach, ob ihre Unwirksamkeit anderweitig angeordnet wird. In den §§ 555a, 555c ff. BGB wird jeweils bestimmt, dass zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen unwirksam sind. Sofern nicht bereits die Voraussetzungen des § 555f BGB erfüllt sind, ist die Wirksamkeit der konkreten Vereinbarung sodann hieran zu messen (vgl. zum Inhalt der Mieterbegünstigungsklausel ausführlich § 557 BGB Rz. 7 ff.). Im Übrigen sind Vereinbarungen zwischen Vertragsparteien an den allgemeinen Vor- 13 schriften zu prüfen, insbesondere §§ 134, 138, 305 ff. BGB. Zu beachten ist weiter § 312 BGB (Widerspruchsrecht bei Haustürgeschäften), der grundsätzlich auch beim Abschluss einer Modernisierungsvereinbarung anwendbar ist1. Wie bisher sind auch Vereinbarungen zwischen Mieter und Vermieter über mieter- 14 finanzierte Modernisierungen möglich. II. Gegenstand der Vereinbarung Die Vorschrift zählt beispielhaft mögliche Themen auf, die im Wege einer Verein- 15 barung geklärt werden können. Die Aufzählung ist nicht abschließend, was durch die Formulierung „insbesondere“ klargestellt wird. 1. Zeitliche und technische Durchführung der Maßnahme Die zeitliche Durchführung der Maßnahme betrifft insbesondere die Ankündigungs- 16 frist des § 555c Abs. 1 S. 1 BGB. Hiernach müssen Modernisierungsmaßnahmen spätestens drei Monate vor ihrem Beginn angekündigt werden. Hiervon kann durch Vereinbarung abgewichen werden, so dass mit der Durchführung der Maßnahme auch früher begonnen werden kann. Von geringerer praktischer Bedeutung ist hingegen die Möglichkeit von der – gesetzlich nicht festgelegten – Ankündigungsfrist für Erhaltungsmaßnahmen abzuweichen (vgl. § 555a BGB Rz. 41). Auch hier bieten sich Absprachen zur vereinfachten praktischen Umsetzung aber an, da davon ausgegangen werden kann, dass sich ein Mieter eher an einen freiwillig vereinbarten Termin, als an einen vom Vermieter vorgegebenen Termin gebunden sehen wird. In zeitlicher Hinsicht kann auch die Dauer der Maßnahme von Bedeutung sein. So 17 kann es für den Vermieter finanziell von Interesse sein, wenn die Arbeiten über einen längeren Zeitraum erfolgt, da ihm für diesem Fall günstigere Konditionen eingeräumt werden. Durch Vereinbarung kann dann ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Mieters wegen einer verzögerten Fertigstellung ausgeschlossen werden. Andererseits kann eine fest vereinbarte Bauzeit auch für den Mieter bedeutsam sein, da es ihm insoweit einfacher ist, sich auf die voraussichtlichen Beeinträchtigungen einzustellen2. Möglich ist auch eine Vereinbarung über die Reihenfolge der Arbeiten, da diese aus verschiedenen Gründen für die Vertragsparteien ebenfalls von Bedeutung sein kann. Weiter können die Vertragsparteien Regelungen zur technischen Umsetzung der 18 Maßnahme vereinbaren. Grundsätzlich liegt die technische Durchführung im Ermes1 Vgl. Löfflad, MietRB 2004, 87. 2 Abramenko, Das neue Mietrecht in der anwaltlichen Praxis, § 3 Rz. 15.

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sen des Vermieters, sofern sie nicht eine gemäß § 555d Abs. 2 S. 1 BGB unzumutbare Härte für den Mieter darstellt. Die Vereinbarung bestimmter Techniken oder Werkstoffe kann daher insbesondere für den Mieter von Interesse sein, sofern diese für ihn – z.B. gesundheitlich – schonender sind. Auch der technische Standard des Mietobjekts nach Durchführung der Maßnahme kann konkret vereinbart werden. In einem solchen Fall steht dem Mieter dann sogar ein Erfüllungsanspruch zu. Die Eingehung einer solche Verpflichtung oder die Vereinbarung eines besonders hohen Standards kann auch für den Vermieter interessant sein, wenn ihm der Mieter dann an anderer Stelle entgegen kommt, z.B. ganz oder zeitweilig auf eine Mietminderung verzichtet. 2. Gewährleistungsrechte und Aufwendungsersatzansprüche a) Gewährleistungsrechte 19 Gemäß § 555f Nr. 2 BGB können die gesetzlichen Gewährleistungsrechte des Mieters anlässlich einer konkreten Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahme modifiziert werden. Einschränkungen gelten insoweit nicht. Die Vertragsparteien können daher vereinbaren, ob und wann eine Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs möglich ist. Es können daher z.B. bestimmte tägliche Arbeitszeiten niedergelegt werden, innerhalb derer Beeinträchtigungen nicht zu Mietminderungen berechtigen. Auch ein bestimmter Lärmpegel kann als zulässig vereinbart werden, bei dessen Einhaltung Gewährleistungsrechte ausgeschlossen sind. Eine etwaige Minderung kann auch bereits im Vorfeld – unabhängig von den konkreten Arbeiten – festgelegt werden. Dies kann in Form eines festen Prozentsatzes, durch Erlass der Miete für einen bestimmten Zeitraum oder ähnlicher Form erfolgen. Solche Vereinbarungen können sich auf die gesamte Erhaltungs- bzw. Modernisierungsmaßnahme erstrecken oder nur auf bestimmte Zeiträume oder lediglich auf einzelne Arbeitsvorgänge. Treten unvorhergesehene Umstände auf, ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Vereinbarung abschließend ist oder die Auslegung ergibt, dass nur die im Vorfeld vorhersehbaren Tatbestände von der Vereinbarung erfasst sein sollten. In diesem Fall kann der Mieter wegen der nicht erfassten Umstände die gesetzlichen Gewährleistungsrechte ausüben. Aus Vermietersicht bietet sich daher an, die Regelung aufzunehmen, dass alle vorhersehbaren und unvorhersehbaren Umstände durch die Vereinbarung abgegolten sind. 20 Neben der Mietminderung können selbstverständlich auch Schadensersatzansprüche nach § 536a Abs. 1 BGB sowie die Anzeigepflicht des § 536c BGB Gegenstand einer Vereinbarung nach § 555f BGB sein. Denkbar ist auch der vollständige oder partielle Ausschluss von Schadensersatzansprüchen, sofern es während der Maßnahme zu Beschädigungen an dem Eigentum des Mieters kommt. Bei formularvertraglichen Regelungen sind allerdings die §§ 305 ff. BGB zu beachten. Auch hier ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine Vereinbarung abschließend ist oder nicht. Eine Anpassung nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage wird nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. b) Aufwendungsersatzansprüche 21 Gemeint ist nicht der Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 536a Abs. 2 BGB, sondern der Anspruch nach §§ 555a Abs. 3, 555d Abs. 6 BGB1. Dieser kann ganz oder partiell ausgeschlossen oder eine pauschale Abgeltung vereinbart werden. 3. Künftige Miethöhe 22 Dieser Regelungspunkt betrifft grundsätzlich nur Modernisierungsmaßnahmen, da die Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen nicht zu einer Mieterhöhung berechtigt. Eine entsprechende Vereinbarung ist aber nicht ausgeschlossen. 23 Um eine intensive und ggf. kostenintensive gerichtliche Auseinandersetzung zwischen den Vertragsparteien über die Berechtigung einer im Anschluss an eine Moder1 Abramenko, Das neue Mietrecht in der anwaltlichen Praxis, § 3 Rz. 25.

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nisierungsmaßnahme erklärte Mieterhöhung zu vermeiden, kann bereits im Vorfeld der Maßnahme eine verbindliche Miethöhe festgelegt werden. Hierbei können dann die Gebrauchsvorteile und -nachteile (z.B. bei einer Verringerung der Wohnfläche) individuell berücksichtigt werden. Die Parteien können daher auch über die nach den §§ 559 ff. BGB zulässige Miete hinausgehen. Ist § 555f BGB einschlägig, geht dieser § 559 Abs. 6 BGB – sofern dieser überhaupt anwendbar ist – vor (vgl. § 555f BGB Rz. 12)1. Im Rahmen einer späteren Mieterhöhung gemäß § 558 BGB sind Vereinbarungen über die Miethöhe nach § 555f BGB in Bezug auf durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen wie eine Erhöhung gemäß § 559 BGB zu behandeln (vgl. § 558 BGB Rz. 152). Dies betrifft insbesondere die Berechnung der Kappungsgrenze.

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4. Sonstige Inhalte Die Aufzählung der Themen in § 555f BGB, welche Gegenstand einer Vereinbarung 25 sein können, ist nicht enumerativ2. Im Ergebnis können daher alle Punkte vertragliche geregelt werden, welche im Zusammenhang mit der geplanten Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahme stehen. Hierzu gehört auch die Frage, ob es sich überhaupt um eine Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahme handelt. Insbesondere kann aber auch der Inhalt der Duldungspflicht des Mieters modifiziert 26 werden (vgl. ausführlich § 555a BGB Rz. 49 und § 555d BGB Rz. 22). Der Mieter kann sich daher vertraglich dazu verpflichten, bestimmte Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen oder nach Durchführung der Maßnahmen bestimmte Restarbeiten auszuführen. Auch die Modifikation von Verfahrensregeln, wie z.B. Verkürzung oder Verlängerung 27 von Ankündigungs- und Mitteilungsfristen für die Vertragsparteien, kann Gegenstand einer Vereinbarung nach § 555f BGB sein. Solche Änderungen können sich auch aus den Umständen ergeben. Erklärt sich der Mieter z.B. mit dem Beginn einer bestimmten Maßnahme zu einem konkreten Termin einverstanden, ist es ihm verwehrt sich darauf zu berufen, dass die Ankündigungsfrist des § 555c Abs. 1 S. 1 BGB nicht gewahrt ist. Auch mit der Geltendmachung von Härtegründen ist er ausgeschlossen, da er mit seiner Zustimmung eine vertragliche Duldungspflicht begründet hat, auf welche die Härtefallabwägung des § 555d Abs. 2 BGB gerade keine Anwendung findet. Allenfalls kann wegen später auftretender Härtegründe eine Anpassung der Vereinbarung über die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage verlangt werden. C. Gewerberaummiete Im Bereich der Gewerberaummiete sind generelle Absprachen ebenfalls erlaubt. § 578 28 BGB verweist auf § 555f BGB.

1 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 22. 2 Begründung zum Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 22.

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Kapitel 2

Die Miete Unterkapitel 1

Vereinbarungen über die Miete § 556 Vereinbarungen über Betriebskosten (1) Die Vertragsparteien können vereinbaren, dass der Mieter Betriebskosten trägt. Betriebskosten sind die Kosten, die dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten durch das Eigentum oder das Erbbaurecht am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. Für die Aufstellung der Betriebskosten gilt die Betriebskostenverordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2346, 2347) fort. Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über die Aufstellung der Betriebskosten zu erlassen. (2) Die Vertragsparteien können vorbehaltlich anderweitiger Vorschriften vereinbaren, dass Betriebskosten als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesen werden. Vorauszahlungen für Betriebskosten dürfen nur in angemessener Höhe vereinbart werden. (3) Über die Vorauszahlungen für Betriebskosten ist jährlich abzurechnen; dabei ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. Der Vermieter ist zu Teilabrechnungen nicht verpflichtet. Einwendungen gegen die Abrechnung hat der Mieter dem Vermieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist kann der Mieter Einwendungen nicht mehr geltend machen, es sei denn, der Mieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. (4) Eine zum Nachteil des Mieters von Absatz 1, Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 abweichende Vereinbarung ist unwirksam. Inhalt A. I. 1. 2. II. 1. 2. III. IV. 1. 2.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . Historisches . . . . . . . . . . . . . . . . Aktueller Gesetzesstand . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbare Rechtsprechung . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Andere abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Veränderung des Begriffs der Betriebskosten . . . . . . . . . . . . . .

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1 1 1 3 7 7 9 10 14 14

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22

.....

26

4. Vorauszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Prozessuales. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klage auf Vorauszahlungen und Abrechnungsreife . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Urkundenprozess . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Streitverkündung/Regress gegen Erfüllungsgehilfen des Vermieters . . . . . B. I. 1. 2. 3. 4.

Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . Begriff der Betriebskosten . . . . . Entstehung beim Eigentümer . . Entstehung durch das Eigentum Laufende Entstehung . . . . . . . . . Tatsächliche Entstehung . . . . . . a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . .

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28 30 30 31 32 36 36 39 40 42 44 44

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Vereinbarungen über Betriebskosten b) Rückvergütungen und sonstige Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anrechnungsverfahren . . . . . . . . . 5. Negative Abgrenzung . . . . . . . . . . . . a) Verwaltungskosten . . . . . . . . . . . . b) Instandsetzungskosten . . . . . . . . c) Kapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Umlagepositionen . . . . . . . . . . . . 1. Der Katalog des § 2 BetrKV. . . . . . . . Nr. 1: „Laufende öffentliche Lasten des Grundstücks . . . . . . . . . . a) Erfasste Kosten . . . . . . . . . . . . . . . b) Erhebung der Grundsteuer . . . . . c) Gemischte Nutzung . . . . . . . . . . . d) Grundsteuerermäßigung bei Leerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Nacherhebung der Grundsteuer . f) Gebot der Wirtschaftlichkeit . . . . g) Umlageschlüssel . . . . . . . . . . . . . . Nr. 2: „Kosten der Wasserversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kosten des Wasserverbrauchs . . . b) Grundgebühren. . . . . . . . . . . . . . . c) Zählerkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Eichkosten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kosten der Berechnung und Aufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Hauseigene Wasserversorgungsanlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Regenwasserrückgewinnungsanlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Wasseraufbereitungsanlage . . . . . i) Münzwaschmaschine . . . . . . . . . . j) Besondere Maßstäbe für Umlagevereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . k) Gebot der Wirtschaftlichkeit . . . . l) Gemischte Nutzung . . . . . . . . . . . Nr. 3: „Kosten der Entwässerung . . a) Haus- und Grundstücksentwässerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umlageschlüssel . . . . . . . . . . . . . . c) Besondere Umlagevereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gebot der Wirtschaftlichkeit . . . . e) Besondere Umlagemaßstäbe . . . . f) Gemischte Nutzung . . . . . . . . . . . Nr. 4a: „Die Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage einschließlich der Abgasanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 4b: „Die Kosten des Betriebs der zentralen Brennstoffversorgungsanlage . . . . . . . . . . . . . . Nr. 4c: „Die Kosten der eigenständig gewerblichen Lieferung von Wärme, auch aus Anlagen i.S.d. Buchstabens a . . . . . . . Nr. 4d: „Die Kosten der Reinigung und Wartung von Etagenheizungen und Gaseinzelfeuerstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 5a: „Die Kosten des Betriebs der zentralen Warmwasserversorgungsanlage . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

47 55 58 59 64 66 68 68

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68 68 71 73

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75 79 81 82

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84 84 89 91 92

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95

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96

. 98 . 100 . 102 . . . .

104 109 110 117

. 117 . 121 . . . .

123 124 128 129

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Nr. 5b: „Die Kosten der eigenständig gewerblichen Lieferung von Warmwasser, auch aus Anlagen i.S.d. Buchstabens a . . . . . Nr. 5c: „Die Kosten der Reinigung und Wartung von Warmwassergeräten . . . . . . . . . . . . . Nr. 6: „Die Kosten verbundener Heizungs- und Warmwasserversorgungsanlagen. . . . . . . . . Nr. 7: „Kosten des Betriebs des Personen- oder Lastenaufzuges . . a) Kosten des Betriebsstroms . . . . . . b) Kosten der Beaufsichtigung, Bedienung, Überwachung und Pflege der Anlage . . . . . . . . . . . . . . c) Kosten der regelmäßigen Prüfung der Betriebsbereitschaft und -sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kosten der Wartung . . . . . . . . . . . . e) Kosten der Reinigung der Anlage . f) Umlagemaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . Nr. 8: „Kosten der Straßenreinigung und Müllbeseitigung . . a) Kosten der öffentlichen Straßenreinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kosten der privaten Straßenreinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kosten der Müllbeseitigung . . . . . . aa) Kosten der Müllabfuhr und entsprechender nicht öffentlicher Maßnahmen . . . . . . . . . . bb) Kosten des Betriebs von Müllkompressoren etc. . . . . . . cc) Kosten der Berechnung und Aufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Probleme der Mülltrennung . . ee) Gemischte Nutzung . . . . . . . . . ff) Gebot der Wirtschaftlichkeit . . Nr. 9: „Die Kosten der Gebäudereinigung und Ungezieferbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . a) Kosten der Gebäudereinigung . . . . aa) Gegenständlicher Umfang . . . . bb) Erfasste Kosten . . . . . . . . . . . . cc) Umlageschlüssel . . . . . . . . . . . . dd) Gebot der Wirtschaftlichkeit . . b) Kosten der Ungezieferbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 10: „Die Kosten der Gartenpflege. a) Erfasste Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . b) Erfasste Flächen . . . . . . . . . . . . . . . c) Pflege von Plätzen, Zugängen und Zufahrten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erneuerung von Pflanzen . . . . . . . . e) Erfasste Kosten. . . . . . . . . . . . . . . . f) Kosten des Spielplatzes . . . . . . . . . g) Gebot der Wirtschaftlichkeit . . . . . Nr. 11: „Die Kosten der Beleuchtung . a) Erfasste Kosten. . . . . . . . . . . . . . . . b) Materialkosten . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ansatzfähige Kosten . . . . . . . . . . . d) Gebot der Wirtschaftlichkeit . . . . . e) Darstellung in der Abrechnung . . .

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159 165 168 173 178 181

186 186 186 189 190 192 195 198 198 199 200 202 207 208 209 210 210 215 217 221 223

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§ 556 BGB

2. III. 1.

2. 3. IV. 1.

2.

3.

1072

Nr. 12: „Die Kosten der Schornsteinreinigung . . . . . . . . . . . . Nr. 13: „Die Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung . . . . a) Umlagevereinbarung . . . . . . . . . . b) Erfasste Risiken . . . . . . . . . . . . . . c) Höhe der Prämie . . . . . . . . . . . . . . d) Gemischte Nutzung . . . . . . . . . . . e) Gebot der Wirtschaftlichkeit . . . . f) Besondere Probleme der Nr. 13 am Beispiel der Terrorversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umlagefähigkeit . . . . . . . . . . . bb) Gebot der Wirtschaftlichkeit . Nr. 14: „Die Kosten für den Hauswart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umlagefähige Tätigkeiten . . . . . . b) Person des Hauswarts . . . . . . . . . c) Ansatzfähige Kosten . . . . . . . . . . . d) Gebot der Wirtschaftlichkeit . . . . Nr. 15: „Die Kosten . . . . . . . . . . . . . . a) des Betriebs der GemeinschaftsAntennenanlage . . . . . . . . . . . . . . b) des Betriebs der mit einem Breitbandnetz verbundenen privaten Verteilanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umlegbare Kosten . . . . . . . . . bb) Umlagevereinbarung . . . . . . . Nr. 16: „Die Kosten des Betriebs der Einrichtungen für die Wäschepflege . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . b) Erfasste Kosten . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 17: „Sonstige Betriebskosten; . . . a) Besondere Umlagevereinbarung . b) Erfasste Kosten . . . . . . . . . . . . . . . Umlageausfallwagnis . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung Pauschale und Vorauszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . Vorauszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarung von Vorauszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Höhe der Vorauszahlungen . . . . . c) Schicksal der Vorauszahlungen im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mehrere separate Vorauszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pauschale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kombination von Vorauszahlung und Pauschale . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Umlagevereinbarung. . . . . . . . . . Bezugnahmeklauseln . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahme: sonstige Betriebskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Umlagevereinbarungen . . . a) Allgemeine Anforderungen. . . . . . b) Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schlüssige Umlagevereinbarung . d) Preisgebundener Wohnraum . . . . e) Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolge unwirksamer Umlagevereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vereinbarungen über Betriebskosten

. 226 . . . . . .

228 228 229 233 236 239

. 244 . 244 . 247 . . . . . .

253 253 261 263 265 269

. 269

. 269 . 269 . 273

. . . . . . .

275 275 276 280 280 282 287

. 291 . 293 . 293 . 297 . 303 . 304 . 308 . . . .

315 317 318 318

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320 322 322 324 333 335 337

. 339

4. Änderung von Umlagevereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze zur einvernehmlichen Änderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schlüssige Änderung der Umlagevereinbarung . . . . . . . . . . . . . . c) Einseitige Änderung . . . . . . . . . . . . aa) Mehrbelastungsklausel bei Teilinklusivmiete . . . . . . . . . . . bb) Mehrbelastungsklausel bei Nettomiete . . . . . . . . . . . . . . . . cc) § 556a Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . dd) Neue Betriebskosten infolge Modernisierung . . . . . . . . . . . . ee) Preisgebundener Wohnraum . . V. Die Betriebskostenabrechnung . . . . . 1. Kostenerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abrechnungszeitraum . . . . . . . . . . b) Zeitliche Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . c) Unterschiedliche Abrechnungsperiode des Leistungsträgers . . . . . d) Aperiodische Kosten . . . . . . . . . . . e) Bildung von Abrechnungs- und Wirtschaftseinheiten . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . (1) Preisfreier Wohnraum . . . . . . . (2) Preisgebundener Wohnraum . . bb) Materielle Anforderungen . . . . (1) Bildung einer Wirtschaftseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bildung sonstiger Abrechnungseinheiten . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsfolgen der Bildung von Abrechnungs- und Wirtschaftseinheiten . . . . . . . . . . . . (1) Änderungsrecht des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Darstellung in der Abrechnung . . . . . . . . . . . . . . . f) Vorerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gemischte Nutzung . . . . . . . . . (1) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Umsetzung der Vorermittlung bei gemischter Nutzung . . . . . . bb) Darlegungs- und Beweislast . . g) Eigenleistungen des Vermieters . . h) Eigenleistungen des Mieters . . . . . 2. Gebot der Wirtschaftlichkeit . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . b) Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhaltliche Anforderungen . . . . . . . aa) Kostenkontrolle . . . . . . . . . . . . (1) Organisatorische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Preissenkungen . . . . . . . . . . . . bb) Überflüssige oder unnötig aufwendige Maßnahmen . . . . . cc) Betrieb unwirtschaftlicher Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . f) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Beispielsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsnatur der Abrechnung . . . . . . .

342 342 344 350 351 355 357 358 365 369 370 370 376 382 386 390 391 391 396 397 399 402

404 404 408 409 414 414 419 426 429 437 439 439 441 443 443 445 448 455 457 459 462 468 470 471

§ 556 BGB

Vereinbarungen über Betriebskosten 4. Form der Abrechnung . . . . . . . . . . . . a) Preisgebundener Wohnraum . . . . b) Preisfreier Wohnraum . . . . . . . . . . 5. Formelle Anforderungen an die Abrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zusammenstellung der Gesamtkosten . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bezeichnung der Positionen . bb) Darstellung von Vorberechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Weitere Erläuterungen . . . . . . (1) Angabe von Verbrauchsmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorlage einer Kostenzusammenstellung . . . . . . . . . . . . . . dd) Erläuterung von Kostensteigerungen . . . . . . . . . . . . . . b) Angabe und Erläuterung der Umlageschlüssel . . . . . . . . . . . . . . aa) Flächenschlüssel . . . . . . . . . . bb) Personenschlüssel . . . . . . . . . cc) Miteigentumsanteile . . . . . . . dd) Entbehrlichkeit von Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Berechnung des Anteils des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abzug der Vorauszahlungen . . . . e) Zusätzliche Erläuterungen . . . . . . f) Teilabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . g) Rechtsfolge formeller Fehler . . . . aa) Anspruch auf Neuerteilung der Abrechnung . . . . . . . . . . . bb) Zurückbehaltungsrecht . . . . . 6. Behandlung des Saldos . . . . . . . . . . . a) Fälligkeit des Saldos . . . . . . . . . . . aa) Preisfreier Wohnraum . . . . . . bb) Preisgebundener Wohnraum . cc) Eigentumswohnung . . . . . . . . b) Durchsetzbarkeit des Saldos . . . . c) Vorbehaltloser Ausgleich des Saldos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kürzung des Saldos nach § 536 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . bb) Anwendung der Minderung . . (1) Verbuchung der Minderung . . (2) Kürzung in der Betriebskostenabrechnung . . . . . . . . . . . . (3) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . (a) Abrechnung während laufender Minderungsprozesse? . . . (b) Auswirkung des § 536c BGB . (c) Darstellung der Betriebskostenabrechnung . . . . . . . . . e) Rückforderung zu Unrecht erhobener Betriebskosten . . . . . . . . . . aa) Verspätete Abrechnung . . . . . bb) Nicht umlagefähige Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . 7. Adressat der Abrechnung . . . . . . . . . a) Mehrere Mieter . . . . . . . . . . . . . . . b) Mieterwechsel . . . . . . . . . . . . . . . .

. 474 . 474 . 477 . 480 . 487 . 491 . 500 . 505 . 506 . 509 . 511 . . . .

514 518 525 528

. 530 . . . . .

532 534 539 542 548

. . . . . . . .

549 552 553 553 554 555 558 561

. 565 . . . .

569 569 573 573

. 576 . 578 . 578 . 579 . 580 . 582 . 582 . . . . . .

584 586 587 589 590 596

8. Korrektur der Abrechnung . . . . . . . . . a) Berichtigung von formellen Abrechnungsfehlern . . . . . . . . . . . . b) Frist zur Korrektur . . . . . . . . . . . . . VI. Abrechnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schuldner der Abrechnungspflicht . . 2. Fälligkeit des Abrechnungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Abrechnungsfrist . . . . . . . . . . . . . a) Sinn und Zweck der Frist . . . . . . . . b) Berechnung der Frist . . . . . . . . . . . c) Einhaltung der Frist/Zugang der Abrechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verlängerung der Frist . . . . . . . . . . 4. Umfang der Ausschlusswirkung . . . . . a) Nachforderung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen der Ausschlusswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vertretenmüssen des Vermieters . . . . a) Vorbereitung der Abrechnung . . . . aa) Zurechnung des Verhaltens Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verspätete Vorlage von Belegen/Rechnungen . . . . . . . . (1) Streitigkeiten mit den Leistungsträgern . . . . . . . . . . . (2) Abrechnungsfehler der Versorgungsunternehmen . . . . . . . cc) Verweigerte Herausgabe von Belegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Streitigkeiten über Vorjahresabrechnung. . . . . . . . . . . ee) Störungen in der Organisation des Vermieters . . . . . . . . . b) Abrechnung bei Eigentumswohnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mangelnde Einberufung einer Eigentümerversammlung . . . . bb) Fehlerhafte WEG-Abrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Angefochtene Abrechnung . . . c) Unbekannte Anschrift des Mieters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Störungen bei der Übermittlung . . aa) Einschaltung der Post . . . . . . . bb) Andere Übermittlungen . . . . . . 6. Nachholung entschuldigter Versäumnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechte des Mieters nach Fristablauf . a) Anspruch auf Abrechnung . . . . . . . b) Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . c) Rückforderung der Vorauszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Im laufenden Mietvertrag . . . . bb) Nach Mietende . . . . . . . . . . . . . cc) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . VII. Der Einwendungsausschluss . . . . . . . 1. Sinn und Zweck des Einwendungsausschlusses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geltung bei preisgebundenem Wohnraum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . .

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600 602 607 609 610 615 617 618 619 623 628 630 632 638 644 647 649 652 657 659 662 664 666 670 673 677 679 680 683 683 685 687 690 690 693 701 701 704 713 714 716 717 718 720

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§ 556 BGB 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. VIII. 1. 2. 3. 4.

5. IX. X. 1. 2. 3.

Fristberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldner der Einwendungsfrist . . . Form der Einwendung . . . . . . . . . . . . Inhalt der Einwendung . . . . . . . . . . . Umfang der Ausschlusswirkung . . . . Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausübung der Kontrollrechte durch den Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ort der Belegprüfung. . . . . . . . . . . . . Geltendmachung der Einsichtnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anspruch auf Kopien . . . . . . . . . . . . . Sonstige Aspekte der Belegprüfung . a) Belegprüfung und Saldoklage des Vermieters. . . . . . . . . . . . . . . . b) Fristsetzung zur Belegeinsicht. . . c) Durchführung des Termins . . . . . d) Vorbereitung und Mitwirkung des Vermieters. . . . . . . . . . . . . . . . e) Umfang der Belegeinsicht . . . . . . f) Belegeinsicht bei der Eigentumswohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen verweigerter Belegeinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafrechtliche Folgen unrichtiger Abrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haushaltsnahe Dienstleistungen . . . Leistungen nach § 35a EStG . . . . . . . Haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begünstige Aufwendungen . . . . . . . .

Vereinbarungen über Betriebskosten . . . . . . . .

722 726 728 729 734 738 744 745

. 748 . 750 . 768 . 772 . 777 . 777 . 780 . 785 . 789 . 794 . 798 . 802 . 804 . 807 . 810 . 811 . 816

a) Umfang der begünstigten Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss der Aufwendungen . . c) Zeitlicher Geltungsbereich . . . . . d) Steuerminderung . . . . . . . . . . . . . 4. Anspruchsberechtigte . . . . . . . . . . . . 5. Schuldner der Steuerbescheinigung C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . I. Vom Katalog des § 2 BetrKV abweichende Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kosten der Instandsetzung . . . . . . . 2. Kosten der Verwaltung . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Positionen . . . . . . . . . . . . . . II. Umlagevereinbarung . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Anforderungen . . . . . . . . 2. Vereinbarung bei Teileigentum . . . . 3. Einfluss anderer vertraglicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umsatzsteuer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Pflicht zur Abrechnung . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Grundlage . . . . . . . . . . . . 2. Abrechnungsperiode . . . . . . . . . . . . . 3. Darstellung der Abrechnung . . . . . . 4. Abrechnungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausschlussfrist. . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsfolgen abgelaufener Abrechnungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Umlageschlüssel . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einwendungsausschluss . . . . . . . . . . VI. Belegeinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Gebot der Wirtschaftlichkeit . . . . . .

. . . . . .

816 817 819 820 821 823

. 826 . . . . . . .

827 832 835 841 847 847 850

. . . . . . . .

852 855 860 860 861 862 864 865

. . . . .

869 871 873 875 878

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1. Historisches 1 In der ursprünglichen Version des Entwurfs zum MRRG 2001 sah § 556 Abs. 1 BGB eine Legaldefinition der Miete vor, sie sollte aus der Grundmiete und dem Betrag für die Betriebskosten bestehen1. Die Formulierung wurde im Gesetzgebungsverfahren geändert, weil die Befürchtung bestand, dass die Regelung, z.B. im Mieterhöhungsverfahren, neue Streitfragen aufwerfen könnte2. Durch die Bezugnahme auf den Begriff der Betriebskosten – am 1.9.2001 noch: i.S.d. Anlage 3 zu § 27 II. BV – sollte klargestellt werden, dass ein einheitlicher Betriebskostenbegriff für den preisfreien wie für den preisgebundenen Wohnraum gilt3. 2 Vor dem Hintergrund des ursprünglich vorgesehenen Wortlautes des § 556 Abs. 1 BGB, wonach die Miete die Grundmiete und den Betrag für die Betriebskosten i.S.d. § 27 II. BV umfassen sollte, könnte der aktuelle Wortlaut von Satz 1 dahin zu verstehen sein, dass die Miete (i.S.d. § 535 Abs. 2 BGB) ansonsten die Betriebskosten nicht enthält. Denn § 556 Abs. 1 BGB verweist nicht darauf, dass nach der Vereinbarung, die die Parteien treffen können, der Mieter die Betriebskosten neben der Miete bzw. der Grundmiete zu tragen hat. Insoweit liegt jedoch nur eine sprachliche Ungenauigkeit vor. Denn bereits zu der ursprünglich vorgesehenen Version wurde in der Be1 Begr. d. RegE, NZM 2000, 415 (419). 2 BT-Drucks. 14/5663, S. 169. 3 Langenberg, NZM 2001, 69 (70).

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Vereinbarungen über Betriebskosten

gründung ausgeführt, dass es sich insoweit, als dass die Miete die Grundmiete und den Betrag für die Betriebskosten umfassen sollte, lediglich um eine Klarstellung handele1. Auch in der jetzt gewählten Formulierung geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Betrag für die Betriebskosten in der Miete enthalten ist und die gesonderte Umlage im Wege der Vorauszahlungen oder der Pauschale einer besonderen Vereinbarung bedarf2. 2. Aktueller Gesetzesstand § 556 Abs. 1 BGB, der zuletzt durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz3 mit Wir- 3 kung ab 1.1.2007 geändert wurde, stellt zunächst klar, dass eine von § 535 Abs. 2 BGB, der eine Bruttomiete vorsieht, abweichende Mietstruktur vereinbart werden kann. In der durch § 556 Abs. 4 BGB gezogenen Grenze macht er in Verbindung mit § 556 Abs. 2 BGB deutlich, dass die Mietstruktur eine variable Komponente nur in Bezug auf die Betriebskosten erhalten darf. Dazu legt § 556 Abs. 1 S. 2 BGB fest, was Betriebskosten sind, und erklärt in S. 3 die BetrKV im Anwendungsbereich der Norm für verbindlich. Dies wird durch die in § 556 Abs. 1 S. 3 BGB enthaltene Ermächtigungsgrundlage für die Bundesregierung ergänzt, wonach die Möglichkeit besteht, die BetrKV zu ändern. § 556 Abs. 2 S. 1 BGB ergänzt Abs. 1, indem er die Pauschale und die Vorauszahlun- 4 gen als die Komponenten herausstellt, mit deren Hilfe die Betriebskosten neben der Grundmiete vereinbart werden können. Da § 556 Abs. 2 S. 1 BGB von § 556 Abs. 4 BGB nicht erfasst wird, wird deutlich, dass auch andere Modelle denkbar sein sollen. Bekannt ist insoweit insbesondere die sog. Teilinklusivmiete (vgl. § 535 BGB Rz. 894) § 556 Abs. 2 S. 2 BGB beschränkt die Vereinbarung von Vorauszahlungen auf eine an- 5 gemessene Höhe. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass generell Vorauszahlungen vereinbart werden müssen, wenn der Vermieter über die Betriebskosten abrechnen soll. Vielmehr greift die Vorschrift nur ein, wenn Vorauszahlungen geregelt sind. In diesem Fall sollen sie eine angemessene Höhe nicht überschreiten dürfen. § 556 Abs. 3 BGB bildet das Kernstück der gesetzlichen Regelung zu Betriebskosten. 6 Die Norm verpflichtet den Vermieter zur Abrechnung über die Vorauszahlungen, bestimmt die Frist, innerhalb der dies zu geschehen hat, und ordnet den Verlust einer Nachforderung an, sofern der Vermieter schuldhaft diese Frist versäumt. Ergänzend regelt sie die zeitlich gleiche Frist von einem Jahr für den Mieter, in der die Einwendungen vorgebracht werden sollen, und bestimmt auch insoweit einen Ausschluss für den Fall der schuldhaften Versäumnis. II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Unmittelbar anwendbar ist die Bestimmung nur bei preisfreiem und nach dem WoFG 7 öffentlich geförderten Wohnraum (§ 28 WoFG). Für den aus der Zeit vor dem 1.1.2002 stammenden preisgebundenen Wohnraum findet sich eine nahezu identische Bestimmung in § 20 NMV. Ob der Einwendungsausschluss nicht auch für diesen preisgebundenen Wohnraum gilt, ist umstritten (vgl. § 556 BGB Rz. 719). Im Hinblick auf § 578 BGB, der auf § 556 BGB nicht verweist, wird deutlich, dass die 8 Bestimmung in der Gewerberaummiete nicht angewendet werden kann. Ihre analoge Anwendung ist umstritten (vgl. § 556 BGB Rz. 865). 2. Anwendbare Rechtsprechung Mit der Mietrechtsreform 2001 wurden die Abrechnungs- und die Einwendungsfrist 9 neu eingeführt. Zur Abrechnungsfrist gab es eine Entsprechung in § 20 Abs. 3 NMV, so dass die (wenige) dazu ergangene Rechtsprechung auch auf § 556 Abs. 3 S. 2, 3 1 Vgl. Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1159. 2 BT-Drucks. 14/5663, S. 169. 3 BGBl. I 2006, 2098.

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Vereinbarungen über Betriebskosten

BGB anwendbar ist. Im Übrigen hat sich zu den Betriebskosten als solchen durch die Einführung des § 556 BGB nichts geändert. Erst durch die Bekanntgabe der BetrKV am 25.11.2003 wurden bei einigen Positionen des § 2 BetrKV zusätzliche Leistungen geregelt (z.B. Kosten der Abrechnung bei Wasserkosten), die aber keine besondere Aufmerksamkeit bei der Anwendung älterer Rechtsprechung erfordern. III. Zweck der Vorschrift 10 § 556 Abs. 1 BGB soll die Vorschrift des § 535 Abs. 2 BGB konkretisieren und ergänzen. Sie dient der Klarstellung, dass die Parteien die Miete durch Vertrag in ein Entgelt für die Gebrauchsgewährung, die Grundmiete und einen Betrag für Betriebskosten aufteilen können1. 11 Die Definition und der Verweis auf die BetrKV in § 556 Abs. 1 S. 2, 3 BGB dienen der Vereinheitlichung. Denn bis zum 1.1.2007 war die Wohnraumförderung eine Bundesangelegenheit, so dass durch den Verweis auf § 19 Abs. 2 WoFG die Einheit des Betriebskostenbegriffs für das Zivilrecht auch durch die Bezugnahme auf die Bestimmungen des Förderrechts erreicht werden konnte. Durch die Föderalismusreform wurde die Hoheit für die Wohnraumförderung auf die Bundesländer übertragen, so dass nun auch abweichende Regelungen in den Ländern beschlossen werden können. Dem damit begründeten Risiko unterschiedlicher Grundlagen des Betriebskostenbegriffs soll durch die Bestimmungen vorgebeugt werden2. 12 § 556 Abs. 2 BGB dient der Klarstellung, dass der zu vereinbarende Betrag für die Betriebskosten als Pauschale oder Vorauszahlungen bestimmt werden kann. 13 Sofern Vorauszahlungen vereinbart sind, soll § 556 Abs. 3 BGB insgesamt zur Beschleunigung der Abrechnung und ihrer Rechtsfolgen beitragen, indem beide Parteien innerhalb von jeweils einem Jahr in Bezug auf die Festlegung der Jahresmiete durch Betriebskosten agieren müssen3. Danach soll Rechtsfrieden eintreten4. IV. Abweichende Vereinbarungen 1. Allgemeines 14 § 556 Abs. 4 BGB verbietet zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen von § 556 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 BGB. § 556 Abs. 2 S. 1 BGB wurde von der Einschränkung der Vertragsfreiheit ausgenommen. Denn diese Bestimmung legt eine (abweichende) Vereinbarung fest. Zu den dort erwähnten Vorauszahlungen und der Pauschale gibt es aber keine Alternative, die zulässigerweise vereinbart werden könnte. 15 Der Zweck des § 556 Abs. 4 BGB weicht nicht von dem generellen Zweck der anderen Verbotsbestimmungen zum Nachteil des Mieters ab (vgl. § 557 BGB Rz. 7 ff.). Deshalb werden nur abstrakt generelle Regelungen in einem Mietvertrag, die eine für den Mieter nachteilige Folge bewirken, eingeschränkt5. Das sind Bestimmungen, die ohne konkreten Anlass für eine Vielzahl von Fällen die Sach- und Rechtslage gestalten. Soweit sie zu Lasten des Mieters abweichen, werden sie durch § 556 Abs. 4 BGB sanktioniert. 16 Trotz des klaren Zwecks wird die Reichweite der Vorschrift unterschiedlich interpretiert. Dies soll an dem Beispiel einer Vereinbarung über eine (einmalig) vom Jahreszeitraum für die Abrechnung abweichende Abrechnungsperiode verdeutlicht werden. Haben die Parteien während der Mietzeit verabredet, den Abrechnungszeitraum zu ändern, werden zur Wirksamkeit bzw. Kollision mit § 556 Abs. 4 BGB die nachfolgenden Auffassungen vertreten.

1 2 3 4 5

Staudinger/Weitemeyer, § 556 BGB Rz. 4. Begr. zum Gesetzentwurf, BR-Drucks. 179/06, S. 39 (42). BGH v. 12.1.2011 – VIII ZR 148/10, WuM 2011, 158 = GE 2011, 329 = ZMR 2011, 373. BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 279/06, MDR 2008, 197 = WuM 2007, 694 = ZMR 2008, 107. Lützenkirchen/Dickersbach, ZMR 2006, 821.

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Die weitaus überwiegende Auffassung geht davon aus, dass eine vertragliche Verlän- 17 gerung der jährlichen Abrechnungsperiode ohne Ausnahme unzulässig ist1. Dies soll auch in den Fällen gelten, in denen für eine solche Absprache sachliche Gründe bestehen2, und sogar dann, wenn sich eine vertragliche Verlängerung des Abrechnungszeitraums im Einzelfall auf den Mieter nicht nachteilig auswirkt3. Diese strikte Auslegung des § 556 Abs. 4 BGB wird damit begründet, dass eine Verlängerung des Abrechnungszeitraums die Gefahr in sich berge, dass Abrechnungen unübersichtlicher würden und ihre Kontrolle für den Mieter erschwert werde4. Außerdem erleide der Mieter einen möglichen Nachteil dadurch, dass eine sich aus der Abrechnung ergebende Berechtigung zur Reduzierung der Betriebskostenvorauszahlungen (§ 560 Abs. 4 BGB) nur mit entsprechender zeitlicher Verzögerung vorgenommen werden könne5. Nach der Gegenmeinung hindert § 556 Abs. 4 BGB in bestimmten Fallgestaltungen 18 die vertragliche Festlegung einer die Dauer von zwölf Monaten überschreitenden Abrechnungsperiode nicht. Einzelne Stimmen beschränken den zeitlichen Anwendungsbereich des § 556 Abs. 4 BGB und ähnlicher Regelungen auf den Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses und bejahen daher uneingeschränkt die Zulässigkeit entsprechender nachträglicher Vereinbarungen6 (vgl. auch § 557 BGB Rz. 7 ff.). Andere Stimmen halten eine im Verlauf des Mietverhältnisses vereinbarte (einmali- 19 ge) Verlängerung der Abrechnungsperiode jedenfalls dann für unbedenklich, wenn sie auf sachlichen Gründen beruht. So soll bei einem Eigentumswechsel im laufenden Kalenderjahr eine vertragliche Verlängerung der Abrechnungsperiode aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein7. Ergänzend dazu soll die Bestimmung des § 556 Abs. 4 BGB einer vertraglichen Absprache über eine einmalige Verlängerung des bisherigen Abrechnungszeitraums jedenfalls dann nicht entgegenstehen, wenn damit eine Umstellung auf das Kalenderjahr ermöglicht werden soll, etwa zum Zwecke der Harmonisierung des Abrechnungsjahrs mit den Abrechnungszeiträumen verschiedener Leistungsträger oder zur Vereinfachung und zur praktikableren Handhabung der Abrechnung8. Der letztgenannten Auffassung hat sich der BGH für einen Einzelfall, in dem die Par- 20 teien die Umstellung der Abrechnungsperiode auf das Kalenderjahr vereinbart hatten9, mit der Begründung angeschlossen, der von der überwiegenden Meinung eingenommene Rechtsstandpunkt finde in den Gesetzesmaterialien keine Stütze. Der BGH betont zwar den Einzelfallcharakter seiner Entscheidung. Die Begründung lässt aber den Schluss zu, dass von einem generellen Verständnis des § 556 Abs. 4 BGB als zumindest partiell dispositiv ausgegangen werden kann (und damit aller 1 LG Leipzig v. 17.6.2004 – 12 S 1657/04, WuM 2004, 481; LG Bremen v. 14.2.2006 – 6 T 34/06, WuM 2006, 199; LG Gießen v. 21.1.2009 – 1 S 288/08, DWW 2009, 189; Betriebskostenkommentar/ Wall, § 556 BGB Rz. 1806 ff.; Langenberg, Betriebskosten, G Rz. 103; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 556 BGB Rz. 298; Blank/Börstinghaus, § 556 BGB Rz. 175; MünchKomm/Schmid, § 556 BGB Rz. 64; MünchKomm/Schmid, Nebenkosten, Rz. 3190 f.; Staudinger/Weitemeyer, § 556 BGB Rz. 116, 144; Emmerich/Sonnenschein/Weitemeyer, § 556 BGB Rz. 71; Palandt/Weidenkaff, § 556 BGB Rz. 10; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. V 363 f.; Both in Herrlein/Kandelhard, § 556 BGB Rz. 70; Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 556 BGB Rz. 84; ähnlich AG Köln v. 13.12.1996 – 205 C 321/05, WuM 1997, 232 (das allenfalls geringfügige Überschreitungen der Jahresfrist für zulässig erachtet). 2 Vgl. etwa MünchKomm/Schmid, § 556 BGB Rz. 64; MünchKomm/Schmid, Nebenkosten, Rz. 3191. 3 So Wall in Betriebskostenkommentar, Rz. 1806. 4 Langenberg, Betriebskostenrecht, G Rz. 103; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 556 BGB Rz. 298; Wall in Betriebskostenkommentar, Rz. 1806; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. V 363. 5 Wall in Betriebskostenkommentar, Rz. 1806. 6 Lützenkirchen/Dickersbach, ZMR 2006, 821 (823 ff.). 7 AG Wetzlar v. 18.11.1999 – 31 C 375/99, WuM 2001, 30 (31). 8 Vgl. Lützenkirchen/Jennißen, Betriebskosten, Rz. 260 m.w.N.; Blöcker/Pistorius, S. 74. 9 BGH v. 27.7.2011 – VIII ZR 316/10, MDR 2011, 1091 = WuM 2011, 511 = GE 2011, 1153 = ZMR 2011, 941.

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wortgleichen Regelungen). Denn der BGH argumentiert, die Bestimmung in § 556 Abs. 3 S. 1 BGB sei der Vorgängerregelung des § 4 Abs. 1 S. 2 MHG nachempfunden1. Damit habe der Gesetzgeber klarstellen wollen, dass auf die zu erwartenden Betriebskosten Vorauszahlungen vereinbart werden könnten2. Wegen damals im Zusammenhang mit der Erhöhung von Heizölkosten aufgetretener Zweifelsfragen habe er zugleich bestimmt, dass nur angemessene, also an der Höhe der zu erwartenden Betriebskosten ausgerichtete Vorauszahlungen zulässig seien und dass über die Vorauszahlungen jährlich abgerechnet werden müsse3. Außerdem habe er angeordnet, dass diese Bestimmungen nicht zum Nachteil des Mieters abbedungen werden können4. Diese Regelungen seien in § 556 Abs. 2 S. 2 BGB (Angemessenheit), in § 556 Abs. 3 S. 1 BGB (jährliche Abrechnungsperiode) und in § 556 Abs. 4 BGB (keine Abdingbarkeit zum Nachteil des Mieters) übernommen worden und seien Teil eines gesetzgeberischen Konzepts, das darauf angelegt sei, neben einem ausgewogenen Interessenausgleich Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu schaffen, den Mietvertragsparteien mehr Raum für eine eigenverantwortliche Vertragsgestaltung zu geben5 und Streit zu vermeiden6. Dem werde eine Auslegung des § 556 Abs. 4 BGB nicht gerecht, die eine einzelfallbezogene Verständigung der Mietvertragsparteien über eine Verlängerung der jährlichen Abrechnungsperiode auch dann ausschließen sollte, wenn mit einer solchen Verlängerung den Interessen beider Mietvertragsparteien gedient sei, weil mit ihr eine Umstellung des Abrechnungszeitraums auf eine andere jährliche Abrechnungsperiode – etwa auf das Kalenderjahr – bezweckt werde. Denn die mit einer solchen Verlängerung des Abrechnungszeitraums dem Mieter möglicherweise entstehenden Nachteile würden durch entsprechende Vorteile hinreichend kompensiert7. Denn die Gefahr, dass der Mieter bei der verlängerten Abrechnungsperiode möglicherweise einen erhöhten Überprüfungsaufwand habe, werde dadurch ausgeglichen, dass zukünftig ein Abrechnungsturnus gelte, der die Erstellung der Abrechnungen vereinfache und damit auch die Nachvollziehbarkeit für den Mieter erhöhe. Der Umstand, dass im Falle eines Guthabens aus der Abrechnung dessen Auszahlung verzögert werde, begründe ebenfalls keinen signifikanten Nachteil für den Mieter. Im Übrigen werde eine Verkürzung des Abrechnungszeitraums (und damit eine frühere Fälligstellung möglicher Nachforderungen) – jedenfalls beim Vorliegen von sachlichen Gründen – überwiegend nicht als unwirksam angesehen8. 2. Andere abweichende Vereinbarungen 22 Auch wenn der BGH betont, dass seine Entscheidung allein für die Umstellung der Abrechnungsperiode gilt, lässt die Begründung den Schluss zu, dass durch Vereinbarungen, die nach Abschluss des Mietvertrages getroffen werden, jedenfalls dann zulässigerweise von den in § 556 Abs. 4 BGB erwähnten Vorschriften für den Mieter nachteilig abgewichen werden kann, wenn dem Mieter zugleich ein Vorteil gewährt wird. Dieser Vorteil muss nicht unbedingt materieller Art sein. Auch bloße Vereinfachungen der Abwicklung des Mietvertrages reichen aus.

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BT-Drucks. 14/4553, S. 51. BT-Drucks. 7/2011, S. 12. BT-Drucks. 7/2011, S. 12. BT-Drucks. 7/2011, S. 12; § 10 Abs. 1 MHG. Vgl. hierzu BT-Drucks. 14/4553, S. 1, 34. BT-Drucks. 14/4553, S. 2. Vgl. zu diesem Gesichtspunkt allgemein Lehmann-Richter, WuM 2010, 3 (5 ff.); dagegen allerdings BGH v. 7.2.2007 – VIII ZR 122/05, WuM 2007, 133 = GE 2007, 510. 8 Vgl. LG Berlin v. 11.2.2005 – 65 S 342/04, GE 2005, 433; AG Waiblingen v. 27.3.1987 – 9 C 2528/86, WuM 1987, 323 (zu § 4 Abs. 1 MHG); Wall in Betriebskostenkommentar, Rz. 1812; SchmidtFutterer/Langenberg, § 556 BGB Rz. 299; Langenberg, Betriebskosten, G Rz. 104; MünchKomm/Schmid, § 556 BGB Rz. 64; Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 556 BGB Rz. 84; noch weitergehend Staudinger/Weitemeyer, § 556 BGB Rz. 116; Weitemeyer/Emmerich/Sonnenschein, § 556 BGB Rz. 71; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. V 363 f.; a.A. Blank/Börstinghaus, § 556 BGB Rz. 175.

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Damit kann aber davon ausgegangen werden, dass nach Abschluss des Mietvertra- 23 ges, also spätestens ab dessen Invollzugsetzung in den Grenzen der §§ 134, 138, 307 BGB Vertragsfreiheit herrscht. Denn der Mieter wird einer abweichenden Vereinbarung nicht zustimmen, wenn er nicht auch eine Gegenleistung erhält (z.B. Zustimmung zur Untervermietung, Installation einer Satellitenantenne, Tierhaltung). Diese Vertragsfreiheit ist jedenfalls durch § 556 Abs. 4 BGB nicht beschränkt. Deshalb braucht im Einzelfall nicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) zurückge- 24 griffen werden, um die Vereinbarung der Parteien über eine (kurze) Verlängerung der Abrechnungsfrist zugunsten des Vermieters zu erhalten1. Denn greift § 556 Abs. 4 BGB nicht ein, so dass Vertragsfreiheit gilt, kommt eine Korrektur nur in Betracht, wenn die Subsumtion zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führt2. Das MietRÄndG 2013 macht durch § 555f BGB deutlich, dass die Regelungen mit ei- 25 nem (inhaltlich) identischen Wortlaut wie § 556 Abs. 4 BGB keine einzelfallbezogenen Vereinbarungen verbieten, sondern allein abstrakt generelle Regelungen3. Sobald also in einer konkreten Situation eine von § 556 Abs. 1 BGB abweichende Umlagefähigkeit (z.B. für Instandsetzungs- oder Verwaltungskosten), die Abrechenbarkeit von Pauschalen, die Verlängerung der Abrechnungsfrist oder die Verkürzung der Einwendungsfrist vereinbart werden, verstoßen derartige Vereinbarungen grundsätzlich nicht gegen § 556 Abs. 4 BGB. 3. Veränderung des Begriffs der Betriebskosten Mit Rücksicht auf den Anwendungsbereich des § 556 Abs. 4 BGB liegt eine zum 26 Nachteil des Mieters von § 556 Abs. 1 BGB abweichende Vereinbarung vor, wenn der Betriebskostenbegriff über den Katalog des § 2 BetrKV erweitert wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn als sonstige Betriebskosten Positionen angesetzt werden sollen, die den Betriebskostenbegriff nicht erfüllen. Aber auch die Erweiterung einzelner Positionen oder des Begriffs als solchem wird 27 sanktioniert. Darüber hinaus werden von dem Verbot der Ausschluss des Gebots der Wirtschaftlichkeit sowie eine Verlängerung der Abrechnungsfrist und eine Verkürzung der Einwendungsfrist erfasst. Dagegen ist es im Rahmen des § 307 BGB zulässig, bestimmte Anforderungen an das Gebot der Wirtschaftlichkeit zu vereinbaren oder Einzelfälle zum Verschulden der Parteien i.S.v. § 556 Abs. 3 BGB zu regeln. 4. Vorauszahlungen Eine von § 556 Abs. 2 BGB zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung liegt 28 vor, wenn unangemessen hohe Vorauszahlungen vereinbart werden. Ein solcher Fall wird bei ordentlicher Abwicklung des Mietvertrages regelmäßig nicht relevant, wenn der Vermieter innerhalb der Jahresfrist abrechnet. Denn erst dann kann (praktisch) beurteilt werden, in welchem Verhältnis die vereinbarten Vorauszahlungen zu den tatsächlichen Kosten stehen. Interessanter ist die Frage für den Mieter bei einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzug. Denn hier bietet sich u.U. eine Ausrechnungsmöglichkeit. Da keine Pflicht besteht, Vorauszahlungen zu vereinbaren4, kann weder die Unterlas- 29 sung noch die Vereinbarung zu geringer Vorauszahlungen gegen § 556 Abs. 4 BGB verstoßen. V. Prozessuales 1. Klage auf Vorauszahlungen und Abrechnungsreife Klagt der Vermieter rückständige Miete ein, die auch Vorauszahlungen auf Betriebs- 30 kosten enthält, kann er vom Zeitpunkt der Abrechnungsreife an die Vorauszahlungen 1 2 3 4

So aber: LG Koblenz v. 28.1.2010 – 14 S 318/08, WuM 2011, 564. BGH v. 5.11.2003 – XII ZR 134/02, ZMR 2004, 106 = NZM 2004, 97. Vgl. dazu Lützenkirchen/Dickersbach, ZMR 2006, 821 (823 ff.). BGH v. 28.4.2004 – XII ZR 21/02, WuM 2004, 201 = ZMR 2004, 653.

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nicht mehr verlangen1. Immerhin könnte er ja abrechnen, wenn er es nicht schon getan hat. Ab dem Zeitpunkt der Vorlage der Abrechnung oder spätestens der Abrechnungsreife kann er nur noch die sich aus der Abrechnung ergebenden Beträge verlangen und muss die Klage gemäß § 264 Nr. 3 ZPO entsprechend umstellen2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist der Schluss der mündlichen Verhandlung ggf. im Berufungsverfahren3. 2. Urkundenprozess 31 Es ist mittlerweile anerkannt, dass Mietforderungen im Urkundenprozess geltend gemacht werden können4. Für Nebenkostennachzahlungen ist diese Prozessart grundsätzlich ebenfalls möglich5. Durch die Vorlage der Abrechnungen kann zwar nicht deren inhaltliche Richtigkeit bewiesen werden. Aus diesem Umstand kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass deshalb die Geltendmachung von Forderungen aus Betriebskostenabrechnungen im Urkundenprozess nicht statthaft sei6. Für den Fall, dass der Mieter den behaupteten Anfall von Kosten bestreiten sollte, kann dieser grundsätzlich durch Urkunden, wie Abgabenbescheide und Rechnungen, bewiesen werden7. 3. Streitverkündung/Regress gegen Erfüllungsgehilfen des Vermieters 32 Bei der Vertretung des Vermieters sollte im Auge behalten werden, inwieweit Abrechnungsmängel durch Erfüllungsgehilfen des Vermieters hervorgerufen wurden. In Betracht kommen hier insbesondere der Verwalter und der Abrechnungsdienst. Im Zweifel kann diesen Personen nach den §§ 72 ff. ZPO der Streit verkündet werden, damit das Ergebnis des Nachforderungsprozesses auch ihnen gegenüber Verbindlichkeit entfalten kann. Jedenfalls kann aber eine Hilfe erwartet werden, weil die Erfüllungsgehilfen regelmäßig über mehr Wissen hinsichtlich der einzelnen Schritte der Abrechnung verfügen. 33 Der Regress richtet sich in der Regel nach den Grundsätzen des § 280 BGB. Dazu muss die Verletzung einer Pflicht aus dem Vertragsverhältnis festgestellt werden, nach dem der betreffenden Person die Mitwirkung an der Abrechnung oblag. Ist die Abrechnung z.B. formell unwirksam (vgl. § 556 BGB Rz. 480 ff.), liegt jedenfalls die Vermutung nahe, dass der Abrechnungsgehilfe eine Pflichtverletzung begangen hat. Denn die Kenntnis der Grundsätze einer formell wirksamen Abrechnung der Betriebs-, Heiz- und Warmwasserkosten gehört zu den Grundlagen, die jeder Verwalter und jeder Abrechnungsdienst beherrschen muss. 34 Schadensersatzansprüche können in den AGB des Verwalters oder des Abrechnungsdienstes grundsätzlich nicht durch Formularklauseln ausgeschlossen werden. Selbst wenn die Haftungsregelung die in § 309 Nr. 7a) BGB vorgesehenen Vorbehalte enthält, ist sie unwirksam8. 35 Hat sich die Pflichtverletzung auf die (mangelnde) Durchsetzbarkeit der Nachforderung ausgewirkt, ist bei der Berechnung der Schadenshöhe der Vermieter darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass der Mieter bei entsprechender Verurteilung auch leistungsfähig gewesen wäre. Liegt nur ein materieller Fehler der Abrechnung 1 Vgl. BGH v. 27.11.2002 – VIII ZR 108/02, NZM 2003, 196 (unter III 2); OLG Hamburg, WuM 1989, 150. 2 OLG Düsseldorf v. 14.12.2000 – 10 U 134/98, ZMR 2001, 882 (884 f.); Langenberg, Betriebskosten, G Rz. 93; Blank/Börstinghaus, § 556 BGB Rz. 201. 3 BGH v. 16.6.2010 – VIII ZR 258/09, ZMR 2010, 847 = NZM 2010, 736. 4 BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 200/08, MDR 2009, 1297 = NJW 2009, 3099; BGH v. 20.12.2006 – VIII ZR 112/06, MDR 2007, 671 = NJW 2007, 1061; BGH v. 1.6.2005 – VIII ZR 216/04, MDR 2005, 1399 = NJW 2005, 2701; BGH v. 10.3.1999 – XII ZR 321/97, MDR 1999, 822 = NJW 1999, 1408. 5 KG v. 28.6.2010 – 8 U 167/09, ZMR 2011, 116; Neuhaus, Rz. 1906. 6 A.A. Blank, NZM 2000, 1083. 7 Schmid, DWW 2007, 324; Both, NZM 2007, 156; AG Mitte v. 9.5.2006 – 9 C 737/05, ZMR 2007, 42 = NZM 2007, 642; AG Hannover v. 3.12.2002 – 517 C 12231/02, MDR 2003, 326 = ZMR 2003, 271. 8 AG Krefeld v. 4.5.2012 – 6 C 52/12, GE 2012, 1100.

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vor, kommt es für den Eintritt des Schadens darauf an, ob der Vermieter ihn noch korrigieren kann. Davon ist in der Regel auszugehen (vgl. § 556 BGB Rz. 600). B. Wohnraummiete I. Begriff der Betriebskosten Obwohl § 556 Abs. 1 BGB eine Definition der Betriebskosten enthält und § 2 BetrKV 36 die wesentlichen davon erfassten Positionen enumerativ aufzählt, muss der Begriff der Betriebskosten inhaltlich herausgearbeitet werden. Denn ob Kostenpositionen den Betriebskosten zugeordnet werden können, ist trotz des umfangreichen Katalogs des § 2 BetrKV nicht nur bei der Zuordnung von Leistungen zu den einzelnen Positionen relevant, sondern insbesondere bei der Frage, ob sonstige Betriebskosten i.S.v. § 2 Nr. 17 BetrKV vorliegen. Der Wortlaut von § 556 Abs. 1 S. 1 BGB könnte nahelegen, dass die vorgesehene abweichende Vereinbarung sich nur auf die in § 535 Abs. 1 S. 3 BGB bezeichneten Lasten bezieht. Lasten sind die auf der Sache liegenden Verpflichtungen zu Leistungen, die aus der Sache zu entrichten sind und den Nutzungswert mindern1. Hierunter fallen insbesondere Grundsteuer, kommunale Abgaben, Kapitalkosten und Dienstbarkeiten.

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Die Definition in § 556 Abs. 1 BGB erfasst aber nicht nur Lasten, sondern grund- 38 sätzlich auch Kosten, die dem Eigentümer durch das Eigentum am Grundstück oder den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes etc. laufend entstehen. Damit bestimmen sich die Betriebskosten im Wesentlichen durch drei Tatbestandsmerkmale, nämlich: – Entstehung durch das Eigentum oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Immobilie oder ihrer Nebenanlagen und dies – tatsächlich und – laufend. 1. Entstehung beim Eigentümer § 556 Abs. 1 BGB setzt zunächst voraus, dass die Kosten dem Eigentümer (oder 39 Erbbauberechtigten) Entstehen. Das führt aber nicht dazu, dass dem Vermieter, der nicht Eigentümer ist, keine Betriebskosten entstehen können. Wie bei § 1 Abs. 2 HeizkV steht der Eigentümer synonym für alle Vermieter (Untervermieter, Zwischenvermieter, Nießbraucher etc.). Denn die Definition der Betriebskosten ist historisch zu betrachten. Sie stammt ursprünglich aus § 27 II. BV und hat daher ihren Ursprung im Kostenmietrecht. Die dafür einschlägigen Vorschriften gehen vom Eigentümer als Begünstigtem der öffentlichen Mittel und damit als Vermieter aus. 2. Entstehung durch das Eigentum Das Erfordernis der Entstehung der Kosten durch das Eigentum (bzw. das Erbbau- 40 recht) oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Immobilie oder ihrer Nebenanlagen macht deutlich, dass die Kosten objektbezogen sein müssen. Sie müssen mit der Nutzung des Objektes im Zusammenhang stehen. Personenbezogene Kosten, wie etwa die Rechtsschutz- oder persönliche Haftpflicht- 41 versicherung des Vermieters, lassen sich nicht auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Grundstücks zurückführen2. Ebenso werden damit „sachfremde Aufwendungen“, wie z.B. Kosten für Sozialbetreuer der Mieter, ausgegrenzt. 3. Laufende Entstehung Durch das Merkmal „laufende Kosten“ sollen einmalige Ausgaben ausgegrenzt wer- 42 den, insbesondere Bau- und sonstige Anschaffungskosten. Es ist nicht erforderlich, 1 Erman/Arnold, § 103 BGB Rz. 2. 2 Vgl. z.B. BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 137/09, MDR 2010, 375 = WuM 2010, 153.

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dass die Kosten mehrfach in der Abrechnungsperiode entstehen oder zumindest in jeder Abrechnungsperiode einmal1. 43 Auch aperiodische Kosten (z.B. Kosten der Sanderneuerung nach § 2 Nr. 10 BetrKV, Eichkosten nach § 2 Nr. 2 BetrKV) sind von der Definition des § 556 Abs. 1 BGB erfasst. Entscheidend ist allein, dass sie in regelmäßig wiederkehrenden Zeiträumen anfallen2, so dass auch die alle vier Jahre vorgesehenen technischen Prüfungen der Elektroleitungen Betriebskosten darstellen3. Eine zeitliche Höchstgrenze für Intervalle, die zwischen dem jeweiligen Anfall der Kosten liegen, besteht nicht. Insbesondere ist der jeweilige Mietvertrag kein Parameter, sondern allenfalls die Lebenszeit der Immobilie. Deshalb werden z.B. auch Druck- und Dichtigkeitsprüfungen von Gasleitungen4 vom Begriff der Betriebskosten erfasst, obwohl dafür Intervalle von zwölf Jahren empfohlen werden. 4. Tatsächliche Entstehung a) Allgemein 44 Durch das Erfordernis der „tatsächlichen Entstehung“ soll der Ansatz fiktiver Kosten verhindert werden. Eine Ausnahme bilden insoweit die Eigenleistungen des Vermieters (vgl. § 556 BGB Rz. 429 ff.). Deshalb ordnet § 1 Abs. 1 S. 2 BetrKV an, wie der Vermieter seine Eigenleistungen in der Abrechnung ansetzen kann. 45 Die Betriebskosten sind entstanden, wenn mit ihrer Berechnung sicher gerechnet werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein Vertrag vorliegt, der die Höhe der Vergütung regelt und die Leistung erbracht wurde5. Auf die Rechnungsstellung durch den Dienstleister oder die Zahlung des Vermieters kommt es nicht an. 46 Kein Problem der laufenden Entstehung ist die Frage, ob Abschlagzahlungen des Vermieters an den (z.B. Wasser-)Versorger oder nur der Saldo aus dessen Abrechnung angesetzt werden können6. Die Antwort richtet sich nicht nach der Definition der Betriebskosten, sondern nach den Grundsätzen, die für die Kostenerfassung gelten (vgl. § 556 BGB Rz. 370 ff.). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Vermieter Zahlungen auf künftig anfallende Kosten erhebt. Eine derartige Rücklagenbildung ist unzulässig7. b) Rückvergütungen und sonstige Vorteile 47 Das Tatbestandsmerkmal der „tatsächlichen Entstehung“ macht auch deutlich, dass der Vermieter Rabatte, Skonti oder sonstige Preisnachlässe an den Mieter weiterzugeben hat8. Dabei spielt der Grund der (Gegen-)Leistung keine Rolle (z.B. Treuerabatt9). Dies gilt auch für Rückvergütungen („kick-back“), die in der Praxis in unterschiedlichster Form vorkommen (z.B. als Provisionen oder Vergütungen für Regieleistungen). 48 Eine Art dieser – anrechenbaren – Rückvergütungen sind z.B. die Einnahmen aus Münzwaschmaschinen, die auf die Kosten der Wasserversorgung und des Allgemeinstroms (anteilig) anzurechnen sind10. Auch ein Gewinnaufschlag zugunsten des Vermieters, der in den Wärmelieferungspreis einkalkuliert und somit verdeckt auf die

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A.A. LG Siegen v. 23.4.1992 – 3 S 43/92, WuM 1992, 630. BGH v. 7.4.2004 – VIII ZR 167/03, WuM 2004, 290. BGH v. 14.2.2007 – VIII ZR 123/06, MDR 2007, 769 = WuM 2007, 198. LG Hannover v. 7.3.2007 – 12 S 97/06, ZMR 2007, 865; AG Bad Wildungen v. 20.6.2003 – C 66/03, WuM 2004, 669; a.A. AG Kassel v. 8.4.2005 – 454 C 6175/04, WuM 2006, 149. Langenberg, Betriebskosten, A Rz. 24. Schmidt-Futterer/Langenberg, § 556 BGB Rz. 90; a.A. AG Prenzlau v. 3.9.1996 – 1 C 466/96, WuM 1997, 231; Lammel, § 556 BGB Rz. 36. Rips in Betriebskostenkommentar, Rz. 1503. Rips in Betriebskostenkommentar, Rz. 1509; zweifelnd: Schmid, Nebenkosten, Rz. 1041. AG Tiergarten v. 11.5.1987 – 5 C 141/87, GE 1987, 1115. AG Pinneberg v. 25.9.2002 – 69 C 59/02, ZMR 2003, 121; Rips in Betriebskostenkommentar, Rz. 1506.

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Mieter umgelegt wird, ist mietrechtlich nicht zulässig1. Ein solcher „Gewinnaufschlag“ ist insbesondere nicht als Umlage von Modernisierungskosten von den Voraussetzungen der §§ 559 f. BGB gedeckt2. Soweit der Vermieter derartige kick-backZahlungen auf den Mieter abwälzt, kann er sich sogar strafbar machen, wenn er sie im Prozess bestreitet3. Zur Abgrenzung, welche wirtschaftlichen Vorteile der Vermieter anrechnen muss, 49 kann auf die vergleichbare Situation bei der Kostenmiete abgestellt werden. Für sie gilt gemäß § 3 NMV das Prinzip der Kostendeckung. Sowohl im preisfreien als auch im preisgebundenen Wohnraum wird mit der Umlage der Betriebskosten ebenfalls eine Kostendeckung verfolgt4. Zum Kostendeckungsprinzip gemäß § 3 NMV bestimmt § 31 II. BV, welche (besonderen) Erträge sich der Vermieter auf die Kostenmiete anrechnen lassen muss. Dabei wird insbesondere darauf abgestellt, ob der jeweilige Ertrag mit der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung oder z.B. einem Vorteil zusammenhängt, der nur einem Mieter infolge einer besonderen Konstellation (z.B. Untermietzuschlag) gewährt wurde5. Übertragen auf die Betriebskosten führen diese Überlegungen zu der Prämisse, dass der Vermieter Einnahmen, die er durch Nutzung des Objektes ohne einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Betriebskostenbewirtschaftung erzielt, von den tatsächlich entstandenen Betriebskosten nicht abziehen muss6. Alle übrigen Einnahmen, seien sie verdeckt oder offen, mit oder ohne vertragliche Grundlage, sind grundsätzlich auf die jeweilige Position i.S.v. § 2 BetrKV anzurechnen, und zwar auch dann, wenn sie an mit dem Vermieter verbundene Unternehmen oder den Hausverwalter (ohne Wissen) fließen. Dem steht § 7 Abs. 1 S. 2 II. BV nicht entgegen7. Diese Vorschrift gilt unmittelbar nur 50 für die Berechnung der Baukosten bei der Ermittlung der Kostenmiete und kann nicht entsprechend angewendet werden. Unabhängig davon, ob die Vorschriften des Preisbindungsrechts wegen ihres durch § 50 WoFG dokumentierten vorübergehenden Charakters auf sonstige Mietverhältnisse überhaupt analog angewendet werden können8, ist hier § 24 II. BV unmittelbar einschlägig. Denn nach § 24 Abs. 1 II. BV sind die Betriebskosten Bewirtschaftungskosten. Dafür bestimmt § 24 Abs. 2 II. BV zwar auch den Ansatz nach dem tatsächlichen Anfall. Dieser steht aber unter der Einschränkung, dass der Ansatz den Grundsätzen einer ordentlichen Bewirtschaftung gerecht werden muss. Dafür ist nach § 24 Abs. 2 S. 2 II. BV u.a. die gewissenhafte Abwägung aller Umstände und die Rücksichtnahme auf die Grundsätze der ordentlichen Geschäftsführung maßgeblich. Daher muss eine Kürzung um solche Beträge erfolgen, die der Vermieter infolge der Bewirtschaftung der Betriebskostenleistung vereinnahmt. Durch diese Sichtweise wird nicht die Anwendung des Gebots der Wirtschaftlichkeit 51 auf die Ebene der Kostenentstehung (unzulässig) verlagert9. Der Vermieter wird in seinen unternehmerischen Überlegungen nicht eingeschränkt. Es ist aber davon auszugehen, dass die Vorteile, die z.B. ein Dienstleister dem Vermieter für die Möglichkeit gewährt, die Dienstleistung überhaupt erbringen zu dürfen, in die abzurechnende Vergütung einkalkuliert werden. Damit trägt der Mieter über die Betriebskosten zu weiteren Erträgen des Vermieters bei, die ohne die vereinbarte Umlage der Betriebskosten auf den Mieter bei ordentlicher Bewirtschaftung nicht entstehen würden.

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Milger, NZM 2008, 1 (7). BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 129/07, WuM 2008, 343 = GE 2009, 581 = ZMR 2009, 747. BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 129/07, WuM 2008, 343 = GE 2009, 581 = ZMR 2009, 747. Vgl. dazu BGH v. 6.12.1978 – VIII ZR 273/77, MDR 1979, 667 = WuM 1979, 175 = ZMR 1979, 179. Vgl. BGH v. 2.11.2005 – VIII ZR 310/04, MDR 2006, 681 = WuM 2006, 26 = ZMR 2006, 188. Rips in Betriebskostenkommentar, Rz. 1506. A.A. Schmid, Nebenkosten, Rz. 1041. So für § 24 NMV: BGH v. 20.9.2006 – VIII ZR 103/06, WuM 2006, 613; für § 29 II. BV: BGH v. 8.3.2006 – VIII ZR 78/05, WuM 2006, 200. 9 Vgl. dazu auch Milger, NZM 2008, 1 (8).

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Vereinbarungen über Betriebskosten

52 Um eventuelle Rückvergütungen und sonstige anrechenbare Vorteile ermitteln zu können, muss der Mieter die Geschäftsbeziehung des Vermieters zu dem Dienstleister durchleuchten. Dazu steht ihm grundsätzlich ein Auskunftsanspruch zu. Hat der Vermieter aber die Frage nach einer weiteren Geschäftsbeziehung generell oder sogar hinsichtlich ganz bestimmter Ausgestaltungen verneint, besteht kein Anspruch auf Vorlage geeigneter Unterlagen. 53 Als anrechenbare Vorteile kommen in Betracht: – Einnahmen aus Münzwaschmaschinen1; – Skonti, Rabatte – unabhängig vom Rechtsgrund (Treuerabatt2); – Bonuszahlungen von Lieferanten3; – Entgelte für die Nutzung von Teilen des Gebäudes durch den Dienstleister oder vorhandener Anlagen (Heizung, Elektrounterverteilung, Kabelverteilnetz, Aufzug, Leitungen für Frisch- und Abwasser) zur Erbringung der Leistung im Zusammenhang mit Betriebskosten; – Stromkostenerstattungen von Breitbandanbietern und sonstigen Dienstleistern, die im Gebäude technische Anlagen unterhalten; – Leistungen von Versicherern, die sich als Rückerstattung auf geleistete Prämien oder Provision darstellen; – Delkredereprovision als pauschaler Nachlass für zu erwartende Zahlungsausfälle; – Zahlung von Beträgen als Ausgleich für Inkasso- oder sonstige Verwaltungstätigkeiten des Vermieters im Zusammenhang mit dem Betriebskostenmanagement; – Erstattung von Lohnfortzahlungen für Personal, das bei der Erbringung von Betriebskosten tätig ist4; – Umsatzsteuererstattungen auf Betriebskosten5. 54 Nicht anrechenbar sind aber z.B. – Werbeeinnahmen aus der Bereitstellung von Flächen im Aufzug oder Treppenhaus6; – Provision z.B. des Kabelbetreibers für die Möglichkeit, mit den Mietern Multimedia-Produktverträge über zusätzliche Leistungen zu schließen. c) Anrechnungsverfahren 55 Werden die anrechenbaren Vergütungen an den Vermieter bezahlt, müssen sie im Jahr der Zahlung auf die jeweilige Position angerechnet werden. Bezieht sich die Rückvergütung auf mehrere Abrechnungspositionen (z.B. Einnahmen aus Münzwaschmaschinen = Strom- und Wasserkosten), muss eine angemessene Aufteilung gefunden werden, die auch die Belange des Vermieters (z.B. Abschreibung, Instandsetzung) berücksichtigt. Im Zweifel muss der Vermieter zur Schätzung nach § 287 ZPO seine Kalkulationsgrundlage offenlegen. 56 Oftmals wird die Rückvergütung aber verdeckt bezahlt und z.B. durch den Dienstleister in seine Vergütung einkalkuliert. Insoweit besteht grundsätzlich keine Pflicht des Vermieters, die entsprechende Kalkulation zu offenbaren bzw. von sich aus beim Dienstleister den Abzugsbetrag zu ermitteln und der Abrechnung gutzuschreiben. Denn es besteht keine allgemeine Offenbarungspflicht, z.B. als Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB über nichtumlagefähige Anteile oder anrechenbare Vergütungen. Dies macht schon die Praxis der Vollwartungsverträge z.B. bei den Kosten des Betriebs des Personen- oder Lastenaufzugs deutlich7. Eine weitere Bestätigung dieser Auffassung findet sich in der Rechtsprechung des BGH zur Abrechnung gemischt ge1 2 3 4 5 6 7

AG Pinneberg v. 25.9.2002 – 69 C 59/02, ZMR 2003, 121. Rips in Betriebskostenkommentar, Rz. 1507. Milger, NZM 2008, 1 (7). Rips in Betriebskostenkommentar, Rz. 1507. Seldeneck, Rz. 2401. Rips in Betriebskostenkommentar, Rz. 1506. Vgl. dazu Langenberg, Betriebskosten, A Rz. 99 f. m.w.N.

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§ 556 BGB

nutzter Gebäude1: Selbst wenn die Belastung des Mieters mit Mehrkosten offensichtlich ist, kann der Vermieter einheitlich abrechnen und ist erst auf (substantiierte) Einwendung des Mieters hin verpflichtet, eine Kürzung für den nicht auf Wohnfläche entfallenden Anteil vorzunehmen. Auch bei Verstößen gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit sieht der BGH die Darlegungs- und Beweislast allein beim Mieter2. Grundsätzlich soll noch nicht einmal eine sekundäre Darlegungslast des Vermieters bestehen3. Der Vermieter muss allerdings dem Mieter wahrheitsgemäß antworten, wenn dieser sich nach der Zusammensetzung der Vergütung informiert, und darf insbesondere im Prozess nicht bestreiten, derartige kick-back-Zahlungen erhalten zu haben4. Der Mieter kann im Rahmen der Belegprüfung auch die Vorlage der Ausschreibungs- 57 unterlagen, in denen in der Regel die Kalkulationsfaktoren aufgeführt sind, verlangen. Dies ist bereits notwendig, wenn er zu der entsprechenden Leistung ein Gegenangebot einholen will, um eine Verletzung des Gebots der Wirtschaftlichkeit schlüssig darlegen zu können. Denn dies ist regelmäßig nicht ohne einen entsprechenden Kostenvoranschlag möglich5. 5. Negative Abgrenzung Die vorstehenden Merkmale können auch durch Verwaltungskosten, Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungskosten und Kapitalkosten erfüllt sein, jedenfalls wenn sie laufend entstehen. Diese Kostenarten sind aber ausdrücklich von den „Betriebskosten“ ausgeschlossen, wie § 1 Abs. 2 BetrKV deutlich macht.

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a) Verwaltungskosten Unter den abzugrenzenden Verwaltungskosten sind nach der Definition in § 26 Abs. 1 II. BV die Kosten zu verstehen, die der Vermieter selbst oder durch Arbeitskräfte (Personal), ggf. mit Hilfe von Einrichtungen (Büroausstattung) aufwenden muss, um die kaufmännischen und rechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Immobilie bzw. des Grundstücks abzuwickeln6. Hierzu gehören auch die Kosten der Aufsicht über Grundstück und Gebäude.

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Auch die Kosten der Abrechnung sind Verwaltungskosten. Sie können ausnahmswei- 60 se in den ausdrücklich zugelassenen Fällen umgelegt werden. Dies ist in §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 HeizkV für die Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten, für Kaltwasserkosten gemäß § 2 Nr. 2 BetrKV sowie für Kosten der Müllentsorgung, wenn Müllmengenerfassungsanlagen vorhanden sind, in § 2 Nr. 8 BetrKV vorgesehen. Diese Ausnahmen können aber nicht verallgemeinert werden, so dass die Kosten, die 61 für einen Abrechnungsservice aufgewendet wurden, der die Betriebskostenabrechnung erstellt, nicht umgelegt werden können. Das Gleiche soll für die Kosten einer Zwischenablesung bei einer Heizkostenabrechnung gelten7, obwohl diese durch § 9b HeizkV ausdrücklich angeordnet ist und es sich daher um Kosten der Abrechnung i.S.v. § 7 Abs. 2 HeizkV handelt. Im Mietvertrag können die Verwaltungskosten nur als fester Bestandteil der Grund- 62 miete vereinbart werden, weil sonst eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung nach § 556 Abs. 4 BGB vorliegt8. Umso mehr sind entsprechende Formularklauseln unwirksam, wenn daraus der Eindruck entstehen kann, die Kosten würden im Wege der Abrechnung umgelegt9. Bei wirksamer Vereinbarung gehen die 1 BGH v. 11.8.2010 – VIII ZR 45/10, WuM 2010, 627 = NZM 2010, 784 = ZMR 2011, 26. 2 BGH v. 28.11.2007 – VIII ZR 243/06, NJW 2008, 440 (Rz. 14). 3 BGH v. 6.7.2011 – VIII ZR 340/10, MDR 2011, 1095 = WuM 2001, 513 = NZM 2011, 705; kritisch dazu Artz, PiG 92, 173 f.; Langenberg/Zehelein, NZM 2013, 169. 4 BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 129/07, WuM 2008, 343 = GE 2009, 581 = ZMR 2009, 747. 5 Vgl. dazu BGH v. 6.7.2011 – VIII ZR 340/10, MDR 2011, 1095 = WuM 2001, 513 = NZM 2011, 705. 6 Vgl. auch BGH v. 18.11.2009 – VIII ZR 347/08, NZM 2010, 279. 7 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 19/07, WuM 2008, 85. 8 OLG Karlsruhe v. 6.5.1988 – 9 REMiet 1/88, WuM 1988, 204. 9 LG Braunschweig v. 15.3.1996 – 6 S 366/95, WuM 1996, 283.

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Verwaltungskosten als fester Betrag in einer (späteren) Mieterhöhung nach § 558 BGB auf. 63 Diese Einschränkung der Vertragsfreiheit gilt nicht für individuelle Vereinbarungen, die nach Überlassung der Mietsache getroffen werden. Denn § 556 Abs. 4 BGB gilt grundsätzlich nicht für fallbezogene Nachträge, die nach Abschluss des Mietvertrages errichtet werden (vgl. § 557 BGB Rz. 7 ff.). Vereinbaren die Parteien also nachträglich die Umlage der Verwaltungskosten, liegt zwar ein Nachteil für den Mieter, aber kein Verstoß gegen § 551 Abs. 4 BGB vor1. Nachträgliche Formularvereinbarungen verstoßen aber gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. b) Instandsetzungskosten 64 Der Begriff der Instandsetzung und Instandhaltung des § 1 Abs. 2 BetrKV ist identisch mit der Erläuterung in § 535 BGB Rz. 446 Instandhaltung kann vereinfacht mit vorbeugenden Maßnahmen gleichgesetzt werden2, zu denen insbesondere Wartungsarbeiten gehören, die in den ausdrücklich durch § 2 BetrKV zugelassenen Fällen und dort umlagefähig sind, wo sie den Begriff der Betriebskosten3 erfüllen. 65 Bei der Instandsetzung können Abgrenzungsprobleme entstehen, wenn sie vom Hausmeister erledigt werden (vgl. § 2 Nr. 14 BetrKV) oder der Vermieter sog. Vollwartungsverträge unterhält. Bei einem Vollwartungsvertrag werden neben den reinen Wartungsarbeiten vom Dienstleister auch anlässlich der Wartung auftretende kleinere Reparaturen erledigt. Solche Vollwartungsverträge kommen z.B. bei den Kosten des Aufzuges vor. In einem solchen Fall sind die auf die Instandsetzung entfallenden Kostenanteile grundsätzlich herauszurechnen. c) Kapitalkosten 66 Kapitalkosten sind keine Betriebskosten, weil sie nicht durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch veranlasst sind. Dies gilt insbesondere für Erbpachtzinsen4, Erbbauzinsen5 oder für einmalige bzw. verrentete Gebühren aus dem Anschluss an öffentliche Versorgungs- oder Entsorgungseinrichtungen oder Anliegerbeiträge sowie für Kabelanschlussgebühren. Erst recht fallen Finanzierungskosten darunter, die für die Anschaffung von Betriebsmitteln verwendet werden6. Denn auch die Bau- und Anschaffungskosten erfüllen nicht das Tatbestandsmerkmal der „laufenden Kosten“. 67 Ausnahmen können auch nicht mit dem Argument zugelassen werden, dass die Anschaffung mittelfristig bei wirtschaftlicher Betrachtung zu einer Reduzierung der Kostenlast führt7, weil z.B. die Vergabe von Fremdarbeit erspart wird8. Anders verhält es sich mit Reinigungsmitteln, weil die Reinigung durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch veranlasst ist und dabei laufend Reinigungsmittel benötigt werden, so dass es sich um Kosten der Säuberung nach § 2 Nr. 9 BetrKV handelt. Auch aus den übrigen in § 2 BetrKV ausdrücklich erwähnten Anschaffungskosten (z.B. Nr. 10: Erneuerung von Sand) kann nicht geschlossen werden, dass (vergleichbare) Anschaffungskosten bei anderen Positionen umlegbar wären. Eine solche Auffassung wird bereits durch § 2 Nr. 14 BetrKV widerlegt, bei dem die Tätigkeit des Hausmeisters im Zusammenhang mit Erneuerungen ausdrücklich von der Umlage ausgenommen wird.

1 Lützenkirchen/Dickersbach, ZMR 2006, 821. 2 OLG Köln v. 17.12.1993 – 19 U 189/93, ZMR 1994, 158. 3 Z.B. technische Überprüfung von Elektroleitungen, BGH v. 14.2.2007 – VIII ZR 123/06, MDR 2007, 769 = WuM 2007, 198. 4 AG Osnabrück v. 4.3.1985 – 40 C 396/84, WuM 1985, 344. 5 LG Osnabrück v. 19.5.1987 – 19 S 46/87, WuM 1987, 267. 6 AG Siegburg v. 19.5.1985 – 2 C 75/85, WuM 1985, 345. 7 BGH v. 17.12.2008 – VIII ZR 92/08, WuM 2009, 115 (117). 8 So aber AG Schöneberg v. 20.12.2000 – 6 C 206/00, NZM 2001, 808; AG Lichtenberg v. 29.1.2003 – 7 C 303/02, MM 2003, 246.

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II. Die Umlagepositionen 1. Der Katalog des § 2 BetrKV Nr. 1: „Laufende öffentliche Lasten des Grundstücks, hierzu gehört namentlich die Grundsteuer“. a) Erfasste Kosten Zu den öffentlichen Lasten zählen alle periodisch wiederkehrenden Verbindlichkei- 68 ten, die sich aus öffentlichem Recht ergeben und auf dem Grundstück ruhen1. Namentlich kommen in Betracht die Grundsteuer, Realkirchensteuer, Deichabgaben und ähnliche laufende öffentliche Abgaben, Gebühren oder Steuern. Nicht erfasst sind Erschließungs- oder Anschlusskosten, da diese zu den Baukosten gehören. Denn sie stellen das Entgelt für die Errichtung der Erschließungsanlagen dar. Abgesehen davon entstehen sie einmalig und nicht laufend. Auch die Erhebung einer Ortskirchensteuer kann nicht umgelegt werden, wenn sie personenbezogen berechnet wird2. Die Grundsteuer berechnet sich in drei Rechengängen. Zunächst setzt das Finanz- 69 amt den Einheitswert fest. Dann berechnet es den Steuermessbetrag. Auf den Steuermessbetrag wendet die Gemeinde den vom Gemeinderat beschlossenen Hebesatz an und setzt den Steuerbetrag durch Bescheid fest. Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen finden sich im Grundsteuergesetz (GrStG), für das ergänzend die Grundsteuer-Richtlinien (GrStR) in der Fassung vom 9.12.1978 gelten3. Da bei Wohnungseigentum die Grundsteuer konkret für die einzelne Wohnung erho- 70 ben wird, greift für die Umlage in diesen Fällen grundsätzlich nicht § 556a Abs. 1 BGB, sondern ist sie vorrangig konkret der jeweiligen Wohnung ohne Vorberechnung zuzuordnen4. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein abweichender Verteilerschlüssel vereinbart ist und die Auslegung ergibt, dass auch die Grundsteuer nach dem gültigen Gesamtverteiler umgelegt werden soll. Das kann z.B. der Fall sein, wenn im Mietvertrag generell ein Verteilerschlüssel vereinbart und formularmäßig durch Leerzeilen vorgesehen ist, Ausnahmen einzutragen, und diese Leerzeilen durchgestrichen sind5. Denn hier entsteht vom Empfängerhorizont der Eindruck, dass gerade keine Ausnahme von einer Verteilung nach dem Gesamtverteiler erfolgen soll. Ist dem Vermieter beim Ausfüllen ein solcher Fehler unterlaufen, ergibt die Auslegung, dass er die Grundsteuer aller anderen Sondereigentümer ermitteln und als Gesamtkosten ansetzen kann. b) Erhebung der Grundsteuer Die Grundsteuer wird regelmäßig von der Behörde auf das gesamte Grundstück mit 71 einem Hebesatz auf den Einheitswert berechnet. Der Einheitswert wird von dem Finanzamt nach der Höhe der auf dem Grundstück erzielten Rohmieten ermittelt, wobei die Finanzbehörde unterschiedliche Multiplikatoren für Wohnungen, Gewerberäume und Garagen bzw. Stellplätze ansetzt. Aus dieser Methodik ergibt sich, dass sich das Ergebnis (die Grundsteuer) entsprechend der unterschiedlichen Nutzung des Grundstücks zusammensetzt6. Mit Rücksicht darauf sollte die Vorverteilung der Grundsteuer im Verhältnis der Anteile der unterschiedlichen Nutzungen an der Ermittlung des Einheitswertes erfolgen7. 1 2 3 4

Blank/Börstinghaus, § 556 BGB Rz. 9. LG Landau v. 3.7.2012 – 1 S 30/12, ZMR 2013, 43. BStBl. 1978 I, S. 553. BGH v. 15.3.2011 – VIII ZR 243/10, WuM 2011, 281 = GE 2011, 683; LG Hamburg v. 7.9.2010 – 333 S 35/10, WuM 2011, 23; LG Berlin v. 1.11.2005 – 65 S 195/05, WuM 2006, 34. 5 BGH v. 26.5.2004 – VIII ZR 169/03, WuM 2004, 403. 6 Laug, WuM 1993, 171. 7 LG Hamburg v. 27.6.2000 – 316 S 15/00, ZMR 2001, 970; LG Berlin v. 27.10.2000 – 65 S 65/00, ZMR 2001, 111; LG Frankfurt v. 4.3.1986 – 2/11 S 43/85, WuM 1986, 234; AG Köln v. 18.7.1997 – 221 C 553/96, WuM 1998, 56; AG Gütersloh v. 4.11.1994 – 14 C 315/94, WuM 1995, 660; AG Köln v. 29.11.1994 – 208 C 332/94, ZMR 1995 XII Nr. 24; AG Köln v. 2.8.1994 – 214 C 141/94, ZMR 1995

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72 Bei einer nachträglichen Korrektur des Grundsteuerbescheides durch die Behörde kann der Vermieter gehindert sein, die erhöhte Grundsteuer an die Mieter weiterzugeben. Dieses Hindernis ergibt sich noch nicht daraus, dass die Korrektur für den Vermieter u.U. vorhersehbar ist, weil die Behörde aufgrund baulicher Veränderungen (z.B. Dachgeschossausbau) immer erst mit erheblicher Zeitversetzung eine Neuberechnung vornimmt. Denn § 556 Abs. 3 S. 3 BGB setzt das Bestehen der Möglichkeit zur Abrechnung voraus. Allerdings kann Verjährung eingetreten sein. Insoweit ist nämlich nicht auf die Korrektur durch die Behörde abzustellen, sondern auf die Nachforderung, auf die sich die Korrektur bezieht1. c) Gemischte Nutzung 73 Trotz der einheitlichen Erhebung besteht kein genereller Anspruch auf Vorwegabzug der auf eine andere Nutzung (z.B. als Gewerbebetrieb) entfallenden Anteile2. Vielmehr gilt auch hier der Grundsatz, dass der Mieter eine erhebliche Mehrbelastung durch die einheitliche Abrechnung vortragen und ggf. beweisen muss3 (vgl. § 556 BGB Rz. 409 ff.). Deshalb ist es verfehlt, die Pflicht zum Vorwegabzug allein auf die Tatsache zu stützen, dass unterschiedliche Hebesätze angewendet werden4. 74 Hat der Vermieter eine Vorermittlung durchzuführen, muss er sich den Berechnungsbogen für den Einheitswert bei dem für die Festsetzung des Einheitswertes zuständigen Finanzamt besorgen. Darin ist regelmäßig der Anteil der Rohmiete für die unterschiedlichen Nutzungen aufgeführt. d) Grundsteuerermäßigung bei Leerstand 75 Nach § 33 Abs. 1 GrStG kann der Eigentümer bei seiner Gemeinde einen Antrag auf teilweisen Erlass der Grundsteuer stellen, sofern der normale Rohertrag eines Mietwohngrundstücks um mehr als 50 % (bis einschließlich 2007 um 20 %) gemindert war und er die Minderung des normalen Rohertrags nicht zu vertreten hat (z.B. wegen bewusstem Leerstand, Sanierung etc.). Der Antrag muss bis zum 31. März des folgenden Jahres bei der Gemeindeverwaltung eingegangen sein. Spätere Erlassanträge können nicht berücksichtigt werden, weil es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist handelt. Eine Fristverlängerung ist nicht möglich. Wird die Grundsteuer für das Steuerjahr erst nach dem 31. März des folgenden Jahres festgesetzt, verlängert sich die Frist für den Erlassantrag. Der Antrag ist dann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids möglich5. 76 Maßstab für die Minderung ist die bislang vereinbarte oder die für vergleichbare Häuser marktübliche Miete. Weitere Voraussetzungen, etwa dass es sich um einen untypischen oder dauerhaften Einnahmeausfall handeln müsse, sind nicht zulässig6. Damit lässt sich der Grundsteuererlass auch mit strukturell bedingten Einnahmeausfällen begründen. Deshalb können Gründe für eine relevante Ertragsminderung beispielsweise sein, dass ein Neubau nicht gleich vermietet werden kann, dass erst nach einer Pause ein Nachmieter zu finden ist oder dass der vorhandene Mieter nicht zahlt. 77 Dadurch, dass der Antrag erst nachträglich, also (weit) nach Ablauf der Abrechnungsperiode gestellt werden kann, muss der Vermieter zunächst der Abrechnung den aus dem ursprünglichen Bescheid ersichtlichen Betrag zugrunde legen. Der noch

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XII Nr. 25; AG Köln v. 20.9.1989 – 203 C 257/89, WuM 1990, 32; AG Frankfurt v. 26.2.1988 – 33 C 3464/87-67, WuM 1988, 170; AG Köln v. 11.11.1985 – 206 C 220/85, WuM 1986, 234. LG Düsseldorf v. 22.9.2010 – 23 S 430/09, GE 2011, 695; LG Rostock v. 27.2.2009 – 1 S 200/08; WuM 2009, 232 = ZMR 2009, 924 = GE 2009, 1253. LG Hamburg v. 6.5.2010 – 316 O 68/09, ZMR 2010, 760. BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 251/05, MDR 2007, 455 = WuM 2006, 684 = GE 2006, 1544; BGH v. 8.3.2006 – VIII ZR 78/05, MDR 2006, 802 m. Anm. Walter = WuM 2006, 200 = NZM 2006, 340. So aber AG Köln v. 23.5.2006 – 210 C 43/06, WuM 2006, 568. OVG Saarland v. 28.12.1989 – 1 R 84/87, KStZ 1991, 40. BFH v. 24.10.2007 – II R 5/05, ZKF 2007, 211; a.A. OVG Münster v. 31.10.2008 – 14 A 1420/07, ZKF 2009, 90 (atypische Situation – nach wie vor – erforderlich).

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nicht beschiedene Antrag auf (Teil-)Erlass begründet keine Teilabrechnung i.S.v. § 556 Abs. 3 BGB. Sobald der Erlass wirksam erfolgt, muss er die Abrechnung korrigieren. Die Korrektur ist selbst dann durchzuführen, wenn die Entscheidung über den 78 (Teil-)Erlass erst nach Ablauf der Frist des § 556 Abs. 3 S. 5 BGB bekannt wird und der Mieter keine Einwendung erhoben hat. Zwar kann der Mieter einwenden, der (Teil-)Erlass hätte beantragt werden können. Zu diesem Zeitpunkt ist aber in der Regel die Ausschlussfrist des § 33 GrStG schon abgelaufen. Abgesehen davon, dass der Mieter insoweit den Ablauf der Einwendungsfrist nicht zu vertreten hat, ergibt sich die Korrekturpflicht aus §§ 280, 241 Abs. 2 BGB. Denn der Vermieter muss über Umstände aufklären, die nur ihm bekannt und für die Entscheidung des Mieters, den Saldo der Abrechnung auszugleichen, von entscheidender Bedeutung sind. e) Nacherhebung der Grundsteuer Gerade wenn ein Erstbezug stattfindet oder der Vermieter z.B. durch Dachgeschoss- 79 ausbau das Gebäude erweitert hat, ist damit zu rechnen, dass die Gemeinde die Grundsteuer ab dem Zeitpunkt der Fertigstellung der Arbeiten (rückwirkend) erhebt. Der Vermieter soll diese nachträglich erst entstandenen Kosten solange geltend machen können, wie die regelmäßige Verjährung von drei Jahren, beginnend mit dem Ablauf des jeweiligen Jahres der zulässigen Mitteilung der Betriebskostenabrechnung des früheren Abrechnungszeitraums, nicht abgelaufen ist1. Dabei wird aber übersehen, dass der Vermieter die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen erst mit dem Bescheid des Finanzamts/der Behörde erlangt. Deshalb kann die Verjährung auch erst beginnen, wenn der Vermieter von der nachträglichen (Neu-)Festsetzung der Grundsteuer erfährt2. Dies gilt erst recht, wenn der Vermieter sich die Nachberechnung ausdrücklich vorbehalten hat. Die Nacherhebung der Grundsteuer ist zunächst kein Problem der Verjährung, son- 80 dern der Frage, ob insoweit der Ablauf der Abrechnungsfrist vom Vermieter zu vertreten ist. Auch wenn der Vermieter in der Regel die Umstände, aus denen die Grundsteuererhöhung resultiert, kennt, weil er die Modernisierung oder den Ausbau selbst durchgeführt hat, ist er durch § 556 Abs. 3 BGB an der Geltendmachung nicht gehindert. Denn er hatte vor Erlass des Bescheides über die Nachbelastung keine Möglichkeit, die zusätzliche Grundsteuer gegenüber dem Mieter abzurechnen. Kommt es dann auf die Verjährung an, kann nicht auf frühere Abrechnungsperioden abgestellt werden. Denn der Anspruch entsteht erst mit dem Zugang des Bescheides. Dass sich die Zahlungspflicht auf frühere Jahrgänge und damit bereits abgelaufene Abrechnungsperioden beziehen kann, führt nicht zur Verjährung, weil die anspruchsbegründende Tatsache (der Bescheid) aktuell erst vorliegt. Der Mieter kann belastet werden, wenn er auch in den durch den Bescheid erfassten Perioden zur Zahlung von Betriebskosten verpflichtet war. f) Gebot der Wirtschaftlichkeit Gegenüber der Grundsteuer kann der Mieter eine Verletzung dieses Gebots geltend 81 machen, wenn die Grundsteuer zu hoch bemessen ist oder ein Teilerlass nicht beantragt wurde. In beiden Fällen muss er zunächst den Vermieter auf Auskunft über die für die Herabsetzung maßgeblichen Berechnungsgrundlagen in Anspruch nehmen, wenn er die Grundlagen nicht durch Einsichtnahme in die Abrechnungsbelege ermitteln kann. Sodann muss er (schlüssig) aufzeigen, dass der Einheitswert oder der Hebesatz falsch berechnet wurden oder ein entsprechender Antrag des Vermieters nach § 33 GrStG erfolgreich gewesen wäre.

1 LG Düsseldorf v. 22.9.2010 – 23 S 430/09, WuM 2010, 749; Streyl, WuM 2011, 101. LG Rostock v. 27.2.2009 – 1 S 200/08, WuM 2009, 232 = ZMR 2009, 924, Streyl, WuM 2011, 101. 2 BGH v. 12.12.2012 – VIII ZR 264/12, WuM 2013, 108 = NZM 2013, 84.

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g) Umlageschlüssel 82 Grundsätzlich kann die Grundsteuer nach dem vertraglich oder gesetzlich festgelegten Umlageschlüssel auf die Mieter verteilt werden. 83 Bei einer Eigentumswohnung gilt dies auch, wenn die Vereinbarung der Parteien über den Umlageschlüssel keinen Raum – auch nicht im Wege der Auslegung – für eine direkte Abrechnung durch den Vermieter/Sondereigentümer zulässt1. Besteht keine verbindliche Regelung des Umlageschlüssels, kann die Grundsteuer „direkt“ an den Mieter weitergegeben werden, weil sie von der Kommune direkt für die jeweilige Sondereigentumseinheit erhoben wird2. Das Gleiche gilt bei einer Doppelhaushälfte3 oder anderen Einheiten, für die die Grundsteuer gesondert erhoben wird. Vgl. auch § 556 BGB Rz. 488 f. Nr. 2: „Kosten der Wasserversorgung, hierzu gehören die Kosten des Wasserverbrauchs, die Grundgebühren, die Kosten der Anmietung oder anderer Arten der Gebrauchsüberlassung von Wasserzählern sowie die Kosten ihrer Verwendung einschließlich der Kosten der Eichung sowie der Berechnung und Aufteilung, die Kosten der Wartung von Wassermengenreglern, die Kosten des Betriebs einer hauseigenen Wasserversorgungsanlage und einer Wasseraufbereitungsanlage einschließlich der Aufbereitungsstoffe“. a) Kosten des Wasserverbrauchs 84 Für die Kosten des Wasserverbrauchs ist es unerheblich, ob der Versorger hoheitlich im Rahmen der Daseinsvorsorge oder privatrechtlich tätig ist. Die von ihm berechneten Kosten der Lieferung von Wasser sind umlegbar, soweit sie laufend entstehen. 85 Erhebliche Mehrkosten, die z.B. durch Defekte im Leitungssystem entstehen4, dürfen grundsätzlich nicht umgelegt werden. Das Gleiche gilt für Wasserverbrauch infolge von Bauarbeiten des Vermieters5. Auch die vom Vermieter angeordnete Vorsorgemaßnahme, Wasser zunächst länger laufen zu lassen, um Qualitätsmängel (z.B. Verfärbung des Frischwassers) zu vermeiden, erfordert einen Abzug. Verdunstet das Wasser aber in einem Teich, der zur Gartenanlage gehört, und wird der Teich aus der allgemeinen Leitung nachgefüllt, handelt es sich um laufende Kosten, die ungeschmälert umlegbar sind6. 86 Auch wenn der erhebliche Mehrverbrauch durch ein schuldhaftes Verhalten eines anderen Mieters entstanden ist, können die Kosten nicht berechnet werden, weil insoweit ein Schadensersatzanspruch gegen den Verursacher besteht und es sich eben nicht um laufende Kosten handelt. Ein solcher Schadensersatzanspruch gegen den Mieter wegen Mehrverbrauchs kann sich einerseits aus einer Verletzung der Anzeigepflicht (z.B. zu späte Meldung eines Rohrbruchs) und andererseits aus einer Obhutspflichtverletzung (z.B. nicht geschlossene Armatur während des Urlaubs) ergeben7. Insoweit trifft den Vermieter die Darlegungs- und Beweislast, ohne dass spürbare Beweiserleichterungen ersichtlich sind. 87 Der Abzugsbetrag muss ggf. geschätzt werden (§ 287 ZPO). Insoweit trägt der Vermieter grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast8. Allerdings muss zunächst der Mieter substantiiert Gründe vortragen, die gegen die Richtigkeit der Abrechnung sprechen. Dazu reicht es nicht aus, ganz allgemein darauf hinzuweisen, dass der Ver-

1 BGH v. 26.5.2004 – VIII ZR 169/03, WuM 2004, 403 = NZM 2004, 580 = MietRB 2004, 282. 2 BGH v. 13.9.2011 – VIII ZR 45/11, WuM 2011, 684 = GE 2011, 1679; BGH v. 15.3.2011 – VIII ZR 243/10, WuM 2011, 281 = GE 2011, 683. 3 BGH v. 15.3.2011 – VIII ZR 243/10, WuM 2011, 281 = GE 2011, 683. 4 AG Bergisch Gladbach v. 8.3.1983 – 26 (23) C 575/80, WuM 1984, 230 (Rohrbrüche); AG Hannover v. 13.11.2008 – 514 C 7283/08, WuM 2009, 178 (defekte Toilettenspülung). 5 LG Lübeck v. 13.3.1991 – 14 S 135/90, WuM 1991, 482. 6 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 18.8.2010 – 2 C 76/10, GE 2010, 1351. 7 Vgl. dazu Schmidt-Futterer/Langenberg, § 556 BGB Rz. 111. 8 Vgl. BGH v. 20.2.2008 – VIII ZR 27/07, MDR 2008, 737 = WuM 2008, 284.

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brauch für eine dreiköpfige Familie nicht erklärlich und die einzige Erklärung ein technischer Defekt sei1. Allerdings kann die mehr als 10 %ige Steigerung des Verbrauchs gegenüber dem Vorjahr ausreichen, die durch Vorlage der Vorjahresabrechnung aufgezeigt werden kann. Nach ausreichendem Vortrag des Mieters muss dann der Vermieter alle Ursachen 88 des unerklärlich hohen oder stark gestiegenen Verbrauchs ausschließen. Dazu muss er etwa nachweisen, dass die Rohrleitungen mangelfrei sind, die Messgeräte fehlerfrei arbeiten (= Einhaltung der Eichfrist) und richtig abgelesen wurden sowie die abgelesenen Werte richtig verarbeitet wurden2. Ergibt sich danach die Notwendigkeit eines Abzuges, muss der Vermieter dem Gericht im Zweifel eine ausreichende Schätzgrundlage vortragen. Muss z.B. der durch schuldhaftes Verhalten eines anderen Mieters entstandene Verbrauch abgezogen werden (z.B. geöffnete Zapfstelle während einer längeren Abwesenheit), kann die durchschnittliche Durchlaufmenge an dem geöffneten Wasserhahn bezogen auf die Dauer des Verbrauchs als Schätzgrundlage ausreichen. b) Grundgebühren Die Grundgebühren werden regelmäßig vom Versorgungsunternehmen in Rechnung 89 gestellt und für die Vorhaltung des Wasserwerks und des Rohrnetzes erhoben. Auch bei überwiegendem Leerstand und der Pflicht zur verbrauchsabhängigen Ab- 90 rechnung braucht der Vermieter diese Kosten grundsätzlich nicht zu separieren, um sie gleichmäßig auf alle Einheiten zu verteilen3. Ein Anspruch des Mieters auf Korrektur der Abrechnung ergibt sich erst in einem Fall der krassen Unbilligkeit (vgl. § 556a BGB Rz. 70). c) Zählerkosten Zählerkosten entstehen als Miete oder Gebühr beim Leistungsträger (Wasserversor- 91 ger). Dies gilt auch für Zwischen- und Einzelwasserzähler, die der Vermieter gemietet hat. Diese Kosten sind in vollem Umfang abrechenbar, auch wenn darin Anteile für Reparatur, Eichung oder sonstige Instandhaltungsmaßnahmen enthalten sind. Eine besondere Mitteilungspflicht des Vermieters, dass er die Verbrauchserfassungsgeräte anmieten will, besteht anders als nach § 4 Abs. 2 S. 2 HeizKV hier nicht. d) Eichkosten Eichkosten sind bei Geltung der BetrKV wegen der ausdrücklichen Erwähnung und 92 bei Geltung der Anlage 3 zu § 27 II. BV als „Kosten der Verwendung“ abrechenbar. Dazu findet regelmäßig, um teurere Lohnkosten zu sparen, ein Austausch der Zähler als Ersatz für die Eichung im eigentlichen Sinne statt, was allgemein anerkannt ist4. Schließt der Vermieter eine als Eich- und Wartungsvertrag bezeichnete Vereinba- 93 rung, in der sich der Leistungsträger auch zum Austausch oder zur Reparatur defekter Erfassungsgeräte selbst dann verpflichtet, wenn diese Leistung vor Ablauf der Eichfrist notwendig wird, soll im Zweifel ein Abzug von 30 % gerechtfertigt sein, weil eine Umgehung des Verbots, Anschaffungskosten anzusetzen, vorliegen soll5. Ein pauschaler Abzug ist aber grundsätzlich nicht gerechtfertigt. Wird der Vertrag im Prozess vorgelegt, ist der Vortrag des Vermieters zur Umlage von 100 % der Kosten unschlüssig. Deshalb muss er durch Angabe der Schätzgrundlagen (§ 287 ZPO) darle1 LG Cottbus v. 26.11.2010 – 5 S 5/10, GE 2011, 409; LG Hamburg v. 27.6.2000 – 316 S 15/00; GE 2001, 992; LG Düsseldorf v. 16.6.1995 – 21 S 358/92, DWW 1995, 286 (stark erhöhter Heizölverbrauch); AG Bochum v. 10.7.1985 – 65 C 187/85, WuM 1985, 373; AG Köln v. 22.11.1982 – 207 C 415/82, WuM 1983, 274. 2 LG Mannheim v. 21.12.1988 – 4 S 186/87, ZMR 1989, 336; Wall, jurisPR-MietR 2/2008, Anm. 3 m.w.N. 3 LG Chemnitz v. 11.4.2008 – 6 S 437/07, NZM 2009, 154; a.A. OLG Dresden v. 25.6.2009 – 8 U 402/09, WuM 2010, 158. 4 AG Koblenz v. 28.5.1996 – 42 C 970/96, DWW 1996, 252. 5 LG Potsdam v. 26.9.2002 – 11 S 81/01, MM 2003, 143.

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gen, in welcher Höhe ein Abzug erfolgen kann1. Das kann im Zweifel durch die Vorlage der Kalkulation des Dienstleisters geschehen. 94 Die Überschreitung der Eichfrist führt trotz § 25 Abs. 1 Nr. 1a EichG nicht zu einem pauschalen Abzug von z.B. 15 %2 oder zur Unverwertbarkeit der Messergebnisse3. Die Auswirkungen reduzieren sich darauf, dass die Ablesewerte durch den Ablauf der Eichfrist ihre Richtigkeitsvermutung verlieren4. In diesem Fall muss der Vermieter die Richtigkeit der abgelesenen Werte im Prozess zur Überzeugung des Tatrichters nachweisen. Dazu muss der Vermieter Umstände vortragen, die eine geeignete Grundlage zur tatrichterlichen Schätzung nach § 287 ZPO bilden. Dies kann durch die Vorlage der Verbrauchswerte der letzten unbeanstandeten Abrechnungsperioden geschehen. Ein anderer Weg besteht darin, die ungeeichten Zähler überprüfen zu lassen und die Verlässlichkeit der Ergebnisse durch den Prüfbericht einer staatlich anerkannten Prüfstelle für Messgeräte für Wasser nachzuweisen. e) Kosten der Berechnung und Aufteilung 95 Diese Kosten können sich aus der Inanspruchnahme eines Abrechnungsunternehmens oder als Eigenleistung des Vermieters (vgl. dazu § 556 BGB Rz. 429 ff.) ergeben. Sie entstehen, wenn der Vermieter nach § 556a Abs. 1 S. 2 abrechnet. Das setzt voraus, dass alle Einheiten mit Vorrichtungen zur Verbrauchserfassung ausgestattet sind5. Eine Pflicht, bestehende Gebäude mit Einzelwasserzählern nachzurüsten, besteht nicht6, solange dies gesetzlich nicht vorgeschrieben ist7. f) Hauseigene Wasserversorgungsanlage 96 Unter dem Begriff der hauseigenen Wasserversorgungsanlage wird zunächst das im Gebäude vorhandene Leitungssystem verstanden, durch das die einzelnen Einheiten mit Frischwasser versorgt werden. Daneben fallen unter den Begriff sowohl hauseigene Brunnen wie auch Pumpen- oder Druckerhöhungsanlagen8. Letztere sorgen dafür, dass z.B. auch in einem Hochhaus in den oberen Etagen der Wasserdruck nicht abfällt. 97 Beim Betrieb dieser Anlagen können Strom- und Wartungskosten anfallen. Ggf. sind hier auch die Kosten einer Notstromanlage abrechenbar, sofern sie nicht bereits bei den Aufzugskosten angesetzt werden. Daneben können unter dieser Position die Kosten der regelmäßig wiederkehrenden Untersuchung nach § 14 TrinkwasserVO zur mikrobiologischen und chemischen Qualität des Wassers sowie zur Einhaltung von Schadstoffgrenzwerten angesetzt werden, sofern sie nicht entsprechend der HeizkV, sondern z.B. statisch umgelegt werden9. Richtigerweise sind es aber Kosten der Lieferung von Warmwasserkosten nach § 8 HeizkV, so dass sie in der Warmwasserkostenabrechnung anzusetzen sind10. g) Regenwasserrückgewinnungsanlage 98 Eine hauseigene Regenwasserrückgewinnungsanlage verursacht grundsätzlich keine Betriebskosten, wenn sie im Eigentum des Vermieters steht. Der (für den Vermieter 1 Vgl. BGH v. 20.2.2008 – VIII ZR 27/07, MDR 2008, 737 = WuM 2008, 284. 2 A.A. LG Berlin v. 11.11.2011 – 63 S 149/11, GE 2011, 1183. 3 BGH v. 17.11.2010 – VIII ZR 112/10, MDR 2011, 92 = WuM 2011, 21; a.A. BayObLG v. 23.3.2005 – 2Z BR 236/04, WuM 2005, 479; LG Saarbrücken v. 22.7.2005 – 13 B S 23/05, WuM 2005, 606; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 556 BGB Rz. 116; Bierbaum, GE 2000, 848. 4 OLG Düsseldorf v. 2.2.2012 – 10 U 102/11, GE 2012, 484. 5 BGH v. 12.3.2008 – VIII ZR 188/07, WuM 2008, 288. 6 AG Hamburg v. 4.9.1987 – 41 C 1159/87, WuM 1988, 171; vgl. auch Flatow, AnwZert MietR 5/2010, Anm. 1. 7 Vgl. z.B. für Hamburg § 45 Abs. 4 HBauO: „Jede Wohnung muss einen eigenen Wasserzähler haben.“ 8 A.A. AG Hamburg-St. Georg v. 15.12.2006 – 911 C 552/05, WuM 2007, 446. 9 A.A. Langenberg, Betriebskosten, K Rz. 140. 10 Langenberg, Betriebskosten, K Rz. 141; Blümmel, GE 2011, 1396; Pfeifer, MK 2012, 13 (17); a.A. Schmid, ZMR 2012, 10 (11) (sonstige Betriebskosten i.S.v. § 2 Nr. 17 BetrKV).

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kostenlose) Wasserverbrauch kann nach den Regeln über die Berechnung von Eigenleistungen des Vermieters (vgl. § 556 BGB Rz. 429 ff.) berücksichtigt werden. Dazu muss die Abgabemenge der Mieter/Nutzer durch Zähler gemessen werden Der Lieferpreis kann nach dem Arbeitspreis des örtlichen Versorgers ohne Umsatzsteuer angesetzt werden. Daneben können Strom- und Wartungskosten anfallen.

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h) Wasseraufbereitungsanlage Unter die Kosten einer Wasserbereitungsanlage einschließlich der Aufbereitungsstof- 100 fe fallen alle Aggregate, die die Konsistenz des vom Versorgungsunternehmen gelieferten Wassers verbessern, also insbesondere entkalken, enthärten oder sonstige Fremdstoffe (Schwebstoffe, Farb- und Geruchsbeeinträchtigungen) entfernen. Umlegbar sind hier Strom- und Wartungskosten für die Anlage sowie die Aufberei- 101 tungsstoffe wie Filter oder chemische Zusätze (z.B. Salztabletten)1. Maßnahmen, die sich ausschließlich auf den Schutz der Wasserleitungen im Gebäude beziehen2, sollen dagegen nur umlegbar sein, wenn sie sich wegen des Härtegrades des Wassers bei der Vorbeugung von Reparaturen an den Einrichtungsgegenständen des Mieters (z.B. Spül- oder Waschmaschine) auswirken können3. Dies ist nicht richtig. § 2 Nr. 3 BetrKV ordnet die Wasseraufbereitungsanlagen den umlegbaren Betriebskosten ohne Differenzierung zu. Abgesehen davon handelt es sich auch bei Kosten, die nicht diesem Zweck dienen, um laufende Kosten, die durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch entstehen. i) Münzwaschmaschine Befindet sich im Mietobjekt eine Münzwaschmaschine, z.B. in der Gemeinschafts- 102 waschküche, und wird deren Wasserverbrauch nicht separat erfasst und/oder abgezogen, sollen die Einnahmen ebenso auf die Wasser- wie auf die (nicht getrennt erfassten) Stromkosten gutgeschrieben werden. Dazu soll eine Aufteilung von 70 % (Wasser) zu 30 % (Strom) angemessen sein4. Dies ist nicht richtig. Die Anrechnung von Einnahmen ist in § 31 II. BV für die Ermitt- 103 lung der Kostenmiete bei öffentlich gefördetem Wohnraum vorgesehen. Die Vorschrift ist aber noch nicht einmal auf Betriebskosten im preisgebundenen Wohnraum anrechenbar. Denn der Verordnungsgeber hat dies weder in Nr. 16 der Anlage 3 zu § 27 II. BV vorgesehen noch in § 2 Nr. 16 BetrKV. Mit dem – im Ergebnis – vollen Abzug der Kosten würden damit auch die kalkulierten Ansätze für Instandsetzung, Abnutzung und Gewinn dem Vermieter entzogen. Sofern die Kosten denn erheblich sind, muss der Vermieter daher „nur“ den (ggf. zu schätzenden) Verbrauch der Waschmaschine(n) abziehen. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie zu § 556 BGB Rz. 88. j) Besondere Maßstäbe für Umlagevereinbarungen Es bestehen grundsätzlich keine Bedenken, die Kosten der Wasserversorgung nach 104 Wohnfläche gemäß § 556a BGB umzulegen. Eine Ausnahme kann durch einen Fall der krassen Unbilligkeit begründet werden (vgl. § 556a BGB Rz. 70). Abweichende Vereinbarungen i.S.v. § 556a Abs. 1 S. 1 BGB, die die verbrauchsabhän- 105 gige Abrechnung grundsätzlich vorsehen, können sich direkt aus dem Mietvertrag oder einer stillschweigenden Abrede ergeben. Letzteres kann etwa der Fall sein, wenn die Wohnung mit (Wasser-)Zählern ausgestattet ist und darüber bei der Besichtigung vor Abschluss des Mietvertrages gesprochen wurde. Eine stillschweigende Vereinbarung zur Abrechnung nach Verbrauchserfassung kommt aber nicht in Betracht, 1 Z.B. Phosphat, AG Friedberg v. 14.3.1985 – C 5/84, WuM 1985, 369. 2 Z.B. Korrosionsschutzmittel, die der Vermeidung von Lochfraß dienen AG Lörrach v. 31.1.1995 – 2 C 343/94, WuM 1995, 593. 3 Vgl. AG Dresden v. 16.2.2001 – 143 C 3528/00, NZM 2001, 708. 4 AG Pinneberg v. 25.9.2002 – 69 C 59/02, ZMR 2003, 121.

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wenn nicht alle Wohnungen des Hauses mit Zählern ausgestattet sind und der Vertrag einen anderen (bestimmten) Abrechnungsschlüssel vorsieht1. Andererseits soll der Vermieter nicht ohne Ankündigung berechtigt sein, nach dem abgelesenen Verbrauch abzurechnen, wenn als Umlagemaßstab die Wohnfläche vereinbart ist2. Jedenfalls kann ein Anspruch des Mieters auf verbrauchsabhängige Abrechnung – wenn überhaupt – grundsätzlich nur für die Zukunft geltend gemacht werden (vgl. § 556a BGB Rz. 62). 106 Sind Wasserzähler vertragswidrig nicht abgelesen worden und rechnet der Vermieter nach Fläche ab, kann der Mieter Schadensersatz (§ 280 BGB) fordern. Dabei kann er den Schaden in analoger Anwendung des § 12 HeizKV berechnen und das Abrechnungsergebnis (= Anteil an den Kosten der Wasserversorgung) um 15 % kürzen3 (vgl. § 556a BGB Rz. 109). 107 Eine Formularklausel, die die Umlage der Grundgebühr ohne Einschränkung im Verhältnis der je Wohnung erfassten Verbrauchsmenge vorsieht, ist wegen unangemessener Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam4. Denn sie widerspricht dem Grundsatz, dass der Vermieter im Normalfall den Kostenanteil zu tragen hat, der auf leerstehende Wohnungen entfällt, weil er das Vermietungsrisiko trägt5. Eine Abwälzung dieses Vermietungsrisikos auf den Mieter kann schon bei einer (gerade in bestimmten Regionen der neuen Bundesländer nicht unerheblichen) durchschnittlichen Leerstandsquote zu einer beträchtlichen zusätzlichen Kostenbelastung führen, mit der der Mieter bei Vertragsschluss im Regelfall nicht rechnet und die er der Höhe nach nur schwer oder gar nicht vorhersehen kann, zumal sie nicht nur durch die Bedingungen des Immobilienmarktes, sondern auch durch eine „„Entmietung“ ganzer Wohnblöcke mit einer Vielzahl von Wohnungen hervorgerufen werden kann. Diese Unangemessenheit wird nicht dadurch kompensiert, dass dem Mieter ein Anspruch auf Änderung des vereinbarten Abrechnungsschlüssels zusteht6, sofern die Voraussetzungen einer krassen Unbilligkeit gegeben sind. Im Ergebnis würde dem Mieter damit ein Prozess- und nicht unerhebliches Kostenrisiko aufgebürdet. 108 Die Kosten des Wasserverbrauchs dürfen ebenso wie die Kosten der Entwässerung zum Zwecke der gemeinsamen Abrechnung nach Verbrauch in der Abrechnung zusammengefasst werden7. Des Weiteren ist es zulässig, die Kosten aus dem Abrechnungskreis der (kalten) Betriebskosten auszugliedern und in der Abtrennung der Kosten für Heizung und Warmwasser darzustellen8. Dies gilt selbst dann, wenn den Abrechnungskreisen nicht dieselbe Abrechnungsperiode zugrunde liegt9. k) Gebot der Wirtschaftlichkeit 109 Der Vermieter ist nicht gehalten, den Wasserverbrauch für die Mieter dadurch zu reduzieren, dass er Wasserspartasten installiert. Damit würde eine Modernisierung, mindestens aber bauliche Veränderung verlangt10, auf die der Mieter keinen An1 BGH v. 12.3.2008 – VIII ZR 188/07, MDR 2008, 735 = WuM 2008, 288 = NZM 2008, 444; LG Berlin v. 24.6.1999 – 67 S 546/98, GE 1999, 1052; AG Köpenick v. 13.3.2006 – 10 C 274/05, WuM 2006, 273. 2 AG Potsdam v. 29.3.2007 – 26 C 287/06, GE 2008, 551. 3 BGH v. 13.3.2012 – VIII ZR 218/11, WuM 2012, 316 = GE 2012, 827 = ZMR 2012, 615 = GuT 2012, 135. 4 BGH v. 6.10.2010 – VIII ZR 183/09, MDR 2010, 1373 = WuM 2010, 685 = GE 2010, 1615 = NZM 2010, 855; OLG Dresden v. 25.6.2009 – 8 U 402/09, WuM 2010, 158. 5 Vgl. Schmid, ZMR 1998, 609 ff.; Langenberg, WuM 2002, 589 ff.; Blank/Börstinghaus, § 556a BGB Rz. 5; Sternel, WuM 2003, 243 ff. 6 BGH v. 31.5.2006 – VIII ZR 159/05, NJW 2006, 2771 ff.; BGH v. 20.9.2006 – VIII ZR 103/06, NJW 2006, 3557 ff. 7 BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 151/10, WuM 2011, 159 = GE 2011, 477 (Rz. 11); BGH v. 20.10.2010 – VIII ZR 73/10, GE 2010, 1682 = NZM 2010, 895 (Rz. 17 f.); BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 290/09, GE 2010, 1415 = NZM 2010, 781 (Rz. 10). 8 BGH v. 26.10.2011 – VIII ZR 268/10, GE 2012, 126 = WuM 2012, 25 (Rz. 11). 9 BGH v. 13.3.2012 – VIII ZR 291/11, GE 2012, 824. 10 Milger, NZM 2012, 657 (663).

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spruch hat. Das Gleiche gilt für Durchlaufbegrenzer o.Ä. Soll dennoch ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden, können die Folgekosten für den Mieter dem Internet entnommen werden. l) Gemischte Nutzung Für die gemischte Nutzung (vgl. § 556 BGB Rz. 414 ff.) gilt der Grundsatz, dass ein 110 Vorwegabzug nur erforderlich ist, wenn der Mieter durch die einheitliche Abrechnung erheblich mehr belastet wird1. Dies gilt auch, soweit die Maßstäbe für die gemischte Nutzung herangezogen werden, weil einige Mieter exklusiv genutzte Gärten bewässern2. Zwar kommt die Umlage von Gartenpflegekosten i.S.v. § 2 Nr. 10 BetrKV nicht in Betracht, wenn ein Garten exklusiv genutzt wird. Indessen geht es hier nicht um Gartenpflegekosten, sondern um die Vorermittlung bei einer Kostenposition, die auch bei einer anderen Nutzung anfällt. Soweit § 5 Abs. 2 S. 2 HeizkV anwendbar ist, ist eine Vorerfassung von Nutzer- 111 gruppen in der Weise erforderlich, dass der Anteil jeder Nutzergruppe am Gesamtverbrauch durch einen gesonderten Zähler erfasst wird3. Ein Verstoß hiergegen hat gemäß § 12 HeizkV ein Kürzungsrecht von 15 % bei den zu Unrecht nicht verbrauchsabhängig abgerechneten Kosten zur Folge. Allerdings gibt es für den Bereich der Abrechnung von Kosten für Wasser, Abwasser und Niederschlagswasser keine der Bestimmung des § 5 Abs. 2 HeizkV entsprechende Vorschrift zur Vorerfassung von Nutzergruppen. Deshalb besteht auch nach den §§ 315, 556a BGB bei der Abrechnung von Wasser- 112 kosten verschiedener Nutzergruppen keine Pflicht, den Verbrauch durch jeweils gesonderte Zähler zu erfassen4. § 556a Abs. 1 BGB sieht auch für verbrauchsabhängige Kosten eine Abrechnung nach der Wohnfläche vor, sofern nicht die Parteien eine anderweitige Vereinbarung getroffen haben oder tatsächlich eine Verbrauchserfassung für alle Mieter erfolgt5. Die gesetzliche Regelung schreibt mithin eine generelle Verbrauchserfassung für Wasserkosten nicht vor und nimmt die damit verbundenen Ungenauigkeiten bei der Abrechnung in Kauf. Gleichwohl ist an eine Vorerfassung zu denken, wenn z.B. 113 – den Mietern von Stellplätzen ein Anschluss zum Wagenwaschen zur Verfügung steht, – einem Mieter der auf dem Grundstück befindliche Garten allein überlassen wurde6, – im Objekt ein wasserverbrauch-intensives Gewerbe betrieben wird (z.B. Dentallabor, Gaststätte, Fotolabor7) oder – einzelne Mieträume im Gegensatz zu anderen mit Erfassungsgeräten ausgestattet sind und eine erhebliche Mehrbelastung des Mieters stattfindet8. Welchen Umfang die Mehrbelastung erreichen muss, damit sie als erheblich anerkannt werden kann, ist noch ungeklärt (vgl. § 556 BGB Rz. 419). Wird aber z.B. bei einer Gaststätte ein dreifacher Wasserverbrauch unterstellt, der nur zu einem Anteil an den Gesamtkosten von 0,8 % führt, kann eine erhebliche Mehrbelastung nicht angenommen werden9.

1 BGH v. 8.3.2006 – VIII ZR 78/05, MDR 2006, 802 m. Anm. Walter = WuM 2006, 200 = NZM 2006, 340. 2 A.A. AG Schöneberg v. 2.8.2011 – 15 C 186/11, GE 2011, 1622. 3 BGH v. 16.7.2008 – VIII ZR 57/07, MDR 2008, 1147 = NZM 2008, 767 (Rz. 24). 4 BGH v. 25.11.2009 – VIII ZR 69/09, MDR 2010, 199 = WuM 2010, 35. 5 Vgl. BGH v. 12.3.2008 – VIII ZR 188/07, MDR 2008, 735 = NZM 2008, 444 (Rz. 12). 6 LG Berlin v. 7.6.1994 – 64 S 27/94, GE 1994, 1379. 7 LG Düsseldorf v. 3.4.1990 – 24 S 474/89, DWW 1990, 240; AG Köln v. 3.7.1996 – 205 C 217/95, KM 2 Nr. 3. 8 BGH v. 8.3.2006 – VIII ZR 78/05, WuM 2006, 200 = NZM 2006, 340. 9 AG Berlin-Mitte v. 11.5.2011 – 15 C 475/10, MM 2012, Heft 6, S. 30.

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114 Hat insoweit die gebotene1 Vorerfassung durch Zwischenzähler nicht stattgefunden und der Vermieter den besonderen Verbrauch nicht berücksichtigt, kann auf eine Schätzgrundlage zumindest zurückgegriffen werden. Hierzu können bei der IHK oder der Handwerkskammer, aber auch bei Innungen und insbesondere den Wasserversorgern Erfahrungswerte für einzelne Nutzungsarten abgefragt werden. 115 Nimmt der Vermieter einen Vorwegabzug für den gewerblichen Mieter vor, um dem unterschiedlichen Verbrauch in der Gewerbeeinheit einerseits und den Wohneinheiten andererseits Rechnung zu tragen, besteht nur dann eine Pflicht des Vermieters, im Interesse einer möglichst genauen Abrechnung den Gesamtverbrauch der Wohneinheiten mit einem weiteren Zwischenzähler gesondert zu erfassen, wenn ein Fall der „krassen Unbilligkeit“ (vgl. § 556a BGB Rz. 70), der ggf. einen Abänderungsanspruch des Mieters begründen könnte, vorliegt2. 116 Führt der Vermieter einen Vorwegabzug durch, muss dieser nachvollziehbar aufgeschlüsselt werden. Insoweit ist der Vermieter berechtigt, nach der Differenzmethode vorzugehen. Dazu kann er z.B. bei gemischter Nutzung den durch die Gewerbe verbrauchten Mengen durch Zwischenzähler ermitteln und die Restmenge auf die Wohnraummieter umlegen3. Ebenso unproblematisch ist es, die Mengen der durch Wasserzähler ermittelten Verbräuche von der Gesamtmenge abzuziehen und den Rest nach § 556a Abs. 1 BGB umzulegen4. Denn gemäß § 556a Abs. 1 S. 1 BGB sind Betriebskosten vorbehaltlich anderweitiger Vorschriften nach dem Anteil der Wohnfläche umzulegen, sofern die Parteien nicht anderes vereinbart haben. Auch aus § 556a Abs. 1 S. 2 BGB ergibt sich keine Verpflichtung zu einer Abrechnung nach Verbrauch. Diese Bestimmung schreibt eine Umlage von Betriebskosten nach einem Maßstab, der dem unterschiedlichen Verbrauch Rechnung trägt, nur dann vor, wenn die Betriebskosten von einem erfassten Verbrauch abhängen. An einer solchen Verbrauchserfassung fehlt es aber, wenn ein gesonderter Zähler für den Wasserverbrauch in den Wohnungen nicht vorhanden ist. Nr. 3: „Kosten der Entwässerung, hierzu gehören die Gebühren für die Haus- und Grundstücksentwässerung, die Kosten des Betriebs einer entsprechenden nicht öffentlichen Anlage und die Kosten des Betriebs einer Entwässerungspumpe“. a) Haus- und Grundstücksentwässerung 117 Für die Umlagefähigkeit dieser Kosten ist es grundsätzlich solange unerheblich, wie auf einen der gängigen Kataloge der Betriebskosten (z.B. § 2 BetrKV) in der Umlagevereinbarung Bezug genommen wird, ob die Entwässerung von Haus und Grundstück in einer einheitlichen (öffentlich-rechtlich erhobenen) Gebühr oder ob die Kosten für die Ableitung von Schmutzwasser getrennt von denen für Oberflächenabwasser (Regenwasser von Grundstücks- und Dachflächen) erhoben werden5. Dies gilt selbst dann, wenn der Vertrag die Umlage nach installierten Messgeräten vorsieht6. Verändert die Gemeinde ihre Gebührenstruktur, können auch die neuen Gebühren weitergegeben werden7, sofern die Umlagevereinbarung die „Kosten der Entwässerung“ vorsieht oder eine wirksame Mehrbelastungsklausel (vgl. § 556 BGB Rz. 350 f.) besteht. 118 Auslegungsprobleme können sich aber ergeben, sobald in der Umlagevereinbarung eine Aufzählung stattgefunden hat. Hier kommt es nämlich auf den Erklärungswert des jeweils verwendeten Begriffes an. Wurde z.B. in einem Vertrag aus den Zeiten der 1 Vgl. LG Hamburg v. 27.6.2000 – 316 S 15/00, ZMR 2001, 970; LG Berlin v. 27.10.2000 – 65 S 65/00, ZMR 2001, 111. 2 Vgl. BGH v. 12.3.2008 – VIII ZR 188/07, MDR 2008, 735 = NZM 2008, 444 (Rz. 14). 3 LG Berlin v. 17.9.2010 – 63 S 54/10, GE 2010, 1742. 4 BGH v. 25.11.2009 – VIII ZR 69/09, MDR 2010, 199 = WuM 2010, 35. 5 AG Steinfurt v. 26.5.1983 – 4 C 724/82, WuM 1985, 369. 6 LG Mannheim v. 10.4.2002 – 4 S 202/01, NZM 2003, 398. 7 LG Hannover v. 7.1.2004 – 12 S 53/03, NZM 2004, 343.

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ehemaligen DDR der Begriff der Abwasserkosten verwendet, sind davon die Kosten der Grundstücksentwässerung grundsätzlich nicht erfasst, weil es diese Berechnungsgröße bei Abschluss des Mietvertrages nicht gab1. Deshalb kann ein weitergehendes Verständnis auch nicht in den Begriff hineininterpretiert werden. Kosten einer nicht öffentlichen Anlage können z.B. aus dem Betrieb einer Sam- 119 melgrube, Sickergrube oder biologischen Kläranlage entstehen2. Deshalb können insoweit die Entleerungskosten (Abfuhr gesammelten Schmutzwassers oder Klärschlamms), Reinigungskosten und Kosten der Wartung der Anlage umgelegt werden. Eine Entwässerungspumpe soll dafür sorgen, die Abwässer in das allgemeine Kanal- 120 netz zu befördern. Dazu gehören auch hauseigene Hebeanlagen, selbst wenn sie nur im Einzelfall (z.B. nach starken Regenfällen) zur Vermeidung von Überschwemmungen eingesetzt werden3. Insoweit ergeben sich insbesondere Strom- und Wartungskosten, aber auch die Kosten einer Notstromanlage. Nicht unter § 2 Nr. 3 BetrKV fallen die Kosten der Beseitigung einer Rohrverstopfung4, wohl aber Kosten einer vorbeugenden Rohrreinigung5. b) Umlageschlüssel Sofern keine abweichende Vereinbarung besteht, kann die für die Entsorgung des 121 Schmutzwassers erhobene Gebühr entsprechend dem verbrauchs- oder verursachungsabhängigen Umlageschlüssel, der für die Wasserkosten Anwendung findet, umgelegt werden. Insoweit ist sogar die Umlage in einem Betrag mit den Frischwasserkosten zulässig, wenn sie verbrauchsabhängig abgerechnet werden sollen und von einem Leistungsträger einheitlich erhoben werden6. Werden die Kosten vom Leistungsträger auf der Grundlage des Verbrauchs des vo- 122 rangegangenen Abrechnungszeitraumes erhoben, müssen die Kosten – auch bei verbrauchsabhängiger Abrechnung – nicht auf den Verbrauch in der zur Abrechnung anstehenden Periode umgerechnet werden. Denn die Art und Weise der Berechnung durch den Leistungsträger zwingt nicht zu einer abweichenden Umlage im Verhältnis Vermieter/Mieter. Es kommt allein darauf an, dass die Kosten in der Höhe für den Abrechnungszeitraum entstanden sind. Deshalb sind auch Formularklauseln, die z.B. einen starren Abrechnungsschlüssel regeln, nicht unwirksam. c) Besondere Umlagevereinbarungen Eine vertragliche Umlageregelung, die die Zahlung von „Wassergeld“ vorsieht, soll 123 auch die Kosten der Entwässerung erfassen7. Dagegen soll diese Position nicht unter den Begriff der „Wasserkosten“ fallen8, solange nicht beide Positionen ortsüblicherweise von dem gleichen Versorger berechnet werden9. Sieht der Mietvertrag nur die Weitergabe der Kanalkosten vor, sind die für die Oberflächenentwässerung angefallenen Kosten nicht umlegbar. d) Gebot der Wirtschaftlichkeit Unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze (vgl. § 556 BGB Rz. 439 ff.) können be- 124 stimmte Fallkonstellationen zusätzliche Maßnahmen des Vermieters zur Kostenreduzierung erfordern.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

AG Halle v. 11.1.2011 – 95 C 3168/10, ZMR 2011, 479. AG Bergisch Gladbach v. 4.4.1984 – 23 C 2/84, WuM 1985, 369. Heix in WoBauR, § 21 NMV Anm. 3. OLG Hamm v. 19.5.1982 – 4 REMiet 10/81, WuM 1982, 201; AG Hagen v. 23.1.1990 – 43 C 433/89, WuM 1990, 200. AG Tiergarten v. 23.4.1996 – 9a C 644/94GE 1996, 1435; a.A. AG Lörrach v. 31.1.1995 – 2 C 343/94, WuM 1995, 593. BGH v. 15.7.2009 – VIII ZR 340/08, MDR 2009, 1098 = WuM 2009, 516 = ZMR 2009, 839. LG Berlin v. 20.11.1995 – 62 S 219/95, GE 1996, 125. LG Köln v. 15.5.1986 – 1 S 454/85, WuM 1986, 323. LG Berlin v. 21.4.2008 – 62 S 92/08, GE 2008, 1063.

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125 Gehört zum Mietobjekt z.B. ein großer Garten oder sogar eine Grünanlage, die im Sommer umfassend bewässert werden, kann der Vermieter gezwungen sein, beim Leistungsträger einen sog. Sprengwasserabzug zu beantragen, wenn die Kosten der Entwässerung auf der Grundlage des Frischwasserbezugs erhoben werden. Denn in diesem Fall wird in erheblichem Umfang Wasser nicht über die Kanalisation entsorgt. Der Vermieter ist aber nicht gezwungen, für die Erfassung des durch die Bewässerung der Grünanlagen entstehenden Verbrauchs Zwischenzähler im notwendigen Umfang zu installieren1. Vielmehr steht hier auch die Möglichkeit offen, die Kosten zu schätzen. Maßgeblich ist allein, unter welchen Voraussetzungen sich der Leistungsträger auf eine Reduzierung einlässt. 126 Eine ähnliche Konstellation besteht bei produzierenden Unternehmen im Haus, die in erheblichem Umfang Wasser verbrauchen (z.B. Bäckerei). Auch hier führt die regelmäßige Orientierung der Höhe der Kosten der Entwässerung an der Menge des bezogenen Wassers zur Erhebung tatsächlich nicht angefallener Kosten. Deshalb muss der Vermieter auch hier beim Leistungsträger nach den in diesem Verhältnis geltenden Regeln einen Abzug beantragen. Der Umfang der ersparten Kosten kann anhand von Branchenkennziffern geschätzt werden. So kann z.B. aus der verbrauchten Menge Mehl beim Betrieb einer Bäckerei auf die bei der Verarbeitung verwendete Wassermenge geschlossen werden (100 kg Mehl = 1 l Wasser). 127 Um den Abzug durchzusetzen, muss der Mieter den Vermieter nach den für die Belegprüfung geltenden Grundsätzen um Auskunft bitten, ob in den Kosten ein entsprechender Abzug berücksichtigt ist. Ist das nicht der Fall, muss der Vermieter dem Mieter auf Verlangen mitteilen, wie hoch die ersparten Kosten wären, wobei Schätzungen auf der Grundlage des § 287 BGB zulässig sind. Die notwendigen Informationen muss sich der Vermieter ggf. selbst z.B. bei dem gewerblichen Mieter oder dem Leistungsträger beschaffen. e) Besondere Umlagemaßstäbe 128 Die Kosten der Entwässerung dürfen ebenso wie die Kosten des Wasserverbrauchs zum Zwecke der gemeinsamen Abrechnung nach Verbrauch zusammengefasst werden2. Des Weiteren ist es zulässig, die Kosten aus dem Abrechnungskreis der (kalten) Betriebskosten auszugliedern und in der Abtrennung der Kosten für Heizung und Warmwasser darzustellen3. Dies gilt selbst dann, wenn den Abrechnungskreisen nicht dieselbe Abrechnungsperiode zugrunde liegt4. f) Gemischte Nutzung 129 Hier gelten die gleichen Grundsätze wie bei den Kosten der Wasserversorgung (vgl. § 556 BGB Rz. 110 ff.). Nr. 4a: „Die Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage einschließlich der Abgasanlage, hierzu gehören die Kosten der verbrauchten Brennstoffe und ihrer Lieferung, die Kosten des Betriebsstroms, die Kosten der Bedienung, Überwachung und Pflege der Anlage, der regelmäßigen Prüfung ihrer Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit einschließlich der Einstellung durch eine Fachkraft, der Reinigung der Anlage und des Betriebsraums, die Kosten der Messungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, die Kosten der Anmietung oder anderer Arten der Gebrauchsüberlassung einer Ausstattung zur Verbrauchserfassung sowie die Kosten der Verwendung einer Ausstattung zur Verbrauchserfassung einschließlich der Kosten der Eichung sowie der Berechnung und Aufteilung“ 1 A.A. AG Brandenburg v. 8.11.2010 – 34 C 16/10, GE 2010, 1751. 2 BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 151/10, WuM 2011, 159 = GE 2011, 477 (Rz. 11); BGH v. 20.10.2010 – VIII ZR 73/10, GE 2010, 1682 = NZM 2010, 895 (Rz. 17 f.); BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 290/09, GE 2010, 1415 = NZM 2010, 781 (Rz. 10). 3 BGH v. 26.10.2011 – VIII ZR 268/10, GE 2012, 126 = WuM 2012, 25 (Rz. 11). 4 BGH v. 13.3.2012 – VIII ZR 291/11, GE 2012, 824.

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oder Nr. 4b: „Die Kosten des Betriebs der zentralen Brennstoffversorgungsanlage, hierzu gehören die Kosten der verbrauchten Brennstoffe und ihrer Lieferung, die Kosten des Betriebsstroms und die Kosten der Überwachung sowie die Kosten der Reinigung der Anlage und des Betriebsraums“ oder Nr. 4c: „Die Kosten der eigenständig gewerblichen Lieferung von Wärme, auch aus Anlagen i.S.d. Buchstabens a, hierzu gehören das Entgelt für die Wärmelieferung und die Kosten des Betriebs der zugehörigen Hausanlagen entsprechend Buchstabe a“ oder Nr. 4d: „Die Kosten der Reinigung und Wartung von Etagenheizungen und Gaseinzelfeuerstätten, hierzu gehören die Kosten der Beseitigung von Wasserablagerungen und Verbrennungsrückständen in der Anlage, die Kosten der regelmäßigen Prüfung der Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit und der damit zusammenhängenden Einstellung durch eine Fachkraft sowie die Kosten der Messungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz“. Hierzu wird zunächst auf die Kommentierung der HeizkV, insbesondere § 7 HeizkV 130 Rz. 39 ff. verwiesen. Ist die Wohnung mit einer Etagenheizung ausgestattet, fallen regelmäßig Kosten für 131 Wartung an. Diese muss der Mieter tragen, wenn eine Überbürdung der Kosten wirksam vereinbart ist. Das steht bei einer Bezugnahme auf § 2 Nr. 4d BetrKV oder vergleichbare gesetzliche Bestimmungen außer Zweifel. Bedenken bestehen aber, wenn allein eine sog. Wartungsklausel besteht, nach der der Mieter die Kosten der Thermenwartung zu tragen hat. Die Wirksamkeit dieser Klauseln soll davon abhängen, dass eine Kostenbegrenzung geregelt ist1. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Wartungskosten für eine Zentralheizung sind über § 7 Abs. 2 HeizkV ohne Kostenbegrenzung umlegbar. Auch im Rahmen von Betriebskosten kann zur Herbeiführung einer ausreichenden Transparenz darauf abgestellt werden, dass die Umlage ortsüblich ist und Kosten in ortsüblicher Höhe entstehen2. Im Übrigen findet im Rahmen der Abrechnung der Betriebskosten eine Begrenzung durch das Gebot der Wirtschaftlichkeit statt3. Nr. 5a: „Die Kosten des Betriebs der zentralen Warmwasserversorgungsanlage, hierzu gehören die Kosten der Wasserversorgung entsprechend Nummer 2, soweit sie nicht dort bereits berücksichtigt sind, und die Kosten der Wassererwärmung entsprechend Nummer 4 Buchstabe a“ oder Nr. 5b: „Die Kosten der eigenständig gewerblichen Lieferung von Warmwasser, auch aus Anlagen i.S.d. Buchstabens a, hierzu gehören das Entgelt für die Lieferung des Warmwassers und die Kosten des Betriebs der zugehörigen Hausanlagen entsprechend Nummer 4 Buchstabe a“ oder

1 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290. 2 BGH v. 9.12.2009 – XII ZR 109/08, NJW 2010, 671 = MDR 2010, 313 = ZMR 2010, 351. 3 LG Berlin v. 6.3.2012 – 65 S 376/11, MM 2012, Heft 6, S. 30.

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Nr. 5c: „Die Kosten der Reinigung und Wartung von Warmwassergeräten, hierzu gehören die Kosten der Beseitigung von Wasserablagerungen und Verbrennungsrückständen im Innern der Geräte sowie die Kosten der regelmäßigen Prüfung der Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit und der damit zusammenhängenden Einstellung durch eine Fachkraft“. 132 Hierzu wird auf die Kommentierung der HeizkV, insbesondere § 8 HeizkV Rz. 4 ff. verwiesen. Daneben können unter dieser Position die Kosten der regelmäßig wiederkehrenden Untersuchung nach § 14 TrinkwasserVO zur mikrobiologischen und chemischen Qualität des Wassers sowie zur Einhaltung von Schadstoffgrenzwerten angesetzt werden1. Nr. 6: „Die Kosten verbundener Heizungs- und Warmwasserversorgungsanlagen a) bei zentralen Heizungsanlagen entsprechend Nummer 4 Buchstabe a und entsprechend Nummer 2, soweit sie nicht dort bereits berücksichtigt sind oder b) bei der eigenständig gewerblichen Lieferung von Wärme entsprechend Nummer 4 Buchstabe c und entsprechend Nummer 2, soweit sie nicht dort bereits berücksichtigt sind oder c) bei verbundenen Etagenheizungen und Warmwasserversorgungsanlagen entsprechend Nummer 4 Buchstabe d und entsprechend Nummer 2, soweit sie nicht dort bereits berücksichtigt sind“. 133 Hierzu wird auf die Kommentierung der HeizkV, insbesondere § 9 HeizkV Rz. 2 f. verwiesen. Nr. 7: „Kosten des Betriebs des Personen- oder Lastenaufzuges, hierzu gehören die Kosten des Betriebsstroms, die Kosten der Beaufsichtigung, der Bedienung, Überwachung und Pflege der Anlage, der regelmäßigen Prüfung ihrer Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit einschließlich der Einstellung durch eine Fachkraft sowie die Kosten der Reinigung der Anlage“. 134 Ist im Gebäude ein Aufzug vorhanden, sollte geprüft werden, ob der Vermieter auch Eigentümer ist. Mittlerweile gibt es auch Aufzugs-Contracting. Hat der Contractor den Aufzug nicht schon errichtet, verpflichtet er sich zumindest, für die Dauer des Vertrages den Aufzug (z.B. ununterbrochen) zu betreiben. Im Gegenzug erhält er ein einheitliches Entgelt, indem neben den von § 2 Nr. 7 BetrKV erfassten Kosten auch kalkulatorische Ansätze für Abschreibung, Instandsetzung und Gewinn enthalten sind. Diese Kosten sind nicht umlegbar und müssen daher von vorneherein aus der Position herausgerechnet werden. a) Kosten des Betriebsstroms 135 Ansatzfähig ist der durch die Nutzung des Aufzugs verursachte Stromverbrauch. Insbesondere verbrauchen Strom der Antrieb einschließlich Steuerung, die Beleuchtung der Aufzugskabine, die Funktionstasten und Tableaus. 136 Wird der Aufzugs-Betriebsstrom an einem separaten Zähler gemessen, muss er unter dieser Position erfasst und kann nicht bei den Kosten der Beleuchtung oder des Allgemeinstroms angesetzt werden2. Schätzungen sind bei Fehlen oder Defekt eines Zwischenzählers zulässig. Um geeignete Schätzgrundlagen vorzutragen, muss der darlegungspflichtige Vermieter3 die ungefähre Betriebszeit und den Verbrauch der vorhandenen Quellen, insbesondere des Antriebs, angeben. 1 Langenberg, Betriebskosten, K Rz. 141; Blümmel, GE 2011, 1396; Pfeifer, MK 2012, 13 (17); a.A. Schmid, ZMR 2012, 10 (11) (sonstige Betriebskosten i.S.v. § 2 Nr. 17 BetrKV). 2 OLG Hamburg v. 6.2.2002 – 4 U 145/99, ZMR 2003, 180; LG Köln v. 22.9.2003 – 1 S 137/03, KM 1 Nr. 74. 3 Vgl. BGH v. 20.2.2008 – VIII ZR 27/07, MDR 2008, 737 = WuM 2008, 284.

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Zum dauerhaften und sicheren Betrieb gehört insbesondere bei großen Objekten 137 auch die Vorhaltung einer Notstromanlage, zumal wenn sie von der Baugenehmigung gefordert wird. Deshalb sind die Kosten hier umlegbar, auch wenn das Notstromaggregat in der Umlagevereinbarung nicht ausdrücklich erwähnt ist und ihr Ansatz also nach den Regeln über die Umlage sonstiger Betriebskosten i.S.v. § 2 Nr. 17 BetrKV entfällt. b) Kosten der Beaufsichtigung, Bedienung, Überwachung und Pflege der Anlage Gemäß § 20 AufzV muss der Eigentümer einen Aufzugswärter bestellen und ihm die 138 Anweisungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1–4 AufzV erteilen, also die Anlage zu beaufsichtigen und zu warten, Mängel zu melden und bei Mängeln die Weiterbenutzung zu verhindern und einzugreifen, wenn Personen durch Betriebsstörungen im Fahrkorb eingeschlossen sind. Da der Aufzugswärter jederzeit leicht erreichbar sein muss, werden häufig die Hausmeister mit diesen Aufgaben betraut. In diesem Fall sind die Kosten nicht hier ansetzbar, sondern müssen bei den Hausmeisterkosten berücksichtigt werden (vgl. § 2 Nr. 14 BetrKV). Umlagefähig sind insoweit die Lohn- und Nebenkosten sowie evtl. Sachleistungen. Anstatt eines Aufzugswärters kann der Eigentümer eine Notrufbereitschaft einrich- 139 ten und die Kosten umlegen1. Diese muss aus dem Fahrkorb heraus ständig erreichbar sein2. Zu den Kosten dieser Einrichtung gehören neben dem Aufwand für die Bereitschaft selbst auch Wartungs- und Betriebskosten (Strom, Telefon etc.) der Notrufanlage. Anstelle der technischen Einrichtung kann der Vermieter auch die Kosten eines Bereitschaftsdienstes umlegen, der außerhalb der Dienstzeiten des Hausmeisters die Aufgaben eines Aufzugswärters ausführt3. c) Kosten der regelmäßigen Prüfung der Betriebsbereitschaft und -sicherheit Die Kosten der Prüfung der Betriebssicherheit entstehen aus der Pflicht des Eigen- 140 tümers, die Aufzugsanlage in wiederkehrenden Abständen einer Hauptprüfung (§ 10 AufzV) oder zusätzlichen Zwischenprüfungen (§ 11 AufzV) zu unterziehen. Diese Prüfungen werden durch Sachverständige (z.B. den TÜV) mit Hilfspersonen durchgeführt. Werden bei diesen Prüfungen z.B. Gewichte benutzt, sind deren Kosten nur insoweit umlagefähig, als damit die Bereitstellung abgegolten werden soll. Ebenso wenig ansatzfähig sind die Kosten einer erneuten Abnahme der Anlage ge- 141 mäß § 12 AufzV, die nach Schadensfällen zur erneuten Inbetriebnahme des Aufzuges durchzuführen ist. Von dieser Prüfungspflicht zu unterscheiden ist die Gefährdungsbeurteilung nach § 3 BetrSichVO. Diese regelmäßige Prüfung bezieht sich auf die Feststellung von Gefahren für die Nutzer und die Umwelt (§ 15 BetrSichVO). Auch wenn damit gleichzeitig die Ermittlung eines evtl. Instandsetzungsaufwandes erfolgt, handelt es sich um umlagefähige Kosten, weil sie durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch laufend entstehen4. Die Kosten für die Anmietung einer Überwachungsanlage sind als Kosten des Betrie- 142 bes von maschinellen Personenaufzügen grundsätzlich umlagefähig5. Sie sind zunächst für den Betrieb eines Aufzuges notwendig, da der Vermieter gemäß § 20 AufzugsVO zur Bereitstellung einer Überwachung der Aufzüge mit Notrufmöglichkeiten verpflichtet ist. Die Anmietung einer Standleitung zu einem Bereitschaftszentrum des Aufzugsbauers, anstatt einen „Aufzugswärter“ zur Überwachung und Wahrnehmung der Notfallbereitschaft einzustellen, macht diese Kosten nicht zu versteckten Anschaffungskosten der Aufzugsanlage selbst. Die Überwachung der Aufzugsanlage gehört zu deren Betrieb und nicht zu deren Anschaffung. 1 LG Gera v. 31.1.2001 – 1 S 185/00, WuM 2001, 615; AG Frankfurt v. 14.7.2000 – 301 C 7149/00, WuM 2001, 615. 2 Bekanntmachung des Bundesarbeitsministers v. 28.12.1989, BGBl. I 1990, 87. 3 AG Köln v. 3.9.1996 – 209 C 117/96, KM 1 Nr. 4; AG Köln v. 28.6.1996 – 205 C 42/96, KM 1 Nr. 5. 4 Ähnlich BGH v. 14.2.2007 – VIII ZR 123/06, MDR 2007, 769 = WuM 2007, 198 (für die wiederkehrende Prüfung von Elektroanlagen). 5 LG Gera v. 31.1.2001 – 1 S 185/00, WuM 2001, 615.

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§ 556 BGB

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d) Kosten der Wartung 143 Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 AufzV ist der Eigentümer verpflichtet, die Anlage regelmäßig zu warten. Der Turnus der Wartungen muss in einem vernünftigen Verhältnis zur Benutzung des Aufzuges stehen1. Rügt der Mieter einen zu häufigen Turnus, liegt darin die Behauptung eines Verstoßes gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit. Um seiner Darlegungslast2 (vgl. § 556 BGB Rz. 462) gerecht zu werden, muss der Mieter zunächst aus den Abrechnungsunterlagen ermitteln, welchen Turnus der Wartungsdienst in Rechnung stellt, und einen Unternehmer benennen, der bereit ist, mit einem größeren Turnus die Verantwortung aus einer laufenden Wartung für die Betriebssicherheit des Aufzuges zu übernehmen. Die Kostendifferenz begründet das Reduzierungspotential. 144 Die Wartung umfasst regelmäßig das Überprüfen aller technischen Funktionen der Anlage einschließlich Beleuchtung, die vorbeugende Betreuung, d.h. Abschmierungen, Nachstellungen, Justierungen usw., Ölwechsel an Motor und Getriebe, Störbeseitigungen, die ohne Ersatzteile oder mit sog. kleineren Ersatzteilen, wie z.B. sämtliche Kontakte3, Kontaktfinger, Kontaktbügel und Litzen für Schütze und Relais, erfolgen. 145 Die Umlagefähigkeit der zuletzt beschriebenen Leistungen ist umstritten. Einerseits wird darauf abgestellt, ob zur Beseitigung der Betriebsstörungen nur Wartungsarbeiten erforderlich waren4, insbesondere der Monteur den Aufzug mit den mitgeführten Werkzeugen wieder in Betrieb setzen konnte5. Andererseits wird eine Umlagefähigkeit der anteiligen Kosten verneint, wenn die Beseitigung von Störungen über die regelmäßige Wartung hinausgeht6, es sei denn, durch die Maßnahme wird die nächstfällige Wartung ersetzt7. Richtigerweise ist darauf abzustellen, worauf die Betriebsstörung beruht. Wurde sie durch unsachgemäße Bedienung verursacht, sind die anteiligen Kosten nicht umlagefähig, da es sich um Instandsetzung handelt. Beruht die Störung aber auf einem – ggf. nicht aufklärbaren – technischen Defekt, der sich mit reiner Wartungstätigkeit oder den mitgeführten Werkzeugen ohne Erneuerung von Teilen der Anlage beheben lässt, können die Kosten angesetzt werden. Eine mangelhafte Dokumentation geht zu Lasten des Vermieters. Soweit die Materialkosten ein übliches Maß (bis zu 10–20 Euro zzgl. MwSt.) überschreiten, spricht eine Vermutung dafür, dass die Kosten im Rahmen einer Störungsbeseitigung angefallen und daher nicht umlagefähig sind8. 146 Ergeben sich die Kosten aus einem Vollwartungs- oder Systemwartungsvertrag, hat der Vermieter darzulegen, inwieweit dadurch umlegbare Kosten entstehen. Dazu muss eine ausreichende Schätzgrundlage (§ 287 ZPO) vorgetragen werden9. Dafür muss in der Regel die Kalkulation des Wartungsunternehmers vorgelegt werden, die Auskunft darüber gibt, in welcher Höhe die Instandsetzungsleistungen in den Gesamtpreis einkalkuliert worden sind. Pauschale Abzüge aufgrund von Erfahrungswerten sind nicht gerechtfertigt10. Genügt der Vermieter seiner Darlegungslast nicht, kann ihm seine Forderung insoweit nicht zugesprochen werden.

1 AG Köln v. 3.6.1986 – 217 C 62/87, WuM 1987, 274. 2 BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 78/06, WuM 2007, 393 = ZMR 2007, 685 = GE 2007, 1051 = NZM 2007, 563. 3 LG Hamburg v. 27.6.2000 – 316 S 15/00, ZMR 2001, 970. 4 WoBauR/Heix, § 2 BetrKV Anm. 9. 5 LG Berlin v. 12.6.1987 – 64 S 402/86, GE 1987, 827. 6 LG Hamburg v. 27.6.2000 – 316 S 15/00, NZM 2001, 806. 7 Langenberg, Betriebskosten, A Rz. 103 m.w.N. 8 LG Hamburg v. 27.6.2000 – 316 S 15/00, ZMR 2001, 970. 9 Vgl. BGH v. 20.2.2008 – VIII ZR 27/07, MDR 2008, 737 = WuM 2008, 284. 10 A.A. LG Berlin v. 22.1.1988 – 64 S 5/87, GE 1988, 523 (20 %); LG Berlin v. 29.2.1988 – 29 S 70/87, GE 1988, 463 (35 %); LG Aachen v. 17.1.1992 – 5 S 302/91, DWW 1993, 42 (40 %); LG Essen v. 12.4.1991 – 1 S 768/90, WuM 1991, 702 (50 %); AG Bruchsal v. 9.9.1987 – 3 C 271/87, WuM 1988, 62 (60 %).

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Lützenkirchen

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§ 556 BGB

Den Abzug wegen Instandsetzung kann der Vermieter nicht durch Verweis auf die 147 DIN 31051 verhindern. Danach zählen zur Instandhaltung neben der Wartung auch die Inspektion und Instandsetzung (Reparatur größerer Anlagenteile). Denn der mietrechtliche Instandsetzungsbegriff, der auch § 1 Abs. 2 BetrKV zugrunde liegt, erfasst auch kleinere Reparaturen1. e) Kosten der Reinigung der Anlage Findet eine Gebäudereinigung statt, die zur Umlage nach § 2 Nr. 9 BetrKV führt und 148 in der die Reinigung des Fahrkorbes enthalten ist, sind die Kosten dort umz