Das Schweizerische Mietrecht Kommentar [4. Auflage] 9783725574957

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Das Schweizerische Mietrecht Kommentar [4. Auflage]
 9783725574957

Table of contents :
Cover
Bibliografische Angaben
Copyright Schulthess Juristische Angaben
Vorwort zur 4. Auflage
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Inhaltsübersicht
Abkürzungsverzeichnis
Bücher & Aufsätze
Herausgeberwerke
Materialienverzeichnis
Periodika
Obligationenrecht Achter Titel: Die Miete
Erster Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen
Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR
1. Wesen und Inhalt des Mietvertrags
1.1 Allgemeines
1.2 Inhalt
1.3 Form
2. Vertragsparteien
2.1 Vermieter
2.2 Mieter
2.3 Wechsel der Vertragspartei
3. Begriff und Arten der Mietsachen
3.1 Übersicht
3.2 Unbewegliche und bewegliche Sachen
3.3 Wohn- und Geschäftsräume
4. Abgrenzungen
4.1 Andere Vertragsarten
4.2 Dingliche Rechte und Nutzungsbefugnisse
5. Gemischte Verträge mit mietrechtlichen Komponenten
5.1 Allgemeines
5.2 Gastaufnahmevertrag
5.3 Pensionsvertrag (Alterswohnheime)
5.4 Dienstwohnung
6. Intertemporales Recht
Art. 253 – Begriff und Geltungsbereich
1. Begriff
1.1 Allgemeines
1.2 Parteien
1.3 Überlassung einer Sache zum Gebrauch
1.4 Entgelt
2. Begründung
3. Form
4. Kategorien
4.1 Allgemeines
4.2 Wohnung und Familienwohnung
4.3 Geschäftsraum
4.4 Unbewegliche Sachen und Fahrnisbauten
4.5 Möblierte Zimmer und Einstellplätze
4.6 Bewegliche Sachen und Konsumgüter
Art. 253a – Geltungsbereich
1. Vorbemerkungen
2. Begriffe
2.1 Allgemeines
2.2 Wohnräume
2.3 Geschäftsräume
2.4 Mitvermietete Sachen
3. Verordnungskompetenz
Art. 253b – Bestimmungen über Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen
1. Vorbemerkungen
2. Gebrauchsüberlassung von Wohn- oder Geschäftsräumen
3. Nichtlandwirtschaftliche Pacht
4. Luxusobjekte
5. Öffentlich-rechtlich geförderte und kontrollierte Wohnräume
5.1 Allgemeines
5.2 Förderung der Bereitstellung
5.3 Behördliche Kontrolle
5.4 Kein vollständiger Ausschluss der Missbrauchsbestimmungen
Art. 254 – Koppelungsgeschäfte
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter der Norm
1.2 Anwendungsbereich und Abgrenzungen
2. Koppelungsgeschäft
2.1 Begriff
2.2 Nichtige Koppelungsgeschäfte
2.3 Nichtigkeit und ihre Folgen
Art. 255 – Dauer des Mietverhältnisses
1. Zwingender Charakter der Norm
2. Inhalt und Bedeutung im Allgemeinen
3. Befristung und Dauer des Mietverhältnisses
3.1 Befristung im Allgemeinen
3.2 Option im Besonderen
3.3 Beendigung des Mietverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt oder nach Ablauf einer bestimmten Zeitdauer
3.4 Beendigung des Mietverhältnisses durch Eintritt eines bestimmten Ereignisses
3.5 Zeitliche Begrenzung der Miete; Unzulässigkeit der «ewigen» Miete
3.6 «Kettenverträge»
Art. 256 – Pflichten des Vermieters
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter
1.2 Anwendungsbereich
2. Pflichten des Vermieters
2.1 Hauptleistungspflicht – Dauerleistungspflicht
2.2 Nebenpflichten Vermieter, insbesondere Schutz vor Störungen
2.3 Geschuldeter Zustand
2.4 Erfüllung und Beweislast
3. Schutz des Mieters
3.1 Allgemeines
3.2 Rohbaumiete
3.3 Vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen
3.4 Mietverträge über Wohn- und Geschäftsräume
3.5 Teilnichtigkeit
Art. 256a – Auskunftspflicht
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter der Norm
1.2 Anwendungsbereich
1.3 Nebenpflichten
2. Pflicht zur Vorlage des Rückgabeprotokolls gemäss Abs. 1
2.1 Allgemeines und Bedeutung
2.2 Begriff des Rückgabeprotokolls
2.3 Voraussetzungen des Einsichtsrechts
2.4 Inhalt des Einsichtsrechts
2.5 Verletzung und Durchsetzung des Einsichtsrechts
2.6 Nachbemerkung: Keine gesetzliche Protokollpflicht
3. Pflicht zur Bekanntgabe des Mietzinses des vorangegangenen Mietverhältnisses gemäss Abs. 2
3.1 Allgemeines und Bedeutung
3.2 Voraussetzungen der Informationspflicht zum Vormietzins
3.3 Verweigerung der Bekanntgabe des Vormietzinses
Art. 256b – Abgaben und Lasten
1. Geltungsbereich und Charakter der Norm
2. Inhalt und Bedeutung
2.1 Abgaben und Lasten
2.2 Verhältnis zu Nebenkosten
Art. 257 – Pflichten des Mieters
Art. 257a – Nebenkosten
Art. 257b – Wohn- und Geschäftsräume
1. Zwingender Charakter der Normen
2. Mietzins gemäss Art. 257 OR
3. Nebenkosten gemäss Art. 257a und b OR
3.1 Im Allgemeinen gemäss Art. 257a Abs. 1 OR
3.2 Besondere Vereinbarungen gemäss Art. 257a Abs. 2 OR
3.3 Besonderheiten bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen gemäss Art. 257b OR
Art. 257c – Zahlungstermine
1. Dispositiver Charakter
2. Gesetzliche und vereinbarte Zahlungstermine
3. Verjährung
3.1 Mietzinsforderungen und übrige Forderungen
3.2 Nebenkosten und Forderungen aus Nebenkostenabrechnung
3.3 Fehler bei Mietzinszahlung
3.4 Fehler bei Nebenkosten und Nebenkostenabrechnungen
3.5 Sonderfälle (Umsatzmiete)
Art. 257d – Zahlungsrückstand des Mieters
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter der Norm
1.2 Anwendungsbereich
2. Kündigungen zufolge Zahlungsrückstand des Mieters
3. Voraussetzungen für die ausserordentliche Kündigung
3.1 Übernahme der Mietsache
3.2 Zahlungsrückstand des Mieters
3.3 Verrechnungs- und Herabsetzungseinreden
3.4 Fristansetzung
4. Ausserordentliche Kündigung
4.1 Wahlrecht des Vermieters
4.2 Kündigungsfristen und -termine
4.3 Form, Zustellung und Begründung der Kündigung
4.4 Kündigung bei Abtretung der Forderung und bei Veräusserung der Mietsache
4.5 Wirkungen und Folgen der Kündigung
4.6 Verzicht auf Durchsetzung der Kündigung
4.7 Konkurs des Mieters
Art. 257e – Sicherheiten durch den Mieter
1. Vorbemerkungen
1.1 Sicherheiten und ihre Bedeutung im Allgemeinen
1.2 Zwingender Charakter
1.3 Anwendungsbereich
2. Sicherheitsleistung
2.1 Parteivereinbarung
2.2 Sicherheitsleistung in Geld oder Wertpapieren
2.3 Hinterlegung bei einer Bank auf den Namen des Mieters
3. Höhe der Sicherheit sowie Durchsetzung der Sicherheitsleistung
4. Herausgabe der Sicherheit
5. Konkurs des Vermieters und Übertragung des Mietverhältnisses
6. Vorbehalt ergänzender Bestimmungen durch die Kantone
Art. 257f – Sorgfalt und Rücksichtsnahme
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter
1.2 Anwendungsbereich
2. Allgemeine Bedeutung
3. Vertragsmässiger Gebrauch der Mietsache
3.1 Allgemein
3.2 Gebrauchspflicht
4. Sorgfaltspflicht des Mieters
4.1 Allgemein
4.2 Pflicht zur Rücksichtnahme
5. Folgen der Verletzung der Mieterpflichten
6. Kündigung nach Abs. 3 und 4
6.1 Voraussetzungen
6.2 Frist, Termin, Form und Adressat der Kündigung
6.3 Wirkungen der ausserordentlichen Kündigung
7. Verantwortlichkeit des Mieters für Dritte und Tiere
8. Kasuistik
Art. 257g – Meldepflicht
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter
1.2 Anwendungsbereich
2. Meldepflicht des Mieters
2.1 Bedeutung und Tragweite
2.2 Meldepflichtige Mängel
2.3 Formalitäten und Zeitpunkt der Meldung
2.4 Folgen und Wirkungen der Meldung
Art. 257h – Duldungspflicht
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter
1.2 Anwendungsbereich und Abgrenzungen
2. Pflicht zur Duldung von Arbeiten
2.1 Bedeutung und Tragweite
2.2 Art und Umfang der zu duldenden Arbeiten
2.3 Rechtzeitige Anzeige und Rücksichtnahme
2.4 Ansprüche des Mieters
2.5 Weigerung des Mieters, Arbeiten zu dulden
3. Pflicht zur Duldung von Besichtigungen
Vorbemerkungen zu Art. 258–259i OR
1. Inhalt und Gegenstand
1.1 Tatbestände
1.2 Nicht geregelte Tatbestände
2. Mangel der Mietsache
2.1 Begriff des Mangels
2.2 Feststellung des Mangels
2.3 Mängelarten
2.4 Gesetzliche Kategorien
3. Rechte des Mieters bei Leistungsstörungen
3.1 Rechte des Mieters beim zeitlichen Verzug
3.2 Erfüllungsanspruch und Lösungsbefugnisse des Mieters
3.3 Weitere Mängelrechte
4. Haftung Vermieter aus Nichterfüllung und Schlechterfüllung
4.1 Haftung ohne Verschulden
4.2 Zwingendes Recht
5. Konkurrenz mit anderen Haftungsgrundlagen
Art. 258 – Nichterfüllung oder mangelhafte Erfüllung des Vertrages bei Übergabe der Sache
1. Gegenstand und Charakter
2. Vorgehen des Mieters nach Art. 107–109 OR
2.1 Voraussetzung: Verzug des Vermieters
2.2 Ansetzung einer Nachfrist und Ausnahmen
2.3 Wahlrecht des Mieters
2.4 Verzugsfolgen und Verschulden des Vermieters
2.5 Beweislast
2.6 Verzug des Vermieters und Zahlung Mietzins
3. Übernahme der Mietsache trotz schwerer Mängel
3.1 Wahlrecht des Mieters
3.2 Übernahme und Beharren auf gehöriger Erfüllung
4. Rechtslage bei mittleren oder kleinen Mängeln
Art. 259 – Mängel während der Mietdauer
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter
1.2 Anwendungsbereich
2. Unterhaltspflicht des Mieters
2.1 Allgemeines und Abgrenzungen
2.2 Umfang
Art. 259a – Rechte des Mieters
Art. 259b – Beseitigung des Mangels
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter
1.2 Anwendungsbereich
2. Pflicht des Vermieters, Mängel zu beheben
2.1 Voraussetzungen
2.2 Umfang
2.3 Angemessene Frist
2.4 Ansprüche auf Herabsetzung Mietzins und auf Schadenersatz
2.5 Recht auf Mängelbeseitigung und zur fristlosen Kündigung
3. Fristlose Auflösung des Mietverhältnisses
3.1 Unbewegliche Sachen
3.2 Bewegliche Sachen
4. Recht des Mieters auf Beseitigung Mangel
4.1 Leichte und mittlere Mängel
4.2 Schwere Mängel
4.3 Exkurs
Art. 259c – Ausnahme
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter
1.2 Anwendungsbereich
2. Leistung vollwertiger Ersatz
3. Rechtsfolgen
Art. 259d – Herabsetzung des Mietzinses
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter
1.2 Anwendungsbereich
1.3 Abgrenzungen
2. Herabsetzungsrecht
2.1 Voraussetzungen
2.2 Dauer Herabsetzung
2.3 Höhe der Herabsetzung
2.4 Beweislast
3. Rechtsnatur und Durchsetzung
4. Verjährung
Art. 259e – Schadenersatz
1. Vorbemerkungen
2. Anwendungsbereich
3. Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs
3.1 Allgemeines
3.2 Mangel
3.3 Schaden
3.4 Kausalzusammenhang
3.5 Verschulden und Exkulpation
4. Beweislast
5. Anspruchsberechtigung
6. Umfang
6.1 Einleitende Bemerkungen
6.2 Schadensberechnung
6.3 Schadenersatzbemessung
7. Durchsetzung
Art. 259f – Übernahme des Rechtsstreits
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter
1.2 Anwendungsbereich
2. Übernahme des Rechtsstreits
2.1 Rechtsnatur
2.2 Voraussetzungen
2.3 Folgen
Art. 259g – Hinterlegung des Mietzinses
1. Vorbemerkungen
1.1 Gegenstand und Normzweck
1.2 Zwingender Charakter
1.3 Hinterlegung im Verhältnis zu Mängelrechten
2. Voraussetzungen für die Hinterlegung (Abs. 1)
2.1 Mangel der Mietsache
2.2 Beseitigungsanspruch
2.3 Aufforderung Mängelbeseitigung mit Androhung Hinterlegung
2.4 Künftig fällig werdende Mietzinse
2.5 Schriftliche Ankündigung
2.6 Hinterlegungsstelle
3. Konsequenzen
Art. 259h – Herausgabe der hinterlegten Mietzinse
1. Vorbemerkungen
2. Ansprüche des Mieters
3. Ansprüche des Vermieters
3.1 Klage auf Herausgabe
3.2 Vom Mieter eingeleitetes Verfahren
3.3 Vorsorgliche Massnahme
Art. 259i – Verfahren
Art. 260 – Erneuerungen und Änderungen
Art. 260a – Durch den Mieter
1. Vorbemerkungen
1.1 Gegenstand und Zweck
1.2 Charakter der Normen
2 Änderungen und Erneuerungen durch den Vermieter
2.1 Begriffe und Abgrenzungen
2.2 Grundsätzliche Zulässigkeit
2.3 Einschränkungen
2.4 Ausführung der Arbeiten
2.5 Rechte und Pflichten des Mieters
2.6 Rechtsbehelfe der Parteien
3 Änderungen und Erneuerungen durch den Mieter
3.1 Begriffe und Abgrenzungen
3.2 Grundsätzliche Unzulässigkeit
3.3 Zulässigkeitsvoraussetzungen
3.4 Wiederherstellungspflicht
3.5 Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs
3.6 Bestimmung des erheblichen Mehrwerts
3.7 Rechtsbehelfe zur Durchsetzung von Ansprüchen
Art. 261 – Wechsel des Eigentümers
Art. 261a – Einräumung beschränkter dinglicher Rechte
1. Zwingender Charakter der Norm
2. Veräusserung der Sache
2.1 Veräusserungstatbestände
2.2 Entzug der Sache im Schuldbetreibungs- oder Konkursverfahren
2.3 Enteignung
2.4 Einräumung beschränkter dinglicher Rechte
2.5 Rechtsfolgen: Übergang des Mietverhältnisses
3. Auflösungsmöglichkeiten für den Erwerber
3.1 Ordentliche und ausserordentliche Kündigung
3.2 Ausserordentliche Kündigung gemäss Art. 261 Abs. 2 OR
4. Rechte des Mieters
4.1 Rechtsbehelfe gegen die ausserordentliche Kündigung
4.2 Rechtsbehelfe gegen eine ordentliche Kündigung des Erwerbers
4.3 Schadenersatzanspruch gegenüber dem Veräusserer
Art. 261b – Vorbemerkung im Grundbuch
1. Zwingender Charakter der Norm, intertemporales Recht
2. Vormerkung im Grundbuch
2.1 Rechtsnatur
2.2 Formelle Erfordernisse
2.3 Vormerkung bei Untermiete oder bei Vermietung einer fremden Sache
3. Wirkungen
3.1 Gegenüber dem Erwerber
3.2 Gegenüber dinglich Berechtigten
Art. 262 – Untermiete
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter der Norm, intertemporales Recht
1.2 Anwendungsbereich und Abgrenzungen
2. Untermiete
2.1 Grundsätzliche Zulässigkeit; Unter-Untermiete
2.2 Voraussetzungen, Formerfordernisse und Zustimmung
2.3 Verweigerungsgründe des Vermieters
2.4 Stillschweigen des Vermieters
2.5 Folgen der Verweigerung, Rücknahme der Zustimmung und eigenmächtige Untervermietung
2.6 Kündigung des Hauptmietverhältnisses aufgrund der Untermiete, Herausgabeanspruch des Vermieters
2.7 Exkurs: Untervermietung über Buchungsplattformen
2.8 Haftung des Mieters, Befugnisse des Vermieters gegen den Untermieter
2.9 Verhältnis zwischen Untervermieter und Untermieter
2.10 Verhältnis zwischen Vermieter und Untermieter
2.11 Besonderheiten bei der Miete von beweglichen Sachen
Art. 263 – Übertragung der Miete auf einen Dritten
1. Vorbemerkungen
1.1 Anwendungsbereich und Abgrenzungen
1.2 Zwingender Charakter, intertemporales Recht
2. Übertragung der Miete auf einen Dritten
2.1 Grundsätzliche Zulässigkeit
2.2 Voraussetzungen, Formerfordernisse, Zustimmung
2.3 Verweigerungsrecht des Vermieters
2.4 Auferlegen von Bedingungen
2.5 Stillschweigen des Vermieters
2.6 Folgen der Zustimmungsverweigerung
3. Rechtsfolgen der Übertragung der Miete
3.1 Parteiwechsel auf Mieterseite
3.2 Verhältnis zwischen Vermieter und Übernehmer
3.3 Verhältnis zwischen Vermieter und ausscheidendem Mieter
3.4 Verhältnis zwischen bisherigem Mieter und Übernehmer
3.5 Übertragung von Sicherheiten auf den Übernehmer
Art. 264 – Vorzeitige Rückgabe der Sache
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter, intertemporales Recht
1.2 Anwendungsbereich und Abgrenzungen
2. Voraussetzungen
2.1 Stellung eines zahlungsfähigen und zumutbaren Ersatzmieters
2.2 Keine Pflicht des Vermieters zum Vertragsschluss
3. Zeitpunkt der Befreiung
3.1 Grundsatz
3.2 Rücknahmeobliegenheit des Vermieters
3.3 Ankündigung der vorzeitigen Rückgabe
4. Stellung eines Ersatzmieters
4.1 Prüfung der Ersatzmieter
4.2 Orientierung über die Prüfung
5. Übernahme zu gleichen Bedingungen
6. Fortdauer der Mietzinszahlungspflicht
6.1 Grundsatz
6.2 Unbefristetes Mietverhältnis
6.3 Befristetes Mietverhältnis
6.4 Mietzinszahlungspflicht bei ausserordentlicher Kündigung des Mieters
7. Vorteilsanrechnung
7.1 Grundsatz der Schadensminderungspflicht des Vermieters
7.2 Ersparnis von Auslagen
7.3 Anderweitige Verwendung der Sache
Art. 265 – Verrechnung
1. Vorbemerkungen
1.1 Allgemeines zur Verrechnung
1.2 Verhältnis zu Art. 126 OR
1.3 Zwingender Charakter der Norm, intertemporales Recht
2. Verrechnungsrecht
2.1 Grundsatz
2.2 Geltendmachung
2.3 Einschränkungen
Vorbemerkungen zu Art. 266–266o OR
1. Dauer des Mietverhältnisses
2. Befristete Mietverhältnisse
3. Unbefristete Mietverhältnisse
4. Rechtsnatur, Zustellung und Wirksamkeit der Kündigung
5. Kündigungsfristen und -termine
6. Bedingungsfeindlichkeit der Kündigung
7. Unwiderruflichkeit
8. Unmissverständlichkeit
9. Teilweise Auflösung des Mietverhältnisses (Teilkündigung)
10. Legitimation zur Kündigung, Stellvertretung
11. Form der Kündigung
12. Familienwohnung oder gemeinsame Wohnung nach PartG
13. Mehrheit von Vermietern oder Mietern
13.1 Allgemeines
13.2 Mehrheit von Vermietern
13.3 Mehrheit von Mietern
14. Vertragsauflösung im gegenseitigen Einvernehmen
15. Kündigung und Optionsrecht
16. Ordentliche und ausserordentliche Kündigungen
17. Nichtige, unwirksame und anfechtbare Kündigung
Art. 266 – Beendigung des Mietverhältnisses
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter, intertemporales Recht
1.2 Anwendungsbereich
2. Ablauf vereinbarte Dauer
2.1 Bestimmter Zeitpunkt oder Ablauf bestimmter Zeitraum
2.2 Beendigung nach Eintritt eines bestimmten Ereignisses
2.3 Unzulässigkeit «ewige» Miete
2.4 Ausserordentliche Kündigung während fester Vertragsdauer
2.5 Anwendbarkeit von Art. 271 OR und 271a OR
2.6 Erstreckung befristetes Mietverhältnis
2.7 Einzelprobleme bei der Frist des Erstreckungsbegehrens
3. Stillschweigende Fortsetzung
3.1 Gesetzliche Vermutung
3.2 Wirkungen der Fortsetzung
Art. 266a – Kündigungsfristen und -termine
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter, intertemporales Recht
1.2 Anwendungsbereich
2. Kündigungsfristen und -termine
3. Frist- und terminwidrige Kündigung
4. Abgrenzung zu Art. 264 OR
Art. 266b – Unbewegliche Sachen und Fahrnisbauten
Art. 266c – Wohnungen
Art. 266d – Geschäftsräume
Art. 266e – Möblierte Zimmer und Einstellplätze
Art. 266f – Bewegliche Sachen
1. Zwingender Charakter
2. Allgemeines
2.1 Bestimmung der Mietsache und Verwendungszweck
2.2 Art. 253a Abs. 1 OR und die Bestimmungen über die Miete von Wohnund Geschäftsräumen
2.3 Gesetzliche Kündigungsfristen
2.4 Gesetzliche Kündigungstermine
3. Unbewegliche Sachen
3.1 Begriff
3.2 Geltungsbereich
4. Fahrnisbauten
4.1 Begriff und Abgrenzung
4.2 Abgrenzung zum Wohn- und Geschäftsraum
4.3 Kasuistik
4.4 Miete eines Grundstückes zur Erstellung einer Fahrnisbaute zu Wohnoder Geschäftszwecken
5. Wohnungen
6. Geschäftsräume
7. Gemischte Nutzung eines Mietobjekts
8. Möblierte Zimmer
9. Gesondert vermietete Einstellplätze
10. Bewegliche Sachen
10.1 Allgemein
10.2 Konsumgüter
Art. 266g – Ausserordentliche Kündigung
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter, intertemporales Recht
1.2 Anwendungsbereich
2. Kündigungsvoraussetzungen
2.1 Grundsätzliches
2.2 Beispiele
2.3 Form, Fristen und Termine
3. Folgen der Kündigung
3.1 Auflösung des Vertrages
3.2 Vermögensrechtliche Folgen
3.3 Sicherheiten
Art. 266h – Konkurs des Mieters
1. Vorbemerkungen
1.1 Grundsätzliches
1.2 Zwingender Charakter, intertemporales Recht
2. Konkurs des Mieters
2.1 Allgemeines
2.2 Vor Übergabe der Mietsache
3. Konkurseröffnung nach Übergabe der Mietsache
3.1 Allgemeines
3.2 Fristansetzung
3.3 Art der Sicherheitsleistung und Absprache über Verwertung
3.4 Höhe Sicherheitsleistung
3.5 Sicherheitsleistung durch den Mieter
3.6 Sicherheitsleistung durch die Konkursverwaltung
3.7 Ausbleiben Sicherheitsleistung und Kündigung
4. Vorgehen bei rückständigen Mietzinsen
Art. 266i – Tod des Mieters
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter der Norm, intertemporales Recht
1.2 Anwendungsbereich
2. Voraussetzungen für die Kündigung der Erben
2.1 Schriftlichkeit und Begründung
2.2 Mieter als natürliche Person
2.3 Kündigungstermin und -fristen, Ausbleiben der Kündigung
2.4 Legitimation
2.5 Entschädigung
3. Tod als vertraglicher Beendigungsgrund
4. Ausschlagung der Erbschaft
5. Eingeschränkte Handlungsfähigkeit des Vermieters während der Ausschlagungsfrist
Art. 266k – Bewegliche Sachen
1. Vorbemerkung
2. Geltungsbereich
3. Kündigung von Mietverträgen über Konsumgüter
Art. 266l – Form der Kündigung bei Wohn- und Geschäftsräumen
Art. 266m – Wohnung und Familie
Art. 266n – Kündigung durch den Vermieter
Art. 266o – Nichtigkeit der Kündigung
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter, intertemporales Recht
1.2 Anwendungsbereich
2. Formen der Kündigung bei Wohn- und Geschäftsräumen
2.1 Schriftlichkeit
2.2 Formularzwang bei Kündigung des Vermieters
2.3 Begründung der Kündigung
3. Kündigung Familienwohnung durch den Mieter
3.1 Begriff der Familienwohnung
3.2 Zivilstandsänderung des Mieters
3.3 Zustimmung des anderen Ehegatten
3.4 Verspätete Zustimmung
3.5 Zustimmung durch den Richter
3.6 Sofortige Wirksamkeit der Kündigung als Ausnahmefall
4. Kündigung Familienwohnung durch Vermieter
4.1 Geltungsbereich und Inhalt
4.2 Zweck der Bestimmung
Art. 267 – Rückgabe der Sache
Art. 267a – Prüfung der Sache und Meldung an den Mieter
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter der Norm, intertemporales Recht
1.2 Anwendungsbereich
2. Rückgabe der Mietsache
2.1 Rückgabehandlung
2.2 Ort der Rückgabe
2.3 Zeitpunkt der Rückgabe
2.4 Zustand der Mietsache bei der Rückgabe
2.5 Fehlende Schlüssel
2.6 Durchsetzung des Rückgabeanspruchs
3. Haftung des Mieters
3.1 Abnützungen infolge vertragsgemässen Gebrauchs
3.2 Beschädigung und Zerstörung durch Dritte und infolge Zufall oder höherer Gewalt.
3.3 Veränderungen der Mietsache durch den Mieter
3.4 Umfang Schadenersatzpflicht
3.5 Beweislast
3.6 Entschädigungsvereinbarungen
4. Prüfungs- und Meldepflicht
4.1 Rügefrist
4.2 Form der Rüge
4.3 Inhalt der Rüge
4.4 Verdeckte Mängel
4.5 Folgen der fehlenden oder fehlerhaften Rüge
4.6 Schlussabrechnung
Art. 268 Retentionsrecht des Vermieters
Art. 268a – Sachen Dritter
Art. 268b – Geltendmachung
1. Vorbemerkungen
1.1 Allgemeines
1.2 Vertragliches Fahrnispfand bei der Wohnungsmiete
2. Voraussetzungen und Umfang Retentionsrechts
2.1 Allgemeine Voraussetzungen
2.2 Retentionsgesicherte Forderungen
2.3 Zeitlicher Umfang
2.4 Retentionsgegenstände
3. Geltendmachung des Retentionsrechts
3.1 Verfahren bei Zahlungsverzug des Geschäftsmieters
3.2 Verfahren bei Gefährdung des Retentionsrechts
Zweiter Abschnitt: Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen und anderen missbräuchlichen Forderungen des Vermieters bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen
Vorbemerkungen zu Art. 269–270e OR
1. Verfassungsauftrag und gesetzespolitische Grundlagen
2. Grundsätze
2.1 Allgemeines und Begriffe
2.2 Berechnungsmodell Überwälzung laufender Kostenveränderungen
2.3 Umsatzmietzins
3. Mietzinserhöhung nach absoluter oder nach relativer Methode
4. Konsequenzen aus der Rechtsprechung
Art. 269 – Missbräuchliche Mietzinse
1. Vorbemerkungen
2. Anwendungsbereich
3. Zulässiger Ertrag
3.1 Grenze zum Missbrauch
3.2 Massgebende Anlagekosten
3.3 Offensichtlich übersetzter Kaufpreis
3.4 Investierte Eigenmittel
3.5 In Berechnung der Nettorendite die zu berücksichtigenden Kosten
3.6 Individuelle Ertragsberechnung
4. Beispiele
Art. 269a – Ausnahmen
1. Vorbemerkungen
2. Orts- oder quartierüblicher Mietzins
2.1 Bedeutung der Bestimmung
2.2 Voraussetzungen Orts- und Quartierüblichkeit
2.3 Vergleichskriterien
2.4 Nachweis Orts- oder Quartierüblichkeit
2.5 Verhältnis Orts- oder Quartierüblichkeit und angemessener Ertrag
2.6 Besonderheiten bei Geschäftsräumen
3. Kostensteigerungen
3.1 Allgemeines
3.2 Referenzzinssatz
3.3 Reine Kostenmiete
4. Mehrleistungen Vermieter
4.1 Begriffe «Mehrleistungen» und «umfassende Überholungen»
4.2 Überwälzung umfassender Überholungen
5. Kostendeckende Bruttorendite bei neueren Bauten
5.1 Allgemeines
5.2 Neuere Bauten
5.3 Massgebende Berechnungskriterien
5.4 Zulässige Bruttorendite
6. Ausgleich von Mietzinsverbilligungen
7. Teuerungsausgleich auf risikotragendem Kapital
8. Rahmenmietverträge
9. Geltendmachung verschiedener Mietzinsanpassungsgründe
Art. 269b – Indexierte Mietzinse
1. Vorbemerkungen
2. Voraussetzungen der Indexierung
2.1 Minimale Vertragsdauer
2.2 Landesindex der Konsumentenpreise
2.3 Anwendung auf Wohnungen und Geschäftsräume
3. Anpassungsmodalitäten
3.1 Formularpflicht
3.2 Anzeigefrist
3.3 Vertragsabreden
3.4 Kombination mit anderen Mietzinsanpassungsgründen
4. Anfechtung von Mietzinsanpassungen
5. Mietzinsgestaltung nach Ablauf vertraglicher Mindestdauer
Art. 269c – Gestaffelte Mietzinse
1. Vorbemerkungen
2. Voraussetzungen für die Zulässigkeit gestaffelter Mietzinse
2.1 Vertragsdauer
2.2 Einmalige Erhöhung pro Jahr
2.3 Betragsmässige Festlegung
2.4 Ausschluss anderer Erhöhungsmöglichkeiten während Staffelperiode?
3. Anpassungsmodalitäten
3.1 Formularpflicht
3.2 Fristen
4. Anfechtung
5. Mietzinsgestaltung nach Ablauf der Staffelperiode
Art. 269d – Mietzinserhöhungen und andere einseitige Vertragsänderungen durch den Vermieter
1. Vorbemerkungen
2. Zwingender Inhalt
3. Kündigungstermin
3.1 Grundsatz
3.2 Fristen und Termine im Einzelnen
4. Formularpflicht
4.1 Vertragsänderungen
4.2 Mietzinsanpassungen im gegenseitigen Einvernehmen
4.3 Begriff des Formulars
4.4 Genehmigung durch den Kanton
4.5 Inhalt
4.6 Formularpflicht bei indexierten oder einer Staffelung folgenden Mietzinsen
5. Pflicht zur Begründung
5.1 Allgemeines
5.2 Anforderungen
5.3 Bedeutung der Begründung
6. Nichtige Mietzinserhöhungen
6.1 Fehlende oder unklare Begründung
6.2 Verletzung der Formularpflicht
6.3 Verbot Kündigungsandrohung oder Kündigung
6.4 «Unwirksame» Mietzinserhöhungen?
6.5 Rückleistungspflicht des Vermieters
6.6 Heilung eines Formmangels durch gültige Mietvertragsänderung?
7. Andere einseitige Vertragsänderungen
7.1 Verminderung der Leistungspflicht des Vermieters – Teilkündigung
7.2 Begründungspflicht bei anderen einseitigen Vertragsänderungen
7.3 Missbräuchlichkeit von anderen einseitigen Vertragsänderungen
8. Mietzinsvorbehalte
Art. 270 – Anfechtung des Mietzinses
1. Vorbemerkungen
2. Begriff Anfangsmietzins
3. Voraussetzungen
3.1 Allgemein
3.2 Persönliche oder familiäre Notlage
3.3 Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume
3.4 Wesentliche Erhöhung
4. Wohn- und Geschäftsräume
5. Mass der Herabsetzung des Anfangsmietzinses
5.1 Absolute Methode
5.2 Art. 269 und 269a OR als Herabsetzungsgrenze
5.3 Vorbehalte bei Vertragsschluss
6. Formularpflicht
6.1 Allgemeines
6.2 Missachtung der Formularpflicht
7. Verfahren
7.1 Anfechtungsfrist
7.2 Verfahren vor Schlichtungsbehörde
7.3 Beweislast
7.4 Unterlassung der Anfechtung
8. Auswirkungen auf den Vertragsinhalt
Art. 270a – Während der Mietdauer
1. Vorbemerkungen
2. Voraussetzung Mietzinsherabsetzung
2.1 Herabsetzungsbegehren des Mieters
2.2 Wesentliche Änderung der Berechnungsgrundlagen
2.3 Mass der Herabsetzung
3. Verfahren
3.1 Zeitpunkt
3.2 «Vorverfahren»
3.3 Verfahren vor Schlichtungsbehörde
3.4 Keine Bindung des Vermieters an seine Stellungnahme
3.5 Mietzinsherabsetzung ohne Vorverfahren
3.6 Formularmitteilung unveränderter Mietzins bei veränderten Berechnungsgrundlagen
Art. 270b – Anfechtung von Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen
1. Vorbemerkungen
2. Anfechtungsobjekte
2.1 Mietzinserhöhungen
2.2 Andere einseitige Vertragsänderungen
3. Verfahren
3.1 Frist
3.2 Legitimation
3.3 Umfang der Überprüfung
3.4 Verzicht des Vermieters auf Anrufung der richterlichen Behörde
4. Wirkung der unterlassenen Anfechtung
Art. 270c – Anfechtung indexierter Mietzinse
1. Vorbemerkungen
2. Anfechtungsmöglichkeiten
2.1 Anfangsmietzins
2.2 Anfechtung der Erhöhung bzw. Herabsetzungsbegehren
3. Verfahren
4. Übergangsrechtliche Fragen
Art. 270d – Anfechtung gestaffelter Mietzinse
1. Vorbemerkungen
2. Umfang der Anfechtung
2.1 Anfangsmietzins
2.2 Überprüfung der vereinbarten Mietzinsstaffelungen
2.3 Keine Anfechtung von Mietzinserhöhungen in Anwendung der vereinbarten Staffelung
2.4 Überprüfung bei Mietzinsanpassungen ausserhalb Staffelung
2.5 Folgen der richterlich festgelegten Mietzinsgestaltung
Art. 270e – Weitergeltung des Mietvertrages während des Anfechtungsverfahrens
1. Vorbemerkungen
2. Weitergeltung bestehender Mietvertrag
3. Rückwirkung des Entscheids
4. Vorsorgliche Massnahmen
Dritter Abschnitt: Kündigungsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen
Art. 271 – Anfechtbarkeit der Kündigung
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter der Norm
1.2 Anwendungsbereich/Abgrenzungen
1.3 Verhältnis von Art. 271 zu 271a OR und zu Art. 2 ZGB
2. Anfechtbarkeit der Kündigung
2.1 Kündigung
2.2 Verstoss gegen Treu und Glauben
2.3 Bedeutung und Rechtsfolgen der Anfechtbarkeit
3. Begründung der Kündigung
3.1 Anforderungen; Klarheit der Begründung
3.2 Berechtigung, die Begründung zu verlangen; Zeitpunkt
3.3 Ausbleiben einer Begründung, Bindung des Kündigenden an die Begründung, unvollständige oder wahrheitswidrige Begründung, Nachschieben von Gründen
3.4 Mehrere Kündigungsgründe
3.5 Nachträglicher Wegfall des Kündigungsgrundes
Art. 271a – Kündigung durch den Vermieter
1. Vorbemerkungen
1.1 Bedeutung
1.2 Zwingender Charakter der Norm
2. Anfechtungsgründe im Einzelnen
2.1 Kündigung wegen der Geltendmachung vonAnsprüchen durch den Mieter (Vergeltungskündigung)
2.2 Kündigung zur Durchsetzung einer einseitigenVertragsänderung zulasten des Mieters oder einerMietzinsanpassung (Änderungskündigung)
2.3 Kündigung mit dem ausschliesslichen Ziel, den Mieterzum Erwerb der gemieteten Wohnung zu veranlassen
2.4 Kündigung während eines Schlichtungs- oderGerichtsverfahrens
2.5 Kündigung während der Kündigungssperrfrist
2.6 Kündigung wegen Änderung der Familienverhältnissedes Mieters
2.7 Kündigungssperrfrist nach Einigung der Parteienausserhalb eines Verfahrens
3. Ausnahmen vom Kündigungsschutz
3.1 Allgemeines
3.2 Dringender Eigenbedarf des Vermieters undVeräusserung der Sache
3.3 Vertragsauflösung aufgrund ausserordentlicherKündigungsgründe
3.4 Beweislast
4. Beweisfragen im Allgemeinen
Art. 272 – Erstreckung des Mietverhältnisses
1. Vorbemerkungen
1.1 Zwingender Charakter der Norm
1.2 Erstreckbare Mietverhältnisse
1.3 Allgemeine Voraussetzungen
2. Härtegründe
2.1 Allgemeines
2.2 Umstände des Vertragsabschlusses und Inhalt des Vertrags
2.3 Dauer des Mietverhältnisses
2.4 Persönliche, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse
2.5 Verhalten des Mieters
2.6 Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume/Suchbemühungen
2.7 Andere Härtegründe
2.8 Besondere Umstände bei Geschäftsräumen
3. Interessen des Vermieters
3.1 Eigenbedarf des Vermieters
3.2 Persönliche, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse sowie Verhalten des Vermieters
3.3 Andere Interessen des Vermieters
4. Voraussetzungen für eine zweite Erstreckung
Art. 272a – Ausschluss der Erstreckung
1. Vorbemerkungen
1.1 Normcharakter und Allgemeines
1.2 Allgemeine Voraussetzungen
2. Erstreckungsausschlussgründe
2.1 Zahlungsverzug
2.2 Verletzung von Mieterpflichten
2.3 Konkurs des Mieters
2.4 Bevorstehender Abbruch oder Umbau
2.5 Ersatzangebot des Vermieters
Art. 272b – Dauer der Erstreckung
1. Vorbemerkungen
1.1 Allgemeines
1.2 Zwingender Charakter
2. Definitive oder einstweilige Erstreckung
2.1 Definitive Erstreckung
2.2 Einstweilige Erstreckung
3. Dauer der Erstreckung
4. Erstreckungsvereinbarungen
Art. 272c – Weitergeltung des Mietvertrages
1. Vorbemerkungen
1.1 Allgemeines
1.2 Charakter der Norm, intertemporales Recht
2. Weitergeltung des Mietvertrags als Grundsatz
2.1 Allgemeines
2.2 Auflösung des erstreckten Mietverhältnisses
2.3 Anpassung der Vertragsbedingungen während der Erstreckungsdauer
3. Änderungen der Vertragsbedingungen im Erstreckungsverfahren
4. Änderungen der Vertragsbedingungen durch Erstreckungsvereinbarung
Art. 272d – Kündigung während der Erstreckung
1. Vorbemerkungen
1.1 Allgemeines
1.2 Zwingender Charakter
2. Kündigung während der Erstreckung
2.1 Fristen und Termine
2.2 Ausserordentliche Kündigung während der Erstreckung
2.3 Vorzeitige Rückgabe der Mietsache, Untermiete und Übertragung der Geschäftsmiete während der Erstreckung
Art. 273 – Fristen und Verfahren
1. Vorbemerkungen
1.1 Neuerungen gegenüber dem alten Recht
1.2 Zwingender Charakter
2. Umfang Kündigungsschutzverfahren
2.1 Allgemeines
2.2 Anfechtung der Kündigung nach Art. 271 und 271a OR
2.3 Anfechtung nichtiger bzw. unwirksamer Kündigungen
2.4 Erstreckung
3. Legitimation
4. Allgemeine Verfahrensfragen
4.1 Örtliche Zuständigkeit
4.2 Fristwahrung
4.3 Form der Kündigungsanfechtung
4.4 Form des Erstreckungsbegehrens
5. Verfahren vor Schlichtungsbehörde
6. Prüfung des Erstreckungsanspruches bei Anfechtungsverfahren
Art. 273a – Wohnung der Familie
1. Charakter der Norm, intertemporales Recht
2. Rechte des Ehegatten bzw. des eingetragenen Partners
3. Erstreckungsvereinbarung
Art. 273b – Untermiete
1. Vorbemerkungen
2. Charakter der Norm, intertemporales Recht
3. Rechte des Untermieters
3.1 Nicht aufgelöstes Hauptmietverhältnis
3.2 Aufgelöstes Hauptmietverhältnis
4. Umgehung der Vorschriften über den Kündigungsschutz
4.1 Umgehungstatbestände
4.2 Rechtsfolgen bei Umgehung
Art. 273c – Zwingende Bestimmungen
1. Geltungsbereich, zwingender Charakter der Norm
2. Verzicht des Mieters auf Rechte (Abs. 1)
3. Nichtige Vereinbarungen (Abs. 2)
Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen
1. Schlichtungsverfahren
1.1 Schlichtungsbehörde
1.2 Schlichtungsobligatorium
1.3 Schlichtungsgesuch
1.4 Erledigung des Schlichtungsverfahrens
2. Gerichtliches Verfahren
2.1 Vorbemerkungen
2.2 Vereinfachtes Verfahren
2.3 Ordentliches Verfahren
2.4 Summarisches Verfahren
2.5 Exkurs: Ausweisungsanspruch und Ausweisung im Summarverfahren
3. Allgemeine Bestimmungen
3.1 Zuständigkeit
3.2 Klagen
3.3 Rechtshängigkeit
3.4 Persönliches Handeln, Vertretung und Begleitung
3.5 Streitverkündung und Intervention
3.6 Klageänderung und -erweiterung
3.7 Widerklage
3.8 Sistierung
3.9 Streitwert
3.10 Kosten
3.11 Gerichtsferien
4. Rechtsmittel
4.1 Arten
4.2 Anfechtungsobjekte im Schlichtungsverfahren
5. Schiedsgericht und Schiedsgutachten
5.1 Zulässigkeit
5.2 Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht
5.3 Echte Schiedsgerichte
5.4 Verfahrensordnung
6. Vollstreckung
6.1 Vollstreckungsarten
6.2 Vollstreckungstitel aus dem Schlichtungsverfahren
Sachregister

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, vorbehalten. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Über­ setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme. © Schulthess Juristische Medien AG, Zürich · Basel · Genf  2018 ISBN 978-3-7255-7495-7 www.schulthess.com

Vorwort zur 4. Auflage Das Mietrecht hat seit seiner Inkraftsetzung am 1. Juli 1990 – und davor als Bundesbeschluss über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen – in der Anwendung und Auslegung massgebliche Erweiterungen und Richtungs­ änderungen erfahren. Ursprünglich als Missbrauchsgesetzgebung eingeführt, sind in der Zwischenzeit gestaltende und lenkende Elemente hinzugekommen. Die Entwicklung der Rechtsordnung ist immer auch ein Abbild der jeweili­ gen Marktsituation. Seit den 1990er-Jahren hat der Immobilien- und Woh­ nungsmarkt in der Schweiz Höhen und Tiefen durchlebt. Starke Zuwanderung, Siedlungsdruck, schwankende Finanzmärkte, Bodenpreise, Wohnungsbau, historisch tiefe Zinsen und zahlreiche Gesetzesänderungen im Umfeld des Wohnsektors – stellvertretend seien hier Raumplanungsgesetz, Bauvorschrif­ ten, Wohneigentumsförderung, Personenfreizügigkeit erwähnt – üben mass­ geblichen Einfluss auf das Wohnungswesen einerseits und die politische Hal­ tung des Volks über die Rechte von Vermietern und Mietern andererseits aus. Kein Jahr ist seit dem Erscheinen der 3. Auflage dieses Werks vergangen, ohne dass sich das Parlament nicht mit Vorstössen zur Anpassung des Mietrechts befasst hätte. Bereits davor, 2003 und 2004, lehnte das Volk eine Initiative und einen indirekten Gegenvorschlag ab. Eine grundlegende Überarbeitung des Mietrechts – bekannt als «historischer Kompromiss» –, die eine Entkoppelung von Hypothekarzinsen und Anbindung an die Teuerung mit sich gebracht hätte, scheiterte 2010 in der parlamentarischen Debatte. Es herrscht, aus wel­ chen Beweggründen auch immer, unter den Marktpartnern offensichtlich ein Konsens darüber, dass das geltende Mietrecht die Bedürfnisse erfüllt. Gleich­ zeitig stellt der Wandel der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik neue Anforderungen an das Mietrecht. Stellvertretend seien hier die Vermarktung von Zimmern und Wohnungen über Buchungsplattformen und die daraus folgende Untermiete erwähnt. Für diese Entwicklungen will das vorliegende Werk eine Grundlage schaffen, indem es sämtliche Facetten der Rechtsetzung und -sprechung ausleuchtet und in den Kontext ihrer historischen Entstehung setzt. An der grundsätzlichen Zielsetzung der vorliegenden 4. Auflage hat sich gegen­ über den vorangegangenen Auflagen nichts geändert: Die Fülle der seit der letzten Auflage ergangenen Urteile verschiedener Instanzen und die seither erschienene Literatur sollen in den Kontext der bisherigen Rechtsentwicklung und in einen systematischen Zusammenhang gestellt, dogmatisch analysiert

V

Vorwort zur 4. Auflage

und – wenn nötig – kritisch hinterfragt werden. Damit wollen Herausgeber und Autoren einen wissenschaftlich fundierten Beitrag zur weiteren Rechts­ entwicklung leisten. Das Werk soll überdies den Praktikern – seien es Vermie­ ter, Bewirtschafter, Mieter oder Schlichter – ein Werkzeug an die Hand geben, mit dem sie sich in einer zunehmend komplexen Rechtsmaterie orientieren und daraus sachdienliche und rechtssichere Lösungen für die täglichen Fra­ gen ableiten können. Die 4. Auflage berücksichtigt die seit 2011 geltende Zivilprozessordnung und behandelt die für die Anwendung des Mietrechts relevanten Bereiche. Im Werk wird im Sinne der Lesbarkeit die männliche Form unabhängig des Geschlechts verwendet. Stellvertretend erwähnt seien die Begriffe «Mieter» für Mieterinnen und Mieter und «Vermieter» für Vermieterinnen und Vermieter. Berücksichtigt ist – wo nicht anders vermerkt – die Rechtsprechung bis Ende 2017. Besonderer Dank gebührt dem gesamten Autorenteam, das trotz starker beruf­ licher Beanspruchung mit grossem Engagement die Herausgabe dieses Kom­ mentars ermöglicht hat, allen voran Dr. Beat Rohrer, der das Projekt mitiniti­ iert sowie massgeblich unterstützt und vorangetrieben hat. Ein Dank ergeht im Weiteren an lic. iur. Simon Schädler für die Durchsicht der Manuskripte, ­Andrea Hungerbühler für die adminis­trative Unterstützung und an Annette Eberle vom Verlag Schulthess Juristische Medien AG für die verlegerische Unterstützung. Für den Herausgeber: Dr. Ivo Cathomen

VI



Verzeichnis der Autorinnen und Autoren Hans Bättig, Fürsprecher, Bern Dr. iur. Irene Biber, Rechtsanwältin, Zürich Dr. iur. Raymond Bisang, Rechtsanwalt, Zürich Dr. iur. Raoul Futterlieb, Rechtsanwalt, Zürich Dr. iur. Urban Hulliger, Rechtsanwalt, Zürich Dr. iur. Zinon Koumbarakis, Rechtsanwalt, Zürich Dr. iur. Jürg Müller, Rechtsanwalt, Zürich Daniel Reudt, Rechtsanwalt, Zürich Lukas Polivka, Advokat, Basel Dr. iur. Beat Rohrer, Rechtsanwalt, Zürich Florian Rohrer, Rechtsanwalt, Zürich Dr. iur. Matthias Tschudi, Rechtsanwalt, Zürich

Zitiervorschlag SVIT-Kommentar/Bearbeiter, N … zu Art. … OR bzw. N … zu ZPO

VII

Inhaltsübersicht AbkürzungsverzeichnisXIV BibliografieXIX

Obligationenrecht Achter Titel: Die Miete Erster Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Vorbemerkungen zu Art. 253–274g OR Art. 253

Begriff und Geltungsbereich – Begriff

1 30 30

Art. 253a – Geltungsbereich – Wohn- und Geschäftsräume

43 43

Art. 253b

53

– Bestimmungen über Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen

Art. 254

Koppelungsgeschäfte

65

Art. 255

Dauer des Mietverhältnisses

82

Art. 256

Pflichten des Vermieters – Im Allgemeinen

95 95

Art. 256a – Auskunftspflicht

120

Art. 256b – Abgaben und Lasten

130

Art. 257

135 135 135

Art. 257a Art. 257b

Pflichten des Mieters – Zahlung des Mietzinses und der Nebenkosten – Mietzins – Nebenkosten – Im Allgemeinen – Wohn- und Geschäftsräume

135 135 136

Art. 257c

– Zahlungstermine

161

Art. 257d

– Zahlungsrückstand des Mieters

168

Art. 257e – Sicherheiten durch den Mieter

194

Art. 257f

209

– Sorgfalt und Rücksichtsnahme

Art. 257g – Meldepflicht

239

Art. 257h – Duldungspflicht

247

IX

Inhaltsübersicht

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i OR

256

Art. 258

Nichterfüllung oder mangelhafte Erfüllung des Vertrages bei Übergabe der Sache

284

Art. 259

Mängel während der Mietdauer – Pflicht des Mieters zu kleinen Reinigungen und Ausbesserungen

297 297

Art. 259a – Rechte des Mieters – Im Allgemeinen

303 303

Art. 259b

305 305

Art. 259c

– Beseitigung des Mangels – Grundsatz – Ausnahme

320

Art. 259d

– Herabsetzung des Mietzinses

324

Art. 259e

– Schadenersatz

338

Art. 259f

– Übernahme des Rechtsstreits

351

Art. 259g

– Hinterlegung des Mietzinses – Grundsatz

357 357

Art. 259h Art. 259i Art. 260

– Herausgabe der hinterlegten Mietzinse – Verfahren Erneuerungen und Änderungen – Durch den Vermieter

369 377 378 378

Art. 260a – Durch den Mieter

378

Art. 261

423 423

Wechsel des Eigentümers – Veräusserung der Sache

Art. 261a – Einräumung beschränkter dinglicher Rechte

424

Art. 261b – Vorbemerkung im Grundbuch

441

Art. 262

Untermiete

447

Art. 263

Übertragung der Miete auf einen Dritten

472

Art. 264

Vorzeitige Rückgabe der Sache

492

Art. 265

Verrechnung

518

Vorbemerkungen zu Art. 266–266o OR

526

Art. 266

546 546

Beendigung des Mietverhältnisses – Ablauf der vereinbarten Dauer

Art. 266a – Kündigungsfristen und -termine – Im Allgemeinen

553 553

Art. 266b

– Unbewegliche Sachen und Fahrnisbauten

559

Art. 266c

– Wohnungen

559

Art. 266d

– Geschäftsräume

560

X



Inhaltsübersicht Art. 266e

– Möblierte Zimmer und Einstellplätze

Art. 266f

– Bewegliche Sachen

560 561

Art. 266g – Ausserordentliche Kündigung – Aus wichtigen Gründen

574 574

Art. 266h

– Konkurs des Mieters

588

Art. 266i

– Tod des Mieters

600

Art. 266k

– Bewegliche Sachen

608

Art. 266l – Form der Kündigung bei Wohn- und Geschäftsräumen – Im Allgemeinen Art. 266m – Wohnung und Familie – Kündigung durch den Mieter

611 611 611 611

Art. 266n

612

Art. 266o Art. 267

– Kündigung durch den Vermieter – Nichtigkeit der Kündigung Rückgabe der Sache – Im Allgemeinen

613 634 634

Art. 267a – Prüfung der Sache und Meldung an den Mieter

634

Art. 268

655 655

Retentionsrecht des Vermieters – Umfang

Art. 268a – Sachen Dritter

656

Art. 268b – Geltendmachung

656

Zweiter Abschnitt: Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen und anderen missbräuchlichen Forderungen des Vermieters bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen Vorbemerkungen zu Art. 269–270e OR

675

Art. 269

697 697

Missbräuchliche Mietzinse – Regel

Art. 269a – Ausnahmen

735

Art. 269b Indexierte Mietzinse

799

Art. 269c Gestaffelte Mietzinse

822

Art. 269d Mietzinserhöhungen und andere einseitige Vertragsänderungen durch den Vermieter

834

Art. 270

876 876 876



Anfechtung des Mietzinses – Herabsetzungsbegehren – Anfangsmietzins

XI

Inhaltsübersicht Art. 270a

– Während der Mietdauer

914

Art. 270b – Anfechtung von Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen936 Art. 270c – Anfechtung indexierter Mietzinse

945

Art. 270d – Anfechtung gestaffelter Mietzinse

951

Art. 270e Weitergeltung des Mietvertrages während des Anfechtungsverfahrens

957

Dritter Abschnitt: Kündigungsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen Art. 271

Anfechtbarkeit der Kündigung – Im Allgemeinen

Art. 271a – Kündigung durch den Vermieter Art. 272

Erstreckung des Mietverhältnisses – Anspruch des Mieters

Art. 272a – Ausschluss der Erstreckung

961 961 992 1031 1031 1065

Art. 272b – Dauer der Erstreckung

1077

Art. 272c – Weitergeltung des Mietvertrages

1089

Art. 272d – Kündigung während der Erstreckung

1098

Art. 273

Fristen und Verfahren

1104

Art. 273a Wohnung der Familie

1118

Art. 273b Untermiete

1125

Art. 273c Zwingende Bestimmungen

1134

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen 1. Schlichtungsverfahren 

1139

2. Gerichtliches Verfahren 

1170

3. Allgemeine Bestimmungen 

1202

4. Rechtsmittel 

1257

5. Schiedsgericht und Schiedsgutachten 

1268

6. Vollstreckung 

1273

Sachregister

1277

XII



Abkürzungsverzeichnis A

Aufl.

Auflage

a.A. a.a.O. aArt.

anderer Ansicht am angeführten Ort alter Artikel; z.B. frühere, durch die Änderung des OR vom 15. Dezember 1989 ersetzte Fassung eines Artikels Absatz, Absätze alte Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 (s. BV) Allgemeine Geschäftsbedingungen Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide Aktuelle Juristische Praxis anderer Meinung Amtliches (Stenografisches) Bulletin des Nationalrates Amtliches (Stenografisches) Bulletin des Ständerates Anmerkung alt OR; frühere, durch die Änderung vom 15. Dezember1989 ersetzte Fassung des Obligationenrechts Artikel Amtliche Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen Allgemeiner Teil Auflage

Abs. aBV AGB AGVE AJP a.M. AB NR AB SR Anm. aOR Art. AS AT Aufl.

B

BauR BB BBl Bd. betr. BG BGE

Baurecht, Mitteilungen des Seminars für schweizerisches Baurecht, Freiburg (Schweiz) Bundesbeschluss Bundesblatt Band, Bände betreffend Bundesgesetz Entscheide des Schweizerischen Bundesgerichtes (Amtliche Sammlung) XIII

Abkürzungsverzeichnis

BGG BJM BK BMM Botsch. BSK Buchst. BT BV BWO

C

ca. CAN CdB CHF CO CR

D

DB dgl. d.h.

E

E. EDV EVD

XIV

Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (Bundesgerichtsgesetz; SR 173.110) Basler Juristische Mitteilungen Berner Kommentar Bundesbeschluss über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen vom 30. Juni 1972 (mit seitherigen Änderungen; aufgehoben) Botschaft des Bundesrats Basler Kommentar Buchstabe Besonderer Teil Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101) Bundesamt für Wohnungswesen

cirka, contra Zeitschrift für kantonale Rechtsprechung (Periodikum) Cahiers du bail (Periodikum) Franken Code des obligations suisse Commentaire Romand

Droit du bail (Periodikum) dergleichen das heisst

Erwägung(en) Elektronische Datenverarbeitung Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement



Abkürzungsverzeichnis

F

f. ff. Fn./FN Fr.

G

GBV gl. gl.A. gl.M. GOG GVP

H

h.A. h.L. h.M. Hrsg./hrsg.

I

IPRG i.d.R. i.e.S. i.S.(v.) i.V.m. i.w.S.

K

Kap. KGer



folgende/r (Seite/Note/Artikel) (fort-)folgende, und folgende (Seiten/Noten/Artikel) Fussnote Franken

Verordnung vom 22. Februar 1910 betreffend das Grundbuch (mit seitherigen Änderungen; SR 211.432.1) gleich/e/r gleicher Ansicht gleiche/r Meinung Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG) des Kantons Zürich vom 10. Mai 2010 Gerichts- und Verwaltungspraxis (betreffender Kanton)

herrschende Ansicht herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber(in)/herausgegeben (von) (durch)

Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht vom 18. Dezember 1987 (SR 291) in der Regel im engeren Sinn im Sinne (von) in Verbindung mit im weiteren Sinn

Kapitel Kantonsgericht

XV

Abkürzungsverzeichnis

L

LGVE LugÜ

lit.

M

m.a.W. m.w.H. mp MRA

N

N NR Nr. NZZ

O

OG

OGer OR

P

p.a. PartG Pra

XVI

Luzerner Gerichts- und Verwaltungsentscheide Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Voll­ streckung gerichtlicher Entscheide in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16. September 1988 (Lugano-Überein­ kommen; SR 0.275.11) litera (Buchstabe/n)

mit anderen Worten mit weiteren Hinweisen Mietrechtspraxis (Periodikum) MietRecht Aktuell (Periodikum)

Note (Randnote, Randziffer) Nationalrat Nummer Neue Zürcher Zeitung

Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (aufgehoben) Obergericht Bundesgesetz über das Obligationenrecht vom 30. März 1911/ 18. Dezember 1938 (mit seitherigen Änderungen; SR 220)

per annum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtli­ cher Paare vom 18. Juni 2004 (Partnerschaftsgesetz; SR 211.231 Die Praxis (Periodikum)



Abkürzungsverzeichnis

R

RB OG Rz

S

S. SchKG SchlT SGGVP SJ SJZ sog. SPR SR StGB SZZP

T

TC

U

u.a. u.a.m. u.ä.(m.) u.U. UWG

V

Verf. VMM



Rechenschaftsbericht des (Zürcher) Obergerichts Randziffer (Note, Randnote)

Seite Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889 (SR 281.1) Schlusstitel Sanktgallische Gerichts- und Verwaltungspraxis Semaine Judiciaire (Periodikum) Schweizerische Juristen-Zeitung (Periodikum) sogenannt/e Schweizerisches Privatrecht, Basel (Periodikum) Systematische Sammlung des Bundesrechts Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0) Schweizerische Zeitschrift für Zivilprozessrecht, Basel (Periodikum)

Tribunal Cantonal

unter anderem / unter anderen und anderes mehr und Ähnliches (mehr) unter Umständen Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 19. Dezember 1986 (SR 241)

Verfasser Verordnung über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen vom 10. Juli 1972 (aufgehoben)

XVII

Abkürzungsverzeichnis

VMWG Vorbem. VPB VZG

W

WEG WFG

Z

ZBJV z.z. ZGB Ziff. zit. ZK ZMP ZPO ZR

XVIII

Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräu­ men vom 9. Mai 1990; SR 221.213.11) Vorbemerkung/-en Verwaltungspraxis der Bundesbehörden Verordnung des Bundesgerichtes über die Zwangsverwertung von Grundstücken vom 23. April 1923 (SR 281.42)

Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz vom 4. Oktober 1974 (SR 843) Wohnraumförderungsgesetz vom 21. März 2003 (SR 842)

Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins (Periodikum) zurzeit Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (SR 210) Ziffer(n) zitiert Zürcher Kommentar Zürcher Mietrechtspraxis, Entscheide des Mietgerichts und der Schlichtungsbehörde Zürich (Periodikum) Zivilprozessordnung Blätter für Zürcherische Rechtsprechung (Periodikum)



Bücher & Aufsätze Addorisio de Feo Raniero

Fälligkeit und Verjährung im Mietrecht, in: mp 4/01, S. 163 ff. (zitiert: Addorisio de Feo, Fälligkeit)

Aellen Nicole

Ausgewählte Aspekte der mietvertraglichen Ausscheidung von Nebenkosten, in: MRA 3/17, S. 117 ff. (zitiert: Aellen, Neben­ kosten)

Alvarez Cipriano

Die am 1.  August 1996 in Kraft getretene Änderung der VMWG, in: mp 3/96, S. 129 ff. (zitiert: Alvarez, VMWG)

Amonn Kurt/ Walther Fridolin

Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl., Bern 2013 (zitiert: Amonn/Walther, Grundriss)

Barbey Richard

L’arrêté fédéral instituant des mesures contre les abus dans le secteur locatif, Lausanne 1984 (zitiert: Barbey, Arrêté)

Barbey Richard

Übersicht über die neuere Rechtssprechung zum BMM, in: mp 4/88, S. 130 ff. (Barbey, Rechtssprechung)

Barbey Richard

Commentaire du droit du bail: chapitre III, Protection contre les congés concernant les baux d’habitation et de locaux com­ merciaux, Genf 1991 (zitiert: Barbey, Protection)

Barbey Richard

Le transfert du bail commercial (Art. 263 OR), in: SJ 1992, S. 33 ff. (zitiert: Barbey: Transfert)

Barbey Richard

Les travaux de rénovation et de modification de la chose louée entrepris par le locataire, in: 10e Séminaire du droit de bail, Neuenburg 1998 (zitiert: Barbey, Travaux)

Bartels Tobias

Die Fristwahrung im Mietrecht, Unter besonderer Berücksich­ tigung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen, Zürich 2016 (zitiert: Bartels, Fristwahrung)

Bättig Hans

Mietzinserhöhung nach Erwerb einer Mietliegenschaft – Net­ torenditeberechnung, in: MRA 3/95, S. 118 ff. (zitiert: Bättig, Nettorenditeberechnung)

Bättig Hans

Mietzinsherabsetzung, in: MRA 5/96, S. 187 ff. (zitiert: Bättig, Mietzinsherabsetzung)

Bättig Hans

Anpassung an die Ortsüblichkeit, in: MRA 1/02, S. 9 ff. (zitiert: Bättig, Ortsüblichkeit)

Bättig Hans

Einwand des übersetzten Ertrages bei Altbauten, in: MRA 4/02, S. 143 ff. (zitiert: Bättig, Altbauten)

Bättig Hans

Mietrechtliche Aspekte des Energiecontracting, in: MRA 5/06, S. 163 ff. (zitiert: Bättig, Energiecontracting) XIX

Bücher & Aufsätze

Bättig Hans

Die Überwälzung der Kosten von umfassenden Überholungen auf den Mietzins, in: MRA 1–2/09, S. 1 ff. (zitiert: Bättig, Über­ wälzung)

Bättig Hans

Die vorzeitige Rückgabe der Mietsache  – ausgewählte prakti­ sche Aspekte, in: MRA 3/12, S. 1 ff. und in: MRA 4/12, S. 177 ff. (zitiert: Bättig, Rückgabe)

Bättig Hans

Staffelung – Mietzinsvergünstigung – Vorbehalt, in: MRA 2/13, S. 3 ff. (zitiert: Bättig, Staffelung)

Bättig Hans

Umfassende Überholung; Überwälzung des werterhaltenden Anteils der Investition, in: MRA 1/14, S. 27 ff. (zitiert: Bättig, Überholung)

Bättig Hans

Vorsorgliche Massnahmen in mietrechtlichen Streitigkeiten, in: MRA 3/14, S. 141 ff. (zitiert: Streitigkeiten)

Béguin Andreas

Klare Ausscheidung von Nebenkosten und Höhe der Akon­ tozahlungen im Mietvertrag, in: mp 4/04, S.  167  ff. (zitiert: Béguin, Nebenkosten)

Béguin Andreas

Grundsatz der Wirtschaftlichkeit von Nebenkosten, in: mp 3/14, S. 179 ff. (zitiert: Béguin, Wirtschaftlichkeit)

Biber Irene

Die Anwendung der mietrechtlichen Schutzbestimmungen auf gemischte Verträge, in: mp 1/14, S. 1 ff. (zitiert: Biber, Schutz­ bestimmungen)

Biber Irene

Die Rohbaumiete, Zürich/St. Gallen 2014 (zitiert: Biber, Roh­ baumiete)

Bisang Raymond

Fragen im Zusammenhang mit gemischten Verträgen mit mietrechtlichem Einschlag, in: mp 4/10, S.  235  ff. (zitiert: Bisang, gemischte Verträge)

Blum Stefan

Vorzeitiger Auszug aus einer Genossenschaftswohnung im Spannungsfeld zwischen Miet- und Genossenschaftsrecht, in: mp 1995, S. 109 ff. (zitiert: Blum, Genossenschaftswohnung)

Blumer Maja

Gebrauchsüberlassungsverträge (Miete, Pacht), Schweizeri­ sches Privatrecht VII/3, Basel 2012 (zitiert: Blumer, Gebrauchs­ überlassungsverträge)

Brandner Balthasar

«Energie-Contracting» – kein alter Wein in neuen Schläuchen, in: AJP 1997, S.  1517  ff. (zitiert: Brandner, Energie-Contrac­ ting)

Brutschin Sarah

Ausgewählte Fragen zur Überwälzung von Mehrleistungen auf den Mietzins, in: mp  2/13, S.  81  ff. (zitiert: Brutschin, ausge­ wählte Fragen)

XX



Bücher & Aufsätze

Bühler Theodor

Art.  363–379 OR, Der Werkvertrag, Zürcher Kommentar, 3. Aufl., Zürich 1998 (zitiert: Bühler, ZK)

Calamo Christian

Die missbräuchliche Kündigung der Miete von Wohnräumen, Bern 1994 (zitiert: Calamo, Missbräuchlichkeit)

Chaix François

L’article 264: A la recherche du locataire de remplacement, in: SJ 1999 II 49 (zitiert: Chaix, Recherche)

Cocchi Bruno

Die Kündigung der Dienstwohnung, in: mp 2/95, S.  51  ff. (zitiert: Cocchi, Dienstwohnung)

Conod Philippe

La prise en compte des travaux à plusvalue et importants tra­ vaux de rénovation selon la méthode absolue [Art. 269 CO], in: CdB 2010, S. 11 ff. (zitiert: Conod, Travaux)

Corboz Bernard

Le loyer abusif au sens de l’AMSL, in: BauR 1982, S.  27  ff. (zitiert: Corboz, Loyer abusif)

Corboz Bernard

La nullité du congé dans le nouveau droit du bail, in: CdB 1994, S. 33 ff. (zitiert: Corboz, Congé)

Corboz Bernard

Les travaux de transformation et de rénovation de la chose louée entrepris par le bailleur et leur répercussion sur les loyers, in: 12e Séminaire sur le droit de bail, Neuchâtel 2002 (zitiert: Corboz, Travaux)

Daoudi Yvette/ Corboz Bernard

Jurisprudence en matière de baux et loyers, in: SJ 1979, S. 565 ff. (zitiert: Daoudi/Corboz, Jurisprudence)

David Eugen

Rechte und Pflichten der Parteien bei Mängeln der Miet­sache, in: Hangartner Yvo (Hrsg.), Das neue Mietrecht, St. Gallen 1991 (zitiert: David, Mängel der Mietsache)

Del Duca Donato

Serviceverträge und Nebenkosten unter besonderer Berück­ sichtigung von Serviceverträgen für Aufzüge, in: mp 1/16, S. 1 ff. (zitiert: Del Duca, Serviceverträge)

Dürr David

Mietzinsherabsetzung und Einrede des nicht übersetzten Ertrages, in: SJZ 91/1995, S. 265 ff. (zitiert: Dürr, Mietzinshe­ rabsetzung)

Fertig Peter

Offene Fragen bei den Nebenkosten, in: mp 2/99, S.  67  ff. (zitiert: Fertig, offene Fragen)

Fetter Sébastien

La contestation du loyer initial, Bern 2005 (zitiert: Fetter, Loyer initial)

Futterlieb Raoul

Anfechtung des Anfangsmietzinses, in: MRA 4/12, S. 195 ff. (zitiert: Futterlieb, Anfangsmietzins)



XXI

Bücher & Aufsätze

Gauch Peter

System der Beendigung von Dauerverträgen, Fribourg 1968 (zitiert: Gauch, Beendigung)

Gauch Peter

Mängelhaftung des Vermieters und mangelhafte Mietsache  – einige Gedanken zum neuen Mietrecht, in: ZBJV 128, S. 189 ff. (zitiert: Gauch, Mängelhaftung)

Gauch Peter/ Schluep Walter/ Emmenegger Susan

Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil ohne ausservertragliches Haftpflichtrecht, Band II, 10. Aufl., Zürich 2014 (zitiert Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT II)

Gauch Peter/ Schluep Walter/ Schmid Jörg

Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil ohne ausservertragliches Haftpflichtrecht, Band I, 10. Aufl., Zürich 2014 (zitiert: Gauch/Schluep/Schmid, OR AT I)

Giavarini Marco

Mietzinserhöhung wegen wertvermehrender Investition, in: MRA 3/02, S. 96 ff. (zitiert: Giavarini, Mietzinserhöhung)

Giger Hans

Der Fahrniskauf, Art. 184–215 OR, Berner Kommentar, Band 6, 2. Aufl., Bern 1979 (zitiert: Giger, BK)

Giger Hans

Die Miete, Grundsatzanalyse, Vorbemerkungen und Art. 253– 255 OR, Berner Kommentar, Band 1, Bern 2013 (zitiert: Giger, BK)

Giger Hans

Das Obligationenrecht, Die Miete, Art. 253–273c OR, Berner Kommentar, Bern 2013/2015 (zitiert: Giger, BK)

Gmür Roland

Vom alten zum neuen Mietrecht (intertemporale Fragen), in: Fachreihe Mietrecht, Heft Nr.  1, Zürich 1990 (zitiert: Gmür, Fragen)

Gmür Roland/ Caviezel Werner

Mietrecht – Mieterschutz, Leitfaden für die Praxis, 2. Auflage, Zürich 1979 (zitiert: Gmür/Caviezel, Mieterschutz)

Gmür Roland/ Prerost Ruedi/ Trümpy Jakob

Mietrecht für die Praxis, Zürich 1986 (zitiert: Gmür/Prerost/ Trümpy, Mietrecht)

Gmür Roland/ Thanei Anita

Rechtsprechung des Bundesgerichtes zur Mietzinserhöhung, Fachheft Mietrecht Nr.  3, Zürich 1993 (zitiert: Gmür/Thanei, Mietzinserhöhung)

Gratz Elmar

Mietzinsgestaltung, Zürich 1995 (zitiert: Gratz, Mietzinsgestal­ tung)

Guhl Theo/ Koller ­Alfred/ Schnyder Anton K./ Druey Jean Nicolas

Das schweizerische Obligationenrecht. 9. Aufl., Zürich 2000 (zitiert: Guhl et al., OR)

XXII



Bücher & Aufsätze

Gut Beat

Angemessener Ertrag, in: mp 4/96, S.  177  ff. (zitiert: Gut, Ertrag)

Gut Beat

Die Entwicklung der Rechtsprechung zum missbräuchlichen Mietzins, in: mp 1/00, S. 1 ff. (zitiert: Gut, Entwicklung)

Hasenböhler Franz

Die gemietete Familienwohnung, in: MRA 5/95, S.  225  ff. (zitiert: Hasenböhler, Familienwohnung)

Hauri Heinz

Der missbräuchliche Mietzins, Zürich 1979 (zitiert: Hauri, Mietzins)

Hauser Robert/ Schweri Erhard/ Lieber Viktor

GOG Kommentar zum zürcherischen Gesetz über die Gerichtsund Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess, 2. Aufl., Zürich 2017 (zitiert: Bearbeiter, GOG-Kommentar)

Hausheer Heinz/ ­Reusser Ruth/ Geiser Thomas

Art. 159–180 ZGB. Die Wirkungen der Ehe im Allgemeinen. Berner Kommentar, Bern 1999 (zitiert: Hausheer/Reusser/ Geiser, BK)

Hausmann Urs

Vertragsfreiheit im Schweizer Mietrecht von 1804 bis 2014 unter besonderer Berücksichtigung des Mietzinses, Zürich/ St. Gallen 2016 (zitiert: Hausmann, Vertragsfreiheit)

Hediger Alex

Die Entwicklung der Rechtsprechung zum missbräuchlichen Mietzins seit dem Jahr 2000, in: mp 2005, S. 61 ff. (zitiert: Hedi­ ger, Rechtsprechung)

Heinrich Peter

Die Untermiete, Zürich 1999 (zitiert: Heinrich, Untermiete)

Heusi Claudia

Ausgewählte Fragen zur Geschäftsmiete, 2. Teil, in: mp 1/99, S. 1 ff. (zitiert Heusi, Geschäftsmiete)

Higi Peter

Art. 253–265 OR, Miete, Zürcher Kommentar, 4. Aufl., Zürich, 1994 (zitiert: Higi, ZK)

Higi Peter

Art. 266–268b OR, Miete, Zürcher Kommentar, 4. Aufl., Zürich, 1995 (zitiert: Higi, ZK)

Higi Peter

Art. 269–270e OR, Miete, Zürcher Kommentar, 4. Aufl., Zürich, 1998 (zitiert: Higi, ZK)

Higi Peter

Fluglärm und mietrechtlicher Mangel, in: BR 2002, S.  152  ff. (zitiert: Higi, Fluglärm)

Higi Peter/Gut Beat

Die Berechnung des zulässigen Ertrages einer Mietwohnung, die letztlich im Raum schwebt, in: BauR 1996, S. 41 ff. (zitiert: Higi/Gut, Mietwohnung)

Höchli Andreas

Der Untermietvertrag, Zürich 1982 (zitiert: Höchli, Unter­ mietvertrag)



XXIII

Bücher & Aufsätze

Honsell Heinrich (Hrsg.)

Kurzkommentar Obligationenrecht, Basel 2014 (zitiert: Bear­ beiter, KUKO OR)

Honsell Heinrich/ Vogt Nedim Peter/­ Geiser Thomas

Zivilgesetzbuch, Band I, Art. 1–456 ZGB, Basler Kommentar, 5. Aufl., Basel 2014 (zitiert: Bearbeiter, BSK ZGB I)

Honsell Heinrich/ Vogt Nedim Peter/­ Geiser Thomas

Zivilgesetzbuch Band II, Art. 457–977 ZGB und Art. 1–61 SchlT ZGB, Basler Kommentar, 5. Aufl., Basel 2015 (zitiert: Bearbei­ ter, BSK ZGB II)

Honsell Heinrich/ Vogt Nedim Peter/ Wiegand Wolfgang/ Watter Rolf

Obligationenrecht, Art. 1–529 OR, Band 1, Basler Kommentar, 6. Aufl., Basel 2015 (zitiert: Bearbeiter, BSK OR)

Huber Basil

Die vorzeitige Rückgabe der Mietwohnung, St. Gallen 2000 (zitiert: Huber, Rückgabe)

Hulliger Urban

Kündigung aus wichtigen Gründen, Überblick über Lehre und Rechtsprechung, in: MRA 1/11, S. 1 ff. (zitiert: Hulliger, Kün­ digung)

Hulliger Urban

Neuere Rechtsprechung zur Kündigung wegen Zahlungsver­ zugs, in: MRA 2/12, S. 65 ff. (zitiert: Hulliger, Rechtsprechung)

Hulliger Urban/­ Heinrich Peter

Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 3. Aufl., Zürich 2016 (zitiert: Hulliger/Heinrich, CHK)

Hulliger Urban/ Maag Andreas

Zur sachlichen Zuständigkeit der Handelsgerichte in miet­ rechtlichen Streitigkeiten – ein Zwischenbericht, in: MRA 3/14, S. 103 ff. (zitiert: Hulliger/Maag, Zuständigkeit)

Hunkeler Daniel (Hrsg.)

Kurzkommentar SchKG, 2. Aufl., Basel 2014 (zitiert: Bearbei­ ter, KUKO SchKG)

Hurni Christoph

Die Vermögensübertragung im Spannungsfeld zwischen Ver­ mögens- und Unternehmensrecht, Zürich 2008 (zitiert: Hurni, Spannungsfeld)

Jud Dominique/ Steiger Isabelle

Airbnb in der Schweiz, was sagt das Mietrecht?, in: Jusletter vom 30. Juni 2014, S. 1 ff. (zitiert: Jud/Steiger, Airbnb)

Keller Alfred

Haftpflicht im Privatrecht, Band II, 2. Auflage, Bern 1997 (zitiert: Keller, Band II)

Keller Alfred

Haftpflicht im Privatrecht, Band I, 6. Auflage, Bern 2001 (zitiert: Keller, Band I)

Kellerhals Andreas/ Luginbühl Markus (Hrsg.)

Fusionsgesetz  – Auswirkungen auf die Praxis, Zürich 2004 (zitiert: Kellerhals/Luginbühl, Fusionsgesetz)

XXIV



Bücher & Aufsätze

Kley Anna

Die vorzeitige Rückgabe der Mietsache – praktische Fragen, in: mp 4/13, S. 258 ff. (Kley, Rückgabe)

Koller Alfred

Rechtsbehelfe des Mieters bei Wegfall des Mietbedarfs, AJP 2018, S. 209 ff. (zitiert: Koller, Rechtsbehelfe)

Koller Thomas

Die mietrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2006 – Band 132, in: ZBJV 143/2007, S. 831 ff. (zitiert: Koller, Rechtsprechung 2006)

Koller Thomas

Die mietrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2011, in: ZBJV 149 (2013), S. 21 ff. (zitiert: Koller, Rechtspre­ chung 2011)

Koller Thomas

Die mietrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2012, in: ZBJV 149 (2013), S. 876 ff. (zitiert: Koller, Rechtspre­ chung 2012)

Koller Thomas

Die mietrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2013, in: ZBJV 150 (2014), S. 917 ff. (zitiert: Koller, Rechtspre­ chung 2013)

Koller Thomas/ Sennhauser Norbert

Die mietrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2009, in: ZBJV 4/11, S. 294 ff. (zitiert Koller/Sennhauser, Rechtsprechung 2009)

Kunz Tobias/ Wyttenbach Markus

Die Rückgabe der Mietsache, in: mp 3/2016, S. 187 ff. (zitiert: Kunz/Wyttenbach, Rückgabe)

Lachat David

Die Mietzinsgestaltung bei Mehrleistungen des Vermieters, in: mp 4/93, S. 135 ff. (zitiert: Lachat, Mehrleistungen)

Lachat David

Le bail à loyer, Genève 2008 (zitiert: Lachat, Bail à loyer)

Lachat David

Code des Obligations I, Commentaire Romand, 2. Aufl., Basel 2012 (zitiert: Lachat, CR CO I)

Lachat David/ Micheli Jacques

Le nouveau droit du bail, 2. Auflage, Lausanne 1992 (zitiert: Lachat/Micheli, droit du bail)

Lachat David/ Trümpy Jakob

Die vorzeitige Rückgabe der Mietsache (Art.  264 OR), Fach­ reihe Mietrecht, Ausgabe 6, Zürich 1999 (zitiert: Lachat/ Trümpy, Rückgabe)

Lachat David et al.

Mietrecht für die Praxis, 8. Aufl., Zürich 2009 (zitiert: Lachat et al./Bearbeiter), siehe auch MfdP, 9. Aufl., Zürich 2016

Lahmadi-Sutter ­Genoveva

Mietzinsherabsetzung, in: MRA 4/96, S. 153 ff. (zitiert: Lahmadi-Sutter, Mietzinsherabsetzung)

Lorandi Franco

Mietvertrag im Konkurs des Mieters, in: mp 1/98, S.  1  ff. (zitiert: Lorandi, Konkurs)



XXV

Bücher & Aufsätze

Lupi Thomann Melania

Die Anwendung des Konsumkreditgesetzes auf Miet-Kaufund Leasingverträge, Zürich 2003 (zitiert: Lupi, Leasingver­ träge)

Lüthi Andreas

Der Einbezug von Dritten in vorsorgliche Massnahmen und in die Zwangsvollstreckung nach kantonalem Recht, Zürich 1986 (zitiert: Lüthi, Einbezug)

Maag Andreas

Reservationsrecht, Vormietrecht und Option, in: MRA 2/01, S. 37 ff. (zitiert: Maag, Reservationsrecht)

Maag Andreas

Unterhaltskostenpauschale, in: MRA 4/05, S. 149 ff. (zitiert: Maag, Unterhaltskostenpauschale)

Maag Andreas

Die Bundesgerichtspraxis zur ausserordentlichen Kündigung nach Art.  257f OR bei Vertragsverletzungen, in: MRA 4/06, S. 127 ff. (zitiert: Maag, ausserordentliche Kündigung)

Meier-Hayoz Arthur

Systematischer Teil und allgemeine Bestimmungen: Artikel 641–654 ZGB, Berner Kommentar: Das Sachenrecht, Band 1, 5.  Auflage, Bern, 1981 (zitiert: Meier-Hayoz, Systematischer Teil)

Meyer Caroline

Zur Sachlegitimation im Mietprozess, in: MRA 2/10, S. 47 ff. (zitiert: Meyer, Sachlegitimation)

Minder Matthias

Die Übertragung des Mietvertrages bei Geschäftsräumen (Art. 263 OR), Zürich 2010 (zitiert: Minder, Übertragung)

Moskric Elisabeth/ Urbach Simon

Die Zulässigkeit von Triple-Net-Mietverträgen im schweize­ rischen Mietrecht, in: AJP 2008, S.  1001  ff. (zitiert: Moskric/ Urbach, Zulässigkeit)

Müller Jürg P.

Orts- und quartierüblicher Mietzins, in: MRA 2/98, S. 65 ff. (zitiert: Müller, Mietzins)

Müller Jürg P.

Anfechtung des Anfangsmietzinses – Verhältnis zwischen Kos­ ten- und Vergleichsmiete – Praxisänderung?, in: MRA 5/98, S. 147 ff. (zitiert: Müller, Anfechtung)

Müller Jürg P. (Hrsg.) Wohn- und Geschäftsraummiete, Handbücher für die Anwalts­ praxis, Basel 2016 (zitiert: HAP-Immobiliarmietrecht/Bearbei­ ter) Müller Mark

La contestation du loyer initial et sa notification sur formule officielle, in: CdB 1995, S. 6 ff. (zitiert: Müller, Loyer initial)

Müller René

Der Bundesbeschluss über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen vom 30.  Juni 1972, Zürich 1976 (zitiert: Mül­ ler, BMM)

XXVI



Bücher & Aufsätze

Niggli Marcel ­Alexander/Uebersax Peter/Wiprächtiger Hans (Hrsg.)

Bundesgerichtsgesetz, Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel, 2011 (zitiert: Bearbeiter, BSK BGG)

Oberhammer Paul/ Domej Tanja/Haas Ulrich (Hrsg.)

Kurzkommentar ZPO, 2. Aufl., Basel 2013 (zitiert: Bearbeiter, KUKO ZPO)

Oberle Thomas

Nebenkosten  – Heizkosten, 5. Aufl., Zürich 2015 (zitiert: Oberle, Nebenkosten)

Oftinger Karl/ Stark Emil

Schweizerisches Haftpflichtrecht, Besonderer Teil, Band II, Teilband 1: Verschuldenshaftung: gewöhnliche Kausalhaftun­ gen, Haftung aus Gewässerverschmutzung, 4. Auflage, Zürich 1987 (zitiert: Oftinger/Stark, Band II/1)

Oftinger Karl/ Stark Emil

Schweizerisches Haftpflichtrecht, Allgemeiner Teil, Band I, 5. Auflage, Zürich 1995 (zitiert: Oftinger/Stark, Band I)

Oser Hugo/Schönen­ berger Wilhelm

Kommentar zu Art. 184–418 OR, Zürcher Kommentar, 2. Aufl., Zürich 1936 (zitiert: Oser/Schönenberger, ZK)

Permann Richard

Kommentar zum Mietrecht, 2. Aufl., Zürich 2007 (zitiert: Per­ mann, OF Kommentar Mietrecht)

Polivka Lukas

Mietzinsherabsetzung – Letzte Mietzinsfestsetzung, in: MRA 4/00, S. 335 ff. (zitiert: Polivka, Mietzinsherabsetzung)

Polivka Lukas

Berechnung der Nettorendite, in: MRA 4/01, S. 116 ff. (zitiert: Polivka, Nettorendite)

Prerost Ruedi/ Thanei Anita

Das Mieterbuch, Zürich 1990 (zitiert: Prerost/Thanei, Mieter­ buch)

Püntener Richard

Haustierhaltung in Mietwohnungen, in: mp 3/99, S.  113  ff. (zitiert: Püntener, Haustierhaltung)

Püntener Richard

Zivilprozessrecht für die Mietrechtspraxis, Basel 2016 (zitiert: Püntener, Zivilprozessrecht)

Raissig Walter/ Schwander Urs

Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen, Schweizeri­ scher Hauseigentümerverband, 4. Aufl., Zürich 1984 (zitiert: Raissig/Schwander, Missbräuche)

Rajower Felix

Prozessuale Aspekte der Ausweisung von Mietern unter beson­ derer Berücksichtigung der zürcherischen Praxis, in: AJP 1998, S. 797 ff. (zitiert: Rajower, Ausweisung)

Rebsamen Thomas

Immobilienmiete im revidierten SchKG, in: SJZ 110/2014, S. 149 ff. (zitiert: Rebsamen, Immobilienmiete)



XXVII

Bücher & Aufsätze

Reudt Daniel

Zins- und Schadenersatzforderungen im Konkurs des Mieters und Pächters  – Einige Überlegungen zu Art.  266h und 297a OR, in: MRA 3/16, S. 115 ff. (zitiert: Reudt, Konkurs)

Reymond Claude

Gebrauchsüberlassungsverträge, in: Vischer Frank, Schweizer Privatrecht SPR, Band VII/1: Obligationenrecht – Besondere Vertragsverhältnisse, Basel 1977 (zitiert: Reymond, Gebrauchs­ überlassungsverträge)

Richard Philippe

Die allgemeinen Bestimmungen des neuen Mietrechts, in: mp 2/91, S. 39 ff., (zitiert: Richard, allgemeine Bestimmungen)

Riedo Christof

«Eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf» – Bemer­ kungen zur Urkundenunterdrückung nach Art. 254 StGB, in: AJP 8/03, S. 917 ff. (zitiert: Riedo, Urkundenunterdrückung)

Rohrer Beat

Die sogenannte «relative Methode» als Beschränkung der Mietzinsgestaltungsrechte des Vermieters nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtes, in: SJZ 90/1994, S. 153 ff. (zitiert: Rohrer, relative Methode)

Rohrer Beat

Das private Baurecht der Schweiz, 2. Aufl., Zürich 1995 (zitiert: Rohrer, privates Baurecht)

Rohrer Beat

Wie wird die Nettorendite im Sinne von Art. 269 OR berech­ net?, in: MRA 2/96, S. 43 ff. (zitiert: Rohrer, Nettorendite)

Rohrer Beat

Änderungen der Verordnung über die Miete und Pacht für Wohn- und Geschäftsräume (VMWG) vom 26. Juni 1996, in Kraft seit 1. August 1996, in: MRA 4/96, S. 143 ff. (zitiert: Roh­ rer, Änderungen)

Rohrer Beat

Orts- und Quartierüblichkeit, in: MRA 5/97, S. 185 ff. (zitiert: Rohrer, OQÜ)

Rohrer Beat

Mietzinserhöhungen aufgrund steigender Hypothekarzinsen, in: MRA 5/99, S. 173 ff. (zitiert: Rohrer, Hypothekarzinsen)

Rohrer Beat

Allgemeine Kostensteigerung als Pauschale, in: MRA 2/02, S. 45 ff. (zitiert: Rohrer, Kostensteigerung)

Rohrer Beat

Massgebende Anlagekosten bei der Berechnung der Nettoren­ dite, in: MRA 1/06, S. 1 ff. (Rohrer: Anlagekosten)

Rohrer Beat

Die «besondere Vereinbarung» von Nebenkosten (Art.  257a Abs. 2 OR), in: MRA 3/06, S. 87 ff. (zitiert: Rohrer, Vereinba­ rung)

Rohrer Beat

Auflösung eines gemischten Vertrages mit mietvertraglichen und auftragsrechtlichen Elementen, in: MRA 5/06, S. 192 ff. (zitiert: Rohrer, Auflösung)

XXVIII



Bücher & Aufsätze

Rohrer Beat

Nebenkosten, in: MRA 3/08, S. 101 ff. (zitiert: Rohrer, Neben­ kosten)

Rohrer Beat

Der indexierte Mietzins, in: MRA 1/12, S. 1 ff. (zitiert: Rohrer, indexierter Mietzins)

Rohrer Beat

Revisionspostulate im Mietrecht, in: Aktuelle Fragen zum Mietrecht, Europainstitut an der Universität Zürich (Hrsg.), Zürich 2012, S. 161 ff. (zitiert: Rohrer, Revisionspostulate)

Rohrer Beat

Anfechtung des Anfangsmietzinses, in: MRA 2/13, S. 15 ff. (zitiert: Rohrer, Anfechtung)

Rohrer Beat

Vertragsänderungen und Mietzinsanpassungen im gegenseiti­ gen Einvernehmen ohne Verwendung des amtlichen Formu­ lars, in: MRA  4/13, S.  1  ff. (zitiert: Rohrer, Vertragsänderun­ gen)

Rohrer Beat

Die Einrede des übersetzten Ertrages, in: MRA 1/15, S. 16 ff. (zitiert: Rohrer, übersetzter Ertrag)

Rohrer Beat

Orts- und Quartierüblichkeit, in: MRA 2/16, S. 61 ff. (zitiert: Rohrer, OQÜ II)

Rohrer Beat/ Müller Jürg. P./ Bartels Tobias/ Ruf Christian/ Hulliger Urban/ Schneider Mirko

66 Fragen zum Mietrecht, Zürich 2010 (zitiert: Rohrer et al., 66 Fragen)

Roncoroni Giacomo

Zwingende und dispositive Bestimmungen im revidierten Mietrecht, in: mp 2/90, S. 76 ff. (zitiert: Roncoroni, zwingende Bestimmungen I)

Roncoroni Giacomo

Die Auswirkungen des Eigentümerwechsels auf den Mietver­ trag, mp 4/95, S. 195 ff. (zitiert: Roncoroni, Eigentümerwech­ sel)

Roncoroni Giacomo

Zu den zwei ersten allgemeinverbindlich erklärten Rahmen­ mietverträgen der Schweiz, in: mp 1/04, S. 1 ff. (zitiert: Ronco­ roni, Rahmenmietverträge)

Roncoroni Giacomo

Nochmals zur zwingenden oder dispositiven Natur der Miet­ rechtsbestimmungen des Obligationenrechts, in: mp 2/06, S. 67 ff. (zitiert: Roncoroni, zwingende Bestimmungen II)

Saviaux Nicolas

Abus de droit et droit du bail, in: CdB 1/07, S. 3 ff. (zitiert: Savi­ aux, Abus)



XXIX

Bücher & Aufsätze

Saviaux Nicolas

Bail à Loyer Indexé: Le Point de la Situation, in: CdB 3/11, S. 65 ff. (zitiert: Saviaux, Bail)

Schluep Walter

Innominatverträge, Schweizerisches Privatrecht VII/2, Basel 1979 (zitiert: Schluep, SPR)

Schmid Christian

Die Bedeutung des allgemeinen Schuldnerverzugsrechtes für die Verzugsregelung bei Miete und Pacht, Bern 1956 (zitiert: Schmid, Verzugsregelung)

Schmid Emil

Kommentar zu Art. 253–260 OR, Zürcher Kommentar, Zürich 1977 (zitiert: Schmid, ZK)

Schmid Emil

Kommentar zu Art. 261–274 OR, Zürcher Kommentar, Zürich 1977 (zitiert: Schmid, ZK)

Schmid Hans

Der gemeinsame Mietvertrag, in: SJZ 87/1991, S. 349 ff. (zitiert: Schmid, Mietvertrag)

Schmid Jörg

Die gemeinsame Miete – ausgewählte Fragen, in: AJP 1/2016, S. 31 ff. (zitiert: Schmid, gemeinsame Miete)

Schnyder Anton K. (Hrsg.)

Lugano-Übereinkommen zum internationalen Zivilverfah­ rensrecht, Kommentar, Zürich/St. Gallen 2011 (zitiert: LugÜ/ Bearbeiter)

Schnyder Anton K./ Wiede Andreas

Basler Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetrei­ bung und Konkurs, I (Art.  1–158 SchKG) und II (Art.  159– 352 SchKG), 2. Aufl., Basel, 2016 (zitiert: Schnyder/Wiede, BSK SchKG)

Schnyder Sibylle

Double-Net, Triple-Net und andere besondere Regelungsfor­ men von Unterhaltsverpflichtungen in Geschäftsmietverträ­ gen, in: MRA 4/10, S. 147 ff. (zitiert: Schnyder, Double-Net)

Schrank Claude

Das Schlichtungsverfahren nach der Schweizerischen Zivilpro­ zessordnung, Basel 2015 (zitiert: Schrank, Schlichtungsverfah­ ren)

Schumacher Rainer

Der Mieter und das Bauen, in: BR 1993 II, S.  43  ff. (zitiert: Schumacher, Mieter)

Siegrist Robert

Der missbräuchliche Mietzins, Zürich 1997 (zitiert: Siegrist, Mietzins)

Sommer Monika

Zum Ausschluss der Anwendbarkeit der Mieterschutzbestim­ mungen bei staatlich geförderten Wohnräumen, in: MRA 4/95, S. 167 ff. (zitiert: Sommer, Ausschluss)

Sommer Monika

Indexierte Miete – Mietzinsanpassung nach Ablauf der Min­ destdauer, in: MRA 4/97, S. 147 ff. (zitiert: Sommer, indexierte Miete)

XXX



Bücher & Aufsätze

Spirig Irène

Mietrechtliche Fragen bei Energiedienstleistungen im Anla­ gen-Contracting, in: mp 3/02, S.  141  ff. (zitiert: Spirig, Anla­ gen-Contracting)

Spirig Irène

Grundsätze der Untermiete und Airbnb, in: mp 1/15, S. 1 ff., (zitiert: Spirig, Untermiete)

Sprenger Werner

Entstehung, Auslegung und Auflösung des Mietvertrages für Immobilien, Zürich 1972 (zitiert: Sprenger, Entstehung)

Spühler Karl/ Tenchio Luca/ Infanger Dominik (Hrsg.)

Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO), Basler Kommen­ tar, 3. Auflage, Basel 2017 (zitiert: Bearbeiter, BSK ZPO)

Staehelin Daniel/ Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Ergän­ Bauer Thomas (Hrsg.) zungsband, Basler Kommentar, Basel 2017 (zitiert: Bearbeiter, BSK SchKG EB) Staehelin Adrian/ Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basler Staehelin Daniel/ Kommentar, Basel 2016 (zitiert: Bearbeiter, BSK SchKG) Bauer Thomas (Hrsg.) Staehelin Adrian/ Staehelin Daniel/ Grolimund Pascal

Zivilprozessrecht. 2. Aufl., Zürich 2013 (zitiert: Staehelin et al., Zivilprozessrecht)

Stoll Daniel

Die Unterhaltspflicht des Mieters gemäss Art. 263 Abs. 2 OR, in: mp 2/1989, S. 47 ff. (zitiert: Stoll, Unterhaltspflicht)

Stoll Daniel

Sicherheitsleistungen der Mieterschaft vor dem Hintergrund kantonalrechtlicher Bestimmungen – eine Übersicht zu Art. 257e Abs. 4 OR, in: mp2/07, S. 65 ff. (zitiert: Stoll, Sicherheits­ leistungen)

Straub Peter A.

Der gastgewerbliche Mietvertrag, Diss. Zürich 1988 (zitiert: Straub, gastgewerblicher Mietvertrag)

Stucki Katharina

Orts- und Quartierüblichkeit bei Geschäftsräumlichkeiten, Untersuchungsmaxime, in: MRA 1/96, S. 1 ff. (zitiert: Stucki, Geschäftsräumlichkeiten)

Studer Hans-Jakob

Herabsetzung des Mietzinses, in: MRA 3/05, S. 93 ff. (zitiert: Studer, Herabsetzung)

Trechsel Stefan/ Pieth Mark (Hrsg.)

Schweizerisches Strafgesetzbuch Praxiskommentar, 3. Aufl., Zürich 2017 (zitiert: Bearbeiter, Praxiskommentar StGB)

Tschudi Jean-Pierre

Die Rohbaumiete, in: MRA 2/08, S. 43 ff. (zitiert: Tschudi, Roh­ baumiete)



XXXI

Bücher & Aufsätze

Tschudi Matthias

Mietrechtliche Probleme bei Immissionen als Folge von Umgebungsveränderungen, Zürich/Basel/Genf 2005 (zitiert: Tschudi, Immissionen)

Tschudi Matthias

Zuständigkeit und Befugnisse der Schlichtungsbehörde – ein Überblick, in: MRA 2/06, S. 45 ff. (zitiert: Tschudi, Zuständig­ keit)

Tschudi Matthias

Einige Gedanken zur Mitwirkungspflicht des Mieters bei der Mängelbehebung durch den Vermieter, in: MRA 4/09, S. 117 ff. (zitiert: Tschudi, Mitwirkungspflicht)

Tschudi Matthias

Wie zwingend sind die Mängelrechte des Mieters?, in: MRA 1/10, S. 1 ff. (zitiert: Tschudi, Mängelrechte)

Tuor Peter/ Schnyder Bernhard/ Schmid Jörg/ Jungo Alexandra

Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 14. Auflage, Zürich 2015 (zitiert: Tuor et al., ZGB)

Urbach Simon/ Moskric Elisabeth

Die Zulässigkeit von Triple-Net Mietverträgen im schweizeri­ schen Mietrecht, in: AJP 8/08, S. 995 ff. (zitiert: Urban/Moskric, Triple-Net-Mietverträge)

Vischer Frank (Hrsg.) Zürcher Kommentar zum Fusionsgesetz, 2. Aufl., Zürich 2012 (zitiert: Vischer, ZK FusG) Vischer Moritz

Die Rohbaumiete, Zulässigkeit und Grenzen, Zürich 2014 (zitiert: Vischer, Rohbaumiete)

von der Crone Hans Das Fusionsgesetz, 2. Aufl., Zürich 2017 (zitiert: von der Crone Caspar/Gersbach et al., Fusionsgesetz) ­Andreas/Kessler Franz J./Von der Crone Brigitte/Ingber Karin von Tuhr Andreas/ Peter Hans

Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. 1 und 2, Zürich 1974 (zitiert: von Tuhr/Peter, OR AT I)

von Tuhr Andreas/ Escher Arnold

Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. 2, Zürich 1974 (zitiert: von Tuhr/Escher, OR AT II)

Walz Ulf

Die renditebezogene Missbrauchskontrolle nach Art. 269 OR, Zürich 2001 (zitiert: Walz, Missbrauchskontrolle)

Weber Roger

Der gemeinsame Mietvertrag, Zürich 1993 (zitiert: Weber, Mietvertrag)

Weber Roger

Der zivilrechtliche Schutz der Familienwohnung, in: AJP 2004, S. 30 ff. (zitiert: Weber, Familienwohnung)

XXXII



Bücher & Aufsätze

Weber Roger

Rückforderungsansprüche im Mietrecht, in: mp 2/05, S.  1  ff. (zitiert: Weber, Rückforderungsansprüche)

Wessner Pierre

Die allgemeinen Bestimmungen des neuen Mietrechts, in: mp 3/91, S. 109 ff. (zitiert: Wessner, allgemeine Bestimmungen)

Wessner Pierre

Sorgfaltspflichten des Mieters von Wohn- und Geschäftsräu­ men, Teil 1; in: mp 3/07, S. 127 ff. (zitiert: Wessner, Sorgfalts­ pflichten I)

Wessner Pierre

Sorgfaltspflichten des Mieters von Wohn- und Geschäftsräu­ men, Teil 2; in: mp 4/07, S. 197 ff. (zitiert: Wessner, Sorgfalts­ pflichten II)

Wettstein Carmen

Der indexierte Mietzins, in: mp 2/03, S. 49 ff. (zitiert: Wettstein, indexierter Mietzins)

Wetzel Thomas/ Grimm Michael/ Mosimann Peter

Die Anwendbarkeit von Art. 8 UWG auf AGB in Mietverträ­ gen, in: MRA 1/13, S. 3 ff. (zitiert: Wetzel/Grimm/Mosimann, UWG)

Wetzel Thomas/ Masek Karin

Die Vereinbarung zur Zahlung von Schlüsselgeld: Ein nichti­ ges Koppelungsgeschäft?, in: MRA 1/08, S. 1 ff. (zitiert: Wetzel/ Masek, Schlüsselgeld)

Wiegand Wolfgang

Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1997 – Obligationenrecht, in: ZBJV 134/1998, S. 677 ff. (zitiert: Wiegand, Rechtsprechung 1997)

Winter Patrick

Anträge an die Schlichtungsbehörde, in: mp 3/13, S.  177  ff. (zitiert: Winter, Anträge)

Zahradnik Peter

Fragen im Zusammenhang mit der Anfechtung des Anfangs­ miete und der Formularpflicht, in: mp 4/14, S. 267 ff. (zitiert: Zahradnik, Anfangsmiete)

Zehnder Hannes

Die Bestimmung der Mehrwertentschädigung bei Mieterbau­ ten (Art. 260a Abs. 3 OR), in: AJP 1996, S. 725 ff. (zitiert: Zehn­ der, Mehrwertentschädigung)

Zehnder Hannes

Die Mängelrüge im Kauf-, Werkvertrags- und Mietrecht, in: SJZ 96/2000, S. 545 ff. (zitiert: Zehnder, Mängelrüge)

Zihlmann Peter

Das Mietrecht, 2. Aufl., Zürich 1995 (zitiert: Zihlmann, Miet­ recht)

Zucker Armin

Schlüsselgeld, in: Europainstitut, Aktuelle Fragen zum Miet­ recht II, Zürich 2012 (zitiert: Zucker, Schlüsselgeld)

Zucker Armin/Kunz Tobias

Kleiner Unterhalt als Mieterpflicht – Inhalt und Schranken, in: mp 1/2009, S. 1 ff. (zitiert: Zucker/Kunz, Unterhalt)



XXXIII

Bücher & Aufsätze

Züst Martin

Die Mängelrechte des Mieters von Wohn- und Geschäftsräu­ men, 2. Auflage, Bern 1995 (zitiert: Züst, Mängelrechte)

Züst Martin

Die Mietzinsherabsetzung bei Mängeln am Beispiel des Flug­ lärms, in: mp 4/03, S. 145 ff. (zitiert: Züst, Fluglärm)

Züst Martin

Kasuistik zur Mietzinsherabsetzung bei Mängeln, in: mp 2/04, S. 69 ff. (zitiert: Züst, Mietzinsherabsetzung)

XXXIV



Herausgeberwerke

Herausgeberwerke BK ZPO

Berner Kommentar, Art. 1–352 und Art. 400–406 ZPO. Schweizerische Zivilprozessordnung ZPO, Bern 2012 (zitiert: Autor, BK ZPO)

BSK

Honsell Heinrich/ Art.  1–529 OR. Obligationenrecht I, Basler Kom­ Vogt Nedim Peter/ mentar, 6. Aufl., Basel 2015 (zitiert: Bearbeiter, Wiegand Wolfgang BSK) (Hrsg.)

BSK BGG

Niggli Marcel Ale­ Bundesgerichtsgesetz, Basler Kommentar, 2. Aufl., xander/Uebersax Basel, 2011 (zitiert: Bearbeiter, BSK BGG) Peter/Wiprächtiger Hans (Hrsg.)

BSK SchKG

Staehelin Adrian/ Basler Kommentar zum Bundesgesetz über Staehelin Daniel/ Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., Basel Bauer Thomas 2016 (zitiert: Bearbeiter, BSK SchKG) (Hrsg.)

BSK SchKG EB

Staehelin Daniel/ Bauer Thomas (Hrsg.)

BSK ZGB I

Honsell Heinrich/ Zivilgesetzbuch I, Art.  1–456  ZGB, Basler Kom­ Vogt Nedim Peter/ mentar, 5. Aufl., Basel 2014 (zitiert: Bearbeiter, Geiser Thomas BSK ZGB I) (Hrsg.)

BSK ZGB II

Honsell Heinrich/ Zivilgesetzbuch II, Art.  457–977  ZGB und Vogt Nedim Peter/ Art. 1–61 SchlT ZGB, Basler Kommentar, 5. Aufl., Geiser Thomas Basel 2015 (zitiert: Bearbeiter, BSK ZGB II) (Hrsg.)

BSK ZPO

Spühler Karl/ Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO), Bas­ Tenchio Luca/ ler Kommentar, 3. Auflage, Basel 2017 Infanger Dominik (Hrsg.)

CHK



Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Kon­ kurs, Ergänzungsband, Basler Kommentar, Basel 2017 (zitiert: Bearbeiter, BSK SchKG EB)

Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 3. Aufl., Zürich 2016 (zitiert: Bearbeiter, CHK)

XXXV

Herausgeberwerke

CPC

Bohnet François/ Code de procédure civile commenté, Basel 2011 Haldy Jacques/ (zitiert: Bearbeiter, CPC) Jeandin Nicolas/ Schweizer Philippe/ Tappy Denis

CPra

Bohnet François/ Carron Blaise/ Montini Marino (Hrsg.)

Droit du bail à loyer et à ferme, Commentaire pra­ tique, 2. Aufl., Basel 2016 (zitiert: Bearbeiter, CPra)

CR CO

Thévenoz Luc/ Werro Franz (Hrsg.)

Code des Obligations I, Commentaire Romand, 2. Aufl., Basel 2012 (zitiert: Bearbeiter, CR CO)

DIKE-Komm. Brunner Alexan­ Schweizerische Zivilprozessordnung ZPO, 2. Aufl., der/Gasser Domi­ Zürich/St. Gallen 2016 (zitiert: Bearbeiter, DIKEnik/Schwander Ivo Komm.) (Hrsg.) GOG-Kom­ mentar

Hauser Robert/ Schweri Erhard/ Lieber Viktor

GOG Kommentar zum zürcherischen Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivilund Strafprozess, 2. Aufl., Zürich 2017 (zitiert: Bearbeiter, GOG-Kommentar)

HAP-Immobi­ Müller Jürg P. liarmietrecht (Hrsg.)

Wohn- und Geschäftsraummiete, Handbücher für die Anwaltspraxis, Basel 2016 (zitiert: HAPImmobiliarmietrecht/Bearbeiter)

KUKO OR

Honsell Heinrich (Hrsg.)

Kurzkommentar Obligationenrecht, Basel 2014 (zitiert: Bearbeiter, KUKO OR)

KUKO SchKG Hunkeler Daniel (Hrsg.)

Kurzkommentar SchKG, 2. Aufl., Basel 2014 (zitiert: Bearbeiter, KUKO SchKG)

KUKO SchKG Hunkeler Daniel (Hrsg.)

Kurzkommentar SchKG, 2. Aufl., Basel 2014 (zitiert: Bearbeiter, KUKO SchKG)

KUKO ZPO

Oberhammer Paul/ Kurzkommentar ZPO, 2. Aufl., Basel 2013 (zitiert: Domej Tanja/ Bearbeiter, KUKO ZPO) Haas Ulrich (Hrsg.)

KUKO ZPO

Oberhammer Paul/ Kurzkommentar ZPO, 2. Aufl., Basel 2013 (zitiert: Domej Tanja/ Bearbeiter, KUKO ZPO) Haas Ulrich (Hrsg.)

LugÜ

Schnyder Anton K. Lugano-Übereinkommen zum internationalen (Hrsg.) Zivilverfahrensrecht, Kommentar, Zürich/St. Gal­ len 2011 (zitiert: LugÜ/Bearbeiter)

XXXVI



Herausgeberwerke

MfdP

Béguin Andreas et al.

Praxiskom­ mentar StGB

Trechsel Stefan/ Schweizerisches Strafgesetzbuch Praxiskommen­ Pieth Mark (Hrsg.) tar, 3. Aufl., Zürich 2017 (zitiert: Bearbeiter, Praxis­ kommentar StGB)

SHK FusG

Baker & McKenzie Fusionsgesetz, Stämpflis Handkommentar, 2. Aufl., (Hrsg.) Bern 2015 (zitiert: Bearbeiter, SHK FusG)

ZK FusG

Vischer Frank (Hrsg.)



Mietrecht für die Praxis, 9. Aufl., Zürich 2016 (zitiert: MfdP/Bearbeiter)

Zürcher Kommentar zum Fusionsgesetz, 2. Aufl., Zürich 2012 (zitiert: Bearbeiter, ZK FusG)

XXXVII

Materialienverzeichnis

Materialienverzeichnis Botsch. 1972

Botschaft über dringliche Massnahmen gegen Missbräuche im Miet­ wesen vom 24. April 1972, BBl 1972 I, S. 1225–1257

Botsch. 1985

Botschaft zur Volksinitiative «für Mieterschutz», zur Revision des Miet- und Pachtrechts im Obligationenrecht und zum Bundesgesetz über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen (Botschaft zur Revision des Miet- und Pachtrechts) vom 27. März 1985, BBl 1985, S. 1389–1533

Botsch. 1999

Botschaft zur Teilrevision des Mietrechts im Obligationenrecht und zur Volksinitiative «Ja zu fairen Mieten» vom 15.  September 1999, BBI 1999, S. 9823–9870

Botsch. FusG

Botschaft zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz; FusG) vom 13.  Juni 2000, BBl 2000, S. 4337–4530

Botsch. ZPO

Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) vom 28. Juni 2006, BBl 2006, S. 7221–7411

Botsch. SchKG

Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetrei­ bung und Konkurs (Gewerbsmässige Vertretung im Zwangsvollstre­ ckungsverfahren) vom 29. Oktober 2014, BBl 2014, S. 8669–8679

XXXVIII



Periodika

Periodika AJP

Aktuelle Juristische Praxis, Zürich

BauR

Baurecht, Freiburg

BJM

Basler Juristische Mitteilungen

CAN

Zeitschrift für kantonale Rechtsprechung, Zürich

CdB

Cahier du Bail, Lausanne

DB

Droit du bail, Neuenburg

Mitteilungen

Mitteilungen zum Mietrecht, Grenchen

mp

Mietrechtspraxis, Zürich

MRA

MietRecht Aktuell, Zürich

Pra

Die Praxis, Basel

SJ

La Semaine Judiciaire, Genf

SJZ

Schweizerische Juristen-Zeitung, Zürich

SZZP

Schweizerische Zeitschrift für Zivilprozessrecht, Basel

ZBJV

Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins, Bern

ZMP

Zürcher Mietrechtspraxis, Zürich

ZR

Blätter für Zürcherische Rechtsprechung, Zürich



XXXIX

Obligationenrecht Achter Titel: Die Miete Erster Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR InhaltsübersichtSeite 1. Wesen und Inhalt des Mietvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.3 Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

2 2 2 3

2. Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Vermieter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Wechsel der Vertragspartei .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

5 5 7 9

3. Begriff und Arten der Mietsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Unbewegliche und bewegliche Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.3 Wohn- und Geschäftsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

10 10 10 12

4. Abgrenzungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.1 Andere Vertragsarten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.2 Dingliche Rechte und Nutzungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

15 15 19

5. Gemischte Verträge mit mietrechtlichen Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.2 Gastaufnahmevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.3 Pensionsvertrag (Alterswohnheime) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.4 Dienstwohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

21 21 23 23 25

6.

27

Intertemporales Recht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

Beat Rohrer

1

Beat R

Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR

1.

Wesen und Inhalt des Mietvertrags

1.1 Allgemeines 1

Bei der Miete handelt es sich um ein zweiseitiges Vertragsverhältnis. Der Ver­ mieter überlässt dem Mieter eine Sache zum Gebrauch auf eine bestimmte oder unbestimmte Zeit, und der Mieter leistet hierfür ein Entgelt. Gegenstand der Miete kann alles sein, was unter den Begriff der «Sache» fällt (vgl. zu die­ sem Begriff: Meier-Hayoz, BK, N 115 ff. des systematischen Teils vor Art. 641 ZGB). Keine Miete kann an Rechten begründet werden. Innerhalb der im Obli­ gationenrecht speziell geregelten Vertragsverhältnisse gehört die Miete zu den sogenannten Gebrauchsüberlassungsverträgen, wie die Pacht und die Leihe (Giger, BK, N 35 zu Art. 253 OR, m.w.H.). Da die Miete auf bestimmte oder unbestimmte Zeit vereinbart werden kann, handelt es sich um ein sogenann­ tes Dauerschuldverhältnis (Higi, ZK, N 5 Vorbem. zu Art. 253–274g OR). Zur Frage, inwieweit zulasten des Mieters – nebst dem Gebrauchsrecht – auch eine Gebrauchspflicht besteht, vgl. N 14–17 zu Art. 257f OR.

1.2 Inhalt 2

Die Bestimmungen des Mietrechtes sind in weiten Teilen mindestens relativ, d.h. zulasten des Vermieters zwingendes Recht (vgl. dazu ausführlich Ron­ coroni, zwingende Bestimmungen I, S.  76  ff.; zwingende Bestimmungen  II, S. 67 ff.). Der Gesetzeswortlaut ist mit Bezug auf denjenigen Inhalt, der abso­ lut, also für beide Parteien, oder relativ, also einseitig zulasten der Vermie­ terseite zwingender Natur ist, unvollständig und inkonsequent. Ausdrücklich geregelt wird die zwingende Rechtsnatur von Bestimmungen nur in folgen­ den Bereichen: –– Art. 256 Abs. 2 OR betreffend den vertragskonformen Zustand des Mietobjekts, zulasten des Vermieters; –– Art. 265 OR betreffend das Verbot, auf Verrechnung zu verzichten, zulas­ ten beider Vertragsparteien; –– Art. 266o OR betreffend Formvorschriften bei Kündigung, mit Bezug auf die Schriftform i.S.v. Art. 2661 OR, auch zulasten des Mieters; –– Art. 267 Abs. 2 OR betreffend Entschädigungspflicht des Mieters bei Been­ digung des Mietverhältnisses, zulasten des Vermieters;

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Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR

–– Art. 269b und 269c OR betreffend Vereinbarung einer Index- oder Staffelklausel, zulasten beider Parteien; –– Art. 273c OR betreffend sämtliche Rechte im Zusammenhang mit Anfechtung bei Kündigung und Mieterstreckung, welche im dritten Abschnitt, d.h. in Art. 271 ff. OR geregelt sind, einseitig zulasten des Vermieters; –– Art. 361 Abs. 4 ZPO betreffend eine Schiedsgerichtsklausel bei Wohnmiet­ verhältnissen, für beide Parteien. Weitergehend als der Gesetzeswortlaut es zum Ausdruck bringt, erachten die 3 Praxis und ein Teil der Lehre die meisten Bestimmungen des Mietrechts als zwingend. Dies gilt jedenfalls mit Bezug auf diejenigen Bestimmungen, wel­ che im weitesten Sinn eine Regelung zum Schutz des Mieters enthalten, auch soweit dies über die in Art.  109 BV geregelten Bereiche hinausreicht. Die Bestimmungen über die missbräuchlichen Mietzinse i.S.v. Art. 269 ff. OR müs­ sen sodann inhaltlich dem öffentlichen Recht zugeordnet werden (Higi, ZK, N 8 Vorbem. zu Art. 253–274g OR; Roncoroni, zwingende Bestimmungen II, S. 76 ff., S. 73 ff.).

1.3 Form Beim Mietvertrag handelt es sich um einen sogenannten Konsensualvertrag. 4 Er kommt zustande, wenn sich die Parteien über die wesentlichen Vertrags­ bestandteile, die Essentialia negotii, geeinigt haben. Zu den Essentialia nego­ tii gehören folgende Bereiche (Zihlmann, Mietrecht, S. 28; Higi, ZK, N 32 zu Art. 253 OR): –– die Überlassung einer näher bestimmten Sache zum Gebrauch; –– der Mietzins mit Einschluss der Nebenleistungen. Haben sich die Parteien über die Essentialia negotii des Mietvertrages nicht 5 geeinigt, so ist kein Mietvertrag zustande gekommen. Die fehlende Einigung kann – im Unterschied zu den sogenannten nicht geschäftswesentlichen Ver­ tragspunkten  – nicht auf dem Weg der richterlichen Vertragsergänzung her­ beigeführt werden. Haben sich die Parteien beispielsweise lediglich über die Entgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung geeinigt, dabei aber den Mietzins nicht oder lediglich für eine erste Phase ihrer Vertragsbeziehung definiert, so besteht hernach kein Vertragsverhältnis mehr. Der Richter kann die fehlende Einigung über den massgebenden Mietzins nicht durch eine Vertragsergän­ zung herbeiführen, sondern lediglich die Gegenleistung des Mieters für die

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Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR

bereits in Anspruch genommene Mietdauer festlegen (Urteil des Bundesge­ richts 4C.11/2002 vom 31. Januar 2003, in: MRA 5/03, S. 187 ff.; BGE 119 II 374 mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts C.71/85 vom 17. Juni 1985; ferner BGE 108 II 112, E. 4 und BGE 100 II 330). 6

Nach dem Gesetzeswortlaut bedarf der Mietvertrag keiner besonderen Form. Er kann also sowohl mündlich als auch schriftlich abgeschlossen werden. Gewisse Erklärungen im Rahmen eines Mietverhältnisses sind allerdings schriftlich oder gar in einer besonderen Schriftform, nämlich mit einem von einer kantonalen Behörde genehmigten Formular (einem sogenannten amt­ lichen Formular) abzugeben. Ausdrücklich der Schriftform bedürfen folgende Vereinbarungen oder Erklärungen: –– Fristansetzung Art. 257d OR;

mit

Kündigungsandrohung

bei

Zahlungsverzug,

–– Mahnung für vertragswidriges Verhalten im Hinblick auf eine ausserordentliche Kündigung nach Art. 257f OR; –– Fristansetzung des Mieters im Hinblick auf eine Mietzinshinterlegung sowie Ankündigung der bereits erfolgten Hinterlegung nach Art.  259g Abs. 1 OR; –– Zustimmung zu Erneuerungen und Änderungen des Mieters an der Sache durch den Vermieter, Art. 260a Abs. 1 OR; –– Vereinbarung betreffend Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes bei Erneuerungen oder Änderungen durch den Mieter als Recht zuguns­ ten des Vermieters, Art. 260a Abs. 2 OR; –– Vereinbarung betreffend Entschädigungspflicht zulasten des Vermie­ ters bei Investitionen des Mieters, die weiter geht als die Abgeltung eines erheblichen Mehrwertes, Art. 260a Abs. 3 OR; –– Zustimmung des Vermieters zur Übertragung des Mietverhältnisses nach Art. 263 Abs. 1 OR; –– Fristansetzung zur Leistung von Sicherheit gegenüber Mieter und Kon­ kursverwaltung nach Art. 266h OR; –– Kündigung des Mieters, Art. 2661 Abs. 1 OR. 7

Einer besonderen Form, nämlich der Verwendung eines von einer kantona­ len Behörde genehmigten Formulars (amtliches Formular), das grundsätzlich

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Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR

eigenhändig unterzeichnet werden muss (vgl. N 30 zu Art. 269d OR), bedarf die Vornahme folgender Erklärungen: –– Kündigung durch den Vermieter (Art.  2661 Abs.  2 OR i.V.m. Art.  9 VMWG); –– Mietzinsanpassungen und andere einseitige Vertragsänderungen (Art. 269d OR i.V.m. Art. 19 VMWG). Art. 270 Abs. 2 OR ermächtigt die Kantone, im Falle von Wohnungsnot für ihr Gebiet oder einen Teil davon die Verwendung eines entsprechenden amtlichen Formulars auch beim Abschluss eines neuen Mietvertrags über Wohnräume für obligatorisch zu erklären. Verschiedene Kantone haben von diesem Recht bisher Gebrauch gemacht (vgl. N 35 zu Art. 270 OR).

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2. Vertragsparteien 2.1 Vermieter Vermieter kann jede rechtsfähige natürliche Person und auch jede juristische 9 Person, jede öffentlich-rechtliche Körperschaft und Anstalt oder auch jede Handelsgesellschaft sein. Vermieter ist, wer kraft einer besonderen Rechtsbe­ ziehung über die Mietsache verfügen kann, meistens, aber nicht notwendiger­ weise als Eigentümer. Vermieter kann demnach auch sein, wer kraft eines ding­ lichen Rechtes, z.B. als Nutzniesser (Art.  745  ff. ZGB) oder Bauberechtigter (Art. 779 ff. ZGB), über die Sache verfügt. Vermieter kann schliesslich auch sein, wer zufolge einer besonderen obligatorischen Rechtsbeziehung berech­ tigt ist, zu vermieten, so insbesondere der Mieter als Untervermieter oder ein vom Vermieter Beauftragter, der treuhänderisch im eigenen Namen vermietet (Urteil des Bundesgerichts 4A_2008 vom 13. Juni 2008, E. 2.3). Als Vermieter kann eine Einzelperson oder aber auch eine Personenmehr­ 10 heit am Vertragsverhältnis beteiligt sein. Vermieter kann also eine eheliche Gemeinschaft, eine Erbengemeinschaft, eine Gemeinschaft von Mit- oder Gesamteigentümern oder sonst eine Personenmehrheit sein, die zufolge einer besonderen Rechtsbeziehung nur gemeinsam über die Mietsache Verfügungen treffen kann (Näheres dazu bei Higi, ZK, N 103 ff. Vorbem. zu Art. 253–274g OR, zum Gesamteigentum grundlegend Wichtermann, BSK, N 17 zu Art. 652 ZGB). Unerheblich ist nach hier vertretener Auffassung, ob der Personenmehr­ heit aufseiten des Vermieters Rechtspersönlichkeit zukommt oder nicht (a.M. MfdP/Püntener, N 2.1.2.1.1). Rechte und Pflichten der am Mietverhältnis auf

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Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR

Vermieterseite beteiligten Personenmehrheit richten sich im Aussenverhältnis gegenüber dem Mieter nach den Bestimmungen des Mietrechtes, im Innen­ verhältnis, also unter den an der Personenmehrheit beteiligten Individuen, nach den für diese Mehrheit geltenden Regelungen, z.B. nach den Bestimmun­ gen über das Stockwerkeigentum und den für die konkrete Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer geltenden Reglementen oder Beschlüssen. Ist aufsei­ ten der Vermieterschaft ein Ehepaar oder eine eingetragene Partnerschaft am Mietvertrag beteiligt, so muss dieser nach in der Lehre verbreiteter Auffassung von beiden an der jeweiligen Gemeinschaft beteiligten Personen oder von einer der beiden, die von der anderen bevollmächtigt worden ist, im Namen der Per­ sonenmehrheit unterzeichnet werden, da es sich um eine «übrige Rechtshand­ lung» i.S.v. Art. 169 ZGB handelt, welche die erwähnte Zustimmung erfordert (MfdP/Püntener, N 2.1.2.1.2 m.w.H.). 11

Nicht als Partei am Mietverhältnis beteiligt ist die allenfalls vom Vermieter beauftragte Verwaltung, selbst wenn diese in allen Belangen, die das Miet­ verhältnis betreffen, also von der Vertragsunterzeichnung bis zur Kündigung, gegenüber dem Mieter ausschliesslich in Erscheinung tritt. Allfällige Klagen, z.B. die Anfechtung einer Mietzinserhöhung oder eine Klage auf Kündigungs­ schutz, haben sich daher gegen den Vermieter zu richten. Klagt der Mieter die Verwaltung ein, so fehlt es an der Passivlegitimation, die nicht von Amtes wegen durch die beurteilende Behörde dadurch hergestellt werden darf, dass die ins Recht gefasste Person oder Unternehmung einfach durch den Vermie­ ter ersetzt wird. Die in der Lehre als zulässig erachtete Berichtigung der Parteibezeichnung setzt voraus, dass ein Versehen mit Bezug auf die Bezeichnung der als passivlegitimiert zu betrachtenden Partei besteht, wobei sich ein allfälli­ ger Irrtum nicht auf die Frage beziehen kann, wem das materielle Recht zusteht (Gross/Zuber, BK, N 6 zu Art. 83 ZPO). Da es sich bei der Verwaltung und dem Vermieter regelmässig um zwei voneinander verschiedene prozessfähige Per­ sonen oder Unternehmungen handelt, fehlt es an der für eine Änderung der Parteibezeichnung vorausgesetzten Identität. Ein Parteiwechsel ist demgegen­ über, abgesehen vom Fall, in dem der Streitgegenstand veräussert wird, nur mit Zustimmung der Gegenpartei möglich (Art. 83 Abs. 4 ZPO, a.M. MfdP/Pünte­ ner, N 2.1.2.3, Urteil des Bundesgerichts 4A_17/2016 vom 29. Juni 2016; Urteil des OGer Kanton Zürich vom 4. August 2016 im Verfahren Geschäfts-Nr. RU 160044-O). Püntener vertritt die Auffassung, eine Ersetzung der fälschlicher­ weise eingeklagten Verwaltung durch die einzig passivlegitimierte Vermieter­ schaft rechtfertige sich dann, wenn sich aus den Umständen ergebe, wen die Klägerschaft eigentlich habe ins Recht fassen wollen (ähnlich die beiden vor­ zitierten Präjudizien). Mit dieser Argumentation wird die Bestimmung von 6

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Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR

Art. 83 ZPO ihres Sinnes entleert, da wohl kaum ein Kläger ein Prozessverfah­ ren gegen eine andere Partei einleiten will als gegen die einzige, gegen die der Anspruch materiell besteht bzw. geltend gemacht werden kann. Von einem Mie­ ter, der ein behördliches Verfahren einleitet, kann erwartet werden, dass er in Anwendung minimaler Sorgfalt den Mietvertrag konsultiert, der darüber Aus­ kunft erteilt, wer Vertragspartner ist (unklar zu dieser Frage: Püntener, Zivil­ prozessrecht, der in N 693 dafürhält, eine «ungenaue Parteibezeichnung» sei zu korrigieren, wenn über die Identität der Parteien kein Zweifel bestehe). Die gegen die Verwaltung gerichtete Klage eines Mieters enthält keine «ungenaue», sondern eine falsche Parteibezeichnung, die somit nicht einfach korrigiert werden darf. Warum eine Korrektur der Partei (nicht der Parteibezeichnung!) möglich sein soll, falls der Mieter statt der Vermieterschaft die Verwaltung ins Recht fasst, «wenn sich aus dem Gesuch ergibt, gegen wen es gerichtet ist», wie der gleiche Autor (Zivilprozessrecht, N 698) postuliert, ist nicht nachvollzieh­ bar: Wenn sich aus einem solchen Gesuch gerade ergibt, gegen wen es gerichtet ist (nicht: gegen wen es richtigerweise vielleicht hätte gerichtet werden wollen!), so hat die Behörde es so anzulegen, wie der Mieter es gestellt hat. Das gilt im ganzen Zivilprozessrecht einheitlich, ohne dass der Gesetzgeber eine sozialpo­ litisch motivierte Ausnahme für eine bestimmte Kategorie potenzieller Rechts­ suchender in das Gesetz aufgenommen hat (vgl. zu diesem Thema auch N 43 ff. Kapitel «Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen»).

2.2 Mieter Mieter ist, wer als Vertragspartner des Vermieters die im Mietvertrag festge­ 12 legten Rechte beanspruchen kann und Pflichten zu erfüllen hat. Dem Mieter steht somit einerseits das Gebrauchsrecht zu, und er ist anderseits verpflich­ tet, als Gegenleistung den vereinbarten Mietzins zu bezahlen. Der Mieter wird Besitzer der Mietsache, und zwar unselbständiger Besitzer (Art.  920 ZGB). Er ist auch Träger des «Hausrechts». Er kann den Besitzesschutz gegenüber dem Vermieter und Dritten sowie die Besitzesschutzrechte gegenüber Dritten geltend machen. Ferner stehen ihm die gesetzlich geregelten Rechte aus dem Nachbarrecht und unter Umständen Ansprüche auf Enteignungsentschädi­ gung zu (Higi, ZK, N 17 ff. Vorbem. zu Art. 253–274g OR, BGE 114 II 232). Auch aufseiten des Mieters kann eine natürliche Person oder eine juristische 13 Person am Vertrag beteiligt sein. Ebenso kann eine Personenmehrheit Vertrags­ partner des Vermieters sein, so eine Ehegemeinschaft, eine einfache Gesell­ schaft, allenfalls auch eine Erbengemeinschaft. Mieter kann sodann selbstver­ ständlich auch eine juristische Person, eine öffentlich-rechtliche Körperschaft Beat Rohrer

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Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR

und Anstalt sein (zur Wahrnehmung von Rechten einer einzelnen Person, die einer Personenmehrheit angehört, vgl. das Urteil des Bundesgerichts BGE 140 III 598, in: MRA 3/15, S. 142 ff., das einen Kündigungsschutzfall betraf). Dem Ehepartner und dem eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partner, der nicht selber Vertragspartei ist, stehen gewisse im Gesetz ausdrücklich geregelte  – aber nicht alle vertraglichen – Rechte zu, so beispielsweise: –– die Zustimmung zu einer Kündigung, die andernfalls nichtig ist, Art. 266m Abs. 1 OR; –– das Recht, eine separate Zustellung betreffend die Zahlungsfristansetzung mit Kündigungsandrohung i.S.v. Art. 257d OR zu erhalten; –– das Recht, eine separat zugestellte Kündigung vom Vermieter zu erhalten, Art. 266m Abs. 1 OR; –– das Recht, eine Kündigung anzufechten oder die Erstreckung des Mietverhältnisses zu verlangen sowie übrige Rechte auszuüben, die dem Mieter bei Kündigung zustehen, Art. 273a Abs. 1 OR; –– die Zustimmung zu einer Vereinbarung über eine Mieterstreckung, die andernfalls nicht zustande kommt, Art. 273a Abs. 2 OR. Soweit dies in den vorstehenden Bestimmungen nicht ausdrücklich anders festgelegt wird, stehen dem Ehepartner, der nicht selber Vertragspartei ist, keine weiteren Rechte zu. 14

Keine Vertragsbeziehung besteht zwischen einem Vermieter und dem Untermieter, auch wenn der Vermieter gemäss Art. 262 Abs. 3 OR den Untermie­ ter direkt dazu anhalten kann, die Sache nicht anders zu gebrauchen, als es dem Mieter/Untervermieter selber gestattet ist (vgl. N 55 ff. zu Art. 262 OR). Ebenfalls nicht Vertragspartner des Vermieters ist, wer sich verpflichtet, solida­ risch für die Erfüllung der Zahlungspflichten aus einem Mietvertrag zu haften (in den Verträgen in der Regel entsprechend gekennzeichnet mit «solidarisch haftend», womit keine weitergehenden Rechte und Pflichten aus dem Miet­ verhältnis eingeräumt werden). Obwohl der Abschluss eines Mietvertrags in Anwendung von Art. 162 ZGB die Zustimmung des Ehepartners bzw. des ein­ getragenen gleichgeschlechtlichen Partners voraussetzt, besteht nach Auffas­ sung der herrschenden Lehre von Gesetzes wegen keine Solidarhaftung für den Mietzins zulasten des nicht als Partei am Mietvertrag beteiligten Ehegatten bzw. eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partners (Hausheer/Reusser/Geiser, BK, N 69 zu Art. 166 ZGB; Hasenböhler, ZK, N 40 zu Art. 166 ZGB). Diese solidarische Haftung kann also nur dadurch herbeigeführt werden, dass beide

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Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR

Ehepartner bzw. beide eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partner als Partei oder eine davon mit dem Hinweis «solidarisch haftend» am Mietvertrag betei­ ligt sind.

2.3

Wechsel der Vertragspartei

Wie bei allen Mietverhältnissen ist ein Wechsel der Vertragspartei grund­ 15 sätzlich nur mit Zustimmung der Gegenpartei möglich. Besonders ausgestal­ tet ist der Wechsel des Mieters zufolge einer Übertragung des Mietverhältnis­ ses bei Geschäftsräumen (Art. 263 OR), wo die schriftliche Zustimmung des Vermieters ausdrücklich verlangt wird. Allerdings kann diese Zustimmung nur aus sogenannt wichtigem Grund verweigert werden. Als Gegenstück zur beschränkten Entscheidungsfreiheit des Vermieters sieht Art. 263 Abs. 4 OR eine Haftung des ausscheidenden Mieters für Verpflichtungen des Mieters bis zum erstmöglichen Kündigungszeitpunkt, längstens für zwei Jahre, vor (Nähe­ res dazu unter N 37 ff. zu Art. 263 OR). Art. 261 und 261a OR bestimmen, dass bei der Veräusserung der Sache oder 16 bei Einräumung eines dinglichen Rechtes, das dem dadurch begünstigten Drit­ ten eine dem Eigentümer vergleichbare Stellung einräumt, von Gesetzes wegen ein Parteiwechsel aufseiten des Vermieters eintritt. Einer Zustimmung zu die­ sem Parteiwechsel durch den Mieter bedarf es nicht. Ein Parteiwechsel von Gesetzes wegen tritt nur insoweit ein, als der Vermieter, der zufolge Veräusse­ rung oder Einräumung eines dinglichen Rechtes als Vertragspartner ausschei­ det, zuvor Eigentümer oder Träger des veräusserten dinglichen Rechts gewesen ist. Die Auflösung eines Mandates zwischen Eigentümer und Liegenschaften­ verwaltung, die kraft eines Verwaltungsvertrags oder treuhänderisch als Ver­ mieter in Erscheinung getreten ist, bewirkt nicht automatisch einen Vermieter­ wechsel, ebenso wenig wie das Ausscheiden des Untervermieters eine direkte Vertragsbeziehung zwischen Untermieter und Vermieter herbeiführt. Damit in diesen beiden genannten Fällen eine Vertragsbeziehung zustande kommt, bedarf es der Zustimmung der betroffenen Parteien, die in den Fällen, in denen der Mietvertrag einen Schriftformvorbehalt enthält, zumindest vonseiten des Mieters schriftlich zu erfolgen hat. Die Frage, ob ein Parteiwechsel aufseiten des Vermieters auch mittels amtli­ 17 chem Formular im Sinne einer anderen einseitigen Vertragsänderung – gege­ benenfalls gegen den Willen des nicht kündigenden Mieters  – durchgesetzt werden kann, wurde vom Mietgericht Zürich negativ entschieden (vgl. MRA 4/96, S.  172  ff.; dazu auch Higi, ZK, N  61 zu Art.  269d OR). Daraus ergibt

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Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR

sich, dass dann, wenn der Mieter einem Parteiwechsel aufseiten des Vermieters nicht zustimmen will, das Mietverhältnis vom bisherigen Vermieter gekündigt werden muss, weil er nach Übertragung seiner Rechte auf einen Dritten den Mietvertrag nicht mehr erfüllen kann.

3.

Begriff und Arten der Mietsachen

3.1 Übersicht 18

Im Mietrecht werden folgende Kategorien von Mietsachen unterschieden bzw. mindestens mit Bezug auf eine Besonderheit ausdrücklich im Gesetzestext erwähnt (vgl. dazu auch Giger, BK, N 41 ff. zu Art. 253 OR): Sachen

Bewegliche Sachen Art. 266f

Möblierte Zimmer Art. 266c

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Fahrnisbauten Art. 266b

Andere unbewegliche Sachen Art. 266b

Wohn- und Geschäftsräume Art. 253a

Einstellplätze Art. 266e

Andere Wohnräume

3.2

Unbewegliche Sachen Art. 266b

Wohnräume

Geschäftsräume

Luxuriöse Wohnungen und Einfamilienhäuser Art. 253b Abs. 2

Ferienwohnungen Art. 253 Abs. 2

Unbewegliche und bewegliche Sachen

Das Gesetz verwendet zur Bezeichnung des Mietgegenstandes (bzw. des «Miet­ objekts») konsequent den Begriff der «Sache». Damit gemeint ist die dem Mieter zum ausschliesslichen, also exklusiven Gebrauch überlassene Sache, also eine Wohnung, ein Geschäftsraum, ein Fahrzeug (vgl. die Verwendung des Begriffs «Sache» z.B. in den Art. 253, 256a, 256b, 257, 257a, 257d Abs. 1, 257f Abs. 1, 257h Abs. 1, 258 Abs. 1, 259a Abs. 1, 259d, 259f, 260 Abs. 1, 261, 262 Abs. 1, 264 Abs. 1, 266h Abs. 1, 266m Abs. 1, 267 und 267a, 273a Abs. 1 10

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Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR

OR usw.). Keine «Sache» im Sinne der Gesetzesterminologie ist demgegen­ über etwa das Gebäude, in dem sich die dem Mieter zum Gebrauch überlas­ sene Wohnung oder ein Geschäftsraum befindet, jedenfalls so lange in letz­ terem Fall nicht das ganze Gebäude von einer einzigen Partei gemietet wird («­single tenant» oder «single user»). Das geht z.B. aus Art. 256 Abs. 1 OR her­ vor: Dem Mieter wird nicht das Gebäude übergeben, in dem sich die gemie­ tete Wohnung befindet, sondern nur die Wohnung, also eben «die Sache». Fol­ gerichtig schuldet er Entgelt als Gegenleistung für die Überlassung «der Sache» (Art. 257 OR), und er muss dem Vermieter die Besichtigung «der Sache» i.S.v. Art. 257h Abs. 2 OR gestatten (ausserhalb der gemieteten Wohnung hat ihn nicht zu interessieren, ob der Vermieter Besichtigungen vornimmt). Art. 260 Abs. 1 OR schränkt folgerichtig das Recht des Vermieters, Erneuerungen oder Änderungen vorzunehmen, nur insoweit ein, als «die Sache», also das dem Mieter exklusiv zum Gebrauch überlassene Mietobjekt, davon direkt betroffen ist, wohingegen Arbeiten in anderen Bereichen einer Liegenschaft ohne Weite­ res möglich und zulässig sind. Grundlegend ist zunächst die Unterscheidung zwischen unbeweglichen und 20 beweglichen Sachen. Bewegliche Sachen sind im Unterschied zu den unbe­ weglichen Sachen nicht fest mit dem Boden verbunden. Eine besondere Stel­ lung nehmen die Fahrnisbauten ein, die zwar begrifflich zu den beweglichen Sachen gehören, für die jedoch besondere Kündigungsbestimmungen gelten (Art.  266b OR). Als Fahrnisbaute betrachtet man diejenige Baute, die keine feste, auf Dauer angelegte Verbindung mit dem Boden aufweist. Die Fahrnis­ baute stellt damit nicht Bestandteil des Grundstücks dar (Meier-Hayoz, BK, N 6 zu Art. 677 ZGB, Urteil des Bundesgerichts 4C.293/2001 vom 11. Dezem­ ber 2001, in: MRA 1/04, S. 35 ff., betreffend Grundstücke, auf denen an das Kanalisations- und Elektrizitätsnetz angeschlossene Kleinbauten, Fahrnis­ bauten, errichtet worden waren; BGE 105 II 266; ferner Botsch. 1985, S. 1450; N 15 ff. zu Art. 266b–266f OR). Zu den unbeweglichen Sachen gehören als Hauptkategorie die Wohn- und 21 Geschäftsräume, sodann möblierte Zimmer und Einstellplätze und andere unbewegliche Sachen. Die wesentlichsten Auswirkungen der Unterscheidung dieser Kategorien unbeweglicher Sachen betreffen die Kündigungsfristen und -termine: Für möblierte Zimmer und Einstellplätze gilt die Kündigungs­ frist von zwei Wochen auf Ende einer einmonatigen Mietdauer (Art. 266e OR), für Wohn- und Geschäftsräume gelten die besonderen Kündigungsregelun­ gen gemäss Art. 266c und 266d OR. Andere unbewegliche Sachen unterschei­ den sich von den vorgenannten Kategorien wiederum durch die Kündigungs­

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Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR

frist, welche derjenigen der Fahrnisbauten entspricht (Art. 266 OR, vgl. zu den Abgrenzungen im Einzelnen N 16 ff. zu Art. 266b–266f OR).

3.3

Wohn- und Geschäftsräume

3.3.1 Allgemeines 22

Von Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen unbeweglichen Sachen und Wohn- und Geschäftsräumen zunächst mit Bezug auf die Kündigungsfristen und -termine (Art.  266a ff. OR). Das Gesetz erklärt sodann die besonderen Schutzbestimmungen im Zusammenhang mit der Mietzinsgestaltung gemäss dem zweiten Abschnitt (Art. 269 ff. OR) sowie die Bestimmungen über den Kündigungsschutz im dritten Abschnitt (Art. 271 ff. OR) ausdrücklich nur für Wohn- und Geschäftsräume als anwendbar. Auch andere Bestimmungen gel­ ten ausdrücklich nur für die Kategorie der Wohn- und Geschäftsräume, näm­ lich: –– Anwendung der Bestimmungen auf Sachen, die der Vermieter zusammen mit Wohn- und Geschäftsräumen zum Gebrauch überlässt, Art. 253a Abs. 1 OR; –– vom Gesetz abweichende Bestimmungen betreffend den Zustand des Miet­ objekts zum vorausgesetzten Gebrauch, Art. 256 Abs. 2 Buchst. b OR; –– Definition der Nebenkosten, die zusätzlich zum Nettomietzins separat erhoben werden können, Art. 257b Abs. 1 OR; –– Fristbestimmung bei Zahlungsverzug, Art. 257d Abs. 1 OR, und Kündi­ gungsmodalitäten gemäss Art. 257d Abs. 2 OR; –– einschränkende Bestimmung betreffend Sicherheitsleistung, Art.  257e OR; –– Kündigungsvorschriften bei Vertragsverletzung i.S.v. Art. 257f Abs. 3 und Abs. 4 OR; –– Kündigungsmöglichkeit bei dringendem Eigenbedarf nach Handände­ rung, Art. 261 Abs. 2 Buchst. a OR i.V.m. Art. 261a OR; –– Formvorschriften für die Kündigung, Art. 2661 OR i.V.m. Art. 266o OR.

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Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR

Nur wenige Bestimmungen gelten ausschliesslich für die Geschäftsräume, so

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–– Übertragung der Mietsache, Art. 263 OR; –– Retentionsrecht, Art. 268 bis 268b OR; –– Schiedsgerichtsklausel, Art. 361 Abs. 4 ZPO e contrario (BGE 141 III 201). Spezielle Vorschriften gelten für Geschäftsräume mit Bezug auf die Kün­ digungsfrist (Art.  266d OR) und für die Dauer einer allfälligen Erstreckung (Art. 272b OR).

3.3.2 Wohnraum Als Räume gelten auf Dauer angelegte, horizontal und vertikal abgeschlos­ 24 sene Bereiche (vgl. auch N  6 zu Art.  253a OR; BGE 124 III 108, in: MRA 3/98, S.  88  ff.; Higi, ZK, N  8 und 22 zu Art.  253a–253b OR; Hulliger/Hein­ rich, CHK, N 1 zu Art. 253a OR). Als Wohnraum zu betrachten sind Räume, die nach ihrem vertraglich vereinbarten Zweck dem Wohnen dienen sollen, die also zum dauernden Aufenthalt von Personen geeignet sind und zu die­ sem Zweck vermietet werden (Giger, BK, N 144 zu Art. 253 OR; Weber, BSK, N  4 zu Art.  253a–253b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N  2 zu Art.  253b OR; Higi, ZK, N 13 f. zu Art. 253a–253b OR; Blumer, Gebrauchsüberlassungsver­ träge, N 139, Urteil des Bundesgerichts 4C.293/2001 vom 11. Dezember 2001, E. 4c, in: MRA 1/04, S. 35 ff.). Zum Begriff des Wohnraums gehört eine mini­ male Ausstattung, also eine Schlaf- und eine Kochstelle sowie sanitäre Einrich­ tungen (wobei die letzteren Bereiche – wie z.B. bei möbliert oder unmöbliert vermieteten Einzelzimmern – zumindest in unmittelbarer Nähe verfügbar sein müssen), ausserdem eine Beheizung sowie Stromversorgung. Nicht erforderlich für die rechtliche Qualifikation ist der tatsächlich praktizierte Gebrauch durch den Mieter (Weber, BSK, N  4 zu Art.  253b OR, der voraussetzt, dass eine Schlafgelegenheit und ein minimaler Schutz vor Umwelteinwirkungen verfügbar sein müssen; Hulliger/Heinrich, CHK, N  2 zu Art.  253b OR; a.M. Higi, ZK, N 17 zu Art. 253a–253b OR, der zumindest einen regelmässigen Auf­ enthalt und das Aufbewahren von Effekten als begriffswesentliche Elemente der Qualifikation als Wohnraum fordert). Fahrnisbauten, die grundsätzlich im Sinne der Begriffsbestimmung zum Wohnen geeignet sind, stellen keinen Wohnraum dar, wenn das Grundstück, auf dem sie errichtet worden sind, ver­ mietet wurde (Urteil des Bundesgerichts 4C.293/2001 vom 11. Dezember 2001, in: MRA 1/04, S. 35 ff.).

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Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR

3.3.3 Geschäftsraum 25

Auch der Begriff des Geschäftsraums setzt zunächst voraus, dass als Mietobjekt ein Raum oder mehrere Räume als auf Dauer angelegte, horizontal und verti­ kal umschlossene Bereiche vermietet werden (N 10 ff. zu Art. 253a OR; Higi, ZK, N 21 ff. zu Art. 253a–253b OR). Unbebaute Grundstücke stellen daher nie Räume dar, auch wenn sie zu kommerziellen Zwecken, z.B. zum Betrieb eines Auto-Occasionshandels, vermietet worden sind (Giger, BK, N 152 zu Art. 253 OR; Weber, BSK, N 11 zu Art. 253b OR, m.w.H. auf die Urteile des Bundesge­ richts 4A_ 9/2010 vom 25. Juni 2010, E. 2.3, und 4C.180/2002 vom 26. August 2002 betreffend unbebautes Industrieareal; 4C.317/2004 vom 22.  März 2005 betreffend einen Wohnwagenabstellplatz und 4C.354/2005 vom 9. Januar 2006 betreffend ein Grundstück, das zum Betrieb einer Mobilfunkantennenanlage vermietet worden war; ferner das Urteil des Bundesgerichts 4P.80/2002 vom 16. Mai 2002, in: MRA 2/03, S. 62 ff., betreffend unbebautes Land, auf dem der Mieter ein Büro- und Lagergebäude errichtet hatte). Noch als Geschäftsraum qualifiziert wurde in der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Autowasch­ anlage auf einem Grundstücksteil, obwohl sie nicht nach allen Seiten abge­ schlossen war (BGE 124 III 108, in: MRA 3/98, S. 88 ff.). Begriffswesentlich ist sodann, dass der vertragliche Gebrauchszweck kommerzieller Natur ist: Das Mietobjekt wird dem Mieter im Hinblick auf die Entfaltung einer wirtschaft­ lichen Tätigkeit, also für Gewerbe, Handel, Verkauf, Dienstleistung usw., zum Gebrauch überlassen (Weber, BSK, N 11 zu Art. 253b OR; Higi, ZK, N 30 ff. zu Art. 253a–253b OR).

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Das Bundesgericht hat den Begriff des Geschäftsraums im Verlaufe seiner Rechtsprechung ausgedehnt, ja überdehnt. In BGE 118 II 40 erkannte es, dass jedes Mietobjekt, das der Entfaltung der privaten oder wirtschaftlichen Persönlichkeit des Mieters dient, als Geschäftsraum zu betrachten sei (im kon­ kreten Fall ging es um einen Garagenanbau, der einem als Mechaniker ausge­ bildeten Mieter dazu diente, in seiner Freizeit Oldtimer-Autos zu restaurieren, ohne dass damit ein kommerzielles Interesse verbunden war). Diese Begriffs­ umschreibung ist zu weit gefasst, da sie sogar Wohnraum erfassen würde, der auch der Entfaltung der Persönlichkeit des Mieters dienen kann (kritisch daher zu Recht: Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 253a OR; Higi, ZK, N 29 zu Art. 253a–253b OR; HAP-Immobiliarmietrecht/Fertig, Rz. 8.25, S. 329 f.; Giger, BK, N 33 zu Art. 253a OR). Richtig mag zwar sein, dass als Geschäftsraum auch ein Mietobjekt betrachtet werden kann, in dem nicht vorrangig kommerzielle Interessen verfolgt werden (z.B. Versammlungslokal von politischen, religiö­ sen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Vereinigungen, wenn das Lokal

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der Verwirklichung des Zwecks der Vereinigung dient; vgl. in diesem Sinn auch Weber, BSK, N 12 zu Art. 253b OR, kritisch: zur weit gefassten Umschreibung in der Praxis a.a.O., N 13; Giger, BK, N 33 zu Art. 253a OR; Higi, ZK, N 34 f. zu Art. 253a–253b OR, fordert allerdings, dass in hauptsächlich zu ideellen Zwe­ cken vermieteten Objekten ein nach kaufmännischen Grundsätzen geführter Betrieb, z.B. ein Sekretariat o.ä. vorhanden sein muss, damit von «Geschäfts­ raum» gesprochen werden kann). Dienen Mietobjekte vornehmlich der Frei­ zeitgestaltung, etwa als Übungslokal einer Hobbymusikergruppe, als Treff­ punkt eines Sportvereins, eines Tanz- oder Kochklubs, zum Einstellen eines Pferdes usw., so kann nicht mehr von einem Geschäftsraum gesprochen wer­ den (so wohl auch das Urteil des Bundesgerichts 4C.425/1994 vom 6. Fe­bruar 1995, ZBJV 131/1995, S. 418 f., betreffend Hobbypferdestall; vgl. auch Maag Andreas, in: MRA 3/98, S. 90 ff.; gl.M. Higi, ZK, N 30 ff. zu Art. 253a–253b OR).

4. Abgrenzungen 4.1

Andere Vertragsarten

4.1.1 Pacht Die in den Art.  275  ff. OR geregelte (nichtlandwirtschaftliche) Pacht unter­ 27 scheidet sich von der Miete dadurch, dass Gegenstand der Pacht nicht nur Sachen, sondern auch Rechte sein können. Vorausgesetzt ist, dass der Pächter aus der Bewirtschaftung der Sache einen Nutzen erzielen kann, den er für sich beanspruchen kann. Damit verbunden ist eine Verpflichtung, die Sache so zu erhalten und zu bewirtschaften, dass sie den der Natur der Sache nach mögli­ chen Nutzen abwerfen kann (Higi, ZK, N 143 ff. Vorbem. zu Art. 253–274g OR; Giger, BK, N 158 zu Art. 253 OR; grundlegend zur Abgrenzung Studer, BSK, N 1 ff. Vorbem. zu Art. 275–304 OR). Besondere Schwierigkeiten ergeben sich oft bei der Qualifikation des Vertrags, 28 der einen Gastwirtschaftsbetrieb betrifft. Unmassgeblich ist dabei zunächst, wie die Parteien selbst den Vertrag bezeichnen (Art. 18 OR). Für die Abgren­ zung von Bedeutung ist demgegenüber folgendes Kriterium: Miete liegt vor, wenn im Rahmen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit in den überlassenen Lokalitäten der vom Benützer erzielte Ertrag primär Folge seiner eigenen unternehmerischen Tätigkeit ist. Wenn der Mieter also das ihm zum Gebrauch überlassene Objekt erst noch zur Produktion einrichten muss, han­ delt es sich um Miete (BGE 128 III 419, in: MRA 1/03, S. 22 ff. mit Hinweis auf

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das Urteil des Bundesgerichts 4C.43/2000 vom 21. Mai 2001). Wird demgegen­ über der unternehmerische Erfolg hauptsächlich aus den mit dem Gebrauch der Räumlichkeiten verbundenen Nutzungsmöglichkeiten, z.B. aus den dem Betreiber überlassenen Geschäftsbeziehungen erwirtschaftet, ist Pacht anzu­ nehmen. Pacht liegt vor, wenn der Verpächter die Nutzung eines vollständig ausgerüsteten Unternehmens zur Verfügung stellt, also ein Produktionsmit­ tel (BGE 128 III 419, in: MRA 1/03, S. 22 ff.; Higi, ZK, N 147 ff. Vorbem. zu Art. 253–274g OR mit Hinweis auf BGE 103 II 252; Schmid, ZK, N 6 Vorbem. zu Art. 253–304 aOR; MfdP/Püntener, N 2.2.1). 29

Die praktische Bedeutung der Unterscheidung zwischen Miete und Pacht ist nicht zu überschätzen. Das Pachtrecht ist dem Mietrecht in weiten Teilen ange­ glichen. Die wesentlichsten Unterschiede bestehen mit Bezug auf folgende Bereiche: –– Zahlungsfrist von 60 (statt 30) Tagen mit Kündigungsandrohung bei Zah­ lungsverzug, Art. 282 Abs. 1 OR; –– Mindestdauer des Pachtverhältnisses von einem Jahr, wenn es stillschwei­ gend nach einer bestimmten Pachtdauer fortgesetzt wird, Art. 295 Abs. 2 OR; –– Entschädigungsansprüche des Pächters für Verbesserungen, die sich erge­ ben aus Anstrengungen, welche über die gehörige Bewirtschaftung hinaus­ gehen, Art. 299 Abs. 2 Buchst. a OR.

4.1.2 Gebrauchsleihe 30

Die Gebrauchsleihe (Art.  305–311 OR) unterscheidet sich von der Miete dadurch, dass dem Benützer die Sache zum Gebrauch übergeben wird, ohne dass dafür eine Gegenleistung zu entrichten ist. Die Gebrauchsleihe ist somit unentgeltlich (Art. 305 OR; BGE 136 III 186, E. 3.2.3; BGE 98 II 216, 108 II 114; Higi, ZK, N 150 ff. Vorbem. zu Art. 253–274g OR).

31

Entgeltlichkeit und damit Miete wird auch dann angenommen, wenn der Benützer für den Gebrauch der Sache eine Gegenleistung erbringt, die nicht demjenigen zufällt, der den Gebrauch der Sache überlässt. Leistet der Benüt­ zer ein Entgelt zugunsten einer karitativen Organisation, wird Miete angenom­ men, da ein Entgelt zu leisten ist, das der «Vermieter» festgelegt hat (ablehnend unter Hinweis auf das vorausgesetzte Austauschverhältnis: Giger, BK, N 159 zu Art. 253 OR). Entgeltlichkeit wird in der Praxis auch angenommen, wenn der Benützer zwar keinen Mietzins bezahlt, sich dafür aber verpflichtet, allfäl­

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lige Reparaturen und Unterhaltsarbeiten auf eigene Kosten auszuführen oder ausführen zu lassen, soweit dies über die «gewöhnlichen Kosten für die Erhal­ tung der Sache» hinausgeht (da andernfalls wiederum Gebrauchsleihe vor­ liegt, Art.  307 Abs.  1 OR). Keine Entgeltlichkeit und damit Gebrauchsleihe liegt vor, wenn der Mieter für sämtliche Betriebskosten, so Beheizung, Was­ server- und -entsorgung, Stromzufuhr, Kehrichtabfuhr usw. aufzukommen hat, weil er damit für die Gebrauchsüberlassung keine Gegenleistung gegenüber dem Verleiher erbringt.

4.1.3 Hinterlegung Beim Hinterlegungsvertrag (Art. 472–491 OR) wird eine bewegliche Sache in 32 die Obhut des Aufbewahrers übertragen. Diesem steht kein Gebrauchsrecht an der Sache zu. Er hat für die Erhaltung der Sache zu sorgen, weil sie unver­ sehrt zurückgegeben werden muss. Die Hauptleistungspflicht des Aufbewah­ rers besteht in der sicheren Verwahrung der ihm überlassenen Sache – je nach Vereinbarung gegen Entgelt (Art. 472 ff. OR; Higi, ZK, N 154 ff. Vorbem. zu Art.  253–274g OR; vgl. auch die durch die Gerichtspraxis entwickelten Bei­ spiele bei MfdP/Püntener, N 2.27; ferner Giger, BK, N 161).

4.1.4 Mietkauf/Abzahlungskauf Öfters wird vereinbart, dass die eine Partei der anderen Partei eine bewegli­ 33 che oder unbewegliche Sache zum Gebrauch überlässt, wofür eine Gegenleis­ tung zu erbringen ist. Es wird vereinbart, dass die Sache nach einer bestimmten Zeitspanne oder wenn die Gegenleistungen einen bestimmten Wert erreicht haben, gegen Erlegung eines Restkaufpreises ins Eigentum des Benützers übergeht, und zwar aufgrund eines Kaufrechts oder mit Ablauf der festgesetz­ ten Vertragsdauer (BGE 113 II 170; Higi, ZK, N 169 ff. Vorbem. zu Art. 253– 274g OR; Giger, BK, N 167 m.w.H.). Da der Mietkauf wirtschaftlich betrachtet nichts anderes darstellt als ein Abzahlungskauf, ist er, soweit er eine beweg­ liche Sache zum Gegenstand hat, nach den Regeln des Abzahlungskaufes zu behandeln (Higi, ZK, N 172 Vorbem. zu Art. 253–274g OR, m.w.H.). Bei unbe­ weglichen Sachen gilt zunächst vorbehaltlos Mietrecht. Bei Ausübung des Kaufrechts sind die Bestimmungen zum Grundstückskauf anwendbar (Higi, ZK, N 179 Vorbem. zu Art. 253–274g OR, m.w.H.).

4.1.5 Leasing Unter dem Begriff «Leasing» versteht man die heute im Rechtsverkehr am wei­ 34 testen verbreitete Form des sogenannten indirekten Leasings, einem Rechts­

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verhältnis, an dem drei Parteien beteiligt sind. Der Leasinggeber erwirbt eine Sache vom Hersteller oder Lieferanten und überlässt sie dem Leasingnehmer zum Gebrauch. Nach Ablauf der vereinbarten Zeitspanne der Gebrauchsüber­ lassung stehen dem Leasingnehmer in der Regel drei Optionen offen: die Weiterführung des Leasingvertrags, der Erwerb des Leasingobjekts zu einem durch die Leistung der Leasingraten noch nicht amortisierten Restwert der Investitionskosten oder die Rückgabe des Leasingobjekts. Handelt es sich um Immobilienleasing, so entspricht das Verhältnis zwischen Leasinggeber und Leasing­nehmer im Wesentlichen demjenigen einer Miete oder Pacht, weil eine Sache zum Gebrauch überlassen wird und dafür ein Entgelt zu entrichten ist. Nichts spricht deshalb gegen die Anwendung der Bestimmungen des Mietund Pachtrechts auf ein Leasinggeschäft. Denn die Gebrauchsüberlassung einer Immobilie bildet den für die Anwendbarkeit einschlägiger Gesetzesbe­ stimmungen – hier also derjenigen des Miet-, allenfalls Pachtrechts – massge­ benden Regelungsschwerpunkt (vgl. hierzu den Kommentar von Jürg P. Mül­ ler zum BGE 132 III 549, in: MRA 3/06, S. 122 ff. mit Hinweis auf Schluep, SPR, S. 771 f., 825 f.). Besteht der Zweck des Leasings darin, dem Leasingnehmer letztlich das Eigentum an der Sache zu verschaffen, und zwar gegen Anrech­ nung der bereits bezahlten Leasingraten und gegen Erlegung eines Restkauf­ preises, so nähert sich das Leasinggeschäft einem Abzahlungskauf an, wes­ halb die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften anwendbar sind (Higi, ZK, N 194 Vorbem. zu Art. 253–274g OR; Zihlmann, Mietrecht, S. 44; zum Gan­ zen auch Giger, BK, N 168 f.).

4.1.6 35

Mietvertragsähnliche Verhältnisse

Benützt jemand eine Sache, ohne dass zwischen den Parteien ein Mietvertrag zustande gekommen ist, oder benützt er sie über den Zeitpunkt hinaus, auf den der Vermieter ein bestehendes Mietvertragsverhältnis rechtsgültig gekündigt hat, so stellt sich die Frage, welche gegenseitigen Rechte und Pflichten für die Parteien bestehen. Das Bundesgericht nimmt für einen solchen Fall ein «faktisches Vertragsverhältnis» an, begrifflich eine contradictio in adjecto, weil ein Vertrag nicht durch faktisches Verhalten, sondern durch gegenseitige überein­ stimmende Willenserklärungen – allenfalls konkludent abgegeben – zustande kommt (BGE 119 II 437; Kramer, BK, N 241 zu Art. 1 OR; Higi, ZK, N 35 zu Art. 253 OR; Zihlmann, Mietrecht, S. 28 f.; MRA 1/97, S. 39 ff.). Rechtsdogma­ tisch richtig wäre, in diesem Fall von einem «mietvertragsähnlichen Verhält­ nis» zu sprechen (vgl. Higi, ZK, N 35 zu Art. 253 OR; BGE 108 II 113).

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Klar ist zunächst, dass im Rahmen eines vertragsähnlichen Verhältnisses der 36 Benützer für den effektiv ausgeübten Gebrauch eine Gegenleistung zu entrich­ ten hat, die einem adäquaten Mietzins entspricht. Verlässt der Mieter nach gül­ tig erfolgter Kündigung die Mietlokalitäten nicht, so schuldet er zunächst einen Betrag, der dem früher vereinbarten vertraglichen Mietzins entspricht (sowie gegebenenfalls Schadenersatz, Erstattung einer ungerechtfertigten Bereicherung usw., zu diesen theoretisch möglichen Ansprüchen vgl. Urteil des Bun­ desgerichts 4C.347/2002 vom 14. November 2002, in: MRA 1/03, S. 31 ff.). Die während einer längeren Zeit von einem Eigentümer geduldete Benützung eines Mietobjekts durch einen Dritten und die Entgegennahme von regelmässig in gleicher Höhe geleisteter Zahlungen stellt ein Indiz für den Bestand eines Miet­ verhältnisses mit einem hinreichend bestimmbaren Vertragsinhalt dar (Weber, BSK, N 7, m.w.H., u.a. auf BGE 136 III 186, E. 3.1.1; 129 III 675, E. 2.3; Urteil des Bundesgerichts 4A_582/2012 vom 28. Juni 2013, E. 3). Besteht zwischen den Parteien – mangels Einigung – kein Mietvertrag, so muss die Gegenleis­ tung des Benützers vom Richter nach Ermessen festgelegt werden (BGE 119 II 347 mit Hinweis auf das unveröffentlichte Urteil des Bundesgerichts 4C.71/85 vom 17. Juni 1985; BGE 110 II 330; 108 II 113; Bucher, BSK, N 77 zu Art. 1 OR). Da ein Mietvertrag nicht besteht, ist der Vermieter nicht verpflichtet, die Mietsache in einem «zum vorausgesetzten Gebrauch» tauglichen Zustand zu erhalten, insbesondere allenfalls bestehende Mängel zu beheben oder in ande­ rer Weise Voraussetzungen für die Benützung der Sache zu schaffen. Gegebe­ nenfalls wäre ein als mangelhaft im Sinne des Mietrechts betrachteter Zustand bei der (richterlichen) Festlegung des Benützungsentgelts zu berücksichtigen. Besteht ein «faktisches Vertragsverhältnis» an Geschäftslokalitäten, steht dem 37 Vermieter für die mietvertragsähnliche Geldforderung ein Retentionsrecht zu (BGE 73 III 78; Entscheid des Bezirksgerichts Zürich vom 28. Oktober 1994, in: MRA 1/97, S. 39 ff.).

4.2

Dingliche Rechte und Nutzungsbefugnisse

4.2.1 Nutzniessung/Wohnrecht Das Wohnrecht besteht gemäss Art. 776 ZGB in der Befugnis, in einem Gebäude 38 oder in einem Teil eines solchen Wohnung zu nehmen. Es steht, soweit das Gesetz nichts anderes regelt, unter den Bestimmungen über die Nutzniessung. Nutzniessung und Wohnrecht stellen beschränkte dingliche Rechte dar, die im Grundbuch einzutragen sind. Nutzniessung bzw. Wohnrecht und Miete schliessen sich gegenseitig aus, da es sich bei der Miete lediglich um ein obli-

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gatorisches Gebrauchsrecht handelt (BGE 88 II 339; Giger, BK, N  183 zu Art. 253 OR; Higi, ZK, N 157 Vorbem. zu Art. 253–274g OR). 39

Das Wohnrecht kann entgeltlich oder unentgeltlich vereinbart werden. Nach Art. 778 ZGB trägt der Berechtigte grundsätzlich die Lasten des gewöhnlichen Unterhalts des Objekts, sofern ihm daran ein ausschliessliches Wohnrecht ein­ geräumt worden ist. Nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist die Anwendung einzelner mietrechtlicher Bestimmungen per analogiam (BGE 88 II 340; Higi, ZK, N 158 Vorbem. zu Art. 253–274g OR; Zihlmann, Mietrecht, S. 42). Letzte­ res entfällt beim unentgeltlichen obligatorischen Wohnrecht, da dieses, man­ gels Entgeltlichkeit, keinesfalls als besondere Form der Miete, sondern allen­ falls als eine Form der Gebrauchsleihe betrachtet werden kann. Es drängt sich eher eine analoge Anwendung der Regel zur Gebrauchsleihe (Art. 305 ff. OR) auf, soweit Fragen des Unterhalts zu beurteilen sind (Higi, ZK, N 161 Vorbem. zu Art. 253–274g OR).

4.2.2 Baurecht 40

Das Baurecht i.S.v. Art. 779 ZGB ist ebenfalls ein dingliches Recht. Wird es auf mindestens 30 Jahre oder auf unbestimmte Zeit begründet, gilt es als selbständig und dauernd und kann als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen werden (Art. 779 Abs. 3 ZGB i.V.m. Art. 7 Abs. 2 Ziff. 2 GBV). Das Baurecht besteht in der Befugnis, auf oder unter einer Bodenfläche ein Bau­ werk abzureissen, zu errichten oder baulich umzugestalten. Dem Bauberech­ tigten wird die Befugnis verschafft, im Rahmen der Rechtsordnung Verfügun­ gen über eine Baute zu treffen, obwohl er nicht Eigentümer des Grundstücks ist (Durchbrechung des Grundsatzes, wonach alles, was fest mit dem Grund­ stück verbunden ist, im Eigentum des Grundeigentümers steht). Ähnlich dem Mietvertragsverhältnis wird in der Regel vereinbart, dass der Bauberechtigte dem Grundeigentümer einen Zins – den Baurechtszins – entrichtet. Der Bau­ berechtigte hat mit Bezug auf die Baute indessen faktisch Eigentümerstel­ lung. Der Bauberechtigte tritt deshalb, wenn ein Mietverhältnis an der Sache begründet wird, als Vermieter in Erscheinung. Wird das Baurecht veräussert, so tritt der Erwerber gestützt auf Art. 261a OR als Inhaber des entsprechenden dinglichen Rechts, das faktisch Eigentümerstellung verschafft, als Vermieter in den bestehenden Vertrag ein (zum Ganzen Giger, BK, N 184 zu Art. 253 OR; vgl. N 8 zu Art. 261–261a OR).

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5.

Gemischte Verträge mit mietrechtlichen Komponenten

5.1 Allgemeines Vereinbaren die Parteien innerhalb eines Vertragsverhältnisses gegenseitig 41 Leistungen, die verschiedenen Vertragstypen zuzuordnen sind (z.B. Kauf und Miete oder Miete und Arbeitsvertrag), so spricht man von gemischten Ver­ trägen (sogenannten Innominatverträgen). Es stellt sich nun die Frage, wel­ che gesetzlichen Bestimmungen auf solche Verträge anwendbar sind. Möglich wäre, die Regeln jeder betroffenen Vertragsart insoweit anzuwenden, als ein bestimmtes Problem eindeutig dem Bereich der einen oder anderen Vertrags­ art zugeordnet werden kann (sogenannte Kombinationstheorie; Huguenin, CHK, N 28 zu Vorbem. zu Art. 184 OR; Guhl et al., OR, S. 309; BGE 110 II 378; mp 3/92, S. 311 mit Verweis auf BGE 118 II 157; Higi, ZK, N 202 Vorbem. zu Art. 253–274g OR). Möglich wäre allerdings auch, auf den gemischten Vertrag lediglich das Recht einer Vertragsart anzuwenden, wobei diejenige Vertrags­ art dominiert, die aufgrund des Vertragsinhaltes den Regelungsschwerpunkt ausmacht. Es gibt also Mietverträge mit typfremder Nebenleistung, innerhalb welcher der Vermieter nebst der entgeltlichen Gebrauchsüberlassung zusätzli­ che Leistungen, z.B. Dienstleistungen im Rahmen eines «Wohnen mit Service» erbringt (Hauptvertrag mit mietrechtlichem Element als typfremde Nebenleis­ tung; darauf angewendet wird die sogenannte Absorptionstheorie, Huguenin, CHK, N 28 Vorbem. zu Art. 184 OR). Möglich sind auch Mietverträge mit typ­ fremder Hauptleistung, z.B. als typischer Fall der Heim- oder Pensionsvertrag (vgl. zum Ganzen Biber, Schutzbestimmungen, S. 1 ff.; Bisang, gemischte Ver­ träge, S. 235 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4A_284/2013 vom 13. Februar 2014). Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit der Auflösung eines sogenann­ 42 ten Franchisevertrags die Absorptionstheorie angewendet. Es hat wörtlich erwogen (BGE 118 II 157, E. 3a; Kritik Higi, ZK, N 202 Vorbem. zu Art. 253– 274g OR): «Bei aus verschiedenen Einzelverträgen zusammengesetzten Vertragskomplexen und bei gemischten Verträgen, die neben miet- oder pachtrechtlichen auch andere Ele­ mente enthalten, ist nach der Rechtsprechung auf den Regelungsschwerpunkt abzustel­ len. Demgemäss ist die Anwendung der miet- und pachtrechtlichen Vorschriften über die Vertragsbeendigung ausgeschlossen, wenn die Überlassung des Miet- bzw. Pacht­ objektes bloss als untergeordnete Nebenabrede erscheint, die Rechtsbeziehungen der Parteien mithin schwergewichtig durch andere Vertragsbestandteile geprägt werden. In jedem Einzelfall ist daher, ausgehend von der Interessenlage der Parteien, wie sie in der

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von ihnen getroffenen vertraglichen Regelung zum Ausdruck gelangt, zu prüfen, wel­ che Bedeutung den einzelnen Vertragsbestandteilen im Hinblick auf die Gestaltung der Gesamtrechtslage zukommt (BGE 115 II 454, E.a). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Stehen verschiedene Parteivereinbarungen nicht als selbständige Verträge nebeneinander, sondern sind nach dem Willen der Par­ teien mehrere Vertragsbestandteile in der Weise miteinander verknüpft und voneinan­ der abhängig, dass ein gemischter oder ein zusammengesetzter Vertrag vorliegt, so ist dieser als Einheit aufzufassen. Dies wirkt sich insbesondere hinsichtlich der Vertrags­ beendigung aus. Die einzelnen Vertragsbestandteile einem unterschiedlichen rechtli­ chen Schicksal zu unterwerfen, ginge angesichts ihrer gegenseitigen Abhängigkeit nicht an.» 43

Das Bundesgericht hat auch in seiner späteren Praxis entsprechend dem vor­ stehenden Zitat und unter Bezugnahme auf die herrschende Lehre erwo­ gen, dass bei gemischten Verträgen, also Verträgen, bei denen die gegensei­ tig geschuldeten Leistungen verschiedenen Vertragsarten zugeordnet werden können, zu prüfen sei, ob dem mietvertraglichen Element eine bloss unterge­ ordnete bzw. nebensächliche Bedeutung zukomme. Ist dies zu bejahen, dann sind alle rechtlichen Fragen nach der das Vertragsverhältnis dominierenden Vertragsart zu beurteilen, insbesondere auch das Recht, den Vertrag aufzulö­ sen (Absorptionstheorie). Kommt dem mietvertraglichen Element indessen eine wesentliche Bedeutung zu, so richtet sich die Beurteilung einer allenfalls strittigen Frage nach dem diese Frage beherrschenden Vertragsrecht: Verein­ baren die Parteien, dass als Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung einer Wohnung Liegenschaftenverwaltungsaufgaben zu betreuen sind, so kann der Verwaltungsvertrag nach Art. 404 OR jederzeit ohne Einhaltung bestimmter (oder vereinbarter) Fristen, also nach Auftragsrecht, aufgelöst werden. Das Mietverhältnis ist indessen unter Einhaltung der mietrechtlichen Frist- und Formvorschriften aufzulösen, weil die Gebrauchsüberlassung einer Wohnung – als gleichwertige Gegenleistung für die Erbringung auftragsrechtlicher Pflich­ ten – nicht von bloss untergeordneter Bedeutung ist (Urteil des Bundesgerichts 4C.373/2006 vom 29. Januar 2007; BGE 131 III 528).

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Im Urteil 4A_284/2013 vom 13.  Februar 2014 prüfte das Bundesgericht, ob der Regelungsschwerpunkt einer Zusammenarbeitsvereinbarung, die u.a. die Leitung und Organisation der Abteilung Liegenschaftenverwaltung, dazu aber auch die Benützung von Räumlichkeiten einer Liegenschaft zum Gegen­ stand hatte, im Hinblick auf die Auflösung dem Auftragsrecht zuzuordnen war, womit Art.  404 OR anwendbar gewesen wäre. Das Bundesgericht erwog, es komme mit Bezug die Prüfung der Frage des Regelungsschwerpunkts hinsicht­ lich der zeitlichen Bindung der Parteien darauf an, ob nach der Art des Ver­ 22

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trags ein Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien unerlässlich sei bzw. ob einem solchen besondere Bedeutung zukomme. Es bejahte dies im konkre­ ten Fall, weshalb es den Regelungsschwerpunkt dem Auftragsrecht zuordnete. Zu bemerken ist allerdings, dass in der Rechtsprechung des Bundesgerichts 45 eine klare, einheitliche Linie bezüglich der anzuwendenden Theorien (Absorp­ tions- oder Kombinationstheorie) nicht auszumachen ist. Das Bundesgericht betreibt bei der Beurteilung der im Einzelfall anzuwendenden Gesetzesbe­ stimmungen auf Innominatverträge einen Methodenpluralismus. So hält es im Urteil 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 beispielsweise fest, dass «eine unmittelbare Anwendung vertragstypischer Regeln auf Innominatverträge (…) vorbehältlich einer besonderen Anordung des Gesetzgebers (wie bei­ spielsweise in Art. 226m aOR für den Abzahlungskauf) ausser Betracht [fällt], da es hierfür am Vorliegen eines Vertrages fehlt, der die Merkmale eines gesetz­ lichen Vertragstyps erfüllt und damit dem geregelten Normalfall entspricht».

5.2 Gastaufnahmevertrag Beim Gastaufnahmevertrag besteht die Hauptleistung in der Beherbergung 46 und Verpflegung eines Gastes gegen Entgelt, wogegen die mietrechtlichen Benützungsrechte gegenüber Auftrags-, Kauf- und allenfalls werkvertrags­ rechtlichen Elementen zurücktreten (BGE 109 II 238; Higi, ZK, N 215 Vorbem. zu Art. 253–274g OR). Unerheblich für die Abgrenzung ist, ob sich der Beher­ bergte im örtlichen Einwohnerregister eintragen lässt. Wenn dem Beherberg­ ten ohne zusätzliche Gegenleistung typische Hotelinfrastrukturen zur Verfü­ gung stehen, wie etwa Benützung von Wellnesseinrichtungen und anderen hoteltypischen Dienstleistungen, so liegt ein Gastaufnahmevertrag vor, auf den die mietrechtlichen Bestimmungen nicht angewendet werden können (Urteil des Bundesgerichts 4A_461/2008 vom 14. Februar 2009; MfdP/Pünte­ ner, N 2.3.5.1; Giger, BK, N 171 zu Art. 253 OR).

5.3

Pensionsvertrag (Alterswohnheime)

Verträge betreffend Wohnen in Altersresidenzen (auch «betreutes Wohnen» und 47 Ähnliches) enthalten zwar mietvertragliche Komponenten, jedoch dominie­ ren, wirtschaftlich betrachtet, die anderen gegenüber den Bewohnern erbrach­ ten Leistungen, wie umfassende soziale und psychologische, allenfalls auch medizinische Betreuung, weitere Dienstleistungen wie Helpdesk mit Über­ nahme administrativer Verrichtungen, Postzustellung, Durchführung geselli­

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ger, kultureller oder anderer Veranstaltungen, Reinigung, Wäscherei, Verpfle­ gung, Botengänge usw. In der Regel werden Infrastrukturen geschaffen, die den Pensionären – wenn auch gegen zusätzlich zu entrichtendem Entgelt – die Inanspruchnahme weiterer, nicht im Grundvertrag enthaltener Dienstleistun­ gen ermöglichen. Fragt man nach dem gemäss bundesgerichtlicher Praxis ent­ scheidenden Regelungsschwerpunkt eines Pensionsvertrags betreffend Alters­ residenz, so zeigt sich, dass sich der entsprechende Vertrag mit Bezug auf den Vertragszweck wesentlich von einem gewöhnlichen Mietvertrag unterscheidet: Der «gewöhnliche» Mietvertrag hat lediglich die Gebrauchsüberlassung an einer Wohnung gegen Entgelt zum Gegenstand. Der Pensionsvertrag in einer Altersresidenz oder in einer ähnlichen Einrichtung verschafft dem Pensionär indessen nicht lediglich eine Wohngelegenheit, sondern auch ein umfassendes Dienstleistungsangebot, das dieser nach seinen individuellen, sich im Laufe der Zeit möglicherweise verändernden Bedürfnissen in Anspruch nehmen kann. Dazu gehört häufig auch die Zusicherung, dass im Bedarfsfall vorrangig ein Pflegeplatz in der hausinternen Pflegeabteilung zur Verfügung gestellt wird, sodass der Pflegebedürftige in nächster Umgebung zu seinen Angehörigen betreut werden kann. Das Vorhalten all dieser Infrastrukturen erfordert einen hohen materiellen und personellen Aufwand, der in aller Regel – wirtschaftlich betrachtet – den Gegenwert für die Gebrauchsüberlassung der Wohngelegen­ heit deutlich übertrifft. Auf solche Verträge sind die mietrechtlichen Bestim­ mungen daher, weil mietvertragliche Elemente lediglich typfremde Nebenleis­ tungen darstellen, nicht anwendbar (Urteil des Bundesgerichts 4A_113/2012 vom 13. November 2012, in: MRA 4/13, S. 35 ff.; Higi, ZK, N 64 Vorbem. zu Art. 269–270e OR; derselbe im Zusammenhang mit Kündigungsvorschriften, a.a.O., N 178 Vorbem. zu Art. 266–266o OR; Giger, BK, N 171 ff. zu Art. 253 OR; kritisch: dazu Weber, BSK, N 17 zu Art. 253a–253b OR und MfdP/Pünte­ ner, N 2.5.2.3; die kritisierenden Autoren, welche fordern, dass die Pensions­ preise nach den Kriterien von Art. 269 ff. OR auf Missbräuchlichkeit hin über­ prüfbar sein sollen, übersehen, dass eine Aufteilung der Kosten, welche für die Gebrauchsüberlassung einer Wohngelegenheit und für andere Leistungen, welche in einer Seniorenresidenz anfallen, praktisch unmöglich ist und sicher nicht auf dem Weg eines «Ermessensentscheides» ermittelt werden kann. Der Richter müsste ja bei der entsprechenden Aufteilung beispielsweise auch beur­ teilen, ob die Personal-, Infrastruktur- und Betriebskosten angemessen bzw. in einem vertretbaren Umfang angefallen sind, was mit erheblichen Schwie­ rigkeiten verbunden sein dürfte; vgl. ferner BGE 131 III 566, E. 3, in: mp 1/06, S. 22 ff., N 45).

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Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR

5.4 Dienstwohnung Stellt der Vermieter einem Arbeitnehmer eine Wohnung zur Verfügung  – 48 gleichgültig, ob dies im Zusammenhang mit der Ausübung der Arbeitstätig­ keit erforderlich ist oder nicht – spricht man von einer «Dienstwohnung». Im Unterschied zum vor dem 1.  Juli 1990 geltenden Mietrecht wird die Dienst­ wohnung im Gesetz nicht mehr speziell behandelt (vgl. Art.  267c Buchst.  b aOR). Die Kündigung einer Dienstwohnung stellt nach heutiger Rechtsauffas­ sung keinen Sonderfall einer Kündigung mehr dar. Ein Zusammenhang zwi­ schen einer allfälligen Kündigung des Arbeitsverhältnisses und derjenigen des Mietverhältnisses kann mit Bezug auf das Kündigungsinteresse des Vermieters bedeutendes Gewicht erlangen, wenn eine mangelhafte Vertragserfüllung der Pflichten des Mieters als Arbeitnehmer ein legitimes Interesse des Vermieters zur Kündigung des Mietverhältnisses begründet hat oder – unabhängig davon, wer das bestehende Mietverhältnis gekündigt hat und aus welchen Gründen dies geschah – wenn die Wohnung in der Folge für einen anderen Arbeitneh­ mer in den Diensten des Vermieters benötigt wird. In diesem Fall ist die Erstre­ ckung in der Regel ausgeschlossen (Botsch. 1985, S. 1461; Higi, ZK, N 224 f. Vorbem. zu Art. 253–274g OR, m.w.H.; vgl. auch derselbe, a.a.O., N 3 und 18 zu Art. 272 OR). In der Praxis häufig anzutreffen ist ein Hauswartvertrag, bei dem zwischen 49 dem Vermieter und dem Mieter ein Arbeitsvertrag betreffend näher umschrie­ bene Hauswartleistungen abgeschlossen und – als Bestandteil dieses Vertrags – dem Hauswart die Benützung einer Wohnung ermöglicht wird (grundle­ gend zur Thematik: Giger, BK, N 175 ff. zu Art. 253 OR). Die Arbeitsleistung stellt nicht notwendigerweise die Gegenleistung zur Überlassung einer Woh­ nung dar. Denkbar ist es, dass der Hauswart einen absolut marktkonformen Mietzins bezahlt, weil die Hauswartleistungen vollumfänglich entlöhnt wer­ den. Möglich ist aber auch, dass dem Hauswart die Wohnung günstiger oder gar unentgeltlich überlassen wird, wobei die Verbilligung des Mietzinses einen Teil der Entlöhnung darstellt. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass dann, wenn die Entlöhnung des Hauswarts in der unentgeltlichen Über­ lassung eines Mietobjekts bestehe, ausschliesslich Arbeitsrecht anwendbar sei, weil gar kein Mietvertrag vorliege. Denn wollte man in diesem Fall von einem gemischten Vertrag ausgehen, so bestünde er aus Elementen des Arbeitsver­ trags und der Gebrauchsleihe (Cocchi, Dienstwohnung, S. 51 ff.). Mietrecht­ liche Bestimmungen kämen somit nur dann zur Anwendung, wenn der die Hauswartung besorgende Arbeitnehmer tatsächlich einen Mietzins entrichtet und dieser nicht lediglich mit den Lohnansprüchen verrechnet wird (vgl. ähn­

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Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR

lich der Entscheid Cour de Justice Civile Genf vom 23. Juni 1994, in: mp 2/95, S. 61 ff.). 50

Das Bundesgericht qualifizierte im Entscheid 131 III 566 (mp 1/06, S. 22 ff.) das Vertragsverhältnis zwischen einem Vermieter, der dem von ihm angestell­ ten Hauswart eine Wohnung zum Gebrauch überlassen hatte, als gemischten Vertrag mit mietvertraglichen und arbeitsvertraglichen Elementen. Nach Auffassung des Bundesgerichts unterstand dieser Vertrag bezüglich der Haus­ wartleistungen dem Arbeitsvertragsrecht, bezüglich der Überlassung der Haus­ wartwohnung dem Mietrecht. Nur bezüglich der Frage der Kündigung hielt es die Regeln desjenigen Vertrags für anwendbar, das den Regelungsschwerpunkt ausmachte, also desjenigen Vertrags, der die überwiegende Leistung betraf. Nachdem das Arbeitsverhältnis beendet worden war, offerierte der Vermie­ ter die Fortsetzung der Vertragsbeziehung auf der Basis eines neuen Mietver­ trags, wobei der Mietzins neu festgelegt werden musste. Der Umstand, dass das Bundesgericht in diesem Zusammenhang die Verwendung des sogenann­ ten amtlichen Formulars für die Anzeige der Mietzinserhöhung als unentbehr­ lich erachtete, wird dahingehend interpretiert, dass mit Bezug auf die Miet­ zinsgestaltung ungeachtet des «Regelungsschwerpunkts» die mietrechtlichen Schutzbestimmungen gemäss Art. 269 ff. OR zur Anwendung gelangen (Giger, BK, N 30 zu Art. 253b OR). Der dabei als Referenz zitierte Entscheid des Bun­ desgerichts lässt allerdings nicht zwingend Rückschlüsse auf die grundsätzli­ che Frage der Anwendbarkeit mietrechtlicher Schutzbestimmungen betreffend die Mietzinsgestaltung zu, bestand doch im kritischen Zeitpunkt das Arbeits­ verhältnis nicht mehr. Dennoch relativierte das Bundesgericht die Anwen­ dung der sonst praktizierten Absorptionstheorie, wenn es lediglich bezüglich der Vertragsauflösung einheitlich das Recht der den Vertrag beherrschen­ den Vertragsart als anwendbar erachtete. Ohne Auflösung des Arbeitsvertrags im zu beurteilenden Zeitpunkt hätte jedenfalls in richtiger Anwendung von Art. 253b Abs. 1 OR bezüglich der Frage der Mietzinsanpassung geprüft wer­ den müssen, ob der massgebende Vertrag «im Wesentlichen die Überlassung von Wohnraum gegen Entgelt» zum Gegenstand hatte.

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Die allfällige Vertragsabrede, wonach die Auflösung des Arbeitsverhältnisses automatisch die Auflösung der Benützungsrechte an der zur Verfügung gestell­ ten Wohnung bewirke, ist damit nur bedingt durchsetzbar: Sofern jedenfalls nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne einer echten Bedin­ gung die Beendigung des Mietverhältnisses nach sich zieht, bedarf die Auflö­ sung dieses Mietverhältnisses zumindest dann, wenn das mietrechtliche Ele­ ment den überwiegenden Bestandteil des Vertragsverhältnisses bildet, der

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qualifizierten Form gemäss Art. 2661 Abs. 2 OR (BGE 131 III 566, in: mp 1/06, S. 22 ff.; N 45). Bei Familienwohnungen oder bei Wohnungen eingetragener gleichgeschlechtlicher Partner ist ausserdem Art. 266n OR zu beachten. Die Anfechtungs- und Erstreckungsrechte des Arbeitnehmers/Mieters bleiben vor­ behalten. Im Anfechtungsverfahren ist in der Folge lediglich bei der Beurtei­ lung der vom Mieter geltend zu machenden Härte auch der Grund für die Auf­ lösung des Arbeitsverhältnisses zu gewichten. Das Bundesgericht stellt mit Bezug auf die Frage, welches Vertragselement 52 überwiegt, vorab auf das Verhältnis der gegenseitigen finanziellen Leistungs­ pflichten (Mietzins gegenüber Entschädigung für Hauswartung) ab. Im Urteil 4A_102/2013 vom 17. Oktober 2013 erwog es, diese Methode zur Bestimmung des Regelungsschwerpunkts sei einfach, weshalb ihr gefolgt werden könne (m.w.H. auf Bisang, gemischte Verträge, S. 246 und Cocchi, Dienstwohnung, S. 52 f.; kritisch: MfdP/Püntener, N 232). Rechtsdogmatisch nicht ausgeschlossen erscheint es, den Mietvertrag in dem 53 Sinne zu befristen, dass vereinbart wird, auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses endige auch das Mietverhältnis. Damit ist das Mietver­ hältnis resolutiv bedingt i.S.v. Art. 154 OR. Bei Eintritt der Bedingung könnte dann allerdings die Frist für ein Erstreckungsbegehren im mietrechtlichen Sinn bereits abgelaufen sein. Dies allein verbietet indessen eine entsprechende Abmachung nicht: In Anlehnung an BGE 121 III 260 ergäbe sich, dass der Mie­ ter das als unentziehbar betrachtete Erstreckungsrecht dadurch in Anspruch nehmen kann, dass er innert 30 Tagen ab Kenntnis der Verwirklichung der Resolutivbedingung ein Erstreckungsbegehren stellen kann. Eine Anfechtung des Vertragsauflösungsgrundes ist allerdings unmöglich (vgl. zu dieser Pro­ blematik: Higi, ZK, N 36 und 44 zu Art. 255 OR; Gauch, Beendigung, S. 43 f.; MRA 1/96, S. 15 ff.).

6.

Intertemporales Recht

Die intertemporalen Fragen haben aufgrund des nunmehr bereits längere Zeit 54 zurückliegenden Inkrafttretens des «neuen» Mietrechts (1. Juli 1990) in man­ chen Teilbereichen an Aktualität verloren. Solange indes Verträge Bestand haben, die mit Mietbeginn vor dem 1. Juli 1990 abgeschlossen wurden, stellt sich da und dort die Frage, ob nun die Bestimmungen des revidierten oder jene des «alten» Mietrechts Anwendung finden.

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Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR 55

Die massgebenden Gesetzesgrundlagen zu diesen Fragen finden sich zum einen im Mietrecht (Schlussbestimmungen zum Titel Acht und zum Titel Achtbis des Obligationenrechts, Art.  5) und der dazugehörigen Ausführungsverordnung (Art.  26 VMWG) selber. Art.  5 der Schlussbestimmungen widmet sich dem Kündigungsschutz von Wohn- und Geschäftsmieten. Art. 26 VMWG befasst sich mit dem Schutz des Mieters vor missbräuchlichen Mietzinsen. Zum ande­ ren sind auf alle übrigen Rechtsfragen, die von diesen Spezialbestimmungen nicht erfasst sind, die allgemeinen Bestimmungen des Schlusstitels im ZGB (Art. 1 bis 4 SchlT ZGB) anwendbar (BGE 116 III 124; 94 II 245).

56

Gemäss Art.  1 SchlT ZGB gilt der Grundsatz der Nichtrückwirkung des neuen Rechts. Das heisst, dass die (rechtlichen Wirkungen von) Tatsachen, die sich vor Inkrafttreten des neuen Rechtes verwirklicht haben, grundsätz­ lich altem Recht unterstehen. Unter Tatsachen werden dabei im Wesentlichen die menschlichen Handlungen verstanden (Broggini Gerardo, Intertemporales Privatrecht, in: Schweizerisches Privatrecht I, S. 353 ff., S. 432), was auch durch den Wortlaut von Abs. 2 von Art. 1 SchlT ZGB zum Ausdruck gebracht wird. Konkret bedeutet dies, dass vertragliche Abreden vor dem 1. Juli 1990 grund­ sätzlich nach den damals gültigen Normen zu beurteilen sind. Dies gilt im Ein­ zelnen für die Frage der Gültigkeit der Abrede ebenso wie für die daraus sich ergebenden Rechtsfolgen, insbesondere die daraus entstehenden subjektiven Rechte. Noch einen Schritt weiter geht Vischer, der auf altrechtlich begrün­ dete Rechtsverhältnisse insgesamt das alte Recht für anwendbar hält, soweit diese nach Inkrafttreten des neuen Rechts fortbestehen (Vischer Markus, Die allgemeinen Bestimmungen des schweizerischen intertemporalen Privatrechts, Diss. Zürich 1986, S. 40 ff.).

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Dem sowohl vom Bundesgericht als auch von der Lehre vertretenen «funda­ mentalen Grundsatz der Nichtrückwirkungsregel» (Broggini, a.a.O., S.  438; BGE 90 II 192 f.) setzen die Art. 2–4 SchlT ZGB Schranken. Sie relativieren das Rückwirkungsverbot wie folgt:

58

Art. 2 SchlT ZGB legt fest, dass die neurechtlichen Bestimmungen, die um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen aufgestellt sind  – vorbehältlich im Gesetz ausdrücklich vorgesehener Ausnahmen  – auf alle Tatsachen (d.h. menschliche Handlungen, N  54) anzuwenden sind. Bei diesen Bestimmun­ gen handelt es sich um solche, die zu den Grundpfeilern der heutigen (Miet-) Rechtsordnung gehören. Es sind dies im Wesentlichen die dem Mieter im zwei­ ten und dritten Abschnitt des Mietrechts eingeräumten Anfechtungsrechte (Mietzins-, Kündigungsanfechtung und Erstreckungsrecht). Zu beachten ist, dass gemäss langjähriger und konstanter Praxis des Bundesgerichts sol­ 28

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Vorbemerkungen zu Art. 253–273c OR

che Normen des neuen Rechts nicht automatisch anwendbar sind, sondern nur dann anstelle der altrechtlichen Regelung treten, wenn die weitere Anwen­ dung des alten Rechts auf altrechtliche Tatbestände mit der öffentlichen Ord­ nung und Sittlichkeit unvereinbar wäre (BGE 116 III 124; 84 II 184). Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Art. 3 SchlT ZGB enthält eine weitere Ausnahme des Rückwirkungsverbotes, 59 indem er bestimmt, dass Rechtsverhältnisse, deren Inhalt unabhängig vom Willen der Beteiligten durch das Gesetz umschrieben wird, nach dem Inkraft­ treten dieses Gesetzes nach dem neuen Recht zu beurteilen sind. Entgegen einem Teil der Lehre (Broggini, a.a.O., S. 453; Gmür, Fragen, S. 4) ist 60 mit dem Bundesgericht die Meinung abzulehnen, wonach sämtliche zwingen­ den Bestimmungen des neuen Rechts nach Inkrafttreten auch auf altrechtli­ che Tatbestände anwendbar sind (BGE 116 II 126 mit Verweisen). Eine solche Interpretation von Art. 3 SchlT ZGB wäre mit der grundlegenden Bedeutung des Vertrauensschutzes der Rechtsunterworfenen, die ihre Rechtsbeziehung noch unter altem Recht eingegangen sind, unvereinbar (dazu Vischer, a.a.O., S. 81 ff.). Art.  4 SchIT ZGB enthält lediglich eine Bestätigung und Präzisierung von Art.  1 SchlT ZGB (Broggini, a.a.O., S.  440). Er stellt damit genau betrachtet keine Einschränkung der Rückwirkungsregel dar.

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Art. 253 A. Begriff und Geltungsbereich I. Begriff Durch den Mietvertrag verpflichtet sich der Vermieter, dem Mieter eine Sache zum Gebrauch zu überlassen, und der Mieter, dem Vermieter dafür einen Mietzins zu leisten. A.

Définition et champ d’application

I. Définition Le bail à loyer est un contrat par lequel le bailleur s’oblige à céder l’usage d’une chose au locataire, moyennant un loyer.

A.

Definizione e campo d’applicazione

I. Definizione La locazione è il contratto per cui il locatore si obbliga a concedere in uso una cosa al con­ duttore e questi a pagargli un corrispettivo (pigione per gli immobili e nolo per i mobili).

InhaltsübersichtSeite 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Parteien .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.3 Überlassung einer Sache zum Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.4 Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

31 31 31 32 33

2. Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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3. Form .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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4. Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.2 Wohnung und Familienwohnung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.3 Geschäftsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.4 Unbewegliche Sachen und Fahrnisbauten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.5 Möblierte Zimmer und Einstellplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.6 Bewegliche Sachen und Konsumgüter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 253

1. Begriff 1.1 Allgemeines Art. 253 OR nennt die Parteien und legt die Essentialia des Mietvertrages im 1 Sinne einer Legaldefinition fest. Dies sind einerseits die Verpflichtung des Ver­ mieters, eine Sache dem Mieter zum Gebrauch zu überlassen, anderseits die Verpflichtung des Mieters, für die Überlassung eine geldwerte Gegenleistung, den Mietzins, zu entrichten. Unter dem in Art. 253 OR verwendeten Begriff «Mietvertrag» ist nicht die Vertragsurkunde zu verstehen, da Schriftlichkeit keine Gültigkeitsvoraussetzung ist (N 8), sondern das zwischen den Parteien abgeschlossene Rechtsgeschäft sowie dessen Wirkungen, mithin das «Mietver­ hältnis» (Higi, ZK, N 8 f. zu Art. 253 OR).

1.2 Parteien Parteien eines Mietvertrags bzw. eines Mietverhältnisses sind entsprechend 2 dem Gesetzeswortlaut «der Vermieter» und «der Mieter», unabhängig davon, ob es Einzelpersonen oder Personengruppen sind. Der Vermieter muss nicht notwendigerweise Eigentümer der Sache sein. Er kann zum Beispiel seiner­ seits Mieter (Untervermieter) oder allenfalls Nutzniesser (Art. 745 ff. ZGB) oder aufgrund einer besonderen Rechtsbeziehung mit dem Eigentümer – zum Beispiel im Rahmen eines Auftragsverhältnisses, zur Vermietung im eige­ nen Namen  – ermächtigt sein (MfdP/Püntener, N  2.1.2.1 mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts 4A_35/2008 vom 13. Juni 2008, E. 2.3). Besteht eine Partei aus mehreren Personen, so liegt diesbezüglich eine gemeinsame Miete vor. Das Innenverhältnis dieser Personengemeinschaften und damit die Frage, auf welche Weise Beschlussfassungen bezüglich Abschluss, Abwicklung und Auflösung eines Mietvertrags möglich sind, unterliegt den Bestimmun­ gen, welchen die Gemeinschaft untersteht (Weber, BSK, N 2 zu Art. 253 OR mit Hinweis auf BGE 125 III 219, m.w.H.; MfdP/Püntener, N 2.1.2.1.1, Fn. 4). Auf Vermieterseite können beispielsweise Miteigentümergemeinschaften (Art.  646  ff. ZGB) oder Stockwerkeigentümergemeinschaften (Art.  712a ff. ZGB), auf Vermieter- oder Mieterseite Erbengemeinschaften (Art. 602 ff. ZGB), einfache Gesellschaften (Art.  530  ff. ZGB), Kollektivgesellschaften (Art. 552 ff. OR), Kommanditgesellschaften (Art. 594 ff. OR), Gütergemeinschaften (Art. 221 ff. ZGB) usw. am Vertragsverhältnis beteiligt sein. Das Bun­ desgericht betrachtet im Konkubinat lebende Partner als einfache Gesellschaft (Pra 1996, Nr. 240; vgl. dazu N 9 ff. zu Vorbem. zu Art. 253–273c OR, N 10 f.

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Art. 253

zu Vorbem. zu Art. 2661–266o OR; Higi, ZK, N 113 ff. Vorbem. zu Art. 253– 274g OR; Weber, BSK, N 2 Vorbem. zu Art. 253–273c OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 7 zu Art. 253 OR; Weber, Mietvertrag, S. 4 ff.; zur Familienwohnung vgl. N 15 f.). Mehrere an einem Vertragsverhältnis beteiligte Mieter oder Ver­ mieter sind nicht per se Solidarschuldner der vereinbarten Leistungen, weil die solidarische Haftung für eine versprochene Leistung eine gesetzliche Grund­ lage oder eine entsprechende Abrede voraussetzt (MfdP/Püntener, N 2.1.2.1.1; m.w.H. Weber, BSK, N 2 zu Art. 253 OR).

1.3

Überlassung einer Sache zum Gebrauch

3

Die Mietsache kann im Sinne des Sachenrechts beweglich (z.B. Auto, Pferd, Fernseher, Fahrnisbaute usw.) oder unbeweglich (z.B. Grundstück, Haus, Wohnung, Bootshaus usw.) sein. Rechte können nicht Gegenstand einer Miete sein (N 1 und 18 ff. zu Vorbem. zu Art. 253–273c OR).

4

Der Vermieter muss dem Mieter den Gebrauch der Mietsache verschaffen und während der ganzen Mietdauer gestatten (Art.  256 Abs.  1 OR). Es han­ delt sich um eine Verpflichtung auf Zeit, weshalb die Miete als Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren ist (N  1 zu Vorbem. zu Art.  253–273c; Higi, ZK, N  28 zu Art.  253 OR; Weber, BSK, N  1 zu Art.  253 OR; Giger, BK, N  97  ff. zu Art.  253 OR). Die Miete gehört wie Pacht und Leihe zu den Gebrauchs­ überlassungsverträgen. Die Art des Gebrauchs, der Verwendungszweck wird in den Schranken der Rechtsordnung durch Parteiabrede bestimmt (N 10 ff. zu Art. 256 OR). Fehlt eine solche, ist auf die objektive, der Beschaffenheit ent­ sprechende Zweckbestimmung der Mietsache abzustellen, wobei der Ortsgebrauch zu berücksichtigen ist (N  12). Bei der Frage, welche Bedeutung der Umschreibung des Verwendungszweckes in einem Mietvertrag zukommt, ist stets danach zu fragen, ob der Vermieter damit einen bestimmten Gebrauchs­ zweck zugesichert hat oder ob lediglich im Sinne einer Abgrenzung gegenüber nicht erwünschten oder bewusst ausgeschlossenen Verwendungsmöglichkei­ ten vereinbart worden ist, wozu der Mieter die Mietsache gebrauchen darf. Beispiel: Der Vermieter vermietet einen Gewerberaum, der sich im Zeitpunkt des Ver­ tragsabschlusses im Rohbauzustand befindet. Ein erfahrener Gastronom interessiert sich für den Abschluss eines Mietvertrags, weil er im Mietobjekt eine Bar einrichten will. Dem Vermieter sind die spezifischen Anforderungen an die Ausgestaltung von Räumen zum Betrieb einer Bar nicht bekannt. Die Parteien vereinbaren im Mietvertrag als Gebrauchszweck «Barbetrieb» – nicht als Zusicherung eines bestimmten Gebrauchs durch den Vermieter, sondern als Beschränkung des Gebrauchsrechtes des Mieters – im Übrigen aber, dass der Vermieter das Mietobjekt im bestehenden Rohbauzustand

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zu übergeben und der Mieter sämtliche weiteren Ausbauten auf eigene Kosten vorzu­ nehmen hat, wobei er auch für die Einholung allfällig notwendiger öffentlich-rechtli­ cher Bewilligungen verantwortlich ist. Später stellt sich heraus, dass die Bewilligung für einen Barbetrieb wegen Problemen mit dem Brandschutz nicht erteilt werden kann. In diesem Fall verletzt der Vermieter keine ihm obliegende Verpflichtung, obwohl das Mietobjekt nicht entsprechend dem vertraglich vereinbarten Zweck gebraucht werden kann. Er erfüllt den Vertrag dadurch, dass er das Mietobjekt im vereinbarten Rohbau­ zustand zur Übergabe bereithält. Der im Bereich von Gastronomiebetrieben erfahrene Mietinteressent trägt die Folgen der ausschliesslich in seinem Risikobereich liegen­ den Verweigerung der erforderlichen Bewilligung grundsätzlich allein. Abgesehen von allenfalls nachgewiesenen konkreten Umständen des Einzelfalles wird sich der Mieter angesichts der klaren Risikoverteilung im Mietvertrag nicht auf einen ohnehin selbst verschuldeten Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 2 Ziff. 4 OR) oder auf Unmöglichkeit (Art. 20 Abs. 1 bzw. Art. 119 OR) berufen können.

1.4 Entgelt Der Mietzins ist das Entgelt, das der Mieter für die Überlassung des Gebrauchs 5 an der Sache zu leisten hat. Damit wird vorbehältlich einer abweichenden Regelung im Mietvertrag auch der Unterhaltsaufwand des Vermieters gemäss Art.  256 OR entschädigt. Lehre und Rechtsprechung erachten es als zuläs­ sig zu vereinbaren, dass der gesamte Unterhalt während der Mietdauer dem Mieter überbunden wird, auch wenn dabei der Anteil für den Unterhaltsauf­ wand nicht näher spezifiziert wird (Tschudi, Mängelrechte, S.  1  ff.; Gauch, Mängelhaftung, S. 189 ff.; Moskric/Urbach, Zulässigkeit, S. 1001 ff.; Higi, ZK, N  70 zu Art.  256 OR; Schnyder, Double-Net, S.  147  ff.; Biber, Rohbaumiete, Rz.  330  ff., S.  113  ff.; Urteil des Bundesgerichts 4A_606/2015 vom 19.  April 2015, in: MRA 1/17, S. 40 ff.; skeptisch im Lichte von Art. 256 OR: Giger, BK, N 64 ff. zu Art. 253 OR). In der Regel wird der Mietzins mittels einer Geld­ summe erbracht, kann aber auch in anderer Form, wie z.B. durch Dienstleis­ tungen, geleistet werden (u.U. liegt dann ein gemischter Vertrag vor, vgl. Higi, ZK, N 30 zu Art. 253 OR). Nicht nur die grundsätzliche Entgeltlichkeit, son­ dern auch die Höhe des Mietzinses gehört zu den Essentialia des Mietvertrags. Das Bundesgericht hat seine zuvor abweichende langjährige Praxis aufgege­ ben und entschieden, dass mangels einer Einigung über die Höhe des Miet­ zinses ein Mietvertrag nicht zustande komme. Demnach soll eine richterliche Vertragsergänzung nur noch für die Zeit der bereits erfolgten Nutzung mög­ lich sein. Ein Vertrag kommt für die Zukunft nur zustande, wenn der Miet­ zins bestimmt oder wenigstens objektiv bestimmbar ist (Urteil des Bundes­ gerichts 4C.11/2002, E. 5 vom 31. Januar 2003, in: MRA 5/03, S. 187 ff.; BGE 119 II 347; Weber, BSK, N 5 zu Art. 253 OR; Giavarini Marco, in: MRA 5/03, Beat Rohrer

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Art. 253

S. 190 f.; ferner Giger, BK, N 72 ff.). Praktische Bedeutung erlangt die Thematik im Zusammenhang mit den sogenannten unechten Optionen, bei denen sich der Vermieter für den Fall, dass der Mieter davon Gebrauch macht, vertrag­ lich eine Anpassung des Mietzinses vorbehält. Die durch die Ausübung einer Option als einseitig ausübbares Gestaltungsrecht eintretende Vertragsverlän­ gerung kann nur in Fällen eintreten, in denen bereits bei Abschluss des Miet­ vertrages eine Einigung über die Vertragsbedingungen für die Verlängerungs­ dauer getroffen worden ist. Der Unterschied zwischen echten oder unechten Optionen besteht nach der Praxis des Bundesgerichtes darin, dass sich die Par­ teien bei der echten Option bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in einer Weise über den für die Optionsdauer massgebenden Mietzins geeinigt haben, die diesen als «bestimmbar» erscheinen lässt. Muss dagegen der für die Optionsdauer massgebende Mietzins zuerst verhandelt werden und kann im Zuge dieser Verhandlungen keine Einigung erzielt werden, tritt die Verlänge­ rungswirkung der Option nicht ein (Urteil des Bundesgerichts 4C.152/2004 vom 9. Juli 2004, in: MRA 1/05, S. 28 ff.). Entscheidend für die Frage, ob der Mietzins als «bestimmbar» qualifiziert werden kann, ist nach Auffassung des Bundesgerichtes, ob das Kriterium für die Mietzinsfestlegung objektiv definiert wurde oder ob der Mietzins einseitig durch den Vermieter angepasst oder nach diesbezüglich zu führenden Verhandlungen festgelegt werden soll (Urteil des Bundesgerichts 4A_551/2008 vom 12. Mai 2009, in: MRA 4/10, S. 177 ff.). Das Kriterium, nach dem nach Auffassung der Parteien der Mietzins neu festge­ legt werden soll, ist für die Qualifikation «bestimmbar» nicht entscheidend, wie sich aus dem Vergleich der beiden erwähnten Urteile ergibt. In beiden Fäl­ len sollte der Mietzins für die Verlängerungsdauer an die orts- oder quartier­ üblichen Verhältnisse angepasst werden, also entsprechend einem grundsätz­ lich justiziablen Kriterium, wie es in der Missbrauchsgesetzgebung geregelt ist (Art. 269a Buchst. a OR). Dies allein genügte indessen für die Bestimmbarkeit des Mietzinses nach dem älteren der beiden Urteile nicht. Die fehlende Abrede über die Mietzinshöhe kann somit in den Fällen, in denen bei Ausübung der Option bezüglich der Konditionen noch kein Konsens besteht, für die Zukunft nicht durch eine richterliche Vertragsergänzung ersetzt werden, indem bei­ spielsweise einfach in einem Verfahren der für vergleichbare Objekte übliche Mietzins richterlich festgesetzt wird. Dies gilt erst recht, wenn die Parteien für den Fall, dass eine Einigung nicht zustande kommen sollte, keine entspre­ chende Ersatzlösung (z.B. Schiedsgutachten oder Schiedsgericht), sondern die Beendigung des Vertragsverhältnisses bei befristeten Verträgen oder eine all­ fällige Fortsetzung des Vertrags als unbefristetes, jederzeit kündbares Mietver­ hältnis vereinbart haben. Eine allfällige richterliche Mietzinsfestlegung hätte

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Art. 253

in diesen Fällen zur Folge, dass die Verlängerung der Vertragsbeziehung unab­ hängig von der dafür vorbehaltenen Einigung immer eintreten würde, was aber dem klaren Willen der Parteien widerspricht (a.M. Weber, BSK, N 6 zu Art. 253 OR, der aufgrund des Umstandes, dass der Anfangsmietzins auf dem Weg eines Anfechtungsverfahrens abweichend vom vertraglichen Konsens richter­ lich festgelegt werden kann, grundlegend infrage stellt, ob die Einigung über den Mietzins zum Kerngehalt des Vertrages gehört; MfdP/Wyttenbach, N 6.3).

2. Begründung Ein Mietvertrag kommt zustande, indem die Parteien gegenseitige überein- 6 stimmende Willenserklärungen abgeben, die sich auf die wesentlichen Ver­ tragselemente – die essentialia negotii – beziehen. Die Einigung muss sich also auf die konkret vermietete Sache und die dafür zu erbringende Gegenleistung beziehen (MfdP/Wyttenbach, N 6.3; Weber, BSK, N 7 zu Art. 253 OR mit Hin­ weis auf das Urteil des Bundesgerichts 4C.195/2005 vom 9. September 2005; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz.  302; Hulliger/Heinrich, CHK N 10 zu Art. 253 OR). Wird eine Sache benützt, ohne dass mit Bezug auf das zu entrichtende Entgelt ein Konsens besteht, wird in der Literatur von einem «faktischen» Mietverhältnis bzw. einem «mietvertragsähnlichen» Verhältnis gesprochen (Hulliger/Heinrich, CHK, N 10 zu Art. 253 OR; Giger, BK, N 75 ff. zu Art.  253 OR). Der fehlende Konsens betreffend die Höhe des Mietzinses kann auf dem Weg der Lückenfüllung nur für die bereits konsumierte Benüt­ zung richterlich festgelegt werden (BGE 119 II 347; Urteil des Bundesgerichts 4C.11/2002 vom 31. Januar 2003, in: MRA 5/03, S. 187 ff.; Blumer, Gebrauchs­ überlassungsverträge, Rz.  315). Die höchstrichterliche Rechtsprechung lehnt es ab, auf dem Weg der Lückenfüllung auch für die Zukunft einen Mietzins zu ermitteln und damit den fehlenden Konsens zu ersetzen (BGE 119 II 347; kri­ tisch: Giger, BK, N 78 zu Art. 253 OR; Weber, BSK N, 6 zu Art. 253 OR; Urteil des Bundesgerichts 4C.11/2002 vom 31. Januar 2003, in: MRA 5/03, S. 187 ff.). Die Parteien können während eines laufenden Mietverhältnisses über dieselbe 7 Sache (Wohn- oder Geschäftsräume) einen neuen Mietvertrag aushandeln und abschliessen. Sie können auch durch gegenseitige Übereinkunft nur den Mietzins abändern, ohne das Formular i.S.v. Art. 269d OR zu verwenden. Dies ergibt sich direkt aus der Vertragsfreiheit. Zu beachten ist allerdings, dass der Mieter die Verhandlungen über die Änderung der Vertragsbedingungen nicht unter vermieterseitigem Kündigungsdruck führen muss und dass er überdies um seine Anfechtungsrechte weiss, darauf aber bewusst verzichtet (vgl. N 19 f.

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Art. 253

zu Art. 269d OR). Weitergehend wird die Vertragsfreiheit der Parteien nicht eingeschränkt (Rohrer, Vertragsänderungen, S. 9 f.; Urteile des Bundesgerichts 4A_576/2008 vom 19. Februar 2009, in: MRA 2/10, S. 67 ff.; 4A_88/2013 vom 17. Juli 2013, in: MRA 4/13, S. 46 ff.; 4D_82/2015 vom 23. Mai 2016, E. 5.2; BGE 123 III 70, E. 3b, in: MRA 2/97, S. 72 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4A_198/2008 vom 7. Juli 2008, in: MRA 4/08, S. 151 ff.; BGE 128 III 419, E. 2.4.2, S. 425 ff., in: Pra 92, S. 39 ff.).

3. Form 8

Der Mietvertrag bedarf keiner besonderen Form. Mündliche Mietverträge sind gültig, sie können durch konkludentes Verhalten zustande kommen, wie z.B., wenn ein Hauseigentümer vorbehaltlos über längere Zeit, d.h. während mehreren Monaten, Zahlungen von einem vertragslosen Benutzer entgegen­ nimmt (Urteil des Bundesgerichts 4C.441/2004 vom 27. April 2005, E. 2.1; SJZ 87, S. 360).

9

Für die Ausübung gewisser Gestaltungsrechte des Vermieters (der Kündigung, vgl. Art. 2661 Abs. 2 OR, und der Mietzinserhöhung, vgl. Art. 269d OR) ist aber Schriftlichkeit auf einem besonderen Formular erforderlich, für die Kün­ digung des Mieters einfache Schriftlichkeit (Art.  2661 Abs.  1 OR). Gemäss Art. 270 Abs. 2 OR können die Kantone im Falle von Wohnungsmangel zudem die Verwendung eines Formulars i.S.v. Art. 269d beim Abschluss eines Woh­ nungsmietvertrags vorschreiben. Wird dieses Formular bei Vertragsabschluss jedoch trotz kantonalem Obligatorium nicht verwendet, so führt dies gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht zur Nichtigkeit des ganzen Vertrags. Obwohl die Mietzinsfestsetzung als wesentlicher Vertragsbestand­ teil nichtig ist, bleiben nach der Regel von Art. 20 Abs. 2 OR die übrigen ver­ traglichen Bestimmungen gültig. Der Mietzins wird durch den Richter nach der absoluten Methode und unter Berücksichtigung desjenigen des Vormie­ ters festgesetzt (Urteile des Bundesgerichts 4A_254/2016 vom 10.  Juli 2017, E. 3.1.2; 4A_398/2015 vom 19. Mai 2016, E. 3.2; BGE 140 III 583, E. 3.1; 121 III 56, E. 2c; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.2.5.4; BGE 120 II 341 und MRA 3/95, S. 146 ff.; vgl. N 38 ff. zu Art. 270 OR).

10

Beabsichtigen die Parteien, den Mietvertrag im Grundbuch vorzumerken (Art.  261b OR), muss lediglich die entsprechende Abrede im Mietver­ trag schriftlich getroffen werden (Art. 71 GBV). In der Praxis verlangen die Grundbuchämter durchwegs eine separate, durch den Vermieter unterschrie­ bene Anmeldung oder eine gesonderte Ermächtigung des Mieters für den 36

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Art. 253

Grundbucheintrag. Dieses Erfordernis ist aber rechtlich unbegründet, wenn der gesamte Mietvertrag samt Vormerkungsabrede in Schriftform abgeschlos­ sen wurde. Von erheblicher praktischer Bedeutung sind die von den verschiedenen auf 11 dem Vermietungssektor tätigen Verbänden (Hauseigentümerverband oder SVIT) oder grosser Immobilienverwaltungsunternehmen (Régies) aufgestell­ ten Formularverträge für Wohnungs- wie für Geschäftsmiete. Der weitaus überwiegende Teil der Mietverhältnisse wird in der Praxis unter Zuhilfenahme dieser vorformulierten Vertragsformulare begründet, allenfalls durch einen Vertragszusatz ergänzt. Diese vorformulierten Verträge fallen unter den Begriff der AGB (Jäggi, ZK, N 441 zu Art. 1 OR), für die die allgemeinen Beschrän­ kungen von Art. 8 UWG und von Art. 256 Abs. 2 Buchst. a OR gelten (vgl. Ron­ coroni, Rahmenmietverträge, S. 1 ff.).

4. Kategorien 4.1 Allgemeines Die Zuweisung einer Mietsache zu einer der gesetzlich vorgesehenen Katego­ 12 rien erfolgt in erster Linie durch den Parteiwillen und aufgrund der aus den Umständen vorgesehenen Nutzung, mangels einer Abrede nach deren Beschaf­ fenheit (Higi, ZK, N 22 zu Art. 253 OR). In den Grenzen der Vertragsfreiheit können die Parteien etwa bestimmen, dass Räumlichkeiten zu Wohnzwecken gemietet werden, obschon sie nach objektiven Kriterien hierfür nicht geeignet sind. Ebenso zulässig ist die Vermietung einer Wohnung als Büro. Unbedeu­ tend in solchen Fällen ist die auf dem Vertragsformular vorgedruckte Bezeich­ nung (Geschäftsmietvertrag oder Wohnungsmietvertrag). Entscheidend ist allein die von den Parteien vereinbarte Nutzung. Diese darf aber nicht wider­ rechtlich oder unmöglich sein oder gegen die guten Sitten verstossen (Art. 20 OR). Ausgeschlossen etwa ist die Vermietung einer nicht überbauten Fläche als Wohnraum (mangels eines «Raumes» unmöglich; zur Definition des Begriffes «Raum» vgl. N 3 zu Art. 253a OR). Zulässig ist dagegen die Vermietung einer Wohnung an eine Prostituierte zur Berufsausübung, wenn die Baugesetze eine hundertprozentige Wohnnutzung vorschreiben (es sei denn, die Bauvorschrif­ ten sehen die Nichtigkeit ausdrücklich vor, oder eine solche ergebe sich aus Sinn und Zweck der verletzten Norm). Zulässig ist schliesslich die Vermietung eines Hausbootes oder eines Mobilhome als Wohn- oder Geschäftsraum (ähn­ lich Higi, ZK, N 11 zu Art. 253a–253b OR).

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Art. 253 13

Die Zuweisung einer Mietsache unter eine der gesetzlichen Kategorien bestimmt die Anwendbarkeit der unterschiedlichen (Mindest-)Kündigungsfristen und -termine (Art. 266b–266f OR) sowie der Formvorschriften bei der Kündigung von Wohn- und Geschäftsräumen (Art. 2661–2660 OR). Ebenso richtet sich danach die Frage, ob die Schutzbestimmungen des zweiten und dritten Abschnittes des Achten Titels des Obligationenrechts zur Anwendung gelangen.

4.2

Wohnung und Familienwohnung

4.2.1 Wohnung 14

Für den Begriff der «Wohnung» kann auf die Definition des Wohnraums ver­ wiesen werden, wie er an anderen Stellen dieses Kommentars unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung umschrieben wird (N 24 ff. Vorbem. zu Art. 253– 273c OR; N 6 ff. zu Art. 253a OR). Einfamilienhäuser sind unter dem Wohn­ begriff zu subsumieren. Entsprechend der gesetzlichen Anordnung (Art. 266e OR) gilt ein möbliertes Einzelzimmer nicht als Wohnung (vgl. dazu N 21).

4.2.2 Familienwohnung 15

Der Begriff der Familienwohnung (vgl. dazu N 10 ff. zu Art. 266l–266o OR) entspricht zunächst demjenigen der Wohnung (N 14 mit Verweisen). Sodann charakterisiert sie sich durch die besondere Art der Nutzung, weil darin die Ehepartner ihren gemeinsamen Haushalt haben bzw. die Familie ihren Lebens­ mittelpunkt hat, mögen damit auch Geschäftsräume verbunden sein (Botsch. 1985, S. 1454; Hasenböhler, Familienwohnung, S. 226, m.w.H.; Weber, BSK, N 2 zu Art. 266m/266n OR). Eine Zweit- oder Ferienwohnung wird vom Begriff der Familienwohnung indessen nicht erfasst (MfdP/Püntener, N  4.4.4.4). Art. 266m OR gilt grundsätzlich auch während der Aufhebung des gemeinsa­ men Haushalts (Art. 175 ZGB), der gerichtlichen Trennung und während des Scheidungsprozesses, selbst wenn der im Vertrag als Mieter bezeichnete Ehe­ partner auszieht. Dieser Grundsatz gilt indessen nicht uneingeschränkt (MfdP/ Püntener, N 4.4.4.4). Von einer Familienwohnung kann nicht mehr gesprochen werden, wenn ein Ehepartner die eheliche Wohnung aus freiem Entschluss für unbestimmte Zeit verlässt (Hasenböhler, Familienwohnung, S.  223  f.) oder wenn sich beide Ehepartner darauf einigen, dass die Familienwohnung auf­ gegeben werden soll. Gleiches gilt, wenn die Ehepartner eine Vereinbarung treffen, wonach der eine Ehegatte die Familienwohnung nicht nur vorüberge­ hend verlässt, sondern sie dem anderen Ehegatten endgültig überlässt (BGE

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Beat Rohrer

Art. 253

136 III 257; 114 II 399). Der von Art. 169 ZGB und Art. 266m OR gewährte Schutz verliert somit überall dort seine Berechtigung, wo der eine Ehepartner die Familienwohnung verlassen hat oder verlassen muss und wo keine Aussicht mehr darauf besteht, dass sie in der vormaligen Familienwohnung das Zusam­ menleben wieder aufnehmen werden (BGE 114 II 400). Zieht z.B. ein Ehepart­ ner dauernd oder für mehrere Jahre ins Ausland, liegt keine Familienwohnung mehr vor. Dabei spielt es keine Rolle, ob der ausziehende Ehepartner vor, wäh­ rend oder auch ausserhalb eines Scheidungs- oder Trennungsverfahrens sei­ nen Wohnsitz ins Ausland verlegt. Für die Frage, ob Aussicht auf eine Rückkehr des einen Ehepartners in die ehemals eheliche Wohnung besteht, ist auf sämt­ liche Umstände des Einzelfalls abzustellen (vgl. dazu N 10 zu Art. 266l–266o OR). Für den Vermieter wird es vielfach unklar sein, ob eine Familienwoh­ nung nach wie vor besteht oder nicht. Es ist deshalb gut beraten, eine Kün­ digung bzw. eine Fristansetzung wegen Zahlungsverzugs nach Art. 257d OR im Zweifelsfall an beide Ehepartner getrennt zu versenden (vgl. zum Ganzen N 24 ff. zu Art. 2661–266o OR; Hasenböhler, Familienwohnung, S. 225 ff., ins­ besondere S. 234 f. und S. 244 f.). Eine Familienwohnung ist spätestens aufge­ löst, wenn der Richter im Rahmen eines Scheidungsverfahrens den Mietver­ trag einem Ehepartner allein überträgt (Art. 121 ZGB). Die Wohnung der «unvollständigen» Familie, also des/der Alleinerziehenden 16 und seiner/ihrer Kinder, gilt nicht als Familienwohnung im Sinne des Gesetzes. Das Gleiche gilt für die Wohnung des unverheirateten Paares mit oder ohne Kinder, weil in einer solchen Konstellation die gemietete Wohnung nicht Ehe­ gatten im Sinne des Gesetzes dient. Die Wohnung eines gleichgeschlechtlichen Paares, das ihre Beziehung gemäss 17 Partnerschaftsgesetz registriert hat, wird im Mietrecht gleich wie eine Familien­ wohnung behandelt (vgl. dazu N 68 ff. zu Art. 266l–266o OR).

4.3 Geschäftsraum Die einlässliche Definition des «Geschäftsraums» findet sich unter N 10 ff. zu 18 Art. 253a OR sowie N 25 ff. Vorbem. zu Art. 253–273c OR, worauf an dieser Stelle verwiesen werden kann.

4.4

Unbewegliche Sachen und Fahrnisbauten

Systematisch unbefriedigend wurde mit Art. 266b OR die Kategorie der «unbe­ 19 weglichen Sachen» eingeführt. Darunter sind vor allem Liegenschaften i.S.v.

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Art. 253

Art.  665 und 943 ZGB (Liegenschaften, selbständige und dauernde Rechte, Bergwerke, Miteigentumsanteile an Grundstücken) zu verstehen, die weder Wohn- und Geschäftsräume i.S.v. Art. 266c bzw. Art. 266d OR noch möblierte Zimmer, gesonderte Einstellplätze oder ähnliche Einrichtungen i.S.v. Art. 266e OR sind (Botsch. 1985, S. 1449). Möglich ist somit nur eine Definition als nega­ tive Umschreibung (Higi, ZK, N 6 zu Art. 266b OR, zur Bedeutung der Unter­ scheidung vgl. Higi, ZK, N 18 f. Vorbem. zu Art. 253–274g OR). Beispiele unbe­ weglicher Sachen sind: Lagerplätze, Gärten, Bastelräume, Versammlungslokale ideeller Vereine, Sportplätze. Nicht dazu gehören Stallungen (so aber Botsch. 1985, S.  1449; a.M. Weber, BSK, N  1 zu Art.  266b OR), da solche zwanglos als «Einstellplätze» i.S.v. Art. 266e OR betrachtet werden können (N 22). Die Grenzen zwischen einer «unbeweglichen Sache» und Objekten, die als «Ein­ stellplätze und ähnliche Einrichtungen» betrachtet werden können, kann im Einzelfall schwierig zu bestimmen sein. Da unter die Kategorie der «unbeweg­ lichen Sachen» nur fallen kann, was nicht zu den übrigen gesetzlichen Katego­ rien gehört, ist im Zweifel nicht auf eine «unbewegliche Sache» zu schliessen. 20

Das bis zum 1. Juli 1990 geltende Mietrecht kannte den Begriff der «unbeweg­ lichen Sache» nicht. Dies führte dazu, dass die Rechtsprechung den Begriff des Geschäftsraums extensiv interpretierte und darunter, vereinfacht gesagt, alles verstand, was nicht Wohnraum war (BGE 113 II 413; ZR 78 [1979] Nr. 132; N 71 zu Art. 253a OR). Die Lokalitäten, die rein ideellen Zwecken dienen, wur­ den gleich wie Geschäftsräume behandelt (BGE 113 II 406). Diese weite Aus­ legung lässt sich nach dem Wortlaut des neuen Mietrechts nicht mehr auf­ rechterhalten, hat doch der Gesetzgeber bei der Immobiliarmiete nunmehr eine klare Unterteilung in «Wohnungen», «Geschäftsräume» und «unbeweg­ liche Sachen» vorgenommen (zur Abgrenzung zu den Wohn- und Geschäfts­ räumen vgl. N 22 ff. Vorbem. zu Art. 253–273c OR; N 6 ff. zu Art. 253a OR).

21

«Fahrnisbauten» sind nach der Legaldefinition von Art. 677 Abs. 1 ZGB Hüt­ ten, Buden, Baracken und dergleichen, die ohne Absicht bleibender Verbin­ dung auf fremdem Boden stehen. Für die Unterscheidung zwischen Fahrnis­ bauten und anderen Objekten, auf welche die Bestimmungen über Wohn- oder Geschäftsräume anwendbar sind, ist somit massgebend, ob der Wille des Bau­ herrn im Zeitpunkt der Errichtung dahin ging, die Baute dauernd oder nur vor­ übergehend mit dem Boden zu verbinden (Meier-Hayoz, BK, N 7 zu Art. 677 ZGB). Diese Unterscheidung bereitet mitunter Schwierigkeiten, ist aber nicht von Belang, da sowohl für «unbewegliche Sachen» als auch für «Fahrnisbau­ ten» die gleichen Kündigungsfristen und -termine gelten. Die Gerichtspraxis betrachtet beispielsweise einen Kiosk und einen mobilen Standbau als Fahrnis­

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Art. 253

baute. Dagegen werden eine Pumpstation, eine aus vorgefertigten Elementen gebaute Fabrikhalle und eine nicht fest mit dem Boden verbundene, sondern auf vier Steinplatten stehende Scheune, als «unbewegliche Sache» qualifiziert (Botsch. 1985, S. 1449).

4.5

Möblierte Zimmer und Einstellplätze

Bei der Miete von «möblierten Zimmern» überlässt der Vermieter dem Mie­ 22 ter nebst Raum einige zum Wohnen unerlässliche Gebrauchsgegenstände wie Tisch, Bett, Stuhl, Schrank und dergleichen (Weber, BSK, N 1 zu Art. 266f OR; Higi, ZK, N 26 zu Art. 266e OR). Eine bessere Ausstattung (Fernseher, Wand­ schmuck, Klimaanlage) ändert an der Definition des «möblierten Zimmers» nichts. Möblierte Wohnungen hingegen gelten als Wohnräume i.S.v. Art. 266c OR (Higi, ZK, N 35 zu Art. 266c OR; Weber, BSK, N 1a zu Art. 266f OR). «Einstellplätze» sind Plätze oder Räume zum Einstellen von Fahrzeugen 23 (Garagen, Parkplätze), von Tieren (Stallungen, Pferdeboxen) oder von ande­ ren Gegenständen (Lager für Umzugsgut, Keller, soweit nicht zusammen mit Wohn- oder Geschäftsraum vermietet), sodann Plätze zum Aufstellen von Spiel­ automaten, Schaufensterkästen und dergleichen (Weber, BSK, N 2 zu Art. 266f OR; MfdP/Thanei, N  26.2.4; Botsch. 1985, S.  1450; zu den Abgrenzungspro­ blemen zwischen «Einstellplätze» und «unbewegliche Sache» vgl. N 18). Die­ nen etwa Stallungen indessen nach dem Parteiwillen oder nach den Umstän­ den der Ausübung eines Gewerbes, wie z.B. beim Betrieb einer Reitschule, so liegt Geschäftsraummiete vor.

4.6

Bewegliche Sachen und Konsumgüter

«Bewegliche Sachen» sind solche, die nicht mit dem Boden fest verbunden sind und daher ihre räumliche Lage beliebig ändern können. Nicht dazu gehören Räume, Grundstücke, Fahrnisbauten und unbewegliche Sachen i.S.v. Art. 266b OR.

24

Unter «Konsumgut» ist eine besondere Kategorie von beweglichen Sachen zu 25 verstehen, die von Vermietern im Rahmen des von ihnen betriebenen Gewer­ bes an Personen für deren privaten Gebrauch vermietet wurden. Dazu gehö­ ren Automobile, Fernsehapparate, Stereoanlagen, Haushaltsgeräte, Computer usw. (Botsch. 1985, S. 1453: «Mietverträge über bewegliche Sachen, die einem Abzahlungskauf nahekommen»; vgl. N 2 zu Art. 266k OR). Dieselben Sachen

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41

Art. 253

gehören zur Kategorie der «beweglichen Sachen», wenn sie nicht im Rahmen des vom Vermieter betriebenen Gewerbes oder dem Mieter nicht zu privaten, sondern z.B. zu beruflichen Zwecken vermietet wurden (N 3 zu Art. 266k OR).

42

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Art. 253a II. Geltungsbereich 1.

Wohn- und Geschäftsräume

1 Die

Bestimmungen über die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen gelten auch für Sachen, die der Vermieter zusammen mit diesen Räumen dem Mieter zum Gebrauch überlässt. 2 Sie

gelten nicht für Ferienwohnungen, die für höchstens drei Monate gemietet werden.

3 Der

Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften.

II.

Champ d’application

1.

Dispositions concernant les baux d’habitations et de locaux commerciaux

1 Les

dispositions concernant les baux d’habitations et de locaux commerciaux s’ap­ pliquent aussi aux choses dont l’usage est cédé avec ces habitations ou locaux commer­ ciaux.

2 Elles

moins. 3 Le

ne sont pas applicables aux appartements de vacances loués pour trois mois ou

Conseil fédéral édicte les dispositions d’exécution.

II.

Campo d’applicazione

1.

Disposizioni sulla locazione di locali d’abitazione e commerciali

1 Le

disposizioni concernenti la locazione di locali d’abitazione e commerciale si appli­ cano parimenti alle cose concesse in uso con questi locali.

2 Dette

simo.

3 Il

disposizioni non si applicano alle abitazioni di vacanza locate per tre mesi al mas­

Consiglio federale emana le prescrizioni esecutive.

Bea

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Art. 253a

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

45

2. Begriffe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Wohnräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Geschäftsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Mitvermietete Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

45 45 46 48 50

3. Verordnungskompetenz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 253a

1. Vorbemerkungen Die Bestimmungen, die im zweiten (Art. 269–270e OR) und dritten Abschnitt 1 (Art.  271–273c OR) enthalten sind, gelten ausschliesslich für die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen. Auch im ersten Abschnitt finden sich zahlrei­ che Normen für diese Kategorie von Mietobjekten. Eine Definition von «Wohnund Geschäftsräumen» hingegen fehlt im Gesetz. Folgende zwei Begriffe sind demzufolge nachstehend näher darzustellen: –– Wohnräume (vgl. dazu N 6, ferner N 24 Vorbem. zu Art. 253–273c OR) –– Geschäftsräume (vgl. dazu N 10 ff., ferner N 25 ff. Vorbem. zu Art. 253– 273c OR) Art.  253a OR dehnt ferner einerseits den Geltungsbereich der Bestimmun­ 2 gen über Wohn- und Geschäftsräume aus, indem Sachen, die mit Wohn- und Geschäftsräumen zur Nutzung überlassen werden, diesen besonderen Bestim­ mungen unterstellt werden (vgl. dazu N 11). Andererseits schränkt er ihn auch ausdrücklich ein, indem deren Anwendung auf Ferienwohnungen (die für max. drei Monate gemietet werden) ausgeschlossen wird (vgl. dazu N 6).

2. Begriffe 2.1 Allgemeines Unter dem Begriff «Raum» ist zunächst eine horizontal und vertikal abge- 3 schlossene Einheit zu verstehen; es kann sich dabei um Einzelräume wie auch um eine Mehrzahl von Räumen handeln. Er muss zudem auf eine gewisse Dauer angelegt sein, d.h. sich in einem Haus befinden (BGE 124 III 108, in: MRA 3/98; Dietschy, CPra, N 6 zu Art. 253a OR; Giger, BK, N 19 zu Art. 253a OR; Higi, ZK, N  8 und 22 zu Art.  253a–253b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 253 OR). Standplätze, die zum Abstellen eines Wohnwagens, z.B. an Fahrende, vermietet werden, erfüllen die Voraussetzungen an einen Raum nicht, weshalb die Bestimmungen für Wohn- und Geschäftsräume nicht zur Anwendung gelangen (Urteile des Bundesgerichts 4A_109/2015 vom 23. Sep­ tember 2015; 4C.128/2006 vom 12.  Juni 2006; vgl. dazu auch das Urteil 4C.293/2001 vom 11.  Dezember 2001, in: MRA 1/04, S.  35  ff.; Weber, BSK, N 4 zu Art. 253a–253b OR; MfdP/Püntener, N 4.4.3.2). Nicht massgebend ist die Grösse oder die Ausstattung des Raums. Er kann möbliert, unmöbliert oder teilweise möbliert sein. In der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wird der Begriff «Raum» weit ausgelegt. Baulichen Anlagen mit dreidimensionalen Beat Rohrer

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Art. 253a

Ausdehnungen wird Raumqualität zuerkannt, auch wenn sie nicht nach allen Seiten abgeschlossen sind. Entsprechend wurde einer Autowaschanlage Raum­ eigenschaft zugestanden (BGE 124 III 111, E. 2c, in: MRA 3/98, S. 88 ff.). Auch die Miete einer Teilfläche eines Raums, wie z.B. bei der Stuhlmiete in einem Coiffeursalon (ZMP 2005, Nr. 19; Weber, BSK, N 4 und 11 zu Art. 253a–253b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 1; a.M. Giger, BK, N 19 zu Art. 253a OR) oder bei der Shop-in-Shop-Miete, ist als Raummiete zu bezeichnen. 4

Unüberbaute Flächen, bloss ebenerdige Anlagen, Mauern oder Abschrankun­ gen ohne raumbegrenzende Funktion sind von der Definition als «Raum» aus­ geschlossen (BGE 124 III 108, E. 2b, in: MRA 3/98, S. 88 ff.). Keine Raumqua­ lität liegt vor bei einem Abstellplatz in einer Tiefgarage (BGE 110 II 51; Giger, BK, N 21 zu Art. 253a OR), einem unbebauten Grundstück, das zur Erstellung einer Fahrnisbaute (Urteil des Bundesgerichts 4C.293/2001 vom 11. Dezem­ ber 2001, E. 4c, in: MRA 1/04, S. 35) oder einer Mobiltelefonfunkantennenan­ lage (Urteil des Bundesgerichts 4C.345/2005 vom 9. Januar 2006, E. 1.3) gemie­ tet wurde.

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Ob ein Mietvertrag für einen Wohn- oder für einen Geschäftsraum vorliegt, entscheidet sich weder an der baulichen Ausgestaltung dieser Räume noch daran, wie der Mieter die betreffenden Räume tatsächlich nutzt. Entscheidend ist allein, welche Nutzung vertraglich vereinbart worden ist. Zur Vermeidung von Auslegungsproblemen empfiehlt sich, die vereinbarte Nutzung als Wohnoder Geschäftsraum klar im Mietvertrag zu definieren.

2.2 Wohnräume 2.2.1 Allgemeines 6

Unter den Begriff der Wohnräume fallen alle Räume, die nach ihrem vertrag­ lich vereinbarten Zweck dem Wohnen dienen sollen, die also dem dauernden Aufenthalt von Personen geeignet sind und zum Zweck des Wohnens vermie­ tetet wurden (N 24 Vorbem. zu Art. 253–273c OR; Giger, BK, N 23 zu Art. 253a OR; Weber, BSK, N 4 zu Art. 253a–253b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art.  253a OR). Sie müssen eine minimale Ausstattung wie eine Schlaf- und Kochstelle und sanitäre Einrichtungen aufweisen und über eine Beheizung und eine Stromversorgung verfügen. Eine Alleinbenutzung von Koch- und Wasch­ einrichtungen ist aber nicht zwingend notwendig. Möblierte oder unmöblierte Einzelzimmer sind somit auch als Wohnraum zu qualifizieren (Hulliger/Hein­ rich, CHK, N 2 zu Art. 253a OR). Nicht erforderlich für die Begriffsdefinition ist, ob eine Verpflichtung oder auch nur die einseitige Absicht des Mieters, 46

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Art. 253a

sich dauernd in der Wohnung aufzuhalten, vereinbart worden ist. Es genügt, dass sich das Mietobjekt objektiv für einen dauernden Aufenthalt eignet. So handelt es sich auch bei für unbestimmte Dauer vermieteten Ferienwohnun­ gen, die vom Mieter nur sporadisch oder auch für längere Zeit nicht benützt werden, um Wohnräume (Giger, BK, N 24 zu Art. 253a OR, vgl. aber die Aus­ nahmebestimmung von Art. 253a Abs. 2 OR). Ein an einen Studenten vermie­ tetes möbliertes Zimmer stellt einen Wohnraum dar, auch wenn der Student sich Kochgelegenheit und Benützung der Nasszellen mit anderen teilen muss (Giger, BK, N 24 zu Art. 253a OR). Ein solches Mietobjekt untersteht somit trotz der verkürzten Kündigungsfrist gemäss Art. 266e OR den Schutzbestim­ mungen, die für Wohn- und Geschäftsräume gelten. Für die Qualifizierung eines vermieteten Raumes als Wohnraum ist ausschliess­ 7 lich auf den Parteiwillen abzustellen und nicht auf den tatsächlich durch den Mieter praktizierten Gebrauch (Weber, BSK, N 4 zu Art. 253a–253b OR; Hulli­ ger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 253a OR; grundsätzlich gl.M. mit Präzisierun­ gen: Giger, BK, N 23/24 zu Art. 253a OR; a.M. Higi, ZK, N 17 zu Art. 253a–253b OR, wonach ein regelmässiger Aufenthalt und das Aufbewahren von Effekten für die Qualifikation als Wohnraum erforderlich sein soll). Eine Küche, die an einen Hobbykochklub vermietet wurde, stellt keinen Wohnraum dar und untersteht nicht den Schutzbestimmungen für Wohnungen, da mit Bezug auf die vereinbarte Nutzung wesentliche Elemente des Wohnbegriffs fehlen. Auch Fahrnisbauten, die grundsätzlich zum Wohnen geeignet sind, stellen keinen Wohnraum dar, wenn das Grundstück, auf dem sie errichtet wurden, vermie­ tet wurde (N 4; Urteil des Bundesgerichts 4C.293 2001vom 11. Dezember 2001, E. 4c, in: MRA 1/04, S. 35 ff.; Weber, BSK, N 4 zu Art. 253a–253b OR).

2.2.2 Ferienwohnungen Unter dem Begriff der Ferienwohnungen sind Wohnräume zu verstehen, bei 8 denen ein besonderer Gebrauchszweck, nämlich vorübergehender Aufent­ halt zu Ferienzwecken, vereinbart worden ist. Massgebend zur Abgrenzung vom gewöhnlichen Wohnraum ist der Parteiwille und nicht die Beschaffenheit des Objekts (Higi, ZK, N 44 ff. zu Art. 253a–253b OR). Die Schutzbestimmungen sind nicht anwendbar auf Mietverträge für Feri­ 9 enwohnungen, die von einem bestimmten Mieter für längstens drei Monate gemietet werden. Wird eine Ferienwohnung oder ein Ferienhaus aber einem Mieter ohne zeitliche Beschränkung, also unbefristet als Ferienresidenz ver­ mietet, so untersteht dieser Mietvertrag den Schutzbestimmungen, die für Wohn- und Geschäftsräume gelten (Botsch. 1985, S.  1482; Weber, BSK, N  5 Beat Rohrer

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zu Art. 253a OR; kritisch: zur Grenze von drei Monaten: Giger, BK, N 27 zu Art. 253a OR). Massgebend zur Bestimmung der dreimonatigen Mietdauer ist die vereinbarte Mietdauer und erst in zweiter Linie die ununterbrochene tat­ sächliche Nutzung. Keine dreimonatige Mietdauer liegt dann vor, wenn das­ selbe Mietobjekt mehrmals, mit Unterbrüchen, vermietet wird (Higi, ZK, N 46 zu Art. 253a–253b OR; zu in unlauterer Umgehungsabsicht vereinbarten Kettenmietverträgen Giger, BK, N 28 zu Art. 253a OR).

2.3 Geschäftsräume 10

Wie bei den Wohnräumen handelt es sich bei den Geschäftsräumen um eine auf Dauer angelegte, horizontal und vertikal abgeschlossene Einheit (vgl. dazu oben, N 3). Unbebaute Grundstücke stellen daher nie Räume dar, auch wenn sie zu kommerziellen Zwecken vermietet wurden (N 25 ff. Vorbem. zu Art. 253–273c OR, m.w.H. auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung).

11

Das Gesetz definiert den Begriff des «Geschäftsraums» nicht. Diesbezüglich hat die Botschaft Klarheit geschaffen: «Als Geschäftsräume gelten die Räum­ lichkeiten, die dem Betrieb eines Gewerbes oder der Ausübung einer beruf­ lichen Tätigkeit dienen (Büros, Werkstätten, Magazine und Lagerräume)» (Botsch. 1985, S. 1421; Giger, BK, N 33 zu Art. 253a OR). Damit wurde jeder Raum erfasst, in dem eine wirtschaftliche Tätigkeit im weitesten Sinne ausgeübt wird und der spezifisch zu diesem Zweck vermietet worden ist (Handel, Fabrikation, Gewerbe, Dienstleistungen, künstlerische und wissenschaftliche Tätigkeiten usw.; Giger, BK, N 33 zu Art. 253a OR). Aufgrund des Schutzge­ dankens des zweiten und dritten Abschnitts ist es unerheblich, ob es sich um haupt- oder nebenberufliche Tätigkeiten handelt. Die Geschäftstätigkeit muss nicht gewinnbringend, aber zumindest erwerbsorientiert sein (MfdP/Pünte­ ner, N 4.4.5.2; Higi, ZK, N 31 zu Art. 253a–253b OR).

12

Mit dieser klaren Definition des Begriffes «Geschäftsraum» hat der Gesetzge­ ber eine im alten Recht bestehende Unsicherheit beseitigen wollen. Entgegen der altrechtlichen Definition des Zürcher Obergerichts (ZR 78 [1979] Nr. 132), wonach jeder Raum als Geschäftsraum zu qualifizieren sei, wenn er nicht Wohnzwecken diene und nicht unter die Ausnahmebestimmungen von Art. 4 VMM falle, lässt gemäss bundesrätlicher Botschaft das Recht nun zu, dass neben Wohn- und Geschäftsräumen auch «übrige Räumlichkeiten» existieren, die Gegenstand eines Mietvertrags sein können. Auch die bundesgerichtliche Auslegung des Begriffes Wohn- und Geschäftsräume (BGE 113 II 412, in: mp 2/88, S. 47 ff.) ist – wie das Bundesgericht schon in diesem Entscheid erkannt

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Art. 253a

hat  – im neuen Recht aufgrund der klaren neurechtlichen Begriffsumschrei­ bung in der Botschaft nicht mehr haltbar (Higi, ZK, N 27 f. zu Art. 253a–253b OR). Trotz der vom Gesetzgeber akzeptierten Klarstellung mit Bezug auf den 13 Begriff «Geschäftsräume» hat die neuere Rechtsprechung diese altrechtliche Definition des «Geschäftsraumes» beibehalten, wohl um die unvermeidlichen Abgrenzungsfragen zu umgehen. Demnach hält das Bundesgericht an der Auf­ fassung fest, wonach «jeder Raum, der tatsächlich dazu beiträgt, dass der Mie­ ter seine Persönlichkeit in privater oder wirtschaftlicher Hinsicht entfalten kann», Geschäftsraum ist (vgl. BGE 118 II 42). Unter diese weit gefasste Defi­ nition fallen daher auch Tätigkeiten, die weit von einem kommerziellen Inte­ resse entfernt sind, wie es die Botschaft noch als massgebend erachtete, z.B. die Verfolgung von religiösen, künstlerischen, politischen, wissenschaftlichen, sportlichen oder sogar geselligen Zwecken. Diese Auslegung geht zu weit, da die vom Gesetzgeber klar gewollte Unterscheidung von «Geschäftsraum» und «übrige Räumlichkeiten» durch diese Rechtsprechung obsolet wird. Auch die Abgrenzung von «Geschäftsraum» zum «Wohnraum» verwischt sich, da auch Wohnräume dazu benutzt werden, um «sich in seiner Persönlichkeit zu entfal­ ten» (Higi, ZK, N 29 zu Art. 253a–253b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art.  253a OR; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz.  147, S.  49  f., kri­ tisch zur Rechtsprechung insbesondere Giger, BSK, N 33 zu Art. 253a OR; a.M. Weber, BSK, N 12 zu Art. 253a OR). Das Bundesgericht hat diese Praxis ansatz­ weise korrigiert und festgehalten, dass Hobbyräume, die zur reinen Freizeitge­ staltung benutzt werden, nicht als Geschäftsräume qualifiziert werden können (Urteil des Bundesgerichts 4C.425/1994 vom 6. Februar 1995; ZBJV 131/1995, S. 418 f. und Kritik Higi, ZK, N 30 ff. Vorbem. zu Art. 271–273c OR, vgl. auch Maag Andreas, in: MRA 3/98, S. 90 f.). Dienen Versammlungs- und Vereinslo­ kale, Klubhäuser usw. nur ideellen Zwecken und wird darin kein nach kaufmännischen Grundsätzen geführter Betrieb unterhalten (Führung eines Res­ taurantbetriebs oder eines Sekretariats) liegt keine Geschäftsraummiete vor (Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 253a OR). Keine Rolle spielt es, ob eine Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich ausgeübt wird. Haben die Parteien ausdrücklich vereinbart, dass die Mietsache gemischt, 14 also als Wohn- und Geschäftslokalitäten verwendet werden darf, so ist mit Bezug auf die Frage, welche von Gesetz für Wohn- und Geschäftsräume unter­ schiedlich geregelten Bestimmungen anwendbar sind, auf den überwiegenden Gebrauchszweck der Mietsache abzustellen (Urteile des Bundesgerichts 4A_662/2012 vom 7. Februar 2013; 4C.43/2001 vom 20. Juni 2001, E. 3c/aa f.,

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in: MRA 2/02, S. 74 ff.; Higi, ZK, N 37 Vorbem. zu Art. 271–273c OR; Giger, BK, N 34 zu Art. 253a OR; Weber, BSK, N 14 zu Art. 253a–253b OR).

2.4

Mitvermietete Sachen

15

Art. 253a Abs. 1 OR erklärt die Bestimmungen für Wohn- und Geschäftsräume auch für Sachen anwendbar, die der Vermieter dem Mieter zusammen mit die­ sen Räumen zum Gebrauch überlässt. Diese Sachen bilden als Nebensachen mit der Hauptsache (dem Wohn- und Geschäftsraum) den einheitlichen Gegen­ stand eines Mietvertrags und teilen zusammen mit dieser das gleiche rechtliche Schicksal. In Art. 1 VMWG werden als solche Objekte namentlich – aber nicht abschliessend  – aufgezählt: Mobilien, Garagen, Autoein- und Abstellplätze sowie Gärten. In Lehre und Rechtsprechung werden als weitere mitvermietete Sachen Estriche, Keller, Lagerräume, Bastelräume, Schaukästen, Bootsanlege­ plätze und Gartenhäuschen erwähnt (Giger, BK, N 35 zu Art. 253a OR; MfdP/ Püntener, N  4.4.7). Auch Wohnräume, die zusammen mit Geschäftsräumen überlassen werden, können Nebensachen i.S.v. Art. 253a Abs. 1 OR sein, womit auch für sie die gesetzlichen Bestimmungen über Geschäftsräume anwendbar sind (Urteil des Bundesgerichts 4C.43/2001 vom 20. Juni 2001, E. 3c/aa f., in: MRA 2/02, S. 74 ff.).

16

Zwischen den überlassenen Räumen und den übrigen überlassenen Sachen muss ein besonderer Zusammenhang bestehen. In erster Linie muss zunächst ein persönlicher Zusammenhang gegeben sein, d.h., die Nebensache muss vom gleichen Vermieter dem gleichen Mieter überlassen worden sein. Zudem muss auch ein Zusammenhang in sachlicher Hinsicht gegeben sein. Das Bundesgericht nimmt einen solchen Zusammenhang an, wenn die Nebensa­ che der Hauptsache funktionell dient und nur wegen des über diese geschlos­ senen Mietvertrags zum Gebrauch überlassen bzw. in Gebrauch genommen wird (zur Identität der Parteien als Voraussetzung: Urteil des Bundesgerichts 4A_283/2013 vom 20. August 2013, E. 4.1; ferner BGE 125 III 233, E. 2a, in: MRA 4/99, S.136 ff.; Higi, ZK, N 51 ff. zu Art. 253a–253b OR; MfdP/Pünte­ ner, N 4.4.7).

17

Keine Rolle spielt das zeitliche Element: So kann eine Nebensache zu Beginn des Vertrags oder auch erst später durch Vertragsänderung als Teil der Haupt­ sache bezeichnet werden. Irrelevant ist es auch, zu welchem Zeitpunkt die Nebensache zum Gebrauch überlassen wird, ob vor, zusammen oder nach der Hauptsache. Auch der Anzahl der geschlossenen Verträge kommt keine entscheidende Bedeutung zu (BGE 125 III 233, E. 2a, in: MRA 4/99, S.136 ff.;

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Art. 253a

Giger, BK, N 35 zu Art. 253a OR; MfdP/Püntener, N 4.4.7; Blumer, Gebrauchs­ überlassungsverträge, Rz. 149, S. 50; Botsch. 1985, S. 1421; Higi, ZK, N 12 f. zu Art. 253a–253b OR). Sind die Voraussetzungen des Art. 253a OR erfüllt, ist zu unterscheiden, ob ein 18 einheitliches oder ein zusammenhängendes Mietverhältnis vorliegt, was auf­ grund des Parteiwillens beurteilt werden muss. Dieser Wille kann aus dem Vertrag oder den Verträgen hervorgehen, aber auch, dass über Haupt- und Nebensache nur ein einziger Vertrag abgeschlossen worden ist oder wenn fest­ steht, dass die eine Sache ohne die andere nicht gemietet worden wäre. Beim einheitlichen Mietverhältnis teilen die Haupt- und Nebensache das 19 gleiche rechtliche Schicksal, eine Kündigung der Nebensache alleine ist nicht zulässig, da es sich um eine nichtige Teilkündigung handeln würde (Urteil des Bundesgerichts 4A_283/2013 vom 20. August 2013, wo in E. 4.5 betont wird, dass dies voraussetzt, dass nach dem Willen bzw. den Interessen der Parteien die separat abgeschlossenen Verträge ein untrennbares Ganzes hätten bilden sollen; MfdP/Püntener, N  4.4.7). Will der Vermieter dem Mieter die Neben­ sache entziehen, so muss er nach den Bestimmungen über die einseitige Ver­ tragsänderung von Art. 269d OR vorgehen (mp 3/07, S. 174 f.). Bestehen separate Verträge und sind sie insbesondere zu verschiedenen Zei­ 20 ten abgeschlossen worden, so ist eher von einem zusammenhängenden oder gekoppelten Mietverhältnis auszugehen, bei dem die einzelnen Verträge ein eigenes rechtliches Schicksal haben, separat beendet werden und deren Miet­ zinse einzeln angepasst werden können. Das Bundesgericht hat dies im weglei­ tenden Urteil 4A_283/2013 vom 20. August 2013 in E. 4.4.1 wie folgt begrün­ det: «Selbst wenn dem Mieter eine Sache zusammen mit Wohn- und Geschäftsräumen zum Gebrauch überlassen wird und Art. 253a Abs. 1 OR zur Anwendung kommt, bedeutet dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht zwingend, dass ein einheitli­ ches, gesamthaftes Vertragsverhältnis vorliegt, in dem die Kündigung der separat ver­ mieteten Nebensache unzulässig wäre. So erachtete das Bundesgericht mit Blick auf die konkreten Interessen der beteiligten Parteien die Kündigung von in separaten Ver­ trägen vermieteten Autoabstellplätzen, die dem Mieter im Sinne von Art. 253a Abs. 1 OR mitvermietet waren, für statthaft (BGE 137 III 123, E. 2.1; 125 III 231, E. 3d). Die an dieser Rechtsprechung geübte Kritik (Roger Weber, [BSK], N. 15 zu Art. 253a–253b OR; vgl. auch David Lachat, Le bail à loyer, 2008, S. 642 Kap. 25 Rz. 9.2, Fn. 100; Higi, [ZK], N. 57 zu Art. 253a–253b OR) berücksichtigt nicht hinreichend, dass der Mieter, gerade wenn separate Verträge geschlossen wurden, oft an der Benutzung der Haupt­ sache auch ohne Überlassung der Nebensache ein Interesse hat. Diesem dient es, wenn

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Art. 253a

der Vermieter, der dem Mieter die Nebensache nicht mehr zum Gebrauch überlassen will, deswegen nicht das über die Hauptsache bestehende Mietverhältnis kündigen und den diesbezüglichen Vertrag mit einer anderen Mietpartei abschliessen muss.»

3. Verordnungskompetenz 21

Art. 253a Abs. 3 OR ermächtigt den Bundesrat zum Erlass von Ausführungs­ vorschriften. Gestützt darauf wurde unter Zeitdruck und ohne jegliches Ver­ nehmlassungsverfahren die Verordnung über die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG) erlassen. Der Umfang der Verordnungskompe­ tenz des Bundesrates war gleich bei Erlass der VMWG (siehe Anhang) hef­ tig umstritten. Gemäss der systematischen Stellung des Art. 253a Abs. 3 OR bezieht sich die Verordnungskompetenz nur auf die Ausführungsregelung des Geltungsbereichs des Mietvertrags und nicht auf die umfassende Regelung des VMWG (Zihlmann, Mietrecht, N  3 und 16 zu Art.  253b OR; Higi, ZK, N  5 zu Art.  253a–253b OR). Das Bundesgericht hat jedoch in der Zwischenzeit die umfassende bundesrätliche Verordnungskompetenz bestätigt (Urteil des Bundesgerichts 4C.85/2002 vom 10. Juni 2002, E. 2b).

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Art. 253b 2.

Bestimmungen über den Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen

1 Die

Bestimmungen über den Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen (Art.  269  ff.) gelten sinngemäss für nichtlandwirtschaftliche Pacht und andere Verträge, die im wesentlichen die Überlassung von Wohn- oder Geschäftsräumen gegen Entgelt regeln. 2 Sie

gelten nicht für die Miete von luxuriösen Wohnungen und Einfamilienhäusern mit sechs oder mehr Wohnräumen (ohne Anrechnung der Küche). 3 Die

Bestimmungen über die Anfechtung missbräuchlicher Mietzinse gelten nicht für Wohnräume, deren Bereitstellung von der öffentlichen Hand gefördert wurde und deren Mietzinse durch eine Behörde kontrolliert werden.

2.

Dispositions concernant la protection contre les loyers abusifs

1 Les

dispositions sur la protection contre les loyers abusifs (Art. 269 ss) s’appliquent par analogie aux baux à ferme non agricoles et aux autres contrats qui visent principalement la cession à titre onéreux de l’usage d’habitations ou de locaux commerciaux.

2 Elles

ne s’appliquent pas aux baux d’appartements et de maisons familiales de luxe com­ prenant six pièces ou plus (cuisine non comprise).

3 Les

dispositions relatives à la contestation des loyers abusifs ne s’appliquent pas aux locaux d’habitation en faveur desquels des mesures d’encouragement ont été prises par les pouvoirs publics et dont le loyer est soumis au contrôle d’une autorité.

2.

Disposizioni sulla protezione da pigioni abusive

1 Le

disposizioni sulla protezione dalle pigioni abusive (Art. 269 segg.) sono applicabili per analogia agli affitti non agricoli e ad altri rapporti contrattuali il cui contenuto essen­ ziale risieda nella concessione rimunerata di locali d’abitazione o commerciali.

2 Esse

non sono applicabili alle locazioni di appartamenti e case unifamiliari di lusso che comprendono 6 o più locali (cucina non compresa). 3 Le disposizioni sulla contestazione delle pigioni abusive non si applicano ai locali d’abi­ tazione in favore dei quali sono state prese misure di incoraggiamento da parte dei poteri pubblici e le cui pigioni sono sottoposte al controllo di un’autorità.

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Art. 253b

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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2.

Gebrauchsüberlassung von Wohn- oder Geschäftsräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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3.

Nichtlandwirtschaftliche Pacht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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4. Luxusobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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5. Öffentlich-rechtlich geförderte und kontrollierte Wohnräume . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.2 Förderung der Bereitstellung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.3 Behördliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.4 Kein vollständiger Ausschluss der Missbrauchsbestimmungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

61 61 61 62 62

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1. Vorbemerkungen Dem Ausschluss der Anwendbarkeit der Missbrauchsgesetzgebung für zwei 1 bestimmte Kategorien von Mietobjekten, nämlich luxuriösen Wohnungen und Einfamilienhäusern einerseits und von Wohnräumen, deren Bereitstel­ lung durch die öffentliche Hand gefördert wurde anderseits, liegen verschie­ dene Überlegungen zugrunde: Mit Bezug auf luxuriöse Wohnungen und Ein­ familienhäuser geht der Gesetzgeber davon aus, dass Mieter entsprechender Objekte eines die Vertragsfreiheit beschränkenden Sozialschutzes nicht bedürfen. Als schutzbedürftig wird nur derjenige Mieter betrachtet, der inner­ halb gewisser Sachzwänge, bedingt durch Einkommen, Raumbedarf und einen nicht beliebig wählbaren Standort seiner Wohnung in der Entscheidungsfrei­ heit beeinträchtigt ist. Dieser Mieter ist davor zu schützen, dass ein Vermieter die dadurch geschaffene Abhängigkeit auf missbräuchliche Weise zu seinem finanziellen Vorteil ausnützt. Wer sich anderseits luxuriösen Wohnraum leis­ ten kann, unterliegt solchen Sachzwängen nicht. Die Anwendung der Missbrauchsbestimmungen auf Wohnräume, deren 2 Bereitstellung durch die öffentliche Hand gefördert wurde und deren Miet­ zinse durch eine Behörde kontrolliert werden, ist deshalb ausgeschlossen, weil nicht zwei verschiedene staatliche Behörden die gleiche Rechtsfrage, näm­ lich die korrekte Anwendung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften betref­ fend Mietzinsgestaltung in subventionierten Mietobjekten, überprüfen sollen. Art. 253b OR grenzt somit die Kompetenzen ab: Soweit nämlich die öffentli­ che Hand finanzielle Vorteile bei Erstellung von Wohnraum gewährt, geschieht dies auf der Basis hierfür speziell vorgesehener Gesetzesgrundlagen (z.B. des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes vom 4. Oktober 1974, SR 843). In den entsprechenden Regelungen sind auch die Grundsätze für die Miet­ zinsgestaltung und meist auch damit im Zusammenhang stehende Rechtsbe­ helfe zugunsten der Mieter im Hinblick auf die Überprüfung der korrekten Anwendung dieser Grundsätze geregelt. Damit ist bereits sichergestellt, dass die Mietzinsgestaltung im Hinblick auf die Konformität mit den einschlägi­ gen Gesetzesbestimmungen durch eine Behörde überprüft wird; mangels einer weitergehenden Schutzbedürftigkeit steht den betroffenen Mietern aus­ schliesslich der durch die einschlägige Gesetzgebung gewährte Rechtsschutz zur Verfügung.

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2. 3

Gebrauchsüberlassung von Wohn- oder Geschäftsräumen

Die Bestimmung, wonach die Vorschriften betreffend den Schutz vor miss­ bräuchlichen Mietzinsen  – ausserhalb der nichtlandwirtschaftlichen Pacht  – sinngemäss auch für andere Verträge anwendbar sind, die im Wesentlichen die Gebrauchsüberlassung von Wohn- oder Geschäftsräumen zum Gegen­ stand haben, nimmt Bezug auf sogenannte gemischte Verträge, die neben mietvertraglichen Elementen auch Elemente anderer Vertragsarten enthalten (vgl. dazu auch N  41  ff. Vorbem. zu Art.  253–273c OR). Mit Bezug auf die Anwendbarkeit der Bestimmungen von Art. 269 ff. OR betreffend den Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen ist die Bedeutung des mietrechtlichen Ele­ mentes innerhalb des gesamten zur Diskussion stehenden Vertragsverhältnis­ ses zu gewichten: Wird das Vertragsverhältnis von einer anderen Vertragsart (oder einem Vertragsverhältnis sui generis) beherrscht, sodass das mietrecht­ liche Element als typfremde Nebenleistung qualifiziert werden kann, so gilt nach der Praxis des Bundesgerichts die sogenannte Absorptionstheorie: Es ist zumindest mit Bezug auf diejenigen Fragen, die nur einheitlich beantwor­ tet werden können (z.B. bezüglich Modalitäten der Auflösung) auf das gesamte Vertragsverhältnis das Recht derjenigen Vertragsart anzuwenden, die innerhalb des Vertragsgefüges den Regelungsschwerpunkt einnimmt (Urteile des Bun­ desgerichts 4A_284/2013 vom 13. Februar 2014; 4C.373/2006 vom 29. Januar 2007, in: MRA 5/06, S. 192 ff.; BGE 131 III 528; BGE 118, II 157, E. 3a; BGE 115 II 454; Higi, ZK, N 201 ff. Vorbem. zu Art. 253–274g OR; derselbe, N 55 Vorbem. zu Art. 269–270e OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 253b OR; vgl. dazu N 41 ff. Vorbem. zu Art. 253–273c OR). Der Hinweis im Gesetz, die Anwendung der Bestimmungen betreffend missbräuchliche Mietzinse setze voraus, dass das mietvertragliche Element innerhalb des Vertragsverhältnis­ ses eine wesentliche Bedeutung erlangen müsse, ist als Bekenntnis zur Absorp­ tions­theorie zu verstehen (Higi, ZK, N 55 Vorbem. zu Art. 269–270e OR). Das ist sachlich gerechtfertigt: Würden die Bestimmungen betreffend Missbrauchs­ schutz stets zur Anwendung gelangen, wenn ein Vertragsverhältnis auch die Gebrauchsüberlassung von Wohn- oder Geschäftsraum zum Gegenstand hat, müsste in komplizierten Verfahren der Gegenwert der nicht mietvertraglichen Leistungen bewertet werden, oder es müsste geprüft werden, ob solche nicht die Gebrauchsüberlassung von Wohn- oder Geschäftsraum betreffenden Leis­ tungen zur Erzielung eines übersetzten Ertrages führen könnten oder ob sie orts- und quartierüblich sind.

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Art. 253b

Im Licht der vorstehenden Überlegungen sind nach herrschender Lehre und 4 Rechtsprechung somit Hauswartverträge, bei denen ein Teil der Gegenleis­ tung für die vom Hauswart erbrachte Arbeitsleistung in der Gebrauchsüberlas­ sung einer Wohnung besteht, dem Schutz der Bestimmungen von Art. 269 ff. OR unterstellt, wenn die Gebrauchsüberlassung der Wohngelegenheit wirt­ schaftlich dominiert. Das Bundesgericht hat in diesem Sinne bei der Prüfung der Frage, welche Kündigungsbestimmungen für den Hauswartvertrag – einem gemischten Vertrag, bestehend aus Elementen des Mietvertragsrechts und des Arbeitsrechts – massgebend sein sollen, den Regelungsschwerpunkt und damit die anwendbaren Bestimmungen allein aufgrund des wirtschaftlichen Verhält­ nisses der beiden Leistungen (Mietzins gegenüber Entlöhnung) ermittelt und für die Qualifikation als massgebend erachtet, weil diese Methode eine einfache Beurteilung erlaube (Urteil 4A_102/2013 vom 17. Oktober 2013; vgl. N 53 Vor­ bem. zu Art. 253–273c OR; kritisch dazu: MfdP/Püntener N 2.3.2; Weber, BSK, N 17a zu Art. 253a–253b OR). Liegt umgekehrt der Regelungsschwerpunkt im Arbeitsrecht, so ist z.B. mit Bezug auf die Formalitäten der Vertragsauflösung ausschliesslich Arbeitsrecht anwendbar (BGE 132 III 566, in: mp 1/06, S. 22 ff.; Higi, ZK, N 62 Vorbem. zu Art. 269–270e OR; derselbe, a.a.O., N 217 ff. Vor­ bem. zu Art. 253–274g OR; vgl. aber Urteil des Bundesgerichts 4C.373/2006 vom 29. Januar 2007, in: MRA 5/06, S. 192 ff.; vgl. auch N 48 ff. Vorbem. zu Art. 253–273c OR). Nicht den Schutzvorschriften unterstellt sind demgegen­ über insbesondere die Verträge, die den Aufenthalt in einem Heim, insbeson­ dere in einem Alters- oder Pflegeheim oder einer ähnlichen Form sogenann­ ten betreuten Wohnens regeln (Urteil des Bundesgerichts 4A_113/2012 vom 13. November 2012, in: MRA 4/13, S. 35 ff.; Higi, ZK, N 63 ff., insbesondere N 66 Vorbem. zu Art. 269–270e OR; Rohrer, Auflösung, S. 197 ff. im Kommen­ tar zum Urteil des Bundesgerichts 4C.373/06 vom 29. Januar 2007; vgl. auch N 47 Vorbem. zu Art. 253–273c OR).

3.

Nichtlandwirtschaftliche Pacht

Nach Art.  253b OR gelten die Bestimmungen über den Schutz vor miss­ 5 bräuchlichen Mietzinsen sinngemäss auch für nichtlandwirtschaftliche Pachtund andere Verträge, «die im Wesentlichen die Überlassung von Wohn- und Geschäftsräumen gegen Entgelt regeln» (Art. 253b Abs. 1 OR). Das Pachtver­ tragsrecht (Art.  275  ff. OR) enthält folgerichtig keine Bestimmungen über missbräuchliche Pachtzinse. Mit dieser Lösung sollen Umgehungsgeschäfte von vornherein ausgeschlossen werden.

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Art. 253b 6

Pachtverträge über landwirtschaftliche Objekte unterliegen der Pachtzinskontrolle durch die kantonalen und eidgenössischen Landwirtschaftsbehörden (Art. 36 LPG).

7

Selbstredend gilt das Mietvertragsrecht auch uneingeschränkt für Pachtver­ träge mit der öffentlichen Hand (Bund, Kanton, Gemeinde oder deren Organe), soweit die öffentliche Hand als Vermieter/Verpächter handelt. Für solche Miet­ verträge können sich aufgrund der Definition des Begriffes «Geschäftsräume» in der Botsch. 1985, S. 1429 Auslegungsschwierigkeiten ergeben (vgl. die Bei­ spiele in ZR 78 [1979] Nr. 132 und das in mp 2/88, S. 47 ff. zitierte Urteil des Bundesgerichts vom 17. November 1987).

8

In diesen Fällen wird die Praxis wohl zu Recht den Begriff «Ausübung eines Gewerbes» oder «Ausübung einer beruflichen Tätigkeit» dahingehend ausle­ gen, dass Mietverträge über Lokalitäten, in denen die öffentliche Hand ihre verfassungs- oder gesetzmässige Tätigkeit ausübt (z.B. Büroräume der Ver­ waltung, Schulzimmer, Wohnungen für Asylbewerber usw.) unter die Miss­ brauchsgesetzgebung fallen.

9

Demgegenüber dürfte der in mp 2/88, S. 47, dargelegte Nutzungszweck (Begeg­ nungszentrum für einen Quartierverein) die Unterstellung des Mietvertra­ ges unter die Schutzbestimmungen nicht mehr rechtfertigen, weil hier keine direkte Staatsaufgabe in den Mieträumlichkeiten erfüllt wird.

4. Luxusobjekte 10

Nach dem Gesetzeswortlaut sind zwei Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen, für die Qualifikation eines Luxusobjekts entscheidend: Zum einen müssen diese Wohneinheiten mindestens sechs oder mehr Wohn­ räume (ohne Küche) aufweisen (quantitatives Element). Damit fällt also ein 5-Zimmer-Einfamilienhaus vorbehaltlos unter die Missbrauchsgesetzge­ bung, auch wenn es noch so luxuriös gebaut und ausgebaut ist und im park­ ähnlichen Garten auch noch ein Swimmingpool steht. Auch sogenannte Loft­ wohnungen mit grossen Flächen, die dem Mieter weitgehende Freiheit in der Nutzung und Unterteilung der Wohnung verschaffen, fallen nicht unter den Begriff der Luxuswohnung, wenn sie nicht durch Wände räumlich so unter­ teilt sind, dass sechs oder mehr Wohnräume vorhanden sind (kritisch zu die­ sem Aspekt: Giger, BK, N 45 zu Art. 253b OR). Zum Zweiten muss es sich um eine luxuriöse Wohnung handeln (qualitatives Element, vgl. BJM 1983, S. 11; Higi, ZK, N 70 zu Art. 253a–253b OR). Anrechenbar als Räume bzw. Zimmer

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Art. 253b

im Hinblick auf die Qualifikation als Luxusobjekt sind solche, in denen effek­ tiv gewohnt werden kann. Nicht unter die Kategorie von in diesem Sinne anre­ chenbaren Räumen fallen nebst der im Gesetz ausdrücklich ausgenommenen Küche somit auch Bad, WC, Duschkabine, Sauna, Hallenschwimmbad, Garage, Keller- oder Abstellraum, Bastelraum oder ein Windfang (vgl. Higi, ZK, N 67 zu Art. 253a–253b OR; MfdP/Püntener, N 4.4.4.1, der dafürhält, «Wohnraum» setze voraus, dass ein Raum mindestens 9 bis 12 m2 Fläche aufweise und über Tageslicht verfüge; ähnlich Giger, BK, N  4 zu Art.  253b OR; ferner Raissig/ Schwander, Missbräuche, S. 43). Bewohnbare Nebenräume sind indessen anre­ chenbar, so insbesondere sogenannte «Mädchenzimmer» (mit oder ohne sepa­ raten Zugang), sogenannte «gefangene Zimmer», grössere Eingangshallen, soweit sie sich nicht ausschliesslich für die Erschliessung benachbarter Räume eignen, was nicht von der konkreten Art der Benützung, sondern nach objek­ tiven Kriterien zu beurteilen ist (Giger, BK, N 44 zu Art. 253b OR). Während das quantitative Merkmal der Zimmerzahl in der Praxis kaum Prob­ 11 leme aufgibt, ist das qualitative Erfordernis «luxuriös» mit einem erheblichen Ermessensspielraum für die rechtsanwendende Behörde behaftet, zumal sich der Gesetzgeber darüber ausschweigt, welches die Merkmale für eine luxuri­ öse Wohnung sind. Entscheidend für die Erfüllung dieses Kriteriums ist der Gesamteindruck einer solchen Wohneinheit und nicht ein einzelnes Merkmal oder einzelne Merkmale, die den Begriff «luxuriös» verdienen (MfdP/Pünte­ ner, N 4.4.4.1; Giger, BK, N 47 zu Art. 253b OR; Mitteilungen 5/2 und 3; Higi, ZK, N 75 zu Art. 253a–253b OR). Luxuriös i.S.v. Art. 253b Abs. 2 OR kann nur sein, was das übliche Mass an 12 Komfort deutlich übersteigt (Mitteilungen 3/1) bzw. was einen Standard auf­ weist, den man selten antrifft (Mitteilungen 5/2; Barbey, Rechtssprechung, S. 131). Dabei kann auch heute noch das wegleitende Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt (zitiert in: BJM 1983, S. 11) als Beurteilungsgrundlage dafür die­ nen, unter welchen Voraussetzungen mit Bezug auf die bauliche Ausgestaltung eine Wohneinheit als luxuriös zu qualifizieren ist: «Auch wenn die vom Beklagten gemietete Wohnung sechs Zimmer umfasst, Luxus­ 13 charakter kann ihr nicht zugesprochen werden. Zwar hat die Wohnung eine ausge­ zeichnete, ruhige, von Bäumen umgebene Lage mitten in der Stadt. Doch die bauliche, innenarchitektonische Ausgestaltung ist nicht luxuriös; sie bringt keinen «ausserge­ wöhnlichen Komfort», den man sonst äusserst selten antrifft. Die einzelnen Zimmer sind  – mit Ausnahme des Wohnraums, in dem sich das Cheminée befindet  – nicht übertrieben geräumig, wie man sie in einer Luxuswohnung erwartet. Küche und Bade­

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zimmer sind sicher zweckmässig eingerichtet, entbehren jedoch Elementen, denen Luxuscharakter zugesprochen werden könnte» (E. 1b). 14

Einzelne Ausbauelemente, die als «luxuriös» gelten, sind in einem Entscheid des Mietgerichts Genf vom 4. November 1975 (Mitteilungen 5/2) wie folgt fest­ gehalten worden: Schwimmbad, Sauna, Fitnessraum, repräsentative Eingangs­ halle, ausserordentlich grosse Zimmer, Salon mit Cheminée, teure Bodenbe­ läge, Lavabo im Schlafzimmer, Privatlift, Serviceeingang, aussergewöhnliche und teure Mauer- und Fassadengestaltung. Diese «Luxuselemente» lassen aber – wie bereits dargelegt – im Einzelnen noch nicht auf das Vorliegen einer luxuriösen Wohnung schliessen. Entscheidend bleibt der Gesamteindruck als «Luxuswohnung» (MfdP/Püntener, N 4.4.4.1; Giger, BK, N 51 zu Art. 253b OR; Higi, ZK, N 71 ff. zu Art. 253a–253b OR).

15

Mit Bezug auf die Umgebung eines Wohnhauses ist festzuhalten, dass diese für sich allein noch nicht auf eine luxuriöse Wohnung schliessen lässt. Die Umge­ bung ist lediglich zur Beurteilung des Gesamteindrucks von Bedeutung. Dabei werden sich starke regionale Unterschiede in der Beurteilung der Umgebung zwingend ergeben müssen, da beispielsweise ein frei stehendes Einfamilien­ haus in der Stadt Zürich hinsichtlich des allfälligen Luxuscharakters anders zu gewichten ist als ein solches im Calancatal. In Zürich sind frei stehende Einfamilienhäuser die Ausnahme, also etwas Aussergewöhnliches und somit eben aus der Sicht der Umgebung luxuriös, während im Calancatal das frei stehende Haus die Regel ist (Giger, BK, N 49 zu Art. 253b OR mit Hinweis auf ein Urteil des KGer «Appenzell» vom 4. Juni 1982, das einer luxuriös ausge­ statteten 6½-Zimmer-Attikawohnung den Luxuscharakter i.S.v. Art. 253b OR absprach, weil sich das Mietobjekt in einer Grossüberbauung, also nicht an einer privilegierten Wohnlage befand; Mitteilungen 14/9).

16

Zu beachten ist, dass als luxuriös nicht nur neu geschaffene Bausubstanz zu betrachten ist, die mit den neuesten technischen Errungenschaften und den jeweils dem «aktuellen Trend» entsprechenden Luxusmerkmalen hinsichtlich der Ausgestaltung (Küchen- und Badeinrichtungen, Boden- und Wandbeläge, architektonische Ausgestaltung usw.) versehen ist. Als luxuriös i.S.v. Art. 253b OR kann auch repräsentative Altbausubstanz betrachtet werden, zumal solche Objekte immer seltener gemietet werden können. Als luxuriös ist deshalb auch ein in einem repräsentativen, möglicherweise mehrere Hundert Jahre alten Gebäude befindliches Mietobjekt mit entsprechend hohen Räumen, Stukka­ turdecken, Kachelöfen, historischen Parkettböden usw., zu betrachten. Dies gilt auch dann, wenn im Übrigen der Standard von Küche und Bad – allein schon durch die nicht unbedingt zeitgemässe architektonische Anordnung der

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Art. 253b

dafür vorgesehenen Räumlichkeiten  – nicht dem modernsten Standard ent­ spricht und dieser Standard (z.B. zufolge denkmalpflegerischer Aspekte) auch gar nicht herstellbar ist. Entscheidend bleibt auch mit Bezug auf solche Objekte der Gesamteindruck und die Exklusivität – wenn auch nicht im Hinblick auf besonders moderne, sondern gerade gegenteilig historische Bausub­stanz (in diesem Sinne auch Urteil des Bundesgerichts 4C.5/2004 vom 16. März 2004, in: MRA 4/04, S. 123 ff.; MfdP/Püntener, N 4.4.4.1).

5.

Öffentlich-rechtlich geförderte und kontrollierte Wohnräume

5.1 Allgemeines Gemäss Art. 253b Abs. 3 OR gelten die Bestimmungen über die Anfechtung 17 missbräuchlicher Mietzinse nicht für Wohnungen, deren Bereitstellung von der öffentlichen Hand gefördert wurde, sofern die Mietzinse durch eine Behörde kontrolliert werden. Beide Elemente müssen kumulativ vorhanden sein (BGE 116 II 186). Betroffen von dieser Ausnahmebestimmung sind somit Wohnun­ gen, die im Rahmen von Wohn- und Eigentumsförderungen, von Subventio­ nierungsaktionen, im Rahmen der Wohnbauhilfe für Berggebiete usw. durch öffentliche Beitragsleistungen gefördert wurden, soweit die Subventionsbehör­ den eine Kontrolle über die Mietzinsgestaltung ausüben.

5.2

Förderung der Bereitstellung

Als Förderung der Bereitstellung von Wohnraum durch die öffentliche Hand 18 gilt die Erbringung von entgeltlichen Leistungen im Zusammenhang mit der Erstellung oder dem Erwerb von Wohnraum (vgl. Sommer, Ausschluss, S. 167 ff.), sei es in Form direkter Zahlungen (Subventionen) oder indirekt durch Gewährung zinsloser oder verbilligter Darlehen, Steuererlasse, güns­ tig verfügbar gemachten Baulandes oder allenfalls auch durch Bürgschaften oder durch andere Förderung mit Subventionscharakter (auf Bundesebene auf der Grundlage des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes vom 4. Okto­ ber 1974 [WEG, SR 843] bzw. des diesen Erlass ab 1. Oktober 2003 ablösen­ den Wohnraumförderungsgesetzes vom 21.  März 2003 [WFG, SR 842]; Blu­ mer, Gebrauchsüberlassungsverträge, N 66; Higi, ZK, N 81 zu Art. 253a–253b OR; ZMP 2/91, Nr. 13; Truog Barbara, in: mp 3/92, S. 104). Unbeachtlich ist grundsätzlich, gestützt auf welche Rechtsgrundlage die entsprechende Subven­

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Art. 253b

tionierung erfolgt. Auch der Beschluss einer Gemeinde (Gemeindeversamm­ lung), ein bestimmtes Bauvorhaben auf Gemeindegebiet zu subventionieren, erfüllt die Anforderung an die Förderung der Bereitstellung durch die öffentli­ che Hand i.S.v. Art. 253b OR (Giger, BK, N 55 zu Art. 253b OR, der diesbezüg­ lich von einem «Wildwuchs» an kantonalen Regeln spricht).

5.3

Behördliche Kontrolle

19

Der Ausschluss der Anwendbarkeit der Missbrauchsbestimmungen von OR und VMWG setzt nebst der soeben erwähnten Subventionierung kumulativ voraus, dass die Mietzinsgestaltung bezüglich der von der öffentlichen Hand geförderten Wohnräume einer behördlichen Kontrolle unterliegt (Giger, BK, N 64 zu Art. 253b OR mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts 4C.73/2004 vom 1. Juni 2004, E. 2.1; Weber, BSK, N 9 zu Art. 253a–253b OR). Der Begriff der behördlichen Kontrolle umfasst dabei jede Mietzinsfestlegung und -über­ wachung durch eine Behörde, sowohl auf Bundes- als auch auf Kantons- und Gemeindeebene. Die Kontrollaufgabe kann der Förderungsbehörde oder einer anderen Instanz, z.B. einem Verwaltungsgericht oder auch der lokalen Schlichtungsbehörde übertragen werden. Im Anwendungsbereich des WEG bzw. WFG ist das Bundesamt für Wohnungswesen und letztinstanzlich das Bundeverwaltungsgericht zuständig (Urteil des Bundesgerichts 2C.261/2011 vom 23. August 2011; Higi, ZK, N 81 zu Art. 253a–253b OR). Vorausgesetzt ist eine Kontrolle, die unabhängig vom Vermieter erfolgt (Higi, ZK, N 84 zu Art.  253a–253b OR; Barbey, Rechtssprechung, S.  131). Tritt beispielsweise eine politische Gemeinde als Vermieterin auf und wird die Mietzinsgestaltung durch das Exekutivorgan entsprechend dem für die Vermietung massgeben­ den Erlass (Gesetzesgrundlage oder Reglement) auf Richtigkeit hin überprüft, liegt keine behördliche Kontrolle im Sinne der gesetzlichen Anforderungen vor.

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Für die öffentliche Hand als – privatrechtlich handelnde – Vermieterin gilt das Mietvertragsrecht uneingeschränkt (z.B. Fiskalliegenschaften; vgl. Zihlmann, Mietrecht, S. 32; Botsch. 1985, S. 1482).

5.4 21

Kein vollständiger Ausschluss der Missbrauchsbestimmungen

Scheinbar abweichend von der grundsätzlichen Regelung schränkt die bun­ desrätliche Verordnung die Befreiung von der Unterstellung unter die Miss­ brauchsschutzbestimmungen ein, indem in Art.  2 Abs.  2 VMWG  – neben

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Art. 253b

anderen Bestimmungen des OR und der VMWG – die Art. 269 OR (Definition des missbräuchlichen Mietzinses), Art.  269d Abs.  3 OR (einseitige Vertrags­ änderung durch den Vermieter) und Art. 270e OR (Weitergeltung des Miet­ vertrages während des Anfechtungsverfahrens) sowie die folgenden Bestim­ mungen der VMWG für anwendbar erklärt werden: Art.  10 (Definition des übersetzten Kaufpreises), Art.  20 (Pflicht des Vermieters, die Mietzinserhö­ hung zu begründen) und Art. 21–23 (Aufgaben, Zusammensetzung und Kos­ ten des Schlichtungsverfahrens sowie Berichterstattungspflicht der Schlich­ tungsbehörden und des Richters). Diese Regelung enthält keine von Art.  253b OR abweichende Kompetenz­ 22 zuweisung: Sie besagt nur, dass für die Mietzinsüberprüfung bei Mietobjek­ ten, deren Bereitstellung von der öffentlichen Hand gefördert worden ist, die zuständige Verwaltungsbehörde in materieller Hinsicht die im Einzelnen genannten Bestimmungen des Gesetzes und der Verordnung anzuwenden habe (Weber, BSK, N 10 zu Art. 253a–253b OR; Higi, ZK, N 29 Vorbem. zu Art. 269–270e OR; N 86 zu Art. 253a–253b OR). Ausgeschlossen ist indessen nach dem klaren Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 VMWG, dass die Verwaltungsbe­ hörde die ausdrücklich nicht erwähnten Bestimmungen des OR direkt oder analog anwendet, also eine Überprüfung des Mietzinses in (analoger) Anwen­ dung der Bestimmungen der Art. 270 OR (Anfechtung des Anfangsmietzin­ ses), Art. 270a OR (Herabsetzung des Mietzinses während der Vertragsdauer) und Art. 270b OR (Anfechtung der Mietzinserhöhung) als anwendbar erklärt. Eine andere Rechtsprechung müsste zwingend zu Konflikten mit der kontrol­ lierenden Verwaltungsbehörde führen, da eine Voraussetzung der Befreiung von den Missbrauchsbestimmungen die Mietzinskontrolle durch die Behörde ist (Art. 253b Abs. 3 OR am Ende). Der Mieter einer subventionierten Woh­ nung kann bezüglich der in Art.  2 Abs.  2 VMWG nicht genannten Bestim­ mungen selbstverständlich auch nicht die Schlichtungsbehörde und später das zuständige Zivilgericht anrufen: Eine gleichzeitige (zusätzliche) Über­ prüfungsmöglichkeit der Schlichtungs- und Gerichtsbehörden mit Bezug auf Verfahren, die unter Berufung auf Art. 270 oder 270a OR eingeleitet werden, könnte einerseits zu einer abweichenden Beurteilung gegenüber der Aufsichts­ behörde führen (Rechtsunsicherheit) und würde anderseits den Mieter privile­ gieren: Obwohl seine Mietzinse bereits durch Zuschüsse der öffentlichen Hand verbilligt wären, könnte er einen doppelten Rechtsschutz beanspruchen (vgl. Sommer, Ausschluss, S. 167 ff.). Nach Art.  2 Abs.  2 VMWG unterliegt auch die materielle Beurteilung einer 23 einseitigen Vertragsänderung mit Bezug auf die Erhebung von Nebenkosten

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Art. 253b

(Ausscheidung zusätzlicher Nebenkostenpositionen nach Abrechnung gemäss effektivem Aufwand) der Überprüfung durch die Verwaltungsbehörde, fällt also nicht in den Zuständigkeitsbereich der zivilen Instanzen. Das ergibt sich zwingend aus der Erwähnung des Art. 269 Abs. 3 OR in der erwähnten Ver­ ordnungsbestimmung. Damit müsste dem Mieter eine entsprechende Ver­ tragsänderung – trotz des fehlenden Verweises auf die Art. 269d Abs. 1 und 2 OR in Art. 2 Abs. 2 VMWG – mittels amtlichem Formular angezeigt werden, womit ihm gleichzeitig eröffnet würde, er könne die entsprechende Vertrags­ änderung bei der (zivilen) Schlichtungsbehörde anfechten (Art. 269d Abs. 3 OR i.V.m. Art.  19 Abs.  1 Buchst.  c VMWG). Die Schlichtungsbehörde bzw. die zivilen Gerichte wären somit nie für die Überprüfung des Nettomietzin­ ses oder eines pauschal – inkl. Nebenkosten – erhobenen Mietzinses zuständig, aber immer dann, wenn nur die Nebenkosten zur Diskussion gestellt werden. Erst recht hätten die zivilen Instanzen alle Fragen der Nebenkostenerhebung, also alle Streitigkeiten, welche sich auf die Bestimmungen der Art. 257a und 257b OR beziehen, zu beurteilen, obwohl sie in einem engen Zusammenhang mit der Mietzinsgestaltung stehen (vgl. dazu insbesondere auch die Bestim­ mung von Art. 54 Abs. 4 WFG, die ausdrücklich – auch im Anwendungsbe­ reich von Art. 253b Abs. 3 – die zivilen Schlichtungs- und Gerichtsinstanzen für die Beurteilung von Nebenkostenregelungen für zuständig erklärt; Giger, BK, N 61 zu Art. 253b OR). 24

Es erscheint höchst fraglich, ob ein solches «Splitting» mit Bezug auf den Rechts­ weg vom Gesetzgeber erwünscht war und überhaupt sinnvoll ist. Konfliktsitua­ tionen – etwa aufgrund des unterschiedlichen Verständnisses von «nebenkos­ tenfähigen Positionen» nach dem WEG oder dem WFG und i.S.v. Art. 257a bzw. 257b OR – wären unvermeidlich (Sommer, Ausschluss, S. 167 ff.). Auch aus diesem Grund müsste erwogen werden, bei den nach Art. 253b Abs. 3 OR vom Missbrauchsschutz des OR ausgenommenen Objekten weder formelle noch materielle Bestimmungen der Art. 269 ff. OR als anwendbar zu betrach­ ten. Der Rechtsschutz sollte sich auf die im verwaltungsrechtlichen Verfah­ ren vorzunehmende Überprüfung der korrekten Anwendung einschlägiger Rechtsgrundlagen im Zusammenhang mit der Subventionierung beschränken.

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Art. 254 B. Koppelungsgeschäfte Ein Koppelungsgeschäft, das in Zusammenhang mit der Miete von Wohnoder Geschäftsräumen steht, ist nichtig, wenn der Abschluss oder die Weiterführung des Mietvertrags davon abhängig gemacht wird und der Mieter dabei gegenüber dem Vermieter oder einem Dritten eine Verpflichtung übernimmt, die nicht unmittelbar mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängt.

B. Transactions couplées Une transaction couplée avec le bail d’habitations ou de locaux commerciaux est nulle lorsque la conclusion ou la continuation du bail y est subordonnée et que, par cette trans­ action, le locataire contracte envers le bailleur ou un tiers des obligations qui ne sont pas en relation directe avec l’usage de la chose louée.

B. Negozi abbinati Un negozio abbinato, in rapporto con la locazione di locali d’abitazione o commerciali, è nullo se la conclusione o la continuazione della locazione viene subordinata a questo negozio e il conduttore vi contrae in favore del locatore o di un terzo un obbligo che non è in diretta connessione con l’uso della cosa locata.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter der Norm .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich und Abgrenzungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

66 66 66

2. Koppelungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Nichtige Koppelungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Nichtigkeit und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

67 67 68 80

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Art. 254

1. Vorbemerkungen 1.1 1

Zwingender Charakter der Norm

Die Bestimmung über die Koppelungsgeschäfte gehört zur Kategorie der Nor­ men, die gewisse abweichende Vereinbarungen ausschliessen oder sie für nich­ tig erklären. Sie ist damit der Parteidisposition völlig entzogen und bildet zwin­ gendes Recht (Roncoroni, zwingende Bestimmungen II, S. 73 f.).

1.2

Anwendungsbereich und Abgrenzungen

2

Art.  254 OR ist nur auf Koppelungsgeschäfte anwendbar, die mit der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen (dazu N 3 ff. zu Art. 253a OR) im Zusam­ menhang stehen oder mit der Miete von Sachen, die der Vermieter zusam­ men mit diesen Räumen dem Mieter zum Gebrauch überlässt (dazu N 15 ff. zu Art.  253a OR; so auch HAP-Immobiliarmietrecht/Schwaninger, Rz.  10.3, S.  420). Da das Verbot von Koppelungsgeschäften für alle Arten der Wohnund Geschäftsraummiete gilt, findet es auch auf Ferienwohnungen, die für mehr als drei Monate gemietet werden (dazu N 8 f. zu Art. 253a OR), auf möb­ lierte Zimmer und auf die Untermiete Anwendung (Blumer, Gebrauchsüber­ lassungsverträge, Rz. 365, S. 115). Die Miete von beweglichen Sachen oder von unbeweglichen Sachen, die keine Wohn- oder Geschäftsräume sind wie unbe­ baute Grundstücke (sogenannte Platzmiete) oder Lagerräume, und die damit in Zusammenhang stehenden Koppelungsgeschäfte werden von der Bestim­ mung nicht erfasst.

3

Art. 254 OR gehört zwar materiell in den Kontext der Bestimmungen des Miet­ rechts, die den Schutz des Mieters vor «missbräuchlichen» Forderungen des Vermieters bezwecken, jedoch nicht zu den Bestimmungen über den Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen (Art.  269  ff. OR). Die Einschränkungen gemäss Art. 253b OR gelten somit nicht für die Koppelungsgeschäfte. So kön­ nen nichtige Koppelungsgeschäfte z.B. auch im Zusammenhang mit der Miete von Luxusobjekten gemäss Art. 253b Abs. 2 OR vorliegen (Higi, ZK, N 63 f. zu Art. 253a–253b OR; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 365, S. 115; Giger, BK, N  26 zu Art.  254 OR; HAP-Immobiliarmietrecht/Schwaninger, Rz. 10.3, S. 420; a.M. Weber, BSK, N 1 zu Art. 254 OR).

4

Theoretisch kann fast jedes beliebige Rechtsgeschäft Gegenstand eines Koppe­ lungsgeschäfts bilden. Praktisch stehen gewisse Geschäfte des Güteraustauschs sowie Provisionsabreden und sonstige «Entschädigungen» im Vordergrund.

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Art. 254

Nach der gesetzlichen Definition können damit grundsätzlich sämtliche gemischten und zusammengesetzten Verträge wie Franchise-, Hauswartungs-, Haushaltshilfeverträge sowie die gleichzeitige Zeichnung von Anteilscheinen bei Eintritt in eine Mietergenossenschaft usw. unter den Anwendungsbereich von Art. 254 OR fallen (Higi, ZK, N 51 zu Art. 254 OR). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die mietrechtlichen Bestimmungen und damit auch Art. 254 OR überhaupt auf den infrage stehenden gemischten oder zusammengesetzten Vertrag anwendbar sind. Anwendbar sind die mietrechtlichen Bestimmungen dann auf gemischte und zusammengesetzte Verträge, wenn diese die Essen­ tialia der Miete enthalten und der Regelungsschwerpunkt in der Überlassung eines Raums liegt (Biber, Schutzbestimmungen, S. 29). Ein Mieter, der als Konsument auftritt, kann sich ferner unabhängig von Art. 254 5 OR auf Art. 8 UWG berufen, sofern die Vereinbarung eines erheblichen Leis­ tungsungleichgewichts in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Miet­ vertrag festgehalten wurde (weiterführend: Wetzel/Grimm/Mosimann, UWG, Art. 8, S. 3 ff.). Allerdings dürfte diese Möglichkeit nicht zuletzt aufgrund des zwingenden Charakters von Art. 254 OR kaum praktische Bedeutung erlangen.

2. Koppelungsgeschäft 2.1 Begriff Der Begriff des Koppelungsgeschäfts knüpft an den Tatbestand der zusam- 6 mengesetzten Verträge an, also an die Verknüpfung zweier oder mehrerer an sich rechtlich selbständiger Verträge (als Beispiel: Kauf eines Werkstattbetriebs mit Maschinen, sonstigem Inventar, Warenlager und Goodwill und gleichzei­ tiger Abschluss eines Mietvertrags über die Werkstatträumlichkeiten zwischen dem ehemaligen Betriebsinhaber als Vermieter und dem neuen Betriebsin­ haber als Mieter). Derart zusammengesetzten Verträgen ist eigen, dass ihnen ein übereinstimmender Parteiwille auf Verkoppelung zugrunde liegt. Die Ver­ einbarung, welche die Koppelung zum Gegenstand hat, ist der Koppelungsvertrag, das eigentliche Koppelungsgeschäft. Es verpflichtet die Parteien zur Duldung eines einheitlichen rechtlichen Schicksals der zwei oder mehr selb­ ständigen Verträge (Schluep, SPR, VII/2, § 104, S. 777). Von gekoppelten Ver­ trägen spricht die Doktrin jedoch auch bei den sogenannten gemischten Ver­ trägen (Amstutz/Morin, BSK, N 10 zu Einleitung vor Art. 184 ff. OR). Art. 254 OR verwendet den Begriff des Koppelungsgeschäfts und meint damit 7 das gekoppelte Geschäft und nicht die eigentliche Koppelungsvereinbarung. Irene Biber

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Art. 254

Gegenstand der Beurteilung sind somit bestimmte an den Mietvertrag gekop­ pelte Rechtsgeschäfte. Der französische Text spricht von «transaction couplée» und trifft damit den richtigen Sinn besser. Die Form von Koppelungsverein­ barungen und gekoppeltem Rechtsgeschäft ist unerheblich; es kann sich dabei um mündliche oder schriftliche Vereinbarungen handeln, ebenso um einzelne Klauseln des Mietvertrags oder um separate Vertragswerke.

8

2.2

Nichtige Koppelungsgeschäfte

2.2.1

Voraussetzungen der Nichtigkeit

Für die Nichtigkeit eines an einen Mietvertrag über Wohn- und Geschäfts­ räume gekoppelten Rechtsgeschäfts verlangt das Gesetz zwei Voraussetzun­ gen, die kumulativ erfüllt sein müssen. Zum einen ist erforderlich, dass der Abschluss des Mietvertrags oder die Weiterführung desselben vom Abschluss des gekoppelten Geschäfts abhängig gemacht wird (Koppelung, siehe N  9). Zum anderen muss das gekoppelte Rechtsgeschäft Verpflichtungen des Mie­ ters beinhalten, die nicht unmittelbar mit dem Gebrauch der Sache zusammen­ hängen (mietfremde Verpflichtung, siehe N 14). Stillschweigend vorausgesetzt ist schliesslich, dass die Koppelung missbräuchlich sein muss (Missbräuch­ lichkeit, siehe N 15). 2.2.1.1 Koppelung

9

Eine Koppelung durch Abhängigmachen des Abschlusses oder der Weiterfüh­ rung des Mietvertrags liegt dann vor, wenn der Abschluss des anderen, des gekoppelten Rechtsgeschäfts als erzwungene Folge des Mietvertragsverhält­ nisses erscheint. Der Abschluss des gekoppelten Geschäfts ist dann conditio sine qua non für den Abschluss oder den Weiterbestand des Mietvertrags (Zihlmann, Mietrecht, S. 47; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 366, S. 115; Giger, ZK, N 75 zu Art. 254 OR). Die Koppelung muss sich gegen den Mieter richten: Er muss vor der Alternative gestanden haben, entweder das Mietobjekt zusammen mit der Last des anderen Geschäfts zu bekommen oder zu behalten oder aber auf das Mietobjekt verzichten zu müssen. Der Mieter muss, um es noch drastischer zu sagen, sich den Mietvertrag oder dessen Wei­ terführung durch die Übernahme der gekoppelten Verpflichtung regelrecht erkauft haben. Ein Koppelungsgeschäft kann nur jenes sein, das vom Ver­ mieter (oder einem Dritten, siehe dazu N 24 ff.), nicht aber vom Mieter zur Vo­raussetzung des Bestands des Mietverhältnisses gemacht wird (Higi, ZK, N 18 zu Art. 254 OR).

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Für die Beurteilung von Koppelungsgeschäften kommt es u.a. darauf an, wel­ 10 ches Geschäft dem primären Abschlusswillen des Mieters zugeordnet wer­ den kann. Nur wenn der Mieter eigentlich nur Mieter werden oder bleiben will und in dieser Situation zu einem weiteren Geschäft gedrängt wird, wird man die verpönte Koppelung bejahen können (verneint in: BGE 118 II 163, Fran­ chisevertrag). Ist der Geschäftswille des Mieters dagegen zumindest mit glei­ cher Intensität auf den Abschluss der beiden gekoppelten Geschäfte gerich­ tet, wird die verpönte Koppelung nicht ohne Weiteres angenommen werden können. So fehlt es in den Fällen der Miete von Geschäftsräumen i.V.m. der Übernahme eines in diesen Räumlichkeiten bestehenden Geschäfts an der gesetzlich geforderten Koppelung, und es liegt damit kein nichtiges Koppe­ lungsgeschäft vor, obgleich der Mieter auch nur dann zum Abschluss des Mietvertrags gelangt, wenn er den Betrieb mit seinen Einrichtungen erwirbt (siehe aber N 15). Allerdings kann sich der Nachweis des Geschäftswillens des Mieters, mithin einer inneren Tatsache, in der Praxis als schwierig erweisen (Zucker, Schlüsselgeld, S. 2). Auch die in der Praxis häufig anzutreffende Woh­ nungsmiete im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung oder eines Einfamilienhauses, bei einer beispielsweise aus fiskalischen Grün­ den oder wegen finanzierungsmässigen Notwendigkeiten hinausgeschobenen Eigentumsübertragung, fällt nicht unter Art. 254 OR. Ebenso wenig liegt eine Koppelung i.S.v. Art. 254 OR vor im Fall des «actionnaire-locataire», bei dem der Mieter gleichzeitig Aktionär derjenigen Aktiengesellschaft wird, die Eigen­ tümerin des Mietobjekts ist, der Kauf von Aktien somit zum Gebrauch der Wohnung berechtigt (Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 373, S. 117; Giger, BK, N 60 zu Art. 254 OR). Entgegen Art. 3 VMWG findet Art. 254 OR auf solche Aktienkäufe auch deshalb keine Anwendung, weil diese unmit­ telbar mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängen (Giger, BK, N 60 zu Art. 254 OR). Gleiches gilt für die Miete von Genossenschaftswohnungen oder von Geschäftsräumen in genossenschaftlich organisierten Gewerbezent­ ren, wenn der Mieter auch die Verpflichtung übernimmt, Genossenschafter zu werden und Anteilscheine zu zeichnen (Blumer, Gebrauchsüberlassungsver­ träge, Rz. 367, S. 115 sowie Rz. 373, S. 117; Giger, BK, N 60 zu Art. 254 OR). In diesem Sinne hat sich auch das Bundesamt für Justiz ge­äussert (VPB 56 N 21). Bei der Vermietung einer als solche angebotene Hauswartwohnung darf der 11 Vermieter davon ausgehen, der Geschäftswille des Mieters beziehe sich auch auf den Abschluss des Arbeitsvertrags; ein gesetzlich verpöntes Koppelungs­ geschäft liegt dann nicht vor (so auch Higi, ZK, N 16 zu Art. 254 OR; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 367, S. 115 f.; Giger, BK, N 71 zu Art. 254 OR; dazu auch und N 48 ff. zu Vorbem. zu Art. 253–273c OR; siehe aber den Irene Biber

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Fall des erheblichen Ungleichgewichts von Vermieterleistung und Mieterleis­ tung beim Hauswartvertrag in N 15). 12

Die Vermietung von Läden in Einkaufszentren oder Ladenstrassen ist oftmals gekoppelt mit der Auflage, dass der Mieter Mitglied der Interessengemein­ schaft der Ladenbesitzer werden muss, was wiederum mit gewissen finanzi­ ellen Verpflichtungen des Mieters, so beispielsweise für gemeinschaftliche Werbeaktionen, verbunden ist. Auch in diesen Fällen darf man vorweg davon ausgehen, der Abschlusswille des Mieters habe sich aufgrund seiner Wahl mit Bezug auf den Standort seines Ladens auch auf die Mitgliedschaft in der Inte­ ressengemeinschaft bezogen (gl.M. Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 367, S. 115; Weber, BSK, N 4 zu Art. 254 OR). Es fehlt damit an der verpönten Koppelung im Sinne der Bestimmung.

13

In einem Grenzbereich bewegen sich die häufig mit der Vermietung oder Ver­ pachtung eines Restaurants verbundenen Getränkelieferungsverträge (Blu­ mer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 369, S. 116). Der Geschäftswille des Mieters wird in der Regel hauptsächlich auf den Abschluss des Miet- oder Pachtvertrags gerichtet sein. Die mit der Bezugspflicht verbundene Einschrän­ kung der Wahlmöglichkeit des Mieters dürfte von diesem häufig eher als eine Last empfunden werden. Das Bundesgericht schützte allerdings die vorzei­ tige Kündigung (aus wichtigem Grund, Art. 266g OR) eines Vertrags, weil der Wirt den ausgeschenkten Wein nicht mehr beim Vermieter bezog, obwohl dies vertraglich vereinbart worden war. Das Bundesgericht verneinte ein unzuläs­ siges Koppelungsgeschäft, da der Mieter ein eigenes Interesse am Bezug von Wein beim Vermieter gehabt habe. Allerdings musste der Mieter im besag­ tem Fall nicht nur kein teures Weinlager führen und den bezogenen Wein erst nach dem Verkauf bezahlen, sondern die Weinbezugsverpflichtung war bei der Festlegung des Mietzinses berücksichtigt worden, und der Mieter durfte vier Weine ausserhalb des Sortiments des Vermieters anbieten (Urteil 4C.255/2004 vom 17. November 2004, in: MRA 1/05, S. 43 ff.; ferner Maag, ausserordentli­ che Kündigung, S. 130 ff.; zum Thema Bier- und Getränkelieferungs-, Automa­ tenaufstellungsverträge vgl. im Übrigen Straub, gastgewerblicher Mietvertrag, Rz. 152 ff. und 221). Das Bundesgericht hat m.a.W. das Vorliegen einer verpön­ ten Koppelung verneint, da die Pflicht zum Weinbezug auch im Interesse des Mieters gelegen habe und «ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Gebrauch der Mietsache zur Betreibung eines Restaurants und dem dazu nöti­ gen Bezug von Wein besteht» (so auch das Urteil des Mietgerichts Zürich vom 10. Juni 2010, E. 2.4.2, in: ZMP 10/5).

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2.2.1.2

Mietfremde Verpflichtung

Mietfremd ist das gekoppelte Geschäft, wenn die dem Mieter auferlegte Ver­ 14 pflichtung nicht unmittelbar mit dem Gebrauch der Mietsache zusammen­ hängt. Der unmittelbare Zusammenhang mit dem Gebrauch der Sache wird dabei grosszügig ausgelegt. Als zulässig, da in einem unmittelbaren Zusam­ menhang mit dem Gebrauch der Mietsache stehend, gilt die Verpflichtung zur Miete eines Abstellplatzes oder zur Bezahlung einer Gebühr für die Benüt­ zung der Waschmaschine (MfdP/Wyttenbach, N 22.6). Ferner wurde als nicht mietfremd beurteilt die Verpflichtung des Mieters zur Leistung eines monat­ lichen Betrags für eine Mieterhaftpflichtversicherung, welche die Verwaltung mit einem Versicherer für Mieterschäden abgeschlossen hatte (ZMP 1/97, Nr.  2). Hingegen wurde die Verpflichtung des Mieters zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung mit Neuwertzusatz als unzulässig erkannt (Urteil des KGer Basel-Landschaft vom 4. Februar 2014, E. 8, in: mp 4/14, S. 297 ff., aller­ dings unter zusätzlicher Berufung auf Art.  267 Abs.  2 OR und damit letzt­ lich unter dem Aspekt der Missbräuchlichkeit des an sich nicht mietfremden gekoppelten Geschäfts). Mit dem Gebrauch der Mietsache in unmittelbarem Zusammenhang stehen unter Umständen auch Einrichtungen und Vorrich­ tungen der Mietsache, so Innenausbauten wie mobile Wände, sonstige Unter­ teilungen, Spannteppiche, Einbauschränke und anderes (siehe dazu aber auch N 19). Ebenso verhält es sich mit dem sogenannten Kaufinventar, den Waren­ vorräten und allenfalls der Kundschaft (Goodwill) von Gastwirtschaftsbetrie­ ben, die mit dem Abschluss des Mietvertrags übernommen werden. Ferner wurde die bei einer Geschäftsraummiete vereinbarte Betriebspflicht als mit dem Gebrauch der Mietsache in unmittelbarem Zusammenhang stehend und damit (unter diesem Aspekt) als zulässig erachtet (Urteil des Handelsgerichts Zürich HE130 165 vom 29. August 2013, E. 5.1). Schliesslich ist die Vorgabe des Vermieters betreffend die Ausführung eines Mieterbaus gemäss Art. 260a OR oder eines Mieterausbaus im Rahmen einer Rohbaumiete als nicht miet­ fremd zu qualifizieren. Denn die Vorgabe des Vermieters betreffend die Qua­ lität und Sicherheit, die die Mieterbaute zu erfüllen hat, hängt unmittelbar mit dem Gebrauch der Mietsache zusammen, kann doch die fehlerhafte Ausfüh­ rung der Mieterbaute die Mietsache unter Umständen in Mitleidenschaft zie­ hen (HAP-Immobiliarmietrecht/Biber, Rz.  19.24, S.  719, m.w.H.; a.M. HAPImmobiliarmietrecht/Schwaninger, Rz.  10.24, S.  427 und MfdP/Wyttenbach, N  22.5, wobei Letzterer richtigerweise ein unzulässiges Koppelungsgeschäft nur dann annimmt, wenn der Mieter verpflichtet wird, den Ausbau bei der Rohbaumiete dem Vermieter oder einem Dritten – Architekt oder Bauunter­ nehmer – zu einem nicht marktgerechten Preis zu übertragen. Allerdings liegt Irene Biber

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in diesem Fall nicht eine mietfremde Verpflichtung vor, sondern das Koppe­ lungsgeschäft ist infolge seiner Missbräuchlichkeit unzulässig; siehe dazu auch N 15). Das Kriterium für die Beurteilung dieser Geschäfte ist nicht primär der Preis, den der Mieter dem Vermieter oder dem Dritten  – in aller Regel der Vormieter – für die Übernahme zu bezahlen hat (vgl. Barbey, Arrêté, S. 123). Erscheint der Preis übersetzt und steht er in keinem Verhältnis zum wirklichen Wert der Einrichtungen und Vorrichtungen, die der Mieter übernimmt, so ist allerdings – zumindest als Indiz – anzunehmen, der Mieter habe gezwungener­ massen, um zum Abschluss des Mietvertrags zu gelangen, eine über den Wert der Gegenstände hinausgehende Leistung erbracht. Ein solches Geschäft ist zwar nicht mietfremd, wohl aber missbräuchlich (siehe N 16) und damit nich­ tig (so auch Giger, BK, N 64 zu Art. 254 OR). 15

Als «mietfremd» und damit als nicht zulässig zu qualifizieren wäre es, wenn Versicherungsgesellschaften oder ihre Pensionskassen Wohnungen nur an die­ jenigen Mieter vermieten, welche sich gleichzeitig zum Abschluss einer Lebens­ versicherung verpflichten. Derartige Geschäfte hängen offensichtlich nicht mit dem Gebrauch der Mietsache zusammen. 2.2.1.3 Missbräuchlichkeit

16

Gemäss Lehre und Rechtsprechung werden nur missbräuchliche Koppelungsgeschäfte von der Nichtigkeitsfolge erfasst (vgl. Higi, ZK, N  13  ff. zu Art. 254 OR und Beispielen von Koppelungsgeschäften im Sinne der Bestim­ mung in N 15 sowie Giger, BK, N 16 zu Art. 254 OR, unter Hinweis auf das Urteil 4C.255/2004 vom 17. November 2004, E. 4.3, in: MRA 1/05, S. 43 ff. und N 53 f., unter Hinweis auf BGE 118 II 157, E. 3c, Franchisevertrag, Missbräuch­ lichkeit verneint, sowie N 76 zu Art. 254 OR). So hatte das Bundesgericht in seinem Urteil 4C.187/1998 vom 2. Dezember 1998, in: mp 1/99, S. 38 ff., bei­ spielsweise den Fall eines Kaufvertrags über Mobiliar, Ausstattung, Kund­ schaft usw. eines Gastbetriebs verbunden mit dem Recht, einen Mietvertrag abzuschliessen, zu beurteilen und qualifizierte den Kaufvertrag als zulässiges «Koppelungsgeschäft». Für die Zulässigkeit entscheidend war für das Bundes­ gericht, dass die Parteien über den Kaufpreis verhandelt hatten und der Mie­ ter keinen «Fantasiepreis» für die Übernahme des Mobiliars zu bezahlen hatte. Hingegen bewertete es die Geschäftsübernahme mit zusätzlicher Miete von Geschäftsmobiliar, nebst Abschluss des eigentlichen Mietvertrags, in seinem Urteil 4C.207/1998 vom 13. Januar 1999, in: mp 1/99, S. 41 ff., als unerlaub­ tes Koppelungsgeschäft, da der dem Mieter «aufgedrängte» Mietzins für den Gebrauch des Geschäftsmobiliars in keinem Verhältnis zum tatsächlichen (viel

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tieferen) Wert dieser Güter gestanden hat. Damit kann das mietfremde gekop­ pelte Geschäft nicht per se als unzulässig bezeichnet werden. Unzulässig im Sinne der Bestimmung ist das mietfremde Geschäft erst, wenn es missbräuch­ liche Züge aufweist. Die Missbräuchlichkeit des «Nichtzusammenhangs» zwi­ schen dem Gebrauch der Mietsache und den Verpflichtungen des Mieters aus dem mietfremden Geschäft ist zu bejahen, wenn die Zustimmung des Mieters auf unlautere Weise erhältlich gemacht wird, die Koppelung einen unlaute­ ren Zweck verfolgt oder wenn die Koppelung in sich unlauter erscheint (Higi, ZK, N 14 zu Art. 254 OR). Missbräuchliche Züge wird das gekoppelte Geschäft regelmässig dann aufweisen, wenn es dem Mieter «aufgedrängt» wird (Higi, ZK, N 13 zu Art. 254 OR, unter Hinweis auf Richard, allgemeine Bestimmun­ gen, S. 46; Wetzel/Masek, Schlüsselgeld, S. 5). Aber auch das nicht mietfremde und damit unter diesem Gesichtspunkt zulässige gekoppelte Geschäft kann sich als nichtig erweisen, und zwar dann, wenn es missbräuchliche Züge auf­ weist (MfdP/Wyttenbach, N  22.4; Hulliger/Heinrich, CHK, N  4 zu Art.  254 OR; Giger, BK, N 76 zu Art. 254 OR; ebenso Blumer, Gebrauchsüberlassungs­ verträge, Rz. 370, S. 116). Dies trifft zu, wenn dem Mieter ein Geschäft aufge­ drängt wird, bei dem ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen der Leistung des Vermieters und derjenigen des Mieters besteht. So ist ein Hauswartvertrag («nicht mietfremd»), bei dem der Vermieter den Mietvertrag mit dem poten­ ziellen Mieter nur dann abschliesst («Koppelung»), wenn Letzterer sich bereit erklärt, die Hauswartung der fraglichen Liegenschaft ohne Bezahlung eines Lohns und ohne entsprechende Herabsetzung des Mietzinses zu übernehmen, missbräuchlich und damit nichtig.

2.2.2 Fazit Die Nichtigkeit eines Koppelungsgeschäfts ist im Lichte des gesetzgeberischen 17 Gedankens und der verfassungsmässigen Grundlage von Art. 254 OR zu beur­ teilen. Ansatzpunkt ist stets der Missbrauch, der darin bestehen kann, dass Vermieter einerseits die für die Mieter ungünstige Marktlage auf dem Sektor der Immobiliarmiete ausnützen, und zwar nicht nur durch missbräuchliche Mietzinse und treuwidrige Kündigungen, sondern auch durch weitere Belas­ tungen des Mieters, zu denen die verpönten Koppelungsgeschäfte gehören. Anderseits darf die Bestimmung nicht missbraucht werden, um unliebsame Verpflichtungen loszuwerden.

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2.2.3

Katalog in Art. 3 VMWG

18

Der Katalog von Beispielen gemäss Art. 3 VMWG entspricht in etwa der in Art.  16 BMM enthaltenen Aufzählung möglicher missbräuchlicher Rechts­ geschäfte. Ursprünglich sollte die Aufzählung in den Gesetzestext aufge­ nommen werden, doch wurde sie dann als Ergebnis des parlamentarischen Bereinigungsverfahrens wegen ihrer pleonastischen Wirkung fallen gelassen (Zihlmann, Mietrecht, S. 47).

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Die Verpflichtung des Mieters, die Mietsache zu kaufen, bezieht sich v.a. auf Mietverhältnisse, die der Mieter ohne jegliche ursprüngliche Absicht zum Erwerb der Mietsache eingegangen ist. Wird der Mieter vor die Alternative gestellt, entweder die Mietsache zu erwerben oder sie aufzugeben, so liegt der Ansatzpunkt für ein nichtiges Koppelungsgeschäft vor. Das von Anfang an als Miete/Kauf ausgestaltete zusammengesetzte Rechtsgeschäft erfüllt diese Vo­raussetzung dagegen nicht (so auch Giger, BK, N 59 zu Art. 254 OR; HAPImmobiliarmietrecht/Schwaninger, Rz. 10.23, S. 426). Gleiches gilt sinngemäss für den Erwerb von Aktien, die den Mieter zum «actionnaire-locataire» werden lassen, oder von Anteilscheinen bei der Miete von Genossenschaftswohnungen (siehe N 10). Die Ablehnung des Mieters, die Wohnung oder die Aktien zu erwerben, wird meist schon aus dessen Reaktionen auf die entsprechen­ den Vertragsofferten des Vermieters deutlich. In aller Regel kommt es dann nicht zum Abschluss des Kaufgeschäfts. Dagegen sind häufig Kündigungen die Antwort der Vermieter auf das ablehnende Verhalten des Mieters. Daher wur­ den und werden die hier anvisierten Tatbestände meist nicht im Rahmen einer Auseinandersetzung über die Gültigkeit des gekoppelten Geschäfts behandelt, sondern vielmehr im Rahmen von Streitigkeiten über Kündigungen, die unter dem Titel «Kauf oder Kündigung» ausgesprochen wurden (vgl. Barbey, Arrêté, S. 123; MfdP/Wyttenbach, N 22.5 und MfdP/Thanei, N 29.3.2.4; Gmür/Prerost/ Trümpy, Mietrecht, S. 131; Giger, BK, N 58 zu Art. 254 OR; BGE 115 II 78 ff.; vgl. N 26 ff. zu Art. 271a Abs. 1 Buchst. c OR).

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Die gekoppelte Verpflichtung des Mieters, Möbel zu kaufen, ist ebenfalls nur dann nichtig, wenn sie mit dem Mietverhältnis in keinem Zusammenhang steht, oder als missbräuchlich, da beispielsweise zu einem übersetzten Kauf­ preis angeboten, zu qualifizieren ist. «Mietfremd» ist die Verpflichtung des Mie­ ters zum Möbelkauf dann, wenn der Vermieter den Mieter zwingt, (die) Möbel in einem bestimmten Geschäft – des Vermieters oder eines ihm in irgendeiner Weise verbundenen Dritten – zu kaufen. Dagegen wird der Erwerb von Mobi­ liar, das sich ohne entsprechende auf den konkreten Vertragsabschluss bezo­ gene Absicht des Vermieters bereits im Mietobjekt befindet, jedenfalls dann 74

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kein nichtiges Geschäft darstellen, wenn der Preis nicht übersetzt und damit nicht missbräuchlich ist (Barbey, Arrêté, S. 122 f.; so auch MfdP/Wyttenbach, N  22.5; offengelassen bei Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz.  374, S. 117; vgl. auch N 15). Der Preis ist allerdings nicht Voraussetzung, sondern ein Kriterium für die Überprüfung des Geschäfts. Gemäss Zucker muss jedoch trotz nicht übersetztem Kaufpreis auch dann von einer Missbräuchlichkeit aus­ gegangen werden, wenn der Mieter grundsätzlich gar kein Interesse am Mobi­ liar hat, weil er beispielsweise sein Restaurant ganz neu einrichten will und die Kaufgegenstände damit für ihn nutzlos sind (Zucker, Schlüsselgeld, S.  3; so auch MfdP/Wyttenbach, N 22.5). Die zusätzliche Verpflichtung des Mieters, sich gegen bestimmte Risiken, die 21 in seinen Verantwortungsbereich fallen, wie z.B. Wasserschaden, Glasbruch, sonstige Mieterschäden, zu versichern, ist zulässig (MfdP/Wyttenbach, N 22.5; Giger, BK, N 66 zu Art. 254 OR; a.M. Zihlmann, Mietrecht, S. 46). Ein nichti­ ges Koppelungsgeschäft liegt dagegen vor, wenn diese Verpflichtung mit einem Kontrahierungszwang zugunsten eines bestimmten Versicherers verbunden und der Abschluss des Mietvertrags oder dessen Weiterführung davon abhän­ gig gemacht wird, es sei denn, es gäbe sachliche Gründe für einen bzw. gegen einen Versicherer (so auch Montini/Bouverat, CPra, N 32 zu Art. 254 OR, die als Beispiel «sachlicher Gründe» das Recht des Vermieters erwähnen, den Ver­ tragsschluss mit einer bestimmten Versicherungsgesellschaft wegen bekann­ ter finanzieller oder struktureller Probleme abzulehnen oder weil sie dafür bekannt ist, im Schadenfall regelmässig Schwierigkeiten zu bereiten). In die­ sem Sinne hat auch das Mietgericht Zürich entschieden (Urteil vom 5.  Sep­ tember 1996, in: ZMP 1/97, Nr.  2, sowie in: MRA 3/97, S.  132  ff. mit Kom­ mentar Hans Bättig) mit dem zutreffenden Hinweis, dass zu den allgemeinen Pflichten des Mieters, sofern vertraglich vereinbart, auch die Erbringung einer Sicherheitsleistung gemäss Art. 257e OR gehören kann. Erlaubt das Gesetz eine Kaution, so darf der Vermieter auch auf einer Haftpflichtversicherung bestehen, die in Hinblick auf mögliche Beschädigungen des Mietobjekts durch den Mieter die gleiche Zielsetzung verfolgt. Allerdings stellt sich angesichts von Art. 257e Abs. 2 OR zumindest bei der Miete von Wohnräumen die Frage, ob der Vermieter, der bereits eine Sicherheit im Umfang von drei Monatsmiet­ zinsen verlangt hat, zusätzlich den Abschluss einer Versicherung fordern darf (Giger, BK, N 68 zu Art. 254 OR). Denn mit einer solchen zusätzlichen Ver­ pflichtung wird die Begrenzung der Sicherheit auf drei Monatsmietzinse letzt­ lich untergraben. Nicht zulässig ist es auf jeden Fall, den Mieter zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung mit Neuwertzusatz zu verpflichten (Urteil des KGer Basel-Landschaft vom 4. Februar 2014, E. 8, in: mp 4/14, S. 297 ff.; siehe Irene Biber

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auch N  14). Ebenfalls fragwürdig unter dem Aspekt der Missbräuchlichkeit dürfte die Verpflichtung des Mieters sein, eine Mietkautionsversicherung abzuschliessen, da er damit einerseits Versicherungsprämien bezahlen muss, die er nicht zurückerhält und andererseits die Möglichkeit verliert, Geld als Sicherheit i.S.v. Art. 257e OR bei einer Bank zinstragend zu hinterlegen (Weber, BSK, N 5 zu Art. 254 OR; HAP-Immobiliarmietrecht/Schwaninger, Rz. 10.24, S. 427). 22

Keine missbräuchliche Koppelung ist ferner die Vereinbarung der Bezahlung der Mietzinse im Lastschriftverfahren oder ein Konkurrenzverbot des Mieters (Weber, BSK, N 4 zu Art. 254 OR; Giger, BK, N 56 zu Art. 254 OR).

23

Der Katalog gemäss Art. 3 VMWG ist nicht abschliessend, wie es auch derje­ nige von Art. 16 BMM nicht war. So wurde beispielsweise die Verpflichtung des Mieters, eine rückwirkende Mietzinserhöhung zu bezahlen, als missbräuch­ lich beurteilt (BGE 99 II 297, E. 4); auch heute wäre ein solches Rechtsgeschäft unzulässig und nichtig, sofern es Bedingung für die Weiterführung des Miet­ verhältnisses ist.

2.2.4

Rolle des Vermieters

2.2.4.1 Allgemeines 24

Ein Koppelungsgeschäft kann nach dem Wortlaut von Art. 254 OR nicht nur dann vorliegen, wenn der Mieter die Verpflichtung aus dem mit dem Miet­ vertrag gekoppelten Geschäft gegenüber dem Vermieter übernimmt, sondern auch, wenn er sich gegenüber einem Dritten verpflichtet. Keine Probleme erge­ ben sich, soweit beim Abschluss der Koppelungsvereinbarung und des gekop­ pelten Geschäfts der Vermieter Vertragspartei ist, unabhängig davon, ob er dabei persönlich handelt oder unter Beizug eines Stellvertreters. Ist der Ver­ mieter Vertragspartei des gekoppelten Geschäfts, ist es auch unerheblich, ob die Leistung, zu der sich der Mieter verpflichtet, an den Vermieter oder an einen Dritten – etwa im Rahmen eines Vertrags zugunsten Dritter – zu erbrin­ gen ist. Unproblematisch und von Art. 254 OR erfasst ist auch der Fall, bei wel­ chem der Mieter das Mietobjekt untervermietet und dabei beispielsweise als Entschädigung ein Handgeld erhält, da er hier wie ein Vermieter auftritt (mp 2/02, S. 110 ff.).

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Von besonderer Komplexität sind Fälle, bei denen das «gekoppelte» Rechtsge­ schäft nicht mit dem Vermieter oder dessen Stellvertreter, sondern direkt mit dem Dritten abgeschlossen wird.

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Nach dem Wortlaut wird von Art. 254 OR nicht nur das mit dem Vermieter 26 geschlossene Koppelungsgeschäft erfasst, sondern auch dasjenige, welches der Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen mit einem Dritten abschliesst. Dass mit «Drittem» im Sinne der gesetzlichen Bestimmung nicht ein Stellvertreter des Vermieters gemeint ist, liegt auf der Hand, zumal Art. 16 BMM noch aus­ drücklich die Formulierung «Andere Forderungen des Vermieters oder einer Person, die für ihn handelt» enthalten hat. Im Gegensatz dazu spricht Art. 254 OR vom Mieter, der «dabei gegenüber dem Vermieter oder einem Dritten eine Verpflichtung übernimmt». Dies legt grundsätzlich den Schluss nahe, dass der Gesetzgeber ausdrücklich auch das mit einem nicht als Stellvertreter des Ver­ mieters handelnden Dritten abgeschlossene Geschäft bei im Übrigen erfüllten Voraussetzungen unter Art. 254 OR subsumieren wollte (unklar diesbezüglich allerdings: Botsch. 1985, S.  1484  f.). Selbstredend muss sich der Dritte hier­ bei in einer Position befinden, die es ihm erlaubt, die verpönte Koppelung der beiden Geschäfte herbeizuführen (so auch Higi, ZK, N 29 zu Art. 254 OR). Es muss m.a.W. ein entsprechender Kausalzusammenhang mit dem Mietvertrag und damit mit dem Vermieter bestehen, ansonsten eine der von Art. 254 OR geforderten Voraussetzungen nicht gegeben wäre. 2.2.4.2 Schlüsselgeld Die in der Literatur kontrovers diskutierte Frage, welche Rolle dem Vermie­ 27 ter bei einem zwischen dem Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen und dem Dritten abgeschlossenen «Koppelungsgeschäft» zukommen muss, ist v.a. bei der Vereinbarung eines sogenannten Schlüsselgelds (auch «Handgeld», «pas-de-porte» oder «Key Money» genannt) als Voraussetzung der Übertra­ gung oder Weiterführung eines Mietvertrags zwischen bestehendem Mieter und einem Nachfolgemieter (Drittem) von Geschäftsräumen von praktischer Relevanz (zu den Möglichkeiten, Schlüsselgeldzahlungen zu verhindern, vgl. HAP-Immobiliarmietrecht/Koumbarakis, Rz.  17.108  ff., S.  676  ff., mit For­ mulierungsbeispielen). Nach dem wohl überwiegenden Teil der Literatur, der sich auf einen nicht veröffentlichten Entscheid des Bundesgerichts aus dem Jahre 2001 stützt (Urteil des Bundesgerichts 4C.161/2001 vom 26. September 2001, in: CdB 3/02, S. 77 ff., in: mp 2/03, S. 54 ff.), ist die Vereinbarung zwi­ schen dem aus dem Vertrag austretenden und dem neu eintretenden Mieter nur dann als Koppelungsgeschäft und damit als nichtig zu qualifizieren, wenn dem Vermieter das Koppelungsgeschäft bekannt war und er diesem zuge­ stimmt hat (Montini/Bouverat, CPra, N 22 zu Art. 254 OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 6 zu Art. 254 OR; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 376, S. 118; HAP-Immobiliarmietrecht/Schwaninger, Rz. 10.11, S. 422; a.M. MfdP/ Irene Biber

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Art. 254

Wyttenbach, N  22.5). Einzelne Autoren fordern zusätzlich, dass der Vermie­ ter auch vom Koppelungsgeschäft profitiert, indem beispielsweise der Miet­ zins lange vor Ablauf des alten Mietvertrags fast verdoppelt wird (Vorauflage, N 25a zu Art. 254 OR, unter Hinweis auf den Entscheid der Cour civile du Tri­ bunal cantonal du canton de Vaud vom 11. März 1993, in: CdB 4/94, S. 113; Zucker, Schlüsselgeld, S. 7). Vereinzelt wird ein unmittelbarer Profit des Ver­ mieters gefordert, indem er einen Teil oder den gesamten Betrag des Schlüs­ selgelds erhält (Wetzel/Masek, Schlüsselgeld, S. 8; so wohl auch HAP-Immo­ biliarmietrecht/Koumbarakis, Rz.  17.106, S.  675). Die Ansicht, wonach ein nichtiges Koppelungsgeschäft nur dann vorliege, wenn der Vermieter bei der Durchsetzung des Koppelungsgeschäfts mitwirke, wird auch in einzelnen kan­ tonalen Entscheiden vertreten (Cour civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud vom 11. März 1993, in: CdB 4/94, S. 116; Entscheid des OGer Kan­ ton Basel-Landschaft vom 19. Januar 1993). Die Begründung des Einbezugs des Vermieters in das zwischen dem Mieter und dem Dritten abgeschlossene Rechtsgeschäft erklärt sich gemäss Giger damit, dass Art. 254 OR im Sinne der Zweckbestimmung ausschliesslich das missbräuchliche Verhalten des Vermie­ ters anvisiere (Giger, BK, N 49 zu Art. 254 OR). 28

Ausgehend vom klaren Wortlaut von Art. 254 OR, welcher fordert, dass der Mieter dabei gegenüber dem Vermieter oder einem Dritten eine Verpflich­ tung übernimmt, bedarf es entgegen der Vorauflage dieses Werks nach vor­ liegend vertretender Auffassung keiner Mitwirkung des Vermieters beim Abschluss eines Koppelungsgeschäfts. Die Bestimmung setzt weder ein Wis­ sen noch eine Mitwirkung des Vermieters voraus, geschweige denn, dass er einen direkten oder indirekten Profit aus dem Koppelungsgeschäft zieht. Das blosse Wissen des Vermieters um das Schlüsselgeld und auch seine Zustim­ mung dazu vermögen auf den neuen Mieter keinen Druck auszuüben (so auch Zucker, Schlüsselgeld, S. 6, der darüber hinaus aber die Meinung vertritt, dass Art. 254 OR den Mieter einzig vor dem Vermieter und nicht die Mieter unter­ einander schützen soll). Verfügt der Dritte über die Möglichkeit, die Forde­ rung nach einem Schlüsselgeld in Abhängigkeit zum Mietvertrag zu bringen, so bringt ihn dies in eine vermieterähnliche Position. So gibt die weitgehende Pflicht des Vermieters, einem Parteiwechsel nach Art. 263 OR zuzustimmen, dem Mieter faktisch die Möglichkeit, über den Abschluss eines Mietvertrags zu entscheiden (Heusi, Geschäftsmiete, S. 17). Zu Recht wird denn auch der Ent­ scheid des Bundesgerichts vom 26. September 2001 (vgl. N 26) von einem Teil der Literatur kritisiert (so Giger, BK, N 42 und N 50 zu Art. 254 OR, wonach für das Bundesgericht im besagten Fall die Einzelfallgerechtigkeit im Vorder­ grund gestanden sei; Weber, BSK, N 5 zu Art. 254 OR; HAP-Immobiliarmiet­ 78

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Art. 254

recht/Fertig, Rz. 8.89, S. 350 f.). Auch unter dem Aspekt der Rechtsgleichheit erscheint es nicht sachgerecht, nur dann ein Koppelungsgeschäft i.S.v. Art. 254 OR anzunehmen, wenn der Vermieter (zufällig) vom gekoppelten Rechtsge­ schäft erfährt und trotzdem der Übertragung zustimmt (Giger, BK, N 50 zu Art. 254 OR). Der Profit, der aus einem solchen Geschäft gezogen wird, bleibt mit oder ohne Zustimmung des Vermieters gleich und die damit verbundene Ausnützung der für den Mieter ungünstigen Marktlage ebenfalls. Es rechtfer­ tigt sich daher nicht, hier einen Unterschied zu machen, ob der Vermieter von der Vereinbarung eines Schlüsselgeldes gewusst und dieser zugestimmt hat oder nicht. In diesem Zusammenhang sei auch die bundesgerichtliche Recht­ sprechung zur Untermiete gemäss Art. 262 OR (siehe dazu im Einzelnen N 19 zu Art. 262 OR) in Erinnerung gerufen. So hat das Bundesgericht bei der Beur­ teilung des Rechts des Vermieters, die Zustimmung zur Untermiete im Falle von Art. 262 Abs. 2 Buchst. b OR zu verweigern, festgehalten, der Vermieter solle sich nicht geprellt fühlen müssen, weil der Mieter ohne Erbringung eige­ ner Leistung deutlich mehr Geld aus der Mietsache erziele als er selbst (Urteil des Bundesgerichts 4C.331/2004 vom 17. März 2004, E. 1.2.1, in: MRA 1/06, S. 34 ff.). Nicht anders präsentiert sich der Sachverhalt, wenn der Mieter vom Dritten ein Schlüsselgeld fordert und damit einen Gewinn aus der Mietsache erzielt, die nicht in seinem, sondern im Eigentum des Vermieters steht. Zudem schadet es dem Vermieter nicht, wenn die Vereinbarung eines Schlüsselgelds unabhängig vom Vorliegen seiner Kenntnis und seiner Zustimmung als ver­ pöntes Koppelungsgeschäft qualifiziert wird. Denn die Rechtsfolge einer sol­ chen Betrachtungsweise läuft nicht auf eine Bestrafung des Vermieters hinaus, bleibt doch der Mietvertrag gültig und ist einzig die Vereinbarung des Schlüs­ selgelds nichtig (vgl. N 27; vgl. die diesbezüglichen Bedenken von Giger, BK, N 50 zu Art. 254 OR, der bei einer Nichtigerklärung des Koppelungsgeschäfts von Amtes wegen auf eine «immense Vernichtung von Bilanzwerten» als Folge hinweist, da die Zahlung eines Schlüsselgelds unter Geschäftsmietern häufig als Investition betrachtet werde). Entschärfen wird sich das Ganze in der Pra­ xis, wenn die Initiative zur Zahlung eines Schlüsselgelds von den interessier­ ten Mietern ausgeht, um damit den Vertragsschluss günstig zu beeinflussen. In einem solchen Fall fehlt es aber von vornherein an der Voraussetzung der Miss­ bräuchlichkeit, weshalb Art. 254 OR nicht zur Anwendung gelangt (Giger, BK, N 50 zu Art. 254 OR; vgl. auch N 15). Eine andere Frage ist diejenige, ob der Vermieter die erteilte Zustimmung zur 29 Übertragung des Mietvertrags widerrufen darf, wenn er erst nachträglich vom missbräuchlichen Schlüsselgeld erfährt (ablehnend: Higi, ZK, N 21 zu Art. 263 OR; Hinweis bei HAP-Immobiliarmietrecht/Koumbarakis, Rz. 17.108, S. 676, Irene Biber

79

Art. 254

m.w.H.). Um sich gegen eine derartige Überraschung abzusichern, kann der Vermieter die Erteilung der Zustimmung zur Übertragung von der Bedingung abhängig machen, dass kein Schlüsselgeld bezahlt und bei Nichterfüllung die­ ser Bedingung die Zustimmung hinfällig wird (Higi, ZK, N 21 zu Art. 263 OR; HAP-Immobiliarmietrecht/Fertig, Rz. 8.129 ff., S. 363 f.; a.M. Zucker, Schlüs­ selgeld, S. 7).

2.3

Nichtigkeit und ihre Folgen

30

Von Gesetzes wegen wird von der Nichtigkeit einzig das gekoppelte Geschäft erfasst. Der Mietvertrag bleibt wirksam und gültig (vgl. Botsch. 1985, S. 1485; Urteil des Bundesgerichts 4C.207/1998 vom 13. Januar 1999, E. 2, in: mp 1/99, S. 41 ff., 44). Werden die von den Parteien getroffenen Vereinbarungen als Gan­ zes betrachtet, kann von einer Teilnichtigkeit i.S.v. Art. 20 Abs. 2 OR gespro­ chen werden (Weber, BSK, N  6 zu Art.  254 OR; die Botschaft spricht eben­ falls von «Teilnichtigkeit», S. 1485). Teilnichtigkeit im eigentlichen Sinne kann auch das gekoppelte Geschäft (z.B. Übernahme von Geschäftsmobiliar) betref­ fen, indem der Kaufpreis auf einen nicht missbräuchlichen Betrag reduziert wird. Das Bundesgericht hat im oben angeführten Entscheid diese Rechtsauf­ fassung bestätigt.

31

Auf die Nichtigkeit des gekoppelten Geschäfts kann sich der Mieter jederzeit berufen. Er ist an keine Anfechtungs- oder Verwirkungsfristen gebunden. Vorbehalten bleibt das Rechtsmissbrauchsverbot bei einem zu langen Zuwar­ ten des Mieters mit der Geltendmachung der Nichtigkeit (Blumer, Gebrauchs­ überlassungsverträge, Rz. 379, S. 118; MfdP/Wyttenbach, N 22.7). Zu beach­ ten sind zudem die Verjährungsfristen, insbesondere diejenige von Art.  67 OR (1 Jahr), wenn es um Rückforderungen aus nichtigen Koppelungsgeschäf­ ten geht.

32

Der Richter hat die Nichtigkeit von Amtes wegen zu berücksichtigen (Higi, ZK, N 36 zu Art. 254 OR; Weber, BSK, N 6 zu Art. 254 OR; statt vieler: BGE 80 II 48).

33

Die Beweislast trägt diejenige Partei, welche die Nichtigkeit des gekoppelten Geschäfts behauptet.

34

Auch der Vermieter kann sich auf die Nichtigkeit des gekoppelten Geschäfts berufen, sofern dies nicht i.S.v. Art. 2 ZGB rechtsmissbräuchlich ist (Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 380, S. 119; Weber, BSK, N 6 zu Art. 254 OR; Giger, BK, N 77 zu Art. 254 OR). Schulbeispiel eines Rechtsmissbrauchs ist

80

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Art. 254

der Fall eines mit einem Mietverhältnis gekoppelten Lebensversicherungsver­ trags. Nach dem Tod des Mieters beruft sich der Versicherer auf die Nichtigkeit dieses Vertrags, um keine Leistungen zu erbringen. Der Vermieter kann sich nicht darauf berufen, er hätte den Mietvertrag ohne das gekoppelte Rechtsge­ schäft nicht abgeschlossen (Giger, BK, N 77 zu Art. 254 OR). Wurde aus dem nichtigen Koppelungsgeschäft bereits geleistet, sind die Par­ 35 teien zur Rückgabe des Erhaltenen nach den Regeln über die ungerechtfer­ tigte Bereicherung verpflichtet (Higi, ZK, N 43 zu Art. 254 OR; Hulliger/Hein­ rich, CHK, N 9 zu Art. 254 OR). Dabei ist zu beachten, dass Rückforderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung im Rahmen von Art. 66 OR grundsätzlich ausgeschlossen sind. Dies gilt jedoch aufgrund des Schutzzwecks von Art. 254 OR nur für die Rückforderung des Vermieters oder des Dritten, nicht aber dann, wenn der Mieter die Rückforderung des Geleisteten fordert (Higi, ZK, N 43 und N 44 zu Art. 254 OR; Montini/Bouverat, CPra, N 46 zu Art. 254 OR; Giger, BK, N 79 zu Art. 254 OR unter Hinweis auf BGE 134 III 438, E. 3; HAPImmobiliarmietrecht/Schwaninger, N 10.19, S. 425). Geht es um die Rückfor­ derung von Sachleistungen, so können Vermieter und Mieter mit der Vindikationsklage (Art.  641 Abs.  2 ZGB) vorgehen oder bei Grundstücken eine Grundbuchberichtigung verlangen (Higi, ZK, N 44 zu Art. 254 OR; Hulliger/ Heinrich, CHK, N 9 zu Art. 254 OR). Weber (BSK, N 6 zu Art. 254 OR und mp 1/05, S. 21) vertritt die Auffassung, der Rückforderungsanspruch des Mieters aus einem nichtigen Koppelungsgeschäft sei nicht bereicherungsrechtlicher, sondern vertraglicher Natur. Diese Auffassung widerspricht der Meinung des Bundesgerichts und der h.L. (BGE 130 III 514, E. 6.2; BGE 140 III 583, E. 3.2.3; Higi, ZK, N 42 ff. zu Art. 254 OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 9 zu Art. 254 OR; Montini/Bouverat, CPra, N 45 zu Art. 254 OR; Blumer, Gebrauchsüberlas­ sungsverträge, Rz. 381, S. 119; Giger, BK, N 78 zu Art. 254 OR; HAP-Immobi­ liarmietrecht/Schwaninger, Rz. 10.18, S. 424). Von Bedeutung ist diese Unter­ scheidung v.a. für die Beantwortung der Frage, welche Verjährungsfristen gelten (HAP-Immobiliarmietrecht/Schwaninger, Rz. 10.18, S. 424). Nach hier vertretener Ansicht muss der Rückforderungsanspruch ausservertraglicher Natur sein, ist das Koppelungsgeschäft doch nichtig und kann sich daher der Anspruch eben gerade nicht auf eine vertragliche Grundlage abstützen. Eine Kündigung des Mietvertrags wegen Berufung des Mieters auf Art.  254 36 OR bzw. zur Durchsetzung eines verpönten Koppelungsgeschäfts ist nach Art.  271a Abs.  1 Buchst.  a OR anfechtbar (Higi, ZK, N  49 zu Art.  254 OR; N 11 zu Art. 271a OR; MfdP/Wyttenbach, N 22.7.2; Blumer, Gebrauchsüber­ lassungsverträge, Rz. 382, S. 119).

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Art. 255 C. Dauer des Mietverhältnisses 1 Das

Mietverhältnis kann befristet oder unbefristet sein.

2 Befristet

ist das Mietverhältnis, wenn es ohne Kündigung mit Ablauf der vereinbarten Dauer endigen soll. 3 Die

übrigen Mietverhältnisse gelten als unbefristet.

C.

Durée du bail

1 Le

bail peut être conclu pour une durée déterminée ou indéterminée.

2 Il est de durée déterminée lorsqu’il doit prendre fin, sans congé à l’expiration de la durée

convenue. 3 Les

C. 1 La

autres baux sont réputés conclus pour une durée indéterminée.

Durata della locazione locazione può essere a tempo determinato o indeterminato.

2 È a tempo determinato se destinata ad estinguersi, senza disdetta, alla scadenza pattuita. 3 Le

altre locazioni sono considerate a tempo indeterminato.

InhaltsübersichtSeite 1.

Zwingender Charakter der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

83

2.

Inhalt und Bedeutung im Allgemeinen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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3. 3.1 3.2 3.3

Befristung und Dauer des Mietverhältnisses .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Befristung im Allgemeinen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Option im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Beendigung des Mietverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt oder nach Ablauf einer bestimmten Zeitdauer .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.4 Beendigung des Mietverhältnisses durch Eintritt eines bestimmten Ereignisses ..  3.5 Zeitliche Begrenzung der Miete; Unzulässigkeit der «ewigen» Miete . . . . . . . . . . . . . .  3.6 «Kettenverträge» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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88 89 91 92

Art. 255

1.

Zwingender Charakter der Norm

Als Gesetzesnorm mit definitorischem Charakter ist die Bestimmung zwin- 1 gendes Recht (gl.M. Roncoroni, zwingende Bestimmungen II, S. 74). Dies bedeutet allerdings nicht, dass unter der «vereinbarten Frist» i.S.v. Abs. 2 2 zwingend nur ein nach Zeiteinheiten (Stunden, Tage, Monate, Jahre) festgeleg­ ter Zeitabschnitt zu verstehen ist. Die Befristung des Mietverhältnisses kann auch durch andere Umschreibungen gültig erfolgen, z.B. durch Vereinbarung eines Ereignisses, das den Mietvertrag beenden soll (vgl. N 18 ff.). Zwingend sind damit nur die gesetzlichen Definitionen.

2.

Inhalt und Bedeutung im Allgemeinen

Abs. 1 unterscheidet zwischen den befristeten und den unbefristeten Mietver­ 3 hältnissen. Abs. 2 präzisiert, dass ein Mietverhältnis nur dann als befristet gel­ ten kann, wenn es ohne Kündigung mit Ablauf einer zum Voraus bestimmten, also vereinbarten Frist zu Ende geht. Ein befristetes Mietverhältnis bedarf somit keiner Kündigung, es endet mit Zeitablauf. Erfolgt trotzdem eine Kün­ digung auf das Ende der vereinbarten Frist, so hat diese lediglich deklaratorischen Charakter ohne jegliche weitere Rechtswirkung (Giger, BK, N 47 zu Art. 255 OR, m.w.H.). Alle übrigen Mietverhältnisse sind unbefristet (Abs. 3) und müssen per definitionem durch Kündigung beendigt werden. Es gibt keine weitere Kategorie von Mietverhältnissen unter dem Aspekt ihrer Dauer. Eine Kombination von befristetem und unbefristetem Mietverhältnis ist jedoch zulässig, indem die Parteien eine Maximaldauer unter dem Vorbehalt ver­ einbaren, dass das Mietverhältnis nicht vor dem ordentlichen Vertragsablauf gekündigt wird (MfdP/Thanei, N 24.3.8, mit dem zutreffenden Hinweis, dass auf die vereinbarten Kündigungstermine hin Mietzinsänderungen verlangt werden können). Die Norm von Art. 255 OR macht klar, dass auch die soge­ nannt «unecht befristeten» Mietverhältnisse, die nach der vereinbarten Min­ destdauer weiterlaufen, falls sie nicht gekündigt werden, unbefristete Mietver­ hältnisse sind (Botsch. 1985, S. 1422; Higi, ZK, N 10 zu Art. 255 OR; BGE 114 II 165 und Urteil des Bundesgerichts 4C.61/2005 vom 27. Mai 2005, auszugs­ weise wiedergegeben in: MRA 3/05, S.  115  ff.; vgl. N  8). Insbesondere been­ det die Rückgabe des Mietobjekts das Mietverhältnis nicht (BGE 117 II 158), sofern nicht aufgrund einer Vereinbarung oder unmissverständlichen Verhal­ tens der Parteien von einem Auflösungsvertrag auszugehen ist.

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Art. 255 4

Die gesetzlichen Begriffsumschreibungen des befristeten und unbefristeten Mietverhältnisses finden sich in verschiedenen weiteren Bestimmungen wie­ der (so Art. 266 Abs. 2, 266a Abs. 1, 272 Abs. 1, 273 Abs. 2 Buchst. a und b OR), welche die Beendigung oder die Erstreckung des Mietverhältnisses betreffen.

5

Diese Bestimmung hat erhebliche praktische Bedeutung (Higi, ZK, N  7 zu Art. 255 OR). Ein befristeter Mietvertrag endet ohne Kündigung, weshalb die Kündigungsschutzvorschriften von Art.  271 und 271a OR keine Anwendung finden. Vertragsänderungen, insbesondere Mietzinserhöhungen, setzen gemäss Art. 269d OR Kündigungsmöglichkeiten voraus (vgl. N 7 zu Art. 269d OR). Bei einem Mietverhältnis auf bestimmte Zeit kann der Mietzins deshalb nicht erhöht werden. Befristete Verträge (aber auch die unbefristeten Verträge mit einer Mindestdauer) müssen daher Mietzinsanpassungsklauseln enthalten, wenn der Vermieter eine Mietzinserhöhung während der Vertragsdauer (bzw. während der Mindestdauer) durchsetzen will (vgl. N 9 zu Art. 257–257b OR). Zulässig sind, sofern die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 269b–269c OR), nur Indexierung oder Staffelmiete sowie Erhöhungen wegen wertvermehrender Investitionen während der festen Vertragsdauer (vgl. N 26 f. zu Art. 269b OR und N 6 zu Art. 269d OR; Urteil KGer Kanton St. Gal­ len, III. Zivilkammer vom 3. Mai 1996, bestätigt durch das Bundesgericht).

3.

Befristung und Dauer des Mietverhältnisses

3.1

Befristung im Allgemeinen

6

Sieht man von der richterlichen Erstreckung des Mietverhältnisses über Wohnund Geschäftsräume (Art.  272  ff. OR) ab, gibt es keine auf gesetzlicher Vor­ schrift beruhende Befristung des Mietvertrags. Die Befristung bedarf daher immer einer Parteivereinbarung.

7

Die Parteivereinbarung, die das Vertragsende zum Voraus in dem Sinne fest­ legt, dass das Mietverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt ohne Kündigung endigen soll, wird in den meisten Fällen schon bei Abschluss des Mietvertrags getroffen. Dies ist aber nicht zwingend. Es ist durchaus möglich und auch zuläs­ sig, dass die Parteien sich im Verlauf des Mietverhältnisses durch vertragsändernde Abrede über einen solchen Endtermin einigen, insbesondere eine Aufhebungsvereinbarung schliessen, die keiner besonderen Form bedarf und jederzeit auch ausserhalb der Kündigungsfristen möglich ist (N 43 f. Vorbem. zu Art.  266–266o OR; Urteil des Bundesgerichts 4C.167/2002 vom 8.  Okto­ ber 2002, E. 2.4.2, m.w.H.). Zu beachten ist allerdings, dass bei einer Famili­ 84

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Art. 255

enwohnung der nichtmietende Ehegatte bzw. eingetragene Partner ebenfalls die Zustimmung zum Aufhebungsvertrag geben muss. Ansonsten könnte die Bestimmung von Art.  273a OR umgangen werden (MfdP/Thanei, N  24.2.2; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 1015, S. 302). Im Rechtsalltag finden sich häufig Parteivereinbarungen, welche die feste 8 Vertragsdauer im Sinne einer Mindestdauer festlegen. Dies geschieht in aller Regel durch Festsetzung eines Termins, auf den die Parteien – ausnahmsweise auch nur eine Partei  – den Vertrag frühestens kündigen können bzw. kann (z.B.: «Der Vertrag ist frühestens kündbar auf den 31. Dezember 2020»). Solche Mietverhältnisse werden in der Praxis als «unecht befristet» bezeichnet. Da sie von Gesetzes wegen als unbefristete Mietverhältnisse (N 3) gelten und in der Folge stets einer Kündigung bedürfen, sollte die Verwendung des Ausdrucks «unecht befristet» vermieden und stattdessen korrekterweise von «Mietver­ hältnis mit einer Mindestdauer» gesprochen werden. Die Parteien können auch eine Befristung vorsehen im Sinne einer Maximal- 9 dauer (N  16–21) und gleichzeitig für die Zeit bis zu diesem absoluten End­ termin Kündigungsmöglichkeiten vereinbaren. Ein solches Mietverhält­ nis gilt als befristetes (Botsch. 1985, S. 1447). Z.B.: Die Parteien vereinbaren einen Mietvertrag auf die Dauer von 10 Jahren mit indexiertem Mietzins. Dem Mieter wird das Recht eingeräumt, das Vertragsverhältnis jederzeit oder nach Ablauf einer Mindestdauer auf einen oder mehrere bestimmte Termine ein­ seitig zu kündigen (N 3 zu Art. 269b OR). Wird das Mietverhältnis nicht vor Ablauf der Maximaldauer gekündigt, so endet es ohne Kündigung zum verein­ barten Endtermin. Leistet der Mieter nach Ablauf der vereinbarten Zeit weiterhin das verein­ 10 barte Entgelt und verlangt der Vermieter nicht die Rückgabe der Mietsache, so gilt das Mietverhältnis gemäss Art. 266 Abs. 2 OR als unbefristet. Obwohl das Gesetz in einem solchen Fall von einer Fortsetzung des Mietverhältnisses spricht, kann es sich nicht um ein solches handeln. Denn mit Ablauf der von den Parteien vereinbarten Zeitdauer endet das Mietverhältnis. Es kann folglich nicht fortgesetzt werden (Giger, BK, N 46 ff. zu Art. 255 OR).

3.2

Option im Besonderen

Befristete oder unbefristete Verträge, insbesondere bei der Geschäftsraum­ 11 miete, räumen dem Mieter oft eine Option auf Neuabschluss oder Verlänge­ rung des Mietverhältnisses ein (dazu Maag, Reservationsrecht, S. 37 ff.; Vor­ bem. N 45 ff. zu Art. 266–266o OR). Dabei handelt es sich um ein Recht des Irene Biber

85

Art. 255

Mieters, «durch Abgabe einer einseitigen Willenserklärung ein inhaltlich bereits fixiertes Vertragsverhältnis herbeizuführen (in Geltung zu setzen) oder zu verlängern» (Higi, ZK, N 54 zu Art. 255 OR, m.w.H.; BGE 113 II 31, E. 2.a), mithin um ein Gestaltungsrecht. Als Gestaltungsrecht ist die Optionserklä­ rung unwiderruflich und bedingungsfeindlich. Von einer Option kann des­ halb nur gesprochen werden, wenn die Parteien sich bereits im Vorfeld über alle wesentlichen Vertragselemente geeinigt haben. Die Optionserklärung des Mieters bewirkt  – anderweitige vertragliche Vereinbarungen vorbehal­ ten  – die uneingeschränkte Weitergeltung der bisherigen Vertragsbedingun­ gen (Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 325, S. 105). In der Praxis wird in diesem Fall von einer «echten Option» gesprochen. Demgegenüber liegt eine «unechte Option» vor, wenn die Parteien lediglich verpflichtet sind, über eine Vertragsverlängerung zu verhandeln, der Mietzins bei der Ausübung der Option jedoch noch nicht feststeht. Da der Mietzins zu den wesentlichen Vertragspunkten der Miete gehört, kommt der Neuabschluss oder die Verlän­ gerung des Vertrags nur zustande, wenn darüber eine Einigung erzielt wird. Damit bewirkt die Optionserklärung im Gegensatz zur echten Option nicht sogleich den Fortbestand des Mietverhältnisses (Blumer, a.a.O., Rz. 325, S. 105, m.w.H.; HAP-Immobiliarmietrecht/Koumbarakis, Rz.  17.13, S.  648, m.w.H.; im Einzelnen N 12). Verlängerungsoptionen können einfach oder mehrfach eingeräumt werden (ZMP 2/92, Nr. 15; ZMP 1/93, Nr. 1; MRA 4/00, S. 347). Wird die erste Option nicht ausgeübt, verfällt in aller Regel auch das Recht auf die Zweitoption. 12

Häufig wird bei Einräumung einer Option vereinbart, dass der Vermie­ ter berechtigt sei, den Mietzins den orts- und quartierüblichen (oder auch «marktüblichen») Verhältnissen anzupassen. Damit ist der Mietzins für die Optionsdauer zwar grundsätzlich bestimmbar, weshalb gemäss bundesge­ richtlicher Rechtsprechung von einer «echten Option» ausgegangen werden kann. Bildet der Mietzins nach Optionsausübung indessen Gegenstand von Verhandlungen und ist die Fortdauer des Mietverhältnisses damit vom Wil­ len beider Parteien abhängig, so handelt es sich gemäss Bundesgericht nicht um eine «echte Option». Vielmehr liegt eine «unechte Option» vor (Urteil des Bundesgerichts 4C.152/2004 vom 9. Juli 2004, E. 3.1, in: MRA 1/05, S. 28 ff.). Die Optionserklärung vermag damit die Fortdauer des Mietverhältnisses nicht auszulösen (kritisiert durch Weber, BSK, N 7 zu Art. 255 OR, wonach der feh­ lende Mietzins einer richterlichen Bestimmung zugänglich sein müsste; vgl. ferner Hulliger/Heinrich, CHK, N 11 zu Art. 255 OR). Vielmehr wird das Miet­ verhältnis in diesem Fall erst dann um die vorgesehene Vertragsdauer fortge­ setzt, wenn sich die Parteien über die Höhe des neuen Mietzinses einigen. Eini­ 86

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Art. 255

gen sie sich nicht und liegt ein befristetes Mietverhältnis vor, so endet dieses trotz rechtzeitig ausgeübter Optionserklärung auf den vertraglich vereinbarten Beendigungszeitpunkt (ohne dass es einer Kündigung bedarf). Liegt ein unbe­ fristetes Mietverhältnis mit einer Mindestdauer vor, so wird das Mietverhält­ nis als unbefristetes Mietverhältnis ohne Mindestdauer fortgesetzt (Art.  255 Abs. 3 OR). Eine ursprünglich vereinbarte Indexklausel gilt nicht mehr, da die gesetzlich vorgeschriebene Dauer von fünf Jahren fehlt (Art. 269b OR; HAPImmobiliarmietrecht/Koumbarakis, Rz. 17.49, S. 658). Anders ist zu entschei­ den, wenn eine der Parteien berechtigt ist, eine Mietzinsanpassung zu verlan­ gen, sofern die Höhe des neuen Mietzinses anhand objektiver, von den Parteien in der Optionsklausel definierter Faktoren bestimmbar und der Mietzins nicht mehr zwischen den Parteien zu verhandeln ist bzw. verhandelt wird (Urteil des Bundesgerichts 4A_551/2008 vom 12. Mai 2009, E. 5.1 und 5.2, in: MRA 4/10, S. 177 ff., mit Kommentar Andreas Maag ab S. 180). In einem solchen Fall bewirkt die Options­erklärung die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem aufgrund der vereinbarten, objektiven Faktoren bestimmten Mietzins. Dem Mieter verbleibt die Möglichkeit, den während der Optionsdauer geltenden Mietzins anzufechten. Auf Grund der aktuellen Rechtsprechung kann somit davon ausgegangen werden, dass immer dann, wenn der Mietzins für die Opti­ onsdauer bestimmbar ist und keine Verhandlungen zwischen den Parteien geführt werden (müssen), von einer «echten Option» ausgegangen werden kann. Vorsicht ist demnach insofern geboten, als Verhandlungen nach ausge­ übter «echter Option» diese zu einer «unechten Option» werden lassen können mit der Folge, dass bei Nichteinigung über die Höhe des Mietzinses bei Vorlie­ gen eines befristeten Mietverhältnisses dieses endet bzw. im Falle eines unbe­ fristeten Mietverhältnisses mit einer Mindestdauer dieses nicht um die vor­ gesehene Optionsdauer, sondern als unbefristetes Mietverhältnis fortgesetzt wird (vgl. zum Ganzen eingehend HAP-Immobiliarmietrecht/Koumbarakis, Rz. 17.2 ff., S. 646 ff., m.w.H. und Formulierungsbeispielen für die Praxis). Da die Optionserklärung wie die Kündigung eine empfangsbedürftige Wil- 13 lenserklärung ist, muss sie innerhalb der vereinbarten Frist beim Vermieter eintreffen bzw. in seinen Machtbereich gelangen. Es ist aber zulässig, den Ver­ sand der Optionserklärung am letzten Tag der Frist als rechtzeitig zu vereinba­ ren, da anders als bei der Kündigung keine (zwingenden) gesetzlichen Fristen zu beachten sind (zur Frage der rechtzeitigen Ausübung, falls bezüglich Frist nichts vereinbart ist, vgl. N 46 Vorbem. zu Art. 266–266o OR; Weber, BSK, N 7 zu Art. 255 OR; Blumer, a.a.O., Rz. 325, S. 105; differenzierter: Higi, ZK, N 65 ff. zu Art. 255 OR).

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Art. 255 14

Kündigt der Vermieter, um die Ausübung der Option durch den Mieter zu ver­ eiteln, so handelt es sich um eine unwirksame und damit nichtige Kündigung (N 47 f. zu Vorbem. zu Art. 266–266o OR; so auch Higi, ZK, N 69 zu Art. 255 OR, der allerdings von einer unheilbar wirkungslosen [nichtigen] Scheinkün­ digung spricht; Blumer, a.a.O., Rz. 326, S. 105; Giger, BK, N 70 zu Art. 255 OR; a.M. MfdP/Thanei, N  29.3.1.5.1, die von einer blossen Anfechtbarkeit einer solchen Vereitelungskündigung ausgeht). Die Option bleibt damit trotz Kün­ digung bestehen, und das Mietverhältnis kann bei korrekter Ausübung der Option gültig fortgesetzt werden. Eine Anfechtung der Kündigung ist nicht notwendig (Higi, ZK, N 69 zu Art. 255 OR).

15

Von der Option abzugrenzen ist das Vormietrecht, das wie das Vorkaufsrecht (Art.  681 ZGB) den Abschluss eines Vertrags mit einem Dritten voraussetzt (eingehend dazu: Sprenger, Entstehung, S.  34  ff.; HAP-Immobiliarmietrecht/ Koumbarakis, Rz. 17.77 ff., S. 666 ff.; zur Auslegung einer Vormietklausel im Sinne einer Option vgl. ZR 85 [1986] Nr. 39).

3.3

Beendigung des Mietverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt oder nach Ablauf einer bestimmten Zeitdauer

16

Die Parteien können vereinbaren, dass das Mietverhältnis zu einem bestimm­ ten Zeitpunkt endigen soll (z.B.: «Das Mietverhältnis endigt ohne Weiteres am 31. Dezember 2025.»). Sie können aber auch die Vertragsdauer auf einen bestimmten Zeitraum begrenzen (z.B.: «Das Mietverhältnis dauert 10 Jahre ab Mietbeginn.»).

17

Eine stillschweigende bzw. aus den Umständen, namentlich aus dem Zweck der Miete sich ergebende Vereinbarung der Dauer des Mietverhältnisses ist eben­ falls denkbar, z.B. wenn ein Zimmer für die Dauer eines Kongresses oder ein Kran für den Bau eines Gebäudes gemietet wird (Botsch. 1985, S. 1447; Schmid, ZK, N 3 zu aArt. 267 OR). Erforderlich, aber auch ausreichend ist somit die Bestimmbarkeit der festgelegten Vertragsdauer. Eine strengere Auffassung ver­ tritt Higi (ZK, N 34 zu Art. 255 OR), der, wie die Botschaft, Voraussehbarkeit verlangt mit der Begründung, dass die Erstreckungsklage für befristete Miet­ verhältnisse spätestens 60 Tage vor Ablauf der Vertragsdauer einzureichen ist (Art. 273 Abs. 2 Buchst. b OR). Ein befristetes Mietverhältnis setze daher eine zuverlässige Feststellung des Mietendes voraus, weil sonst ein gesetzlich ver­ pönter Vorausverzicht auf die Kündigungsschutzbestimmungen anzunehmen sei (Art. 273c OR; vgl. dazu ausführlich N 18).

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Art. 255

3.4

Beendigung des Mietverhältnisses durch Eintritt eines bestimmten Ereignisses

Die Parteien können das Vertragsende vom Eintritt eines bestimmten Ereig­ 18 nisses abhängig machen. Ein Mietvertrag kann daher z.B. sowohl auf die Leb­ zeit des Mieters (BGE 56 II 189, 191)  – nicht aber für die Dauer des Beste­ hens einer juristischen Person (Giger, BK, N 91 zu Art. 255 OR, mit Hinweis auf ZBJV 35/1899, S. 491, Genossenschaft, sowie BGE 96 II 129, E. 3a und b, Aktiengesellschaft) – als auch auf die Lebzeit des Vermieters, bis zum Abbruch oder Umbau des Mietobjekts (ZR 66 [1967] Nr. 109; ablehnend: SJ 1979, S. 575, Nr. 47) oder bis zur Fertigstellung des Hauses, das der Mieter bauen lässt, oder bis zur Bezahlung des Kaufpreises bei einem Miete-Kauf-Geschäft (Gauch/ Schluep/Emmenegger, OR AT II, Nr.  3961) abgeschlossen werden. Denkbar ist auch eine Befristung des Mietverhältnisses für die Dauer des Studien- oder Arbeitsaufenthalts des Mieters. Hat der Vermieter vor, seine Liegenschaft in absehbarer Zeit zu veräussern, ist es zulässig, den Ablauf des Mietvertrags vom Verkauf der Liegenschaft abhängig zu machen. Die mit dem Hausver­ kauf verbundene automatische Auflösung des Vertrags hat als Ausnahme zu Art.  261 OR zur Folge, dass das Mietverhältnis nicht kraft Gesetz auf den Erwerber übergeht. Eine von der h.L. abweichende Meinung vertreten etwa Higi (ZK, N 44 zu Art. 255 OR) und Weber (BSK, N 3 zu Art. 255 OR) sowie Thanei (MfdP/Thanei, N  24.3.6), die resolutiv bedingte Mietverträge ableh­ nen. Gemäss Higi liegt ein wenn auch atypisches unbefristetes Mietverhältnis vor, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses z.B. vom Erhalt der Baube­ willigung abhängig ist. Der Eintritt der Bedingung löse den Mietvertrag nicht auf, sondern berechtige zu einer unanfechtbaren Kündigung, u.U. mit Erstreckungsausschluss. Begründet wird diese These damit, dass der Mieter im Vor­ aus nicht auf die Erstreckung verzichten darf (Art. 273c OR). Nach der gesetz­ lichen Definition ist eine Bedingung eine ungewisse Tatsache (Art. 151 OR). Demgegenüber steht der Begriff des Termins (Befristung), d.h. ein Zeitpunkt, der sicher eintritt. Ist der Zeitpunkt kalendermässig fixiert, steht die Verwirk­ lichung des Termins fest (dies certus quando). Der Termin kann aber auch so beschaffen sein, dass über den genauen Zeitpunkt Ungewissheit herrscht, weil z.B. auf ein bestimmtes äusseres Ereignis abgestellt wird (dies incertus quando; dazu Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT II, Nr. 4036). Letztlich ist aber nur der Tod als künftiges Ereignis sicher. Die Begriffe überschneiden sich teilweise. Herrschende Lehre und Rechtsprechung stimmen nun insoweit überein, als ein Mietvertrag auf Lebzeit des Mieters befristet, d.h. von bestimmter Dauer ist, da der Tod sicher ist, ungewiss jedoch der Zeitpunkt (a.M. Higi, ZK, N 36

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zu Art. 255 OR). Vereinbaren die Parteien bewusst und unter Verzicht auf Kün­ digungsmöglichkeit einen Mietvertrag bis zum Erhalt einer Abbruchbewilli­ gung, so liegt ohne Zweifel ein befristetes Mietverhältnis bzw. ein Mietver­ hältnis für eine beschränkte Zeit vor (so auch die Terminologie von Art. 272a Abs. 1 Buchst. d OR). Diese Ansicht, die mit der h.L. übereinstimmt, ist vom Bundesgericht bestätigt worden (BGE 121 III 260, in: MRA 1/96, S. 15 ff.; bestä­ tigt im Urteil des Bundesgerichts 4 C.234/1997 vom 7. Oktober 1997; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4A_423/2013, E.  5.1). Allerdings steht die Recht­ sprechung des Bundesgerichts zu resolutiv bedingten Mietverträgen in einem gewissen Spannungsfeld zu einem Urteil aus dem Jahr 2009 (BGE 135 III 121, in: MRA 2009, S. 111 ff., sowie in: mp 1/09, S. 51 ff.; kommentiert auch in ZBJV 147/2011, S. 294 ff., 320 ff.). In diesem Urteil hat das Bundesgericht entschie­ den, dass gerichtliche Mieterstreckungen in zeitlicher Hinsicht kalendermäs­ sig genau bestimmt sein müssten, d.h., dass das Ende der Erstreckungsdauer mit einem bestimmten Datum festgelegt werden können muss. Andernfalls würde eine unannehmbare Unsicherheit geschaffen. Damit schützt das Bun­ desgericht die Vertragsparteien im Erstreckungsverfahren besser als den Mie­ ter beim resolutiv bedingten Mietverhältnis (weitere Ausführungen in N 15 zu Art. 272b OR; ZBJV 147/2011, S. 294 ff., 320 ff.). 19

Tritt das Ereignis ein und wurde es vorgängig nicht mitgeteilt oder konnte es nicht mitgeteilt werden (z.B. Tod), so wird die Frist zur Erstreckungsklage nach Art. 273 Abs. 2 Buchst. b OR (60 Tage vor Ablauf der Vertragsdauer) in diesem Zeitpunkt meistens bereits abgelaufen sein. Gerade bei Mietverträgen auf Leb­ zeit einer Partei wäre der Wegfall der Erstreckungsmöglichkeit jedoch unter Umständen  – etwa im Fall einer bestehenden Familienwohnung  – stossend. Das Bundesgericht hat eine Gesetzeslücke angenommen und diese geschlos­ sen, indem es dem Mieter in analoger Anwendung von Art. 273 Abs. 1 OR für ein Erstreckungsbegehren eine 30-tägige Frist ab Kenntnisnahme der Verwirk­ lichung der Bedingung einräumt (BGE 121 III 260, E. 5a, in: mp 2/96, S. 59; a.M. Giger, BK, N 88 zu Art. 255 OR, der den höchstrichterlichen Analogie­ schluss als «eigentlichen Rechtsbruch» bezeichnet, «auch wenn dadurch Här­ tefälle vermieden werden können»). Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetz­ geber den Mieter eines befristeten Mietverhältnisses, dessen Ende vom Eintritt eines zeitlich nicht exakt feststehenden Ereignisses abhängt, gegenüber demje­ nigen Mieter benachteiligen wollte, dessen Mietende zeitlich genau fixiert ist. Die Annahme eines qualifizierten Schweigens verbietet sich daher. Fraglich ist allein, ob das Gesetz nicht mit der gesonderten Regelung der Mietverträge «bis zum Baubeginn oder bis zum Erhalt der erforderlichen Bewilligung» gemäss

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Art. 272a Abs. 1 Buchst. d OR die Antwort für diesen Sonderfall bereits gege­ ben hat (keine Erstreckungsmöglichkeit; vgl. N 15 zu Art. 266 OR). Lässt sich das geplante Umbauvorhaben zufolge Verweigerung der Baube­ 20 willigung nicht realisieren, oder entschliesst sich der Vermieter entgegen sei­ nen ursprünglich bei Vertragsabschluss geäusserten Absichten, das Haus doch nicht zu verkaufen, so fällt die Bedingung weg. Das hat zur Folge, dass der auflösend bedingte und in diesem Sinn befristete Mietvertrag zu einem unbefris­ teten Vertrag auf unbestimmte Dauer wird, der nach den ordentlichen Kündi­ gungsbestimmungen (Art. 266a–266f OR) aufgelöst werden kann. Zögert der Mieter, dem ein Mietverhältnis bis zum Erreichen des vereinbar­ 21 ten Leistungszwecks gewährt wurde, z.B. bis zur Fertigstellung seines Eigen­ heims, den Eintritt dieses Ereignisses wider Treu und Glauben hinaus, so kann der Vermieter den Einwand aus Art. 156 OR analog erheben (Giger, BK, N 92 zu Art. 255 OR; vgl. auch den Entscheid des OGer Kanton Zürich NG130003 vom 4. Juli 2013, E. 4.6 sowie 5.5).

3.5

Zeitliche Begrenzung der Miete; Unzulässigkeit der «ewigen» Miete

Die zeitliche Begrenzung der Miete darf nicht mit der Befristung des Mietver­ 22 hältnisses verwechselt werden. Zeitlich begrenzt sind nämlich sowohl befris­ tete als auch unbefristete, durch Kündigung auflösbare Mietverhältnisse. Zeit­ lich unbegrenzt wäre dagegen eine Miete, die weder befristet ist noch durch Kündigung aufgelöst werden kann. Die Frage nach der zeitlichen Begrenzung hat also nichts zu tun mit der Zuordnung eines Mietverhältnisses zur Kate­ gorie der befristeten oder unbefristeten Mietverträge (Schmid, ZK, N  5 zu aArt. 267 OR; Zihlmann, Mietrecht, S. 102 f.; missverständlich, da unpräzis: Botsch. 1985, S. 1447). Die zeitliche Begrenzung gehört zum Wesen der Miete (Schmid, ZK, N 37 zu 23 aArt. 253 OR). Allerdings begrenzt das Gesetz, anders als beim Arbeitsvertrag in Art.  336d OR, die Höchstmietdauer nicht. Daher können auch sehr lang­ fristige Mietverhältnisse begründet werden, so z.B. auf Lebzeit einer Vertrags­ partei (Schmid, ZK, N 38 zu aArt. 253 OR; BGE 56 II 189, 191; SJZ 24, S. 203). Unzulässig ist dagegen die «ewige» Miete, d.h. das zeitlich nicht begrenzte – 24 weder befristete noch kündbare  – Mietverhältnis (BGE 56 II 189, 190). Die fehlende zeitliche Begrenzung verträgt sich nicht mit dem Wesen der Miete. Zudem führt die «ewige» Miete zu einer mit Art.  27 ZGB unvereinbaren

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Beschränkung der persönlichen Freiheit und ist als solche widerrechtlich (BGE 103 II 176, 185 f.; Schmid, ZK, N 37 zu aArt. 253 OR sowie dortige Zitate und Hinweise; Zihlmann, Mietrecht, S. 103). 25

Probleme bei der Abgrenzung einer statthaften langen Mietdauer von einer unzulässigen «ewigen» Miete ergeben sich v.a., wenn die Beendigung des Miet­ verhältnisses vom Eintreffen eines Ereignisses abhängig gemacht wird, sei dies nun im Sinne einer Befristung (N 18–21) oder dadurch, dass der Eintritt des Ereignisses die Möglichkeit zur Kündigung des Mietverhältnisses eröffnet. Nach Lehre und Rechtsprechung kommt es dabei darauf an, ob das Ereignis mit Sicherheit und nicht erst in völlig unabsehbarer Zeit erwartet werden kann (BGE 56 II 189, 190 f.; Schmid, ZK, N 5 zu aArt. 267 OR). Nach diesem Krite­ rium wurde z.B. als unzulässige «ewige» Miete ein Mietvertrag beurteilt, des­ sen Ende auf die nicht begrenzte Dauer einer Genossenschaft vereinbart war (ZBJV 35/1899, S. 491), ebenso ein Mietvertrag, bei welchem die Kündbarkeit vom völlig unbestimmten Zeitpunkt der Liquidation einer Aktiengesellschaft abhängig gemacht wurde (BGE 96 II 129, 131 f.).

26

Liegt eine unzulässige «ewige» Miete vor, ist nach Art. 20 OR zu entscheiden, d.h., nach dem Prinzip der Teilnichtigkeit ist die Dauer auf das zulässige Mass einzuschränken (in BGE 114 II 159, E. 2c, wurde unter Berücksichtigung der Vorstellungen der Parteien bei Vertragsabschluss ein ewiger Bierlieferungsver­ trag in einen Vertrag von 20 Jahren Dauer umgewandelt; vgl. auch Higi, ZK, N 52 f. zu Art. 255 OR).

3.6 «Kettenverträge» 27

Nach Ablauf eines befristeten Vertrags steht es den Parteien frei, das Miet­ verhältnis fortzusetzen. Bei Stillschweigen gilt das Mietverhältnis nach der gesetzlichen Vermutung fortan als unbefristet (Art.  266 Abs.  2 OR). Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ist es grundsätzlich zulässig, mehrmals hintereinander befristete Verträge abzuschliessen; das Gesetz verbietet Ketten­ mietverträge nicht (Urteil des Bundesgerichts 4C.155/2003 vom 3. November 2003, E. 3.3, unter Hinweis auf Higi, ZK, N 42 zu Art. 266 OR mit der Bemer­ kung, dass bei der Frage der Erstreckung die Dauer der ganzen Vertragsbezie­ hung massgebend sei; kritisch: Weber, BSK, N 6 zu Art. 255 OR; MfdP/Thanei, N 24.3.12). Selbst für den wiederholten Abschluss befristeter Mietverhältnisse nur auf kurze Dauer können ohne Weiteres sachliche Gründe vorliegen. Im zitierten Urteil des Bundesgerichts war eine wiederholt auf ein Jahr befristete Vermietung eines Dancings durch eine Bank an einen finanzschwachen Päch­

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ter zu beurteilen. Die Bank war zunächst durch Zession Mietzinsgläubigerin geworden und musste die Liegenschaft später übernehmen. Das Bundesge­ richt hob zu Recht das Interesse der Bank an der Verminderung des Risikos in einem für die Bank untypischen Geschäftsbereich hervor (vgl. ferner Urteil des Bundesgerichts 4C.455/1999 vom 21. März 2000, in: MRA 3/01, S. 69 ff., betreffend Vermietung eines Ladens auf einem Campingplatz jeweils während der Saison). Ein sachlicher Grund liegt gemäss Bundesgericht auch dann vor, wenn der Vermieter ein Neubauvorhaben projektiert und befristete Mietver­ träge abschliesst bis zum Zeitpunkt, in dem er damit rechnet, mit den Bauar­ beiten beginnen zu können (BGE 139 III 145, in: Pra 2013, Nr. 96, sowie in: MRA 2/14, S. 93 ff., und in: CdB 2/13, S. 51 ff.). Im besagten Entscheid bestä­ tigte das Bundesgericht seine bisherige Praxis und ging von der grundsätzli­ chen Zulässigkeit von Kettenmietverträgen aus, wobei es die Gesetzesumge­ hung vorbehielt. Diese hätte der Mieter zu beweisen, der Vermieter müsse kein schützenswertes Interesse am Abschluss befristeter Verträge nachweisen. Es müsse dargelegt werden, dass der Vermieter den Willen gehabt habe, die zwin­ genden Regeln der mietrechtlichen Schutzbestimmungen zu umgehen (BGE 139 III 145, E. 4.3.2; so auch Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 327, S.105 f.; HAP-Immobiliarmietrecht/Maag, Rz. 2.17, S. 76; kritisiert von Koller, Rechtsprechung 2013, S. 923 ff.). Weiter versteht sich von selbst, dass auch Mietverträge mit mehrmaligen Opti­ 28 onsmöglichkeiten zulässig sind. Vorbehalten bleiben auch hier Missbrauchstat­ bestände, die das Vorliegen besonderer, vom Mieter zu beweisender Umstände voraussetzen. Gelingt es dem Mieter, den Beweis der Gesetzesumgehung zu erbringen, so ist der Fall nach der Norm zu beurteilen, die umgangen wer­ den sollte (ZBJV 150/2014, S. 917 ff., 925). Damit wäre bei einem Kettenmiet­ vertrag, dessen Fortdauer im Streit steht, von einem unbefristeten Vertrag auszugehen. Da in einem solchen Fall der Vermieter, der ja von einem befris­ teten Mietverhältnis ausgegangen ist, keine Kündigung ausgesprochen hat, würde das Mietverhältnis weiterdauern. Kündet der Vermieter in der Folge das Mietverhältnis, stellt sich die Frage, ob sich der Mieter dagegen gestützt auf Art. 271a Buchst. e OR zur Wehr setzen kann (bejahend Koller, Rechtspre­ chung 2013, S. 925). Zu Recht als Gesetzesumgehung und damit als unbefristet wurde ein Miet­ 29 vertrag beurteilt, der «fest bis 31. März 2001» geschlossen wurde und folgende besondere Bestimmung enthielt: «Bei pünktlicher Mietzinszahlung verlängert sich dieser Mietvertrag automatisch um weitere 2 Monate. Bei Nichteinhaltung der Zahlungsfrist gilt dieser Mietvertrag als endgültig gekündigt.» Der Einzel­

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richter am KGer St. Gallen erwog, dass unter der Voraussetzung der pünktli­ chen Bezahlung der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit gelten sollte und eine Auflösung nur durch Kündigung erfolgen könnte. Die vertragliche Verknüp­ fung der Nichtleistung des Mietzinses mit der automatischen Beendigung des Mietvertrags verletzte damit Art. 257d OR (GVP 2002 Nr. 53, S. 158 ff.).

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Art. 256 D. Pflichten des Vermieters I.

Im Allgemeinen

1 Der

Vermieter ist verpflichtet, die Sache zum vereinbarten Zeitpunkt in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu übergeben und in demselben zu erhalten.

2 Abweichende

Vereinbarungen zum Nachteil des Mieters sind nichtig, wenn sie enthalten sind in: a. Vorformulierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen; b. Mietverträgen über Wohn- oder Geschäftsräume. D.

Obligations du bailleur

I.

En général

1 Le

bailleur est tenu de délivrer la chose à la date convenue, dans un état approprié à l’usage pour lequel elle a été louée, et de l’entretenir en cet état.

2 Les

dérogations au détriment du locataire sont nulles si elles sont prévues: a. dans des conditions générales préimprimées; b. dans les baux d’habitations ou de locaux commerciaux.

D.

Obblighi del locatore

I.

In genere

1 Il

locatore deve consegnare la cosa nel momento pattuito, in stato idoneo all’uso cui è destinata e mantenerla tale per la durata della locazione.

2 Sono

nulle le clausole che derogano a svantaggio del conduttore previste in: a. contratti sotto forma di condizioni generali preformulate; b. contratti concernenti la locazione di locali d’abitazione o commerciali.

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InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2. 2.1 2.2 2.3 2.4

97 97 97

Pflichten des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Hauptleistungspflicht – Dauerleistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Nebenpflichten Vermieter, insbesondere Schutz vor Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Geschuldeter Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Erfüllung und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

97 97 99 102 111

3. Schutz des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Rohbaumiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.3 Vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.4 Mietverträge über Wohn- und Geschäftsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.5 Teilnichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

112 112 115 117 118 118

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Art. 256

1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter

Die Bestimmung von Abs.  1 ist im Umfang, wie sie durch Abs.  2 der Par­ 1 teidisposition entzogen wird, relativ zwingender Natur (gl.M. Roncoroni, zwingende Bestimmungen I, S. 87). Vereinbarungen, die eine Änderung der in Abs. 1 statuierten Vermieterpflichten vorsehen, sind nur dann unzulässig (nichtig), wenn sie dem Mieter zum Nachteil gereichen; nicht jedoch, wenn sie – im Rahmen der allgemeinen Schranken der Vertragsfreiheit (Art. 19 f. OR)  – zulasten des Vermieters gehen (z.B. Abreden, wonach die Mietsache Eigenschaften aufweisen muss, die über die gesetzlich verlangte Gebrauchs­ tauglichkeit hinausgehen). Im gleichen Sinne relativ zwingender Natur sind die Bestimmungen, die an die Hauptpflichten des Vermieters anknüpfen, insbe­ sondere alle Bestimmungen über die Mängelrechte des Mieters (Art. 258 und Art. 259a–259i OR). Die durch Abs. 2 geschützte Rechtsstellung des Mieters darf auch dadurch nicht beeinträchtigt werden, dass durch Parteiabrede die für den Vermieter nachteiligen Folgen der Verletzung seiner Hauptleistungspflich­ ten abgeschwächt oder aufgehoben werden (vgl. dazu N 49 ff.).

1.2 Anwendungsbereich Die Bestimmung über die Hauptpflichten des Vermieters ist auf alle Miet­ 2 verhältnisse anzuwenden. Das grundsätzliche Verbot gemäss Abs.  2, zulas­ ten des Mieters die Pflichten des Vermieters wegzubedingen, gilt hingegen nur für die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen im Sinne der Defini­ tion von Art. 253a OR, daher nicht für andere Mietverhältnisse (Gärten, Feri­ enwohnungen bis drei Monate Mietdauer, einzelne Abstellplätze und Garagen usw.). Soweit es sich somit nicht um Mietverhältnisse betreffend Wohn- und Geschäftsräume handelt, gilt das Verbot nur, wenn es in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen enthalten ist (dazu N 62 ff.).

2.

Pflichten des Vermieters

2.1

Hauptleistungspflicht – Dauerleistungspflicht

Nach der Legaldefinition von Art. 253 OR ist Miete das Vertragsverhältnis, das 3 die Überlassung einer Sache zum Gebrauch gegen Entgelt zum Gegenstand hat. Das Überlassen einer Sache zum Gebrauch ist damit vertragstypisches, d.h.

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den Vertragstyp charakterisierendes Merkmal der Miete und in diesem Sinne Hauptleistungspflicht des Vermieters (vgl. zum Begriff der Hauptleistungs­ pflicht Kramer, BK, N 93 f. zu allgemeine Einleitung in das schweizerische OR). 4

Im Gegensatz zu Art.  253 OR beinhaltet Art.  256 Abs.  1 OR keine den Ver­ tragstyp «Miete» bestimmende Leistungspflicht des Vermieters; Miete liegt auch dann vor, wenn die in Abs. 1 statuierte Pflicht des Vermieters, die Sache in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu übergeben und in demselben zu erhalten, von den Parteien in zulässiger Weise ausgeschlos­ sen wurde. Dennoch handelt es sich dabei ebenfalls um eine Hauptleistungspflicht des Vermieters, da die Pflicht zur Übergabe und Erhaltung der Mietsache in gebrauchstauglichem Zustand, sofern nicht ausnahmsweise gültig wegbedungen, vollständig ins Synallagma einfliesst bzw. daran teilnimmt. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus den Rechtsfolgen ihrer Verletzung, die von der Reduktion der Gegenleistung (Art. 259d OR) bis hin zur Auflösung des Synal­ lagmas reichen (Art. 259b OR).

5

Fasst man die in Art. 253 und 256 Abs. 1 OR statuierten Vermieterpflichten zusammen, so lässt sich die Hauptleistungspflicht des Vermieters einheit­ lich umschreiben als die Pflicht, dem Mieter den vorausgesetzten Gebrauch der Mietsache zu ermöglichen/gewähren, indem er ihm den dafür erforderlichen Zustand der Mietsache verschafft.

6

Die in der Bestimmung enthaltene Übergabepflicht hat für sich allein kei­ nen selbständigen Inhalt. Im Verhältnis zur Pflicht, dem Mieter die Sache zum Gebrauch zu überlassen, ist die Übergabe der Sache an den Mieter meist nur notwendige Begleiterscheinung. Dies gilt auch mit Bezug auf den Übergabe­ zeitpunkt. Dass nämlich der Vermieter die Mietsache zum vereinbarten Zeit­ punkt zu übergeben hat, will er nicht in Verzug geraten, ist ebenso selbstver­ ständlich wie die Übergabe selbst.

7

Entscheidend ist dagegen die Verpflichtung des Vermieters mit Bezug auf den Zustand der Mietsache. Der Zustand der Mietsache hat «zum vorausgesetzten Gebrauch tauglich» zu sein, und zwar sowohl im Zeitpunkt der Übergabe der Mietsache als auch während der gesamten Mietdauer. Das Gesetz legt damit fest, wie die Mietsache zu übergeben und zu erhalten ist. Die Qualität des Leistungsgegenstandes wird damit ausdrücklich zum Inhalt der Leistungspflicht des Vermieters erhoben.

8

Bei der Hauptleistungspflicht des Vermieters handelt es sich um eine Dauerleistungspflicht. Die Pflicht zur Verschaffung des zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustandes bzw. zur Gebrauchsermöglichung/-gewährung (vgl. N 5 98

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Art. 256

in fine) besteht während der gesamten Mietdauer. Schlechtleistung liegt daher vor, wenn der Vermieter die Mietsache nicht im geschuldeten Zustand über­ gibt oder wenn die Mietsache während der Mietdauer in einen Zustand gerät, der nicht dem geschuldeten entspricht (Näheres unter N 45 ff.).

2.2

Nebenpflichten Vermieter, insbesondere Schutz vor Störungen

Art. 256 Abs. 1 OR handelt (zusammen mit Art. 253 OR) von der Hauptleis­ 9 tungspflicht des Vermieters. Die Rechtsfolgen der Verletzung dieser Pflicht sind in den Art. 258 bzw. 259a–259i OR geregelt. Art. 256 Abs. 1 OR bildet daher die Grundlage der Mängelhaftung (Gauch, Mängelhaftung, S.  189). Nicht Gegenstand der Regelung von Art. 256 Abs. 1 OR sind dagegen die soge­ nannten Nebenpflichten. Nebenpflichten sind solche, die dem jeweiligen Schuldverhältnis nicht das 10 vertragstypische Gepräge geben (vgl. Schwenzer, OR AT, N  4.22; zur Unter­ scheidung zwischen Nebenpflichten und Nebenleistungspflichten vgl. Gauch/ Schluep/Emmenegger, OR AT II, N 2637 ff.). Sie ergeben sich entweder aus der Parteivereinbarung, aus dem Gesetz (z.B. Art. 256a OR) oder aus dem Grund­ satz von Treu und Glauben. Ihrem Inhalt nach werden Nebenpflichten nor­ malerweise unterteilt in Mitteilungs-, Verschaffungs-, Mitwirkungs- sowie Obhuts- und Schutzpflichten (statt vieler: Weber, BK, N 69 ff. zu Art. 97 OR). Die schuldhafte Verletzung einer Nebenpflicht durch den Vermieter gibt dem 11 Mieter einen Anspruch auf Ersatz des ihm daraus entstandenen Schadens (Art. 97 OR, positive Vertragsverletzung). Ob dem Mieter bei Verletzung einer Nebenpflicht ein Erfüllungsanspruch zusteht, lässt sich dagegen nicht gene­ rell sagen (statt vieler: Schwenzer, OR AT, N 68.05). In jedem Fall aus dem Spiel bleiben jedoch die Mängelrechte des Mieters (Art.  258/259a ff. OR). Diese gelangen nur dann zur Anwendung, wenn der Vermieter seine Hauptleistungs­ pflicht nicht oder schlecht erfüllt; sei es, dass er die Mietsache nicht oder mit Mängeln behaftet übergibt (Art. 258 OR), oder sei es, dass die Mietsache wäh­ rend der Vertragsdauer nicht die Qualität (Beschaffenheit) aufweist, die sie nach dem Vertrage eigentlich aufweisen sollte (Art. 259a ff. OR). Nebenpflichten des Vermieters sind etwa die in Art. 256a OR genannten Aus- 12 kunftspflichten oder die Pflicht zur Tragung der mit der Mietsache verbunde­ nen Lasten und öffentlichen Abgaben (Art. 256b OR).

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Art. 256 13

Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben kann sich sodann etwa die Pflicht des Vermieters ergeben, den Mieter über bestimmte Gefahren bei der Benüt­ zung der Mietsache oder über andere Belange, die für den Mieter von (vertrags­ erheblichem) Interesse sind, aufzuklären. So hat der Vermieter den Mieter z.B. rechtzeitig darüber zu unterrichten, wenn er weiss, dass die öffentlichen Werke an einem bestimmten Tag den Strom oder das Wasser vorübergehend abstel­ len (Schmid, ZK, N 11 f. zu Art. 254/5 aOR). Merz (BK, N 266 zu Art. 2) bejaht eine auf Treu und Glauben beruhende Schutzpflicht des Vermieters, vom Mie­ ter Wettbewerb im Hause und unter Umständen auch ausserhalb fernzuhal­ ten. Dem ist freilich präzisierend zweierlei hinzuzufügen: Erstens kann nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls gesagt werden, ob der Vermieter nach Treu und Glauben die Pflicht habe, eine Geschäftsliegenschaft konkurrenzfrei zu halten. Das Interesse des Vermieters an der Vermietung seiner Räume hat nicht grundsätzlich gegenüber dem Interesse des Mieters an Konkurrenzfreiheit zurückzutreten. Zweitens ist es möglich, dass die Parteien die Abwesenheit von Konkurrenz als Eigenschaft der Mietsache vereinbaren und damit zum geschuldeten Zustand der Mietsa­ che erheben (Anmerkung: Gemäss BGE 124 III 495 hält ein einseitiges Kon­ kurrenzverbot, das als Nebenverpflichtung im Rahmen eines Austauschvertra­ ges zur Sicherung des Wertes der vertraglichen Hauptleistung vereinbart wird, vor den Schranken des Kartellrechts stand. Demgegenüber erklärte das Miet­ gericht Baden im Urteil vom 16. Februar 2004, in: MRA 2005, S. 84 ff., eine Konkurrenz(freihalte)klausel wegen eines Verstosses gegen das Kartellgesetz für nichtig). Wird die Konkurrenzfreiheit zum geschuldeten Zustand erhoben, leidet das Mietobjekt an einem Mangel, wenn die Konkurrenzfreiheit entge­ gen der Vereinbarung nicht gewährleistet ist. Es liegt somit Schlechterfüllung der Hauptleistungspflicht vor (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 4C.1/2001 vom 19. März 2001, E. 1a: Der Mieter wehrte sich gegenüber dem Vermieter zu Unrecht gegen einen Konkurrenten in der Nachbarschaft).

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Die soeben gemachten Ausführungen zeigen, dass die Abgrenzung der Neben­ pflichten, namentlich der Schutzpflichten, von der Hauptleistungspflicht des Vermieters subtiler ist, als es auf den ersten Blick scheinen mag, und bisweilen Mühe bereitet. So handelt es sich z.B. bei der Beheizung oder der Versorgung einer Wohnung mit Wasser und Strom nicht um blosse Nebenpflichten des Ver­ mieters. Dass eine Wohnung ausreichend beheizt und mit Wasser und Strom versorgt ist, gehört vielmehr regelmässig zum geschuldeten Zustand (Qualität, Beschaffenheit) einer Wohnung und damit zur Hauptleistungspflicht des Ver­ mieters. Ihre Schlechterfüllung löst die in den Art. 258/259a ff. OR geregelten Rechtsfolgen aus. Der Mieter sieht sich nicht lediglich auf den Schadenersatz­ 100

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Art. 256

anspruch (aus positiver Vertragsverletzung; Art. 97 OR) oder allenfalls auf den Erfüllungsanspruch verwiesen (N 11). Allgemein lässt sich sagen, dass die Hauptleistungspflicht des Vermieters darin 15 besteht, dem Mieter den vorausgesetzten Gebrauch der Mietsache zu ermög­ lichen, indem er ihm den dafür tauglichen Zustand verschafft. Die Mietsa­ che hat m.a.W. diejenigen Eigenschaften aufzuweisen, wodurch der Mieter in die Lage versetzt wird, von ihr den vorausgesetzten Gebrauch zu machen (vgl. jedoch auch N 21 nachstehend). Die Nebenpflichten, insbesondere die Schutz­ pflichten, zielen dagegen nicht auf die Verschaffung des geschuldeten Zustands der Mietsache. Ihnen geht es um den Schutz der sonstigen Interessen des Mie­ ters, die zwar auch mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängen kön­ nen – und regelmässig auch zusammenhängen –, die aber dennoch nicht im blossen «Haben» einer gebrauchstauglichen Mietsache bestehen. Die Botschaft hält auf Seite 1424 fest: «Wie das geltende Recht (Art. 254 und 16 255 OR) erwähnt der Entwurf nicht ausdrücklich, dass der Vermieter alles Zumutbare unternehmen muss, um Störungen des Mieters im Gebrauch der Sache abzuwenden. Selbst ohne diese ausdrückliche Klarstellung wird der Mie­ ter weiterhin vor Störungen geschützt sein, die ihn im Gebrauch der Sache beeinträchtigen, weil der Vermieter in solchen Fällen den Vertrag nicht oder schlecht erfüllt.» Diese Ausführungen sind zumindest unpräzis, und es ist dazu Folgendes zu bemerken: Erstens: Dass der Vermieter abwehrbare Immissionen, die einen Mangel der 17 Mietsache verursachen (dazu N  36  ff. hiernach sowie N  53  ff. Vorbem. zu Art. 258–259i OR), auf Verlangen des Mieters abwehren muss, und zwar auch dann, wenn dem Mieter gegen die Immissionen eigene Rechtsbehelfe zuste­ hen (namentlich solche aus Art. 679/684, 928 ZGB), steht ausser jeder Frage (vgl. Art.  259a Abs.  1 Buchst.  a, 259b OR). Weniger klar ist demgegenüber, ob es auch im Falle von Immissionen, die zwar keinen Mangel verursachen, die aber dennoch die Interessen des Mieters beeinträchtigen, ausschliessliche Sache des Vermieters ist, gegen abwehrbare Immissionen vorzugehen. Eine solche (Neben-)Pflicht lässt sich nur unter Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben begründen (N 13). Nach der Auffassung von Tschudi for­ dert das Gebot loyalen Verhaltens (Art. 2 ZGB) nur dann ein Vorgehen des Vermieters, wenn der Mieter im Gegensatz zum Vermieter keine Möglichkeit besitzt, die keinen Mangel verursachenden Immissionen abzuwehren. Nur in solchen Fällen verstosse es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn der Vermieter untätig bleibt und sich nicht für die Interessen seines Mieters einsetzt (Tschudi, Immissionen, S. 125). Matthias Tschudi

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Art. 256 18

Zweitens: Soweit Störungen oder Immissionen zur Mangelhaftigkeit der Miet­ sache führen (vgl. dazu einlässlich unter N 36 ff. nachstehend sowie N 53 ff. Vorbem. zu Art.  258–259i OR), braucht für die Frage der Schlechterfüllung nicht weiter geprüft zu werden, ob dem Vermieter die Abwehr der Immissio­ nen zumutbar ist oder nicht. Der Vermieter leistet diesfalls bereits dadurch schlecht, dass sich die Mietsache nicht in dem Zustand befindet, in dem sie sich nach dem Vertrag eigentlich befinden sollte. Die Rechtsfolgen dieser Schlecht­ leistung richten sich nach den Art.  258/259a ff. OR. Anders verhält es sich demgegenüber bei abwehrbaren Immissionen, die keinen Mangel der Miet­ sache verursachen. Hier können Zumutbarkeitsüberlegungen eine Rolle spie­ len bei der Frage, ob der Vermieter den Vertrag allenfalls dadurch schlecht erfüllt (Art. 97 OR), dass er einer auf Art. 2 ZGB beruhenden (Neben-)Pflicht zur Abwehr von Immissionen nicht nachkommt (Näheres bei Tschudi, Immis­ sionen, S. 124, N 371).

2.3

Geschuldeter Zustand

2.3.1

Zum vorausgesetzten Gebrauch tauglicher Zustand

19

Den Zustand der Mietsache, den der Vermieter schuldet und den der Mieter fordern kann, beschreibt das Gesetz als «den zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen». Die Mietsache muss danach für diejenigen Zwecke tauglich sein, für die sie gemietet bzw. vermietet worden ist (Botsch. 1985, S.  1423; Zihl­ mann, Mietrecht, S. 49). So muss man in einer Wohnung wohnen, in einem Büro arbeiten und in einem Ladengeschäft Kunden empfangen können. Ein als Laboratorium vermieteter Raum muss als Laboratorium dienen können, ein Mietwagen muss in fahrbereitem Zustand sein (Botsch. 1985, a.a.O.). Wird dagegen das Auto nicht zum Fahren vermietet, sondern z.B. zu Ausstellungs­ zwecken, so muss es nicht unbedingt fahrtüchtig sein. Vgl. dazu und zum Fol­ genden auch die Ausführungen zum Mangel der Mietsache unter N 52 ff. Vor­ bem. zu Art.  258–259i OR. Zur Unterscheidung zwischen Gebrauchszweck i.e.S. und Gebrauchsmodalitäten vgl. Gauch, Mängelhaftung, S. 189 f., sowie Higi, ZK, N 10 ff. zu Art. 256 OR.

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Der «vorausgesetzte Gebrauch», für den die Mietsache taugen muss, ist vorab und in erster Linie derjenige, den die Parteien durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung bestimmt haben (Gauch, Mängelhaftung, S. 190; Higi, ZK, N 17 zu Art. 256 OR). Bestand und Inhalt einer solchen Vereinbarung ist durch Auslegung des Vertrags zu ermitteln, unter Anwendung der üblichen Auslegungsmittel und Auslegungsregeln (vgl. Higi, ZK, N 19 zu Art. 256 OR

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sowie im Allgemeinen Gauch/Schluep/Schmid, OR AT I, N 1195 ff.). Haben die Parteien über den Gebrauch keine oder keine abschliessende Vereinbarung getroffen, so ist massgeblich der übliche Gebrauch (Gauch, Mängelhaftung, S. 191; Higi, ZK, N 15 zu Art. 256 OR; ferner ZMP 2/97, Nr. 19). Das ist der­ jenige Gebrauch, den jedermann unter den gegebenen Umständen von einer Sache der betreffenden Art gewöhnlich zu machen pflegt (vgl. Higi, ZK, N 23 zu Art. 256 OR).

2.3.2

Keine Beschränkung auf Gebrauchstauglichkeit

Die gesetzliche Umschreibung in Abs.  1, wonach der Vermieter verpflichtet 21 ist, dem Mieter die Sache in gebrauchstauglichem Zustand zu übergeben und darin zu erhalten, ist zu eng und daher unvollständig. Zwar ist es so, dass die­ jenigen Eigenschaften, die für den vorausgesetzten Gebrauch notwendig sind – ihn erst ermöglichen  –, bei der Miete als Gebrauchsüberlassungsvertrag im Vordergrund stehen. Auf der anderen Seite kann der Mieter durchaus ein Inte­ resse daran haben, sich (Sach-)Eigenschaften versprechen zu lassen, die mit der Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch nichts oder nur am Rande etwas zu tun haben und für den Mieter aus anderen Gründen – z.B. aus sol­ chen der besonderen Wertschätzung  – von Bedeutung sind. Beispiele dafür sind etwa die Zusicherungen des Vermieters, dass die bestehende Aussicht der Wohnung nicht verbaut oder der Verkehrslärm nicht zunehmen werde, dass die Wände der Mietwohnung mit einer bestimmten Farbe bemalt werden, dass die Küche mit einem Steamer oder einer Mikrowelle ausgerüstet werde usw. Auch solche, über die eigentliche Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch (in den vorgenannten Beispielen: das Wohnen) hinausgehende Eigenschaften können von den Parteien ohne Weiteres vereinbart und damit zum geschulde­ ten Zustand der Mietsache erhoben werden (vgl. dazu auch Gauch, Mängel­ haftung, S. 193). Sind solche Eigenschaften vereinbart worden, dann gehört es selbstverständlich zur richtigen Erfüllung, dass sie auch eingehalten werden (vgl. jedoch nachstehend N 52).

2.3.3 (Sach-)Eigenschaften Der geschuldete Zustand der Mietsache lässt sich – gewissermassen mathema­ 22 tisch – auch umschreiben als die Summe aller geschuldeten (Sach-)Eigenschaf­ ten. Die geschuldeten Eigenschaften können dabei körperlicher oder unkörperlicher Art sein. Körperliche Eigenschaften sind solche, «die in der physischen (substanziellen) Beschaffenheit der Sache wurzeln. Unkörperliche Eigenschaften sind dagegen Matthias Tschudi

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Art. 256

all diejenigen Merkmale, die der Sache in anderer Weise ‹anhaften› oder eigen sind» (Tschudi, Immissionen, S. 20/21). 24

Zu den unkörperlichen Eigenschaften zählen wirtschaftliche (z.B. der Umsatz eines Ladengeschäftes) und rechtliche (insb. die Konformität mit öffentlichrechtlichen Normen) Merkmale (vgl. dazu Entscheid des OGer Kanton Luzern vom 18.  August 2004, in: MRA 3/05, S.  180  ff.; Entscheid des KGer Kanton Waadt vom 24. März 2004, in: mp 4/05, S. 256 ff.; MfdP/Roy, N 9.1.2.9; ferner Giger, BK, N 34 zu Art. 197 OR). Hierher gehören aber auch die Lage der Sache in ihrer Umgebung (Gauch, Mängelhaftung, S. 193) bzw. die Beziehungen der Sache zu ihrer Umwelt, so z.B. die Aussicht, die Konkurrenzsituation, die Son­ nen-, Geruchs- und Passantenlage, die Lärmsituation. Die Immissionsbetroffenheit bzw. die Immissionsfreiheit sind daher ebenfalls Eigenschaften einer Sache und können namentlich bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen zum geschuldeten Zustand der Mietsache gehören (vgl. N 36 ff.).

2.3.4 Eigenschaftsvereinbarung 25

Abs. 1 sagt nicht, welche Eigenschaften die Mietsache im Einzelfall aufzuwei­ sen hat. Die konkrete Festlegung des geschuldeten Zustandes der Mietsache ist vielmehr Sache der Parteien und damit eine Frage der Parteivereinbarung (Higi, Fluglärm, S. 155, FN 15). Die Eigenschaftsvereinbarung kann dabei eine ausdrückliche (N 26 ff.) oder eine stillschweigende (N 29 ff.) sein.

26

Ausdrücklich ist eine Eigenschaftsvereinbarung, wenn aus den verwende­ ten Worten oder Zeichen unmittelbar hervorgeht, welche Eigenschaften zum geschuldeten Zustand gehören (zum Begriff der ausdrücklichen Willenser­ klärung statt vieler: Gauch/Schluep/Schmid, OR AT I, N 188). Dies ist etwa der Fall, wenn der Vermieter dem Mieter (ausdrücklich) versichert, dass die bestehende Aussicht der Mietwohnung nicht verbaut werde, dass der Boden der gemieteten Lagerräumlichkeiten eine bestimmte Tragkraft aufweise, dass die Abfüllmaschine mindestens 4000 Konservendosen pro Stunde verarbei­ ten könne, dass mit dem Sandstrahler eine bestimmte Oberflächenstruktur der damit zu behandelnden Kupferrohre zu erreichen sei usw.

27

Namentlich bei der Miete einer Wohnung oder von Geschäftsräumen kön­ nen auch Umweltbeziehungen (vgl. dazu N 24) ausdrücklich zum geschulde­ ten Zustand der Mietsache erhoben werden. So ist es z.B. möglich, dass der Vermieter dem Mieter zusichert, dass die Verkehrsbelastung in den nächs­ ten 5 Jahren nicht zunehmen, sich die hervorragende Passantenlage nicht ver­ schlechtern, ein bestimmtes Mass an Umgebungslärm nicht überschritten oder

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in einem gewissen Umkreis während der Mietdauer keine Konkurrenz entste­ hen werde. Der Hinweis auf den bisherigen Umsatz des Ladengeschäftes ist jedoch noch 28 keine verbindliche Zusicherung. Auch ist längst nicht jede Beschreibung oder Anpreisung der Mietsache in einem Inserat als Zusicherung von Sacheigen­ schaften zu verstehen. Zusicherung ist die ernsthaft gemeinte und daher ver­ traglich bindende Erklärung des Vermieters, dass die Mietsache eine bestimmte Eigenschaft aufweisen werde, und zwar unter Umständen während der gesam­ ten Mietdauer. Dies bildet der Gegensatz zur bloss reklamehaften, offenkundig falschen oder masslos übertriebenen Anpreisung, die nicht wörtlich zu neh­ men ist. Womit man es im Streitfall zu tun hat, ist durch Auslegung zu ermit­ teln, wobei in solchen Fällen meist die normative Auslegung, d.h. die Anwen­ dung des Vertrauensprinzips zum Zuge kommt (vgl. zum analogen Problem beim Kauf: Giger, BK, N  15 zu Art.  197 OR; Keller/Siehr, Kaufrecht, S.  74). Ebenfalls durch empirische oder normative Auslegung zu ermitteln ist, ob im Inserat – wenn auch in verbindlicher Weise – lediglich der aktuelle, gegenwär­ tige Zustand der Mietsache beschrieben wird oder ob der Mieter nach Mass­ gabe des Vertrauensprinzips davon ausgehen durfte, es werde ihm der im Inse­ rat beschriebene Zustand für die gesamte Mietdauer zugesichert. Letzteres dürfte bei den in Inseraten üblichen Lagebeschreibungen («an schöner», «hel­ ler», «ruhiger Lage», «an ausgezeichneter Passantenlage») regelmässig nicht der Fall sein. Neben den ausdrücklich vereinbarten Eigenschaften gibt es in grosser Anzahl 29 auch solche, die von den Parteien nicht explizit angesprochen, sondern viel­ mehr stillschweigend vereinbart werden. Hierzu zählen in erster Linie und vor allem körperliche und unkörperliche Sacheigenschaften, die sich aus der Gebrauchsvereinbarung ergeben. Gemeint sind diejenigen Eigenschaften der Mietsache, die notwendigerweise vorhanden sein müssen, damit der vorausge­ setzte Gebrauch vollständig möglich ist. So ergibt sich z.B. allein aus der Verein­ barung des Wohngebrauchs («zum Wohnen», «als Wohnung»), dass das Miet­ objekt ausreichenden Schutz vor Witterungseinflüssen (Kälte, Regen, Wind, Nässe usw.) zu bieten hat, dass der Aufenthalt in der Wohnung keine Gefahr für Leib und Leben oder die Gesundheit darstellen darf (keine übermässige Feuch­ tigkeit, kein Schimmelpilzbefall usw.), dass es möglich sein muss, im Miet­ objekt zu schlafen und Effekten aufzubewahren, dass eine Mindesttempera­ tur von 20 bis 21º C gewährleistet und ein gewisses Mass an Ruhe vorhanden sein muss (vgl. dazu N 36 ff.) usw. Eigenschaften, die auf der Gebrauchsverein­ barung beruhen, werden auch als «vorausgesetzte Eigenschaften» bezeichnet

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(vgl. dazu Gauch, Werkvertrag, N 1406 ff.). Die Gebrauchsvereinbarung stellt nach richtiger Ansicht nichts anderes als eine stillschweigende Eigenschaftsvereinbarung dar. 30

Aus der Gebrauchsvereinbarung lässt sich grundsätzlich nur (aber immerhin) die Vereinbarung und damit das «Geschuldet-Sein» von Sacheigenschaften ableiten, die aus Gründen der Tauglichkeit der Mietsache zum vorausgesetzten Gebrauch schlechthin unverzichtbar und unbedingt notwendig sind, was sich nach objektiven Kriterien und nicht nach der subjektiven Anschauung oder Wunschvorstellung des Mieters beurteilt (Gauch, Mängelhaftung, S.  191  f.; vgl. auch Weber, BSK, N  4 zu Art.  256 OR). Nur typische (Teil-)Nutzungen im Rahmen des vorausgesetzten Gebrauchs können damit den Massstab für die geforderte Gebrauchstauglichkeit bilden: In einem Bastelraum muss man nicht meditieren, in Lagerräumen nicht übernachten und in einem Büro nicht duschen können. Unter typischen (Teil-)Nutzungen oder Gebrauchssituationen sind solche zu verstehen, «die nach allgemeiner Auffassung und Lebens­ erfahrung die Eigenart des vorausgesetzten Gebrauchs ausmachen oder m.a.W. dem vorausgesetzten Gebrauch das charakteristische Gepräge verleihen, und zwar sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Hinsicht […]» (Tschudi, Immis­ sionen, S. 58 ff.). In diesem Sinne untypische Nutzungen fallen dagegen als Kri­ terien bei der Bestimmung des geschuldeten Zustands ausser Betracht, und zwar auch dann, wenn sie an und für sich nicht unerlaubt sind, d.h. der Mie­ ter durch sie keinen vertragswidrigen Gebrauch von der Sache macht (wie z.B. beim Meditieren im Bastelraum).

31

Entsteht zwischen den Parteien Streit darüber, ob eine bestimmte Eigenschaft vereinbart wurde, so ist diese Frage durch empirische oder normative Auslegung zu klären, unter Anwendung der anerkannten Auslegungsmittel (Wort­ laut, Ort, Zeit und andere Begleitumstände des Vertragsschlusses, wie z.B. das Verhalten der Parteien vor und nach Vertragsschluss, die Verkehrsauffassung und die Verkehrsübung usw.) und Auslegungsregeln (dazu im Allgemeinen: Gauch/Schluep/Schmid, OR AT I, N  1195  ff.). Ausgangspunkt bildet dabei stets der Wortlaut als primäres Auslegungsmittel (statt vieler: Jäggi/Gauch, ZK, N 345 ff. zu Art. 18 OR).

32

Wenn Weber mit Bezug auf den geschuldeten Zustand der Mietsache schreibt, massgebend sei, was der Mieter unter den konkreten Umständen vernünfti­ gerweise erwarten dürfe, so ist dies zumindest verfänglich (Weber, BSK, N 4 zu Art. 256 OR). Sollte Weber damit gemeint haben, der geschuldete Zustand bestimme sich anhand der Erklärungen der Parteien, die unter Berücksich­ tigung der konkreten (Begleit-)Umstände und, falls nötig, nach dem Ver­ 106

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trauensprinzip (Treu und Glauben) auszulegen sind, so wäre daran nichts auszusetzen. In diese Richtung weisen denn auch die von Weber zitierten Bun­ desgerichtsurteile (Urteile 4C.368/2004 vom 21. Februar 2005 und 4C.377/2004 vom 2. Dezember 2004). Richtig ist es daher z.B., wenn der Richter dort, wo dem Mieter eine Wohnung «mit Aussicht» versprochen wurde, auf die Umge­ bungsverhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abstellt, um darüber zu befinden, was «mit Aussicht» gemeint war. Unrichtig dagegen wäre es, die (Begleit-)Umstände gewissermassen an die Stelle der Willenserklärungen der Parteien zu setzen und ihnen gleichsam aus sich selbst heraus rechtsverbind­ liche bzw. geltungsbegründende Kraft beizumessen. Daher geht es nicht an, allein aufgrund der Tatsache, dass das Mietobjekt bei Vertragsschluss eine ein­ malige Aussicht geboten hat, dem versprochenen Wohngebrauch («zum Woh­ nen», «als Wohnung» usw.) durch «Auslegung» einen Inhalt zu geben, der das Versprechen ebendieser Aussicht mitumfasst (vgl. dazu Tschudi, Immissio­ nen, S. 63; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4A_43/2009 vom 1. April 2009, E. 3.3). Das Verhalten der Parteien vor oder bei Vertragsschluss sowie bei Antritt der 33 Mietsache oder unmittelbar danach, kann im Streitfall für die Bestimmung des geschuldeten Zustandes der Mietsache von erheblicher Bedeutung sein. Hat der Mieter die Mietsache vor oder bei Abschluss des Mietvertrages besich­ tigt und dabei nichts beanstandet, so gilt der Zustand in diesem Zeitpunkt als der vereinbarte und damit als der geschuldete (vgl. auch LGVE, 2004 I, 45; Züst, Mängelrechte, S. 10; Schmid, ZK, N 14 zu Art. 245/255 aOR mit weiteren Hinweisen). Die Sentenz «so gemietet, wie gesehen» gilt indessen dann nicht uneingeschränkt, wenn die Mietsache anlässlich der Besichtigung noch nicht in (voll) gebrauchstauglichem Zustand ist oder wenn ihr zu diesem Zeitpunkt zugesicherte Eigenschaften fehlen (vgl. dazu auch Urteil des Bundesgerichts 4C.384/2005 vom 22. März 2006, E. 2.2). Analoge Überlegungen gelten für den Fall, dass der Mieter anlässlich der Übergabe der Mietsache oder unmittel­ bar danach keine Einwendungen erhebt. Obschon bei der Miete im Gegensatz zum Kauf keine Untersuchungs- und Rügepflicht besteht (vgl. Art. 201 OR), darf in solchen Fällen angenommen werden, der übergebene Zustand entspre­ che dem vereinbarten (MfdP/Roy, N 9.1.2.11; Schmid, ZK, N 15 zu Art. 254/5 aOR; BGE 104 II 274). Im Urteil 4A_281/2009 vom 31. Juli 2009, E. 3.3, ist das Bundesgericht davon ausgegangen, dass der in der Wohnung hörbare Lärm des Lifts als vertragskonform zu gelten habe, da der Mieter erst 1 Jahr nach Über­ nahme der Mietsache den Lärm des Lifts als Mangel rügte.

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Anzumerken ist freilich, dass nicht jede Eigenschaft, die der Mietsache im Zeitpunkt der Besichtigung, des Vertragsschlusses oder der Übergabe anhaf­ tet, ohne Weiteres zum geschuldeten Zustand gehört. Sicherlich wird man den Vermieter auf den von ihm selbst geschaffenen Zustand behaften dürfen, da der von ihm geschaffene und offerierte Zustand durchaus ein Erklärungsverhalten (i.S. einer konkludenten Willenserklärung) darstellt. Von daher geht es z.B. nicht an, dass der Vermieter einer Wohnung mit gehobenem Innenausbau den defekten Backofen durch einen zwar funktionstauglichen, aber ästhetisch überhaupt nicht zum Rest der Kücheneinrichtung passenden ersetzt. Bei Sach­ eigenschaften, die den Herrschaftsmöglichkeiten und der Willkür des Vermie­ ters entzogen sind und bei denen es gleichsam vom Zufall abhängt, wie sie im Laufe der Zeit vorhanden sind (was bei Umweltbeziehungen regelmässig der Fall ist), kann demgegenüber nicht ohne Weiteres von einer konkludenten Willenserklärung ausgegangen werden (vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4A_43/2009 vom 1. April 2009, E. 3.3).

35

Als weitere auslegungsrelevante Begleitumstände werden in Lehre und Recht­ sprechung, namentlich im Zusammenhang mit Immissionsstreitigkeiten, etwa genannt: die (Un-)Beherrschbarkeit von Immissionen, die Vorhersehbarkeit von Immissionen, die Höhe des Mietzinses (dazu ausführlich und z.T. kritisch: Tschudi, Immissionen, S. 48 ff., m.w.H.).

2.3.5

Geschuldetes Mass an Immissionsfreiheit

36

Die Immissionsfreiheit (Ruhe, Aussicht, Abwesenheit von Staub und lästi­ gen Gerüchen usw.) ist ebenfalls eine Sacheigenschaft, die zum geschulde­ ten Zustand einer stationären Mietsache gehören kann und regelmässig auch gehört. Haben die Parteien ein bestimmtes Mass an Immissionsfreiheit verein­ bart, dann leistet der Vermieter schlecht, wenn dieses Mass infolge auftreten­ der Immissionen nicht (mehr) gewährleistet ist. Es liegt ein immissionsbeding­ ter Mangel vor (dazu Tschudi, Immissionen, S. 31 ff.).

37

Das geschuldete Mass an Immissionsfreiheit kann wie jede andere Sacheigen­ schaft ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart werden.

38

Ausdrücklich ist die Vereinbarung etwa, wenn der Vermieter zusichert, dass «die bestehende Aussicht nicht verbaut» oder dass sich die «Umgebungsruhe nicht nachteilig verändern» werde.

39

Bei der stillschweigenden Vereinbarung eines bestimmten Masses an Immis­ sions­freiheit steht wiederum die Gebrauchsvereinbarung im Vordergrund (vgl. N 29). Aus der Gebrauchsvereinbarung lässt sich im Streitfall zwar nur –

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aber doch immerhin  – das geschuldete Mass an Immissionsfreiheit herlei­ ten, das aus Gründen der Tauglichkeit der Mietsache zum vorausgesetzten Gebrauch schlechthin unverzichtbar und unbedingt notwendig ist. «Es han­ delt sich dabei um jenes Mass an Immissionsfreiheit, das in jedem Fall mindes­ tens vorhanden sein muss, um dem Mieter den vorausgesetzten Gebrauch der Mietsache vollständig zu ermöglichen» (Tschudi, Immissionen, S. 54), welche Regel für sämtliche Arten von Immissionen gilt (Staub, Schmutz, Lärm, Gerü­ che, Erschütterungen usw.). Welches konkrete Mass an Immissionsfreiheit aufgrund der Gebrauchsver­ 40 einbarung geschuldet ist, ist im Streitfall anhand der im fraglichen Gebrauch typischerweise enthaltenen (Teil-)Nutzungen oder Gebrauchssituationen zu bestimmen (vgl. dazu N  30). Der Richter hat sich m.a.W. die (Teil-)Nutzun­ gen, die mit dem infrage stehenden Gebrauch typischerweise verbunden sind, vor Augen zu führen und danach zu fragen, welches Mass an Immissionsfrei­ heit diese notwendigerweise voraussetzen, um noch vollständig gewährleistet zu sein. Gemäss Tschudi enthält der Wohngebrauch u.a. die lärmsensible (Teil-)Nut­ 41 zung der «Privatheit», womit zusammenfassend ausgedrückt werden soll, «dass die Wohnung gemeinhin als ein nach aussen hin abgeschirmter Frei­ raum betrachtet wird, ein Fluchtpunkt gleichsam, in dem man seinen eige­ nen Gedanken und Gefühlen und selbst gewählten Tätigkeiten nachgehen kann (z.B. Rekreation, Lesen, Gesprächeführen, Telefonieren, Radiohören), ohne davon dauernd nachhaltig abgelenkt zu werden» (Tschudi, Immissio­ nen, S. 90; ähnlich auch das Mietgericht des Bezirks Zürich vom 10. November 1999, in: MRA 2/00, S. 279 ff., 284, sowie das Mietgericht des Bezirks Bülach vom 24. September 2000, in: SJZ 98, S. 110). Zu beachten ist dabei, dass von einer Beeinträchtigung der Privatheit noch nicht gesprochen werden kann, solange Umweltgeräusche die Aufmerksamkeit nur kurzfristig auf sich ziehen und damit nur kurz von einer gedanklichen Beschäftigung ablenken, wie dies oft Dutzende Male am Tag vorkommt. Man hört das Hupen eines Autos, das Geschrei eines Kindes, den Überflug eines Flugzeuges, das Vorbeifahren eines Zuges usw. Die Privatheit als Teilgehalt des Wohngebrauchs ist erst dort nicht mehr voll gewährleistet, wo die Ablenkungsreaktion nicht mehr nur kurz ist und sich gewissermassen beiläufig vollzieht, sondern vielmehr zu einer nach­ haltigen Behinderung der befassten gedanklichen Tätigkeit führt (Näheres Tschudi, Immissionen, S. 89 ff.). Ob die Parteien zusätzlich zur Gebrauchsvereinbarung ein Mass an Immissi­ 42 onsfreiheit vereinbart haben, das über die «nackte» Tauglichkeit zum vorausge­ Matthias Tschudi

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Art. 256

setzten Gebrauch hinausgeht (die schöne Aussicht, die besondere Ruhe usw.), ist durch Auslegung der weiteren Parteierklärungen zu ermitteln. 43

Inwiefern dabei die Höhe des Mietzinses zu berücksichtigen ist und ob sich aus der Höhe des Mietzinses ein erhöhtes Mass an Immissionsfreiheit herlei­ ten lässt, ist kontrovers (befürwortend, allerdings ohne nähere Begründung und ohne daraus im konkreten Fall etwas abzuleiten, das Bundesgericht in Urteil 4C.81/1997 vom 26.  Januar 1998, E.  3a, sowie in Urteil 4C.368/2004 vom 21.  Februar 2005, in: MRA 5/05, S.  196  ff.; kritisch: Tschudi, Immissio­ nen, S. 68 ff.; vgl. Weber, BSK, N 4 zu Art. 256 OR, m.w.H.). Grundsätzlich gilt, dass eine Sacheigenschaft nur dann zum geschuldeten Zustand der Mietsache gehört, wenn sie von den Parteien vereinbart wurde – sei es, dass sich die Par­ teien darüber tatsächlich geeinigt haben, oder sei es, dass der Mieter aufgrund des Erklärungsverhaltens des Vermieters in guten Treuen (Vertrauensprin­ zip) davon ausgehen durfte, die infrage stehende Sacheigenschaft gehöre zum geschuldeten Zustand, weil der Vermieter sich darauf habe verpflichten wol­ len. Dass die Lage und der Standort einer stationären Mietsache Einfluss auf den erzielbaren Mietzins haben, ist nicht bestreitbar. Für Wohnungen mit einer einmaligen Aussicht oder in einer besonders ruhigen Umgebung gelegen wer­ den generell etwas höhere Mietzinse bezahlt als für Wohnungen, die nicht über solche (Standort-)Vorteile verfügen. Dasselbe gilt z.B. für die ausgezeichnete Passantenlage bei der Ladenmiete. Unter der Voraussetzung, dass die infrage stehende Umweltbeziehung evident ist, der Standortvorteil als solcher somit nachgerade ins Auge fällt, lautet die wohl entscheidende Frage: Darf der Mie­ ter (allein) aufgrund der Tatsache, dass der Vermieter wegen eines bestimmten Standortvorteils einen Mietzins verlangt bzw. verlangen kann, den er ohne die­ sen Standortvorteil wohl nicht erzielen könnte, in guten Treuen davon ausge­ hen, der Vermieter wolle ihm diesen Standortvorteil garantieren? Dafür könnte sprechen, dass es unter Umständen auch für den Vermieter erkennbar ist, dass der Mieter nur deswegen bereit ist, den geforderten Mietzins zu bezahlen, weil eben ein bestimmter Standortvorteil vorhanden ist. Ob dies indessen reicht, um dem Vermieter einen (tatsächlichen oder auch nur normativen) Verpflich­ tungswillen zu unterstellen, scheint fraglich. Denn dass der Mieter bereit ist, für einen bestimmten Standortvorteil einen etwas höheren Mietzins zu bezah­ len, heisst noch nicht, dass der Vermieter seinerseits bereit sein muss, dem Mieter diesen Standortvorteil zu garantieren und damit als Träger der Gegen­ leistungsgefahr das Risiko des Abhandenkommens dieses Vorteils zu über­ nehmen. Dies gilt umso weniger, als nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden darf, der Vermieter habe eine Sacheigenschaft versprechen wollen, auf deren Vorhandensein (oder «So-Vorhandensein») er letztlich keinen Einfluss 110

Matthias Tschudi

Art. 256

hat, was bei Umweltbeziehungen (Aussicht, Ruhe, Passantenlage usw.) regel­ mässig der Fall ist. Dass der Vermieter eine Leistung versprechen wollte, auf deren gehörige Erfüllung er letztlich keinen Einfluss hat, darf ihm nicht leicht­ hin unterstellt werden (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 4A_43/2009 vom 1. April 2009, E. 3.3). Zur Vermeidung von Streitigkeiten sei den Parteien jedoch empfohlen, von 44 Anfang an klarzustellen, welche Umweltbeziehungen (Standortvorteile) zum geschuldeten Zustand der Mietsache gehören und welche nicht (vgl. dazu Bät­ tig Hans, in: MRA 5/03, S.  178). Will der Mieter das Risiko einer Standort­ verschlechterung nicht auf sich nehmen, so hat er dafür besorgt zu sein, dass die von ihm als wichtig empfundene Umweltbeziehung (Aussicht, Ruhe usw.) Eingang in die Vereinbarung findet und damit zum geschuldeten Zustand der Mietsache erhoben wird. Der Vermieter, der sich vorsorglich vor allfälli­ gen Ansprüchen aus Umgebungsveränderungen schützen will, sollte demge­ genüber klarstellen, dass allfällige Standortverschlechterungen ausschliesslich zulasten des Mieters gehen und dieser daraus keine Ansprüche gegen den Ver­ mieter ableiten kann. Diesbezüglich ist indessen darauf hinzuweisen, dass bei der Wohn- und Geschäftsraummiete die Haftung des Vermieters für die Taug­ lichkeit der Mietsache zum vorausgesetzten Gebrauch nicht uneingeschränkt wegbedungen werden kann (vgl. dazu Art. 256 Abs. 2 OR und zu den Voraus­ setzungen einer zulässigen Wegbedingung N 27). Für darüber hinausgehende Immissionsfreiheiten – solche also, die sich nicht aus Gründen der Tauglich­ keit zum Gebrauch ergeben, wie etwa die besondere Ruhe bei Mietantritt, die einzigartige Seesicht oder die ausgezeichnete Passantenlage  – kann die Haf­ tung indessen ohne Weiteres gültig wegbedungen werden (Näheres dazu unter N 50).

2.4

Erfüllung und Beweislast

Der Vermieter erfüllt seine Hauptleistungspflicht nicht bzw. nicht richtig und 45 darum schlecht, wenn er die Mietsache nicht zum vereinbarten Zeitpunkt oder nicht im geschuldeten Zustand (vgl. dazu N 19 ff.) übergibt. Schlechtleistung liegt ferner dann vor, wenn der Mietsache während der Mietdauer eine Eigen­ schaft abhandenkommt, die sie nach dem Vertrage haben müsste. Diesbezüg­ lich ist zu betonen, dass der Vermieter nicht erst schlecht leistet, wenn er bei der Wiederherstellung des geschuldeten Zustands säumig ist, sondern bereits in dem Moment, wo der Istzustand der Mietsache vom Sollzustand abweicht.

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Art. 256 46

Die Rechtsfolgen dieser Art der Nicht- bzw. Nichtrichtigerfüllung sind umfas­ send geregelt im Art. 258 OR (Nichterfüllung oder mangelhafte Erfüllung des Vertrages bei Übergabe der Sache) und in den Art. 259a–i OR (Rechte des Mieters bei Mängeln während der Mietdauer). Es wird auf die Bemerkungen zu diesen Bestimmungen verwiesen, insbesondere auch auf die Vorbemerkun­ gen zu den genannten Artikeln.

47

Nichterfüllung oder Verzug des Vermieters liegt aber nur vor, wenn der Ver­ mieter das Mietobjekt nicht im geschuldeten Zustand übergibt oder erhält. Der Mieter hat kein Recht, vom Vermieter Mehrleistungen zu verlangen, z.B. den Ersatz der in der Wohnung vorhandenen Dusche durch Einbau einer Bade­ wanne (Lachat David, Die Mietzinserhöhung bei Mehrleistungen des Vermie­ ters, Art. 269a Buchst. b OR und Art. 14 VMWG, in: mp 4/93, S. 141).

48

Bezüglich Beweislast gilt: Die behauptete Schlechterfüllung während der Miet­ dauer, d.h. die Mangelhaftigkeit der Mietsache, ist vom Mieter zu beweisen.

3.

Schutz des Mieters

3.1 Allgemeines 49

Die Bestimmung bezweckt zweierlei: Zum einen soll verhindert werden, dass in Massenmietverträgen über Konsumgüter, wie z.B. Autos, Musikinstru­mente, Geräte der Unterhaltungselektronik, Ferienwohnungen, die Leistungspflichten des Vermieters durch vorformulierte AGB, also durch das sogenannte «Klein­ gedruckte», wegbedungen oder eingeschränkt werden (Botsch. 1985, S. 1424). Zum anderen soll dem Mieter die Hauptleistung des Vermieters inte­gral  – oder zumindest nicht ohne entsprechende Reduzierung der eigenen Leistung – erhalten bleiben, um zu verhindern, dass Vermieter die für den Mieter ungüns­ tige Marktlage im Bereich der Immobiliarmiete ausnützen und durch Abbau der eigenen Pflichten ein Ungleichgewicht der vertraglichen Leistungen bewir­ ken. So gesehen gehört Abs. 2 allgemein in den Kontext der Bestimmungen, die den Mieter vor missbräuchlichen Forderungen des Vermieters schützen sollen.

50

Eine «zum Nachteil des Mieters» abweichende und unter den weiteren Vo­raussetzungen gemäss Buchst. a und b somit nichtige Vereinbarung liegt vor, wenn dadurch die Pflicht des Vermieters, die Mietsache zum vereinbar­ ten Zeitpunkt in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu übergeben und in demselben zu erhalten (Abs. 1), ganz oder teilweise aufge­ hoben wird, ohne dass dies bei der Festsetzung des Mietzinses entsprechend

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Art. 256

berücksichtigt wird (vgl. BGE 104 II 202; ferner Urteil des Bundesgerichts 4C.39/2003 vom 23. April 2003; Higi, ZK, N 67 ff. zu Art. 256 OR; Sommer Monika, in: MRA 4/05, S. 186). Nichtig unter den genannten Voraussetzungen sind nicht nur vertragliche Ver­ 51 einbarungen, welche die Hauptleistungspflicht des Vermieters gemäss Abs. 1 ganz oder teilweise aufheben, sondern auch solche, welche die Rechte des Mie­ ters im Falle der Schlechterfüllung der Hauptleistungspflicht einschränken (Art. 258/259a ff. OR; vgl. dazu Higi, ZK, N 68 zu Art. 256 OR). Eine Beschränkung der Vertragsfreiheit besteht nur mit Bezug auf den zum 52 vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand, nicht jedoch mit Bezug auf Sacheigenschaften, die über die Gebrauchstauglichkeit hinausgehen (vgl. dazu N 21). Für solche Sacheigenschaften kann namentlich die Haftung des Vermie­ ters auch in den in Buchst. a und b genannten Fällen gültig wegbedungen wer­ den. Zwar dürfte es aus Gründen der Rechtslogik und entsprechend den im Kaufrecht entwickelten Grundsätzen nicht möglich sein, dass der Vermieter das Vorhandensein einer Sacheigenschaft verspricht und gleichzeitig die Haf­ tung wegbedingt für den Fall, dass die versprochene Eigenschaft im Zeitpunkt der Übergabe nicht vorhanden ist. Möglich ist indessen, dass sich der Ver­ mieter zwar verpflichtet, die Sache mit einer bestimmten, über die Gebrauchs­ tauglichkeit hinausgehenden Eigenschaft zu übergeben, er jedoch die Haftung ausschliesst für den Fall, dass diese Eigenschaft während der Mietdauer abhan­ denkommt (vgl. Gauch, Mängelhaftung, S. 194). Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Überwälzung der Unter­ 53 haltspflicht des Vermieters auf den Mieter zulässig ist, stellt sich insbesondere im Zusammenhang mit den sogenannten Double-Net- und Triple-Net-Mietverträgen (zur Unterscheidung zwischen Double-Net- und Triple-Net-Miet­ verträgen vgl. HAP-Immobiliarmietrecht/Nordmann/Schmelzer, N  18.57  f., S. 702). Triple-Net-Mietverträge (die nachfolgenden Ausführungen gelten analog 54 auch für Double-Net-Mietverträge) sind namentlich bei ausländischen Inves­ toren sehr beliebt und gebräuchlich. Von der Idee her soll der Triple-Net-Ver­ trag dem Vermieter den Mietertrag «dreifach netto» verschaffen, d.h. ohne weitere Abzüge für Steuern, Versicherungen und Unterhalt. Es werden sämt­ liche im Zusammenhang mit dem Objekt anfallenden Betriebs- und Unter­ haltskosten im weitesten Sinne auf den Mieter abgewälzt, sodass es zu kei­ ner (weiteren) Verminderung des regelmässig zu erwartenden Mietertrags kommt bzw. kommen sollte. Der Vermieter (Investor) erhält so einen (mög­

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Art. 256

lichst) konstanten und geglätteten Free-Cash-Flow. Der Mietzins, den der Mieter bezahlt, dient dem Vermieter (im Idealfall) ungeschmälert zur Kapi­ talverzinsung. Im Weiteren bezweckt der Triple-Net-Vertrag, den Arbeitsauf­ wand für den Vermieter während der Mietdauer so gering wie möglich zu halten, da der Mieter für den Betrieb und Unterhalt des Mietobjekts (inkl. Instandhaltung und Instandsetzung) verantwortlich ist (Tschudi, Mängel­ rechte, S.  4  f.; vgl. ferner die Ausführungen bei HAP-Immobiliarmietrecht/ Nordmann/Schmelzer, N 18.52 ff., S. 701 ff. sowie bei Schnyder, Double-Net, S. 147 ff.). Triple-Net-Verträge können aber auch erhebliche Vorteile für die Mieter beinhalten. Meist werden solche Verträge langfristig abgeschlossen. Die lange Zeitdauer sowie die weitgehend freie Hand des Mieters in Bezug auf die Investitionen erlauben es dem Mieter, diese Investitionen in quasi eigentü­ merähnlicher Stellung mit relativ grosser Planungssicherheit zu amortisieren. Aufgrund der so geschaffenen eigentümerähnlichen Stellung kann es bei aus­ ländischen Mietern jedoch notwendig werden, von der zuständigen Bewilli­ gungsbehörde eine Nichtunterstellungsverfügung unter das Bewilligungsge­ setz (SR 211.412.41) zu erwirken. 55

Eine Überwälzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht des Vermieters auf den Mieter ist nur dann zulässig, wenn sie dem Mieter nicht zum Nachteil gereicht (vgl. den Wortlaut von Art. 256 Abs. 2), d.h., wenn der Mieter dafür voll ent­ schädigt wird (Gauch, Mängelhaftung, S. 195; Higi, ZK, N 70 zu Art. 256 OR; Moskric/Urbach, Zulässigkeit, S.  1001), sei es in Form einer Entschädigung oder – was im Rechtsalltag die Regel ist – in Form eines entsprechend reduzierten Mietzinses. Diese im Voraus bei Vertragsabschluss festgelegte Reduk­ tion des Mietzinses kann freilich kein frankengenauer Ausgleich sein, denn dies liesse sich angesichts dessen, dass Unterhaltsaufwendungen erheblichen unvorhersehbaren Schwankungen unterliegen, nicht bewerkstelligen. Die spärliche Praxis zu dieser Frage scheint denn auch keinen solchen frankenge­ nauen Ausgleich für die Übernahme des Unterhalts bzw. die Herstellung des gebrauchstauglichen Zustands durch den Mieter zu fordern. Aus BGE 104 II 202 ff. – der zwar noch unter altem Recht erging (Art. 254 Abs. aOR i.V.m. Art. 5 aBMM), das jedoch der heutigen Regelung (Art. 256 Abs. 2 OR) entspricht – geht hervor, dass es das Bundesgericht offenbar genügen lässt, wenn die Par­ teien für die Überwälzung des Unterhalts auf den Mieter einen «zulänglichen Ausgleich» verabreden. In die gleiche Richtung ging alsdann auch der Appella­ tionshof von Basel-Stadt (vgl. mp 1989, S. 63). Der Appellationshof erachtete – unter Hinweis auf BGE 104 II 202 ff. – eine Überwälzung des Unterhalts auf den Mieter für zulässig, wenn dies bei der Festlegung des Mietzinses «gebüh­ rend berücksichtigt» wird. Die Formulierungen «zulänglicher Ausgleich» und 114

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Art. 256

«gebührend berücksichtigt» legen nahe, dass die Praxis offenbar keinen exak­ ten Ausgleich für die Überwälzung des Unterhalts auf den Mieter fordert, son­ dern es bis zu einem gewissen Grad dem parteiautonomen Gutdünken über­ lässt, was als gebotener Ausgleich im Sinne von Art. 256 Abs. 2 OR zu gelten hat (Tschudi, Immissionen, S. 6 f.; weitergehend Schnyder, Double-Net, S. 152, sowie HAP-Immobiliarmietrecht/Nordmann/Schmelzer, N 18.66 ff., S. 704 ff.).

3.2 Rohbaumiete Art. 256 Abs. 2 OR steht der sog. Rohbaumiete nicht entgegen, also der Verein­ 56 barung, wonach der Endausbau des Mietobjektes Sache des Mieters ist. Gemäss Weber (BSK, N 6a zu Art. 256 OR) und weiteren Autoren (vgl. etwa 57 MfdP/Wyttenbach, N 32.9.2, m.w.H.) besteht der vorausgesetzte Gebrauch, zu dem die Mietsache taugen muss, immer in der vereinbarten Endnutzung der Sache, demnach in der Benutzung als Büro, Lager, Verkaufsraum usw. Nach dieser Ansicht überlässt der Vermieter dem Mieter bei der Rohbaumiete ein unfertiges, d.h. bezüglich der vereinbarten Nutzung noch nicht gebrauchstaug­ liches, Mietobjekt und überträgt ihm auf eigene Kosten die Herstellung des gebrauchsmässigen Zustands, der die vertraglich vereinbarte Nutzung erlaubt (MfdP/Wyttenbach, a.a.O.). Eine Abweichung von der zwingenden Bestim­ mung des Art. 256 Abs. 2 OR sei – so die Vertreter dieser Theorie weiter – nur dann zulässig, wenn sie sich nicht zum Nachteil des Mieters auswirke, d.h., wenn die Schmälerung der Hauptleistungspflicht des Vermieters anderweitig in irgendeiner Form spätestens beim Ende des Mietverhältnisses kompensiert werde (Weber, BSK, a.a.O.; MfdP/Wyttenbach, a.a.O.). Zudem könne der Mie­ ter nach Beendigung der Miete nicht verpflichtet werden, auf seine Kosten den ursprünglichen Zustand, d.h. den Rohbauzustand, wiederherzustellen (Weber, BSK, a.a.O.). Wie Biber (Rohbaumiete) und Vischer (Rohbaumiete) übereinstimmend und 58 überzeugend nachwiesen, hält die von Weber und anderen Autoren vertretene Auffassung (N  57) einer kritischen Prüfung nicht stand. Zu Recht weist ins­ besondere Biber darauf hin, dass Art.  256 Abs.  1 OR nichts über den Aus­ bauzustand aussage (vgl. auch Tschudi, Rohbaumiete, 47 f.). Die Bestimmung lege lediglich fest, dass die Mietsache im vereinbarten Zustand vom Vermie­ ter zu übergeben und zu erhalten sei. Die Auffassung, wonach die Mietsache zwingend bei Übergabe den Endnutzungszustand aufweisen müsse und eine Abweichung davon nur gegen volle Entschädigung zulässig sein soll, finde im Gesetz keine Stütze. Demgemäss seien die Parteien frei zu vereinbaren, worin

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Art. 256

der vorausgesetzte Gebrauch bestehen soll. Dieser könne somit auch einen Ausund/oder Umbau der Mietsache durch den Mieter beinhalten (HAP-Immobi­ liarmietrecht/Biber, Rz. 19.20, S. 718). 59

Die Meinung Bibers deckt sich mit der bereits in der Vorauflage dieses Kom­ mentars vertretenen Auffassung. Demnach ist bei der Rohbaumiete der Endaus­ bau bzw. die Tätigkeit des «Endausbauens» oder mit anderen Worten das bau­ liche Ausgestalten eines Mietobjektes nach den Vorstellungen des Mieters bei richtigem Verständnis als Art des Gebrauchmachens von der Mietsache zu begreifen und damit ein Teil des vereinbarten Gebrauchs bzw. der Gebrauchs­ vereinbarung. Demzufolge besteht bei der Rohbaumiete der zum vorausgesetz­ ten Gebrauch taugliche Zustand darin (und nur darin), dass sich das Mietobjekt zum Endausbau durch den Mieter eignen muss (so auch Urteil des Mietgerichts Zürich vom 2. Oktober 2012, E. 3.2.1, in: ZMP 2012, Nr. 1), was in der Regel voraussetzt, dass die Medien Wasser, Strom und Heizung an das Mietobjekt herangeführt werden und das Mietobjekt damit versorgt wird. Der vom Mieter geschaffene Endausbau (Endzustand) gehört indessen nicht zum geschuldeten Zustand, weshalb den Vermieter diesbezüglich auch keine Her­ stellungs- und Unterhaltspflicht trifft und dem Mieter in diesem Umfang auch keine Mängelrechte zur Verfügung stehen (vgl. dazu auch Entscheid des Appel­ lationshofes des Kantons Bern vom 30. Oktober 1996, MRA 2/98, S. 70). Beim Endausbau, den der Mieter besorgt, handelt es sich demnach nicht um eine Überwälzung der in Art. 256 Abs. 1 OR statuierten Vermieterpflicht zur Über­ gabe und Erhaltung des gebrauchstauglichen Zustands, weshalb sich bei der Rohbaumiete auch die Frage nach der von einem Teil der Lehre geforderten Kompensation nicht stellt (vgl. dazu sogleich unter N  60). Vielmehr ist der Endausbau bzw. das bauliche Ausgestalten des Mietobjektes nach den Vor­ stellungen des Mieters selbst Teil des vereinbarten Gebrauchs der Mietsache (Tschudi, Mängelrechte, S. 4 f.).

60

Die Auffassung, wonach die Vereinbarung der Rohbaumiete nur dann nicht gegen Art. 256 Abs. 2 OR verstosse, wenn der Mieter für den Endausbau voll entschädigt werde (z.B. in Form eines reduzierten Mietzinses oder einer ein­ maligen Kapitalleistung), ist daher ebenso unzutreffend wie diejenige, wonach Art.  256 Abs.  2 OR eine Mindestvertragsdauer gebiete, die es dem Mie­ ter erlaube, seine Investitionen zu amortisieren (vgl. z.B. Urteil des Mietge­ richts Zürich vom 3.  Mai 1999, ZMP 1/03, Nr.  4, S.  15  ff.; vgl. ferner CHK, N 7 zu Art. 256 OR; Weber, BSK, N 6a zu Art. 256 OR). Solches verlangt ja auch Art. 260a OR nicht, welche Bestimmung auf die Verhältnisse bei der Roh­ baumiete, wenn nicht direkt, so doch analog anzuwenden ist. Die genannten

116

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Art. 256

Ansichten beruhen auf der unzutreffenden Auffassung, der Endausbau habe mit dem vereinbarten Gebrauch der Mietsache nichts zu tun  – eine Überle­ gung, die, wie gezeigt, einer kritischen Überprüfung nicht standhält. Richtig ist einzig, dass dann, wenn der Mietzins unter den Voraussetzungen und nach Massgabe der Art. 269 ff. OR überprüft wird, die ausschliesslich und allein vom Mieter getragenen Investitionen bei der Renditeberechnung nicht miteinbezo­ gen werden dürfen. Im Übrigen aber besteht sowohl hinsichtlich der Vertrags­ dauer als auch hinsichtlich der Höhe des Mietzinses Vertragsfreiheit. Vereinbarungen, die den Mieter verpflichten, den ursprünglichen (Rohbau-) 61 Zustand am Ende der Mietdauer wiederherzustellen, sind ohne Weiteres zuläs­ sig (Art. 260a Abs. 2 OR; a.M. Weber, BSK, N 6a zu Art. 256 OR). Ohne eine schriftliche (vgl. Art.  260a Abs.  2 OR) Rückbauvereinbarung ist der Mie­ ter indessen nicht verpflichtet, die Mietsache im ursprünglichen (Rohbau-) Zustand zurückzugeben (vgl. auch Art. 267 Abs. 1 OR). Ebenfalls zulässig sind Abreden, wonach der Vermieter berechtigt ist, den Endausbau des Mieters am Ende der Mietdauer entschädigungslos zu übernehmen (Art. 260a Abs. 3 OR; BGE 124 III 149 ff.; Higi, ZK, N 5 zu Art. 260a OR).

3.3

Vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen

Zu den AGB im Allgemeinen vgl. Schönenberger/Jäggi, ZK, N 427 ff. zu Art. 1 62 OR, mit umfangreichen Hinweisen auf Literatur und Judikatur. Ferner Higi, ZK, N 61 ff. Art. 256; weitere Hinweise zu den Rahmenmietverträgen in: mp 1/95, S. 45. Schönenberger/Jäggi, ZK, N 436 ff. zu Art. 1 OR unterscheiden im Bereich der 63 vorgeformten Vertragsinhalte u.a. zwischen den AGB und den Branchenbedin­ gungen. Erstere verfolgen verschiedene Zwecke. Sie dienen vorab im Bereich der Massenverträge (Kundenverträge, Publikumsverträge) der Standardisie­ rung des Abschlusses und der Abwicklung der Verträge, aber auch dazu, das Aushandeln von Vertragsbedingungen zu vermeiden («Diktat»-Zweck) und damit der Sicherung eines für den Unternehmer günstigen Vertragsinhalts, z.B. mittels Wegbedingung von Haftungen (Bevorzugungszweck). Die Branchen­ bedingungen haben dagegen verstärkt einen allgemeinen Ordnungszweck; zu solchen Branchenbedingungen zählen Schönenberger/Jäggi u.a. auch die pari­ tätisch herausgegebenen Mietvertragsformulare (a.a.O., N 437 zu Art. 1 OR). Die Übergänge zwischen AGB, Branchenbedingungen und sonstigen vorge­ formten Verträgen (Vertragsmuster) sind fliessend.

Matthias Tschudi

117

Art. 256 64

Unter den vorformulierten AGB i.S.v. Abs. 2 wird wohl jeder zum unbestimmt vielfachen Gebrauch vorgesehene vorformulierte Mietvertragsinhalt anzu­ sehen sein, ungeachtet seiner Erscheinungsform. Dabei kann es sich um gedruckte oder sonst wie reproduzierte Standardverträge handeln, wie auch um Formularverträge mit separaten AGB, auf die im Vertrag verwiesen wird.

65

Entscheidend ist, dass die Derogation der Vermieterpflichten, um zulässig zu sein, nicht im standardisierten und vorgeformten Vertragsteil enthalten sein darf. Oder anders gesagt: Gültige Derogationsklauseln müssen Teil des indi­ viduell und auf den konkreten Vertragsabschluss hin ausgehandelten und geformten Vertragsinhaltes sein.

66

Das Verbot der Wegbedingung oder Beschränkung der Hauptleistungspflich­ ten des Vermieters durch AGB bezieht sich auf alle Mietverhältnisse. Für die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen wirkt sich dieses Verbot indessen praktisch nicht aus, indem für Mietsachen das generelle Verbot gemäss Abs. 2 Buchst. b gilt. Für jede Immobiliarmiete, die nicht unter die Miete von Wohnund Geschäftsräumen fällt (Art.  253a OR), gilt dagegen die Einschränkung gemäss Buchst. a.

3.4

Mietverträge über Wohn- und Geschäftsräume

67

In Mietverträgen über Wohn- und Geschäftsräume sind abweichende Verein­ barungen, welche die Hauptleistungspflichten des Vermieters aufheben oder beschränken, unzulässig und damit nichtig.

68

Abs. 2 Buchst. b erfasst nicht den gesamten Bereich der Immobiliarmiete, son­ dern nur die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen i.S.v. Art. 253a OR. Miet­ verträge für Ferienwohnungen, die für höchstens drei Monate geschlossen wer­ den, sowie für andere Immobilien, wie z.B. einzelne Abstellplätze, unbebaute Grundstücke und anderes mehr, unterliegen der Bestimmung ebenfalls nicht (gl.M. Gauch, Mängelhaftung, S. 196).

3.5 Teilnichtigkeit 69

Die Nichtigkeit berührt nur die vom Gesetz anvisierten abweichenden Verein­ barungen zum Nachteil des Mieters; die Gültigkeit des Mietvertrages als Gan­ zes ist nicht beeinträchtigt, sofern nicht durch den Wegfall der Vereinbarung der Vertrag als Ganzes infrage gestellt wird (Higi, ZK, N 74 zu Art. 256 OR). Besteht durch das Vorliegen einer Teilnichtigkeit das Risiko, dass der ganze

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Matthias Tschudi

Art. 256

Vertrag infrage gestellt wird, ist den Parteien eine Vertragsklausel zu empfehlen, wonach im Fall der Ungültigkeit bzw. Nichtigkeit einzelner Bestimmungen des Vertrages die Gültigkeit, Wirksamkeit und Erfüllbarkeit der übrigen Teile des Vertrages nicht beeinträchtigt werden soll (salvatorische Klausel).

Matthias Tschudi

119

Irene Biber

Art. 256a II. Auskunftspflicht 1 Ist

bei Beendigung des vorangegangenen Mietverhältnisses ein Rückgabeprotokoll erstellt worden, so muss der Vermieter es dem neuen Mieter auf dessen Verlangen bei der Übergabe der Sache zur Einsicht vorlegen.

2 Ebenso

kann der Mieter verlangen, dass ihm die Höhe des Mietzinses des vorangegangenen Mietverhältnisses mitgeteilt wird. II.

Obligation de renseigner

1 Si un procès-verbal a été établi lors de la restitution de la chose à la fin du bail précédent,

le bailleur doit, sur demande, présenter ce document au nouveau locataire lors de la déli­ vrance de la chose. 2 De même, le locataire peut exiger que le montant du loyer fixé dans le contrat de bail pré­

cédent lui soit communiqué.

II.

Obbligo d’informare

1 Se

alla fine della locazione precedente è stato steso un processo verbale sullo stato della cosa, il locatore deve darne visione al nuovo conduttore, a sua domanda, al momento della consegna della cosa.

2 Il

conduttore può altresì chiedere che gli sia comunicato l’ammontare del corrispettivo del precedente rapporto di locazione.

120

Irene Biber

Art. 256a

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter der Norm .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.3 Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

122 122 122 122

2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6

Pflicht zur Vorlage des Rückgabeprotokolls gemäss Abs. 1 .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Allgemeines und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Begriff des Rückgabeprotokolls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Voraussetzungen des Einsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Inhalt des Einsichtsrechts .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Verletzung und Durchsetzung des Einsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Nachbemerkung: Keine gesetzliche Protokollpflicht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

122 122 123 124 125 125 126

3.

Pflicht zur Bekanntgabe des Mietzinses des vorangegangenen Mietverhältnisses gemäss Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Allgemeines und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Voraussetzungen der Informationspflicht zum Vormietzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Verweigerung der Bekanntgabe des Vormietzinses .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

127 127 127 129

3.1 3.2 3.3

Irene Biber

121

Art. 256a

1. Vorbemerkungen 1.1 1

Zwingender Charakter der Norm

Die Norm ist relativ zwingender Natur (statt vieler, mit umfassenden Hin­ weisen: Giger, BK, N 6 f. zu Art. 256a OR). Zugunsten des Mieters kann eine Pflicht zur Erstellung eines Übernahmeprotokolls beim Einzug des Mieters vorgeschrieben werden, wie dies z.B. bei den paritätischen westschweizeri­ schen Bestimmungen für Wohnräume der Fall ist (Art. 3 Abs. 2 und 3 PWB; Roncoroni, Rahmenmietverträge, S. 1 ff.).

1.2 Anwendungsbereich 2

Die Auskunftspflichten gelten uneingeschränkt für alle Mietverhältnisse (statt vieler: Giger, BK, N 5 zu Art. 256a OR, m.w.H.; a.M. MfdP/Roy, N 8.4.3, m.w.H., wonach das Auskunftsrecht des Mieters über den Mietzins des Vormietver­ hältnisses überhaupt nur bei Mietverhältnissen über Wohn- und Geschäfts­ räume besteht, weil nur bei diesen Mietverhältnissen der Anfangsmietzins angefochten werden kann). Der enge Zusammenhang mit der Anfechtung des Anfangsmietzinses gemäss Art. 270 OR und die herausragende Bedeutung der Aufnahme von Antritts- und Rückgabeprotokollen im Bereich der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen führen dazu, dass die gesetzlichen Aus­ kunftspflichten sich praktisch nur hier auswirken (vgl. auch Higi, ZK, N 5 zu Art. 256a–256b OR).

1.3 Nebenpflichten 3

4

Die Auskunftspflichten sind gesetzlich umschriebene Nebenpflichten, die neben der Hauptleistungspflicht des Vermieters gemäss Art. 256 OR bestehen (N 9 ff. zu Art. 256 OR).

2.

Pflicht zur Vorlage des Rückgabeprotokolls gemäss Abs. 1

2.1

Allgemeines und Bedeutung

Die Erstellung von Rückgabeprotokollen, aber auch von Antrittsprotokollen, ist in der Praxis v.a. bei der Vermietung von Wohn- und Geschäftsräumen

122

Irene Biber

Art. 256a

verbreitet und allgemein üblich (Zihlmann, Mietrecht, S. 51; Gmür/Prerost/ Trümpy, Mietrecht, S. 47). Dies hängt eng mit der in aArt. 267 OR festgeschrie­ benen Obliegenheit des Vermieters zusammen, die Sache bei Rückgabe zu prüfen und allfällige Schäden dem Mieter unverzüglich anzuzeigen, ansonsten er seine Ansprüche gegen den Mieter verliert (Schmid, ZK, N 34 zu aArt. 271 OR; BGE 47 II 96/7; ZR 53 [1954] Nr. 3; N 54 ff. zu Art. 267–267a OR). Zweck der Bestimmung ist v.a., dem Mieter ein Beweismittel für den bei Miet­ 5 antritt bestehenden Zustand der Mietsache zu verschaffen. Mit dem Rückgabe­ protokoll des Vormieters kann der Mieter überprüfen, ob die bei Beendigung des früheren Mietverhältnisses festgestellten Mängel inzwischen behoben wor­ den sind und gegebenenfalls durch Rüge die Vermutung ausschalten, er habe diese Mängel verursacht (Botsch. 1985, S. 1424). Das Rückgabeprotokoll des Vormieters erleichtert dem Mieter zudem die Auflistung allfälliger Mängel der Mietsache und so die Durchsetzung seiner Mängelrechte. Vorbestandene Mängel können ferner von Bedeutung sein für die Eingrenzung der Pflicht des Mieters, Mängel gemäss Art. 257g OR zu melden (Zihlmann, Mietrecht, S. 52). Übergibt der Vermieter dem Mieter bei Mietbeginn ein Rückgabeprotokoll des Vormieters oder ein Antrittsprotokoll, so besteht bei nicht protokollier­ ten Mängeln eine natürliche Vermutung dafür, dass diese Mängel während der Mietzeit eingetreten sind (Hulliger/Heinrich, CHK N 10 zu Art. 268–268b OR, m.w.H.).

2.2

Begriff des Rückgabeprotokolls

Unter den Begriff des Rückgabeprotokolls fallen zunächst die von den Par­ 6 teien des vorangegangenen Mietverhältnisses gemeinsam aufgenommenen Verzeichnisse über den Zustand der Mietsache im Zeitpunkt ihrer Rückgabe, insbesondere über festgestellte Mängel. Gleiches gilt für entsprechende amtli­ che Befundaufnahmen. Über die Form des Protokolls bestehen keine beson­ deren Vorschriften. Als Protokoll kommt damit jede wie auch immer geartete Zustandsaufzeichnung infrage. Diesem Erfordernis können damit sogar auch Fotos genügen (Higi, ZK, N 17 zu Art. 256a–256b OR; Weber, BSK, N 7 zu Art. 256a OR). Unterschiedlich beantwortet wird die Frage, ob auch einseitige schriftliche Äusserungen der früheren Vertragsparteien über den Zustand der Mietsache im Zeitpunkt ihrer Rückgabe, allenfalls auch blosse Anzeigen von Mängeln und Schäden durch den Vermieter an den Vormieter als Rückgabe­ protokolle im Sinne des Gesetzes zu gelten haben und damit ebenfalls Gegen­ stand der Auskunftspflicht des Vermieters bilden (bejahend Higi, ZK, N 17 zu Art. 256a–256b OR; Weber, BSK, N 7 zu Art. 256a OR; MfdP/Roy, N 8.3.1; dem­ Irene Biber

123

Art. 256a

gegenüber will Permann, Kommentar, N 5 zu Art. 256a OR, einseitige schriftli­ che Äusserungen der früheren Vertragspartei nur dann als Rückgabeprotokoll akzeptieren, wenn diese der anderen Partei zugestellt wurden und unwider­ sprochen blieben). Gerichtsentscheide zu dieser Frage sind soweit ersichtlich bis heute nicht bekannt. Führt man sich den Zweck der Bestimmung, näm­ lich die Feststellung des Zustands der Mietsache bei Mietantritt nochmals vor Augen, so muss dem Mieter ein Recht auf Einsichtnahme in sämtliche Doku­ mente, die die Funktion eines Protokolls erfüllen, zugebilligt werden. Aller­ dings kann der Wert des Dokuments als Beweismittel unterschiedlicher Art sein, je nachdem, ob dieses vom Mieter oder Vermieter oder von beiden unter­ zeichnet worden ist oder nicht (Giger, BK, N 15 zu Art. 256a OR, m.w.H.).

2.3

Voraussetzungen des Einsichtsrechts

7

In sachlicher Hinsicht wird ein Vormietverhältnis vorausgesetzt. Bei Erstver­ mietung und wenn das Mietobjekt zwischen den beiden Mietverträgen grund­ legend verändert worden ist (z.B. durch einen tief greifenden Umbau, bei dem sich die nutzbare Fläche ändert; Urteil des Bundesgerichts 4C.169/2002 vom 16. Oktober 2002, in: MRA 1/03, S. 2), mithin von einer anderen Sache aus­ zugehen ist, sind die Voraussetzungen nicht erfüllt (vgl. Giger, BK, N  19 zu Art. 256a OR). Ebenso besteht kein Einsichtsrecht, wenn kein Rückgabeproto­ koll vorliegt; eine gesetzliche Pflicht zur Erstellung eines Rückgabeprotokolls besteht nämlich nicht (N 16).

8

In persönlicher Hinsicht wird ein Begehren des Mieters um Einsichtnahme verlangt. Der Vermieter ist zur Auskunft nur auf Verlangen des Mieters ver­ pflichtet (Higi, ZK, N 22 zu Art. 256a–256b OR; Giger, BK, N 20 zu Art. 256a OR).

9

Das Gesuch des Mieters ist an keine Form gebunden; es kann sowohl schrift­ lich wie auch mündlich erfolgen. Aus Beweisgründen wird der Mieter guttun, sein Begehren in Schriftform eingeschrieben an den Vermieter zu richten und sich auch den Beweis zu sichern, dass es rechtzeitig gestellt worden und dem Vermieter zugegangen ist.

10

Die Wortgruppe «bei der Übergabe» kann sich grammatikalisch sowohl auf das Gesuch des Mieters beziehen wie auch auf den Zeitpunkt, in dem die Ein­ sichtnahme erfolgen soll. Zugunsten des Mieters wird man annehmen, dass das Begehren spätestens im Zeitpunkt der Übernahme des Objekts gestellt werden muss (Higi, ZK, N 23 zu Art. 256a–256b OR). Dies bedeutet aber auch, dass nach Abschluss der Übergabe der Mietsache der Mieter kein Recht mehr 124

Irene Biber

Art. 256a

hat, die Einsichtnahme in ein allfälliges Rückgabeprotokoll zu verlangen; sein Recht ist verwirkt. Die Verwirkung des Einsichtsrechts ist denn auch von der Sache her gerechtfertigt. Nur wenn der Mieter sein Begehren rechtzeitig, also spätestens bei Übernahme der Mietsache stellt, kann der Vermieter mit Bezug auf die Feststellung des Zustands der Mietsache seine eigenen Kautelen tref­ fen, insbesondere durch Erstellung eines Antrittsprotokolls. Nur in diesem Fall besteht somit im Hinblick auf eine mögliche spätere Auseinandersetzung um vorbestandene Mängel oder Mieterschäden eine beweismässige Chancen­ gleichheit der Parteien. Nach Higi umfasst die Übergabe zeitlich auch die Inbesitznahme der Sache 11 durch den Mieter. Die Inbesitznahme und damit die Übergabe ist spätestens nach Ablauf der Zeit abgeschlossen, die ein vernünftiger und korrekter Partner nach den üblichen Gepflogenheiten zur ordnungsgemässen Prüfung der Sache braucht (Higi, ZK, N 27 zu Art. 256a–256b OR). Auch wenn diese Auffassung von der Übergabe i.S.v. Art. 256 OR abweicht, ist ihr aus praktischen Überle­ gungen zuzustimmen (ebenso Lachat, CR, N 2 zu Art. 256a OR; Weber, BSK, N 5 zu Art. 256a OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 256a OR, die dem Mieter ca. 14 Tage ab Übergabe der Mietsache zugestehen wollen). Das Proto­ koll kann bei Streitigkeiten anlässlich der Rückgabe der Mietsache eine Rolle spielen; der Vermieter muss es gegebenenfalls im Rahmen der prozessualen Editionspflicht vorlegen (Art. 160 Abs. 1 Buchst. b ZPO; Weber, BSK, N 1 zu Art. 256a OR). Verweigert der Vermieter die Herausgabe des Protokolls unbe­ rechtigterweise, so wird dies vom Gericht bei der Beweiswürdigung berück­ sichtigt (Art. 164 ZPO).

2.4

Inhalt des Einsichtsrechts

Das Einsichtsrecht des Mieters beinhaltet das Recht, selbst bzw. auf eigene 12 Kosten eine Fotokopie des Rückgabeprotokolls zu erstellen (Higi, ZK, N 25 zu Art. 256a–256b OR; Montini/Bouverat, CPra, N 11 zu Art. 256a OR; a.M. Per­ mann, Kommentar, N 9 zu Art. 256a OR, wonach der Vermieter zur Erstellung einer Fotokopie verpflichtet sei). Dies ergibt sich aus der Beweisfunktion der Norm (Zihlmann, Mietrecht, S. 51).

2.5

Verletzung und Durchsetzung des Einsichtsrechts

Eine Sanktion für die Verweigerung der Einsicht in das Rückgabeprotokoll 13 sieht das Gesetz nicht vor. Nach der in der Botsch. 1985, S. 1424 geäusserten

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125

Art. 256a

Auffassung handelt es sich um eine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung der Richter im Streitfall entsprechend würdigen wird. Nach MfdP/Roy (N 8.3.5) könnte der Richter je nach den Umständen davon ausgehen, dass ein Vermie­ ter, der die Vorlage des Rückgabeprotokolls verweigert hat, den Nachweis der Übergabe der Mietsache in gutem Zustand nicht erbracht hat, und zwar unge­ achtet des Inhalts eines allfälligen Antrittsprotokolls. Eine Würdigung zum Nachteil des Vermieters darf aber nur dann infrage kommen, wenn vom Mie­ ter nachgewiesen ist, dass er das Begehren rechtzeitig gestellt hat (N 10 f.) und ein Rückgabeprotokoll des Vormieters tatsächlich erstellt wurde. Legt der Ver­ mieter das Protokoll zu spät vor, so kann das Gericht dieser Tatsache bei der Kostenverteilung Rechnung tragen (Art. 107 Abs. 1 Buchst. b und 108 ZPO; MfdP/Roy, N 8.3.5). 14

Ungeachtet dieser Qualifikation als Ordnungsvorschrift kann der Mieter vom Vermieter die Vorlage des Rückgabeprotokolls klageweise durchsetzen, han­ delt es sich doch um ein materiell-rechtliches Einsichtsrecht (Weber, BSK, N 1 und 8 zu Art. 256a OR; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 722, S. 215).

15

Macht der Vermieter falsche Angaben im Rückgabeprotokoll, so erfüllt er unter Umständen den Straftatbestand der Urkundenfälschung gemäss Art. 251 StGB (Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz.  724, S.  215). Beschädigt, ver­ nichtet oder schafft der Vermieter ein vorhandenes Protokoll beiseite, so macht er sich der Urkundenvernichtung im Sinne von Art. 254 StGB strafbar (Riedo, Urkundenunterdrückung, S. 917 ff., insb. S. 926).

2.6 16

Nachbemerkung: Keine gesetzliche Protokollpflicht

Art.  256a Abs.  1 OR verpflichtet den Vermieter nicht zur Aufnahme von Antritts- und Rückgabeprotokollen (gl.M. Higi, ZK, N 18 zu Art. 256a–256b OR; Permann, Kommentar, N  6 zu Art.  256a OR). Etwas anderes gilt dann, wenn der Westschweizer Rahmenmietvertrag zur Anwendung gelangt, der eine Inventarpflicht vorsieht (Art.  3 CCR bzw. Art.  1 RULV). Eine Inven­ tarpflicht besteht gemäss Art. 277 OR ferner, wenn es sich um ein Pachtverhält­ nis handelt, das auch Geräte, Vieh oder Vorräte umfasst (Blumer, Gebrauchs­ überlassungsverträge, Rz. 606, S. 186). Die Erstellung eines Antrittsprotokolls liegt aus Beweisgründen im naheliegenden Interesse des Vermieters, nachdem das neue Gesetz die Vermutung von aArt. 271 Abs. 3 OR, dass der Mieter die Sache in gutem Zustand empfangen hatte, fallen gelassen hat. Das Interesse des Vermieters muss noch grösser sein, wenn er die Mietsache nach Auszug

126

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Art. 256a

des Vormieters verändert, insbesondere renoviert hat, weil in solchen Fällen v.a. aus einem Rückgabeprotokoll falsche Schlüsse über den Zustand der Miet­ sache gezogen werden könnten (Zihlmann, Mietrecht, S.  51  f.). Weder dem Antritts- noch dem Rückgabeprotokoll kommt indessen besondere Bedeutung als Beweismittel zu (statt vieler: Giger, BK, N 16 zu Art. 256a OR, m.w.H.). Ein­ zig bei einer amtlichen Befundaufnahme besteht die Vermutung der inhaltli­ chen Richtigkeit des Protokolls (MfdP/Roncoroni, N 31.3.4, Fn. 60; Higi, ZK, N 19 zu Art. 256a–256b OR).

3.

Pflicht zur Bekanntgabe des Mietzinses des vorangegangenen Mietverhältnisses gemäss Abs. 2

3.1

Allgemeines und Bedeutung

Auf den engen Zusammenhang zwischen dieser Auskunftspflicht und der 17 Möglichkeit des Mieters, gemäss Art. 270 Abs. 1 Buchst. b OR den Anfangsmietzins anzufechten, ist bereits hingewiesen worden (N 2). Der Mieter soll abschätzen können, ob sich aufgrund einer festgestellten Mietzinsdifferenz die Anfechtung des Anfangsmietzinses rechtfertige (Zihlmann, Mietrecht, S. 52 f.).

3.2

Voraussetzungen der Informationspflicht zum Vormietzins

In sachlicher Hinsicht ist wiederum ein Vormietverhältnis vorausgesetzt (vgl. 18 N 7). Weiter ist der Vermieter zur Auskunft nur auf Verlangen des Mieters ver­ pflichtet. Für das Begehren verlangt das Gesetz keine besondere Form. Für den Mieter ist es aus Beweisgründen ratsam, sich der Schriftform zu bedienen. Der Mieter muss an sich sein Begehren um Bekanntgabe des Mietzinses des 19 Vormieters spätestens im Zeitpunkt der Übergabe der Mietsache stellen, da Abs. 2 durch das Wort «ebenso» an die Modalitäten von Abs. 1 anknüpft (so auch Higi, ZK, N 35 zu Art. 256a–256b OR mit der bereits erwähnten Präzi­ sierung betreffend Inbesitznahme, vgl. N 11; Giger, BK, N 31 zu Art. 256a OR). Nach Weber (BSK, N 6 zu Art. 256a OR) genügt es, dass die Erklärung innert der 30-tägigen Anfechtungsfrist gemäss Art. 270 OR abgegeben wird (ebenso MfdP/Roy, N 8.4.4; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 612, S. 187). In der Regel wird der Mietvertrag einige Zeit vor der Übergabe abgeschlossen,

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127

Art. 256a

sodass dem neuen Mieter genügend Zeit zur Verfügung steht, um seine Frage zu stellen. Andererseits kann der Vermieter eine entsprechende Frage des Mie­ ters auch nach Übergabe der Sache beantworten, um ein Verfahren betreffend Anfechtung des Anfangsmietzinses mit der damit verbundenen prozessualen Editionspflicht zu vermeiden. Nach Ablauf der 30-tägigen Frist zur Anfech­ tung des Anfangsmietzinses gemäss Art.  270 Abs.  1 OR besteht aber jeden­ falls kein rechtlich schützenswertes Interesse des Mieters mehr, den Mietzins seines Vorgängers in Erfahrung zu bringen. Für eine Verwirkung des Fragerechts vor Ablauf der 30-tägigen Anfechtungsfrist hingegen fehlt es an einer klaren gesetzlichen Grundlage. 20

Umstritten ist, ob sich die Auskunftspflicht auf die Angabe des Nettomietzin­ ses, unter Ausschluss der Nebenkosten, beschränkt (so etwa Higi, ZK, N 37 zu Art. 256a–256b OR) oder auch auf die Nebenkosten ausdehnt (so etwa Weber, BSK, N 8 zu Art. 256a OR; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 607, S.  186; Giger, BK, N  34 zu Art. 256a OR). Der Vermieter wird zur Vermei­ dung von Rechtsstreitigkeiten (Anfechtung Anfangsmietzins oder Bestreitung der Nebenkostenabrechnung; vgl. N 34 ff. zu Art. 257–257b OR) dem Mieter mit Vorteil die entsprechende Auskunft erteilen.

21

Die Auskunft kann formfrei, damit auch mündlich erfolgen (Higi, ZK, N 37 zu Art.  256a–256b OR; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz.  611, S.  187). Insbesondere besteht keine Pflicht, dem neuen Mieter eine Fotoko­ pie des Mietvertrags oder der letzten Mietzinserhöhung auszuhändigen (Blu­ mer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 611, S. 187; zu weitgehend und mit Grundsätzen des Datenschutzes kaum vereinbar Weber, BSK, N 8a zu Art. 256a OR).

22

Im Bereich der Wohnungsmiete kann Art. 256a OR allenfalls auch durch kan­ tonale Formularpflichten praktisch ersetzt werden (Art. 270 Abs. 2 OR). Hat ein Kanton von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht (dazu N 35 zu Art. 270 OR), so ist eine zusätzliche Mitteilung gemäss Art.  256a OR weder notwen­ dig noch erzwingbar (vgl. Higi, ZK, N 37 zu Art. 256a–256b OR), zumal die Formularpflicht weitergehen kann und insbesondere auch die Nebenkosten umfasst.

23

De lege ferenda ist zu fordern, dass der Gesetzgeber eine praktische und unmissverständliche Formulierung betreffend den Umfang und die Frist der Auskunftspflicht formuliert, wie z.B.: «Der Vermieter hat dem Mieter die Höhe des Mietzinses und der Nebenkosten des Vormieters mitzuteilen, sofern der Mieter dies innert spätestens 30 Tagen nach Übernahme der Sache verlangt.»

128

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Art. 256a

3.3

Verweigerung der Bekanntgabe des Vormietzinses

Die Verweigerung der Auskunft durch den Vermieter zieht ebenfalls keine 24 direkte gesetzliche Sanktion nach sich; auch hier wird indessen das nicht gesetzeskonforme Verhalten des Vermieters vom Richter entsprechend zu wür­ digen sein. Überdies kann der Mieter die Bekanntgabe durch Erwirkung eines gerichtlichen Befehls durchsetzen, bei der Miete eines Wohn- oder Geschäfts­ raums insbesondere durch die Anfechtung des Anfangsmietzinses gemäss Art. 270 OR (Higi, ZK, N 38 zu Art. 256a–256b OR). So kann ein Mieter, dem die Auskunft verweigert wird, den Anfangsmietzins i.S.v. Art. 270 OR Abs. 1 Buchst. b OR anfechten, ohne den Nachweis erbringen zu müssen, dass der Vermieter den Anfangsmietzins gegenüber dem früheren Mietzins erheblich erhöht hat und ohne dass ihm aus einer solchen Anfechtung prozessuale Nach­ teile (z.B. Kosten) erwachsen. Der Vermieter verletzt die Auskunftspflicht auch dadurch, dass er dem Mie­ 25 ter eine unrichtige Angabe über die Höhe des Mietzinses des Vormieters macht. Ein solches Verhalten fällt aber nicht unter den Straftatbestand von Art.  325bis StGB, solange der Vermieter nicht ein zusätzliches Tatbestands­ element (Androhen eines Nachteils) erfüllt. Hingegen muss es dem Mieter in diesen Fällen, auch bei späterer Entdeckung des wahren Sachverhalts nach Ablauf der Anfechtungsfrist, offenstehen, den Mietzins anzufechten. Nach all­ gemeinen Grundsätzen können Verwirkungsfristen verlängert werden, wenn der Klageberechtigte wegen Arglist des Vertragspartners die Frist versäumt hat (von Tuhr/Escher, OR AT II, § 74, S. 162, Fn. 14). Allfällig seit Mietantritt zu viel bezahlte Mietzinse kann der Mieter innert den Fristen von Art. 67 OR vom Vermieter zurückfordern. Übergibt der Vermieter das unter Umständen vom Kanton vorgeschriebene Formular zu einem späteren Zeitpunkt, so beginnt die Anfechtungsfrist erst 30 Tage nach Übergabe des Formulars (vgl. N 43 zu Art. 270 OR).

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26

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Art. 256b III. Abgaben und Lasten Der Vermieter trägt die mit der Sache verbundenen Lasten und öffentlichen Abgaben. III. Contributions publiques et charges Le bailleur supporte les contributions publiques et les charges qui grèvent la chose louée.

III. Tributi pubblici e oneri Il locatore sottostà ai tributi pubblici e agli oneri che gravano sulla cosa locata.

InhaltsübersichtSeite 1.

Geltungsbereich und Charakter der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

131

2. 2.1 2.2

Inhalt und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Abgaben und Lasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Verhältnis zu Nebenkosten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

131 131 132

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Art. 256b

1.

Geltungsbereich und Charakter der Norm

Die Norm verlangt für alle Formen der Miete Geltung (Higi, ZK, N  7 zu 1 Art. 256b OR). Die Bestimmung ist gemäss h.L. dispositiver Natur (statt vieler: Higi, ZK, N 8 2 zu Art. 256b OR, m.w.H.; Roncoroni, zwingende Bestimmungen, S. 102 f.; a.M. Hulliger/Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 256b OR; Koller, Rechtsprechung 2011, S. 28). Zur Frage, inwieweit damit Abgaben und Lasten jeder Art als Neben­ kosten i.S.v. Art. 257a OR ausgeschieden oder sonst dem Mieter in Rechnung gestellt werden können, sofern dies vertraglich entsprechend vereinbart wurde, siehe N 7.

2.

Inhalt und Bedeutung

2.1

Abgaben und Lasten

Die Pflicht des Vermieters, alle Abgaben und Lasten, die mit der Existenz der 3 Sache zusammenhängen, zu tragen, ergibt sich aus dem Wesen der Miete als obligatorisches Recht auf Gebrauchsüberlassung gegen Entgelt (Giger, BK, N  10 zu Art.  256b OR). Unter Abgaben und Lasten, die mit der Sache ver­ bunden sind (bzw. darauf haften nach der Terminologie von aArt. 263 Abs. 1 OR), verstanden Lehre und Praxis seit jeher die dinglichen Belastungen der Sache, die der Vermieter als Eigentümer der Mietsache schuldet (Giger, BK, N 12 zu Art. 256b OR, m.w.H.). Dazu gehört alles, was die Sache selbst – um ihrer Existenz willen – betrifft und im Gegensatz zum Gebrauch der Mietsa­ che steht. Es sind Verpflichtungen aus dem «Haben» der Sache (Higi, ZK, N 40 zu Art.  256a–256b OR, mit Hinweis auf Schmid, ZK, aArt.  263 OR). Dabei handelt es sich um öffentlich-rechtliche Abgaben (Grundsteuern, Gebäude­ versicherungsprämien, Meteorwasser-, Abwasser- sowie Kehrichtgebühren usw., soweit es um die verbrauchsunabhängige Grund- oder Anschlussge­ bühr geht), um dingliche Lasten des privaten und öffentlichen Rechts (Vor­ zugslasten wie Strassen- und sonstige Erschliessungsbeiträge aller Art, Grund­ lasten, Grundpfandrechte usw.). Ist der Vermieter nicht zugleich Eigentümer der Sache oder als dinglich Berechtigter (Baurechtsnehmer, Nutzniesser usw.) verpflichtet, Lasten und Abgaben zu tragen, kommt Art.  256b OR nicht zur Anwendung (Higi, ZK, N 40 zu Art. 256a–256b OR). Die Bestimmung findet insbesondere keine Anwendung auf den Untervermieter (Giger, BK, N 12 zu Art. 256b OR).

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131

Art. 256b 4

Der Mieter trägt dagegen die Verbraucherkosten, d.h. Kosten und Aufwen­ dungen, die sich aus dem (eigentlichen) Gebrauch der Mietsache ergeben oder die ein allfälliges im Mietobjekt betriebenes Gewerbe mit sich bringt. Unter diese Kategorie fallen beispielsweise die Kosten für die Beleuchtung, das Tele­ fon, das Gewerbe- und Wirtschaftspatent (Weber, BSK, N 3 zu Art. 256b OR). Als Beispiel bei der Fahrnismiete sind die Kosten des Treibstoffs bei der Miete eines Motorfahrzeugs zu erwähnen. Dazu gehören auch die sogenannten reinen Verbraucherkosten, die beim Mieter anfallen (z.B. Strom, Sackgebühren usw., vgl. dazu Higi, ZK, N 45 zu Art. 256a–256b OR).

5

Die Bestimmung stellt somit vorab das dingliche Verhältnis des Eigentümers und Vermieters und die daraus resultierenden Lasten dem obligatorischen Gebrauchsrecht des Mieters und den daraus sich ergebenden Aufwendungen gegenüber. Es gibt keinen Grund, die Norm heute anders zu verstehen als frü­ her.

2.2

Verhältnis zu Nebenkosten

6

Gewisse Lasten und Abgaben, die der Vermieter zu tragen hat, hängen durch­ aus auch mit dem Gebrauch der Mietsache zusammen (vgl. Art.  257a OR). Meist handelt es sich dabei um öffentliche Abgaben, die in Abhängigkeit des Umfangs der erbrachten Leistung der öffentlichen Werke anfallen, wie z.B. Was­ ser- und Abwassergebühren. Solche Kosten fallen nicht mehr unter Art. 256b OR (Higi, ZK, N 45 zu Art. 256a–256b OR). Vielmehr handelt es sich dabei um Nebenkosten i.S.v. Art. 257a OR, die, soweit sie beim Vermieter anfallen, zunächst von ihm zu tragen (z.B. Beleuchtung allgemeiner Räume, Kosten für «Fernwärme», Wasserverbrauchszins usw.) bzw. im Mietzins inbegriffen sind (Art. 257a OR). Soweit die Voraussetzungen von Art. 257a und b Abs. 1 OR erfüllt sind, ist der Vermieter aber nicht gehindert, diese Abgaben als vom Mie­ ter gesondert zu zahlende Nebenkosten zu vereinbaren und ihm zu belasten.

7

In der Literatur wird die Frage, ob der Vermieter aufgrund des dispositiven Charakters von Art. 256b OR Abgaben und Lasten als Nebenkosten ausschei­ den oder sonst dem Mieter in Rechnung stellen darf, sofern dies vertraglich klar vereinbart worden ist, kontrovers diskutiert. Soweit ersichtlich, spricht sich die Mehrheit der Autoren gegen die Zulässigkeit einer solchen Überwälzung zumindest in Form von Nebenkosten i.S.v. Art.  257a OR aus, sofern es sich nicht um eine mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängende Abgabe handelt (so Weber, BSK, N 4 zu Art. 256b OR; MfdP/Béguin, N 14.1.6; Hulliger/ Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 256b OR; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge,

132

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Art. 256b

Rz. 647, S. 196; Bieri, CPra, N 18 zu Art. 256b OR; HAP-Immobiliarmietrecht/ Wyttenbach, Rz. 6.31, S. 264; Fertig, offene Fragen, S. 67; Oberle, Nebenkosten, S. 37 f.). Gemäss Higi (N 8 und 44 zu Art. 256a–256b OR) kann sich der Ver­ mieter aufgrund der dispositiven Natur der Norm der Pflicht zulasten des Mie­ ters entschlagen. Giger (BK, N 7 zu Art. 256b OR) vertritt die Ansicht, Abgaben und Lasten jeder Art könnten als Nebenkosten ausgeschieden oder sonst dem Mieter separat in Rechnung gestellt werden, sofern dies vertraglich klar verein­ bart werde. Die beiden Autoren stützen ihre Auffassung u.a. auf den disposi­ tiven Charakter der Norm sowie auf zwei Entscheide des Bundesgerichts, die noch unter altem Recht ergangen sind (BGE 107 II 268, in: Pra 70, Nr. 237 und BGE 108 II 140). Die Bestimmung von Art. 256b OR ist nach h.L. dispositives Recht (vgl. N 1). Es muss demnach zulässig sein, Abgaben und Lasten jeder Art dem Mieter separat in Rechnung zu stellen, sofern dies vertraglich klar verein­ bart oder im Rahmen einer Mietzinserhöhung korrekt mitgeteilt wird (vgl. aber Urteil des Bundesgerichts 4C.82/2000 vom 24. Mai 2000, E. 3a. Allerdings handelt es sich hier bloss um ein obiter dictum; ferner mp 1/06, S. 27 f.). Wer­ den derartige gebrauchsunabhängige Gebühren (z.B. Gebäudeversicherungs­ prämien) zusätzlich zum Nettomietzins erhoben, handelt es sich aber nach der gesetzlichen Terminologie (Art. 257a OR) nicht mehr um Nebenkosten, son­ dern um ein zusätzliches Entgelt im Sinne eines Mietzinses (so auch Urbach/ Moskric, Triple-Net-Mietverträge, S.  998 sowie 1005; HAP-Immobiliarmiet­ recht/Nordmann/Schmelzer, Rz.  18.63, S.  703  f.; vgl. zum Ganzen auch Ael­ len, Nebenkosten, S. 126). Als Mietzins (Entgelt) kann jede geldwerte Leistung infrage kommen (Higi, ZK, N 11 zu Art. 257 OR; N 6 zu Art. 257–257b OR). Stellt der Vermieter vereinbarungsgemäss dem Mieter anstatt des Mietzinses z.B. die Hypothekarzinsen in Rechnung, ist das Entgelt die Schuldübernahme, d.h. das interne Schuldbefreiungsversprechen i.S.v. Art. 175 OR. Als zusätzliches Entgelt kann die Übernahme von Gebühren, Abgaben, Gebäu­ 8 deversicherungsprämien und auch der Unterhaltspflichten vereinbart wer­ den (vgl. N 6 zu Art. 257–257b OR), wobei hier allerdings die Schranken von Art. 256 OR zu beachten sind (dazu N 49 ff. zu Art. 256 OR). Dabei stellt sich die Frage, ob bei Änderungen des Hypothekarzinses die Formvorschriften für Mietzinserhöhungen einzuhalten sind. Da der Vermieter jedoch von vornhe­ rein keinen Ertrag erzielt, sondern lediglich die Kosten überwälzt, ist die Frage zu verneinen. Anders ist der Sonderfall einer krass überhöhten Hypothek zu beurteilen (kritisch Roncoroni, zwingende Bestimmungen II, S. 103, Fn. 198). Die Übernahme von Schulden des Vermieters gegenüber der Bank durch den Mieter könnte jedoch als verpöntes Koppelungsgeschäft i.S.v. Art.  254 OR beurteilt werden. Deshalb sollten derartige Vereinbarungen nur die Ausnahme Irene Biber

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Art. 256b

bilden, so wenn beispielsweise ein Einfamilienhaus an den Mieter verkauft wird, wobei aus steuerlichen oder anderen Gründen die Eigentumsübertra­ gung erst später stattfindet, oder wenn eine Abbruchliegenschaft dem Mieter mit einem befristeten Mietvertrag zur Verfügung gestellt wird und der Käufer bzw. Mieter sich verpflichtet, anstelle eines Mietzinses gewisse Kosten zu über­ nehmen. In allen übrigen Fällen ist zu empfehlen, nicht unter den Begriff der Nebenkosten (gemäss gesetzlicher Definition) fallende Gebühren in der Miet­ zinskalkulation zu berücksichtigen. Nach Higi (ZK, N 11 zu Art. 257d OR) ist ein Rückstand mit Lasten und Abgaben, die dem Mieter auferlegt werden, von Art.  257d OR (Zahlungsverzug) nicht erfasst, sodass der Vermieter bei ver­ tragswidrigem Verhalten des Mieters nicht vorzeitig kündigen könnte.

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Art. 257–257b Art. 257 E. Pflichten des Mieters I.

Zahlung des Mietzinses und der Nebenkosten

1. Mietzins Der Mietzins ist das Entgelt, das der Mieter dem Vermieter für die Überlassung der Sache schuldet. E.

Obligations du locataire

I.

Paiement du loyer et des frais accessoires

1. Loyer Le loyer est la rémunération due par le locataire au bailleur pour la cession de l’usage de la chose.

E.

Obblighi del conduttore

I.

Pagamento del corrispettivo e delle spese accessorie

1. Corrispettivo Il corrispettivo è la remunerazione dovuta dal conduttore al locatore per la concessione in uso della cosa.

Art. 257a 2. Nebenkosten a. Im Allgemeinen 1 Die

Nebenkosten sind das Entgelt für die Leistungen des Vermieters oder eines Dritten, die mit dem Gebrauch der Sache zusammenhängen.

2 Der

Mieter muss die Nebenkosten nur bezahlen, wenn er dies mit dem Vermieter besonders vereinbart hat.

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Irene Biber Art. 257–257b

2.

Frais accessoires

a.

En général

1 Les

frais accessoires sont dus pour les prestations fournies par le bailleur ou un tiers en rapport avec l’usage de la chose.

2 Ils

ne sont à la charge du locataire que si cela a été convenu spécialement.

2.

Spese accessorie

a.

In genere

1 Le spese accessorie sono la remunerazione dovuta per le prestazioni fornite dal locatore

o da un terzo in relazione all’uso della cosa.

2 Sono

a carico del conduttore soltanto se specialmente pattuito.

Art. 257b b. Wohn- und Geschäftsräume 1 Bei

Wohn- und Geschäftsräumen sind die Nebenkosten die tatsächlichen Aufwendungen des Vermieters für Leistungen, die mit dem Gebrauch der Sache zusammenhängen wie Heizungs-, Warmwasser- und ähnliche Betriebskosten, sowie für öffentliche Abgaben, die sich aus dem Gebrauch der Sache ergeben. 2 Der

Vermieter muss dem Mieter auf Verlangen Einsicht in die Belege gewähren. b.

Habitations et locaux commerciaux

1 Pour

les habitations et les locaux commerciaux, on entend par frais accessoires les dépenses effectives du bailleur pour des prestations en rapport avec l’usage de la chose, telles que frais de chauffage, d’eau chaude et autres frais d’exploitation, ainsi que les contributions publiques qui résultent de l’utilisation de la chose.

2 Le

bailleur doit, à la demande du locataire, lui permettre de consulter les pièces justifi­ catives.

b.

Locali d’abitazione e commerciali

1 Nel caso di locali d’abitazione o commerciali, le spese accessorie sono la remunerazione

per i costi effettivamente sostenuti dal locatore per prestazioni connesse con l’uso, quali i costi di riscaldamento e di acqua calda e analoghe spese d’esercizio, come pure per tributi pubblici risultanti dall’uso della cosa.

2 Il

locatore deve dar visione, a domanda del conduttore, dei documenti giustificativi.

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Art. 257–257b

InhaltsübersichtSeite 1.

Zwingender Charakter der Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

138

2.

Mietzins gemäss Art. 257 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

138

3. 3.1 3.2 3.3

Nebenkosten gemäss Art. 257a und b OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Im Allgemeinen gemäss Art. 257a Abs. 1 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Besondere Vereinbarungen gemäss Art. 257a Abs. 2 OR .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Besonderheiten bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen gemäss Art. 257b OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 257–257b

1. 1

Zwingender Charakter der Normen

Die Legaldefinition des Mietzinses und der Nebenkosten sind selbstredend wegen ihres definitorischen Charakters zwingendes Recht (Roncoroni, zwin­ gende Bestimmungen II, S.  74; Higi, ZK, N  4 zu Art.  257 OR und N  3 zu Art.  257a–257b OR). Der Parteidisposition sind ferner das Erfordernis der besonderen Vereinbarung für die Zahlungspflicht des Mieters, die Pflicht des Vermieters, dem Mieter bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen Ein­ sicht in die Belege zu gewähren und die Beschränkung der Nebenkosten auf die tatsächlichen Aufwendungen entzogen. Der Parteivereinbarung zugäng­ lich ist dagegen die Wahl der Nebenkostenpositionen.

2.

Mietzins gemäss Art. 257 OR

2

Art. 257 OR findet gemäss h.L. auf alle Formen der Miete Anwendung (Higi, ZK, N  3 zu Art.  257 OR). Für sich allein genommen fügt die Legaldefini­ tion des Mietzinses dem Begriff der Miete nach Art. 253 OR nichts bei (Zihl­ mann, Mietrecht, S.  55). Die gesetzliche Begriffsumschreibung macht dage­ gen deutlich, dass mit dem Mietzins grundsätzlich sämtliche Leistungen des Vermieters für die Gebrauchsüberlassung und für die Erhaltung der Sache im gebrauchstauglichen Zustand, aber auch für die Erfüllung aller Nebenpflichten abgegolten werden (Weber, BSK, N 1 zu Art. 257 OR). Der Mietzins ist die Austauschleistung des Mieters für die Erfüllungspflichten des Vermieters; zusätz­ lich hat er selbst nur noch Leistungen für Nebenkosten und für die Erfüllung seiner eigenen Nebenpflichten zu erbringen.

3

Die Pflicht, den Mietzins zu zahlen, wie sie im Randtitel hervorgehoben wird, ergibt sich nicht aus Art. 257 OR, sondern aus Art. 253 OR (Higi, ZK, N 6 zu Art. 257 OR). Mit der gesetzlichen Definition wird v.a. der Mietzins den Nebenkosten gegenübergestellt und von diesen abgegrenzt.

4

Die Vereinbarung des Mietzinses gehört zu den wesentlichen Teilen der Miet­ vereinbarung. Fehlt eine Einigung der Parteien über die Höhe des Mietzinses, so kommt ein Mietvertrag nicht zustande (N 5 Vorbem. zu Art. 253–274g OR und N 5 zu Art. 253 OR). In diesem Sinne hat auch das Bundesgericht entschie­ den (Urteil des Bundesgerichts 4C.11/2002 vom 31. Januar 2003, in: MRA 5/03, S. 187 ff.; BGE 119 II 347.

5

Soll die Gebrauchsüberlassung unentgeltlich erfolgen, so liegt keine Miete vor (BGE 108 II 113 f.; Higi, ZK, N 12 zu Art. 257 OR).

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Art. 257–257b

Das Gesetz spricht vom Entgelt. Es gilt aber weiterhin, dass der Mietzins statt 6 in Geld auch in anderen vertretbaren oder geldwerten Sachen geleistet wer­ den kann (Weber, BSK, N 3 zu Art. 257 OR; Lachat, CR, N 4 zu Art. 257 OR; Higi, ZK, N  11 zu Art.  257 OR). Es ist zulässig, aber nicht empfehlenswert, den Mietzins in Form von Schuldübernahmen (interne Befreiungsverspre­ chen) zu erbringen, z.B. eben durch Übernahme weiterer Positionen, die nicht mehr unter den Begriff Nebenkosten fallen (Gebäudeversicherungsprämien, Schuldzinsen usw., vgl. N 7 zu Art. 256b OR). Hat der Mieter andere Leistun­ gen zu erbringen (wie z.B. Hauswartdienste), so liegt ein gemischter, allenfalls ein zusammengesetzter Vertrag vor (Lachat, CR, N  4 zu Art.  257 OR; zum nichtigen Koppelungsgeschäft vgl. N 11 und 15 zu Art. 254 OR; Näheres bei Biber, Schutzbestimmungen, S. 1 ff.). Der Mietzins kann in den Grenzen von Art.  269  ff. OR frei bestimmt wer­ 7 den (Higi, ZK, N 14 zu Art. 257 OR). Es genügt, dass der Mietzins bestimmbar ist, z.B. im Verhältnis zum erzielten Umsatz des Mieters (Bieri, CPra, N 9 zu Art.  257 OR). Ausserhalb des staatlich geförderten Wohnungsbaus unter­ liegt der Mietzins in der Schweiz keiner behördlichen oder gerichtlichen Kon­ trolle. Dafür hat der Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen  – Ferienwoh­ nungen i.S.v. Art. 253a OR sowie luxuriöse Wohnungen i.S.v. Art. 253b Abs. 2 OR ausgenommen – das Recht, den Mietzins und die Nebenkosten nach den Bestimmungen von Art. 269–270a OR als missbräuchlich anzufechten. Soweit und solange die behördliche Mietzinskontrolle für staatlich geförderte Woh­ nungen besteht, entfällt auch die Anwendbarkeit der Bestimmungen über die Anfechtbarkeit missbräuchlicher Mietzinse (Art. 253b Abs. 3 OR; dazu MRA 4/95, S. 167 ff. und S. 172 ff.; N 17 ff. zu Art. 253b OR). Im Rahmen der Vertragsfreiheit und unter dem Vorbehalt der Anfechtung des Anfangsmietzinses kann nach wie vor auch der sogenannte Umsatzmietzins frei vereinbart werden (BGE 116 II 587).

8

Für den vertraglich bestimmten Mietzins gilt der Grundsatz der Unveränder- 9 barkeit, d.h. der Mietzins kann während der Mietdauer nicht ohne Weiteres einseitig durch den Vermieter oder Mieter verändert werden (Higi, ZK, N 18 zu Art. 257 OR). Mietzinsanpassungen beinhalten eine Vertragsänderung, es sei denn, der Vertrag sehe die Anpassung des Mietzinses in einer sogenannten Anpassungsklausel bereits vor oder die Bestimmung des Mietzinses hänge von objektiven Faktoren ab (Beispiel Umsatzmietzins). Beim befristeten Vertrag (Art. 255 OR) und bei jenem mit einer Mindestdauer können Anpassungen des Mietzinses – gültige Anpassungsklauseln vorbehalten – gegen den Willen der anderen Vertragspartei nicht durchgesetzt werden (N 5 zu Art. 255 OR). Im Irene Biber

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Art. 257–257b

unbefristeten Vertragsverhältnis ist dagegen die Kündigungsfrist zu beachten; erst auf das Ende dieser Frist hin kann eine Vertragsänderung erzwungen wer­ den, gegebenenfalls unter der Androhung der Vertragsauflösung. Für die Erhö­ hung des Mietzinses bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen gilt aller­ dings ein striktes Verbot der Koppelung der angestrebten Mietzinserhöhung mit einer Kündigung oder einer Kündigungsandrohung (Art. 269d OR). Für Fragen der Verjährung von Mietzinsforderungen vgl. N 11 ff. zu Art. 257c OR. 10

11

Der Mietzins ist grundsätzlich ab dem Zeitpunkt geschuldet, in dem der Ver­ mieter dem Mieter die Mietsache im zum vorausgesetzten Gebrauch taugli­ chen Zustand zur Verfügung stellt. Bei der Wohn- und Geschäftsraummiete ist üblicherweise die Schlüsselübergabe der massgebende Zeitpunkt (Bieri, CPra, N 8 zu Art. 257 OR; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 650, S.197). Der Mietzins ist unabhängig vom Gebrauch durch den Mieter für die gesamte Mietdauer geschuldet, sofern die Mietsache vertragsgemäss gebraucht werden kann. Anders verhält es sich, wenn die Parteien für eine bestimmte Periode einen reduzierten oder gar keinen Mietzins vorsehen, weil die Mietsache, z.B. eine Ferienwohnung, zwar ganzjährig gemietet, aber nur während bestimm­ ten Zeiten genutzt wird (Bieri, CPra, N 8 zu Art. 257 OR; Blumer, Gebrauchs­ überlassungsverträge, Rz. 650, S. 197). Übernimmt der Mieter die gehörig zur Verfügung gestellte gebrauchstaugliche Mietsache nicht, so bleibt der Mietzins dennoch geschuldet (BGE 127 III 548, 550 ff., E. 3 und 4).

3.

Nebenkosten gemäss Art. 257a und b OR

3.1

Im Allgemeinen gemäss Art. 257a Abs. 1 OR

Grundsätzlich trägt der Mieter die mit dem Gebrauch der Sache zusammen­ hängenden oder daraus sich ergebenden Aufwendungen (N  4 zu Art.  256b OR). Soweit diese Aufwendungen direkt beim Mieter anfallen oder ihm in Rechnung gestellt werden und den eigenen Verbrauch des Mieters betreffen, wird es darüber keine Diskussionen geben (wie z.B. für Telefon- und Inter­ netgebühren, Kosten für elektrischen Strom, der in der Mietsache verbraucht wird, Gasverbrauch für einen Durchlauferhitzer, Kehrichtsackgebühren, Kos­ ten Benzin bei Automiete usw.). In der Regel handelt es sich um Verbraucherkosten, welche nicht unter den Begriff Nebenkosten fallen. Bei der Vermietung von Einfamilienhäusern entsprechen die Nebenkosten den Verbraucherkos­ ten (dazu und insbes. zum Thema Gartenunterhalt vgl. Oberle, Nebenkosten,

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Art. 257–257b

S. 28 ff.; ferner Higi, ZK, N 10 und N 18 zu Art. 257a–257b OR und N 45 zu Art. 256a–256b OR). Aufwendungen, die mit dem Gebrauch der Sache zusammenhängen, können 12 aber auch beim Vermieter anfallen. Das sind Nebenkosten (Higi, ZK, N 7 und 12 zu Art. 257a–257b OR). Da sie oftmals variabel sind (z.B. Kehrichtabfuhr­ gebühren, Wasser- und Abwassergebühren und Ähnliches), ist es zweckmässig, diese separat und in der effektiven Höhe, in der sie anfallen, dem Mieter wei­ terbelasten zu können. Aufwendungen für irgendwelche Leistungen des Vermieters oder eines Dritten 13 können als Nebenkosten ausgeschieden werden. Neben den üblichen Neben­ kostenpositionen wie Heizung, Warmwasser, Hauswartung, Treppenhaus- und Reinigung allgemeiner Flächen, Antennen-/Kabel-TV-Gebühren kann dies für eine Vielzahl von weiteren mit dem Gebrauch zusammenhängenden Kos­ ten und Leistungen zutreffen wie Gartenpflege (selbst wenn der Garten dem Mieter nicht zur Verfügung steht, Urteil des Gerichtskreises XII Frutigen-Nie­ dersimmental Z 07 106 vom 25. Oktober 2007, in: mp 3/09, S. 141 ff.), Was­ serzins, ARA- bzw. Abwassergebühren, Kosten Schneeräumung, periodische Kontrolle der Liftanlagen oder der Waschmaschine (sogenannte Servicekos­ ten, vgl. dazu Del Duca, Serviceverträge, S. 1 ff.), Betriebskosten für den Lift und die Klimatisierung, Beleuchtung der allgemeinen Räume oder Einrich­ tungen, Bewachungskosten bei Geschäftshäusern, Personalkosten bei Alters­ wohnungen (mp 3/02, S. 174), Aufwand für Entrostung von Wasserleitungen (CdB 2/07, S. 60 f.) u.Ä.m. (vgl. Oberle, Nebenkosten, S. 21), ferner bei Ein­ kaufszentren etwa die Kosten des Kinderhütedienstes, des Sanitätsdienstes, des Center-Managements. Dabei finden sich auch Aufwendungen, die durchaus in den Kontext der Abgaben und Lasten i.S.v. Art.  256b OR fallen, wie die schon mehrfach zitierten Wasser- und Abwassergebühren, die Kosten der Keh­ richtabfuhr, Schneeräumungsgebühren der Gemeinden für Privatstrassen usw. Wasser- und Abwassergebühren sowie Kehrichtgebühren sind insoweit neben­ kostenfähig, als dass sie verbrauchsabhängig erhoben werden. Soweit es sich um den verbrauchsunabhängigen Teil, um die sogenannte Grundtaxe handelt, fallen diese Gebühren unter die nicht nebenkostenfähigen Abgaben und Las­ ten. Nebenkostenfähig sind demnach im Allgemeinen die Kosten für die Leis­ tungen des Vermieters oder Dritter, welche die Versorgung, die Entsorgung, die Reinigung und den übrigen gewöhnlichen Unterhalt (vgl. Art. 259 OR) der Mietsache oder damit verbundener Einrichtungen betreffen und an die kon­ krete Nutzung der Liegenschaft anknüpfen.

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Art. 257–257b 14

Nicht unter die gesetzliche Definition der Nebenkosten fallen Lasten und Abgaben des Vermieters und Eigentümers, die nicht mit dem Gebrauch der Sache zusammenhängen, so beispielsweise Grundsteuern, Grundpfandzinsen, Gebäudeversicherungsprämien (Higi, ZK, N 42 zu Art. 256a–256b OR), Trot­ toir- oder Strassenbeiträge, Anschlussgebühren, Kosten für die Erfassung des Energieverbrauchs im Innern von Häusern im Interesse des Umweltschutzes (mp 1/06, S. 27 f.), Meteorwassergebühr usw. Auch wenn solche Kosten nach der hier vertretenen Auffassung aufgrund vertraglicher Abreden dem Mieter weiterbelastet werden dürfen, ist es zweckmässig, sie in die Mietzinskalkula­ tion miteinzubeziehen (N 7 zu Art. 256b OR).

15

Keine Nebenkosten sind die Aufwendungen für Reparaturen (so ausdrück­ lich festgehalten für Reparatur und Erneuerung der Heizungs- und Warmwas­ seraufbereitungsanlagen in Art.  6 Buchst.  a VMWG), z.B. Waschmaschinen­ reparatur (vgl. MRA 5/00, S. 376 ff.) und Ersatzanschaffungen ausgedienter Teile der Mietsache, da diese der Erhaltung des vertragsgemässen Zustandes dienen und durch den Mietzins abgedeckt werden müssen. So können bei­ spielsweise bei der Miete eines Autos Benzin, Öl und die Prämien für die Ver­ sicherungen, die über die gesetzliche Mindestpflicht hinausgehen, als Neben­ kosten separat abgerechnet werden, nicht jedoch Servicearbeiten, soweit diese mehr als reine Kontroll- bzw. Reinigungsarbeiten umfassen (zu wenig diffe­ renzierend diesbezüglich Botsch. 1985, S. 1426, welche das Entgelt für Servi­ ceabonnemente mit Unterhaltskosten gleichsetzt und damit als im Mietzins inbegriffen erklärt). Die Abgrenzung zwischen Unterhalt (Reparaturen) und reinen Wartungs- und Kontrollarbeiten, die nebenkostenfähig sind (N  13), kann Schwierigkeiten bereiten (vgl. Oberle, Nebenkosten, S. 35; zum Problem Amortisationskosten Müller, BMM, S. 103).

16

Über Nebenkosten wird  – mit oder ohne Akontozahlungen des Mieters  – gesondert abgerechnet, oder es werden Pauschalen erhoben. Selbstverständ­ lich dürfen auch Direktzahlungen vereinbart werden, d.h., der Mieter über­ nimmt Nebenkosten, die dem Vermieter bzw. dem Eigentümer in Rechnung gestellt werden (Higi, ZK, N 16 zu Art. 257a–257b OR). Siehe dazu N 34 ff.

17

Werden Aufwendungen für Nebenkosten ausgeschieden, so dürfen diese nicht mehr als kalkulatorische Grundlage für den Mietzins dienen. Dieser Regel ist auch bei der Überprüfung der Missbräuchlichkeit von Mietzinsen Beachtung zu schenken (N 33 zu Art. 269 OR).

18

Für die Erfüllung gelten die allgemeinen Grundsätze (vgl. Art.  257c OR), ebenso für die Verjährung: Bei periodischer Leistungspflicht beträgt die Ver­

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Art. 257–257b

jährungsfrist fünf Jahre ab Fälligkeit (Art. 128 Ziff. 1 OR), ansonsten gilt die zehnjährige Frist. Ausführlich zu Fragen der Verjährung im Zusammenhang mit Nebenkostenabrechnungen vgl. N 13 f. zu Art. 257c OR.

3.2

Besondere Vereinbarungen gemäss Art. 257a Abs. 2 OR

Vorab zum Schutz des Mieters, aber auch in konsequenter Ausbildung des 19 Konsensualprinzips, verlangt das Gesetz, dass Nebenkosten vom Mieter nur zu bezahlen sind, wenn er dies mit dem Vermieter besonders vereinbart hat. Die Bestimmung bringt zum Ausdruck, dass die Kosten grundsätzlich vom Vermieter zu tragen sind. Nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung statu­ iert die Bestimmung eine besondere Auslegungsregel, nach der alle Neben­ kosten, die nicht eindeutig als vom Mieter zu tragen vereinbart worden sind, der Regel der Kostentragung durch den Vermieter entsprechend vom Vermie­ ter getragen werden (Urteil des Bundesgerichts 4P.323/2006 vom 21. März 2007 E. 2.1). Der Mieter hat nur diejenigen Nebenkosten zu bezahlen, die im Ver­ trag eindeutig und genau bezeichnet werden. Fehlt eine spezielle Vereinba­ rung, sind solche Kosten im Mietzins inbegriffen (Urteil des Bundesgerichts 5A_500/2013 vom 19. März 2014, E. 7.2.1, unter Hinweis auf BGE 121 III 460, E. 2a/aa; BGE 135 III 591 E. 4.3; Giger, BK, N 14 zu Art. 257a OR, m.w.H. auf die aktuelle Rechtsprechung; Rohrer, Vereinbarung, S. 87 ff.). Die besondere Vereinbarung wird in aller Regel eine ausdrückliche sein, meist 20 auch eine schriftliche im Rahmen des in dieser Form ausgefertigten Mietver­ trags. Sie kann aber auch formfrei erfolgen (Higi, ZK, N 16 zu Art. 257a–257b OR; Urteil des Bundesgerichts 4A_185/2009 vom 28. Juli 2009 E. 2.1). Eine Abrede kann sich daher auch aus den Umständen ergeben, so beim vielfach zitierten Beispiel der Waschmaschine im Wohnhaus, die nur mit Münzenein­ wurf zu betreiben ist (Botsch. 1985, S. 1426; Higi, ZK, N 13 zu Art. 257a–257b OR). Das Vorliegen einer konkludent geschlossenen Vereinbarung darf indes­ sen nicht leichthin angenommen werden. So ist fraglich, ob aus dem wieder­ holten Bezahlen der Nebenkosten auf die konkludente Anerkennung der Zah­ lungspflicht des Mieters geschlossen werden kann (so Rohrer, Vereinbarung, S. 88, zumindest für den Fall, dass die Bezahlung der Nebenkosten aufgrund detaillierter Nebenkostenabrechnungen erfolgte; so auch Giger, BK, N  22 zu Art.  257a OR, u.a. unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts vom 29.  Juni 1993, in: RJJ 1993/2, S.  170  ff.; ablehnend: Blumer, Gebrauchsüber­ lassungsverträge, Rz.  486, S.  147, m.w.H., und Béguin, Nebenkosten, S.  179, Fn. 54). Gemäss Bundesgericht muss die Nebenkostenabrede im Zeitpunkt

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Art. 257–257b

des Vertragsabschlusses erfolgen, damit sich der Mieter ein Bild über die ihm zur Last fallenden Nebenkosten machen kann (Blumer, Gebrauchsüberlas­ sungsverträge, Rz. 486, S. 147, unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts 4A_397/2007 vom 6. Dezember 2007, E. 2.5). 21

Erkennt der Mieter beim Abschluss des Mietvertrags jedoch tatsächlich, wel­ che Nebenkosten vertraglich auf ihn überwälzt werden sollen, und unterzeich­ net er den Vertrag in diesem Wissen, ist Art. 257a Abs. 2 OR Genüge getan. Das gilt selbst dann, wenn der Mietvertrag schriftlich abgeschlossen worden ist (N 22). Der Mieter kann sich im Nachhinein nicht auf die fehlende Bestimmt­ heit des Vertragstexts berufen (Urteil des Bundesgerichts 4A_215/2012 vom 9. Juli 2012, E. 2.2.1 und Urteil 4A_462/2011 vom 5. März 2012, E. 3.4, in: MRA 3/12, S. 133 ff. sowie in: CdB 2/13, S. 41 ff.).

22

Wird der Mietvertrag schriftlich abgeschlossen und haben die Parteien i.S.v. Art. 16 Abs. 1 OR die Schriftform vorbehalten (was auch konkludent gesche­ hen kann), so gilt dieser Formvorbehalt auch in Bezug auf die Nebenkos­ ten (Giger, BK, N  19 zu Art.  257a OR, m.w.H.; Urteil des Bundesgerichts 4C.224/2006 vom 24. Oktober 2006, E. 2.1, in: CdB 3/07, S. 69 ff.). Die Neben­ kosten müssen grundsätzlich im Mietvertrag selber aufgelistet und bezeichnet sein, während die Allgemeinen Vertragsbestimmungen «konkretisieren kön­ nen» (BGE 135 III 591 E. 4.3, unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts 4P.323/2006 vom 21. März 2007, sowie Urteil 4C.24/2002 vom 29. April 2002; vgl. ferner den Überblick über die einschlägige Rechtsprechung bei Giger, BK, N 44 zu Art. 257a OR). Hingegen genügt ein allgemeiner Verweis auf einen standardisierten Vertragszusatz wie «Allgemeine Bedingungen zum Mietver­ trag» nicht (Urteil des Bundesgerichts 4A_185/2009 vom 28. Juli 2009, E. 2.1, in: MRA 2/10, S. 77 ff.; Giger, BK, N 44 zu Art. 257a OR, m.w.H.). Eine Abrede, wonach der Mieter «alle Nebenkosten» zu bezahlen hat, erfüllt die gesetzli­ chen Anforderungen nicht, da damit die zu bezahlenden Nebenkostenpositi­ onen nicht konkret bestimmt und auch nicht bestimmbar sind. So erachtete das Bundesgericht die Verabredung einer monatlichen Pauschale von 5000 CHF für «Nebenkosten ohne Strom» als ungültig (Urteil des Bundesgerichts 4C.346/99 vom 7. April 1999, in: MRA 1/00, S. 242 ff.; vgl. ferner das Urteil des Bundesgerichts 4C.24/2002 vom 29. April 2002, in: MRA 3/02, S. 108 ff.; ZMP 1/02, S. 2 ff.; ZMP 3/05, S. 149; Béguin, Nebenkosten, S. 167 ff.). Ebenso wenig Genüge getan wird den gesetzlichen Anforderungen mit einer Aufzählung aller erdenklichen Nebenkosten, die in der betroffenen Liegenschaft gar nicht alle anfallen. Dem Mieter kann nicht zugemutet werden herauszufinden, welche Nebenkosten tatsächlich in seinem Mietverhältnis abgerechnet werden sollen

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bzw. bleibt es in diesem Fall für den Mieter unklar, welche der aufgeführten Positionen bei ihm anfallen werden (Urteil des Bundesgerichts 4A_397/2007 vom 6. Dezember 2007; Rohrer et al., 66 Fragen – Frage 23, S. 82). Nicht zur Ungültigkeit der Nebenkostenabrede führt hingegen die Auflistung der Neben­ kosten mit dem Hinweis «insbesondere», «nicht abschliessend» usw. (Urteil des Bundesgerichts 4A_606/2015 vom 19. April 2015 E. 4., in MRA 1/17, S. 40 ff.). Hingegen bleibt der Zusatz ohne Rechtswirkung. Es gelten nur die ausdrück­ lich aufgezählten Positionen als vereinbart. Weitere als die aufgeführten Posi­ tionen kann der Vermieter dem Mieter nicht als Nebenkosten in Rechnung stellen (Urteil des Bundesgerichts 4A_185/2009 vom 28. Juli 2009, E. 2.4.3, in: MRA 2/10, S.  77  ff. sowie mp 2/10, S.  119  ff.). Beinhaltet eine Position eine gewisse Unsicherheit  – im konkreten Fall hiess es: «allgemeine Betriebskos­ ten + Rückstellungen für periodische Service und Revisionen, die zurzeit noch nicht bekannt sind» –, so führt dies ebenfalls nicht zur Ungültigkeit der gesam­ ten Auflistung der Nebenkosten (Urteil des Bundesgerichts 4A_185/2009 vom 28. Juli 2009, E. 2.4.3, in: MRA 2/10, S. 77 ff. sowie mp 2/10, S. 119 ff.). Entstehen dem Vermieter im Laufe des Mietverhältnisses neue Nebenkosten, 23 kann er diese nicht einfach auf den Mieter abwälzen. Er hat dann, falls keine Einigung möglich ist, den Vertrag zu kündigen oder, bei Wohn- und Geschäfts­ räumen, nach den Regeln der Mietzinserhöhung vorzugehen (dazu N 27 ff.).

3.3

Besonderheiten bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen gemäss Art. 257b OR

3.3.1

Umschreibung der Nebenkosten gemäss Abs. 1

Für die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen wird die Umschreibung 24 der zulässigen Nebenkosten noch etwas enger gefasst als nach der allgemei­ nen Regel von Art. 257a Abs. 1 OR, um der Legaldefinition zu entsprechen. Dabei lehnt sich das Gesetz an die Bestimmungen von Art.  8 BMM (und Art. 5 VMM) an, hebt aber nochmals hervor, dass die Leistungen des Vermie­ ters oder des Dritten, um nebenkostenfähig zu sein, mit dem Gebrauch der Sache zusammenhängen müssen, was explizit im BMM und der VMM nicht gesagt war. Ausdrücklich wird in Abs. 1 vom Art. 257b OR das Erfordernis, wonach die Leistungen mit dem Gebrauch der Sache zusammenhängen müs­ sen, um nebenkostenfähig zu sein, auch für die öffentlichen Abgaben erwähnt. Demgemäss können Kausalabgaben wie Grundgebühren für Kehrichtentsor­ gung und Wasser sowie Abwasser, soweit sie nach dem Verursacherprinzip erhoben werden, wohl als Nebenkosten dem Mieter überbunden werden (Blu­

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mer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz.  495, S.  150  f.; Weber, BSK, N  3 zu Art. 257b OR). So hat die 2. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Bern (Urteil APH-07  589 vom 20.  August 2008) die gebrauchsabhängige Berech­ nungsmethode und damit die Nebenkostenfähigkeit von aufgrund der Brut­ togeschossfläche erhobenen Kehrichtgrundgebühren bejaht. Im Ergebnis gleich entschied das Tribunal des baux du canton de Vaud (Urteil vom 9. April 2014, in: CdB 2/15, S. 55 ff.). Das Gericht hatte eine Kehrichtgrundgebühr zu beurteilen, die nach der Kubatur des Gebäudes auf der Grundlage der Schät­ zung der Gebäudeversicherung erhoben wurde und erblickte einen genügen­ den Zusammenhang zwischen der dergestalt erhobenen Kehrichtgrundgebühr und dem Gebrauch der Sache und bejahte demgemäss deren Nebenkostenfä­ higkeit. Béguin zitiert diesen Entscheid fälschlicherweise zur Untermauerung seiner gegenteiligen These, wonach unabhängig von der konkreten Nutzung erhobene Kosten den Mietern nicht als Nebenkosten belastet werden dürfen (MfdP/Béguin, N 14.1.5). 25

Zudem werden die traditionellen Nebenkosten, namentlich die Heizungs- und Warmwasserkosten, als die praktisch wichtigsten ausdrücklich erwähnt. Die Aufzählung hat lediglich beispielhaften Charakter und ist nicht abschliessend (Higi, ZK, N 25 zu Art. 257a–257b OR).

26

Klargestellt wird ferner, dass nur die tatsächlichen Aufwendungen belastet werden dürfen. Dazu gehört gegebenenfalls auch die Mehrwertsteuer (Lachat, CR, N 5 zu Art. 257a–257b OR; im Einzelnen Oberle, Nebenkosten, S. 101 ff.). Aus den Nebenkosten bei Wohn- und Geschäftsräumen darf der Vermieter mithin (wie früher gemäss Art. 8 BMM und 5 VMM) keinen Gewinn erzielen (MfdP/Béguin, N 14.4.2, m.w.H.). Dieser Grundsatz gilt jedoch sinngemäss für die Nebenkosten bei sämtlichen Mietverträgen, auch wenn dies in Art. 257a OR nicht erwähnt ist (Higi, ZK, N 26 zu Art. 257a–257b OR). Dagegen ent­ hält das Gesetz keine Regelung, nach welchem Schlüssel die Nebenkosten unter den Mietern verteilt werden sollen (N 34 ff.).

3.3.2

Einführung oder Ausscheidung von Nebenkosten

27

Die allgemeinen Regeln für die Nebenkosten (N 11–23) gelten vollumfänglich auch für die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen. Dies bedeutet v.a.: Die Regelung des Mietvertrags gilt abschliessend, d.h., es können dem Mieter aus­ ser den vereinbarten Nebenkosten keine weiteren belastet werden.

28

Die Belastung des Mieters mit neuen oder höheren Nebenkosten, z.B. nach Einbau neuer Einrichtungen wie einem TV-Kabelanschluss oder eines mit

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Energie aus der Heizanlage betriebenen Warmluftgebläses in der Waschküche (Urteil des Tribunal des baux du Canton de Vaud XG05.16 303 vom 24. Januar 2007, in: mp 3/09, S.  150  ff.) oder der Wechsel von Ölheizung auf EnergieContracting und damit einhergehende Belastung mit Kosten für Verzinsung und Amortisation (vgl. N 53 ff.) oder neu erhobene Abgaben (BGE 108 II 140), kann der Vermieter nach den gleichen Regeln wie für die Mietzinserhö­ hung einseitig einführen (BGE 137 III 362, E. 3.2.1, in: MRA 2/12, S. 81 ff.; 121 III 460, in: mp 2/96, S. 77 ff. und MRA 3/96, S. 124 ff.; Urteil des Bundesge­ richts vom 23. August 1999, in: MRA 3/00, S. 301 ff.; ausführlich dazu N 27 f. zu Art. 269d OR). Gleiches gilt für die Einführung von Akontozahlungen für Nebenkosten, die bisher im Mietzins inbegriffen waren. Die sogenannte andere einseitige Vertragsänderung gemäss Art. 269d Abs. 3 OR ist mit einer klaren Begründung zu versehen, andernfalls sie nichtig ist (BGE 137 III 362, E. 3.2.1; Urteil des Bundesgerichts 4A_268/2011 vom 6. Juli 2011, beide Urteile in: MRA 2/12, S.  81  ff.; ZMP 2015 Nr. 8; Formulierungsbeispiele in HAP-Immobiliar­ mietrecht/Wyttenbach, Rz. 6.68, S. 278 sowie 6.72, S. 279). Neue Nebenkosten für zusätzliche Leistungen dürfen dann nicht weiterbe­ 29 lastet werden, wenn der Mieter davon in keiner Weise profitiert, z.B. keinen Radio- oder TV-Anschluss will (OGer Zürich, Entscheid vom 23. August 1995, in: mp 2/96, S.  87; vgl. auch Art.  35a Abs.  3 Buchst.  a des Fernmeldegeset­ zes [FMG], SR 784.10; dazu und insb. zur Frage der Plombierungskosten vgl. Oberle, Nebenkosten, S. 69 f.). Lagert der Vermieter bereits bestehende, bisher im Nettomietzins enthaltene 30 Nebenkosten neu aus, so hat er den Nettomietzins um den Betrag zu redu­ zieren, der aufgrund von Abrechnungen von mindestens drei unmittelbar der Vertragsänderung vorangehenden Jahren für die inskünftig separat erhobenen Nebenkosten angefallen ist (Rohrer, Nebenkosten, S.  108; HAP-Immobiliar­ mietrecht/Wyttenbach, N 6.70, S. 278, m.w.H.).

3.3.3

Änderung der Höhe der Nebenkostenvorauszahlungen oder der Verteilschlüssel

Die Regeln von Art. 269d OR sind auch einzuhalten, wenn die Akonto- oder 31 Pauschalbeiträge erhöht oder Nebenkostenverteilschlüssel geändert werden, z.B. durch Einführung individueller Belastung mittels Magnetkarten bei der Waschmaschine (OGer Zürich, Entscheid vom 23. August 1995, in: mp 2/96, S. 84).

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Art. 257–257b

3.3.4

Einsichtsrecht des Mieters gemäss Abs. 2

32

Auch diese Regel entstammt dem BMM (Art.  8 Abs.  2). Die Bedeutung der Bestimmung ist klar. Der Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen soll die Möglichkeit haben zu überprüfen, ob die ihm belasteten Kosten den tatsäch­ lichen Aufwendungen i.S.v. Abs. 1 entsprechen. In Art. 8 Abs. 2 VMWG wird verdeutlicht, dass der Mieter berechtigt ist, die sachdienlichen Originalunterlagen einzusehen und über den Anfangs- und Endbestand von Heiz­ materialien Auskunft zu verlangen. Das Einsichtsrecht ist am Wohn- oder Geschäftssitz des Vermieters während der üblichen Geschäftszeiten und nach rechtzeitiger Vororientierung auszuüben (Oberle, Nebenkosten, S. 58 f.). Das Einsichtsrecht des Mieters umfasst auch das Recht, Kopien auf eigene Kosten von den Originalunterlagen zu erstellen (Urteile des Richteramts SolothurnLebern, SLZPR.2010.609 und SLZPR.2010.543, vom 17. Dezember 2010, E. 1, in: mp 1/12, S. 28 ff.; MfdP/Béguin, N 14.7.2, m.w.H.). Verweigert der Vermie­ ter die Einsicht, so kann der Anspruch auf Einsichtnahme klageweise durch­ gesetzt werden (N  14 zu Art.  256a OR). Die auftragsrechtlichen Regeln zur Rechenschaftsablage i.S.v. Art. 400 OR können hilfsweise zur Konkretisierung herangezogen werden.

33

Das Einsichtsrecht des Mieters besteht auch, wenn und soweit der Vermieter die Nebenkosten in Form von Pauschalen erhebt, denn auch in diesem Fall ist der Vermieter auf die tatsächlichen Aufwendungen beschränkt (Art. 4 Abs. 2 VMWG). Sind die Nebenkosten im Mietzins inbegriffen, steht dem Mieter hin­ gegen kein Einsichtsrecht zu (Higi, ZK, N 30 zu Art. 257a–257b OR).

3.3.5

Heiz- und Nebenkostenabrechnung

3.3.5.1 Allgemeines 34

Die Artikel 4–8 VMWG enthalten detaillierte Bestimmungen über die Neben­ kostenabrechnung, über die pauschale Erhebung solcher Kosten, über die anrechenbaren bzw. nicht anrechenbaren Heizungs- und Warmwasserkos­ ten wie Heizungskosten nicht vermieteter Objekte (Art. 7) und über die Heiz­ kostenabrechnung im Besonderen. Obwohl sich das Erfordernis einer detail­ lierten Abrechnung gemäss dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 VMWG nur auf die Heizkosten bezieht, kommt der Vermieter seiner Abrechnungspflicht für die allgemeinen Nebenkosten gemäss Art. 4 Abs. 1 VMWG nur nach, wenn die Abrechnung so klar und verständlich ist, dass der Mieter ersehen kann, für welche Nebenkostenpositionen er in welchem Umfang (Verteilschlüssel) belastet wird (Urteil des Bundesgerichts 4A_127/2014 vom 19. August 2014,

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Art. 257–257b

in: mp 1/15, S. 23 ff., E. 6.4, mit Hinweis auf Higi, ZK, N 36 zu Art. 257a–257b OR). Im Übrigen kann auf den Text der Verordnung verwiesen werden (zu Art. 6a VMWG vgl. N 53 ff.). Die Aufzählung in Art. 5 Abs 2 VMWG der Posi­ tionen, die ohne besondere Erwähnung im Vertrag in Rechnung gestellt wer­ den dürfen, ist nicht abschliessend (Cour de Cassation du Tribual Cantonal de Neuchâtel vom 24. August 2006, in: CdB 2/07, S. 60, betr. Aufwand für Ent­ rostungsarbeiten von Wasserleitungen). Zu beachten ist schliesslich, dass mit der Energieverordnung vom 1. November 2017 (in Kraft seit 1. Januar 2018) neu Art. 6b in die VMWG eingefügt worden ist. Demnach kann der Vermie­ ter im Rahmen eines Zusammenschlusses gemäss Art. 17 EnG die Kosten nach Art. 16 EnV als Nebenkosten in Rechnung stellen. 3.3.5.2 Verwaltungskosten Hervorzuheben ist, dass nach Art. 4 Abs. 3 VMWG, die für die Erstellung der 35 Nebenkostenabrechnung entstehenden Verwaltungskosten nach Aufwand oder im Rahmen der branchenüblichen Ansätze (in % des Nebenkostentotals; vgl. die Kritik an dieser Berechnungsart bei Rohrer, Nebenkosten, S. 104) abge­ rechnet werden dürfen. Die bisherige Beschränkung auf die Kosten der Ver­ waltung für Heizung und Warmwasser (Art. 5 Abs. 3 VMWG) wurde damit ausdrücklich aufgehoben (vgl. dazu Oberle, Nebenkosten, S.  74  ff.; Rohrer, Änderungen, S. 143). Gestützt auf Art. 4 Abs. 3 VMWG dürfen nur die Ver­ waltungskosten zur Erstellung der Nebenkostenabrechnung und nicht sämt­ liche Verwaltungskosten im Zusammenhang mit den Nebenkosten in Rech­ nung gestellt werden. Die Überwälzung weiterer Abrechnungskosten bedarf daher einer ausdrücklichen Vereinbarung. Sie sind nicht in der entsprechen­ den Nebenkostenposition eingeschlossen (Blumer, Gebrauchsüberlassungs­ verträge, Rz. 500, S. 152; Bieri, CPra, N 81 zu Art. 257a–257b OR). Die Kosten einer vom Vermieter beigezogenen externen Verwaltung können, da mit dem Gebrauch der Sache zusammenhängend, auf den Mieter überwälzt werden (so auch Rohrer, Nebenkosten, S. 103; Giger, BK, N 34 zu Art. 257b OR). Demgegenüber fällt bei den Heizkosten die gesamte Verwaltungsarbeit, die mit 36 dem Betrieb der Heizungsanlage zusammenhängt, unter den Titel «Verwal­ tung» (Art. 5 Abs. 2 Buchst. i VMWG). Die üblichen Ansätze richten sich nach der Ortsüblichkeit und sind dem­ 37 zufolge regional verschieden (Urteil des KGer St. Gallen, BE.2011.38 vom 2. Fe­bruar 2012, E. 2, in: mp 3/12, S. 213 ff.). In der Schweiz gelten meist 3 bis 4% als üblicher Ansatz (vgl. Oberle, Nebenkosten, S. 105, insbesondere auch zum Thema verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung VHKA). Der Ver­ Irene Biber

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mieter kann die Verwaltungskosten jedoch gemäss den gesetzlichen Bestim­ mungen auch aufgrund des Nachweises des tatsächlichen Aufwands ver­ anschlagen. Dazu gehört auch ein allfälliger interner Kontrollaufwand der Verwaltung durch zwei unterschiedliche Stellen (Vieraugenprinzip), der zur Gewährleistung einer sachgerechten und insbesondere fehlerfreien Abrech­ nungstätigkeit nicht zu beanstanden ist und daher mitberücksichtigt werden darf. Fraglich ist, ob als Pauschale geltend gemachte Verwaltungskosten später mit effektiven Kosten begründet werden können (offengelassen im Urteil des Einzelrichters in Mietsachen des Bezirks Affoltern, MD100007 vom 11.  Sep­ tember 2012, in: mp 1/13, S. 49 ff., E. 4.4; Urteil des KGer St. Gallen vom 2. Feb­ ruar 2012, BE.2011.38, E. 4). Das Verwaltungshonorar auf den abgerechneten Heiz- und Nebenkosten ist geschuldet, auch wenn es im Mietvertrag nicht aus­ drücklich aufgeführt ist, da es in Art. 4 und 5 VMWG als Bestandteil der Heizund Nebenkosten erwähnt wird, und damit eine gesetzliche Grundlage hat. 3.3.5.3 Abrechnungsmethoden 38

Sofern die Nebenkosten nicht im Mietzins inbegriffen und damit, gemäss der üblichen vertraglichen Regelung in den meisten Mietverträgen, monatlich im Voraus zu zahlen sind, gibt es folgende Methoden der Abrechnung: –– Monatliche Pauschale («Hauswartung und Treppenhausreinigung 30 CHF pauschal») –– Monatliche Akontozahlungen («Heizung und Warmwasser 100 CHF akonto») –– Nach Rechnungstellung bzw. effektiver Belastung einer Wohneinheit (z.B. «TV-Gebühr nach Abrechnung, zurzeit 25 CHF/p.M.») –– Der Mieter bestellt selber Heizöl und besorgt die Heizung (Miete Einfami­ lienhaus).

39

Das System der Akontozahlung ist in der Praxis verbreitet und sowohl für den Vermieter als auch für den Mieter die wohl gerechteste Lösung. Hierbei genügt die Vereinbarung eines Akontogesamtbetrags für alle ausgeschiedenen Neben­ kosten. Es müssen nicht Akontozahlungen für jede einzelne Nebenkostenpo­ sition festgelegt werden (Urteil des Bundesgerichts 4A_185/2009 vom 28. Juli 2009, in: MRA 2/10, S.  77  ff. sowie mp 2/10, S.  119  ff.). Fraglich ist, wie es sich – wie in der Praxis vorkommend – verhält, wenn im Mietvertrag wohl die auszuscheidenden Nebenkosten aufgelistet und mit dem Zusatz «akonto» ver­ sehen werden, jedoch kein Akontobetrag festgelegt wird. Der Begriff «Akon­

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tozahlung» impliziert zwar eine vom Mieter zu erbringende vorläufige Zah­ lung, die gemäss durch den Vermieter vorzunehmender Abrechnung an die jährlich aufgelaufenen und vom Mieter vertragsgemäss geschuldeten Neben­ kosten anzurechnen ist (BGE 132 III 24, S. 28, E. 5.1). Solche Abreden über Akontozahlungen der Nebenkosten dienen indessen vornehmlich dazu, hohe Zahlungen des Mieters zu verhindern und dadurch das Inkassorisiko des Ver­ mieters zu verringern. Das Gesetz schreibt denn auch keine Festsetzung von Akontozahlungen bzw. die Nennung eines entsprechenden Betrags vor. Damit muss es dem Vermieter aber unbenommen bleiben, auf die Festsetzung ent­ sprechender Beträge zu verzichten und vom Mieter erst aufgrund der Abrech­ nung die Begleichung der gesamten Nebenkostenforderung zu verlangen (so auch Fertig, offene Fragen, S. 73; Urteil des KGer Luzern LGVE 2016 Nr. 12 vom 26. August 2016). Art. 4 VMWG bestimmt, dass der Vermieter, der die Nebenkosten aufgrund 40 einer Abrechnung erhebt, diese mindestens einmal jährlich erstellen muss. Die jährliche Abrechnung ist sinnvoll. Die Forderung des Vermieters für Neben­ kosten kann auch bei der Ausgliederung nur weniger Nebenkostenpositio­ nen (Heizung und Warmwasser, Hausrat/Treppenhausreinigung, TV-Gebühr) einen beträchtlichen Umfang annehmen, betragen doch die Nebenkosten nach Erfahrungswerten 15 bis 25% der Mietkosten (Püntener Richard, in: Anwalts­ revue 6–7/2006, S.  242). Aus diesem Grund werden regelmässig monatliche Akontozahlungen vereinbart, für die ebenfalls die jährliche Abrechnungs­ pflicht gilt. Auch bei Vereinbarung von Akontozahlungen muss der Mieter am Ende der 41 Abrechnungsperiode je nach den Umständen, z.B. infolge höheren Verbrauchs, Anstiegs der Ölpreise, mit einer z.T. beträchtlichen Nachforderung rechnen. Das Bundesgericht hat in BGE 132 III 24 zu einigen in diesem Zusammenhang umstrittenen Fragen Stellung genommen. Es hielt fest, dass in Bezug auf die Vereinbarung von Akontozahlungen für Nebenkosten grundsätzlich Vertrags­ freiheit herrsche. Ob die Mieter darauf vertrauen könnten, dass die Akonto­ zahlungen den tatsächlichen Nebenkosten entsprächen, entscheide sich jedoch nach den Umständen des Einzelfalls. Dem Gesetz sei keine Regelung zu ent­ nehmen, wonach die Höhe der Akontozahlungen der Höhe der Nebenkosten ganz oder ungefähr entsprechen müssten. Der Begriff «Akontozahlung» deute darauf hin, dass es sich bei den unter diesem Titel erbrachten monatlichen Leis­ tungen lediglich um vorläufige Zahlungen handle, die gemäss korrekt zu erfol­ gender Abrechnungen an die jährlich aufgelaufenen und vom Mieter vertrags­ gemäss geschuldeten Nebenkosten anzurechnen seien. Der Vermieter sei nicht

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verpflichtet, von sich aus während den Vertragsverhandlungen die vermutli­ che Höhe der Nebenkosten mitzuteilen. Dies müsse er selbst dann nicht, wenn es wahrscheinlich sei, dass sie höher als die Akontozahlungen ausfallen (BGE 132 II 24, E. 5.1.1 und 6.1.2). Diesen Entscheid hat das Bundesgericht in seinem Urteil 4A_268/2009 vom 4. Februar 2010, in: mp 2/10, S. 116 ff., bestätigt. Diese Rechtsprechung wurde in der Folge unterschiedlich beurteilt (vgl. etwa MRA 4/05, S. 169 ff.; mp 4/05, S. 232 ff.; Anwaltsrevue 4/2006, S. 152 ff. und S. 241 ff.; Weber, BSK, N 2a zu Art. 257b OR; Bieri, CPra, N 50 ff., zu Art. 257a–257b OR; MfdP/Béguin, N 14.4.3). Die kantonale Rechtsprechung ist der bundesgericht­ lichen Rechtsprechung zwischenzeitlich teilweise gefolgt (vgl. etwa Urteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt, BEZ.2012.86 vom 15. August 2013, in: BJM 2/15, S. 99 ff.; Urteil des Mietgerichts Zürich, MG110015 vom 19. September 2012, in: ZMP 2012, Nr. 2). Teilweise weichen einzelne kantonale Entscheide jedoch auch von der angeführten bundesgerichtlichen Rechtsprechung ab. So hatte etwa das KGer Basel-Landschaft (Abteilung Zivilrecht, Prozessnr. 410 12 11 vom 6. März 2012, in: mp 2/13, S. 121 ff.) den Fall einer Mieterin zu beurtei­ len, die erstmals nach drei Jahren eine Nebenkostenabrechnung erhalten hatte und sich mit einer Nachforderung von 125% der Akontozahlung konfrontiert sah, womit die Nebenkosten rund 35% des vereinbarten Nettomietzinses aus­ gemacht hätten. Das KGer Basel-Landschaft entschied, der Mieter dürfe ohne anderslautende Mitteilung des Vermieters davon ausgehen, dass die festgesetz­ ten Akontobeträge die bis anhin bekannten Nebenkosten decken. Der Vermie­ ter kenne aufgrund der Abrechnung des Vormieters die Höhe der Nebenkosten und sei nach dem Vertrauensgrundsatz gehalten, den Mieter über zu tief ange­ setzte Akontobeträge aufzuklären. Bei der Neuvermietung könne der Vermie­ ter die Kosten aufgrund von Erfahrungswerten festsetzen. Den berechtigten Anliegen des Vermieters könne durch eine grosszügige Marge Rechnung getra­ gen werden (unter Hinweis auf Weber, BSK, N 2a zu Art. 257b OR). Im kon­ kreten Fall wurde zu den vereinbarten monatlichen Nebenkosten ein Zuschlag von 15% gewährt. Solange gesetzliche Regelungen fehlen, gilt für den Mietver­ trag als Dauerschuldverhältnis unter Berücksichtigung der sozialen Kompo­ nente und nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Folgendes: –– Der Vermieter soll bei bzw. vor Vertragsabschluss die jährlichen auf das Mietobjekt entfallenden Nebenkosten aufgrund der Erfahrungswerte nen­ nen. –– Nennt der Vermieter im Rahmen der Vertragsverhandlungen die Kosten nicht, soll der Mieter nachfragen und sich insbesondere nach der Höhe all­ fälliger Nachforderungen der vergangenen Jahre erkundigen.

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–– Auf jeden Fall, insbesondere bei Stillschweigen beider Parteien zum Zeit­ punkt des Vertragsabschlusses, hat der Mieter die erste Nebenkostenab­ rechnung anzufechten, die eine unerwartet hohe Nachforderung ausweist (Püntener Richard, in: Anwaltsrevue 6–7/2006, S. 244). Wer Nachzahlun­ gen erst nach Jahren plötzlich verweigert, riskiert den Vorwurf treuwidri­ gen Verhaltens (Weber, BSK, N 2b zu Art. 257b OR, m.w.H.). –– Ergibt sich trotz Akontozahlungen eine erhebliche Nachforderung, hat der Vermieter diese zu begründen und, falls auch in Zukunft mit höheren Kos­ ten zu rechnen ist, die Akontoleistungen anzupassen. Werden diese Verhaltensregeln beachtet, so hat der Mieter die vereinbarten 42 und tatsächlich entstandenen Nebenkosten unter Berücksichtigung allfälliger Akontozahlungen zu bezahlen. Vorbehalten bleiben selbstverständlich Fälle des Missbrauchs und der absichtlichen Täuschung («Lockvogelpolitik», MRA 4/05, S. 179). 3.3.5.4

Angemessenheit der Aufwendungen

Der Vermieter ist grundsätzlich berechtigt, die tatsächlich entstandenen 43 Nebenkosten auf die Mieter zu überwälzen (Higi, ZK, N 26 zu Art. 257a–257b OR). Soweit die Rechnungen auf öffentlichen Gebühren (Wasserzins) beruhen, sind Einwände mieterseits ausgeschlossen. In Bezug auf privatrechtliche Auf­ wendungen wie Kosten der Hauswartung oder Heizöl stellt sich die Frage, ob der Mieter die Angemessenheit der Aufwendungen bestreiten kann. Grund­ sätzlich ist der Vermieter frei, den Massstab für die Pflege der Liegenschaft und der Umgebung zu bestimmen und damit Qualität sowie Höhe der Hauswart­ kosten festzusetzen. Denn im Gegensatz zu Deutschland (so heisst es in § 556 Abs. 3, Satz 1BGB: «Über die Vorauszahlungen für Betriebskosten ist jährlich abzurechnen; dabei ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten.») ist in der Schweiz der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Nebenkosten gesetz­ lich nicht vorgeschrieben. Das Mietgericht Zürich hat in einem unpublizier­ ten Urteil vom 26. August 1999 erwogen (Hinweis in MRA 3/08, S. 106), eine Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Vermieters ergäbe sich allein aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. So dürfe der Vermieter einem Haus­ wart nicht einen unüblich hohen Lohn bezahlen. Der Fall war allerdings inso­ weit speziell, als es sich um eine Erstvermietung handelte, für welche die Haus­ wartung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht organisiert war. Als sachgerecht erachtete das Mietgericht eine Analogie zum Auftragsrecht. Sinngemäss habe der Vermieter für eine angemessene, der konkreten Über­

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bauung entsprechende und dafür in üblichem Rahmen liegende Hauswartung zu sorgen. Auch in der Organisation der Beheizung (Einkauf, Wahl des Ter­ mins und des Lieferanten usw.) ist der Vermieter grundsätzlich frei, vorbehält­ lich des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei grösseren Bürokomplexen mit hohen Hauswartkosten ist es unter Umständen sinnvoll, wenn die Ver­ waltung von Zeit zu Zeit auf der Basis eines detaillierten Pflichtenhefts Kon­ kurrenzofferten einholt, um die Angemessenheit der Kosten zu überprüfen. Selbstverständlich ist, dass Rabatte (und sog. Kick-backs) den Mietern zugute­ kommen müssen (Grundsatz der tatsächlichen Kosten). Verletzt der Vermie­ ter seine sich aus Treu und Glauben ergebende Nebenpflicht, dem Mieter nur die wirtschaftlich angemessenen Nebenkosten weiter zu belasten, wird er dem Mieter unter Umständen schadenersatzpflichtig, sofern er nicht nachweisen kann, dass ihn kein Verschulden trifft. Der dem Mieter erwachsene Schaden entspricht der Differenz zwischen den überhöhten Kosten und den angemes­ senen (Béguin, Wirtschaftlichkeit, S. 198). Die Frage der Angemessenheit des betriebenen Aufwands kann im Prozessfall durch eine Expertise geklärt wer­ den (Rohrer, Nebenkosten, S. 106). 3.3.5.5 Verteilschlüssel 44

Eine weitere, im Gesetz nicht geregelte Frage ist, nach welchem Verteilschlüs­ sel die Nebenkosten den einzelnen Mietern auferlegt werden können. Auch hier gilt der Grundsatz der tatsächlichen Kosten. Dieser Grundsatz ist aber nicht dahingehend zu verstehen, dass die auf das einzelne Mietobjekt entfal­ lenden Kosten effektiv zu ermitteln wären, vorbehältlich allfälliger kantonaler Vorschriften (vgl. mp 2/05, S. 80: Es gibt im Kanton Tessin keine kantonale Vor­ schrift für den Einbau von Wasserzählern. Der Wasserverbrauch in einer Lie­ genschaft mit gemischter Nutzung darf jedenfalls dann nach Flächen umgelegt werden, wenn die gewerbliche Nutzung nicht zu einem übermässigen Wasser­ verbrauch führt, wie dies bei einem Coiffeursalon der Fall ist.). Der Vermie­ ter hat die Kosten nach pflichtgemässem Ermessen zu verteilen, wobei ihm ein angemessener Spielraum zusteht. Bei verbrauchsabhängigen Kosten (Hei­ zung, Wasser usw.) entspricht eine Umlegung nach Flächen in einem Wohn­ haus in der Regel dem Grundsatz der tatsächlichen Kosten. Bei den neutralen Kosten – die in keinem Zusammenhang mit der Grösse des Mietobjekts ste­ hen wie Hauswartung, Treppenhausreinigung, Gartenpflege, Allgemeinstrom, Liftkosten usw. (vgl. Oberle, Nebenkosten, S. 53 ff.) – wird in der Regel eine Verteilung nach Anzahl der Wohnungen befürwortet (vgl. aber auch Rohrer, Nebenkosten, S. 111, mit Hinweis auf ein Urteil des Mietgerichts Zürich vom

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26. August 1999, bestätigt vom Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 15. Februar 2000, wonach die Verteilung der Hauswartkosten nach Mass­ gabe der Wertquoten als sachgerecht erachtet worden ist). Bei den sogenannt gemischten Mietverhältnissen (Wohnungen und Geschäftsräume) muss aber der unterschiedlichen Nutzung Rechnung getragen werden (Coiffeursalon). Sofern der individuelle Verbrauch nicht mit Zählern ermittelt werden kann, ist eine Kostenaufteilung entsprechend effektiven oder hypothetischen Wert­ quoten sachgerecht. Bei der Verteilung ist aber der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten. Eine «Rappen-Gerechtigkeit» gibt es nicht (Oberle, Nebenkosten, S. 52). Der Grundsatz der tatsächlichen Kosten nach Art.  257b OR ist zwingend, 45 weshalb widersprechende vertragliche Abreden über den Verteilschlüssel nicht verbindlich sind. Trotzdem empfiehlt es sich, den Verteilschlüssel im Mietver­ trag festzuhalten (Oberle, Nebenkosten, S. 52 f.) und periodisch auf Angemes­ senheit zu überprüfen. Ändert der Vermieter den Verteilschlüssel, so hat er nach den Regeln der Miet- 46 zinserhöhung bzw. einseitigen Vertragsänderung gemäss Art. 269d und 270 Abs. 2 OR vorzugehen (Lachat, CR, N 9 zu Art. 257a–257b OR; Oberle, Neben­ kosten, S. 118; mp 2/96, S. 84). 3.3.5.6 Abrechnungspflicht Die periodische, mindestens einmal jährlich zu erfüllende Abrechnungspflicht 47 des Vermieters gemäss Art. 4 Abs. 1 VMWG wirft die Frage auf, wie vorzuge­ hen ist, wenn der Vermieter säumig ist. Da es kein generelles Recht auf Rech­ nungsstellung gibt, hat der Mieter, der keine Akontozahlungen für die Neben­ kosten zu leisten hat, keinen durchsetzbaren Anspruch, dass ihm der Vermieter eine solche Abrechnung vorlegt. Bestreitet der Mieter, dass die vereinbarte Pauschale den Durchschnittswerten der erhobenen Nebenkosten der letzten drei Jahre entspricht, so hat er indessen ein Interesse an der Einsichtnahme in die Belege, die der Vermieter dem Mieter zu gewähren hat (Aellen, Nebenkos­ ten, S. 123, unter Hinweis auf Higi, ZK, N 34 zu Art. 257a–257b OR). Bleibt der Vermieter säumig, so hat er die Folgen selbst zu tragen, die Abrechnungs­ forderung wird nicht fällig (ZR 68 [1969] Nr. 89; ZMP 2/92, Nr. 16), und der Vermieter riskiert die Verjährung seiner Forderung für die Nebenkosten (N 18 und Higi, ZK, N 32 ff. zu Art. 257 OR). Hat der Mieter dagegen Akontozahlungen geleistet, so muss er sich gegenüber 48 dem säumigen Vermieter durchsetzen können. Der Mieter kann die Neben­

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kostenabrechnung über die Schlichtungsbehörde erwirken (Urteil des KGer Basel-Landschaft 410 12 11 vom 6. März 2012, E. 2.4, in: mp 2/13, S. 121 ff.; HAP-Immobiliarmietrecht/Wyttenbach, N 6.130, S. 295 f., mit einem Formu­ lierungsvorschlag des entsprechenden Rechtsbegehrens; Weber, BSK, N 8 zu Art. 257a OR; Oberle, Nebenkosten, S. 60). Die Säumnis führt hingegen nicht zur Verwirkung des Anspruchs des Vermieters; eine solche ist im Gesetz nicht vorgesehen. Der Vermieter trägt bloss das Risiko der Verjährung. 49

Eine Nebenkostenabrechnung kann i.V.m. einer Klage auf Rechnungsstellung (bei fehlender Abrechnung) oder einer Leistungsklage (Rückforderung dem Mieter zu Unrecht belasteter Positionen) bei der Schlichtungsbehörde ange­ fochten werden. Dabei ist der Mieter, abgesehen von den gesetzlichen Verjäh­ rungsvorschriften, an keine Frist gebunden. Eine vertragliche Bestimmung, wonach die Abrechnung als genehmigt gilt, falls sie vom Mieter nicht innert 30 Tagen bestritten wird, hat die Wirkungen einer Saldoklausel (dazu Aepli, ZK, N 31 ff. zu Art. 117 OR; BGE 104 II 190; Urteil des Bundesgerichts 4C.24/2002 vom 24. April 2002, in: MRA 3/02, S. 108 ff.; kritisch: etwa Weber, BSK, N 8a zu Art. 257a OR; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 776, S. 229 f.). Rechnungsfehler und versehentliche Buchungen können auch nach Ablauf dieser Frist beanstandet werden, ebenso z.B. Nebenkostenpositionen, die ver­ traglich nicht ausgeschieden oder mangels Ankündigung mit amtlichem For­ mular mit dem Einwand der Nichtigkeit behaftet sind (Art. 269d Abs. 2 OR). Falls der Mieter jedoch bewusst und in Kenntnis der Rechtslage weitere Neben­ kostenpositionen anerkennt, ist eine spätere Irrtumsanfechtung rechtsmissbräuchlich, sofern nicht ohnehin vom Tatbestand der Vertragsänderung aus­ zugehen ist (Rohrer, Vereinbarung, S. 88 f.; N 20 f.).

50

Fraglich ist, ob der Mieter eine Nebenkostenabrechnung vor Schlichtungsbe­ hörde und Gericht anfechten bzw. deren Missbräuchlichkeit geltend machen kann. Gesetzlich ist keine Möglichkeit vorgesehen, eine Nebenkostenabrech­ nung anzufechten. Mithin handelt es sich um eine Feststellungsklage ausserhalb der Missbrauchsgesetzgebung gemäss Art. 269 ff. OR. Das dement­ sprechend geforderte Rechtsschutzinteresse des Mieters zur Anfechtung der Nebenkostenabrechnung bzw. Feststellung der Missbräuchlichkeit dürfte aller­ dings nicht vorliegen (vgl. dazu die einlässliche Begründung von Tschudi Mat­ thias in seinem Kommentar zum Urteil des Bundesgerichts 4A_325/2010 vom 1. Oktober 2010, in: MRA 3/11, S. 123 f.; a.M. MfdP/Béguin, N 14.8 sowie Win­ ter, Anträge, S. 197, die eine Feststellungsklage als zulässig erachten). Der Mie­ ter, der mit einer Nebenkostenabrechnung nicht einverstanden ist und des­ sen Ersuchen um Berichtigung seitens des Vermieters nicht stattgegeben wird,

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kann den unbestrittenen Teil der Nebenkostenabrechnung bezahlen und es im Übrigen dem Vermieter überlassen, für die Geltendmachung des bestritte­ nen Teils den Rechtsweg zu beschreiten (HAP-Immobiliarmietrecht/Wytten­ bach, N 6.134, S. 296). Liegt eine Abrechnung vor, weigert sich jedoch der Vermieter, den Saldo 51 zugunsten des Mieters zu bezahlen, so ist eine Verrechnung möglich. Ein vertragliches Verrechnungsverbot hat keine Wirkungen (Art. 265 OR). Zu Fragen der Verjährung im Zusammenhang mit Nebenkosten, Rückforde­ 52 rungen usw. vgl. N 13 f. sowie 17 ff. zu Art. 257c OR.

3.3.6

Energiebezug aus einer ausgelagerten Heizzentrale bzw. Energie-Contracting, Art. 6a VMWG

Neue Formen der Energielieferung, insbesondere die sogenannte Auslagerung 53 der Wärmezufuhr durch den Eigentümer, machten eine Revision der Verord­ nung erforderlich (Änderung vom 26. Juni 1996) (vgl. dazu Alvarez, VMWG, S.  129  ff.; Brandner, Energie-Contracting, S.  1517  ff.; Spirig, Anlagen-Con­ tracting, S.  141  ff.; Bättig, Energiecontracting VMWG, 163  ff.). Die Bestim­ mung von Art. 6a VMWG wird sowohl beim Bezug von einer Energiezentrale als auch dann angewendet, wenn die Energieerzeugungsanlage (nachfolgend «Heizanlage», obwohl nicht nur die Beheizung, sondern auch die Warmwas­ serversorgung, die Lieferung von Frischluft und teilweise auch die Klimati­ sierung und Kühlung des Gebäudes Vertragsinhalt bilden können, vgl. Bät­ tig, Energiecontracting VMWG, S. 163) zwar in fremdem Eigentum, nämlich des Contractors steht, aber in der Mietsache selbst erstellt und betrieben wird (Alvarez, VMWG, S. 135). Letztere Form wird als Anlagen-Contracting bezeichnet. Unter Anlagen-Contracting versteht man auch die Übernahme der bestehenden Heizanlage durch den Contractor verbunden mit dessen Ver­ pflichtung, für deren künftigen Betrieb, Unterhalt und eine allfällige Erneu­ erung auf seine Kosten besorgt zu sein (Bättig, Energiecontracting VMWG, S. 163; Spirig, Anlagen-Contracting VMWG, S. 141; Alvarez, VMWG, S. 135). Im Energie-Contracting deckt der Wärmepreis mehr als nur die reinen Ener­ gie- und Betriebskosten einer Heizanlage ab (Spirig, Anlagen-Contracting VMWG, S. 142). So enthält der Wärmepreis neben den reinen Brennstoffkos­ ten auch Aufwendungen für Kapitalverzinsung, Unterhalt und Abschreibung der Anlage, damit alles Kosten, welche nach der bisherigen Fassung von Art. 5 VMWG nicht weiter verrechenbar waren. Im Gegensatz dazu kann der Ver­ mieter nun nach dem Wortlaut der neuen Bestimmung von Art. 6a VMWG

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den Preis für Energiebezug als tatsächlich anfallende Kosten auf die Mietzin­ sen überwälzen. 54

Aus Art. 6a VMWG ergibt sich keine Pflicht des Vermieters, den Mieter auf den Bezug der Wärme aus einer nicht im Eigentum des Vermieters stehen­ den Anlage aufmerksam zu machen. Es genügt demzufolge, im Mietvertrag die Bezahlung der Heizungs- und Warmwasserkosten als Nebenkosten zu verein­ baren (Oberle, Nebenkosten, S. 107; Bättig, Energiecontracting VMWG, S. 166). In seinem Urteil 4A_500/2013 vom 14. März 2014, E. 7.2.3, hatte das Bundes­ gericht die Frage noch offengelassen. Es hatte den Fall zu entscheiden, ob die Vermieterin gestützt auf einen Mietvertrag, in welchem nebst anderen Neben­ kosten die «Heiz- und Warmwasserkosten gemäss Art.  5 VMWG» erwähnt wurden, angesichts dieser Formulierung berechtigt sei, von der Mieterin die in Art. 6a VMWG umschriebenen «tatsächlich anfallenden» Kosten zu fordern. Da nicht festgestellt worden war, ob die Vermieterin der Mieterin tatsächlich über Art. 5 und 6 VMWG hinausgehende Kosten in Rechnung gestellt hatte, konnte das Bundesgericht die Frage offenlassen. Hingegen hatte es in seinem Urteil 4A_606/2015 vom 19. April 2015, E. 4 (in: MRA 1/17, S. 40 ff.), Gelegen­ heit, diese Frage zu beantworten. Dem Urteil lag eine Betriebskostenvereinba­ rung zugrunde, welche sich an den Wortlaut von Art. 5 VMWG anlehnte und u.a. die Beschaffung von Brennstoff, die Wartung der Heizanlage und des Bren­ ners, die Bedienung der Heizanlage, Kaminfegerarbeiten, die Boilerentkalkung, die Tankreinigung usw. aufführte (vgl. Kommentar Beat Rohrer in MRA 1/17, S. 50). Das Bundesgericht hielt fest, dass aus der zu beurteilenden Betriebskos­ tenvereinbarung ohne Weiteres ersichtlich sei, welche Nebenkosten zulasten der Mieterin anfielen, auch wenn die konkrete Aufzählung mit «insbesondere» eingeleitet werde und die zur Heizung erforderlichen, beispielhaft aufgezähl­ ten Kosten z.T. nicht angefallen seien, weil die Liegenschaft mit Fernwärme geheizt wurde. Trotz dieses Urteils empfiehlt es sich allerdings angesichts der infolge des Energie-Contracting höher ausfallenden Nebenkosten, dieses aus­ drücklich im Mietvertrag zu erwähnen und den Mieter damit vor unliebsamen Überraschungen zu bewahren.

55

Bei der Umstellung von einer bisher selbst betriebenen Heizanlage auf ein Anlage-Contracting müssen die damit verbundene Erhöhung der Nebenkosten und die darin enthaltene Einführung neuer Nebenkostenkomponenten unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist und -termine mit dem amtli­ chen Formular gemäss Art. 269d OR angezeigt werden (vgl. Urteil des Tribu­ nal des baux du Canton Vaud, XG05.16303 vom 24. Januar 2007, in: mp 3/09, S. 150 ff., 153 f.; Urteil des Bezirksgerichts Liestal vom 7. September 2006, in: mp

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3/09, S. 173 ff.; Entscheid des OGer Solothurn vom 19. April 2002, in: mp 4/02, S. 216; Oberle, Nebenkosten, S. 107; a.M. Bättig, Energiecontracting VMWG, S. 170). Der Nettomietzins dagegen erhöht sich nicht, da kein Mehrwertanteil in der Liegenschaft nach Art. 14 VMWG abzugelten ist. In Abänderung der Regel von Art. 14 Abs. 1 VMWG kann der Vermieter damit die vollen Kosten überwälzen. Uneinig ist sich die Literatur bei der Beantwortung der Frage, ob die Umstellung auf ein Anlagen-Contracting zu einer Senkung des Nettomietzinses führen muss. Die Mehrheit der Autoren befürwortet eine Reduktion des Nettomietzinses, da die Anlagekosten der alten Heizanlage bisher in den Anla­ gekosten miteingerechnet gewesen seien und nunmehr die Heizanlage ohne Investitionskosten des Vermieters ersetzt werde (so Alvarez, VMWG, S. 135; Spirig, Anlagen-Contracting VMWG, S. 144 ff.; Burkhalter Peter/Grell Boris, Energie-Contracting, in: Immobilia, August 2006, S.  20  f.). Der Mieter ver­ zinse beim Anlagen-Contracting mit dem Wärmepreis den Mehrwert der neu vom Contractor gebauten Anlage, aber auch den rein werterhaltenden Anteil, der bisher mit dem Nettomietzins bezahlt worden sei. Andererseits erspare sich der Vermieter die Investitionskosten für eine neue Heizanlage und damit auch den rein werterhaltenden Anteil, den er nicht in Form einer Mietzins­ erhöhung abwälzen könne. Diese Kostenersparnis des Vermieters müsse dem Mieter mit einer Reduktion des Nettomietzinses gutgeschrieben werden. Die Reduktion entspreche dem nicht wertvermehrenden Anteil einer Heizungssa­ nierung zuzüglich durchschnittlicher Reparaturkosten für die Heizanlage (Spi­ rig, Anlagen-Contracting VMWG, S. 146 f.). Demgegenüber vertritt Bättig die Auffassung, mit der unentgeltlichen Übertragung der Heizanlage auf den Con­ tractor ändere sich an den Anlagekosten nichts, weshalb sich eine Reduktion des Mietzinses nicht rechtfertige (Bättig, Energiecontracting VMWG, S. 167 f.; ferner Vorauflage dieses Werks, wonach die Auslagerung der Heizung zumin­ dest bei amortisierten Heizanlagen zu keiner Kostensenkung führe und damit eine Mietzinsreduktion in diesem Fall nicht gerechtfertigt sei). Die Frage der Mietzinserhöhung stellt sich beim Tatbestand des Heimfalls der 56 Anlage vom Contractor an den Contracting-Nehmer (vgl. Art. 269a Buchst. b OR, 14 VMWG). Nach dem Heimfall der Anlage bietet der Vermieter wieder eine von ihm selbst finanzierte und betriebene Heizanlage an. Damit ist er zu einer Erhöhung des Nettomietzinses berechtigt. Im Gegenzug muss der Ver­ mieter die Nebenkosten auf das für die Eigenbeheizung zulässige Mass gemäss Art. 5 VMWG reduzieren (Spirig, Anlagen-Contracting VMWG, S. 149). Das Entgelt für Energielieferungen und für die Weiterverarbeitung des vom Elektrizitätswerk gelieferten Stroms sowie für die Aufrechterhaltung eines

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Art. 257–257b

Pikettdiensts durch den Vermieter fällt nicht unter die Nebenkosten, wenn es Gegenstand eines separaten Energielieferungsvertrags bildet (Urteil des Bun­ desgerichts 4C.82/2000 vom 24. Mai 2000, in: MRA 5/00, S. 369 ff.).

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Art. 257c 3. Zahlungstermine Der Mieter muss den Mietzins und allenfalls die Nebenkosten am Ende jedes Monats, spätestens aber am Ende der Mietzeit bezahlen, wenn kein anderer Zeitpunkt vereinbart oder ortsüblich ist. 3.

Termes de paiement

Le locataire doit payer le loyer et, le cas échéant, les frais accessoires, à la fin de chaque mois, mais au plus tard à l’expiration du bail, sauf convention ou usage local contraires.

3.

Termini di pagamento

Il conduttore è tenuto a pagare il corrispettivo e, se del caso, le spese accessorie alla fine di ogni mese, ma al più tardi alla fine della locazione, salvo patto o usi locali contrari.

InhaltsübersichtSeite 1.

Dispositiver Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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2.

Gesetzliche und vereinbarte Zahlungstermine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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3. Verjährung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Mietzinsforderungen und übrige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Nebenkosten und Forderungen aus Nebenkostenabrechnung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.3 Fehler bei Mietzinszahlung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.4 Fehler bei Nebenkosten und Nebenkostenabrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.5 Sonderfälle (Umsatzmiete) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 257c

1. 1

Dispositiver Charakter

Wie schon aus dem Text hervorgeht, ist diese Bestimmung nicht zwingend, sondern hat dispositiven Charakter (Higi, ZK, N 5 zu Art. 257c OR).

2.

Gesetzliche und vereinbarte Zahlungstermine

2

Der Mieter hat den Mietzins und allenfalls die Nebenkosten am Ende jedes Monats, spätestens am Ende der Mietzeit zu bezahlen. Dies bedeutet, dass bei Mietverhältnissen, die – befristet oder unbefristet (vgl. N 3 ff. zu Art. 255 OR) – das Ende eines Kalendermonats oder mehrerer Kalendermonate überdauern (sollen), der Vermieter das Recht hat, auf den Ablauf des jeweiligen Kalender­ monats den für die Zeit bis dahin geschuldeten Mietzins zu verlangen (Art. 76 OR; so auch MfdP/Wettstein, N 13.2.4; Bieri, CPra, N 3 zu Art. 257c OR; a.M. Higi, ZK, N 22/23 zu Art. 257c OR, wonach es mangels Vereinbarung der Peri­ odizität der Leistungspflicht im Belieben des Mieters steht, die Zahlungen auf das Monatsende oder das gesamte Entgelt am Ende der Mietdauer zu erbrin­ gen). Ist die Mietzeit dagegen kürzer, sodass kein Monatsende erreicht wird, so gilt deren Ende als Zahlungstermin.

3

Unter «Ende jedes Monats» ist nicht das Ende der jeweiligen einmonatlichen Mietdauer, sondern das Ende eines jeden Kalendermonats zu verstehen (wie schon im alten Recht; siehe dazu Schmid, ZK, N 9–11 zu aArt. 262 OR).

4

Nach dem Gesetz ist der Vermieter somit vorleistungspflichtig (ebenso Weber, BSK, N 1 zu Art. 257c OR).

5

Die gesetzlichen Regeln über die Zahlungstermine sind subsidiärer und dispo­ sitiver Natur; vorbehalten bleiben die ortsüblichen oder die durch Parteiver­ einbarung festgelegten Zahlungstermine.

6

Die Ortsüblichkeit spielt in diesem Zusammenhang praktisch keine Rolle (gl.M. Higi, ZK, N  16 zu Art.  257c OR). Eine Ausnahme bildet der Kanton Zürich, wo ein Ortsgebrauch besteht, wonach der Mietzins zum Voraus auf den ersten Tag des Monats geschuldet ist (MfdP/Wettstein, N  13.2.3, unter Hin­ weis auf ZMP 1/94, Nr. 2). Dagegen werden die Zahlungstermine in aller Regel durch Parteivereinbarung festgelegt. Im Bereich der Immobiliarmiete steht dabei die Vorauszahlung des Mietzinses in monatlichen oder vierteljährlichen Raten im Vordergrund (Higi, ZK, N 14 zu Art. 257c OR). Damit wird in diesem Bereich der Miete zumeist der Mieter vorleistungspflichtig sein.

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Als zulässig beurteilt wurde auch eine Klausel in einem Mietvertrag, wonach bei 7 verspäteter monatlicher Mietzinszahlung der Vermieter Zahlung drei Monate zum Voraus verlangen kann (Urteil des Bundesgerichts vom 30. Juni 1998, in: mp 4/98, S. 173 ff.). Diese Klausel findet sich auch im welschen Rahmenmiet­ vertrag (Art. 1 Abs. 2 CCR; Bieri, CPra, N 26 ff. zu Art. 257c OR). Für die Nebenkosten gelten die gleichen Bestimmungen. Sind Zahlungster­ 8 mine für den Mietzins vereinbart, so werden die gleichen Termine meist auch für die Bezahlung der Nebenkosten Akonti oder Pauschalen vereinbart. Das Gesetz schweigt sich darüber aus, welches der Zahlungstermin für Nach­ 9 zahlungs- oder Rückzahlungsforderungen aus Nebenkostenabrechnungen (vgl. Art. 4 VMWG) ist. Hier gelten die Bestimmungen des allgemeinen Teils des OR über die Zeit der Erfüllung, die Fälligkeit und den Verzug (Art.  75, Art. 102 OR). Im Normalfall werden solche Forderungen mit Aufstellung der Abrechnung zur Zahlung fällig, wobei die im privaten Zahlungsverkehr übli­ che 30-tägige Zahlungsfrist gilt (BGE 140 III 591, E. 3.2, in: mp 1/15, S. 29 ff., mit Hinweis auf Urteil des Bundesgerichts 4C.479/1997 vom 24. Juni 1998, in: mp 2/99, S. 83 f.; Entscheid des OGer Zürich LF150075 vom 18. Januar 2016, E. 6). Verzug tritt indessen erst durch Mahnung ein (Art. 102 Abs. 1 OR). Die 30-tägige Zahlungsfrist ermöglicht es dem Mieter, die Nebenkostenabrechnung zu kontrollieren und Einsicht in die Belege zu nehmen. Vertraglich ver­ einbart wird in aller Regel eine einjährige Abrechnungspflicht des Vermieters (Stichtag z.B. 30. Juni, am Ende der Heizperiode). Siehe im Übrigen N 40 zu Art. 257–257b OR. Nach Art. 102 Abs. 2 OR gerät der Schuldner ohne vorgängige Mahnung in 10 Verzug, wenn für die Erfüllung der Verbindlichkeit ein bestimmter Verfalltag verabredet ist. Dies gilt in aller Regel für die im Bereich der Miete regelmäs­ sig in den Formularmietverträgen vereinbarten Zahlungstermine, z.B.: «Zahl­ bar in monatlichen/quartalsweisen Raten im Voraus, je auf den 1. des Monats/ Quartals» (so auch Weber, BSK, N 2 zu Art. 257c OR, m.w.H.). Gelten man­ gels Vereinbarung die gesetzlichen Zahlungstermine, die Fälligkeitstermine sind, so löst erst eine gesonderte Mahnung die Verzugsfolgen (Zinspflicht) aus (Art. 102 Abs. 1 OR; ferner von Tuhr/Escher, OR AT II, § 72, S. 136 ff.).

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3. Verjährung 3.1

Mietzinsforderungen und übrige Forderungen

11

Mit Eintritt des vereinbarten Zahlungstermins («jeweils am Monatsersten») oder der Fälligkeit am Monatsende («zahlbar monatlich») beginnt die 5-jäh­ rige Verjährungsfrist von Art. 128 ff. Ziff. 1 OR für die periodisch fälligen Miet­ zinsen zu laufen.

12

Für die übrigen Forderungen aus dem Mietverhältnis gilt die ordentliche 10-jährige Verjährungsfrist, z.B. für eine Schadenersatzforderung des Vermie­ ters bei nicht ordnungsgemässer Rückgabe (N 49 zu Art. 267–267a OR). Ein nach der gesetzlichen Regelung am Ende der Mietzeit zu bezahlender Zins (z.B. bei Ferienwohnungen) unterliegt ebenfalls der ordentlichen 10-jährigen Verjährungsfrist (dazu Higi, ZK, N 32 ff. zu Art. 257 OR). Betreffend Umsatz­ miete vgl. N 20.

3.2

Nebenkosten und Forderungen aus Nebenkostenabrechnung

13

Sind Nebenkosten periodisch zu bezahlen (monatliche Akonti oder Pau­ schalen), so unterliegen diese Forderungen ebenfalls der 5-jährigen Verjäh­ rungsfrist ab deren Fälligkeit. Das Gleiche gilt für den Saldo zugunsten des Vermieters aus einer Nebenkostenabrechnung, die gemäss Vertrag oder Orts­ übung (Abrechnung am Ende der Heizperiode) einmal jährlich zu erstellen ist (MRA 3/02, S. 116 f.). Eine andere Meinung vertreten Oberle, Nebenkos­ ten, S. 64, sowie Rohrer, Nebenkosten, S. 111 f., die beide für eine 10-jährige Verjährungsfrist votieren. Diese Meinung überzeugt nicht. Es liegt kein Konto­ korrentverhältnis vor, sondern der Vermieter ist zu periodischer Abrechnung verpflichtet. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem vertraglichen oder ortsüb­ lichen Abrechnungstermin, mit der die Abrechnungspflicht fällig wird (Addo­ risio de Feo, Fälligkeit, S. 179 ff., mit Hinweis auf die Botsch. 1985, S. 1483).

14

Für einmalig zu zahlende Nebenkosten gilt die 10-jährige ordentliche Frist von Art. 127 OR.

3.3 15

Fehler bei Mietzinszahlung

Hat der Mieter versehentlich bzw. irrtümlich zuviel Mietzinsen bezahlt (Zah­ lungen aufgrund von nichtigen Mietzinserhöhungen usw.), so richtet sich

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der Rückforderungsanspruch nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung gemäss Art.  62  ff. OR (BGE 140 III 583, 587, E.  3.2.3; 113 II 187, E. 1a); N 61 ff. zu Art. 269d OR). Hat der Mieter rechtzeitig innert der einjährigen Frist von Art.  67 OR geklagt oder sonst rechtsgültig die Verjäh­ rung unterbrochen (Betreibung), so kann der Rückforderungsanspruch für die Dauer der absoluten Verjährung von 10 Jahren seit Entstehung des Anspruchs (Art. 67 Abs. 1 OR) geltend gemacht werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.134/2001, E. 4b, vom 18. Oktober 2001, in: CdB 1/02, S. 1 f., m.w.H., in: mp 1/02, S. 55 ff.). Entgegen kantonalen Präjudizien (TC Jura vom 16. Januar 2001, in: CdB 2/01, S. 51 ff. und Mietgericht Genf, in: CdB 2/99, S. 51 ff.) hat das Bun­ desgericht entschieden, dass mangels ausdrücklicher und klarer Gesetzesbe­ stimmung die Berücksichtigung einer speziellen 5-jährigen Verjährungsfrist nicht möglich sei (vgl. auch BGE 140 III 583, 587, E. 3.2.3, betreffend Nichtig­ keit infolge Fehlens der Mitteilung des Anfangsmietzinses unter Verwendung des amtlichen Formulars). Demgegenüber vertritt Weber (Rückforderungsan­ sprüche, S. 1 ff.) die Auffassung, der Rückforderungsanspruch sei vertraglicher Natur wie der Rückforderungsanspruch des Mieters für zu viel bezahlte Miet­ zinsen nach erfolgreicher Durchsetzung der Herabsetzungsansprüche wegen Mängeln i.S.v. Art. 259d OR (BGE 130 III 504, in: MRA 4/04, S. 149 ff.). Die Rückforderungsklage scheitert, wenn der Anspruch des Mieters rechts­ 16 missbräuchlich erhoben wird (BGE 123 III 70, in: MRA 2/97, S. 72 ff.; Pra 88, Nr. 8, S. 44 ff., in: MRA 1/99, S. 26 ff.).

3.4

Fehler bei Nebenkosten und Nebenkostenabrechnungen

Rechnet der Vermieter die Nebenkosten vertragswidrig nicht ab, so kann der 17 Mieter die Rückerstattung der Akontozahlungen nach vertraglichen Grundsätzen verlangen. Die Verjährungsfrist beträgt 5 Jahre (BGE 126 III 119, arbeitsrechtlicher Entscheid, jedoch für das Mietrecht bestätigt im Urteil des Bundesgerichts 4C.24/2002 vom 29. April 2002, in: MRA 3/02, S. 108 ff.). Vom Bundesgericht nicht beantwortet wurde die Frage, in welchem Zeitpunkt die Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Es rechtfertigt sich, den Verjährungsbeginn nicht mit dem Fälligkeitsdatum der Akontozahlungen, sondern mit dem Datum des ersten vertraglichen oder ortsüblichen Abrechnungstermins und bei Fehlens einer solchen Abrede oder Ortsübung ab Rechnungsstellung, auf jeden Fall aber spätestens ab Mietende, festzulegen (MRA 3/02, S. 116). Hat der Mieter zu viel Akonti bezahlt, d.h., resultiert aus der Nebenkostenab­ 18 rechnung ein Saldo zu seinen Gunsten und zahlt der Vermieter diesen nicht

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Art. 257c

aus, so verjährt das Guthaben des Mieters in 5 Jahren seit der Abrechnung, sofern die Nebenkostenabrechnung jährlich erfolgt, da es sich um einen ver­ traglichen und periodischen Anspruch handelt. 19

Hat der Vermieter an sich rechtzeitig abgerechnet, d.h., wurde der Saldo aus der Nebenkostenabrechnung gezogen, vom Mieter anerkannt und bezahlt, stellt sich aber nachträglich dessen Unrichtigkeit heraus, weil beispielsweise Nebenkostenpositionen zu Unrecht oder zu hoch oder zu tief aufgeführt wor­ den sind, so richtet sich ein allfälliger Rückforderungsanspruch des Vermie­ ters oder Mieters nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung gemäss Art. 62 ff. OR (Urteil des Bundesgerichts 4A_89/2012 vom 17. Juli 2012, E. 3.2.2 sowie Urteil 4A_267/2011 vom 29. Juni 2011, E. 2.2, in: mp 2/12, S. 103 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.24/2002 vom 29. April 2002, in: MRA 3/02, S. 108 ff., in: mp 3/02, S. 163 ff.; unpublizierte E. 1 in BGE 132 III 24, in: MRA 4/05, S. 169 ff.; a.M. Weber, BSK, N 8a zu Art. 257a OR). Die einjährige Verjährungsfrist beginnt gemäss Bundesgericht mit dem Zeitpunkt, in dem die entreicherte Partei ihren Irrtum und die wahre Rechtslage tatsächlich erkennt (Urteil des Bundesgerichts 4A_267/2011 vom 29. Juni 2011, E. 2.3.1, in: MRA 1/12, S. 49 ff. sowie mp 2/12, S. 103 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.250/2006 vom 3. Oktober 2006, in: mp 4/06, S. 272 ff., worin das Bundesgericht in E. 3 ausdrücklich bestätigte, dass auch der Vermieter nach Saldoziehung einen Feh­ ler aus einer früheren Abrechnung korrigieren darf. In diesem Fall hatte der Vermieter u.a. eine SUVA-Gutschrift irrtümlich nicht dem Hauswart ausbe­ zahlt, sondern den Mietern gutgeschrieben). Die wahre Rechtslage erkennt der Entreicherte bzw. der Gläubiger dann, sobald er «alle tatsächlichen Umstände wahrgenommen hat, welche geeignet sind, ihm mit Aussicht auf Erfolg zur Geltendmachung des Anspruchs zu veranlassen» (Urteil des Bundesgerichts 2C_88/2012 vom 28.  August 2012, E.  4.3.1). Gemäss Bundesgericht genügt es nicht, dass der Gläubiger – vorliegend der Mieter – von seinem Anspruch bei Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit hätte Kenntnis haben kön­ nen (Urteil des Bundesgerichts 2C_88/2012 vom 28. August 2012, E. 4.3.1). An die Feststellung des Irrtums darf gemäss Bundesgericht kein strenger Massstab angewendet werden. Es genüge, wenn eine Schenkungsabsicht des Leistenden (sowie des Mieters) ausgeschlossen werden könne, was bei Geschäftsbeziehun­ gen grundsätzlich immer der Fall sei (Urteil des Bundesgerichts 4D_13/2015 vom 3. Juni 2015, in: mp 4/15, S. 242 ff.). Abgestellt wird auf die tatsächliche Kenntnis über den Anspruch. Demgegenüber wird in der Literatur teilweise die Meinung vertreten, die 1-jährige Verjährungsfrist beginne in dem Zeit­ punkt, in dem der Mieter bei der nach den Umständen zu erwartenden Auf­ merksamkeit den Bereicherungsanspruch hätte erkennen können. Dies müsse 166

Irene Biber

Art. 257c

dann gelten, wenn der Mieter eine Nebenkostenabrechnung erhalte, die im Detail über die abgerechneten Nebenkostenpositionen, den Anteil des Mie­ ters an den betreffenden Nebenkosten sowie den Abrechnungssaldo infor­ miere. Nur dann, wenn die Nebenkostenabrechnung verdeckte Mängel auf­ weise, die durch den Mieter bei pflichtgemässer Überprüfung nicht hätten erkannt werden können, dürfe sich der Mieter im Nachgang zur Bezahlung des Abrechnungssaldos auf einen Irrtum berufen. Im Übrigen müsse dem Mieter die nachträgliche Berufung auf einen Irrtum i.S.v. Art. 63 Abs. 1 OR verwehrt sein (so Martin Sohm in seinem Kommentar zum Urteil des Bundesgerichts 4A_267/2011 vom 29. Juni 2011, in: MRA 1/12, S. 56 f.; Rohrer, Vereinbarung, S. 93 ff.; vgl. zum Ganzen auch das Urteil des Bundesgerichts 4C.224/2006 vom 24. Oktober 2006, in: MRA 2/07, S. 77 ff., S. 83 f.).

3.5

Sonderfälle (Umsatzmiete)

Für die Abrechnung einer Umsatzmiete gelten diese Überlegungen analog. In 20 der Regel zahlt der Mieter ein monatliches Akonto und legt dem Vermieter einmal jährlich die Umsatzzahlen vor, damit der definitive Mietzins berechnet werden kann. Eine Nachforderung oder Rückzahlung unterliegt der Verjäh­ rungsfrist von 5 Jahren, solange nicht abgerechnet ist. Stellt sich nach Abrech­ nung, Saldoziehung und Bezahlung eine Unrichtigkeit heraus, so berech­ net sich ein allfälliger Rückforderungsanspruch des Mieters oder Vermieters ebenfalls nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung. Damit beträgt die Anfechtungsfrist 1 Jahr nach Entdeckung des Irrtums und die abso­ lute Verjährungsfrist beträgt 10 Jahre.

Irene Biber

167

Daniel Reudt

Art. 257d 4.

Zahlungsrückstand des Mieters

1 Ist

der Mieter nach der Übernahme der Sache mit der Zahlung fälliger Mietzinse oder Nebenkosten im Rückstand, so kann ihm der Vermieter schriftlich eine Zahlungsfrist setzen und ihm androhen, dass bei unbenütztem Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde. Diese Frist beträgt mindestens zehn Tage, bei Wohn- und Geschäftsräumen mindestens 30 Tage. 2 Bezahlt der Mieter innert der gesetzten Frist nicht, so kann der Vermieter

fristlos, bei Wohn- und Geschäftsräumen mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines Monats kündigen. 4.

Demeure du locataire

1 Lorsque,

après la réception de la chose, le locataire a du retard pour s’acquitter d’un terme ou de frais accessoires échus, le bailleur peut lui fixer par écrit un délai de paiement et lui signifier qu’à défaut de paiement dans ce délai il résiliera le bail. Ce délai sera de dix jours au moins et, pour les baux d’habitations ou de locaux commerciaux, de 30 jours au moins.

2 Faute

de paiement dans le délai fixé, le bailleur peut résilier le contrat avec effet immé­ diat; les baux d’habitations et de locaux commerciaux peuvent être résiliés moyennant un délai de congé minimum de 30 jours pour la fin d’un mois.

4.

Mora del conduttore

1 Quando,

dopo la consegna della cosa, il conduttore sia in mora al pagamento del corri­ spettivo o delle spese accessorie scaduti, il locatore può fissargli per scritto un termine per il pagamento e avvertirlo che, scaduto infruttuosamente questo termine, il rapporto di locazione sarà disdetto. Detto termine è di 10 giorni almeno; nel caso di locali d’abita­ zione o commerciali, di 30 giorni almeno.

2 Se

il conduttore non paga entro il termine fissato, il locatore può recedere dal contratto senza preavviso; nel caso di locali d’abitazione o commerciali, con preavviso di 30 giorni almeno per la fine di un mese.

168

Daniel Reudt

Art. 257d

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter der Norm .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

170 170 170

2.

Kündigungen zufolge Zahlungsrückstand des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

170

3. Voraussetzungen für die ausserordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Übernahme der Mietsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Zahlungsrückstand des Mieters .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.3 Verrechnungs- und Herabsetzungseinreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.4 Fristansetzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

172 172 172 174 178

4. 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7

184 184 186 186 188 188 192 193

Ausserordentliche Kündigung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Wahlrecht des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Kündigungsfristen und -termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Form, Zustellung und Begründung der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Kündigung bei Abtretung der Forderung und bei Veräusserung der Mietsache . . .  Wirkungen und Folgen der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Verzicht auf Durchsetzung der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Konkurs des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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169

Art. 257d

1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter der Norm

1

Grundsätzlich ist die Norm absolut zwingend (so auch Roncoroni, zwingende Bestimmungen II, S. 79; Higi, ZK, N 4 zu Art. 257d OR). Eine Vereinbarung, wonach Nichtleistung des Mietzinses automatisch zur Beendigung des Miet­ vertrages führt, ist ungültig bzw. nichtig (Entscheide des KGer St. Gallen vom 10. Januar und 25. Oktober 2002, in: GVP 2002 Nr. 51 und Nr. 52).

2

Relativ zwingend ist Abs. 1 mit Bezug auf die Dauer der dem Mieter anzuset­ zenden Frist, indem das Gesetz lediglich die Mindestdauer dieser Frist festlegt (so auch Weber, BSK, N 1 zu Art. 257d OR). Die Parteien sind befugt, längere Fristen zu vereinbaren. Ebenso ist es dem Vermieter unbenommen, eine län­ gere Frist anzusetzen. Dies gilt auch für die Kündigungsfrist nach Abs. 2.

3

Als zwingende Norm gilt sie für alle Mietverhältnisse, also auch für diejeni­ gen, die vor dem Inkrafttreten des revidierten Rechts (1. Juli 1990) abgeschlos­ sen wurden. Altrechtliche Vertragsklauseln, die der Norm widersprechen, fal­ len ausser Betracht.

1.2 Anwendungsbereich 4

Die Regelung des ausserordentlichen Kündigungsrechts des Vermieters bei Zahlungsrückstand des Mieters gilt für alle Mietverhältnisse, gleichgültig ob es sich bei der Mietsache um Fahrnis oder um eine unbewegliche Sache han­ delt. Bei Wohn- und Geschäftsräumen (Art. 253a OR) ist nur die Nachfrist für die Zahlung sowie die Kündigungsfrist länger als für die übrigen Mietobjekte.

5

Die Regelung gilt für befristete, unbefristete und auch für erstreckte Mietver­ hältnisse (Higi, ZK, N 5 zu Art. 257d OR).

2. 6

Kündigungen zufolge Zahlungsrückstand des Mieters

Gegenstand der Bestimmung ist nur der Zahlungsrückstand (mit Mietzins oder Nebenkosten) nach Übergabe der Mietsache und vor Beendigung des Mietverhältnisses (Higi, ZK, N 5 zu Art. 257d OR) oder Rückgabe der Miet­ sache. Der deutsche Gesetzestext spricht von «Übernahme» durch den Mieter und der französische von «Réception». Das Bundesgericht hat jedoch der itali­

170

Daniel Reudt

Art. 257d

enischsprachigen Fassung den Vorzug gegeben, welche von «Übergabe» (con­ segna) spricht. Übernimmt der Mieter die Mietsache, die ihm der Vermieter zur Verfügung gestellt hat, nicht bzw. macht er davon keinen Gebrauch, so hat der Vermieter nach Art. 257d OR vorzugehen (BGE 127 III 548, E. 3, in: MRA 5/01, S. 159 ff.; vgl. auch N 10). Der Zahlungsrückstand des Mieters ist zunächst einmal Voraussetzung für die ausserordentliche Kündigung gemäss Art. 257d OR. Dabei muss der Zahlungsrückstand ein qualifizierter sein, indem er auch bei Ablauf der vom Vermieter anzusetzenden Nachfrist noch bestehen muss. Für andere Fälle des Schuldnerverzugs steht Art. 257d OR nicht zur Ver­ fügung (BGE 123 III 124, E. 3b; N 8 zu Art. 257f OR). Die unpünktliche Bezahlung des Mietzinses oder der Nebenkosten durch den 7 Mieter, also sein Zahlungsrückstand, stellt immer eine Vertragsverletzung dar, auch wenn der Vermieter nicht nach Art.  257d OR vorgeht. Da es um das Austauschverhältnis der Hauptleistungen geht, liegt eine schwere Störung der Vertragsordnung vor. Allerdings darf der Vermieter nicht im Annahmeverzug sein, was z.B. dann der Fall ist, wenn er eine falsche Zahlstelle angibt (vgl. dazu Higi, ZK, N 13 ff. zu Art. 257d OR), oder wenn unklar ist, wer die Person des Vermieters ist (sogenannter Prätendentenstreit, Art. 168 OR). Für den Fall des Verzugs mit anderen finanziellen Verpflichtungen vgl. N 15 ff. Befindet sich der Mieter mit der Zahlung des Mietzinses im Verzug, berechtigt 8 dies den Vermieter selbstverständlich auch zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses (vgl. auch N 9). Sind alle formellen und materiellen Voraus­ setzungen für eine ausserordentliche Kündigung wegen Zahlungsrückstandes lückenlos erfüllt und spricht der Vermieter anstelle der ausserordentlichen die ordentliche Kündigung aus, so ist eine erfolgreiche Anfechtung kaum denk­ bar, und die Erstreckung des Mietverhältnisses ist ausgeschlossen (vgl. N 62). Wird eine Formalität nicht eingehalten (fehlende Androhung, keine Zustellung der Androhung an Ehegatte etc.), kann Erstreckung gewährt werden, der Zah­ lungsverzug ist jedoch bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen (BGE 117 II 415). Vgl. hierzu N 6 ff. zu Art. 272a OR. Für schleppende Mietzinszahlungen, insbesondere wiederholte Tilgung von Rückständen erst auf Fristansetzung mit Kündigungsandrohung hin, steht Art. 257d OR nicht zur Verfügung (Weber, BSK, N 15 zu Art. 257d OR). Der Vermieter muss ordentlich kündigen. Das Recht der ordentlichen Kündigung als wirksame Sanktion gegen derartige Vertragsverletzungen durch dauernde Zahlungsrückstände des Mieters, welche die Voraussetzungen von Art. 257d OR nicht erfüllen, steht dann nicht – oder nicht sofort – zur Verfügung, wenn das Mietverhältnis befristet oder erst nach Ablauf der vereinbarten (längeren) Daniel Reudt

171

9

Art. 257d

Vertragsdauer erstmals gekündigt werden kann. In diesen Fällen ist eine aus­ serordentliche Kündigung gestützt auf Art. 266g oder Art. 257f OR denkbar (vgl. N 8 zu Art. 257f OR und N 33 zu Art. 266g OR; Maag, ausserordentliche Kündigung, S. 127 ff.; Qeber, BSK, N 4 zu Art. 266g OR).

10

3.

Voraussetzungen für die ausserordentliche Kündigung

3.1

Übernahme der Mietsache

Die besonderen Folgen des Zahlungsrückstandes des Mieters treten gemäss ausdrücklicher Erwähnung in Abs. 1 erst nach Übergabe der Mietsache an den Mieter ein (vgl. N 6). Damit wird deutlich gemacht, dass ein Abweichen von den allgemeinen Verzugsregeln des Obligationenrechtes sich nur insoweit rechtfertigt, als es die besondere Natur des Mietvertrages als Dauerschuldverhältnis verlangt (Botsch. 1985, S. 1427). Es genügt für die Anwendung von Art. 257d OR, dass der Vermieter dem Mieter das Mietobjekt zur Verfügung hält (BGE 127 III 548, E. 3, in: MRA 5/01, S. 159 ff.). Befindet sich somit ein Mieter mit einer Mietzinszahlung in Rückstand, die er vor Übernahme der Mietsache zu leisten hat, so kann der Vermieter die Übergabe der Mietsache gestützt auf Art. 82 OR verweigern, und es gelangen die Verzugsregeln nach Art. 107/109 OR zur Anwendung (Weber, BSK, N 2 zu Art. 257d OR; MfdP/Spi­ rig, N 27.2.1). Nach (ordentlicher) Beendigung des Mietverhältnisses ist nach den Regeln von Art. 102–106 OR vorzugehen, wobei die Möglichkeiten nach Art. 257d OR und Art. 107/109 OR entfallen (Higi, ZK, N 24 zu Art. 257d OR).

3.2 11

Zahlungsrückstand des Mieters

Objekt des Zahlungsrückstandes sind die fälligen Mietzinse oder Nebenkosten (vgl. dazu Art. 257–257b OR). Eine Fristansetzung für nicht fällige Miet­ zinsen ist unwirksam, ebenso eine darauf gestützte Kündigung (Urteil des Bundesgerichts vom 7. April 1999, in: MRA 1/00, S. 242 ff.). Unbedeutend ist hingegen, ob der Mieter die Forderung bestreitet. Art.  257d Abs.  1 OR ver­ langt die Fälligkeit der Mietzinse oder von Nebenkosten, nicht aber auch, dass ein diesbezüglicher Ausstand unbestritten oder gerichtlich festgestellt ist (BGE 140 III 591, E. 3.2, in: MRA 2/15, S. 105 ff.; bestätigt mit Urteil des Bundesge­ richts 4A_40/2015 vom 18. Februar 2015, E. 4.2.1).

172

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Art. 257d

Unerheblich ist, ob die Nebenkosten separat oder zusammen mit dem Miet­ 12 zins erhoben werden. Insbesondere kann auch der Saldo einer (jährlichen) Nebenkostenabrechnung einen Zahlungsrückstand begründen, sofern dieser gemäss Vertrag und Gesetz fällig ist (gl.M. Higi, ZK, N 10 zu Art. 257d OR). Voraussetzung ist allerdings, dass die infrage stehenden Nebenkosten auf einer Vereinbarung beruhen (gemäss Art. 257a OR zwingend), dass sie zahlenmässig bestimmt oder bestimmbar sind und vom Mieter innert angemessener Frist die Originalbelege eingesehen und die Abrechnung auf ihre Richtigkeit überprüft werden können (vgl. BGE 140 III 591, E. 3.2, in: MRA 2/15, S. 105 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4A_519/2015 vom 4. Februar 2016, E. 4.2). Die Abrechnung muss so klar und verständlich sein, dass der Mieter erkennen kann, für welche Nebenkostenpositionen er in welchem Umfang belastet wird (Urteil des Bun­ desgerichts 4A_127/2014 vom 19. August 2014, E. 6.4, unter Hinweis auf Higi, ZK, N 36 zu Art. 257a–257b OR). Art. 257d Abs. 1 OR setzt jedoch nicht vor­ aus, dass die Nebenkostenforderung unbestritten oder gerichtlich festgestellt ist (BGE 140 III 591, E. 3.2, in: MRA 2/15, S. 105 ff.; vgl. N 11). Mangels ande­ rer Abrede wird der Saldo einer Nebenkostenabrechnung innert 30 Tagen nach Erhalt durch den Mieter zur Zahlung fällig. Einer Mahnung bedarf es für den Zahlungsrückstand i.S.v. Art. 257d Abs. 1 OR nicht (Urteil des Bundesgerichts 4A_325/2010 vom 1. Oktober 2010, E. 4.2, in: MRA 3/11, S. 113 ff.). Unter Rückstand ist somit jede nicht termingerechte Erbringung der fälligen 13 Leistung zu verstehen (Zihlmann, Mietrecht, S. 58), soweit diese als Gegenleis­ tung für die gehörige Gebrauchsüberlassung und den Gebrauch der Mietsache zu gelten hat (Giger, BK, N 18 zu Art. 257d OR; Higi, ZK, N 7 zu Art. 257d OR). Bestehen zwischen den Parteien separate Mietverträge über in funktiona- 14 lem Zusammenhang stehende Mietobjekte (z.B. Wohnung und Parkplatz; vgl. hierzu N 15 ff. zu Art. 253a OR), und befindet sich der Mieter nur mit Bezug auf eines dieser Mietobjekte im Zahlungsverzug, ist gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts nach der Interessenlage der Parteien zu beurteilen, ob eine einheitliche rechtliche Beurteilung vorzunehmen ist (vgl. BGE 137 III 123, E. 2.2). Im Normalfall dürfte somit der Zahlungsrückstand bei der Nebensa­ che nicht auch die Kündigung der Hauptsache rechtfertigen, da der Mieter auf diese in höherem Mass angewiesen ist. Im Gegenzug rechtfertigt der Zahlungs­ rückstand bezüglich der Hauptsache, namentlich der Wohnung, in aller Regel auch die gleichzeitige Kündigung der Nebensache, wie beispielsweise des Ein­ stellplatzes oder des Bastelraumes. An der Nutzung dieser Nebensache dürfte der Mieter in aller Regel kein Interesse mehr haben, nachdem ihm die Haupt­ sache gekündigt worden ist. Der Vermieter wiederum hat ein Interesse, diese

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Art. 257d

Nebensachen zusammen mit der Wohnung vermieten zu können. Das Bundes­ gericht hat es demgegenüber ausdrücklich offengelassen, wie zu entscheiden wäre, wenn der Ausstand nicht klar einem der funktional zusammenhängen­ den Mietobjekte zugeordnet werden kann (BGE 137 III 123, E. 2.3). 15

Nicht zum Mietzins gehören z.B. die Betreibungskosten (Hulliger/Heinrich, CHK, N  2 zu Art.  257d OR). Dagegen gehören Verzugszinsen grundsätz­ lich zum Mietzins (Urteil des Bundesgerichts 4C.206/2001 vom 18. Oktober 2001, E. 8; Higi, ZK, N 10 zu Art. 257d OR). Eine allein wegen (betragsmässig unbedeutenden) Verzugszinsen auf rückständigen Mietzinsen ausgesprochene Kündigung kann allerdings missbräuchlich sein (BGE 120 II 33; vgl. ferner N 57). Schliesslich gehören allfällige Schadenersatzansprüche des Vermieters nicht zum Mietzins. Hingegen kann Nichtbezahlung mieterseits übernomme­ ner Lasten und Abgaben, die keine Nebenkosten darstellen, Zahlungsverzug begründen, da diese Schuldübernahmen jedenfalls Entgelt für die Überlassung der Sache und damit Mietzinsen sind (gl.M. Giger, BK, N 39 zu Art. 257f OR; a.M. Higi, ZK, N 11 zu Art. 257d OR; vgl. N 7 zu Art. 256b OR).

16

Nicht zum Mietzins (und den Nebenkosten) gehören ferner die Sicherheitsleistungen, die der Mieter zu Beginn des Mietverhältnisses oder – ausnahms­ weise während der Mietzeit – zu leisten hat. Der Verzug des Mieters mit solchen Leistungen berechtigt nicht zu einem Vorgehen nach Art. 257d OR. Dagegen ist es möglich, im Verzugsfall vor Mietantritt, also vor Übergabe der Mietsa­ che, nach Art. 107/109 OR vorzugehen. Nach Mietantritt kann der Vermieter entweder vollstrecken (Betreibung auf Sicherheitsleistung) oder den Mietver­ trag ordentlich bzw. unter Umständen gestützt auf Art. 266g OR ausserordent­ lich kündigen (vgl. N 20 f. zu Art. 257e OR).

17

Befindet sich der Mieter mit anderen finanziellen Verpflichtungen als Miet­ zinsen und Nebenkosten in Verzug, kann der Vermieter den Mietvertrag in Anwendung von Art. 107/109 OR vorzeitig kündigen, unter analoger Anwen­ dung der Fristen von Art. 257d OR oder Art. 266g OR (BGE 123 III 124, E. 2; N 8 zu Art. 257f OR).

3.3 18

Verrechnungs- und Herabsetzungseinreden

Geldschulden können nicht nur durch Bezahlung, sondern auch durch Verrechnung getilgt werden. Die allgemeinen Regeln über die Verrechnung fin­ den sich in Art.  120–126 OR. Für das Mietrecht bestimmt Art.  265 OR (in Abweichung von Art. 126 OR), dass es den Parteien verwehrt ist, im Voraus auf ihr Recht zu verzichten, Forderungen und Schulden aus dem Mietverhält­ 174

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Art. 257d

nis zu verrechnen (N 6 f. zu Art. 265 OR). Gegen eine drohende Kündigung wegen Zahlungsrückstandes kann sich somit der Mieter auch auf die Verrech­ nungseinrede berufen. Falls die Verrechnungseinrede begründet ist, besteht kein Zahlungsrückstand (mehr). Die streitigen Fälle betreffen, wie die Pra­ xis und der Rechtsalltag zeigen, v.a. behauptete Gegenforderungen des Mie­ ters wegen Mangelhaftigkeit der Mietsache (Schadenersatzansprüche, Ersatz der Mängelbehebungskosten). Bei Mängeln der Mietsache steht dem Mieter auch der Anspruch auf verhält­ 19 nismässige Herabsetzung des Mietzinses zu (Art. 259d OR). Soweit der Mie­ ter diesen Anspruch in zeitlicher Koordination zur Dauer des Bestandes des Mangels geltend macht, geht es nicht um Verrechnung, sondern um die Aus­ übung eines vertragsändernden Gestaltungsrechtes (vgl. hierzu N 39 ff. zu Art.  259d OR). Wenn der Mieter dagegen, nachdem sein Herabsetzungsan­ spruch entstanden ist, zunächst den vollen Mietzins weiterbezahlt, so kann er später seinen gerichtlich festgestellten Rückforderungsanspruch im Umfang des zuviel bezahlten Mietzinses mit dem dannzumal laufenden Mietzins ver­ rechnen (N 24). Betreffend Verrechnung mit strittigen Herabsetzungsansprü­ chen vgl. N 21–23 und N 16 zu Art. 265 OR. Der Mieter, der seinen Zahlungsrückstand durch Verrechnung tilgen will, 20 muss innert der gesetzlichen Zahlungsfrist eine Verrechnungserklärung abge­ ben (Art. 124 OR; Urteil des OGer Kanton Luzern vom 3. Juli 2003, in: ZBJV 140/2004, S. 703 f.; Urteil des Bundesgerichts 4C.157/2000 vom 22. August 2000, in: MRA 1/02, S.  35). Als empfangsbedürftige Willenserklärung (von Tuhr/ Escher, OR AT II, § 79, S. 204) muss die Erklärung rechtzeitig, d.h. innert Zahlungsfrist, beim Vermieter eintreffen (Müller Jürg P., in: MRA 5/97, S. 238). Nach Art. 124 Abs. 2 OR hat eine zulässige (und rechtzeitige) Verrechnungs­ erklärung rückwirkend zur Folge, dass Forderung und Gegenforderung schon in jenem Zeitpunkt getilgt worden sind, in dem sie zur Verrechnung geeig­ net einander gegenüberstanden. Versäumt der Mieter diese Frist, so liegt nach deren Ablauf weiterhin ein Zahlungsrückstand vor, der den Vermieter zur aus­ serordentlichen Kündigung berechtigt. Die nach Ablauf der Frist erklärte Ver­ rechnung vermag weder am relevanten Zahlungsrückstand noch an der mittels Kündigung bewirkten Auflösung des Mietverhältnisses etwas zu ändern (BGE 119 II 241, E. 6b). Ebenso bleibt das Mietverhältnis trotz Verrechnungserklä­ rung des Mieters gültig aufgelöst, wenn die Parteien vertraglich ein allgemei­ nes Verrechnungsverbot vereinbart haben, welches trotz Art. 265 OR insoweit gültig ist, als die Gegenforderungen nicht aus dem Mietverhältnis stammen (Urteil des Bundesgerichts 4C.420/1994 vom 8. Dezember 1994 für den Fall

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einer vom Mieter durch Zession erworbenen Forderung, bezüglich welcher jeglicher Zusammenhang mit dem Mietvertrag fehlte; vgl. dazu MRA 1/96, S. 28 ff.). Zur Verrechnung von Mietzinsforderungen mit einer vermieterseits nicht korrekt hinterlegten Sicherheitsleistung vgl. N 14 und 16 zu Art. 257e OR. 21

Das eigenmächtige Zurückhalten des Mietzinses unter Berufung auf Män­ gel der Mietsache oder eine Verrechnung mit strittigen Herabsetzungs- und Schadenersatzansprüchen sind grundsätzlich ausgeschlossen (Giger, BK, N 27 zu Art.  257d OR; vgl. auch N  42 f. zu Art.  259d OR und N  16 zu Art.  265 OR). Dem Mieter steht in einem solchen Fall die Möglichkeit der Hinterle­ gung des Mietzinses nach Art. 259g OR zur Verfügung. Nur bei einem vom Vermieter nicht behebbaren Mangel, bei welchem die Möglichkeit zur Hinterlegung des Mietzinses fehlt, hat das Bundesgericht die einseitige Herab­ setzungserklärung nicht per se ausgeschlossen. Die Möglichkeit, den strittigen Herabsetzungsanspruch mit ausstehenden Mietzinszahlungen zu verrechnen, wurde vom Gericht jedoch faktisch ausgeschlossen, da eine solche Verrech­ nung nicht dazu führen dürfe, dass der Anspruch des Vermieters auf rasche Beendigung und Ausweisung des Mieters vereitelt werde (Urteile des Bundes­ gerichts 4A_140/2014 und 4A_250/2014 vom 6. August 2014, E. 5.4, in: MRA 2/15, S. 92 ff.; 4A_537/2016 vom 16. November 2016, E. 4.2; vgl. ausführlich N  16 zu Art.  265 OR; ferner MfdP/Spirig, N  27.2.3; teilweise a.M. Higi, ZK, N 17 zu Art. 257d sowie N 20 zu Art. 257d OR der Vorauflage).

22

Die Hinterlegung des Mietzinses wegen Mängeln der Mietsache gilt gemäss Art.  259g Abs.  2 OR als Zahlung (Erfüllungssurrogat) und dies auch dann, wenn sie sich nachträglich im Verfahren als materiell ungerechtfertigt he­rausstellt. Der Mieter trägt das Risiko der nicht korrekten Erfüllung nur bei Bösgläubigkeit, d.h. bei einer Hinterlegung wider Treu und Glauben (BGE 125 III 120, E. 2b, in: MRA 2/99, S. 68 ff.), und selbstverständlich auch dann, wenn er die vom Gesetz aufgestellten formellen Voraussetzungen nicht ein­ hält (Urteil des Bundesgerichts 4C.264/2003 vom 3. Dezember 2003, in: MRA 1/04, S. 10 ff.; vgl. ferner Urteil des Bundesgerichts 4C.65/2003 vom 23. Sep­ tember 2003, in: MRA 2/04, S. 60 ff.). Beachtet er die formellen Voraussetzun­ gen, dann schadet es dem Mieter nicht, wenn er im Prozess die Ansprüche feh­ lerhaft durchsetzt (Urteil des Bundesgerichts 4C.331/2004 vom 17. März 2005, in: MRA 1/06, S. 34 ff.). Eine verspätete Hinterlegung, d.h. während der für fällige Mietzinsen angesetzten Zahlungsfrist, gilt nicht als rechtzeitige Zahlung und vermag den bereits eingetretenen Zahlungsverzug nicht aufzuheben (Higi, ZK, N 58 zu Art. 259g OR; Budliger Michael, in: MRA 1/06, S. 43). Vor diesem Hintergrund dürfte es sich um ein Versehen bzw. um eine unglückliche Urteils­

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redaktion handeln, wenn das Bundesgericht im Entscheid 4A_140/2014 und 4A_250/2014 vom 6. August 2014 ausführt, der Mieter könne die Kündigung verhindern, indem er den Mietzins nach Erhalt der Zahlungsaufforderung hin­ terlege. Diese Möglichkeit widerspricht nicht nur dem klaren Wortlaut von Art. 259g Abs. 1 OR, der ausdrücklich nur die Hinterlegung derjenigen Miet­ zinse erlaubt, die «künftig fällig werden», sondern auch der eigenen bisheri­ gen Rechtsprechung (Urteil des Bundesgerichts 4A_368/2007 vom 7. Novem­ ber 2007, E. 2.4). Die Verrechnungseinrede birgt für den Mieter im Verfahren um seinen Zah­ 23 lungsrückstand allerdings grosse Gefahren. Falls sich nämlich (nachträglich) erweist, dass er eine zu hohe Forderung zur Verrechnung gestellt hat, so ergibt sich ein Zahlungsrückstand. Die gestützt darauf ausgesprochene ausseror­ dentliche Kündigung ist dann wirksam (vgl. Hulliger/Heinrich, CHK, N 10 zu Art.  257d OR; MfdP/Wettstein, N  13.3.4.2; N  24  ff. zu Art.  259d OR; Urteil des Bundesgerichts 4C.8/2006 vom 29. März 2006, in: MRA 4/06, S. 138 ff.). Gemäss Bundesgericht darf es sodann nicht dazu führen, dass ein Mieter sich einzig mit einer vom ihm behaupteten Gegenforderung dem Recht des Ver­ mieters zur Beendigung des Mietvertrages und zur Räumung der Mietsache über längere Zeit widersetzt. Folglich muss der Mieter Bestand und Höhe seiner Gegenforderung unverzüglich und liquide beweisen. Gelingt ihm das nicht, riskiert er, dass die vom Vermieter ausgesprochene Kündigung wirk­ sam ist (vgl. Urteile des Bundesgerichts 4A_140/2014 und 4A_250/2014 vom 6. August 2014, in: MRA 2/15, S. 92 ff.; vgl. auch N 16 zu Art. 265 OR). Ansprüche des Mieters aus Mängeln der Mietsache können aber auch zwei­ 24 felsfrei feststehen, so aufgrund eines rechtskräftigen Gerichtsurteils, aufgrund der Anerkennung seitens des Vermieters oder gestützt auf Parteivereinbarung. Soweit diese Ansprüche nicht durch ein Hinterlegungssubstrat gedeckt sind, so beispielsweise, wenn die rechtskräftig festgestellten Ansprüche höher sind als die hinterlegten Mietzinse, kann der Mieter selbstredend von seinem Ver­ rechnungsrecht Gebrauch machen. Wird in diesen Fällen die Verrechnungs­ erklärung (Art. 126 OR) durch den Mieter rechtzeitig abgegeben (N 20), wird die Mietzinsforderung des Vermieters im Umfang der Verrechnungsforderung getilgt, und es liegt in diesem Umfang kein Zahlungsrückstand mehr vor.

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3.4 Fristansetzung 3.4.1 Form 25

Das Gesetz verlangt für die Ansetzung der Frist gemäss Abs. 1 Schriftlichkeit. Diese Form hat den Anforderungen gemäss Art. 12–15 OR zu genügen, worauf insbesondere im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Unterschrift hinzu­ weisen ist (zur Möglichkeit der Vertretung des Vermieters, vgl. HAP-Immo­ biliarmietrecht/Maag, Rz.  2.94, S.  98  f.; Hulliger, Rechtsprechung, S.  68  f.; zur eigenhändigen Unterschrift vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_350/2015 vom 25. August 2015, E. 4.1.2). Die früher bestehende Möglichkeit, dem Mie­ ter die Zahlungsfrist mittels Zahlungsbefehl über das Betreibungsamt anset­ zen zu lassen (Art. 282 SchKG), besteht nicht mehr, da die fragliche Bestim­ mung des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes ausser Kraft gesetzt wurde (dazu Schreiben des Bundesgerichts an die kantonalen Aufsichtsbehörden vom 20. Juli 1990, BGE 116 III 49). Die Fristansetzung gilt gleichzeitig als Mahnung i.S.v. Art. 102 OR. Voraussetzung ist allerdings das Bestehen eines Zahlungsrückstandes. Eine zuvor angesetzte Frist bleibt wirkungslos (Higi, ZK, N 32 zu Art. 257d OR).

3.4.2 Inhalt 26

Zweck der Fristansetzung ist es, dem Mieter genügend Zeit einzuräumen, um die finanziellen Mittel zur Tilgung der abgemahnten Ausstände zu beschaffen und ihm damit eine letzte Gelegenheit zu geben, den schwerwiegenden Fol­ gen der ausserordentlichen Kündigung zu entgehen, indem ihm klar mitgeteilt wird, welche Beträge innert welcher Frist bezahlt werden müssen (Urteil des Bundesgerichts 4A_350/2015 vom 25. August 2015, E. 4.1.2).

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In der Wortwahl der in der Fristansetzung enthaltenen Erklärung ist der Ver­ mieter an sich frei, doch müssen gewisse Anforderungen an die Klarheit der vom Vermieter mit der Erklärung gesetzten Warnsignale gestellt werden. Der Mieter muss erkennen können, dass eine fällige Forderung des Vermieters offensteht und er sich in Verzug befindet. Er muss ferner wissen, dass die Zah­ lung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt verlangt wird. Schliesslich muss dem Mieter klar werden, dass die innert Frist ausbleibende Zahlung zur vorzeiti­ gen bzw. fristlosen Beendigung des Mietverhältnisses durch ausserordentli­ che Kündigung führt (Urteil des Bundesgerichts 4A_350/2015 vom 25. August 2015, E. 4.1.2). Der Vermieter hat den von ihm reklamierten Ausstand genau und richtig zu bestimmen bzw. zu bezeichnen, die Länge der Zahlungsfrist anzugeben und für den Fall der nicht vollständigen Zahlung des Ausstandes

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innert angesetzter Frist die ausserordentliche Kündigung anzudrohen. Die Mahnung sollte zur Vermeidung von Unklarheiten auf die zum Mietzins gehö­ renden Positionen beschränkt werden (N  11–17), auch wenn die Auflistung weiterer Positionen (z.B. Betreibungskosten) die Abmahnung nicht ungültig macht (Urteil des Bundesgerichts 4A_44/2017 vom 21. März 2017, E. 3.4). Eine Bezifferung des Ausstandes ist zwar nicht erforderlich, sofern der Zahlungs­ rückstand anderweitig einwandfrei bestimmbar ist (Urteile des Bundesgerichts 4A_306/2015 vom 14. Oktober 2015, E. 2, und 4C.123/2000 vom 14. Juni 2000, in: MRA 2/01, S. 47 ff.). Es empfiehlt sich jedoch, im Zweifelsfall die ausste­ hende Forderung nicht nur zu umschreiben, sondern auch betragsmässig zu beziffern, um Unklarheiten zu vermeiden (illustratives Beispiel im Entscheid des KGer St. Gallen vom 17. März 1998, in: GVP 1998 Nr. 47; vgl. ferner MRA 1/00, S. 244; Urteil des Bundesgerichts 4A_134/2011 vom 23. Mai 2011). Das Gebot der Klarheit gilt auch für die Kündigungsandrohung. Gemäss bundes­ gerichtlicher Rechtsprechung ist es für eine ordnungsgemässe Abmahnung zwar ausreichend, wenn dem Mieter im Zusammenhang mit der Zahlungsauf­ forderung unmissverständlich die Kündigung angedroht wird. Eine ausdrück­ liche Bezeichnung dieser Kündigung als ausserordentlich oder fristlos ist nicht erforderlich (vgl. Urteile des Bundesgerichts 4A_541/2015 vom 20. Mai 2016, E. 4.2, in: MRA 2/17, S. 68 ff., sowie 4A_585/2010 vom 2. Februar 2011, E. 2). Dem sorgfältigen Vermieter ist jedoch zu empfehlen, die Kündigung ausdrück­ lich als «ausserordentliche Kündigung nach Art.  257d OR» oder als «Kün­ digung unter Einhaltung einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende des nächstfolgenden Monats» anzudrohen. Unzureichend ist es, wenn er dem Mie­ ter für den Fall der unterbleibenden Zahlung lediglich «Konsequenzen», «die gesetzlichen Folgen» oder «Art. 257d OR» in Aussicht stellt. Der Vermieter hat den Begriff «Kündigung» oder einen ähnlichen Begriff (Beendigung, Aufhe­ bung usw.) ausdrücklich zu verwenden (BGE 136 III 196, E. 2.4.1). Selbst wenn Zweifel oder Unklarheiten bezüglich einzelner aufgelisteter Aus­ 28 stände in der Zahlungsaufforderung oder einzelner Positionen der Nebenkos­ tenabrechnung bestehen sollten, hat der Mieter kein Recht, sämtliche Zahlungen zu verweigern. Er ist in diesem Fall gehalten, den Vermieter über (angebliche) Rechnungsfehler zu unterrichten und zumindest die unbestrittenen Positionen und Beträge zu bezahlen. Lässt der Mieter die Zahlungsfrist verstrei­ chen, ohne zumindest die unstrittigen Beträge zu entrichten und den Vermie­ ter über die Gründe der Verweigerung zur Zahlung des restlichen Betrages in Kenntnis zu setzen, so liegt ein Zahlungsrückstand vor, welcher den Vermie­ ter zur Kündigung berechtigt (Urteile des Bundesgerichts 4A_330/2017 vom 8. Februar 2018, E. 3.1; 4A_306/2015 vom 14. Oktober 2015, E. 4; 4A_107/2010 Daniel Reudt

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vom 3. Mai 2010, E. 3.5, in: MRA 1/11, S. 26 ff.; 4A_325/2010 vom 1. Oktober 2010, E. 5.2, in: MRA 3/11, S. 113 ff.). Anzumerken bleibt in diesem Zusam­ menhang, dass Zweifel aufseiten des Mieters nur auftreten können, wenn die­ ser die Zahlungsaufforderung auch tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Kann dem Mieter das Einschreiben nicht zugestellt werden und nimmt er dieses am Post­ schalter nicht entgegen, ist die in der Folge erklärte Zahlungsverzugskündi­ gung auch dann wirksam, wenn die Zahlungsaufforderung zwar nicht ganz klar formuliert, materiell aber ein Ausstand vorhanden war. Der Mieter kann diesfalls nicht durch die Unklarheit der Abmahnung von einer Zahlung abge­ halten worden sein. Die Berufung des Mieters auf die unklare Abmahnung wäre rechtsmissbräuchlich. 29

Sind diese Voraussetzungen von Art. 257d Abs. 1 OR nicht erfüllt, bleibt die Fristansetzung wirkungslos und eine ausserordentliche Kündigung ist unwirksam. Der Vermieter hat zunächst die Abmahnung in korrekter Form zu wie­ derholen. Eine ordentliche Kündigung bleibt ebenfalls möglich.

3.4.3 30

Dauer, Lauf und Wahrung der Frist

Die Mindestdauer der Frist ist gesetzlich festgelegt. Sie beträgt 10 Tage, bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen (Art. 253a OR) jedoch 30 Tage. Eine Kürzung dieser Fristen ist nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes ausge­ schlossen. Hingegen können die Parteien ohne Weiteres längere Fristen ver­ einbaren, und es ist auch dem Vermieter unbenommen, eine längere Nach­ frist anzusetzen. Wird die Frist versehentlich zu kurz bemessen, so ist sich die Lehre über die Konsequenzen uneinig. Teilweise wird eine Umdeutung der zu kurz bemessenen Frist in eine gesetzeskonforme Frist von 10 bzw. 30 Tagen befürwortet (Higi, ZK, N 39 zu Art. 257d OR unter Hinweis auf ZR 90 [1991] Nr. 54; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 856, S. 259), z.T. soll eine zu kurz bemessene Zahlungsfrist die Nichtigkeit der Androhung zur Folge haben (Guhl et al., OR, Rz. 146, S. 438; Rajower, Ausweisung, S. 807; Weber, BSK, N  5 zu Art.  257d OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N  9 zu Art.  257d OR; Entscheid des OGer Kanton Aargau vom 27.  Mai 2003, in: ZBJV 140/2004, S. 782 f.). Das Bundesgericht hat die Frage bis anhin offengelassen (Urteil des Bundesgerichts 4C.88/2003 vom 1. Juli 2013, in: MRA 2/04, S. 53 ff.). Im vom Bundesgericht beurteilten Fall hatte die Vermieterin dem Mieter eine kurze Frist zur Bezahlung des Mietzinsrückstandes von knapp 10 Tagen angesetzt, jedoch erst nach Ablauf der gesetzlichen Zahlungsfrist von 30 Tagen die vor­ zeitige Kündigung ausgesprochen. Die Berufung des Mieters auf die Unwirk­ samkeit der Kündigung wurde als treuwidrig und rechtsmissbräuchlich abge­

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wiesen, weil der Mieter die Mietzinszahlungen schon lange eingestellt hatte und gemäss den Feststellungen der Vorinstanz feststand, dass die ausstehenden Mietzinse auch bei einer korrekt angesetzten Zahlungsfrist von 30 Tagen nicht bezahlt worden wären. Angesichts des zwingenden Charakters von Art. 257d OR sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift – wie bei einer Rechtsmittelbe­ lehrung im Prozess soll der Mieter wissen, was er innert welcher Frist zu tun hat  – muss eine Kündigungsandrohung mit einer zu kurz bemessenen Zah­ lungsfrist in Übereinstimmung mit der h.L. grundsätzlich als nichtig qualifi­ ziert werden (vgl. auch Müller Jürg P., in: MRA 2/04, S. 58). Vorbehalten blei­ ben Fälle von Rechtsmissbrauch wie im oben erwähnten Entscheid oder wenn der Mieter die Abmahnung gar nicht entgegennahm und somit durch die zu kurze Frist auch nicht von der Zahlung abgehalten werden konnte (vgl. fer­ ner Urteile des Bundesgerichts 4C.124/2005 vom 26. Juli 2005 und 4C.96/2006 vom 4. Juli 2006, in: MRA 1/07, S. 24 ff.). Die Zahlungsfristansetzung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung 31 (Higi, ZK, N 37 zu Art. 257d OR). Die Frist beginnt daher mit dem Zugang bzw. dem Empfang durch den Mieter. Die von der Doktrin und Praxis entwi­ ckelte Empfangstheorie kommt jedoch nur eingeschränkt zur Anwendung. Es genügt nicht, dass die Mitteilung in die Machtsphäre des Mieters gelangt; massgebend ist der tatsächliche Empfang. Wird ein eingeschriebener Brief nicht sofort dem Empfänger übergeben, so ist auf den Zeitpunkt der konkreten Abholung auf dem Postbüro abzustellen. Wird aber die Mitteilung innert der 7-tägigen Abholungsfrist nicht abgeholt, gilt der letzte Tag als fiktives Zustel­ lungsdatum (vgl. zum Ganzen BGE 137 III 208, E. 3.1.3, bestätigt mit BGE 140 III 244, E. 5.1; sog. eingeschränkte, relative Empfangstheorie, vgl. auch N 14 zu Art.  269d OR; HAP-Immobiliarmietrecht/Maag, Rz.  2.99, S.  100  f.; Higi, ZK, N 37 zu Art. 257d OR). Eine Verlängerung des Postrückbehalteauftrags ist unbeachtlich (BGE 123 III 492; BGE 127 I 31, E. 2b; Hulliger/Heinrich, CHK, N 7 zu Art. 257d OR). Der Empfänger kann sich der Zustellung nicht mit der Begründung entziehen, er sei über längere Zeit ortsabwesend gewesen bzw. er habe nicht mit einem Mahnschreiben rechnen müssen (Urteile des Bundes­ gerichts 4A_293/2016 vom 13. Dezember 2016, E. 4.1 und 4A_451/2011 vom 29. November 2011, E. 3.3). Die gleichen Regeln gelten für Postfachinhaber. Für die Fristberechnung ist der Empfangstag bzw. der letzte Tag der Abholfrist 32 nicht mitzuzählen. Damit gelten im Prinzip die gleichen Regeln wie im öffent­ lichen Recht, insbesondere Prozessrecht (Rechtsmittelfristen). Um in einem allfälligen Ausweisungsverfahren den Fristenlauf zu beweisen, was Sache des Vermieters ist (Bisang Raymond, in: MRA 1/02, S. 39), ist die Zustellung der

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Fristansetzung mit Rückschein zu empfehlen (ausführlich HAP-Immobiliar­ mietrecht/Maag, Rz. 2.101, S. 101). 33

Erfolgt die Zustellung bei mehreren Mietern oder an den Ehegatten (bzw. den eingetragenen Partner) bei einer Familienwohnung nicht gleichzeitig, ist der Empfang der zuletzt eingetroffenen Mitteilung für die Fristberechnung mass­ gebend (Higi, ZK, N 39 zu Art. 257d OR).

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Für die Fristwahrung gelten die Art. 76–79 OR. Fällt der letzte Tag auf einen Samstag, einen Sonntag oder auf einen anderen am Erfüllungsort staatlich anerkannten Feiertag, so gilt der nächstfolgende Werktag als letzter Tag der Frist (Art. 78 OR; Beschluss der Schlichtungsbehörde Zürich vom 19. Novem­ ber 1999, in: MRA 1/00, S. 238 ff.). Bezüglich Erfüllungsort und Erfüllungs­ modalitäten vgl. Higi, ZK, N 40 zu Art. 257d OR und N 22–31 zu Art. 257 OR.

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Geldschulden sind Bringschulden (Art. 74 OR). Ist die Zahlung in bar zu leis­ ten, so ist die Frist nur gewahrt, wenn der Mieter dem Vermieter den Rück­ stand am letzten Tag der Frist bar übergibt oder der gemahnte Betrag am letzten Tag der Frist dem Konto des Vermieters gutgeschrieben wird. Entscheidend ist, dass der Gläubiger zum vereinbarten Erfüllungszeitpunkt über das Geld ver­ fügen kann. Diese allgemeinen Grundsätze gelten auch für das Mietrecht. Es genügt daher nicht, den geforderten Betrag am letzten Tag per Postanweisung zu bezahlen (BGE 119 II 235). Auch bei PC- und Banküberweisungen trägt der Mieter das Risiko des rechtzeitigen Empfangs (eingehend zum Zeitpunkt der Erfüllung im Zusammenhang mit dem bargeldlosen Zahlungsverkehr vgl. Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT II, S. 46 ff., N 2319 ff.). Er hat den Auf­ trag rechtzeitig zu erteilen. Bedient sich der Vermieter jedoch zum Inkasso einer Hilfsperson (Post- bzw. PC-Einzahlungsschein Bank) oder einer gesetz­ lichen Zahlstelle (Betreibungsamt im Falle der Betreibung), so genügt Barein­ zahlung am letzten Tag, auch wenn dem Vermieter der Betrag erst später gut­ geschrieben oder überwiesen wird (vgl. Urteil des Bezirksgerichts Meilen vom 12. Oktober 1994, in: MRA 2/95, S. 80). Das Bundesgericht hat diese Praxis bestätigt und eine Zahlung am letzten Tag der Frist am Postschalter als recht­ zeitig erachtet. Da der Anwalt des Vermieters der formellen Androhung einen Posteinzahlungsschein einer Bank beigelegt und dadurch diese Zahlungsart anerboten hatte, sind die Mieter ihrer Bringschuld nachgekommen, indem sie innert Frist die Zahlung auf das angeführte Konto geleistet haben. Anders wäre die Sache zu beurteilen gewesen, wenn der Vermieter auf Barzahlung bestan­ den hätte oder den Eingang der Zahlung auf dem Konto innert Frist ausdrück­ lich zur Bedingung gemacht hätte (BGE 124 III 145, in: MRA 5/98, S. 166 ff., ferner Urteil des Bundesgerichts 4C.172/2005 vom 14. September 2005). 182

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Hat der Vermieter für einen ausstehenden Zins (z.B. Januar) die 30-tägige Zah­ 36 lungsfrist angesetzt, und bleibt der Mieter weitere Monatszinse (z.B. Februar und März) schuldig, so ist bei Zahlungseingängen nach Art.  86  f. OR vor­ zugehen. Der Mieter ist grundsätzlich berechtigt, bei der Zahlung zu erklä­ ren, welche Schuld er tilgen will, sofern er dies (z.B. durch Verwendung vorge­ druckter Einzahlungsscheine mit Angabe des Monates; vgl. hierzu Urteil des Bundesgerichts 5A_380/2007 vom 22. Oktober 2007, E. 3) nicht bereits kund­ getan hat. Ohne eine solche Erklärung kann der Vermieter die Zahlung durch schriftliche Mitteilung auf die laufenden (jüngeren) Mietzinsausstände anrech­ nen. Der Januar-Mietzins bleibt dann unbezahlt, ausser der Schuldner erhebt sofort Widerspruch (Art. 86 Abs. 2 OR; gl.M. Giger, BK, N 54 zu Art. 257d OR). Fehlt es sowohl an einer Erklärung des Schuldners (Mieters) als auch an einer Bezeichnung in der Quittung (Bestätigung) des Vermieters, so ist die Zahlung auf diejenige Schuld, für die der Schuldner zuerst betrieben worden ist, oder bei fehlender Betreibung auf die früher verfallene (Januar-Mietzins) anzurechnen (a.M. MfdP/Spirig, N  27.2.5.2, welche die Zahlung unter Ver­ weis auf Art. 87 OR trotz anderweitiger Erklärung des Mieters stets auf die frü­ her verfallende Schuld anrechnen will. Diese Lehrmeinung lässt ausser Acht, dass bei einer gültigen Erklärung des Mieters, welche Schuld er tilgen möchte, die Regel nach Art.  87 OR gar nicht zur Anwendung kommt). Der Vermie­ ter muss dann für die laufenden, unbezahlt gebliebenen Mietzinse erneut eine Frist ansetzen. Andernfalls riskiert er den Einwand der Unwirksamkeit seiner ausserordentlichen Kündigung. Vereinbaren die Parteien die Überweisung des Mietzinses im Lastschriftverfah­ 37 ren (LSV), ist in der Lehre umstritten, ob es sich dabei immer noch um eine Bring- oder nicht vielmehr um eine Holschuld handelt. Grundlage zum Ein­ zug von Lastschriften bildet eine Belastungsermächtigung des zahlungspflich­ tigen Mieters, weshalb in der Lehre mehrheitlich die Meinung vertreten wird, der Vermieter bestimme die Erfüllungszeit, sodass sich die Schuld nach dem Willen der Parteien zu einer Holschuld wandle. Folglich trage der Vermieter das Risiko von Verzögerungen bei der Bank. Der Mieter habe lediglich dafür besorgt zu sein, dass sein Konto eine hinreichende Deckung aufweise (vgl. zum Ganzen Weber, BK, N 123a zu Art. 74 OR). In der Schweiz ist das LSV+ üblich, d.h., der Mieter kann die Belastung ohne Angabe von Gründen innert maxi­ mal 31 Kalendertagen widerrufen.

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3.4.4 Adressat 38

Adressat der Fristansetzung ist der Mieter. Handelt es sich bei der Mietsache um eine Familienwohnung (Art. 169 ZGB, Art. 266m OR; vgl. auch BGE 136 III 257, E. 2.1), ist die Fristansetzung separat auch dem Ehegatten oder dem eingetragenen Partner des Mieters mitzuteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob diese selber Mieter sind, was in Art. 266n OR ausdrücklich erwähnt wird. Unterlässt der Vermieter die separate Zustellung, ist die Kündigung nichtig (Art.  266o OR). Hat der Mieter den Vermieter nicht über die Zivilstandsän­ derung unterrichtet, ändert dies gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nichts daran, dass die nur an einen Ehegatten (oder eingetragenen Partner) zugestellte Abmahnung die Nichtigkeit der Kündigung zur Folge hat. Der Mie­ ter wird dem Vermieter für diese Pflichtverletzung jedoch schadenersatzpflich­ tig (Urteil des Bundesgerichts 4C.441/2006 vom 23. März 2007, E. 5). Ist der Ehegatte aus der Wohnung endgültig ausgezogen, kann eine separate Abmah­ nung (sowie die anschliessende separate Kündigung) demgegenüber grund­ sätzlich unterbleiben (vgl. BGE 140 III 491, E. 4.2.3 f., mit Verweis auf BGE 139 III 7, E. 2.3.1 f.). Im Zweifelsfall ist dem vorsichtigen Vermieter aber zu emp­ fehlen, das Mahnschreiben auch dem Ehegatten/eingetragenen Partner zuzu­ stellen. Die Beweislast, dass es sich beim Mietobjekt um eine Familienwohnung handelt, liegt beim Mieter (BGE 139 III 7, E. 2.2).

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Bei mehreren Mietern genügt es, wie für die Kündigung, alle Mieter in der Anschrift zu bezeichnen. Eine separate Zustellung ist nicht erforderlich (vgl. BGE 140 III 491, E. 4.2.2; N 36 Vorbem. zu Art. 266–266o OR).

40

Ist der Mieter in Konkurs (N  67), so ist auch der Konkursverwaltung Frist anzusetzen (N 34 zu Art. 266h OR).

41

4.

Ausserordentliche Kündigung

4.1

Wahlrecht des Vermieters

Sind sämtliche Voraussetzungen gemäss Abs. 1 erfüllt und hat insbesondere der Mieter den abgemahnten Zahlungsrückstand innert Frist nicht aufgeholt, so kann der Vermieter die ordentliche (N 8) oder die ausserordentliche Kündigung aussprechen (zur Form vgl. N  47). Sind nicht alle Voraussetzungen erfüllt, ist die Kündigung entweder nichtig, wirkungslos oder anfechtbar (dazu vgl. N 55–57 Vorbem. zu Art. 266–266o OR). Insbesondere ist eine ausseror­ dentliche Kündigung, die vor Ablauf der Frist ausgesprochen wird, in der Regel

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unwirksam bzw. ungültig (Higi, ZK, N 47 und 57 zu Art. 257d OR; BGE 121 III 156; Urteil des Bundesgerichts 4C.124/2005 vom 26. Juli 2005). Die Kündi­ gung ist als empfangsbedürftige Erklärung jedoch gültig, wenn sie am letzten Tag der Zahlungsfrist verfrüht ausgesprochen wird, den Mieter aber erst am Folgetag – nach Ablauf der Zahlungsfrist – erreicht (Urteil des Bundesgerichts 4C.96/2006 vom 4. Juli 2006, E. 2, in: MRA 1/07, S. 24 ff. und mp 3/06, S. 187 f.; bestätigt mit Urteilen des Bundesgerichts 4A_585/2010 vom 2. Februar 2011, E. 3 und 4A_668/2012 vom 11. März 2013, E. 3). Zur Kündigung ist der Vermieter indes nicht gezwungen. Er kann ungeachtet der von ihm in der Fristansetzung ausgesprochenen Androhung weiterhin auf Vertragserfüllung beharren (Botsch. 1985, S. 1427). Der Vermieter kann somit auf die Ausübung seines Kündigungsrechts verzichten und den Rückstand auf dem Betreibungswege einzufordern versuchen.

42

Der Verzicht auf die Kündigung kann ausdrücklich sein, sich aber auch aus 43 den Umständen ergeben, z.B. durch Ansetzen einer neuen Zahlungsfrist für den bereits abgemahnten Zahlungsausstand (vgl. Higi, ZK, N 29, 45 f. und 64 zu Art. 257d OR). Wartet der Vermieter fast ein Jahr mit der Kündigung zu, so wäre dies jedenfalls zu lange (Entscheid der Schlichtungsbehörde Olten/Gös­ gen vom 13. Mai 1993, in: mp 1/94, S. 33), während das Zuwarten während eines Monats keinen Verzicht darstellt, sondern im Gegenteil etwa die ange­ messene Richtlinie ist (ZR 90 [1991] Nr. 54). Das Bundesgericht hat bereits ein Zuwarten mit der Kündigung von drei Wochen als lange und mutmasslich an der Grenze des Zulässigen qualifiziert (Urteil des Bundesgerichts 4A_366/2008 vom 25. November 2008, E. 4). In einem späteren Entscheid hat das Bundesge­ richt seine eigene Erwägung aber relativiert und erklärt, dass die besonderen Verhältnisse, wie sie dem damaligen Entscheid zugrunde lagen, namentlich die am ersten Werktag nach Fristablauf doch noch erfolgte Mietzinszahlung durch den Mieter das Abwarten des Vermieters von drei Wochen bis zur Kündigung als grenzwertig erscheinen liessen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_641/2011 vom 27. Januar 2012, E. 8). Es ist denn auch nicht ersichtlich, weshalb ein Mieter, welcher mehrere Wochen nach Ablauf der Zahlungsfrist den Mietzins immer noch nicht geleistet hat, darauf vertrauen können soll, dass der Vermieter auf die Kündigung verzichte. Die genannte Frist von drei Wochen erscheint daher insbesondere dann als zu kurz, wenn der Mieter während dieser Zeit keine wei­ teren Zahlungen mehr geleistet hat und der Vermieter in erster Linie im Inter­ esse des Mieters mit der Kündigung zugewartet hat, in der Hoffnung, der Mie­ ter würde allenfalls – wenn auch nach Fristablauf – doch noch zahlen (Hulliger, Rechtsprechung, S. 71 f.; vgl. auch MfdP/Spirig, N 27.2.7). Von Bedeutung wird

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185

Art. 257d

daher sein, ob der Vermieter nach Ablauf der Zahlungsfrist und vor Ausübung des Kündigungsrechts Erfüllungshandlungen des Mieters, insbesondere Miet­ zinszahlungen vorbehaltlos annimmt (vgl. Weber, BSK, N 7 zu Art. 257d OR; vgl. N 65). Ist dies der Fall und wartet er mit der Kündigung lange zu, kann dies als Verzicht qualifiziert werden. In den übrigen Fällen, namentlich wenn der Mieter auch nach Ablauf der Zahlungsfrist nicht bezahlt oder der Vermie­ ter dem Mieter erklärt, die verspätete Zahlung nicht mehr anzuerkennen, darf auch ein längeres Zuwarten einer Kündigung nicht entgegenstehen.

4.2

Kündigungsfristen und -termine

44

Die ausserordentliche Kündigung zufolge Zahlungsrückstand ist grundsätz­ lich eine fristlose. Der Vermieter hat weder eine weitere Kündigungsfrist noch einen Kündigungstermin zu beachten. Dem Vermieter ist es unbenommen, die Kündigung mit einer Kündigungsfrist oder auf einen bestimmten Termin hin auszusprechen.

45

Bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen (Art.  253a OR) gilt dage­ gen eine Kündigungsfrist von mindestens 30 Tagen; als Kündigungstermin ist zudem das Ende eines Monats vorgeschrieben. Auch in diesem Fall kann der kündigende Vermieter von sich aus eine längere Frist ansetzen. Der Kündi­ gungstermin ist dagegen zwingend, selbst wenn er mit einer längeren Kündi­ gungsfrist verbunden ist.

46

Kündigt der Vermieter fristlos, mit zu kurzer Frist oder nicht auf ein Monats­ ende, so gilt die Kündigung nach der Reglung von Art. 266a Abs. 2 OR als aus­ serordentliche Kündigung auf den nächsten ausserordentlichen Termin (Higi, ZK, N 54 zu Art. 257d OR; MfdP/Thanei, N 26.4.2). Eine Anfechtung ist nicht erforderlich. Stillschweigen des Mieters kann aber nach dem Grundsatz von Treu und Glauben dahingehend ausgelegt werden, er sei mit einer derartigen nicht frist- oder termingerechten Kündigung einverstanden (BGE 121 III 156, E. 1c, in: MRA 4/95, S. 201 ff.).

4.3 47

Form, Zustellung und Begründung der Kündigung

Die gesetzlichen Kündigungsformalitäten sind auch bei der ausserordentlichen Kündigung infolge Zahlungsrückstands des Mieters zu beachten. Dies bedeu­ tet insbesondere, dass für die Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnund Geschäftsräume der Vermieter das offizielle Formular gemäss Art. 2661 Abs. 2 OR verwenden muss. Erforderlich ist eine separate Zustellung an den 186

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Art. 257d

Ehegatten bzw. Partner (N 44 und 68 zu Art. 266l–266o OR), da andernfalls die Kündigung nichtig ist (Art. 266n OR; vgl. auch die Ausführungen zur Zah­ lungsfristansetzung unter N  38, welche für die Kündigung ebenfalls gelten). Ist eine Mehrheit von Personen Mieter, so genügt der Versand eines einzigen Formulars, in welchem alle Mieter als Adressaten aufgeführt sind (BGE 140 III 491, E.  4.2.2). Unterlässt es der Vermieter, alle Mieter als Adressaten der Kündigung aufzuführen oder dem Ehegatten bzw. eingetragenen Partner eine separate Kündigung zuzustellen, erweist sich die Berufung des Mieters auf die Nichtigkeit der Kündigung jedoch als rechtsmissbräuchlich, sofern der nicht in der Adresse erwähnte oder der nicht mit einer separaten Zustellung bediente Ehegatte bzw. eingetragen Partner die Wohnung bereits zuvor definitiv verlas­ sen und kein Interesse am Fortbestand des Mietvertrages hat (BGE 140 III 491, E. 4.2.3 f.). Für die Zustellung der Kündigung gilt die Empfangstheorie uneingeschränkt. 48 Eine Kündigung mittels eingeschriebenem Brief ist bei Unmöglichkeit der direkten Zustellung an den Empfänger dann wirksam zugestellt, wenn der Emp­ fänger gestützt auf die Abholungseinladung im Briefkasten oder das S­ chreiben im Postfach des Mieters in der Lage ist, davon Kenntnis zu nehmen (BGE 137 III 208, E. 3.1.2, in: Pra 100 (2011), Nr. 106, bestätigt mit BGE 140 III 244, E. 5.1; vgl. auch N 5 f. Vorbem. zu Art. 266–266o OR). Bei Erhalt einer Abho­ lungseinladung («Avis») im Briefkasten ist dies – sofern eine Abholung nicht bereits gleichentags möglich ist – in aller Regel der darauffolgende Tag (BGE 143 III 15, E. 4.1). Insbesondere bei der Zustellung im Postfach dürfte einer Abholung am gleichen Tag nichts im Wege stehen, sodass nach hier vertrete­ ner Ansicht in einem solchen Fall die Kündigung als am gleichen Tag zugestellt gelten muss. Verreist der Mieter ohne Adressangabe, ist die Zustellung an die letztbekannte Adresse rechtsgültig. Eine nochmalige Zustellung erübrigt sich (Higi, ZK, N 43 Vorbem. zu Art. 266– 49 266o OR). Die Organisation des Empfangs von Erklärungen des Vertragspart­ ners ist Sache des Empfängers. Dieser Grundsatz gilt auch unter Ehegatten und eingetragenen Partnern. Eine separat an einen Ehegatten gerichtete Kün­ digung ist rechtswirksam, auch wenn diese vom Ehepartner böswillig vorent­ halten wird (BGE 118 II 42). Eine Begründung muss die Kündigung nicht enthalten. Da die Kündigung 50 bei Wohn- und Geschäftsräumen indes auf Verlangen des Mieters ohnehin begründet werden muss, wird es sinnvoll sein, in diesen Fällen die Begründung zur Vermeidung unnötiger Rückfragen schon in das Formular aufzunehmen (z.B.: «Kündigung wegen Zahlungsrückstandes gemäss Art. 257d Abs. 2 OR»). Daniel Reudt

187

Art. 257d

4.4

Kündigung bei Abtretung der Forderung und bei Veräusserung der Mietsache

51

Die Kündigungsbefugnis bleibt auch dann beim Vermieter, wenn er die aus­ stehende Mietzinsforderung abgetreten hat (gl.M. Higi, ZK, N 66 zu Art. 257d OR).

52

Bei der Veräusserung der Mietsache während einer laufenden Frist nach Abs. 1 – oder auch nach deren Ablauf – geht das Recht zur allfälligen Kündi­ gung auf den Erwerber über. Dies ist die logische Konsequenz des generellen Eintritts des Erwerbers einer Mietsache in die Rechte und Pflichten des Ver­ mieters und Voreigentümers (Art.  261 OR und dortige Bemerkungen; gl.M. Higi, ZK, N 66 zu Art. 257d OR).

53

Eine Kündigung des bisherigen Vermieters nach Veräusserung oder die Kün­ digung des Erwerbers vor Eigentumsantritt ist unwirksam (BGE 108 II 190, E. 3, S. 192 f.).

4.5

Wirkungen und Folgen der Kündigung

54

Die Kündigung bewirkt die Beendigung des Mietverhältnisses und damit das Erlöschen aller Vertragserfüllungspflichten. Der Mieter muss die Sache auf den Kündigungstermin hin zurückgeben, nachdem er jedes Recht auf den Besitz der Mietsache verloren hat (zur Rechtsnatur des Rückgabeanspruches vgl. Giger, BK, N 89 ff. zu Art. 257d OR).

55

Bei unbeweglichen Mietsachen wird der Rückgabeanspruch bei Weigerung des Mieters im Ausweisungsverfahren durchgesetzt. In aller Regel dürften bei einer Zahlungsverzugskündigung nach Art. 257d OR die Voraussetzungen für den Rechtsschutz in klaren Fällen nach Art. 257 ZPO gegeben sein, sodass die Ausweisung im summarischen Verfahren verlangt werden kann. Ein Schlich­ tungsverfahren ist diesfalls nicht erforderlich (Art. 198 Buchst. a ZPO). Zum Verfahren vgl. Kapitel «Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen». Sollte es demgegenüber am für den Rechtsschutz in klaren Fäl­ len vorausgesetzten klaren Sachverhalt oder einer eindeutigen Rechtslage feh­ len, wäre die Ausweisung im (wesentlich länger dauernden) vereinfachten Ver­ fahren mit vorgängigem Schlichtungsverfahren zu beantragen.

56

Anfechtbarkeit der Kündigung: Bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräu­ men ist die ausserordentliche Kündigung wegen Zahlungsrückstandes gemäss Art. 271–271a OR anfechtbar (Higi, ZK, N 58 zu Art. 257d OR; zum Thema

188

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Art. 257d

Rechtsmissbrauch vgl. Saviaux, Abus, S. 3 ff.). Die Kündigung des Vermieters kann bei Vorliegen besonderer Verhältnisse rechtsmissbräuchlich sein (N 57 ff.). Nach Art.  271a Abs.  3 OR kann sich allerdings ein Mieter bei der Kün­ digung wegen Zahlungsrückstandes nicht auf die Anfechtungsgründe gemäss Art. 271a Abs. 1 Buchst. d und e OR (Sperrfristen) berufen (vgl. im Einzelnen Art. 271a OR und die dortigen Bemerkungen). Der Mieter trägt die Beweislast für den von ihm behaupteten Rechtsmissbrauch (BGE 140 III 591, E. 1, S. 594, in: MRA 2/15, S. 105 ff.). Ein Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben kann bei Vorlie­ 57 gen eines unbedeutenden Zahlungsrückstandes gegeben sein (MfdP/Spi­ rig, N 27.2.9.1). Gemäss bundesgerichtlicher Praxis ist aber nur sehr zurückhaltend von einem missbräuchlichen Verhalten auszugehen, da der Mieter bei geringen Beträgen nicht ohne Risiko einer Kündigung darauf spekulie­ ren soll, dass der Vermieter auf das Inkasso verzichte, weil ihn dieses mehr Zeit und Geld koste als der ausstehende Betrag. Dies wäre nicht mit dem Ziel von Art.  257d OR vereinbar, welcher dem Vermieter erlauben soll, schnell und unkompliziert den ausstehenden Betrag an Mietzinsen und Nebenkos­ ten erhältlich zu machen oder andernfalls den Mietvertrag beenden zu kön­ nen (BGE 140 III 591, E. 2, in: MRA 2/15, S. 105 ff.). Folgerichtig hat das Bun­ desgericht einen Mietzinsausstand von 286 CHF (BGE 120 II 31, E. 4b) oder einen Ausstand von 164.65 CHF an Nebenkosten (Urteil des Bundesgerichts 4A_306/2015 vom 14. Oktober 2015, E. 2) nicht als unbedeutend qualifiziert. Der unbedeutende Charakter des Ausstandes beurteilt sich dabei allein nach dem ausstehenden Betrag und nicht nach dem Verhältnis zum monatlichen Mietzins oder dem Verhältnis zu den insgesamt seit Mietbeginn bereits bezahl­ ten Mietzinse. Massgebend ist sodann ein objektiver Massstab. Es ist unbe­ deutend, ob der Vermieter auf die Zahlung dieses Ausstandes angewiesen ist oder nicht (BGE 140 III 591, E. 2, in: MRA 2/15, S. 105 ff.). Abgesehen von geringfügigen Verzugszinsen und sehr kleinen Beträgen dürften daher kaum je die Voraussetzungen für einen Rechtsmissbrauch gegeben sein. Anfechtbar kann eine Kündigung auch sein, wenn der vom Vermieter abge- 58 mahnte Betrag falsch ist (BGE 120 II 31, in: MRA 0/94, S.  30  ff.; vgl. aber auch Urteil des Bundesgerichts 4A_330/2017 vom 8. Februar 2018, E. 3.1). Mahnt der Vermieter (ohne genügenden Grund bzw. Gewissheit) einen höhe­ ren Betrag als den geschuldeten, so verstösst eine ausserordentliche Kündi­ gung gegen Treu und Glauben (Urteil des Bundesgerichts 4C.173/2005 vom 24. Oktober 2005, in: mp 3/06, S. 186: Der Vermieter liess den Mieter über die Höhe einer versprochenen Inkonvenienzentschädigung im Ungewissen und

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189

Art. 257d

kündigte wegen Zahlungsverzugs, als der Mieter nach verschiedenen Mahnun­ gen Verrechnung erklärte; Urteil des Bundesgerichts 4C.65/2003 vom 23. Sep­ tember 2003, in: MRA 2/04, S. 60 ff.). Illustrativ ist auch das Urteil des Bun­ desgerichts 4C.247/2004 vom 19. November 2004, in: MRA 3/05, S. 135 ff.: Die Vermieterin hatte eine Zahlungsfrist für einen Ausstand im Betrag von 7503.95 CHF angesetzt. Die Mieterin bezahlte lediglich 6400 CHF. Die ausserordent­ liche Kündigung wurde nicht angefochten. Im Ausweisungsverfahren bestritt die Mieterin die Gültigkeit der ausserordentlichen Kündigung, wobei der tat­ sächliche Rückstand mit 6755 CHF ermittelt wurde. Bei Ablauf der Frist ver­ blieb damit ein Ausstand von 355 CHF. Im Ausweisungsverfahren blieb der Mieterin der Einwand der Missbräuchlichkeit verwehrt. Sie hätte die Kündi­ gung i.S.v. Art. 271 Abs. 1 OR fristgerecht anfechten müssen. 59

Die Kündigung kann auch erfolgreich anfechtbar sein, wenn die rückständige Miete kurze Zeit nach Ablauf der Zahlungsfrist (maximal ein bis zwei Tage) beglichen wird, der Mieter bislang stets pünktlich bezahlt hatte und der Ausstand gering ist (Urteil des Bundesgerichts 4A_361/2008 vom 26. September 2008, E.  2.3.1, in: MRA 5/09, S.  193  ff.; Urteil 4A_306/2015 vom 14.  Okto­ ber 2005, E. 2). Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Wird die Frist zwar nur um einen Tag verpasst, ist die Kündigung trotzdem gültig, wenn der Mieter bereits zuvor einmal den Mietzins nur mit Verspätung bezahlt hat (Urteil 4A_634/2009 vom 3. März 2010, in: MRA 1/11, S. 34 ff.; vgl. auch Urteil 4A_366/2008 vom 25. November 2008, E. 4, in: MRA 5/08, S. 206 ff.).

60

Im Übrigen ist kaum denkbar, dass eine einwandfrei auf den Zahlungsrück­ stand des Mieters abgestützte ausserordentliche Kündigung gegen Treu und Glauben verstossen kann. Kein Verstoss gegen diesen Grundsatz liegt vor, wenn der Vermieter dem Mieter trotz allenfalls lang andauerndem Mietver­ hältnis, regelmässig erfolgten Zahlungen und geringem Ausstand nicht noch eine zweite Frist ansetzt oder ihn nicht noch ein weiteres Mal abmahnt. Da das Gesetz ein solches Vorgehen nicht verlangt, vermag dieses Verhalten auch keinen Rechtsmissbrauch zu begründen (BGE 140 III 591, E. 5, in: MRA 2/15, 105 ff.).

61

Sind nicht alle Voraussetzungen von Art.  257d OR erfüllt und erweist sich die ausserordentliche Kündigung daher als unwirksam, kann sie auch nicht in eine ordentliche Kündigung auf den nächstmöglichen Kündigungstermin umgewandelt werden. Eine Konversion ist mit dem Wesen der Kündigung als Gestaltungsrecht nicht vereinbar (BGE 135 III 441). Demgegenüber ist es zuläs­ sig, gleichzeitig mit der ausserordentlichen Kündigung eine separate (subsidiäre) ordentliche Kündigung auf den nächsten Kündigungstermin auszuspre­ 190

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Art. 257d

chen, welche ihre Wirkung nur dann entfaltet, wenn sich die ausserordentliche Kündigung als unwirksam herausstellen sollte (BGE 137 III 389, E. 8.4.2, in: MRA 1/13, S. 24 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4A_389/2014 vom 18. Septem­ ber 2014, E. 4; HAP-Immobiliarmietrecht/Maag, Rz. 2.113, S. 106 f.). Die Erstreckung eines wegen Zahlungsrückstandes des Mieters gekündigten 62 Mietverhältnisses ist ausgeschlossen (Art.  272a Abs.  1 Buchst.  a OR). Auch wenn der Vermieter unter Einhaltung der ordentlichen Fristen und Termine kündigt, gilt der gesetzliche Erstreckungsausschluss, wenn sämtliche formel­ len Voraussetzungen der ausserordentlichen Kündigung erfüllt sind (BGE 117 II 415, E. 4 f., in: mp 92, S. 42). Der Mieter, dessen Vertrag wegen Zahlungsverzugs vorzeitig aufgelöst worden 63 ist, schuldet dem Vermieter Schadenersatz (vgl. auch MfdP/Spirig, N 27.2.10). Über die grundsätzliche Schadenersatzpflicht des Mieters ist sich die h.L. zu Art. 257d OR einig. Keine einhellige Meinung besteht aber darüber, ob dem Vermieter alle drei Wahlmöglichkeiten nach Art. 107 OR zustehen (Erfüllung, positives oder negatives Interesse; so Higi, ZK, N 63 zu Art. 257d OR und Giger, BK, N 99 zu Art. 257d OR) oder ob die Wahlmöglichkeiten eingeschränkt sind (kein negatives Interesse, vgl. Guhl et al., OR, Rz. 143, S. 437). Das Bundesge­ richt hatte die Frage zunächst offengelassen (Urteil vom 3. Oktober 1995, in: MRA 5/96, S. 226 ff.). Der Begriff des negativen Interesses ist an sich unver­ einbar mit dem Begriff der Kündigung (Auflösung ex nunc). Geschuldet ist daher das Erfüllungsinteresse (positives Interesse; vgl. BGE 127 III 548, E. 5, in: MRA 5/01, S. 159 ff.; vgl. ferner Entscheid des Tribunal des baux du canton de Vaud vom 24. Februar 2000, in: CdB 3/00, S. 87 ff.). Der Schaden umfasst damit den Mietzinsausfall bis zum Zeitpunkt, auf welchen der Mieter ordent­ lich hätte kündigen können. Allerdings ist Art.  44 OR anwendbar. Der Ver­ mieter muss sich ersparte Aufwendungen und Einnahmen aus anderweitigem Gebrauch der Sache anrechnen lassen. Stellt sich im Rahmen der Bemühun­ gen zu Neuvermietung nach einer gewissen Zeit heraus, dass sich der bishe­ rige Mietzins auf dem Markt nicht mehr realisieren lässt, so ist der Vermieter im Rahmen seiner Schadensminderungsobliegenheit unter Umständen gehal­ ten, den Mietzins entsprechend der negativen Entwicklung des Marktes anzu­ passen (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 3.  Oktober 1995, in: MRA 5/96, S. 226 ff.). Denkbar sind auch weitere Schadenspositionen (Inserate usw.). Schadenersatzpflichtig wird auch der Mieter, der die Mietsache nicht zurück- 64 gibt, sondern gerichtlich ausgewiesen werden muss. Das Bundesgericht hatte früher unter Anwendung der Theorie des faktischen Mietverhältnisses dem Vermieter eine Entschädigung zugesprochen, welche sich am bisherigen Miet­ Daniel Reudt

191

Art. 257d

zins bemass (BGE 63 II 368). Unter Hinweis auf das deutsche Recht hat das Bundesgericht den auch im schweizerischen Recht zu beachtenden Grund­ satz bestätigt, wonach der eigenmächtige Mieter seine vertragliche Rückga­ bepflicht verletzt und darüber hinaus widerrechtlich in Eigentum und Besitz Dritter eingreift. Er hat daher nicht nur die Gegenleistung (Mietzins) für die Weiterbenützung der Sache zu bezahlen, sondern haftet auch für weitergehende Ansprüche des Vermieters aus vertraglicher oder ausservertraglicher Haftpflicht oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (BGE 119 II 437, E. 3, in: Pra 83, S. 742 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.265/1995 vom 27. Juni 1996; ZR 52 [1953] Nr.  39; Urteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 7.  Dezem­ ber 1984, in: BJM 1985, S. 246 ff.; vgl. auch Giger, BK, N 89 zu Art. 257d OR). Nach Art.  101 OR hat der Hauptmieter auch für das Verhalten eines Unter­ mieters einzustehen (BGE 117 II 65, E. 2b; Bezirksgericht Zürich, Entscheid vom 28. Oktober 1994, in: MRA 1/97, S. 39). Ein (korrekter) Mitmieter haftet für die Forderung des Vermieters gegen den insolventen, die Rückgabepflicht verletzenden Mitmieter solidarisch (Entscheid der Chambre d’appel en mati­ ère de Baux et Loyers du canton de Genève vom 9. Dezember 1996, in: CdB 2/97, S. 52 f.).

4.6 65

Verzicht auf Durchsetzung der Kündigung

Wenn der Vermieter nach dem Kündigungstermin die Rückgabe der Mietsa­ che nicht sofort verlangt, darf daraus weder ein Verzicht auf Rückgabe noch der stillschweigende Abschluss eines neuen Mietvertrages abgeleitet wer­ den (Giger, BK, N 91 zu Art. 257d OR; vgl. ferner Urteil des Bundesgerichts 4C.85/2004 vom 22. April 2004, E. 3). Setzt aber der Vermieter seine Kündi­ gung und den damit verbundenen Rückgabeanspruch (N 54) während längerer Zeit nicht durch und nimmt er während dieser Zeit sogar Mietzinszahlun­ gen des Mieters für eine Periode nach dem Kündigungstermin ohne Vorbehalt entgegen, so muss gegebenenfalls ein stillschweigender Abschluss eines neuen Mietvertrages auf der Grundlage des gekündigten angenommen wer­ den (Higi, ZK, N 65 zu Art. 257d OR; MfdP/Wyttenbach, N 6.5.5; Weber, BSK, N 14 zu Art. 257d OR; Entscheid des Cour de Justice de Genève vom 7. April 2003, in: mp 3/03, S. 137 ff.: Verbleibt ein Mieter nach Ablauf eines befristeten Mietverhältnisses sieben Monate in der Wohnung und bezahlt weiterhin Miete, ohne dass der Vermieter etwas unternimmt, ist eine stillschweigende Fortset­ zung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit gemäss Art. 266 Abs. 2 OR anzunehmen.). Die Kündigung wegen Zahlungsverzugs fällt nicht dahin, wenn der Vermieter mit dem Mieter vereinbart, dass die Kündigung aufgehoben

192

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Art. 257d

wird, sofern der Mieter den Rückstand innert einer bestimmten Frist raten­ weise begleicht (Urteil des Bundesgerichts 4C.118/2004 vom 28. Juli 2004, in: mp 1/05, S. 37 ff.). Das Entgegennehmen von Mietzinsen durch den Vermie­ ter während des Ausweisungsverfahrens begründet ebenfalls kein neues Miet­ verhältnis, selbst wenn er dies ohne ausdrücklichen Vorbehalt tut und vor­ sorglich (im Hinblick auf eine allfällige Unwirksamkeit der Kündigung) eine Mietzinserhöhung angekündigt hat (BGE 119 II 147, E. 5; Urteil des Bundesge­ richts 4C.198/2004 vom 6. Juli 2004, in: MRA 1/05, S. 37 ff.; ferner Urteile des Bundesgerichts 4C.85/2004 vom 28. November 2003, E. 2 und 3, in: MRA 3/04, S. 117 ff. und 4C.426/2004 vom 8. Februar 2005, E. 3.2, in: MRA 3/07, S. 111 ff.). Die gleichen Grundsätze gelten, wenn der Vermieter einen gerichtlichen Aus- 66 weisungsbefehl während längerer Zeit nicht vollstreckt und vorbehaltlos Mietzinse oder andere Leistungen (Abwartsdienste) entgegennimmt (Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 7. November 1988, in: SJZ 86, S. 85). Das OGer Thurgau schloss bereits nach 3-wöchigem Zuwarten auf einen kon­ kludent abgeschlossenen neuen Mietvertrag, während die Genfer Praxis min­ destens ein 9-monatiges Zuwarten verlangt, um die Entstehung eines neuen Mietvertrages anzunehmen (vgl. Entscheid des Cour de Justice de Genève vom 6. April 1987, in: SJZ 87, S. 360 f.). Die beiden Entscheide werden durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Recht relativiert. Nach erfolgter Kün­ digung hängt die Annahme eines stillschweigend erneuerten Mietverhältnis­ ses nicht nur von der Zeitdauer, sondern auch von weiteren Umständen ab (unpubliziertes Urteil des Bundesgerichts vom 28.  März 1995, in: mp 3/95, S. 161 ff.: 2 Monate und 3 Wochen genügten im konkreten Fall nicht). Im Inte­ resse der Rechtssicherheit sind die Anordnungen einzelner Ausweisungsrich­ ter zu begrüssen, welche die Vollstreckbarkeit eines Ausweisungsbefehls zeit­ lich befristen (ferner N 14 ff. zu Art. 266 OR).

4.7

Konkurs des Mieters

Gerät der Mieter in Konkurs, so kann der Vermieter nach Art. 266h OR vor­ 67 gehen. Er kann aber nur für künftige Mietzinse Sicherheit verlangen. Da­raus ergibt sich, dass für rückständige Mietzinse auch im Konkurs des Mieters gestützt auf Art. 257d OR vorgegangen und gekündigt werden kann (Botsch. 1985, S. 1452; gl.M. Higi, ZK, N 67 zu Art. 257d OR; N 34 zu Art. 266h OR).

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193

Art. 257e II. Sicherheiten durch den Mieter 1 Leistet

der Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen eine Sicherheit in Geld oder in Wertpapieren, so muss der Vermieter sie bei einer Bank auf einem Sparkonto oder einem Depot, das auf den Namen des Mieters lautet, hinterlegen. 2 Bei der Miete von Wohnräumen darf der Vermieter höchstens drei Monats-

zinse als Sicherheit verlangen.

3 Die

Bank darf die Sicherheit nur mit Zustimmung beider Parteien oder gestützt auf einen rechtskräftigen Zahlungsbefehl oder auf ein rechtskräftiges Gerichtsurteil herausgeben. Hat der Vermieter innert einem Jahr nach Beendigung des Mietverhältnisses keinen Anspruch gegenüber dem Mieter rechtlich geltend gemacht, so kann dieser von der Bank die Rückerstattung der Sicherheit verlangen. 4 Die

Kantone können ergänzende Bestimmungen erlassen.

II.

Sûretés fournies par le locataire

1 Si le locataire d’habitations ou de locaux commerciaux fournit des sûretés en espèces ou

sous forme de papiers-valeurs, le bailleur doit les déposer auprès d’une banque, sur un compte d’épargne ou de dépôt au nom du locataire.

2 Lorsqu’il

s’agit de baux d’habitations, le bailleur ne peut exiger des sûretés dont le mon­ tant dépasse trois mois de loyer. 3 La

banque ne peut restituer les sûretés qu’avec l’accord des deux parties ou sur la base d’un commandement de payer non frappé d’opposition ou d’un jugement exécutoire. Si, dans l’année qui suit la fin du bail, le bailleur n’a fait valoir aucune prétention contre le locataire dans le cadre d’une procédure judiciaire ou d’une poursuite pour dettes ou d’une faillite, celui-ci peut exiger de la banque la restitution des sûretés.

4 Les

II.

cantons peuvent édicter des dispositions complémentaires.

Garanzie prestate dal conduttore

1 Se

il conduttore di locali d’abitazione o commerciali presta una garanzia in denaro o in cartevalori, il locatore deve depositarla presso una banca, su un conto di risparmio o di deposito intestato al conduttore.

194

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Daniel Reudt Art. 257e 2 Per

la locazione di locali d’abitazione, il locatore non può pretendere una garanzia che superi l’equivalente di tre pigioni mensili.

3 La

banca può devolvere la garanzia soltanto con il consenso di entrambe le parti o sulla base di un precetto esecutivo o di una sentenza passati in giudicato. Se entro un anno dalla fine della locazione il locatore non ha fatto valere giuridicamente diritto alcuno contro il conduttore, questi può pretendere dalla banca che la garanzia gli sia devoluta. 4 I

Cantoni possono emanare disposizioni complementari.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Sicherheiten und ihre Bedeutung im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Zwingender Charakter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.3 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

196 196 197 197

2. Sicherheitsleistung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Parteivereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Sicherheitsleistung in Geld oder Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Hinterlegung bei einer Bank auf den Namen des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

198 198 199 199

3.

Höhe der Sicherheit sowie Durchsetzung der Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . 

202

4.

Herausgabe der Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

204

5.

Konkurs des Vermieters und Übertragung des Mietverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . 

206

6.

Vorbehalt ergänzender Bestimmungen durch die Kantone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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1. Vorbemerkungen 1.1

Sicherheiten und ihre Bedeutung im Allgemeinen

1

Mit der Vermietung einer Sache geht der Vermieter ein gewisses Risiko ein. Er überträgt dem Mieter den Besitz an der Mietsache und gibt damit einen wesentlichen Teil seiner Sachherrschaft vorübergehend auf, während ihm dem Mieter gegenüber nur persönliche, obligatorische Rechte zustehen. Die Lage des Vermieters ist bei Vertragsstörungen prekär, so v.a. bei Ausbleiben der Mietzinszahlungen oder bei Beschädigungen der Mietsache (MfdP/Wytten­ bach, N 15.1). Entsprechend besteht aus der Sicht des Vermieters ein Bedürfnis nach Sicherheit.

2

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, durch vertragliche Vereinbarungen Siche­ rungen zu bewirken. Die Parteien sind grundsätzlich frei, die Form der Sicher­ heit zu wählen, sofern ein Kanton nicht gestützt auf die ihm zugestandene Ermächtigung gemäss Art. 257e Abs. 4 OR (vgl. N 33 f.) gewisse Sicherheiten ausdrücklich als unzulässig erklärt hat (vgl. hierzu Marchand, CPra, N 5 zu Art. 257e OR mit Hinweisen zu Einschränkungen, wie sie in den französisch­ sprachigen Kantonen zu finden sind). Zur Deckung allfälliger Schäden kann der Vermieter den Abschluss einer Mieterhaftpflichtversicherung verlangen (N 20 zu Art. 254 OR). Bei einer Mehrheit von Benützern einer Mietsache kann man alle als Mieter kontrahieren lassen, was zur Solidarhaftung und damit zu grösserer Sicherheit führt. Des Weiteren sind Sicherheitsleistungen durch Dritte möglich wie Bankgarantien oder sonstige Bürgschaften. Ebenso ist die Bestellung von Pfandrechten denkbar (Urteil des Bundesgerichts 4C.154/2003 vom 6. Oktober 2003, in: MRA 1/04, S. 21 ff.). Als Bürgschaften ausgestaltet sind in aller Regel auch die in den letzten Jahren aufgekommenen «Mietkautionsversicherungen», bei denen die Anbieter damit werben, gegen eine vom Mieter zu entrichtende Gebühr als «Sicherheit» gegenüber dem Vermie­ ter bis zu einem vereinbarten Betrag aufzutreten, sodass dem Mieter die Leis­ tung einer Mietkaution und somit die Blockierung von Geldern erspart bleibt. Da mit den vom Mieter zu entrichtenden Prämien aber lediglich die Bereit­ schaft des Anbieters zur Bürgenstellung abgegolten wird, dem Bürgen für die von ihm gegenüber dem Vermieter zu bezahlenden Mieterschulden aber das Regressrecht auf den Mieter zusteht, handelt es sich dabei entgegen landläufi­ ger Bezeichnung nicht um eine eigentliche Versicherung (vgl. auch MfdP/Wyt­ tenbach, N 15.1.1.3). Schliesslich kann man mit dem Mieter vereinbaren, dass er einen bestimmten Geldbetrag oder Wertpapiere hinterlegt. Von dieser Art

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von Sicherheitsleistungen, üblicherweise Kaution oder Depot genannt, han­ delt Art. 257e OR.

1.2

Zwingender Charakter

Die Norm ist grundsätzlich absolut zwingender Natur, soweit es um Sicher­ 3 heiten in Geld oder Wertpapieren sowie um deren Maximalhöhe bei der Woh­ nungsmiete geht. Abs. 2 ist jedoch zugunsten des Mieters relativ zwingender Natur (Roncoroni, zwingende Bestimmungen II, S. 75). Andere Arten von Sicherheiten, namentlich Bankgarantien oder der Erwerb 4 von Genossenschaftsanteilscheinen (vgl. Entscheid des Tribunal cantonal du canton de Fribourg vom 19. August 2002, in: CdB 2/03, S. 44 ff.) werden von der Norm nicht erfasst (N 10). Die Parteidisposition ist für solche Sicherheiten nicht beschränkt, Missbräuchlichkeit bei der Miete von Wohn- und Geschäfts­ räumen vorbehalten. Für Fragen des intertemporalen Rechts gelten mangels besonderer Vorschrif­ 5 ten die im Schlusstitel des ZGB aufgestellten Regeln über die «Anwendung bis­ herigen und neuen Rechts». Auszugehen ist vom Grundsatz der Nichtrück­ wirkung des revidierten Rechts nach Art.  1 SchlT ZGB. Ein Ausnahmefall (Art.  2–4) liegt nicht vor. Insbesondere dürfte es sich trotz des zwingenden Charakters nicht um eine Bestimmung handeln, die um der öffentlichen Ord­ nung und Sittlichkeit willen aufgestellt worden ist (vgl. BGE 116 III 120 bezüg­ lich Retentionsrecht). Sicherheitsleistungen, die vor dem 1. Juli 1990 vereinbart und geleistet wurden, sind daher vom Vermieter nicht auszuscheiden oder zu hinterlegen (a.M. ZMP 2/03, Nr. 17, S. 28 ff., unter Hinweis auf Art. 3 SchlT ZGB; Hulliger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 257e OR).

1.3 Anwendungsbereich Die Norm gilt nur bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen i.S.v. 6 Art.  253a OR. Nach der Gesetzessystematik fallen Ferienwohnungen nicht da­runter (Art.  253a Abs.  2 OR), hingegen Luxuswohnungen schon (MfdP/ Wyttenbach, N 15.2.2; Giger, BK, N 15 zu Art. 257e OR; a.M. Higi, ZK, N 3 und N 21 zu Art. 257e OR, der unter Hinweis auf die historische Entwicklung den Begriff Wohnraum i.S.v. Art. 253b OR auf die der Missbrauchsgesetzgebung unterstehenden Wohnungen beschränken will). Bei der Miete von Fahrnis und Immobilien, die keine Wohn- und Geschäftsräume sind (Art. 253a OR), findet sie keine Anwendung.

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2. Sicherheitsleistung 2.1 Parteivereinbarung 7

Für alle Arten von Sicherheiten und damit auch für diejenigen nach Abs. 1 gilt, dass der Mieter nur zu leisten hat, wenn er dies mit dem Vermieter im Mietvertrag vereinbart hat (MfdP/Wyttenbach, N 15.2.4). Die Vereinbarung bei Ver­ tragsabschluss ist grundsätzlich formfrei gültig, und zwar auch dann, wenn aufgrund kantonaler Vorschriften i.S.v. Art. 270 Abs. 2 OR der Anfangsmiet­ zins mit Formular mitzuteilen ist (a.M. Higi, ZK, N 18 zu Art. 257e OR). Die Einführung einer Sicherheitsleistung während der Dauer des Mietverhältnisses bedeutet hingegen eine Vertragsänderung, bei der die Formalpflichten von Art. 269d OR zu beachten sind. Eine solche neu eingeführte Sicherheits­ leistung ist gemäss Art. 270b Abs. 2 OR anfechtbar. Mit der Begründung «Ver­ schlechterung der Solvenz des Mieters» oder nach Feststellung von Mieter­ schäden ist eine Vertragsänderung auf Einführung oder Erhöhung der Kaution legitim (Entscheid des Tribunal des baux du canton de Vaud vom 8. Juli 1996, in: CdB 2/97, S. 46 ff.; gl.M. Weber, BSK, N 8 zu Art. 257e OR). Bei nicht von der Missbrauchsgesetzgebung erfassten Fällen der Wohnungsmiete (luxuriöse Wohnungen und Einfamilienhäuser etc. gemäss Art. 253b OR) können Kauti­ onen nachträglich nur mit einer Parteivereinbarung eingeführt oder geändert werden (Higi, ZK, N 18 zu Art. 257e OR).

8

Die Parteivereinbarung gibt auch Auskunft darüber, welche Ansprüche des Vermieters aus dem Mietverhältnis gesichert werden sollen, ob schlechthin alle oder beispielsweise nur die Zinsforderungen. Die üblichen Kurzbezeich­ nungen wie «Depot», «Kaution», «Sicherheit» u.a. sind in der Regel dahin­ gehend auszulegen, dass alle Vermieterforderungen aus dem Mietverhältnis durch die Sicherheit gedeckt sind (so auch Higi, ZK, N 7 zu Art. 257e OR; Weber, BSK, N 1 zu Art. 257e OR). Das Bundesgericht scheint ohne Weiteres anzunehmen, dass eine Kaution auch die Forderungen des Vermieters für die widerrechtliche Benutzung des Mietobjektes nach Auflösung des Mietvertra­ ges deckt (BGE 129 III 360, E. 2, S. 362; kritisch: dazu DB No 15/2003, Nr. 5).

9

Die Vereinbarung einer Sicherheitsleistung begründet eine vertragliche Nebenpflicht des Mieters, die auch durchsetzbar ist (dazu N 20). Die Ansprü­ che des Vermieters (Eigentümers) auf die geleistete Sicherheit gehen bei Ver­ äusserung der Mietsache als vertragliches Nebenrecht auf den Erwerber über (Higi, ZK, N 9 zu Art. 257e OR).

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2.2

Sicherheitsleistung in Geld oder Wertpapieren

Abs. 1 behandelt die Sicherheiten des Mieters, die in Form von Geld (Landes­ 10 münze, Art.  84 OR) oder Wertpapieren geleistet werden. Sicherheitsleistun­ gen in anderer Form wie Versicherungen, Schuldbeitritt, Sicherungsabtretung, Bankgarantien und sonstige Bürgschaften – denkbar wäre aber auch die Bestel­ lung eines Fahrnispfandrechts an Wertgegenständen (nicht Wertpapieren) des Mieters – werden von Art. 257e OR nicht umfasst; vorbehalten bleiben allen­ falls kantonalrechtliche Regelungen.

2.3

Hinterlegung bei einer Bank auf den Namen des Mieters

2.3.1

Im Allgemeinen

In der Praxis erfolgt die Hinterlegung so, dass der Mieter das Sparkonto oder 11 das Wertschriftendepot bei einer Bank einrichtet und dem Vermieter die Aus­ weise hierüber und über die Sperrung des Guthabens sicherheitshalber aus­ händigt. Alternativ übergibt der Mieter die Sicherheitsleistung dem Vermie­ ter, der sie anschliessend auf den Namen des Mieters bei einer Bank hinterlegt (MfdP/Wyttenbach, N  15.2.7). Bei den meisten Banken bestehen entspre­ chende Formulare, die von den Vertragsparteien zu unterzeichnen sind, damit das Geschäft dem Bankinstitut gegenüber nach den bankmässigen Gepflogen­ heiten abgesichert ist. Die Wahl der Bank, bei der das Konto oder das Depot eingerichtet werden soll, 12 steht nicht im Belieben des Mieters. Abs. 1 spricht von der Pflicht des Vermie­ ters, die Sicherheit bei einer Bank zu hinterlegen, woraus sich ergibt, dass er das Recht hat, das Bankinstitut auszuwählen (gl.M. Higi, ZK, N 26 zu Art. 257e OR; Weber, BSK, N 5 zu Art. 257e OR; MfdP/Wyttenbach, N 15.2.7, allerdings unter Vorbehalt kantonaler Vorschriften gestützt auf Art. 257e Abs. 4 OR). Vermieter, namentlich solche, die eine grosse Anzahl von Objekten besitzen und vermie­ ten, haben ein beachtenswertes Interesse daran, die Hinterlegung der Sicher­ heitsleistungen ihrer Mieter bei einer einzigen Bank vorzunehmen, um sich die Administration zu vereinfachen. Art und Sitz der Bank werden durch das Gesetz nicht vorgeschrieben. Zur Ent­ 13 gegennahme von Sicherheitshinterlegungen aus dem Mietrecht sind somit alle Kreditinstitute zugelassen, die dem Bankengesetz unterstehen (vgl. AB SR 1989, S. 424).

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Die Hinterlegung auf der Bank hat grundsätzlich unverzüglich, d.h. innert weniger Arbeitstage nach der Leistung durch den Mieter, zu erfolgen (MfdP/ Wyttenbach, N 15.2.8; Higi, ZK, N 28 zu Art. 257 OR). Der Anspruch des Mie­ ters auf gesetzeskonforme Hinterlegung seiner Sicherheitsleistung und die Nebenpflicht des Vermieters auf Bekanntgabe der Hinterlage können gerichtlich durchgesetzt werden (nach den Regeln des Rechtsschutzes in klaren Fäl­ len von Art. 257 ZPO im summarischen Verfahren oder im ordentlichen Ver­ fahren; vgl. Giger, BK, N  41 zu Art.  257e OR; Higi, ZK, N  30 zu Art.  257e OR). Bei nicht gesetzeskonformer Hinterlegung bleibt eine geleistete Sicher­ heitsleistung nicht im Vermögen des Mieters und fällt im Konkurs des Ver­ mieters in dessen Konkursmasse. Gegenüber dem Erwerber der Liegenschaft kann der Mieter jedoch nicht mit Mietzinsen verrechnen, da dieser nicht für den Anspruch auf Hinterlegung der Kaution haftet. D.h., die Verpflichtung zur Rückzahlung einer nicht gesetzeskonform hinterlegten Kaution geht nach Art. 261 OR nicht ohne Weiteres auf den Erwerber über (BGE 127 III 273, E. 4c und 4d, in: MRA 2/02, S. 83 ff.; Entscheid des Appellationsgerichts des Kan­ tons Basel-Stadt vom 6. Februar 1998, in: MRA 4/98, S. 135 ff.; anders hatte zuvor das Mietgericht Zürich entschieden, vgl. MRA 4/00, S. 354 ff.; kritisch: ferner Weber, BSK, N 6b zu Art. 257e OR, mit weiteren Hinweisen). Ein Ver­ mieter, der seiner Pflicht, die erhaltene Sicherheitsleistung bankmässig zu hin­ terlegen, nicht nachkommt, wird bedenken müssen, dass es sich beim Geld oder bei den Wertpapieren um eine ihm anvertraute fremde Sache handelt, was ihn unter Umständen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzt (Art. 138 StGB; BGE 101 IV 213). Schliesslich wird man diesfalls dem Mieter – nicht aber dem Vermieter (Art. 125 Ziff. 1 OR; vgl. auch Entscheid des Bezirksge­ richts Kreuzlingen vom 31. Januar 1995, in: mp 3/97, S. 150 ff. und ZMP 2/97, Nr. 19, S. 12 ff.; ferner Entscheid der Chambre d’appel en matière de Baux et Loyers du Canton de Genève vom 10. April 2000, in: MRA 1/01, S. 9 ff.) – das Recht der Verrechnung zubilligen, das bei gehörig hinterlegtem Depot ausge­ schlossen ist (N 16). Allerdings kann ein dem Vermieter unter der Bezeichnung Mietzinsgarantie überwiesener Betrag nicht als im Voraus bezahlter Mietzins betrachtet werden, selbst wenn der Vermieter entgegen Art. 257e Abs. 1 OR die Kaution nicht gesetzeskonform hinterlegt hat. Die Überweisung gilt nicht als Tilgung der Mietzinsschuld, und der Vermieter kann den Mietvertrag gestützt auf Art. 257d Abs. 2 OR auflösen, wenn der Mieter die Mietzinsen zurückhält (Urteil des Bundesgerichts 4C.67/2002 vom 30. Mai 2002, in: DB No 16/2004, Nr. 5; Urteil des Bundesgerichts 4C.94/2004 vom 18. Mai 2004).

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2.3.2

Rechtsnatur der Sicherheitsleistung

Dadurch, dass das Gesetz die Hinterlegung der Sicherheit bei der Bank auf 15 den Namen des Mieters zwingend verlangt, wird die Sicherheitsleistung von Gesetzes wegen als Hinterlegung sicherheitshalber ausgestaltet (Higi, ZK, N 25 zu Art. 257e OR; ausführlich Oftinger/Bär, ZK, N 202–233 zu systemati­ scher Teil vor Art. 884 ZGB). Das Recht, das mittels Hinterlegung zugunsten des Gläubigers (Vermieters) am Sparguthaben oder den deponierten Wertpa­ pieren begründet wird, ist als gesetzliches Pfandrecht aufzufassen (Oftinger/ Bär, ZK, N 215 zu systematischer Teil vor Art. 884 ZGB). Steht dem Gläubi­ ger (Vermieter) ein Pfandrecht zu, so geniesst er die daherrührende Privilegie­ rung in der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner (Mieter): Gleich wie die Hinterlage der Wechselforderung gemäss Art. 282 SchKG fällt die Sicherheitsleistung des Mieters nicht in seine Konkursmasse (Oftinger/Bär, ZK, N 220 zu systematischer Teil vor Art. 884 ZGB; BGE 61 III 74, E. 1; Higi, ZK, N 24 zu Art. 257e OR; a.M. MfdP/Wyttenbach, N 15.2.12.2). Eine separate Pfandabrede ist nicht erforderlich, aber u.U. empfehlenswert. Umgekehrt kann sich der Mie­ ter gegen eine ordentliche Betreibung mit der Einrede des «beneficium excussionis realis» (Einrede der Vorausverwertung des Pfandes) wehren (BGE 129 III 360, E. 2).

2.3.3

Kein Verrechnungsrecht des Mieters

Die bei der Bank sicherheitshalber hinterlegten Wertschriften und Spargutha­ 16 ben gehören dem Mieter. Sie gehen nicht ins Eigentum des Vermieters über. Als Konsequenz ergibt sich, dass der Mieter nicht unter Hinweis auf die Sicher­ heitsleistung verrechnen kann, da er somit über keine Forderung gegenüber dem Vermieter verfügt und eine Verrechnung mit eigenen Guthaben rechts­ technisch ausgeschlossen ist. Dem Mieter ist es damit verwehrt, sich beispiels­ weise der Zahlung des Mietzinses für die letzten Monate dadurch zu entziehen, dass er den Vermieter auf das bei der Bank liegende Guthaben verweist. Der Vermieter kann das Inkasso der Mietzinse betreiben, wie wenn keine Sicherheit geleistet wäre (Entscheid des Tribunal cantonal de Neuchâtel vom 5. April 1994, in: CdB 3/95, S. 92). Ein Verrechnungsrecht des Mieters besteht dagegen, falls die Sicherheitsleistung nicht hinterlegt wurde (Urteil des OGer Kanton Aargau vom 14. November 1991, in: SJZ 90, S. 332; Blumer, Gebrauchsüberlassungs­ verträge, Rz. 774, S. 229; N 14).

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3.

Höhe der Sicherheit sowie Durchsetzung der Sicherheitsleistung

17

Die Höhe der Sicherheit bei der Miete von Wohnräumen (inkl. Luxuswoh­ nungen, vorne N 6) wird zwingend auf höchstens drei Monatszinse begrenzt (Art. 257e Abs. 2 OR). Bei der Miete von Geschäftsräumen sind Sicherheits­ leistungen in beliebiger Höhe zulässig (Botsch. 1985, S. 1484; gl.M. Higi, ZK, N 19 zu Art. 257e OR; a.M. MfdP/Wyttenbach, N 15.2.4.2, der nur Sicherhei­ ten zulassen will, die in einem vernünftigen Verhältnis zu den Risiken des Ver­ mieters stehen). Unter Monatsmietzins sind auch die mit dem Mietzins zu ent­ richtenden Nebenkosten (Pauschalen oder Akonti) zu verstehen. Higi weist zu Recht darauf hin, dass die Nebenkosten grundsätzlich durch den Mietzins abge­ golten werden und damit Mietzinsbestandteil sind (Higi, ZK, N 20 zu Art. 257e OR). Die vom Gesetz bei separater Abrechnung von Nebenkosten verlangte Ausscheidung ändert am Mietzinscharakter nichts. Solange der Wohnungs­ mieter die Wohnung benützt, belastet er auch die Nebenkostenabrechnung. Deshalb ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Nebenkostenpauschalen oder -akonti, die periodisch mit dem Mietzins zu leisten sind, bei der Bemessung der maximal zulässigen Sicherheitsleistungen des Wohnungsmieters nicht zu berücksichtigen sind (so auch MfdP/Wyttenbach, N 15.2.4.1; Weber, BSK, N 7 zu Art. 257e OR). Eine vertragliche Vereinbarung bei Abschluss des Mietver­ trages, wonach die Sicherheit gemäss den späteren Mietzinserhöhungen ent­ sprechend anzupassen ist, ist zulässig (Giger, BK, N 27 zu Art. 257e OR, mit weiteren Hinweisen; Lachat, CR, N 5 zu Art. 257e OR; a.M. Weber, BSK, N 8 zu Art. 257e OR). Nachträgliche Erhöhungen sind gemäss Art. 269d Abs. 3 OR mit Formular mitzuteilen (N 7). Wie der Vermieter bei Mietzinserhöhungen die Kaution den aktuellen Zinsen anpassen kann, steht dem Mieter im Falle einer Herabsetzung des Mietzinses eine Reduktion im Verfahren nach Art. 270 OR und 270a OR zu (Higi, ZK, N 34 zu Art. 257e OR). Ficht der Mieter den Anfangsmietzins erfolgreich an, hat der Vermieter dem Mieter die Kaution in dem Umfang zurückzuerstatten, in dem sie drei Monatsmietzinse übersteigt (Urteil des Bundesgerichts 4A_129/2008 vom 10. Juni 2008).

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Die Kaution ist zu verzinsen, wobei die Pflicht nunmehr die betreffende Bank trifft. Die Zinsen fallen als Früchte der Sicherheitsleistung ins Vermögen des Mieters, erweitern aber die Sicherheitsleistung (Higi, ZK, N 31 zu Art. 257e OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 9 zu Art. 257e OR; a.M. Weber, BSK, N 8 zu Art. 257e OR). Dies entspricht der Praxis zum vor dem 1. Juli 1990 geltenden Recht und dem gesetzlich eingeführten, neuen Mechanismus. Da die Kaution dem Mieter gehört, sind die Zinsen von ihm als Einkommen zu versteuern, 202

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und er ist berechtigt, die Verrechnungssteuer zurückzufordern. Es bleibt den Parteien unbenommen, mit vertraglicher Regelung die Bank zu ermächtigen, die Zinsen jährlich auszuzahlen. Im Falle der Verpfändung von Wertpapieren gilt die Regelung des ZGB (Art. 892 bzw. 899 ff. ZGB; dazu Higi, ZK, N 32 zu Art. 257e OR). Die Begrenzung gemäss Abs. 2 bezieht sich wie erwähnt nur auf Sicherheiten, 19 die i.S.v. Abs. 1 in Geld oder Wertpapieren zu leisten sind (vgl. vorne N 4 und 10; gl.M. Higi, ZK, N 22 zu Art. 257e OR; Weber, BSK, N 2 zu Art. 257e OR; a.M. Stoll, Sicherheitsleistungen S. 68; vorbehalten bleiben anderweitige kan­ tonale Bestimmungen gestützt auf Art. 257e Abs. 4 OR). Bleibt die Sicherheitsleistung nach Übergabe der Mietsache aus, kann der Ver­ 20 mieter die Betreibung auf Zahlung oder auf Sicherheitsleistung nach Art. 38 SchKG einleiten (dazu Higi, ZK, N 9 zu Art. 257e OR). Der Vermieter kann fer­ ner einen auf unbestimmte Zeit geschlossenen Vertrag ordentlich kündigen. Die Zulässigkeit einer ausserordentlichen Kündigung wird in Literatur und Rechtsprechung höchst unterschiedlich beantwortet. Ein Teil der Lehre befür­ wortet in diesem Fall die Möglichkeit der Kündigung aus wichtigem Grund (Higi, ZK, N 13 zu Art. 257e OR, mit Bezug auf befristete Mietverträge; Giger, BK, N 31 zu Art. 257e OR), ein Teil will dem Mieter das Recht der vorzeiti­ gen Kündigung in analoger Anwendung von Art. 257f Abs. 3 OR einräumen (Lachat, CR, N 8 zu Art. 257e OR und N 4 zu Art. 257f OR; MfdP/Wyttenbach, N 15.2.6; ablehnend: KGer Basel-Landschaft, Entscheid 400 17 86 vom 27. Juni 2017). Teilweise wird die Auffassung vertreten, dem Vermieter sei die ausser­ ordentliche Kündigung verwehrt, sodass er bei einem befristeten Mietvertrag grundsätzlich auf den Erfüllungsanspruch beschränkt sei (vgl. Maag, ausser­ ordentliche Kündigung, S.  134  f.; vgl. auch N  21 zu Art.  257e OR der Vor­ auflage). Einig ist sich die h.L. einzig darüber, dass eine Kündigung gestützt auf Art.  257d OR (N  16 zu Art.  257d OR) nicht zulässig ist. Nach hier ver­ tretener Auffassung ist eine Kündigung aus wichtigem Grund (Art. 266g OR) grundsätzlich zulässig. Entscheidend ist, ob die Nichtleistung der Sicherheits­ leistung die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter unzumutbar macht, was im konkreten Einzelfall zu beurteilen ist. Bei einem unbefristeten Mietvertrag mit kurzen Kündigungsfristen dürfte es an einer Unzumutbar­ keit für den Vermieter zur Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum nächs­ ten Kündigungstermin regelmässig fehlen. Bei einem auf längere Dauer befris­ teten Mietvertrag hingegen dürfte die Fortsetzung spätestens dann nicht mehr zumutbar sein, wenn der Vermieter die Sicherheitsleistung auch nicht umge­ hend über den Rechtsweg erhältlich machen konnte, z.B. weil der Mieter bei

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einer Betreibung auf Sicherheitsleistung Rechtsvorschlag erhob (vgl. auch N 33 zu Art. 266g OR; ähnlich Higi, ZK, N 51 zu Art. 266g OR; ferner Entscheid des OGer Kanton Thurgau vom 7. Mai 2001, in: RB OG 2001, N 12, das die Möglichkeit der Kündigung nach Art. 266g OR im Grundsatz zwar bejahte, im konkret zu beurteilenden Fall aber keine derart schwerwiegende Pflichtverlet­ zung feststellen konnte, welche die ausserordentliche Kündigung gerechtfer­ tigt hätte). 21

Vor Übergabe der Mietsache kann der Vermieter nach den allgemeinen Ver­ zugsregeln von Art. 107/109 OR vorgehen (Rücktritt etc.), unter Umständen auch die Übergabe der Mietsache gestützt auf Art. 82 OR verweigern (dazu Higi, ZK, N 14 zu Art. 257e OR; Giger, BK, N 34 f. zu Art. 257e OR).

22

Verzichtet der Vermieter auf Durchsetzung des Anspruches auf Sicherheitsleis­ tung, kann er sich im Falle des Zahlungsverzugs bei der Geschäftsmiete selbst­ verständlich immer noch auf das Retentionsrecht berufen (Entscheid des Tri­ bunal Cantonal du Canton de Neuchâtel vom 12.  Juni 1995, in: MRA 1/98, S. 24 ff.).

4.

Herausgabe der Sicherheit

23

Für die Herausgabe der Sicherheit gibt das Gesetz richtigerweise der Partei­ vereinbarung den Vorrang, indem es bestimmt, dass die Bank die Sicherheit nur mit Zustimmung beider Parteien herausgeben darf. Das Gesetz legt aber auch fest, was anstelle einer fehlenden Einigung der Parteien treten kann: ein rechtskräftiger Zahlungsbefehl, ein rechtskräftiges Urteil oder die qualifizierte Untätigkeit des Vermieters.

24

Unter einem rechtskräftigen Zahlungsbefehl ist ein Zahlungsbefehl zu ver­ stehen, gegen den kein Rechtsvorschlag erhoben, bei dem ein dagegen erho­ bener Rechtsvorschlag endgültig beseitigt wurde (vgl. Art. 79–84 SchKG), der noch gültig ist (Art. 88 Abs. 2 SchKG) und gegen den keine Einstellung verfügt wurde (Art. 85/85a SchKG). Der Vermieter muss grundsätzlich auf Pfandverwertung i.S.v. Art. 37 SchKG betreiben (BGE 129 III 360, E. 2; Beschluss des Bezirksgerichts Meilen vom 27. März 2007, in: MRA 3/07, S. 106 ff.). Aus dem Zahlungsbefehl muss ferner der mietrechtliche Charakter der Forderung her­ vorgehen (Hulliger/Heinrich, CHK, N 11 zu Art. 257e OR).

25

Mit Rechtskraft des Urteils ist die formelle Rechtskraft gemeint. Diese tritt ein, wenn ein Entscheid nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefoch­ ten werden kann (Higi, ZK, N 39 zu Art. 257e OR). Einem Urteil gleichgestellt 204

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sind sämtliche Entscheide, die ein Verfahren materiell erledigen (Klagerück­ zug, Klageanerkennung, Vergleich; vgl. Art. 241 Abs. 2 ZPO). Zahlungsbefehl oder Urteil müssen sich auf eine Forderung des Vermie- 26 ters gegen den Mieter aus dem Mietverhältnis beziehen. Geht der Vermie­ ter gerichtlich gegen den Mieter vor, sollte er sein Recht, im Umfange der ihm zustehenden Forderung die Sicherheitsleistung zu beanspruchen, zum Gegen­ stand eines ausdrücklichen Begehrens machen, z.B.: «Der Beklagte sei zu ver­ pflichten, dem Kläger 5000 CHF nebst Zins zu bezahlen. Gleichzeitig sei die Depotbank anzuweisen (bzw. zu ermächtigen), den Saldo des Mieterdepots des Beklagten auf Anrechnung an den eingeklagten Betrag nach Eintritt der Rechts­ kraft dem Kläger auszubezahlen (evtl. einen bestimmten Betrag dem Vermie­ ter, den restlichen Saldo dem Mieter auszubezahlen).» Das Gesetz verlangt aber nicht, dass das Urteil eine gerichtliche Anweisung bzw. Ermächtigung der Bank zu enthalten hat, den Saldo ganz oder teilweise dem Vermieter auszubezahlen. Vielmehr genügt es, dass aus dem rechtskräftigen Urteil hervorgeht, dass dem Vermieter aus dem Mietverhältnis noch eine Forderung gegenüber dem Mieter zusteht (gl.M. Hulliger/Heinrich, CHK, N 11 zu Art. 257e OR; a.M. Higi, N 39 zu Art. 257e OR, der verlangt, dass der Entscheid die Verwendung der Sicher­ heitsleistung direkt oder sinngemäss materiell regelt). So kann der Vermieter beispielsweise gestützt auf eine ihm in einem mietrechtlichen Verfahren mit Urteil zugesprochene Parteientschädigung von der Depotbank die Herausgabe der Sicherheit verlangen, ohne dass diese Herausgabe im Urteil ausdrücklich angeordnet zu sein hat. Wird der Vermieter für seine rechtskräftig festgestellte oder anerkannte For­ 27 derung nicht anderweitig befriedigt, so hat er Anspruch auf Deckung aus der hinterlegten Sicherheit. Die Verwertung erfolgt grundsätzlich nach den für das Pfandrecht massgeblichen Regeln (Oftinger/Bär, ZK, N 228 zu systematischer Teil vor Art. 884 ZGB sowie Ausführungen zu Art. 891 ZGB). Ist Geld hinter­ legt, so wird, ähnlich dem Vorgehen beim irregulären Pfandrecht, dem Ver­ mieter durch die Bank so viel überwiesen, als er kraft seiner Forderung bean­ spruchen kann. Im Übrigen wird sich dieser Teil der Herausgabemodalitäten in der Regel aus den Hinterlegungsvereinbarungen mit der Bank ergeben. Verweigert oder verzögert der Vermieter nach Beendigung des Mietverhält­ 28 nisses seine Mitwirkung zur Liquidierung der Sicherheitsleistung, so kann der Mieter die zuständige Behörde (Schlichtungsbehörde) anrufen mit dem Begehren um Freigabe der Sicherheit. Mehrere Mieter müssen die Klage auf Rückzahlung des Depots gemeinsam einreichen. Andernfalls riskieren sie die Abweisung der Klage wegen fehlender Aktivlegitimation (ZMP 1/06, Nr.  4, Daniel Reudt

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Art. 257e

S. 16 ff.). Der Mieter kann aber auch den Ablauf der Jahresfrist gemäss Abs. 3 abwarten (vgl. MfdP/Wyttenbach, N 15.2.13.2.2). Hat der Vermieter nämlich innert dieser Frist, die ab Beendigung des Mietverhältnisses läuft, weder gegen den Mieter Klage erhoben noch einen Zahlungsbefehl erwirkt, so muss die Bank dem Mieter die Sicherheit ohne weitere Formalität und allenfalls auch gegen den Willen des Vermieters herausgeben (zur Fristberechnung vgl. Higi, ZK, N 47 zu Art. 257e OR). Selbstverständlich wird dies die Bank nicht ohne Rückfrage beim Vermieter tun und im Zweifelsfalle die ansprechende Partei doch auf den Rechtsweg verweisen (zur Sorgfaltspflicht der Bank vgl. Higi, ZK, N 50 f. zu Art. 257e OR). 29

Reist der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses ins Ausland ab, ohne sich ordnungsgemäss abzumelden, so hat der Vermieter innert Jahresfrist nach Beendigung des Mietverhältnisses das Gericht anzurufen, um ein vollstreckba­ res Urteil zu erhalten. Auf das vorgängige Schlichtungsverfahren kann in die­ sem Fall verzichtet werden (Art.  199 Abs.  2 Buchst.  a und b ZPO). Alterna­ tiv besteht die Möglichkeit, am Ort, wo die Mietkaution hinterlegt wurde, d.h. am Sitz der Bank, Betreibung auf Pfandverwertung einzuleiten (Art. 51 Abs. 1 SchKG). Sollte der neue Wohnort des Mieters unbekannt oder die Zustellung ins Ausland nicht innert angemessener Frist möglich sein, erfolgt die Zustel­ lung des Zahlungsbefehls durch öffentliche Bekanntmachung. Erhebt der Mie­ ter nicht innert 10 Tagen seit Zustellung bzw. Publikation Rechtsvorschlag, so kann der Vermieter gestützt auf den rechtskräftigen Zahlungsbefehl die Miet­ kaution im betriebenen Betrag herausverlangen. Der Vermieter tut gut daran, die Bank über seine Schritte beweiskräftig (schriftlich) zu orientieren.

30

Ist die Sicherheit von einem Dritten geleistet worden, so dürfen Vermieter und Mieter ohne dessen Zustimmung nicht über die Kaution verfügen (dazu Urteil des Bundesgerichts 4C.154/2003 vom 6. Oktober 2003, in: MRA 1/04, S. 21 ff.).

5. 31

Konkurs des Vermieters und Übertragung des Mietverhältnisses

Fällt der Vermieter in Konkurs, so steht zunächst der Konkursverwaltung das Recht auf Sicherheitsleistung zu. Das Substrat selber steht im Vermögen des Mieters (Higi, ZK, N  24 zu Art.  257e OR). Im Rahmen der Zwangsvollstre­ ckung gehen die Rechte nach Massgabe von Art.  261 OR auf den Erwerber über (Higi, ZK, N 22 zu Art. 261–261a OR). Eine nicht ordnungsgemäss oder

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Art. 257e

gar nicht hinterlegte Kaution fällt jedoch in die Konkursmasse des Vermieters (N 14). Mit Übertragung des Mietverhältnisses an einen Dritten wird auch die Kau- 32 tion übernommen. Der ausscheidende Mieter ist verpflichtet, die Zustim­ mung zu erteilen. Nicht übertragen werden können Bankgarantien, da diese mit der Person des Mieters verbunden sind (Higi, ZK, N 48 zu Art. 263 OR).

6.

Vorbehalt ergänzender Bestimmungen durch die Kantone

Der Vorbehalt von Abs. 4 ermöglicht den Kantonen ergänzende Bestimmun- 33 gen zu den Abs. 1–3 zu erlassen. Die Kantone können beispielsweise gewisse Übertretungen im Zusammenhang mit Sicherheitsleistungen unter Strafe stel­ len (BGE 101 IV 213) oder auch Vorschriften erlassen über andere Formen von Sicherheitsleistungen wie Bürgschaften und ähnliche Garantien (Zihl­ mann, Mietrecht, S. 64; MfdP/Wyttenbach, N 15.2.16; Marchand, CPra, N 5 zu Art. 257e OR). Folgende Kantone haben ergänzende Bestimmungen aufgrund von Art. 257e Abs. 4 OR zu den von Mietern zu leistenden Sicherheiten erlassen: Uri: Reglement zum Miet- und Pachtrecht im Obligationenrecht vom 25. Juni 1990, Urner Rechtsbuch 9.4222, Art. 2 Freiburg: Ausführungsgesetz über den Mietvertrag und den nichtlandwirt­ schaftlichen Pachtvertrag (MPVG) vom 9. Mai 1996, SGF 222.3.1, Art. 26 Tessin: Legge di applicazione delle norme federali in materia di locazione di locali d’abitazione e commerciali e di affitto del 24 giugno 2010, RL 3.3.2.1.4, Art. 6 ss Waadt: Loi sur les garanties en matière de baux à loyer du 15 septembre 1971, RS 221.307 Wallis: Einführungsgesetz zum ZGB vom 24.  März 1998 (SGS/VS 211.1), Art. 191 Genf: Loi protégeant les garanties fournies par les locataires du 18 avril 1975, RSG I 4 10 et Règlement d’exécution de la loi protégeant les garanties fournies par les locataires du 15 octobre 1986, RSG I 4 10.01

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207

34

Art. 257e 35

Ergänzende Bestimmungen zur Sicherheitsleistung sind für die Kantone Genf, Waadt, Freiburg, Neuenburg, Jura und die französischsprachigen Gebiete des Wallis in einem Rahmenmietvertrag («contrat cadre romand de baux à loyer du 12 décembre 2007») enthalten.

36

Für Einzelheiten wird auf den Aufsatz von Stoll, Sicherheitsleistungen, S. 72 ff., verwiesen.

208

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Art. 257f III. Sorgfalt und Rücksichtnahme 1 Der

Mieter muss die Sache sorgfältig gebrauchen.

2 Der

Mieter einer unbeweglichen Sache muss auf Hausbewohner und Nachbarn Rücksicht nehmen. 3 Verletzt

der Mieter trotz schriftlicher Mahnung des Vermieters seine Pflicht zu Sorgfalt oder Rücksichtnahme weiter, so dass dem Vermieter oder den Hausbewohnern die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist, so kann der Vermieter fristlos, bei Wohn- und Geschäftsräumen mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines Monats kündigen. 4 Der

Vermieter von Wohn- oder Geschäftsräumen kann jedoch fristlos kündigen, wenn der Mieter vorsätzlich der Sache schweren Schaden zufügt.

III. Diligence et égards envers les voisins 1 Le

locataire est tenu d’user de la chose avec le soin nécessaire.

2 S’il

s’agit d’un immeuble, il est tenu d’avoir pour les personnes habitant la maison et les voisins les égards qui leur sont dus. 3 Lorsque

le maintien du bail est devenu insupportable pour le bailleur ou les personnes habitant la maison parce que le locataire, nonobstant une protestation écrite du bailleur, persiste à enfreindre son devoir de diligence ou à manquer d’égards envers les voisins, le bailleur peut résilier le contrat avec effet immédiat; les baux d’habitations et de locaux commerciaux peuvent être résiliés moyennant un délai de congé minimum de 30 jours pour la fin d’un mois. 4 Les

baux d’habitations et de locaux commerciaux peuvent toutefois être résiliés avec effet immédiat, si le locataire cause volontairement un préjudice grave à la chose.

III. Diligenza e riguardo per i vicini 1 Il

conduttore è tenuto alla diligenza nell’uso della cosa locata.

2 Il

conduttore di un immobile deve usare riguardo verso gli abitanti della casa e verso i vicini. 3 Qualora la continuazione del rapporto di locazione non possa più essere ragionevol­ mente imposta al locatore o agli abitanti della casa perché, nonostante diffida scritta del locatore, il conduttore persiste nel violare l’obbligo di diligenza o di riguardo per i vicini,

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Art. 257f il locatore può recedere dal contratto senza preavviso; nel caso di locazione di locali ­ ’­abitazione o commerciali, con preavviso di 30 giorni almeno per la fine di un mese. d 4 Il

locatore di locali d’abitazione o commerciali può però recedere dal contratto senza preavviso se il conduttore deteriora intenzionalmente e gravemente la cosa.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

211 211 211

2.

Allgemeine Bedeutung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

212

3. Vertragsmässiger Gebrauch der Mietsache .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Gebrauchspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

214 214 215

4. Sorgfaltspflicht des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.1 Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.2 Pflicht zur Rücksichtnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

217 217 219

5.

Folgen der Verletzung der Mieterpflichten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

220

6. Kündigung nach Abs. 3 und 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6.1 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6.2 Frist, Termin, Form und Adressat der Kündigung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6.3 Wirkungen der ausserordentlichen Kündigung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

222 222 227 229

7.

Verantwortlichkeit des Mieters für Dritte und Tiere .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

231

8. Kasuistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

232

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Art. 257f

1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter

Die Bestimmung ist insoweit zwingender Natur, als sie einen Mindestschutz 1 der Parteien beinhaltet (gl.M. Roncoroni, zwingende Bestimmungen II, S. 74; ausführlich Giger, BK, N 12 ff. zu Art. 257f OR). Nur relativ zwingend sind die Fristvorschriften der Abs. 3 und 4. Es handelt sich um Minimalfristen, welche der Vermieter auch verlängern darf (Higi, ZK, N 8 zu Art. 257f OR). Unzulässig sind Vereinbarungen, welche die Voraussetzungen für die ausseror­ 2 dentliche Kündigung ausser Kraft setzen oder abschwächen. Zulässig ist dagegen, eine bestimmte Verhaltensweise des Mieters (Ruhe, keine Haustiere etc.) zum ausdrücklichen Gegenstand seiner Sorgfaltspflicht zu machen und für den Fall der Missachtung die ausserordentliche Kündigung vorzusehen (Higi, ZK, N  8 zu Art.  257f OR; Wessner, CPra, N  4 und 19 zu Art. 257f OR; vgl. auch MfdP/Spirig, N 27.3.2; BGE 132 III 109, E. 5; vgl. dazu ausführlich N 8).

3

Das revidierte Recht ist auf alle Mietverhältnisse anzuwenden, auch auf dieje­ 4 nigen, die vor dem Inkrafttreten desselben (1. Juli 1990) abgeschlossen wurden.

1.2 Anwendungsbereich Abs.  1 und 3 dieser Norm sind auf alle Mietverhältnisse anzuwenden, unge­ 5 achtet des Mietgegenstandes. Abs. 3 verlangt jedoch bei der Miete von Wohnund Geschäftsräumen (Art. 253a OR) eine Kündigungsfrist von 30 Tagen auf Ende eines Monats, während bei anderen Mietsachen (übrige Immobilien und Fahrnis) eine fristlose Kündigung möglich ist. Abs.  4 gewährt dem Vermie­ ter von Wohn- oder Geschäftsräumen die Möglichkeit einer fristlosen Kündi­ gung ohne Mahnung und ohne Nachweis der Unzumutbarkeit dann, wenn der Mieter der Sache vorsätzlich schweren Schaden zufügt. Die Pflicht zur Rück­ sichtnahme gemäss Abs. 2 ist auf die Miete unbeweglicher Sachen beschränkt, womit auch Mietobjekte ausserhalb der Definition von Art. 253a OR, z.B. Feri­ enwohnungen, erfasst sind.

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Art. 257f

2.

Allgemeine Bedeutung

6

Das Gesetz spricht nur von der Pflicht des Mieters zum sorgfältigen Gebrauch der Sache und zur Rücksichtnahme. Der Mieter ist aber v.a. auch gehalten, die Mietsache vertragsmässig zu gebrauchen, d.h. alle Vereinbarungen zu beach­ ten, die den Gebrauch der Sache in qualitativer und quantitativer Hinsicht bestimmen. Nicht nur fehlende Sorgfalt oder Rücksichtnahme, sondern auch der sonstige vertragswidrige Gebrauch der Mietsache durch den Mieter kön­ nen somit zu den Sanktionen gemäss Art. 257f OR Anlass geben (MfdP/Spirig, N 27.3.4; Higi, ZK, N 9 zu Art. 257f OR; vgl. auch N 8).

7

Die Begriffe des sorgfältigen Gebrauchs im engeren Sinne und des vertrags­ mässigen Gebrauchs decken sich nicht, sondern bestehen nebeneinander (Higi, ZK, N 9 zu Art. 257f OR; Giger, BK, N 51 ff. zu Art. 257f OR). Die Frage, welcher Gebrauch vereinbart und zulässig ist, bezieht sich auf den Verwendungszweck (Wohnen, Werkstattbetrieb, Büro, Mietwagen zum Fahren, Auto zu Ausstel­ lungszwecken usw.) oder auf den üblichen Gebrauch (dazu Higi, ZK, N 10 zu Art. 257f OR). Sorgfältig oder unsorgfältig bezeichnen dagegen die Art und Weise, wie diese Tätigkeiten vom Mieter ausgeübt werden. Trifft den Mieter beispielsweise eine Gebrauchspflicht (vgl. N 16 ff.), etwa die Pflicht zur Offen­ haltung und zum Betrieb der in den Mieträumlichkeiten befindlichen Gast­ wirtschaft, handelt er nicht vertragskonform, wenn er den Betrieb geschlossen hält. Dagegen verhält er sich vertragsmässig, aber unsorgfältig, wenn er den Betrieb zwar offenhält, das Geschäft jedoch so schlecht und nachlässig führt, dass das Restaurant heruntergewirtschaftet wird.

8

Ob jede Art des vertragswidrigen Gebrauchs und jede Vertragsverletzung schlechthin, soweit sie nicht durch eine Spezialnorm (z.B. Zahlungsverzug gemäss Art. 257d OR) geregelt ist, unter diese Bestimmung fällt, wird in Lehre und Rechtsprechung nicht einhellig beantwortet. Die Lehre befürwortet z.T. einen weiten Anwendungsbereich (Higi, ZK, N 9, N 29 und N 87 zu Art. 257f OR; MfdP/Spirig, N 27.1.8.5), z.T. einen etwas engeren (Blumer, Gebrauchsüberlas­ sungsverträge, Rz. 871, S. 263). Die Bundesgerichtspraxis war lange unbestän­ dig. Im Zusammenhang mit der Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrech­ tes wegen nicht bezahlter Rechnungen eines Untermieters für den Umbau im Mietobjekt entschied das Bundesgericht, dass diese Vertragsverletzung, für die der Mieter einzustehen hatte, nicht in den Anwendungsbereich von Art. 257f OR falle. Der Vermieter könne jedoch, da der Tatbestand des Schuldnerverzugs vorliege, nach den allgemeinen Verzugsregeln von Art.  102  ff. OR den Vertrag vorzeitig auflösen (BGE 123 III 124, in: MRA 3/97, S. 113 ff.). Die vom

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Art. 257f

Vermieter unter Berufung auf Art. 257f Abs. 3 OR ausgesprochene Kündigung wurde umgedeutet (sogenannte Konversion, vgl. dazu Maag Andreas, in: MRA 5/02, S. 202 ff.) und als Vertragsrücktritt gemäss Art. 107/109 OR geschützt, wobei im Dauerschuldverhältnis der Vertragsrücktritt durch die Kündigung ex nunc ersetzt wird (BGE 97 II 58, E.  7). Dieses Urteil stiess in der Lehre auf unterschiedliche Resonanz (zustimmend Wiegand, Rechtsprechung 1997, S. 708 ff.; ablehnend: MfdP/Spirig, N 27.1.8.5; Guhl et al., OR, Rz. 111, S. 429). In einem weiteren Entscheid wurde eine Kündigung des Vermieters geschützt, die aus wichtigen Gründen nach Art.  266g OR erklärt wurde, nachdem der Mieter eines Restaurants eine mit dem Mietvertrag verbundene Verpflichtung zum Bezug von Wein bei einer vom Vermieter beherrschten Firma verletzt hatte. Die Weinbezugsverpflichtung sei eine «mietzinsrelevante Nebenpflicht des Mietvertrages, welche für den Vermieter eine wesentliche Vertragsgrund­ lage bildete». Art.  257f OR betreffe aber nur die Verletzung der Pflicht zum sorgfältigen Gebrauch der Mietsache und der Rücksichtnahme auf Hausbe­ wohner und Nachbarn. Bei anderen Vertragsverletzungen durch den Mieter sei die Kündigungsmöglichkeit dagegen nach Art. 266g Abs. 1 OR zu beurtei­ len (Urteil des Bundesgerichts 4C.255/2004 vom 17. November 2004, E. 5.3, in: MRA 1/05, S. 43 ff. und DB No 18/2006, Nr. 4, S. 13 f.). Diese Praxisänderung, wonach Art. 266g OR die Bedeutung eines Auffangtatbestandes für ausseror­ dentliche Kündigungen aufgrund von Vertragsverletzungen der Mieter erhalte, welche nicht Gegenstand einer Spezialnorm sind, überzeugt nicht ganz (kritisch auch Rohrer Beat, in: MRA 1/05, S. 51 ff.). In einem späteren Entscheid machte das Bundesgericht eine Kehrtwende mit einer überraschenden Konsequenz: Verstösst der Mieter gegen eine vertragliche Nutzungsbestimmung – ein als Büro vermietetes Objekt wurde von Anfang an als Massagesalon genutzt –, so kann der Vermieter gestützt auf Art. 257f Abs. 3 OR kündigen, wobei er vom Nachweis eines konkret unzumutbaren Zustandes entbunden ist (BGE 132 III 109; vgl. dazu die Kritik von Higi Peter, in: AJP 7/06, S. 882 f.; ferner DB No 18/2006, Nr. 8, S. 20 ff.; ausführlich zum Thema Maag, ausserordentliche Kün­ digung, S. 127 ff. und Koller, Rechtsprechung 2006, S. 838 ff.). Der Entscheid wurde mit Urteilen des Bundesgerichts 4A_413/2009 vom 11. November 2009, 4A_38/2010 vom 1. April 2010 und 4A_344/2016 vom 21. Oktober 2016 im Grundsatz bestätigt. Die Kündigungen wurden aber in ersten beiden Fällen aufgehoben, da im ersten Entscheid von einem stillschweigenden Einverständ­ nis des Vermieters zur Nutzungsänderung ausgegangen wurde und im zweiten Entscheid die Verwendung eines Teils der Wohnung für Übersetzungsarbei­ ten als mit der Nutzung der Räumlichkeiten zu Wohnzwecken vereinbar beur­ teilt wurde. Im dritten Entscheid wurde die Kündigung aufgrund der vertrags­

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Art. 257f

widrigen Verwendung des Mietobjektes (Nutzung als erotischen Massagesalon statt Büro) geschützt, obwohl in der gleichen Liegenschaft angeblich noch wei­ tere Massagesalons betrieben worden sein sollen.

3.

Vertragsmässiger Gebrauch der Mietsache

3.1 Allgemein 9

Massgeblich ist vorab der Vertrag und der damit festgelegte oder nach Treu und Glauben sich aus den Umständen ergebende Verwendungszweck (vgl. auch Giger, BK, N 58 zu Art. 256 OR; Wessner, Sorgfaltspflichten I, S. 133) bzw. der übliche Gebrauch (Higi, ZK, N 10 ff. zu Art. 257f OR). Die primäre Zweckbe­ stimmung der Mietsache indiziert in starkem Masse den Verwendungszweck. So darf, mangels anderweitiger Festlegung der Parteien, eine Wohnung nicht als Gewerberaum, ein Büroraum nicht als Werkstatt, ein Lagerraum nicht als Fabrik verwendet werden (diese und weitere Beispiele bei Higi, ZK, N 11  ff. zu Art. 257f OR). Solche grundlegenden Änderungen des Verwendungszwe­ ckes dürften regelmässig vertragswidrig sein. Erst recht sind sie es, wenn ihnen öffentlich-rechtliche Bestimmungen entgegenstehen, insbesondere solche des öffentlichen Baurechts, die Zweckänderung somit widerrechtlich ist.

10

Aus dem Wesen der Miete ergibt sich sodann, dass der Mieter die Mietsache weder verändern noch verbrauchen darf (Giger, BK, N 46 zu Art. 257f OR). Bauliche Veränderungen sind selbst unzulässig, wenn sie einen Mehrwert schaffen (Urteil des Bundesgerichts 4A_277/2007 vom 26.  September 2007). Vorbehalten bleiben auch hier die Vereinbarungen der Parteien, v.a. hinsicht­ lich der Veränderungen der Mietsache durch den Mieter (vgl. Art. 260a OR und dortige Bemerkungen).

11

Abgesehen von der Abnützung oder Veränderung der Mietsache, die sich aus dem vertragsmässigen Gebrauch und der Altersentwertung ergibt, darf die Sache keine Wertverminderung erfahren (vgl. auch Hulliger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 257f OR).

12

Im Rahmen des Verwendungszweckes wird entscheidend auf die Intensität des Gebrauchs abzustellen sein. Die beiden Kriterien sind die Abnützungs- und die Einwirkungsintensität (dazu einlässlich Sprenger, Entstehung, S.  55 f.). Die Abnützungsintensität betrifft die Auswirkungen der Tätigkeit des Mieters auf die Mietsache selbst, die Einwirkungsintensität dagegen die Auswirkungen der Tätigkeit des Mieters auf die Mitmieter und Nachbarn.

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Die Parteien dürfen dabei von einer durchschnittlichen Abnützungs- und Ein­ 13 wirkungsintensität ausgehen, die sich aus den vertraglichen Bestimmungen, aus dem Verwendungszweck und aus der Beschaffenheit der Mietsache ergibt. Soweit keine vertraglichen Regelungen (Nutzungsbeschränkungen; vgl. BGE 14 132 III 109) bestehen, entscheidet sich nach den Kriterien der Abnützungs- und/ oder Einwirkungsintensität, wie weit die vorübergehende oder dauernde Bele­ gung einer Wohnung gehen darf (Besuche, Aufnahme von Familienmitglie­ dern, des Konkubinatspartners, einer ganzen zusätzlichen Familie; vgl. auch BGE 136 III 186, E. 3.1.2 und 3.2, in: MRA 5/10, S. 199 f.), ob der Mieter Tiere halten darf und welche Tiere zulässig sind (vgl. Giger, BK, N 45 zu Art. 257f OR; MfdP/Püntener, N 2.1.3.4.2; Higi, ZK, N 11 zu Art. 257f OR), ob in einer Wohnung neben dem Wohnen auch noch gearbeitet werden darf, ob ein die Mietsache und die Umwelt kaum belastender Fabrikationsbetrieb für kosmeti­ sche Produkte in eine chemische Fabrik, die aggressive und toxische Substan­ zen verarbeitet, umgenutzt werden darf, wenn der vertragliche Verwendungs­ zweck lediglich mit «Fabrikationsbetrieb» umschrieben wurde etc. In diesem Zusammenhang muss auch auf die Bestimmung von Art. 271a Buchst. f OR verwiesen werden, wonach eine Kündigung durch den Vermieter wegen Ände­ rungen in der familiären Situation des Mieters missbräuchlich sein kann, wenn dem Vermieter daraus keine wesentlichen Nachteile entstehen. Mangels gegenteiliger Vereinbarung im Mietvertrag ist der Mieter nicht ver- 15 pflichtet, die Wohnung selber zu bewohnen. Es ist ihm erlaubt, seine Woh­ nung unentgeltlich seiner Familie, seinen Verwandten und Freunden zum Gebrauch zu überlassen (BGE 136 III 186, E. 3.1.2 und 3.2.2, in: MRA 5/10, S. 199 f.). Nicht vertragsgemäss ist demgegenüber die (entgeltliche) Untervermietung der Wohnung ohne Zustimmung des Vermieters (vgl. N 43).

3.2 Gebrauchspflicht Im Gegensatz zur Pacht (Art. 283 Abs. 1 OR) hat der Mieter grundsätzlich ein 16 Recht, nicht aber die Pflicht, das Mietobjekt zu gebrauchen (Weber, BSK, N 11 zu Art. 256 OR; Higi, ZK, N 21 zu Art. 257f OR). Die Gebrauchspflicht kann indessen ausdrücklich vereinbart werden. Bei der Verabredung einer Umsatzmiete (allgemein zur Umsatzmiete BGE 116 II 587, E. 3) – dies ist z.B. bei der Miete von Gastwirtschaftsbetrieben ein häufiger Fall – wird eine Gebrauchs­ pflicht zumindest als stillschweigend verabredet anzunehmen sein (vgl. auch Weber, BSK, N 11 zu Art. 256 OR; Giger, BK, N 60 zu Art. 257f OR). Bei der Miete von Läden in einem Shoppingcenter ist ebenfalls von stillschweigen­

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Art. 257f

der Öffnungspflicht auszugehen (vgl. auch HAP-Immobiliarmietrecht/Maag, Rz. 2.127, S. 110, m.w.H.). Besteht eine Gebrauchspflicht, so stellt der Nicht­ gebrauch der Mietsache eine Verletzung des vertragsmässigen Gebrauchs und der Mieterpflichten gemäss Art. 257f OR dar (vgl. N 6). 17

Aus den Umständen kann sich ebenfalls ergeben, dass die Unterlassung des Gebrauchs durch den Mieter gegen den Grundsatz von Treu und Glauben ver­ stösst. Dies ist der Fall, wenn die Mietsache ihren Wert nur behalten kann, wenn sie gebraucht wird (gl.M. Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz.  681, S.  205). Dies betrifft fast ausschliesslich Geschäftslokale. Für die Annahme einer Gebrauchspflicht fallen vorab Mieträumlichkeiten in Betracht, die (vom Vermieter) zum Betrieb eines bestimmten Geschäfts eingerichtet wurden und bei denen sich als Folge des Betriebes an diesem bestimmten Ort ein mit den Räumlichkeiten verbundener Kundschaftswert gebildet hat (vgl. dazu Spren­ ger, Entstehung, S.  85; Straub, Gastgewerblicher Mietvertrag, N  425  ff.). Ein solcher mit der Liegenschaft verbundener und damit dem Vermieter gehören­ der Kundschaftswert ist v.a. anzunehmen, wenn der Wert des Lokals durch die Passantenlage geprägt ist und wenn an dieser bestimmten Stelle seit Langem ein bestimmtes Geschäft betrieben wird (Sprenger, a.a.O., S. 84; Straub, a.a.O., N 425; Giger, BK, N 60 zu Art. 257f OR, m.w.H.; vgl. auch Higi, ZK, N 21 ff. zu Art. 257f OR, der unter den genannten Voraussetzungen eine stillschweigende Vereinbarung der Gebrauchspflicht annimmt, mit Hinweis auf weitere Fälle). Dies trifft etwa zu bei Metzgereien (BGE 28 II 239, E. 4), Tabakgeschäften (BGE 37 II 26, E. 2), Drogerien (BGE 68 II 237; AGVE 1976, S. 45 ff.), Apotheken, Bäckereien (BGE 33 II 603, E.  3), bei Gastwirtschaftsbetrieben, Tankstellen (Entscheid des KGer Wallis vom 8. Januar 2002, in: mp 1/03, S. 24 f. und DB No 15/2003, Nr. 7, S. 13 f.), Ladengeschäften (ZMP 2/04, Nr. 20, S. 21 ff.) oder bei Garagen, wobei im Einzelfall die Abgrenzung zur Pacht nicht immer einfach fallen dürfte (vgl. hierzu Higi, ZK, N 146 ff. Vorbem. zu Art. 253–274g OR). Ein ausschliesslich vom Mieter oder Vormieter als Betriebsinhaber geschaffe­ ner Kundschaftswert kann dagegen kaum Anlass geben für die Annahme einer Gebrauchspflicht (Straub, a.a.O., N 424; Sprenger, a.a.O., S. 84; BGE 68 II 239, E. 2; BGE 103 II 247, E. 2c).

18

Besteht eine Gebrauchspflicht, so ist der Kundschaftswert vom Mieter sorg­ fältig zu behandeln. Eine schlechte und nachlässige Geschäftsführung schadet unter Umständen dem Kundschaftswert mehr als ein zeitweiliger Unterbruch in der Geschäftstätigkeit (Sprenger, a.a.O., S. 85). Hier geht es allerdings nicht um den vertragsmässigen Gebrauch der Mietsache, sondern vielmehr um die

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dabei anzuwendende Sorgfalt (vgl. N 7), deren Missachtung aber ebenso eine Vertragsverletzung darstellt (Giger, BK, N 60 zu Art. 257f OR). Zur Gebrauchspflicht sowie auch zum Verhältnis zum Konkurrenzverbot 19 siehe ferner Giger, BK, N 60 ff. zu Art. 257f OR; Guhl et al., OR, Rz. 105, S. 428; Higi, ZK, N 21 ff. zu Art. 257f OR.

4.

Sorgfaltspflicht des Mieters

4.1 Allgemein Jeder Gebrauch der Mietsache durch den Mieter nutzt diese ab. Die Sorgfalts- 20 pflicht gebietet ganz allgemein, die Mietsache schonend zu gebrauchen, damit diese im Interesse des Vermieters möglichst wenig an Substanz einbüsst. Der Mieter hat, wie Art. 283 des Obligationenrechts von 1881 sich ausdrückte, die Mietsache wie ein sorgsamer Hausvater zu behandeln (Botsch. 1985, S. 1422; vgl. auch Giger, BK, N 38 f. zu Art. 257f OR), was heute noch gilt. Ferner sind vertragliche Vereinbarungen über den Gebrauch der Mietsache einzuhalten (Higi, ZK, N 15 zu Art. 257f OR; BGE 132 III 109, E. 5). Vorab sind unnötige Beschädigungen der Mietsache beim eigentlichen 21 Gebrauch derselben zu vermeiden. So darf ein Reitpferd nicht dauernd über­ anstrengt werden, und es muss richtig gefüttert werden, damit es keinen Scha­ den nimmt. Werden zur Befestigung von Bildern und Möbeln Dübel in Wände und Decken angebracht, so soll dies derart geschehen, dass die Wände und Decken möglichst wenig beschädigt werden. Das Verleimen eines Spanntep­ pichs auf Parkettboden, auch wenn es fachmännisch geschieht, widerspricht dem Gebot schonender Behandlung (Higi, ZK, N  18 zu Art.  257f OR). Das Begehen von Parkettböden mit sogenannten Bleistiftabsätzen, die Schäden in Form von Eindrücken verursachen, ist keine normale Abnützung (vgl. auch SJZ 58, S. 48). Technische Einrichtungen und Apparate (wie Heizungen in Ein­ familienhäusern, Kochherde, Waschmaschinen, gemietete Fernsehgeräte oder Musikanlagen usw.) sind vorschriftsgemäss zu bedienen (vgl. auch Higi, ZK, N 15 ff. zu Art. 257f OR; Giger, BK, N 39 zu Art. 257f OR) und zu unterhal­ ten. Bauliche Veränderungen an der Mietsache dürfen nur mit schriftlicher Zustimmung des Vermieters vorgenommen werden (vgl. N 10). Darüber hinaus hat der Mieter an der Mietsache die nötigen Reinigungen vor- 22 zunehmen und den kleinen Unterhalt zu besorgen (vgl. Art. 259 OR). Eine Wohnung muss, nach den einschlägigen Empfehlungen, regelmässig gelüftet

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werden, Ungeziefer ist zu bekämpfen (vgl. Higi, ZK, N 18 zu Art. 257f OR). Ist der Befall nicht auf einen unsachgemässen Umgang des Mieters zurückzufüh­ ren, ist die Bekämpfung der Schädlinge Sache des Vermieters (Art. 256 OR), so z.B. wenn alle Wohnungen betroffen sind. Vorausgesetzt ist dabei eine recht­ zeitige Meldung (Art. 257g OR). 23

Zur Sorgfaltspflicht gehört, dass der Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen dem guten Ruf des Hauses Sorge trägt (Higi, ZK, N 18 zu Art. 257f OR). Straf­ rechtlich relevante Tätigkeiten des Mieters und solche, die in krasser Weise gegen die guten Sitten verstossen, muss der Vermieter nicht dulden (vgl. Urteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 11. Mai 1971, in: BJM 1971, S. 120 f.). Bei der Beurteilung eines Verstosses gegen die guten Sitten ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die moralischen Anschauungen ändern. Mietver­ träge, bei denen das Mietobjekt zur Ausübung der Prostitution überlassen wird, sind nach der jüngeren Rechtsprechung nicht etwa unsittlich und daher gestützt auf Art. 19/20 OR nichtig (ZR 85 [1986] Nr. 28; Entscheid des Appel­ lationsgerichts Basel-Stadt vom 20. Mai 1988, in: mp 4/88, S. 153 ff.; ZMP 2/92, Nr.  12). Gleichwohl kann in solchen Fällen das Verhalten der Mieterschaft einen Tatbestand erfüllen, der zur Auflösung des Mietvertrages nach Art. 257f Abs. 3 OR berechtigt (ZR 85 [1986] Nr. 28: marktschreierische Anpreisung des bordellähnlichen Betriebes in der Öffentlichkeit).

24

Der Mieter hat die Mietsache sorgsam zu verwahren, um sie vor Diebstahl (Entscheid des Tribunale di appello del Cantone Ticino vom 12.  September 1973, in: SJZ 71, S. 181) oder vor Beschädigungen durch Dritte zu schützen (Higi, ZK, N 16 zu Art. 257f OR). Dies ist Ausdruck der unmittelbar aus der Sorgfaltspflicht sich ergebenden Obhutspflicht des Mieters. Dieser Pflicht genügt der Mieter, wenn er Wohnungstüre und Fenster abschliesst. Einbruch­ schäden an der Wohnung inklusive Türen und Fenstern sind daher grund­ sätzlich vom Vermieter zu beheben, vorbehältlich anderer Abreden (z.B. Glas­ bruchversicherung des Mieters).

25

Verliert der Mieter die Wohnungsschlüssel, so handelt er unsorgfältig. Er wird schadenersatzpflichtig und riskiert damit u.U. den Ersatz der Schliessanlage auf seine Kosten (N 35; ferner N 24 zu Art. 267–267a OR).

26

Die generelle Obhutspflicht des Mieters gebietet ihm, immer dann zu han­ deln, wenn der Mietsache Schaden droht. In der Regel genügt er dieser Pflicht, soweit er nicht selber für die Behebung des Mangels verantwortlich ist (vgl. N  22 und Art.  259 OR), wenn er den Vermieter benachrichtigt, sodass die­ ser einschreiten kann. Die Meldepflicht gemäss Art. 257g OR ist der gesetzli­

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che Niederschlag der Obhutspflicht des Mieters. Im Rahmen der allgemeinen Sorgfaltspflicht geht indessen die Meldepflicht des Mieters weiter als nach der genannten gesetzlichen Bestimmung. Dies ist etwa der Fall, wenn der Mieter feststellt, dass ein Dritter nachbarrechtliche Bestimmungen verletzt, obgleich dadurch der Gebrauch der Mietsache durch den Mieter nicht (oder noch nicht) beeinträchtigt wird. Wenn der Vermieter in einer für den Mieter erkennbaren Weise nicht sofort 27 eingreifen kann, so hat der Mieter selbst zu handeln (so auch Giger, BK, N 41 zu Art. 257f OR; einschränkend: Higi, ZK, N 20 zu Art. 257f OR; vgl. auch N 8 zu Art. 257g OR). Für die Beseitigung von Schäden ist dem Vermieter Zutritt zu gewähren (vgl. 28 Ausführungen zu Art. 257h OR, insb. N 8 ff.). Die Pflicht zur Rücksichtnahme auf Hausbewohner und Nachbarn gehört ebenfalls zu den Sorgfaltspflichten des Mieters (N  31  ff.). Das gilt auch bei erlaubter Tierhaltung (N 72).

29

Die Sorgfaltspflichten des Mieters bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräu­ 30 men werden oftmals im Vertrag oder in sogenannten Hausordnungen kon­ kretisiert, aber auch in Bedienungsvorschriften für die technischen Einrich­ tungen wie Waschmaschinen etc. Solche Anweisungen des Vermieters sind im Allgemeinen zu beachten, allerdings nur so weit, als dadurch der vertrags­ mässige Gebrauch, auf den der Mieter Anspruch hat, nicht beeinträchtigt oder infrage gestellt wird (vgl. auch Wessner, Sorgfaltspflichten I, S. 134). Diesfalls ist es für die Verbindlichkeit solcher Vorschriften auch nicht notwendig, dass die Hausordnung dem Mieter bei Vertragsschluss bekannt war. So gilt bei­ spielsweise ein Verbot des Wäschewaschens nachts zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr auch dann, wenn der Mieter die Waschküchenordnung erst beim Betreten der Waschküche erstmals zur Kenntnis nimmt.

4.2

Pflicht zur Rücksichtnahme

Der Mieter hat in erster Linie die übermässigen Einwirkungen auf seine Mit- 31 mieter und auf die Nachbarschaft zu unterlassen, die auch nach den Normen des Nachbarrechts (Art. 684 ZGB) verpönt sind (MfdP/Spirig, N 27.3.4; Higi, ZK, N 34 zu Art. 257f OR). Im Vordergrund stehen Immissionen durch Lärm, Licht, Staub, Rauch, üble Gerüche (z.B. Grillieren auf dem Balkon, Zubereiten von Durian) usw. Bei der Beurteilung solcher Einwirkungen wird man auf die gleichen Kriterien abstellen wie im Nachbarrecht, insbesondere auf die Lage

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und Beschaffenheit der Mietsache. Das Bundesgericht beurteilt übermässige Lärmimissionen als «typische Gründe» für eine ausserordentliche Kündigung des Mietvertrags (BGE 136 III 65, E. 2.5; Urteil des Bundesgerichts 4A_87/2012 vom 10. April 2012, E. 4.1, in: MRA 4/12, S. 219 ff.). 32

Anderseits muss der Mieter duldsam sein. Er hat den vertragsgemässen Gebrauch anderer zu dulden, damit unvermeidliche Unannehmlichkeiten und auch die Immissionen hinzunehmen, die das Wohnen in einem Mehrfamilien­ haus mit sich bringt (vgl. auch Higi, ZK, N 36 zu Art. 257f OR; Giger, BK, N 56 zu Art. 257f OR; Wessner, Sorgfaltspflichten I, S. 139). Dies gilt beispielsweise für die Wohngeräusche der Mitmieter, auch diejenigen kinderreicher Fami­ lien, das Klavierspielen zu den vertraglich zugesicherten Spielzeiten in mode­ rater Lautstärke usw. (vgl. Higi, ZK, N 35 f. zu Art. 257f OR). Die Zumutbarkeit beurteilt sich nach Billigkeit (Urteil des Bundesgerichts vom 17. März 1997, in: MRA 4/97, S. 166 ff.; vgl. ferner Urteil des Bundesgerichts 4C.79/1998 vom 4. Juli 1998, in: MRA 5/98, S. 172 ff.; dazu Bemerkungen von Higi Peter, in: AJP 1998, S. 1365 ff.).

5.

Folgen der Verletzung der Mieterpflichten

33

Bereits vor Antritt der Miete kann sich zeigen, dass der Mieter weder gewillt noch fähig ist, seinen Pflichten zum sorgfältigen oder vertragsmässigen Gebrauch nachzukommen. Dies ist etwa der Fall, wenn der Vermieter entdeckt, dass eine zum Wohngebrauch vermietete Wohnung als Absteigequartier für Dirnen verwendet werden soll oder der Mieter beabsichtigt, in einem als Buch­ laden gemieteten Lokal einen Sexshop einzurichten. In diesen Fällen kann der Vermieter nach Art. 82 OR seine Leistung verweigern, nach Art. 97 ff. OR vor­ gehen und insbesondere von den Lösungsbefugnissen gemäss Art. 107 Abs. 2 OR Gebrauch machen (Higi, ZK, N 44 zu Art. 257f OR; Giger, BK, N 87 zu Art. 257f OR).

34

Verletzt der Mieter seine Pflichten zum sorgfältigen und vertragsmässigen Gebrauch der Mietsache sowie zur Rücksichtnahme auf die Hausbewohner und Nachbarn, kann dies zur ausserordentlichen Kündigung des Mietver­ hältnisses nach Abs. 3 oder 4 führen. Siehe dazu ausführlich N 37 ff. Der Ver­ mieter kann aber auch auf Erfüllung beharren und gegen den Mieter auf ver­ tragsgemässe Benützung oder Unterlassung der Missachtung klagen (Giger, BK, N 87 zu Art. 257f OR; BGE 39 II 702, E. 3; Entscheid des OGer Kanton Thurgau vom 15. November 1939, in: SJZ 38, S. 32; vgl. auch Higi, ZK, N 43 zu

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Art. 257f OR; Wessner, Sorgfaltspflichten II, S. 199 f.). Die Unterlassungsklage des nachbarrechtlichen Immissionsschutzes steht auch dem Hausbewohner zu. Die Verletzung der Sorgfaltspflichten macht den Mieter schadenersatzpflich- 35 tig (Higi, ZK, N 45 zu Art. 257f OR, der zusätzlich den Genugtuungsanspruch unter den Voraussetzungen von Art. 47 und 49 OR erwähnt). Die Schadener­ satzpflicht des Mieters beurteilt sich nach den allgemeinen Bestimmungen von Art. 97 ff. OR. Dies gilt bei allen Verletzungen der Sorgfaltspflichten nach Art. 257f Abs. 1 und 2 OR (einschliesslich der Pflicht zum vertragsmässigen Gebrauch, N 6 und 7), also nicht nur, wenn es zur Auflösung des Mietvertra­ ges durch die ausserordentliche Kündigung nach Abs. 3 oder 4 gekommen ist. So schuldet der Mieter für Beschädigungen der Mietsache, die über die ver­ tragsgemässe Abnützung hinausgehen, Schadenersatz, weil er seiner Sorgfalts­ pflicht beim Gebrauch der Mietsache nicht Genüge getan hat (vgl. N 34 ff. zu Art. 267–367a OR und dortige Bemerkungen). Vorbehalten bleibt der Beweis des Mieters, dass ihn kein Verschulden trifft (Art. 97 OR; vgl. aber BGE 103 II 330, E. 2) bzw. der Einwand, dass zwischen Schaden und Pflichtverletzung kein Kausalzusammenhang besteht (Urteil des Bundesgerichts 4C.266/1994 vom 24. Juli 1995: Wer einen Reitfehler begeht und sich vom gemieteten Pferd abwerfen lässt, wird nicht schadenersatzpflichtig, wenn das unberittene Tier sich einen Nagel in den Huf tritt und später wegen der daraus resultierenden Infektion abgetan werden muss.). Schadenersatz im Sinne des Erfüllungsinteresses schuldet der Mieter, falls das 36 Mietverhältnis zu Recht gestützt auf Abs.  3 oder 4 durch ausserordentliche Kündigung aufgelöst worden ist (Weber, BSK, N 3 und N 11 zu Art. 257f OR; MfdP/Spirig, N  27.3.12). Unter diesem Titel hat der Mieter auch den Mietzinsausfall bis zur Weitervermietung des Objekts, längstens bis zum frühest möglichen ordentlichen Kündigungstermin zu tragen (Entscheid des Tribunal des baux du canton de Vaud vom 24. Februar 2000, in: CdB 3/00, S. 87 ff.; vgl. auch Giger, BK, N 114 zu Art. 257f; zum Thema Schadenersatz vgl. ferner N 63 zu Art. 257d OR). Der Vermieter muss seiner Schadensminderungsobliegenheit genügen und sich um die Weitervermietung des Objekts kümmern, da der Mieter sonst Herabsetzung oder Wegfall seiner Ersatzpflicht geltend machen kann (Art. 44 OR; vgl. auch Art. 264 Abs. 3 Buchst. b OR). Die Exkulpation des Mieters nach Art. 97 OR bleibt ebenfalls vorbehalten.

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Art. 257f

6.

Kündigung nach Abs. 3 und 4

6.1 Voraussetzungen 6.1.1

Qualifizierte, fortgesetzte oder wiederholte Pflichtverletzung sowie Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses

37

Die Verletzung der Pflicht des Mieters zur Sorgfalt, zum vertragsmässigen Gebrauch und zur Rücksichtnahme muss eine gewisse Schwere aufweisen, worauf insbesondere auch der Wortlaut von Art.  271a Abs.  3 Buchst.  c und Art. 272 Abs. 1 Buchst. b OR («schwere Verletzung») hinweist, die sich auf die Kündigung nach Art. 257f OR beziehen (MfdP/Spirig, N 27.3.7).

38

Dass die vorzeitige Vertragsauflösung nur bei schwerwiegender Verletzung der Pflichten angezeigt ist, ergibt sich auch aus dem Wesen der ausserordentlichen Kündigung als Sicherheitsventil. Nur wenn nach den Umständen eine Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses wegen erheblicher Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr gerechtfertigt erscheint, ist die Rechtsfolge der ausserordentlichen Kündigung gerechtfertigt. Das meint das Gesetz, indem es die wiederholte oder fortgesetzte («weitere») Pflichtvergessenheit des Mieters als begründeten Anlass für eine ausserordentliche Kündi­ gung anerkennt, wenn dem Vermieter oder einem Mitmieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem pflichtvergessenen Mieter nicht mehr zugemutet werden kann. Die ausserordentliche Kündigung nach Abs. 3 ist damit nichts anderes als eine Kündigung aus einem speziellen, durch die Pflichtverletzung entstandenen wichtigen Grund (zur Begriffsbestimmung des wichtigen Grun­ des siehe u.a. Gauch, Beendigung, S. 174 ff.).

39

Irrelevant ist das Mass des Verschuldens (Higi, ZK, N  28 zu Art.  257f OR). Auch bei Urteilsunfähigkeit des Mieters muss der Vermieter zum Schutze der anderen Mieter eine ausserordentliche Kündigung aussprechen können (vgl. N 46). Psychische Probleme, auch wenn sie vom Mieter nicht beherrscht wer­ den können, schützen ihn nicht vor der Kündigung (Urteile des Bundesge­ richts 4A_722/2012 vom 1. Mai 2013, E. 2.2; 4A_263/2011 vom 20. September 2011, E. 3.4; 4A_44/2014 vom 17. März 2014, E. 2.1.; vgl. auch Wessner, CPra, N 33 zu Art. 257f OR).

40

Bei mehreren Mietern genügen Sorgfaltspflichtverletzungen oder ein rück­ sichtsloses Verhalten eines Mieters als Voraussetzung der ausserordentlichen Vertragsauflösung (gl.M. Higi, ZK, N 89 zu Art. 257f OR).

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Art. 257f

Die Entscheidung, ob im konkreten Fall dem Vermieter oder den Mitmietern 41 die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann, ist  – da es eigentlich um einen bestimmten wichtigen Grund geht (N  38)  – eine Billigkeitsentscheidung i.S.v. Art.  4 ZGB. Die Entscheidung nach Bil­ ligkeit aber ist die dem Einzelfall möglichst angemessene Entscheidung. Sie berücksichtigt somit alle erheblichen Umstände des konkreten Einzelfalles (Gauch, Beendigung, S. 175; vgl. auch Higi, ZK, N 59 zu Art. 257f OR; Urteil des Bundesgerichts vom 17.  März 1997, in: MRA 4/97, S.  166  ff.). Die Zeit­ spanne zwischen der letzten Mahnung des Vermieters und der Kündigung ist ein gewichtiges Indiz für die Frage der Unzumutbarkeit. Langes Zuwarten kann als Indiz für Zumutbarkeit gewürdigt werden (vgl. Urteil des Bundesge­ richts 4C.118/2001 vom 8. August 2001; N 61). Es darf aber nicht angehen, dass dem rücksichtsvollen Vermieter zum Nachteil gereicht, wenn er mit Blick auf die schwerwiegenden Folgen einer ausserordentlichen Kündigung sowie in der Hoffnung, der Mieter würde sich inskünftig doch noch vertragskonform ver­ halten, mit der Kündigung zunächst noch zuwartet. Der Vermieter soll nicht für seine Toleranz bestraft werden (so auch Giger, BK, N 77 zu Art. 257f OR). Es lässt sich nicht allgemein sagen, welches die gegebenenfalls zu berücksichti­ 42 genden Umstände sind. Die nachfolgenden Gedanken sind lediglich als punk­ tuelle Hinweise zu verstehen: Geht es um Pflichtverletzungen des Mieters, die auch in persönlichen Animositäten ihren Ausdruck finden, so wird dem Ver­ mieter, der nicht im gleichen Haus wohnt, mehr zuzumuten sein, als wenn die Parteien unter einem Dach leben. Die Zumutbarkeit von Lärmimmissionen wird unterschiedlich zu beurteilen sein, je nachdem, ob sich das Haus in einem «lebhaften» Quartier oder in einer ruhigen Wohngegend befindet. Weniger Toleranz wird der zu Lärmexzessen neigende Mieter erwarten dürfen, wenn er bei Vertragsabschluss ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass ruhige Mieter gesucht würden. Eigenmächtige Veränderungen des Verwendungszwe­ ckes (Büro statt Wohnung, Fabrik statt Lager) wird sich der Vermieter in der Regel nicht gefallen lassen müssen, erst recht nicht, wenn damit eine erhebli­ che Steigerung der Gebrauchsintensität verbunden ist. Die Schwere der Verlet­ zungen der Mieterpflichten kann auch in einer ständigen Wiederholung von kleineren Pflichtverletzungen bestehen (z.B. der unbelehrbare Mieter, der die Hausordnung trotz häufiger Mahnungen fortgesetzt oder wiederholt verletzt; vgl. auch Wessner, Sorgfaltspflichten II, S.  205). Vgl. auch die Hinweise auf die möglichen Kündigungstatbestände bei MfdP/Spirig, N 27.3.7.1; Higi, ZK, N 60 ff. und Kasuistik N 75 ff.

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Art. 257f 43

Das Bundesgericht hatte sich in letzter Zeit vermehrt mit Kündigungen wegen unzulässiger Untervermietung auseinanderzusetzen (vgl. auch Ausführun­ gen zu Art. 262 OR). Dass eine nicht bewilligte Untervermietung eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellt, darüber waren sich Lehre und Rechtspre­ chung einig. Umstritten war demgegenüber, in welcher Form der Vermieter eine unzulässige Untervermietung ahnden kann, namentlich unter welchen Vo­raussetzungen eine ordentliche oder ausserordentliche Kündigung gerecht­ fertigt ist. Das Bundesgericht hat nun klargestellt, dass eine nicht bewilligte Untervermietung das Vertrauensverhältnis zum Vermieter derart erschüttern kann, dass dieser berechtigt ist, ohne vorgängige Abmahnung eine ordentliche Kündigung auszusprechen (BGE 138 III 59, E. 2.2.2, in: MRA 3/12, S. 162 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4A_705/2014 vom 8. Mai 2015, E. 4.4). Eine ausserordentliche Kündigung ist demgegenüber nur – aber immerhin – dann mög­ lich, wenn der Vermieter den Mieter vorab vergeblich mit Bezug auf die unbe­ willigte Untervermietung abgemahnt und angewiesen hat, den vertraglichen Zustand wiederherzustellen und wenn der Vermieter zudem berechtigt gewe­ sen wäre, dem Mieter die Untervermietung gestützt auf Art. 262 OR zu verwei­ gern. In einem solchen Fall ist die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter stets unzumutbar, ohne dass dies speziell zu prüfen ist (BGE 134 III 300, E. 3.1; BGE 134 III 446, E. 2.2, in: MRA 3/08, S. 121 ff.; Wessner, CPra, N 39 zu Art. 257f OR).

44

Indem das Gesetz, zumindest für den Regelfall nach Abs. 3, die Mahnung des Vermieters an den Mieter verlangt, setzt die ausserordentliche Kündigung eine wiederholte oder fortgesetzte Pflichtverletzung des Mieters voraus. Die wei­ tere Pflichtverletzung, die dann zur ausserordentlichen Kündigung führt, muss im Allgemeinen zumindest von ihrem Grundcharakter her die gleiche sein wie diejenige, für die der Mieter gemahnt wurde. Von diesem Erfordernis wird man absehen können, wenn sich die nachgewiesenen Pflichtverletzungen des Mieters in einer Häufung verschiedener Tatbestände ausdrücken. So wird man dem Mieter, der ständig neue und andere kleinere und grössere Pflichtverlet­ zungen begeht, gestützt auf Abs. 3 auch kündigen können, wenn die vorletzte und die letzte Pflichtverletzung ihrem Gegenstand nach nicht die gleichen sind (so auch Higi, ZK, N 57 zu Art. 257f OR).

6.1.2 45

Vorsätzliche schwere Schädigung der Mietsache

Fügt der Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen der Sache vorsätzlich schweren Schaden zu, kann fristlos gekündigt werden. Dies trifft etwa zu bei Brand­ stiftung, bei Sabotage an der Liftanlage (Lachat/Micheli, S. 298) oder bei einer

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derart starken Verschmutzung der Wohnung, dass diese in extremer Weise von Ungeziefer befallen wird (N 22). Die unerlaubte Änderung der Mietsache – in casu Graffiti-Sprayereien – kann zusätzlich den Tatbestand der Sachbeschädi­ gung i.S.v. Art. 144 StGB erfüllen (Urteil des Bundesgerichts 6S.388/2003 vom 3. Februar 2004, in: MRA 5/04, S. 187 ff.; vgl. ferner Kasuistik, N 79). Vorsätzlich handelt der Mieter, wenn er die Sachbeschädigung mit Wissen und 46 Willen ausführt (Art. 18 StGB), wobei Eventualvorsatz genügt. Die Frage nach der Zurechnungsfähigkeit (Art. 10 ff. StGB) ist für die Anwendung von Abs. 4 ohne Bedeutung (so auch Higi, ZK, N 76 zu Art. 257f OR; a.M. Weber, BSK, N 7 zu Art. 257f OR, der auf Art. 54 OR verweist). Vorsätzliche schwere Schä­ digung der Mietsache ist auch durch eine Unterlassung möglich, z.B. Unter­ lassung der Mängelmeldung i.S.v. Art. 257g OR (dazu Higi, ZK, N 28–31 zu Art. 257f OR) oder Verweigerung des Zutritts (z.B. zur Behebung von Schä­ den) i.S.v. Art. 257h OR (N 19 und 26 zu Art. 257h OR). Abs. 4 bedeutet, dass das Gesetz in diesen Fällen die Wertung mit Bezug auf 47 die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses selbst vornimmt. Der Vermieter wird davon entlastet darzutun, dass ihm Fortsetzung des Mietver­ hältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Ungeachtet des engen Wortlautes der Bestimmung ist diese auch anwend­ 48 bar, wenn der Mieter dem Vermieter, den Mitmietern oder Nachbarn vorsätz­ lich körperlichen Schaden zufügt oder wenn er Sachen der Mitmieter oder Nachbarn schwer schädigt. Ein Mieter, der sich solches zuschulden kommen lässt, ist nicht anders zu behandeln als derjenige, welcher der Mietsache selbst grossen Schaden zufügt (gl.M. Higi, ZK, N 78 zu Art. 257f OR; Hulliger/Hein­ rich, CHK, N 9 zu Art. 257f OR; Giger, BK, N 83 zu Art. 257f OR). Es wäre auch denkbar, eine schwere Vertragsverletzung unter Abs. 4 zu sub­ 49 sumieren. Die Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes im Betrag von 242 546 CHF im Zuge an sich vertragskonformer Bauarbeiten des Mieters oder Untermieters (BGE 123 III 124) ist ohne Zweifel eine grobe Vertragsver­ letzung, die zwar nach Auffassung des Bundesgerichts nicht unmittelbar mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängt, diese hingegen erheblich wirt­ schaftlich schädigt (vgl. Maag, ausserordentliche Kündigung, S. 133). Obgleich die Bestimmung dies nicht erwähnt, ist eine Mahnung des vorsätz­ 50 lich schädigenden Mieters nicht erforderlich (so auch Higi, ZK, N 59 und 74 zu Art. 257f OR).

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6.1.3

Mahnung durch den Vermieter

51

Der Kündigung wegen Pflichtverletzung durch den Mieter hat, die Fälle von Abs.  4 vorbehalten, die Mahnung des Vermieters und sodann eine weitere Pflichtverletzung des Mieters voranzugehen (vgl. dazu N 44). Die Mahnung bezieht sich entweder darauf, eine andauernde Pflichtverletzung abzustellen bzw. einen verursachten Schaden wiedergutzumachen oder eine erfolgte, abge­ schlossene Pflichtverletzung künftig zu unterlassen.

52

Ausnahmsweise kann die Mahnung unterbleiben, wenn sie sich von vornhe­ rein als nutzlos erweist (Higi, ZK, N 55 zu Art. 257f OR; Giger, BK, N 97 zu Art. 257f OR; Wessner, Sorgfaltspflichten II, S. 203; a.M. MfdP/Spirig, N 27.3.5, die einen Verzicht auf die Abmahnung nur im Falle von Art. 257f Abs. 4 OR zulassen wollen), z.B. wenn der Mieter einer beweglichen Sache vorsätzlich der Sache schweren Schaden zugefügt hat (analog Art. 257f Abs. 4 OR).

53

Die Mahnung hat innert nützlicher Frist ab Kenntnisnahme der Pflichtver­ letzung durch den Vermieter zu erfolgen (Higi, ZK, N 52 zu Art. 257f OR). Für die Mahnung verlangt das Gesetz aus Beweisgründen die Schriftform (ein­ fache Schriftlichkeit nach Art.  12–15 OR). Dies kann in Form eines Briefes, allenfalls auch in Form eines gerichtlichen oder behördlichen Vergleichs erfol­ gen (Higi, ZK, N 53 zu Art. 257f OR; ZMP 3/92, Nr. 29). Erfolgt keine Mah­ nung oder lässt sie sich nicht beweisen, so bleibt die anschliessende Kündigung auch ohne Anfechtung des Mieters grundsätzlich wirkungslos. Eine derartige ausserordentliche Kündigung kann auch nicht in eine Kündigung aus wichti­ gem Grund i.S.v. Art. 266g OR (Urteil des Bundesgerichts 4A_162/2014 vom 26. August 2014, E. 2.6) oder in eine ordentliche Kündigung umgedeutet wer­ den (Higi, ZK, N 72 zu Art. 257f OR; vgl. N 69). Zur Sicherung des Beweises ist daher ein Einschreibebrief empfehlenswert.

54

Die Mahnung muss keine Fristansetzung enthalten, auch wenn sie sich auf die Beseitigung eines durch die Pflichtverletzung bewirkten Missstandes bezieht (z.B. Aufhebung einer vertragswidrigen Nutzung oder einer nicht zulässigen Untermiete oder die Behebung der Beschädigung der Mietsache). In solchen Fällen wird es jedoch ratsam sein, dem Mieter eine Frist zur Wiederherstel­ lung des rechtmässigen Zustandes anzusetzen (vgl. auch Giger, BK, N 96 zu Art. 257f OR). Die Frist läuft ab Zugang, mithin ab dem Zeitpunkt, in dem sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist (vgl. auch N 48 zu Art. 257d OR). Eine vor unbenütztem Ablauf der Frist ausgesprochene Kündigung ist i.S.v. Art. 271 OR anfechtbar (Higi, ZK, N 52 zu Art. 257f OR).

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Art. 257f

Die Mahnung hat die Pflichtverletzung durch den Mieter zu konkretisieren. 55 Der Mieter muss wissen, was ihm vorgeworfen wird (MfdP/Spirig, N 27.3.5). Die Androhung der ausserordentlichen Kündigung muss die Mahnung nach dem Gesetzeswortlaut nicht enthalten (Urteil des Bundesgerichts 4C.270/2001 vom 26. November 2001, E. 3a; Hulliger/Heinrich, CHK, N 8 zu Art. 257f OR; Higi, ZK, N 51 zu Art. 257f OR; MfdP/Spirig, N 27.3.5). Auch wenn sie nicht Gültigkeitsvoraussetzung bildet, ist es zweifelsohne ratsam, die Androhung der vorzeitigen Auflösung des Mietverhältnisses in die Mahnung aufzunehmen. Da die Mahnung die Kündigungsandrohung nicht beinhalten muss, verlangt 56 das Gesetz nicht, dass bei einer Familienwohnung auch der Ehegatte oder einge­ tragene Partner separat gemahnt wird; dies im Unterschied zur Kündigungsan­ drohung wegen Zahlungsrückstandes des Mieters (vgl. Art. 266n OR; Higi, ZK, N 54 zu Art. 257f OR; Giger, BK, N 93 zu Art. 257f OR; Entscheid der Chambre d’appel en matière de Baux et Loyers du canton de Genève vom 9. September 1996, in: CdB 1/97, S. 10 ff.). Bei einem Mietverhältnis mit mehreren Mietern muss die Mahnung an alle gerichtet sein. Andernfalls ist die gestützt darauf ausgesprochene Kündigung nichtig bzw. unwirksam (Entscheid des Cour de Justice de Genève vom 18. Juni 2004, in: mp 3/05, S. 170 ff.). Eine an alle Mie­ ter gerichtete Mahnung in einem Brief ist ausreichend.

6.2

Frist, Termin, Form und Adressat der Kündigung

Die ausserordentliche Kündigung des Vermieters wegen Pflichtverlet­ 57 zung durch den Mieter erfolgt grundsätzlich fristlos, d.h. mit sofortiger Wir­ kung. Eine Ausnahme gilt bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen (Art. 253a OR), sofern nicht der Tatbestand von Abs. 4 erfüllt ist. Hier hat der Vermieter eine Frist von mindestens 30 Tagen einzuhalten, und er kann zudem nur auf das Ende eines Monats (Kalendermonat: Art. 76 OR) kündigen. Dem Vermieter ist es unbenommen, eine fristlose Kündigung, zu der er berech­ 58 tigt wäre, auf einen späteren Zeitpunkt auszusprechen oder im Falle von Wohnund Geschäftsräumen eine längere Kündigungsfrist festzulegen (N 1). Eine zu kurz bemessene Kündigungsfrist oder eine Kündigung auf den falschen Ter­ min führt nicht zur Nichtigkeit der Kündigung. In analoger Anwendung von Art. 266a Abs. 2 OR gilt sie als auf den nächstmöglichen Termin ausgesprochen (Higi, ZK, N 71 zu Art. 257f OR; Giger, BK, N 116 zu Art. 257f OR; vgl. auch BGE 135 III 441, E. 3.3). Der Vermieter kann anstelle der ausserordentlichen auch bloss die ordentliche Kündigung aussprechen (vgl. Higi, ZK, N 64 und N 86 zu Art. 257f OR), wobei Daniel Reudt

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Art. 257f

er zur Vermeidung von Missverständnissen im amtlichen Formular klar aus­ zudrücken hat, ob er ordentlich oder ausserordentlich kündigt. Im Zweifelsfall muss dem Vermieter eine ordentliche Kündigung empfohlen werden. Kündigt er wegen Sorgfaltspflichtverletzung und stellt sich heraus, dass die Kündigung aus materiell-rechtlichen Gründen als ungerechtfertigt (nur leichte Pflichtver­ letzung) aufgehoben wird, riskiert er eine dreijährige Kündigungssperre, d.h., eine ordentliche Kündigung aufgrund des gleichen Sachverhaltes ist nicht mehr möglich. Die ausserordentliche Kündigung kann auch nicht in eine ordent­ liche umgedeutet werden (vgl. N  69). Demgegenüber kann eine aus formel­ len Gründen (z.B. fehlende schriftliche Mahnung) nichtige oder unwirksame Kündigung – entgegen der an dieser Stelle in der Vorauflage vertretenen Auf­ fassung  – wiederholt werden. Da der Vermieter diesfalls lediglich den frü­ her schon bestehenden Kündigungswillen zum Ausdruck bringt, entfällt die gesetzliche Vermutung der Rachekündigung (BGE 141 III 101, E. 2.8; Urteile des Bundesgerichts 4A_588/2013 vom 15. April 2014, E. 2.3 und 4C.432/2006 vom 8. Mai 2007, E. 4.4 f., in: MRA 3/07, S. 85 ff.; vgl. auch N 34 ff. und 46 zu Art. 271a OR). 60

Der Vermieter kann aber auch auf die Kündigung ganz verzichten. Aus den Umständen wird sich ein solcher Verzicht etwa dann ergeben, wenn der Ver­ mieter bei Fortsetzung der Pflichtverletzung durch den Mieter oder bei Nicht­ behebung des Schadens durch den Mieter das Mietverhältnis ohne weitere Reaktion fortsetzt. Eine Kündigung gemäss Art. 257f Abs. 3 OR setzt dann eine erneute Mahnung voraus (vgl. auch Higi, ZK, N 85 zu Art. 257f OR).

61

Der Vermieter tut gut daran, innert nützlicher Frist zu handeln. Lässt er seit der letzten schriftlichen Abmahnung bis zur Kündigung zu viel Zeit verstrei­ chen, kann dies als Dulden, d.h. Indiz für Zumutbarkeit ausgelegt werden, sodass eine Voraussetzung der ausserordentlichen Kündigung fehlen würde (Urteil des Bundesgerichts 4C.118/2001 vom 8.  August 2001, in: mp 4/01, S.  205  ff.; ferner Urteil des Bundesgerichts 4C.270/2001 vom 24.  November 2001, in: MRA 2/02, S. 59 ff.). Es gilt aber auch in diesem Zusammenhang die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. die Urteile des Bundesge­ richts 4A_457/2013 vom 4. Februar 2014 und 4A_87/2012 vom 10. April 2012, in: MRA 4/12, S. 219 ff., mit welchen 10½ resp. 18 Monate nach der letzten schriftlichen Abmahnung erklärte Kündigungen vom Bundesgericht geschützt wurden). Vorbehalten bleibt sodann stets eine ordentliche Kündigung.

62

Die gesetzlichen Kündigungsformalitäten sind auch bei der ausserordentlichen Kündigung wegen Pflichtverletzung durch den Mieter zu beachten, weshalb

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die Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohn- und Geschäftsräume mit dem offiziellen Formular gemäss Art. 266l Abs. 2 OR zu erfolgen hat. Handelt es sich bei der Mietsache um eine Familienwohnung (Art. 169 ZGB), 63 ist die Kündigung dem Mieter und seinem Ehegatten oder der eingetragenen Partnerin separat zuzustellen (Art. 266n OR). Eine Kündigung, welche diese Formalitäten missachtet, ist nichtig. Sie kann aber jederzeit durch eine form­ gültige Kündigung ersetzt werden (Higi, ZK, N 71 zu Art. 257f OR; N 24 ff. zu Art. 266l–266o OR). Eine Begründung braucht die Kündigung grundsätzlich nicht zu enthalten (so 64 auch Higi, ZK, N 67 zu Art. 257f OR). Da der Mieter indessen eine Begründung der Kündigung verlangen kann (Art. 271 Abs. 2 OR), ist es ratsam, den Kün­ digungsgrund anzugeben (z.B.: «Kündigung wegen Pflichtverletzung gemäss Mahnung vom …»). Eine Begründung ist dem Vermieter auch deshalb drin­ gend zu empfehlen, weil das Bundesgericht entschied, es müsse in der Kün­ digungserklärung zum Ausdruck kommen, dass die Kündigung als ausseror­ dentliche i.S.v. Art. 266g OR ausgesprochen wurde (Urteil des Bundesgerichts vom 3. Oktober 1995, in: MRA 5/96, S. 226 ff.; N 65 f. zu Art. 271 OR).

6.3

Wirkungen der ausserordentlichen Kündigung

Die gültige und wirksame Kündigung bewirkt die Beendigung des Mietver- 65 hältnisses und damit das Erlöschen aller Vertragserfüllungspflichten. Der Mieter muss die Sache auf den Kündigungstermin zurückgeben. Verweigert der Mieter die Rückgabe, muss der Anspruch durchgesetzt werden. Bei unbeweglichen Mietsachen vollzieht sich die Durchsetzung des Rückga­ 66 beanspruches durch Ausweisung des Mieters. Für eine rasche Ausweisung nach den Vorschriften des Rechtsschutzes in klaren Fällen nach Art. 257 ZPO dürfte es jedoch am notwendigen «klaren Fall» regelmässig fehlen. Die Fra­ gen der Schwere der Pflichtverletzung und der Unzumutbarkeit der Fortdauer des Mietverhältnisses dürften nur ausnahmsweise die nach der strengen Recht­ sprechung geforderte Eindeutigkeit in der Beurteilung aufweisen (vgl. N 170 ff. zu ZPO). Bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen kann eine ausserordentliche 67 Kündigung wegen Pflichtverletzung vom Mieter als missbräuchlich angefochten werden. Bei Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 257f OR dürfte aber nur sehr selten von einer missbräuchlichen Kündigung auszugehen sein (Urteil des Bundesgerichts 4A_87/2012 vom 10.  April 2012, E.  6.2, in: MRA 4/12,

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219 ff.; gl.M. Wessner, Sorgfaltspflichten II, S. 208). Ficht der Mieter die Kündi­ gung an und macht der Vermieter gleichzeitig oder während des Schlichtungs­ verfahrens ein Ausweisungsverfahren nach den Vorschriften des Rechtschut­ zes in klaren Fällen (Art.  257 ZPO) anhängig, so erscheint es geboten, dass die Schlichtungsbehörde das Kündigungsschutzverfahren sistiert, bis über das Ausweisungsgesuch rechtskräftig entschieden wurde (zur Gültigkeit des Aus­ weisungsbegehrens während hängigem Anfechtungsverfahren, vgl. BGE 141 III 262; vgl. aber auch N 66). Erfolgt keine Anfechtung innert der 30-tägigen Frist, kann sich der Mieter nicht mehr auf Missbrauch berufen, hingegen jeder­ zeit andere Einwände (Unwirksamkeit) geltend machen (N 69). 68

Wird festgestellt, dass der Vermieter die ausserordentliche Kündigung wegen Pflichtverletzung des Mieters zu Recht ausgesprochen hat, ist eine Erstreckung des Mietverhältnisses gemäss Art. 272a Abs. 1 Buchst. b OR ausgeschlossen (vgl. N  11  f. zu Art.  272a OR). Die Erstreckung ist auch dann ausgeschlos­ sen, wenn der Vermieter unter Einhaltung der ordentlichen Fristen und Ter­ mine kündigt, sofern die Voraussetzungen für die ausserordentliche Kündi­ gung erfüllt waren (vgl. ZMP 2015, Nr. 9; vgl. auch BGE 117 II 415, E. 4 f., mit Bezug auf eine ausserordentliche Kündigung infolge Zahlungsverzugs).

69

Verzichtet der Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen auf die Anfechtung der Kündigung, so bedeutet dies nicht, dass er die Voraussetzungen der ausseror­ dentlichen Kündigung gemäss Art. 257f Abs. 3 und 4 OR anerkennt, sondern nur, dass die Kündigung jedenfalls nicht gegen Treu und Glauben i.S.v. Art. 271 OR verstösst. Die Kündigung ist dann als solche vorläufig gültig. Macht der Mieter in der nachfolgenden gerichtlichen Auseinandersetzung, namentlich einem Ausweisungsverfahren, mit Erfolg geltend, die Voraussetzungen für eine ausserordentliche Kündigung seien nicht erfüllt (z.B. keine Unzumutbar­ keit der Fortsetzung des Mietverhältnisses oder keine Mahnung), so ist die Kündigung unwirksam, und das Ausweisungsbegehren wird nicht geschützt. Der Mieter verhält sich jedoch rechtsmissbräuchlich, wenn er durch sein Ver­ halten bei seinem Vertragspartner den Eindruck erweckt, er anerkenne die Gültigkeit der Kündigung (BGE 138 III 123, E. 2.4.2). Das Bundesgericht hat sodann die in der Lehre lange Zeit umstrittene Frage, ob eine unwirksame aus­ serordentliche Kündigung in eine wirksame ordentliche Kündigung umgedeu­ tet werden kann (sogenannte Konversion), negativ beantwortet. Es beurteilte eine Konversion unter Verweis auf die Kündigungserklärung als Ausübung eines Gestaltungsrechts sowie auf den Vertrauensschutz des Kündigungsemp­ fängers als nicht zulässig (BGE 135 III 441, E. 3.3; Urteil des Bundesgerichts 4A_541/2015 vom 20.  Mai 2016, E.  4.2). Eine ordentliche Kündigung muss

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somit neu ausgesprochen werden, wobei jedoch unter Umständen (wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die ausserordentliche Kündigung fehlten) die dreijährige Kündigungssperre nach Art. 271a Abs. 1 Buchst. e OR zu beachten sein wird, sofern die Pflichtverletzung nicht anhält (vgl. N 59) oder der Vermieter sich nicht auf eine andere in Art. 271a Abs. 3 OR erwähnte Aus­ nahme berufen kann. Zum Verzicht des Vermieters auf die Durchsetzung der Kündigung kann auf 70 die Ausführungen in N 65 f. zu Art. 257d OR verwiesen werden, die sinnge­ mäss gelten.

7.

Verantwortlichkeit des Mieters für Dritte und Tiere

Die Pflicht zu Sorgfalt und Rücksichtnahme gilt nicht nur für den Mieter per­ 71 sönlich. Gemäss Art. 101 OR und Art. 333 ZGB ist der Mieter auch für das Verhalten seiner Hilfspersonen, Untermieter und Familienmitglieder verantwortlich. Der Mieter haftet für alle Hausgenossen und Angestellten, die mit ihm, neben ihm sowie für ihn die Mietsache gebrauchen (MfdP/Spirig, N 27.3.4; BGE 103 II 330, E. 2b; BGE 98 II 288, E. 2; BGE 91 II 291, E. 2a; Higi, ZK, N 26 zu Art. 257f OR, m.w.H.; ZMP 3/92, Nr. 29; von Tuhr/Escher, OR AT II, § 70, S. 123). Insbesondere bei der Geschäftsraummiete ist der Mieter auch für das Verhalten seiner Kunden ausserhalb der eigentlichen Mieträumlich­ keiten verantwortlich, wenn diese sich im Zusammenhang mit dem Besuch der Mietsache dort aufhalten (z.B. rauchende und wartende Gäste vor einem Lokal). Der Mieter ist für seine Haustiere verantwortlich, auch bei erlaubter Tierhal- 72 tung (ZMP 1/96, Nr. 1, S. 2 f.). Unerlaubte Tierhaltung ist per se ein Grund für eine ausserordentliche Kündigung (Maag, ausserordentliche Kündigung, S. 129 f.). Die Verantwortlichkeit des Mieters für Dritte und Tiere ist nicht nur Grund­ 73 lage für Schadenersatzansprüche des Vermieters (Art.  101 OR), sondern für alle Folgen der Pflichtverletzung (N 33–36), insbesondere auch das Recht der ausserordentlichen Kündigung nach Abs. 3 und 4. Das Verhalten des Mieters oder des Dritten kann auch eine unerlaubte Hand­ 74 lung i.S.v. Art. 41 ff. OR sein (vgl. BGE 103 II 330, E. 3 und 4) und eine entspre­

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chende Haftung des Dritten begründen (vgl. auch Higi, ZK, N 27 zu Art. 257f OR).

8. Kasuistik 75

Aus Literatur und Rechtsprechung ergeben sich folgende Tatbestände vertrags­ widrigen oder unsorgfältigen Gebrauchs, die Anlass für eine ausserordentliche oder ordentliche Kündigung geben können oder gegeben haben:

76

a. Sorgfaltspflichtverletzung und mangelnde Rücksichtnahme des Mieters –– Schwere fahrlässige Beschädigung der Mietsache (MfdP/Spirig, N 27.3.7.1.1). –– Entgegen dem Willen des Vermieters vorgenommene bauliche Veränderungen am Mietobjekt: Es handelt sich um eine Sorgfaltspflichtver­ letzung, welche die fristlose Kündigung rechtfertigen kann, selbst wenn durch die Arbeiten ein Mehrwert für das Mietobjekt geschaffen wurde (Urteil des Bundesgerichts 4A_277/2007 vom 26. September 2007). –– Dauernde Störung der Mitmieter durch nächtliches Bellen, Verschmut­ zungen im Treppenhaus etc. durch einen Hund (ZMP 1/96, Nr. 1). –– Das Kochen in einer Mansarde ohne Kochgelegenheit (Higi, ZK, N 13 zu Art. 257f OR). –– Störung von Mitbewohnern durch übermässigen und häufigen Lärm, verursacht durch Radio, TV, Streit etc. (Urteil des Bundesgerichts 4C.220/1993 vom 22.  September 1993; ZMP 3/91, Nr.  26: übermässi­ ger Musikgenuss bis 22.00 Uhr, teilweise bis 2.00 Uhr. Der Vermieter kündigte ohne Abmahnung auf einen vertraglichen Kündigungstermin. Die Kündigung wurde geschützt. Auch eine ausserordentliche Kündi­ gung wäre geschützt worden, falls der Vermieter vorgängig gemahnt hätte; Urteil des Bundesgerichts 4C.79/1998 vom 4. Juni 1998, in: MRA 5/98, S. 172 ff. und dazu Higi, in: AJP 1998, S. 1365 ff.; ferner Urteil des Bundesgerichts 4C.270/2001 vom 24.  November 2001, in: MRA 2/02, S. 59 ff.: lautstarker Ehekrach). –– Musiklärm in der Nacht durch zeitweise psychisch kranken Mie­ ter, Polizeiintervention (Urteil des Bundesgerichts 4C.273/2005 vom 22. November 2005: Ausserordentliche Kündigung als ungültig erklärt, da die Voraussetzungen der ausserordentlichen Kündigung vom Ver­

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mieter nicht rechtsgenügend bewiesen werden konnten und sich der Zustand des Mieters offenbar gebessert hatte). –– Nachtruhestörungen, Polizeieinsätze, Matratzenbrand (Urteil des Bun­ desgerichts vom 31. Januar1996, in: MRA 4/96, S. 166 ff.). –– Störungen der Nachbarn durch Schreie von Kindern, Türeknallen, Tages- und Nachtruhestörungen über längere Zeit (Urteil des Bundes­ gerichts 4A_317/2015 vom 23. Juli 2015, ausserordentliche Kündigung vom Bundesgericht geschützt). –– Lärmimmissionen durch Kälteaggregate in Geschäftsräumen (Urteil des Bundesgerichts vom 17. März 1997, in: MRA 4/97, S. 166 ff.). –– Lärm, mangelnde Hygiene, Belästigungen von Nachbarn durch Mieter (Entscheid der Chambre d’appel en matière de Baux et Loyers du canton de Genève, in: CdB 1/97, S. 10 ff.; Urteil des KGer Waadt vom 30. Januar 2002, in: MRA 5/02, S.  198  ff.: Türenschlagen, Schreie, Spuckspuren, Wegwerfen von Bierdosen durch Mieterehepaar). –– Gestank, mangelnde Hygiene sowie Weigerung des Mieters, Wohnung durch ein Reinigungsinstitut putzen zu lassen; (ordentliche) Kündigung geschützt und Erstreckung ausgeschlossen, da Voraussetzungen für eine ausserordentliche Kündigung nach Art.  257f Abs.  3 OR erfüllt waren (ZMP 2015, Nr. 9). –– Verletzung der Nachtruhe durch Musik, Instrumente und Tanz (Urteil des Bundesgerichts 4A_87/2012 vom 10.  April 2012, in: MRA 4/12, S. 219 ff.; ausserordentliche Kündigung geschützt, obwohl Kündigung erst 18 Monate nach schriftlicher Abmahnung erklärt). –– Störung des Hausfriedens, Bedrohung von Mitmietern (ZMP 3/92, Nr. 29); Unverträglichkeit (Entscheid der Schlichtungsbehörde Zürich vom 8. März 1995, in: MRA 5/95, S. 250 ff.). –– Belästigungen der Nachbarn und Mitgenossenschafter durch Schreie und laute Auseinandersetzungen eines Mieterehepaars, aggressives Ver­ halten gegenüber dem Hauswart und Nichtbeachtung der Regeln zur Benützung der gemeinschaftlichen Räume (BGE 136 III 65; Kündigung und Ausschluss aus Genossenschaft vom Bundesgericht bestätigt). –– Störung von Mitbewohnern durch Prostitution, damit verbunden Belästigungen oder anderweitige Verletzung der guten Sitten (Entscheid des Cour de Justice de Genève vom 7. März 1967, in: SJ 1968, S. 493;

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ZMP 2/92, Nr. 12 und 13). Hat aber der Vermieter der Nutzung einer Wohnung für sexuelle Dienstleistungen zugestimmt, verstösst eine Kün­ digung, insbesondere auch eine solche nach Art. 257f OR, gegen Treu und Glauben; sie ist auch unwirksam, falls die Nutzung vertragskon­ form ist, was im Einzelfall strittig sein kann (ZR 85 [1986] Nr. 28; N 23). Dem betroffenen Mieter stehen gegenüber dem Vermieter die Mängel­ rechte zur Verfügung, nebst direkten Klagen gegen den störenden Mie­ ter/die störende Mieterin. –– Störung der Mitmieter durch täglichen Besuch eines auswärts woh­ nenden Sohnes bei seiner Mutter. Der Sohn führt sich ungebührlich auf, lärmt im Hausgang und in der Wohnung etc. Die ordentliche Kündi­ gung wird zweitinstanzlich geschützt, allerdings eine lange Erstreckung gewährt, da letztlich keine schwere Pflichtverletzung angenommen wird (Entscheid des Juge-instructeur du district de Sierre vom 24. November 1992, in: CdB 3/93, S. 92 ff.). –– Störung durch ekelhafte Gerüche aus der Küche einer Mitbewohnerin. Vergebliche Interventionen der Gesundheitsbehörde und der Polizei. Kündigung nach Art. 261 aOR geschützt (Entscheid des Tribunal canto­ nal du canton de Vaud, 3. September 1991, in: CdB 4/92, S. 103). –– Lärm- und Geruchsimmissionen herrührend von einer Terrasse eines Restaurants: Kündigung als missbräuchlich beurteilt, da der Vermie­ ter im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von diesen Umständen gewusst hatte und sich somit mit der Kündigung widersprüchlich verhielt (Urteil des Bundesgerichts 4A_583/2008 vom 23.  März 2009, in: MRA 3/09, S. 84 ff.). –– Fehlende Sauberkeit, übelriechende Düfte und Schaben in der Woh­ nung sowie Verweigerung des Mieters, der Vermieterin für die Besei­ tigung dieser Zustände Zutritt zur Wohnung zu gewähren (Urteil des Bundesgerichts 4A_162/2007; ausserordentliche Kündigung geschützt). –– Erfüllung strafbarer Tatbestände wie Beschimpfung, Drohung, Tät­ lichkeiten gegenüber Vermietern oder Hausbewohnern (Higi, ZK, N 61 zu Art. 257f OR). –– Drogenkonsum (Urteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 11. Mai 1971, in: BJM 1971, S. 120 f.), übermässiger Alkoholkonsum in Gemeinschaftsräumen oder mit Auswirkungen auf Mitmieter.

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–– Schwere, mindestens grob fahrlässige Beschädigung der Mietsache (Higi, ZK, N 61 zu Art. 257f OR). –– Mieter lässt Wasserhahn offen und verschuldet hohen Wasserverbrauch (Urteil des Bundesgerichts 4C.175/2000 vom 15. Oktober 2000). –– Tochter der Mieterin nahm Arbeiten an der Mietsache vor (Malerar­ beiten, Auswechseln der Fliesen, Klickparkett über bestehenden Parkett verlegt; Badewanne ersetzt etc.). Das Bundesgericht hat diese Handlun­ gen im konkret zu beurteilenden Fall – in Abgrenzung zu Renovationsund Änderungsarbeiten nach Art.  260a Abs.  1 OR, welche mangels Zustimmung des Vermieters eine Sorgfaltspflichtverletzung darge­ stellt hätten (vgl. N 10) – als Mängelbehebungsarbeiten i.S.v. Art. 259b Buchst. b OR qualifiziert und somit eine Sorgfaltspflichtverletzung ver­ neint (Urteil 4A_476/2015 vom 11. Januar 2016). –– Mieter verweigert dem Vermieter ohne zureichenden Grund den Zutritt zur Wohnung: Verletzung der Sorgfaltspflicht, welche es dem Vermie­ ter unter Umständen erlaubt, den Mietvertrag ausserordentlich zu kün­ digen (Urteile des Bundesgerichts 4A_286/2015 vom 7. Dezember 2015, E. 3.1 und 4A_470/2015 vom 12. Januar 2016, E. 3). –– Schwere Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme durch den Mieter, wenn er Mitmieter und Nachbarn bedroht, tätlich angreift, ihnen wie­ derholt den Mittelfinger zeigt oder sie mit Gegenständen vom Balkon bewirft, selbst wenn Letzteres mit keiner direkten Gefährdung verbun­ den ist und der Mitmieter oder Nachbar sich selbst unanständig verhal­ ten und den Mieter somit allenfalls provoziert hatte (Urteil des Bundes­ gericht 4A_247/2015 vom 6. Oktober 2015, E. 4.3). b. Verletzung vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten, die sich auf den Gebrauch der Sache beziehen –– Verletzung der vertraglichen Gebrauchspflicht durch Um- oder Nicht­ nutzung (BGE 123 III 124, E. 2a; ZMP 2/04 Nr. 20 –22). –– Vertragswidrige Nutzung (Massagesalon anstatt Büro). Die ausser­ ordentliche Kündigung des Vermieters wird nach langem Verfahren geschützt (BGE 132 III 109, in: MRA 4/06, S. 127 ff.). –– Wohnung von Mieterin teilweise für ihre berufliche Tätigkeit als Über­ setzerin genutzt; keine zweckwidrige Nutzung der Wohnung, zumal mit keinen negativen Auswirkungen auf Nachbarn verbunden (Urteil des

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Art. 257f

Bundesgerichts 4A_38/2010 vom 1. April 2010, in: mp 3/10, S. 190; vgl. auch HAP-Immobiliarmietrecht/Maag, Rz. 2.148, S. 116). –– Nutzung einer Wohnung zur Erteilung von Zeichnungsunterricht trotz vertraglichen Verbots zur Ausübung beruflicher Tätigkeiten im Miet­ objekt. Da der Vermieter die vertragswidrige Nutzung 14 Jahre lang geduldet hatte, durfte die Mieterin nach Treu und Glauben davon aus­ gehen, dass er ihre Tätigkeit stillschweigend akzeptierte (Urteil des Bun­ desgerichts 4A_413/2009 vom 11. November 2009, in: MRA 1/10, 14 ff.). –– Unerlaubte Tierhaltung (Urteil des Bundesgerichts vom 21. Februar 1994, in: MRA 2/95, S.  93: Die Anfechtungsklage des Mieters gegen die ordentliche Kündigung des Vertrages wurde von allen Instanzen abgewiesen. Das Bundesgericht führte aus, dass sogar eine ausseror­ dentliche Kündigung gerechtfertigt gewesen wäre, da die vertraglich untersagte Tierhaltung eine schwere Pflichtverletzung darstelle). Eine schwere Pflichtverletzung ist auch das Halten von mehreren anstelle einer bewilligten Katze (so sinngemäss ZMP 3/92, Nr. 27 und Higi, ZK, N  12 zu Art.  257f OR; zum Thema vgl. ferner Püntener, Haustierhal­ tung, S. 113 ff.). –– Unerlaubtes Halten eines Hundes (Urteil des Bundesgerichts 4C.226/2000 vom 6.  Februar 2001, in: mp 4/01, S.  215  f.: Die Mieter hielten unerlaubterweise einen kleinen Hund. Die Vorinstanzen hatten die ausserordentliche Kündigung in eine ordentliche Kündigung umge­ deutet und erstmalig eine zweijährige Erstreckung gewährt. Vor Bun­ desgericht war nur noch die Dauer der Erstreckung strittig. Das Bun­ desgericht erwog, die Vertragsverletzung sei nur formeller Natur, da der Hund kaum grösser als eine Katze sei, deren Haltung nicht verboten war). –– Erlaubte/unerlaubte Haltung eines Papageis, Immissionen (Entscheid des OGer Zug vom 18. August 2000, in: MRA 1/01, S. 1 ff.). –– Weigerung, die Bedingungen der Untermiete bekannt zu geben (Urteil des Bundesgerichts 4C.331/2004 vom 17.  März 2005, in: MRA 1/06, S.  34). Eine kurze zeitliche Verzögerung der Bekanntgabe der Unter­ mietbedingungen rechtfertigt keine ausserordentliche Kündigung. –– Untervermietung ohne Absicht des Mieters, die Wohnung in abseh­ barer Zeit wieder selbst zu gebrauchen: ausserordentliche Kündigung möglich (BGE 134 III 446; Urteil des Bundesgerichts 4A_430/2013 vom

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Art. 257f

14.  Februar 2014, E.  4.2, in: MRA 4/14, 167  ff.; vgl. ferner zur Kündi­ gung bei Untervermietung N 43 sowie weitere Urteile in HAP-Immobi­ liarmietrecht/Maag, Rz. 2.143–2.147, S. 115 f.). –– Missachtung der vertraglichen Benutzerzahl, z.B. durch andauernde Überbelegung bzw. dauerndes Einquartieren von fremden Personen in der Wohnung (Entscheid der Schlichtungsbehörde Zürich vom 10. Fe­bruar 1995, in: MRA 2/96, S. 69 ff.; MfdP/Spirig, N 27.3.7.1.4). –– Sachlich unbegründete Weigerung des Mieters, dem Vermieter das Betreten der Mietsache zur Behebung von Mängeln zu gestatten (Higi, ZK, N 61 zu Art. 257f OR; MfdP/Spirig, N 27.3.7.1.1; N 29 zu Art. 257h OR). –– Weigerung des Mieters, Besichtigungen des Vermieters im Zusam­ menhang mit Verkaufsbemühungen gemäss Art.  257h OR zu dulden (LGVE 2003 I Nr. 23: Kündigung vom OGer Luzern als ungültig aufge­ hoben; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4A_286/2015 vom 7. Dezem­ ber 2015). –– Mieter widersetzt sich Vorbereitungsmassnahmen (Entfernung einer fest montierten Store aus Tuch) und hindert den Vermieter an der Erfül­ lung seiner Instandhaltungspflicht an der Fassade; er verletzt damit Art.  257h OR und die ausserordentliche Kündigung wird geschützt (Urteil des Bundesgerichts 4C.306/2003 vom 20. Februar 2004, in: MRA 5/04, S. 177 ff.). –– Mieter bringt ohne Einverständnis des Vermieters auf einem Teil des Balkons eine Glasverschalung an. Die auf Art.  257f Abs.  3 OR i.V.m. Art. 260a Abs. 1 OR gestützte Kündigung des Vermieters wurde aufgeho­ ben, da er zwischen der letzten schriftlichen Abmahnung und der Kün­ digung zu lange zugewartet hat (Urteil des Bundesgerichts 4C.118/2001 vom 8. August 2001, in: mp 4/01, S. 202 ff.). –– Eigenmächtige Nutzungsänderung (Umwandlung Wohnung in Waschsalon, Entscheid des Cour de Justice de Genève vom 2. Mai 1953, in: SJ 1953, S. 247; Laden in Kino, BGE 39 II 702). –– Wiederholte und bewusste Missachtung der Meldepflicht nach Art.  257g Abs.  1 OR (MfdP/Spirig, N  27.3.7.1.1; Higi, ZK, N  61 zu Art. 257f OR).

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Art. 257f 78

c. Verletzung anderer vertraglicher Pflichten, die sich nicht unmittelbar auf den Gebrauch der Sache beziehen oder nicht mietvertragstypisch sind –– Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes betreffend das Mietob­ jekt aufgrund von an sich vertragskonformen Investitionen (Bauarbei­ ten) des Untermieters (BGE 123 III 124: Einräumung eines Rücktrittsbzw. Kündigungsrechts gestützt auf Art. 107/109 OR). –– Verletzung eines Konkurrenzverbotes (zum Sachverhalt vgl. BGE 95 II 433; Urteil des Bundesgerichts vom 27. August 1996, in: MRA 2/97, S. 90 ff.). –– Missachtung der Bezugspflicht von Wein durch den Mieter eines Res­ taurants (Urteil des Bundesgerichts vom 17. November 2004, in: MRA 1/05, S. 43 ff. Das Bundesgericht räumte ein Kündigungsrecht aus wich­ tigen Gründen gemäss Art. 266g OR ein).

79

d. Vorsätzliche schwere Schadenszufügung –– Öffnen des Gashahns in Selbstmordabsicht, Verursachung einer Explosion (BGE 103 II 330, E. 2b). –– Feuer durch Mieter verursacht. Frage der Anwendbarkeit von Art. 257f Abs.  3 oder 4 OR offengelassen (Entscheid der Chambre d’appel en matière de Baux et Loyers du canton de Genève vom 6. September 2004, in: CdB 2/05, S. 54 ff.). –– Unerlaubte Änderung der Mietsache durch den Mieter (Graffiti) als Sachbeschädigung i.S.v. Art.  144 StGB (Urteil des Bundesgerichts 6S.388/2003 vom 3.  Februar 2004, in: MRA 5/04, S.  187  ff.). Als Bei­ spiel für einen grossen Schaden i.S.v. Art. 144 Abs. 3 StGB vgl. BGE 117 IV 437, E. 2a.

80

e. Zur Schadenersatzpflicht –– Urteil des Bundesgerichts 4C.175/2000 vom 15. Oktober 2000, in: MRA 4/02, S. 160 ff.; ferner dazu DB No 15/2003, Nr. 6, S. 11 ff. –– Tribunal des baux VD vom 24. Februar 2000, in: CdB 3/00, S. 87 ff.

238

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Daniel Reudt

Art. 257g IV. Meldepflicht 1 Der

Mieter muss Mängel, die er nicht selber zu beseitigen hat, dem Vermieter melden. 2 Unterlässt

der Mieter die Meldung, so haftet er für den Schaden, der dem Vermieter daraus entsteht. IV. Obligation d’aviser le bailleur 1 Le locataire doit signaler au bailleur les défauts auxquels il n’est pas tenu de remédier lui-

même.

2 Le

locataire répond du dommage résultant de l’omission d’aviser le bailleur.

IV. Avviso al locatore 1 Il

conduttore è tenuto a dare avviso al locatore dei difetti della cosa, sempreché non debba eliminarli egli stesso.

2 Il conduttore è responsabile del danno cagionato al locatore in caso d’omissione dell’av­ viso.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

240 240 240

2. 2.1 2.2 2.3 2.4

240 240 241 243 243

Meldepflicht des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Bedeutung und Tragweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Meldepflichtige Mängel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Formalitäten und Zeitpunkt der Meldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Folgen und Wirkungen der Meldung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 257g

1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter

1

Die Meldepflicht des Mieters kann vertraglich ausgedehnt oder eingeschränkt werden und sich nicht nur auf Mängel beziehen, die der Mieter nicht selbst beseitigen muss. Zu denken ist etwa an eine vertraglich erweiterte Obhuts- und Meldepflicht, wenn der Vermieter einer Liegenschaft im Ausland wohnt oder umgekehrt an die Übernahme eines Teiles der Obhutspflicht des Mieters durch den Vermieter bei länger dauernder Abwesenheit des Mieters (vgl. auch Giger, BK, N 9 und 38 zu Art. 257g OR; für absolut zwingend halten die Norm MfdP/ Roy, N  10.1.7 und Roncoroni, zwingende Bestimmungen II, S.  81; Higi, ZK, N 5 zu Art. 257g OR, geht von einer relativ zwingenden Norm aus).

2

Die Haftung des Mieters nach Abs. 2 kann nur im Rahmen von Art. 100 Abs. 1 OR wegbedungen werden (so auch Higi, ZK, N 6 zu Art. 257g OR).

3

Die Meldepflicht nach dem revidierten Recht gilt für sämtliche Mietverhält­ nisse, auch für diejenigen, die vor dem Inkrafttreten des revidierten Rechts, d.h. vor dem 1. Juli 1990, abgeschlossen wurden.

1.2 Anwendungsbereich 4

Die Norm gilt für alle Mietsachen, gleichgültig ob es sich dabei um bewegliche oder unbewegliche Objekte handelt (so auch Higi, ZK, N 3 zu Art. 257g OR).

2.

Meldepflicht des Mieters

2.1

Bedeutung und Tragweite

5

Die (gesetzliche) Meldepflicht des Mieters ist Ausdruck der Obhutspflicht, die dem Mieter mit der Übergabe der Mietsache erwächst. Diese ergibt sich wie­ derum aus der Sorgfaltspflicht (N 24 ff. zu Art. 257f OR; Botsch. 1985, S. 1429; MfdP/Roy, N 10.1.1; Giger, BK, N 6 zu Art. 257g OR). Es handelt sich um eine vertragliche Nebenpflicht des Mieters (Higi, ZK, N 8 zu Art. 257g OR).

6

Primärer Zweck der Meldepflicht ist es, dem Vermieter, den die dauernde Pflicht zur Instandhaltung der Mietsache trifft, die für die Mängelbeseitigung erforderlichen Kenntnisse zu vermitteln (vgl. auch N  18). Zudem soll die Meldepflicht dazu beitragen, den Vermieter vor Schaden zu bewahren, was

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Art. 257g

sich aus Abs. 2 ohne Weiteres ergibt (vgl. auch Giger, BK, N 9, 14 und 16 zu Art. 257g OR). Die gesetzliche Meldepflicht des Mieters bezieht sich auf «Mängel, die er nicht 7 selber zu beseitigen hat». Damit sind zunächst die Mängel an der eigentlichen Mietsache gemeint, da diese Gegenstand der Sorgfalts- und Obhutspflicht des Mieters sind. Im Weiteren sind auch Mängel an gemeinschaftlichen Teilen einer Immobilie zu melden, insbesondere dann, wenn ein Schaden an der Mietsache (Wohnung) droht (Hulliger/Heinrich, CHK, N 3 f. zu Art. 257g OR). Es gibt aber keine allgemeine Pflicht des Mieters, das Eigentum des Vermieters zu schützen. Ausnahmsweise können Treu und Glauben es dem Mieter gebie­ ten, dem Vermieter Meldung zu erstatten, etwa wenn die Sache des Vermieters Schaden genommen hat oder von Schaden bedroht ist (z.B. Mieter stellt einen Wassereinbruch in der Nachbarwohnung fest, deren Bewohner abwesend sind. Der Mieter ist meldepflichtig, auch wenn der Wasserschaden in der Nachbar­ wohnung ihn nicht betrifft oder betreffen kann; ablehnend: Weber, BSK, N 4 zu Art. 257g OR). Dies kann auch dann der Fall sein, wenn der fragliche Sachver­ halt keinen Mangel darstellt, weil er den zum vorausgesetzten Gebrauch taug­ lichen Zustand nicht beeinträchtigt (z.B. unberechtigter Überbau durch einen Nachbar der vermieteten Liegenschaft, wenn dieser in einem für den vertrags­ mässigen Gebrauch der Liegenschaft durch den Mieter unerheblichen Bereich erfolgt; vgl. zu dieser erweiterten Meldepflicht auch N 26 zu Art. 257f OR und Giger, BK, N 36 und 43 zu Art. 257g OR). Zur Meldepflicht im Zusammen­ hang mit Immissionen durch Bautätigkeit auf Nachbargrundstücken vgl. Stu­ der, Herabsetzung, S.  103  ff.; HAP-Immobiliarmietrecht/Rohrer, Rz.  5.72  ff., S. 240 f. sowie N 18 f. zu Art. 259d OR. In allen Fällen, in denen der Mieter zur Meldung an den Vermieter verpflich­ 8 tet ist, kann er auch verpflichtet sein, selber zu handeln, wenn er feststellt, dass der Vermieter nicht oder nicht rechtzeitig eingreifen kann (N 27 zu Art. 257f OR; so auch Giger, BK, N 24 zu Art. 257g OR).

2.2

Meldepflichtige Mängel

Der Mieter muss grundsätzlich alle Mängel der Mietsache dem Vermieter 9 melden, gleichgültig, ob es sich um körperliche oder nichtkörperliche Mängel handelt. Die Meldepflicht betrifft sowohl die Mängel, mit denen die Sache von Anfang an behaftet ist, wie auch diejenigen, die später entstehen (MfdP/Roy, N 10.1.2; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 686, S. 206). Rein ästhe­ tische Unzulänglichkeiten (z.B. infolge blosser Altersabnutzung des Gebäudes

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241

Art. 257g

bzw. der Wohnung) muss der Mieter nicht melden, selbst wenn sie einen Man­ gel im Sinne des Mietrechtes darstellen sollten (Lachat, CR, N 1 zu Art. 257g OR). Eine Meldung ist dem Mieter aber dennoch zu empfehlen. Nur bei ent­ sprechender Kenntnis des Vermieters kann der Mieter nämlich seine Män­ gelrechte, namentlich seinen Anspruch auf Beseitigung des Mangels, geltend machen (vgl. N 8 zu Art. 259b OR; vgl. auch MfdP/Roy, N 10.1.1). 10

Bevorstehende Mängel sind ebenfalls zu melden. Erkennt der Mieter oder muss er erkennen, dass ein Mangel im Entstehen begriffen ist und dass der Mietsache von daher Schaden droht, so ist auch dieser Sachverhalt melde­ pflichtig. Dies gilt selbst dann, wenn der vertragsmässige Gebrauch der Miet­ sache durch den Mieter dadurch nicht oder noch nicht beeinträchtigt wird (MfdP/Roy, N 10.1.5; Giger, BK, N 30 und 43 zu Art. 257g OR). So darf der Mieter nicht schweigen, wenn er feststellt, dass das Dach des Hauses undicht ist, selbst wenn das von ihm gemietete Lokal von den Wassereinbrüchen (noch) nicht betroffen ist (gl.M. Higi, ZK, N 19 zu Art. 257g OR).

11

Die Mängel, die der Mieter selber zu beseitigen hat, bilden die Ausnahme. Nicht meldepflichtig sind zunächst die kleinen Mängel i.S.v. Art. 259 OR, die der Mieter nach dieser Bestimmung selber zu beheben hat. Hat der Mieter jedoch Anspruch auf Beseitigung dieser Mängel, sei es gemäss Vereinbarung, sei es gemäss gesetzlicher Bestimmung (Art. 258 Abs. 3 Buchst. b OR), so sind solche Mängel meldepflichtig (Botsch. 1985, S. 1429). Mängel bzw. Schäden, die der Mieter verursacht hat, sind nicht meldepflichtig, ausser wenn sich der Schaden nicht auf die eigentliche Mietsache beschränkt (so z.B. der vom Woh­ nungsmieter verursachte Wasserschaden, der sich auch auf die darunterliegen­ den Objekte auswirken kann; Botsch. 1985, S. 1429; MfdP/Roy, N 10.1.3.2). Bei einem grösseren durch den Mieter verursachten Schaden kann eine Melde­ pflicht aber auch bestehen, wenn nur das eigentliche Mietobjekt betroffen ist. Bei einem vom Wohnungsmieter verursachten Küchenbrand muss beispiels­ weise der Vermieter benachrichtigt werden, um ihm zu ermöglichen, Versi­ cherungsansprüche geltend zu machen, wenn die Mängel nicht durch einfa­ chere Reparaturen und Reinigungen, sondern nur durch den Einbau einer vollständig neuen Küche beseitigt werden können. Gleiches gilt, wenn frag­ lich ist, welche der beiden Massnahmen (Reparatur oder neue Küche) getrof­ fen werden soll. In diesen Fällen muss der Vermieter, selbstredend unter Wah­ rung der Mieterrechte, selber entscheiden können (vgl. auch Weber, BSK, N 3 zu Art. 257g OR).

12

Keine Meldepflicht bei Kenntnis des Vermieters: Für Mängel, die der Ver­ mieter kennt, besteht keine Pflicht des Mieters, Anzeige zu erstatten. Die Mel­ 242

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Art. 257g

depflicht entfällt ferner, wenn der Vermieter die Mängel hätte kennen sollen (Botsch. 1985, S.  1429). Der Kenntnis des Vermieters wird auch das Wissen seiner Hilfspersonen zugerechnet, so etwa das Wissen des Hauswartes (sofern der Mangel seinen Zuständigkeitsbereich betrifft; vgl. hierzu N 14) oder des Liegenschaftenverwalters (MfdP/Roy, N 10.1.4). Häufig wird für den Mieter jedoch ungewiss sein, was der Vermieter weiss oder 13 wissen sollte. Dem Mieter ist daher zur Vermeidung einer Schadenersatzpflicht zu raten, im Zweifelsfalle den Mangel zu melden, und zwar so, dass der Beweis dafür gesichert ist (N 14).

2.3

Formalitäten und Zeitpunkt der Meldung

Für die Meldung des Mieters bestehen keine Formvorschriften, soweit 14 nicht eine Hinterlegung des Mietzinses beabsichtigt wird (Higi, ZK, N 28 zu Art.  257g OR). Der Mieter kann sich auch nur mündlich an den Vermieter wenden. Ebenso ist es ausreichend, wenn er die vom Vermieter eingesetzten Hilfspersonen wie den Verwalter der Liegenschaft oder den Hauswart infor­ miert, wobei Letzterem nur Mängel rechtsgenügend mitgeteilt werden kön­ nen, die seinen Aufgabenbereich betreffen. So ist es beispielsweise ungenügend, übermässige Immissionen von Nachbarn lediglich dem Hauswart zu melden (vgl. auch HAP-Immobiliarmietrecht/Rohrer, Rz.  5.27, S.  224 und Rz.  5.48, S.  231  f.). Bei gravierenden Mängeln sollte der Mieter allerdings zu Beweis­ zwecken die Meldung schriftlich erstatten, stehen doch Schadenersatzpflicht und Mängelrechte auf dem Spiel (N 16 ff.), sofern nicht für die Hinterlegungs­ androhung ohnehin eine schriftliche Rüge verlangt wird. An Fristen ist der Mieter von Gesetzes wegen nicht gebunden. Allerdings hat der 15 Mieter seine Anzeige insoweit rechtzeitig zu erstatten, dass wachsender Scha­ den vermieden wird (z.B. bei Wassereinbrüchen darf der Mieter nicht zuwar­ ten, bis sich eine – noch grössere Schäden verursachende – Überschwemmung gebildet hat; vgl. auch Higi, ZK, N 23 ff. zu Art. 257g OR, mit weiteren Beispie­ len). Der richtige Zeitpunkt der Meldung wird durch die dem Mieter auferlegte Sorgfaltspflicht vorgeschrieben.

2.4

Folgen und Wirkungen der Meldung

Unterlässt der Mieter bei der Übergabe der Mietsache oder unmittelbar 16 danach die Anzeige von Mängeln, so kann unter Umständen daraus geschlos­ sen werden, der Mieter habe die Mietsache in einem zum vorausgesetz­

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243

Art. 257g

ten Gebrauch tauglichen Zustand und somit mängelfrei erhalten (vgl. N  33 zu Art.  256 OR, auch zu den Ausnahmen von dieser Regel; vgl. ferner Vor­ bem. zu Art. 258–259i OR; gl.M. Higi, ZK, N 30 zu Art. 257g OR; MfdP/Roy, N 10.1.6; a.M. Weber, BSK, N 8 zu Art. 257g OR). Wird ein Zustand, beispiels­ weise Lärmimmissionen in der Umgebung des Mietobjektes, vom Mieter über längere Zeit stillschweigend hingenommen, kann daraus geschlossen werden, dass diese Immissionen nicht übermässig sind (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_281/2009 vom 31. Juli 2009). 17

Unterlässt der Mieter die Meldung oder erstattet er die Anzeige nicht rechtzei­ tig, so wird er unter Umständen schadenersatzpflichtig. Zu ersetzen ist aber nur der Schaden, der in adäquat kausaler Weise durch die Unterlassung oder die Verspätung der Meldung verursacht worden ist (Züst, Mängelrechte, S. 64). Wie bei jeder vertraglichen Schadenersatzpflicht steht dem Mieter zu seiner Entlastung der Nachweis offen, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last gelegt werden könne (Art. 97 OR). Schaden, unterbliebene oder verspätete Meldung und adäquater Kausalzusammenhang sind vom Vermieter zu beweisen (Higi, ZK, N 32 zu Art. 257g OR; illustratives Beispiel aus der Praxis vgl. Entscheid KGer St. Gallen VZ.2004.35 vom 14. Februar 2005).

18

Die Meldung der Mängel ist Voraussetzung für die dem Mieter zustehen­ den Rechte im Zusammenhang mit Mängeln der Mietsache (vgl. hierzu die Bemerkungen zu den Art. 259a–259i OR). Die fehlende Kenntnis entlastet den Vermieter. Solange der Vermieter die Mängel nicht kennt, kann er sie auch nicht beseitigen. Die unterlassene oder verspätete Meldung kann sodann den Vermieter von seiner Schadenersatzpflicht gemäss Art. 259e OR ganz oder teil­ weise befreien (vgl. N 7 und 21 zu Art. 259e OR; ebenso Weber, BSK, N 6 zu Art. 257g OR).

19

Stellt die Unterlassung der Anzeige an den Vermieter eine Sorgfaltspflichtverletzung dar (N 5), so kann eine erneute Verletzung der Meldepflicht den begründeten Anlass für die ausserordentliche Kündigung nach Art. 257f Abs. 3 oder 4 OR bilden (gl.M. MfdP/Roy, N 10.1.6 und Higi, ZK, N 34 zu Art. 257g OR; vgl. N 26 und 46 zu Art. 257f OR).

20

Die Meldepflicht endet mit Rückgabe der Mietsache, da nun der Vermieter die zurückgegebene Sache zu prüfen hat (Art. 267a Abs. 1 und 2 OR; Lachat, CR, N  3 zu Art.  257g OR). V.a. bezüglich versteckter Mängel besteht aber nach Treu und Glauben eine Meldeobliegenheit des Mieters (vgl. Higi, ZK, N 35 zu Art. 257g OR). Die Meldepflicht endet auch bei vorzeitiger Rückgabe, selbst wenn der Mieter keinen solventen und zumutbaren Ersatzmieter vor­

244

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Art. 257g

schlägt (a.M. Giger, BK, N 39 zu Art. 257g OR und Müller Jürg P., in: MRA 2/05, S. 67: Ohne Nennung eines geeigneten Ersatzmieters i.S.v. Art. 264 Abs. 1 OR bestehen die vertraglichen Pflichten über den in Abs. 2 in dieser Bestim­ mung genannten Umfang [Bezahlung von Mietzins] hinaus weiter und umfas­ sen auch die Sorgfalts- bzw. Unterhalts- sowie insbesondere die Meldepflicht.).

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245

Art. 257h V. Duldungspflicht 1 Der

Mieter muss Arbeiten an der Sache dulden, wenn sie zur Beseitigung von Mängeln oder zur Behebung oder Vermeidung von Schäden notwendig sind. 2 Der Mieter muss dem Vermieter gestatten, die Sache zu besichtigen, soweit

dies für den Unterhalt, den Verkauf oder die Wiedervermietung notwendig ist.

3 Der Vermieter muss dem Mieter Arbeiten und Besichtigungen rechtzeitig

anzeigen und bei der Durchführung auf die Interessen des Mieters Rücksicht nehmen; allfällige Ansprüche des Mieters auf Herabsetzung des Mietzinses (Art. 259d) und auf Schadenersatz (Art. 259e) bleiben vorbehalten.

V.

Obligation de tolérer les réparations et inspections de la chose

1 Le locataire doit tolérer les travaux destinés à remédier aux défauts de la chose ainsi qu’à

réparer ou à prévenir des dommages.

2 Le

locataire doit autoriser le bailleur à inspecter la chose dans la mesure où cet examen est nécessaire à l’entretien, à la vente ou à une location ultérieure.

3 Le

bailleur doit annoncer à temps au locataire les travaux et les inspections et tenir compte, lors de leur accomplissement, des intérêts de celui-ci; les prétentions éventuelles du locataire en réduction du loyer (art. 259d) et en dommages-intérêts (art. 259e) sont réservées.

V. Tolleranza 1 Il

conduttore è tenuto a tollerare i lavori necessari all’eliminazione dei difetti della cosa, ovvero alla rimozione o alla prevenzione dei danni.

2 Il

conduttore deve permettere al locatore l’ispezione della cosa nella misura necessaria alla manutenzione, alla vendita o a una locazione successiva.

3 Il

locatore deve annunciare tempestivamente al conduttore i lavori e le ispezioni e ­ ell’eseguirli aver riguardo per gli interessi di quest’ultimo; sono salve eventuali pretese n del conduttore di riduzione del corrispettivo (art. 259d) e risarcimento dei danni (art. 259e).

246

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Art. 257h

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich und Abgrenzungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

248 248 248

2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

Pflicht zur Duldung von Arbeiten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Bedeutung und Tragweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Art und Umfang der zu duldenden Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Rechtzeitige Anzeige und Rücksichtnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Ansprüche des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Weigerung des Mieters, Arbeiten zu dulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

249 249 249 251 252 253

3.

Pflicht zur Duldung von Besichtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

254

Daniel Reudt

247

Art. 257h

1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter

1

Die Norm ist zwingender Natur (gl.M. MfdP/Roy, N 10.2.4 und 10.3.7; Ron­ coroni, zwingende Bestimmungen II, S.  81  ff.). Der Mieter hat ein im Rah­ men von Art. 256 Abs. 2 OR unentziehbares Recht auf dauernden und ungestörten Gebrauch der sich in einem vertragsmässigen Zustand befindlichen Mietsache. Daraus ergibt sich zwingend, dass die Duldungspflichten, die eine Einschränkung dieser Rechtsstellung des Mieters darstellen, auch nicht wei­ ter gehen dürfen, als das Gesetz dies vorsieht. Anderseits kann der Vermie­ ter seine unabdingbare Pflicht zur Erhaltung der Mietsache in einem zum vor­ ausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand nur erfüllen, wenn der Mieter die entsprechenden Eingriffe in die Mietsache zu dulden hat. Ein Verzicht auf die­ ses Recht wäre nichtig. Soweit es um das Besichtigungsrecht des Vermieters im Zusammenhang mit dem Verkauf oder der Weitervermietung geht, steht zudem das verfassungsmässige Eigentumsrecht des Vermieters infrage (ZR 87 [1988] Nr. 27 zu Art. 256 aOR).

2

Dispositiver Natur ist die Norm insoweit, als es den Parteien unbenommen ist, durch Abreden festzuhalten, welche Modalitäten bei der Durchführung von Arbeiten und für Besichtigungen gelten sollen (insbesondere bezüglich der Voranzeigefristen), soweit dadurch die Erfordernisse der rechtzeitigen Anzeige und der Rücksichtnahme auf die Interessen des Mieters (Abs. 3) nicht infrage gestellt werden (gl.M. Higi, ZK, N  4 zu Art.  257h OR; Lachat, CR, N  2 zu Art. 257h OR).

3

Die Bestimmung gilt auch für Mietverhältnisse, die vor dem Inkrafttreten des revidierten Rechts (1. Juli 1990) abgeschlossen wurden. Altrechtliche Klauseln, die dem Mieter eine über das Gesetz hinausgehende Duldungspflicht auferle­ gen, sind wegen des zwingenden Charakters nichtig.

1.2

Anwendungsbereich und Abgrenzungen

4

Die Duldungspflichten des Mieters gelten an sich für alle Mietverhältnisse, also auch für die Miete von Fahrnis. Praktisch beschränkt sich indessen die Anwen­ dung der Norm auf Mietverträge über Wohn- und Geschäftsräume.

5

Die Duldungspflichten des Mieters gemäss Art. 257h OR sind zu unterschei­ den von denjenigen gemäss Art. 260 OR (dazu N 13 ff. zu Art. 260–260a OR). Abzugrenzen sind somit die Erneuerungen und Änderungen der Mietsache

248

Daniel Reudt

Art. 257h

im Sinne der letztgenannten Bestimmung von den Arbeiten, die zur Beseiti­ gung von Mängeln oder zur Behebung oder Vermeidung von Schäden notwen­ dig sind. In der Praxis kann es durchaus Abgrenzungsprobleme geben, so ins­ besondere bei den häufigen umfassenden Überholungen von Liegenschaften, v.a. wenn diese einen erheblichen Nachholbedarf bezüglich ihres Unterhalts aufweisen (vgl. auch Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 693, S. 208). Die Unterscheidung ist insofern von Bedeutung, als Unterhaltsarbeiten i.S.v. Art. 257h OR – im Gegensatz zu Erneuerungen und Änderungen an der Miet­ sache gemäss Art. 260 OR – auch im gekündigten Mietverhältnis vorgenom­ men werden können (Weber, BSK, N 2 zu Art. 257h OR; vgl. auch N 7).

2.

Pflicht zur Duldung von Arbeiten

2.1

Bedeutung und Tragweite

Der Vermieter muss die Mietsache dauernd in einem zum vorausgesetzten 6 Gebrauch tauglichen Zustand erhalten. Er hat somit Mängeln der Mietsa­ che vorzubeugen oder diese zu beheben; er hat selbst Verschlechterungen der Mietsache zu beseitigen, die allein durch den vertragsmässigen Gebrauch ent­ standen sind (Botsch. 1985, S. 1430). Die Duldungspflicht des Mieters ist das Korrelat zur Pflicht des Vermieters, die Sache dauernd instand zu halten (Botsch. 1985, S. 1430; Higi, ZK, N 5 zu Art. 257h OR). Die Duldung von Arbeiten nach Abs. 1 kann sich niemals auf Änderungen 7 oder Erneuerungen der Mietsache gemäss Art. 260 OR beziehen (vgl. auch N 10). Ist beispielsweise durch einen nicht durch den Mieter selbst verursach­ ten Wohnungsbrand die Küche in Mitleidenschaft gezogen worden, so muss der Mieter nur Reparaturen und Reinigungen hinnehmen, nicht aber unbe­ dingt den Einbau einer neuen Küche. Es sei denn, die Wiederherstellung des vertragsmässigen Zustandes lasse sich nur auf diese Weise vernünftig erreichen, z.B. wenn der Reparaturaufwand unverhältnismässig wäre. Inwieweit der Mie­ ter Mehrwert schaffende Investitionen zu dulden hat, beurteilt sich ausschliess­ lich nach Art. 260 OR (vgl. hierzu N 15 ff. zu Art. 260–260a OR).

2.2

Art und Umfang der zu duldenden Arbeiten

Der Mieter muss die Arbeiten dulden, soweit sie notwendig sind (N 10). Der 8 Mieter muss dabei nicht nur dringende Ausbesserungen dulden. Das Krite­ rium der Dringlichkeit ist nicht entscheidend für die Zulässigkeit der Arbeiten

Daniel Reudt

249

Art. 257h

(Botsch. 1985, S. 1430; MfdP/Roy, N 10.3.2, der allerdings wohl zu Recht dar­ auf hinweist, dass je weniger dringlich eine Arbeit ist, desto weniger notwen­ dig sie sein kann). Da die Unterhaltspflicht des Vermieters der Duldungspflicht des Mieters zwangsläufig zu entsprechen hat, ist diese nicht nur auf eigent­ liche Reparaturen beschränkt, sondern ermöglicht dem Vermieter auch wei­ tergehende Überholungen und Instandstellungen, soweit sie zur Erfüllung der Unterhaltspflicht des Vermieters gehören (Botsch. 1985, S. 1430; Higi, ZK, N 12 zu Art. 257h OR). Es ist ein objektiver Massstab anzuwenden, ohne dass es auf die Meinung des Mieters ankommt (Urteile des Bundegerichts 4A_162/2007 vom 27.  September 2007 und 4C.306/2003 vom 20.  Februar 2004, in: MRA 5/04, S. 177). 9

Die Duldungspflicht erfasst nicht nur Arbeiten, die für die Beseitigung von Mängeln oder für die Behebung von Schäden notwendig sind, sondern auch solche, die der Vermeidung von Schäden dienen. Dies gibt dem Vermieter einen gewissen Ermessensspielraum zu entscheiden, welche Arbeiten er aus präventiven Gründen ausführen lassen will und wann dies der Fall sein soll. Der Vermieter muss jedenfalls nicht warten, bis sich ein Schaden ereignet hat (z.B. Sanierung einer veralteten Elektroanlage nicht erst nachdem durch Kurz­ schluss ein Brand ausgebrochen ist; vgl. auch Higi, ZK, N 15 zu Art. 257h OR und Giger, BK, N 29 f. zu Art. 257h OR).

10

Zu dulden sind nur die notwendigen Arbeiten. Notwendig sind Arbeiten zur Erhaltung des vertragsgemässen Zustandes, die grundsätzlich keinen Mehr­ wert im Sinne einer Mehrleistung schaffen (Higi, ZK, N 17 zu Art. 257h OR). Der Vermieter darf die Behebung von Schäden und die Beseitigung von Män­ geln nicht zum Anlass nehmen, weitergehende Renovationen vorzunehmen, es sei denn, die Voraussetzungen für die Durchführung solcher Arbeiten seien ebenfalls erfüllt (vgl. Art. 260 OR und dortige Bemerkungen).

11

Das Gesetz verlangt nicht, dass es sich um Arbeiten im Rahmen des beste­ henden Mietverhältnisses handeln muss (so aber Botsch. 1985, S. 1430). Dass der Mieter gewisse Instandstellungen unter bestimmten Umständen nicht zu dulden hat, wie z.B. der Wohnungsmieter das Tapezieren der Wände und das Streichen der Decken kurz vor seinem Auszug (Botsch. 1985, S. 1430), ergibt sich dagegen aus dem Gebot zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Mie­ ters gemäss Abs. 3 (N 14).

12

Das Gesetz spricht lediglich von einer Duldungspflicht des Mieters. Die Dul­ dungspflicht des Mieters kann unter Umständen aber auch eine Mitwirkungspflicht, mithin eine Pflicht zu einem aktiven Tun, beinhalten. So hat der Mie­

250

Daniel Reudt

Art. 257h

ter beispielsweise den defekten Geschirrspüler vorab zu räumen oder das defekte Parkett freizulegen, damit der Vermieter die Mängelbehebungsarbei­ ten ausführen kann. Solche Vorbereitungshandlungen lassen sich vom Mie­ ter mit vertretbarem Aufwand ausführen, sodass sie ihm auch zugemutet wer­ den dürfen (gl.M. Hulliger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 257h OR; ausführlich Tschudi, Mitwirkungspflicht, S.  120; Urteil des Bundesgerichts 4C.306/2003 vom 20. Februar 2004, in: MRA 5/04, S. 177 ff.; vgl. auch N 19).

2.3

Rechtzeitige Anzeige und Rücksichtnahme

Was unter rechtzeitiger Anzeige zu verstehen ist, präzisiert das Gesetz nicht. 13 Das lässt sich allgemein auch nicht umschreiben. Hier wird auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen sein. Grundsätzlich muss dem Mieter genügend Zeit eingeräumt werden, um die ihm obliegenden Vorbereitungsarbeiten wie das Wegräumen von Möbeln usw. zu treffen (vgl. N 12). Bei dringenden Repara­ turen wird, v.a. wenn wachsender Schaden droht, eine kurze, gegebenenfalls auch eine sehr kurze Voranzeigefrist nicht zu beanstanden sein (gl.M. Hulliger/ Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 257h OR). Können die Arbeiten dagegen von lan­ ger Hand geplant werden, so ist vom Vermieter die Einhaltung einer grosszü­ gigen Voranzeigefrist zu fordern. Zudem ist eine umfassende Orientierung des Mieters über die auszuführenden Arbeiten möglich, in deren Nachgang allfäl­ lige Fragen der Mieter beantwortet und Bedenken ausgeräumt werden können (vgl. auch MfdP/Roy, N 10.3.4). Die Anzeige kann formlos erfolgen (Higi, ZK, N 21 zu Art. 257h OR). Lehnt der Mieter einen Termin aus objektiven Grün­ den ab, hat er selber einen geeigneten Termin vorzuschlagen (Higi, ZK, N 33 zu Art. 257h OR). Eine erhöhte Flexibilität kann vom Mieter nach Treu und Glauben insbesondere dann verlangt werden, wenn die konkreten Arbeiten an verschiedenen Mietobjekten vorzunehmen sind und es dem Vermieter nicht zumutbar wäre, die von ihm beigezogenen Handwerker mehrfach aufbieten zu müssen. Weigert sich der Mieter, einen möglichen Termin bekannt zu geben, kann der Vermieter den Termin einseitig vorgeben. Die Rücksichtnahme auf die Interessen des Mieters gebietet dem Vermieter all­ 14 gemein, die Arbeiten möglichst schonend durchzuführen. Dies gilt sowohl für die zeitliche Disposition der Arbeiten als auch für deren Störungsintensi­ tät. Undicht gewordene Fenster sollen beispielsweise nicht während der kalten Jahreszeit ersetzt werden und zudem nicht so, dass der Mieter gar über Nacht ohne Fenster bleibt. Die Arbeiten sind ferner zügig durchzuführen (Higi, ZK, N 35 zu Art. 257h OR).

Daniel Reudt

251

Art. 257h 15

Auf die besondere Interessenlage der Parteien ist ebenfalls Rücksicht zu neh­ men. Die beidseitigen Interessen sind gegeneinander abzuwägen. Zugunsten des Mieters wirkt das Gebot zur Rücksichtnahme auf seine Interessen ganz all­ gemein als Schikaneverbot. Die Überholung und Instandstellung einer Woh­ nung liegt beispielsweise nicht im Interesse eines Mieters, der in gekündigtem Verhältnis kurz vor dem Auszug steht, da das Ergebnis der Arbeiten nur dem Nachfolgemieter zugutekommt. Anders ist zu entscheiden, wenn der Vermie­ ter gleichzeitig alle Wohnungen im Hause überholen lässt; dann überwiegt das Interesse des Vermieters an der ungehinderten Durchführung der geplanten Instandstellungsarbeiten (Botsch. 1985, S.  1430; siehe auch Zihlmann, Miet­ recht, S. 67 f., der eine analoge Anwendung von Art. 260 Abs. 1 OR ins Auge fasst, was aber bei richtiger Interessenabwägung nicht nötig ist). Gleiches gilt, wenn es um die Reparatur grösserer, vom Mieter verursachter Schäden geht, deren Behebung nach Auszug die Weitervermietung ohne Unterbruch verhin­ dern würde.

2.4

Ansprüche des Mieters

16

Als Folge von Unterhaltsarbeiten kann die Mietsache vorübergehend in einen Zustand geraten, der den vorausgesetzten und vertragsmässigen Gebrauch schmälert. Die Mietsache weist dann Mängel i.S.v. Art. 259a OR auf. Dem Mie­ ter stehen folglich die Ansprüche auf Herabsetzung des Mietzinses (Art. 259d OR) und auf Schadenersatz (Art. 259e OR) zu, was das Gesetz in Abs. 3 aus­ drücklich erwähnt. Da der Vermieter mit diesen Arbeiten die ihm obliegende Unterhaltspflicht erfüllt, dürfte es am für den Schadenersatz vorausgesetz­ ten Verschulden des Vermieters aber regelmässig fehlen. Schadenersatzan­ sprüche werden daher nur dann zur Diskussion stehen, wenn es der Vermie­ ter bei der Durchführung der Arbeiten an der erforderlichen Sorgfalt oder an der gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen des Mieters fehlen lässt. Hat der Mieter in Kenntnis aller Umstände der Ausführung der Arbeiten zuge­ stimmt, so ist für Schadenersatzansprüche gegen den Vermieter kein Raum. Es sei denn, der Vermieter sei grundlos zum Nachteil des Mieters vom angekün­ digten Ausführungsprogramm abgewichen. Schadenersatz kann auch geschul­ det sein, wenn Sachen des Mieters im Zuge der Arbeiten beschädigt werden (vgl. Higi, ZK, N 46 zu Art. 257h OR).

17

Das Gesetz erwähnt die Möglichkeit des Mieters nicht, nach Art. 259b Buchst. a OR fristlos zu kündigen. Das Schweigen des Gesetzes ist gewollt. Der Vermie­ ter soll im Zusammenhang mit zulässigen Arbeiten zur Behebung von Män­ geln und Schäden nicht auch noch das Risiko laufen, dass der Mieter fristlos 252

Daniel Reudt

Art. 257h

kündigt. Ausnahmsweise kann ein schwerer zusätzlicher Mangel entstehen, so z.B. wenn der Vermieter eine in Angriff genommene Instandstellung des Hau­ ses (etwa Ersatz defekter Fenster, Reparatur der beschädigten Fassade, Pinsel­ renovation der Wohnungen, Instandstellung des Treppenhauses usw.) plötzlich einstellt und die Mieter grundlos für längere Zeit in einer eigentlichen Bau­ stelle leben lässt. Auch eine Hinterlegung des Mietzinses ist grundsätzlich ausgeschlossen (Higi, ZK, N 45 zu Art. 257h OR).

2.5

18

Weigerung des Mieters, Arbeiten zu dulden

Weigert sich der Mieter zu Unrecht, Arbeiten zu dulden, obwohl alle Vorausset­ 19 zungen erfüllt sind, so wird er schadenersatzpflichtig, da er eine vertragliche Pflicht verletzt (Art. 97 OR; gl.M. Wessner, Sorgfaltspflichten I, S. 142). Zudem kann der Vermieter den Mietvertrag ordentlich oder gestützt auf Art.  257f Abs.  3 OR ausserordentlich kündigen (gl.M. MfdP/Roy, N  10.3.6; Hulliger/ Heinrich, CHK, N  2 zu Art.  257h OR; vgl. ferner das Urteil des Bundesge­ richts 4C.306/2003, in: MRA 5/04, S.  177  ff.: Ein Mieter weigerte sich, eine fest montierte Store aus Tuch zu entfernen, und hinderte damit den Vermie­ ter an der Erfüllung einer erforderlichen Fassaden- und Dachrenovation. Die auf Art. 257f Abs. 3 OR gestützte Kündigung des Vermieters wurde von allen Instanzen bis zum Bundesgericht geschützt.). Eine vorzeitige oder ordentliche Kündigung des Vermieters, ohne dass die Duldungspflicht verletzt worden ist, ist treuwidrig und nach Art. 271a Abs. 1 Buchst. a OR anfechtbar (Higi, ZK, N 39 zu Art. 257h OR). Über die Weigerung des Mieters, Arbeiten zu dulden, darf sich der Vermieter 20 nicht leichtfertig hinwegsetzen und in das Mietobjekt eindringen. Andernfalls riskiert er, wegen Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB) angezeigt zu werden. Als Rechtsbehelf steht dem Vermieter in aller Regel der Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 257 ZPO) im summarischen Verfahren zur Verfügung (so auch Weber, BSK, N 5 zu Art. 257h OR; Aubert, CPra, N 27 ff. zu Art. 257h OR und MfdP/Roy, N 10.3.6 verweisen auf die Möglichkeit vorsorglicher Massnahmen nach Art. 261 ff. ZPO). Ein Selbsthilferecht des Vermieters wird man nur für Notfälle (i.S.v. Art. 52 Abs. 3 OR) annehmen dürfen, etwa wenn es um dring­ liche Reparaturen geht, bei denen es gilt, unmittelbaren Schaden zu vermei­ den. Denkbar ist eine solche Selbsthilfemassnahme auch, wenn der rechtzei­ tig orientierte Mieter plötzlich den Zutritt zur Mietsache verweigert und so die

Daniel Reudt

253

Art. 257h

geordnete Durchführung der Arbeiten in schwerwiegender Weise stört (in die­ sem Sinne auch Botsch. 1985, S. 1431).

3.

Pflicht zur Duldung von Besichtigungen

21

Die Pflicht des Mieters, Besichtigungen der Mietsache durch den Vermie­ ter zu dulden, ist beschränkt. Sie besteht nur, soweit die Besichtigungen für den Unterhalt, für den Verkauf oder die Weitervermietung notwendig sind. Andere Gründe für eine Besichtigung bedürfen der Zustimmung des Mieters (Higi, ZK, N 30 zu Art. 257h OR).

22

Das Recht des Vermieters muss nicht persönlich ausgeübt werden. Der Mieter hat auch Besichtigungen durch Hauswart, Verwaltung, Architekt und andere Hilfspersonen zu dulden (Higi, ZK, N 35 zu Art. 257h OR; so schon ZR 87 [1988] Nr. 27).

23

Im Zusammenhang mit dem Unterhalt sind Besichtigungen nicht nur zulässig, wenn dem Vermieter ein Mangel oder ein Schadenfall zur Kenntnis gebracht wurde, sondern ganz allgemein von Zeit zu Zeit, wenn auch mit der nötigen Zurückhaltung (vgl. auch Higi, ZK, N 36 zu Art. 257h OR). Eine allgemeine Regel lässt sich dazu nicht aufstellen (Botsch. 1985, S.  1430). Streitfälle sind nach den Regeln von Treu und Glauben und mit gesundem Menschenverstand zu entscheiden (Lachat, N 2.1, S. 235).

24

Besichtigungen, die der Wiedervermietung dienen, wird der Mieter erst dann dulden müssen, wenn das Mietverhältnis gekündigt ist oder bei einem befris­ teten Mietverhältnis kurz vor der Beendigung steht (Botsch. 1985, S.  1431). Soweit es um die Wiedervermietung oder den Verkauf der Liegenschaft (vgl. hierzu Giger, BK, N 40 zu Art. 257h OR) geht, kann vom Vermieter verlangt werden, dass er die verschiedenen Miet- oder Kaufinteressenten zusammenge­ fasst und konzentriert zur Besichtigung einlädt, um so die Störung des Mieters möglichst gering zu halten.

25

Vielfach enthalten die Formularmietverträge Bestimmungen über die Modali­ täten, die für solche Besichtigungen gelten sollen, insbesondere über die vom Vermieter einzuhaltende Voranzeigefrist, über die Wochentage und Tageszei­ ten, an denen besichtigt werden darf, sowie über die Pflicht des Mieters, den Schlüssel zu hinterlegen, falls Besichtigungen oder Unterhaltsarbeiten anste­ hen. Solche Absprachen sind zulässig (N  2) und nützlich, werden doch mit ihrer Hilfe oftmals unnütze Diskussionen vermieden (vgl. ZR 87 [1988] Nr. 27).

254

Daniel Reudt

Art. 257h

Bei unberechtigter Weigerung des Mieters kann der Vermieter Klage auf Dul- 26 dung erheben (N 20), allenfalls ordentlich oder gemäss Art. 257f Abs. 3 und 4 OR ausserordentlich kündigen (Urteil des Bundesgerichts 4A_286/2015 vom 7. Dezember 2015, mit welchem die Berechtigung zur ausserordentlichen Kün­ digung im Grundsatz bestätigt, mit Bezug auf den zu beurteilenden Sachverhalt die Pflichtverletzung aufgrund der konkreten Umstände aber als nicht ausrei­ chend schwerwiegend beurteilt wurde; Urteil des Bundesgerichts 4A_470/2015 vom 12. Januar 2016, E. 3; vgl. N 8, 28 und 46 zu Art. 257f OR). Der Mieter kann ausserdem schadenersatzpflichtig werden. Für die Rücksichtnahme auf die Interessen des Mieters und die Folgen der 27 Weigerung des Mieters, Besichtigungen zu dulden, kann im Übrigen auf die Ausführungen im Zusammenhang mit der Duldung von Arbeiten verwiesen werden (N 13–20), die sinngemäss gelten.

Daniel Reudt

255

Matthias Tschudi

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i InhaltsübersichtSeite 1. Inhalt und Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Tatbestände .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Nicht geregelte Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

257 257 259

2. Mangel der Mietsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Begriff des Mangels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Feststellung des Mangels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Mängelarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Gesetzliche Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

262 262 264 272 276

3. 3.1 3.2 3.3

Rechte des Mieters bei Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Rechte des Mieters beim zeitlichen Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Erfüllungsanspruch und Lösungsbefugnisse des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Weitere Mängelrechte .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

279 279 280 281

4. 4.1 4.2

Haftung Vermieter aus Nichterfüllung und Schlechterfüllung .. . . . . . . . . . . . . . . . . .  Haftung ohne Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

281 281 282

5.

Konkurrenz mit anderen Haftungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

282

256

Matthias Tschudi

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

1.

Inhalt und Gegenstand

Art. 258–259i OR befassen sich mit der Nichterfüllung und der Schlecht- bzw. 1 mangelhaften Erfüllung der Hauptleistungspflicht des Vermieters bei Über­ gabe der Mietsache (Marginale zu Art. 258 OR) bzw. während der Mietdauer (Marginale zu Art. 259 OR). Sie regeln – unvollständig – die Rechtsfolgen die­ ser Leistungsstörungen. Um den Inhalt und Anwendungsbereich und damit zugleich die Grenzen der 2 Anwendbarkeit dieser Normen zu verstehen, gilt es, sich die Hauptleistungs­ pflicht des Vermieters vor Augen zu führen: Fasst man die in Art. 253 und 256 Abs. 1 OR statuierten Vermieterpflichten zusammen, so lässt sich die Haupt­ leistungspflicht des Vermieters als Pflicht umschreiben, dem Mieter den voraus­ gesetzten Gebrauch der Mietsache zu ermöglichen, indem der Vermieter dem Mieter den dafür erforderlichen Zustand der Mietsache verschafft (Näheres unter N 3 ff. zu Art. 256 OR). Die Hauptleistungspflicht des Vermieters umfasst damit im Wesentlichen zwei Teilgehalte: Zum einen die Überlassungspflicht (Übergabe der Mietsache und Einräumung der tatsächlichen Herrschaft) und zum anderen die Pflicht, dem Mieter die vereinbarte Qualität des Mietgegen­ standes zu verschaffen («Qualitätspflicht»). Beide Teilgehalte sind Dauerleis­ tungspflichten, was mit Bezug auf die «Qualitätspflicht» namentlich bedeutet, dass der Vermieter schlecht erfüllt, wenn und sobald die Mietsache nicht bzw. nicht mehr die vereinbarte Qualität aufweist. Der Vermieter leistet nur dann korrekt, wenn er die Mietsache im geschuldeten Zustand übergibt, und nur solange, wie sich die Mietsache während der Mietdauer in diesem befindet (Tschudi, Immissionen, S. 17). Die Art. 258 ff. OR befassen sich gleichermassen mit den Rechtsfolgen der Ver­ 3 letzung der Überlassungspflicht («Nichterfüllung») wie mit den Rechtsfolgen der Verletzung der Qualitätspflicht («mangelhafte Erfüllung» bzw. «Mängel während der Mietdauer»). Die Regelung ist indessen in verschiedener Hin­ sicht unvollständig, was es im Folgenden darzustellen gilt.

1.1 Tatbestände 1.1.1

Übergabe der Mietsache

Art. 258 OR regelt zunächst den Tatbestand der Nichterfüllung bei Übergabe der Mietsache, d.h. den Fall, dass der Vermieter die Sache zum vereinbarten Zeitpunkt nicht übergibt (Verletzung der Überlassungspflicht).

Matthias Tschudi

257

4

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i 5

Aufgrund der (Rechtsfolge-)Verweisung auf Art. 107–109 OR ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber bei der Redaktion von Art.  258 Abs.  1 OR nur eigent­ liche Verzugsfälle im Auge hatte, nicht jedoch Fälle von nachträglicher oder ursprünglicher subjektiver oder objektiver Unmöglichkeit. Diesbezüglich ist immerhin hervorzuheben, dass die neuere Lehre zu Recht davon ausgeht, dass die ursprüngliche oder nachträgliche subjektive Leistungsunmöglichkeit («der Schuldner kann nicht, was ein Dritter könnte») ebenfalls einen Ver­ zugstatbestand darstellt, welcher die Rechtsfolgen der Art. 107 ff. OR auslöst (vgl. Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT II, N 2575 ff.). Fälle von subjektiver Leistungsunmöglichkeit (z.B. Doppelvermietung) sind daher ebenfalls unter Art. 258 Abs. 1 OR zu subsumieren.

6

Art. 258 OR regelt ferner den Tatbestand der mangelhaften Erfüllung, mithin den Fall, dass der Vermieter die Sache zwar zum vereinbarten Zeitpunkt über­ gibt, jedoch nicht im geschuldeten Zustand (Verletzung der Qualitätspflicht).

7

Für den Fall der Übergabe einer Mietsache, die mit einem schweren Mangel behaftet ist (vgl. zum Begriff des schweren Mangels N  63 nachfolgend), ver­ weist das Gesetz ebenfalls auf Art.  107–109 OR. Entsprechend den obigen Ausführungen ist davon auszugehen, dass diese Verweisung wiederum nur für eigentliche Verzugsfälle (die Herstellung des geschuldeten Zustands ist dem Vermieter möglich) bzw. für Fälle von subjektiver Leistungsunmöglichkeit (die Herstellung des geschuldeten Zustandes ist nur dem fraglichen Vermie­ ter unmöglich) gilt, nicht jedoch für Fälle von objektiver Leistungsunmöglichkeit.

1.1.2 8

Während Mietdauer

Die Art. 259 ff. OR befassen sich ausschliesslich mit der mangelhaften Erfüllung der Vermieterleistung während der Mietdauer (Störung der Qualitäts­ pflicht). Die Bestimmungen legen die Rechtsfolgen fest, falls sich das Miet­ objekt während der Mietdauer nicht in dem Zustand befindet, in dem es sich nach dem Vertrage eigentlich befinden sollte und es, mit anderen Worten, an einem Mangel leidet. Die Bestimmungen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts (Art.  97  ff., 102 ff., 119 OR) werden durch die Art. 259 ff. OR vollständig verdrängt. Für die Anwendung der Art. 259 ff. OR kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der geschuldete Zustand (wieder)hergestellt werden kann (Verzug bzw. subjek­ tive Unmöglichkeit) oder nicht (objektive Unmöglichkeit). Insofern ist es nicht präzise zu sagen, beim Mängelrecht (Art. 259 ff. OR) handle es sich um beson­

258

Matthias Tschudi

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

deres Verzugsrecht (so aber Gauch, Beendigung, S.  158  f.; Schmid, Verzugs­ regelung, S. 72 ff., m.w.H.). Die Art. 259 ff. OR gelangen vielmehr grundsätz­ lich auch dann zur Anwendung, wenn es dem Vermieter objektiv unmöglich ist, den vertraglich geforderten Zustand (wieder)herzustellen und damit seine Leistung (wieder) gehörig zu erfüllen. Dabei versteht es sich, dass gewisse Män­ gelrechte im Falle der objektiven Unmöglichkeit von vornherein versagen (z.B. der Mängelbeseitigungsanspruch gemäss Art. 259b OR oder, damit verbun­ den, das Hinterlegungsrecht nach Art. 259g ff. OR).

1.2

Nicht geregelte Tatbestände

1.2.1

Übergabe der Mietsache

Aufgrund der Verweisung auf das allgemeine Verzugsrecht (Art. 107–109 OR) 9 ist davon auszugehen, dass von Art. 258 Abs. 1 OR Fälle der objektiven Leistungsunmöglichkeit nicht erfasst werden. Ist somit der Vermieter überhaupt nicht in der Lage, die versprochene Mietsache zu übergeben, und ist dazu auch kein Dritter in der Lage, so ist ein solcher Fall nicht unter Art. 258 Abs. 1 OR zu subsumieren (vgl. zur bloss subjektiven Leistungsunmöglichkeit N 5 hier­ vor). Zur Anwendung gelangt diesfalls vielmehr das allgemeine Leistungsstö­ rungsrecht. Im Falle ursprünglicher objektiver Leistungsunmöglichkeit ist der Vertrag nach Art. 20 OR nichtig. Infrage kommt bei gegebenen Voraussetzun­ gen allenfalls eine Haftung des Vermieters aus culpa in contrahendo (Gauch/ Schluep/Schmid, OR AT I, N 952). Bei nachträglicher objektiver Leistungsun­ möglichkeit, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, greift Art. 119 OR, was zum entschädigungslosen Erlöschen des gesamten Vertragsverhältnisses führt (statt vieler: Guhl et al., OR, S. 379; Higi, ZK, N 22 und 24 zu Art. 258 OR). Hat der Vermieter die Leistungsunmöglichkeit verschuldet, haftet er dafür nach Art. 97 ff. OR. Übergibt der Vermieter die Mietsache mit schweren Mängeln – das sind sol­ 10 che, die den Gebrauch der Mietsache ausschliessen oder in nicht zumutbarer Weise beeinträchtigen (vgl. Art. 258 Abs. 1 OR sowie N 63 nachstehend) – und ist weder der Vermieter noch ein beliebiger Dritter in der Lage, dem Mieter den geschuldeten mängelfreien Zustand zu verschaffen, liegt ein Fall von objektiver qualitativer Unmöglichkeit vor, der aufgrund der Verweisung auf das Verzugs­ recht (Art. 107–109 OR) nicht von Art. 258 Abs. 1 OR erfasst wird. Je nachdem, ob die Unmöglichkeit eine ursprüngliche oder eine nachträgliche ist, richten sich die Rechtsfolgen nach Art. 20 OR oder nach Art. 119 OR. Bei vorliegen­ dem Verschulden fällt sodann eine Haftung des Vermieters aus culpa in con-

Matthias Tschudi

259

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

trahendo bzw. aus Art. 97 ff. OR in Betracht. Leidet die Mietsache nicht an einem schweren Mangel, sondern an einem mittleren oder kleinen, so ist der Mieter in jedem Fall gehalten, die Mietsache zu übernehmen, und es stehen ihm diesfalls gemäss Art. 258 Abs. 3 OR die Mängelrechte nach Art. 259a–259i OR zu Gebote, und zwar auch dann, wenn die Herstellung des geschuldeten Zustandes objektiv unmöglich ist.

1.2.2

Während Mietdauer

11

Im Gegensatz zu Art. 258 OR regelt das Gesetz für die Zeit während der Miet­ dauer (Art. 259 ff. OR) lediglich die mangelhafte Erfüllung der Vermieterleis­ tung, nicht jedoch die – insofern nachträgliche – Nichterfüllung (durch wie auch immer gearteten «Entzug» der Mietsache). Eine Ausnahme ist allenfalls in Art. 259f OR zu sehen.

12

Wird dem Mieter die Sache während der Mietdauer aus Gründen, die der Ver­ mieter nicht zu vertreten hat, entzogen (z.B. durch Wegnahme oder vollstän­ dige Zerstörung), und ist weder der Vermieter noch ein Dritter in der Lage, dem Mieter die Sache wieder zu beschaffen, so fällt der Vertrag in Anwen­ dung von Art. 119 OR entschädigungslos dahin. Hat der Vermieter den defi­ nitiven Entzug verschuldet, so haftet er für den daraus entstandenen Schaden nach Art. 97 ff. OR.

13

Im Falle des Verzugs bzw. der bloss subjektiven Leistungsunmöglichkeit (z.B. Auflösung des Hauptmietverhältnisses bei der Untermiete) richten sich die Rechtsfolgen nach den Art.  102  ff. OR, wobei darauf hinzuweisen ist, dass der Rücktritt nach Verzugsrecht mit Wirkung ex tunc beim Dauervertrag mit bereits begonnener Dauerleistung nach der überwiegenden Meinung als unzulässig erachtet wird (Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT II, N 2815, m.w.H.; vgl. auch BGE 97 II 65 ff., mietrechtlicher Fall). Der Rücktritt ist in einem sol­ chen Fall vielmehr durch eine Kündigung mit Wirkung ex nunc zu ersetzen (Gauch/Schluep/Emmenegger, a.a.O.).

14

Bei bloss teilweisem Entzug (z.B. der Vermieter nimmt dem Mieter zwei der acht gemieteten Lagerräume weg) gelangen die von Lehre und Rechtspre­ chung entwickelten Grundsätze zum Teilverzug bzw. zur Teilunmöglichkeit zur Anwendung (vgl. dazu im Allgemeinen Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT II, N 2813). Bei bloss teilweiser Zerstörung des Mietobjektes liegt es indes­ sen von der Sache her näher, von einem Fall der mangelhaften Erfüllung aus­ zugehen und die Art. 259 ff. OR zur Anwendung zu bringen.

260

Matthias Tschudi

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

1.2.3

Weitere nicht geregelte Fälle

1.2.3.1

Fehlen zugesicherter Eigenschaften, die über die Gebrauchstauglichkeit hinausgehen

Das Gesetz regelt in den Art.  258/259a ff. OR lediglich die Rechtsfolgen 15 von Mängeln, welche die Tauglichkeit der Mietsache zum vorausgesetzten Gebrauch betreffen. Wie bereits unter N 21 zu Art. 256 OR ausgeführt, hat der Gesetzgeber unterlassen, in Betracht zu ziehen, dass der Mieter auch ein Inte­ resse daran haben kann, sich (Sach-)Eigenschaften versprechen zu lassen, die mit der Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch nichts oder nur sehr am Rande etwas zu tun haben und für den Mieter aus anderen Gründen – z.B. aus solchen der besonderen Wertschätzung (besondere Ruhe, herrliche Aussicht usw.) – von Bedeutung sind. Wurden solche Eigenschaften vereinbart, gehört es selbstverständlich zur richtigen Erfüllung, dass sie auch eingehalten werden. Fehlt der Mietsache eine solche Eigenschaft oder kommt ihr während der Miet­ dauer eine solche abhanden, dann leistet der Vermieter schlecht (vgl. jedoch immerhin die Einschränkung unter N 52 zu Art. 256 OR), und es stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen. Im Fehlen zugesicherter Eigenschaften, welche die Tauglichkeit zum vorausge­ 16 setzten Gebrauch nicht beschlagen und über diese hinausgehen, sieht ein Teil der Lehre einen Anwendungsfall von Art. 97 OR (Hinweise bei Higi, ZK, N 17 zu Art. 258 OR mit zutreffender Kritik). Dogmatisch zutreffend ist es jedoch, solche Fälle ebenfalls unter den Begriff 17 des Mangels zu subsumieren (Näheres unter N  19  ff.) und durch verdeutli­ chende Auslegung des Gesetzes (Higi, ZK, N  16 zu Art.  258 OR), allenfalls durch Ergänzung des als lückenhaft erkannten Gesetzes, gesamthaft der gesetz­ lichen Regelung von Art. 258/259a ff. OR zu unterstellen (N 35 ff.; Züst, Män­ gelrechte, S. 10 und 100 f.; Gauch, Mängelhaftung, S. 197 f.; Higi, ZK, N 29 und 46 ff. zu Art. 258 OR; Zihlmann, Mietrecht, S. 70; siehe auch Züst Mar­ tin, in: mp 4/94, S. 159 ff.). Welche Rechte und Rechtsbehelfe dem Mieter dann offenstehen, entscheidet sich aufgrund des Schweregrades der Interessenbeeinträchtigung des Mieters durch den entsprechenden Mangel, d.h. durch das Fehlen der zugesicherten Eigenschaft (Gauch, a.a.O.; so auch Higi, ZK, N 16 zu Art. 258 OR). 1.2.3.2

Leistungsstörungen vor Übergabezeitpunkt

Die Bestimmungen erfassen Leistungsstörungen (Nichterfüllung und Schlecht­ 18 erfüllung) frühestens im Zeitpunkt der vereinbarten Übergabe (Art. 258 Abs. 1

Matthias Tschudi

261

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

OR). Bei Sachverhalten, die vor diesem Zeitpunkt entstehen und die Erfül­ lung des Mietvertrages überhaupt oder dessen gehörige Erfüllung infrage stel­ len (vgl. Higi, ZK, N 10 zu Art. 258 OR; z.B. Doppelvermietung, pflichtwid­ rige Verzögerung der vereinbarten Ausbau- und Renovationsarbeiten durch den Vermieter, die Zerstörung der Mietsache durch Brand usw.), stellt sich daher die Frage, ob dem Mieter die Rechte und Rechtsbehelfe, die Art. 258 OR gibt, bereits vor dem Zeitpunkt der vereinbarten Übergabe (vor Fälligkeit der Übergabeverpflichtung) zur Verfügung stehen. Für die absehbare Nichterfüllung oder Schlechterfüllung unter den Voraussetzungen von Art. 258 Abs. 1 OR ist dies zu bejahen, jedenfalls wenn sogenannter «antizipierter Vertragsbruch» vorliegt (vgl. dazu Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT II, N 2651 ff., unter Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, worunter BGE 110 II 143). Sachgerecht erscheint es aber auch, dem Mieter unter den Vorausset­ zungen der Abs. 2 und 3 die Rechte und Rechtsbehelfe nach Art. 259a ff. OR antizipiert zuzugestehen, was dem Mieter unter anderem ermöglicht, vor dem Übergabezeitpunkt Frist zur Mängelbehebung anzusetzen und gegebenen­ falls fristlos zu kündigen, wie ihm dann auch die Hinterlegung des Mietzin­ ses schon offenstünde.

2.

Mangel der Mietsache

2.1

Begriff des Mangels

19

Die für die Miete spezifische Schlechterfüllung des Vermieters entsteht durch Mängel der Mietsache. Der Mangel ist Voraussetzung für die Entstehung der Mängelrechte.

20

Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Definition des Mangels der Mietsa­ che. Indirekt umschreibt das Gesetz den Mangel mit dem Schweregrad der Beeinträchtigung des Gebrauchs der Mietsache (Art. 258 Abs. 1 und 3, 259b Buchst. a und b, 259d OR) als verminderte, mehr oder minder beeinträchtigte oder fehlende «Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch» (Züst, Mängel­ rechte, S. 5). Der zum vorausgesetzten Gebrauch taugliche Zustand entspricht dem Zustand der Mietsache, den der Vermieter gemäss Art. 256 Abs. 1 OR ver­ traglich schuldet (dazu insgesamt die Bemerkungen zu Art. 256 OR; Higi, ZK, N 27/28 zu Art. 258 OR). Der Mangel der Mietsache charakterisiert sich somit in einem engeren Sinne dadurch, dass der Istzustand der Mietsache vom ver­ traglich geschuldeten Sollzustand abweicht und dadurch die Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch fehlt oder beeinträchtigt ist (vgl. MfdP/Roy, N 9.1;

262

Matthias Tschudi

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

Züst, Mängelrechte, S. 9 und 93/97; Higi, ZK, N 27 zu Art. 258 OR; Zihlmann, Mietrecht, S. 70 f., vgl. auch BGE 135 III 345). Die begriffliche Umschreibung des Mangels ist unvollständig. Sie berücksich­ 21 tigt nicht, dass der Vermieter je nach den Abreden des Vertrages verpflichtet sein kann, die Mietsache mit zusätzlichen Eigenschaften zu übergeben und solche Eigenschaften zu erhalten, die die gesetzlich verlangte Gebrauchstaug­ lichkeit nicht berühren bzw. über diese hinausgehen (vgl. N 17 sowie N 35 ff.; N 21 zu Art. 256 OR; Gauch, Mängelhaftung, S. 193; Züst, a.a.O., S. 5; Botsch. 1985, S. 1423). Die Verletzung solcher Verpflichtungen bedeutet Schlechterfüllung der Vermieterleistungspflichten. Auch das Fehlen oder die Beeinträch­ tigung zugesicherter Eigenschaften begründet einen Mangel (statt vieler: Higi, ZK, N 29 zu Art. 258 OR; Gauch, a.a.O., S. 197 f./199; Zihlmann, a.a.O., S. 70; Züst, a.a.O., S. 10). Die Mängelrechte stehen dem Mieter in analoger Anwen­ dung auch in solchen Fällen zu Gebote. Umgekehrt bewirkt fehlende oder herabgesetzte Gebrauchstauglichkeit dann 22 keinen Mangel, wenn der Vermieter aufgrund einer nach Art. 256 Abs. 2 OR gültigen Vereinbarung berechtigt ist, die Mietsache in einem von Art.  256 Abs.  1 OR abweichenden Zustand zu übergeben oder bestehen zu lassen (Gauch, Mängelhaftung, S. 195, 197 und 198; Higi, ZK, N 70 ff. zu Art. 256 OR), so etwa bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen, wenn dem Vermie­ ter obliegende Verpflichtungen mit Bezug auf den Zustand der Mietsache (vor allem Unterhaltsverpflichtungen) auf den Mieter überwälzt werden, der Mieter aber für die Aufwendungen voll entschädigt wird (Gauch, a.a.O.; BGE 104 II 202 ff.; vgl. dazu insbesondere die Ausführungen unter N 61 ff. zu Art. 256 OR). Unter Berücksichtigung der erwähnten Erweiterungen und Einschränkungen 23 liegt ein Mangel vor, wenn sich die Mietsache nicht in dem Zustand befindet, in dem sie sich nach dem Vertrage eigentlich befinden sollte (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichts 4C.39/2003 vom 23. April 2003, E. 4; Higi, ZK, N 27 zu Art. 258 OR); wenn ihr also eine geschuldete Eigenschaft fehlt. Der Mangel ist mit anderen Worten eine Vertragsabweichung, die darin besteht, dass der Istzustand der Mietsache in ungünstiger Weise vom vertraglich geforderten Sollzustand abweicht. Die konkrete Vertragsbezogenheit des Mangels macht den Begriff zu einem relativen (statt vieler: Züst, a.a.O., S. 6). Welcher Art die fehlende Eigenschaft ist, spielt für den Begriff des Mangels 24 keine Rolle. So ist es namentlich unerheblich, ob es sich bei der geschulde­ ten, aber fehlenden Eigenschaft um eine körperliche oder eine unkörperliche handelt. Ebenso wenig entscheidend ist, wie gesagt (N 21), ob die betreffende

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263

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

Eigenschaft aus Gründen der Gebrauchstauglichkeit oder aus anderen Grün­ den (z.B. der Wertschätzung) vereinbart worden ist (zu eng daher: David, Män­ gel der Mietsache, S. 48). 25

Der Begriff des Mangels ist ferner wertneutral und enthält keinen Vorwurf eines Fehlverhaltens an die Adresse des Vermieters. Der Mangel besteht und erschöpft sich vielmehr in der (wertneutralen) Feststellung, dass der Mietsa­ che eine Eigenschaft fehlt, die sie nach dem Vertrage eigentlich haben sollte. Wer oder was diese Vertragsabweichung verursacht hat, ist für den Begriff des Mangels – im Gegensatz zu den Rechtsfolgen, die ein Mangel auslöst oder eben nicht auslöst (vgl. Art. 259a Abs. 1 OR: «Entstehen an der Sache Mängel, die der Mieter weder zu verantworten noch auf eigene Kosten zu beseitigen hat, …») – nicht massgebend (Tschudi, Immissionen, S. 29). Schliesslich setzt der Begriff des Mangels nicht voraus, dass der vertraglich geforderte Zustand (wieder)her­ gestellt werden kann.

2.2

Feststellung des Mangels

2.2.1

Geschuldeter Zustand der Mietsache

26

Siehe dazu insgesamt die Bemerkungen zu Art. 256 OR, insbesondere N 19 ff.

27

Die Feststellung eines Mangels setzt voraus, dass die Mietsache im Istzustand mit der Mietsache im vertraglich geschuldeten Zustand (Sollzustand) ver­ glichen wird (Lachat/Micheli, droit du bail, S. 99, unter Hinweis auf Corboz Bernard, Les défauts de la chose louée, in: SJ 1979, S. 129 ff.). Der geschuldete Zustand entspricht dem, was der Vermieter zu gegebener Zeit  – bei Mietbe­ ginn oder während der Mietdauer – schuldet. Dieser Zustand umfasst alle für die Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch massgeblichen (N 42 nach­ stehend sowie N  19  f. zu Art.  256 OR) wie auch die besonders zugesicherten, allenfalls darüber hinausgehenden (N 17, 35 ff. nachstehend sowie N 21 zu Art.  256 OR) Eigenschaften. Ob und mit welchem Inhalt solche Eigen­ schaften für die Bestimmung des vertragsgemässen Zustandes zu berücksich­ tigen sind, ist durch die Feststellung des übereinstimmenden Parteiwillens und durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln (Züst, a.a.O., S. 95).

28

Die Erfassung des vertragsgemässen Zustandes setzt gegebenenfalls auch die nähere Bestimmung der Mietsache voraus. Bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen umfasst die Mietsache die eigentliche Wohnung oder den Geschäftsraum mit allen gemäss Vertrag dazugehörenden Vorrichtungen und Einrichtungen (Küchenapparate, sanitäre Installationen, Klima- und Lüftungs­

264

Matthias Tschudi

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

anlagen, Elektroinstallationen usw.), daneben aber auch gemeinschaftliche Gebäudeteile mit ihren Einrichtungen (Treppenhaus, Eingangshalle, Wasch­ küche, Liftanlage usw.), die Zufahrt zum Grundstück und die sonstigen Grund­ stücksflächen, alles soweit sie vom Mieter benützt oder mitbenützt werden sol­ len. Auf all diese Objekte und Teile bezieht sich der vertragsgemässe Zustand der Mietsache (Botsch. 1985, S. 1432). Durch die Bestimmung der Mietsache sowie durch die mehr oder minder 29 genaue Bezeichnung des Verwendungszweckes (z.B. «zur Benützung als Woh­ nung», «als Büro», «als Sprachlabor») treffen die Parteien auch schon, wenn­ gleich stillschweigend, Vereinbarungen über den Zustand und über die Eigen­ schaften der Mietsache (vgl. ausführlich N 25 ff. zu Art. 256 OR sowie N 42 ff. nachstehend). Wegen der oft nur rudimentären vertraglichen Festlegungen der Eigenschaf­ 30 ten, die der Mietsache insgesamt zukommen sollen, kommt dem Zustand der Mietsache, wie er vom Mieter vor Vertragsabschluss (insbesondere im Rahmen einer Besichtigung des Mietobjektes) zur Kenntnis genommen wurde, für die Bestimmung des vertragsgemässen Zustandes eine entscheidende Bedeutung zu (Züst, a.a.O., S. 99 f.). Denn so, wie der Mieter die Mietsache bei Vertrags­ abschluss kennt, akzeptiert er sie mit den ihr zukommenden Eigenschaften; denn er erklärt sich bereit, sie als Vertragsgegenstand anzunehmen und hie­ für den vereinbarten Mietzins zu bezahlen. Bekannte Eigenschaften der Miet­ sache können in der Regel nicht Gegenstand von Mängeln bilden, denn die­ ser Zustand der Mietsache entspricht dem vertragsgemässen. Der Mieter kann vernünftigerweise und nach Treu und Glauben nichts anderes erwarten als den Vertragsgegenstand, für den er sich entschieden hat. So ist die Altbauwohnung nicht deswegen mangelhaft, weil ihr der Komfort einer modernen Wohnung fehlt (vgl. dazu auch Urteil des Bundesgerichts 4C.66/2001 vom 15. Mai 2001, in: MRA 2/02, S. 66 ff.); ebenso ist es kein Mangel der in der Nähe der Auto­ bahn gelegenen Wohnung, dass sie den Immissionen des Strassenverkehrs aus­ gesetzt ist; das Ladenlokal leidet nicht deswegen an einem Mangel, weil die Pas­ santenlage schlecht ist. Dies drückt auch Schmid (ZK, N 14 zu Art. 254/255 aOR) aus, wenn er ausführt, der Grad der Brauchbarkeit bei Vertragsabschluss gelte als der vertragsmässige, wenn der Mieter den Vertragsgegenstand bei Vertragsabschluss besichtigt habe (vgl. dazu auch N  33 zu Art.  256 OR; fer­ ner MfdP/Roy, N  9.1.2.11; Züst, a.a.O., S.  99  f.). Dies meint wohl ebenfalls die Botsch. 1985, S. 1433, wo erklärt wird, ein (entgegen Art. 256 Abs. 2 OR) zulässiger, allerdings bloss indirekter Verzicht des Mieters auf die Rechte nach Art. 258 Abs. 2 und 3 OR könne darin gesehen werden, dass der Mieter die

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265

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

Sache, obwohl er die Mängel bereits bei Vertragsabschluss kannte, als taug­ lich zum vorgesehenen Gebrauch betrachtete, was sich in der Regel in der Ver­ einbarung eines tieferen Mietzinses auswirken werde (so auch Lachat/Micheli, a.a.O., S. 132). 31

Die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Mieters über die Mietsache und deren Zustand vor oder bei Vertragsabschluss ist dann unter dem Gesichts­ punkt des vertragsgemässen Zustands und der Mängel der Mietsache unbe­ achtlich, wenn der Mieter nach Treu und Glauben davon ausgehen durfte, der Zustand der Mietsache werde noch verändert, so insbesondere, wenn sie sich in einem Zustand befindet, der den vertragsgemässen Gebrauch aus­ schliesst oder erheblich beeinträchtigt (vgl. dazu auch Urteil des Bundesge­ richts 4C.384/2005 vom 22. März 2006, E. 2). Gleiches gilt, wenn der Mieter den Zustand der Mietsache zwar kannte, die negativen Eigenschaften jedoch schwerwiegendere Auswirkungen haben, als der Mieter annehmen durfte (Schmid, ZK, N 15 zu Art. 254/255 aOR).

32

Erhebt der Mieter bei Übergabe der Sache oder danach keine Einwendungen, darf vermutet werden, der Zustand der Mietsache sei vertragsgemäss (Näheres unter N 33 zu Art. 256 OR, m.w.H.; BGE 104 II 274: «Mais le fait de conserver la chose louée et d’en user peut constituer une acceptation de l’état dans lequel cette chose se trouve»; vgl. dazu auch Higi, ZK, N 32 zu Art. 256 OR; MfdP/Roy, N 9.1.2.11; Schmid, ZK, N 15 zu Art. 254/255 aOR und Entscheid des Bundes­ gerichts 4A_281/2009, E. 3.3).

33

Sieht der Mieter eine wie auch immer geartete künftige Verschlechterung der Mietsache vorher (insb. Umgebungsveränderungen bzw. negative oder posi­ tive Immissionen; vgl. dazu etwa Urteil des Bundesgerichts 4C.39/2003 vom 23.  April 2003) oder hätte er eine solche Verschlechterung bei Anwendung gehöriger Sorgfalt vorhersehen können, steht dies der Annahme eines Man­ gels grundsätzlich entgegen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 5C.117/2005 vom 16. August 2005, E. 2.3). Dies gilt insoweit uneingeschränkt, als die künftige Verschlechterung oder Immissionen nicht dazu führen, dass die Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch beeinträchtigt wird. Führt die vorhergese­ hene oder vorhersehbare Verschlechterung (Lärm, Entzug von Aussicht usw.) lediglich dazu, dass die Umgebung etwas lauter ist (z.B. Ausbau der Quartier­ strasse zur Durchgangsstrasse) oder dass das Mietobjekt nicht mehr über die­ selbe Aussicht verfügt, ist der Gebrauch (z.B. das Wohnen) jedoch nach wie vor uneingeschränkt möglich, so kann der Mieter daraus grundsätzlich keine (Mängel-)Ansprüche gegen den Vermieter ableiten (vgl. dazu Urteil des Bun­ desgerichts 4A_43/2009 vom 1. April 2009, wo das Bundesgericht in E. 3.3 fest­ 266

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Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

hält, dass Umgebungsveränderungen als äussere Entwicklungen die normale Nutzung einer Wohnung, d.h. den der vereinbarten Bestimmung entsprechen­ den Gebrauch, grundsätzlich nicht beeinträchtigen; Tschudi, Immissionen, S. 63 ff.). Führt die vorhergesehene oder vorhersehbare Verschlechterung dazu, dass die 34 Tauglichkeit der Mietsache zum vorausgesetzten Gebrauch beeinträchtigt wird (z.B. der Aufenthalt im Mietobjekt ist aufgrund der vorausgesehenen Bauim­ missionen zeitweise nicht mehr möglich), so entfallen trotz Vorhersehbarkeit die mängelrechtlichen Ansprüche des Mieters nicht von vornherein (a.M. Bun­ desgericht in Urteil 5C.117/2005 vom 16. August 2005, E. 2.3; vgl. aber Urteil des Bundesgerichts 4C.39/2003 vom 23. April 2003, in: MRA 5/03, S. 174 ff.). Dies ergibt sich aus dem zwingenden Charakter von Art. 256 OR (vgl. Tschudi, Immissionen, S. 75 ff.).

2.2.2

Zugesicherte Eigenschaften

Eine Zusicherung ist die ernsthaft gemeinte, vertraglich bindende Erklärung 35 des Vermieters, dass das Mietobjekt eine bestimmte Eigenschaft aufweist (z.B. «absolut ruhige Lage», «Wohnung total renoviert, mit neuer Küche», «kein Konkurrenzgeschäft in der Liegenschaft»). Die Zusicherung erfolgt in aller Regel ausdrücklich. Sie kann jedoch grundsätzlich auch stillschweigend erklärt werden. Keine Zusicherung stellen Anpreisungen im Rahmen der Inserierung dar (HAP-Immobiliarmietrecht/Rohrer, N 5.3). Im Gegensatz zu den vorausgesetzten (vgl. dazu N  42  ff.) beruhen die zuge­ 36 sicherten Eigenschaften nicht auf der Gebrauchsvereinbarung, sondern auf einer davon zu unterscheidenden, eigenen («speziellen») vertraglichen Abrede. Gleichwohl sind sowohl zugesicherte als auch vorausgesetzte Eigenschaf­ ten stets vereinbarte Eigenschaften und bilden zusammen den geschuldeten Zustand der Mietsache. So gesehen wäre der Begriff der Zusicherung bzw. der zugesicherten Eigen­ 37 schaft an sich entbehrlich. Sinnvoller und ergiebiger scheint da die Unterschei­ dung in Eigenschaften, die stillschweigend vereinbart wurden, und solche, deren Vereinbarung ausdrücklich erfolgt ist (vgl. dazu einlässlich N 25 ff. zu Art. 256 OR). Der Begriff der zugesicherten Eigenschaft hat sich indessen in der mietrechtlichen Lehre und Rechtsprechung etabliert – wenngleich meist ohne genaue Definition –, weshalb er auch vorliegend behandelt wird. Obschon die zugesicherten Eigenschaften nicht auf der Gebrauchsvereinba­ 38 rung beruhen, können sie den vereinbarten (künftigen) Gebrauch der Miet­

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267

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

sache betreffen oder anders gesagt aus Gründen des künftigen Verwendungs­ zwecks (der Verwendbarkeit) verabredet werden (z.B. zugesicherte, für den vertragsgemässen Gebrauch eines Lagers für schwere Güter unerlässliche Tragfähigkeit des Bodens; ausdrücklich zugesicherte Rollstuhlgängigkeit einer Wohnung, wenn für den Gebrauch durch den Mieter unerlässlich; Zusiche­ rung, die Wohnung lasse sich gewerblich nutzen, obgleich die öffentlich-recht­ liche Bewilligung hiefür nicht vorliegt oder nicht erlangt werden kann, vgl. ZMP 1/93, Nr. 4, S. 19 ff.). 39

Die Zusicherung kann auch Eigenschaften enthalten, die mit dem künftigen Gebrauch der Mietsache nichts oder nur am Rande etwas zu tun haben und für den Mieter aus anderen Gründen, namentlich z.B. aufgrund der beson­ deren Wertschätzung von Bedeutung sind (vgl. ausführlich N 21 zu Art. 256 OR sowie N 17 hiervor; Gauch, Mängelhaftung, S. 193; z.B. Zusicherung, es werde im Wohnzimmer statt des Spannteppichs ein Parkett verlegt, oder die Zusicherung, es würden die noch funktionierenden und gebrauchstauglichen sanitären Apparate ausgewechselt und durch modernere ersetzt, oder die zusi­ chernde Erklärung, die Aussicht werde nicht verbaut).

40

Das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft stellt ebenso einen Mangel dar wie das Fehlen einer vorausgesetzten Eigenschaft (N 42 ff.), denn im einen wie im anderen Fall fehlt der Mietsache eine Eigenschaft, die sie nach dem Vertrage eigentlich haben müsste (N 23).

41

Dies gilt auch dann, wenn die Gebrauchstauglichkeit durch den Mangel nicht betroffen ist; wenn der Mietsache also eine zugesicherte Eigenschaft fehlt, die mit der Gebrauchstauglichkeit nichts oder nur am Rande etwas zu tun hat (N  17 und 39 hiervor). Obschon vom Gesetz vernachlässigt, gelangen die Mängelrechte gemäss Art. 258/259a ff. OR auch in diesen Fällen zur Anwen­ dung (N 17), wobei diesfalls nicht aufgrund des Schweregrades der Gebrauchs­ schmälerung, sondern  – in allgemeiner Art  – anhand der Interessenbeein­ trächtigung, die der Mieter durch den Mangel erleidet, darüber zu entscheiden ist, ob ein schwerer, mittlerer oder leichter Mangel vorliegt (zur Schwere des Mangels N 61 ff.) und welche Mängelrechte dem Mieter in Abhängigkeit davon zu Gebote stehen. So wird z.B. die Aufnahme eines Konkurrenzbetriebs in der Mietliegenschaft trotz gegenteiliger verbindlicher Zusicherung einen schweren Mangel begründen, ebenso wie die fehlende zugesicherte Rollstuhlgängigkeit der Wohnung. Ein mittlerer Mangel liegt z.B. vor, wenn die vertraglich zuge­ sicherte Hauswartung zeitweilig ausfällt (weitere Beispiele: Higi, ZK, N 41 zu Art. 258 OR, m.w.H. auf SJ 1985, S. 175 f.). Ein leichter Mangel kann in einer

268

Matthias Tschudi

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

untergeordneten Abweichung vom zugesicherten Zustand liegen, z.B. in einem falschen Farbton eines Anstrichs.

2.2.3

Vorausgesetzte Eigenschaften

Vorausgesetzte Eigenschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie von den 42 Parteien nicht explizit angesprochen, sondern vielmehr stillschweigend auf­ grund der Verabredung über den künftigen Gebrauch und die künftige Ver­ wendung vereinbart werden. Es handelt sich dabei um diejenigen Eigenschaf­ ten der Mietsache, die notwendigerweise vorhanden sein müssen, damit der vorausgesetzte Gebrauch (vollständig) möglich ist (ausführlich N  29  ff. zu Art.  256 OR). Die vorausgesetzten Eigenschaften beschlagen damit stets die Tauglichkeit der Mietsache zum vorausgesetzten Gebrauch. Zu welchem Zweck die Mietsache vermietet bzw. gemietet wird und auf welche 43 Art und Weise davon Gebrauch gemacht werden soll (Gebrauchszweck und Gebrauchsmodalitäten: Näheres Gauch, Mängelhaftung, S. 189 f. und einläss­ lich Higi, ZK, N 10–12 zu Art. 256 OR), ergibt sich aus dem Inhalt des konkre­ ten Vertrags. In erster Linie bestimmen die Parteien den Gebrauch der Sache nach Zweck und Modalitäten durch entsprechende Vereinbarungen. Soweit sie dies getan haben – was durch Auslegung des Vertrages in Anwendung der gän­ gigen Auslegungsmittel und -regeln zu ermitteln ist –, entspricht der verein­ barte (vertragsgemässe) Gebrauch dem «vorausgesetzten» Gebrauch (Gauch, a.a.O.; Higi, ZK, N 16 und 17 ff. zu Art. 256 OR; Guhl et al., OR, S. 380). Haben die Parteien über den Gebrauch der Sache keine oder keine vollstän­ 44 dige Vereinbarung getroffen, ist massgeblich und «vorausgesetzt» der übliche Gebrauch (Gauch, Mängelhaftung, S. 191; Higi, ZK, N 16 und 23 ff. zu Art. 256 OR, je mit weiteren Differenzierungen). Der übliche Gebrauch bestimmt sich nach der Art der Mietsache und nach dem Gebrauch, den man unter den gege­ benen Umständen von einer solchen Sache zu machen pflegt (Gauch, a.a.O.; ebenso Higi, ZK, N 23 zu Art. 256 OR). Massgeblich mitbestimmt wird der übliche Gebrauch, vor allem mit Bezug auf die Modalitäten, durch Übungen im Verkehrskreis der Beteiligten, insbesondere durch Geschäftsgebräuche und den Ortsgebrauch (Higi, ZK, N 25 zu Art. 256 OR; Gauch, a.a.O.). Fehlt der Mietsache eine vorausgesetzte Eigenschaft – was gleichbedeutend ist 45 mit einer Verminderung bzw. Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit (vgl. den Gesetzeswortlaut in den Art. 258 ff. OR) –, so leidet das Mietobjekt an einem Mangel. Im Gegensatz zum Fehlen von Eigenschaften, die mit der Gebrauchstauglichkeit nichts oder nicht unmittelbar etwas zu tun haben (dazu

Matthias Tschudi

269

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

N 17, 39 und 40 vorstehend sowie N 21 zu Art. 256 OR), hat der Gesetzgeber die Rechtsfolgen für diese Fälle in den Art. 258/259a ff. OR ausdrücklich gere­ gelt.

2.2.4

Mass der Gebrauchstauglichkeit

46

Ob die einzelne Mietsache zum vorausgesetzten vereinbarten oder üblichen Gebrauch taugt oder noch taugt, beurteilt sich allgemein nach objektiven Kriterien (Gauch, Mängelhaftung, S. 191 f.; Higi, ZK, N 29 zu Art. 256 OR). Abzu­ stellen ist auf die im (vereinbarten oder üblichen) Gebrauch typischerweise enthaltenen (Teil-)Nutzungen (vgl. dazu N  30 zu Art.  256 OR). Auf subjek­ tive Anschauungen und Wunschvorstellungen des Mieters kommt es nicht an (Gauch, a.a.O.), ausser wenn die Parteien diese zum Gegenstand ihrer Gebrauchs- oder Eigenschaftsvereinbarung gemacht haben (Higi, a.a.O.; in diesem Sinne auch MfdP/Roy, N 9.1.2.10, S. 121; Züst, Mängelrechte, S. 98; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4C.291/2000 vom 11. April 2001).

47

Welche berechtigte Erwartung der Mieter vom Mietobjekt an die Tauglichkeit haben darf, ergibt sich vorab durch den Gebrauchs- oder Verwendungszweck, zu dem die Sache taugen soll (statt vieler: Züst, a.a.O., S. 98; Higi, ZK, N 30 zu Art. 256 OR). Daneben bestimmt die Mietsache selbst mit den ihr zukom­ menden Eigenschaften (Alter, Grösse, Ausstattung, Abnützungsgrad usw.; vgl. dazu auch Urteil des Bundesgerichts 4C.66/2001 vom 15. Mai 2001, in: MRA 2/02, S. 66 ff.) diese Erwartungen (Higi, a.a.O., z.B. kann der Mieter von preis­ günstigen Büros in einem einfachen Gewerbehaus objektiv und vernünftiger­ weise nicht die Ausstattung eines Repräsentationsbaus erwarten, ebenso wenig wie der Mieter in einem älteren Mehrfamilienhaus eine Schallisolation nach modernsten Standards). Bei verabredetem Mass der Tauglichkeit durch eine Gebrauchs- oder Eigenschaftsvereinbarung kann das, was der Mieter erwar­ ten darf, auch weniger sein als das Übliche (Higi, ZK, N 31 zu Art. 256 OR, z.B. Geschäftsraum in Baracke, Wohnung in Abbruchobjekt).

48

Art. 256 Abs. 1 OR verpflichtet den Vermieter, die Mietsache in gebrauchstaug­ lichem Zustand zu übergeben und zu erhalten. Nach Art. 256 Abs. 2 OR sind Vereinbarungen, die diese Verpflichtung zum Nachteil des Mieters derogieren, in der Regel nichtig, soweit sie in vorformulierten Allgemeinen Geschäfts­ bedingungen oder in Mietverträgen für Wohn- und Geschäftsräume enthal­ ten sind. Zur Frage, welche Vertragsklauseln unter dem Gesichtspunkt dieser Bestimmung als zulässig zu betrachten sind, sei auf N 49 ff. zu Art. 256 OR ver­ weisen. Unter Vorbehalt der dort gemachten Ausführungen ist dazu auf Fol­ gendes hinzuweisen: 270

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Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

Das Verbot abweichender Vereinbarung zum Nachteil des Mieters setzt auch der 49 freien Vereinbarung der Mietsache und ihres vertragsgemässen Zustands und damit den Verabredungen über das Mass der Gebrauchstauglichkeit Grenzen. Der von Verfassung (Art. 109 BV) und Gesetz beabsichtigte verstärkte Schutz des Mieters vor allem im Bereich der Miete von Wohn- und Geschäftsräu­ men ist auch in diesem Zusammenhang zu beachten (Art. 256 Abs. 2 Buchst. b OR). Dem Vermieter ist es verwehrt, dem Mieter eine beliebig minderwertige und in der Gebrauchstauglichkeit eingeschränkte Wohnung oder einen sol­ chen Geschäftsraum zu vermieten und sich darauf zu berufen, der Zustand sei deshalb nicht mangelhaft, weil er so verabredet sei, z.B. weil der Mieter die­ sen Zustand zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gekannt habe (vgl. jedoch N 33 zu Art. 256 OR). Fehlt die Gebrauchstauglichkeit völlig, so kann der Mie­ ter entgegen den getroffenen Abmachungen immer seine Mängelrechte gel­ tend machen. Bei erheblichen Einschränkungen der Gebrauchstauglichkeit wird nach den Umständen zu entscheiden sein, wobei die ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung des minderwertigen Zustands der Mietsache dem Mieter vor allem dann nicht entgegengehalten werden kann, wenn auf sei­ ner Seite höherwertige Güter, wie z.B. die Gesundheit, gefährdet oder betrof­ fen sind (Botsch. 1985, S. 1432; Züst, a.a.O., S. 122, m.w.H.; auch Gauch, Män­ gelhaftung, S. 192; vgl. auch Entscheid des OGer Luzern vom 18. August 2004, E. 5.1, in: MRA 4/05, S. 180). Grundsätzlich ist die Mietsache während der ganzen Mietzeit in gebrauchs­ 50 tauglichem Zustand zu erhalten (Art. 256 Abs. 1 OR). Der Vermieter hat somit die Sache instand zu halten, d.h. Schäden vorzubeugen und sie, wenn sie ein­ getreten sind, zu beseitigen (Schmid, ZK, N  6 zu Art.  254/255 aOR). Dies betrifft auch die Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache, die allein durch den vertragsgemässen Gebrauch entstehen; mit anderen Worten die aus der vertragsgemässen Benützung sich ergebende Abnützung der Miet­ sache. Die normale Abnützung der Mietsache mit den üblichen Spuren des Gebrauchs (z.B. Vergilben der Tapeten oder Nachdunkeln des Anstrichs der Wände und Decken einer Wohnung oder einer Geschäftsräumlichkeit) bewirkt indessen erst dann einen Mangel, wenn sie als Ergebnis eines vernachlässigten oder mangelhaften Unterhalts der Mietsache durch den Vermieter zu werten ist (so auch Lachat/Micheli, droit du bail, S. 100; Higi, ZK, N 50 zu Art. 256 OR; BGE 105 II 235; 107 II 256). Ob und wann dies zutrifft, lässt sich nicht allge­ mein gültig festlegen. Im Streitfall wird man indessen bei der Miete von Wohnund Geschäftsräumen auf die übliche Lebensdauer der diversen Einrichtungen und Bauteile abstellen (vgl. dazu die paritätische Lebensdauertabelle, Bewer­ tung von Einrichtungen in Wohn- und Geschäftsräumen, Mietrechtspraxis, Matthias Tschudi

271

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

Zürich 2016; Raissig/Schwander, Missbräuche, S. 211; Gmür/Prerost/Trümpy, Mietrecht, S. 193 ff.). Vor Ablauf der üblichen Lebensdauer der Einrichtungen und Bauteile wird man in der Regel nicht annehmen dürfen, der Vermieter habe seine Unterhaltsverpflichtung vernachlässigt. Auf der anderen Seite indi­ ziert auch der Ablauf der üblichen Lebensdauer nicht automatisch und ohne Weiteres einen Mangel der Mietsache. Mit diesen Einschränkungen gehören auch die Schönheitsinstandsetzungen zur Unterhaltspflicht des Vermieters, die er zur Vermeidung von Mängeln zu erfüllen hat (Higi, ZK, N 50 zu Art. 256 OR; BGE 105 II 35; BGE 107 II 256). 51

Die Umgebung einer Mietliegenschaft kann im Verlauf der Zeit mannigfache Veränderungen erfahren, die sich mehr oder minder stark auf die Mietobjekte auswirken. Die benachbarte Wiese wird überbaut, der Verkehr auf der öffentli­ chen Strasse nimmt zu, ebenso wie derjenige der benachbarten Bahnlinie, die Struktur der Quartierbevölkerung verändert sich usw. Ähnliches kann sich auch in den Mietliegenschaften selbst ergeben, so durch die Veränderung der Mieterstruktur in Wohn- und Geschäftshäusern. Solche allgemeinen Verände­ rungen können – von Extremfällen abgesehen – keinen Mangel an der Mietsa­ che entstehen lassen (Urteil des Bundesgerichts 4A_43/2009 vom 1. April 2009, E. 3.3). Auch der Mieter weiss oder muss bei Aufwendung gewöhnlicher Auf­ merksamkeit wissen, dass der allgemeine Wandel der Zeit ebensolche Verände­ rungen mit sich bringt. Der Mieter darf auch nach objektiven Gesichtspunkten und vernünftigerweise nicht von statischen, für immer festgelegten Verhältnis­ sen ausgehen (ZMP 1/97, Nr. 3, S. 17; vgl. zum immissionsbedingten Mangel auch N 53 ff. sowie die Ausführungen unter N 36 ff. zu Art. 256 OR).

2.3 Mängelarten 2.3.1 Natur 2.3.1.1 Sachmangel 52

Unter einem Sachmangel versteht man jede Abweichung der Mietsache vom vertraglich vereinbarten und vom Vermieter geschuldeten Zustand (Higi, ZK, N 31 zu Art. 258 OR; Zihlmann, Mietrecht, S. 71). Die Abweichung kann körperlicher oder nicht körperlicher Art sein (Schmid, ZK, N 3 zu Art. 254/255 aOR, mit Beispielen; Lachat/Micheli, droit du bail, S. 100, die zwischen «défauts matériels» und «défauts immatériels» unterscheiden). Beurteilt sich die beein­ trächtigende Abweichung vom Sollzustand nach tatsächlichen Kriterien, geht es um einen tatsächlichen Mangel, der wiederum ein körperlicher oder unkör­ perlicher sein kann. Ideelle Mängel (z.B. der gute Ruf des Hauses; vgl. mp 3/88, 272

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Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

S. 112) sind ebenfalls tatsächlicher Natur und unkörperlich. Ein rechtlicher Mangel liegt vor, wenn die Gebrauchstauglichkeit durch rechtliche Gegeben­ heiten beeinträchtigt oder verunmöglicht wird (vgl. dazu MRA 4/05, S. 180 ff.). Zumeist sind es Bestimmungen des öffentlichen Rechts, die den Gebrauch von Sachen zu bestimmten Zwecken reglementieren, diesen gegebenenfalls unter­ sagen oder einschränken, z.B. die erforderliche Bewilligung für die Nutzungs­ änderung einer Wohnung in ein Büro (vgl. ZMP 1/93, Nr. 3, S. 12 ff.), die amt­ liche Zulassung eines Fahrzeugs, die Typenprüfung eines Elektrogeräts, das für den Betrieb einer Gastwirtschaft erforderliche Patent usw. Der körperli­ che oder unkörperliche, rechtlich oder tatsächlich begründete Sachmangel wirkt sich dahingehend aus, dass der vorausgesetzte vereinbarte oder übliche Gebrauch in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird oder dass der Mietsache eine besonders zugesicherte Eigenschaft fehlt. 2.3.1.2

Immissionsbedingter Mangel

Ein immissionsbedingter Mangel liegt vor, wenn das geschuldete Mass an 53 Immissionsfreiheit infolge auftretender Immissionen nicht (mehr) gewährleis­ tet ist (Tschudi, Immissionen, S. 31 ff.). Zur Frage, woraus sich das geschuldete Mass an Immissionsfreiheit ergeben kann und wie es zu bestimmen ist, vgl. N 36 ff. zu Art. 256 OR. Ein allgemein gültiger Zusammenhang zwischen immissionsbedingter Man­ 54 gelhaftigkeit und Übermässigkeit nach Nachbarrecht (Art. 684 ZGB) besteht nicht. Vielmehr ist es so, dass Immissionen, die gemäss Art.  684 ZGB über­ mässig sind, in dem einen Fall einen Mangel der Mietsache verursachen kön­ nen und in dem anderen nicht. Die nachbarrechtliche Toleranzgrenze beruht auf einer umfassenden Ermessensbetätigung unter Berücksichtigung der indi­ viduell-konkreten Interessenlage der involvierten Nachbarparteien (wobei in Sonderheit, aber nicht nur, die Schädlichkeit der Immissionen, die Lage und Beschaffenheit der betroffenen Grundstücke sowie der Ortsgebrauch in Betracht zu ziehen sind) und ist im Ergebnis eine reine Billigkeitsentscheidung (Meier-Hayoz, BK, N 64 ff. zu Art. 684 ZGB). Demgegenüber handelt es sich bei der Frage der immissionsbedingten Mangelhaftigkeit nicht um eine Billig­ keitsentscheidung. Der Mangel im Allgemeinen wie der immissionsbedingte im Besonderen beurteilt sich danach, was die Parteien hinsichtlich des geschul­ deten Zustands der Mietsache verabredet haben. Dies im Streitfall zu ermitteln, ist indessen keine Frage der Billigkeit, sondern ein Bestandteil der Vertrags­ auslegung. Schon daraus ergibt sich, dass die Grenze zur immissionsbedingten Mangelhaftigkeit und die nachbarrechtliche Toleranzgrenze nicht deckungs­

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Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

gleich sein können – jedenfalls nicht im Sinne einer allgemein gültigen Aus­ sage (Tschudi, Immissionen, S. 103 ff.). Das Bundesgericht scheint diesbezüg­ lich– zumindest im Zusammenhang mit Bauimmissionen – anderer Ansicht zu sein: 55

Im Urteil C.144/1985 vom 24. September 1985, in: SJ 1986, 195 ff., ging das Bundesgericht davon aus, dass die im Rahmen der nachbarrechtlichen Bestim­ mungen der Art. 679/684 ZGB entwickelten Prinzipien auf das Mietverhältnis analog anzuwenden seien. Demnach bewirkten diejenigen von einer benach­ barten Baustelle oder von benachbarten Bauarbeiten herrührenden Immis­ sionen und Störungen eine erhebliche (vgl. den Wortlaut von Art. 255 aOR) Beeinträchtigung der Mietsache (und damit einen Mangel), der das ordent­ licherweise bei der Benutzung und Bewirtschaftung eines Grundstücks nach den allgemeinen Grundsätzen des Nachbarrechts Zulässige an Art, Stärke und Dauer weit übersteigen, und zwar auch dann, wenn die ausgeführten Arbeiten vollkommen gesetzeskonform seien (vgl. die Kritik zu dieser Rechtsprechung bei Tschudi, Immissionen, S. 103 ff.). Nach der Revision des Mietrechts (im Jahre 1990) geriet die Rechtsprechung des Bundesgerichts unter Beschuss, da das Erfordernis der erheblichen Gebrauchsschmälerung für den Anspruch auf Herabsetzung des Mietzinses fallen gelassen wurde. Seither geht ein Teil von Lehre und Rechtsprechung davon aus, dass die Grenze, ab deren Überschrei­ tung der Mieter eine Minderung des Mietzinses verlangen könne, eindeutig unterhalb der nachbarrechtlichen Toleranzgrenze angesetzt werden müsse, da Art. 259d OR nicht mehr einen «erheblichen» Mangel (vgl. den Wortlaut von Art. 255 aOR) voraussetze, der in Relation gesetzt werden könne zur «übermäs­ sigen» Einwirkung im Sinne von Art. 684 ZGB (vgl. etwa Züst, Mängelrechte, S.  108; Einzelrichterin in Mietsachen des Bezirks Bülach, in: SJZ 98, S.  110; Mietgericht Zürich in ZMP 1/97, Nr. 3, S. 21 ff.). Während das Bundesgericht im Urteil 4C.377/2004 vom 2. Dezember 2004 (in: MRA 3/05, S. 108 ff.) noch den Eindruck erweckte, als würde es nun ebenfalls dieser Ansicht zuneigen (vgl. insbesondere E. 2.2), stellte es im Urteil 5C.117/2005 vom 16. August 2005 (in: mp 2/06, S. 134 ff.) klar, dass an der mit Urteil C.144/1985 vom 24. Sep­ tember 1985 eingeleiteten Rechtsprechung auch unter geltendem Recht festzu­ halten sei (vgl. dazu die Kritik von Matthias Tschudi, Baustellen-Immissionen als Mangel an der Mietsache, in: Aktuelle Fragen zum Mietrecht, Zürich/Basel/ Genf 2012, S. 7 ff.).

274

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Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

2.3.1.3 Rechtsmangel Der Rechtsmangel ist vom rechtlich begründeten Sachmangel zu unterschei­ 56 den. Vom Rechtsmangel ist in Art. 259f OR die Rede. Er liegt vor, wenn der vertragsgemässe Gebrauch der Mietsache dadurch beeinträchtigt oder ver­ unmöglicht wird, dass ein Dritter an der Mietsache tatsächlich bestehende oder angemasste Rechte geltend macht, insbesondere Eigentum oder sonstige beschränkte dingliche Rechte (z.B. der Dritte behauptet, er sei Eigentümer der Mietsache und verlangt sie vom Mieter heraus, oder der Dritte begeht und befährt das vermietete Grundstück und behauptet, es stehe ihm ein servituta­ risches Wegrecht zu). Der Rechtsmangel wird vom Gesetz grundsätzlich wie ein Sachmangel behandelt (Higi, ZK, N 33 zu Art. 258 OR), allerdings mit der ergänzenden Verpflichtung des Vermieters zur Übernahme des Rechtsstreites gegen den Dritten, der einen solchen Anspruch erhebt (Art. 259f OR). 2.3.1.4

Störung des Mieters

Die in Art. 259a Abs. 1 OR neben dem Mangel erwähnte Störung des Mieters 57 im vertragsgemässen Gebrauch der Sache bildet keine besondere Kategorie von Mängeln (so auch Züst, der die Störung dem Mangel gleichstellt, Mängel­ rechte, S. 11 ff. und S. 101 ff.). Die gesetzliche Umschreibung bringt lediglich zum Ausdruck, dass nicht nur eigentliche physische Sachmängel den Mangel­ tatbestand erfüllen, sondern auch jegliche anders verursachte Störung des ver­ tragsgemässen Gebrauchs (z.B. der immissionsbedingte Mangel). Diese Stö­ rungen können tatsächlicher oder rechtlicher Natur sein; sie können sich aber auch als Folge eines Rechtsmangels ergeben (unklar: Botsch. 1985, S. 1434; vgl. Tschudi, Immissionen, S. 32 f., 35 ff.).

2.3.2 Verursacher Ein Mangel der Mietsache kann verschiedene Verursacher und Ursachen haben. 58 Infrage kommen der Vermieter, der Mieter oder ein Dritter. Schliesslich kann der Mangel der Mietsache auf Ereignisse zurückzuführen sein, die ausserhalb menschlicher Einflussnahme stehen, wie z.B. auf Naturgewalten (Sturm, Über­ schwemmungen usw.). Ist der Mieter der Verursacher des Mangels und hat er dies zu vertreten, so stehen ihm überhaupt keine Mängelrechte zu (Züst, a.a.O., S. 78; Higi, ZK, N 36 zu Art. 258 OR). Nicht vom Mieter zu vertreten ist die Abnützung der Mietsache allein durch vertragsgemässen Gebrauch.

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275

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

2.3.3 59

Der Mangel kann im Zeitpunkt der Übergabe der Mietsache bestehen (anfäng­ licher Mangel, Art. 258 OR; Higi, ZK, N 35 zu Art. 258 OR). Der Mangel kann aber auch nach Übergabe der Mietsache, jedoch vor der Rückgabe derselben an den Vermieter, also während des Mietverhältnisses entstehen (nachträgli­ cher Mangel; Higi, a.a.O.). Diese Unterscheidung spielt eine Rolle für die Frage, inwieweit der Mieter für die kleinen Reinigungen und Ausbesserungen gemäss Art. 259 OR einzustehen hat (vgl. Art. 258 Abs. 3 Buchst. b OR); des Weiteren sind die Lösungsbefugnisse des Mieters vom Gesetz unterschiedlich geregelt, je nachdem ob der Mangel im Zeitpunkt der Übergabe besteht oder nach die­ sem Zeitpunkt entsteht.

2.3.4 60

61

Möglichkeit und Zumutbarkeit der Mängelbehebung

Die Unterteilung in Mängel, die zumutbar behebbar sind und solchen, denen diese Qualifikation abgeht, ist vor allem von Bedeutung im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der verschiedenen Mängelrechte. So entfällt bei Män­ geln, deren Behebung für den Vermieter nicht möglich oder nicht zumut­ bar ist, das Beseitigungsrecht (i.S.v. Art. 259a Abs. 1 Buchst. a OR) und der zur Durchsetzung dieses Rechts vorgesehene Rechtsbehelf der Hinterlegung (Art. 259g ff. OR; Züst, a.a.O., S. 120, m.w.H.).

2.4

Gesetzliche Kategorien

2.4.1

Leichte Mängel

Leichte Mängel sind solche, die den vertragsgemässen Gebrauch bzw. die Inte­ ressen des Mieters nicht oder jedenfalls nur unwesentlich beeinträchtigen (Higi, ZK, N  39 zu Art.  258 OR). In diese Kategorie gehören jedenfalls die Mängel im Sinne von Art. 259 OR, die der Mieter während der Mietzeit durch kleine, für den gewöhnlichen Unterhalt erforderliche Reinigungen oder Aus­ besserungen selbst zu beheben hat (vgl. dazu die Ausführungen zu Art. 259 OR); es besteht aber nicht unbedingt Identität (Higi, ZK, N 39 zu Art. 258 OR).

2.4.2 62

Zeitpunkt ihrer Entstehung

Mittlere Mängel

Diese Kategorie von Mängeln ergibt sich aus der gesetzlichen Abgrenzung von den leichten Mängeln einerseits und von den schweren Mängeln anderseits. Mittlere Mängel sind demgemäss Mängel, die nicht mehr durch Reinigung oder kleine Ausbesserungen behoben werden können und daher den vertrags­

276

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Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

gemässen Gebrauch vermindern (vgl. Art. 258 Abs. 3 Buchst. a OR, Art. 259b Buchst. b OR und Art. 259d OR), auf der anderen Seite jedoch den vertragsge­ mässen Gebrauch der Sache weder ausschliessen noch derart erheblich beeinträchtigen, dass dem Mieter die Benutzung der Mietsache objektiv nicht mehr zugemutet werden kann (Higi, ZK, N 40 zu Art. 258 OR; vgl. Art. 258 Abs. 1 und 3 Buchst. a OR sowie Art. 259b Buchst. a OR). Der mittlere Mangel ist somit jeder Mangel, der weder ein leichter noch ein schwerer ist (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.168/2001 vom 17. August 2000, E. 4a); die entsprechende Kategorie bildet einen Auffangtatbestand (Higi, a.a.O.; Züst, a.a.O., S. 19). Als Beispiele werden genannt: Panne der Waschmaschine, Käferbefall, verblichene Tapeten, beschädigtes Holzwerk, abgedunkelter Deckenanstrich, TV-Antenne ausser Betrieb, kurzfristiger Ganz- oder Teilausfall der Heizung, Wasserschä­ den, die relativ leicht behoben werden können (vgl. Higi, ZK, N 41 zu Art. 258 OR).

2.4.3

Schwere Mängel

Schwere Mängel sind nach der Definition des Gesetzes solche, die die Taug­ 63 lichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch, also zum vereinbarten oder üblichen Gebrauch, ausschliessen oder erheblich beeinträchtigen (vgl. Art. 258 Abs. 1 OR und 259b Buchst. a OR). Es sind Mängel, die dem Mieter aufgrund seiner vernünftigen Erwartung nicht zugemutet werden können (Higi, ZK, N 43 zu Art. 258 OR). Abgesehen von den Fällen, in denen die Sache wegen des Man­ gels überhaupt nicht gebraucht werden kann, wird ein solcher schwerer Man­ gel anzunehmen sein, wenn dadurch die vitalen Interessen des Mieters und seiner Hausgenossen sowie der übrigen Benützer der Mietsache, insbesondere die Gesundheit und die körperliche Integrität gefährdet sind (Lachat/Micheli, droit du bail, S. 101; MfdP/Roy, N 9.4.7.1). Ein schwerer Mangel liegt sodann in der Regel vor, wenn wesentliche Teile der Mietsache oder wesentliche tech­ nische Vorrichtungen, die zur Mietsache gehören, ausser Funktion sind. Als Beispiele sind zu nennen: undichtes Dach, Totalausfall einer Restaurantküche, Überschwemmung eines oder mehrerer Zimmer einer Wohnung, völliger Ent­ zug der Sicht auf die Schaufenster eines Ladenlokals, Brandschaden, der den Weitergebrauch der Mietsache ausschliesst. Ein schwerer Mangel ist demgegenüber grundsätzlich zu verneinen, wenn der Mieter ihn auf einfache und kostengünstige Weise zulasten des Vermieters gestützt auf Art. 259b Buchst. b OR selbst beheben lassen kann oder wenn die Beeinträchtigung nur von kurzer Dauer ist. Bei der Beurteilung der Schwere

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64

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

eines Mangels steht dem Sachrichter ein Ermessensspielraum zu (Urteil des Bundesgerichts 4C.168/2001 vom 17. August 2001, E. 4a). 65

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein schwerer Mangel vorliegt, wenn es dem Mieter objektiv betrachtet nicht mehr zuzumuten ist, weiterhin in den Mieträumlichkeiten zu verbleiben bzw. von ihnen Gebrauch zu machen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_11/2013 vom 16. Mai 2013, E. 3.1, in: MRA 4/13, S. 22).

2.4.4 Kasuistik 66

Beispiele aus der Praxis –– Völlig abgewohnte Wohnung, BGE 104 II 270 –– Ungenügende Heizung, mp 3/88, S. 110; BGE 97 II 58; BGE 42 II 353 –– Feuchtigkeit und Wassereinbrüche, mp 3/88, S. 106; ZBJV 70/1934, S. 339; BGE 41 II 704 –– Schlechte Gerüche, SJ 1976, S.  459; SJ 1979, S.  146 (beide zitiert Lachat/ Micheli, droit du bail, S. 102) –– Verschlammte Zufahrtsstrasse, Planierarbeiten nicht abgeschlossen bei Ferienwohnung, in: SJZ 63, S. 326 –– Wohnanteilplan verhindert Benutzbarkeit als Büro, in: ZMP 1/93, Nr.  3, S. 12 ff. –– Umbau mit täglich schweren Immissionen, Kälteeinbrüche und Schimmel­ bildung in der Wohnung, in: ZMP 2/95, Nr. 13, S. 11 ff. –– Veraltete Anlagen im Restaurant, in: mp 4/94, S. 185 –– Lärmimmissionen durch Mitmieter, in: mp 3/88, S. 112; vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 4C.368/2004 vom 21. Februar 2005, in: MRA 5/05, 196 ff. –– Lärm und Erschütterungen durch Bauvorhaben in der Nachbarschaft, in: mp 3/87, S. 51; in: SJ 1986, S. 195 ff.; in: ZMP 1/97, Nr. 3, S. 10 ff., in: MRA 3/97, S. 142 f.; in: MRA 1/97, S. 28 ff. –– Ideelle Immissionen durch Massagesalon im Hause, in: mp 3/88, S. 112 –– Störungsanfälligkeit Musikautomat, in: SJZ 62, S. 61 –– Falsch eingestellte Skibindung, BGE 107 II 428 –– Ungenügende Sicherheitsvorrichtung eines Safes, BGE 95 II 544

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Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

–– Konkurrenzbetrieb, den der Vermieter fernzuhalten versprochen hatte, BGE 39 II 586 –– Störungen des Mieters durch den Vermieter oder Dritte, BGE 88 II 338 –– Verkauf des Wirtschaftspatentes durch den Vermieter, BGE 82 II 532 –– Übermässiges Parkieren von Motorfahrzeugen vor Schaufenster, in: SJZ 54, S. 275 –– Verletzung brandschutztechnischer Auflagen, Urteil des Bundesgerichts 4C.333/2004 vom 6. Januar 2005 –– Erfüllung öffentlich-rechtlicher Vorschriften, LGVE, 2004 I, Nr.  19 (vgl. MRA 4/05, S. 180 ff.) –– Ästhetischer Mangel, Urteil des Bundesgerichts 4C.97/2003 vom 28. Okto­ ber 2003, in: MRA 2/04, S. 69 ff. Weitere Beispiele bei Züst, Mietzinsherabsetzung; Higi, ZK, N  41, 45, 49 zu 67 Art.  258 OR; Schmid, ZK, N  3–5 zu Art.  254/255 OR; Lachat/Micheli, droit du bail, S. 102 f.; Zihlmann, Mietrecht, S. 71; von Büren, OR Besonderer Teil, S. 84 f.

3.

Rechte des Mieters bei Leistungsstörungen

3.1

Rechte des Mieters beim zeitlichen Verzug

Übergibt der Vermieter dem Mieter die Sache nicht rechtzeitig und ist die 68 Übergabe der Mietsache nicht objektiv unmöglich (vgl. dazu N 9), so kann der Mieter ausschliesslich nach Art. 107–109 OR vorgehen (Art. 258 Abs. 1 OR). Die genannten Bestimmungen erlauben dem Mieter, in der Regel nach erfolgloser Fristansetzung (Ausnahmen nach Art. 108 OR), entweder weiterhin auf der Erfüllung zu beharren und Schadenersatz für die Verspätung zu verlan­ gen oder vom Vertrag zurückzutreten und das sogenannte negative Vertragsinteresse zu fordern oder schliesslich unter Verzicht auf die Übernahme der Mietsache den Ersatz des Schadens zu beanspruchen, der ihm aus der Nicht­ erfüllung des Vertrages entsteht (Art. 107 Abs. 2 OR; vgl. Botsch. 1985, S. 1431). Näheres zu den Voraussetzungen und Folgen des Vorgehens nach Art. 107–109 OR siehe die Bemerkungen zu Art. 258 OR. Beim zeitlichen Verzug stehen dem Mieter die speziellen Rechte und Rechtsbe­ 69 helfe des Mietrechts (Art. 259a–259i OR) nicht zur Verfügung.

Matthias Tschudi

279

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

3.2

Erfüllungsanspruch und Lösungsbefugnisse des Mieters

3.2.1

Schwere Mängel

70

Weist die Mietsache im Zeitpunkt der Übergabe schwere Mängel (N 63) auf und ist die Herstellung des geschuldeten Zustandes nicht objektiv unmöglich (vgl. dazu N 10 vorstehend), so stehen dem Mieter die gleichen Möglichkeiten offen, wie wenn der Vermieter die Sache nicht rechtzeitig übergibt. Der Mieter kann also nach Art. 107–109 OR vorgehen (N 68 f.). Dabei kann er auch ver­ suchen, den Anspruch auf Realerfüllung durchzusetzen (Klage gegen den Ver­ mieter auf Beseitigung des Mangels und Übergabe der Mietsache).

71

Der Mieter kann sich auch dafür entscheiden, die Sache trotz solcher Mängel zu übernehmen, was er gegebenenfalls dann tun wird, wenn die Gebrauchs­ tauglichkeit nicht völlig fehlt, die Umstände ihn dazu zwingen oder Hoffnung auf baldige gehörige Erfüllung besteht. Alsdann hat der Mieter nur noch die Rechte, die ihm auch zustehen, wenn der Mangel während der Mietzeit ent­ steht (Art. 258 Abs. 2 OR). Damit hat er sein Recht, sich vom Vertrag zu lösen, nicht verloren; er kann, falls der Mangel nicht beseitigt wird, fristlos kündi­ gen (Art. 259b Buchst. a OR). Dass sein Erfüllungsanspruch weiter besteht, ist selbstverständlich (Art. 259b OR).

72

Übernimmt der Mieter die Mietsache, so steht ihm kein Selbsthilferecht zur Beseitigung des schweren Mangels zu (Art. 259b Buchst. b OR e contrario). Dies ändert allerdings nichts, dass der Mieter gegebenenfalls doch noch zu einer Ersatzvornahme (Beseitigung des Mangels) auf Kosten des Vermieters gelangen kann. Der Mieter kann gegen den Vermieter ein Urteil erstreiten, das diesen verpflichtet, den Mangel zu beseitigen und den Mieter, falls der Ver­ mieter dem nicht nachkommt, gestützt auf Art. 98 Abs. 1 OR, welche Norm als Massregel der Zwangsvollstreckung anzusehen ist (von Tuhr/Escher, OR AT II, § 67, S. 90), ermächtigt, den Mangel auf Kosten des Vermieters zu beseiti­ gen (gl.M. Lachat/Micheli, droit du bail, S. 118). Wegen der Beschwerlichkeit des Vorgehens und des Rechtsweges sind solche Fälle in der Praxis eher selten.

3.2.2 73

Mittlere Mängel

Mittlere Mängel (N 62) berechtigen den Mieter weder bei Übergabe der Miet­ sache noch später, sich vom Vertrag zu lösen (Art. 258 Abs. 3 Buchst. a OR, 259b Buchst. a OR). Die einzige Ausnahme gilt für bewegliche Mietsachen, für die dem Mieter auch bei untergeordneten Mängeln das ausserordentliche Kün­ digungsrecht zusteht (Art. 259b Buchst. a OR).

280

Matthias Tschudi

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

Mittlere Mängel kann der Mieter, falls sie innert angemessener Frist nicht beho­ 74 ben werden, auf Kosten des Vermieters beseitigen lassen (Art. 259b Buchst. b OR).

3.2.3

Leichte Mängel

Leichte Mängel (N 61) berechtigen den Mieter nicht, sich vom Vertrag zu lösen. 75 Liegen solche Mängel bei Übergabe der Mietsache vor (z.B. ungenügende Rei­ 76 nigung der Wohnung oder des Geschäftsraums), so hat der Mieter das Recht, deren Beseitigung zu verlangen (Art. 258 Abs. 3 Buchst. b OR i.V.m. Art. 259b OR). Er kann sie, falls sie vom Vermieter nicht innert angemessener Frist besei­ tigt werden, auf dessen Kosten selbst beseitigen (Art. 259b Buchst. b OR a for­ tiori). Entstehen leichte Mängel während der Mietdauer, so hat sie der Mieter in der 77 Regel auf eigene Kosten zu beheben (Art. 259 OR).

3.3

Weitere Mängelrechte

In Konkurrenz zum Erfüllungsanspruch (samt Selbsthilferecht) und zum aus- 78 serordentlichen Kündigungsrecht stehen dem Mieter das Recht auf Herabsetzung des Mietzinses (Art.  259d OR), auf Schadenersatz (Art.  259e OR), auf Übernahme des Rechtsstreits (Art. 259f OR) sowie, bei einer unbewegli­ chen Mietsache, das Recht auf Hinterlegung des Mietzinses (Art. 259g OR– 259i OR) zu. Es wird auf die Bemerkungen zu den entsprechenden Artikeln verwiesen.

4.

Haftung Vermieter aus Nichterfüllung und Schlechterfüllung

4.1

Haftung ohne Verschulden

Die in Art. 258/259a ff. OR geregelten Rechtsfolgen der Nicht- bzw. Schlechter­ 79 füllung treten grundsätzlich ohne Rücksicht auf das Verschulden des Vermie­ ters ein. Dies gilt nicht nur mit Bezug auf die Verletzung der Qualitätspflicht (vgl. dazu N 2 hiervor), also die eigentliche Mängelhaftung, sondern auch mit Bezug auf die Verletzung der Überlassungspflicht (vgl. dazu N 2 hiervor). Scha­ denersatz – nach Art. 107–109 OR oder nach Art. 259e OR – kann der Mieter

Matthias Tschudi

281

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

indessen nur verlangen, falls der Vermieter die Nicht- bzw. Schlechterfüllung seiner Hauptleistungspflicht verschuldet hat. 80

Die Haftung des Vermieters entfällt, sofern die Nicht- bzw. Schlechterfüllung (seiner Hauptleistungspflicht) auf Gründe zurückzuführen ist, die der Mieter zu vertreten hat – sei es, dass sich der Mieter bei der Übergabe der Mietsache in Annahmeverzug befindet oder der Vermieter zu Recht eine Einrede erhebt, sei es, dass der Mieter den Mangel der Mietsache zu verantworten hat (vgl. Art. 259a Abs. 1 OR). Gleiches gilt, wenn es sich um Mängel handelt, die der Mieter nach der Vorschrift von Art. 259 OR auf eigene Kosten zu beseitigen hat.

4.2 81

Zwingendes Recht

Soweit Art.  256 Abs.  2 OR die Einschränkung oder Wegbedingung der Ver­ pflichtung des Vermieters nach Art. 256 Abs. 1 OR verbietet, kann auch die Haftung des Vermieters nach Art. 258/259a ff. OR weder wegbedungen noch eingeschränkt werden (vgl. Gauch, Mängelhaftung, S.  200; Botsch. 1985, S. 1424). Insoweit sind also die Bestimmungen, die die Haftung des Vermieters regeln, relativ zwingendes Recht zugunsten des Mieters. Gleiches gilt nicht für Haftungsbeschränkungen für Mängel, die die gesetzlich geforderte Gebrauchs­ tauglichkeit weder ausschliessen noch beeinträchtigen (Gauch, Mängelhaf­ tung, S. 201 f.). Gemeint sind damit Eigenschaften der Mietsache, welche die vorausgesetzte Gebrauchstauglichkeit überhaupt nicht berühren oder darüber hi­nausgehen (vgl. N 17, 35 und 40 vorstehend; ferner N 21 zu Art. 256 OR). Die Wegbedingung der Haftung ist in solchen Fällen nach den allgemeinen Regeln von Art. 100 OR und Art. 101 Abs. 2 und 3 OR zulässig (Gauch, Mängelhaf­ tung, S. 201; N 52 zu Art. 256 OR).

5.

Konkurrenz mit anderen Haftungsgrundlagen

82

Der Mieter kann bei Mängeln der Mietsache oder bei Störungen im Gebrauch der Sache nicht nur die Rechte und Rechtsbehelfe des Mietrechts geltend machen.

83

Bei Störungen durch den Vermieter, durch Mitmieter oder Dritte kann der Mieter nach den Regeln über den Besitzesschutz (Art. 926/29 ZGB; vgl. 114 II 230 ff.; mp 3/87, S. 78 ff.), über das Nachbarrecht (Art. 679/684 ZGB; vgl. BGE 114 II 230 ff.) und, sofern ihm das kantonale Recht einen solchen Rechtsschutz gewährt, nach den Bestimmungen über das öffentliche Baurecht vorgehen, Letzteres zur Abwehr nachbarlicher Bauvorhaben. 282

Matthias Tschudi

Vorbemerkungen zu Art. 258–259i

Die Haftung des Vermieters als Eigentümer des Hauses oder eines anderen 84 Werkes gegenüber dem Mieter (oder auch dem Untermieter) richtet sich gege­ benenfalls auch nach Art.  58 OR (Schmid, ZK, Vorbem. zu Art.  254/256 aOR, N 2 unter Hinweis auf BGE 60 II 341 und BGE 53 II 123; siehe mp 4/89, S. 154 ff.; mp 2/94, S. 76). Unter Umständen ist auch die Haftung des Vermieters unter dem ausserver­ 85 traglichen Titel der unerlaubten Handlung (Art. 41 ff. OR) gegeben (ZR 44 [1945] Nr. 139). Schliesslich kann sich der Mieter, sofern die Voraussetzungen gegeben sind, 86 alternativ auch auf Mängel des Vertragsabschlusses berufen, namentlich auf den Grundlagenirrtum (BGE 113 II 25 mit zutreffender Kritik bei Zihlmann, Mietrecht, S. 73). Dabei ist indessen zu beachten, dass nach bundesgerichtli­ cher Rechtsprechung die Anrufung der Mängelrechte zwangsläufig als sinnge­ mässe Genehmigung des Vertrages nach Art. 31 OR zu werten ist (BGE 127 III 83; für das Mietrecht Urteil des Bundesgerichts 5C.360/2001 vom 14. Dezem­ ber 2001, E. 4). Dem Mieter ist es mithin versagt, sich einerseits auf seine Män­ gelrechte zu berufen und andererseits eventualiter den Vertrag infolge Willens­ mangels anzufechten (kritisch: Weber, BSK, N 9 zu Art. 258 OR).

Matthias Tschudi

283

Art. 258 F.

Nichterfüllung oder mangelhafte Erfüllung des Vertrags bei Übergabe der Sache

1 Übergibt

der Vermieter die Sache nicht zum vereinbarten Zeitpunkt oder mit Mängeln, welche die Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch ausschliessen oder erheblich beeinträchtigen, so kann der Mieter nach den Artikeln 107–109 über die Nichterfüllung von Verträgen vorgehen. 2 Übernimmt

der Mieter die Sache trotz dieser Mängel und beharrt er auf gehöriger Erfüllung des Vertrages, so kann er nur die Ansprüche geltend machen, die ihm bei Entstehung von Mängeln während der Mietdauer zustünden (Art. 259a–259i). 3 Der Mieter kann die Ansprüche nach den Artikeln 259a–259i auch geltend

machen, wenn die Sache bei der Übergabe Mängel hat: a. welche die Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch zwar vermindern, aber weder ausschliessen noch erheblich beeinträchtigen; b. die der Mieter während der Mietdauer auf eigene Kosten beseitigen müsste (Art. 259).

F.

Inexécution ou exécution imparfaite du contrat lors de la délivrance de la chose

1 Si le bailleur ne délivre pas la chose à la date convenue ou qu’il la délivre avec des défauts

qui excluent ou entravent considérablement l’usage pour lequel elle a été louée, le loca­ taire peut invoquer les articles 107 à 109 concernant l’inexécution des contrats.

2 Si,

malgré de tels défauts, le locataire accepte la chose et réclame l’exécution parfaite du contrat, il ne peut faire valoir que les prétentions qu’il serait en droit d’élever si les défauts étaient apparus pendant le bail (art. 259a à 259i). 3 Le locataire peut faire valoir les prétentions prévues aux articles 259a à 259i même si, au

moment de la délivrance, la chose présente des défauts: a. qui restreignent l’usage pour lequel elle a été louée, sans l’exclure ni l’entraver consi­ dérablement; b. auxquels, pendant le bail, le locataire devrait remédier à ses propres frais (art. 259).

284

Matthias Tschudi

Matthias Tschudi Art. 258

F.

Inadempimento o non perfetto adempimento del contratto in occasione della consegna della cosa

1 Se

il locatore non consegna la cosa nel momento pattuito o la consegna con difetti che ne escludono o ne diminuiscono notevolmente l’idoneità all’uso cui è destinata, il condut­ tore può avvalersi degli articoli 107–109 relativi all’inadempimento del contratto.

2 Il conduttore che, nonostante tali difetti, accetta la cosa e persiste nel chiedere il perfetto

adempimento del contratto può far valere soltanto i diritti che gli competerebbero in caso di difetti della cosa sopravvenuti durante la locazione (art. 259a–259i).

3 Il conduttore può far valere i diritti previsti negli articoli 259a–259i anche se al momento

della consegna la cosa presenti difetti che: a. ne diminuiscono l’idoneità all’uso cui è destinata, pur non escludendola né pregiudi­ candola notevolmente; b. durante la locazione, sarebbero a carico del conduttore (art. 259).

InhaltsübersichtSeite 1.

Gegenstand und Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

286

2. Vorgehen des Mieters nach Art. 107–109 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Voraussetzung: Verzug des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Ansetzung einer Nachfrist und Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Wahlrecht des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Verzugsfolgen und Verschulden des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.5 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.6 Verzug des Vermieters und Zahlung Mietzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

287 287 289 291 293 294 294

3. 3.1 3.2

Übernahme der Mietsache trotz schwerer Mängel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Wahlrecht des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Übernahme und Beharren auf gehöriger Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

295 295 295

4.

Rechtslage bei mittleren oder kleinen Mängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

296

Matthias Tschudi

285

Art. 258

1.

Gegenstand und Charakter

1

Gegenstand der Norm ist, wie es das Marginale besagt, die Nichterfüllung bzw. mangelhafte Erfüllung (Schlechterfüllung) durch den Vermieter im Zeitpunkt der Übergabe der Mietsache (dazu im Einzelnen Higi, ZK, N 6 ff. zu Art.  258 OR). In Abs.  1 sind die Rechtsfolgen der Nichterfüllung nach dem allgemeinen Verzugsrecht der Art.  107–109 OR geregelt. Dies gilt auch für eine besondere Art der Schlechterfüllung, nämlich bei Vorliegen von schweren Mängeln der Mietsache (zu dieser Kategorie der Mängel siehe N 63 Vor­ bem. zu Art. 258–259i OR). Die Absätze 2 und 3 schliessen die Anwendbarkeit des allgemeinen Verzugsrechts für alle Kategorien von Mängeln aus, falls der Mieter die Mietsache trotz schwerer Mängel übernommen hat bzw. im Falle von leichten oder mittleren Mängeln hat übernehmen müssen. Nach der Über­ nahme richten sich die Ansprüche des Mieters allein nach den Bestimmungen über die Mängel, die während der Mietdauer auftreten (Art. 259a–259i OR).

2

Die Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache ist kein Begriffs­ merkmal des Mangels (N 21 ff. Vorbem. zu Art. 258–259i OR). So kann die Mietsache die gesetzlich verlangte Gebrauchstauglichkeit (Art. 256 Abs. 1 OR) aufweisen und gleichwohl mangelhaft sein; dies dann, wenn ihr eine zusätz­ liche, über die eigentliche Gebrauchstauglichkeit hinausgehende Eigenschaft fehlt, die sie nach der Vereinbarung der Parteien darüber hinaus haben müsste (Gauch, Mängelhaftung, S. 198; vgl. auch N 21 zu Art. 256 OR). Art. 258 OR ist ungeachtet seines zu engen und damit lückenhaften Wortlauts auch in diesen Fällen entsprechend anzuwenden. Je nach Intensität der Beeinträchtigung der Interessen des Mieters richten sich die Rechtsfolgen nach Abs. 1 (evtl. Abs. 2) oder nach Abs. 3 der Bestimmung (Gauch, Mängelhaftung, S. 198).

3

Im Umfang, wie dies Art. 256 Abs. 2 OR vorsieht, ist die Bestimmung relativ zwingender Natur. Vereinbarungen, welche die Rechte des Mieters im Fall des Verzugs des Vermieters (Nichterfüllung bzw. Schlechterfüllung) bei Übergabe der Mietsache einschränken oder aufheben (z.B. Verzicht auf Schadenersatzan­ sprüche), sind nichtig, soweit sie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder in Mietverträgen über Wohn- und Geschäftsräume enthalten sind. Vergleiche im Einzelnen dazu N 49 ff. zu Art. 256 OR.

4

Nicht zwingender Natur ist Art. 256 Abs. 2 OR, soweit der Mangel der Miet­ sache im Fehlen einer Eigenschaft besteht, die die Gebrauchstauglichkeit nicht beeinträchtigt (vgl. N 2 und Gauch, Mängelhaftung, S. 201). Dies überträgt sich auch auf Art. 258 OR. Unter Vorbehalt der allgemeinen Regeln des Obligatio­ nenrechts über die Wegbedingung der Haftung (Art. 100 sowie Art. 101 Abs. 2 286

Matthias Tschudi

Art. 258

und 3 OR) sind in solchen Fällen, bei denen der Mangel die Gebrauchstaug­ lichkeit nicht beeinträchtigt, Haftungsbeschränkungen zugunsten des Vermie­ ters, welche die Rechtsfolgen von Art. 258 OR derogieren, zulässig (vgl. immer­ hin die Einschränkung in N 52 zu Art. 256 OR).

2.

Vorgehen des Mieters nach Art. 107–109 OR

2.1

Voraussetzung: Verzug des Vermieters

Damit der Mieter nach Art. 107–109 OR vorgehen kann, muss ein Verzug des 5 Vermieters i.S.v. Art. 102 OR vorliegen. Der Vermieter muss daher bezüglich der Übergabe der Mietsache in gebrauchstauglichem Zustand durch Mahnung in Verzug gesetzt werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Parteien für die Übergabe einen flexiblen Mietbeginn vereinbart haben, z.B. «bei Bezugs­ bereitschaft». Oder er gerät bei Verabredung eines bestimmten Verfalltags (z.B. «Mietbeginn 1. Juli 2000») mit Ablauf dieses Tages ohne Mahnung in Verzug. Damit ein Verzug des Vermieters vorliegen kann, muss die Nichtleistung 6 objektiv pflichtwidrig sein; Verschulden ist dagegen nicht vorausgesetzt (vgl. allgemein Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT II, N 2661 ff. und Urteil des Bundesgerichts vom 2. Februar 1999, in: MRA 4/99, S. 159 ff.). Schuldnerver­ zug des Vermieters ist somit ausgeschlossen bei Gläubigerverzug des Mieters (Art. 91 OR) oder wenn der Vermieter berechtigt ist, seine Leistung zu verwei­ gern (Art. 82 oder 83 OR). Letzteres trifft z.B. zu, wenn der Mieter verpflichtet ist, vor Mietbeginn bzw. vor Übernahme der Mietsache den ersten Mietzins zu bezahlen oder eine Sicherheit, etwa eine Barhinterlegung oder eine Bankgaran­ tie, zu leisten, er also insoweit vorleistungspflichtig ist. Kein Verzug liegt sodann vor, wenn die Vermieterleistung objektiv unmög- 7 lich ist (vgl. dazu und zu den Rechtsfolgen N 9 ff. Vorbem. zu Art. 258–259i OR). Im Übrigen sieht das Gesetz zwei Verzugsfälle vor, die den Mieter zum Vorge­ 8 hen nach Art. 107–109 OR berechtigen (Ziffer 2.1.1 und 2.1.2 hiernach):

2.1.1

Keine Übergabe zum vereinbarten Zeitpunkt

Der Zeitpunkt, in dem der Vermieter dem Mieter die Mietsache zu überge­ 9 ben hat, wird durch die Parteien bestimmt (Art. 256 Abs. 1 OR). In den meis­ ten Fällen legen die Parteien hierfür einen bestimmten Tag fest (z.B. «1. April Matthias Tschudi

287

Art. 258

2000»); Ausnahmen sind denkbar und zulässig (z.B. «bei Bezugsbereitschaft …, spätestens am 1. April 2015»). 10

Der Zeitpunkt der Übergabe fällt in der Regel mit dem Mietbeginn zusammen. Ausnahmsweise kann dies aufgrund besonderer Vereinbarungen anders sein, z.B. wenn in einem Mietobjekt noch spezielle Ausbauten zugunsten des Mie­ ters erfolgen sollen, deren Ausführung der Vermieter übernimmt (vgl. Lachat/ Micheli, droit du bail, S. 85–86, Fn. 2).

11

Übergabe der Mietsache bedeutet Einräumung der tatsächlichen Sachherr­ schaft, bei Wohn- und Geschäftsräumen auch die Aushändigung der zum Mietobjekt gehörenden Schlüssel. Für den Zeitpunkt und die Modalitäten der Übergabe von Wohn- und Geschäftsräumen bestehen zum Teil lokale, regi­ onale und kantonale Übungen (feste Gepflogenheiten sind vor allem für die Rückgabe der Mietsache festzustellen; vgl. Brunner Alexander, Der Konsu­ mentenvertrag im Schweizerischen Recht, in: AJP 1992, § 136, S. 606 ff.; Gmür/ Prerost/Trümpy, Mietrecht, S. 187; Lachat/Micheli, droit du bail, S. 353). Nor­ malerweise findet die Übergabe in Anwesenheit der Parteien statt, häufig auch im Beisein des ausziehenden Mieters, wobei vielfach eine Bestandesaufnahme des Mietobjektes erfolgt, deren Ergebnis in einem Antrittsprotokoll festgehal­ ten wird (Gmür/Prerost/Trümpy, a.a.O., S. 47).

12

Missachtet der Vermieter den vereinbarten Übergabetermin, so befindet er sich unter den vorgenannten Voraussetzungen (N 5 ff.) in Verzug.

2.1.2

Rechtzeitige Übergabe mit schweren Mängeln

13

Aufgrund einer ausdrücklichen Wertung des Gesetzes ist dem schlichten zeit­ lichen Verzug die Übergabe der Mietsache mit schweren Mängeln gleichzu­ setzen, d.h. mit Mängeln, die die Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch ausschliessen oder erheblich beeinträchtigen (vgl. dazu N  63 Vorbem. zu Art.  258–259i OR); schwere Mängel ohne Beeinträchtigung der Gebrauchs­ tauglichkeit sind nicht ausgeschlossen (vgl. N 2 hiervor und N 21 Vorbem. zu Art. 258–295i OR). Will der Mieter nach Art. 107–109 OR vorgehen, so darf er die Mietsache nicht übernehmen (Art. 258 Abs. 2 OR).

14

Im Übrigen setzt ein Vorgehen nach Art.  107–109 OR voraus, dass die Her­ stellung des geschuldeten (mängelfreien) Zustands nicht objektiv unmöglich ist (zu den Rechtsfolgen bei objektiver Unmöglichkeit vgl. N 9 ff. Vorbem. zu Art. 258–259i OR).

288

Matthias Tschudi

Art. 258

Für das Vorliegen solcher Mängel im Zeitpunkt der Übergabe der Mietsache 15 ist im Streitfall der Mieter beweispflichtig. Der Mieter wird somit gut tun, sich gegebenenfalls durch geeignete Massnahmen (Zeugen, Fotografien, evtl. amt­ liche Befundaufnahme) den Beweis zu sichern.

2.2

Ansetzung einer Nachfrist und Ausnahmen

Gemäss Art. 107 Abs. 1 OR ist der Gläubiger berechtigt, eine angemessene Frist 16 zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen. Soweit Art. 108 OR den Mieter von der Ansetzung einer Nachfrist nicht dispensiert, ist die Fristansetzung, will der Mieter nach Art. 107 Abs. 2 OR vorgehen, nicht in sein Belieben gestellt, sondern vielmehr notwendige Voraussetzung für die Ausübung seiner Rechte (BGE 103 II 106). Eine vom Vermieter vorgeschlagene und vom Mieter akzeptierte Verschiebung 17 des Übergabetermins ist als Nachfristansetzung im Sinne von Art. 107 OR zu betrachten (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts vom 2. Februar 1999, in: MRA 4/99, S. 159 ff.). Ob die angesetzte Nachfrist angemessen ist, entscheidet sich nicht allgemein, 18 sondern hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab, namentlich von der Art der Leistung und dem Interesse des Gläubigers an der baldigen Erfüllung (BGE 103 II 106). Die Frist hat somit der Schwierigkeit und der Bedeutung der Leistung des Schuldners zu entsprechen. Hier fällt vor allem der Zeitbedarf des Vermieters für die nachträgliche gehörige Erfüllung, z.B. für die Beseitigung eines körperlichen Mangels, in Betracht. Anderseits hängt sie vom mehr oder minder dringenden Bedürfnis des Gläubigers, d.h. des Mieters ab (von Tuhr/ Escher, OR AT II, §  73, S.  149). Die Frist ist mithin umso kürzer zu bemes­ sen, je dringender das Bedürfnis und das Interesse des Mieters an der gehöri­ gen Übergabe der Mietsache ist; denn es handelt sich um eine Nachfrist, die dem säumigen Vermieter gewährt wird («Gnadenfrist») und zu keiner erheb­ lichen Benachteiligung des vertragstreuen Mieters führen darf (von Tuhr/ Escher, a.a.O.). Das Interesse des Mieters von Wohn- und Geschäftsräumen muss in der Regel und je nach den Umständen als dringend angesehen wer­ den, sodass längere Nachfristen auch dann nicht infrage kommen, wenn der Vermieter innert kürzerer Frist nicht erfüllen kann (z.B. bei länger dauern­ der Fertigstellung von Bauarbeiten oder bei einer gerichtlichen Ausweisung des Vormieters, die, je nach Kanton, – selbst bei klaren Verhältnissen – 3 bis 6 Monate in Anspruch nehmen kann). Ist von vornherein klar, dass der Vermie­ ter innert der dem Mieter zumutbaren Nachfrist nicht erfüllen kann, so liegt

Matthias Tschudi

289

Art. 258

ein Anwendungsfall von Art. 108 Ziff. 1 OR vor, bei dem sich die Nachfristan­ setzung erübrigt (vgl. dazu BGE 97 II 65). Da aber die Ansetzung der Nach­ frist – Art. 108 OR vorbehalten – Voraussetzung für die Ausübung der Rechte des Mieters ist, wird der vorsichtige Mieter auch in solchen Fällen die aus sei­ ner Sicht angemessene Nachfrist ansetzen (vgl. N 16). 19

Wird dem Vermieter eine zu kurze Frist angesetzt, verlangt die Rechtsprechung, dass er sich gegen die zu kurze Frist verwahre (BGE 105 II 34; so auch Gauch/ Schluep/Emmenegger, OR AT II, N 2736).

20

Die Ansetzung der Nachfrist ist an keine Form gebunden, braucht also z.B. nicht schriftlich zu erfolgen. Sie kann zudem bereits mit einer allenfalls erfor­ derlichen Mahnung verbunden werden (N  5; Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT II, N 2735). Inhaltlich muss die Nachfristansetzung so erfolgen, dass der Vermieter erkennen kann, was von ihm verlangt wird. Es muss zudem eine bestimmte Frist (z.B. «bis zum 10. August 2015» oder «innert 14 Tagen ab heute», nicht etwa «innert angemessener Frist») angesetzt werden (von Tuhr/ Escher, OR AT II, § 73, S. 149). Die Fristansetzung ist somit die ultimativ an den Vermieter gerichtete Aufforderung, seiner Verbindlichkeit innerhalb der gesetzten Frist vollumfänglich nachzukommen. Auf allfällige Konsequenzen der Nichteinhaltung hat der Mieter den Vermieter indessen nicht aufmerk­ sam zu machen.

21

Die Ansetzung einer Nachfrist ist nicht erforderlich, wenn sie sinnlos wäre. Diese Fälle regelt Art.  108 OR. Erklärt der Vermieter, dass er wegen Bele­ gung des Mietobjektes durch einen anderen Mieter (z.B. bei Doppelvermie­ tung) nicht werde leisten können oder steht dies ohnehin fest, so würde sich die Frist­ansetzung als unnütz erweisen (Art. 108 Ziff. 1 OR). Hat der Mieter die Mietsache, die an einem bestimmten Tag gebraucht werden sollte, nicht erhalten (z.B. Hochzeitskleid am Tag der Trauung), so ist die Leistung wegen Verzugs des Vermieters für ihn nutzlos geworden (Art. 108 Ziff. 2 OR). Frag­ lich mag dagegen sein, ob die bei Wohn- und Geschäftsräumen übliche Ver­ einbarung eines bestimmten Termins für den Mietbeginn und für die Über­ gabe der Mietsache (z.B. «1. April 2000») als Verabredung eines Fixgeschäftes im Sinne von Art. 108 Ziff. 3 OR anzusehen ist, das den Mieter von der Anset­ zung einer Nachfrist entbindet (offengelassen in Urteil des Bundesgerichts 4C.169/1998 vom 2.  Februar 1999, E.  1c). Dazu ist zunächst darauf hinzu­ weisen, dass ein verabredeter Verfalltag im Sinne vom Art.  102 Abs.  2 OR nicht notwendigerweise einem Fixgeschäft i.S.v. Art. 108 Ziff. 3 OR gleichzu­ stellen ist. Letztere Bestimmung setzt eine noch nachdrücklichere Zeitbeto­ nung voraus (von Büren, Allgemeiner Teil, S. 373). Massgeblich sind hierbei 290

Matthias Tschudi

Art. 258

die Vorstellungen der Parteien bei Vertragsabschluss. Nach objektiver Interes­ senlage spricht eine natürliche Vermutung gegen die Annahme, die Vereinba­ rung eines bestimmten Verfalltags sei i.S.v. «am 1. April 2000 oder gar nicht» auszulegen. Zu erinnern ist des Weiteren, dass nach Lehre und Praxis zum alten Mietrecht entgegen dem Wortlaut von Art. 254 Abs. 2 aOR dem Mieter auch dann kein sofortiges Rücktrittsrecht zugestanden wurde, wenn die Sache bei Übergabe mit erheblichen Mängeln behaftet war (Oser/Schönenberger, ZK, N 12 zu Art. 254 aOR; Reymond, Gebrauchsüberlassungsverträge, S. 220; Schmid, ZK, N 25 zu Art. 254/255 aOR), auch wenn nach der Rechtsprechung der Verzug des Vermieters bei der Übergabe der Sache nach den allgemeinen Verzugsregeln behandelt wurde (Schmid, ZK, Vorbem. zu Art. 254/256 aOR, N 4 f.). Die Vermutung spricht umso deutlicher für das Vorliegen eines Fixge­ schäfts, je stärker der Gläubiger an der Einhaltung des Termins interessiert ist (von Büren, a.a.O., S. 373). Ein solches absolutes Interesse an der genauen Ein­ haltung des vereinbarten Übergabezeitpunktes wird in der Regel bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen kaum festzustellen sein. Sofern dem Mie­ ter für die Nachteile des verspäteten Einzugs ein Ausgleich gewährt wird, ist er im Normalfall auch am verspäteten Einzug interessiert. Daher ist dafürzuhal­ ten, dass die übliche Verabredung eines bestimmten Termins als Mietbeginn und Übergabezeitpunkt ohne weitere vertragliche Bekräftigung der Terminge­ bundenheit kein Fixgeschäft im Sinne von Art. 108 Ziff. 3 OR bedeutet (weitere und detaillierte Hinweise bei Higi, ZK, N 67 zu Art. 258 OR). So wird insbeson­ dere eine Vertragsbestimmung, wonach der Mieter im Falle verspäteter Über­ gabe auf Herabsetzungs- und Schadenersatzansprüche verzichtet – wiewohl sie mit Bezug auf diesen Verzicht unverbindlich ist (vgl. vorn N 3) –, klar gegen die Annahme eines Fixgeschäftes sprechen. Im Übrigen obliegt der Nachweis, dass der Termin im Sinne von Art. 108 Ziff. 3 OR zu verstehen ist, dem Mieter (von Büren, a.a.O., S. 373), sodass diesem ohnehin zu raten ist, eine Nachfrist anzusetzen, falls das Fixgeschäft nicht zweifelsfrei feststeht.

2.3

Wahlrecht des Mieters

2.3.1 Allgemeines Nach Ablauf der Nachfrist (oder ohne eine solche, falls ein Anwendungsfall 22 von Art. 108 OR vorliegt) hat der Mieter gegenüber dem Vermieter, der sich in Verzug befindet (vgl. N 10 und 14), ein doppeltes Wahlrecht: Zum einen ent­ scheidet er, ob er weiterhin an der vom Vermieter geschuldeten Leistung festhalten will (nachfolgend Ziff. 2.3.2) oder ob er darauf verzichtet (nachfolgend

Matthias Tschudi

291

Art. 258

Ziff.  2.3.3 und 2.3.4). Zum anderen entscheidet er bei Verzicht auf die Leis­ tung des Vermieters über das Schicksal des Vertrages, und zwar entweder für die Aufrechterhaltung (nachfolgend Ziff. 2.3.3) oder für dessen Aufhebung durch Rücktritt (nachfolgend Ziff. 2.3.4). 23

Entscheidet sich der Mieter für den Verzicht auf die Leistung des Vermie­ ters, muss er dies gemäss Gesetzesvorschrift «unverzüglich» (Art. 107 Abs. 2 OR) tun. Umstritten ist, ob der Entscheid über das zweite Wahlrecht bei Ver­ zicht auf Leistung des Vermieters ebenfalls und mit der gleichen Unverzüg­ lichkeit erklärt werden muss (vgl. dazu Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT II, N 2764, mit Hinweisen).

24

Wartet der Mieter zu, ohne auf die Leistung (unverzüglich) zu verzichten oder Klage auf Erfüllung zu erheben, bleibt es vorderhand bei der Verzugssituation. Der Mieter ist dann insbesondere berechtigt, eine neue Nachfrist anzusetzen und dadurch die Wahlrechtslage wiederherzustellen (vgl. BGE 86 II 235).

2.3.2

Festhalten an Erfüllung und Schadenersatz wegen Verspätung

25

Der Mieter kann auf Erfüllung klagen. Er kann auf gerichtlichem Wege vom Vermieter verlangen, dass dieser die erforderlichen Massnahmen treffe, damit ihm die Sache möglichst bald – und gegebenenfalls ohne die schwerwiegenden Mängel – übergeben wird. Ist der Mieter so tätig geworden, so hat er sein Wahl­ recht ausgeübt, und er kann nicht mehr auf die Leistungen des Vermieters ver­ zichten (von Tuhr/Escher, OR AT II, § 73, S. 153).

26

Der Vermieter hat dem Mieter den Schaden zu ersetzen, der diesem durch die Verspätung entstanden ist (vgl. Art. 103 Abs. 1 OR, Art. 106 Abs. 1 OR und Art. 107 Abs. 2 OR). Zum Verspätungsschaden (Verzugsschaden) gehören z.B. die Mahn- und Rechtsverfolgungskosten, die Kosten für die rechtzeitige Über­ nahme der Mietsache (z.B. Reisekosten des Mieters zur ursprünglich vorge­ sehenen Übergabe), Ausgaben für den vorübergehenden Leistungsersatz (z.B. Miete eines Ersatzobjektes unter Abzug der nicht zu bezahlenden Vertrags­ miete), zusätzliche Umzugskosten, allenfalls auch Erwerbsausfall für die Zeit, während der der Mieter das Mietobjekt nicht nutzen kann. Zur Exkulpations­ möglichkeit des Vermieters vgl. N 30.

27

Der Verspätungsschaden erfasst den gesamten Schaden, der seit Eintritt des Verzuges des Vermieters eingetreten ist, nicht etwa nur denjenigen, der sich nach Ablauf einer vom Mieter angesetzten Nachfrist ergibt.

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Art. 258

2.3.3

Verzicht auf nachträgliche Leistung unter Aufrechterhaltung des Vertrages

In diesem Fall, den der Mieter durch Ausübung seines Wahlrechts (vgl. N 22) 28 herbeiführt, bleibt der Vertrag zwar bestehen, doch erfolgt eine Umwandlung der Leistungspflicht des Vermieters. Anstelle der nicht mehr erwünschten Leis­ tung hat der Vermieter nun Schadenersatz zu leisten, und zwar im Rahmen des sogenannten Erfüllungsinteresses (positives Vertragsinteresse). Der Mieter ist so zu stellen, wie wenn der Vertrag richtig erfüllt worden wäre. Hauptpos­ ten des Schadens, der dem Mieter aus der Nichterfüllung des Vertrages ent­ steht, wird häufig die Differenz sein zwischen dem Mietzins für die Mietsache und demjenigen eines gleichwertigen Ersatzobjektes bis zu dem Zeitpunkt, auf den der Mietvertrag frühestens hätte gekündigt werden können. Der erlittene Verspätungsschaden kann ebenfalls im Rahmen des Erfüllungsinteresses gel­ tend gemacht werden (vgl. Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT II, N 2670).

2.3.4

Verzicht auf nachträgliche Leistung unter Auflösung des Vertrages

Im Rahmen seines Wahlrechtes kann sich der Mieter ebenfalls dafür entschei­ 29 den, vom Vertrag zurückzutreten. Alsdann schuldet der Vermieter das soge­ nannte negative Vertragsinteresse (auch Vertrauensschaden genannt). Der Mieter, der auf den Bestand des Vertrages vertraut hat, welcher nun infolge Rücktritts mit Wirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aufgelöst wird (Vertragsauflösung ex tunc), soll so gestellt werden, wie wenn er den Ver­ trag nicht abgeschlossen hätte. Zu vergüten sind somit sämtliche Aufwendun­ gen, die der Mieter im Zusammenhang oder in Hinblick auf den Vertragsab­ schluss gehabt hat.

2.4

Verzugsfolgen und Verschulden des Vermieters

Die für den Vermieter sich ergebenden Verzugsfolgen und insbesondere das 30 Recht des Mieters, die Erfüllung zu verlangen oder auf die nachträgliche Leistung des Vermieters zu verzichten, bestehen unabhängig vom Verschul­ den des Vermieters. Von der Leistung von Schadenersatz (Verspätungsscha­ den, positives oder negatives Vertragsinteresse) kann sich der Vermieter dage­ gen befreien, wenn er nachweist, dass ihn am Verzug kein Verschulden trifft. Sein Verschulden wird gemäss gesetzlicher Vorschrift vermutet (Art. 97 Abs. 1 OR im Grundsatz, wiederholt in Art. 103 Abs. 2 OR, Art. 106 Abs. 1 OR und Art. 109 Abs. 2 OR). Eine Verschuldenshaftung in diesem Sinne besteht nach

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Art. 258

herrschender Meinung auch für das positive Interesse gemäss Art. 107 Abs. 2 OR.

2.5 Beweislast 31

Der Mieter hat, nebst dem Verzug des Vermieters, im Streitfall auch den Scha­ den und die Höhe des Schadens zu beweisen. Zu Recht weisen Lachat/Micheli, droit du bail, S. 87, darauf hin, dass die Gerichte an diesen Beweis in der Regel recht hohe Anforderungen stellen. Der Mieter tut mithin gut daran, Vorsicht walten zu lassen und auch seine ihm zukommende Schadensminderungs­ pflicht nicht aus den Augen zu verlieren.

2.6 32

Verzug des Vermieters und Zahlung Mietzins

Solange der Mieter die Mietsache wegen Verzugs des Vermieters nicht über­ nehmen kann oder nicht übernimmt, schuldet er keinen Mietzins (Lachat/ Micheli, droit du bail, S.  88). Die bis zur allfälligen gehörigen Erfüllung des Vertrages durch den Vermieter zurückbehaltene Mietzinszahlung schafft dem Mieter keinerlei Probleme, wenn der Verzug des Vermieters unzweifelhaft fest­ steht (z.B. der Vermieter übergibt gar nicht oder der schwere Mangel ist offen­ kundig). Dann kann sich der Mieter ohne Weiteres auf Art.  82 OR berufen (diese Bestimmung ist auch auf Dauerschuldverhältnisse anwendbar; Gauch/ Schluep/Emmenegger, OR AT II, N 2815; vgl. auch Bühler Alfred, Mietzins­ herabsetzung und Einrede des nichterfüllten Vertrages, in: SJZ 80, S. 33 ff.). Ist dagegen streitig, ob ein schwerer Mangel vorliegt, z.B. bei einem Neubauob­ jekt mit verschiedenen «Unfertigkeiten», so muss der Mieter, vor allem wenn er den ersten Mietzins, was üblich ist, vor Beginn der Mietzeit leisten muss, vorsichtig sein, um zu vermeiden, dass der Vermieter seinerseits auf Art. 82 OR sich beruft, was den Verzug des Vermieters ausschliessen würde (N  6). Da dem Mieter, solange er die Sache nicht übernommen hat, die Rechte nach Art.  259a–259i OR nicht zustehen (Art.  258 Abs.  2 OR e contrario) und er somit, falls es um Immobiliarmiete geht, auch kein Recht zur Hinterlegung des Mietzinses besitzt, wird er in solchen Fällen, falls eine Einigung mit dem Ver­ mieter nicht möglich ist, entweder den Mietzins unter Vorbehalt bezahlen oder die Leistung des Mietzinses zumindest gehörig anbieten (Art. 82 OR). Dieses Erfüllungsangebot, welches ein Realangebot zu sein hat, kann nun allerdings doch noch zur Hinterlegung des Mietzinses führen, dies jedoch im Sinne des Art. 91 OR (vgl. von Büren, Allgemeiner Teil, S. 464; Guhl et al., OR, S. 262).

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Art. 258

3.

Übernahme der Mietsache trotz schwerer Mängel

3.1

Wahlrecht des Mieters

Der Mieter, der bei schweren Mängeln der Mietsache nach Art. 107–109 OR 33 vorgehen will, darf die Sache nicht übernehmen. Das Gesetz schliesst nun aber die Übernahme der Mietsache trotz solcher Mängel nicht aus. In der Tat wird der Mieter häufig daran interessiert sein, die Mietsache ungeachtet ihrer Mangelhaftigkeit zu übernehmen. Das Gesetz gibt dem Mieter ein entspre­ chendes Wahlrecht, welches er durch die Übernahme der Mietsache ausübt. Hat der Mieter sich für die Übernahme der Mietsache entschieden und wurde diese entsprechend vollzogen, so kann er nicht mehr nach Abs.  1 vorgehen, sondern er kann nur noch aus den besonderen, für die Miete geltenden Nor­ men Rechte ableiten (Botsch. 1985, S. 1432).

3.2

Übernahme und Beharren auf gehöriger Erfüllung

Die Übernahme der Mietsache ist das Korrelat der Übergabe aus der Sicht des Mieters. Übernahme bedeutet mithin Inbesitznahme der Mietsache.

34

Das Gesetz erwähnt nicht nur die Übernahme der Mietsache, sondern auch 35 das Beharren auf gehöriger Erfüllung des Vertrages. Diese Beifügung hat unse­ res Erachtens keine selbständige Bedeutung, denn wenn der Mieter die Sache übernimmt, so tut er damit kund, dass er auf gehöriger Erfüllung des Ver­ trages beharrt. Eine andere Frage ist allerdings, wie lange der Mieter mit der Verfolgung seiner Mängelrechte zuwarten darf, um sich nicht der Gefahr der Verwirkung auszusetzen (vgl. dazu Schmid, ZK, N 17 zu Art. 254–255 aOR). Hat er bei Übernahme der Mietsache die Mängel gerügt (eine Untersuchungsund Rügepflicht wie beim Kauf besteht allerdings nicht; Schmid, ZK, N 16 zu Art. 254–255 aOR; BGE 113 II 29), so wird er verhältnismässig lange untätig bleiben können, ohne dass ihm ein Rechtsverlust droht. Hat der Mieter dage­ gen keine Einwendungen erhoben und schweigt er sich in der Folge aus, so stellt sich vorab die Frage, ob dadurch die Mietsache nicht in dem Zustand genehmigt war, in dem sie sich befindet (vgl. dazu N 32 Vorbem. zu Art. 258– 259i OR; N 33 zu Art. 256 OR).

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4.

Rechtslage bei mittleren oder kleinen Mängeln

36

Bei mittleren Mängeln (N 62 Vorbem. zu Art. 258–259i) stellt das Gesetz den Erfüllungsanspruch vor die Lösungsbefugnisse des Mieters. Der Mieter hat nur die speziellen Rechte und Rechtsbehelfe des Mietrechts (Art. 259a–259i OR).

37

Die kleinen Mängel sind die, die der Mieter, wenn sie während der Mietzeit entstehen, selbst zu beheben hat (Art.  259 OR; vgl. die dortigen Bemerkun­ gen und N 61 Vorbem. zu Art. 258–259i OR). Liegen solche Mängel im Über­ gabezeitpunkt vor, so hat der Mieter entgegen der Regel von Art. 259 OR das Recht, deren Behebung und Beseitigung durch den Vermieter zu verlangen. Im Zusammenhang mit der Regelung über die kleinen Mängel bei Übergabe der Mietsache ist als Beispiel die ungenügende Reinigung des Mietobjekts, kleinere Schäden und Unzulänglichkeiten der Apparate und Ähnliches zu erwähnen.

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Art. 259 G. Mängel während der Mietdauer I.

Pflicht des Mieters zu kleinen Reinigungen und Ausbesserungen

Der Mieter muss Mängel, die durch kleine, für den gewöhnlichen Unterhalt erforderliche Reinigungen oder Ausbesserungen behoben werden können, nach Ortsgebrauch auf eigene Kosten beseitigen. G.

Défauts pendant le bail

I.

Obligation du locataire de faire les menus travaux de nettoyage et de réparation

Le locataire doit, conformément à l’usage local, remédier à ses frais aux défauts qui peuvent être éliminés par les menus travaux de nettoyage ou de réparation indispensables à l’entretien normal de la chose.

G.

Difetti durante la locazione

I.

Obbligo del conduttore di provvedere ai piccoli lavori di pulitura e di riparazione

Il conduttore è tenuto ad eliminare a proprie spese, secondo gli usi locali, i difetti rime­ diabili mediante piccoli lavori di pulitura o di riparazione necessari all’ordinaria manu­ tenzione della cosa.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

298 298 298

2. Unterhaltspflicht des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Allgemeines und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter

1

Die generelle Unterhaltspflicht des Vermieters (Art. 256 Abs. 1 OR), die in dem Mass, wie das Gesetz dies in Art. 256 Abs. 2 OR vorschreibt (Näheres dazu N 49 ff. zu Art. 256 OR), relativ zwingender Natur ist, bewirkt, dass auch die Unterhaltspflicht des Mieters im Sinne der Norm gleichermassen zwingendes Recht darstellt (Higi, ZK, N 3 ff. zu Art. 259 OR; MfdP/Roy, N 10.4.4.1; Züst, Mängelrechte, S. 69). Daraus folgt, dass Vereinbarungen, welche die gesetzli­ che Unterhaltspflicht des Mieters zu dessen Nachteil abändern, d.h. erweitern, nichtig sind (vgl. jedoch N 49 ff. zu Art. 256 OR).

2

Unter dem Gesichtspunkt des zwingenden Rechts sind vor allem die häufig in Formularmietverträgen anzutreffenden Vertragsklauseln zu untersuchen, die die Pflicht des Mieters zum kleinen Unterhalt konkretisieren, indem sie fest­ legen, in welchem sachlichen und/oder betragsmässigen Umfang der Mieter Reparaturen zu tragen hat.

3

Vereinbarungen, die die gesetzliche Unterhaltspflicht des Mieters auf indirekte Weise erweitern, sind ebenfalls daraufhin zu prüfen, ob sie mit der relativ zwin­ genden Natur der Norm zu vereinbaren sind. So ist namentlich die vertrag­ liche Verpflichtung des Mieters, Serviceverträge über technische Geräte, die zur Mietsache gehören, abzuschliessen, nicht zulässig, wenn es um eigentliche Reparaturverträge geht, die auch grössere Instandstellungsarbeiten abdecken. Zulässig ist dagegen die Verpflichtung, die lediglich die periodische Kontrolle und die kleinen Ausbesserungen gewährleistet (Zucker/Kunz, Unterhalt, S. 8; Stoll, Unterhaltspflicht, S. 57).

4

Über die Möglichkeit von gültigen Vereinbarungen, die dem Mieter weiterge­ hende Unterhaltslasten auferlegen, soweit dies bei der Festsetzung des Mietzin­ ses berücksichtigt wird, vgl. N 49 ff. zu Art. 256 OR.

1.2 Anwendungsbereich 5

Die Norm gilt für alle Mietverhältnisse ungeachtet des Mietgegenstands. Prak­ tisch von Bedeutung ist sie allerdings vor allem bei der Immobiliarmiete, ins­ besondere für Wohn- und Geschäftsräume.

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2.

Unterhaltspflicht des Mieters

2.1

Allgemeines und Abgrenzungen

Die gesetzliche Unterhaltspflicht des Mieters gemäss Art.  259 OR stellt sich 6 als Einschränkung der im Übrigen umfassenden Verpflichtung des Vermieters, die Mietsache dauernd instand zu halten (Art. 256 Abs. 1 OR), dar. Die Rege­ lung beruht auf dem Mietrecht seit jeher vertrauten Gedanken, dass die Behe­ bung der aus dem gewöhnlichen Gebrauch der Mietsache sich ergebenden Verunreinigungen  – mögen sie auch von aussen kommen  –, aber auch klei­ neren Verschleisserscheinungen Sache des Mieters sein soll, was praktischen Bedürfnissen entspricht und sich daraus erklärt, dass der Mieter sich im Besitz der Mietsache befindet (Sprenger, Entstehung, S. 86). Den Mieter können weitergehende Unterhalts- und Mängelbeseitigungspflich­ 7 ten treffen, die alsdann nicht unter Art. 259 OR fallen. Abgesehen von den Fäl­ len, in denen ein Teil der Unterhaltspflicht des Vermieters unter entsprechen­ der Berücksichtigung beim Mietzins auf den Mieter überwälzt wird (N 49 ff. zu Art. 256 OR), betrifft dies den umfassenden Unterhalt allfälliger Ein- und Aus­ bauten (z.B. Bodenbeläge, Zwischenböden, eingebautes Mobiliar usw.) sowie weiterer Vorrichtungen des Mieters (z.B. Klima- und Lüftungsanlagen). Des Weiteren hat der Mieter Mängel zu beheben oder zumindest Ersatz zu leisten, soweit die Mängel bzw. die Schäden von ihm infolge Missachtung der Pflicht zum sorgfältigen Gebrauch der Mietsache zu verantworten sind. Anderseits besteht keine Ausbesserungspflicht des Mieters für kleine Män­ 8 gel, die schon zu Beginn der Mietzeit bestanden (vgl. Art. 258 Abs. 3 OR). Der Nachweis, dass die Mängel schon zu Beginn der Mietzeit bestanden, obliegt dem Mieter. Über den Unterschied zwischen der laufenden Reinigung von Wohn- und 9 Geschäftsräumen und der Schlussreinigung bei Rückgabe der Mietsache vgl. N 18.

2.2 Umfang Das Gesetz spricht von Mängeln, die durch kleine, für den gewöhnlichen 10 Unterhalt erforderliche Reinigungen und Ausbesserungen behoben werden können. Daraus folgt vorab, dass nur kleine Reinigungen und nur kleine Aus­ besserungen Gegenstand der Unterhaltspflicht des Mieters sein können. All­ gemein werden diese umschrieben mit Arbeiten, die vom Mieter ohne grös­

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seren persönlichen oder finanziellen Aufwand ausgeführt werden können (Stoll, Unterhaltspflicht, S. 45; Gmür/Prerost/Trümpy, Mietrecht, S. 53; Lachat/ Micheli, droit du bail, S. 115; einlässlich auch Higi, ZK, N 15–17 zu Art. 259 OR). 11

Die gesetzliche Erwähnung des gewöhnlichen Unterhalts macht klar, dass es sich dabei um Arbeiten handelt, die sich aus dem gewöhnlichen, dem ver­ tragsmässigen Gebrauch der Mietsache ergeben (vgl. Art. 263 Abs. 2 1. Halb­ satz aOR). Zum einen bedeutet dies, dass die Folgen eines ungewöhnlichen, nicht vertragsmässigen Gebrauchs der Mietsache ungeachtet der Grösse und des finanziellen Aufwandes vom Mieter zu tragen sind. Zum anderen heisst dies, dass auch kleine Reinigungen und Ausbesserungen, die nicht im Zusam­ menhang mit dem gewöhnlichen Gebrauch der Mietsache stehen, nicht zulas­ ten des Mieters gehen. Ist z.B. das Auswechseln von elektrischen Sicherungen üblicherweise Sache des Mieters, so trifft dies nicht zu, wenn die Sicherungen als Folge eines grösseren Defekts an der Elektroanlage des Hauses ersetzt wer­ den müssen.

12

Im Übrigen verweist das Gesetz auf den Ortsgebrauch. Die Verweisung auf den Ortsgebrauch hilft in der Praxis indessen selten weiter, da dieser vielfach unsicher ist (Stoll, Unterhaltspflicht, S. 51; Schmid, ZK, N 11 zu Art. 263 aOR). In der Tat bildet der Ortsgebrauch jedenfalls nicht oft eine solide Grundlage zur Entscheidung von Streitfällen.

13

Die Unsicherheiten, die der Ortsgebrauch mit sich bringt, haben dazu geführt, dass in den meisten Mietvertragsformularen für die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen Bestimmungen zu finden sind, die die Unterhaltspflicht des Mieters in qualitativer und quantitativer Hinsicht näher umschreiben. Entwe­ der enthalten diese Formulare eine abschliessende oder beispielhafte Auflis­ tung von konkreten Ausbesserungen, die zulasten des Mieters gehen sollen, oder dann einen frankenmässig (z.B. «bis 150 CHF pro Reparatur») oder durch einen bestimmten Prozentsatz des Jahresmietzinses ausgedrückten Maximal­ betrag für die Reparaturen, die der Mieter tragen soll (Stoll, Unterhaltspflicht, S. 52). Für die Reinigungen halten die Mietvertragsformulare meistens fest, inwieweit der Mieter zur Mitwirkung bei der Reinigung der gemeinschaftlich benutzten Hausteile, namentlich des Treppenhauses, der Kellerabgänge, der Zugänge usw. verpflichtet ist, ebenso mit Bezug auf die Schneeräumung.

14

Zur Bestimmung des kleinen Unterhalts werden heute in Lehre und Rechtspre­ chung im Wesentlichen zwei Ansätze vertreten: Die eine Meinung will den kleinen, vom Mieter zu besorgenden Unterhalt anhand einer bestimmten Kos-

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tengrenze von der Unterhaltspflicht des Vermieters abgrenzen. Dieser ältere Ansatz ist nach wie vor weitverbreitet. So finden sich auch heute noch in vielen Mietverträgen und Allgemeinen Vertragsbedingungen Kostengrenzen von in der Regel 100 bis 150 CHF oder in Form von Prozentzahlen des Jahresmietzin­ ses (meist 1 bis 2%). Demgegenüber scheint sich seit einigen Jahren namentlich in der Rechtsprechung zunehmend die Ansicht durchzusetzen, zur Abgren­ zung des kleinen Unterhalts (Mieter) von der Unterhaltspflicht des Vermieters sei nicht auf die Kosten abzustellen, sondern vielmehr darauf, ob für die Aus­ führung der in Rede stehenden Reinigungen oder Ausbesserungen der Beizug eines Fachmanns erforderlich ist oder ob der Durchschnittsmieter dazu sel­ ber in der Lage ist (vgl. dazu Urteil des OGer Kanton Bern vom 27. Juni 2012, E. 17 ff., mit zahlreichen Hinweisen zu Lehre und Rechtsprechung, in: mp 2013, S. 112 ff.; ferner ausführlich dazu Zucker/Kunz, Unterhalt, S. 1 ff.). Nach der hier vertretenen Auffassung verdient die Ansicht, wonach zur 15 Bestimmung des kleinen Unterhalts primär darauf abzustellen ist, ob der Bei­ zug eines Fachmanns notwendig ist oder nicht, Zustimmung (dies ganz abge­ sehen davon, dass der Beizug eines Fachmanns heutzutage ohnehin meist mehr als 100 bis 150 CHF kostet). Die sich in der Praxis bewährten Kostengrenzen (100 bis 150 CHF bzw. 1 bis 2% des Jahresmietzinses; vgl. dazu etwa CHK, N 4 zu Art. 259 OR) haben deswegen gleichwohl nicht ausgedient. Ausbesserungen und Reparaturen, die der Durchschnittsmieter ohne Weiteres selber (d.h. ohne Beizug eines Fachmanns) ausführen kann, wie etwa der Ersatz eines Dusch­ schlauchs, Backblechs, Grillgitters usw., sind bis zu diesen Kostengrenzen wei­ terhin dem kleinen Unterhalt des Mieters zuzurechnen. Die Pflicht des Mieters, die Sache, die ihm zum ausschliesslichen Gebrauch 16 überlassen ist, in sauberem Zustand zu halten, ergibt sich direkt aus der Sorgfaltspflicht des Mieters (Schmid, ZK, N 10 zu Art. 263 aOR; Stoll, Unterhalts­ pflicht, S. 53; zum Begriff der Reinigung im Gegensatz zu den Ausbesserun­ gen vgl. BGE 105 II 38). Die Reinigungspflicht gebietet dem Mieter, vor allem dafür zu sorgen, dass die Räumlichkeiten, die er benützt, in hygienischer Hin­ sicht zu keinerlei berechtigten Klagen Anlass geben (Stoll, a.a.O.). Dagegen ist der Mieter während der Mietzeit nicht zu einer ständigen und dauernden pein­ lich genauen Reinhaltung des Mietobjekts verpflichtet (Stoll, a.a.O.). Die miet­ vertragliche Vereinbarung, wonach sich der Mieter turnusgemäss an der Rei­ nigung der gemeinsam benützten Hausteile und an der Schneeräumung zu beteiligen hat (N 13), ist nach wie vor zulässig, da der Rahmen der laufenden «kleinen» Reinigung dadurch nicht gesprengt wird.

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Art. 259 17

Problematisch sind unter dem Gesichtspunkt des zwingenden Rechts Verein­ barungen, die den Mieter zu Reinigungsarbeiten verpflichten, die nur unter erschwerten Bedingungen und mit grösserem technischen und damit auch mit entsprechendem finanziellen Aufwand ausgeführt werden können. Solche Arbeiten können, je nach den Umständen, kaum mehr als «klein» bezeichnet werden. Zu denken ist etwa an die Reinigung der Aussenflächen von Glasfas­ saden oder Bedachungen, die nur unter Einsatz von spezialisiertem Personal mit entsprechenden Hebevorrichtungen ausgeführt werden können. Der vor­ sichtige Vermieter wird, um unliebsamen Überraschungen vorzubeugen, die Reinigung selbst übernehmen und die entsprechenden Aufwendungen kalku­ latorisch beim Mietzins berücksichtigen oder als Nebenkostenposition aus­ scheiden.

18

Falls der Mieter die Mietsache in gereinigtem Zustand zurückzugeben hat (dies ist nicht überall der Fall: In gewissen Gegenden wie der Nordwestschweiz über­ nimmt der Vermieter die Reinigung gegen entsprechende Abgeltung in Form einer sogenannten Reinigungspauschale; Stoll, Unterhaltspflicht, S. 53, Fn. 25; für die abweichende Übung im Kanton Genf vgl. Lachat/Micheli, droit du bail, S. 356), gilt es als allgemein üblich, dass diese Reinigung eine umfassende und gründliche sein muss, die somit über das hinausgeht, was vom Mieter während der Mietzeit verlangt werden kann (vgl. Stoll, a.a.O.). Im Allgemeinen umfasst diese Reinigung: Nassreinigung der Böden und Plattenbeläge der Küche, des Badezimmers und der Toilette, gründliche Reinigung der Einbauschränke, des Kühlschranks, des Herdes, der Badewanne und des Lavabos, Entfernung von Postern und Selbstklebeetiketten, Entstopfen von Abläufen, gründliche Reini­ gung der übrigen Teile der Wohnung (auch Holzwerk und Türen), insbeson­ dere auch das Schamponieren der Spannteppiche (vgl. Lachat/Micheli, droit du bail, S. 356). Begnügt sich der Vermieter aus besonderen Gründen, etwa weil das Mietobjekt ohnehin umfassend überholt werden soll, mit einer weniger umfassenden Reinigung, so wird dies in der Regel vereinbart. Im mietrechtli­ chen Sprachgebrauch oftmals mit dem Ausdruck, der Mieter könne das Miet­ objekt «besenrein» gereinigt zurückgeben.

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Art. 259a II. Rechte des Mieters 1.

Im Allgemeinen

1 Entstehen

an der Sache Mängel, die der Mieter weder zu verantworten noch auf eigene Kosten zu beseitigen hat, oder wird der Mieter im vertragsgemässen Gebrauch der Sache gestört, so kann er verlangen, dass der Vermieter: a. den Mangel beseitigt; b. den Mietzins verhältnismässig herabsetzt; c. Schadenersatz leistet; d. den Rechtsstreit mit einem Dritten übernimmt. 2 Der

Mieter einer unbeweglichen Sache kann zudem den Mietzins hinterlegen.

II.

Droits du locataire

1.

En général

1 Lorsqu’apparaissent

des défauts de la chose qui ne sont pas imputables au locataire et auxquels il n’est pas tenu de remédier à ses frais ou lorsque le locataire est empêché d’user de la chose conformément au contrat, il peut exiger du bailleur: a. la remise en état de la chose; b. une réduction proportionnelle du loyer; c. des dommages-intérêts; d. la prise en charge du procès contre un tiers.

2 Le

locataire d’un immeuble peut en outre consigner le loyer.

II.

Diritti del conduttore

1.

In genere

1 Se

sopravvengono difetti della cosa che non gli sono imputabili né sono a suo carico, oppure se è turbato nell’uso pattuito della cosa, il conduttore può esigere dal locatore: a. l’eliminazione del difetto; b. una riduzione proporzionale del corrispettivo; c. il risarcimento dei danni; d. l’assunzione della lite contro un terzo.

2 Il

conduttore di un immobile può inoltre depositare la pigione.

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Art. 259a

1.

Bedeutung und Inhalt

1

Art. 259a OR hat keine selbständige Bedeutung. Der Inhalt der Bestimmung erschöpft sich im Wesentlichen darin, die in den nachfolgenden Bestimmun­ gen Art. 259b–259i OR näher geregelten Rechte und Rechtsbehelfe des Mieters bei Mängeln der Mietsache, die während der Mietzeit entstehen, program­ matisch zu erfassen.

2

Zum Mangel der Mietsache und zum System der Mängelrechte kann vollum­ fänglich auf die Ausführungen in den Vorbem. zu den Art. 258–259i OR ver­ wiesen werden.

3

Zu der in der Bestimmung neben dem Mangel erwähnten Störung des Mieters im vertragsgemässen Gebrauch der Mietsache vgl. insbesondere N 57 Vorbem. zu Art. 258–259i OR. Durch die Erwähnung der Störung im vertragsgemässen Gebrauch wird lediglich dargestellt, dass diese einem körperlichen Mangel der Mietsache gleichzustellen ist und dem Mieter auch für solche Fälle die aufge­ führten Mängelrechte zustehen sollen.

4

Als Selbstverständlichkeit wiederholt die Norm, dass dem Mieter die Mängel­ rechte nur zustehen, falls es um Mängel geht, die er weder zu verantworten noch auf eigene Kosten zu beseitigen hat.

5

Zu den vom Mieter zu verantwortenden Mängeln gehören vor allem die Män­ gel, die der Mieter oder eine Person, für die er einzustehen hat, durch einen unsorgfältigen oder vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache verursacht hat (Weber, BSK, N 2 zu Art. 259a OR). Darüber hinaus fallen auch Mängel in Betracht, die der Mieter aus anderen Gründen zu vertreten hat, z.B. wegen Unterlassung seiner Meldepflicht. Dem Mieter, der sich an gegenseitigen Pro­ vokationen beteiligt und nicht blosses Opfer von Belästigungen und Störun­ gen seiner Nachbarn ist, ist es verwehrt, sich auf die Mängelrechte zu berufen (Urteil des Bundesgerichts 4C.106/2002 vom 18. Juni 2002).

6

Die vom Mieter zu beseitigenden Mängel sind zunächst die, die unter Art. 259 OR fallen, dann aber auch diejenigen, deren Beseitigung dem Mieter aufgrund einer nach Art. 256 OR zulässigen Abrede obliegen (vgl. dazu Ausführungen zu Art. 259 OR; Higi, ZK, N 9 zu Art. 259a OR).

7

Über das gegenseitige Verhältnis der verschiedenen Mängelrechte gibt die Norm keine Auskunft. Grundsätzlich bestehen sie nebeneinander und schlies­ sen sich gegenseitig nicht aus (Higi, ZK, N 13 zu Art. 259a OR, m.w.H.; Weber, BSK, N 1a zu Art. 259a OR).

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Art. 259b 2.

Beseitigung des Mangels

a. Grundsatz Kennt der Vermieter einen Mangel und beseitigt er ihn nicht innert angemessener Frist, so kann der Mieter: a. fristlos kündigen, wenn der Mangel die Tauglichkeit einer unbeweglichen Sache zum vorausgesetzten Gebrauch ausschliesst oder erheblich beeinträchtigt oder wenn der Mangel die Tauglichkeit einer beweglichen Sache zum vorausgesetzten Gebrauch vermindert; b. auf Kosten des Vermieters den Mangel beseitigen lassen, wenn dieser die Tauglichkeit der Sache zum vorausgesetzten Gebrauch zwar vermindert, aber nicht erheblich beeinträchtigt. 2.

Remise en état

a. Principe Lorsque le bailleur a connaissance d’un défaut et qu’il n’y a pas remédié dans un délai convenable, le locataire peut: a. résilier le contrat avec effet immédiat si le défaut exclut ou entrave considérablement l’usage pour lequel un immeuble a été loué ou si le défaut restreint l’usage pour lequel une chose mobilière a été louée; b. remédier au défaut aux frais du bailleur si le défaut restreint, sans l’entraver considé­ rablement, l’usage pour lequel la chose a été louée.

2.

Eliminazione del difetto

a. Principio Se il locatore è a conoscenza del difetto e non lo elimina entro un congruo termine, il con­ duttore può: a. recedere senza preavviso dal contratto, quando il difetto esclude o pregiudica note­ volmente l’idoneità dell’immobile all’uso cui è destinato o, trattandosi di cosa mobile, ne diminuisce tale idoneità; b. farlo eliminare a spese del locatore, quando il difetto pregiudica l’idoneità della cosa all’uso cui è destinata, pure non pregiudicandola notevolmente.

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305

Art. 259b

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

307 307 307

2. Pflicht des Vermieters, Mängel zu beheben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Angemessene Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Ansprüche auf Herabsetzung Mietzins und auf Schadenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.5 Recht auf Mängelbeseitigung und zur fristlosen Kündigung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

307 307 309 309 311 312

3. 3.1 3.2

Fristlose Auflösung des Mietverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Unbewegliche Sachen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Bewegliche Sachen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

312 312 316

4. Recht des Mieters auf Beseitigung Mangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.1 Leichte und mittlere Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.2 Schwere Mängel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.3 Exkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

316 316 317 319

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Art. 259b

1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter

Klauseln, die bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen die Mängelhaf­ 1 tung des Vermieters einschränken oder wegbedingen, sind nichtig (Art. 256 Abs. 2 Buchst. b OR; vgl. jedoch N 49 ff. zu Art. 256 OR sowie N 6 nachste­ hend). Die Parteien können indessen vertraglich den Schutz des Mieters über den Gesetzeswortlaut von Art. 259b OR hinaus ausdehnen. Die Norm ist somit relativ zwingend. Bei der Miete unbeweglicher Sachen, die nicht unter den Begriff der Wohn- 2 und Geschäftsräume fallen, sowie bei beweglichen Sachen dürfen die in Art. 259b OR enthaltenen Mieterrechte nicht in vorformulierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen eingeschränkt werden (Art. 256 Abs. 2 Buchst. a OR). Hingegen ist es in den Schranken von Art. 100 OR zulässig, durch Einzelabrede diese Mieterrechte wegzubedingen.

1.2 Anwendungsbereich Art.  259b OR gilt für alle Arten von Mietverträgen, mithin sowohl für die Immobiliarmiete als auch für die Miete von beweglichen Sachen. Die Norm ist auf befristete und unbefristete Mietverhältnisse anwendbar.

2.

3

Pflicht des Vermieters, Mängel zu beheben

2.1 Voraussetzungen Der Unterhalt der Sache in einer Weise, die den geschuldeten Zustand gewähr­ 4 leistet, gehört zu den Hauptleistungspflichten des Vermieters (Botsch. 1985, S. 1434; vgl. dazu auch N 3 ff. zu Art. 256 OR sowie N 2 Vorbem. zu Art. 258– 259i OR). Dementsprechend hat der Mieter Anspruch auf Beseitigung des Mangels und Wiederherstellung des vertragsgemässen Zustandes, wenn die Sache während der Mietzeit mangelhaft wird. Das Vorliegen eines Mangels, sei dieser tatsächlicher oder rechtlicher Natur, bildet daher erste Vorausset­ zung für den Beseitigungsanspruch des Mieters (zum Begriff des Mangels vgl. N 19 ff. Vorbem. zu Art. 258–259i OR). Nach Art. 259a Abs. 1 OR ist weiter vorausgesetzt, dass ein Mangel vorliegt, 5 den der Mieter weder zu verantworten noch auf eigene Kosten zu beseitigen

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307

Art. 259b

hat. Vom Mieter zu verantwortende Mängel sind solche, die er oder Personen, für deren Verhalten er einstehen muss, in Verletzung von Art. 257f Abs. 1 OR verursacht haben (Näheres siehe N 18 ff. zu Art. 257f OR). Der Mieter hat im Rahmen des sogenannten kleinen Unterhalts leichte Mängel (vgl. dazu N 61 Vorbem. zu Art. 258–259i OR) auf eigene Kosten zu beseitigen (dazu insgesamt die Bemerkungen zu Art. 259 OR). Der Vermieter ist daher nicht verpflichtet, diese zu beheben. 6

Falls sich der Mieter zum Unterhalt der Mietsache vertraglich verpflichtet hat und diese Pflicht bei der Festlegung des Mietzinses berücksichtigt wurde (vgl. dazu N 49 ff. zu Art. 256 OR), ist der Vermieter ebenfalls nicht zur Mängelbe­ seitigung verpflichtet. Dies gilt selbst dann, wenn die Reparaturarbeiten mitt­ lere oder gar schwere Mängel betreffen (zu diesen Begriffen N 62 ff. Vorbem. zu Art. 258–259i OR) und sehr kostspielig sind. Nach Treu und Glauben ist davon auszugehen, dass der Mieter bei Vertragsabschluss dieses Risiko bewusst auf sich genommen und sich zum Ausgleich einen niedrigeren Mietzins hat ver­ sprechen lassen.

7

Nicht erforderlich ist indessen, dass den Vermieter am Eintritt des Mangels ein Verschulden trifft.

8

Damit der Vermieter überhaupt seiner Verpflichtung nachkommen kann, ist erforderlich, dass der Vermieter vom Mangel Kenntnis hat. Ist einer Hilfsperson des Vermieters (z.B. dem Hauswart) der Mangel bekannt, hat sich der Vermieter dieses Wissen anrechnen zu lassen (vgl. dazu Botsch. 1985, S. 1434). Dies gilt jedoch nur, wenn der Hauswart als Vertreter des Vermieters bestellt worden ist oder der Mangel im Verantwortungsbereich des Hauswarts liegt (HAP-Immobiliarmietrecht/Rohrer, N 5.48). In der Praxis dürfte der Vermie­ ter jedoch meistens erst vom Mangel erfahren, wenn ihm dieser vom Mieter oder dessen Hilfspersonen angezeigt wird. Hierzu ist dieser aufgrund der Meldepflicht des Art. 257g OR verpflichtet. Die Mangelanzeige des Mieters bedarf keiner besonderen Form. Im Interesse einer beidseits klaren Rechtslage ist jedoch eine schriftliche Anzeige zu empfehlen. Im Übrigen kann die Schrift­ form durch Parteiabrede vorgeschrieben werden.

9

Sobald der Vermieter von einem Mangel – sei es direkt vom Mieter oder auf anderem Weg – Kenntnis erhält, muss er unverzüglich für dessen Behebung sorgen (Botsch. 1985, S. 1434). Die auf Wiederherstellung des vertragsgemäs­ sen Zustandes gerichtete Pflicht des Vermieters entsteht daher mit Kenntnis des Mangels, ohne dass es hierzu einer besonderen Aufforderung des Mieters bedarf (Urteil des Bundesgerichts 4A_476/2015 vom 11. Januar 2016, E. 4.3.3).

308

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Art. 259b

Geht aus den Umständen indessen hervor, dass weder dem Mieter noch dem Vermieter an einer Mängelbeseitigung gelegen ist, kann diese selbstverständlich unterbleiben. Es ist etwa zu denken an eine fehlerhafte Verlegung des Spann­ teppichs, die der Mieter meldet mit dem Hinweis, er wäre froh, die Umtriebe der Neuverlegung vorläufig nicht auf sich nehmen zu müssen. Die Mängelbehebung muss zudem möglich und für den Vermieter zumutbar 10 sein (Züst, Mängelrechte, S. 146). Gehen z.B. von der Nachbarliegenschaft auf­ grund eines behördlich bewilligten Bauvorhabens Lärmimmissionen aus, sind diese sowohl vom Vermieter als auch vom Mieter zu dulden. Der Mieter kann daher in einem solchen Fall vom Vermieter keine Beseitigung des Mangels ver­ langen, die sowohl aus rechtlichen als auch aus tatsächlichen Gründen unmög­ lich ist. Ebenso wenig ist der Vermieter gehalten, Mängel zu beseitigen, wenn dies für ihn nach Treu und Glauben unzumutbar erscheint (Higi, ZK, N 11 OR 259b). Unzumutbarkeit ist etwa bei der Vermietung von Abbruch­objekten oder sanierungsbedürftigen Altbauten gegeben, wenn die Kosten der Mängelbehe­ bung in keiner vernünftigen Relation zum Wert des Mietobjektes stehen (Higi, ZK, N 11 zu Art. 259b OR und Züst, a.a.O., S. 146). Allenfalls kann der Vermie­ ter jedoch verpflichtet werden, den Mangel notdürftig zu beheben.

2.2 Umfang Der Mieter kann vom Vermieter nur verlangen, dass dieser im Rahmen seiner 11 Unterhalts- und Erhaltungspflicht den Mangel beseitigt. Auf weitergehende Ansprüche seitens des Mieters braucht der Vermieter nicht einzugehen (gl.M. Lachat/Micheli, droit du bail, S. 116). Hat sich z.B. im Wohnzimmer infolge eines Wasserschadens die Tapete gelöst, kann der Mieter vom Vermieter nur den Ersatz der Tapete im betreffenden Zimmer fordern. Weisen die Tapeten in den anderen Zimmern bloss altersbedingte, normale Abnützungen auf, kann der Mieter nicht verlangen, dass die Tapeten in der ganzen Wohnung ersetzt werden. Gleich verhält es sich, wenn der Kühlschrank defekt ist; der Mieter kann nur die Reparatur, nicht aber dessen Ersatz verlangen.

2.3

Angemessene Frist

Zur Beseitigung des Mangels ist dem Vermieter eine angemessene Frist ein­ 12 zuräumen. Die Frist ist angemessen (Art.  4 ZGB), wenn sie dem Vermieter eine Behebung des Mangels unter den konkreten Umständen  – dazu gehö­ ren auch die erforderlichen Vorkehrungen (Einholung behördlicher Bewilli­

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309

Art. 259b

gungen, Pläne des Architekten usw.) – ermöglicht (Botsch. 1985, S. 1435). Die Dauer dieser Frist ist daher unter anderem vom Charakter des Mangels und der Schwere seiner Auswirkungen sowie dem Umfang der zur Mängelbeseiti­ gung notwendigen Arbeiten abhängig (ähnlich Lachat/Micheli, droit du bail, S. 117; vgl. zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 4C.164/1999 vom 22. Juli 1999, E. 2d, in: Pra 89, S. 278 ff.). 13

Bei leichten und mittleren Mängeln steht dem Vermieter mehr Zeit als bei schweren zur Verfügung (zur Schwere des Mangels vgl. N 61 ff. Vorbem. zu Art.  258–259i OR). Allgemein gilt: «Je grösser das (objektive) Interesse des Mieters an der Beseitigung des Mangels ist und je leichter der Mangel (objek­ tiv) beseitigt werden kann, desto kürzer darf die Beseitigungsfrist bemessen werden» (Higi, ZK, N 24 zu Art. 259b OR). Liegen z.B. Wasserinfiltrationen wegen eines undichten Daches vor, so hat der Vermieter, um nachteilige Folgen für den Mieter zu vermeiden (Schäden an Möbeln usw.), raschestmöglich, d.h. innert weniger Tage, Abhilfe zu schaffen. Fliesst umgekehrt z.B. infolge eines verstopften Abflussrohrs einer Badewanne das Wasser nur langsam ab, ist der Vermieter gehalten, den (leichten) Mangel, sofern er nicht ohnehin zum klei­ nen Unterhalt des Mieters gehört (Art. 259 OR), innert ca. 1 bis 2 Monaten zu beheben. Innert kurzer Frist hat der Vermieter hingegen zu handeln, wenn die Benützung der Badewanne/Dusche gänzlich verunmöglicht ist.

14

Die Angemessenheit der Frist beurteilt sich aber auch nach der Art des Miet­ objekts und dem vertraglichen Verwendungszweck. Je nach den konkreten Umständen kann für den Mieter die Beseitigung des Mangels innert kürzes­ ter Zeit von grosser Bedeutung sein, unabhängig davon, ob es sich um einen schwerwiegenden oder untergeordneten Mangel handelt. Mietet z.B. ein Gross­ unternehmen Räumlichkeiten zu Repräsentationszwecken, hat der Vermie­ ter ästhetische Beeinträchtigungen viel schneller zu beheben, als dies bei der Miete eines Lagers der Fall ist. Bei der Bemessung der Frist ist jedoch immer auf objektive Kriterien abzustellen. Es kann daher nicht darauf ankommen, ob der Mieter den Mangel subjektiv als besonders störend empfindet und des­ halb auf eine Mängelbeseitigung innert weniger Tage drängt, ohne dass er hier objektive Gründe anzuführen vermag.

15

Die Frist zur Mängelbeseitigung kann ferner von anderen Umständen abhän­ gen, wie z.B. der Jahreszeit oder der Verfügbarkeit von Handwerkern usw. Wird im Frühjahr nach Abschluss der Heizperiode z.B. festgestellt, dass ein Radiator defekt ist, kann sich der Vermieter bis Ende August/Anfang Septem­ ber Zeit lassen, diesen zu ersetzen. Vielfach nimmt die Mängelbeseitigung auf­ grund der auszuführenden Arbeiten viel Zeit in Anspruch. In einem solchen 310

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Art. 259b

Fall ist der Vermieter vorab nur verpflichtet, die Wirkungen, d.h. die unmittel­ baren negativen Folgen des Mangels, abzuwenden (vgl. Botsch. 1985, S. 1436). Ist z.B. im Winter der Ersatz des defekten Radiators nicht sofort möglich, weil längere Lieferfristen bestehen, reicht es, wenn der Vermieter vorerst auf eigene Kosten dem Mieter in ausreichender Zahl elektrische Heizöfen zur Verfügung stellt. Fragt der Vermieter sofort nach Bekanntwerden des Mangels mehrere Handwerker an, erklärt sich aber keiner (infolge Arbeitsüberlastung, Personal­ mangel, Ferienabwesenheiten usw.) bereit, die Reparaturarbeiten sofort aus­ zuführen, so hat die Behebungsfrist diesen Umständen Rechnung zu tragen. Setzt der Mieter eine zu kurze Frist an, so obliegt es dem Vermieter, dagegen 16 zu protestieren. Tut er das nicht, so ist anzunehmen, er sei mit der ihm gesetz­ ten Frist einverstanden (BGE 105 II 34 analog). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Mieter nicht verpflichtet ist, dem 17 Vermieter eine angemessene Behebungsfrist anzusetzen. Das Ansetzen einer Frist durch den Mieter bildet weder Voraussetzung für den Anspruch des Mie­ ters auf Behebung des Mangels noch für die Ausübung seiner weiteren Rechte im Falle der unterlassenen Mängelbehebung innert angemessener Frist (vgl. dazu N 22 ff. und N 42 ff.). Beseitigt der Vermieter den Mangel nicht innert angemessener Frist (Urteil 18 des Bundesgerichts 4A_476/2015 vom 11. Januar 2016, E. 4.3.3), stehen dem Mieter von Gesetzes wegen die Rechtsbehelfe gemäss Buchst. a und b zu (vgl. N 22 ff. und N 42 ff.).

2.4

Ansprüche auf Herabsetzung Mietzins und auf Schadenersatz

Ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Mangels durch den Vermieter bis zu des­ 19 sen Behebung steht dem Mieter gestützt auf Art. 259d OR grundsätzlich ein Anspruch auf Herabsetzung des Mietzinses zu. Er dürfte in der Praxis vor allem bei länger dauernden Reparaturarbeiten von Bedeutung sein. Falls den Vermieter ein Verschulden trifft, wird er dem Mieter überdies scha­ 20 denersatzpflichtig (Art. 259e OR). Haben z.B. vom Vermieter zu vertretende Feuchtigkeitsschäden zu Beschädigungen an den Möbeln des Mieters geführt, so muss der Vermieter dem Mieter hierfür Schadenersatz leisten.

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311

Art. 259b

2.5 21

Recht auf Mängelbeseitigung und zur fristlosen Kündigung

Hat der Mieter in Anwendung von Art. 259b Buchst. a OR gekündigt, so kann er nicht mehr die Beseitigung des Mangels verlangen. Umgekehrt kann er auch nicht (fristlos) kündigen, wenn der Vermieter einen Mangel fristgerecht beho­ ben hat. Das Beseitigungs- und das Kündigungsrecht schliessen sich somit gegenseitig aus (Züst, Mängelrechte, S. 34 und 146).

3.

Fristlose Auflösung des Mietverhältnisses

3.1

Unbewegliche Sachen

22

Der Mieter einer unbeweglichen Sache kann das Mietverhältnis fristlos kündi­ gen, falls der Vermieter den Mangel nicht innert angemessener Frist (N 12 ff. vorstehend; vgl. auch ZMP 2016, Nr. 7) beseitigt hat und es sich beim infrage stehenden Mangel zudem um einen schweren Mangel handelt (vgl. zum Begriff des schweren Mangels N 63 ff. Vorbem. zu Art. 258–259i OR).

23

Nicht notwendig ist indessen, dass der Mieter dem Vermieter eine angemes­ sene Frist zur Behebung des Mangels ansetzt (Urteile des Bundesgerichts 4A_476/2015 vom 11.  Januar 2016, E.  4.3.3; 4C.164/1999 vom 22.  Juli 1999, E. 2d, in: Pra 89, S. 278 ff.; Weber, BSK, N 2 zu Art. 259b OR). Die angemessene Behebungsfrist beginnt bereits zu laufen und die Pflicht des Vermieters zur Mängelbehebung innert angemessener Frist setzt bereits ein, wenn der Ver­ mieter vom Mangel Kenntnis erhält. Hält der Vermieter die angemessene Frist zur Behebung des (schweren) Mangels nicht ein, so ist der Mieter zur fristlo­ sen Kündigung berechtigt.

24

Ist der Mangel innert angemessener Frist behoben, verliert der Mieter sein Recht zur fristlosen Auflösung des Mietvertrags. Gleich verhält es sich, wenn der Vermieter den Mangel soweit behebt, dass er nicht mehr als schwer bezeich­ net werden kann. Können z.B. defekte Radiatoren nicht innert nützlicher Frist ersetzt werden, verliert der Mieter sein Recht auf fristlose Kündigung, wenn ihm der Vermieter (mobile) elektrische Heizöfen zur Verfügung stellt. Lässt der Vermieter ein rinnendes Dach behelfsmässig ausbessern, liegt ein schwe­ rer Mangel ebenfalls nicht mehr vor.

25

Vor Ablauf der angemessenen Behebungsfrist ist der Mieter nicht berechtigt, das Mietverhältnis fristlos aufzulösen (vgl. dazu auch Urteil des Bundesge­ richts 4C.164/1999 vom 22. Juli 1999, in: Pra 89, S. 278 ff.). 312

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Art. 259b

In gewissen Ausnahmefällen braucht der Mieter allerdings die angemessene 26 und an sich gebotene Frist nicht abzuwarten. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn von vornherein klar ist, dass der Vermieter nicht in der Lage oder nicht bereit ist, den schweren Mangel innert angemessener Frist zu beseitigen. Ähnliche Überlegungen dürften sodann bei künftigen Mängeln gelten. 27 Art. 259b OR geht grundsätzlich davon aus, dass der (schwere) Mangel im Zeit­ punkt der Kündigung vorhanden bzw. noch vorhanden ist. Fälle von künfti­ gen Mängeln werden von der Bestimmung hingegen nicht erfasst. Auch sol­ che Mängel können nach unserem Dafürhalten jedoch Berechtigung zu einer (insoweit antizipierten) Mängelkündigung geben, dies indessen nur dann, wenn sich der künftige (schwere) Mangel mit an Sicherheit grenzender Wahr­ scheinlichkeit verwirklichen wird und der Vermieter nicht in der Lage oder nicht willens ist, die Mangelhaftigkeit abzuwenden (zu «beseitigen») oder dem Mieter vor Eintritt der Mangelhaftigkeit einen vollwertigen Ersatz im Sinne von Art. 259c OR anzubieten. Eine Kündigung muss in solchen Fällen in ana­ loger Anwendung von Art.  259b Buchst.  a OR möglich sein, allerdings frü­ hestens auf den Zeitpunkt des Eintritts des künftigen Mangels. Beispiel eines künftigen, unvermeidbaren Mangels: Die künftige Grossbaustelle auf der Nachbarparzelle, die dazu führen wird, dass die zum Zwecke des Sprachunter­ richts gemieteten Räume während Monaten nicht gebraucht werden können. Der Anspruch des Mieters auf fristlose Auflösung des Mietverhältnisses ist bei 28 der Immobiliarmiete nur bei schweren Mängeln (vgl. dazu N 63 ff. Vorbem. zu Art. 258–259i OR) gegeben, nicht jedoch bei kleinen oder mittleren Mängeln (vgl. dazu N 61 ff. Vorbem. zu Art. 258–259i OR). Bei der Beurteilung, ob ein schwerer, die fristlose Kündigung rechtfertigender Mangel vorliegt, steht dem Sachrichter – wie bei der Frage nach der Angemessenheit der Behebungsfrist – ein Ermessensspielraum zu (Urteil des Bundesgerichts 4C.291/2000 vom 11. April 2001, E. 4a, mit weiteren Ausführungen zur selbst auferlegten Kog­ nitionsbeschränkung des Bundesgerichts bei der Überprüfung solcher Ermes­ sensentscheide). Der Mieter ist nicht gehalten, dem Vermieter die Kündigung vorgängig anzu- 29 drohen. Ebenso wenig ist erforderlich, dass den Vermieter an der Mangelhaf­ tigkeit ein Verschulden trifft. Das Kündigungsrecht des Mieters setzt sodann nicht voraus, dass der Mangel 30 behebbar und der Vermieter in der Lage ist, den geschuldeten Zustand wieder­ herzustellen (so auch Züst, Mietzinsherabsetzung, S.  158, mit Hinweisen zu Lehre und Rechtsprechung; Tschudi, Immissionen, S. 40). Das fristlose Kün­

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Art. 259b

digungsrecht besteht vielmehr auch dann, wenn der (schwere) Mangel nicht beseitigt werden kann, wobei eine angemessene Behebungsfrist in solchen Fäl­ len freilich nicht abgewartet werden muss (vgl. N 26 f. vorstehend). Zu den­ ken ist hier in erster Linie natürlich an immissionsbedingte Mängel (vgl. dazu N  53  ff. Vorbem. zu Art.  258–259i OR sowie N  36  ff. zu Art.  256 OR), die durch die Bautätigkeit des Nachbarn verursacht werden. Immissionen aus der Bautätigkeit des Grundeigentümers (Lärm, Staub, Erschütterungen usw.) sind in weiten Grenzen von den Nachbarn zu dulden. Der ansonsten gegebene Abwehranspruch nach Art. 679/684 ZGB wird während der Bauzeit zurückge­ drängt (vgl. Art. 679a ZGB), was bedeutet, dass (auch) der Vermieter grund­ sätzlich keine Möglichkeit hat, die Bauimmissionen zu unterbinden. Auch sol­ che Immissionen können nun den Mieter dazu berechtigen, das Mietverhältnis gestützt auf Art. 259b Buchst. a OR fristlos aufzulösen – immer vorausgesetzt natürlich, dass die infrage stehenden Immissionen einen schweren Mangel der Mietsache verursachen, d.h., dass sie den vorausgesetzten Gebrauch der Miet­ sache verunmöglichen oder in unzumutbarer Weise einschränken. 31

«Fristlose Auflösung» heisst, dass der Mieter keine Kündigungsfristen und -termine zu beachten hat (ähnlich Higi, ZK, N 34 zu Art. 259b OR). Entspre­ chend den Ausführungen der Botschaft muss der Mieter, der sich für die frist­ lose Kündigung des Vertrages entscheidet, aber nicht unter allen Umständen sofort nach Ablauf der angemessenen Behebungsfrist kündigen. Wie nach altem Recht soll er «so lange zuwarten» können, «bis er einen Ersatz für die Mietsache gefunden hat» (Botsch. 1985, S. 1435, unter Berufung auf Schmid, ZK, N 26 zu Art. 254/5 aOR). Diese Auffassung dürfte jedoch zu weit gehen. Die Botschaft selbst hält denn auch fest, dass dem Mieter allzu langes Zuwar­ ten nach Treu und Glauben als Verzicht auf die Kündigung ausgelegt werden könnte (Botsch. 1985, S. 1435; ähnlich Schmid, ZK, N 26 zu Art. 254/5 aOR). Dem Mieter ist jedenfalls durchaus zuzumuten, dass er nach Ablauf der Behe­ bungsfrist dem Vermieter zumindest anzeigt, dass er von seinem Recht auf sofortige Kündigung Gebrauch machen wird. Die richtige Lösung besteht demnach darin, dass der Mieter dem Vermieter unmittelbar nach Ablauf der Frist zur Mängelbeseitigung mitteilt, er werde kündigen und die Mietsache ver­ lassen, sobald er andere Räumlichkeiten gefunden habe (gl.M. Lachat/Micheli, droit du bail, S. 124, Fn. 43; weniger weitgehend Zihlmann, Mietrecht, S. 75; a.M. Züst, Mängelrechte, S. 271).

32

Sobald der Mieter die Kündigung mitteilt, gelangt das Mietverhältnis mit sofortiger Wirkung oder auf den vom Mieter erklärten Zeitpunkt zur Auflö­ sung. Die Auflösung wirkt ex nunc, ab sofort für die Zukunft.

314

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Art. 259b

Verbleibt der Mieter trotz Mangelhaftigkeit während längerer Zeit über den 33 Auflösungszeitpunkt hinaus im Mietobjekt und bezahlt er dem Vermieter den (allenfalls nach Art. 259d OR reduzierten) Mietzins weiterhin ohne Vorbehalt, so ist davon auszugehen, dass der Mieter dadurch nachträglich in konkluden­ ter Weise erklärt, dass aus seiner Sicht die Voraussetzungen für eine Mängel­ kündigung nicht gegeben waren, namentlich, dass kein schwerer Mangel vor­ gelegen hat, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vorausgesetzten Gebrauch ausschliesst oder in unzumutbarer Weise einschränkt. Wird der schwere Mangel, nachdem die Kündigung ausgesprochen wurde, 34 noch vor dem vom Mieter genannten Beendigungszeitpunkt behoben und verbleibt der Mieter anschliessend auch nach dem Auflösungszeitpunkt im Mietobjekt, so stellt dies – vorbehältlich einer gegenteiligen Parteierklärung – eine Neubegründung des Mietverhältnisses dar (zu den weiteren Voraus­ setzungen, die nach Ansicht des Bundesgerichtes erfüllt sein müssen, um die Annahme eines stillschweigenden Neuabschlusses des Mietvertrages zu recht­ fertigen, vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.198/2004 vom 6. Juli 2004). Die vom Mieter ausgesprochene fristlose Kündigung ist unwirksam, sofern 35 die hierfür verlangten gesetzlichen Voraussetzungen (schwerer Mangel, keine Mangelbehebung innert angemessener Frist usw.) nicht vorliegen (BGE 121 III 161). Eine solche Kündigung entfaltet keinerlei Rechtswirkungen und der Ver­ mieter kann sich – in den Schranken des Rechtsmissbrauchs – jederzeit auf die rechtliche Wirkungslosigkeit berufen. Da die fristlose Kündigung im Sinne von Art. 259b Buchst. a OR einen Son­ 36 dertatbestand der allgemeinen ausserordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund gemäss Art. 266g OR darstellt, ist eine Umdeutung einer (mangels eines schweren Mangels) nicht gerechtfertigten fristlosen Mängelkündigung in eine gültige aus wichtigem Grund ausgeschlossen (Urteil des Bundesgerichts 4C.384/2005 vom 22. März 2006). Ein Irrtum bei der Bezeichnung der Kün­ digung schadet indessen nicht, denn der Umdeutungsausschluss reicht nicht weiter «als die Gebote der Klarheit, der Unbedingtheit und der Unwiderruf­ lichkeit der Ausübung von Gestaltungsrechten und findet seine Schranken an den Grundsätzen der Rechtsanwendung von Amtes wegen und der unschäd­ lichen Falschbezeichnung analog Art.  18 OR. Wer daher gestützt auf einen klar umschriebenen Sachverhalt eine ausserordentliche Kündigung ausspricht, dem schadet nicht, wenn er – rechtsirrtümlich – als rechtliche Grundlage sei­ ner Gestaltungserklärung eine unrichtige Gesetzesbestimmung anruft, sofern eine Ersatznorm zur Verfügung steht, die seinen Anspruch stützt. Die unrich­ tige rechtliche Qualifikation kann ihm diesfalls nicht entgegengehalten werden, Matthias Tschudi

315

Art. 259b

und seine Kündigung ist nach Massgabe der sachlich anwendbaren Norm zu beurteilen» (BGE 123 III 124, E. 3d). 37

Gibt der Mieter die Sache trotz unwirksamer Kündigung zurück, ist dies nach Art. 264 OR zu beurteilen. Der Vermieter tut daher gut daran, ausdrücklich klarzustellen, dass er die Berechtigung zur ausserordentlichen Kündigung bestreite und die Rückgabe der Mietsache als vorzeitige Rückgabe im Sinne von Art. 264 OR betrachte. Aus dem blossen Schweigen des Vermieters auf die Kündigung oder bei Rückgabe der Mietsache könnte andernfalls geschlossen werden, dass der Vermieter die Wirksamkeit der Mängelkündigung anerkennt (vgl. mp 2/03, S. 66).

38

Ferner kann eine auf Art. 259b OR gestützte Kündigung treuwidrig sein und daher vom Vermieter nach Art.  271 OR angefochten werden (zum Ganzen Higi, ZK, N 42 ff. zu Art. 259b OR).

39

Der Mieter kann, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, neben der fristlosen Kündigung Schadenersatz (Art. 259e OR) verlangen (statt vieler: Schmid, ZK, N 34 zu Art. 254/255 aOR). Bis zum Auszug kann er über­ dies eine Herabsetzung des Mietzinses (Art. 259d OR) geltend machen.

3.2

Bewegliche Sachen

40

Der Mieter einer beweglichen Sache kann schon bei leichteren Mängeln den Vertrag fristlos kündigen (Art.  259b Buchst.  a OR letzter Satzteil). Dement­ sprechend kann der Mieter einer beweglichen Sache zwischen den Rechtsbe­ helfen gemäss Art. 259b Buchst. a oder Buchst. b OR wählen. Überdies kann er vom Vermieter eine Herabsetzung des Mietzinses und/oder Schadenersatz verlangen.

41

Im Übrigen kann auf die Ausführungen unter N 22–39 vorstehend verwiesen werden.

42

4.

Recht des Mieters auf Beseitigung Mangel

4.1

Leichte und mittlere Mängel

Sind die Voraussetzungen erfüllt (vom Vermieter zu beseitigender Mangel sowie Ablauf der Frist; vgl. dazu vorne, N 4 ff.), kann der Mieter bei unterge­ ordneten, d.h. nicht schweren, Mängeln zur Selbsthilfe greifen und diese auf Kosten des Vermieters beseitigen lassen. Dieser Anspruch beruht unmittelbar 316

Matthias Tschudi

Art. 259b

auf Gesetz, weshalb der Mieter von sich aus einen Handwerker mit der Män­ gelbeseitigung beauftragen kann. Hierzu bedarf es weder der Zustimmung des Vermieters noch einer richterlichen Ermächtigung. Allerdings hat der Mie­ ter dabei in gebührender Weise auf die Interessen des Vermieters Rücksicht zu nehmen. Ist z.B. offensichtlich, dass die Handwerkerrechnung übersetzt ist, muss der Mieter beim Handwerker eine entsprechende Herabsetzung des Betrages durchsetzen. Hat der Mieter die ihm zumutbaren Anstrengungen, die Kosten der Mängelbeseitigung zu senken, unterlassen, so steht dem Vermie­ ter anlässlich der Geltendmachung des Rückforderungsanspruches gegenüber dem Mieter die entsprechende Einrede offen. Sind die Voraussetzungen (N 4 ff.) nicht erfüllt, kann sich der Mieter nicht auf 43 Art. 259b Buchst. b OR berufen. Hat er z.B. einen Handwerker mit der Repa­ ratur eines untergeordneten Mangels beauftragt, ohne dass der Vermieter vom Mangel Kenntnis hatte, so liegt seitens des Mieters eine sogenannte Geschäftsanmassung vor. Diesfalls gelangen die Regeln über die unechte Geschäftsführung ohne Auftrag zur Anwendung (Art. 423 OR). Das bedeutet, dass der Vermieter berechtigt ist, die sich aus dem Geschäft ergebenden entsprechen­ den Vorteile anzueignen. Gemäss Art. 423 Abs. 2 OR ist der Vermieter zudem gegenüber dem Mieter nur insoweit zum Ersatz der Reparaturkosten verpflich­ tet, als er bereichert ist (vgl. dazu auch Schmid, ZK, N  7 zu Art.  256 aOR; BGE 61 II 38). Anders verhält es sich, wenn der Vermieter wegen Abwesen­ heit nicht benachrichtigt werden kann oder er nicht in der Lage ist, etwas vor­ zukehren. In solchen Fällen ist der Vermieter gemäss Art. 259b Buchst. b OR bzw. Art. 422 OR (echte Geschäftsführung ohne Auftrag) zur Rückerstattung der Reparaturkosten verpflichtet, sofern die Mängelbehebung durch das Inte­ resse des Vermieters geboten war. Neben seinem Recht auf Mängelbeseitigung kann der Mieter kumulativ 44 eine Herabsetzung des Mietzinses (Art.  259d OR) und/oder Schadenersatz (Art. 259e OR) geltend machen. Der Mieter hat überdies das Recht, die von ihm bezahlten Reparaturkosten mit dem Mietzins zu verrechnen (vgl. N 5 ff. zu Art. 265 OR).

4.2

45

Schwere Mängel

Liegen schwerwiegende Mängel vor, steht dem Mieter aufgrund der Bestim­ 46 mung von Art. 259b Buchst. b OR kein Recht auf selbständige Behebung der Mängel zu. Vielfach hat der Mieter trotz Bestehens eines schwerwiegenden Mangels kein Interesse an der fristlosen Auflösung des Mietvertrags, sondern Matthias Tschudi

317

Art. 259b

sein Bestreben ist auf die Beseitigung der Mängel gerichtet. Zur Durchsetzung seiner Interessen kann sich der Mieter auf Art. 98 OR stützen. Er ist berech­ tigt, den Richter anzurufen und sich von diesem ermächtigen zu lassen, den schwerwiegenden Mangel auf Kosten des Vermieters zu beheben. 47

Die Ersatzvornahme nach Art. 98 OR hat vollstreckungsrechtlichen Charakter. Die Ermächtigung des Richters setzt daher ein Urteil voraus, welches fest­ stellt, dass der Schuldner den Zustand zu beseitigen hat (vgl. von Tuhr/Escher, OR AT II, § 67, S. 90 f.; Lachat/Micheli, droit du bail, S. 118). Allerdings steht es im Ermessen des Mieters, ob er nach richterlicher Entscheidung über den Erfüllungsanspruch im gleichen Prozess die Ermächtigung zur Ersatzvor­ nahme erstreiten oder ob er später ein zweites, diesmal rein vollstreckungs­ rechtliches, Verfahren anstrengen will (vgl. zum Ganzen und insbesondere zur Tragweite von Art. 98 Abs. 1 OR und dessen Umsetzung in der ZPO ausführ­ lich BGE 142 III 321).

48

Der Anspruch des Mieters auf Ersatzvornahme i.S.v. Art.  98 OR setzt vor­ aus, dass dem Vermieter zuvor Gelegenheit gegeben wird, diese Verpflichtung selbst zu erfüllen. Daher muss entweder der Mieter oder der Vollstreckungs­ richter dem Vermieter eine angemessene Frist zur Mängelbehebung ansetzen. Hat der Vermieter vorgängig eine vom Mieter gesetzte angemessene Frist unge­ nutzt verstreichen lassen, so hat der Richter durch Urteil zu entscheiden, ob der Vermieter verpflichtet ist, den geltend gemachten schwerwiegenden Mangel zu beheben. Im selben Verfahren kann sich der Mieter überdies dazu ermächtigen lassen, diesen auf Kosten des Vermieters zu beseitigen. Hierzu bedarf es kei­ ner weiteren, durch den Richter festzulegenden (Nach-)Frist. Hat hingegen der Mieter dem Vermieter vor der Anrufung des Richters keine oder eine zu kurz bemessene Frist gesetzt, so hat der Richter dem Vermieter vorerst im Urteil eine Frist anzusetzen und zu bestimmen, dass der Mieter erst nach Ablauf der­ selben zur Ersatzvornahme berechtigt ist.

49

Das Recht des Mieters auf richterliche Ermächtigung zur Ersatzvornahme ist unabhängig vom Verschulden des Vermieters (von Tuhr/Escher, OR AT II, §  67, S.  91). Daneben kann der Mieter Herabsetzungs- (Art.  259d OR) und Schadenersatzansprüche (Art. 259e OR) geltend machen.

50

Über den Umweg der Klage auf Ermächtigung zur Ausführung der Arbeiten kann der Mieter den Vermieter jedoch nicht zur Mängelbeseitigung zwingen, wenn diese unverhältnismässig hohe Kosten verursachen würde. Ausgeschlos­ sen ist daher die Ersatzvornahme bei einer baufälligen Liegenschaft, welche in

318

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Art. 259b

nächster Zeit abgebrochen oder völlig saniert wird (Lachat/Micheli, droit du bail, S. 118; vgl. vorne N 10).

4.3 Exkurs Es stellt sich die Frage, ob der gesetzliche Ansatz, wonach der Mieter nur bei 51 untergeordneten, nicht jedoch bei schweren, Mängeln zur erleichterten Ersatz­ vornahme (gemäss Art. 259b Buchst. b OR) berechtigt ist, in jedem Fall rich­ tig ist. Das Recht des Mieters auf erleichterte Ersatzvornahme beruht auf dem Gedan­ 52 ken, dass sich untergeordnete Mängel in aller Regel mit verhältnismässig geringen Kosten beseitigen lassen (vgl. noch zum alten Recht: BGE 61 II 38; Schmid, ZK, N 6 zu Art. 256 aOR; Guhl et al., OR, S. 412). Das entscheidende Kriterium ist mithin korrekterweise nicht – oder zumindest nicht ausschliess­ lich  – darin zu sehen, ob es um die Beseitigung von untergeordneten oder schweren Mängeln geht, sondern vielmehr darin, ob die Mängelbeseitigung mit verhältnismässig geringen Kosten verbunden ist oder nicht. Sind die vor­ aussichtlichen Reparaturkosten hoch, so rechtfertigt sich eine richterliche Kon­ trolle, die darüber befindet, ob dem Vermieter die Mängelbehebung zumutbar ist. «Diese Überlegungen führen konsequenterweise dazu, dass dem Mieter die erleichterte Ersatzvornahme auch im Falle schwerer Mängel erlaubt sein muss, sofern sich deren Behebung mit nur geringem Kostenaufwand bewerkstelligen lässt. Umgekehrt ist dem Mieter die erleichterte Ersatzvornahme trotz Vorlie­ gens eines untergeordneten Mangels verwehrt, sofern dessen Behebung mit hohen Kosten verbunden ist. Art. 259b Buchst. b OR ist in diesem Sinne zu prä­ zisieren bzw. zu korrigieren» (Tschudi, Immissionen, S. 133). Das Bundesgericht hat diese Problematik offenbar ebenfalls erkannt, wenn es 53 festhält, dass ein schwerer Mangel grundsätzlich zu verneinen sei, wenn der Mieter ihn auf einfache und kostengünstige Weise zulasten des Vermieters gestützt auf Art.  259b Buchst.  b OR selbst beheben lassen kann (Urteil des Bundesgerichts 4C.168/2001 vom 17. August 2001, E. 4a). Allerdings scheint das Bundesgericht damit die Behebungskosten als Kriterium zur Qualifizie­ rung des Schweregrads eines Mangels anzusehen. Ob dies richtig ist, ist jedoch fraglich. Denn ob ein Mangel als schwer oder bloss als untergeordnet anzuse­ hen ist, kann richtigerweise nur vom Grad der Interessenbeeinträchtigung des Mieters abhängen und nicht von den Kosten, die der Vermieter aufzuwenden hat, um seine Hauptleistungspflicht wieder korrekt zu erbringen.

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Art. 259c b. Ausnahme Der Mieter hat keinen Anspruch auf Beseitigung des Mangels, wenn der Vermieter für die mangelhafte Sache innert angemessener Frist vollwertigen Ersatz leistet. b. Exception Le locataire ne peut pas exiger la remise en état de la chose lorsque le bailleur remplace celle-ci, dans un délai convenable, par une chose sans défaut.

b. Eccezione Il conduttore non può pretendere l’eliminazione del difetto se, entro un congruo termine, il locatore sostituisce la cosa con una equivalente.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

321 321 321

2.

Leistung vollwertiger Ersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

321

3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 259c

1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter

Die Norm ist ihrem Sinn und Zweck nach relativ zwingend zugunsten des 1 Mieters. Weshalb die Norm, wie Roncoroni vermeint (Roncoroni, zwingende Bestimmungen II, S. 82 f.), absolut zwingender Natur sein soll, kann nicht nach­ vollzogen werden. Gründe der öffentlichen Ordnung (Schutz der ökonomisch oder sozial schwächeren Partei usw.) sprechen jedenfalls nicht dafür, dass der Vermieter nicht (gültig) auf sein Recht auf Ersatzleistung sollte verzichten kön­ nen. Es ist deshalb möglich, dass durch anderslautende Parteiabrede der Ver­ mieter auf diese Möglichkeit verzichtet oder die Anforderungen an ein Ersatz­ objekt höher gestellt werden (vgl. dazu Higi, ZK, N 4 f. zu Art. 259c OR).

1.2 Anwendungsbereich Die Bestimmung gilt sowohl für die Miete beweglicher als auch unbewegli­ 2 cher Sachen und ist auf unbefristete wie befristete Mietverhältnisse anwendbar. Die Norm wirkt sich in der Praxis jedoch vor allem bei der Miete beweglicher, 3 austauschbarer Sachen aus, da es hier einem Vermieter doch oftmals leich­ ter fällt, dem Mieter ein anderes, ähnliches Objekt zu überlassen. Zu denken ist dabei insbesondere an die gewerbliche Vermietung von Konsumgütern wie Personenwagen, Fernsehgeräten, Stereoanlagen, Haushaltapparaten usw. oder von Arbeitsgeräten wie Baumaschinen, Produktionsanlagen usw. Bei der Miete unbeweglicher Sachen ist die Norm kaum von praktischer Bedeu­ 4 tung, da in erster Linie nur ein Vermieter, der in der Umgebung mehrere Lie­ genschaften besitzt, in der Lage ist, dem Mieter ein gleichwertiges Ersatzobjekt zur Verfügung zu stellen. Selbstverständlich kann der Vermieter dem Mieter auch Ersatzräumlichkeiten anbieten, die sich in der Liegenschaft eines Drit­ ten befinden (teilweise a.M. Higi, ZK, N 27 zu Art. 259c OR, der eine Leistung eines Dritten nur dann als vollwertigen Ersatz betrachtet, wenn sie im Namen des Vermieters erfolgt).

2.

Leistung vollwertiger Ersatz

Unter dem Begriff «vollwertiger Ersatz» ist zunächst ein vergleichbares – nicht 5 notwendigerweise ein identisches – Mietobjekt zu verstehen (Lachat/Micheli, droit du bail, S. 118). Vergleichbar ist das Mietobjekt, wenn es in Bezug auf Matthias Tschudi

321

Art. 259c

Lage, Grösse, Mietzins, Ausstattung, Zustand und Bauperiode mit der bishe­ rigen, ursprünglich mängelfreien Mietsache grosse Ähnlichkeit aufweist (Higi, ZK, N 14 ff. zu Art. 259c OR). Zudem sind dem Mieter sämtliche Umtriebe abzugelten, die ihm im Zusammenhang mit der Ersatzleistung entstehen, wie z.B. Umzugs‑, Ausbau- und Installationskosten, Einkommensausfälle usw. (Higi, ZK, N 21 ff. zu Art. 259c OR). Der Begriff des «vollwertigen Ersatzes» entspricht somit nur annähernd demjenigen des «gleichwertigen Ersatzes» i.S.v. Art. 272a OR (vgl. dazu N 19 zu Art. 272a OR). Unterschiede ergeben sich vor allem hinsichtlich des Mietzinses. Im Fall von Art. 272a Abs. 2 OR hat der Mieter keinen absoluten Anspruch darauf, wieder ein besonders günstiges Objekt mieten zu können (N 19 zu Art. 272a OR). Demgegenüber kann sich der Vermieter von seinen Verpflichtungen gemäss Art. 259b OR nur befreien, wenn der Mietzins des Ersatzobjekts von demjenigen des bisherigen nur unwe­ sentlich abweicht. 6

Nach dem Gesetzeswortlaut muss der Vermieter vollwertigen Ersatz leisten. Darunter ist zu verstehen, dass der Vermieter dem Mieter vergleichbare Räum­ lichkeiten anbieten muss.

7

Unter «angemessene Frist» ist ein unter den gegebenen Umständen für den Mieter zumutbarer Zeitraum zu verstehen. Zu den hierfür massgeblichen Kri­ terien vgl. N 12 ff. zu Art. 259b OR.

3. Rechtsfolgen 8

Stellt der Vermieter innert angemessener Frist einen vollwertigen Ersatz zur Verfügung, entfallen die auf Art.  259b OR gestützten Mängelbeseitigungs­ rechte des Mieters. Dieser ist daher weder zur fristlosen Kündigung (Art. 259b Buchst. a OR) noch zur Ersatzvornahme (Art. 259b Buchst. b OR) berechtigt (Botsch. 1985, S. 1436; Zihlmann, Mietrecht, S. 68).

9

Der angemessenen Frist im Sinne dieser Bestimmung kommt keine Bedeutung einer Verwirkungsfrist zu. Bietet der Vermieter nach Ablauf der Frist Ersatz­ räume an, gilt somit Folgendes: Hat der Mieter seine Rechte gemäss Art. 259b OR nicht wahrgenommen bzw. hat er noch nicht erklärt, dass er diese ausüben werde, so ist der Vermieter nach wie vor zur Leistung eines vollwertigen Ersat­ zes berechtigt. Andernfalls ist das Ersatzangebot als verspätet zu betrachten, und der Mieter kann nach Art. 259b OR vorgehen.

322

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Art. 259c

Für die Zeit bis zur Leistung des vollwertigen Ersatzes stehen dem Mieter 10 die Ansprüche auf Herabsetzung des Mietzinses und auf Schadenersatz zu (Botsch. 1985, S. 1436). Nimmt der Mieter das Ersatzobjekt an, so wird der Mietvertrag hinsichtlich 11 des bisherigen Mietobjekts aufgehoben (Art. 115 OR), und es kommt ein neuer Mietvertrag über das Ersatzobjekt zustande (a.M. Higi, ZK, N 6 zu Art. 259c OR, der von einer Weiterführung des bestehenden Vertrags zu leicht veränder­ ten Bedingungen ausgeht). Zieht es der Mieter vor, im bisherigen, mit Mängeln behafteten Mietobjekt zu 12 verbleiben, ohne dass er hierfür triftige Gründe anzuführen vermag, so erlö­ schen nicht nur seine Ansprüche gemäss Art.  259b OR, sondern auch sein Recht auf Herabsetzung der künftigen Mietzinse und auf Schadenersatz. Der Vermieter hat zwar die Pflicht, das Mietobjekt in mängelfreiem Zustand zu erhalten. Gemäss dem Willen des Gesetzgebers kommt er dieser Pflicht aber auch nach, wenn er dem Mieter vollwertigen Ersatz anbietet. Schlägt der Mie­ ter dieses Angebot ohne schützenswerten Grund aus, ist sein Verhalten für das Fortbestehen des Mangels kausal. Folglich muss er ab diesem Zeitpunkt sämtli­ cher Rechte im Zusammenhang mit dem Behebungsanspruch verlustig gehen.

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323

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Art. 259d 3.

Herabsetzung des Mietzinses

Wird die Tauglichkeit der Sache zum vorausgesetzten Gebrauch beeinträchtigt oder vermindert, so kann der Mieter vom Vermieter verlangen, dass er den Mietzins vom Zeitpunkt, in dem er vom Mangel erfahren hat, bis zur Behebung des Mangels entsprechend herabsetzt. 3.

Réduction du loyer

Si le défaut entrave ou restreint l’usage pour lequel la chose a été louée, le locataire peut exiger du bailleur une réduction proportionnelle du loyer à partir du moment où le bail­ leur a eu connaissance du défaut et jusqu’à l’élimination de ce dernier.

3.

Riduzione del corrispettivo

Se il difetto pregiudica o diminuisce l’idoneità della cosa all’uso cui è destinata, il condut­ tore può pretendere una riduzione proporzionale del corrispettivo a partire dal momento in cui il locatore ha avuto conoscenza del difetto fino all’eliminazione del medesimo.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.3 Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

325 325 325 325

2. Herabsetzungsrecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Dauer Herabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Höhe der Herabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

326 326 329 331 335

3.

Rechtsnatur und Durchsetzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

335

4. Verjährung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

336

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Art. 259d

1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter

Das Herabsetzungsrecht des Mieters bei Mietverhältnissen über Wohn- oder 1 Geschäftsräume kann grundsätzlich nicht im Voraus ausgeschlossen werden (Art.  256 Abs.  2 Buchst.  b OR). Es ist relativ zwingender Natur und kann damit zuungunsten des Mieters nicht abgeändert werden (Züst, Mängelrechte, S. 205). Nicht durchsetzbar sind damit grundsätzlich Parteiabreden, wonach der Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen generell einen Herabsetzungs­ anspruch nur bei erheblicher Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache haben soll oder auf das Minderungsrecht bei bloss kurzen Störun­ gen im Gebrauch der Sache verzichtet. Hingegen kann der Mieter mit Bezug auf ein konkretes, ihm bekanntes Umbauvorhaben auf seinen Herabsetzungs­ anspruch gültig verzichten, sei es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder während eines laufenden Mietverhältnisses. Bei den übrigen Mietverhältnissen kann der Herabsetzungsanspruch durch 2 Parteiabrede wegbedungen werden, nicht jedoch in vorformulierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Art. 256 Abs. 2 Buchst. a OR).

1.2 Anwendungsbereich Art.  259d OR gilt für alle Arten von Mietverträgen, mithin sowohl für die 3 Immobiliarmiete als auch für die Miete von beweglichen Sachen. Die Norm ist auf befristete und unbefristete Mietverhältnisse anwendbar (zustimmend: Higi, ZK, N 3 zu Art. 259d OR).

1.3 Abgrenzungen Der Herabsetzungsanspruch ist ohne Probleme abzugrenzen vom Vertrags­ 4 rücktritt bzw. von der Kündigung (Art. 258 Abs. 1 und 259b Buchst. a OR), vom Beseitigungsanspruch des Mieters (Art. 259b und 259c OR) und vom Anspruch des Mieters auf Übernahme des Rechtsstreits durch den Vermie­ ter (Art. 259f OR). Im Gegensatz zu Art. 259e OR will der Herabsetzungsanspruch keinen Scha- 5 den ersetzen. Er setzt einen solchen auch nicht voraus; ebenso wenig ein Ver­ schulden (vgl. Art.  259e OR). Immerhin liesse sich argumentieren, dass der Herabsetzungsanspruch eine Art Ausgleich für entgangenen Genuss darstellt

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325

Art. 259d

(vgl. Weber, BK, N 192 zu Art. 97 OR), der Folge davon ist, dass der Mietsache eine Eigenschaft fehlt, die sie nach dem Vertrag eigentlich haben sollte (zum Mangelbegriff vgl. N 19 ff. Vorbem. zu Art. 258–259i OR). So gesehen könnte das Minderungsrecht auch als Anspruch auf Ersatz des im schweizerischen Recht noch nicht wirklich etablierten Kommerzialisierungsschadens ange­ sprochen werden (vgl. Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT II, N  2856  ff.). Dogmatisch zutreffend dürfte es jedoch sein, den Herabsetzungsanspruch als Ausdruck des konditionellen Synallagmas zu begreifen: Wenn der Vermieter nicht richtig leistet, braucht auch der Mieter keine volle Leistung zu erbringen (vgl. Tschudi, Immissionen, S. 39; Weber, BSK, N 1 zu Art. 259d OR). Der Man­ gel bewirkt eine Störung des von den Parteien festgelegten Gleichgewichts ihrer vertraglich geschuldeten Leistungen. Das Institut der Mietzinsherabsetzung bezweckt eine Wiederherstellung dieses Gleichgewichts, indem es den Mieter berechtigt, eine Anpassung seiner Leistung an die nicht gehörig erbrachte Leis­ tung des Vermieters vorzunehmen (vgl. BGE 142 III 557, E. 8.3.4; BGE 130 III 504, E. 6.3; BGE 126 III 388, E. 11c; Urteil des Bundesgerichts 4C.66/2001 vom 15. Mai 2001; ferner Botsch. 1985, S. 1436). 6

Eine Herabsetzung der Miete kann der Mieter kumulativ zur Mängelbeseitigung und zum Schadenersatz fordern (Zihlmann, Mietrecht, S. 74; vgl. dazu Verhältnis von Mietminderung und Schadenersatz bei der Geschäftsraum­ miete Urteil des Bundesgerichts 4C.334/2004 vom 10. Januar 2005, in: MRA 5/05, S. 189 ff.).

7

Zu weiteren Abgrenzungsfragen vgl. Higi, ZK, N 33 ff. zu Art. 259d OR.

2. Herabsetzungsrecht 2.1 Voraussetzungen 8

Voraussetzung für die Herabsetzung des Mietzinses ist zunächst das Vorhandensein eines Mangels der Mietsache (Art. 259a Abs. 1 OR). Dieser muss eine Eigenschaft, die sie nach der Vereinbarung der Parteien eigentlich haben sollte, fehlen (N 19 ff. Vorbem. zu Art. 258–259i OR).

9

Entgegen dem zu engen Wortlaut ist indessen nicht vorausgesetzt, dass der Mietsache eine Eigenschaft fehlt, die sie aus Gründen der Gebrauchstauglich­ keit aufweisen sollte, dass mit anderen Worten die Mietsache an einem Man­ gel leidet, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vorausgesetzten Gebrauch beschlägt. Der Herabsetzungsanspruch ist vielmehr auch dort gegeben, wo der

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Art. 259d

Mietsache eine Eigenschaft fehlt, die mit der Gebrauchstauglichkeit nichts oder nicht unmittelbar etwas zu tun hat, sondern aus anderen Gründen, namentlich aus solchen der besonderen Wertschätzung, vereinbart worden ist (vgl. dazu N  21 Vorbem. zu Art.  258–259i OR; Gauch, Mängelhaftung S.  193, 197  ff.; Tschudi, Immissionen, S. 28 f., S. 128, Fn. 389 sowie S. 137, N 422; zum Mass der Herabsetzung vgl. N 28). Weiter ist vorausgesetzt, dass der Mangel weder vom Mieter zu verantworten 10 noch auf dessen Kosten zu beseitigen ist. Im Gegensatz zur altrechtlichen Regelung (Art. 254/255 aOR), die für das Min­ 11 derungsrecht noch (zumindest) eine erhebliche Gebrauchsschmälerung ver­ langte, setzt das geltende Recht für den Herabsetzungsanspruch grundsätzlich keine qualifizierte Schwere des Mangels voraus. Zu Recht hat das Bundesge­ richt indessen festgehalten, dass auch die aktuelle Fassung des Gesetzes nicht bedeute, dass jede beliebige Unzulänglichkeit und Unvollkommenheit der Mietsache einen Mangel darstelle, der das von den Parteien festgelegte Gleich­ gewicht ihrer vertraglichen Leistungen störe (vgl. N 5) und daher nach einer Anwendung von Art.  259d OR rufe (Urteil des Bundesgerichts 4C.97/2003 vom 28. Oktober 2003, in: MRA 2/04, S. 69 ff. sowie mp 2/04, S. 95 ff.). Nach Ansicht des Bundesgerichts (a.a.O.) muss daher zumindest ein Mangel mittlerer Schwere (vgl. dazu N 62 Vorbem. zu Art. 258–259i OR) vorliegen. Ein sol­ cher Mangel könne sich, so das Bundesgericht weiter, sodann aus zwei Konstel­ lationen ergeben: Entweder ist der Gebrauch der gemieteten Sache im Umfang von mindestens 5% eingeschränkt, oder ein leichter (z.B. ein ästhetischer) Mangel besteht über einen langen Zeitraum (i.c. fünfeinhalb Jahre), ohne dass der darüber informierte Vermieter die notwendigen Massnahmen zu dessen Behebung ergreift (Urteil des Bundesgerichts 4C.97/2003 vom 28.  Oktober 2003, E. 3.3: «A cet égard, un défaut de moyenne importance, justifiant une réduction du loyer, peut résulter de deux cas de figure: soit l’usage de la chose louée est restreint dans une mesure de l’ordre de 5% au moins, soit un défaut mineur se prolonge sur une longue période sans que le bailleur, informé, ne prenne les mesures nécessaires, de sorte qu’une atteinte à la jouissance dela chose louée doit être admise.»; BGE 135 III 345 und Urteil des Bundesgerichts 4A_472/2015 vom 6. Januar 2016; HAP-Immobiliarmietrecht/Rohrer, N 5.8). Ohne besondere Zusicherung vonseiten des Vermieters darf der Mieter sodann 12 nicht davon ausgehen, dass sich die Umgebung, in die das Mietobjekt eingebet­ tet ist, im Laufe der Zeit nicht verändert. Übliche und voraussehbare Entwick­ lungen (z.B. die Zunahme des Strassenverkehrs, das Verbauen der Aussicht, die Verdichtung der Überbauung) begründen daher, auch wenn sie objektiv Matthias Tschudi

327

Art. 259d

betrachtet zu einer Verschlechterung führen, keinen Mangel an der Mietsa­ che (Urteil des Bundesgerichts 4A_43/2009 vom 1. April 2009, E. 3.3; ferner Tschudi, Immissionen, S. 63). 13

Eine weitere Voraussetzung für den Herabsetzungsanspruch und dessen Beginn ist, dass erstens der Vermieter vom Mangel Kenntnis hat und dass zweitens der Mieter dem Vermieter zu verstehen gibt, dass er das Austauschverhält­ nis der Leistungen als durch den Mangel gestört erachtet (Näheres dazu unter N 18 ff. nachstehend).

14

In seiner zeitlichen Ausdehnung wird die Herabsetzung begrenzt durch den Wegfall des Mangels oder durch die Beendigung des Mietverhältnisses.

15

Die Erklärung des Mieters, dass er den Anspruch geltend mache, hat in sachli­ cher und zeitlicher Hinsicht das Mass der Herabsetzung zu nennen und einen konkreten Bezug zu den beanstandeten Mängeln anzugeben. Eine Erklärung, die diesen Erfordernissen nicht genügt, ist unwirksam (Urteil des Bundesge­ richts 4C.248/2002 vom 13. Dezember 2002, E. 4.2). Die Herabsetzungserklä­ rung kann vom Mieter auch nach Behebung des Mangels und – entgegen der in der Vorauflage vertretenen Auffassung – sogar noch nach Beendigung des Mietverhältnisses abgegeben werden (vgl. dazu das Bundesgericht mit ausführ­ licher Begründung in BGE 142 III 557). Zu beachten ist indessen, dass dies nichts daran ändert, dass die Erklärung des Mieters, dass er das Austauschver­ hältnis als infolge des Mangels gestört erachtet, während der Zeit des Bestehens des Mangels abgegeben werden muss, da diese Erklärung den frühestmögli­ chen Beginn des Herabsetzungsanspruches markiert (Näheres dazu unter N 18 ff. nachstehend).

16

Keine Voraussetzung für den Herabsetzungsanspruch bildet das Verschul­ den des Vermieters an der Mangelhaftigkeit der Mietsache (vgl. Botsch. 1985, S. 1436; Schmid, ZK, N 32 zu Art. 254–255 aOR; Zihlmann, Mietrecht, S. 76, m.w.H.; Higi, ZK, N 9 zu Art. 259d OR).

17

Entgegen einer bisweilen geäusserten Ansicht (vgl. den Entscheid des Ein­ zelrichters in Mietsachen des Bezirkes Bülach vom 26.  März 2003, in: MRA 2/03, S. 55 ff.; Higi, Fluglärm, S. 154) setzt das Minderungsrecht sodann nicht voraus, dass der Mangel der Mietsache beseitigbar ist (Tschudi, Immissionen, S. 37 ff.). Eine Herabsetzung des Mietzinses kann vielmehr auch dann verlangt werden, wenn der Vermieter nicht in der Lage ist und keine Möglichkeit hat, den Mangel zu beheben, wie z.B. beim Lärm der benachbarten Baustelle (Urteil des Bundesgerichts 4C.377/2004 vom 2. Dezember 2004, E. 2.1, in: MRA 3/05, S. 108 ff.). 328

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Art. 259d

2.2

Dauer Herabsetzung

Das Bundesgericht stellte in BGE 142 III 557 klar, dass die Kenntnis des Ver­ 18 mieters vom Mangel allein noch nicht genügt, um den Beginn des Herabset­ zungsanspruchs zu markieren. Weitere Voraussetzung für den Beginn des Minderungsanspruchs ist zudem, dass der Mieter dem Vermieter zu verstehen gibt, dass aus seiner Sicht das Austauschverhältnis bzw. das Gleichgewicht der Leistungen infolge des Mangels gestört wird. Das Bundesgericht dazu (BGE 142 III 557, E. 8.3.4): «Objektiv betrachtet entsteht durch einen Mangel ein Ungleichgewicht zwischen den Hauptleistungspflichten der Parteien. Dass dies die Parteien subjektiv ebenso empfin­ den, steht damit aber noch nicht fest. Möglich ist, dass sie, und zwar insbesondere auch der Mieter, die gegenseitigen Pflichten nach wie vor als ausgewogen und stimmig erachten. Indem etwa ein zunächst als nicht störend empfundener Mangel dem Mieter mit der Zeit lästig fällt, kann sich dies auch ändern. Trotz Kenntnis eines Mangels (dem Beginn der Herabsetzungsdauer) steht für den Vermieter in diesem Moment deshalb nicht zwangsläufig fest, dass sich der Mieter an diesem Mangel stört und daher nicht nur objektiv ein Ungleichgewicht zwischen den Leistungen besteht, sondern dies auch subjektiv vom Vertragspartner, dem Mieter, so empfunden wird. Dies weiss der Ver­ mieter nur, wenn der Mieter entweder eine Herabsetzung verlangt oder sonst wie ihm gegenüber deutlich macht, dass er den Mangel als belästigend empfindet, etwa indem er dessen Beseitigung fordert (was in der Praxis regelmässig der Fall sein dürfte). Ohne das eine oder das andere erscheint das Vertrauen des Vermieters berechtigt, der Mie­ ter empfinde trotz des Mangels die gegenseitigen Pflichten als nach wie vor ausgewo­ gen, weshalb er diesfalls davon ausgehen darf, die vom Mieter vorbehaltlos beglichenen Mietzinsen für vergangene Perioden würden nicht nachträglich reduziert. Der Schutz des berechtigten Vertrauens des Vermieters schliesst im entsprechenden Umfang eine nachträgliche Herabsetzung aus; und zwar unabhängig davon, ob der Mangel oder das Mietverhältnis noch besteht oder nicht. Auf die Herabsetzung künftiger Mietzinse wirkt sich dies nicht aus, da der Mieter seine Auffassung für die Zukunft ändern kann und diesbezüglich, vorbehältlich eines Anwendungsfalls von Art. 2 ZGB, kein schutz­ würdiges Vertrauen des Vermieters auszumachen ist.»

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts setzt der Beginn des Herabset­ 19 zungsanspruchs somit eine Art Mängelrüge voraus, die darin besteht, dass der Mieter dem Vermieter mitteilt, dass aus seiner Sicht das Synallagma infolge des Mangels ins Ungleichgewicht geraten ist. Diese Rüge ist indessen nicht zu ver­ wechseln mit der Herabsetzungserklärung, mit welcher der Mieter die Herab­ setzung des Mietzinses effektiv und insbesondere auch in quantitativer Hin­ sicht verlangt (vgl. N 15). Zwar enthält die Erklärung des Mieters, dass er wegen eines Mangels künftig die Herabsetzung des Mietzinses um einen bestimmten

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Prozentsatz verlangt, immer auch die Erklärung, dass der Mieter der Ansicht ist, dass das Synallagma infolge des Mangels gestört wird, und damit die Män­ gelrüge im Sinne der zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Möglich ist jedoch auch, dass der Mieter zunächst nur den Mangel rügt bzw. die Störung des Synallagmas anzeigt und er die Herabsetzungserklärung – bezogen auf den Zeitpunkt der Rüge – erst später abgibt (N 15; BGE 142 III 557). 20

Seit BGE 142 III 557 steht fest, dass es für den Beginn des Herabsetzungsan­ spruches allein nicht ausreicht, wenn der Vermieter vom benachbarten Bau­ vorhaben Kenntnis hat, und zwar auch dann nicht, wenn es sich dabei um eine Grossbaustelle handelt. Ist der Mieter der Ansicht, dass das Mietobjekt infolge der Bauimmissionen an einem Mangel leidet, so hat er dies nach der zitier­ ten Rechtsprechung dem Vermieter anzuzeigen (so bereits das OGer Kanton Zürich im Beschluss vom 15. April 2010, in ZMP 2011, Nr. 2).

21

Der Herabsetzungsanspruch endet mit der vollständigen Behebung des Man­ gels; vorbehalten bleibt die Beendigung des Anspruches im Falle der Beendi­ gung des Mietverhältnisses. Erfolgt die Mängelbehebung stufenweise in dem Sinne, dass der Vermieter vorerst eine Teilbehebung, später die vollständige Behebung des Mangels vornimmt, so ändert dies an der Dauer des Herabset­ zungsanspruches nichts. Diesfalls wird das Ausmass der Herabsetzung einmal bis zur Teilbeseitigung, sodann von hier bis zur endgültigen Beseitigung des Mangels unterschiedlich zu bemessen sein (zur stufenweisen Bemessung des Herabsetzungsanspruches vgl. auch Higi, ZK, N 19 zu Art. 259d OR).

22

Unwesentlich ist, wer den Mangel beseitigt hat – ob der Vermieter, der Mie­ ter oder ein Dritter – bzw. auf wessen Veranlassung der Mangel beseitigt wird (Art. 259b Buchst. b OR; zu den Voraussetzungen des Rechts des Mieters auf selbständige Mängelbehebung, vgl. N 42 ff. zu Art. 259b OR). Möglich ist dem­ nach, dass der Mieter durch geeignete Massnahmen den Mangel selber – ganz oder teilweise – beseitigt (z.B. ungenügende Raumbeheizung durch Verbren­ nen von Cheminée-Holz oder Inbetriebnahme eines Elektroofens). Die dem Mieter in diesem Zusammenhang entstandenen Kosten für die Mängelbeseiti­ gung (z.B. Reparaturkosten) sind ihm im Rahmen von Art. 259b OR zu erset­ zen (vgl. N 42 ff. zu Art. 259b Buchst. b OR).

23

Sodann ist es möglich, dass die Parteien in Kenntnis und unter Verzicht des Mieters auf Beseitigung des Mangels den Mietzins im gegenseitigen Einver­ ständnis senken. Eine solche Vereinbarung kommt einer dauernden Reduk­ tion des Mietzinses gleich (zweiseitige Vertragsänderung) und kommt vor allem infrage, wenn der Mieter für die Restlaufdauer des Vertrags den Mangel

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Art. 259d

gegen eine entsprechende Mietzinsreduktion in Kauf nimmt (z.B. Verzicht des Mieters auf Reparatur eines defekten, vertraglich zugesicherten Warenliftes in einem Lagerhaus, der vor Vertragsende einen Defekt erleidet). Zu einer dauerhaften Mietzinsherabsetzung kann es auch kommen, wenn es nicht möglich ist, den Mangel vollständig zu beheben.

2.3

24

Höhe der Herabsetzung

Das Mass der Herabsetzung richtet sich grundsätzlich nach der Verminderung 25 der Tauglichkeit der Mietsache zum vorausgesetzten Gebrauch. Diesbezüg­ lich verweist die Botschaft auf die Grundsätze der Preisminderung im Kauf­ recht (Botsch. 1985, S. 1436; vgl. im Übrigen Schmid, ZK, N 30 zu Art. 254/255 aOR). Ausdrücklich sagt das Gesetz, dass die Herabsetzung der Beeinträch­ tigung oder Verminderung der Tauglichkeit der Sache zum vorausgesetzten Gebrauch entsprechen müsse. In der Praxis hat sich – in Anlehnung an den Minderungsanspruch im Kaufrecht  – die «relative Methode» durchgesetzt. Das heisst, es ist der objektive Wert der mängelfreien Mietsache mit demjeni­ gen der mangelhaften zu vergleichen und anschliessend der Mietzins im glei­ chen Verhältnis herabzusetzen (zur relativen Methode im Kaufrecht statt vie­ ler: Honsell, BSK, N 8 zu Art. 205 OR). Das Bundesgericht hat wiederholt festgehalten, dass die Höhe des Herabset­ 26 zungsanspruchs grundsätzlich nach der relativen Methode zu bestimmen sei (vgl. BGE 130 III 504, E. 4.1). Es weist indessen darauf hin, dass die Berechnung nach dieser Methode nicht immer ganz einfach ist, besonders wenn es sich um einen mittleren Mangel handelt. Wo die relative Methode an ihre Grenzen stösst – namentlich, wenn sich der objektive Wert der mangelbehafteten Sache nicht genau bestimmen lässt –, hält das Bundesgericht daher eine Schätzung nach Billigkeitsregeln, allgemeiner Lebenserfahrung, gesundem Menschen­ verstand und anhand der Kasuistik aus der Rechtsprechung für zulässig (statt vieler: Urteil des Bundesgerichts 4C.219/2005 vom 24. Oktober 2005, E. 2.3). Wo ein kantonales Gericht nach Billigkeit (Art. 4 ZGB) entscheidet, setzt das Bundesgericht sein eigenes Ermessen nicht anstelle desjenigen der Vorinstanz; es schreitet nur ein, wenn die Vorinstanz ihr Ermessen überschritten hat, sei es, dass auf untaugliche Kriterien abgestellt wurde oder dass der Entscheid zu einem offensichtlich unbilligen Resultat oder zu einer stossenden Ungerech­ tigkeit führt (Urteil des Bundesgerichts 4C.219/2005 vom 24.  Oktober 2005, E. 2.3).

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Art. 259d 27

Nach dem Wortlaut des Gesetzes hat die Herabsetzung dem Mass der Beeinträch­ tigung der Gebrauchstauglichkeit zu entsprechen. Je mehr die Gebrauchstauglichkeit demnach eingeschränkt ist, desto höher das Mass der Herabsetzung. Zu beachten ist indessen, dass auch Mängel, welche die Gebrauchstauglichkeit nicht beeinträchtigen, einen Anspruch auf Herabsetzung des Mietzinses geben können. Dies ist der Fall, wenn die Parteien eine zusätzliche, über die eigent­ liche Gebrauchstauglichkeit hinausgehende Eigenschaft vereinbart haben und der Mietsache diese Eigenschaft fehlt bzw. abhandenkommt (z.B. Entzug der ausdrücklich zugesicherten Aussicht). Auch dies stellt einen Mangel der Miet­ sache dar (vgl. dazu N  21  ff. Vorbem. zu Art.  258–259i OR). Das Mass der Herabsetzung ist in solchen Fällen nicht anhand des Grades der Beeinträchti­ gung der Gebrauchstauglichkeit zu bestimmen, sondern anhand des Grades der sonstigen Interessenbeeinträchtigung des Mieters (vgl. Gauch, Mängel­ haftung, S. 197 ff.; HAP-Immobiliarmietrecht/Rohrer, N 5.76).

28

Verhältnismässig einfach –nach der relativen Methode – lässt sich der Minder­ wert bemessen, wenn ein Mangel zur Nichtbenutzbarkeit eines abgrenzbaren Teils der Mietsache führt (z.B. ein einzelnes Zimmer); dies zumindest dann, wenn der nichtbenutzbare Teil des Mietobjekts nicht eine besondere Aufgabe im Rahmen des vorausgesetzten Gebrauches erfüllt, wie z.B. die Küche oder das Badezimmer bei einer Wohnung. Kommt z.B. einer 5.5-Zimmer-Woh­ nung infolge eines Wasserschadens ein Zimmer abhanden, so errechnet sich das Mass der Herabsetzung (in Prozenten) aus dem Verhältnis zwischen dem Mietzins einer 5.5-Zimmer-Wohnung und dem Mietzins einer 4.5-ZimmerWohnung, wobei auf die diesbezüglichen Verhältnisse in der Umgebung des betroffenen Mietobjekts abzustellen ist. Bei Geschäftsräumlichkeiten dürfte es sodann zulässig sein, den Reduktionsanspruch aus dem Verhältnis der Gesamt­ fläche zur noch benutzbaren Fläche des Mietobjekts zu errechnen.

29

Schwieriger zu beurteilen ist das Ausmass der Herabsetzung im Falle kleiner oder mittlerer Mängel wie etwa Ausfall des Geschirrspülers, schlechter Abzug eines Cheminées, geringfügig ungenügende Heizleistung, Fehlen der Haus­ wartung. In solchen Fällen ist der Herabsetzungsanspruch (N  27) nach den Regeln der Billigkeit, der allgemeinen Lebenserfahrung, des gesunden Men­ schenverstandes sowie anhand der Kasuistik zu bestimmen.

30

Nach der Auffassung von Tschudi, Immissionen, S. 138, ist bei immissionsbedingten Mängeln (vgl. dazu N 53 ff. Vorbem. zu Art. 258–259i i.V.m. N 36 ff. zu Art.  256 OR) danach zu fragen, welche Teilnutzungen des vorausgesetz­ ten Gebrauchs (vgl. dazu N 36 zu Art. 256 OR) durch die Immissionen beein­ trächtigt sind (und in welchem Ausmass). Die beeinträchtigten Teilnutzungen 332

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Art. 259d

sind alsdann in den Kontext der Gesamtnutzung zu stellen und zu gewich­ ten. Dies kann freilich kein streng mathematischer Vorgang sein. Der «pro­ zentuale Anteil» der beeinträchtigten Teilnutzungen am Gesamtgebrauch ist vom Richter vielmehr unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und der Umstände des Einzelfalles abzuwägen und zu schätzen. Je gewichtiger danach die infrage stehende Teilnutzung, desto grösser das Mass der Herabsetzung. So dürfte etwa mit Bezug auf den Wohngebrauch der Teilnutzung «Schlafen» oder auch dem «witterungssicheren Aufenthalt» wesentlich mehr Gewicht beizumessen sein als den Teilnutzungen «Kochen» oder «Essen». Bietet das Mietobjekt während Tagen keinen ausreichenden Schutz gegen Kälte, so wird dadurch der Wohngebrauch um einiges mehr beeinträchtigt, als wenn wäh­ rend einer vergleichbaren Dauer lediglich der Herd in der Küche nicht benutz­ bar ist (Tschudi, Immissionen, S. 138). Für die Bemessung des Herabsetzungsanspruches ist stets auf die konkreten 31 Umstände abzustellen und der vom Mangel verursachte Minderwert der Miet­ sache nach objektiven Kriterien zu ermitteln. So kommt es z.B. beim Ausfall des Personenlifts während einer bestimmten Zeit nicht darauf an, ob der Mieter der Wohnung im 5. Stock eine 30- oder aber eine 80-jährige Person ist oder ob er den Lift bis dahin ständig, bloss gelegentlich oder gar nicht benutzte. Gegen­ teiliges gilt nur, wenn es für den Vermieter bei Vertragsabschluss erkennbar war, dass die Benutzbarkeit des Personenlifts für einen bestimmten Mieter von hervorragender Bedeutung ist, wie etwa bei der Vermietung an einen an den Rollstuhl gebundenen Behinderten. Voraussetzung für das Abstellen auf subjektive Umstände wäre, dass im Miet­ 32 vertrag entsprechende Regelungen in Form von ausdrücklichen Zusicherun­ gen enthalten sind (im Ergebnis gleich: Higi, ZK, N 14/15 zu Art. 259b OR und Züst, Mängelrechte, S.  190 f., wobei Letzterer den Begriff «subjektive» Krite­ rien/Umstände doppelt besetzt – einmal i.S.v. vertragsbezogen, das andere Mal als personenbezogen –, was missverständlich ist). Bei der Bemessung der Reduktion ist vom vertraglich vereinbarten Nettomiet- 33 zins (d.h. ohne Nebenkosten) auszugehen (statt aller: MfdP/Roy, N 11.4.3.4). Bei einem vereinbarten Staffelmietzins ist der während der Mangelhaftigkeit 34 des Mietobjekts tatsächlich geschuldete Monatsmietzins als Grundlage heran­ zuziehen, was bei einem über mehrere Monate bestehenden Mangel betrags­ mässig zu unterschiedlichen monatlichen Reduktionsansprüchen führen kann (vgl. auch Cour de Justice Civile/GE vom 25. April 1994, in: mp 4/94, S. 185 ff.). Gleiches gilt, wenn der Mietzins während der Mangelbehebung (einseitig) ver­

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333

Art. 259d

ändert wird (z.B. infolge einer Mietzinserhöhung, die der Vermieter gestützt auf die eingetretenen Kostensteigerungen rechtswirksam angezeigt hat). 35

Hat der Mangel bei einer vereinbarten Umsatzmiete bereits zu einem tieferen Mietzins geführt, so bleibt für eine zusätzliche Mietzinsminderung kein Raum. Soweit sich der Mangel jedoch nicht in einem tieferen Umsatz und damit einem tieferen Mietzins niederschlägt, kommt eine Mietzinsherabsetzung auch bei der Umsatzmiete infrage (mit freilich wiederum unterschiedlichen monatlichen Reduktionsansprüchen). Eine Herabsetzung ist sodann möglich, wenn ein Basismietzins vereinbart wurde und der Umsatz als Folge des Man­ gels unter die dem Basismietzins entsprechende Schwelle fällt (ZMP 1/03, Nr. 1, S. 6 ff.; Weber, BSK, N 6b zu Art. 259d OR; CHK, N 7 zu Art. 259d OR).

36

Ergreift der Vermieter (oder der Mieter) bei eingetretenen Mängeln Massnah­ men, die zur Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit der Sache beitragen oder erfolgt die Behebung des Mangels in Etappen bzw. stufenweise, ist dies bei der Bemessung der Mietzinsreduktion zu berücksichtigen: Beispiel 1: Der Vermieter stellt während dem Umbau des Badezimmers (Container mit) Waschund Duschgelegenheiten zur Verfügung. Beispiel 2: Die Heizung funktioniert im Winter nicht mehr, da Heizkessel und Brenner irrepara­ bel defekt sind. Zum Zeitpunkt der Mitteilung des Mieters beträgt die Raumtemperatur lediglich 15° C. Zwei Tage später stellt der Vermieter Elektroheizöfen in ausreichender Zahl zur Verfügung. Zwei Wochen später sind ein neuer Kessel und ein neuer Bren­ ner in Betrieb. Der Herabsetzungsanspruch des Mieters beträgt für die ersten beiden Tage maximal 10%, in der Regel keine Reduktion mehr für die weiteren zwei Wochen. Beispiel 3: Das Dach ist undicht und ein Zimmer einer 4-Zimmer-Dachwohnung ist nicht benutz­ bar. Eine Woche nach entsprechender Mitteilung durch den Mieter sind die Abdich­ tungsarbeiten am Dach beendet. Nach einer weiteren Woche werden die zwischen­ zeitlich trockenen Wände und die Decke neu gestrichen (der Mieter hat Anspruch auf eine Mietzinsherabsetzung von ca. 25% für die erste Woche, sodann einen solchen von höchstens 10% für die zweite Woche).

37

Eine umfangreiche Zusammenstellung der Kasuistik zum Minderungsan­ spruch findet sich in der Publikation Paritätische Lebensdauertabelle, Die Bewertung von Einrichtungen in Wohn- und Geschäftsräumen, Ausgabe 2016, Abschnitt V. Mietzinsreduktion bei Mängel, S. 51 ff. Vgl. Züst, Mietzinsherab­

334

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Art. 259d

setzung; CHK, N 8 zu Art. 259d OR; Weber, BSK, N 7 zu Art. 259d OR. Dabei ist jedoch festzuhalten, dass die dort aufgeführten Fälle eher überdurchschnitt­ lich hohe Herabsetzungen ausweisen.

2.4 Beweislast Der Mieter trägt die Beweislast für das Bestehen des Mangels; d.h., der Mie­ 38 ter hat zu beweisen, dass der Mietsache eine Eigenschaft fehlt, die sie nach der Parteivereinbarung eigentlich haben sollte (zum Begriff des Mangels vgl. N 19 ff. Vorbem. zu Art. 258–259i OR). Sodann ist der Mieter beweispflich­ tig für die Dauer des Herabsetzungsanspruches, mithin für den Zeitraum zwi­ schen Kenntnisnahme des Mangels durch den Vermieter und der vollständi­ gen Mangelbehebung (Urteil des Bundesgerichts 4A_647 und 649/2015 vom 1. August 2015, E. 5.1).

3.

Rechtsnatur und Durchsetzung

Die Rechtsnatur des Herabsetzungsrechts ist umstritten (vgl. zum Meinungs­ 39 stand die Übersicht in BGE  142 III 557, E.  8.2). Nach der hier vertretenen Auffassung handelt es sich beim Herabsetzungsrecht um ein Gestaltungsrecht (statt vieler: Higi, ZK, N 6 und 21 zu Art. 259d OR, mit Hinweisen; a.M. Weber, BSK, N 4 zu Art. 259d OR, welcher von einer «gesetzlichen Verminderung des geschuldeten Mietzinses» spricht). Die Ansprüche des Mieters entstehen, wenn dieser dem Vermieter gegenüber 40 die Herabsetzungserklärung abgibt, d.h., wenn er dem Vermieter gegenüber erklärt, dass er gestützt auf einen bestimmten Mangel die Herabsetzung des Mietzinses um einen bestimmten Prozentsatz verlangt (N 15). Aus der Ausübung seines Herabsetzungsrechts (Abgabe der Herabsetzungser­ 41 klärung; vgl. dazu auch N 15) können für den Mieter sowohl Ansprüche für die Zukunft (auf Verminderung des Mietzinses) als auch solche für die Vergan­ genheit (auf Rückforderung von zu viel bezahlten Mietzinsen) entstehen (vgl. dazu auch BGE 130 III 504). Die Ansprüche des Mieters – sei es für die Zukunft oder für die Vergangenheit – werden in ihrer zeitlichen Ausdehnung indessen in jedem Fall begrenzt durch die Mängelrüge des Mieters auf der einen (vgl. dazu ausführlich N  18  ff. vorstehend) und den Wegfall des Mangels auf der anderen Seite.

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Art. 259d 42

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der Mieter bei behebbaren Mängel nicht berechtigt, eine Mietzinsreduktion von sich aus vorzunehmen. In solchen Fällen muss der Mieter die Behebung des Mangels verlangen und den Mietzins nach den Regeln von Art. 259g ff. OR hinterlegen (Urteile des Bundesgerichts 4A_140/2014 und 4A_250/2014 vom 6. August 2014, in: MRA 2/15, S. 92; vgl. auch MfdP/Spirig, N 27.2.3).

43

Bei nicht behebbaren Mängeln scheint nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichts (N 43) eine eigenmächtige Reduktion des Mietzinses hingegen möglich (MfdP/Spirig, N 27.2.3). Im Fall einer übermässigen Reduktion läuft der Mieter allerdings Gefahr, dass der Vermieter das Mietverhältnis infolge Zahlungsverzugs ausserordentlich kündigt (Art. 257d OR). Dem vorsichtigen Mieter ist daher zu empfehlen, zur Durchsetzung seiner Ansprüche aus der Herabsetzung des Mietzinses den Rechtsweg zu beschreiten. Der Mieter kann dabei – soweit es um Ansprüche für die Zukunft geht – die Feststellung verlan­ gen, um wie viel der Mietzins infolge der Mangelhaftigkeit der Mietsache zu reduzieren ist (bzw. von Gesetzes wegen reduziert wird). Des Weiteren kann der Mieter – mittels Forderungsklage – die Rückforderung von in der Vergan­ genheit zu viel bezahlten Mietzinsen verlangen.

44

Die Feststellung der Höhe der Reduktion und die Rückforderung von zu viel bezahlten Mietzinsen kann der Mieter sodann entweder durch entsprechende Klage geltend machen oder im Rahmen des Hinterlegungsverfahrens nach Art.  259g ff. OR. Zwar dient das Hinterlegungsrecht nicht direkt der Durch­ setzung des Minderungsrechtes, sondern vielmehr als Druckmittel zur Durch­ setzung des Beseitigungsanspruches (Art. 259b OR). Es ist indessen möglich und zulässig, dass der Mieter im Rahmen des Hinterlegungsverfahrens zusam­ men mit dem Beseitigungsanspruch auch noch andere Mängelansprüche (z.B. Ansprüche aus der Herabsetzung oder Schadenersatzansprüche) in Streit setzt (ZR 115 [2016] Nr. 6).

4. Verjährung 45

Gemäss BGE 130 III 504 handelt es sich beim Rückforderungsanspruch für in der Vergangenheit (infolge der Herabsetzung) zu viel bezahlte Mietzinse um einen vertraglichen und nicht um einen bereicherungsrechtlichen Anspruch.

46

Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre.

47

Was den Beginn der Verjährung betrifft, so wendet das Bundesgericht Art. 130 Abs. 2 OR analog an (BGE 130 III 504, E. 8.2). Demnach beginnt der Rückfor­ 336

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Art. 259d

derungsanspruch zu verjähren, sobald der Vermieter vom Mangel Kenntnis erhält, denn dies ist der Zeitpunkt, in dem bzw. ab dem der Mieter die Herab­ setzung zum ersten Mal verlangen könnte.

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Art. 259e 4. Schadenersatz Hat der Mieter durch den Mangel Schaden erlitten, so muss ihm der Vermieter dafür Ersatz leisten, wenn er nicht beweist, dass ihn kein Verschulden trifft. 4. Dommages-intérêts Si, en raison du défaut, le locataire a subi un dommage, le bailleur lui doit des dommagesintérêts s’il ne prouve qu’aucune faute ne lui est imputable.

4.

Risarcimento dei danni

Il locatore è tenuto a risarcire i danni cagionati al conduttore da un difetto della cosa, ove non provi che nessuna colpa gli incombe.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

339

2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

339

3. Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Mangel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.3 Schaden .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.4 Kausalzusammenhang .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.5 Verschulden und Exkulpation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

339 339 340 340 342 343

4. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

345

5. Anspruchsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

346

6. Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6.1 Einleitende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6.2 Schadensberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6.3 Schadenersatzbemessung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

347 347 347 348

7. Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 259e

1. Vorbemerkungen Gemäss Art. 256 Abs. 2 Buchst. b OR sind vertragliche Klauseln, die bei der 1 Miete von Wohn- und Geschäftsräumen die Schadenersatzpflicht des Ver­ mieters einschränken oder wegbedingen, unwirksam (vgl. jedoch N 49 ff. zu Art. 256 OR). Vereinbarungen, welche die Rechtsstellung des Mieters verbes­ sern, sind hingegen zulässig. So kann z.B. vereinbart werden, dass der Vermie­ ter auch dann Schadenersatz zu leisten hat, wenn ihn kein Verschulden trifft. Die Norm ist somit relativ zwingend (ebenso Higi, ZK, N 3 zu Art. 259e OR). Bei der Miete unbeweglicher Sachen, die nicht unter den Begriff der Wohn- 2 und Geschäftsräume fallen, sowie bei beweglichen Sachen darf der Schadener­ satzanspruch des Mieters nicht in vorformulierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen eingeschränkt werden (Art. 256 Abs. 2 Buchst. a OR). Im Übrigen ist es jedoch erlaubt, im Rahmen von Art. 100 Abs. 1 OR den Schadenersatz­ anspruch durch Einzelabrede auszuschliessen; demzufolge kann die Haftung des Vermieters für leichtes Verschulden wegbedungen werden, nicht aber für schweres Verschulden.

2. Anwendungsbereich Art.  259e OR ist auf sämtliche Mietverhältnisse anwendbar, d.h. sowohl auf befristete als auch unbefristete Mietverhältnisse (Art. 255 OR) sowie auf die Miete beweglicher und unbeweglicher Sachen.

3.

3

Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs

3.1 Allgemeines Art. 259e OR übernimmt die allgemeine obligationenrechtliche Regelung des 4 Art.  97 Abs.  1 OR. Der Inhalt der Begriffe des Schadens, Kausalzusammen­ hangs und Verschuldens richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragshaftung. Das Mass der Haftung und der Umfang des Schadenersatzes beurteilen sich somit nach Art. 99–101 und 42–46 OR. Zur Konkurrenz der Haftung gemäss Art. 259e OR mit anderen Haftungsgründen vergleiche N 82 ff. Vorbem. zu Art. 258–259i OR.

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Art. 259e

3.2 Mangel 5

Erste Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch ist, dass das Mietobjekt mangelhaft ist (vgl. zum Begriff des Mangels N  19  ff. Vorbem. zu Art.  258– 259i OR).

6

Auf die Schwere des Mangels kommt es grundsätzlich nicht an. Demnach kön­ nen nicht nur schwere und mittlere, sondern auch kleine Mängel einen Scha­ denersatzanspruch begründen (vgl. zur Schwere des Mangels N 61 ff. Vorbem. zu Art. 259–259i OR). Dies gilt jedenfalls ohne Einschränkung bei Mietantritt (Art. 258 Abs. 3 Buchst. b OR). Während der Mietdauer vermögen kleine Män­ gel indessen nur dann einen Schadenersatzanspruch zu begründen, wenn der Mieter diese nicht nach Art. 259 OR selbst zu beheben hat.

7

Nicht erforderlich ist, dass der Vermieter vom Mangel Kenntnis hat. Hingegen kann der Ersatzanspruch des Mieters untergehen, falls er vom Mangel Kennt­ nis hat, diesen dem Vermieter aber nicht anzeigt (Art. 257g OR).

3.3 Schaden 8

Der Schadensbegriff entspricht demjenigen von Art. 97 OR, wobei der Scha­ den gemäss Art. 259e OR als Folge eines Mangels am Mietobjekt eingetreten sein muss. Zum Ersatz berechtigen grundsätzlich sowohl der unmittelbare als auch der mittelbar eingetretene Schaden. In der kürzesten Form lässt sich Schaden als ungewollte bzw. unfreiwillige Vermögensverminderung definie­ ren. Der Begriff «Vermögen» ist in diesem Zusammenhang in einem weiten Sinn zu interpretieren. Zum Vermögen gehören nicht nur Geld und andere Sachen, sondern auch obligatorische und dingliche Rechte, Immaterialgüter­ rechte, das Fortkommen, die Integrität von Leib und Leben, der Ehre, der Kre­ ditwürdigkeit und der wirtschaftlichen Freiheit, sofern sich deren Verletzung in ökonomischer Hinsicht auswirkt. Ein Schaden liegt vor, wenn eines dieser Güter in wirtschaftlich erfassbarem Zustand vermindert erscheint. Der Scha­ den kann in einer Verminderung der Aktiven oder Vermehrung der Passiven oder in entgangenem Gewinn bestehen. Er entspricht somit der Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögensstand und demjenigen, den das Ver­ mögen ohne das schädigende Ereignis hätte (BGE 116 II 444, E. 3a; 104 II 199, E. a). Zu ersetzen ist das Erfüllungsinteresse resp. das positive Vertragsinteresse, d.h., es ist der Mieter vermögensmässig so zu stellen, wie wenn der Ver­ mieter gehörig erfüllt hätte.

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Zu unterscheiden sind drei Schadensarten (vgl. ausführlich Gauch/Schluep/ 9 Emmengger, OR AT II, N 2847 ff., insb. 2879; ferner Oftinger/Stark, Band I, S. 70 f.): Personenschaden (Art. 46): Körperverletzung, die eine ärztliche Behandlung erforderlich macht. Die dabei entstandenen Kosten stellen Schaden dar, der zu ersetzen ist (Heilungskosten, vorübergehender Erwerbsausfall, Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens; im Einzelnen: Keller, Band II, S. 43 ff.). Sachschaden: Beschädigung, Zerstörung oder Verlust einer Sache (Mobiliar, persönliche Effekten usw.; vgl. Keller, Band II, S. 90 ff.). Sonstiger Schaden bzw. Vermögensschaden: jede vermögensmässige Ein­ busse, die weder Personen- noch Sachschaden darstellt (vgl. Keller, Band II, S. 98 ff.). Ist z.B. die gemietete Wohnung wegen eines Feuerschadens vorüber­ gehend nicht bewohnbar und muss der Mieter eine andere Unterkunft bezie­ hen, so müssen ihm die entsprechenden Spesen wie etwa die Auszugs- und Wiedereinzugskosten vergütet werden. Ist die Wohnung zerstört und muss der Mieter eine teurere Wohnung beziehen, so schuldet der Vermieter die Miet­ zinsdifferenz bis zum nächsten vertraglichen Kündigungstermin, wobei sich der Mieter einen allfälligen Vorteil anrechnen lassen muss (z.B. Mehrwert des neuen Objekts im Vergleich zum alten). Weiter fällt unter Vermögensschaden auch der Betriebsausfall, der auf einen Mangel am Mietobjekt zurückzufüh­ ren ist. Keinen Anspruch auf Ersatz und Genugtuung begründen der sogenannte 10 Frustrationsschaden (z.B. entgangener Wohngenuss) und der Kommerzialisierungsschaden (z.B. entgangene Nutzungsmöglichkeit). Diese beiden Scha­ densformen stellen nach überwiegender Meinung in Lehre und Rechtspre­ chung keinen Schaden im Rechtssinne dar (Higi, ZK, N 14 zu Art. 259e OR; vgl. BGE 115 II 481, worin das Bundesgericht die Ersatzfähigkeit immateriellen Schadens für das schweizerische Recht generell ausschliesst. Diese Praxis hat das Bundesgericht im Urteil 4C.401/1994 vom 19. September 1995, E. 4, bestä­ tigt. Zur Ablehnung des Kommerzialisierungsschadens vgl. BGE 126 III 338, E. 11a, bestätigt in BGE 132 III 379, E. 3.3.2. Auch nach Auffassung des Miet­ gerichts Zürich begründet ein Frustrations- bzw. Kommerzialisierungsscha­ den keinen Ersatzanspruch, vgl. Urteil Mietgericht Zürich vom 24. September 1992, in: ZMP 2/93, Nr. 15, S. 13 ff.). Eher selten dürften in der Praxis Fälle vorkommen, in denen ein Mieter als 11 Folge eines mangelhaften Mietobjekts gestützt auf Art. 47 OR (Körperverlet­ zung) und Art.  49 OR (Verletzung in der Persönlichkeit) Schaden in Form Matthias Tschudi

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von Genugtuung fordern kann (dazu Higi, ZK, N 12 zu Art. 259e OR, der die seelische Unbill als Sonderform des Schadens ebenfalls ausgleichen will). Das Bundesgericht bejaht grundsätzlich einen Genugtuungsanspruch des Mieters gestützt auf Art. 49 Abs. 1 OR, hat ihn im konkreten Fall (Störung im Gebrauch der Mietsache infolge Bauarbeiten auf der Nachbarliegenschaft) jedoch ver­ neint, da die Mieter den Nachweis nicht erbracht haben, dass ihre Gesundheit durch die Bauarbeiten ernsthaft gefährdet wurde (Urteil des Bundesgerichts 4C.401/1994 vom 19. September 1995, E. 4). Der Bejahung eines grundsätzli­ chen Anspruchs auf Genugtuung gestützt auf Art. 47 und 49 OR ist aus rechts­ dogmatischer Sicht zuzustimmen. Hingegen dürfte es dem beweisbelasteten Mieter in der Regel nicht leichtfallen, nebst dem «immateriellen» Schaden auch den Kausalzusammenhang mit dem Mangel am Mietobjekt nachzuweisen.

3.4 Kausalzusammenhang 12

Der Schaden des Mieters muss als adäquate Folge des Mangels am Mietobjekt eingetreten sein. Der Mangel muss mithin nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sein, einen Schaden von der Art des eingetretenen zu verursachen. Das gilt für den Schaden, der unmit­ telbar infolge des Mangels entstanden ist wie für den mittelbar entstandenen (ausführlich hierzu Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT II, N  2945  ff.; fer­ ner Oftinger/Stark, Band I, S. 77 ff.; von Tuhr/Peter, OR AT I, S. 87 ff.). Ist z.B. ein Dach undicht und wird deswegen die Wohnungseinrichtung des Mieters beschädigt, so ist ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem Man­ gel (dem lecken Dach) und dem Schaden zu bejahen. Desgleichen, wenn das undichte Dach die Einrichtung eines Büromieters beschädigt und zu einem Betriebsunterbruch führt.

13

Der Kausalzusammenhang zwischen Mangel und Schadenseintritt kann infolge höherer Gewalt, Selbst- und Drittverschulden unterbrochen sein (ausführlich Oftinger/Stark, Band I, S.  154  ff.). Unterbrochen wird der Kau­ salzusammenhang, wenn der Mieter in Verletzung seiner Meldepflicht einen Mangel nicht anzeigt (Art. 257g OR), bei pflichtgemässer Meldung ein Scha­ denseintritt indes hätte vermieden werden können (ebenso Higi, ZK, N 7 zu Art. 259e OR). Allenfalls kann ein pflichtwidriges Verhalten des Mieters auch bloss eine Mitursache für den Schadenseintritt sein. Ein solches Mitverschulden des Mieters führt zu einer Entlastung des Vermieters bei der Bemessung des Schadenersatzes (N 36 ff.).

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3.5

Verschulden und Exkulpation

Die Haftung des Vermieters besteht nur dann, wenn ihm ein Verschulden vor­ 14 geworfen werden kann (vgl. zum Begriff des Verschuldens im Allgemeinen: Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT II, N  2963  ff.). Das Verschulden kann sich auf die Entstehung oder die Nichtbeseitigung des ihm zurechenbaren Mangels beziehen (Missachtung der Instandstellungs- und Unterhaltspflicht; zutreffend Züst, Mängelrechte, S. 222; Urteil des Bundesgerichts 4A_647/2015 vom 11. August 2016, E. 6.3). Es wird von Gesetzes wegen vermutet (zur dog­ matischen Rechtfertigung: Wiegand, BSK, N 42 zu Art. 97 OR). Der Vermieter hat jedoch die Möglichkeit nachzuweisen, dass der Mangel 15 unabhängig von seinem Verhalten eingetreten ist bzw. dass er keine Hand­ habe besitzt, den Mangel zu beseitigen (sog. Exkulpationsbeweis, Art.  259e und 97 Abs. 1 OR; vgl. dazu auch Urteil des Bundesgerichts 4A_647/2015 vom 11. August 2016, E. 6.3). So wird z.B. namentlich der Vermieter eines Restau­ rants seinem Mieter gegenüber nicht schadenersatzpflichtig, wenn die Bau­ arbeiten auf dem benachbarten Grundstück dazu führen, dass dem Mietob­ jekt durch Zugangs- und Sichtbehinderungen sowie durch Lärm, Staub und Schmutz Kundschaft entzogen wird und der Mieter dadurch eine Umsatzein­ busse erleidet. Der Vermieter hat ferner für das schuldhafte Verhalten seiner Hilfspersonen 16 (Erfüllungsgehilfen) wie Hauswart, Verwalter usw. einzustehen, falls er nicht beweisen kann, dass diese die gleiche Sorgfalt hinsichtlich Vermeidung des Eintritts oder Beseitigung des Mangels aufgewendet haben, wie sie vom Ver­ mieter auch hätte aufgewendet werden müssen (Art. 101 Abs. 1 OR; Näheres bei Wiegand, BSK, N 13 f. zu Art. 101 OR). Bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen kann die Haftung für Hilfs­ 17 personen gestützt auf Art.  101 Abs.  2 OR nicht beschränkt oder wegbedun­ gen werden; desgleichen nicht in vorformulierten Allgemeinen Geschäftsbe­ dingungen bei der übrigen Miete (Art. 256 Abs. 2 OR). Gemäss überwiegender Lehre und Rechtsprechung ist der Hauptvermieter 18 Hilfsperson des Untervermieters, soweit es um die Erfüllung dessen vertragli­ cher Pflichten gegenüber dem Untermieter geht (BGE 119 II 337, in: mp 2/94, S. 71 f., mit Verweisen auf Züst, Mängelrechte, S. 229 f.; Mietgericht des Bezirks Zürich, in: ZMP 2001, Nr. 18; Spiro, S. 187; a.M. Higi, ZK, N 19 zu Art. 259e OR, der eine Hilfspersonenstellung des Hauptvermieters bloss dann bejaht, wenn Letzterer durch separate Abreden spezielle Pflichten bzw. Aufgaben im Unter­ mietverhältnis wie Hauswartung, Liegenschaftenverwaltung usw. übernom­ Matthias Tschudi

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men hat). Der Untervermieter hat somit gegenüber dem Untermieter für das Schaden verursachende Verhalten des Hauptvermieters grundsätzlich einzu­ stehen. Er kann sich von dieser Haftung gestützt auf Art. 101 OR nur befreien, wenn er nachweist, dass, hätte er gleich gehandelt wie der Hauptvermieter, ihm kein Verschulden vorgeworfen werden könnte (zum umgekehrten Fall, wo es um die Haftung des Untervermieters gegenüber dem Hauptvermieter für das Verhalten des Untermieters geht, vgl. BGE 117 II 65, in: Pra 81, Nr. 8, und in: mp 2/94, S. 75). 19

Ein Verschulden des Vermieters ist im Allgemeinen zu bejahen, wenn dieser seine Unterhalts- und Instandstellungspflicht gemäss Art.  256 OR verletzt. Hat der Vermieter seine Unterhaltspflichten vernachlässigt, so ist er zunächst für den durch den Mangel entstandenen Schaden des Mieters haftbar. Unter­ lässt der Vermieter in der Folge trotz Kenntnis des Mangels dessen (rechtzei­ tige) Beseitigung, so ist er überdies für den Schaden ersatzpflichtig, welcher infolge der verspäteten oder nicht erfolgten Behebung eingetreten ist.

20

Im umgekehrten Fall, nämlich dann, wenn der Vermieter seiner Unterhaltsund Instandstellungspflicht nachlebt, kann dem Mieter ebenfalls ein Schaden entstehen. Im Vordergrund steht hier die Geschäftsraummiete, wo der Mie­ ter durch die baulich bedingten Immissionen und weitere Einschränkungen Umsatzeinbussen erleidet. Das Fotolabor kann z.B. bedingt durch den vorüber­ gehenden Unterbruch der Wasserzufuhr nur einen Teil seiner Aufträge erfül­ len. Ebenso kann der (Unternehmens-)Berater während lärmigen Bauarbei­ ten seine Beratungstätigkeit nur eingeschränkt ausüben. Da der Vermieter von Gesetzes wegen zwingend verpflichtet ist, die Mietsache im vertragsgemässen Zustand zu erhalten (Art.  256 OR), ist in solchen Fällen ein schuldhaf­ tes Verhalten des Vermieters, das zu einer Ersatzpflicht i.S.v. Art.  259e OR führt, grundsätzlich zu verneinen, solange er bei der Ausführung notwendiger Unterhalts- und Instandstellungsarbeiten auf die Interessen des Mieters ange­ messen Rücksicht nimmt. Lässt sich trotz gebotener Rücksichtnahme ein Scha­ den aufseiten des Mieters nicht vermeiden, so ist dieser Schaden – als allgemei­ nes Lebensrisiko – grundsätzlich vom Mieter zu tragen.

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Hat der Vermieter die Mietsache gehörig unterhalten und hat er keine Kennt­ nis des Mangels, sei es, weil der Mieter den Mangel in Verletzung seiner Meldepflicht nicht bekannt gibt oder weil der Mangel nicht erkennbar war, so trifft ihn am Schadenseintritt kein Verschulden. Eine Schadenersatzpflicht des Ver­ mieters entfällt.

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Allenfalls ist der Mieter dem Vermieter gegenüber für den eingetretenen Scha­ 22 den haftbar (Art. 257g Abs. 2 OR). Es ist etwa zu denken an eine defekte Steck­ dose, die bei jedem Anschluss eines Elektrogerätes das Durchbrennen der Sicherung verursacht. Meldet der Mieter den Mangel nicht und «löst» er das Problem mit einer stärkeren Sicherung, worauf der angeschlossene TV-Appa­ rat infolge Kurzschlusses in Brand gerät, hat er den Schaden – an seiner Ein­ richtung wie an der Mietsache – selbst zu tragen. Dem Mieter steht allerdings der Nachweis offen, dass der Schaden auch bei rechtzeitiger Meldung eingetre­ ten wäre. Gelingt ihm der Nachweis, ist der adäquate Kausalzusammenhang zwischen der (Melde-)Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt und damit eine Voraussetzung für die Ersatzpflicht des Mieters zu verneinen. Unter dem Aspekt des Verschuldens des Vermieters spielt die Meldepflicht 23 des Mieters dann keine Rolle, wenn der Mangel und der Schadenseintritt zeit­ lich zusammenfallen. Diesfalls ist eine ausgebliebene oder verspätete Meldung des Mangels seitens des Mieters allenfalls bei der Schadenersatzbemessung zu berücksichtigen, wenn sie zur Vergrösserung des Schadens beigetragen hat (vgl. N 36 ff.).

4. Beweislast Abgesehen vom Verschulden des Vermieters, das vermutet wird, trifft den Mie­ 24 ter für sämtliche anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Schadenersat­ zes die Beweislast (BGE 107 II 429). Er hat nicht nur den behaupteten Man­ gel, sondern auch Bestand und Umfang des Schadens nachzuweisen (Art. 42 ff. OR). Erforderlich ist ein konkreter Schadensnachweis, d.h., der Mieter muss dartun, dass ihm tatsächlich ein Schaden entstanden ist, und er hat dessen Umfang zu belegen (BGE 99 II 216, E. 3a). An den Nachweis des Schadens ist ein strenger Massstab anzusetzen. Der 25 beweispflichtige Mieter hat alles Mögliche zu tun, um den Schaden nachzu­ weisen (BGE 116 II 230). Eine Erleichterung – wenn auch bloss in Bezug auf die ihm obliegende Behauptungslast  – erfährt der Mieter, soweit in Anwen­ dung von Art. 247 Abs. 2 ZPO die soziale Untersuchungsmaxime zum Tra­ gen kommt. Von der Pflicht, sämtliche Tatsachen, die für den Schadenseintritt sprechen und dessen Abschätzung ermöglichen bzw. erleichtern, zu behaup­ ten und zu beweisen (BGE 98 II 37, E. 2), ist er damit indessen nicht befreit (vgl. Näheres auch in: BGE 118 II 52 und dem unveröffentlichten Entscheid des Bundesgerichts vom 24. April 1995, in: MRA 1/96, S. 1 ff.).

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Ist der ziffernmässige Schadensbeweis ausgeschlossen (Art. 42 Abs. 2 OR), weil die Beweisführung dem Mieter nicht zuzumuten ist oder weil die Beweise feh­ len (Beweisnotstand), wird der Schaden nach Ermessen des Richters mit Rück­ sicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge abgeschätzt (vgl. BGE 120 II 301; 105 II 89, E. 3; vgl. auch Kessler, BSK, N 10 zu Art. 42 OR).

5. Anspruchsberechtigung 27

Grundsätzlich steht der Schadenersatzanspruch gestützt auf Art. 259e OR nur dem Mieter als Vertragspartner des Vermieters zu.

28

Mängel der Mietsache können aber auch Dritte schädigen, bei der Wohnungs­ miete z.B. die Familienangehörigen oder Gäste des Mieters, bei der Geschäfts­ miete dessen Angestellte oder Kunden. Es ist daher die Frage aufzuwerfen, ob Drittpersonen gegenüber dem Vermieter gestützt auf Art. 259e OR Schaden­ ersatz geltend machen können oder sie dies auf der Grundlage anderer Nor­ men tun müssen.

29

Zihlmann vertritt mit Hinweis auf Bucher (OR BT, S. 167) die Auffassung, es sei eine Schutzwirkung des Mietvertragsverhältnisses zugunsten der Famili­ enangehörigen und Hausgenossen des Mieters anzunehmen mit der Wirkung, dass mietvertragliche Schadenersatzansprüche auch diesem Personenkreis zustehen (S.  77). Zur Begründung führt er an, diese Anspruchserweiterung sei nicht nur wegen der sozialrechtlichen Komponenten des Mietrechts ange­ zeigt, sondern resultiere auch aus der engen Beziehung des Vertragspartners mit seinen Familienangehörigen, die durch die Anerkennung der Wohnung der Familie (z.B. Art. 273a OR) besonders betont werde. Überdies könne in der Anerkennung der Schutzwirkung zugunsten der Familienangehörigen und Hausgenossen eine Entsprechung dafür gefunden werden, dass der Mieter für die Handlungen dieser Personen im Rahmen des Mietvertrags gegenüber dem Vermieter einzustehen hat.

30

Die damit ins Feld geführte Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (Näheres: Wiegand, BSK, N  9 Einleitung zu Art.  97–109 OR mit Verweisen sowie Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT II, N 3910 ff.) dürfte allerdings im Rahmen des Mietrechts nicht zu einem unter allen Aspek­ ten befriedigenden Ergebnis führen. Es gilt nämlich zu beachten, dass – wollte man den Mietvertrag als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter anneh­ men  – bloss solche Drittpersonen einen Schadenersatzanspruch an den Ver­ mieter richten könnten, für die der Mieter eine für den Vermieter erkennbare

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gesetzliche Schutz- und Fürsorgepflicht trägt. Im Falle von Familienangehö­ rigen oder Hausgenossen des Wohnungsmieters ist diese Voraussetzung gege­ ben, nicht jedoch im Fall der Geschäftsmiete, wo die Mieträumlichkeiten unter Umständen einem grösseren Publikum (Kunden usw.) offenstehen. Kommen Drittpersonen zu Schaden, steht diesen der Rechtsbehelf des Art. 58 31 OR zur Verfügung, der eine Kausalhaftpflicht des Gebäudeeigentümers für den Fall fehlerhafter Anlage bzw. Herstellung oder mangelndem Unterhalt statuiert und den Entlastungsbeweis ausschliesst (ausführlich: Oftinger/Stark, Band II, Bd. II/1, S. 162 ff.; Keller, Band I, I, S. 171 ff.). Schliesslich können Drittpersonen, die durch einen Mangel der Mietsache zu 32 Schaden gekommen sind, ihren Ersatzanspruch an den Vermieter auch auf Art. 41 OR stützen. Im Gegensatz zu Art. 259e OR wird das Verschulden des Vermieters hier indessen nicht vermutet. Der Dritte hat bei Geltendmachung seines Anspruchs aus Art. 41 OR das Verschulden des Vermieters zu beweisen, mithin dessen Einstehenmüssen für den Schaden aus mangelhafter Mietsache. Dabei besteht das für diese Haftungsnorm vorausgesetzte Verschulden des Ver­ mieters in den gleichen Umständen, die für dessen Haftung gemäss Art. 259e OR vorausgesetzt sind, nämlich in der Verletzung der Instandstellungs- oder Unterhaltspflicht (vgl. N 14 ff. vorstehend).

6. Umfang 6.1

Einleitende Bemerkungen

Die Bestimmung der Höhe des Schadenersatzes erfolgt in zwei Schritten. 33 Zunächst ist der durch den Mangel verursachte unmittelbare und mittelbare Schaden zu ermitteln (Schadensberechnung, N 34 f.). In einem zweiten Schritt ist – ausgehend vom ermittelten Schaden – zu entscheiden, ob der Vermieter dem Mieter den ganzen errechneten Schaden oder bloss einen Teil davon zu ersetzen hat (Schadenersatzbemessung, N  36  ff.; zum Ganzen vgl. Oftinger/ Stark, Band I, S. 247 ff.).

6.2 Schadensberechnung Weil das Bestehen eines Mangels eine Schlechterfüllung des Vertrags seitens 34 des Vermieters darstellt (vgl. etwa N  45  ff. zu Art.  256 OR), ist zur Ermitt­ lung des Schadens grundsätzlich das positive Vertragsinteresse massgebend (Art. 97 OR). Der Schaden entspricht somit der Differenz zwischen dem gegen­ Matthias Tschudi

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wärtigen Vermögensstand und demjenigen, den das Vermögen ohne den Ein­ tritt des schädigenden Ereignisses hätte (vgl. oben N 8 ff.). Der Mieter ist mit anderen Worten – vorbehältlich der konkreten Schadensbemessung – vermö­ gensrechtlich so zu stellen, wie wenn der Vertrag richtig erfüllt worden wäre, d.h. ein Mangel am Mietobjekt nicht eingetreten bzw. rechtzeitig behoben wor­ den wäre. 35

Bei der Berechnung des Schadens sind sämtliche Vorteile, die dem Mieter ent­ stehen, anzurechnen (Art.  42 Abs.  2 OR). Weist z.B. die teurere Ersatzwoh­ nung einen erheblichen Mehrwert bzw. Mehrkomfort auf, wie z.B. eine sonni­ gere, ruhigere, verkehrsgünstigere Wohnlage oder einen luxuriöseren Ausbau, so wird der Mieter einen Teil der Mietzinsdifferenz selber zu tragen haben (so sinngemäss auch Mietgericht Zürich, in: ZMP 2/93, Nr.  15, S.  20  f.; ähnlich Higi, ZK, N 24 zu Art. 259e OR; zur Vorteilsanrechnung ausführlich Oftinger/ Stark, Band I, S. 256 ff. sowie Kessler, BSK, N 7 f. zu Art. 42 OR).

6.3 Schadenersatzbemessung 36

Bei der Schadenersatzbemessung ist zu berücksichtigen, inwieweit das Verhal­ ten des Mieters zur Vergrösserung des Schadens beigetragen hat (Art. 43 Abs. 1 und Art. 44 Abs. 1 OR). Infrage kommt hier die verspätete oder gänzlich unter­ lassene Mängelanzeige (Art. 257g OR).

37

Weiter gilt der in Lehre und Rechtsprechung anerkannte Grundsatz, dass ein Geschädigter alles ihm Zumutbare zu unternehmen hat, um den Schaden nicht entstehen resp. nicht grösser werden zu lassen (Art. 44 Abs. 1 OR, sog. Schadensminderungspflicht; dazu von Tuhr/Peter, OR AT I, S. 112 f.; Kessler, BSK, N 13 f. zu Art. 44 OR; BGE 69 II 414). Unterlässt der Mieter mithin ihm zumut­ bare Massnahmen zur Abwendung oder Minderung des Schadens, ist sein Ver­ halten bei der Schadenersatzbemessung gestützt auf Art. 44 OR angemessen zu berücksichtigen. Beispiel: Der Mieter eines Lagerraums, der infolge Nicht­ benutzbarkeit eines Teils des Vertragsobjekts auf ein Ersatzobjekt ausweichen musste, ist nicht berechtigt, für einen Ersatzraum einen unverhältnismässig hohen Mietzins zu bezahlen. Mietet er das Ersatzobjekt trotzdem, ist der Miet­ zins auf das «angemessene Mass» zu reduzieren und der Schadenersatzan­ spruch entsprechend herabzusetzen (Entscheid des Mietgerichtes Zürich vom 14. Oktober 1993, in: ZMP 1/94, Nr. 5, S. 23 f., worin ein Mietzins – und damit der Schadenersatz – für einen Kellerraum von 5,76 m2 von 300 CHF monatlich auf 100 CHF reduziert wurde).

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Bei der Bemessung des Schadenersatzes sind weiter die Grösse des Verschul­ 38 dens des Vermieters, das Selbstverschulden des Mieters sowie weitere, allge­ meine Kriterien wie die Notlage des Haftpflichtigen zu berücksichtigen. Fer­ ner fällt im Falle der Körperverletzung oder Tötung das ungewöhnlich hohe Einkommen des Opfers usw. ins Gewicht (ausführlich Oftinger/Stark, Band I, S. 382 ff.). Wartet z.B. ein Mieter in Kenntnis der Umstände, welche die vertrag­ liche Nutzung unzulässig machen und daher zur Auflösung des Mietverhält­ nisses berechtigen, mit der Anfechtung des Mietvertrags zu lange zu, ist ihm dies bei der Bemessung des Schadenersatzes, den er vom Vermieter verlangt, als Selbstverschulden anzurechnen (vgl. Entscheid des Mietgerichts Zürich vom 20. Oktober 1994, in: ZMP 3/94, Nr. 24, S. 12 ff., wo der Schadenersatz des Untervermieters gegenüber dem Hauptvermieter für Mietzinsausfälle aus dem Untermietverhältnis reduziert wurde, weil der Untervermieter mit der Anfech­ tung des Hauptmietverhältnisses nach erfolgter Anfechtung des Untermietver­ hältnisses zu lange zugewartet hatte).

7. Durchsetzung Den Schadenersatzanspruch kann der Mieter entweder durch entsprechende 39 Klage geltend machen oder im Rahmen des Hinterlegungsverfahrens nach Art.  259g ff. OR. Zwar dient das Hinterlegungsrecht nicht direkt der Durch­ setzung des Schadenersatzanspruchs, sondern vielmehr als Druckmittel zur Durchsetzung des Beseitigungsanspruchs (Art. 259b OR). Es ist indessen mög­ lich und zulässig, dass der Mieter im Rahmen des Hinterlegungsverfahrens zusammen mit dem Beseitigungsanspruch auch noch andere Mängelansprü­ che (z.B. Ansprüche aus der Mietminderung oder Schadenersatzansprüche) in Streit setzt (ZR 115 [2016] Nr. 6). Möglich ist ferner, dass der Mieter seine Schadenersatzforderung mit fälligen 40 Mietzinsen verrechnet. Der Weg der Verrechnung eines strittigen Schadener­ satzanspruchs mit der Miete birgt allerdings für den Mieter nicht unerhebliche Risiken. Der Vermieter, der nicht die volle Miete erhält, kann nämlich gestützt auf Art. 257d OR eine Frist ansetzen zur Zahlung der Restmiete, verbunden mit der Androhung, dass nach ungenütztem Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde. Erfolgt die Kündigung und stellt sich entweder im anschlies­ senden Ausweisungs- oder aber in einem Schlichtungs- oder Gerichtsverfah­ ren heraus, dass der zur Verrechnung gebrachte Schadenersatzanspruch des

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Mieters nicht bestand oder zu hoch war, so ist die gestützt auf Art. 257d OR ausgesprochene Kündigung wirksam (vgl. N 22 zu Art. 257d OR, sodann N 8 zu Art. 265 OR; vgl. auch Guhl et al., OR, S. 53).

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Art. 259f 5. Übernahme des Rechtsstreits Erhebt ein Dritter einen Anspruch auf die Sache, der sich mit den Rechten des Mieters nicht verträgt, so muss der Vermieter auf Anzeige des Mieters hin den Rechtsstreit übernehmen. 5.

Prise en charge du procès

Si un tiers fait valoir sur la chose un droit incompatible avec celui du locataire, le bailleur est tenu de se charger du procès sur l’avertissement du locataire.

5.

Assunzione della lite

Se un terzo fa valere sulla cosa un diritto incompatibile con quello del conduttore, il loca­ tore è tenuto, dietro avviso del conduttore, ad assumere la lite.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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2. Übernahme des Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 259f

1. Vorbemerkungen 1.1 1

Zwingender Charakter

Art. 259f OR ist relativ zwingend (Higi, ZK, N 3 zu Art. 259f OR; Züst, Män­ gelrechte, S. 280). Die Regelung darf vertraglich nicht zuungunsten des Mieters eingeschränkt oder wegbedungen werden (vgl. jedoch N 49 ff. zu Art. 256 OR).

1.2 Anwendungsbereich 2

Art.  259f OR gilt für Mietverhältnisse über bewegliche und unbewegliche Sachen. Er ist anwendbar auf die befristete und unbefristete Miete.

3

Die Bedeutung der Norm in der Praxis ist gering. Nebst dem bereits bei Schmid (ZK, N 9 und 12 zu Art. 258 aOR) angeführten BGE 97 I 137 wurden keine Entscheide des Bundesgerichts veröffentlicht.

2.

Übernahme des Rechtsstreits

2.1 Rechtsnatur 4

Wie bei den übrigen Mängelrechten des Mieters handelt es sich auch bei diesem Recht nicht um einen Gewährleistungsanspruch, sondern um einen Anspruch aus Schlecht- bzw. Nichterfüllung des Vertrags (gl.M. Higi, ZK, N 6 zu Art. 259f OR; a.M. Zihlmann, Mietrecht, S. 70 und Reymond, Gebrauchs­ überlassungsverträge, S. 226, die Rechtsgewährleistung annehmen).

5

Der Mieter hat Anspruch darauf, die gemietete Sache im Rahmen des Geset­ zes wie auch des Mietvertrags zu benutzen. Wird er in der Ausübung dieses Rechtes durch Dritte gestört, so hat der Vermieter dafür einzustehen und den Rechtsstreit mit dem Dritten zu übernehmen. Der Vermieter ist dazu hinge­ gen nicht verpflichtet, wenn der Mieter den Rechtsstreit durch vertrags- oder gesetzwidriges Verhalten provoziert hat (vgl. Higi, ZK, N 5 zu Art. 259f OR). Pflanzt z.B. der Mieter unzulässig hohe Bäume an der Grenze des gemieteten Grundstücks, so ist der Vermieter nicht gehalten, dem Mieter im Rechtsstreit beizustehen. Im Gegenteil riskiert der Mieter durch sein Verhalten eine Kün­ digung gemäss Art. 257f Abs. 3 OR.

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Art. 259f

2.2 Voraussetzungen 2.2.1

Ansprüche des Dritten

Die Norm regelt den Fall, dass ein Dritter ein Recht an der Sache geltend macht, 6 das sich mit dem Recht des Mieters auf ungestörten Gebrauch der Mietsache nicht verträgt. Dieses Recht kann einmal dinglicher Natur sein (Eigentum, Wohnrecht, Nutzniessung oder Dienstbarkeit). Wird z.B. ein mit einem Weg­ recht belastetes Grundstück vermietet und entsteht in der Folge eine Ausei­ nandersetzung zwischen dem Mieter und dem Wegberechtigten über die Aus­ übung dieses Rechts, so hat der Vermieter auf Anzeige des Mieters hin den Rechtsstreit zu übernehmen. Gleiches gilt, wenn ein Dritter geltend macht, er sei Eigentümer der Mietsache, und der Vermieter hätte sie dem Mieter gar nicht zur Verfügung stellen dürfen. Möglich ist auch, dass der Dritte Ansprüche allein aus Nachbarrecht gegen 7 den Mieter geltend macht (vgl. Tuor et al., ZGB, S. 1154). Es ist an Benutzungs­ beschränkungen des Grundeigentums zu denken, welche die Rücksichtnahme auf die benachbarten Grundstücke erfordern (Immissionen, Bepflanzungen). Sie sind hauptsächlich in Art. 684 ff., 669, 679 und 706 bis 710 ZGB geregelt und werden durch das kantonale Recht und den Ortsgebrauch (Art. 5 Abs. 2 ZGB) ergänzt. So kann z.B. ein Nachbar des vermieteten Grundstücks vom Mieter verlangen, dass dieser die vom Vermieter gepflanzten Bäume an der Grund­ stücksgrenze beseitige, wenn die Grenzabstände nicht gewahrt sind oder dass übermässige Lärm- oder Geruchsimmissionen zu unterbleiben haben. Ebenso hat der Nachbar des Mieters einen Anspruch darauf, dass sein Grundstück durch Bauten oder Grabungen des Mieters nicht beeinträchtigt wird oder dass der Mieter das Durchführen von Leitungen duldet. Auch in solchen Fällen ist der Vermieter verpflichtet, den Rechtsstreit zu übernehmen. Die Norm kommt nicht zur Anwendung, wenn der Dritte rein persönli- 8 che (obligatorische) Rechte gegen den Vermieter geltend macht (MfdP/Roy, N 11.6.2; Higi, ZK, N 8 zu Art. 259f OR und Züst, Mängelrechte, S. 277, Fn. 8; bereits zum alten Recht Schmid, ZK, N  4 zu Art.  258 aOR; a.M. Reymond, Gebrauchsüberlassungsverträge, S.  226). In diesem Fall werden die Rechte des Mieters nicht tangiert, da er in keiner sachenrechtlichen Beziehung zum Dritten steht. Hat z.B. der Vermieter die Sache doppelt vermietet, so kann der Dritte mangels Passivlegitimation des Mieters seine Ansprüche nicht gericht­ lich gegen ihn geltend machen. Der Dritte hat sich ausschliesslich an den Ver­ mieter zu halten und von diesem Schadenersatz zu fordern.

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Art. 259f 9

Kein von Art. 259f OR erfasster Fall liegt sodann vor, wenn die Mietsache aus öffentlich-rechtlichen Gründen nicht oder nur eingeschränkt gebraucht wer­ den kann. Hierbei handelt es sich nicht um einen Rechtsmangel, sondern um einen rechtlichen Sachmangel (Entscheid des OGer Luzern vom 18. August 2004, in: MRA 2005, S. 180 ff.).

2.2.2 10

Zeitpunkt Entstehung

Die Rechte Dritter müssen schon bei Abschluss des Mietvertrags bestanden haben (Higi, ZK, N 11 zu Art. 259f OR, der diesen Zeitpunkt bei Mietantritt ansetzt; a.M. Züst, Mängelrechte, S. 277). Räumt der Vermieter dem Dritten solche Rechte erst nach Vertragsschluss ein, so ist nicht Art.  259f, sondern Art. 261 i.V.m. 261a OR anwendbar (vgl. MfdP/Roy, N 11.6.2; Higi, ZK, N 13 zu Art. 259f OR).

2.2.3 Verschulden 11

Ein Verschulden des Vermieters ist nicht vorausgesetzt (statt vieler: Higi, ZK, N 15 zu Art. 259f OR).

2.2.4

Vorliegen eines Rechtsstreits

12

Eine weitere Voraussetzung für den Anspruch des Mieters auf Übernahme des Rechtsstreits durch den Vermieter ist ein gerichtlicher Streit zwischen dem Mieter und dem Dritten. Macht der Dritte Ansprüche aussergerichtlich gel­ tend, so ist der Mieter verpflichtet, dies dem Vermieter zu melden (Art. 257g OR; Züst, Mängelrechte, S. 278).

13

Zur Übernahme des Rechtsstreits ist der Vermieter nicht verpflichtet, wenn der Mieter selbst Ansprüche gegen den Dritten erhebt, z.B. aus Besitzesschutz oder Nachbarrecht (vgl. Higi, ZK, N 21 zu Art. 259f OR, der eine Übernahme des Vermieters allerdings bejaht, wenn der Dritte zur Abwehr ein dingliches Recht bzw. ein Nachbarrecht an der Sache geltend macht mit der Folge, dass deren Gebrauch vermindert oder ausgeschlossen wird).

2.2.5 Anzeige 14

Fordert der Mieter die Übernahme des Rechtsstreits durch den Vermieter, so hat er diesem eine entsprechende Anzeige zu machen. Unterlässt er diese, so entfällt in der Regel die Pflicht zur Übernahme des Rechtsstreits durch den Vermieter (Higi, ZK, N 18 zu Art. 259f OR). Diese Anzeige unterliegt keiner

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Art. 259f

Formvorschrift; der Regelfall wird aus Beweisgründen jedoch Schriftlichkeit sein. Die Anzeige muss auf jeden Fall frühzeitig erfolgen, damit der Vermieter noch 15 in der Lage ist, dem Prozess wirksam beizutreten (vgl. N 12; Higi spricht von rechtzeitiger Anzeige und versteht darunter den Zeitpunkt, der dem Vermieter noch erlaubt, alle Angriffs- und Verteidigungsmittel unbeschwert vorzubrin­ gen, vgl. Higi, ZK, N 18 zu Art. 259f OR).

2.3 Folgen Liegen die Voraussetzungen für die Übernahme des Rechtsstreits durch den 16 Vermieter vor, so hat dieser auf Anzeige des Mieters hin dem Prozess beizutreten. In welcher Form und zu welchem Zeitpunkt dies geschieht, bestimmt die Schweizerische Zivilprozessordnung (Streitverkündung, Nebenintervention). In der Regel wird der Mieter nicht von der Teilnahme am Prozess befreit, sondern wird ihn neben dem Vermieter fortführen müssen. Weigert sich der Vermieter, dem Prozess beizutreten, so kann der Mieter die 17 Ansprüche des Dritten anerkennen und anschliessend gegen den Vermieter vorgehen (ähnlich Higi, ZK, N 22 zu Art. 259f OR). Obsiegt der Dritte im gerichtlichen Verfahren, so wird der Gebrauch der Miet­ 18 sache durch den Mieter eingeschränkt oder verunmöglicht. Damit steht fest, dass ein Mangel vorhanden ist, den der Vermieter nicht zu beheben vermochte. Dem Mieter stehen folgende Mängelrechte zu, sofern die jeweiligen gesetzli­ chen Voraussetzungen erfüllt sind: –– Kündigung (Art. 259b Buchst. a OR) –– Herabsetzung des Mietzinses (Art. 259d OR) –– Schadenersatz (Art. 259e OR) Im Einzelnen sei auf die Ausführungen zu den entsprechenden Artikeln ver­ wiesen. Unterliegt der Dritte im Verfahren gegen den Mieter, schuldet der Vermieter 19 dem Mieter keinen Ersatz für die mit der Abwehr der Drittansprüche entstan­ denen Umtriebe, da diese nach Massgabe des Prozessrechts durch den unter­ liegenden Dritten gedeckt werden. Darüber hinaus wäre ein diesbezüglicher Ersatzanspruch des Mieters nur dann zu bejahen, wenn den Vermieter für das Vorgehen des Dritten ein Verschulden träfe. Der Mieter hat dagegen Anspruch

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Art. 259f

auf eine Herabsetzung des Mietzinses i.S.v. Art. 259d OR, wenn er während des Verfahrens die Mietsache nicht vertragsgemäss nutzen konnte; z.B. wenn die Benutzung der Sache während des Verfahrens aufgrund vorsorglicher Anord­ nungen des Gerichts eingeschränkt war. 20

Eine Hinterlegung des Mietzinses gemäss Art.  259g OR ist hingegen nicht möglich, da die Beeinträchtigung der Mietsache während des Rechtsstreites nicht beseitigt werden kann (a.M. Higi, ZK, N 25 und 26 zu Art. 259f OR). Der Anspruch des Dritten – und somit der Mangel der Mietsache – steht erst durch rechtskräftiges Urteil fest und lässt sich sodann nicht mehr beseitigen. Die Hin­ terlegung, die als Druckmittel des Mieters zur Beseitigung eines Mangels dient, kann hier ihren Zweck nicht erfüllen.

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Art. 259g 6. Hinterlegung des Mietzinses a. Grundsatz 1 Verlangt

der Mieter einer unbeweglichen Sache vom Vermieter die Beseitigung eines Mangels, so muss er ihm dazu schriftlich eine angemessene Frist setzen und kann ihm androhen, dass er bei unbenütztem Ablauf der Frist Mietzinse, die künftig fällig werden, bei einer vom Kanton bezeichneten Stelle hinterlegen wird. Er muss die Hinterlegung dem Vermieter schriftlich ankündigen. 2 Mit

der Hinterlegung gelten die Mietzinse als bezahlt.

6.

Consignation du loyer

a. Principe 1 Le

locataire d’un immeuble qui exige la réparation d’un défaut doit fixer par écrit au bailleur un délai raisonnable à cet effet; il peut lui signifier qu’à défaut de réparation dans ce délai, il consignera auprès d’un office désigné par le canton les loyers à échoir. Le loca­ taire avisera par écrit le bailleur de son intention de consigner les loyers.

2 Les

6.

loyers consignés sont réputés payés.

Deposito della pigione

a. Principio 1 Il

conduttore di un immobile, se esige la riparazione del difetto da parte del locatore, deve fissargli per scritto un congruo termine e può avvertirlo che, scaduto infruttuosa­ mente questo termine, depositerà presso un ufficio designato dal Cantone le pigioni che giungeranno a scadenza. Lo avviserà per scritto anche del deposito.

2 Le

pigioni depositate sono reputate pagate.

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InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Gegenstand und Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Zwingender Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.3 Hinterlegung im Verhältnis zu Mängelrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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2. Voraussetzungen für die Hinterlegung (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Mangel der Mietsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Beseitigungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Aufforderung Mängelbeseitigung mit Androhung Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Künftig fällig werdende Mietzinse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.5 Schriftliche Ankündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.6 Hinterlegungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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3. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 259g

1. Vorbemerkungen 1.1

Gegenstand und Normzweck

Mit der Einführung des Hinterlegungsrechts zugunsten des Mieters hat der 1 Gesetzgeber dem Mieter ein Druckmittel zur Durchsetzung seiner Rechte bei Mangelhaftigkeit des Mietobjekts verschaffen wollen (Botsch. 1985, S. 1437). Dem Mieter soll damit die Verfolgung der Ansprüche auf Beseitigung von Mängeln, Herabsetzung des Mietzinses und Schadenersatz erleichtert werden (vgl. präzisierend N 4). Das Hinterlegungsrecht ist der Immobiliarmiete vorbehalten. Nebst dem Mie­ 2 ter von Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten kann sich auch jener darauf beru­ fen, der im Sinne von Art. 266b OR eine unbewegliche Sache (z.B. unbebautes Grundstück) mit oder ohne Fahrnisbaute (die Zugehörcharakter haben muss; Art.  644 und 645 ZGB) gemietet hat. Dem Mieter einer beweglichen Sache steht demgegenüber das Hinterlegungsrecht nicht zur Verfügung.

1.2

Zwingender Charakter

Es kann grundsätzlich auf die Ausführungen unter N 1 zu Art. 256 OR verwie­ 3 sen werden. In der Praxis werden bisweilen auch durch Parteiabrede Voraussetzungen defi­ 4 niert, die – sind sie erfüllt – den Mieter zur Hinterlegung berechtigen. Solche vertraglich vereinbarten Hinterlegungsmöglichkeiten sind zulässig (zustim­ mend Higi, ZK, N  16 zu Art.  257d OR), sofern sie bloss neben, nicht aber anstelle des gesetzlichen Hinterlegungsrechts treten. Anwendungsfall: Die Par­ teien sehen im Vertrag ein umfassendes Verrechnungsrecht des Mieters vor, vereinbaren aber gleichzeitig, dass dieser den mit den Mietzinsschulden ver­ rechneten Betrag zu hinterlegen hat, im Gegenzug der Vermieter dafür auf die Kündigung infolge Zahlungsverzugs (Art. 257d OR) verzichtet (vgl. MRA 5/97, S. 231 ff.). Mit anderen Worten gelten die vom Mieter in Beachtung der ver­ traglichen Vereinbarung hinterlegten Mietzinse ebenfalls als bezahlt (Art. 259g Abs. 2 OR).

1.3

Hinterlegung im Verhältnis zu Mängelrechten

Die Möglichkeit, den Mietzins bei Mängeln zu hinterlegen, ist kein eigentli­ 5 ches Mängelrecht, sondern vielmehr ein Rechtsbehelf zur Durchsetzung eines

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Art. 259g

Mängelrechts, nämlich des Mängelbeseitigungsanspruches gemäss Art.  259b OR (vgl. BGE 124 III 201, E. 2d). 6

Das Hinterlegungsrecht dient unmittelbar nur der Durchsetzung des Beseitigungsanspruchs, nicht jedoch der übrigen Mängelrechte (Herabsetzung des Mietzinses, Schadenersatz usw.). Ist somit z.B. zwischen den Parteien nur und ausschliesslich ein Schadenersatzanspruch aus einem inzwischen behobenen Mangel strittig (Art. 259e OR) oder der Rückforderungsanspruch für zu viel bezahlte Mietzinse infolge Herabsetzung (Art. 259d OR), so ist es dem Mie­ ter verwehrt, den Mietzins zur Durchsetzung dieser Ansprüche zu hinterle­ gen. Dafür lässt der klare Wortlaut von Art. 259g OR keinen Raum. Möglich und zulässig ist indessen, dass der Mieter zusammen mit dem Beseitigungs­ anspruch – der die Hinterlegung erst rechtfertigt – weitere Mängelansprüche (Schadenersatz, Mietminderung usw.) geltend macht. Alsdann ist im Rahmen des Hinterlegungsverfahrens auch über diese Ansprüche zu befinden (ZR 115 [2016] Nr. 6). Mit dem Hinterlegungsrecht steht damit dem Mieter ein Rechts­ behelf zu, die Beseitigung eines Mangels zu bewirken und – kumulativ, nicht alternativ  – eine Klärung der ihm zustehenden finanziellen Ansprüche auf Herabsetzung des Mietzinses oder Schadenersatz durch das sich an die Hinter­ legung anschliessende Schlichtungs- und Gerichtsverfahren herbeizuführen.

2.

Voraussetzungen für die Hinterlegung (Abs. 1)

2.1

Mangel der Mietsache

7

Voraussetzung dafür, dass der Mieter sein Recht auf Hinterlegung nach Art.  259g OR geltend machen kann, bildet das Vorhandensein eines Mangels der Mietsache (Urteil des Bundesgerichts 4A_739/2011, in: MRA 3/2012, S. 154 ff.; vgl. zum Begriff des Mangels N 19 ff. Vorbem. zu Art. 258–259i OR).

8

Der Hinterlegungsanspruch steht sowohl bei schweren Mängeln als auch bei untergeordneten (d.h. leichten und mittleren) Mängeln zur Verfügung (vgl. zur Schwere des Mangels N 61 ff. Vorbem. zu Art. 258–259i OR). In beiden Fäl­ len steht dem Mieter das Recht zu, vom Vermieter die Beseitigung des Man­ gels zu verlangen (Art. 259a Abs. 1 Buchst. a OR; Zihlmann, Mietrecht, S. 70).

9

Kein Hinterlegungsanspruch besteht im Bereich der sogenannten kleinen Mängel, die der Mieter im Rahmen des sog. kleinen Unterhalts gestützt auf Art. 259 OR auf eigene Kosten beseitigen muss.

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Art. 259g

Voraussetzung für die Mietzinshinterlegung ist schliesslich, dass der Mieter die 10 Mietsache – eventuell trotz bekannter Mängel – übernommen hat und nicht gemäss Art. 258 Abs. 1 OR nach den Art. 107–109 OR vorgeht (Art. 258 Abs. 2 und 3 OR).

2.2 Beseitigungsanspruch In der Praxis und von der ganz überwiegenden Mehrheit der Lehre wird unter 11 Hinweis auf Sinn und Zweck der Hinterlegung zu Recht davon ausgegangen, dass die Hinterlegung nur zulässig ist, wenn die Beseitigung des Mangels möglich und zumutbar ist und damit ein Beseitigungsanspruch des Mieters besteht (Züst, Mängelrechte, S. 176, mit Verweis auf Entscheid der Schuldbe­ treibungs- und Konkurskommission des OGer Kanton Luzern vom 14. Dezem­ ber 1992; Higi, ZK, N 23 zu Art. 259g OR; MfdP/Roy, N 11.7.3.1; Lachat, CR, N 3 zu Art. 259g OR; CHK, N 3 zu Art. 259g–i OR; vgl. BGE 125 III 120, E. 2b sowie 124 III 201, E. 2d, wo darauf hingewiesen wird, dass die Hinterlegung der Verwirklichung des Anspruchs auf Mängelbeseitigung dient und als Druckmit­ tel zu dessen Durchsetzung gedacht ist; neuerdings auch: Weber, BSK, N 4 zu Art. 259g OR). Folgerichtig steht der Rechtsbehelf der Hinterlegung nicht zur Verfügung, 12 wenn der Mieter zur Duldung von Unterhaltsarbeiten (Art. 257h OR) oder von Umbauarbeiten (Art. 260 OR) verpflichtet ist (vgl. dazu N 46 ff. zu Art. 260– 260a OR; so auch CHK, N 3 zu Art. 259g–i OR). Die Hinterlegung ist ferner dann nicht zulässig, wenn der Vermieter nicht in 13 der Lage ist, den gerügten Mangel zu beseitigen (vgl. Urteile des Bundesge­ richts 4A_140/2014 und 4A_250/2014 vom 6.  August 2014, E.  5.4, in: MRA 2/15, S.  92  ff.). Dies ist vor allem der Fall, wenn der Mangel nicht im direk­ ten Einflussbereich des Vermieters liegt (z.B. bei Lärmimmissionen, die infolge von Umbauarbeiten auf dem Nachbargrundstück entstehen) oder die Mängel­ behebung aus anderen Gründen unmöglich ist. Fehlt es infolge Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Mängelbehebung am 14 Beseitigungsanspruch des Mieters, ist die Hinterlegung des Mietzinses ausge­ schlossen. Dem Mieter stehen indessen bei gegebenen Voraussetzungen wei­ terhin das Kündigungsrecht (Art. 259b Buchst. a OR), das Recht auf Mietzins­ herabsetzung (Art. 259d OR) und das Recht auf Schadenersatz (Art. 259e OR) zu.

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Art. 259g 15

Ebenfalls kein Beseitigungsanspruch besteht, wenn die Beseitigung des Man­ gels mit unverhältnismässigem Aufwand und unverhältnismässigen Kos­ ten verbunden, d.h. die Beseitigung für den Vermieter objektiv unzumutbar ist. Beispiel: Die Heizungsanlage einer für den Abbruch bestimmten Altlie­ genschaft vermag bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt das Mietob­ jekt nicht mehr genügend zu beheizen. Der Ersatz der Heizungsanlage (sowie zusätzlich erforderliche Ersatzinvestitionen) würde mehrere Zehntausend Franken kosten bei verhältnismässig tiefen Mietzinseinnahmen von jährlich 45 000 CHF. Obwohl das Mietobjekt bei hohen Minustemperaturen nur mehr mit knapp 17 Grad beheizt werden kann und damit – ausgehend von einer Soll­ temperatur von 20 bis 21 Grad – einen Mangel aufweist, ist ein Beseitigungs­ anspruch des Mieters zu verneinen, da dem Vermieter angesichts der konkre­ ten Umstände (niedrige Erträge, hohe Investitionskosten, Abbruchobjekt) eine solche Investition objektiv nicht zumutbar ist (vgl. dazu auch N 10 zu Art. 259b OR sowie Higi, ZK, N 23 zu Art. 259g OR).

16

Ist das Mietverhältnis bereits gekündigt, beurteilt sich das Hinterlegungsrecht danach, ob dem Mieter für den gerügten Mangel bis zum Ablauf des Miet­ verhältnisses noch ein Anspruch auf dessen Beseitigung zusteht oder nicht. Das Beseitigungs- und damit das Hinterlegungsrecht entfällt, wenn die restli­ che Vertragsdauer zur Behebung des Mangels nicht mehr ausreicht oder wenn dem Vermieter die Mangelbehebung bis zur Vertragsbeendigung objektiv nicht zugemutet werden kann. Letzteres ist insbesondere beim Auftreten eines Mangels in einem Abbruchobjekt der Fall, dessen Beseitigung dem Vermieter unverhältnismässig hohe Kosten verursachen würde (z.B. Ersetzen einer Hei­ zungsanlage, die zwar noch funktionstüchtig ist, indes nicht mehr die gefor­ derte Leistung erzielt). Selbstverständlich bleibt dem Mieter auch in diesem Fall das Recht auf angemessene Herabsetzung des Mietzinses (Art. 259d OR).

17

Nach dem klaren Gesetzeswortlaut kommt die Hinterlegung nur in Betracht, wenn ein Mangel besteht, der nach Ablauf der dem Vermieter angesetzten ange­ messenen Frist noch nicht behoben ist. Hat der Vermieter auf ergangene Auf­ forderung, eventuell Fristansetzung, einen Mangel beseitigt und sind zwischen den Vertragsparteien lediglich die vermögensrechtlichen Folgen des erwähn­ ten Mangels – Anspruch auf verhältnismässige Herabsetzung des Mietzinses bzw. Schadenersatz – strittig, bleibt dem Mieter das Recht zur Hinterlegung verwehrt. Können sich die Parteien über die Ansprüche des Mieters nicht eini­ gen, so ist der Mieter, wenn er auf seinen Forderungen beharrt, auf den ordent­ lichen Rechtsweg verwiesen (vgl. immerhin N 5 zu Art. 259h OR).

362

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Art. 259g

2.3

Aufforderung Mängelbeseitigung mit Androhung Hinterlegung

Weitere Voraussetzung für eine rechtmässige Hinterlegung des Mietzinses 18 ist, dass der Mieter vorgängig dem Vermieter schriftlich eine angemessene Frist zur Beseitigung des von ihm geltend gemachten Mangels ansetzt. Darü­ ber hi­naus hat der Mieter dem Vermieter anzudrohen, dass er die künftig fäl­ lig werdenden Mietzinse hinterlegen werde, sollte der Mangel nicht innert der angesetzten Frist beseitigt sein. Unterlässt der Mieter die schriftliche Fristansetzung zur Mängelbeseitigung, 19 so ist die Hinterlegung mangelhaft, d.h., die befreiende Wirkung des Mieters gemäss Art. 259 Abs. 2 OR tritt nicht ein. Gleiches gilt, wenn es der Mieter unterlässt, dem Vermieter die Hinterle­ 20 gung anzudrohen. Obwohl das Gesetz diesbezüglich lediglich eine Kannvor­ schrift enthält, gehen Lehre und Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei der Androhung der Hinterlegung ebenfalls um eine obligatorische Vorausset­ zung bzw. um ein Gültigkeitserfordernis handelt (Urteil des Bundesgerichts 4C.264/2003 vom 3. Dezember 2003, E. 3.1, in: MRA 1/04, S. 10 ff.), mit der Folge, dass die Hinterlegung nicht rechtmässig ist, falls sie nicht vorgängig angedroht wurde. Erweist sich die Hinterlegung infolge fehlender Fristansetzung zur Mängel­ 21 beseitigung oder Androhung der Hinterlegung als ungültig, fallen die hinter­ legten Mietzinse dem Vermieter zu. Darüber hinaus tritt die befreiende Wir­ kung des Mieters gemäss Art. 259g Abs. 2 OR nicht ein, was bedeutet, dass der Mieter in Zahlungsverzug gerät und eine ausserordentliche Kündigung nach Art. 257d OR riskiert (Urteil des Bundesgerichts 4C.264/2003 vom 3. Dezem­ ber 2003, E. 3.1, in: MRA 1/04, S. 10 ff.). Auf das Erfordernis der Ansetzung einer Beseitigungsfrist und der Androhung 22 der Hinterlegung kann (in analoger Anwendung von Art. 108 Ziff. 1 OR) nur verzichtet werden, wenn der Vermieter durch sein Verhalten deutlich seine feste Absicht manifestiert, dass er seiner Pflicht zur Mängelbeseitigung nicht nachkommen werde. Die Weigerung des Vermieters muss klar und definitiv sein, weshalb ein Vorgehen des Mieters ohne Fristansetzung und Androhung der Hinterlegung mit einem erheblichen Risiko verbunden ist, ist es doch oft schwierig, im Nachhinein nachzuweisen, dass die fragliche Anzeige überflüs­ sig gewesen wäre (zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 4C.264/2003 vom

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363

Art. 259g

3. Dezember 2003, E. 3.1, in: MRA 1/04, S. 10 ff.). Die Beweislast obliegt dem Mieter. 23

Voraussetzung für die Hinterlegung ist, dass der Mieter dem Vermieter eine «angemessene» Frist zur Beseitigung des geltend gemachten Mangels ansetzt. Die Angemessenheit der anzusetzenden Behebungsfrist bestimmt sich nach denselben Grundsätzen und Kriterien wie die Angemessenheit der Frist, die es gemäss Art. 259b OR vorgängig zur Kündigung und Ersatzvornahme abzuwar­ ten gilt. Es kann daher auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen wer­ den (N 12 ff. zu Art. 259b OR).

24

Setzt der Mieter eine zu kurze Frist an, so obliegt es dem Vermieter, dagegen zu protestieren. Tut er das nicht, so ist nach dem Vertrauensprinzip anzuneh­ men, dass er mit der ihm gesetzten Frist einverstanden ist (vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4A_565/2009 vom 21. Januar 2010, E. 4.2).

2.4

Künftig fällig werdende Mietzinse

25

Hinterlegt werden dürfen nur Mietzinse, die in Zukunft fällig werden. Gemeint sind solche, deren Fälligkeit nach fruchtlosem Ablauf der Beseitigungsfrist ein­ tritt. Unzulässig ist damit die Hinterlegung bereits verfallener Mietzinse, und zwar auch solcher, die während der Beseitigungsfrist zur Zahlung fällig werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_368/2007 vom 7. November 2007, E. 2.4).

26

Die Fälligkeit richtet sich dabei primär nach Vertrag, und zwar auch dann, wenn Mietzinse viertel-, halb- oder gar jährlich fällig werden und sich die Hin­ terlegungsmöglichkeiten damit erheblich verzögern können. Mangels vertrag­ licher Abrede sind die Termine gemäss Ortsübung bzw. Gesetz anwendbar (Art. 257c OR).

27

Die Hinterlegung hat spätestens am Zahlungstermin (Fälligkeitstag) zu erfol­ gen; d.h. der Mietzins hat dann bei der Hinterlegungsstelle einzutreffen (z.B. Barhinterlegung). Ebenfalls rechtzeitig ist die Hinterlegung, wenn am Fällig­ keitstag die Einzahlung bei der Schweizerischen Post zugunsten der Hinterle­ gungsstelle oder – durch die vom Mieter beauftragte Bank – ein entsprechen­ der Überweisungsauftrag an die Schweizerische Post erfolgt (vgl. auch Higi, ZK, N  55 und 63 zu Art.  259g OR). Nicht rechtzeitig ist hingegen ein Zah­ lungsauftrag zugunsten der Hinterlegungsstelle an eine Bank, der am Fällig­ keitstag der Post übergeben wird (zustimmend David, Mängel der Mietsache, S. 82).

364

Matthias Tschudi

Art. 259g

Dem Mieter ist es unbenommen, alle oder mehrere künftig fällig werdende Mietzinse auf einmal zu hinterlegen. Er kann die Mietzinse aber auch nach und nach, stets aber spätestens am jeweiligen Fälligkeitstag, hinterlegen.

28

Verspätet hinterlegte Mietzinse sind an den Vermieter herauszugeben.

29

Hinterlegt der Mieter einen Teil der Mietzinse rechtzeitig und den anderen 30 Teil zu spät, so kann das Gericht auch schon vor dem Endentscheid die Her­ ausgabe der verspätet hinterlegten Mietzinse an den Vermieter anordnen (vgl. ZMP 2/03, Nr. 19). Bei verspätet hinterlegten Mietzinsen tritt sodann die Befreiungswirkung gemäss Abs. 2 nicht ein. Der Mieter gerät mit den fraglichen Betreffnissen in Zahlungsverzug, was dem Vermieter ein Vorgehen nach Art. 257d OR erlaubt (MfdP/Roy, N 11.7.6).

31

Gemäss BGE 124 III 201, E.  2d, kann der gesamte Mietzins (Nettomietzins 32 zuzüglich Nebenkosten) hinterlegt werden. Der hinterlegungsfähige Betrag ist zudem nicht von der Schwere des Mangels abhängig, dessen Beseitigung ver­ langt wird. Art.  259g OR erlaubt dem Mieter, die gesamten vertraglich ver­ einbarten, künftig fällig werdenden Leistungen dem Vermieter vorzuenthal­ ten, bis die bestehenden Mängel beseitigt sind (BGE, a.a.O.). Wird der Mangel indessen beseitigt, können keine weiteren Mietzinse mehr hinterlegt werden. Die Möglichkeit der Hinterlegung des vollen Mietzinses kann zu stossenden Ergebnissen führen; dies ist namentlich dann der Fall, wenn zwischen den bereits hinterlegten Mietzinsen und den finanziellen Ansprüchen des Mieters ein Missverhältnis besteht. Zu den dem Vermieter in solchen Fällen zu Gebote stehenden Möglichkeiten vgl. N 21 zu Art. 259h OR.

2.5

33

Schriftliche Ankündigung

Als weitere Voraussetzung im Rahmen der Hinterlegung des Mietzinses ver­ 34 langt das Gesetz, dass der Mieter die Hinterlegung – gemeint ist: die erfolgte Hinterlegung – dem Vermieter anzukündigen hat. Es handelt sich hier aller­ dings nicht um eine eigentliche Voraussetzung für die Hinterlegung, die ja im Zeitpunkt der Ankündigung bereits stattgefunden hat, sondern um eine Ordnungsvorschrift (Urteil des Bundesgerichts 4C.264/2003 vom 3.  Dezember 2003, E. 3.1, in: MRA 1/04, S. 10 ff.). Mit der Pflicht zur Ankündigung der Hin­ terlegung soll erreicht werden, dass der Vermieter nicht unnötigerweise die Betreibung einleitet oder andere rechtliche Massnahmen ergreift (vgl. sinnge­ mäss Zihlmann, Mietrecht, S. 72). Matthias Tschudi

365

Art. 259g 35

Die Ankündigung der Hinterlegung ist schliesslich von Bedeutung für den Anspruch des Vermieters auf Herausgabe der hinterlegten Mietzinse i.S.v. Art. 259h Abs. 2 OR. Durfte der Mieter aufgrund besonderer Umstände aus­ nahmsweise von der Fristansetzung und/oder Aufforderung zur Mängelbehe­ bung absehen (vgl. oben N 22), ist die Ankündigung der Hinterlegung zwingend zu erlassen. Unterbleibt die Hinterlegungsanzeige, ist die Hinterlegung wirkungslos (so Higi, ZK, N 45 zu Art. 259b OR).

36

Wie bereits andernorts erwähnt, kann der Mieter gemäss geltender Praxis nicht nur den Mietzins hinterlegen, der nach fruchtlosem Ablauf der Behe­ bungsfrist fällig wird, sondern auch solche Mietzinse, die später fällig werden. Mit Bezug auf die nach der Hinterlegung fälligen Mietzinsbetreffnisse ist der Vermieter häufig im Ungewissen, ob diese auch tatsächlich bei der zuständi­ gen Hinterlegungsstelle rechtsgültig hinterlegt worden sind. Um dem Vermie­ ter zu ermöglichen, dass er sich mit einem ihm zumutbaren Arbeitsaufwand davon überzeugen kann, dass der fällige Mietzins bzw. die fälligen Mietzinse bei der zuständigen Stelle hinterlegt werden, ist zu fordern, dass der Vermie­ ter regelmässig und unaufgefordert über jeweils eingegangene Mietzinsbetreff­ nisse von der Hinterlegungsstelle informiert wird (z.B. durch Zustellung einer Kopie der Gutschriftsanzeige). Andernfalls werden dem Vermieter allfällige Ansprüche bei Zahlungsverzug des Mieters verunmöglicht oder zumindest erschwert (zustimmend David, Mängel der Mietsache, S. 84, der zur Vermei­ dung allfälliger Missbräuche der Hinterlegung eine kantonale Regelung vor­ schlägt, wonach die Hinterlegungsstelle der Schlichtungsbehörde unaufgefor­ dert von jeder Hinterlegung Kenntnis zu geben hat).

2.6 Hinterlegungsstelle 37

Das Bundesrecht überlässt es den Kantonen, die für die Hinterlegung zustän­ dige Stelle zu bezeichnen (Näheres dazu Higi, ZK, N  71 zu Art.  259g OR), wobei im Einzelnen die Regelung desjenigen Kantons zu konsultieren ist, auf dessen Gebiet sich die Mietsache befindet.

38

Von Bundesrechts wegen fällt dieser Stelle nicht die Aufgabe zu, die Berech­ tigung des Hinterlegungsanspruchs des Mieters in formeller und materieller Hinsicht zu überprüfen. Diese Aufgabe obliegt vollumfänglich der Schlich­ tungs- bzw. Gerichtsbehörde, die nach erfolgter Hinterlegung im Sinne von Art.  259h und 259i OR tätig wird. Als Hinterlegungsstelle braucht daher nicht eine besondere, allenfalls mit Rechtskenntnissen ausgestattete Behörde

366

Matthias Tschudi

Art. 259g

bezeichnet zu werden, die auch nicht organisatorisch oder in anderer Weise der Schlichtungsbehörde oder einem Gericht angegliedert zu sein braucht.

3. Konsequenzen Abs. 2 von Art. 259g OR bestimmt, dass mit der Hinterlegung die Mietzinse 39 als bezahlt gelten. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der Mieter seine Zahlungspflicht mit der Hinterlegung des Mietzinses erfüllt hat (Zahlungsfiktion, Befreiungswirkung). Dies gilt jedoch nur dann, wenn alle Voraussetzun­ gen für die Hinterlegung gegeben sind: Das Mietobjekt muss also einen Man­ gel aufweisen, zu dessen Beseitigung der Vermieter nach Gesetz verpflichtet ist und dessen Behebung dem Vermieter möglich und zumutbar ist (N 11 ff.). Sodann muss der Mieter den Vermieter schriftlich zur Beseitigung aufgefor­ dert haben, mit der Androhung, dass er im Unterlassungsfalle vom Recht auf Hinterlegung Gebrauch machen würde. Als weitere Voraussetzung muss eine angemessene Frist zur Mängelbehebung angesetzt worden sein (N 18 ff.). Schliesslich dürfen nur Betreffnisse hinterlegt werden, die als Mietzinszahlung nach dem unbenützten Ablauf der vom Mieter angesetzten Frist fällig werden (N 25 ff.). Fehlt es auch nur an einer dieser Voraussetzungen, entfällt grundsätzlich die 40 befreiende Wirkung der Hinterlegung und gerät der Mieter in Zahlungsverzug. Der Vermieter kann i.S.v. Art. 257d OR vorgehen und die 30-tägige Zah­ lungsfrist ansetzen. Erweist sich alsdann im sich nach Art. 259h OR anschlies­ senden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren, dass die Hinterlegung wegen Fehlens einer der vorbeschriebenen Voraussetzungen unzulässig war, so ris­ kiert der Mieter die vorzeitige Auflösung des Mietvertrags (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 4C.264/2003 vom 3. Dezember 2003, in: MRA 1/04, S. 10 ff.). Dies gilt allerdings nicht ohne Ausnahme: Gemäss BGE 125 III 120 reicht es 41 grundsätzlich für die Befreiungswirkung, dass der Mieter bei der Hinterlegung gutgläubig davon ausgegangen ist, es liege ein Mangel vor, den er weder zu ver­ treten noch zu beseitigen hat. Stellt sich m.a.W. im Nachhinein, d.h. im sich der Hinterlegung anschliessenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren, heraus, dass gar kein Mangel vorlag, so ist eine vom Vermieter nach Art. 257d OR aus­ gesprochene Kündigung gleichwohl unwirksam, solange nur der Mieter gut­ gläubig vom Vorliegen eines Mangels ausgegangen ist. Diese «Gutglaubensüberlegungen» gelten indessen nicht für die übrigen 42 Vo­raussetzungen der Hinterlegung, namentlich nicht für das Erfordernis der

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367

Art. 259g

Ansetzung einer Behebungsfrist und der Androhung der Hinterlegung (Urteil des Bundesgerichts 4C.264/2003 vom 3. Dezember 2003, in: MRA 1/04, S. 10 ff., MRA 3/12, S. 154). 43

Sind sämtliche Voraussetzungen für eine rechtmässige Hinterlegung erfüllt, ändert sich an der Zahlungsfiktion bzw. an der Befreiungswirkung nichts, wenn der Mieter anschliessend seine Ansprüche nicht oder in fehlerhafter Weise bei der Schlichtungsbehörde geltend macht (Art.  259h Abs.  1 OR; Näheres zu den «Ansprüchen» des Mieters unter N  3  ff. zu Art.  259h OR). Wenngleich die hinterlegten Mietzinse in solchen Fällen an den Vermieter herauszuge­ ben sind, gerät der Mieter nicht in Zahlungsverzug (Urteil des Bundesgerichts 4C.331/2004 vom 17. März 2005, E. 2–2.3, in: MRA 1/06, S. 34 ff.).

44

Nicht geregelt und bis heute unbeantwortet ist die Frage, welche Aufgaben der Hinterlegungsstelle bzw. der Schlichtungsbehörde zukommen bezüglich Kontrolle und Überwachung von bewilligten Mietzinshinterlegungen. Ab dem Zeitpunkt, in dem der Mieter die Mietzinse hinterlegt, ist dem Vermie­ ter die Überwachung der Mietzinseingänge nicht mehr – jedenfalls aber nur unter unverhältnismässigem Aufwand – möglich: Der Vermieter müsste sich nach jedem Fälligkeitstermin bei der Schlichtungsbehörde erkundigen, ob der zu hinterlegende Mietzins bei der Hinterlegungsstelle tatsächlich einbezahlt worden ist. Es ist deshalb zu fordern, dass ab dem Zeitpunkt der Hinterlegung von Mietzinsen die zuständigen Behörden die Zahlungseingänge kontrollie­ ren und dem Vermieter Mitteilung machen, wenn bei der Hinterlegungsstelle keine Mietzinse (mehr) eingehen. Diese Informations- bzw. Aufklärungspflicht wird vor allem bei mehrere Monate bis Jahre dauernden Hinterlegungsprozes­ sen aktuell und gewinnt zusätzliche Bedeutung, wenn der Mieter in Zahlungs­ schwierigkeiten gerät. Kommt der Mieter seiner Mietzinszahlungspflicht nicht vollständig nach und unterbleibt eine entsprechende Meldung an den Vermie­ ter, wird der Staat für daraus entstehende Verluste des Vermieters haftpflichtig.

368

Matthias Tschudi

Matthias Tschudi

Art. 259h b. Herausgabe der hinterlegten Mietzinse 1 Hinterlegte

Mietzinse fallen dem Vermieter zu, wenn der Mieter seine Ansprüche gegenüber dem Vermieter nicht innert 30 Tagen seit Fälligkeit des ersten hinterlegten Mietzinses bei der Schlichtungsbehörde geltend gemacht hat. 2 Der

Vermieter kann bei der Schlichtungsbehörde die Herausgabe der zu Unrecht hinterlegten Mietzinse verlangen, sobald ihm der Mieter die Hinterlegung angekündigt hat. b.

Libération des loyers consignés

1 Les

loyers consignés sont acquis au bailleur si le locataire ne fait pas valoir, dans les 30 jours qui suivent l’échéance du premier loyer consigné, ses prétentions contre le bail­ leur auprès de l’autorité de conciliation. 2 Dès que le locataire a avisé le bailleur qu’il consignera les loyers à échoir, le bailleur peut

demander à l’autorité de conciliation d’ordonner le versement des loyers consignés à tort.

b.

Liberazione delle pigioni depositate

1 Le

pigioni depositate sono devolute al locatore se il conduttore non fa valere innanzi l’autorità di conciliazione, entro 30 giorni dalla scadenza della prima pigione depositata, le proprie pretese contro il locatore.

2 Non

appena ricevuto dal conduttore l’avviso del deposito, il locatore può domandare all’autorità di conciliazione la liberazione delle pigioni depositate a torto.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

370

2.

Ansprüche des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

370

3. 3.1 3.2 3.3

Ansprüche des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Klage auf Herausgabe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Vom Mieter eingeleitetes Verfahren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Vorsorgliche Massnahme .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

372 372 374 375

Matthias Tschudi

369

Art. 259h

1. Vorbemerkungen 1

Das geltende Mietrecht sieht bei der Hinterlegung grundsätzlich zwei ver­ schiedene Möglichkeiten vor, wie das Verfahren um die Ansprüche des Mieters in Gang gesetzt werden kann. Entweder hat der Mieter seine Ansprüche innert 30 Tagen seit Fälligkeit des ersten hinterlegten Mietzinses bei der Schlichtungsbehörde geltend zu machen (Art. 259h Abs. 1 OR), oder aber der Ver­ mieter verlangt die Herausgabe des Mietzinses (Art. 259h Abs. 2 OR). Damit kann der Vermieter eine Beschleunigung des Herausgabeverfahrens erreichen. Die Norm will damit sicherstellen, dass die Hinterlegung eine vorübergehende Massnahme bleibt.

2

Mit Bezug auf den zwingenden Charakter von Art. 259h OR kann auf die Aus­ führungen in N 1 zu Art. 256 OR verwiesen werden. Nach richtiger Auffassung Higis spricht der Charakter der Norm nicht gegen die Möglichkeit der Parteien, die Herausgabe der hinterlegten Mietzinse auf gemeinsames Begehren vor der Anhebung einer Klage des Mieters oder Vermieters zu verlangen (ZK, N 5 zu Art. 259h OR).

2.

Ansprüche des Mieters

3

Die Hinterlegung des Mietzinses durch den Mieter bewirkt nicht, dass von Amtes wegen ein Verfahren um die Berechtigung der Hinterlegung und um die Ansprüche des Mieters eingeleitet wird. Der Mieter ist vielmehr gehalten, seine Ansprüche gegenüber dem Vermieter innert 30 Tagen seit Fälligkeit des ersten hinterlegten Mietzinses – und nicht etwa vom Datum der ersten Hin­ terlegung an – mittels Klage bei der Schlichtungsbehörde geltend zu machen. Unterlässt er dies oder erfolgt die Klageeinleitung zu spät, so sind die hinterleg­ ten Mietzinse an den Vermieter herauszugeben und hat der Mieter von vorne zu beginnen (Fristansetzung zur Mängelbeseitigung usw.), falls die gerügten Mängel zwischenzeitlich noch nicht behoben sind.

4

Da die Hinterlegung ein Druckmittel zur Durchsetzung des Mängelbeseitigungsanspruchs ist (vgl. N 5 zu Art. 259g OR), bildet notwendiger Inhalt der Klage des Mieters das Begehren auf Beseitigung des Mangels durch den Vermieter (Art. 259a Abs. 1 Buchst. a, Art. 259b OR) oder auf Ermächtigung (Art. 98 OR), den Mangel auf Kosten des Vermieters beseitigen zu lassen (vgl. auch CHK, N  9 zu Art.  259g–i OR). Zusammen mit dem Beseitigungsan­ spruch können sodann auch andere Mängelansprüche in Streit gesetzt werden, so namentlich der Anspruch auf verhältnismässige Herabsetzung des Miet­ 370

Matthias Tschudi

Art. 259h

zinses nach Art. 259d OR inkl. Rückforderung von in der Vergangenheit zu viel bezahlten Mietzinsen oder der Anspruch auf Schadenersatz gestützt auf Art. 259e OR. Klagt der Mieter ausschliesslich Ansprüche aus Mietminderung (Art. 259d 5 OR) oder Schadenersatz (Art. 259e OR) ein, so ist eine Hinterlegung nicht gerechtfertigt und die hinterlegten Mietzinse sind an den Vermieter heraus­ zugeben (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.35/2003 vom 3. Juni 2003, in: MRA 1/04, S.  27  ff.: Das Bundesgericht erachtet darin die Auffassung der Vorins­ tanz, wonach einzig die Erhebung von Schadenersatzforderungen eine Hinter­ legung des Mietzinses nicht rechtfertige, als nicht willkürlich; ferner CHK, N 9 zu Art. 259g–i OR). Eine Ausnahme muss immerhin dort gelten, wo ein Man­ gel, der berechtigterweise Anlass zur Hinterlegung gegeben hat, nach erfolgter Hinterlegung, aber noch vor Klageerhebung behoben wird. Eine klageweise Beseitigung des Mangels kann hier nicht mehr verlangt werden. Gleichwohl muss es in einem solchen Fall möglich und zulässig sein, dass der Mieter all­ fällige Ansprüche aus Mietminderung, auf Schadenersatz oder, wenn er den Mangel selber behoben hat (Art. 259b Buchst. b OR), auf Kostenersatz klage­ weise geltend machen und die Befriedigung dieser Ansprüche aus den hin­ terlegten Mietzinsen verlangen kann (vgl. auch CHK, N 9 zu Art. 259g–i OR; MfdP/Roy, N 11.7.7.2; Tschudi, Zuständigkeit, S. 49). Unterlässt es der Mieter, innert der Frist von 30 Tagen die Schlichtungsbehörde 6 anzurufen, so fallen die hinterlegten Mietzinse ohne Weiteres dem Vermieter zu (Art. 259h Abs. 1 OR). Die entsprechende Überweisung hat von der Hin­ terlegungsstelle aus von Amtes wegen zu erfolgen, nachdem das Gesetz aus­ drücklich nicht vorschreibt, dass sich nach Fristablauf der Vermieter um die Herausgabe zu bemühen habe. Im Übrigen ändert der Umstand, dass der Mieter seine Ansprüche nicht, zu 7 spät oder in fehlerhafter Weise bei der Schlichtungsbehörde geltend macht – mit der Folge, dass die Mietzinse an den Vermieter herauszugeben sind  –, nichts an der Zahlungsfiktion bzw. Befreiungswirkung gemäss Art. 259g Abs. 2 OR. Waren m.a.W. im Zeitpunkt der Hinterlegung sämtliche Gültigkeitsvo­ raussetzungen erfüllt (vgl. dazu N 5 ff. zu Art. 259g OR), gelten die hinterleg­ ten Mietzinse gemäss Art.  259g Abs.  2 OR auch noch als bezahlt, wenn der Mieter anschliessend seine Ansprüche nicht innert Frist oder in fehlerhafter Weise bei der Schlichtungsbehörde einklagt. Der Mieter gerät dadurch nicht – gewissermassen nachträglich – in Zahlungsverzug (Urteil des Bundesgerichts 4C.331/2004 vom 17. März 2005, E. 2.3).

Matthias Tschudi

371

Art. 259h 8

In prozessualer Hinsicht stellt sich sodann die Frage, ob der Mieter alle im Rah­ men des Hinterlegungsverfahrens möglichen Forderungen innert der 30-tägi­ gen Frist von Art. 259h Abs. 1 OR einzuklagen hat oder ob er allenfalls auch im Rahmen der Schlichtungsverhandlung noch zusätzliche Ansprüche erhe­ ben kann. Zu denken ist etwa an den Fall, wo der Mieter im Zeitpunkt der Klageeinleitung nebst der Beseitigung des Mangels eine Herabsetzung des Mietzinses um monatlich 15% verlangt, im Rahmen der mündlichen Schlich­ tungsverhandlung sodann nebst einer auf monatlich 25% erhöhten Herabset­ zung zusätzlich Schadenersatz verlangt. Sinn und Zweck von Art. 259h OR ist es sicherzustellen, dass die Hinterlegung eine vorübergehende Massnahme bleibt (N  1). Aus diesem Grund enthält die Norm eine 30-tägige Klagefrist; verbunden mit der Möglichkeit des Vermieters, selber die Initiative zu ergrei­ fen und die Herausgabe der Mietzinse zu verlangen. Dass die Norm darüber hinaus eine Beschränkung des Prozessthemas auf den Zeitpunkt der Kla­ geeinleitung statuiert, ist demgegenüber nicht anzunehmen. Plausible oder gar zwingende Gründe, die dafürsprechen würden, sind keine ersichtlich. Die Möglichkeit, nebst dem Beseitigungsanspruch, den der Mieter zwingend innerhalb von 30 Tagen einzuklagen hat (vgl. N 4), noch andere oder umfang­ mässig weitere Mängelansprüche anlässlich der Schlichtungsverhandlung gel­ tend zu machen, bestimmt sich somit einzig nach der Schweizerischen Zivil­ prozessordnung.

9

Vorfrageweise und von Amtes wegen hat die Schlichtungsbehörde bei der Klage des Mieters stets zunächst über die Hinterlegungsberechtigung zu befin­ den, d.h., sie hat vorab zu prüfen, ob sämtliche Voraussetzungen für die Hin­ terlegung erfüllt sind (Mangel, Beseitigungsanspruch des Mieters, schriftliche Aufforderung zur Mängelbeseitigung innert angemessener Frist mit Andro­ hung der Hinterlegung, Hinterlegung nur künftig fällig werdender Mietzinse; vgl. dazu N 5 ff. zu Art. 259g OR). Die diesbezügliche Beweislast liegt beim Mieter (MfdP/Roy, N 11.7.7.3).

10

3.

Ansprüche des Vermieters

3.1

Klage auf Herausgabe

Das Gesetz ermöglicht es dem Vermieter, nach erfolgter Hinterlegung umge­ hend bei der Schlichtungsbehörde die Herausgabe der zu Unrecht hinterleg­ ten Mietzinse zu verlangen. Es soll ihm nicht zugemutet werden abzuwarten,

372

Matthias Tschudi

Art. 259h

ob der Mieter innert der gesetzlichen Frist von 30 Tagen ab Fälligkeit des Miet­ zinses die Schlichtungsbehörde anruft oder nicht. Prozessthema bei der Vermieterklage bildet in erster Linie die Hinterlegungs­ 11 berechtigung des Mieters. Die Klage des Vermieters lautet daher regelmässig auf Feststellung, dass der Mieter zur Hinterlegung der Mietzinse nicht berech­ tigt war (Tschudi, Zuständigkeit, S. 50). Dass dem Vermieter beim Vorgehen nach Art. 259h Abs. 2 OR die Klägerrolle zufällt, ist ohne Bedeutung für die Behauptungs- und Beweislast. Auch im vom Vermieter eingeleiteten Verfah­ ren trägt der Mieter die Beweislast dafür, dass sämtliche Voraussetzungen für eine gültige Hinterlegung vorliegen bzw. im Zeitpunkt der Hinterlegung vorla­ gen (MfdP/Roy, N 11.7.7.3). Nebst dem Feststellungsbegehren dürfte es sodann zulässig sein, dass der Ver­ 12 mieter weitere Ansprüche klageweise geltend macht; dies zumindest dann, wenn der eingeklagte Anspruch mit dem Mangel, der Ursache für die Hin­ terlegung war, im Zusammenhang steht. Zu denken ist hier insbesondere an den Anspruch auf Schadenersatz infolge Verletzung der Mängelanzeigepflicht gemäss Art. 257g OR durch den Mieter (a.M. Higi, ZK, N 27 zu Art. 259i OR). Schliesslich wird auch dafürgehalten, dass der Vermieter im Verfahren nach 13 Art.  259h Abs.  2 OR das Vorliegen eines Mangels und die Zulässigkeit der Hinterlegung anerkennen kann, im Schlichtungsverfahren aber aufzeigen kann, dass die bereits hinterlegten Mietzinse zur Befriedigung der Ansprü­ che des Mieters genügen bzw. weit darüber hinausgehen. In diesem Fall lau­ tet die Klage des Vermieters auf Feststellung, dass der Mieter zu weiterer Hin­ terlegung nicht berechtigt ist und/oder auf Herausgabe der zu viel hinterlegten Mietzinse (MfdP/Roy, N 11.7.8.2). Hat der Mieter bereits Klage erhoben, schliesst dies die Herausgabeklage des 14 Vermieters aus, denn die Hinterlegungsberechtigung, die bei der Vermieter­ klage das Prozessthema bildet, ist im Rahmen der Mieterklage als Vorfrage von Amtes wegen zu prüfen (N 9; gl.M. Higi, ZK, N 24 zu Art. 259h OR). Eine andere Frage ist, ob der Mieter seine Ansprüche (N 4) auch dann spätes­ 15 tens innerhalb von 30 Tagen ab Fälligkeit des ersten hinterlegten Mietzinses klageweise geltend zu machen hat (vgl. Abs. 1; dazu N 3 ff.), wenn der Vermie­ ter zuvor die Herausgabeklage eingeleitet hat. Die Frage ist grundsätzlich zu bejahen, und zwar deswegen, weil die Prozessthemen der Vermieterklage und der Mieterklage verschieden bzw. nicht deckungsgleich sind. Während es bei der Herausgabeklage des Vermieters grundsätzlich nur um die Hinterlegungs­ berechtigung geht, sind Gegenstand der Mieterklage darüber hinaus und not­ Matthias Tschudi

373

Art. 259h

wendigerweise die eigentlichen Mängelansprüche (vgl. dazu N  4). Die Auf­ rechterhaltung der Hinterlegung gemäss Abs. 1 hängt, wie gezeigt (N 4), nicht nur von der Hinterlegungsberechtigung (d.h. vom Vorliegen aller Vorausset­ zungen für die Hinterlegung; vgl. N 5 ff. zu Art. 259g OR) ab, sondern auch davon, dass der Mieter seine Mängelansprüche (namentlich den Beseitigungs­ anspruch; N 4) innert Frist in korrekter Weise in Streit setzt. Dieses Erforder­ nis aber ist allein mit der Herausgabeklage des Vermieters noch nicht erfüllt. Von daher ist es unumgänglich, dass der Mieter seinerseits seine Ansprüche auf Mängelbeseitigung (evtl. auf Mietminderung, Schaden- oder Kostener­ satz) klageweise geltend macht, und zwar spätestens innerhalb von 30 Tagen ab Fälligkeit des ersten hinterlegten Mietzinses. Der Mieter kann dies entweder durch eine eigene (Haupt-)Klage tun, wobei hier je nachdem die Möglichkeit besteht, die beiden Verfahren formell zu vereinigen, oder aber, so es die zeit­ lichen Verhältnisse zulassen, mittels Widerklage im Verfahren des Vermieters. 16

In Ergänzung zum zu engen Wortlaut von Art. 259h Abs. 2 OR, wonach der Vermieter die Herausgabe des hinterlegten Mietzinses verlangen kann, sobald ihm der Mieter die Hinterlegung angekündigt hat, steht dem Vermieter das Klagerecht vielmehr ab dem Zeitpunkt zu, in welchem er von der Hinterlegung des Mietzinses Kenntnis erhalten hat. Da mieterseits die Ankündigung der Hinterlegung häufig unterlassen wird, erfährt der Vermieter unter Umständen erst mit der Anzeige der Hinterlegungsstelle, dass Mietzinse hinterlegt wurden (im Ergebnis wohl auch Higi, ZK, N 31 zu Art. 259h OR).

17

Eine Beschränkung der Klagefrist auf 30 Tage nach Kenntnisnahme der Hin­ terlegung (oder Eingang der Hinterlegungsanzeige) geht weder aus dem Gesetz hervor noch verträgt sie sich mit dem legitimen Interesse des Vermieters, allen­ falls zu Unrecht hinterlegte Mietzinse jederzeit herauszuverlangen (so auch Züst, Mängelrechte, S.  319, der das Herausgaberecht des Vermieters zeitlich nicht beschränkt; a.M. Higi, ZK, N 26 zu Art. 259h OR, der die Klage des Ver­ mieters unter Verwirkungsfolge auf 30 Tage nach Eingang der Hinterlegungs­ anzeige beschränken will).

3.2 18

Vom Mieter eingeleitetes Verfahren

Ist der Mieter Kläger, so sind auch Ansprüche des Vermieters zu prüfen, sofern diese mit dem Mangel, der Ursache für die Hinterlegung war, in Zusammen­ hang stehen oder einredeweise  – z.B. als Verrechnungsansprüche  – gel­ tend gemacht werden können (Urteil des Bundesgerichts 4C.319/2005 vom 2.  August 2005, E.  2.4.1; vgl. Higi, ZK, N  26 zu Art.  259i OR) und tatsäch­

374

Matthias Tschudi

Art. 259h

lich geltend gemacht worden sind. Zu denken ist hier insbesondere an den Schadenersatzanspruch des Vermieters aus unterlassener Mängelanzeige (Art.  257g OR) oder z.B. an den Nachforderungsanspruch des Vermieters, wenn er der Meinung ist, der Mieter habe den Mietzins in der Zeit vor der Hinterlegung mehr herabgesetzt, als dies gemäss Art. 259d OR zulässig gewe­ sen wäre (Tschudi, Zuständigkeit, S. 49).

3.3

Vorsorgliche Massnahme

Während eines pendenten Hinterlegungsstreits beim Gericht steht dem Ver­ 19 mieter sodann das Recht zu, die Herausgabe eines Teils des hinterlegten Miet­ zinses mittels vorsorglicher Massnahmen zu verlangen; dies dann, wenn zwi­ schen den bereits hinterlegten Mietzinsen und den Mängelbeseitigungskosten und allenfalls zusätzlichen finanziellen Ansprüchen des Mieters (Mietzinsre­ duktion, Schadenersatz usw.) ein Missverhältnis besteht. Dabei geht es, wie das Bundesgericht betont, nicht um einen Vorentscheid über die «Begründet­ heit» der vom Mieter eingeleiteten Klage oder darum, ihm ein Druckmittel aus der Hand zu nehmen, sondern vielmehr darum, die Voraussetzungen für das Funktionieren einer Vertragsbeziehung während eines Verfahrens zu schaf­ fen, wenn das Leistungsgleichgewicht gefährdet ist (Urteil des Bundesgerichts 4C.35/2003 vom 3. Juni 2003, E. 2.2–2.4, in: MRA 1/04, S. 27 ff.; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4P.51/2004 vom 1. Juni 2004, E. 2). Die Anordnung einer vorsorglichen Massnahme setzt die Glaubhafthaftma- 20 chung eines drohenden, nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteils vo­raus (Urteil des OGer Kanton Zürich vom 25.  Juni 2013, E.  3.4, in: mp 2/2015, S. 122 ff.; so auch der Einzelrichter am Mietgericht Zürich in ZMP 2/03, Nr. 20; ebenso Weber, BSK, N 2 zu Art. 259h–i OR). Der Vermieter wird daher in der Regel glaubhaft machen müssen, dass er sich  – allenfalls auch als Folge der bereits erfolgten Hinterlegung – in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befindet, in der die weitere Vorenthaltung der Mietzinse unangemessene Fol­ gen zeitigt (MfdP/Roy, N 11.7.8.3). Vom Zweck der Mietzinshinterlegung als Druckmittel nicht gedeckt ist es nämlich, dass der Vermieter während des Pro­ zesses um die hinterlegten Mietzinse in finanzielle Bedrängnis gerät und zur schnellen Erledigung des Prozessverfahrens materiell nicht berechtigte Zuge­ ständnisse macht, um rascher über die ihm vorenthaltenen Mietzinse verfügen zu können (Urteil des OGer Kanton Zürich vom 25. Juni 2013, E. 3.4, in: mp 2/2015, S. 122 ff.).

Matthias Tschudi

375

Art. 259h 21

Unter den genannten Voraussetzungen kann mittels vorsorglicher Massnah­ men nicht nur eine teilweise Herausgabe der hinterlegten Mietzinse verfügt werden, sondern auch eine Beschränkung des künftigen Hinterlegungsbetrags (CHK, N 9 zu Art. 259g–i OR; Einzelrichter am Mietgericht Zürich in ZMP 2/03, Nr. 20). In jedem Fall aber ist darauf zu achten, dass das Ausmass der vorsorglichen Massnahme die Vollstreckung des Entscheids in der Hauptsa­ che nicht gefährdet (Urteil des Bundesgerichts 4C.35/2003 vom 3. Juni 2003, E. 2.4).

22

Verfügt das Gericht im Rahmen einer vorsorglichen Massnahme, dass ein Teil des hinterlegten Betrags freizugeben ist, handelt es sich um einen Zwischenentscheid im Sinne des BGG (Urteil des Bundesgerichts 4A_347/2013 vom 7. November 2013, E. 1.4.2).

23

Die Anordnung vorsorglicher Massnahmen ist aufgrund des klaren Wortlau­ tes von Art. 261 ZPO sowie aus verfahrensökonomischen Überlegungen dem Richter vorbehalten; die Schlichtungsbehörde ist dazu nicht befugt.

376

Matthias Tschudi

Matthias Tschudi

Art. 259i c. Verfahren Das Verfahren richtet sich nach der ZPO. c. Procédure La procédure est régie par le CPC.

c. Procedura La procedura è retta dal CPC.

Die Bestimmung nimmt direkt Bezug auf Art. 259h OR, wonach der Mieter 1 innert einer Frist von 30 Tagen seit Fälligkeit des ersten hinterlegten Mietzin­ ses seine Ansprüche bei der Schlichtungsbehörde geltend machen muss bzw. der Vermieter bei der Schlichtungsbehörde die Herausgabe der zu Unrecht hinterlegten Mietzinse verlangen kann. Andere Hinterlegungstatbestände wie bspw. Art. 92, 96 oder 168 OR werden von dieser Bestimmung jedoch nicht erfasst (CHK, N 2 zu Art. 259g–i OR). Art.  259i OR stellt dabei lediglich eine Verweisungsnorm auf die Bestim­ 2 mungen zum Schlichtungsverfahren dar, die seit dem 1.  Januar 2011 in der Schweizerischen Zivilprozessordnung zusammengefasst sind. Eine ausführli­ che Darstellung des Verfahrens vor Schlichtungsbehörde findet sich in Kapitel «Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen».

Matthias Tschudi

377

Hans Bättig

Art. 260–260a Art. 260 H. Erneuerungen und Änderungen I.

Durch den Vermieter

1 Der

Vermieter kann Erneuerungen und Änderungen an der Sache nur vornehmen, wenn sie für den Mieter zumutbar sind und wenn das Mietverhältnis nicht gekündigt ist. 2 Der

Vermieter muss bei der Ausführung der Arbeiten auf die Interessen des Mieters Rücksicht nehmen; allfällige Ansprüche des Mieters auf Herabsetzung des Mietzinses (Art. 259d) und auf Schadenersatz (Art. 259e) bleiben vorbehalten.

H.

Rénovation et modification

I.

Par le bailleur

1 Le

bailleur n’a le droit de rénover ou de modifier la chose que si les travaux peuvent rai­ sonnablement être imposés au locataire et que le bail n’a pas été résilié.

2 Lors de l’exécution de tels travaux, le bailleur doit tenir compte des intérêts du locataire;

les prétentions du locataire en réduction du loyer (Art. 259d) et en dommages-intérêts (Art. 259e) sont réservées.

H.

Migliorie e modificazioni

I.

Da parte del locatore

1 Il

locatore può procedere a migliorie o modificazioni della cosa soltanto se possono essere ragionevolmente imposte al conduttore e sempreché non sia già stata data disdetta.

2 Nell’esecuzione dei lavori, il locatore deve aver riguardo per gli interessi del conduttore;

sono salve eventuali pretese del conduttore di riduzione del corrispettivo (Art. 259d) e risarcimento dei danni (Art. 259e).

378

Hans Bättig

Art. 260–260a

Art. 260a II. Durch den Mieter 1 Der

Mieter kann Erneuerungen und Änderungen an der Sache nur vornehmen, wenn der Vermieter schriftlich zugestimmt hat.

2 Hat

der Vermieter zugestimmt, so kann er die Wiederherstellung des früheren Zustandes nur verlangen, wenn dies schriftlich vereinbart worden ist.

3 Weist die Sache bei Beendigung des Mietverhältnisses dank der Erneuerung

oder Änderung, welcher der Vermieter zugestimmt hat, einen erheblichen Mehrwert auf, so kann der Mieter dafür eine entsprechende Entschädigung verlangen; weitergehende schriftlich vernbarte Entschädigungs­ ansprüche bleiben vorbehalten. II.

Par le locataire

1 Le locataire n’a le droit de rénover ou de modifier la chose qu’avec le consentement écrit

du bailleur.

2 Lorsque

le bailleur a donné son consentement, il ne peut exiger la remise en état de la chose que s’il en a été convenu par écrit. 3 Si,

à la fin du bail, la chose présente une plus-value considérable résultant de la rénova­ tion ou de la modification acceptées par le bailleur, le locataire peut exiger une indemnité pour cette plus-value; sont réservées les conventions écrites prévoyant des indemnités plus élevées.

II.

Da parte del conduttore

1 Il

conduttore può procedere a migliorie o modificazioni della cosa soltanto con il con­ senso scritto del locatore.

2 Il locatore, se ha consentito, può esigere il ripristino dello stato anteriore soltanto se pat­

tuito per scritto.

3 Se, al termine della locazione, la cosa presenta un aumento di valore rilevante, risultante

dalla miglioria o dalla modificazione consentita dal locatore, il conduttore può preten­ dere un’indennità per tale aumento di valore; sono salve le stipulazioni scritte prevedenti indennità più elevate.

Hans Bättig

379

Art. 260–260a

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Gegenstand und Zweck .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Charakter der Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

381 381 382

2 Änderungen und Erneuerungen durch den Vermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Begriffe und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Grundsätzliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Ausführung der Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.5 Rechte und Pflichten des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.6 Rechtsbehelfe der Parteien .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

384 384 386 387 395 397 401

3 Änderungen und Erneuerungen durch den Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Begriffe und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Grundsätzliche Unzulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.3 Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.4 Wiederherstellungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.5 Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.6 Bestimmung des erheblichen Mehrwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.7 Rechtsbehelfe zur Durchsetzung von Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

402 402 403 404 407 412 415 422

380

Hans Bättig

Art. 260–260a

1. Vorbemerkungen 1.1

Gegenstand und Zweck

1.1.1

Art. 260 OR

Nach altem Recht, das durch die Mietrechtsnovelle am 1.  Juli 1990 abgelöst 1 wurde, hatte der Mieter nur «dringende Ausbesserungen» an der Mietsache zu dulden (Art. 256 Abs. 1 aOR). Der Mieter hatte Verbesserungen oder Umbau­ ten an der Mietsache selbst dann nicht zu dulden, wenn diese zweckmässig und dem Mieter zumutbar waren (Schmid, ZK, N 2 zu Art. 256 aOR, mit Verwei­ sen: u. a. Einbau eines Badezimmers, Einbau der Zentralheizung). Das Inte­ resse des Mieters am ungestörten Gebrauch der Mietsache wurde dabei – zum Schutz des Mieters – sehr grosszügig interpretiert. So kam Schmid, ZK, N 1 zu Art. 256 aOR zum Schluss, der Mieter hätte «die Beseitigung blosser Unan­ nehmlichkeiten oder Instandstellungen, auf die der Mieter keinen Wert legt», nicht zu dulden. (Ähnlich Oser/Schönenberger, ZK, N 3 zu Art. 256 aOR, wel­ cher die Duldungspflicht des Mieters sogar für den Fall verneint, dass zwar die Gebrauchsfähigkeit der Mietsache wohl beeinträchtigt sein könne, der Mieter sich aber einen Eingriff in die Mietsache nicht gefallen lassen müsse, wenn er durch diese Störung stärker belästigt werde.) Nach altem Recht war es somit dem Vermieter nicht möglich, während der 2 Dauer eines Mietverhältnisses gegen den Willen des Mieters eine sanfte Reno­ vation oder eine Modernisierung des Mietobjektes durchzuführen. Freilich blieb dieses Verbot in der Praxis regelmässig unbeachtet. Bereits vor Inkraft­ treten des revidierten Rechts wurde die Mehrzahl von Mietliegenschaften in bewohntem Zustand renoviert, ohne dass es soweit ersichtlich zu Klagen von Mietern kam, die sich der Renovation gestützt auf Art. 256 aOR widersetzt hät­ ten. Diese Tatsache hatte zur Konsequenz, dass der Vermieter – wenn sich der Mie­ 3 ter weigerte, die Renovation zu dulden  – vor allfälligen Erneuerungs- oder Modernisierungsarbeiten im Mietobjekt gezwungen war, alle Mietverhältnisse zu kündigen und das Mietobjekt zu räumen, wenn er eine sanfte Renovation und/oder Modernisierung seines Objektes durchführen wollte. Diese Konse­ quenz war aus der Sicht des Schutzes des Mieters vor unnötigen Kündigungen nicht erwünscht (NR Jeanprêtre, AB NR 1989, S. 501). Diese unerwünschten Folgen der starren Regelung im alten Recht beseitigt Art. 260 OR.

Hans Bättig

381

Art. 260–260a

1.1.2 4

Art. 260a OR

Auch Art.  260a OR ist auf den 1.  Juli 1990 ins Mietvertragsrecht eingefügt worden. Er verschafft dem Mieter aber – identisch zum alten Recht (Art. 261 Abs.  1 aOR)  – keine grundsätzlich neuen Ansprüche gegenüber dem Ver­ mieter. Vielmehr regelt der Art. 260a OR die frühere Praxis zum Tatbestand der Erneuerungs- und Änderungsarbeiten durch den Mieter und räumt ihm – unter bestimmten Voraussetzungen – einen direkt aus dem Mietvertrag flies­ senden Entschädigungsanspruch für den für seine baulichen Arbeiten geschaf­ fenen Mehrwert am Mietobjekt ein. Im alten Recht hatte der Mieter dafür den Rechtsbehelf der ungerechtfertigten Bereicherung (Art. 62 ff. OR) in Anspruch zu nehmen, der mit einer sehr kurzen Verjährungsfrist von einem Jahr ausge­ staltet ist (Art. 67 OR).

1.2

Charakter der Normen

5

Bei der Klärung dieser Frage ist zwischen den Bestimmungen im Mietvertrag der Parteien selbst (N 7 f.) und allfälligen besonderen Abreden im Zeitpunkt der Durchführung von Erneuerungs- und/oder Änderungsarbeiten (N 9 f.) zu unterscheiden.

6

Übereinstimmend mit Higi ist Art. 260 Abs. 1 OR als relativ zwingende Norm zu qualifizieren. Der Mieter kann demnach im Voraus bzw. bei Vertragsab­ schluss (anders jedoch im Rahmen eines konkret bevorstehenden Vorhabens während laufendem Mietverhältnis, vgl. N  8  f. hernach) auf den ihm darin gewährten Schutz nicht rechtsgültig verzichten (Higi, ZK, N 6 zu Art. 260 OR; abweichend Roncoroni, zwingende Bestimmungen II, S. 79, der grundsätzlich zu Recht einwendet, der Umstand, dass der Mieter später sehr wohl auf die Geltendmachung eines Anspruches verzichten könne, führe nicht dazu, die Bestimmung zu einer relativ zwingenden zu machen, denn sie beziehe sich aus­ drücklich auf den im Voraus erklärten Verzicht.).

7

Ebenfalls zwingend ist Art.  260 Abs.  2 OR, sodass weder auf die Pflicht des Vermieters zur Rücksichtnahme noch auf die dem Mieter darin eingeräumten Rechte verzichtet werden kann. Es stünde dem Vermieter allerdings frei, sich bereits im Mietvertrag zugunsten des Mieters zu weitergehenden Leistungen zu verpflichten, als dies Art. 260 Abs. 2 OR vorschreibt, z.B. nebst Mietzinsre­ duktion und Schadenersatz zusätzlich eine Entschädigung.

8

Art.  260a Abs.  2 OR ist absolut zwingender Natur (Roncoroni, zwingende Bestimmungen I, S. 82). In den Mietvertrag dürfen somit keine vom Gesetz

382

Hans Bättig

Art. 260–260a

abweichenden Bestimmungen aufgenommen werden. Finden sich solche vor, sind sie nichtig und haben – unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs – unbe­ achtet zu bleiben. Demgegenüber hat die Rechtsprechung Art.  260a Abs.  3 OR als dispositive 9 Norm qualifiziert. Den Parteien steht es somit frei, Vereinbarungen darüber zu treffen, unter welchen Bedingungen der Vermieter das Einverständnis zu Änderungen und Erneuerungen erteilen will (BGE 124 III 149, E. 4 und 5, BGE 126 III 505, E. 4.cc, Urteil des Bundesgerichts 4C.18/2006 vom 29. März 2006, E. 3.1.1, in: MRA 06/3, S. 108; MfdP/Wyttenbach, N 32.8.4.3; so nun auch Ron­ coroni, zwingende Bestimmungen II, S. 108, der zu Recht darauf hinweist, dass andernfalls die für den Mieter nachteiligere Pflicht zur Wiederherstellung ver­ langt würde; a.M. einzig Weber, BSK, N  6 zu Art.  260a OR). Unter «weiter­ gehenden Vereinbarungen» über die Entschädigungspflicht des Vermieters ist daher auch deren Wegbedingung möglich. Von den im ursprünglichen Mietvertrag hinsichtlich Erneuerungs- und Ände­ 10 rungsarbeiten enthaltenen Bestimmungen klar abzugrenzen sind Parteiab­ sprachen mit Bezug auf ein bestimmtes, konkret bevorstehendes Erneuerungsund/oder Änderungsvorhaben des Vermieters (Art. 260 OR). Mit einem Antrag, wonach in Art. 260 Abs. 1 OR neben der Zumutbarkeit auch 11 noch die Nützlichkeit der vorgesehenen Investition gesetzlich hätte verankert werden sollen, wollte NR Carobbio (AB NR 1989, S.  501) einen Dialog mit Bezug auf die vorgesehenen Arbeiten zwischen den Parteien bewirken («… de créer les conditions favorables à un dialogue entre bailleur et locataire»). Nach­ dem Bundesrat Koller offensichtlich unnütze Änderungen und Erneuerungen schon unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit als ausgeschlossen qualifizierte (AB NR 1989, S. 502), wurde auf eine entsprechende Ergänzung von Abs. 1 ver­ zichtet. Damit sind lediglich Erneuerungen ausgeschlossen, die für den Mieter unzumutbar sind. Auf ihre «Nützlichkeit» kommt es nicht an (anders Weber, BSK, N 2 zu Art. 260 OR). Das Kriterium der «Nützlichkeit» lässt sich auch nicht objektivieren. Denn 12 die Interessenlage und insbesondere der Zeithorizont sind beim Mieter und beim Vermieter kaum je in Übereinstimmung zu bringen. Der Vermieter wird diese Nützlichkeit mit der langfristigen Vermietbarkeit bzw. Marktgängigkeit der Wohnung über die fünfundzwanzigjährige Lebens- bzw. Amortisations­ dauer gleichsetzen, während der Mieter weit kurzfristigere (persönliche oder wirtschaftliche) Inte­ressen hat. Zudem können auch in der Mieterschaft unter­ schiedliche Auffassungen über die Nützlichkeit bestehen, die sich nicht voll­

Hans Bättig

383

Art. 260–260a

ständig in Übereinstimmung bringen lassen. Das Obergericht des Kantons Zürich hält im Urteil PD150007 vom 3. Juni 2015, E. 3.3, daher zu Recht fest, es sei vorab Sache der Vermieterin, über die Art und Weise einer Wohnungs­ renovation zu entscheiden.

2

Änderungen und Erneuerungen durch den Vermieter

2.1

Begriffe und Abgrenzungen

13

Arbeiten an der Sache, die zur Behebung von Mängeln oder zur Beseitigung oder Vermeidung von Schäden notwendig sind, d.h. Unterhaltsarbeiten, wie z.B. Ersetzen eines defekten Boilers, Herdes oder Einbaumöbels, Ersatz von Lei­ tungen, die durchzurosten drohen, Service bei technischen Geräten usw. (vgl. im Einzelnen N 8 ff. zu Art. 257h) fallen nicht unter Art. 260 bzw. Art. 260a OR. Die Ausführung von (reinen) Unterhaltsarbeiten, die der Vermieter aufgrund seiner Pflicht zur Erhaltung der Mietsache in vertragsgemässem Zustand vor­ nehmen muss (Art. 256 OR), hat der Mieter gestützt auf Art. 257h Abs. 1 OR jederzeit zu dulden. Für seine Mietzinsherabsetzungs- und Schadenersatzan­ sprüche sind Art. 257h Abs. 3 OR i.V.m. Art. 259d OR bzw. Art. 259e OR Abs. 2 OR anwendbar, worauf Art. 260 Abs. 2 OR ausdrücklich verweist (vgl. dazu auch Rohrer, privates Baurecht, S. 254).

14

Liegen bei Antritt der Mietsache Mängel vor oder entstehen solche während der Dauer des Mietverhältnisses und ist der Vermieter zur Behebung des Man­ gels verpflichtet (zur Mängelbeseitigungspflicht des Mieters vgl. Art. 259 und 267 OR), so hat sich der Mieter an die Vorschriften in Art. 258 und 259a ff. OR zu halten. Zum Begriff des Mangels vgl. N 12 ff. Vorbem. zu Art. 258–259i.

15

In den Anwendungsbereich von Art. 260 OR fallen Arbeiten, die weder reine Unterhaltsarbeiten des Vermieters (Art. 257h OR) noch Mängelbehebungsar­ beiten des Mieters (Art.  259 und 267 OR) sind. Bei den Erneuerungen und Änderungen handelt es sich somit um Renovationsarbeiten, die über die gewöhnliche Behebung eines bestehenden Mangels oder die Abwehr eines drohenden Schadens an der Sache hinausgehen. Ihnen ist gemeinsam, dass sie regelmässig mit einem Eingriff in die Substanz des Gebäudes verbunden sind (Urteile des Bundesgerichts 4C.393/2002 vom 27. Mai 2003, E. 5.3, in: mp 3/04, S. 144 ff. und 4P.122/2005 vom 21. Juni 2005, E. 3.1.1; Higi, ZK, N 8 ff. zu Art. 260). Eine exakte Abgrenzung der beiden Begriffe ist kaum möglich, soweit sie sich nicht bereits aus den Begriffen selbst ergibt. Allerdings ist sie auch 384

Hans Bättig

Art. 260–260a

nicht nötig, werden doch die Erneuerungen und die Änderungen sowohl in den Materialien (Botsch. 1985, S. 1438) als auch im Gesetz in einem Atemzug erwähnt und überdies keine unterschiedlichen Rechtsfolgen an sie geknüpft. Erneuerungen und Änderungen können deshalb allgemein als Investitionen zur Modernisierung des Mietobjektes umschrieben werden, die in der Regel den Gebrauchs- und/oder Substanzwert verändern. Häufig, aber nicht immer, haben sie  – zumindest anteilsmässig  – wertvermehrenden Charakter. Zu denken ist hier etwa an eine periodische Instandstellung des Mietobjektes, z.B. genereller Neuanstrich, Ersatz der Bodenbeläge, Ersatz der bestehenden Zen­ tralheizung, Ersatz der Küche oder des Badezimmers, Ersatz der Fenster, Fas­ sadenerneuerung mit Wärmedämmung, Erneuerung des Daches etc. Das Bun­ desgericht anerkennt im Urteil 4A_470/2009 vom 18. Februar 2010, E. 6.3 a.E., dass auch der blosse «Ersatz» von Einrichtungen bereits nach 20 Jahren wert­ vermehrenden Charakter aufweist. Aus Art. 260 OR ergibt sich, dass der Mieter nicht nur die blosse Mangelbeseiti­ 16 gung zu dulden hat (Art. 257h OR), sondern grundsätzlich auch die der Wert­ erhaltung des Mietobjektes dienenden Arbeiten. Dies hat zur Folge, dass sich der Mieter grundsätzlich nicht gegen die Renovation von allenfalls noch intak­ ten Teilen des Mietobjektes zur Wehr setzen kann (z.B. Ersatz auch derjenigen Heizkörper, die noch nicht vom Durchrosten bedroht sind; Neuanstrich auch derjenigen Fassadenteile, die noch nicht verwittert sind; Ersatz auch derjeni­ gen Bodenbeläge, die noch nicht vollständig abgetreten sind etc.). Die Abgren­ zung zwischen Reparaturarbeiten und Erneuerungen ist im Einzelfall schwie­ rig (Weber, BSK, N 2 zu Art. 257h OR). In der Praxis wird sie vorab dort eine Rolle spielen, wo die Vornahme von Arbeiten in Rede steht, die während der Kündigungsfrist vorgenommen werden sollen. Setzt sich der Mieter zur Wehr, wird die Kündigungsfrist in aller Regel abgelaufen sein, bis über die rechtliche Qualifikation der Arbeiten entschieden worden ist. Aus dem Wortlaut von Art.  260 OR ergibt sich sodann, dass Erneuerungs- 17 und Änderungsarbeiten durch den Vermieter keinerlei Genehmigung bzw. Zustimmung durch den Mieter bedürfen; er muss sie dulden. Sie können daher gegen seinen Willen durchgeführt werden, solange sie für ihn zumutbar sind und das Mietverhältnis nicht gekündigt ist. In diesem Fall stehen ihm nur die in Art. 260 Abs. 2 OR abschliessend erwähnten Ansprüche auf Miet­ zinsherabsetzung und Schadenersatz zu. Sind umgekehrt die Voraussetzungen der Zumutbarkeit und des ungekündigten Mietverhältnisses nicht erfüllt, so stehen dem Mieter sämtliche Mängelrechte i.S. von Art. 259a OR zur Verfü­

Hans Bättig

385

Art. 260–260a

gung (Higi, ZK, N 52 ff. zu Art. 260 OR; MfdP/Wyttenbach, N 12.5; Hulliger/ Heinrich, CHK, N 6 zu Art. 260 OR; Weber, BSK, N 7 zu Art. 260 OR). 18

Führen die Renovationsarbeiten  – «Änderungen» dürften dabei im Vorder­ grund stehen – jedoch zu einer dauernden Verminderung der vertraglichen Leistung des Vermieters bzw. zu einer definitiven Schlechterstellung des Mie­ ters, hat der Vermieter in Anwendung von Art. 269d Abs. 3 OR das amtliche Formular zu verwenden (Higi, ZK, N 20 ff. zu Art. 260; Rohrer, privates Bau­ recht, S. 256 f.). Gemäss Praxis kann von einer einseitigen Vertragsänderung zulasten des Mieters indes nur dann gesprochen werden, wenn durch die Ände­ rung die vertraglich geschuldete Leistung erheblich vermindert wird. Als bloss geringfügige oder untergeordnete Änderung des Vertragsgegenstandes und damit nicht als der Formularpflicht unterstehend beurteilt wurde das Erstellen von zwei Parkplätzen im Randbereich einer ursprünglich (zur Mitbenützung) mitvermieteten Gartenanlage, die durch das Änderungsvorhaben des Vermie­ ters insgesamt bloss um 3,5% verkleinert werden musste (Mietgericht Zürich, Urteil vom 19. März 1992, ZMP 3/92, S. 2 ff., in: MRA 3/95, S. 156 f.).

2.2

Grundsätzliche Zulässigkeit

19

Im Unterschied zum alten Recht (Art. 260a OR) ist der Vermieter grundsätz­ lich berechtigt – nicht aber verpflichtet (zustimmend Lachat David, in: mp 4/93, S. 141) – an der Mietsache Erneuerungs- und Änderungsarbeiten auszuführen.

20

Dieses grundsätzliche Recht wird nur durch die in Art. 260 Abs. 1 OR abschlies­ send aufgezählten Vorbehalte der Zumutbarkeit und des ungekündigten Miet­ verhältnisses eingeschränkt. Aufgrund des relativ zwingenden Charakters von Art. 260 Abs. 1 OR (vgl. oben N 5 ff.) ist es einem Vermieter indes unbenom­ men, (im Mietvertrag) sich darüber hinausgehende Einschränkungen aufzuer­ legen. Es spricht mitunter nichts dagegen, dass sich beispielsweise ein Vermie­ ter einer Wohnung mit altem, aber intaktem Innenausbau verpflichtet, für eine bestimmte Dauer keine oder nur in beschränktem Umfang Erneuerungen bzw. Änderungen im Mietobjekt vorzunehmen, um so den Mietzins absichtlich tief halten zu können. Unbeachtlich wäre eine solche vertragliche Regelung bloss, wenn dadurch dem Vermieter verwehrt würde, das Objekt gemäss Art.  256 OR in dem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu erhalten. In der Praxis sind entsprechende Vereinbarungen selten, zumal sie bei mehreren Mietverhältnissen in der betreffenden Liegenschaft zu erheblichen Interessen­ konflikten zwischen den verschiedenen Mietern führen können.

386

Hans Bättig

Art. 260–260a

2.3 Einschränkungen 2.3.1 Grundsatz Art. 260 Abs. 1 OR setzt dem Vermieter bei der Ausübung seines Eigentums­ 21 rechtes zwei wesentliche Schranken. Die projektierten Arbeiten müssen für den Mieter zumutbar sein, und das Mietverhältnis darf nicht gekündigt sein.

2.3.2

Zumutbarkeit für den Mieter

Erneuerungs- und Änderungsarbeiten an der Mietsache hat der Mieter nur 22 dann zu dulden, wenn sie für ihn zumutbar sind. Was als zumutbar zu qualifi­ zieren ist, sagt das Gesetz nicht. Die Zumutbarkeit ist nach objektiven Massstäben zu beurteilen. Entscheidend ist, ob die geplanten Arbeiten dem Mieter unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Vertragsverhält­ nisses vernünftigerweise zugemutet werden können. Unbedeutend sind umge­ kehrt die subjektiven Vorstellungen und Wünsche des Mieters (vgl. dazu auch Higi, ZK, N 27 zu Art. 260 OR). Das Bundesgericht stellt jedoch hohe Anforderungen an die Zumutbarkeit (Urteile des Bundesgerichts 4C.382/2002 vom 4. März 2003, E. 3, in: MRA 3/03, S. 75 und 4P.122/2005 vom 21. Juni 2005, E.  3.3; Corboz, Travaux, S.  12  f.). Diese Rechtsprechung ist deshalb als pro­ blematisch zu bezeichnen, weil sie in der Praxis dazu führen kann und soweit ersichtlich seit dem erwähnten Entscheid des Bundesgerichts auch geführt hat, dass Mietverhältnisse in Hinblick auf grössere Renovationsvorhaben vom Ver­ mieter gekündigt werden (vgl. dazu auch Kritik von Bättig Hans, in: MRA 3/03, S. 82 ff., m.w.H.), was einerseits zulässig ist (vgl. Weber, BSK, N 2 zu Art. 260 OR), anderseits aber regelmässig nicht im Interesse der betroffenen Mieter liegt. Als Indiz für die Berechtigung des Vermieters zu Erneuerungs- bzw. Ände­ 23 rungsinvestitionen kann die technische Lebensdauer einer zu ersetzenden Einrichtung, Installation usw. herangezogen werden. Somit muss es dem Ver­ mieter im Allgemeinen gestattet sein, Einrichtungen, deren technische Lebens­ dauer abgelaufen ist, ganz oder teilweise zu ersetzen bzw. zu erneuern. Im Bereich der energetischen Sanierung kann angesichts der verschärften öffent­ lich-rechtlichen Vorschriften zudem eine Erneuerung vorgeschrieben werden, die über blosse Reparaturarbeiten hinausgeht (beispielsweise die Pflicht zum Anschluss an ein Fernwärmenetz, nachdem die von einer Behörde «abgespro­ chene» Ölheizung ausser Betrieb genommen werden muss). Ebenso sind im Bereich des Brandschutzes Massnahmen vorgeschrieben, die über den Ersatz der bestehenden Brandschutzeinrichtungen hinausgehen, beispielsweise die

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Pflicht zur Installation einer Brandmelde- oder im gewerblichen Bereich einer Sprinkleranlage. 24

Die Beantwortung der Frage, ob Erneuerungen und Änderungen für den Mie­ ter zumutbar sind, ist durch Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen der Vertragsparteien vorzunehmen. Allgemein ist dabei zugunsten des Mieters zu berücksichtigen, was bereits der Bundesrat in der Botsch. 1985, S. 1439, als eine Regel festgehalten hat, der im Parlament nicht widersprochen wurde: «Im Übrigen wird die Rechtsprechung von Fall zu Fall beurteilen, ob Erneuerungen oder Änderungen für den Mieter zumutbar sind, wobei zu berücksichtigen sein wird, dass sich der Vermieter durch den Mietvertrag in seiner Verfügungsfreiheit über die Sache eingeschränkt hat, und zwar gegen Entgelt.» Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass das durch den Mietvertrag begrün­ dete (bloss) obligatorische Recht des widerstrebenden Mieters am Mietobjekt dem Eigentumsrecht des Vermieters bei der Interessenabwägung entgegenste­ hen kann. Allerdings ist dabei das gesetzgeberische Anliegen, das mit der in Art. 260 OR enthaltenen Duldungspflicht verfolgt wird, zugunsten des renova­ tionswilligen Vermieters zu berücksichtigen. Mit anderen Worten: Je schärfer die Anforderungen an die Zumutbarkeit von Erneuerungsarbeiten formuliert werden, desto eher wird der Vermieter umgekehrt die Mietverhältnisse vor der Renovation kündigen und kündigen müssen, wenn er nicht riskieren will, dass die Erneuerungsarbeiten infolge Unzumutbarkeit für den Mieter ganz oder teilweise als unzulässig erklärt oder erheblich verzögert werden.

25

Folgende Kriterien dienen bei der Beurteilung des Begriffes der Zumutbar­ keit als Auslegungshilfen (vgl. u.a. auch MfdP/Wyttenbach, N 12.4.1; Higi, ZK, N 29 ff. zu Art. 260 und CdB 1993, S. 107 ff.): –– die bisherige Vertragsdauer. Je länger der Mietvertrag schon dauert, desto eher ist eine vorübergehende Einschränkung seiner vertraglichen Rechte zumutbar. Freilich ist zu beachten, dass bereits nach kurzer Mietdauer die Zumutbarkeit regelmässig zu bejahen sein dürfte. Der Bundesrat hat im Jahr 2015 eine Änderung von Art. 269d OR beantragt, wonach Mietzinser­ höhungen wegen wertvermehrender Verbesserungen frühestens auf Ablauf eines Jahres seit Mietbeginn wirksam werden (vgl. BBl 2015, S.  4111). Damit wurde e contrario zum Ausdruck gebracht, dass Erneuerungen grundsätz­ lich auch kurz nach Mietbeginn zulässig sind, selbst wenn sie vor Vertrags­ schluss nicht schriftlich angekündigt wurden.

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–– der Anteil der dringenden Unterhaltsarbeiten an den vorgesehenen Arbei­ ten. Je höher der Anteil der dringenden Arbeiten ist, der durch Art. 257h OR bereits abgedeckt ist, desto eher ist auch die Ausführung von zusätzli­ chen Erneuerungs- oder Änderungsarbeiten zumutbar. –– Art und Umfang der vorgesehenen Arbeiten. Je weniger umfassend diese Arbeiten sind, d.h., je kleiner die resultierende Störung des Mieters ist, desto eher werden solche Arbeiten als zumutbar zu qualifizieren sein. –– Zeitpunkt der Arbeiten. Erneuerungs- oder Änderungsarbeiten am Heiz­ system während der Heizperiode sind im Allgemeinen unzumutbar, sofern sie zu einer Beeinträchtigung der Heizleistung führen. Bei der Geschäfts­ miete sind Erneuerungs- bzw. Änderungsinvestitionen stets ausserhalb der (Haupt-)Saison vorzunehmen. –– die Dauer der Störung des Mieters und die damit verbundenen Unan­ nehmlichkeiten. Je kürzer die Dauer der Einschränkung der Mieterrechte ist, desto eher sind sie dem Mieter zuzumuten. –– die Nützlichkeit der Erneuerung und Änderungen für den Mieter. Je nütz­ licher diese Arbeiten für den Mieter sind, desto eher sind sie zumutbar, wobei bloss gänzlich unnütze Arbeiten nicht geduldet werden müssen. Bloss «offensichtlich unnütze» Erneuerungen und Änderungen sind nicht zumutbar (vgl. Votum von Bundesrat Koller, AB NR 1989, S. 502). MfdP/Wyttenbach, N  12.4.1, hält dazu fest, dass der Mieter Luxusinstal­ lationen nicht zu dulden habe. Der Luxusbegriff ist dabei nicht subjektiv, sondern objektiv auszulegen, z.B. in dem Sinne, dass Modernisierungen im Rahmen des Orts- und Quartierüblichen nicht als Luxusinstallationen qualifiziert werden. Ebenso wenig fallen Anpassungen an die technischen Fortentwicklungen und an einen zeitgemässen Ausbaustandard unter den Begriff der Luxusinstallationen, z.B. der Ersatz von veralteten Durchlaufer­ hitzern durch den Einbau einer zentralen Warmwasseraufbereitungsanlage. –– die Akzeptanz der Mitmieter. Je mehr Mitmieter einer vorgesehenen Reno­ vation und Änderung zustimmen, desto eher ist es dem widersetzenden Mieter zuzumuten, eine Störung seiner Mieterrechte zu dulden (kritisch: Higi, ZK, N 42 zu Art. 260 und Bundesgericht in seinem Urteil 4C.382/2002 vom 4. März 2003, in: MRA 3/03, S.75). –– der Einfluss der Arbeiten auf die Höhe des Mietzinses. Je geringer die in Aussicht gestellte Mietzinserhöhung ist, desto eher ist dem Mieter die mit

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der Erneuerung bzw. Änderung notwendigerweise verbundene Störung zumutbar. –– die Auswirkung der vorgesehenen Arbeiten auf den Umfang der Mietsa­ che. Je grösser der Eingriff in die dem Mieter zur Verfügung gestellte Miet­ fläche ist, desto weniger sind solche Arbeiten zumutbar (z.B. Verkleinerung der Mietfläche zufolge Einbau eines Lifts). Muss der Mieter gar dauernd auf ein ganzes Zimmer verzichten, so sind solche Arbeiten grundsätzlich unzu­ mutbar. Da in diesem Kriterium eine einseitige Verminderung der Leistun­ gen des Vermieters zu sehen ist, wird der Vermieter gut daran tun, in sol­ chen Fällen nach Art. 269d Abs. 3 OR vorzugehen. –– das Angebot des Vermieters auf Herabsetzung des Mietzinses während der Dauer der Arbeiten. Je grosszügiger dieses Angebot ist, desto eher wird dem Mieter die Störung zuzumuten sein. 26

Stets als zulässig zu qualifizieren sind nach dem bereits in N 22 gesagten Arbei­ ten, die der Vermieter aufgrund öffentlich-rechtlicher Auflagen vorzunehmen verpflichtet ist. Insbesondere Erneuerungs- und Änderungsinvestitionen, die mit Blick auf die Einhaltung von Normen des Lärmschutzes und der Luft­ reinhaltung erforderlich sind, können nicht von der Zumutbarkeit des Mie­ ters abhängig gemacht werden. Soweit solcherart Vorschriften bestehen oder in Kraft treten, z.B. Einführung der verbrauchsabhängigen Wärmekostenabrech­ nung, bzw. den Vermieter als individuell-konkrete Auflagen treffen, z.B. feuer­ polizeiliche Verfügung, das Heizsystem auszuwechseln, ist der Vermieter stets berechtigt, entsprechende Arbeiten vorzunehmen.

27

Auf Mietverträge mit einer Mindestdauer sind im Wesentlichen dieselben Grundsätze anwendbar (vgl. oben N  23  ff.) wie auf Verträge, die auf unbe­ stimmte Dauer abgeschlossen wurden und damit von Beginn weg jederzeit kündbar sind. Die gegenteilige Meinung, wonach Erneuerungs- und Ände­ rungsarbeiten bei Mietverträgen mit einer Mindestlaufdauer gegen den Wil­ len des Mieters nur im Rahmen der zeitlichen Dringlichkeit zuzulassen und vor allem die Restlaufzeit des Vertrages zu berücksichtigen sei, ist abzuleh­ nen. Eine derartige Einschränkung würde in Geschäftshäusern mit zahlrei­ chen befristeten Mietverhältnissen grössere Sanierungen wie Fassadenerneu­ erung, Liftersatz, Heizungssanierung etc. praktisch verunmöglichen, da die unterschiedlichen (Mindest-)Dauern der Verträge im Objekt kaum zur selben Zeit enden dürften und sich deshalb mindestens stets ein Mieter auf den Stand­ punkt stellen könnte, die beabsichtigte Sanierung sei für ihn in Anbetracht der kurzen Restlaufzeit seines Vertrags nicht zumutbar.

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Damit der Mieter über sein Verhalten gegenüber solchen Erneuerungs- und 28 Änderungsarbeiten überhaupt entscheiden kann, wird es – obwohl das Gesetz im Unterschied zu Art. 257h Abs. 3 OR dazu keine Vorschriften enthält – regel­ mässig notwendig sein, dass er vom Vermieter rechtzeitig über bevorstehende Arbeiten informiert wird. Diese Information soll dem Mieter Aufschluss über den Umfang und die Art der vorgesehenen Arbeiten, die voraussichtliche Dauer und den Umfang der Störungen sowie den Einfluss dieser Investitionen auf den Mietzins geben (gl.M. MfdP/Wyttenbach, N 12.6.1). Diese Pflicht zur rechtzeitigen Information ergibt sich bereits aus der Pflicht des Vermieters, auf die Interessen des Mieters Rücksicht zu nehmen. Im eigenen Interesse wird der Vermieter diese Informationen so rechtzeitig an den Mieter abgeben, dass die­ sem genügend Zeit bleibt, das Mietverhältnis aufzulösen, sofern er die Arbei­ ten als unzumutbar betrachtet (N 39).

2.3.3

Ungekündigtes Mietverhältnis

Art. 260 Abs. 1 OR verlangt nebst der Zumutbarkeit der Erneuerungen bzw. 29 Änderungen als negative Voraussetzung weiter, dass das Mietverhältnis nicht gekündigt ist. Ist das Mietverhältnis gekündigt, sind die erwähnten Investitio­ nen nach dem Wortlaut des Gesetzes unzulässig – und zwar unabhängig davon, wer das Mietverhältnis gekündigt hat. Der Grund für die im neuen Recht ein­ geführte Voraussetzung des ungekündigten Mietverhältnisses liegt gemäss Botsch. 1985, S.  1439, darin, dass dem Mieter nicht zugemutet werden soll, die mit Erneuerungs- oder Änderungsinvestitionen stets verbundenen Unan­ nehmlichkeiten ertragen zu müssen, ohne danach deren Nutzen daraus ziehen zu können. Die vom Gesetzgeber absolut definierte Schranke der Dispositionsfreiheit des Vermieters hat ihre Berechtigung im Allgemeinen bei unbe­ fristeten Mietverhältnissen und insbesondere bei solchen mit kurzen, d.h. bis sechsmonatigen Kündigungsfristen. Ist das Mietverhältnis gekündigt, so muss der Mieter Massnahmen gemäss Art. 260 OR nicht dulden, selbst wenn sie ihm sonst ohne Weiteres zumutbar wären. Dem Vermieter ist unter diesen Umstän­ den in der Regel zuzumuten, mit dem Beginn der Arbeiten bis zum Auszug des Mieters zu warten. Unzumutbarkeit liegt regelmässig vor, wenn lediglich das Mietobjekt des 30 betreffenden Mieters erneuert werden soll. Hier ist dem Vermieter stets zuzu­ muten, das Ende des Mietverhältnisses abzuwarten  – ob es auf den Kündi­ gungstermin endet oder nach einer allfälligen Erstreckung. Bei deren Festle­ gung kann auch die Art der auszuführenden Arbeiten und deren Dringlichkeit

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berücksichtigt werden. Die Botsch. 1985, S. 1430, hält solches Zuwarten selbst bei reinen Unterhaltsarbeiten für geboten. 31

Anders verhält es sich hingegen bei «umfassenden Instandstellungsarbei­ ten», die ein Vermieter in der ganzen Liegenschaft durchführen will und sich «ein Mieter zufällig im gekündigten Mietverhältnis befindet» (Botsch. 1985, S. 1430). Wohl bezieht sich die Botschaft dabei auf die Duldungspflicht des Mie­ ters im Zuge von Mängelbehebungs- und Reparaturarbeiten. Aber der Begriff der «umfassenden Instandstellungsarbeiten» oder die in diesem Zusammen­ hang von Weber, BSK, N 4 zu Art. 257h OR, verwendeten Begriffe der «Über­ holung und Instandstellung» einer Wohnung machen deutlich, dass Gleiches auch bei Erneuerungsarbeiten gelten muss. Denn der Begriff der umfassenden Überholung bedeutet gemäss den Erläuterungen des Bundesrates zu Art.  10 VMM «in grösserem Umfang vorgenommene Instandstellungsarbeiten» (vgl. HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.31, S. 19). Vorausgesetzt, der Vermie­ ter kündigt Erneuerungsarbeiten rechtzeitig an, kann daher eine später ausge­ sprochene Kündigung des Mieters die Ausführung der Arbeiten nicht hindern.

32

Zumutbar sind die Arbeiten regelmässig, wenn die Kündigung des Mietver­ hältnisses trotz rechtzeitiger Orientierung des Mieters erst nach Beginn der Bauarbeiten ausgesprochen wird (zustimmend Higi, ZK, N 51 zu Art. 260 OR).

33

Erfolgt die Kündigung zwar nach der Ankündigung der Arbeiten, aber vor deren Inangriffnahme, ist zu unterscheiden: Je länger die Arbeiten im Vo­raus angekündigt werden, desto eher verstösst eine kurz vor Beginn der Arbeiten ausgesprochene Kündigung des Mieters  – im Regelfall also weniger als drei (bei Wohnungen) bzw. sechs Monaten (bei Geschäftsräumen)  – gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (so Higi, ZK, N 54 zu Art. 260 OR). Ebenso hält MfdP/Wyttenbach, N 12.4.4. – unter Hinweis auf Corboz, Travaux, S. 6 – dafür, dass der Mieter in der Regel auf den nächstmöglichen Kündigungster­ min kündigen muss, wenn er die Umbauarbeiten nicht dulden will. Die in der Vorauflage gemachte Einschränkung, es sei «nicht zulässig, den Mieter vor die Alternative ‹Umbau› oder ‹Auszug› zu stellen» (SVIT-Kommentar, 3. Auflage, N 31 zu Art. 260 und 260a OR), bezieht sich darauf, dass dem Mieter neben der Wahl, die Arbeiten zu dulden oder zu kündigen, die weitere Möglichkeit offen­ steht, deren Zumutbarkeit zu bestreiten. Hingegen ist bei rechtzeitiger Ankün­ digung der Arbeiten, wenn anschliessend gekündigt wird, diese Kündigung «umgehend» und nicht im letzten Moment vor Baubeginn vorzunehmen.

34

Erst recht ist von der Zumutbarkeit auszugehen, wenn die Kündigung des Mie­ ters vorwiegend in der Absicht erfolgt, ein bereits geplantes Renovationsvorha­

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ben zu verhindern oder dem Vermieter Vorteile, z.B. in Form von Zugeständ­ nissen aller Art, abzuringen. Diesfalls verstösst sie gegen Treu und Glauben und erweist sich als rechtsmissbräuchlich i.S.v. Art. 2 Abs. 2 ZGB oder als miss­ bräuchlich i.S.v. Art. 271 OR, und dem Mieter bleibt der Schutz des Art. 260 OR verwehrt (vgl. hierzu auch Higi, ZK, N 54 zu Art. 260; MfdP/Wyttenbach, N 12.4.4). Obwohl ein rechtsmissbräuchliches Verhalten an sich wirkungslos ist, ist dem Vermieter mit Blick auf Art. 271 OR zu empfehlen, die Kündigung anzufechten. Gleiches wird gelten, wenn in einem befristeten Mietverhältnis lange vor Ablauf der Miet- oder Mindestdauer gekündigt wird. Wohl ist das Mietverhältnis diesfalls nicht «ungekündigt», aber ein schützenswertes Inter­ esse an einer derart früh ausgesprochenen Kündigung ist kaum auszumachen (zustimmend MfdP/Wyttenbach, N 12.4.4). Kündigt umgekehrt der Vermieter, wird in aller Regel vor dem Kündigungster­ 35 min die Inangriffnahme der Arbeiten unterbleiben müssen. Das gilt wohl ohne Ausnahme bei der sog. Sanierungskündigung, die damit begründet wird, dass die Sanierung in bewohntem Zustand für den Vermieter aus bautechnischen oder bauökonomischen Gründen ausser Betracht fällt. Er wird daher e contra­ rio kaum begründen können, weshalb er die Arbeiten bereits vor dem Kündi­ gungstermin in Angriff nehmen will (vgl. aber N 37 für den Fall, dass dem Mie­ ter eine Erstreckung gewährt wird). Nicht unter den Schutzzweck von Art. 260 Abs. 1 OR fällt hingegen eine vom 36 Vermieter infolge Zahlungsverzuges (Art.  257d OR) oder schwerer Vertrags­ verletzung (Art. 257f Abs. 3 OR) ausgesprochene Kündigung. Im Falle einer ausserordentlichen Kündigung rechtfertigt es sich nicht, ihm zu verbieten, die geplanten und ordentlich angekündigten Erneuerungen zu realisieren. Nur ordentliche Kündigungen einer Partei vermögen die Vornahme von Erneue­ rungen und Änderungen durch den Vermieter zu verhindern (Higi, ZK, N 46 zu Art. 260 OR; ebenso Weber, BSK, N 3 zu Art. 260 OR; a.M. MfdP/Wytten­ bach, N 12.4.4). Es stellt sich sodann die Frage, inwiefern der Vermieter während der Dauer 37 einer Mieterstreckung berechtigt ist, Arbeiten an der Mietsache im Sinne von Art. 260 OR auszuführen. Das erstreckte Mietverhältnis ist als – durch obrig­ keitlichen Zwang «angeordnetes» – Mietverhältnis sui generis zu qualifizieren (OGer Luzern, in: SJZ 89, S. 87), wobei dem Mieter eine vorzeitige Kündigungs­ möglichkeit (Art. 272d OR) offensteht (zustimmend Higi, ZK, N 47 zu Art. 260 OR; Lachat, CR, N 5 zu Art. 260 OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 260– 260a OR; Züst, Mängelrechte, S. 172; ebenso ZMP 2/05, Nr. 23, S. 34 ff.; siehe auch Züst Martin, in: mp 4/94, S. 159 ff.). Erneuerungs- und Änderungsarbei­ Hans Bättig

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Art. 260–260a

ten während der Erstreckungsdauer sind daher grundsätzlich zulässig. Frei­ lich hat Weber, BSK, N  4 zu Art.  260 OR in dogmatischer Hinsicht mögli­ cherweise recht, wenn er einwendet, auch das erstreckte Mietverhältnis bleibe ein «gekündigtes». Nur ist statt der dogmatischen Beurteilung der Zumutbar­ keit die sachgerechte Beantwortung der Frage im Erstreckungsverfahren selber vorzunehmen. Im Urteil des Bundesgerichts 4A_58/2017 vom 23.  Mai 2017 wird ausgeführt, das Interesse des Vermieters überwiege («prime», frz.) die Interessen des Mieters und erlaube, wenn die Baubewilligung im Zeitpunkt des Erstreckungsentscheides vorliege  – abgesehen von der «kalten» Erstreckung während der Dauer des Gerichtsverfahrens – keine Erstreckung. Liegt die Bau­ bewilligung vor oder ist absehbar, wann sie vorliegen wird, ist demgemäss keine oder bloss eine kurze Erstreckung zu gewähren. Eine längere Erstreckung ist umgekehrt eher zu gewähren, wenn sich der Mieter bereit erklärt, die Inan­ griffnahme der Arbeiten zu dulden. Das setzt voraus, dass sein Verbleib im Mietobjekt überhaupt möglich ist; vgl. dazu den illustrativen Entscheid des Mietgerichts Zürich vom 11. November 2005, in: ZMP 2/05, Nr. 23, S. 34. Auch Weber, BSK, N 4 zu Art. 260 OR, scheint dem – anders als in der Vorauflage – im Ergebnis zuzustimmen, wenn er ausführt, die in Art. 272d OR vorgenom­ mene Wertung erlaube bei Erstreckungsdauern von mehr als einem Jahr die Ausführung der Arbeiten. Diesfalls begründe die Erstreckung gewissermassen einen neuen «Quasi-Mietvertrag». Ob freilich eine starre Grenze von einem Jahr sinnvoll ist, erscheint fraglich und angesichts der umfassenden Interes­ senabwägung des Erstreckungsrichters wohl auch nicht erforderlich. Richtig ist umgekehrt, dass bei kurzen Erstreckungsdauern von wenigen Monaten die Erneuerungsarbeiten dem Mieter weniger oft zuzumuten sind, wobei auch die Art und Intensität der Arbeiten, die persönlichen Verhältnisse des Mieters und die Frage, ob die Liegenschaft weitgehend leer steht, in die Interessenabwägung einbezogen werden können. 38

Bei der Beurteilung der Duldungspflicht ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass bereits der Erstreckungsentscheid in die Verfügungsfreiheit des Vermie­ ters eingreift und bisweilen stark beschränkt. Der Vermieter hat diese Ein­ schränkung zu dulden, obwohl er die Umstände, die zur Erstreckung führen, regelmässig nicht zu vertreten hat. In Anbetracht dieser faktischen Verfügungs­ beschränkung erscheint es als gerechtfertigt, die Interessen des Vermieters hin­ sichtlich geplanter Erneuerungs- bzw. Änderungsarbeiten stark zu gewichten. Dem Mieter, der von der Rechtswohltat der Erstreckung profitieren und das Mietobjekt über das Mietende hinaus benützen kann, darf somit mehr zuge­ mutet werden. Der in ZMP 2/05, Nr. 23, S. 34, wiedergegebene Entscheid legt mit überzeugender Begründung dar, dass eine entsprechende Duldungspflicht 394

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Art. 260–260a

nicht nur in einer Erstreckungsvereinbarung, sondern auch in einem Erstre­ ckungsentscheid festgelegt werden darf. Es versteht sich von selbst, dass sich die Erneuerungs- und Änderungsarbeiten des Vermieters auch während der Erstreckung nicht als schikanös erweisen dürfen.

2.4

Ausführung der Arbeiten

2.4.1

Rücksichtnahme auf die Interessen des Mieters

Art. 260 Abs. 2 OR schreibt dem Vermieter die Rücksichtnahme auf die Inte­ 39 ressen des Mieters zwingend vor. Zu berücksichtigen ist dabei die gesamte Interessenlage des Mieters und seiner Angehörigen, die die Mietsache mitbe­ nutzen. Auch bei der Beurteilung dieser Frage wird es wiederum um die Frage der Zumutbarkeit gehen, primär unter dem Aspekt des für die Ausführung der Arbeiten gewählten Zeitpunkts. Solche Interessen des Mieters, die zu berücksichtigen sind, können beispiels­ 40 weise sein: –– Ferientermin des Mieters. Soweit die vorgesehenen Arbeiten auch bei Abwesenheit des Mieters ausgeführt werden können, ist auf seine Ferien­ abwesenheit Rücksicht zu nehmen. Umgekehrt wird man dem Mieter die Ausführung lärmiger Arbeiten, die frühmorgens beginnen, während seinen Ferien, die er zu Hause verbringt, kaum zumuten können, wenn die Arbei­ ten kurzfristig angekündigt wurden. –– Erkrankung des Mieters oder seiner Familienangehörigen. Ist der Mieter erst kürzlich von einer schweren Erkrankung genesen und befindet er sich im Stadium der Rekonvaleszenz, so wird ihm die Ausführung von lärmigen Arbeiten kaum zuzumuten sein. –– Beachtung der Ruhezeit. Die Mittags-, Abend- und Sonntagsruhe des Mie­ ters ist auf jeden Fall zu respektieren (Botsch. 1985, S. 1439). –– Berücksichtigung der Jahreszeit. Fenster und Heizung dürfen im Winter ohne zwingenden Grund nicht erneuert werden (Botsch. 1985, S.1439). –– Beachtung von saisonbedingten Einflüssen bei Geschäftsräumlichkeiten. Es soll beispielsweise ein saisonalen Umsatzschwankungen unterliegender Gewerbebetrieb eines Mieters nach Möglichkeit nicht während der Haupt­ saison durch Umbauarbeiten erheblich beeinträchtigt werden.

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395

Art. 260–260a 41

Diese Beispiele zeigen, dass es gerade bei grossen Mietobjekten mit umfangrei­ chen Erneuerungen bzw. Änderungen kaum möglich sein wird, auf alle Inter­ essen jedes einzelnen Mieters Rücksicht zu nehmen. Die Rücksichtnahme­ pflicht in Art. 260 Abs. 2 OR ist deshalb in zweierlei Hinsicht zu relativieren. Zum einen wird der Umfang der Pflicht zur Rücksichtnahme durch die Art der geplanten Arbeiten eingeschränkt. Zum anderen sind die Mieterinteressen nach einem objektivierten Massstab zu beurteilen. Das Toleranzmass des Mie­ ters als Korrelat zur Rücksichtnahmepflicht des Vermieters ist am Empfinden eines vernünftigen und korrekten Mieters, des sog. Durchschnittsmieters, zu messen (Näheres bei Higi, ZK, N 63 zu Art. 260 OR; vgl. auch Urteil des Bun­ desgerichts 4C.382/2002 vom 3. März 2003, in: MRA 3/03, S. 75 ff., mit kri­ tischen Anmerkungen von Hans Bättig). Je früher die Arbeiten angekündigt wurden, desto eher darf man von ihm erwarten, dass er seinerseits in Beach­ tung seiner Schadensminderungsobliegenheit die notwendigen Vorkehrungen trifft, die Beeinträchtigungen zu vermeiden helfen.

2.4.2 42

Die vorstehenden Beispiele zeigen, dass der Vermieter bei der Festlegung des Ausführungstermins solcher Arbeiten nicht völlig frei ist. Die gebotene Rück­ sichtnahme auf die Mieterinteressen wird umso leichter möglich sein, je früher die Ankündigung der Arbeiten erfolgt.

2.4.3 43

Rechtzeitige Ankündigung

Wie schon in N 29 festgestellt, fehlt – im Gegensatz zu Art. 257h Abs. 3 OR – in Art. 260 OR ein ausdrücklicher Hinweis auf die Pflicht des Vermieters, den Mieter über Erneuerungs- und Änderungsarbeiten zu informieren. Die in Art. 260 Abs. 2 OR statuierte Pflicht des Vermieters, auf die Mieterinteressen Rücksicht zu nehmen, umfasst auch die Pflicht des Vermieters, den Mieter über den Beginn, den zeitlichen Ablauf, die zu erwartenden Immissionen und Ein­ schränkungen rechtzeitig zu informieren. Rechtzeitig ist eine Ankündigung, wenn sie den Mieter in die Lage versetzt, seinerseits zweckmässige Dispositi­ onen für die Zeit der Arbeiten zu treffen, z.B. Ferien bei seinem Arbeitgeber anzumelden oder das Mietverhältnis selber zu kündigen.

2.4.4 44

Vornahme der Arbeiten

Schonende Ausführung

Das Gebot der Rücksichtnahme gebietet dem Vermieter, die Arbeiten scho­ nend vorzunehmen. Unter diesem Aspekt hat der Vermieter dafür zu sorgen, dass lärmige Arbeiten nicht unbedingt in den Randzeiten vorgenommen wer­

396

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Art. 260–260a

den, dass Arbeiten, die Staub verursachen, soweit möglich nicht während den Zeiten ausgeführt werden, in denen üblicherweise die Mieträume gelüftet wer­ den.

2.4.5

Massnahmen zur Minderung der Inkonvenienzen

Unter dem Aspekt der gebotenen Rücksichtnahme hat der Vermieter alle 45 zumutbaren Massnahmen zur Minderung der Dauer und des Ausmasses der Störungen des Mieters zu veranlassen. Zu diesen Massnahmen gehören etwa die Zurverfügungstellung von Ersatzräumlichkeiten während der Bauzeit  – sei es, um Möbel abzustellen oder gar vorübergehend umziehen zu können, was bei vielen Renovationen in der Weise praktiziert wird, dass der Vermie­ ter einige Wohnungen im gleichen Haus räumt, damit die verbleibenden Mie­ ter während der Renovationszeit in die freie Wohnung ausweichen können. In diesem Zusammenhang wird im Einzelfall auch das Bereitstellen einer Zügel­ equipe durch den Vermieter sinnvoll erscheinen. Ebenso gehören Vorkehrun­ gen dazu, die Lärm- und Staubbelästigungen reduzieren (z.B. Abdichten der Fenster etc.), die Einhaltung des Terminplans und eine rechtzeitige Informa­ tion, sofern dieser nicht eingehalten werden kann. Allerdings haben die For­ derungen nach Bekanntgabe sog. Lärmfenster bzw. die Festlegung von sol­ chen auch ihre Kehrseite: Bei kurzfristig notwendigen Umstellungen, wie sie bei Umbauvorhaben nicht selten nötig sind, erweist sich die zeitlich verscho­ bene lärmfreie Zeit als Quelle zusätzlicher Frustrationen der betroffenen Mie­ ter. Freilich ist zu beachten, dass die Einschränkungen und Erschwernisse, die sich durch die Rücksichtnahme auf die Mieter ergeben, umgekehrt auch die­ jenigen sind, die den Vermieter veranlassen können, die Erneuerungsarbeiten in der «leergekündigten» Liegenschaft auszuführen. Es wäre daher verfehlt, an die Pflicht zur Rücksichtnahme übertriebene Anforderungen zu stellen und so den nach allgemeiner Auffassung unerwünschten Sanierungskündigungen Vorschub zu leisten.

2.5

Rechte und Pflichten des Mieters

2.5.1 Grundsatz Selbst wenn der Mieter gemäss Art. 260 Abs. 1 OR die Vornahme von Erneu­ 46 erungsarbeiten grundsätzlich zu dulden hat, darf das nicht auf seine Kosten oder zu seinem Schaden geschehen. Das Gesetz enthält in Art. 260 Abs. 2 OR, 2. Halbsatz, diejenigen Ansprüche, die dem Mieter im Zuge solcher Arbeiten zustehen.

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Art. 260–260a

2.5.2

Mitwirkungs- und Duldungspflicht

47

Erweisen sich die vom Vermieter geplanten Erneuerungs- oder Änderungsar­ beiten im Lichte von Art. 260 Abs. 1 OR als zulässig, ist der Mieter nicht nur verpflichtet, die geplanten Arbeiten zu dulden. Er hat darüber hinaus vielmehr die notwendigen und ihm zumutbaren Vorbereitungsarbeiten wie Räum­ arbeiten, Zugänglichhalten der Wohnung etc. zu leisten, damit die Bauarbeiten nach Plan des Vermieters ohne Verzögerung erfolgen können. Unterlässt der Mieter die gebotene Mitwirkung und führt dies zu Verzögerungen und/oder Doppelspurigkeiten, schuldet der betreffende Mieter Ersatz für den da­raus ent­ standenen Schaden, wie z.B. unnötig entstandene Kosten, weil es der Mieter versäumt hat, den Handwerkern die Wohnung offen zu halten, diese unverrich­ teter Dinge wieder gehen mussten und dem Vermieter die Kosten der vergeb­ lichen Anfahrt in Rechnung stellen.

48

Wie oben ausgeführt, hat der Mieter im gekündigten Mietverhältnis keine Erneuerungs- und Änderungsarbeiten an der «Sache» zu dulden. Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, das Verbot des Vermieters, solche Arbeiten aus­ führen zu lassen, beziehe sich nicht nur auf das gekündigte Mietobjekt selber (vgl. MfdP/Wyttenbach, N 12.4.4). Vielmehr sei es dem Vermieter generell ver­ wehrt, Arbeiten an Objekten oder gemeinsamen Gebäudeteilen auszuführen, die sich auf die Nutzung der gekündigten Mietsache bloss indirekt auswirken. Auch Hulliger/Heinrich, CHK, N  3 zu Art.  260 OR, halten dafür, dass auch Änderungen und Erneuerungen an den gemeinschaftlichen Teilen nach den gleichen Kriterien wie bei der Mietsache im engeren Sinn zu beurteilen sind.

49

Diese Auffassung ist problematisch. Richtig ist, dass auch bei Sanierungsarbei­ ten zu prüfen ist, ob das Bestehen gekündigter Mietverhältnisse der Inangriff­ nahme der Arbeiten entgegensteht. Ohne Weiteres ist dies dann der Fall, wenn der Vermieter mit einer sog. «Sanierungskündigung» allen Mietern kündigt. Es wäre widersprüchlich, wenn er einerseits den Standpunkt vertritt, die Sanie­ rungsarbeiten erlaubten den Verbleib der Mieter nicht und sie anderseits trotz­ dem bereits vor dem Kündigungstermin in Angriff nehmen will. Umgekehrt führt eine zu weite Auslegung des Begriffs der «Sache» dazu, dass bei grösseren Wohn- bzw. Geschäftshäusern Erneuerungs- bzw. Änderungsarbeiten an all­ gemeinen Gebäudeteilen wie Treppenhaus, Fassade, Keller etc. praktisch nicht mehr durchführbar wären. Zwar ist klar, dass beispielsweise das Anbringen einer Fassaden- oder Kellerdeckenisolation stets mit mehr oder weniger unan­ genehmen Einwirkungen auf die einzelnen Mietobjekte, z.B. Gerüst, Lärm, Staub etc., verbunden ist und der Mieter in der Nutzung seines Objektes gestört wird. Dem Vermieter solche und weitere Investitionen als Folge eines gekün­ 398

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Art. 260–260a

digten Mietverhältnisses im selben Haus generell zu verunmöglichen, rechtfer­ tigt sich nicht. Hingegen behält Art. 260 Abs. 2 und 3 OR zugunsten des Mie­ ters diesfalls finanzielle Ansprüche gemäss Art. 259d und 259e OR vor.

2.5.3

Herabsetzungs- und Schadenersatzanspruch

Zunächst steht dem Mieter der Anspruch auf Herabsetzung des Mietzinses zu 50 (Art.  260 Abs.  2 OR). Der Gesetzgeber verweist ausdrücklich auf Art.  259d OR, womit für die Begründetheit dieses Anspruches und das Mass der Herab­ setzung die dort aufgestellten Regeln zur Anwendung gelangen (vgl. N 4 ff. zu Art. 259d OR). Die Höhe des Herabsetzungsanspruches hängt einerseits von Dauer und Ausmass der Störung und Beeinträchtigung im Gebrauch der Miet­ sache, und anderseits auch von den Massnahmen ab, die zur Verminderung dieser Beeinträchtigungen vermieterseits veranlasst wurden oder die der Mie­ ter selber trifft oder vernünftigerweise hätte treffen können (vgl. dazu N 14 ff. zu Art. 259d OR). Neben dem Anspruch auf Herabsetzung des Mietzinses steht dem Mieter 51 gemäss Art. 260 Abs. 2 OR auch ein Anspruch auf Ersatz des infolge der Erneu­ erungs- und Änderungsarbeiten erlittenen Schadens zu. Auch hier verweist der Gesetzgeber ausdrücklich auf die einschlägigen Bestimmungen des Mängel­ rechts (Art. 259e OR). Beim Wohnungsmieter sind Schäden im engeren Sinne eher selten zu erwar­ 52 ten. Dass im Zuge der Bauarbeiten verursachte Schäden am Mobiliar oder an Einrichtungen des Mieters zu ersetzen sind, versteht sich von selbst und ohne, dass es der ausdrücklichen Erwähnung bedurft hätte. Dem Geschäfts­ mieter droht demgegenüber eine Gewinneinbusse aus der Einschränkung in der vo­rausgesetzten Nutzung der Sache. Zu denken ist an ein Ladengeschäft, dessen Schaufenster durch die Bauinstallationen völlig verdeckt werden oder an das Restaurant, dessen Parkplätze mit Bauinstallationen und Materialdepo­ nien überstellt werden, was nachweisbar zu Umsatz- bzw. Gewinneinbussen führte. Die Beweislast für den Schaden, die Schadenshöhe und die adäquate Kausalität zwischen den Sanierungsarbeiten des Vermieters und dem Schaden liegt beim Mieter (Higi, ZK, N 16 zu Art. 259e, mit weiteren Hinweisen). Das Verschulden des Vermieters wird vermutet (vgl. Higi, ZK, N 17 zu Art. 259e 53 OR). Allerdings steht dem Vermieter der Exkulpationsbeweis gemäss Art. 259e OR offen (vgl. Weber, BSK, N 7 zu Art. 260 OR, N 1 zu Art. 259e; Urteil des Bundesgerichts 4C.288/2005 vom 9. Dezember 2005, E. 2; Urteil des Bundes­ gerichts 4A_173/2010 vom 22. Juni 2010, E. 8), also der Beweis, dass ihn am

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Schaden kein Verschulden trifft und ihm keine Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden kann (vgl. Weber, BSK, N 1 zu Art. 259e OR). Gelingt ihm der Beweis, so haftet er für den entstandenen Schaden nicht (vgl. zum Ganzen N  14 zu Art.  259e OR). Vorbehalten bleibt eine allfällige ausservertragliche Haftung des Vermieters nach Art.  58 OR (Werkeigentümerhaftung). Für das Verhal­ ten seiner Hilfspersonen, wozu auch die Handwerker und Unternehmer zäh­ len, haftet er nach Massgabe von Art. 101 OR. Der Mieter hat umgekehrt die im Rahmen seiner Schadensminderungsobliegenheit gebotenen Massnahmen zu treffen, um den Schaden möglichst gering zu halten, z.B. durch entsprechende Ansetzung der Betriebsferien während der Bauphase. 54

Über das Recht auf Herabsetzung des Mietzinses sowie den Schadenersatz­ anspruch hinausgehende Forderungen des Mieters (z.B. auf Zahlung einer Genugtuung) sind gestützt auf den klaren Wortlaut von Art. 260 Abs. 2 OR nicht durchsetzbar, soweit sie nicht vertraglich vereinbart sind (Higi, ZK, N 15 zu Art. 259e OR; a.M. Weber, BSK, N 1 zu Art. 259e OR). Nicht zu ersetzen ist insbesondere der sog. Frustrationsschaden, also ein dem entgangenen «Feri­ engenuss» im Reisevertragsrecht entsprechender entgangener «Wohngenuss» (Higi, ZK, N 15 zu Art. 259e OR; gl. M. Weber, BSK, N 1 zu Art. 259e OR, mit der zutreffenden Einschränkung, dass bei der Miete einer Ferienwohnung eine weniger strenge Sichtweise angezeigt sei).

2.5.4

Ansprüche bei fehlender Rücksichtnahme

55

Solange die Ausführung der Bauarbeiten sich mit Blick auf Art. 260 Abs. 1 OR – sowohl in zeitlicher (Einhaltung Terminplan) als auch in sachlicher Hinsicht (Art und Umfang der Arbeiten gemäss Plan und öffentlich-rechtlicher Immis­ sionsvorschriften)  – im zulässigen Rahmen bewegt, steht dem Mieter trotz der damit verbundenen Störung im Gebrauch der Sache weder ein Anspruch auf Hinterlegung des Mietzinses (Art.  259g OR) noch ein Beseitigungsan­ spruch (Art. 259b OR) der durch die Störung verursachten Beeinträchtigung zu. Art.  260 OR stellt gegenüber Art.  259a ff. OR eine lex specialis dar und schliesst daher die Mängelrechte grundsätzlich aus, soweit sie in Abs. 2 nicht ausdrücklich erwähnt sind (vgl. dazu Botsch. 1985, S. 1439).

56

Treten im Rahmen der erwähnten Bauarbeiten aber grössere Verzögerungen auf, weicht die Durchführung der Arbeiten erheblich vom geplanten und dem Mieter angekündigten Ablauf ab oder lassen es die vom Vermieter beauftrag­ ten Handwerker an der gebotenen Rücksichtnahme und der Einhaltung von gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten mangeln, so können die Arbeiten für den Mieter unzumutbar werden (MfdP/Wyttenbach, N 12.5). Die in Art. 260 400

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Abs. 1 OR enthaltene Duldungspflicht des Mieters fällt dahin. Es stehen ihm damit sämtliche Rechtsbehelfe des Mängelrechts, also auch ein Beseitigungsund Hinterlegungsrecht, sowie das Recht zur fristlosen Kündigung gemäss Art. 259b OR zur Verfügung (so auch Higi, ZK, N 59 ff. und 69 ff. zu Art. 260 OR). Zu Recht verlangt wird indessen, dass Abweichungen vom Plan, um Unzumutbarkeit des Mieters zu begründen, objektiv erheblich bzw. «massiv» (MfdP/Wyttenbach, N 12.7.2) sein müssen. Daran fehlt es regelmässig, wenn die Ausweitung solcher Arbeiten auf unvorhersehbare Erschwernisse zurück­ zuführen ist (vgl. Higi, ZK, N 60 zu Art. 260 OR). Die Mängelrechte im Zusammenhang mit Erneuerungs- und Änderungsarbei­ 57 ten stehen dem Mieter grundsätzlich auch bzw. erst recht zu, wenn das Mietver­ hältnis gekündigt ist bzw. im Sinne der vorstehenden Ausführungen (N 29 ff.) als «gekündigt» gilt. Selbstverständlich sind dabei die spezifischen Zulässig­ keitsvoraussetzungen hinsichtlich sämtlicher Mängelansprüche zu beachten.

2.6

Rechtsbehelfe der Parteien

Weigert sich der Mieter, eine Erneuerungs- oder Änderungsarbeit des Vermie­ 58 ters an der Mietsache zu dulden, so kann der Vermieter die Schlichtungsbehörde anrufen. Scheitern diese Einigungsbemühungen, so hat der Vermieter, der seinen Anspruch durchsetzen will, innert 30 Tagen den Richter anzurufen. Ebenso kann der Mieter an die Schlichtungsbehörde gelangen, wenn der Ver­ mieter ohne Ankündigung mit unzumutbaren Erneuerungs- und Änderungs­ arbeiten beginnt, z.B. mit Arbeiten an der Fassade, Arbeiten an den zentralen technischen Installationen wie Elektrizitäts-, Wärme- und Wasserversorgung, und der Mieter dadurch erheblich im Gebrauch der Sache beeinträchtigt wird. Es bedarf keiner Erläuterung, dass die Anrufung der Schlichtungsbehörde 59 und  – wenn eine gütliche Einigung scheitert  – anschliessend diejenige des zuständigen Gerichts vom zeitlichen Ablauf her kaum rasche Abhilfe gegen unzulässiges Verhalten der anderen Partei ermöglicht. Beide Parteien können dabei in dringenden Fällen direkt beim zuständigen Richter um den Erlass von vorsorglichen Massnahmen oder gar superprovisorischen Massnahmen ersu­ chen (vgl. Kapitel «Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Miet­ sachen», N 149 m.w.H.). Diese Massnahmen können in einem Verbot der Wei­ terführung der bereits begonnenen Arbeiten oder in einer Erlaubnis bestehen, solche Arbeiten gegen den Willen des Mieters vorläufig weiterzuführen oder die Wohnung des Mieters betreten zu dürfen (z.B. Ausführung von Arbeiten, die im Lichte von Art. 260 Abs. 1 OR zumutbar erscheinen). Freilich ist ein

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Gesuch um Erlass vorsorglicher oder gar superprovisorischer Massnahmen nicht ohne Tücken und vor allem nicht kostenlos. Zumindest bei superprovi­ sorischen Massnahmen wird deren Anordnung nicht selten von einer Sicher­ heitsleistung abhängig gemacht (vgl. Art. 264 f. ZPO).

3

Änderungen und Erneuerungen durch den Mieter

3.1

Begriffe und Abgrenzungen

60

Die Begriffe Änderungen und Erneuerungen decken sich grundsätzlich mit den identischen Begriffen, wie sie Art. 260 OR verwendet. Sie sind abzugren­ zen von Reparatur- und (reinen) Unterhaltsarbeiten des Mieters.

61

Unterhaltsarbeiten darf der Mieter grundsätzlich ohne Zustimmung des Ver­ mieters vornehmen; teilweise ist er sogar dazu verpflichtet, soweit es sich um kleinen Unterhalt gemäss Art. 259 OR handelt oder soweit er grössere Män­ gel oder Schäden selbst verursacht hat (MfdP/Wyttenbach, N 32.1.1; Higi, ZK, N 8 und 10 zu Art. 260a OR nimmt ein Recht bzw. eine Pflicht des Mieters nur bezüglich des kleinen Unterhalts oder für Arbeiten an, welche gestützt auf eine vertragliche Unterhaltsvereinbarung durch den Mieter vorzunehmen sind bzw. vorgenommen werden dürfen). Andere Unterhaltsarbeiten darf der Mieter nicht oder nur auf eigenes Risiko vornehmen (MfdP/Wyttenbach, N 32.1.2; Higi, ZK, N 9 ff. zu Art. 260a, hält die eigenmächtige Instandhaltung für unzulässig, will dem Mieter aber einen bereicherungsrechtlichen Entschädigungsanspruch dem Vermieter gegenüber einräumen, es wäre denn, der Mieter handle mit Ermächtigung des Vermieters, des Richters oder durch Ersatzvornahme im Sinne von Art. 259b Bst. b OR).

62

Nicht unter die Vorschrift von Art. 260a OR fallen nach herrschender Lehre Ausbauarbeiten des Mieters bei der Rohbaumiete (vgl. Näheres dazu unter N  56  ff. zu Art.  256), bei der das Mietobjekt dem Mieter zum individuellen Ausbau überlassen wird, weil sich die vertraglich vereinbarte Gebrauchstaug­ lichkeit hier im Rohbau erschöpft und der Innenausbau Sache des Mieters ist. Nur die über den vertragsgemässen Ausbau hinausgehenden Erneuerungen und Änderungen der eigentlichen Mietsache fallen unter Art. 260a OR. Ande­ rer Auffassung sind Weber, BSK, N 2 zu Art.260a OR, und Heusi, Geschäfts­ miete, S. 5 ff. Danach wird die Gebrauchstauglichkeit erst mit den mieterseiti­ gen Ausbauarbeiten hergestellt, und ein Entschädigungsanspruch richtet sich

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Art. 260–260a

ausschliesslich nach Art. 256 OR (vgl. zur teilweise umstrittenen Rechtsnatur und Zulässigkeit der Rohbaumiete eingehend N 56 ff. zu Art. 256).

3.2

Grundsätzliche Unzulässigkeit

Während der Vermieter Änderungen und Erneuerungen gemäss Art. 260 OR 63 grundsätzlich ohne Zustimmung des Mieters und gegen dessen Willen vor­ nehmen darf, sind dem Mieter solche Arbeiten untersagt, wenn der Vermieter den Arbeiten nicht schriftlich zugestimmt hat. Nach Art. 267 Abs. 1 OR ist der Mieter uneingeschränkt verpflichtet, die Mietsache am Ende der Mietdauer «in dem Zustande zurückzugeben, der sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch ergibt». Enthält der Mietvertrag keine Bestimmungen, welche den Mieter zur Vornahme von Erneuerungen oder Änderungen an der Mietsache berechti­ gen, so sind solche Arbeiten an der Mietsache durch den Mieter grundsätz­ lich unzulässig (Botsch. 1985, S. 1439). Die unbewilligte Änderung stellt eine Vertragsverletzung dar. Dem Vermieter steht das Recht zu, dem Mieter die Durchführung einer geplanten, indes nicht genehmigten Änderung/Erneue­ rung zu verbieten bzw. die ohne Zustimmung begonnenen Arbeiten einzustel­ len – falls erforderlich durch richterlichen Befehl und amtlichen Zwang (vgl. auch Higi, ZK, N 29 ff. zu Art. 260a OR). Sind die unbewilligten Änderungen bereits abgeschlossen und ist der Ver­ 64 mieter nicht bereit, seine schriftliche Zustimmung im Nachhinein zu erteilen, kann er das Mietverhältnis ordentlich kündigen (Higi, ZK, N 32 zu Art. 260a OR; Weber, BSK, N  1 zu Art.  260 OR; MfdP/Wyttenbach, N  32.3.2; Aubert, CPra, N 28 zu Art. 260a OR). Bei einer ordentlichen Kündigung, die keiner besonderen Begründung bedarf, stellt sich demgegenüber die Frage der Wirk­ samkeit nicht. Es genügt, dass die Kündigung nicht missbräuchlich ist. Eine unterschiedliche Behandlung des Mieters, der seine nicht bewilligten Bauar­ beiten bereits abgeschlossen hat gegenüber demjenigen Mieter, dessen Bauar­ beiten noch im Gang sind, ist nicht geboten. In beiden Fällen stellt das Verhal­ ten des Mieters eine Vertragsverletzung dar, die zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt. An eine ausserordentliche Kündigung gestützt auf Art. 257f Abs. 3 OR sind 65 demgegenüber strenge Anforderungen geknüpft. Das Mietgericht Zürich erachtete eine ausserordentliche Kündigung im Urteil vom 18. April 1995, in: ZMP 2/95, Nr. 22, S. 30, daher nur dann als zulässig, falls die Arbeiten objek­ tiv betrachtet eine Schädigung der Mietsache darstellten oder einen Mangel an der Mietsache verursachten, beispielsweise bei erheblichen Änderungen der

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Art. 260–260a

Sache oder unsachgemässen Installationen bei Erneuerungen. Dem Vermie­ ter wurde bei Fehlen dieser strengen Voraussetzungen einzig zugestanden, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu verlangen. Die ausseror­ dentliche Kündigung erfordert eine vorgängige schriftliche Abmahnung und einen zeitlichen Zusammenhang zu dieser. Sodann muss die Pflichtverletzung schwer und die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter unzumut­ bar sein. Das Bundesgericht bezeichnete im Urteil 4C.118/2001 vom 8. August 2001, E. 8, in: MRA 5/01, S. 150 ff., die Kündigung deshalb als unwirksam, weil sie erst anderthalb Jahre nach der letzten Abmahnung erfolgte, was gegen die Annahme spreche, die Fortsetzung des Mietverhältnisses erweise sich für den Vermieter als geradezu unzumutbar (vgl. die Kritik von Giavarini zu diesem Urteil, in: MRA 5/01, S. 154 ff.). Higi, ZK, N 32 zu Art. 260a OR, verlangt für die Zulässigkeit einer ausserordentlichen Kündigung ebenfalls, dass die Ände­ rung unsachgemäss ausgeführt wurde oder zu einer Schädigung der Sache geführt hat. Nur bei noch lange dauernden befristeten Mietverträgen, die eine ordentliche Kündigung während längerer Zeit ausschliessen, hält er eine Kün­ digung aus wichtigem Grund (Art. 266g OR) auch bei einer sachgemässen bzw. zu keiner Schädigung der Sache führenden Änderung für zulässig. 66

Unbewilligte Änderungen sind für den Vermieter namentlich dann unzumut­ bar, wenn durch die Arbeiten in erheblichem Mass in die Bausubstanz einge­ griffen wird oder ein Mangel am Mietobjekt verursacht wird (Hulliger/Hein­ rich, CHK, N 5 zu Art. 260a OR; Weber, BSK, N 1 zu Art. 260a OR; Mietgericht Zürich, Urteil vom 18. April 1995, in: ZMP 2/95, Nr. 22, S. 30). Daneben und unabhängig vom Kündigungsrecht stehen dem Vermieter bei unbewillig­ ten Änderungen bzw. bewilligten, aber unsachgemäss ausgeführten, überdies Schadenersatzansprüche gestützt auf Art. 97 ff. OR offen.

3.3 Zulässigkeitsvoraussetzungen 67

Zulässig sind Erneuerungs- und Änderungsarbeiten durch den Mieter aus­ schliesslich dann, wenn der Vermieter dazu seine schriftliche Einwilligung gegeben hat. Das Erfordernis der Schriftlichkeit dient gemäss Botsch. 1985, S. 1439, der Rechtssicherheit und der Beweiserleichterung. Daraus leiten ein­ zelne Autoren ab, Schriftlichkeit sei entbehrlich, wenn die bloss mündliche Zustimmung anderweitig bewiesen werden könne. «Die schriftliche Zustim­ mung des Vermieters hat lediglich Beweisfunktion, sie ist nicht Gültigkeits­ erfordernis, im Gegensatz zur Unterschrift des Mieters in der Verpflichtung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands» (MfdP/Wyttenbach, N  32.2.2). Dabei wird verkannt, dass gesetzliche Formvorschriften stets Gül­ 404

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Art. 260–260a

tigkeitsformen sind (Art. 11 Abs. 1 OR). Vorbehalten bleibt einzig die rechts­ missbräuchliche Berufung auf die Nichteinhaltung der Form. Die Figur der sog. Beweisform findet sich nur bei gewillkürten Parteiformen, wo das Gültig­ keitserfordernis zwar ebenfalls vermutet, aber durch den Beweis des Gegen­ teils (dass die Schriftform lediglich dem Beweis des bereits formfrei Verein­ barten dient) widerlegt werden kann (Art.  16 Abs.  1 OR). Zurückhaltender argumentiert Weber, BSK, N 4 zu Art. 260a OR, der zunächst zu anerkennen scheint, dass es sich um eine Gültigkeitsform handelt, die lediglich die rechts­ missbräuchliche Berufung auf die nicht eingehaltene Form vorbehält. Indessen führt er aus: «Da Art. 2 Abs. 2 ZGB auch die rechtsmissbräuchliche Berufung auf Formvorschriften erfasst, muss sich der Vermieter trotz Art. 11 Abs. 2 OR i.d.R. auch bei einer – in der Praxis allerdings schwer zu beweisenden – münd­ lichen Zustimmung behaften lassen.» Zur Stützung dieser Auffassung beruft er sich zu Unrecht auf Higi, der in den zitierten N 18 und 23 zu Art. 260a OR die Berufung auf Rechtsmissbrauch gerade umgekehrt, nämlich als Ausnahme bezeichnet. Auch das von Weber zitierte Urteil des Bundesgerichts 4C.212/2006 vom 68 28. September 2006, E. 3.1, lässt sich schlecht zur Stütze von These heranzie­ hen. Zum einen lässt der Entscheid die Frage offen, ob im betreffenden Fall die bloss mündliche oder stillschweigende Zustimmung die Schriftform zurück­ treten lasse, und weist die Sache zurück, damit über die Frage der Zustim­ mungsform Beweis geführt werde. Zudem scheint das Bundesgericht zu ver­ kennen, dass es sich bei der nicht eingehaltenen Form keineswegs um eine Parteiform handelte. Seine ausführlichen Erörterungen, dass die Mietvertrags­ parteien auf die Einhaltung der im Vertrag vorbehaltenen Schriftform mögli­ cherweise durch konkludentes Verhalten verzichtet hätten, sind missverständ­ lich. Die Hinweise auf die Lehre zu Art. 16 OR, der sich eben gerade nicht mit der in Art. 11 OR statuierten Gültigkeitsform befasst, lassen gewisse Zweifel daran aufkommen, ob das Bundesgericht sich bewusst war, dass eine gesetzli­ che Form in Rede stand, die nicht dadurch, dass sie auch im Mietvertrag sta­ tuiert wird, zur blossen Parteiform mutiert. Etwas missverständlich ist auch die in ähnlichem Zusammenhang – Zustimmung des Vermieters zur Über­ tragung des Mietverhältnisses – gemachte Bemerkung Kollers (Koller, Rechts­ behelfe, S. 216) die vom Gesetz verlangte Schriftlichkeit sei nicht Gültigkeits-, sondern Beweisform im Interesse des Mieters. Denn er verweist sogleich auf die mit Hinweisen belegte gegenteilige Auffassung des Bundesgerichts, kommt aber zunächst zum Schluss, dieses sei «im Ergebnis» gleicher Meinung. Der Widerspruch löst sich erst auf, wenn Koller weiter ausführt, wer – wie es das Bundesgericht und ein Teil der Lehre tue – den Standpunkt vertrete, im Falle Hans Bättig

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einer bloss mündlichen Zustimmung sei es ohne weiteres rechtsmissbräuch­ lich, sich auf das Schriftformerfordernis zu berufen (Art. 2 Abs. 2 ZGB), ver­ wende «einen unüblich weiten Rechtsmissbrauchsbegriff». 69

Die rechtsmissbräuchliche Berufung auf den gesetzlichen Formvorbehalt ist daher – entgegen der Auffassung Webers – nicht Regel, sondern Ausnahme. Das von Higi, ZK, N 23 zu Art. 260a OR, angeführte Beispiel für einen solchen Rechtsmissbrauch – der Vermieter selber liefert Werkzeug oder Material für die in Rede stehenden Arbeiten, und der Mieter hält sich an das Geplante – zeigt, dass ein Rechtsmissbrauch nicht leichthin angenommen werden darf. Auch im Urteil des Bundesgerichts 4C.212/2006 vom 28. September 2006, E. 3.2, findet sich ein Hinweis auf eine mögliche rechtsmissbräuchliche Berufung auf den Formvorbehalt, weil der Vermieter die Baubewilligungspläne für die Arbeiten mitunterzeichnet hatte. Man kann sich freilich fragen, wieweit allenfalls bereits mit dieser Unterzeichnung dem Schriftformerfordernis Genüge getan wurde (vgl. Entscheid des Pretore della Guirisdizione di Locarno-Campagna vom 10. Oktober 2003, auszugsweise wiedergegeben, in: mp 3/04, S. 151 ff.; MfdP/ Wyttenbach, N  32.2.2). Denn wesentlich ist, dass sich aus dem entsprechen­ den Schriftstück sowohl diese Zustimmung als auch die Arbeiten, worauf sie sich bezieht, unmissverständlich ergeben und dass es vom Vermieter rechts­ gültig unterzeichnet ist (so auch MfdP/Wyttenbach, N  32.2.2.2; sinngemäss auch Higi, ZK, N 23 zu Art. 260a OR). Fehlt die Unterschrift des Vermieters, so liegt die vom Gesetzgeber verlangte Schriftlichkeit der Zustimmung nicht vor. Gleiches muss gelten, wenn zwar eine mündliche Zustimmung dem Grund­ satz nach bewiesen wird, nicht aber, auf welche Arbeiten sich der Inhalt die­ ser mündlichen Zustimmung genau bezog. Die Bemerkung von Weber, BSK, N 4 zu Art. 260a OR, der entsprechende Beweis einer bloss mündlichen Bewil­ ligung sei in der Praxis schwer zu erbringen, ist daher vor allem mit Bezug auf den genauen Umfang einer bloss mündlichen Zustimmung von Bedeutung, der ebenfalls bewiesen werden muss.

70

Sowohl mit Bezug auf Art. 260a Abs. 2 als auch Abs. 3 OR gilt daher die schriftli­ che Zustimmung des Vermieters nur in dem Umfang, der sich aus ihrem Inhalt ergibt. Stimmt der Vermieter z.B. lediglich der Verlegung eines Marmorbodens im Badezimmer zu, so kann der gleichzeitige Einbau einer Sauna im Badezim­ mer nicht als durch diese Zustimmung gedeckt gewertet werden. Probleme dürften pauschale Zustimmungen des Vermieters aufwerfen, die den Mieter berechtigen, alle ihn gut dünkenden Erneuerungs- und Änderungsarbeiten auszuführen. Kann der Mieter das Bestehen einer solchen Pauschalerklärung beweisen, die nicht leichthin anzunehmen ist, wäre diese – falls der Mieter die

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ihm erteilte Bewilligung nach Auffassung des Vermieters überschreitet – in der Regel zulasten des unvorsichtigen Vermieters auszulegen. Da es dem Vermieter freigestellt ist (MfdP/Wyttenbach, N 32.2.1), ob er dem 71 Mieter Erneuerungen oder Änderungen gestatten will oder nicht, kann er seine Zustimmung von Bedingungen abhängig machen, z.B. der Sicherstel­ lung der für die Änderung veranschlagten Kosten, zur Abwehr allfälliger Bau­ handwerkerpfandrechte oder der mutmasslichen Rückbaukosten oder Auf­ lagen, wie der Beizug eines vom Vermieter bezeichneten Ingenieurs (ebenso Higi, ZK, N 20 zu Art. 260a OR; zustimmend OGer Zürich, II. ZK, Urteil vom 7. Mai 1996, in: MRA 4/96, S. 180 ff.). Im Kommentar zu diesem Urteil findet sich auch ein Formulierungsvorschlag für eine Sicherstellungsvereinbarung: «Der Mieter verpflichtet sich, dem Vermieter zwecks Sicherstellung der die­ sem aus den mieterseitigen Investitionen möglicherweise erwachsenden Kos­ ten und/oder Schaden (inkl. Umtriebe), insbesondere zur Abwehr allfälliger Bauhandwerkerpfandrechte (Art. 839 Abs. 3 ZGB), vor Baubeginn eine unbe­ dingte, unwiderrufliche Garantie einer schweizerischen Grossbank (Art. 111 OR) über den Betrag von Fr. X zu übergeben.» Begnügt sich der Mieter mit einer mündlichen oder einer formal ungenügen­ 72 den schriftlichen Zustimmung des Vermieters, so hat er – unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchsverbotes (vgl. dazu Higi, ZK, N 23 zu Art. 260a OR; Urteil des Bundesgerichts 4.C 393/2002 vom 27. Mai 2003, E. 5.2) – alle sich daraus ergebenden Konsequenzen zu tragen. Aus Art. 260a Abs. 2 OR ergibt sich für diesen Fall e contrario, dass der Mieter den ursprünglichen Zustand der Miet­ sache auf eigene Kosten wiederherzustellen hat (Higi, ZK, N 20 zu Art. 260a OR; Weber, BSK, N 3 zu Art. 260a OR; MfdP/Wyttenbach, N 32.3.2) und ihm dafür selbstredend kein Entschädigungsanspruch zusteht.

3.4 Wiederherstellungspflicht Die Wiederherstellungspflicht des Mieters leitet sich aus Art. 267 Abs. 1 OR ab. 73 Gemäss dieser Bestimmung hat der Mieter die Mietsache grundsätzlich in dem Zustand zurückzugeben, wie er sie empfangen hat. Abweichungen von diesem Zustand fallen nur insoweit nicht zulasten des Mieters, als sich diese aus dem vertragsgemässen Gebrauch der Mietsache ergeben (z.B. übliche Abnützungs­ schäden). Art.  260a Abs.  2 OR sieht vor, dass der Mieter, der über eine schriftliche 74 Zustimmung des Vermieters für Erneuerungs- und Änderungsarbeiten ver­

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fügt, grundsätzlich nicht mehr zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes (Art.  267 OR) verpflichtet ist. Er hat umgekehrt ein Wegnahmerecht der getätigten Änderungen und Erneuerungen, auch wenn diese infolge des Akzessionsprinzips ins Eigentum des Vermieters übergegangen sind (Urteil des Bundesgerichts 4C.345/2005 vom 9. Januar 2006, E. 1.1 f.; MeierHayoz, BK, N 59 f. zu Art. 642 ZGB). 75

Der Vermieter kann sich aber  – trotz seiner Zustimmung zu den vom Mie­ ter vorgenommenen Arbeiten – vorbehalten, dass der Mieter den ursprüngli­ chen Zustand wiederherzustellen habe. Art. 260a Abs. 2 OR verlangt dafür eine schriftliche Vereinbarung.

76

Zwischen der in Art. 260a Abs. 1 und 2 OR verlangten Schriftlichkeit besteht auf den ersten Blick insofern ein Unterschied, als für die Zustimmung des Vermie­ ters ein einseitig unterzeichnetes Schreiben des Vermieters genügt, während die Wiederherstellungspflicht gemäss Art. 260a Abs. 2 OR schriftlich «verein­ bart» sein muss. Die herrschende Lehre geht davon aus, das setze eine schrift­ liche Vereinbarung oder zumindest eine schriftliche Verpflichtung seitens des Mieters voraus (Higi, ZK, N 42 zu Art. 260a OR; CHK, N 6 zu Art. 260a OR; MfdP/Wyttenbach, N 32.4). Dabei verweisen sie ausnahmslos auf die gleich­ lautende Auffassung in den Vorauflagen des SVIT-Kommentars (N 72).

77

Daran kann nicht festgehalten werden. Unbestritten ist zunächst zwar, dass eine bloss mündliche Vereinbarung über Wiederherstellung nicht genügt. Der Vermieter, der einerseits eine schriftliche Zustimmung zur Änderung erteilt und anderseits bloss mündlich erklärt: «Sie müssen die Änderungen bei Rück­ gabe wieder rückgängig machen, und wenn ich darauf verzichte, zahle ich nichts», wird sich  – vorbehältlich der Berufung auf offenbaren Rechtsmiss­ brauch – nicht auf eine gültige Vereinbarung bezüglich Wiederherstellung und Verzicht auf eine Mehrwertentschädigung stützen dürfen. Gleiches gilt, wenn sich der Mieter bloss mündlich zur Wiederherstellung verpflichtet. Fehlt eine entsprechende unterschriftliche Bestätigung, so hat der Vermieter die Konse­ quenzen dieses Formfehlers zu tragen. Vorbehalten bleibt auch hier eine allen­ falls rechtsmissbräuchliche Berufung des Mieters auf die fehlende Form. Fehlt es demgemäss an der gültig statuierten Wiederherstellungspflicht und ebenso an einer schriftlichen Vereinbarung über die Mehrwertentschädigung, muss der Mieter einerseits den ursprünglichen Zustand nicht wiederherstellen, der Vermieter muss anderseits den Mieter für den allfälligen erheblichen Mehrwert der Mietsache entschädigen (Abs. 3).

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Umgekehrt ist aber nicht ersichtlich, weshalb die zitierte Lehre nicht auch 78 einen schriftlichen, aber vom Vermieter unterzeichneten Vorbehalt für genü­ gend erachtet. Verlangt ein Vermieter in seiner schriftlichen Zustimmungser­ klärung ausdrücklich auch die spätere Wiederherstellung («ich stimme den von Ihnen verlangten baulichen Änderungen zu, verlange aber, dass sie bei Miet­ ende rückgängig gemacht werden und werde – sofern ich dannzumal darauf verzichte – in keinem Fall eine Mehrwertentschädigung leisten»), so ist nicht ersichtlich, weshalb die solcher eingeschränkte Zustimmung nicht auch dann gültig sein soll, bloss weil der Mieter die Einschränkung seinerseits nicht unter­ schriftlich anerkennt. So hält Blumer (Gebrauchsüberlassungsverträge, N 582) einen solchen Vorbehalt für ausreichend. Auch Weber, BSK, N 4 zu Art. 260a OR, ist der Auffassung, der Vermieter könne «sich dieses Recht schriftlich aus­ bedingen». Genau dies tut der Vermieter, der die Zustimmung mit der erwähn­ ten Formulierung nur unter der Bedingung erteilt, dass wiederhergestellt wird. Die Schriftlichkeit dient bei der Wiederherstellungspflicht primär Beweiszwe­ cken (Botsch. 1985, S. 1440), und diesen ist mit der schriftlich formulierten Einschränkung Genüge getan. Nun hat die herrschende Lehre die Auslegung nach dem Wortlaut von Art. 260a 79 Abs. 2 OR auf ihrer Seite. Vom Wortlaut her müsste bei der hier vertretenen Auffassung die Bestimmung lauten: «…, so kann er die Wiederherstellung des früheren Zustandes nur verlangen, wenn er sich dies schriftlich vorbehalten hat». Man muss sich dabei fragen, ob der Gesetzgeber bewusst eine andere For­ mulierung verwendet hat. Dafür spricht wenig. Die Schriftlichkeit dient bei der «Vereinbarung» der Wiederherstellungspflicht primär Beweiszwecken (Botsch. 1985, S. 1440), und diesen ist mit der schriftlich formulierten «Ausbedingung» regelmässig Genüge getan. Betrachten wir das Ganze zunächst mit Blick auf das Rechtsmissbrauchsverbot: 80 Richtig ist die hier vorgetragene Auffassung wohl ohne Weiteres dann, wenn die Zustimmung – dem Zeitgeist entsprechend – per E-Mail erteilt wird, ohne dass sich die Parteien bewusst sind, dass das dem gesetzlichen Schriftformer­ fordernis nicht entspricht. Hier wird sich der Mieter regelmässig einem späte­ ren Einwand der nicht erfüllten Form mit dem Hinweis auf das Rechtsmiss­ brauchsverbot widersetzen können – umgekehrt aber auch mit seinem eigenen Einwand scheitern, die Wiederherstellungspflicht sei nicht schriftlich verein­ bart worden. Gleiches wird mit Blick auf das Rechtsmissbrauchsverbot gelten, wenn die erwähnte bedingte Zustimmung per Brief erfolgt, der Mieter aber seine Verpflichtung bloss per E-Mail bestätigt.

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Nun wird im Bereich des Mietrechts dieses Rechtsmissbrauchsverbot häufig, wenn nicht gar allzu häufig bemüht. Aber zum gleichen Ergebnis führt eine teleologische Auslegung von Art. 260 Abs. 2 OR. Dem Zweck der Bestimmung wird ausreichend entsprochen, wenn – zum Ersten um der Beweisbarkeit wil­ len  – ein Wiederherstellungsvorbehalt gemacht wird. Aber auch unter dem Gesichtspunkt des – zum Zweiten – Übereilungsschutzes genügt der Vorbehalt. Der Mieter weiss bei der erteilten Zustimmung, dass er dereinst zurückbauen muss; dass er schützenswert darauf vertrauen könnte, die Wiederherstellungs­ pflicht sei aus Formgründen nicht beachtlich, wird man kaum in Erwägung ziehen, weil man dadurch wieder bei der Figur des Rechtsmissbrauchs landet.

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Zum gleichen Ergebnis führt es, dass man diese bedingte Zustimmung als nicht erteilt betrachtet, wenn der Mieter bei der Rückgabe der Sache die Wiederher­ stellung verweigert. Dass der Vermieter die Zustimmung ohne Angabe von Gründen verweigern kann, ist unbestritten (Higi, ZK, N 20 zu Art. 260a OR; Weber, BSK, N 3 zu Art. 260a OR; MfdP/Wyttenbach, N 32.3.2). Daher kann er die Zustimmung im Rahmen von Treu und Glauben von beliebigen Bedingun­ gen abhängig machen (vgl. die Beispiele bei Higi, a.a.O.) Er kann beispielsweise das Streichen der Wände unter der Bedingung gestatten, dass sie weiss gestri­ chen werden. Schreibt er stattdessen: «Dem Streichen des Kinderzimmers wird zugestimmt. Wird es nicht weiss gestrichen, ist es bei Mietende auf Kosten des Mieters wiederum weiss zu streichen.» Im ersten Fall gilt die Zustimmung als nicht erteilt, weil sie zulässigerweise auf «weiss» beschränkt wurde und der Mieter abweichend von dieser Zustimmung eine andere Farbe wählte (vgl. Higi, ZK, N 25 zu Art. 260a OR). Im zweiten Fall ist sie richtigerweise als gültig zu betrachten, auch wenn andere Farben gewählt werden. Nun soll aber der Wie­ derherstellungsanspruch daran scheitern, dass der Mieter den Vorbehalt nicht schriftlich bestätigt hat? Das wäre nach der hier vertretenen Auffassung über­ spitzt formalistische Rabulistik.

83

Dass es sich auch ungeachtet der hier beleuchteten Kontroverse empfiehlt, statt einer blossen Zustimmung eine ausführliche Zustimmungsvereinba­ rung zu redigieren, bedarf keiner Erläuterung (vgl. die Musterformulierung in N  110). Das gilt nicht nur mit Blick auf die Frage, welchen Arbeiten im Einzelnen zugestimmt wird, sondern auch hinsichtlich des Umfangs der Wie­ derherstellungspflicht. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung bedarf es diesbezüglich einer genauen und detaillierten Regelung (Urteil des Bundesge­ richts 4C.393/2002 vom 27. Mai 2003, in: mp 3/04, S. 144). Das gilt freilich nur dann, wenn sich die Wiederherstellungspflicht nicht ausdrücklich auf «sämt­

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Art. 260–260a

liche Arbeiten» bezieht; denn diesfalls besteht kein Zweifel über den Umfang der Wiederherstellung. Die Wiederherstellung des Mietobjektes durch den Mieter hat auf den Zeit­ 84 punkt der Rückgabe der Mietsache unaufgefordert zu erfolgen. Ist die Sache bei der Rückgabe nicht wiederhergestellt, steht es dem Vermieter frei, dem Mieter eine Nachfrist zur Wiederherstellung des vertragsgemässen Zustandes anzusetzen oder die Wiederherstellung auf Kosten des Mieters auszuführen bzw. ausführen zu lassen. Diesfalls hat der Mieter dem Vermieter den gesam­ ten aus der nicht gehörigen Rückgabe des Mietobjektes entstandenen Schaden zu ersetzen, insbesondere den entstehenden Mietzinsausfall und die Kosten der Ersatzvornahme (Urteil des Bundesgerichts 4A_73/2013 vom 16.7.2013, E. 6.2.2). Zu weit geht Higi, ZK, N  37 zu Art.  260a, der in analoger Anwendung von 85 Art.  267a Abs.  1 OR dafür plädiert, der Vermieter habe die Wiederherstel­ lung im Zeitpunkt der Rückgabe des Mietobjektes «unverzüglich» zu verlan­ gen, ansonsten er seine Ansprüche mit Ausnahme solcher verwirke, die den Ersatz des möglichen Minderwertes der Mietsache oder einen allfälligen Miet­ zinsausfall betreffen (gl.M. Lachat, CR, N  3 zu Art.  260a OR; Aubert, CPra, N 23 zu Art. 260a OR; MfdP/Wyttenbach, N 32.5). Dieser Auffassung ist nicht zu folgen, weil aufgrund des Schriftformerfordernisses gemäss Art. 260a OR eindeutig festzustellen ist, ob die Erneuerungs- bzw. Änderungsinvestitionen des Mieters bewilligt waren oder nicht. Es ist daher regelmässig auch eindeu­ tig, dass der Mieter zur Beseitigung des vertragswidrigen bzw. zur Wiederher­ stellung des vertragsgemässen Zustandes des Mietobjekts verpflichtet ist. Dies im Gegensatz zur Beurteilung der Frage, ob ein Mietobjekt (ohne mieterseitige Ausbauten) im vertraglichen Umfang genutzt wurde oder ob der Mieter allen­ falls für übermässige Abnutzung (bzw. Mängel) im Sinne von Art. 267a Abs. 1 OR einzustehen habe. Die unverzügliche Prüfungs- und Mängelrügepflicht mit den daran geknüpften Verwirkungsfolgen dient gemäss Botsch. 1985, S. 1456, vor allem der Rechtssicherheit und der Beweisführung. Sie hat bezüglich Män­ geln gemäss Art. 267a OR durchaus ihre Berechtigung. Stehen dagegen Erneu­ erungen durch den Mieter infrage, ist sie wegen der in Art. 260a Abs. 1 und 2 OR klar formulierten Voraussetzungen und der schriftlich vereinbarten Wie­ derherstellungspflicht entbehrlich. Die analoge Anwendung von Art. 267a OR verbietet sich daher (so auch Hulliger/Heinrich, CHK, N 6 zu Art. 260a OR). Die in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung, durch seine Zustim­ mung bringe der Vermieter zum Ausdruck, die vorgenommenen Änderungen seien von ihm gewollt und daher nützlich, trifft, wenn Wiederherstellung ver­

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Art. 260–260a

einbart wurde, gerade nicht zu. Auch das Bundesgericht bezeichnet es im Urteil 4A_678/2014 vom 27.3.2015, E. 4.2, als «sehr fraglich», ob dieser Auffassung überhaupt bzw. dass ihr wohl nur in Fällen des offenbaren Rechtsmissbrauchs (sic!) gefolgt werden könne. Sehr häufig wird der Vermieter die Zustimmung zu Änderungen denn auch eher widerstrebend und lediglich aus Kulanz ertei­ len. Erst recht scheitert daher eine solche Vermutung, wenn der Vermieter die Zustimmung mit der Bedingung verbindet, dass bei Mietende der ursprüngli­ che Zustand wiederhergestellt werden muss. 86

87

Hat es der Mieter unterlassen, das Mietobjekt im Zeitpunkt der Rückgabe in den vertragsgemässen Zustand zu versetzen, steht es den Parteien dannzumal frei, den Mieter gegen Bezahlung einer pauschalen Entschädigung von seiner Wiederherstellungspflicht zu befreien. Eine solche Verabredung im Voraus, das heisst bei Vertragsabschluss bzw. im Zeitpunkt der Vornahme der mietersei­ tigen Erneuerungs- bzw. Änderungsinvestitionen, wäre hingegen mit Art. 267 Abs.  2 OR zumindest insoweit nicht vereinbar, als die Pauschalzahlung die Kosten für die Wiederherstellung des vertragsgemässen Zustandes sowie den damit allenfalls zusammenhängenden Schaden des Vermieters (z.B. Mietzins­ ausfall) übersteigt (ähnlich auch Higi, ZK, N 43 zu Art. 260a OR).

3.5

Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs

3.5.1

Gültige Zustimmung

Nach Art. 260a Abs. 3 OR schuldet der Vermieter dem Mieter eine Entschä­ digung, wenn die Sache bei Beendigung des Mietverhältnisses einen erheblichen Mehrwert aufweist. Erste und unabdingbare Voraussetzung eine solche Entschädigung leisten zu müssen, ist zunächst die Zustimmung des Vermie­ ters zu den Arbeiten. Gestützt auf Art. 260a Abs. 1 OR muss diese Zustimmung schriftlich vorliegen. Dieses Formerfordernis gilt auch für die Anwendung von Art. 260a Abs. 3 OR uneingeschränkt, da die Bedingung der Schriftlich­ keit der Zustimmung Gültigkeitserfordernis ist (MfdP/Wyttenbach, N 32.8.1; Higi, ZK, N 40 zu Art. 260a OR mit Hinweis auf AB NR 1989, S. 502 ff.; Aubert, CPra, N 8 zu Art. 260a OR; CHK, N 4 zu Art. 260–260a OR). Kann der Mie­ ter sich nicht über eine schriftliche Zustimmung des Vermieters ausweisen, so besteht kein Entschädigungsanspruch. «Der Grundsatz ist das Prinzip der Ent­ schädigungslosigkeit» (Bundesrat Koller, AB NR 1989, S. 503). Ob der blosse Verzicht des Vermieters auf die vereinbarte Wiederherstellung indessen aus­ reicht, die Entschädigungspflicht wieder aufleben zu lassen (Higi, ZK, N 45 f. zu Art. 260a OR; Weber, BSK, N 5 zu Art. 260a OR) ist fraglich, aber nur dann

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zu prüfen, wenn die Vereinbarung nicht gleichzeitig auch einen Entschädi­ gungsverzicht enthält. Dann kann sie meist aus praktischen Gründen offen­ bleiben, weil der Mieter vor der Alternative steht, zurückzubauen oder auf die Entschädigung zu verzichten, wobei Letzteres in aller Regel die kostengünsti­ gere Variante bildet, da sich die entfernten Einrichtungen nur selten weiterver­ kaufen oder nutzen lassen. Art. 260a Abs. 3 OR regelt die Entschädigungsansprüche des Mieters aus Erneu­ 88 erungs- und Änderungsarbeiten abschliessend. Daher kann sich der Mieter – beim Fehlen einer schriftlichen Zustimmung des Vermieters bzw. im Falle der schriftlichen Vereinbarung der Wiederherstellungspflicht des Mieters  – für den dem Vermieter entstehenden Mehrwert weder auf die sachrechtlichen Bestimmungen der Art.  671  f. ZGB noch auf die ungerechtfertigte Bereiche­ rung (Art. 62 ff. OR) berufen (ausdrücklich: Botsch. 1985, S. 1440; zustimmend auch Higi, ZK, N 3 zu Art. 260a OR, unter Hinweis darauf, dass es sich bei Art. 260a OR im Verhältnis zu den vorerwähnten Bestimmungen um eine lex specialis handelt). Das hat auch dann zu gelten, wenn das Mietverhältnis nicht durch Kündigung oder einvernehmliche Auflösung endet, sondern aus anderen Gründen, beispielsweise durch Unmöglichkeit infolge höherer Gewalt. Proble­ matisch ist daher das Urteil des KGer Zug vom 3. Juli in GVP ZG 2003, S. 165, das erwog, dass die Vermieterin durch die allfällige höhere Entschädigung der kantonalen Gebäudeversicherung nach einer Feuersbrunst möglicherweise (!) bereichert sein werde. Es nahm diese Möglichkeit zum Anlass, einen berei­ cherungsrechtlichen Anspruch der Mieterin zu bejahen, ohne darüber Beweis zu führen, ob für die getätigten Arbeiten eine gültige Zustimmung vorlag und ungeachtet einer Vereinbarung, die eine Mehrwertentschädigung ausdrücklich ausschloss (a.M. und zustimmend Aubert, CPra, N 39 zu Art. 260a OR).

3.5.2

Objektiver Mehrwert

Beim Mehrwert gemäss Art. 260a Abs. 3 OR geht es nicht um einen subjektiven, 89 sondern ausschliesslich um den objektiven Mehrwert, den die Sache durch die Mieterinvestition nach allgemeiner Anschauung und unter Berücksichti­ gung des Bestimmungszweckes des konkreten Mietobjektes aufweist, und der Nützlichkeit der Installationen für den Vermieter (Urteil des Bundesgerichts 4C.18/2006 vom 29.  März 2006). Erforderlich ist also ein direkter Kausalzu­ sammenhang zwischen den Arbeiten des Mieters und des geschaffenen Mehr­ wertes, wie dies bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung «…dank der Erneu­ erung oder Änderung» hervorgeht.

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Keinen objektiven Mehrwert schaffen regelmässig luxuriöse Massnahmen (MfdP/Wyttenbach, N  32.8.2; ähnlich Higi, ZK, N  51 zu Art.  260a OR, mit dem zutreffenden Hinweis, dass die «Luxuriosität» mit Blick auf den Gesamt­ wert der Mietliegenschaft zu beurteilen ist). Für Weber, BSK, N 5 zu Art. 260a OR, ist demgegenüber nicht ersichtlich, weshalb ausgerechnet luxuriöse Mass­ nahmen nicht entschädigungswürdig seien. Mit seinem Einwand übersieht er, dass luxuriöse Massnahmen dann – aber eben nur dann – als entschädigungs­ würdig zu betrachten sind, wenn sie den realisierbaren Gebrauchswert objek­ tiv erhöhen und diesfalls eben als nützlich statt luxuriös gelten. Massgebend für den objektiven Mehrwertcharakter einer Änderung wird daher sein, ob sich diese für die Benützung bzw. auf den Gebrauchswert der konkreten Miet­ sache und auf den daraus erzielbaren Ertrag objektiv günstig (und erheblich) auswirkt. Rein luxuriöse oder rein ästhetisch motivierte Investitionen, z.B. ein Biotop, Täferungen oder Einbau einer Sauna, dürften dabei nur in Betracht fal­ len, wenn nachgewiesen ist, dass sie den Mietwert tatsächlich erhöhen. Das in der Praxis selten anzutreffende Lehrbuchbeispiel einer vom Mieter und Hob­ bykoch eingebauten Luxusküche mag zur Anschauung hilfreich sein. Die mit allen Schikanen ausgestattete Küche wird in einer auch ansonsten luxuriös aus­ gestatteten Wohnung durchaus zu einem objektiven Mehrwert führen, wäh­ rend sie in einer eher abgewohnten Altbauwohnung kaum zu einer besseren Vermietbarkeit und einem dem Erstellungswert entsprechenden Mehrertrag führen.

3.5.3 91

Erheblichkeit des Mehrwertes

Der zu entschädigende Mehrwert bei Mietende muss sodann «erheblich» sein. Das Parlament hat den Antrag der Kommissionsminderheit, das Wort «erheb­ lich» in Art. 260a Abs. 3 OR zu streichen, mit «offensichtlicher Mehrheit» (AB NR 1989, S. 502 f.) abgelehnt. Entschädigt werden soll nicht jede Kleinigkeit, wie beispielsweise ein Teppich (Bundesrat Koller, AB NR 1989, S.  503). Der Mehrwert muss, um erheblich zu sein, «auch in einer gewissen Relation zur Wohnung» stehen (NR Hubacher, AB NR 1989, S. 502). Unerheblich ist, wie viel der Mieter selbst investiert hat, doch muss der Mehrwert von ihm bzw. jedenfalls nicht vom Vermieter geschaffen sein. Eine nähere Präzisierung, was unter «erheblich» zu verstehen ist, gibt der Gesetzgeber nicht. Infolge der Rela­ tivität dieses Begriffes ist dessen Auslegung in der Praxis strittig (Higi, ZK, N 50 ff. und 57 ff. zu Art. 260a OR).

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Art. 260–260a

3.6

Bestimmung des erheblichen Mehrwerts

3.6.1 Lehre Nachdem das Gesetz die Erheblichkeit nicht näher definiert, fragt sich als Ers­ 92 tes, was als erheblich zu gelten hat und auf welche Bezugsgrösse dabei abzu­ stellen ist. Unbestritten ist nach dem bereits Ausgeführten, dass ein Bezug zum konkreten Mietverhältnis bzw. eine Relation zur Mietsache unabdingbar erscheint. Einzelne Autoren nehmen den bezahlten Mietzins zum Ausgangs­ punkt und halten Mehrwerte, die (mindestens) einem Monatsmietzins ent­ sprechen, für erheblich (vgl. Zehnder, Mehrwertentschädigung, S.  726; Hul­ liger/Heinrich, CHK, N 8 zu Art. 260–260a OR). Andere nehmen Bezug auf den Liegenschaftswert (Barbey, Travaux, S. 15, schlägt 3% des Werts des Miet­ objekts vor; die Erstauflage des SVIT-Kommentars schlug 10% dieses Wertes als Grenze vor, was bei Licht betrachtet freilich als zu hoch erscheint, vgl. die Kritik von Zehnder, a.a.O.). Andere lehnen schematische (Faust-)Regeln ab (Higi, ZK, N 57 ff. zu Art. 260a 93 OR; Weber, BSK, N 5 zu Art. 260a OR) und verlangen die Festlegung des Mehr­ wertes und dessen Erheblichkeit nach Massgabe aller Umstände (Higi, ZK, N 57 ff. zu Art. 260a OR; Weber, BSK, N 5 zu Art. 260a OR; Aubert, CPra, N 35 zu Art. 260a OR; MfdP/Wyttenbach, N 32.8.2; vgl. auch Rohrer, privates Bau­ recht, S. 259 f.; Schumacher, Mieter, S. 60, der für den Streitfall empfiehlt, den Mehrwert mithilfe eines Experten, evtl. eines Schiedsgutachters, feststellen zu lassen).

3.6.2 Rechtsprechung Die Höhe der Entschädigung ist auch nach bundesgerichtlicher Rechtspre­ 94 chung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles nach Recht und Billigkeit (Art.  4 ZGB) zu bemessen (Urteil des Bundesgerichts 4C.393/2002 vom 27. Mai 2003, in: mp 2004, S. 144 ff., Urteil des Bundesge­ richts 4C.97/2005 vom 18. August 2005, E. 2.4, in: MRA 1/06, S. 24 f.). Das Bundesgericht lässt insbesondere  – und nach eingehender Auseinanderset­ zung mit den divergierenden Lehrmeinungen – die Frage offen, ob eine Ermitt­ lung nach der «Sachwertmethode» oder der Ertragswertmethode die richtige sei (Urteil 4A_678/2014 vom 27.3.2015, E.  4.1.4). Soweit ersichtlich, hat es entsprechende Urteile der kantonalen Vorinstanzen in keinem Fall aufgeho­ ben, sondern angesichts des grossen Ermessens, das bei einer Festlegung der Mehrwertentschädigung und deren Erheblichkeit bestehe, von einer Korrek­ tur abgesehen, unabhängig davon, ob im kantonalen Verfahren auf die Sach­

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wert- oder die Ertragswertmethode oder auf Billigkeitsüberlegungen abgestellt wurde. Im Einzelnen: 95

–– Der Mieter einer 7-Zimmer-Wohnung hatte für die in Rede stehenden Arbeiten einen Betrag von 115 600 CHF aufgewendet, unter anderem für die Erstellung einer in der Folge untervermieteten 2-Zimmer-Wohnung unter Reduktion der Zimmerzahl der weiterhin durch ihn genutzten Woh­ nung auf 5 Zimmer. Davon – so eine von ihm in Auftrag gegebene Exper­ tise – war im Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses ein Restwert von 60 289 CHF vorhanden. Dieser Betrag entsprach rund 4% des Wertes der ganzen Mietliegenschaft von ca. 1,5 Mio. CHF. Die kantonalen Vorins­ tanzen hatten die Mehrwertentschädigung auf 30 000 CHF festgelegt (Urteil des Bundesgerichts 4C.18/2006 vom 29. März 2006 MRA 3/06, S. 108).

96

–– Die kantonale Vorinstanz hatte einen vom Mieter geltend gemachten Ent­ schädigungsanspruch von 19 200 CHF verneint, weil der vom Mieter erneuerte Bodenbelag bei Beendigung des Mietverhältnisses gesamthaft erneuert werden musste. Das Bundesgericht wies seine Beschwerde ab, da sich unabhängig davon, ob die Sachwertmethode oder die von der Vor­ instanz angewandten Ertragswertmethode gewählt werde, ein Mehrwert bei Vertragsende nicht (mehr) vorhanden war (Urteil des Bundesgerichts 4A_678/2014 vom 27. März 2015).

97

–– Die vom Mieter ausgeführte Umwandlung einer Bocciabahn in einen Ban­ kettsaal war gemäss Expertise mit Kosten von 435 100 CHF verbunden. Der Vermieter hatte sich vergeblich darauf berufen, ein Mehrwert sei schon des­ halb nicht vorhanden, weil die Nutzung des neuen Saals an fehlenden Park­ plätzen und einer zu geringen Ausnützungsziffer scheitere. Weil die Mie­ terin ihm bei Vertragsende angeboten hatte, das Nachbargrundstück für 157 000 CHF zu verkaufen, was sowohl das Problem der fehlenden Park­ plätze wie auch der zu geringen Ausnutzungsziffer behoben hätte, sprachen die Vorinstanzen dem Mieter eine Mehrwertentschädigung von 278 100 CHF zu, was der Differenz zwischen dem Sachwert der Investition und dem Verkaufspreisangebot für das Nachbargrundstück entsprach. Das war nach dem bundesgerichtlichen Urteil nicht zu beanstanden (Urteil des Bundes­ gerichts 4C.393/2002 vom 27. Mai 2003).

98

–– An die Arbeiten, die durch die Vermieterin vorgenommen worden waren, hatte die Mieterin an die Kosten einen Betrag von 100 000 CHF geleistet; während die ursprüngliche Vereinbarung eine zeitlich gestaffelte Amor­ tisation dieses Betrages vorsah, änderten der Vermieter und die Mieterin

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Art. 260–260a

diese Vereinbarung dahingehend, dass es sich bei den 100 000 CHF um einen à-fonds-perdu-Betrag handle, der nicht rückforderbar sein sollte. Der von der Mieterin dennoch geltend gemachte Anspruch auf den noch nicht amortisierten Betrag von ca. 60 000 CHF scheiterte sowohl vor den kan­ tonalen Gerichten wie auch vor dem Bundesgericht, wobei mitentschei­ dend war, dass das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs aufgelöst wurde und es – ohne dass die Frage geklärt werden müsse, ob eine solche Auflö­ sung ein «Ausschluss- oder bloss ein Reduktionsgrund für die Entschädi­ gungsforderung» (E. 2.8) sei – unbillig wäre, wenn die Mieterin diesfalls von der vorzeitigen Auflösung profitieren würde (Urteil des Bundesgerichts 4C.97/2005 vom 18. August 2005; vgl. dazu N 107). –– Die Mieterin hatte eine Mehrwertentschädigung von rund 138 000 CHF 99 geltend gemacht. Die Vorinstanz hatte ihre Klage u.a. deshalb abgewiesen, weil die Vermieterin das Vertragsverhältnis kurze Zeit später wegen Zah­ lungsrückstands auflöste bzw. auflösen musste. Das Bundesgericht hält die Gründe, die zur Auflösung des Mietverhältnisses führte, im Rahmen des zu treffenden Ermessensentscheides für beachtlich und verweist auch auf den unter altem Recht ergangenen BGE 105 II 92, E. 4b, wo erwogen wurde, dass der Mieter gegen Treu und Glauben handelt, wenn er sich zur Begrün­ dung des Bereicherungsanspruches im Zusammenhang mit Investitionen, die in Erwartung eines längerfristigen Mietverhältnisses gemacht worden waren, auf die vorzeitige Vertragsauflösung beruft, für die er keinen legiti­ men Grund hat und die ausschliesslich er selber zu vertreten hat (Urteil des Bundesgerichts 4A_84/2007 vom 22. Februar 2008).

3.6.3 Bemessungskriterien Angesichts dieser Methodenvielfalt klare und eindeutige Kriterien vorzuschla­ 100 gen, fällt gezwungenermassen schwer. Immerhin: Die dem Mieter entstande­ nen Kosten sind richtigerweise bloss als Ausgangspunkt und oberste Grenze der Mehrwertentschädigung zu betrachten; denn zu entschädigen sind nicht diese Kosten, sondern der dadurch geschaffene objektive Mehrwert. Dieser wird stets tiefer sein als diese Kosten, denn für die Zeit zwischen Ausführung und dem Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses sind sie angemes­ sen zu amortisieren – dies offenbar auch im ersten wiedergegebenen Urteils­ sachverhalt (N 95), wobei die Überlegungen des Experten, die zur Kürzung des Restwertes um rund 50% führten, im Dunkeln liegen. Die im zweiten Urteils­ sachverhalt (N 96) angedeutete Gleichsetzung von Sachwert und Umbaukos­

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ten ist daher missverständlich (Urteil des Bundesgerichts 4A_678/2014 vom 27.3.2015, E. 4.1.2). 101

Der Mehrwert muss realisierbar sein, woran es im zweiten Urteilssachver­ halt (N 96) fehlt. Illustrativ zeigt dies auch der dritte Urteilssachverhalt (N 97), wo diese Realisierbarkeit entscheidwesentlich war und bloss deshalb schei­ terte, weil sie der Vermieter durch sein Verhalten selbst vereitelt hatte. Auch wenn man dem Mieter unter Berufung auf sämtliche Umstände die Billigkeit erspart, strikten ziffernmässigen Beweis des Mehrwertes zu führen, so wird er immerhin beweisen müssen, dass und inwiefern der behauptete Mehrwert vom Vermieter auch realisiert werden kann, gl.M. MfdP/Wyttenbach, N 32.8.2: «Ein Mehrwert liegt vor, wenn der Vermieter bei einer nächsten Vermietung einen im Vergleich zum Vormietverhältnis höheren Mietzins und somit einen zusätzlichen Ertrag erzielen kann (Ertragswertmethode).» Dabei wird freilich zusätzlich darzutun sein, dass und wie weit der «Mehrmietzins» auf die Arbei­ ten des Mieters zurückzuführen ist. Bei der Bemessung des Mehrwertes kann daher nicht einfach in der Weise vorgegangen werden, dass der Mietzins des ausziehenden Mieters mit demjenigen des neuen Mieters verglichen und die kapitalisierte Differenz als Mehrwert qualifiziert wird. Bei der Bestimmung des neuen Mietzinses können noch weitere Erhöhungsfaktoren eine Rolle spielen, die nicht auf den vom Mieter geschaffenen Mehrwert zurückzuführen sind (Anpassung an die Orts- und Quartierüblichkeit, Aufrechnung relativer Erhö­ hungsfaktoren). Diese Erhöhungsfaktoren sind vom zusätzlichen Mietertrag in Abzug zu bringen.

102

Dass das im Einzelfall schwierig sein kann, ändert daran nichts. Insbesondere ist die Auffassung von Zehnders, Mehrwertentschädigung, S. 726, abzulehnen, die «Sachwertmethode sei deshalb anzuwenden, weil sie im Gegensatz zur Ertragswertberechnung «einfach» sei, wobei er offenbar einzig die ursprüngli­ chen Kosten und die seitherige Amortisation berücksichtigt sehen will; diffe­ renzierter: Higi, ZK, N 52 und 56, der den Gebrauchswert deshalb abzulehnen scheint, weil er von subjektiven Faktoren abhänge. Das mag zwar im Einzel­ fall so sein, aber entbindet den Mieter nicht vom Beweis, dass der vom Ver­ mieter ins Feld geführte Einwand, der behauptete Mehrwert sei nicht realisier­ bar, zu entkräften ist und die «subjektiven Faktoren» als solche zu entlarven sind. Diesen Beweis wird der Mieter beispielsweise dadurch erbringen kön­ nen, dass er die behauptete Mehrwertentschädigung mit einem angemessenen Überwälzungssatz in eine Mietzinserhöhung umrechnet und dartut, dass eine solche Erhöhung realisierbar erscheint. Wetzel Thomas, in: MRA 3/06, S. 108, S.  114, nimmt im Kommentar zum Urteil des Bundesgerichts 4A_678/2014

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vom 27. März 2015 eine solche Umrechnung vor. Sie erscheint plausibel und hätte im zugrunde liegenden Sachverhalt (vgl. N 96) wohl zu einer höheren Mehrwertentschädigung führen müssen. Die Berücksichtigung aller Umstände und der Verweis auf die Billigkeit ent­ 103 heben den Mieter nicht von der Beweislast, sondern nur von der unzumut­ baren bzw. unmöglichen, weil ziffernmässig nicht nachweisbaren Beweisfüh­ rung (vgl. Art. 42 OR). Wo umgekehrt Beweis geführt werden kann bzw. hätte geführt werden können, verbietet sich eine Beurteilung nach dem gewöhnli­ chen Lauf der Dinge. Problematisch ist daher das bereits in N 88 zitierte Urteil des Zuger Kantonsgerichts, auch unter dem Gesichtspunkt, dass es die Frage, ob und in welchem Umfang eine Bereicherung der Vermieterin vorlag, ohne jegliche Beweisführung nach Ermessen beurteilte. Schematische Prozentsätze sind demgegenüber als unterste Grenze für die 104 Erheblichkeit eines Mehrwertes nur bedingt tauglich. Dabei ist der genannte Monatsmietzins offenkundig zu tief; denn dann fiele auch der von Bundes­ rat Koller zitierte Teppich (vgl. oben N 91) darunter, und solches wollte der Gesetzgeber gerade nicht. Eher tauglich ist demgegenüber die Auffassung Bar­ beys (oben N 92), die Untergrenze bei 3% des Wertes des Mietobjektes festzu­ legen; das Bundesgericht hält diese entsprechende Grenze für zumindest plau­ sibel, auch wenn es die Frage offenlässt, weil die streitige Entschädigung diesen Wert deutlich überstieg (Urteil des Bundesgerichts 4A_678/2014 vom 27. März 2015, 3.1.1, S. 110). Nicht bzw. von bloss untergeordneter Bedeutung sind demgegenüber folgende Kriterien: –– Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien (so dezidiert auch Higi, ZK, 105 N 61 zu Art. 260a OR), auch wenn die vom Bundesgericht erwähnten Bil­ ligkeitsgründe (vgl. N 94) solches auf den ersten Blick nahelegen könnten. Denn nicht darauf kommt es an, sondern einzig auf den dank der Arbei­ ten des Mieters geschaffenen Mehrwert, der nicht deshalb erheblicher oder grösser wird, bloss weil die wirtschaftlichen Verhältnisse dieses Mieters bescheiden sind. –– Nicht beachtlich ist bzw. eher in den Hintergrund zu treten hat sodann die 106 Frage, ob der bisherige Mietzins besonders günstig war, was nach den Aus­ führungen des Bundesgerichts (im zweiten Urteilssachverhalt, N  96) zu einer Reduktion der Entschädigung führen soll (vgl. kritisch: Weber, BSK, N 5 zu Art. 260a OR, jedenfalls so lange, als die Vergünstigung nicht unab­ hängig von den Arbeiten gewährt wurde). Hans Bättig

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–– Auch der Umstand, wer wem wann und weshalb gekündigt hat (vgl. dazu den vierten Urteilssachverhalt N 98), ist für die Festlegung des Mehrwertes erst in zweiter Linie ausschlaggebend. Das schweizerische Zivilrecht kennt keine «punitive damages» zulasten des Vermieters; und ein geschaffener Mehrwert wird zulasten des Mieters nicht deshalb kleiner, weil das Miet­ verhältnis kurze Zeit nach Ausführung der Arbeiten aufgelöst wird (gl.M. Andreas Maag im Kommentar zum Urteil des Bundesgerichts 4C.97/2005 vom 18. August 2005); vgl. aber Kommentar Raymond Bisang zum Urteil des Bundesgerichts 4A_84/2007 vom 22.  Februar 2008, in: MRA 3/09, S. 103, S. 110; ferner Biber, Rohbaumiete, S. 146 ff.).

108

Zusammenfassend ist daher die folgende Prüfung vorzunehmen (vgl. auch Biber, Rohbaumiete, S. 141 ff., mit weiteren Hinweisen): –– Ist eine Mehrwertentschädigung wegbedungen oder betragsmässig begrenzt worden? –– Falls ein Entschädigungsanspruch grundsätzlich besteht: Ist ein Mehrwert entstanden, und wenn ja, in welcher Höhe besteht er heute noch? –– Ist dieser Mehrwert erheblich? –– Wie ist diesfalls unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die Entschädigung für den Mieter zu bemessen?

109

Wenig erstaunlich ist nach diesen Ausführungen, dass praktisch sämtliche Lehrmeinungen mit dem Rat enden, die Parteien seien ob dieser praktischen Schwierigkeiten gut beraten, die Frage der Mehrwertentschädigung und ihrer Berechnung bereits im Rahmen einer Zustimmungsvereinbarung zu regeln (vgl. beispielsweise MRA 1/06, S. 24, mit Kommentar Andreas Maag zum Urteil des Bundesgerichts 4C.97/2005 vom 18. August 2005 und entsprechenden For­ mulierungsvorschlägen auf S. 32 f.; vgl. dazu N 110). Das mag für den rechtlich unbedarften Vermieter, der eine solche Regelung unterlassen hatte, wie Hohn in den Ohren klingen und trägt erst recht nichts zur Klärung der richtigen Auslegung von Art. 260a Abs. 3 OR bei. Aber der Ratschlag ist deswegen nicht minder richtig. Er führt, wo er beachtet wird, in aller Regel zur Wegbedin­ gung jedweder Entschädigungspflicht (bei Wohnungsmietverhältnissen) bzw. zu Vereinbarungen, welche (v.a. bei Geschäftsmietverhältnissen und geschäfts­ erfahrenen Mietvertragsparteien) eine abgestufte Reduktion der geschuldeten Entschädigung im Laufe des Mietverhältnisses und unabhängig vom Zeitab­ lauf einen Maximalbetrag festlegen. Beides ist zulässig, denn Art. 260a Abs. 3 OR enthält dispositives Recht, und es steht den Parteien frei, schriftlich eine

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Art. 260–260a

andere Entschädigungsvereinbarung zu treffen oder die Entschädigungspflicht generell wegzubedingen (vgl. dazu ausführlich N 9). Eine mögliche Formulierung könnte lauten:

110

1. Dem Mieter werden folgende Veränderungen/Bauarbeiten bewilligt: … (Aufzäh­ lung). 2. Der Mieter verpflichtet sich, auf den Zeitpunkt der (ordentlichen oder ausseror­ dentlichen) Vertragsbeendigung den ursprünglichen Zustand auf Verlangen des Vermieters fachmännisch wiederherzustellen oder die Mieterausbauten teilweise zu entfernen. 3. Dem Vermieter steht das Recht zu, auf den Rückbau ganz oder teilweise zu ver­ zichten. In diesem Fall darf der Mieter bei (ordentlichem oder ausserordentlichem) Vertragsende die Ein- und Ausbauten ohne ausdrückliche schriftliche Zustim­ mung des Vermieters nicht entfernen. Gleichzeitig verzichtet der Mieter auf jegli­ che Ansprüche auf Entschädigung eines allenfalls geschaffenen Mehrwertes. Variante mit Regelung der Entschädigung: Der Vermieter verpflichtet sich, bei (ordentlicher) Beendigung des Mietvertrages eine Mehrwertentschädigung im Sinne von Art. 260a Abs. 3 OR zu leisten. Diese beträgt maximal … CHF und vermindert sich pro angebrochenem Jahr, berechnet ab Mietbeginn, bis zur (ordentlichen) Beendigung des Mietvertrages um jeweils 10% p. a. Endet der Mietvertrag vorzeitig aufgrund von Umständen, die der Mieter verschul­ det hat (Zahlungsverzug etc.) oder in seiner Person liegen (wichtige Gründe, Tod etc.), ist keine Mehrwertentschädigung geschuldet.

3.6.4

Entstehung der Forderung, Fälligkeit der Entschädigung

Gestützt auf das oben in N  75  ff. Gesagte, entsteht der Entschädigungsan­ 111 spruch des Mieters erst im Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses (der nicht mit der Rückgabe des Mietobjektes zusammenfallen muss; vgl. auch Higi, ZK, N 47 ff. zu Art. 260a OR). Auf den gleichen Zeitpunkt hin wird die Entschädigung auch zur Zahlung fällig. Der Mieter ist somit nicht berechtigt, gegen den Willen des Vermieters – wäh­ 112 rend der Dauer des Mietvertrages – fällige Mietzinse mit der erst bei Mietende fällig werdenden Entschädigung gemäss Art. 260a Abs. 3 OR zu verrechnen. Tut er es trotzdem, so kann der Vermieter gestützt auf Art. 257d OR vorgehen, womit allenfalls das Mietverhältnis vorzeitig beendigt wird. Hingegen kann der Mieter die nach der Rückgabe der Mietsache noch ausstehenden Mietzinse

Hans Bättig

421

Art. 260–260a

sowie weitere Forderungen des Vermieters (z.B. aus Art. 267 OR) mit seinem inzwischen fällig gewordenen Entschädigungsanspruch verrechnen.

3.7

Rechtsbehelfe zur Durchsetzung von Ansprüchen

113

Weil die Zustimmung zu baulichen Änderungen ohne Angabe von Gründen verweigert werden darf, kann der Mieter gegen den Willen des Vermieters eine Erneuerung oder Änderung auf seine Kosten in keinem Fall durchsetzen.

114

Führt der Mieter eine unbewilligte Erneuerung oder Änderung der Mietsa­ che trotz des Widerstandes des Vermieters aus, steht Letzterem das stumpfe, weil langwierige, zivilprozessuale Mittel der vorsorglichen Massnahme gemäss Art. 261 ff. ZPO zur Verfügung, womit z.B. ein Baustopp erwirkt werden kann, der den Mieter am Beginn oder an der Weiterführung der nicht bewilligten Arbeiten hindert. Bei Gefahr im Verzug kann der Erlass einer superproviso­ rischen Massnahme gemäss Art.  265 ZPO beantragt werden, was aber häu­ fig von der Leistung einer Sicherheit für allfällig entstehenden Schaden abhän­ gig gemacht wird (vgl. zum Ganzen auch Kapitel «Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen», N 149 m.w.H.).

115

Fügt der Mieter der Mietsache mit unbewilligten oder in Überschreitung der erteilten Bewilligung vorgenommenen Änderungs- und Erneuerungsarbeiten der Sache vorsätzlich schweren Schaden zu, so kann der Vermieter das Miet­ verhältnis zudem fristlos kündigen (vgl. dazu N 46 ff. zu Art. 257f OR).

116

Wird ein allfällig eingetragenes Bauhandwerkerpfandrecht auf Mahnung des Vermieters durch den Mieter nicht abgelöst, verletzt der Mieter den Mietver­ trag und gerät in Schuldnerverzug. Der Vermieter kann nach Art. 107 f. OR vorgehen und den Mietvertrag kündigen (BGE 123 II 124, E. 3). Zu beachten ist, dass für die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts gemäss Art.  837 Abs.  2 ZGB die Zustimmung des Vermieters zu den baulichen Änderungen erforderlich ist, diese indessen nicht schriftlich vorliegen muss (Urteil des Bun­ desgerichts 5C.208/2004 vom 12. April 2005; BGE 126 III 505, E. 4a; 116 II 677, E. 4).

422

Hans Bättig

Art. 261–261a Art. 261 J.

Wechsel des Eigentümers

1.

Veräusserung der Sache

1 Veräussert der Vermieter die Sache nach Abschluss des Mietvertrages oder

wird sie ihm in einem Schuldbetreibungs- oder Konkursverfahren entzogen, so geht das Mietverhältnis mit dem Eigentum an der Sache auf den Erwerber über. 2 Der neue Eigentümer kann jedoch: a. bei Wohn- und Geschäftsräumen das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen, wenn er einen dringenden Eigenbedarf für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte geltend macht; b. bei einer anderen Sache das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen, wenn der Vertrag keine frühere Auflösung ermöglicht. 3 Kündigt der neue Eigentümer früher, als es der Vertrag mit dem bisherigen Vermieter gestattet hätte, so haftet dieser dem Mieter für allen daraus entstehenden Schaden. 4 Vorbehalten

bleiben die Bestimmungen über die Enteignung.

J.

Changement de propriétaire

I.

Aliénation de la chose

1 Si,

après la conclusion du contrat, le bailleur aliène la chose louée ou si elle lui est enle­ vée dans le cadre d’une poursuite pour dettes ou d’une faillite, le bail passe à l’acquéreur avec la propriété de la chose. 2 Le

nouveau propriétaire peut cependant: a. pour les habitations ou les locaux commerciaux, résilier le bail en observant le délai de congé légal pour le prochain terme légal s’il fait valoir un besoin urgent pour luimême ou ses proches parents ou alliés; b. pour une autre chose, résilier le bail en observant le délai de congé légal pour le pro­ chain terme légal, à moins que le contrat ne permette d’y mettre fin plus tôt.

3 Si

le nouveau propriétaire résilie le contrat plus tôt que ne le permettrait le bail, le bail­ leur précédent répond de tous les dommages ainsi causés au locataire.

4 Les

dispositions relatives à l’expropriation sont réservées.

Hans Bättig

423

Art. 261–261a

J.

Mutamento di proprietario

I.

Alienazione della cosa

1 Se,

dopo la conclusione del contratto, la cosa è alienata dal locatore o gli è tolta nell’am­ bito di un procedimento di esecuzione o fallimento, la locazione passa all’acquirente con la proprietà della cosa.

2 Tuttavia,

il nuovo proprietario può dare la disdetta per la prossima scadenza legale, rispettando il termine legale di preavviso: a. in caso di locazione di abitazioni o locali commerciali, se fa valere un urgente biso­ gno personale, suo proprio o dei suoi stretti parenti od affini; b. in caso di locazione di altre cose, se il contratto non consente più pronto scioglimento. 3 Se il nuovo proprietario dà la disdetta prima di quanto consentito dal contratto, il loca­ tore precedente risponde verso il conduttore di tutti i danni che ne derivano.

4 Sono

salve le disposizioni sull’espropriazione.

Art. 261a II. Einräumung beschränkter dinglicher Rechte Die Bestimmungen über die Veräusserung der Sache sind sinngemäss anwendbar, wenn der Vermieter einem Dritten ein beschränktes dingliches Recht einräumt und dies einem Eigentümerwechsel gleichkommt. II.

Droits réels limités

Lorsque le bailleur accorde à un tiers un droit réel limité et que cette opération équivaut à un changement de propriétaire, les dispositions sur l’aliénation de la chose louée sont applicables par analogie.

II.

Diritti reali limitati

Se il locatore concede a un terzo un diritto reale limitato e quest’operazione equivale ad un mutamento di proprietario, le disposizioni sull’alienazione della cosa si applicano per analogia.

424

Hans Bättig

Art. 261–261a

InhaltsübersichtSeite 1.

Zwingender Charakter der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

426

2. Veräusserung der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Veräusserungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Entzug der Sache im Schuldbetreibungs- oder Konkursverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Einräumung beschränkter dinglicher Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.5 Rechtsfolgen: Übergang des Mietverhältnisses .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

426 426 427 428 428 428

3. 3.1 3.2

Auflösungsmöglichkeiten für den Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Ordentliche und ausserordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Ausserordentliche Kündigung gemäss Art. 261 Abs. 2 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

431 431 432

4. 4.1 4.2 4.3

Rechte des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Rechtsbehelfe gegen die ausserordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Rechtsbehelfe gegen eine ordentliche Kündigung des Erwerbers . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Schadenersatzanspruch gegenüber dem Veräusserer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

433 433 434 438

Hans Bättig

425

Art. 261–261a

1. 1

Zwingender Charakter der Norm

Nachdem Art. 261 OR den Schutz des Mieters im Falle eines Rechtsgeschäfts zwischen dem Vermieter und dem dritten Erwerber bezweckt, sind die Abs. 1, 2 und 4 dieser Bestimmung als absolut zwingende Normen der Parteiauto­ nomie entzogen (Roncoroni, zwingende Bestimmungen I, S. 80 ff.). Art. 261 Abs. 3 OR ist als relativ zwingende Norm ausgestaltet; abweichende Abreden zum Nachteil des Mieters sind unzulässig. Art.  261a OR enthält wiederum absolut zwingendes Recht (Roncoroni, a.a.O., S. 89).

2.

Veräusserung der Sache

2.1 Veräusserungstatbestände 2

Unter Veräusserung sind sämtliche Rechtsgeschäfte zu verstehen, die zu einer Übertragung des Eigentums führen: so Kauf, Schenkung, Tausch, Erbteilung, Einbringung in eine Gesellschaft usw. Massgebend ist nicht das Verpflichtungs-, sondern das Verfügungsgeschäft: Bei Grundstücken muss der Eigen­ tumsübergang im Grundbuch eingetragen worden sein. Massgeblich ist das Datum des Tagebucheintrags (BGE 118 II 119, BGE 128 III 82, E. 1.b und c). Bei beweglichen Sachen muss der Besitz übertragen werden (Art. 714 ZGB). Im Zwangsvollstreckungsverfahren ist der Zeitpunkt des Zuschlages massge­ bend (BGE 128 III 82, E. 1a, BGE 118 II 119, E. 3a).

3

Der Eigentümerwechsel infolge Erbgang stellt keinen Anwendungsfall von Art. 261 OR dar (MfdP/Spirig, N 27.4.1; Higi, ZK, N 8 zu Art. 261–261a OR). Das Mietverhältnis geht von Gesetzes wegen durch Universalsukzession auf die Erben über (Higi, ZK, N 7 zu Art. 261–261a OR). Anders verhält es sich bei der Erbteilung: Hier kann sich der übernehmende Erbe auf Art. 261 OR beru­ fen (so auch MfdP/Spirig, N  27.4.1; Marchand, CPra, N  12 zu Art.  261 OR; Higi, ZK, N  11 zu Art.  261–261a OR). Ebenso wenig fallen die im Fusionsgesetz geregelten Übertragsvorgänge wie die Fusion, Spaltung oder Vermö­ gensübertragung unter Art. 261 OR. Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Übertragungen beurteilen sich ausschliesslich nach dem Fusionsgesetz (Higi, ZK, N 8 zu Art. 261–261a OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 261–261a OR, m.w.H.; Roncoroni, Eigentümerwechsel, S.  197  f.). Art.  261 OR ist fer­ ner nicht anwendbar, wenn die Mietsache zufolge Vertragsübernahme i.S.v. Art. 181 OR oder im Falle von Art. 826 OR auf den neuen Eigentümer über­ geht. Auch rein wirtschaftliche Handänderungen, die nicht zu einem Eigen­

426

Hans Bättig

Art. 261–261a

tümerwechsel im Grundbuch führen, fallen nicht unter Art.  261 OR (Hulli­ ger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 261). Schliesst ein Liegenschaftsverwalter den Mietvertrag als indirekter Stellvertreter im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Eigentümers ab und wird die Mietsache später veräussert, ist Art. 261 OR nicht anwendbar; der Liegenschaftsverwalter bleibt Vermieter (Urteil des Bun­ desgerichts 4C.245/1993 vom 19. April 1994, in: MRA 1/95, S. 7 ff.). Keinen Veräusserungstatbestand stellt nach bundesgerichtlicher Rechtspre­ 4 chung auch der Heimfall eines Baurechtsgrundstücks dar, an dem der Bau­ rechtsnehmer ein Mietverhältnis begründete (BGE 142 III 329; vgl. auch MRA 3/16, S. 166) – jedenfalls dann nicht, wenn dem Mieter bekannt war, dass es sich um eine Baurechtsliegenschaft handelt (vgl. die eingehende und grund­ sätzlich berechtigte Kritik an dieser Rechtsprechung bei Weber, N 2 zu Art. 261 OR; ebenso Nicole Aellen im Kommentar zu dem in MRA 3/16, S. 166 wieder­ gegebenen Entscheid; ferner N 32).

2.2

Entzug der Sache im Schuldbetreibungs- oder Konkursverfahren

Damit ist die Verwertung des Grundstücks auf dem Weg der Zwangsverstei­ 5 gerung gemeint, womit dem zahlungsunfähigen oder in Konkurs geratenen Vermieter das Eigentum an der Sache entzogen wird. Unerheblich ist, ob dies in einer Betreibung auf Pfändung, Pfandverwertung oder Konkurs geschieht. Die Grundpfandgläubiger können freilich zum Nachteil des Mieters und 6 gleichviel, ob dessen Mietvertrag im Grundbuch vorgemerkt ist (Art.  261b OR) oder nicht, im Rahmen der Zwangsverwertung den Doppelaufruf gemäss Art. 142 SchKG und Art. 104 VZG verlangen (BGE 125 III 123, BGE 128 III 82). Dies hat zur Folge, dass der Mietvertrag auf den nächsten gesetzlichen Kündigungstermin unter Einhaltung der gesetzlichen Frist gekündigt werden kann, auch wenn kein dringender Eigenbedarf vorliegt (BGE 125 III 123, E. 1e). Unterlässt der Erwerber aber die Kündigung auf den nach Eigentumserwerb nächstmöglichen Kündigungstermin, so verliert er definitiv seine Kündigungs­ berechtigung (MRA 3/99, S. 116, BGE 125 III 123, E. 1f). Als längerfristiger Mietvertrag gilt dabei jeder, dessen Dauer länger ist, als die in Art. 266c und 266d OR enthaltenen Kündigungsfristen (BGE 126 III 290). Wird nach einem Doppelaufruf gekündigt, so kann der Mieter Erstreckung des Mietverhältnis­ ses beantragen, wobei die Interessen des Erwerbers gebührend zu berücksichti­ gen sind (MRA 3/99, S. 144 ff. und MRA 2/01, S. 59 ff.). Zur Wirkung des Dop­ pelaufrufes vgl. N 10 zu Art. 261b OR.

Hans Bättig

427

Art. 261–261a

2.3 Enteignung 7

Gemäss Art.  261 Abs.  4 OR bleiben die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die Enteignung vorbehalten. Demnach gehen im Enteig­ nungsfalle bestehende Mietverträge von Gesetzes wegen nicht auf den Enteig­ ner über. Infolge objektiver Leistungsunmöglichkeit wird diesfalls der Vermie­ ter gegenüber dem Mieter nicht schadenersatzpflichtig (Art. 119 OR). Je nach der kantonalen Regelung wird der Mieter meist vom Enteigner entschädigt (Higi, ZK, N 19 zu Art. 261–261a).

2.4 8

Einräumung beschränkter dinglicher Rechte

Gemäss Art. 261a OR sind die Bestimmungen über die Veräusserung der Sache (Art. 261 OR) sinngemäss anwendbar, wenn der Vermieter einem Dritten ein mit einem bestehenden Mietverhältnis kollidierendes, beschränktes dingli­ ches Recht einräumt (z.B. Nutzniessung, Wohnrecht oder Baurecht) und dies einem Eigentümerwechsel gleichkommt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn über eine langfristig vermietete Wohnung einem Dritten ein sofort geltendes Wohnrecht eingeräumt wird. Auch beim umgekehrten Fall, d.h. bei Erlöschen eines beschränkten dinglichen Rechtes, ist Art.  261a OR analog anzuwen­ den und eine Handänderung anzunehmen (Entscheid des Bundesgerichtes 4C.235/2005 vom 24. Oktober 2005, E. 3.1 f.; BGE 113 II 126; Entscheid des OGer Zürich vom 1. Februar 2002, in: SJZ 99, S. 38 f.; Baumann, ZK, N 12 zu Art. 751 ZGB und N 21 zu Art. 758 ZGB; Weber, BSK, N 2 zu Art. 261a OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 261–261b OR; a.A. Higi, ZK, N 7 zu Art. 261–261a OR, der eine Anwendung von Art. 261a OR nur für den Fall bejaht, dass das Erlöschen des beschränkt dinglichen Rechts auf Veräusserung oder Zwangsverwertung zurückzuführen ist). Das gilt aber – wie bereits in N 4 erwähnt – nicht beim (ordentlichen) Heimfall eines Baurechtsgrundstücks.

2.5

Rechtsfolgen: Übergang des Mietverhältnisses

2.5.1 Zeitpunkt 9

Wie bereits in N 2 ausgeführt, findet der Übergang des Mietverhältnisses im Zeitpunkt des Eigentümerwechsels statt. Vereinbaren der Veräusserer und der Erwerber einen späteren Antritt der Liegenschaft mit Nutzen und Lasten, so ist dies lediglich im internen Verhältnis zwischen ihnen massgebend. Gegen­ über dem Mieter aber wird der Erwerber im Zeitpunkt des Eigentumsüber­ gangs aus dem Mietvertrag berechtigt und verpflichtet. Verfügt der Erwerber 428

Hans Bättig

Art. 261–261a

über das Mietverhältnis, bevor er das Eigentum an der Sache erworben hat, und spricht er beispielsweise die Kündigung aus, so ist diese nichtig und wird auch nicht durch den späteren Eigentumserwerb geheilt (BGE 118 II 119; 128 III 82; vgl. Weber, BSK, N 3 zu Art. 261 OR; MfdP/Spirig, N 27.4.6; Marchand, CPra, N 17 zu Art. 264 OR). Der Eigentumsübergang erfolgt mit der Eintragung im Grundbuch (Art. 972 Abs. 2 ZGB und Art. 14 GBV), wobei auch für die mietrechtliche Beurteilung das Datum des Eintrags im sog. Tagebuch mass­ geblich ist (BGE 118 II 119; 128 III 82, E. 1c; Weber, BSK, N 3 zu Art. 261 OR, m.w.H.). Dafür sind vor allem praktische Überlegungen ausschlaggebend, wel­ che die äusserst seltenen Fälle, in denen die Eintragung im Grundbuch schei­ tert, aus Gründen der Rechtssicherheit hintanstellt (a.M. Higi, ZK, N  25 zu Art. 261–261a OR, der eine Kündigung vor der Eintragung im Grundbuch sel­ ber nicht für zulässig hält). In Ausnahmefällen geht das Eigentum «ausserbuchlich» über, so beispiels­ 10 weise beim Erbgang, der aber im vorliegenden Zusammenhang  – weil kein Veräusserungstatbestand  – keine Bedeutung hat. Bei der Zwangsverwertung geht das Eigentum bereits mit dem Zuschlag über (Art. 656 Abs. 2 ZGB und Art. 50 VZG), was auch für die am Grundstück bestehenden Mietverhältnisse gilt (BGE 128 III 82; vgl. zu den faktischen Erschwernissen für den Erwerber N 24).

2.5.2 Wirkungen Sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis gehen von Gesetzes 11 wegen auf den Erwerber über. Dieser tritt als Vermieter anstelle des Verkäu­ fers. Alle Rechte und Pflichten gehen grundsätzlich als Ganzes auf den Erwer­ ber über. Eine rückwirkende Übernahme findet jedoch nicht statt. Bereits vor dem Erwerb entstandene und fällige Geldforderungen  – beispielsweise aus regelwidrig nicht auf ein Bankkonto einbezahlten Sicherheiten oder Herabset­ zungsansprüche zufolge Mängeln der Sache – sind weiterhin gegen den Ver­ äusserer geltend zu machen (BGE 127 III 273, E. 4c; zuletzt bestätigt mit Urteil des Bundesgerichts 4A_251/2012 vom 28. August 2012; vgl. ferner Urteil des Bundesgerichts vom 16.  November 1999, in: MRA 3/00, S.  326; ZMP 2/03, Nr.  11, m.w.H.; Hulliger/Heinrich, CHK, N  6 zu Art.  261–261 OR; kritisch: Marchand, CPra, N 26 zu Art. 261 OR; a.A. Weber, BSK, N 4 zu Art. 261 OR). Auf der anderen Seite muss der Erwerber dem Mieter die Sache weiterhin zum Gebrauch überlassen, und zwar im gleichen Umfang und Rahmen wie der frü­ here Eigentümer, insbesondere zum gleichen Mietzins.

Hans Bättig

429

Art. 261–261a 12

Der Mieter kann sich dem Eigentümerwechsel nicht widersetzen. Unter Umständen steht ihm jedoch die ausserordentliche Kündigung aus wichtigen Gründen gemäss Art. 266g OR zu, beispielsweise dann, wenn er das Mietver­ hältnis mit Rücksicht auf die Person des Vermieters eingegangen war.

2.5.3

Rechtsstellung des Veräusserers

13

Nach dem vor dem 1. Juli 1990 geltenden Recht (Art. 259 aOR) haftete der Ver­ äusserer auch nach der Veräusserung für die Erfüllung des Mietvertrags solida­ risch weiter (Schmid, ZK, N 29 f. zu Art. 259 aOR; BGE 79 II 385 und 82 II 529). Dadurch, dass der Erwerber der Mietsache den Mietvertrag übernahm oder in den Mietvertrag eintrat, erhielt der Mieter einen neuen Schuldner, der neben den alten trat. Es lag eine kumulative Schuldübernahme (Schuldbeitritt) vor. Das Bundesgericht lehnte es in den zitierten Entscheiden ab, eine weniger weit­ gehende Haftung des Veräusserers anzunehmen für den Fall, dass der Erwer­ ber den Mietvertrag nicht übernahm. Es stützte sich dabei auf den Wortlaut von Art. 259 aOR ab, wonach der Veräusserer zur Erfüllung des Vertrags oder zu Schadenersatz verpflichtet war, wenn dem Mieter die Sache entzogen wurde.

14

Diese Rechtsprechung ist infolge der Mietrechtsrevision überholt. Im neuen Art. 261 OR wurde die Verpflichtung des Veräusserers für die künftige Erfül­ lung des Vertrags dem Grundsatz nach fallen gelassen. Gemäss Art. 261 Abs. 3 OR haftet er lediglich noch für den Schaden, der dem Mieter entsteht, wenn der Erwerber früher kündigt, als es der Vertrag mit dem Veräusserer gestattet hätte (vgl. N 25). Daraus muss gefolgert werden, dass die bisherige, umfassende soli­ darische Haftung des bisherigen Vermieters nicht mehr besteht (gl.M. Higi, ZK, N. 26 zu Art. 261–261a OR). Im Übrigen hat das Bundesgericht in den zitierten Entscheiden (BGE 79 II 385 und 82 II 525) dieses Ergebnis für den Fall einer gesetzlichen Beschränkung der Haftung des Verkäufers auf blossen Schadener­ satz als möglich erwogen. Verletzt der Erwerber seine vertraglichen Pflichten, wie z.B. die Unterhaltspflicht gemäss Art. 256 Abs. 1 OR oder die Auskunftspflicht gemäss Art.  256a OR, so kann der Mieter nicht gegen den Veräusse­ rer vorgehen, sondern hat sich ausschliesslich an den Erwerber zu halten. Ein Erfüllungs- bzw. Schadenersatzanspruch gegenüber dem Veräusserer steht ihm deshalb gestützt auf den gesetzlich angeordneten Übergang des Mietverhält­ nisses auf den Erwerber nicht zu (gl.M. Higi, ZK, N 53 f. zu Art. 261–261a OR).

15

Schliesst der Erwerber mit dem Mieter einen neuen Mietvertrag ab und verein­ baren die Parteien, dass dieser den alten ersetzt, so fallen die Rechte der Par­ teien aus dem alten Mietvertrag infolge Novation (Art. 116 OR) dahin.

430

Hans Bättig

Art. 261–261a

3.

Auflösungsmöglichkeiten für den Erwerber

3.1

Ordentliche und ausserordentliche Kündigung

Der Erwerber kann unter Einhaltung der vertraglichen oder gesetzlichen Kün­ 16 digungsfristen das Mietverhältnis auf einen vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungstermin auflösen. Das schränkt den (faktischen) Anwendungsbe­ reich der Norm bereits erheblich ein. Bestehen an der erworbenen Liegenschaft lediglich unbefristete Mietverhältnisse, die unter Einhaltung der gesetzlichen Mindestfristen gekündigt werden können, ist kaum denkbar, dass eine ausser­ ordentliche Kündigung gestützt auf Art. 261 OR einen praktischen Sinn haben könnte. Bei Wohnliegenschaften ist dies praktisch stets der Fall. Soweit ersicht­ lich, stehen in der Rechtsprechung daher bloss Fälle in Rede, die Geschäftslie­ genschaften bzw. Geschäftsmietverhältnisse mit befristeten Mietverträgen oder solche mit mehrjährigen Mindestvertragsdauern betreffen. Auch hier befas­ sen sich die vorhandenen Urteile vorab mit Eigentumsübergängen im Zuge von Zwangsversteigerungen. Wird demgegenüber eine Liegenschaft vom bis­ herigen Eigentümer und Vermieter freihändig veräussert, so wird er die Über­ nahme der bestehenden Mietverhältnisse durch den Erwerber bereits im Kaufbzw. Veräusserungsvertrag vereinbaren. Denn bei einer Kündigung gemäss Art. 261 wird er dem Mieter gegenüber schadenersatzpflichtig (Art. 261 Abs. 3 OR). Dem Erwerber stehen ferner auch sämtliche ausserordentlichen Kündigungs- 17 möglichkeiten zu (aus wichtigen Gründen, Art. 266g OR; Konkurs des Mieters, Art. 266h OR; Zahlungsrückstand des Mieters, Art. 257d OR; Verletzung der Sorgfalt und Rücksichtnahme durch den Mieter, Art. 257f OR – entge­ gen der Vorauflage hingegen nicht derjenige von Art. 266i OR, der ausschliess­ lich den Erben des Mieters zu Gebote steht). Der Vollständigkeit halber: Ein Mietvertrag mit einer Mindestdauer kann auch  – regelmässig als «ausseror­ dentliche» bezeichnete – Kündigungsmöglichkeiten zugunsten des Vermieters für den Fall vorsehen, dass eine bestimmte Bedingung eintritt, z.B. Invalidität oder schwere Krankheit des Vermieters. Auch der Erwerber kann sich auf diese Kündigungsgründe berufen, sofern die Bedingungen hiefür in seiner Person erfüllt sind, und zwar auch dann, wenn die Frist für die Kündigung gemäss Art. 261 OR bereits verstrichen ist. Ob man eine solche Kündigung als vertrag­ liche (weil vereinbart) oder ausserordentliche (weil als solche bezeichnet) Kün­ digungsgründe auffasst, kann dahingestellt bleiben.

Hans Bättig

431

Art. 261–261a

3.2

Ausserordentliche Kündigung gemäss Art. 261 Abs. 2 OR

3.2.1

Wohn- und Geschäftsräume (Buchst. a)

18

Bei Wohn- und Geschäftsräumen kann der Erwerber das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin nur dann kündi­ gen, wenn er einen dringenden Eigenbedarf für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte geltend machen kann. Er muss wie bei jeder Kündigung die zwingenden Formvorschriften (Art. 266l bis 266o OR) einhalten. Unterlässt er die Kündigung auf den nächstmöglichen gesetzlichen Termin, so verwirkt er den Kündigungsanspruch und kann später nicht mehr gestützt auf Art. 261 Abs. 2 Buchst. a OR kündigen, sondern ist auf die übrigen vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten beschränkt (vgl. Higi, ZK, N  32 zu Art. 261–261a OR; Zihlmann, Mietrecht, S. 82; MfdP/Spirig, N 27.4.5; Weber, BSK, N 6 zu Art. 261 OR).

19

Der Begriff des dringenden Eigenbedarfs  – also eines aktuellen und ernst gemeinten Bedarfs – entspricht jenem in Art. 271a Abs. 3 Buchst. a OR (BGE 118 II 53, E. 2a; vgl. dazu N 46 ff. insbes. 51 zu Art. 272 OR). Demgegenüber braucht der in Art. 272 Abs. 2 Buchst. d OR erwähnte Eigenbedarf nicht dringlich zu sein, weshalb die Gewichtung des Eigenbedarfs bei der Bemessung der Erstreckungsdauer im Falle einer Kündigung gemäss Art.  261 OR höher zu gewichten sein wird (vgl. N 31).

20

Ist der Erwerber eine juristische Person, so soll diese gemäss einem Teil der Lehre nur für sich selber Eigenbedarf geltend machen (so Weber, BSK, N 7 zu Art. 261 OR, wobei unklar ist, was mit dem von ihm verwendeten Begriff des «Eigenbedarfs im technischen Sinn» gemeint ist bzw. welche andere Ausprä­ gungsform des Eigenbedarfs daneben existieren könnte; gleich auch Higi, ZK, N 191 zu Art. 271a OR). Ob sich das bereits aus BGE 115 II 185 ergibt, wie Weber annimmt, ist fraglich; denn dieser Entscheid betraf einen Fall landwirt­ schaftlicher Pacht, wo der Begriff der «Selbstbewirtschaftung» eine zusätzli­ che Hürde bedeutet. Zwar bezieht sich auch das Bundesgericht in seiner miet­ rechtlichen Rechtsprechung auf diesen Entscheid (BGE 132 III 737, E.  3.4), lässt die Frage für die mietrechtliche Beurteilung im Entscheid aber ausdrück­ lich offen. Fraglich ist es aber auch in Fällen, wo eine Holdinggesellschaft bzw. die konzern­eigene Immobiliengesellschaft die Liegenschaft erwirbt, um sie einer Tochtergesellschaft zum Gebrauch zur Verfügung zu stellen. Verneint man in diesen Fällen die Möglichkeit, sich auf Eigenbedarf zu berufen, muss die betreffende Betriebsgesellschaft das Grundstück zunächst selber erwerben, 432

Hans Bättig

Art. 261–261a

Eigenbedarf geltend machen und die Liegenschaft später auf die Konzernmut­ ter übertragen. Was von der ratio legis von Art.  261 OR solch komplizierte Rechtsgestaltung geboten erscheinen lassen sollte, ist nicht ersichtlich. Rich­ tig scheint daher die Auffassung, wonach Eigenbedarf geltend gemacht werden kann, wenn die Vermietung an einen Aktionär (oder in unserem Beispiel an eine Tochtergesellschaft) im Interesse der erwerbenden Gesellschaft liegt (so auch Marchand, CPra, N 33 zu Art. 261 OR; vgl. auch N 66 zu Art. 272).

3.2.2

Andere Sachen

Bei einer anderen Sache, bewegliche oder unbewegliche, die keine Wohn- und 21 Geschäftsräume darstellen, kann der Erwerber das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen, wenn der Vertrag keine frühere Auflösung ermöglicht (vgl. Art. 266a OR, 266b OR, 266e OR und 266f OR).

4.

Rechte des Mieters

4.1

Rechtsbehelfe gegen die ausserordentliche Kündigung

Der Mieter kann sich gegen eine ausserordentliche Kündigung i.S.v. Art. 261 22 Abs. 2 OR zur Wehr setzen, indem er zunächst geltend macht, es liege kein oder kein dringender Eigenbedarf des Erwerbers vor. Selbstredend kann aber der Mieter unter Berufung auf Art. 271 OR und evtl. Art. 2 ZGB die ausserordent­ liche Kündigung des Erwerbers dann anfechten, wenn der Verkauf der Sache lediglich dazu dient, das Mietverhältnis vorzeitig aufzulösen (so auch Weber, BSK, N 10 zu Art. 261 OR; Higi, N 57 zu Art. 261–261a OR). Die Beweislast für diese Konstellation trägt freilich der Mieter, wobei er nicht nur ein miss­ bräuchliches Verhalten des Veräusserers nachzuweisen hat, sondern ebenso ein solches des Erwerbers; denn missbräuchlich kann dessen Kündigung nur sein, wenn auch der Erwerber eine entsprechende Umgehungsabsicht hatte. Erst ein Zusammenwirken beider Parteien macht die Kündigung missbräuchlich. Veräussert der Vermieter das Mietobjekt während einer laufenden Kündi- 23 gungssperrfrist und kündigt der Erwerber das Mietverhältnis unter Berufung auf dringenden Eigenbedarf auf den nächsten gesetzlichen Kündigungstermin, so kann sich der Mieter gegenüber dem Erwerber nicht auf die laufende Sperr­ frist berufen. Die Vorauflage verwies zur Begründung auf Art.  271a Abs.  3 Buchst. d OR, wonach die Sperrfrist keine Anwendung findet bei Kündigungen «wegen Veräusserung der Sache [Art. 261 OR]». Nun könnte sich der Erwerber

Hans Bättig

433

Art. 261–261a

ebensogut auf Art. 271a Abs. 3 Buchst. a OR «wegen dringenden Eigenbedarfs» berufen; denn seine Kündigung erfordert ja einen solchen dringenden Eigen­ bedarf. Diese Bemerkung ist deshalb von Bedeutung, weil Rechtsprechung und Lehre davon ausgehen, bei einer späteren ordentlichen Kündigung des Erwer­ bers sei diese Sperrfrist beachtlich (vgl. dazu N 26).

4.2

Rechtsbehelfe gegen eine ordentliche Kündigung des Erwerbers

24

Unterlässt es aber der neue Eigentümer, auf den nächsten gesetzlichen Kün­ digungstermin zu kündigen, so ist er definitiv in den bestehenden Mietvertrag eingetreten. Das hat vor allem dann praktische Konsequenzen, wenn eine Liegenschaft in einer Zwangsverwertung erworben wird und der Erwer­ ber bereits mit dem Zuschlag Eigentümer wird. Findet die Zwangsverwertung beispielsweise am 29. Juni statt, so wäre der Erwerber bei strikter Anwendung der Norm gezwungen, gleichentags zu kündigen, da er damit rechnen muss, dass die Kündigung dem oder den Mietern bereits am nächsten Tag, also am Monatsletzten zugeht. Eine Überlegungsfrist soll ihm nicht zugestanden wer­ den (MfdP/Spirig, N 27.4.5). Das würde bedeuten, dass er bereits vor der Ver­ steigerung ein Kündigungsschreiben mit amtlichem Formular bereithalten müsste, ohne zu wissen, ob er überhaupt der Höchstbietende sein wird und den Zuschlag erhält. Das ist lebensfremd und geradezu schikanös. Richtig erscheint in diesen Fällen vielmehr, dem Erwerber eine kurze Überlegungsfrist einzu­ räumen und den übernächsten Kündigungstermin als massgeblich zu erach­ ten, wie dies auch den Erben des verstorbenen Mieters zugestanden wird (vgl. dazu N 7 zu Art. 266i).

25

Handelt es sich um ein befristetes oder mit einer Mindestdauer versehenes Mietverhältnis, so kann der Erwerber, auf den der Mietvertrag mangels Kündi­ gung gemäss Art. 261 Abs. 2 OR von Gesetzes wegen übergegangen ist, erst auf diesen Zeitpunkt kündigen, was keiner weiteren Erläuterung bedarf.

26

Geht umgekehrt ein unbefristetes Mietverhältnis auf den Erwerber über, so kann er – wie bereits der Veräusserer – nach Massgabe des Mietvertrages auf jeden vertraglichen Kündigungszeitpunkt kündigen. Freilich kann ihm – wie oben in N 10 erwähnt – nach Rechtsprechung und Lehre auch eine allfällige Kündigungssperrfrist, die vor dem Erwerb zu laufen begann und immer noch andauert, entgegengehalten werden (Weber, BSK, N 12 zu Art. 261 OR; Higi, ZK, N 37 zu Art. 261 OR; MfdP/Spirig, N 27.4.5). Tatsächlich hat das Bundes­ gericht diesen «Übergang» der Sperrfrist unter dem altem, d.h. bis Mitte 1990

434

Hans Bättig

Art. 261–261a

geltenden Mietrecht bejaht (BGE 110 II 309). Nur stellt sich die Frage, wie es unter dem geltenden Recht zu halten ist. In BGE 118 II 50 soll das Bundes­ gericht die altrechtliche Praxis implizit bestätigt haben (Weber, BSK, N 12 zu Art. 261 OR). MfdP/Spirig, N 27.4.5, verweist auf MfdP/Thanei, N 29.6, recte 29.3.2.5.5, Fn. 230 und 231, wo zusätzlich auf das Urteil des Bundesgerichts 4A_447/2015 vom 31.3.2016 in mp 3/16, S. 259 verwiesen wird. Auch Ronco­ roni, Eigentümerwechsel, S. 195, belässt es beim Hinweis auf BGE 118 II 50. Indessen betreffen beide bundesgerichtlichen Urteile Sachverhalte, in denen der neue Vermieter mit der Begründung dringenden Eigenbedarfs gekündigt hatte: einmal ordentlich bzw. nach Ablauf der Frist gemäss Art.  261 Abs.  2 OR und einmal gemäss eben dieser Vorschrift. Das Bundesgericht hatte sich daher gar nicht dazu zu äussern, wie es sich mit dem «Übergang» der Sperr­ frist verhalte, da diese bereits wegen der Begründung «dringender Eigenbe­ darf» – den es in beiden Fällen bejahte – gemäss der Vorschrift von Art. 271a Abs.  3 Buchst.  a OR keine Geltung beanspruchen konnte. Wie das Bundes­ gericht hätte sich aber auch der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift (Buchst. a) begnügen können, wenn er für den Fall, dass ein Erwerber aus anderen Grün­ den kündige, die Weitergeltung der Kündigungssperrfrist beabsichtigt hätte. Mit anderen Worten macht die Vorschrift von Art. 271a Abs. 3 Buchst. d OR («wegen Veräusserung der Sache») gesetzessystematisch nur Sinn, wenn sie ganz allgemein für Fälle gilt, in denen der Erwerber einer Mietsache kündigt. Denn sonst hätte es der Gesetzgeber bei der Vorschrift von Buchst. a bewen­ den lassen können. Das bedeutet, dass die vom Veräusserer ausgelöste Sperr­ frist eben gerade nicht auf den neuen Erwerber übergeht. Mit der Einfügung von Buchst. d hat der Gesetzgeber auch die Frage abschliessend beantwortet, wie es sich mit der Rechtsprechung zum alten Recht (BGE 110 II 309) verhält. Sie kann wegen der ausdrücklichen Bestimmung in Art. 271a Abs. 3 Buchst. d OR keine Anwendung mehr beanspruchen. Andernfalls würde man dem Erwerber zumuten, auf sein ordentliches Kündi­ 27 gungsrecht zu verzichten bzw. verzichten zu müssen, bloss weil der Veräusse­ rer zuvor in einem Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren zu einem wesentli­ chen Teil unterlegen ist. Erwirbt er die Sache im Zuge einer Zwangsverwertung, hat er häufig nicht einmal die Möglichkeit, sich beim früheren Vermieter über allfällige Sperrfristen zu erkundigen. Er müsste – wenn er nicht riskieren will, dass sich seine Kündigung als missbräuchlich erweist  – beispielsweise mit einer Kündigung wegen Sanierung der Liegenschaft zuwarten, bis drei Jahre seit Erwerb verstrichen sind; denn eine sog. Sanierungskündigung ausspre­ chen kann er diesfalls nicht, weil er ja unmittelbar nach Ersteigerung der Lie­

Hans Bättig

435

Art. 261–261a

genschaft kaum über ein konkretes Umbauprojekt verfügen wird und Gefahr läuft, dass die Kündigung deshalb missbräuchlich wäre. 28

Ist im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs ein Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren hängig, tritt der Erwerber auch in dieses ein. Dass sein ausseror­ dentliches Kündigungsrecht davon nicht berührt wird – weil die Kündigung wegen dringenden Eigenbedarfs auch während eines hängigen Verfahrens aus­ gesprochen werden kann – versteht sich von selbst. Gleich muss es sich nach dem Gesagten aber auch dann verhalten, wenn er nicht ausserordentlich, son­ dern, nachdem das Mietverhältnis auf ihn übergegangen ist, ordentlich kün­ digt. Betrifft das hängige Verfahren beispielweise die Rückforderung seitens des Veräusserers nichtig vereinbarter Nebenkosten, die bei Obsiegen des Mie­ ters ohnehin bei diesem zurückzufordern sind, so ist nicht einzusehen, wes­ halb der Erwerber, der erklärt, er verzichte auf den Bezug der streitigen Neben­ kostenpositionen, während dreier Jahre nicht ordentlich kündigen können soll – oder noch länger, weil das Verfahren bezüglich der vor Erwerb bezahl­ ten Nebenkosten vermutlich weitergeht.

29

Ist im Zeitpunkt des Erwerbs das Mietverhältnis bereits gekündigt und wird Erstreckung verlangt, so tritt der Erwerber in dieses Verfahren ein. Hier ändert sich einzig, dass nicht mehr die gegen die Erstreckung sprechenden Interessen des Veräusserers, sondern diejenigen des Erwerbers zu berücksichtigen sind (so auch Weber, BSK, N 13 zu Art. 261 OR; MfdP/Spirig, N 27.4.4, die anmerkt, ein hängiges Verfahren hindere den Vermieter nicht an einer ausserordentli­ chen Kündigung gemäss Art. 261 Abs. 2 OR). Das Gesagte muss indessen unab­ hängig davon gelten, ob der Erwerber einen ausserordentlichen Kündigungs­ grund wegen dringenden Eigenbedarfs hat oder ob er sich ohne zu kündigen der Erstreckung widersetzt. Von ihm zu verlangen, dass er im ersten Fall sel­ ber kündigen muss, um überhaupt den dringenden Eigenbedarf noch geltend machen zu können, wäre überspitzt formalistisch. Denn diesfalls bestünde das Risiko, dass das bereits vor einer Rechtsmittelinstanz hängige Verfahren ent­ weder als gegenstandslos abgeschrieben oder sistiert würde, weil nunmehr ein neues ausserordentliches Kündigungsverfahren eingeleitet worden wäre und sich eine Vereinigung der beiden Verfahren verbietet, weil der Instanzenzug beim zweiten noch nicht ausgeschöpft ist.

30

Nach der Vorauflage verhält es sich anders, wenn der Erwerber in ein bereits erstrecktes Mietverhältnis eintritt. In diesem Fall kann er nicht gestützt auf Art. 261 OR kündigen, sondern er hat den Vertrag bis zum Ablauf der Erstre­ ckungsdauer zu erfüllen. Das Erstreckungsurteil oder der ihm gleichgesetzte gerichtliche Vergleich sei diesfalls ein Gestaltungsurteil, das gegenüber jeder­ 436

Hans Bättig

Art. 261–261a

mann wirke (Vorauflage N 23 zu Art. 261 und 261a OR, gleich auch in einer früheren Auflage Lachat et al./Spirig, S. 559). Nun ist das erste (Gestaltungsur­ teil) ebenso zutreffend wie das zweite (Geltung gegenüber jedermann) falsch. Wohl gibt es Gestaltungsurteile, die wegen ihrer Natur gegenüber jedermann Geltung beanspruchen. Weshalb das aber im Falle eines erstreckten Mietver­ trags, der nur zwischen den daran Beteiligten Geltung beanspruchen kann, gleich sein soll, ist nicht ersichtlich. Diesfalls müsste sich im Fall der Enteig­ nung auch der Enteigner als «jedermann» daranhalten, was nicht ernsthaft erwogen werden kann. Vielmehr hat auch hier zu gelten, dass der Erwerber kündigen kann und anders als bei einem noch hängigen Erstreckungsverfah­ ren kündigen muss. Wird diese Kündigung angefochten und eine Erstreckung beantragt, kann die Dauer der Erstreckung nach Massgabe des von ihm geltend gemachten dringenden Eigenbedarfs allenfalls verkürzt werden (so nun auch MfdP/Spirig, 27.4.4; Weber, BSK, N 13 zu Art. 261 OR; Marchand, CPra, N 37 zu Art.  261 OR). Die gegenteilige Auffassung von Hulliger/Heinrich, CHK, N 8 zu Art. 261–261b OR, verdient daher keine Unterstützung; widersprüch­ lich Higi, ZK, N 39f. (zustimmend) bzw. N 19 zu Art. 272c OR (ablehnend). Dass den Interessen des Mieters je nach den im früheren Erstreckungsent­ scheid berücksichtigten Erstreckungsgründen im Einzelfall auch im zweiten Verfahren höhere Bedeutung beizumessen ist, kann auch bei diesem Ergebnis richtig sein. Hatte der Mieter eine Erstreckung um fünf Jahre erstritten und sich in der Folge dazu entschieden, eigene Geschäftsräume zu erstellen, die in zwei Jahren fertig sind, ist denkbar, dass auch im neuerlichen Verfahren an der ursprünglichen Erstreckung festgehalten wird, weil in der Interessenabwägung aus diesem Grunde diejenigen des Mieters den dringenden Eigenbedarf des Erwerbers überwiegen, während sie ohne diese besondere Interessenlage keine Berücksichtigung finden könnten. Eine Erstreckung des Mietverhältnisses ist abgesehen von diesen Spezialfäl­ 31 len auch bei der ausserordentlichen (und erst recht bei einer späteren ordent­ lichen) Kündigung des Neuerwerbers zulässig, was kaum erläutert zu werden braucht. Mit Blick darauf, dass bei der ausserordentlichen Kündigung drin­ gender Eigenbedarf und nicht bloss Eigenbedarf des Erwerbers vorliegen muss, dürfte eine Erstreckung des Mietverhältnisses nicht übermässig lang ausfallen und nur bei Vorliegen einer besonderen Härte für den Mieter gewährt werden; denn gemäss Art. 272 Abs. 2 Buchst. d OR ist die Dringlichkeit des geltend gemachten Eigenbedarfs bei der Interessenabwägung zu gewichten und muss im Falle einer ausserordentlichen Kündigung daher besonders stark gewich­ tet werden, zumal der Erwerber wegen seines Eigenbedarfes gekauft hat. Diese Auffassung vertritt auch das Bundesgericht (BGE 118 II 55, E. 4). Hans Bättig

437

Art. 261–261a 32

Keine Erstreckung ist demgegenüber beim Heimfall – zumindest beim ordent­ lichen Heimfall wegen Ablaufs der vereinbarten Baurechtsdauer – einer Bau­ rechtsliegenschaft möglich, an der Mietverhältnisse bestehen. Nach Auffassung des Bundesgerichts handelt es sich bei diesem Heimfall nicht um einen von Art.  261 OR erfassten Veräusserungstatbestand; vielmehr gehe mit dem von Gesetzes wegen einhergehenden Untergang des Baurechtsgrundstückes auch ein daran bestehendes Mietverhältnis unter (vgl. N 4 oben und dortige Hin­ weise). Dem Mieter stehe daher ein Erstreckungsanspruch nicht zu. Zumin­ dest diese Konsequenz der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erscheint stossend. Denn damit sind Mieter, deren Mietverträge eine Baurechtsliegen­ schaft betreffen, ungleich schlechtergestellt  – selbst im Vergleich zu denjeni­ gen, die aufgrund eines Doppelaufrufs bei der Zwangsverwertung mit einer voraussetzungslos möglichen Kündigung zu rechnen haben (vgl. dazu N 10 zu Art. 261b OR), aber immerhin eine Erstreckung verlangen können. Zumindest in dieser Hinsicht erscheint die vom Bundesgericht vorgenommene Interes­ senabwägung zugunsten des Baurechtsgebers, die dem mit Art. 261 ff. OR ver­ folgten Sozialschutzgedankens zugunsten des Mieters verfehlt. Weil das Urteil amtlich publiziert wurde, ist mit einer Änderung der Rechtsprechung freilich nicht zu rechnen, was aus Rechtssicherheitsgründen auch sinnvoll erscheint. Eine Änderung bleibt daher wohl nur dem Gesetzgeber vorbehalten.

4.3 33

Schadenersatzanspruch gegenüber dem Veräusserer

Ist das Mietverhältnis vom Erwerber gestützt auf Art. 261 Abs. 2 OR früher gekündigt worden, als es der Vertrag mit dem Veräusserer gestattet hätte, so haftet Letzterer dem Mieter für allen daraus entstehenden Schaden. Der klare Gesetzeswortlaut von Art. 261 Abs. 3 OR sieht keine Einschränkung der Scha­ denersatzpflicht vor. Die allgemeine Schadensminderungsobliegenheit ver­ pflichtet zwar den Mieter, den Schaden so gering wie möglich zu halten. So wird er sich in der Regel vorwerfen lassen müssen, dass er die Kündigung nicht angefochten hat, wenn Zweifel am dringenden Eigenbedarf offensichtlich sind, oder er auf ein Erstreckungsgesuch ohne Not verzichtet hatte (so auch Mar­ chand, CPra, N 56 zu Art. 261 OR). Allfällige Vorteile muss er sich anrechnen lassen. Aber grundsätzlich kann er sämtliche (bewiesenen) vermögenswer­ ten Nachteile, die ihm entstehen, weil das Mietverhältnis wegen der ausser­ ordentlichen Kündigung des Erwerbers früher endet als gemäss bestehendem Mietvertrag, beim Veräusserer geltend machen (vgl. auch Weber, BSK, N 10 zu Art. 261 OR; Higi, ZK, N 52 zu Art. 261 und 261a OR; MfdP/Spirig, N 27.4.10, mit zutreffenden Beispielen). Abzulehnen ist dabei einzig die Auffassung, dass

438

Hans Bättig

Art. 261–261a

der Veräusserer auch für den Schaden haftet, der dem Mieter daraus entsteht, dass ihm der Erwerber ohne zu kündigen die Fortsetzung des Mietverhält­ nisses verunmöglicht. Denn der Erwerber, der den Mietvertrag übernommen hat, ist zu dessen Einhaltung verpflichtet. Verletzt er diese Pflicht, so haftet dafür nicht der Veräusserer, sondern der Erwerber (vgl. bereits N 14; so auch Higi, ZK, N 54 zu Art. 261 und 261a OR; ferner Roncoroni, Eigentümerwech­ sel, S. 219). Gemäss MfdP/Spirig, N  27.4.10, ist bei der Schadenersatzpflicht von einem 34 Verschulden des Vermieters auszugehen. Ob es auf das Verschulden des Ver­ äusserers ankommen kann, ist fraglich, denn eine dem Art. 259e OR entspre­ chende Exkulpationsmöglichkeit sieht Art. 261 Abs. 3 OR nicht vor. Higi, ZK, N 52, der davon ausgeht, Art. 97 OR sehe ganz allgemein eine Exkulpations­ möglichkeit des aus vertraglicher Haftung Schädigenden vor, geht dabei von Fallkonstellationen aus, die nicht das Verschulden des Veräusserers im Zen­ trum haben, sondern den Kausalzusammenhang. Dass der Vermieter nur für den Schaden haftet, der dem Mieter wegen einer vorzeitigen Auflösung gemäss Art. 261 Abs. 2 OR entsteht, geht schon aus dem Gesetz hervor. Kündigt der Erwerber aus einem anderen Grund (vgl. die Beispiele bei Higi und auch die­ jenigen, die bereits die Botsch. 1985, S. 1442, erwähnt, haftet daher der Veräus­ serer von vornherein nicht. Das bereits erwähnte Selbstverschulden des Mie­ ters beschlägt ebenfalls nicht das Verschulden des Vermieters, sondern auch den Kausalzusammenhang, der dadurch reduziert oder bei schwerem Selbst­ verschulden sogar aufgehoben wird (Art. 44 OR; vgl. Marchand, CPra, N. 55 zu Art. 261 OR). Darunter fällt die bereits erwähnte Unterlassung einer Anfech­ tung oder eines Erstreckungsgesuchs, die auch die Botsch. 1985, S. 1442, bei­ spielhaft aufführt. Beiden Autoren ist zuzustimmen, dass das Verschulden des Vermieters, der durch die Veräusserung der Mietsache die vorzeitige und ver­ tragswidrige Auflösung des Mietverhältnisses bewirkt, regelmässig schwer sein wird; denn er könnte solches verhindern, indem er dem Erwerber ausdrücklich die Verpflichtung auferlegt, die bestehenden Mietverhältnisse tel quel zu über­ nehmen und auf das Recht zu verzichten, gemäss Art. 261 Abs. 2 OR zu kündi­ gen. Eine entsprechende Verpflichtung könnte der Mieter dem Erwerber ohne Weiteres entgegenhalten, denn sie stellt in aller Regel einen Vertrag zugunsten Dritter, eben des Mieters, dar (vgl. statt vieler: Higi, ZK, N 16 zu Art. 261 und 261a OR). Dennoch: Selbst wenn der Vermieter zu beweisen vermöchte, dass ihn im Einzelfall ein Verschulden überhaupt nicht vorgeworfen werden kann – wobei es schwer vorstellbar ist, unter welchen Voraussetzungen das der Fall sein könnte – hilft ihm das angesichts des Wortlautes der Bestimmung wohl nichts. Umgekehrt wird man auch ein besonders schweres Verschulden nicht schaden­ Hans Bättig

439

Art. 261–261a

ersatzerhöhend berücksichtigen können, wie das zu Beginn des vorigen Jahr­ hunderts BGE 30 II 148 tat. Denn punitive damages, wie sie das angelsächsische Recht kennt, sind dem schweizerischen Zivilrecht fremd. Dass Urteile über die Schadenersatzpflicht des Vermieters gemäss Art. 261 Abs. 3 OR soweit ersicht­ lich fehlen, dürfte in erster Linie darauf zurückzuführen sein, dass die Einhal­ tung der bestehenden Mietverträge bei freiwilliger Veräusserung dem Erwer­ ber durchwegs überbunden werden und in Fällen der Zwangsverwertung der Ersatzanspruch gegenüber dem zahlungsunfähigen oder in Konkurs geratenen Vermieter faktisch kaum durchsetzbar ist.

440

Hans Bättig

Hans Bättig

Art. 261b III. Vormerkung im Grundbuch 1 Bei der Miete an einem Grundstück kann verabredet werden, dass das Ver-

hältnis im Grundbuch vorgemerkt wird.

2 Die

Vormerkung bewirkt, dass jeder neue Eigentümer dem Mieter gestatten muss, das Grundstück entsprechend dem Mietvertrag zu gebrauchen.

III. Annotation au registre foncier 1 Les

parties peuvent stipuler l’annotation de baux d’immeubles au registre foncier.

2 L’annotation

oblige tout nouveau propriétaire à laisser au locataire l’usage de l’im­ meuble en conformité du bail.

III. Annotazione nel registro fondiario 1 Nella

locazione di fondi, le parti possono convenire l’annotazione del contratto nel regi­ stro fondiario.

2 Questa annotazione ha l’effetto d’obbligare ogni nuovo proprietario a lasciare al condut­

tore l’uso del fondo a norma del contratto.

InhaltsübersichtSeite 1.

Zwingender Charakter der Norm, intertemporales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

442

2. Vormerkung im Grundbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Formelle Erfordernisse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Vormerkung bei Untermiete oder bei Vermietung einer fremden Sache .. . . . . . . . . . 

442 442 442 444

3. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Gegenüber dem Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Gegenüber dinglich Berechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

445 445 445

Hans Bättig

441

Art. 261b

1.

Zwingender Charakter der Norm, intertemporales Recht

1

Die Parteien eines Mietvertrags können verabreden, dem Mieter eine Vormer­ kung des Vertrages im Grundbuch zu gestatten. Während eine solche Verabre­ dung vom Belieben der Parteien bzw. des Vermieters abhängt, besteht für die Einräumung eines Vormerkungsanspruches keine Pflicht. Sie unterliegt viel­ mehr vollständig dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Ist aber der Mietver­ trag im Grundbuch einmal vorgemerkt worden, so richten sich die Rechtsfolgen unabhängig vom Parteiwillen nach Art. 261b Abs. 2 OR bzw. nach Art. 959 ZGB, der die Rechtsfolgen der Vormerkung zwingend festlegt und sie der Par­ teiautonomie entzieht.

2

Art. 261b OR ist auch auf diejenigen Mietverträge anwendbar, die unter dem alten Recht abgeschlossen wurden, da altes und neues Recht materiell über­ einstimmen.

2.

Vormerkung im Grundbuch

2.1 Rechtsnatur 3

Durch die Vormerkung im Grundbuch werden die vertraglichen Rechte des Mieters zu sogenannten Realobligationen (Higi, ZK, N 13 zu Art. 261b OR; Schmid, ZK, N 9 zu Art. 260 aOR; Meier-Hayoz, Systematischer Teil, N 158 bis 158b; Reymond, SPR, S. 230; a.M. Zihlmann, Mietrecht, S. 84). Die Wirkung der Realobligation besteht darin, dass sich der Anspruch des Mieters auf Über­ lassung des Gebrauches an einer unbeweglichen Sache nicht nur gegen den Vermieter, sondern gegen jeden an der Mietsache dinglich Berechtigten richtet. Verpflichtet ist also auch jede Person, die künftig Eigentümer des Grundstücks wird, wobei der Erwerbsgrund keine Rolle spielt.

2.2 4

Formelle Erfordernisse

Die Vormerkung muss von den Parteien schriftlich vereinbart werden (Art. 78 Abs. 3 GBV), eine öffentliche Beurkundung der Vormerkungsabrede ist nicht erforderlich. Es können nur Miet- und Pachtverträge im Sinne von Art. 253 bzw. 276 OR vorgemerkt werden. Die Vormerkung eines Mietkaufvertrags ist daher unzulässig (BGE 89 I 547). Gleiches gilt für andere, bloss mietvertrags­ ähnliche Vereinbarungen, unabhängig davon, ob sie als Mietvertrag bezeich­

442

Hans Bättig

Art. 261b

net sind oder nicht. Die Vormerkung muss die Bedingungen, unter denen das Recht geltend gemacht werden kann, sowie die Dauer der Vormerkung ent­ halten (Art. 77 Abs. 1 GBV; Art. 123 GBV enthält eine Aufzählung weiterer notwendiger Angaben, die bei Vormerkungen anzugeben sind). In der Pra­ xis verlangen die Grundbuchführer bei der Anmeldung ein Exemplar des gan­ zen Mietvertrags, aus dem die Vormerkungsabrede hervorgehen muss. Ist die Anmeldung nicht schon in der vertraglichen Vormerkungsabrede enthalten bzw. der Mieter ausdrücklich zur Anmeldung ermächtigt, so ist der Vermie­ ter verpflichtet, eine separate Anmeldung zuhanden des Grundbuchführers zu unterzeichnen. Art. 261b OR i.V.m. Art. 77 GBV sehen im Gegensatz zu Art. 681 ZGB und 5 Art.  683 ZGB keine zeitliche Beschränkung für die Eintragung der Vormer­ kung vor. Auch ein sehr langfristiger Mietvertrag ist daher der grundbuchli­ chen Vormerkung fähig. Art. 77 Abs. 1 GBV verlangt, dass die Vormerkungs­ dauer anzugeben ist. Die Vormerkung eines unbefristeten Mietvertrags ohne Mindestvertragsdauer ist daher nicht möglich. Unbefristete Verträge mit Min­ destvertragsdauer können nur für die Zeitspanne bis zum ersten vertraglichen Kündigungstermin vorgemerkt werden. Soll die Vormerkung über diesen Ter­ min hinaus bestehen bleiben, so bedarf es dafür einer neuen Anmeldung (BGE 81 I 77; teilweise abweichend Schmid, ZK, N 7 zu Art. 260 aOR). Ob an die­ ser Rechtsprechung und an der Erfordernis einer erneuten Anmeldung fest­ zuhalten sei, hat das Bundesgericht in BGE 135 III 248, E. 4.1, offengelassen, aber gleichzeitig erkannt, dass eine erneute Vormerkung auch dann noch mög­ lich ist, wenn der Mieter es während der Dauer des Mietverhältnisses unter­ lassen hatte, für jede Verlängerungsdauer die Erneuerung der Vormerkung zu beantragen und frühere Vormerkungen daher von Amtes wegen aufgrund des bis 2012 geltenden Rechts gelöscht worden waren (BGE 135 III 248, E.  4.3; vgl. dazu und zum Rang der erneuten Vormerkung Koller/Sennhauser, Recht­ sprechung 2009, S. 350 ff.). Seit dem 1. Januar 2012 werden gemäss Art. 976 ff. ZGB Löschungen von Amtes wegen nur noch vorgenommen, wenn sich ihre Bedeutungslosigkeit «zweifelsfrei» – so das Marginale zu Art. 976 – ergibt (vgl. dazu N 7). Seit 1. Januar 2012 erfolgt die Löschung auch nach Ablauf der Vormerkungs­ 6 dauer nur auf Verlangen einer dadurch belasteten Person und erst nach Ori­ entierung der daraus Berechtigten (Art. 976a ZGB). Diesen Berechtigten steht neu ein Einspruchsrecht und falls der Grundbuchverwalter trotz dieses Ein­ spruchs die Löschung als höchstwahrscheinlich für angezeigt hält, die Mög­ lichkeit einer gerichtlichen Feststellungsklage zu.

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Art. 261b 7

Zurzeit ist nicht absehbar, wie diese seit 2012 geltenden neuen Bestimmungen in der Praxis angewendet werden. Urteile dazu fehlen, und auch die nach 2012 erschienenen Handbücher und Kommentare äussern sich nicht zum neuen Immobiliarsachenrecht und nehmen teils noch auf die ausser Kraft getretenen altrechtlichen Bestimmungen Bezug. Es erscheint unter dem neuen Recht aber ausgeschlossen, die Vormerkung eines Mietvertrags bloss deshalb zu löschen, weil die im Grundbuch vorgemerkte Dauer abgelaufen ist. Dass die Vormer­ kung diesfalls «zweifelsfrei» bedeutungslos geworden sein könnte, ist – solange das Mietverhältnis andauert – von vornherein nicht anzunehmen. Auch die Annahme, dass sie es «höchstwahrscheinlich» ist, wird während der Dauer des Mietverhältnisses kaum begründet sein. Zudem ist hier ein Löschungsantrag des Vermieters erforderlich, gegen den der berechtigte Mieter Einspruch erhe­ ben kann. Unterlässt er diesen Einspruch und wird die Vormerkung des Miet­ vertrags gelöscht, wird er später kaum eine erneute Eintragung der Vormer­ kung verlangen können, ohne sich widersprüchliches Verhalten vorwerfen lassen zu müssen. Diesfalls wird man, wenn der Mieter der Löschung zustimmt oder darauf verzichtet, Einspruch zu erheben, nachdem er über die beantragte Löschung orientiert wurde, wohl im Gegensatz zur heutigen Rechtsprechung zum Schluss gelangen, er habe endgültig auf die Vormerkung verzichtet.

2.3 8

Vormerkung bei Untermiete oder bei Vermietung einer fremden Sache

Die Vormerkung ist sowohl bei Untermietverträgen als auch bei Mietver­ trägen zulässig, die z.B. vom Nutzniessungsberechtigten mit einem Dritten abgeschlossen werden. Obwohl bei derartigen Verträgen Eigentümer und Ver­ mieter nicht identisch sind, hat der Eigentümer dem Untermieter bzw. dem Dritten kraft Eintragung der Vormerkung im Grundbuch den Gebrauch der Mietsache zu gestatten. Auch ein späterer Erwerber der Liegenschaft ist an die Vormerkung gebunden. Dies gilt freilich nur dann, wenn der Eigentümer in diesen Fällen der Vormerkung zugestimmt und z.B. den Mietvertrag mitunter­ zeichnet hat. Die Mietvertragsparteien haben darauf keinen Anspruch, und der Eigentümer kann sich weigern, der Vormerkungsabrede beizutreten (Higi, ZK, N. 11 zu Art. 261b OR; Weber, BSK, N 2 zu Art. 261b OR). Diesfalls hat sich die Partei, die sich die Vormerkung des Vertrags hat versprechen lassen, an ihren Vertragspartner zu halten. Sind die Voraussetzungen erfüllt, kann der gutgläu­ bige Untermieter vom Untervermieter Schadenersatz wegen Nichterfüllung der Vormerkungsabrede verlangen oder vom Vertrag zurücktreten (Art. 97 ff.

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Hans Bättig

Art. 261b

OR bzw. 107  ff. OR; zum ganzen Problemkreis vgl. auch Higi, ZK, N  11 zu Art. 261b OR; Schmid, ZK, N 5 zu Art. 260 aOR).

3. Wirkungen 3.1

Gegenüber dem Erwerber

Nach Art.  261b Abs.  2 OR muss jeder neue Eigentümer dem Mieter gestat­ 9 ten, die Mietsache entsprechend dem Mietvertrag zu gebrauchen. Aufgrund des realobligatorischen Charakters der Vormerkung ist die Wirkung aber noch weitergehend. Ausser im Falle der Vormerkung eines Untermietvertra­ ges oder bei Vermietung einer fremden Sache (vgl. N 3) tritt der Erwerber in das Mietverhältnis ein. Die in Abs. 2 dieser Bestimmung umschriebene Wir­ kung hat insbesondere zur Folge, dass der Erwerber den Mietvertrag nicht gemäss Art. 261 Abs. 2 Buchst. a OR vorzeitig kündigen kann. Dies gilt selbst dann, wenn der Erwerber dringenden Eigenbedarf geltend macht. Sinn und Zweck der Vormerkung liegen heute ausschliesslich darin, den Mieter vor einer Kündigung nach Art. 261 Abs. 2 Buchst. a OR zu schützen. Nach altem Recht war ihre Tragweite grösser. Gemäss Art. 259 Abs. 2 aOR konnte jeder Erwerber einer unbeweglichen Sache den Mietvertrag unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen und -termine ohne Begründung kündigen. Diese vorzeitige Kündigungsmöglichkeit ist mit dem neuen Recht erheblich eingeschränkt wor­ den. Der Erwerber kann nur dann unter Missachtung der vertraglichen Fris­ ten und Termine auf einen gesetzlichen Termin kündigen, wenn er einen drin­ genden Eigenbedarf nachweisen kann (vgl. Art. 261 Abs. 2 Buchst. a OR). Die Revision des Mietrechts führte somit dazu, dass der Vormerkung nicht mehr die frühere Bedeutung zukommt.

3.2

Gegenüber dinglich Berechtigten

Gemäss Art. 959 ZGB geht ein vorgemerktes persönliches Recht jedem spä­ 10 ter im Grundbuch eingetragenen Recht vor. Haben die im Range vorgehen­ den Grundpfandgläubiger der Vormerkung nicht zugestimmt (Art. 812 Abs. 2 ZGB), so können sie im Zwangsverwertungsverfahren den Doppelaufruf ver­ langen (Art. 142 SchKG und Art. 104 VZG). Dies bedeutet, dass der im Range vorgehende, nicht zustimmende Grundpfandgläubiger verlangen kann, dass das Grundstück mit und ohne Vormerkung aufgerufen wird. Wird ein Grund­ stück ohne die Vormerkung zugeschlagen, so muss die Vormerkung im Grund­ buch gelöscht werden (Art. 56 Buchst. b und 116 VZG). Diesfalls richtet sich Hans Bättig

445

Art. 261b

die Übertragung des Mietvertrags auf den Ersteigerer zwar gleichwohl nach den Regeln von Art. 261 OR. Indessen kann er den Vertrag auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen, ohne dass eine solche ausserordentliche Kün­ digung dringenden Eigenbedarf voraussetzt. 11

Das gilt, wie das Bundesgericht in BGE 125 III 123 feststellte, auch für (langfristige) Mietverhältnisse, die nicht vorgemerkt worden waren. Denn es wäre kaum erklärbar, weshalb diesfalls der Mieter, der sich nicht durch eine Vor­ merkung abgesichert hätte, besserzustellen wäre als denjenigen, dessen Vor­ merkung mit dem Doppelaufruf beseitigt werden kann. Die Kritik von Weber, damit werde der Gläubigerschutz gegenüber dem mit Art. 261 OR verfolgten Sozialschutz des Mieters in unangemessener Weise vorangestellt (BSK, N 14 ff. zu Art. 261 OR), greift zu kurz. Wohl ist ihm beizupflichten, dass die bundes­ gerichtliche Rechtsprechung den Anwendungsbereich von Art. 261 OR deut­ lich einschränkt. Bei freiwilligen Veräusserungen kommt er deshalb kaum zur Anwendung, weil der Veräusserer angesichts der Schadenersatzpflicht gemäss Art. 261 Abs. 3 OR den Erwerber ausdrücklich zur Übernahme der bestehen­ den Mietverhältnisse verpflichten, womit der vom Gesetzgeber beabsichtigte Sozialschutzgedanke ebenso gut, wenn nicht sogar besser verwirklicht, wird. Hingegen wird bei Zwangsverwertungen fast immer ein Grundpfand vorliegen, das vor Abschluss des in Rede stehenden Mietvertrags begründet wurde und damit grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, den Doppelaufruf zu verlangen. Nur ist es keineswegs so, dass die Grundpfandgläubiger stets von dieser Mög­ lichkeit Gebrauch machen und so die Anwendung von Art. 261 OR systema­ tisch vereiteln. Vor allem birgt die umgekehrte Lösung, die den Erwerber auf die Rechtsfiguren des Rechtsmissbrauchs oder der Anfechtungspauliana ver­ weisen, ebenso grosse Nachteile. Denn es ist das eine, das Vorliegen der ent­ sprechenden Voraussetzungen zu vermuten oder als naheliegend zu betrach­ ten, aber etwas völlig anderes, diese auch zu beweisen. Weber, BSK, N 18 zu Art.  261b OR, hält denn auch die vom Bundesgericht gewählte Lösung für «einigermassen erträglich». In der Tat ist der Mieter gemäss bundesgerichtli­ cher Rechtsprechung nicht schutzlos. Der Mietvertrag geht auch im Falle eines Doppelaufrufes auf den Erwerber über. Der Erwerber muss eine Kündigung aussprechen, und der Mieter hat die Möglichkeit einer Erstreckung (vgl. dazu bereits N 8 ff. und N 22 ff. zu Art. 261 und 261a OR). Er ist damit wesentlich bessergestellt als der Mieter beim Heimfall einer Baurechtsliegenschaft (vgl. dazu N 4 zu Art. 261–261a OR).

446

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Florian Rohrer

Art. 262 K. Untermiete 1 Der Mieter kann die Sache mit Zustimmung des Vermieters ganz oder teil-

weise untervermieten. 2 Der

Vermieter kann die Zustimmung nur verweigern, wenn: a. der Mieter sich weigert, dem Vermieter die Bedingungen der Untermiete bekanntzugeben; b. die Bedingungen der Untermiete im Vergleich zu denjenigen des Hauptmietvertrags missbräuchlich sind; c. dem Vermieter aus der Untermiete wesentliche Nachteile entstehen.

3 Der

Mieter haftet dem Vermieter dafür, dass der Untermieter die Sache nicht anders gebraucht, als es ihm selbst gestattet ist. Der Vermieter kann den Untermieter unmittelbar dazu anhalten.

K. Sous-location 1 Le

locataire peut sous-louer tout ou partie de la chose avec le consentement du bailleur.

2 Le

bailleur ne peut refuser son consentement que: a. si le locataire refuse de lui communiquer les conditions de la sous-location; b. si les conditions de la sous-location, comparées à celles du contrat de bail principal, sont abusives; c. si la sous-location présente pour le bailleur des inconvénients majeurs.

3 Le

locataire est garant envers le bailleur que le sous-locataire n’emploiera la chose qu’à l’usage autorisé par le bail principal. Le bailleur peut s’adresser directement au sous-loca­ taire à l’effet de l’y obliger.

K. Sublocazione 1 Il

conduttore può sublocare in tutto o in parte la cosa con il consenso del locatore.

2 Il

locatore può negare il consenso soltanto se: a. il conduttore rifiuta di comunicargli le condizioni della sublocazione; b. le condizioni della sublocazione, comparate con quelle del contratto principale di locazione, sono abusive; c. la sublocazione causa al locatore un pregiudizio essenziale.

3 Il conduttore è responsabile verso il locatore se il subconduttore usa della cosa locata in modo diverso da quello permesso al conduttore. A tale effetto, il locatore può rivolgersi direttamente al subconduttore.

Florian Rohrer

447

Art. 262

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter der Norm, intertemporales Recht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich und Abgrenzungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

449 449 450

2. Untermiete .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Grundsätzliche Zulässigkeit; Unter-Untermiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Voraussetzungen, Formerfordernisse und Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Verweigerungsgründe des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Stillschweigen des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.5 Folgen der Verweigerung, Rücknahme der Zustimmung und eigenmächtige ­Untervermietung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.6 Kündigung des Hauptmietverhältnisses aufgrund der Untermiete, Herausgabeanspruch des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.7 Exkurs: Untervermietung über Buchungsplattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.8 Haftung des Mieters, Befugnisse des Vermieters gegen den Untermieter . . . . . . . . . .  2.9 Verhältnis zwischen Untervermieter und Untermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.10 Verhältnis zwischen Vermieter und Untermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.11 Besonderheiten bei der Miete von beweglichen Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

452 452 453 455 461

448

462 463 465 467 468 469 470

Florian Rohrer

Art. 262

1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter der Norm, intertemporales Recht

Art.  262 OR ist relativ zwingend (Botsch. 1985, S.  1443; MfdP/Nideröst, 1 N 23.2.8; Weber, BSK, N 2 zu Art. 262 OR; HAP-Immobiliarmietrecht/Schwa­ ninger, Rz. 10.32, S. 431). Die Parteien des Mietvertrages können deshalb das Recht zur Untervermietung nicht zulasten des Mieters beschränken. Insbeson­ dere kann im Mietvertrag das unter älterem Recht in etlichen Formularverträ­ gen vorgesehene, generelle Verbot der Untermiete, mindestens was die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen betrifft, nicht mehr gültig vereinbart wer­ den (zur Frage, ob dies auch bei der Miete von beweglichen Sachen gilt, vgl. N 60–62). Zulässig sind demgegenüber Parteivereinbarungen in Ergänzung, nicht aber in 2 Abänderung der gesetzlichen Regelung. Hierzu gehört beispielsweise die ver­ tragliche Vorschrift, wonach der Mieter sein Ersuchen um Untervermietung schriftlich stellen bzw. die Zustimmung des Vermieters innert einer bestimm­ ten Frist ebenfalls schriftlich vorliegen müsse (MfdP/Nideröst, N  23.2.8; HAP-Immobiliarmietrecht/Schwaninger, Rz.  10.32, S.  431; Rohrer et al., 66 Fragen  – Frage 5, S.  29). Ebenso zulässig ist bei der Geschäftsmiete der ver­ tragliche Hinweis, wonach die Untervermietung an ein mit der übrigen Mie­ terschaft in Konkurrenz stehendes Unternehmen als wesentlicher Nachteil im Sinne von Art. 262 Abs. 2 Buchst. c OR betrachtet und deshalb ausgeschlos­ sen werde. Derartige Einschränkungen sind wirksam, sofern dafür ein objek­ tiv nachvollziehbarer Grund besteht und solange diese nicht aufgestellt werden, um den zwingenden Teil von Art. 262 OR zu umgehen (vgl. HAP-Immobili­ armietrecht/Schwaninger, Rz. 10.32, S. 431; MfdP/Nideröst, N 23.2.8). Gültig wäre weiter die vertragliche Abrede, wonach in einem Wohnhaus die Unter­ vermietung an kinderreiche Familien im Sinne der soeben zitierten Norm aus­ geschlossen wird, weil die übrigen Mieter ruhebedürftige Pensionäre sind (vgl. N 6). Zulässig ist selbstverständlich auch eine generelle und allenfalls unein­ geschränkte Bewilligung der Untermiete im Mietvertrag (gl.M. Higi, ZK, N 4 und 33 zu Art. 262 OR). Auf altrechtlich abgeschlossene Mietverträge gelangt mit Bezug auf die Zuläs­ 3 sigkeit und die Voraussetzungen von Untermietverhältnissen das neue Recht zur Anwendung (Art. 3 SchlT ZGB). Absolute, altrechtliche Verbote der Unter­ miete sind folglich unter den geltenden Vorschriften nicht mehr durchsetzbar

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Art. 262

(Urteil des Bundesgerichts 4C.199/1994 vom 11. Oktober 1994, E. 3a, in: mp 2/95, S. 65 ff. und SJZ 91, S. 116).

1.2

Anwendungsbereich und Abgrenzungen

4

Die Untermiete ist die entgeltliche Überlassung der Mietsache durch den Mieter an einen Dritten, den Untermieter (zum Begriff des Entgelts siehe N 5 zu Art. 253 OR), und stellt einen eigenständigen Mietvertrag im Sinne von Art. 253 OR dar. Nicht mit der Untermiete zu verwechseln sind die unentgelt­ liche zeitweilige Aufnahme Dritter und der Empfang von kurzzeitigen Besu­ chern, die zum vertragsgemässen Gebrauch gehören, nicht unter den Begriff der Untermiete fallen und – Fälle von Rechtsmissbrauch vorbehalten – auch ohne Zustimmung des Vermieters zulässig sind, sofern sie sich mit dem Verwendungszweck der Mietsache vereinbaren lassen und bei Wohnräumen weder eine vereinbarte maximale Belegung verletzen noch objektiv zu einer Überbelegung führen. Unter der gleichen Voraussetzung ist auch die dau­ ernde Aufnahme der engsten Familienmitglieder (z.B. Kinder, Ehefrau) erlaubt (CHK, N 3 zu Art. 262 OR). Auf die längerfristige oder dauernde unentgeltliche Aufnahme Dritter (z.B. entfernte Verwandte, Haushaltshilfen etc.), nament­ lich des Konkubinatspartners, ist die – zwingende – Norm analog anwendbar (a.M. Higi, ZK, N 11 f. zu Art. 262 OR, nachdem die Aufnahme von Konkubi­ natspartnern und die Unterleihe vertraglich ausgeschlossen werden kann; a.M. auch Prerost/Thanei, Mieterbuch, S. 124; Weber, BSK, N 1 zu Art. 262 OR und Zihlmann, Mietrecht, S. 25, welche die Aufnahme eines Lebenspartners ohne Weiteres als zulässig erachten). Mit Ausnahme des Ehegatten im Schutzbereich der Familienwohnung können solche Hausgenossen gegenüber dem Vermie­ ter aus dem Mietverhältnis keine Rechte geltend machen und werden im Falle einer Ausweisung vom Vollstreckungstitel gegen den Mieter miterfasst (vgl. Urteile des Bundesgerichts 4A_72/2007 vom 22. August 2007 und 4P.133/1999 vom 24. August 1999, E. 2.b/aa).

5

Art. 262 OR regelt die Untermiete für alle Arten von Mietverträgen. Die Norm ist mithin sowohl auf die Immobiliarmiete als auch auf die Miete von beweglichen Sachen anwendbar (zu diesem Teilaspekt vgl. N 60 bis 62). Bei der Immo­ biliarmiete wird zwischen Wohnungs- und Geschäftsmiete nicht differenziert. Die Norm ist anwendbar auf befristete und unbefristete Mietverhältnisse.

6

Eine Beschränkung der Untermiete kann ohne Gesetzesverletzung durch den Vermieter indirekt über die vertraglichen Bestimmungen zum Verwendungszweck der Mietsache erreicht werden (vgl. N  16). Im Rahmen der Vertrags­

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Florian Rohrer

Art. 262

freiheit ist der Vermieter frei, den Verwendungszweck und bei der Wohnungs­ miete insbesondere die Anzahl der Benutzer der gemieteten Sache restriktiv vorzuschreiben (etwa: höchstens 5 Personen, davon höchstens 3 Kinder, keine Haustiere). Um klare Verhältnisse zu schaffen und die Untermiete gestützt auf die vereinbarte maximale Belegung verweigern zu können, sollte aus dem Mietvertrag jedoch ausdrücklich hervorgehen, dass es sich bei der festge­ schriebenen Personenzahl um eine Maximalbelegung handelt (vgl. Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich PD140007 vom 29. August 2014, E. 2.5). Nach der hier vertretenen Auffassung ist auch ein explizites Verbot der Aus­ schreibung des Mietobjekts auf Airbnb oder ähnlichen Plattformen zulässig, da sich der Vermieter die aus den ständig wechselnden Untermietern fliessen­ den Nachteile nicht gefallen lassen muss (vgl. dazu N 41 ff., insbesondere N 43). Bei der Geschäftsmiete kann der Vermieter sodann beispielsweise hinsichtlich von Laden- und Büroräumlichkeiten die Branche strikt vorschreiben (etwa: nur Verkauf von Lebensmitteln, oder: ausschliesslich Führung eines Treuhandoder Anwaltsbüros ohne regen Publikumsverkehr, vgl. dazu N 18 zu Art. 263 OR). Die Untermiete ist gegenüber der Abtretung sowie der Übertragung der 7 Miete abzugrenzen. Die Abtretung der Miete, d.h. die Zession des Gebrauchs­ rechts des Mieters, die durch das aktuelle Mietrecht nicht mehr gesondert gere­ gelt wird, führt zur Übertragung der vertraglichen und gesetzlichen Rechte des Mieters an einen Dritten, insbesondere dem Recht zum Gebrauch der Miet­ sache. Der Mieter bleibt gegenüber dem Vermieter für sämtliche vertragli­ chen und gesetzlichen Pflichten, insbesondere für die Zahlung des Mietzin­ ses und für den vertragsgemässen Gebrauch der Sache, haftbar (vgl. Höchli, Untermietvertrag, S.  5  ff.). Insoweit unterscheiden sich die Untermiete und die Zession der Miete nicht. Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Rechtsinstituten besteht darin, dass der Zessionar kraft seiner an ihn überge­ gangenen Gläubigerstellung direkt vom Vermieter die mängelfreie Überlas­ sung der Sache fordern kann (Heinrich, Untermiete, S. 64 f.), während sich der Untermieter, der dieses Recht aus dem Untermietvertrag ableitet, an den Mie­ ter zu halten hat (siehe dazu hinten, N 49 f. und N 55 ff.). Der Mietvertrag ist ein Dauerschuldverhältnis, das dem Mieter eine Reihe an Verpflichtungen auferlegt (z.B. Art. 257f bis 257h OR). Aufgrund dieser besonderen Natur des Rechtsverhältnisses ist eine Abtretung ausgeschlossen. Zudem kann die Zes­ sion der Miete (Art. 164 ff. OR) vertraglich wegbedungen werden (Heinrich, a.a.O., S. 63 f.; a.M. Guhl et al., OR, § 44, N 83; Weber, BSK, N 2 zu Art. 262 OR). Wesentlich weitergehend als die Untermiete oder die Zession geht die Übertragung der Miete gemäss Art. 263 OR. Hier findet auf der Mieterseite ein Florian Rohrer

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Art. 262

Parteiwechsel statt: Der übertragende Mieter wird von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter bis auf eine zeitlich begrenzte Solidarität mit dem als neuer Mieter eintretenden Dritten befreit (vgl. hierzu N 36–37 zu Art. 263 OR). Higi verneint die Zulässigkeit der Abtretung der Miete für die Geschäftsraum­ miete mit der Begründung, in der Botsch. 1985, S. 1443, habe der Gesetzgeber darauf hingewiesen, dass Art. 263 OR für die Geschäftsraummiete als lex spe­ cialis vor Art. 164 OR zu gelten habe (Higi, ZK, N 12 zu Art. 263 OR). Dieser Auffassung kann zugestimmt werden.

2. Untermiete 2.1

Grundsätzliche Zulässigkeit; Unter-Untermiete

8

Art. 262 OR geht von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Untermiete aus (Botsch. 1985, S.  1442; Zihlmann, Mietrecht, S.  92; Prerost/Thanei, Mieter­ buch, S. 123) und sieht in Abs. 2 zunächst drei Fälle vor, in denen der Vermie­ ter eine solche ablehnen kann (vgl. hierzu unten N 15–33). Des Weiteren kann die Untermiete vermieterseits gestützt auf Abs. 3 abgelehnt werden, wenn der Untermieter die Mietsache anders gebraucht, als es dem Mieter selbst gestattet ist (vgl. hierzu unten N 16). Es gilt hervorzuheben, dass das Gesetz sich damit begnügt, dem Vermieter das Recht zu geben, die Untermiete in bestimmten Fällen abzulehnen und sie diesfalls nicht etwa untersagt. Passivität oder Gut­ mütigkeit des Hauptvermieters und Untermieters vorausgesetzt, wird es des­ halb beispielsweise auch inskünftig Untermietverhältnisse geben, deren Bedin­ gungen im Vergleich zu denjenigen des Hauptmietvertrags missbräuchlich sind.

9

Kettenartige Untermietverhältnisse, sog. Unter-Untermietverhältnisse, sind grundsätzlich zulässig (Higi, ZK, N 7 zu Art. 262 OR; Höchli, Untermietver­ trag, S. 3 ff.). Auf jedes Glied der Untermietverhältniskette sind die Regeln des Art. 262 OR anwendbar. Mit anderen Worten muss der Unter-Untervermieter sowohl die Zustimmung des Untervermieters als auch diejenige des Vermieters einholen, wobei dem Untervermieter und dem Vermieter die Verweigerungs­ gründe des Art. 262 Abs. 2 und 3 OR zustehen. Desgleichen ist der Vermie­ ter berechtigt, nicht nur den Untermieter, sondern auch den Unter-Untermie­ ter unmittelbar dazu anzuhalten, die Sache nicht anders zu gebrauchen, als es dem Mieter zusteht (Art.  262 Abs.  3 OR). An der grundsätzlichen Zulässig­ keit der Unter-Untermiete und weiterer Untervermietungsglieder kann indes­ sen nur unter einer Voraussetzung festgehalten werden: Der Vermieter muss

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Florian Rohrer

Art. 262

das Recht haben, das Hauptmietverhältnis mit dem Mieter (und dem Unter­ vermieter) gestützt auf Art. 257f OR zu kündigen, obschon er keine Einwen­ dungen gegen das Untermietverhältnis hatte, jedoch die Unter-Untermiete mit berechtigter Berufung auf Art. 262 Abs. 2 oder 3 OR ablehnt (zu den Rechts­ behelfen von Vermieter und Mieter vgl. unten N 35–40).

2.2

Voraussetzungen, Formerfordernisse und Zustimmung

Voraussetzung der Untermiete ist zunächst, dass der Mieter ein entsprechen­ 10 des Begehren an den Vermieter richtet und ihn um seine Zustimmung ersucht, sodann, dass der Vermieter keinen der vier Verweigerungsgründe gemäss Art. 262 Abs. 2 Buchst. a, b oder c bzw. Abs. 3 OR zu Recht geltend macht (vgl. hierzu N  15–33). Das Vorliegen eines einzigen dieser Gründe gibt dem Ver­ mieter das Recht, die Zustimmung zu verweigern (Lachat David, in: mp 1/90, S. 48; Zihlmann, Mietrecht, S. 92). Das Gesetz schreibt weder für das mieterseitige Begehren um Zustimmung zur 11 Untermiete noch für die darauffolgende Erklärung des Vermieters eine beson­ dere Form vor (vgl. MfdP/Nideröst, N 23.2.3.2). Wie bereits unter N 1 f. ausge­ führt, können hier ergänzende vertragliche Abmachungen Platz greifen, die beispielsweise die Schriftform vorschreiben. Haben die Parteien im Mietver­ trag einen Schriftformvorbehalt vereinbart, ist eine konkludente (oder auch mündliche) Zustimmung – vorbehaltlich des Rechtsmissbrauchsverbots – aus­ geschlossen (Urteil des Bundesgerichts 4A_290/2015 vom 9. September 2015; HAP-Immobiliarmietrecht/Schwaninger, Rz. 10.35, S. 432). Eine konkludente Zustimmung ist grundsätzlich nicht leichtfertig anzunehmen, insbesondere nicht, wenn der Vermieter seine Zustimmung zur Untermiete verweigern könnte. Die Annahme einer konkludenten Zustimmung erfordert zusätzliche Umstände, mithin ein Verhalten des Vermieters, aus dem geschlossen werden kann, dass er mit der Untermiete einverstanden war (HAP-Immobiliarmiet­ recht/Schwaninger, Rz. 10.35, S. 432, m.w.H.). Im Übrigen ist dem Mieter zu empfehlen, das Begehren um Zustimmung zur Untermiete schriftlich zu for­ mulieren unter Beilage des vorgesehenen Untermietvertrags. Desgleichen wird der Vermieter seine Zustimmung oder aber seine Ablehnung der Untermiete mit Vorteil schriftlich erklären. Eine Begründungspflicht ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht. Zur Vermeidung unnötiger Auseinandersetzun­ gen ist dem Vermieter dennoch zu empfehlen, dem Mieter mitzuteilen, auf welchen Verweigerungsgrund er sich beruft (vgl. N 35). Zulässig ist überdies, die Untermiete vertraglich generell und uneingeschränkt (vgl. N 2), auf Zuse­

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Art. 262

hen hin oder für eine beschränkte Dauer zu bewilligen (Heinrich, Untermiete, S. 91 f.). 12

Das Begehren um Untervermietung einer Familienwohnung bzw. einer gemeinsamen Wohnung von eingetragenen Partnern ist nur gültig, wenn die Zustimmung beider Ehegatten bzw. Partner vorhanden ist (Art.  169 Abs.  1 ZGB und Art. 14 PartG; gl.M. Higi, ZK, N 13 zu Art. 262 OR). Fehlt sie sei­ tens des einen Ehegatten bzw. Partners, so hat der Vermieter auf das Begehren nicht einzutreten.

13

Die Zustimmungserklärung des Vermieters ist als Gestaltungsrecht prinzipiell bedingungsfeindlich (Blumer KUKO OR, N 5 zu Art. 262 OR; HAP-Immo­ biliarmietrecht/Schwaninger, Rz. 10.39, S. 433). Hingegen ist es zulässig, dass der Vermieter, der zur Verweigerung der Zustimmung berechtigt wäre, mit dem Mieter vereinbart, seine Zustimmung unter bestimmten Voraussetzun­ gen zu erteilen, beispielsweise verlangt, dass der Mieter bestimmte Klauseln in den Untermietvertrag aufnimmt. Vor dem Hintergrund des Verbots der «ewi­ gen Untermiete» (N  26  f.) ist es ausserdem ohne Weiteres zulässig, dass der Vermieter seine Zustimmung befristet oder nur auf Zusehen hin erteilt. Der Widerruf einer unbefristet erteilten Zustimmung hat mit dem amtlichen For­ mular im Sinne von Art. 269d OR zu erfolgen, solange sich die Verhältnisse nicht wesentlich geändert haben oder der Vermieter nicht von neuen Umstän­ den Kenntnis nimmt, die ihm der Mieter verschwiegen hat (vgl. N 16 und 36; Higi, ZK, N 37 zu Art. 262 OR). Haben sich die Umstände erheblich geändert oder treten neue Umstände zutage, die der Mieter zuvor verschwiegen hat, ist dieser aufzufordern, ein neues Gesuch um Zustimmung zu stellen (vgl. MfdP/ Nideröst, N 23.2.8).

14

Das Gesetz schreibt nicht vor, innert welcher Frist ein Gesuch des Mieters um Zustimmung zur Untervermietung zu behandeln ist. Regelt der Mietver­ trag diese Frage nicht, ist davon auszugehen, dass dem Vermieter bei der Woh­ nungsmiete zur Prüfung der Frage in aller Regel mindestens zwei Wochen, bei der Geschäftsmiete mindestens vier Wochen zur Verfügung stehen müssen (grundsätzlich gl.M. Higi, ZK, N 30 zu Art. 262 OR). Diese Fristen sind indes­ sen lediglich als Richtlinien zu verstehen, deren starre Handhabung sich ver­ bietet. Vielmehr ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls Rücksicht zu nehmen. Insbesondere ist zu differenzieren, ob der Vermieter von einer pro­ fessionellen Verwaltung vertreten wird oder eine Privatperson ist, der allenfalls mehr Zeit eingeräumt werden muss. Selbstredend ist der Vermieter berech­ tigt, zusätzliche Angaben zu fordern, insbesondere zur Prüfung allfälliger, ihm

454

Florian Rohrer

Art. 262

durch die Untermiete entstehender Nachteile. Diesfalls wird er erneut eine angemessene Überlegungsfrist beanspruchen können.

2.3

Verweigerungsgründe des Vermieters

2.3.1 Grundlagen Die vier nachfolgend erörterten Verweigerungsgründe müssen nicht kumula­ 15 tiv gegeben sein (N 10). Missachtet der Mieter die vom Vermieter rechtens aus­ gesprochene Verweigerung der Untermiete, so steht dem Vermieter nebst der ordentlichen oder ausserordentlichen Kündigung nach Art. 257f OR (N 39) stets auch ein Schadenersatzanspruch gegen den Mieter zu.

2.3.2

Vertragswidriger Gebrauch durch Untermieter (Art. 262 Abs. 3 OR)

Entsprechend Art.  262 Abs.  3 OR hat der Vermieter Anspruch darauf, dass 16 der Untermieter die Mietsache nicht anders gebraucht, als es dem Mieter selbst gestattet ist. Damit ist der im Hauptmietvertrag vorgesehene Verwendungszweck angesprochen, der auch vom Untermieter strikte einzuhalten ist. Andernfalls ist der Vermieter ohne weitergehende Begründung berechtigt, seine Zustimmung zur Untermiete zu verweigern bzw. später zurückzuneh­ men, sofern er erst nachträglich vom Verweigerungsgrund Kenntnis erhielt bzw. dieser erst nachträglich eingetreten ist (vgl. hierzu N 36 f.).

2.3.3

Weigerung des Mieters, die Bedingungen der Untermiete bekannt zu geben (Art. 262 Abs. 2 Buchst. a OR)

Der Vermieter hat einen gesetzlichen Anspruch auf Offenlegung des gesamten 17 Untermietvertrags. Mit Bedingungen sind sämtliche bedeutsamen Klauseln des Untermietvertrags gemeint; in jedem Falle aber die Person des Untermie­ ters, der Untermietzins bzw. sämtliche im Zusammenhang mit dem Unter­ mietverhältnis vereinbarten wirtschaftlichen Verpflichtungen des Untermie­ ters, der Verwendungszweck, die Dauer der Untermiete, bei Teiluntermiete die genaue Bezeichnung der untervermieteten Fläche/Räume, bei der Wohnungs­ miete die Anzahl der Benutzer und dgl. (MfdP/Nideröst, N  23.2.3.1.1). Ver­ weigert der Mieter die entsprechende Auskunftserteilung, kann der Vermieter die Zustimmung zur Untermiete verweigern. Gleiches gilt, wenn der Mieter falsche Angaben macht (Entscheid des Mietgerichts Zürich, MG160009 vom 9.2.2017, in: ZPM 2017, Nr. 2, E. V.2.3.10). Sofern der Mieter das Mietobjekt in der Folge dennoch ohne Zustimmung untervermietet, riskiert er, dass der Florian Rohrer

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Art. 262

Vermieter das Mietverhältnis ordentlich oder gar ausserordentlich im Sinne von Art. 257f OR kündigen kann. Eine ausserordentliche Kündigung wird sich indessen in der Regel nur nach erfolgter Abmahnung und Aufforderung zur Beendigung des vertragswidrigen Zustands rechtfertigen (vgl. N 28 und 38).

2.3.4 18

Missbräuchliche Untervermietungsbedingungen (Art. 262 Abs. 2 Buchst. b OR)

Art. 262 Abs. 2 Buchst. b OR bezweckt in erster Linie den Schutz der Interes­ sen des Vermieters und nicht des Untermieters. Der Vermieter soll sich nicht geprellt fühlen müssen, weil der Mieter ohne Erbringung eigener Leistung deutlich mehr Ertrag aus der Mietsache erzielt als er selbst (Urteil des Bundes­ gerichts 4C.331/2004 vom 17. März 2004, E. 1.2.1, in: MRA 1/06, S. 34 ff.; BGE 119 II 353, E. 6c, S. 359 f., in: Pra 83, S. 208). Diese Norm richtet sich somit hauptsächlich gegen die Erzielung eines missbräuchlichen Gewinns aus der Untervermietung. Der Missbrauch bestimmt sich auf der Grundlage des Ver­ gleichs zwischen dem Haupt- und dem Untermietzins (Urteile des Bundesge­ richts 4A_518/2014 und 4A_520/2014 vom 19. November 2014, E. 5, in: MRA 1/15, S. 44 ff.). Ist der Untermietzins höher als der Hauptmietzins, so ist die Dif­ ferenz auf deren Rechtfertigung zu prüfen. Der zulässige, mithin nicht miss­ bräuchliche Untervermietungszuschlag wird von Fall zu Fall unterschiedlich sein, da der Untervermieter damit seine im Einzelfall unterschiedlichen Risi­ ken abdeckt. Hier ist in erster Linie an die Gefahr des Untermietzinsausfalles oder an die Gefahr übermässiger Abnützung der Mietsache durch den Unter­ mieter zu denken. Abzulehnen sind Faustregeln oder Pauschalierungen wie etwa, der Zuschlag dürfe nicht höher sein als 10%, 20% oder 30% des Haupt­ mietzinses. Im Übrigen wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass der Mieter für Untermietzinsausfälle eine Risikoprämie erheben kann und dass unbedeutende Untermietzinsgewinne von maximal 3% bzw. 100 CHF pro Monat zulässig sind (Heinrich, Untermiete, S. 108 ff.; offengelassen im Urteil des Bundesgerichts 4C.331/2004 vom 17. März 2004, E. 1.2.2 sowie in BGE 119 II 353, E. 6e, S. 360, in: Pra 83, S. 209). Auf jeden Fall aber ist der Untervermie­ ter mindestens berechtigt, mit dem Untervermietungszuschlag eigene Inves­ titionen in die Mietsache (Kosten für Ausbau, Renovation, Raumaufteilung etc.) und allenfalls mitvermietete Einrichtungsgegenstände (z.B. Telefonanlage, Netzwerk- oder Beleuchtungseinrichtungen, Mobiliar etc.) oder Nebenleistun­ gen (z.B. Sekretariat, Reinigung etc.) abzugelten (vgl. dazu BGE 119 II 353, E. 5b und 5c, S. 356 ff., in: Pra 83, S. 205 ff. sowie Higi, ZK, N 43 f. zu Art. 262 OR). Zur Berechnung des zulässigen Aufschlags aufgrund von Investitionen des Hauptmieters stellt das Bundesgericht auf die zu Art. 269a Buchst. b OR 456

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Art. 262

entwickelte Berechnungsformel ab (Urteile des Bundesgerichts 4A_518/2014 und 4A_520/2014 vom 19. November 2014, in: MRA 1/15, S. 44 ff., S. 51 f.). Die Kriterien, ob ein Mietzins missbräuchlich ist oder nicht (Art. 269 ff. OR), 19 sind für die Beurteilung, ob die Bedingungen nach Art. 262 Abs. 2 Buchst. b OR missbräuchlich sind, nicht massgeblich (BGE 119 II 353, E. 5a, S. 355 f., in: Pra 83, S. 204 f.). Ohne Investitionen oder Zusatzleistungen des Untervermieters werden aller­ 20 dings Untervermietungszuschläge von 50 und mehr Prozent des Hauptmiet­ zinses, wie sie in Einzelfällen namentlich bei der Geschäftsmiete in den gros­ sen Ballungszentren festzustellen waren, in aller Regel einer Überprüfung auf Missbräuchlichkeit nicht standhalten. Das Bundesgericht hat in BGE 119 II 353, E. 6f, in: Pra 83, S. 209, festgestellt, dass ein Zwischengewinn des Mieters zwischen 30% und 40% missbräuchlich im Sinne von Art. 262 Abs. 2 Buchst. b OR ist. Im Sinne eines Exkurses ist diskussionsweise die Frage aufzuwerfen, ob der 21 Vermieter die Möglichkeit hat, durch besondere Vereinbarung im Hauptmiet­ vertrag den Anreiz zur heimlichen Erzielung eines missbräuchlichen Unter­ vermietungszuschlages zu senken. Es soll allfälligen missbräuchlichen Prakti­ ken des Untervermieters vorgebeugt werden, beispielsweise vom Untermieter nebst dem Untermietzins Zusatzzahlungen «unter dem Tisch» zu fordern. Mit dieser Zielsetzung liesse sich etwa die Einführung einer Art Vertragsstrafe im Hauptmietvertrag rechtfertigen, wonach der heimlich erzielte Untervermie­ tungszuschlag an den Vermieter abzuliefern ist. Dogmatisch wäre die Zuläs­ sigkeit einer solchen Klausel nicht zu beanstanden. Damit wäre allerdings der Vermieter Nutzniesser einer Ausbeutung des Untermieters bzw. eines Koppelungsgeschäfts zwischen Mieter und Untermieter, was den Absichten des Gesetzgebers zuwiderläuft. Dem wird der Vermieter durch Rückerstattung des missbräuchlichen Untervermietungszuschlages an den Untermieter Rechnung tragen können. Ebenso wird es im Einklang mit der gesetzgeberischen Inten­ tion stehen, wenn er gleichzeitig mit der «Einziehung» des missbräuchlichen Gewinns aus der Untervermietung das Hauptmietverhältnis ordentlich oder gestützt auf Art. 257f OR ausserordentlich kündigt. Auch ohne eine Vertragsklausel, die dem Vermieter einen vertraglichen 22 Anspruch auf die Herausgabe des vom Mieter aus der Untervermietung unrechtmässig erzielten Gewinns verschafft, steht dem Vermieter gestützt auf die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag ein Herausgabeanspruch bezüglich des unrechtmässig erzielten Gewinns zu, sofern ihm der

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Art. 262

Nachweis der Bösgläubigkeit des Mieters gelingt (vgl. N  40). Dazu ist anzu­ merken, dass der Untervermieter, der sowohl den Mietzins als auch den Unter­ mietzins kennt, bezüglich des erzielten Zwischengewinns entgegen der gesetz­ lichen Vermutung von Art. 3 Abs. 1 ZGB regelmässig als bösgläubig zu gelten hat.

2.3.5

Wesentliche Nachteile für den Vermieter (Art. 262 Abs. 2 Buchst. c OR)

23

Diese Norm stellt gewissermassen eine Generalklausel zum Schutz des Ver­ mieters dar. Als wesentlicher Nachteil der Untermiete für den Vermieter hat alles zu gelten, was entweder den Bestimmungen des Hauptmietvertrags widerspricht oder aber in objektiver bzw. subjektiver Hinsicht eine relevante Benachteiligung des Vermieters oder der Mietsache nach sich zieht (vgl. N 20 ff. zu Art. 263 OR).

24

Wesentliche Nachteile aus der Untermiete können dem Vermieter zunächst aus der Unvereinbarkeit von Haupt- und Untermietvertrag entstehen. Dies ist der Fall, wenn der vereinbarte Gebrauchszweck oder die vereinbarten Gebrauchs­ modalitäten zwischen Miet- und Untermietvertrag abweichen (Urteil des Bun­ desgerichts vom 11. Oktober 1994, E. 5b, in: Pra 84, S. 464 und mp 2/95, S. 65 ff.). Der Nachteil muss wesentlich sein. Demzufolge vermag nicht jede unbedeu­ tende Abweichung vom vereinbarten bzw. üblichen Gebrauch einen Verweige­ rungsgrund zu bilden (Urteil des Bundesgerichts 4C.251/1998 vom 22. Okto­ ber 1998, E. 3b, in: mp 1/99, S. 46 f.; ähnlich Lachat, CR, N 3 zu Art. 262 OR; MfdP/Nideröst, N  23.2.3.1.3; a.M. Higi, ZK, N  45 zu Art.  262 OR, wonach jede Abweichung vom vereinbarten bzw. üblichen Gebrauch einen wesentli­ chen Nachteil darstellt). Abzulehnen ist demgegenüber die Ansicht, wonach der Vermieter eine Abweichung vom Hauptmietvertrag zu dulden hat, sofern es dem Mieter nicht möglich oder nicht zumutbar ist, einen Untermieter zu finden, der alle vertraglichen Voraussetzungen erfüllt (vgl. MfdP/Nideröst, N 23.2.3.1.3). Schwierigkeiten in der Vertragserfüllung oder in der Ausübung vertraglicher Rechte – auch wenn diese zwingender Natur sind – begründen kein Recht darauf, den Mietvertrag zu verletzen.

25

Die blosse Tatsache, dass die Dauer des Untermietvertrags diejenige des Hauptmietvertrags übertrifft, stellt nach dem erwähnten Urteil des Bundesge­ richts 4C.251/1998 vom 22. Oktober 1998, E. 3, keinen derartigen Nachteil dar. Diese Ansicht begründete das Bundesgericht – allerdings noch unter der mitt­ lerweile überholten Annahme, dass eine dauerhafte Untervermietung zulässig sei  – damit, dass der Hauptvermieter an den Untermietvertrag nicht gebun­ 458

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Art. 262

den sei, wodurch er nach wie vor die Möglichkeit habe, den Hauptmietvertrag zu kündigen. Diese Begründung vermag nicht zu überzeugen: Ist der Haupt­ mietvertrag vor dem Untermietvertrag kündbar, liegt es nahe, dass der Unter­ mieter sich nach Auflösung des Hauptmietvertrags auf die im Untermietver­ trag vereinbarte Vertragsdauer beruft und die Untermietsache dem Vermieter oder Mieter nicht freiwillig zurückgibt. Der Vermieter muss daher damit rech­ nen, dass er die Rückgabe der Sache vom Untermieter gerichtlich erzwingen muss. Aus diesem Grund ist denn auch ein wesentlicher Nachteil zu bejahen, wenn der Untermietvertrag länger als der Hauptmietvertrag dauert (vgl. MfdP/ Nideröst, N 23.2.1.3, Fn. 15). Eine Untervermietung auf unbestimmte Zeit ist nach der neueren Praxis des 26 Bundesgerichts nicht zulässig. Der Vermieter muss sich einen Wechsel des Mieters über den Umweg der Untermiete nicht gefallen lassen. Die Unterver­ mietung der gesamten Mietsache ist demnach nur zulässig, wenn der Mieter die konkrete Absicht hat, in naher Zukunft in das Mietobjekt zurückzukehren. Die vage Absicht, das Mietobjekt dereinst wieder selber zu benutzen, reicht nicht aus, um die Untervermietung zu rechtfertigen (BGE 138 III 59, E. 2.2; 134 III 446, E. 2). Eine Untervermietung des gesamten Mietobjekts ohne Absicht des Mieters, in dieses zurückzukehren, ist nur in absoluten Ausnahme­ fällen denkbar, so z.B. wenn der Mieter noch lange an das Mietobjekt gebun­ den ist, aber aufgrund spezieller Umstände keinen Nachmieter finden kann. In dieser Konstellation ist ihm die Untervermietung auch ohne konkrete Rück­ kehrabsicht zur Schadensminderung bis zum Mietvertragsende zuzubilligen. Die Unzulässigkeit der dauerhaften Untervermietung kann nicht dadurch 27 umgangen werden, dass der Mieter einen unbedeutenden Teil der Mietsa­ che, beispielsweise einen Abstellraum, weiter selber nutzt oder sich an einem Teil der Mietsache weiterhin ein Mitbenutzungsrecht ausbedingt. Von einer teilweisen Untervermietung ist nur dann auszugehen, wenn der Mieter und Untervermieter einen Teil der Sache zur alleinigen Benutzung behält, in dem sich das Mietobjekt für dessen Zweckbestimmung sinnvoll nutzen lässt und der Mieter diese Nutzung auch tatsächlich ausübt. Der Vermieter ist in analoger Anwendung von Art. 262 Abs. 2 Buchst. a OR 28 berechtigt, vom Mieter Auskunft über dessen voraussichtliche Rückkehr in das Mietobjekt und die Gründe für die Untervermietung zu verlangen. Ver­ weigert der Mieter diese Auskunft oder macht er unwahre Angaben, muss das Gleiche gelten, wie wenn der Mieter dem Vermieter unwahre Angaben über die Bedingungen des Untermietverhältnisses macht. Dies bedeutet, dass der Vermieter berechtigt ist, das Untermietverhältnis ordentlich oder – nach vor­ Florian Rohrer

459

Art. 262

gängiger Abmahnung – ausserordentlich im Sinne von Art. 257f OR zu kündi­ gen (vgl. N 17 und 38). 29

Entstehen dem Vermieter wesentliche Nachteile, weil der Untermieter beab­ sichtigt, die Sache anders als der Mieter zu gebrauchen, steht dem Vermieter dagegen erstrangig die Berufung auf Art. 262 Abs. 3 OR zu, und er ist erst gar nicht auf die Geltendmachung wesentlicher Nachteile angewiesen.

30

Weiter können wesentliche Nachteile aus sonstigen objektiven Gründen ent­ stehen oder aus solchen, die mit der Person des Untermieters oder aber des Vermieters im Zusammenhang stehen. In objektiver Hinsicht entstehen dem Vermieter aus der Untermiete wesentliche Nachteile ganz allgemein, wenn die Mietsache oder aber seine persönliche Stellung schlechter ist als ohne Unter­ miete.

31

Es ist  – insbesondere bei einem nicht strikte umschriebenen Verwendungs­ zweck der Mietsache  – an eine erheblich stärkere Abnützung durch den Untermieter zu denken (Entscheid des Mietgerichts Zürich, MG160009 vom 9. Februar 2017, in: ZPM 2017, Nr. 2, E. V.2.3.11). Bei der Geschäftsmiete bei­ spielsweise wäre dies der Fall, wenn der Untermieter im Gegensatz zum Mieter eine Tätigkeit mit starkem Publikumsverkehr ausübt, andere Öffnungszeiten – abends statt tagsüber – hat oder wenn der Betrieb des Untermieters Emissionen oder andere nachteilige Beeinträchtigungen verursacht. Gleiches gilt im Fall der Untervermietung an einen Konkurrenzbetrieb eines Mitmieters (Higi, ZK, N 48 zu Art. 262 OR; Lachat, CR, N 3 zu Art. 262 OR). Sodann hat bei­ spielsweise die Untervermietung von Büroräumlichkeiten an eine Palästinen­ serorganisation als wesentlicher Nachteil zu gelten, wenn einer der übrigen Mieter in der fraglichen Liegenschaft das Sekretariat der Israelitischen Kul­ tusgemeinschaft ist. Dasselbe gilt, wenn eine Wohnung in einer Liegenschaft mit überwiegend ruhebedürftigen Pensionären an eine kinderreiche Familie untervermietet wird. Damit ist auch gesagt, dass dem Vermieter wesentliche Nachteile im Sinne von Art.  262 Abs.  2 Buchst.  c OR selbst dann entstehen können, wenn die Nachteile ihn nicht direkt treffen, sondern die übrige Mieterschaft. Widerspricht die Untervermietung dem Zweck einer Wohnbauge­ nossenschaft, liegt ebenfalls ein gewichtiger Nachteil vor (Entscheid des Ober­ gerichts des Kantons Zürich vom 7. September 1995, in: MRA 5/97, S. 201 ff.). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn ein institutioneller Anleger als Vermieter geltend macht, die Untermiete widerspreche seiner Vermietungspolitik (Urteil des Bundesgerichts 4C.199/1994 vom 11. Oktober 1994, E. 5a und c, in: Pra 84, S. 463 ff. und mp 2/95, S. 65 ff.).

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Art. 262

Wesentliche Nachteile aus der Untermiete können dem Vermieter auch aus 32 Gründen entstehen, die mit seiner oder aber der Persönlichkeit des Untermieters zusammenhängen. Es ist an einen der Ökologie verpflichteten Ver­ mieter zu denken, der sich gegen die Untervermietung von Geschäftsräum­ lichkeiten an einen die Umwelt erheblich verschmutzenden Betrieb zur Wehr setzt. Desgleichen hat als wesentlicher Nachteil für einen politisch engagier­ ten Vermieter zu gelten, wenn eine Wohnung an einen Vertreter einer von ihm bekämpften Partei untervermietet wird, ebenso die Untervermietung an eine Person mit notorisch schlechtem Ruf (einschränkender offenbar: MfdP/Nide­ röst, N 23.2.3.1.3; Weber, BSK, N 8 zu Art. 262 OR, die entgegen der allgemei­ nen Formulierung von Art. 262 Abs. 2 Buchst. c OR nur objektive Nachteile als relevant erachten). Schliesslich ist die Verweigerung auch aus wirtschaftlichen Gründen zulässig, falls der Eigentümer wegen der konkreten Untervermie­ tung finanzielle Vorteile wie etwa Hypothekarzinsvergünstigungen, Beiträge der öffentlichen Hand etc. verliert (Higi, ZK, N 48 zu Art. 262 OR). Nach der vorliegend vertretenen Auffassung entsteht dem Vermieter durch die Unter­ vermietung ausserdem ein wesentlicher Nachteil, wenn der Vermieter das Mietverhältnis aus objektiv nachvollziehbaren Gründen bewusst mit der Per­ son des Mieters abgeschlossen hat, beispielsweise als Ankermieter eines Ein­ kaufszentrums (vgl. N 24 zu Art. 263 OR, m.w.H.). Die Untermiete darf schliesslich nicht dazu missbraucht werden, einen dem 33 Vermieter nicht genehmen Mieter aufzuzwingen. Schiebt ein abgewiesener Kandidat eine andere Person als Mieter vor, um hernach als Untermieter auf­ zutauchen, so ist der Vermieter zur Verweigerung auch dann berechtigt, wenn er sich auf keinen Verweigerungsgrund i.S.v. Art. 262 Abs. 2 oder 3 OR beru­ fen kann (Art.  2 ZGB; BGE 138 III 59, E.  2.2.1; Urteil des Bundesgerichts 4C.155/2000 vom 30. August 2000, E. 2c, in: mp 4/00, S. 181 ff.).

2.4

Stillschweigen des Vermieters

Beantwortet der Vermieter das Begehren um Zustimmung zur Untermiete 34 trotz Mahnung nicht, so kann der Mieter davon ausgehen, dass der Vermie­ ter keinen Verweigerungsgrund geltend machen kann oder will und er des­ halb berechtigt ist, den Untermietvertrag abzuschliessen (gl. M. Higi, ZK, N 30 zu Art. 262 OR; MfdP/Nideröst, N 23.2.3.2). Diesfalls ist es dem Vermieter aus Gründen des Vertrauensschutzes verwehrt, sich später auf einen vorbestehen­ den Verweigerungsgrund zu berufen. Bei nachträglicher Entstehung eines Ver­ weigerungsgrunds ist der Vermieter hingegen berechtigt, auf seine (stillschwei­ gende) Zustimmung zurückzukommen (N 36 f.). Von einem stillschweigenden Florian Rohrer

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Art. 262

Verzicht auf die Geltendmachung von Verweigerungsgründen ist auch dann auszugehen, wenn der Mieter ein Untermietverhältnis eingeht, ohne den Ver­ mieter um seine Zustimmung zu ersuchen, dieser indessen nachweisbar von allen relevanten Umständen Kenntnis erhält und während längerer Zeit nicht dagegen einschreitet. Auch hier gelten die Ausführungen hinsichtlich einer späteren Berufung des Vermieters auf einen neu entstandenen oder entdeck­ ten Verweigerungsgrund (N 13, 16 und 36).

2.5

Folgen der Verweigerung, Rücknahme der Zustimmung und eigenmächtige Untervermietung

35

Lehnt der Vermieter die Untermiete ohne Anrufung eines Verweigerungsgrundes ab oder begründet er seine Verweigerung und entsteht Streit darü­ ber, ob der angerufene Grund tatsächlich besteht oder nicht, so hat der Mieter die Wahl, entweder zur Untervermietung auf eigenes Risiko zu schreiten oder aber an die Schlichtungs- oder Gerichtsbehörde zu gelangen, mit dem Begehren um Erteilung der Zustimmung zur Untermiete. Im ersten Fall riskiert der Mieter allerdings eine ordentliche oder – nach entsprechender schriftlicher Abmahnung – eine ausserordentliche Kündigung im Sinne von Art. 257f OR, deren Anfechtung ohne Erfolg bleiben wird, wenn der Vermieter den Verwei­ gerungsgrund zur Untermiete zu Recht angerufen hatte (BGE 134 III 300, E. 3, S. 302 ff.; MfdP/Nideröst, N 23.2.3.10 und Zihlmann, Mietrecht, S. 94). Selbst wenn der Vermieter keinen Verweigerungsgrund hätte anrufen können, führt dies nicht zur Missbräuchlichkeit bzw. Unwirksamkeit der Kündigung (N 38). Hinzu kommt diesfalls der Schadenersatzanspruch des Vermieters.

36

Ähnliches gilt, wenn der Vermieter nach Erteilung der Zustimmung zur Unter­ miete feststellt, dass sich das Untermietverhältnis verändert hat und nunmehr ein Verweigerungsgrund vorhanden ist. Eine solche Feststellung wird der vor­ sichtige Vermieter treffen können, wenn er sein Auskunftsrecht hinsichtlich der Untermiete regelmässig wahrnimmt. Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Mieter auf Verlangen des Vermieters zur periodischen Bekanntgabe der Untermietbedingungen verpflichtet ist (gl. M. Higi, ZK, N 37 zu Art. 262 OR). Ebenso muss der Vermieter berechtigt sein, sich nach der Rückkehr des Mieters in das Mietobjekt zu erkundigen, wenn er feststellt, dass der Mieter nicht ins Mietobjekt zurückkehrt und eine dauerhafte Untermiete vorliegen könnte (vgl. N 28).

37

Nimmt der Vermieter seine Zustimmung infolge nachträglichen Eintretens eines Verweigerungsgrundes oder veränderter Verhältnisse zurück, so wer­

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den die Gebrauchsrechte des Mieters eingeschränkt. Der Widerruf der Zustim­ mung ist deshalb als einseitige Vertragsänderung zulasten des Mieters zu betrachten. Der Rückzug der Zustimmung muss daher auf amtlichem Formular bekannt gegeben werden (BGE 125 III 62, E. 2b, in: Pra 88, S. 603 f., in: mp 1/99, S. 48 ff., in: MRA 2/99, S. 54 ff.; zum Teil a.M. CHK, N 10 zu Art. 262 OR, wonach jede wesentliche Änderung des Untermietvertrags dem Vermie­ ter zu neuerlicher Genehmigung zu unterbreiten ist). Der Widerruf ist gemäss Art.  269d Abs.  3 OR zu begründen, und der Mieter kann diesen als missbräuchlich anfechten. Vermag der Vermieter kein ausreichendes Interesse am Entzug der Zustimmung darzulegen, ist die einseitige Vertragsänderung miss­ bräuchlich im Sinne von Art. 270b Abs. 2 OR. Keine Missbräuchlichkeit liegt hingegen vor, wenn der Vermieter sich gegen eine «ewige» Untermiete zur Wehr setzt. Wie erwähnt, muss er sich einen Wechsel des Mieters über den Umweg der Untermiete nicht gefallen lassen (N 26). Liegen aus Sicht des Ver­ mieters verdichtete Anhaltspunkte für eine dauerhafte Untermiete vor, die der Mieter auf entsprechende Aufforderung hin nicht entkräftet, ist eine in guten Treuen ausgesprochene Kündigung nicht missbräuchlich. Schliesslich liegt es am Mieter zu beweisen, dass er die ernsthafte Absicht hat, in näherer Zukunft das Miet­objekt wieder selber zu benutzen. Im Sinne einer Mitwirkungspflicht gilt dies selbst dann, wenn die Kündigung gestützt auf Art. 257f OR ausseror­ dentlich ausgesprochen wurde und die Beweislast für das Vorliegen eines aus­ serordentlichen Kündigungsgrunds beim Vermieter liegt (vgl. Urteil des Bun­ desgerichts 4A_430/2013 vom 14. Februar 2014, E. 4.2).

2.6

Kündigung des Hauptmietverhältnisses aufgrund der Untermiete, Herausgabeanspruch des Vermieters

Der Mieter kann nur dann untervermieten, wenn er vorher den Vermieter 38 um eine Genehmigung ersucht hat. Der Mieter ist daher verpflichtet, vor der Untervermietung die Zustimmung des Vermieters einzuholen (vgl. N 10 ff.). Diese Pflicht kann nicht wie unter altem Recht (vgl. dazu BGE 38 II 151, E. 2; SJ 1975, S. 186 f.; anders aber BGE 54 II 395, E. 3) als blosse Ordnungsvorschrift erachtet werden (insoweit widersprüchlich Heinrich, Untermiete, S.  135  f.). Diese Vertragsverletzung kann der Vermieter mit einer ordentlichen Kündi­ gung sanktionieren, da – gemäss zutreffender Auffassung des Bundesgerichts – das Unterlassen der vorgängigen Einholung der Zustimmung des Vermieters zur Untermiete geeignet ist, das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zu zerstören und damit die Fortführung des Mietverhältnisses für den Ver­ mieter unzumutbar zu machen (BGE 138 III 59, E. 2.2.2; 134 III 446, E. 2.2; Florian Rohrer

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Art. 262

Higi, ZK, N 57 f. zu Art. 262 OR sowie Heinrich, a.a.O., S. 136 f.; a.M. MfdP/ Nideröst, N 23.2.3.9; Lachat, CR, N 4 zu Art. 262 OR und Weber, BSK, N 4 zu Art. 262 OR, jeweils m.w.H., die eine mit einer unbewilligten Untermiete begründete Kündigung als missbräuchlich erachten, wenn eine nachträgli­ che Prüfung ergibt, dass kein Verweigerungsgrund vorliegt). Es ist nicht ein­ zusehen, weshalb die – allenfalls wider besseren Wissens – unterlassene Ein­ holung der Zustimmung des Vermieters zur Untermiete in Fällen, in denen kein Verweigerungsgrund vorliegt, ohne Folgen bleiben soll. Die entspre­ chende Auffassung trägt dem Umstand nicht Rechnung, dass diesfalls derje­ nige Mieter, der eine (voraussichtlich) zulässige Untervermietung beabsichtigt, keinen Grund hätte, überhaupt die Zustimmung des Vermieters einzuholen, da er durch die Unterlassung dieser Handlung keinen Nachteil zu befürchten hat. Wie in Art. 262 Abs. 2 Buchst. a OR zum Ausdruck gebracht wird, schützt das Zustimmungserfordernis primär die Interessen des Vermieters und dessen Anspruch zu wissen, wer sein Eigentum nutzt, was beispielsweise hinsichtlich eines potenziellen Ausweisungsverfahrens von zentraler Bedeutung sein kann. Daraus folgt, dass eine durch den Vermieter gegenüber einem Mieter  – der in gesetzeswidriger Weise darauf verzichtet hat, die Zustimmung zur Unter­ miete einzuholen – ausgesprochene Kündigung nicht missbräuchlich ist. Das Bundesgericht hat darüber hinaus entschieden, dass der Vermieter, sobald er von einer unbewilligten Untermiete Kenntnis erhält, das Mietverhältnis nach erfolgloser Abmahnung gestützt auf Art. 257f OR sogar ausserordentlich kün­ digen kann, und zwar selbst dann, wenn er keinen Verweigerungsgrund anzu­ rufen in der Lage ist (BGE 134 III 446, E. 2.2). Auch daraus ergibt sich – nach dem Grundsatz in maiore minus – dass die in einem solchen Fall ausgespro­ chene ordentliche Kündigung auf keinen Fall missbräuchlich ist. 39

Bei einer Untervermietung trotz begründeter Verweigerung kann der Ver­ mieter gleich wie bei einer unbewilligten Untermiete (N 38) vorgehen und das Mietverhältnis entweder ordentlich oder ausserordentlich kündigen. Dazu hat er Anspruch auf volle Schadloshaltung. Ist die Verweigerung allerdings zu Unrecht erfolgt, ist die Kündigung missbräuchlich (N 9 und 11 zu Art. 271a OR; Urteil des Bundesgerichts 4C.155/2000 vom 30. August 2000, E. 2, in: mp 4/00, S. 181 ff. sowie MRA 2/01, S. 50 ff.).

40

Bei einer unbewilligten oder gesetzwidrigen Untermiete greift der Mieter in das Vermögen bzw. die Rechtssphäre des Vermieters ein. Der Mieter ist daher gestützt auf Art. 423 OR verpflichtet, dem Vermieter den durch diese Geschäftsanmassung (eigenmächtige Untervermietung) erzielten Gewinn herauszugeben (Urteile des Bundesgerichts 4A_594/2012 vom 28.  Februar

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Art. 262

2013; 4A_518/2014 und 4A_520/2014 vom 19. November 2014, E. 3, in: MRA 1/15, S. 44 ff. und S. 52 f.; BGE 129 II 422, E. 4; BGE 126 III 69, E. 2b–2c, in: Pra 90, S. 62 ff. sowie MRA 2/00, S. 292 ff.; MfdP/Nideröst, N 23.2.6.3; Weber, BSK, N 4a zu Art. 262 OR, m.w.H.; HAP-Immobiliarmietrecht/Schwaninger, Rz. 10.69, S. 442; vgl. N 22).

2.7

Exkurs: Untervermietung über Buchungsplattformen

Durch die Gründung der Buchungsplattform «Airbnb» und ähnlicher Ange­ 41 bote stellen sich bezüglich der Untervermietung neue rechtliche Fragestellun­ gen. Die genannte Internetplattform erlaubt es den Benutzern, seine eigenen oder die von ihm gemieteten Räumlichkeiten – ganze Häuser und Wohnun­ gen oder einzelne Zimmer – als «Gastgeber» auf der Plattform auszuschreiben. Die entsprechenden Angebote können anschliessend von «Gästen» aus aller Welt gebucht werden, wobei die Bezahlung über die genannte Plattform abläuft, die dafür eine Provision erhält (z.z. 3%). Obwohl in aller Regel Zusatzleistun­ gen durch den Gastgeber erbracht werden (Möblierung, WLAN, Reinigung etc.) handelt es sich bei den über solche Plattformen geschlossenen Vertrags­ verhältnissen grundsätzlich um Mietverträge nach Schweizer Recht, weshalb die mietrechtlichen Bestimmungen und insbesondere Art. 262 OR auf diese anwendbar sind (Entscheid des Mietgerichts Zürich, MG160009 vom 9. Feb­ ruar 2017, in: ZMP 2017, Nr.  2, E.  V.2.1; gl.M. HAP-Immobiliarmietrecht/ Schwaninger, Rz.  10.96, S.  449; Jud/Steiger, Airbnb, Rz.  19; mp 1/15, S.  1  ff., Rz. 13 und 44, je m.w.H.). Probleme ergeben sich in der Praxis insbesondere beim Erfordernis der 42 Zustimmung des Vermieters. Wurde durch den Vermieter keine generelle Zustimmung zur Untervermietung erteilt, muss der Mieter eine solche einho­ len, und zwar für jeden abgeschlossenen Untermietvertrag. Die dem Vermieter zustehende Zeit zur Beantwortung dieser Gesuche (vgl. N 14) lässt eine kurz­ fristige Untervermietung mittels Airbnb kaum zu (Entscheid des Mietgerichts Zürich, MG160009 vom 9. Februar 2017, in: ZMP 2017, Nr. 2, E. V.2.2.2; Jud/ Steiger, a.a.O., Rz. 22; mp 1/15, S. 1 ff., Rz. 42, 47). Der Mieter wird ausserdem kaum zuverlässige Angaben zur Person des Untermieters machen können, da er diesen selber gar nicht kennt. Dem Vermieter steht es selbstverständlich frei, eine zeitlich beschränkte 43 Zustimmung für mehrere Untervermietungen via Airbnb zu erteilen, diese zu bestimmten Konditionen zu erlauben oder eine generelle Zustimmung zur Untervermietung zu erteilen (vgl. N  2 und 11). Der Vermieter kann jedoch

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Art. 262

nicht gezwungen werden, der Untervermietung generell zuzustimmen. Er hat das Recht, bei jeder durch den Mieter beabsichtigten Untervermietung das entsprechende Gesuch um Zustimmung zu prüfen, und zwar in Kenntnis der Person des potenziellen Untermieters, was sich bereits daraus ergibt, dass Ablehnungsgründe auch in der Person des Untermieters liegen können (N 32). Daran ändert auch nichts, dass die Untervermietung über Airbnb gegen den Willen des Vermieters damit faktisch ausgeschlossen wird (gl.M. Jud/Stei­ ger, a.a.O., Rz. 22 f., die davon auszugehen scheinen, dass die nötige generelle Zustimmung durch den Vermieter freiwillig ist, jedoch annehmen, der Ver­ mieter müsse gegebenenfalls einem allgemein gehaltenen Ersuchen um Unter­ vermietung via Airbnb zustimmen; a.M. mp 1/15, S. 1 ff., Rz. 49). Dieser Aus­ schluss ist hinzunehmen, da die ratio legis der (zwingenden) Bestimmung von Art. 262 OR nicht darin liegt, dem Mieter die regelmässige Ausschreibung des Mietobjekts auf Airbnb zu ermöglichen, sondern das Institut der Untermiete für Fälle geschaffen wurde, in denen der Mieter das Mietobjekt, beispielsweise wegen eines beruflich bedingten, zeitlich begrenzten Auslandsaufenthalts, vor­ übergehend nicht nutzen kann und für die Zeit seiner Abwesenheit aus finanzi­ ellen Gründen einem Dritten überlässt, oder für Fälle, in denen eine Wohnung infolge Wegzuges oder Todes von Familienangehörigen zu gross geworden ist und deshalb teilweise Dritten überlassen wird (BGE 138 III 59, E. 2.2.1). 44

Meist dürften jedoch ohnehin Verweigerungsgründe vorliegen. So wird die regelmässige Untervermietung an Dritte das Mietobjekt stärker abnutzen, und es besteht ein erhebliches Risiko, dass kurzfristige Gäste dem Mietobjekt und den Allgemeinflächen weniger Sorge tragen und mehr Lärm verursachen als dauerhafte (Unter-)Mieter (Entscheid des Mietgerichts Zürich, MG160009 vom 9. Februar 2017, in: ZMP 2017, Nr. 2, E. V.2.3.11). Nicht zuletzt wird der Mieter regelmässig einen – gemessen an Dauer und/oder Umfang der Gebrauchsüber­ lassung – unerlaubten Gewinn aus der Mietsache erzielen (N 18). So bewirbt die Plattform Airbnb die Anmeldung von Objekten mit dem Versprechen von Erträgen und stellt auf seiner Website sogar ein Berechnungsformular zur Ver­ fügung, mit dem der mutmasslich erzielbare Ertrag berechnet werden kann (www.airbnb.ch/host/homes, besucht am 15.  September 2017), woraus sich ergibt, dass die Nutzung der Plattform primär dazu dienen soll, Gewinne aus der (Unter‑)Vermietung zu erzielen.

45

Die regelmässige Untervermietung eines Mietobjekts, das zu Wohnzwecken gemietet wurde, über Airbnb oder eine ähnliche Plattform stellt ausserdem eine gewerbliche Nutzung des Mietobjekts dar und verletzt damit den Ver-

466

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Art. 262

wendungszweck des Mietvertrags, was zur Kündigung des Mietverhältnisses führen kann (vgl. N 16).

2.8

Haftung des Mieters, Befugnisse des Vermieters gegen den Untermieter

Nebst seiner Haftung als Mieter trifft diesen bei Untermiete eine besondere 46 Haftung dafür, dass der Untermieter die Sache nicht anders gebraucht, als es ihm selbst gestattet ist (Art. 262 Abs. 3 OR). Diese Haftung richtet sich nach den Grundsätzen des Art.  101 OR (MfdP/Nideröst, N  23.2.6.2; Weber, BSK, N 10 zu Art. 262 OR). Dem Mieter steht allerdings der Nachweis offen, dass ihm selbst kein Verschulden vorgeworfen werden könnte, wenn er anstelle des Untermieters gehandelt hätte (BGE 117 II 65, E. 2b, S. 67 f., in: Pra 81, S. 304 f.). Der Vermieter hat sich mit Ausnahme seines Anspruches auf vertragsgemässen Gebrauch der Mietsache (N 56) stets an den Mieter zu halten, auch wenn die Verletzung des Hauptmietvertrags auf eine Handlung des Untermieters zurückzuführen ist (vgl. Prerost/Thanei, Mieterbuch, S. 123). Sorgt der Mieter innert Frist nicht dafür, dass die vom Untermieter verursachten Vertragsver­ letzungen beseitigt werden, so steht dem Vermieter grundsätzlich die Kündi­ gungsmöglichkeit – nebst Schadenersatz – zu. Hinsichtlich seines Anspruchs auf vertragsgemässen Gebrauch der Mietsache 47 hat der Vermieter die Wahl, entweder den Mieter oder den Untermieter direkt hierzu anzuhalten (Art. 262 Abs. 3 OR). Richtet sich seine Abmahnung direkt an den Untermieter, so hat er dem Mieter davon Kenntnis zu geben, um sich gegenüber diesem allenfalls auf den Kündigungsgrund des Art. 257f OR beru­ fen zu können. Gestützt auf Art. 262 Abs. 3 OR ist der Vermieter berechtigt, dem Untermieter gerichtlich verbieten zu lassen, die Mietsache vertragswidrig zu gebrauchen. Dieser Weg wird allerdings kaum beschritten werden, da selten ein Vermieter bereit sein wird, sich anstelle des Untervermieters mit Gerichts­ verfahren herumzuschlagen. Er wird in aller Regel zur Kündigung schreiten. Ist das Hauptmietverhältnis beendet und zieht der Untermieter nicht aus, so 48 hat der Vermieter einen direkten Ausweisungsanspruch gegen ihn und kann diesen Anspruch sofort vollstrecken lassen (BGE 120 II 112, E.  3b/cc/ddd; Higi, ZK, N  27 zu Art.  262 OR). Der Vermieter kann seinen Anspruch auf Art. 262 Abs. 3 OR sowie Art. 641 Abs. 2 ZGB stützen (Urteil des Bundesge­ richts 4C.251/1998 vom 22. Oktober 1998, E. 3b, in: mp 1/99, S. 46 f.). Dem Vermieter ist es indessen verwehrt, den Untermieter nach den Bestimmun­ gen über den Besitzesschutz (Art. 926 ff. ZGB) ausweisen zu lassen, weil der

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Art. 262

Untermieter die Sache mit Willen des Mieters besitzt, weshalb der Untermie­ ter nicht eigenmächtig gehandelt oder den Besitz gestört hat (Urteil des Cour de Justice GE vom 12. März 1998, in: SJ 1998, S. 471 f. und mp 1/99, S. 51 f., m.w.H.; N 25 zu Art. 267–267a; a.M. Heinrich, Untermiete, S. 140 f. bei Fn. 573 und S. 146 f.).

2.9

Verhältnis zwischen Untervermieter und Untermieter

49

Es handelt sich um ein gewöhnliches Mietverhältnis, auf das sämtliche Nor­ men des Mietrechts (Art. 253–273c OR) anwendbar sind (Weber, BSK, N 9 zu Art. 262 OR; Prerost/Thanei, Mieterbuch, S. 122).

50

Der Untermieter kann deshalb gegenüber dem Untervermieter die Mängelrechte gemäss Art. 259a ff. OR geltend machen und allenfalls den Untermiet­ zins hinterlegen. Sodann geniesst er bei der Wohn- und Geschäftsmiete den Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen und anderen missbräuchlichen Forderungen gemäss Art.  269  ff. OR und den Kündigungsschutz gemäss Art. 271 ff. OR.

51

Gegenüber dem Untermieter stehen dem Untervermieter sämtliche Rechts­ behelfe, einschliesslich der ordentlichen und ausserordentlichen Kündigungs­ möglichkeiten zu und auch er ist an die gesetzlichen Formvorschriften bei Mietzinserhöhungen und bei der Kündigung gebunden (BGE 120 II 206, E. 3, in: MRA 1/95, S. 25 ff.). Verwendet der Mieter bei Abschluss des Untermiet­ vertrags beispielsweise nicht das in Art. 270 Abs. 2 OR vorgesehene Formular, ist der vereinbarte Untermietzins nichtig. Bei der richterlichen Festsetzung des anfänglichen Untermietzinses ist auch der Hauptmietzins sowie dessen Ent­ wicklung zu berücksichtigen (BGE 124 III 62, E. 2b, in: Pra 87, S. 353 ff. sowie in: MRA 2/98, S. 58 ff.).

52

Bei Abschluss des Untermietvertrages über eine Familienwohnung ist die Zustimmung beider Ehepartner (als Untervermieter) erforderlich, weil damit eine Beschränkung der Rechte an der Familienwohnung bewirkt wird. Des­ gleichen bedarf die Kündigung des Untermieters einer Familienwohnung der Zustimmung des Ehepartners. Erfolgt die Kündigung durch den Untervermie­ ter, so ist sie mit separatem Formular an Untermieter und Ehepartner zu sen­ den (Art. 2661 Abs. 2 und Art. 266n OR). Die gleichen Grundsätze gelten bei der gemeinsamen Wohnung eingetragener Partner (Art. 266m Abs. 3 OR und Art. 14 PartG).

468

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Art. 262

Beschränkt ist allein der Erstreckungsanspruch. Das Gericht kann dem Unter­ 53 mieter höchstens eine Erstreckung bis zum Ablauf des Hauptmietverhältnisses einräumen (Art. 273b Abs. 1 OR). Zu den Besonderheiten bei der Erstre­ ckung der Untermiete, insbesondere zur ausserordentlichen Erstreckung gem. Abs. 2 (Untermiete zur Umgehung des Kündigungsschutzes), vgl. N 10 ff. zu Art. 273b OR. Anpassungen des Untermietzinses brauchen nicht deckungsgleich mit den­ 54 jenigen des Hauptmietzinses zu sein, da die Gestaltung des Untermietzinses eigenen Regeln folgt (vgl. N 18–20; teilweise a.M. MfdP/Nideröst, N 23.2.4.5). Auf den Untermietzins überwälzte Erhöhungen des Hauptmietzinses kön­ nen vom Untermieter angefochten werden, unabhängig davon, ob diese für das Hauptmietverhältnis in einem Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren über­ prüft worden sind. Abzulehnen ist daher die Ansicht, wonach der Unterver­ mieter «missbräuchliche» Erhöhungen des Mietzinses im Hauptmietverhältnis anfechten müsse, da er diese nicht ohne Weiteres auf den Untermieter über­ wälzen könne (MfdP/Nideröst, N 23.2.4.5). Wie unter N 18 ff. ausgeführt, sind Gestaltung und Entwicklung des Untermietzinses in aller Regel nur teilweise mit dem Hauptmietzins gekoppelt, weshalb kein direkter Zusammenhang zwi­ schen Mietzinsgestaltung des Hauptmietverhältnisses und Untermietverhält­ nisses besteht.

2.10

Verhältnis zwischen Vermieter und Untermieter

Vermieter und Untermieter sind keine Vertragspartner; der Vermieter gilt bei 55 der Erfüllung des Untermietvertrages aber als Hilfsperson des Mieters/Untervermieters im Sinne von Art.  101 OR (BGE 119 II 337  f.). Zwischen ihnen bestehen keine Rechtsbeziehungen – mit zwei Ausnahmen: Der Vermieter kann den Untermieter unmittelbar dazu anhalten, die Mietsa­ 56 che nicht anders zu gebrauchen, als es dem Mieter gestattet ist (Art. 262 Abs. 3 OR), hierzu vgl. N 46 f. Bei der Geschäftsmiete umfasst das Retentionsrecht des Vermieters die vom 57 Untermieter eingebrachten Gegenstände insoweit, als dieser den Untermiet­ zins nicht bezahlt hat (vgl. dazu N 17 zu Art. 268–268b OR). Der Untermieter wird im Falle von Art. 273b Abs. 2 OR kraft des Gesetzes als Vertragspartei (Mieter) des Vermieters betrachtet, wenn mit der Untermiete hauptsächlich eine Umgehung der Kündigungsbestimmungen bezweckt war (vgl. N 53 oben und N 16–17 zu Art. 273b OR).

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469

58

Art. 262 59

Zum Ausweisungsanspruch des Vermieters gegenüber dem Untermieter vgl. N  48. Gemäss BGE 120 II 112, E.  3c, und dem Urteil des Bundesgerichts 5C.181/2003 vom 4.  November 2003, E.  2.3, ist der Begriff der mietrechtlichen Streitigkeit nach Art.  274d aOR weit zu fassen. Darunter fallen somit auch Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Untermieter. Die zitierte Rechtsprechung ist zweifelsfrei auch auf Art.  200 Abs.  1 ZPO, der einen im Kern unveränderten Wortlaut aufweist und Art. 274d aOR ersetzt hat, anwend­ bar.

2.11

Besonderheiten bei der Miete von beweglichen Sachen

60

Die bisherigen Ausführungen betreffen ausschliesslich die Miete von unbeweg­ lichen Sachen, auf die allein Art. 262 OR offensichtlich gemünzt ist. Nachdem diese Norm einen zwingenden Charakter aufweist und die Untermiete ver­ traglich nicht mehr wegbedungen werden kann, ergeben sich hinsichtlich der Miete von beweglichen Sachen Probleme, deren sich der Gesetzgeber offen­ sichtlich nicht bewusst war. Rein faktisch rühren sie schon einmal daher, dass es dem Vermieter einer beweglichen Sache  – im Gegensatz zur Immobiliar­ miete – kaum möglich ist, den Standort der Mietsache zu verfolgen und dem­ entsprechend festzustellen, ob sie untervermietet worden ist oder nicht. So ist beispielsweise ein Eingreifen des Vermieters im Sinne von Art. 262 Abs. 3 OR gegenüber dem Untermieter eines Personenwagens, den dieser vertragswidrig für Autorennen einsetzt, in aller Regel schlichtweg unmöglich. Des Weiteren ist zu befürchten, dass die im Gesetz zum Schutz des Vermieters vorgesehenen Kautelen toter Buchstabe bleiben. Die Versuchung des Mieters einer bewegli­ chen Sache wird gross sein, infolge faktischer Kontrollschwierigkeiten des Ver­ mieters eine Untervermietung ohne Einholen von dessen Zustimmung vor­ zunehmen. Die Untermiete trotz wesentlicher Nachteile für den Vermieter ist mithin wohl vorprogrammiert.

61

Von daher muss die Frage aufgeworfen werden, ob die zwingende Natur des Art.  262 OR auch für die Miete von beweglichen Sachen anzunehmen sei. Nebst den bereits erwähnten praktischen und rechtlichen Schwierigkeiten spricht der Umstand, dass die Botsch. 1985, S. 1443, wie auch die parlamenta­ rischen Debatten sich ausschliesslich mit der Immobiliarmiete befassen dafür, dass Art. 262 OR hinsichtlich der Miete von beweglichen Sachen nicht zwin­ gend ist. Von daher ist die Mutmassung erlaubt, der Gesetzgeber sei sich der Folgen der Untermiete bei beweglichen Sachen nicht bewusst gewesen. Die­ ses gesetzgeberische Vakuum wird durch die Rechtsprechung zu füllen sein. Die gewerbsmässigen Vermieter beweglicher Sachen sind gut beraten, das bis­ 470

Florian Rohrer

Art. 262

herige Untervermietungsverbot in den Formularverträgen beizubehalten, in Fettdruck hervorzuheben und bei der ersten Gelegenheit ein höchstrichterli­ ches Präjudiz zu erwirken. Diese Auffassung wird von Higi (ZK, N 5 zu Art. 262 OR) offenbar abgelehnt, 62 obwohl der Autor die vorstehende Kritik an der Gesetzgebung als «zutreffend» qualifiziert. Im Unterschied zum Arbeitsvertragsrecht (Art. 361 f. OR) hat der Gesetzgeber im Mietvertragsrecht die strikte Feststellung unterlassen, welche Normen zwingend bzw. dispositiv seien. Damit hat er die strittigen Fragen der Beantwortung durch die Praxis überlassen.

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471

Art. 263 L. Übertragung der Miete auf einen Dritten 1 Der

Mieter von Geschäftsräumen kann das Mietverhältnis mit schriftlicher Zustimmung des Vermieters auf einen Dritten übertragen.

2 Der

gern.

Vermieter kann die Zustimmung nur aus wichtigem Grund verwei-

3 Stimmt

der Vermieter zu, so tritt der Dritte anstelle des Mieters in das Mietverhältnis ein. 4 Der

Mieter ist von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter befreit. Er haftet jedoch solidarisch mit dem Dritten bis zum Zeitpunkt, in dem das Mietverhältnis gemäss Vertrag oder Gesetz endet oder beendet werden kann, höchstens aber für zwei Jahre. L.

Transfert du bail à un tiers

1 Le

locataire d’un local commercial peut transférer son bail à un tiers avec le consente­ ment écrit du bailleur.

2 Le 3 Si

bailleur ne peut refuser son consentement que pour de justes motifs.

le bailleur donne son consentement, le tiers est subrogé au locataire.

4 Le

locataire est libéré de ses obligations envers le bailleur. Il répond toutefois solidaire­ ment avec le tiers jusqu’à l’expiration de la durée du bail ou la résiliation de celui-ci selon le contrat ou la loi mais, dans tous les cas, pour deux ans au plus.

L.

Trasferimento della locazione a un terzo

1 Il conduttore di un locale commerciale può trasferire la locazione ad un terzo con il con­

senso scritto del locatore.

2 Il

locatore può negare il consenso soltanto per motivi gravi.

3 Se

il locatore ha consentito, il terzo è surrogato al conduttore.

4 Il

conduttore è liberato dai suoi obblighi verso il locatore. È tuttavia solidalmente responsabile con il terzo fino al momento in cui, per contratto o per legge, la locazione si estingue o può essere sciolta, ma al massimo per due anni.

472

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Art. 263

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Anwendungsbereich und Abgrenzungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Zwingender Charakter, intertemporales Recht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

474 474 477

2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6

Übertragung der Miete auf einen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Grundsätzliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Voraussetzungen, Formerfordernisse, Zustimmung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Verweigerungsrecht des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Auferlegen von Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Stillschweigen des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Folgen der Zustimmungsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

478 478 478 481 484 485 485

3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5

Rechtsfolgen der Übertragung der Miete .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Parteiwechsel auf Mieterseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Verhältnis zwischen Vermieter und Übernehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Verhältnis zwischen Vermieter und ausscheidendem Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Verhältnis zwischen bisherigem Mieter und Übernehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Übertragung von Sicherheiten auf den Übernehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

486 486 486 488 490 491

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473

Art. 263

1. Vorbemerkungen 1.1

Anwendungsbereich und Abgrenzungen

1

Art. 263 OR führt das Institut der Übertragung der Miete auf einen Dritten allein für Geschäftsräume ein (zum Begriff des Geschäftsraumes vgl. Vorbem. zu Art.  253–273c N  25  f.). Diese Norm ist mithin nicht anwendbar auf die übrigen Mietverträge. Bei der Miete beweglicher oder anderer unbeweglicher Sachen, wie z.B. Wohnungen, kann die Vertragsübernahme indessen rechtsge­ schäftlich durch dreiseitigen Vertrag bewirkt werden (Hulliger/Heinrich, CHK, N  2 zu Art.  263 OR). Abzulehnen ist das Postulat von Weber, BSK, N  9 zu Art. 263 OR, wonach die Norm analog anwendbar ist, wenn ein Wohnungsmie­ ter bei der gemeinsamen Miete aus der Wohnung auszieht. Die Übertragung soll dem Geschäftsmieter ermöglichen, seine wirtschaftlichen Werte (Kun­ denstamm, Lager etc.) einem Nachfolger zu übertragen (Botsch. 1985, S. 1443). Eine analoge Anwendung der Norm würde demnach der gesetzgeberischen Intention zuwiderlaufen und dem klaren Wortlaut des Gesetzes widersprechen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die gemeinsamen Mieter eine einfache Gesellschaft bilden und demzufolge für die Forderungen aus dem Mietvertrag solidarisch haften. Eine Entlassung aus dieser Solidarhaft ohne Beendigung des Mietverhältnisses bedarf, wie erwähnt, einer Vereinbarung mit dem Ver­ mieter (vgl. Urteile des Bundesgerichts 4A_352/2012 und 4A_358/2012 vom 21.  November 2012, E.  3.2, in: MRA 3/13, S.  57  ff.; gl.M. Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 263 OR, mit Verweis auf Pra 85, S. 941 f.; HAP-Immobiliar­ mietrecht/Fertig, Rz. 8.44 f., S. 336; MfdP/Nideröst, N 23.3.1.3 und 23.3.6.1).

2

Bei gemischten Verträgen ist zur Anwendbarkeit von Art. 263 OR darauf abzu­ stellen, ob die Überlassung als Geschäftsraum die vertragliche Hauptleistung darstellt oder nur nebensächlich vereinbart wurde (gl.M. MfdP/Püntener, N 4.4.6.2; HAP-Immobiliarmietrecht/Fertig, Rz. 8.47, S. 336). Eine Wohnung wird nicht dadurch zum Geschäftsraum, dass der Mieter einen Raum als Büro nutzt (gl.M. HAP-Immobiliarmietrecht/Fertig, Rz. 8.47, S. 336).

3

Eine Beschränkung der Tragweite von Art. 263 OR kann ohne Gesetzesverlet­ zung indirekt über die vertraglichen Bestimmungen zum Verwendungszweck der Mietsache erwirkt werden. Im Rahmen der Vertragsfreiheit ist namentlich der Vermieter frei, den Verwendungszweck von Geschäftsräumen im Vertrag restriktiv festzulegen. Er kann beispielsweise bei einem Laden die Branche oder bei Büroräumlichkeiten die Art der dort ausgeübten gewerblichen Tätig­ keit, allenfalls auch die Höchstzahl der Benutzer der ganzen Mietsache oder von Teilen davon, einschränkend festlegen (vgl. N 6 zu Art. 262 OR). 474

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Art. 263

Mit Wirkung auf den 1. Juli 2004 trat das Bundesgesetz über die Fusion, Spal- 4 tung, Umwandlung und Vermögensübertragung (FusG, SR 221.301) in Kraft. Bezüglich dieser Umstrukturierungstatbestände erklärt das Fusionsgesetz ein­ zig Art. 333 OR für anwendbar (Art. 27 Abs. 1, Art. 49 Abs. 1, Art. 68 Abs. 2 und Art. 76 FusG). Ansonsten hat es der Gesetzgeber unterlassen, eine Regelung für den Vertragsübergang anderer Dauerschuldverhältnisse, wie z.B. für den Miet­ vertrag zu treffen. In der Botschaft zum Fusionsgesetz erklärte der Bundesrat einzig, dass die Vorschrift von Art.  261 OR bei der Spaltung anwendbar sei (Botsch. FusG, S. 4445). Es stellt sich daher die Frage, inwieweit Art. 263 OR bei den im Fusionsgesetz erfassten Vorgängen zur Anwendung gelangt. Ziel des Fusionsgesetzes ist die Neuordnung der Fusion (Art. 3 ff. FusG), die Ein­ führung der Spaltung (Art. 29 ff. FusG) und Vermögensübertragung (Art. 69 ff. FusG) sowie die weitestmögliche Beweglichkeit unter den Gesellschaftsfor­ men des OR und den juristischen Personen des ZGB (Umwandlung; Art. 53 ff. FusG). Gleichzeitig soll der Wechsel eines Instituts des öffentlichen Rechts in einen Rechtsträger des Privatrechts geregelt und erleichtert werden. Das Gesetz will also die Umstrukturierung von Unternehmen ermöglichen (zum Ganzen s. Vischer, ZK FusG, Einleitung, N 1; Minder, Übertragung, Rz. 861 ff.). Ein gesetzlicher Vertragsübergang, welcher im Gegensatz zu Art. 263 Abs. 1 OR nicht die Zustimmung des Vermieters erfordert, entspricht somit grundsätz­ lich der Zielsetzung des Fusionsgesetzes, das die Umstrukturierung erleich­ tern soll (vgl. von der Crone et al., Fusionsgesetz, Rz. 987; SHK FusG-Frick, N 20 zu Art. 69 FusG). Für die im Fusionsgesetz geregelten Vorgänge gilt das Prinzip der Universalsukzession (z.B. Vischer, a.a.O., Einleitung, N 16). Bei der (Ab-)Spaltung und der Vermögensübertragung gehen nur die inventari­ sierten Vermögenswerte auf den neuen Rechtsträger über, sodass es bei die­ sen Tatbeständen zu einer partiellen Universalsukzession kommt (z.B. Vischer, a.a.O., Einleitung, N  35; SHK FusG-Epper, N  11 zu Art.  29 FusG und SHK FusG-Frick, N 1 zu Art. 69 FusG). Ist eine Person Mieter eines Geschäftslokals und tritt ein anderer Rechtsträger kraft Universalsukzession als Rechtsnachfol­ ger in die gesamte Rechtsstellung des Vorgängers ein, soll konsequenterweise grundsätzlich auch der Mietvertrag ohne Weiteres auf den neuen Rechtsträger übergehen. Die auf die Singularsukzession zugeschnittene Bestimmung von Art. 263 OR findet daher auf diejenigen im Fusionsgesetz geregelten Vorgänge keine Anwendung, bei denen eine vollständige Universalsukzession stattfin­ det und der ursprüngliche Rechtsträger aufgelöst wird, also Fusion (Art. 3 ff. FusG), Aufspaltung (Art. 29 ff. FusG) und Umwandlung (Art. 53 ff. FusG). Bei den genannten Vorgängen kommt es von Gesetzes wegen zu einem Vertragsübergang (Vischer, a.a.O., Einleitung, N 26 ff.; gl.M. von der Crone et al., Fusi­

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onsgesetz, Rz. 1002 ff.; Weber, in: Kellerhals/Luginbühl, Fusionsgesetz, S. 140; Beretta, ZK FusG, N 50 vor Art. 69–77 FusG bezüglich der Vermögensübertra­ gung; ebenfalls gl.M. Däniker/Fankhauser, in: Kellerhals/Luginbühl, Fusions­ gesetz, S. 70; Minder, a.a.O., Rz. 877 ff.). 5

Zuzustimmen ist indessen der Meinung Minders, wonach bei der Abspaltung (Art.  29  ff. FusG) und bei der Vermögensübertragung (Art.  69  ff. FusG)  – bei denen keine vollständige, sondern nur eine partielle Universalsukzession stattfindet  – kein Übergang des Mietverhältnisses ex lege erfolgt, son­ dern Art. 263 OR anwendbar bleibt (Minder, Übertragung, Rz. 881 ff.). Die Anwendbarkeit von Art.  263 OR und damit des Zustimmungserfordernis­ ses rechtfertigt sich mit Blick auf den Schutz der im Mietvertrag verbleiben­ den Partei, also des Vermieters, der sonst die Übertragung selbst bei Vorliegen wichtiger Gründe – wie etwa zweifelhafte Solvenz – nicht verhindern könnte und der durch die fusionsrechtlichen Gläubigerschutzbestimmungen nicht im gleichen Masse geschützt wird wie im Mietrecht. Die solidarische Haftung nach Art. 75 Abs. 1 FusG gilt nur für die vor der Übertragung entstandenen Forderungen und nicht – wie gemäss Art. 263 Abs. 4 OR – auch für künftige. Weder die weiteren Gläubigerschutzbestimmungen (vgl. Art. 25 ff., 45 ff., 68, 85, 96, 101 FusG) noch die Möglichkeit einer ausserordentlichen Kündigung im Sinne von Art. 266g OR vermögen die Interessen des Vermieters ausreichend zu schützen (gl.M. Minder, a.a.O., Rz. 918; vgl. Weber, BSK, N 2a zu Art. 263 OR; Vischer, ZK FusG, Einleitung, N 44; Beretta, ZK FusG, N 41 ff. und N 50 vor Art. 69–77 FusG). Da der übertragende Rechtsträger bei Abspaltung und Vermögensübertragung erhalten bleibt, ist ein Vertragsübergang von Gesetzes wegen auch nicht notwendig (Minder, a.a.O., Rz. 919). Gegen einen Übergang des Mietverhältnisses ohne Zustimmung des Vermieters spricht schliesslich, dass der Vermieter bei Abspaltung und Vermögensübertragung regelmässig nicht wissen kann, ob der Mietvertrag im ursprünglichen Rechtsträger ver­ bleibt oder übertragen werden soll. Auch aus Gründen der Rechtssicherheit ist daher zu fordern, dass für die Übertragung des Mietverhältnisses im Rah­ men einer Abspaltung oder Vermögensübertragung die Zustimmung des Ver­ mieters im Sinne von Art.  263 OR eingeholt werden muss (vgl. auch Hurni, Spannungsfeld, S. 222, der die zustimmungslose Übertragung von Verträgen zulassen will, wenn ein Unternehmen oder ein Betrieb übertragen wird; a.M. von der Crone et al., Fusionsgesetz, Rz.  1004, m.w.H.). Im Ergebnis bedeu­ tet dies, dass der Mietvertrag bei Abspaltung oder Vermögensübertragung ohne schriftliche Zustimmung des Vermieters im Sinne von Art. 263 OR beim ursprünglichen Rechtsträger verbleibt. Zu den Auswirkungen des Fusions­

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gesetzes, wenn die Umstrukturierung zu einem Eigentümer- bzw. Vermieter­ wechsel führt, siehe N 11 zu Art. 261–261a OR. Die richterliche Übertragung des Wohnungsmietvertrags bei der Scheidung 6 (Art.  121 Abs.  1 ZGB) oder bei Auflösung der Partnerschaft (Art.  32 Abs.  1 PartG) unterscheidet sich insofern von der Übertragung der Geschäftsmiete, als nur Letztere der Zustimmung des Vermieters bedarf (zur richterlichen Übertragung: Weber, BSK, N 10 ff. zu Art. 263 OR; HAP-Immobiliarmietrecht/ Fertig, Rz. 8.7, S. 322). Die durch das Gericht angeordnete «Übertragung der Rechte und Pflichten aus einem Mietvertrag» auf die zu schützende Person bei Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen im Sinne von Art. 28b Abs. 3 Ziff. 2 ZGB erfordert hingegen ebenfalls die Zustimmung des Vermieters. Die Übertragung der Miete auf einen Dritten ist gegenüber der Abtretung 7 sowie der Untermiete abzugrenzen (vgl. hierzu N 7 zu Art. 262 OR). Bei der Abtretung werden nur die einzelnen Rechte aus dem Mietvertrag übertragen, währenddem bei der Übertragung der Miete das ganze Vertragsverhältnis übergeht (Hulliger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 263 OR, m.w.H.; ausführlich: Minder, Übertragung, Rz. 47 ff., m.w.H.).

1.2

Zwingender Charakter, intertemporales Recht

Gemäss dem Bundesgericht sind die Absätze 1 bis 3 von Art. 263 OR und von 8 Abs. 4 der erste Satz absolut zwingend ausgestaltet (BGE 4A_75/2015, E. 3.1.1). Es ist jedoch nicht einzusehen, weshalb es dem Vermieter nicht freistehen soll, zugunsten des Mieters die Übertragung der Miete im Voraus – beispielsweise an andere Gesellschaften des gleichen Konzerns  – zu gestatten. Treffen Mie­ ter und Vermieter eine Abrede, wonach Letzterer die Zustimmung zur Über­ tragung an im Voraus bestimmte Dritte oder auch generell erteilt, soll diese vor dem Hintergrund der Vertragsfreiheit gültig sein, zumal ihr der Mieter­ schutz nicht entgegensteht. Die Absätze 1 und 2 der Norm sind vielmehr als relativ zwingend anzusehen (gl.M. Hulliger/Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 263 und Weber, BSK, N 8 zu Art. 263; a.M. Higi, ZK, N 4 zu Art. 263 OR; MfdP/ Zahradnik, N 23.3.5.1; Roncoroni Giacomo, in: mp 2/90, S. 82 und 90, und mp 2/06, S. 88 f.; vgl. auch Minder, Übertragung, Rz. 162 ff., m.w.H.). Die in Abs. 3 statuierte, von Gesetzes wegen eintretende Rechtsfolge ist der Parteiautono­ mie entzogen und daher absolut zwingend (Hulliger/Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 263). Da es den Parteien – zur Bewirkung der Zumutbarkeit der Übertra­ gung des Mietverhältnisses für den Vermieter – freistehen muss, eine längere als die in Art. 263 Abs. 4 OR festgesetzte Frist für die Mithaftung des bisherigen

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Mieters gültig zu vereinbaren, ist Art. 263 Abs. 4 OR bezüglich der Zweijah­ resfrist als dispositives Recht zu qualifizieren. Dafür spricht auch der eingangs erwähnte Entscheid des Bundesgerichts 4A_75/2015, welcher den zweiten Satz von Abs. 4 – im Gegensatz zum gesamten Rest von Art. 263 OR – nicht als absolut zwingend qualifiziert (für die Zulässigkeit der verlängerten Solidarhaf­ tung, mindestens bei Vorliegen von Verweigerungsgründen, Minder, Übertra­ gung, Fn. 1031; MRA 5/97, S. 219, m.w.H.; a.M. Higi, ZK, N 4 zu Art. 263 OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N  1 zu Art.  263 OR; MfdP/Zahradnik, N  23.3.5.2; Roncoroni, a.a.O.; Weber, BSK, N 8 zu Art. 263 OR, die Abs. 4 als absolut oder relativ zwingend qualifizieren). 9

10

Da Art. 263 OR zwingendes Recht enthält, gelangt die Norm somit aus intertemporalrechtlicher Sicht auf altrechtlich abgeschlossene Mietverträge eben­ falls zur Anwendung.

2.

Übertragung der Miete auf einen Dritten

2.1

Grundsätzliche Zulässigkeit

Art.  263 OR geht von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Übertragung der Miete von Geschäftsräumlichkeiten auf einen Dritten aus (Botsch. 1985, S. 1443) und regelt in Abs. 2, wann der Vermieter eine solche ablehnen kann (vgl. hierzu N 18–26). Es handelt sich hier lediglich um ein Recht des Vermie­ ters, das dieser ausüben kann, aber nicht muss.

2.2 11

Voraussetzungen, Formerfordernisse, Zustimmung

Voraussetzung zur Übertragung der Miete auf einen Dritten ist zunächst, dass der Mieter ein entsprechendes Begehren an den Vermieter richtet (BGE 125 III 226, E. 2b). Dieses Gesuch wird gewöhnlich erfolgen, nachdem der Mieter mit dem Dritten eine Vereinbarung abgeschlossen hat, wonach er diesem sämt­ liche Rechte aus dem Mietverhältnis abtritt und der Dritte sämtliche Pflichten aus demselben übernimmt. In der Regel wird diese Vereinbarung gleichzeitig vorsehen, welche weiteren Werte (Warenvorräte, Goodwill) der Mieter zusam­ men mit dem Mietvertrag überträgt sowie deren Abgeltung durch den Drit­ ten. Das Begehren um Zustimmung zur Übertragung kann jedoch auch vor Abschluss des Übernahmevertrags gestellt werden, wobei allerdings das Risiko besteht, dass der Vermieter seine Zustimmung aufgrund des noch unklaren

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Art. 263

Inhalts des Übernahmevertrags verweigert (HAP-Immobiliarmietrecht/Fertig, Rz. 8.92, S. 352; Higi, ZK, N 22 zu Art. 263 OR, N 23 f.). Sodann wird zur Übertragung der Miete auf einen Dritten vorausgesetzt, dass 12 der Vermieter seine Zustimmung schriftlich erteilt. Ohne diese Zustimmung hat das Rechtsgeschäft zwischen Mieter und Dritten keine Wirkung auf das Mietverhältnis selbst. Die Zustimmung des Vermieters stellt eine Suspensivbedingung für die Übertragung des Mietverhältnisses dar (BGE 139 III 353, E. 2.1.1; 125 III 226, E. 2b, m.w.H., in: Pra 88, S. 811 f. sowie mp 3/99, S. 132 ff. und MRA 4/99, S. 166 ff., vgl. N 28). Das Gesetz schreibt für das mieterseitige Begehren um Zustimmung zur Über­ 13 tragung der Miete auf einen Dritten keine besondere Form vor, weshalb die­ ses nach Art. 11 Abs. 1 OR nicht formbedürftig ist. Dem Mieter ist aus Beweisgründen allerdings zu empfehlen, sein Begehren schriftlich einzureichen unter Beilegung der verbindlichen Erklärung des Dritten, Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag zu übernehmen. Von einem konkludent gestellten Gesuch ist nur in Ausnahmefällen auszugehen, weil der Vermieter  – selbst wenn er feststellen sollte, dass sich ein Dritter im Mietobjekt befindet – nicht von einer Übertragung ausgehen kann, da dieser Umstand auch auf ein Untermietver­ hältnis zurückzuführen sein könnte (vgl. Minder, Übertragung, Rz.  554  ff., m.w.H.). Die Beweislast für das erfolgte Gesuch trifft den Mieter (gl.M. Minder, a.a.O., Rz. 553). Das Gesuch um Übertragung stellt nach Auffassung des Bun­ desgerichts kein Gestaltungsrecht dar (Urteil des Bundesgerichts 4A_87/2013 vom 22. Januar 2014, E. 2.1). Es ist dennoch vom übertragenden Mieter zu stel­ len und nicht vom Dritten, der zum Vermieter in keiner vertraglichen Bezie­ hung steht (Urteil des Bundesgerichts 4C.246/2003 vom 30. Januar 2004, E. 5.3; MfdP/Zahradnik, N 23.3.3.1; Minder, a.a.O., Rz. 550 f.). Für die Zustimmung des Vermieters sieht Art. 263 OR die Schriftform vor. 14 Dementsprechend ist anzunehmen, dass auch die Verweigerung der Zustim­ mung seitens des Vermieters schriftlich erfolgen muss. Die gesetzlich vorge­ sehene Schriftlichkeit der Zustimmung des Vermieters zur Übertragung der Miete auf einen Dritten ist – entsprechend dem Wortlaut der Norm – als Gültigkeitsvorschrift zu erachten (Urteil des Bundesgerichts 4A_55/2008 vom 26. März 2008, E. 3; MfdP/Zahradnik, N 23.3.3.5; ausführlich: Minder, a.a.O., Rz.  583  ff., m.w.H.). Diesbezüglich führt die Botschaft Gründe der Rechtssi­ cherheit und der Beweiserleichterung an, hält aber dennoch klar fest, der Ver­ mieter müsse schriftlich zustimmen (Botsch. 1985, S. 1444; Higi, ZK, N 25 zu Art.  263 OR; MfdP/Zahradnik, N  23.3.3.4). Ein Stillschweigen des Vermie­ ters stellt keine Zustimmung, sondern die Ablehnung der Übertragung dar Florian Rohrer

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Art. 263

(Urteil des Bundesgerichts 4A_87/2013 vom 22. Januar 2014, E. 2.1; vgl. N 28). Liegt keine schriftliche, sondern lediglich eine mündliche Zustimmung vor oder ist aufgrund der Umstände auf eine stillschweigende, durch konkluden­ tes Verhalten erteilte Genehmigung zu schliessen, kann die Berufung auf die fehlende Form ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich sein (BGE 125 III 226, E.  2b, m.w.H.; Hulliger/Heinrich, CHK, N  5 zu Art.  263 OR; MfdP/Zahrad­ nik, N  23.3.3.4; Minder, a.a.O., Rz.  593  ff.). Für die Annahme eines Rechts­ missbrauchs ist ein strenger Massstab anzulegen, damit die gesetzlich vorge­ schriebene Formvorschrift nicht ausgehöhlt wird. Die blosse Tatsache, dass der Vermieter die Bezahlung von einem Konto akzeptierte, das nicht dem Mie­ ter gehörte, stellt nach BGE 125 III 226, E. 3c, nicht einmal ein Indiz für eine Zustimmung dar (vgl. MfdP/Zahradnik, N 23.3.3.5 und Fn. 125, m.w.H.). Auch eine an den vermeintlichen Übernehmer erfolgte Kündigungsandrohung lässt nicht ohne Weiteres den Schluss zu, das Mietverhältnis sei übertragen worden (BGE 125 III 226, E. 3c). 15

Die Zustimmung des Vermieters kann dieser auch auf einen bestimmten, in naher Zukunft liegenden Termin hin erteilen, beispielsweise auf einen Monats­ ersten. Dadurch gewinnen die Parteien Sicherheit bezüglich des genauen Übergangs des Mietverhältnisses (vgl. Minder, a.a.O., Rz.  790, insbesondere Fn. 1588).

16

Das Gesetz schreibt nicht vor, innert welcher Frist ein Gesuch des Mieters um Übertragung der Miete zu beantworten ist. Regelt der Mietvertrag diese Frage nicht, so wird davon auszugehen sein, dass dem Vermieter zur Prüfung der Frage mindestens vier Wochen zur Verfügung stehen müssen, in aller Regel jedoch, je nach Fall, mehr Zeit, insbesondere wenn die Liegenschaft privat ver­ waltet wird (HAP-Immobiliarmietrecht/Fertig, Rz. 8.98; S. 353; Higi, ZK, N 27 zu Art. 263 OR, beruft sich mit Bezug auf die Festlegung dieser Frist auf Art. 2 ZGB und leitet daraus ab, dass dem Vermieter diejenige Frist einzuräumen sei, «die ein vernünftiger und korrekter Partner unter den gegebenen Umständen braucht, um das Ersuchen des Mieters genau zu prüfen»). Im Gegensatz zur Untermiete geht es hier für den Vermieter darum, seinen neuen Vertragspart­ ner zu durchleuchten. Die Tragweite der Übertragung der Miete auf einen Drit­ ten ist für den Vermieter derart gross, dass er so viel Zeit beanspruchen können muss, wie ihm bei der Prüfung eines Mietkandidaten vor dem Abschluss eines neuen Mietvertrages zustehen würde. Je umfassender der Mieter den Dritten vorstellt, desto weniger Zeit wird der Vermieter benötigen, um seine Erklärung zur Übertragung der Miete abzugeben.

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Art. 263

Selbstverständlich ist der Vermieter berechtigt, zusätzliche Angaben zu for­ 17 dern, insbesondere zum Inhalt des Übernahmevertrags, zur Person des Drit­ ten, zu dessen wirtschaftlichem Hintergrund, zu dessen gewerblicher Tätigkeit etc. Der Vermieter ist insbesondere berechtigt, in die letzten Bilanzen, Erfolgs­ rechnungen, Revisionsberichte, Geschäftsberichte, Budgets des laufenden Jah­ res etc. bzw. in den aktuellen Lohnausweis des neuen Mieters Einsicht zu neh­ men (MRA 1/96, S.  21  ff.). Übermittelt der Mieter dem Vermieter mit dem Gesuch um Übertragung nicht sämtliche relevanten Unterlagen, sondern lie­ fert diese erst später nach, läuft für den Vermieter die Frist zur Beantwortung ab Vorliegen des vollständigen Gesuchs.

2.3

Verweigerungsrecht des Vermieters

Der zweite Absatz von Art. 263 OR legt fest, dass der Vermieter seine Zustim­ 18 mung nur aus wichtigem Grund verweigern kann. Im Übrigen kann er diese nur im Falle des vertragswidrigen Gebrauches der Mietsache durch den Drit­ ten verweigern.

2.3.1

Vertragswidriger Gebrauch durch Dritten

Der Vermieter hat Anspruch darauf, dass der Dritte, der in das Mietverhält­ 19 nis eintritt, die Mietsache nicht anders gebraucht, als es dem ausscheidenden Mieter selbst gestattet ist. Damit ist der vereinbarte Verwendungszweck ange­ sprochen, der auch vom Dritten strikte einzuhalten ist. Der Verwendungs­ zweck wird sich in der Regel aus dem schriftlichen Mietvertrag ergeben, kann aber auch auf einer mündlichen oder stillschweigenden Vereinbarung beru­ hen, die aber bei Vorliegen eines schriftlichen Mietvertrags und insbeson­ dere wenn dieser einen Schriftformvorbehalt enthält, nur mit Zurückhaltung anzunehmen ist. Behauptet der Mieter, ihm sei eine weitergehende Nutzung erlaubt worden, hat er dies zu beweisen. Beabsichtigt der Dritte, die Mietsa­ che anders als der Mieter und vor allem anders als im Vertrag vorgesehen zu gebrauchen, beispielsweise indem er Büroräumlichkeiten eventuell auch nur teilweise zu Wohnzwecken benutzen will, so kann der Vermieter seine Zustim­ mung ohne Weiteres verweigern. Desgleichen gilt, wenn der Verwendungs­ zweck von Gewerberäumlichkeiten mit «Bürobetrieb ohne Publikumsverkehr» festgelegt ist, der Dritte aber in den fraglichen Räumlichkeiten eine der Öffent­ lichkeit zugängliche Informationsstelle betreiben will (gl.M. MfdP/Zahradnik, N 23.3.3.7; Higi, ZK, N 32 f. zu Art. 263 OR; HAP-Immobiliarmietrecht/Fer­ tig, Rz. 8.117, S. 359; Weber, BSK, N 5 zu Art. 263 OR; vgl. Urteil des Bundes­ gerichts 4P.107/2003 vom 19. Juni 2003, E. 2.1 f.). Florian Rohrer

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Art. 263

2.3.2

Wichtige Gründe

20

In der vom Bundesrat vorgeschlagenen Fassung des Absatzes 2 von Art. 263 OR war vorgesehen, dass der Vermieter seine Zustimmung hätte verweigern können, wenn ihm die Übertragung der Miete wesentliche Nachteile ver­ ursacht hätte (vgl. Botsch. 1985, S.  1444). Das Parlament strich jedoch die «wesentlichen Nachteile» und führte den «wichtigen Grund» als Anknüpfung für die Verweigerung der Zustimmung des Vermieters ein. Es ist davon auszu­ gehen, dass der Gesetzgeber damit dem Vermieter ein weitergehendes Ablehnungsrecht zur Verfügung gestellt hat als etwa bei der Untermiete (N 23 ff. zu Art. 262), was unter Berücksichtigung der wesentlich weiterreichenden Folgen des Art. 263 OR durchaus folgerichtig ist. Das Bundesgericht hielt in einem nicht publizierten Urteil zudem fest, dass die für Art.  264 OR entwickelten Grundsätze zur Bestimmung eines wichtigen Grundes auch für Art. 263 OR massgebend sind (Urteil des Bundesgerichts 4C.246/2003 vom 30. Januar 2004, E. 5.3).

21

Als wichtige Gründe im Sinne von Art. 263 Abs. 2 OR haben ganz allgemein alle Umstände zu gelten, die den Eintritt des Dritten in den Mietvertrag für den Vermieter als unzumutbar erscheinen lassen, und zwar in objektiver wie in subjektiver Hinsicht (Urteil des Bundesgerichts 4P.107/2003 vom 19. Juni 2003, E. 2.1; Hulliger/Heinrich, CHK, N 6 zu Art. 263 OR; Minder, Übertra­ gung, Rz.  668, m.w.H.). Wie erwähnt, handelt es sich um ein weitgehendes Ablehnungsrecht, dessen Rechtfertigung sich aus den einschneidenden Folgen für den Vermieter ergibt (vgl. N 20; Minder, a.a.O., Rz. 670 f.).

2.3.3 22

Objektive Gründe

In objektiver Hinsicht liegt stets ein wichtiger Grund vor, wenn die persönliche Stellung des Vermieters oder aber die Mietsache durch den Eintritt des Dritten in den Vertrag schlechtergestellt würde. In erster Linie ist dies etwa der Fall, wenn der Dritte weniger zahlungskräftig ist als der Mieter, wenn seine Zah­ lungsfähigkeit sich aus den zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht eindeu­ tig ergibt oder wenn die Zahlungsmoral des Dritten schlechter ist als diejenige des Mieters (Higi, ZK, N 34 zu Art. 263 OR; Barbey, Transfert, S. 54). Zur Ver­ weigerung der Übertragung reicht es bereits aus, dass begründete Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Dritten bestehen (HAP-Immobiliarmietrecht/Fer­ tig, Rz. 8.109, S. 358, mit Hinweis auf BGE 119 II 36 ff., E. 3d). Wie erwähnt, besteht das Verweigerungsrecht auch, wenn keine genügenden Unterlagen vor­ liegen, welche die Zahlungsfähigkeit des Dritten dokumentieren (Urteil des Bundesgerichts 4A_55/2008 vom 26. März 2008, E. 4). Eine neu gegründete 482

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Art. 263

Gesellschaft vermag den Beweis der Solvenz nicht zu erbringen, da noch keine Bilanzen und Erfolgsrechnungen der letzten Geschäftsjahre vorgelegt werden können (vgl. N 17 zu Art. 264; Minder, Übertragung, Rz. 701, mit Hinweis auf das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich NG970050 vom 4. Dezember 1997, E. III.6c/dd). Ein Betreibungsregisterauszug ohne Einträge reicht nicht aus, um die Solvenz zu belegen (Urteil des KGer Freiburg 102 2014 112 vom 1. Dezember 2014, E. 2c). Sodann liegt ein wichtiger Grund insbesondere bei einem nicht strikte 23 umschriebenen oder anderweitig vereinbarten Verwendungszweck der Miet­ sache darin, dass der Dritte die Mietsache wesentlich stärker abnützen wird als der Mieter (gl.M. Minder, a.a.O., Rz. 722 und 727, m.w.H.). Eine zulässige Ver­ weigerung liegt auch vor, wenn der Dritte Umbauten vornehmen will, zu denen der Vermieter nicht zustimmen muss (Urteil des Bundesgerichts 4P.107/2003 vom 19. Juni 2003, E. 2.2). Dasselbe gilt, wenn der Dritte in einer offensichtlich krisenanfälligen Branche oder einer solchen mit zweifelhafter Zukunft tätig ist. Ebenso kann es für den Vermieter ein wichtiger Grund sein, wenn der Betrieb des Dritten denjenigen eines weiteren Mieters konkurrenziert oder aber nicht zum Geschäftsmix der übrigen Mieter passt (gl.M. Minder, a.a.O., Rz. 731 f.; HAP-Immobiliarmietrecht/Fertig, Rz.  8.124, S.  361; Permann, Kommentar, N 14 zu Art. 263 OR). Schliesslich hat als wichtiger Grund zu gelten, dass der Mieter sich weigert, dem Vermieter sachdienliche Angaben über den Dritten oder die Bedingungen der Übernahme zu machen (Higi, ZK, N 39 zu Art. 263 OR; vgl. N 17 und 24) oder dass der Dritte die im Vertrag vereinbarte Bank­ garantie nicht vor Mietantritt zur Verfügung stellt (Higi, ZK, N 34 zu Art. 263 OR; Permann, a.a.O., N 14 zu Art. 263 OR; vgl. N 38 und 43). Der Vermieter darf seine Zustimmung zur Übertragung auch verweigern, wenn 24 die Bedingungen des Übernahmevertrags missbräuchlich sind, namentlich wenn der Mieter vom Dritten eine Abgeltung des aus dem Mietvertrag flies­ senden Nutzungsrechts erhält (sog. Schlüsselgeld). Ein solches lässt sich mit dem Zweck des Art.  263 OR  – die Übertragung eines Geschäfts zu ermög­ lichen  – nicht vereinbaren (gl.M. MfdP/Zahradnik, N  23.3.2.3 und 23.3.3.7; Weber, BSK, N 5 zu Art. 263 OR; Higi, ZK, N 37 zu Art. 263 OR; HAP-Immo­ biliarmietrecht/Fertig, Rz. 8.129 f., S. 363; Minder, a.a.O., Rz. 744). Damit der Vermieter überprüfen kann, ob ein Schlüsselgeld vereinbart wurde, kommt ihm ein umfassendes Einsichtsrecht in sämtliche zwischen dem Mieter und dem Dritten getroffene Vereinbarungen betreffend die Übernahme zu, welche für die Übertragung des Mietverhältnisses relevant sind (gl.M. Higi, ZK, N 22 zu 263 OR; HAP-Immobiliarmietrecht/Fertig, Rz. 8.101, S. 357, Minder, a.a.O.,

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Rz. 573 ff.). Die Verweigerung des Einsichtsrechts führt dazu, dass der Ver­ mieter die Zustimmung zur Übertragung verweigern kann (vgl. N 23).

2.3.4

Subjektive Gründe

25

In subjektiver Hinsicht hängen wichtige Gründe mit der Persönlichkeit des Vermieters oder des Dritten zusammen. Ein wichtiger Grund für den Vermie­ ter kann darin liegen, dass der Dritte ein Gewerbe betreibt, das in Konkurrenz mit dem eines engen Freundes des Vermieters steht oder dass dem bisherigen Mieter aufgrund eines Freundschaftsverhältnisses besondere Konditionen ein­ geräumt wurden (MfdP/Zahradnik, N  23.3.3.7). Desgleichen wenn der Ver­ mieter ein engagiertes Mitglied einer Tierschutzorganisation ist, der Dritte aber ein Pelzgeschäft betreibt (vgl. weitere Beispiele unter N 31 f. zu Art. 262 OR; bei Higi, ZK, N  33 und 36 zu Art.  263 OR und die Beispiele in MfdP/ Zahradnik, N 23.3.3.7). Ein weiterer in der Person des Dritten liegender Ver­ weigerungsgrund besteht, wenn der Dritte einen schlechten Ruf oder Leu­ mund aufweist (Higi, ZK, N 38 zu Art. 263 OR; HAP-Immobiliarmietrecht/ Fertig, Rz. 8.125, S. 361; Permann, Kommentar, N 14 zu Art. 263 OR; MfdP/ Zahradnik, N 23.3.3.7). Zuzustimmen ist zudem der Ansicht Minders, wonach der Vermieter seine Zustimmung auch verweigern könne, wenn er den Miet­ vertrag bewusst mit einem Mieter abgeschlossen hat, der ein hohes Ansehen oder einen hohen Bekanntheitsgrad geniesst oder der ein Ankermieter für ein Einkaufszentrum darstellt. In einem solchen Fall bewirkt die Übertragung des Mietverhältnisses eine Schlechterstellung des Vermieters, die diesem nicht zumutbar ist (Minder, a.a.O., Rz. 720; vgl. Higi, ZK, N 36 zu Art. 263 OR).

26

Die Übertragung der Miete auf einen Dritten darf nicht dazu missbraucht wer­ den, einen dem Vermieter nicht genehmen Dritten aufzuzwingen. Schiebt ein abgewiesener Kandidat eine andere Person als Mieter vor, um hernach als Drit­ ter in das Mietverhältnis einzutreten, so ist der Vermieter zur Verweigerung auch dann berechtigt, wenn er keinen wichtigen Grund im Sinne von Art. 263 Abs. 2 OR anrufen kann (Art. 2 ZGB).

2.4 27

Auferlegen von Bedingungen

Liegen Ablehnungsgründe vor, die es dem Vermieter erlauben würden, die Zustimmung zur Übertragung zu verweigern, kann der Vermieter, als milde­ res Mittel – statt die Übertragung abzulehnen – die Erteilung der Zustimmung trotz dem zwingenden Charakter von Art. 263 Abs. 2 OR auch an das Erfüllen von Bedingungen durch den Mieter oder den Dritten knüpfen (Higi, ZK, N 21

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Florian Rohrer

Art. 263

zu Art. 263 OR; Minder, Übertragung, Rz. 531). Zu denken ist dabei insbeson­ dere an die Erhöhung der Sicherheitsleistung bei mangelnder oder schlechte­ rer Solvenz des Dritten. Der Charakter der Zustimmungserklärung als bedingungsfeindliches Gestaltungsrecht steht dem grundsätzlich nicht entgegen, schliesslich ist den Parteien unbenommen zu vereinbaren, dass die Zustim­ mungserklärung abgegeben wird, sofern die vereinbarte Bedingung erfüllt wird (im Ergebnis gleich: Minder, a.a.O., Rz. 533 ff.).

2.5

Stillschweigen des Vermieters

Beantwortet der Vermieter das mieterseitige Begehren um Zustimmung zur 28 Übertragung der Miete auf einen Dritten nicht, kann zunächst die Übertra­ gung nicht erfolgen. Die vermieterseitige Zustimmung ist nämlich unabding­ bare Voraussetzung zum Parteiwechsel auf Mieterseite (N 12 und N 14). Der Mieter muss diesfalls die Schlichtungs- oder Gerichtsbehörde mit dem Begehren um Feststellung der Zulässigkeit der Übertragung der Miete auf den Drit­ ten anrufen (Weber, BSK, N 3a zu Art. 263 OR; a.M. Hulliger/Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 263 und HAP-Immobiliarmietrecht/Fertig, Rz. 8.138, S. 366: Leis­ tungsklage; differenzierend Minder, Übertragung, Rz. 774). In diesem Verfah­ ren kann der Vermieter immer noch geltend machen, es liege ein wichtiger Grund im Sinne von Art. 263 Abs. 2 OR vor, weshalb er der Übertragung der Miete nicht zuzustimmen habe. Zur Klage ist einzig der Mieter, nicht aber der übernahmewillige Dritte berechtigt (gl.M. MfdP/Zahradnik, N 23.3.3.10 und Hulliger/Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 263 OR).

2.6

Folgen der Zustimmungsverweigerung

Verweigert der Vermieter seine Zustimmung zur Übertragung der Miete auf 29 einen Dritten ohne Anrufung eines Verweigerungsgrundes, oder begründet er seine Verweigerung und entsteht darüber Streit, ob der angerufene Grund tat­ sächlich besteht, hat der Mieter die Schlichtungs- oder Gerichtsbehörde anzu­ rufen mit dem Begehren, es sei die Übertragung der Miete auf den Dritten als zulässig zu erklären (N 28).

Florian Rohrer

485

Art. 263

30

3.

Rechtsfolgen der Übertragung der Miete

3.1

Parteiwechsel auf Mieterseite

Mit der Zustimmung des Vermieters tritt der Dritte anstelle des Mieters in das Mietverhältnis ein (Art. 263 Abs. 3 OR). Der bisherige Mieter scheidet aus dem Mietverhältnis aus, der Dritte wird neuer Mieter. Dadurch wird der Vertragsin­ halt in keiner Weise verändert. Unter dem Vorbehalt des vierten Absatzes von Art. 263 OR ist der ausscheidende Mieter von seinen sämtlichen Mieterpflich­ ten entlassen (vgl. N 36 ff.).

3.2 31

Verhältnis zwischen Vermieter und Übernehmer

Mit der Zustimmung des Vermieters (respektive mit dem Erreichen des Über­ nahmetermins, vgl. N  15) wird der Übernehmer automatisch Mieter. Die Übertragung zielt auf eine Fortführung des bestehenden Mietverhältnisses ab. Es kommt daher nicht zur Beendigung des bisherigen und zum Abschluss eines neuen Mietverhältnisses. Eine Rückgabe des Mietobjekts findet nicht statt, weshalb der Vermieter bei Übertragung der Miete auch keine Mängelrüge im Sinne von Art. 267a OR erheben muss (Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 21. November 1996, E. 4a, in: MRA 5/97, S. 215 ff.). Der Übernehmer kann sämtliche vertraglichen und gesetzlichen Rechte aus dem Mietverhältnis beanspruchen. Auf der anderen Seite treffen ihn sämtli­ che vertraglichen und gesetzlichen Pflichten. Der Übernehmer tritt nahtlos in die Stellung des Mieters ein. Gemäss Bundesgericht besteht eine Ausnahme bei einer vorübergehenden Reduktion des Mietzinses, die dem Mieter aufgrund eines finanziellen Engpasses gewährt wurde. Eine solche Reduktion steht dem Übernehmer nicht zu, sondern bilde einen Teilerlass im Sinne von Art. 115 OR zugunsten des ausscheidenden Mieters (Urteil des Bundesgerichts 4C.45/2003 vom 28. April 2003, E. 2.3). In Anbetracht der bundesgerichtlichen Rechtspre­ chung zu Art. 261 OR (BGE 127 III 273, E. 4c) findet kein rückwirkender Vertragseintritt statt. Die Rechte und Pflichten des Übernehmers beziehen sich nur auf die Zukunft, nicht aber auf die Vergangenheit des Mietverhältnisses (N 9 zu Art. 261–261a OR; gl.M. Hulliger/Heinrich, CHK, N 7 zu Art. 263 OR; a.M. Higi, ZK, N 46 ff. zu Art. 263 OR; Weber, BSK, N 6 zu Art. 263 OR). All­ fällige Optionsrechte, die gemäss Mietvertrag ausdrücklich ad personam ver­ einbart wurden, können durch den Übernehmer nicht ausgeübt werden (vgl. Higi, ZK, N 49 zu Art. 263; betreffend Teilerlass des Mietzinses ad personam: Urteil des Bundesgerichts 4C.45/2003 vom 28. April 2003, E. 2.3). Die Verein­

486

Florian Rohrer

Art. 263

barung solcher Optionsrechte ad personam ist – mangels entgegenstehender zwingender Normen – gültig, sofern diese nicht in rechtsmissbräuchlicher Art dergestalt ausgebildet sind, dass eine Übertragung des Mietverhältnisses fak­ tisch ausgeschlossen ist. Der Übernehmer hat somit ab Übertragung den fälligen Mietzins zu entrich­ 32 ten. Die rückständigen Mietzinse hat allerdings der ausgeschiedene Mieter zu begleichen. Der Übernehmer braucht sich das persönliche Verhalten des Mie­ ters nicht anrechnen zu lassen. So muss er sich beispielsweise die gegenüber dem ausgeschiedenen Mieter erfolgten Mahnungen des Vermieters im Zusam­ menhang mit persönlichen Pflichtverletzungen durch den Ersteren nicht ent­ gegenhalten lassen (gl.M. Higi, ZK, N 49 zu Art. 263 OR). Die Fristansetzungen, Abmahnungen oder Parteierklärungen, die nicht untrennbar und persönlich mit dem Erklärungsempfänger (d.h. dem übertragenden Mieter) verbunden sind, gelten auch für den Übernehmer. Der ausscheidende Mieter kann sich daher den Konsequenzen einer rechtsgenügend erfolgten Zahlungsfristanset­ zung im Sinne von Art. 257d OR nicht entziehen, indem er die Übertragung der Miete auf den Dritten vornimmt. Wird in diesem Fall innerhalb der ange­ setzten Zahlungsfrist der ausstehende Mietzins nicht bezahlt, so kann der Ver­ mieter auch nach erfolgter Übertragung von seinem ausserordentlichen Kün­ digungsrecht – auch mit Wirkung für den Übernehmer – Gebrauch machen. Auf der anderen Seite wird der Übernehmer den Mietzins im Sinne von 33 Art.  259g OR hinterlegen können, wenn der Vermieter ein durch den aus­ scheidenden Mieter angemeldetes Herabsetzungsbegehren im Sinne von Art.  259d OR abschlägig beantwortet. Hat bereits der ausscheidende Mieter Mietzinse hinterlegt und läuft die 30-tägige Frist des Art. 259h OR nach Eintritt des Übernehmers in das Mietverhältnis ab, ohne dass der Dritte an die Schlich­ tungsbehörde gelangt, so fallen die hinterlegten Mietzinse dem Vermieter zu. Vom ausscheidenden Mieter geleistete Sicherheiten im Sinne von Art.  257e 34 OR stehen – sofern sie nicht sogar mit dem Übernahmevertrag auf den Über­ nehmer übertragen werden und soweit sie nicht persönlicher Natur sind (z.B. Bankgarantie) – ein Jahr nach Ablauf des Mietverhältnisses mangels Beanspru­ chung durch den Vermieter dem Übernehmer zu. Desgleichen ist der Über­ nehmer im Falle von Art. 260a Abs. 3 OR berechtigt, die bei Beendigung des Mietverhältnisses fällig werdende Entschädigung für vom Mieter finanzierte Erneuerungen zu verlangen. Hatte der Mieter die Mietsache ganz oder teil­ weise untervermietet, so haftet der Übernehmer gegenüber dem Vermieter dafür, dass der Untermieter die Sache nicht anders gebraucht, als es ihm selbst gestattet ist (Art. 262 Abs. 3 OR). Bei Beendigung der Miete hat er sich das Florian Rohrer

487

Art. 263

vom ausscheidenden Mieter unterzeichnete Antrittsprotokoll entgegenhalten zu lassen. 35

Heikel ist die Antwort auf die Frage, ob der Übernehmer den Kündigungsschutz des Art. 271a Abs. 1 Buchst. e und Abs. 2 OR in dem Sinne «rückwir­ kend» geniesse, dass er eine Kündigung anfechten könne, falls diese vor Ablauf von drei Jahren seit einem Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren erfolgte, in dem der Mieter obsiegt hatte. Desgleichen wenn die Kündigung vor Ablauf von drei Jahren seit der (urkundlich nachweisbaren) aussergerichtlichen Einigung zwischen Vermieter und dem ausscheidenden Mieter erfolgt. Da die zitierten Normen jede Kündigung während der Schutzfrist untersagen, ohne Berück­ sichtigung des Kündigungsgrundes, müsste sich der Übernehmer als Rechts­ nachfolger des Mieters ebenfalls darauf berufen können. Auf der anderen Seite soll die Schutzfrist, der ratio legis entsprechend, den Mieter im Wesentlichen vor einer Rachekündigung schützen, weshalb ihr ein erhebliches persönliches Element anhaftet. Es ist kaum anzunehmen, dass ein Vermieter dem Über­ nehmer aus Rache für ein mit dem ausgeschiedenen Mieter geführtes Verfah­ ren kündigen wird. Sollte sich das Entsprechende beweisen lassen, wäre die entsprechende Kündigung ohnehin auch ohne den Kündigungsschutz miss­ bräuchlich. Von daher betrachtet geht die Schutzfrist konsequenterweise als untrennbar mit der Person des Abtretenden verknüpftes Nebenrecht im Sinne von Art. 170 Abs. 1 OR nicht auf den Dritten über (vgl. N 50 zu Art. 271a OR; gl.M. Higi, ZK, N 49 zu Art. 263 OR, Minder, Übertragung, Rz. 831; a.M. Weber, BSK, N 6 zu Art. 263 OR).

3.3

Verhältnis zwischen Vermieter und ausscheidendem Mieter

36

Der ausscheidende Mieter ist von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Ver­ mieter befreit (Art. 263 Abs. 4 OR). Er braucht keine Mietzinse mehr zu zahlen und darf die Mietsache nicht weiter gebrauchen. Er verliert im Übrigen sämt­ liche Nebenrechte und ist sämtlicher Nebenpflichten entledigt.

37

Allerdings haftet der ausscheidende Mieter solidarisch mit dem Übernehmer bis zum Zeitpunkt, in dem das Mietverhältnis gemäss Vertrag oder Gesetz endet oder beendet werden kann (Art. 263 Abs. 4 OR). Bei befristeten Mietverhält­ nissen dauert die solidarische Haftung des ausscheidenden Mieters bis zum vertraglichen Mietende, bei unbefristeten Mietverhältnissen bis zu dem bei Einhaltung der vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen möglichen vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungstermin. Das Gesetz beschränkt

488

Florian Rohrer

Art. 263

jedoch die solidarische Haftung des ausscheidenden Mieters mit dem Drit­ ten zeitlich auf höchstens zwei Jahre (Art. 263 Abs. 4 OR). Diese Frist darf aber nicht etwa – im Sinne einer Verwirkungsfrist – als Klagefrist oder als Verjäh­ rungsfrist angesehen werden (gl.M. Minder, a.a.O., Rz.  849). Das Bundesge­ richt hat die zweijährige Frist explizit als zeitlich beschränkte Solidarschuld des bisherigen Mieters und des Übernehmers im Sinne von Art. 143 ff. OR qua­ lifiziert (BGE 140 III 433, E. 5.4). Für Klagen des Vermieters aufgrund der in Art. 263 OR stipulierten Solidarhaftung gegen den ausscheidenden Mieter gel­ ten die in Art. 127 f. OR festgelegten Verjährungsfristen. Die Forderungen, für welche der ausscheidende Mieter solidarisch haftet, müssen somit innerhalb der in Art. 263 Abs. 4 OR statuierten Frist entstanden und fällig sein, brauchen aber nicht innert dieser Frist gerichtlich geltend gemacht werden (offenbar a.M. Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 21. November 1996, E. 2c, in: MRA 5/97, S. 215 ff.; teilweise a.M. Barbey, Transfert, S. 47, der ab Fälligkeit der Forderung eine zweijährige Verwirkungsfrist postuliert). Die Solidarhaftung des ausscheidenden Mieters betrifft in erster Linie die Zah­ 38 lung des Mietzinses, erstreckt sich im Übrigen jedoch auf sämtliche übrigen Mieterpflichten laut Vertrag und Gesetz (MfdP/Zahradnik, N 23.3.4.4.1), die nicht persönlicher Natur sind. Dazu gehört auch die Haftung für den aus­ stehenden und den laufenden Mietzins (respektive Schadenersatz), falls dem Übernehmer der Mietvertrag wegen Zahlungsverzugs (Art. 257d OR) vorzei­ tig gekündigt wird. Der ausscheidende Mieter haftet auch solidarisch für die übermässige Abnützung oder Beschädigung und für die Wiederherstellung des früheren Zustandes der Mietsache im Sinne von Art. 260a Abs. 2 OR. Gleich­ falls haftet er solidarisch für sämtliche Schadenersatzansprüche des Vermieters aus Verletzung von vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten seitens des Über­ nehmers (BGE 121 III 408, E. 4a und 4c, S. 411 ff., in: Pra 85, S. 519 ff.). Es ist zu denken an den Schadenersatzanspruch des Vermieters aus Verletzung der Duldungspflicht im Sinne von Art. 257h OR durch den Dritten, aus Verlet­ zung der Meldepflicht im Sinne von Art. 257g Abs. 2 OR, aus vertragswidriger Benützung der Mietsache durch den Untermieter im Sinne von Art. 262 Abs. 3 OR oder infolge Kündigung aus wichtigen Gründen im Sinne von Art. 266g Abs. 2 OR und wegen vorsätzlicher, schwerer Beschädigung der Mietsache im Sinne von Art. 257f Abs. 4 OR. Schliesslich haftet der ausscheidende Mieter dafür, dass der Übernehmer eine allfällige, im Vertrag vereinbarte Bankgaran­ tie abliefert. Wird diese vom Dritten nicht geleistet, so ist der Mieter verpflich­ tet, selbst eine solche für den Dritten zu stellen (vgl. N 43).

Florian Rohrer

489

Art. 263

3.4

Verhältnis zwischen bisherigem Mieter und Übernehmer

39

Das Verhältnis zwischen dem bisherigen Mieter und dem Übernehmer richtet sich in erster Linie nach der zwischen diesen Parteien abgeschlossenen Verein­ barung. Mit dieser verspricht der Mieter einerseits dem Übernehmer die Abtre­ tung sämtlicher Rechte aus einem Mietverhältnis, und anderseits verspricht der Übernehmer dem Mieter, sämtliche Pflichten aus dem Mietverhältnis zu über­ nehmen. Es handelt sich um ein Abtretungs- und um ein Schuldübernahmeversprechen, das suspensiv bedingt abgegeben wird, bis die Zustimmung des Vermieters erfolgt. Sobald dies der Fall ist, vollziehen sich vorerst Zession und Schuldübernahme, sodass der Mieter aus dem Mietverhältnis aus- und der Übernehmer in das Mietverhältnis eintritt.

40

Damit brauchen jedoch nicht sämtliche gegenseitigen Berechtigungen und Verpflichtungen von Mieter und Übernehmer aus ihrer Vereinbarung erfüllt zu sein: Es ist denkbar, dass der Mieter im Hinblick auf seine solidarische Haf­ tung gemäss Art. 263 Abs. 4 OR vom Übernehmer Sicherheiten erhalten will und auf der anderen Seite, dass der Mieter gegenüber dem Übernehmer für die Dauer des Mietverhältnisses dafür haften soll, dass Letzterem sämtliche laten­ ten Forderungen des Vermieters bekannt gegeben wurden.

41

Ein weiterer bedeutsamer Punkt der Vereinbarung zwischen dem Mieter und dem Übernehmer betrifft gegebenenfalls das vom Letzteren, dem Mie­ ter geschuldete Entgelt für gleichzeitig mit der Miete übertragene Werte, die er selbst an der Mietsache geschaffen hat (Botsch. 1985, S. 1443). Es ist hier zu denken an den Verkauf einer vom Mieter finanzierten Inneneinrichtung, von Mobiliar, von Warenvorräten, von Goodwill oder aber an die Übertragung von Arbeitsverhältnissen.

42

Nachdem die Übertragung derartiger Werte an den Dritten durch Art. 263 OR gerade ermöglicht werden soll, ist die Anwendbarkeit von Art. 254 OR (Ver­ bot des Koppelungsgeschäfts) in diesem Falle zu verneinen. Grundsätzlich kann nur der Vermieter, nicht aber der bisherige Mieter eine Verkoppelung bewirken. Verlangt der bisherige Mieter vom Übernehmer für die überlasse­ nen Geschäftsaktiven einen überrissenen Preis, liegt in der Regel kein nichtiges Koppelungsgeschäft vor, es sei denn, der Vermieter weiss vom Geschäft und erteilt seine Zustimmung dazu (N 25 f. zu Art. 254 OR; Urteil des Bundesge­ richts 4C.161/2001 vom 26. September 2001, E. 3, in: mp 2/03, S. 55 f.).

490

Florian Rohrer

Art. 263

3.5

Übertragung von Sicherheiten auf den Übernehmer

Vom ausscheidenden Mieter geleistete Sicherheiten im Sinne von Art.  257e 43 OR sind durch gemeinsame Anzeige an die Bank seitens des Mieters und Vermieters auf den Namen des Übernehmers zu übertragen, wobei der (aus­ scheidende) Mieter verpflichtet ist, sämtliche erforderlichen Zustimmungs­ erklärungen abzugeben. Eine Besonderheit gilt hinsichtlich einer allfälligen Bankgarantie, die der Mieter dem Vermieter zur Verfügung gestellt hat. Diese ist aufgrund des persönlichen Rechtsverhältnisses zwischen Mieter und Bank ausgestellt worden und kann nicht ohne Weiteres auf den Übernehmer überge­ hen. Sie ist deshalb bei Übertragung der Miete dem Mieter zurückzuerstatten und durch eine vom Übernehmer geleistete Bankgarantie zu ersetzen.

Florian Rohrer

491

Hans Bättig

Art. 264 L. Vorzeitige Rückgabe der Sache 1 Gibt

der Mieter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter nur befreit, wenn er einen für den Vermieter zumutbaren neuen Mieter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.

2 Andernfalls muss er den Mietzins bis zu dem Zeitpunkt leisten, in dem das

Mietverhältnis gemäss Vertrag oder Gesetz endet oder beendet werden kann. 3 Der

Vermieter muss sich anrechnen lassen, was er: a. an Auslagen erspart und b. durch anderweitige Verwendung der Sache gewinnt oder absichtlich zu gewinnen unterlassen hat.

L.

Restitution anticipée de la chose

1 Lorsque

le locataire restitue la chose sans observer les délai ou terme de congé, il n’est libéré de ses obligations envers le bailleur que s’il lui présente un nouveau locataire qui soit solvable et que le bailleur ne puisse raisonnablement refuser; le nouveau locataire doit en outre être disposé à reprendre le bail aux mêmes conditions.

2 A

défaut, le locataire doit s’acquitter du loyer jusqu’à l’expiration de la durée du bail ou jusqu’au prochain terme de congé contractuel ou légal. 3 Le

bailleur doit admettre l’imputation sur le loyer: a. de la valeur des impenses qu’il a pu épargner ainsi que b. des profits qu’il a retirés d’un autre usage de la chose ou auxquels il a intentionnelle­ ment renoncé.

L.

Restituzione anticipata della cosa

1 Il

conduttore che restituisce la cosa senza osservare i termini di preavviso o le scadenze è liberato dai suoi obblighi verso il locatore soltanto se gli propone un nuovo conduttore solvibile che non possa essere ragionevolmente rifiutato dal locatore; il nuovo conduttore deve essere disposto a riprendere il contratto alle medesime condizioni.

2 Se

non propone un nuovo conduttore con tali requisiti, il conduttore resta tenuto al pagamento del corrispettivo fino al momento in cui, per contratto o per legge, la loca­ zione si estingue o può essere sciolta.

492

Hans Bättig

Art. 264 3 Il

locatore deve lasciarsi imputare nel corrispettivo: a. le spese risparmiate e b. ciò che ha guadagnato con una diversa utilizzazione della cosa o che ha omesso inten­ zionalmente di guadagnare.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter, intertemporales Recht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich und Abgrenzungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

494 494 494

2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Stellung eines zahlungsfähigen und zumutbaren Ersatzmieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Keine Pflicht des Vermieters zum Vertragsschluss .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

496 496 502

3. Zeitpunkt der Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Rücknahmeobliegenheit des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.3 Ankündigung der vorzeitigen Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

502 502 503 504

4. 4.1 4.2

Stellung eines Ersatzmieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Prüfung der Ersatzmieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Orientierung über die Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

507 508 509

5.

Übernahme zu gleichen Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

509

6. Fortdauer der Mietzinszahlungspflicht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6.1 Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6.2 Unbefristetes Mietverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6.3 Befristetes Mietverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6.4 Mietzinszahlungspflicht bei ausserordentlicher Kündigung des Mieters . . . . . . . . . . . 

513 513 513 513 514

7. Vorteilsanrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  7.1 Grundsatz der Schadensminderungspflicht des Vermieters .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  7.2 Ersparnis von Auslagen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  7.3 Anderweitige Verwendung der Sache .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

514 514 514 515

Hans Bättig

493

Art. 264

1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter, intertemporales Recht

1

Die Bestimmung ist eine Schutzvorschrift zugunsten des Mieters. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes kann sie nicht vertraglich zulasten des Mieters abge­ ändert werden, weshalb sie als relativ zwingend zu qualifizieren ist (Higi, ZK, N 3 zu Art. 264 OR).

2

Die Bestimmung ist auch auf Mietverträge anwendbar, die unter dem vor dem 1. Juli 1990 geltenden Recht begründet wurden. Sie enthält die Grundsätze, die schon unter dem früheren Recht galten.

1.2

Anwendungsbereich und Abgrenzungen

3

Mit der Bestimmung wird dem Mieter die Möglichkeit eingeräumt, den Miet­ vertrag durch die vorzeitige Rückgabe der Mietsache vorzeitig zu beenden. Es handelt sich hier um einen vorzeitigen Beendigungsgrund und nicht um eine vorzeitige Kündigung (Higi, ZK, N 5 zu Art. 264 OR). Huber, Rückgabe, S. 43, sieht in dieser Norm ein «gesetzliches Recht des Mieters auf vollständige Ent­ lassung aus dem Mietvertrag»).

4

Man kann sich fragen, ob die Vorschrift notwendig ist. Denn grundsätzlich beinhaltet sie wenig, was nicht auch bei ihrem Fehlen gelten würde. Ihr Inhalt beschränkt sich im Wesentlichen auf zwei allgemeine Grundsätze, die auch ohne diese Bestimmung im Zivilrecht gelten: –– Gibt der Mieter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin ein­ zuhalten, … (Abs. 1); –– … muss er den Mietzins [trotzdem] bis zu dem Zeitpunkt leisten, in dem das Mietverhältnis gemäss Vertrag oder Gesetz endet oder beendet werden kann (Abs. 2).

5

Insoweit enthält Art.  264 OR nichts, was nicht bereits nach dem Grundsatz «pacta sunt servanda» oder der Vertragstreue (Higi, ZK, N 6 zu Art. 264 OR) gelten würde (vgl. BGE 134 III 267, der ausdrücklich festhält, dass die Pflicht zur [Weiter-]Bezahlung des Mietzinses eine vertragliche Pflicht ist bzw. ver­ tragliche Pflicht bleibt; kommentiert in: MRA 2/08, S. 94).

6

Sodann bestimmt Art. 264 Abs. 3 OR, dass sich der Vermieter anrechnen las­ sen muss, was er an Auslagen erspart (Buchst. a) und durch anderweitige Ver­ wendung der Sache gewinnt oder absichtlich zu gewinnen unterlassen hat 494

Hans Bättig

Art. 264

(Buchst.  b). Die damit ausgedrückte Schadensminderungspflicht bzw. -oblie­ genheit ist ebenfalls fester Bestandteil allgemeiner zivilrechtlicher Grund­ sätze, und die Formulierung entspricht bewusst (Botsch. 1985, 1446) derje­ nigen in Art.  337c Abs.  2 OR im Arbeitsvertragsrecht. Daneben enthält die Bestimmung in Abs. 1 einen Hinweis auf den wichtigsten praktischen Anwen­ dungsfall, indem sie festhält, dass der Mieter dann befreit ist, wenn er einen für den Vermieter zumutbaren neuen Mieter vorschlägt, (der) zahlungsfähig und bereit sein (muss), den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu überneh­ men. Hier liegt auch die primäre ratio legis (vgl. Botsch. 1985, S. 1445) für den Erlass von Art. 264 OR, der sich vom früheren Recht bzw. von der früheren Gerichtspraxis und den Standardvereinbarungen in Formularmietverträgen dadurch unterscheidet, dass nicht mehr zwei oder drei Ersatzmieter «gestellt» werden müssen, sondern bloss ein einziger, der den gesetzlichen Anforderun­ gen genügt (Higi, ZK, N 28 zu Art. 264 OR). Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Norm ist nach herrschender Lehre 7 die bereits erfolgte Übergabe der Mietsache an den Mieter. Will der Mieter die Mietsache gar nicht übernehmen, so liegt ein Gläubigerverzug i.S.v. Art. 91 ff. OR vor, und der Vermieter muss nach Art. 107 ff. OR vorgehen (Schmid, ZK, N 4 zu Art. 257a OR; Higi, ZK, N 9 ff. zu Art. 264 OR; Lachat/Trümpy, Rück­ gabe, S. 2; Huber, Rückgabe, S. 24 f., die eine analoge Anwendung von Art. 264 OR bejahen). Ob das zutrifft bzw. eine bloss analoge Anwendung infrage kommt, ist zu bezweifeln. Es ist nicht einzusehen, weshalb ein Mieter sich nicht direkt auf Art. 264 OR berufen kann, wenn er ein halbes Jahr vor Mietantritt darauf verzichten will (gl.M. Weber, BSK, N 13 zu Art. 257e OR). Ein Rück­ tritt vom Mietvertrag ist nicht möglich, ausser es lägen wichtige Gründe im Sinne von Art. 266g OR vor. Es bleibt ihm daher nur die Kündigung auf den erstmöglichen Termin, d.h. häufig erst nach Ablauf einer gewissen Mindest­ dauer. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb er dem Vermieter nicht einen zumutbaren Ersatzmieter vorschlagen darf, der den Vertrag bereits auf Miet­ beginn übernehmen will. Gleichviel ob man diesfalls eine direkte Anwendung von Art. 264 OR postuliert oder bloss eine analoge, weil nicht «zurückgegeben» werden kann, was man noch gar nicht übernommen hat: Der Mieter wird so oder anders versuchen dürfen und wohl auch müssen, den entstehenden Scha­ den durch Stellung eines tauglichen Ersatzmieters zu vermeiden oder zumin­ dest gering zu halten. Die Gründe, die zur vorzeitigen Rückgabe führen, müssen nicht gerechtfertigt 8 sein, sondern können subjektiver Natur sein, d.h. in der Person und im Belie­

Hans Bättig

495

Art. 264

ben des Mieters liegen. Ein Verschulden hingegen ist nicht erforderlich (Higi, ZK, N 6 ff. zu Art. 264 OR, m.w.H.) bzw. hindert die vorzeitige Rückgabe nicht. 9

Eine vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses durch vorzeitige – gegen den Willen des Mieters erfolgende – Rücknahme der Mietsache durch den Vermie­ ter ist umgekehrt nicht möglich. Der Vermieter kann sich nicht von seinen Ver­ tragspflichten befreien, wenn er dem Mieter auf den vorzeitigen Kündigungs­ zeitpunkt Ersatzräumlichkeiten anbietet. Nimmt der Mieter jedoch ein solches Angebot an, so ist ein neuer Mietvertrag zustande gekommen. Eine vorzeitige Kündigung des Vermieters ist indessen nicht wirkungslos, sondern gilt auf den nächsten vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungstermin (Art. 266a Abs. 2 OR). Denkbar ist auch, dass der Mieter einer vorzeitigen Kündigung ausdrück­ lich zustimmt. In diesem Fall liegt ein Aufhebungsvertrag im gegenseitigen Einverständnis vor.

10

Die Norm gilt für alle Arten von Mietverträgen. Sie kommt daher sowohl bei der Miete von unbeweglichen Sachen (Geschäftsräume, unmöblierte oder möblierte Wohnungen oder Einzelzimmer, unbewegliche Sachen im Allge­ meinen etc.) als auch bei beweglichen Sachen zur Anwendung. Doch ist sie praktisch nur bei der Immobiliarmiete (häufig bei Wohnungsmietverträgen und etwas seltener bei Geschäftsmietverträgen) von Bedeutung. Art. 264 OR regelt die vorzeitige Rückgabe sowohl bei befristeten als auch bei unbefristeten Mietverhältnissen.

2. Voraussetzungen 2.1

Stellung eines zahlungsfähigen und zumutbaren Ersatzmieters

11

Wie bereits erwähnt, ist der Vermieter aufgrund der allgemein bestehenden Schadensminderungsobliegenheit gehalten, den Schaden des Mieters mög­ lichst gering zu halten. Verletzt der Vermieter diese Obliegenheit, indem er den oder die vom Mieter vorgeschlagenen, zumutbaren und solventen Ersatz­ mieter ohne zureichende Gründe ablehnt, ist der Mieter von seiner Mietzins­ zahlungspflicht und den übrigen Pflichten aus dem Mietvertrag befreit.

12

Die Begriffe der Zahlungsfähigkeit und der Zumutbarkeit bemessen sich nach objektiven Gesichtspunkten. Daher ist die Auffassung problematisch, wonach an den Ersatzmieter nicht andere und vor allem nicht höhere Anforderungen gestellt werden als an den ausziehenden Mieter (so Weber, BSK, N 4 zu Art. 264

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Art. 264

OR; MfdP/Spirig, N 28.2.8.1, die immerhin einschränkend festhält, dies gelte bloss «in der Regel»). Gleiches gilt auch für die entsprechende Bemerkung in der Botsch. 1985, S.  1445, wonach höhere Anforderungen nur dann gestellt werden könnten, wenn der ausziehende Mieter zu berechtigten Klagen Anlass gegeben habe. Zu prüfen ist einzig die objektive Zumutbarkeit des Ersatzmie­ ters und nicht diejenige des bisherigen Mieters.

2.1.1 Zahlungsfähigkeit Der Ersatzmieter muss zahlungsfähig sein, d.h., er muss den Mietzins und die 13 Nebenkosten regelmässig zahlen können. Im Gegensatz zur Vorauflage (dort N 6a) ist diese Voraussetzung nicht die wichtigste, sondern lediglich die ohne grössere Schwierigkeiten messbare. Als zahlungsfähig gilt nach der Praxis ein Mieter, dessen Nettoeinkommen mindestens dem Dreifachen des Bruttomietzinses für das Mietobjekt entspricht (so auch Weber, BSK, N 4 zu Art. 264 OR; MfdP/Spirig, N 28.2.7.1; nuancierter und eher die Grenzen der Regel beto­ nend Bise/Planas, CPra, N 46 zu Art. 264 OR). Dass sich ein Schematismus verbietet, hat das Bundesgericht bereits in BGE 119 II 36 festgehalten, dessen Regeste zwar zunächst ausführt, der Vermieter brauche keinen Ersatzmieter zu akzeptieren, dessen Zahlungsfähigkeit mit derjenigen des aktuellen Mie­ ters überhaupt nicht vergleichbar sei. Jedoch dürfe dem blossen Verhältnis, so das Bundesgericht weiter, zwischen Mietzins und Einkommen nicht über­ mässige Bedeutung beigemessen werden. Die Regeste ist nicht nur missver­ ständlich (so Hulliger/Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 264 OR), sondern wider­ sprüchlich (HAP-Immobiliarmietrecht/Fertig, Rz.  9.36, S.  379) bzw. schlicht falsch. Die Zahlungsfähigkeit des Ersatzmieters bemisst sich in keinem Fall nach dem Einkommensvergleich zwischen bisherigen und neuen Mieter. Sie fehlt auch dann nicht, wenn der bisherige Mieter das Zehnfache verdient und wäre umgekehrt auch nicht einzig bloss deshalb zu bejahen, weil der alte Mie­ ter weniger verdient. Die zweite Aussage des Bundesgerichts ist insofern rich­ tig, als die Zahlungsfähigkeit nicht schematisch-absolut verneint werden darf, weil das faustregelhafte Einkommensdrittel tiefer als der Bruttomietzins liegt. Vielmehr ist diesfalls zusätzlich zu prüfen, ob andere Gründe gegen die Zah­ lungsfähigkeit sprechen. Steht der einkommensschwache Ersatzmieter kurz vor der Pensionierung oder bestehen andere Gründe, die nahelegen, dass sich seine Einkommensverhältnisse in absehbarer Zukunft verschlechtern (lau­ fendes Scheidungsverfahren, ein hängiges Ausweisungsverfahren, akut dro­ hende Arbeitslosigkeit, weil das Unternehmen, bei dem er arbeitet, die Schlies­ sung des Firmenstandortes bekanntgeben hat). Gleiches wird aber auch die Zahlungsfähigkeit desjenigen in Zweifel ziehen, dessen aktuelles Einkommen Hans Bättig

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leicht über dem «Drittel» liegt. Gemäss dem in MRA 5/97, S. 205 ff., (insbes. S. 210 oben) zitierten Urteil des Bundesgerichts vom 18. Juni 1997 ist unter der Zahlungsfähigkeit des Ersatzmieters auch dessen Pünktlichkeit bei der Miet­ zinszahlung zu verstehen – grundsätzlich zwar unabhängig von der Höhe sei­ nes Einkommens, aber erst recht dann, wenn dieses die Mietzinszahlungen nur knapp zu gewährleisten scheint. Massgebend ist gemäss ZMP 2/94, Nr. 13, die Zahlungsfähigkeit im Zeitpunkt, in dem er als Ersatzmieter bezeichnet wird. Das kann freilich nicht im Sinne einer Momentaufnahme gelten; beste­ hen konkrete Anhaltspunkte, dass sich die Einkommensverhältnisse ändern, wird – schon, weil die Miete ein Dauerschuldverhältnis ist – auch die nähere wirtschaftliche Zukunft für die Beurteilung massgeblich sein. Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter alle notwendigen Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen, damit der Vermieter die Zahlungsfähigkeit prüfen kann. Diese Informationspflicht wird gemäss dem Entscheid des Mietgerichts Zürich vom 17. Februar 1994, auszugsweise publiziert, in: MRA 1/96, S. 21 ff., weit ausgelegt. 14

Natürliche Personen müssen zwecks Beurteilung ihrer Zahlungsfähigkeit ihren Lohnausweis bzw. wenn sie selbständig erwerbend sind, ihre Bilanzen, Erfolgs­ rechnungen und Revisionsstellenberichte beibringen, sowie ihre letzte Steuer­ erklärung und einen aktuellen Betreibungsregisterauszug (zustimmend Urteil des Bundesgerichts 4A_373/2008 vom 11.11.2008 bezüglich eines Mieters, der trotz Aufforderung keine Unterlagen liefert; Bise/Planas, CPra, N  38 zu Art.  264 OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N  6 zu Art.  264 OR; einschränkend: MfdP/Spirig, N  28.2.7.3, die einen Betreibungsregisterauszug und die Selbst­ angabe des Ersatzmieters in der Regel für eine «Einschätzung» ausreichend hält und die Vorlage weiterer Unterlagen von besonderen Umständen abhän­ gig machen will). In der Praxis begnügen sich Liegenschaftsverwaltungen zwar häufig mit dem Registerauszug und den Angaben auf dem Bewerbungsfor­ mular. Nur geht es rechtlich gesehen nicht um die Einschätzung der Solvenz, sondern um deren Nachweis. Verlangt der Vermieter weitere Unterlagen, wird man ihm das nicht verwehren können (so auch Kley, Rückgabe, S. 269; denn anders als bei der Übertragung des Mietverhältnisses (Art. 263 OR) haftet der ausziehende Mieter nicht für die Forderungen aus dem neuen Mietvertrag. Liegen gegen einen Ersatzmieter Betreibungen vor, so ist die Zahlungsfähig­ keit zwar nicht generell zu verneinen, sondern vor allem dann, wenn mehrere Betreibungen von verschiedenen Gläubigern vorliegen, Verlustscheine beste­ hen oder wenn Pfändungen oder Pfandverwertungen vollzogen worden sind (Urteil des Bundesgerichts 4C.129/1999 vom 5.  Oktober 1999, E. 2c, in: mp 1/00, S. 32 ff.; Huber, Rückgabe, S. 50). 498

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Die Frage, ob eine fehlende Zahlungsfähigkeit bei Sozialhilfebezügern durch 15 eine Mietzinsgarantie der Sozialbehörde beseitigt werden kann, ist umstritten (MfdP/Spirig, N 28.2.7.2; Kley, Rückgabe, 266). Zum einen betreffen die finan­ ziellen Verpflichtungen nicht nur den Mietzins und die Nebenkosten, sondern auch die Haftung für Schäden aus übermässiger Abnutzung der Mietsache, für die Sozialbehörden nie eine Mietzinsgarantie abgeben. Zum anderen ist eine Mietzinsgarantie von vornherein nur dann ausreichend, wenn sie unwi­ derruflich für die Dauer des ganzen Mietverhältnisses abgegeben wird. Die Praxis von Sozialbehörden, die solche Garantien – bisweilen auf das nächste Monatsende  – widerrufen oder dem Vermieter mitteilen, der für den Miet­ zins reservierte Betrag werde künftig dem Mieter ausbezahlt und nicht mehr direkt dem Vermieter, führt in vielen Fällen zu späteren Mietzinsverlusten. Darum ist nur die unwiderrufliche Mietzinsgarantie für die ganze Mietdauer und sämtliche Ansprüche aus dem Mietverhältnis geeignet, als «Surrogat» für eine sonst fehlende Zahlungsfähigkeit zu dienen (HAP-Immobiliarmietrecht/ Fertig, Rz. 9.42, S. 381; ebenso MfdP/Spirig, N 28.2.7.2, die die Kostengutspra­ che der Sozialbehörde im gleichen Kontext wie die Mietzinsgarantien Dritter, beispielsweise der Eltern des Mieters, erwähnt). Der Einwand, es sei für die Sozialbehörde nicht zumutbar, die Garantie auch dann fortzuführen, wenn der Sozialhilfeempfänger wieder «auf eigenen Füssen stehe», zielt ins Leere. Denn wenn dies der Fall ist, wird die Garantie auch nicht beansprucht. Umgekehrt ist es stossend, dem Vermieter den Sozialhilfeempfänger durch eine Mietzinsga­ rantie als zumutbar erscheinen zu lassen und später die Garantie zu widerrufen. Umstritten ist ferner, ob der Vermieter bei zweifelhafter Zahlungsfähigkeit ver­ 16 langen darf, dass der Ersatzmieter eine Sicherheit leiste, obwohl mit dem bis­ herigen Mieter keine solche vereinbart worden war. Dagegen spricht wenig. Ist die Zahlungsfähigkeit nicht gegeben, ist nicht einzusehen, weshalb der Ver­ mieter den Abschluss des Vertrags nicht von einer solchen Sicherheit abhängig machen darf. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn er dartun kann, dass er bei der Vermietung seiner Wohnungen regelmässig eine Sicherheit verein­ bart und im streitigen Fall nur deshalb darauf verzichtet hatte, weil der auszie­ hende Mieter über ein besonders hohes Einkommen oder Vermögen verfügte. Unzulässig wäre demgegenüber das Bestehen auf einer Sicherheit, wenn die Zahlungsfähigkeit des Ersatzmieters nicht infrage steht (so auch Kley, Rück­ gabe, S. 266). Juristische Personen müssen ihre finanzielle Situation und ihre Zahlungsfähig­ 17 keit anhand ihrer Geschäftsbücher (Bilanzen, Erfolgsrechnung, Revisionsbe­ richte) der letzten 2 bis 3 Jahre sowie einen aktuellen Betreibungsregisteraus­

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zug offenlegen. Ist dies nicht möglich, weil es sich z.B. um eine neu gegründete Gesellschaft handelt, ist mangels Nachweis der Zahlungsfähigkeit die Zumut­ barkeit zu verneinen, wenn die Solvenz nicht anderweitig nachgewiesen wer­ den kann.

2.1.2 18

Zumutbarkeit für den Vermieter

Des Weiteren muss der Ersatzmieter zumutbar sein. Einigkeit herrscht da­rüber, dass der Vermieter durch die Regelung des Art.  264 OR nicht schlechterge­ stellt werden darf als bei einer ordentlichen Kündigung des Vertrages (BGE 117 II 156; Higi, ZK, N 26 zu Art. 264 OR). Bei der Prüfung der Zumutbar­ keit ist auf objektive Kriterien abzustellen. Massgeblich ist grundsätzlich die Sichtweise eines durchschnittlichen, vernünftig und korrekt denkenden Ver­ mieters. Dabei ist indessen auf die Interessenlage des konkreten Vermieters durchaus Rücksicht zu nehmen, was bereits aus dem Gesetzestext hervorgeht, der nicht einfach von einem zumutbaren Mieter spricht, sondern festhält, der neue Mieter müsse «für den Vermieter» zumutbar sein. Richtigerweise hat daher ein Ersatzmieter für den konkreten Vermieter dann als zumutbar zu gel­ ten, wenn sich ergibt, dass er ihn bei objektiver Betrachtung auch ausserhalb des Kontextes «vorzeitige Rückgabe» als neuen Mieter akzeptieren würde (Bät­ tig, Rückgabe, Ziff. 5.2, S. 178; Huber, Rückgabe, S. 69; so auch Higi, ZK, N 32 zu Art. 264 OR). Wessner, allgemeine Bestimmungen, S. 122, spricht daher zu Recht von legitimen Gründen, die den betreffenden Vermieter dazu berech­ tigen, einen Bewerber abzulehnen. Nach Higi (N  62 zu Art.  264 OR) muss der Ablehnungsgrund vernünftig sein. Gemäss Blum, Genossenschaftswoh­ nung, S. 114, muss der Vermieter einen «guten vernünftigen Grund» für die Ablehnung angeben. Abzulehnen ist daher die Auffassung von Kley, Rückgabe, S. 260, auch «legitime» Ablehnungsgründe des Vermieters seien «mit Blick auf Art. 264 OR unerheblich»; richtig ist umgekehrt ihre Aussage, für die Ableh­ nung müssten «triftige» Gründe vorliegen (a.a.O., S. 263). Zu weitgehend sind sodann die Auffassungen, ein Ersatzmieter könne bloss aus «wichtigen Grün­ den» abgelehnt werden (Bise/Planas, CPra, N  41 zu Art.  264 OR; Hulliger/ Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 264 OR) – jedenfalls soweit damit die in Art. 266g OR gemeinten sind; a.M. HAP-Immobiliarmietrecht/Fertig, Rz.  9.55, S. 384, der freilich aus der Formulierung in BGE 119 II 36, E. 3d: «en règle générale, un locataire de remplacement est acceptable, s’il n’y pas de juste motifs de reje­ ter sa candidature» zu Unrecht eine absolute Regel ableitet, was ebenso falsch ist, wie umgekehrt auch die Einkommensdrittel-Regel eben nur eine Faustre­ gel ist). Der Gesetzestext verweist nicht auf wichtige Gründe. Der französische Text lautet: «… un nouveau locataire que le bailleur ne puisse raisonnablement 500

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refuser»; die italienische Formulierung lautet gleich: «… un nuovo conduttore solvibile che non possa essere ragionevolmente rifiutato dal locatore». Es müs­ sen daher vernünftige Gründe vorliegen, damit der Vermieter einen Ersatz­ mieter als «objektiv unzumutbar» im Sinne des deutschsprachigen Wortlau­ tes ablehnen kann. Diese Ablehnungsgründe sind freilich detailliert und differenziert darzulegen – 19 pauschale Begründungen (keine Ausländer, keine Familie mit Kindern etc.) genügen nicht. Auch «keine Asylbewerber» ist untauglich, aber das Bundes­ gericht, das in einem Urteil vom 7.  März 1995 (auszugsweise publiziert, in: mp 3/97, S. 155, welches anders als von Weber, BSK, N 4 vermutet, nicht Teil eines ansonsten amtlich publizierten Entscheides vom gleichen Tag ist) diesen Ablehnungsgrund im Ergebnis verworfen hat, begründet ausführlich und dif­ ferenziert, weshalb im konkreten Fall gegen die seit zwei Jahren in der Schweiz wohnhaften und berufstätigen und damit in einer stabilen Situation lebenden Mieter keine zureichenden Ablehnungsgründe vorlägen, zumal nach den Fest­ stellungen der Vorinstanz mit einer Abweisung des Asylgesuches oder einer Ausweisung in nächster Zeit nicht zu rechnen sei. Mit anderen Worten: Der Vermieter hat detailliert und auf den konkreten Fall 20 bezogen darzulegen, weshalb ihm der Abschluss des Mietvertrages mit dem Ersatzmieter vernünftigerweise nicht zugemutet werden kann (vgl. die Bei­ spiele bei Bättig, Rückgabe, S. 178). Der Kommentator kann in diesem Zusammenhang die Bemerkung nicht 21 unterdrücken, dass die Bestimmung von Art. 264 OR mitentscheidend für die sozialpolitisch nachteilige Fehlallokation preisgünstigen Wohnraums verant­ wortlich ist. Denn meist stellen sich in der Praxis die Fragen der Zahlungsfä­ higkeit und Zumutbarkeit der Ersatzmieter gar nicht, weil ohnehin nur Interes­ senten in Betracht fallen, die in der Lage sind, die Wohnung kurzfristig mieten zu können und mehrere Mietzinse ihrer bisherigen Wohnung bis zum ordent­ lichen Kündigungstermin à-fonds-perdu zu bezahlen und erneut eine Sicher­ heit zu finanzieren, da diejenige aus dem bisherigen Mietverhältnis noch wäh­ rend geraumer Zeit nicht zurückerstattet wird. Dies können in aller Regel nur eher habliche und liquide Interessenten, derweil wirtschaftlich Schwache dazu von vornherein nicht in der Lage sind. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb ein Vermieter nicht auch einwenden darf, die 5-Zimmer-Wohnung nur einer Familie mit Kindern vermieten zu wollen und daher den alleinstehenden Sin­ gle ablehnen kann.

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Die Beweislast für die Zumutbarkeit des Ersatzmieters liegt beim ausziehen­ den Mieter (Art. 8 ZGB; Higi, ZK, N 67 zu Art. 264 OR; MfdP/Spirig, N 28.2.6; Kley, Rückgabe, S. 268). Die vorstehend genannten Sachbehauptungen des Ver­ mieters erfolgen im Rahmen des entsprechenden Beweisverfahrens, das sich in aller Regel zeitlich nach der Neuvermietung abspielt, weshalb die Glaubwür­ digkeit der Behauptungen des Vermieters auch daran gemessen werden kann, wem er die Wohnung anschliessend tatsächlich vermietet hat (einer Familie mit Kindern, einem Mieter mit bescheidenem Einkommen usw.). Die blosse Vermutung, die vorgebrachten Ablehnungsgründe seien reine Schutzbehaup­ tungen bzw. «unvernünftig» (zum Letzteren die Ausführungen in HAP-Immo­ biliarmietrecht/Fertig, Rz. 9.53, S. 383) kann so widerlegt oder umgekehrt die zur Ablehnung herangezogenen Gründe als wenig stichhaltig entlarvt werden (vgl. den in HAP-Immobiliarmietrecht/Fertig, Rz. 9.67, S. 387, erwähnten Fall, wo die bewilligungspflichtige Tierhaltung als Ablehnungsgrund genannt, die Wohnung anschliessend aber trotzdem an eine Mieterin mit Katze vermietet worden war).

2.2 23

Keine Pflicht des Vermieters zum Vertragsschluss

Unbestritten ist, dass der Vermieter unbesehen um die Zumutbarkeit eines Ersatzmieters nicht verpflichtet werden kann, einen Vertrag mit diesem abzu­ schliessen (Kley, Rückgabe, S. 276 und 271; Weber, BSK, N 8 zu Art. 264 OR, mit weiteren Hinweisen; vgl. auch N 42). Einzige Folge der ungerechtfertigen Ablehnung des Ersatzmieters ist die Befreiung von den vertraglichen Pflichten des ausziehenden Mieters auf den Zeitpunkt, auf welchen der Ersatzmieter das Mietobjekt übernommen hätte.

3.

Zeitpunkt der Befreiung

3.1 Grundsatz 24

Unabdingbare Voraussetzung der Befreiung ist in jedem Fall die vollständige Rückgabe des Mietobjektes durch den ausziehenden Mieter  – so schon der Gesetzwortlaut «gibt der Mieter die Sache zurück» (so bereits Higi, ZK, N 21 zu Art. 264 OR). Das Bundesgericht hat die Frage mit Urteil 4A_220/2008 vom 7.8.2008, in MRA 4/08, S. 180, geklärt. Solange diese Rückgabe nicht erfolgt ist, haftet der Mieter unabhängig davon, ob ein Ersatzmieter die Sache bereits auf einen früheren Zeitpunkt übernommen hätte, weiterhin für Mietzins und die übrigen Verpflichtungen aus dem Vertrag. 502

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Die blosse Räumung des Mietobjektes genügt daher nicht und erst recht nicht 25 das Angebot des Mieters, die Sache zurückzugeben. Weigert sich der Vermie­ ter, die Sache zurückzunehmen, befindet er sich im Annahmeverzug. Diesfalls hat der Mieter die Möglichkeit, die Schlüssel «nach den Vorgaben von Art. 92 Abs.  1 OR» zu hinterlegen (Urteil des Bundesgerichts 4A_220/2008 vom 7.8.2008, E. 3). Nach herrschender Lehre kann der Mieter (sämtliche) Schlüssel stattdessen auch direkt dem Vermieter zustellen (MfdP/Spirig, N 28.2.5; Weber, BSK, N 3 zu Art. 264 OR; Bättig, Rückgabe, S. 125; HAP-Immobiliarmietrecht/ Fertig, Rz. 9.92, S. 394 ebenso Koller, Rechtsbehelfe, S. 212; so auch das Bun­ desgericht im Urteil vom 17. Februar 1998, in: mp 4/98, S. 182). Will der Mie­ ter einen Schlüssel zurückbehalten – z.B. um die Wohnung weiterhin Mietin­ teressenten zeigen zu können, bedarf es der entsprechenden Zustimmung des Vermieters (MfdP/Spirig, N 28.2.5; Weber, BSK, N 3 zu Art. 264 OR). Die Auf­ fassung, wonach die Rückgabe auch ohne Übergabe sämtlicher Schlüssel gül­ tig erfolgt (Kley, Rückgabe, S. 261) bzw. der Mieter auch ohne Zustimmung des Vermieters einen Schlüssel zurückbehalten darf (Kley, Rückgabe, S. 261; gl.M. offenbar auch HAP-Immobiliarmietrecht/Fertig, Rz.  9.97, S.  395), ist  – schon wegen der Frage, wie es diesfalls sich mit der Haftung für Mängel ver­ hält – abzulehnen. Richtig ist vielmehr die Auffassung von Weber, BSK N 3 zu Art.  264 OR, der auf die Pflicht des Mieters hinweist, den Vermieter auf allfällig abhandengekommene Schlüssel hinzuweisen. Nicht unproblematisch ist das Urteil des OGer Luzern vom 12. Dezember 2012, in: mp 4/12, S. 280, wonach die Rückgabe eines einzigen Schlüssels genügen soll, wenn die übrigen Schlüssel im Mietobjekt selber deponiert werden; wie der Mieter das bewei­ sen will, wenn der Vermieter es bestreitet, ist schleierhaft; korrekt erscheint demgegenüber das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 9. Januar 2013, in: mp 4/13, S. 302, wo der Vermieter davon ausging, sämtliche Schlüssel zurückerhalten zu haben und erst nach der Ausfertigung des Abnahmeproto­ kolls merkte, dass einer gefehlt hatte.

3.2

Rücknahmeobliegenheit des Vermieters

Logische Folge des erwähnten Urteils des Bundesgerichts 4A_220/2008 vom 26 7.8.2008 ist, dass der Mieter zurückgeben muss, wenn er befreit sein will und demgemäss und konsequenterweise auch der Vermieter zur Rücknahme ver­ pflichtet ist. Dieser Ansicht ist auch die Lehre (Kley, Rückgabe, S. 276 und 271; Weber, BSK, N 8 zu Art. 264 OR, mit weiteren Hinweisen; Bise/Planas, CPra, N 13 ff. zu Art. 264 OR; Koller, Rechtsbehelfe, S. 211; im Ergebnis gleich auch HAP-Immobiliarmietrecht/Fertig, Rz. 9.91, der einschränkt, wenigstens in der

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Praxis werde das uneingeschränkte Rückgaberecht weitgehend anerkannt und sei bestenfalls dort eingeschränkt, wo ausnahmsweise eine Gebrauchspflicht vereinbart worden sei, z.B. bei Einkaufszentren). Gleicher Meinung war grund­ sätzlich bereits Bättig, Rückgabe, S. 131, dessen Unbehagen (vgl. Weber, BSK, N  7 zu Art.  264 OR) sich nicht auf die dogmatische Frage, sondern auf die Gefahr taktischer Schachzüge der Parteien und die bisweilen bizarre Praxis von Schlichtungsbehörden und unteren Gerichtsinstanzen bezog (vgl. Bättig, Rückgabe, S.  131). Eine eindeutige bundesgerichtliche Feststellung über die Rücknahmepflicht bzw. -obliegenheit des Vermieters steht freilich noch aus. 27

Von Bedeutung ist der Umstand, dass und wann die Rückgabe erfolgt, deshalb, weil der Vermieter diesfalls gehalten ist, die Sache ohne Verzug zu prüfen und Mängel, für die er den Mieter verantwortlich machen will, sofort zu melden. Versäumt er dies, verwirkt er sämtliche Mängelrechte (Art. 267a Abs. 1 OR). Das gilt auch bei der vorzeitigen Rückgabe, wobei die kurze Frist, die der Ver­ mieter diesfalls einhalten muss, angemessen zu verlängern ist, wenn der Mieter ihm die Schlüssel per Post zustellt. Schon aus diesem Grund ist der Vermieter gut beraten, wenn er sich der Rückgabe nicht widersetzt und gleichzeitig dem Mieter mitteilt, welche rechtlichen Folgen damit verbunden sind (vgl. in die­ sem Zusammenhang die Musterformulierung bei Bättig, Rückgabe, S. 131 f.).

3.3

Ankündigung der vorzeitigen Rückgabe

28

Der Zeitpunkt der Rückgabe ist damit zunächst einmal der frühestmögliche Termin, auf den die Pflichten aus dem Mietvertrag enden.

29

Spätester Termin für diese Befreiung von den vertraglichen Pflichten ist der Termin, auf den das Mietverhältnis gemäss Vertrag im Zeitpunkt der Rückgabe gekündigt werden könnte, also beim unbefristeten Wohnungsmietverhältnis regelmässig ein mindestens drei Monate entfernt liegendes Monatsende (Bei­ spiel: Die Rückgabe erfolgt am 13. März, ordentlich kündbar wäre das Mietver­ hältnis demnach auf Ende Juni.).

30

Umstritten ist, ob und unter welchen Voraussetzungen diese Frist verkürzt wird, wenn der Mieter bereits vor der Rückgabe dem Vermieter die vorzeitige Rückgabe angekündigt hatte (beispielsweise hatte er im obigen Fall bereits am 23.  Dezember mitgeteilt, Ende Februar vorzeitig zurückzugeben). Verschie­ dene Autorschaften sind der Meinung, diese Mitteilung sei erstens an keine Form gebunden und führe zweitens dazu, das Mietverhältnis ende bereits drei Monate nach dieser Mitteilung, also am 31. März. Dass die Ankündigung der vorzeitigen Rückgabe formlos erfolgen kann, ergibt sich schon daraus, dass das 504

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Gesetz keine Form hiefür vorsieht; mündliche Bekanntgabe genügt daher, falls sie später auch bewiesen werden kann. Nur darf diese Ankündigung nicht mit der Rückgabe verwechselt werden. Genau das tut aber beispielsweise MfdP/ Spirig, N  28.2.4, indem ausgeführt wird, bereits diese (formlose) Rückgabe­ erklärung bestimme den massgeblichen nächstmöglichen Kündigungstermin (ebenso Kley, Rückgabe, S. 260; HAP-Immobiliarmietrecht/Fertig, Rz.  9.98, S. 395, hält einerseits eine [auch bloss formlose] Erklärung für zwingend gebo­ ten; anderseits vertritt er die Auffassung, bereits diese Erklärung bewirke zusammen mit der vorzeitigen Rückgabe selber eine wirksame Beendigung des Mietverhältnisses, die diesfalls nicht an die Formvorschriften einer Kündi­ gung geknüpft sei). Einigkeit scheint darüber zu bestehen, dass die Erklärung (recte: Ankündigung der Rückgabe) von allen Mietern ausgehen muss und bei Familienwohnungen auch vom Ehegatten oder dem eingetragenen Partner (vgl. statt vieler: MfdP/Spirig, N 28.2.4; Koller, Rechtsbehelfe, S. 212; zustim­ mend auch HAP-Immobiliarmietrecht/Fertig, Rz. 9.99, S. 396, der von einer «analogen Anwendung der Bestimmungen von Art. 266» spricht). Nach rich­ tiger Auffassung kann die Ankündigung der vorzeitigen Rückgabe den Beginn der Frist, während welcher der ausziehende Mieter längstens für die mietver­ traglichen Pflichten haftet, nur dann verbindlich festlegen, wenn sie gleichzei­ tig als formgültige Kündigung ausgesprochen wird, also: «Wir kündigen das Mietverhältnis per 28. Februar, Unterschriften Mieter und Ehegatte/eingetra­ gener Partner.» Das ergibt sich schon aus dem Umstand, dass auch eine Ankündigung einer 31 vorzeitigen Rückgabe denkbar ist, welche – falls die Suche nach einem zumut­ baren Ersatzmieter scheitert, eben gerade nicht zu einer Beendigung des Miet­ verhältnisses führen soll. «Gibt der Mieter in der Folge das Mietobjekt nicht zurück, bleibt der bisherige Mietvertrag bestehen» (HAP-Immobiliarmiet­ recht/Fertig, Rz.  9.103, S.  396). Diesfalls hat man es mit einer unzulässigen (suspensiv) bedingten Kündigung zu tun: «Ich kündige, falls ich einen zumut­ baren Ersatzmieter finde.» Wenn sich der Mieter solches vorbehält, hat er es unmissverständlich darzutun. Nur muss er  – falls die Suche scheitert  – den Mietvertrag weiterführen bzw. wenn er es sich erneut anders überlegt, noch­ mals ordentlich kündigen. Erfolgt die Ankündigung formlos und/oder ohne, dass der Ehegatte des Mieters ausdrücklich zustimmt, so wird die Frist, wäh­ rend der der Mieter für seine vertraglichen Pflichten weiter haftet, erst im Zeit­ punkt der Rückgabe ausgelöst – so lautet auch der Wortlaut von Art. 264 OR. Denn der Vermieter kann diesfalls nicht ohne Risiko erklären, er sei mit der vorzeitigen Rückgabe einverstanden und entlasse den Mieter auf diesen Ter­ min. Dass dieses Risiko im Mietrechtsalltag gering sein mag, ändert daran Hans Bättig

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nichts. Denn auch die Fälle, in denen ein Ehegatte die Familienwohnung ohne die ausdrückliche Zustimmung des anderen kündigt und dadurch die Gemeinschaft treuwidrig gefährdet, sind extrem selten, was aber den Gesetz­ geber trotzdem dazu bewogen hat, die Kündigung als nichtig zu erklären, wenn diese Zustimmung fehlt, und damit in Kauf genommen hat, dass solch nichtige Kündigungen (von Vermietern wie Mietern) weit zahlreicher sind als die tat­ sächliche Zahl der (eherechtlich) treuwidrigen Vertragsauflösungen. Erst nach erfolgter Räumung und Rückgabe (die beispielsweise während der Auslands­ abwesenheit der nichtsahnenden Ehefrau erfolgte) ist ein Protest des Ehegat­ ten oder nicht einverstandener Mitmieter nicht mehr zu hören, auch wenn sich ergibt, dass seine Zustimmung fehlte (so auch HAP-Immobiliarmietrecht/Fer­ tig, Rz.  9.102, S. 396). Der Einwand, der Vermieter könne bei unklaren Ver­ hältnissen nachfragen, sticht nicht. Denn wenn Rechtsprechung und Lehre zu Recht eine unmissverständliche Erklärung für die vorzeitige Rückgabe verlan­ gen, geht es nicht an, auch die missverständliche gelten zu lassen und diesfalls eine «Frageobliegenheit» des Vermieters zu postulieren. 32

In der Praxis kündigen vorsichtige oder rechtlich unerfahrene Mieter zusam­ men mit der Ankündigung der vorzeitigen Rückgabe häufig erst auf den ordentlichen Kündigungstermin, weil sie nicht erkennen, dass auch eine Kün­ digung auf den früheren Termin von Gesetzes wegen (Art. 266a OR) spätestens auf diesen ordentlichen Termin wirksam wird. Das schadet ihnen nicht. Die gegenteilige Auffassung von Weber, BSK, N 7a zu Art. 264 OR, diesfalls trete der Ersatzmieter in ein gekündigtes Mietverhältnis ein und könne bloss bis zum ordentlichen Kündigungstermin verbleiben, ist abwegig und eine solche Auslegung der Kündigungserklärung mit Treu und Glauben unvereinbar (so auch Hulliger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 264 OR, wobei deren Bemerkung, es handle sich eben gerade nicht um eine eigentliche Kündigung missverständ­ lich und nach der hier vertretenen Auffassung sogar falsch ist; denn in Wahr­ heit ist und muss es eine sein, wenn die Befreiung des Mieters auf den Kündi­ gungstermin endgültig sein soll).

33

Anders präsentieren sich die Verhältnisse bei befristeten Mietverträgen, deren erstmöglicher Kündigungstermin noch Jahre entfernt ist. Hier ist eine Kün­ digung weder erforderlich, weil sie  – falls die Suche nach einem Ersatzmie­ ter scheitert – später ohne Rechtsverlust nachgeholt werden kann noch ist sie sinnvoll, weil kaum anzunehmen ist, dass der bisherige Mieter ausziehen und den Mietzins während Jahren weiter entrichten wird. Dass in diesen Fällen bisweilen eine Kündigung aus wichtigem Grund (Art.  266g OR) ausgespro­ chen wird, ist nachvollziehbar, weil der Mieter diesfalls die Möglichkeit hat, das

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Vorliegen von wichtigen Gründen darzutun, die ihm auch ohne Stellung eines Ersatzmieters die Auflösung des Mietvertrages gestatten (vgl. HAP-Immobi­ liarmietrecht/Fertig, Rz. 9.104, S.397; Kley, Rückgabe, S. 259). Zwar sind die Erfolgsaussichten angesichts der strengen bundesgerichtlichen Anforderun­ gen nicht sehr gross. Aber das Umgekehrte, die Umdeutung einer vorzeiti­ gen Rückgabe in eine Kündigung nach Art. 266g OR, ist nicht möglich (HAPImmobiliarmietrecht/Fertig, Rz. 9.105) oder jedenfalls nicht auf den Zeitpunkt der gewünschten Rückgabe; vielmehr muss diesfalls erneut bzw. formell neu gekündigt werden. Der guten Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass eine Pflicht zur Ankün­ 34 digung der vorzeitigen Rückgabe oder die Einhaltung einer Mindestankündi­ gungsfrist nicht besteht. Wohl liegt es im Interesse des Mieters, die vorzeitige Rückgabe so früh wie möglich anzukündigen. Aber es ist denkbar und kommt in seltenen Fällen vor, dass der Mieter den Vermieter orientiert, das Mietob­ jekt sei bereits geräumt und einen Rückgabetermin vorschlägt. Dass er dies­ falls nicht erwarten darf, dass der Vermieter auf wenige Tage hinaus Hand zu einer Rückgabe bietet, ist verständlich. Abgesehen von dieser zusätzlichen zeit­ lichen Verzögerung entsteht dem Mieter aber kein Nachteil. Insbesondere wäre es unzulässig, dass sich ein Vermieter darauf beruft, die vorzeitige Rückgabe sei mindestens 30 Tage im Voraus anzukündigen. Denn damit verwechselt er die Prüfungfrist, die im Regelfall für die Abklärung der Zumutbarkeit von Ersatz­ mietern zur Verfügung steht (vgl. N 37) mit derjenigen (kürzeren) Frist, die ihm zusteht, um sich auf die Rücknahme der Sache vorzubereiten und gegebe­ nenfalls einen Wohnungsexperten aufzubieten.

4.

Stellung eines Ersatzmieters

Es ist – wie bereits aus dem Gesetzeswortlaut hervorgeht – Sache des Mieters, 35 einen Ersatzmieter zu suchen und dem Vermieter vorzuschlagen; der Vermieter ist grundsätzlich zu eigenen Suchbemühungen nicht verpflichtet (vgl. statt vie­ ler: Higi, ZK, N 30 zu Art. 264 OR, mit weiteren Hinweisen; ebenso MfdP/Spi­ rig, N 28.2.12.1). Zu eigenen Suchbemühungen ist er erst verpflichtet, wenn ein weiteres Untätigbleiben gegen Treu und Glauben verstossen würde (vgl. dazu ausführlich Bättig, Rückgabe, Ziff. 10, S. 192 ff.). Solch treuwidriges Zuwarten ist nicht leichthin anzunehmen; denn man wird von ihm kaum mehr erwarten dürfen als vom ausziehenden Mieter, zumal bei seiner Schadensminderungs­ pflicht gemäss Art. 264 Abs. 3 Buchst. b OR bloss absichtlich Unterlassenes zu berücksichtigen ist. So erachtet es das Bundesgericht als ausreichend, wenn der

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Vermieter durchschnittlich einmal pro Monat inseriert und die Erscheinungs­ daten der Inserate im Hinblick auf die ortsüblichen Kündigungstermine aus­ wählt (Urteile des Bundesgerichts 4C.171/2005 vom 31. August 2005, E. 4.2; 4C.118/2002 vom 19. August 2002, E. 3.3; MRA 1/03, S. 9; 4C.387/1997 vom 29. September 1998, E. 2a; MRA 1/99, S. 21, und in: Pra 1999, Nr. 54, S. 315; Higi, ZK, N 30 f. und 80 ff. zu Art. 264 OR). Die dem Vermieter dadurch ent­ stehenden Insertionskosten sind vom Mieter zu bezahlen (Higi, ZK, N 73 zu Art. 264 OR, mit Verweis auf BGE 116 II 444 f.). 36

Den Beweis, dass die Unterlassung eigener Suchbemühungen des Vermieters treuwidrig war, hat der Mieter zu erbringen, der überdies auch beweisen muss, dass sie erfolgreich gewesen wären bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Erfolg geführt hätten, was insofern nicht einfach sein wird, weil er selber ja ebenfalls keinen Ersatzmieter gefunden hatte.

4.1 37

Prüfung der Ersatzmieter

Zur Überprüfung sowie zur Auswahl des Ersatzmieters muss dem Vermie­ ter eine angemessene Zeit eingeräumt werden. Diese Frist beträgt regelmässig einen Monat (ZMP, 2/96, Nr. 15, 3/91, Nr. 27 und 1/92, Nr. 3; Higi, ZK, N 48 zu Art. 264 OR). Die Auffassung, bei Wohnungsmietverhältnissen reichten 10–20 Tage regelmässig aus (MfdP/Spirig, N 28.2.11), ist – von Ausnahmefällen abge­ sehen – lebensfremd (vgl. dazu ausführlich Bättig, Rückgabe, S. 182 f.) Auch diesbezüglich ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen. Ins­ besondere ist zu differenzieren, ob der Vermieter eine professionelle Verwal­ tung oder eine Privatperson ist, die für nötige Abklärungen allenfalls mehr Zeit benötigt (Urteil des Bundesgerichts 4C.129/1999 vom 5. Oktober 1999, E. 2a, in: mp 1/00, S. 32 ff.; mp 3/97, S. 163 ff.; Heinrich, SK, N 5 zu Art. 264 OR). Was umgekehrt nicht angeht, ist längeres Untätigbleiben, weil die Regelfrist ja 30 Tage betrage. Grundsätzlich ist die Prüfung eines Ersatzmieters ohne Ver­ zug an die Hand zu nehmen, sobald die notwendigen Unterlagen vorliegen. Wenn Weber, BSK, N 5 zu Art. 264 OR, verlangt, mit dieser Prüfung sei bereits vorher anzufangen, wäre zu erwarten, dass ausgeführt wird, wie denn eine sol­ che Prüfung ohne sachdienliche Unterlagen (zumindest ohne vollständig aus­ gefülltes Bewerbungsformular und ohne Betreibungsregisterauszug) vonstat­ tengehen soll; denn es ist nicht am Vermieter, selber nachzuforschen, sondern die Zumutbarkeit und Solvenz anhand der vom Mietinteressenten bzw. dem ausziehenden Mieter gelieferten Angaben zu prüfen (gl.M. Koller, Rechtsbe­ helfe, 219 f.).

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4.2

Orientierung über die Prüfung

Weit eher dürfte dem Vermieter zum Nachteil gereichen, wenn er den Mieter 38 über seine Prüfung nicht oder zu spät orientiert. Wer dem Mieter, der meh­ rere Ersatzmieter vorgeschlagen hatte, erst bei der Rückgabe erklärt, diese hät­ ten entweder abgesagt, sich gar nicht mehr gemeldet, wird sich vorwerfen las­ sen müssen, den Mieter in falscher Sicherheit gewiegt zu haben. Erweist sich ein Ersatzmieter als untauglich, sagt er ab oder reagiert er nicht auf Telefonan­ rufe oder Mails, ist der ausziehende Mieter innert nützlicher Frist zu orientie­ ren, damit er allenfalls weitere Suchbemühungen unternehmen kann (vgl. aus­ führlich Bättig, Rückgabe, Ziff. 7, S. 182 ff.). Huber, Rückgabe, Rz. 252, S. 111 f., postuliert diesfalls lediglich eine Beweislastumkehr, wonach jetzt der Vermie­ ter die Unzumutbarkeit der Ersatzmieter darzutun habe. Das wird in der Praxis freilich nur dort gelten, wo der Zeitpunkt der ordentlichen Vertragsbeendigung relativ weit entfernt liegt. Stehen hingegen im konkreten Fall die gesetzlichen Mindestfristen in Rede, so ist der Vermieter ohnehin berechtigt, die Sache auf den ordentlichen Termin zu vermieten, falls sich die vom Mieter genannten Ersatzmieter als unzumutbar erweisen oder zum Vertragsschluss nicht bereit sind (vgl. Näheres in N 56).

5.

Übernahme zu gleichen Bedingungen

Der Ersatzmieter muss bereit sein, die Sache zu gleichen Bedingungen zu 39 übernehmen. Der Vermieter kann von ihm nicht mehr oder anderes verlangen, als was der bestehende Mietvertrag vorsieht. Tut er es dennoch, ist der auszie­ hende Mieter befreit, sofern der Ersatzmieter wegen der geänderten Bedingun­ gen den Vertragsschluss ablehnt. Akzeptiert er hingegen die Bedingungen des Vermieters, so kann dies den ausziehenden Mieter nicht kümmern, da er dies­ falls ja ebenfalls von weiteren Mietzinszahlungen befreit ist. Umgekehrt kann der Ersatzmieter ebenso wenig andere Bedingungen für die Übernahme stel­ len, beispielsweise eine Änderung des Verwendungszwecks oder Erneuerungs­ arbeiten bzw. zusätzliche Einrichtungen (z.B. den Einbau einer Geschirrspül­ maschine). Kein tauglicher Ersatzmieter ist derjenige, der die Vermietung zu einem tieferen Mietzins verlangt (BGE 117 II 156; Higi, ZK, N 41 zu Art. 264 OR). Die Auffassung, in besonderen Fällen sei dem Vermieter die Weiterver­ mietung zu einem tieferen Mietzins zuzumuten, geht fehl, und zwar auch dann, wenn der ausziehende Mieter bereit ist, die Differenz bis zum ordentlichen Kündigungstermin zu übernehmen. Das gilt auch dann, wenn der nächste ordentliche Kündigungstermin noch Jahre entfernt liegt, weil in diesem Fall Hans Bättig

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erst recht nicht gesagt werden kann, ob der aktuelle Mietzins, auch wenn er am Markt im Moment nicht erreicht werden kann, sich auch in ein paar Jah­ ren noch als zu hoch erweisen wird (vgl. auch N 46). 40

Akzeptiert der Vermieter einen Ersatzmieter oder erklärt er sich von vornher­ ein mit der Auflösung auf den Termin der vorzeitigen Rückgabe einverstan­ den, ist der ausziehende Mieter auf diesen Zeitpunkt von seinen vertraglichen Pflichten befreit, was kaum näher begründet zu werden braucht. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Ersatzmieter den bestehenden Mietvertrag tel quel über­ nimmt, was in der Praxis eher selten und aus verschiedenen Gründen kaum empfehlenswert ist (Bättig, Rückgabe, Ziff. 8, S. 188 f.) oder ob zwischen ihm und dem Vermieter ein neuer Vertrag abgeschlossen wird. Gleiches gilt nach Art. 264 OR, wenn der Vermieter den vorgeschlagenen Ersatzmieter ohne trif­ tigen Grund ablehnt, seine Prüfungsobliegenheit überhaupt nicht oder viel zu spät wahrnimmt. Auch in diesen Fällen verliert er seine Ansprüche gegen den ausziehenden Mieter.

41

Unter der Voraussetzung, dass ein zumutbarer Ersatzmieter gestellt wurde, beendet die vorzeitige Rückgabe der Mietsache nicht nur die Mietzinszahlungspflicht des ausziehenden Mieters, sondern auch die übrigen Pflichten aus dem Mietvertrag (wie z.B. Lüften des Mietobjekts, allfälliger Gartenunter­ halt etc.).

42

Die Übertragung des bestehenden Mietvertrags auf einen Ersatzmieter kann vom bisherigen Mieter gemäss Art. 264 OR – anders als bei der Übertragung des Mietverhältnisses im Sinn von Art. 263 OR – nicht verlangt werden (Weber, BSK, N 9 zu Art. 263 OR). Auf eine Übertragung im Sinne von Art. 263 OR hat er indessen ohne Zustimmung des Vermieters von vornherein nur bei der Geschäftsmiete Anspruch. Das bedeutet nicht, dass die Übertragung von Wohnmietverhältnissen nicht zulässig wäre; mit Zustimmung des Vermieters ist sie es selbstverständlich auch, wobei dieser die Zustimmung ohne Angabe von Gründen verweigern kann. Akzeptiert der Vermieter den vom bisherigen Mieter ausdrücklich gewünschten Ersatzmieter, der beispielsweise im Gegen­ satz zu anderen Interessenten bereit ist, vom Mieter getätigte Erneuerungen gegen Entgelt zu übernehmen, so kann statt einer blossen Befreiung des Ersatz­ mieters von seinen Vertragspflichten auch eine Übertragung des Mietverhält­ nisses vereinbart werden. Diesfalls findet «bloss» ein Parteiwechsel statt, d.h., der neue Mieter tritt mit allen Rechten und Pflichten an die Stelle des bisheri­ gen Mieters, und er führt den Mietvertrag mit ihm fort (Art. 263 OR; Huber, Rückgabe, S. 124 und 186; Higi, ZK, N 40 zu Art. 264 OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 264 OR, die grundsätzlich vom Abschluss eines neuen Miet­ 510

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vertrages ausgehen und eine Übertragung richtigerweise nur dann annehmen, wenn die Parteien ausdrücklich eine solche vereinbaren). Stimmen alle drei (Vermieter, bisheriger und neuer Mieter) einer solchen Übertragung zu, ist eine solche nach dem Gesagten zulässig. Dem ausziehenden Mieter bringt sie Vorteile, weil er für Einrichtungen entschädigt wird, die andernfalls gemäss bisherigem Vertrag rückgängig zu machen wären; für den neuen Mieter, der diese Einrichtungen übernehmen will, ist die Form der Übertragung ebenfalls dienlich, und der Vermieter wird ihr zustimmen, weil ihm so Ansprüche, die aus dem alten Vertrag gegenüber dem bisherigen Mieter bestanden, dadurch auch dem neuen gegenüber weiter bestehen. Die Auffassung von Kley, Rück­ gabe, S. 270, diesfalls sei der ausziehende Mieter trotzdem endgültig von sei­ nen Verpflichtungen befreit, ist abzulehnen. Denn er profitiert erheblich davon, dass der Vermieter ohne dazu verpflichtet zu sein, zu einer Übertragung Hand bietet. Im Gegenzug ist es angemessen, wenn diesfalls auch die auf maximal 2 Jahre begrenzte Solidarhaftung entsteht, die Art. 263 OR von Gesetzes wegen vorsieht. Er haftet daher – ausser die Übertragungsvereinbarung sehe Abwei­ chendes vor – auch bei der Übertragung eines Wohnungsmietverhältnisses für die gesetzlich vorgesehene Maximaldauer solidarisch für die Verpflichtungen des neuen Mieters. Unter dem Begriff «gleiche Bedingungen» ist insbesondere zu verstehen, dass 43 der Vermieter vom vorgeschlagenen Ersatzmieter grundsätzlich den gleichen Mietzins verlangen darf (BGE 117 II 156). Verlangt der Vermieter einen höhe­ ren Mietzins oder andere, ungünstigere Bedingungen, was ihm grundsätzlich unbenommen ist und akzeptiert der ansonsten taugliche Ersatzmieter aus die­ sem Grund den Mietvertrag nicht, so ist der Mieter befreit. Plant der Vermieter auf den nächsten vertraglichen Termin eine Mietzinser­ 44 höhung, die nach Massgabe der Missbrauchskriterien zulässig ist (z.B. infolge fast abgeschlossener Renovationsarbeiten, infolge Hypothekarzinssteigerung etc.), so darf ihm kein Nachteil daraus entstehen, dass er dem Nachfolgemie­ ter dies schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt gibt. Zu dieser Bekanntgabe ist der Vermieter schon gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) berechtigt, und er verletzt seine Schadensminderungspflicht (vgl. dazu N  5) gegenüber dem Mieter nicht. Ein vom ausziehenden Mieter angebotener Ersatzmieter, der wegen der (gerechtfertigten) bevorste­ henden Mietzinserhöhung den Vertragsabschluss prinzipiell ablehnt, ist daher nicht als «zumutbar» zu betrachten, da er nicht bereit ist, den Vertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen. Allerdings stehen dem Ersatzmieter die gleichen Rechtsbehelfe zu wie dem ausziehenden Mieter, d.h., er muss eine

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sofortige Mietzinserhöhung nicht akzeptieren, und es bleibt ihm unbenom­ men, eine Mietzinserhöhung im Rahmen der Missbrauchsgesetzgebung anzu­ fechten (Huber, Rückgabe, S. 63 ff.). 45

Beabsichtigt der Vermieter, das Mietverhältnis auf den nächsten Termin zu kündigen, weil eine Sanierung der Liegenschaft bevorsteht oder weil er für die Wohnung Eigenbedarf geltend macht, so kann er diese Absicht dem vorge­ schlagenen Ersatzmieter bekannt geben. Lehnt dieser wegen der bevorstehen­ den Kündigung die Übernahme des Mietverhältnisses ab, so hat der Mieter daraus die Konsequenzen zu tragen. Auch hier fehlt es an der Bereitschaft des Ersatzmieters, den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen, weil auch dem bisherigen Mieter gekündigt worden wäre. Anders wird es sich nur dort verhalten, wo der Vermieter seine Kündigungsabsicht ausschliess­ lich deshalb kundtut bzw. vorschiebt, um den zumutbaren Ersatzmieter nicht akzeptieren zu müssen.

46

Der Vermieter verliert seine Rechte aus Art. 264 OR gegen den Mieter sodann erst recht nicht, wenn dessen Bemühungen scheitern, einen geeigneten Nach­ folger zu finden. Gleiches gilt, wenn der vom vorzeitig ausziehenden Mieter vorgeschlagene Nachfolger dem Vermieter einen tieferen Mietzins offeriert. Das Bundesgericht hat es in BGE 117 II 160, E. 3b, offengelassen, ob der Ver­ mieter gestützt auf Art. 264 Abs. 1 OR auch einen Ersatzmieter ablehnen darf, der nur einen geringfügig tieferen Mietzins zu zahlen bereit ist, hat aber im Grundsatz festgehalten, dass ein Ersatzmieter, der weniger Mietzins als der bis­ herige Mieter bezahlen will, vom Vermieter abgelehnt werden darf.

47

Dabei genügt es auch nicht, wenn der bisherige Mieter sich bereit erklärt, die Mietzinsdifferenz zu bezahlen (BGE 117 II 160, E. 3b; MRA 5/97, S. 205; mp, 4/98, S.  178  ff.). Die Auffassung, in Ausnahmefällen sei ein Ersatzmieter zu schlechteren Konditionen zu akzeptieren, wenn das Mietobjekt offensichtlich auch auf längere Sicht hinaus nicht mehr zu den alten Bedingungen vermietet werden könne und die verbleibende Restdauer sehr lange sei (Pra 1999, Nr. 4; Hulliger/Heinrich, CHK, N 7 zu Art. 264 OR) ist abzulehnen. Denn zu prüfen wären diesfalls nicht die aktuellen Wiedervermietungsmöglichkeiten, sondern diejenigen nach Ablauf dieser sehr langen Restdauer, was unmöglich bzw. rein hypothetisch wäre.

48

Eine Teilrückgabe ist nur dann zulässig, wenn die Gebrauchsüberlassung keine einheitliche Leistung des Vermieters darstellt (Higi, ZK, N 25 ff. zu Art. 264 OR; ZMP, 1/92, Nr.  3 e contrario, wonach der Vermieter nicht verpflichtet war, einen Ersatzmieter anzunehmen, der zwar die Wohnung, nicht aber den

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mitvermieteten Garagenplatz mieten wollte). Sie ist umgekehrt dann zulässig, wenn über die einzelnen Teile des zwischen den Parteien bestehenden Miet­ verhältnisses separate Mietverträge bestehen (z.B. Garagenplatz, Mansarden­ zimmer, Hobbyraum, Mobiliar etc.; vgl. Higi, ZK, N 25 zu Art. 264 OR). Mit anderen Worten: Teilrückgaben sind dort möglich, wo auch dem ausziehen­ den Mieter eine Kündigung dieser separaten Verträge möglich gewesen wäre.

6.

Fortdauer der Mietzinszahlungspflicht

6.1 Grundsatz Wenn trotz entsprechender Bemühungen des vorzeitig ausziehenden Mieters 49 und des Vermieters kein Ersatzmieter gefunden werden kann, so bleibt der Mieter an den Mietvertrag gebunden und muss den Mietzins bis zur nächst­ möglichen ordentlichen Beendigung des Vertrags bezahlen. Gleiches gilt für die Erfüllung der weiteren fraglichen Verpflichtungen (Gartenunterhalt, Lüf­ ten, Reinigung etc.). Erfüllt er sie nicht selber, wird es der Vermieter oder ein von ihm Beauftragter tun müssen. Die entstehenden Kosten kann er als Scha­ denersatz beim Mieter geltend machen.

6.2

Unbefristetes Mietverhältnis

Liegt ein unbefristetes Mietverhältnis vor, so ist der Mietzins bis zum nächs­ 50 ten vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungstermin zu entrichten (Art. 266a–266f und 266k OR). Das gilt grundsätzlich auch für Verträge mit einer Mindestdauer. Ist der Vertrag z.B. frühestens auf den 31.  März 2009 durch den Mieter kündbar und verlässt dieser das Mietobjekt am 31.  März 2007, so dauert die Mietzinszahlungspflicht um weitere zwei Jahre bis zum 31. März 2009 fort, falls kein Ersatzmieter die Mieträumlichkeiten übernimmt. Der Mietvertrag gilt bis dahin weiterhin als provisorischer Rechtsöffnungstitel (MRA 4/03, S. 140 ff.; a.M. Higi, ZK, N 71 zu Art. 264 OR).

6.3

Befristetes Mietverhältnis

Haben die Parteien einen befristeten Mietvertrag (vgl. N  2 zu Vorbem. zu Art. 266–266o OR) abgeschlossen, bleibt der vorzeitig ausziehende Mieter bis zum Vertragsende für den Mietzins haftbar.

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6.4

Mietzinszahlungspflicht bei ausserordentlicher Kündigung des Mieters

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Kündigt der Mieter unter Berufung auf wichtige Gründe, so geht Art. 266g OR der Bestimmung über die vorzeitige Rückgabe der Sache vor. Allfällige Scha­ denersatzansprüche des Vermieters richten sich daher nach Art. 266g Abs. 2 OR (BGE 122 III 262).

53

Kündigen die Erben des Mieters gestützt auf Art. 266i OR, der einen beson­ ders geregelten Anwendungsfall einer Kündigung aus wichtigen Gründen dar­ stellt, so gelangt Art.  264 OR ebenfalls nicht zur Anwendung. Die ausseror­ dentliche Kündigung i.S.v. Art. 266i OR hat keine Entschädigungspflicht der Erben zur Folge (N 12 zu Art. 266i OR). Selbst bei Vorliegen eines langfristi­ gen Mietvertrages kann der Vermieter somit keinen Mietzinsausfall geltend machen, der nach dem gesetzlichen Kündigungstermin gemäss Art. 266i OR entsteht.

7. Vorteilsanrechnung 7.1 54

Abs. 3 ist wie der ganze Art. 264 OR ein Anwendungsfall der im Vertragsrecht verankerten Schadensminderungspflicht bzw. -obliegenheit, gemäss welcher der Vermieter gehalten ist, den Schaden, der dem Mieter infolge seines vorzei­ tigen Auszuges entsteht, möglichst gering zu halten (vgl. Botsch. 1985, S. 1446).

7.2 55

Grundsatz der Schadensminderungspflicht des Vermieters

Ersparnis von Auslagen

Auslagen sind dann gespart, wenn die mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängenden Nebenkosten ganz oder teilweise entfallen (vgl. Schmid, ZK, N 8 zu Art. 257 aOR). Eine Vorteilsanrechnung ist nur bei variablen Kos­ ten (z.B. Wasser, Strom, Heizung etc.) möglich, da lediglich solche Kosten ein­ gespart werden und einen Vorteil erzeugen können. Fixe, gebrauchsunabhän­ gige Kosten (z.B. Versicherungen) fallen mit oder ohne vorzeitiger Rückgabe an (Huber, Rückgabe, S. 174 f.; vgl. auch Bättig, Rückgabe, S. 194).

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7.3

Anderweitige Verwendung der Sache

Art. 264 Abs. 3 Buchst. b OR verlangt grundsätzlich, dass der Vermieter wäh­ 56 rend der Zeit, in der das Mietobjekt leer steht, alles Zumutbare zu unterneh­ men hat, um das Mietobjekt wieder zu vermieten. Treu und Glauben erfordern, dass der Vermieter sich nicht auf Kosten des Mieters, der die Gegenleistung erbringen muss, bereichere, obwohl er die Mietsache nicht benutzt (Schmid, ZK, N  7 zu Art.  257 aOR). Weil Abs.  3 die Anrechnungspflicht des Vermie­ ters auf die Erzielung von Ansprüchen beschränkt, die dieser absichtlich zu gewinnen unterlassen hat, sind die Voraussetzungen hoch. Blosse Fahrlässig­ keit reicht nicht aus; erforderlich ist zumindest Eventualvorsatz. Der Vermie­ ter muss geradezu in Kauf nehmen, dass sich der Schaden des Mieters durch sein Untätigbleiben erhöht (so auch Higi, ZK, N 80 ff. zu Art. 264 OR, der ein bewusst treuwidriges Verhalten fordert; ebenso Kley, Rückgabe, S. 275). Geht es im unbefristeten Wohnungsmietverhältnis und einer Kündigungsfrist von drei Monaten um den Mietzins für maximal zwei Monate, wird man dem Ver­ mieter solches Verhalten kaum je vorwerfen können. Zudem kann der Ver­ mieter in diesen Fällen die Wohnung auch auf den ordentlichen Kündigungs­ termin hin ausschreiben, denn die gesetzlich festgelegte Kündigungsfrist hat das Ziel, ihm für die Weitervermietung eine angemessene Zeitspanne zu ver­ schaffen. Da er im Rahmen der Schadensminderungsobliegenheit nicht ver­ pflichtet ist, seine eigenen Interessen hinter diejenigen des Mieters zurückzu­ stellen, braucht er mit der Ausschreibung der Wohnung nicht zuzuwarten, bis sich erweist, dass keiner der angebotenen Ersatzmieter die Mietsache über­ nimmt, sondern kann – sofern der ordentliche Kündigungstermin nur noch drei Monate (bzw. sechs bei der Geschäftsmiete) entfernt liegt, durch eigene Weitervermietungsbemühungen sicherstellen, dass die Mietsache zumindest auf den Kündigungstermin hin weitervermietet werden kann. Er hat einzig die vom Mieter bereits vorgeschlagenen Ersatzmieter vorab zu prüfen. Stellt der ausziehende Mieter indessen bei der Kündigung bloss in Aussicht, er werde Ersatzmieter nennen, kann man den Vermieter nicht verpflichten, vorerst mit eigenen Suchbemühungen zuzuwarten; denn das hiesse, die gesetzliche Kün­ digungsfrist zu verkürzen und ihn damit gegenüber einer ordentlichen Kün­ digung schlechterzustellen. Art. 264 OR will aber keine solche Schlechterstel­ lung des Vermieters. Darum wird man ihm auch nichts vorwerfen können, wenn er in erster Linie andere frei stehende Wohnungen für die Weiterver­ mietung zuerst vermietet. Zum Vorwurf gereicht es ihm diesfalls bloss, wenn er den Ersatzmieter aktiv und intensiv bearbeitet, nicht die Wohnung des aus­ ziehenden Mieters zu übernehmen, sondern eine andere. Fragt der Ersatzmie­

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ter indessen selber, ob die leer stehende Wohnung mit Balkon oder Gartensitz­ platz ebenfalls feil sei, geht es im Rahmen der Schadensminderungspflicht zu weit, dem Vermieter vorzuschreiben, diese Wohnung nicht anzubieten. 57

Erst in Fällen, in denen der ordentliche (vertragliche) Kündigungstermin in weiter Ferne liegt, wird man dem Vermieter zumuten können, selber für eine Weitervermietung besorgt zu sein, wenn er Gewissheit erlangt, dass der Mie­ ter nicht in der Lage ist, selber einen Nachmieter zu finden. Das Mietgericht des Kantons Waadt hält im Regelfall ein Zuwarten von zwei Monaten (mp 3/06, S. 196, E. 2), Chaix, Recherche, S. 75, sogar die gesetzliche Kündigungsfrist für angemessen. Denn es wäre verfehlt, angesichts des Wortlauts von Art. 264 OR faktisch die Rollen zu vertauschen und die Ersatzmietersuche dem Vermieter aufzubürden. Dass es sich in Fällen, in denen der Mieter selber gar nicht oder ungenügend sucht, erst recht nicht rechtfertigt, dem Vermieter eine sorgfälti­ gere Handlungsweise aufzuerlegen, versteht sich angesichts des Erfordernisses eines bewusst treuwidrigen Verhaltens von selbst. Es ist nicht einzusehen, wie der Mieter, der seine Suchbemühungen pflichtwidrig vernachlässigt, vom Ver­ mieter eine höhere Sorgfalt verlangen könnte.

58

Stellt der Vermieter das leer stehende Mietobjekt nach der Rückgabe instand, schuldet der Mieter für die Zeit des Umbaus grundsätzlich keinen Mietzins, sofern es sich nicht um kleinere Flickarbeiten handelt, die die Bewohnbar­ keit der Räume nicht beeinträchtigen. Die durch die Instandstellungsarbeiten bedingte anderweitige Verwendung des Mietobjektes hat sich der Ver­ mieter daher anrechnen zu lassen (ZMP 1/92, Nr. 3). Sind die vom Vermieter veranlassten Instandstellungen jedoch auf unsorgfältigen Gebrauch des Mie­ ters zurückzuführen, so hat dieser für alle daraus resultierenden Folgen ein­ zustehen. In einem solchen Falle hat der vorzeitig ausziehende Mieter auch den Mietzinsausfall während der Instandstellungszeit zu tragen (vgl. bereits Schmid, ZK, N 33 zu Art. 271 aOR). Abzulehnen ist die Auffassung, der Mieter sei ab dem Zeitpunkt der Instandstellung völlig befreit (so aber offenbar Weber, BSK, N 13 zu Art. 264 OR). Denn der Vermieter handelt – um der besseren Weitervermietung willen – sogar im Interesse des ausziehenden Mieters, wenn er die Mietsache nicht bis kurz vor der Weitervermietung unrenoviert belässt. So will Kley, Rückgabe, S. 274, den Vermieter sogar verpflichten, die Wohnung sogleich in einen tauglichen Zustand zurückzuversetzen.

59

Kann die Mietsache aber nach einem vorübergehenden Leerstand vor dem ordentlichen Kündigungstermin zu einem höheren Mietzins weitervermietet werden kann, hat sich der Vermieter den bis zum Kündigungstermin erziel­ ten Mehrmietzins anrechnen zu lassen. Der Mieter schuldet bis zum Zeitpunkt 516

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der ordentlichen Vertragsbeendigung den bisherigen Mietzins. Erzielt der Ver­ mieter in der Zeit zwischen Rückgabe und ordentlichem Kündigungstermin ab einer dazwischen erfolgten Wiedervermietung einen höheren Mietzins, vermindert sich demzufolge die Forderung des Vermieters für den effektiven Mietzinsausfall um diesen Mehrmietzins (Urteil des Mietgerichts des Kantons Waadt vom 24. Februar 1988, in: mp 1/89, S. 30). Gibt daher der Mieter das Mietobjekt vier Monate vor dem ordentlichen Kündigungstermin zurück und betrug der Mietzins 1000 CHF im Monat, so schuldet er grundsätzlich 4000 CHF. Kann das Objekt bereits nach zwei Monaten für 1200 CHF weiterver­ mietet werden, reduziert sich dieser Betrag um 2400 CHF. Da der Vermieter sich nach Art. 264 Abs. 3 Buchst. b OR anrechnen lassen muss, was er durch anderweitige Verwendung der Sache gewinnt, hat der Mieter noch 1600 CHF zu leisten (4000 CHF abzgl. 2400 CHF) und nicht zwei Monatsmietzinse von je 1000 CHF. Koller (Rechtsbehelfe, S. 221) weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf 60 hin, dass nicht bereits die anderweitige Verwendung zur Befreiung des Mieters führt, sondern der Vermieter sich gemäss des klaren Wortlautes Art. 264 Abs. 3 Bst. b OR nur anrechnen lassen muss, «was er durch anderweitige Verwen­ dung der Sache gewinnt oder absichtlich zu gewinnen unterlassen hat.» Bleibt also die Sache trotz frühzeitig vorgenommener Reparaturarbeiten weiterhin leer, so erzielt der Vermieter eben gerade keinen Gewinn – es wäre denn, man könne ihm zusätzlich eine absichtlich unterlassene Weitervermietung nach­ weisen und darüber hinaus, dass bei pflichtgemässem Handeln ein Gewinn resultiert hätte (Koller, Rechtsbehelfe, S. 219, Fn. 100).

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Art. 265 M. Verrechnung Der Vermieter und der Mieter können nicht im Voraus auf das Recht verzichten, Forderungen und Schulden aus dem Mietverhältnis zu verrechnen. M. Compensation Le bailleur et le locataire ne peuvent renoncer à l’avance au droit de compenser les créances découlant du bail.

M. Compensazione Il locatore e il conduttore non possono rinunciare anticipatamente al diritto di compen­ sare i crediti e debiti derivanti dalla locazione.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Allgemeines zur Verrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Verhältnis zu Art. 126 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.3 Zwingender Charakter der Norm, intertemporales Recht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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2. Verrechnungsrecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Grundsatz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Geltendmachung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

521 521 522 523

518

Hans Bättig

Art. 265

1. Vorbemerkungen 1.1

Allgemeines zur Verrechnung

Schulden zwei Personen einander Geldsummen oder andere Leistungen, die 1 ihrem Gegenstande nach gleichartig sind, so kann jede ihre Schuld, sofern beide Forderungen fällig sind, mit ihrer eigenen Forderung verrechnen (Art. 120 Abs. 1 OR). Erste Voraussetzung für die Verrechnung bildet die soge­ nannte Gegenseitigkeit. Das heisst, es müssen zwei gegenseitige Forderun­ gen unter denselben Parteien bestehen, und jede Partei muss Gläubiger und Schuldner der anderen sein. Die beiden Forderungen müssen überdies gleichartig sein, d.h. in aller Regel auf Geld lauten.

1.1.1 Gleichartigkeit Gemäss Weber, BSK, N 5 zu Art. 257e OR, kann auch die Forderung des Mie­ 2 ters auf regelkonforme Bestellung einer Sicherheit bei einer Bank mit Miet­ zinsforderungen verrechnet werden (gl. M. MfdP/Wyttenbach, N 15.2.9; Blu­ mer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 774, S. 229; Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 14. November 1991, in: SJZ 90, S. 332; zustimmend offenbar auch Giger, BK, N 42 zu Art. 257e OR). Diese Auffassung übersieht, dass dem Mieter zwar eine Forderung zusteht, die geleistete Sicherheit auf ein auf seinen Namen lautendes Bankkonto einzubezahlen. Doch dabei handelt es sich nicht um eine Geld-, sondern um eine Sachleistungsforderung, die der Verrechnung nicht zugänglich ist, weil die Gleichartigkeit fehlt. Die bun­ desgerichtliche Rechtsprechung hat die gestützt auf Art. 257d OR ausgespro­ chene Kündigung eines Vermieters daher geschützt (Urteil des Bundesge­ richts 4C.67/2002 vom 30. Mai 2002, E. 3c; ebenso Urteil des Bundesgerichts 4C.94/2004 vom 18. Mai 2004, E. 3). Dass der Mieter anstelle des säumigen Vermieters selber eine Sicherheit auf ein Mietzinsdepotkonto einzahlen kann, was die genannten Autoren für zulässig halten, und anschliessend bezüglich des direkt an den Vermieter geleisteten Betrags die Verrechnung erklären kann, scheint hingegen ohne Weiteres zulässig. Denn hier geht es um die Verrech­ nung der mit der regelkonformen Bestellung der Sicherheit «freigewordenen» ersten (Direkt-)Zahlung des Mieters, und der vereinbarte Anspruch der Par­ teien auf Sicherheitsleistung bleibt bestehen, ohne dass umgekehrt das Risiko des Mieters entsteht, in einem allfälligen Konkurs des Vermieters zu Verlust zu kommen, wie das Obergericht im zitierten Urteil befürchtet (SJZ 90, S. 332; vgl. zum Ganzen auch N 15 zu Art. 257e OR – missverständlich die anderslau­ tende Bemerkung in N 17).

Hans Bättig

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Art. 265

1.1.2 Fälligkeit 3

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung braucht entgegen dem Wort­ laut des Gesetzes nur die Verrechnungsforderung, also die eigene Forderung, die zur Verrechnung gebracht wird, fällig zu sein. Die Fälligkeit der Forde­ rung, die der Verrechnende durch Verrechnung tilgen will, ist entbehrlich. Es genügt, wenn sie erfüllbar ist. Verjährte Forderungen können mit Ausnahme von Art. 120 Abs. 3 OR nicht zur Verrechnung gebracht werden.

1.1.3

Weitere Voraussetzungen

4

Gemäss Art. 120 ff. OR, welche die Modalitäten der Verrechnung regeln, ist nicht erforderlich, dass die zur Verrechnung gestellten Forderungen unbestritten sind. Der Verrechnende kann die Verrechnung auch dann geltend machen, wenn seine eigene Gegenforderung bestritten ist (Art. 120 Abs. 2 OR; vgl. dazu aber N 9 hienach). Ebenso wenig ist erforderlich, dass die Forderungen kon­ nex sind, d.h. dem gleichen Rechtsgrund oder Vertragsverhältnis entsprin­ gen. Hat ein Handwerker, der bei einem Zahnarzt in Behandlung steht, in den Praxisräumen des Zahnarztes Umbauarbeiten vorgenommen, kann er seine Werklohnforderung mit der Honorarforderung verrechnen. Schliesslich ist nicht erforderlich, dass beide Forderungen im Streitfall vom gleichen Gericht zu entscheiden wären oder dass für beide der gleiche Erfüllungsort gilt.

5

Die Wirkung der Verrechnung besteht darin, dass beide Forderungen bis zur Höhe des niedrigeren Forderungsbetrages untergehen (Art. 124 Abs. 2 OR).

1.2 6

Verhältnis zu Art. 126 OR

Gestützt auf die allgemeine obligationenrechtliche Norm des Art. 126 OR kann die Verrechnung vertraglich im Voraus ausgeschlossen werden. In Anwen­ dung dieser Bestimmung schlossen daher die altrechtlichen Formularmietver­ träge eine Verrechnung des Mieters gegenüber Mietzinsforderungen grund­ sätzlich aus. Der mit der Revision von 1989 neu eingeführte Art. 265 OR hält demgegenüber fest, dass Vermieter und Mieter nicht im Voraus auf das Recht verzichten können, Forderungen und Schulden aus dem Mietverhältnis zu verrechnen. Diese Regelung stellt gegenüber Art. 126 OR eine Spezialbestimmung dar und geht vor. Daraus folgt, dass der Mieter grundsätzlich seine For­ derungen aus dem Mietverhältnis mit denjenigen des Vermieters nach den all­ gemeinen Regeln zu Art. 126 OR (vgl. BGE 119 II 247) frei verrechnen kann.

520

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Art. 265

1.3

Zwingender Charakter der Norm, intertemporales Recht

Aufgrund des Wortlauts der Norm, den Ausführungen in der Botschaft sowie 7 den mutmasslichen Absichten des Gesetzgebers handelt es sich hier um eine zwingende Bestimmung. Ein Verrechnungsverbot kann somit grundsätzlich nicht mehr im Voraus vereinbart werden. Dieser in Art. 265 OR statuierte Aus­ schluss des Verrechnungsverbots gilt allerdings nur, wenn – anders als nach den allgemeinen Bestimmungen über die Verrechnung – beide Forderungen aus dem Mietverhältnis stammen, d.h. wenn Konnexität vorliegt. Uneinge­ schränkt ausgeschlossen werden darf aber weiterhin die Verrechnung von For­ derungen aus dem Mietverhältnis mit Forderungen aus einem anderen Rechts­ verhältnis (z.B. Arbeitsvertrag; gl.M. Higi, ZK, N 14 und N 18 f. zu Art. 265 OR; Pra 1995, Nr.  251; MRA 1/96, S.  28  ff.). Art.  265 OR gilt für sämtliche Mietverhältnisse, ist also nicht auf die Miete von Wohn- und Geschäftsräu­ men beschränkt. Den Parteien bleibt es schliesslich unbenommen, die Verrechnung gegensei­ 8 tiger Forderungen zu einem späteren Zeitpunkt, d.h. nachdem sie entstanden sind, auszuschliessen (gl.M. Higi, ZK, N 10 und 15 ff. zu Art. 265 OR). Wie bereits in den Vorauflagen – aber entgegen der in der 1. Auflage gestützt 9 auf Art. 1 ff. SchlT ZGB vertretenen Auffassung (N 4 zu Art. 265 OR), wonach vor Inkrafttreten des neuen Rechts vereinbarte Verrechnungsausschlussklau­ seln auch nach geltendem Recht Gültigkeit haben – ist festzustellen, dass der in Art.  265 OR enthaltene Schutzgedanke zugunsten des Mieters das gesetz­ lich stipulierte Rückwirkungsverbot einer neuen Bestimmung zugunsten des Vermieters überwiegt. Deshalb sind vor dem 1. Juli 1990 vereinbarte Verrech­ nungsverzichtsklauseln nicht mehr gültig, soweit Forderungen aus dem Miet­ verhältnis in Rede stehen (vgl. zu dieser Teilnichtigkeit auch N 12).

2. Verrechnungsrecht 2.1 Grundsatz Gemäss Art. 265 kann der Mieter in folgenden Fällen gegenüber den Forde­ 10 rungen des Vermieters (in aller Regel den Mietzinsforderungen) die Verrech­ nungseinrede erheben: Die Heizkostenabrechnung hat einen Saldo zugunsten des Mieters ergeben; der Mieter hat irrtümlich zu viel Mietzins bezahlt. Die Verrechnungsmöglichkeit besteht sodann auch im Fall, dass der Mieter Ver­

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521

Art. 265

änderungen oder Instandstellungen am Mietobjekt vorgenommen hat, deren Bezahlung ihm vom Vermieter zugesichert worden war. Schliesslich kann der Mieter auch verrechnen, wenn die Schlichtungsbehörde oder das Gericht rück­ wirkend eine Mietzinsreduktion gewährt hat. 11

Selbstverständlich kann auch der Vermieter die Verrechnung erklären. So kann er z.B. die Kosten, die er für Kleinreparaturen bezahlen musste, die i.S.v. Art. 259 OR zulasten des Mieters gehen, mit einer Forderung des Mieters ver­ rechnen. Hat der Mieter vor seinem Auszug irrtümlich einen Mietzins zuviel bezahlt und stehen dem Vermieter Instandstellungsforderungen zu, ist eine Verrechnung ebenfalls zulässig. Beispiel: Der Mieter eines Einfamilienhau­ ses kommt trotz mehrmaliger Aufforderung seitens des Vermieters seiner ver­ traglichen Pflicht nicht nach, den Garten ordnungsgemäss zu unterhalten. Der Vermieter beauftragt deshalb einen Gärtner mit diesen Arbeiten. Gleichzei­ tig fordert der Mieter die Rückerstattung einer irrtümlich an ihn ergangenen Rechnung für nicht nebenkostenfähige Gebühren. Auch hier kann der Vermie­ ter seine Forderung mit derjenigen des Mieters verrechnen.

12

Nach dem in Pra 1995, Nr.  251, (ausserdem: MRA 1/96, S.  28  ff.) publizier­ ten Bundesgerichtsentscheid vom 8. Dezember 1994 kann demgegenüber die Verrechnung von Forderungen, die nicht aus dem Mietvertrag stammen, wei­ terhin uneingeschränkt ausgeschlossen werden. Vereinbaren die Parteien im Mietvertrag einen gegen Art. 265 OR verstossenden, generellen Verrechnungs­ verzicht, so nimmt das Bundesgericht im erwähnten Entscheid zu Recht und gestützt auf Art. 20 OR nur Teilnichtigkeit des Verzichts für diejenigen Forde­ rungen an, die aus dem Mietverhältnis stammen.

2.2 Geltendmachung 13

Die Verrechnung ist ein sog. Gestaltungsrecht. Gegenseitige Forderungen gehen daher nicht automatisch im Umfang der geringeren Forderung unter. Vielmehr ist die Verrechnung durch eine sog. Verrechnungseinrede geltend zu machen. Diese Verrechnungserklärung ist nicht zustimmungs-, wohl aber empfangsbedürftig. Erst mit dem Eintreffen der Erklärung beim Gläubiger der Gegenforderung tritt die Verrechnung bzw. Tilgung der Schuld ein. Das ist vorab im Zusammenhang mit der mit einer Kündigungsandrohung verbunde­ nen Zahlungsaufforderung gemäss Art. 257d OR von Bedeutung. Die Verrech­ nungserklärung tilgt den gemahnten Ausstand nur, wenn sie innert der ange­ setzten Zahlungsfrist beim Vermieter eintrifft.

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Art. 265

Die Verrechnungserklärung kann formfrei abgegeben werden. Schriftlich­ 14 keit ist von Gesetzes wegen nicht erforderlich. Art. 124 Abs. 1 OR sieht ein­ zig vor, dass der Schuldner dem Gläubiger «zu erkennen gibt, dass er von sei­ nem Recht auf  Verrechnung Gebrauch machen will». Dass sich bei einer bloss mündlichen oder gar bloss konkludent abgegebenen Verrechnungserklärung Beweisprobleme stellen, und zwar sowohl über die Tatsache, dass eine Erklä­ rung erfolgte, wann sie erfolgte und was ihr Inhalt war, braucht kaum betont zu werden. Das Bundesgericht hält fest, dass sich die Absicht des Mieters, dass und in welchem Umfang er zu verrechnen beabsichtigt, zweifelsfrei aus seiner Verrechnungserklärung ergeben muss (Urteil des Bundesgerichts 4C.8/2006 vom 29. März 2006, E. 4.2, in: MRA 4/06, S. 138, mit Kommentar von Monika Sommer; ebenso Urteil des Bundesgerichts 4C.65/2003 vom 23.  September 2003, E. 3.3).

2.3 Einschränkungen Ein uneingeschränktes Verrechnungsrecht des Mieters ist mit erheblichen Risi­ 15 ken für den Vermieter verbunden, wenn die zur Verrechnung gestellte Gegen­ forderung streitig ist. Zwar bestimmt Art. 120 Abs. 2 OR, dass auch bestrittene Forderungen zur Verrechnung gebracht werden können. Lehre und Recht­ sprechung sind sich darin einig, dass eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs wirksam ist, wenn sich herausstellt, dass die zur Verrechnung gestellte Gegen­ forderung nicht oder nicht in Höhe des gemahnten Ausstands bestand (vgl. dazu N 22 ff. zu Art. 257d). Bei einer Kündigung wegen Zahlungsrückstands gemäss Art.  257d vereitelt 16 nun aber eine uneingeschränkte Erhebung der Verrechnungseinrede bezüg­ lich bestrittener Forderungen den Anspruch des Vermieters auf eine rasche Beendigung des Mietverhältnisses. Denn Bestand und Höhe einer zur Verrech­ nung gebrachten Gegenforderung des Mieters sind im Verfahren nach Art. 257 ZPO (Durchsetzung klaren Rechts) häufig, wenn nicht sogar regelmässig nicht liquid. Beziehungsweise sind sie es nur dann, wenn sich die Begründung der Gegenforderung als offensichtlich haltlos erweist. Der mit Art. 257d OR ver­ folgte Zweck würde dadurch regelmässig vereitelt. Das anerkennt nun auch die bundesgerichtliche Rechtsprechung (Urteile des Bundesgerichts 4A_140/2014 und 4A_250/2014 vom 6.  August 2014, E.  5.2): «Die Erhebung der Einrede der Verrechnung einer bestrittenen Forderung darf kein Mittel bilden, das zu einer unangemessenen Verlängerung der Dauer führt, während der sich der Mieter in den Mieträumen aufhalten kann. Die zur Verrechnung gestellte Gegenforderung ist demgemäss ohne Verzug zu beweisen; ist ein Verfahren Hans Bättig

523

Art. 265

über die streitige Gegenforderung hängig, kommt nicht infrage, das Kündi­ gungsanfechtungsverfahren deswegen zu sistieren, ausser ein endgültiger Ent­ scheid stehe unmittelbar bevor.» Bei eigenmächtiger Herabsetzung des Miet­ zinses bzw. bei Verrechnung von Herabsetzungsansprüchen mit dem Mietzins wird der Vermieter somit nach einer gemäss Art. 257d OR ausgesprochenen Kündigung mit einem Ausweisungsbegehren durchdringen, wenn die zur Ver­ rechnung gebrachte Forderung bestritten und nicht durch Urteil beziffert ist. Man kann sich fragen (vgl. Vorauflage, N  9 zu Art.  265 OR), ob dies nicht bereits der Absicht des Gesetzgebers entsprochen hatte. Gemäss Botsch. 1985, S. 1437, erscheint klar, dass das Gesetz das Recht des Mieters, den Mietzins von sich aus herabzusetzen und die Mietzinszahlung unter Berufung auf sein Verrechnungsrecht zu verweigern, im Bereich der Mängelrechte ausschliessen wollte, da ja der Mieter neu das gesetzliche Hinterlegungsrecht besitzt. «Behält der Mieter den Mietzins zurück, gerät er mit seinen Zinszahlungen in Verzug und riskiert, ausgewiesen zu werden. Der Vorentwurf räumte dem Mieter des­ halb das Recht ein, den Mietzins von sich aus herabzusetzen. Dieser Vorschlag stiess im Vernehmlassungsverfahren auf heftige Kritik. Es wurde deshalb nach einer Mittellösung gesucht, wonach der Mieter zwar den Mietzins bezahlen muss, der Vermieter jedoch nicht in Besitz des Geldes gelangt» (Botsch. 1985, S. 1415). Die Botsch. 1985 führt denn auch später aus (S. 1427), dass der Mie­ ter nicht in Verzug gerät, wenn er den Mietzins infolge Mängel der Sache hin­ terlegt hat. Folgerichtig und im Einklang mit dem Urteil des Bundesgerichts 4A_140/2014 muss das heissen: «nur dann nicht in Verzug gerät». Ist der Mieter somit zur eigenmächtigen Herabsetzung des Mietzinses und zur eigenmächti­ gen Verrechnung des Mietzinses mit seinen Mängelansprüchen nicht berech­ tigt, so sind solche Einreden im Verfahren betreffend den Zahlungsrückstand (Art. 257d OR) nicht zu hören (so auch Giger BK, N 27 zu Art. 257d OR, wider­ sprüchlich freilich in N 57 zu Art. 257d OR; MfdP/Spirig, N 27.2.3, S. 708; teil­ weise a.M. Higi, ZK, N 17 zu Art. 257d OR und Weber, BSK, N 3 zu Art. 265 OR, die aber die eigenmächtige Herabsetzung nicht als Verrechnungs-, son­ dern als Minderungseinrede, d.h. als Anwendungsfall von Art. 82 OR betrach­ ten. Diese Auffassung hat das Bundesgericht aber mit Urteil 4A_140/2014, E. 5.4, verworfen; vgl. auch das darauf Bezug nehmende Urteil der Chambre des recours civile des Kantons Waadt vom 26. Juli 2016, www.droitdescontrats. ch/show_atf.php?tcvd=2729, abgefragt am 10. August 2017; ferner Urteil des Bundesgerichts 4A_537/2016 vom 16. November 2016, E. 4.2). 17

Nun ist beim Zusammentreffen einer Zahlungsaufforderung i.S.v. Art.  257d OR und des Hinterlegungsrechts des Mieters bei Herabsetzungsansprüchen speziell, dass einerseits bloss fällige Mietzinse gemahnt, umgekehrt aber bloss 524

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Art. 265

nicht fällige hinterlegt werden dürfen. Ergeht daher eine Zahlungsaufforde­ rung, hat der Mieter keine Möglichkeit (mehr), den Mietzins zu hinterlegen. Ebenso fehlt die Hinterlegungsmöglichkeit – die nach herrschender Lehre und Rechtsprechung im Widerspruch zur Botsch. 1985, S. 1416, ausschliesslich ein pures Druckmittel sein soll – bei nicht behebbaren Mängeln von vornherein, beispielsweise bei (rechtmässigen) Baulärmimmissionen vom Nachbargrund­ stück oder bei Mängeln, die inzwischen behoben sind. Die Auffassung von MfdP/Spirig, N  27.2.3, bei nicht «hinterlegbaren» Miet­ 18 zinsen bestehe bei einer angedrohten Kündigung wegen Zahlungsverzugs auch nach der neuesten Rechtsprechung ein Verrechnungsrecht, ist abzuleh­ nen. Die Gefahr einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs abwenden kann der Mieter nur, wenn er den Mietzins vor dessen Fälligkeit hinterlegt, weil nur rechtzeitige Hinterlegung die Verzugsfolgen abwendet (vgl. dazu ausführlich N 23 zu Art. 257d OR). Demzufolge ist eine Hinterlegung erst nach Erhalt der Zahlungsaufforderung in keinem Fall geeignet, die Kündigung abzuwenden (anders noch Bättig, Kommentar zum Urteil des Bundesgerichts 4A_140/2014 vom 6. August 2014, in: MRA 2/15, S. 92).

Hans Bättig

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Vorbemerkungen zu Art. 266–266o InhaltsübersichtSeite 1.

Dauer des Mietverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

527

2.

Befristete Mietverhältnisse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

527

3.

Unbefristete Mietverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

527

4.

Rechtsnatur, Zustellung und Wirksamkeit der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

528

5.

Kündigungsfristen und -termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

530

6.

Bedingungsfeindlichkeit der Kündigung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

531

7. Unwiderruflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

533

8. Unmissverständlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

533

9.

Teilweise Auflösung des Mietverhältnisses (Teilkündigung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

533

10.

Legitimation zur Kündigung, Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

535

11.

Form der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

535

12.

Familienwohnung oder gemeinsame Wohnung nach PartG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

536

13. Mehrheit von Vermietern oder Mietern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  13.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  13.2 Mehrheit von Vermietern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  13.3 Mehrheit von Mietern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

536 536 537 537

14.

Vertragsauflösung im gegenseitigen Einvernehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

539

15.

Kündigung und Optionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

540

16.

Ordentliche und ausserordentliche Kündigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

543

17.

Nichtige, unwirksame und anfechtbare Kündigung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

544

526

Jürg P. Müller

Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

1.

Dauer des Mietverhältnisses

Gemäss Art.  255 OR können Mietverhältnisse auf bestimmte oder unbe- 1 stimmte Dauer abgeschlossen werden. Das Gesetz spricht von befristeter und unbefristeter Miete (N 4 zu Art. 255 Abs. 2 OR).

2.

Befristete Mietverhältnisse

Befristete Mietverhältnisse sind solche, welche ohne Kündigung mit Ablauf 2 der vereinbarten Dauer enden (Art. 255 Abs. 2 OR). Die Parteien können dabei die Beendigung des Vertrages auf einen bestimmten Zeitpunkt vorsehen (z.B. «Vertrag endigt ohne Weiteres am 31. Dezember 2017») oder das Vertragsende vom Ablauf einer bestimmten Dauer abhängig machen (z.B. «Ab Mietbeginn dauert das Vertragsverhältnis zehn Jahre»). Möglich ist aber auch, dass die Par­ teien eine bestimmte Höchstdauer verabreden und gleichzeitig vereinbaren, dass der Vertrag während dieser Dauer entweder von einer oder beiden Par­ teien schon früher gekündigt werden kann (BGE 114 II 339, wonach die Fris­ ten für Mieter und Vermieter – vorbehältlich der gesetzlich vorgesehenen Min­ destfristen i.S.v. Art. 266a ff. OR – unterschiedlich festgelegt werden können). So können die Parteien z.B. übereinkommen, dass der Vertrag ohne Weiteres auf den 31. Dezember eines bestimmten Jahres endet, sofern er nicht von den Parteien unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen und Termine vorher gekün­ digt wird. In diesem Falle liegt ebenfalls ein befristetes Mietverhältnis vor (vgl. N 5 ff. zu Art. 266 OR). Endet das Mietverhältnis, ohne dass es einer Kündi­ gung bedarf, gilt es als echt befristet. Demgegenüber wird ein Mietverhältnis, welches auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Befristung zur Beendigung gekün­ digt werden muss, als unecht befristet bezeichnet; unecht befristete Mietver­ hältnisse gelten als unbefristete Mietverhältnisse im Sinne von Art. 255 Abs. 3 OR (vgl. N 3).

3.

Unbefristete Mietverhältnisse

Ist ein Mietverhältnis nicht im vorerwähnten Sinne befristet, so gilt es als unbe­ 3 fristetes (Art.  255 Abs.  3 OR). Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass das Mietende nicht ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart ist. Die Ver­ tragsauflösung bedarf daher stets einer Kündigung. Bei unbefristeten Miet­ verhältnissen werden lediglich die Kündigungsfristen und -termine geregelt, wie z.B. «Der Vertrag ist 6-monatlich zum voraus kündbar auf Ende März oder

Jürg P. Müller

527

Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

Ende September». Die Parteien können vertraglich aber nicht nur die Kündi­ gungsfristen und -termine innerhalb der gesetzlichen Schranken frei regeln, sondern zusätzlich bestimmen, dass der Vertrag z.B. «frühestens auf Ende März 2008 kündbar» ist. Derartige Mietverhältnisse (wegen der vertraglichen Mindestdauer oft als «feste Verträge» bezeichnet) gelten gleichwohl als unbe­ fristet und können – frühestens auf den Ablauf der Mindestdauer – nur durch Kündigung aufgelöst werden. Unbefristete Mietverhältnisse können  – vorbe­ hältlich anderer vertraglicher Vereinbarung – nach Massgabe der gesetzlichen Fristen und Termine (Art. 266a–266f OR) gekündigt werden.

4.

Rechtsnatur, Zustellung und Wirksamkeit der Kündigung

4

Die Kündigung ist ein sogenanntes aufhebendes Gestaltungsrecht (Gauch/ Schluep/Emmenegger, OR AT II, N 65 ff.). Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass der eine Vertragspartner durch dessen Ausübung den Mietvertrag einsei­ tig auflösen kann. Der Kündigende kann somit durch seinen alleinigen Willen und ohne Zustimmung der anderen Partei die Vertragsauflösung herbeiführen.

5

Die Kündigung ist allerdings nur wirksam, wenn sie bei der Gegenpartei per­ sönlich oder bei deren Vertreter eintrifft; sie ist mit anderen Worten nicht annahme-, wohl aber empfangsbedürftig (sogenannte empfangsbedürftige Willenserklärung; BGE 143 III 15, E. 4.1, in: MRA 1/17, S. 31 ff.; BGE 137 III 208, E. 3.1.1; vgl. Higi, ZK, N 37 ff. zu Vorbemerkungen zu Art. 266–266o OR). Nach der im Privatrecht geltenden Empfangstheorie gilt eine Kündigung als zugestellt, wenn sie der Gegenpartei bzw. einer empfangsberechtigten Person übergeben oder in deren Briefkasten geworfen oder in dessen Postfach gelegt wird (BGE 137 III 208, E. 3.1.2; 140 III 244, E. 3.2, in: MRA 2/14, S. 67 ff.). Mit dem Eintreffen ist die Zustellung vollzogen und die Erklärung wirksam, ohne dass es auf die tatsächliche Kenntnisnahme des Adressaten ankommt (von Tuhr/Peter, OR AT I, S. 169; vgl. Bartels, Fristwahrung, S. 27 f.). So trägt der Adressat auch das Risiko, falls ihm die mit der Leerung des Briefkastens betraute Person die Sendung verheimlicht oder aus sonst einem Grund nicht aushändigt. Somit kann eine empfangsbedürftige Willenserklärung gültig auch an einen Dritten anstatt den Adressaten erfolgen, sofern dieser entweder nach dem Willen des Adressaten zur Entgegennahme ermächtigt oder aber nach der Verkehrsauffassung als befugt und geeignet anzusehen ist, die Erklärung in Empfang zu nehmen (Schönenberger/Jäggi, ZK, N 409 zu Art. 1 OR; Kra­ mer, BK, N 89 zu Art. 1 OR; vgl. BGE 32 II 286). Da insbesondere Ehegatten in 528

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Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

einer gemeinsam bewohnten Wohnung als zum Empfang von Postsendungen füreinander berechtigt bzw. als dazu befugt zu betrachten sind, ergibt sich aus den allgemeinen Grundsätzen, dass der Ehefrau das an sie adressierte Exemp­ lar der Kündigung in dem Zeitpunkt zugegangen ist, in dem der Ehemann es vom Briefträger entgegengenommen hat (BGE 118 II 44). Dasselbe gilt auch für Partner eines registrierten Paares gemäss PartG. Auch Kinder im minder­ jährigen Alter können Postsendungen für ihre Eltern gültig in Empfang neh­ men, soweit aufgrund deren Alters davon ausgegangen werden darf, dass sie fähig sind, die Postsendung an die adressierten Eltern auszuhändigen. Kann die Kündigung nicht zugestellt werden, gilt als Zugang derjenige Tag, 6 an dem die Sendung erstmals auf der Post abgeholt werden kann (uneingeschränkte, auch absolute Empfangstheorie; dazu BGE 143 III 15, E. 4.1, in: MRA 1/17, S. 31 ff.; 140 III 244, E. 5, in: MRA 2/14, S. 66 ff., m.w.H.; zu den beiden einzigen Ausnahmen dazu: Mietzinserhöhungen [BGE 107 II 189, E. 2]; und Mahnschreiben mit Kündigungsandrohung [BGE 119 II 147, E. 2], bestätigt in BGE 140 III 244, E. 5.1); die Zustellung wird fingiert (Zustellfiktion). Das Risiko der Kenntnisnahme trägt der Empfänger. Demgegenüber gilt bei eingeschriebenen Postsendungen generell was folgt: Ist ein eingeschriebe­ ner Brief unzustellbar, weil ihn der Empfänger innert der postalischen Zustell­ frist nicht abholt, so gilt die Zustellung mit Ablauf der 7-tägigen Abholfrist als erfolgt (Zustellfiktion, vgl. BGE 119 II 147/149, E. 2; BGE 127 I 34, E. b). Die Zustellfiktion nach Ablauf der siebentägigen Frist tritt selbst dann ein, wenn der Postbote dem Adressaten eine längere Abholfrist einräumt (BGE 127 I 35). Eine Wiederholung der Zustellung ist daher in solchen Fällen nicht erforder­ lich (Entscheid des Obergerichtes des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 30. August 1994, in: MRA 1/95, S. 45 ff.; gl.M. Higi, ZK, N 43 zu Vorbemer­ kungen zu Art. 266–266o OR). Mit anderen Worten können dem Kündigen­ den infolge einer allenfalls wiederholten Zustellung keine Nachteile entstehen; die Frist gilt als mit dem ersten Zustellversuch gewahrt, d.h., die Kündigung ist ab dem Zeitpunkt wirksam, an welchem sie erstmals bei der Post hätte abge­ holt werden können. Unerheblich ist endlich, ob dem Adressaten die Wieder­ holung der Kündigung zugestellt werden kann oder nicht. Folgendes Beispiel soll den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung verdeutlichen: Der Ver­ trag sieht eine Kündigungsfrist von drei Monaten auf Ende September vor. Der Mieter stellt dem Vermieter am 19. Juni eine Kündigung zu, die der Postbeamte am 20. Juni dem Vermieter zustellen wollte und stattdessen eine Abholungs­ einladung in den Briefkasten wirft. Die Sendung hätte erstmals am 23.  Juni auf der Post abgeholt werden können. Die Kündigung wird nach Ablauf der siebentägigen postalischen Abholfrist als unzustellbar an den Mieter retour­ Jürg P. Müller

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Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

niert. Danach stellt der Mieter dem Vermieter die Kündigung sogleich ein zweites Mal zu, und der Vermieter holt diese am 4. Juli ab. In diesem Fall gilt die Fiktion, dass die Kündigung am 23. Juni empfangen wurde (Zustellfiktion). Der Vermieter kann sich daher nicht auf den Standpunkt stellen, die Kündi­ gungsfrist sei nicht gewahrt. Gelingt dem beweispflichtigen Mieter der Nach­ weis nicht, dass der Vermieter die Sendung am 23. Juni hätte abholen können, gilt die Kündigung jedenfalls am Tag des Ablaufs der siebentägigen Abholfrist, mithin am 28. Juni, als zugestellt (Zustellfiktion). 7

Trifft die Kündigung während einer Ortsabwesenheit des Mieters ein und ist die Abholfrist nach dessen Rückkehr bereits abgelaufen, so gilt die Kündigung trotzdem als zugestellt, weil die Anfechtungsfrist bereits mit dem Einwerfen der Abholungseinladung im Briefkasten des Empfängers bzw. der Hinterle­ gung im Postfach, allenfalls am Folgetag zu laufen begonnen hat (BGE 143 III 15, E. 4.1, in: MRA 1/17, S. 31 ff.).

8

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung wird heute der Zustellnach­ weis mittels Bestätigung der von der Schweizerischen Post online angebo­ tenen Dienstleistung «Track and Trace» als widerlegbare Vermutung aner­ kannt (Urteil des Bundesgerichts 2C_713/2015 vom 13. Dezember 2015, E. 3.3, m.w.H.). Dies zu Recht, da diese Dienstleistung anstelle der von der Post frü­ her angebotenen Nachforschungsbegehren trat und einen sehr hohen Grad an Zuverlässigkeit aufweist.

9

Mit der Zustellung der Kündigung real oder fingiert beginnt die 30-tägige Anfechtungsfrist (Art. 273 Abs. 1 OR; BGE 140 III 244, E. 5.1).

5.

Kündigungsfristen und -termine

10

Die Parteien können den Kündigungstermin frei wählen (Art.  266a Abs.  1 OR). Das Gesetz schreibt jedoch Mindestkündigungsfristen vor, welche die Parteien nicht unterschreiten dürfen (Art. 266a–266f OR). Es ist zulässig, für Mieter und Vermieter unterschiedliche Kündigungsfristen und -termine zu vereinbaren (Botsch. 1985, S. 1448).

11

Schliesst der fachkundige Vermieter einen Vertrag mit einer zu kurzen Kün­ digungsfrist ab, ist es rechtsmissbräuchlich, wenn er sich gegenüber dem Mieter auf die zwingende Frist im Gesetz beruft (Urteil des Bundesgerichts 4A_364/2010, E. 5.3, in: mp 1/11, S. 46 f.).

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Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

6.

Bedingungsfeindlichkeit der Kündigung

Entsprechend ihrer Natur als Gestaltungsrecht ist die Kündigung bedingungs- 12 feindlich, was bedeutet, dass deren Erklärung bzw. deren Wirkung nicht vom Eintritt eines zukünftigen ungewissen Ereignisses abhängig gemacht werden darf (zum Begriff der Bedingungsfeindlichkeit eines Gestaltungsrechts vgl. Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT II, N 154; BGE 128 III 129, E. 2a, Kün­ digung eines Arbeitsverhältnisses; BGE 108 II 104). Dieser Grundsatz gründet im schutzwürdigen Interesse des betroffenen Erklärungsgegners an einer kla­ ren Rechtslage. Eine Kündigung des Mieters mit dem Wortlaut «Hiermit kün­ dige ich Ihnen die 4-Zimmer-Wohnung auf den 30. September 2016, sofern ich bis zu diesem Zeitpunkt eine andere Wohnung gefunden habe» ist daher unwirksam und braucht vom Vermieter nicht akzeptiert zu werden. Aus­ nahmsweise ist die bedingte Kündigung wirksam, wenn trotz der Bedingung keine Ungewissheit für den Betroffenen entsteht, weil der Eintritt der Bedin­ gung von dessen Willen abhängt. So kann der Vermieter z.B. folgende Kündi­ gung aussprechen: «Falls Sie den Mietzins für den Monat Oktober 2016 nicht bis zum 15. November 2016 bezahlen, kündige ich Ihnen hiermit die 4-Zim­ mer-Wohnung auf den 31. Dezember 2016.» Zu Recht können jedoch gemäss h.L. selbst bedingte Gestaltungserklärungen 13 wirksam sein, wenn die durch die Bedingung allenfalls entstehende Rechtsun­ sicherheit zumutbar erscheint und die Interessen des Erklärenden die Wirk­ samkeit der bedingen Gestaltungserklärung rechtfertigen (Gauch/Schluep/ Schmid/Rey, a.a.O., N 155, m.w.H.; vgl. Ziff. 8b). Gültig sind demnach in jedem Fall Kündigungen, die – rein vorsorglich – wie­ 14 derholt werden für den Fall, dass eine kurz zuvor ausgesprochene Kündigung aus formellen Gründen nicht bereits Gültigkeit haben sollte. Bei dieser Kons­ tellation wird die zweite Kündigung zum einen nicht vom Eintritt eines zukünf­ tigen ungewissen Ereignisses abhängig gemacht, sodass sich bei dieser Art von Kündigung insoweit keine unklare Rechtslage ergibt. Zum anderen würde sich eine vorübergehend allenfalls entstehende Unsicherheit der Rechtslage, d.h. die Bestimmung des genauen Beendigungszeitpunktes des Mietverhältnisses, regelmässig durch die Interessen des Kündigenden rechtfertigen, der den Ver­ trag in jedem Fall auflösen will und hierfür auch einen entsprechenden Kün­ digungsgrund hat.

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Vorbemerkungen zu Art. 266–266o 15

Beispiel einer Vermieterkündigung: Ist bei einer Zahlungsverzugskündigung gemäss Art. 257d OR unklar, wann der Mieter das Mahnschreiben mit Kündigungsandrohung in Empfang genom­ men hat und besteht Unsicherheit, ob die Kündigung nach unbenütztem Frist­ ablauf vor Ablauf der 30-tägigen Frist ausgesprochen wurde, kann eine sol­ che Kündigung ohne Weiteres wiederholt werden, je nach Zeitpunkt allenfalls auf ein späteres Monatsende. Gleiches gilt sinngemäss auch für Kündigun­ gen, die vorsorglich nochmals, jedoch auf einen späteren Termin ausgespro­ chen werden für den Fall, dass die materiellen Voraussetzungen bei der ersten Kündigung möglicherweise nicht erfüllt waren (z.B. wenn der Vermieter eine erste infolge Zahlungsverzuges des Mieters ausgesprochene Kündigung nach Art. 257d OR im darauf folgenden Monat ein weiteres Mal ausspricht gestützt auf einen erneuten Zahlungsausstand des Mieters, weil der Mieter den ers­ ten abgemahnten Mietzinsausstand mit einer behaupteten, seitens des Vermie­ ters indes bestrittenen Verrechnungsforderung «getilgt» haben will). In sol­ chen Fällen schadet die Rechtsunsicherheit über die Rechtsbeständigkeit der zuerst ausgesprochenen Kündigung der Gültigkeit der zweiten nicht, da diese Rechtsunsicherheit für den Mieter zumutbar ist und durch die übergeordne­ ten Interessen des Vermieters die Wirksamkeit der zweiten, «bedingt» ausge­ sprochenen Kündigung gerechtfertigt ist (vgl. Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT I, N 155).

16

Möglich ist auch, dass bei unklarer Bezeichnung einer Mietpartei im Mietver­ trag und bei bestehender Ungewissheit über den Vertragspartner die Kündi­ gung sowohl gegenüber der einen als auch gegenüber der anderen Partei aus­ gesprochen wird. Dies ist selbst dann möglich, wenn die Unklarheit erst im Verlaufe eines bereits anhängigen Kündigungsschutzverfahrens festgestellt wird und der Vermieter eine zweite Kündigung gegen den seines Erachtens richtigen Mieter ausspricht. Falls der Mieter die erste ausgesprochene Kündi­ gung anficht, erwiese sich die zweite jedenfalls nicht alleine deshalb als miss­ bräuchlich, weil sie während eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens ausgesprochen wurde (Art. 271a Abs. 1 Buchst. d OR).

17

Beispiel: Wenn unklar ist, ob das Mietverhältnis mit der XY Management AG oder der XY Betriebs AG besteht, kann die Kündigung gegenüber der XY Betriebs AG auch dann noch ausgesprochen werden, wenn die Kündigung gegenüber der XY Manage­ ment AG bereits angefochten und das Verfahren vor Schlichtungsbehörde oder am Gericht pendent ist.

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Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

7. Unwiderruflichkeit Die Ausübung des Kündigungsrechtes ist zudem unwiderruflich (gl.M. Higi, 18 ZK, N  44 zu Vorbemerkungen zu Art.  266–266o OR). Ohne Zustimmung des Kündigungsempfängers kann eine Kündigung damit nicht «rückgängig» gemacht werden. Nimmt indessen eine Partei eine Kündigung mit Einwilli­ gung der anderen zurück, ist dies dem Abschluss eines neuen, den Bedingun­ gen des alten entsprechenden Vertrages gleichzusetzen.

8. Unmissverständlichkeit Eine Kündigung muss überdies unmissverständlich sein: Der Kündigungs- 19 wille muss klar zum Ausdruck kommen. Ist strittig, ob in einer Erklärung ein Kündigungswille enthalten ist, ist dieser nach dem Vertrauensprinzip festzu­ stellen. Teilt der Vermieter dem Mieter z.B. mit, die gesamte Liegenschaft sei dringend sanierungsbedürftig, weshalb in absehbarer Zeit mit einer Kündi­ gung gerechnet werden müsse, so liegt keine Kündigung vor (zur sonstigen Bedeutung dieser Mitteilung vgl. N 71 zu Art. 272 OR). Die Äusserung einer blossen Absicht oder eine Information über eine bevorstehende Kündigung stellen demnach keine Kündigung dar. Dasselbe gilt, wenn der Vermieter dem Mieter androht, er werde den Mietvertrag auflösen, sofern der Mieter weiter­ hin die Mitmieter mit Lärmimmissionen beeinträchtige. Umgekehrt gilt dies auch für einen Mieter, der lediglich seinen Kündigungs­ 20 willen kundtut oder seine Absicht mitteilt, das Mietobjekt vorzeitig zurückzu­ geben (Art. 264 OR).

9.

Teilweise Auflösung des Mietverhältnisses (Teilkündigung)

Eine Kündigung von Teilen des Bestandteils des Mietverhältnisses bilden­ 21 den Mietobjektes ist nicht zulässig, wenn das Mietverhältnis ein einheitliches Ganzes bildet, mithin von einem einheitlichen Mietverhältnis auszugehen ist (Schmid, ZK, N 16 zu Art. 267 aOR; Higi, ZK, N 96 Vorbem. zu Art. 266– 266o OR, m.w.H.; BGE 125 III 231, in: MRA 4/99, S. 136 ff.; Urteil des Bun­ desgerichts 4A_283/2013 vom 20.8.2013, E. 4.4 und 4.5, in: mp 1/14, S. 37 ff.). Ob von einem einheitlichen Mietverhältnis (zum Begriff Hulliger/Heinrich, CHK, N  5 zu Art.  253a OR, m.w.H.) auszugehen ist, bestimmt sich primär

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Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

nach dem Willen der Vertragsparteien und den Interessen der beteiligten Par­ teien (BGE 137 III 127, E. 2.2). Den Parteien ist es daher bei einem Mietver­ hältnis, das mehrere Teilobjekte zum Gegenstand hat, ungeachtet der Tatsache, ob sie in einem funktionellen Zusammenhang zueinander stehen, unbenom­ men zu vereinbaren, dass die Teilobjekte getrennt kündbar sind. Einer solchen Abrede steht auch Art. 253a OR nicht entgegen, der – wie aus der Marginale ersichtlich ist – bloss den Geltungsbereich der Bestimmungen über die Wohnund Geschäftsräume auf mitvermietete Sachen regelt (a.M. Higi, ZK, N 3 zu Art. 253a–253b OR). 22

Fehlt eine ausdrückliche Absprache zwischen den Parteien über die Kündbar­ keit von Teilobjekten, ist massgebend, ob die Teilobjekte zueinander in einem besonderen Zusammenhang stehen, bei dem – in Anlehnung an Art. 253a OR – persönliche, sachliche und zeitliche Aspekte wesentlich sind (Higi, ZK, N 52f zu Art. 253a–253b OR), wobei hier von hervorragender Bedeutung ist, ob die Parteien über die verschiedenen Teilobjekte separate Verträge abgeschlos­ sen haben oder nicht (so auch BGE 125 III 231, E. 3d, wonach der «formellen Selbständigkeit» von Verträgen Rechnung zu tragen ist, bestätigt in Urteil des Bundesgerichts 4A_283/2013 vom 20.8.2013, E. 4.4.1 und 4.5). Wird z.B. ein Restaurant zusammen mit einer Wirtewohnung – in einem einzigen Mietver­ trag – als einheitliche Mietsache vermietet, sind die Parteien nicht berechtigt, entweder allein die Wirtewohnung oder die Restaurant-Lokalitäten zu kündi­ gen.

23

Keine Teilkündigung im hier verstandenen Sinne liegt daher in der Regel vor, wenn eines von mehreren Objekten gekündigt wird und für dieses «Teilobjekt» ein separater Vertrag abgeschlossen worden ist. In solchen Fällen ist – gegen­ teilige individuelle Absprachen vorbehalten – zu vermuten, dass die Parteien gerade deshalb mehrere Verträge abgeschlossen haben, weil diese je einzeln sollten gekündigt werden können (Beispiel eines Mieters, der zu unterschied­ lichen Zeitpunkten mit zwei separaten Mietvertragen Büroflächen mietet). Ebenfalls ein klares Indiz für die separate Kündbarkeit von mehreren Mietver­ trägen, die zwischen denselben Parteien abgeschlossen wurden, bildet – gege­ benenfalls – die unterschiedlich vereinbarte Kündigungsfrist.

24

Von der Teilkündigung zu unterscheiden sind einvernehmliche, mithin kon­ sensuale Vertragsänderungen, womit die Parteien Teile eines Mietobjektes nicht mehr zum Gegenstand des Mietvertrages zählen wollen. Solche Anpas­ sungen sind im Rahmen der Inhaltsfreiheit von Verträgen (Art. 19 Abs. 1 OR) jederzeit und in beliebigem Umfang möglich.

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Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

Von der Teilkündigung ebenfalls zu unterscheiden ist die einseitige Vertrags- 25 änderung des Vermieters zulasten des Mieters (Art. 269d Abs. 3 OR), womit dem Mieter mittels amtlich genehmigten Formular ein Teil des Mietobjektes entzogen werden soll (N 65 ff. zu Art. 269d OR). Gemäss Bundesgericht ist eine Teilkündigung wohl – aber nur dann – ausge­ 26 schlossen, wenn nach dem Willen bzw. den Interessen der Parteien die zwei oder mehrere Verträge als ein untrennbares Ganzes bildeten (Urteil 4A_283/2013 vom 20. August 2013, E. 4.4.1, in: mp 1/14, 36 ff.).

10.

Legitimation zur Kündigung, Stellvertretung

Zur Kündigung legitimiert sind die Vertragsparteien. Ein Dritter, der am 27 Mietvertrag nicht beteiligt ist, kann somit das Recht zur Kündigung nicht ausüben. So kann der Ehegatte des Mieters den Mietvertrag nicht kündigen. Ebenso wenig kann ein Untermieter das Hauptmietverhältnis mittels Kündi­ gung zur Auflösung bringen. Ist eine Aktiengesellschaft Vermieterin, kann die Kündigung nur durch deren Organe ausgesprochen werden, nicht aber durch den Alleinaktionär. Zulässig ist hingegen, dass ein Dritter als (bevollmächtig­ ter) Stellvertreter (Art. 32 ff. OR) die Kündigung namens des Vermieters oder Mieters ausspricht (z.B. Verwaltung, Anwalt usw.; vgl. Higi, ZK, N 69 ff. Vor­ bem. zu Art. 266–266o OR). Bei vollmachtloser Stellvertretung kann die vertretene Partei die Kündi­ 28 gung im Nachhinein genehmigen (Art. 38 OR). Bei mehreren Mietern müs­ sen alle Mieter auf dem Kündigungsschreiben aufgeführt sein oder die Kün­ digung nachträglich genehmigen. Zur Schaffung klarer Verhältnisse hat eine solche Genehmigungshandlung nach Entdecken des Mangels möglichst rasch zu erfolgen. Wird der Mangel entdeckt und setzt der Vermieter dem Mieter eine Frist zur Genehmigungshandlung an und erfolgt die Genehmigung nicht innert angesetzter Frist, erweist sich die Kündigung als ungültig.

11.

Form der Kündigung

Nach Art. 266l Abs. 1 OR müssen bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräu­ 29 men sowohl der Vermieter als auch der Mieter schriftlich kündigen. Die Kün­ digung ist eigenhändig zu unterschreiben (Art. 14), wobei eine Faksimileun­ terschrift nicht ausreicht (Näheres siehe N 8 f. zu Art. 266l–266o OR).

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Vorbemerkungen zu Art. 266–266o 30

Eine Kündigung durch den Vermieter hat zudem auf einem vom Kanton geneh­ migten Formular zu erfolgen (Art. 266l Abs. 2 OR; N 13 f. zu Art. 266l–266o OR). Werden die Formvorschriften nicht eingehalten, so ist die Kündigung nichtig (Art. 266o OR).

12.

Familienwohnung oder gemeinsame Wohnung nach PartG

31

Ein Ehegatte, der Vertragspartei ist, kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des anderen einen Mietvertrag kündigen oder durch andere Rechtsge­ schäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken (Art.  169 Abs. 1 ZGB, Art. 266m Abs. 1 OR; im Übrigen vgl. N 24 f. zu Art. 266l–266o OR). Bei einer Kündigung der Familienwohnung durch den Vermieter ist das Kündigungsformular beiden Ehegatten separat zuzustellen (Art.  266n OR; N 44 ff. zu Art. 266l–266o OR).

32

Diese Ausführungen gelten sinngemäss auch für die Kündigungen von Woh­ nungen eines registrierten Paares gemäss Partnerschaftsgesetz (PartG; vgl. N 68 zu Art. 266l–266o OR).

13.

Mehrheit von Vermietern oder Mietern

13.1 Allgemeines 33

Gemäss Bundesgericht stellt der gemeinsame Mietvertrag ein einheitliches Rechtsverhältnis dar (BGE 136 III 431, E. 3.1, S. 434). Das Kündigungsrecht als unteilbares Gestaltungsrecht steht daher nur allen Mietern oder Vermie­ tern gemeinsam zu und muss gegenüber allen Vermietern bzw. Mietern aus­ geübt werden; ansonsten ist die Kündigung nichtig (Urteil des Bundesgerichts 4A_240/2014 vom 28.8.2014, E. 4.2.1; Urteile 4A_189/2009 vom 13. Juli 2009, E. 2.1; 4C.331/1993 vom 20. Juni 1994, E. 5b; siehe auch Higi, ZK, N 84 Vorbem. zu Art. 266–266o OR; MfdP/Thanei, N 25.8.3; Weber, BSK, N 1 zu Art. 266a OR und N 4 zu 266o OR). Dabei gilt im Grundsatz, dass derjenige Mieter, der nicht Partei im Anfechtungsverfahren ist und sich nicht vorbehaltlos dem Prozesser­ gebnis unterzieht, als Beklagte in den Prozess einbezogen werden muss (BGE 140 III 398, in: MRA 3/15, 142 ff., wo sich mehrere Mieter uneinig waren, ob die ausgesprochene Kündigung angefochten werden soll oder nicht; die nicht anfechtungswilligen waren auf der beklagten Seite in der Klage aufzuführen).

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Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

Von diesem Fall zu unterscheiden ist jener, wo eine Ehefrau, die nicht Miete­ rin ist, die ihr und ihrem Ehemann separat zugestellte Kündigung nicht anficht und nur der Ehemann aktiv wird. Da die nicht anfechtende Ehefrau nicht Mie­ terin ist, muss sie nicht in den Kündigungsschutzprozess einbezogen werden.

13.2

Mehrheit von Vermietern

Ist eine Erbengemeinschaft Vermieterin, so muss die Kündigung von allen 34 Erben ausgehen (Art.  653 Abs.  2 ZGB; MfdP/Thanei, N  25.8.2). Ist ein Mit­ glied der Erbengemeinschaft von den anderen zur Vornahme der Kündigung bevollmächtigt worden, ist diese rechtsgültig, wenn der Vertreter die Kündi­ gung namens der Erbengemeinschaft ausspricht. Es ist daher nicht unbedingt notwendig, dass alle Mitglieder das Kündigungsschreiben bzw. das amtliche Formular unterzeichnen (Urteil des Bundesgerichts 4C.217/2004 vom 2. Juni 2004, E. 5, wonach es genügt, dass der «Vertreter» tatsächlich bevollmächtigt ist und der Adressat aus den Umständen auf das Vertretungsverhältnis schliessen musste, Art. 32 Abs. 2 OR). Ist im Mietvertrag nur die Erbengemeinschaft als solche (z.B. «Erbengemeinschaft Fritz Meier») als Vermieterin aufgeführt, so reicht es aus, wenn der Mieter die Kündigung an diese adressiert. Falls indes­ sen die einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft im Vertrag (z.B. Erben­ gemeinschaft Fritz Meier, bestehend aus Erika Meier, Hans Meier und Vreni Müller) namentlich erwähnt sind und kein Hinweis auf ein Vertretungsver­ hältnis besteht, muss die Kündigung des Mieters an jeden Einzelnen zugestellt werden. Gleiches gilt, wenn eine einfache Gesellschaft (z.B. Baukonsortium «Überbauung im Grünen») Vermieterin ist. Steht das Mietobjekt im Miteigentum der Vermieter, kann von diesen eine 35 Kündigung nur gültig ausgesprochen werden, falls sie mindestens von der Mehrheit der Miteigentümer, die zugleich den grösseren Teil der Sache vertritt, ausgesprochen wird (Art. 647b Abs. 1 ZGB). Insoweit ist bei Uneinigkeit über eine auszusprechende Kündigung zuerst innerhalb der Miteigentümergemein­ schaft gültig Beschluss zu fassen.

13.3

Mehrheit von Mietern

Sind mehrere Mieter im Mietvertrag namentlich genannt, bilden sie eine einfa- 36 che Gesellschaft (MfdP/Thanei, N 25.8.3; Schmid Jörg, die gemeinsame Miete – ausgewählte Fragen, in: AJP 1/2016, S.  31  ff. /34; Urteil des Gerichtspräsidi­ ums Aarau vom 16. Mai 2011, in: mp 1/13, S. 60, E. 2.1, m.w.H.; zumindest in

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Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

den Grundzügen ebenfalls zustimmend Dillier Julia, Konkubinatspartner als gemeinsame Mieter von Wohnräumen – unter besonderer Berücksichtigung der Auflösung des Mietvertrags, in: mp 4/17, S. 239 ff./245). Ist dies der Fall, muss die Kündigung an alle Mieter gerichtet sein; mithin müssen alle Mietpar­ teien als Adressaten auf dem amtlichen Formular aufgeführt sein (Art. 70 OR). 37

Sind mehrere (natürliche) Personen Mieter eines Mietverhältnisses, kann die Kündigung gegenüber dem Vermieter nur einstimmig erfolgen, da die Aufhe­ bung des Mietverhältnisses nur als Ganzes oder gar nicht erfolgen kann. In der Regel ist hierfür ein einstimmiger Beschluss der Mieter nötig. Die Aufhebung des Mietverhältnisses stellt dabei eine sogenannte ausserordentliche Verwaltungshandlung dar, die den Hauptzweck des gemeinsamen Mietverhältnisses, das gemeinsame Wohnen, betrifft. Bei der Miete einer Familienwohnung oder bei eingetragenen Partnern gemäss Partnerschaftsgesetz ist dieser Grundsatz ausdrücklich im Gesetz verankert: Ein Ehegatte oder ein eingetragener Partner kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des anderen den Mietvertrag oder eine Familienwohnung kündigen. Dies selbst dann, wenn der andere Ehe­ gatte bzw. eingetragene Partner gar nicht Mietpartei ist (Art. 169 ZGB).

38

Können sich die gemeinsamen Mieter in einem solchen Fall nicht darauf eini­ gen, das Mietverhältnis zu kündigen, so hat dies zur Folge, dass keine rechtsgültige Kündigung ausgesprochen werden kann. Im Eherecht sieht Art. 169 ZGB vor, dass ein Ehegatte das Gericht anrufen kann, wenn er die Zustimmung seines Ehegatten für die Kündigung nicht einholen kann oder ihm diese ohne triftigen Grund verweigert wird (Art. 169 Abs. 2 ZGB). Der Antrag richtet sich in diesem Fall auf Ermächtigung zur alleinigen Kündigung des Mietvertrages. Bis zur rechtsgültigen Kündigung haften beide Mieter für die Erfüllung des Mietvertrages, insbesondere für die Bezahlung des Mietzinses.

39

Bei einer Mehrheit von Mietern ausserhalb des Eherechts sowie des Partner­ schaftsgesetzes gehen Lehre und Rechtsprechung davon aus, dass die mehre­ ren Mieter eine einfache Gesellschaft bilden (Schmid Hans, Der gemeinsame Mietvertrag, in: SJZ 87, S.  350; HAP-Immobiliarmietrecht/Maag, Rz.  2.52; MfdP/Thanei, N 25.8.3; teilweise a.A. Weber, S. 30 ff. und S. 91 ff., der als Kons­ trukt der schlichten Rechtsgemeinschaft gegenüber der einfachen Gesellschaft zu bevorzugen scheint). Mit dem Abschluss des gemeinsamen Mietvertrages zwecks Wohnen oder Arbeiten wird der Wille zur Verfolgung eines gemein­ schaftlichen Interesses mit gemeinsamen Mitteln und Kräften manifestiert, sodass eine Mehrheit von Mietern eine einfache Gesellschaft im Sinne von Art. 530 OR darstellen. Ein Gesellschafter, der die Kündigung gegen den Wil­

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Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

len seines Mitgesellschafters aussprechen will, hat demgemäss wie folgt vorzu­ gehen: 1. Auflösung der einfachen Gesellschaft durch entsprechende Erklärung (Art. 545 Ziff. 6 OR). 2. Vornahme der Liquidation der einfachen Gesellschaft im Sinne von Art.  550 Abs.  1 OR, wobei hierfür  – bei Uneinigkeit  – der Richter zur Bezeichnung eines Liquidators anzurufen ist (Art. 550 i.V.m. Art. 563 Abs. 1 OR; Staehelin, BSK, N 8 zu Art. 550 OR). Uneinigkeit besteht in der Praxis, ob vom Gericht auch die Anordnung einer konkreten Liquidationshand­ lung (wie das Aussprechen der Kündigung) verlangt werden kann (Staehe­ lin, BSK, N 1 zu Art. 548/549 OR und N 9 zu Art. 550 OR, m.w.H.). Nach hier vertretener Auffassung reicht es aus, wenn der Liquidator ernannt wird. Dieser kann hernach die Kündigung des Mietverhältnisses mit Wirkung auf alle Gesellschafter gültig aussprechen, da in der Regel kein Gesellschafter ein überwiegendes Interesse an der Fortführung des Miet­ verhältnisses geltend machen kann (vgl. BGE 112 II 12, wonach gerichtli­ che Weisungen an die Liquidatoren kein Problem darstellen, wenn sie nicht über das hinausgehen, was die Liquidatoren nach Gesetz und Rechtspre­ chung ohnehin zu tun haben). Eine im Vertrag als Solidarpartner bezeichnete Person wurde vom Obergericht 40 des Kantons Zürich als solidarisch haftender Mitmieter (Solidarmieter) quali­ fiziert, was vom Bundesgericht nicht beanstandet wurde (Urteil des Bundesge­ richts 4A_41/2009 vom 1. April 2009, E. 3, in: MRA 1/10, S. 37 ff.).

14.

Vertragsauflösung im gegenseitigen Einvernehmen

Mietverhältnisse enden nicht ausschliesslich durch Zeitablauf oder Kündigung. 41 Aufgrund der Vertragsfreiheit ist es den Parteien unbenommen, den Mietver­ trag im gegenseitigen Einvernehmen ganz oder teilweise aufzuheben (vgl. Higi, ZK, N 12 ff. Vorbem. zu Art. 266–266o OR). Ein derartiger Aufhebungsvertrag (contrarius actus) ist grundsätzlich an keine Form gebunden (Art. 115); haben die Parteien im Mietvertrag einen Schriftformvorbehalt vereinbart für dessen Änderungen und/oder Ergänzungen, ist jedoch auch für den Aufhe­ bungsvertrag die Schriftform zu beachten (so auch Hulliger/Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 272b OR). Die Parteien können darin die sofortige Auflösung des

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Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

Mietverhältnisses vereinbaren, ohne die gesetzlichen oder vertraglichen Kün­ digungsfristen und -termine einzuhalten. 42

Eine einvernehmliche Auflösung ist auch durch konkludentes Verhalten möglich, wobei insbesondere bei der vorzeitigen Rückgabe des Mietvertrages gemäss Art. 264 OR nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden darf. So verliert ein Vermieter seine Ansprüche aus Art. 264 Abs. 2 OR (Mietzinsaus­ fälle bis zur Wiedervermietung oder bis zum nächstmöglichen Kündigungster­ min) nicht, weil er die ihm unaufgefordert zugesandten Schlüssel kommentar­ los entgegennimmt und erst Wochen oder gar Monate später diese Ansprüche geltend macht.

15.

Kündigung und Optionsrecht

43

Vor allem bei Geschäftsmietverträgen räumt der Vermieter dem Mieter oft ein sogenanntes «Optionsrecht» ein. Dieses hat zum Inhalt, dass der Mieter nach Ablauf einer bestimmten Mindestvertragsdauer den Vertrag einseitig um eine weitere Zeitspanne «verlängern» (eigentlich: unkündbar machen) kann. Auch die mehrmalige Einräumung eines Optionsrechtes ist zulässig (vgl. Näheres zu den unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten von Optionsrechten und ähnlichen Rechtsfiguren, in: HAP-Immobiliarmietrecht/Koumbarakis, Rz. 17.2 und 17.54 ff.; Maag, «Reservationsrecht, in: MRA 2/01, S. 37 ff.; zum Begriff der Option und zu Abgrenzungsfragen siehe BGE 122 III 10, E.  4b; Urteil des Bundesgerichts 4A_551/2008 vom 12. Mai 2009, E. 5, in: MRA 4/10, S. 177 ff., S. 180 f.).

44

Die entsprechenden Vertragsklauseln halten in der Regel fest, bis zu welchem Zeitpunkt der Mieter das Optionsrecht ausüben kann (Ausübungsfrist). In Ermangelung einer solchen Regelung wird anzunehmen sein, dass der Mie­ ter dieses Recht bis zum letzten Tag der vereinbarten Vertragsdauer ausüben kann, ungeachtet dessen, ob es sich um einen befristeten (Art. 255 Abs. 2 OR) oder unbefristeten (Art.  255 Abs.  3 OR) Mietvertrag handelt (MfdP/Thanei, N 24.3.10; differenzierend Higi, der beim echt befristeten Mietverhältnis aus Gründen der Rechtssicherheit verlangt, den Ausübungszeitpunkt der Options­ erklärung an die gesetzliche Kündigungsfrist zu binden; ZK, N 65 und 66 zu Art.  255 OR). Die Missachtung der Optionsbedingungen, namentlich deren verspätete Ausführung, führt zum Rechtsverlust (Urteil des Bundesgerichts 4A_423/2016 vom 21. Dezember 2016, E. 2, in: MRA 3/17, S. 160 ff., S. 161).

540

Jürg P. Müller

Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

Ist im Vertrag für die Ausübung der Option ein spätester Ausübungszeitpunkt 45 bestimmt, erweist sich eine seitens des Vermieters vor diesem Termin ausge­ sprochene ordentliche Kündigung als unwirksam (Higi, ZK, N 69 zu Art. 255 OR, der jedoch von einer «unheilbar wirkungslosen» und daher nichtigen Kün­ digung spricht; unentschieden MfdP/Thanei, N  29.3.1.5.2). Beispiel: Haben die Parteien eine Mindestvertragsdauer bis zum 31. Dezember 2017 vereinbart und hat der Mieter Zeit bis zum 30. September 2015, um eine Option zur Ver­ längerung des Mietverhältnisses um weitere fünf Jahre (bis 31.12.2022) auszu­ üben, so ist eine Kündigung seitens des Vermieters, welche am 30. Juni 2015 per 31.  Dezember 2017 ausgesprochen wurde, wirkungslos. Dies gilt jeden­ falls dann, wenn aus dem Willen des kündigenden Vermieters nicht abgelei­ tet werden kann, dass er die Kündigung auf den Ablauf der durch die Options­ ausübung verlängerten Mietdauer verstanden wissen will (vgl. Art. 266a Abs. 2 OR). Kündigungen des Vermieters aus wichtigen Gründen (Art. 266g OR) und sol­ 46 che, welche der Vermieter mit Zahlungsrückstand des Mieters (Art. 257d OR) oder wegen schwerer Verletzung der Pflicht des Mieters zur Sorgfalt und Rücksichtnahme (Art.  257f OR) oder bei Verkauf der Mietsache (Art.  261 OR) oder infolge Konkurs des Mieters (Art.  266h OR) ausspricht, können selbstverständlich trotz Vorliegen eines Optionsrechtes erfolgen. Vielfach vereinbaren die Parteien schon zum Voraus, dass der Mietzins für die 47 durch die ausgeübte Option verlängerte Mietdauer («Optionsdauer») auf einen im Voraus bestimmten Betrag angepasst wird (sogenannte echte Option; vgl. 4C.152/2004 vom 9. Juli 2004; MfdP/Thanei, N 24.3.9). Wird der Mietzins wäh­ rend der Optionsdauer in Franken im Voraus festgelegt, ist dieser neue Miet­ zins der vertraglich geschuldete. Fehlt eine vertragliche Regelung, so gelten während der Optionsdauer, also bis zum nächsten Kündigungstermin, die bis­ herigen Bedingungen des Mietvertrages unverändert weiter. Sind die vertraglichen Konditionen, wie sie während der Optionsdauer Gül­ 48 tigkeit haben sollen, nicht im Voraus, mithin bei Ausübung der Optionser­ klärung bestimmt und haben sich die Parteien nach Ausübung der Option demzufolge noch zu einigen, handelt es sich bei der dem Mieter eingeräumten Option gemäss Bundesgericht um eine sogenannte unechte Option (Urteil des Bundesgerichts 4C.152/2004 vom 9. Juli 2004; vgl. dazu den kritischen Kom­ mentar von Sommer Monika, in: MRA 1/05, S. 28 ff.; kritisch zur Rechtsfigur der unechten Option als solches: Urteil Obergericht des Kantons Zürich vom 30.  November 2015, PD150022, E.  5, S.  7/8). Ebenfalls eine unechte Option liegt vor, wenn der Verpflichtete, i.d.R. der Vermieter dem Berechtigten (Mie­ Jürg P. Müller

541

Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

ter) vorerst neue Konditionen vorzuschlagen hat, auf deren Basis das Mietver­ hältnis während der Optionsdauer fortgesetzt werden soll (Urteil 4C.152/2004 vom 9. Juli 2004, E. 3.1). Haben die Parteien lediglich eine unechte Option im hier verstandenen Sinne vereinbart und kann eine Einigung zwischen den Par­ teien über die neuen Konditionen nicht erzielt werden, so löst die ausgeübte Option die vorgesehene Vertragsverlängerung nicht aus (Urteil 4C.152/2004 vom 9. Juli 2004, E. 3.1; Higi, ZK, N 70 ff. zu Art. 255 OR). Beim echt befristeten Mietverhältnis (Art. 255 Abs. 2 OR) endigt der Mietvertrag diesfalls entspre­ chend dem vertraglich vereinbarten Beendigungszeitpunkt. Beim unbefriste­ ten Mietverhältnis (Art. 255 Abs. 3 OR) wird dieses auf unbestimmte Dauer zu den bisherigen Konditionen fortgesetzt. 49

Zur Abgrenzung zum Vormietrecht und zur Pflicht zur Offertstellung siehe HAP-Immobiliarsachenrecht/Koumbarakis, Rz. 17.54 ff.

50

Häufig wird im Zusammenhang mit dem Recht des Mieters zur Verlängerung des Mietvertrages dem Vermieter im Gegenzug die Möglichkeit eröffnet, den Mietzins für die Optionsdauer (zum Begriff vgl. N 47) einseitig an die orts- und quartierüblichen Verhältnisse anzupassen. Solche Klauseln wären nach der Leseart des Bundesgerichts (vgl. N 48) als unechte Optionsklauseln zu qualifi­ zieren und blieben für den Fall, dass der solcherart vom Vermieter angezeigte Mietzins angefochten wird, ohne Wirkung. Nach der hier vertretenen Auffas­ sung soll dadurch, dass der Mieter den neu angezeigten orts- und quartier­ üblichen Mietzins infrage stellt, an der rechtserzeugenden Wirkung der aus­ geübten Option allerdings nichts ändern (Hulliger/Heinrich, CHK, N  11 zu Art. 255 OR). Denn bei Klauseln der oben umschriebenen Art entspricht es regelmässig dem übereinstimmenden Parteiwillen, das Vertragsverhältnis zu verlängern, wobei beide Parteien bei Uneinigkeit über den orts- und quartie­ rüblichen Mietzins in Kauf nehmen, dass dieser einer gerichtlichen Überprü­ fung unterzogen wird und gegebenenfalls durch den Richter festgesetzt wird. Auch dem Schutzbedürfnis des Mieters ist mit der Anfechtungsmöglichkeit des durch den Vermieter angezeigten Mietzinses genügend Rechnung getra­ gen: Der Richter wird im Rahmen des Mietzinsanfechtungsverfahrens den vom Vermieter angezeigten orts- und quartierüblichen Mietzins auf seine Missbräuchlichkeit im Sinne von Art. 269 ff. OR überprüfen (Sommer Monika, in: MRA 1/05, S. 32 ff.). Wollen die Parteien ein solches Verfahren vermeiden, steht ihnen bei der Geschäftsraummiete die Möglichkeit offen, den auf den Beginn der durch die ausgeübte Option verlängerten Vertragsdauer massge­ benden Mietzins durch einen Schiedsgutachter festlegen zu lassen.

542

Jürg P. Müller

Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

Gültig sind gemäss Bundesgericht bei der Geschäftsraummiete wegen der 51 zwingenden Norm von Art.  361 Abs.  4 ZPO, nicht jedoch bei der Wohn­ raummiete, sodann von den Parteien in diesem Zusammenhang vereinbarte Schiedsklauseln, wonach der orts- und quartierübliche Mietzins für den Fall, dass nach der Anfechtung durch den Mieter eine Einigung unter den Par­ teien nicht erzielt werden kann von einem Schiedsgericht (oder einem Einzel­ schiedsrichter) verbindlich festgelegt werden soll (BGE 141 III 201, E. 3.2.3, in: MRA 1/16, S. 53 ff.).

16.

Ordentliche und ausserordentliche Kündigungen

Das Gesetz kennt die ordentliche Kündigung (Art. 266a–266f OR) sowie eine 52 Anzahl ausserordentlicher Kündigungen: Beide Parteien können aus wichti­ gen Gründen kündigen (Art. 266g OR). Der Vermieter kann im Falle des Kon­ kurses des Mieters kündigen (Art. 266h OR); beim Tod des Mieters haben die Erben ein ausserordentliches Kündigungsrecht (Art. 266i OR), und beim Ver­ kauf der Mietsache kann der neue Eigentümer infolge dringenden Eigenbe­ darfs ausserordentlich kündigen (Art.  261 OR); demgegenüber hat der Mie­ ter das sofortige Kündigungsrecht, wenn der Vermieter einen Mangel nicht behebt, der die Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch ausschliesst oder erheblich beeinträchtigt (Art.  259b OR). Der Vermieter hinwieder kann bei Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme ausseror­ dentlich kündigen (Art. 257f OR), desgleichen im Falle des Zahlungsrückstan­ des des Mieters (Art. 257d OR). Wird die Kündigung mit mangelnder Sorgfalt und Rücksichtnahme (Art. 257f 53 OR), mit Zahlungsrückstand des Mieters (Art.  257d OR) oder mit wichti­ gen Gründen (Art. 266g OR) begründet, so kann sich im Nachhinein heraus­ stellen, dass dieser Kündigungsgrund nicht vorliegt oder nicht beweisbar ist. Damit fehlt es an einer Voraussetzung für die ausgesprochene Kündigung mit der Folge, dass sich die Kündigung als unwirksam erweist (BGE 121 III 156). Unwirksame Kündigungen bleiben wirkungslos und können nach herrschen­ der Lehre auch nicht in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden (zur Unzulässigkeit der Konversion einer unwirksamen ausserordentlichen in eine ordentliche Kündigung BGE 135 III 441, E.  3, in: mp 4/09, S.  247  f.; Urteil des Bundesgerichts 4A_142/2012 vom 17.  April 2012, E.  3.2, in: MRA 4/12, S. 237 ff.; vgl. N 71 zu 257f OR, m.w.H.). Zum Problem der Kündigungssperr­ frist in diesem Zusammenhang vgl. N  47 zu Art.  257f OR). Zu überdenken Jürg P. Müller

543

Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

wäre diese Praxis in einem Fall, da eine Partei – Vermieter oder Mieter – in einem unbefristeten Mietverhältnis eine ausserordentliche Kündigung aus­ spricht, sich dann aber erweist, dass die besonderen Voraussetzungen für die ausserordentliche Kündigung nicht gegeben sind, das Interesse an der Kündi­ gung aber trotzdem als legitim zu bezeichnen ist, sodass diese Kündigung auf den nächstmöglichen Termin Wirkung entfalten kann (z.B. im Fall, wo die Unzumutbarkeit im Sinne von Art.  257f Abs.  3 OR nicht bejaht, aber trotz­ dem eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Mieters nachgewiesen wer­ den kann). 54

Grundsätzlich möglich ist es, dass der Vermieter gleichzeitig eine ausseror­ dentliche und eine ordentliche Kündigung ausspricht, wobei zu empfehlen ist, hierfür – zur Schaffung klarer Verhältnisse – zwei separate amtliche Formulare zu verwenden (siehe dazu auch Urteil des Bundesgerichts 4A_536/2009 vom 2. Februar 2010, in: mp 3/10, S. 202 ff.; E. 2.6). Gemäss Bundesgericht ist es auch möglich, einer ausserordentlichen Kündigung für den Fall ihrer Unwirk­ samkeit eine ordentliche nachzuschieben. Es muss aber erkennbar sein, dass es sich bei der zweiten um eine zweite selbständige Kündigung handelt (BGE 137 III 389, E. 8.4.2, in: mp 4/11, S. 315 ff.; a.A. Weber, BSK, N 1 zu Art. 266a OR).

17.

Nichtige, unwirksame und anfechtbare Kündigung

55

Leidet die Kündigung an einem Formfehler gemäss den Art. 266l–266n OR, ist sie nichtig (Art. 266o OR). In rechtlicher Hinsicht ist eine nichtige Kündigung wirkungslos. Sie wird so behandelt, als ob sie nie ausgesprochen worden wäre. Zudem hat der Richter die Nichtigkeit von Amtes wegen zu prüfen bzw. fest­ zustellen (vgl. N 50 ff. zu Art. 266l–266o OR).

56

Fehlen die gesetzlichen oder vertraglichen Voraussetzungen für eine ausserordentliche Kündigung, so liegt eine unwirksame Kündigung vor (grund­ legend zum Begriff der nichtigen und unwirksamen Kündigung: BGE 121 III 156, E. lc, in: MRA 4/95, S. 202 f.; vgl. N 59 zu Art. 266l bis 266o OR).

57

Ist eine Kündigung weder nichtig noch unwirksam, ist sie allenfalls anfechtbar. Der Richter prüft die Anfechtbarkeit der Kündigung nur auf entsprechen­ des Parteibegehren hin. Liegt ein solches Begehren nicht vor oder ist es nicht rechtzeitig (innert der 30-tägigen Verwirkungsfrist nach Art. 273 Abs. 1 OR) gestellt worden, so ist die Kündigung als gültig zu erachten. Unterlässt es der

544

Jürg P. Müller

Vorbemerkungen zu Art. 266–266o

Mieter, die Kündigung anzufechten, so ist diese selbst dann gültig, wenn sich nachträglich erweisen sollte, dass ein Anfechtungsgrund nach Art.  271 OR oder 271a OR vorlag.

Jürg P. Müller

545

Jürg P. Müller

Art. 266 N. Beendigung des Mietverhältnisses I.

Ablauf der vereinbarten Dauer

1 Haben

die Parteien eine bestimmte Dauer ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart, so endet das Mietverhältnis ohne Kündigung mit Ablauf dieser Dauer.

2 Setzen

die Parteien das Mietverhältnis stillschweigend fort, so gilt es als unbefristetes Mietverhältnis.

N.

Fin du bail

I.

Expiration de la durée convenue

1 Lorsque les parties sont convenues expressément ou tacitement d’une durée déterminée,

le bail prend fin sans congé à l’expiration de la durée convenue.

2 Si

le bail est reconduit tacitement, il devient un contrat de durée indéterminée.

N.

Fine della locazione

I.

Spirare del tempo previsto

1 La

locazione conclusa tacitamente o espressamente per un tempo determinato cessa senza disdetta con lo spirare del tempo previsto.

2 In

caso di riconduzione tacita, la locazione è considerata a tempo indeterminato.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter, intertemporales Recht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

548 548 548

2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6

548 548 548 549 549 550 550

546

Ablauf vereinbarte Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Bestimmter Zeitpunkt oder Ablauf bestimmter Zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Beendigung nach Eintritt eines bestimmten Ereignisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Unzulässigkeit «ewige» Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Ausserordentliche Kündigung während fester Vertragsdauer .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Anwendbarkeit von Art. 271 OR und 271a OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Erstreckung befristetes Mietverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

Jürg P. Müller

Art. 266 2.7

Einzelprobleme bei der Frist des Erstreckungsbegehrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

550

3. 3.1 3.2

Stillschweigende Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Gesetzliche Vermutung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Wirkungen der Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

551 551 552

Jürg P. Müller

547

Art. 266

1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter, intertemporales Recht

1

Soweit Art. 266 Abs. 1 OR bloss definierenden Charakter hat, liegt zwingendes Recht vor. Die Art der Befristung des Mietvertrages können die Parteien jedoch völlig frei vereinbaren, da Art. 266 Abs. 1 OR dispositiver Natur ist (vgl. dazu auch N 3 zu Art. 255 OR).

2

Auch die in Abs. 2 der Bestimmung enthaltene Vermutung ist nicht zwingend, kann sie doch durch den Beweis, dass der Parteiwillen anders lautete (Botsch. 1985, S. 1447), widerlegt werden.

1.2 Anwendungsbereich 3

4

Die Bestimmung kommt sowohl auf befristete Mietverträge über unbewegli­ che Sachen als auch auf solche über bewegliche Sachen zur Anwendung.

2.

Ablauf vereinbarte Dauer

2.1

Bestimmter Zeitpunkt oder Ablauf bestimmter Zeitraum

Die Parteien können schon beim Abschluss des Mietvertrages das Vertragsende regeln. Namentlich können sie von vornherein übereinkommen, dass das Miet­ verhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt enden soll. Sie können aber auch die Vertragsdauer auf einen bestimmten Zeitraum begrenzen (vgl. N 7–11 und 12 f. zu Art. 255 OR sowie N 2 Vorbem. zu Art. 266–266o OR).

2.2 5

Beendigung nach Eintritt eines bestimmten Ereignisses

Die Parteien können das Vertragsende vom Eintritt eines bestimmten Ereignis­ ses abhängig machen. Ein Mietvertrag kann daher z.B. sowohl auf die Lebens­ zeit des Mieters (BGE 56 II 190) als auch auf diejenige des Vermieters oder bis zum Abbruch oder Umbau des Mietobjektes abgeschlossen werden (BGE 121 III 260, E. 5a, in: MRA 1/96, S. 15 ff.; ZR 66 [1967] Nr. 109; ablehnend: SJ 1979, S. 575, Nr. 47). Auch der Zeitpunkt der Erteilung einer Baubewilligung, der Eintritt deren Rechtskraft oder der Baufreigabe kann für massgebend erklärt werden. Denkbar ist auch eine Befristung des Mietverhältnisses für die Dauer

548

Jürg P. Müller

Art. 266

des Studien- oder Arbeitsaufenthaltes des Mieters. Hat der Vermieter vor, seine Liegenschaft in absehbarer Zeit zu veräussern, ist es zulässig, den Ablauf des Mietvertrages vom Verkauf der Liegenschaft abhängig zu machen (z.B. kann die Beendigung im Zeitpunkt der öffentlichen Beurkundung des Kaufvertrages oder am Tag der Anmeldung zur Eigentumsübertragung eintreten). Ebenso kann als Referenzzeitpunkt der Beginn der Bauarbeiten vereinbart werden, wobei hier zu definieren wäre, was genau darunterfällt (Stellen von Bauwän­ den, Vornahme von Bauinstallationen, Beginn der Abbruch- oder Aushubar­ beiten usw.). Die mit dem Hausverkauf verbundene automatische Auflösung des Vertrages hat als Ausnahme zu Art. 261 OR zur Folge, dass das Mietver­ hältnis nicht kraft Gesetzes auf den Erwerber übergeht. Ist sicher, dass sich das betreffende Ereignis verwirklicht, was an sich nur vom Tod einer Person gesagt werden kann, liegt ein auf einen bestimmten Termin befristeter Mietvertrag vor (vgl. dazu N 18 zu Art. 255 OR).

2.3

6

Unzulässigkeit «ewige» Miete

Ein Mietverhältnis ist unauflösbar, wenn es weder befristet noch kündbar 7 ist (N  16 ff. zu Art.  255 OR). Die sogenannte «ewige» Miete, welche in zeit­ licher Hinsicht keinerlei Begrenzung unterliegt, ist widerrechtlich (N 16 f. zu Art. 255 OR). Je nach den Umständen des Einzelfalles entscheidet sich sodann, ob der ganze Mietvertrag oder nur die betreffende Kündigungsklausel nichtig ist (Art. 20 Abs. 2). Ist blosse Teilnichtigkeit anzunehmen, so liegt ein Miet­ vertrag von unbestimmter Dauer vor, der nach den Regeln von Art. 266a–266f OR kündbar ist (BGE 96 II 132 f.; Higi, ZK, N 19 zu Art. 266 OR; Schmid, ZK, N 6 zu Art. 267 aOR; Gauch, Beendigung, S. 41 f.). Zur «ewigen» Miete vgl. im Übrigen N 22 ff. zu Art. 255 OR.

2.4

8

Ausserordentliche Kündigung während fester Vertragsdauer

Die ausserordentlichen Beendigungsgründe gemäss den Art. 257d, 257f, 259b Buchst. a, 261 und 266g–266i OR können von den Parteien auch während der festen Vertragsdauer und während der  – gerichtlich angeordneten oder der vereinbarten – Erstreckung geltend gemacht werden.

9

Möglich ist, dass der einen oder anderen Partei während bzw. trotz der Befris­ 10 tung ein vorzeitiges Kündigungsrecht eingeräumt wird.

Jürg P. Müller

549

Art. 266

2.5 11

Der befristete Mietvertrag bedarf keiner Kündigung. Folgerichtig ist daher grundsätzlich kein Platz für eine Anfechtung gemäss Art. 271 OR und Art. 271a OR (gl.M. Higi, ZK, N 27 zu Art. 266 OR). Liegt indessen ein Mietvertrag mit einer Befristung vor, der vor Ablauf der Befristung einseitig durch den Ver­ mieter gekündigt werden kann (im Sinne einer ausserordentlichen vorzeitigen Kündigungsmöglichkeit, vgl. N 2 Vorbem. zu Art. 266–266o OR) und hat der Vermieter von dieser Kündigungsmöglichkeit Gebrauch gemacht, steht dem Mieter das Anfechtungsrecht offen; so etwa, wenn er den angegebenen Grund, der zur vorzeitigen ausserordentlichen Kündigung berechtigen soll (z.B. wegen Eigenbedarfs) infrage stellt.

2.6 12

Erstreckung befristetes Mietverhältnis

Vor Ablauf der bestimmten Vertragsdauer kann der Mieter Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen (Art. 272 Abs. 1 OR). Zu den Besonderheiten der Erstreckung befristeter Mietverhältnisse vgl. N 13 zu Art. 272 OR. Das Erstre­ ckungsbegehren muss er spätestens 60 Tage vor Ablauf der Vertragsdauer bei der Schlichtungsbehörde einreichen (Art. 273 Abs. 2 Buchst. b OR). Bei befris­ teten Mietverhältnissen, die vorzeitig gekündigt werden (vgl. N 10), ist hinge­ gen die Frist des Art. 273 Abs. 2 Buchst. a OR anwendbar.

2.7 13

Anwendbarkeit von Art. 271 OR und 271a OR

Einzelprobleme bei der Frist des Erstreckungsbegehrens

Wird das Vertragsende durch Eintritt eines Ereignisses herbeigeführt, kann der Mieter grundsätzlich ebenfalls die Erstreckung des Mietverhältnisses bean­ tragen; keine Erstreckung ist möglich bei der Befristung des Mietverhältnisses mit Blick auf ein bevorstehendes Umbau- oder Abbruchvorhaben (Art. 272a Abs. 1 Buchst. d OR). Bei der Bestimmung der Frist für das Erstreckungsbegeh­ ren können allerdings Probleme auftreten: Ist beispielsweise vereinbart, dass das Mietverhältnis mit dem von vornherein zeitlich abzusehenden Verkauf der Liegenschaft endet, so ist denkbar, dass der Mieter davon weniger als 60 Tage vorher Kenntnis erhält. Der Mieter wird so nicht mehr fristgerecht (Art. 273 Abs.  2 Buchst.  b OR) um Erstreckung ersuchen können, und er ginge unter Umständen seines ausgewiesenen Erstreckungsanspruchs verlustig. Die in sol­ chen Fällen anzunehmende Gesetzeslücke hat das Bundesgericht in BGE 121 III 260, in: MRA 1/96, S.15 ff.) geschlossen (vgl. N 19 zu 255 OR).

550

Jürg P. Müller

Art. 266

3.

Stillschweigende Fortsetzung

3.1

Gesetzliche Vermutung

Die in Art. 266 Abs. 2 OR für befristete Mietverträge enthaltene Regelung stellt 14 eine gesetzliche Vermutung dar, die durch den Beweis widerlegt werden kann, dass der Wille zumindest einer der Parteien ein anderer war (Botsch. 1985, S. 1447; Higi, ZK, N 39 zu Art. 266 OR; fehlt beispielsweise dem Vermieter der Geschäftswille, das befristete Mietverhältnis unbefristet weiterzuführen, steht ihm der Beweis offen, die gesetzliche Vermutung umzustossen). Die gesetzli­ che Vermutung wird dann aktuell, wenn der Mieter die Mietsache mit Wis­ sen und ohne Widerspruch des Vermieters nach dem vertraglich vereinbarten Beendigungszeitpunkt während einer bestimmten Zeit weiter benützt und der Vermieter den Mietzins entgegennimmt (vgl. N 68 zu Art. 257d OR). Demgegenüber ist von einer stillschweigenden Fortsetzung des Mietverhältnis­ 15 ses nicht auszugehen, wenn der Mieter vorübergehend verhindert ist, die Miet­ sache zurückzugeben, wenn der Vermieter dem Mieter für den Auszug einen Aufschub gewährt oder nach Ablauf der Vertragsdauer eine gewisse Zeit ver­ streichen lässt, bevor er die Räumung verlangt (Botsch. 1985, S. 1448, m.w.H.). Von einer Annahme der stillschweigenden Fortsetzung des Mietvertrages kann nicht leichthin ausgegangen werden. Nur wenn feststeht, dass der Geschäfts­ wille beider Parteien darauf ausgerichtet ist, ist dieser Schluss zulässig. Erfolgen seitens des Mieters keine Mietzinszahlungen, bleibt für die Annahme 16 der gesetzlichen Vermutung von vornherein kein Raum, und zwar auch dann, wenn der Verbleib mehrere Monate andauert. Verbleibt der Mieter nach Ablauf der Mietdauer in den Mieträumen und will 17 der Vermieter das Mietverhältnis nicht fortsetzen, so hat er den Mieter in beweisbarer Form, d.h. mit eingeschriebenem Brief, zum Verlassen des Miet­ objektes aufzufordern oder ihm eine Auszugsfrist anzusetzen. Unterlässt er dies, so läuft er allenfalls Gefahr, sich die gesetzliche Vermutung entgegenhal­ ten lassen zu müssen. Nicht nötig ist allerdings, dass der Vermieter empfan­ gene Mietzinszahlungen des Mieters nach dem vereinbarten Vertragsende dem Mieter zurückschickt, da der Mieter für die Weiternutzung des Mietobjektes eine Entschädigung schuldet, die in der Regel der Höhe des bisher geschulde­ ten Mietzinses entspricht (BGE 131 III 261, E. 2; 119 II 437, E. 3a/bb). Aus BGE 121 III 260, in: MRA 1/96, S. 15 ff.) ist zu schliessen, dass die (vorsorg­ 18 liche) Zustellung des amtlichen Kündigungsformulars (Art. 2661 Abs. 2 OR) bei einem befristeten Mietverhältnis nicht dazu führt, dass dieses in ein unbe­ Jürg P. Müller

551

Art. 266

fristetes umzudeuten ist. Demzufolge verneint das Bundesgericht in solchen Fällen die Anwendbarkeit von Art. 266 Abs. 2 OR (a.a.O., E. 5b).

3.2

Wirkungen der Fortsetzung

19

Die stillschweigende Fortsetzung des Mietverhältnisses hat zur Folge, dass der Vertrag zu den bisherigen Bedingungen weiterläuft (a.M. Giger, BK, N 46 ff. zu Art. 255 OR, der die gesetzgeberische Anordnung sinngemäss als konkluden­ ter Abschluss eines neuen Vertrages mit bisherigem Inhalt qualifiziert, der aber auf einem neuen Konsens beruht). Anders gegenüber dem bisherigen Vertrag ist nur, dass er nach den gesetzlichen Fristen der Art.  266a–266f zu kündi­ gen ist (vgl. Schmid, ZK, N 8 ff. zu Art. 268 aOR; Higi, ZK, N 52 zu Art. 266 OR). Daraus folgt, dass die vom Mieter oder von Dritten geleisteten Sicherheiten grundsätzlich weiterhin haften; zu beachten ist, dass Drittsicherheiten nur dann weiter haften, wenn sie nicht ausdrücklich für die bestimmte Vertrags­ dauer bestellt worden sind (Higi, ZK, N 51 zu Art. 266 OR; zustimmend Giger, der zu Recht darauf hinweist, dass Nebenrechte mit dem Vertragsende unter­ gehen, in: BK, N 47 zu Art. 255 OR am Schluss). Andernfalls hat sich der Mie­ ter auf Aufforderung des Vermieters um die anschliessende Verlängerung der Sicherheit zu kümmern.

20

Auch ein dem Mieter eingeräumtes Vorkaufsrecht besteht weiter (Schmid, ZK, N 11 f. zu Art. 268 aOR).

21

Eine allenfalls für den befristeten Mietvertrag vereinbarte Indexierung des Mietzinses gilt aber mangels fester, mindestens 5-jähriger Vertragsdauer (Art.  269b OR) nicht mehr (Rohrer, der indexierte Mietzins, in: MRA 1/12, S. 1 ff./3, m.w.H.; BGE 109 II 58, E. 2b; 124 III 57, 123 III 76, E. 4a). Mietzinsanpassungen richten sich nach Art. 269 ff. OR (Mitteilung 20, Nr. 4), wobei die relative Berechnungsmethode zur Anwendung gelangt (vgl. N 30 f. Vor­ bem. zu Art. 269–270e OR; zu den massgebenden Kostenständen vgl. Indexund Staffelmiete, N 35 ff. zu Art. 269b OR und N 19 ff. zu Art. 269c OR).

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Jürg P. Müller

Art. 266a II. Kündigungsfristen und -termine 1.

Im Allgemeinen

1 Die Parteien können das unbefristete Mietverhältnis unter Einhaltung der

gesetzlichen Fristen und Termine kündigen, sofern sie keine längere Frist oder keinen anderen Termin vereinbart haben.

2 Halten

die Parteien die Frist oder den Termin nicht ein, so gilt die Kündigung für den nächstmöglichen Termin.

II.

Délais et termes de congés

1.

En général

1 Lorsque

le bail est de durée indéterminée, une partie peut le résilier en observant les délais de congé et les termes légaux, sauf si un délai plus long ou un autre terme ont été convenus.

2 Lorsque

le délai ou le terme de congé n’est pas respecté, la résiliation produit effet pour le prochain terme pertinent.

II.

Termini di preavviso e scadenze di disdetta

1.

In genere

1 Nelle

locazioni a tempo indeterminato, ciascuna delle parti può dare la disdetta osser­ vando i termini legali di preavviso e le scadenze di disdetta, sempreché non abbiano pat­ tuito un termine di preavviso più lungo o un’altra scadenza di disdetta. 2 Se

il termine di preavviso o la scadenza di disdetta non è osservato, la disdetta produce effetto per la scadenza successiva di disdetta.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter, intertemporales Recht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

554 554 554

2.

Kündigungsfristen und -termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

554

3.

Frist- und terminwidrige Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

555

4.

Abgrenzung zu Art. 264 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 266a

1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter, intertemporales Recht

1

Der erste Absatz der Norm ist insoweit zwingend, als die Mindestkündigungs­ fristen durch die Parteien nicht durch Vereinbarung verkürzt werden können. Soweit dieser Absatz die Kündigungstermine regelt, ist er hingegen dispositiver Natur (gl.M. Higi, ZK, N 21 ff. zu Art. 266a OR). Der zweite Absatz ist absolut zwingend.

2

Art. 266a OR ist auch auf Verträge anwendbar, die vor dem Inkrafttreten des revidierten Mietrechts abgeschlossen wurden.

1.2 Anwendungsbereich 3

Die Bestimmung von Art. 266a Abs. 1 OR findet grundsätzlich auf alle unbe­ fristeten Mietverhältnisse (vgl. N  3 Vorbem. zu Art.  266–266o OR) Anwen­ dung. Diese allgemein gültige Regel wird sodann durch die Bestimmungen von Art. 266b–266i und 266k OR, die für die jeweiligen einzelnen Arten von Miet­ verhältnissen gelten, weiter konkretisiert.

4

Art. 266 Abs. 1 OR bildet die gesetzliche Grundlage, ein Mietverhältnis ordent­ lich zu kündigen, ohne dass dafür ein spezielles Motiv nötig wäre (Urteil des Bundesgerichts 4A_290/2015 vom 9. September 2016, E. 4.1; BGE 140 III 496, E. 4.1; 138 III 59, E. 2.1).

2.

Kündigungsfristen und -termine

5

Eine Kündigung muss, um auf einen bestimmten Zeitpunkt gültig zu sein, neben den Formvorschriften auch die Kündigungsfristen und -termine einhal­ ten. Dieses Erfordernis hält Art. 266a Abs. 1 OR in allgemeiner Form fest. Über­ dies verweist er auf die gesetzlichen Kündigungsfristen und -termine, die sich je nach Art des infrage stehenden Mietverhältnisses nach den Art. 266b–266i OR bestimmen. Die gesetzlichen Regeln kommen jedoch nur zur Anwendung, sofern die Parteien vertraglich nicht etwas anderes vereinbart haben.

6

Art. 266a Abs. 1 OR bestimmt, dass die Parteien eine längere Kündigungsfrist vereinbaren können. Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass die gesetzli­ chen Kündigungsfristen gemäss den Art. 266b–266f OR Mindestfristen dar­ stellen. Diese können durch die Parteien mit anderen Worten verlängert, nicht

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Art. 266a

aber verkürzt werden (Botsch. 1985, S. 1448). Bei der Wohnungsmiete ist es daher zulässig, dass Mieter und Vermieter eine sechsmonatige Kündigungs­ frist vereinbaren. Da die dreimonatige Frist nicht unterschritten werden darf, können die Parteien hingegen keine einmonatige Kündigungsfrist vereinba­ ren. Innerhalb dieser Schranke sind die Parteien aufgrund der Vertragsfreiheit auch berechtigt, für Mieter und Vermieter unterschiedliche Kündigungsfristen festzulegen (BGE 114 II 339; gl.M. Higi, ZK, N 23 zu Art. 266a OR; Weber, BSK, N 3 zu Art. 266a OR). Dabei spielt es keine Rolle, welcher Vertragspartei eine kürzere Frist eingeräumt wird (BGE 114 II 339). Den Parteien ist es somit unbenommen, bei der Wohnungsmiete für den Vermieter eine dreimonatige und für den Mieter eine sechsmonatige Kündigungsfrist oder umgekehrt zu vereinbaren. Im Gegensatz zu Art. 267 aOR sind die Parteien nach geltendem Recht in ihrer 7 Wahl des Kündigungstermines frei. Die Parteien können jeden beliebigen Kündigungstermin vorsehen (z.B. der 15. oder 20. eines jeden Monats). Eben­ falls im Belieben der Parteien steht es, einen oder mehrere Kündigungster­ mine zu vereinbaren, sodass der Vertrag z.B. jeweils auf den 31. März und den 30. September oder auf das Ende eines jeden Monates, Quartales usw. gekün­ digt werden kann. Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis häufig Gebrauch gemacht. Sie verleiht beiden Parteien mehr Flexibilität. In Ermangelung einer vertraglichen Absprache bestimmt sich der Kündigungstermin nach Massgabe der jeweiligen gesetzlichen Regeln, die je nach Art des Mietobjektes unter­ schiedlich ausgestaltet sind (vgl. Art. 266b–266f OR). Bei gemischt genutzten Mietobjekten  – Wohn- und Geschäftsräume  – ist 8 für die Bestimmung der Mindestkündigungsfrist auf den überwiegenden Gebrauchszweck abzustellen (Urteil des Bundesgerichts 4A_662/2012, E. 5.4, in: MRA 2/13, S. 39 ff.).

3.

Frist- und terminwidrige Kündigung

Der Kündigende muss die sich aus Vertrag oder Gesetz ergebenden Kündi­ 9 gungsfristen und -termine wahren, damit die Kündigung auf den von ihm angegebenen Zeitpunkt Wirkung entfaltet. Will eine Vertragspartei z.B. auf den 30.  September 2017 kündigen und beträgt die vertragliche Kündigungs­ frist vier Monate, so muss die Kündigung spätestens am 31. Mai 2017 bei der Gegenpartei eintreffen (zur Zustellung der Kündigung vgl. N  5 Vorbem. zu Art. 266–266o OR). Falls die Formvorschriften nach Art. 266l–266o OR einge­ halten sind, erlangt eine verspätete Kündigung auf den nächstmöglichen Kün­ Jürg P. Müller

555

Art. 266a

digungstermin Wirkung (gl.M. Higi, ZK, N  48 zu Art.  266a OR). Bestimmt der Vertrag z.B., dass das Mietverhältnis unter Einhaltung einer viermonati­ gen Kündigungsfrist jeweils auf Ende März, Ende Juni oder Ende September eines jeden Jahres gekündigt werden kann, und hat der Mieter z.B. auf den 30. September 2017 eine Kündigung ausgesprochen, welche dem Vermieter – nach den Regeln der Empfangstheorie (vgl. dazu Näheres in N 5 Vorbem. zu Art. 266–266o OR) erst am 1. Juni 2017 zugegangen ist, so wird die Kündigung auf den 31. März 2018 wirksam. 10

Art. 266 Abs. 2 OR ist auch auf Kündigungen anwendbar, bei denen die Kün­ digungsfrist zwar eingehalten wurde, sie jedoch auf einen unzulässigen Ter­ min hin erfolgte. Beispiel: Hat der Mieter die Kündigungsfrist zwar eingehal­ ten, aber auf den 31. Dezember 2017 gekündigt, obwohl der Vertrag nur eine Kündigung auf Ende September oder Ende März zulässt, so ist die Kündigung auf den 31. März 2018 wirksam.

11

Schweigen des Empfängers auf eine unzeitige Kündigung darf nicht als Annahme auf den «falschen» Termin ausgelegt werden (Schmid, ZK, N 26 zu Art. 267 aOR). Es besteht daher grundsätzlich keine Verpflichtung der Gegen­ partei, den Kündigenden auf die Terminwidrigkeit der Kündigung aufmerksam zu machen. Liegt etwa eine terminwidrige Kündigung seitens des Mieters vor, ist es dem Vermieter aber gleichwohl zu empfehlen, den Mieter hierüber in Kenntnis zu setzen und ihn darauf hinzuweisen, dass die Kündigung erst auf den nächstmöglichen Kündigungstermin gültig sei. Gleichzeitig sollte er darauf aufmerksam gemacht werden, dass er grundsätzlich bis zum nächst­ möglichen Kündigungstermin mietzinszahlungspflichtig bleibt. Mit diesem Vorgehen kann ausgeschlossen werden, dass sich der Mieter erfolgreich auf den Standpunkt stellt, die unzeitige Kündigung sei vom Vermieter stillschwei­ gend angenommen worden bzw. es liege eine Aufhebung des Mietvertrages in gegenseitigem Einvernehmen (contrarius actus) vor. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben kann sich somit je nach den konkreten Umständen die Pflicht ergeben, der Gegenpartei mitzuteilen, dass die ausgesprochene Kündi­ gung auf den beabsichtigten Termin keine Wirkung erzielen kann (vgl. Cour de Justice de Genève, Urteil vom 17. Februar 1997, in: mp 2/98, S. 87 f.).

12

Erkennt der Empfänger, dass das Kündigungsschreiben rechtzeitig aufgegeben wurde, aber ohne Zutun des Absenders beim Adressaten verspätet eingetrof­ fen ist, erfordern Treu und Glauben im Geschäftsverkehr, dass er dem Kündi­ genden von der Verspätung Kenntnis gibt (Schmid, ZK, N 26 zu Art. 267 aOR). Schweigen darf allerdings auch in einem solchen Falle nicht als Annahme eines

556

Jürg P. Müller

Art. 266a

Angebotes zur vorzeitigen Vertragsauflösung ausgelegt werden, doch kann der Empfänger allenfalls schadenersatzpflichtig werden (Schmid, ZK, a.a.O.). Kommt in einem Kündigungsschreiben der Kündigungswille eindeutig zum 13 Ausdruck, ist indessen der Wortlaut unvollständig, weil z.B. der Kündigungs­ termin fehlt, so gilt derjenige als gewollt, der dem nächstmöglichen Kündi­ gungstermin entspricht (Higi, ZK, N 47 zu Art. 266a OR; Schmid, ZK, N 23 zu Art. 267 aOR). Teilt der Vermieter beispielsweise dem Mieter am 20. Juni 2017 mit: «Hiermit kündige ich Ihnen das Mietverhältnis betreffend die 3-ZimmerWohnung», und kann das Mietverhältnis unter Einhaltung einer dreimonati­ gen Kündigungsfrist auf den 30. September und auf den 31. März gekündigt werden, ist die Kündigung auf den 30. September 2017 wirksam. Kündigt eine Partei das Mietverhältnis auf einen Zeitpunkt vor Ablauf der ver­ 14 traglich vereinbarten Mindestdauer, so wird die Kündigung auf den frühest­ möglichen Auflösungstermin wirksam; es sei denn, dem Kündigungsschrei­ ben könne entnommen werden, dass keine Absicht bestand, die Kündigung auf diesen Termin auszusprechen, was zu deren Unwirksamkeit führen würde (a.M. Weber, BSK, N 5 zu Art. 266a OR, der eine Kündigung, die auf einen Ter­ min ausgesprochen wird, der noch weit vor dem erstmöglichen Kündigungs­ termin liegt, für wirkungslos hält). Nach hier vertretener Auffassung müsste der Kündigungsempfänger dem Kündigenden mitteilen, dass die Kündigung auf den viel zu früh ausgesprochenen Termin nicht möglich und daher auf den erstmöglichen vertraglichen Beendigungstermin gültig ist. Der Kündigende wiederum hat unverzüglich zu entgegnen, ob er sich geirrt hat oder die Inter­ pretation des Kündigungsempfängers teilt. Schweigt der Mieter auf das Bestä­ tigungsschreiben, ist der Vermieter in seinem Vertrauen zu schützen. Haben die Parteien eine Kündigungsfrist vereinbart, die den gesetzlichen 15 Minimalfristen widerspricht, ist diese Vertragsbestimmung nicht zu beachten (Art. 20 Abs. 2 OR). Diesfalls gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen. Enthält z.B. ein Wohnungsmietvertrag eine zweimonatige Kündigungsfrist und kündigt der Vermieter dem Mieter am 15. Juli 2017 auf den 30. Septem­ ber 2017, so gilt die Kündigung auf den nach Vertrag oder Gesetz nächstmög­ lichen Termin. Zu beachten ist der in SJZ 90, S. 290 ff., gedruckte Entscheid des Mietgerich­ 16 tes Uster, wonach eine Kündigung an eine bevormundete Partei keine Wirkung entfalten kann, wenn sie dem Mündel statt dem Vormund zugestellt wurde. Unkenntnis des Vormundschaftsverhältnisses vermag den Kündigenden nicht zu schützen. Dieser Entscheid hat auch nach Inkrafttreten des Erwachsenen­

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557

Art. 266a

schutzrechtes im Verhältnis des Beistandes zur hilfsbedürftigen Person sinnge­ mäss Gültigkeit (Art. 398 ZGB). 17

Gemäss herrschender Lehre und Praxis ist Art. 266a Abs. 2 OR auch auf ausserordentliche Kündigungen anwendbar (BGE 135 III 441, E. 3.1; MRA 1/95, S. 35 ff.; ARGVP 2002, S. 77–79; Higi, ZK, N 47/48 zu Art. 266a OR; Weber, BSK, N 5 zu Art. 266a OR).

4. 18

Abgrenzung zu Art. 264 OR

Zu unterscheiden von der frist- und/oder terminwidrigen Kündigung ist die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses nach Art. 264 OR. Bei der Kün­ digung erfolgt die Rückgabe erst auf den ordentlichen Termin, auf den die Kündigung nach Massgabe von Art. 266a OR wirksam wird. Beim Tatbestand von Art.  264 OR erfolgt die Rückgabe demgegenüber ausserterminlich bzw. vorzeitig, mithin nicht auf einen ordentlichen Kündigungstermin.

558

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Art. 266b–266f Art. 266b 2.

Unbewegliche Sachen und Fahrnisbauten

Bei der Miete von unbeweglichen Sachen und Fahrnisbauten können die Parteien mit einer Frist von drei Monaten auf einen ortsüblichen Termin oder, wenn es keinen Ortsgebrauch gibt, auf Ende einer sechsmonatigen Mietdauer kündigen. 2.

Immeubles et constructions mobilières

Une partie peut résilier le bail d’un immeuble ou d’une construction mobilière en obser­ vant un délai de congé de trois mois pour le terme fixé par l’usage local ou, à défaut d’un tel usage, pour la fin d’un semestre de bail.

2.

Immobili e costruzioni mobiliari

Nella locazione di immobili e di costruzioni mobiliari, ciascuna delle parti può dare la disdetta con preavviso di tre mesi per la scadenza determinata dall’uso locale o, in man­ canza di tale uso, per la fine di un semestre di locazione.

Art. 266c 3. Wohnungen Bei der Miete von Wohnungen können die Parteien mit einer Frist von drei Monaten auf einen ortsüblichen Termin oder, wenn es keinen Ortsgebrauch gibt, auf Ende einer dreimonatigen Mietdauer kündigen. 3. Habitations Une partie peut résilier le bail d’une habitation en observant un délai de congé de trois mois pour le terme fixé par l’usage local ou, à défaut d’un tel usage, pour la fin d’un tri­ mestre de bail.

3. Abitazioni Nella locazione di abitazioni, ciascuna delle parti può dare la disdetta con preavviso di tre mesi per la scadenza determinata dall’uso locale o, in mancanza di tale uso, per la fine di un trimestre di locazione.

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559

Art. 266b–266f

Art. 266d 4. Geschäftsräume Bei der Miete von Geschäftsräumen können die Parteien mit einer Frist von sechs Monaten auf einen ortsüblichen Termin oder, wenn es keinen Ortsgebrauch gibt, auf Ende einer dreimonatigen Mietdauer kündigen. 4.

Locaux commerciaux

Une partie peut résilier le bail d’un local commercial en observant un délai de congé de six mois pour le terme fixé par l’usage local ou, à défaut d’un tel usage, pour la fin d’un tri­ mestre de bail.

4.

Locali commerciali

Nella locazione di locali commerciali, ciascuna delle parti può dare la disdetta con preav­ viso di sei mesi per la scadenza determinata dall’uso locale o, in mancanza di tale uso, per la fine di un trimestre di locazione.

Art. 266e 5. Möblierte Zimmer und Einstellplätze Bei der Miete von möblierten Zimmern und von gesondert vermieteten Einstellplätzen oder ähnlichen Einrichtungen können die Parteien mit einer Frist von zwei Wochen auf Ende einer einmonatigen Mietdauer kündigen. 5.

Chambres meublées et places de stationnement

Une partie peut résilier le bail d’une chambre meublée, d’une place de stationnement ou d’une autre installation analogue louée séparément en observant un délai de congé de deux semaines pour la fin d’un mois de bail.

5.

Camere mobiliate e posteggi

Nella locazione di camere mobiliate e di posteggi o analoghe installazioni locate separa­ tamente, ciascuna delle parti può dare la disdetta con preavviso di due settimane per la fine di un mese di locazione.

560

Jürg P. Müller

Jürg P. Müller Art. 266b–266f

Art. 266f 6. Bewegliche Sachen Bei der Miete von beweglichen Sachen können die Parteien mit einer Frist von drei Tagen auf einen beliebigen Zeitpunkt kündigen. 6.

Choses mobilières

Une partie peut résilier le bail de choses mobilières à n’importe quel moment, en obser­ vant un délai de congé de trois jours.

6.

Cose mobili

Nella locazione di cose mobili, ciascuna delle parti può dare la disdetta con preavviso di tre giorni per una scadenza qualsiasi.

InhaltsübersichtSeite 1.

Zwingender Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

563

2. Allgemeines .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Bestimmung der Mietsache und Verwendungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Art. 253a Abs. 1 OR und die Bestimmungen über die Miete von Wohnund Geschäftsräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Gesetzliche Kündigungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Gesetzliche Kündigungstermine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

563 563 565 565 566

3. Unbewegliche Sachen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Begriff .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Geltungsbereich .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

566 566 567

4. Fahrnisbauten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.1 Begriff und Abgrenzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.2 Abgrenzung zum Wohn- und Geschäftsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.3 Kasuistik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.4 Miete eines Grundstückes zur Erstellung einer Fahrnisbaute zu Wohnoder Geschäftszwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

568 568 569 569

5. Wohnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

571

6. Geschäftsräume .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

571

7.

Gemischte Nutzung eines Mietobjekts .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

571

8.

Möblierte Zimmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

572

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569

561

Art. 266b–266f 9.

Gesondert vermietete Einstellplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

572

10. Bewegliche Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  10.1 Allgemein .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  10.2 Konsumgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

573 573 573

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Art. 266b–266f

1.

Zwingender Charakter

Art. 266a OR wirkt sich auf die Art. 266b–266f OR aus. Hinsichtlich des zwin- 1 genden Charakters und des intertemporalen Rechtes kann daher auf N 1 zu Art. 266a OR verwiesen werden.

2. Allgemeines 2.1

Bestimmung der Mietsache und Verwendungszweck

Art. 266b–266f OR sehen für die verschiedenen Kategorien von Mietverhält­ 2 nissen unterschiedliche Kündigungsfristen und -termine vor. Massgebend ist dabei der vertraglich vereinbarte Verwendungszweck der Mietsache. Nicht massgebend ist in der Regel die tatsächliche Nutzung, es sei denn, dem Vermie­ ter sei die vertragswidrige Nutzung bekannt gewesen und er habe sich damit – ausdrücklich oder stillschweigend  – einverstanden erklärt. Für eine vertrag­ liche Zweckänderung ist mehr verlangt als bloss das Wissen des Vermieters, ohne einzuschreiten. Das Dulden eines Zustandes allein führt nicht zur Ver­ tragsänderung; vielmehr muss der Vermieter sein Einverständnis in geeigneter Form zum Ausdruck bringen und gegenüber dem Mieter auch kundtun. Ins­ besondere kann das duldende Verhalten des Vermieters nicht als Akzept im Sinne von Art. 6 OR qualifiziert werden. Vorausgesetzt ist zudem eine Offerte des Mieters, die einen konkreten Geschäftswillen zum Ausdruck bringt (zum Begriff der Offerte durch konkludentes Verhalten Gauch/Schluep/Emmen­ egger, OR AT I, N 181 ff. und zum Regelfall, dass Stillschweigen Ablehnung bedeutet Zellweger-Gutknecht/Bucher, BSK, N 4 f. zu Art. 6 OR). Fehlt im Einzelfall eine konkrete Absprache über den Verwendungszweck oder 3 sind sich die Parteien darüber uneins, ist dieser vom Richter zu bestimmen. Dabei hat er primär auf objektive Kriterien abzustellen, wie die Beschaffen­ heit des Mietobjektes und der unbestrittene Gebrauch während längerer Zeit. Unterteilt werden die Mietsachen im Wesentlichen in Ladenlokalitäten, Lager­ räume, Büros, Keller, Stallungen, Scheunen, Garagen und Parkplätze, möb­ lierte oder unmöblierte Wohnungen oder Einzelzimmer, Bastelräume, unbe­ wegliche Sachen usw. Sofern das öffentliche Recht es zulässt, können die Vertragspartner daher ver­ 4 einbaren, dass die als Laden konzipierten Räume als Cafeteria oder eine Woh­ nung als Büro genutzt wird. Im letztgenannten Beispiel richtet sich die Kündi­

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563

Art. 266b–266f

gungsfrist nach den für Geschäftsräume geltenden Regeln (Art. 266d OR) und nicht nach denjenigen über Wohnungen (Art. 266c OR). 5

Bei der Vermietung von Objekten, die weder als Wohn- noch als Geschäfts­ raum zu qualifizieren sind (vgl. BGE 125 III 231; 124 III 108; 118 II 40), ändert die tatsächliche Nutzung alleine an der Qualifizierung des Mietobjektes nichts. Nutzt also ein Automechaniker die von ihm gemieteten Abstellplätze für sei­ nen Gewerbebetrieb, den er nicht vom selben Vermieter gemietet hat, werden diese Abstellplätze nicht zu «Geschäftsräumen». Im Mietverhältnis zum Ver­ mieter der Abstellplätze ist eine Berufung auf Art. 266d OR daher nicht mög­ lich.

6

Auch bei der gesonderten Vermietung von Einstellplätzen (als solche gelten vermietete Flächen zum Abstellen von beweglichen Sachen wie Fahrzeugen, Motorrädern, Velos, Skiern usw.) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diese gestützt auf Art.  266e OR unter Einhaltung einer zweiwöchigen Kün­ digungsfrist auf das Ende einer einmonatigen Mietdauer kündbar sind. Geht jedoch aus dem im Mietvertrag vereinbarten Verwendungszweck hervor, dass die Einstellplätze einer beruflichen bzw. geschäftlichen Tätigkeit des Mieters dienen, ist Art. 266d OR anwendbar (zum Raumbegriff vgl. N 25 f. Vorbem. zu Art. 253–273c OR). Hat z.B. ein Garagist in unmittelbarer Nähe seines Betrie­ bes vom selben Vermieter Garagenplätze gemietet und geht aus der Umschrei­ bung des vertraglichen Verwendungszweckes hervor, dass er darauf von ihm reparierte Autos oder für den Handel vorgesehene Occasionsfahrzeuge abstellt, dienen die Einstellplätze dem Geschäftsbetrieb des Mieters, und es gilt die sechsmonatige Kündigungsfrist (Art. 266d OR). Ob diese Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich ausgeübt wird, ist unbedeutend (vgl. dazu und zum Begriff des Geschäftsraumes im Sinne von Art. 253a OR BGE 118 II 40, E. 4b, worin der Begriff des Geschäftsraums allerdings überdehnt wurde).

7

Anders verhält es sich, wenn ein Mieter eines zu geschäftlichen Zwecken genutzten Mietobjekts in der Nachbarschaft von einem Dritten Abstellplätze mietet. Der Dritte kann diese Abstellplätze unabhängig vom geschäftlichen Zweck, dem sie dem Mieter dienen, unter Einhaltung der Kündigungsfristen von Art. 266e OR auflösen.

8

Verwendet der Mieter das Mietobjekt ohne Zustimmung des Vermieters entge­ gen dem sachlich oder vertraglich vereinbarten Zweck, ist dies bei der Bestim­ mung der Kündigungsfristen und -termine irrelevant. Abzustellen ist nicht primär auf die objektive Beschaffenheit der Mietsache, sondern auf den ver­ traglich vereinbarten Verwendungszweck.

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Jürg P. Müller

Art. 266b–266f

2.2

Art. 253a Abs. 1 OR und die Bestimmungen über die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen

Nach Art. 253a Abs. 1 OR gelten für Sachen, die zusammen mit einem Wohn- 9 oder Geschäftsraum vermietet werden, die Bestimmungen über die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen. Gemäss Art. 1 VMWG sind darunter insbeson­ dere Mobilien, Garagen, Autoeinstell- und Abstellplätze sowie Gärten zu ver­ stehen, wobei diese Aufzählung nicht abschliessend ist. Ist ein Zusammenhang (vgl. dazu N 15 zu Art. 253a OR) zwischen dem Wohn- oder Geschäftsraum und einer solchen Sache zu bejahen, gelten die Kündigungsbestimmungen von Art. 266c OR oder 266d OR. Ein derartiger Zusammenhang ist stets gegeben, wenn gleichzeitig ein Mietvertrag über Bürolokalitäten und ein anderer über einen oder mehrere Parkplätze abgeschlossen wird und aus den Verträgen die­ ser Zusammenhang ersichtlich wird. Dabei darf aber – bei separaten Verträ­ gen – nicht ohne Weiteres ein solcher Zusammenhang angenommen werden (vgl. zum Ganzen auch BGE 125 III 232, E.  2 und MRA 4/99, S.  136  f. Zur Abgrenzung von gekoppelten und einheitlichen Mietverhältnissen vgl. N 21 f. Vorbem. zu Art. 266–266o OR). Ein separater Vertrag über die in Art. 1 VMWG erwähnten Gegenstände muss 10 nicht nur mit dem Hauptmietvertrag eine genügend sachliche Beziehung auf­ weisen. Ebenfalls erforderlich ist, dass die beiden Verträge zwischen den glei­ chen Parteien geschlossen wurden (Daoudi/Corboz, Jurisprudence, in: SJ 79, S.  570, N  14). Schliesst z.B. ein Wohnungsmieter mit dem Eigentümer der Nachbarliegenschaft einen Garagenmietvertrag ab, besteht i.S.v. Art.  253a Abs.  1 OR i.V.m. Art.  1 VMWG kein Zusammenhang zwischen den beiden Mietverträgen.

2.3

Gesetzliche Kündigungsfristen

Die Dauer der gesetzlichen Kündigungsfrist wird vom Grundgedanken getra­ 11 gen, es solle berücksichtigt werden, innert welcher Zeit ein Mieter nach der allgemeinen Verkehrsanschauung in der Lage ist, umzuziehen bzw. sich einen geeigneten Ersatz zu beschaffen. Dem Mieter eines möblierten Einzelzimmers dürfte in der Regel ein Umzug verhältnismässig leichtfallen, muss er doch nur seine persönliche Habe an einen anderen Ort verbringen. Die gesetzliche Kün­ digungsfrist beträgt deshalb nur zwei Wochen. Der Umzug einer Wohnung ist dagegen im Normalfall mit ungleich grösseren Umtrieben verbunden, wes­ halb die gesetzliche Kündigungsfrist wesentlich länger ausgestaltet ist und drei Monate beträgt. Beim Wechsel eines Geschäftsbetriebes sind in der Regel Jürg P. Müller

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Art. 266b–266f

erhebliche organisatorisch-logistische Probleme (EDV-Installationen; allfäl­ lige Lagerbestände abbauen; Rückbau von mieterseitigen Ausbauten usw.) zu lösen. Zudem hat der Mieter bei einem Betriebswechsel vielfach auf die Inte­ ressen der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen oder gar Kündigungen auszu­ sprechen, sodass sich die Einräumung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist rechtfertigt. 12

Bei unbeweglichen Sachen und Fahrnisbauten beträgt die Kündigungsfrist drei Monate, bei beweglichen Sachen drei Tage.

2.4

Gesetzliche Kündigungstermine

13

Die gesetzlichen Kündigungstermine gelten nur, wenn vertraglich kein ande­ rer Termin vereinbart ist. Sie richten sich nach dem Ortsgebrauch, sofern ein solcher besteht.

14

Ist unklar, welche ortsüblichen Termine bestehen, können sie bei der örtlichen Schlichtungsbehörde zuverlässig in Erfahrung gebracht werden. Mit der freien Wahl des Kündigungstermins (Art. 266a OR) ist die praktische Bedeutung des ortsüblichen Termins allerdings gering geworden.

15

Gibt es keinen ortsüblichen Kündigungstermin, so bestimmt sich dieser auf­ grund des Vertragsabschlusses und der Mietdauer. Bei Wohnungen und Geschäftsräumen kann gesetzlich auf das Ende einer dreimonatigen Mietdauer gekündigt werden. Darunter sind vier Kündigungstermine pro Jahr zu verste­ hen, jeweils auf das Ende des ersten, zweiten, dritten und vierten Trimesters, ab Mietbeginn gerechnet. War z.B. der Zeitpunkt des Mietbeginns einer Woh­ nung oder eines Geschäftsraumes der 1. Dezember, so kann das Mietverhält­ nis jeweils auf Ende Februar, Ende Mai, Ende August und Ende November gekündigt werden. War Mietbeginn nicht der Monatserste, sondern z.B. der 15., so ist das Mietverhältnis ebenfalls auf den 15. des entsprechenden Monats zu kündigen.

3.

Unbewegliche Sachen

3.1 Begriff 16

Unbewegliche Sachen i.S.v. Art. 266b OR sind Sachen, die weder Wohn- oder Geschäftsräume noch möblierte Zimmer noch gesondert vermietete Einstell­ plätze oder ähnliche Einrichtungen sind (Botsch. 1985, S. 1449). Hinsichtlich

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Art. 266b–266f

der Kündigungsbestimmungen, der Erstreckung des Mietverhältnisses und der Missbrauchsgesetzgebung kannte das vor dem 1. Juli 1990 geltende Miet­ recht den Begriff der unbeweglichen Sache nicht. Dies führte dazu, dass die Rechtsprechung den Begriff des Geschäftsraumes ausdehnend interpretierte und darunter, vereinfacht gesagt, alles subsumierte, was nicht Wohnraum war (BGE 118 II 40; 113 II 413, ZR 78 [1979] Nr. 132). Diese weite Auslegung lässt sich im geltenden Mietrecht nicht mehr aufrecht halten, hat doch der Gesetz­ geber seit 1990 das Institut der unbeweglichen Sache eingeführt. Damit hat er bei der Immobiliarmiete eine klare Unterteilung in Wohnungen, Geschäfts­ räume und unbewegliche Sachen vorgenommen. All jene unbeweglichen Miet­ objekte, welche nicht als Wohnungen (N 24 Vorbem. zu Art. 253–273c OR; vgl. auch N 21 OR) oder Geschäftsräume (N 25 f. Vorbem. zu Art. 253–273c OR) zu qualifizieren sind, haben daher als unbewegliche Sachen i.S.v. Art. 266b OR zu gelten. Diese mit der Revision des Mietrechts 1989 eingeführte Regelung wirkt sich 17 indessen nicht nur auf die Kündigungsfristen und -termine aus. Die Bestim­ mungen des zweiten Abschnittes (Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen und anderen missbräuchlichen Forderungen des Vermieters, Art.  269–270e OR) sowie diejenigen des dritten Abschnittes (Kündigungsschutz, Art.  271– 273c OR) sind nur bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen anwendbar. Ist das Mietobjekt eine unbewegliche Sache, so geniesst der Mieter einer unbe­ weglichen Sache nunmehr weder einen Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen noch kann er die Kündigung anfechten oder Erstreckung des Miet­ verhältnisses beantragen. Die Lokalitäten, die rein ideellen Zwecken dienen, wurden nach der Rechtsprechung unter dem alten Recht gleich wie Geschäfts­ räume behandelt (BGE 118 II 40;113 II 406 ff.). Nach geltendem Recht kön­ nen sie indessen nicht mehr vom Begriff des Geschäftsraumes erfasst werden. Vielmehr stellen sie unbewegliche Sachen dar. Vereine, Stiftungen oder andere Vereinigungen, die Lokale zu ideellen Zwecken gemietet haben, können sich deshalb nicht mehr auf die Schutzbestimmungen des zweiten und dritten Abschnittes berufen (ebenso Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 253a OR; Giger, BK, N 143 zu Art. 253 OR und N 33 zu Art. 253a OR; a.M. MfdP/Pün­ tener, N 4.4.5.2 und Weber, BSK, N 12 zu Art. 253a/253b OR).

3.2 Geltungsbereich Art.  266b OR gelangt zur Anwendung, wenn bei der Miete unbeweglicher 18 Sachen nicht Wohnungen, Geschäftsräume, möblierte Zimmer oder geson­ dert vermietete Einstellplätze im Fokus stehen. Dies trifft z.B. für unbebaute Jürg P. Müller

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Art. 266b–266f

Grundstücke zu (BGE 98 II 203). Auch ein Keller, der von einem Musikver­ ein als Übungslokal gemietet wird, unterliegt, sofern die Parteien nichts ande­ res vereinbart haben, den Kündigungsfristen und -terminen des Art. 266b OR. Derselbe Keller kann aber von einem Handelsbetrieb als Archiv oder Lager gemietet werden. Diesfalls ist der vertragliche Verwendungszweck auf eine geschäftliche Tätigkeit gerichtet, weshalb die Kündigungsbestimmungen über Geschäftsräume gelten. Schliesslich sind auch Hobby-, Bastel- oder Freizeit­ räume nach Art. 266b OR kündbar. 19

Ebenfalls in den Anwendungsbereich der unbeweglichen Sache fallen Lager­ plätze, die nicht zusammen mit einem Geschäftsraum gemietet werden, jedoch zu geschäftlichen Zwecken genutzt werden. Ihnen fehlt die Raumqualität. Für die Abgrenzung der unbeweglichen Sache zum Geschäftsraum im Einzelnen vgl. N 19 f. Vorbem. zu Art. 253–273c OR.

4. Fahrnisbauten 4.1

Begriff und Abgrenzung

20

Nach Art. 677 Abs. 1 ZGB sind Fahrnisbauten Hütten, Buden, Baracken, Con­ tainer und dergleichen, die ohne Absicht bleibender Verbindung auf fremdem Boden errichtet bzw. abgestellt werden. Das Unterscheidungskriterium zwi­ schen Fahrnisbauten und Dauerbauten liegt somit darin, ob der Wille des Bau­ herrn im Zeitpunkt der Errichtung dahin ging, die Baute dauernd oder nur vor­ übergehend mit dem Boden zu verbinden (Meier-Hayoz, BK, N 7 zu Art. 677 ZGB. Von der neueren Lehre wird dieser Wille auch als subjektives Moment oder Element bezeichnet: siehe Rey/Strebel, BSK ZGB II, N 4 zu Art. 677 ZGB). Diese Unterscheidung bereitet mitunter Schwierigkeiten, ist aber in der Praxis praktisch ohne Bedeutung, da sowohl für unbewegliche Sachen als auch für Fahrnisbauten die gleichen Kündigungsfristen und -termine gelten.

21

Zur Qualifizierung von vorfabrizierten Garagen, die, einmal aufgestellt, sich nur schwer verschieben lassen, siehe BGE 105 II 266, E. 1.

22

Nach Giger können auch Wohnwagen, Trailer oder Wohnbaracken unter die Fahrnisbauten fallen, wenn sie für eine gewisse Zeit am selben Ort stationiert sind (Giger, BK, N 20 zu Art. 253a OR).

568

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Art. 266b–266f

4.2

Abgrenzung zum Wohn- und Geschäftsraum

Ein loses, mit dem Boden verbundenes Holzhäuschen stellt grundsätzlich eine 23 Fahrnisbaute dar. Geht allerdings aus dem vertraglichen Verwendungszweck hervor, dass diese Baute im Zusammenhang mit einer haupt- oder nebenberuf­ lichen Geschäftstätigkeit des Mieters steht, wie dies beispielsweise bei der Miete eines Kioskhäuschens der Fall ist, so ist dieses Mietverhältnis als Geschäfts­ raummiete zu qualifizieren. Sinngemäss gilt dasselbe, wenn eine Fahrnisbaute zu Wohnzwecken vermietet wird.

4.3 Kasuistik Die Gerichtspraxis betrachtete einen Kiosk und einen mobilen Standbau als 24 Fahrnisbaute. Dagegen wurden eine Pumpstation, eine aus vorgefertigten Ele­ menten gebaute Fabrikhalle und eine nicht fest mit dem Boden verbundene, sondern auf vier Steinplatten stehende Scheune, als unbewegliche Sachen qua­ lifiziert (Botsch. 1985, S. 1449). Demgegenüber stellt ein Container, der auf einer Freifläche aufgestellt ist und 25 als Büroraum für einen auf dem Areal betriebenen Autohandel genutzt wird, eine Fahrnisbaute dar. Da solche Container regelmässig bloss einen Bruchteil der gemieteten Freifläche in Anspruch nehmen, wird die Freifläche trotz der Fahrnisbaute nicht zum Geschäftsraum im Sinne von Art. 253a OR (Urteil des Bundesgerichts 4C.110/1997 vom 11.  Juni 1997; Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, NM030009, vom 13. August 2004, E. 3; weitere Beispiele im Kommentar zu Art. 253a OR). Gemäss Bundesgericht fällt ein Glace-Kiosk gemäss genferischer Ausprä­ 26 gung auch unter die Fahrnisbaute (Urteil des Bundesgerichts 4A_165/2014 vom 21. Juli 2014, E. 3 und 4), sodass auf ihn die Schutzbestimmungen von Art.  269  ff. OR nicht anwendbar sind. Den Betreibern von solchen Kiosken wurde die Berechtigung zur Anfechtung des Anfangsmietzinses von der obe­ ren kantonalen Instanz – im Gegensatz zur Erstinstanz – abgesprochen, was vom Bundesgericht geschützt wurde.

4.4

Miete eines Grundstückes zur Erstellung einer Fahrnisbaute zu Wohn- oder Geschäftszwecken

Es kommt vor, dass unbebauter Boden gemietet wird, damit der Mieter darauf eine Fahrnisbaute zu Wohn- oder Geschäftszwecken erstellen kann. Hierbei ist

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569

27

Art. 266b–266f

die Anwendung der Bestimmungen über die Miete von Wohn- oder Geschäfts­ räumen (Art. 266c und 266d OR, Art. 253a Abs. 1 OR i.V.m. Art. 269–273c OR) grundsätzlich ausgeschlossen. Diese Bestimmungen haben nämlich begriffs­ notwendig die Miete von Räumen, d.h. dreidimensionaler, unbeweglicher Sachen zum Gegenstand (gl.M. ZMP 2/92, Nr. 14), währenddem Art. 266b OR auch die Miete von Plätzen, also Grundstücksflächen, welche als unbewegliche Sachen zu erachten sind, erfasst. In BGE 98 II 203 ff. erklärte das Bundesgericht indessen in bestimmten Ausnahmefällen die Regeln über die Erstreckung von Mietverhältnissen (Art. 267a–267i aOR) auch für Mietverhältnisse über unbe­ wegliche Sachen für anwendbar. Und zwar dort, wo der Mieter einer unbe­ weglichen Sache mit Wissen des Vermieters eine kostspielige Fahrnisbaute zu Wohn- oder Geschäftszwecken errichtet und damit rechnen darf, dass das Mietverhältnis auf absehbare Zeit nicht gekündigt wird (BGE 98 II 204, E. 4b). 28

Obwohl BGE 98 II 204 noch unter dem Geltungsbereich des bis 30. Juni 1990 geltenden Mietrechts erging, dürfte diese Praxis auch heute noch aktuell sein. Ergänzend ist allerdings anzumerken, dass die entsprechenden Investitionen vom Vermieter vorgängig bewilligt werden müssen, andernfalls es sich um eine unbewilligte Mieterbaute handelt, aus welcher der Mieter keine Vorteile erlan­ gen darf. Das Bundesgericht machte im erwähnten Entscheid auch klar, dass der Anspruch auf Mieterstreckung bei der Miete einer unbeweglichen Sache nur auf ganz wenige Ausnahmefälle beschränkt bleibt. Jedenfalls hat es an anderer Stelle ausgeführt (BGE 98 II 205): «Wer also Land zu diesem Zweck mietet, muss damit rechnen, dass die Bauten früher oder später entfernt werden müssen …»

29

Aufgrund dieser Ausführungen lässt sich zusammenfassend folgern, dass die Art. 266c OR oder 266d OR sowie 271–273c OR nur dann auf unbebaute Grundstücke (zur Erstellung einer Fahrnisbaute) anzuwenden sind, wenn der Mieter anhand der gesamten Umstände in guten Treuen auf ein langjähriges Mietverhältnis schliessen durfte und dem Mieter die Erstellung der Fahrnis­ baute überdies schriftlich bewilligt wurde (Art. 260a OR analog). Zu beachten ist dabei, dass alleine die Höhe der Investitionskosten nicht solche «Umstände» darstellen, aus denen der Mieter auf ein langjähriges Mietverhältnis schlies­ sen durfte. Vor allem bei Mietverhältnissen, die auf unbestimmte Dauer abge­ schlossen werden, ist dieser Schluss nicht zulässig. Es besteht kein sachlicher Grund, von der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung abzuweichen und die analoge Anwendung von Art.  269–270e OR auch auf die Miete einer unbe­ weglichen Sache, auf welcher der Mieter eine Fahrnisbaute zu Wohn- oder Geschäftszwecken erstellt, auszudehnen. 570

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Art. 266b–266f

5. Wohnungen Unter dem Begriff «Wohnungen» sind Einfamilienhäuser, möblierte (ZMP 30 2/93, Nr.  21) oder nicht möblierte Wohnungen sowie unmöblierte, aber zu Wohnzwecken (vgl. N 6 zu 253a OR und N 22 ff. zu Vorbem. zu Art. 253–273c OR) vermietete Zimmer zu verstehen (Botsch. 1985, S. 1449). Nach Art. 253a Abs. 1 OR sind Sachen, die mit der Wohnung eine Einheit bilden, wie z.B. Kel­ ler- oder Estrichabteile, Möbel oder Ein- bzw. Abstellplätze, ebenfalls gemäss Art. 266c OR zu kündigen.

6. Geschäftsräume Geschäftsräume sind Räume, die dem Betrieb eines Unternehmens oder der 31 Ausübung einer beruflichen Tätigkeit dienen (Botsch. 1985, S. 1450), wie z.B. Büros, Verkaufsräume, Werkstätten, Magazine und Lagerräume (vgl. Botsch. 1985, S. 1421; zum Begriff vgl. auch N 22 f. zu Vorbem. zu Art. 253–273c OR und N 10 zu 253a). Die gemieteten Räume stehen daher im Zusammenhang mit einer auf wirtschaftlichen, d.h. gewinnstrebigen Erwerb gerichteten Tätigkeit des Mieters. Werden hingegen Lokalitäten gemietet, die nicht eine wirtschaft­ liche (geschäftliche), sondern eine rein ideelle Zweckverfolgung zum Gegen­ stand haben, wie dies insbesondere bei Lokalen von Vereinen oder gemeinnüt­ zigen Stiftungen der Fall ist, so kommt nicht Art. 266d OR zur Anwendung. Vielmehr handelt es sich dabei um die Miete einer unbeweglichen Sache, die sich nach den Kündigungsbestimmungen von Art. 266b OR richtet.

7.

Gemischte Nutzung eines Mietobjekts

Sieht der vertragliche Verwendungszweck vor, dass eine Wohnung sowohl 32 dem Wohnen wie auch als Büro dient, so stellt sich die Frage, welche Kündi­ gungsbestimmungen auf das betreffende Mietverhältnis Anwendung finden. Die Ansicht, es sei die für den Mieter günstigere Norm anzuwenden, wird vor­ liegend nicht geteilt. Vielmehr ist auf die überwiegende (nach Zimmern oder nach der beanspruchten Fläche) Nutzungsart abzustellen (gl.M. Higi, ZK, N 41 zu Art.  253a–253b OR). Das Mietverhältnis über eine 5-Zimmer-Wohnung wird somit nicht zur Geschäftsraummiete, wenn der Mieter, welcher als selb­ ständiger Grafiker arbeitet, mit Einwilligung des Vermieters ein Zimmer als Büro benutzt. Anders sieht es jedoch aus, wenn die Mieterin einer 6-ZimmerWohnung  – mit Zustimmung der Vermieterin  – 4 Zimmer für den Betrieb

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571

Art. 266b–266f

ihres Kosmetikstudios und zwei Zimmer zu Wohnzwecken nutzt. Dieses Mietverhältnis untersteht der auf Geschäftsräume anwendbaren Kündigungs­ frist. Gemäss Bundesgericht ist bei gemischt genutzten Mietobjekten – Wohnund Geschäftsräume  – für die Bestimmung der Mindestkündigungsfrist auf den überwiegenden Gebrauchszweck abzustellen (Urteil des Bundesgerichts 4A_662/2012, E. 5.4, in: MRA 2/13, S. 39 ff.).

8.

Möblierte Zimmer

33

Bei der Miete von möblierten Zimmern überlässt der Vermieter dem Mieter zusätzlich einige zum Wohnen unerlässliche Gebrauchsgegenstände wie Tisch, Bett, Stuhl und Schrank (Weber, BSK, N  1 zu Art.  266e OR; a.M. Higi, ZK, N 21 ff. und N 49 zu Art. 266e OR). Die Abgrenzung zur möblierten Einzim­ merwohnung (häufig auch Studio genannt) kann zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen.

34

Die Einzimmerwohnung unterscheidet sich vom möblierten Zimmer regel­ mässig dadurch, dass der Wohnung eine Küche oder eine Kochgelegenheit sowie die Nasszelle zur ausschliesslichen Nutzung zur Verfügung stehen, während diese dem Zimmermieter in der Regel nur zur Mitbenutzung über­ lassen sind (ähnlich Bohnet/Montini, CPra, N 20 zu Art. 266b–266f OR).

9.

Gesondert vermietete Einstellplätze

35

Steht fest, dass die in Art. 1 VMWG beispielhaft erwähnten Sachen und Flä­ chen nicht zusammen mit Wohn- oder Geschäftsräumen vermietet wurden, liegt ein gesondertes Mietverhältnis über Einstellplätze oder ähnliche Ein­ richtungen vor, für welche Art. 266e OR gilt (zum Begriff des Einstellplatzes vgl. Higi, ZK, N 46 zu Art. 266e OR, der zu Recht auch Plätze «im Freien» darunter subsumiert; ebenso Weber, BSK, N 2 zu Art. 266e OR). Die gesonderte Vermie­ tung bezieht sich dabei auf Art. 253a OR (Weber, BSK, N 1a zu Art. 266e OR).

36

Ähnliche Einrichtungen sind Plätze zum Aufstellen von Spielautomaten, Pfer­ deboxen, Schaufensterkästen und dgl. (vgl. Botsch. 1985, S. 1450). Dienen Pfer­ deboxen indessen der Ausübung eines Gewerbes, wie dies z.B. bei der Miete von Stallungen zwecks Betreiben einer Reitschule der Fall ist, so ist nach Sinn und Zweck des Gesetzes von der Miete eines Geschäftsraumes auszugehen. Hingegen würde es zu weit führen, auch Schaufensterkästen, die bloss Wer­ bezwecke erfüllen, den Bestimmungen über die Miete von Geschäftsräumen

572

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Art. 266b–266f

zu unterstellen. Sie dienen höchstens in mittelbarer Weise einer geschäftlichen Tätigkeit, weshalb sie weder längerer gesetzlicher Kündigungsfristen noch gar des Kündigungsschutzes bedürfen.

10.

Bewegliche Sachen

10.1 Allgemein Bewegliche Sachen sind solche, die nicht mit dem Boden fest verbunden sind und demgemäss ihre räumliche Lage beliebig ändern können.

37

10.2 Konsumgüter Konsumgüter sind Güter, die von einem Anbieter im Rahmen seiner geschäftli­ 38 chen bzw. gewerblichen Tätigkeit angeboten werden und einem Konsumenten zu privaten Zwecken dienen (Higi, ZK, N 6 zu Art. 266f OR). Ist die bewegliche Sache ein Konsumgut (Automobil, Fernsehapparat, Stereoanlage, Haushalts­ gerät, Computer usw.; vgl. Botsch. 1985, S. 1453) und erfolgt die Vermietung durch einen professionellen Vermieter (Autovermietungsfirma, Radio- und Fernsehgeschäft), so sieht Art.  266k OR zwingend eine Höchstfrist von 30 Tagen und vier Kündigungstermine pro Jahr vor (jeweils Ende einer dreimona­ tigen Mietdauer). Im Gegensatz zu den übrigen Mietsachen, für die das Gesetz zwingend Mindestkündigungsfristen vorsieht (vgl. N 3 zu Art. 266a OR), ist bei Konsumgütern zwingend eine Höchstkündigungsfrist und eine Mindest­ zahl von Kündigungsterminen festgelegt. Im Gegensatz zu den anderen Miet­ sachen sind hier die Parteien mithin nur frei, kürzere Fristen zu vereinbaren (gl.M. Higi, ZK, N 20 zu Art. 266k OR). Abweichende vertragliche Abmachun­ gen sind unbeachtlich.

Jürg P. Müller

573

Jürg P. Müller

Art. 266g III. Ausserordentliche Kündigung 1.

Aus wichtigen Gründen

1 Aus wichtigen Gründen, welche die Vertragserfüllung für sie unzumutbar

machen, können die Parteien das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf einen beliebigen Zeitpunkt kündigen. 2 Der

Richter bestimmt die vermögensrechtlichen Folgen der vorzeitigen Kündigung unter Würdigung aller Umstände. III. Congé extraordinaire 1.

Justes motifs

1 Si,

pour de justes motifs, l’exécution du contrat devient intolérable pour une partie, celle-ci peut résilier le bail à n’importe quel moment, en observant le délai de congé légal.

2 Le

juge statue sur les conséquences pécuniaires du congé anticipé, en tenant compte de toutes les circonstances.

III. Disdetta straordinaria 1.

Motivi gravi

1 Ciascuna

delle parti può, per motivi gravi che le rendano incomportabile l’adempi­ mento del contratto, dare la disdetta osservando il termine legale di preavviso per una sca­ denza qualsiasi.

2 II giudice determina le conseguenze patrimoniali della disdetta anticipata apprezzando

tutte le circostanze.

574

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Art. 266g

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter, intertemporales Recht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

576 576 576

2. Kündigungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Form, Fristen und Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

580 580 581 585

3. Folgen der Kündigung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Auflösung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Vermögensrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.3 Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

585 585 586 587

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575

Art. 266g

1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter, intertemporales Recht

1

Mit Blick auf den mit Art. 266g OR verfolgten Zweck, wonach den Parteien bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen, die für sie die Weiterführung des Mietverhältnisses «unzumutbar» machen, eine Kündigungsmöglichkeit einge­ räumt werden soll, ist die gesamte Norm als absolut zwingend zu qualifizieren (Roncoroni, zwingende Bestimmungen II, S. 70); andernfalls könnten die Par­ teien durch entsprechende Regelung der wirtschaftlichen Folgen einer Kündi­ gung aus wichtigem Grund dessen Anrufung faktisch verunmöglichen. A.M. Higi (ZK, N 5 ff. zu Art. 266g OR), welcher nur Abs. 1 als absolut zwingend qualifiziert. Die ratio legis der Norm rechtfertigt es daher, die Folgen einer vor­ zeitigen Vertragsauflösung gemäss Art. 266g OR in allen Fällen nach Billigkeit (Art.  4 ZGB) zu beurteilen (so auch Urteil des Bundesgerichts 4C.375/2000 vom 21. August 2001, E. 3).

2

Die Bestimmung ist auf alle laufenden Mietverhältnisse anwendbar, unabhän­ gig davon, ob sie unter dem bis zum 30. Juni 1990 geltenden Recht oder danach begründet wurden.

1.2 Anwendungsbereich 1.2.1 Allgemein 3

Eine Kündigung aus wichtigen Gründen ist bei sämtlichen Mietverträgen über bewegliche oder unbewegliche Sachen möglich. Im Recht, welches bis zum Inkrafttreten des aktuellen Rechts Gültigkeit hatte, konnte lediglich ein Vertrag über unbewegliche Sachen aus wichtigen Gründen vorzeitig aufgelöst werden. Die Kündigung kann sodann sowohl bei befristeten wie auch bei unbefriste­ ten Verträgen erfolgen.

4

Der Schutz der Persönlichkeit spielt gemäss Bundesgericht bei Dauerschuld­ verhältnissen eine bedeutende Rolle, was bei der Auslegung des wichtigen Grundes entsprechend zu würdigen ist (BGE 128 III 428, E. 3c).

1.2.2 5

Subsidiärer Kündigungsgrund und Parteidisposition

Der «wichtige Grund» i.S.v. Art.  266g OR ergänzt die übrigen ausserordent­ lichen Auflösungsgründe, schliesst aber deren Anwendung nicht aus (Gauch, S. 195).

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Art. 266g

Den Parteien ist es unbenommen, im Mietvertrag näher zu definieren, wel­ 6 che Umstände für sie als «wichtige Gründe» gelten (Urteil des Bundesgerichts 4A_119/2009 vom 9. Juni 2009, E. 2.3, in: mp 4/09, S. 243 ff.); HAP-Immobi­ liarmietrecht/Maag, Rz 2.152; Hulliger, in: MRA 1/11, S. 6), wobei – aufgrund des zwingenden Charakters der Norm  – diese vertragliche Definition nicht abschliessend sein kann. Ebenso wenig dürfen mit diesen vertraglich definier­ ten «wichtigen Gründen» andere zwingende gesetzliche Bestimmungen ver­ letzt sein; abzulehnen ist daher die Auffassung Lorandis Franco, in: mp 98, S. 4, wonach die Parteien im Mietvertrag vorsehen können, dass die Konkurser­ öffnung über den Mieter einen wichtigen Grund darstellt und zur ausseror­ dentlichen Kündigung berechtigt. Das Gesetz regelt die Kündigungsvoraus­ setzungen des Vermieters im Konkursfall des Mieters bereits abschliessend in Art. 266h OR (vgl. N 4 zu Art. 266h OR). Liegt ein besonderer Auflösungsgrund vor (Mängel der Mietsache, Art. 259b 7 Buchst.  a OR,Verletzung der Pflicht zur Sorgfalt und Rücksichtnahme, Art.  257f OR; Zahlungsrückstand des Mieters, Art.  257d OR, Konkurs des Mieters, Art. 266h OR oder Tod des Mieters, Art. 266i OR), so kommt Art.  266g OR in der Regel nicht zur Anwendung (gl.M. Higi, ZK, N  14 zu Art.  266g OR; ebenso Urteil des Bundesgerichts 4C.384/2005 vom 22.  März 2006, E. 3.2); insoweit ist Art. 266g OR gegenüber den gesetzlich erwähnten Spezialtatbeständen subsidiär (Urteil des Bundesgerichts 4A_536/2009 vom 2.  Februar 2010, E.  2.2, in: mp 3/10, S.  202  ff., m.w.H.; Weber, BSK, N  4 zu Art.  266g OR, der die übrigen a.o. Kündigungsgründe gegenüber Art.  266g OR als leges speciales bezeichnet). Spricht eine Partei die Kündigung unter Berufung auf Art.  266g OR aus, ist sie an diesen Kündigungsgrund gebun­ den und kann sich nachträglich nicht mehr auf einen besonderen Auflösungs­ grund berufen (ZR 73 [1974] Nr. 70; Higi, ZK, N 14 zu Art. 266g OR). Ebenso liess das Bundesgericht die Umdeutung, die sog. Konversion, einer gestützt auf einen besonderen Auflösungsgrund ausgesprochene Kündigung in eine sol­ che aus wichtigem Grund nach Art. 266g OR nicht zu (vgl. Urteil 4C.384/2005 vom 22. März 2006, worin es das Bundesgericht ablehnte, eine – wegen Feh­ lens eines schweren Mangels – nicht gerechtfertigte fristlose Kündigung eines Mieters in eine gültige aus wichtigem Grund umzudeuten, E. 3.2, m.w.H. und Urteil 4C.269/2005 vom 16. November 2006, E. 5.2, in: MRA 5/07, S. 169 ff.; vgl. zum Ganzen auch HAP-Immobiliarmietrecht/Maag, Rz 2.185). Zulässig ist demgegenüber, dass sich der Vermieter bei gegebenen Vorausset­ 8 zungen auf mehrere Kündigungsgründe – z.B. auf Art. 257f OR und gleichzei­

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Art. 266g

tig auf Art. 266g OR – beruft. Es ist dann – je gesondert – zu prüfen, ob min­ destens ein angerufener Grund ausgewiesen ist (N 74 zu Art. 271 OR). 9

Gemäss Art. 271a Abs. 2 OR ist nicht erforderlich, dass der Kündigende den wichtigen Grund in seinem Kündigungsschreiben bereits nennt. Das Bundes­ gericht verlangt aber, dass das Kündigungsschreiben, um als ausserordent­ liche Kündigung im Sinne von Art.  266g OR zu gelten, diesen Kündigungs­ grund «zum Ausdruck bringt» (Urteil des Bundesgerichts 4C.16/2000 vom 24. Januar 2001, E. 2b/cc, in: MRA 3/01, S. 81 ff.). Ein Nachschieben des Kündigungsgrundes ist nicht möglich (Urteil des Bundesgerichts vom 3. Oktober 1995, in: MRA 5/96, S. 226 ff., E. 2b/aa; N 70 f. zu Art. 271 OR). Die Begrün­ dung der Kündigung kann jedoch noch im Laufe des Kündigungsschutzverfahrens angegeben werden, soweit die tatsächlichen Umstände zum Zeitpunkt der Kündigung bereits bestanden (BGE 92 II 184).

10

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung fällt die Verletzung von vertragli­ chen Nebenpflichten unter Art. 266g OR (Urteil 4C.255/2004 vom 17. Novem­ ber 2004, E.  5.3, betreffend Verletzung einer vereinbarten Weinbezugsver­ pflichtung; vgl. N 10 zu Art. 257f OR). Zum Verhältnis bzw. zur Abgrenzung der Kündigung aus wichtigem Grund zu den Verzugsfolgen nach Art. 102 ff. OR vgl. BGE 123 III 124 (Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes wegen nicht bezahlter Rechnungen des Untermieters für den Umbau im Mietobjekt führte zur Kündigung durch den Vermieter); vgl. ferner N 9 zu Art. 257f OR.

11

Es schadet dem Kündigenden nicht, wenn er sich in seinem Kündigungsschrei­ ben auf eine falsche Gesetzesbestimmung beruft, da der Richter das Recht von Amtes wegen anzuwenden hat (BGE 135 III 441, E. 3.1, in: mp 4/09, S. 247 f.); so auch HAP-Immobiliarmietrecht/Maag, Rz. 2.185, m.w.H.).

1.2.3 12

Abgrenzung zur objektiven Unmöglichkeit

Ist die Benützung eines Mietobjektes aus objektiven Gründen nicht möglich, so ist eine Kündigung nach Art. 266g OR nicht erforderlich (gl.M. Higi, ZK, N 17 zu Art. 266g OR). Ein solcher Fall liegt dann vor, wenn dem Mieter der Gebrauch infolge objektiver, tatsächlicher oder rechtlicher Gründe verun­ möglicht wird, das Hindernis also für jeden, der sich in seiner Lage befindet, gegeben ist. Z.B., wenn die Sache infolge Zufall oder höherer Gewalt vollstän­ dig zerstört wurde oder wenn eine homöopathische Praxis nicht mehr weiter­ geführt werden kann, weil durch Gesetz der Befähigungsnachweis für Homöo­ pathen eingeführt wird und der Mieter keinen solchen Ausweis besitzt und in

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Art. 266g

absehbarer Zeit auch nicht erwerben kann (BGE 57 II 532 im Falle einer Zahn­ arztpraxis). Demgegenüber beurteilen sich die Folgen bei der Unbenutzbarkeit eines Miet­ 13 objektes infolge von Mängeln nach den Regeln von Art. 258 OR (Mangel bei Mietantritt bzw. Übergabe der Mietsache) bzw. Art. 259 OR (Mangel während der Mietdauer). Bestand die objektive Unmöglichkeit von Anfang an (anfängliche objektive 14 Unmöglichkeit), so ist der Vertrag gemäss Art. 20 OR nichtig und er entfal­ tet keine Wirkung. Weiss eine der Parteien, dass sie einen unmöglichen Ver­ trag eingeht, so wird sie der anderen Partei, die nichts davon weiss, schadener­ satzpflichtig (BGE 40 II 372). Sie hat ihr sämtliche Aufwendungen zu ersetzen, die im Zusammenhang mit dem Nichtzustandekommen des Vertrages entste­ hen (negatives Vertragsinteresse), wie z.B. Spesen im Zusammenhang mit der Ausarbeitung des Mietvertrages, Besichtigung des Mietobjektes, nicht aber die Mietzinsdifferenz, wenn der Mieter für ein Ersatzobjekt einen höheren Miet­ zins zu bezahlen hat. Tritt die objektive Unmöglichkeit erst nach Vertragsschluss ein (nachträgliche 15 objektive Unmöglichkeit), lässt dies die ganze Obligation erlöschen (Art. 119 Abs. 1 OR). Die Folgen beurteilen sich nach Art. 97 bzw. Art. 119 Abs. 2 und 3 OR: Wer eine Leistung verspricht, obwohl er weiss, dass er sie möglicher­ weise nicht erbringen kann, haftet gemäss Art. 97 OR. Er hat der anderen Par­ tei sämtlichen Schaden zu ersetzen, der aus der Nichterfüllung des Vertrages entstanden ist (positives Vertragsinteresse). So hat der Vermieter z.B. für die Mietzinsdifferenz einzustehen, wenn der Mieter für ein Ersatzobjekt einen höheren Mietzins zu bezahlen hat. Ebenso muss er für Umzugskosten (Auf­ wandersatz) und einen allfälligen Betriebsausfall (Ertragsausfall) aufkommen, wenn dies Folgen der Leistungsunmöglichkeit sind. Ist die Unmöglichkeit jedoch auf Umstände zurückzuführen, die nicht von der 16 verpflichteten Partei zu vertreten sind, haftet diese lediglich für die empfan­ gene Gegenleistung und verliert die noch nicht erfüllte Gegenforderung (negatives Vertragsinteresse, vgl. Art. 119 Abs. 2 OR). Die Haftung für eine allfäl­ lige Mietzinsdifferenz bzw. einen Betriebsausfall ist diesfalls im Gegensatz zu dem in N 8 erwähnten Fall nicht geschuldet.

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2. Kündigungsvoraussetzungen 2.1 Grundsätzliches 17

Wichtige Gründe zur vorzeitigen Auflösung eines Mietvertrages liegen vor, wenn die angerufenen Umstände bei Vertragsabschluss weder bekannt noch voraussehbar waren und nicht auf ein Verschulden der kündigenden Partei zurückzuführen sind (Urteil des Bundesgerichts 4A_536/2009 vom 2. Fe­bruar 2010, E. 2.4, in: mp 3/10, S. 202 ff.; 122 III 262/265, E. 2a, m.w.H.; Urteil des Bundesgerichts 4C.345/2005 vom 9. Januar 2006). Die Umstände müssen fer­ ner derart gravierend sein, dass sie der betroffenen Partei die Fortsetzung des Mietverhältnisses bzw. die Erfüllung ihrer Pflichten bis zum nächsten ordent­ lichen Kündigungstermin nach «objektiver» Beurteilung, das heisst nach Treu und Glauben unzumutbar machen; zudem müssen die Umstände auch für den Kündigenden subjektiv unzumutbar sein (Urteil des Bundesgerichts 4A_142/2012 vom 17.  April 2012, E.  3.1, m.w.H., in: MRA 4/12, S.  237  ff.; 4C.255/2004 vom 17. November 2004, E. 5.3).

18

Ob ein wichtiger Grund im vorerwähnten Sinne vorliegt, ist gemäss Art. 4 ZGB nach Recht und Billigkeit zu entscheiden, wobei die Interessen der anderen Vertragspartei, die Grundsätze der Verbindlichkeit von Verträgen und der Rechtssicherheit gegeneinander abgewogen werden müssen (Urteil des Bun­ desgerichts 4A_142/2012 vom 17.  April 2012, E.  3.1, m.w.H., in: MRA 4/12, S. 237 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.375/2000 vom 21. August 2001, E. 3; BGE 122 II 262, E. 2a/aa; vgl. Higi, ZK, N 30 zu Art. 266g OR; Schmid, ZK, N 13 zu Art. 269 aOR).

19

Gleichgültig ist, ob die veränderten Umstände in der Person des Kündigenden selbst oder anderswo liegen. Umstände, die der Kündigende beim Vertragsab­ schluss voraussehen konnte oder die er selbst verschuldet hat, können indessen nicht berücksichtigt werden (gl.M. MfdP/Spirig, N 27.5.4.1 und 28.3.2.1). Nach Higi, ZK, N 36 zu Art. 266g OR genügt bereits ein Mitverschulden, um das Vorliegen eines – zur ausserordentlichen Vertragsauflösung berechtigenden – wichtigen Grundes zu verneinen. Umstände, die bereits vor oder bei Vertrags­ abschluss bestanden haben, können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie der Betroffene in jenem Zeitpunkt nicht kannte und auch nicht kennen musste und diese während der Vertragszeit weiter wirken (ZMP 2/93, Nr. 22; SJZ 91, S. 177; vgl. Schmid, ZK, N 15 zu Art. 269 aOR; a.M. Gauch, Beendi­ gung, S. 196 f.).

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Art. 266g

Die bloss theoretische Voraussehbarkeit des ausserordentlichen Kündigungs­ 20 grundes genügt allerdings nicht, da die Voraussehbarkeit sonst praktisch immer zu bejahen wäre (z.B. der Tod eines Mitmieters, wodurch der Mietzins für den anderen Mitmieter wirtschaftlich nicht mehr tragbar ist, gilt als wich­ tiger Grund im Sinne von Art. 266g OR; vgl. N 13). Es genügt daher, wenn bei Vertragsabschluss mit dem Eintritt der Umstände unter den konkreten Umständen bei objektiver Betrachtung nicht gerechnet werden musste.

2.2 Beispiele 2.2.1

Veränderte Verhältnisse

Es sind dies: wesentliche Änderung der allgemeinen Verhältnisse oder der Ein­ 21 tritt von unvorhersehbaren Ereignissen, wie z.B. Krieg (BGE 46 II 173) oder Wirtschaftskrisen (BGE 60 II 205), die zum finanziellen Ruin einer Partei füh­ ren. Davon zu unterscheiden ist jedoch ein schlechter Geschäftsgang, der in der Regel keinen wichtigen Grund darstellen kann (unten N 26). Immissionen (negative, positive und ideelle), die während des Mietverhältnis­ 22 ses auftreten, können «wichtige Gründe» im Sinne von Art. 266g OR darstel­ len, wobei hier vor allem Immissionen verursacht durch den Mieter im Vorder­ grund stehen, da immissionsbedingte Störungen des Vermieters primär nach den Regeln über die Mängelrechte (Art. 259 ff.) zu beurteilen sind (vgl. Tschudi, Immissionen, S. 156 ff.). Ferner können folgende veränderte Verhältnisse wichtige Gründe darstellen 23 (Hulliger Urban, in: MRA 1/11, S. 4 f. und HAP-Immobiliarmietrecht/Maag, Rz 2.159 f.): –– Veränderung der Strassenverkehrsführung, die für den Wohnungsmieter eine markante Mehrbelastung des Verkehrslärms zur Folge hat bzw. für den Geschäftsraummieter dazu führt, dass sich die Kundenströme verla­ gern, sodass die bislang gute Passantenlage verloren geht. –– Veränderung von An- und Abflugrouten bei Flughäfen, die eine Mehrbelas­ tung des Lärms zur Folge haben. –– Dringend auszuführende Bauarbeiten, die  – ohne Gefahr für die Bewoh­ ner  – nicht bis zum Ablauf des Mietverhältnisses hinausgeschoben wer­ den können (Urteil des Bundesgerichts 4A_594/2010 vom 12. Januar 2011, E. 2.3, in: mp 2/11, S. 147 ff./150 f.).

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2.2.2

Gründe in der Person des Kündigenden

24

Gründe in der Person des Kündigenden stellen wichtige Gründe dar, wenn bei gemeinsamer Miete einer der Mitmieter stirbt und der andere allein den Miet­ vertrag nicht halten kann (a.M. BGE 15 [1889], S. 291 und 292, E. 6), wenn der Gesundheitszustand die Benützung der Wohnung verunmöglicht, wenn die Wohnung infolge Familienzuwachses zu klein wird, wenn zwischen den Parteien Feindschaft besteht, insbesondere wenn der Vermieter im gleichen Haus wohnt (Schmid, ZK, N 18 zu Art. 269 aOR). Bejaht hat das Bundesge­ richt sodann einen wichtigen Grund einer alleinerziehenden Mutter, die einen Vertrag auf eine Mindestdauer von 5 Jahren abschloss und die Wohnung mit ihren beiden Kindern und ihrem Freund zusammen bewohnte, ihr Ehemann in der Folge die Alimentenzahlungen einstellte und der Freund, der ebenfalls einen Anteil an den Mietzins bezahlte, auszog (BGE 122 III 262/267, E. 2a/aa).

25

Kein wichtiger Grund liegt vor, wenn der Mieter den Arbeitsplatz wechselt (Urteil des Bundesgerichts 4C_220/1994 vom 24. Oktober 1994, E. 1b, in: MRA 3/95, S. 135; SJZ 91, S. 177; offengelassen in BGE 122 III 262). Auch im Falle des Erwerbes einer eigenen Liegenschaft sieht das Bundesgericht keinen wichtigen Grund zur ausserterminlichen Auflösung des Mietvertrages (Urteil des Bun­ desgerichts vom 3.10.1995, E. 3, [auszugsweise in deutscher Übersetzung] in: MRA 5/96, S. 226 ff.). Ebenso liegt kein wichtiger Grund vor, wenn der Vermie­ ter eine Baubewilligung für die Totalsanierung seiner Liegenschaft erhält, die er ohne den Auszug des Mieters nicht durchführen kann (ZMP 2/93, Nr. 21). Anders wäre dieser Fall wohl zu entscheiden, wenn die Baubewilligung uner­ streckbar befristet wäre und die Realisierung des Bauvorhabens durch den Ver­ bleib des Mieters in den Mieträumen definitiv vereitelt würde.

26

Finanzielle Schwierigkeiten einer Firma gelten nicht als wichtige Gründe (Urteil des Bundesgerichts vom 2. Mai 1995, in: mp 1/96, S. 17 f.). Es muss sich um gravierende Veränderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen handeln (Weber, BSK, N 5 zu Art. 266g OR, m.w.H. auf BGE 60 II 209 und 122 III 262).

27

Ein Mieter, der nach einem Einbruch in die langfristig gemietete Wohnung unter panikartigen Angstzuständen leidet und eine Heilung gemäss ärztlicher Beurteilung nur durch einen Umzug erfolgen kann, vermag sich mit Erfolg auf Art. 266g OR berufen (Urteil des Bundesgerichts 4C.375/2000 vom 31. August 2001, E. 3, in: MRA 2002, S. 53 ff.).

28

Eine ernsthafte Erkrankung eines geschäftsführenden Inhabers (nament­ lich bei einem Verkaufsladen) kann dann zu einem wichtigen Grund führen, wenn seine Genesung in absehbarer Zeit nicht mehr wahrscheinlich ist und 582

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Art. 266g

die Geschäftsführung nicht anderweitig sichergestellt werden kann. Eine bloss vorübergehende Arbeitsunfähigkeit des Geschäftsführers vermag einen wich­ tigen Grund im Sinne von Art. 266g OR demgegenüber nicht zu begründen. Sinngemäss gilt dies wohl auch bei einer Schwangerschaft der geschäftsführen­ den Inhaberin.

2.2.3

Gründe in der Person des Kündigungsempfängers bzw. dessen Hilfspersonen

Gründe, die in der Person des Kündigungsempfängers liegen, können eben­ 29 falls wichtige Gründe im Sinne von Art. 266g OR darstellen, so z.B. bei Selbst­ mordversuch eines Mieters (Becker, BK, N 4 zu Art. 269 aOR), bei mangelhaf­ ter Führung eines Geschäftslokals (Schmid, ZK, N 20 zu Art. 269 aOR). Ein wichtiger Grund kann z.B. auch dann vorliegen, wenn das Vertrauensver­ 30 hältnis zwischen den Parteien durch wiederholte Reibereien oder Provoka­ tionen gestört ist, sodass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zumutbar ist, insbesondere bei schikanösem Verhalten zur Verärgerung der Gegenpartei: –– so auch Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 10.  Oktober 2004 (ZBR 2004.49), in: RBOG 2004, S. 98 ff., wo es darum ging, dass die Hauswartfamilie eine Mieterin schikanierte, die sich anschliessend in ärzt­ liche Behandlung begeben musste und die Verwaltung trotz entsprechen­ der Reklamationen der Mieterin mehr als vier Monate zuwartete, bis sie einschritt); –– vgl. demgegenüber den Entscheid des Zürcher Obergerichts vom 5.  Sep­ tember 2003, in: mp 2003, S. 194–196, worin das Gericht eine vom Mietge­ richt zunächst als gültig erachtete Kündigung des Vermieters, die während der 3-jährigen Sperrfrist ausgesprochen wurde, für missbräuchlich erklärt hat. Ein wichtiger Grund kann sodann auch eine Beleidigung eines anderen Mie­ 31 ters im selben Haus sein; konkret wurde die Mieterin als «Nutte» bezeichnet (OGer Thurgau, ZBR 2004.49, in: RBOG 2004, S. 101). Bejaht wurde das Kündigungsrecht eines Vermieters in einem Fall, in welchem 32 die Parteien einen auf eine Mindestdauer von 15 Jahren abgeschlossenen Miet­ vertrag mit einem Werkvertrag verknüpften, die zusammen eine wirtschaft­ liche Einheit bildeten, und der Mieter seine Pflichten aus dem Werkvertrag

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Art. 266g

danach nicht erfüllte (Urteil des Bundesgerichts 4C.201/2003 vom 28. Oktober 2003, in: MRA 1/04, S. 1 ff.). 33

Zu denken ist auch an wiederholte, kleinere Vertragsverletzungen des Mieters, die zu einer ausserordentlichen Kündigung nach Art. 257d OR oder 257f OR nicht berechtigen, wie etwa im Falle der beharrlichen, schikanösen Verspätung der Mietzinszahlungen (Urteil des Bundesgerichts 4C.395/2006 vom 23. Januar 2007, E. 3). Ebenso ist der Vermieter berechtigt, nach Art. 266g OR zu kündi­ gen, wenn die ihm vertraglich zustehende Sicherheit in Form einer Bankgaran­ tie trotz Ausschöpfung des Rechtsweges (Betreibung auf Sicherheitsleistung) nicht beigebracht werden kann (vgl. N 4).

34

Zulässig ist eine Kündigung gegenüber einem Mieter auch dann, wenn dieser andere Mitmieter oder deren Familienangehörige wiederholt schikaniert oder bedroht.

35

Persönliche Unstimmigkeiten der Parteien eines Mietvertrages («différend personnel») berechtigen zur Kündigung aus wichtigem Grund; insbesondere wenn das Verhalten des Mieters geeignet ist, seinen Vermieter bei Dritten zu diskreditieren. Vorliegend reichte der Mieter gegen den Sohn des Vermieters Strafanzeige ein und diskreditierte den Eigentümer/Vermieter bei einem Ver­ ein («parti commun»), dem sie beide angehörten (Urteil 4A_20/2015 vom 13. Juli 2015, E.  3.2, m.w.H., in: MRA 4/15, S.  221  ff.; bestätigt in 4A_269/2015 vom 2. November 2015, E. 3.2.2; zustimmend Weber, BSK, N 5 zu Art. 266g OR, soweit die persönlichen Differenzen nichts mit der Erfüllung der Vertrags­ pflichten als solche zu tun haben).

36

Eine Kündigung des Mieters, der in einer Zahnarztpraxis gemeinsam mit sei­ nem Vermieter praktizierte und sich mit diesem zerstritt, wurde vom Bundes­ gericht geschützt (Urteil 4A_311/2010 vom 6. September 2010, E. 3).

37

Geschützt wurde eine Kündigung eines Mieters, dem aufgrund des Verhaltens des Vermieters eine gewinnbringende geschäftliche Tätigkeit verunmöglicht wurde (Urteil des Bundesgerichts 4C.35/2006 vom 30. Mai 2006, E. 2.2, in: mp 1/08, S. 37 ff.).

2.2.4 38

Weitere wichtige Gründe nach Art. 266g OR

Als weitere Anwendungsfälle kommen die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten sowie die Nichterbringung von vertraglich geschuldeten Nebenleistungen infrage, wie die Verletzung einer Weinbezugspflicht (Urteil des Bun­

584

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Art. 266g

desgerichts 4C.255/2004 vom 17. November 2004, E. 5.3) oder die Missachtung von Pflichten als nebenamtlicher Hauswart (Higi, ZK, N 51 zu Art. 266g OR).

2.3

Form, Fristen und Termine

Die Partei, die sich auf Art.  266g OR beruft, muss die gesetzlichen Formen 39 (Art. 2661–266n OR) und Fristen (Art. 266a–266f OR) einhalten, wobei der Vermieter von Wohn- und Geschäftsräumen das in Art. 266l Abs. 2 OR vor­ geschriebene Formular zu verwenden hat (Higi, ZK, N 56 zu Art. 266g OR). Eine Kündigung aus wichtigen Gründen kann auf einen beliebigen Zeitpunkt 40 erfolgen. Die berechtigte Partei ist somit weder an einen gesetzlichen noch an einen vertraglichen Kündigungstermin gebunden (gl.M. Higi, ZK, N 60 zu Art.  266g OR). Die Kündigung muss somit nicht auf ein Monatsende ausge­ sprochen werden. Umgekehrt schadet es der kündigenden Partei nicht, wenn sie ihre Kündigung auf ein Monatsende ausspricht und dabei die Kündigungs­ frist verlängert wird. Insbesondere der Mieter wird den Kündigungstermin im Rahmen der Verfügbarkeit eines Ersatzobjektes frei wählen können. Bei einer zu lang bemessenen Kündigungsfrist kann allerdings die Unzumutbar­ keit der Weiterführung des Mietverhältnisses in Zweifel gezogen werden, was zur Unwirksamkeit der Kündigung führen könnte. Die Kündigung hat unmittelbar nach Eintritt des wichtigen Grundes zu 41 erfolgen. Ein Mieter, der erst 7 Monate nach Eintritt des Kündigungsgrundes von der Kündigung Gebrauch macht, wartete gemäss Bundesgericht zu lange (Urteil des Bundesgerichts 4A_119/2009 vom 9. Juni 2009, E. 2.3, in: mp 4/09, S. 243 ff.).

3.

Folgen der Kündigung

3.1

Auflösung des Vertrages

Nach Ablauf der Kündigungsfrist ist das Mietverhältnis beendet. Im Streitfall 42 kann der Richter nur die Ungültigkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung feststellen, nicht aber den Vertrag gestützt auf Art. 266g OR den geänderten Umständen/Verhältnissen anpassen und z.B. einen neuen Mietzins festset­ zen (vgl. Higi, ZK, N 26 zu Art. 266g OR; Zihlmann, Mietrecht, S. 109; ferner Schmid, ZK, N 23 zu Art. 269 aOR).

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Art. 266g

3.2

Vermögensrechtliche Folgen

43

Die vermögensrechtlichen Folgen der vorzeitigen Kündigung aus wichtigen Gründen werden im Streitfall vom Richter bestimmt, der sämtliche Umstände zu würdigen hat. Im Gegensatz zum alten Recht, ist nicht mehr zwingend «vol­ ler Schadenersatz» bzw. eine Mindestentschädigung geschuldet (Urteil des Bundesgerichts 4C.375/2000 vom 31. August 2001, E. 4; vgl. auch N 21). Zu ersetzen ist grundsätzlich der Erfüllungsschaden (Higi, ZK, N 80 zu Art. 266g OR). Die Höhe des Schadenersatzes wird durch den Richter nach den Bestim­ mungen der Art. 99 OR in Verbindung mit Art. 43 f. OR festgesetzt (vgl. Botsch. 1985, S. 1451). Ausgangspunkt hierfür ist der konkrete Schaden, den die Par­ tei, der gekündigt wird, erleidet (z.B. Mietzinsausfall, Betriebseinbussen, sämt­ liche Umtriebe infolge vorzeitiger Vertragsauflösung). Der Schadensnachweis obliegt der geschädigten Partei. Ist der Schaden ziffernmässig nicht nachweis­ bar, wird er nach richterlichem Ermessen mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abge­ schätzt (Art. 42 OR).

44

Als massgebende Kriterien für die Bemessung des Schadens fallen  – unter anderem – in Betracht: –– Art und Gewicht des Kündigungsgrundes (Urteil des Bundesgerichts 4C.268/2005 vom 25. Oktober 2005); –– die finanzellen Verhältnisse der Parteien (BGE 122 III 262); –– allfälliges Mitverschulden der kündigenden Partei, soweit dieses die Beru­ fung auf wichtige Gründe nicht ausschliesst (vgl. N 17); –– übrige Umstände (vgl. N 19).

45

Ist der Partei, der gekündigt wird, ein Verschulden vorzuwerfen, so wird in der Regel ein besonderer Auflösungsgrund bestehen, der Vorrang vor Art. 266g OR hat (vgl. hierzu N 5). Wird die Kündigung dennoch auf Art. 266g OR gestützt, so ist bei der Würdigung sämtlicher Umstände das Verschulden der Gegenpar­ tei zu berücksichtigen.

46

Der Richter hat im konkreten Fall auch die übrigen Umstände zu werten und bei der Bemessung des Schadenersatzes zu berücksichtigen. Darunter fallen sämtliche objektiven wie auch subjektiven Tatsachen, und zwar nicht nur sol­ che, die unmittelbar in der Person der einen oder anderen Vertragspartei liegen. So kann z.B. die Tatsache des Vorliegens eines Zufalles oder höherer Gewalt zur Ermässigung des Schadenersatzes führen.

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Jürg P. Müller

Art. 266g

Die Partei, die Schadenersatz infolge frühzeitiger Kündigung beansprucht, trifft 47 eine Schadensminderungspflicht (gl.M. Higi, ZK, N 55 und 83 zu Art. 266g OR). Danach muss z.B. der Vermieter sofort sämtliche zumutbaren Mass­ nahmen treffen, um die Mietsache, die gestützt auf Art. 266g OR vom Mieter gekündigt wird, wieder zu vermieten. Analog dazu muss der Mieter sich umge­ hend um geeigneten Ersatz bemühen, um seinen Schaden möglichst gering zu halten, wenn ihm gekündigt wird. Die anspruchsberechtigte Partei muss sich bei der Bemessung des Schadener­ 48 satzes sämtliche Vorteile anrechnen lassen, die ihr aus der Kündigung erwach­ sen (vgl. Higi, ZK, N 83 zu Art. 266g OR). Kann z.B. der Mieter vergleichbare Ersatzräumlichkeiten zu einem wesentlich tieferen Mietzins mieten, so ist die Mietzinsdifferenz bei der Berechnung seines Schadens in Abzug zu bringen. In diesem Zusammenhang stellt sich ferner die Frage, ob der Richter der geschä­ 49 digten Partei eine andere Art von Schadenersatz zusprechen darf als eine geld­ werte Leistung, so z.B. Zusprechung von gleichwertigen Ersatzräumlichkeiten (Realersatz). Der Gesetzeswortlaut ist diesbezüglich klar: In Art. 266g Abs. 2 OR ist lediglich von «vermögensrechtlichen» Folgen und nicht von Schadener­ satz im weiteren Sinne die Rede. Damit kann lediglich der Ausgleich in Geld­ form gemeint sein (gl.M. Higi, ZK, N 78 zu Art. 266g OR). Stellt aber z.B. der Vermieter dem Mieter Ersatzräumlichkeiten zur Verfügung, so wird der Rich­ ter die Frage der Vergleichbarkeit und Zumutbarkeit zu prüfen und bei der Festsetzung der Höhe des Geldersatzes zu berücksichtigen haben. Den Parteien selbst ist es unbenommen, sich nach erfolgter Kündigung nach 50 Art. 266 OR über eine andere Art und Bemessung des Schadenersatzes zu eini­ gen.

3.3 Sicherheiten Der Vermieter von Geschäftsräumen kann für seine Schadenersatzforderung 51 kein Retentionsrecht geltend machen (vgl. BGE 86 III 39 sowie 61 II 264; Higi, ZK, N 76 zu Art. 266g OR). Er kann hingegen die vom Mieter oder von einem Dritten gestellten Sicherheiten (wie Bankgarantien, Bürgschaften usw.) beanspruchen (vgl. BGE 60 II 217 sowie Schmid, ZK, N 25 zu Art. 269 aOR).

Jürg P. Müller

587

Jürg P. Müller

Art. 266h 2.

Konkurs des Mieters

1 Fällt

der Mieter nach Übernahme der Sache in Konkurs, so kann der Vermieter für künftige Mietzinse Sicherheit verlangen. Er muss dafür dem Mieter und der Konkursverwaltung schriftlich eine angemessene Frist setzen. 2 Erhält

der Vermieter innert dieser Frist keine Sicherheit, so kann er fristlos kündigen.

2.

Faillite du locataire

1 En

cas de faillite du locataire après la délivrance de la chose, le bailleur peut exiger que des sûretés lui soient fournies pour les loyers à échoir. A cet effet, il s’adresse par écrit au locataire et à l’administration de la faillite en leur fixant un délai convenable.

2 Si ces sûretés ne lui sont pas fournies dans ce délai, le bailleur peut résilier le contrat avec

effet immédiat.

2.

Fallimento del conduttore

1 Se

il conduttore cade in fallimento dopo la consegna della cosa, il locatore può esigere che gli venga prestata garanzia per i corrispettivi futuri. A tal fine assegna per scritto al conduttore e all’amministrazione del fallimento un congruo termine.

2 Se entro questo termine non gli viene prestata garanzia, il locatore può recedere dal con­

tratto senza preavviso.

588

Jürg P. Müller

Art. 266h

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Zwingender Charakter, intertemporales Recht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

590 590 591

2. Konkurs des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Vor Übergabe der Mietsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

591 591 591

3. Konkurseröffnung nach Übergabe der Mietsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Fristansetzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.3 Art der Sicherheitsleistung und Absprache über Verwertung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.4 Höhe Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.5 Sicherheitsleistung durch den Mieter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.6 Sicherheitsleistung durch die Konkursverwaltung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.7 Ausbleiben Sicherheitsleistung und Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

592 592 593 594 595 595 595 596

4.

598

Vorgehen bei rückständigen Mietzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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589

Art. 266h

1. Vorbemerkungen 1.1 Grundsätzliches 1

Der Vermieter kann das Mietverhältnis bei Konkurs des Mieters auflösen, wenn dieser nicht binnen angemessener Frist Sicherheit für künftige Mietzinse leistet. Im Gegensatz zum alten Recht kann für rückständige Mietzinse keine Sicherheit mehr verlangt werden.

2

Die Bestimmung nuanciert die frühere Regelung, wie sie bis zum Inkrafttre­ ten des revidierten Mietrechts am 1. Juni 1990 galt: Der Vermieter «kann» die Sicherheit vom Mieter und von der Konkursverwaltung verlangen. Will er nach Art. 266h OR vorgehen, muss er beiden eine angemessene Frist setzen. Setzt der Vermieter nur dem Mieter oder dem Konkursamt eine Frist an, so ist seine allfällige ausserordentliche Kündigung unwirksam, d.h. nicht beachtlich (vgl. zur Unwirksamkeit einer Kündigung N 56 zu Vorbem. zu Art. 266–266o OR und N 59 f. zu Art. 266l–226o OR). Der Vermieter kann aber – solange das Konkursverfahren über den Mieter andauert  – jederzeit wieder Sicherheits­ leistung gemäss Art. 266h OR verlangen, da seine Ansprüche aus Art. 266h OR nicht verwirken (Higi, ZK, N 47 f. zu Art. 266h OR). Im Übrigen wird das Ver­ hältnis zu Art. 83 OR geregelt: Art. 266h OR ist eine Spezialbestimmung zu Art. 83 OR und erst nach Übernahme der Sache anwendbar (gl.M. Higi, ZK, N 13 zu Art. 266h OR). Vorher gilt Art. 83 OR, wonach bei Zahlungsunfähig­ keit der einen Partei, namentlich wenn sie in Konkurs geraten ist oder frucht­ los gepfändet wurde, die andere Partei ihre Leistungen zurückhalten und vom Vertrag zurücktreten kann, wenn ihr innert angemessener Frist keine Sicher­ heit geleistet wird (gl.M. MfdP/Spirig, N 27.6.2.1).

3

Der Vermieter kann nur für künftige Mietzinse Sicherheit verlangen (MfdP/ Spirig, N 27.6.2.1). Ist der Mieter bei Konkurseröffnung mit der Zahlung von Mietzinsen im Rückstand, so kann er nach Art. 257d OR vorgehen (vgl. im Ein­ zelnen dazu N 20). Es empfiehlt sich in diesem Fall, gleichzeitig nach Art. 266h OR für den künftigen Mietzins sowie nach Art. 257d OR für den rückständi­ gen Mietzins vorzugehen. Dem Mieter ist Frist sowohl zur Zahlung der rück­ ständigen wie auch für die Sicherstellung der zukünftigen Mietzinse anzuset­ zen mit der Androhung, dass der Vertrag ansonsten gekündigt werde. Leistet der Mieter keine Sicherheit für künftige Mietzinse, kann der Vermieter frist­ los kündigen; bleibt hingegen die Zahlung der rückständigen Mietzinse aus, so kann der Vermieter unter Einhaltung einer 30-tägigen Frist auf Ende eines Monates kündigen.

590

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Art. 266h

1.2

Zwingender Charakter, intertemporales Recht

Art. 266h OR ist insoweit zwingend, als die an das Kündigungsrecht des Ver­ 4 mieters bei Konkurs des Mieters geknüpften, gesetzlichen Voraussetzungen nicht durch Parteiabrede wegbedungen werden können (Roncoroni, zwin­ gende Bestimmungen II, S. 70; a.M. Lorandi, Konkurs, S. 4). Diese Norm ist auf alle laufenden Mietverhältnisse anwendbar, unabhängig davon, ob sie noch unter dem bis 30. Juni 1990 geltenden Recht abgeschlossen oder danach begründet wurden.

2.

5

Konkurs des Mieters

2.1 Allgemeines Die Konkurseröffnung über den Mieter beendet das Mietverhältnis nicht 6 ohne Weiteres (Urteil des Bundesgerichts 4C.252/2005 vom 6. Februar 2005, E. 5.1, in: MRA 4/06, S. 151 ff.); anders demgegenüber Art. 297a OR, wonach bei Konkurseröffnung das Pachtverhältnis endet. Der Vermieter ist jedoch berechtigt, innert angemessener Frist Sicherheit für die künftigen Mietzinse zu verlangen, ansonsten er den Vertrag vorzeitig und – bei unbenütztem Fristab­ lauf – insbesondere fristlos auflösen kann. Aufgrund des eng gefassten Wortlautes ist Art. 266h OR nicht anwendbar auf 7 den ordentlichen Nachlassvertrag vor Konkurseröffnung nach Art.  293  ff. SchKG sowie den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung ausserhalb des Konkurses im Sinne von Art. 317 ff. SchKG. Indes sind die für die ausserordent­ liche Kündigung des Mietvertrages massgebenden Regeln gemäss Art.  266h OR auch zu beachten, wenn die Gesellschaft bei Mängeln in der Organisa­ tion (insbesondere bei Fehlen eines gesetzmässig bestellten Verwaltungsrates) durch den Richter nach Massgabe von Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR aufgelöst und deren Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs angeordnet wird.

2.2

Vor Übergabe der Mietsache

Wird der Mieter zwischen Vertragsschluss und Antritt des Mietobjektes zah­ 8 lungsunfähig, so kann der Vermieter die Übergabe der Mietsache gemäss Art. 83 Abs. 1 OR so lange verweigern, bis ihm Sicherheit für die künftigen Mietzinse geleistet wird. Im Gegensatz zu Art. 266h OR wird hierfür die Kon­ kurseröffnung nicht vorausgesetzt. Bei befristeten Verträgen kann Sicherheit

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Art. 266h

verlangt werden für alle während der ganzen Mietdauer fällig werdenden Zin­ sen, bei unbefristeten Verträgen bis zum Zeitpunkt, auf den nach Vertrag oder Gesetz ordentlich gekündigt werden könnte (MfdP/Spirig, N  27.6.2.2). Die Frist ist analog zu Art. 266h OR dem Mieter wie auch im Falle des Konkurses des Mieters der Konkursverwaltung anzusetzen (vgl. dazu N 12 f.). 9

Erhält der Vermieter die verlangte Sicherheit nicht innert angemessener Frist, so kann er gemäss Art. 83 Abs. 2 OR vom Vertrag zurücktreten. Die Dauer die­ ser Frist bemisst sich nach den Umständen; sie dürfte aber im Bereiche von 1 bis 2 Wochen liegen. Wird sie zu kurz angesetzt, ist sie nicht unwirksam, son­ dern sie wird  – auf entsprechende Remonstration des Mieters hin  – in eine «genügende» umgedeutet (BGE 105 II 28). Verlangt der Mieter vom Vermieter eine angemessene Verlängerung der Frist, ist es somit ausreichend, wenn er die notwendigen Sicherheiten innert dieser Frist beibringt (BGE 105 II 28, E. 3b).

3.

Konkurseröffnung nach Übergabe der Mietsache

3.1 Allgemeines 10

Hat der Mieter bei der Konkurseröffnung das Mietobjekt bereits übernommen, so kann sich der Vermieter nicht auf Art. 83 OR berufen, sondern muss nach Art. 266h OR vorgehen. Mit «Konkurseröffnung» ist der Zeitpunkt des rechtskräftigen Konkurserkenntnisses gemeint, und nicht derjenige der Konkurs­ publikation (Art.  175 SchKG; so auch HAP-Immobiliarmietrecht/Maag, Rz. 2.197). Ist der Mieter lediglich zahlungsunfähig oder -unwillig, ist ein Vor­ gehen nach Art. 266h OR nicht möglich.

11

Der Vermieter kann nur für künftige Mietzinse Sicherheit verlangen; er muss hierfür dem Mieter (bei Familienwohnungen beiden Ehepartnern bzw. bei registrierten Partnern als Mieter jedem separat) und der Konkursverwaltung schriftlich eine angemessene Frist setzen. Das Recht, Sicherheit zu verlangen, besteht unabhängig davon, ob Mietzinse ausstehend sind oder ausreichendes Retentionssubstrat besteht. Fällt nur einer von solidarisch haftenden Mitmie­ tern in Konkurs, so kann der Vermieter jedenfalls dann eine Sicherheit nach Art. 266h OR verlangen, wenn es nachweist, dass seine Mietzinsforderung gefährdet ist (Cour de Justice de Genève vom 17. Oktober 2016, E. 2.1, in: mp 4/17, S. 285 ff./288 mit Verweisen).

592

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Art. 266h

3.2 Fristansetzung Der Vermieter kann nur während der Dauer des Konkurses eine Frist zur 12 Sicherheitsleistung ansetzen. Er ist jedoch nicht verpflichtet, sofort nach der Konkurseröffnung gemäss Art.  266h OR vorzugehen; er kann länger damit zuwarten, ohne dass der Mieter Verwirkung geltend machen kann (SJ 1975, S. 28 ff.). Die Frist muss sowohl dem Mieter wie auch der Konkursverwaltung angesetzt 13 werden und darf nicht zu kurz bemessen sein. Die Bemessung hängt von den konkreten Umständen ab und soll in der Regel nicht länger als 7–14 Tage dau­ ern (zustimmend Cour de Justice de Genève vom 17. Oktober 2016, E. 2.1, in: mp 4/17, S. 285 f.). Eine analoge Anwendung von Art. 108 OR ist lediglich in Ausnahmefällen möglich; nämlich dann, wenn sowohl der Mieter als auch das Konkursamt ausdrücklich erklären, die Sicherheit nicht leisten zu wollen. Die Fristansetzung muss deshalb in der Regel stets erfolgen (vgl. hierzu Schmid, ZK, N  12 zu Art.  266 aOR). Auf eine Fristansetzung gegenüber dem Kon­ kursamt kann verzichtet werden, wenn dieses dem Vermieter mitteilt, dass es in den bestehenden Mietvertrag nicht eintrete. Aus dieser Mitteilung ist abzu­ leiten, dass das Konkursamt namens der Konkursitin an einer Weiterführung des Mietverhältnisses nicht interessiert ist, was die Fristansetzung überflüssig macht. Eine Frist ist ebenso anzusetzen, wenn der Mieter das Konkurserkenntnis mit­ 14 tels Rechtsmittel angefochten hat, da der Weiterzug – vorbehältlich gegenteili­ ger Anordnung durch die Rechtsmittelinstanz – keine aufschiebende Wirkung hat (Art. 174 Abs. 3 SchKG). Bisweilen kommt es vor, dass gleichzeitig mit der Publikation über die Kon­ 15 kurseröffnung das Verfahren mangels Aktiven wieder eingestellt wird (Art. 230 SchKG). Falls es sich beim Schuldner um eine juristische Person handelt, erfolgt die Löschung im Handelsregister anschliessend von Amtes wegen (vgl. Art. 158 Abs. 2 HRV); eine Fristansetzung im Sinne von Art. 266h OR ist nach erfolgter Löschung weder nötig noch möglich. Auch vor der Löschung im Handelsregister, mit welcher der Registerführer nach erfolgter Anzeige durch den Konkursrichter noch drei Monate zuwarten muss (Art. 66 Abs. 2 HRV), kann auf die Fristansetzung gegenüber dem Konkursamt und dem Schuldner verzichtet werden, da eine solche nutzlos ist (Art. 108 Ziff. 1 OR). Der Mietver­ trag erlischt diesfalls nach hier vertretener Auffassung mit der rechtskräftigen Einstellung des Konkursverfahrens.

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Art. 266h 16

Handelt es sich beim Schuldner aber um eine natürliche Person, ist diesem die Frist in jedem Fall anzusetzen; dem Konkursamt gegenüber kann nach der hier vertretenen Auffassung darauf verzichtet werden, da bei einer Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven nicht genügend Mittel vorhanden sind, um das Verfahren wenigstens summarisch durchzuführen (Art. 231 SchKG). Folglich steht für das Konkursamt auch nicht zur Diskussion, das Mietverhält­ nis im Namen des Konkursiten weiterzuführen bzw. hierfür eine Sicherheit im Sinne von Art. 266h OR zu leisten. Leistet der konkursite Schuldner Sicherheit, ist das Mietverhältnis mit ihm fortzusetzen.

17

Wird eine Frist nach Tagen angesetzt, so ist der Tag, an dem die entsprechende Mitteilung dem Mieter zugekommen ist, nicht mitzuzählen. Holt der Mieter einen eingeschriebenen Brief nicht ab, so beginnt die Frist nach den Regeln der uneingeschränkten Empfangstheorie am Tag zu laufen, an dem der Mieter die Sendung auf der Post hätte abholen können, spätestens jedoch am Tage nach Ablauf der siebentägigen postalischen Abholfrist, unabhängig davon, ob der Mieter davon Kenntnis genommen hat oder nicht (vgl. zum Begriff der unein­ geschränkten Empfangstheorie N 5 Vorbem. zu Art. 266–266o OR). Werden die diversen Schreiben des Vermieters an den Mieter, seinen Ehepartner bzw. die registrierten Partner oder an die Konkursverwaltung zu unterschiedlichen Zeitpunkten zugestellt, so beginnt der Fristenlauf für jeden Adressaten separat.

3.3

Art der Sicherheitsleistung und Absprache über Verwertung

18

Sicherheit kann in unterschiedlicher Art geleistet werden. Entscheidend ist die Werthaltigkeit der Sicherheit und nicht die Form. In Betracht fallen eine Bank­ garantie, die Bestellung eines Pfandes (Faust-, Forderungs- oder Grundpfand) sowie die Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren beim Vermieter oder bei einem Dritten. Zu beachten ist dabei, dass es sich um Vermögensgegenstände handeln muss, über die der Schuldner verfügen darf. Nach Konkurseröffnung unterliegen sämtliche Vermögenswerte des Schuldners dem Konkursbeschlag.

19

Denkbar ist, dass ein Dritter die erforderliche Sicherheit leistet (z.B. in Form einer Bürgschaft, einer Wechselverpflichtung, eines Kreditbriefes oder indem er die erforderlichen Vermögenswerte wie Aktien, Schmuck usw. zur Verfü­ gung stellt [Drittpfand]). Der Vermieter ist berechtigt, eine Sicherheit abzu­ lehnen, wenn deren Werthaltigkeit fraglich ist oder für deren Einlösung mit unzumutbarem Aufwand zu rechnen ist (Beispiel: Ein Schweizer Geschäfts­

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Art. 266h

mieter offeriert als Sicherheit eine Garantie einer in Russland domizilierten Bank ohne Schweizer Niederlassung). Einer Parteivereinbarung, wonach die hinterlegten Vermögenswerte pri­ 20 vat verwertet werden dürfen, steht nichts entgegen; unzulässig wäre lediglich eine Verfallsklausel, wonach bei Zahlungsverzug des Mieters die hinterlegten Gegenstände ohne Weiteres ins Eigentum des Vermieters fielen (Art. 894 ZGB). Gültig ist auch die Beibringung einer verbindlich ausgestalteten, werthalti­ 21 gen Patronatserklärung, bei welcher sich eine Konzernmuttergesellschaft für die Erfüllung der Mietzinspflicht ihrer Tochtergesellschaft vorbehaltlos ver­ pflichtet (vgl. Böckli Peter, Schweizer Aktienrecht, 3. Aufl., Zürich, 2004, § 11, N 496 f.).

3.4

Höhe Sicherheitsleistung

Umfangmässig darf der Vermieter Sicherheit verlangen für die Mietzinse, die 22 bis zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin anfallen werden; bei befristeten Mietverhältnissen somit bis zum Ablauf der Mindestlaufdauer des Mietvertrages. Das gilt auch bei Mietverhältnissen, die noch mehrere Jahre, bisweilen auch über 20 Jahre andauern.

3.5

Sicherheitsleistung durch den Mieter

Stellt der Mieter oder ein Dritter die geforderte Sicherheit gemäss Art. 266h 23 OR, so nimmt das Mietverhältnis seinen Fortgang. Die Konkursverwaltung kann nicht mehr gemäss Art.  211 Abs.  2 SchKG den Mietvertrag «überneh­ men» (zur rechtlichen Bedeutung vgl. N 24). Sie hat aber die Möglichkeit, vom Vermieter die vom Mieter geleistete Sicherheit zurückzufordern, wenn diese aus Mitteln erfolgt ist, die dem Konkursbeschlag unterliegen (vgl. Schmid, ZK, N 16 zu Art. 266 aOR).

3.6

Sicherheitsleistung durch die Konkursverwaltung

Leistet die Konkursverwaltung die Sicherheit, äussert sie damit ihren Wil­ 24 len, dass sie den Mietvertrag erfüllen will (vgl. Art.  211 Abs.  2 SchKG). Sie tritt damit anstelle des Gemeinschuldners in den Mietvertrag ein (Urteil des Bundesgerichts 4A_630/2010 vom 27. Januar 2011, E. 3.2.2; 4C.252/2005 vom 6. Februar 2005, E. 5.2, in: MRA 4/06, S. 151 ff., m.w.H.; Higi, ZK, N 39 f. zu Art. 266h OR). Im Falle der Übernahme des Mietvertrages durch die Konkurs­ Jürg P. Müller

595

Art. 266h

masse werden Mietzinse, welche nach Konkurseröffnung fällig werden, zu Mas­ seschulden (Art. 211a Abs. 2 SchKG; Urteil des Bundesgerichts 4C.252/2005 vom 6. Fe­bruar 2005, E. 5.3 und 4A_630/2010 vom 27. Januar 2011, E. 3.2.3, die noch vor Inkrafttreten des im Zuge der Revision des Sanierungsrechts im SchKG eingeführten Art.  211a ergingen). Masseschulden werden vorab aus dem Konkurserlös beglichen (BGE 104 III 84, E.  6b, S.  90; ebenso Lorandi, Konkurs, S. 16 f., m.w.H. auf abweichende Literatur).

3.7

Ausbleiben Sicherheitsleistung und Kündigung

25

Leisten weder der Mieter noch die Konkursverwaltung die geforderte Sicher­ heit, so kann der Vermieter gegenüber dem Mieter den Mietvertrag fristlos kündigen. Wartet der Vermieter eine längere Zeit, um den Mietvertrag zu kün­ digen, und nimmt er gleichzeitig vorbehaltlos Mietzinszahlungen entgegen, kann aus diesem Verhalten gegebenenfalls abgeleitet werden, er habe auf die Auflösung verzichtet, mit der Folge, dass nach übereinstimmendem Parteiwil­ len das Mietverhältnis stillschweigend zu den bisherigen Bedingungen fortge­ setzt wird (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 4C.166/2004 vom 16. Septem­ ber 2004, in: MRA 5/05, S. 204–212, mit Kommentar von Hans Bättig; Reudt, Konkurs, S. 117).

26

Das Gesetz sagt nicht, wem bei Ausbleiben der Sicherheitsleistung zu kündi­ gen ist. Auch die Botschaft schweigt sich dazu aus (Botsch. 1985, S. 1453). Nach Auffassung Maags ist die Kündigung gegenüber dem Mieter und der Kon­ kursverwaltung auszusprechen (HAP-Immobiliarmietrecht/Maag, Rz. 2.204). Nach Higi ist Adressat der Kündigung entweder der Mieter (den er als «Regel­ fall» bezeichnet) oder die Konkursverwaltung, falls diese anstelle des Mieters nach Massgabe von Art. 211 Abs. 2 SchKG in den Vertrag eingetreten ist (Higi, ZK, N 75 zu Art. 266h OR). Es sind zwei Fälle zu unterscheiden:

27

(i) Erfolgte seitens der Konkursverwaltung in Vertretung der Konkursmasse kein Vertragseintritt, ist die Kündigung konsequenterweise lediglich gegen­ über dem Mieter auszusprechen; die Konkursmasse greift nicht in die mietver­ tragliche Beziehung ein; daher kann eine Kündigung ihr gegenüber unterblei­ ben. Ist der Mieter eine natürliche Person, ist die Kündigung an ihn persönlich zu richten. Ist die Mieterin eine juristische Person, ist die Kündigung der Kon­ kursverwaltung zuhanden der Mieterin zuzustellen; eine direkte Zustellung an die Mieterin wäre grundsätzlich wirkungslos, da die juristische Person mit der Konkurseröffnung die Handlungsfähigkeit verliert und Erklärungen daher nur gegenüber der Konkursverwaltung gültig abgegeben werden können, da sie

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Art. 266h

und nur sie nach Konkurseröffnung sämtliche Verwaltungs- und Verfügungs­ befugnisse besitzt (BGE 114 III 61; 95 II 36). (ii) Erfolgte seitens der Konkursverwaltung ein Eintritt in den Vertrag 28 (Art. 211a Abs. 2 SchKG), ist die Kündigung gegenüber der Konkursmasse, vertreten durch die Konkursverwaltung, auszusprechen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich beim Mieter um eine natürliche oder juristische Person han­ delt. Wird das Konkursverfahren während laufender Frist zur Sicherheitsleistung 29 mangels Aktiven eingestellt (Art.  230 SchKG), kann nach hier vertretener Auffassung auf eine Kündigung gegenüber der Konkursverwaltung verzichtet werden, falls die Mieterin eine natürliche Person ist; es reicht in diesem Fall aus, die Kündigung gegenüber dem Mieter persönlich auszusprechen. Falls es sich beim Mieter um eine juristische Person handelt, ist eine Kündigung an die Konkursverwaltung nicht zielführend, da mit dem formellen Abschluss des Verfahrens die Konkursverwaltung nicht mehr zuständig ist. Angesichts der Tatsache, dass die Gesellschaft in diesem Fall von Amtes wegen zu löschen ist (Art. 158 Abs. 2 HRV), erweist sich eine Kündigung jedenfalls dann als nutzlos (Art. 108 Ziff. 1 OR), wenn die Gesellschaft in jenem Zeitpunkt bereits gelöscht ist. Bis zur Löschung ist – zur Wahrung des Kündigungserfordernisses gemäss Art. 266h OR – die Kündigung an den aktuell gültigen Sitz der Gesellschaft zu richten. Kündigt der Vermieter den Vertrag gestützt auf Art.  266h OR infolge Aus­ 30 bleibens der Sicherheitsleistung, kann er keine Schadenersatzforderung gel­ tend machen, weil weder die Konkursverwaltung noch der Mieter zur Leistung einer Sicherheit verpflichtet sind und weil der Konkurs keine Vertragsverlet­ zung darstellt (vgl. Schmid, ZK, N 20 zu Art. 266 aOR). Für den Mietzinsausfall steht dem Vermieter eine Konkursforderung zu, für 31 die Zeit vor der Konkurseröffnung und für jene Mietzinsbetreffnisse mit Fällig­ keit nach der Konkurseröffnung bis zum nächsten ordentlichen Kündigungs­ termin, längstens jedoch bis zum Ende der festen Vertragsdauer (Art.  211a SchKG; siehe dazu auch bereits Urteil des Bundesgerichts 4A_630/2010 vom 27. Januar 2011, E. 3.2.3 in fine). Der Vermieter hat sich allfällige Vorteile, die er für diese Dauer erlangt hat, anrechnen zu lassen (Art. 211a Abs. 1 SchKG). Dazu zählen vor allem allfällige Einkünfte durch Zwischenvermietung(en). Einkünfte aus früherer Wiedervermietung sind bei der endgültigen Kolloka­ tion der Forderung ebenso zu berücksichtigen (Rebsamen, Immobilienmiete).

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597

Art. 266h 32

Im Konkurs einer natürlichen Person sind Mietzinsbetreffnisse vor der Kon­ kurseröffnung als Konkursforderung zu kollozieren; Mietzinsbetreffnisse, die nach der Konkurseröffnung fällig werden, sind jedoch als persönliche Schul­ den des Mieters zu behandeln (Rebsamen, Immobilienmiete, S. 151; BGE 124 III 42, E. 2b); sie sind in dessen Konkurs daher nicht als Konkursforderung zuzulassen. Diese Regelung hat auch nach Inkrafttreten des Art. 211a SchKG weiterhin Gültigkeit, wenn der Vermieter das Mietverhältnis nicht kündigt.

33

Zur Retentionsfähigkeit von Mietzinsbetreffnissen vgl. N 10 zu Art. 268–268b OR; zum Verhältnis des Retentionsrechts zu Art.  211a SchKG (Rebsamen, Immobilienmiete, S. 153 ff.).

4.

Vorgehen bei rückständigen Mietzinsen

34

Ist der Mieter bei Konkurseröffnung mit der Zahlung von Mietzinsen im Rück­ stand, muss der Vermieter nach Art. 257d OR vorgehen. Hierzu muss er dem Mieter (bei der Familienwohnung auch separat dem Ehepartner bzw. bei ein­ getragenen Partnerschaften dem Partner) schriftlich eine (bei Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten mindestens 30-tägige) Zahlungsfrist ansetzen und ihm androhen, dass ansonsten das Mietverhältnis gekündigt werde. Die Zah­ lungsfrist muss auch der Konkursverwaltung angesetzt werden, denn nach der Konkurseröffnung verliert der Schuldner die Verfügungsbefugnis über sämtli­ che Vermögensstücke (Art. 197 SchKG). Laut Art. 204 SchKG sind sämtliche Rechtshandlungen, die der Schuldner in diesem Zusammenhang vornimmt, den Konkursgläubigern gegenüber ungültig. Die Konkursverwaltung kann über diese Rechtshandlungen hinwegsehen, wie wenn sie nicht geschehen wären. Demzufolge hat der Schuldner in der Regel keine Möglichkeit, mit Zah­ lung der rückständigen Mietzinse die Auflösung des Mietvertrages zu verhin­ dern, sofern die abgemahnten Mietzinse aus seinem Vermögen bezahlt wer­ den, da die Konkursverwaltung die geleisteten Zahlungen zurückfordern kann (Art. 204 Abs. 1 SchKG). Stammen die Mittel für die Mietzinsbezahlung jedoch von einem Dritten, kann damit der Verzug ohne Weiteres abgewendet werden.

35

Unter Umständen hat die Konkursverwaltung aber – vor allem bei Geschäfts­ räumen  – ein erhebliches Interesse, die Vertragsauflösung gemäss Art.  257d OR zu verhindern (z.B. weil sie den Betrieb des Konkursiten während des Kon­ kursverfahrens weiterführen will), weshalb die Fristansetzung auch ihr gegen­ über erfolgen muss.

598

Jürg P. Müller

Art. 266h

Zahlt die Konkursverwaltung die rückständigen Mietzinse, so ist darin keine 36 unzulässige Bevorzugung des Vermieters als Konkursgläubiger zu erblicken. Diese Zahlung dient der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses und somit des Konkurssubstrates und liegt im Interesse der übrigen Konkursgläubiger. Wird infolge Zahlungsrückstandes der Mietvertrag mit Kündigung an den 37 Mieter aufgelöst, so kann der Vermieter seinen Schaden infolge vorzeitiger Vertragsauflösung – je nach Person des Schuldners (natürliche oder juristische Person) – geltend machen. Bereits vor der Konkurseröffnung fällig gewordene Mietzinse sind im Konkursverfahren gegen den Schuldner als Konkursforde­ rungen einzugeben, unabhängig davon, ob der Schuldner eine natürliche oder juristische Person ist. Für Mietzinsausfälle, die nach Konkurseröffnung fällig werden, vgl. N 31–33.

Jürg P. Müller

599

Jürg P. Müller

Art. 266i 3.

Tod des Mieters

Stirbt der Mieter, so können seine Erben mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen. 3.

Décès du locataire

En cas de décès du locataire, ses héritiers peuvent résilier le contrat en observant le délai de congé légal pour le prochain terme légal.

3.

Morte del conduttore

In caso di morte del conduttore, i suoi eredi possono dare la disdetta, osservando il ter­ mine legale di preavviso, per la prossima scadenza legale di disdetta.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter der Norm, intertemporales Recht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

601 601 601

2. Voraussetzungen für die Kündigung der Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Schriftlichkeit und Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Mieter als natürliche Person .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Kündigungstermin und -fristen, Ausbleiben der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Legitimation .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.5 Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

601 601 601 602 603 605

3.

Tod als vertraglicher Beendigungsgrund .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

605

4.

Ausschlagung der Erbschaft .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

605

5.

Eingeschränkte Handlungsfähigkeit des Vermieters während der Ausschlagungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

606

600

Jürg P. Müller

Art. 266i

1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter der Norm, intertemporales Recht

Die Bestimmung ist relativ zwingender Natur, d.h., sie kann zuungunsten des 1 Mieters nicht abgeändert werden. Der Mietvertrag kann z.B. vorsehen, dass die Erben des Mieters fristlos, nicht aber, dass sie unter Einhaltung einer län­ geren als der gesetzlichen Frist kündigen dürfen. Es handelt sich mithin um eine zwingende Mindestfrist (gl.M. MfdP/Spirig, N 28.6.2; Higi, ZK, N 12 zu Art. 266i OR, der sich allerdings mit Bezug auf die Definition der Erben als Kündigungsberechtigte für eine absolut zwingende Norm ausspricht). Die Norm ist auf alle Mietverhältnisse anwendbar, auch auf solche, die unter 2 dem bis 30. Juni 1990 geltenden Recht begründet wurden.

1.2 Anwendungsbereich Art.  266i OR ist auf alle Mietverhältnisse anwendbar, mithin auf die Miete 3 beweglicher und unbeweglicher Sachen. Die Dauer des Mietverhältnisses ist unbeachtlich, was bedeutet, dass eine Kündigung nach Art. 266i OR auch wäh­ rend einer festen Vertragsdauer ausgesprochen werden kann (vgl. N 1).

2.

Voraussetzungen für die Kündigung der Erben

2.1

Schriftlichkeit und Begründung

Bei Wohn- oder Geschäftsräumen hat die Kündigung schriftlich zu erfolgen (Art. 2661 OR); zur Begründung genügt der Hinweis auf den Hinschied des Mieters (Art. 271 Abs. 2 OR).

2.2

4

Mieter als natürliche Person

Eine ausserordentliche Kündigung gestützt auf Art. 266i OR ist nur zulässig, 5 wenn der Mieter eine natürliche Person war. Dazu zählt auch eine Einzelfirma, unabhängig davon, ob sie im Handelsregister eingetragen ist, da die Einzel­ firma rechtlich betrachtet identisch mit der natürlichen Person des «Firmenin­ habers» ist. Liquidation, Auflösung, Verschmelzung (Fusion) oder Vereinigung juristischer Personen oder Gesellschaften fallen hier ausser Betracht (Higi, ZK,

Jürg P. Müller

601

Art. 266i

N 4 zu Art. 266i OR; Schmid, ZK, N 2 zu Art. 270 aOR). Die Todesursache ist irrelevant.

2.3

Kündigungstermin und -fristen, Ausbleiben der Kündigung

6

Grundsätzlich muss die Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist auf den nächsten gesetzlichen Kündigungstermin (Art. 266b–266f OR) ausgesprochen werden. Stirbt der Mieter relativ kurze Zeit vor Beginn der gesetzlichen Kündigungsfrist, so wird man jedoch unter Umständen und ausnahmsweise den Erben eine angemessene «Überlegungsfrist» zugestehen müssen (Higi, ZK, N 34 zu Art. 266i OR; Zihlmann, Mietrecht, S. 101; MfdP/ Spirig, N  28.6.6; Weber, BSK, N  4 zu Art.  266i OR) mit der Folge, dass die auf den übernächsten Kündigungstermin ausgesprochene Kündigung als i.S.v. Art.  266i OR gültig zu betrachten ist. Es ist etwa zu denken an den Mieter von Geschäftsräumlichkeiten, in denen er einen gewerblichen Betrieb geführt hatte. Stirbt er wenige Tage vor Beginn der Kündigungsfrist, so haben die Erben unter Umständen keine Möglichkeit, sich in der kurzen Zeit ein Bild zu machen, ob der Betrieb am selben Ort weitergeführt werden soll oder kann. In einem solchen Fall ist den Erben nicht zuzumuten, den Kündigungsent­ schluss ohne Abschätzung der damit verbundenen Folgen zu fällen. Die ihnen einzuräumende «Überlegungsfrist» verschiebt den gesetzlichen Kündigungs­ termin des Art. 266i OR auf den übernächstmöglichen (gl.M. Higi, ZK, N 34 zu Art.  266i OR). Ob die Erben eine «Überlegungsfrist» beanspruchen kön­ nen und von welcher Dauer diese sein kann, bemisst sich im konkreten Fall anhand der Umstände. Letztlich ist ausschlaggebend, wie viel Zeit in objektiver Hinsicht der Kündigungsentschluss erfordert. Sind z.B. die Verhältnisse des Verstorbenen und insbesondere alle Erben bekannt, so dürfte sich die Überle­ gungsfrist wesentlich kürzer bemessen, als wenn die Erben nicht bekannt oder in der ganzen Welt verteilt wohnhaft sind, oder wenn die geschäftlichen Ver­ hältnisse des verstorbenen Geschäftsmieters unklar sind. In der Regel sollte die «Überlegungsfrist» nicht länger als vier Wochen dauern, da ein längeres Zuwarten für den Vermieter, der an der Schaffung klarer Verhältnisse ebenso interessiert ist, nicht zumutbar ist.

7

Das Ausgeführte gilt sinngemäss auch bei Mietverhältnissen über bewegliche Sachen, wo kein gesetzlicher Kündigungstermin besteht. Auch in solchen Fäl­ len wird man den Erben eine angemessene Überlegungsfrist einräumen müs­ sen, deren Dauer sich wiederum nach den konkreten Umständen bemisst.

602

Jürg P. Müller

Art. 266i

Allerdings ist die Frist kürzer zu bemessen, da der Entscheid über die Weiter­ führung des Mietverhältnisses bei der Miete beweglicher Sachen in der Regel einfacher zu fällen ist. Erfolgt keine oder keine nach den Kriterien von Art. 266i OR rechtzeitige Kün­ 8 digung, so dauert das vom Verstorbenen abgeschlossene Mietverhältnis unver­ ändert weiter, und die Erben gelten infolge Universalsukzession (Art. 560 ZGB) mit allen Rechten und Pflichten als in den Vertrag eingetreten. Damit verwirkt das ausserordentliche Kündigungsrecht (Higi, ZK, N 33 zu Art. 266i OR).

2.4 Legitimation Legitimiert zur Kündigung ist der Erbe des Mieters. Sind mehrere Erben vor­ 9 handen, so steht das Kündigungsrecht der Erbengemeinschaft zu (Art.  602 ZGB). Unerheblich ist es, ob diese aus eingesetzten oder gesetzlichen Erben besteht. Es bedarf grundsätzlich eines gemeinsamen Handelns aller Erben (BGE 125 III 219, E. 1a und 1d; Weber, BSK, N 5 zu Art. 266i OR); ein ein­ zelner Erbe kann alleine handeln, wenn er die ausdrückliche oder stillschwei­ gende Zustimmung der übrigen Miterben hat oder aber wenn die Vorausset­ zungen der Geschäftsführung ohne Auftrag i.S.v. Art. 419 ff. OR gegeben sind; die Zustimmung bzw. Genehmigung kann auch nachträglich erfolgen (Art. 38 Abs. 1 OR). Sind z.B. nicht alle Erben bekannt oder können diese nicht recht­ zeitig benachrichtigt werden (so z.B. bei unbekanntem Aufenthaltsort), so wird ein einzelner Erbe das Mietverhältnis mit Rücksicht auf die kurze Über­ legungsfrist (N 7) alleine kündigen dürfen. Besteht Uneinigkeit zwischen den Erben, so kann auf Antrag eines Miterben ein Erbenvertreter ernannt werden (Art. 602 Abs. 3 ZGB), der dann zur Kündigung legitimiert ist: Die Aufgabe des Erbenvertreters besteht darin, Verwaltungs- und Verfügungshandlungen, Ver­ pflichtungen sowie prozessuale und andere Vorkehren, auf die sich die Erben nicht einigen können oder die aus irgendeinem Grund nicht möglich sind, nach pflichtgemässem Ermessen als ausserordentliches Organ der Miterben­ gemeinschaft in deren Namen vorzunehmen (vgl. Schaufelberger, BSK ZGB II, N 40 ff. zu Art. 603 ZGB). Wurde hingegen ein Erbschaftsverwalter (Art. 554 ZGB) bestellt oder bezeich­ 10 nete der Erblasser einen Willensvollstrecker (Art. 517 ZGB), so steht das Kün­ digungsrecht gemäss Art. 266i OR diesen zu. Stirbt einer von mehreren Mitmietern, so steht den übrigen Mietern kein Kün­ 11 digungsrecht aufgrund von Art. 266i zu; möglich ist hingegen, dass sie sich auf Art. 266g OR berufen, namentlich wenn ihnen die Erfüllung des Mietvertrages Jürg P. Müller

603

Art. 266i

ohne den verstorbenen Mitmieter nicht mehr zugemutet werden kann (BGE 15 1889, S. 282 ff.). Die Erben des verstorbenen Mitmieters können sich – zum Schutz des Mitmieters – ebenfalls nicht auf Art. 266i OR berufen (Schmid, ZK, N 6 zu Art. 270 aOR). Zwar wird die Mietergemeinschaft, die nach der hier ver­ tretenen Auffassung eine einfache Gesellschaft darstellt, mit dem Tod des Mit­ mieters aufgelöst, sofern nicht vorgängig Gegenteiliges vereinbart worden ist (Art. 545 Abs. 1 Ziff. 2 OR); die Auflösung der einfachen Gesellschaft wirkt sich aber nicht direkt aus auf das bestehende Mietverhältnis, sodass der Vermieter Anspruch auf Erfüllung des Mietvertrages auch gegenüber den Erben des ver­ storbenen Mitmieters hat. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine Famili­ enwohnung handelt (ebenfalls gegen ein Kündigungsrecht der Erben des ver­ storbenen Ehegatten, der den Mietvertrag mitunterzeichnet hat und daher Mitmieter war: Weber, Familienwohnung, S. 39; a.M. Higi, der beim Tod eines Mitmieters ebenfalls ein Kündigungsrecht gestützt auf Art. 266i OR bejaht; ZK, N 27 und 28 zu Art. 266i OR). Meines Erachtens ist bei dieser Konstellation dem Anspruch des Vermieters und des Mitmieters auf Fortführung des Miet­ verhältnisses den Vorzug zu geben. Wollen beim Versterben eines Mitmieters weder der verbleibende Mitmieter noch die Erben des verstorbenen Mitmie­ ters am Mietvertrag festhalten, sind sie auf die Kündigungsmöglichkeit von Art. 266g OR verwiesen; der Richter hat diesfalls zu prüfen, ob die Weiterfüh­ rung des Mietverhältnisses für die Mieterschaft nicht mehr zumutbar ist. 12

Der überlebende Ehegatte oder der registrierte Partner, der den Vertrag nicht mitunterzeichnet bzw. keine Mieterstellung hat, kann diese ausserordentliche Kündigungsmöglichkeit (zusammen mit den übrigen Erben oder allein, wenn er Alleinerbe ist) wahrnehmen. Hat er nur die Nutzniessung am Nachlass, so kann er sich nicht auf Art. 266i OR berufen, da ihm die Erbenstellung fehlt (gl.M. Higi, ZK, N  30 zu Art.  266i OR; a.M. Weber, BSK, N  6 zu Art.  266i OR). Hingegen können die Erben des verstorbenen Mieters den Mietvertrag gestützt auf Art. 266i OR auflösen, ohne dass es der Zustimmung des überle­ benden Ehegatten oder des registrierten Partners bedarf, falls dieser erbrecht­ lich bloss Nutzniessungsberechtigter ist (Art. 473 ZGB). In diesem Fall kommt Art.  266m OR nicht zur Anwendung, endet doch der besondere Schutz der Familienwohnung mit der Auflösung der Ehe durch Tod. Dies kann in beson­ deren Fällen zu stossenden Ergebnissen führen. Es wird der Rechtsprechung überlassen bleiben, solche unerwünschten Rechtsfolgen zu verhindern, indem z.B. der Schutz der Familienwohnung i.S.v. Art. 266m OR über den Tod eines Ehegatten oder des registrierten Partners hinaus ausgedehnt wird oder dem überlebenden Ehegatten bzw. dem registrierten Partner als am Mietverhältnis unbeteiligtem Dritten gestattet wird, die Missbräuchlichkeit der Kündigung in 604

Jürg P. Müller

Art. 266i

analoger Anwendung von Art. 271 OR und 271a OR geltend zu machen (vgl. zum Thema auch Weber, Familienwohnung, S. 39, der die Auffassung vertritt, dass eine Kündigung gestützt auf Art.  266i OR durch die Erben des verstor­ benen Mieters nicht gegen den Willen des überlebenden Ehegatten, der keine Mieterstellung hatte, ausgeübt werden kann; weniger weit gehend als Weber: MfdP/Spirig, N 28.6.3). Zum Fall, da der überlebende Ehegatte oder der regis­ trierte Partner jedoch neben dem verstorbenen Mieter Vertragspartner war, vgl. N 11.

2.5 Entschädigung Eine Entschädigung ist durch die kündigenden Erben nicht geschuldet (Higi, 13 ZK, N 43 zu Art. 266i OR), wohl aber der Mietzins bis zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin.

3.

Tod als vertraglicher Beendigungsgrund

Der Tod des Mieters führt nicht automatisch zur Auflösung des Mietvertra- 14 ges (Urteil des Bundesgerichts 4C.149/2004 vom 18.  Mai 2004, E.  3, m.w.H. und Urteil 4C.252/2005 vom 6. Februar 2005, E. 3).Wurde der Tod des Mieters vertraglich als Beendigungsgrund vereinbart oder wurde dem Mieter die Sache ausdrücklich nur zum persönlichen Gebrauch überlassen, so ist eine Kündi­ gung nach Art. 266i OR nicht erforderlich, und das Mietverhältnis endet ohne Weiteres im Zeitpunkt des Todeseintrittes (HAP-Immobiliarmietrecht/Maag, Rz. 2.210; Higi, ZK, N 13 zu Art. 266i OR; vgl. auch N 2 Vorbem. zu Art. 266– 266o OR und N 5 ff. zu Art. 266 OR). Die automatische Beendigung des Miet­ vertrages kann auch für den Fall gültig vereinbart werden, dass nur einer von mehreren Mitmietern stirbt. Diese Vereinbarung hat auch mit Blick auf den relativ zwingenden Charakter der Norm Gültigkeit (N 2), da es im Lichte der ratio legis der Norm zulässig sein muss, die Auflösung des Mietvertrages durch den Mieter zu «erleichtern».

4.

Ausschlagung der Erbschaft

Schlagen alle nächsten gesetzlichen Erben (Art. 457 ff. ZGB) die Erbschaft aus 15 oder ist die Erbschaft überschuldet, so hat gestützt auf Art. 573 Abs. 1 ZGB die Liquidation des Nachlasses – auf Anordnung des Konkursgerichtes (Art. 193 Abs.  2 SchKG)  – durch das Konkursamt zu erfolgen. Gemäss Art.  573 ZGB Jürg P. Müller

605

Art. 266i

genügt es folglich, wenn alle direkten Nachkommen und auch der Ehegatte die Erbschaft ausschlagen. Da die konkursamtliche Liquidation des Nachlas­ ses gestützt auf Art. 573 ZGB von Amtes wegen zu erfolgen hat, muss der Ver­ mieter dafür nichts Besonderes vorkehren. Das ausserordentliche Kündigungs­ recht gemäss Art. 266i OR steht in diesem Fall dem Konkursamt zu; dieses hat die Kündigung zu erklären, sobald es vom zuständigen Gericht zur Durchfüh­ rung der konkursamtlichen Liquidation des Nachlasses bestimmt wurde. Die Kündigung hat schriftlich zu erfolgen (Art. 266l Abs. 1 OR). Die blosse Mit­ teilung des Konkursamtes, wonach dieses gestützt auf Art. 211 Abs. 2 SchKG nicht in den Mietvertrag eintrete, stellt keine Kündigung dar (Urteil des Bun­ desgerichts 4C.252/2005 vom 6. Februar 2006, E. 5.3; BGE 104 III 84, E. 3b). Im Rahmen der konkursamtlichen Liquidation des Nachlasses hat der Vermieter seine Forderungen aus dem Mietverhältnis geltend zu machen (vgl. dazu BGE 104 III 84, E. 4; BGE 124 III 41 und Urteil 4C.252/2005, a.a.O., E. 5). 16

Falls nicht alle Erben die Erbschaft ausschlagen, steht das Kündigungsrecht gemäss Art.  266i OR den Erben, welche die Erbschaft angetreten haben, gemeinsam zu.

5. 17

Eingeschränkte Handlungsfähigkeit des Vermieters während der Ausschlagungsfrist

Die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft beträgt drei Monate (Art. 567 Abs. 1 ZGB). Während dieser Frist besteht Unsicherheit beim Vermieter, gegen wen er seine Ansprüche aus dem Mietvertrag geltend zu machen hat. Insbeson­ dere wenn Mietzinse offen und abzumahnen sind oder wenn das Mietverhält­ nis bereits gekündigt ist und sich kein Erbe für die Rückgabe des Mietobjektes verantwortlich fühlt. Beim Zahlungsverzug des verstorbenen Mieters X ist die Mahnung i.S.v. Art. 257d OR dessen ungeachtet an die Erbengemeinschaft des Mieters X zu richten; sind dem Vermieter nicht alle Erben bekannt, genügt es, dass er die ihm bekannten Mieter anschreibt und das Schreiben an die Erben­ gemeinschaft des Mieters X adressiert. Sind ihm keine Erben bekannt, kann er sein Mahnschreiben auch an die Zustelladresse des verstorbenen Mieters X senden; insbesondere dann, wenn im Mietvertrag eine entsprechende Zustell­ adresse vereinbart worden ist. Reagieren die Erben des Mieters X auf die Auf­ forderung des Vermieters zur Rückgabe des Mietobjektes nicht, ist der Ver­ mieter berechtigt, die Wohnung nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag zu räumen und für die möglichst baldige Wiedervermietung auf Kos­ ten der Erben herrichten zu lassen (Art. 419 und 422 OR; zustimmend HAP606

Jürg P. Müller

Art. 266i

Immobiliarsachenrecht/Maag, Rz. 2.218, m.w.H., der dieses Vorgehen aber nur in Fällen vorsieht, bei denen seitens der Erbengemeinschaft kein Vermögen vorhanden ist, was aber in der Praxis wohl nur schwer feststellbar sein dürfte).

Jürg P. Müller

607

Jürg P. Müller

Art. 266k 4.

Bewegliche Sachen

Der Mieter einer beweglichen Sache, die seinem privaten Gebrauch dient und vom Vermieter im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit vermietet wird, kann mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende einer dreimonatigen Mietdauer kündigen. Der Vermieter hat dafür keinen Anspruch auf Entschädigung. 4.

Chose mobilière

Le locataire d’une chose mobilière servant à son usage privé et louée par le bailleur dans l’exercice de son activité professionnelle peut résilier le bail en observant un délai de congé minimum de 30 jours pour la fin d’un trimestre de bail. Le bailleur n’a droit de ce chef à aucune indemnité.

4.

Cose mobili

II conduttore di una cosa mobile destinata al suo uso privato e locata dal locatore nell’am­ bito della sua attività professionale può dare la disdetta con preavviso di 30 giorni almeno per la fine di un trimestre di locazione. II locatore non ha diritto ad alcuna indennità a questo titolo.

InhaltsübersichtSeite 1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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2. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

609

3.

609

608

Kündigung von Mietverträgen über Konsumgüter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

Jürg P. Müller

Art. 266k

1 Vorbemerkung Dieser Kommentar behandelt die Immobiliarmiete. Dementsprechend wird der Inhalt von Art. 266k OR nur summarisch skizziert.

1

2. Geltungsbereich Art. 266k OR regelt die Kündigung beweglicher Sachen, die von Vermietern im 2 Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit an Personen zum privaten Gebrauch vermietet werden (sog. Konsumentenmietvertrag: vgl. Näheres Brunner Ale­ xander, Der Konsumentenvertrag im schweizerischen Recht, in: AJP 1992, S.  591  ff./S.  597). Die Norm betrifft die sogenannten Konsumgüter, mithin Automobile, Fernsehapparate, Stereoanlagen, Haushaltsgeräte, Computer usw., vorausgesetzt, dass sie von Vermietern im Rahmen deren Gewerbes wie Auto­ vermietungsfirmen oder Radio- und Fernsehgeschäften zur privaten Nut­ zung mietweise oder aufgrund von Leasingverträgen überlassen werden. Als Ergänzung zum Abzahlungs- bzw. Konsumkreditrecht will Art. 266k OR den Mieter von soeben umschriebenen Mietverträgen vor langen Kündigungsfris­ ten schützen (Lupi, Leasingverträge, S. 52 ff.). Deshalb ist die Norm zwingender Natur, wie die Botschaft festhält (Botsch. 1985, S. 1453). Gehört die gemietete bewegliche Sache nicht zu den Konsumgütern oder wird 3 sie nicht von einem Vermieter im Rahmen des von ihm betriebenen Gewer­ bes oder nicht an eine Person zum privaten Gebrauch vermietet, so richtet sich die Kündigung nach Art. 266f OR. Ebenfalls nicht unter Art. 266k OR zu subsumieren sind Konsumgüter, die für berufliche Zwecke gemietet werden (z.B. Geschäftsauto, Videoausrüstung des Reporters usw.); für solche Mietver­ träge gilt Art. 266 f. OR. Diese Betrachtung gilt auch für bewegliche Mietge­ genstände, die sowohl beruflich als auch privat genutzt werden (Higi, ZK, N 12 zu Art. 266k OR).

3.

Kündigung von Mietverträgen über Konsumgüter

Trotz des missverständlichen Wortlautes der Norm ist die im Art. 266k OR vor­ 4 gesehene Frist von «mindestens 30 Tagen» als maximale Kündigungsfrist von 30 Tagen zu verstehen (Botsch. 1985, S. 1450; gl.M. Higi, ZK, N 5 zu Art. 266k OR; Hulliger/Heinrich, CHK N 3 zu Art. 266 k OR). Diese Kündigungsfrist

Jürg P. Müller

609

Art. 266k

ist zwingend. Die Parteien können im Vertrag eine kürzere, nicht jedoch eine längere Frist vorsehen. Ebenfalls zwingend sind die gesetzlich als Minimum vorgeschriebenen vier jährlichen Kündigungstermine. Die Parteien können somit vertraglich mehr, nicht jedoch weniger als vier Kündigungstermine im Jahr vereinbaren. Abweichende vertragliche Abmachungen sind unbeachtlich.

610

Jürg P. Müller

Art. 266l–266o Art. 266l IV. Form der Kündigung bei Wohn- und Geschäftsräumen 1.

Im Allgemeinen

1 Vermieter

und Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen müssen schriftlich kündigen.

2 Der

Vermieter muss mit einem Formular kündigen, das vom Kanton genehmigt ist und das angibt, wie der Mieter vorzugehen hat, wenn er die Kündigung anfechten oder eine Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen will. IV. Forme du congé pour les habitations et les locaux commerciaux 1. 1 Le

En général congé des baux d’habitations et de locaux commerciaux doit être donné par écrit.

2 Le

bailleur doit donner le congé en utilisant une formule agréée par le canton et qui indique au locataire la manière dont il doit procéder s’il entend contester le congé ou demander la prolongation du bail.

IV. Forma della disdetta per locali d’abitazione e commerciali 1. 1 La

In genere disdetta per locali d’abitazione e commerciali deve essere data per scritto.

2 II

locatore deve dare la disdetta mediante un modulo approvato dal Cantone, sul quale sia indicata al conduttore la procedura per contestare la disdetta o per domandare una protrazione della locazione.

Art. 266m 2.

Wohnung der Familie

a. Kündigung durch den Mieter 1 Dient

die gemietete Sache als Wohnung der Familie, kann ein Ehegatte den Mietvertrag nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des anderen kündigen.

Jürg P. Müller

611

Art. 266l–266o 2 Kann

der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er den Richter anrufen.

3 Die

gleiche Regelung gilt bei eingetragenen Partnerschaften sinngemäss.

2.

Logement de la famille

a.

Congé donné par le locataire

1 Lorsque la chose louée sert de logement à la famille, un époux ne peut résilier le bail sans

le consentement exprès de son conjoint.

2 S’il

n’est pas possible de recueillir ce consentement ou si le conjoint le refuse sans motif légitime, le locataire peut en appeler au juge.

3 Le

présent article s’applique par analogie aux partenaires enregistrés.

2.

Abitazione familiare

a.

Disdetta da parte del conduttore

1 Se la cosa locata è adibita ad abitazione familiare, un coniuge può disdire il contratto sol­

tanto con il consenso espresso dell’altro.

2 II coniuge che non può ottenere questo consenso, o cui il consenso è negato senza valido

motivo, può ricorrere al giudice. 3 Il

presente artieolo si applica per analogia ai partner registrati.

Art. 266n b. Kündigung durch den Vermieter Die Kündigung durch den Vermieter sowie die Ansetzung einer Zahlungsfrist mit Kündigungsandrohung (Art. 257d) sind dem Mieter und seinem Ehegatten, seiner eingetragenen Partnerin oder seinem eingetragenen Partner separat zuzustellen. b.

Congé donné par le bailleur

Le congé donné par le bailleur ainsi que la fixation d’un délai de paiement assorti d’une menace de résiliation (art. 257d) doivent être communiqués séparément au locataire et à son conjoint ou à son partenaire enregistré.

612

Jürg P. Müller

Jürg P. Müller Art. 266l–266o

b.

Disdetta da parte del locatore

La disdetta data dal locatore e l’imposizione di un termine di pagamento con commina­ toria di disdetta (art. 257d) devono essere notificate separatamente al conduttore ed al suo coniuge.

Art. 266o 3.

Nichtigkeit der Kündigung

Die Kündigung ist nichtig, wenn sie den Artikeln 266l–266n nicht entspricht. 3.

Nullité du congé

Le congé qui ne satisfait pas aux conditions prévues aux articles 266l à 266n est nul.

3.

Nullità della disdetta

La disdetta che non osserva le condizioni previste dagli articoli 266l–266n è nulla.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter, intertemporales Recht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

615 615 615

2. Formen der Kündigung bei Wohn- und Geschäftsräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Schriftlichkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Formularzwang bei Kündigung des Vermieters .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Begründung der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

616 616 618 619

3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6

Kündigung Familienwohnung durch den Mieter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Begriff der Familienwohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Zivilstandsänderung des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Zustimmung des anderen Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Verspätete Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Zustimmung durch den Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Sofortige Wirksamkeit der Kündigung als Ausnahmefall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

620 620 622 623 624 624 625

4. 4.1 4.2

Kündigung Familienwohnung durch Vermieter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Geltungsbereich und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Zweck der Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

626 626 627

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Art. 266l–266o 5. Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.1 Wesen der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.2 Formrichtige Wiederholung einer nichtigen Kündigung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.3 Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.4 Unwirksame Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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6. 6.1 6.2

Kündigung Dienstwohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Begriff der Dienstwohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Kombinierte Kündigung Arbeits- und Mietvertrag .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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7.

Kündigung gemeinsame Wohnung nach Partnerschaftsgesetz .. . . . . . . . . . . . . . . . . 

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1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter, intertemporales Recht

Die in den Art.  266l–266n OR statuierten Formvorschriften für die Kündi­ 1 gung von Wohn- und Geschäftsräumen sind der Parteiautonomie grundsätzlich entzogen. Doch ist es den Parteien unbenommen, über die gesetzlich vor­ geschriebenen (Mindest-)Vorschriften zusätzliche «Formerfordernisse» (z.B. betreffend die Übermittlungsform) gültig zu vereinbaren (Higi, ZK, N 6 ff. zu Art. 266l OR). Solange die Ausübung des Kündigungsrechts durch zusätzliche Kriterien nicht erschwert wird, sind solche mit Art. 266l–266n OR ohne Wei­ teres vereinbar (ebenso Higi, ZK, N 115 Vorbem. zu Art. 266–266o OR). Insbe­ sondere die amtliche Beglaubigung von Unterschriften kann im Lichte des mit den Formvorschriften verfolgten Schutzzweckes nicht als unzulässiges Kündigungserschwernis betrachtet werden; sie kann aus Gründen der Rechtssi­ cherheit insbesondere in Fällen, wo auf Mieter- oder Vermieterseite mehrere Personen als Rechtsgemeinschaft in Erscheinung treten, geboten sein; gerade mit einer amtlichen Beglaubigung kann zweifelsfrei ermittelt werden, ob sämt­ liche Personen einer Rechtsgemeinschaft das ihnen nur gemeinsam zustehende Kündigungsrecht ausgeübt haben. In diesem Sinne sind die in Art. 266l–266n OR aufgeführten Vorschriften als Mindestanforderungen für eine Kündigung in formeller Hinsicht zu verstehen. Demgegenüber regelt Art.  266o OR die Rechtsfolge formwidriger Kündi- 2 gungen. Da diese Rechtsfolge unabhängig vom Parteiwillen eintritt und die Parteien darauf keinen Einfluss ausüben können, stellt Art. 266o OR absolut zwingendes Recht dar. Die Formvorschriften gemäss den Art.  266l–266o OR (Formularzwang mit 3 dem Hinweis auf die entsprechenden Mieterrechte, separate Kündigung an beide Ehegatten) wurden im Interesse der öffentlichen Ordnung neu ins Gesetz aufgenommen. Gestützt auf Art. 2 SchlT ZGB sind sie deshalb auch auf dieje­ nigen Mietverhältnisse anwendbar, die unter dem bis 30. Juni 1990 geltenden Recht geschlossen wurden.

1.2 Anwendungsbereich Die Bestimmungen über die Formvorschriften gelten für sämtliche Wohn­ 4 räume unter Einschluss möblierter Zimmer (anders noch Art. 13 Abs. 2 BMM) und für alle Geschäftsräume. Diese Normen sind auf alle Arten von Kündi-

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Art. 266l–266o

gungen anwendbar, unabhängig davon, ob es sich um ordentliche oder ausser­ ordentliche Kündigungen handelt. 5

Zulässig ist es, dass die Parteien ein Mietverhältnis über ein Objekt, welches weder einen Wohn- noch einen Geschäftsraum darstellt, freiwillig den Form­ vorschriften von Art.  266l–266n OR unterstellen (sogenannter gewillkürter Formzwang, z.B. für eine unbewegliche Sache wie ein Lagerplatz, Abstell­ platz, Bootsplatz usw.). Unterstellen die Parteien ihr Mietverhältnis freiwil­ lig den Formvorschriften von Art.  266l–266n OR, ist zu vermuten, dass sie sich damit auch den damit zusammenhängenden Spezialbestimmungen (Kündigungsschutz und Erstreckung, Art. 271 ff. OR und Nichtigkeitsfolge bei Missachtung der Formvorschrift, Art. 266o OR) unterwerfen wollten. Demge­ genüber ist aus dem Umstand, dass ein Vermieter – rein vorsorglich oder aus Unwissen – ein amtliches Formular verwendet, obwohl es sich beim gemie­ teten Objekt weder um einen Wohn- noch um einen Geschäftsraum handelt, nicht automatisch abzuleiten, dass dem Mieter gestützt auf die in den Formula­ ren regelmässig enthaltenen Anfechtungshinweise Kündigungsschutz gewährt werden wollte.

6

Wer sich auf einen gewillkürten Formzwang beruft, hat die entsprechende Vereinbarung zu beweisen (Art. 8 ZGB). Da der gewillkürte Formzwang eine Abweichung vom Gesetz darstellt, sind daran strenge Anforderungen zu stellen.

7

Nicht zu verwechseln mit der Kündigung ist der Rücktritt vom Vertrag i.S.v. Art. 258 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 107–109 OR sowie die Anfechtung des Vertra­ ges infolge Übervorteilung (Art. 21 OR) und Willensmängeln (Art. 23 ff. OR), weshalb diese nicht den strengen Formvorschriften von Art.  266l–266o OR unterliegen.

2.

Formen der Kündigung bei Wohn- und Geschäftsräumen

2.1 Schriftlichkeit 8

Die Kündigung von Mieter und Vermieter hat schriftlich (Art. 13 bis 15 OR) zu erfolgen. Sie muss der Gegenpartei per Brief oder Telegramm mitgeteilt wer­ den (Art. 13 OR). Der Brief ist eigenhändig zu unterschreiben (Art. 14 Abs. 1 OR), wobei eine auf mechanischem Weg nachgebildete Unterschrift (Faksi­ mile-Unterschrift) nicht genügt (Urteil des Bundesgerichts 4C.308/2004 vom 10. November 2004). Bei einem Telegramm oder einer Telefax-Mitteilung ist

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vorausgesetzt, dass diese die Unterschrift des Ausstellers bzw. Kündigenden trägt (Art. 12 f.; gl.M. Higi, ZK, N 10 zu Art. 266l OR) und dass die Kündigung der Gegenpartei noch im Original nachgereicht wird. Wegen der fehlenden Unterschrift genügen Kündigungen, die lediglich per E-Mail oder gar via SMS übermittelt werden, der Formvorschrift von Art. 266l Abs. 1 OR nicht. Fehlt die eigenhändige Unterschrift auf dem amtlichen Kündigungsformular, 9 ist die Kündigung gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich nichtig (Urteil des Bundesgerichts 4C.308/2004 vom 10. November 2004, mit Kritik Futterlieb, in: MRA 2/05, S. 59 ff.). Fehlt die Unterschrift auf dem amt­ lichen Kündigungsformular, ist aber ein Begleitbrief dazu mit Originalunter­ schrift versehen und damit gültig unterzeichnet, ist die Schriftform eingehalten, da mit der Unterschrift auf dem Begleitbrief der mit der Unterschrift auch verfolgte Identifikationszweck ohne Weiteres gewahrt ist (Urteil des Bundes­ gerichts 4A_285/2013 vom 7. November 2013, E. 2.3, in: mp 1/14, S. 47 ff., was jedenfalls dann gilt, wenn Formular und Begleitschreiben eine Einheit bilden; so bereits Urteil des Bundesgerichts 4C.32/1998 vom 10. Juli 1998, in: mp 2000, S.  185; vgl. zur Unterschrift als Identifikationsmerkmal Urteil des Bundesge­ richts 4C.110/2003 vom 8. Juli 2003, E. 3.2 und 3.4). Gemäss Bundesgericht schadet es dem Vermieter auch nicht, dass dem Mieter 10 lediglich eine Kopie des amtlichen Formulars zugestellt werden konnte, nach­ dem dieser die Postsendung mit dem Originalformular nicht abgeholt hatte und der Briefumschlag dem Vermieter retourniert worden war (Urteil des Bun­ desgerichts 4A_285/2013 vom 7. November 2013, E. 2.1, in: mp 1/14, S. 47 ff.). Einer eigenhändig unterzeichneten Kündigung gleichgestellt ist eine Kündi­ 11 gung des Mieters, die mit einer elektronischen Signatur versehen ist (Art. 14 Abs. 2bis OR, mit Verweis auf das Bundesgesetz über die elektronische Signatur vom 19. Dezember 2003, SR 943.03, in Kraft seit 1. Januar 2005). Die meisten Mietverträge sehen zudem vor, dass die Kündigung per Ein­ 12 schreiben zu erfolgen habe. Diese vertraglich vorbehaltene Versandform ist in Anlehnung an Art. 16 Abs. 1 OR, demgemäss die Parteien vor Erfüllung der Form nicht gebunden sein wollen, grundsätzlich als Gültigkeitserfordernis und nicht als blosse Beweisvorschrift auszulegen (von Tuhr/Peter, OR AT I, S.  245  f.). Wird jedoch eine Kündigung der Gegenpartei persönlich überge­ ben und quittiert diese den Empfang, ergibt sich aus den Umständen, dass die Parteien stillschweigend die vertraglich vorbehaltene Versandform aufheben (vgl. auch Higi, ZK, N 26 zu Art. 266l OR). Dasselbe gilt, wenn der Adressat einer schriftlichen, jedoch nicht eingeschrieben zugestellten Sendung nicht auf

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der Einhaltung der Form des Einschreibens beharrt. Umgekehrt wird sich der Absender einer nicht eingeschrieben versandten Postsendung im Nachhinein nicht erfolgreich darauf berufen können, seine Kündigung sei – da nicht ein­ geschrieben versandt – nicht formgültig erfolgt. In solchen Fällen ist den For­ merfordernissen Genüge getan.

2.2 13

Formularzwang bei Kündigung des Vermieters

Der Vermieter muss überdies auf einem vom Kanton, in welchem das Miet­ objekt liegt, genehmigten Formular kündigen. Die Kantone sorgen dafür, dass das Formular bei jeder Gemeinde bezogen werden kann (Art. 266l Abs. 2 OR, Art. 9 Abs. 2 VMWG). Der Vermieter kann aber auch ein eigenes Formular ver­ wenden, sofern es von der zuständigen kantonalen Behörde genehmigt wurde. Jedes Kündigungsformular muss gemäss Art. 9 Abs. 1 VMWG folgende Anga­ ben enthalten: a. die Bezeichnung des Mietgegenstandes, auf welchen sich die Kündigung bezieht; b. den Zeitpunkt, auf den die Kündigung wirksam wird; c. den Hinweis, dass der Vermieter die Kündigung auf Verlangen des Mieters begründen muss; d. die gesetzlichen Voraussetzungen der Anfechtung der Kündigung und der Erstreckung des Mietverhältnisses (Art. 271–273 OR); e. das Verzeichnis der Schlichtungsbehörden und ihre örtliche Zuständigkeit.

14

Mit der Einführung dieser strengen Formvorschriften bezweckt der Gesetzge­ ber, dass auch der rechtsunkundige Mieter auf seine Rechte hingewiesen wird. Selbstredend ist eine Kündigung auf einem amtlichen Formular, das von einem anderen Kanton genehmigt ist, als jenem, in welchem sich das Mietobjekt befindet, nichtig (Urteil des Einzelrichters für Rekurse im Obligationenrecht am KGer St. Gallen vom 11. April 2002, in: SGGVP 2002, N. 53; diesem For­ mular fehlt das erforderliche Verzeichnis der Schlichtungsstellen und ihre ört­ liche Zuständigkeit (Art. 9 Buchst. e VMWG). Allerdings erfüllt das Formular keinen Selbstzweck, sodass die Berufung auf einen Formmangel rechtsmissbräuchlich sein kann (Urteil des Bundesgerichts 4A_462/2011 vom 5. März 2012, E.  2.2, in: MRA 3/12, S.  133  ff., bezüglich der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf einen Formmangel bei der Mietzinsgestaltung).

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Verwendet der Vermieter ein altes, zwischenzeitlich durch ein neues abgelös­ 15 tes Formular, so erweist sich die Kündigung trotzdem als gültig, falls das alte Formular seinerseits genehmigt worden war und damit Gewähr bot, dass der Mieter die für eine allfällige Anfechtung erforderlichen Informationen daraus entnehmen konnte (BGE 140 III 244 ff., E. 4.2 und 4.3, in: MRA 2/14, S. 67 ff.). Fehlt dem amtlichen Formular das Datum, auf welches das Mietverhält­ 16 nis gekündigt werden soll, erweist sich die Kündigung als nichtig (Urteil des Bundesgerichts 4A_374/2012 vom 6.  November 2012, E.  2; es fehlt ihm ein zwingendes Formerfordernis gemäss Art.  9 Abs.  1 Buchst.  b VMWG). Die­ ser Mangel lässt sich auch nicht dadurch heilen, dass das Datum, auf welches die Kündigung Wirkung erzielen soll, auf dem Begleitschreiben enthalten ist (Urteil 4A_374/2012 vom 6. November 2012, E. 4). Es liegt gemäss Bundesge­ richt kein überspitzter Formalismus vor. Verwendet die Vermieterin ein Formular, das für eine andere Firma geneh­ 17 migt worden ist, erweist sich diese Kündigung ebenfalls als gültig, sofern das genehmigte Formular den Anforderungen von Art. 9 VMWG entspricht (so für das amtliche Formular betreffend Mietzinserhöhungen vom Bundesgericht im Entscheid 135 III 220, E. 1.5.3, in: MRA 4/09, S. 143 ff. explizit bejaht, wo das Formular nach einer Firmenänderung auch von der neuen Firma verwen­ det worden war). Bei der Absenderfirma handelt es sich – wie beim Formular gemäss Art. 269d OR – um den individuell auszufüllenden und nicht um den allgemeingültigen und damit der Formalisierung zugänglichen Teil des For­ mulars (siehe Art. 9 Abs. 1 VMWG). Zu beachten ist die Formularpflicht auch bei der Kündigung von formell sepa­ 18 rat mitvermieteten Sachen, die weder Wohn- noch Geschäftsraumcharakter haben (Art.  253a Abs.  1 OR; BGE 125 III 231, E.  3c). Kündigt der Vermie­ ter also einen Abstellplatz, der dem Mieter mit einem Wohn- oder Geschäfts­ raum mittels separaten Vertrages vermietet worden ist, hat der Vermieter hier­ für ebenfalls das amtliche Formular zu verwenden.

2.3

Begründung der Kündigung

Wie schon unter dem bis 30. Juni 1990 geltenden Recht (BGE 90 II 50) hängt 19 die Gültigkeit der Kündigung nicht von der Frage ab, ob sie begründet wurde oder nicht. Eine Kündigung ist also auch dann gültig, wenn eine Begründung fehlt (Urteil des Bundesgerichts 4C.400/2001 vom 4. März 2002; Urteil des Bundesgerichts

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4A_19/2016 vom 2. Mai 2017, E. 2.3). Allerdings können sowohl der Mieter als auch der Vermieter verlangen, dass die Kündigung begründet wird (Art. 271 Abs. 2 OR). Die Begründung kann auch erst im Rahmen des Schlichtungsverfahrens erfolgen, ohne dass daraus Rückschlüsse auf das Motiv bzw. die Gültig­ keit der Kündigung geschlossen werden dürften. Weigert sich der Kündigende, dem entsprechenden Begehren stattzugeben, wird sich der Kündigungsemp­ fänger vielfach zur Anfechtung entschliessen; die Verweigerung der Begrün­ dung kann für den Vermieter und den Mieter unter Umständen Kosten- und Entschädigungsfolgen auslösen (Art. 113 i.V.m. Art. 115 ZPO). Das gleiche gilt, wenn die Begründung unklar oder nichtssagend ist. Zur Frage, ob der Kün­ digende im Anfechtungsverfahren zum Nachreichen oder Nachschieben der Kündigungsgründe berechtigt ist, vgl. N 70 ff. zu Art. 271 OR. 21

Weigert sich der Mieter, die Kündigungsgründe bekannt zu geben, so kann der Vermieter die Kündigung ebenfalls als missbräuchlich anfechten (das ist z.B. dann denkbar, wenn der Vermieter auf ausdrücklichen Wunsch des Mieters spezielle Investitionen im Mietobjekt getätigt hat in der begründeten Erwar­ tung auf ein länger dauerndes Mietverhältnis, der Mieter dann aber kurz nach Abschluss der Renovationsarbeiten das Mietverhältnis kündigt). Damit ist ihm jedoch meistens nicht gedient, kann doch der Mieter selbst dann auszie­ hen, wenn seine Kündigung anfechtbar ist oder ungültig erklärt wird. Diesfalls bestimmen sich die Rechtsfolgen nach Art. 264 OR, sofern die Mietsache dem Vermieter tatsächlich zurückgegeben wird.

22

Im Falle der ausserordentlichen Kündigung verlangt das Bundesgericht, dass aus der Kündigung selbst ersichtlich sein muss, dass es sich um eine ausseror­ dentliche Kündigung handelt (Urteil des Bundesgerichts vom 3. Oktober 1995, in: MRA 5/96, S. 228).

23

Siehe zu weiteren Einzelheiten Kommentar zu 271, N 68 ff.

24

3.

Kündigung Familienwohnung durch den Mieter

3.1

Begriff der Familienwohnung

Die Familienwohnung im Sinne dieser Bestimmung ist die Wohnung, in der die Ehegatten ihren gemeinsamen Haushalt haben bzw. die Familie ihren Lebensmittelpunkt hat («dort, wo sich das räumliche Zentrum dieses gemeinschaft­ lichen Lebens befindet, wo die Beziehungen zwischen den Gatten [und den Kindern] brennpunktartig zusammentreffen» [Hasenböhler, Familienwoh­

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nung, S.  227]), mögen damit auch Geschäftsräume verbunden sein (Botsch. 1985, S.  1450; Higi, ZK, N  128 Vorbem. zu Art.  253–274g OR; Weber BSK, N 2 zu Art. 266m/266n OR, m.w.H.). Eine Zweit- oder Ferienwohnung wird vom Begriff der Familienwohnung indessen nicht erfasst (Hasenböhler, a.a.O., S. 228; MfdP/Püntener, N 4.4.4.4; SJZ 88, S. 295). Art. 266m OR gilt grundsätz­ lich auch während der gerichtlichen Trennung und während des Scheidungs­ prozesses, selbst wenn der im Vertrag als Mieter bezeichnete Ehegatte auszieht (Higi, ZK, N 129 Vorbem. zu Art. 253–274g OR; MfdP/Püntener, N 4.4.4.4). Dieser Grundsatz gilt indessen nicht uneingeschränkt. Von einer Familien­ wohnung kann nicht mehr gesprochen werden, wenn eine gerichtliche oder aussergerichtliche Trennung i.S.v. Art.  175 ZGB vorliegt, auch wenn diese Trennung nicht definitiv ist (Higi, ZK, N 129 zu Vorbem. zu Art. 253–274g OR) oder wenn sich beide Ehegatten darauf einigen, dass die Familienwohnung auf­ gegeben werden soll. Gleiches gilt, wenn die Ehegatten eine Vereinbarung tref­ fen, wonach der eine Ehegatte die Familienwohnung nicht nur vorübergehend verlässt, sondern sie dem anderen Ehegatten endgültig überlässt (BGE 114 II 399). Der von Art. 169 ZGB und Art. 266m OR gewährte Schutz verliert somit überall dort seine Berechtigung, wo der Ehegatte die Familienwohnung verlas­ sen hat oder verlassen muss und wo keine Aussicht mehr darauf besteht, dass die Ehegatten in der vormaligen Familienwohnung das Zusammenleben wie­ der aufnehmen werden (BGE 114 II 400, in BGE 136 III 257 spricht das Bun­ desgericht davon, dass das Mietobjekt den Charakter der Familienwohnung verliert, wenn der durch diese Bestimmung geschützte Ehegatte die Familien­ wohnung endgültig oder für eine unbestimmte Dauer von sich aus verlässt). Bei der Frage, ob noch Aussicht auf eine Rückkehr des einen Ehegatten in die ehemals gemeinsame Wohnung besteht, ist auf sämtliche Umstände des Ein­ zelfalles abzustellen, wobei hier die bloss theoretische Möglichkeit der Rück­ kehr in die gemeinsame Wohnung nicht massgebend sein darf. Gibt ein Ehe­ partner dem Vermieter gegenüber kund, dass er die gemeinsame Wohnung verlässt oder «kündigt» er gar die von ihm – allenfalls zusammen mit dem Part­ ner – gemietete Wohnung, wird diese fortan nicht mehr als Familienwohnung zu qualifizieren sein. Ein gewichtiges Indiz für die Aufgabe der Familienwoh­ nung ist sodann das zeitliche Element: Je länger ein Ehepartner ausgezogen ist und der ehemals gemeinsamen Wohnung fernbleibt, desto eher spricht dies für eine Auflösung der ehelichen Wohnung. Zieht z.B. ein Ehepartner dauernd oder für mehrere Jahre ins Ausland, liegt jedenfalls keine Familienwohnung mehr vor. Aufgelöst ist die Familienwohnung schliesslich in jedem Fall dann, wenn der Richter im Rahmen des Ehescheidungsprozesses von der Möglich­

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keit Gebrauch macht, den Mietvertrag über eine Familienwohnung einem Ehe­ gatten alleine zu übertragen (Art. 121 ZGB). 25

Beim Auszug eines Ehegatten aus der Familienwohnung spielt es keine Rolle, ob dieser vor, während oder auch ausserhalb eines Scheidungs- oder Tren­ nungsverfahrens seinen Wohnsitz verlegt. Für den Vermieter wird es aber viel­ fach unklar sein, ob eine Familienwohnung nach wie vor besteht oder nicht. Es ist ihm deshalb zu empfehlen, die Kündigung in allen Fällen von beiden Ehegatten unterzeichnen zu lassen bzw. auf der Beibringung der Zustimmungser­ klärung zu bestehen.

26

Zur Beweislast: BGE 139 III 7, in: mp 2/13, S. 134 ff. Für die Qualifizierung der Wohnung als Familienwohnung ist diejenige Partei beweispflichtig, die die besonderen Schutzbestimmungen anruft.

27

Wenn ein Ehepartner die Wohnung definitiv verlassen hat, greifen die Schutz­ bestimmungen der Familienwohnung nicht mehr (BGE 140 III 491, E. 4.1, in: MRA 2/15, S. 81, m.w.H. auf BGE 139 III 7, E. 2.3.1; 136 III 257, E. 2.1).

28

Diese Ausführungen (N 24 ff.) sind sinngemäss auch anwendbar auf das Miet­ verhältnis über eine gemeinsame Wohnung von registrierten gleichgeschlechtlichen Partnern gemäss Art. 14 PartG (vgl. N 68).

3.2

Zivilstandsänderung des Mieters

29

Häufig kommt es vor, dass eine Wohnung an eine alleinstehende Person ver­ mietet wird, welche sich im Verlaufe der Vertragsdauer verheiratet. In diesem Falle ist der Mieter berechtigt, seinen Ehegatten in der Wohnung aufzunehmen. Ausser bei Übernutzung der Wohnung gilt dies auch dann, wenn auf­ grund des vertraglichen Verwendungszweckes das Mietobjekt nur von einer Person benutzt werden darf. Davon ausgenommen ist der Fall, bei welchem die Benutzung durch eine Person allein als strikte einzuhaltende Bedingung vereinbart worden ist, was zulässig ist. Eine solche Übernutzung dürfte in aller Regel nur bei einer 1-Zimmer-Wohnung anzunehmen sein. Mit der Aufnahme des anderen Ehegatten wird das Mietobjekt zur Familienwohnung.

30

Keine Familienwohnung liegt vor, wenn der Mieter mit Zustimmung des Ver­ mieters einen Partner (z.B. Konkubinatspartner, Wohngemeinschaft usw.) in die Wohnung aufnimmt; die Anwendung von Art. 266m OR per analogiam verbietet sich (gl.M. Hasenböhler, Familienwohnung, S.  227; vgl. jedoch die Gleichstellung von registrierten gleichgeschlechtlichen Partner/innen gemäss Partnerschaftsgesetz, SR 211.231). 622

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Es ist dem Vermieter zu raten, den Mieter vertraglich zu verpflichten, jede 31 Änderung des Zivilstandes mitzuteilen. Hält der Mieter diese Verpflichtung nicht ein und meldet er dem Vermieter seine Heirat nicht, weshalb der Ver­ mieter nur ihm die Kündigung zustellt, so wird der Mieter für den allenfalls dem Vermieter durch diese Vertragsverletzung entstehenden Schaden haftbar (z.B. für den Schaden des Vermieters, der die Wohnung infolge Nichtigkeit der Kündigung dem Nachfolgemieter nicht auf den vereinbarten Termin überge­ ben kann). Zulässig ist es, für die Verletzung dieser Pflicht eine Konventionalstrafe vorzusehen. Eine Kündigung, die nur gegenüber dem im Vertrag aufgeführten Mieter aus­ 32 gesprochen wird, hat vor Art.  266o OR selbst dann keinen Bestand, wenn der Mieter die fragliche Wohnung zuerst während mehreren Jahren alleine bewohnt hatte, bevor er sich verheiratete (ZMP 3/91, Nr.  28; MfdP/Thanei, N 25.6.4). Diese Ausführungen (N 29 bis 32) sind sinngemäss auch anwendbar auf das 33 Mietverhältnis über eine gemeinsame Wohnung von registrierten gleichge­ schlechtlichen Partnern gemäss Art. 14 PartG (vgl. auch N 68 f.).

3.3

Zustimmung des anderen Ehegatten

Die Kündigung der Familienwohnung durch denjenigen Ehegatten, der Mie­ 34 ter ist, wird erst mit ausdrücklicher Zustimmung des anderen wirksam. Das Vertretungsrecht des Ehegatten gemäss Art.  166 ZGB umfasst das Recht zur Kündigung in Vertretung des Ehegatten nicht, da die Kündigung über die Ver­ tretung in «laufenden Bedürfnissen» hinausgeht. Ebenso wenig kann eine still­ schweigende Zustimmung des anderen vermutet werden. In der Regel dürfte die Zustimmung schriftlich erfolgen, am einfachsten durch Mitunterzeich­ nung der Kündigung. Dem Formerfordernis der Ausdrücklichkeit ist jedoch Genüge getan, wenn der Ehepartner seine Zustimmung dem Vermieter gegen­ über mündlich kundtut (gl.M. Higi, ZK, N 21 zu Art. 266m–n OR). Selbstver­ ständlich können die Parteien für die Zustimmung des Ehegatten die Schrift­ form vertraglich vorbehalten. Falls ein derartiger Vorbehalt nicht vereinbart wurde, hat der Vermieter keinen Anspruch auf eine schriftliche Zustimmung, er muss sich also mit der mündlichen begnügen. Aus Beweisgründen emp­ fiehlt es sich diesfalls, die mündliche Zustimmung schriftlich zu bestätigen. Umgekehrt erweist sich bei bestehendem Schriftformvorbehalt eine bloss mündlich abgegebene Zustimmungserklärung als formungültig und daher als unwirksam (Art. 16 Abs. 1 OR).

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623

Art. 266l–266o 35

Ebenso bedarf jedes andere Rechtsgeschäft, welches die Rechte an den Wohn­ räumen der Familie beschränkt (z.B. die Untervermietung vgl. N 13 zu Art. 262 OR), der ausdrücklichen Zustimmung des anderen Ehegatten (Art. 169 Abs. 1 ZGB).

36

Diese Ausführungen (N 15 bis 16) sind sinngemäss auch anwendbar auf das Mietverhältnis über eine gemeinsame Wohnung von registrierten gleichgeschlechtlichen Partnern gemäss Art. 14 PartG (vgl. N 33).

3.4

Verspätete Zustimmung

37

Nicht nur die Kündigung als solche, sondern auch die Zustimmung des Ehe­ gatten muss dem Vermieter rechtzeitig zugehen (vgl. dazu N 9 zu Art. 266a OR). Wird die Zustimmung nicht gleichzeitig mit der Kündigung erklärt, so kann sie noch bis zum Beginn der Kündigungsfrist nachgebracht werden. Trifft sie verspätet ein, so ist der Vermieter frei, ob er die Kündigung auf den erstge­ nannten Kündigungstermin noch entgegennehmen will oder nicht. Im zwei­ ten Fall gilt die Kündigung auf den nächstmöglichen Termin (Art. 266a Abs. 2 OR; gl.M. Higi, ZK, N 23 zu Art. 266m bis 266n OR; Schwander, BSK ZGB I, N 18 zu Art. 169 OR, m.w.H.; MfdP/Thanei, N 25.8.3). Die nach Beginn des (Kündigungs-)Fristenlaufes erteilte Zustimmung des Ehegatten heilt den ursprünglichen Formmangel mit der Wirkung, dass die Kündigung auf den unter Beachtung der Kündigungsfrist nächstmöglichen Termin gültig ist (vgl. Art. 266a Abs. 2 OR). Unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchsverbotes ist der Vermieter grundsätzlich nicht gehalten, den Mieter auf die nicht rechtzeitig erfolgte Zustimmung des Ehegatten aufmerksam zu machen. Unterlässt er dies, so können ihm in der Regel daraus keine Rechtsnachteile erwachsen.

38

Diese Ausführungen sind sinngemäss auch anwendbar auf das Mietverhält­ nis über eine gemeinsame Wohnung von registrierten gleichgeschlechtlichen Partnern gemäss Art. 14 PartG (vgl. N 68).

3.5 39

Zustimmung durch den Richter

Art. 266m Abs. 2 OR weist denselben Wortlaut auf wie Art. 169 Abs. 2 ZGB. Verweigert der Ehegatte seine Zustimmung zur Kündigung, so hat der Rich­ ter auf Ersuchen des anderen Ehegatten zu entscheiden, ob die Zustimmung zu erteilen ist oder nicht. Der Richter wägt hier die allenfalls gegenläufigen Interessen nach freiem Ermessen (Art.  4 ZGB) ab (Schwander, BSK ZGB I, N 19 zu Art. 169 OR). Stellt er fest, dass die Zustimmung zur Kündigung der 624

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Art. 266l–266o

Familienwohnung zu Unrecht verweigert wurde, so tritt der richterliche Entscheid anstelle der verweigerten Zustimmung des Ehegatten. Diese Zustim­ mung bzw. der richterliche Entscheid kann nicht rückwirkend erfolgen, son­ dern bildet Teil der gemeinsam zu erklärenden Kündigung und kann daher nur für die Zukunft – ex nunc – erfolgen. Mit Eintritt der Rechtkraft des richterli­ chen Entscheides und Zustellung an den Vermieter beginnt mit anderen Wor­ ten die Kündigungsfrist zu laufen (Hulliger/Heinrich, CHK, N 7 zu Art. 266l–o OR; a.M. Weber, BSK, N  5 zu Art.  266m/266n OR, der die Auffassung ver­ tritt, die Kündigung wirke ex tunc. Diese Ansicht übersieht, dass das Verfah­ ren unter Umständen mehrere Monate dauern kann mit der Folge, dass der Vermieter in dieser Phase im Ungewissen ist, ob die ausgesprochene Kündi­ gung Wirkung zeitigte oder nicht; unternimmt er in der Phase, in welcher die Kündigung in der Schweb ist, hinsichtlich der Wiedervermietung nichts, setzt er sich dem Vorwurf aus, die Schadensminderungspflicht verletzt zu haben. Bemüht er sich um die Wiedervermietung, weiss der Vermieter nicht, auf wel­ chen Termin er die Wohnung vermieten kann. Das gilt jedenfalls dann, wenn der zustimmungsverweigernde Ehegatte das Mietobjekt weiterhin nutzt. Für die Wirkung der Kündigung gestützt auf den richterlichen Entscheid, der die Zustimmung des anderen Ehegatten ersetzt, ist Art. 266a Abs. 2 OR anwendbar. Ziehen die Ehegatten trotz verspäteter Zustimmung vorzeitig aus und geben sie das Mietobjekt zurück, beurteilen sich die Folgen nach Art. 264 OR. Der Richter entscheidet im summarischen Verfahren (Art. 271 Buchst. c ZPO). 40 Diese Ausführungen sind sinngemäss auch anwendbar auf das Mietverhältnis 41 über eine gemeinsame Wohnung von registrierten gleichgeschlechtlichen Part­ nern gemäss Art. 14 PartG (vgl. N 68).

3.6

Sofortige Wirksamkeit der Kündigung als Ausnahmefall

Nach Art. 166 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB kann ein Ehegatte für die Bedürfnisse der 42 Familie die eheliche Gemeinschaft vertreten, wenn das Interesse der ehelichen Gemeinschaft keinen Aufschub des Geschäftes duldet und der andere Ehegatte wegen Krankheit, Abwesenheit oder ähnlichen Gründen nicht in der Lage ist, die erforderliche Zustimmung abzugeben. In Ausübung dieser sogenannten Notstandsvertretungsbefugnis kann somit der eine Ehegatte ohne Zustim­ mung des anderen kündigen (Hulliger/Heinrich, CHK, N 7 zu Art. 266l–o OR; gemäss Higi, ZK, N 29 zu Art. 266m–n OR, soll dies nur in seltenen Ausnah­ mefällen gelten). Die Kündigung ist bei dieser besonderen Sachlage auch dann

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625

Art. 266l–266o

gültig, wenn im Vertrag der vertretene Ehegatte als Mieter aufgeführt ist. Ein solcher Fall liegt z.B. vor, wenn der Ehegatte kurz vor Beginn der Kündigungs­ frist durch Unfall oder Krankheit dauernd pflegebedürftig und urteilsunfähig wird (ebenso Weber, BSK, N 5 zu Art. 266m/266n OR, m.w.H.). Um allfällige Missverständnisse vorzubeugen, sollte der Mieter schon im Kündigungsschrei­ ben auf seine Notstandsvertretungsbefugnis hinweisen. 43

Diese Ausführungen sind sinngemäss auch anwendbar auf das Mietverhältnis über eine gemeinsame Wohnung von registrierten gleichgeschlechtlichen Part­ nern gemäss Art. 14 PartG (Art. 15 Abs. 2 Buchst. b PartG; vgl. auch N 68 f.).

4.

Kündigung Familienwohnung durch Vermieter

4.1

Geltungsbereich und Inhalt

44

Unabhängig davon, ob nur ein Ehegatte oder beide Mieter sind, müssen alle Erklärungen des Vermieters, die eine Beendigung des Mietverhältnisses über eine Familienwohnung bezwecken, den Ehegatten separat zugestellt werden. Beiden Ehegatten muss also ein Kündigungsformular zugesandt werden. Dies gilt sowohl für die ausserordentliche Kündigung nach Art. 257d Abs. 2 OR (Zahlungsrückstand des Mieters), nach Art. 257f Abs. 3 und 4 OR (mangelnde Sorgfalt und Rücksichtnahme) und nach Art. 261 Abs. 2 Buchst. a OR (Kün­ digung des Erwerbers der Mietsache infolge dringenden Eigenbedarfs) als auch für die ausserordentlichen Kündigungen gemäss Art. 266g-266i OR.

45

Die Ansetzung einer Zahlungsfrist mit Kündigungsandrohung i.S.v. Art. 257d Abs. 1 OR hat ebenfalls getrennt an beide Ehegatten zu erfolgen. Die Fälle, in denen der Vermieter zur separaten Zustellung verpflichtet ist, sind in Art. 266n OR abschliessend aufgezählt. Bei Verletzung der Pflicht zu Sorgfalt und Rück­ sichtnahme hat eine Abmahnung i.S.v. Art. 257f Abs. 3 OR daher nur an den mietenden Ehegatten und nicht an beide getrennt zu erfolgen (vgl. N  58 zu Art. 257f OR).

46

Der Vermieter trägt das postalische Zustellrisiko seiner Kündigung (sowie weiterer Willenserklärungen, z.B. ein Mahnschreiben). Übergibt der Postbe­ amte die Postsendung mit der Kündigung oder dem Mahnschreiben nicht dem Adressaten direkt, so hängt die Frage, ob die Zustellung tatsächlich erfolgt ist, davon ab, ob der effektive Empfänger der Sendung zur Entgegennahme die­ ser Sendung ermächtigt war oder nach der Verkehrsauffassung als befugt und geeignet anzusehen war, die Erklärung in Empfang zu nehmen (BGE 118 II

626

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Art. 266l–266o

44, E. 3b). Liegt eine solche Empfangsermächtigung bzw. -berechtigung nach den Umständen nicht vor und leitet der Empfänger der Sendung diese nicht an den Adressaten weiter, so gilt die Sendung – trotz Vorliegens eines klaren postalischen Fehlers (Zustellung an einen Unberechtigten)  – als nicht zugestellt (BGE 118 II 42), und die empfangsbedürftige Willenserklärung entfaltet keine Wirkungen. Will der Absender dieses Risiko vermeiden, so hat er seine Willenserklärungen mit dem taxpflichtigen Zustellungsvermerk «eigenhändig» zu versehen, womit die Aushändigung durch den Postbeamten ausschliesslich an den Adressaten erfolgen darf (BGE 118 II 45, E.  3b). Gemäss bundesge­ richtlicher Rechtsprechung sind Ehegatten, die in einer gemeinsamen Woh­ nung wohnen, «als zum Empfang berechtigt und geeignet zu betrachten [sind]» (BGE 118 II 44, E. 3b). Dieser Auffassung ist zuzustimmen (vgl. N 5 Vorbem. zu Art.  266–266o OR). Leitet somit der eine Ehegatte die an seinen Partner adressierte Postsendung mit dem Kündigungsformular nicht an diesen weiter und erlangt Letzterer daher keine Kenntnis von der Kündigung, ändert dies an der Gültigkeit der Kündigung nichts (Weber, BSK, N 6 zu Art. 266m/n OR). Ist dem Vermieter die neue Adresse des ausziehenden Ehegatten nicht bekannt 47 gegeben worden, so reicht es aus, wenn der Vermieter die Kündigung an die Adresse des aufzulösenden Mietverhältnisses sendet. Mit dem Eingang im Empfangsbereich des Mieters ist die Kündigung gültig ausgesprochen, unab­ hängig davon, ob der Adressat vom Inhalt der Kündigung Kenntnis genom­ men hat (BGE 118 II, E. 3a, S. 44). Da der Mieter dem Vermieter vor seinem Wegzug aus der Familienwohnung die neue Adresse nicht mitgeteilt hat, muss er auch die Folgen von allfälligen Zustellfehlern selber tragen.

4.2

Zweck der Bestimmung

Die separate Zustellung der Kündigung soll gewährleisten, dass auch der Ehe­ 48 gatte des Mieters seine Rechte gemäss Art. 273a OR wahrnehmen kann. Diese Ausführungen (N 44–N 47) sind sinngemäss auch anwendbar auf das 49 Mietverhältnis über eine gemeinsame Wohnung von registrierten gleichge­ schlechtlichen Partnern gemäss Art. 14 PartG (vgl. N 68).

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627

Art. 266l–266o

5. Nichtigkeit 5.1

Wesen der Nichtigkeit

50

Hält die kündigende Partei die Formvorschriften der Art. 266l–266n OR nicht ein, ist die Kündigung nichtig. Nichtigkeit bedeutet, dass die Kündigung ohne Rechtswirkung bleibt. Rechtlich wird sie so behandelt, als ob sie überhaupt nicht ausgesprochen worden wäre. Der Richter hat die Nichtigkeit überdies von Amtes wegen zu prüfen, ohne dass es dazu eines besonderen Vorbringens der Parteien bedarf. Unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauches braucht der Empfänger einer nichtigen Kündigung kein Verfahren zur Feststellung der Nichtigkeit anzustrengen. So kann sich z.B. der Mieter selbst im Ausweisungsverfahren noch auf die Nichtigkeit der Kündigung berufen (ZPM 2/93, Nr. 14).

51

Im Gegensatz dazu steht die anfechtbare Kündigung (Art. 271 und 271a OR), bei welcher der Kündigungsempfänger innert 30 Tagen nach deren Empfang ein Anfechtungsbegehren einreichen muss, widrigenfalls die Kündigung gül­ tig ist (vgl. N 57 Vorbem. zu Art. 266–266o OR; Weber, BSK, N 3 zu Art. 266o OR, m.w.H.). Eine ausserordentliche Kündigung i.S.v. Art.  266g OR kann zudem unwirksam sein (vgl. zum Begriff der unwirksamen Kündigung N 59 zu Art. 266l–266o OR; MRA 5/96, S. 210 ff.).

5.2 52

Formrichtige Wiederholung einer nichtigen Kündigung

Ist eine Kündigung formnichtig, so hat die kündigende Partei ohne Weiteres das Recht, den Formfehler zu berichtigen und der Gegenpartei eine erneute, den gesetzlichen Formerfordernissen entsprechende Kündigung zuzustellen (gl.M. Higi, ZK, N 16 zu Art. 266o OR). Dieses Nachreichen der Kündigung kann jedoch unter Umständen zur Folge haben, dass sich der Kündigungs­ zeitpunkt gegenüber der ersten, unwirksamen Kündigung verschiebt. Beispiel: Eine Kündigung kann unter Einhaltung einer dreimonatigen Frist jeweils auf Ende März oder Ende September ausgesprochen werden. Der Vermieter hat dem Mieter am 5. Juni 2015 die Kündigung in einem gewöhnlichen Brief auf den 30. September 2015 erklärt. Am 7. Juli 2015 wiederholt er unter Hinweis auf den zwischenzeitlich entdeckten Formfehler und unter Verwendung des amtlichen Formulars die Kündigung auf den 30. September 2015. Diese Kün­ digung ist im Gegensatz zur vorangegangenen formrichtig, doch hält sie die Kündigungsfrist nicht ein. Entsprechend Art. 266a Abs. 2 OR entfaltet sie Wir­ kung auf den 31. März 2016. Gleiches gilt im Falle einer formnichtigen Kündi­ gung seitens des Mieters. 628

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Art. 266l–266o

Ist zweifelhaft, ob die erste Kündigung formnichtig war, kann eine zweite form­ 53 gültige Kündigung vorsorglich ausgesprochen werden für den Fall, dass die erste nicht formgültig ausgesprochen worden sein sollte. Trotz grundsätzlicher Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungserklärungen tangiert der mit der vorsorglich wiederholten Kündigung erwähnte Vorbehalt die Gültigkeit der Kündigung nicht (vgl. N 14 Vorbem. zu Art. 266–266o OR). Hat der Mieter bei einer formnichtigen Kündigung ein Anfechtungsverfah­ 54 ren angestrengt, so fällt während dessen Dauer die formrichtige Wiederholung der Kündigung nicht unter den Anfechtungstatbestand des Art.  271a Abs.  1 Buchst. d OR (MfdP/Thanei, N 29.3.2.5.2). Gleiches gilt, wenn die formrichtige Wiederholung der Kündigung nach Fest­ 55 stellung der Nichtigkeit der ersten (formnichtigen) durch die Schlichtungs­ behörde oder den Richter erfolgt. Diesfalls ist der Anfechtungstatbestand des Art. 271a Abs. 1 Buchst. e OR (dreijähriger Kündigungsschutz) nicht anwend­ bar (Weber, BSK, N 6 zu Art. 266o OR).

5.3 Anwendungsfälle Die mit der Nichtigkeit einer Kündigung verbundene rigorose Rechtsfolge 56 kann nur in den Fällen eintreten, bei welchen die Mangelhaftigkeit offensichtlich ist, d.h. in erster Linie bei Formfehlern (Art. 266l–266n OR). Kündigungen sind indessen nicht allein bei Missachtung von formellen Vor­ 57 schriften nichtig. Ein Nichtigkeitsgrund liegt auch vor, wenn bei einer Mehr­ heit von Vermietern oder Mietern die Kündigung nicht von allen Beteilig­ ten ausgesprochen oder nicht an alle gerichtet wurde (vgl. N 33 f. Vorbem. zu Art. 266–266o OR). Sodann kann bei der Veräusserung einer Liegenschaft der Erwerber eine Kündigung gestützt auf Art. 261 Abs. 2 OR erst erklären, nach­ dem er als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wurde (BGE 108 II 192), wobei die Grundbuchanmeldung mit Eintrag im Tagebuch genügt (Art. 948 Abs. 1 i.V.m. Art. 972 ZGB); kündigt der Erwerber vor dem Eigentumsüber­ gang, ist die Kündigung nichtig. Nichtig sind sodann Kündigungen, die nicht vom Vermieter oder vom Mieter 58 ausgesprochen wurden bzw. nicht an den Vermieter oder an den Mieter gerich­ tet sind. Zulässig ist jedoch, dass der Vermieter das Recht zur Kündigung auf einen Dritten überträgt, der die Kündigung dann in dessen Namen ausspre­ chen kann (z.B. Kündigung durch die Liegenschaftenverwaltung). Im Allge­ meinen wird bei dieser Kündigung – beim Absender – auf das Vertretungsver­

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629

Art. 266l–266o

hältnis hinzuweisen sein. Ist dem Mieter aber bekannt, dass die Liegenschaft von der Verwaltung betreut wird oder musste ihm dies aufgrund der Umstände bekannt sein, ist der Hinweis auf das Vertretungsverhältnis nicht nötig; solches verlangt auch Art. 9 VMWG nicht.

5.4

Unwirksame Kündigung

59

Eine unwirksame Kündigung ist vor allem bei den ausserordentlichen Kündigungen aktuell. Eine Unwirksamkeit liegt vor, wenn die gesetzlichen oder ver­ traglichen Voraussetzungen einer ausserordentlichen Kündigung nicht erfüllt sind (grundlegend zum Begriff der nichtigen und unwirksamen Kündigung: BGE 121 III 156, E. 1c, in: MRA 4/95, S. 202 f. und 122 III 92, E. 2d, worin das Bundesgericht von einer unwirksamen Kündigung dann ausgeht, wenn die materiellen Voraussetzungen fehlen; HAP-Immobiliarmietrecht/Hofstet­ ter, Rz. 3.6; a.M. Weber, BSK, N 2 und 4 zu Art. 266o OR, der die «unwirk­ same» Kündigung als Synonym der nichtigen Kündigung betrachtet).

60

Die unwirksame Kündigung ist – gleich wie die nichtige – für alle Betroffenen unbeachtlich. Der Empfänger der Kündigung muss demzufolge nichts unter­ nehmen, also die unwirksame Kündigung auch nicht gestützt auf Art. 271 OR und Art. 271a OR anfechten. Er «kann vielmehr warten, bis die Gegenpartei zum Vollzug des von ihr beanspruchten Rechtes schreitet» (BGE 122 III 92, E. 2d). Der Richter hat von Amtes wegen zumindest vorfrageweise zu prüfen, ob eine Kündigung mängelfrei, also wirksam ist (Higi, ZK, N 134 zu Vorbem. zu Art. 266–266o OR; BGE 122 III 92, E. 2c).

61

Unterlässt der Mieter die Anfechtung der Kündigung, obwohl sie seines Erach­ tens gegen Art. 271 OR (Treu und Glauben) und/oder Art. 271a OR verstösst, ist er später mit diesem Einwand ausgeschlossen (BGE 121 III 156, E. 1c/aa). Die Pflicht zur Anfechtung besteht auch dann, wenn die Kündigung auf einem offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Motiv beruht (BGE 133 III 175).

62

Für Beispiele von unwirksamen/nichtigen Kündigungen siehe Weber, BSK, N 4 zu Art.  266o OR; entgegen der Auffassung Webers erweist sich eine Kündi­ gung, die vor der Übergabe des Mietobjektes an den Mieter ausgesprochen wird, allerdings nicht als nichtig oder unwirksam, sofern der Vermieter dem Mieter die Mietsache zur Verfügung hält (BGE 127 III 548, E. 3).

630

Jürg P. Müller

Art. 266l–266o

6.

Kündigung Dienstwohnung

6.1

Begriff der Dienstwohnung

Zu besonderen Fragen Anlass geben die sogenannten Dienstwohnungen; d.h. 63 solche Wohnungen, die einem Arbeitnehmer für die Dauer seines Arbeits­ verhältnisses überlassen werden (z.B. Wohnung des vollamtlichen Hauswarts einer Überbauung; Wohnung des Portiers oder des Nachtwächters, Wohnung des Betriebsleiters; vgl. auch Cocchi, Dienstwohnung; zum gemischten Miet-/ Arbeitsvertrag: Higi, ZK, N 189 zu Vorbem. zu Art. 260–266o OR; vgl. zum Begriff der Dienstwohnung und zum Hauswartvertrag auch N 48 ff. zu Vorbem. zu Art. 253–273c OR und ZMP 3/91, Nr. 35; Biber: die Anwendung mietrecht­ licher Bestimmungen auf gemischte Verträge, in: mp 1/14, S.  1  ff./3 und 23, worin die Autorin den Dienstwohnungsvertrag als Mietvertrag mit typenfrem­ der anderer Hauptleistung qualifiziert). In der Praxis werden für solche Dienst­ wohnungen zumeist keine separaten Mietverträge abgeschlossen, sondern die Abreden über Inhalt und Nutzung der Dienstwohnung findet sich im Arbeits­ vertrag selbst. Der Arbeitsvertrag enthält dann zusätzlich eine mietrechtliche Komponente (vgl. BGE 131 III 566, E. 3.1, in: mp 1/06, S. 22 ff.). Solche Vertragsbeziehungen sind nach Massgabe des die Vertragsbeziehung 64 dominierenden Arbeitsverhältnisses kündbar (BGE 131 III 566, E. 3.1). Liegt der Hauswartlohn betragsmässig über dem Mietzins, überwiegt das arbeits­ rechtliche Element (Urteil des Bundesgerichts 4A_102/2013 vom 17. Oktober 2013, E. 2.2, in: mp 1/14, S. 32 ff., m.w.H.). Die mietrechtlichen Kündigungs­ fristen gelangen in diesem nicht zur Anwendung. Ebenso sind auf solche Kün­ digungen auch die Formvorschriften von Art. 266l–266n OR nicht anwendbar; die Verwendung des amtlichen Formulars ist mithin nicht erforderlich (gl.M. Higi, ZK, N 205 zu Vorbem. zu Art. 266–266o OR). Zur Frage der Erstreckbarkeit solcher Mietverhältnisse vgl. N 3 zu Art. 272 OR. 65

6.2

Kombinierte Kündigung Arbeits- und Mietvertrag

Zulässig ist indes auch, für das Arbeits- und Mietverhältnis je separate Ver­ 66 träge abzuschliessen und diese dann insoweit miteinander zu verknüpfen bzw. zu koppeln, dass mit der Auflösung des einen auch der andere endigt (vgl. dazu auch ZMP 1/91, Nr. 2 und SJZ 88 (1992), S. 295, Nr. 4). Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses stellt hinsichtlich des Fortbestandes bzw. der Auflö­ sung des Mietverhältnisses diesfalls eine Resolutivbedingung dar. Solche Ver­

Jürg P. Müller

631

Art. 266l–266o

knüpfungen sind zulässig. Kündigungen des Arbeitsverhältnisses führen dann gleichzeitig zur Auflösung des Mietvertrages, ohne dass damit eine Kündigung des Mietverhältnisses noch erforderlich wäre. Die Formvorschriften gemäss Art. 266l-266n OR sind nach der hier vertretenen Auffassung nicht zu beachten (a.M. Higi, ZK, N 222 zu Vorbem. zu Art. 253–274g OR, der in dieser Konstel­ lation ein nichtiges Koppelungsgeschäft erblickt, sofern mit der Auflösung des Arbeitsvertrages die mietrechtlichen Kündigungs- bzw. Kündigungsschutzbe­ stimmungen [Fristen und Formen] nicht eingehalten werden). Dieser Auffas­ sung kann nicht zugestimmt werden, weil das Verbot von Koppelungsgeschäf­ ten nur verhindern soll, dass der Mietvertrag als «Köder» für den Abschluss eines anderen, mit dem Gebrauch der Mietsache nicht zusammenhängenden Geschäftes dienen soll (vgl. zu Art. 254 OR). Soweit aber im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis auch ein Dienstwohnverhältnis zu regeln ist, kann kein unerlaubtes Koppelungsgeschäft vorliegen. 67

Dominieren demgegenüber die Mietvertragsbestimmungen diejenigen des Arbeitsvertrages, was z.B. bei einer nebenamtlichen Hauswartstelle anzuneh­ men ist (gl.M. wohl MfdP/Püntener, N 2.3.2), hat die Kündigung unter Beach­ tung der mietrechtlichen Vorschriften zu erfolgen (so auch Higi, ZK, N 194 ff. zu Vorbem. zu Art. 266–266o OR). Die Verwendung des amtlichen Formulars ist dann Gültigkeitsvoraussetzung. Daneben hat der Vermieter und Arbeitge­ ber bei einer Mieterkündigung auf der Beibringung der Zustimmung des Ehe­ gatten oder eingetragenen Partners gemäss Art. 266m OR zu bestehen.

7. 68

Kündigung gemeinsame Wohnung nach Partnerschaftsgesetz

Gestützt auf das Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichge­ schlechtlicher Paare (Partnerschaftsgesetz PartG) vom 18. Juni 2004, welches am 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist, geniessen die gleichgeschlechtlichen Paare denselben Kündigungsschutz wie verheiratete Paare. So sind Kündi­ gungen durch den Vermieter sowie die Ansetzung einer Zahlungsfrist mit Kün­ digungsandrohung den Partnern je mit separater Post zuzustellen (Art. 266n OR). Ebenfalls stehen beiden Partnern das Recht zur Anfechtung der Kündigung durch den Vermieter und das Erstreckungsrecht zu, unabhängig davon, ob der Partner Partei des Mietvertrages ist oder nicht (Art. 273a Abs. 3 OR).

632

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Art. 266l–266o

Demgegenüber kann ein/e registrierte/r Partner/in ohne die ausdrückliche Zustimmung des anderen die gemeinsame Wohnung nicht kündigen (Art. 14 PartG und Art. 266m Abs. 3 OR).

69

Die Ausführungen zu den Besonderheiten bei der Kündigung von Famili- 70 enwohnungen (vgl. N 24 ff.) sind aufgrund der Ausgestaltung des Status des registrierten gleichgeschlechtlichen Partners sinngemäss auch anwendbar auf Mietverhältnisse, welche mit solchen Personen über eine gemeinsame Woh­ nung gemäss Art. 14 PartG abgeschlossen werden.

Jürg P. Müller

633

Jürg P. Müller

Art. 267–267a Art. 267 O. Rückgabe der Sache I.

Im Allgemeinen

1 Der Mieter muss die Sache in dem Zustand zurückgeben, der sich aus dem

vertragsgemässen Gebrauch ergibt. 2 Vereinbarungen,

in denen sich der Mieter im Voraus verpflichtet, bei Beendigung des Mietverhältnisses eine Entschädigung zu entrichten, die anderes als die Deckung des allfälligen Schadens einschliesst, sind nichtig. O.

Restitution de la chose

I.

En général

1 A

la fin du bail, le locataire doit restituer la chose dans l’état qui résulte d’un usage conforme au contrat.

2 Est nulle toute convention conclue avant la fin du bail et prévoyant que le locataire devra

verser une indemnité destinée à couvrir autre chose qu’un dommage éventuel.

O.

Restituzione della cosa

I.

In genere

1 Il

conduttore deve restituire la cosa nello stato risultante da un uso conforme al con­ tratto.

2 Sono nulle le stipulazioni che obbligano anticipatamente il conduttore a pagare, alla fine

della locazione, un’indennità che non sia destinata soltanto a garantire la copertura del danno eventuale.

Art. 267a II. Prüfung der Sache und Meldung an den Mieter 1 Bei

der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.

634

Jürg P. Müller

Art. 267–267a 2 Versäumt dies der Vermieter, so verliert er seine Ansprüche, soweit es sich

nicht um Mängel handelt, die bei übungsgemässer Untersuchung nicht erkennbar waren.

3 Entdeckt

der Vermieter solche Mängel später, so muss er sie dem Mieter sofort melden.

II.

Vérification de l’état de la chose et avis au locataire

1 Lors

de la restitution, le bailleur doit vérifier l’état de la chose et aviser immédiatement le locataire des défauts dont celui-ci répond.

2 Si le bailleur néglige de le faire, le locataire est déchargé de toute responsabilité, à moins

qu’il ne s’agisse de défauts qui ne pouvaient pas être découverts à l’aide des vérifications usuelles.

3 Si le bailleur découvre plus tard des défauts de ce genre, il doit les signaler immédiate­ ment au locataire.

II.

Verifica della cosa e avviso al conduttore

1 Al

momento della restituzione, il locatore deve verificare lo stato della cosa e, se vi sco­ pre difetti di cui il conduttore deve rispondere, dargliene subito notizia.

2 Diversamente,

il conduttore è liberato dalla sua responsabilità, salvo che si tratti di difetti irriconoscibili mediante l’ordinaria verifica.

3 Se

il locatore scopre più tardi difetti di questo tipo, deve darne subito notizia al condut­ tore.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter der Norm, intertemporales Recht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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2. Rückgabe der Mietsache .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Rückgabehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Ort der Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Zeitpunkt der Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Zustand der Mietsache bei der Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.5 Fehlende Schlüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.6 Durchsetzung des Rückgabeanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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3. 3.1

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Haftung des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Abnützungen infolge vertragsgemässen Gebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 267–267a 3.2

Beschädigung und Zerstörung durch Dritte und infolge Zufall oder höherer Gewalt.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.3 Veränderungen der Mietsache durch den Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.4 Umfang Schadenersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.5 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.6 Entschädigungsvereinbarungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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4. Prüfungs- und Meldepflicht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.1 Rügefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.2 Form der Rüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.3 Inhalt der Rüge .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.4 Verdeckte Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.5 Folgen der fehlenden oder fehlerhaften Rüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.6 Schlussabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter der Norm, intertemporales Recht

Art. 267 Abs. 1 OR und 267a OR sind zu den relativ zwingenden Normen zu 1 zählen (gl.M. Higi, ZK, N  8 zu Art.  267 OR; Roncoroni, zwingende Bestim­ mungen II, in: mp 2/06, S. 69). Sie können nicht zuungunsten des Mieters abge­ ändert werden, da sie ihm einen Mindestschutz verleihen. Art. 267 Abs. 2 OR ist der Parteiautonomie gänzlich entzogen. Abweichende Vereinbarungen sind unverbindlich. Nach dem bis 30.  Juni 1990 geltenden Recht musste der Vermieter bei der 2 Rückgabe der Mietsache Instandstellungsarbeiten, die sich aus der vertragsge­ mässen Abnützung ergaben, selbst tragen (Art. 271 Abs. 2 aOR). Diese Bestim­ mung war zwingend (Art. 5 BMM). Da die Art. 267 OR und 267a OR diese Grundsätze im Wesentlichen übernehmen, ergeben sich diesbezüglich keine intertemporalrechtlichen Probleme. Hinsichtlich der Vermutung von Art. 271 Abs. 3 aOR über den Zustand des Mietobjektes bei Übergabe gilt hingegen Fol­ gendes: Wurde dem Mieter das Mietobjekt vor dem Inkrafttreten des geltenden Rechtes übergeben, so entstand die Vermutung auch zu diesem Zeitpunkt und wurde wirksam. Falls die Sache deshalb vor dem 1. Juli 1990 übergeben wurde, hat die Vermutung unverändert Bestand. In diesen Fällen ist also nach wie vor der Mieter dafür beweispflichtig, dass der Mangel schon bei Mietantritt vor­ handen war (gl.M. ZMP 3/92, Nr. 27).

1.2 Anwendungsbereich Die Rückgabe sämtlicher Mietobjekte richtet sich nach den Bestimmungen von Art. 267 OR und 267a OR, unabhängig davon, ob das Mietverhältnis befristet oder unbefristet war oder ob es sich um eine bewegliche oder unbewegliche Sache handelt.

2.

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Rückgabe der Mietsache

2.1 Rückgabehandlung Rückgabe der Mietsache bedeutet, dass das Mietobjekt dem Vermieter auch tatsächlich zurückgegeben wird. Dies erfolgt dadurch, dass der Mieter dem

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Vermieter die ausschliessliche Verfügungsgewalt am Objekt überträgt (Kunz Tobias/Wyttenbach Markus, Die Rückgabe der Mietsache, in: mp 3/2016, S. 191). Die Räumung des Mietobjektes mit blosser Offerte zur Rückgabe reicht dazu nicht aus (Urteil des Bundesgerichts 4A_220/2008 vom 7. August 2008, E. 3, im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Rückgabe der Mietsache gemäss Art. 264 OR). Solange der Mieter noch (Mit-)Besitz an der Sache hat, ist die Rückgabe nicht erfolgt. Kommt der Mieter seiner Rückgabepflicht nicht recht­ zeitig nach, gerät er ohne Weiteres in Verzug, da der vertraglich definierte Rückgabetermin ein Verfalltag (Art. 102 Abs. 2 OR) ist. Ein Recht auf Anset­ zung einer Nachfrist steht dem Mieter nicht zu, da sich aus dem Mietvertrag regelmässig die Absicht der Parteien ergibt, dass die Rückgabe spätestens bei Beendigung des Mietverhältnisses erfolgen soll (Art. 108 Ziff. 3 OR; Im Grund­ satz zustimmend, jedoch differenziert: HAP-Immobiliarmietrecht/Schwanin­ ger, Rz. 10.149/10.150). Das gilt schon deshalb, weil ein Mietobjekt in der Regel ohne Verzug einem Nachfolgemieter zu übergeben ist und von daher nicht mit der Einräumung einer Nachfrist zur nachträglichen Erfüllung gerechnet wer­ den darf (zustimmend Higi, ZK, N 60 zu Art. 267 OR; a.M. Mfdp/Zahradnik, N  31.7.6, unter Hinweis auf die Schadensminderungspflicht des Vermieters, die es gebieten soll, dem Mieter die Möglichkeit einzuräumen, die zu erledi­ genden Arbeiten kostengünstiger ausführen zu können, was vor allem im Falle der ungenügenden Reinigung der Fall sein soll; a.a.O., Ziff. 31.7.2). 5

Die typische Rückgabehandlung stellt die Übergabe sämtlicher noch verfüg­ barer Schlüssel an den Vermieter dar (vgl. dazu N 24). Räumt der Mieter das Miet­objekt, gibt er aber nicht sämtliche Schlüssel zurück, ist die Rückgabe nicht erfolgt (Urteil des Bundesgerichts 4A_220/2008 vom 7.  August 2008, E.  3). Das gilt auch für Schlüssel von Nebenobjekten (Garage, Abstellräume usw.). Der Mieter haftet diesfalls für die Folgen der nicht rechtzeitigen Rückgabe des Miet­objektes. Im Gegenzug ist der Vermieter berechtigt und – im Rahmen sei­ ner Schadensminderungspflicht auch – verpflichtet, die Wiedervermietung des Mietobjektes anhand zu nehmen. Zu diesem Zweck darf er trotz unterlassener Rückgabe das Mietobjekt auch betreten und – nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 422 OR) – sämtliche Vorkehrungen für die Wie­ dervermietung treffen. Hat der Vermieter zu diesem Zweck auch Instandstel­ lungsarbeiten vorzunehmen, sind ihm die dabei anfallenden Kosten, soweit sie infolge nicht vertragsgemässer Nutzung – insbesondere übermässiger Abnüt­ zung entstanden sind – vom Mieter zu ersetzen (Art. 422 Abs. 1 OR).

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Kann der Mieter nicht sämtliche Schlüssel zurückgeben, weil er einen oder mehrere verloren hat, ist bei der Übergabe aller verfügbarer Schlüssel die Rück­

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gabe vollzogen, sofern aus dem Verhalten des Mieters zu schliessen ist, dass er die Wohnung zurückgeben wollte (so auch Urteil des Obergerichts des Kan­ tons Aargau vom 9. Januar 2013, E. 5.3.1.2, in: mp 4/13, S. 302 ff.). Gelegentlich kommt es in der Praxis vor, dass beim Ableben eines Mieters keine 7 Erben vorhanden, solche nicht auffindbar oder unentschlossen sind, die Erb­ schaft anzutreten (Art. 566 ZGB). In solchen Fällen bleibt der Vermieter häufig längere Zeit im Ungewissen, ob die Erben das Mietverhältnis allenfalls fortset­ zen wollen oder nicht. Im Falle, dass die Erben die Ausschlagung der Erbschaft in Erwägung ziehen, kann diese Phase ohne Weiteres mehrere Monate dauern (bis zum Ablauf der 3-monatigen Ausschlagungsfrist gemäss Art. 567 Abs. 1 ZGB und der Möglichkeit der Fristverlängerung nach Art.  576 ZGB). Dem Vermieter kann in solchen Fällen erheblicher Schaden drohen, vor allem bei Mietverträgen, die auf eine Mindestdauer abgeschlossen wurden und vermie­ terseitig somit erst auf den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist kündbar sind. Dennoch bleibt der Vermieter in solchen Fällen grundsätzlich lediglich auf die Möglichkeit der ausserordentlichen Kündigung (insbesondere infolge Zahlungsverzuges, Art. 257d OR) verwiesen. Sind keine Erben auffindbar, ist dem Vermieter das Betreten und die Räumung des Mietobjektes nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag gestattet (Art. 422 OR). Sofern und soweit im Mietobjekt Gegenstände vorgefunden werden, die nicht von vorn­ herein als wertlos bezeichnet werden können, sind diese für eine beschränkte Zeit aufzubewahren (Art. 721 ZGB analog) und dem Nachlass des verstorbe­ nen Mieters zur Verfügung zu halten; meldet sich nach Ablauf der angemes­ senen Aufbewahrungszeit niemand (insbesondere auch nicht die im Falle der konkursamtlichen Nachlassliquidation zuständige Behörde), sind die Sachen als herrenlos zu bezeichnen (als herrenlos gelten gefundene Sachen oder sol­ che, die einem ohne Willen zugegangen sind, vgl. zum Begriff: Trechsel et al., Praxiskommentar StGB, Vorbem. zu Art. 137 StGB, N 4). Dem Vermieter steht diesfalls das Recht zu, darüber frei zu verfügen. Steht fest, dass keine Erben vorhanden sind oder alle Erben die Erbschaft aus­ 8 geschlagen haben, kann der Vermieter die sofortige Räumung des Mietobjektes veranlassen und allfällige Instandstellungsarbeiten in Auftrag geben; weiter steht ihm das Recht zu, die amtliche Liquidation des Nachlasses innerhalb der vom Gesetz auf 3 Monate beschränkten Frist zu verlangen (Art. 594 ZGB), die es ihm ermöglicht, seine offenen Forderungen geltend zu machen.

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2.2 9

Ort der Rückgabe

Fehlt eine besondere Abrede zwischen den Parteien, so ist die Mietsache gemäss Art. 74 Abs. 2 Ziff. 2 OR dort zurückzugeben, wo sie sich beim Ver­ tragsabschluss befand (BGE 48 II 390; gl.M. Higi, ZK, N 46 zu Art. 267 OR). Dies spielt lediglich bei der Miete von beweglichen Sachen eine Rolle.

2.3

Zeitpunkt der Rückgabe

2.3.1 Allgemeines 10

Die Rückgabe hat am letzten Tag des Mietverhältnisses während der üblichen Geschäftszeit zu erfolgen (Art. 79 OR). Diese gesetzliche Regelung ist jedoch nicht zwingender Natur. Im Bereich der Immobiliarmiete haben diverse Inte­ ressenverbände (Hauseigentümer- bzw. Mieterverbände) Vertragsformu­ lare ausgearbeitet, die eine abweichende Lösung enthalten. In den Kantonen Zürich, Aargau, Bern, Glarus, Graubünden, Schwyz, Schaffhausen und Zug hat die Rückgabe z.B. erst am Tag nach Beendigung des Mietverhältnisses zu erfol­ gen. Fällt dieser auf einen Samstag, Sonntag oder einen staatlich anerkannten Feiertag, so hat die Rückgabe am nächstfolgenden Werktag zu erfolgen.

11

Die Rückgabe hat nicht persönlich durch den Mieter zu erfolgen. War die Sache z.B. untervermietet, kann der Mieter die Sache auch durch den Untermieter als seinen Erfüllungsgehilfen zurückgeben lassen. Der Vermieter hat auch diesem gegenüber einen direkten Rückgabeanspruch (BGE 120 II 112, E. 3b/cc/ddd). Für Versäumnisse im Zusammenhang mit der Rückgabe hat der Mieter einzu­ stehen, wie wenn es seine eigenen wären (Art. 101 OR).

12

Da der Rückgabezeitpunkt ein Fixtermin ist, hat der Mieter keinen Anspruch auf eine Nachfristansetzung (Art. 108 Ziff. 3 OR; vgl. N 4).

13

Die Rückgabe stellt eine vertragliche Pflicht des Mieters dar, um die er sich selber zu kümmern hat. Es ist seine Pflicht, nach Beendigung des Nutzungs­ rechts an der Mietsache einen entsprechenden Termin mit dem Vermieter zu vereinbaren; andernfalls gerät er ohne Weiteres in Verzug, da der Rückgabeter­ min ein Fixtermin ist (a.M. Weber, BSK, N 2b zu Art. 267 OR, der – allerdings ohne Begründung – offenbar davon ausgeht, es sei die Pflicht des Vermieters, den Mieter zur Rückgabe aufzufordern).

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2.3.2

Verspätete Rückgabe durch den Mieter

Gibt der Mieter das Mietobjekt nicht rechtzeitig zurück, so hat er zunächst den 14 Vermieter für die Zeit bis zur Rückgabe entsprechend dem bisherigen Mietzins zu entschädigen (BGE 131 III 261, E. 2; 119 II 47, E. 3b/bb; Urteil des Bundes­ gerichts 4C.265/1995 vom 27. Juni 1996, E. 1c; 63 II 372, insbesondere E. 3). Er haftet aber grundsätzlich für den ganzen Schaden, der dem Vermieter infolge der verspäteten Rückgabe entsteht (Art. 103 Abs. 1 OR). Ist z.B. die Mietsache weitervermietet und kann der Nachfolgemieter nicht termingerecht einziehen, so haftet der Vermieter für dessen Schaden (z.B. Kosten für einen Hotelaufent­ halt oder Lagerkosten). Der Vermieter hat jedoch das Recht, Rückgriff auf den fehlbaren Mieter zu nehmen (ZMP 2/92, Nr. 17). Ebenso haftet der Mieter für die Mietzinsdifferenz, wenn der Vermieter die 15 Mietsache einem Nachfolger zu einem höheren Mietzins vermieten konnte bzw. nachweislich hätte vermieten können. Von dieser Schadenersatzpflicht kann sich der Mieter nur befreien, wenn er nachweist, dass ihm am Entste­ hen oder an der Vergrösserung des Schadens kein Verschulden trifft (Art. 97 OR; MfdP/Zahradnik, N 31.4.2). Wird die Mietsache nach Mietende infolge Zufalls (z.B. Feuersbrunst) beschädigt oder zerstört, so haftet der säumige Mie­ ter grundsätzlich auch für diesen Schaden (Art. 103 Abs. 1 OR; vgl. dazu auch Higi, ZK, N 58 zu Art. 267 OR). Er kann sich von dieser Haftung nur befreien mit dem Nachweis, dass ihn an 16 der verspäteten Rückgabe kein Verschulden trifft (Art. 103 Abs. 2 OR). Hier ist etwa an einen alleinstehenden Mieter zu denken, der infolge schwerer Erkran­ kung handlungsunfähig im Spital liegt.

2.3.3

Verweigerung der Rücknahme durch den Vermieter

Weigert sich der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses, die Miet­ 17 sache zurückzunehmen, weil sie z.B. Mängel aufweist oder weil der Mieter vor­ zeitig ausziehen will, so verwirkt er seine Ansprüche auf Ersatz des Verzugs­ schadens (N 14 ff.).

2.4

Zustand der Mietsache bei der Rückgabe

Der Mieter hat die Mietsache im «vertragsgemässen Zustand» und sauber 18 gereinigt zurückzugeben (Ausnahmen: vgl. Higi, ZK, N 90 zu Art. 267 OR und Gerichtspräsidium Rheinfelden, Entscheid vom 1. Oktober 2007, in: mp 1/09, S. 24 ff., das zu Recht darauf hinweist, dass der Vermieter bei der Rückgabe

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keine Reinigung des Mietobjektes verlangen kann, wenn er Sanierungsarbeiten realisieren will). Ist die Mietsache beschädigt und/oder nicht genügend gerei­ nigt, so hat der Mieter für den verursachten Schaden, insbesondere für die Kos­ ten der Nachreinigung aufzukommen (Urteil des Bundesgerichts 4A_388/2013 vom 7. Januar 2014, E. 2.1, in: MRA 4/14, S. 190 f.). Ferner hat er die kleinen Schäden zu beheben (kleiner Unterhalt, vgl. N 10 ff. zu Art. 259 OR). Merk­ blätter der Vermieter sind dann verbindlich, wenn sie Bestandteil des Mietver­ trages bildeten. 19

Nach Art. 271 aOR bestimmte sich der Umfang der Reinigungs- und Instand­ stellungspflicht nach Massgabe des Ortsgebrauches. Dieser hat aber bereits unter dem alten Recht an Bedeutung verloren, da vermehrt auf die in den For­ mularmietverträgen oder in den Merkblättern der Interessenverbände enthal­ tenen Richtlinien abgestellt wurde. Wohl aus diesem Grunde wurde in die­ sem Zusammenhang auf die Wiederaufnahme des Begriffes «Ortsgebrauch» im revidierten Mietvertragsrecht verzichtet. Der «Ortsgebrauch» kann daher einzig noch bei der Auslegung des «vertragsgemässen Zustandes» herangezo­ gen werden und auch nur dann, wenn dies dem Willen der Parteien beim Ver­ tragsabschluss entsprach.

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Der Mieter hat vor seinem Auszug folgende Instandstellungsarbeiten vorzu­ nehmen (dazu auch Higi, ZK, N 92 zu Art. 267 OR): –– sämtliche Nägel- und Dübellöcher sowie andere schadhafte Stellen an den Wänden fachgerecht auszubessern; –– sämtliche Böden, Holzwerk, Kacheln usw. aufzuwaschen; –– Kühlschrank, Tiefkühler, Herd, Dampfabzüge, Backofen, Schränke usw. gründlich zu reinigen; –– die Spannteppiche fachgerecht zu schamponieren; –– sämtliche sanitären Einrichtungen und Armaturen gründlich zu reinigen und insbesondere den Kalk zu entfernen; –– die Fenster und Läden/Lamellenstoren zu reinigen usw.

21

Instandstellungsarbeiten zur Herstellung des vertragsgemässen Zustandes hat der Mieter rechtzeitig auf den Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnis­ ses vorzunehmen. Nach diesem Zeitpunkt ist er nicht mehr berechtigt, solche Arbeiten vorzunehmen, da kein Anspruch auf die Einräumung einer Nachfrist besteht (vgl. N 12 f.). Dasselbe gilt sinngemäss für mieterseitige Änderungen an der Mietsache (Art. 260a OR). Versäumt der Mieter seine diesbezügliche

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Pflicht, kann der Vermieter die erforderlichen Arbeiten auf Kosten des Mieters zu marktüblichen Bedingungen ausführen lassen. Das unter N 21 Ausgeführte gilt sinngemäss auch bezüglich Instandstellungs­ 22 arbeiten und mieterseitigen Änderungen, die von Vorgängern der Mieter aus­ geführt worden sind, sofern der Nachfolgemieter die Instandstellungs- bzw. Rückbaupflicht seines Mietvorgängers übernommen hat bzw. in diese eingetre­ ten ist. Wird bei der vorzeitigen Rückgabe des Mietobjektes mit dem Mietnach­ folger ein neues Vertragsdokument ausgefertigt, was häufig vorkommt, jedoch nicht nötig wäre, ist diese Instandstellungs-/Rückbaupflicht im Mietvertrag mit dem Nachfolger ausdrücklich zu regeln. Andernfalls besteht die Vermu­ tung, wonach der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehende Zustand der «vertragsgemässe» ist (vgl. mp 3/04, S. 153 ff.). Steht dem Vermieter gemäss Mietvertrag das Wahlrecht zu, ob der Mieter die 23 baulichen Veränderungen in den ursprünglichen Zustand zurückführt oder entschädigungslos zu belassen hat, hat der Mieter vor Beginn der Arbeiten dem Vermieter die Möglichkeit zur Abgabe der entsprechenden Wahlerklä­ rung zu geben. Verlangt der Vermieter den Rückbau, sind die Arbeiten bis zum Rückgabezeitpunkt auszuführen.

2.5

Fehlende Schlüssel

Der Mieter hat bei Rückgabe der Mietsache dem Vermieter sämtliche Schlüs­ 24 sel und/oder sonstige Hilfsmittel zur Identifizierung des Zutrittsberechtig­ ten (z.B. «Badges») zurückzugeben. Hat er während des Mietverhältnisses auf eigene Kosten weitere Schlüssel und dergleichen anfertigen lassen, so ist er zur entschädigungslosen Rückgabe auch dieser Exemplare verpflichtet (Urteil des Bundesgerichts 4A_388/2013 vom 7. Januar 2013, E. 2.1, m.w.H., in: MRA 4/14, S. 190 ff.; ebenso MfdP/Zahradnik, N 31.2.2). Händigt der Mieter nicht alle Schüssel bzw. erwähnten Hilfsmittel an den Vermieter aus, so ist dieser berech­ tigt, das ganze Schliesssystem auf Kosten des Mieters ersetzen zu lassen und – z.B. bei elektronischen Identifikationssystemen – dem Mieter weitere Kosten zu verrechnen, soweit diese für die Wiedervermietung nicht ohnehin angefal­ len wären (Ohnehin-Kosten, so auch Urteil des Obergerichts des Kantons Aar­ gau vom 9.1.2013, E. 5.3.1.1, in: mp 4/13, S. 303). Das Gleiche gilt bei Verlust eines Schlüssels während der Mietdauer (vgl. N 37 zu Art. 257f OR).

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2.6

Durchsetzung des Rückgabeanspruchs

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Der Vermieter hat einen vertraglichen Rückgabeanspruch. Ist er zugleich Eigentümer der Mietsache, so kann er sich zusätzlich auf Art. 641 ZGB (Eigentumsanspruch) berufen. Gemäss herrschender Lehre kann der Vermieter sei­ nen Rückgabeanspruch jedoch nicht auf die Regeln des Besitzesschutzes stüt­ zen (Art. 938 ZGB), da der Mieter die Mietsache ursprünglich rechtmässig in Besitz nahm und daher keine «verbotene Eigenmacht» vorliegt (Higi, ZK, N 17 zu Art. 267 OR; Weber, BSK, N 1 zu Art. 267 OR, m.w.H.; a.M. Hulliger/Hein­ rich, CHK, N 4 zu Art. 267–267a OR).

26

Handelt es sich bei der Mietsache um eine unbewegliche Sache (Wohn-, Geschäftsräume, möblierte Zimmer, Einstellplätze, sonstige unbewegliche Sachen und Fahrnisbauten), so kann der Vermieter die Ausweisung des Mieters verlangen. Es steht ihm hierfür der Weg im ordentlichen oder im sum­ marischen Verfahren (Art. 257 i.V.m. Art. 248 Buchst. b ZPO) zur Verfügung.

27

Aktivlegitimiert ist der Vermieter. Ist dieser mit dem Eigentümer der Sache nicht identisch (z.B. im Falle der Untermiete), so konkurriert sein vertraglicher Rückgabeanspruch gegenüber dem Untermieter mit dem dinglichen Eigen­ tumsanspruch des Eigentümers. Der (Unter-)Mieter muss die Sache in erster Linie dem Vermieter zurückgeben, sofern diese nicht gerichtlich mit Beschlag belegt oder die Eigentumsklage gegen ihn erhoben worden ist (von Tuhr/Peter, OR AT I, S. 137).

28

Passivlegitimiert ist der Mieter. Hat dieser die Sachen untervermietet oder einem Dritten überlassen, so kann der Vermieter den Untermieter direkt aus­ weisen lassen (ZR 101 [2002] Nr. 37, S. 129 ff.). Zuständig dafür ist ebenfalls der Richter am Ort der gelegenen Sache, sodass die Ausweisung im selben Ver­ fahren wie gegenüber dem Vertragspartner (Mieter) erfolgen kann (zur ört­ lichen Zuständigkeit bei Ansprüchen des Vermieters gegenüber dem Unter­ mieter BGE 120 II 112, E. 3b/cc, m.w.H.). Vom Ausweisungsbegehren erfasst ist auch der sogenannte Besitzdiener, welcher als verlängerter Arm des Mie­ ters bezeichnet werden kann und weder einen dinglichen noch persönlichen Anspruch gegen den Besitzer auf Überlassung der Sache hat, sich also quasi nur gefälligkeitshalber im Mietobjekt aufhält (vgl. zum Begriff Ernst, BSK ZGB II, N  21  ff. zu Art.  919 ZGB). Dazu gehören insbesondere Familienangehörige des Mieters und Hausangestellte; ferner Bekannte, die sich vorübergehend im Mietobjekt ohne Rechtsanspruch auf Nutzung dort aufhalten usw. (ebenso Weber, BSK, N 3 zu Art. 267 OR, wobei gemäss Weber das Ausweisungsbegeh­ ren des Mieters nur die minderjährigen Kinder umfassen soll, was aber nicht

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einleuchtet, da auch erwachsene Kinder, die während der Ausbildung noch zu Hause wohnen – gleich wie der minderjährige Besitzdiener – keinen rechtli­ chen Anspruch auf Nutzung des Mietobjektes haben. Anders verhält es sich beim Airbnb-Nutzer, der sich regelmässig nicht gefälligkeitshalber, sondern gestützt auf eine vertragliche Absprache (Beherbergungs-/Gastaufnahmever­ trag, Miete usw.; siehe Spirig, Grundsätze der Untermiete und Airbnb, in: mp 2015, S. 16 ff.) mit dem Vermieter/Untervermieter im Mietobjekt aufhält. Der Rückgabeanspruch nach Art.  267 OR ist rein vertraglicher (obligatori­ 29 scher) Natur (Higi, ZK, N 14 zu Art. 267 OR). Bei mehreren Mietern hat der Vermieter daher das Recht, gegen alle oder nur gegen Einzelne von ihnen vor­ zugehen (Art. 544 Abs. 3 OR i.V.m. Art. 143 Abs. 2 OR und 144 Abs. 1 OR). Dies kann vor allem dann von Bedeutung sein, wenn einzelne Mieter bereits nachweislich ausgezogen sind oder das Mietobjekt gar nie angetreten haben und die Räumungsklage daher nur gegen die verbleibenden Mieter anzustren­ gen ist. Nach Auffassung des Zürcher Kassationsgerichts hat der Vermieter für eine 30 erfolgreiche Durchsetzung seines Räumungsanspruches ein Ausweisungsbe­ gehren gegen sämtliche Nutzer des Mietobjektes anzustrengen, da Vollstre­ ckungsmassnahmen (Zwangsräumung) nur gegen jene Personen möglich sind, die auch Partei im Erkenntnisverfahren (Befehlsverfahren) waren (vgl. ZR 101 [2002] Nr. 37, S. 129 ff.). Heikel ist die Situation vor allem bei der ganzen oder teilweisen Untervermietung. Diese – dogmatisch im Grundsatz korrekte – Auf­ fassung des Kassationsgerichtes kann für den Vermieter in der Praxis vor allem dann zu erheblichen Schwierigkeiten führen, wenn er nicht (genau) weiss, wie viele Personen sich in dem gemieteten Objekt aufhalten oder wenn ihm deren Identität nicht bekannt ist. In solchen Fällen wird der Vermieter sämtliche ihm bekannten «Bewohner» in die Ausweisungsklage einbinden müssen. Sollte sich später herausstellen, dass der eine oder andere Beklagte nicht passiv legitimiert ist, wäre dies bei der Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ent­ sprechend zu berücksichtigen (Art. 107 Abs. 1 Buchst. b und f ZPO). Denn sind dem Vermieter die «Bewohner» nicht bekannt, wird dies in der Regel auf eine Pflichtverletzung des Mieters zurückzuführen sein: so hat der Mieter gemäss Art. 262 OR dem Vermieter eine allfällige Untervermietung zur Bewilligung zu unterbreiten. Oder nimmt der Mieter weitere Personen in die Hausgemein­ schaft auf, ohne mit ihnen ein Untermietverhältnis einzugehen, hat er dies dem Vermieter zu melden, sofern es sich nicht bloss um sogenannte Besitzdiener handelt (oben Rz. 28); eine solche Informationspflicht kann sich explizit aus der Definition der maximalen Belegungszahl der Wohnung aber auch aus einer

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Art. 267–267a

separat vereinbarten Pflicht des Mieters zur Information über alle für das Miet­ verhältnis relevanten Tatsachen ergeben.

31

3.

Haftung des Mieters

3.1

Abnützungen infolge vertragsgemässen Gebrauchs

Der Mieter haftet für sämtliche Abnützungen oder Veränderungen, die sich aus dem vertragswidrigen oder unsorgfältigen Gebrauch ergeben (ebenso Kunz/Wyttenbach, Die Rückgabe der Mietsache, in: mp 3/2016, S. 203 f., mit diversen Beispielen aus der Praxis). Für Veränderungen bzw. Abnützung infolge vertragsgemässen Gebrauchs hat er nicht einzustehen; diese sind mit dem Mietzins abgegolten. Der vertragsgemässe Gebrauch ergibt sich aus der Zweckbestimmung sowie aus der Beschaffenheit (insbesondere der Qualität der Ausstattung) der Sache. Hat z.B. ein Vermieter Gewerberäumlichkeiten als Ladenlokalitäten vermietet, so muss er eine stärkere Abnützung des Teppichs in Kauf nehmen, als wenn er diese als Büro ohne Publikumsverkehr vermie­ tet hätte (vgl. N 34).

3.2 32

Beschädigung und Zerstörung durch Dritte und infolge Zufall oder höherer Gewalt

Keine Haftung des Mieters besteht für Zufall oder höhere Gewalt (gl.M. Higi, ZK, N  97 zu Art.  267 OR). Wird z.B. das gemietete Haus durch Feuer oder Wasser zerstört, ohne dass den Mieter ein Verschulden trifft, so haftet er nicht. Gleiches gilt für mutwillige Beschädigungen des Mietobjektes durch Dritte, sofern der Mieter für deren Verhalten nicht aufgrund einer vertraglichen oder gesetzlichen Pflicht (z.B. Kinder und Personen unter seiner Obhut) einzu­ stehen hat. Keine Haftung des Mieters besteht z.B. für mutwillige Beschädi­ gung oder Verunstaltung von Fassade und Fensterscheiben im Rahmen von Sabotagen, Demonstrationen oder durch Einbrecher (z.B. Farbbeutel, zerbro­ chene Scheiben usw.). Der Mieter hat jedoch im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht (Art.  257f Abs.  1 OR) dafür zu sorgen, dass das Mietobjekt nicht Gefahren ausgesetzt wird, die vermieden werden könnten. Die entsprechende Sorgfalts­ pflicht darf nicht streng beurteilt werden. Immerhin ist der Mieter eines Holz­ chalets gehalten, einen betriebsbereiten, ausreichend grossen Feuerlöscher bereitzustellen. Insbesondere bei der Miete von gewerblichen Räumlichkei­ ten ist der Mieter sodann verpflichtet, alles technisch Mögliche und Zumut­

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Art. 267–267a

bare vorzukehren, damit die Folgen eines von ihm nicht verschuldeten Feueroder Wasserschadens nicht zusätzlich durch seine Waren oder Einrichtungen verschlimmert werden (angemessene Schutzmassnahmen). Der Mieter haftet demgegenüber dann für Zufall oder höhere Gewalt, wenn er mit der Rückgabe der Mietsache verschuldeterweise in Verzug ist und diese in dieser Zeitspanne beschädigt oder zerstört wird (Art. 103 Abs. 1 OR; vgl. N 14 ff.).

3.3

Veränderungen der Mietsache durch den Mieter

Es kommt häufig vor, dass ein Mieter Erneuerungen oder Änderungen an der 33 Mietsache vornimmt (vgl. Art. 260a OR; z.B. der Einbau von Schränken, Raum­ trennwände, heruntergehängte Decken, eine erweiterte Telefonanlage, Ersatz von Bodenbelägen, Malerarbeiten usw.). Hat der Vermieter solchen Verände­ rungen nicht zugestimmt, sind sie vom Mieter rechtzeitig bis zur Rückgabe an den Vermieter zu entfernen bzw. zurückzubauen (Art. 260a Abs. 2 e contra­ rio). Dies gilt z.B. auch für andersfarbige Anstriche, die der Mieter vorgenom­ men hat (d.h., der blaue Anstrich in einem Zimmer ist in jedem Fall zu entfer­ nen, es sei denn, der weisse Anstrich lasse sich ohne Mehraufwand durch den Vermieter realisieren). Zur Rechtslage bei bewilligten Veränderungen vgl. die Ausführungen zu Art. 260a OR.

3.4

Umfang Schadenersatzpflicht

Die Schadenersatzpflicht des Mieters für Beschädigungen des Mietobjektes, 34 die auf vertragswidrigen Gebrauch zurückzuführen sind, bemisst sich nach den folgenden Kriterien: Der Mieter hat in der Regel nicht den ganzen Neuwert, sondern den Zustands- 35 wert (vgl. Higi, ZK, N 113 ff. zu Art. 267 OR) der beschädigten Einrichtungen oder Sachen zu ersetzen. Dieser berechnet sich anhand der Lebensdauer der betreffenden Sache oder Einrichtung. Der Mieter haftet somit grundsätzlich nur anteilsmässig. Als Illustration dient das folgende Beispiel: Nach einem siebenjährigen Mietverhältnis müssen die Teppiche infolge über­ 36 mässiger Abnutzung oder Beschädigung ersetzt werden. Geht man davon aus, dass die durchschnittliche Lebensdauer der fraglichen Teppiche in Wohnun­ gen zehn Jahre beträgt, so muss der Mieter lediglich 30% der Kosten der Verle­ gung des neuen Teppichs ersetzen.

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647

Art. 267–267a 37

Dieser Grundsatz gilt für alle Einrichtungen einer Mietsache. Oft entstehen jedoch Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien über die Lebens­ dauer einzelner Sachen bzw. Einrichtungen. Diese hängt mitunter von deren Qualität ab. Der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) und die wich­ tigsten Verbände der Immobilienwirtschaft (HEV Schweiz, SVIT, VZI, VIV usw.) auf der einen sowie der MieterInnenverband auf der anderen Seite haben sich auf eine «paritätische Lebensdauertabelle» geeinigt. Die darin enthalte­ nen Kennzahlen sind allerdings blosse Richtlinien und begründen keine recht­ lichen Pflichten, es sei denn, die Parteien hätten diese im Mietvertrag aus­ drücklich für anwendbar erklärt. Insbesondere bedeutet die darin enthaltene Lebensdauer nicht, dass ein Mieter die Sache beschädigen oder zerstören darf, wenn diese – trotz abgelaufener Lebensdauer – noch voll funktionstüchtig und zum vertragsgemässen Gebrauch geeignet ist. In diesem Fall weist die Sache noch einen gewissen wirtschaftlichen Wert auf, der vom Mieter zu ersetzen ist (vgl. mp 1987/2, S. 12).

38

Will der Vermieter den Mieter bei Mietende trotz Ablaufs der empfohlenen Lebensdauer für die Abnützung der Dauer haftbar machen, ist er für den behaupteten Schaden beweispflichtig. Ebenso kann dies im Einzelfall bedeu­ ten, dass der Mieter, welcher ohne Zustimmung des Vermieters Änderungen am Mietobjekt vorgenommen hat, auch dann zum Realersatz verpflichtet ist, wenn die Lebensdauer der jeweiligen Ausstattungsteile bereits abgelaufen ist (vgl. Higi, ZK, N  105 zu Art.  267 OR). Dabei hat sich der Vermieter selbst­ redend den mit diesem Realersatz verbundenen Mehrwert vollumfänglich anrechnen zu lassen. Zu beachten ist dabei, dass diese Werte je nach der kon­ kreten Nutzung aufgrund unterschiedlicher Beanspruchung starken Verände­ rungen ausgesetzt werden können. So etwa bei der Nutzung als Büro (minus 20%), als Laden (minus 30%) und als Restaurant (minus 50%).

39

Müssen die beschädigten Einrichtungen nicht ersetzt, sondern lediglich repa­ riert werden, so hat der Mieter für die vollen Reparaturkosten aufzukommen. Ein aus reinen Reparaturarbeiten allenfalls resultierender «Mehrwert» (etwa beim Auswechseln von Ersatzteilen) ist zu vernachlässigen. Verursacht eine Reparatur so hohe Kosten, die in keinem vernünftigen Verhältnis zu den Kos­ ten einer Neuanschaffung stehen oder diese sogar übersteigen, so wird der Mieter die Kosten der Neuanschaffung (unter Berücksichtigung der Altersent­ wertung, vgl. N 35 ff.) zu übernehmen haben.

40

Liegen lediglich Bagatellschäden oder ästhetische Beeinträchtigungen vor (z.B. kleine Kratzer im Lavabo oder Badewanne, vereinzelte unauffällige Flecken auf dem Spannteppich), deren Behebung unverhältnismässig hohe Kosten verursa­ 648

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Art. 267–267a

chen würden, schuldet der Mieter bloss den Minderwert (gl.M. MfdP/Zahrad­ nik, N 31.7.5). Auf ein solches Missverhältnis zwischen Kosten und Nutzen ist allerdings nicht leichthin zu schliessen, da sich der Vermieter grundsätzlich nicht gefallen lassen muss, dass die Sache durch Bagatellschäden und derglei­ chen, die sich mit der Zeit häufen können, an Attraktivität verliert, was sich wiederum negativ auf die Vermietbarkeit auswirken kann. Voraussetzung für die Haftung des Mieters ist, dass die Einrichtungen seitens 41 des Vermieters ordnungsgemäss unterhalten wurden, soweit dies erforderlich war. Weist z.B. ein Parkettboden nach Auszug des Mieters Wasserflecken auf, die auf vertragswidrigen Gebrauch zurückzuführen sind, und beabsichtigt der Vermieter, den Boden alterungsbedingt ohnehin einer generellen Überholung (Abschleifen und Neuversiegelung) zu unterziehen, hat der Mieter dafür man­ gels entstandenem Schaden nicht einzustehen (vgl. mp 2/87, S. 12 f.). Der Mieter muss vollen Ersatz leisten, wenn er Sachen beschädigt, deren klei­ 42 ner Unterhalt ihm obliegt. So hat er z.B. gesprungene Steckdosen, die Gur­ ten der Sonnenstoren, defekte Dichtungen, Herdplatten, Duschschläuche usw. auf eigene Kosten zu ersetzen, wobei hier ein dadurch allenfalls geschaffener «Mehrwert» ausser Betracht fällt (vgl. dazu auch N 8 ff. zu Art. 259 OR). Der Mieter haftet nicht nur für sein eigenes Verhalten, sondern – im beschränk­ 43 ten Rahmen – auch für jenes von Drittpersonen (vgl. dazu N 32). Er haftet fer­ ner vollumfänglich für das Verhalten von Tieren, die unter seiner Obhut ste­ hen.

3.5 Beweislast Will der Vermieter den Mieter für die entstandenen Beschädigungen und über­ 44 mässige Abnützung belangen, muss er Bestand und Umfang des Schadens beweisen (Art.  8 ZGB). Es empfiehlt sich deshalb, bei Beginn wie auch bei Beendigung des Mietverhältnisses ein möglichst genaues Protokoll über den Zustand der Mietsache zu erstellen. Der Vergleich zwischen dem Antritts- und dem Rückgabeprotokoll ermöglicht es, den Umfang der Schäden nachzuwei­ sen. Macht der Mieter geltend, es sei durch die Instandstellungsarbeiten ein Mehr­ 45 wert geschaffen worden, den sich der Vermieter anzurechnen habe (N 34 ff.), ist er hierfür beweispflichtig. Zu seiner Entlastung steht dem Mieter der Beweis offen, dass ihn am entstan­ 46 denen Schaden kein Verschulden trifft (Art. 97 OR). So hat er z.B. zu beweisen, Jürg P. Müller

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Art. 267–267a

dass die Beschädigungen infolge Zufalls oder höherer Gewalt verursacht wor­ den sind oder aber, dass sie durch Dritte, für deren Verhalten er nicht einzuste­ hen hat, verursacht wurden (z.B. Einbrecher, Besetzer). 47

Nach dem bis 30.  Juni 1990 gültigen Mietrecht galt die gesetzliche Vermu­ tung, dass der Mieter die Mietsache in gutem Zustand erhalten habe. Diese Vermutung kann im geltenden Mietrecht mittels entsprechender vertraglicher Absprache wieder eingeführt werden. (Beispiel: «Der Nachweis, dass er die Mietsache nicht in gutem Zustand angetroffen hat, obliegt dem Mieter.») Eine solche Regelung stellt eine blosse Beweisvorschrift dar, die nicht gegen Art. 267 Abs. 2 OR verstösst (a.M. Weber, BSK, N 5 zu Art. 267 OR). Die Beweislast für den Zustand der Mietsache bei Übergabe bzw. während des Mietverhältnisses wird dadurch auf den Mieter überwälzt. Dieser kann sich jedoch der Beweislast anhand des Antrittsprotokolls bzw. des Rückgabeprotokolls seines Vorgängers (welches ihm auf Verlangen ausgehändigt werden muss, vgl. Art. 256a Abs. 1 OR) sowie durch Mängelrüge nach Mietantritt entledigen. Treten Mängel erst später ein, kann er diese ebenfalls durch sofortige Mängelrüge nachweisen.

48

Ist strittig, ob die Mietsache zurückgegeben wurde, trägt der Mieter hierfür die Beweislast bzw. die Folgen der Beweislosigkeit.

49

Wurde im Mietvertrag eine Frist vorgesehen, innert welcher der Vermie­ ter Schadenersatzansprüche abzurechnen hat, ist diese Frist als blosse Ordnungsvorschrift – nicht jedoch als Verwirkungsfrist – zu verstehen. Mit des­ sen Ablauf gerät der Vermieter in Verzug, doch verliert er dadurch seinen Anspruch auf Schadenersatz nicht. Zu Verjährungsfragen in diesem Zusam­ menhang vgl. N 11 ff. zu Art. 257c OR.

3.6 Entschädigungsvereinbarungen 50

Gemäss Art. 267 Abs. 2 OR sind Vereinbarungen nichtig, in denen sich der Mieter im Voraus verpflichtet, bei Beendigung des Mietverhältnisses eine Ent­ schädigung zu entrichten, die anderes als die Deckung des allfälligen Schadens einschliesst. Diese Bestimmung soll den Mieter davor schützen, dass er bei Beendigung des Mietverhältnisses für Schäden aufzukommen hat, die auf den vertragsgemässen Gebrauch zurückzuführen sind.

51

Zulässig sind im Lichte von Art. 267 Abs. 2 OR Vereinbarungen, in denen sich der Mieter verpflichtet, die von ihm vom Vormieter übernommenen Mieter­ ausbauten auf eigene Kosten zurückzubauen oder durch diesen verursachte

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Art. 267–267a

und damit bei Mietbeginn bereits bestehende Beschädigungen auf das Miet­ ende hin auf eigene Kosten zu beseitigen. Gelegentlich werden in der Praxis mit Blick auf den vereinbarten Rückgabeter­ 52 min Konventionalstrafen vereinbart, die vom Mieter geschuldet sind, falls die Rückgabe zeitlich nicht korrekt erfolgt. Vor allem bei missachteten Rückgabe­ pflichten bei Mieterstreckungen ist dies aktuell. Solche Strafen sind im Lichte von Art. 267 Abs. 2 OR zulässig, da sie nicht den Schaden für den mangelhaf­ ten Zustand der Sache regeln, sondern den zeitlichen Verzug sanktionieren (HAP-Immobiliarmietrecht/Schwaninger, Rz. 10.170). Die Parteien können nach Beendigung des Mietverhältnisses eine Pauschal- 53 entschädigung für die entstandenen Schäden ohne Weiteres gültig vereinba­ ren (gl.M. Higi, ZK, N 134 ff. zu Art. 267 OR; Weber, BSK, N 8 zu Art. 267 OR, wobei Weber die Gültigkeit von Schadensregulierungen auf den Rückga­ beprotokollen teilweise – insbesondere im Lichte von Treu und Glauben und im Rahmen von Art. 8 UWG – als unzulässig erachtet). Dies ermöglicht eine rasche Schadensabwicklung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände.

4.

Prüfungs- und Meldepflicht

4.1 Rügefrist Der Vermieter muss die Mietsache bei der Rückgabe umfassend prüfen und 54 allfällige Mängel sofort (in den nach der Rückgabe folgenden Werktagen [ZPM 2/92, Nr. 17]) dem Mieter melden. Rügen, die innerhalb einer Woche nach der Rückgabe der Mietsache erfolgen, sind in der Regel noch rechtzei­ tig (HAP-Immobiliarmietrecht/Schwaninger, Rz.  10.136; Zehnder, Mängel­ rüge; a.M. Higi, ZK, N 33, der «in der Regel» eine Frist von zwei bis drei Tagen als angemessen erachtet; ebenso KGer Waadt im Urteil vom 16. Juni 2010, in: mp 1/12, S.  52). Die Annahme einer kürzeren Frist rechtfertigt sich im All­ gemeinen nicht, da die Abklärung des Vermieters, für welche Mängel er den Mieter verantwortlich machen kann bzw. will, ohne Weiteres ein paar Tage in Anspruch nehmen kann. Im Übrigen rechtfertigt auch das an sich unbestreit­ bare Bedürfnis des Mieters nach einer raschen und abschliessenden Klärung seiner Haftung für Schäden am Mietobjekt (vgl. Botsch. 1985, S. 1457) die Ver­ kürzung der Rügefrist auf zwei bis drei Tage nicht. Wartet der Vermieter zu lange mit der Rüge zu, gewärtigt er den Einwand des Mieters, dass der Mangel nach dessen Auszug bzw. Rückgabe des Mietobjektes eingetreten ist.

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Art. 267–267a 55

Soweit ersichtlich, hat das Bundesgericht die Frage der angemessenen Rügefrist nicht explizit entschieden. Im Urteil 4A_388/2013 vom 7.  Januar 2014, E. 2.3, m.w.H., in: MRA 4/14, S. 190 f.) erachtete es eine Frist von zwei Monaten in Bestätigung des vorinstanzlichen Entscheides als jedenfalls verspätet (Urteil 4A_589 vom 21. November 2012, E. 2.2). In diesem Fall half es dem Vermieter, der eine Mietsache nach Art. 264 OR ausserterminlich zurücknahm, nicht wei­ ter, dass der Mieter sich zwei Monate nach erfolgter Rückgabe einverstanden erklärte, eine gemeinsame Abnahme mit Protokoll durchzuführen.

56

Abzustellen ist bei der Fristberechnung auf den Zeitpunkt der Absendung der Mängelrüge an den Empfänger, (HAP-Immobiliarmietrecht/Schwaninger, Rz. 10.136; Zehnder, a.a.O., S. 547; a.M. Higi, ZK, N 34 zu Art. 267a OR). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 267a OR, wonach die Mängel sofort zu «melden» sind. Mit der Absendung der Mängelrüge hat sich der Vermieter fest­ gelegt, wofür er den Mieter haftbar machen will. Damit ist dem Wunsch nach rascher Klärung der Haftungsfrage Genüge getan. Das Risiko von Zustellverzö­ gerungen trägt damit der Mieter, was gerechtfertigt ist, weil er durch die Rück­ gabe der mangelhaften Mietsache und damit durch sein vertragswidriges Ver­ halten die Rüge veranlasst hat (Zehnder, a.a.O., S. 547, m.w.H. auf Bühler, ZK, N 54 zu Art. 367 OR; Giger, BK, N 91 zu Art. 201 OR).

4.2 57

Form der Rüge

Besondere Formerfordernisse bestehen für die Mängelrüge nicht. In der Pra­ xis findet die Rückgabe von Mieträumlichkeiten meist im Beisein von Vermie­ ter und Mieter, vielfach auch des neuen Mieters, statt, wobei ein gemeinsames Rückgabe- (bzw. Antritts-) Protokoll über den Zustand der Sache erstellt wird. Dieses Protokoll stellt nicht für sich eine Mängelrüge i.S.v. Art.  267a Abs. 1 OR dar (gl.M. Higi, ZK, N 26 zu Art. 267a OR; mp 3/01, S. 144). Dort wird unmissverständlich verlangt, dass der Vermieter dem Mieter alle jene Mängel zu melden hat, für die der Mieter (nach Auffassung des Vermieters) einzustehen hat. Es empfiehlt sich deshalb, sowohl die Mängel als auch die vom Vermieter behauptete Instandstellungspflicht des ausziehenden Mieters möglichst umfassend ins Protokoll aufzunehmen, um spätere Auseinander­ setzungen über Bestand und Umfang der Schadenersatzpflicht zu vermeiden. Wird das Protokoll von den Parteien unterzeichnet und ergibt sich daraus klar, für welche Mängel der Mieter einzustehen hat, so ist bereits das Protokoll als Mängelrüge i.S.v. Art. 267a OR zu qualifizieren (gl.M. wohl Higi, ZK, N 20 zu Art.  267a OR). Eine nochmalige Meldung erübrigt sich diesfalls. Demgegen­

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Art. 267–267a

über hat die Meldung insbesondere auch zu erfolgen, wenn der Mieter entge­ gen seiner Pflicht nicht zur Rückgabe des Mietobjektes erscheint. Weigert sich der Mieter, das Übergabeprotokoll zu unterzeichnen, weil z.B. 58 Meinungsverschiedenheiten über Bestand oder Umfang der Mängel bestehen, so ist dem Vermieter anzuraten, einen amtlichen Befund durch die am Ort zuständigen Behörden erstellen zu lassen. Die amtliche Befundaufnahme ent­ bindet den Vermieter allerdings nicht davon, die festgestellten Mängel sofort zu rügen und mithin mittels schriftlicher Meldung dem Mieter mitzuteilen, dass er ihn für die im amtlichen Befund enthaltenen Feststellungen haftbar mache. Die Aufnahme eines amtlichen Befunds ersetzt die Mängelrüge nicht. Der amtliche Befund hat den Vorteil, dass dessen Inhalt gestützt auf Art. 9 ZGB als richtig vermutet wird. Es dürfte somit dem Mieter schwerfallen, den Gegen­ beweis zu erbringen, dass sich die Sache in ordnungsgemässem Zustand befun­ den hat. Da die Mängelrüge formfrei erfolgen kann, ist der Vermieter, der nicht alle Mängel im Protokoll festgehalten hat oder im amtlichen Befund festhalten liess und diese auch gerügt hat, berechtigt, den Mieter auch für bloss mündlich gerügte Mängel haftbar zu machen.

59

Meist ist in den vorgedruckten Übergabeprotokollen eine Rubrik enthalten, 60 worin sich der Mieter verpflichtet, für bestimmte Mängel einzustehen. Insbe­ sondere bei Bagatellschäden und dergleichen (vgl. N 34 ff.) kann der mutmass­ liche Reparaturbetrag oder ein Minderwert gültig vereinbart werden (z.B. 50% zulasten des Mieters). Solche Klauseln sind als Anerkennung der Schadener­ satzpflicht – und zwar in Bestand und Höhe des Schadens – zu werten. Ver­ einbaren die Parteien einen bestimmten Betrag in Franken als Abgeltung eines Mangels, so ist darin eine Saldoklausel hinsichtlich dieses Mangels zu erbli­ cken (HAP-Immobiliarmietrecht/Schwaninger, Rz.  10.143 und 10.144). Der Mieter kann sich im Nachhinein nicht darauf berufen, der tatsächliche Scha­ den sei kleiner; umgekehrt kann auch der Vermieter nicht geltend machen, er hätte für die Behebung dieses Mangels effektiv mehr bezahlen müssen (kritisch bzw. teilweise a.M.: Weber, BSK, N 8 zu Art. 267 OR). Zu beachten ist, dass die Ausführung einer Reparatur bzw. die Behebung eines Schadens für die Geltendmachung von Schadenersatz nicht vorausgesetzt ist (vgl. Higi, ZK, N 107 zu Art. 267 OR).

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61

Art. 267–267a

4.3 62

Mängelrügen müssen klar und detailliert vorgebracht werden (Urteil des Bun­ desgerichts 4A_545/2011 vom 11. Januar 2012, E. 3.2, in: mp 2/12, S. 114 ff.), analog den Rügepflichten des Käufers beim Kaufvertrag und des Bestellers beim Werkvertrag. Es genügt beispielsweise nicht, in allgemeiner Form Schmutz und Flecken oder schadhafte Türen und Türgriffe zu beanstanden (Urteil des Bun­ desgerichts 4A_545/2011 vom 11. Januar 2012, E. 3.4, in: mp 2/12, S. 114 ff.; zur Rüge von kleineren Schäden siehe Kunz/Wyttenbach, Die Rückgabe der Miet­ sache, in: mp 3/2016, S. 202 f.).

4.4 63

Verdeckte Mängel

Mängel, die der Vermieter trotz sorgfältiger Prüfung nicht hat erkennen kön­ nen (z.B. Kamin des Cheminées ist verrusst, der Spannteppich hat Motten), kann er dem Mieter noch nachträglich melden, vorausgesetzt, die entspre­ chende Rüge erfolgt umgehend nach der Entdeckung des Mangels. Aus Grün­ den der Beweissicherung sollte diese Mängelanzeige schriftlich und mit einge­ schriebener Post erfolgen.

4.5 64

Inhalt der Rüge

Folgen der fehlenden oder fehlerhaften Rüge

Versäumt es der Vermieter, Mängel zu rügen, obwohl diese erkennbar sind oder erfolgt die Mängelrüge verspätet, so verwirkt er seine diesbezüglichen Scha­ denersatzansprüche und kann den Mieter dafür später nicht mehr belangen (Weber, BSK, N 5 zu Art. 267a OR).

4.6 Schlussabrechnung 65

Nach Ausführung der Instandstellungsarbeiten hat der Vermieter dem Mie­ ter eine Schlussabrechnung zuzustellen und für die Auflösung des Depots besorgt zu sein (vgl. N 24 ff. zu Art. 257e OR).

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Jürg P. Müller

Lukas Polivka

Art. 268–268b Art. 268 P.

Retentionsrecht des Vermieters

I. Umfang 1 Der

Vermieter von Geschäftsräumen hat für einen verfallenen Jahreszins und den laufenden Halbjahreszins ein Retentionsrecht an den beweglichen Sachen, die sich in den vermieteten Räumen befinden und zu deren Einrichtung oder Benutzung gehören.

2 Das

Retentionsrecht des Vermieters umfasst die vom Untermieter eingebrachten Gegenstände insoweit, als dieser seinen Mietzins nicht bezahlt hat.

3 Ausgeschlossen ist das Retentionsrecht an Sachen, die durch die Gläubiger

des Mieters nicht gepfändet werden könnten.

P.

Droit de rétention du bailleur

I. Objet 1 Le

bailleur de locaux commerciaux a, pour garantie du loyer de l’année écoulée et du semestre courant, un droit de rétention sur les meubles qui se trouvent dans les locaux loués et qui servent soit à l’aménagement, soit à l’usage de ceux-ci.

2 Le

droit de rétention du bailleur grève aussi les meubles apportés par le sous-locataire dans la mesure où celui-ci n’a pas payé son loyer au locataire.

3 Ne

sont pas soumis au droit de rétention les biens qui ne pourraient être saisis par les créanciers du locataire.

P.

Diritto di ritenzione del locatore

I. Estensione 1 Per

la pigione annuale scaduta e per quella del semestre in corso, il locatore di locali commerciali ha un diritto di ritenzione sulle cose mobili che vi si trovano e servono al loro uso o godimento.

2 Il

diritto di ritenzione del locatore si estende agli oggetti introdotti dal subconduttore nella misura in cui questi non abbia pagato la pigione al sublocatore.

3 Sono

esenti dal diritto di ritenzione gli oggetti che non potrebbero essere pignorati dai creditori del conduttore.

Lukas Polivka

655

Art. 268–268b

Art. 268a II. Sachen Dritter 1 Die

Rechte Dritter an Sachen, von denen der Vermieter wusste oder wissen musste, dass sie nicht dem Mieter gehören, sowie an gestohlenen, verlorenen oder sonstwie abhanden gekommenen Sachen gehen dem Retentionsrecht des Vermieters vor.

2 Erfährt

der Vermieter erst während der Mietdauer, dass Sachen, die der Mieter eingebracht hat, nicht diesem gehören, so erlischt sein Retentionsrecht an diesen Sachen, wenn er den Mietvertrag nicht auf den nächstmöglichen Termin kündigt. II.

Choses appartenant à des tiers

1 Les droits des tiers sur des choses dont le bailleur savait ou devait savoir qu’elles n’étaient

pas la propriété du locataire prévalent sur le droit de rétention; il en va de même pour les choses que le possesseur a perdues, qui lui ont été volées ou dont il est dessaisi de quelque autre manière contre sa volonté.

2 Lorsque le bailleur apprend seulement au cours du bail que des meubles apportés par le

locataire ne sont pas la propriété de ce dernier, son droit de rétention sur ces meubles s’éteint s’il ne résilie pas le contrat pour le prochain terme.

II.

Cose di terzi

1 I

diritti dei terzi sulle cose che il locatore sapeva o doveva sapere non essere del condut­ tore, come pure quelli sulle cose rubate, smarrite o di cui il possessore è stato altrimenti privato sono poziori al diritto di ritenzione del locatore.

2 Se

il locatore apprende solo durante la locazione che le cose introdotto dal conduttore non gli appartengono, il suo diritto di ritenzione su queste cose si estingue, eccetto che dia la disdetta per la prossima scadenza.

Art. 268b III. Geltendmachung 1 Will

der Mieter wegziehen oder die in den gemieteten Räumen befindlichen Sachen fortschaffen, so kann der Vermieter mit Hilfe der zuständigen Amtsstelle so viele Gegenstände zurückhalten, als zur Deckung seiner Forderung notwendig sind.

656

Lukas Polivka

Art. 268–268b 2 Heimlich oder gewaltsam fortgeschaffte Gegenstände können innert zehn

Tagen seit der Fortschaffung mit polizeilicher Hilfe in die vermieteten Räume zurückgebracht werden. III. Exercice du droit 1 Lorsque

le locataire veut déménager ou a l’intention d’emporter les meubles qui se trouvent dans les locaux loués, le bailleur peut, avec l’assistance de l’autorité compétente, en retenir autant qu’il en faut pour garantir sa créance.

2 Les

objets emportés clandestinement ou avec violence peuvent être réintégrés avec l’as­ sistance de la force publique dans les dix jours qui suivent leur déplacement.

III. Esercizio del diritto 1 Se

il conduttore intende sgombrare o asportare le cose che si trovano nei locali, il loca­ tore può, con l’assistenza dell’autorità competente, ritenerne tante quante necessarie per garantire il suo credito.

2 Le

cose asportate clandestinamente o con violenza possono essere reintegrate, entro dieci giorni dall’asportazione, con l’assistenza della polizia.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Vertragliches Fahrnispfand bei der Wohnungsmiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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2. Voraussetzungen und Umfang Retentionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Allgemeine Voraussetzungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Retentionsgesicherte Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Zeitlicher Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Retentionsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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3. 3.1 3.2

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Geltendmachung des Retentionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Verfahren bei Zahlungsverzug des Geschäftsmieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Verfahren bei Gefährdung des Retentionsrechts .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 268–268b

1. Vorbemerkungen 1.1 Allgemeines 1

Art. 268 OR und 268a OR regeln Voraussetzungen und Umfang des Retenti­ onsrechtes des Vermieters. Im Gegensatz zum alten Recht sieht die seit dem 1. Juli 1990 in Kraft stehende Bestimmung das Retentionsrecht nur noch für die Geschäftsraummiete, nicht mehr aber bei Mietverhältnissen über Wohn­ räume vor (vgl. Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 9 zu Art. 283 SchKG). Der Bundesrat hatte dem Parlament sogar die vollständige Streichung des Ver­ mieterretentionsrecht vorgeschlagen (Botsch. 1985, S.  1457). In einem Teil der Lehre wird denn auch das noch verbliebene Vermieterretentionsrecht als ungerechtfertigt kritisiert (vgl. Higi, ZK, N  14 zu Art.  268–268b OR; Schny­ der/Wiede, BSK SchKG, N 10 und N 12a/12b zu Art. 283 SchKG). Diese Kritik übersieht, dass zum einen bereits mit der seit dem 1. Juli 1990 geltenden Neu­ regelung des Rechts der Zahlungsverzugskündigung (Art.  257d OR) sowie mit der gesetzlichen Beschränkung der Sicherheitsleistungen bei der Wohn­ raummiete (Art.  257e Abs.  2 OR), mit welchen in beiden Fällen das Risiko des Vermieters, einen Zahlungsausfall zu erleiden, erheblich erhöht worden ist, das Streichen des diesbezüglichen Retentionsrechts fragwürdig erscheint. Zum anderen zeigt die Praxis, dass sich beim Zahlungsverzug des Mieters sowie demzufolge ausgesprochenen Kündigungen, an welche sich zudem in vielen Fällen eine gerichtliche Auseinandersetzung anschliesst, die letztendlich resul­ tierende Mietzinsausstände schnell in einer Grössenordnung von sechs bis zwölf Monatszinsen bewegen. Die Streichung des Retentionsrechts des Ver­ mieters auch bei der Geschäftsraummiete könnte somit dazu führen, dass ver­ mieterseits mietvertraglich höhere Sicherheitsleistungen gefordert würden. Damit würden aber auch diejeneigen Mieter betroffen, die ihren vertraglichen Verpflichtungen korrekt nachkommen, wogegen sich das Retentionsrecht des Vermieters lediglich gegen denjenigen Mieter richtet, der den Mietvertrag ver­ letzt (vgl. auch Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 30 zu Art. 283 SchKG). Die eidgenössischen Räte haben auch im Rahmen neuerer Revisionsbestrebungen die Streichung des Retentionsrechts bei der Geschäftsraummiete abgelehnt (BSK SchKG EB, ad N 12a zu Art. 283 SchKG und N 3b zu Art. 284 SchKG).

2

Art.  268b OR, Art.  283 SchKG und Art.  284 SchKG enthalten verfahrensrechtliche Bestimmungen zur Ausübung des Retentionsrechts des Vermieters von Geschäftsräumen. Dieses kann vom Vermieter erst geltend gemacht wer­ den, wenn der Mieter seiner Zinszahlungspflicht nicht nachkommt oder wenn er die retinierbaren Gegenstände wegschaffen will bzw. bereits fortgeschafft

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hat. Im betreibungsrechtlichen Sinn ist das Retentionsrecht als Faustpfand zu behandeln (Art. 37 Abs. 2 SchKG; Urteil des Bundesgerichts 5A_240/2017 vom 21. November 2017, E. 2.1; BGE 124 III 215, E. 1b; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 8 zu Art. 283 SchKG). Das von Art. 41 SchKG vorgesehene «beneficium excussionis realis», wonach pfandversicherte Forderungen in jedem Falle auf dem Wege der Pfandverwertung vollstreckt werden müssen, findet allerdings beim Retentionsrecht des Vermieters keine Anwendung (Schnyder/ Wiede, BSK SchKG, N 93 f. zu Art. 283 SchKG). Diesem steht es nämlich voll­ kommen frei, das ihm gesetzlich eingeräumte Retentionsrecht in Anspruch zu nehmen oder nicht (BGE 76 III 24, E.  3). Beruft sich der Vermieter gegen­ über einem zahlungssäumigen Mieter nicht auf sein Retentionsrecht, wird ein ordentliches Betreibungsverfahren (Pfändung oder Konkurs) durchgeführt. Durch den Verzicht, das Retentionsrecht in der Mietzinsbetreibung geltend zu machen, geht dieses Recht dem Vermieter jedoch nicht verloren. Er kann es vielmehr in einer von ihm später angehobenen neuen Betreibung oder in der Betreibung eines Dritten gegen den Schuldner weiterhin beanspruchen (Amonn/Walther, Grundriss, § 34, Rz. 6). Übt der Vermieter sein Retentions­ recht aus, so ist dieses jedoch auf dem Weg der Betreibung auf Pfandverwertung durchzuführen (Higi, ZK, N 89 zu Art. 268–268b OR; MfdP/Wettstein, N 13.5.7; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 48 und 73 ff. zu Art. 283 SchKG; Weber, BSK, N  12 zu Art.  268–268b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N  6 zu Art. 268–268b OR; Rohner, KUKO SchKG, N 3 zu Art. 283 SchKG). In Abweichung von der in der Vorauflage vertretenen Auffassung sind die 3 Bestimmungen der Art. 268 bis und mit 268b OR als zugunsten des Mieters relativ zwingend zu betrachten (Higi, ZK, N 7 f. zu Art. 268–268b OR; MfdP/ Wettstein, N 13.5.9; Weber, BSK, N 2b zu Art. 268–268b OR; Hulliger/Hein­ rich, CHK, N 1 zu Art. 268–268b OR). Somit können die Parteien beispiels­ weise den Ausschluss des Retentionsrechts vereinbaren oder dieses gegen­ über der gesetzlichen Regelung hinsichtlich des zeitlichen Umfangs zusätzlich einschränken. Unzulässig wäre demgegenüber eine mietvertragliche Abma­ chung, mit der das vom Gesetz vorgesehene Retentionsrecht im Sinne von Art.  268  ff. OR über die gesetzliche Regelung hinaus zugunsten des Vermie­ ters erweitert würde. Zum intertemporalen Recht, vgl. N 54 ff. Vorbem. zu Art. 253–274g OR.

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1.2

Vertragliches Fahrnispfand bei der Wohnungsmiete

5

Das Retentionsrecht des Vermieters ist ein besonderes Pfandrecht an beweglichen Sachen. Vom Retentionsrecht nach Art. 895 ZGB unterscheidet es sich insbesondere dadurch, dass es nicht auf den Besitz abstellt; das Retentions­ recht des Vermieters ist ein besitzloses Pfandrecht (Urteil des Bundesgerichts 5A_240/2017 vom 21. November 2017, E. 2.1; BGE 124 III 215, E. 1c; vgl. auch Higi, ZK, N  12 zu Art.  268–268b OR; MfdP/Wettstein, N  13.5; Weber, BSK, N  1 zu Art.  268–268b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N  2 zu Art.  268–268b OR), wogegen das bürgerliche Retentionsrecht des ZGB eine vorherige Besit­ zesübertragung voraussetzt. Aus diesem Grunde steht dem Wohnungsvermie­ ter nicht nur seit dem 1. Juli 1990 kein Retentionsrecht gemäss Art. 268 ff. OR mehr zu (vgl. N 1). Er kann auch kein Retentionsrecht i.S.v. Art. 895 ZGB bean­ spruchen, da er an den Wohnungseinrichtungsgegenständen keinen Besitz hat.

6

Mit dem soeben gemachten Befund, wonach der Wohnraumvermieter weder über ein Retentionsrecht gemäss Art. 268 ff. OR noch über ein solches gemäss Art. 895 ff. ZGB verfügt, ist die Frage noch nicht beantwortet, ob die durch die per 1.  Juli 1990 wirksam gewordene Revision des Mietrechts herbeige­ führte Verminderung des Haftungssubstrates des Wohnungsvermieters durch die Errichtung eines Fahrnispfandes vertraglich gemildert werden kann. Mit der in Art.  268 Abs.  1 OR enthaltenen Beschränkung des Retentionsrechts auf die Geschäftsmiete hat der Gesetzgeber zugunsten des Wohnungsmieters das gesetzliche Pfandrecht ausgeschlossen. Vertragliche Fahrnispfandrechte bleiben indessen von dieser Regelung unberührt. Aufgrund der Vertragsfrei­ heit muss es deshalb den Parteien weiterhin möglich sein, ein vertragliches Pfandrecht zu verabreden (so auch Higi, ZK, N  19 zu Art.  268–268b OR). Dem steht auch nicht Art. 257e OR entgegen. Dieser regelt nur die Sicherhei­ ten, die der Mieter in Geld oder Wertpapieren leistet. Für Sicherheiten, die in anderer Form zu erbringen sind, enthält Art. 257e OR keine Beschränkun­ gen (N 4 zu Art. 257e OR). Hinzuweisen ist jedoch auf Art. 257e Abs. 4 OR, wonach die Kantone zu den Sicherheitsleistungen ergänzende Bestimmungen erlassen können. Der kantonale Gesetzgeber kann daher Sicherheitsleistungen, die nicht in Geld oder Wertpapieren zu erbringen sind, gänzlich ausschliessen. Daraus folgt, dass die Mietvertragsparteien grundsätzlich ein Pfandrecht ver­ traglich gültig vereinbaren können. Dabei muss die Pfandforderung nicht ein­ mal zum Voraus zahlenmässig festgelegt sein. Die Parteien können somit ein Faustpfand errichten, das als Sicherheit für alle Forderungen des Vermieters dient. Ein solches Pfandrecht hat aber gegenüber dem Retentionsrecht einen gewichtigen Nachteil: Zur gültigen Errichtung desselben muss die Pfandsa­

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che an den Pfandgläubiger übertragen werden (Art. 717 Abs. 1 und 884 Abs. 1 ZGB), wogegen das Retentionsrecht gemäss Art. 268 ff. OR mit dem Einbrin­ gen von Sachen in die Mieträume entsteht (vgl. N 7).

2.

Voraussetzungen und Umfang Retentionsrechts

2.1

Allgemeine Voraussetzungen

Das Retentionsrecht besteht gemäss Art. 268 Abs. 1 OR an beweglichen, kör­ 7 perlichen Sachen, die der Mieter von Geschäftsräumlichkeiten in die Mietsa­ che eingebracht hat (Higi, ZK, N 41 und N 45 zu Art. 268–268b OR; MfdP/ Wettstein, N 13.5.1; Hulliger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 268–268b OR; Roh­ ner, KUKO SchKG, N 8 ff. zu Art. 283 SchKG). Dabei entsteht das Retentions­ recht mit dem Einbringen von Sachen in die Mieträume. Mit der Entfernung der Sachen aus dem Mietobjekt sowie mit dem Erlöschen der Retentionsfor­ derung geht das Retentionsrecht unter (BGE 101 II 91, E. 1; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N  27 zu Art.  283 SchKG; Weber, BSK, N  11 zu Art.  268–268b OR). Grundsätzlich erstreckt es sich auch auf Sachen, die im Eigentum Dritter stehen. Vorbehalten bleiben jedoch die Rechte Dritter nach Art. 268a OR (vgl. dazu N 19). Der Begriff des Geschäftsraums wird vom Bundesgericht weit ausgelegt, ja 8 überdehnt (vgl. N 25 f. zu Vorbemerkungen zu Art. 253–273b OR; Schnyder/ Wiede, BSK SchKG, N 9 zu Art. 283 SchKG). Gemäss BGE 118 II 40, E. 4b, soll jedes Mietobjekt, das der persönlichen oder wirtschaftlichen Entfaltung der Persönlichkeit des Mieters dient, als Geschäftsraum gelten, obwohl unter diese Begriffsumschreibung auch Wohnräume fallen würden. Demgegenüber kann nebst Wohnräumen auch bei Räumlichkeiten, die hauptsächlich der Freizeit­ gestaltung dienen, sachgerechterweise nicht von Geschäftsräumen gesprochen werden. Im Weiteren setzt die Anwendbarkeit von Art. 268 ff. OR voraus, dass es sich beim gültig zustande gekommenen, angetretenen und noch nicht been­ deten Mietvertrag um einen solchen handelt, der gemäss dem vertraglich ver­ einbarten Gebrauch als Geschäftsraum dienen soll. Wird das Mietobjekt hin­ gegen vertragswidrig als Geschäftsraum genutzt, besteht kein Retentionsrecht i.S.v. Art. 268 ff. OR (Higi, N 20 zu Art. 268–268b OR). Liegt ein vertraglich vereinbarter gemischter Gebrauch des Mietobjekts vor (z.B. bei der Miete eines Restaurants mit Wirtewohnung), erstreckt sich das Retentionsrecht auf die beweglichen Gegenstände, die der Restaurantnutzung dienen, sowie auf

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den (oftmals nicht einfach bestimmbaren) Mietzinsanteil für das Restaurant (Higi, ZK, N 4 und N 28 zu Art. 268–268b OR). 9

Ausgeschlossen ist das Retentionsrecht nach der ausdrücklichen Bestimmung von Art. 268 Abs. 3 OR an Sachen, die durch die Gläubiger des Mieters nicht gepfändet werden könnten. Damit sind die sogenannten Kompetenzstücke gemäss Art. 92 SchKG gemeint (Higi, N 64 ff. zu Art. 268–268b OR; MfdP/ Wettstein, N 13.5.2; Weber, BSK, N 4 zu Art. 268–268b OR; Rohner, KUKO SchKG; N 8 zu Art. 283 SchKG). Unpfändbar sind nach Ziff. 3 dieser Bestim­ mung insbesondere die Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente und Bücher, soweit sie für den Schuldner zur Ausübung seines Berufs notwendig sind. Der Röntgenapparat eines Arztes und die Werkzeuge des Handwerkers können daher nicht dem Retentionszugriff unterliegen. Hingegen fallen beispielsweise die sich in einer Arztpraxis befindlichen teuren Gemälde unter den Retenti­ onsbeschlag.

2.2

Retentionsgesicherte Forderungen

10

Durch das Retentionsrecht des Vermieters von Geschäftsräumen gesichert sind seine Mietzinsforderungen. Als Mietzinsforderung wird dabei das gesamte Entgelt verstanden, das der Mieter dem Vermieter für die Nutzung des Mie­ tobjektes zu bezahlen hat. Somit fallen unter den Begriff der Mietzinsforde­ rung nicht nur die Nettomietzinse, sondern auch die vom Mieter zu bezah­ lenden Nebenkosten (BGE 111 II 71, E. 2; 72 III 36 ff. und 63 II 368, E. 10; Higi, ZK, N  25 zu Art.  268–268b OR; MfdP/Wettstein, N  13.5.5; Schnyder/ Wiede, BSK SchKG, N 38 f. zu Art. 283 SchKG; Weber, BSK, N 9 f. zu Art. 268– 268b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 268–268b OR; Rohner, KUKO SchKG, N 7 zu Art. 283 SchKG). Auch die Betreibungs- und Retentionskosten (inkl. Rechts­öffnungskosten) sind gedeckt (BGE 63 II 368, E. 11; Higi, N 30 zu Art. 268–268b OR; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 10 zu Art. 283 SchKG). Demgegenüber kann das Retentionsrecht für eine im Mietvertrag vorgesehene Sicherheitsleistung (BGE 111 II 71, E.  2) oder für reine Schadenersatzforderungen des Vermieters (z.B. aufgrund der Beschädigung des Mietobjektes durch den Mieter; 104 II 84, E. 2; vgl. aber N 11) nicht beansprucht werden.

11

Nebst den erwähnten Mietzinsforderungen ist auch das Entgelt bei einem mietvertragsähnlichen Rechtsverhältnis gesichert. Ein solches liegt insbesondere dann vor, wenn der Mieter über das Mietende hinaus in den Mieträumlich­ keiten verbleibt. In diesen Fällen kann der Vermieter auch für seine aufgrund der widerrechtlichen Nutzung der Mietsache resultierende Schadenersatzfor­

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derungen das Retentionsrecht in Anspruch nehmen (BGE 63 II 368, E. 9; 73 III 77, E. 1; BSK SchKG EB, ad N 9 zu Art. 283 SchKG). Gleiches gilt auch, wenn Geschäftsräume genutzt werden, ohne dass ein gültiger Mietvertrag vorliegt (z.B. weil die Parteien sich nicht über die Höhe der Miete einigen konnten). Diesfalls steht dem Vermieter für seine mietzinsähnliche Forderung eben­ falls das Retentionsrecht zu (Higi, ZK, N 21 zu Art. 268–268b OR; Schnyder/ Wiede, BSK SchKG, N 38 zu Art. 283 SchKG). Haben die Parteien in Hinblick auf einen möglichen widerrechtlichen Verbleib des Mieters über das Mietende hinaus eine Konventionalstrafe vereinbart, so ist auch diese als mietzinsähnli­ che Entschädigung und nicht als reiner Schadenersatz zu qualifizieren, womit dem Vermieter dafür das Retentionsrecht zur Verfügung steht (vgl. auch BGE 73 III 77, E. 1). Schliesslich kann der Vermieter auch für eine im Voraus verein­ barte Instandstellungsentschädigung die Sicherung durch Retention bean­ spruchen (BGE 80 III 128; 111 II 71, E. 2; Higi, ZK, N 26 zu Art. 268–268b OR, der zutreffend auf die eingeschränkte Möglichkeit einer entsprechenden Ver­ einbarung hinweist).

2.3

Zeitlicher Umfang

Das Retentionsrecht deckt in zeitlicher Hinsicht einen verfallenen Jahreszins 12 und den laufenden (zukünftigen) Halbjahreszins. Dabei kann das Retenti­ onsrecht für den laufenden Halbjahreszins jedoch nur geltend gemacht wer­ den, wenn eine Gefährdung gegeben ist (vgl. N 21). Solange der Mietvertrag andauert, erneuert sich das Retentionsrecht ständig, und zwar in dem Sinne, dass es immer wieder neue Mietzinse deckt und für die früheren Forderungen von selbst erlischt, wenn es nicht ausgeübt wird (BGE 97 III 43, E. 3; 72 II 364, E. 3; Higi, ZK, N 36 zu Art. 268–268b OR). Um zu bestimmen, was im konkreten Fall dem verfallenen Jahreszins und dem 13 laufenden Halbjahreszins entspricht, ist im Fall eines Konkurses auf den Zeit­ punkt des letzten Zinstermins vor der Konkurseröffnung abzustellen (BGE 124 III 41, E.  2b; 104 III 84, E.  2), wobei dies sachgerechterweise nur dann gelten kann, wenn der Vermieter das Retentionsrecht nicht schon vorher gel­ tend gemacht hat (Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 32 und N 35 f. zu Art. 283 SchKG). In der Betreibung auf Pfandverwertung ist demgegenüber auf den Zeitpunkt des Begehrens um Aufnahme einer Retentionsurkunde abzustellen (BGE 97 III 43, E. 3; 129 III 395, E. 3.2; Higi, ZK, N 32 zu Art. 268–268b OR; MfdP/Wettstein, N 13.5.6; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 32 ff. zu Art. 283 SchKG; Weber, BSK, N 9 zu Art. 268–268b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 268–268b OR; Rohner, KUKO SchKG, N 6 zu Art. 283 SchKG). Dabei Lukas Polivka

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ist es bedeutungslos, ob der Mietzins prä- oder postnumerando zahlbar ist (BGE 97 III 43, E.  3, mit weiteren Verweisungen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Hat der Vermieter z.B. am 15.  Juli 2016 das Retentionsbe­ gehren gestellt und war der letzte Zinstermin vor diesem Begehren der 1. Juli 2016, so ist unter dem verfallenen Jahreszins der Zins für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum 30. Juni 2016 zu verstehen. Der laufende Halbjahreszins erstreckt sich vom 1. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2016. Kündigt der Mieter das Miet­ verhältnis und lässt er beim Auszug in den Mieträumen Gegenstände zurück, so besteht das Retentionsrecht auch nach Mietende für einen verfallenen Jah­ reszins weiter, sofern die Voraussetzungen des Retentionsrechts gegeben sind (BGE 72 II 364, E. 3; 79 III 75, E. 1). Das Retentionsrecht bleibt also auch bei Beendigung des Mietverhältnisses für einen verflossenen Jahreszins fortbeste­ hen (Higi, ZK, N 36 zu Art. 268–268b OR; MfdP/Wettstein, N 13.5.9; Weber, BSK, N 9 zu Art. 268–268b OR).

2.4 Retentionsgegenstände 2.4.1

Gegenstände des Mieters

14

Das Retentionsrecht besteht an den sich in den Mieträumlichkeiten befind­ lichen Gegenständen, die im Eigentum des Mieters stehen. Dabei verlangt jedoch Art. 268 Abs. 1 OR zusätzlich, dass die Gegenstände zur Einrichtung des Mietobjekts gehören oder zu deren Benutzung dienen müssen. Mit ande­ ren Worten muss ein Bezug zum Gebrauch der Mietsache bestehen (Higi, ZK, N  42 zu Art.  268–268b OR; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N  15  f. und N 25 zu Art. 283 SchKG). Bei der Vermietung von Bürolokalitäten werden z.B. – unter Vorbehalt von Art. 268 Abs. 3 OR – die Büromöbel vom Retentionsrecht erfasst. Dagegen fallen diejenigen Sachen, die nicht mittelbar oder unmittelbar dem Bürobetrieb dienen, wie z.B. ein Computer, den der Mieter für rein pri­ vate Zwecke verwendet, nicht unter den Retentionsbeschlag. Kein genügender Bezug zwischen den Gegenständen und dem Gebrauch der Mietsache besteht auch dann, wenn die Gegenstände sich lediglich zufällig bzw. nur vorüberge­ hend (z.B. zur Reparatur) im Mietobjekt befinden (BGE 120 III 52, E. 8; Higi, ZK, N 42 zu Art. 268–268b OR; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 15 zu Art. 283 SchKG; MfdP/Wettstein, N 13.5.1; Weber, BSK, N 3 zu Art. 268–268b OR; Hul­ liger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 268–268b OR; Rohner, KUKO SchKG, N 9 f. zu Art. 283 SchKG).

15

In der Praxis wurde der Zusammenhang zwischen den eingebrachten Sachen und dem vertragsgemässen Gebrauch in folgenden Fällen bejaht (vgl. auch

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Higi, ZK, N 45 zu Art. 268–268b OR): Heizöl, das im Tank der gemieteten Lie­ genschaft lagerte (BGE 109 III 42, E. 2), Waren, die sich in gemieteten Lager­ räumen befinden, Gemälde des Mieters einer Galerie sowie ein Auto, das in einer gemieteten Garage abgestellt wird. Die vorübergehende Entfernung eines beweglichen Gegenstands schliesst das Retentionsrecht nicht aus (BGE 106 II 40. E. 3, in: Pra 69, S. 424 f.). Infrage kommen insbesondere auch die Maschi­ nen, die Inneneinrichtung des Mieters, das Baumaterial einer Werkstatt oder einer Ausstellungshalle. Dieser Zusammenhang besteht auch zu den sich in den Mieträumen in Fabrikation befindlichen Maschinen und Einzelteilen, sofern sie für eine gewisse Zeit zu Fertigungs- und Montagezwecken dort gela­ gert werden und sich nicht bloss zufällig dort befinden. Im Verzeichnis kön­ nen auch Fahrzeuge aufgeführt werden, die auf dem zu den Mieträumlichkei­ ten gehörenden Parkplatz stehen (BGE 120 III 52, E. 8a, in: Pra 84, S. 144 f.). Retinierbar sind zudem für den Verkauf oder Handel bestimmte Waren (Hulli­ ger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 268–268b OR; a.M. Guhl et al., OR, § 44, N 89). Das Retentionsrecht erfasst aber nur Gegenstände, die der Mieter für längere Dauer und nicht bloss vorübergehend in die Mieträume eingebracht hat (vgl. N 14). Kein Retentionsrecht besteht demzufolge an einem Ersatzwagen, den der Mieter kurzfristig von einem Dritten gemietet und den der Mieter in einer zu den Geschäftsräumen gehörenden Garage eingestellt hat (vgl. dazu ZR 79 [1980] Nr. 142).

2.4.2

Gegenstände des Untermieters

Die Anwendbarkeit von Art.  268 Abs.  2 OR setzt voraus, dass ein vom Ver­ 16 mieter bewilligtes Untermietverhältnis vorliegt (Higi, ZK, N 48 zu Art. 268– 268b OR; Weber, BSK, N 5 zu Art. 268–268b OR; a.M. Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 19 zu Art. 283 SchKG; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 268– 268b OR). Fehlt es an einer solchen Bewilligung, ist der Untermieter als Drit­ ter i.S.v. Art. 268a OR zu betrachten (vgl. N 18–20). Beim Retentionsrecht des Vermieters gegen den Untermieter gemäss Art. 268 17 Abs. 2 OR handelt es sich um einen selbständigen, nicht bloss vom Recht des Untervermieters abgeleiteten Anspruch des Vermieters. Somit bindet ein Ver­ zicht des Untervermieters auf sein Retentionsrecht den Vermieter nicht, und der Vermieter muss sich zudem keine Einreden des Untermieters aus dem Untermietverhältnis gefallen lassen (Higi, ZK, N 50 zu Art. 268–268b OR). Das Retentionsrecht des (Haupt-)Vermieters gegen den Untermieter beschlägt die sich im Mietobjekt befindlichen und im Eigentum des Untermieters stehen­ den Gegenstände, wobei aber auch diese zur Einrichtung gehören oder dem

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Gebrauch der Sache dienen müssen (vgl. auch N 14 f.). Das Retentionsrecht des Vermieters gegenüber dem Untermieter besteht jedoch nur insoweit, als der Untermieter seinen Mietzinszahlungspflichten gegenüber dem Mieter nicht nachgekommen ist. Hat der Untermieter hingegen den Untermietzins bezahlt, entfällt auch das Retentionsrecht des Vermieters an den Sachen des Untermie­ ters (Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 17 f. zu Art. 283 SchKG; Weber, BSK, N 5 zu Art. 268–268b OR). Dies gilt selbst dann, wenn der Vermieter keine entspre­ chende Zahlung vom Mieter erhalten hat. Sofern hingegen – mangels erfolg­ ter Zahlung des Untermietzinses – auch Gegenstände des Untermieters in das Retentionsverzeichnis aufgenommen werden, ist das Betreibungsamt gehalten, den Untermieter anzuweisen, die geschuldeten Untermietzinse für Rechnung des Mieters an das Betreibungsamt zu bezahlen (BGE 120 III 52, E. 7, in: Pra 84, S. 143 f.; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 15 zu Art. 283 SchKG; Weber, BSK, N 5 zu Art. 268–268b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 268–268b OR).

2.4.3

Gegenstände Dritter

18

Das Retentionsrecht des Vermieters gemäss Art. 268 OR besteht grundsätzlich auch an den in die Mieträume eingebrachten Sachen, die im Eigentum Drit­ ter stehen und der Einrichtung oder dem Gebrauch der Mietsache dienen (vgl. N 14 f.; Higi, ZK, N 51 zu Art. 268–268b OR; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 20 zu Art. 283 SchKG).

19

Art. 268a OR regelt als Ausnahme vom Grundsatz (BGE 71 III 75, E. 2), dass auch Gegenstände Dritter dem Retentionsrecht des Vermieters unterliegen. So werden nach Absatz 1 dieser Bestimmung die nach Art. 934 ZGB abhandengekommenen Sachen ebenso wenig vom Retentionsrecht erfasst wie diejenigen Sachen, von denen der Vermieter wusste oder wissen musste, dass sie nicht dem Mieter gehören. Allerdings ist dabei der gute Glaube des Vermieters zu vermuten (Higi, ZK, N 52 ff. zu Art. 268–268b OR; MfdP/Wettstein, N 13.5.3; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 268–268b OR; kritisch: Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 21 f. zu Art. 283 SchKG; Weber, BSK, N 6 zu Art. 268–268b OR). Der gute Glaube wird insbesondere dann zerstört, wenn dem Vermie­ ter das Dritteigentum im Zeitpunkt der Einbringung angezeigt wird (Higi, ZK, N 52 und 59 zu Art. 268–268b OR). Der gute Glaube des Vermieters wird aller­ dings selbst durch die Tatsache, dass das Eigentum eines Dritten an den einge­ brachten Sachen im Register für Eigentumsvorbehalte eingetragen ist, nicht ausgeschlossen. Der Konflikt zwischen dem Vermieter, der keinen besonderen Anlass zur Einsichtnahme in das Register des Eigentumsvorbehaltes gehabt hat, und dem Dritteigentümer, der es unterlassen hat, dem Vermieter vom Eigen­

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Art. 268–268b

tumsvorbehalt Kenntnis zu geben, muss zugunsten des Vermieters entschie­ den werden (BGE 106 II 40, E. 2). Aufgrund dieser Rechtsprechung kommt es in der Praxis häufig vor, dass der Dritte, der dem Mieter einen Einrichtungsge­ genstand (z.B. Büromöbel) unter Eigentumsvorbehalt verkauft, vermietet oder verleast, den Vermieter hiervon vor dem Einbringen des Gegenstandes nach­ weisbar in Kenntnis setzt. Auf diese Weise wird der gute Glaube des Vermie­ ters zerstört. Als weitere Einschränkung des Retentionsrechts des Vermieters an Gegenstän­ 20 den Dritter sieht Art.  268a Abs.  2 OR vor, dass das Retentionsrecht erlischt, wenn der Vermieter, falls er erst während der Mietdauer davon erfährt, dass gewisse Gegenstände im Mietobjekt Dritten gehören, den Mietvertrag nicht auf den nächstmöglichen Termin kündigt. Dabei geht aber der Gesetzeswort­ laut von Art. 268a Abs. 2 OR (wie derjenige von Art. 273 Abs. 2 aOR) zu weit. Unterlässt der Vermieter die Kündigung, so geht das Retentionsrecht lediglich für die Zukunft, das heisst für den Zeitraum ab dem nächsten möglichen Kün­ digungstermin unter (Higi, ZK, N 60 ff. zu Art. 268–268b OR; Weber, BSK, N 8 zu Art. 268–268b OR). Für die Mietzinse, die für die Zeit bis zu diesem Kün­ digungstermin geschuldet sind, bleibt auch der nicht kündigende Vermieter retentionsberechtigt und kann insofern auf die Gegenstände des Dritten grei­ fen (BGE 101 II 91, E. 1, mit Verweisungen auf die Literatur).

3.

Geltendmachung des Retentionsrechts

3.1

Verfahren bei Zahlungsverzug des Geschäftsmieters

3.1.1

Aufnahme des Retentionsverzeichnisses

Hat der Mieter fällige Mietzinsforderungen nicht bezahlt, kann der Vermie­ 21 ter von Geschäftsräumen ohne Weiteres gemäss Art. 283 Abs. 1 SchKG die Auf­ nahme eines Retentionsverzeichnisses verlangen (Higi, ZK, N 77 ff. zu Art. 268– 268b OR; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 42 ff. zu Art. 283 SchKG; Weber, BSK, N 12 zu Art. 268–268b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 6 zu Art. 268– 268b OR; Rohner, KUKO SchKG, N 12 zu Art. 283 SchKG). Das gleiche Recht steht dem Vermieter auch für die laufenden (zukünftigen) Mietzinse zu (vgl. N 12 f.), wobei er aber die Gefährdung des Retentionsrechts glaubhaft machen muss. Das Bundesgericht erachtet eine Gefährdung des Retentions­ rechts nur dann als gegeben, wenn die Wegschaffung der Gegenstände droht, nicht aber dann, wenn die Einbringlichkeit der Forderung gefährdet ist (BGE 129 III 395, E. 3.1; Weber, BSK, N 12 zu Art. 268–268b OR; Schnyder/Wiede, Lukas Polivka

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Art. 268–268b

BSK SchKG, N  54  f., mit kritischen Anmerkungen zur bundesgerichtlichen Haltung; a.M. Higi, ZK, N 78 zu Art. 268–268b OR, der zutreffend auch die Gefährdung der Erfüllung der laufenden Forderungen als genügend erachtet, damit dafür die Retention verlangt werden kann). Eine hinreichende Gefähr­ dung wird in aller Regel angenommen, wenn das Mietverhältnis gekündigt ist. Mit dem Begehren um Aufnahme eines Retentionsverzeichnisses macht der Vermieter sein Retentionsrecht geltend und bringt es zur betreibungsrechtli­ chen Vollstreckung. Im Weiteren bildet das Retentionsverzeichnis Grundlage für eine anschliessende Betreibung auf Pfandverwertung (vgl. N 28). 22

Der Mieter kann die Retention von Gegenständen vermeiden, wenn er durch Hinterlegung einer genügend grossen Geldsumme anderweitig Sicherheit leis­ tet oder den ausstehenden Mietzins bezahlt. Die Barhinterlage muss die ganze Mietzinsforderung samt Nebenforderungen umfassen. Sodann tritt die hin­ terlegte Geldsumme anstelle der Retentionsgegenstände und ist in die Reten­ tionsurkunde aufzunehmen (BGE 90 Ill 53, E. 1; Higi, ZK, N 88 zu Art. 268– 268b OR; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 55 und N 68 f. zu Art. 283 SchKG).

23

Das Gesuch um Aufnahme eines Retentionsverzeichnisses ist dem Betrei­ bungsamt des Ortes einzureichen, wo sich die Mieträume befinden. Der Ver­ mieter hat kein Wahlrecht gemäss Art. 51 Abs. 1 SchKG (Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N  47 zu Art.  283 SchKG). Das Betreibungsamt darf die Aufnahme eines Retentionsverzeichnisses nur verweigern, wenn es aufgrund einer sum­ marischen Prüfung feststellt, dass das vom Vermieter beanspruchte Retentions­ recht unzweifelhaft nicht besteht (vgl. statt vieler: BGE 103 III 40, E. 1; Higi, ZK, N 79 f. zu Art. 268–268b OR; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 51 f. zu Art. 283 SchKG; Weber, BSK, N 12 zu Art. 268–268b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 6 zu Art. 268–268b OR; Rohner, KUKO SchKG, N 13 zu Art. 283 SchKG), so z.B., wenn ein ungültiger Mietvertrag vorliegt, offensichtlich überhaupt keine Miet­ zinsforderung oder nur ein Mietvertrag für Wohnräume besteht. Die Betrei­ bungsbehörde darf bei Erstellung der Retentionsurkunde den Betrag der Miet­ zinse und die Zeitabschnitte bestimmen, auf die sie sich beziehen (BGE 120 III 157, E. 2). In analoger Anwendung von Art. 97 Abs. 2 SchKG sind – allerdings ohne Vorankündigung, wie dies bei der Pfändung nach Art. 90 SchKG erfor­ derlich ist – nur so viele Gegenstände aufzuzeichnen, als zur Deckung der For­ derung notwendig sind (BGE 97 III 43, E. 4; Higi, ZK, N 81 zu Art. 268–268b OR; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 60 zu Art. 283 SchKG).

24

Verletzt das Betreibungsamt im Zusammenhang mit einem Begehren um Auf­ nahme eines Retentionsverzeichnisses (betreibungsrechtliche) Verfahrens­ vorschriften, so kann dagegen betreibungsrechtliche Beschwerde (Art.  17 668

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Art. 268–268b

SchKG) geführt werden (Amonn/Walther, Grundriss, §  34, Rz.  20). Zu den­ ken ist etwa an die Aufnahme von Kompetenzstücken (vgl. N 9) in die Betrei­ bungsurkunde (BGE 90 III 99, E. 1). Der Schuldner kann ebenfalls Beschwerde erheben, wenn er geltend macht, es seien mehr Gegenstände aufgezeichnet worden, als zur Deckung der Forderung notwendig seien, oder das Betrei­ bungsamt habe summarische Prüfung der materiellen Voraussetzungen des Retentionsrechts fehlerhaft vorgenommen. Demgegenüber kann sich der Gläubiger mit der Beschwerde etwa dagegen wehren, wenn sich das zustän­ dige Betreibungsamt weigert, ein Retentionsverzeichnis aufzunehmen (Higi, ZK, N 79 zu Art. 268–268b OR; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 56, N 58 und N 61 zu Art. 283 SchKG). Bestreitet der Schuldner hingegen die materiellen Voraussetzungen des Reten­ 25 tionsrechts, indem er z.B. vorbringt, die retinierten Gegenstände gehörten nicht zur Einrichtung oder Benützung der gemieteten Räume, die Retentions­ gegenstände befänden sich nicht in den gemieteten Räumen oder es bestände keine Mietzinsforderung, so ist für die Beurteilung dieser Einwände alleine der Zivilrichter zuständig (Amonn/Walther, Grundriss, § 34, Rz. 19; Schnyder/ Wiede, BSK SchKG, N 51 zu Art. 283 SchKG; Rohner, KUKO SchKG, N 15/16 zu Art.  283 SchKG). Diesfalls kann der Schuldner nicht Beschwerde gegen die Aufnahme des Retentionsverzeichnisses ergreifen, sondern er muss in der anschliessenden Prosekutionsbetreibung Rechtsvorschlag gegen den Zah­ lungsbefehl erheben (vgl. dazu N 30). Beansprucht ein Dritter an einer im Retentionsverzeichnis aufgenommenen 26 Sache das Eigentum oder ein Pfandrecht, so wird diese Frage im Widerspruchsverfahren (Art. 107 SchKG) entschieden (vgl. BGE 96 III 66, E. 1). Dieses wird erst nach Stellung des Verwertungsbegehrens ausgetragen (Higi, ZK, N 81 ff. zu Art. 268–268b OR; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 63 zu Art. 283 SchKG). Die Wirkung der Retentionsurkunde besteht nicht etwa darin, dass gleichzei­ 27 tig mit der Aufnahme ins Retentionsverzeichnis das Retentionsrecht entsteht (vgl. dazu N 7). Vielmehr besteht das Retentionsrecht unabhängig vom Reten­ tionsverzeichnis. Die Retentionsurkunde hat nur die Funktion eines betreibungsrechtlichen Sicherungsmittels (BGE 116 III 120, E.  3c; Amonn/Wal­ ter, Grundriss, § 34, Rz. 28; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 59 und N 70 zu Art. 283 SchKG) und stellt bloss fest, welche Gegenstände konkret dem Reten­ tionsbeschlag unterliegen und damit Gegenstand der anschliessenden Betrei­ bung auf Pfandverwertung bilden können (BGE 66 III 78, E. 2; Higi, ZK, N 87 zu Art. 268–268b OR; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 70 zu Art. 283 SchKG). Das Retentionsverzeichnis dient damit der Sicherung einer künftigen VollLukas Polivka

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Art. 268–268b

streckung. Ihr kommt eine Schutzwirkung zu, sodass der Schuldner die auf­ gezeichneten Gegenstände wohl gebrauchen, aber unter Straffolge (Art.  145 und 169 StGB) nicht mehr über sie verfügen darf. Infolge dieser Schutzwir­ kung bleibt der Retentionsbeschlag auch bestehen, wenn die Gegenstände aus den Mieträumen entfernt werden. Diesfalls kann der Vermieter jederzeit die Rückschaffung verlangen, ohne an die Voraussetzungen der Art. 268b Abs. 2 OR und Art. 284 SchKG gebunden zu sein. Das Betreibungsamt hat vielmehr entfernte Gegenstände sogar von Amtes wegen zurückzuschaffen (BGE 104 III 25, E. 1; 69 III 65; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 67 zu Art. 283 SchKG; Roh­ ner, KUKO SchKG, N 2 zu Art. 284 SchKG).

3.1.2

Prosekution der Retentionsurkunde

28

Die Wirkung des Retentionsverzeichnisses ist befristet. Hat der Vermie­ ter nicht gleichzeitig mit dem Gesuch um Aufnahme eines Retentionsbe­ gehrens ein Betreibungsbegehren gestellt, so setzt ihm das Betreibungsamt eine Frist zur Anhebung der Betreibung auf Pfandverwertung an (Art. 283 Abs.  3 SchKG; BGE 124 III 215, E.  1b). Gemäss Kreisschreiben des Bundes­ gerichts vom 12. Juli 1909 beträgt diese Frist für verfallene Mietzinsforderun­ gen 10 Tage seit Zustellung der Retentionsurkunde. Für die laufenden Miet­ zinse beginnt die Frist von 10 Tagen am Fälligkeitstag der letzten Mietzinsrate zu laufen (Higi, ZK, N 90 zu Art. 268–268b OR; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 74 und N 77 zu Art. 283 SchKG; Weber, BSK, N 12a zu Art. 268–268b OR). Das Retentionsrecht darf – durch Betreibung auf Pfandverwertung – nur im Umfang der in der Retentionsurkunde genannten Forderung prosequiert wer­ den (BGE 120 III 157, E. 2; Higi, ZK, N 91 zu Art. 268–268b OR). Das Betrei­ bungsbegehren ist zwingend dem Betreibungsamt am Ort der gelegenen Sache einzureichen. Der Gläubiger verfügt über kein Wahlrecht i.S.v. Art. 51 Abs. 1 SchKG (Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 74/74a zu Art. 283 SchKG).

29

Wird die Retentionsurkunde nicht rechtzeitig mittels einer Betreibung auf Pfandverwertung prosequiert, so erlischt deren Wirkung, und der Retentions­ beschlag fällt dahin (Higi, ZK, N 96 zu Art. 268–268b OR; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N  91 zu Art.  283 SchKG). Da die Retentionsurkunde keinerlei materiell-rechtliche Wirkungen entfaltet und sich somit auch nicht über den Bestand des Retentionsrechts ausspricht, kann der Vermieter jederzeit die Aufnahme eines neuen Verzeichnisses verlangen (BGE 105 III 84, E. 2; Higi, ZK, N 74 zu Art. 268–268b OR; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 92 zu Art. 283 SchKG). Erforderlich ist jedoch, dass die Voraussetzungen des Retentionsrech­ tes gemäss Art. 268 OR (vgl. dazu N 7 ff.) nach wie vor gegeben sind.

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Art. 268–268b

Bei rechtzeitiger Einleitung der Betreibung kann der Mieter gegen den im 30 Anschluss daran ergangenen Zahlungsbefehl Rechtsvorschlag erheben (Higi, ZK, N 93 zu Art. 268–268b OR). Nach der neuen Fassung von Art. 85 VZG bedeutet die Rechtsvorschlagserklärung sowohl Bestreitung des Retentions­ rechts als auch der Forderung (Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 81 zu Art. 283 SchKG). Wird kein Rechtsvorschlag erhoben, kann der Vermieter einen Monat nach Zustellung des Zahlungsbefehls Verwertung der Pfandgegenstände ver­ langen. Die Beseitigung des Rechtsvorschlages ist ebenfalls im Kreisschreiben des Bun­ 31 desgerichts vom 12. Juli 1909 geregelt. In Ausfüllung einer Gesetzeslücke hat das Bundesgericht die Bestimmung von Art.  278 SchKG auf das Retentions­ verfahren analog anwendbar erklärt. Danach muss der Vermieter nach erhobe­ nem Rechtsvorschlag innert 10 Tagen die Rechtsöffnung verlangen (Art. 80/82 SchKG) – wobei der Mietvertrag grundsätzlich nicht nur für die Mietzinsfor­ derung, sondern auch für das Retentionsrecht als provisorischer Rechtsöffnungstitel gilt (vgl. Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 84 zu Art. 283 SchKG) – oder den ordentlichen Prozess anheben (Art. 79 OR). Da der Rechtsvorschlag nicht nur als Bestreitung der Forderung, sondern auch als solche des Reten­ tionsrechts gilt (vgl. N 30), muss der Vermieter in dem von ihm eingeleiteten Verfahren nebst seiner Forderung auch gleichzeitig den Bestand des Reten­ tionsrechts geltend machen (Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 87 zu Art. 283 SchKG; Rohner, KUKO SchKG, N 18 zu Art. 283 SchKG). Strengt der Vermie­ ter ein (provisorisches) Rechtsöffnungsverfahren an und wird er mit seinem Rechtsöffnungsbegehren abgewiesen, so hat er innert 10 Tagen seit Mitteilung des Entscheids den ordentlichen Prozess anzuheben. Dieser in der Retenti­ onsurkunde beschriebene Verfahrensablauf gibt zudem detailliert an, dass der Retentionsbeschlag für die betreffende Forderung dahinfällt, wenn der Ver­ mieter die bezeichneten Fristen nicht einhält, wenn er die angehobene Klage oder Betreibung zurückzieht oder erlöschen lässt oder wenn er mit seiner Klage vom Gericht endgültig abgewiesen wird. Bezüglich der Retentionsprosequierungsklage im ordentlichen Prozess (Art.  79 SchKG) ist das Schlichtungsobligatorium von Art. 197 ZPO zu beachten. Die Klage ist daher innert 10 Tagen bei der Schlichtungsbehörde am Ort der gelegenen Sache (wo sich auch die retinierten Gegenstände befinden) anzuheben. Wird dem Vermie­ ter im Schlichtungsverfahren die Klagebewilligung erteilt, so muss er innert 30 Tagen (und nicht innert 10 Tagen) vor Gericht klagen (BGE 140 III 561, E. 2.2.2.4; ebenso Weber, BSK, N 12 zu Art. 268–268b OR und Hulliger/Hein­ rich, CHK, N 8 zu Art. 268–268b OR; a.M. Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 86 zu Art. 283 SchKG, die die Massgeblichkeit der 10-Tages-Frist postulieren). Lukas Polivka

671

Art. 268–268b 32

Zum weiteren Verfahren, vgl. Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 95 ff. zu Art. 283 SchKG.

3.1.3 33

34

Retentionsrecht im Konkurs des Mieters

Nach der Konkurseröffnung über den Mieter ist die Prosequierung für For­ derungen, die vor der Konkurseröffnung entstanden sind, nicht mehr nötig bzw. nicht mehr möglich (Art. 206 Abs. 1 SchKG; BGE 124 III 41, E. 2; 124 III 215, E. 1). Als vor der Konkurseröffnung entstandene Mietzinsforderungen haben die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits verfallenen Mietzinse, mit denen der Mieter in Rückstand ist, zu gelten. Sie werden zu Konkursforderungen (BGE 124 III 41, E. 2a; vgl. N 37 zu Art. 266h OR; Higi, ZK, N 25 zu Art. 266h OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 9 zu Art. 268–268b OR). Der Reten­ tionsbeschlag wird durch den Konkursbeschlag an den vor der Konkurseröff­ nung retinierten Gegenständen ersetzt. Zudem gelten nach bundesgerichtli­ cher Rechtsprechung auch die zukünftigen Mietzinsforderungen bis maximal 6 Monate nach Konkurseröffnung als Konkursforderungen, für die das Reten­ tionsrecht beansprucht werden kann (BGE 124 III 41, E. 2b; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 71 zu Art. 283 SchKG; Weber, BSK, N 12a zu Art. 268–268b OR). Dies gilt unabhängig davon, ob der Geschäftsmieter bzw. Gemeinschuld­ ner eine juristische oder natürliche Person ist. Wird über den Geschäftsmieter der Konkurs eröffnet, ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn der Ver­ mieter seine Forderungen und sein Retentionsrecht bei der Konkursverwal­ tung anmeldet.

3.2

Verfahren bei Gefährdung des Retentionsrechts

3.2.1

Zurückhaltungsrecht nach Art. 268b Abs. 1 OR

Mit der Entfernung von Gegenständen aus den Mieträumen geht das daran bestehende Retentionsrecht unter (vgl. N 7). Um deshalb die Entfernung von Gegenständen, die dem Retentionsrecht unterstehen, zu verhindern, sieht Art. 268b Abs. 1 OR ein Zurückbehaltungsrecht des Vermieters vor. Danach kann der Vermieter, wenn der Mieter wegziehen oder die in den Mieträumen befindlichen Gegenstände wegschaffen will, mithilfe des zuständigen Betrei­ bungsamtes so viele Gegenstände zurückhalten, wie zur Deckung seiner For­ derung nötig sind. Zu diesem Zweck nimmt das Betreibungsamt ein Retenti­ onsverzeichnis auf (Higi, ZK, N 101 ff. zu Art. 268–268b OR; MfdP/Wettstein, N  13.5.8). Zudem kann das Betreibungsamt von sich aus die Hilfe der Polizei anfordern. Bei besonderer zeitlicher Dringlichkeit kann sich der Vermie­

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Art. 268–268b

ter zudem direkt an die Polizei wenden (Art.  283 Abs.  2 SchKG), die dann das Betreibungsamt zur Aufnahme eines Retentionsverzeichnisses veranlasst. Ist nach den gegebenen Umständen behördliche Hilfe nicht mehr rechtzeitig zu erreichen, kann der Vermieter laut Art.  52 OR zur Selbsthilfe schreiten und die Wegschaffung der Gegenstände verhindern (a.M. Higi, ZK, N 102 zu Art.  268–268b OR). Nach Erstellung der Retentionsurkunde nimmt das Ver­ fahren seinen üblichen Fortgang (vgl. N 28 ff.).

3.2.2

Rückschaffung gemäss Art. 268b Abs. 2 OR

Art. 268b Abs. 2 OR i.V.m. Art. 284 SchKG sehen ein Rückschaffungsrecht des 35 Vermieters für Gegenstände vor, die noch nicht von einem Retentionsverzeich­ nis erfasst und heimlich oder gewaltsam aus dem Mietobjekt entfernt worden sind, sodass sie sich nicht mehr in den Mieträumen befinden (Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 4 f. zu Art. 284 SchKG; MfdP/Wettstein, N 13.5.8). Eine Fort­ schaffung gilt als gewaltsam, wenn der Mieter dabei den Widerstand des Ver­ mieters oder gar des Betreibungsamtes überwinden musste (Higi, ZK, N 110 zu Art. 268–268b OR; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 7 zu Art. 284 SchKG). Heimlichkeit ist zu bejahen, wenn der Mieter Retentionsgegenstände ohne Wissen des Vermieters fortschafft oder fortschaffen lässt und dabei nicht in guten Treuen annehmen kann, dieser würde die Fortschaffung dulden, wenn er davon Kenntnis hätte (BGE 101 II 91, E. 2a; Higi, ZK, N 111 f. zu Art. 268– 268b OR; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 8 zu Art. 284 SchKG). Keine Heim­ lichkeit liegt vor, wenn der Mieter vor den Augen des Vermieters auszieht (BGE 80 III 36, E. 2) oder diesem den bevorstehenden Auszug mitgeteilt hat (BGE 39 I 474). Von Amtes wegen wird dem Vermieter nichts zurückgebracht (vgl. aber N 27 36 für den Fall, dass Gegenstände weggeschafft wurden, die bereits in einer Reten­ tionsurkunde verzeichnet worden sind). Dieser hat sich deshalb innert 10 Tagen seit Entfernung der Gegenstände an das Betreibungsamt des Ortes, wo sich die Gegenstände vorher befanden, zu wenden und das Gesuch um Rück­ schaffung der Retentionsgegenstände zu stellen. Das zuständige Betreibungs­ amt ersucht dann entweder das Betreibungsamt, wo die entfernten Gegen­ stände liegen, oder die Polizei um Mithilfe (Art. 284 SchKG und BGE 52 III 33, E. 2). Anstelle der Rückschaffung kann auch Verwahrung durch das Betrei­ bungsamt treten (BGE 72 II 364, E. 4). Erst nach der Rückschaffung oder Ver­ wahrung nimmt das Betreibungsamt ein Retentionsverzeichnis auf (BGE 68 III 3; vgl. zum ganzen Verfahren Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N  11  ff. zu Art. 284 SchKG; Rohner, KUKO SchKG, N 5 f. zu Art. 284 SchKG).

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Art. 268–268b 37

Ein Zurückbringen ist ausgeschlossen, sobald Dritte an den Retentions­ gegenständen gutgläubig Rechte erworben haben (Art.  284 SchKG; Higi, ZK, N  116  f. zu Art.  268–268b OR). Diesbezügliche Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Dritten, in denen ein Schlichtungsverfahren entfällt (Art.  198 lit.  e Ziffer 8 ZPO), entscheidet der Richter. Gerichtsstand ist der Ort, an dem sich die weggeschaffte Sache zum Zeitpunkt der Klageeinreichung befindet, wobei aber alternativ auch der Beklagtengerichtsstand zur Verfügung steht (Art. 30 Abs. 1 ZPO; Schnyder/Wiede, BSK SchKG, N 15 ff. zu Art. 284 SchKG; Rohner, KUKO SchKG, N 7/8 zu Art. 284 SchKG).

674

Lukas Polivka

Beat Rohrer

Zweiter Abschnitt: Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen und anderen missbräuchlichen Forderungen des Vermieters bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen Vorbemerkungen zu Art. 269–270e InhaltsübersichtSeite 1.

Verfassungsauftrag und gesetzespolitische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

676

2. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Allgemeines und Begriffe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Berechnungsmodell Überwälzung laufender Kostenveränderungen . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Umsatzmietzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

679 679 689 692

3.

Mietzinserhöhung nach absoluter oder nach relativer Methode .. . . . . . . . . . . . . . . . 

693

4.

Konsequenzen aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

695

Beat Rohrer

675

Vorbemerkungen zu Art. 269–270e

1.

Verfassungsauftrag und gesetzespolitische Grundlagen

1

Volk und Stände stimmten am 6. Dezember 1986 der Revision des damals gel­ tenden Art. 34septies BV zu und erteilten damit dem Gesetzgeber den Auftrag, Bestimmungen zum Schutz der Mieterinnen und Mieter vor missbräuchlichen Mietzinsen und anderen missbräuchlichen Forderungen sowie betreffend die Anfechtbarkeit missbräuchlicher Kündigungen und die befristete Erstreckung von Mietverhältnissen zu erlassen. Der Begriff des Missbrauchs wurde damals verstanden als qualifiziert verpöntes Verhalten, mit dem Vermieter in unlau­ terer Weise die Abhängigkeit von betroffenen Mieterinnen und Mietern aus­ zunützen trachteten, um sich übersetzte Mieterträge zu sichern (in der West­ schweiz wurde dabei der Begriff der loyers abusifs verwendet, der mitunter auch übersetzt wurde als wucherische Mietzinse, vgl. Hausmann, Vertragsfrei­ heit, N 17.1.1, Fn. 1134, m.w.H. auf AB NR 1971, S. 1351). Dabei wurde der Begriff des Missbrauchs den Vorstellungen der Initianten, welche die Revision des Mietrechtes angestossen hatten und dabei den Schutz der Mieter vor unan­ gemessenen Mietzinsen in der Verfassung verankert haben wollten, vorgezo­ gen. Unzutreffend ist, dass mit der erwähnten Verfassungsbestimmung das Ziel verfolgt wurde, «zusätzliche Massnahmen zur Korrektur von Ungleichge­ wichten zu ermöglichen» (Weber, BSK, N 2 zu Art. 269 OR) und auch, dass im Verfassungstext eine «unglückliche Terminologie» Verwendung fand (Weber, BSK, N  2 zu Art.  269 OR; Gut, Entwicklung, S.  1  ff.). Das Gegenteil ergibt sich unwiderlegbar aus der Botschaft des Bundesrates, in welcher festgehal­ ten wurde, das Gemeinwesen müsse, soweit ein Bedürfnis bestehe, «eigentliche Störungen des Wohnungsmarktes zu korrigieren», auf anderer Grundlage und mit den hierfür zur Verfügung stehenden Instrumentarien wie Wohnbauförde­ rung, Wohnungsbau durch die öffentliche Hand, Erschliessungshilfen und mit den Mitteln der Raumplanung aktiv werden (Botsch. 1985, S. 1401).

2

Die Erweiterung von Art. 34septies BV bewirkte, dass die in jenem Zeitpunkt anwendbaren Bestimmungen des Bundesbeschlusses über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen (BMM) vom 30. Juni 1972 – beschränkt auf die Kategorie der Wohn- und Geschäftsräume – ins ordentliche Gesetzes­ recht übergeführt werden konnten (HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.3, Fn. 5). Der Verfassungsauftrag mit Bezug auf den Schutz der Mieter vor miss­ bräuchlichen Mietzinsen und anderen missbräuchlichen Forderungen wurde dahingehend verstanden, dass die seit 1972 für Gebiete mit Wohnungsnot gel­ tenden Bestimmungen des BMM in ihrem inneren Gehalt weitestgehend bei­ zubehalten waren, mit dem Unterschied freilich, dass diese Regelungen nun­ 676

Beat Rohrer

Vorbemerkungen zu Art. 269–270e

mehr für das Gebiet der gesamten Schweiz und ungeachtet einer allenfalls bestehenden Wohnungsnot anwendbar sein sollten. Dies erklärt, warum zahl­ reiche Bestimmungen der Art. 269 ff. OR wörtlich oder sinngemäss mit ent­ sprechenden Bestimmungen des früher geltenden BMM (bzw. die Bestim­ mungen der VMWG mit solchen der früheren VMM) übereinstimmen. Die parlamentarischen Beratungen konzentrierten sich im Bereich des Schutzes vor missbräuchlichen Mietzinsen im Wesentlichen auf die Diskussion von The­ men, die weniger in rechtlicher als vielmehr in politischer Hinsicht bedeut­ sam waren (z.B. die erweiterte Zulassung der Anfechtung des Anfangsmiet­ zinses gegenüber dem früher geltenden Recht oder der institutionalisierte Mechanismus der Überwälzung von Veränderungen des Zinssatzes für Erst­ hypotheken). Demgegenüber setzte sich der Gesetzgeber mit der zum BMM ergangenen Rechtsprechung und den dabei erkennbar gewordenen Schwach­ stellen kaum auseinander (vgl. nachfolgend N 3 ff.). Dass die wesentlichsten Bestimmungen des früher geltenden BMM und der VMM in das ordentliche Recht übernommen wurden, kann so verstanden werden, dass der Gesetzge­ ber annahm, die bisherigen Regelungen hätten sich bewährt, mit der Kon­ sequenz, dass die Rechtsprechung an ihre eigenen Weiterentwicklungen zur Anwendung des BMM anknüpfen konnte. Dem folgte auch das Bundesgericht (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichts vom 24. Februar 1994, E. 6, in: MRA 0/94, S. 15 ff.). Art. 109 der revidierten Bundesverfassung, die seit 1. Januar 2000 in Kraft steht, verpflichtet den Bund – ohne dass dabei der erwähnte Art. 34septies aBV in seinem materiellen Gehalt verändert worden wäre – in gleicher Weise zum Erlass von Vorschriften gegen Missbräuche im Mietwesen, namentlich gegen missbräuchliche Mietzinse sowie betreffend die Anfechtbarkeit miss­ bräuchlicher Kündigungen und die befristete Erstreckung von Mietverhältnis­ sen und bildet daher nunmehr die verfassungsrechtliche Grundlage für die entsprechenden Bestimmungen im Mietrecht. Dem Gesetzgeber ist vorzuwerfen, dass er sich mit zahlreichen Grundsatz­ 3 fragen und im früher geltenden Recht enthaltenen Lücken, die schon bei der Anwendung der früheren Missbrauchsbestimmungen des BMM zutage getre­ ten waren, nicht auseinandergesetzt hatte und daher Unsicherheiten über die Rechtsanwendung bezüglich solcher Fragen im Raum stehen liess. Dies ist umso bedauerlicher, als bereits dem Text der Botschaft entnommen werden kann, in welchen Bereichen die Rechtsprechung zuvor vorhandene Lücken aufgedeckt hatte (Weber, BSK, N 4 zu Art. 269 OR). So wurde das Spannungsverhältnis zwischen dem Grundtatbestand von 4 Art.  269 OR (nach dem Randtitel als «Regel» bezeichnet) und den Ausnah­

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metatbeständen gemäss Art. 269a OR in der Botschaft zwar erkannt, jedoch nicht gelöst, wurden doch Art. 14 und 15 BMM praktisch gleichlautend, näm­ lich als Art. 269 und Art. 269a OR, ins neue Recht überführt. Nicht beantwor­ tet war deshalb die in der Botschaft durchaus als problematisch erkannte Frage, in welchem Verhältnis die Ausnahmebestimmungen namentlich mit Bezug auf das Kriterium der orts- oder quartierüblichen Mietzinse gegenüber dem Regel­ tatbestand, der Erzielung eines angemessenen Ertrages (Art. 269 OR), stehen (vgl. N 12 ff.). 5

Nicht erkannt wurde sodann auch die Bedeutung der vom Bundesgericht im Rahmen seiner Rechtsprechung ohne Bezug auf eine entsprechende gesetz­ liche Regelung entwickelten sogenannten «relativen Methode». Anders ist jedenfalls nicht erklärbar, dass auch mit Bezug auf diesen von der Praxis als wesentlich, ja zentral erachteten Grundsatz der früher geltende Art. 18 BMM inhaltlich praktisch unverändert als Art. 269d OR ins revidierte Recht über­ nommen worden ist. Die erwähnte relative Methode fand dann kurz vor dem Inkrafttreten des revidierten Mietrechtes ihren Niederschlag doch noch in der Vorbehaltsregelung von Art. 18 VMWG.

6

Dass das Bundesgericht nach Inkrafttreten des revidierten Rechtes keine Ver­ anlassung sah, von Erkenntnissen der früheren Rechtsprechung abzuweichen, ist nicht erstaunlich, führt aber zur unbefriedigenden Konsequenz, dass dabei Grundsätze angewendet werden, die im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden haben. Dies gilt  – trotz der Regelung von Art.  18 VMWG  – auch für die Anwendung der sogenannten relativen Methode mit Bezug auf das Erfordernis der Begründung eines Vorbehaltes – entgegen dem Wortlaut der erwähnten Verordnungsbestimmung (Urteil des Bundesgerichts vom 24. Feb­ ruar 1994, in: MRA 0/94, S. 15 ff.; vgl. Rohrer, relative Methode, S. 153 ff.), mit Bezug auf verschiedene Formerfordernisse im Zusammenhang mit der Mittei­ lung von Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen (vgl. MRA 3/95, S. 139 ff., m.w.H. auf mp 3/94, S. 140, 142; 1/95, S. 32 ff.). Fer­ ner fehlt im Gesetz eine Definition verschiedener grundlegender Begriffe, wie etwa diejenige des angemessenen Ertrages und der für dessen Bestimmung wesentlichen Kostenparameter, vor allem aber jeder Hinweis darauf, wo die Grenze zwischen dem zulässigen und dem missbräuchlichen Ertrag verläuft (hierzu N 5 ff. zu Art. 269 OR). Ähnliches gilt mit Bezug auf den Begriff der kostendeckenden Bruttorendite (hierzu N 88 ff. zu Art. 269a OR). Nirgends definiert ist schliesslich die «Unwirksamkeit» einer ausserordentlichen Kün­ digung, die zwar nicht formnichtig ist, aber trotz unterlassener Anfechtung gleichwohl keine Wirkung entfaltet (vgl. hierzu N 16 zu Art. 271 OR).

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Wie sich aus der Überschrift zum zweiten Abschnitt betreffend die Art. 269 ff. 7 OR ergibt, sind die Bestimmungen über die sogenannten missbräuchli­ chen Mietzinse nur anwendbar für Wohn- und Geschäftsräume bzw.  – wie Art.  253b OR zu entnehmen ist  – für nichtlandwirtschaftliche Pachtobjekte. Ausdrücklich ausgenommen von der Schutzwirkung der Bestimmungen des zweiten Abschnitts sind demgegenüber Ferienwohnungen, die höchstens für drei Monate gemietet werden (Art.  253a Abs.  2 OR), luxuriöse Wohnungen (Art. 253b Abs. 2 OR) und Wohnräume, deren Bereitstellung durch die öffent­ liche Hand gefördert und deren Mietzinsgestaltung durch eine Behörde kon­ trolliert werden (Art. 253b Abs. 2 OR).

2. Grundsätze 2.1

Allgemeines und Begriffe

Die in den Art.  269 und 269a OR enthaltenen Kriterien zur Überprüfung 8 der Missbräuchlichkeit von Mietzinsen lassen sich in verschiedene Katego­ rien einteilen: Im Vordergrund steht die Differenzierung zwischen Kostenund Marktmiete bzw. die in Anlehnung an Marktverhältnisse im Mietrecht bedeutsame Vergleichsmiete. Eine weitere Unterteilung besteht mit Bezug auf den vertragsbezogenen Ansatzpunkt: Man unterscheidet demzufolge absolute (von den konkreten vertraglichen Regelungen der Parteien unabhängige) und relative (nach Massgabe der Entwicklung des Mietzinses in einem konkreten Vertragsverhältnis bestimmte) Erhöhungsgründe.

2.1.1

Kosten- und Vergleichsmietzinse

Verschiedene der Kriterien zur Beurteilung des missbräuchlichen Mietzinses 9 knüpfen an die beim Vermieter im Zusammenhang mit Eigentum und Ver­ mietung einer Liegenschaft anfallenden Kosten an. Nach dem Prinzip der Kostenmiete sollen diese Kosten und allfällige Kostenveränderungen durch die Mietzinseinnahmen gedeckt werden. Gleichzeitig soll der Vermieter auf dem investierten Eigenkapital eine gewisse Rendite erwirtschaften können. Das Kriterium der Orts- oder Quartierüblichkeit anderseits löst sich von der Kostenstruktur auf Vermieterseite und knüpft an bestehende Marktverhältnisse an. Die Missbräuchlichkeit des Mietzinses wird dabei ausschliesslich auf­ grund von Vergleichsmietzinsen für ähnliche Mietobjekte im Ort oder Quar­ tier beurteilt (vgl. N 4 ff. zu Art. 269a OR).

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2.1.2

Absolute und relative Erhöhungsgründe

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Bei der Anwendung verschiedener Missbrauchskriterien erfolgt die Beurtei­ lung des zulässigen bzw. nicht missbräuchlichen Mietzinses im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, die jederzeit auf einen Stichtag ungeachtet der früheren Mietzinsgestaltung im konkreten Vertragsverhältnis angestellt werden kann. Nach diesen Kriterien erfolgt die Missbrauchsprüfung daher absolut. Dies gilt mit Bezug auf Kostenelemente für das Kriterium der Erzielung eines ange­ messenen Ertrages (Beurteilung der Eigenkapitalrendite, Art. 269 OR) sowie mit Bezug auf das Kriterium der kostendeckenden Bruttorendite bei neue­ ren Bauten nach Art.  269a Buchst.  c OR. Bei diesen Kriterien wird die Kos­ tenberechnung der Liegenschaft bzw. der Ertrag aus der Mietliegenschaft bzw. aus den einzelnen Mietobjekten im Sinne einer «Momentaufnahme» beurteilt. Das Kriterium der orts- oder quartierüblichen Verhältnisse stellt eine Bezie­ hung zwischen dem Mietzins eines Mietobjektes zu Mietzinsen anderer, nach Lage, Grösse, Zustand, Ausstattung und Bauperiode vergleichbarer Objekte für einen ganz bestimmten Zeitpunkt her (Higi, ZK, N 453 f. zu Art. 269 OR; Sieg­ rist, Mietzins, S. 41 f.).

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Als relative Erhöhungsgründe werden demgegenüber diejenigen Kriterien bezeichnet, bei denen Mietzinse zufolge einer laufenden Kostenentwicklung veränderten Verhältnissen angepasst werden. Dazu gehören die unter Art. 269a Buchst. b OR erfassten Veränderungen des Referenzzinssatzes (frü­ her eines bestimmten als Referenzgrösse betrachteten Hypothekarzinsfusses), vom Vermieter erbrachte, zu verzinsende bzw. zu amortisierende Mehrleistun­ gen sowie allgemeine Kostensteigerungen und ferner der Teuerungsausgleich auf dem risikotragenden Kapital nach Art. 269a Buchst. e OR i.V.m. mit Art. 16 VMWG (Higi, ZK, N 455 ff. zu Art. 269 OR; Siegrist, a.a.O., S. 42; ferner Roh­ rer, relative Methode, S. 153 ff.). Schliesslich fällt die Anpassung des Mietzinses an Veränderungen des Landesindexes der Konsumentenpreise des Bundes­ amtes für Statistik in Verträgen, in denen sich zumindest die Vermieterpar­ tei für mindestens fünf Jahre gebunden hat (Art. 269b und 270c OR, Art. 17 Abs. 4 VMWG), ebenfalls unter die Mietzinsgestaltung nach Kostenelementen. Ähnliches gilt für die gestaffelten Mietzinse (Art. 269c und 270d OR), bei wel­ chen dem Mieter entweder ein Anfangsrabatt gegenüber dem kostendecken­ den oder orts- und quartierüblichen Mietzins gewährt oder aber eine von den Parteien selbst bestimmte künftige Kostenentwicklung antizipiert wird.

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2.1.3

Verhältnis der einzelnen Missbrauchskriterien

Das Bundesgericht hat erstmals im Urteil 124 III 310  – abweichend von sei­ 12 ner früheren Praxis, aber seither konsequent  – entschieden, aus den Rand­ titeln von Art.  269 und 269a OR ergäbe sich eine Art Hierarchie unter den Missbrauchs­tatbeständen. Demnach sei der angemessene Ertrag als «Regeltat­ bestand» gegenüber den in Art. 269a OR aufgezählten «Ausnahmetatbestän­ den» übergeordnet bzw. vorrangig. Das bedeute, dass ein nach Massgabe der in Art. 269a OR genannten Kriterien nicht missbräuchlicher Mietzins stets zusätz­ lich daraufhin zu überprüfen sei, ob er dem Vermieter nicht einen übersetzten Ertrag verschaffe (BGE 124 III 310, in: MRA 5/98, S. 147 ff.; zum Verhältnis zu den orts- oder quartierüblichen Mietzinsen: Urteil 4A_669/2010 vom 28. April 2011, E. 4.1; Urteil 4A_276/2011 vom 11. Oktober 2011, E. 5.2.1/5.2.3, in: MRA 4/12, S. 195 ff.; BGE 140 III 433, E. 3.1, in: MRA 1/15, S. 16 ff.). Das Verhältnis des Kriteriums angemessener Ertrag zu den weiteren Miss­ 13 brauchskriterien war in den Randtiteln des BMM noch mit Grundsatz (Art. 14 BMM) zu Ausnahmen (Art. 15 BMM) umschrieben worden. In der Botschaft zum BMM hielt der Bundesrat fest, es sei schwierig, positiv auszudrücken, was Missbrauch im Allgemeinen und im Hinblick auf einzelne Tatbestände sei. Deshalb würden in Art. 15 BMM Tatbestände aufgezählt, bei deren Vorliegen in der Regel eine missbräuchliche Mietzinsforderung nicht bestehe. Wörtlich dann die Botschaft: «Die dort erwähnten Tatbestände sind, jeder für sich, sozusagen ein Exkulpationsgrund, auf den ein Vermieter, gegen den der Vorwurf der Forderung eines missbräuchlichen Mietzinses erhoben wird, sich berufen kann» (Botsch. 1972, S. 1232). Unter dem Geltungsbereich des BMM wurden die absoluten Missbrauchskri­ 14 terien des angemessenen Ertrages und der Orts- oder Quartierüblichkeit als gleichrangig behandelt. Das Bundesgericht hatte im Entscheid BGE 108 II 137, E. 1a, unter Bezugnahme auf den damals geltenden Art. 15 Abs. 1 Buchst. a BMM (heute Art. 269a Buchst. a OR) festgestellt, dass ein Mietzins, der als ortsoder quartierüblich zu betrachten sei, nicht noch zusätzlich nach anderen Kri­ terien auf Missbräuchlichkeit hin zu überprüfen sei. Unter dem Aspekt der Orts- oder Quartierüblichkeit nicht missbräuchliche Mietzinse könnten nur bei Vorliegen ernsthafter Gründe («des raisons sérieuses») zusätzlich da­rauf hin überprüft werden, ob sie im Sinne von Art. 14 BMM (heute Art. 269 OR) missbräuchlich seien. In BGE 112 II 149 hatte das Bundesgericht dann eine sol­ che zusätzliche Überprüfung klar abgelehnt und dies in BGE 118 II 130 bestä­ tigt (a.a.O., E. 3a, S. 134; Gmür/Thanei, Mietzinserhöhung, S. 31; Zihl­mann, Mietrecht, S.  134 mit Fn.  12). Diese Entscheide stimmen  – im Unterschied Beat Rohrer

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zur nachfolgenden Praxis des Bundesgerichts  – durchaus mit dem Willen des Gesetzgebers überein, nachdem in der Botschaft zum Art. 12 Abs. 1 (der Art. 269a OR entspricht) wörtlich Folgendes festgehalten wurde: «In Artikel 12 Absatz 1 werden, der geltenden Regelung (Art. 15 Abs. 1 BMM) folgend, Tatbestände aufgezählt, die eine entsprechende Mietzinsforderung rechtfertigen. Kann sich der Vermieter auf sie berufen, so ist der Vorwurf des missbräuchlichen Mietzinses ungerechtfertigt.» (Botsch. 1985, S. 1491; vgl. Bättig Hans, in: MRA 4/02, S. 146 ff.; Bättig bezeichnet zu Recht die beiden Kriterien des angemessenen Ertrages und der Orts- oder Quartierüblichkeit als unvereinbar, HAP-Immo­ biliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.3). Gegen die Annahme einer aus den Randtiteln abgeleiteten «Hierarchie» zwischen dem in Art. 269 OR definierten Kriterium des angemessenen Ertrages und den in Art. 269a OR geregelten Missbrauch­ statbeständen spricht insbesondere auch der Wortlaut von Art. 269a OR: Einlei­ tend wird nämlich gesagt, dass Mietzinse «in der Regel» nicht missbräuchlich seien, wenn sie die nachfolgend im einzelnen aufgezählten Kriterien erfüllten (gl.M. Higi, ZK, N 20 f. zu Art. 269 OR). Die Missbrauchsüberprüfung gemäss den Kriterien von Art. 269a OR erfolgt somit in gleicher Weise nach Massgabe von «Regelfällen» wie bei der Anwendung von Art. 269 OR. 15

In BGE 122 III 257 schien das Bundesgericht seine Praxis erneut zu bestäti­ gen (MRA 5/96, S. 187 ff.). Es erkannte, dass der Einwand des nicht übersetz­ ten Ertrages im Verfahren betreffend Mietzinsherabsetzung zu «irrealistischen Werten» führe, wenn bei einer vor längerer Zeit erstellten oder erworbenen Liegenschaft von den seinerzeit tatsächlich investierten Mitteln ausgegan­ gen würde. Trotzdem – und entgegen dem Art. 10 VMWG innewohnenden Gedanken – verweigerte das Bundesgericht dem Vermieter eine «Aufwertung» der Anlagekosten zur Angleichung an aktuelle Wertverhältnisse. Es gestand ihm als Kompensation dafür – nach absoluter Methode – der Einwand zu, der aktuelle Mietzins sei nach dem Kriterium der Orts- und Quartierüblichkeit nicht missbräuchlich. Dabei erwog es, dass in Art. 270a OR im Hinblick auf die Missbrauchsprüfung auf die Kriterien der Art. 269 und 269a OR verwie­ sen werde und leitete daraus ab, dass einem vom Mieter geltend gemachten Anspruch auf Mietzinsherabsetzung nach Wahl des Vermieters eines der in diesen Bestimmungen enthaltenen absoluten Kriterien entgegengehalten wer­ den könne.

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In BGE 124 III 310, in: MRA 5/98, S. 147 ff., gelangte das Bundesgericht in Abweichung von seiner bisherigen Praxis zum Ergebnis, es müsse auch der nach dem Kriterium der orts- und quartierüblichen Verhältnisse nicht miss­ bräuchliche Mietzins auf Verlangen des Mieters noch zusätzlich darauf über­

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Vorbemerkungen zu Art. 269–270e

prüft werden, ob er dem Vermieter einen übersetzten Ertrag verschaffe. Ohne sich fundiert mit früher ergangenen Urteilen – insbesondere den Entscheiden BGE 112 II 149; 118 II 130 und 122 III 257, die nicht einmal erwähnt wurden – zu befassen, erwog das Bundesgericht sinngemäss, der «Regeltatbestand» von Art. 269 OR bewirke bezüglich der in Art. 269a OR aufgeführten «Ausnahme­ tatbestände» eine Art Subordinationsverhältnis. Deshalb müsse auch der unter dem Gesichtspunkt der Orts- und Quartierüblichkeit nicht zu beanstandende Mietzins noch zusätzlich nach dem Kriterium des Art. 269 OR überprüft wer­ den. Im Urteil BGE 112 II 149 hatte es indessen das Verhältnis der beiden absoluten Kriterien des angemessenen Ertrages und der Orts- oder Quartier­ üblichkeit auf der Grundlage der damaligen Gesetzgebung, die der heutigen bezüglich dieser Kriterien in jeder Hinsicht entspricht (Art. 14 und 15 BMM gegenüber Art. 269 und 269a OR), zutreffend gewürdigt, wenn es feststellte: «Lorsqu’il s’agit de déterminer, comme dans la présente espèce, si le rendement d’un immeuble ancien est excessif au sens de l’art. 14 AMSL, on ne saurait donc faire abstraction du critère des loyers usuels du quartier. L’introduction de ce critère, sans rapport avec le rendement du capital investi, procède de la volonté du législateur de permettre une adaptation des anciens loyers au niveau des loyers effectivement pratiqués dans des cas comparables, afin de rétablir un certain équilibre entre les loyers des logements anciens et nouveaux, en autorisant le cas échéant des loyers excédant le rendement usuel des fonds investis (ATF 103 II 49 consid. 4a et les références citées; BARBEY, op.cit., p. 76). En pareil cas, un loyer n’est ainsi pas abusif du seul fait qu’il dépasse ce rendement.» (a.a.O., E. 3d). Da die sich in BGE 124 III 310 stellende Frage in einem Verfahren betreffend 17 Anfechtung des Anfangsmietzinses zu beurteilen war, in welchem der Mieter den ihm obliegenden Beweis der Missbräuchlichkeit nach dem vom Vermie­ ter geltend gemachten Kriterium der Orts- und Quartierüblichkeit wegen der übertrieben hohen Beweisanforderungen nicht hatte erbringen können (vgl. N 20 ff. zu Art. 269a OR), liegt die Vermutung nahe, das Bundesgericht habe weniger das gegenseitige Verhältnis zweier der Natur nach absoluter und nach dem Willen des Gesetzgebers gleichrangiger Missbrauchskriterien neu – und abweichend von seiner früheren Rechtsprechung  – definieren wollen. Viel­ mehr sollte wohl der befürchteten Aushöhlung der Anfangsmietzinsanfech­ tung entgegengewirkt werden. Diese ergab sich daraus, dass der nach der kla­ ren Aussage in der Botschaft einzig beweisbelastete Mieter als Folge der von der Rechtsprechung entwickelten übertrieben hohen Anforderungen an den Nachweis der Orts- oder Quartierüblichkeit kaum mehr mit Aussicht auf Erfolg einen Anfangsmietzins anfechten konnte, (vgl. den Kommentar von Jürg

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P. Müller, in: MRA 5/98, S. 149 f., zur Beweislast deutlich Botsch. 1985, S. 1491; vgl. dazu N 51 ff. zu Art. 270 OR). Diese Auffassung wird bestätigt durch die weitere Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung: Das Bundes­ gericht hielt in der Folge konsequent daran fest, die von ihm als bestehend erachtete Hierarchie unter den absoluten Kriterien, wie sie für erst vor kur­ zer Zeit erstellte oder erworbene Liegenschaften gelte, werde bei vor mehreren Jahrzehnten erstellten Gebäuden zugunsten der Orts- und Quartierüblichkeit umgekehrt (Urteil des Bundesgerichts 4C.285/2005 vom 18. Januar 2006, in: MRA 1/06, S. 1 ff.; ferner Urteil 4C.323/2001 vom 9. April 2002, in: MRA 4/02, S. 143 ff.; Urteil 4C.173/2003 vom 13. Januar 2004, E. 3.3; Urteil 4C.236/2004 vom 11. November 2004, in: MRA 4/05, S. 159 ff.; Urteil 4A_669/2010 vom 28. April 2011, E. 4.1; Urteil 4A_276/2011 vom 11. Oktober 2011, E. 5.2.1/5.2.3, in: MRA 4/12, S. 195 ff.; BGE 140 III 433, E. 3.1, in: MRA 1/15, S. 16 ff.). Frei­ lich vermochte das Bundesgericht diese These nun nicht mehr auf eine aus Randtiteln hergeleitete Gesetzessystematik abzustützen, die es für die gegentei­ lige Auffassung seinerzeit herangezogen hatte. An einer dogmatischen Recht­ fertigung für diese bezüglich Altbauten konstruierte Hierarchie fehlt es daher vollständig. Geradezu unbegreiflich ist indessen die prozessuale Konsequenz, die sich nach Auffassung des Bundesgerichtes mit seiner Erkenntnis verbindet: Es sollte nun nämlich dem Vermieter obliegen, den Beweis dafür zu erbrin­ gen, dass der von ihm unter Hinweis auf andere Gründe angepasste Mietzins orts- oder quartierüblich sei. Das ist geradezu absurd: Es verstösst zunächst gegen den vom Bundesgericht selber aus Art.  269d OR abgeleiteten Grundsatz, wonach eine Mietzinsanpassung nur und ausschliesslich nach den vom Vermieter im gesetzlich vorgeschriebenen Formular erwähnten Gründen überprüft werden darf. Eine Überprüfung nach anderen Gründen, nament­ lich solchen, die erst im Verlauf eines Anfechtungsverfahrens nachgeschoben werden, ist nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung unzulässig (Rohrer, Anlagekosten, S. 7 ff.; ferner Bättig, Altbauten, S. 146 ff., zum Urteil des Bun­ desgerichts 4C.323/2001 vom 9. April 2002; vgl. im Übrigen N 47 zu Art. 269d OR). Des Weiteren verletzt dieser Entscheid die Grundregel von Art. 8 ZGB: Wenn es dem Mieter gestattet wird, gegenüber einer nach anderen Kriterien (zum Beispiel Kostensteigerungen oder Mehrleistungen) begründeten Miet­ zinserhöhung einen Einwand nach absoluter Methode zu erheben, so ist nach dem erwähnten Grundsatz folgerichtig, dass der Mieter den Beweis für diesen von ihm erhobenen Einwand zu erbringen hat. 18

Im Urteil BGE 140 III 433, in: MRA 1/15, S. 16 ff., hat das Bundesgericht näher präzisiert, wo die zeitliche Grenze anzusetzen ist, welche für die Qualifikation einer Liegenschaft als Altbaute massgebend ist, für welche keine Berechnung 684

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des angemessenen Ertrages mehr vorgenommen werden soll. Nachdem es in BGE 112 II 149 (ergangen unter dem BMM, welcher aber mit Bezug auf die heutigen Regelungen von Art. 269 und 269a OR praktisch identische Bestim­ mungen enthielt) ein vor 23 Jahren erstelltes Gebäude als Altbaute betrachtet und daher eine Überprüfung der Nettorendite abgelehnt hatte, hielt es nun fest, die im konkret zu beurteilenden Fall vor 26 bzw. 27 Jahren erstellten Gebäu­ lichkeiten seien keine solchen Altbauten (a.a.O., E.  3.1.2, S.  436). Das Bun­ desgericht erwog in diesem Zusammenhang, die am Verfahren beteiligte Ver­ mieterin habe nicht rechtsgenügend dargelegt, dass die Investitionskosten unter Einbezug der sachdienlichen Belege über die ursprünglichen Anlage­ kosten keinen sachgerechten Bezug zur Realität mehr hätten. Vielmehr habe sie sich damit begnügt zu kritisieren, dass aufgrund der erhobenen Einrede des übersetzten Ertrages mehrere Mieter, denen der Mietzins unter Berufung auf umfassende Überholung, bei welcher rund 5,5 Mio. CHF investiert worden waren, hätte erhöht werden sollen, nun sogar – theoretisch – eine Mietzinsre­ duktion beanspruchen könnten. Das Bundesgericht blendete in seinen Erwägungen vollkommen aus, dass sich 19 innerhalb eines Zeitraumes von 20 bis 30 Jahren die Marktverhältnisse – je nach Lage der Mietliegenschaft – erheblich verändern können, und dass, dadurch bedingt, die Kluft zwischen den marktüblichen Mietzinsen und denen, die es unter Bezugnahme auf historische Anlagekosten unter dem Aspekt der Kos­ tenmiete für zulässig erachtet, sich zunehmend vergrössert (vgl. Futterlieb, Anfangsmietzins, S. 204 ff.). Im erwähnten Entscheid wurde ein Mietzins, der im Jahre 2007 noch 2050 CHF netto pro Monat betragen hatte, auf 880 CHF netto pro Monat reduziert; ein ähnlich stossendes Resultat findet sich im Urteil 4C.285/2005 vom 18. Januar 2006, in welchem der Anfangsmietzins auf 1200 CHF festgelegt wurde, nachdem die Parteien dafür den Betrag von 1995 CHF vereinbart hatten. Bezüglich der betragsmässigen Auswirkungen besonders krass präsentiert sich das Urteil 4A_645/2011 vom 27. Januar 2012: Der Vor­ mieter hatte für eine 3-Zimmer-Wohnung mit Kellerabteil in Genf monatlich 1400 CHF netto bezahlt, und die Parteien vereinbarten als Anfangsmietzins den Betrag von 1500 CHF netto. Das Bundesgericht gelangte zum Ergebnis, dass der zulässige Mietzins lediglich 410.56 CHF netto pro Monat betragen dürfe, wobei nicht nur dieses Resultat schockierend erscheint, sondern auch die Tat­ sache, dass das Bundesgericht für sich in Anspruch nimmt, die Grenze zum Mietzinsmissbrauch rappengenau definieren zu können. Die Diskrepanz zwi­ schen den nach Kostenkriterien und dem Gedanken der Marktmiete folgen­ den Kriterium der Orts- oder Quartierüblichkeit ist nicht nur eine Folge unter­ schiedlicher Nachfrageentwicklungen in unterschiedlich beliebten Quartieren: Beat Rohrer

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Sie ist vor allem auch auf die Entwicklung der Fremdkapitalzinsen in den letz­ ten Jahren bzw. Jahrzehnten zurückzuführen, welche ja nach Auffassung des Bundesgerichtes den allein entscheidenden Parameter für die Bestimmung des höchstzulässigen Ertrages bilden, obwohl sie nicht den geringsten Einfluss auf die Entwicklung der Marktverhältnisse haben. Im Kommentar zum BGE 140 III 433 konnte anhand eines vereinfachten Rechenbeispiels aufgezeigt werden, dass bei konsequenter Befolgung der bundesgerichtlichen Praxis zum ange­ messenen Ertrag Mietzinse am Stichtag 1. Januar 2015 gegenüber denjenigen, welche in der gleichen Liegenschaft am 1. Januar 1991 nicht missbräuchlich gewesen wären, um rund 45% hätten reduziert werden müssen (Rohrer, über­ setzter Ertrag, S. 32 f.). Offenkundig ist damit, dass das Abstellen auf historische Anlagekosten, die vor mehr als 20 Jahren aufgewendet worden sind, zu unrea­ listischen Ergebnissen führt (so Bättig Hans, in: MRA 4/15, S. 183 ff.). Immer­ hin geht das Bundesgericht selber davon aus, dass Erwerbs- oder Erstellungs­ kosten, die vor 32 oder mehr Jahren aufgewendet worden sind, keinen Bezug zu den realisitischen Wertverhältnissen mehr haben, weshalb keine Ertrags­ rechnung mehr anzustellen ist, selbst wenn die dafür massgebenden Werte allenfalls noch bekannt wären (Urteil des Bundesgerichts 4A_147/2016 vom 12. September 2016, E. 2.3). Das Entsprechende gilt mit Sicherheit, wie bereits dargelegt worden ist, auch für Liegenschaften, deren Erwerb oder Erstellung fünf Jahre später erfolgte. 20

Dass eine Hierarchie zwischen dem Kriterium des angemessenen Ertrages und den in Art.  269a OR aufgezählten Missbrauchstatbeständen nicht exis­ tieren kann und vom Gesetzgeber nie gewollt war, ergibt sich schlüssig aus der Tatsache, dass in Art. 269a Buchst. c OR die sogenannte kostendeckende Bruttorendite erwähnt wird. Dieses Kostenkriterium ist anwendbar bei neu­ eren Bauten, bezüglich welcher keine repräsentativen Werte für Unterhalts­ kosten vorhanden sind. Üblicherweise fallen in den ersten zehn Jahren nach Erstellung eines Gebäudes kaum nennenswerte Unterhaltskosten an, sodass das Abstellen auf durchschnittliche Aufwendungen einer Mehrjahresperiode bei erst vor Kurzem erstellten Bauten zu keinem sinnvollen Resultat führt. Die Berechnung der Nettorendite könnte auf den Zeitpunkt der Erstvermietung überhaupt nicht durchgeführt werden, weil nicht auf durchschnittliche Unter­ haltskosten einer vorangehenden Mehrjahresperiode Bezug genommen wer­ den kann. Aus diesem Grund erlaubt das Gesetz dem Vermieter mit dem Krite­ rium der kostendeckenden Bruttorendite, diesbezüglich standardisierte Werte in Anschlag zu bringen (vgl. N 88 ff. zu Art. 269a OR). Die aus einer vom Bun­ desgericht als bestehend erachteten Hierarchie zwischen den Artikeln 269 und 269a OR abgeleitete Folgerung, es könne ein unter Berufung auf die kostende­ 686

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Vorbemerkungen zu Art. 269–270e

ckende Bruttorendite zulässiger Mietzins noch zusätzlich daraufhin überprüft werden, ob er dem Vermieter im Sinne von Art.  269 OR einen übersetzten Ertrag verschafft, ist aus den dargelegten, den wirtschaftlichen Gegebenhei­ ten entsprechenden Intentionen des Gesetzgebers abwegig (Bättig, Altbauten, S. 146 ff.). Dafür, dass Art. 269 OR nur gegenüber einem Teil der in Art. 269a OR erwähnten Kriterien Vorrang geniessen soll, enthalten indessen weder das Gesetz noch die Materialien auch nur die leiseste Andeutung. Richtig ist somit, was das Bundesgericht ursprünglich – als es die Beweispro­ 21 blematik des den Anfangsmietzins anfechtenden Mieters noch nicht in seine Überlegungen einbezog  – selber erkannte: Der orts- und quartierübliche Mietzins ist nie missbräuchlich, gleichgültig, vor wie langer Zeit und zu wel­ chem Preis die Liegenschaft erstellt oder erworben worden ist. Was üblich ist, kann nicht missbräuchlich sein (so Higi, ZK, N 22 zu Art. 269a OR; N 433 zu Art. 269 OR). Eine Hierarchie unter den einzelnen absoluten Missbrauchskri­ terien existiert weder für neuere bzw. neu erworbene noch für ältere Liegen­ schaften, wobei die aktuelle Praxis des Bundesgerichtes zur Bestimmung der zeitlichen Grenze für die Umkehrung dieser Hierarchie zu kaum lösbaren prak­ tischen Problemen führt (vgl. Rohrer, übersetzter Ertrag, S. 16 ff.; Rohrer, Revi­ sionspostulate, S. 172 f.; Bättig, Altbauten, S. 148 ff.; gl.M. Walz, Missbrauchs­ kontrolle, S. 58 f., m.w.H. auf Gut, Entwicklung, S. 4 f.; Higi, ZK, N 12 Vorbem. zu Art. 269–270e OR; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 458). Die vom Bundesgericht entwickelte These einer solchen Hie­rarchie, die sich nach einem bestimmten Zeitraum ins Gegenteil verkehrt, führt in gewissen Fallkon­ stellationen zu völlig stossenden, ja geradezu absurden Resultaten. So wäre bei­ spielsweise die Missbrauchsgrenze für Mietzinse von zwei vor 35 Jahren erstell­ ten, benachbarten Liegenschaften mit absolut identischen Wohnungen völlig unterschiedlich festzulegen, wenn zufälligerweise die eine dieser Liegenschaf­ ten zehn Jahre nach Erstellung verkauft worden wäre, die andere aber noch immer dem ursprünglichen Eigentümer gehört. Bezüglich der veräusserten Liegenschaft müsste, da es sich nach bundesgerichtlicher Praxis – anknüpfend an den Zeitpunkt der Handänderung – nicht um eine Altbaute handelt, auf der Basis des vor 25 Jahren entrichteten Landerwerbs- und Erstellungspreises eine Ertragsberechnung vorgenommen werden. Eine Überprüfung der Mietzinse in der identischen, dem ursprünglichen Eigentümer gehörenden benachbar­ ten Liegenschaft erfolgte indessen nach dem Kriterium der orts- oder quartier­ üblichen Verhältnisse. Es ist wahrscheinlich, dass die Mietzinse der nicht ver­ äusserten Liegenschaft marktkonform deutlich höher sein dürften, als sie nach einer Ertragsberechnung auf der Basis des vor 25 Jahren entrichteten Kaufprei­ ses sein dürften. Erfahrungsgemäss haben sich in einer solchen Zeitspanne die Beat Rohrer

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Vorbemerkungen zu Art. 269–270e

Marktverhältnisse wesentlich anders entwickelt als die massgebenden Kosten­ faktoren. Selbst wenn es dem Eigentümer der vor 25 Jahren erworbenen Lie­ genschaft gelänge, die Orts- oder Quartierüblichkeit nachzuweisen, müsste er die Mietzinse reduzieren, wenn sie zu einem übersetzten Ertrag führten. Wes­ halb nun der maximal zulässige Mietzins für absolut identische Wohnungen – je nach dem historischen Schicksal der Liegenschaften, in denen sie sich befin­ den  – unterschiedlich festgelegt werden soll, ist dogmatisch und jedenfalls mit dem verfassungsrechtlichen Ziel, Mieter vor Missbräuchen zu schützen, nicht erklärbar (vgl. Beispiele von Bättig, Altbauten, S.  148  ff.; Rohrer, Revi­ sionspostulate, S. 172 f.; kritisch: Beat Rohrer zum Urteil des Bundesgerichts 4C.285/2005 vom 18. Januar 2006, in: MRA 1/06, S. 1 ff.; derselbe im Kommen­ tar zum BGE 140 III 133, in: MRA 1/15, S. 16 ff.). 22

Die neuere, vorliegend kritisierte Praxis des Bundesgerichts eliminiert für einen grossen Teil der Mietliegenschaften das einzige im Missbrauchsrecht enthaltene Marktkriterium der Orts- oder Quartierüblichkeit, nämlich für alle Bauten, bezüglich welcher die Erstellung oder die letzte Handänderung nicht bereits Jahrzehnte zurückliegt, aus dem Gesetz. Das Bundesgericht verkennt damit den Willen des Gesetzgebers: Hätte der Gesetzgeber das Missbrauchs­ kriterium der Orts- oder Quartierüblichkeit auf ältere Bauten beschränken wollen, so hätte er dies im Gesetz ausdrücklich gesagt – genau so, wie er den Anwendungsbereich der kostendeckenden Bruttorendite (Art. 269a Buchst. c OR) ausdrücklich auf neuere Bauten beschränkt hat. Entsprechendes wurde indessen für die Orts- oder Quartierüblichkeit nicht ins Gesetz aufgenom­ men – im Gegenteil: Der im Nationalrat eingebrachte Minderheitsantrag, den Anwendungsbereich der Orts- oder Quartierüblichkeit auf ältere Bauten zu beschränken, fand keine Mehrheit (vgl. N 6 zu Art. 269a OR). Die hier vertre­ tene Auffassung wird im Übrigen bestätigt durch die Botschaft des Bundesrates zur seinerzeit lancierten Initiative «Ja zu fairen Mieten», wo festgehalten wird: «Der Bundesrat lehnt die Initiative ab, weil sie die Kostenmiete als alleinige Mietzinsanpassungsmethode zementiert und dadurch dem Mietwohnungsmarkt die nötige Flexibilität entzieht.» (Botsch. 1999, S. 9823 ff., 9825)

23

Die aktuelle Praxis des Bundesgerichts, die, wie dargelegt, weder mit dem Wortlaut des Gesetzes noch mit einem erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Einklang zu bringen ist, führt nun aber genau zu dem, was nach Auffassung des Bundesrates auch de lege ferenda abzulehnen ist – zu einem Ausschluss aller Marktelemente im Bereich der Missbrauchsüberprüfung von Mietzinsen.

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Vorbemerkungen zu Art. 269–270e

2.2

Berechnungsmodell Überwälzung laufender Kostenveränderungen

Die Überwälzung laufender Kostenveränderungen auf die Mietzinse erfolgt 24 zumeist nach standardisierten Ansätzen. Dies gilt insbesondere für die Überwälzung von Hypothekarzinsveränderungen, bezüglich welcher seit der Änderung der VMWG mit Wirkung auf den 1. Januar 2008 ein quartalsweise vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement ermittelter und publi­ zierter Referenzzinssatz massgebend ist (Art.  269a Buchst.  b OR in Verbin­ dung mit Art. 12a und 13 VMWG; http://www.bwo.admin.ch/themen/ miet­ recht/00282/; nachfolgend N 41 ff. zu Art. 269a OR). Weiter richtet sich der Teuerungsausgleich auf dem investierten Eigenkapital, dem sogenannten risi­ kotragenden Kapital, nach der durch den Landesindex der Konsumenten­ preise, wie er monatlich vom Bundesamt für Statistik publiziert wird, abgebil­ deten Teuerung. Standardmässig wird das risikotragende Kapital mit 40% der Anlagekosten bewertet, weshalb dieser Anteil der Teuerung auf den Mietzins überwälzbar ist (Art. 269a Buchst. e OR in Verbindung mit Art. 16 VMWG, vgl. nachfolgend N 110 f. zu Art. 269a OR). Diesen standardisierten Überwäl­ zungsansätzen liegt ein theoretisches Berechnungsmodell des Bundesamtes für Wohnungswesen zugrunde. Dieses geht von der Fiktion aus, 70% der Mietzins­ einnahmen seien zur Deckung der Kapitalkosten inkl. Eigenkapitalverzinsung erforderlich. Innerhalb dieser 70% müssten dabei 60% (= 42%) zur Deckung der Fremdkapitalkosten aufgewendet werden; die weiteren 40% (= 28%) seien für die Verzinsung des investierten Eigenkapitals erforderlich. Die weiteren 30% der Mietzinseinnahmen entfallen auf laufende Unterhaltskosten, Rück­ stellungen für künftig fällig werdende Unterhaltskosten und umfassende Über­ holungen, ferner Verwaltungskosten, Risikoprämie für Mietzinsausfälle, Steu­ ern und Abgaben aller Art und weitere Betriebskosten. Im Einzelnen wird der Anteil dieser nicht zur Finanzierung bzw. zur Eigenkapitalrendite bestimmten Kosten wie folgt quantifiziert (vgl. hierzu auch die Hinweise auf statistische Erhebungen bei Gratz, Mietzinsgestaltung, S. 33 f., Tabellen 2–5): Aufwand in % des Bruttomietzinses Laufende Unterhaltskosten

12%

Rückstellungen, Amortisationen 10% Verwaltungskosten 5% Risikoprämie 1% Eigentümerkosten 2% Beat Rohrer

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Im soeben dargelegten Berechnungsmodell fehlen die Betriebskosten, also z.B. Kosten für Wasserversorgung, -entsorgung, Kehrichtabfuhrgebühren, Steuern oder öffentlich-rechtliche Abgaben, Versicherungsprämien usw. Das Bundesamt für Wohnungswesen ging bei Schaffung seines Berechnungsmo­ delles davon aus, dass diese Betriebskosten in Anwendung von Art. 257a OR als Nebenkosten separat, also zusätzlich zum Nettomietzins, erhoben würden (Gratz, Mietzinsgestaltung, S. 34). 25

Die Standardsätze für die Überwälzung von Hypothekarzinsveränderungen und für den Teuerungsausgleich auf dem risikotragenden Kapital gelten unab­ hängig von den tatsächlichen Finanzierungskosten. Veränderte Referenzzins­ sätze rechtfertigen somit Mietzinserhöhungen oder -senkungen nach Massgabe von Art.  12a bzw. Art.  13 VMWG unabhängig davon, ob die betroffene Lie­ genschaft ausschliesslich mit eigenen Mitteln des Vermieters finanziert wurde oder ob die Zinssätze der konkreten Fremdfinanzierung effektiv Veränderun­ gen erfahren haben. Umgekehrt kann der Vermieter dann, wenn bezüglich der individuellen Fremdfinanzierung Veränderungen eintreten, keine Mietzinsan­ passung wegen Kostensteigerungen geltend machen (BGE 101 II 338; 103 II 263; 118 II 47; Zihlmann, Mietrecht, S. 153). Dies ist im Übrigen zwingend; die Abhängigkeit der Mietzinsentwicklung von Veränderungen des Referenz­ zinssatzes kann von den am Mietvertrag beteiligten Parteien nicht gültig weg­ bedungen werden (BGE 133 III 61).

26

Mit Bezug auf die Veränderung von weiteren Kosten für Unterhalt, Betrieb und Verwaltung sieht das Gesetz keine standardisierten Werte vor. Das Bundesge­ richt verlangt in seiner konstanten Praxis für die Entwicklung dieser Kosten­ positionen einen konkreten Nachweis, der mittels eines Vergleiches entspre­ chender durchschnittlich angefallener Kosten zweier aufeinanderfolgender Mehrjahresperioden erbracht werden müsste (Weber, BSK, N 7 zu Art. 269a OR, m.w.H.; BGE 106 II 356, E. 5; Urteil des Bundesgerichts 4C.157/2001 vom 1.  Oktober 2001, in: MRA 2/02, S.  45  ff.; kritisch: Rohrer, Kostensteigerung, S. 50 ff.; Maag, Unterhaltskostenpauschale, in: MRA 4/05, S. 149 ff.). Schlich­ tungsbehörden und untere kantonale Gerichtsinstanzen ignorieren diese Pra­ xis mit guten Gründen und erklären Standardwerte regelmässig ohne weiteren Nachweis für entsprechende Kostenveränderungen als zulässig; sie betragen zwischen 0,5% und 1% (Gratz, Mietzinsgestaltung, S. 95 f.; Weber, BSK N 8 zu Art.  269a OR, welcher diese Praxis im Interesse der Vergleichsförderung zumindest auf Stufe Schlichtungsbehörde befürwortet). Die Berücksichtigung solcher Standardwerte lässt sich mit den gleichen Überlegungen rechtferti­ gen, wie sie auch bei veränderten Zinssätzen für erste Hypotheken bzw. für die

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Überwälzung des Teuerungsausgleiches auf dem risikotragenden Kapital ange­ stellt worden sind: Sie liegen im Interesse der Rechtssicherheit, der einheitli­ chen Rechtsanwendung und der Praktikabilität (BGE 118 II 45, E. 2; BGE 120 II 302; MRA 2/95, S. 68 ff., 73, 304, E. 6a; nachfolgend N 34 ff. zu Art. 269a OR; vgl. im Übrigen Maag, Unterhaltskostenpauschale, S. 149 ff.). Dem vom Bundesgericht verlangten Nachweis konkreter Kostensteigerungen 27 mittels eines Vergleiches der durchschnittlichen Aufwendungen von Unterhalts- und Betriebskosten zweier aufeinanderfolgender Mehrjahresperioden liegt eine Fehlüberlegung zugrunde: Ein solcher Vergleich wäre ja nur aussage­ kräftig, wenn in den Vergleichsperioden die exakt gleichen Unterhaltsleistun­ gen erbracht worden wären. Das ist nun aber in der Praxis nie der Fall. Unter­ haltsaufwendungen variieren von Jahr zu Jahr unter anderem deshalb, weil im Zusammenhang mit unterschiedlich häufigen Mieterwechseln mehr oder weniger Unterhaltsleistungen erforderlich sind. Falls in der zweiten Vergleichs­ periode mehr Mieterwechsel stattgefunden haben als in der ersten, wäre nun eine Kostensteigerung eingetreten, umgekehrt, also dann, wenn in der ersten Periode mehr Wohnungswechsel zu verzeichnen waren, eine Kostensenkung. Nicht berücksichtigt bei der vom Bundesgericht geforderten Berechnungsme­ thode ist sodann, dass der Vermieter aufgrund der Bestimmung von Art. 14 VMWG und der dazu entwickelten Rechtsprechung gezwungen ist, Rück­ stellungen für künftig fällig werdende umfassende Überholungen zu bilden, nachdem nebst dem wertvermehrenden Anteil innerhalb der Bandbreite von 50–70% nur die ausserordentlichen Unterhaltskosten, verzinst und amortisiert auf die Lebensdauer der sanierten Bereiche, mietzinswirksam werden dürfen (Urteil des Bundesgerichts 4A_530/2012 vom 17.  Dezember 2012, in: MRA 1/14, S. 27 ff., vgl. auch N 27 ff. zu Art. 269 OR; 82 ff. zu Art. 269a OR). Die Notwendigkeit, Rückstellungen zu bilden, darf bei der Beurteilung von Kosten­ steigerungen nicht ausser Acht gelassen werden (auch wenn solche – system­ widrig  – nach der Praxis des Bundesgerichtes bei der Berechnung das ange­ messenen Ertrages nicht berücksichtigt werden dürfen, vgl. dazu nachfolgend N  28  ff. zu Art.  269 OR). Dem Vermieter muss daher eine gewisse Freiheit zugestanden werden, in welchem Ausmass er solche Rückstellungen bilden will. Aus all diesen Überlegungen erscheint es zweckmässig, allgemeine Kos­ tensteigerungen nach einem standardisierten Ansatz zuzulassen (vgl. in die­ sem Zusammenhang auch die statistischen Angaben bei Gratz, Mietzinsge­ staltung, S. 33 f.; Rohrer, Nettorendite, S. 43 ff.; Bättig, Nettorenditeberechung, S. 122 ff.; abweichend allerdings BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 187 ff.).

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Vorbemerkungen zu Art. 269–270e

2.3 Umsatzmietzins 28

Beim Umsatzmietzins wird die Höhe des Mietzinses entweder ausschliesslich oder zusätzlich zu einem Mindestmietzins in Prozenten des Umsatzes ver­ einbart, was für den Mieter den Vorteil hat, dass sich im Falle eines Umsatz­ rückganges die Mietkosten ohne Verzug proportional zu seiner Ertragslage anpassen. Der Vorteil für den Vermieter ist darin zu sehen, dass er bei guter Konjunkturlage eine sofortige Mietzinsanpassung erhält, womit der Mietzins – gute Geschäftsführung durch den Mieter vorausgesetzt  – sogar höher sein könnte als der Mietzins, welcher der Vermieter unter Berufung auf den ange­ messenen Ertrag oder die orts- oder quartierüblichen Verhältnisse erhältlich zu machen berechtigt wäre (MfdP/Brutschin, N 19.10.1). Die Zulässigkeit der Vereinbarung von umsatzabhängigen Mietzinsen war schon in dem vor dem 1.  Juli 1990 geltenden Mietrecht unbestritten (Raissig/Schwander, Missbräu­ che, S. 110; Hauri, Mietzins, S. 117) und auch in der spärlichen Praxis aner­ kannt (Mitteilungen 18/5). Begründet wurde diese Zulässigkeit damit, dass die Vereinbarung eines vom Umsatz abhängigen Mietzinses gesetzlich nicht aus­ drücklich ausgeschlossen gewesen sei. Das Bundesgericht hat im BGE 116 II 587 festgestellt, ein umsatzabhängiger Mietzins sei weder ein indexierter noch ein gestaffelter Mietzins (a.a.O., E.  3b). Er sei den Mietrechtsbestimmungen des OR nicht unterstellt; er entspringe vielmehr dem in Art. 19 OR verbrief­ ten Grundsatz der Vertragsfreiheit (E.  2a). Aus diesem Grunde anerkennt das Bundesgericht die grundsätzliche Zulässigkeit der Vereinbarung eines der Umsatzentwicklung folgenden Mietzinses (MfdP/Brutschin, N  19.10.1; Zihl­ mann, Mietrecht, S. 201). Vor Ablauf der allenfalls vereinbarten Mindestver­ tragsdauer kann der Mietzins nicht nach den Kriterien von Art.  269  ff. OR auf Missbräuchlichkeit überprüft werden. Die Berechnungen des massgeben­ den Mietzinses nach den für die jeweils vereinbarte Periode erzielten Umsät­ zen stellt auch keine Mietzinserhöhung dar, die auf amtlichem Formular mit­ geteilt werden muss und die hernach vom Mieter angefochten werden könnte (MfdP/Brutschin, N 19.10.6; BGE 116 II 587, E. 3b). Anderseits schliesst die Vereinbarung eines umsatzabhängigen Mietzinses grundsätzlich die Geltend­ machung anderer Erhöhungs- oder Mietzinsherabsetzungsgründe vor dem nächsten Kündigungstermin aus; eine Ausnahme gilt nur in den Fällen, in denen die Parteien einen vom Umsatz unabhängigen Basis- oder Mindestmiet­ zins vereinbart haben. Ein solcher Mindestmietzins kann auch im Rahmen einer Anfechtung des Anfangsmietzinses auf Missbräuchlichkeit hin über­ prüft werden, nicht aber die von den Parteien vereinbarte Prozentquote, die für die Bestimmung des Umsatzmietzinses massgebend ist (a.M. MfdP/Brut­

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Vorbemerkungen zu Art. 269–270e

schin, N 19.10.5). Da bei der Überprüfung des Anfangsmietzinses nicht beur­ teilt werden kann, welche Beträge in den Folgejahren als Mietzinse zu entrich­ ten sind, ist eine Anfangsmietzinsanfechtung – mit Ausnahme eines allenfalls vereinbarten umsatzunabhängig geschuldeten Mindestmietzinses  – faktisch unmöglich. Unterliegt der nicht vom Umsatz abhängige Mindestmietzins einer Indexierung oder Staffelung, so sind die hierfür im Gesetz enthaltenen spe­ ziellen Bestimmungen bezüglich Mindestdauer und der Formalitäten zur Gel­ tendmachung einer Mietzinsanpassung zu beachten (Art. 269b und 269c OR sowie Art. 270c und 270d OR, Art. 19 Abs. 2 VMWG). Das Bundesgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass auf die Mietverträge mit 29 Regelung eines vom Umsatz abhängigen Mietzinses weder die Bestimmungen von Art. 269b (indexierter Mietzins) noch Art. 269c OR (gestaffelter Mietzins) anwendbar sind (BGE 116 II 587, E.  3b). Folgerichtig sind die Bestimmun­ gen, welche für solche Verträge eine einseitig den Vermieter bindende Min­ destdauer vorschreiben, auf Mietverträge, in welchen der Mietzins ausschliess­ lich vom Umsatz des Mieters abhängig ist, nicht anwendbar (MfdP/Brutschin, N 19.10.4; anders verhält es sich wohl, wenn ein umsatzunabhängiger Mindest­ mietzins vereinbart wird, der den Entwicklungen des Landesindexes der Kon­ sumentenpreise angepasst werden kann).

3.

Mietzinserhöhung nach absoluter oder nach relativer Methode

Das Gesetz enthält keine Beschränkungen des Rechtes des Vermieters, auf 30 einen nächstfolgenden Kündigungstermin Mietzinsanpassungen unter Beru­ fung auf einen der im Gesetz erwähnten Gründe geltend zu machen. Mit Bezug auf die sogenannten relativen Erhöhungsgründe ist allerdings klar, dass nur diejenigen Veränderungen eine Mietzinsanpassung rechtfertigen können, die seit der letzten massgebenden Mietzinsfestsetzung eingetreten bzw. bei einer früheren Mietzinsanpassung nicht bereits geltend gemacht worden sind. Die Überprüfung der Missbräuchlichkeit ist demgegenüber vom Gesetzeswort­ laut her mit Bezug auf die absoluten Kriterien, nämlich angemessener Ertrag (Art. 269 OR), kostendeckende Bruttorendite (Art. 269c Buchst. c OR) und orts- oder quartierübliche Verhältnisse (Art. 269a Buchst. a OR), jederzeit und unabhängig von der früheren Mietzinsgestaltung möglich. Bereits unter dem Geltungsbereich des vor dem 1. Juli 1990 geltenden BMM hat 31 das Bundesgericht – zunächst allerdings im Zusammenhang mit der Beurtei­

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Vorbemerkungen zu Art. 269–270e

lung von Mietzinsreduktionsbegehren – festgestellt, der Vermieter könne sich bezüglich aller Mietzinsanpassungskriterien, also auch bezüglich der absoluten Kriterien des angemessenen Ertrages, der kostendeckenden Bruttorendite und der Orts- oder Quartierüblichkeit, nur auf die seit der letzten Mietzinsfest­ setzung eingetretenen Veränderungen berufen. Dies folge aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, der insoweit der «relativen Methode» zugrunde liege (BGE 106 II 166; 356; 108 II 135, 111 II 101; Gmür/Thanei, Mietzinserhöhung, S. 33). Nachdem im Rahmen der Gesetzesrevision die «relative Methode» kei­ nen Eingang in den Gesetzeswortlaut gefunden hatte, hat sich das Bundesge­ richt in den gleichzeitig publizierten Entscheidungen BGE 117 II 452 und 117 II 458 – beide unter dem Geltungsbereich des revidierten Miet- und Pachtrechtes, aber nach dem früher geltenden BMM ergangen – erneut für die Anwendbar­ keit der relativen Methode ausgesprochen. Es erwog, die Missbrauchsgesetz­ gebung wolle immer auch dem Grundsatz von Treu und Glauben Rechnung tragen. Daraus sei abzuleiten, dass sich ein Vermieter die Vermutung entgegen­ halten lassen müsse, der bisherige Mietzins verschaffe ihm einen sowohl zuläs­ sigen als auch angemessenen Ertrag, sofern er sich gewisse Erhöhungsgründe nicht ausdrücklich und im Sinne von Art. 18 VMWG formell korrekt vorbe­ halten habe. Deshalb könne der Vermieter Mietzinsanpassungen auch unter Berufung auf absolute Erhöhungsgründe nur insoweit geltend machen, als sich die Verhältnisse seit der letzten massgebenden Mietzinsfestlegung verändert hätten. Weitergehende Erhöhungen seien nur möglich, wenn der Vermieter sie sich ausdrücklich und – wie dies in Art. 18 VMWG ausdrücklich erwähnt wird – in Franken oder in Prozenten des Mietzinses quantifiziert vorbehalten habe. Damit würden auch den sogenannten absoluten Erhöhungsgründen in einem laufenden Mietverhältnis Schranken gesetzt, was bedeute, dass sie zu relativen Gründen würden. Während eines laufenden Mietverhältnisses könne somit nie von Grund auf eine neue Mietzinsfestlegung erfolgen (BGE 117 II 456, E.  4a; bestätigt in BGE 108 II 124; BGE 108 II 130 und im Urteil vom 25. Januar 1994, in: mp 2/94, S. 85 ff.; Higi, ZK, N 482 ff. zu Art. 269 OR). 32

Die Anwendung der relativen Methode auch für sogenannte absolute Erhö­ hungsgründe und insbesondere mit Bezug auf das Kriterium des angemesse­ nen Ertrages wurde in der Literatur kritisiert (vgl. Rohrer, relative Methode, m.w.H., SJZ 90, S. 161 ff.; Siegrist, a.a.O., S. 53 f.; Higi, ZK, N 516 ff. zu Art. 269 OR). Die Kontroverse hat heute freilich an Bedeutung verloren, einerseits des­ halb, weil die Praxis des Bundesgerichts mittlerweile allen Vermietern bzw. Immobilienbewirtschaftern bekannt ist, weshalb bei Mieterwechseln beste­ hende Mietzinsreserven entweder ausgeschöpft oder entsprechend Art.  18 VMWG rechtsgültig vorbehalten werden. Zum anderen steht den Vermietern 694

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Vorbemerkungen zu Art. 269–270e

die Möglichkeit offen, Mietverhältnisse zu kündigen, um von einem Nachfol­ gemieter den nach absoluter Betrachtungsweise nicht missbräuchlichen Miet­ zins erhältlich zu machen. Von dieser Möglichkeit werden Vermieter insbe­ sondere in den Fällen Gebrauch machen, in denen nach vertragsbezogener Sichtweise grundlegende Mietzinsanpassungen nicht durchgesetzt werden könnten, obwohl die Mietzinse deutlich unter dem marktüblichen Niveau lie­ gen (vgl. Urteile des Bundesgerichts 4C.343/2005 vom 22. Dezember 2004 und 4C.61/2005 vom 27. Mai 2005, in: MRA 3/05, S. 115 ff.; S. 124 ff.; dazu auch N 17 zu Art. 271a OR).

4.

Konsequenzen aus der Rechtsprechung

Nach der Rechtsprechung gilt somit bezüglich der Mietzinsgestaltung grund­ 33 sätzlich die relative Methode. Nach absoluter Methode beurteilt sich die Missbräuchlichkeit des Mietzinses in folgenden Fällen: –– Bei Neuvermietung. Dies gilt auch in denjenigen Kantonen, welche bei Neuvermietung die Verwendung eines amtlichen Formulars zur Begrün­ dung der Mietzinsgestaltung verlangen (Urteil des Bundesgerichts vom 31. August 1994, in: MRA 0/94, S. 3 ff.). –– Nach einer Handänderung (Urteil des Bundesgerichts vom 25. Januar 1994, in: mp 2/94, S. 93 ff.). Einer Handänderung gleichzusetzen ist nach der Pra­ xis der Gerichte auch die Erbteilung (Urteil des Bundesgerichts vom 9. Juni 1999, in: MRA 5/99, S. 189 ff.). –– Nach einer anderen wesentlichen Veränderung der Verhältnisse, wie z.B. Entlassung aus der staatlichen Mietpreiskontrolle (BGE 117 II 77; Urteil des Bundesgerichts vom 14. April 1997, in: MRA 3/97, S. 95 ff.). –– Im Verfahren betreffend Herabsetzung des Mietzinses im Sinne von Art. 270a OR, namentlich wegen des gesunkenen Referenzzinssatzes. Der Vermieter kann sich dabei entweder auf den nicht übersetzten Ertrag (BGE 116 II 73, 121 III 163), auf die fehlende kostendeckende Bruttorendite (Urteil des Bundesgerichts vom 17. Februar 1997, in: MRA 1/98, S. 1 ff.) oder auf die orts- und quartierüblichen Verhältnisse berufen (BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 187 ff.). –– Bei entsprechendem Einwand des Mieters gegen eine angezeigte Miet­ zinserhöhung, gleichgültig wie diese vom Vermieter begründet worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann der Mieter gegenüber

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jeder Mietzinserhöhung generell und ohne jeden Ansatz einer Substanzi­ ierung oder Begründung (!) den Einwand erheben, es werde ein übersetz­ ter Ertrag erzielt (BGE 124 III 310; Urteil des Bundesgerichts 4C.285/2005 vom 18. Januar 2006, in: MRA 1/06, S. 1 ff.; ferner Urteil des Bundesgerichts 4C.323/2001 vom 9. April 2002, in: MRA 4/02, S. 143 ff.; Urteil des Bun­ desgerichts 4C.236/2004 vom 11. November 2004, in: MRA 4/05, S. 159 ff.; N 13; zum Begriff der Altbaute BGE 140 III 433, in: MRA 1/15, S. 16 ff.; vgl. dazu auch N 17). –– Bei einer Mietzinserhöhung des Vermieters oder bei einem Herabsetzungsbegehren des Mieters auf den erstmöglichen Kündigungszeit­ punkt bei einem für eine Mindestfrist abgeschlossenen Mietvertrag mit Index- oder Staffelklausel (Urteile des Bundesgerichts 4A_489/2010 und 4A_531/2010 vom 6. Januar 2011, in: MRA 3/11, S. 87 ff.; BGE 121 III 397, in: MRA 2/96, S. 56 ff.; 123 III 76, in: MRA 4/97, S. 147 ff.; Urteil des Bun­ desgerichts 4C.177/2005 vom 12. November 2004, in: MRA 4/05, S. 159 ff., vgl. auch N 35 ff. zu Art. 269b OR und N 20 ff. zu Art. 269c OR).

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Art. 269 A. Missbräuchliche Mietzinse I. Regel Mietzinse sind missbräuchlich, wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird oder wenn sie auf einem offensichtlich übersetzten Kaufpreis beruhen. A.

Loyers abusifs

I. Règle Les loyers sont abusifs lorsqu’ils permettent au bailleur d’obtenir un rendement excessif de la chose louée ou lorsqu’ils résultent d’un prix d’achat manifestement exagéré.

A.

Pigioni abusive

I. Regola Sono abusive le pigioni con le quali è ottenuto un reddito sproporzionato dalla cosa locata o fondate su un prezzo d’acquisto manifestamente eccessivo.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6

Zulässiger Ertrag .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Grenze zum Missbrauch .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Massgebende Anlagekosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Offensichtlich übersetzter Kaufpreis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Investierte Eigenmittel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  In Berechnung der Nettorendite die zu berücksichtigenden Kosten .. . . . . . . . . . . . . . .  Individuelle Ertragsberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

700 700 702 711 713 716 722

4. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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697

Art. 269

1. Vorbemerkungen 1

Die zwingende Bestimmung von Art.  269 OR enthält nach dem Randti­ tel innerhalb der Missbrauchsgesetzgebung den «Regeltatbestand» gegen­ über «Ausnahmen» gemäss Art. 269a OR (vgl. Randtitel; zur Bedeutung die­ ser scheinbaren «Hierarchie» vgl. N 12 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR). Dem Begriff «angemessener Ertrag» entspricht der Begriff der «genügenden Netto­ rendite» bzw. «Eigenkapitalrendite» (Gratz, Mietzinsgestaltung, S. 67). Art. 269 OR regelt den Grundtatbestand der sogenannten Kostenmiete, und zwar als absolutes Missbrauchskriterium, da die Überprüfung der Ertragssituation einer Liegenschaft bzw. eines einzelnen Mietobjektes jederzeit unabhängig von der vertraglich vereinbarten Mietzinsgestaltung möglich ist (Weber, BSK, N 5 zu Art. 269 OR; MfdP/Brutschin, N 18.1 und N 21.4.1; BGE 124 III 310).

2. Anwendungsbereich 2

Mietzinse sind gemäss Art. 269 OR unter zwei alternativen Voraussetzungen als missbräuchlich zu qualifizieren: a) wenn aus der Mietsache ein übersetzter Ertrag erzielt wird oder b) wenn ein als zulässig berechneter Mietzins aus einem offensichtlich übersetzten Kaufpreis resultiert.

3

Im BGE 116 II 594 hat das Bundesgericht – allerdings noch in Anwendung von Art.  14 BMM  – entschieden, der Vermieter könne die Erzielung eines ange­ messenen Ertrages als selbständigen Erhöhungsgrund anrufen. Die spätere Rechtsprechung hat in der Folge einschränkend unter Hinweis auf den Grund­ satz von Treu und Glauben erkannt, der Vermieter könne sich auf den ange­ messenen Ertrag grundsätzlich nur im Rahmen der relativen Methode beru­ fen (BGE 117 II 452, E. 4a, S. 456 f.; BGE 118 II 124 und 130; BGE 121 III 163). Dies führt dazu, dass die Anwendbarkeit des im Gesetz ausdrücklich als Regel­ tatbestand umschriebenen Mietzinsgestaltungskriteriums, soweit bei Vertrags­ abschluss kein den Anforderungen von Art.  18 VMWG genügender Vorbe­ halt erklärt worden ist, auf wenige Ausnahmesituationen beschränkt bleibt (vgl. N 30 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR; dazu MfdP/Brutschin, N 21.7.5.3), nämlich: –– Mietzinsanpassungen nach Handänderung durch den Erwerber (BGE 116 II 594; Urteil des Bundesgerichts vom 25. Januar 1994, in: mp 2/94, S. 93 ff.; für den Fall der Erbteilung auf der Grundlage des vereinbarten Anrech­ 698

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Art. 269

nungswertes: Urteil des Bundesgerichts vom 9.  Juni 1999, in: MRA 5/99, S. 189 ff.); –– Mietzinsanpassungen nach Entlassung des Mietobjektes aus der staatlichen Mietpreiskontrolle (BGE 117 II 77, E.  2; BGE 123 III 171, E.  6a, in: MRA 3/97, S. 95 f.; BGE 129 III 272, E. 2.1; Urteil des Bundesgerichts 4C.330/2002 vom 31. Januar 2003, in: MRA 2/03, S. 39 ff., wo festgehalten wird, dass nach Entlassung der Mietliegenschaft aus der staatlichen Miet­ zinskontrolle in Anwendung der absoluten Methode auch eine Berufung auf die Orts- oder Quartierüblichkeit zulässig sei); –– Mietzinsanpassung, wenn zuvor in langjährigen Mietverhältnissen die zulässigen Möglichkeiten zur Mietzinsanpassung nur zurückhaltend wahr­ genommen wurden, d.h. als «Korrektiv in Ausnahmefällen» (Urteil des Bundesgerichts vom 25. Januar 1994, in: mp 2/94, S. 85 ff.); –– Mietzinsanpassung auf den ersten Kündigungszeitpunkt nach Ablauf der Mindestvertragsdauer bei Mietverträgen mit Index- oder Staffelklausel (BGE 121 III 393, E.  2b/bb, in: MRA 2/96, S.  56  ff.; BGE 123 III 76, E. 2c, in: MRA 4/97, S. 147 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.236/2004 vom 12. November 2004, in: MRA 4/05, S. 159 ff.; vgl. N 35 ff. zu Art. 269b OR und N 20 ff. zu Art. 269c OR); –– Einwand gegenüber einem Begehren des Mieters auf Mietzinsreduktion im Sinne von Art.  270a OR (früher Art.  19 BMM), wobei dieser nach abso­ luter Methode zugelassen wird (BGE 116 II 73, bestätigt im BGE 121 III 163, in: MRA 3/95, S. 117; MRA 4/95, S. 177 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.273/2000 vom 21. Mai 2001, in: MRA 4/01, S. 111 ff.). Ausserhalb dieser speziellen Konstellationen kann Art.  269 OR zur Begrün­ 4 dung einer Mietzinserhöhung nur angerufen werden, wenn sich seit der letz­ ten massgebenden Mietzinsfestsetzung die für die Ermittlung des angemesse­ nen Ertrages wesentlichen Kosten verändert haben bzw. wenn und soweit seit Mietbeginn den Anforderungen von Art. 18 VMWG genügende und überdies – weitergehend – begründete Vorbehalte erklärt worden sind (Urteil des Bundes­ gerichts vom 24. Februar 1994, in: MRA 0/94, S. 15 ff.; BGE 120 II 100, E. 2; 121 III 163; 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 187 ff.; 124 III 67; 126 III 124, in: MRA 4/00, S. 335 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.291/2001 vom 9. Juli 2002, in: MRA 5/02, S. 176, wo insbesondere festgehalten wird, die relative Methode gelte bei einem Begehren um Mietzinsherabsetzung gemäss Art. 270a OR auch zulasten des Mieters). Obwohl der Zinssatz für die Verzinsung des Fremdkapitals einen wesentlichen Kostenfaktor darstellt und obwohl bei der Berechnung des ange­ Beat Rohrer

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Art. 269

messenen Ertrages die effektiven Aufwendungen der Fremdkapitalverzinsung (und nicht der aktuelle Referenzzinssatz) massgebend sind, hat es das Bun­ desgericht abgelehnt, dem Vermieter eine Mietzinsanpassung unter Berufung auf die veränderte Renditesituation zu ermöglichen, wenn nach Ablauf der Dauer einer langjährigen Festhypothek das Fremdkapital zu einem höheren Satz verzinst werden muss (BGE 120 II 302, E. 7, in: MRA 2/95, S. 68 ff.; MfdP/ Brutschin, N 21.7.5.3). Das ist inkonsequent und ausserdem aus der Sicht der Mieter, die durch die Missbrauchsgesetzgebung geschützt werden sollen, kon­ traproduktiv: Es ist ja nach konstanter Praxis des Bundesgerichtes legitim, ein Mietverhältnis zu kündigen einzig in der Absicht, von einem Nachfolgemie­ ter einen höheren, nicht missbräuchlichen Ertrag zu erzielen (vgl. dazu statt vieler: Urteil des Bundesgerichts 4A_448/2009 vom 1. Fe­bruar 2009, in: MRA 2/11, S. 77 ff.; N 43 zu Art. 271 OR; N 20 zu Art. 271a OR). Wenn zufolge der erwähnten Änderung des im konkreten Fall massgebenden Fremdkapitalzins­ satzes kein genügender Ertrag mehr erzielt werden kann, weil die Anpassung des Zinssatzes keine Mietzinserhöhung erlaubt, bleibt dem Vermieter als Alter­ native zur Erzielung des zulässigen Ertrages nur die Kündigung und Neuver­ mietung der betroffenen Mietobjekte.

5

3.

Zulässiger Ertrag

3.1

Grenze zum Missbrauch

Im BGE 122 III 257 hat das Bundesgericht seine Praxis zur Bestimmung des angemessenen Ertrages wie folgt zusammengefasst: Die Nettorendite ent­ spricht der Verzinsung des vom Vermieter tatsächlich investierten Eigenkapitals. Als solches gilt die Differenz zwischen den Anlagekosten und den auf­ haftenden Schulden. Zum Eigenkapital hinzuzurechnen sind Amortisationen sowie die eigenfinanzierten wertvermehrenden Investitionen. Das so ermit­ telte Eigenkapital darf der Teuerung angepasst werden, allerdings nur bis zu einem Anteil von 40% der Anlagekosten, auch wenn der effektive Eigenkapi­ talanteil höher ist oder wenn die Mietliegenschaft gar vollständig eigenfinan­ ziert worden ist (a.a.O., E. 3a, m.w.H. auf BGE 106 II 356, E. 2, 120 II 100, E. 5a; Gratz, Mietzinsgestaltung, S. 69). Bei der Ermittlung der Nettorendite sind im Übrigen von den Mietzinseinnahmen alle laufenden, tatsächlich erbrachten Aufwendungen für Betrieb und Unterhalt der Liegenschaft in Abzug zu brin­ gen, wobei Durchschnittswerte einer vorangehenden Mehrjahresperiode (in der Regel fünf Jahre, mindestens jedoch drei Jahre) massgebend sind (BGE 141 III 245, E. 6.3, S. 252, in: MRA 4/15, S. 183 ff.; Urteil des Bundesgerichts 700

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Art. 269

4A_465/2015 vom 1. März 2016, E. 4.3; BGE 125 III 421, E. 2b, in: MRA 5/99, S. 182 ff.; BGE 123 III 171, E. 6a; BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 187 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.293/2000 vom 24.  Januar 2001, in: MRA 4/01, S. 116; Urteil des Bundesgerichts 4C.273/2000 vom 21. Mai 2001, in: mp 2001, S. 149; Higi, ZK, N 88 ff. zu Art. 269 OR; MfdP/Brutschin, N 18.2.2). Die so berechnete Nettorendite erweist sich nach bundesgerichtlicher Praxis nicht als missbräuchlich, wenn sie den quartalsweise publizierten Referenzzinssatz (früher die durchschnittlichen Zinssätze für erste Hypotheken der schweizeri­ schen Grossbanken) nicht um mehr als ein halbes Prozent übersteigt (BGE 141 III 245, in: MRA 4/15, S. 183 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4A_465/2015 vom 1. März 2016, E. 4.4.2; BGE 112 II 152, E. 2b; 122 III 257, E. 3a; 123 III 171, E. 6a). Dies gilt für sämtliche Mietverhältnisse betreffend Wohn- und Geschäfts­ räume ohne Berücksichtigung von allfällig unterschiedlichen Vermietungsrisi­ ken, die sich aus Standort, Mikrolage (Distanz zu Verkehrsträgern, Einkaufs­ möglichkeiten, Zentren usw.), Ausbauqualität oder anderen Kriterien ergeben. Die von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vorgegebene Abhängigkeit vom jeweils aktuellen Referenzzinssatz gilt – mangels abweichender Entschei­ dungen  – auch unabhängig davon, ob dieser sich tendenziell eher im statis­ tisch obersten Segment oder auf einem Tiefstand befindet (wobei insbesondere anzumerken ist, dass die ersten Entscheidungen des Bundesgerichts, welche die Praxis der Abhängigkeit der zulässigen Rendite vom jeweiligen Leitzinssatz für erstrangige Hypotheken zementierten, allesamt in Zeiten ergingen, in denen beispielsweise der Zinssatz für Ersthypotheken der Zürcher Kantonalbank nie unter den Wert von 4,75% fiel). Seit Mitte 2001 durfte auf in Liegenschaften investiertem Eigenkapital somit nicht einmal mehr der dem gesetzlichen Ver­ zugszins entsprechende «Renditesatz» von 5% erzielt werden (kritisch: Higi, ZK, N 46 zu Art. 269 OR, der beanstandet, dass das schematische Abstellen auf einen Referenzzinssatz für Ersthypotheken den Gebrauchswert der Sache als individualisierenden Faktor ausser Acht lässt; vgl. auch die Kritik von Sieg­ rist, Mietzins, S. 30 ff.). Das Bundesgericht sieht trotz der aktuellen Tiefzins­ phase und der Tatsache, dass deshalb im praktischen Alltag wegen der dabei stets und unbeeinflussbar dominierenden Marktverhältnisse kaum mehr Miet­ objekte zu einem nicht missbräuchlichen Renditesatz vermietet werden, keine Veranlassung, seine mittlerweile lebens- und realitätsfremde Begrenzung der zulässigen Eigenkapitalrendite kritisch zu hinterfragen (Urteil des Bundesge­ richts 4A_465/2015 vom 1. März 2016, E. 5.6). Es begründet dies – historisch und dogmatisch unzutreffend – damit, dass die Abhängigkeit der zulässigen Nettorendite von der Entwicklung der Hypothekarzinssätze vom Gesetzgeber gewollt sei, weshalb es diesem obliege, eine allfällige Änderung bezüglich der

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die Missbrauchsgrenze bestimmenden Referenzgrösse herbeizuführen. Das Bundesgericht blendet aus, dass die Abhängigkeit des zulässigen Ertrages vom Referenzzinssatz bzw. vom Niveau der Fremdkapitalzinsen, insbesondere aber die zur Bestimmung der Missbrauchsgrenze als massgebend erachtete maxi­ male Differenz zwischen dem aktuellen Fremdkapitalzinssatz und der zuläs­ sigen Rendite, weder im Gesetz noch in der Verordnung eine Stütze findet und dass sich dazu auch die Botschaft des Bundesrates zur Revision des Mietund Pachtrechtes vom 27. März 1985 nicht geäussert hat. Die Praxis, wonach der zulässige Ertrag den Referenzzinssatz nicht um mehr als 0,5% überstei­ gen dürfe, ist ausschliesslich die Erfindung des Bundesgerichts. Die sich auf­ drängende Korrektur entsprechend den wirtschaftlichen und marktorientier­ ten Realitäten erfordert somit keinesfalls eine Gesetzesänderung (vgl. dazu die ersten Urteile des Bundesgerichts, in welchen die erwähnte Abhängigkeit der zulässigen Eigenkapitalrendite vom aktuellen Niveau der Fremdkapitalzinsen eingeführt wurde: BGE 112 II 149, E. 2b, m.w.H. auf die Literatur und frühere, in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte Urteile; BGE 106 II 356; ZR 79 [1980] Nr.  137). Es trifft wohl zu, dass sich bei sinkenden Fremdkapital­ zinssätzen die Kostensituation des Vermieters  – auch zum Vorteil des Mie­ ters – verändert. Das heisst aber noch lange nicht, dass ein Sachzwang besteht, wonach sich die zulässige Eigenkapitalrendite – unbesehen des aktuellen Stan­ des des Referenzzinssatzes und unbesehen der wirtschaftlichen und am Markt orientierten Realitäten – nach diesem Wert zu richten hat und dass sie diesen nicht um mehr als 0,5% übersteigen darf, wie das Bundesgericht dies annimmt (Urteil 4A_265/2015 vom 1.  März 2016, E.  4.4.2 und 5.6.1 und 5.6.2; ferner BGE 141 III 245, E. 3.7, S. 251; Urteil 4A_198/2014 vom 17. Juli 2014, E. 4.4; Urteil 4A_470/2009 vom 18. Februar 2010, E. 6).

3.2 6

Massgebende Anlagekosten

Die Anlagekosten setzen sich zusammen aus den Landerwerbs- und Erstellungskosten einer Liegenschaft (inkl. allfällige Abbruchkosten, wenn vor der Erstellung eines Gebäudes zunächst ein bestehendes Gebäude abgebrochen werden muss, BGE 125 III 421, in: MRA 5/99, S. 182 ff.; Peter Higi in seinem Kommentar zum Urteil des Bundesgerichts 4C.300 vom 27. Oktober 1999, in: AJP 2000, S. 487 ff.; MfdP/Brutschin, N 18.3.1; Conod, Travaux, S. 11 ff.) sowie aus weiteren damit im Zusammenhang stehenden Kosten wie Notariats- und Handänderungsgebühren, für den Erwerb erhobene Handänderungs- und andere Steuern, soweit vom Erwerber entrichtet, Erschliessungskosten (Abga­ ben an Gemeinwesen für Erschliessung, geologische Abklärungen, allenfalls

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Entschädigungen an Nachbarn für die Einräumung von Durchleitungsrechten oder anderen Dienstbarkeiten), Planungs- und Baunebenkosten und Mäkler­ provisionen (befürwortend auch Higi, ZK, N 178 zu Art. 269 OR; offengelassen im Urteil des Bundesgerichts vom 24. Januar 2001, in: MRA 4/01, S. 116 ff., in der Tendenz aber bejahend, da sonst im konkreten Fall nicht hätte geprüft wer­ den müssen, ob die Provisionszahlung einem «echten» Aufwand entspreche, wenn sie einer Aktiengesellschaft vom Käufer, der gleichzeitig Hauptaktionär und Geschäftsführer dieser Gesellschaft ist, ausgerichtet worden war). Weiter gehören zu den Anlagekosten die während der Bauzeit oder zwischen Beur­ kundung und Handänderung aufgelaufenen (Baukredit-)Zinsen (vgl. Higi, ZK, N 171 ff. zu Art. 269 OR; MfdP/Brutschin, N 18.3.1). Schwierigkeiten bereitet die Ermittlung der Anlagekosten bei älteren Bauten, bei denen Landerwerbsoder Erstellungskosten nicht mehr belegt werden können oder bei denen ent­ sprechende Kosten in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zur aktuellen wirt­ schaftlichen Realität stehen oder in Fällen, in denen die Mietliegenschaft auf besondere Weise, z.B. durch Schenkung, gemischte Schenkung, Erbgang, im Rahmen einer Erbteilung oder aus anderen Gründen zu Vorzugskonditio­ nen, erworben worden ist. Es stellt sich somit das Problem, ob bzw. nach wel­ chen Kriterien entsprechende unrealistische Anlagekosten an heutige, aktuelle Werte angeglichen werden können. Das Bundesgericht lehnt grundsätzlich jegliche Anpassung der für die Net­ 7 torenditeberechnung massgebenden Anlagekosten an heutige Wertverhält­ nisse kategorisch ab, selbst dann, wenn der Erwerb der Liegenschaft oder die Erstellung des Gebäudes lange Zeit zurückliegt. Es erachtet den Steuerwert als untauglich, weil er von den zu überprüfenden Mietzinsen abhängig sei (Urteil des Bundesgerichts 4A_461/2015 vom 15. Februar 2016, E. 3.1.2; Urteil 4A_465/2015 vom 1.  März 2016, E.  4.4.1; Urteil 4A_147/2016 vom 12.  Sep­ tember 2016, E. 2.2; BGE 122 III 257, m.w.H. auf BGE 112 II 149, E. 3 und Gratz, Mietzinsgestaltung, S.  71, der jedoch am angeführten Ort das Gegen­ teil, nämlich die Zulassung eines aktualisierten, den Wertzuwachs berück­ sichtigenden Anlagewertes postuliert; MfdP/Brutschin, N  18.3.1 und 18.3.6; MRA 5/96, S. 187 ff.). Der Real- oder Verkehrswert der Liegenschaft könne nicht massgebend sein, weil er zu «unberechtigten Inflationsgewinnen» füh­ ren könne (BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 187 ff., E. 3b/bb, S. 259, m.w.H. auf Schmid, ZK, N 34 zu Art. 262 aOR; MRA 5/96, S. 190; MfdP/Brutschin, N 18.3.6 mit dem Hinweis, dieser Wert könne nicht massgebend sein, weil das Ziel des Gesetzgebers darin bestanden habe, die Spekulation zu bekämpfen. Die Autorin verkennt, dass dies keineswegs dem Verfassungsauftrag entspricht: Dieser verlangt nämlich ausdrücklich die Bekämpfung von Missbräuchen, was Beat Rohrer

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Art. 269

nicht dasselbe ist). Die Berücksichtigung des Gebäudeversicherungswertes sei unstatthaft, weil er auf Vergleichswerten und damit auf Kriterien der Markt­ miete beruhe und weil ausserdem nur eine «ungefähre Summe» der Wieder­ erstellungskosten daraus abgeleitet werden könne (BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 187 ff., E. 3b/bb; Urteil des Bundesgerichts 4A_465/2015 vom 1. März 2016, E. 4.4; Urteil 4A_147/2016 vom 12. September 2016, E. 2.2). Auch der aktuelle Erstellungswert repräsentiere schliesslich nicht die seinerzeit getä­ tigten Investitionen (die ja gerade im Sinne einer Ersatzgrösse zu ermitteln wären!) und stütze sich auf marktmässige Kriterien. Nicht ausdrücklich abge­ lehnt hat das Bundesgericht schliesslich die in einem früheren Entscheid als zulässig erachtete Methode, analog dem Gedanken von Art. 10 VMWG den massgebenden Ertragswert aufgrund der orts- oder quartierüblichen Mietzinse von vergleichbaren Objekten zu bestimmen (BGE 112 II 152; mp 2/87, S. 23 ff., vgl. Weber, BSK, N 10 zu Art. 269 OR). Von dieser Praxis ist das Bundesgericht freilich wieder abgewichen: Wo es nämlich die allenfalls noch bekannten, in einer Jahrzehnte zurückliegenden Zeit investierten Erwerbs- oder Erstellungs­ kosten gegenüber den aktuellen Verhältnissen als «irrealistisch» qualifizierte, betrachtete es eine Liegenschaft als Altbaute und erhob die Orts- und Quartie­ rüblichkeit zum entscheidenden absoluten Beurteilungskriterium, aber ohne der Vermieterschaft zu erlauben, aus den entsprechenden Verhältnissen ana­ log Art. 10 VMWG einen aktualisierten Anlagewert – und daraus abgeleitet – eine Nettorendite zu berechnen (BGE 122 III 257; vgl. dazu N 12 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR). 8

Die Praxis des Bundesgerichts verkennt die wirtschaftlichen Realitäten, schafft eine dogmatisch nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung von Eigentü­ mern, die ihre Liegenschaft schon seit langer Zeit besitzen gegenüber Neuer­ werbern von Altliegenschaften und erweist sich in ihrer Konsequenz letztlich für die Mieter, deren Interessen geschützt werden sollten, als kontraproduk­ tiv (kritisch: Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz.  426, S.  132; HAPImmobiliarmietrecht/Bättig, Rz.  1.9, S.  7; Rohrer, Nettorendite, S.  43  ff.; der­ selbe in: MRA 1/06, S.  7  ff.). Sie geht offenkundig von der realitätsfremden Auffassung aus, es stehe dem Vermieter auf dem im Laufe der Zeit durch Ver­ änderungen des Marktes eingetretenen Wertzuwachs der Liegenschaft kein Anspruch auf Erzielung eines Ertrages zu. Diese Auffassung steht nun aber in einem offensichtlichen Gegensatz zum Willen des Gesetzgebers, wie er sich in Art.  10 VMWG manifestiert: Diese Bestimmung bringt zum Ausdruck, dass nur diejenigen Anlagekosten zu einem missbräuchlichen Ertrag füh­ ren, die den Ertragswert, berechnet auf orts- oder quartierüblichen Mietzinsen für gleichartige Objekte, erheblich übersteigen. Damit wird der miss­ 704

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bräuchliche Anlagewert – entgegen der Argumentation des Bundesgerichts im Entscheid BGE 122 III 257  – nach Massgabe von aktualisierten marktmässigen Kriterien beurteilt. Dies ist unter Berücksichtigung der einzig relevan­ ten wirtschaftlichen Betrachtungsweise auch richtig und vermeidet die für Anleger und Vermieter unbegreifliche Diskrepanz zwischen den markt- bzw. orts- und quartierüblichen Mietzinsen und denjenigen, welche das Bundes­ gericht unter Bezugnahme auf die Ertragsberechnung für zulässig erachtet: Wird dem Vermieter nämlich verwehrt, bei der Berechnung der Nettoren­ dite von einem aktualisierten Verkehrswert auszugehen, so wird er gezwun­ gen, nach einer gewissen Zeitspanne, in der sich die Marktverhältnisse anders als die zulässigen Anpassungen seines investierten Kapitals an die Teuerung entwickelt haben, die Liegenschaft zu veräussern, um den solcherart realisier­ ten Wertzuwachs beim Kauf einer anderen Liegenschaft zu investieren (Blu­ mer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 426, S. 423). Dort werden die vom Vermieter investierten Mittel, die er aus der Realisierung des Wertzuwachses generiert hat, ohne Weiteres als Eigenkapital behandelt. Auf diesem Eigen­ kapital kann dann der Vermieter den nicht übersetzten Ertrag beanspruchen. Der Erwerber der veräusserten Liegenschaft kann in gleicher Weise verfah­ ren. In der Folge wird der Mieter der veräusserten Liegenschaft gar nicht davor geschützt, dass der Mietzins auf der Basis des jeweiligen Verkehrswerts der Mietliegenschaft nach absoluter Methode neu festgelegt wird (vgl. zur glei­ chen Konsequenz im Zusammenhang mit der zu strengen Handhabung der «relativen Methode» Rohrer, Anlagekosten, S.  7  ff.). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung schafft somit eine weder rechtlich noch sachlich zu rechtfer­ tigende Ungleichbehandlung zwischen einem Vermieter, der seine Liegen­ schaft seit langer Zeit besitzt und einem anderen, der sie soeben zum aktuellen Verkehrswert erworben hat. Von einer entsprechenden Ungleichbehandlung sind auch Mieter von unter Umständen identischen Wohnungen betroffen: Je nachdem, ob die Mietliegenschaft seit längerer Zeit dem gleichen Eigentümer gehört oder vor Kurzem zum aktuellen Marktpreis erworben wurde, lassen sich aufgrund der zu Unrecht unterschiedlich bewerteten Anlagekosten höchst unterschiedliche maximal zulässige Mietzinse errechnen (vgl. hierzu auch das Fallbeispiel von Rohrer, Revisionspostulate, S. 172 f.: ferner N 21 Vorbem. zu Art.  269–270e OR). Nachdem der Vermieter, wie dargelegt, einen im Laufe der Zeit eingetretenen Wertzuwachs auf einfachste Weise, nämlich durch Ver­ äusserung der Liegenschaft, jederzeit realisieren kann, und der Mieter vor der anschliessend vorzunehmenden Neugestaltung des Mietzinses nach absoluter Methode durch den Erwerber – abgesehen vom wenig wirksamen, weil schwer beweisbaren Einwand des offensichtlich übersetzten Kaufpreises (Art.  10

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VMWG)  – kaum geschützt wird, erweist sich die Praxis des Bundesgerichts in ihren Konsequenzen gegenüber dem Ziel, den Mieter vor missbräuchlichen Mietzinsen zu schützen, geradezu als kontraproduktiv (vgl. Gratz, Mietzinsge­ staltung, S. 70 f.; Bättig, Mietzinsherabsetzung, S. 194 ff.; Rohrer, übersetzter Ertrag, S. 43 ff., ferner MRA 1/06, S. 7 ff., Kommentar zum Urteil des Bundes­ gerichts 4C.285/2006 vom 18. Januar 2006). 9

Richtig kann nach den soeben dargestellten Überlegungen nur sein, dem Ver­ mieter zu gestatten, seine Anlagekosten auch aufgrund abstrakt ermittelter Bewertungen zu substanziieren. Dabei bieten sich folgende Möglichkeiten an:

10

Die Berechnung des angemessenen Ertrages könnte auf der Basis des aktu­ ellen Verkehrswertes erfolgen, worunter derjenige Wert zu verstehen ist, den der Eigentümer erhielte, wenn er seine Liegenschaft veräusserte. Damit wären die Mieter nicht schlechter gestellt als bei einem effektiv erfolgten Verkauf der Liegenschaft, bei welchem der Neuerwerber sich nach absoluter Methode auf die Erzielung eines angemessenen Ertrages berufen kann (vgl. N 21 Vorbem. zu Art.  269–270e OR, m.w.H.). Es steht ihnen ja noch immer der Einwand offen, der geschätzte Verkehrswert sei offensichtlich übersetzt, was dann wie­ derum nach Massgabe von Art. 10 VMG zu überprüfen wäre. Verkehrswert­ schätzungen spielen im heutigen Rechtsleben im Übrigen eine derart wichtige Rolle, dass hiefür anerkannte Grundsätze bestehen, welche Gewähr dafür bie­ ten, dass objektiv taugliche Schätzwerte eruiert werden können.

11

Möglich wäre es auch, auf den aktuellen Steuerwert der Liegenschaft abzu­ stellen. Auch die Ermittlung des Steuerwertes erfolgt nach objektiven Krite­ rien und im Übrigen für alle Liegenschaften nach den gleichen Ansätzen. Das Abstellen auf den Steuerwert rechtfertigt sich im Übrigen schon aufgrund fol­ gender Überlegung: Es kann nicht missbräuchlich sein, den angemessenen Ertrag auf demjenigen Wert der Liegenschaft zu berechnen, der vom Staat als für die Steuererhebung massgebende Grundlage betrachtet wird. Andernfalls bezahlt der Eigentümer einer Liegenschaft Steuern auf einem Vermögen, das mietrechtlich als nicht oder nicht im gleichen Umfang existierend betrachtet wird und auf welches der betroffene Eigentümer keinen Ertrag erzielen darf.

12

Gesetzeskonform ist sodann die Methode, gemäss welcher der Vermieter von sich aus den Ertragswert einsetzt, den er im Sinne von Art. 10 VMWG aus aktuellen orts- oder quartierüblichen Mietzinsen gewinnt. Wenn dieser Wert im Zusammenhang mit dem vom Erwerber bezahlten Kaufpreis nach dem Wil­ len des Verordnungsgebers geeignet ist, die Grenze zum Mietzinsmissbrauch im Sinne von Art. 269 OR zu definieren, ist nicht einzusehen, warum dieser

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Wert nicht generell und nicht nur über den Umweg einer Einrede des Mieters zur Beurteilung einer allfälligen Missbräuchlichkeit herangezogen werden soll. Denn – wie erwähnt – verdient der Mieter einer Liegenschaft, die seit vielen Jahren dem gleichen Eigentümer gehört, keinen weitergehenden Missbrauchs­ schutz als derjenige Mieter, dessen Liegenschaft soeben zum Verkehrswert veräussert worden ist. Selbst in der mieterfreundlichen Literatur finden sich Überlegungen zu einer abstrakten Bestimmung der massgebenden Anlagekos­ ten: Es wurde postuliert, diese auf der Basis eines geschätzten aktuellen Erstel­ lungswertes der Liegenschaft zu bestimmen, dabei eine Altersentwertung zu berücksichtigen und den Landwert – allerdings limitiert auf 20% der Gebäu­ deerstellungskosten, was nicht begründet wird und auch unsinnig erscheint, da zwischen diesen und dem Landwert keinerlei Relation auszumachen ist – zu addieren. Das Bundesgericht hatte sich, wie dargelegt, in früheren Jahren auch für die Anwendung dieser Methode in denjenigen Fällen ausgesprochen, in denen die seinerzeit effektiv investierten Anlagekosten nicht mehr zu ermitteln waren, sie später aber wieder abgelehnt (BGE 112 II 149, in: mp 1/87, S. 25 ff.; BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 187 ff., E. 3 b/aa und bb; Urteil des Bundes­ gerichts 4A_465/2015 vom 1. März 2016, E. 4.6; MfdP/Brutschin, N 18.3.3). Mit der Anwendung einer der vorstehend beschriebenen Methoden zur 13 Ermittlung der massgebenden Anlagekosten, insbesondere bei Zulassung der Bestimmung der Anlagekosten nach der Regelung von Art. 10 VMWG, wäre eine Vielzahl von Problemen gelöst, die sich nach der heute vom Bundesgericht angewendeten Praxis nicht oder kaum lösen lassen: Zunächst ergäben sich keine Probleme im Zusammenhang mit der Bestim­ mung einer zeitlichen Grenze für die Qualifikation einer Liegenschaft als Alt­ baute, bezüglich welcher die seinerzeit investierten, im Beurteilungszeitpunkt allenfalls noch bekannten Erwerbs- oder Erstellungskosten nicht mehr als Grundlage für eine Ertragsberechnung berücksichtigt werden können, weil sie – wenn sie vor diesem «Stichtag» erbracht wurden – als «irrealistisch» qua­ lifiziert werden müssen (BGE 140 III 433, in: MRA 1/15, S. 16 ff.; BGE 124 III 310; Urteil 4A_276/2011 vom 11. Oktober 2011, E. 5.2.1 und 5.2.3, in: MRA 4/12, S. 195 ff.; Urteil 4A_669/2010 vom 28. April 2011, E. 4.1 m.w.H.; BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 187 ff.). Gelöst wäre auch das Problem, dass für alle oder einen Teil der Anlagekosten – zum Beispiel für die Landerwerbskos­ ten oder für grössere Investitionen, die nach Erwerb oder Erstellung vorge­ nommen worden sind – keine Belege mehr beigebracht werden können (vgl. in diesem Zusammenhang die lebensfremd anmutende Auffassung des Bun­ desgerichtes, wonach es einem Vermieter oder einer mit der Bewirtschaftung

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betrauten Verwaltung zum Vorwurf gereiche, wenn sachdienliche Belege nach 26 bzw. 27 Jahren nicht mehr vorhanden seien, BGE 140 III 433, in: MRA 1/15, S. 16 ff., E. 3.1.2; ferner den kaum praktikablen Lösungsansatz im Urteil des Bundesgerichts 4C. 285/2006 vom 18. Januar 2006, in: MRA 1/06, S. 1 ff.). Es liesse sich sodann eine den wirtschaftlichen Realitäten entsprechende Berech­ nung des angemessenen Ertrages auch in den Fällen vornehmen, in denen sämtliche vom Bundesgericht bis heute entwickelten Methoden zur Berech­ nung versagen: in Fällen nämlich, in denen der Erwerber die Liegenschaft im Rahmen eines mehrere Liegenschaften umfassenden «Gesamtpaketes» ohne Aufteilung des Kaufpreises auf die gleichzeitig erworbenen Liegenschaften, durch Erbgang, aufgrund einer Schenkung oder gemischten Schenkung, auf­ grund eines Erbvorbezuges oder anderswie zu einem Vorzugspreis erworben hat. 14

Bei einem Erwerb der Liegenschaft aufgrund einer Schenkung sind die Anlage­ kosten auf der Basis einer Schätzung – allerdings bezogen auf den Erwerbszeit­ punkt – zu ermitteln (Urteil des Bundesgerichts 4A_276/2001 vom 11. Okto­ ber 2011, in: MRA 4/12, S. 195 ff.; Urteil 4C.285/2005 vom 18. Januar 2006, in: MRA 1/06, S. 1 ff.; Urteil 4C.293/1994 vom 6. Dezember 1994, in: MRA 2/95, S. 78 ff.; Weber, BSK, N 10 zu Art. 269 OR; MfdP/Brutschin, N 18.3.6). Das gilt auch für gemischte Schenkungen, d.h. in den Fällen, in denen der Erwer­ ber der Liegenschaft diese zum Beispiel aufgrund einer besonderen Beziehung zum früheren Eigentümer zu einem Vorzugspreis erworben hat. Allerdings ist dabei vorausgesetzt, dass zwischen dem Erwerbspreis und dem effektiven Wert ein Missverhältnis besteht (Urteil des Bundesgerichts 4A_276/2011 vom 11. Oktober 2011, in: MRA 4/12, S. 195 ff., E. 5.2.4, wo das Bundesgericht fest­ hält, es müsse vom effektiven Erwerbspreis ausgegangen werden, wenn die Dif­ ferenz gegenüber dem Marktwert nicht mehr als 10 bis 20% betrage; Urteil 4C.234/1994 vom 6. Dezember 1994, in: MRA 2/95, S. 75 ff.). Mit dieser Aus­ nahme vom Grundsatz, wonach Schätzwerte zur Ermittlung der Anlagekos­ ten unbeachtlich sind, ist das grundsätzliche Problem, das sich bei Abstellen auf «historische» Anlagekosten stellt, allerdings nicht gelöst: Es ist offenkun­ dig, dass der Nachweis eines Verkehrswertes Jahrzehnte nach dem Erwerb in der Praxis wohl kaum möglich ist (vgl. hierzu gerade das zuletzt angeführte Urteil des Bundesgerichts 4C.285/2005 vom 18.  Januar 2006: Der Vermieter hätte den Verkehrswert des Landes, auf welchem die Mietliegenschaft errich­ tet wurde, für einen Zeitpunkt nachweisen müssen, der hundert Jahre zurück­ lag). Selbst wenn dieser Beweis gelingen könnte, ist evident, dass der dadurch gefundene Wert zur Berechnung einer Nettorendite kaum ergiebig ist, weil er gegenüber den heutigen Wertverhältnissen in aller Regel als «irrealistisch» 708

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qualifiziert werden müsste. Unzutreffend ist im Übrigen mit Sicherheit die vom Bundesgericht allen Ernstes vertretene Auffassung, bei der Berechnung der kostendeckenden Bruttorendite sei der Landwert vollständig zu vernach­ lässigen und mit dem Betrag von 0,00 CHF gleichzusetzen, wenn dieser nicht mehr bekannt sei (Urteil des Bundesgerichts vom 17. Februar 1997, in: MRA 1/98, S. 1 ff., in dem das Bundesgericht im Rahmen der massgebenden kosten­ deckenden Bruttorendite ungeachtet dieser These dem Vermieter nur die auf den noch bekannten Erstellungskosten des Gebäudes berechnete Marge von 2% über dem Ersthypothekensatz zugestanden hat). Zur Lösung des Problems der Ermittlung von Anlagekosten, bei denen die Erstellungskosten des Gebäu­ des bekannt sind, nicht aber diejenige des Landerwerbes, weil dieser lange Zeit zurückliegt, bieten sich zwei Möglichkeiten an, die den wirtschaftlichen Rea­ litäten vernünftig Rechnung tragen: Wenn der Preis des lange Zeit zurücklie­ genden Landerwerbes nicht mehr bekannt ist oder gegenüber den aktuellen Wertverhältnissen als irrealistisch eingestuft werden muss, kann er durch eine Schätzung, bezogen auf den Zeitpunkt der Erstellung der Gebäude, ersetzt wer­ den. Die andere Möglichkeit besteht darin, die Berechnung des Ertrages auch dann auszuschliessen, wenn nur der Landerwerb lange Zeit, nach aktueller Rechtsprechung mehr als 27 Jahre, zurückliegt (BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 187 ff.). Eine Liegenschaft wäre somit auch dann als Altbaute im Sinne der diesbezüglich entwickelten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu betrachten, wenn die Erstellung des Gebäudes zwar noch nicht allzu lange Zeit zurück­ liegt, wohl aber der Erwerb des Grundstückes (vgl. Näheres zu dieser Thematik N 12 ff. zu Vorbem. zu Art. 269–270e OR). Das Bundesgericht hat schliesslich entschieden, dass der Erbgang per se keine Grundlage für eine Neuberechnung des Ertrages darstelle (Urteil 4A_147/2016 vom 12.  September 2016, E.  2.2; Urteil 4C.201/2001 vom 9. Juli 2002, E. 3b). Dagegen kann im Falle des Erwer­ bes einer Liegenschaft durch Erbteilung der in diesem Zusammenhang mass­ gebende Anrechnungswert für die Berechnung des angemessenen Ertrages herangezogen werden. Abzustellen ist dabei auf den effektiv nachgewiesenen Anrechnungswert, auch wenn dieser besonders günstig festgelegt worden ist. Unerlässlich ist, so das Bundesgericht, dass das konkret investierte Eigenkapi­ tal vom Vermieter nachgewiesen werde (Urteil des Bundesgerichts vom 9. Juni 1999, in: MRA 5/99, S. 189 ff.; vgl. auch das Urteil 4A_147/2016 vom 12. Sep­ tember 2016, E. 2.2). Zu den Anlagekosten gehören ferner die vom Vermieter getätigten wertver- 15 mehrenden Investitionen. Das Bundesgericht verlangt, dass im Rahmen einer Ertragsrechnung nur Investitionskosten, die gegenüber Unterhaltsaufwendungen abzugrenzen seien, berücksichtigt bzw. aktiviert werden dürften, was Beat Rohrer

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erfordere, im konkreten Einzelfall zu beurteilen, in welchem Ausmass getätigte Investitionen einen Mehrwert zur Folge gehabt hätten (BGE 141 III 245, E. 6.6, in: MRA 4/15, S. 183 ff., mit Kommentar von Hans Bättig). Es beschränkt die Berücksichtigung dieser Investitionen im Rahmen der Anlagekosten auf dieje­ nigen Aufwendungen, die der Vermieter aus eigenen Mitteln, also nicht mittels Fremdkapital finanziert hat (BGE 141 III 245, E. 6.6, in: MRA 4/15, S. 183 ff.; BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 187 ff.). Diese Einschränkung ist allerdings nicht nachvollziehbar. Die Wertvermehrung wird  – ebenso wie die Bestim­ mung der Anlagekosten – allein nach den vom Vermieter getätigten Aufwen­ dungen bestimmt. Die Finanzierung ist dabei unerheblich. Sie ist lediglich bei der Bestimmung des Eigenkapitals bedeutsam, welches als Bezugsgrösse zum Ertrag für die Berechnung der Nettorendite massgebend ist. Es ist denn auch anzunehmen, dass das Bundesgericht in den angesprochenen Erwägungen nichts anderes zum Ausdruck bringen wollte, als dass letztlich der zulässige Ertrag eben nur auf die vom Vermieter investierten Eigenmittel Bezug neh­ men kann. 16

Das Bundesgericht hat in einem Urteil vom 24.  Januar 2001 zum Ausdruck gebracht, wie im Falle von umfassenden Sanierungen, in deren Verlauf einer­ seits wertvermehrende Investitionen getätigt und andererseits Unterhaltsarbei­ ten ausgeführt wurden, zu verfahren ist: Der wertvermehrende Anteil ist zu aktivieren und den Anlagekosten zuzurechnen (wobei sich im konkreten Fall die Frage der Fremd- bzw. Eigenfinanzierung nicht stellte). Der Unterhalts­ anteil, der betragsmässig den durchschnittlichen jährlichen Unterhalt erheb­ lich übersteigt, ist auf die Lebensdauer der sanierten Bereiche zu amortisieren und mit 5% pro Jahr zu verzinsen (Urteil 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001, in: MRA 4/01, S. 116 ff.). Im Urteil 4A_530 vom 17. Dezember 2012 (MRA 1/14, S. 27 ff.) erwog es, der nicht wertvermehrende Anteil der Kosten einer umfas­ senden Sanierung könne nicht automatisch als ausserordentlicher Unterhalt betrachtet werden. Es unterschied vielmehr die Kategorien «ausserordentli­ che» und «normale» (bzw. wohl ordentliche) Unterhaltsaufwendungen, frei­ lich ohne darzutun, nach welchen Kriterien die Zuordnung zu diesen bei­ den Kategorien zu erfolgen habe (vgl. dazu nachfolgend N 82 ff. zu Art. 269a OR; kritisch: Hans Bättig in seinem überzeugenden Kommentar in MRA 1/14, S. 38 ff.). Im Rahmen der Berechnung des angemessenen Ertrages spielt die Unterscheidung nach Auffassung des Bundesgerichtes insofern eine Rolle, als die normalen Unterhaltskosten nach den effektiv belegbaren Aufwendun­ gen für eine Mehrjahresperiode unter dem Aufwand zu berücksichtigen sind, wohingegen ausserordentliche Unterhaltsaufwendungen über die Lebensdauer der jeweils betroffenen Bereiche zu verzinsen und zu amortisieren sind, sodass 710

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in den massgebenden Jahren nur die daraus resultierende Quote in Anschlag gebracht werden kann (BGE 141 III 245, in: MRA 4/15, S. 183 ff., mit überzeu­ gender, anhand von Berechnungsbeispielen belegter Kritik von Hans Bättig, S. 197 ff.; zur problematischen Unterscheidung ordentlicher und ausserordent­ licher Unterhaltsaufwendungen vgl. N 29 ff. zu Art. 269 OR).

3.3

Offensichtlich übersetzter Kaufpreis

Nach dem Gesetzeswortlaut ist der Ertrag missbräuchlich, wenn er auf einem 17 offensichtlich übersetzten Kaufpreis berechnet wird. Die Formulierung des Gesetzes ist zu eng: Der Begriff «Kaufpreis» steht stellvertretend für alle Arten von Gegenleistungen, die der Eigentümer bei Erwerb der Liegenschaft inves­ tiert hat, also z.B. auch für den massgebenden Anrechnungswert bei Erwerb durch Erbteilung oder Tausch oder für den im Anschluss an eine Schenkung (eventuell gemischte Schenkung) vom Eigentümer als massgebend betrachte­ ten Wert. Zum «Kaufpreis» gehören sodann alle weiteren mit dem Erwerb der Liegenschaft verbundenen Gestehungskosten wie Notariats- und Handände­ rungskosten, Kosten im Zusammenhang mit der Errichtung von Dienstbar­ keiten, Steuern, Erschliessungskosten, Mäklerprovisionen und auch Abbruch­ kosten, wenn das bestehende Gebäude im Hinblick auf eine Neuüberbauung abgebrochen wird usw. (BGE 125 III 421, in: MRA 5/99, S. 182 ff.; Higi in sei­ nem Kommentar zum Urteil des Bundesgerichts 4C.300 vom 27. Oktober 1999, in: AJP 2000, S. 487 ff.; MfdP/Brutschin, N 18.3.1; Conod, Travaux, S. 11 ff.; Higi, ZK, N 356 zu Art. 269 OR). Nicht dem Kaufpreis zuzurechnen sind demgegen­ über Aufwendungen für Renovationen oder umfassende Überholungen, die der Eigentümer unmittelbar nach Eigentumserwerb vornimmt: Der Vermieter ist stets berechtigt, solche Aufwendungen entsprechend den an anderer Stelle aufgezeigten Grundsätzen im effektiven Umfang bei der Mietzinsfestlegung zu berücksichtigen. Abzulehnen ist die in der mieterfreundlichen Literatur ver­ tretene These, offensichtlich übersetzte Kosten von Mehrleistungen oder wert­ vermehrenden Investitionen könnten ebenfalls korrigiert werden. Abgesehen davon, dass Art. 269 OR nur vom übersetzten Kaufpreis spricht, ist unerfind­ lich, nach welchen Kriterien solches zu beurteilen wäre (Art. 10 VMWG löst dieses Problem ja nicht, vgl. MfdP/Brutschin, N 18.4). Referenzgrösse zur Beurteilung der Frage, ob die vom Vermieter berücksich­ 18 tigten Anlagekosten offensichtlich übersetzt sind, ist nach Art. 10 VMWG der Ertragswert einer Liegenschaft, berechnet aus orts- oder quartierüblichen Mietzinsen. Erhebt der Mieter gegen die ihm vorgelegte Ertragsberechnung den Einwand des offensichtlich übersetzten Kaufpreises, so trifft ihn die Beweislast Beat Rohrer

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für diese Behauptung (MfdP/Brutschin, N 18.4.2). Er hat demnach den Nach­ weis der Orts- oder Quartierüblichkeit für jede Kategorie der in der Mietlie­ genschaft vorhandenen Objekte (bei gemischt genutzten Liegenschaften also unter Umständen auch für Laden-, Büro- oder Lagerflächen usw.) zu erbringen, damit in der Folge mittels Anwendung eines branchenüblichen Kapitalisie­ rungsfaktors der massgebende Ertragswert ermittelt werden kann. Gelingt der Beweis nicht, so ist in jedem Fall auf den vom Vermieter in Anschlag gebrach­ ten Wert abzustellen. Andere Methoden zur Beurteilung der Frage, ob Anlage­ kosten offensichtlich übersetzt sind, sehen weder Gesetz noch Verordnung vor. So lässt beispielsweise die Differenz des aktuellen Bilanzwertes der einer juris­ tischen Person gehörenden Liegenschaft gegenüber dem seinerzeit entrich­ teten Kaufpreis, die durch zwischenzeitlich vorgenommene Abschreibungen bedingt ist, keinen Rückschluss auf einen offensichtlich übersetzten Kaufpreis zu (Urteil des Bundesgerichts 4C. 273/2000 vom 21. Mai 2001, in: MRA 4/2001, S. 111 ff., Weber, BSK, N 8 zu Art. 269 OR). Ebenso wenig lässt es der klare Wortlaut der Verordnung zu, aus dem Vergleich des Kaufpreises zum Ertrags­ wert, der auf der Basis der vor dem Verkauf massgebenden Mietzinse ermit­ telt wird, Rückschlüsse zu ziehen oder gar die Vermutung entstehen zu las­ sen, der Kaufpreis sei offensichtlich übersetzt. Das Nämliche gilt für die These, eine solche Vermutung lasse sich auch aus dem Vergleich der um 40% der Teu­ erung erhöhten Anlagekosten einer Liegenschaft mit dem Kaufpreis ableiten. Weder das Gesetz noch die Verordnung lassen es – im Sinne einer zugunsten der Beweiserleichterung für die beweisbelasteten Mieter erfundenen These  – schliesslich zu, auf eine Hilfsgrösse, wie etwa einen aktuellen Erstellungswert der Liegenschaft, wohl mit geschätztem Landwert, abzustellen (so aber MfdP/ Brutschin, N 18.4.1). 19

In der Lehre und teilweise in der kantonalen Rechtsprechung wird überein­ stimmend die Auffassung vertreten, «offensichtlich» übersetzt seien Anlage­ kosten, wenn sie den nach den Grundsätzen von Art. 10 VMWG ermittelten Ertragswert um mindestens 10% übersteigen (vgl. Gratz, Mietzinsgestal­ tung, S. 77; Weber, BSK, N 8 zu Art. 269 OR; MfdP/Brutschin, N 18/4.1; ZR 78 [1979] Nr.  8; ZMP 3/94, Nr.  34, S.  28; Hulliger/Heinrich, CHK, N  14 zu Art. 269 OR; Higi, ZK, N 375 f. zu Art. 269 OR, spricht sich für eine differenzie­ rende Betrachtungsweise je nach Alter und Zustand der Liegenschaft aus und erachtet einen Wert von zwischen 10 und 20% als relevant). In BGE 117 II 77 erkannte das Bundesgericht, eine Differenz von 11,14% zwischen dem Erwerb­ spreis und dem auf orts- und quartierüblichen Mietzinsen ermittelten Ertrags­ wert sei nicht offensichtlich übersetzt.

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3.4

Investierte Eigenmittel

Das Bundesgericht geht davon aus, als investiertes Kapital gelte nur das vom 20 Vermieter investierte Eigenkapital, also die Differenz zwischen Anlagewert und Fremdkapital (BGE 125 III 421; BGE 123 III 171; BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 187 ff.; Urteil vom 6. Dezember 1994, in: MRA 2/95, S. 75 ff., m.w.H. auf BGE 117 II 77, E. 3a) sowie spätere Investitionen, soweit es sich um wertvermehrende Investitionen gehandelt habe, die nicht fremdfinanziert worden seien (vgl. hierzu die Erwägungen des Bundesgerichts zu dem in der Literatur erhobenen Postulat, Investitionen in vollem Umfang und nicht nur im Ausmass, in dem sie eine Wertvermehrung bewirkt haben, zu den Anlage­ kosten zu addieren: BGE 141 III 245, in: MRA 4/15, S. 183 ff., E. 6.4–6.6. Das Bundesgericht gelangt zum Ergebnis, dass nur Investitionskosten, nicht aber ordentliche oder ausserordentliche Unterhaltskosten aktivierbar seien; vgl. die fundierte Kritik von Hans Bättig, MRA 4/15, S. 197 ff.; Urteil des Bundesge­ richts 4A_465/2015 vom 1. März 2016, E. 4.4.1; ferner N 82 ff. zu Art. 269a OR). Die investierten Eigenmittel dürfen ungeachtet ihres effektiven Anteils nur bis zum Maximum von 40%, bezogen auf den Anlagewert, der Teuerung angepasst werden (Urteil des Bundesgerichts 4A_465/2015 vom 1. März 2016, E. 4.4.1; BGE 120 II 100, E. 5, in: MRA 0/94, S. 18 ff., bestätigt in BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 187 ff.; ferner Higi/Gut, Mietwohnung, S. 43 f.; Weber, BSK N 9 zu Art.  269 OR). Abgelehnt wird die Berechnung der investierten Eigenmit­ tel als Differenz zwischen dem aktuellen (Markt-)Wert der Liegenschaft und dem Fremdkapital (BGE 120 II 100, E. 5a, m.w.H. auf Corboz, Loyer abusif, S. 30; vgl. MRA 0/94, S. 18 ff.). Warum die höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage nicht dem aus Art. 10 VMWG ableitbaren Willen des Gesetz­ gebers entspricht, wurde bereits dargelegt (N 12 f.). Zur Frage der Anpassung der investierten Eigenmittel an die Teuerung vgl. N 23 ff. Der Umstand, dass nach bundesgerichtlicher Praxis bei der Berechnung der 21 Nettorendite auf die «historischen» Erwerbs- bzw. Erstellungskosten abzustel­ len ist, kann dazu führen, dass die Summe des aktuellen Fremdkapitals höher ist als die massgebenden Anlagekosten. Nach der Praxis der Kreditinstitute ermittelt sich der maximale Anteil einer Fremdfinanzierung nach dem aktu­ ellen Verkehrswert; je nach dem Zeitpunkt von Erwerb oder Erstellung der Mietliegenschaft und der seither eingetretenen Marktentwicklung kann bereits ein Anteil von 60% des Verkehrswertes die nach bundesgerichtlicher Praxis massgebenden «historischen» Anlagekosten übertreffen. Das Eigenkapital ist diesfalls negativ. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, der Fremdka­ pitalaufwand für den die Anlagekosten übersteigenden Anteil der Fremdfinan­

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zierung könne bei der Berechnung des zulässigen Ertrages nicht berücksich­ tigt werden (MfdP/Brutschin, N 18.6.1, m.w.H. auf BGE 123 III 171, E. 6a). Als Konsequenz ergäbe sich, dass mit den maximal zulässigen Mietzinseinnahmen ein Verlust resultiert. Dies kann zumindest so lange nicht richtig sein, als mit den Fremdmitteln liegenschaftenbezogene Aufwendungen bestritten werden (z.B. Kosten von grösseren Renovationen oder umfassenden Überholungen; Auszahlung von Miteigentümern oder Miterben, wenn ein besonders günsti­ ger, für die Nettorenditeberechnung gleichwohl massgebender Anrechnungs­ wert vereinbart wurde usw.). 22

Bei der Berechnung des massgebenden Eigenkapitals sind auch die seit Eigen­ tumserwerb erfolgten Amortisationen der Hypotheken (inklusive Teuerung, soweit die Eigenmittel 40% der Anlagekosten nicht übersteigen) als Eigenmit­ tel aufzurechnen (BGE 117 II 84, E. 3a/bb; MfdP/Brutschin, N 18.3.5).

23

Gemäss Art. 269a Abs. 1 Buchst. e OR i.V.m. Art. 16 VMWG darf das soge­ nannte risikotragende Kapital, das heisst das investierte Eigenkapital, der Teuerung entsprechend der Entwicklung des Landesindexes der Konsumen­ tenpreise angepasst werden. Das Bundesgericht hatte früher dem Vermieter erlaubt, im Rahmen seiner Nettorenditeberechnung das gesamte investierte Eigenkapital der seit der Investition eingetretenen Teuerung anzupassen (BGE 112 II 149, in: mp 1/87, S. 23 ff.; BGE 117 II 77). Von dieser Praxis ist es zwi­ schenzeitlich abgewichen: Im Entscheid BGE 120 II 100, in: MRA 0/94, S. 18 ff., wird dem Vermieter nur noch zugestanden, die Teuerung auf einem Eigenka­ pitalanteil von maximal 40% bezogen auf die gesamten massgebenden Anla­ gekosten aufzurechnen, und zwar auch dann, wenn der Anteil der investierten Eigenmittel höher ist (Urteil des Bundesgerichts 4A_465/2015 vom 1.  März 2016, E. 4.4.1; BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 187 ff.). Eine rechtsdogma­ tisch überzeugende Begründung für diesen Entscheid ist das Bundesgericht ebenso schuldig geblieben wie eine Erklärung dafür, weshalb die im Entscheid BGE 117 II 77 für richtig befundene Teuerungsanpassung der gesamten inves­ tierten Eigenmittel plötzlich nicht mehr zulässig sei. Der Hinweis auf die stan­ dardisierte Teuerungsüberwälzung im laufenden Mietverhältnis nach Art. 16 VMWG vermochte als Erklärung nicht zu befriedigen, zumal im Übrigen bei der Berechnung der Nettorendite Standardisierungen etwa mit Bezug auf einen Erfahrungswert für Unterhalts-, Betriebs- und Verwaltungskosten vom Bundesgericht grundsätzlich abgelehnt werden (vgl. BGE 122 III 257, E. 5, in: MRA 5/96, S. 187 ff., 193; Siegrist, Mietzins, S. 22 f.; Higi, ZK, N 219 zu Art. 269 OR; ferner die überzeugende Kritik von Higi/Gut, Mietwohnung, S. 41 ff. und Maag, Unterhaltskostenpauschale, S. 149 ff.).

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Die beschränkte «Aufwertung» der investierten Eigenmittel durch Anpassung 24 an die Teuerung im beschriebenen Maximalumfang lässt sich weder betriebs­ wirtschaftlich noch rechtsdogmatisch rechtfertigen. Zunächst werden damit absolute und relative Mietzinsgestaltungskriterien (bzw. effektive und stan­ dardisierte Berechnungskriterien) vermischt, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gerade nicht angängig sein soll (Urteil des Bundesgerichts vom 7. August 1995, in: MRA 2/96, S. 64 ff.; Gut, Ertrag, S. 187 f.; Higi, ZK, N 220 ff. zu Art. 269 OR). Eine echte Anpassung an aktuelle Wert-(Markt-)Ver­ hältnisse kann sodann mit der Zulassung einer Teuerung im erwähnten redu­ zierten Umfang nicht erreicht werden, weil der Markt sich nicht parallel zu einem Anteil von 40% der Teuerung gemäss Landesindex der Konsumenten­ preise entwickelt. Unbehelflich ist der Erklärungsversuch von Brutschin, die darauf hinweist, es sei nicht einzusehen, weshalb eine Indexierung von Kapital, das dem Vermieter nicht gehöre, vorzunehmen sei (MfdP/Brutschin, N 18.3.5 bei Fn.  59). Gefordert wird hier ja nur, dass zumindest der gesamte Anteil des investierten Eigenkapitals (welches somit dem Vermieter gehört), maxi­ mal also 100% der Anlagekosten, wenn die Liegenschaft vollständig eigenfi­ nanziert ist, der Teuerung angepasst werden darf. Im Ansatz falsch ist der von Weber unternommene Versuch einer Rechtfertigung der kritisierten höchst­ richterlichen Praxis: Eine den wirtschaftlichen Realitäten in keiner Weise ent­ sprechende und daher letztlich für die Mieter insgesamt kontraproduktive Pra­ xis zur Ermittlung eines sogenannten missbräuchlichen Mietzinses lässt sich nicht durch die Überlegung rechtfertigen, dass der dem Vermieter damit auf­ gezwungene Verlust von Ertrag langfristig, nämlich bei einem allfälligen Ver­ kauf der Liegenschaft, durch Realisierung des dannzumal massgebenden Ver­ kehrswertes möglicherweise kompensiert werden könnte (Weber, BSK, N 9 zu Art. 269 OR). Die Zulassung der Teuerung nur auf einem Teil der Eigenmittel könnte Vermie­ 25 ter dazu veranlassen, Eigenmittel, soweit sie 40% der Anlagekosten übersteigen, abzudisponieren und damit eine andere Liegenschaft zu erwerben. Auf diesem Wege könnte auch auf dem den erwähnten Anteil übersteigenden investierten Eigenkapital – nach Investition in eine andere Liegenschaft – für die dort vor­ zunehmende Ertragsberechnung die Teuerung berücksichtigt werden, soweit der Eigenfinanzierungsgrad 40% nicht übersteigt. Dass Vermieter im Hinblick auf eine durchaus legale Ertragsoptimierung zu Mitteln der beschriebenen Art greifen müssen, ist offenkundig unsinnig: Es kann ja nicht das Ziel der Miss­ brauchsgesetzgebung sein zu bewirken, dass der Fremdfinanzierungsanteil von Liegenschaften zur Ertragsoptimierung künstlich erhöht wird.

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3.5

In Berechnung der Nettorendite die zu berücksichtigenden Kosten

3.5.1 Finanzierungskosten 26

Massgebend für die Berechnung der Nettorendite sind die tatsächlich anfallen­ den Kosten für die Fremdfinanzierung, sowohl hinsichtlich des Betrages der jeweiligen Hypotheken als auch mit Bezug auf die tatsächlichen Zinssätze (Gut, Ertrag, S. 194). Es ist unerheblich, ob es im Beurteilungszeitpunkt theoretisch möglich wäre, bei einem anderen kreditgebenden Institut günstigere Zinssätze auszuhandeln. Wird von privater Seite Fremdkapital zu wesentlich ungünstige­ ren Konditionen zur Verfügung gestellt, als sie im gleichen Zeitpunkt mit einer Bank oder Versicherung hätten ausgehandelt werden können, ist eine entspre­ chende Korrektur vorzunehmen, da der Mieter nicht verpflichtet werden kann, einen besonderen Vorzugszins zugunsten eines Dritten zu finanzieren (MfdP/ Brutschin, N 18.6.1, m.w.H. auf BGE 121 III 319, E. 5a/dd).

3.5.2 Unterhaltskosten 27

Die Rechtsprechung verlangt, dass für die Unterhaltskosten der Durchschnittswert einer der konkreten Mietzinsgestaltung vorangehenden Periode von drei bis fünf Jahren berücksichtigt wird (BGE 141 III 245, in: MRA 4/15, S. 183 ff., E. 6.6; Urteil des Bundesgerichts 4A_530/2012 vom 17. Dezember 2012, in: MRA 1/1, S. 27 ff.; BGE 106 II 362; 111 II 378; Urteil 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001, in: MRA 4/01, S. 116 ff.; MfdP/Brutschin, N 18.6.3; Higi, ZK N 88 zu Art. 269 OR; Gratz, Mietzinsgestaltung, S. 72). Dies ist dadurch begrün­ det, dass die jährlichen Schwankungen und Zufälligkeiten in der Berechnung eliminiert werden sollen (zur Frage der Pauschalierung von Unterhaltskosten im laufenden Mietverhältnis vgl. N 3 ff. zu Art. 269a OR; ferner Maag, Unter­ haltskostenpauschale, S.  149  ff.). Bei neu erworbenen Liegenschaften kann auf die seit dem Erwerb aufgewendeten Unterhaltskosten abgestellt werden, wenn vom Veräusserer keine entsprechenden Angaben erhältlich sind (Urteil des Bundesgerichts 4C.273/2000 vom 21. Mai 2001, in: MRA 4/01, S. 111 ff.). Werden in einem in der Berechnungsperiode liegenden Jahr ausserordentliche Unterhaltsaufwendungen oder umfassende Überholungen getätigt, so sind die darauf entfallenden Kosten auf die Lebensdauer der Investition abzuschreiben und zu einem Zinssatz zu verzinsen, der dem zulässigen Eigenkapitalzinssatz entspricht (Urteil des Bundesgerichts vom 26. Juli 1995, in: mp 3/96, S. 140 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.293/2000 vom 24.  Januar 2001, in: MRA 4/01, S. 116 ff.).

716

Beat Rohrer

Art. 269

Das Bundesgericht lehnt es in konstanter Rechtsprechung ab, dem Vermieter 28 zu gestatten, Rückstellungen für künftig fällig werdende grössere, umfassende Überholungen analog einer Art Erneuerungsfonds, wie er im Stockwerkei­ gentum angelegt wird, zu bilden (vgl. BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 187 ff., mit überzeugender Kritik von Hans Bättig; Rohrer, übersetzter Ertrag, S. 43 ff.; Gratz, a.a.O., S. 73 ff.; Bättig, Nettorenditeberechnung, S. 123). Als Ausgleich gestand das Bundesgericht dem Vermieter immerhin und folgerichtig in sei­ ner bis vor Kurzem konstanten Praxis zu, in einem dem Berechnungsstichtag vorangegangenen Jahr vorgenommene grössere Unterhaltsaufwendungen und insbesondere den nicht als wertvermehrend auf die Mietzinse überwälzbaren Anteil einer umfassenden Überholung, also je nachdem einen Anteil von 30 bis 50% der Investitionen, in der Folgezeit verzinst und auf die Lebensdauer der sanierten Bereiche amortisiert mit der daraus resultierenden Quote als Unter­ haltskostensteigerung mietzinswirksam werden zu lassen (Urteil des Bundes­ gerichts 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001, in: MRA 4/01, S. 116 ff.; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts vom 26. Juli 1995, in: mp 3/96, S. 140 ff.; Gut, Ertrag, S. 177 ff.). Faktisch bedeutete dies allerdings, dass der Vermieter gezwungen wurde, die gesamten Kosten der Sanierung, also nicht nur den wertvermeh­ renden, sondern auch den werterhaltenden Teil der aufgewendeten Kosten aus Mitteln vorzufinanzieren, die er zuvor nicht aus der Vermietung der Lie­ genschaft hatte erarbeiten können. Erst im Nachhinein sollte er die getätigten Investitionen unter Berücksichtigung einer Verzinsung der Vorfinanzierung im Rahmen der Ertragsberechnung geltend machen können. Die als ausseror­ dentlich betrachteten Unterhaltskosten dürfen nach höchstrichterlicher Auf­ fassung dabei zu einem Ansatz verzinst werden, welcher der Eigenkapital­ verzinsung, also dem aktuellen Referenzzinssatz, erhöht um ½%, entspricht, nachdem zuvor nach konstanter Praxis ein Zinssatz von 5% für zulässig erklärt worden war (BGE 140 III 433, in: MRA 1/15, S. 16 ff.; früheres Urteil des Bun­ desgerichts 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001, in: MRA 4/01, S. 116 ff.). Dabei ist allerdings  – entgegen der Auffassung des Bundesgerichts  – der entspre­ chend ermittelte jährliche Zusatzaufwand in vollem Umfang für jedes künf­ tige Abrechnungsjahr geschuldet, ohne dass zu prüfen ist, wie viele Jahre vor dem Beurteilungszeitpunkt die entsprechenden Aufwendungen getätigt wor­ den sind (Polivka, Nettorendite, S. 120 ff.). Das Bundesgericht hat diese an sich vertretbare Praxis, welche auch Zustim­ 29 mung in der mieterfreundlichen Literatur findet, nunmehr preisgegeben und entschieden, es sei nicht zulässig, dass der Vermieter ohne Weiteres alle nicht als wertvermehrend auf die Mietzinse überwälzbaren Kosten einer umfassenden Überholung nachträglich im Rahmen der künftigen Unterhaltsaufwendungen Beat Rohrer

717

Art. 269

mit einer bestimmten Verzinsungs- und Amortisationsquote mietzinswirksam werden lasse. Vielmehr träfe das nur für sogenannte ausserordentliche Unter­ haltsaufwendungen zu, die gegenüber dem ordentlichen Unterhalt abgegrenzt werden müssten (Urteil des Bundesgerichts 4A_530/2012 vom 17. Dezember 2012, in: MRA 1/14, S. 27 ff.; Bättig, a.a.O., S. 39 ff.; MfdP/Brutschin, N 18.6.3; vgl. ferner ausführlich N 82 ff. zu Art. 269a OR). 30

Wäre die Auffassung des Bundesgerichtes richtig, ergäbe sich als Konsequenz, dass der Vermieter die ihm grundsätzlich zustehende Rendite auf dem inves­ tierten Eigenkapital langfristig gar nicht erzielen kann. Er darf nach der kons­ tanten Praxis des Bundesgerichtes den im Rahmen umfassender Sanierungen aufzuwendenden Kostenanteil für Unterhaltsarbeiten nicht in Form von Rück­ stellungen vorfinanzieren. Hat er Sanierungen vorgenommen, so kann er den Anteil von 50–70% der Kosten auf die Mietzinse überwälzen, von den übrigen 30–50% nach Ansicht des Bundesgerichts aber nur denjenigen Anteil, der als ausserordentlicher Unterhalt qualifiziert werden kann (vgl. die Kritik zu dieser Differenzierung im Urteil des Bundesgerichts 4A_530/2012 vom 17. Dezember 2012, in: MRA 1/14, S. 27 ff.; dazu N 82 ff. zu Art. 269a OR). Wie der Vermie­ ter den ordentlichen Unterhalt, den er – nach Auffassung des Bundesgerich­ tes – zusammen mit den Investitionsvermehrungen und dem ausserordentli­ chen Unterhalt erbracht hat, über Mietzinseinnahmen finanzieren soll, bleibt ein Rätsel, abgesehen davon, dass unklar ist, wie im Rahmen der Kosten einer umfassenden Überholung ordentliche gegenüber ausserordentlichen Unter­ haltsaufwendungen abgegrenzt werden sollen (vgl. dazu N 83 zu Art. 269a OR). Richtig kann daher nur sein, dass dem Vermieter zugestanden wird, den gesam­ ten, nicht als wertvermehrend betrachteten Anteil der getätigten Investitionen nach Durchführung der Sanierung in der Folgezeit auf die Lebensdauer der sanierten Bereiche verzinst und amortisiert mietzinswirksam werden zu lassen, solange die Gerichtspraxis dem Vermieter im Rahmen der Ertragsberechnung keine Rückstellungen zugestehen will (vgl. N 31). Im Ergebnis würde sonst der Anspruch des Vermieters, auf dem investierten Eigenkapital Ertrag zu erzielen, vollkommen ausgehöhlt. Die hier kritisierte Rechtsprechung bewirkt nämlich nichts anderes, als dass dem Vermieter durch die künstliche Differenzierung zwischen ordentlichem und ausserordentlichem Unterhaltsaufwand zugemu­ tet wird, mit dem Liegenschafteneigentum zwangsläufig verbundene Kosten zu bestreiten, die nicht auf den Mietzins überwälzt werden können. Dies aber läuft dem in Art. 269 OR manifestierten Willen des Gesetzgebers, wonach auf dem investierten Eigenkapital nach Abzug aller laufenden Kosten, welche in die Mietliegenschaft investiert werden, ein Ertrag erzielt werden darf, diame­ tral zuwider (vgl. zur Problematik Siegrist, Mietzins, S. 87 f.). 718

Beat Rohrer

Art. 269

Die in einem Teil der Lehre befürwortete Praxis des Bundesgerichts, mit wel­ 31 cher es die Berücksichtigung von Rückstellungen bei der Berechnung des ange­ messenen Ertrages ablehnt, hält angesichts der dabei ins Feld geführten Argu­ mente einer näheren Prüfung nicht stand (BGE 125 III 421, E. 2; 123 III 171, E.  6d; Weber, BSK, N  11 zu Art.  269 OR; MfdP/Brutschin, N  18.6.4; zutref­ fend Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 424 und Fn. 396). Gegen das Argument, der allenfalls vor der Vornahme umfassender Überholungen aus­ ziehende Mieter profitiere nicht von den Rückstellungen, an die er beigetragen habe, lässt sich einwenden, dass der in ein neu gemietetes Objekt einziehende Mieter auch von den vom Vorgänger geleisteten Beiträgen an die Rückstel­ lungen profitiert, in den meisten Fällen gerade aufgrund der vor seinem Ein­ zug durchgeführten Überholungen im Mietobjekt. Dass der Mieter über die Verwendung gebildeter Rückstellungen keine Kontrolle ausüben kann, ist nur bedingt richtig: Im Rahmen einer Ertragsüberprüfung ist eine solche Kontrolle möglich, und zwar genau gleich, wie dies mit Bezug auf alle aus den Mietzins­ einnahmen zu bestreitenden Kosten zutrifft. Dass schliesslich bei einer Veräus­ serung die gebildeten Rückstellungen beim Verkäufer verbleiben, ist ebenfalls unzutreffend. Der Neuerwerber ist nach Art. 256 OR zur Vornahme von not­ wendigen Unterhaltsarbeiten unabhängig davon verpflichtet, ob er über Rück­ stellungen verfügt oder nicht. Folgerichtig wird sich ein bestehender Unter­ haltsbedarf beim Verkauf einer Liegenschaft auf den Verkaufspreis auswirken. Auch der Neuerwerber kann schliesslich die Kosten umfassender Überholun­ gen stets nur zu 50 bis 70% auf die Mietzinse überwälzen (Rohrer, übersetzter Ertrag, S. 43 ff.; siehe die Kritik von Hans Bättig am BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 194 f.). Dass der Vermieter Rückstellungen im hier geforderten Sinn bilden können 32 muss, hat das Bundesgericht zu Recht im Zusammenhang mit der Anwendung von Art. 14 VMWG (früher Art. 10 VMM) im Rahmen der relativen Methode anerkannt, wenn auch – inkonsequent und betriebswirtschaftlich unhaltbar – bei der Ertragsberechnung nach absoluter Methode bis heute nicht bestä­ tigt (BGE 110 II 408, ferner wörtlich: «Der Vermieter soll nicht auf die für den Unterhalt vorgenommenen Rückstellungen angewiesen bleiben, sondern zusätzlich auf höhere Mietzinse zurückgreifen können, um sich die erforder­ lichen Mittel für über laufende Reparatur- und Unterhaltsarbeiten hinausge­ hende Renovationen zu beschaffen», Urteil des Bundesgerichts vom 17. April 1989, in: mp 4/90, S. 203 ff., m.w.H. auf Raissig/Schwander, Missbräuche, S. 125 und BGE 110 II 408). Das Bundesgericht bestätigt in dieser Entscheidung, dass der Verordnungsgeber mit der erwähnten Regel von Art. 14 VMWG die Bil­

Beat Rohrer

719

Art. 269

dung von Rückstellungen für periodisch anfallende Unterhaltsarbeiten nicht nur ermöglichen will, sondern geradezu voraussetzt.

3.5.3 Betriebskosten 33

Als weiterer Aufwand zu berücksichtigen sind die mit der Mietliegenschaft verbundenen Betriebskosten, und zwar wiederum nach dem Durchschnitt einer der Mietzinsanpassung vorangehenden Zeitdauer von drei bis fünf Jah­ ren (bzw. soweit sie nach allfälliger Handänderung dem Erwerber angefallen sind, vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.273/2000 vom 21. Mai 2001, in: MRA 4/01, S. 111 ff.). Unter die Betriebskosten fallen die Kosten für Wasserversor­ gung, Abwasser- und Kehrichtentsorgung, Allgemeinstrom, Gebäude- und andere Versicherungsprämien, Hauswartung, Steuern und Gebühren aller Art, soweit sie nicht im Verwaltungsaufwand inbegriffen sind, Heiz- und Warm­ wasseraufbereitungskosten und alle damit im Zusammenhang stehenden Ver­ waltungskosten im Pauschalanteil von maximal 5% (vgl. die nicht abschlies­ sende Definition dieser Kosten in Art. 12 Abs. 1 VMWG). In der Berechnung zu berücksichtigen sind die Betriebskosten nur in dem Umfang, in welchem sie nicht ausserhalb des Nettomietzinses separat als Nebenkosten – in Form von Pauschal- oder Akontozahlungen nach Abrechnung des effektiven Auf­ wandes – jährlich vom Mieter erhoben werden. Zu den Betriebskosten gehö­ ren auch Insertionskosten für die Wiedervermietung, Prozesskosten (Gerichtsund Anwaltskosten für Streitfälle, die mit Mietverhältnissen zusammenhängen, wie etwa Ausweisungsverfahren). Die mit Bezug auf solche Positionen eine abweichende Auffassung vertretende Autorin Brutschin übersieht, dass solche Aufwendungen den Anspruch des Vermieters auf die zulässige Rendite seines Eigenkapitals nicht schmälern dürfen. Sie fallen im Rahmen der ordentlichen Bewirtschaftung der Immobilie an und sind damit ebenfalls unter den Begriff der Betriebskosten zu subsumieren (MfdP/Brutschin, N 18.6.2).

34

Zur Frage der Pauschalierung von Betriebskosten vgl. N 36 ff. zu Art. 269a OR.

3.5.4 Verwaltungskosten 35

Der Vermieter ist berechtigt, einen Betrag im Umfang von maximal 5% der aktuellen Mietzinseinnahmen als Verwaltungskosten in Anschlag zu brin­ gen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Vermieter die Liegenschaft selber ver­ waltet oder durch einen externen Bewirtschafter oder eine Verwaltungsfirma betreuen lässt. Der erwähnte Ansatz von 5% ist auch dann berechtigt, wenn die Kosten der effektiv eingesetzten Fremdverwaltung nach anderen Kriterien oder zu einem niedrigeren Ansatz berechnet werden, weil der Vermieter immer 720

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Art. 269

auch eigenen Aufwand zu erbringen hat (Beurteilung allfälliger Unterhaltsauf­ wendungen, Abnahme der jährlichen Abrechnung und Erstellung eines Bud­ gets, Erteilen von Weisungen aller Art usw.; vgl. Mitteilungen 19/1). Der von vereinzelten Gerichtsurteilen als zulässig erachtete pauschale Ansatz für die Erstellung der Nebenkostenabrechnung ist für die Bestimmung der im Rah­ men der Nettorenditeberechnung zulässigen Verwaltungskosten nicht mass­ gebend. Die Verwaltungskosten sind stets von den aktuellen bzw. den Sollmietzinsein­ 36 nahmen zu berechnen, im Unterschied zu den Unterhalts- und Betriebskos­ ten also nicht nach dem Durchschnitt einer vorangehenden Periode von min­ destens drei bis fünf Jahren. Im Gegensatz zu den erwähnten Aufwendungen unterliegen die Verwaltungskosten nämlich keinen jährlichen Schwankungen oder anderen Zufälligkeiten; der Verwaltungsaufwand entwickelt sich länger­ fristig immer proportional zu den Mietzinseinnahmen (Rohrer, übersetzter Ertrag, S. 43 ff.).

3.5.5

Risikoprämie für Mietzinsausfälle usw.

Das Bundesgericht lehnt es in konstanter Praxis ab, dem Vermieter zu erlauben, 37 in der Berechnung des angemessenen Ertrages eine Pauschale (z.B. in der stan­ dardisierten Grössenordnung von 0,1% der Anlagekosten pro Jahr) als Risikoprämie für Mietzinsausfälle einzukalkulieren. Dies, obwohl der Vermieter gesetzlich verpflichtet ist, einen zahlungsunfähigen oder -unwilligen Mieter in Anwendung von Art. 257d OR faktisch mindestens drei Monate im Mietobjekt zu dulden. Es erscheint fraglich, ob es angesichts dieser gesetzlich verankerten Schonung des mit Bezug auf seine Zahlungsverpflichtungen vertragsbrüchigen Mieters richtig ist, den damit verbundenen Mietzinsausfall als einseitig vom Vermieter zu tragendes Unternehmerrisiko zu behandeln (Higi, ZK, N 136 ff. zu Art. 269 OR; BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 187 ff.; BGE 123 III 171, in: MRA 3/97, S. 95 ff.).

3.5.6

Unterhalts-, Betriebs- und Verwaltungskosten nach standardisiertem Ansatz?

Die gesetzlichen Regeln über die Missbräuchlichkeit des Mietzinses sind 38 stark geprägt von standardisierten Werten, die in der Praxis im Interesse der Rechtssicherheit, der einheitlichen Rechtsanwendung und der Praktikabili­ tät angewendet werden (vgl. Hans Bättig in einem Kommentar zu einem Ent­ scheid des Gerichtspräsidenten IV von Bern vom 16. Februar 1995, in: MRA 3/95, S. 118 ff.; N 24 ff., Vorbem. zu Art. 269–270e OR). Im Rahmen der den Beat Rohrer

721

Art. 269

Missbrauchsbestimmungen zugrunde gelegten Standardwerte wird davon aus­ gegangen, der Vermieter habe aus den Mietzinseinnahmen rund 70% für die Finanzierung (davon 60% für Fremdfinanzierung und 40% für Eigenfinan­ zierung) aufzuwenden (vgl. N  24  ff. Vorbem. zu Art.  269–270e OR). Es ver­ bleiben 30% für Unterhalts-, Betriebs- und Verwaltungsaufwendungen: Aus der gesetzlichen Fiktion ist zu folgern, dass Unterhalts-, Betriebs- und Ver­ waltungsaufwendungen (inkl. Rückstellungen und Risikoprämie) im Rahmen einer Ertragsberechnung dann in ihrem Gesamtbetrag des jährlich anfallen­ den Aufwandes nicht missbräuchlich sind, wenn sie nicht mehr als 30% der als zulässig einzustufenden Mietzinseinnahmen ausmachen (vgl. hierzu Bättig Hans, in: MRA 3/95, S. 122 ff.; Rohrer, übersetzter Ertrag, S. 43 ff.). Das Bundesgericht lehnt allerdings grundsätzlich die Berücksichtigung einer Stan­ dardisierung im Zusammenhang mit den Unterhalts-, Betriebs- und Ver­ waltungsaufwendungen ab, was angesichts des nunmehr in der Verordnung (Art.  12a VMWG) geregelten Grundsatzes, wonach die Veränderungen der Fremdfinanzierungskosten unabhängig der individuellen Situation des Ver­ mieters nach Massgabe eines vierteljährlich publizierten Referenzzinssat­ zes zu erfolgen habe, mindestens inkonsequent ist (BGE 122 III 257, MRA 5/96, S. 187 ff.; vgl. aber Urteil des Bundesgerichts 4C.157/2001 vom 1. Okto­ ber 2001, in: MRA 2/2002, S. 45 ff., in dem das Bundesgericht ausnahmsweise die Berücksichtigung einer Pauschalierung zuliess, sofern gewährleistet war, dass diese nicht zu einer überhöhten Kostensteigerung führte und sofern keine andere Methode ein genaueres Ergebnis erwarten liess; ferner Maag, Unter­ haltskostenpauschale, S.  149  ff.; zum Ganzen N.  24  ff. Vorbem. zu Art.  269– 270e OR; MfdP/Brutschin, N 15.4.2).

3.6 39

Individuelle Ertragsberechnung

Im Entscheid 116 II 184, E. 3a (bestätigt in BGE 125 III 421, in: MRA 5/99, S.  182  ff.; 123 III 171; BGE 120 II 100, E.  6c und im Urteil vom 6.  Dezem­ ber 1994, in: MRA 2/95, S.  75  ff.) hielt das Bundesgericht fest, im Rahmen der Ertragsberechnung sei nur derjenige Ertrag massgebend, der aus dem einzelnen Mietobjekt, also der betreffenden Wohnung oder dem betreffenden Geschäftsraum, erzielt werde. Der Vermieter habe diesen Ertrag nachzuweisen und dabei das einzelne Mietobjekt ähnlich einer Stockwerkeigentumsbegrün­ dung in seinem Verhältnis zum Wert der ganzen Mietliegenschaft zu bewer­ ten. Gemäss BGE 120 II 100 wird eine Individualisierung nach Massgabe des Kubikmeterinhalts eines Mietobjektes im Verhältnis zum Kubikmeterinhalt des ganzen Gebäudes für richtig erachtet (vgl. die sachlich begründete Kri­

722

Beat Rohrer

Art. 269

tik dazu bei Higi/Gut, Mietwohnung, S. 41 ff.: Die erwähnten Autoren bemän­ geln zu Recht die unverhältnismässige Gewichtung der Nebenräume, welche mit dieser Berechnungsmethode verbunden ist). In einem späteren Entscheid brachte das Bundesgericht zum Ausdruck, dass die individuelle Ertragsberech­ nung auch auf der Basis der Wohnfläche vorgenommen werden könne (Urteil vom 17. Februar 1997, in: MRA 1/98, S. 1 ff.; vgl. auch Weber, BSK, N 12 zu Art. 269 OR; MfdP/Brutschin, N 18.9). Das Bundesgericht überlässt nach sei­ ner neuesten Praxis die Wahl des sachgerechten Verteilschlüssels dem Vermie­ ter und greift nur ein, wenn dieser sich als offensichtlich unhaltbar erweist (BGE 141 III 245, E.  5.2; BGE 139 III 209, E. 2; Urteil des Bundesgerichts 4A_727/2012 vom 21. Mai 2013). Dem Erfordernis der individualisierten Ertragsberechnung ist dem Grundsatz 40 nach zuzustimmen. Indessen dürfen an die konkreten Berechnungen keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden. Zunächst kann auf eine indi­ viduelle Ertragsberechnung dort gänzlich verzichtet werden, wo die Mietzins­ unterschiede für gleichartige Wohnungen an sich gering sind und den Bereich von 5–10% nicht übersteigen. Sodann muss es – entgegen einer nicht differen­ zierenden Erwägung des Bundesgerichts im Urteil vom 6. Dezember 1994, in: mp 2/95, S. 75 ff. – zulässig sein, die Berechnung auch über einen ganzen Lie­ genschaftenkomplex mit mehreren Gebäuden zu ermitteln: Nicht selten wer­ den ganze Liegenschaftenkomplexe mit mehreren Gebäuden in einem Kauf­ vertrag veräussert, ohne dass der Kaufpreis auf die einzelnen Gebäude oder Parzellen aufgeteilt wird. Oder es wird auf der Basis eines pauschal vereinbar­ ten Generalunternehmervertrages ein Liegenschaftenkomplex mit mehreren Gebäuden erstellt, ohne dass die Anlagekosten nach Massgabe der Unterneh­ merleistungen auf einzelne Gebäude, geschweige denn Wohnungen, aufgeteilt werden können. Auch die Fremdfinanzierung bezieht sich in der Regel in sol­ chen Fällen in der Form eines Gesamtpfandes (Art.  798 ZGB) auf mehrere Gebäude oder Parzellen. Die Kosten der Fremdfinanzierung sind somit nach einem rechnerisch ermittelten Wert auf die einzelnen Mietobjekte zu verlegen (Gut, Ertrag, S. 197 f.). Oft besteht auch eine Unterniveaugarage für mehrere Gebäude, was dazu zwingt, deren Anlagekosten und Mietzinseinnahmen ver­ hältnismässig auf die einzelnen Gebäude aufzuteilen. Mit Bezug auf die Unter­ halts-, Betriebs- und Verwaltungskosten gilt Ähnliches: Gewisse Unterhalts­ arbeiten fallen für mehrere Gebäude oder aber für allgemeine Bereiche eines einzelnen Gebäudes an, zum Beispiel Fassadenunterhalt, Treppenhaus-, Kellerund Dachsanierungen, Heizungsunterhalt usw. Ebenso lassen sich verschie­ dene Betriebskosten, wie Kosten für die Hauswartung, Gartenunterhalt und Versicherungsprämien, nicht auf einzelne Wohnungen aufschlüsseln. Beat Rohrer

723

Art. 269 41

Richtig kann bei dieser Sachlage nur sein, dass die Kostenberechnung zunächst für den gesamten Liegenschaftenkomplex oder mindestens für ein Gebäude vorgenommen wird. Danach ist sie grundsätzlich nach Massgabe von Schätzungen durch Gutachter oder anhand der Schätzungen der Gebäudeversicherung auf die einzelnen Gebäude aufzuteilen, weil diese Schätzwerte nach einheitlichen Kriterien ermittelt werden. Innerhalb der einzelnen Gebäude ist eine Bewertung der Wohnungen vorzunehmen, wobei Grösse (Zimmerzahl und Quadratmeter), Lage (Stockwerk, strassenseitig oder hofseitig) und allen­ falls besondere Ausstattung (Art und Anzahl der Nasszellen, Cheminée, Bal­ kon usw.) angemessen zu berücksichtigen sind (MfdP/Brutschin, N 18.9.1; Gut, Ertrag, S. 198 f.).

42

Abzulehnen ist die These, Unterhalts- und Betriebskosten seien in der Weise auf einzelne Mietobjekte aufzuschlüsseln, dass nur berücksichtigt werden dürfe, was für das konkret zu beurteilende Mietobjekt tatsächlich aufgewendet wor­ den sei. Zunächst gibt es Unterhalts- und Betriebskosten, die gar nicht pro Miet­ einheit anfallen, wie Unterhalt an allgemeinen Gebäudeteilen, Hauswartkosten, gewisse Betriebskosten, die nicht separat ausgeschieden werden, öffentliche Abgaben, Versicherungsprämien usw. Sodann würde es unverhältnismässigen administrativen Aufwand verursachen, solche Kosten auf der Anzahl der Miet­ objekte entsprechende Kostenstellen aufzuteilen. Da im Übrigen alle Mietob­ jekte vom Vermieter zwingend in gleicher Weise unterhalten werden müssen – und entsprechender Unterhaltsbedarf vom Mieter auch durchgesetzt werden kann (Art. 259a OR) –, rechtfertigt sich eine weitergehende, praktisch nicht zu bewältigende Individualisierung der Aufwendungen nicht. Schliesslich ist da­rauf hinzuweisen, dass die Vornahme von Unterhaltsarbeiten eine Mietzins­ erhöhung gerade nicht rechtfertigt. Folgerichtig sind gleich grosse Wohnungen ungeachtet ihres konkreten Unterhaltszustandes gleich zu bewerten. Die hier vertretene Auffassung, wonach bezüglich laufender Unterhaltsaufwendungen keine Individualisierung pro Mieteinheit vorzunehmen ist, steht im Einklang mit den in anderen Bereichen geforderten Vereinfachungen und Standardisie­ rungen (z.B. Leitzinssatz für Hypothekarzinsaufwand, Berücksichtigung von Teuerung auf Eigenkapital maximal bis zum Anteil von 40% der Anlagekosten, vgl. N 24 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR; gl.M. Gut, Ertrag, S. 197 f.).

43

Die Rechtsprechung darf bei der Konkretisierung der Anforderungen an die individuelle Ertragsberechnung nicht in kleinlichen Formalismus verfallen, der letztlich jede konkrete Ertragsberechnung verunmöglicht. Die Individua­ lisierung soll lediglich verhindern, dass einzelne Mieter mit einem individuell betrachtet missbräuchlichen Mietzins andere Mieter subventionieren. Bei der

724

Beat Rohrer

Art. 269

Ermittlung der individualisierten Ertragsberechnung sind die konkreten tech­ nischen und kaufmännischen Gegebenheiten im Einzelfall zu würdigen, und es sind abstrakte, rechnerisch ermittelte Bewertungen über ganze Gebäude­ komplexe im Sinne der vorstehenden Überlegungen und Kriterien zuzulassen.

4. Beispiele Nachfolgend wird zunächst das Beispiel einer Ertragsberechnung wiederge­ 44 geben, wie es in der Vorauflage für den Stichtag 1. April 2007 enthalten war. Danach wird für die gleiche Liegenschaft – ausgehend von den gleichen Para­ metern – die Renditeberechnung für den Stichtag 1. April 2017 dargestellt und kommentiert. Annahmen (Stichtag 1. April 2007): –– Kauf am 1. Februar 1996 zum Preis von 3 100 000 CHF –– umfassende Überholungen für 1 297 757 CHF (Schlussabrechnung vom 30. Juni 1998) –– Finanzierung von Anfang an unverändert: 1 000 000 CHF (1. Hypothek) zurzeit 2,5% (Festhypothek) –– Leitsatz Kantonalbank für Ersthypotheken: 3% (ab 1.  Januar 2008: Refe­ renzzinssatz) –– Unterhalts-/Betriebskosten: Durchschnitt von 5 Jahren –– Verwaltungskosten: ca. 5% Mietzinseinnahmen –– Investition 30. Juni 1998 zu 50% «wertvermehrend», 50% amortisiert auf 25 Jahre und verzinst zu 5% –– Individuelle Ertragsberechnung: Mietzinseinnahmen Parkplätze und Bas­ telräume: effektiv gemäss Verträgen –– Mietzins berechnet per Stichtag 1. April 2007

Beat Rohrer

725

Art. 269 45

Berechnungsdetails 1. Teuerung Datum

Investition

1.2.1996

Kauf

Betrag in CHF

alter Index

neuer Index

Teuerung in CHF

3 100 000.00

102.8

112.3

1.2.1996

286 478.60

Handänderung

33 250.00

102.8

112.3

30.6.1998

3 072.71

Investition 50%

648 878.50

103.8

112.3

53 135.52

Total

3 782 128.50

Anteil FK

1 000 000.00

Anteil EK

2 782 128.50

Teuerung EK

342 686.84 252 079.96

252 079.96

Teuerung 40%

137 074.75

Anlagekosten

3 919 203.25

2. Verzinsung und Amortisation von Investitionen Datum

Investition

30.6.1998

Investition 50%

Anteil zu amortisie­ ren in CHF

Amortisation in CHF

648 878.50

25 955.15

Verzinsung Aufwand p.a. in CHF 16 222.00

42 177.15 0.00 0.00 0.00 0.00

Total

25 955.15

16 222.00

42 177.15

3. Unterhalts-/Betriebskosten Jahr

Unterhalt in CHF

Betrieb in CHF

Total in CHF

2002

28 567.40

32 777.50

61 344.90

2003

34 976.20

35 778.00

70 754.20

2004

60 009.70

36 566.10

96 575.80

2005

27 898.05

40 009.80

67 907.85

2006

43 944.45

38 776.30

82 720.75

Total

195 395.80

183 907.70

379 303.50

39 079.16

36 781.54

75 860.70

Durchschnitt

726

Beat Rohrer

Art. 269

Berechnung Nettorendite Kaufpreis in CHF Handänderungskosten in CHF

46 3 100 000.00 33 250.00

Investitionen 50% in CHF

648 878.50

Teuerung EK in CHF

137 074.75

Total Anlagekosten in CHF Kapitalkosten: 1. Hypothek

3 919 203.25 Betrag

Zinssatz %

1 000 000.00

2.50

% 25 000.00

25.52

1. Hypothek

0.00

0.00

2. Hypothek

0.00

0.00

2. Hypothek Eigenkapital

0.00 2 919 203.25

Total Kapitalkosten Total Anlagewert

0.00 74.48

25 000.00

9.73

3 919 203.25

Unterhalt/Betrieb/Verwaltung usw. Unterhaltskosten

39 079.00

15.21

Betriebskosten

36 782.00

14.32

Amortisation Investitionen (4%)

25 955.00

10.10

Verzinsung Investitionen (2.5%)

16 222.00

6.31

Verwaltungskosten

11 728.00

4.56

Rückstellungen/Amortisation

0.00

Risikoprämie

0.00

Total Aufwendungen

154 766.00

Mietzinseinnahmen

234 560.00

. /. Hyp’zins, Unterhalt/Betrieb usw.

154 766.00 79 794.00

Ertrag Nettorendite

102 172.11

Differenz zu eff. Ertrag Sollmietzins

Beat Rohrer

31.06

2.733417072

Zulässiger Ertrag

Mietzinsreserve

60.23 50.50

davon Unterhalt/Betrieb usw.

22 378.11

8.71

256 938.11

100.00

9.540464593

727

728

2

3

1

1

1

1

1

1

F

G

H

I

J

K

90.00

62.00

90.00

62.00

90.00

62.00

90.00

62.00

90.00

62.00

Fläche

0.00

V

100.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

256 938.00

0.00

945.00

0.00

T

U

0.00

0.00

0.00

Total

0.00

S

0.00

0.00

31 200.00

0.00

R

0.00

Total Nebenräume

0.00

Q

0.00

0.00

0.00

9 600.00

0.00

P

0.00

0.00

21 600.00

0.00

0.00

0.00

34 637.05

23 409.87

16 721.33

22 932.11

16 243.58

22 454.36

15 765.83

21 976.61

15 288.08

21 498.86

14 810.32

PP (12)

0.00

N

O

0.00

0.00

15.34

10.37

7.41

10.16

7.20

9.95

6.98

9.74

6.77

9.52

6.56

KE/100 MZ p.a. in CHF

Bastelräume (4)

0.00

145.00

98.00

70.00

96.00

68.00

94.00

66.00

92.00

64.00

M

10

8

8

6

6

4

4

2

2

90.00

62.00

Stw. Kleinwg. Total %

0.00

7 135.00

4

2.5

4

2.5

4

2.5

4

2.5

4

2.5

Zimmer

L

5

4

4

3

2

1

1

1

1

C

EG

1

1

B

EG

Stockwerk

E

1

D

Anzahl

A

21 411.50

2 600.00

0.00

800.00

1 800.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

2 886.42

1 950.82

1 393.44

1 911.01

1 353.63

1 871.20

1 313.82

1 831.38

1 274.01

1 791.57

1 234.19

MZ/Monat in CHF

19 546.70

0.00

800.00

1 800.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

2 691.70

1 835.00

1 305.00

1 610.00

1 140.00

1 700.00

1 110.00

1 680.00

1 200.00

1 620.00

1 055.00

MZ aktuell netto in CHF

47

Wohnung

Art. 269

Individuelle Ertragsberechnung

Beat Rohrer

Art. 269

Annahmen (Stichtag 1. April 2017):

48

–– Kauf am 1. Februar 1996 zum Preis von 3 100 000 CHF –– umfassende Überholungen für CHF 1 297 757.– (Schlussabrechnung vom 30. Juni 1998) –– Finanzierung von Anfang an unverändert: CHF 1 000 000.– (1. Hypothek) zurzeit 1,35% (Festhypothek) –– Referenzzinssatz: 1,75% –– Unterhalts-/Betriebskosten = Durchschnitt von 5 Jahren, aus didaktischen Gründen gleiche Beträge wie in der Berechnung per 1. April 2007 –– Verwaltungskosten = ca. 5% Mietzinseinnahmen –– Investition 30. Juni 1998 zu 50% «wertvermehrend», 50% amortisiert auf 25 Jahre und verzinst zu 2,25% (BGE 140 III 433, in: MRA 1/15, S. 16 ff.) –– Individuelle Ertragsberechnung: Mietzinseinnahmen Parkplätze und Bas­ telräume: effektiv gemäss Verträgen –– Mietzins berechnet per Stichtag 1. April 2017

Beat Rohrer

729

Art. 269 49

Berechnungsdetails 1. Teuerung Datum

Investition

01.02.1996

Kauf

01.02.1996 30.06.1998

Betrag

alter Index

neuer Index

Teuerung

Fr. 3 100 000.00

102.8

113.2

Handänderung

Fr. 33 250.00

102.8

113.2

Fr. 3 363.81

Investition 50%

Fr. 648 878.50

103.8

113.2

Fr. 58 761.64

Total

Fr. 3 782 128.50

Anteil FK

Fr. 1 000 000.00

Anteil EK

Fr. 2 782 128.50

Teuerung EK

Fr. 313 618.68

Fr. 375 744.13 Fr. 276 396.86

Fr. 276 396.86

Teuerung 40%

Fr. 150 297.65

Anlagekosten

Fr. 3 932 426.15

2. Verzinsung und Amortisation von Investitionen Datum 30.06.1998

Investition Investition 50%

Anteil zu amortisieren Fr. 648 878.50

Amortisation Fr. 25 955.15

Verzinsung Fr. 7 300.00

Aufwand p.a. Fr. 33 255.15 Fr. 0.00 Fr. 0.00 Fr. 0.00 Fr. 0.00

Total

Fr. 25 955.15

Fr. 7 300.00

Fr. 32 255.15

3. Unterhalts-/Betriebskosten Jahr

Unterhalt

Betrieb

Total

2012

Fr. 28 567.40

Fr. 32 777.50

Fr. 61 344.90

2013

Fr. 34 976.20

Fr. 35 778.00

Fr. 70 754.20

2014

Fr. 60 009.70

Fr. 36 566.10

Fr. 96 575.80

2015

Fr. 27 898.05

Fr. 40 009.80

Fr. 67 907.85

2016

Fr. 43 944.45

Fr. 38 776.30

Fr. 82 720.75

Total

Fr. 195 395.80

Fr. 183 907.70

Fr. 379 303.50

Fr. 39 079.16

Fr. 36 781.54

Fr. 75 860.70

Durchschnitt

730

Beat Rohrer

Art. 269

Berechnung Nettorendite

50

Referenzzinssatz 1.75% Kaufpreis Handänderungskosten

Fr. 3 100 000.00 Fr. 33 250.00

Investitionen 50%

Fr. 648 878.50

Teuerung EK

Fr. 150 297.65

Total Anlagekosten

Kapitalkosten: 1. Hypothek

Fr. 3 932 426.15

Betrag

Zinssatz %

Fr. 1 000 000.00

1.35

% Fr. 13 500.00

25.43

1. Hypothek

Fr. 0.00

0.00

2. Hypothek

Fr. 0.00

0.00

2. Hypothek Eigenkapital

Fr. 0.00 Fr. 2 932 426.15

Total Kapitalkosten Total Anlagewert

0.00 74.57

Fr. 13 500.00

6.74

Fr. 3 932 426.15

Unterhalt/Betrieb/Verwaltung etc. Unterhaltskosten

Fr. 39 079.00

19.51

Betriebskosten

Fr. 36 782.00

18.36

Amortisation Investitionen (4%)

Fr. 25 955.00

12.96

Verzinsung Investitionen (2.5%)

Fr. 7 300.00

3.64

Verwaltungskosten

Fr. 11 728.00

5.85

Rückstellungen/Amortisation

0.00

Risikoprämie

0.00

Total Aufwendungen

Fr. 134 344.00

Mietzinseinnahmen

Fr. 234 560.00

. /. Hyp’zins, Unterhalt/Betrieb etc.

Fr. 134 344.00

Ertrag

Fr. 100 216.00

Nettorendite Zulässiger Ertrag

67.06 60.32

davon Unterhalt/Betrieb etc.

50.03

3.417511469 Fr. 65 979.59

Differenz zu eff. Ertrag

Fr. –34 236.41

–17.09

Soll-Mietzins

Fr. 200 323.59

100.00

Mietzinsreserve

Beat Rohrer

731

732 7

135.00

90.00 10

8

8 145.00

98.00

70.00

96.00

31 200.00 200 324.00

Total

0.00

Total Nebenräume 100.00

0.00 0.00

9 600.00

945.00

0.00 0.00

Bastelräume (4)

0.00

0.00 0.00

21 600.00

0.00

V

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

25 950.24

17 538.79

12 527.70

17 180.85

12 169.77

16 822.92

11 811.83

16 464.98

11 453.90

16 107.05

11 095.97

MZ p.a. Fr.

PP (12)

0.00 0.00

U

S

T

0.00 0.00

R

0.00 0.00

P

Q

0.00

0.00

0.00

15.34

10.37

7.41

10.16

7.20

0.00

5

4

62.00

6

68.00

9.95

0.00

K

4

2.5

90.00

6

94.00

6.98

0.00

1

J

4

4

62.00

4

66.00

6.77 9.74

0.00

1

I

3

2.5

90.00

4

92.00

64.00

N

1

H

3

4

62.00

2

2

9.52

6.56

KE/100

O

1

G

2

2.5

90.00

62.00

90.00

62.00

Stw. Kleinwg Total %

0.00

1

F

2

4

2.5

90.00

62.00

Fläche

M

1

E

1

1

4

2.5

Zimmer

0.00

1

D

EG

EG

Stockwerk

L

1

1

C

1

B

Anzahl

1

Wohnung

16 693.67

2 600.00

0.00

800.00

1 800.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

2 162.52

1 461.57

1 043.98

1 431.74

1 014.15

1 401.91

984.32

1 372.08

954.49

1 342.25

924.66

MZ/Monat Fr.

19 546.70

0.00

800.00

1 800.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

0.00

2 691.70

1 835.00

1 305.00

1 610.00

1 140.00

1 700.00

1 110.00

1 680.00

1 200.00

1 620.00

1 055.00

MZ aktuell netto Fr.

51

A

Art. 269

Individuelle Ertragsberechnung

Beat Rohrer

Art. 269

Der Vergleich der beiden Berechnungen für die Stichtage 1. April 2007 und 52 1. April 2017 zeigt auf, dass der maximal zulässige Mietzins für die ganze Lie­ genschaft sich um rund 56 614 CHF reduziert hat (200 324 CHF am 1. April 2017 gegenüber 256 938 CHF zehn Jahre zuvor). Dies entspricht einer Reduk­ tion um rund 22%. Die Differenz ist dabei grösser, als sie es wäre, wenn der Vermieter die Senkungen des Referenzzinssatzes entsprechend Art. 13 VMWG vollumfänglich, also ohne Verrechnung mit Kostensteigerungen oder dem Teu­ erungsausgleich auf dem risikotragenden Kapital, weitergegeben hätte (der ent­ sprechende Reduktionsanspruch hätte 13,04% betragen, vgl. N 3 zu Art. 269a OR). Hätte der Vermieter also am 1. April 2007 gerade die Mietzinse erhältlich gemacht, die ihm nach der tabellarischen Darstellung gemäss N 44–46 maxi­ mal zustanden, so hätte er selbst bei grosszügiger Weitergabe aller durch Ver­ änderungen des Referenzzinssatzes berechenbaren Senkungen der Mietzinse gleichwohl zehn Jahre später einen übersetzten Ertrag erzielt. Grund dafür ist die geringere Fremdkapitalverzinsung und die Praxisänderung des Bundesge­ richtes bezüglich der Überwälzung des in umfassenden Überholungen enthal­ tenen ordentlichen Unterhaltsanteils gemäss dem Entscheid BGE 140 III 433, in: MRA 1/15, S. 16 ff. (vgl. N 27 ff. und die frühere Praxis des Bundesgerichts gemäss Urteil 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001, in: MRA 4/01, S. 116 ff.). Die Gegenüberstellung der Berechnungen für die Stichtage 1. April 2007 und 53 1. April 2017 zeigt in aller Deutlichkeit die Problematik auf, die dadurch ent­ steht, dass nach dem Verständnis des Bundesgerichtes Marktveränderungen ohne Einfluss auf die nach Art. 269 OR zu beurteilende Missbräuchlich­ keit eines Mietzinses bleiben. Selbst in der Annahme, dass der Eigentümer der Liegenschaft, für welche vorstehend beispielhaft die Renditeberechnun­ gen erstellt worden sind, alle Senkungen des Referenzzinssatzes in Form von Mietzinsreduktionen weitergegeben hätte und dass er überdies bei Mieter­ wechseln die veränderten Marktverhältnisse völlig ausgeblendet und kon­ sequent die gleichen Mietzinse verlangt hätte, wie sie der Vormieter zu ent­ richten hatte, wäre ihm Mietzinsmissbrauch vorzuwerfen. Diese Erkenntnis dokumentiert eindrücklich das zentrale Problem, welches das Bundesge­ richt mit seiner Praxis zur Ermittlung des angemessenen Ertrages herauf­ beschworen hat: Weil Vermieter in der Lebenswirklichkeit Mietzinse bei Neuvermietungen konsequent und ausschliesslich nach den Marktverhält­ nissen festlegen, öffnet sich eine gewaltige Schere zu den Mietzinsen, welche das Bundesgericht mit seiner Praxis und dem zu Unrecht angenommenen Vorrang der Kostenmiete als zulässig erachtet. Bis heute hat jedenfalls die vom Bundesgericht als selbst ernannte Preisüberwachungsin­stanz angewen­ dete Praxis die damit offenbar generell verfolgte mietzinsdämpfende Wir­ Beat Rohrer

733

Art. 269

kung nicht einmal ansatzweise zu erzeugen vermocht (vgl. zu diesem Rol­ lenverständnis des Bundesgerichts BGE 142 III 442, in: MRA 3/16, S. 128 ff., E. 3.1.4).

734

Beat Rohrer

Art. 269a II. Ausnahmen Mietzinse sind in der Regel nicht missbräuchlich, wenn sie insbesondere: a. im Rahmen der orts- oder quartierüblichen Mietzinse liegen; b. durch Kostensteigerungen oder Mehrleistungen des Vermieters begründet sind; c. bei neueren Bauten im Rahmen der kostendeckenden Bruttorendite liegen; d. lediglich dem Ausgleich einer Mietzinsverbilligung dienen, die zuvor durch Umlagerung marktüblicher Finanzierungskosten gewährt wurde, und in einem dem Mieter im voraus bekanntgegebenen Zahlungsplan festgelegt sind; e. lediglich die Teuerung auf dem risikotragenden Kapital ausgleichen; f. das Ausmass nicht überschreiten, das Vermieter- und Mieterverbände oder Organisationen, die ähnliche Interessen wahrnehmen, in ihren Rahmenverträgen empfehlen. II. Exceptions Ne sont en règle générale pas abusifs les loyers qui, notamment: a. se situent dans les limites des loyers usuels dans la localité ou dans le quartier; b. sont justifiés par des hausses de coûts ou par des prestations supplémentaires du bail­ leur; c. se situent, lorsqu’il s’agit de constructions récentes, dans les limites du rendement brut permettant de couvrir les frais; d. ne servent qu’à compenser une réduction du loyer accordée antérieurement grâce au report partiel des frais usuels de financement et sont fixés dans un plan de paiement connu du locataire à l’avance; e. ne compensent que le renchérissement pour le capital exposé aux risques; f. n’excèdent pas les limites recommandées dans les contrats-cadres conclus entre les associations de bailleurs et de locataires ou les organisations qui défendent des inté­ rêts semblables.

II. Eccezioni Di regola non sono abusive segnatamente le pigioni che: a. sono nei limiti di quelle in uso nella località o nel quartiere; b. sono giustificate dal rincaro dei costi o da prestazioni suppletive del locatore;

Beat Rohrer

735

Beat Rohrer Art. 269a c. ove trattasi di costruzioni recenti, sono nei limiti del reddito lordo compensante i costi; d. servono esclusivamente a compensare una riduzione della pigione accordata prece­ dentemente nell’ambito di una ridistribuzione dei costi usuali di finanziamento e sono fissate in un piano di pagamento previamente comunicato al conduttore; e. garantiscono unicamente il potere d’acquisto del capitale sopportante i rischi; f. non eccedono i canoni raccomandati nei contratti-quadro di locazione di associa­ zioni di locatori e inquilini o di organizzazioni che tutelano analoghi interessi.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

737

2. Orts- oder quartierüblicher Mietzins .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Bedeutung der Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Voraussetzungen Orts- und Quartierüblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Vergleichskriterien .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Nachweis Orts- oder Quartierüblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.5 Verhältnis Orts- oder Quartierüblichkeit und angemessener Ertrag . . . . . . . . . . . . . . .  2.6 Besonderheiten bei Geschäftsräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

737 737 740 742 747 755 755

3. Kostensteigerungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Referenzzinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.3 Reine Kostenmiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

755 755 758 763

4. 4.1 4.2

Mehrleistungen Vermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Begriffe «Mehrleistungen» und «umfassende Überholungen» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Überwälzung umfassender Überholungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

764 764 771

5. Kostendeckende Bruttorendite bei neueren Bauten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.2 Neuere Bauten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.3 Massgebende Berechnungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.4 Zulässige Bruttorendite .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

785 785 785 789 791

6.

Ausgleich von Mietzinsverbilligungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

792

7.

Teuerungsausgleich auf risikotragendem Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

794

8. Rahmenmietverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

795

9.

797

736

Geltendmachung verschiedener Mietzinsanpassungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

Beat Rohrer

Art. 269a

1. Vorbemerkungen Art. 269a OR enthält gemäss dem Randtitel gegenüber dem als «Regel» bezeich­ 1 neten Art. 269 OR einen mit dem Randtitel «Ausnahmen» bezeichneten Kata­ log von Kriterien, nach denen ein Mietzins in der Regel nicht als missbräuchlich zu betrachten ist. Art. 269a OR entspricht im Wesentlichen dem vor dem 1.  Juli 1990 geltenden Art.  15 BMM. Dabei finden sich die Präzisierungen gemäss Art. 15 Buchst. a und c BMM nicht mehr im Gesetzestext, sondern in Art. 11 und 15 VMWG. Gegenüber dem vor dem 1. Juli 1990 geltenden BMM neu eingeführt wurde 2 Art. 269a Buchst. d OR. Nach dieser Bestimmung gelten Mietzinsanpassungen zum Ausgleich von Mietzinsverbilligungen als nicht missbräuchlich, wenn sie dem Mieter im Voraus anhand eines Zahlungsplans bekannt gegeben worden sind. Diese neue Bestimmung soll die vermehrte Anwendung neuer Finanzie­ rungsmodelle ermöglichen, beispielsweise auf der Basis sogenannter Zinsstu­ fenhypotheken (Botsch. 1985, S. 1481, vgl. N 103 ff.). Art. 269a OR ist zwingender Natur.

2.

Orts- oder quartierüblicher Mietzins

2.1

Bedeutung der Bestimmung

3

Die Bestimmung, wonach orts- oder quartierübliche Mietzinse nicht miss­ 4 bräuchlich sind, ist als grundlegendes Bekenntnis des Gesetzgebers zum Prinzip der Marktmiete zu verstehen. Beizufügen ist dabei allerdings, dass der orts- oder quartierübliche Mietzins begrifflich dem Marktmietzins nicht gleichgesetzt werden kann: Die Orts- oder Quartierüblichkeit stellt ab auf Mietzinse, die für vergleichbare Objekte im Beurteilungszeitpunkt tatsächlich bezahlt werden. Irrelevant ist dabei grundsätzlich, wann entsprechende Miet­ verträge abgeschlossen worden sind. Demgegenüber wäre unter dem Begriff des marktüblichen Mietzinses derjenige Mietzins zu verstehen, der bei einer Neu­ vermietung auf dem freien Markt mit hoher Wahrscheinlichkeit erzielt werden könnte (Higi, ZK, N 420 f. zu Art. 269 OR; Weber, BSK, N 1a zu Art. 269a OR; MfdP/Brutschin, N 19.2.1). Das Bundesgericht geht allerdings davon aus, dass der Vermieter, der eine Mietzinsanpassung unter Hinweis auf die Marktver­ hältnisse geltend macht, sich auf die Orts- oder Quartierüblichkeit beruft, weil der Mieter die entsprechende Begründung in guten Treuen nicht anders ver­ stehen kann (Urteil 4C.330/2002 vom 31. Januar 2003, in: MRA 2/03, S. 39 ff.).

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737

Art. 269a

In zahlreichen Mietverträgen betreffend Geschäftsräume vereinbaren die Par­ teien indessen bewusst – und als Gegensatz zu den orts- oder quartierüblichen Mietzinsen  – z.B. im Zusammenhang mit sogenannt unechten Optionsrech­ ten eine Anpassung des Mietzinses an die im massgebenden Zeitpunkt beste­ henden Marktverhältnisse, verbunden mit der Regelung, dass diese durch ein Schiedsgutachten festgelegt werden sollen für den Fall, dass sich die Parteien dereinst darüber nicht verständigen können. Eine solche Regelung ist grund­ sätzlich zulässig und durchsetzbar (BGE 141 III 201, E. 3.2.3; in: MRA 1/16, S. 51 f.). 5

Der Gesetzgeber beabsichtigte wohl, den Anreiz für Vermieter, durch Kündi­ gung und Neuvermietung den marktkonformen Mietzins zu erzielen, zu mini­ mieren, indem diesen ermöglicht werden sollte, auch in sogenannt laufenden Mietverhältnissen den Mietzins von Zeit zu Zeit an veränderte Marktverhält­ nisse anpassen zu können. Die Praxis des Bundesgerichtes läuft dieser Absicht indessen entgegen. Zunächst konstruierte das Bundesgericht einen Vorrang des angemessenen Ertrages im Sinne von Art. 269 OR gegenüber den Krite­ rien von Art. 269a OR mit der Konsequenz, dass für Immobilien, deren Erstel­ lung oder Erwerb nicht mehr als 30 Jahre zurückliegt, bei jeder Mietzinsanpas­ sung eine Überprüfung der Ertragssituation verlangt werden kann. Das hat zur Folge, dass die Beurteilung der Missbräuchlichkeit – abweichend von den wirt­ schaftlichen Realitäten – völlig losgelöst von allen Marktentwicklungen wäh­ rend dieser Zeitspanne erfolgen muss (vgl. N 12 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR; BGE 140 III 433, mit Kommentar von Beat Rohrer, in: MRA 1/15, S. 16 ff.). Zum anderen stellt das Bundesgericht in seiner konstanten Praxis an den Nach­ weis der orts- oder quartierüblichen Verhältnisse, namentlich bezüglich der als massgebend erachteten Vergleichskriterien, derart hohe Anforderungen, dass dieser faktisch kaum oder gar nicht mehr zu erbringen ist (BGE 141 III 569, in: MRA 2/16, S. 61 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4A_612/2012 vom 19. Fe­bruar 2013; Urteil 4A_472/2007 vom 11. März 2008). Damit nimmt das Bundesge­ richt sachlich kaum nachvollziehbare Ungleichheiten in Kauf, die entstehen, wenn zum Beispiel eine von mehreren in der gleichen Zeit mit identischer Ausstattung und identischen Wohnungsgrundrissen erstellten Liegenschaf­ ten veräussert wird: Der Erwerber kann den Mietzins unter Berufung auf die Erzielung eines angemessenen Ertrages auf der Basis des von ihm entrichteten Kaufpreises, der dem Verkehrswert entsprechen dürfte, faktisch an die aktuel­ len Marktverhältnisse anpassen. Dies bleibt dem Eigentümer der identischen Nachbarliegenschaft, die er vor 25 Jahren erworben hat, versagt. Sein Ertrag dürfte sogar dann übersetzt sein, wenn die Mietzinse weit unter denen liegen, die der neue Eigentümer der Nachbarliegenschaft geltend zu machen berech­ 738

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Art. 269a

tigt ist, weil nach Auffassung des Bundesgerichtes der maximal zulässige Ertrag auf der Basis der historischen Anlagekosten berechnet werden muss (vgl. Roh­ rer, Revisionspostulate, S. 172 f.; ferner N 12 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR). Dass die Entwicklung der Rechtsprechung zu dieser Frage nicht den Absichten des Gesetzgebers entspricht, beweist auch Art. 10 VMWG: Wendet ein Mieter, dem der Mietzins unter Berufung auf die Erzielung eines angemessenen Ertra­ ges nach einer Handänderung erhöht wird, ein, es sei ein übersetzter Kauf­ preis entrichtet worden, so hat er zu beweisen, dass dieser Kaufpreis den auf der Basis der orts- oder quartierüblichen Mietzinse ermittelten Ertragswert nicht offensichtlich übersteigt (vgl. N 17 ff. zu Art. 269 OR). Diese Verordnungsbe­ stimmung enthält somit – im Gegensatz zur Praxis des Bundesgerichtes – im Ansatz tendenziell eher eine höhere Gewichtung des an die Marktverhältnisse angelehnten Kriteriums der Orts- oder Quartierüblichkeit gegenüber dem Kri­ terium des angemessenen Ertrages, steht aber zumindest der These, wonach das Kostenkriterium vorrangig sei, diametral entgegen. Es entsprach nicht dem Willen des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich der 6 Orts- oder Quartierüblichkeit auf sogenannte Altbauten, also solche, die ent­ sprechend der Praxis des Bundesgerichtes vor mehr als 30 Jahren erstellt oder erworben worden sind, zu beschränken. In der nationalrätlichen Kommission wurde nämlich im Sinne eines Minderheitsvorschlages diskutiert, das Krite­ rium der Orts- oder Quartierüblichkeit nur für die Bestimmung des zuläs­ sigen Mietzinses von älteren Bauten zuzulassen. Dieser Vorschlag wurde in der Kommission deutlich abgelehnt und im Nationalrat nicht mehr einge­ bracht. Weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus den Materialien erge­ ben sich damit Anhaltspunkte dafür, dass der Anwendungsbereich des Krite­ riums der Orts- oder Quartierüblichkeit beschränkt ist auf ältere Bauten oder dass dieses Kriterium gar hierarchisch gegenüber demjenigen des angemesse­ nen Ertrages untergeordnet wäre (vgl. N 12 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR; gl.M. Higi, ZK, N 23/24 zu Art. 269a OR, unter Hinweis darauf, dass Art. 269a Buchst. a OR ein Mietzinskalkulationssystem begründet, das mit dem der soge­ nannten «Kostenmiete» sachlich unvereinbar ist; ferner derselbe, a.a.O., N 24 mit kritischen Bemerkungen zur sich gegebenenfalls stellenden Frage der Defi­ nition des Begriffs der «Altbauten»). Mangels einer diesbezüglich im Gesetz verankerten Einschränkung – etwa im Gegensatz zu Art. 269a Buchst. c OR (kostendeckende Bruttorendite)  – kann der Vermieter sich also sowohl bei Alt- als auch bei Neubauten auf die orts- oder quartierüblichen Mietzinse beru­ fen, wenngleich die praktische (aber nicht gesetzlich vorgegebene!) Hauptbe­ deutung dieses Kriteriums zur Bestimmung des zulässigen Mietzinses darin besteht, auch künftig sicherzustellen, dass «eine begrenzte Anpassung der Mie­ Beat Rohrer

739

Art. 269a

ten für ältere Wohnungen an Neubaumieten» möglich ist (BBl 1972 III, S. 852; Zihlmann, Mietrecht, S. 144; Siegrist, Mietzins, S. 59, m.w.H. auf BGE 122 III 261 in Fn. 182; MfdP/Brutschin, N 19.2.2; Higi, ZK, N 23 f. zu Art. 269a OR).

2.2

Voraussetzungen Orts- und Quartierüblichkeit

7

Die Orts- und Quartierüblichkeit ist ein absolutes Missbrauchskriterium, da sich jederzeit – grundsätzlich losgelöst von der vertragsbezogenen Mietzinsge­ staltung – beurteilen lässt, ob der konkret verlangte Mietzins orts- oder quar­ tierüblich ist (Bohnet/Broquet, CPra, N 5 zu Art. 269a OR; MfdP/Brutschin, N 19.2.3; Higi, ZK, N 36 f. und N 126 zu Art. 269a OR, m.w.H.). Die Rechtspre­ chung hat die Berufung auf orts- oder quartierübliche Verhältnisse allerdings «relativiert»: Die Anrufung dieses Kriteriums soll nur möglich sein, wenn sich die Verhältnisse in einem statistisch relevanten Zeitraum verändert haben (Higi, ZK, N 126 zu Art. 269a OR; Weber, BSK, N 4b zu Art. 269a OR; BGE 126 III 124; 118 II 134, E. 3b; Zihlmann, a.a.O., S. 148; kritisch: Siegrist, a.a.O., S. 70). Ein Zeitraum von neun Monaten seit der letzten Mietzinsfestsetzung oder von zwei Jahren ab Mietbeginn genügt diesem Erfordernis nicht (BGE 114 II 360; 118 II 130). Daraus ergibt sich Folgendes:

8

Im Hinblick auf eine Mietzinserhöhung erscheint die Anrufung der orts- oder quartierüblichen Verhältnisse möglich in Zeiträumen von mindestens drei Jah­ ren seit der letzten vorbehaltlos erfolgten Mietzinsfestsetzung (Higi, ZK, N 126 zu Art. 269a OR). Dieser Zeitraum ist dabei eine nicht starr zu handhabende Richtgrösse (Zihlmann, a.a.O., S. 148). Nachzuweisen ist im Streitfall nicht, dass und in welcher Weise sich der als orts- und quartierüblich betrachtete Mietzins über eine entsprechende Periode entwickelt hat, sondern nur, dass im Bestim­ mungszeitpunkt der konkret geltend gemachte Mietzins orts- oder quartierüb­ lich und damit nicht missbräuchlich ist (Higi, ZK, N 55 zu Art. 269a OR; zur Berücksichtigung allfällig abweichender Kostengrundlagen, auf denen Ver­ gleichsobjekte beruhen, vgl. nachfolgend N 9). Als Einwand gegen ein Begeh­ ren des Mieters um Mietzinsherabsetzung (Art.  270a OR) kann der Vermie­ ter die Orts- oder Quartierüblichkeit nach absoluter Methode, also auch dann, wenn seit der letzten Mietzinsfestsetzung kein sogenannt statistisch relevanter Zeitraum verstrichen ist, anrufen (BGE 122 III 257; unberechtigt dazu die Kri­ tik von Weber, BSK, N 18 zu Art. 269 OR, der verkennt, dass der Mieter gemäss Verfassungsauftrag nur vor Mietzinsmissbräuchen, aber nicht vor unterlasse­ nen Erklärungen des Vermieters im Zusammenhang mit der letzten massge­ benden Mietzinsfestlegung zu schützen ist, für deren Abgabe dabei keine Ver­ anlassung bestanden hatte). 740

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Art. 269a

Verschiedentlich befasste sich das Bundesgericht mit der Frage, inwieweit zum 9 Beweis der Orts- oder Quartierüblichkeit auch Vergleichsobjekte herangezo­ gen werden können, bei denen der massgebende Mietzins auf anderen Kosten­ ständen beruht als auf denjenigen des zu beurteilenden Mietobjektes (BGE 141 III 569, E. 2.2.1, in: MRA 2/16, S. 61 ff.; BGE 127 III 411, E. 4a; BGE 123 III 317; 4C.55/2001, in: MRA 1/02, S. 9 ff.). Das Bundesgericht erachtet es – anders als noch im Entscheid BGE 123 III 317 (dort E. 4d, in: MRA 5/97, S. 185 ff.) – für richtig, dass in diesem Fall die Vergleichbarkeit der entsprechenden Mietob­ jekte nicht ausgeschlossen sei. Es müsse aber eine Korrektur in dem Sinne vor­ genommen werden, dass die sich aus unterschiedlichen Kostenständen erge­ bende Differenz rechnerisch ausgeglichen werde. Auf eine solche Korrektur könne nur verzichtet werden, wenn nachgewiesen werde, dass die auf ande­ ren Kostenständen beruhenden Mietzinse vergleichbarer Mietobjekte nicht missbräuchlich seien (MRA 1/02, S.  9  ff.). Abgesehen von fast unüberwind­ baren Beweisschwierigkeiten – nachzuweisen wäre ja, dass in fremden Miet­ liegenschaften nach Kostenkriterien keine missbräuchlichen Mietzinse erho­ ben werden, da sich beim Abstellen auf die Orts- oder Quartierüblichkeit der Vergleichsobjekte die nämlichen Unsicherheiten einstellen würden  – führt diese Praxis des Bundesgerichts zu einer im Übrigen konsequent als unzuläs­ sig betrachteten Vermischung von Kosten- und Marktelementen und sodann zu Widersprüchen gegenüber der eigenen Gerichtspraxis: Wenn ein Miet­ zins nach einer Kostensenkung unter anderem deshalb nicht reduziert wer­ den muss, weil er sich im Rahmen der Orts- und Quartierüblichkeit bewegt (BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S.  187  ff.), so ist nicht einzusehen, wieso derselbe, nicht missbräuchliche Mietzins nach Kostenkriterien zu korrigieren ist, wenn er als Vergleichsmietzins zum Nachweis der Orts- oder Quartierüb­ lichkeit eines anderen Mietobjektes angerufen wird. Richtig ist deshalb, die in zum Vergleich geeigneten Mietobjekten bezahlten Mietzinse unabhängig all­ fälliger Differenzen mit Bezug auf die dafür massgebenden Kostenstände zu berücksichtigen, weil sie effektiv bezahlt werden und daher geeignet sind, zum Nachweis für das im Quartier Übliche beizutragen (vgl. Bättig, Ortsüblichkeit, S. 17 ff.; dezidiert Higi, ZK, N 68 zu Art. 269a OR; Blumer, Gebrauchsüberlas­ sungsverträge, Rz. 443, S. 136). Es kann der beweisbelasteten Partei auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie die Kostenstände der zum Vergleich ange­ rufenen Mietobjekte nicht kennt bzw. im Verfahren nicht zu benennen ver­ mag (vgl. dazu aber den BGE 141 III 569, E. 2.2.1, in: MRA 2/16, S. 61 ff., wo das Bundesgericht im Zusammenhang mit den Anforderungen an die Sub­ stanziierung der Vergleichbarkeit anderer Mietobjekte ausdrücklich festhält, es sei vo­rausgesetzt, dass die Kostenstände dieser zum Vergleich angerufenen

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Art. 269a

Objekte bekannt seien; Urteil des Bundesgerichts, 4C.255/2000 vom 3. Januar 2001, in: mp 2/01, S. 99 f.). 10

Damit der Vermieter sich auf die Orts- oder Quartierüblichkeit berufen kann, muss das Mietobjekt, dessen Mietzins zu beurteilen ist, gemäss Art. 11 Abs. 1 VMWG aufgrund seiner Lage, seiner Grösse, seiner Ausstattung, sei­ nes Zustandes und seiner Bauperiode mit den angerufenen Vergleichsobjek­ ten auch tatsächlich vergleichbar sein. Damit sind die einschränkenden Ver­ gleichsbestimmungen des vor dem 1.  Juli 1990 geltenden Rechts über die Verordnung ins neue Recht überführt worden.

2.3 Vergleichskriterien 2.3.1 Lage 11

Wie die gesetzliche Begriffsumschreibung zum Ausdruck bringt, müssen sich die zum Vergleich angerufenen Objekte in der gleichen Ortschaft befinden und – zumindest in grösseren Ortschaften – im gleichen Quartier. Mit dem Begriff der Lage verbindet sich all das, was im weitesten Sinne als «Standortgüte» umschrieben werden könnte. Die zum Vergleich bezeichneten Mietob­ jekte sollten sich geografisch in einer historischen oder administrativen Einheit befinden (Bohnet/Broquet, CPra, N 14 zu Art. 269a OR; Urteil des Bundesge­ richts 4A_612/2012 vom 19. Februar 2013; BGE 136 III 74, E. 2.2.1, in: mp 2/10, S. 125 ff.). Die Lage eines Mietobjektes wird damit einerseits bestimmt durch die Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen oder Naherholungsgebieten, anderseits durch Immissionsfreiheit oder -belas­ tung, insbesondere durch das Fehlen oder Vorhandensein von Flug- oder Ver­ kehrslärm, Industriezonen in der Nähe usw. (BGE 123 III 317, E. 4b/bb; Urteil des Bundesgerichts 4C.323/2001 vom 9. April 2002, in: MRA 4/02, S. 243 ff.; Weber, BSK, N 2a zu Art. 269 OR). Ebenfalls unter dem Kriterium «Lage» muss beurteilt werden, in welchem Stockwerk sich ein Mietobjekt befindet, wie es besonnt ist, ob es über eine besondere Aussicht verfügt usw. Massgebend für die Beurteilung sind nur diejenigen Eigenschaften, die nicht bloss vorüberge­ hend sind. So ist eine sich in der Nähe befindliche Baustelle, welche Immissio­ nen verursacht, selbst dann, wenn sie längere Zeit betrieben wird, für die Beur­ teilung der Orts- oder Quartierüblichkeit irrelevant (a.M. MfdP/Brutschin, N 19.2.5.2, die übersieht, dass der Mieter dann, wenn Bauimmissionen einen Mangel im Gebrauch der Mietsache darstellen könnten, einen Herabsetzungs­ anspruch nach Art. 259d OR geltend machen kann, nicht aber unter Berufung auf Art. 270a OR. Diese letztere Bestimmung ermöglicht eine Mietzinsreduk­

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Art. 269a

tion nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes ohnehin nur bei einer wesentli­ chen Kostenveränderung. Eine allfällige Veränderung der Marktsituation, die sich in ortsüblichen Mietzinsen niederschlägt, stellt begrifflich aber keine Kos­ tenveränderung dar, vgl. N 5 zu Art. 270a OR). Im Einzelfall steht der zur Beurteilung angerufenen Behörde ein erhebliches 12 Ermessen zu, welches in der Regel voraussetzt, dass im Rahmen der Beweiser­ hebung ein Augenschein durchgeführt wird. Starre Schematismen sind jeden­ falls abzulehnen. So ist beispielsweise eine Quartier-, unter Umständen auch eine politische Gemeindegrenze unwesentlich für die Beurteilung der Lage, weil der Begriff des «Quartiers» nicht auf politische Grenzen von Stadtkreisen oder Ortsteilen Bezug nimmt (Higi, ZK, N 33 und 35 zu Art. 269 OR; BGE 136 III 74, E. 2.2.1, in: mp 2/10, S. 125 ff.; MfdP/Brutschin, N 19.2.5.2; Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 25. August 1997, in: MRA 2/98, S. 65 ff.). Will sich die beweisbelastete Partei auf Objekte berufen, die sich ausserhalb des Quartiers im richtigen Verständnis des Begriffes befinden, so hat sie darzutun, weshalb sich diese Objekte ausnahmsweise zum Vergleich eignen (BGE 136 III 74, E. 2.2.1, in: mp 2/10, S. 125 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.275/2004 vom 26. Oktober 2004). Bedeutsam ist das Kriterium der Lage auch für Geschäftsräumlichkeiten. Hier 13 spielen zu Recht praktisch ausschliesslich wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle. Ob zum Beispiel ein Ladengeschäft an einer ausgeprägten Passanten­ lage (z.B. in der Nähe eines Bahnhofes, eines grossen Parkplatzes) mit einem vielfältigen Einkaufsangebot durch andere Geschäfte liegt oder ob es sich in einer Nebenstrasse mit wenig Passantenverkehr befindet, ist für die Umsatzer­ wartungen und -möglichkeiten von absolut vorrangiger Bedeutung. Die Qua­ lität des Mietobjektes und damit der darin zu erwartende kommerzielle Erfolg beeinflussen die dem Markt folgende Mietzinsgestaltung, was im Rahmen der Beurteilung von zum Vergleich angerufenen Mietobjekten zu würdigen ist.

2.3.2 Grösse Die Grösse eines Mietobjektes ist eines der beiden absolut messbaren Anforde- 14 rungsmerkmale für die Vergleichbarkeit von Mietobjekten. Trotzdem geniesst es keine absolute Bedeutung. Das Bundes­gericht erachtet bei kleineren Woh­ nungen die übereinstimmende Zimmerzahl als zwingend: So ist eine 2½-Zim­ mer-Wohnung mit einer 3-Zimmer-Wohnung nicht vergleichbar, selbst wenn die beiden Woh­nungen ähnliche Flächenmasse aufweisen (BGE  141  III  569, in: MRA 2/16, S.  61  ff.; BGE 136 III 74, E.  3.2.2, S.  81). Nur bei grösseren Wohnungen kann die Zimmerzahl vernachlässigt werden, weil dann die Flä­ Beat Rohrer

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Art. 269a

che das wichtigere Kriterium für die Vergleichbarkeit darstellt. Nach der Pra­ xis des Bundesgerichts besteht für solche Wohnungen bezüglich des Flächen­ masses ein Toleranzspielraum von 20% (MfdP/Brutschin, N 19.2.5.2; Higi, ZK, N  100  f. zu Art.  269a OR, der als unwesentlich erachtet, wie die Raumauf­ teilung im Einzelnen ausgestaltet ist). Gemäss der in der Amtlichen Samm­ lung nicht publizierten Erwägung 5b/ee des Entscheides 4C.55/2001 vom 4.  Juli 2001 (BGE 127 III 411, in: MRA 1/02, S.  9  ff.), wurde eine 3½-Zim­ mer-Wohnung aufgrund anderer Merkmale mit der streitbetroffenen 4-Zim­ mer-Wohnung als vergleichbar erachtet (vgl. dazu auch BGE 141 III 569, in: MRA 2/16, S. 61 ff.). Im Urteil BGE 123 III 317, E. 4b/cc, betrug die Flächen­ abweichung bei einem Objekt, das als zum Vergleich geeignet erachtet wurde, 17%, und das Bundesgericht liess 6½-Zimmer-Wohnungen zum Vergleich mit der streitbetroffenen 7-Zimmer-Wohnung zu. Im Urteil des Bundesgerichts 4A_412/2009 vom 15. Dezember 2009, E. 3.2.2, wurde eine 7-Zimmer-Woh­ nung zum Vergleich mit der zu beurteilenden 6-Zimmer-Wohnung zugelassen. Im Urteil 4A_448/2009 vom 1. Februar 2010, E. 2.3, führte eine Flächenabwei­ chung von rund 24% nicht zum Ausschluss der Vergleichbarkeit. Weber erach­ tet trotz der gefestigten höchstrichterlichen Praxis eine Abweichung von mehr als 15% als kritisch (BSK, N 2a zu Art. 269a OR). 15

Mit Bezug auf Geschäftsräume enthält Art.  11 Abs.  2 VMWG insofern eine Beweiserleichterung, als bezüglich der Grösse gleichartig genutzter Mietob­ jekte auf Quadratmeterpreise abgestellt werden kann. Nicht erforderlich ist somit, dass die zum Vergleich angerufenen Objekte bezüglich der Flächenaus­ dehnung mit dem zu beurteilenden Mietobjekt vergleichbar sind (Higi, ZK, N 125 zu Art. 269a OR).

2.3.3 Ausstattung 16

Unter dem Begriff der Ausstattung sind die besonderen, auch subjektiv bewer­ teten Elemente eines Mietbjektes erfasst. Bei Wohnungen fallen dabei die Anzahl und Ausstattung der Nasszellen (getrenntes Bad/WC, evtl. zwei Bade­ zimmer), Art und Ausstattung der Küche (Wohnküche, Art der Küchenein­ richtung, z.B. mit Dampfabzug, Kühlschrank mit Gefrierfach, Backofen auf Sichthöhe, Herd mit Keramikplatten, Abdeckung aus Naturstein, Plattenbe­ läge usw.) ins Gewicht, wobei auch das Alter der entsprechenden Einrichtun­ gen eine Rolle spielt. Weiter ist bedeutsam, ob das Mietobjekt einen Balkon oder eine Terrasse aufweist (allenfalls mit welcher Grösse), ob eine höher gele­ gene Wohnung durch einen Lift erschlossen wird, welcher Art der Bodenbelag ist (Naturstein, Parkett, textiler Bodenbelag). Massgebend für die Beurteilung

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Art. 269a

des Zustandes ist der Gesamteindruck (MfdP/Brutschin, N 19.2.5.2; Bohnet/ Broquet, CPra, N 21 zu Art. 269a OR). Dieser orientiert sich an drei Katego­ rien, nämlich «eher einfach», «standardmässig/durchschnittlich» und «über­ durchschnittlich bis luxuriös» (Higi, ZK, N 111 zu Art. 269a OR). Ein klein­ licher Vergleich einzelner Ausstattungselemente verbietet sich; damit allein könnte die Vergleichbarkeit zweier noch so ähnlicher Objekte und damit die Orts- oder Quartierüblichkeit als Mietzins bestimmendes Kriterium ohne Weiteres faktisch aus dem Gesetz eliminiert werden. Unrichtig und mögli­ cherweise überholt sind daher die Schlussfolgerungen des Urteils des Bundes­ gerichts 4C.265/2000 vom 16. Januar 2001, welches die Vergleichbarkeit von Mietobjekten einzig deshalb verneinte, weil alle zum Vergleich angerufenen Mietobjekte im Gegensatz zum konkret zu beurteilenden Objekt mit Doppel­ verglasungsfenstern ausgestattet waren. Im gleichen Entscheid erachtete das Bundesgericht auch das Fehlen eines Kabeltelevisionsanschlusses bereits für sich allein als Umstand, der die Vergleichbarkeit mit anderen Objekten, die über einen solchen Anschluss verfügten, ausschloss (mp 1/01, S. 33 ff.; kritisch: MRA 1/02, S. 9 ff., S. 18). Auch bei Geschäftsräumen ist die technische Infrastruktur wesentlich 17 (Erschliessung mit Lift, evtl. Warenlift/Rampe, Klimaanlage, Sicherheits­ einrichtungen wie Brandmeldeanlage, elektronische Eingangsüberwachung, Raumhöhe, Tragfähigkeit der Böden usw.), wobei noch zu prüfen ist, welche Infrastrukturelemente der Mieter eingebracht und finanziert hat. Dies deshalb, weil die Amortisation der mieterseitig getätigten Investitionen im Mietzins, wie er gegenüber dem Vermieter zu entrichten ist, nicht enthalten, rechnerisch aufseiten des Mieters aber gleichwohl zu berücksichtigen ist (MfdP/Brutschin, N 19.2.5.2; Siegrist, Mietzins, S. 63 f.).

2.3.4 Zustand Von Bedeutung ist der Unterhaltszustand eines Mietobjektes. Ein Mietobjekt, 18 bei dem der notwendige Unterhalt vernachlässigt worden ist, ist mit einem gepflegten, neu erstellten oder renovierten Mietobjekt nicht vergleichbar. Es rechtfertigt sich analog dem Kriterium «Ausstattung», den Zustand einer der drei Kategorien «abgenützt/Unterhalt ganz oder teilweise vernachläs­ sigt», «normal bis gut unterhalten» und «kürzlich renoviert/überdurchschnitt­ licher Unterhaltszustand» zuzuordnen. Die Bewertung sollte wiederum vom Gesamteindruck ausgehen; eine kleinliche Bewertung einzelner Zustandsele­ mente verbietet sich, weil bezüglich des Kriteriums des Zustands andernfalls kaum vergleichbare Objekte auffindbar wären. Dies wiederum würde im End­

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effekt den Nachweis der Orts- oder Quartierüblichkeit faktisch verunmögli­ chen (MfdP/Brutschin, N 19.2.5.2; Higi, ZK, N 104 zu Art. 269a OR; im Ergeb­ nis ähnlich BGE 123 III 317, in: MRA 5/97, S. 185 ff.).

2.3.5 Bauperiode 19

Das Alter eines Mietobjektes ist als objektives Vergleichskriterium mess­ bar und grundsätzlich richterlichem Ermessen nur beschränkt zugänglich. Obwohl sich Objekte wohl eher durch die Eigenschaften, welche im Rahmen des Zustandes oder der Ausstattung zu beurteilen sind, zum Vergleich eig­ nen – etwa weil im vorletzten Jahrhundert erstellte Liegenschaften zwischen­ zeitlich durchaus in einer Weise modernisiert worden sein könnten, die den heutigen Standards von neu erstellten Gebäulichkeiten entsprechen –, ist das Bundesgericht auch mit Bezug auf das Kriterium der Bauperiode sehr streng: Es lässt nur Objekte zum Vergleich zu, die innerhalb eines Zeitraumes von 20 Jahren erstellt worden sind (BGE 123 III 317, in: MRA 5/97, S. 185 ff.; für die von Weber vertretene Auffassung, dieser Zeitraum reduziere sich bei neu­ eren Bauten auf 10 Jahre, finden sich in der Rechtsprechung keine Anhalts­ punkte; BSK, N 2a zu Art. 269a OR, m.w.H. auf BGE 123 III 317, E. 4b/aa und 136 III 74, E. 3.2.1). Diese Auffassung wird zu Recht in der Literatur abgelehnt (Higi, ZK, 122  ff., der der gegenteiligen Auffassung unterstellt, sie wolle ein­ fach auf bequeme Art die Unvergleichbarkeit herbeiführen). Mit guten Grün­ den wird darauf hingewiesen, dass die Vergleichbarkeit bezüglich Bausub­stanz stärker vom Unterhaltszustand beeinflusst wird als vom rein statistisch ermit­ telten und bezüglich den Qualitäten eines Objektes eigentlich nichtssagenden Erstellungsjahr (Müller, Mietzins, S.  65  ff.; HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.17, S. 11; BGE 136 III 74, E. 3.2.1; Urteil des Bundesgerichts 4A_341/2009 vom 6. Oktober 2009). Eine allzu starre Handhabung von Zeitlimiten ist aus diesen Gründen generell abzulehnen. Solche Limiten mögen bestenfalls für relativ neu erstellte Bauten bedeutsam sein. Bei älteren, also über dreissigjähri­ gen Gebäuden sollte, wie erwähnt, dem Unterhaltszustand mehr Gewicht bei­ gemessen werden (MfdP/Brutschin hält vollständig renovierte Liegenschaf­ ten daher für vergleichbar mit anderen, welche in der Zeit, als die Renovation durchgeführt wurde, neu erstellt worden sind, a.a.O., N  19.2.5.2 bei Fn. 58). Mit Raissig/Schwander, Missbräuche, S. 118, ist deshalb festzustellen, dass das Merkmal der Bauperiode «als zweifelhaftes Indiz für die Vergleichbarkeit» zu werten ist (vgl. Zihlmann, Mietrecht, S.  147, ebenso Higi, ZK, N  122  ff. zu Art. 269a OR, m.w.H.). Entscheidend ist somit nicht das historische Alter einer Baute, sondern ihr wirtschaftliches Alter. In der Praxis kann beim Vergleich

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dem unterschiedlichen Renovationsstand dadurch Rechnung getragen werden, dass dafür Renovationszuschläge oder -abzüge eingerechnet werden.

2.4

Nachweis Orts- oder Quartierüblichkeit

2.4.1

Begriff der Vergleichbarkeit

In Art.  11 Abs.  1 VMWG wird festgehalten, dass das konkrete Mietobjekt 20 mit denjenigen Objekten «vergleichbar» sein müsse, auf die sich die für die Orts- oder Quartierüblichkeit beweisbelastete Partei beruft. Ausgeschlossen für die Beweisführung sind Objekte, über die ein Vermieter oder eine Ver­ mietergruppe verfügt, aber nur, wenn daraus für das betroffene Quartier auf eine marktbeherrschende Stellung geschlossen werden kann (Art.  11 Abs.  3 VMWG). Damit ist aufgrund der erwähnten Verordnungsbestimmung zunächst klarge­ 21 stellt, dass andere Mietobjekte, über die der Vermieter im betroffenen Quar­ tier verfügt, ebenfalls zum Vergleich herangezogen werden dürfen. Sie sind nur im qualifizierten Fall einer vom Mieter nachzuweisenden Marktbeherrschung durch den Vermieter oder einer Vermietergruppe, wobei unklar ist, unter wel­ chen Umständen Vermieter sich einer «Gruppe» zuordnen lassen, nicht zum Vergleich geeignet. Die Praxis des Bundesgerichts ignoriert nun allerdings den klaren Wortlaut der Verordnung konsequent, indem es dafürhält, andere, dem gleichen Vermieter gehörende Mietobjekte könnten nie, also auch dann, wenn keine marktbeherrschende Stellung behauptet oder gar nachgewiesen wird, herangezogen werden (MfdP/Brutschin, N  19.2.6; Bohnet/Broquet, CPra, N 13 zu Art. 269a OR; Urteil des Bundesgerichts 4A_573/2008 vom 24. April 2009; BGE 123 III 317, E.  4c, S.  323  f., in: MRA 5/97, S.  185  ff.). Ebenfalls zum Vergleich geeignet sind selbstverständlich Objekte, die von der gleichen Verwaltung betreut werden, wie das zu untersuchende Mietobjekt, weil es im Zusammenhang mit der Beurteilung der allfälligen Marktbeherrschung auf die Eigentumsverhältnisse ankommt und weil nicht unterstellt werden kann, dass verschiedene Eigentümer, welche die gleiche Verwaltung mandatiert haben, ihre Objekte nach den gleichen Preiskriterien vermieten (Urteil des Bundes­ gerichts 4A_573/2008 vom 24. April 2009, in: mp 4709, S. 261 ff.; Bohnet/Bro­ quet, CPra, N 13 zu Art. 269a OR; Higi, ZK, N 83 zu Art. 269a OR; abweichend zu dieser Frage noch BGE 123 III 317, E. 4c, in: MRA 5/97, S. 185 ff.).

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2.4.2 22

Anzahl Vergleichsobjekte

Die Rechtsprechung verlangt von der beweisbelasteten Partei die Nennung einer genügenden Anzahl von zum Vergleich geeigneten Objekten, wobei in der Regel – nach neuester Praxis indessen stets und konsequent – fünf Objekte bezeichnet werden sollen (BGE 123 III 317, E. 4a, in: MRA 5/97, S. 185; 114 II 364; MfdP/Brutschin, N 19.2.5.1; Urteil des Bundesgerichts 4A_295/2016 vom 29. November 2016, E. 5.3.2; BGE 141 III 569, in: MRA 2/16, S. 61 ff.). Pro Lie­ genschaft wird dabei nur ein Objekt zum Vergleich zugelassen (BGE 123 III 317, E. 4c, in: MRA 5/97, S. 185 ff.; Higi, ZK, N 82 zu Art. 269a OR; Weber, BSK, N 2b zu Art. 269a OR). Das Bundesgericht forderte in vereinzelten Ent­ scheidungen auch schon, dass sich die Vergleichsmietzinse in einer schma­ len Bandbreite (ca. 30 bis 40%) zu bewegen haben (ZMP 2/95, S. 22; Urteil des Bundesgerichts vom 24. April 1995, in: MRA 1/96, S. 1 ff.; Weber, BSK, N 2d zu Art. 269a OR; MfdP/Brutschin, N 19.2.8). Higi vertritt demgegenüber zu Recht die Auffassung, dass die Bandbreite vom Durchschnittsmietzins, der sich aus allen zum Beweis angerufenen Objekten ermitteln lässt, zu berechnen sei (a.a.O., N 70 ff. zu Art. 269a OR). Objekte, die ausserhalb der Bandbreite lie­ gen, fallen für die Beurteilung nicht in Betracht. Keinesfalls könnte die Tatsa­ che, dass auch vergleichbare Objekte zu Mietzinsen ausserhalb der als zulässig erachteten Bandbreite vermietet werden, zum Ergebnis führen, es gebe gewis­ sermassen keine «Üblichkeit», also auch keine Ortsüblichkeit (HAP-Immobi­ liarmietrecht/Bättig Rz. 1.22, S. 14). Folgte man nämlich dieser Auffassung, so wäre der Nachweis der Orts- oder Quartierüblichkeit von vornherein kaum zu erbringen: Es gibt immer wieder vereinzelte Mietobjekte, die aufgrund beson­ derer Umstände nicht zu marktkonformen Mietzinsen vermietet werden. In diesem Zusammenhang bedeutsam ist der Hinweis, dass als Vergleichsobjekte grundsätzlich nur solche in Betracht fallen, die nach gleichen wirtschaftlichen Kriterien vermietet werden, wie dasjenige, bezüglich welchem der Miet­ zins zu beurteilen ist. Genossenschaftswohnungen oder von der öffentlichen Hand – wenn auch nicht offiziell subventioniert – vermietete Objekte eignen sich in der Regel zum Vergleich nicht, weil bei der Vermietung bzw. bei der Festlegung des massgebenden Mietzinses der Gedanke der Selbsthilfe oder sozialpolitische Überlegungen mitbestimmend sind (vgl. MfdP/Brutschin, N 19.2.6.2; Bohnet/Broquet, CPra, N 13 zu Art. 269a OR; Higi, ZK, N 81 zu Art. 269a OR). An Lagen, in denen aufgrund der Marktverhältnisse in kurzen Zeiträumen das Mietzinsgefüge starken Veränderungen unterliegt, wie zum Beispiel bei Ladengeschäften in stark von Fussgängern frequentierten Zonen oder Strassen, sollten im Übrigen nur Vergleichsobjekte berücksichtigt werden, in denen vor relativ kurzer Zeit Neuvermietungen erfolgten, da Mietzinse von 748

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Objekten, die vor mehreren Jahren vermietet wurden, nicht mehr als «üblich» gelten können. Nach Auffassung des Bundesgerichts hat die beweisbelastete Partei sämtliche 23 Kriterien der Vergleichbarkeit – trotz der in Art. 247 Abs. 2 Buchst. a ZPO (früher Art. 274d Abs. 3 aOR) verankerten Untersuchungsmaxime – detailliert zu substanziieren (zum Stellenwert der erwähnten sozialen Untersuchungs­ maxime im Verfahren betreffend Überprüfung einer Mietzinsanpassung nach dem Kriterium der Orts- oder Quartierüblichkeit, in welchem die Parteien anwaltlich vertreten sind, vgl. BGE 141 III 569, in: MRA 2/16, S. 61 ff.; ferner MfdP/Brutschin, N  19.2.9). Dies gilt, obwohl kein Anspruch darauf besteht, dass Private entsprechende Auskünfte erteilen. In der Praxis scheitert denn auch die Anrufung der orts- oder quartierüblichen Verhältnisse häufig bereits an den übertrieben hohen, kaum zu erfüllenden Anforderungen an die Sub­ stanziierung (vgl. Stucki, Geschäftsräumlichkeiten, S. 6 ff.; Beat Rohrer zum BGE 123 III 317, in: MRA 5/97, S. 193 ff.). Mit dem Urteil BGE 141 III 569 hat das Bundesgericht die Anforderungen an den Nachweis der Orts- oder Quar­ tierüblichkeit bzw. der einzelnen Vergleichskriterien noch zusätzlich erhöht: Es erwog nämlich, die Bestimmung der ortsüblichen Mietzinse lasse sich nicht auf der Grundlage eines Gesamteindruckes ermitteln. Es genüge nicht, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den nachzuweisenden orts- oder quartierüblichen Mietzins spreche. Gefordert sei vielmehr ein strikter Beweis, der dem beurteilenden Richter die Gewissheit darüber verschaffe, dass der zu beurteilende Mietzins orts- oder quartierüblich sei (a.a.O., E. 2.2.1, m.w.H. auf die Urteile  4A_612/2012 vom 19.  Februar 2013, E.  3.2.2; 4A_472/2007 vom 11.  März 2008, E.  2.4; BGE  130  III  321, E.  3.2 und Urteil  5C.97/2005 vom 15.  September 2005, E.  4.4.2; diese Praxis bestätigend Urteil des Bundesge­ richts 4A_295/2016 vom 29. November 2016, E. 5.2.2; kritisch: Rohrer, OQÜ II, S. 70 ff.). Die vom Bundesgericht gestellten Anforderungen an den Nachweis der Ver­ 24 gleichbarkeit führen dazu, dass das wichtigste Beurteilungskriterium für die Missbräuchlichkeit eines Mietzinses faktisch aus dem Gesetz eliminiert wird, weil bereits die Substanziierung aller geforderten Vergleichskriterien an fast unüberwindlichen Problemen scheitert. Davon betroffen sind nicht nur Ver­ mieter, sondern auch die Mieter, welche bei der Anfechtung des Anfangsmiet­ zinses, der mit der Orts- oder Quartierüblichkeit begründet wird, beweispflich­ tig sind (Botsch. 1985, S. 1492; dem Grundsatz nach richtig, aber im konkreten Fall inkonsequent BGE 139 III 13, E. 3.1.4, in: MRA 2/13, S.  15  ff.; Urteil 4A_295/2016 vom 29. November 2016; ferner das Urteil des Obergerichts des

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Kantons Zürich vom 23. August 1996, in: MRA 1/97, S. 1 ff., mit zutreffendem Kommentar Raoul Futterlieb, S. 4 f., vgl. nachfolgend N 29). Entsprechendes gilt für den Fall, in welchem die Mieter einen allenfalls behaupteten offensicht­ lich übersetzten Kaufpreis oder Anlagewert mit einem aus orts- oder quartie­ rüblichen Mietzinsen ermittelten Ertragswert nachzuweisen haben (Art. 269 OR i.V.m. Art. 10 VMWG; vgl. BGE 120 II 240, in: MRA 3/95, S. 163). 25

Richtig kann bei dieser Sachlage nur sein, die Frage der Vergleichbarkeit mit einer gewissen Flexibilität zu handhaben. Die einzelnen Qualitätsmerkmale der angerufenen Vergleichsobjekte sind im Rahmen der auch vom Bundesge­ richt als notwendig erachteten Beweiserhebungen mittels Augenschein (Urteil des Bundesgerichts vom 24. April 1995, E. 3a, in: MRA 1/96, S. 2) zu gewich­ ten und gegeneinander abzuwägen. So kann allenfalls ein besserer Unterhalts­ zustand, ein neueres Baujahr, eine ruhigere oder aber auch verkehrsgünstigere Lage einen Flächenunterschied, einen fehlenden Lift oder Balkon kompen­ sieren. Es können auch gegenüber dem Vergleichsobjekt fehlende Elemente sich im unterschiedlichen Mietzins niederschlagen, was die Vergleichbarkeit gleichwohl nicht ausschliesst (vgl. in diesem Sinne zutreffend BGE 114 II 364, E. 4b, anders aber die aktuelle Praxis, vgl. BGE 141 III 569, E. 2.2.1, wo das Bundesgericht festhält, die als solche erkannte Beweisnot rechtfertige es nicht, die Anforderungen für den Nachweis von der Gewissheit auf die Stufe der hohen Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, womit es dem Kriterium der Ortsoder Quartierüblichkeit definitiv den Todesstoss versetzt hat. Es ist ernsthaft zu bezweifeln, dass diese Praxis mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar ist, vgl. hierzu auch das Urteil des Bundesgerichts 4A_295/2016 vom 29. Novem­ ber 2016, E. 5.2.2; vgl. Rohrer, OQÜ II).

2.4.3 26

Gutachten als Beweismittel?

Gemäss Art. 183 ff. ZPO können im Prozessverfahren Sachverhaltselemente, welche Fachwissen voraussetzen, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bewiesen werden. Das Bundesgericht hat, soweit ersichtlich, ledig­ lich in einem singulären Entscheid erwogen, der für die Bestimmung der ortsoder quartierüblichen Verhältnisse verlangte Vergleich könne nicht durch ein Gutachten über den Ertragswert des Grundstückes ersetzt werden (BGE 114 II 361, E. 3). Daraus hat sich in der Literatur die Auffassung verbreitet, der Nach­ weis der Orts- oder Quartierüblichkeit könne generell nicht auf dem Weg eines Gutachtens erbracht werden (so z.B. Higi, ZK, N 56 zu Art. 269a OR, ausdrück­ lich unter Hinweis auf den erwähnten BGE; zutreffend und Gutachten befür­ wortend demgegenüber HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.28, S. 17). In

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einem anderen Urteil hat es den Nachweis der Orts- oder Quartierüblichkeit durch ein Sachverständigengutachten zumindest nicht ausgeschlossen: Im Sachverhalt, der dem Entscheid 4A_551/2008 vom 12. Mai 2009 zugrunde lag, hatte das Bundesgericht zu beurteilen, ob die Verlängerung des Mietverhält­ nisses nach ausgeübtem Optionsrecht wirksam geworden war, obwohl sich die Parteien über den für die Verlängerungsdauer massgebenden Mietzins nicht geeinigt hatten. Der Mietvertrag sah dabei vor, dass bei Ausübung der Option derjenige Mietzins bezahlt werden müsse, «der am Ort für gleichartige Parzel­ len üblich» sei. Das Bundesgericht hielt dafür, die Verlängerung der Vertrags­ beziehung sei eingetreten, weil über den Mietzins für die Verlängerungsdauer keine Verhandlungen mehr geführt werden müssten, nachdem der Mietzins aufgrund des Hinweises auf den justiziablen Begriff der Orts- oder Quartierüb­ lichkeit genügend bestimmbar sei. Dieser Mietzins könne im Streitfall in einem gerichtlichen Verfahren ermittelt werden, weil in dessen Verlauf der Nachweis mittels einer nach anerkannten Methoden der Immobilienbewertung durchge­ führten Ertragswertschätzung erbracht werden könne (a.a.O., E. 5.2, in: MRA 4/10, S. 177 ff.). Im BGE 141 III 201 erwog das Bundesgericht schliesslich, es sei auch für die Beweisführung der orts- oder quartierüblichen Mietzinse bei Wohnmietverhältnissen im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung möglich, dass eine sachverständige Privatperson als gerichtliche Gutachterin im Sinne von Art. 183 ZPO eingesetzt werde (a.a.O., E. 3.2.3). Bei der Miete von Geschäftsräumen könnten die Parteien im Übrigen die Beurteilung des orts- oder quartierüblichen Mietzinses einem Schiedsgericht, welches sie frei ernennen könnten, oder einem Schiedsgutachter übertragen (a.a.O., E. 3.2.3; ungenau: MfdP/Brutschin, N 19.2.9, die unter Hinweis auf das angeführte Prä­ judiz generell Schiedsgutachten zur Ermittlung der orts- oder quartierübli­ chen Verhältnisse ausgeschlossen haben will, dabei aber übersieht, dass das Bundesgericht dies nur für Wohnräume so entschieden hat; vgl. ferner Rohrer, OQÜ II, S. 61 ff. und 72 f.).

2.4.4

Amtliche Statistiken

Art. 11 Abs. 4 VMWG erlaubt im Zusammenhang mit der Beweisführung der 27 orts- oder quartierüblichen Verhältnisse die Berücksichtigung amtlicher Statis­ tiken. Der Begriff «amtlich» indiziert, dass zum Nachweis der orts- oder quar­ tierüblichen Verhältnisse nur Statistiken zugelassen werden, die einer staatlichen Kontrolle unterstellt sind. In der Literatur wird denn auch ausdrücklich die Auffassung vertreten (und zu Unrecht aus dem nachfolgend erwähnten Prä­ judiz gefolgert, vgl. die Überschrift zur Übersetzung des Urteils 4A_179/2015 vom 16. Dezember 2015, publiziert als BGE 141 III 569, in: mp 1/16, S. 66 ff.), Beat Rohrer

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privat erhobene Statistiken, die von Immobilienkreisen erstellt würden, könn­ ten nicht in Betracht gezogen werden (MfdP/Brutschin, N 19.2.7). Dem ist zu widersprechen. Im erwähnten Fall, den das Bundesgericht zu beurteilen hatte, hatte sich die Vermieterin darauf berufen, dass Statistiken von professionellen Kennern der Branche aussagekräftiger seien als amtliche Statistiken von kan­ tonalen oder eidgenössischen Behörden. Das Bundesgericht schloss in seinen Erwägungen den Beizug von Statistiken, die von privater Seite erstellt wurden, nicht generell aus. Es stellte lediglich fest, dass die von der Vermieterschaft im konkreten Fall angerufenen Informationen einer Broschüre Immo-Moni­ toring für die betroffene Gemeinde lediglich den durchschnittlichen Miet­ zins, der in der fraglichen Zeit für eine 4-Zimmer-Wohnung bezahlt wurde, nannte. Der erwähnten Broschüre waren indessen keine nach den verschiede­ nen Vergleichskriterien differenzierenden Informationen für die zu beurtei­ lende Wohnungskategorie zu entnehmen (BGE 141 III 569, E. 3.2.2, in: MRA 2/16, S.  61  ff.). Da deshalb offenkundig war, dass die Hinweise der Vermie­ terin auf die erwähnte Broschüre sowie auf Mietangebote der Internetseite­ www.immoscout.ch die Anforderungen an den Detaillierungsgrad bzw. an die für Statistiken geforderte Aussagekraft nicht erfüllten, brauchte das Bundes­ gericht die Frage der Beweistauglichkeit privater Statistiken nicht grundsätz­ lich zu entscheiden. Unzutreffend ist indessen, dass es mit seinen Erwägungen diese als Beweismittel generell ausschloss. 28

Selbst wenn unter Mitwirkung von staatlichen Behörden erhobene Statistiken existieren, wird gefordert, dass diese einen hohen Detaillierungsgrad bezüg­ lich der massgebenden Vergleichskriterien aufzuweisen haben. Sie dürfen nur berücksichtigt werden, wenn sie genügend differenzierendes Zahlenmaterial enthalten, und zwar mit Bezug auf sämtliche Vergleichskriterien, also Lage, Grösse, Ausstattung, Zustand und Bauperiode (BGE 141 III 569, E. 2.2.2, in: MRA 2/16, S. 61 ff.; BGE 123 III 317, E. 4a, in: MRA 5/97, S. 185 ff., wo allerdings zu hohe Anforderungen an das statistisch erfasste Zahlenmate­ rial gestellt werden; kritisch: Rohrer, OQÜ, S. 194 f.; Urteil 4C.176/2003 vom 13. Januar 2004; 4A_412/2009 vom 15. Dezember 2009, E. 4; 4A_669/2010 vom 28. April 2011, E. 6.1; Weber, BSK, N 2 zu Art. 269a OR, m.w.H.; MfdP/Brut­ schin, N  19.2.7). In einem singulären Fall, in dem ein städtischer Mietpreis­ raster einige, allerdings nicht alle Angaben zu den Vergleichskriterien enthielt, hielt das Bundesgericht den Nachweis der Orts- oder Quartierüblichkeit durch den Hinweis auf die erwähnte Statistik für erbracht: Im Mietpreisraster des sta­ tistischen Amtes des Kantons Basel-Stadt wurden Wohnviertel, Zimmerzahl, Bauperiode und das Merkmal «renoviert» bzw. «nicht renoviert» berücksich­ tigt. Nach diesen Kriterien ergab sich für eine 4-Zimmer-Wohnung ein statis­ 752

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tisch ausgewiesener Mietzins von 1120 CHF pro Monat, und das Bundesgericht erachtete unter Berücksichtigung dieses statistischen Wertes den umstrittenen Mietzins von 662 CHF  als nicht missbräuchlich (Urteil des Bundesgerichts 4C.176/2003 vom 13. Januar 2004). In einem anderen Urteil betrachtete das Bundesgericht die Berücksichtigung statistischer Angaben über durchschnitt­ liche Mietzinse von Geschäftsräumen, auf die der Mieter sich berufen hatte, als ausreichende Grundlage für die Festlegung des Anfangsmietzinses, ohne sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Durchschnittswerte den Anforde­ rungen an das genügend differenzierende Zahlenmaterial überhaupt erfüllen konnten. Allerdings hatte der Vermieter die Richtigkeit der statistischen Anga­ ben offenbar nicht bestritten. Er hatte sich des Weiteren an der Sachverhalts­ erhebung nicht beteiligt und weder Angaben zur Ertragsberechnung erstat­ tet noch Vergleichsobjekte bezeichnet (Urteil des Bundesgerichts 4A_250/2012 vom 28. August 2012, in: MRA 2/13, S. 30 ff., mit Kommentar Marco Giavarini, S. 36 ff.). Mehrfach hat das Bundesgericht festgestellt, im Kanton Genf existiere keine den Anforderungen für den Nachweis der orts- oder quartierüblichen Verhältnisse geeignete Statistik (Urteil des Bundesgerichts 4A_295/2016 vom 29. November 2016; BGE 136 III 74, E. 4; Urteil 4A_645/2011, E. 3.5; Urteil des Bundesgerichts 4A_250/2012 vom 28. August 2012, in: MRA 2/13, S. 30 ff.; MfdP/Brutschin, N 19.2.7).

2.4.5 Beweislast Der Beweis für die Orts- oder Quartierüblichkeit des Mietzinses obliegt nach 29 dem Grundsatz, wie er in Art.  8 ZGB Niederschlag gefunden hat, derjeni­ gen Vertragspartei, welche sich auf dieses Kriterium beruft. Der Vermieter ist beweispflichtig, wenn er den Mietzins unter Berufung auf die Orts- oder Quartierüblichkeit erhöhen oder einem Begehren des Mieters um Mietzins­ senkung wegen Kostenveränderungen den entsprechenden Einwand entge­ genstellen will. Ficht der Mieter den Anfangsmietzins an oder erhebt er gegen­ über einer Mietzinserhöhung, welche der Vermieter nach einer Handänderung unter Berufung auf die Erzielung eines angemessenen Ertrages geltend macht, den Einwand, es sei ein offensichtlich übersetzter Kaufpreis entrichtet wor­ den, so ist er beweisbelastet (Botsch. 1985, S. 1491; BGE 120 II 240; MRA 1/95, S. 3 ff.; MRA 4/95, S. 195 ff.; Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 23. August 1996, in: MRA 1/97, S. 1 ff.). Das Bundesgericht weicht in sei­ ner Praxis zur Anfechtung des Anfangsmietzinses von dieser Regel ab, wenn der neu festgelegte Mietzins gegenüber dem Mietzins, der vom Vormieter für die gleiche Sache bezahlt worden ist, erheblich erhöht worden ist. Es igno­

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riert dabei den klaren Willen des Gesetzgebers (BGE 139 III 13, in: MRA 2/13, S. 15 ff.; bestätigt im Urteil 4A_295/2016, E. 5.3.1, vgl. N 50 ff. zu Art. 270 OR). 30

Der Nachweis der orts- oder quartierüblichen Verhältnisse kann durch die Bezeichnung von nach Auffassung der beweisbelasteten Partei zum Vergleich geeigneten Objekten oder – allenfalls alternativ – unter Hinweis auf amtliche oder aussagekräftige, privat von branchenkundigen Personen oder Unterneh­ mungen erhobenen Statistiken und nach hier vertretener Auffassung unter Berufung auf eine Expertise erbracht werden (HAP-Immobiliarmietrecht/Bät­ tig, Rz.  1.28, S.  17; Siegrist, Mietzins, S.  71  ff.; abweichend BGE 114 II 361, wo das Bundesgericht allerdings lediglich eine Expertise zur Ermittlung des Ertragswertes einer Liegenschaft als nicht beweistauglich erachtete; Higi, ZK, N  56 zu Art.  269a OR; MfdP/Brutschin, N  19.2.9, unter Berufung auf den erwähnten Bundesgerichtsentscheid; Weber, BSK, N 2 zu Art. 269a OR). Wenn das grundlegende Kriterium der Orts- oder Quartierüblichkeit die ihm vom Gesetzgeber zugedachte Funktion nicht vollends verlieren soll, wie dies auf­ grund der rigorosen Gerichtspraxis zunehmend der Fall ist, dann dürfen an die Substanziierung der Vergleichsobjekte nicht übertrieben hohe Anforderungen gestellt werden. Dies gilt umso mehr, als die beweisbelastete Partei nur über beschränkte Möglichkeiten verfügt, von Dritten (Vermietern, Verwaltungen oder Mietern) sachdienliche Informationen oder Dokumente zum Nachweis der Orts- oder Quartierüblichkeit erhältlich zu machen. Es muss somit genü­ gen, dass die beweisbelastete Partei die Adresse, die in der dort befindlichen Liegenschaft zum Vergleich angerufene Wohnung mit Angabe von Etage und Zimmerzahl und den aktuell massgebenden Mietzins nennt und die Behaup­ tung erhebt, das so bezeichnete Mietobjekt sei mit dem zu beurteilenden ver­ gleichbar (Higi, ZK, N 131 ff. zu Art. 269a OR).

31

Ungenügend ist der Hinweis auf in der Tagespresse oder auf Internetplattfor­ men erschienene Inserate, da nicht feststeht, ob zu entsprechenden Konditi­ onen Mietverträge abgeschlossen werden können. Inserate lassen im Übri­ gen bestenfalls Rückschlüsse auf Marktverhältnisse zu, nicht aber auf die auf der Basis von Vergleichsmietzinsen zu ermittelnde Orts- oder Quartierüblich­ keit (Gmür/Thanei, Mietzinserhöhung, S. 18; Urteil des Bundesgerichts vom 24. April 1995, in: MRA 1/96, S. 1 ff.).

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Art. 269a

2.5

Verhältnis Orts- oder Quartierüblichkeit und angemessener Ertrag

Es wird auf N 12 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR verwiesen.

2.6

32

Besonderheiten bei Geschäftsräumen

Art. 11 Abs. 2 VMWG sieht vor, dass der Vergleich für Geschäftsräume gemäss 33 Art. 269a Buchst. a OR mit den quartierüblichen Quadratmeterpreisen erfol­ gen kann. Verglichen werden dabei die Quadratmeterpreise der einzelnen Flächenkategorien, also Laden EG mit Laden EG, Laden 1. OG mit Laden 1. OG, Lager mit Lager, Büro/Praxis mit Büro/Praxis usw. Verfügt ein Miet­ objekt über verschiedene Flächenkategorien, z.B. Laden, Büro und Lager, so sind die Quadratmeterpreise der einzelnen Kategorien miteinander zu ver­ gleichen. Die Vergleichbarkeit setzt also nicht etwa voraus, dass Vergleichsob­ jekte auch mit Bezug auf die Zusammensetzung von Teilflächen verschiedener Kategorien vergleichbar sind, weil das die Vergleichbarkeit auch in städtischen Verhältnissen von vornherein ausschliessen und damit die Anwendung von Art. 11 Abs. 2 VMWG illusorisch machen würde. Gemäss der im BGE 114 II 364, E. 4b, eingeleitete Praxis müssen die Vergleichsobjekte nicht mit Bezug auf alle Vergleichskriterien identisch sein. Insbesondere impliziert die Möglichkeit, wonach die Vergleichbarkeit auf der Basis von Quadratmeterpreisen beurteilt werden kann, dass die zum Vergleich herangezogenen Mietobjekte bezüglich der Grösse bzw. Fläche keineswegs vergleichbar sein müssen (Higi, ZK, N 125 zu Art.  269a OR, vgl. N  14). Wohl aber ist vorausgesetzt, dass der Zustand der zum Vergleich herangezogenen Mietobjekte, also insbesondere die Aus­ stattung bei Mietbeginn (Rohbau mit erforderlichen mieterseitigen Ausbauten oder vom Vermieter fertig ausgebaut zur Verfügung gestellt) dem zu beurtei­ lenden Mietobjekt entsprechen (Urteil des Bundesgerichts vom 24. April 1995, in: MRA 1/96, S. 1 ff.).

3. Kostensteigerungen 3.1 Allgemeines Gemäss Art. 12 Abs. 1 VMWG gelten «insbesondere» Erhöhungen des Hypo­ 34 thekarzinses, der Gebühren, Objektsteuern, Baurechtszinsen, Versicherungs­ prämien sowie der Unterhaltskosten als Kostensteigerungen. Diese Aufzäh­ lung in der Verordnung ist nicht abschliessend; der Vermieter kann also auch Beat Rohrer

755

Art. 269a

andere, hier nicht namentlich genannte Kostensteigerungen im Rahmen einer Mietzinserhöhung geltend machen. 35

Grundsätzlich fallen alle laufenden Aufwendungen des Vermieters im Zusam­ menhang mit dem Betrieb und der Bewirtschaftung einer Liegenschaft unter den Begriff der «Kosten». Art.  269a Buchst.  b OR visiert die Erhöhung der­ jenigen Kosten an, die vom Mieter mit dem Nettomietzins – und nicht etwa als separat vereinbarte Nebenkosten nach effektivem Aufwand oder pauschal – bezahlt werden. Zu den «Kosten» im Sinne von Art. 269a Buchst. b OR gehö­ ren insbesondere Unterhaltsaufwand, die Fremdfinanzierungsaufwendungen, der allfällig vom Vermieter dem Eigentümer zu entrichtende Baurechtszins, Steuern und Abgaben aller Art, Versicherungsprämien, Verwaltungskosten und andere nicht separat als Nebenkosten ausgeschiedene Aufwendungen und Betriebskosten (vgl. Higi, ZK, N 198 ff. zu Art. 269a OR; MfdP/Brutschin, N 19.3 betreffend die Fremdfinanzierungskosten und N 19.4 betreffend Unter­ halts- und Betriebskosten; Bohnet/Broquet, CPra, N  29  ff. zu Art.  269a OR; Zihlmann, Mietrecht, S. 149; Weber, BSK, N 6 ff. zu Art. 269a OR; Maag, Unter­ haltskostenpauschale, S. 151).

36

In BGE 106 II 362, E.  5b (bestätigt im BGE 111 II 380, E.  2) hat das Bun­ desgericht festgehalten, dass Kostensteigerungen bezüglich Unterhalts- und Betriebsaufwendungen aufgrund des Vergleiches eines mehrjährigen Durch­ schnitts über eine frühere Periode mit dem mehrjährigen Durchschnitt der Folgeperiode zu ermitteln sind. Das Bundesgericht hat diese Praxis dem Grundsatz nach bis heute beibehalten (Urteil des Bundesgerichts 4A_88/2013 vom 17. Juli 2013, E. 4.1; Urteil 4A_530/2012 vom 17. Dezember 2012, E. 3.1, in: MRA 1/14, S.  27  ff.; Urteil 4A_484/2011 vom 2.  November 2011, E.  7; Weber, BSK, N 8 zu Art. 269a OR). Dies erscheint deshalb als problematisch, weil die effektiv jährlich anfallenden Unterhaltskosten eher durch die (zufäl­ lige) Anzahl von Mieterwechseln während einer bestimmten Periode und den dabei jeweils erbrachten Unterhaltsaufwendungen als von Teuerungsfaktoren beeinflusst werden (vgl. N 26 f. Vorbem. zu Art. 269–270e OR). Inkonsequent erscheint die höchstrichterliche Praxis sodann angesichts der Tatsache, dass Art.  12a VMWG (entsprechend der früheren Rechtsprechung zum massge­ benden Leitzinssatz für erste Hypotheken) mit Bezug auf die Fremdfinanzie­ rungskosten auf einen statistisch ermittelten, also bezogen auf den Einzelfall fiktiven Referenzwert abstellt, obwohl der Nachweis der effektiven Fremdfi­ nanzierungskosten für jede Liegenschaft auf einfachste Weise erbracht werden könnte. Dabei bleibt unbeachtlich, dass Veränderungen dieses Referenzwertes den Mietzins gar nicht beeinflussen, wenn der Vermieter kein Fremdkapital

756

Beat Rohrer

Art. 269a

zu verzinsen hat. Der Nachweis der effektiven Kostensteigerungen ist schliess­ lich mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden, weil eine relativ geringfü­ gige Mietzinsanpassung auf der Grundlage einer Unmenge von Aktenmaterial substanziiert und bewiesen werden muss, was den Rahmen von Schlichtungsund Gerichtsverfahren ausserordentlich strapaziert, wenn nicht sogar sprengt. Zu Recht wird daher von namhaften Autoren gefordert, dass im Interesse der einfachen und raschen Streitschlichtung für die Ermittlung von Kostenstei­ gerungen vernünftige, aus Erfahrungswerten abgeleitete Pauschalen angewen­ det werden sollen (Higi, ZK, N 216–216 zu Art. 269a OR; Maag, Unterhalts­ kostenpauschale, S. 149 ff.; Hulliger/Heinrich, CHK, N 19 zu Art. 269–269a OR; differenzierend MfdP/Brutschin, N 19.4.2; Siegrist, Mietzins, S. 84). Nur das Abstellen auf Pauschalen ermöglicht den Schlichtungsbehörden, die ihnen zugedachte Beratungs- und Schlichtungstätigkeit überhaupt effektiv wahrzu­ nehmen (Art. 201 Abs. 2 ZPO). Das Bundesgericht hat seine Praxis in verschiedenen Urteilen etwas relativiert. 37 In einem Urteil vom 1. Oktober 2001, 4C.157/2001 (in: MRA 2/02, S. 45 ff.), hielt es fest, es könne bundesrechtlich die Berücksichtigung einer Pauschale dann nicht beanstandet werden, wenn angesichts besonderer Umstände anzu­ nehmen sei, die Pauschale entspreche eher der durchschnittlichen tatsächli­ chen Kostenentwicklung als der Vergleich effektiver Kosten. Pauschalen könn­ ten deshalb im Einzelfall zugelassen werden, solange gewährleistet sei, dass sie nicht zu einer überhöhten Kostensteigerung führten und keine andere Methode ein genaueres Ergebnis erwarten lasse (BGE 111 II 378, E. 2, bestä­ tigt im Urteil 4A_88/2013 vom 17.  Juli 2013, wo die besonderen Umstände darin bestanden, dass der Vermieter nach einer Handänderung über keine Informationen betreffend die vom früheren Eigentümer aufgewendeten jähr­ lichen Unterhaltskosten verfügte). Angesichts der vorstehend angesprochenen Beweisprobleme ist offenkundig, dass die vom Bundesgericht skizzierten Vor­ aussetzungen nicht den Ausnahme-, sondern den Regelfall umschreiben (vgl. Rohrer, Kostensteigerung, S. 50 f.; Hulliger/Heinrich, CHK, N 19 zu Art. 269– 269a OR; differenzierend, aber Pauschalen nicht generell ablehnend: MfdP/ Brutschin, N 19.4.2). Behörden und Gerichte verschiedener Kantone wenden für die Beurteilung der 38 Zulässigkeit allgemeiner Kostensteigerungen ungeachtet der höchstrichterli­ chen Rechtsprechung weiterhin die Faustregel an, wonach pauschale Mietzinserhöhungen von 0,5% bis 1,0% pro Jahr ohne speziellen Nachweis zugelassen werden (vgl. Gratz, Mietzinsgestaltung, S. 95 f.; befürwortend zumindest für Schlichtungsverfahren Weber, BSK, N 8 zu Art. 269a OR; ZMP 3/91, Nr. 27/31,

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757

Art. 269a

Urteil Mietgericht Zürich vom 1.  November 1990, bestätigt durch das Ober­ gericht des Kantons Zürich am 14. Mai 1991; Urteil Mietgericht Zürich vom 2. März 1995, in: ZMP 2/95, Nr. 19; Urteil des Gerichtskreises VIII Bern-Lau­ pen vom 11. Mai 2001, bestätigt durch den Appellationshof des Kantons Bern am 11. September 2001, in: MRA 1/05, S. 1 ff.). Dieser Lösung ist gegenüber der Praxis des Bundesgerichts – die von unteren Instanzen bewusst nicht befolgt wird – aus verschiedenen Gründen der Vorzug zu geben (vgl. N 26 Vorbem. zu Art. 269–270e OR; gl.M. Siegrist, Mietzins, S. 83 f.). Der Ansatz der Pau­ schale richtet sich dabei nach der Inflationsrate für den zu beurteilenden Zeit­ raum, den separat erhobenen Nebenkosten, dem Unterhaltszustand und dem absoluten Betrag des Mietzinses: Sind nur wenige Nebenkosten separat aus­ geschieden, rechtfertigt sich ein höherer pauschaler Ansatz. Liegt der Miet­ zins betragsmässig eher hoch, relativiert sich der Ansatz, weil Unterhalts- und Betriebskosten nicht zwingend proportional zum absoluten Mietzinsbetrag, der häufig durch marktmässige Gegebenheiten bestimmt wird (Lage!), anfal­ len (MfdP/Brutschin, N 19.4.2). 39

Zur Überwälzung von Unterhaltsaufwendungen, die im Zusammenhang mit umfassenden Überholungen anfallen, vgl. N 27 ff. zu Art. 269 OR.

40

Unzutreffend ist die aus BGE 120 II 100, E. 5a, abgeleitete Auffassung, im Teu­ erungsausgleich auf dem risikotragenden Kapital (40% der Teuerung des Lan­ desindexes der Konsumentenpreise seit der letzten Anpassung unter diesem Titel, vgl. N 110 f.) seien bereits allgemeine Kostensteigerungen für Unterhaltsund Betriebskosten enthalten, soweit mehr als eine Quote von 28% der Teue­ rung in Anschlag gebracht werde (vgl. Weber, BSK, N 8 zu Art. 269a OR; ähn­ lich MfdP/Brutschin, N 19.4.2). Diese Auffassung übersieht einerseits, dass der Begriff des «risikotragenden» Kapitals nicht mit demjenigen des Fremdkapital­ anteils gleichgesetzt werden darf und anderseits, dass der Verordnungsgeber in Art. 16 VMWG den entsprechenden Teuerungsausgleich ausdrücklich für das risikotragende Kapital, nicht aber für gestiegene Unterhalts- und Betriebskos­ ten, vorgesehen hat. Der Verordnungstext ist derart klar, dass er keiner Inter­ pretation zugänglich ist.

3.2 Referenzzinssatz 41

Mit Bezug auf die Veränderung der Fremdfinanzierungskosten bestimmt die seit dem 1. Januar 2008 in Kraft stehende Reglung von Art. 12a VMWG, dass dafür Veränderungen eines Referenzzinssatzes massgebend sein sollen. Dieser Referenzwert wird vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement viertel­

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Art. 269a

jährlich als volumengewichteter Durchschnittszinssatz für inländische Hypo­ thekarforderungen ermittelt und publiziert. Die daraus folgenden Anpassun­ gen des Mietzinses richten sich nach Art. 13 VMWG: Die in dieser Bestimmung enthaltenen Überwälzungssätze beruhen auf der Fiktion, wonach alle Liegen­ schaften zu 60% fremd- und zu 40% eigenfinanziert sind (vgl. auch Art.  16 VMWG betreffend Teuerungsausgleich auf dem mit 40% bewerteten risikotra­ genden Kapital; im Übrigen N 24 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR). Massgebend für eine Mietzinserhöhung bzw. -senkung ist die Veränderung des 42 Referenzzinssatzes um jeweils ¼%. Das Mass der zulässigen Anpassung wird grundsätzlich vom aktuellen Referenzzinssatz abhängig gemacht, der im Zeit­ punkt, auf den die Mietzinsfestlegung oder -anpassung wirksam wird, massge­ bend ist. Ohne ausdrückliche Erwähnung des für die Festlegung des Anfangs­ mietzinses massgebenden Referenzzinssatzes gilt die Vermutung, dass für die künftige Mietzinsgestaltung Veränderungen des Referenzzinssatzes gegen­ über dem im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses massgebenden Zeitpunkt aus­ schlaggebend sein sollen. Veränderungen des Referenzzinssatzes erlauben nach Art. 13 Abs. 1 VMWG folgende Mietzinsanpassungen: a) Mietzinserhöhungen in Prozent; Referenzzinssatz von 1.50%

1.75%

2.00%

2.25%

2.50%

2.75%

3.00%

3.25%

3.50%

3.75%

4.00%

4.25%

auf 1.75%

3

2.00%

6

3

2.25%

9

6

3

2.50%

12

9

6

3

2.75%

15

12

9

6

3

3.00%

18

15

12

9

6

3

3.25%

21

18

15

12

9

6

3

3.50%

24

21

18

15

12

9

6

3

3.75%

27

24

21

18

15

12

9

6

3

4.00%

30

27

24

21

18

15

12

9

6

4.25%

33

30

27

24

21

18

15

12

9

6

3

4.50%

36

33

30

27

24

21

18

15

12

9

6

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3

759

43

Art. 269a

b) Mietzinssenkungen in Prozent; Referenzzinssatz von 4,25%

4,00%

3,75%

3,50%

3,25%

3,00%

2,75%

2,50%

2,25%

2,00%

1,75%

1,50%

auf

44

4,00%

2,91

3,75%

5,66

2,91

3,50%

8,26

5,66

2,91

3,25%

10,71

8,26

5,66

2,91

3,00%

13,04

10,71

8,26

5,66

2,91

2,75%

15,25

13,04

10,71

8,26

5,66

2,91

2,50%

17,36

15,25

13,04

10,71

8,26

5,66

2,91

2,25%

19,35

17,36

15,25

13,04

10,71

8,26

5,66

2,91

2,00%

21,25

19,35

17,36

15,25

13,04

10,71

8,26

5,66

2,91

1,75%

23,07

21,25

19,35

17,36

15,25

13,04

10,71

8,26

5,66

2,91

1,50%

24,81

23,07

21,25

19,35

17,36

15,25

13,04

10,71

8,26

5,66

2,91

1,25%

26,47

24,81

23,07

21,25

19,35

17,36

15,25

13,04

10,71

8,26

5,66

2,91

Die Standardisierung der Überwälzung von Veränderungen des Referenzzins­ satzes (früher Hypothekarzinsveränderungen)  – ausgehend von der Fiktion eines Verhältnisses von 60% Fremdfinanzierung und 40% Eigenfinanzierung – führt dazu, dass auch dem Vermieter einer hypothekenfreien Liegenschaft eine Mietzinserhöhung zugestanden wird, wenn der Referenzzinssatz ansteigt (BGE 103 II 263, E. 5; 101 II 338, E. 2d; BGE 118 II 45, in: mp 2/92, S. 84 ff., m.w.H.). Umgekehrt kann der Mieter eine Reduktion des Mietzinses wegen einer rück­ läufigen Entwicklung des Referenzzinssatzes auch dann verlangen, wenn der Vermieter die Liegenschaft vollständig eigenfinanziert hat und ebenso, wenn er wegen der für die Mietliegenschaft bestehenden Fremdfinanzierung, zum Bei­ spiel wegen einer langjährigen Festhypothek, von der Veränderung des Refe­ renzzinssatzes gar nicht betroffen ist. Das Bundesgericht hatte dies seinerzeit aufgrund des Gebotes der Gleichbehandlung für richtig erachtet: Der Eigentü­ mer soll auf dem gegen die Geldentwertung nicht gesicherten Teil seines Kapi­ tals einen Ertrag beanspruchen können, der demjenigen auf dem Kapitalmarkt entspricht. Deshalb hängt die Berechtigung für eine Mietzinserhöhung nach der Rechtsprechung nicht von den konkreten Auswirkungen für Eigentümer ab, und die Bewegungen des Hypothekarmarktes müssen nach einem allge­ mein auf alle Liegenschaften anwendbaren Schlüssel auf die Mietzinse über­ wälzt werden. Auf der gleichen Linie liegt auch das Urteil BGE 133 II 61, in welchem eine Klausel als nichtig qualifiziert wurde, gemäss welcher Verände­ rungen des Hypothekarzinssatzes die Mietzinsgestaltung  – mangels Fremd­ finanzierung  – nicht beeinflussen sollten. Das Bundesgericht hiess den vom Mieter trotz dieser Klausel geltend gemachten Herabsetzungsanspruch gut, indem es befand, die erwähnte Klausel habe zur Folge, dass der dem Mieter 760

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Art. 269a

aufgrund von Art.  270a OR im Falle von Kostensenkungen zwingend zuste­ henden Herabsetzungsanspruch vereitelt würde. Ein Problem, das bereits unter der früher befolgten Praxis bestanden hat, 45 wonach für die Mietzinsgestaltung auf einen sogenannten Leitzinssatz des am Ort führenden Bankinstitutes abzustellen war, wurde durch die Änderung der VMWG mit der Einführung der neuen Bestimmung von Art. 12a nicht gelöst. Lässt man nämlich auch inskünftig gegenüber einer Mietzinserhöhung, die mit einem Anstieg des vom EVD publizierten Referenzzinssatzes begründet wird, den Einwand zu, es werde ein übersetzter Ertrag erzielt (vgl. BGE 124 III 310), so ergeben sich kaum lösbare, einseitig den Vermieter benachteiligende Pro­ bleme: Nach herrschender Praxis sind für die Berechnung des angemessenen Ertrages die tatsächlichen Kosten des Vermieters von Bedeutung. Hat der Ver­ mieter eine Festhypothek – möglicherweise zu einem günstigeren Satz als dem Referenzzinssatz gemäss Publikation EVD – aufgenommen, so könnte deshalb ein übersetzter Ertrag resultieren, weil sich die Erhöhung des Referenzzinssat­ zes für den Vermieter kostenmässig gar nicht auswirkt. Ändern sich nun nach Ablauf der Festhypothek die Finanzierungsverhältnisse des Vermieters, so ist es diesem – wiederum nach bisheriger bundesgerichtlicher Praxis – verwehrt, die dadurch eingetretene Kostenveränderung gegenüber dem Mieter geltend zu machen. Das Entsprechende ist nur möglich, wenn sich auch gleichzeitig der Referenzzinsatz gemäss Publikation des EVD verändert (BGE 120 II 302, wo das Bundesgericht noch speziell darauf hinweist, der Vermieter könne sich im laufenden Mietverhältnis trotz der durch die Erhöhung seines individuellen Fremdkapitalzinssatzes eingetretenen Änderung seiner Ertragslage auch nicht auf den absoluten Erhöhungsgrund von Art. 269 OR berufen, wenn er keinen entsprechenden Vorbehalt im Mietvertrag erklärt habe. Dass ein solcher Vor­ behalt nur erklärt werden musste, wenn im massgebenden Zeitpunkt eine dem Vermieter bereits zustehende Mietzinsanpassungsmöglichkeit nicht vollstän­ dig in Anspruch genommen worden wäre [Art. 18 VMWG], ist dem Bundes­ gericht offensichtlich entgangen. Unbestreitbar ist es ja kaum je möglich, eine in der Zukunft liegende Veränderung des nach Ablauf der Festhypothek mass­ gebenden Zinssatzes der Fremdfinanzierung in Franken oder Prozenten des Mietzinses zu quantifizieren, wie es Art.  18 VMWG für einen gültigen Vor­ behalt vorschreibt). Im Endeffekt bewirkt die inkonsequente Praxis des Bun­ desgerichts, dass die Beurteilung der allfälligen Missbräuchlichkeit eines Miet­ zinses zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, je nachdem, ob absolute oder relative Kriterien zur Anwendung gelangen (kritisch: Higi, ZK, N 208/209 zu Art. 269a OR).

Beat Rohrer

761

Art. 269a 46

Der vorstehend aufgezeigten Unzulänglichkeit kann auf zwei verschiedene Arten begegnet werden: Entweder muss es zulässig sein, dass im konkreten Ver­ tragsverhältnis die Veränderungen eines anderen Zinssatzes als diejenigen des sogenannten Referenzzinssatzes, wie er vom EVD publiziert wird, ausdrück­ lich als mietzinsgestaltend vereinbart werden (Zihlmann, Mietrecht, S. 152 f.; Siegrist, Mietzins, S. 90 f.). Die Rechtsnatur von Art. 12a VMWG steht dem nicht entgegen. Es kann ausgeschlossen werden, dass auf dem Verordnungs­ weg zwingendes Recht geschaffen werden kann, solange im übergeordneten Recht keine entsprechenden zwingenden Regelungen bestehen. Im Übrigen profitiert auch der Mieter von einer den individuellen Finanzierungsverhält­ nissen folgenden Mietzinsgestaltung, insbesondere dann, wenn bei Vereinba­ rung einer sogenannten Festhypothek Mietzinsschwankungen zufolge verän­ derter Referenzzinssätze für eine bestimmte Dauer eliminiert werden können. Folgerichtig muss dann aber der Mietzins nach Ablauf der Dauer, für wel­ che eine Festhypothek bestanden hat, den im massgebenden Zeitpunkt aktu­ ellen Verhältnissen angepasst werden können. Vorausgesetzt ist sodann, dass der Vermieter während der Dauer der Festhypothek keine Mietzinsanpassun­ gen gestützt auf veränderte Referenzzinssätze anzeigt (so sinngemäss zum frü­ her massgebenden «Leitzinssatz» wohl BGE 120 II 301, E. 7b, in: MRA 2/95, S. 68 ff.). Die andere Möglichkeit besteht darin, dass die vorstehend aufgezeigte Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 120 II 302) preisgegeben und dem Vermieter gestattet wird, bei einer Veränderung des massgebenden, individu­ ellen Fremdkapitalzinssatzes eine Mietzinsanpassung unter Berufung auf die nunmehr veränderte Ertragslage, d.h. unter Berufung auf die Erzielung eines angemessenen Ertrages, geltend zu machen. Nichts spricht gegen eine solche Praxisänderung: Solange der Vermieter keinen übersetzten Ertrag erzielt, ist der Mietzins gemäss Art. 269 OR nicht missbräuchlich.

47

Art. 13 Abs. 1 VMWG bestimmt, dass bei Senkungen des Hypothekarzinsfus­ ses der Mietzins «entsprechend» herabzusetzen oder mit zwischenzeitlich ein­ getretenen Kostenveränderungen zu verrechnen sei. Bezüglich des Ausmasses des durch eine Hypothekarzinssenkung bewirkten Anspruches auf eine Miet­ zinsreduktion kann auf die tabellarische Darstellung verwiesen werden (vgl. N 43). Näheres zum Umfang eines allfälligen Herabsetzungsanspruches und zu den Einwendungen des Vermieters, die einem entsprechenden Begehren ent­ gegengestellt werden können: N 16 ff. zu Art. 270a OR.

48

Haben die Vertragsparteien Zahlungspläne im Sinne von Art. 269a Buchst. d OR vereinbart (vgl. N 103 ff.), gelten im Falle von Hypothekarzinsänderungen die im Mietvertrag vereinbarten Regelungen (Art.  13 Abs.  2 VMWG). Eine

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Beat Rohrer

Art. 269a

zusätzliche Anpassung – sei es nach oben oder nach unten – an den veränder­ ten Referenzzinssatz kann in diesem Fall nur vorgenommen werden, wenn dies im Mietvertrag vorgesehen ist.

3.3

Reine Kostenmiete

Bei Vorliegen von Rahmenmietverträgen (vgl. N  112  ff.) gelten die dort ver­ 49 einbarten, speziellen Regelungen betreffend die Veränderung der Leitsätze für Fremdfinanzierung (Art. 13 Abs. 2 VMWG). Mit Bezug auf den zulässigen Umfang der Mehrbelastung enthält Art. 13 Abs. 3 50 VMWG eine klare Einschränkung, wonach die gestützt auf Art.  13 Abs.  1 VMWG berechnete Mehrbelastung nur dann auf dem gesamten investierten Kapital (Fremdkapital und Eigenkapital) erhoben werden kann, wenn unter Verzicht auf die Anpassung an die Quartierüblichkeit und an den Teuerungs­ ausgleich dauernd mit der reinen Kostenmiete gerechnet wird. Diese Bestim­ mung ist toter Buchstabe geblieben, da kaum ein Vermieter sich darauf beruft. Zunächst enthalten weder Gesetz noch Verordnung eine Definition des Begrif­ 51 fes der reinen Kostenmiete. Schwerer aber wiegt, dass die Voraussetzung, wonach «dauernd» mit der reinen Kostenmiete gerechnet werden müsse, die Anwendung der in Art. 13 Abs. 3 VMWG geregelten Möglichkeit, den gesam­ ten fremdfinanzierten Anteil den durch Veränderungen des Referenzzinssat­ zes eintretenden Kostenveränderungen anzupassen, unattraktiv erscheinen lässt. Denn ein Systemwechsel wäre wohl in einem laufenden Mietverhält­ nis kaum mehr möglich. Schliesslich ist zu bedenken, dass die bisherige Pra­ xis eine Verzinsung des investierten Eigenkapitals in der Grössenordnung von ½% über dem Referenzzinsatz (früher Hypothekarzins) ausdrücklich als nicht missbräuchlich anerkannt hat (BGE 112 II 152, E. 2b). Damit besteht ein Anspruch auf Erzielung einer höheren Eigenkapitalrendite bei jeder Erhöhung des Referenzzinssatzes. Der Vermieter kann also auch im Rahmen der relati­ ven Methode unter Berufung auf Art. 269 OR eine Mietzinserhöhung geltend machen, da sich mit der Referenzzinssatzerhöhung ja seit der letzten Miet­ zinsfestsetzung die für die Bestimmung des zulässigen Eigenkapitalertrages massgebenden Verhältnisse verändert haben. Dies wird im Übrigen durch die Möglichkeit, den Teuerungsausgleich auf dem risikotragenden Kapital im stan­ dardisierten Umfang von 40% der Teuerungsentwicklung geltend zu machen, nicht ausgeschlossen: Die Inanspruchnahme des Teuerungsausgleiches verän­ dert die Rendite nicht, sondern dient lediglich dem Schutz des investierten Eigenkapitals vor den Folgen der Inflation.

Beat Rohrer

763

Art. 269a

52

4.

Mehrleistungen Vermieter

4.1

Begriffe «Mehrleistungen» und «umfassende Überholungen»

Als Mehrleistungen des Vermieters versteht Art. 14 Abs. 1 VMWG in Verbin­ dung mit Art. 269a Buchst. b OR: –– die wertvermehrenden oder qualitätsverbessernden Investitionen («Ver­ besserungen») –– die Vergrösserung der Mietsache –– zusätzliche Nebenleistungen des Vermieters Abs.  2 von Art.  14 VMWG umschreibt in der ab 1.  Januar 2008 geltenden Fassung sodann verschiedene energetische Verbesserungen, die ebenfalls als Mehrleistungen zu betrachten sind (vgl. dazu N 56 ff.).

53

Als «wertvermehrende Verbesserungen» sind diejenigen Investitionen des Vermieters zu verstehen, durch welche neue, bisher nicht vorhandene Einrich­ tungen geschaffen werden (z.B. Einbau eines Bades, Einbau eines Liftes, Einbau einer Zentralheizung, Einbau eines neuen, bisher nicht vorhandenen Balkons). Das Gegenstück zu den wertvermehrenden Investitionen bilden die Unterhaltsaufwendungen, die lediglich der Werterhaltung dienen und bei denen keinerlei Verbesserung der bisherigen Qualität im entsprechenden Bereich bewirkt wird. Dabei ist allerdings zu differenzieren: Zutreffend hat das Bun­ desgericht erwogen, dass jeder Ersatz einer Einrichtung, die vor mehr als zwan­ zig Jahren eingebaut worden sei, zu einem Mehrwert im Sinne von Art. 269a Buchst. b OR führe. Technologische Fortschritte hätten, so das Bundesgericht, zur Folge, dass solche neuen Einrichtungen den Standard der zuvor vorhan­ denen übertreffen würden, weil sie höherwertig, leistungsfähiger oder ener­ giesparender seien (Urteil des Bundesgerichts 4A_495/2010 und 4A_505/2010 vom 20. Januar 2011, E. 6.3, in: MRA 3/2011, S. 97 ff.; BGE 136 III 74, E. 3.2.1). Unwesentlich ist, aus welchen Gründen der Vermieter sich veranlasst sieht, eine Mehrleistung zu erbringen. Auch Einrichtungen und Ausstattungen, die aufgrund behördlicher Anordnungen oder veränderter gesetzlicher Grund­ lagen eingebracht werden, stellen «Mehrleistungen» im Sinne von Art.  269a Buchst. b OR in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 VMWG dar, wenn sie zuvor nicht vorhanden waren. Ausschlaggebend für die Qualifikation als «Mehrleis­ tung» ist ausschliesslich die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise: Es ist danach zu fragen, ob und in welchem Umfang der Vermieter die (ihm mögli­

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cherweise nachträglich aufgezwungene) Investition im Hinblick auf die Erhal­ tung des Mietobjektes in dem beim Vertragsabschluss bestehenden Zustand in seine Kalkulationen bezüglich künftiger Unterhaltsleistungen hat einbeziehen müssen. Soweit dies nicht der Fall ist – was bei grosszyklisch vorgenommenen Unterhalts- und Erneuerungsarbeiten regelmässig zutrifft –, stellt die entspre­ chende Investition stets eine Mehrleistung im Sinne von Art. 269a Buchst. b OR in Verbindung mit Art. 14 VMWG dar. Der Entscheid des Mietgerichts Zürich, welches den Einbau einer zuvor nicht 54 vorhandenen Brandschutzeinrichtung einzig deshalb als nicht wertvermeh­ rend qualifizierte, weil er aufgrund der aktuellen feuerpolizeilichen Vorschrif­ ten  – und daher zur Herstellung eines zum vorausgesetzten Gebrauch nach geltenden gesetzlichen Bestimmungen geeigneten Mietobjektes  – erforder­ lich war, übersieht die rein betriebswirtschaftliche Bedeutung von Art.  269a Buchst. b OR in Verbindung mit Art. 14 VMWG (MRA 5/03, S. 155 ff., ebenso Brutschin, ausgewählte Fragen, S. 81 ff.). Hätte der Vermieter ohne das Beste­ hen solcher Vorschriften von sich aus, also freiwillig, entsprechende Einrich­ tungen eingebaut, so wäre der wertvermehrende Charakter nicht zu bezwei­ feln gewesen. Es macht nun aber betriebswirtschaftlich keinen Unterschied, ob der Vermieter von sich aus eine zuvor nicht vorhandene, im konkreten Fall die Sicherheit erhöhende Massnahme trifft oder ob er dazu durch möglicher­ weise veränderte gesetzliche Bestimmungen oder behördliche Anordnungen gezwungen wird. Ähnliches gilt auch mit Bezug auf die Umrüstung von Hei­ zungsanlagen aufgrund neu geschaffener Bestimmungen der LuftreinhalteVerordnung vom 16. Dezember 1985, SR 814.318.142.1, oder etwa beim Ein­ bau besser gegen Schall isolierender Fenster in Gegenden, die zuvor nicht oder nicht im gleichen Ausmass vorhandenem massivem Flug- oder Strassenlärm ausgesetzt sind. Auch in diesen Fällen wird eine als beeinträchtigt erachtete Gebrauchstauglichkeit optimiert. Verbesserte Sicherheit (Brandschutz), weni­ ger Schadstoffe (Luftreinhaltung) und Schallisolation gegenüber neuen Lärm­ quellen (Isolationsfenster mit Steigerung der Wohnqualität) stellen stets objek­ tive Qualitätsverbesserungen und damit Wertvermehrungen dar. Ausschliesslich werterhaltende Investitionen können nicht zu einer Mietzins­ 55 erhöhung führen, da der Vermieter grundsätzlich verpflichtet ist, die Mietsa­ che dauernd in einem zum vorausgesetzten Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten (Art.  256 OR), womit er die entsprechenden Aufwendungen in sei­ nen Mietzinseinnahmen einkalkulieren muss. Allerdings erscheint es heute nahezu ausgeschlossen, dass bei der Vornahme von Unterhaltsarbeiten oder beim Ersatz vorhandener Einrichtungen der genau gleiche Qualitätsstandard

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geschaffen wird, der zuvor schon bestand. Der ständige technische Fortschritt, veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen, die insbesondere ökologischen Aspekten Rechnung tragen, höhere Ansprüche der Mieter an technische Ein­ richtungen, Schallisolation und Ästhetik sowie die Verbesserung von Materia­ lien und Arbeitsmethoden schaffen in aller Regel auch dort Qualitätsverbesse­ rungen, wo der notwendige Unterhaltsbedarf Anlass zur Renovation bzw. zum Ersatz vorhandener Einrichtungen gebildet hat (in diesem Sinne die Urteile des Bundesgerichts 4A_495/2010 und 4A_505/2010 vom 20. Januar 2011, E. 6.3, in: MRA 3/2011, S.  97  ff.; BGE 136 III 74, E.  3.2.1). Es muss daher im Ein­ zelfall geprüft werden, ob bei ausgewiesenem Unterhaltsbedarf vorgenom­ mene Arbeiten zu Qualitätsverbesserungen geführt haben, die in Form einer Mietzinsanpassung auf die Mieter überwälzt werden dürfen. Dabei kann der strenge Nachweis der Mehrkosten, die für die Qualitätsverbesserung aufzu­ wenden waren, in der Regel nicht erbracht werden, weshalb er nach Ermessen geschätzt werden muss. Das Bundesgericht hat in diesem Sinn entschieden, der Ersatz von einfach verglasten Fenstern durch Isolier-Doppelverglasungsfens­ ter sei im konkret beurteilten Fall im Umfang von 40% der Kosten wertver­ mehrend und rechtfertige eine entsprechende Mietzinserhöhung. Die neuen Fenster seien einfacher zu reinigen, verbesserten das Wohnklima und sparten Heiz­energie ein; ausserdem entfalle das Anbringen von Vorfenstern in der kal­ ten Jahreszeit (Urteil des Bundesgerichts 4C.287/2001 vom 26. März 2002, in: MRA 3/02, S. 96 ff.). 56

Art. 14 Abs. 2 VMWG bestimmt in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung, dass auch näher umschriebene «energetische Verbesserungen» als Mehr­ leistungen zu betrachten seien und daher eine entsprechende Mietzinserhö­ hung rechtfertigten. Beispielhaft erwähnt Art.  14 Abs.  2 Buchst.  a VMWG dabei Massnahmen zur Verminderung der Energieverluste der Gebäude­ hülle, Buchst. b Massnahmen zur rationellen Energienutzung, Buchst. c Mass­ nahmen zur Verminderung der Emissionen bei haustechnischen Anlagen, Buchst. d Massnahmen zum Einsatz erneuerbarer Energien und Buchst. e den Ersatz von Haushaltsgeräten mit grossem Energieverbrauch durch Geräte mit geringem Verbrauch.

57

Es fällt schwer, Sinn und Zweck dieser Änderung von Art. 14 VMWG zu ver­ stehen. Die in Art. 14 Abs. 2 Buchst. a bis e VMWG aufgeführten Massnahmen sind nämlich zwanglos als Mehrleistung zu qualifizieren, welche bereits unter dem Geltungsbereich der früheren Fassung dieser Bestimmung eine Mietzins­ erhöhung rechtfertigten. Es ist offensichtlich  – und entspricht auch der gän­ gigen Praxis von Schlichtungsbehörden und Gerichten  –, dass Investitionen

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des Vermieters, welche in irgendeiner Weise zur Schonung der Umwelt beitra­ gen, «Mehrleistungen» darstellen, gleichgültig, ob der Vermieter solche Ver­ besserungen freiwillig oder in Befolgung veränderter gesetzlicher Grundlagen erbringt. Art. 14 Abs. 3 in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung der VMWG bestimmt, 58 dass als Mehrleistung bei Massnahmen zur energetischen Verbesserung nur derjenige Teil der Kosten geltend gemacht werden kann, der die Kosten zur Wiederherstellung oder Erhaltung des ursprünglichen Zustandes übersteigt. Diese Bestimmung erscheint im Hinblick auf ihre praktische Anwendung pro­ blematisch und könnte, wenn sie zu restriktiv angewendet wird, dazu führen, dass mit der geänderten Verordnungsbestimmung genau das Gegenteil von dem erreicht wird, was offensichtlich angestrebt wurde. Dazu Folgendes: Erneuert ein Vermieter bestehende, einfach verglaste Fenster aus den Siebzi­ 59 gerjahren und bringt er hochwertige dreifach verglaste Isolationsfenster mit bestmöglichen Isolationswerten (Schall und Wärme) ein, so ist es unmöglich, den Preisunterschied dieser beiden Qualitätskategorien zu ermitteln, weil es auf dem Markt Fenster von der Qualität derjenigen, die in den Siebzigerjah­ ren eingebaut wurden, gar nicht mehr gibt. Wie also soll nun der Nachweis der Wertvermehrung erbracht werden? Das Bundesgericht entschied genau die hier gestellte Frage im Urteil 4C.287 vom 26. März 2002 (MRA 3/02, S. 96 ff.) und dabei eine pauschal veranschlagte Wertvermehrung von 40% anerkannt. Es ist kaum anzunehmen, dass der Verordnungsgeber in Missbilligung dieser Entscheidung nun dem Vermieter den strengen Nachweis der effektiven Mehr­ leistung hat auferlegen wollen, weil damit der Anreiz, energetische Verbesse­ rungen in Anwesenheit der Mieter im Mietobjekt vorzunehmen, aufgrund der Unmöglichkeit der entsprechenden Beweisführung gerade unterlaufen würde. Ähnliche Überlegungen gelten mit Bezug auf andere, ökologisch sinnvolle Erneuerungen, etwa das Einbringen eines stromsparenden, somit ökologisch und ökonomisch besseren Glaskeramikkochherdes anstelle des bisherigen, der auf dem Markt nicht mehr angeboten wird, die Erneuerung der Wohnungsab­ schlusstüren durch feuerhemmendere, besser gegen Schall und Wärmeverlust isolierende Türen, sicherere und ruhiger laufende Aufzugsanlagen mit elektro­ nischem Lichtvorhang als Türsicherung, besser gegen Schall und Wärmever­ lust isolierte Steigleitungen und anderes mehr. Für all diese Verbesserungen müssen auch weiterhin die von Verbänden publizierten pauschalen Quoten von Qualitätsverbesserungen angewendet werden, weil der strenge Nachweis der Wertvermehrung anders nicht zu erbringen ist. Immerhin kann der Nach­ weis eines unter Umständen wesentlichen Teils der Wertvermehrung dadurch

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erbracht werden, dass sich der Vermieter den Ersatz einer Einrichtung durch das billigste marktgängige Produkt offerieren lässt, das höchstwahrscheinlich qualitativ immer noch besser als das vor Jahrzehnten in der betroffenen Lie­ genschaft eingebrachte sein dürfte. Er kann dann den Betrag der Wertvermeh­ rung aus der Preisdifferenz zwischen dem offerierten und dem eingebauten Produkt herleiten. Dieser Betrag rechtfertigt, verzinst und amortisiert auf die Lebensdauer des erneuerten Bereiches und unter Berücksichtigung einer ange­ messenen Unterhaltsquote eine Mietzinserhöhung. Werden von der öffentli­ chen Hand oder von anderen Institutionen Förderbeiträge ausgerichtet, was nach Art. 14 Abs. 3bis VMWG mit der Begründung der Mietzinsanpassung auf dem amtlichen Formular zu deklarieren ist (vgl. hierzu N 47 zu Art. 269d OR), so bewirkt das eine Vermutung für einen tendenziell höheren sogenannt wert­ vermehrenden Anteil der Investitionen des Vermieters, da davon ausgegangen werden kann, solche Mittel würden nur im Hinblick auf nachhaltige ökologi­ sche Verbesserungen der Mietliegenschaft ausgerichtet. 60

Die Vergrösserung der Mietsache kann z.B. in der Zuteilung eines zusätzlichen Raumes, in der Zusammenlegung der bisherigen Wohnung mit Teilen einer anderen Wohnung, in der Zuteilung eines Parkplatzes oder einer Garage beste­ hen oder in der Überlassung von Nebenräumen (Estrichabteil, Keller, Lager). Unter dem Begriff der zusätzlichen Nebenleistungen können beispielsweise die Übernahme der Schneeräumung durch den Vermieter oder die Einsetzung eines Hauswartes verstanden werden, wenn das Entsprechende zuvor durch die Mieter zu erledigen war.

61

Nimmt der Vermieter umfassende Überholungen vor, so ist er berechtigt, 50% bis 70% davon als wertvermehrende Investitionen auf die Mietzinse zu über­ wälzen (Art. 14 VMWG). Dabei enthält Art. 14 Abs. 1 VMWG im zweiten Satz eine Art mathematischer Gleichung, die auch folgendermassen umschrieben werden könnte: «Die Kosten umfassender Überholungsarbeiten, also grösse­ rer Unterhaltsarbeiten, sind gleich zu behandeln wie eine Wertvermehrung im anteiligen Umfang von 50% bis 70%.»

62

Die Bestimmung von Art. 14 VMWG bezweckt, die Vermieter durch eine ver­ einfachte und für sie vorteilhafte Abrechnungsart zur Sanierung von Bauten zu ermuntern oder mindestens nicht davon abzuhalten (Urteil des Bundes­ gerichts 4A_102/2012 vom 30. Mai 2012; Urteil 4A_501/2010 vom 19. Januar 2011, E.  3). Es sollte erreicht werden, dass Vermieter nicht dazu übergehen, den Unterhalt bewusst zu vernachlässigen, damit in der Folge alle Mietver­ träge gekündigt, die Sanierung effizienter und billiger durchgeführt und her­ nach die neu renovierten Mietobjekte marktkonform zur Neuvermietung 768

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angeboten werden können. Gleichzeitig sollen die Vermieter davon entbun­ den werden, die insbesondere bei grösseren Sanierungsarbeiten regelmässig schwierige Unterscheidung zwischen reinen Unterhaltsleistungen und wert­ vermehrenden Arbeiten vornehmen zu müssen (Urteile des Bundesgerichts 4A_495/2010 und 4A_505/2010 vom 20. Januar 2011, in: MRA 3/2011, S. 97 ff., E. 4.1; Urteil 4C.328/2005 vom 9. Dezember 2005, E. 2.2; ähnlich schon BGE 110 II 408; Hauri, Mietzins, S. 125; Lachat, Mehrleistungen, S. 144 f.; MfdP/ Brutschin, N 19.5.4). Als umfassende Überholungen im Sinne dieser Bestimmungen gelten Sanie­ 63 rungsarbeiten, welche den laufenden Unterhalt deutlich übersteigen, wesent­ liche Bauteile einer Liegenschaft betreffen und zum Ziel haben, deren Lebens­ dauer zu verlängern und zu modernisieren (HAP-Immobiliarmietrecht/ Bättig, Rz. 1.32, m.w.H. auf das Urteil des Bundesgerichts 4A_495/2010 und 4A_505/2010 vom 20. Januar 2011, in: MRA 3/2011, S. 97 ff.). In der Regel – aber nicht zwingend – werden dabei mehrere Bereiche einer Liegenschaft (zum Beispiel Küchen und Badezimmer mit neuen Elektroanlagen, Geräten, Bodenund Wandplatten, Sanitäranlagen, Schreinerarbeiten, Malerarbeiten usw.) saniert. Unerheblich ist, inwieweit eine bestimmte Mindestanzahl von Berei­ chen oder Bauteilen der Liegenschaft von den Sanierungsarbeiten betroffen ist, abgesehen davon, dass die Differenzierung nach Bauteilen wohl nicht ohne Weiteres möglich erscheint (Bättig, Überwälzung, S.  9). Allein entscheidend für die Annahme einer umfassenden Überholung ist die Grössenordnung des investierten Volumens im Verhältnis zu den jährlichen Mietzinseinnah­ men (Bättig, a.a.O., S.  8, m.w.H.; HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz.  1.36, S. 21; MfdP/Brutschin, N 19.5.4; Urteil des Bundesgerichts 4A_501/2010 vom 19. Januar 2011, E. 5.1). Nach der Praxis der Gerichte liegt eine umfassende Überholung immer dann vor, wenn der investierte Betrag die durchschnittli­ chen jährlichen Unterhaltskosten erheblich übersteigt (Urteil des Bundesge­ richts 4A_495/2010 und 4A_505/2010 vom 20. Januar 2011, in: MRA 3/2011, S. 97 ff.; Obergericht des Kantons Zürich, in: ZMP 2/92, Nr. 22, S. 31 ff.) Uner­ heblich ist demgegenüber, ob der Vermieter nur einen einzelnen Bereich (z.B. Fassade) saniert oder aber mehrere gleichzeitig (ZMP 2/92, Nr.  22, S.  31  ff.; Siegrist, Mietzins, S.  103). Die ratio legis von Art.  14 VMWG ist nämlich vorab betriebswirtschaftlicher Natur: Da es dem Vermieter verwehrt ist, im Rahmen der Mietzinsgestaltung im Hinblick auf künftig anfallende, grössere Unterhaltsarbeiten Rückstellungen zu bilden (vgl. BGE 122 III 257, in: MRA 5/96, S. 187 ff., mit Kritik von Hans Bättig, S. 194 f.; ferner: Rohrer, übersetz­ ter Ertrag, S. 43 ff.; Gratz, Mietzinsgestaltung, S. 73 ff.; Bättig, Nettorenditebe­ rechnung, S. 123; N 28 ff. zu Art. 269 OR), stellen alle den jährlich anfallenden Beat Rohrer

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durchschnittlichen Unterhaltsaufwand deutlich übersteigenden Unterhalts­ leistungen umfassende Überholungen dar, die auf dem Weg der Anwendung von Art. 14 VMWG refinanziert werden müssen (Giavarini, Mietzinserhöhung, S. 99 ff., m.w.H., ferner BGE 118 II 415, wo bei einem Investitionsvolumen, das dem 2,9-fachen der jährlichen Mietzinseinnahmen entsprach, ohne Weiteres von einer umfassenden Überholung ausgegangen wurde). 64

Unerheblich im Hinblick auf die grundsätzliche Berechtigung einer Mietzins­ erhöhung ist, ob die umfassende Überholung auch als «aufgeschobener Unterhalt» bezeichnet werden kann, welcher nach einer in der Literatur vertrete­ nen Auffassung keine Mietzinserhöhung rechtfertigen soll (MfdP/Brutschin, N 19.5.6; dieselbe, Überwälzung, 139 f.; ferner Higi, ZK, N 371 ff. zu Art. 269a OR). Die von Higi als massgebend erachteten Kriterien für die Abgrenzung zwischen aufgeschobenem Unterhalt und eine Mietzinserhöhung rechtfer­ tigenden umfassenden Überholungen erweisen sich als nicht überzeugend: Zunächst lässt sich nichts aus der Beantwortung der Frage gewinnen, ob die ausgeführten Arbeiten eine wesentliche Erhöhung der Lebensdauer der betrof­ fenen Bereiche bewirken. Dies ist nämlich bei Unterhaltsarbeiten in den meis­ ten Bereichen eines Gebäudes stets der Fall, weshalb dieses Kriterium gerade die Annahme bestätigt, dass in grösserem Rahmen durchgeführte Sanierungen stets umfassende Überholungen im Sinne von Art. 14 VMWG darstellen. Die Überprüfung, ob in den vergangenen fünf bis zehn Jahren Unterhaltsaufwand im üblichen Ausmass erbracht wurde, führt auch nicht weiter: Zunächst bleibt unbeantwortet, was denn als «übliches Ausmass» zu betrachten ist. Sodann wird vernachlässigt, dass ein Vermieter, der in absehbarer Zeit umfassende Überho­ lungen geplant hat, vernünftigerweise bis zur Durchführung keine grösseren Unterhaltsinvestitionen mehr tätigt (Higi, ZK, N 372 f. zu Art. 269a OR). Die These, wonach «aufgeschobener Unterhalt» keine Mietzinserhöhung rechtfer­ tigen soll, verkennt schliesslich gerade die ratio legis von Art.  14 VMWG: Der Vermieter nimmt umfassende Überholungen nämlich in der Regel – und auch im Interesse der Mieter, die sonst in kurzen Zeitintervallen immer wie­ der mit erheblichen Mietzinserhöhungen konfrontiert würden – erst vor, wenn einzelne der zu sanierenden Bereiche ihre statistische Lebensdauer erreicht oder überschritten haben und sich die Vornahme von Renovationen mindes­ tens mit Bezug auf einen Teil der vorgesehenen Arbeiten geradezu als unauf­ schiebbar erweist. Da – wie sich aus dem Wortlaut von Art. 14 Abs. 1, 2. Satz VMWG ableiten lässt – die Anwendung der in dieser Bestimmung enthaltenen «Faustregel» sich auch in den Fällen gebietet, in denen im Wesentlichen oder sogar ausschliesslich Unterhaltsarbeiten ausgeführt worden sind, kann es keine Rolle spielen, ob diese Unterhaltsleistungen längere Zeit hinausgeschoben wor­ 770

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den sind. Das Entsprechende – und die Frage, inwieweit in den vorangehen­ den Jahren Unterhaltsaufwendungen erbracht wurden – ist erst bei Festlegung des überwälzbaren Anteils der Sanierungskosten bedeutsam (vgl. dazu Bättig, Überwälzung, S. 13 f.; vgl. N 67 ff.). Unerheblich ist schliesslich, ob die umfassenden Überholungen in einem Zug 65 ausgeführt oder ob grössere Arbeiten zeitlich gestaffelt vorgenommen werden (gl.M. Higi, ZK, N 373 zu Art. 269a OR, der allerdings voraussetzt, dass die gestaffelt durchgeführten Arbeiten auf einem einheitlichen Erneuerungsplan basieren, was, da Art. 14 VMWG rein betriebswirtschaftlichen Charakter hat, nicht vorausgesetzt werden muss. Es ist ohne Weiteres zulässig, dass die Kos­ ten von mehreren über einen längeren Zeitraum durchgeführten Sanierungs­ massnahmen nach Abschluss des Sanierungsprogrammes unter Berufung auf die erwähnte einschlägige Verordnungsbestimmung auf die Mietzinse über­ wälzt werden). Dass eine gestaffelte Durchführung von umfassenden Überho­ lungen die Berechtigung zur Vornahme einer Mietzinsanpassung unter Beru­ fung auf Art. 14 Abs. 1 VMWG nicht ausschliesst, bestätigt auch Abs. 5 dieser Bestimmung: Mietzinserhöhungen können ebenfalls gestaffelt, nämlich nach Massgabe bereits geleisteter Zahlungen geltend gemacht werden.

4.2

Überwälzung umfassender Überholungen

4.2.1

Überwälzbarer Anteil der Investitionen

Art.  14 VMWG erlaubt eine Überwälzung der gesamten Investitionen, die 66 der Vermieter im Zusammenhang mit einer umfassenden Überholung tätigt. Davon kann ein Anteil von zwischen 50% und 70% direkt und in einem Mal als Mietzinserhöhung geltend gemacht werden. Der Restbetrag, also die nicht direkt überwälzten 30% bis 50% der investierten Mittel, kann in der Folge­ zeit verzinst und auf die durchschnittliche Lebensdauer der sanierten Berei­ che zusätzlich zu den nach der Sanierung in der Folgezeit effektiv anfallenden, d.h. den sogenannt laufenden Unterhaltskosten, auf die Mietzinse überwälzt werden (dem Grundsatz nach, aber mit unhaltbarer Unterscheidung zwischen ordentlichem und ausserordentlichem Unterhalt das Urteil 4A_530/2012 vom 17. Dezember 2012, in: MRA 1/14, S. 27 ff., vgl. dazu nachfolgend N 82 ff.). Es handelt sich bei Art. 14 VMWG nicht um eine «Wertvermehrungsklausel», sondern um eine rein betriebswirtschaftliche Regelung (Gratz, Mietzinsgestal­ tung, S.  99). Das hat zunächst die Konsequenz, dass es im Zusammenhang mit der Überwälzung auf die Mietzinse unerheblich ist, inwieweit die Mie­ ter subjektiv die getätigten Investitionen als nützlich empfinden bzw. inwie­

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weit sie davon direkt profitieren (Urteil des Bundesgerichts 4A_470/2009 vom 18. Februar 2010, E. 2.1; Urteil 4A_413/2008 vom 26. November 2008, E. 4.1; Lachat David, in: mp 4/93, S. 140). Weiter bedeutet dies, dass zu den überwälz­ baren Investitionen alle Kosten zu rechnen sind, die in direktem Zusammen­ hang mit den umfassenden Überholungen angefallen sind. Dazu gehören nebst den reinen Baukosten auch die Kosten der Planung, Bauleitung sowie Spezia­ listenhonorare, Kosten für Nebenarbeiten wie Bauplatzinstallation, Kranmiete, Gerüstungen, Gebühren und Abgaben im Zusammenhang mit Bewilligungen, Kosten für die Bereinigung bestehender oder die Einräumung neuer Dienstbar­ keiten, Finanzierungskosten wie Errichtung oder Erhöhung von Schuldbriefen, Baukreditzinsen bzw. die Verzinsung der vom Vermieter bis zum Inkrafttre­ ten der Mietzinserhöhung vorgenommenen Vorfinanzierung und schliess­ lich auch die an die Mieter gestützt auf Art. 259d OR allenfalls ausbezahlten Inkonvenienzentschädigungen bzw. gewährte verhältnismässige Mietzinsre­ duktionen (Bättig, Überwälzung, S.  39; Lachat, Mehrleistungen, S.  150; Ent­ scheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 3. Mai 2001, in: MRA 5/01, S. 137 ff., bestätigt durch den Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 5. September 2007; abweichend, aber mit Bezug auf die Inkonvenienzent­ schädigungen und die Verzinsungskosten ohne Ansatz einer überzeugenden, betriebswirtschaftlich fundierten Begründung Weber, BSK, N 12 zu Art. 269a OR; MfdP/Brutschin, N 19.5.1). Nach der h.L. hat der Vermieter den Mietern für die mit den Sanierungsarbeiten verbundenen Inkonvenienzen eine verhält­ nismässige Mietzinsreduktion zu gewähren, weil die Beeinträchtigungen als «Mangel» im Sinne von Art.  259d OR betrachtet werden. Selbstverständlich muss diesfalls die nicht freiwillig erbrachte Aufwendung über die Mietzinsein­ nahmen refinanziert werden, da der Vermieter alle mit dem Grundeigentum verbundenen notwendigen Ausgaben ausschliesslich aus Mietzinseinnahmen bestreiten können muss (Bättig, Überwälzung, S. 39). Anders zu entscheiden hiesse, dem Vermieter zuzumuten, dass er zwingend mit dem Liegenschaften­ eigentum verbundene Kosten, die nicht in den Bereich des Unternehmerrisi­ kos fallen, aus anderen Mitteln als aus den Mietzinseinnahmen bestreiten muss, womit der ihm theoretisch zugedachte, gesetzlich limitierte Ertrag zusätzlich eingeschränkt würde. Das Argument, die ausgerichteten Mieterentschädigun­ gen stellten keinen Mehrwert dar (MfdP/Brutschin, N 19.5.1), verkennt den rein betriebswirtschaftlichen Gehalt von Art.  14 Abs.  1 VMWG: Auch das nur vorübergehend gestellte Gerüst für das Anbringen der Fassadenisolation, Arbeiten im Zusammenhang mit dem Abbruch von Bauteilen, der vorüberge­ hend gestellte Kran, die Transportkosten für das Verbringen neuer Küchenge­ räte in die Mietliegenschaft oder die Schuttmulden, die im Hinblick auf den

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Abtransport von Baumaterialien benötigt werden, bewirken per se keinerlei Mehrwert; trotzdem ist unbestreitbar, dass die dafür aufgewendeten Kosten bei der Berechnung der Mietzinserhöhung zu berücksichtigen sind. Das Bundesgericht hatte in seiner älteren Rechtsprechung verschiedentlich 67 erwogen, der Vermieter müsse den Versuch unternehmen, bei umfassenden Überholungen den wertvermehrenden Anteil zu bestimmen. Nur wenn dieser Anteil nicht bestimmbar sei, könne die «Faustregel» von Art. 14 Abs. 1 VMWG zur Anwendung gelangen. Diese Auffassung wird trotz der Erfahrung, wonach eine solche Aufteilung aus verschiedenen Gründen nicht praktikabel ist, auch in einem Teil der Literatur vertreten (BGE 118 II 415; Urteil des Bundesge­ richts 4C.328/2005 vom 9.  Dezember 2005; Urteil vom 14.  September 1992, in: mp 2/93, S. 88 ff.; Lachat, Mehrleistungen, S. 147 f.; Weber, BSK, N 12 zu Art. 269a OR, immerhin beschränkt auf Fälle, «in denen nur einzelne Arbei­ ten ausgeführt werden»; Brutschin, ausgewählte Fragen, S. 81 ff., S. 96 ff.; die Autorin bestätigt nunmehr allerdings, dass eine solche Aufteilung «anerkann­ termassen nicht möglich ist», MfdP/Brutschin, N 19.5.5). In grundsätzlicher Hinsicht ist festzustellen, dass im Rahmen von umfassenden 68 Überholungen die Bestimmung eines wertvermehrenden Anteils bzw. dessen Abgrenzung gegenüber bloss werterhaltenden Arbeiten in aller Regel unmög­ lich ist (sie wird mittlerweile auch vom Bundesgericht in konstanter Praxis als schwierig bezeichnet, so unter anderem im Urteil 4A_102/2012 vom 30. Mai 2012, E.  2.4; Weber bezeichnet den Versuch eines entsprechenden Nachwei­ ses als Unterfangen, das zum Scheitern verurteilt sei, BSK N 12 zu Art. 269a OR; vgl. auch MfdP/Brutschin, N 9.5.5). Wie bereits erwähnt wurde, führen technische Fortschritte, zunehmendes Umweltbewusstsein und damit einher­ gehende veränderte gesetzliche Grundlagen und höhere Bedürfnisse bezüg­ lich Sicherheit, Ästhetik und Komfort dazu, dass in der Regel in allen sanierten Bereichen qualitative Verbesserungen enthalten sind, deren Anteil an den auf­ gelaufenen Kosten nicht bestimmbar ist. Wie soll beispielsweise die Wertver­ mehrung der im Bereich der Elektroinstallationen verbesserten Absicherung, die zuvor nicht vorhanden war, nun aber Standard darstellt, oder etwa diejenige des sichereren, effizienteren und weniger stromverbrauchenden Induktions­ glaskeramikherdes bewertet werden? Wie ist der Mehrwert einer brandschutz­ technisch höherwertigen, besser gegen Schall isolierenden und einbruchsi­ chereren Wohnungsabschlusstür zu ermitteln? Unzutreffend ist die in einem Teil der Literatur vertretene These, Verbesserungen, welche bei umfassenden Überholungen auch unter Berücksichtigung veränderter gesetzlicher Grundla­ gen, zum Beispiel im Bereich Brandschutz, Energiehaushalt, Erdbebensicher­

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heit oder Behindertengerechtigkeit, vorgenommen werden, könnten deshalb keine Mehrleistung darstellen, weil die Erfüllung von gesetzlichen Vorschriften faktisch als Mängelbeseitigung zu betrachten sei, welche ausschliesslich vom Vermieter finanziert werden müsse (vgl. N 54; Brutschin, ausgewählte Fragen, S. 81 ff.). Diese Auffassung verkennt die rein betriebswirtschaftliche Funktion von Art.  14 VMWG, welche darin besteht, dem Vermieter eine Refinanzie­ rung getätigter Investitionen zu einem insgesamt vernünftigen Satz zu ermög­ lichen. Bei dieser Sachlage ist unerheblich, ob der Vermieter eine Einrichtung, die zuvor nicht oder nicht gleichwertig vorhanden war, von sich aus einbaut oder deshalb, weil neuere Vorschriften dies verlangen. Eine weitere Schwierig­ keit beim Versuch, Investitionen in werterhaltende und wertvermehrende zu unterteilen, besteht darin, dass einzelne Bauabläufe im Rahmen einer komple­ xen Sanierung in technischer Hinsicht ineinandergreifen, dass also beispiels­ weise ein Unternehmer Vorbereitungsarbeiten für die Installation neuer Ein­ richtungen durch einen anderen Unternehmer treffen muss. Der Baumeister beispielsweise vergrössert den Liftschacht, damit eine neue Kabine, die behin­ dertengerecht ist, eingebaut werden kann. Er bricht eine Wand heraus, damit die neue Kücheneinrichtung installiert und eine Wohnküche gestaltet wer­ den kann. Der Gerüstbauer stellt das Gerüst auf, damit die Kompaktisolation der Fassade aufgebracht werden kann. Es ist offenkundig, dass die solcherart erbrachten Leistungen des Baumeisters und diejenigen des Gerüstbauers wert­ vermehrende Arbeiten darstellen, weil ohne diese Leistungen die Qualitäts­ verbesserungen gar nicht realisiert werden könnten. Diese Beispiele zeigen, dass zahlreiche einzelne (Teil-)Leistungen, die bei einer umfassenden Sanie­ rung erbracht werden, sich kaum mehr in die Kategorien «werterhaltend» und «wertvermehrend» einordnen lassen. Die Beispiele liessen sich beliebig ver­ mehren. Richtig ist daher, dass – entsprechend dem Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 VMWG – im Regelfall jede umfassende Überholung im Hinblick auf die Refi­ nanzierung über eine Mietzinserhöhung einen wertvermehrenden Anteil im Bereich von 50%–70% aufweist, der im Einzelnen nicht nachgewiesen werden muss, weil er nicht nachgewiesen werden kann. 69

Art.  14 Abs.  1 VMWG enthält demgemäss die grundsätzlich widerlegbare Vermutung, wonach umfassende Überholungen in der Regel einer Mehrleis­ tung im Umfang von 50%–70% der Investitionssumme entsprechen (Urteil des Bundesgerichts 4A_102/2012 vom 30. Mai 2012; Urteil 4A_501/2010 vom 19. Januar 2011, E. 3; BGE 118 II 417; Higi, ZK, N 381 zu Art. 269a OR, m.w.H.; Weber, BSK, N  12 zu Art.  269a OR; dem Grundsatz nach richtig Brutschin, ausgewählte Fragen, S.  81  ff.; dieselbe MfdP/Brutschin, N  19.5.4). Der Mie­ ter trägt die Beweislast dafür, dass sich das Ausmass einer Wertvermehrung 774

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bestimmen lässt und ferner  – falls dieser Beweis gelingt  – für das effektive Ausmass einer Wertvermehrung (Urteil des Bundesgerichts 4C.328/2005 vom 9. Dezember 2005; Bättig, Überwälzung, S. 35 f.). Faktisch ist die Vermutung allerdings unwiderlegbar, da aus den bereits dargelegten Gründen eine Auftei­ lung von werterhaltenden und wertvermehrenden Leistungen nicht möglich ist: Kann schon der Vermieter diese Abgrenzung nicht vornehmen, weil sie sich nicht vornehmen lässt, so kann dies noch viel weniger der dafür beweis­ pflichtige Mieter. Das Bundesgericht anerkannte im Urteil 4C.328/2005 vom 9. Dezember 2005, 70 dass der Mieter zum Beweis zuzulassen sei, wonach der überwälzbare wertver­ mehrende Anteil der Investitionen «ausnahmsweise» den Wert von 50% nicht erreiche. Es lässt aber zu, dass das urteilende Gericht auf die Beweiserhebung verzichtet und die Beweiswürdigung vorwegnimmt – im konkreten Fall also auf die Einholung einer Expertise zur Frage, ob die Wirkung der vorgenom­ menen Isolationsmassnahmen im vom Vermieter geltend gemachten Umfang zu einer Wertvermehrung führen, verzichtet. Das Bundesgericht stützte dabei im Rahmen seiner eingeschränkten Kognition die Begründung der Vorinstanz, gemäss der die angebotene Expertise den gesicherten Nachweis einer Wertver­ mehrung der vorgenommenen energetischen Verbesserungen nicht zu erbrin­ gen vermöge. Es folgte ihr auch insoweit, als die Vorinstanz erwogen hatte, dass selbst der erbrachte Nachweis einer unnützen energetischen Sanierung nichts an der Überzeugung zu ändern vermöge, dass ein Regelfall im Sinne von Art. 14 VMWG vorliege. Im Klartext bedeutet dies Folgendes: Wenn das urteilende Gericht in Würdigung aller Umstände zur Überzeugung gelangt, es liege ein Anwendungsfall von Art.  14 VMWG vor, so kann es auf die Erhe­ bung von Beweisen verzichten, mit denen der Mieter den Versuch unterneh­ men will, für einzelne oder alle erbrachten Massnahmen zu beweisen, dass die effektive Wertvermehrung ausnahmsweise den Wert von 50 bis 70% nicht erreiche. Das bestätigt die Auffassung, wonach die in Art. 14 VMWG enthal­ tene Vermutung faktisch unwiderlegbar ist (Bättig, Überwälzung, S. 36; MfdP/ Brutschin, N 19.5.5; Urteil des Bundesgerichts 4A_495/2010 und 4A_505/2010 vom 20. Januar 2001, in: MRA 3/2011, S. 97 ff.). Art.  14 Abs.  1 VMWG schreibt vor, dass umfassende Überholungen in der 71 Regel zu 50%–70% als wertvermehrende Aufwendungen zu qualifizieren sind. Diese Bandbreite, die dem Richter im Streitfall ein erhebliches Ermessen einräumt, sollte grundsätzlich weder unter- noch überschritten werden. Die Praxis neigt dazu, aus Prinzip diese Bandbreite vor allem im oberen Bereich nicht auszuschöpfen; selten wird einem Vermieter eine Überwälzung getätig­

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ter Investitionen zu einem Anteil, der höher als 60% liegt, zugestanden (vgl. Bättig, Überwälzung, S.  32  f. und die von ihm aus der Zielsetzung der Ver­ ordnungsbestimmung abgeleiteten Überlegungen zur Frage, inwieweit mit der Überwälzung der Sanierungsaufwendungen die zulässige Rendite des Vermie­ ters zumindest nicht verschlechtert werden sollte, a.a.O., S. 33 f.; derselbe HAPImmobiliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.38, S. 23). Die Tendenz der Rechtsprechung ist falsch, weil damit der Wille des Verordnungsgebers missachtet wird: Die­ ser geht davon aus, dass je nach den konkreten Umständen die ganze Band­ breite des Ermessensbereiches ausgeschöpft werden sollte; statistisch dürfte dabei in den meisten Fällen ein Ansatz von 60% angemessen erscheinen. In einem verhältnismässig gleichen quantitativen Umfang sollte der Spielraum, ausgehend von diesem Mittelwert, unter Beachtung der nachfolgenden Krite­ rien nach oben oder nach unten ausgeschöpft werden (vgl. hierzu auch Siegrist, Mietzins, S. 103 ff.). Im Einzelnen sind folgende Kriterien zur Bestimmung des massgebenden Ansatzes zu berücksichtigen: –– Der Zeitraum, der seit Erstellung des Gebäudes oder seit der letzten Sanie­ rung der konkret betroffenen Bereiche verstrichen ist. Ist die Zeitspanne, seit welcher die betroffenen Bereiche umfassend saniert bzw. erstellt wur­ den, wesentlich höher als die durchschnittliche Lebensdauer der sanierten Bereiche, tendiert der massgebende Ansatz innerhalb der Bandbreite von 50 bis 70% eher nach unten, weil der Vermieter die im Mietzins für den lau­ fenden Unterhalt einkalkulierten Mittel nicht unbedingt vollständig zweck­ konform eingesetzt hat (Lachat, Mehrleistungen, S. 147, m.w.H.; Higi, ZK, N  388 zu Art.  269a OR; differenzierend mit überzeugender Argumenta­ tion aber HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.39). Dies gilt allerdings nur dann, wenn die bisherigen Mietzinse nicht besonders günstig waren: Lagen die Mietzinse vor den Sanierungen unter dem marktüblichen Wert, so konnten kaum nennenswerte Mittel für künftige grössere Unterhaltsauf­ wendungen angespart werden. –– Der Anteil der Qualitätsverbesserungen (z.B. besser isolierende Fenster, Fassadenisolation, umweltschonendere Heizanlage auch bei gleichbleiben­ der Heizleistung, Balkonvergrösserungen, bessere, zeitgemässe Küchen­ geräte, verbesserte Sicherheit im Bereich der Elektroanlagen, einbruchsi­ cherere Wohnungsabschlusstüren, Sanitärleitungen mit besserer Isolation gegenüber Wärmeverlust und Schallimmissionen, ästhetisch schönere Plat­ tenbeläge in Küche und Bad usw.). Dieser Anteil muss, da eine genauere Bestimmung, wie dargelegt wurde, nicht möglich erscheint, überschlags­ mässig geschätzt werden (HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz.  1.39–

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1.42). Unerheblich ist nach der Praxis des Bundesgerichts ein Vergleich des Qualitätsstandards der Liegenschaft nach erfolgter Sanierung gegenüber dem Zustand vor dieser Sanierung (Urteil des Bundesgerichts 4A_470/2009 vom 18.  Februar 2010, E.  2.1, m.w.H., abweichend Higi, ZK, N  386 zu Art. 269a OR, allerdings mit der unzutreffenden Bemerkung, «aufgescho­ bener Unterhalt» stelle keine umfassende Überholung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 VMWG dar). –– Das Verhältnis der Gesamtkosten für die Sanierungen zu den Mietzinseinnahmen. Je mehr diese Kosten ein Vielfaches der Mietzinseinnahmen betragen, desto eher rechtfertigt sich die Überwälzung zu einem deutlich über 50% liegenden Ansatz (HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz.  1.45; Lachat, Mehrleistungen, S. 147; Higi, ZK, N 389 zu Art. 269a OR).

4.2.2

Verzinsung, Amortisation und Unterhalt

Gemäss Art. 14 Abs. 4 VMWG sind Mietzinserhöhungen für wertvermehrende 72 Investitionen (bzw. umfassende Überholungen) und energetische Verbesse­ rungen zum angemessenen Satz für Verzinsung, Amortisation und Unterhalt auf die Mietzinse zu überwälzen. Mit dieser Formulierung wird nichts ande­ res umschrieben als die im Zusammenhang mit anderen Kapitalisierungsrech­ nungen in der Betriebswirtschaft angewendete Annuitätenberechnung (HAPImmobiliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.1.51–1.53; derselbe, in: Bättig, Überwälzung, S. 36 ff.). Diese Annuitätenberechnung entspricht der sogenannten nachschüs­ sigen Rentenbarwertberechnung. Der Überwälzungssatz der Investition auf den Mietzins setzt sich aus den Rentenbarwertfaktoren und einer Pauschale für Unterhalt, Verwaltung und Risiko zusammen und berechnet sich wie folgt: Überwälzungssatz =

1



1 + 1/(1+i) + 1/(1+i)2 + … + 1/(1+i)n-1 + 1 + i *



* = Pauschale für Unterhalt, Verwaltung und Risiko



=

i(i+1)n



(1+i)n – 1 + Pauschale



i = Zinssatz /100 n = Laufzeit (Jahre)

Die Berechnung beruht auf der Annahme, dass der Vermieter wertvermeh­ 73 rende Investitionen bei der Anschaffung bevorschusst, der Mieter diese aber im Nachhinein durch anteilsmässige Mietzinserhöhung zurückzuerstatten hat. Die Schuld des Mieters gegenüber dem Vermieter wird somit während Beat Rohrer

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der Lebensdauer der Investition abgebaut, bis am Ende dieser Lebensdauer die vollständige Tilgung eintritt. Die Pauschale für Unterhalt, Verwaltung und Risiko basiert auf Erfahrungswerten, welche, wie auch die Werte der Lebens­ dauer von Einrichtungen, aufgrund umfangreicher Recherchen bei Immobili­ enverwaltungen und Herstellern eruiert und in Publikationen, beispielsweise herausgegeben vom Hauseigentümerverband, tabellarisch dargestellt werden. Die Gerichtspraxis folgt bei der Ermittlung der Annuität mehrheitlich wörtlich dem Text von Art. 14 Abs. 4 VMWG und berechnet diese demnach wie folgt: Das halbe investierte Kapital wird über die gesamte Amortisationsdauer mit dem zulässigen Zinssatz (½% über dem im Zeitpunkt der Mietzinserhöhung massgebenden Referenzzinssatz) oder das gesamte überwälzbare Investitions­ volumen zum halben Referenzzinssatz (½% über dem Referenzzinssatz) ver­ zinst. Daraus resultiert anfänglich eine zu niedrige Verzinsung des investierten Kapitals, welche aber durch die höhere Verzinsung in der zweiten Hälfte der Amortisationsdauer aufgefangen wird. Zu diesem Satz addiert wird eine der durchschnittlichen Lebensdauer der sanierten Bereiche entsprechende Amor­ tisation sowie ein pauschalierter Unterhaltsanteil. Daraus hat die Praxis fol­ gende Faustregel entwickelt: Refinanzierung der «wertvermehrenden» Investition: (Referenzzinssatz + ½%)/2 + Amortisation + 1% Unterhaltsanteil (vgl. HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.1.51–1.53, S. 28 f.; Bättig, Über­ wälzung, S. 36 ff.; Higi, ZK, N 393 in Verbindung mit N 376 ff. zu Art. 269a OR; MfdP/Brutschin, N 19.5.8). 74

Für die Verzinsung massgebend ist der zur Zeit der Mietzinserhöhung massge­ bende Referenzzinssatz, nicht ein allenfalls davon abweichender Zinssatz, den der Vermieter mit dem im konkreten Fall finanzierenden Institut konkret ver­ einbart hat.

75

Für die Höhe der Amortisationsquote beim Zinsaufschlag ist die durchschnitt­ liche Lebensdauer der Investition massgebend. Die in Zusammenarbeit ver­ schiedener Interessenverbände herausgegebene «paritätische Lebensdauertabelle» (vgl. N 24 zu Art. 267–267a OR) gibt eine umfassende Übersicht über die Amortisationsdauer der einzelnen, im Rahmen von Wohn- und Geschäfts­ räumen möglichen Investitionsgüter (MfdP/Brutschin, N 19.5.8.2; Gratz, Miet­ zinsgestaltung, S. 100 f.). Bei umfassenden Überholungen ist die durchschnitt­ liche Amortisationsdauer aufgrund der gewichteten Anteile der einzelnen sanierten Bereiche zu ermitteln (vgl. hierzu BGE 118 II 421; Lachat, Mehrleis­ tungen, S. 153). Unerheblich ist mit Bezug auf die massgebende Amortisations­ 778

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dauer der Zeitraum, der seit der Erstellung der Liegenschaft oder seit der letz­ ten grösseren Sanierung verstrichen ist (Bättig, Überwälzung, S. 37 f.). Schliesslich ist ein Anteil für den Unterhalt der wertvermehrenden Investition 76 zu berücksichtigen. Die Praxis geht davon aus, diesen Anteil mit 1% pro Jahr zu bewerten (Urteil des Bundesgerichts 4A_470/2009 vom 18. Februar 2010; Urteil 4C.287/2001 vom 26.  März 2001, E.  3.4; MfdP/Brutschin, N  19.5.8.3; Bättig, a.a.O., S. 38). Das Bundesgericht hatte in einem früher zu beurteilen­ den Sachverhalt einmal zu prüfen, ob ein vom Vermieter in einem konkreten Fall in Anschlag gebrachter Anteil von 10% der Summe von Verzinsung und Amortisation missbräuchlich sei, was es verneinte, ohne dass es den mit dieser Methode errechneten Wert als Maximalgrösse bezeichnete (BGE 118 II 429; zustimmend Lachat, a.a.O., S. 154; ferner Higi, ZK, N 378 zu Art. 269a OR). Art. 14 Abs. 5 VMWG bestimmt, dass Erhöhungen aufgrund von Mehrleistun­ 77 gen oder umfassenden Überholungen den Mietern erst angezeigt werden dür­ fen, wenn im Zeitpunkt der Mitteilung die Arbeiten vollständig abgeschlossen sind und überdies die «sachdienlichen Belege» für die Berechnung dieser Erhö­ hung vorliegen. Das bedeutet, dass diejenigen Berechnungsunterlagen verfüg­ bar sein müssen, mit denen mit hinreichender Sicherheit auf die massgeben­ den Kosten geschlossen werden kann (Urteil des Bundesgerichts 4C.328/2005 vom 9. Dezember 2005). Das ist nicht zwingend eine intern erstellte Schlussoder Bauabrechnung. Es genügt, wenn das Ausmass der zu erwartenden Kos­ ten aufgrund abgeschlossener Verträge (z.B. Pauschalwerkpreis, vgl. dazu gleich anschliessend) oder aufgrund der bereits gestellten Unternehmerrech­ nungen feststeht. Mit Bezug auf den Abschluss der Arbeiten ist bedeutsam, dass sich dieses Erfordernis selbstverständlich nicht auf allfällige Garantiear­ beiten bezieht, welche von Unternehmern unentgeltlich zu erbringen sind. Hat der Vermieter die umfassenden Überholungen auf der Grundlage eines 78 Werkvertrages einem Generalunternehmer zu einem Pauschalpreis übertra­ gen, so verfügt er in aller Regel als «sachdienliche» Unterlagen für die Sub­ stanziierung der Investitionskosten allein über den erwähnten Vertrag und dessen Beilagen (Zahlungsplan, evtl. Baubeschrieb usw.) und gegebenenfalls über eine zusätzliche Abrechnung von Mehr- oder Minderkosten bzw. eine Abrechnung über sogenannte Budgetpositionen (die im Werkvertrag mit einem angenommenen Preis berücksichtigt worden sind, bezüglich welcher indessen nach effektivem Aufwand abzurechnen ist). Detaillierte Angaben über die Kosten einzelner Teilleistungen, zum Beispiel gegliedert nach BKPPositionen, können indessen nicht beigebracht werden, weil der Vermieter kei­ nen Anspruch darauf erheben kann, dass der Generalunternehmer ihm seine Beat Rohrer

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internen Kalkulationen offenlegt. Bei dieser Konstellation erfüllt der Vermieter seine Obliegenheit, die «sachdienlichen» Unterlagen vorzulegen, vollauf, wenn er diejenigen Dokumente und Abrechnungen vorlegt, auf welche er vertraglich gegenüber dem Generalunternehmer Anspruch erheben kann (vgl. dazu das Urteil des Bundesgerichts 4A_17/2017 vom 7. September 2017). 79

Die Beachtung der Vorschrift von Art. 14 Abs. 5 VMWG hat zur Folge, dass die Überwälzung der Kosten umfassender Überholungen oder von Mehrleis­ tungen erst mit einer gewissen Verzögerung vorgenommen werden kann. Die dadurch entstehenden Mehrkosten (insbesondere für Kapitalverzinsung) sind dabei in der Abrechnung und damit in den für die Mietzinserhöhung massge­ benden Kosten zu berücksichtigen, weil sie unabdingbar mit den vorgenom­ menen Investitionen zusammenhängen (Bättig, a.a.O., S.  39; Rohrer, Ände­ rung, S. 145; Lachat, Mehrleistungen, S. 150 f.; bezüglich Fremdkapitalzinsen, aber demnach auch für die Verzinsung investierten Eigenkapitals massgebend: Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 3.  Mai 2001, in: MRA 5/01, S. 137 ff.).

80

Als Ausgleich für die mit der grundsätzlichen Regelung zulasten des Vermie­ ters verbundenen Unzukömmlichkeiten erlaubt Art. 14 Abs. 5 VMWG, zweiter Satz, bei grösseren Arbeiten, d.h. insbesondere bei umfassenden Überholun­ gen, gestaffelte Mietzinserhöhungen nach Massgabe bereits «erfolgter Zahlun­ gen» geltend zu machen. Nach dem klaren Wortlaut der Verordnung braucht bei der Berufung auf diese Ausnahme vom Vermieter lediglich nachgewie­ sen zu werden, in welchem Umfang bereits Zahlungen geleistet worden sind. Unerheblich ist demgegenüber, ob die Arbeiten bereits abgeschlossen worden sind und inwieweit die Mieter bereits von getätigten Investitionen profitie­ ren können (Rohrer, Änderungen, S. 145 f.; Urteil des Bundesgerichts 4C.328 vom 9. Dezember 2005, das sich zur Frage, ob die Arbeiten im Zeitpunkt, in welchem die Mietzinserhöhung für bereits bezahlte Arbeiten geltend gemacht wird, abgeschlossen sein müssen, nicht explizit äussert, weil sie sich nicht gestellt hat). Ein Vorbehalt im Sinne von Art. 18 VMWG für den noch nicht überwälzbaren Anteil der Sanierungskosten muss dabei nicht erklärt werden, da dem Vermieter eine weitergehende Erhöhung im massgebenden Zeitpunkt ja noch nicht zusteht.

81

Art. 14 Abs. 5 VMWG regelt keine Sanktion für den Fall, dass eine Mietzinser­ höhung zu früh angezeigt wird. Kündigt der Vermieter eine Mietzinserhöhung an, bevor er über alle «sachdienlichen» Unterlagen verfügt, bewirkt dies nicht, dass die Mietzinserhöhung als Ganzes unwirksam oder nichtig ist. Vielmehr kann der Vermieter diesfalls die Berechnung der Mietzinserhöhung auf dem­ 780

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jenigen Anteil der Kosten vornehmen, welche im Zeitpunkt der Anzeige durch Dokumente belegt sind, und zwar selbst dann, wenn noch vor Abschluss des Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens weitere Kosten belegt werden könn­ ten (Urteil des Bundesgerichts 4C.328/2005 vom 9.  Dezember 2005, E.  1). Das Nämliche gilt, wie vorstehend dargelegt, auch in den Fällen, in denen die Anzeige einer Mietzinserhöhung erfolgt, bevor alle Arbeiten abgeschlossen sind. Diese Erhöhungsanzeige ist gültig, aber nur mit Bezug auf die Summe der im massgebenden Zeitpunkt bereits geleisteten Zahlungen. Der nicht über­ wälzbare Anteil der Investitionen kann als Mietzinserhöhung auf einen nächst­ folgenden Kündigungstermin geltend gemacht werden, wenn auch diesbezüg­ lich alle sachdienlichen Berechnungsgrundlagen vorliegen.

4.2.3

Überwälzung des Unterhaltsanteils bei umfassenden Überholungen

Das Bundesgericht hat in grundlegender Weise zu Recht entschieden, dass der 82 Vermieter berechtigt sei, nach der Durchführung umfassender Überholungen  – sei es im Rahmen einer Ertragsberechnung, sei es im Rahmen einer Mietzinsanpassung nach relativen Kostenveränderungen  – den nicht als «wertvermehrend» qualifizierten Anteil der aufgewendeten Kosten in den fol­ genden Jahren als Kostensteigerung geltend zu machen (Urteil des Bundes­ gerichts 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001, in: MRA 4/01, S. 116 ff.; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts vom 26. Juli 1995, in: mp 3/96, S. 140 ff.; ferner Gut, Ertrag, S.  177  ff.). Dies ist die logische und betriebswirtschaftlich folgerich­ tige Konsequenz aus dem Umstand, dass der Vermieter nach Auffassung des Bundesgerichtes in der Berechnung des angemessenen Ertrages keine Rück­ stellungen für künftig anfallende grössere Unterhaltsarbeiten – ähnlich einem Erneuerungsfonds im Stockwerkeigentum – berücksichtigen darf (vgl. N 28 zu Art. 269 OR). In seiner jüngeren Rechtsprechung hat das Bundesgericht diese Praxis nun allerdings relativiert: Im Urteil 4A_530 vom 17.  Dezember 2012 erwog es, seiner bisherigen Praxis könne nicht entnommen werden, dass der Vermieter berechtigt sei, alle nicht als wertvermehrend auf die Mietzinse über­ wälzten Kosten seien Unterhaltsaufwendungen, welche in der Folgezeit, ver­ zinst und amortisiert, zusätzlich zu den laufenden Unterhalts- und Betriebskos­ ten mietzinswirksam werden könnten (a.a.O., E. 3.2; vgl. MRA 1/14, S.27 ff.). Der nicht wertvermehrende Anteil der Kosten einer umfassenden Sanierung könne nicht automatisch als ausserordentlicher Unterhalt betrachtet werden, denn darin enthalten seien auch normale Unterhaltskosten. Der Vermieter habe den Anteil der ausserordentlichen Unterhaltskosten auszuweisen, indem er konkret zwischen Unterhaltsarbeiten differenzieren muss, die im Rahmen Beat Rohrer

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der Renovation noch zu den üblichen zählen und denjenigen, die als ausseror­ dentliche Unterhaltsarbeiten über die Lebensdauer der betreffenden Einrich­ tungen amortisiert und damit anteilmässig in die künftigen Unterhaltskosten­ berechnungen aufgenommen werden dürfen (a.a.O., E. 3.2). 83

Zutreffend kritisiert Bättig die kaum nachvollziehbare und erst recht in der Praxis wohl nie nachweisbare Differenzierung von normalen und ausseror­ dentlichen Unterhaltsaufwendungen, welche im Zuge einer grösseren Sanie­ rung erbracht werden. Wie soll der Vermieter innerhalb des nicht als wert­ vermehrend betrachteten Teils der Investitionen zwischen normalen und ausserordentlichen Unterhaltsaufwendungen unterscheiden, wenn sich schon die Abgrenzung zwischen Unterhalt und Wert- bzw. Investitionsvermehrung als unmöglich erweist? Das Bundesgericht lässt völlig im Dunkeln, welches die Kriterien für diese von ihm eingeführte Differenzierung, die weder im Gesetz noch in der Verordnung auch nur ansatzweise eine Stütze findet, sein sollen (das Bundesgericht liefert immerhin im BGE 141 III 245. Beispiele für ausser­ ordentliche Unterhaltsaufwendungen, indem es Aufwendungen für Heizung, Lift, Bedachung und Wasserversorgung unter diese Kategorie subsumiert; a.a.O., E. 6.6, mit Hinweis auf Higi, ZK, N 104 zu Art. 269 OR; kritisch: Bättig, Überholung, S. 39 f.). Die Ursache für die aus betriebswirtschaftlicher Sicht fal­ sche Beurteilung der sich stellenden Frage durch das Bundesgericht findet sich in der Erwägung 4.2.2: Dort nimmt das Bundesgericht Anstoss daran, dass der als wertvermehrend erachtete Teil einer Sanierung mit Bezug auf die länger­ fristige Mietzinsgestaltung keinen allzu grossen Einfluss hat, wenn auch der nicht in einem Mal überwälzbare (auf den Unterhalt entfallende) Investitions­ betrag in der Folgezeit über die Mietzinseinnahmen generiert werden kann. Das Bundesgericht übersieht dabei, dass diese Konsequenz nur deshalb ein­ tritt (bzw. eintreten muss!), weil es im Zusammenhang mit der Ertragsüber­ prüfung Rückstellungen kategorisch verbietet. Zwangsläufig hat dies zur Folge, dass der gesamte, bei Durchführung umfassender Überholung dem Vermieter verbleibende Unterhaltsanteil – sei er nun als ordentlich, normal oder ausser­ ordentlich zu qualifizieren – auf den Mietzins überwälzt werden muss (Bättig, Überholung, S.  39  f.; vgl. auch ders., Überwälzung, S.13  f.; ferner die auf­ schlussreichen Berechnungsbeispiele von Hans Bättig in der Kommentierung des BGE 141 III 245, in: MRA 4/15, S. 183 ff.). Offen bleibt nach der Recht­ sprechung des Bundesgerichtes nun die Frage, wo in der Berechnung des ange­ messenen Ertrages die in den Kosten einer umfassenden Überholung enthalte­ nen ordentlichen Unterhaltsaufwendungen Platz finden, wenn einerseits keine Rückstellungen für künftig fällig werdende Unterhaltsaufwendungen gebildet werden dürfen und anderseits nicht alle vom Vermieter zu eigenen Lasten zu 782

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übernehmenden Unterhaltskosten nach erfolgter Mietzinsanpassung von 50 bis 70% der umfassenden Sanierung, also der Differenzbetrag von 30 bis 50% dieser Kosten, über die Lebensdauer der sanierten Bereiche verzinst und amor­ tisiert werden dürfen. Die nicht als wertvermehrend erachteten, zunächst dem Vermieter verblei­ 84 benden Kosten einer umfassenden Sanierung können auf die Lebensdauer der davon betroffenen Bereiche amortisiert und zu einem Ansatz, der sich am aktuellen Stand des Referenzzinssatzes orientiert, verzinst werden (BGE 140 III 433, in: MRA 1/15, S. 16 ff.; BGE 141 III 245, in: MRA 4/15, S. 183 ff.). Dabei ist – neuerdings auch nach Auffassung des Bundesgerichts – der entsprechend ermittelte jährliche Zusatzaufwand – allerdings nur für den als ausserordentlich betrachteten Unterhalt – in vollem Umfang für jedes künftige Abrechnungs­ jahr geschuldet, weil die jährliche Unterhaltsquote ja im Voraus berechnet wer­ den kann (Urteil des Bundesgerichts 4A_530/2012 vom 17. Dezember 2012, in: MRA 1/14, S. 27 ff., E. 3.2, am Ende mit überzeugender Kritik von Hans Bät­ tig betreffend die Differenzierung der Unterhaltskategorien normal und aus­ serordentlich; vgl. Bättig, Überwälzung, S. 16; Polivka, Nettorendite, S. 120 ff.; N 29 f. zu Art. 269 OR).

4.2.4

Überwälzung auf die einzelnen Mietobjekte

Grundsätzlich sind die Kosten von umfassenden Überholungen und Mehrleis­ 85 tungen in dem Ausmass auf die einzelnen Mietobjekte zu überwälzen, in wel­ chen diese von den getätigten Investitionen profitieren (Urteil 4A_727/2012 [und weitere Verfahrensnummern] vom 21. Mai 2013, E. 2.1, in: MRA 1/14, S. 17 ff.; Higi, ZK, N 391 zu Art. 269a OR; Corboz, Travaux, S. 22). Dies ist ins­ besondere bei umfassenden Sanierungen der ganzen Liegenschaft, bei denen Aufwendungen nicht eindeutig den einzelnen Mietobjekten zugeordnet wer­ den können (Fassadensanierung, Heizungserneuerung usw.), nicht unpro­ blematisch. Das Bundesgericht erachtet hiefür verschiedene Berechnungsme­ thoden als zulässig. Als Verteilschlüssel lässt es insbesondere die prozentual gleichmässige Überwälzung auf der Basis der bisherigen Mietzinse zu (BGE 118 II 415, erwähnt auch im Urteil 4A_727/2012 [und weitere Verfahrensnum­ mern] vom 21. Mai 2013, in: MRA 1/14, S. 17 ff.; ferner Urteil des Bundesge­ richts 4C. 361/1990 vom 2. Juli 1991; Urteil des Bundesgerichts vom 17. April 1989, in: mp 4/90, S. 203 ff.). Ebenfalls als zulässig erachtet wird die Aufteilung nach Wertquoten analog dem Stockwerkeigentum, nach Wohnflächen, nach Volumen oder nach der Anzahl von Zimmern. Dem überprüfenden Richter wird dabei mit Bezug auf den im konkreten Fall sachgerechten Verteilschlüs­

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sel ein gewisser Ermessensspielraum zugestanden. Er darf dabei allerdings von dem vom Vermieter gewählten Verteilschlüssel nur dann abweichen, wenn dieser sich als unhaltbar erweist (BGE 139 III 209, E.  2.1 und 2.2, in: MRA 1/14, S. 17 ff., m.w.H.). 86

Bestehen innerhalb einer Mietliegenschaft grössere Mietzinsunterschiede für gleichartige Wohnungen, weil zu unterschiedlichen Zeiten jeweils auf der Grundlage der jeweils aktuellen Marktverhältnisse vermietet wurde, so ergibt sich nach einer umfassenden Sanierung, die bewirkt, dass alle gleichartigen Wohnungen einen identischen Qualitätsstandard aufweisen, das Bedürfnis, die sachlich nicht (mehr) gerechtfertigten Mietzinsunterschiede auszugleichen. Lässt man nun lediglich eine lineare Überwälzung der Mietzinserhöhung zu (z.B. prozentual nach Fläche oder jeweils betragsmässig gleich für gleich grosse Wohnungen), so verstärken sich die sachlich unberechtigten Mietzinsunter­ schiede noch zusätzlich. Richtig erscheint demnach, dem Vermieter zu gestat­ ten, diese unberechtigten Mietzinsdifferenzen auszugleichen, ohne dass er –– die Erhöhung bei teureren Wohnungen nur teilweise geltend machen kann und auf den Restbetrag gänzlich verzichten muss (womit er also im Ergebnis nur einen Teil der ihm insgesamt zustehenden Erhöhung geltend machen könnte); –– sich zum Ausgleich, d.h. bei betragsmässig höherer Anpassung der bisher günstigeren Wohnungen, zusätzlich auf die Orts- oder Quartierüblichkeit berufen können sollte, weil damit – abgesehen von den bereits dargelegten Beweisproblemen  – eine nach höchstrichterlicher Rechtsprechung unzu­ lässige Vermischung von Kosten- und Marktelementen provoziert würde; –– die gesamte Erhöhung zur Vermeidung formeller Unzulänglichkeiten mit einer Anpassung an die Orts- oder Quartierüblichkeit begründen muss, weil er riskiert, dass er bei Scheitern des schwierig zu erbringenden Bewei­ ses gar keine Mietzinserhöhung durchsetzen kann.

87

Die Lösung des Problems besteht darin, dem Vermieter zu gestatten, dass er den überwälzbaren Anteil innerhalb der Bandbreite von 50 bis 70% unterschiedlich anwendet: Da vor längerer Zeit vermietete, gegenüber den Marktverhältnissen eher zu günstige Wohnungen in aller Regel durch umfassende Sanierungen in höherem Mass aufgewertet werden als Wohnungen, die vor nicht allzu langer Zeit teurer vermietet – und vor der Neuvermietung in der Regel auch in einzel­ nen Bereichen instand gestellt – worden sind, könnte der überwälzbare Anteil einer umfassenden Sanierung bei den günstigeren Wohnungen im Bereich von 65 bis 70%, ausnahmsweise auch höher, angenommen werden, bei teureren 784

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Wohnungen dagegen im Bereich von zwischen 50 und 60%. Auf diese Weise lässt sich eine – meist auch von einem Teil der Mieter als ungerecht empfun­ dene – Ungleichbehandlung beseitigen oder zumindest reduzieren, ohne dass der Vermieter Einbussen erleidet, die ihn letzten Endes vor die Entscheidung stellen, ob er angesichts der nach herkömmlichen Methode nur beschränk­ ten Möglichkeiten, zu günstige Mietzinse den Marktverhältnissen anzunähern, nicht besser allen Mietern kündigt, um nach erfolgter Sanierung alle Mietob­ jekte zu Marktverhältnissen neu zu vermieten. Im Endeffekt soll der Vermieter durch die hier vorgeschlagene differenzierte Überwälzung der Kosten umfas­ sender Sanierungen insgesamt nicht mehr an zusätzlichen Mietzinseinnahmen generieren als bei einer linearen Überwälzung.

5.

Kostendeckende Bruttorendite bei neueren Bauten

5.1 Allgemeines Gemäss Art. 269a Buchst. c OR sind Mietzinse bei neueren Bauten in der Regel 88 nicht missbräuchlich, wenn sie im Rahmen der kostendeckenden Bruttoren­ dite liegen, wobei aber übersetzte Land-, Bau- und Erwerbskosten nicht in die Berechnung einbezogen werden dürfen. Als kostendeckende Bruttorendite ver­ steht die Lehre und Rechtsprechung dabei das in Prozenten ausgedrückte Ver­ hältnis zwischen den Nettomietzinseinnahmen und den Anlagekosten (Higi, ZK, N 152 ff. zu Art. 269a OR; MfdP/Brutschin, N 19.6.5; HAP-Immobiliar­ mietrecht/Bättig, Rz. 1.13, S. 9; Raissig/Schwander, Missbräuche, S. 128; Hauri, Mietzins, S. 127; Weber, BSK, N 13 zu Art. 269a OR). Bei der kostendecken­ den Bruttorendite handelt es sich um ein sogenanntes absolutes Mietzinsgestaltungskriterium, weil die Berechnung dieser Rendite und die daraus abge­ leitete Ermittlung zulässiger Mietzinse jederzeit losgelöst von der konkreten individuellen Vertragsgestaltung möglich ist (MfdP/Brutschin, N 19.6.2; Blu­ mer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 459, S. 140).

5.2

Neuere Bauten

Der Gesetzeswortlaut schränkt den Anwendungsbereich der kostendeckenden 89 Bruttorendite auf sogenannte neuere Bauten ein. Bei diesen Gebäuden kann eine Nettorenditeberechnung gemäss Art.  269 OR nicht vorgenommen wer­ den, weil keine konkreten Werte einer statistisch relevanten Periode von 3 bis

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5 Jahren für Unterhalts- und Betriebskosten bekannt sind. Die entsprechenden Kosten werden daher – zusammen mit den Fremd- und Eigenkapitalkosten – nicht nach effektiven Werten, sondern pauschaliert in Anschlag gebracht. Als neuere Bauten gelten entsprechend der Zielsetzung des Gesetzgebers, Gebäude, die maximal 15 Jahre alt sind. In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, die Limite sei bei 10 Jahren anzunehmen (Weber, BSK, N 14; Higi, ZK, N 146 zu Art. 269a OR; MfdP/Brutschin, N 19.6.4). Diese Auffassung hält einer näheren Prüfung nicht stand, weil sie den Stellenwert des Kriteriums der kostendeckenden Bruttorendite verkennt: Bei neu erstellten Bauten ver­ fügt der Vermieter im Hinblick auf die Berechnung des angemessenen Ertra­ ges gemäss Art. 269 OR bezüglich der Unterhalts- und Betriebsaufwendungen nicht über Erfahrungszahlen aus früheren Abrechnungsjahren. Da in den ers­ ten 10 Jahren nach Erstellung einer Liegenschaft kaum nennenswerte Unter­ haltsarbeiten anfallen (vgl. dazu auch die paritätische Lebensdauertabelle, her­ ausgegeben vom Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverband und dem Schweizerischen Hauseigentümerverband, aus der sich ergibt, dass kaum ein Einrichtungsgegenstand eine kürzere Lebensdauer als 10 Jahre aufweist, www.mietrecht.ch, vgl. dazu insbesondere auch N 24 zu Art. 267–267a OR), und da anderseits Mängelbehebungen zumindest in den ersten 5 Jahren nach Abnahme der neu erstellten Gebäulichkeiten als Garantieleistungen von am Bau beteiligten Unternehmungen ohne Kostenfolgen für den Vermieter blei­ ben, können erst die zwischen dem 11. und 15. Jahr aufgewendeten Unterhaltsund Betriebskosten einigermassen repräsentativ für die Festlegung des künf­ tigen Mietzinses sein. Würde man die kostendeckende Bruttorendite nur für Liegenschaften anwenden wollen, die maximal 10 Jahre alt sind, so müsste die Nettorendite ab dem 11. Jahr auf Unterhaltskosten berechnet werden, die zwi­ schen dem 6. und 10. Jahr angefallen sind. Diese Kosten erreichen nun aber das Ausmass der nach 10 Jahren in der Folgezeit anfallenden durchschnittli­ chen Unterhaltskosten bei Weitem nicht und können deshalb niemals reprä­ sentativ für den künftigen durchschnittlichen Unterhaltsaufwand sein (Blumer, a.a.O., Rz. 448, S. 138). 90

Die ratio legis, die dem absoluten Missbrauchskriterium der kostendeckenden Bruttorendite zugrunde liegt, rechtfertigt es, deren Anwendungsbereich auch auf die Mietzinsfestlegung nach einer Totalsanierung eines Gebäudes auszu­ dehnen. Eine Beurteilung der neu festgelegten Mietzinse nach Massgabe von Art.  269 OR erscheint in solchen Fällen nämlich nicht möglich, weil gerade etwa nach Grundrissveränderungen und tiefgreifenden Erneuerungen im Bereich der Haustechnik die aus der Zeit vor der Sanierung bekannten Werte für durchschnittliche Unterhalts- und Betriebskosten nicht mehr aussagekräf­ 786

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tig sind (Blumer, a.a.O., Rz. 448, S. 138; Higi, ZK, N 150 zu Art. 269a OR; gl.M. Weber, BSK, N 14 zu Art. 269a OR). Demzufolge ist eine total sanierte Liegen­ schaft während einem Zeitraum von 15 Jahren nach den Sanierungsarbeiten als «neuere Baute» im Sinne des Gesetzes zu betrachten. Die massgebenden Anlagekosten setzen sich zusammen aus den ursprünglichen Erwerbs- oder Erstellungskosten, erhöht um die Teuerung auf dem Eigenkapital bis zu einem Maximum von 40% der ursprünglichen Anlagekosten sowie den Investitionen, die bei der Totalsanierung erbracht wurden. Das Bundesgericht hat entschieden, dass als Anlagekosten, auf deren Basis die 91 kostendeckende Bruttorendite zu berechnen ist, die Investitionen des Erstellers eines Neubaus oder des Ersterwerbers unmittelbar nach der Fertigstellung zu betrachten sind (BGE 116 II 599; Urteil des Bundesgerichts vom 17. Februar 1997, in: MRA 1/98, S. 1 ff.; MfdP/Brutschin, N 19.6.8). Bei ent­ sprechend erklärtem Vorbehalt könne auch später der Mietzins angehoben werden, sonst aber nicht, und zwar auch dann nicht, wenn sich zufolge einer Kostenveränderung – z.B. Veränderung des Hypothekarzinssatzes – auch die Renditesituation verändere (BGE 118 II 124). Diese restriktive Handhabung des Kriteriums der kostendeckenden Brutto­ 92 rendite durch das Bundesgericht ist rechtsdogmatisch nicht zu begründen, weil das Gesetz den Anwendungsbereich dieses Kriteriums nicht auf Fälle beschränkt, in denen sich der Ersteller oder Ersterwerber einer neu erstellten Liegenschaft darauf beruft. Kann sich ein Vermieter auf die kostendeckende Bruttorendite berufen, weil er über eine neuere Baute verfügt, so kann ihm nicht verwehrt werden, bei Kostenveränderungen dieses Kriterium anzurufen, wenn die Renditesituation sich durch entsprechende Kostenentwicklungen verändert hat. Mit einer Privilegierung des Vermieters, der seine gesamte Kos­ tenstruktur offenzulegen hat, hat die entsprechende Mietzinsgestaltung nichts zu tun (BGE 118 II 124, E.  5b). Das Bundesgericht verkennt im erwähnten Entscheid den rechtsdogmatischen Stellenwert der kostendeckenden Brutto­ rendite als generelles, die Kostensituation insgesamt erfassendes Mietzinsge­ staltungselement, vor allem aber den Umstand, dass das Gesetz dem Vermie­ ter nicht verbietet, sich auf einen absoluten Erhöhungsgrund zu berufen, wenn dieser durch eine Kostenveränderung beeinflusst wird. Es ist anzunehmen, dass das Bundesgericht an seiner Praxis gemäss dem 93 erwähnten Entscheid nicht festhalten wird. Es hat ja aus den Randtiteln der Art. 269 und 269a OR abgeleitet, es bestehe eine Hierarchie unter den Miss­ brauchskriterien dergestalt, dass ein nach einem der in Art. 269a OR genann­ ten Kriterien nicht missbräuchlicher Mietzins noch darauf hin überprüft wer­ Beat Rohrer

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den müsse, ob er dem Vermieter nicht einen übersetzten Ertrag im Sinne von Art. 269 OR verschaffe (BGE 124 III 310, in: MRA 5/98, S. 147 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.323/2001 vom 9. April 2002, in: MRA 4/02, S. 143 ff., dort fälschlicherweise mit der Referenz BGE 127 III 345 zitiert, vgl. zum Ganzen N 12 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR). Diese Praxis ist mit Bezug auf das Ver­ hältnis von Art. 269 zu Art. 269a Buchst. c OR allerdings systemwidrig, weil die kostendeckende Bruttorendite gerade in den Fällen, in denen Art. 269 OR nicht angewendet werden kann, nämlich bei neueren Bauten, das allein mass­ gebende absolute Kostenkriterium zur Überprüfung einer allfälligen Miss­ bräuchlichkeit darstellt (und deshalb hierarchisch gegenüber dem Kriterium des angemessenen Ertrages nicht untergeordnet sein kann, vgl. die entspre­ chende Bemerkung in der Botsch. 1985, S. 1491; zum gegenseitigen Verhält­ nis absoluter Erhöhungskriterien vgl. insbesondere auch N 12 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR). Wenn der Vermieter einer neueren Baute daher eine Miet­ zinserhöhung gestützt auf Kostensteigerungen geltend macht, müsste daher die vom Bundesgericht allenfalls noch zusätzlich als notwendig erachtete Überprü­ fung des Mietzinses nach einem absoluten Kriterium nach Art. 269a Buchst. c OR und nicht nach Art. 269 OR erfolgen. Das bedeutet nichts anderes, als dass sich ein Vermieter auch direkt zur Begründung seiner Erhöhung auf dieses Kriterium berufen kann, denn es wäre nicht einzusehen, weshalb er sich auf eine einzelne Kostensteigerung berufen müsste, wenn im Endeffekt die Miss­ bräuchlichkeit des Mietzinses ja gleichwohl mittels Überprüfung der kostende­ ckenden Bruttorendite beurteilt würde (überholt daher wohl auch die Überle­ gungen von Higi, ZK, N 144 zu Art. 269a OR zum Thema «Methodenwechsel», den er für unzulässig erachtet, weil das Bundesgericht zwischenzeitlich durch Zulassung der Überprüfung von nach relativen Kostenveränderungen zuläs­ sigen Mietzinsanpassungen auf die Vereinbarkeit mit absoluten Erhöhungs­ kriterien den «Methodenwechsel» geradezu institutionalisiert hat, vgl. N 12 ff. Vorbem. Art.  269–270c OR). Immerhin ist selbst bei Annahme einer hierar­ chischen Unterordnung der in Art. 269a OR erwähnten Missbrauchskriterien gegenüber Art.  269 OR klar, dass dann, wenn sich der Vermieter zum Bei­ spiel bei der Erstvermietung einer neu erstellten Baute zur Begründung des Anfangsmietzinses auf die Orts- oder Quartierüblichkeit beruft, weder eine Überprüfung des Mietzinses nach dem angemessenen Ertrag noch nach der kostendeckenden Bruttorendite möglich ist: Das Erstere scheidet aus, weil das massgebende Kostenkriterium bei neueren Bauten die kostendeckende Brutto­ rendite ist, und das Zweite, weil die Orts- oder Quartierüblichkeit hierarchisch auf der gleichen Stufe steht wie die kostendeckende Bruttorendite, da beide

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Kriterien gleichrangig als «Ausnahmen» (Randtitel) im gleichen Gesetzesarti­ kel geregelt werden (gl.M. Weber, BSK, N 14a zu Art. 269a OR).

5.3

Massgebende Berechnungskriterien

Das Bundesgericht definiert die Anlagekosten als «Investitionen des Erstellers 94 eines Neubaus oder des Erwerbers unmittelbar nach der Fertigstellung» (BGE 116 II 594, E. 5d; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts vom 17. Februar 1997, in: MRA 1/98, S. 1 ff.). Nach dem unter dem früheren Recht des BMM ergange­ nen Entscheid BGE 106 II 170 ist bei der Ermittlung der Anlagekosten entwe­ der vom Kaufpreis oder von den Erstellungskosten unter Berücksichtigung des risikotragenden Kapitals, also von den effektiven Gestehungskosten auszuge­ hen. Dabei sind gestützt auf Art. 12 Abs. 2 VMWG alle Handänderungskosten sowie alle weiteren mit der Erstellung der Liegenschaft im Zusammenhang ste­ henden Aufwendungen (analog den Kosten, die bei der Berechnung des ange­ messenen Ertrages zu den Anlagekosten gehören) zu den Erwerbskosten zu rechnen, da diese als Teil des Erstellungs- oder Erwerbspreises gelten. Ebenfalls miteinzuberechnen sind alle Baunebenkosten wie Verfahrenskosten (z.B. Kos­ ten des Bauanwaltes), Baubewilligungskosten, Erschliessungskosten, Baustel­ leneinrichtungen, Bauzinsen, Provisionen, Versicherungsprämien im Zusam­ menhang mit dem Neubau, Anschlussgebühren usw. (gl.M. Raissig/Schwander, Missbräuche, S. 130, vgl. auch N 7 ff. zu Art. 269 OR). Schliesslich sind bedeut­ sam die zwischenzeitlich getätigten Investitionen oder die allfälligen Umbau­ kosten des Vermieters. Irrelevant mit Bezug auf die Bestimmung der massge­ benden Anlagekosten ist, in welchem zeitlichen Abstand zur Erstellung (bzw. Totalrenovation) eine Handänderung stattgefunden hat, welche bewirkt, dass der Erwerbspreis den massgebenden Anlagekosten entspricht. Dies beeinflusst nämlich während der ersten 15 Jahre die Eigenschaft der Mietliegenschaft als «neuere Baute», auf die es einzig ankommt, nicht (unzutreffend daher die Auf­ fassung von Higi, wonach diese Erwerbskosten nur massgebend seien, wenn die Veräusserung maximal drei Monate nach Erstellung der Liegenschaft statt­ gefunden habe; für diese Annahme findet sich weder im Gesetz noch in der Verordnung eine Stütze; ZK, N  173 zu Art.  269a OR). Der Beweis für den Betrag der Anlagekosten obliegt dem Vermieter (BGE 106 II 170). Nicht sach­ gerecht ist es dabei, den nicht nachweisbaren Erwerbspreis für das Bauland einfach zu vernachlässigen (Urteil des Bundesgerichts vom 17. Februar 1997, in: MRA 1/98, S. 1 ff., mit berechtigter Kritik von Monika Sommer und Reto Ziegler, S.  6  ff.). Nachzuweisen ist im Übrigen eine auf das einzelne Objekt bezogene Renditeberechnung.

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Erweisen sich die Erwerbs- oder die Baukosten als offensichtlich übersetzt, so fallen sie für die Berechnung der Anlagekosten der Liegenschaft ausser Betracht (Art. 15 Abs. 2 VMWG). Diese Bestimmung darf nicht in dem Sinne wörtlich angewendet werden, als offensichtlich übersetzte Berechnungs­ grundlagen überhaupt nicht in die Berechnung miteinbezogen werden dürften. Offensichtlich übersetzte Erwerbskosten sind vielmehr auf das zulässige Mass zu korrigieren (BGE 106 II 172, E. 6c; MfdP/Brutschin, N 19.6.8).

96

Die Verwendung des Begriffes «offensichtlich übersetzt» in Art.  15 Abs.  2 VMWG belegt, dass bei der Festlegung der zulässigen Gestehungskosten nicht mathematisch genau gerechnet werden kann (gl.M. Raissig/Schwander, Miss­ bräuche, S. 130). In der Praxis wird dieser Begriff dahingehend ausgelegt, dass Differenzen von rund 10% noch als angemessen zu tolerieren sind (MfdP/ Brutschin, N 19.6.8; ZR 78 [1979] Nr. 8).

97

Die Beweislast für das Vorliegen eines offensichtlich übersetzten Kaufpreises bzw. offensichtlich übersetzter Baukosten trägt im Sinne von Art. 8 ZGB der anfechtende Mieter (vgl. zur entsprechenden Frage im Zusammenhang mit dem angemessenen Ertrag: N 18 zu Art. 269 OR).

98

Nachdem das Bundesgericht in BGE 116 II 594 die Frage offengelassen hatte, ob die vom Vermieter investierten Eigenmittel im vollen Umfang der seit der Investition eingetretenen Teuerung angepasst werden können, schien es diese zunächst zu bejahen (BGE 117 II 77). Zwischenzeitlich allerdings hat das Bun­ desgericht die Anpassung des Eigenkapitals an die Teuerung nur insoweit zugelassen, als das Eigenkapital den Anteil von 40% an den Anlagekosten nicht übersteigt (BGE 120 II 100; vgl. die kritischen Bemerkungen unter N 20 ff. zu Art. 269 OR; Weber, BSK, N 14a zu Art. 269a OR).

99

In der Literatur wird die Auffassung vertreten, bei der Berechnung der kos­ tendeckenden Bruttorendite dürfe keine Anpassung des in den Anlagekos­ ten enthaltenen risikotragenden Kapitals im maximalen Umfang von 40% an die Teuerungsentwicklung vorgenommen werden (Higi, ZK, N 176 mit aller­ dings nicht überzeugender Argumentation; MfdP/Brutschin, N 19.6.3). Das ist inkonsequent und daher unzutreffend, was sich aus einem Vergleich mit den Mietzinsanpassungsmöglichleiten nach relativer Methode ohne Weiteres nach­ vollziehen lässt: Der Vermieter ist jederzeit berechtigt, im laufenden Mietver­ hältnis als Teuerungsausgleich auf dem risikotragenden Kapital 40% der Teu­ erung auf den Mietzins zu überwälzen (Art. 269a Buchst. e OR). Nach einer solchen Überwälzung wäre die zulässige Bruttorendite überschritten, wenn im Rahmen der entsprechenden Berechnung auf den Anlagekosten nicht eben­

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falls zu 40% der Teuerung angepasst werden dürften. Daraus ergäbe sich eine unterschiedliche Mietzinsberechnung, je nachdem der Mietzins nach relativer oder nach absoluter Methode auf eine allfällige Missbräuchlichkeit überprüft würde. Das wiederum wäre krass systemwidrig. Die Geltendmachung einer Mietzinsanpassung entsprechend einem Anteil von 40% der Teuerung ist nach Art. 269a Buchst. e OR immer zulässig und kann nicht zu einer übersetzten Bruttorendite führen, weshalb bei der Berechnung der Bruttorendite die Anla­ gekosten ebenfalls im Umfang von maximal 40% der Teuerung angepasst wer­ den können (MRA 4/99, S. 131 ff.).

5.4

Zulässige Bruttorendite

Damit die Bruttorendite kostendeckend ist, muss aus den Nettomietzinsein- 100 nahmen nach Abzug aller Objektkosten (Hypothekarzinsen, durchschnitt­ liche Instandhaltungskosten, Betriebskosten, Objektsteuern, Versicherungs­ prämien, Verwaltungskosten usw.) sowie einer angemessenen Amortisation des Gebäudes, gleichbedeutend mit Rückstellungen für künftig fällig werdende umfassende Überholungen, eine angemessene Verzinsung des investierten Eigenkapitals resultieren (BGE 112 II 149). Nicht eingerechnet werden dürfen die Amortisationen der Hypotheken, da hier lediglich eine Umlagerung von Fremdkapital in Eigenkapital stattfindet. Die Bruttorendite, also das Verhältnis der massgebenden Anlagekosten zu 101 den erzielten Nettomietzinseinnahmen (bezogen auf das konkret zu beurtei­ lende Mietobjekt) ist einfach zu berechnen. Damit ist aber die Frage noch nicht beantwortet, wo die Grenze zwischen dem zulässigen und dem missbräuchli­ chen Mietzins anzusiedeln ist. Die Literatur hat unter Bezugnahme auf aner­ kannte und bewährte Schätz- und Bewertungsmethoden übereinstimmend die Auffassung vertreten, es rechtfertige sich, als zulässige Brutto­rendite nach individuellen Eigenschaften der Mietliegenschaft (Alter, Ausstattung, Nut­ zung der Liegenschaft usw.) differenzierende Ansätze in einer Bandbreite von zwischen 1,5% bis 3% über dem Zinssatz für Ersthypotheken in Anschlag zu bringen (Higi, ZK, N 162 zu Art. 269a OR, m.w.H.; Siegrist, Mietzins, S. 127; MfdP/Brutschin, N  19.6.7). Das Bundesgericht hat nun aber im Sinne einer festen Grösse, der keine Differenzierung nach den Besonderheiten des kon­ kreten Einzelfalles zulässt, entschieden, der zulässige Brutto­renditesatz dürfe den Wert von 2% über dem Leitzinssatz für erste Hypotheken (heute ersetzt durch den Referenzzinssatz) grundsätzlich nicht überschreiten (BGE 118 II 128; Urteil des Bundesgerichts vom 17. Februar 1997, in: MRA 1/98, S. 1 ff.; Weber, BSK, N 13 zu Art. 269a OR; MfdP/Brutschin, N 19.6.7). Nachdem es im Beat Rohrer

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letztgenannten Entscheid keine besonderen, ein Abweichen von seiner selbst geschaffenen «Regel» erlaubenden Umstände erkennen wollte, obwohl die Landerwerbskosten unbekannt waren und deshalb vom Bundesgericht voll­ ständig vernachlässigt wurden (!), ist zu befürchten, der Ansatz von 2% über dem Referenzzinssatz bilde auch in Zukunft den Maximalwert, gegenüber wel­ chem keine Ausnahmefälle denkbar sind. 102

Da auch für das Kriterium der kostendeckenden Bruttorendite bei Mietzins­ erhöhungen die relative Methode gilt, ist es für den Vermieter eines Neubaus entscheidend, dass er – falls er im Rahmen der Erstvermietung oder von Neu­ vermietungen die kostendeckende Bruttorendite nicht erzielen kann – in den Mietverträgen einen klaren Vorbehalt im Sinne von Art. 18 VMWG anbringt, der überdies begründet sein muss (BGE 108 II 138; vgl. N 30 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR).

6.

Ausgleich von Mietzinsverbilligungen

103

Nicht missbräuchlich sind Mietzinse bzw. Mietzinsaufschläge, welche dem Ausgleich einer Mietzinsverbilligung dienen, die bisher durch die Umlagerung marktüblicher Finanzierungskosten gewährt wurde, sofern sie dem Mieter in einem Zahlungsplan im Voraus bekannt gegeben wurde (Art. 269a Buchst. d OR). Diese Bestimmung hat bis heute kaum praktische Bedeutung erlangt (Weber, BSK N 16 zu Art. 269a OR, der von totem Buchstaben spricht; MfdP/ Brutschin, N 19.7.1).

104

Diese auf den 1.  Juli 1990 neu eingeführte Bestimmung soll den modernen Finanzierungsmodellen zum Durchbruch verhelfen, welche der Markt geschaf­ fen hat (z.B. Zinsstufenhypothek, kompensatorische Anfangsmietzinsverbilli­ gung; Botsch. 1985, S. 1482). Bei der Zinsstufenhypothek wird der Hypothe­ karzins anfänglich verbilligt. Durch eine regelmässige schrittweise Erhöhung des Zinsfusses über den marktüblichen Zinssatz hinaus wird die anfängliche Verbilligung für den Kapitalgeber in späteren Jahren wieder aufgefangen. Zu Beginn liegt somit der Hypothekarzins unter dem Marktniveau und wird spä­ ter, zum Ausgleich der anfänglichen Verbilligung, über das Marktniveau ange­ hoben, bevor der Hypothekarzins letztlich auf dem Marktniveau eingependelt wird.

105

Die kompensatorischen Mietzinsverbilligungsmodelle, die vor allem von Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen angewendet werden, verbil­ ligen den Mietzins in einer ersten Phase durch Zuschüsse aus eigenen Mitteln

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bzw. durch teilweisen oder gänzlichen Verzicht auf die angemessene Verzin­ sung des Eigenkapitals. Diese Vorleistung des Vermieters wird in einer späteren Phase über einen schrittweise erhöhten Mietzins kompensiert. In der Rückzah­ lungsphase wird somit ein (kompensatorischer) Mietzins vorgesehen, welcher für sich allein betrachtet nach den Missbrauchsbestimmungen im massgeben­ den Zeitpunkt an sich missbräuchlich wäre (Botsch. 1985, S. 1482). Voraussetzung für die Anwendung von Art.  269a Buchst.  d OR ist, dass die 106 marktüblichen Finanzierungskosten umgelagert werden, indem daraus anfäng­ lich eine Mietzinsverbilligung und später ein überhöhter Mietzins resultiert. Unter der neuen Bestimmung nicht zulässig wäre es z.B., überhöhte Baukos­ ten oder Landerwerbskosten in einer späteren Phase realisieren zu wollen. Das Modell muss folglich auf der zulässigen, kostendeckenden Bruttorendite beru­ hen und eine Verbilligung gegenüber dem rechnerischen Ergebnis durch Ver­ billigung der Fremdkapitalzinsen oder der Verzinsung des Eigenkapitals auf­ weisen. Weitere Voraussetzung ist, dass die aus dem Finanzierungsmodell sich erge­ 107 benden Erhöhungsraten in einem Zahlungsplan festgelegt sind, welcher dem Mieter im Voraus, d.h. vor dem Abschluss des Mietvertrages, bekannt zu geben ist. In dieser Voraussetzung nähert sich dieses Finanzierungsmodell dem gestaffelten Mietzins (Art. 269c OR) an. Es unterscheidet sich von diesem aber durch die wesentlich längere Amortisationsfrist der Mietzinsverbilligung. Beim gestaffelten Mietzins schreibt das Gesetz eine Mindestvertragsdauer von lediglich drei Jahren vor, innert welcher anfängliche Mietzinsverbilligungen in der Praxis kompensiert werden. Bei der Anwendung von Art. 269a Buchst. d OR können im Laufe des Mietver­ 108 trages auch alle übrigen Anpassungsfaktoren (Kostenerhöhungen z.B. durch Hypothekarzinssteigerungen, Ausgleich der Teuerung usw.) kumulativ geltend gemacht werden, da sie ja in der ursprünglichen Kalkulation nicht miteinbe­ rechnet worden sind. Der Mieter kann ferner jede Mietzinserhöhung, wel­ che sich aus dem Zahlungsplan ergibt, einzeln anfechten, weil das Gesetz – im Unterschied zu Art. 269b OR i.V.m. Art. 270c OR (indexierter Mietzins) bzw. Art. 269c OR i.V.m. Art. 270d OR (gestaffelter Mietzins) – keinerlei Einschrän­ kungen bezüglich der Anfechtungsmöglichkeiten regelt (Botsch. 1985, S. 1482; MfdP/Brutschin, N 19.7.4; Siegrist, Mietzins, S. 131). Bei der Anwendung von Art. 269a Buchst. d OR sind die Parteien – im Unter­ 109 schied zum indexierten Mietzins (Botsch. 1985, S.  1482, erklärt Art.  269a Buchst.  d OR ausdrücklich nicht zur neuen Form des indexierten Mietzin­

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ses) und zum gestaffelten Mietzins – an keine minimale Vertragsdauer gebun­ den. Verbilligung und Kompensation erstrecken sich vielmehr sowohl auf den aktuellen Mieter als auch auf einen allfälligen Nachfolgemieter (Botsch. 1985, S. 1482). Der Nachfolgemieter, welcher die Mietsache erst im Zeitpunkt des überhöhten, kompensatorischen Mietzinses antritt, kann demzufolge den Anfangsmietzins nicht mit der Begründung anfechten, der Vermieter erziele einen unzulässigen Ertrag aus der Mietsache. Im Rahmen einer solchen Anfechtung sind vielmehr die früheren Mietzinsvorteile des Vormieters voll­ umfänglich in Anrechnung zu bringen.

7.

Teuerungsausgleich auf risikotragendem Kapital

110

Art. 269a Buchst. e OR erlaubt es dem Vermieter, die Teuerung auf dem soge­ nannten risikotragenden Kapital auszugleichen. Art.  16 VMWG bestimmt, dass zum Ausgleich dieser Teuerung der Mietzins höchstens um 40% der Stei­ gerung des Landesindexes der Konsumentenpreise, wie er vom eidgenössi­ schen statistischen Amt (heute: Bundesamt für Statistik) ermittelt wird, erhöht werden dürfe. Diese einschränkende Vorschrift basiert auf der Annahme, dass Mietliegenschaften zu rund 60% fremdfinanziert seien (MfdP/Brut­ schin, N 19.8.2). Ein Teuerungsausgleich auf dem Fremdkapital ist demgegen­ über nicht zuzulassen, da es sich nicht proportional zur Teuerungsentwick­ lung erhöht (BGE 101 II 337, E. 2c; Hauri, Mietzins, S. 132; Raissig/Schwander, Missbräuche, S. 126).

111

Mit der Annahme eines standardisierten Teuerungsausgleiches, der es erlaubt, 40% der Teuerung zum Schutz des fiktiven Eigenkapitalanteils vor den Folgen der Inflation geltend zu machen, wurde einem gegenüber dem frü­ heren Recht veränderten Umstand nicht Rechnung getragen: Das Recht des BMM ging davon aus, dass aus den Mietzinseinnahmen nur die Kapitalkosten zu bestreiten seien, nämlich 60% für die Kosten der Fremdkapitalverzinsung und 40% für die sogenannte Kaufkraftsicherung des risikotragenden Kapitals. Das revidierte Mietrecht hat zu Recht den Anteil der Finanzierungskosten auf ca. 70% der gesamten mit den Mietzinseinnahmen zu bestreitenden Kosten festgelegt und einen weiteren Anteil von 30% für Unterhalts-, Betriebs- und Verwaltungsaufwendungen ausgeschieden. Damit hätte es sich gerechtfertigt, den Teuerungsausgleich auf dem erwähnten risikotragenden Kapital lediglich im Umfang von 28% (40% von 70%) zuzulassen. Das Bundesgericht hat diese Unebenheit in einem allerdings singulären Entscheid erkannt und ohne ver­ 794

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tiefte rechtsdogmatische Auseinandersetzung mit den sich stellenden Fragen die Mutmassung geäussert, mit einem Teuerungsausgleich von 40% sei auch eine pauschalierte teuerungsbedingte Anpassung desjenigen Teils des Mietzin­ ses erfasst, der die Unterhaltskosten abdecke (BGE 120 II 100, E. 5a, in: MRA 0/94, S. 18 ff., vgl. dazu auch Weber, BSK, N 18 zu Art. 269a OR). Dabei wurde allerdings übersehen, dass Kostensteigerungen nach Massgabe von Art. 269a Buchst. b OR – selbständig – zu Mietzinsanpassungen berechtigen (gl.M. Higi, ZK, N 402 zu Art. 269a OR, m.w.H.). Die Korrektur einer möglicherweise auf falschen Überlegungen beruhenden Standardisierung müsste – wenn sie sich aufdrängt  – darin bestehen, auf die effektiven Verhältnisse abzustellen, wel­ che gerade im Bereich des Verhältnisses Eigenmittel/Fremdkapital und bezüg­ lich des massgebenden Fremdkapitalzinssatzes jederzeit einfach zu beweisen wären (vgl. N 36).

8. Rahmenmietverträge Nicht missbräuchlich sind Mietzinse, wenn sie das in Rahmenmietverträ­ 112 gen empfohlene Ausmass nicht übersteigen (Art.  269a Buchst.  f OR). Diese Bestimmung kann nur dann angerufen werden, wenn der geforderte Mietzins sich gestützt auf einen gesamtschweizerischen Rahmenmietvertrag als zuläs­ sig erweist (Raissig/Schwander, Missbräuche, S. 133; Hauri, Mietzins, S. 136). Lokale oder regionale Übereinkommen zwischen den Verbänden sind somit nicht geeignet, die Bestimmungen gemäss Art. 269 und 269a OR als Rahmen­ mietvertrag ausser Kraft zu setzen. Auf den 1.  Januar 1996 ist das Bundesgesetz über Rahmenmietverträge und 113 deren Allgemeinverbindlicherklärung in Kraft getreten (SR 221.213.15). Es enthält im Wesentlichen folgende Regelungen als Voraussetzungen für den Abschluss von Rahmenmietverträgen: Als Rahmenmietvertrag im Sinne des erwähnten Bundesgesetzes gilt begriff­ lich eine Vereinbarung, durch die Vermieter- und Mieterverbände gemein­ sam Musterbestimmungen über Abschluss, Inhalt und Beendigung der einzel­ nen Mietverhältnisse für Wohn- und Geschäftsräume aufstellen (Art. 1 Abs. 1). Rahmenmietverträge können abgeschlossen werden für das Gebiet der gan­ zen Schweiz, für das Gebiet eines oder mehrerer Kantone oder für Regionen, die mindestens 30 000 Wohnungen oder Geschäftsräume umfassen. Nach Art.  3 kann der Bundesrat auf gemeinsamen Antrag der vertragsschliessen­ den Parteien Abweichungen von zwingenden Gesetzesbestimmungen bewil­ ligen, wenn der Rahmenmietvertrag von repräsentativen Verbänden oder Beat Rohrer

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Organisationen, die Vermieter- oder Mieterinteressen vertreten, abgeschlos­ sen wird. Erforderlich ist weiter, dass den Mietenden ein mindestens gleich­ wertiger Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen, anderen missbräuchlichen Forderungen oder Kündigungen geboten und im Übrigen dem zwingenden Recht von Bund und Kantonen nicht widersprochen wird (Art. 3 Abs. 1). Als repräsentativ gelten dabei Verbände und Organisationen, die seit mindestens 10 Jahren gemäss Statuten den Hauptzweck verfolgen, Vermieter- oder Mieter­ interessen zu vertreten und (kumulativ) mindestens 5% der Mietenden oder Vermietenden des Geltungsbereiches vertreten oder deren Mitglieder mindes­ tens 10% der Einzelmietverträge direkt oder indirekt zeichnen. Der Rahmen­ mietvertrag darf im Übrigen von folgenden Bestimmungen des Obligationen­ rechtes nicht abweichen: –– Art. 266l–266o OR betreffend die Form der Kündigung –– Art. 269 und 269d OR –– Art. 270e, Art. 271, Art. 273 Abs. 1, 4 und 5 sowie Art. 273a Abs. 1 OR Von Art. 270 OR darf dann nicht abgewichen werden, wenn im betroffenen Kanton die Verwendung des Formulars nach Art. 269d OR obligatorisch erklärt worden ist; ferner darf das Recht der Mieter, Herabsetzung von Mietzinsen zu verlangen und Erhöhung von Mietzinsen anzufechten, nicht beschränkt wer­ den (Art. 270a und 270b OR). 114

Auf Antrag der vertragsschliessenden Parteien könnten Rahmenmietverträge als allgemeinverbindlich erklärt werden. Dies bewirkt, dass sie für alle Miet­ verhältnisse des örtlichen und sachlichen Geltungsbereiches zwingend sind (Art. 5 Abs. 1). Erstreckt sich der Geltungsbereich des Rahmenmietvertrages auf das Gebiet mehrerer Kantone, so wird die Allgemeinverbindlichkeit vom Bundesrat erklärt; beim Geltungsbereich innerhalb eines Kantons durch den Kanton (Art. 7). Das Gesetz enthält sodann ausführliche Vorschriften über das Verfahren betreffend die Allgemeinverbindlicherklärung (Art.  8–15). Bemer­ kenswert ist in diesem Zusammenhang insbesondere das in Art. 10 geregelte Anhörungsrecht jeder einzelnen Person, die von der vorgesehenen Allgemein­ verbindlichkeit betroffen ist. Das Recht kann innert 60 Tagen nach der zwin­ gend vorgeschriebenen Veröffentlichung des Antrages auf Allgemeinverbind­ licherklärung wahrgenommen werden (Art. 9 und 10).

115

Der Bundesrat hat gestützt auf das erwähnte Bundesgesetz am 5. September 2001 je einen Rahmenmietvertrag für die Westschweiz und für den Kanton Waadt als allgemeinverbindlich erklärt. Diese Rahmenmietverträge enthalten

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Art. 269a

keine Bestimmungen betreffend missbräuchliche Mietzinse, was im Hinblick auf die Gefahr einer Rechtszersplitterung in der Literatur begrüsst wird (Weber, BSK, N 19 zu Art. 269a OR, m.w.H. auf Higi, ZK, N 429 zu Art. 269a OR; Ron­ coroni, Rahmenmietverträge, S. 21 ff.).

9.

Geltendmachung verschiedener Mietzinsanpassungsgründe

Die gleichzeitige Geltendmachung einzelner in Art. 269a OR genannter Miet­ 116 zinserhöhungsgründe zur Begründung einer Mietzinsanpassung wird weder vom Gesetz noch durch die Verordnung ausgeschlossen und ist daher grundsätzlich zulässig (BGE 103 II 258; 106 II 356; Mitteilungen 14/5 und 14/7). Art. 19 Abs. 1 Ziffer 4 VMWG geht denn auch davon aus, dass mehrere Erhö­ hungsgründe gleichzeitig angerufen werden können, wenn vorgeschrieben wird, jeder geltend gemachte Erhöhungsgrund sei in «Einzelbeträgen» auszu­ weisen (vgl. N 46 zu Art. 269d OR). Die Praxis lässt in diesem Zusammenhang zu Recht die separate Erwähnung von Prozentwerten für die einzelnen Erhö­ hungsgründe zu, was insbesondere bei mittels EDV verwalteten Liegenschaf­ ten administrative Erleichterungen bringt. Bei grösseren Liegenschaften kann so nämlich die Begründung der Mietzinserhöhung für eine Vielzahl betroffe­ ner Mietparteien einheitlich gestaltet werden. Inhaltlich lässt sich feststellen, dass die Anrufung eines absoluten Erhöhungs­ 117 grundes – angemessener Ertrag oder kostendeckende Bruttorendite sowie ortsoder quartierübliche Verhältnisse – die gleichzeitige Geltendmachung von lau­ fenden Kostenveränderungen in der Regel überflüssig macht, weil der konkret geforderte Mietzins alle bis zum Zeitpunkt der Erhöhungsmitteilung diesbe­ züglich eingetretenen Veränderungen mitumfasst. Eine Ausnahme besteht im Fall, in welchem der Vermieter den Anfangsmietzins nach Vornahme umfas­ sender Überholungen unter Hinweis auf die orts- oder quartierüblichen Ver­ hältnisse begründet: Damit er im durchaus wahrscheinlichen Fall, in welchem ihm der Nachweis der Ortsüblichkeit nicht gelingt, wenigstens die nach Art. 14 zu berechnende Mietzinsanpassung nicht verliert, muss ihm gestattet werden, sich in einem Anfechtungsverfahren – nach einem ausdrücklichen Hinweis in der Begründung, soweit eine solche aufgrund der Formularpflicht schon vor einem Anfechtungsverfahren erstattet werden muss – im Eventualfall auf die umfassende Sanierung zu berufen (N 45 zu Art. 269d OR). Inwieweit sonst die Anrufung verschiedener Erhöhungsgründe unter dem Aspekt der Pflicht des Vermieters, seine Mietzinsanpassung zu begründen (Art. 269d OR; bzw. «klar» Beat Rohrer

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zu begründen vgl. Art.  19 Abs.  1 Ziffer 4 VMWG) allenfalls beschränkt ist, wird gesondert darzustellen sein (vgl. N 41 ff. zu Art. 269d OR).

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Art. 269b B. Indexierte Mietzinse Die Vereinbarung, dass der Mietzins einem Index folgt, ist nur gültig, wenn der Mietvertrag für mindestens fünf Jahre abgeschlossen und als Index der Landesindex der Konsumentenpreise vorgesehen wird. B.

Loyers indexés

Les conventions prévoyant que le loyer est adapté en fonction d’un indice ne sont valables que si le bail est conclu pour une durée minimale de cinq ans et que la référence est l’in­ dice suisse des prix à la consommation.

B.

Pigioni indicizzate

La pattuizione di pigioni soggette all’adeguamento ad un indice è valida soltanto se la locazione è conclusa per cinque anni almeno e l’indice cui è fatto riferimento è quello nazionale dei prezzi al consumo.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

800

2. 2.1 2.2 2.3

Voraussetzungen der Indexierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Minimale Vertragsdauer .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Landesindex der Konsumentenpreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Anwendung auf Wohnungen und Geschäftsräume .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

800 800 805 807

3. Anpassungsmodalitäten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Formularpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Anzeigefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.3 Vertragsabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.4 Kombination mit anderen Mietzinsanpassungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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4.

Anfechtung von Mietzinsanpassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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5.

Mietzinsgestaltung nach Ablauf vertraglicher Mindestdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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1. Vorbemerkungen 1

Gemäss dem vor dem 1.  Juli 1990 geltenden Recht des BMM war eine Bin­ dung der Mietzinsgestaltung an die Entwicklung eines Indexes möglich (Art. 9 BMM). Das Gesetz enthielt aber keine Beschränkungen hinsichtlich der Art der Indexierung. In der Praxis wurden insbesondere auch diejenigen Miet­ zinse als indexiert qualifiziert, die aufgrund von Veränderungen des Hypo­ thekarzinses angepasst werden konnten (BGE 103 II 267; 108 II 466; 109 II 58, E. 2b). Noch weitergehend wurde eine Klausel, die es erlaubte, den Miet­ zins während einem für eine Mindestfrist unkündbar abgeschlossenen Miet­ vertrag den allgemeinen Kostenentwicklungen anzupassen, als «Indexklau­ sel» betrachtet (BGE 108 II 470).

2

Art. 269b OR lässt als einzigen Index für Mietzinsanpassungen nur noch den Landesindex der Konsumentenpreise, wie er vom Bundesamt für Statistik (BfS) ermittelt und monatlich publiziert wird, zu. Diese Bestimmung ist zwingender Natur und erlaubt den Parteien nicht, die Mietzinsgestaltung von der Ent­ wicklung anderer Kennzahlen abhängig zu machen, schränkt insofern also die Vertragsfreiheit erheblich ein (Higi, ZK, N 5 zu Art. 269b OR; MfdP/Wettstein, N 20.2.2; Weber, BSK, N 2 zu Art. 269b OR).

2.

Voraussetzungen der Indexierung

2.1

Minimale Vertragsdauer

2.1.1 Grundsatz 3

Art. 269b OR lässt die Indexierung nur zu, wenn der Mietvertrag auf eine Min­ destdauer von fünf Jahren eingegangen wird. Es genügt nach Art. 17 Abs. 4 VMWG, dass der Vertrag einseitig vom Vermieter erstmals auf das Ende einer mindestens fünf Jahre dauernden Vertragsbeziehung gekündigt wer­ den kann. Damit wird mit der erwähnten Verordnungsbestimmung bestä­ tigt, was nach Lehre und Rechtsprechung schon vor deren Erlass mit Wirkung auf den 1. Januar 2008 unbestritten war (MfdP/Wettstein, N 20.2.3, m.w.H.). Die Bedingung einer fünfjährigen Mindestvertragsdauer ist auch erfüllt, wenn beide Parteien schon auf einen Zeitpunkt vor Ablauf von fünf Jahren kündi­ gen können, sofern dem Mieter mindestens eine Option auf Verlängerung des Mietverhältnisses über diese Mindestdauer hinaus eingeräumt worden ist (Rohrer, indexierter Mietzins, S. 1 ff.; zum Optionsrecht vgl. N 43 ff., Vorbem. zu Art. 266–266o OR). Das gilt sowohl bei echten wie auch bei unechten Opti­

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Art. 269b

onen, weil der Vermieter auch dann, wenn die Verlängerung nach Ausübung der Option noch von einer Einigung über die Vertragskonditionen abhängig ist, zunächst gebunden ist, also nicht auf den Ablauf der Mindestvertragsdauer kündigen und anderweitig über das Mietobjekt verfügen kann. Ist der Vermie­ ter solcherart für mindestens fünf Jahre gebunden, so können zugunsten des Mieters auch andere Kündigungsfristen und -termine vereinbart werden, die es ihm erlauben, das Vertragsverhältnis vor Ablauf von fünf Jahren aufzulösen, ohne dass dies Auswirkungen auf die Gültigkeit der Indexklausel hat (BGE 125 III 358, E. 1b/bb; 112 II 69; Higi, ZK, N 68 ff. i.V.m. N 60 zu Art. 269b OR; MfdP/Wettstein, N 20.2.3; Weber, BSK, N 1 zu Art. 269b OR; Hulliger/Hein­ rich, CHK, N 1 zu Art. 269b OR; Wettstein, indexierter Mietzins, S. 49 ff.; Rais­ sig/Schwander, Missbräuche, S.  93; Gmür/Thanei, Mietzinserhöhung, S.  43; Zihlmann, Mietrecht, S. 197; kritisch zur lediglich einseitig den Vermieter bin­ denden Fünfjahresfrist: Giger, BK, N 55 zu Art. 255 OR). Die fünfjährige Bindung des Vermieters, die Voraussetzung für die Anwen­ 4 dung der Indexklausel bildet, beginnt am Tag des von den Parteien festgeleg­ ten Mietbeginns, also nicht mit dem Vertragsschluss und auch nicht am Tag der Übergabe der Sache, wenn dieser nicht mit dem Mietbeginn, d.h. dem Tag, an dem die wesentlichen gegenseitigen Rechte und Pflichten zu erfüllen sind, identisch ist (Higi, ZK, N 74 f. zu Art. 269b OR, m.w.H.; ZMP 2/92, Nr. 24).

2.1.2

Weitergeltung Vertrag nach Ablauf Mindestdauer

Wird in einem unbefristeten Mietverhältnis, das erstmals auf den Ablauf 5 einer fünfjährigen Vertragsdauer kündbar ist, eine Indexklausel im Sinne von Art. 269b OR vereinbart und setzen die Parteien das Mietverhältnis über den erstmöglichen Auflösungszeitpunkt hinaus fort, ohne eine neue Mindestfrist zu vereinbaren, so fehlt es nach höchstrichterlicher Auffassung für die Fol­ gezeit an der Voraussetzung einer mindestens fünfjährigen Vertragsdauer. Zumindest missverständlich ist diesbezüglich immerhin der Wortlaut von Art. 17 Abs. 4 VMWG, in Kraft seit dem 1. Januar 2008: Ein Mietvertrag gilt als für fünf Jahre abgeschlossen, «wenn der Vertrag durch den Vermieter für die Dauer von mindestens fünf Jahren nicht gekündigt werden kann». Diese Bedingung ist klarerweise auch dann erfüllt, wenn ein zunächst einseitig den Vermieter bindendes Vertragsverhältnis nach Ablauf von fünf Jahren fortge­ setzt wird, ohne dass die Parteien mindestens einseitig zulasten des Vermieters erneut eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren vereinbaren (vgl. Rohrer, indexier­ ter Mietzins, S. 3). Nach Lehre und Rechtsprechung, die sich, soweit ersichtlich, nie mit dem Wortlaut von Art. 17 Abs. 4 VMWG auseinandergesetzt haben,

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Art. 269b

kann also die Indexklausel für die Zeit nach dem Ablauf der Mindestvertrags­ dauer selbst dann nicht mehr angewendet werden, wenn die Parteien dies im Vertrag so verabredet haben (so zum vor dem 1.  Juli 1990 geltenden Recht des BMM schon Mitteilungen 20/4; BGE 109 II 58, E. 2b; Gmür/Thanei, Miet­ zinserhöhung, S. 43; Urteil des Bundesgerichts 4A_269/2015 vom 2. Novem­ ber 2015, E. 1.1 und 2.2; BGE 124 III 57; 123 III 76, E. 4a, m.w.H.; vgl. Roh­ rer, Änderungen, S. 148; Weber, BSK, N 7 zu Art. 269b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 269b OR; MfdP/Wettstein, N 20.2.3; Saviaux, Bail, S. 65 ff., S. 66 bei Fn. 4). Der Vermieter kann folglich Zinsanpassungen während der unbestimmten Dauer des Vertrages nur noch nach Massgabe der Kriterien von Art. 269 bzw. 269a OR und im Verfahren gemäss Art. 269d OR geltend machen. Zur Frage, in welchem Umfang bzw. gestützt auf welche Kriterien nach Ablauf der Mindestvertragsdauer Mietzinsanpassungen möglich sind, vgl. N 35 ff. 6

Anders verhält es sich, wenn die Parteien im Vertrag verabredet haben, dass der Vertrag sich entweder stillschweigend – bei Unterlassen einer Kündigung – oder durch Ausübung einer dem Mieter gewährten Option jeweils um mindes­ tens fünf Jahre verlängert. Weil in diesem Fall nach Ablauf der ursprünglichen Vertragsdauer eine neue, mindestens fünfjährige Dauer des Mietverhältnis­ ses als verabredet gilt, kann die Indexklausel weiterhin angewendet werden (Urteil des Bundesgerichts 4A_269/2015 vom 2. November 2015, E. 2.2; Urteil 4A_489/210 vom 6. Januar 2011, E. 4.2, in: MRA 3/11, S. 87 ff.; BGE 137 III 580, E. 2; BGE 109 II 58, E. 2b).

2.1.3 7

Indexklausel ohne minimale 5-jährige Vertragsbindung

Ist der Vermieter nicht für mindestens fünf Jahre an den Mietvertrag gebun­ den, sei es, weil die Parteien Entsprechendes nicht vereinbart haben, oder sei es, dass ein ursprünglich auf mindestens fünf Jahre unkündbar abgeschlosse­ ner Mietvertrag auf unbestimmte Vertragsdauer, aber ohne Bindung des Ver­ mieters für mindestens weitere fünf Jahre, fortgesetzt wird, so beruht die Inde­ xierung des Mietzinses auf einer nichtigen Vertragsklausel. Die herrschende Lehre nimmt dabei keine Nichtigkeit des Vertrags als Ganzes, sondern Teilnichtigkeit an (MfdP/Wettstein, N 20.2.3.1; Higi, ZK, N 86 zu Art. 269b OR; Weber, BSK, N 8 zu Art. 269b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 269b OR). Demnach hat der Richter den Vertrag nach dem hypothetischen Parteiwillen zu ergänzen, also insbesondere zu beurteilen, ob die Parteien in Kennt­ nis der Nichtigkeit ihrer Mietzinsanpassungsregelung die Vertragsdauer min­ destens einseitig zulasten des Vermieters auf fünf Jahre ausgedehnt hätten oder ob sie – bei fehlendem Willen des Vermieters, sich mindestens für fünf Jahre

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Art. 269b

zu binden – es bevorzugt hätten, dass der Mietzins entsprechend den Regelun­ gen von Art. 269 und 269a OR angepasst werden sollte. Je näher die zu kurz vereinbarte Mindestvertragsdauer mit einer wenigstens einseitigen Bindung zulasten des Vermieters bei fünf Jahren liegt, desto eher rechtfertigt es sich, im Rahmen der erforderlichen Konversion eine Mindestvertragsdauer von fünf Jahren anzunehmen (Higi, ZK, N 91 zu Art. 269b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 269b OR, m.w.H. auf BGE 124 III 57, E. 3c; Weber, BSK, N 9 zu Art. 269b OR; Dietschy-Martenet, CPra, N 8 zu Art. 269b OR; HAP-Immobili­ armietrecht/Nordmann/Schmelzer, Rz. 18.6, S. 683 f.). Die formgerecht angezeigte Mietzinserhöhung, die auf einer bezüglich der Ver­ 8 tragsdauer nicht gesetzeskonformen Vertragsabmachung beruht, muss vom Mieter angefochten werden, da sie andernfalls ungeachtet der gegen zwingen­ des Recht verstossenden Vertragsklausel Rechtswirkungen entfaltet (Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, N  519, S.  160  f.; Urteil des Bundesgerichts vom 5.  März 1997, in: mp 1997, S.  102  ff.; gleichlautend der Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich, in: MRA 0/94, S. 24 f., vom Bundesgericht bestätigt mit Urteil vom 28. November 1994; widersprüchlich Higi, der einer­ seits die auf der nichtigen Klausel beruhende Mietzinserhöhung als nichtig bezeichnet, ohne sich näher mit den daraus sich ergebenden Konsequenzen zu befassen, anderseits aber festhält, im Anfechtungsverfahren müsse die Nich­ tigkeit einer Indexklausel, die gegen die zwingenden Gesetzesbestimmungen verstosse, vorbehältlich der rechtsmissbräuchlichen Anrufung durch den Mie­ ter von Amtes wegen beachtet werden, N 93 zu Art. 269b OR; a.M. Hulliger/ Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 269b OR, die sich allerdings mit den zitierten Prä­ judizien nicht auseinandersetzen; Weber, BSK, N 8 zu Art. 269b OR, mit einem Hinweis auf die Botsch. 1985, S. 1480; ferner MfdP/Wettstein, N 20.2.12.1). Aus der von verschiedenen Autoren befürworteten (Teil-)Nichtigkeit einer 9 Mietzinsanpassung unter Berufung auf die Indexentwicklung in den Fällen, in denen keine mindestens fünfjährige Bindung des Vermieters an den Mietver­ trag (mehr) besteht, wird abgeleitet, dass Mietzinszahlungen, die aufgrund von an sich formgerecht angezeigten und nicht angefochtenen Mietzinserhöhun­ gen geleistet worden sind, später unter Berufung auf ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62 ff. OR) vom Mieter zurückgefordert werden könnten (Hulli­ ger/Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 269b OR). Diese Konsequenz ist abzulehnen. Das sehr formalistisch ausgestaltete Recht des Vermieters, einseitige Vertrags­ änderungen anzuzeigen (vgl. Art. 269d OR i.V.m. mit Art. 19 VMWG) verfolgt auch den Zweck, nach Ablauf der Anfechtungsfrist klare Verhältnisse über die Höhe des massgebenden Mietzinses zu schaffen, der alsdann – vorbehältlich

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Art. 269b

eines formellen Versäumnisses im Sinne von Art. 269d Abs. 2 OR – nicht mehr infrage gestellt werden soll. Angesichts der in Art. 269d Abs. 2 Buchst. b OR zwingend vorgeschriebenen Begründungspflicht befindet sich ein Mieter, dem eine der Indexentwicklung entsprechende Mietzinserhöhung mit dem gesetz­ lich vorgeschriebenen Formular angezeigt wird, nach unterlassener Anfech­ tung bei Bezahlung des künftigen erhöhten Mietzinses denn auch nicht in einem Irrtum, wie er für eine Rückforderung gemäss Art.  63 OR vorausge­ setzt wird. Fehlende Gesetzeskenntnis kann jedenfalls nicht als «Irrtum» im richtig verstandenen Sinn des gesetzlichen Begriffes betrachtet werden, ins­ besondere bei Mietern von Geschäftsräumlichkeiten. Dies gilt erst recht nicht, wenn in korrekter Weise das gesetzlich vorgeschriebene Formular verwen­ det worden ist, also anders als im Sachverhalt, wie er im BGE 113 II 187 zu beurteilen war. Eine Rückforderung von über einen längeren Zeitraum zu viel bezahlten Mietzinsen dürfte sich in aller Regel überdies als rechtsmissbräuchlich erweisen. Mit Fug muss man sich schliesslich die Frage stellen, inwieweit ein Vermieter überhaupt bereichert sein kann, wenn er ja anstelle der nicht mehr zulässigen Indexierung jeweils andere Erhöhungsgründe hätte geltend machen können  – worauf er im Vertrauen auf die seines Erachtens immer noch anwendbare Indexklausel verzichtet hat. Diese Frage erhält eine gera­ dezu widersinnige Dimension, wenn sich rückblickend erweist, dass der Ver­ trag nach Ablauf der ursprünglichen Mindestdauer von fünf Jahren länger als weitere fünf Jahre fortgedauert hat, sodass der Mieter bei seiner Rückforderung nur noch vom Umstand profitieren würde, dass das faktisch Eingetretene sei­ nerzeit nicht explizit vereinbart worden ist. 10

Gerät der Vermieter mit der Übergabe der Sache am Tag des vereinbarten Mietbeginns in Verzug oder ändern die Parteien einvernehmlich aufgrund anderer Gegebenheiten den Mietbeginn (mit Übergabe der Sache bzw. Beginn der Zahlungspflicht zulasten des Mieters) um einen kurzen Zeitraum (z.B. 14 Tage oder einen Monat) ab, ohne gleichzeitig die vertragliche Bindung des Ver­ mieters so auszudehnen, dass sie ab dem massgebenden Tag der Übergabe bzw. Beginn der Zahlungspflichten wieder fünf Jahre beträgt, so wäre es überspitzt formalistisch, dem Vermieter während der verbleibenden Zeit bis zum ersten Auflösungszeitpunkt (z.B. vier Jahre und elf Monate) jegliche Mietzinsanpas­ sungsmöglichkeit zu verweigern, weil jetzt die Mindestvertragsdauer von fünf Jahren nicht mehr gegeben ist. Um den Konflikt mit der an sich klaren Bestim­ mung von Art. 269b OR zu vermeiden, muss anhand der konkreten Umstände, eventuell mittels richterlicher Vertragsergänzung, festgestellt werden, ob die Parteien nach ihrem übereinstimmenden Willen nicht effektiv einen Teilerlass des Mietzinses für diejenige Zeitspanne vereinbart haben, für die der Mieter 804

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nicht über das Mietobjekt verfügen konnte – ob also nicht zumindest sinnge­ mäss in Anwendung von Art. 259d OR eine verhältnismässige Reduktion des Mietzinses vereinbart wurde, weil das Mietobjekt im Zeitpunkt des ursprüng­ lich vereinbarten Mietbeginns nicht bezogen werden konnte. Es kann jeden­ falls in entsprechenden Fällen in der Regel ausgeschlossen werden, dass die Parteien mit der verspäteten Übergabe der Sache stillschweigend, also nach übereinstimmendem Vertragsverständnis, die von ihnen vereinbarte Index­ klausel ausser Kraft setzen wollten (Higi, ZK, N 91 zu Art. 269b OR, der fordert, dass danach zu forschen ist, ob eine Ausdehnung der Bindung des Vermieters an die Mindestdauer von fünf Jahren dem hypothetischen Vertragswillen ent­ sprechen könnte; Dietschy-Martenet, CPra, N 8 zu Art. 269b OR).

2.1.4

Erstreckung des Mietverhältnisses

Gestützt auf Art. 272 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 273 Abs. 2 Buchst. b OR 11 kann das Mietverhältnis im Falle einer Kündigung durch den Vermieter um höchstens vier Jahre (Wohnung) bzw. sechs Jahre (Geschäftsräume) erstreckt werden. Gemäss Art.  272c Abs.  2 OR gilt der Vertrag während der Erstre­ ckungsdauer unverändert weiter, falls er im Erstreckungsentscheid nicht abge­ ändert worden ist. Wird folglich ein indexierter Vertrag verlängert, so ist die Indexklausel auch während der Dauer der Erstreckung anwendbar (MfdP/ Wettstein, N 20.2.3; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 272c–272d OR; Higi, ZK, N 129 ff. zu Art. 269b OR; a.M., aber im klaren Widerspruch zum ersten Halbsatz von Art. 272c Abs. 2 OR; Weber, BSK, N 6 zu Art. 272c OR). Der Ver­ mieter muss dabei im Erstreckungsverfahren die Weitergeltung der vertrag­ lich vereinbarten Indexklausel nicht speziell beantragen (abweichend Higi, ZK, N 131 zu Art. 269b OR, der aber übersieht, dass gerade der Verzicht auf die weitere Anwendbarkeit der Indexklausel eine Änderung des Vertrages darstel­ len würde und daher – entsprechende Gründe vorausgesetzt – vom Mieter im Erstreckungsverfahren explizit beantragt werden müsste).

2.2

Landesindex der Konsumentenpreise

Das Gesetz erlaubt den Parteien, als massgebenden Index ausschliesslich den 12 Landesindex der Konsumentenpreise, allmonatlich publiziert vom Bundesamt für Statistik (BfS), zu vereinbaren. Die Vereinbarung anderer Indexklau­ seln, so z.B. das Abstellen auf die Entwicklung des Baukostenindexes oder des sogenannten Mietpreisindexes, ist damit gesetzlich ausgeschlossen. Eben­ falls unzulässig ist es, sogenannte Mischklauseln zu vereinbaren, gemäss wel­ chen die Mietzinsgestaltung zum Teil der Entwicklung des ReferenzzinssatBeat Rohrer

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zes und zum Teil der Entwicklung des Landesindexes der Konsumentenpreise folgt. Schon gar nicht mehr zulässig sind die von der Bundesgerichtspraxis unter dem Geltungsbereich des BMM in ziemlich grosszügiger Handhabung des Begriffs «Index» zugelassenen allgemeinen Anpassungsklauseln (Higi, ZK, N 75 ff. zu Art. 269b OR; Weber, BSK, N 2 zu Art. 269b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 269b OR; MfdP/Wettstein, N 20.2.2; Urteil des Bundesge­ richts vom 5. März 1997, in: MRA 3/97, S. 102 ff., zum vor dem 1. Juli 1990 gel­ tenden Recht: BGE 108 II 467, E. 2). Die Einschränkung der Vertragsfreiheit, wie sie sich mit Art. 269b OR manifestiert, wird damit begründet, dass im Rah­ men eines Anfechtungsverfahrens nur überprüft werden kann, ob die geltend gemachte Mietzinsanpassung durch eine entsprechende Änderung des Inde­ xes gerechtfertigt ist. Ausgeschlossen ist demgegenüber während der Dauer, in der die Indexklausel zur Anwendung gelangt – im Unterschied zum vor dem 1.  Juli 1990 geltenden Recht des BMM  – eine umfassende Überprüfung auf Missbräuchlichkeit. 13

Wird ein anderer Index als der Landesindex der Konsumentenpreise BfS verab­ redet, so stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, wenn gestützt darauf Mietzinsanpassungen mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Formular angezeigt werden. Die vollständige Nichtigkeit der Anpassungsklau­ sel ist aus zwei Gründen abzulehnen. Zum einen würde dies bedeuten, dass die Parteien sich über einen wesentlichen Vertragsbestandteil nicht geeinigt hät­ ten, weil gerade auszuschliessen ist, dass sie ein länger dauerndes Vertragsver­ hältnis ohne Möglichkeit der Mietzinsanpassung haben eingehen wollen. Der Vertrag wäre somit nicht gültig zustande gekommen  – eine Rechtsfolge, die gerade nicht im Interesse des Mieters liegen kann. Sie wäre auch mit Sinn und Zweck der Missbrauchsgesetzgebung nicht zu vereinbaren. Zum anderen kann diesfalls die zwingende gesetzliche Vorschrift als Ersatznorm Geltung erlangen. Die herrschende Lehre nimmt deshalb zu Recht auch hier Teilnichtigkeit im Sinne von Art. 20 Abs. 2 OR an und verlangt eine richterliche Vertragsergän­ zung in dem Sinne, dass – vorausgesetzt, ein abweichender hypothetischer Par­ teiwille sei nicht auszumachen – die gesetzlich einzig zulässige Indexierung als von den Parteien vereinbarte Anpassungsmöglichkeit betrachtet wird (MfdP/ Wettstein, N 20.2.3.1; Higi, ZK, N 90 zu Art. 269b OR; Weber, BSK, N 8 zu Art. 269b OR, m.w.H. auf BGE 124 III 57, E. 3c; Guhl et al., OR, S. 398; Zihl­ mann, Mietrecht, S. 201, Urteil des Bundesgerichts vom 5. März 1997, E. 2b, in: MRA 3/97, S. 102 ff.). Bereits nach Massgabe der ungültigen Vertragsklausel mitgeteilte Mietzinserhöhungen bleiben wirksam, sofern sie nicht innert Frist angefochten worden sind. Zu einem späteren Zeitpunkt kann allerdings eine neu geltend gemachte Mietzinsanpassung daraufhin überprüft werden, ob der 806

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Art. 269b

damit verlangte Mietzins höher liegt als derjenige, der entsprechend der Inde­ xentwicklung seit dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses hätte geltend gemacht werden können.

2.3

Anwendung auf Wohnungen und Geschäftsräume

Art. 269b OR gilt in gleicher Weise für Mietverhältnisse betreffend Wohn- und 14 Geschäftsräume. Art. 17 VMWG enthält eine nach dem Randtitel scheinbar nur für Wohnräume gültige Regelung, was historisch zu erklären ist: Bis zum Inkrafttreten der revidierten Verordnung am 1.  August 1996 konnten Miet­ zinse für Wohnräume nur im Umfang von 80% der Indexentwicklung ange­ passt werden. Zur Bedeutung von Art. 17 Abs. 1 VMWG vgl. im Übrigen N 7 zu Art. 270c OR. Für die Indexierung von Mietzinsen für Wohnungen gelten zunächst alle 15 gesetzlichen Voraussetzungen, also eine mindestens fünfjährige Bindung des Vermieters, und die Vorschrift, dass als Index nur der Landesindex der Konsu­ mentenpreise BfS gültig vereinbart werden darf. Seit dem 1. August 1996 gilt, dass der Mietzins im vollen Umfang der Entwicklung des Landesindexes der Konsumentenpreise angepasst werden kann. Art. 17 Abs. 2 VMWG gilt gleichermassen für Wohn- und Geschäftsräume. 16 Die Bestimmung schreibt vor, dass Senkungen des Landesindexes der Kon­ sumentenpreise dem Mieter in Form von Mietzinsreduktionen weiterzuge­ ben sind. Im Unterschied zu Mietzinserhöhungen, die durch Indexverände­ rungen begründet sind (Art.  17 Abs.  3 VMWG), regelt die Verordnung die Frage, auf welchen Zeitpunkt der Mieter ein allfälliges Begehren um Reduk­ tion des Mietzinses stellen kann, nicht. Mangels einer diesbezüglich, das heisst spezifisch für allfällige Senkungen des Mietzinses, getroffenen vertraglichen Abmachung unter den Parteien kann daher entsprechend der übergeordneten Norm von Art. 270a Abs. 1 OR eine Senkung des Mietzinses nur auf den erstmöglichen Kündigungszeitpunkt geltend gemacht werden. Zeigt der Vermie­ ter die Reduktion nicht von sich aus an, so hat der Mieter nach Art. 270a OR ein Herabsetzungsbegehren zu stellen. Eine Mietzinssenkung ist allerdings nur dann zu gewähren, wenn die Änderung der Berechnungsgrundlage (d.h. die rückläufige Indexentwicklung) sich als wesentlich erweist (so ausdrück­ lich Art.  270a Abs.  1 OR; welche Bestimmung den Herabsetzungsanspruch von einer «wesentlichen Änderung der Berechnungsgrundlagen» abhängig macht vgl. N 4 ff. zu Art. 270a OR). Insofern vermag die Verordnungsbestim­ mung von Art. 17 Abs. 2 VMWG, die dem Mieter weitergehend in jedem Fall

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einen Senkungsanspruch zu verschaffen scheint, die Regelung des Gesetzge­ bers nicht zu derogieren. Zulässig ist ausserdem gerade deshalb, weil Art. 17 Abs. 2 VMWG keine Modalitäten für die Durchsetzung eines Senkungsanspru­ ches des Mieters vor dem erstmöglichen Kündigungszeitpunkt regelt, die Ver­ einbarung, wonach der Anfangsmietzins während der Dauer der einseitigen Bindung des Vermieters, während welcher also der Mietzins nur nach Mass­ gabe der Indexentwicklung angepasst werden kann, nicht unterschritten wer­ den darf (vgl. dazu N 2 zu Art. 270a OR und N 23; BGE 125 III 358; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, N  521, S.  161; HAP-Immobiliarmietrecht/ Nordmann/Schmelzer, Rz. 18.7, S. 684 und HAP-Immobiliarmietrecht/Koum­ barakis, Rz. 17.32 ff., S. 653 f.; Higi, ZK, N 48 zu Art. 269b OR und N 42 zu Art. 270a OR; a.M. Weber, BSK, N 3 zu Art. 269b OR und N 1a zu Art. 270a OR, m.w.H. auf BGE 125 III 358). Weber übersieht, dass das Bundesgericht die Anwendung der erwähnten vertraglichen Regelung erst für die Zeit nach Ablauf der Mindestvertragsdauer, während der eine Indexklausel anzuwenden war, ausgeschlossen hat (a.M. MfdP/Oeschger/Zahradnik, N  17.5.3.1.1, mit dem Hinweis, ihre Schlussfolgerung, die sie aus dem genannten Urteil ablei­ ten, sei im Urteil 4C.281/20 016 vom 17. November 2007 bestätigt worden. Die hier interessierende Frage stellte sich im Sachverhalt, den das Bundesgericht im erwähnten Entscheid zu beurteilen hatte, jedoch gar nicht. Vielmehr war zu entscheiden, ob der nach absoluter Methode auf eine allfällige Missbräuch­ lichkeit zu überprüfende Anfangsmietzins auch unter den Mietzins des frühe­ ren Mieters gesenkt werden könne, was das Bundesgericht bejahte, vgl. MRA 5/07, S. 158 ff.). 17

Schon nach dem ursprünglichen Verordnungstext waren in Verträgen über Geschäftsräume Abreden stets zulässig, wonach die Indexsteigerungen voll­ umfänglich überwälzt werden können. Die auf den 1.  August 1996 in Kraft getretene Änderung von Art. 17 VMWG lässt vordergründig – e contrario – den Schluss zu, es sei zulässig, bei Geschäftsräumen zu vereinbaren, dass mehr als die volle Indexentwicklung zu Mietzinsanpassungen führen könne (z.B. jeweils das Zweifache der Indexentwicklung). Lediglich für Wohnungen wird nämlich festgelegt, dass die jeweilige Mietzinserhöhung die Zunahme des Lan­ desindexes der Konsumentenpreise nicht übersteigen dürfe. Es handelt sich indessen – historisch erklärbar – um ein redaktionelles Versehen des Verord­ nungsgebers. Eine Vereinbarung, die es erlauben würde, bei Geschäftsräumen mehr als 100% der Indexentwicklung in Form einer Mietzinserhöhung geltend zu machen, würde gegen Art. 269b in Verbindung mit Art. 270c OR verstossen (gl.M. Higi, ZK, N 48 zu Art. 269b OR).

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3. Anpassungsmodalitäten 3.1 Formularpflicht Gemäss Art. 269d Abs. 3 OR bzw. Art. 19 Abs. 2 VMWG hat der Vermieter 18 im Falle einer Mietzinsanpassung gestützt auf eine Veränderung des massge­ benden Indexes das vom Kanton genehmigte sogenannte amtliche Formular zu verwenden und die Mietzinserhöhung im Sinne von Art. 269d OR in Ver­ bindung mit Art. 19 Abs. 1 VMWG zu begründen. Zur Begründung genügt der Hinweis auf den Mietvertrag; empfehlenswert, aber nicht gesetzlich vorge­ schrieben ist, dass die Berechnung des neuen Mietzinses im Hinblick auf die erleichterte Überprüfbarkeit auf dem Formular oder in einem Begleitschrei­ ben konkretisiert wird.

3.2 Anzeigefrist Nachdem indexierte Verträge auf eine Mindestdauer von fünf Jahren abge­ 19 schlossen werden müssen, kann die in Art.  269d OR enthaltene Vorschrift, wonach eine Mietzinsanpassung auf den nächsten Kündigungstermin ange­ zeigt werden muss, nicht gelten. Art. 17 VMWG legt nun in Abs. 3 fest, dass Mietzinserhöhungen aufgrund einer Veränderung des Landesindexes der Konsumentenpreise unter Einhaltung einer Frist von mindestens 30 Tagen im Vo­raus auf ein Monatsende angezeigt werden müssen. Der Grund, weshalb diese Regelung auf den 1. Januar 2008 eingeführt worden ist, ist nicht ersicht­ lich: Ein Regelungsbedarf bestand nämlich nicht. Nachdem im Rahmen der Vereinbarung einer Indexklausel bezüglich der Mitteilung von Mietzinsanpas­ sungen keine Kündigungsfristen und -termine eingehalten werden müssen – weil hier im Unterschied zu dem nicht auf eine Mindestdauer eingegangenen Vertragsverhältnis eine Kündigungsmöglichkeit zugunsten des Mieters zumin­ dest von Gesetzes wegen nicht besteht –, hätte man die Regelung der Anzei­ gemodalitäten auch weiterhin vollumfänglich den Vertragsparteien überlas­ sen können. Aus diesen Überlegungen verbietet sich die Annahme, Art.  17 Abs.  3 VMWG stelle zwingendes Recht dar. Vielmehr dürfte die Bedeutung dieser Bestimmung darin liegen, dass sie in den Fällen, in denen die Parteien im massgebenden Mietvertrag keine Regelung der Anpassungsmodalitäten vereinbart haben, subsidiär zur Anwendung gelangt. Art. 17 Abs. 3 VMWG in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung ist auf Ver­ 20 träge, die vor dem Inkrafttreten der Verordnungsänderung abgeschlossen wor­

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den sind, nicht anwendbar. Diesbezüglich gelten also in jedem Fall die von den Parteien vereinbarten Anpassungsmodalitäten. 21

Es stellt sich die Frage, ob vertraglich mögliche, jedoch unterlassene Indexan­ passungen auch rückwirkend geltend gemacht werden können. Das Bundes­ gericht hat dies verneint (BGE 110 II 494; MfdP/Wettstein, N 20.1.11; Weber, BSK, N 5 zu Art. 269b OR; Higi, ZK, N 18 und 34 zu Art. 269b OR). Dieser Entscheid lässt sich aber durch das Schutzbedürfnis des Mieters, das gegenüber einem Mietzinsmissbrauch, aber nicht zur Ausnützung der Vergesslichkeit des Vermieters besteht, nicht rechtfertigen: Auch der Mieter ist in der Lage, die Entwicklung des Indexes zu beobachten. Er hat ferner im Vertrag der Anwend­ barkeit des Indexes grundlegend zugestimmt und damit auch – entsprechend Art. 270c OR – weitestgehend auf eine richterliche Überprüfung des Mietzin­ ses auf Missbräuchlichkeit verzichtet. Unterlässt nun der Vermieter aus Irrtum oder aus Nachlässigkeit die termingerechte Mietzinsanpassung, ist nicht einzu­ sehen, warum der Mieter unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchsschutzes von diesem Irrtum profitieren soll. Mindestens muss dem Vermieter zugestan­ den werden, die unterlassene Mietzinserhöhung auf einen beliebigen künftigen Zeitpunkt nachzuholen, auch wenn der Vertrag dies nicht ausdrücklich vor­ sieht (gl.M. MfdP/Wettstein, N 20.1.11; Wettstein, indexierter Mietzins, S. 53). Zulässig muss in jedem Fall – und insbesondere trotz der ab 1. Januar 2008 gel­ tenden Bestimmung von Art. 17 Abs. 3 VMWG – sein, dass die Parteien vertraglich vereinbaren, im Falle der unterlassenen termingerechten Mietzins­ anpassung könne diese auch rückwirkend erfolgen. Eine solche Vereinbarung wird beispielsweise stillschweigend getroffen, wenn Mietzins­anpassungen nach dem massgebenden Mietvertrag jeweils auf den 1. Januar eines jeden Jahres angezeigt werden können, wobei die Entwicklung des Indexes bis zum Stand Dezember des Vorjahres für die Anpassung massgebend ist; da dieser Stand erst ca. zwischen dem 8. und 10. Januar bekannt gegeben wird, kann die Miet­ zinsanpassung erst danach – und damit eben rückwirkend – angezeigt werden (Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 269b OR, m.w.H. auf BGE 110 II 494, E. 2; ähnlich Gmür/Thanei, Mietzinserhöhung, S. 44 f., die eine Rückwirkung ebenfalls als zulässig erachten, wenn die Parteien den Zeitpunkt der Erhöhung im Vertrag kalendarisch festgelegt haben und der Vermieter – zufolge der erst mit Verzögerung erfolgten Bekanntgabe des Indexes  – gezwungenermassen erst nachträglich die Erhöhung anzeigen kann; Rohrer, indexierter Mietzins, S. 8 f.; Dietschy-Martenet, CPra, N 21 zu Art. 269b OR).

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Eine  – der Sache nach selbstverständliche  – zeitliche Einschränkung enthält Art.  19 Abs.  2 VMWG, indem nach dieser Bestimmung die Mitteilung der

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Mietzinsanpassung frühestens nach der öffentlichen Bekanntgabe des neuen Indexstandes erfolgen darf.

3.3 Vertragsabreden Art. 269b OR belässt den Parteien eine gewisse Autonomie bezüglich der nähe­ 23 ren Ausgestaltung ihrer Indexklausel. Zunächst können die Parteien die Mög­ lichkeit, Mietzinse den Veränderungen des Landesindexes der Konsumen­ tenpreise anzupassen, auf einen Teil der Indexveränderung beschränken (z.B. 80%). Sie können sodann vereinbaren, auf welchen Zeitpunkt die Mietzinsan­ passungen geltend gemacht werden können, beispielsweise auch, dass erst eine Veränderung um einen bestimmten Prozentwert oder eine bestimmte Punkt­ zahl eine Anpassung rechtfertigt (MfdP/Wettstein, N  20.2.4; Higi, ZK, N  41 zu Art. 269b OR). Es kann sodann vertraglich gültig vereinbart werden, dass der Anfangsmietzins während der Mindestvertragsdauer, in der eine Kündi­ gung durch den Vermieter nicht erklärt werden kann, also für die Zeitspanne, in welcher der Mietzins der Indexentwicklung angepasst werden kann, nicht unterschritten werden darf (vgl. vorn N  16 und N  2 zu Art.  270a OR; BGE 125 III 358; 108 II 135; Higi, ZK, N 48 zu Art. 269b OR und N 42 zu Art. 270a OR; ausführlich HAP-Immobiliarmietrecht/Koumbarakis, Rz.  17.32–17.34, S.  653  f.; HAP-Immobiliarmietrecht/Nordmann/Schmelzer, Rz.  18.7, S.  684; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz.  521, S.  161; Rohrer, indexierter Mietzins, S. 9 f.; unzutreffend Weber, BSK, N 4 zu Art. 269b OR und N 1a zu Art. 270a OR, der übersieht, dass das Bundesgericht im erwähnten Urteil eine solche vertraglich vereinbarte Regelung erst nach Ablauf der Mindestvertrags­ dauer als ungültig erachtet hat, also in einer Phase der Vertragsbeziehung, in der die ursprünglich vereinbarte Indexklausel mangels mindestens fünfjähri­ ger Bindung des Vermieters nicht mehr angewendet werden konnte; abwei­ chend sodann Dietschy-Martenet, CPra, N 20 zu Art. 269b OR). Hält der Mietvertrag nichts Abweichendes fest, so gilt der im Zeitpunkt des 24 Vertragsabschlusses letztbekannte Indexstand als Basisindex für die Berech­ nung der künftigen Mietzinsanpassungen. Möglich ist aber auch die Vereinba­ rung eines vor diesem Zeitpunkt massgebenden Indexstandes, z.B. wenn die Parteien zunächst einen Vorvertrag abgeschlossen haben, in dem sie bereits die Festlegung des Mietzinses des erst später abzuschliessenden definitiven Mietvertrages verbindlich festgelegt haben oder etwa in dem Fall, in dem bei Abschluss eines neuen Vertrages mit einem Ersatzmieter nach vorzeitiger Rückgabe der Sache durch den früheren Mieter der im ursprünglichen Ver­ tragsverhältnis letztmals für eine Mietzinsanpassung massgebende Indexstand Beat Rohrer

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erwähnt wird (a.M., aber ohne differenzierende Auseinandersetzung: MfdP/ Wettstein, N 20.2.4; Wettstein, indexierter Mietzins, S. 51; Higi, ZK, N 76 f. zu Art. 269b OR, der allerdings verkennt, dass durchaus ein legitimes Interesse an der Wertsicherung ab einem früheren Zeitpunkt als dem des Vertragsab­ schlusses der Parteien bestehen kann; ferner ohne nähere Begründung Weber, BSK, N 2 zu Art. 269b OR). Entspricht der von den Parteien als massgebend bezeichnete Basisindex nicht dem bei Vertragsabschluss letztbekannten Stand, so muss bezüglich der bis zum Anfangsmietzins nicht ausgeschöpften Diffe­ renz ein Vorbehalt im Sinne von Art.  18 VMWG in Franken oder Prozen­ ten des Mietzinses erklärt werden. Dies würde streng genommen auch im Falle des Ersatzmieters im Sinne von Art. 264 OR bzw. im Falle der Übertra­ gung von Rechten und Pflichten auf einen Nachfolgemieter gemäss Art. 263 OR gelten, wenn mit diesen jeweils ein neuer, selbständiger Mietvertrag abge­ schlossen wird, was rechtsdogmatisch nicht nötig wäre, aber im Interesse der administrativen Vereinfachungen der Immobilienbewirtschafter Usanz gewor­ den ist. Kann nachgewiesen werden, dass der mit dem Ersatz- oder Nachfol­ gemieter abgeschlossene Mietvertrag faktisch den Eintritt in das zuvor beste­ hende Mietverhältnis darstellt, muss deshalb die Mietzinsanpassung auf der Grundlage der letzten gegenüber dem Vormieter geltend gemachten Mietzins­ erhöhung zulässig sein, auch wenn im neu abgeschlossenen Mietvertrag kein Vorbehalt erklärt worden ist. Der Vermieter darf bezüglich der weiteren Miet­ zinsgestaltung durch die rechtlichen Möglichkeiten des Mieters, sich von sei­ nen Vertragspflichten durch Bezeichnung eines Rechtsnachfolgers zu befreien (Art. 263 und 264 OR), nicht benachteiligt werden. 25

Art.  269b OR bezieht sich ausschliesslich auf die Veränderungen des Miet­ zinses während der Dauer des Mietverhältnisses, also auf die Zeit zwischen dem Bezug und der Rückgabe des Mietobjektes. Die Parteien sind somit – im Rahmen von Art. 269 OR – frei, nach welchen Kriterien der Anfangsmietzins bestimmt wird. Diese Frage kann in den Fällen aktuell sein, in denen Mietver­ träge bereits längere Zeit im Voraus (z.B. während einer Bau- oder Umbau­ phase) abgeschlossen werden und der Mietzins aufgrund des Baukostenvor­ anschlages berechnet werden muss. In diesem Fall ist auch die Anwendung anderer Kriterien, so auch zum Beispiel des Baukostenindexes zur Bestim­ mung des effektiven Anfangsmietzinses, zulässig, da der Vermieter gestützt auf Art. 269a Buchst. c OR berechtigt ist, mit seinem Mietzins eine kostendeckende Bruttorendite zu erzielen. Da eine Anpassung des Mietzinsbetrages gegenüber dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf den Termin des Bezuges der Mietsa­ che eine Mietzinserhöhung darstellt, die mit dem vorgeschriebenen Formular anzuzeigen ist, ist der Mieter in seinem Interesse ausreichend geschützt. 812

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3.4

Kombination mit anderen Mietzinsanpassungsgründen

Wird im Vertrag eine Indexklausel vereinbart, schliesst dies während der Zeit­ 26 spanne, während der die Indexklausel anwendbar ist, grundsätzlich andere Anpassungsmöglichkeiten des Mietzinses aus. Dieser aus Art. 270c OR indi­ rekt abzuleitende Grundsatz gilt aber nicht uneingeschränkt. Zulässig ist nämlich nach herrschender Lehre und Rechtsprechung die Vereinbarung, dass während der vertraglichen Mindestdauer auch allfällige Mehrleistungen des Vermieters oder umfassende Überholungen zu Mietzinsanpassungen führen können. Anpassungen zufolge solcher Investitionen sind allerdings nur zuläs­ sig, wenn dies vertraglich ausdrücklich vereinbart worden ist (Botsch. 1985, S. 1486; Higi, ZK, N 51 zu Art. 269b OR; MfdP/Wettstein, N 20.2.7; Urteil des Bundesgerichts 4A_269/2015 vom 2. November 2015, E. 2.2; Urteil 4A_489/210 vom 6. Januar 2011, E. 4.2, in: MRA 3/11, S. 87 ff.; BGE 124 III 57, E. 3a, m.w.H. auf das Urteil des Bundesgerichts vom 16. Februar 1994, E. 2 d/bb, in: SJ 1994, S. 487, m.w.H.; Hulliger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 269b OR). Weber, BSK, N 13 zu Art. 269b OR und MfdP/Wettstein, N 20.2.7, fordern, dass dem Mie­ ter dann, wenn eine solche Erhöhung angezeigt wird, ein Recht zugestanden werden müsse, das Vertragsverhältnis zu kündigen. Diese Auffassung ist abzu­ lehnen. Der Mieter, der zu seinem Vorteil eine langjährige Vertragsbindung eingeht, muss als Nachteil aus dieser Gegebenheit in Kauf nehmen, dass der Vermieter über kurz oder lang grössere Unterhaltsarbeiten oder Erneuerungen vornehmen muss, die ihn grundsätzlich zu einer Anpassung des Mietzinses im Sinne von Art. 269a Buchst. b OR in Verbindung mit Art. 14 VMWG berech­ tigen. Der Mieter ist hinreichend dadurch geschützt, dass eine Erhöhung des Mietzinses unter Berufung auf Mehrleistungen oder umfassende Überholun­ gen im Anfechtungsverfahren auf Missbräuchlichkeit überprüft werden kann. Besteht keine vertragliche Abmachung, die dem Vermieter Mietzinsanpas­ sungen wegen Mehrleistungen oder umfassenden Überholungen erlaubt, so erlangt eine entsprechend formgültig angezeigte Mietzinsanpassung gleich­ wohl Verbindlichkeit, wenn sie nicht innert Frist angefochten wird. Zulässig ist es, im Mietvertrag zu vereinbaren, dass ausserhalb der Entwick­ 27 lung des Landesindexes der Konsumentenpreise und gegebenenfalls zusätz­ lich zu Mietzinserhöhungen als Folge von Mehrleistungen oder umfassenden Überholungen Mietzinsanpassungen bei Einführung neuer öffentlich-recht­ licher Abgaben und bei Preissteigerungen von Nebenkosten, die der Mieter nach dem Mietvertrag zusätzlich zum Nettomietzins zu bezahlen hat, möglich sind. Die Interessenlage ist nämlich die gleiche wie im Fall der Mehrleistun­ gen oder umfassenden Überholungen. Auch hier wird der Vermieter mit Aus­

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gaben konfrontiert, die im Zeitpunkt, in dem der Mietvertrag verhandelt oder abgeschlossen worden ist, bei der Festlegung des Anfangsmietzinses nicht ein­ kalkuliert worden sind. Öffentlich-rechtliche Abgaben und Preisentwicklun­ gen im Bereich der Nebenkosten sind im Übrigen den Einflussmöglichkeiten des Vermieters entzogen – im Unterschied zu den Mehrleistungen oder wert­ vermehrenden Investitionen, die der Vermieter selber veranlasst. Erachtet man im Sinne der bundesrätlichen Erläuterungen in der Botschaft somit als zuläs­ sig, nebst den Indexanpassungen auch Mietzinserhöhungen gestützt auf wert­ vermehrende Investitionen oder umfassende Überholungen zuzulassen, so muss a fortiori auch bei der Einführung neuer öffentlich-rechtlicher Abgaben oder bei Preissteigerungen von Nebenkosten eine Mietzinserhöhung möglich sein (Higi, ZK, N 51 zu Art. 269b OR). Zulässig ist des Weiteren, dass die Par­ teien vereinbaren, es könnten im Laufe des Mietverhältnisses bisher im Netto­ mietzins inbegriffene Nebenkosten auf einen beliebigen Zeitpunkt ausgeglie­ dert und inskünftig dem Mieter nach den effektiven Kosten belastet werden, wenn dabei der Nettomietzins um den Betrag reduziert wird, der in mindes­ tens drei vorangehenden Jahren durchschnittlich für die inskünftig nach effek­ tivem Aufwand abgerechneten Nebenkosten angefallen ist. Folge einer solchen Vertragsänderung ist ja nur, dass der Mieter die Entwicklung der Nebenkos­ ten inskünftig nach den tatsächlichen Kosten und nicht  – wie zuvor  – nach der Entwicklung des Landesindexes der Konsumentenpreise zu bezahlen hat, was im Rahmen indexierter Mietverhältnisse ebenso wenig missbräuchlich sein kann wie in allen anderen Mietverhältnissen, bei denen die Mietzinsge­ staltung den in den Art. 269 und 269a OR aufgeführten Kriterien folgt (HAPImmobiliarmietrecht/Nordmann/Schmelzer, Rz.  18.11; a.M. MfdP/Wettstein, N 20.2.8). Zeigt der Vermieter eine Ausgliederung von Nebenkosten in einem Mietvertrag mit Indexklausel, welcher diese Möglichkeit nicht ausdrücklich vorsieht, mit amtlichem Formular an und wird die formgültige Anzeige innert Frist vom Mieter nicht angefochten, so ist die Ausgliederung rechtswirksam. Die entsprechende Vertragsänderung ist weder formell noch materiell nich­ tig, was eine spätere Rückforderungsklage wegen ungerechtfertigter Bereiche­ rung ausschliesst. 28

Vereinbaren die Parteien ein Recht des Vermieters, wertvermehrende Investitionen oder umfassende Überholungen bzw. die Einführung neuer öffentlich-rechtlicher Abgaben oder Preissteigerungen von separat ausgeschiede­ nen Nebenkosten in der Form von Mietzinserhöhungen geltend zu machen, steht der belasteten Vertragspartei entgegen Art. 270c OR mit Bezug auf diese besonderen Mietzins- bzw. Nebenkostenanpassungen das Recht zu, diese umfassend auf Missbräuchlichkeit überprüfen zu lassen (Higi, ZK, N 51 und 814

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53 zu Art. 269b OR; MfdP/Wettstein, N 20.2.7; Hulliger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 269b OR; Weber, BSK, N 13). Haben die Parteien im Mietvertrag eine Option vereinbart, die dem Mieter 29 durch einseitige Erklärung ermöglicht, ein zunächst auf eine Mindestdauer von fünf oder mehr Jahren eingegangenes Vertragsverhältnis um fünf oder mehr Jahre zu verlängern, und sehen sie für den Fall, dass dieses Recht in Anspruch genommen wird, zugunsten des Vermieters die Möglichkeit vor, den Mietzins auf den Beginn der Verlängerungsperiode nach absoluter Methode, z.B. an die orts- oder quartierüblichen Verhältnisse anzupassen (wobei der erhöhte Mietzins in der Folge wieder zu indexieren wäre), so gilt Folgendes: Setzt die Fortsetzung der Vertragsbeziehung Verhandlungen über den für die Verlänge­ rungsdauer massgebenden Mietzins voraus, weil der Vertrag dem Vermieter das Recht einräumt, eine entsprechende Anpassung geltend zu machen, und können sich die Parteien in der Folge über diesen Mietzins nicht einigen, so fällt die Wirkung der Optionsausübung, insbesondere also die Bindung für die vorgesehene Optionsdauer, dahin (Urteil des Bundesgerichts 4C.152/2004 vom 9. Juli 2004, in: MRA 1/05, S. 28 ff.). Haben die Parteien demgegenüber schon beim Abschluss des Vertrages vereinbart, dass der Mietzins bei Inan­ spruchnahme der Option an die orts- oder quartierüblichen Verhältnisse ange­ passt wird, so gilt der Mietzins für die Verlängerungsdauer nach höchstrich­ terlicher Auffassung als bestimmbar, womit die Verlängerungswirkung eintritt. Die Parteien haben diesfalls ohne Notwendigkeit vorangehender Verhandlun­ gen vereinbart, dass der Mietzins nach Ausübung der Option an die orts- oder quartierüblichen Verhältnisse angepasst werden kann. Damit ist der Mietzins – wenn auch möglicherweise erst nach Durchführung eines Anfechtungsverfah­ rens – bestimmbar (Urteil des Bundesgerichts 4A_551/2008 vom 12. Mai 2009, in: MRA 1/10, S. 17 ff.; ausführlich zur Rechtsprechung: HAP-Immobiliarmiet­ recht/Koumbarakis, Rz. 17.19 ff., S. 650 f.). Der Mietvertrag kann dann, wenn die erforderliche Einigung über den zu verhandelnden Mietzins für die durch Ausübung der Option verlängerte Vertragsdauer nicht zustande kommt, beid­ seits unter Einhaltung der gesetzlichen, allenfalls der für diesen Fall geregelten vertraglichen Kündigungsfristen und -termine aufgelöst werden, oder er endigt, wenn er befristet ist, auf den vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt. Ohne Kündi­ gung verlängert sich das unbefristete Vertragsverhältnis auf unbestimmte Zeit. Mietzinsanpassungen können dann von beiden Parteien nach absoluter oder relativer Methode auf die entsprechenden, gesetzlichen oder vertraglich ver­ einbarten Termine geltend gemacht werden (vgl. N 35 ff. nachfolgend; Urteil des Bundesgerichts 4C.152/2004 vom 9. Juli 2004, in: MRA 1/05, S. 28 ff.). Eini­ gen sich die Parteien anderseits, so beruht die Fortsetzung des Mietvertrages Beat Rohrer

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auf einer konsensualen Grundlage, was die Anpassung des erhöhten Mietzin­ ses nach Massgabe der künftigen Indexentwicklung ohne Weiteres erlaubt. 30

Zulässig ist schliesslich die Vereinbarung eines vom Umsatz abhängigen Miet­ zinses in Verbindung mit einem umsatzunabhängigen, indexierten Min­ destmietzins (für die analoge Situation bei gestaffelten Mietzinsen: Hulliger/ Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 269c OR; Weber, BSK, N 7 zu Art. 269c OR; Diet­ schy-Martenet, CPra, N 18 zu Art. 269c OR).

31

Die Kumulation einer Indexklausel mit einer Staffelungsklausel im Sinne von Art. 269c OR ist ausgeschlossen, soweit sich dabei die beiden Anpassungs­ kriterien in ihren Wirkungen überlagern, nicht aber, wenn die beiden Anpas­ sungssysteme für verschiedene Vertragsphasen vereinbart werden. Eine unzu­ lässige Kumulation von Index- und Staffelklausel liegt beispielsweise vor, wenn die Parteien vereinbaren, dass sich der Mietzins auf einen im Voraus festge­ legten Zeitpunkt, z.B. nach Ablauf der ersten fünf Jahre, auf einen bestimmten Betrag erhöht, wobei der vereinbarte, effektiv zu bezahlende Mietzins schon während der ersten Vertragsphase der Indexentwicklung angepasst werden soll (Urteil des Bundesgerichts 4A_689/2014 vom 7. Mai 2015, E. 3.2, in: MRA 2/16, S. 13 ff.; BGE 124 III 57, in: MRA 2/98, S. 53 ff., mit der berechtigten Kri­ tik von Katharina Stucki zur Frage, ob im konkreten Fall wirklich eine Staffe­ lungsklausel im Sinne von Art. 269c OR vereinbart worden war; ferner Higi, ZK, N 54 zu Art. 269b OR; Weber, BSK, N 12 zu Art. 269b OR; Hulliger/Hein­ rich, CHK, N 3 zu Art. 269b OR; MfdP/Wettstein, N 20.2.9). Zulässig ist dem­ gegenüber die Verabredung, dass der Mietzins in einer ersten Vertragsphase – z.B. im Sinne der Gewährung eines Rabattes – gestaffelt wird und nach Ablauf dieser Phase, also nach Erreichen eines «Zielbetrages», der Indexentwicklung angepasst wird. Halten die Parteien im Mietvertrag ausdrücklich fest, dass die Staffelung den Zweck verfolgt, dem Mieter einen Rabatt (gegenüber dem «Ziel­ mietzins», der z.B. zur Erzielung eines angemessenen Ertrages schon ab Ver­ tragsbeginn gefordert werden könnte) zu gewähren, so kann schon während der ersten Vertragsphase die gesamte, seit Vertragsbeginn auf dem Zielbetrag aufgelaufene Teuerung geltend gemacht werden, z.B. mit der folgenden Ver­ tragsformulierung, die davon ausgeht, dass in einem Mietvertrag als Mietbe­ ginn der 1.  Oktober 2016 vereinbart worden ist (Urteil des Bundesgerichts 4C.390/1998 vom 3.  Mai 1999, in: MRA 2/00, S.  253  ff., mit dem Formulie­ rungsvorschlag von Raoul Futterlieb, S. 261; Dietschy, CPra, N 38 zu Art. 269c OR; Rohrer, indexierter Mietzins, S. 7; vgl. dazu auch das Urteil des Bundesge­ richts vom 3. Mai 1999; MfdP/Wettstein, N 20.2.9; Higi, ZK, N 54 zu Art. 269b OR; Wettstein, indexierter Mietzins, S. 52):

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«Der Anfangsmietzins beträgt 160 000 CHF netto p.a. Er wird während der Min- 32 destvertragsdauer [von 10 Jahren] in Anwendung der nachfolgend geregelten Modalitäten der Entwicklung des Landesindexes der Konsumentenpreise BfS angepasst. Die Vermieterin gewährt der Mieterin als Starthilfe für ihr Geschäft am neuen Standort gegenüber dem vereinbarten Anfangsmietzins, allenfalls angepasst an die Indexentwicklung gemäss Ziffer … nachfolgend, folgende Mietzinsreduktionen: Vom 1. Oktober 2016 bis zum 1. Oktober 2017: Vom 1. Oktober 2017 bis zum 1. Oktober 2018: Vom 1. Oktober 2018 bis zum 1. Oktober 2019:

30 000 CHF/p.a. 20 000 CHF/p.a. 10 000 CHF/p.a.

Ab dem 1. Oktober 2019 ist der Anfangsmietzins, angepasst an die Teuerung seit dem bei Vertragsbeginn massgebenden Index, geschuldet.» Vereinbaren die Parteien schon beim Vertragsabschluss einen gegenüber dem 33 Anfangsmietzins erhöhten Mietzins auf einen Termin, auf den der Vermie­ ter oder beide Vertragsparteien das Vertragsverhältnis kündigen könnte bzw. könnten (also unter der Bedingung, dass eine solche Kündigung unterbleibt), so kann der Mieter die vom Vermieter entsprechend angezeigte Mietzinsan­ passung anfechten und dabei Einwendungen nach absoluter oder relativer Methode erheben (BGE 124 III 57, bezüglich der darin enthaltenen Erwägun­ gen zur möglichen Kombination von Index- und Staffelungsklauseln überholt, vgl. N 31). Wollen die Parteien diese Möglichkeit ausschliessen, so müssten sie entweder eine Option zugunsten des Mieters auf Verlängerung des Mietvertra­ ges um fünf Jahre über den erstmöglichen Kündigungstermin hinaus oder eine Mindestvertragsdauer vereinbaren, gemäss welcher das Mietverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt wird. In beiden Fällen kann der Mieter auf den Termin, auf den der Mietzins erhöht werden soll, nicht kündigen und fol­ gerichtig auch keine Überprüfung des Mietzinses nach absoluter oder relativer Methode verlangen, weil er dies gemäss Art. 270a OR nur auf den nächstmög­ lichen Kündigungstermin fordern kann. Die Parteien hätten diesfalls eine Staf­ felung vereinbart (vgl. dazu auch das Urteil des Bundesgerichts 4A_689/2014 vom 7. Mai 2015, in: MRA 1/16, S. 13 ff.; ferner die ähnlich formulierten Text­ vorschläge für eine Vertragsklausel von Bättig, Staffelung, S. 3 ff., S. 8 und Roh­ rer, indexierter Mietzins, S. 12).

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Art. 269b

4. 34

Es kann auf die Darlegungen zu Art. 270c OR verwiesen werden.

5. 35

Anfechtung von Mietzinsanpassungen

Mietzinsgestaltung nach Ablauf vertraglicher Mindestdauer

Setzen die Parteien nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Mindestfrist das Mietverhältnis fort, ohne sich auf eine neue Mindestvertragsdauer zu eini­ gen, so kann die für die erste Phase der Vertragsbeziehung gültig vereinbarte Indexklausel nicht mehr angewendet werden (vgl. N 5; Urteil des Bundesge­ richts 4A_269 vom 2.  November 2015, E.  2.3, in: MRA 2/16, S.  75  ff.; BGE 109 II 58, E. 2b; BGE 124 III 57; 123 III 76, E. 4a, m.w.H.; vgl. Rohrer, inde­ xierter Mietzins, S.  11  ff.; Weber, BSK, N  7 zu Art.  269b OR; Hulliger/Hein­ rich, CHK, N  4 zu Art.  269b OR; MfdP/Wettstein, N  20.2.3). Analog seiner Praxis für die Mietzinsgestaltung nach Ablauf der Staffeldauer bei vereinbarter Mietzinsstaffelung (vgl. N 20 ff. zu Art. 269c OR) hat das Bundesgericht ent­ schieden, beide Parteien könnten auf den Ablauf der vertraglichen Mindest­ dauer, d.h. also auf den erstmöglichen Kündigungstermin – aber nur auf die­ sen Termin – eine Anpassung des Mietzinses unter Berufung auf die absolute Methode oder – nach ihrer Wahl – unter Berufung auf Veränderungen relativer Faktoren (hierzu N 10 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR) geltend machen (Urteile des Bundesgerichts 4A_489/2010 und 4A_531/2010 vom 6.  Januar 2011, in: MRA 3/11, S. 87 ff.; BGE 121 III 393, in: MRA 2/96, S. 56 ff.; BGE 123 III 76, in: MRA 4/97, S. 147 ff., wo das Bundesgericht allerdings offen bzw. im Unklaren lässt, ob auch auf einen späteren Termin eine Anpassung nach abso­ luter Methode möglich sein könnte, vgl. dazu Raoul Futterlieb in seinem Kom­ mentar zum Urteil des Bundesgerichts 4C.390/1998 vom 3. Mai 1999, in: MRA 2/00, S. 253 ff., 259 ff.; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 269b OR; Higi, ZK, N 110 ff., besonders N 127 zu Art. 269b OR; kritisch: Weber, BSK, N 7/7a zu Art. 269b OR; Urteil des Bundesgerichts 4C.236/2004 vom 12. November 2004, in: MRA 4/05, S. 159 ff.). Der Vermieter kann sich also auf sämtliche absolu­ ten Erhöhungsgründe berufen, auch wenn er während der vertraglichen Min­ destdauer bei den jeweiligen Anpassungen in Anwendung der Indexklausel keine Vorbehalte erklärt hat: Solche Vorbehalte waren deshalb nicht erforder­ lich, weil sie nur zu erklären sind für diejenigen nicht ausgeschöpften Reserven, für welche dem Vermieter eine Mietzinserhöhung «zusteht» (Art. 18 VMWG). Da dem Vermieter während der vertraglichen Mindestdauer ausserhalb der

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Art. 269b

Überwälzung der Indexentwicklung keine Mietzinserhöhungsmöglichkeiten zustehen (ausgenommen bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung, vgl. N 26 ff.), sind auch keine Vorbehalte anzubringen (was Weber, BSK, N 7 und 7a zu Art. 269b OR bei seinen kritischen Bemerkungen nicht bedacht haben dürfte, vgl. auch BGE 123 III 76, E.  4c). Verzichten die Parteien darauf, auf den erstmöglichen Kündigungszeitpunkt (identisch mit dem Ablauf derjeni­ gen Phase ihrer Vertragsbeziehung, in der die Indexklausel Anwendung findet), eine Mietzinsanpassung geltend zu machen, so wird unwiderlegbar vermutet, beide Parteien würden den aktuellen Mietzins als angemessen bzw. nicht missbräuchlich erachten. Sie können in der Folge Mietzinsanpassungen nur noch geltend machen, wenn sich wesentliche Veränderungen gegenüber den Kostenfaktoren, die im Zeitpunkt galten, in dem erstmals auf den Ablauf der vertraglichen Mindestfrist hätte gekündigt werden können, eingestellt haben (Urteile des Bundesgerichts 4A_489/2010 und 4A_531/2010 vom 6.  Januar 2011, in: MRA 3/11, S. 87 ff.; BGE 123 III 76, in: MRA 4/97, S. 147 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.171/2004 vom 6.  August 2004; Urteil des Bundesge­ richts 4C.236 vom 12. November 2004, E. 2.3, in: MRA 4/05, S. 159 ff.; Higi, ZK, N 127 zu Art. 269b OR e contrario; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 269b OR; für die Berufung auf absolute oder relative Methode in der Folgezeit, also nachdem keine der Parteien auf den erstmöglichen Kündigungszeitpunkt eine Anpassung des Mietzinses verlangt hat: MfdP/Wettstein, N 20.2.13). Will eine der Parteien auf den Ablauf der vertraglichen Mindestdauer, wäh­ 36 rend der die zwischen ihnen vereinbarte Indexklausel anzuwenden war, eine Mietzinsanpassung (vermieterseits eine Erhöhung oder mieterseits eine He­rabsetzung) nach relativer Methode, also unter Berufung auf Veränderun­ gen sogenannter relativer Faktoren, geltend machen, fragt sich, welche Miet­ zinsfestlegung die Grundlage bezüglich der massgebenden Kostenfaktoren bil­ det. Im bereits erwähnten Entscheid BGE 121 III 393 hat das Bundesgericht im vergleichbaren Fall der Mietzinsstaffelung erklärt, es seien diejenigen Kos­ tenstände massgebend, die im Zeitpunkt der letzten nach Massgabe der Staf­ felungsvereinbarung erfolgten Anpassung galten (vgl. hierzu und zur späteren Entwicklung der Rechtsprechung, N 20 ff. zu Art. 269c OR). Bei indexierten Verträgen ist im Unterschied dazu grundsätzlich der Zeitpunkt bzw. die Kos­ tensituation bei Vertragsabschluss massgebend (BGE 123 III 76, in: MRA 4/97, S. 147 ff.; bestätigt im Urteil des Bundesgerichts 4C.171/2004 vom 6. August 2004, E. 4.3, kritisch: Weber, BSK, N 7a zu Art. 269b OR; zu den Ausnahmen vgl. N 38 nachfolgend). Wesentlich ist dabei, dass die Parteien die für die Miet­ zinsgestaltung nach Ablauf der Mindestvertragsdauer massgebenden Kosten­

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Art. 269b

grundlagen in ihrem Mietvertrag selber bestimmen können (vgl. Sommer, indexierte Miete, S. 153). 37

Die vorstehend beschriebenen Grundsätze gelten im Übrigen unabhängig davon, ob der Vermieter – ohne hierzu verpflichtet zu sein – während der ver­ traglichen Mindestdauer die ihm zustehenden Möglichkeiten für Mietzinsan­ passungen vollständig ausschöpft oder nicht. Gerade wenn der Verzicht des Vermieters, die ihm zustehenden Möglichkeiten auszuschöpfen  – freiwillig  – eine allenfalls während der Vertragsdauer eintretende rückläufige Entwicklung des Referenzzinssatzes berücksichtigt, erweist sich dies als richtig: Der Mie­ ter profitiert dabei nämlich von der günstigen Entwicklung dieses Zinssatzes dadurch, dass der Vermieter ihm zustehende Erhöhungsmöglichkeiten nicht ausschöpft. Folgerichtig muss der massgebende Mietzins im Hinblick auf die künftige Mietzinsgestaltung nach Ablauf der Phase, in welcher der Mietzins indexiert war, auf denjenigen Kostenfaktoren beruhen, wie sie bei Ablauf der vertraglichen Mindestdauer bestanden haben.

38

Vereinbaren die Parteien in einem Mietvertrag mit einer Indexklausel, dass sich der Mietvertrag nach Ablauf einer mindestens fünfjährigen Vertragsdauer, auf den beide Parteien oder mindestens der Vermieter hätten kündigen kön­ nen, automatisch um eine weitere Vertragsdauer von fünf Jahren verlängert, sofern er von keiner Partei auf den Ablauf dieser festen Vertragsdauer gekün­ digt wird, so bringen sie damit zum Ausdruck, dass sie die Mietzinsgestaltung längerfristig einzig von der Entwicklung des Landesindexes der Konsumenten­ preise abhängig machen wollen. Trotzdem hat das Bundesgericht entschieden, der Mieter könne auf den jeweiligen Kündigungstermin eine Anpassung des Mietzinses unter Berufung auf absolute oder relative Kriterien geltend machen (Urteile des Bundesgerichts 4A_489/2001 und 4A_531/2010 vom 6.  Januar 2011, in: MRA 3/11, S. 87 ff.; bestätigt im Urteil 4A_269 vom 2. November 2015, E. 2.3, in: MRA 2/16, S. 75 ff.; kritisch: Rohrer, indexierter Mietzins, S. 11 ff.). Auf den Zeitpunkt, ab dem die Parteien den Vertrag nicht mehr auf mindestens fünf Jahre verlängern wollen, ergibt sich daraus die folgende Konsequenz für allfällige Mietzinsanpassungen nach relativer Methode: Mit Bezug auf die Kri­ terien des Teuerungsausgleichs auf dem risikotragenden Kapital und der Kostensteigerungen gilt als Basis der Zeitpunkt, in dem der Vertrag letztmals ver­ längert worden ist, weil auf den entsprechenden Kündigungstermin beidseits eine Mietzinsüberprüfung hätte geltend gemacht werden können. Einzig mit Bezug auf den Referenzzinssatz besteht aufgrund von Art. 13 Abs. 4 VMWG eine Ausnahme: Es können Veränderungen geltend gemacht werden seit dem Zeitpunkt, in dem der Mietzins zuletzt ausdrücklich unter Berufung auf die­

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ses Kriterium angepasst worden ist (Urteile des Bundesgerichts 4A_489/2001 und 4A_531/2010 vom 6.  Januar 2011, in: MRA 3/11, S.  87  ff.; bestätigt im Urteil 4A_269 vom 2. November 2015, E. 2.3, in: MRA 2/16, S. 75 ff.). Wol­ len die Parteien eine solche Anpassung ausschliessen, so müssten zugunsten des Mieters Optionen vereinbart werden; das hätte zur Folge, dass der Vermie­ ter das Mietverhältnis auf den Ablauf der jeweils festen Vertragsdauer nicht kündigen könnte. Damit wäre eine Anpassung des Mietzinses, die nur auf den nächstmöglichen Kündigungstermin geltend gemacht werden kann (Art. 270a OR) ausgeschlossen. Wie an anderer Stelle bereits dargelegt worden ist, bezieht sich die Regelung von Art. 270a OR betreffend diesen Kündigungstermin aus­ schliesslich auf diejenigen Termine, auf die der Vermieter kündigen könnte (N 23 zu Art. 270a OR), was bedeutsam erscheint, wenn die Parteien vertrag­ lich unterschiedliche Kündigungsfristen oder -termine vereinbart haben.

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Art. 269c C. Gestaffelte Mietzinse Die Vereinbarung, dass sich der Mietzins periodisch um einen bestimmten Betrag erhöht, ist nur gültig, wenn: a. der Mietvertrag für mindestens drei Jahre abgeschlossen wird; b. der Mietzins höchstens einmal jährlich erhöht wird; und c. der Betrag der Erhöhung in Franken festgelegt wird. C.

Loyers échelonnés

Les conventions prévoyant que le loyer sera majoré périodiquement d’un montant déter­ miné ne sont valables que si: a. le bail est conclu pour une durée minimale de trois ans; b. le loyer n’est pas augmenté plus d’une fois par an; et c. le montant de l’augmentation est fixé en francs.

C.

Pigioni scalari

La pattuizione di pigioni soggette a un determinato aumento periodico è valida soltanto se: a. la locazione è conclusa per tre anni almeno; b. la pigione è aumentata una volta all’anno al massimo; e c. l’aumento è fissato in franchi.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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2. Voraussetzungen für die Zulässigkeit gestaffelter Mietzinse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Vertragsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Einmalige Erhöhung pro Jahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Betragsmässige Festlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Ausschluss anderer Erhöhungsmöglichkeiten während Staffelperiode? .. . . . . . . . . . . 

824 824 825 826 827

3. Anpassungsmodalitäten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Formularpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

828 828 829

4. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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5.

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Mietzinsgestaltung nach Ablauf der Staffelperiode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 269c

1. Vorbemerkungen Die Vereinbarung einer Mietzinsstaffelung kann grundsätzlich aus zwei ver- 1 schiedenen Überlegungen erfolgen: Entweder wollen die Parteien die Miet­ zinsentwicklung über einen von ihnen selbst gewählten Zeitraum im Voraus abschliessend festlegen, um nicht den in ihren betragsmässigen Auswirkungen nicht absehbaren Kostenentwicklungen anderer, den Mietzins beeinflussen­ der Parameter ausgeliefert zu sein. Die Staffelung tritt somit an die Stelle der künftigen Kostensteigerungen. Sie entspricht einer von den Parteien selbst vorweggenommenen Anpassung an die den Mietzins beeinflussenden Kos­ ten- oder Marktfaktoren. Möglich  – und in den weitaus überwiegenden Fäl­ len der Praxis beabsichtigt – ist aber auch, dass der Vermieter dem Mieter im Sinne einer Starthilfe bei Aufnahme einer geschäftlichen Tätigkeit im Mietob­ jekt während einer ersten Phase der Vertragsbeziehung einen Rabatt gewähren will oder dass sich auf dem Markt der Mietzins, wie er zur Erzielung eines ange­ messenen Ertrags oder zur kostendeckenden Bruttorendite erforderlich wäre, nicht erzielen lässt (MfdP/Wettstein, N 20.3.1; BGE 121 III 397, E. 2b/aa; 113 II 299, E. 2e). Die Staffelung erfüllt in diesem Fall den Zweck sicherzustellen, dass der Mietzins längerfristig auf der Basis der Marktverhältnisse oder der kostenmässigen Berechnungsgrundlagen im Zeitpunkt des Vertragsabschlus­ ses zu einem angemessenen Ertrag bzw. zu einer kostendeckenden Bruttoren­ dite führt. Mit dieser Art der Staffelung werden dann allerdings die während der Staffelperiode eintretenden Kostenentwicklungen nicht erfasst. Der Unter­ schied der beiden Fallgruppen ist von Bedeutung für die Mietzinsgestaltung nach Ablauf der vereinbarten Staffelperiode: Im ersten Fall können nur die seit Ablauf der vertraglichen Mindestfrist (Staffelperiode) neu eingetretenen Kostenveränderungen zu Mietzinsanpassungen führen, wenn die Parteien den Mietvertrag fortsetzen, ohne dabei eine neue Mindestvertragsdauer mit Staffe­ lung des Mietzinses zu vereinbaren. Im zweiten Fall können alle seit Vertrags­ abschluss eingetretenen oder dabei vorbehaltenen Faktoren, die für die Miet­ zinsfestlegung bedeutend sind, geltend gemacht werden (Näheres dazu vgl. N 20 ff. und N 35 ff. zu Art. 269b OR). Gestaffelte Mietzinse können sowohl in Mietverträgen für Wohnungen als auch für Geschäftsräume vereinbart werden. Art. 269c OR schränkt allerdings die Parteiautonomie ein, ist insofern also grundsätzlich zwingender Natur (Higi, ZK, N 5 zu Art. 269c OR).

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2

Art. 269c

2.

Voraussetzungen für die Zulässigkeit gestaffelter Mietzinse

2.1 Vertragsdauer 3

Gestützt auf Art. 269c Buchst. a OR ist die Vereinbarung gestaffelter Mietzinse nur dann zulässig, wenn der Mietvertrag für eine Dauer von mindestens drei Jahren abgeschlossen wird. Es genügt, dass der Vermieter an die mindestens dreijährige Vertragsdauer gebunden ist (analog der Praxis zur Indexierung, wie sie heute in Art. 17 Abs. 4 VMWG kodifiziert ist, vgl. N 3 zu Art. 269b OR und BGE 109 II 58; MfdP/Wettstein, N 20.3.3; Dietschy-Martenet, CPra, N 9 zu Art. 269c OR; HAP-Immobiliarmietrecht/Nordmann/Schmelzer, Rz. 18.14, S. 686; Bättig, Staffelung, S. 3 ff., mit Hinweisen; Higi, ZK, N 57 zu Art. 269c OR). Unter den Begriff der Staffelung fällt dabei auch eine vertragliche Rege­ lung, mit welcher nur eine einmalige Anpassung des Mietzinses um einen im Voraus bestimmten Betrag vereinbart wird, z.B. ein entsprechend erhöhter Mietzins, der ab dem Zeitpunkt massgebend sein soll, ab dem sich der Miet­ vertrag aufgrund einer vom Mieter ausgeübten Option verlängert (Higi, ZK, N 58 und N 73 zu Art. 269c OR; Urteil des Bundesgerichts 4A_415/2015 vom 22. August 2016, E. 2.1.1; Urteil 4A_689/2014 vom 7. Mai 2015, in: MRA 1/16, S. 13 ff.).

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Vereinbaren die Parteien eine Staffelungsklausel in einem Vertrag, welcher nicht mindestens für den Vermieter während einer Zeitspanne von drei Jahren unkündbar ist, so ist diese Klausel nichtig, wobei Lehre und Rechtsprechung – analog der nicht für eine Mindestdauer von fünf Jahren eingegangenen Bin­ dung des Vermieters bei indexierten Verträgen  – Teilnichtigkeit annehmen (vgl. N 7 ff. zu Art. 269b OR, m.w.H.; Higi, ZK, N 62 ff. zu Art. 269c OR; Weber, BSK, N 5 zu Art. 269c OR). Der Richter hat also den Vertrag nach dem hypothetischen Parteiwillen zu ergänzen; im Vordergrund dürfte dabei die Anpas­ sung der Mindestdauer der Vertragsbindung zulasten des Vermieters stehen (Urteil des Bundesgerichts 4A_415/2015 vom 22. August 2016, E. 2.2.1; Fetter, Loyer initial, N 48, S. 23; Higi, ZK, N 91 zu Art. 269b OR und N 63 zu Art. 269c OR). Zu prüfen ist dabei insbesondere auch, ob die kürzere Mindestvertrags­ dauer auf einen Verzug bei Übergabe der Sache zurückzuführen ist, was in Anwendung von Art. 258 OR in Verbindung mit Art. 259d OR lediglich die Mietzinszahlungspflicht, nicht aber die grundsätzliche Vertragsbindung des Vermieters betreffen würde (vgl. zur analogen Situation bei indexierten Miet­ verträgen: N 7 zu Art. 269b OR; MfdP/Wettstein, N 20.3.4; Higi, ZK, N 91 zu Art. 269b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 269b OR, m.w.H.; BGE 124 824

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Art. 269c

III 57, E. 3c; Weber, BSK, N 9 zu Art. 269b OR und N 5 zu Art. 269c OR; HAPImmobiliarmietrecht/Nordmann/Schmelzer, Rz. 18.16, S. 688). Die formgerecht angezeigte Mietzinserhöhung, die auf einer bezüglich der Ver­ 5 tragsdauer nicht gesetzeskonformen Vertragsabmachung beruht, muss vom Mieter angefochten werden, da sie andernfalls ungeachtet der gegen zwin­ gendes Recht verstossenden Vertragsklausel Rechtswirkungen entfaltet (vgl. für die analoge Situation bei indexierten Mietverträgen: N 8 zu Art. 269b OR, m.w.H. auf Urteil des Bundesgerichts vom 5. März 1997, in: mp 1997, S. 102 ff.; Entscheid des OGer Zürich, in: MRA 0/94, S. 24 f.; Blumer, Gebrauchsüber­ lasungsverträge, Rz.  519, S.  160  f., abweichend nun aber  – unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs  – das Urteil des Bundesgerichts 4A_415/2015 vom 22. August 2016, E. 2.2.3). Zu beachten ist, dass – im Unterschied zu der von den Parteien im Fall der Indexierung nicht voraussehbaren Mietzinsentwick­ lung  – der gestaffelte Mietzins vollumfänglich vom Konsens der Parteien erfasst wird. Entrichtet der Mieter trotz fehlender mindestens dreijähriger Ver­ tragsbindung den formgerecht angezeigten erhöhten Mietzins, bezahlt er des­ halb keine Nichtschuld, und er befindet sich auch nicht in einem Irrtum, was eine Rückforderung nach Massgabe der Grundsätze über die ungerechtfertigte Bereicherung ausschliesst. Ausserdem würde sich angesichts des Vertragsin­ haltes eine allenfalls geltend gemachte Rückforderung wohl als rechtsmiss­ bräuchlich erweisen (Dietschy-Martenet, CPra, N 17 zu Art. 270d OR; in diese Richtung weisend das Urteil des Bundesgerichts 4A_647/2011 vom 26. Januar 2012, E. 4.2, in: MRA 4/12, S. 207; vgl. zur analogen Situation bei Indexierung N 9 zu Art. 269b OR, m.w.H.).

2.2

Einmalige Erhöhung pro Jahr

Art. 269c Buchst. b OR schreibt zwingend vor, dass bei gestaffelten Mietzin­ 6 sen nur eine einzige Erhöhung pro Jahr zulässig ist. Dabei sind die Parteien frei, den Erhöhungszeitpunkt zu bestimmen. Es steht ihnen insbesondere auch frei, dem Vermieter mit Bezug auf den Erhöhungszeitpunkt ein gewisses Wahlrecht einzuräumen, indem beispielsweise vereinbart wird, dass der Vermieter jeweils ab dem 1. Januar eines Jahres jederzeit den durch die Staffelung festge­ setzten, erhöhten Mietzins geltend machen könne. Der Gesetzgeber definiert den Begriff «höchstens einmal jährlich» nicht näher. Es ist davon auszugehen, dass die Parteien entweder das Kalenderjahr oder das Vertragsjahr vereinbaren dürfen. Entscheidend ist aber, dass innerhalb von 12 vollen Monaten lediglich eine einzige Anpassung erfolgen darf (MfdP/Wettstein, N 20.3.3; Weber, BSK, N 2 zu Art. 269c OR). Beat Rohrer

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Art. 269c 7

Eine Vereinbarung der Parteien, die dem Vermieter mehr als eine Mietzins­ erhöhung pro Jahr erlaubt, ist teilnichtig (Higi, ZK, N 53 und 62 zu Art. 269c OR). Die formgerecht angezeigte Erhöhung entfaltet indessen volle Rechtswirkung, wenn sie innert Frist vom Mieter nicht angefochten wird. Im Anfech­ tungsverfahren ist der Vertrag nach dem mutmasslichen Parteiwillen zu ergän­ zen. Dabei dürfte vorbehältlich eines erkennbar abweichenden Vertragswillens eine Reduktion der Anpassungsmöglichkeiten auf die betragsmässig höchste der innerhalb der massgebenden Jahresfrist vereinbarten Anpassungen ange­ zeigt erscheinen (Higi, ZK, N 53 zu Art. 269c OR; Weber, BSK, N 5 zu Art. 269c OR; Dietschy-Martenet, CPra, N 15 zu Art. 269c OR; MfdP/Wettstein fordert für diesen Fall eine «gesetzeskonforme Lösung», a.a.O., N 20.3.4).

2.3 8

Betragsmässige Festlegung

Die einzelnen jährlichen Erhöhungsraten müssen im Voraus frankenmäs­ sig festgelegt werden. Die blosse Berechenbarkeit dieses Erhöhungsbetra­ ges  – beispielsweise, indem die Staffelung in Prozenten des Basismietzinses angegeben wird – genügt dem gesetzlichen Erfordernis zumindest nach dem Gesetzeswortlaut nicht. Eine entsprechende Klausel wäre wiederum (teil)nich­ tig, was aber nur dann Bedeutung erlangt, wenn eine diesbezüglich formge­ recht angezeigte Mietzinsanpassung vom Mieter innert Frist angefochten wird (vgl. zur ähnlichen Situation bei unzulässigen Indexvereinbarungen N  8 zu Art. 269b OR). Zu Recht wird in der Literatur allerdings die Auffassung vertre­ ten, dass die Annahme der Nichtigkeit einer Klausel, welche die einzelnen Staf­ felungen in Prozenten des Anfangsmietzinses (statt in Frankenbeträgen) quan­ tifiziert, überspitzt formalistisch erschiene (Weber, BSK, N 2 zu Art. 269c OR; Dietschy-Martenet, CPra, N 17 zu Art. 269c OR; Higi, ZK, N 56 zu Art. 269c OR; MfdP/Wettstein fordert in einem solchen Fall eine Umrechnung in einen Frankenbetrag und erachtet die Regelung für durchsetzbar, wenn keine Zwei­ fel darüber bestehen, dass der Mieter sie in dieser Form akzeptiert hätte. Sol­ che Zweifel können indessen gar nie bestehen, kennt doch ein Mieter bei einer Festlegung der Staffelungen in Prozentwerten die betragsmässigen Auswirkun­ gen immer, es sei denn, er behaupte, er sei nicht in der Lage, einen Prozentwert in einen Frankenbetrag umzurechnen, a.a.O., N 20.3.4). Das ist nur schon des­ halb schlüssig, weil der Verordnungsgeber in Art. 18 dem Vermieter bezüglich eines allfälligen Mietzinsvorbehaltes ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, diesen in Franken oder Prozenten des Mietzinses zu beziffern, womit er zum Ausdruck bringt, dass dem Mieter die Umrechnung von Prozenten in Fran­ kenbeträge zumutbar ist. Im Rahmen der in einem Anfechtungsverfahren vor­

826

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Art. 269c

zunehmenden richterlichen Vertragsergänzung sind somit – ausgehend vom erkennbaren Parteiwillen – die Mietzinsberechnungen nach Massgabe der von den Parteien im Vertrag festgelegten Berechnungsgrundlagen vorzunehmen (Hulliger/Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 269c OR; Higi, ZK, N 56 zu Art. 269c OR).

2.4

Ausschluss anderer Erhöhungsmöglichkeiten während Staffelperiode?

Ähnlich wie bei der Vereinbarung eines indexierten Mietzinses gemäss 9 Art. 269b OR stellt sich auch bei der Vereinbarung der gestaffelten Mietzinse die Frage, ob während der vertraglich vereinbarten Mindestfrist (Staffelperi­ ode) auch andere Umstände die Mietzinsgestaltung beeinflussen können. Die Frage ist differenziert zu beantworten. Mietzinsanpassungen zufolge Kostensteigerungen, Teuerung oder Änderung der orts- oder quartierüblichen Verhältnisse sind unzulässig – nur schon deshalb, weil gemäss Art. 270d OR die Anfechtung der Mietzinserhöhungen beim gestaffelten Mietzins schlechthin ausgeschlossen ist (vgl. Botsch. 1985, S. 1480; zu weitgehend und undifferen­ ziert Weber, BSK, N 6 f. zu Art. 269c OR). Zulässig ist die allerdings ausdrück­ lich zu treffende Vereinbarung, dass im Falle wertvermehrender Investitio­ nen oder einer umfassenden Überholung oder auch bei der Einführung neuer öffentlich-rechtlicher Abgaben oder bei Kostensteigerungen auf separat erho­ benen Nebenkosten zusätzlich zur vereinbarten Mietzinsstaffelung Miet­ zinserhöhungen geltend gemacht werden können (Urteil des Bundesgerichts 4A_415/2015 vom 22. August 2016, E. 2.2.1; BGE 124 III 57, E. 3a; Higi, ZK, N  24 zu Art.  269c OR; a.M. entgegen der höchstrichterlichen Praxis MfdP/ Wettstein, N 20.3.2). Der Ausschluss der Anfechtung gestaffelter Mietzinse im Sinne von Art. 270d OR steht einer entsprechenden Erhöhung jedenfalls nicht entgegen, da mit dieser Bestimmung nur die Überprüfung des von den Par­ teien bei Vertragsbeginn vereinbarten Staffelbetrages für jede einzelne Staffel­ periode ausgeschlossen wird. Damit ist auch gesagt, dass allfällige Mietzinsan­ passungen, die gestützt auf eine entsprechende Vereinbarung im Mietvertrag unter Berufung auf wertvermehrende Investitionen, umfassende Überholun­ gen, erhöhte Nebenkosten oder neu eingeführte öffentlich-rechtliche Abgaben vom Vermieter geltend gemacht werden, umfassend auf ihre Missbräuchlich­ keit hin überprüft werden können (vgl. N 26 zu Art. 269b OR für die analoge Situation bei indexierten Mietverträgen mit zahlreichen Hinweisen; unzutref­ fend Weber, BSK, N 7 zu Art. 269c OR, der diesfalls wiederum ein vorzeitiges, vertraglich nicht vereinbartes Kündigungsrecht zugunsten des Mieters fordert). Beat Rohrer

827

Art. 269c

Zulässig ist schliesslich die Kombination eines vom Umsatz abhängigen Miet­ zinses in Verbindung mit einem umsatzunabhängigen, gestaffelten Mindest­ mietzins (Hulliger/Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 269c OR; Weber, BSK, N 7 OR). 10

Zur Problematik der Kumulation einer Indexklausel mit einer Staffelungsklausel kann auf die Ausführungen unter N 31 ff. zu Art. 269b OR verwiesen werden.

3. Anpassungsmodalitäten 3.1 Formularpflicht 11

Die im Rahmen einer Mietzinsstaffelung vereinbarten Mietzinserhöhungen treten nicht automatisch in Kraft. Der Vermieter hat vielmehr die Anpassungs­ formalitäten gemäss Art.  269d OR und Art.  19 VMWG  – Verwendung des gesetzlich vorgeschriebenen «amtlichen» Formulars und Anzeige frühestens vier Monate vor Inkrafttreten des neuen Mietzinses – einzuhalten, damit der Mieter zur Zahlung des durch die Staffelung erhöhten Mietzinses verpflich­ tet wird.

12

In Anbetracht der Tatsache, dass bei gestaffelten Mietzinsen nur der Anfangs­ mietzins angefochten werden kann (Art. 270d OR), ist der Sinn dieser Form­ vorschriften nicht einzusehen (gleicher Auffassung Higi, ZK, N 40 zu Art. 269c OR; Weber, BSK, N 3 zu Art. 269c OR; in einem obiter dictum scheint auch das Bundesgericht diesen Überlegungen zu folgen, wenn es im Urteil 4A_689/2014 vom 7.  Mai 2015 wörtlich festhält: «Sobald eine Anfechtung der Erhöhung gesetzlich ausgeschlossen ist, macht die Anzeigepflicht mittels amtlichen Formulars jedoch keinen Sinn mehr.», a.a.O., E. 3.1, in: MRA 1/16, S. 13 ff.). Da nicht anzunehmen ist, der Gesetzgeber habe ein künstliches formelles Hindernis zulasten der Vermieter schaffen wollen, um berechtigte, im Voraus im gegen­ seitigen Einvernehmen vereinbarte und der Missbrauchsprüfung entzogene Mietzinsanpassungen zu erschweren, können die erwähnten Formvorschriften nur noch die Bedeutung haben, dass der Mieter auch noch vor seiner eigenen Vergesslichkeit zu schützen ist, indem – das Fehlen der formgerechten Erhö­ hungsanzeige vorausgesetzt – der Mieter kein Verzugsrisiko gemäss Art. 257d OR eingeht. Aufgrund des mieterfreundlichen Art. 257d OR wäre allerdings nicht nur vertretbar, sondern geradezu ein zwingendes Gebot, bei einer nächs­ ten Gesetzesrevision die Pflicht, die jeweiligen Anpassungsschritte mittels amt­ lichem Formular anzuzeigen, abzuschaffen. Damit würde dem auch für das Mietrecht geltenden Grundsatzes «pacta sunt servanda» Rechnung getragen, 828

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Art. 269c

und diese Lösung liesse sich auch angesichts der gesetzlichen Milde zugunsten des Mieters im Falle eines Zahlungsverzuges rechtfertigen (Art. 257d OR). Als Alternative bietet sich an, dass eine einfache schriftliche Anzeige des Vermie­ ters genügt, um die vertraglich vereinbarte, im Voraus frankenmässig festge­ legte und unanfechtbare Mietzinserhöhung in Kraft zu setzen. Dies wirft dann allerdings sogleich die Frage auf, welche Konsequenzen eintreten, wenn diese Anzeige unterlassen wird, weshalb die Abschaffung dieser unnötigen Forma­ lität vorzuziehen ist. In der letzten vom Bundesrat vorgeschlagenen Revision verschiedener Bestimmungen des Mietrechts sollte als Art.  269d Abs.  6 OR ungeachtet dieser Unklarheit die Pflicht zur Mitteilung in schriftlicher Form eingeführt werden. Die Pflicht des Vermieters, Mietzinsanpassungen gestützt auf die gegenseitig 13 vereinbarten Staffelungen mit einem amtlichen Formular anzuzeigen, erfüllt nach dem soeben Dargelegten keinerlei Schutzfunktion, da eine Anfechtung ausgeschlossen ist. Die entsprechende Mitteilung enthält unter diesem Aspekt sogar eine Falschinformation, weil der Mieter auf eine Anfechtungsmöglich­ keit hingewiesen wird, die gar nicht besteht. Diese Besonderheit verbietet es, dem Mieter einen Anspruch auf Rückforderung von Mietzinszahlungen zu verschaffen, der daraus abgeleitet wird, dass entsprechend der getroffenen Regelung einer Staffelung erhöhte Mietzinse bezahlt worden sind, obwohl keine Formularanzeige erfolgt war. Da der Mieter die jeweiligen Mietzinserhö­ hungen aufgrund der vertraglichen Abmachungen im Voraus kennt, bezahlt er den erhöhten, wenngleich formell nicht korrekt angezeigten Mietzins nicht irrtümlich, was eine Rückforderung nach den Regeln über die ungerechtfer­ tigte Bereicherung ausschliesst (Art. 63 Abs. 1 OR) oder als rechtsmissbräuch­ lich erscheinen lässt (Dietschy-Martenet, CPra, N 16 und 17 zu Art. 270d OR). Bei der Mitteilung auf dem amtlichen Formular hat sich der Vermieter an die 14 in Art.  19 Abs.  1 VMWG festgelegten Vorschriften zu halten. Die Kantone können für den Fall des gestaffelten Mietzinses allerdings die Zustellung einer Kopie der Mietzinsvereinbarung als rechtsgenügendes Formular im Sinne von Art. 269d Abs. 2 Buchst. a OR bzw. Art. 19 Abs. 1 VMWG bezeichnen (Art. 19 Abs. 2 VMWG). Soweit ersichtlich, hat bisher kein Kanton von dieser Möglich­ keit Gebrauch gemacht.

3.2 Fristen Art. 19 Abs. 2 VMWG schreibt vor, dass bei gestaffelten Mietzinsen die Anzeige 15 der Mietzinserhöhung frühestens vier Monate vor dem Zeitpunkt erfolgen darf,

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Art. 269c

auf welchen der neue Mietzins in Kraft tritt. Der Sinn dieser Vorschrift ist – ebenso wie die Pflicht zur Verwendung des sogenannten amtlichen Formulars – angesichts von Art.  270d OR nicht einzusehen und jedenfalls durch ein ver­ nünftiges Schutzinteresse des Mieters nicht zu rechtfertigen (gl.A. Weber, BSK, N 3 zu Art. 269c). Immerhin kann dem Vermieter aus einer allfällig zu früh erfolgten Mitteilung kein Nachteil erwachsen: Wird die entsprechende Mittei­ lung nämlich nicht angefochten, so entfaltet sie ihre Wirkung, da Nichtigkeit für diesen Fall weder im Gesetz noch in der Verordnung ausdrücklich vorge­ sehen ist und angesichts der fehlenden Anfechtungsmöglichkeit auch eine völ­ lig unverhältnismässige Konsequenz eines kaum bedeutsamen Versäumnisses wäre (vgl. 269d Abs. 2 OR, welche Bestimmung abschliessend die Nichtigkeits­ gründe im Zusammenhang mit einer Mietzinserhöhung aufzählt, vgl. MRA 0/94, S. 24 f.; gl.A. Higi, ZK, N 43 zu Art. 269c OR). Erfolgt anderseits durch den Mieter eine Anfechtung, so kann der Vermieter den begangenen Form­ fehler jederzeit durch Zusendung einer neuen Mietzinserhöhungsmitteilung korrigieren. 16

Gesetz und Verordnung enthalten keine Vorschrift darüber, bis zu welchem Zeitpunkt der sich aus der vereinbarten Staffelung ergebende Mietzins dem Mieter spätestens angezeigt werden muss. Mangels Kündbarkeit des Vertrags während der Mindestdauer von 3 Jahren kommen die in Art.  269d OR fest­ gelegten Fristbestimmungen nicht zum Zug (Higi, ZK, N 45 zu Art. 269c OR; BGE 113 II 305, E. 2c).

17

Nachdem beim gestaffelten Mietzins die einzelnen Erhöhungsbeträge vertrag­ lich bereits im Voraus frankenmässig vereinbart worden sind, ist der Vermie­ ter auch berechtigt, die in Art.  19 Abs.  2 VMWG vorgeschriebene Anzeige rückwirkend auf den vertraglich vereinbarten Zeitpunkt hin vorzunehmen. In diesem Falle hat der Mieter den Differenzbetrag für die bereits zurücklie­ genden Monate nachzuzahlen. Diese rückwirkende Geltendmachung wäre nur dort ausgeschlossen, wo dem Vermieter gemäss Mietvertrag ein Wahlrecht mit Bezug auf die Festsetzung des Erhöhungszeitpunktes zusteht (z.B. falls im Ver­ trag vereinbart wird, der Vermieter könne die vertraglich vereinbarte Erhö­ hung jeweils auf einen beliebigen Monatsanfang nach dem 1. Januar jeden Jah­ res geltend machen). In diesem Falle ist die rückwirkende Geltendmachung ausgeschlossen, da die Mitteilung des Vermieters eine wesentliche Vorausset­ zung für die Inkraftsetzung der vertraglich vereinbarten Erhöhung bildet (a.M. Higi, ZK, N 42 und 45 zu Art. 269c OR, der eine rückwirkende Anzeige nur zulassen will, wenn der Mietvertrag dies ausdrücklich vorsieht). Higi über­ sieht, dass dem Mieter gegenüber einer solchen Anzeige gar kein Anfechtungs­

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Art. 269c

recht zusteht (Art. 270d OR) und dass ausserdem ein Schutzbedürfnis des Mie­ ters nicht auch noch gegenüber der Nachlässigkeit oder Vergesslichkeit des Vermieters besteht. Nach der Auffassung von Wettstein ist eine rückwirkende Anzeige ausgeschlossen, wenn der Mietvertrag diese Möglichkeit nicht aus­ drücklich vorsieht. Andernfalls soll die nachträglich angezeigte Erhöhung ihre Wirkungen ab dem Zeitpunkt entfalten, in welchem die Anzeige dem Mieter zugeht (MfdP/Wettstein, N 20.3.7).

4. Anfechtung Es kann auf den Kommentar zu Art. 270d OR verwiesen werden.

5.

18

Mietzinsgestaltung nach Ablauf der Staffelperiode

Das Bundesgericht hat im BGE 121 III 393 die Frage beurteilt, nach welchen 19 Kriterien der Mietzins nach Ablauf der für die Staffelung vereinbarten Min­ destfrist festgelegt werden kann. Es hat diese Frage allerdings nur für denjeni­ gen Fall geprüft, in dem die Parteien mit der Mietzinsstaffelung sämtliche Kos­ tenentwicklungen während der vertraglichen Mindestdauer erfassen wollten, mit dem also die Veränderungen von Erhöhungs- oder Senkungsfaktoren bis zum Ablauf des Mietverhältnisses gewissermassen von den Parteien vorweg­ genommen wurden. Nach Auffassung des Bundesgerichts ist sowohl der Vermieter als auch der 20 Mieter berechtigt, auf den Zeitpunkt, auf den das Mietverhältnis erstmals hätte gekündigt werden können – aber nur auf diesen Zeitpunkt –, eine Miet­ zinsanpassung nach absoluter Methode zu verlangen. Da die Staffelmiete als Vorausbestimmung der wahrscheinlichen Entwicklung der Erhöhungsund Senkungsfaktoren es nicht erlaube, auf die Vermutung zurückzugreifen, wonach der vorangegangene Mietzins – also die letzte Staffelung – dem Ver­ mieter einen genügenden Ertrag aus der Mietsache verschaffe, rechtfertige es sich, die absolute Methode ungeachtet des Umstandes zuzulassen, dass keiner­ lei Vorbehalt erklärt worden sei. Unterlasse der Vermieter auf den erstmögli­ chen Zeitpunkt eine Mietzinsanpassung nach absoluter Methode, so müsse er sich diese Vermutung allerdings in der Folge entgegenhalten lassen. Aus sei­ ner Untätigkeit könne nämlich abgeleitet werden, dass er im Zeitpunkt, in wel­ chem er das Mietverhältnis hätte kündigen oder den Mietzins nach absolu­

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Art. 269c

ter Methode hätte erhöhen können, diesen als angemessen erachtet habe. In der Folge seien Mietzinsanpassungen nur noch nach relativer Methode zuläs­ sig. Grundlage für die Mietzinsgestaltung seien dabei diejenigen Kostenstände, wie sie bei Ablauf der Staffelperiode massgebend gewesen seien – und nicht diejenigen, wie sie massgebend waren im Zeitpunkt, als letztmals der Miet­ zins  – gestützt auf die Staffelklausel  – angepasst worden ist (vgl. MRA 2/96, S. 56 ff.). Entsprechendes hat auch für den Mieter zu gelten. Verlangt er eine Mietzinssenkung unter Berufung auf Art.  270a OR nicht auf den erstmögli­ chen Kündigungstermin, so kann er sich später nur auf veränderte Berech­ nungsgrundlagen seit dem Ablauf der Mindestvertragsdauer – nach relativer Methode – berufen (MfdP/Wettstein, N 20.3.8; vgl. für den analogen Fall der Mietzinsgestaltung nach Indexentwicklung N 35 ff. zu Art. 269b OR, m.w.H.). 21

Im Urteil 4C.390/1998 vom 3. Mai 1999 erkannte das Bundesgericht, dass die Vereinbarung einer Staffelung nicht nur den Zweck verfolgen könne, zukünf­ tige Preis- oder Kostenentwicklungen vorwegzunehmen (vgl. MRA 2/00, S. 253 ff.). Es gestand den Parteien die Möglichkeit zu, im Vertrag ausdrück­ lich zu vereinbaren, dass massgebend für die weitere Gestaltung des Mietzinses nach Ablauf der Mindestvertragsdauer, während welcher der Mietzins gestaf­ felt angepasst wurde, die bei Vertragsabschluss geltenden Kostenstände sein sollten (MfdP/Wettstein, N 20.3.8; Weber, BSK, N 4 zu Art. 269d OR; Diet­schyMartenet, CPra, N 38 zu Art. 269c OR).

22

Das Bundesgericht bejahte dabei in seiner Erwägung 3b/cc ausdrücklich die Möglichkeit, eine Klausel zu vereinbaren, wie sie von Jürg P. Müller in seiner Kommentierung zum Entscheid 121 III 393 (in: MRA 2/96, S.  61  ff.) vorge­ schlagen worden war, und die wie folgt lautet: «Der Mieter nimmt zur Kenntnis, dass die vereinbarten Staffelmieten auf folgenden Berechnungsgrundlagen beruhen (Hypothekarzinssatz: … %; Indexstand (BfS): … Pkt.). Im Staffelmietzins sind keine inskünftigen Erhöhungs- und Senkungsfaktoren berücksichtigt. Die Festlegung des Mietzinses nach Ablauf der Staffeldauer erfolgt aus­ gehend von den vorerwähnten Kostenständen oder nach absoluter Methode.»

23

Auch im Rahmen der soeben beschriebenen Art der Vertragsgestaltung ist es nicht erforderlich, dass bei der Geltendmachung der einzelnen Mietzinsstaffe­ lungen Vorbehalte im Sinne von Art. 18 VMWG erklärt werden. Es stehen dem Vermieter im massgebenden Zeitpunkt aufgrund der Exklusivität der Staffel­ klausel während der vertraglichen Mindestdauer grundsätzlich keine anderen Erhöhungsmöglichkeiten zu. Vorbehalte müssen gemäss Art. 18 VMWG aber nur dann erklärt werden, wenn der Vermieter eine ihm zustehende Mietzinserhöhung nicht geltend macht (so sinngemäss BGE 121 III 393; Higi, ZK, N 76 832

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Art. 269c

zu Art. 269c OR; ähnlich auch BGE 123 III 76 bezüglich Indexanpassungen; vgl. N 35 ff. zu Art. 269b OR; a.M. betreffend der Vorbehaltserklärung Weber, BSK, N 4 zu Art. 269c OR). Weber übersieht – wie schon im Zusammenhang mit der ähnlichen Frage bei indexierten Mietzinsen –, dass ein Vorbehalt nur erklärt werden muss, wenn der Vermieter eine ihm zustehende Mietzinserhö­ hung nicht vollständig in Anspruch nimmt, weshalb eben angesichts der bereits erwähnten Ausschliesslichkeit der Staffelungsklausel während der Dauer ihrer Anwendbarkeit keine Vorbehalte erklärt werden müssen.

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Art. 269d D. Mietzinserhöhungen und andere einseitige Vertragsänderungen durch den Vermieter 1 Der Vermieter kann den Mietzins jederzeit auf den nächstmöglichen Kün-

digungstermin erhöhen. Er muss dem Mieter die Mietzinserhöhung mindestens zehn Tage vor Beginn der Kündigungsfrist auf einem vom Kanton genehmigten Formular mitteilen und begründen.

2 Die

Mietzinserhöhung ist nichtig, wenn der Vermieter: a. sie nicht mit dem vorgeschriebenen Formular mitteilt; b. sie nicht begründet; c. mit der Mitteilung die Kündigung androht oder ausspricht.

3 Die

Absätze 1 und 2 gelten auch, wenn der Vermieter beabsichtigt, sonstwie den Mietvertrag einseitig zu Lasten des Mieters zu ändern, namentlich seine bisherigen Leistungen zu vermindern oder neue Nebenkosten einzuführen. D.

Augmentations de loyer et autres modifications unilatérales du contrat par le bailleur

1 Le

bailleur peut en tout temps majorer le loyer pour le prochain terme de résiliation. L’avis de majoration du loyer, avec indication des motifs, doit parvenir au locataire dix jours au moins avant le début du délai de résiliation et être effectué au moyen d’une for­ mule agréée par le canton. 2 Les

majorations de loyer sont nulles lorsque: a. elles ne sont pas notifiées au moyen de la formule officielle; b. les motifs ne sont pas indiqués; c. elles sont assorties d’une résiliation ou d’une menace de résiliation.

3 Les 1er et 2e alinéas sont aussi applicables lorsque le bailleur envisage d’apporter unila­ téralement au contrat d’autres modifications au détriment du locataire, par exemple en diminuant ses prestations ou en introduisant de nouveaux frais accessoires.

D.

Aumenti di pigione e altre modificazioni unilaterali del contratto da parte del locatore

1 Il

locatore può aumentare in qualsiasi momento la pigione per la prossima scadenza di disdetta. Deve comunicare, motivandolo, l’aumento al conduttore almeno dieci giorni prima dell’inizio del termine di preavviso su un modulo approvato dal Cantone.

834

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Art. 269d 2 L’aumento

è nullo se il locatore: a. non lo comunica mediante il modulo prescritto; b. non lo motiva; c. lo comunica con la minaccia di disdetta o dando la disdetta.

3 I

capoversi 1 e 2 si applicano anche se il locatore intende in altro modo modificare uni­ lateralmente il contratto a svantaggio del conduttore, segnatamente diminuendo le sue prestazioni o introducendo nuove spese accessorie.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

836

2.

Zwingender Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

837

3. Kündigungstermin .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Fristen und Termine im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

838 838 839

4. Formularpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.1 Vertragsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.2 Mietzinsanpassungen im gegenseitigen Einvernehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.3 Begriff des Formulars .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.4 Genehmigung durch den Kanton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.5 Inhalt .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.6 Formularpflicht bei indexierten oder einer Staffelung folgenden Mietzinsen .. . . . . 

843 843 844 846 847 847 851

5. Pflicht zur Begründung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.2 Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.3 Bedeutung der Begründung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

852 852 855 859

6. 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6

Nichtige Mietzinserhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Fehlende oder unklare Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Verletzung der Formularpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Verbot Kündigungsandrohung oder Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  «Unwirksame» Mietzinserhöhungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Rückleistungspflicht des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Heilung eines Formmangels durch gültige Mietvertragsänderung? . . . . . . . . . . . . . . . . 

863 863 863 863 863 865 867

7. 7.1 7.2 7.3

Andere einseitige Vertragsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Verminderung der Leistungspflicht des Vermieters – Teilkündigung . . . . . . . . . . . . . .  Begründungspflicht bei anderen einseitigen Vertragsänderungen .. . . . . . . . . . . . . . . . .  Missbräuchlichkeit von anderen einseitigen Vertragsänderungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . 

868 868 870 871

8. Mietzinsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

872

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835

Art. 269d

1. Vorbemerkungen 1

Bestehende Verträge können grundsätzlich nur im Einverständnis beider Parteien abgeändert werden. Im Mietverhältnis als Dauerschuldverhältnis besteht aber der Bedarf, den Mietzins im Laufe der Zeit veränderten Verhält­ nissen anzupassen. Könnten solche Anpassungen nur im Einverständnis mit dem Mieter vorgenommen werden, so wäre der Vermieter gezwungen, den bestehenden Mietvertrag zu kündigen, wenn der Mieter die Fortführung des Mietverhältnisses zu veränderten Konditionen nicht akzeptieren will. Unter dem Eindruck der drohenden Kündigung könnte der Mieter indessen nicht frei über die Vertragsgestaltung verhandeln; er würde sich in einer Nötigungs­ situation befinden. Der Gesetzgeber hat den gegenseitigen Parteiinteressen dadurch Rechnung getragen, dass im Verlauf der Vertragsdauer einsei­ tige Vertragsänderungen zwar grundsätzlich ermöglicht, diese zum Schutz des Mieters jedoch materiell durch die Art.  269  ff., formell insbesondere durch Art. 269d OR, ergänzt durch Bestimmungen in der VMWG, beschränkt wer­ den (vgl. zum Normzweck BGE 125 III 231, E. 3b, m.w.H. auf Higi, ZK, N 71 zu Art. 271a OR, in: MRA 4/99, S. 136 ff.).

2

Von der soeben beschriebenen Situation zu unterscheiden ist allerdings der Fall, in welchem der Vermieter kündigt, um von einem anderen Mieter einen höheren Mietzins erhältlich zu machen. Das ist nach konstanter Praxis des Bundesgerichts grundsätzlich stets zulässig, da der Mieter in diesem Fall nicht zwischen der Alternative höherer Mietzins oder Kündigung zu entscheiden hat (BGE 120 II 105; Urteil des Bundesgerichts 4C.343/2005 vom 22. Dezem­ ber 2004, in: MRA 3/05, S. 124 ff.; Urteil 4C. 61/2005 vom 27. Mai 2005, in: MRA 3/05, S. 115 ff.; Urteil 4A_448/2009 vom 1. Februar 2009, in: MRA 2/11, S. 77 ff.; Urteil 4A_379/2009 vom 21. Oktober 2009, in: MRA 2/10, S. 90 ff., Urteil 4A_612/2012 vom 19. Februar 2013, in: MRA 2/13, S. 50 ff.; vgl. N 43 zu Art. 271 OR; N 20 zu Art. 271a OR).

3

Eine den formellen Erfordernissen von Art. 269d OR entsprechende Mietver­ tragsänderung ergänzt den bestehenden Vertrag und bildet alsdann mit Bezug auf die darin dokumentierten Konditionen Vertragsbestandteil, wobei sich die Bindungswirkung sowohl auf die Höhe des neuen Mietzinses bzw. auf die soge­ nannte andere einseitige Vertragsänderung als auch auf die notwendigerweise erstattete Begründung (Art. 269d Abs. 2 Buchst. b OR) bezieht. Die unterlas­ sene Anfechtung einer formgerecht mitgeteilten Vertragsänderung ersetzt bzw. fingiert die Zustimmung des Mieters dazu, und zwar selbst dann, wenn eine Überprüfung der Vertragsänderung  – gerade mit Bezug auf die neue Festle­

836

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Art. 269d

gung des Mietzinses – nach den Kriterien von Art. 269 ff. OR zum Ergebnis geführt hätte, dass diese als missbräuchlich qualifiziert worden wäre (Weber, BSK, N 1/1a zu Art. 269d OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 6 zu Art. 269d OR). Zufolge dieser Konsequenzen sieht Art. 269d Abs. 2 OR gewisse Mindestanfor­ derungen in formeller Hinsicht vor, bei deren Fehlen einseitige Mietvertrags­ änderungen nichtig sind. Keine Beschränkung bezüglich der Vertragsfreiheit auferlegt der Gesetzge­ 4 ber den Parteien in Mietverhältnissen, in denen eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht besteht: Wie alle Bestimmungen über die Miete von Wohnund Geschäftsräumen ist auch Art. 269d OR nicht anwendbar im Bereich der Ferienwohnungen, die für höchstens drei Monate gemietet werden (Art. 253a Abs. 2 OR) und sodann für die nach Art. 253b OR nicht den Art. 269 ff. OR unterliegenden Mietobjekte, wie namentlich luxuriöse Wohnungen und Einfa­ milienhäuser mit sechs oder mehr Wohnräumen und schliesslich für Mietob­ jekte mit staatlich kontrollierter Mietzinsgestaltung (Art. 253b Abs. 3 OR). Mit Bezug auf die erwähnten Ferienwohnungen und Luxusobjekte können Miet­ zinsanpassungen somit einseitig nur auf dem Weg der Kündigung mit gleich­ zeitiger Offerte zur Fortführung des Vertrages zu veränderten Bedingun­ gen geltend gemacht werden. Für die von der öffentlichen Hand geförderten Wohnräume, bei denen die Mietzinsgestaltung durch eine Behörde kontrol­ liert wird, richtet sich das Verfahren zur Durchsetzung von Mietvertragsände­ rungen nach den einschlägigen Vorschriften des öffentlichen Rechtes (vgl. zum Ganzen: Sommer, Ausschluss).

2.

Zwingender Inhalt

Art.  269d Abs.  2 OR ist mindestens insoweit absolut zwingend, als gemäss 5 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 3 bestimmtes Verhalten oder Unterlassen zur Nichtigkeit der Vertragsänderung führt. Nicht ausgeschlossen erscheint dage­ gen, dass die Parteien die Möglichkeit, den Mietzins jederzeit auf den nächst­ möglichen Kündigungstermin zu erhöhen, einschränken können, indem z.B. festgelegt wird, dass Mietzinsanpassungen nur einmal jährlich auf einen bestimmten Termin geltend gemacht werden können. Es ist auch zulässig, Mietzinsanpassungen für eine gewisse Zeit gänzlich auszuschliessen. Ebenfalls kann auch vereinbart werden, dass für die Anzeige von Mietzinsanpassungen eine längere Frist als die in Abs. 1 von Art. 269d OR geregelte Minimalfrist ein­ zuhalten ist.

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Art. 269d 6

In Lehre und Rechtsprechung wird einhellig die Auffassung vertreten, der zwingende Charakter von Art. 269d Abs. 1 OR werde in einem bestimmten Anwendungsfall durchbrochen: In einem auf Mindestfrist abgeschlossenen Mietvertrag, bei dem der Mietzins einem Index im Sinne von Art. 269b OR oder einer vereinbarten Staffelung im Sinne von Art. 269c OR folgt, kann gül­ tig vereinbart werden, dass Mietzinsanpassungen zufolge wertvermehrender Investitionen oder umfassender Überholungen auch früher als auf den erst­ möglichen Auflösungszeitpunkt geltend gemacht werden können (Botsch. 1985, S. 1486; Higi, ZK, N 51 zu Art. 269b OR; MfdP/Wettstein für indexierte Verträge: N  20.2.7, ablehnend für Mietverträge mit vereinbarter Staffelung: a.a.O., N  20.3.2; BGE 124 III 57, E.  3a, m.w.H. auf das Urteil des Bundesge­ richts vom 16. Februar 1994, E. 2 d/bb, in: SJ 1994, S. 487, m.w.H.; Weber, BSK, N 13 zu Art. 269b OR, mit dem unzutreffenden, weil im Gesetz keine Grund­ lage findenden Hinweis, es müsse diesfalls im Mietvertrag zugunsten des Mie­ ters ein ausserordentliches Kündigungsrecht auf den Termin, auf den die Erhö­ hung angezeigt wird, vereinbart werden, ebenso MfdP/Wettstein, N 20.2.12.2; zutreffend Hulliger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 269b OR; Rohrer, indexierter Mietzins, S. 6; vgl. im Übrigen N 26 ff. zu Art. 269b OR; N 10 zu Art. 269c OR).

3. Kündigungstermin 3.1 Grundsatz 7

Abs.  1 von Art.  269d OR erlaubt eine Vertragsänderung (Mietzinsanpas­ sung einschliesslich der Veränderung der Nebenkosten sowie sämtliche ande­ ren sogenannten einseitigen Vertragsänderungen im Sinne von Abs. 3) jederzeit auf den nächstmöglichen Kündigungstermin. Daraus ergibt sich, dass Art.  269d OR generell in sogenannten unbefristeten Vertragsverhältnissen, welche durch Kündigung enden, anwendbar ist (Art. 266a OR). In befristeten Vertragsverhältnissen, die auf einen bestimmten Termin endigen, ohne dass es einer Kündigung bedarf, ist Art. 269d OR nicht anwendbar (BGE 128 III 419, in: MRA 1/03, S. 22 ff.; Higi, ZK, N 148 Vorbem. zu Art. 269–270e OR; N 9, 12 und 69 ff. zu Art. 269d OR; Weber, BSK, N 1 zu Art. 269d OR). Eine Fort­ setzung des Vertragsverhältnisses zu veränderten Bedingungen bedarf beim befristeten Vertragsverhältnis der besonderen formellen Anforderungen und insbesondere eines amtlichen Formulars im Sinne von Art. 269d somit nicht, zumindest in den Kantonen, welche für die Festlegung des Anfangsmietzin­ ses keine Pflicht zur Verwendung eines amtlichen Formulars eingeführt haben (Art. 270 Abs. 2 OR, vgl. dazu N 6 zu Art. 270 OR). Wollen die Parteien ein 838

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ursprünglich befristetes Vertragsverhältnis über den Beendigungszeitpunkt hinaus fortsetzen, so schliessen sie einen neuen Mietvertrag ab, der bezüglich aller wesentlichen Vertragsbedingungen gegenseitige übereinstimmende Wil­ lensäusserungen der Vertragsparteien voraussetzt, wobei der neu vereinbarte Mietzins vom Mieter als Anfangsmietzins im Sinne von Art. 270 OR angefoch­ ten werden kann (vgl. N 6 zu Art. 270 OR). Dass einseitig vom Vermieter beabsichtigte Vertragsänderungen nur auf einen 8 Kündigungstermin geltend gemacht werden können, entspricht grundsätz­ lich zwingendem Recht. In einem Vertragsverhältnis, welches vom Vermieter während einer vereinbarten Mindestfrist nicht gekündigt werden kann, sind daher Mietzinsanpassungen vor dem erstmöglichen Kündigungszeitpunkt nur auf der Basis einer Art. 269b OR entsprechenden Indexklausel (unter Beach­ tung der Formalitäten gemäss Mietvertrag bzw. von Art. 17 Abs. 3 und Art. 19 Abs.  2 VMWG) oder gestützt auf eine Vereinbarung mit Mietzinsstaffelung im Sinne von Art.  269c OR (bzw., soweit dies vertraglich vereinbart wurde, nach Vornahme von Mehrleistungen oder umfassenden Überholungen oder bei Einführung neuer Steuern, Abgaben oder anderen, den Vermieter tref­ fenden Kosten) möglich. Es kann sodann gültig vereinbart werden, dass eine Mietzins­anpassung oder eine andere einseitige Vertragsänderung erstmals auf einen näher definierten Kündigungstermin angezeigt werden kann, obwohl der Mietvertrag für beide Parteien schon vor diesem Termin Kündigungsmög­ lichkeiten vorsieht. Mietzinsanpassungen und andere einseitige Vertragsände­ rungen sind schliesslich auch während einer sogenannten Kündigungssperr­ frist im Sinne von Art. 271a Abs. 1 Buchst. e und Abs. 2 OR möglich (MfdP/ Oeschger/Zahradnik, N 17.3.3.3; Higi, ZK, N 72 ff. zu Art. 269d OR).

3.2

Fristen und Termine im Einzelnen

3.2.1

Kündigungsfrist zuzüglich 10 Tage

Bei der Mitteilung einer einseitigen Vertragsänderung hat der Vermieter eine 9 um 10 Tage erweiterte Kündigungsfrist zu beachten. Massgebend ist die zugunsten des Mieters vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist, die den zwin­ genden gesetzlichen Anforderungen im Sinne von Art. 266a ff. OR zu entspre­ chen hat (Higi, ZK, N 137 ff.; 152–155 zu Art. 269d OR). Der Sinn der Vor­ schrift, wonach zusätzlich zur Kündigungsfrist eine weitere Frist von 10 Tagen zu beachten ist, besteht darin, dem Mieter die Möglichkeit zu verschaffen, noch rechtzeitig eine Kündigung zu erklären für den Fall, dass er die Vertragsände­ rung nicht akzeptieren, anderseits aber auch ein Anfechtungsverfahren nicht

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einleiten will (Weber, BSK, N 6 zu Art. 269 OR). Die entsprechende Bestim­ mung ist bei der Mietrechtsrevision im Jahre 1990 unkritisch in das neue Recht übernommen worden, obwohl sie sich schon unter dem Geltungsbereich des BMM als nicht praktikabel erwiesen hat: Kein Mieter wird in der Lage sein, in den ihm zur Verfügung stehenden 10 Tagen einen so grundlegenden Entscheid, wie ihn der Entschluss zu kündigen darstellt, zu fällen. Ebenso wenig dürfte es möglich sein, innert dieser kurz bemessenen Frist bereits einen Mietvertrag über ein Ersatzobjekt abschliessen zu können. 10

Der Gesetzgeber ging offenbar davon aus, dass in den Mietverträgen für Ver­ mieter und Mieter stets gleiche Kündigungsfristen und -termine vereinbart werden. Dies ist nun aber gesetzlich weder zwingend erforderlich (vgl. N 10 Vorbem. zu Art. 266–266o OR) noch stets der Fall. Es stellt sich somit die Frage, welche Kündigungsfristen bzw. -termine für die Anzeige einer Mietzinserhö­ hung oder einer anderen einseitigen Vertragsänderung einzuhalten sind, wenn diese Modalitäten im Vertrag für die daran beteiligten Parteien unterschiedlich ausgestaltet sind.

11

Die Lösung der Frage hat sich am Gebot zu orientieren, dass dem Mieter in jedem Fall die Möglichkeit einer Kündigung bis zum Ablauf der Bedenkfrist von 10 Tagen offenstehen muss. Bestehen also gleiche Kündigungsfristen, aber unterschiedliche Termine (was eher den Ausnahmefall darstellen dürfte), so muss die Anzeige unter Einhaltung der Kündigungsfrist zuzüglich 10 Tage vor dem für eine Kündigung durch den Mieter massgebenden Termin erfolgen (Higi, ZK, N  154 zu Art.  269d OR). Bei unterschiedlichen Kündigungsfris­ ten ist wiederum die für den Mieter geltende Frist zuzüglich 10 Tage mass­ gebend, auch wenn der Vermieter für seine Kündigung eine längere Frist zu beachten hätte. Der Vermieter kann z.B. nur unter Einhaltung einer Frist von 12 Monaten kündigen, für den Mieter gilt eine dreimonatige Kündigungsfrist; die Mietzinserhöhung kann unter Einhaltung der dreimonatigen Frist zuzüg­ lich 10 Tage angezeigt werden (a.M. Higi, ZK, N 153 zu Art. 269d OR; Weber, BSK, N 5 zu Art. 269 OR und MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.3.3.3, die stets die Beachtung der längeren der vereinbarten Kündigungsfristen fordern). Die erwähnten Autoren verkennen, dass dem Schutzbedürfnis des Mieters dadurch hinreichend Rechnung getragen wird, dass er erstens – zumindest theoretisch – in den zusätzlich zur Kündigungsfrist einzuhaltenden 10 Tagen auf den Ter­ min, auf welchen die Mietzinsanpassung oder andere einseitige Vertragsän­ derung angezeigt wird, kündigen könnte und dass ihm zweitens in jedem Fall die uneingeschränkte Möglichkeit offensteht, die Vertragsänderung innert 30 Tagen anzufechten. Umgekehrt liegt es aber durchaus im Interesse des Mie­

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ters, dass ihm im Falle einer Kündigung des Vermieters, welche für ihn wesent­ lich einschneidendere Konsequenzen zur Folge hat als eine einseitig angezeigte Vertragsänderung, mehr als die gesetzlich minimal vorgeschriebene Zeit für die Suche nach einem geeigneten Ersatzobjekt zur Verfügung steht. Damit Ver­ mieter motiviert werden, im Interesse des Mieters längere als die gesetzlich minimal vorgeschriebenen Kündigungsfristen zu vereinbaren, erscheint es daher unabdingbar, dass für Mietzinsanpassungen und andere einseitige Ver­ tragsänderungen bei unterschiedlicher Ausgestaltung der Kündigungsfristen und -termine im Mietvertrag nur auf die für den Mieter geltenden Fristen abgestellt wird (vgl. zum umgekehrten Fall beim Begehren um Herabsetzung des Mietzinses N 23 zu Art. 270a OR).

3.2.2 Kündigungstermin Nebst der Einhaltung der vertraglichen  – mindestens Art.  266a ff. OR ent­ 12 sprechenden – Kündigungsfrist können Mietvertragsänderungen nur auf den nächsten Kündigungstermin hin angezeigt werden. Massgebend ist wiede­ rum der vertraglich vereinbarte Termin (bei unterschiedlichen Terminen der­ jenige, der für den Mieter gilt, vgl. vorstehend N 11 und N 23 zu Art. 270a OR für den Fall der Mietzinsherabsetzung), soweit dieser nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen von Art. 266a ff. OR steht.

3.2.3

Massgebender Zeitpunkt der Zustellung

Ähnlich einer Kündigung stellt die Mitteilung des Vermieters betreffend Ände­ 13 rung der Vertragsbedingungen eine sogenannte empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Dies bedeutet, dass die Mitteilung dem Empfänger (Mie­ ter) mindestens 10 Tage vor dem Beginn der Kündigungsfrist zugegangen sein muss. Nach BGE 107 II 189 gilt eine Anzeige betreffend Mietvertragsänderung entweder dann als zugestellt, –– wenn sie dem Mieter tatsächlich ausgehändigt bzw. übergeben wird (bzw. wenn sie in seinen Empfangsbereich, z.B. in sein Postfach gelangt) oder –– mit Ablauf der siebentägigen Abholfrist (gemäss früher geltendem Art. 169 Abs. 1 Buchst. d und e i.V.m. mit Art. 157 der Verordnung 1 zum Postver­ kehrsgesetz, SR 783.01) für den Fall, dass die Postsendung nicht übergeben werden kann. Auch nach der Aufhebung der Verordnung 1 vom 1. September 1967 zum Post­ 14 verkehrsgesetz durch Art. 13 Buchst. a der Postverordnung vom 29. Oktober 1997 (SR 783.01), die zur Folge hat, dass die siebentägige Abholfrist nur noch

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in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post als Regelfall vorgesehen ist (vgl. BGE 127 I 31), gilt bezüglich der Zustellung von Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen weiterhin unverändert die soge­ nannte eingeschränkte Empfangstheorie mit Zustellfiktion nach Ablauf die­ ser siebentägigen Frist (vgl. Bartels, Fristwahrung, S. 28 ff., 42 ff.; Weber, BSK, N 6 zu Art. 269d OR). Das bedeutet, dass sich der Mieter, der die ihm zuge­ stellte Postsendung nicht abholt, den 7. Tag der Abholfrist – ungeachtet einer mit der Poststelle individuell vereinbarten längeren Abholfrist  – als Zustell­ termin anrechnen lassen muss (Weber, BSK, N 6 zu Art. 269d OR, m.w.H. auf BGE 127 I 31). 15

Ist ein Mietverhältnis unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten auf Ende Juni kündbar, so beginnt die Kündigungsfrist im Sinne von Art. 269d Abs. 1 OR am 1.  April des gleichen Jahres. Wenn nun die Mitteilung der Mietzins­ erhöhung bzw. anderen einseitigen Vertragsänderung 10 Tage vor Beginn der Kündigungsfrist beim Mieter eintreffen muss, muss sie spätestens am 21. März in seinem Besitz sein. Der Tag der Zustellung wird dabei nicht mitgezählt. Vom 22.  März bis und mit 31.  März verbleiben die gesetzlich vorgeschriebe­ nen 10 Tage (ebenso MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.3.34; Bartels, Fristwah­ rung, S. 42 ff.; unzutreffend Higi, ZK, N 149 zu Art. 269d OR: Der Autor über­ sieht, dass der Zugang einer Kündigung am letzten Tag des Monats rechtzeitig erfolgt, weshalb dies der zehnte Tag vor Beginn der Kündigungsfrist ist; dar­ aus errechnet sich folglich im vorstehenden Beispiel der 21. März als letztmög­ licher Zustelltermin einer Mitteilung im Sinne von Art. 269d OR, in diesem Sinne auch Bartels, Fristwahrung, S. 45).

16

Erfolgt die Zustellung der Vertragsänderungsmitteilung verspätet, so macht dies die Mitteilung nicht unwirksam bzw. nichtig. Analog Art. 266a Abs. 2 OR für Kündigungen entfaltet die Änderungsmitteilung indessen ihre Wirkungen erst auf den nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt (BGE 131 III 566, E. 3.3, in: mp 1/06, S. 22 ff.; BGE 107 II 189; Lachat, CR, N 7 zu Art. 269d OR; Higi, ZK, N 139 und 157 zu Art. 269d OR; Weber, BSK, N 6 zu Art. 269d OR; Zihl­ mann, Mietrecht, S. 171). Dies gilt aber nur für den Fall, in welchem die Ver­ tragsänderung innert Frist bei der zuständigen Schlichtungsbehörde angefoch­ ten wird. Es gilt der Grundsatz, dass die nicht angefochtene Vertragsänderung so wirkt, wie sie angezeigt wurde, soweit sie sich nicht im Sinne von Art. 269d Abs.  2 OR als nichtig erweist. Dies bedeutet umgekehrt, dass derjenige Mie­ ter, der die Vertragsänderung lediglich bezüglich der Rechtzeitigkeit bzw. des Zeitpunktes, in dem sie Wirkungen entfalten kann, nicht gegen sich gelten las­ sen will, dies in einem Anfechtungsverfahren geltend zu machen hat. Unter­

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lässt er die Einleitung eines solchen Verfahrens, so gilt die Vertragsänderung trotz verspäteter Mitteilung auf den angezeigten Zeitpunkt (a.M. MfdP/Oesch­ ger/Zahradnik, N 17.3.3.3). Für die Notwendigkeit einer Anfechtung spricht das Gebot der Rechtssicherheit.

4. Formularpflicht 4.1 Vertragsänderungen Aus dem Wortlaut, aber auch aus Sinn und Zweck von Art.  269d OR ergibt 17 sich, dass das gesetzlich vorgeschriebene Formular zur Mitteilung einer Ver­ tragsänderung nur dann verwendet werden muss, wenn das bisherige Gleich­ gewicht von Leistung und Gegenleistung im Rahmen des Vertragsverhältnisses sich einseitig zulasten des Mieters verschiebt. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass Art. 269d Abs. 1 OR den Hauptanwendungsfall – die Mietzinserhöhung – ausdrücklich erwähnt. Abs. 3 von Art. 269d OR bringt ebenfalls deutlich zum Ausdruck, dass die Formularpflicht bei Vertragsänderungen beachtet werden muss, wenn sich diese «einseitig zulasten des Mieters» auswirken, namentlich, wenn dadurch die bisherigen Leistungen des Vermieters vermindert werden oder wenn neue Nebenkosten als zusätzliche Belastung des Mieters eingeführt werden. Näheres dazu unter N 65 ff. Keine zusätzliche Belastung für den Mieter ist mit der Anzeige verbunden, 18 wonach der betraglich gleichbleibende oder sogar reduzierte Mietzins nach den Vorstellungen des Vermieters im Hinblick auf die künftige Mietzinsgestal­ tung auf veränderten Kostenfaktoren, z.B. auf einem niedrigeren Referenzzins­ satz beruhen soll, auch wenn auf der Formularmitteilung unter der Begrün­ dung ein allfällig bestehender Reduktionsanspruch im Sinne von Art. 13 Abs. 1 VMWG ganz oder teilweise mit Erhöhungsgründen «verrechnet» wird. Die entsprechende Mitteilung muss also nicht mit amtlichem Formular angezeigt werden, und sie muss bzw. kann vom Mieter auch nicht angefochten werden. Folgerichtig bindet sie den Mieter bezüglich der vom Vermieter im Formu­ lar bezeichneten Kostengrundlagen auch nicht (BGE 126 III 124, E. 2a, in: Pra 2000, Nr. 186 sowie in: MRA 4/00, S. 335 ff.; 124 III 67, E. 3a, in: MRA 2/98, S. 47 ff.; Hulliger/Heinrich, CHK, N 7 zu Art. 269d OR; Weber, BSK, N 13a zu Art. 269d OR; ferner N 13 zu Art. 270a OR). Das Bundesgericht geht dabei noch weiter: Auch die Ausgliederung von bisher im Nettomietzins enthaltenen Nebenkosten mit Reduktion des Nettomietzinses und gleichzeitiger Erhöhung der Akontozahlungen für Nebenkosten gilt nicht als massgebende Mietzins­

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festlegung im Hinblick auf künftige Anpassungen, solange die Gesamtbelas­ tung des Mieters unverändert bleibt (BGE 108 II 135, E. 2a; BGE 126 III 124, E. 2; vgl. aber den Widerspruch zum Urteil des Bundesgerichts vom 23. August 1999, in: MRA 3/00, S. 301 ff.; dazu Polivka, Mietzinsherabsetzung, S. 335 ff.).

4.2 19

Mietzinsanpassungen im gegenseitigen Einvernehmen

Die Pflicht zur Verwendung des amtlichen Formulars besteht nach dem Wort­ laut des Gesetzes nur für sogenannte «einseitige Vertragsänderungen». Die Freiheit, einen Vertrag im gegenseitigen Einvernehmen abzuändern, gehört zum grundlegenden Sinngehalt der Vertragsfreiheit (Urteil des Bundesge­ richts vom 28. März 1995, E. 2b, m.w.H. Kramer, BK, N 89 zu Art. 19–20 OR; MRA 5/95, S. 256 ff.). Nach der konstanten Praxis des Bundesgerichts reicht die Beschränkung der Vertragsfreiheit gemäss Art. 269d OR nicht weiter, als es zur Erfüllung des Schutzzwecks, der mit dieser Bestimmung verfolgt wird, erforderlich ist. Dieser besteht darin zu verhindern, dass der Mieter Verhand­ lungen über eine Änderung der Vertragsbedingungen unter dem Druck einer drohenden Kündigung führen muss. Weiter soll der Mieter nicht daran gehin­ dert werden, das ihm grundsätzlich zustehende Anfechtungsrecht wahrzuneh­ men. Nicht der Formularpflicht unterstellt sind deshalb von den Parteien mit­ tels gegenseitiger Übereinkunft vereinbarte Vertragsänderungen, wenn der Mieter um seine Anfechtungsrechte weiss, was insbesondere unwiderlegbar zu vermuten ist, wenn der Mieter in den Verhandlungen von einem Treuhänder oder einer anderen geschäftserfahrenen Person unterstützt wird bzw. wenn er selber als geschäftserfahren zu betrachten ist (BGE 128 III 419, E.  2.4.2, in: MRA 1/03, S. 22 ff., m.w.H. auf das Urteil des Bundesgerichts 4C.496/1994 vom 28. März 1995, E. 2c, in: Pra 1996, Nr. 129, S. 425; Urteil des Bundesgerichts 4D_82/2015 vom 23. Mai 2016, E. 5.2; BGE 123 III 70, E. 3b, in: MRA 2/97, S. 72 ff.; Urteil 4A_198/2008 vom 7. Juli 2008, in: MRA 4/08, S. 151 ff.) und bewusst darauf verzichtet, davon Gebrauch zu machen (BGE 123 III 70, E. 3c und 3d, in: MRA 2/97, S. 72 ff.; Urteil 4A_198/2008 vom 7. Juli 2008, E. 3.1). Das Bundesgericht hält im Zusammenhang mit der Unterlassung der Verwen­ dung eines im betroffenen Kanton vorgeschriebenen Formulars zur Mittei­ lung des Anfangsmietzinses bzw. mit Bezug auf eine von einer Mieterschaft anlässlich einer Mieterorientierung über ein Sanierungsvorhaben unterzeich­ neten Vereinbarung über den in der Folge erhöhten Mietzins fest, der Grund­ satz, wonach Gesetzeskenntnis vermutet werde, gelte im Mietrecht gerade nicht (BGE 140 III 583, E. 3.2.2, Urteil des Bundesgerichts 4A_254/2016 vom 10. Juli 2017, E. 3.1.3; Urteil 4A_637/2016 vom 3. März 2017, E. 2.1). Vielmehr

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gehe der Gesetzgeber davon aus, dass der Mieter seine Rechte nicht kenne. Es komme in diesem Zusammenhang auch nicht auf das Wissen eines Durch­ schnittsbürgers und auch nicht darauf an, ob ein in einem früheren Verfah­ ren betreffend das Mietverhältnis beigezogener fachkundiger Vertreter hätte erkennen können, dass die frühere Festlegung eines Mietzinses formnichtig gewesen war. Massgebend seien einzig die beim betroffenen Mieter oder sei­ nem Vertreter konkret vorhandenen Kenntnisse, bezüglich welchen der Ver­ mieter beweispflichtig sei (Urteile des Bundesgerichts 4A_637/2016 vom 3. März 2017, E. 3.2; 4A_254/2016 vom 10. Juli 2017, E. 3.2.2, im Zusammen­ hang mit der Prüfung der Frage, ab welchem Zeitpunkt der Mieter Kenntnis von der Nichtigkeit hatte, was die Frist zur Erhebung einer Forderung wegen ungerechtfertigter Bereicherung ausgelöst hätte). Ferner ist vorausgesetzt, dass er seine Willenserklärung nicht unter der Androhung einer Kündigung abge­ geben hat (vgl. Rohrer, Vertragsänderungen, S. 1 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4A_637/2016 vom 3. März 2017, E. 3.2; Urteil 4D_82/2015 vom 23. Mai 2016, E. 5.2; BGE 128 III 419, E. 2.4.2, in: MRA 1/03, S. 22 ff.; Urteil 4A_198/2008 vom 7. Juli 2008, in: MRA 4/08, S. 151 ff.; Urteil 4P.337/2006 vom 9. März 2007, in: MRA 1/08, S. 37 ff.; Urteil vom 28. August 1998, in: MRA 1/99, S. 26 ff., wo das Bundesgericht die Forderung eines Mieters auf Rückerstattung zu viel bezahlter Mietzinse nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung als rechtsmissbräuchlich erachtete; Urteil 4C.96/2005 vom 20.  Juni 2005; Urteil 4C.59/2003 vom 26. Mai 2003, in: mp 2003, S. 120 ff.; Urteil 4C.134/2001 vom 18.  Oktober, in: mp 2002, S.  55  ff.; BGE 123 III 70, in: MRA 2/97, S.  72  ff.; Weber, BSK, N 7a zu Art. 269d OR; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.3.3.1.4. Der Rechtsmissbrauch wurde demgegenüber verneint im Urteil des Bundesge­ richts 4A_637/2016 vom 3. März 2017, E. 4.1 und 4.2 und ebenso im Urteil 140 III 583, E. 3.2.4 und 3.3.2). Keine Mietzinsanpassung oder andere einseitige Vertragsänderung, die zusätz­ 20 lich zur gegenseitigen Unterzeichnung durch die Parteien mittels amtlich genehmigtem Formular angezeigt werden muss, liegt vor, wenn die Parteien bei Erneuerung einer bestehenden Vertragsbeziehung andere wesentliche Regelungen des Mietvertrags im gegenseitigen Einverständnis abändern. Das ist dann der Fall, wenn sich auf der einen oder anderen Seite zusätzliche oder andere Personen am Vertragsverhältnis beteiligen, wenn der Nutzungszweck im Vertragsnachtrag anders umschrieben wird, wenn nicht mehr exakt die gleiche Fläche vermietet wird, wenn zusätzliche Optionen zur Verlängerung des Mietverhältnisses vereinbart oder in anderer Weise wesentliche Elemente des zuvor bestehenden Vertragsverhältnisses abweichend geregelt werden. Die Parteien schliessen in solchen Fällen jeweils einen neuen Vertrag ab, bezüglich Beat Rohrer

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welchem nur im Falle der vorgeschriebenen Verwendung eines amtlichen For­ mulars zur Festlegung des Anfangsmietzinses bei Wohnungen in denjenigen Kantonen, welche diese Pflicht eingeführt haben (Art. 270 Abs. 2 OR), ein sol­ ches Formular verwendet werden muss (Rohrer, Vertragsänderungen, S. 9 f.; Urteil des Bundesgerichts 4A_576/2008 vom 19. Februar 2009, in: MRA 2/10, S. 67 ff.; Urteil 4A_88/2013 vom 17. Juli 2013, in: MRA 4/13, S. 46 ff.).

4.3

Begriff des Formulars

21

Der Gesetzgeber definiert den Begriff «Formular»  – generell bezeichnet als «amtliches Formular»  – nirgends. Es handelt sich, wie aus der Umschrei­ bung des Mindestinhaltes gemäss Art. 19 VMWG abgeleitet werden kann, um ein Schriftstück, das bestimmte Informationen enthalten muss. Das Bundes­ gericht bezeichnet das Formular als qualifizierte Schriftform, welche nicht nur die Art, sondern auch den Inhalt der Mitteilung erfasst (BGE 118 II 130, E. 2b; BGE 121 III 214, E. 3b). Art. 19 VMWG definiert dabei einerseits vor­ gestaltete Elemente, deren Vorhandensein im Zusammenhang mit der erfor­ derlichen Genehmigung durch eine staatliche Behörde zu überprüfen ist, und sodann individuell vom Vermieter im Einzelfall bei der konkreten Verwen­ dung zu deklarierende Elemente. Mindestanforderungen werden mit Bezug auf die äussere Ausgestaltung des als Formular zu bezeichnenden Dokumentes keine gestellt. Das Formular kann somit aus einer einzelnen A4-Seite, allenfalls vor- und rückseitig bedruckt, aber auch aus mehreren Seiten bestehen.

22

Das Bundesgericht hatte ursprünglich im Rahmen einer zu streng formalisti­ schen Praxis verlangt, dass die Begründung der Mietzinsanpassung auf dem Formular selbst enthalten sein müsse, wobei es sinngemäss den Begriff des For­ mulars auf die Vorderseite eines A4-Papiers reduzierte (BGE 118 II 130; 120 II 206; mp 4/93, S. 180 ff.). Der Verordnungsgeber hat diese Praxis mit der auf den 1. August 1996 neu eingeführten Bestimmung von Art. 19 Abs. 1bis VMWG ausser Kraft gesetzt. Nunmehr ist es ausdrücklich zulässig, die Begründung in einem Begleitschreiben oder Anhang zum Formular zu erklären, sofern auf der ersten Formularseite darauf verwiesen wird. Die Begründung beantwor­ tet dabei die Frage nach dem «warum?», nicht aber generell nach dem «was?». Das bedeutet, dass auf dem vom Kanton genehmigten Formular die Angaben laut Art. 19 Abs. 1 Buchst. a Ziff. 1–3 oder Buchst. b Ziff. 1 und 2 VMWG sowie zusätzlich diejenigen nach Buchst. c enthalten sein müssen; einzig die Begrün­ dung im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Buchst. a Ziff. 4 bzw. Buchst. b Ziff. 3 VMWG kann in einem Begleitschreiben enthalten sein, auf welches dann im Formular­ text zu verweisen ist. 846

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Art. 269d

4.4

Genehmigung durch den Kanton

Art. 269d OR schreibt vor, dass eine kantonale Behörde das konkret zu verwen­ 23 dende Formular genehmigen müsse. Die Genehmigung hat sich im Wesentli­ chen auf die Überprüfung der Frage zu beschränken, ob sämtliche in Art. 19 VMWG näher umschriebenen Anforderungen an den Inhalt des Formulars erfüllt sind. Die Anzeige einer einseitigen Mietvertragsänderung ist nichtig, wenn sie 24 nicht auf dem vom Kanton genehmigten Formular erfolgt. Dies gilt selbst dann, wenn die Formularmitteilung sämtlichen gesetzlichen Anforderungen im Übrigen genügt, wie zum Beispiel in dem Fall, in welchem der Vermie­ ter ein selber gestaltetes Formular verwendet, welches er individuell ausgefüllt hat und daran ein leeres, aber offiziell von der zuständigen Behörde geneh­ migtes Formular anheftet (BGE 135 III 220, E. 1.2, in: MRA 4/09, S. 143 ff.; BGE 121 III 214, E.  3, 4). Immerhin lässt das Bundesgericht es zu, dass ein Formular verwendet wird, das in einem anderen Kanton als demjenigen, in dem das Mietobjekt gelegen ist, genehmigt wurde, sofern es alle Voraussetzun­ gen erfüllt, die zur Genehmigung im «richtigen» Kanton erforderlich gewesen wären (BGE 121 III 214, E. 3b; Weber, BSK, N 2 zu Art. 269d OR; MfdP/Oesch­ ger/Zahradnik, N 17.3.3.1.1, mit dem nicht unberechtigten Hinweis, dass dem Erfordernis, wonach gemäss Art. 19 Abs. 1 Buchst. b Ziff. 2 das Verzeichnis der Schlichtungsbehörden und ihre örtliche Zuständigkeit auf dem Formular auf­ geführt sein muss, nicht Genüge getan wird; ebenfalls a.M. Higi, ZK, N 200 zu Art. 269d OR). Genehmigt werden müssen im Übrigen auch alle Änderungen, die der Vermieter bezüglich des vorgestalteten Teils eines vom Kanton geneh­ migten Formulars vornehmen will, auch wenn sie scheinbar den wesentlichen Teil, wie er in Art. 19 VMWG umschrieben wird, nicht betreffen. Keiner neuen Genehmigung bedarf die Änderung der Absenderadresse des Vermieters oder seiner Verwaltung oder die Änderung der Adresse der zuständigen Schlich­ tungsbehörde, wenn sich diese gegenüber der von der kantonalen Amtsstelle genehmigten Version des Formulars geändert haben (BGE 135 III 220, E. 1.5; Weber, BSK N 2 zu Art. 269d OR; Marchand, CPra, N 19 zu Art. 269d OR).

4.5 Inhalt 4.5.1 Allgemeines Art.  19 VMWG nennt die Mindestanforderungen, die das vorgeschriebene amtliche Formular inhaltlich zu erfüllen hat. Diese betreffen ausschliesslich

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Art. 269d

Bereiche, in denen ein Schutzbedürfnis zugunsten des Mieters besteht. Ins­ besondere betrifft das Formerfordernis diejenigen Angaben, die dem Mieter erlauben, die Berechtigung der Mietzins- oder Vertragsänderung zu überprü­ fen und seine Rechte wahrzunehmen. Weitergehende Formalitäten sind nicht zu beachten. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass ein Vertretungsverhält­ nis zwischen dem Vermieter und seinem Vertreter, insbesondere der beigezo­ genen Liegenschaftenverwaltung, auf dem Formulartext ausdrücklich erwähnt wird. Zum Erfordernis der eigenhändigen Unterzeichnung vgl. N 33. 26

Art. 269d Abs. 2 OR erklärt die Mitteilung betreffend eine Vertragsänderung als nichtig, wenn sie nicht mit dem vorgeschriebenen Formular erfolgt, wenn sie nicht begründet ist und ferner, wenn mit der Mitteilung die Kündigung angedroht oder ausgesprochen wird. Art. 19 Abs. 1 VMWG präzisiert näher, welche Informationen das Formular im Einzelnen enthalten muss. Allerdings führt gemäss Art. 269d Abs. 2 OR nur das Fehlen der Begründung zur Nich­ tigkeit der Formularmitteilung. Es ergibt sich daraus e contrario, dass andere fehlende Elemente keine Nichtigkeit zur Folge haben können. Mit Bezug auf die Konsequenzen bei fehlerhafter Formulargestaltung ist bezüglich der einzel­ nen Elemente, die Art. 19 Abs. 1 VMWG nennt, zu differenzieren:

4.5.2 27

Eine fehlende oder falsche Angabe über den bisherigen Mietzins und die bis­ herige Belastung des Mieters für Nebenkosten führt weder zur Nichtigkeit noch zur Anfechtbarkeit der Mietzinsanpassung mit der Konsequenz, dass sie nicht auf den nächsten Erhöhungszeitpunkt durchgesetzt werden könnte. Dies deshalb, weil dem Mieter ja die bisherige Belastung bekannt ist. Art. 19 Abs. 1 Buchst. a Ziff. 1 VMWG enthält denn auch lediglich eine Ordnungsvorschrift, die den Zweck verfolgt, den Schlichtungsbehörden im Hinblick auf ihre Bera­ tungstätigkeit eine bessere Beurteilung der Mietzinsanpassung zu ermöglichen (Higi, ZK, N 212 zu Art. 269d OR; vgl. dazu auch den Kommentar von Roh­ rer zum Urteil des Bundesgerichts 4A_462/2011 vom 5. März 2012, in: MRA 3/12, S. 139 ff.).

4.5.3 28

Bisheriger Mietzins und bisherige Belastung des Mieters für Nebenkosten

Neuer Mietzins und neue Belastung des Mieters für Nebenkosten

Die Erwähnung des neuen Mietzinses und der neuen Belastung des Mieters für Nebenkosten auf dem amtlichen Formular ist unabdingbar. Ohne entspre­ chende Angaben liegt schlechterdings keine Mietzinserhöhung oder andere 848

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einseitige Vertragsänderung im Sinne von Art. 269d OR vor, auch dann nicht, wenn sich die fehlenden Angaben allenfalls rechnerisch aufgrund der Begrün­ dung ermitteln lassen. Beabsichtigt der Vermieter, mit Bezug auf die Erhebung der Nebenkosten 29 einen Systemwechsel vorzunehmen, indem er bisher im Nettomietzins enthal­ tene Nebenkosten neu separat nach einer periodisch zu erstellenden Abrech­ nung erhebt, erweist es sich in der Regel als unmöglich, die «neue Belastung des Mieters» betragsmässig genau zu bestimmen. Es genügt in diesem Fall, wenn der Vermieter den entsprechenden Systemwechsel im Rahmen einer «anderen einseitigen Vertragsänderung» mit Bezug auf die einzelnen inskünf­ tig nach Abrechnung erhobenen Nebenaufwendungen spezifiziert. Das Bun­ desgericht verlangt allerdings eine Begründung, aus der hervorgeht, dass eine Reduktion des Nettomietzinses betragsmässig der zu erwartenden Mehrbelas­ tung der inskünftig nach effektivem Aufwand abgerechneten Nebenkosten ent­ spricht (BGE 137 III 362, in: MRA 2/12, S. 81 ff.; BGE 121 III 460, in: MRA 3/96, S. 124 ff., vgl. N 65 ff.).

4.5.4

Zeitpunkt des Inkrafttretens

Fehlt eine Angabe über den Zeitpunkt, auf welchen die Mietzinserhöhung 30 oder die andere einseitige Vertragsänderung in Kraft treten soll, hat dies keine Nichtigkeit der Mitteilung zur Folge. Es gilt der Grundsatz, dass dann die Mit­ teilung auf den nächstmöglichen, dem Zugang der Anzeige folgenden Termin gilt, soweit die Begründung nichts davon Abweichendes enthält (in Analogie zur Regelung von Art. 266a Abs. 2 OR bei Kündigungen; Higi, ZK, N 139 zu Art. 269d OR, m.w.H.).

4.5.5

Klare Begründung

Es kann auf die Darlegungen unter N 36 ff. verwiesen werden.

31

4.5.6 Anfechtungsrecht Art. 19 Abs. 1 Buchst. c VMWG verlangt, dass das amtliche Formular die gesetz­ 32 lichen Voraussetzungen der Anfechtung und ein Verzeichnis der Schlichtungs­ behörden mit Angabe der örtlichen Zuständigkeit enthalten muss. Das Feh­ len dieser Angaben führt nach dem klaren Wortlaut von Art. 269d Abs. 2 OR nicht zur Nichtigkeit des Formulars, wobei es sich hier jedoch um ein akade­ misches Problem handeln dürfte: Da es sich bei den erwähnten Elementen um Informationen handelt, die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens durch

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Art. 269d

die zuständige kantonale Behörde überprüft werden und nicht um solche, die der Vermieter von sich aus beizufügen hat, dürfte sich in der Praxis kaum je ein Fall ereignen, in welchem diese Formularangaben fehlen. Zur Verwendung eines Formulars, das in einem anderen Kanton genehmigt wurde als in demje­ nigen, in dem sich das Mietobjekt befindet, vgl. N 24.

4.5.7 33

Eigenhändige Unterschrift

Das Bundesgericht hat entschieden, die Formularmitteilung zur Anpassung des Mietzinses oder betreffend eine andere einseitige Vertragsänderung sei nichtig, wenn sie nicht im Namen des Vermieters eigenhändig (original) unterzeichnet werde (Urteil des Bundesgerichts 4C.110/2003, in: MRA 4/03, S. 109 ff., mit berechtigter Kritik von Wetzel, a.a.O., S. 112 ff.). Eine Ausnahme könne nur insoweit gelten, als der betroffene Vermieter nachweisen könne, dass die mechanische Nachbildung der Unterschrift auf Formularen im Sinne von Art. 14 Abs. 2 OR im Verkehr üblich sei, weil entsprechende Dokumente in grosser Zahl ausgegeben würden. Da die Frage, wann solche Formulare «in grosser Zahl» ausgegeben werden, der zur Beurteilung angerufenen Behörde einen erheblichen Ermessensspielraum belässt und anderseits Vermieter wegen der aussergewöhnlichen Nachteile einer Nichtigkeit, von der sie auch noch nach Jahr und Tag in Form von Rückforderungen unter dem Titel der ungerechtfertigten Bereicherung betroffen sein könnten, vorsichtshalber selbst Tausende von Formularen durch dazu bevollmächtigte Angestellte in mühsa­ mer Kleinarbeit eigenhändig unterzeichnen lassen, dürfte sich eine Verkehrs­ übung, die von Art. 14 Abs. 2 OR vorausgesetzt wird, in absehbarer Zeit kaum nachweisen lassen (richtig im Übrigen zur sich stellenden Tatfrage: Entscheid des OGer Zürich vom 3.  Mai 2001, in: MRA 5/00, S.  137  ff.). Zu Recht hat das Bundesgericht im Urteil 138 III 401 zwischenzeitlich erwogen, die Beru­ fung des Mieters auf die fehlende Originalunterschrift und die daraus abgelei­ tete Klage auf Rückerstattung zu viel bezahlter Mietzinse sei rechtsmissbräuch­ lich. Das Erfordernis handschriftlicher Unterzeichnung der Mietzinserhöhung solle nicht dazu dienen, dem Mieter zu ermöglichen, auf eine unangefoch­ tene Mietzinserhöhung, deren Gültigkeit keine der Parteien anzweifelte und der nachgelebt wurde, zurückzukommen und den Differenzbetrag zurückzu­ fordern, selbst wenn der diesbezügliche Mangel erst Jahre nach der Zustellung des im Übrigen nicht zu beanstandenden Erhöhungsformulars erkannt wor­ den sei. Mit der Verfolgung eben dieses vom Formerfordernis nicht gedeck­ ten Ziels übe, so das Bundesgericht, der Mieter ein Recht, sich auf einen Form­ mangel zu berufen, zweckwidrig und damit rechtsmissbräuchlich aus. Faktisch bedeutet diese höchstrichterliche Feststellung, dass die fehlende Originalun­ 850

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terschrift generell ohne nachteilige Folgen für den Vermieter bleibt. Denn der einzige Zweck der vorgeschriebenen Verwendung eines Formulars besteht darin, den Mieter über Ausmass und Gründe einer Vertragsänderung zu infor­ mieren und ihm aufzuzeigen, auf welchem Weg er sich dagegen zur Wehr set­ zen kann. Diesen Zweck erfüllt fraglos auch das nicht mit einer Originalunter­ schrift versehene Formular, zumindest so lange die Zurechnung der Mitteilung zum Vermieter nicht zweifelhaft ist (BGE 138 III 401, in: MRA 3/12, S. 133 ff.; Koller Thomas, Die mietrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2012, in: ZBJV 149/2013 S. 901 ff., der zutreffend – im Übrigen aber mit wenig überzeugender Kritik an diesem Ergebnis unter Hinweis auf eine als relevant erachtete Solennitätsfunktion der eigenhändigen Unterschrift – feststellt: «Mit seiner Begründung des Rechtsmissbrauchs im vorliegenden Fall hat das Bun­ desgericht im Ergebnis das Unterschriftserfordernis aufgegeben; das – korrekt ausgefüllte (Art. 269d Abs. 2 OR) – Formular genügt»).

4.6

Formularpflicht bei indexierten oder einer Staffelung folgenden Mietzinsen

Art.  19 Abs.  2 VMWG schreibt ausdrücklich vor, dass das amtliche Formu­ 34 lar auch dort verwendet werden muss, wo der Mietzins einem vereinbarten Index oder einer vereinbarten Staffelung folgt. Einschränkend wird festgehal­ ten, dass bei indexgebundenen Mietverhältnissen die Mitteilung der Mietzins­ anpassung frühestens nach der öffentlichen Bekanntgabe des neuen Indexstan­ des erfolgen dürfe. Für Mietzinserhöhungen und nach dem Wortlaut somit nicht generell für Mietzinsanpassungen gestützt auf eine Indexveränderung gilt ausserdem nach Art. 17 Abs. 3 VMWG, dass eine Anzeigefrist von mindes­ tens 30 Tagen eingehalten werden muss. Bei gestaffelten Mietzinsen kann die Mitteilung frühestens vier Monate vor Eintritt jeder Mietzinserhöhung erfol­ gen. Die Pflicht zur Verwendung des amtlichen Formulars bei indexierten Mietver­ 35 trägen erscheint nachvollziehbar, zumal Art. 270c OR dem Mieter die Möglich­ keit einräumt, die richtige Berechnung der geltend gemachten Indexänderung überprüfen zu lassen. Dass dabei die Anzeige erst nach Veröffentlichung des für die Erhöhung massgebenden Indexstandes erfolgen darf, erscheint selbst­ verständlich, sodass auf die Erwähnung dieses Erfordernisses in Art. 19 Abs. 2 VMWG hätte verzichtet werden können. Mit Bezug auf Mietverhältnisse, bei denen der Mietzins einer vereinbarten Staffelung folgt, lässt sich indessen die vorgeschriebene Verwendung des amtlichen Formulars durch kein nachvoll­

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ziehbares Interesse rechtfertigen. Es kann in diesem Zusammenhang auf die Darlegungen gemäss N 12 ff. zu Art. 269c OR verwiesen werden.

5.

Pflicht zur Begründung

5.1 Allgemeines 36

Im Zusammenhang mit der vom Vermieter einseitig vorgenommenen Mietver­ tragsänderung erlangt die Begründungspflicht eine zentrale Bedeutung. Dies ist zunächst dem Umstand zu entnehmen, dass das Fehlen einer Begründung als einziges der in Art. 19 VMWG umschriebenen Elemente nach Art. 269d Abs. 2 Buchst. b OR zur Nichtigkeit der Mietvertragsänderung führt. Anderseits bil­ det die Begründung der Mietvertragsänderung Ausgangspunkt – wenn auch nach der Praxis nicht den einzigen Ansatz (vgl. N 12 ff. Vorbem. zu Art. 269– 270c OR) – für die rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit nach Massgabe der Missbrauchskriterien, wie sie in den Art. 269–269c OR umschrieben werden.

37

Art. 19 Abs. 1 Buchst. a Ziff. 4 bzw. Buchst. b Ziff. 3 VMWG verlangen – weiter­ gehend als Art. 269d Abs. 2 Buchst. d OR – eine «klare Begründung» der Miet­ vertragsänderung. Der Verordnungstext scheint damit weiter zu gehen, als das übergeordnete Gesetzesrecht. Lässt sich im Hinblick auf die in Art. 269d Abs. 2 Buchst.  b OR geregelte Nichtigkeitsfolge für jedermann zweifelsfrei feststel­ len, ob eine Begründung vorhanden ist oder nicht, so unterliegt die Beantwor­ tung der Frage, ob eine vorhandene Begründung «klar» ist oder nicht, einem weitreichenden richterlichen Ermessen und damit Unsicherheiten, die noch Jahre nach der Mietzinsanpassung bedeutsam sein könnten: Erweist sich näm­ lich im Nachhinein eine seinerzeit unangefochten gebliebene Mietzinserhö­ hung deshalb als nichtig, weil die Begründung als nicht genügend klar qualifi­ ziert wird, so können gestützt auf diese Anpassung zu viel bezahlte Mietzinse nach den Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung vom Mieter zurück­ gefordert werden (N 65 ff.). Dies selbst dann, wenn sich erweist, dass der Ver­ mieter berechtigt gewesen wäre, die entsprechende Mietzinserhöhung geltend zu machen.

38

Dogmatisch richtig ist, dass eine nach dem von der angerufenen Behörde ange­ wendeten Massstab als «unklar» qualifizierte Begründung nie zur Nichtigkeit der entsprechenden Vertragsänderung führen darf, weil dies dem Wortlaut von Art.  269d Abs.  2 Buchst.  b OR klar widerspricht. Will ein Mieter gel­ tend machen, die vorhandene Begründung sei unklar, so hat er die Mietzins­ erhöhung oder die andere einseitige Vertragsänderung innert Frist anzufech­ 852

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ten, andernfalls die Vertragsänderung vorbehaltlos Wirkungen entfaltet (gl.M. Weber, BSK, N 7b zu Art. 269d OR). Im Rahmen des Anfechtungsverfahrens – aber nur dort – sind als unklar bezeichnete Begründungen nach den anerkann­ ten Auslegungsregeln des Privatrechtes auszulegen, allenfalls zu präzisieren oder zu ergänzen (vgl. BGE 118 II 133, E. 2; BGE 137 III 362, E. 3.2.1, in: MRA 2/12, S. 81 ff.). Nur wenn sich im Rahmen einer entsprechenden Auslegung bzw. Ergänzung kein vernünftiger Sinn aus dem Text der Begründung ablei­ ten lässt, liesse sich sagen, es läge überhaupt keine Begründung vor, was allen­ falls Nichtigkeit (dogmatisch richtig: «Ungültigkeit») nach sich ziehen könnte. Das Bundesgericht hat zunächst entschieden, eine nicht genügend klare 39 Begründung sei, soweit die anerkannten Prinzipien der Auslegung zu keinem klaren Resultat führten, als «ungültig» zu erklären. Da im konkreten Fall die Mietzinsgestaltung innert Frist angefochten worden war, liess sich aus der vom Bundesgericht verwendeten Terminologie ableiten, diese – im Gesetz nirgends vorgesehene  – «Ungültigkeit» sei nur auf ergangene Anfechtung feststellbar (BGE 121 III 6, in: MRA 3/95, S. 139 ff.). Im Entscheid 121 III 460 erklärte das Bundesgericht dann  – ohne fundierte dogmatische Auseinandersetzung mit der sich stellenden Frage  –, eine als nicht genügend klar beurteilte Begrün­ dung einer Mietzinsanpassung oder einer anderen einseitigen Vertragsände­ rung führe zur Nichtigkeit (MRA 3/96, S. 124, mit berechtigter Kritik von Hans Bättig, S.  132). Das Bundesgericht hielt in der Folge an seiner Praxis konse­ quent fest (BGE 137 III 362, in: MRA 2/12, S. 81 ff., betreffend Ausgliederung von Nebenkosten, wo es immerhin in E. 3.2.2 die in der Literatur zu dieser zu formalistischen Praxis geäusserte Kritik aufgriff, ohne sich damit jedoch näher auseinanderzusetzen; Urteil des Bundesgerichts vom 23.  August 1999, eben­ falls betreffend die Ausgliederung von Nebenkosten, in: MRA 2/00, S. 301 ff.; Urteile des Bundesgerichts 4C.245/1999 vom 3. Januar 2000, in: mp 2000, S. 27 f.; 4C.330/2002 vom 31. Januar 2003, in: MRA 2/03, S. 39 ff.) und betonte dabei, die in der Begründung des Vermieters enthaltene Willenserklärung sei nach dem Vertrauensprinzip auszulegen. Ausreichend klar sei sie dann, wenn sich der Mieter als vernünftiger und korrekter Vertragspartner unter Berücksichti­ gung aller massgebenden Umstände im Zeitpunkt des Zugangs Klarheit darü­ ber verschaffen könne, auf welchen Erhöhungsgrund der Vermieter sich berufe. Dabei sei auf alle Umstände – auch auf früher geführte Korrespondenz – abzu­ stellen (Urteil des Bundesgerichts 4C.330/2002 vom 31. Januar 2003, E. 3.2.1, m.w.H. auf Higi, ZK, N 88 zu Art. 269d OR, ferner E. 3.2.2, wo die Begründung «Etappenweise Anpassung der Nettomiete an die Sollmiete» unter Verweis auf ein Begleitschreiben, dem zu entnehmen war, dass der Mietzins den Marktver­ hältnissen angepasst werden sollte, als genügend klare Begründung einer Erhö­ Beat Rohrer

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hung unter Berufung auf die Orts- oder Quartierüblichkeit qualifiziert wurde; vgl. ferner auch das Urteil des Bundesgerichts 4C.328/2005 vom 9. Dezember 2005, in dem erkannt wurde, die im Formular enthaltene Begründung «Sanie­ rung Fassaden und Flachdächer» beziehe sich angesichts der weiteren dem Mieter bekannten Umstände auf sämtliche ausgeführten Sanierungsmassnah­ men, also auch auf solche, die im kurz gefassten Begründungstext nicht expli­ zit erwähnt worden waren; unzutreffend im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und angesichts der Urteile des Bundesgerichts 4A_366/2015 und 4A_368/2015 vom 13. April 2016 überholt, demgegenüber das Urteil des Amtgerichts Luzern-Land vom 21. August 2006, Mitteilungen 41, Nr. 7, S. 25 ff., das eine nach umfassenden Überholungen angezeigte Mietzinserhöhung als nichtig qualifizierte, weil auf dem Formular nur der Hinweis auf die Totalsa­ nierung angebracht worden war, wobei Angaben über die Summe der getätig­ ten Investitionen und die Berechnung der Mietzinserhöhung fehlten). 40

Nach Art. 19 Abs. 1bis VMWG kann die Begründung zur Mietzinsanpassung oder einer anderen einseitigen Vertragsänderung in einem Begleitschreiben enthalten sein. Damit dieses Begleitschreiben den formellen Anforderungen an die Begründung genügt, muss die Formularmitteilung einen Verweis auf dieses Begleitschreiben enthalten. Die im Mietrecht übertriebene Formstrenge gebietet sodann zur Vermeidung des Risikos späterer Rückforderungsklagen, beide Dokumente, also Formular und Begleitschreiben, eigenhändig zu unter­ zeichnen (trotz den Erwägungen im BGE 138 III 401, E. 2.4.3, in: MRA 3/12, S. 133 ff., aus denen abgeleitet werden könnte, das Bundesgericht erachte die fehlende Originalunterschrift nicht mehr als derart bedeutend, dass sie zur Nichtigkeit der Formularmitteilung führen kann). Streng genommen visiert der Begriff der Begründung die Beantwortung der Frage warum? an. Nach die­ ser wörtlichen Interpretation müsste somit alles, was inskünftig geändert wer­ den soll, also die Beantwortung der Frage was?, im amtlich genehmigten For­ mular aufgeführt werden. Diese Betrachtungsweise ist allerdings zu eng und auch nicht durch den Schutzzweck der Formularverwendung gefordert: Die Platzverhältnisse auf den üblicherweise verwendeten Formularen sind nämlich angesichts der zwingend vorgeschriebenen Mindestinformationen eher eng, was generell und namentlich bei Verwendung von einschlägiger ComputerSoftware zu formelhaften und daher oftmals missverständlichen (bzw. nach der Praxis unklaren und möglicherweise ungenügenden) Kurztexten zwingt. Es sollte daher akzeptiert werden, dass der Vermieter den gesamten Text gemäss einem weiteren Begriffsverständnis des Wortes Begründung im Begleitschrei­ ben aufführen kann, also z.B. bei einer Ausgliederung von Nebenkosten sowohl die Umschreibung der inskünftig separat in Rechnung gestellten Nebenkosten 854

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(was?) als auch die quantitativen Auswirkungen auf den Nettomietzins und die Nebenkosten mit dem Hinweis auf die Erfahrungswerte vorhergehender Jahre und einer Erklärung, aus welchen Gründen der Systemwechsel vorgenommen werden soll (warum?; vgl. den Vorschlag für einen Begründungstext in N 75 nachfolgend).

5.2 Anforderungen Das Bundesgericht umschrieb im Entscheid BGE 118 II 130 die Anforderun­ 41 gen an eine Begründung für eine Mietvertragsänderung wie folgt: «Die in der Mitteilung der Mietzinserhöhung angegebene Begründung bildet nach der Praxis des Bundesgerichts Teil der Willenserklärung des Vermieters, die er so gegen sich gelten lassen muss, wie sie der Mieter in guten Treuen verstehen konnte (BGE 106 II 168b. 4a, 360e. 3c). Die Begründung muss klar sein. Sie sollte dem Mieter erlauben, sich ein Bild über Tragweite und Berechtigung der Mietzinserhöhung zu machen, und ihm damit die Entscheidungsgrundlagen dafür verschaffen, ob er Einsprache erheben will oder nicht (BGE 117 II 460, E. 2a).»

Es ergänzte diese Praxis in der Folge wie folgt: «Sinn und Tragweite [der Mitteilung] und insbesondere deren Klarheit sind daher nach den üblichen Kriterien der Vertragsauslegung zu bestimmen. Der Vermieter hat sie mangels eines übereinstimmenden Verständnisses der Parteien (Art. 18 OR) nach dem Vertrauensprinzip so gegen sich gelten zu lassen, wie sie der Mieter als Adressat nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen in guten Treuen verstehen durfte und musste».

(Urteil des Bundesgerichts 4C.328/2005 vom 9. Dezember 2005, E. 2.4; sinn­ gemäss gleichlautende Erwägungen in den BGE 137 III 362, S. 365, in: MRA 2/12, S. 81 ff.; Urteile des Bundesgerichts 4A_366/2015 und 4A_368/2015 vom 13. April 2016; 4A_13/2013 vom 28. Mai 2013; 4A_409/2009 vom 1. Februar 2010 und BGE 121 III 6, E. 3a und 460, E. 4a/bb und cc; Urteil des Bundesge­ richts vom 23. August 1999, in: MRA 3/00, S. 301 ff.) Das Bundesgericht hielt fest, die Anforderungen an die Begründung einer 42 Mietzinserhöhung hätten uneingeschränkt auch Gültigkeit bei anderen einsei­ tigen Vertragsänderungen, namentlich bei der Einführung gesondert zu erhe­ bender Nebenkosten. Die entsprechende Formularmitteilung muss nach dem Bundesgericht Folgendes enthalten: –– die genaue und detaillierte Umschreibung der inskünftig separat erhobe­ nen Nebenkostenpositionen;

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–– den Hinweis, ob eine Pauschal- oder Akontozahlung verlangt wird; –– Angaben darüber, welche Zusatzkosten mit der Vertragsänderung verbun­ den sind bzw. inwieweit der für die neu separat zu erhebenden Nebenkos­ ten zu bezahlende Betrag den effektiven Aufwendungen für diese Kosten und damit der gleichzeitig gewährten Reduktion des Nettomietzinses – und allenfalls der entsprechenden Erhöhung der neu verlangten Akontozah­ lungen – entspricht (zu weitgehend Wyttenbach, der die höchstrichterliche Rechtsprechung dahingehend interpretiert, dass dem Mieter für jede ein­ zelne neu separat erhobene Nebenkostenposition anhand der durchschnitt­ lichen Aufwendungen dreier vorangegangener Jahre aufgezeigt werden muss, wie sich die künftig erhobenen Akontozahlungen berechnen; HAPImmobiliarmietrecht/Wyttenbach, Rz. 6.70, S. 279; vgl. dazu auch N 28 zu Art. 257–257b OR; Rohrer, Nebenkosten, 108 f.); –– eine Begründung für den Systemwechsel, also die Beantwortung der Frage, warum dieser vorgenommen wird. Die Begründung muss dem Mieter eine Beurteilung der Frage erlauben, ob er inskünftig mit zusätzlichen Kosten zu rechnen hat, allenfalls warum (BGE 137 III 362, in: MRA 2/12, S. 81 ff.; Urteil des Bundesgerichts vom 23. August 1999, in: MRA 3/00, S. 301 ff.; BGE 121 III 460, E. 2a/aa; Higi, ZK, N 19 f. zu Art. 257a–257b OR). 43

Nach der Praxis der Gerichte sollen insbesondere folgende Unzulänglichkei­ ten zur «Ungültigkeit» bzw. Nichtigkeit der Mietzinserhöhung aus rein for­ meller Sicht führen: –– der blosse Hinweis auf gesetzliche Bestimmungen (Urteil des Bundesge­ richts vom 15. Juni 1998, in: mp 4/98, S. 16); –– eine Kombination des Kriteriums der orts- oder quartierüblichen Ver­ hältnisse (Art.  269a Buchst.  a OR) mit Kostenkriterien wie Kostensteige­ rungen, Mehrleistungen oder umfassende Überholungen, Veränderun­ gen des Referenzzinssatzes, Teuerungsausgleich auf dem risikotragenden Kapital usw., Art. 269a Buchst. b und e OR (BGE 139 III 13, E. 3.1.2, in: MRA 2/13, S.  15  ff., m.w.H. auf BGE 121 III 6; mp 2/95, S.  81  ff.; Urteil 4A_260/2012 vom 19. November 2012; Urteil 4A_276/2011 vom 11. Okto­ ber 2011, E. 5.2.1/5.2.3, in: MRA 4/12, S. 195 ff.; Urteil Mietgericht Zürich, in: mp 1/95, S.  32, m.w.H. auf die Entscheide in: mp 3/94, S.  140  f. und 142 ff.; MRA 3/95, S. 139 ff.)

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Die Auffassung, dass sich der Vermieter mit seiner Mietzinserhöhungsmittei­ 44 lung nicht gleichzeitig auf Kostenkriterien und die orts- und quartierüblichen Verhältnisse berufen kann, hält einer näheren Prüfung nicht stand. Sie steht auch in einem unauflösbaren Widerspruch zu der vom Bundesgericht mit dem Entscheid 124 III 310 eingeführten und seither konsequent befolgten Praxis, wonach eine unter Berufung auf die orts- oder quartierüblichen Verhältnisse oder einen anderen in Art. 269a OR geregelten Tatbestand – mit Ausnahme des Kriteriums der kostendeckenden Bruttorendite – begründete Mietzinsan­ passung auf Verlangen auch noch daraufhin überprüft werden müsse, ob der Vermieter nicht einen übersetzten Ertrag erziele. Das Bundesgericht erachtet mit dieser Praxis also genau das als richtig, was bei entsprechender Begrün­ dung der Mietzinsanpassung zur Nichtigkeit geführt hätte, und es missach­ tet dabei erst noch den Grundsatz, dass die Berechtigung einer Mietzinsan­ passung nur und ausschliesslich auf der Basis der vom Vermieter im amtlichen Formular angeführten Begründung zu erfolgen hat (vgl. dazu BGE 139 III 13, E. 3.1.2, in: MRA 2/13, S. 15 ff.; BGE 135 III 220, in: MRA 4/09, S. 143 ff., 150 f.). Gesteht man dem Mieter das Recht zu, gegen jede unter Berufung auf Kos­ tenveränderungen oder Mehrleistungen geltend gemachte Mietzinserhöhung den Einwand des übersetzten Ertrages oder der Orts- oder Quartierüblich­ keit bei Altbauten zu erheben und auferlegt man den Beweis dafür, dass der Mietzins nach dem einen oder anderen dieser Kriterien nicht missbräuchlich ist, dem Vermieter, so muss man sich ernsthaft fragen, warum man vom Ver­ mieter verlangt, dass er seine Mietzinserhöhung unter Hinweis auf eines der in Art.  269a OR genannten Kriterien begründet. Denn im Endeffekt würde ja nicht überprüft, ob der Mietzinsaufschlag nach der vom Vermieter erklär­ ten Begründung zulässig ist, sondern nach einem anderen Kriterium, auf das sich der Vermieter gar nicht berufen hat (vgl. HAP-Immobiliarmietrecht/Bät­ tig, Rz. 1.129, S. 58; Beat Rohrer im Kommentar zum BGE 135 III 220, in: MRA 4/09, S. 143 ff., 150 f.; vgl. im Übrigen N 12 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR). Im Zusammenhang mit Mietzinsanpassungen, die mit den orts- oder quartier­ üblichen Verhältnissen begründet werden, erweist es sich des Weiteren durch­ aus als sinnvoll, wenn der Vermieter auch angibt, auf welchem Kostenstand der mit anderen Mietzinsen zu vergleichende Mietzins beruht. Soweit der Nach­ weis der Orts- oder Quartierüblichkeit im Übrigen nicht erbracht werden könnte, müssten wenigstens die seit der letzten Mietzinsfestsetzung ausgewie­ senen Kostenveränderungen, insbesondere vom Vermieter erbrachte Mehr­ leistungen oder die Kosten einer umfassenden Überholung, einen Teil der gel­ tend gemachten Mietzinserhöhung erlauben: Die entsprechende Begründung unter Hinweis auf veränderte Kostenfaktoren oder Mehrleistungen erhielte

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damit den Stellenwert einer Eventualbegründung (so auch BGE 123 III 317, E. 4e, in: MRA 5/97, S. 185 ff.; die Kombination wird vom Bundesgericht aus­ drücklich als zulässig erachtet, wobei aus der Begründung aber deutlich her­ vorgehen muss, dass der Hinweis auf Kostenveränderungen oder Mehrleistun­ gen im Sinne einer Eventualbegründung zu verstehen ist; Urteil 4C.330/2002 vom 31. Januar 2003, E. 3.2.1, in: MRA 2/03, S. 39 ff.; MfdP/Brutschin, N 21.3.1 und MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.3.3.2.2). 45

Beispiel für eine Formulierung der Hauptbegründung Orts- oder Quartierüb­ lichkeit, verbunden mit einer Eventualbegründung: «Anpassung an die orts- oder quartierüblichen Verhältnisse. Im Eventualfall, in welchem sich die Orts oder Quartierüblichkeit nicht beweisen lässt, wird die Erhöhung im Ausmass von CHF (…) pro Monat unter Berufung auf die vorgenommenen umfassenden Überholungen begründet.»

46

Art. 19 Abs. 4 VMWG verlangt, dass bei der Berufung auf mehrere Erhöhungs­ gründe im amtlichen Formular jeder davon in «Einzelbeträgen» ausgewiesen werden müsse. Bei allem Verständnis für den Bedarf nach höherer Transparenz ist die Bestimmung verunglückt, weil der Anschein erweckt wird, es sei nicht zulässig, die einzelnen Erhöhungsfaktoren in Prozentwerten gegenüber dem bisherigen Mietzins zu quantifizieren. Die Praxis anerkennt indessen, dass auch die Angabe von Prozentwerten den Anforderungen von Art. 19 Abs. 4 VMWG genügt, weil damit dem legitimen Schutzbedürfnis des Mieters vollauf entsprochen wird. Im Übrigen könnte ein Verstoss gegen das Gebot, mehrere Erhöhungsgründe in Einzelbeträgen zu quantifizieren, mangels entsprechen­ der Sanktionsregelung in Gesetz und Verordnung nicht zur Nichtigkeit der Mietzinserhöhungsmitteilung führen. Der Mieter muss sich in einem Anfech­ tungsverfahren auf diese Unzulänglichkeit berufen. Unterlässt er die Einlei­ tung eines solchen Verfahrens, so entfaltet die Mietzinserhöhung auch dann vorbehaltlos Wirkungen, wenn die einzelnen, vom Vermieter geltend gemach­ ten Erhöhungsgründe nicht in Einzelbeträgen ausgewiesen worden sind.

47

Mit Wirkung auf den 1. Juli 2014 ist Art. 14 Abs. 3bis VMWG in Kraft getre­ ten. Diese Ergänzung der Verordnung bestimmt, dass Förderbeiträge, die im Zusammenhang mit Sanierungen von Liegenschaften für energetisch wertver­ mehrende Investitionen erhältlich gemacht werden, bei der Berechnung der Mietzinserhöhung vom Betrag der Mehrleistungen (also vom sogenannten wertvermehrenden Anteil von 50 bis 70%) in Abzug gebracht werden müs­ sen und nicht von den gesamten Investitionskosten. Weitergehend verpflich­ tet Art. 19 Buchst. a Ziff. 5 VMWG den Vermieter, bei der Begründung einer 858

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Mietzinserhöhung wegen Mehrleistungen oder umfassenden Überholungen auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Formular anzugeben, ob Förderbeiträge erhältlich gemacht werden konnten. Die Verordnung regelt keine Sanktion für den Fall, dass die entsprechende Mitteilung unterbleibt, insbesondere auch nicht für den Fall, dass keine Förderbeiträge ausgerichtet wurden und der Ver­ mieter deshalb in der Formularbegründung keinen Hinweis anbringt. Zu Recht wird in der Literatur mehrheitlich die Auffassung vertreten, die Unterlassung des Hinweises über allfällig erhältlich gemachte Fördergelder führe nicht zur Nichtigkeit der Mietzinsanpassung (mit der Möglichkeit für den Mieter, nach Jahr und Tag den gesamten zusätzlich zum früheren Mietzins geleisteten Mehr­ betrag nach den Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung zurückzufor­ dern; so überzeugend HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz.  1.70  ff.; Weber, BSK, N 7b zu Art. 269d OR; a.M. MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.3.4.2). Im Interesse der Rechtssicherheit wird auch hier die Auffassung vertreten, dass der Mieter die fehlende Angabe über erhältlich gemachte Förderbeiträge auf dem Weg der Anfechtung der Mietzinserhöhung geltend machen muss. Kei­ nesfalls kann die fehlende Information betreffend Fördergelder zur Nichtigkeit der gesamten Mietzinserhöhung führen, wenn keine solchen ausgerichtet wur­ den. Wie es sich bezüglich der Rechtswirksamkeit einer Anzeige verhält, wenn der Vermieter absichtlich oder fahrlässig verschweigt, dass Fördergelder aus­ gerichtet worden sind, wird im Einzelfall anhand der konkreten Umstände zu prüfen sein.

5.3

Bedeutung der Begründung

Die in der Mietzinsanpassung angegebene Begründung bildet nach der Recht­ 48 sprechung des Bundesgerichts einen Teil der Willenserklärung des Vermieters, die dieser so gegen sich gelten lassen muss, wie sie der Mieter in guten Treuen verstehen konnte (Urteil des Bundesgerichts 4C.328/2005 vom 9. Dezember 2005, E. 2.4; sinngemäss gleichlautende Erwägungen im BGE 137 III 362, S.  365, in: MRA 2/12, S.  81  ff.; Urteil 4A_409/2009 vom 1.  Februar 2010 und BGE 121 III 6, E. 3a und 460, E. 4a/bb und cc; Urteil 4C.330/2002 vom 31. Januar 2003, in: MRA 2/03, S. 39 ff.; Urteil des Bundesgerichts vom 23. August 1999, in: MRA 3/00, S. 301 ff.; ferner BGE 106 II 268, E. 4a; 360, E. 3c und 118 II 130, E. 2b). Dies bedeutet zunächst, dass die konkret zu beur­ teilende Mietzinsanpassung nur und ausschliesslich nach Massgabe der vom Vermieter im Formular erklärten Begründung zu überprüfen ist. Ob sich die konkrete Mietzinsanpassung aus anderen als den im Formular angegebenen Gründen rechtfertigen liesse, ist dagegen unbeachtlich. Ein Nachschieben von

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anderen Erhöhungsfaktoren im Verfahren ist nicht zulässig (MfdP/Oeschger/ Zahradnik, N 17.3.3.2.2; BGE 121 III 366; 118 II 130; 117 II 460, E. 2a; 196 II 168, E. 4a; 360, E. 3a; vgl. auch N 8 zu Art. 270b OR; zum Widerspruch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die es als richtig erachtet, dass eine Mietzinserhöhung, die unter Hinweis auf die orts- oder quartierüblichen Ver­ hältnisse zusätzlich daraufhin überprüft werden muss, ob nicht ein übersetz­ ter Ertrag erzielt wird, falls keine Altbaute zu beurteilen ist, vgl. N 12 ff. Vor­ bem. zu Art. 269–270e OR). 49

Im Urteil 116 II 594 hatte das Bundesgericht entschieden, dass eine Miet­ zinserhöhung nach dem Kriterium des angemessenen Ertrages im Sinne von Art. 14 des damals massgebenden BMM (heute Art. 269 OR) zu überprüfen sei, obwohl sich der Vermieter auf dem amtlichen Formular ausdrücklich auf die Erzielung einer kostendeckenden Bruttorendite (Art. 15 Buchst. c BMM, heute Art. 269a Buchst. c OR) berufen hatte. Das Bundesgericht erachtete es nach dem Vertrauensgrundsatz als erwiesen, dass die Berufung auf die kos­ tendeckende Bruttorendite nicht anders verstanden werden durfte, als dass die Erhöhung damit begründet worden sei, der bisherige Mietzins verschaffe dem Vermieter keinen genügenden Ertrag. Es erkannte, dass die Anwendung von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c BMM ausser Betracht falle. Das Bundesgericht wies die Vorinstanz, an welche es das Verfahren zur Neubeurteilung zurückwies, jedoch an, die allfällige Missbräuchlichkeit unter dem Aspekt der – in der Begründung gar nicht genannten – Erzielung eines angemessenen Ertrages (Art. 14 BMM) zu prüfen (a.a.O., E. 5e, S. 600).

50

Diese Praxis des Bundesgerichts wurde in einem Urteil vom 1. April 1992, aus­ zugsweise publiziert als BGE 118 II 124, korrigiert. Es ist interessant, dass die diesbezügliche Erwägung in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlicht worden ist (vgl. aber die Veröffentlichung in: mp 3/92, S.  118  ff.). Das Bun­ desgericht befand im Zusammenhang mit einer Erhöhung, die ausdrücklich und ausschliesslich mit einer Teilanpassung an die kostendeckende Bruttoren­ dite begründet worden war, die erwähnte Willenserklärung könne nicht anders verstanden werden, als dass sich die Vermieterin allein auf den Tatbestand von Art. 269a Buchst. c OR berufen wolle. Sie könne sich daher im Anfechtungs­ verfahren nicht zusätzlich auf andere Erhöhungsgründe berufen, insbesondere nicht die ungenügende Nettorendite im Sinne von Art. 269 OR geltend machen.

51

Diese Argumentation erscheint ausgesprochen formalistisch. Die Kriterien des angemessenen Ertrages und der kostendeckenden Bruttorendite beruhen auf den gleichen betriebswirtschaftlichen Überlegungen und erfordern eine Beurteilung der Kostensituation unter dem Blickwinkel von Gebäuden, die 860

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sich einzig mit Bezug auf ihr Alter unterscheiden: die kostendeckende Brut­ torendite kann nur bei sogenannt neueren Bauten, also Gebäuden, die maxi­ mal 15 Jahre alt sind, angerufen werden. Die Mietzinsgestaltung in solchen Gebäuden kann demgegenüber nicht nach Massgabe des angemessenen Ertra­ ges im Sinne von Art. 269 OR beurteilt werden, weil repräsentatives Zahlenma­ terial betreffend Unterhalts- und Betriebskosten einer vorangehenden Mehr­ jahresperiode fehlen (vgl. dazu N 89 ff. zu Art. 269a OR). Unter dem einzig massgebenden Gesichtspunkt, wonach der Mieter vor missbräuchlichen Miet­ zinsen geschützt werden soll, ist somit im Anfechtungsverfahren nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht von entscheidender Bedeutung, ob der Vermieter eine Mietzinsanpassung oder den Einwand gegen ein Mietzins­ reduktionsbegehren – in Unkenntnis des begrifflichen Unterschiedes – unter Berufung auf den in Anlegerkreisen eher verbreiteten Begriff der kostende­ ckenden Bruttorendite oder unter Berufung auf die Erzielung eines angemes­ senen Ertrages begründet hat. Angesichts der Bedeutung der Begründung einer Mietzinsanpassung oder einer 52 anderen einseitigen Vertragsänderung liesse sich die Schlussfolgerung ableiten, dass der Vermieter diejenigen Gründe, die er in seiner Begründung zur Miet­ zinserhöhung nicht ausdrücklich erwähnt hat, auch nicht ausgeschöpft hat. Beruft sich z.B. ein Vermieter ausdrücklich auf eine Veränderung des Refe­ renzzinssatzes – und berechnet er den Mietzinsaufschlag nach Massgabe der einschlägigen Überwälzungssätze (Art. 13 Abs. 1 VMWG) –, so ist in der ent­ sprechenden Begründung auch eine Aussage darüber enthalten, dass andere Kostenveränderungen, z.B. der Teuerungsausgleich auf dem risikotragenden Kapital oder allgemeine Kostensteigerungen, nicht ausgeschöpft worden sind. Entgegen der strengen Bindung an die vom Vermieter abgegebene Begrün­ dung und damit inkonsequent nimmt nun aber die Rechtsprechung an, der Vermieter verzichte inskünftig auf die Geltendmachung dieser – in der Formu­ larmitteilung gar nicht erwähnten – Erhöhungsgründe, wenn er nicht einen den Anforderungen von Art. 18 VMWG entsprechenden Vorbehalt erklärt hat. Dabei muss ein solcher Vorbehalt – weiter gehend, als es diese Verordnungs­ vorschrift verlangt – nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung sogar noch begründet werden (Urteil des Bundesgerichts vom 24. Februar 1994, in: mp 3/94, S. 135 ff.). Dies folge aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, aus dem die Vermutung abzuleiten sei, der Vermieter erziele mit der konkret gel­ tend gemachten Mietzinsanpassung einen angemessenen und ausreichenden Ertrag, soweit er nicht einen Vorbehalt im Sinne von Art. 18 VMWG erkläre. Unter Berufung auf die sogenannte «relative Methode» (vgl. N 30 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR) wird also entgegen den im Übrigen streng befolgten For­ Beat Rohrer

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Art. 269d

malismen mehr und anderes in die Begründung einer Mietzinsanpassung hin­ eininterpretiert, als der Erklärende hat aussagen wollen (vgl. ausführlich zum Vorbehaltserfordernis Higi, ZK, N 101 ff. zu Art. 269d OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 269d OR; Weber, BSK, N 4 zu Art. 269d OR, m.w.H. auf die bundesgerichtliche Praxis; ferner N 76 ff.). 53

Abgesehen vom bereits erwähnten Vorbehalt im Sinne von Art.  18 VMWG wird mit der Begründung zur Mietzinsanpassung gleichzeitig die neue Grund­ lage für künftige Mietzinsanpassungen definiert. Frühere Ereignisse sind aus­ serhalb der erwähnten Vorbehaltserklärung für künftige Mietzinsentwicklun­ gen unbeachtlich.

54

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz enthält Art. 13 Abs. 4 VMWG: Nach dieser Bestimmung kann der Mieter bei einer Mietzinserhöhung zufolge eines veränderten Referenzzinssatzes auch geltend machen, frühere Änderun­ gen dieses Satzes seien nicht oder nur teilweise weitergegeben worden. Diese Bestimmung will verhindern, dass ein Vermieter längerfristig zweimal von der gleichen Veränderung des Referenzzinssatzes profitiert, wenn er bei zwischen­ zeitlich eingetretenen Senkungen diese  – gegebenenfalls unter Berufung auf ein absolutes Erhöhungskriterium – nicht an die Mieter weitergibt. Im Übrigen steht dem Mieter lediglich im Rahmen eines künftigen Anfechtungsverfahrens ausserhalb der konkret vom Vermieter angerufenen Gründe der generelle Ein­ wand zu Gebot, es werde – trotz an sich rechnerisch korrekt ermittelter Miet­ zinsanpassung – ein übersetzter Ertrag erzielt (N 12 ff. Vorbem. zu Art. 269– 270e OR; BGE 124 III 310, in: MRA 5/98, S. 147 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.323/2001 vom 9. April 2002, in: MRA 4/02, S. 143 ff., dort fälschlicherweise als «BGE 127 III 345» zitiert).

55

Auf Art. 13 Abs. 4 VMWG kann sich der Mieter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht berufen, –– wenn der Mietzins zwischenzeitlich unter Berufung auf einen absoluten Erhöhungsgrund angepasst wurde; –– wenn der Mietzins letztmals aufgrund eines Vergleiches vor der Schlich­ tungsbehörde oder vor einer Gerichtsinstanz festgelegt und dabei eine Änderung des Referenzzinssatzes berücksichtigt wurde; –– wenn der Mietzins seit einer Senkung des Referenzzinssatzes unter Beru­ fung auf eine Erhöhung dieses Referenzwertes erhöht worden ist.

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(BGE 119 II 348, E. 4b; Urteil des Bundesgerichts vom 18. Dezember 1997, in: MRA 2/98, S. 47 ff., E. 3; Urteil des Bundesgerichts vom 28. September 1993, in: mp 1/94, S. 1 ff.).

6.

Nichtige Mietzinserhöhungen

6.1

Fehlende oder unklare Begründung

Es kann auf N 36 ff. verwiesen werden.

6.2

56

Verletzung der Formularpflicht

Jede Mietvertragsänderung, die dem Mieter nicht auf dem sogenannten amt­ 57 lichen Formular mitgeteilt wird, ist nichtig. Bezahlt der Mieter trotzdem den höheren Mietzins, so bezahlt er eine Nichtschuld, die er grundsätzlich nach den Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62 ff. OR) zurück­ fordern kann (vgl. dazu N 65 ff.). Die gleiche Rechtsfolge tritt ein, wenn das verwendete Formular z.B. nach einer vom Vermieter eigenmächtig vorgenom­ menen Veränderung, soweit sie nicht bloss die Firmenbezeichnung oder die Adresse des Absenders oder die Adressänderung einer zuständigen Schlich­ tungsbehörde betrifft, nicht erneut von der nach kantonalem Recht zuständi­ gen Behörde genehmigt worden ist, unabhängig davon, ob es alle gesetzlich minimal erforderlichen Angaben enthält oder nicht.

6.3

Verbot Kündigungsandrohung oder Kündigung

Droht der Vermieter mit der Mietzinsanpassung die Kündigung an oder spricht 58 er sie gleichzeitig aus, so hat dies die Nichtigkeit der Mietzinsanpassung zur Folge (Art. 269d Abs. 2 Buchst. c OR). Die entsprechende Kündigung ist aller­ dings nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar (Art. 271a Abs. 1 Buchst. b OR).

6.4

«Unwirksame» Mietzinserhöhungen?

Der in Art. 269d Abs. 2 OR enthaltene Katalog von Gründen, die zur Nichtig­ 59 keit einer Mietzinserhöhung oder einer anderen einseitigen Vertragsänderung führen könnten, ist abschliessend. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Geset­ zes und dem Gebot der Rechtssicherheit: Weil mit der Nichtigkeit schwerwie­

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gende Konsequenzen verbunden sind – die Rechtshandlung wird von Amtes wegen behandelt, wie wenn sie nie stattgefunden hätte, und der Mieter kann Leistungen, die er gestützt auf nichtige Formularmitteilungen erbracht hat, grundsätzlich noch Jahre später nach den Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung zurückfordern  –, verbietet es sich, die Nichtigkeit auf weitere, im Gesetz nicht mit dieser Konsequenz bedachten, möglicherweise fehlerhaf­ ten Handlungen der Vermieter auszudehnen. Die Rechtsadressaten müssen die Nichtigkeit als Konsequenz fehlerhaften Verhaltens zwingend dem Gesetz ent­ nehmen können. 60

Beruht die Mietzinserhöhung auf einer nicht gesetzeskonformen Vertragsklausel (z.B. Indexvereinbarung ohne Bindung des Vermieters für mindestens fünf Jahre oder Erhöhung wegen Mehrleistungen oder umfassenden Über­ holungen in indexierten Verträgen, in denen dies nicht ausdrücklich verein­ bart worden ist, vgl. N 7 ff. und N 26 ff. zu Art. 269b OR; Staffelungsklausel ohne Bindung des Vermieters für mindestens drei Jahre, Festlegung der Staf­ felungen in Prozenten oder Vereinbarung von mehr als einer Mietzinserhö­ hung pro Jahr, vgl. N 10 zu Art. 269c OR), so entfaltet die entsprechend ange­ zeigte Mietzinserhöhung gleichwohl ihre Wirkungen, wenn sie nicht innert der Frist von 30 Tagen bei der zuständigen Schlichtungsbehörde angefochten wird. Das Nämliche gilt, wenn die Mietzinsanpassung auf einen nicht vertragsoder gesetzeskonformen Zeitpunkt oder rückwirkend angezeigt wird, ohne dass dies vertraglich so vereinbart wurde (vgl. N 21 zu Art. 269b OR und N 8 zu Art. 269c OR) und wenn ein Vermieter eine Mietzinserhöhung unter Beru­ fung auf umfassende Überholungen anzeigt, obwohl im Zeitpunkt der Anzeige die Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind oder die sachdienlichen Unterla­ gen für die Berechnung der Mietzinserhöhung noch nicht vorliegen (Art. 14 Abs. 5 VMWG). Gleich verhält es sich, wenn es der Vermieter unterlässt, auf dem amtlichen Formular, mit dem er eine Mietzinserhöhung nach umfassen­ den Überholungen anzeigt, anzugeben, ob Förderbeiträge erhältlich gemacht werden konnten oder nicht (Art.  14 Abs.  3bis VMWG; vgl. N  47). Fehlen Angaben auf dem amtlichen Formular, die nach Art.  19 VMWG Mindestin­ halt dieses Formulars sind, ohne dass jedoch für die unterlassene Erwähnung im Gesetz oder in der Verordnung eine Sanktion vorgesehen wird (fehlende oder falsche Angabe bezüglich dem bisher massgebenden Mietzins bzw. der bisher massgebenden Nebenkosten, fehlende Angabe über den Zeitpunkt, auf welchen die Mietzinserhöhung oder eine/die andere einseitige Vertragsände­ rung in Kraft tritt – womit sie auf den nächstmöglichen Zeitpunkt in Kraft tre­ ten würde, vgl. N 16; unterlassene Angaben von Einzelbeträgen bei mehreren Erhöhungsgründen, Art.  19 Abs.  4 VMWG), so wird die Mietzinserhöhung 864

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oder die/eine andere einseitige Vertragsänderung ebenfalls vollumfänglich wirksam, wenn sie nicht innert Frist vom Mieter angefochten wird. Mangels gesetzlicher Grundlage – und im überragenden Interesse der Rechtssicherheit, um derentwillen gerade die Möglichkeit der Anfechtung eingeführt wurde, auf die der Mieter unter Hinweis auf die zuständige Schlichtungsbehörde mit der Formularmitteilung hingewiesen werden muss –, verbietet sich die Konstruk­ tion einer anderweitig «unwirksamen» Mietzinsanpassung oder einer anderen einseitigen Vertragsänderung, die trotz unterlassener Anfechtung vom Mie­ ter nach Ablauf der Anfechtungsfrist zu irgendeinem Zeitpunkt noch geltend gemacht werden könnte (wohl a.M. Higi, ZK, N 76 ff. zu Art. 269d OR).

6.5

Rückleistungspflicht des Vermieters

Wird dem Mieter die Vertragsänderung oder der Anfangsmietzins in den Kan­ 61 tonen, die eine entsprechende Formularpflicht für obligatorisch erklärt haben, nicht mit dem gesetzlich vorgeschriebenen, von der kantonalen Behörde geneh­ migten Formular notifiziert, fehlt es an einer klaren Begründung der Miet­ zinsanpassung oder einer anderen einseitigen Vertragsänderung oder erweist sich die Formularmitteilung aus einem anderen Grund als nichtig, und bezahlt der Mieter trotzdem den entsprechend der Mitteilung veränderten Mietzins, so steht ihm nach der Rechtsprechung grundsätzlich ein Rückforderungsanspruch nach den Grundsätzen über die ungerechtfertigte Bereicherung zu (Urteil des Bundesgerichts 4A_637 vom 3. März 2017, E. 3; BGE 140 III 583, E. 3.2.2; Urteil 4A_198/2008 vom 7. Juli 2008; BGE 113 II 188, E. 1). Das Bun­ desgericht und ein Teil der Lehre gehen davon aus, der Mieter müsse nicht beweisen, dass er die Formvorschrift nicht gekannt und sich deshalb hinsicht­ lich seiner Zahlungspflicht im Irrtum befunden habe. Gesetzeskenntnis werde nicht vorausgesetzt, und es komme auch nicht auf das Wissen eines Durch­ schnittsbürgers, sondern auf die konkreten (im zu beurteilenden Fall gerade nicht nachgewiesenen) Kenntnisse des betroffenen Mieters an (Urteil des Bun­ desgerichts 4A_637/2016 vom 3. März 2017, E. 3.2; MfdP/Oeschger/Zahrad­ nik, N 17.3.4.4.1, m.w.H. auf BGE 140 III 583, E. 3.2.2 und weitere Urteile in Fn. 197). Die Auffassung, wonach ein Mieter die Pflicht zur Verwendung des amtlich 62 genehmigten Formulars nicht zu kennen brauche und sich diesbezüglich in einem Irrtum befinden könne, hält einer näheren Prüfung nicht stand. Die Formularpflicht und alle damit verbundenen Auswirkungen sind bundesrecht­ lich geregelt. Berücksichtigt man, dass eine entsprechende Formularpflicht bereits unter dem Geltungsbereich des BMM, also seit 1972 galt, so kann nicht Beat Rohrer

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Art. 269d

ernsthaft davon ausgegangen werden, dieses Erfordernis sei den Mietern nicht bekannt. Rechts- und Gesetzeskenntnis sind im Übrigen auch beim Mieter vorauszusetzen. Unkenntnis des Gesetzes kann anderseits niemals zur Recht­ fertigung eines Irrtums im Sinne von Art. 63 Abs. 1 OR geltend gemacht wer­ den. Da der Mieter somit im Zusammenhang mit nicht den Anforderungen von Art.  269d Abs.  2 OR entsprechenden Mietzinsanpassungen, also insbe­ sondere dann, wenn das gesetzlich vorgeschriebene Formular nicht verwen­ det wird, wenn eine Begründung der Vertragsänderung als ungenügend klar erachtet wird oder wenn es an einer Originalunterschrift fehlt, gar nicht im Irrtum sein kann, fehlt es an den Voraussetzungen für einen Rückforderungs­ anspruch gestützt auf Art. 62 ff. OR (a.M. h.L. und Rechtsprechung, Higi, ZK, N 227 zu Art. 269d OR; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.3.4.4.2; Weber, BSK, N 8 zu Art. 269d OR, der ohne dogmatische Begründung sogar postuliert, der Rückforderungsanspruch sei vertraglicher Natur; BGE 140 III 583, E. 3.2.2; Urteil des Bundesgerichts 4A_637/2016 vom 3. März 2017, E. 3; BGE 123 III 70, E. 2a; kritisch: Martin Sohm zu Urteil 4A_267/2011 vom 29. Juni 2011, in: MRA 1/12, S. 49 ff., betreffend eine Rückforderung zu viel bezahlter Nebenkos­ ten, S. 56). Anders verhält es sich, wenn nicht ohne Weiteres erkennbar ist, dass der Vermieter ein nicht genehmigtes Formular, z.B. ein von ihm selber gestal­ tetes Formular, verwendet hat. 63

Bezahlt der Mieter während längerer Zeit den erhöhten Mietzins, erweist sich eine spätere Berufung auf den Formmangel regelmässig als rechtsmissbräuch­ lich. Denn mit jeder vorbehaltlos geleisteten Zahlung bestätigt der Mieter, dass er das Verhältnis Leistung–Gegenleistung als ausgewogen anerkennt. Sein Still­ schweigen hindert den Vermieter daran, eine allenfalls an einem Formman­ gel leidende Mietzinsanpassung formgültig nachzuholen und damit den durch Zeitablauf stetig anwachsenden Rückforderungsansprüchen des Mieters ent­ gegenzuwirken. Der Grundsatz von Treu und Glauben steht in der Folge einer Rückforderung für während längerer Zeit geleistete Mietzinse entgegen (so auch BGE 123 III 70, in: MRA 2/97, S. 72 ff.; ferner BGE 113 II 187, E. 1; abwei­ chend BGE 140 III 583; Urteil des Bundesgerichts 4A_637/2016 vom 3. März 2017, E. 4.1 und 4.2). Im Übrigen ist bedeutsam, dass der Vermieter, soweit er Mietzinseinnahmen zur Deckung der anfallenden Finanzierungs- und weite­ ren Gestehungskosten verwendet, gar nicht bereichert ist. Der entsprechende Einwand schliesst nach Art. 64 OR eine Rückforderung aus.

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6.6

Heilung eines Formmangels durch gültige Mietvertragsänderung?

Die Konsequenz jeder Nichtigkeit besteht darin, dass sie noch Jahre später gel­ 64 tend gemacht werden kann und dass gestützt auf nichtige Mietvertragsänderun­ gen erbrachte Leistungen nach den Regeln über die ungerechtfertigte Bereiche­ rung (Art. 62 ff. OR) zurückgefordert werden können (vgl. N 61 vorstehend). Will man entgegen dem hier grundsätzlich vertretenen Standpunkt annehmen, eine als unklar qualifizierte Formularanzeige könne auch als nichtig betrach­ tet werden, wenn sie nicht angefochten wird, so besteht erst recht das Bedürf­ nis, dass diese latente Rechtsunsicherheit beseitigt wird. Zeigt der Vermieter, dessen Mietzinsanpassung oder andere einseitige Vertragsänderung als nich­ tig qualifiziert werden könnte, zu einem späteren Zeitpunkt eine formell kor­ rekte Mietzinserhöhung bzw. andere einseitige Vertragsänderung an, so wird dadurch der formelle Mangel geheilt, wenn der Mieter diese Vertragsänderung nicht anficht. Er anerkennt dann nämlich die Grundlage dieser Vertragsände­ rung, welche ja auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Formular erwähnt wer­ den muss (Art. 19 Abs. 1 Buchst. a Ziff. 1 VMWG) als verbindlich, folgerich­ tig also auch die darauf gestützt ergehende neue einseitige Mietzinsanpassung oder Vertragsänderung, jedenfalls aber – und darauf kommt es einzig an – den neu festgelegten, formell korrekt angezeigten Mietzins bzw. die entsprechende einseitige Vertragsänderung. Es würde dem gerade im Interesse der Rechts­ sicherheit geschaffenen Zweck der Formularpflicht zuwiderlaufen, wenn man dem Mieter das Recht gewähren wollte, zu einem späteren Zeitpunkt auf eine durch nachfolgende Formularanzeigen überholte Vertragsänderung zurück­ zukommen (Higi, ZK, N 228 zu Art. 269d OR; die Heilung des Formmangels für die zukünftige Mietzinsgestaltung bejahend das Urteil des Bundesgerichts 4A_256/2015 vom 17.  September 2015; kritisch: MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.3.4.5, Fn. 212; vgl. aber das Urteil des Bundesgerichts 4A_254/2016 vom 10. Juli 2017, in: MRA 4/17, S. 183 ff., in dem nach Auffassung des Bundesge­ richts die nichtige Festlegung des Anfangsmietzinses ohne Verwendung des im betroffenen Kanton obligatorischen Formulars durch einen später im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens abgeschlossenen Vergleich der Parteien über den massgebenden Mietzins nicht geheilt wurde, was das Bundesgericht unter dem Aspekt der Einrede der abgeurteilten Sache beurteilte).

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7.

Andere einseitige Vertragsänderungen

7.1

Verminderung der Leistungspflicht des Vermieters – Teilkündigung

65

Die Formvorschrift von Art. 269d OR ist auch zu beachten bei sogenannten «anderen einseitigen Vertragsänderungen», d.h. solchen Vertragsänderungen, die nicht direkt die Zahlungsverpflichtungen des Mieters, wohl aber in anderer Weise das Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung innerhalb der Vertragsbeziehung betreffen.

66

Schon der Begriff der «einseitigen Vertragsänderung» birgt einen Widerspruch in sich, unterliegen doch im zweiseitigen Vertragsverhältnis alle Modifikatio­ nen des Vertragsinhaltes dem Konsensualprinzip (Urteil des Bundesgerichts vom 28.  März 1995, in: MRA 5/95, S.  256  ff.). Man mag das Recht des Ver­ mieters, Mietzinsanpassungen im Rahmen der durch die Missbrauchsgesetz­ gebung gesetzten Grenzen einseitig durchführen zu können, noch mit den sich verändernden wirtschaftlichen Realitäten erklären. Rechtsdogmatisch erschei­ nen demgegenüber einseitige Vertragsänderungen, mit denen der ursprüngli­ che Leistungsumfang des Vermieters oder die Pflichten des Mieters in anderer Weise als bedingt durch laufende Kosten- oder Marktentwicklungen verän­ dert werden, als problematisch. Sie zuzulassen rechtfertigt sich immerhin vor dem Hintergrund der einzigen sonst zur Verfügung stehenden Alternative, der Kündigung.

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Damit erheben sich folgende Fragen: –– Welcher Grad von Veränderungen des ursprünglichen Vertragsinhaltes kann noch auf dem Weg der einseitigen Vertragsänderung dem Mieter zugemutet werden? –– Nach welchen Kriterien beurteilt sich in einem solchen Fall die Missbräuch­ lichkeit?

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Abzugrenzen sind einseitige Vertragsänderungen, die im Sinne von Art. 269d Abs.  3 OR durchsetzbar sind, einerseits gegenüber geringfügigen Verände­ rungen von Nutzungsrechten, welche das Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht beschlagen. Für solche Änderungen bedarf es keiner Ankündigung auf einem amtlichen Formular (vgl. Urteil Mietgericht Zürich vom 20. Mai 1992, in: MRA 3/95, S. 156 ff.). Anderseits ist eine Grenze gegen­ über dem Entzug wesentlicher Befugnisse oder Benutzungsrechte innerhalb eines einheitlichen Mietvertrages zu ziehen, wenn sich sagen lässt, dass sie für

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den Entschluss des Mieters zum Vertragsabschluss entscheidend waren, wes­ halb der Entzug dem Mieter nicht zugemutet werden kann (Entzug von Flä­ chenanteilen, z.B. ein mit der Wohnung vermietetes, separat zugängliches Zim­ mer, Entzug von Archivfläche bei Büroraummiete usw.; vgl. Weber, BSK, N 11 zu Art. 269d OR; BGE 125 III 231, in: MRA 4/99, S. 136 ff.). In solchen Fällen müsste vom Vermieter das Mietverhältnis als Ganzes gekündigt werden. Dem Mieter stünden die Rechtsbehelfe nach Art. 271 ff. OR zu Gebot. Der Anwendungsbereich von Art. 269d Abs. 3 OR betrifft somit die Verände­ 69 rungen des bisherigen Leistungsumfangs des Vermieters bzw. der Zahlungs­ pflichten des Mieters in einem Bereich, der weder für den Entscheid zum Ver­ tragsabschluss wesentlich noch geradezu als nebensächlich zu qualifizieren ist. Darunter fallen z.B.: –– Entzug der Benützungsrechte für allgemein zugängliche Flächen wie Wasch­ küche, Velokeller, ferner Entzug der Benützung von individuell gemiete­ ten Nebenräumen wie Estrichabteil, Keller, Garage (BGE 125 III 231, in: MRA 4/99, S. 137 f.; Entscheid Mietgericht Zürich vom 20. Mai 1992, in: MRA 3/95, S. 156 ff.; Weber, BSK, N 11 zu Art. 269d OR, m.w.H.; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 793, S. 240). –– Entzug eines Teils der Gartenbenützung, soweit entsprechende Flächen sich zum Aufenthalt oder zu einer ganz bestimmten, dem Mieter eingeräumten Nutzung geeignet haben (Betrieb Hundezwinger, Rasenflächen für Garten­ spiele oder als Liegewiese, vgl. ZR 77 [1978] Nr. 119; MRA 3/95, S. 156 ff.). Nicht immer lässt sich ohne Weiteres abschätzen, ob eine Vertragsänderung letztendlich zu einer Mehrbelastung des Mieters führt, zumal dann, wenn sich dies erst im Rahmen eines Anwendungsfalles ergeben kann.

70

Folgende Beispiele mögen die Problematik des Formularzwanges näher 71 erläutern: Einführung neuer allgemeiner Vertragsbedingungen, welche neue Entwicklungen der Rechtsprechung berücksichtigen. Grundsätzlich handelt es sich nicht um eine den Mie­ ter zusätzlich belastende Vertragsänderung, wenn nicht mehr als diejenigen Änderun­ gen in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen werden, die sich aus der zwingenden Anwendung des weiterentwickelten Rechtes ergeben. Da sich indes­ sen erst in einem konkreten Anwendungsfall zeigen kann, ob gegebenenfalls die eine oder andere Klausel zu einer stärkeren Inanspruchnahme des Mieters führen kann (z.B. im Zusammenhang mit der kleinen Unterhaltspflicht, Art. 259 OR), empfiehlt sich im Zweifelsfall die Verwendung des amtlichen Formulars. Die Begründung hat die gegen­ über dem früheren Zustand abweichenden Regelungen zu spezifizieren.

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869

Art. 269d 72

Einführung zusätzlicher Kündigungstermine, z.B. neu jedes Monatsende anstelle der bisher geltenden sogenannten ortsüblichen Termine Ende März, Ende Juni und Ende September. Die entsprechende Vertragsänderung erlaubt eine grössere Flexibilität im Zusammen­ hang mit der Auflösung der Mietverhältnisse. Sie ist materiell nicht einseitig, gleichwohl aber der Formularpflicht von Art. 269d OR – als auf einseitiges Betreiben des Vermie­ ters eingeführte Änderung – zu unterstellen. Dies deshalb, weil inskünftig dem Vermie­ ter zusätzliche Kündigungstermine zur Auflösung des Vertrages oder zur Anzeige von einseitigen Vertragsänderungen zur Verfügung stehen.

73

Erhebung einer Sicherheitsleistung oder Erhöhung einer geleisteten Sicherheit. Eine solche Vertragsänderung ist jederzeit möglich und, soweit die zwingende Vorschrift von Art. 257e OR nicht verletzt wird, nicht missbräuchlich (MfdP/Wyttenbach, N 15.2.11; a.M. Higi, ZK, N 58 zu Art. 269d OR).

74

Unterstellung des Geschäftsmietobjekts unter die Mehrwertsteuerpflicht (Optierung), was betragsmässig zu einer Mehrbelastung des Mieters führt, auch wenn er den Betrag der Mehrwertsteuer in der Regel als Vorsteuerabzug geltend machen kann. Obwohl das Entsprechende nicht missbräuchlich sein kann und möglich ist, auch wenn dies im Mietvertrag nicht speziell geregelt worden ist, empfiehlt sich die Anzeige mittels amt­ lichem Formular, weil es sich formell um eine einseitige, die Leistungspflicht des Mie­ ters betreffende Vertragsänderung handelt.

7.2 75

Begründungspflicht bei anderen einseitigen Vertragsänderungen

Auch andere einseitige Vertragsänderungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit einer Begründung. Fehlt die Begründung, so ist die andere einseitige Vertragsände­ rung nichtig. Mit der Begründung soll zum Ausdruck gebracht werden, warum die einseitige Vertragsänderung nach Auffassung des Vermieters nicht miss­ bräuchlich ist, auch wenn sich diese Begründung  – entsprechend der Natur der Vertragsänderung – nicht unbedingt an die Mietzinsgestaltungskriterien der Art. 269 ff. OR anlehnt. Zu begründen ist insbesondere die Auswirkung der anderen einseitigen Vertragsänderung auf die Leistungspflichten des Mie­ ters, also die allfällige Kompensation zur Erhaltung des Leistungsgleichgewich­ tes innerhalb des Vertragsgefüges. Denkbar wären etwa folgende Begründun­ gen im Fall, in welchem bisher mit dem Nettomietzins erhobene Nebenkosten nach effektiver Abrechnung separat erhoben werden sollen:

870

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Art. 269d

Ausgliederung «Separate Erhebung folgender, bisher im Nettomietzins enthaltener Nebenkosten nach effektivem Aufwand mit jährlicher Abrechnung: (Folgt Aufzählung der Nebenkostenpositionen) Der Nettomietzins reduziert sich um den Betrag, der aufgrund von Erfahrungswerten dem jährlichen Aufwand der neu separat erhobenen Nebenkosten entspricht. Im gleichen Umfang erhöhen sich die zu leistenden monatlichen Akontozahlungen. Zeitpunkt: … Begründung: Erhebung der neu separat ausgegliederten Nebenkosten nach individuellem effektivem Aufwand in Anwendung des Verursacherprinzips, vgl. beiliegendes Schreiben»

7.3

Missbräuchlichkeit von anderen einseitigen Vertragsänderungen

Auch andere einseitige Vertragsänderungen sind auf ihre Missbräuchlichkeit 76 hin überprüfbar. Die Überprüfung der Missbräuchlichkeit wird sich darauf beschränken müssen zu beurteilen, ob das bestehende Verhältnis von Leis­ tung und Gegenleistung auch nach Durchführung der Vertragsänderung im Sinne der Kriterien von Art. 269 ff. OR nicht missbräuchlich ist. Entzieht z.B. der Vermieter im Rahmen einer anderen einseitigen Vertragsänderung Benüt­ zungsrechte für Nebenflächen, so wird zu beurteilen sein, ob die damit ver­ bundene Mietzinsreduktion der Werteinbusse entspricht (vgl. BGE 125 III 231, in: MRA 4/99, S.  136  ff.). Bei der Einführung von neuen Allgemeinen Vertragsbedingungen ist zu beurteilen, ob diese die Rechtsstellung des Mieters in einer Weise beeinträchtigen, die sich auch finanziell auswirken kann und im Übrigen, ob sie mit dem geltenden zwingenden Gesetzesrecht übereinstimmen. Bei der Ausgliederung von bisher im Nettomietzins enthaltenen Nebenkos­ ten mit Abrechnung nach effektivem Aufwand wird in einem Anfechtungsver­ fahren anhand der Ergebnisse vorhergehender Abrechnungsjahre zu beurtei­ len sein, ob die vom Vermieter gewährte Reduktion des Nettomietzinses und die allenfalls damit verbundene Erhöhung der Akontozahlungen demjenigen Betrag entspricht, der aufgrund der bisherigen Erfahrungen für die inskünf­ tig zusätzlich separat erhobenen Nebenkosten angefallen ist. Keiner Kompen­ sation bedarf der Entzug der Bewilligung für eine Haustierhaltung oder eine Untervermietung, wenn das Verhalten des Mieters bzw. seines Untermieters oder des vom Mieter gehaltenen Tieres zu dieser Massnahme Anlass gegeben hat (Weber, BSK, N 12 zu Art. 269d OR).

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Art. 269d

8. Mietzinsvorbehalte 77

Art. 18 VMWG bestimmt, dass Vorbehalte für nicht ausgeschöpfte Mietzinsre­ serven in Franken oder Prozenten des Mietzinses zu deklarieren sind. Art. 18 VMWG repräsentiert stellvertretend die im Gesetz fehlende Grundlage der sogenannten «relativen Methode», gemäss welcher gestützt auf den Grund­ satz von Treu und Glauben vermutet wird, mangels Vorbehaltserklärung werde mit dem aktuell verlangten Mietzins ein sowohl zulässiger als auch angemes­ sener Ertrag erzielt (BGE 118 II 124, E. 4 und 130, E. 3a, in: mp 2/94, S. 79, m.w.H.). Die Verordnungsbestimmung konkretisiert die schon unter dem Geltungsbereich des BMM entwickelte Praxis des Bundesgerichts, wonach der Vermieter zu deklarieren hatte, welche Erhöhungsfaktoren mit der Mietzins­ anpassung nicht bzw. nicht vollständig berücksichtigt worden waren (BGE 111 II 201, E. 1b; 108 II 135, E. 2a). Obwohl dies nach dem klaren Wortlaut von Art. 18 VMWG gerade nicht gefordert wird, erachtet das Bundesgericht Mietzinsvorbehalte nur als gültig, wenn sie gleich wie eine Mietzinserhöhung begründet werden (Urteil des Bundesgerichts vom 24. Februar 1994, in: mp 3/94, S. 135 ff.). Entgegen einem unveröffentlichten Urteil des Bundesgerichts vom 21. Juli 1997 und vereinzelter in der Literatur vertretener Auffassungen ist mangels gesetzlicher Grundlage der Vorbehalt, wenn er sich auf mehrere Erhöhungsgründe bezieht, nicht in Einzelbeträgen auszuweisen (HAP-Immo­ biliarmietrecht/Biber, Rz. 7.7, S. 308). Dies ergibt sich allein schon daraus, dass im Zusammenhang mit der Anpassung von Art. 19 Abs. 1 Buchst. a Ziffer 4 VMWG in der ab 1. August 1996 geltenden Fassung Art. 18 VMWG unverän­ dert blieb. Im Übrigen erfordern Sinn und Zweck der Vorbehaltserklärung – im Unterschied zur Begründung einer effektiv geltend gemachten Mietzinsan­ passung – eine Zuordnung von nicht ausgeschöpften Reserven zu einzelnen Erhöhungsgründen keineswegs, da Vorbehalte nicht angefochten und gericht­ lich überprüft werden können (Urteil des Bundesgerichts vom 21. Juli 1997, in: mp 4/97, S. 236 ff.; unzutreffend auch der Entscheid des Gerichtspräsidenten 1 des Gerichtskreises Thun vom 9. Juli 2001, Mitteilungen 35, Nr. 12). Aus den gleichen Gründen können sich Vorbehaltserklärungen gleichzeitig sowohl auf Kostenelemente als auch auf das Kriterium der orts- oder quartierüblichen Ver­ hältnisse beziehen. Der Vermieter kann demnach bei Geltendmachung eines Teils des aufgrund einer umfassenden Sanierung rechnerisch ausgewiesenen Mietzinsaufschlages sowohl einen Vorbehalt für den nicht ausgeschöpften Teil der Sanierungsaufwendungen und einen anderen, der sich auf die weiterge­ hende Anpassungsmöglichkeit nach dem Kriterium der Orts- oder Quartier­ üblichkeit bezieht, erklären. Dürfte er lediglich den Vorbehalt der Orts- oder

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Art. 269d

Quartierüblichkeit anführen, so wäre es ihm später verwehrt, den nicht aus­ geschöpften Teil des ihm zustehenden Erhöhungsanspruches für die durchge­ führten Sanierungsarbeiten in Anspruch zu nehmen (a.M. HAP-Immobiliar­ mietrecht/Biber, Rz. 7.8 und 7.9, S. 308, m.w.H.). Der vom Vermieter erklärte Mietzinsvorbehalt ist nicht anfechtbar, da er 78 keine Mietzinserhöhung oder andere einseitige Vertragsänderung darstellt (HAP-Immobiliarmietrecht/Biber, Rz.  7.24, S.  314; MfdP/Oeschger/Zahrad­ nik, N 17.3.3.2.3, m.w.H.). Aus diesem Grund und weil es von Art. 19 Abs. 1bis VMWG nicht explizit verlangt wird, ist nicht erforderlich, dass der Vorbehalt auf amtlich genehmigtem Formular mitgeteilt werden muss (HAP-Immobili­ armietrecht/Biber, Rz. 7.11, S. 308 f.; Weber, BSK, N 4 zu Art. 269d; Higi, ZK, N 113 ff. zu Art. 269d OR). Vorbehalte sind nur zu erklären, wenn der Vermieter eine «ihm zustehende 79 Mietzinsanpassung» nicht vollständig geltend macht. Dies bedeutet, dass der Vermieter die im Vorbehalt zu deklarierende Reserve sowohl aufgrund der frü­ heren Mietzinsgestaltung als auch aufgrund des massgebenden Mietvertrages im entsprechenden Zeitpunkt konkret beanspruchen dürfte. Dies trifft in fol­ genden Fällen nicht zu, weshalb ohne Rechtsverlust für die zukünftige Miet­ zinsgestaltung Vorbehalte nicht zu deklarieren sind: –– Vorbehalt betreffend sämtlicher Erhöhungsfaktoren in einem auf Mindest­ dauer abgeschlossenen Vertrag während der Dauer, in welcher der Mietzins nach dem massgebenden Vertrag einer Indexklausel oder einer vereinbar­ ten Staffelung folgt (N 35 zu Art. 269b OR; so auch BGE 123 III 76, E. 4c; MRA 4/97, S. 147 ff.); –– Vorbehalt betreffend die Überwälzung wertvermehrender Investitio­ nen oder umfassender Überholungen, wenn solche im Zeitpunkt einer Mietzins­anpassung zufolge anderer Erhöhungsfaktoren zwar schon vor­ genommen, die Kosten und die genaue Berechnung für die Überwälzung auf die Mietzinse aber noch nicht abschliessend bekannt sind, weshalb es an den Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Mietzinserhöhung noch fehlt (Art. 14 Abs. 3 VMWG); –– Vorbehalt für die weitere Mietzinsanpassung nach umfassenden Überho­ lungen, wenn der Vermieter von der Möglichkeit Gebrauch macht, eine Teilanpassung nach Massgabe bereits erbrachter Zahlungen geltend zu machen (Art. 14 Abs. 3 VMWG);

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873

Art. 269d

–– Vorbehalt für die künftig im Rahmen von Kostensteigerungen zu berück­ sichtigenden Unterhaltskosten, welche im Zusammenhang mit einer umfas­ senden Sanierung angefallen sind und in der Folge auf die Lebensdauer der sanierten Bereiche verzinst und amortisiert werden können (Urteil des Bundesgerichts 4A_530/2012 vom 17. Dezember 2012, in: MRA 1/14, S. 27 ff.). 80

Der einmal erklärte Vorbehalt ist bei jeder in der Folge mit amtlichem For­ mular mitgeteilten Mietzinsanpassung oder anderen einseitigen Vertragsän­ derung zu erneuern, ansonsten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts die Vermutung Platz greift, der Vermieter verzichte bewusst auf dessen Erklä­ rung mit der Konsequenz, dass zugunsten des Mieters angenommen wird, es seien keine nicht ausgeschöpften Reserven mehr vorhanden (Hulliger/Hein­ rich, CHK, N  4 zu Art.  269d OR). Dies gilt auch dann, wenn aufgrund der konkreten Mietzinsanpassung anhand der Begründung und der betragsmässi­ gen Berechnung offenkundig ist, dass damit die zuvor deklarierte Mietzinsre­ serve nicht in Anspruch genommen worden ist (Urteil des Bundesgerichts vom 9. März 1994, in: mp 2/94, S. 79 ff.).

81

Der Vorbehalt ist für die künftige Mietzinsgestaltung auch dann beachtlich, wenn der Vermieter nicht ausdrücklich erklärt, die Inanspruchnahme der mit dem Vorbehalt erklärten Reserven bleibe für einen späteren Zeitpunkt vorbe­ halten. Die entsprechende Schlussfolgerung wurde fälschlicherweise aus einem diesbezüglich missverständlichen, aus dem Französischen übersetzten Bun­ desgerichtsentscheid gezogen (Urteil des Bundesgerichts vom 11.  Juni 1992, in: mp 1/93, S. 25 ff.). Es entspricht ja gerade dem Wesen des Vorbehaltes und der sprachlichen Bedeutung dieses Begriffes, dass der Vermieter sich die Mög­ lichkeit offenhalten will, die damit deklarierte, nicht ausgeschöpfte Mietzins­ reserve zu einem späteren Zeitpunkt ganz oder teilweise auszuschöpfen. Einer besonderen Erklärung bedarf es hierfür nicht mehr.

82

Das Bundesgericht erachtet dann, wenn der Anfangsmietzins nach absolu­ ter Methode, also losgelöst von der Mietzinsgestaltung im früher bestehen­ den Mietverhältnis festgelegt wird, Vorbehalte nur dann als beachtlich, wenn sie sich ihrerseits auf einen absoluten Erhöhungsgrund beziehen (angemes­ sener Ertrag, Art. 269 OR, kostendeckende Bruttorendite, Art. 269a Buchst. c OR oder Orts- oder Quartierüblichkeit, Art. 269a Buchst. a OR). Vorbehalte, die sich auf nicht ausgeschöpfte Kostenentwicklungen beziehen (z.B. nicht aktueller Stand des Referenzzinssatzes, nicht ausgeschöpfte Kostensteigerun­ gen usw.) sind nur gültig, wenn der Mietzins des früheren Mietverhältnisses in das neue Mietverhältnis übernommen wird und wenn er deshalb auf nicht 874

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Art. 269d

aktuellen Kostenständen beruht, z.B. wenn der Mieter nach vorzeitiger Rück­ gabe der Sache im Sinne von Art. 64 OR einen Ersatzmieter offeriert, der zu den gleichen Bedingungen in das Mietverhältnis eintritt und wenn in diesem Zusammenhang eine neue Vertragsurkunde ausgefertigt wird, was in der Pra­ xis den Regelfall darstellt (Urteil des Bundesgerichts 4A_549/2016 vom 9. Feb­ ruar 2017, E. 3.1). Der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann in ihrer Abso­ lutheit nicht gefolgt werden: Hat ein Vermieter nur einen Teil des möglichen Mietzinsaufschlages nach einer umfassenden Überholung geltend gemacht und für die Differenz zur zulässigen Erhöhung einen Vorbehalt sowohl für den nicht in Anspruch genommenen Teilbetrag als auch unter dem Titel der Ortsoder Quartierüblichkeit erklärt und schliesst der Vermieter mit einem Nach­ folgemieter einen neuen Mietvertrag zu unveränderten Bedingungen ab, so ist die entsprechende Vorbehaltserklärung sehr wohl beachtlich (vgl. N 77). Zur Frage des beim Vertragsschluss erklärten Vorbehalts vgl. auch N 34 zu Art. 270 OR.

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875

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Art. 270 E. Anfechtung des Mietzinses I. Herabsetzungsbegehren 1. Anfangsmietzins 1 Der

Mieter kann den Anfangsmietzins innert 30 Tagen nach Übernahme der Sache bei der Schlichtungsbehörde als missbräuchlich im Sinne der Artikel 269 und 269a anfechten und dessen Herabsetzung verlangen, wenn: a. er sich wegen einer persönlichen oder familiären Notlage oder wegen der Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume zum Vertragsabschluss gezwungen sah; oder b. der Vermieter den Anfangsmietzins gegenüber dem früheren Mietzins für dieselbe Sache erheblich erhöht hat. 2 Im

Falle von Wohnungsmangel können die Kantone für ihr Gebiet oder einen Teil davon die Verwendung des Formulars gemäss Artikel 269d beim Abschluss eines neuen Mietvertrags obligatorisch erklären. E.

Contestation du loyer

I.

Demande de diminution du loyer

1.

Loyer initial

1 Lorsque

le locataire estime que le montant du loyer initial est abusif au sens des articles 269 et 269a, il peut le contester devant l’autorité de conciliation dans les 30 jours qui suivent la réception de la chose et en demander la diminution: a. s’il a été contraint de conclure le bail par nécessité personnelle ou familiale ou en rai­ son de la situation sur le marché local du logement et des locaux commerciaux; ou b. si le bailleur a sensiblement augmenté le loyer initial pour la même chose par rapport au précédent loyer. 2 En

cas de pénurie de logements, les cantons peuvent rendre obligatoire, sur tout ou par­ tie de leur territoire, l’usage de la formule officielle mentionnée à l’article 269d pour la conclusion de tout nouveau bail.

876

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Art. 270

E.

Contestazione della pigione

I.

Domanda di riduzione

1.

Pigione iniziale

1 Il

conduttore può contestare innanzi l’autorità di conciliazione, entro 30 giorni dalla consegna della cosa, la liceità della pigione iniziale a’ sensi degli articoli 269 e 269a e domandarne la riduzione se: a. è stato costretto a concludere il contratto per necessità personale o familiare oppure a causa della situazione del mercato locale di abitazioni e di locali commerciali; o b. il locatore ha aumentato in modo rilevante la pigione iniziale rispetto a quella prece­ dente per la stessa cosa.

2 In

caso di penuria di abitazioni, i Cantoni possono dichiarare obbligatorio, in tutto o parte del loro territorio, l’uso del modulo ufficiale di cui all’articolo 269d per la conclu­ sione di un nuovo contratto di locazione.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

878

2.

Begriff Anfangsmietzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

879

3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Persönliche oder familiäre Notlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.3 Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume .. . . . . . . . . . .  3.4 Wesentliche Erhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

882 882 884 886 892

4.

Wohn- und Geschäftsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

896

5. 5.1 5.2 5.3

Mass der Herabsetzung des Anfangsmietzinses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Absolute Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Art. 269 und 269a OR als Herabsetzungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Vorbehalte bei Vertragsschluss .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

896 896 898 898

6. Formularpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6.2 Missachtung der Formularpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

900 900 901

7. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  7.1 Anfechtungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  7.2 Verfahren vor Schlichtungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  7.3 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  7.4 Unterlassung der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

907 907 907 908 911

8.

912

Auswirkungen auf den Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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877

Art. 270

1. Vorbemerkungen 1

Die Möglichkeit des Mieters, den gemeinsam mit dem Vermieter ausgehan­ delten Anfangsmietzins anzufechten und auf allfällige Missbräuchlichkeit hin überprüfen zu lassen, existierte schon vor der Revision des Mietrechtes als Art.  17 BMM. Sie führte im Vorfeld der Mietrechtsrevision von 1990 insbe­ sondere im Nationalrat zu einer engagierten Grundsatzdebatte. In deren Ver­ lauf wurde verschiedentlich der Vorwurf erhoben, die Anfangsmietzinsanfech­ tung verletze das Prinzip der Vertragstreue (vgl. ausführlich Higi, ZK, N 7–10 zu Art. 270 OR; Weber, BSK, N 1a zu Art. 270 OR; MfdP/Oeschger/Zahrad­ nik, N 172.1.1, m.w.H. auf die Aufzeichnungen der parlamentarischen Debat­ ten in Fn. 8; den Einbruch in das Prinzip der Vertragstreue bejahend Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 6. Auflage, S. 235; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 468, S. 142; Giger, BK, N 206 zu Art. 253 OR). Im Endeffekt fand eine Kompromisslösung zwischen dem Vorschlag des Bundesrates, der eine voraussetzungslose Anfechtung des Anfangsmietzin­ ses gefordert hatte und dem Antrag, die Bestimmung vollständig zu streichen, Eingang in das Gesetz (vgl. dazu die Zusammenfassung der diesbezüglich im Parlament diskutierten Vorschläge im BGE 142 III 442, E. 2.1, in: MRA 3/16, S. 128 ff.; Urteil 4C.169/2002 vom 16. Oktober 2002, in: MRA 1/03, S. 1 ff.).

2

Die erfolgreiche Anfechtung des Anfangsmietzinses führt dazu, dass der Ver­ mieter gezwungen wird, eine Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung des Mietobjektes zu erbringen, die nicht vom Konsens der am Vertrag beteiligten Parteien erfasst ist. Sie führt nicht zur Auflösung des Vertragsverhältnisses, das der Mieter nicht so gegen sich gelten lassen will, wie es ursprünglich verein­ bart worden ist. Vielmehr zwingt es aufgrund einer angenommenen Teilnich­ tigkeit den Vermieter, den Vertrag in einer Weise zu erfüllen, wie er es nicht gewollt hat (Weber, BSK, N 1a zu Art. 270 OR, m.w.H. auf BGE 123 III 292, der allerdings keinen mietrechtlichen Fall betraf; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N  17.2.2.1). Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn der Begriff des Miet­ zinsmissbrauchs mit demjenigen der Übervorteilung, also einem qualifiziert verpönten Verhalten eines Vermieters, welcher die Abhängigkeit und die Not­ lage eines dringend auf Wohnraum angewiesenen Mieters ausbeutet, gleichge­ setzt werden könnte. Von diesem Grundgedanken hat sich die Rechtsprechung indessen weit entfernt. Das Bundesgericht bringt dies dadurch zum Ausdruck, dass es die Auffassung vertritt, Art. 270 Abs. 1 Buchst. a OR verfolge die glei­ chen Ziele wie die Preisüberwachung oder die Kartellgesetzgebung (BGE 142 III 44, E.  3.1.4, in: MRA 3/16, S.  128  ff.). Es verkennt damit den klaren Verfassungsauftrag, der ausschliesslich darin besteht, Missbräuche, also quali­ 878

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Art. 270

fiziert unredliches Verhalten zu bekämpfen. Mietzinse werden nach der aktuel­ len Gerichtspraxis zumeist als missbräuchlich erachtet, weil dem beweisbelas­ teten Vermieter wegen den übertrieben strengen Anforderungen der Nachweis für die orts- oder quartierüblichen Verhältnisse, mit welchen er die Festlegung des Anfangsmietzinses begründet hat, nicht gelingt (vgl. dazu N 5 und N 22 ff. zu Art. 269a OR, zur Beweislast nachfolgend N 51 ff.) oder weil er im Sinne einer aus betriebswirtschaftlicher Sicht allzu restriktiven Methode, welche das Bundesgericht zur Bestimmung des angemessenen Ertrages befolgt, einen übersetzten Ertrag aus der Mietsache erzielt (vgl. dazu N 5–8 zu Art. 269 OR). Die Entwicklung der Rechtsprechung hat mit anderen Worten dazu geführt, dass Mietzinsmissbrauch heutzutage nicht mehr ausnahmsweise von schwar­ zen Schafen, deren Gebaren man mit der Verfassungsänderung von 1986 Ein­ halt gebieten wollte, sondern von praktisch allen Eigentümern, seien sie Pri­ vate, institutionelle Anleger wie Anlagefonds, Pensionskassen, ja sogar von Immobilien vermietenden Gemeinwesen betrieben wird. Mietzinsmissbrauch ist mithin die Regel, nicht die Ausnahme. Vor dem Hintergrund dieser Gege­ benheiten bedarf es dringend einer Rückbesinnung auf den wahren Gehalt der Begriffe Missbrauch oder Notlage, will man nicht in Kauf nehmen, dass der Anreiz, in Immobilien zu investieren, mehr und mehr strapaziert wird. Art. 270 Abs. 1 OR ist sowohl für Mietverhältnisse betreffend Wohnungen als 3 auch für Geschäftsräume anwendbar, Abs. 2 nur für Wohnräume. Er enthält absolut zwingendes Recht (Higi, ZK, N 5 zu Art. 270 OR; mp 2/95, S. 94 ff.; Roncoroni, zwingende Bestimmungen I, S. 82; Roncoroni, zwingende Bestim­ mungen II, S. 73 ff.).

2.

Begriff Anfangsmietzins

Als Anfangsmietzins zu betrachten ist die Gesamtheit der bei Vertragsab­ 4 schluss vereinbarten finanziellen Leistungspflichten des Mieters als Gegenleis­ tung für die Gebrauchsüberlassung der Mietsache. Grundsätzlich – aber nicht ausnahmslos (vgl. N  5  f.)  – wird ein Anfangsmietzins im Sinne der Bestim­ mung von Art. 270 OR vereinbart bei einer Neu- oder Erstvermietung, einem Vertragsabschluss also, bei dem die daran beteiligten Parteien erstmals mit­ einander in vertragliche Beziehungen treten (so sinngemäss schon zum vor dem 1. Juli 1990 geltenden Recht BGE 99 II 297, E. 2, bestätigend BGE 131 III 566, in: mp 1/06, S. 22; gl.M. MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.2.2.2; Hulliger/ Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 270 OR). Sehen die Parteien vor, dass auf den Zeit­ punkt des Mietbeginns – der unter Umständen erst einige Zeit nach Vertrags­

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schluss stattfinden soll – der vertraglich vereinbarte Mietzins der Entwicklung der Teuerung angepasst oder nach anderen Kriterien verändert werden soll (z.B. unter Berücksichtigung allfälliger im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht feststehender Baukosten des Vermieters oder von Mehrleistungen usw.), so handelt es sich bei dem auf den Mietbeginn neu festgelegten Mietzins nicht mehr um den Anfangsmietzins, sondern bereits um eine erste Mietzins­ erhöhung im Rahmen des bereits seit Vertragsabschluss bestehenden Mietver­ hältnisses. Der solcherart auf den Zeitpunkt des Mietbeginns neu festgelegte Mietzins ist mit amtlichem Formular (Art. 269d OR) anzuzeigen. Die Verän­ derung gegenüber dem ursprünglich vereinbarten Anfangsmietzins ist in der Folge innert 30 Tagen bei der Schlichtungsbehörde anfechtbar, ohne dass der Mieter die alternativen Voraussetzungen gemäss Art. 270 Abs. 1 Buchst. a oder b OR nachweisen muss. Will der Mieter dagegen zusätzlich auch den ursprüng­ lich bei Vertragsschluss vereinbarten Mietzins überprüfen lassen, so kann er dies nur, wenn er die erwähnten Voraussetzungen nachweist. 5

Es sind Konstellationen denkbar, in denen ein Anfangsmietzins festgelegt wird, obwohl zwischen den Parteien schon zuvor ein Mietverhältnis betreffend das gleiche Mietobjekt bestanden hat (vgl. insbesondere BGE 131 III 566, in: mp 1/06, S. 22 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4A_ 576/2008 vom 19. Februar 2009, in: MRA 2/10, S. 67 ff., in dem deshalb von einem Anfangsmietzins ausgegan­ gen wurde, weil die Parteien für die von ihnen vereinbarte Fortführung der Vertragsbeziehung den Nutzungszweck verändert hatten. Gleich entschieden wurde bei sogenannten Kettenverträgen, also Verträgen, in denen die Par­ teien jeweils kurze, befristete Mietverträge eingegangen waren, die sie mehr­ mals  – jeweils wiederum nur für eine beschränkte Zeit  – fortsetzten, jeden­ falls so lange, als damit keine Umgehung von Schutzvorschriften zugunsten der Mieterschaft beabsichtigt worden war, vgl. BGE 139 III 145, E. 4.2.4, in: MRA 2/2014, S. 93 ff.; HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.123, S. 56 bei Fn. 205). Die Beurteilung der Frage, ob in solchen Fällen ein Anfangsmietzins festge­ legt wird oder ob die neue Mietzinsfestlegung als Erhöhung des Mietzinses zu betrachten ist, ist deshalb bedeutsam, weil – vorbehältlich einer abweichenden kantonalen Regelung gemäss Art. 270 Abs. 2 OR bei Wohnräumen – die Festle­ gung eines Anfangsmietzinses keine Verwendung des sogenannten amtlichen Formulars erfordert und weil ausserdem im Zusammenhang mit der Anfech­ tung des Anfangsmietzinses vom Mieter die Voraussetzungen gemäss Art. 270 Abs. 1 Buchst. a oder b OR nachgewiesen werden müssen. Weiter ergeben sich Konsequenzen hinsichtlich der Beweislast und der Klägerrolle in einem all­ fälligen gerichtlichen Anfechtungsverfahren.

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Setzen die Parteien ein befristetes Vertragsverhältnis (zum Begriff vgl. 6 Art. 255 Abs. 2 OR) über den Beendigungszeitpunkt hinaus fort, stellt der nach Ablauf der Befristung massgebende Mietzins einen Anfangsmietzins im Sinne von Art. 270 OR dar. Dies gilt unabhängig davon, ob der Vermieter dem Mie­ ter den Abschluss eines neuen Vertrages offeriert und sich die Parteien dann darüber einigen oder ob sie das Vertragsverhältnis stillschweigend im Sinne von Art. 266 Abs. 2 OR «fortsetzen» (Higi, ZK, N 25 zu Art. 270 OR, aber im Widerspruch zu seinen eigenen älteren Darlegungen in N 53 zu Art. 266 OR; diese wiederum im Widerspruch zu N 37, wo der Autor dogmatisch zutreffend feststellt: «Etwas, was eo ipso aufgelöst ist, kann nicht fortgesetzt werden»; Blu­ mer, Gebrauchsüberlassungsverträge, Rz. 402, S. 125; MfdP/Oeschger/Zahrad­ nik, N 17.2.2.2; a.M. Weber, BSK, N 1 zu Art. 270 OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 270 OR; BGE 121 III 397, E. 2/bb, in: mp 2/96, S. 64 ff. und BGE 123 III 76, E. 4c, in: mp 2/97, S. 94 ff.). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich: Mit Bezug auf befristete Mietverhältnisse hielt das Bundesgericht im Entscheid 128 III 419, in: MRA 1/03, S. 22 ff., fest, Art. 269d OR, also die Pflicht des Vermieters, eine Mietzins­anpassung mit amt­ lichem Formular anzuzeigen, sei im Falle eines befristeten Mietverhältnisses nicht anwendbar. Im konkreten Fall hatte die unterlassene Verwendung des Formulars allerdings keine Konsequenzen, obwohl es sich beim beurteilten Pachtverhältnis um ein unbefristetes gehandelt hatte. Die Parteien hatten näm­ lich eine einvernehmliche, also nicht «einseitige» Vertragsänderung vereinbart. Dabei konnten sie angesichts der konkreten Umstände auf die Verwendung des amtlichen Formulars ohnehin verzichten (vgl. zu dieser Thematik N 19/20 zu Art. 269d OR; Urteil des Bundesgerichts 4A_88/2013 vom 17. Juli 2013, E. 2.4; Urteil 4C.496/1994 vom 28. März 1995, in: MRA 5/95, S. 256 ff.; BGE 128 III 419, in: MRA 1/03, S. 22 ff.; Rohrer, Vertragsänderungen, S. 3 ff.). Auch im BGE 121 III 397, in: MRA 2/96, S. 56 ff., erachtete das Bundesgericht im Zusammen­ hang mit der Prüfung der massgebenden Grundlagen einer Mietzinsfestlegung nach Ablauf einer vereinbarten Staffelung als wesentlich, ob der Vertrag befris­ tet war – was dem Mieter bei Neufestsetzung des Mietzinses nach Auffassung des Bundesgerichts eine Anfechtung gemäss Art. 270 OR eröffnet hätte – oder ob ein unbefristetes Vertragsverhältnis vorlag, bei welchem der erhöhte Miet­ zins unter Verwendung des amtlichen Formulars hätte angezeigt werden müs­ sen (BGE 121 III 397, E. 2b/bb). Da die Interessen des Mieters auch im Rah­ men einer Anfangsmietzinsanfechtung hinreichend geschützt sind, darf die vom Bundesgericht erkannte dogmatisch klare Ausgangslage, gemäss der nach Ablauf eines befristeten Vertragsverhältnisses stets ein neues Vertragsverhält­ nis eingegangen werden muss, nicht preisgegeben werden. Eine auf den Ablauf

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der Vertragsdauer eines befristeten Mietvertrages geltend gemachte Mietzins­ erhöhung bedarf keines amtlichen Mietzinserhöhungsformulars, und sie ist nur unter den Voraussetzungen von Art. 270 OR auf allfällige Missbräuchlich­ keit hin überprüfbar. Dies gilt nach aktueller Rechtsprechung im Übrigen auch dann, wenn die Parteien nach Ablauf der Befristung das Mietverhältnis zu glei­ chen Konditionen fortsetzen, sofern die Voraussetzungen von Art. 270 Abs. 1 Buchst.  a OR vom Mieter geltend gemacht und nachgewiesen werden kön­ nen. Die Frist zur Anfechtung beginnt dabei – da der Mieter das Mietobjekt je bereits bezogen hat – am Tag zu laufen, an dem der neue Mietvertrag unter­ zeichnet wird (a.M. Higi, ZK, N 68 zu Art. 270 OR).

3. Voraussetzungen 3.1 Allgemein 7

Der Anfangsmietzins ist nur anfechtbar, wenn eine der Voraussetzungen, die Art. 270 Abs. 1 Buchst. a und Buchst. b OR umschreiben, vorliegt, was grund­ sätzlich vom anfechtenden Mieter zu beweisen ist (mit Bezug auf die Voraus­ setzung Wohnungsmangel vgl. N 15 ff. nachfolgend). Danach muss entweder eine persönliche oder familiäre Notlage vorliegen, oder es müssen die Ver­ hältnisse auf dem lokalen Markt dergestalt sein, dass der Mieter sich gezwungen gesehen hat, den konkreten Mietvertrag abzuschliessen. Für die Anfech­ tung des Anfangsmietzinses genügt es aber auch, dass der Mietzins gegenüber dem früher erzielten Mietzins für dieselbe Sache erheblich erhöht worden ist.

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Das Bundesgericht hat in mehreren Urteilen die Voraussetzungen der Anfech­ tung des Anfangsmietzinses, wie sie in Art. 270 Abs. 1 Buchst. a OR umschrie­ ben werden, formelhaft konkretisiert. Es erwog dabei, die in dieser Bestim­ mung geforderte Zwangslage setze voraus, dass der Mieter gute Gründe für den Wohnungswechsel hatte und von ihm nicht erwartet werden durfte, dass er auf eine sich ihm bietende Wohngelegenheit verzichte. Die Gründe müss­ ten dabei, so das Bundesgericht, persönlicher oder familiärer Art sein oder sich aus den örtlichen Verhältnissen auf dem Wohnungsmarkt ergeben. Sie müss­ ten so beschaffen sein, dass ein Verzicht auf den Abschluss des Mietvertrags als unvernünftig zu betrachten gewesen wäre (BGE 136 III 82, in: mp 1/10, S. 46 ff., m.w.H.; Urteil des Bundesgerichts 4C.169/2002 vom 16. Oktober 2002, in: MRA 1/03, S. 1 ff., wo das Bundesgericht ausdrücklich erwog, es sei im Falle, in dem das zuvor bestehende Mietverhältnis vom Vermieter gekündigt worden ist, auch von Bedeutung, ob der Mieter ein Begehren um Erstreckung einge­

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reicht habe, wobei ihm nicht vorgeworfen werden könnte, dass er im Rahmen eines Vergleiches nicht auf einer maximalen Erstreckung beharrt hätte. Im glei­ chen Urteil wurde ausdrücklich festgehalten, dass für die Beurteilung der Vor­ aussetzungen gemäss Art. 270 Abs. 1 Buchst. a OR auch der Umfang der vom Mieter betriebenen Suchbemühungen in Betracht zu ziehen sei, die eine ange­ messene Intensität aufzuweisen hätten (ZR 91 [1992] Nr.  73, in: ZMP 1993, Nr. 9). Das Bundesgericht brachte damit zum Ausdruck, dass selbst bei objektiv erstelltem Vorliegen der einen oder anderen Voraussetzung, wie sie in Art. 270 Abs. 1 Buchst. a OR gefordert wird, stets bezogen auf den Einzelfall beurteilt werden muss, ob der Vertragsabschluss (subjektiv) als vernünftiger Entscheid des Mieters qualifiziert werden kann. Das Bundesgericht hat sich nach einlässlicher Auseinandersetzung mit den 9 Materialien sowie mit den in der Lehre vertretenen Auffassungen von dieser Praxis entfernt und entschieden, dass alle drei in Art. 270 Abs. 1 OR erwähnten Voraussetzungen, also (i) die persönliche oder familiäre Notlage des Mieters, (ii) die Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume (beide geregelt in Art. 270 Abs. 1 Buchst. a OR) und (iii) die gegenüber dem frü­ heren Mietzins vorgenommene erhebliche Erhöhung (Art. 270 Abs. 1 Buchst. b OR), für sich allein, also alternativ, dem Mieter die Anfechtung ermöglichen, ohne dass weiter geprüft werden muss, ob der Entscheid des Mieters zum Ver­ tragsabschluss unter den konkreten Umständen vernünftig oder wenigstens nachvollziehbar erscheint. Es sei, so das Bundesgericht, insbesondere nicht erforderlich, dass der Mieter sich wegen der örtlichen Verhältnisse für Wohnoder Geschäftsräume in einer Not- oder Zwangslage befunden haben müsse; eine zum Beispiel statistisch erstellte Knappheit an Angeboten erfülle bereits für sich allein die Voraussetzung für eine Anfechtung des Anfangsmietzinses (BGE 142 III 442, E. 3.1.3.3 und E. 3.4; E. 3.1.6, m.w.H. auf Urteil 4C.367/2001 vom 12. März 2002, in: MRA 3/16, S. 128 ff.; ebenso die Urteile 4A_93/2017 vom 21. September 2017, E. 4.1; 4A_295/2016 vom 29. November 2016, E. 4.2; 4A_250/2012 vom 28. August 2012, in: MRA 2/13, S. 30 ff.; 4A_645/2011 vom 27. Januar 2012, E. 3.1; Weber, BSK, N 4 zu Art. 270 OR, m.w.H. BGE 136 III 82, E. 2; zur Ermittlung der Frage, wann eine solche Verknappung angenom­ men werden kann, vgl. N 16 nachfolgend). Das Bundesgericht vertrat dabei die Auffassung, der zweiten in Art. 270 Abs. 1 Buchst. a OR erwähnten Vorausset­ zung wohne eine wettbewerbsrechtliche Dimension inne, die von der persön­ lichen Situation des Mieters abstrahiere (BGE 142 III 442, E. 3.1.6 am Ende, in: MRA 3/16, S. 128 ff.). Die Klärung des gegenseitigen Verhältnisses der einzel­ nen in Art. 270 Abs. 1 Buchst. a und b OR aufgeführten Voraussetzungen für die Anfechtung des Anfangsmietzinses durch das Bundesgericht im Leitent­ Beat Rohrer

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scheid BGE 142 III 442 bewirkt faktisch, dass nunmehr jeder Anfangsmietzins angefochten werden kann, ohne dass der Mieter besondere Voraussetzungen nachweisen muss. Nach einer weitverbreiteten Auffassung in der Lehre und in der Rechtsprechung bildet nämlich der sogenannte Leerwohnungsbestand den alleinigen Gradmesser dafür, ob Wohnungsmangel und damit – in der Ter­ minologie von Art. 270 Abs. 1 Buchst. a OR – die Anfechtung rechtfertigende Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume beste­ hen. Dieser statistische Wert verharrt seit Jahrzehnten schweizweit auf einem Niveau, das nach den besagten Auffassungen eine Wohnungsnot indiziert (vgl. dazu nachfolgend N 16). Der Wohnungsmangel wird sodann vom Bundesge­ richt für die Stadt Genf ohne jeden Ansatz einer näheren Prüfung, z.B. bezüg­ lich der konkret interessierenden Wohnungskategorie oder dem Preissegment, generell als bestehend erachtet (Urteil 4A_93/2017 vom 21. September 2017, E. 4.2 und 4.3; Urteil 4A_295/2016 vom 29. November 2016, E. 4.2).

3.2 10

Persönliche oder familiäre Notlage

Nach der bis vor Kurzem konstanten Praxis des Bundesgerichts liegt aufsei­ ten des Mieters eine persönliche oder familiäre Notlage vor, wenn dieser gute Gründe hat, seine Wohnung zu wechseln. Diese Gründe müssen so beschaf­ fen sein, dass man von ihm nicht erwarten darf, er verzichte auf eine Miet­ gelegenheit, wenn dies wegen der persönlichen oder familiären Notlage oder den Verhältnissen auf dem örtlichen Markt unvernünftig erschiene (Urteil 4A_250/2012 vom 28. August 2012, in: MRA 2/13, S. 30 ff.; BGE 136 III 82, E. 2; Urteil 4C.169/2002 vom 16. Oktober 2002, in: MRA 1/03, S. 1 ff.). Mass­ gebend für die Beurteilung dieser Erfordernisse sind sämtliche Umstände des Einzelfalls. Eine persönliche Notlage für den Mieter besteht in erster Linie dann, wenn ihm seine bisherige Wohnung oder seine bisherigen Geschäfts­ räume gekündigt worden sind und er auf den Bezug eines anderen Mietobjekts dringend angewiesen ist. Dass dem Mieter das bisherige Mietverhältnis ausserordentlich, also wegen Vertragsverletzungen (Art. 257f OR) oder gar wegen Zahlungsverzuges gekündigt worden ist (Art. 257d OR), soll die Berufung auf eine Notlage im Hinblick auf die Anfechtung des Anfangsmietzinses nicht ausschliessen, obwohl sie diesfalls zweifelsfrei vom Mieter selber verschuldet wurde (zu Recht kritisiert von Andreas Maag, in: MRA 1/03, S. 1 ff., S. 7). Die Anerkennung dieser Notlage setzt allerdings voraus, dass der Mieter bezüglich der früher benützten Lokalitäten die ihm zustehenden Erstreckungsmöglichkeiten (Art. 272 ff. OR) vollumfänglich ausgeschöpft hat (Urteil des Bundes­ gerichts 4C.169/2002 vom 16. Oktober 2002, in: MRA 1/03, S. 1 ff.; Mitteilun­

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gen 21/8). Dabei darf dem Mieter aber nicht entgegengehalten werden, dass er im Rahmen eines Vergleichs im Schlichtungsverfahren eine kürzere als die gesetzliche Maximalfrist akzeptiert hat, wohl aber, dass er einen ungünstigen, nicht den rechtlichen Gegebenheiten entsprechenden Vergleich abgeschlos­ sen hat (Urteil des Bundesgerichts 4C.169/2002 vom 16. Oktober 2002, E. 2.3, in: MRA 1/03, S. 1 ff.; BGE 142 III 442, E. 2.2.1, in: MRA 3/16, S. 128 ff.; Weber, BSK, N 3 zu Art. 270 OR). Nicht ausreichend für die Annahme einer Notlage ist, dass der Mieter lediglich 11 gute oder plausible Gründe für den Wohnungswechsel nennen kann, wie dies einzelne Autoren aus BGE 114 II 74 (wiedergegeben auch in: mp 2/88, S. 61 ff.) ableiten wollen (MfdP/Oeschger/Zahradnik, N  17.2.3.1; Barbey, Rechtsspre­ chung, S. 140 f.). Vorausgesetzt ist nämlich eine Zwangslage in dem Sinne, dass die individuelle Lage des Mieters keine andere zumutbare Lösung als den Abschluss des – bezüglich des Mietzinses – angefochtenen Vertrages zugelas­ sen hat und dass ein anderes Verhalten des Mieters geradezu als unvernünf­ tig hätte qualifiziert werden müssen. Diese relativ restriktive Auslegungspra­ xis rechtfertigt sich selbst in Nachachtung des Art. 270 OR zugrunde liegenden Schutzgedankens angesichts der neben den Mieterschutzbestimmungen beste­ henden Grundrechte und legitimen Interessen der Eigentümer und Vermieter (Beschluss des OGer Zürich vom 4. September 1992, in: ZMP 1/93, S. 33 ff., mit Hinweis auf Botsch. 1985, S. 1397 f. und 1491 e contrario). Der Mieter muss somit ernsthafte, einer Zwangslage entspringende Gründe für einen Woh­ nungswechsel vorbringen können, beispielsweise, dass die bisherige Wohnsi­ tuation durch äussere Umstände unzumutbar geworden ist (familiäre Verän­ derung, z.B. infolge Scheidung, Stellenverlust, gesundheitliche Probleme des Mieters oder eines Familienmitgliedes usw.; vgl. Higi, ZK, N 44 zu Art. 270 OR; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.2.3.1). Einige der von den letztgenann­ ten Autoren angeführten Beispiele vermögen allerdings die Voraussetzung der individuellen Notlage nicht zu erfüllen, so etwa die Nachteile oder der man­ gelnde Komfort der bisher bewohnten Wohnung. Diese Beispiele sind des­ halb verfehlt, weil dem Mieter dann, wenn die Wohnung Mängel aufweist, die Rechtsbehelfe der Art. 259a ff. OR zur Verfügung stehen. Anderseits steht dem Mieter nur so viel an Wohnkomfort zu, wie er ihn als adäquate Gegenleistung für den Mietzins, den er zu zahlen bereit ist, erwarten darf. In der Lehre und teilweise auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung 12 wurde die Auffassung vertreten, es müsse vom Mieter, der sich auf eine der Vo­raussetzungen im Sinne von Art. 270a Abs. 1 Buchst. a OR berufe, verlangt werden, dass er sich mit angemessener Intensität um ein seinen Möglichkei­

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ten und Bedürfnissen entsprechendes Mietobjekt bemüht habe. Könne das Entsprechende nicht nachgewiesen werden, fehle es an den Voraussetzun­ gen für eine Anfechtung des Anfangsmietzinses (Urteil des Bundesgerichts 4C.169/2002 vom 16.  Oktober 2002, in: MRA 1/03, S.  1  ff., in dem die Not­ lage verneint wurde, weil sich die betroffene Mieterin erst vier Monate nach Erhalt der Kündigung um ein Ersatzobjekt bemüht und auch in der Folge keine angemessenen Suchbemühungen unternommen hatte; vgl. ferner ZMP 1/93, S. 33 ff.). Das Bundesgericht erachtet mit seiner jüngsten Praxis den Nachweis einer individuellen Zwangslage, z.B. anhand längerer Zeit erfolglos betriebe­ ner Suchbemühungen, als entbehrlich, wenn z.B. aufgrund einer Leerstands­ ziffer generell angenommen wird, es herrsche Wohnungsnot. Trifft dies zu, so ist nach höchstrichterlicher Auffassung eine der in Art. 270 Abs. 1 Buchst. a OR erwähnten Voraussetzungen, welche die Anfechtung ermöglichen, bereits gegeben (BGE 142 III 442, E.  3.1.6 und 3.2, in: MRA 3/16, S.  128  ff.; Urteil 4A_93/2017 vom 21.  September 2017, E.  4.1; vgl. dazu aber nachfolgend N 15 ff.). 13

Trotz der aufgrund der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts nunmehr faktisch voraussetzungslos möglichen Anfechtung des Anfangsmietzinses ver­ bietet sich die Annahme einer persönlichen oder familiären Notlage grund­ sätzlich immer dann, wenn der Mieter seine bisherige, für seine Bedürfnisse geeignete Wohnung selber ordentlich gekündigt hat, ohne dass ihn eine objek­ tiv nachvollziehbar Notwendigkeit zu diesem Schritt veranlasst hat.

14

Der Beweis für das Vorliegen einer persönlichen Notlage im Sinne der vor­ stehenden Darlegungen obliegt ausschliesslich dem Mieter (MfdP/Oeschger/ Zahradnik, N  17.2.3.4; Zahradnik, Anfangsmiete, S.  274; Higi, ZK, N  40 zu Art. 270 OR).

3.3 15

Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume

Der vor dem 1. Juli 1990 geltende BMM war gestützt auf entsprechende Unter­ stellungsbeschlüsse des Bundesrates nur in Gemeinden anwendbar, in denen Wohnungsnot herrschte. Art. 2 VMM legte fest, dass für die Annahme einer allfälligen «Wohnungsnot» auf den Leerwohnungsbestand nach Wohnungs­ kategorien und Preisklassen sowie, soweit möglich, nach der Zahl der Woh­ nungswechsel und Umfang und Art der im Bau befindlichen Wohnungen abzustellen sei. Das revidierte Miet- und Pachtrecht orientiert sich nicht mehr an einer besonderen «Wohnungsnot», sondern am Verfassungsauftrag betref­

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fend den Missbrauchsschutz (früher Art. 34septies BV, heute Art. 109 BV). Dass wesentliche Bestimmungen des vor dem 1. Juli 1990 geltenden BMM ganz oder teilweise in das ordentliche Recht übernommen worden sind, kann daher nicht zur Annahme führen, es bestehe generell eine Wohnungs- oder Geschäfts­ raumnot. Die Frage, ob sich ein Mieter auf die Voraussetzung der «Verhält­ nisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume» im Zusam­ menhang mit der Anfechtung eines Anfangsmietzinses berufen kann, beurteilt sich somit stets nach den konkreten individuellen Verhältnissen des Einzelfal­ les. In der Literatur und teilweise in der Rechtsprechung wird die Auffassung ver­ 16 treten, die Voraussetzung, wonach sich ein Mieter wegen der Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume zum Vertragsabschluss gesehen hat, sei bereits dann erfüllt, wenn im betroffenen Kanton oder allen­ falls in einem Ort eine bestimmte statistisch erfasste Leerstandsquote amtlich ermittelt worden sei (Urteil des Bundesgerichts 4A_93/2017 vom 21. Septem­ ber 2017, E. 4.1). Genannt wird dabei als Grenze der Wert von 1% und – vor­ nehmlich in der mieterfreundlichen Literatur – ein solcher von 1,5% (Weber, BSK, N 4 zu Art. 270 OR; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.2.3.2; die Autoren postulieren zu weitgehend, dass der Wohnungsmangel  – schweizweit?  – als notorisch zu betrachten sei, a.a.O., N 17.2.3.4; Hulliger/Heinrich, CHK, N 7 im Zusammenhang mit der Voraussetzung für die Einführung der Formu­ larpflicht; Urteil des Bundesgerichts 4C.367/2001 vom 12. März 2002, wo das Bundesgericht zwar diesen Wert unter Hinweis auf zwei Publikationen, näm­ lich Lachat, Bail à loyer, S. 260 und Müller, Loyer initial, S. 6, anspricht, sei­ nem Entscheid aber einen Bericht des Genfer Staatsrates, überschrieben mit «arrêtés successifs annuels du Conseil d’Etat du canton de Genève constatant l’existence d’une pénurie de logements» [RS genevois I 4 45.07], zugrunde legt). Das Bundesamt für Wohnungswesen geht bei einem Wert von unter 1% Leerstandsziffer von Wohnungsnot (so auch Hulliger/Heinrich, CHK, N 7 zu Art. 270 OR) und bei Werten zwischen 1% und 1,5% von Wohnungsmangel aus. Folgt man der Auffassung, für den Nachweis der Voraussetzung der «Ver­ hältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume» genüge das Abstellen auf eine solche statistisch erhobene Leerwohnungsziffer, dann führt dies dazu, dass in städtischen Verhältnissen und zumindest auch im Durch­ schnitt landesweit die Voraussetzungen für die Anfechtung des Anfangsmiet­ zinses stets erfüllt sind (vgl. dazu die auf der Homepage des BWO veröffent­ lichten Werte vergangener Jahre). Es darf aus mehreren Gründen ernsthaft bezweifelt werden, dass das Abstellen auf solche statistischen Werte von einer näheren und auf den Einzelfall bezogenen Überprüfung der entsprechenden Beat Rohrer

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Voraussetzung entbindet. In diese Beurteilung einzubeziehen wären näm­ lich zunächst die finanziellen Verhältnisse des Mieters und daraus abgelei­ tet das Mietzinssegment, in dem er konkrete Bemühungen anzustellen hätte (wobei hier die Drittelsregelung zur Anwendung gelangen müsste, vgl. dazu N 28 zu Art. 272 OR). Weiter bedeutsam wären die konkreten Raumbedürfnisse und die Frage, in welchem geografischen Rayon es dem Mieter zumut­ bar wäre, eine Wohnung zu mieten. Insbesondere müsste beurteilt werden, ob es einem Mieter, der beispielsweise in der Stadt Zürich eine Wohnung gemie­ tet hat, nicht ohne Weiteres zumutbar gewesen wäre, eine Wohnung in einer Vorortsgemeinde zu mieten, nachdem das öffentliche Verkehrsnetz rund um die Stadt Zürich hervorragend ausgebaut ist. Zu all diesen Fragen geben die im Übrigen nur auf einen bestimmten Stichtag erhobenen statistischen Leerwoh­ nungsziffern keinerlei Aufschlüsse. Sie differenzieren, soweit ersichtlich, auch nicht nach Wohnungsgrösse (Zimmerzahl) oder nach dem Preissegment und innerhalb der Stadt Zürich auch nicht nach Quartieren, obwohl – wie ein Blick auf die täglichen Angebote auf Internetplattformen beweist – das Angebot an Wohnungen von Quartier zu Quartier erheblich schwankt. Das Bundesgericht hat folgerichtig eine statistische Leerstandsziffer, die nicht nach Wohnungs­ grössen differenziert und überdies regionale Unterschiede unberücksich­ tigt lässt, für den Nachweis einer behaupteten Wohnungsnot als Vorausset­ zung für die Anfechtung des Anfangsmietzinses als ungeeignet qualifiziert (BGE 136 III 82, E. 2, in: mp 1/10, S. 46 ff.). Es kommt hinzu, dass die in Pro­ zenten ausgedrückte Leerstandsquote in städtischen Verhältnissen eine ganz andere Bedeutung hat als in kleineren Gemeinden: Eine Leerstandsquote von 1,45%, bei der nach einem Teil der Literatur Wohnungsnot angenommen wer­ den soll, bedeutet, dass allein auf dem Stadtgebiet von Zürich – ohne Agglo­ merationsgemeinden  – nicht weniger als 3183 Wohnungen im Angebot ste­ hen (das ergibt die Extrapolation der Feststellung auf der Homepage der Stadt Zürich, dass 483 leer stehende Wohnungen einer Leerstandsquote von 0,22% entsprechen, nachzulesen unter https://www.stadt-­zuerich.ch/prd/de/index/ statistik/themen/bauen-wohnen/leerwohnungen-leerflaechen/­leerwohnungs-­ zaehlung.html, Stand 2. August 2016). Es fällt schwer, bei einer solchen Anzahl offiziell als leer stehend bezeichneter Wohnungen ernsthaft von Wohnungs­ mangel oder gar Wohnungsnot zu sprechen. Schliesslich erstaunt es, dass Lehre und Rechtsprechung mit Bezug auf die Beurteilung der örtlichen Markt­ verhältnisse nicht auf die Kriterien abstellen, welche nach Art.  2 VMM Vor­ aussetzung für die Anwendbarkeit des BMM waren (Leerwohnungsbestand nach Wohnungskategorien und Preisklassen sowie, soweit möglich, die Zahl der Wohnungswechsel sowie Umfang und Art der im Bau befindlichen Woh­

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nungen). Dieser durfte seinerzeit ja nur in Gebieten, in denen Wohnungsnot herrschte, als anwendbar erklärt werden (vgl. zum Ganzen auch die kritische Auseinandersetzung mit der These, wonach statistische Leerstandsquoten per se Wohnungsmangel indizieren, von Egli Theres und Sager Daniel in der NZZ vom 13. Juni 2016, S. 20 und von Martel Andrea in der NZZ vom 6. Juni 2016, S. 23, wo die Autorin insbesondere die Diskrepanz zwischen den offiziell pub­ lizierten Leerstandsquoten gegenüber den gleichzeitig auf Internetplattformen angebotenen Wohnungen anspricht). Eine zu diesem Thema verfasste Studie gelangt zum Ergebnis, dass die Insertionsdauer von zur Vermietung angebote­ nen Wohnungen, die für bestimmte Segmente und Regionen problemlos und zeitnah ausgewertet werden kann, wesentlich bessere und auf das konkret inte­ ressierende Segment bezogene Aufschlüsse über einen allfälligen Wohnungs­ mangel liefern würde als die ungenügend differenzierenden und überdies nicht laufend aktualisierten Publikationen sogenannter Leerstandsziffern (Ilg Peter, Internet-Insertionsdauer von Mietwohnungen als zeitnahes Mass für Ange­ bots- und Nachfrageentwicklung, SVIT Schweiz, Zürich, 2014, S. 42 f.). Ein wesentlicher Teil der Lehre – und ihr folgend die Rechtsprechung – tendie­ 17 ren mit der Forderung, den Begriff einer Notlage auf dem örtlichen Markt für Wohn- oder Geschäftsräume aus Statistiken herzuleiten, die, genau besehen, für den konkret zu beurteilenden Fall wenig aussagekräftig sind dazu, einen Zustand herbeizuführen, bei dem die Anfechtung des Anfangsmietzinses fak­ tisch voraussetzungslos zugelassen wird. Dies aber widerspricht dem Wil­ len des Gesetzgebers, der die Möglichkeit dieser Anfechtung als Einbruch in das Fundamentalprinzip der Vertragstreue nur in besonders gelagerten Fällen ermöglichen wollte. Es muss aus den bereits aufgezeigten Gründen verlangt werden, dass der Mie­ 18 ter den behaupteten Wohnungsmangel und den daraus abgeleiteten Zwang zum Abschluss eines Mietvertrags anhand konkret und intensiv über einen längeren Zeitraum betriebener Suchbemühungen in dem für seine Bedürf­ nisse und Verhältnisse geeigneten Angebotssegment nachweist (so auch das Urteil des Bundesgerichts 4C.169/2002 vom 16. Oktober 2002, in: MRA 1/03, S. 1 ff.; gegenteilig das Urteil 4A_93/2017 vom 21. September 2017, in dem das Bundesgericht als irrelevant erachtete, dass den Mietern, die den Anfangsmiet­ zins anfochten, vor dem Abschluss des konkreten Mietvertrages betreffend eine grosszügig ausgestaltete 5-Zimmer-Wohnung zum monatlichen Netto­ mietzins von 4400 CHF insgesamt 11 andere 4- und 4½-Zimmer-Wohnungen zu günstigeren Mietzinsen angeboten worden waren und dass sie gegenüber dem Vermieter erklärt hatten, dass sie eine Wohngelegenheit in einem Miet­

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zinssegment bis 7000 CHF pro Monat suchen würden!). Es besteht nach hier vertretener Auffassung bezüglich der Notlage als Bedingung für die Anfech­ tung des Anfangsmietzinses eine Analogie zum Begriff der Härte, die Voraus­ setzung für die Gewährung einer Mieterstreckung bildet. Bei der Beurteilung einer solchen Härte verlangt Art. 272 Abs. 2 Buchst. e OR ebenfalls eine Ein­ schätzung der Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäfts­ räume. Dabei wird vom Mieter, der sich zur Begründung einer als bestehend erachteten Härte auf diese Verhältnisse beruft, zu Recht verlangt, dass er den Nachweis dafür durch intensiv betriebene, aber erfolglos gebliebene Suchbe­ mühungen erbringt (Urteil des Bundesgerichts 4C.425/2004 vom 9. März 2005, E. 3.4; Urteil 4C.365/2006 vom 16. Januar 2007, in: MRA 5/06, S. 171 ff.; Urteil 4A_568/2008 vom 18. Februar 2009, in: MRA 5/08, S. 195 ff.; sodann N 34 ff. zu Art. 272 OR). Die Suchbemühungen haben sich dabei auf Objekte zu beziehen, die dem Mieter aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten, seinem Raumbe­ darf und allfälligen Beschränkungen bezüglich der geografischen Lage zumut­ bar sind, womit eine Beurteilung des konkreten Einzelfalles verlangt wird. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Grundsätze, die nach Lehre und Rechtspre­ chung für die Beurteilung einer Härtesituation unter dem Aspekt der Verhält­ nisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume in einem Miet­ erstreckungsverfahren massgebend sind, nicht auch in der analogen Situation, in der als Voraussetzung für die Anfechtung des Anfangsmietzinses die genau gleichen Verhältnisse berücksichtigt werden müssen, he­rangezogen werden können. Das wird gerade am Sachverhalt, den das Bundesgericht in seinem Leitentscheid BGE 142 III 442, in: MRA 3/16, S. 128 ff., zu beurteilen hatte, evident: Die beiden den Anfangsmietzins anfechtenden Mieter hatten bei einem gemeinsamen Einkommen von rund 180 000 CHF pro Jahr eine Woh­ nung im Zentrum der Stadt Zürich zu einem Mietzins von 4200 CHF brutto pro Monat gemietet. Sie mussten davon ausgehen, dass eine allfällige Anfech­ tung des Anfangsmietzinses nicht erfolgreich sein würde, und sie konnten sich die Wohnung zum vereinbarten Mietzins auch offensichtlich leisten. Dass nun gerade in dem Segment, das für diese Mieter auf dem Markt erhältlich gewesen wäre, Wohnungsmangel bestanden hatte, kann ausgeschlossen werden, abge­ sehen davon, dass aus der Sachverhaltsdarstellung des erwähnten Urteils nicht erhellt, weshalb die betroffenen Mieter unbedingt auf eine im Zentrum der Stadt Zürich gelegene Wohnung angewiesen waren bzw. weshalb sie nicht auch in der Agglomeration eine Wohnung hätten mieten können (vgl. dazu auch das zweite, den gleichen Sachverhalt betreffende Urteil des Bundesgerichts 4A_17/2017 vom 7.  September 2017, mit dem die Anfechtung des Anfangs­ mietzinses durch die erwähnten Mieter letztlich aus anderen Gründen abge­

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wiesen wurde; dazu Näheres unter N 51 nachfolgend; ferner das vorerwähnte Urteil des Bundesgerichts 4A_93/2017 vom 21. September 2017, E. 4). Die bei­ den vom Bundesgericht in den soeben erwähnten Urteilen beurteilten Sach­ verhalte betrafen  – möglicherweise zufällig  – Mietparteien mit überdurch­ schnittlichen finanziellen Verhältnissen. Sie zeigen gerade deshalb besonders eindrücklich, dass das Abstellen auf undifferenzierte, nach nicht transparenten und schon gar nicht flächendeckend einheitlich erhobenen statistischen Leer­ wohnungsziffern für die Beurteilung eines Mangels an Wohn- oder Geschäfts­ räumen nicht geeignet ist. Vielmehr sollte anhand der individuellen Situa­ tion der anfechtenden Mieter  – genau gleich wie im Erstreckungsverfahren bei Beurteilung einer geltend gemachten Härtesituation – geprüft werden, ob besondere Verhältnisse auf dem Markt eine Notlage indizieren. Ist in einem Kanton in Anwendung von Art. 270 Abs. 2 OR die Verwendung 19 des Formulars gemäss Art.  269d OR beim Abschluss eines neuen Mietver­ trags für Wohnungen obligatorisch erklärt worden (wie zurzeit in den Kanto­ nen Zürich, Zug, Nidwalden, Freiburg, Waadt, Neuenburg und Genf), bedeu­ tet dies nicht automatisch, dass die Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohnräume so beschaffen sind, dass angenommen werden darf, es läge grundsätzlich eine Voraussetzung für die Anfechtung des Anfangsmietzin­ ses vor. Die zunächst abweichende Auffassung des Bundesgerichts wurde zu Recht preisgegeben (vgl. Urteil 4C.367/2001 vom 12. März 2002, in: MRA 4/02, S. 137 ff., in dem übersehen wurde, dass jeder Mieter diesfalls nach einer von ihm selbst ohne jeden äusseren Sachzwang erklärten Kündigung automatisch nach Abschluss eines neuen Mietvertrages den Anfangsmietzins hätte anfech­ ten können; vgl. die Kritik von Beat Rohrer in: MRA 4/02, S. 141 ff.; anders das Urteil des Bundesgerichts 4C.169/2002 vom 16.  Oktober 2002, mit ent­ sprechendem Hinweis von Andreas Maag, in: MRA 1/03, S. 6 f.; BGE 136 III 82, E. 2, in: mp 1/10, S. 46 ff., wo das Bundesgericht weder aus dem Umstand, dass im Kanton Fribourg die Formularpflicht eingeführt worden war noch aufgrund der statistischen Leerwohnungsquote auf eine Notlage schloss; a.M. Zahradnik, Anfangsmiete, S. 276; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.2.3.2). Der in Abs. 2 von Art. 270 OR verwendete Begriff des «Wohnungsmangels» ist mit anderen Worten nicht einer Not- oder Zwangslage des Mieters zufolge beson­ derer Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume gleichzusetzen. Dies folgt allein schon daraus, dass Abs.  2 von Art.  270 OR nicht differenziert, in welchen Preis- oder Grössenkategorien ein «Wohnungs­ mangel» bestehen soll. Es kommt hinzu, dass in grösseren Kantonen, wie z.B. im Kanton Zürich, die Angebotssituation von Wohnungen von Gemeinde zu Gemeinde stark variieren kann, was es erforderlich macht, die konkreten Ver­ Beat Rohrer

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hältnisse stets für die betroffene Gemeinde und auch für Nachbargemeinden, die als Wohn- oder Geschäftssitz für den anfechtenden Mieter in Betracht zu ziehen gewesen wären, zu beurteilen (vgl. auch die Kritik zum Begriff der Leer­ wohnungsziffer als Voraussetzung für die Anfechtung des Anfangsmietzinses in N  16). Abgesehen davon ist wiederum nicht definiert, nach welchen Kri­ terien sich die Frage beurteilt, ob «Wohnungsmangel» besteht. Richtig kann somit nur sein, dass auch dort, wo im Kanton das Formular im Sinne von Art. 270 Abs. 2 OR eingeführt worden ist, die Voraussetzung der besonderen örtlichen Marktverhältnisse, die den Mieter zum Vertragsabschluss gezwun­ gen haben, nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, vor allem aber nach Massgabe der vom Mieter nachzuweisenden erfolglosen Suchbemühungen in einem für ihn finanziell und örtlich zumutbaren Segment, zu beurteilen ist. Dies gilt im Übrigen uneingeschränkt bei der Anfechtung von Anfangsmiet­ zinsen bei Geschäftsräumen, da die Einführung der Formularpflicht im Sinne von Art.  270 Abs.  2 OR ausdrücklich Wohnungsmangel voraussetzt (Urteil des Bundesgerichts 4A_250/2012 vom 28. August 2012, E. 2.2, in: MRA 2/13, S. 30 ff.).

3.4 20

Wesentliche Erhöhung

Der Anfangsmietzins ist nach Art. 270 Abs. 1 Buchst. b OR anfechtbar, wenn er «erheblich» über dem vom Vormieter verlangten Mietzins liegt. Zusätzli­ cher Voraussetzungen für die Anfechtung des Anfangsmietzinses im Sinne von Art. 270 Abs. 1 Buchst. a OR bedarf es in diesem Falle nicht. Der Anfangsmiet­ zins kann gestützt auf Art. 270 Abs. 1 Buchst. b OR also auch dann angefoch­ ten werden, wenn keine Notlage im Sinne von Art. 270 Abs. 1 Buchst. a OR vorliegt. Zu beachten ist, dass die «erhebliche» Erhöhung des Mietzinses gegen­ über dem vom Vormieter zu entrichtenden Mietzins noch keinesfalls die Miss­ bräuchlichkeit im Sinne der Art.  269  ff. OR vermuten lässt, weil diese nach absoluter Methode zu ermitteln ist (anders BGE 139 III 13, vgl. dazu nach­ folgend N 29 und 51 ff.). Das Bundesgericht gewichtet in diesem Zusammen­ hang die einseitige und dem Willen des Gesetzgebers widersprechende, aber offenbar sozialpolitisch erwünschte Beweislastverteilung zulasten des Vermie­ ters höher als die dogmatische Konsequenz, vgl. dazu den Kommentar von Beat Rohrer, in: MRA 2/13, S.  24  ff.; unzutreffend auch Hediger, Rechtspre­ chung, S. 61; missverständlich in diesem Zusammenhang: Higi, ZK, N 48 zu Art. 270 OR). Der rein quantitative Vergleich zwischen dem früher massgeben­ den und dem neu vereinbarten Mietzins, der zutage fördert, dass eine «erheb­ liche» Erhöhung des Mietzinses vorliegt, schafft einzig die Klagevorausset-

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zung, ohne dass damit eine Aussage über die Berechtigung des vereinbarten Anfangsmietzinses verbunden wäre (BGE 141 III 569, E.  4.1, in: MRA 2/16, S. 61 ff.; Higi, ZK, N 47 f. zu Art. 270 OR). Das Gesetz überlässt der Rechtsprechung die Klärung der Frage, wann eine 21 Erhöhung des gegenüber dem Vormieter verlangten Mietzinses «erheblich» ist. In Literatur und Rechtsprechung hat sich die Auffassung etabliert, eine Erhö­ hung um mehr als 10% sei erheblich und erfülle damit die Voraussetzung von Art. 270 Abs. 1 Buchst. b OR (BGE 139 III 13, E. 3.1.1, in: MRA 2/13; BGE 136 III 82, E. 3.4, in: mp 1/10, S. 46 ff.; Urteile des Bundesgerichts 4A_295/2016 vom 29. November 2016 und 4A_214/2007 vom 12. November 2007, in: MRA 5/07, S. 162 ff.; 4C.169/2002 vom 16. Oktober 2002, E. 3.1, in: MRA 1/03, S. 1 ff.; Weber, BSK, N 5 zu Art. 270 OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 270 OR; Dietschy-Martenet, CPra, N  42 zu Art.  270 OR; ZR 78 [1979] Nr.  8; MfdP/ Oeschger/Zahradnik, N 17.2.3.3; HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.118, S. 53). In der Literatur wird die Auffassung vertreten, im Hinblick auf die Beur­ teilung der Erheblichkeit einer Mietzinsdifferenz seien die Bruttomietzinse zu vergleichen (MfdP/Oeschger/Zahradnik, N  17.2.3.3; Weber, BSK, N  5 zu Art. 270 OR; Higi, ZK, N 53 zu Art. 270 OR; Fetter, Loyer initial, S. 182; HAPImmobiliarmietrecht/Bättig, Rz.  1.118). Dies trifft zumindest in den Fällen zu, in denen gegenüber dem neuen Mieter andere, im früheren Mietverhält­ nis im Nettomietzins enthaltene Nebenkosten separat erhoben werden. Hätte der Vermieter eine solche Ausgliederung neuer, bisher im Nettomietzins inbe­ griffener Nebenkosten gegenüber dem früheren Mieter vornehmen wollen, so hätte er dies als andere einseitige Vertragsänderung kostenneutral anzei­ gen und den Nettomietzins um den durchschnittlichen Aufwand einer Dreibis Fünfjahresperiode reduzieren müssen. Gleichzeitig hätte er dabei wohl die Akontozahlungen in dem Umfang erhöht, in dem er den Nettomietzins gesenkt hat (zur Ausgliederung neuer Nebenkosten als andere einseitige Vertragsände­ rung vgl. N 74 zu Art. 269d OR). Belässt der Vermieter bei der Neuvermietung den Mietzins betragsmässig auf dem Stand des vom früheren Mieter bezahlten Betrages, erhöht er aber die Akontozahlungen, weil gegenüber dem früheren Mietverhältnis zusätzliche Nebenkosten inskünftig separat erhoben werden, sind somit die Bruttomietzinse zu vergleichen. Nicht erheblich ist, inwieweit im früheren Mietverhältnis Nach- oder Rückzahlungen auf geleistete Akon­ tozahlungen zu erbringen waren, denn es kann ja im Zeitpunkt, in dem der Anfangsmietzins angefochten wird, nicht beurteilt werden, ob und allenfalls in welchem Betrag inskünftig solche Nachzahlungen oder Rückerstattungen aus­ gerichtet werden. Wenn vom neuen Mieter die gleichen Nebenkosten separat erhoben werden, wie dies gegenüber dem früheren Mieter der Fall war, dann Beat Rohrer

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sind aus den gleichen Überlegungen die Nettomietzinse zu vergleichen, selbst dann, wenn gegenüber dem neuen Mieter höhere Akontozahlungen verlangt werden (Zahradnik, Anfangsmiete, S. 277 f.). 22

Es stellt sich die Frage, ob beim Vergleich des neu vereinbarten Mietzinses mit dem früher massgebenden Mietzins des Vormieters lediglich der Betrag der Netto- oder  – je nachdem  – der Bruttomietzinse zu vergleichen ist oder ob es auch auf die Berechnungsgrundlagen der jeweiligen Mietzinsfestsetzung ankommt.

23

Beispiel: Gemäss massgebender Mietzinsfestsetzung beruhte der Mietzins von 1500 CHF brutto pro Monat gegenüber dem Vormieter seit 1. April 2009 auf dem Referenz­ zinssatz von 3,5%. Nach Beendigung des entsprechenden Mietverhältnisses schliesst der Vermieter mit einem neuen Mieter auf 1. Januar 2016 einen Mietvertrag ab, bei dem der Anfangsmietzins 1600 CHF brutto pro Monat beträgt. Im Vertrag wird ausdrück­ lich festgehalten, dieser Anfangsmietzins beruhe auf dem Referenzzinssatz von 1,75%. Kostensteigerungen und Teuerungsausgleich seien abgegolten bis November 2015.

24

Im vorerwähnten Beispiel ergibt der Vergleich des neu verlangten Mietzin­ ses gegenüber dem vom Vormieter bezahlten Mietzins in betragsmässiger Hinsicht eine Erhöhung um 100 CHF, entsprechend ca. 6,7%, was nicht als «erheblich» zu qualifizieren ist. Berücksichtigt man aber, dass der neue Miet­ zins auf dem Referenzzinssatz von 1,75% beruht (gegenüber 3,5% beim frü­ heren Mietverhältnis) und dass ein Anstieg des Referenzzinssatzes auf 3,5% eine Erhöhung des Mietzinses um 21% rechtfertigen könnte, beträgt die Diffe­ renz zwischen dem früher geltenden Mietzins und dem neuen Mietzins unter Berücksichtigung der massgebenden Kostenstände – rein rechnerisch und the­ oretisch – ca. 27,7%!

25

Das Bundesgericht hat die sich stellende Frage im Urteil BGE 136 III 82 beant­ wortet: Zu vergleichen ist gemäss dieser Entscheidung nur der Betrag des frü­ her für die gleiche Sache verlangten Mietzinses mit demjenigen, wie er mit dem neuen Mieter vereinbart worden ist (gleicher Auffassung Weber, BSK, N  5 zu Art.  270 OR; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N  17.2.3.3, mit Hinweisen in Fn.  47; HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz.  1.118, S.  53). Dies ist des­ halb zutreffend, weil die Begründung, mit der im früheren Mietverhältnis der massgebende Mietzins festgelegt worden ist, einzig die Möglichkeit weiterer Mietzinserhöhungen nach rein vertragsbezogenen Gesichtspunkten, nämlich vorab unter dem Aspekt des Grundsatzes von Treu und Glauben, beschränkt hatte (BGE 117 II 452, 118 II 124, vgl. N 30 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR). Damit war indessen keine Aussage darüber verbunden, inwieweit der effektiv bezahlte oder gar ein höherer Mietzins nach absoluter Methode missbräuch­ 894

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lich sein könnte. Der Vermieter hätte mit anderen Worten im vorerwähnten Beispiel einem allfälligen Reduktionsanspruch des Vormieters einen Einwand nach absoluter Methode entgegenhalten können (vgl. N 29 ff. zu Art. 270a OR; Urteil 4A_530/2012 vom 17. Dezember 2012, E. 2, in: MRA 1/14, S. 27 ff.; BGE 140 III 433, E. 3, in: MRA 1/15, S. 16 ff.; BGE 116 II 73, bestätigt durch BGE 121 III 163; BGE 122 III 257, E. 4 und ferner Urteil des Bundesgerichts 4C.285/2005 vom 18. Januar 2008, E. 2.3, in: MRA 1/06, S. 1 ff.). Im Ergebnis hätte der Vor­ mieter daher das theoretisch berechenbare Senkungspotenzial möglicherweise gar nicht in Anspruch nehmen können. Dass auch der Gesetzgeber nur auf den Vergleich zwischen den jeweils massge­ 26 benden Beträgen hat abstellen wollen, lässt sich aus Art. 256a Abs. 2 OR ablei­ ten: Der Mieter kann gemäss dieser Bestimmung lediglich verlangen, dass ihm der Betrag des Mietzinses des vorangegangenen Mietverhältnisses mitgeteilt wird. Demgegenüber verfügt der Mieter nicht über den Anspruch zu erfahren, auf welchen Berechnungsgrundlagen der frühere Mietzins beruht hat. Auch in den Kantonen, welche die Formularpflicht eingeführt haben, müssen nach Art.  19 Abs.  3 VMWG i.V.m. Art.  19 Abs.  1 Buchst.  a VMWG lediglich der bisherige Mietzins und die bisherige Belastung des Mieters für Nebenkosten genannt werden, nicht aber die Berechnungsgrundlagen des früheren Miet­ zinses. Die Klagevoraussetzung der «erheblichen» Erhöhung des Mietzinses gemäss 27 Art.  270 Abs.  1 Buchst.  b OR ist nach dem massgebenden Gesetzeswortlaut nur von Bedeutung, wenn der Vermieter «dieselbe Sache» neu vermietet. Nach Auffassung des Bundesgerichts handelt es sich auch dann noch um «dieselbe Sache», wenn der Vermieter vor der Neuvermietung umfangreiche Renova­ tionen vorgenommen hat, solange das umgestaltete Mietobjekt mit dem frü­ her vermieteten bezüglich der verfügbaren Fläche und Zimmerzahl noch ver­ gleichbar ist. Dies ist nach höchstrichterlicher Auffassung selbst dann noch der Fall, wenn eine 4-Zimmer-Wohnung für rund 180 000 CHF umgestaltet und dabei Grundrissveränderungen – bei insgesamt gleichbleibender Zimmerzahl und Wohnungsgrundfläche  – vorgenommen wurden (Urteil des Bundesge­ richts 4C.169/2002 vom 16. Oktober 2002, in: MRA 1/03, S. 1 ff., zu Recht kri­ tisiert von Andreas Maag, a.a.O., S. 7; ebenso Hulliger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 270 OR; Hediger, Rechtsprechung, N 17, S. 55 ff. und S. 62; zustimmend Weber, BSK, N 5 zu Art. 270 OR).

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4. 28

Wohn- und Geschäftsräume

Im Gegensatz zum vor dem 1.  Juli 1990 massgebenden Art.  17 BMM, der eine Anfechtung des Anfangsmietzinses nur für Wohnräume zuliess, kön­ nen gemäss Art.  270 OR auch Anfangsmietzinse für Geschäftsräume ange­ fochten werden. Die Möglichkeit der Kantone, ein Formular zur Begründung des Anfangsmietzinses einzuführen, beschränkt sich aber auf Wohnräume, da diese voraussetzt, dass im betroffenen Kanton oder in einzelnen Gebieten Wohnungsmangel herrscht (Art. 270 Abs. 2 OR).

5.

Mass der Herabsetzung des Anfangsmietzinses

5.1

Absolute Methode

29

Liegt eine der Voraussetzungen im Sinne von Art. 270 Abs. 1 Buchst. a oder b OR für die Anfechtung des Anfangsmietzinses vor, so bedeutet dies noch nicht, dass der Mietzins missbräuchlich ist (vgl. N 15, abweichend, aber dog­ matisch nicht haltbar nun BGE 139 III 13, in: MRA 2/13, S. 15 ff., vgl. dazu auch die begründete Kritik von Hans Bättig in HAP-Immobiliarmietrecht/Bät­ tig, Rz.  1.1.141, S.  62; richtig noch BGE 120 II 240). Dies ist von der ange­ rufenen Behörde vielmehr in einem zweiten Schritt gesondert zu beurteilen. Die entsprechende Beurteilung erfolgt, wie das Bundesgericht zutreffend ent­ schieden hat, nach Massgabe der sogenannten absoluten Methode (BGE 120 II 240 ff.; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 270 OR; Weber, BSK, N 8 zu Art. 270 OR). Zu Recht hat das Bundesgericht festgestellt, dass die Anwendung der relativen Methode als nicht objekt-, sondern vertragsbezogene Beschrän­ kung der Mietzinsgestaltungsmöglichkeit des Vermieters nur anwendbar ist im Rahmen eines laufenden Vertragsverhältnisses, weil sie sich auf das Ver­ trauen zwischen den Vertragsparteien stützt und dem Vermieter verbietet, eine widersprüchliche Haltung einzunehmen. Auf einen solchen Vertrauensschutz kann sich ein Mieter nur gegenüber der Person berufen, die dieses Vertrauen erweckt hat (Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 270 OR; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4C.68/1994 vom 31. August 1994, in: MRA 0/94, S. 3 ff.).

30

Mit Bezug auf die Frage, nach welchen Kriterien der Anfangsmietzins auf Missbräuchlichkeit zu überprüfen ist, sind zwei Fälle zu unterscheiden. In denjenigen Fällen, in denen die Kantone von der Möglichkeit, ein amtlich genehmigtes Formular auch im Zusammenhang mit der Festlegung des Anfangsmietzinses für Wohnungen einzuführen, keinen Gebrauch gemacht

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haben (Art. 270 Abs. 2 OR), kann der Vermieter sich noch im Anfechtungs­ verfahren entscheiden, nach welchen Kriterien er die behauptete Missbräuch­ lichkeit des Mietzinses beurteilt haben will. Er kann sich dabei sowohl auf die absoluten Erhöhungsgründe des angemessenen Ertrages (Art. 269 OR) oder der kostendeckenden Bruttorendite (Art. 269a Buchst. c OR) – soweit es sich um eine neuere Baute handelt (vgl. zum Begriff N 89 ff. zu Art. 269a Buchst. c OR)  – berufen oder aber auch auf die orts- oder quartierüblichen Verhält­ nisse (Art.  269a Buchst.  a OR). Der Vermieter kann aber auch nach relativer Methode Veränderungen gegenüber der letzten Mietzinsfestsetzung zur Begründung des Anfangsmietzinses ins Feld führen, so insbesondere seither eingetretene Kostenveränderungen oder allenfalls getätigte wertvermehrende Investitionen (Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 270 OR; BGE 121 III 364). In denjenigen Kantonen, welche die Formularpflicht im Sinne von Art. 270 31 Abs.  2 OR eingeführt haben, beschränkt sich die Überprüfung des Anfangs­ mietzinses auf diejenigen Kriterien, die der Vermieter auf der zwingend vor­ geschriebenen Begründung (Art. 19 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 Buchst. a VMWG) genannt hat. Ähnlich wie bei Mietzinserhöhungen in lau­ fenden Mietverhältnissen ist es dem Vermieter verwehrt, im Anfechtungsver­ fahren zusätzliche Erhöhungsgründe anzurufen (Hulliger/Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 270 OR). Dies folgt aus der von der Praxis zu Art. 269d OR entwickel­ ten strengen Behaftung des Vermieters an seine im amtlichen Formular (qualifizierte Schriftlichkeit) angegebenen Begründungen (N 48 ff. zu Art. 269d OR; vgl. auch BGE 118 II 132, E. 2b; 117 II 460, E. 2a). Beruft sich der Vermieter zur Rechtfertigung des von ihm neu verlangten Miet­ 32 zinses auf die orts- oder quartierüblichen Verhältnisse, und scheitert der grundsätzlich dem Mieter obliegende Beweis einer Missbräuchlichkeit, so ist nach Auffassung des Bundesgerichts aufgrund der von ihm als bestehend erach­ teten Hierarchie unter den absoluten Missbrauchskriterien zusätzlich zu über­ prüfen, ob der neu festgelegte Mietzins dem Vermieter nicht einen übersetzten Ertrag im Sinne von Art. 269 OR verschafft (vgl. zu dieser Hierarchie N 12 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR und die sich diesbezüglich widersprechenden BGE 124 III 310; Urteil des Bundesgerichts 4C.323/2001 vom 9. April 2002, in: MRA 4/02, S. 143 ff., mit überzeugender Kritik von Hans Bättig; ähnlich Urteil des Bundesgerichts 4C.236/2004 vom 12. November 2004, E. 3.2, in: MRA 4/05, S. 159; Zitat aus BGE 118 II 130, E. 3a, S. 134: «Auf der anderen Seite gilt aber ein Mietzins, der sich im üblichen Rahmen hält, selbst dann nicht als miss­ bräuchlich, wenn damit der zulässige Ertrag überstiegen wird»). Die bezüglich des Verhältnisses zwischen angemessenem Ertrag und Orts- und Quartierüb­

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lichkeit gegenüber dem Entscheid 118 II 130 ohne Erwähnung einer «Praxis­ änderung» vollzogene Kehrtwendung widerspricht dem Willen des Gesetzge­ bers, wie er sich der Botschaft des Bundesrats zur Mietrechtsrevision, die auf den 1. Juli 1990 in Kraft getreten ist, entnehmen lässt (Botsch. 1985, S. 1491, vgl. N 13 Vorbem. zu Art. 269–270e OR). Sie ist offenkundig dadurch zu erklä­ ren, dass das Bundesgericht erkannt hatte, welche Auswirkungen die zu hohen Anforderungen der Gerichte an die Beweisführung der orts- oder quartierüb­ lichen Verhältnisse zum Nachteil der im Verfahren betreffend Anfangsmiet­ zinsanfechtung beweisbelasteten Mieter zur Folge hatten. Das Konstrukt einer unter verschiedenen Missbrauchskriterien bestehenden «Hierarchie» sollte offenkundig den Zweck verfolgen, die vom «Aussterben» bedrohte Anfangs­ mietzinsanfechtung wieder zu beleben (gl.A. Müller, Anfechtung, S. 151; vgl. dazu N 17 Vorbem. zu Art. 269–270e OR). In konsequenter Weiterverfolgung dieser Tendenz hat das Bundesgericht neuerdings auch in Missachtung des kla­ ren, in der Botschaft dokumentierten Willens des Gesetzgebers mit dem Urteil BGE 139 III 13 die Beweislast für die Zulässigkeit des Anfangsmietzinses für die Mehrzahl der praxisrelevanten Anwendungsfälle, in denen der Mietzins gegenüber dem früheren Mietzins deutlich angehoben wurde, dem Vermieter auferlegt (vgl. dazu nachfolgend N 51 ff.).

5.2 33

Die Anwendung der absoluten Methode kann zur Folge haben, dass der als zulässig erachtete Mietzins unter demjenigen liegt, der vom früheren Mieter für das gleiche Mietobjekt bezahlt wurde (Urteil des Bundesgerichts 4C.281/2006 vom 17. November 2006, in: MRA 5/07, S. 158 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4A_276/2011, in: MRA 4/12, S. 195 ff.; Fetter, Loyer initial, N 502, S. 230; Weber, BSK, N  8 zu Art.  270 OR, mit dem unzutreffenden Hinweis, das Bundesge­ richt habe im erwähnten Entscheid erwogen, dass Klauseln, mit denen eine Unterschreitung des Anfangsmietzinses ausgeschlossen werde, nichtig seien; diese Frage stellte sich im beurteilten Fall, in dem es um die Anfechtung eines Anfangsmietzinses ging, überhaupt nicht, und das Bundesgericht äusserte sich dazu auch mit keinem Wort).

5.3 34

Art. 269 und 269a OR als Herabsetzungsgrenze

Vorbehalte bei Vertragsschluss

Wie im laufenden Mietverhältnis ist ein vom Vermieter bei Vertragsabschluss erklärter Vorbehalt im Sinne von Art.  18 VMWG nicht auf seine Berechti­ gung hin überprüfbar (Weber, BSK, N 9 zu Art. 270 OR, allerdings mit der fal­ 898

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schen Schlussfolgerung, ein solcher Vorbehalt sei später, wenn der Vermie­ ter die deklarierte Mietzinsreserve in Anspruch nehmen wolle, nur insofern beachtlich, als er sich am Mietzins des Vormieters orientiere. Weber über­ sieht, dass der Anfangsmietzins nach absoluter Methode festgelegt werden kann. Wenn der Vermieter dabei einen Vorbehalt unter dem Titel der ortsoder quartierüblichen Verhältnisse erklärt, so nimmt er dabei selbstverständ­ lich nicht Bezug auf den Mietzins des früheren Mieters, und dieser ist bei allfälliger Inanspruchnahme der Mietzinsreserve irrelevant). Unbeachtlich sind sogenannt «fiktive» Vorbehalte. Erklärt der Vermieter z.B., der Miet­ zins beruhe auf einem Referenzzinssatz von 1,75%, obwohl der zuletzt publi­ zierte Stand 2,00% beträgt (weil er erwartet, dass bei einer nächsten Publika­ tion eine entsprechende Senkung eintreten werde) und quantifiziert er diesen Vorbehalt rechnerisch korrekt mit 3,00%, so gilt als Grundlage der künftigen Mietzinsgestaltung trotzdem der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zuletzt publizierte Referenzzinssatz (Weber, BSK, N 9 zu Art. 270 OR; Rohrer, Hypo­ thekarzinsen, S.  173  ff.). Nimmt der Vermieter im weiteren Verlauf der Ver­ tragsbeziehung Erhöhungsreserven in Anspruch, die er bei Vertragsabschluss rechtsgültig vorbehalten hat, gilt nach der Praxis des Bundesgerichts sodann folgende Besonderheit: Wurde der Mietzins bei Vertragsschluss nach absoluter Methode festgelegt, also gegenüber dem mit dem Vormieter geltenden Miet­ zins nicht lediglich um die seit der letzten massgebenden Mietzinsfestsetzung eingetretenen Kostenveränderungen erhöht, so gilt trotz korrekt erklärtem gegenteiligem Vorbehalt nicht ausgeschöpfter Kostenreserven unwiderlegbar die Vermutung, der Vermieter habe bei der Neuvermietung alle ihm zuste­ henden Erhöhungsmöglichkeiten in Anspruch genommen. Das Bundesgericht begründet diese  – mindestens aufgrund des Gesetzeswortlautes nicht nach­ vollziehbare – Praxis damit, dass die gleichzeitige Geltendmachung absoluter tatsächlich in Anspruch genommener und relativer (zusätzlich vorbehaltener) Erhöhungsgründe unzulässig sei (Urteil des Bundesgerichts 4A_549/2016 vom 9. Februar 2017, E. 3.1; Urteil vom 7. August 1995, in: mp 4/95, S. 212 ff. sowie in: MRA 2/96, S. 64 ff.; Hulliger/Heinrich, CHK, N 6 zu Art. 270 OR). Diese Praxis überzeugt nicht und erweist sich auch als inkonsequent: Weder Gesetz noch Verordnung verbieten es, dass der Vermieter den Mietzins nach absolu­ ter Methode festlegt und dabei lediglich bestimmte, nicht unbedingt aktuelle Kostenstände berücksichtigt, beispielsweise diejenigen, die gegenüber allen anderen Mietparteien einer Liegenschaft nach der letzten massgebenden Miet­ zinsfestlegung als Basis für künftige Erhöhungen gelten. Er kann dies in der legitimen Absicht tun, künftige Veränderungen von Kostenständen gegenüber allen Mietparteien in gleicher Weise geltend zu machen. Eine Überprüfung

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der Missbräuchlichkeit des Anfangsmietzinses ist in dieser Situation sowohl im Rahmen der Überprüfung der Brutto- oder Nettorendite als auch bei der Beur­ teilung der Orts- und Quartierüblichkeit ohne Weiteres bis zu dem vom Ver­ mieter ausgeschöpften Kostenstand möglich.

6. Formularpflicht 6.1 Allgemeines 35

Art. 270 Abs. 2 OR sieht vor, dass die Kantone für ihr Gebiet oder für Teile davon die Verwendung des amtlichen Formulars im Sinne von Art. 269 OR vorschreiben können. Voraussetzung dafür ist ein «Wohnungsmangel». Aus dieser Voraussetzung lässt sich ableiten, dass die Formularpflicht einzig für den Abschluss von Mietverträgen betreffend Wohnungen, nicht aber für Geschäftsräume eingeführt werden kann (BGE 117 Ia 331; Urteil des Bun­ desgerichts 4C.43/2001 vom 20. Juni 2001, in: MRA 2/02, S. 74 ff.; Weber, BSK, N 10a zu Art. 270 OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 7 zu Art. 270 OR; MfdP/ Oeschger/Zahradnik, N  17.2.5.1). Gegenwärtig besteht eine Formularpflicht in den Kantonen Zürich, Zug, Nidwalden, Freiburg, Genf, Waadt und Neuenburg.

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Der Gesetzgeber überlässt es den Kantonen zu ermitteln, ob in ihrem Gebiet oder in Teilen davon ein Wohnungsmangel besteht. Weder im Gesetz noch in der Verordnung finden sich Anhaltspunkte über die Kriterien, die im Zusam­ menhang mit dieser Ermittlung beachtlich sind. Dies ist zu bedauern, besteht doch so die Gefahr einer uneinheitlichen Rechtsanwendung. Vor allem aber ist – da für die Formularpflicht in den meisten Kantonen eine entsprechende, dem obligatorischen Referendum unterliegende Gesetzesgrundlage geschaffen werden muss – der Begriff des Wohnungsmangels letztlich politischen Wertun­ gen zugänglich. Wenig aussagekräftig sind auch in diesem Zusammenhang die sogenannten Leerwohnungsziffern, solange nicht einheitlich definiert wird, nach welchen statistisch relevanten, seriös erhobenen Kriterien eine Wohnung als Leerwohnung betrachtet werden kann. Zu dieser Frage bestehen, soweit ersichtlich, keine einheitlichen und klar definierten Richtlinien (was bedeu­ tet, dass die teilweise in der Literatur geforderten «Grenzwerte» von zwischen 1% und 2% mit Zurückhaltung als massgebend betrachtet werden können, vgl. Weber, BSK, N  10 zu Art.  270 OR m.w.H.; Hulliger/Heinrich, CHK, N  7 zu Art. 270 OR; vgl. im Übrigen die Kritik an der Relevanz solcher Leerstands­ quoten N 16).

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Erfahrungen in denjenigen Kantonen, welche die Formularpflicht gestützt auf 37 Art.  270 Abs.  2 OR eingeführt haben, zeigen auf, dass in formeller Hinsicht viele ungelöste Probleme geschaffen worden sind, womit Sinn und Zweck die­ ser Formularpflicht ernstlich infrage zu stellen sind. Offensichtlich war sich der Gesetzgeber der Unterschiede mit Bezug auf die Formularpflicht in laufenden Mietverhältnissen (Art. 269d OR) gegenüber derjenigen beim Abschluss eines neuen Mietvertrags nicht bewusst (gleicher Auffassung Weber, BSK, N 11a zu Art. 270 OR). So wurden insbesondere die Konsequenzen bzw. Rechtsfolgen bei unterlassener Verwendung des Formulars oder bei fehlender oder unklarer Begründung bezüglich der Mietzinsdifferenz gegenüber dem früheren Mieter nicht bedacht.

6.2

Missachtung der Formularpflicht

Das Bundesgericht hatte sich in BGE 120 II 341 erstmals grundlegend mit der 38 Frage zu befassen, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn der Vermieter trotz Bestehens einer Formularpflicht (im konkreten Fall im Kanton Genf) ein Formular übergibt, das keine Begründung enthält und daher  – bei ana­ loger Anwendung von Art. 269d Abs. 2 Buchst. b OR – nichtig ist (vgl. dazu auch BGE 140 III 583, E. 3.2.1, in: mp 1/15, S. 47 ff.). Die Überlegungen des Bundesgerichts lassen sich analog auf denjenigen Fall übertragen, in dem das Formular überhaupt nicht verwendet wird und ebenso auf Fälle, in denen der Vermieter mit dem Formular namentlich bezüglich des früheren Mietzinses falsche Angaben macht (Urteil des Bundesgerichts 4A_132/2011 vom 1. Juni 2011, E. 2.2, in: MRA 2/12, S. 75 ff.; Urteil 4A_185/2008 vom 24. September 2008, E. 2.1; HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz.  1.132 und 1.133). Über­ spitzt formalistisch wäre es, Nichtigkeit anzunehmen, wenn das im Übrigen korrekt ausgefüllte Formular vom Vermieter oder seinem Vertreter nicht ori­ ginal unterzeichnet worden ist (a.M. MfdP/Oeschger/Zahradnik, N  17.2.5.3, die immerhin einräumen, es genüge, dass ein Begleitschreiben unterzeichnet worden sei. Da das Formular im Kontext mit einem in der Regel schriftlich abgeschlossenen und gegenseitig unterzeichneten Mietvertrag verwendet wird, genügt die Unterschrift des Vermieters auf dem Mietvertrag zweifellos diesem Erfordernis, wenn es darauf ankäme). Das Bundesgericht stellte zunächst fest, dass die sich aus der fehlenden Begrün- 39 dung auf dem Formular ergebende Nichtigkeit mit Bezug auf die Mietzinsfest­ legung nicht zur Annahme führen könne, die Parteien hätten sich über einen wesentlichen Vertragsbestandteil des Mietvertrags (Mietzinshöhe) überhaupt nicht geeinigt. Die Folge davon wäre ja, dass der Mieter die Mietsache ohne Beat Rohrer

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Vertragsgrundlage benützen würde mit der Konsequenz, dass ihm die Woh­ nung wieder entzogen werden müsste. Die Nichtigkeit wird somit ausschliess­ lich auf die Festsetzung des Mietzinses beschränkt (so auch BGE 124 III 62, E. 2a/2b, in: Pra 1998, Nr. 53; BGE 140 III 583, E. 3.2.1 und 3.2.2; Urteil des Bundesgerichts 4A_254/2016 vom 10. Juli 2017, E. 3.1.3; Urteil 4A_398/2015 vom 19. Mai 2016, E. 3; Urteil 4A_623/2013 vom 11. April 2014, E. 2.2.1, in: mp 3/14, S.  227  ff., m.w.H.; BGE 137 III 547, E.  2.3; HAP-Immobiliarmiet­ recht/Bättig, Rz. 1.131; Weber, BSK, N 12 zu Art. 270 OR). Damit aber stellt sich dem Richter die Aufgabe, den massgebenden Mietzins festzulegen. In die­ sem Zusammenhang verbietet es sich, einfach den mit dem Vormieter verein­ barten oder gegenüber diesem zuletzt festgelegten Mietzins als massgebend anzunehmen. Der Mietzins mit dem Vormieter könnte ja auch höher als der neu vereinbarte, vor allem aber bereits missbräuchlich im Sinne der einschlä­ gigen Gesetzesvorschriften gewesen sein, weshalb die Übernahme des entspre­ chenden Mietzinses gerade dem mit der Bestimmung von Art. 270 Abs. 2 OR verfolgten Schutzzweck zuwiderlaufen würde (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.281/2006 vom 17.  November 2006). Im Übrigen würde die unbesehene Übernahme des früher geltenden Mietzinses allenfalls wesentlichen Verän­ derungen der Leistungen des Vermieters, so z.B. bei allfälligen Erneuerungen der Mietsache oder aber auch einer allfälligen Reduktion des Leistungsumfan­ ges des Vermieters (Wegfall von Benützungsrechten; Differenzierung bezüg­ lich der Erhebung der Nebenkosten usw.), nicht Rechnung tragen. Schliesslich würde gegen die Übernahme des früher geltenden Mietzinses die Überlegung sprechen, dass die Missbräuchlichkeit des neu festgelegten Mietzinses ja nach absoluter Methode zu beurteilen ist. 40

Das Bundesgericht erkannte eine echte Gesetzeslücke. Als Lösung fand es, dass der Richter den Mietzins im Rahmen der Kriterien der Art. 269 ff. OR fest­ zulegen habe, wobei insbesondere auch zu berücksichtigen sei, dass dem Ver­ mieter aus dem ihm vorwerfbaren Formmangel kein Vorteil erwachsen dürfe (Urteil des Bundesgerichts 4A_623/2013 vom 11. April 2014, E. 2.2.1, in: mp 3/14, S. 227 ff. mit Hinweis auf BGE 137 III 547, E. 2.3; BGE 120 II 341, in: MRA 3/95, S. 146 ff.). Falsch ist die These, wonach bei einer (Teil-)Nichtigkeit der Anfangsmietzinsfestlegung, die eintritt, wenn der Vermieter das Formu­ lar zur Mitteilung des Anfangsmietzinses nicht oder nicht innerhalb von 30 Tagen nach Mietbeginn oder aber mit einem Formfehler (z.B. keine Begrün­ dung, keine oder falsche Nennung des früher bezahlten Mietzinses usw.) über­ gibt, der Mietzins in analoger Anwendung von Art. 269d OR auf den Betrag des vom früheren Mieter bezahlten Betrags herabgesetzt werden müsse (MfdP/ Oeschger/Zahradnik, N 17.2.5.4, m.w.H.). Das Bundesgericht hat eine solche 902

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mit einem pönalen Charakter motivierte, dem Grundsatz nach aber mit dem Gebot des Schutzes vor missbräuchlichen Mietzinsen nicht vereinbare Kon­ sequenz nur in dem Fall als möglich erachtet, in dem der Vermieter die Ver­ wendung des Formulars in missbräuchlicher Weise unterlassen hatte, um den Mieter daran zu hindern, sein Anfechtungsrecht auszuüben (Urteil des Bun­ desgerichts 4A_214/2007 vom 12. November 2007, in: MRA 5/07, S. 162 ff.; BGE 124 III 62, E. 2b; BGE 120 II 341, E. 6c). Grundsätzlich hat der Richter indessen den Mietzins in einem solchen Fall unter Würdigung aller Umstände und in korrekter Anwendung der zu den Art. 269 und 269a OR entwickelten Grundsätzen festzulegen, immerhin so, dass dem pflichtvergessenen Vermie­ ter aus seinem Fehler kein Vorteil erwachsen darf. Im Klartext bedeutet die Praxis des Bundesgerichts nichts anderes, als dass 41 die unterlassene Verwendung des nach kantonalem Recht vorgeschriebenen Formulars bei Neuvermietung von Wohnungen überhaupt keine nachteiligen Konsequenzen nach sich zieht. Denn die Überprüfung des Mietzinses auf eine allfällige Missbräuchlichkeit erfolgt bei Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 270 Abs. 1 Buchst. a oder b OR auch in denjenigen Fällen, in denen keine Formularpflicht vorgeschrieben ist, nach den gleichen Kriterien der Art. 269 ff. OR (Urteil des Bundesgerichts 4A_623/2013 vom 11. April 2014, E. 2.2.2, in: mp 3/14, S. 227 ff., wo das Bundesgericht klarstellt, dass zunächst eine Berechnung der Nettorendite und für den Fall, dass Erwerb oder Erstel­ lung der Liegenschaft Jahrzehnte zurückliegen, eine Überprüfung des Miet­ zinses nach der Orts- oder Quartierüblichkeit vorzunehmen sei; HAP-Immo­ biliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.135). Falsch ist die in diesem Zusammenhang von Weber vertretene These, die Überprüfung des Mietzinses habe sich nicht auf die Missbrauchskontrolle zu beschränken, sondern sich an einem angemesse­ nen Mietzins zu orientieren (Weber, BSK, N 12 zu Art. 270 OR; das Entspre­ chende wäre verfassungswidrig, da sich gemäss Art. 109 Abs. 1 BV Eingriffe in die Vertragsfreiheit nur rechtfertigen, um missbräuchliche Mietzinsen zu ver­ hindern. Weber übergeht mit seiner Auffassung, die er auf das Urteil des Bun­ desgerichts 4A_623/2013 vom 11. April 2014, in: mp 3/14, S. 227 ff., abstützen will insbesondere, dass im erwähnten Entscheid nur deshalb auf eine veraltete Statistik Bezug genommen wurde, weil keine der beiden am Verfahren beteilig­ ten Parteien Beweismittel für die Orts- oder Quartierüblichkeit offeriert hatte, sodass eine Überprüfung des Mietzinses nach diesem Kriterium nicht mög­ lich war. Selbst diese veraltete Statistik führte im Übrigen zur Abweisung der von den Mietern erhobenen Berufung, weil ihre Mietzinse deutlich unter den da­raus ableitbaren Beträgen lagen).

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Die Einführung der Formularpflicht stellt insgesamt also weder den Vermie­ ter schlechter noch den Mieter besser als in den Kantonen, in denen die For­ mularpflicht nicht besteht. Sie schafft höchstens Unsicherheiten mit Bezug auf den massgebenden Mietzins, die erst in einem unter Umständen langwieri­ gen und für beide Vertragsparteien mit Risiken (auch Kostenfolgen!) verbun­ denen Verfahren geklärt werden müssen. Die Einführung der Formularpflicht ist daher eine unnötige und aus der Sicht des Missbrauchsschutzes entbehrli­ che Formalität. Ihre vollständige und ersatzlose Abschaffung drängt sich daher de lege ferenda auf.

43

Wird dem Mieter das vom Kanton vorgeschriebene amtliche Formular nicht mit Abschluss des Vertrags oder bei Übergabe der Mietsache übergeben, son­ dern erst zu einem späteren Zeitpunkt, aber noch innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Übernahme der Sache, so beginnt die Anfechtungsfrist im Sinne von Art.  270 Abs.  1 OR nach der Praxis des Bundesgerichts nicht innert 30 Tagen nach Übernahme der Sache, sondern erst innert 30 Tagen nach Über­ gabe des Formulars zu laufen (Urteil des Bundesgerichts 4A_254/2016 vom 10. Juli 2017, E. 3.1.2; Urteil 4A_132/2011 vom 1. Juni 2011, E. 2.2.1, in: MRA 2/12, S. 75 ff.; BGE 121 III 56, E. 2c). Wird das Formular nach Ablauf dieser Frist übergeben, gilt die Mietzinsgestaltung auch dann als nichtig, wenn der Mieter sie nach Erhalt des Formulars nicht anficht (Urteil des Bundesgerichts 4A_254/2016 vom 10.  Juli 2017, E.  3.1.2; Urteil 4A_398/2015 vom 19.  Mai 2016, E.  3.2; BGE 140 III 583, E.  3.1; BGE 121 III 56, E.  2c). Das bedeutet, dass der Mieter die Nichtigkeit noch zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt gelten machen und die seit Mietbeginn gegenüber dem als nicht missbräuch­ lich erkannten Mietzins bezahlten Beträge nach den Regeln über die unge­ rechtfertigte Bereicherung zurückfordern kann (Urteil des Bundesgerichts 4A_254/2016 vom 10. Juli 2017, E. 3.1.2; Urteil 4A_398/2015 vom 19. Mai 2016, E. 3.3; BGE 140 III 583, E. 3.2.3; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.2.5.4). Für eine derartige Rechtsschöpfung bietet nun allerdings der klare Gesetzeswort­ laut von Art.  270 Abs.  1 OR keinerlei Anhaltspunkte. Offen bleibt insbeson­ dere, weshalb die entsprechende Verzögerung mit Bezug auf den Beginn des Fristenlaufes im Sinne von Art. 270 Abs. 1 OR nur insoweit gelten soll, als das entsprechende Formular noch innert 30 Tagen nach Übergabe der Mietsache ausgehändigt wird, danach aber nicht mehr. Im bereits angeführten Urteil des Bundesgerichts (4A_132/2011 vom 1. Juni 2011, E. 2.2.1 und 2.2.2, in: MRA 2/12, S.  75  ff.) wurde jedenfalls noch offengelassen, ob der Anfangsmietzins dann, wenn dem Mieter das Formular nach Ablauf von 30 Tagen seit der Über­ gabe der Sache zugeht, nicht ebenfalls innert 30 Tagen angefochten werden müsste, ohne dass danach die Verwirkungsfolge eintritt. Es ist nicht einzuse­ 904

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hen, weshalb dies nicht richtig sein soll, da der Mieter auch bei verspätetem Zugang des Formulars, das ihm innert 30 Tagen eine Anfechtungsmöglichkeit eröffnet, nicht schlechtergestellt ist, als er es wäre, wenn er das Formular recht­ zeitig, also spätestens 30 Tage nach Übergabe der Sache, erhalten hätte. Erweist sich in Kantonen, welche die Formularpflicht eingeführt haben, die 44 Festlegung des Anfangsmietzinses als teilnichtig, weil der Vermieter ent­ weder das Formular zur Mitteilung des Anfangsmietzinses überhaupt nicht oder aber mit formellen Mängeln (fehlende Begründung, unwahre Angaben usw.) übergeben hat, so kann sich der Mieter jederzeit, selbst nach Beendi­ gung des Mietverhältnisses, aber nur innerhalb der Verwirkungsfrist einer Rückforderung wegen ungerechtfertigter Bereicherung, auf diesen Formfeh­ ler berufen, die richterliche Festlegung des zulässigen Anfangsmietzinses ver­ langen und allenfalls zu viel Geleistetes nach den Regeln über die ungerecht­ fertigte Bereicherung zurückfordern (Urteil des Bundesgerichts 4A_254/2016 vom 10. Juli 2017, E. 3.2.3; BGE 140 III 583). Das Bundesgericht hält – wie im erstgenannten Urteil  – ausdrücklich fest, der Formmangel werde durch vor­ behaltlos erfolgende Zahlungen des Mietzinses nicht geheilt, und der Vermie­ ter könne sich auch nicht darauf berufen, dass der Mieter die Formularpflicht gekannt habe, weil in grundlegender Weise Gesetzeskenntnis vorauszusetzen sei. Dieser Grundsatz gelte im Mietrecht, so das Bundesgericht, gerade nicht, vielmehr vermute der Gesetzgeber, dass der Mieter seine Rechte nicht kenne (a.a.O., E. 3.2.2, mit Hinweis auf BGE 113 II 187, E. 1a; Urteil des Bundesge­ richts 4A_637/2016 vom 3. März 2017, E. 3; Weber, BSK, N 11b zu Art. 270 OR; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.2.5.4, m.w.H.). Unterlässt der Vermieter die Verwendung des amtlichen Formulars bei 45 Abschluss eines Mietvertrags und ficht der Mieter den Anfangsmietzins nicht an, so stellt sich die Frage, ob der latent bestehende Formmangel zu einem spä­ teren Zeitpunkt definitiv geheilt werden kann. Nach hier vertretener Auffassung ist dies spätestens mit der ersten formgültig angezeigten Mietzinserhöhung der Fall, weil der Mieter dabei ja auf das mit der Mietzinsanpassung verbundene Anfechtungsrecht hingewiesen wird. Unterlässt er eine Anfechtung, so kann er später nur noch Veränderungen gegenüber dieser formgültig angezeigten Mietzinsfestsetzung geltend machen. Das Bundesgericht folgt allerdings dieser Auffassung nicht: Im Urteil 4A_2016 vom 10. Juli 2017 (MRA 4/17, S. 183 ff.) hatte es zu beurteilen, ob der Formmangel – konkret die unterlassene Verwen­ dung des Formulars zur Mitteilung des Anfangsmietzinses – dadurch geheilt worden sei, dass sich die Parteien im Verlaufe das Mietverhältnisses im Rah­ men eines Schlichtungsverfahrens über einen Herabsetzungsanspruch der

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Mieterschaft wegen der rückläufigen Entwicklung des Referenzzinssatzes geei­ nigt hatten. Es erwog, dass bei der entsprechenden – einvernehmlichen – Miet­ zinsfestlegung die Frage der Angemessenheit des Anfangsmietzinses nicht Ver­ fahrensgegenstand gebildet habe, weshalb der Einwand der res iudicata einer nachträglichen Überprüfung des Anfangsmietzinses nicht entgegengehalten werden könne. Die nachträglich geltend gemachte Senkung des Anfangsmiet­ zinses und die Klage auf Rückforderung von seit Mietbeginn zu viel bezahlten Mietzinsen durch die Mieter verstosse auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, nachdem nicht bewiesen worden sei, dass diese – wiewohl im Rahmen des erwähnten Schlichtungsverfahrens durch die örtliche Mieter­ organisation fachkundig vertreten – den Formmangel gekannt hätten. Diese Betrachtungsweise ist nach hier vertretener Auffassung zu formalistisch: Sie verkennt, dass die Parteien sich in einem Verfahren, dessen Ziel darin besteht, den Mieter vor missbräuchlichen Mietzinsen zu schützen, über einen Mietzins geeinigt hatten, der von der fachkundigen Begleitung der Mieterschaft offen­ sichtlich als nicht missbräuchlich betrachtet worden war. Zweifellos bot dieses Verfahren Anlass, alle relevanten Fragen der Mietzinsgestaltung im Lichte der einschlägigen Missbrauchskriterien zu überprüfen. Im Ergebnis steht dieser Entscheid in diametralem Widerspruch zum Urteil 4A_530 vom 17. Dezember 2012, in dem das Bundesgericht die Auffassung der Vorinstanz schützte, die befunden hatte, mit Abschluss eines Vergleichs betreffend eine Mietzinserhö­ hung nach umfassender Sanierung hätten sich die Parteien über alle in diesem Zusammenhang möglichen Gründe für einen Mietzinsaufschlag (inklusive der künftigen Kostensteigerungen für ausserordentlichen Unterhalt!) abschlies­ send geeinigt, obwohl solches dem Wortlaut des Vergleiches in keiner Weise entnommen werden konnte (Urteil 4A_530 vom 17. Dezember 2012, E. 4.2). 46

Wie verhält es sich, wenn der Vermieter im Rahmen eines Verfahrens, in dem der Anfangsmietzins angefochten wird, seine ursprüngliche Festlegung des Anfangsmietzinses in einer Weise reduziert, die bewirkt, dass die Veränderung gegenüber dem früher massgebenden Mietzins weniger als 10% beträgt? Nach hier vertretener Auffassung entfällt bei dieser Sachlage nachträglich die Voraus­ setzung für die Anfechtung des Anfangsmietzinses. Da ein Anfechtungsrecht nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann bestehen kann, wenn der Vermie­ ter eine erhebliche Erhöhung des Mietzinses gegenüber demjenigen des Vor­ mieters durchsetzen will, entfällt das Rechtsschutzinteresse in dem Moment, in dem der Vermieter den Mietzins verbindlich in einer Weise festlegt, die nicht als erhebliche Erhöhung gegenüber dem Mietzins des Vormieters zu qualifizie­ ren ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine der Voraussetzungen von Art. 270 Abs. 1 Buchst. a OR die Anfechtung des Anfangsmietzinses gerechtfertigt hätte. 906

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Falls eine der entsprechenden Voraussetzungen vorliegt, ist im Übrigen der Mieter selbst nach dem Fehlurteil BGE 139 III 13 für die Missbräuchlichkeit des Anfangsmietzinses beweispflichtig (vgl. nachfolgend N 51 ff.).

7. Verfahren 7.1 Anfechtungsfrist Nach Art. 270 Abs. 1 OR hat der Mieter innert 30 Tagen seit Übernahme der 47 Mietsache den Anfangsmietzins bei der zuständigen Schlichtungsbehörde anzufechten. Es handelt sich bei dieser Frist um eine Verwirkungsfrist. Ver­ streicht sie unbenützt, so kann der Anfangsmietzins nicht mehr angefochten werden, was der Richter von Amtes wegen zu berücksichtigen hat (Urteil des Bundesgerichts 4A_132/2011 vom 1. Juni 2011, E. 2.2, in: MRA 2/12, S. 75 ff.; BGE 131 III 566, E. 3.2, S. 570). Als Übernahme der Sache gilt der Zeitpunkt, in welchem dem Mieter die Verfügung über die Mietsache tatsächlich verschafft wird. Als Indiz gilt die Übergabe der Schlüssel, die Aufnahme eines Übergabe­ protokolls o.ä. Dieser Zeitpunkt gilt unabhängig davon, ob der Mietvertrag vor oder nach Übergabe bzw. Antritt der Mietsache abgeschlossen wird und unab­ hängig vom Zeitpunkt, in dem die Parteien den Beginn der Zahlungspflicht des Mieters festlegen. Wird in einem befristeten Mietverhältnis ein neuer Vertrag abgeschlossen, der 48 dem Mieter den weiteren Verbleib im Mietobjekt über den ursprünglich ver­ einbarten Beendigungszeitpunkt hinaus ermöglicht, so beginnt die Frist zur Anfechtung des neu vereinbarten Mietzinses am Tag nach Unterzeichnung des neuen Mietvertrages zu laufen. Der Mieter benützt das Mietobjekt ja bereits, weshalb es als «übergeben» zu betrachten ist.

7.2

Verfahren vor Schlichtungsbehörde

Ruft der Mieter die Schlichtungsbehörde an, so kann diese nach durchgeführ­ 49 ter Verhandlung entweder der klagenden Partei, also dem Mieter, eine Klagebewilligung ausstellen, oder sie kann den Parteien einen Urteilsvorschlag unterbreiten (Art. 209 und 210 Abs. 1 Buchst. b ZPO). Im ersten Fall läuft dem Mieter, wenn er an seinem Herabsetzungsanspruch festhalten will, die Frist von 30 Tagen zur Anrufung des zuständigen Gerichts (Art. 209 Abs. 4 ZPO). Die Frist beginnt – entsprechend dem Verfahren bei Mietzinserhöhungen – am Tag nach Zugang der Klagebewilligung zu laufen. Wird ein Urteilsvorschlag

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innert der Frist von 20 Tagen (Art. 211 Abs. 1 ZPO) – die im Unterschied zur Klagefrist von Art. 209 Abs. 4 ZPO durch Gerichtsferien nicht unterbrochen wird – abgelehnt, so erhält die ablehnende Partei (unter Umständen also beide Parteien, wenn jede von ihnen den Urteilsvorschlag ablehnt) die Klagebewilli­ gung, worauf innert 30 Tagen das zuständige Gericht angerufen werden kann. 50

Während der gesamten Dauer des Anfechtungsverfahrens hat der Mieter den vertraglich vereinbarten (angefochtenen) Anfangsmietzins zu bezahlen (Art. 270e OR; unverständlich in diesem Zusammenhang ist der Hinweis bei MfdP/Oeschger/Zahradnik, N  17.2.5.4, der Mieter befinde sich bis zur rich­ terlichen Festlegung des Anfangsmietzinses nicht im Verzug. Bezahlt der Mie­ ter vor der definitiven Festlegung des Anfangsmietzinses im Anfechtungsver­ fahren weniger als den vereinbarten Anfangsmietzins, so berechtigt dies den Vermieter zu einem Vorgehen nach Art. 257d OR; richtig die genannten Auto­ ren in N 17.2.4.3). Soweit im Laufe des Anfechtungsverfahrens dem gestellten Begehren ganz oder teilweise entsprochen wird, entsteht dem Mieter ein Rückforderungsanspruch für zu viel bezahlte Mietzinse gegenüber dem Vermieter.

7.3 Beweislast 51

Der Mieter ist sowohl für das Vorhandensein der Klagevoraussetzungen gemäss Art.  270 Abs.  1 Buchst.  a oder b OR als auch dafür beweispflichtig, dass der verlangte Anfangsmietzins im Sinne der Kriterien von Art. 269 ff. OR missbräuchlich ist (dem Grundsatz nach Weber, BSK, N 13a zu Art. 270 OR; Higi, ZK, N 79 zu Art. 270 OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 270 OR; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.2.3.4, für die formellen Voraussetzungen der Anfechtung; für die Missbräuchlichkeit des Mietzinses N 17.2.4.6; Botsch. 1985, S. 1491; MRA 3/95, S. 163; MRA 1/97, S. 1 ff.). Dies gilt zunächst einmal unein­ geschränkt für den Fall, in dem sich der Vermieter auf die orts- oder quartier­ üblichen Verhältnisse beruft. Beruft er sich auf die Erzielung eines angemessenen Ertrages oder ist dieser nach gescheiterter Beweisführung des Mieters bezüglich der Orts- oder Quartierüblichkeit in Anlehnung an die fragwürdige Praxis des Bundesgerichts zusätzlich zu überprüfen (vgl. N 10 ff. Vorbem. zu Art. 269–273c OR; BGE 124 III 310, in: MRA 5/98, S. 147 ff.), so ändert dies an der Verteilung der Beweislast nichts (BGE 142 III 568, E. 2.1; Urteil des Bun­ desgerichts 4A_17/2017 vom 7. September 2017, E. 2.2.1; Urteil 4A_461/2015 vom 15. Februar 2016, E. 3.2). Der Vermieter ist aber verpflichtet, die sachdienlichen Belege vorzuweisen, die zur Beurteilung der Ertragssituation erforder­ lich sind. Das ergebe sich, so das Bundesgericht, aus dem allgemeinen Grund­ satz von Treu und Glauben, der die nicht beweisbelastete Partei verpflichte, 908

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an der Beweiserhebung mitzuwirken, wenn sie allein von der Sachlage genau­ ere Kenntnis habe und über die einschlägigen Beweismittel verfüge (Urteil des Bundesgerichts 4A_17/2017 vom 7.  September 2017, E.  2.2.1; Art.160 ZPO; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.2.4.6). Eine Verletzung dieser Pflicht könne das Gericht veranlassen, im Rahmen der Beweiswürdigung den Behauptungen des Mieters zu folgen. Das gelte jedenfalls so lange, als der Vermieter die unter­ lassene Mitwirkung an der Beweiserhebung nicht zu rechtfertigen vermöge. Einen Rechtfertigungsgrund erkannte das Bundesgericht darin, dass der Ver­ mieter mit einer Totalunternehmerin einen Werkvertrag abgeschlossen hatte, gemäss dem gleichzeitig Sanierungen und eine Aufstockung mit neu geschaf­ fenen Wohnungen auszuführen waren. Im Verfahren betreffend die Anfech­ tung des Anfangsmietzinses, der für eine der neu geschaffenen Wohnungen vereinbart worden war, konnte der Vermieter mangels entsprechender Infor­ mationen keine Aufteilung des pauschal vereinbarten Werkpreises auf die Kos­ ten der Sanierung vorhandener Mieteinheiten und diejenigen der Aufstockung vornehmen, was ihm nicht vorgeworfen werden konnte (Urteil des Bundesge­ richts 4A_17/2017 vom 7. September 2017, E. 2.1.1 und 2.2.2). Aus der höchst­ richterlichen Rechtsprechung folgt, dass die Mitwirkungspflicht an der Beweis­ erhebung ausschliesslich dann zum Tragen kommt, wenn der Anfangsmietzins nach dem Kriterium des angemessenen Ertrages (Art. 269 OR) oder der kostendeckenden Bruttorendite (Art. 269c OR) zu überprüfen ist. Beim Nachweis der Orts- oder Quartierüblichkeit ist demgegenüber ausschliesslich der Mieter, der die Behörden anruft, für die Richtigkeit seiner Überzeugung behauptungs- und beweispflichtig. Dem Vermieter steht höchstens die Mög­ lichkeit des Gegenbeweises durch Nennung anderer Vergleichsobjekte offen (vgl. aber nachfolgend N 52 zur bezüglich der Beweislastverteilung differenzie­ renden neueren Praxis des Bundesgerichts). Bei sogenannten Altbauten (zum Begriff vgl. N 18 Vorbem. zu Art. 269–270e OR) ist dem beweispflichtigen Mie­ ter die Berufung auf einen übersetzten Ertrag verwehrt, weil bezüglich sol­ cher Bauten allenfalls vorhandene Angaben über Anlagekosten, frühere Inves­ titionen usw. nicht den aktuellen realistischen Wertverhältnissen entsprechen (vgl. dazu N 18 Vorbem. zu Art. 269– 270e OR; BGE 140 III 433, E. 3.1.1, in: MRA 1/15, S. 16 ff.; Urteile des Bundesgerichts 4A_295/2016 vom 29. Novem­ ber 2016, E. 5.1.1; 4A_276/2011 vom 11. Oktober 2011, E. 5.2.1/5.2.3, in: MRA 4/12, S.  195  ff.; 4A_669/2010 vom 28.  April 2011, E.  4.1; 4C.285/2005 vom 18. Januar 2006, in: MRA 1/06, S. 1 ff.; 4C.236/2004 vom 11. November 2004, in: MRA 4/05, S. 159 ff.; 4C.173/2003 vom 13. Januar 2004, E. 3.3; 4C.323/2001 vom 9. April 2002, in: MRA 4/2002, S. 143; BGE 122 III 257). Soweit es auf die Ertragssituation ankommen kann, hat der Mieter, der die Angaben des Ver­

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mieters bestreitet, deren Unrichtigkeit zu beweisen. Ebenso ist der Mieter für eine allenfalls erhobene Behauptung beweispflichtig, die Berechnung des Ver­ mieters beruhe auf einem offensichtlich übersetzten Anlagewert oder Kauf­ preis nach Art. 10 VMWG (MRA 3/95, S. 163, m.w.H.). 52

Das Bundesgericht hat im Urteil 139 III 13, in: MRA 2/13, S. 15 ff., bestätigt im Urteil 4A_295/2016 vom 29.  November 2016 entgegen dem sich in der Botschaft unmissverständlich manifestierenden klaren Willen des Gesetz­ gebers, die Beweislast dafür, dass der Anfangsmietzins nicht missbräuchlich ist, faktisch für alle realistisch denkbaren konkreten Anwendungsfälle, dem Vermieter übertragen (vgl. dazu den Kommentar von Beat Rohrer, in: MRA 2/13, S. 24 ff., mit dem sich Weber, BSK, N 13 zu Art. 270 OR und Koller Tho­ mas, ZBJV 150/2014, S.  938  ff., befasst haben). Dabei setzt sich das Bundes­ gericht dem Verdacht aus, es habe den gesetzgeberischen Willen primär des­ halb ausser Acht gelassen, weil es dem beweisbelasteten Mieter nicht zumuten wollte, den wegen übertrieben hoher Anforderungen kaum möglichen Beweis der Orts- oder Quartierüblichkeit erbringen zu müssen. Dabei nahm das Bun­ desgericht in Kauf, fundamentale Prinzipien, die es in jahrzehntelanger Praxis zum System des Missbrauchsrechts entwickelt hatte, über Bord zu werfen und sich in unlösbare Widersprüche zur eigenen Rechtsprechung zu begeben (vgl. dazu auch HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.141, S. 62). Es vermischte nämlich die Entwicklung von Kostenelementen mit dem sich am Markt ori­ entierenden Kriterium der Orts- oder Quartierüblichkeit, obwohl es im glei­ chen Urteil dem Vermieter, der sich in einer zweiten Formularmitteilung offen­ sichtlich subsidiär zur (mindestens teilweisen) Begründung der Festlegung des Anfangsmietzinses auch auf die getätigten Investitionen von rund 51 000 CHF berufen wollte, vorwarf, er könne nicht gleichzeitig Markt- und Kosten­ elenente geltend machen, weshalb die entsprechende Formularanzeige nich­ tig sei (a.a.O., E. 3.1.2). Das Bundesgericht machte nun aber genau das, was es als schwerwiegenden Formfehler mit Nichtigkeitsfolge bezeichnet hatte: Es schloss unter Bezugnahme auf Kostenentwicklungen auf eine Missbräuch­ lichkeit des Anfangsmietzinses, obwohl sich der Vermieter auf das Marktkriterium der Orts- oder Quartierüblichkeit berufen hatte.

53

Die zweite Inkonsequenz des erwähnten Urteils besteht darin, dass das Bundes­ gericht faktisch auf die sogenannte relative Methode zurückgriff, indem es aus der Differenz des vom früheren Mieter bezahlten Mietzinses gegenüber dem vereinbarten Anfangsmietzins eine Vermutung der Missbräuchlichkeit ablei­ tete. Lehre und Rechtsprechung sind sich darin einig, dass die Festlegung des Anfangsmietzinses grundsätzlich – vorbehältlich einer ausdrücklich anderwei­

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tigen Begründung durch den Vermieter – nach absoluter Methode erfolgt (vgl. dazu N 29 ff.). Dies schliesst es aus, aus der Differenz zwischen dem verein­ barten und dem vom früheren Mieter für das Mietobjekt bezahlten Mietzins irgendwelche Schlussfolgerungen zu ziehen, welche die Missbräuchlichkeit des neuen Mietzinses indizieren könnten. Das Bundesgericht äusserte sich nicht klar zur Frage, ab welcher prozentualen 54 Differenz zwischen dem früher für die gleiche Sache bezahlten Mietzins und dem aktuell vereinbarten Anfangsmietzins die Umkehr der Beweislast eintre­ ten soll. Sicher kann das nicht bereits dann gelten, wenn der Anfangsmietzins um mehr als 10% höher angesetzt wird als der früher bezahlte Mietzins, nach­ dem dies gemäss Art. 270 Abs. 1 Buchst. b OR erst eine der Voraussetzungen für die Anfechtung darstellt. Aus dem höchstrichterlichen Präjudiz lässt sich diesbezüglich nicht mehr oder anderes ableiten, als dass eine solche – dem Wil­ len des Gesetzgebers zuwiderlaufende  – Beweislastumkehr bei Mietzinsauf­ schlägen in der Grössenordnung von 30 bis 40% oder mehr in Betracht gezo­ gen werden kann. Soweit man aus dem erwähnten Präjudiz ableiten wollte, die Umkehr der Beweislast trete schon dann ein, wenn der Mietzins gegenüber dem früher massgebenden Mietzins um mehr als 10% angehoben werde (so aber MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.2.4.6), ergäbe sich die geradezu absurde Situation, dass der Vermieter immer – und nicht nur im Ausnahmefall – den Beweis für die Zulässigkeit des Anfangsmietzinses zu erbringen hätte. Abgese­ hen vom Ausnahmefall der persönlichen oder familiären Notlage oder einer im Einzelfall zu konkretisierenden besonderen Wohnungsknappheit fehlt es ja bei einer Erhöhung des Anfangsmietzinses gegenüber dem vom Vormieter bezahlten Mietzins um weniger als 10% überhaupt an der Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieses Rechtes. Richtig kann daher nur sein, dass der Mieter bis zu einem Aufschlag von 20 bis 25% gegenüber dem früher bezahlten Mietzins für die Missbräuchlichkeit des Anfangsmietzinses beweispflichtig ist.

7.4

Unterlassung der Anfechtung

Unterlässt der Mieter die Anfechtung des Anfangsmietzinses, so bedeutet dies 55 nach dem auch zulasten des Mieters massgebenden Vertrauensprinzip, dass die unumstössliche Vermutung besteht, der Anfangsmietzins sei nicht missbräuchlich. Im Verlaufe der Mietzeit kann der Mieter daher den nicht ange­ fochtenen Anfangsmietzins weder im Rahmen eines Mietzinserhöhungs- noch eines Mietzinsherabsetzungsverfahrens direkt oder indirekt auf seine Miss­ bräuchlichkeit hin überprüfen lassen. Soweit der Mieter sich zu einem späte­ ren Zeitpunkt nach sogenannter absoluter Methode im Zusammenhang mit Beat Rohrer

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Art. 270

einer Mietzinserhöhung darauf beruft, der Vermieter erziele einen übersetzten Ertrag, was nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zulässig ist, soweit es sich bei der Mietliegenschaft nicht um eine sogenannte Altbaute handelt (vgl. N 12 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR), kann dies höchstens zur Aufhe­ bung der entsprechenden Mietzinserhöhung, nicht aber zur Unterschreitung des nicht angefochtenen Anfangsmietzinses führen.

8.

Auswirkungen auf den Vertragsinhalt

56

In der Regel bildet für die Vertragsparteien die Summe aller Leistungen im Ver­ hältnis zur Summe aller Gegenleistungen eine wesentliche Grundlage für den Entscheid, einen Mietvertrag abzuschliessen. Die Höhe des Mietzinses bildet dabei nur einen Teil der gegenseitig ausgetauschten Leistungen: Sie steht bei­ spielsweise in sehr engem Zusammenhang mit finanziellen Leistungspflichten des Vermieters (z.B. der Verpflichtung, ohne Folgen für die Mietzinsgestaltung noch Erneuerungen oder Änderungen an der Sache vorzunehmen), aber auch zu den Regelungen betreffend eine allfällige Mindestdauer des Mietverhältnis­ ses unter Gewährung allfälliger Verlängerungsoptionen und mit der Art und Weise, wie während einer vertraglich festgelegten Mindestdauer der Mietzins angepasst werden kann (z.B. Überwälzung der Teuerung gemäss Entwicklung des Landesindexes der Konsumentenpreise des BfS zu 100% oder zu einem anderen Prozentsatz). Wird nun durch richterlichen Entscheid der Mietver­ trag mit Bezug auf die Mietzinsfestlegung geändert, so stellt sich ernsthaft die Frage, ob es dem Vermieter zugemutet werden kann, an weitere, nicht direkt die finanziellen Leistungspflichten des Mieters beschlagende Vertragsklauseln gebunden zu sein.

57

Es ist von der Vermutung auszugehen, dass der Vermieter dann, wenn er von Anfang an gewusst hätte, dass der Mietzins durch richterlichen Eingriff redu­ ziert würde, nicht bereit gewesen wäre, zusätzliche, Kosten verursachende Leis­ tungen zu erbringen (Erneuerungen oder Änderungen) und auch nicht, den Mietvertrag mit Bezug auf die Mindestdauer, mit Bezug auf allenfalls gewährte Optionen oder mit Bezug auf die Möglichkeiten der Mietzinsgestaltung in der konkret gewählten Form abzuschliessen. In einem konkreten Einzelfall könnte sich unter Würdigung aller gegenseitig vereinbarter Leistungspakete innerhalb eines Mietverhältnisses durchaus die Frage stellen, ob sich der Vermieter im Falle einer wesentlichen Reduktion des vereinbarten Mietzinses nicht auf einen Grundlagenirrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR berufen könnte. Je nach Art und Umfang der betragsmässig nicht einfach zu bewertenden Ver­

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Art. 270

pflichtungen, die der Vermieter im Hinblick auf die erwartete Gegenleistung einzugehen bereit war, erscheint es problematisch, ihm zuzumuten, dass er diese auch dann erfüllen muss, wenn die – das adäquate Gegenstück bilden­ den – Gegenleistungen durch richterlichen Eingriff massiv reduziert werden (a.M. Weber, BSK, N 8a, zu Unrecht unter Berufung auf die nicht vergleich­ bare, weil auf anderer gesetzlicher Grundlage beruhende Situation bei Über­ vorteilung, Art. 21 OR). Damit vermieden werden kann, dass zufolge einer entsprechenden Erklärung 58 des Vermieters der Vertrag unverbindlich bzw. vorzeitig aufgelöst und das Anfechtungsverfahren für den Mieter damit kontraproduktiv wird, ist zu for­ dern, dass im Rahmen eines Verfahrens betreffend Anfechtung des Anfangs­ mietzinses auch begründeten Anträgen des Vermieters auf Anpassung des wei­ teren Vertragsinhaltes stattgegeben wird.

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Art. 270a 2.

Während der Mietdauer

1 Der

Mieter kann den Mietzins als missbräuchlich anfechten und die He­ rabsetzung auf den nächstmöglichen Kündigungstermin verlangen, wenn er Grund zur Annahme hat, dass der Vermieter wegen einer wesentlichen Änderung der Berechnungsgrundlagen, vor allem wegen einer Kostensenkung, einen nach den Artikeln 269 und 269a übersetzten Ertrag aus der Mietsache erzielt. 2 Der

Mieter muss das Herabsetzungsbegehren schriftlich beim Vermieter stellen; dieser muss innert 30 Tagen Stellung nehmen. Entspricht der Vermieter dem Begehren nicht oder nur teilweise oder antwortet er nicht fristgemäss, so kann der Mieter innert 30 Tagen die Schlichtungsbehörde anrufen.

3 Absatz 2 ist nicht anwendbar, wenn der Mieter gleichzeitig mit der Anfech-

tung einer Mietzinserhöhung ein Herabsetzungsbegehren stellt.

2.

En cours de bail

1 Le

locataire peut contester le montant du loyer et en demander la diminution pour le prochain terme de résiliation, s’il a une raison d’admettre que la chose louée procure au bailleur un rendement excessif au sens des articles 269 et 269a, à cause d’une notable modification des bases de calcul, résultant en particulier d’une baisse des frais.

2 Le locataire doit adresser par écrit sa demande de diminution au bailleur, qui a un délai

de 30 jours pour se déterminer. Si le bailleur ne donne pas suite à la demande, qu’il ne l’ac­ cepte que partiellement ou qu’il ne répond pas dans le délai prescrit, le locataire peut sai­ sir l’autorité de conciliation dans un délai de 30 jours. 3 Le

2e alinéa n’est pas applicable lorsque le locataire qui conteste une augmentation de loyer en demande simultanément la diminution.

2.

Durante la locazione

1 Il

conduttore può contestare la liceità della pigione e domandarne la riduzione per la prossima scadenza di disdetta ove abbia motivo di credere che il locatore ottenga dalla cosa locata un reddito sproporzionato a’sensi degli articoli 269 e 269a a causa di una modificazione essenziale delle basi di calcolo, segnatamente a causa di una diminuzione dei costi.

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Art. 270a 2 Il

conduttore deve presentare per scritto la richiesta di riduzione al locatore, che deve pronunciarsi entro 30 giorni. Se il locatore non accondiscende, in tutto o in parte, alla richiesta, oppure non risponde entro il termine, il conduttore può adire entro 30 giorni l’autorità di conciliazione. 3 Il

capoverso 2 non è applicabile se il conduttore chiede la riduzione simultaneamente alla contestazione della liceità di un aumento.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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2. 2.1 2.2 2.3

Voraussetzung Mietzinsherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Herabsetzungsbegehren des Mieters .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Wesentliche Änderung der Berechnungsgrundlagen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Mass der Herabsetzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

917 917 917 920

3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 «Vorverfahren» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.3 Verfahren vor Schlichtungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.4 Keine Bindung des Vermieters an seine Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.5 Mietzinsherabsetzung ohne Vorverfahren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.6 Formularmitteilung unveränderter Mietzins bei veränderten Berechnungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

925 925 927 928 929 931

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Art. 270a

1. Vorbemerkungen 1

Art. 270a OR entspricht materiell dem vor dem 1. Juli 1990 geltenden Art. 19 BMM. Neu gegenüber dem früheren Recht ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht, dass der Mieter zuerst vom Vermieter eine Herabsetzung des Mietzinses verlangen muss, sofern er die Senkung nicht gleichzeitig mit der Anfechtung einer Mietzinserhöhung geltend macht (Abs. 3). Erst wenn der Vermieter die anbegehrte Mietzinsreduktion nicht oder nicht im geltend gemachten Umfang gewährt, kann der Mieter die Schlichtungsbehörde anrufen.

2

Art.  270a OR enthält grundsätzlich zwingendes Recht. Zulässig und ver­ bindlich ist aber die Vereinbarung, dass der Anfangsmietzins für eine näher umschriebene Mindestvertragsdauer nicht unterschritten werden kann, z.B. in Verträgen, in denen während einer näher bestimmten Zeitspanne beidseits auf Mietzinsanpassungen verzichtet wird oder in mindestens einseitig den Ver­ mieter für mindestens fünf Jahre bindenden Verträgen, in denen der Miet­ zins einer Index- oder Staffelungsklausel folgt (N 16 und N 23 zu Art. 269b OR; vgl. BGE 125 III 358; 108 II 135; Higi, ZK, N 48 zu Art. 269b OR und N 42 zu Art. 270a OR; Blumer, loyer initial, Rz. 522, S. 161; HAP-Immobiliarmiet­ recht/Nordmann/Schmelzer, Rz. 18.7, S. 684 und HAP-Immobiliarmietrecht/ Koumbarakis, Rz. 17.32 ff., S. 653 f.; a.M. Weber, BSK, N 3 zu Art. 269b OR und N 1a zu Art. 270a OR). Zutreffend ist der Hinweis von Weber, dass die Aus­ nahme vom zwingenden Charakter der Bestimmung, die es zulässt, das Absin­ ken unter den Anfangsmietzins auszuschliessen, bei Mietverträgen mit einer Indexklausel insofern gerechtfertigt erscheint, als der Mieter im Gegenzug in den Genuss einer Mindestvertragsdauer gelangt. Der Kommentator beruft sich dabei auf das Urteil BGE 125 III 358 (widersprüchlich dazu und unzutreffend aber derselbe, N 4 zu Art. 269b OR, mit Hinweis auf den gleichen Entscheid. Weber übersieht, dass das Bundesgericht im erwähnten Urteil die Anwendung der erwähnten vertraglichen Regelung erst für die Zeit nach Ablauf der Min­ destvertragsdauer, während welcher eine Indexklausel anzuwenden war, aus­ geschlossen hat). Der Auffassung von Weber folgen auch die Autoren Oesch­ ger/Zahradnik, die sich zur Begründung auf das Urteil des Bundesgerichts 4C.281/20 016 vom 17. November 2007 berufen (MfdP/Oeschger/Zahradnik, N  17.5.3.1.1). Die hier interessierende Frage stellte sich im Sachverhalt, den das Bundesgericht im soeben erwähnten Entscheid zu beurteilen hatte, aller­ dings nicht. Vielmehr war zu entscheiden, ob der nach absoluter Methode auf Missbräuchlichkeit zu prüfende Anfangsmietzins gegebenenfalls unter den Mietzins des früheren Mieters gesenkt werden könne, was das Bundes­ gericht bejahte (vgl. MRA 5/07, S. 158 ff.). Eine entsprechende Vereinbarung 916

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Art. 270a

steht zufolge des zwingenden Charakters von Art. 270 OR allerdings unter dem Vorbehalt, dass eine Anfechtung des Anfangsmietzinses unterbleibt. Ist dies der Fall, so ist diese Vereinbarung aber für die Parteien jedenfalls für die verein­ barte Mindestvertragsdauer verbindlich.

2.

Voraussetzung Mietzinsherabsetzung

2.1

Herabsetzungsbegehren des Mieters

Abgesehen vom Sonderfall, in dem der Mieter auf eine mit amtlichem Formu- 3 lar durch den Vermieter erklärte Mietzinsanpassung reagiert (vgl. N 33 ff. zur Ausnahmebestimmung von Art. 270a Abs. 3 OR), setzt die Herabsetzung des Mietzinses durch den Mieter voraus, dass er sich zunächst schriftlich an den Vermieter wendet. Das Begehren des Mieters muss dabei klar zum Ausdruck bringen, gestützt auf welche Veränderung einer Berechnungsgrundlage eine Mietzinsreduktion verlangt wird. Nicht erforderlich ist, dass der Mieter dabei das Ausmass der von ihm anbegehrten Herabsetzung im Einzelnen bereits beziffert (vgl. zum sogenannten Vorverfahren N 24 ff.).

2.2

Wesentliche Änderung der Berechnungsgrundlagen

2.2.1 Allgemein Der Anspruch des Mieters auf Reduktion des Mietzinses setzt voraus, dass sich 4 mindestens eine für die Bestimmung des Mietzinses massgebende Berechnungsgrundlage wesentlich verändert hat. Nicht jede noch so geringfügige Änderung allfälliger Berechnungsgrundlagen rechtfertigt daher eine Miet­ zinsreduktion. Als selbstverständlich wird allerdings in der Literatur und Rechtsprechung konsequent angenommen, jede Veränderung des Referenzzinssatzes um 0,25%  – was im Bereich des Referenzzinssatzes unter 5% zu einem Reduktionsanspruch von 2,91% führt, bei Veränderungen eines ent­ sprechenden Satzes über 6% von 1,96%  – sei wesentlich (BGE 141 III 569, E. 2.1.1, in: MRA 2/16, S. 61 ff.; Higi, ZK, N 59 zu Art. 270a OR; MfdP/Oesch­ ger/Zahradnik, N  17.5.2.2, mit dem unzutreffenden Hinweis, dass jede Ver­ änderung «wesentlich» sei, die im umgekehrten Fall eine Mietzinserhöhung gerechtfertigt hätte. Die Autoren übersehen, dass nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes – anders als beim Fall der Mietzinsreduktion gemäss Art. 270a OR – die Möglichkeit des Vermieters, den Mietzins zu erhöhen, keine wesentli­ che Veränderung der Berechnungsgrundlagen voraussetzt, vgl. Art. 269d OR).

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917

Art. 270a

Erscheint somit zumindest fraglich, ob beispielsweise der Anspruch auf eine Mietzinsreduktion um lediglich 1,96% einer «wesentlichen» Veränderung der Berechnungsgrundlage entspricht, lässt sich jedenfalls sagen, dass Änderungen der Berechnungsgrundlagen, die sich mit 1,0% oder weniger auf den Mietzins auswirken, nicht als «wesentlich» qualifiziert werden können. Kann der Ver­ mieter also einem Reduktionsanspruch, der unter Hinweis auf eine Verände­ rung des Referenzzinssatzes geltend gemacht wird, Erhöhungsgründe verrech­ nungsweise entgegenstellen, die bewirken, dass der Nettosenkungsanspruch unter den Wert von 1,0% fällt, ist keine Mietzinsreduktion zu gewähren (Higi, ZK, N 59 zu Art. 270a OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 270a OR; a.M. MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.5.2.2). 5

Mit dem Begriff der «Berechnungsgrundlagen», präzisiert durch die Wen­ dung «vor allem wegen einer Kostensenkung», wird zum Ausdruck gebracht, dass nur veränderte Kostenfaktoren, nicht aber eine allfällige Veränderung der orts- oder quartierüblichen Verhältnisse – als Marktkriterium – zu einer Mietzinsreduktion unter Berufung auf Art. 270a Abs. 1 OR führen können. Der Wortlaut des Gesetzes ist klar und nicht interpretationsbedürftig. Trotzdem wird in der Lehre und teilweise in der Rechtsprechung die Auffassung vertre­ ten, der Mieter könne auch eine Veränderung der orts- und quartierüblichen Verhältnisse zum Anlass für ein Mietzinsreduktionsbegehren nehmen (Weber, BSK, N 1b zu Art. 270a OR; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.5.2.1; Urteile des Bundesgerichts 4C.291/2001 vom 9. Juli 2002, E. 2b/ff, in: MRA 5/02, S. 176 ff.; 4C.34/2007 vom 15. Mai 2007, in: mp 3/07, S. 165 ff., wo präzisiert wird, dass ein Herabsetzungsbegehren unter Berufung auf einen absoluten Missbrauchs­ tatbestand nur in Ausnahmefällen und unter besonderen Umständen mög­ lich sei, so, wenn seit der letzten Mietzinsfestsetzung nach absoluter Methode ein längerer Zeitraum verstrichen sei. Im konkreten Fall, in dem der Mietzins letztmals 9 Jahre zuvor im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens durch einen Vergleich festgelegt wurde, war diese Voraussetzung nach Auffassung des Bun­ desgerichts nicht erfüllt; vgl. ferner Higi, ZK, N 47 und 50 f. zu Art. 270a OR; Entscheid des Mietgerichts Zürich vom 4. Mai 1995, in: MRA 5/95, S. 186 ff.). Die Frage ist angesichts der Tatsache, dass der Mieter ein Herabsetzungsbe­ gehren wegen veränderter orts- oder quartierüblicher Verhältnisse nur gel­ tend machen kann, wenn der Mietzins während einem statistisch relevanten Zeitraum, d.h. während mehrerer Jahre, nicht angepasst wurde (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.291/2001 vom 9.  Juli 2002, in: MRA 5/02, S.  176  ff.) und angesichts der übertrieben hohen Anforderungen, welche die Gerichts­ praxis an den Nachweis der orts- oder quartierüblichen Verhältnisse zulasten des beweisbelasteten Mieters stellt, allerdings weitgehend akademischer Natur 918

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Art. 270a

(HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.104 bei Fn. 175; vgl. hierzu N 5 und 20 ff. zu Art. 269a OR).

2.2.2

Senkung Referenzzinssatz

Hauptanwendungsfall von Art. 270a Abs. 1 OR bildet eine Reduktion des Refe- 6 renzzinssatzes, der vierteljährlich vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsde­ partement publiziert wird (Art.  12a VMWG). Nachdem der erwähnte Zins­ satz nur dann eine Änderung erfährt, wenn diese seit der letzten Festlegung den Wert von 0,25% erreicht, gilt nach herrschender Lehre und Rechtspre­ chung jede entsprechend publizierte Veränderung als wesentlich und ermög­ licht den Mietern, Senkungsbegehren zu stellen (MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.5.2.2; Weber, BSK, N 1b zu Art. 270a OR; Higi, ZK N 59 zu Art. 270a OR). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts besteht der Anspruch auf Miet­ 7 zinsreduktion unabhängig vom effektiven Fremdfinanzierungsgrad und unabhängig davon, ob der Vermieter angesichts seiner konkreten Finanzie­ rungsverhältnisse von einer Reduktion der Verzinsung seines Fremdkapitals profitiert (Weber, BSK, N 1b zu Art. 270a OR; BGE 101 II 338, E. 2d; 103 II 263, E. 5). Die entsprechenden individuellen Verhältnisse sind dann allerdings im Zusammenhang mit dem möglicherweise vom Vermieter erhobenen Ein­ wand, er erziele mit dem aktuellen Mietzins keinen übersetzten Ertrag, bedeut­ sam (vgl. N 17). Das Bundesgericht erachtete eine Klausel, mit welcher die Par­ teien vereinbarten, der Mietzins könne im Verlauf des Mietverhältnisses nicht an Veränderungen des damals als massgebend erachteten Leitzinssatzes ange­ passt werden, weil die Liegenschaft vollständig eigenfinanziert worden war, als ungültig, obwohl sie keinesfalls gegen zwingendes Recht verstiess (BGE 133 II 61). Art. 13 Abs. 1 VMWG regelt, welche Auswirkungen Veränderungen des Refe­ 8 renzzinssatzes auf die Mietzinsgestaltung im Quantitativ haben können. Die Mietzinsreduktion bei Senkungen dieses Referenzzinssatzes soll diesen Ansät­ zen «entsprechen», was – wegen dem höheren Mietzinsbetrag als Ausgangsba­ sis – leicht tiefere Prozentsätze für die Berechnung des Senkungsanspruches zur Folge hat. Betreffend die Ansätze vgl. die Tabelle N 43 zu Art. 269a OR.

2.2.3

Indexierte und gestaffelte Mietzinse

Haben die Parteien die Anwendung einer Art. 269b OR entsprechenden Index­ 9 klausel vereinbart, so richtet sich der Anspruch auf eine allfällige Verände­ rung des Mietzinses ausschliesslich nach den Veränderungen des vereinbarten

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Art. 270a

(und gesetzlich zwingend vorgeschriebenen) Landesindexes der Konsumentenpreise, monatlich publiziert durch das Bundesamt für Statistik (BfS). Eine umfassende Überprüfung des Mietzinses auf Missbräuchlichkeit bei veränder­ ten Kostenfaktoren, insbesondere eine Mietzinsreduktion zufolge rückläufiger Entwicklung der Referenzzinssätze, ist dabei frühestens auf den Ablauf der ver­ traglich vereinbarten Mindestdauer bzw. auf den nächsten Kündigungstermin möglich (N 19 zu Art. 269b OR; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.5.3.1.2). Zur Frage, inwieweit gültig vereinbart werden kann, dass während der den Vermie­ ter mindestens einseitig bindenden Mindestvertragsdauer ein Absinken des Mietzinses unter den Anfangsmietzins gültig ausgeschlossen werden kann, vgl. N 2 vorstehend und N 23 zu Art. 269b OR. 10

Bei nach Massgabe von Art. 269c OR gestaffelten Mietzinsen ist eine Mietzins­ reduktion – unter Vorbehalt der Anfechtung des Anfangsmietzinses – gestützt auf Art. 270d OR vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Mindestdauer bzw. vor dem erstmöglichen Kündigungstermin ausdrücklich ausgeschlossen.

2.2.4 Nebenkosten 11

12

Sind die Nebenkosten im Mietzins inbegriffen oder werden sie pauschal erho­ ben, so kann der Mieter auch unter Berufung auf eine erhebliche Verbilligung von Nebenkosten eine Mietzinsreduktion geltend machen, wenn sich dies  – bezogen auf die Gesamtbelastung des Mieters – im Sinne der Praxis «wesent­ lich» auswirkt (Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 270a OR; Higi, ZK, N 60 zu Art.  270a OR; Raissig/Schwander, Missbräuche, S.  155; MfdP/Oeschger/ Zahradnik, N 17.5.2.1; zum Begriff der «Wesentlichkeit» N 4 ff.). Erfolgt die Abgeltung der Nebenkosten gestützt auf die Abrechnung der effektiven Kosten (mit Akontozahlungen, Art. 5 ff. VMWG), so erübrigt sich ein Vorgehen nach Art. 270a OR, da der Mieter im Rahmen der effektiven Abrechnung von redu­ zierten Nebenkosten profitiert.

2.3

Mass der Herabsetzung

2.3.1

Änderungen seit der letzten Mietzinsfestlegung

Nach der konstanten Rechtsprechung des Bundesgerichts kann eine Mietzins­ reduktion nur für diejenigen Veränderungen der Berechnungsgrundlagen ver­ langt werden, die seit der letzten Mietzinsfestsetzung eingetreten sind. Insofern gilt für den Mieter ausschliesslich die relative Methode (Urteil des Bundesge­ richts 4C.34/2007 vom 15. Mai 2007, in: mp 3/07, S. 165 ff.; BGE 126 III 124, in: MRA 4/00, S. 335 ff.; BGE 124 III 67, E. 3, in: MRA 2/98, S. 47 ff.; BGE 121 III 920

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Art. 270a

163; zum früher geltenden Recht bereits u.a. BGE 111 II 203, E. 2a; BGE 108 II 138, E. 2a; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.5.3; Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 270a OR; Weber, BSK, N 2 zu Art. 270a OR; HAP-Immobiliarmietrecht/ Bättig, Rz. 1.105 ff.). Als letzte massgebende Mietzinsfestsetzung gilt der von den Parteien verein­ 13 barte Anfangsmietzins oder die letzte unangefochten gebliebene Mietzinser­ höhung des Vermieters, welche eine betragsmässige Erhöhung des Mietzin­ ses zur Folge hatte. Ebenso bildet Ausgangspunkt für die Beurteilung eines Senkungsbegehrens allenfalls der im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens durch Vergleich einvernehmlich oder durch rechtskräftigen Entscheid festge­ legte Mietzins (Urteil des Bundesgerichts 4C.34/2007 vom 15. Mai 2007, in: mp 3/07, S. 165 ff.). Eine Änderung des Mietvertrages, die sich auf den Betrag des zu entrichtenden Mietzinses nicht auswirkt, diesen also unverändert belässt, stellt demgegenüber keine Mietzinsfestsetzung im Sinne einer Ausgangsbasis für künftige Mietzinsanpassungen dar, und zwar auch dann nicht, wenn sie auf amtlichem Formular mitgeteilt wird und wenn darin andere Berechnungsfak­ toren für die künftige Mietzinsgestaltung als massgebend bezeichnet werden (MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.5.3, m.w.H. auf BGE 126 III 124, E. 2a, in: MRA 4/00, S. 335 ff.; BGE 124 III 67, E. 3, in: MRA 2/98, S. 47 ff.; kritisch: Roh­ rer, Hypothekarzinsen, S. 173 ff.; Polivka, Mietzinsherabsetzung, S. 338 ff., der auf die inkonsequente Praxis des Bundesgerichts hinweist, die für die einseitige Vertragsänderung betreffend separate Erhebung von Nebenkosten auch dann eine Formularanzeige verlangt, wenn sich die Gesamtbelastung des Mieters nicht verändert. Daraus ergibt sich nach Auffassung des Kommentators, dass die Mehrbelastung des Mieters gerade nicht unabdingbare Voraussetzung für das Formularerfordernis darstellt; vgl. hierzu auch Urteil des Bundesgerichts vom 23. August 1999, in: MRA 3/00, S. 301 ff.). Nach der Praxis gilt als Grundlage für die künftige Mietzinsgestaltung in den 14 auf eine Mindestdauer abgeschlossenen Verträgen mit indexiertem oder gestaf­ feltem Mietzins der Mietzins, der im Zeitpunkt, in welchem erstmals hätte gekündigt werden können, massgebend war (N 35 ff. zu Art. 269b OR; N 19 ff. zu Art. 269c OR; bzgl. Indexverträge: Urteile des Bundesgerichts 4A_489/2001 und 4A_531/2010 vom 6. Januar 2011, in: MRA 3/11, S. 87 ff.; 4C.236/2004 vom 12. November 2004, in: MRA 4/05, S. 159 ff.; BGE 123 III 76, in: MRA 4/97, S. 147 ff.; BGE 121 III 393; MRA 2/96, S. 56 ff.; für Mietverträge mit ver­ einbarter Staffelung: Urteil des Bundesgerichts vom 3. Mai 1999, in: MRA 2/00, S. 253 ff.; BGE 121 III 393, in: MRA 2/96, S. 56 ff.). Grundlage für die Berech­ nung einer künftigen Mietzinsanpassung nach den Entwicklungen der soge­

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nannten relativen Kostenfaktoren dürften in konsequenter Handhabung die­ ser von der Praxis entwickelten Grundsätze demnach diejenigen Kostenstände sein, die bestanden, als die Parteien zu entscheiden hatten, ob sie eine Anpas­ sung des Mietzinses (Erhöhung oder Herabsetzung) auf den erstmöglichen Kündigungszeitpunkt geltend machen wollten, d.h. diejenigen Stände, die vor Beginn der Kündigungsfrist zuzüglich 10 Tage (Art. 269d OR) vor dem erst­ möglichen Auflösungszeitpunkt massgebend waren. Zu dieser Frage und zur Frage, auf welchen Zeitpunkt ein Senkungsanspruch geltend gemacht werden kann, vgl. N 20 ff. 15

Scheinbar regelt Art.  13 Abs.  4 VMWG für den Fall, dass eine Mietzinser­ höhung mit einer Veränderung des Referenzzinssatzes begründet wird, eine Durchbrechung der relativen Methode. Dies ist nach der Praxis des Bundes­ gerichts allerdings nur bedingt richtig; in folgenden Fällen kann eine frühere Mietzinsfestlegung nicht mehr infrage gestellt werden: –– Wenn eine frühere Mietzinsanpassung durch Gerichtsurteil oder Vergleich festgelegt wurde, sofern dabei Veränderungen des Referenzzinssatzes (frü­ her Hypothekarzinsveränderungen nach Massgabe des Leitzinssatzes) berücksichtigt worden sind (vgl. dazu nun aber das dieser Praxis wider­ sprechende Urteil des Bundesgerichts 4A_254/2016 vom 10. Juli 2017: Der im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens abgeschlossene Vergleich der Parteien schloss eine nachträglich verlangte gerichtliche Überprüfung des Jahre zuvor vereinbarten Anfangsmietzinses nicht aus, nachdem sich später herausgestellt hatte, dass die Verwendung des im betroffenen Kanton obli­ gatorischen Formulars zur Mitteilung des Anfangsmietzinses unterlassen worden war, MRA 4/17, S. 183 ff. mit Kommentar von Beat Rohrer; dazu auch Thomas Koller in: Jusletter vom 20.11.2017); –– wenn der Mietzins zwischenzeitlich nach absoluter Methode angepasst wurde (z.B. nach einer Handänderung); –– wenn zwischenzeitlich eine Mietzinsanpassung zufolge Veränderungen des Referenzzinssatzes vom Mieter akzeptiert wurde (BGE 119 II 348, E.  4b, bestätigt im BGE 124 III 67, in: MRA 2/98, S. 47 ff.).

2.3.2 16

Einwendungen nach relativer Methode

Der Vermieter kann gegenüber dem Mietzinsreduktionsanspruch des Mieters den Einwand erheben, es hätten sich seit der letzten massgebenden Mietzins­ festsetzung mit Bezug auf andere Faktoren Kostensteigerungen ergeben oder er habe Mehrleistungen erbracht bzw. eine umfassende Überholung vorgenom­

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Art. 270a

men (Art. 13 Abs. 1 letzter Satz VMWG). Weitergehende Einwendungen sind nach der sogenannten relativen Methode zulässig, sofern der Vermieter bei der letzten Mietzinsfestsetzung einen Art. 18 VMWG entsprechenden Vorbehalt erklärt hat (vgl. dazu auch N 31 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR).

2.3.3

Einwand des nicht übersetzten Ertrags

Nach dem Wortlaut von Art.  270a Abs.  1 OR besteht der Mietzinsherabset­ 17 zungsanspruch des Mieters bei einer wesentlichen Änderung der Berechnungs­ grundlagen nur, wenn er Grund zur Annahme hat, der Vermieter erziele einen übersetzten Ertrag aus der Mietsache. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der Vermieter dem Reduktionsanspruch grundsätzlich nach absolu­ ter Methode den Einwand entgegenstellen kann, er erziele auch dann keinen übersetzten Ertrag im Sinne von Art. 269 OR, wenn der Mietzins nicht redu­ ziert werde. Das Bundesgericht hat folgerichtig in konstanter Rechtsprechung entschieden, einem Herabsetzungsbegehren gestützt auf Art. 270a OR könne der Vermieter stets den Einwand des nicht übersetzten Ertrages entgegenhal­ ten (BGE 116 II 73 zum vor dem 1. Juli 1990 geltenden Recht des BMM; BGE 121 III 163, in: MRA 4/95, S. 177 ff.; bestätigt u.a. im Urteil des Bundesgerichts 4C.285/2005 vom 18. Januar 2006, in: MRA 1/06, S. 1 ff.; Urteil 4A_530/2012 vom 17. Dezember 2012, E. 2, in: MRA 1/14, S. 27 ff.; BGE 140 III 433, E. 3, in: MRA 1/15, S. 16 ff.; HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.108). Es begrün­ dete diese Praxis damit, dass der andernfalls vorgegebene Senkungsautoma­ tismus Sinn und Zweck der Missbrauchsgesetzgebung widersprechen würde. Es dürfe nicht der Fall eintreten, dass auch ein an sich nicht missbräuchlicher Mietzins, der dem Vermieter nicht einen übersetzten Ertrag verschaffe, redu­ ziert werden müsse. Es erkannte ferner, dass der bei Mietzinserhöhungen im Zusammenhang mit der Anwendung der sogenannten relativen Methode ver­ wirklichte Vertrauensgrundsatz auf den Fall der Mietzinsreduktion nicht über­ tragen werden könne: Ihrem Wesen nach schütze nämlich die Vorbehaltsob­ liegenheit gemäss Art. 18 VMWG vor bestimmten Vertragsänderungen, nicht aber vor einer inhaltlich unveränderten Weitergeltung des Vertrages. Dem Vertrauensgrundsatz sei demnach lediglich eine Abwehrfunktion beizumes­ sen. Dem Vermieter, der nach einer Kostensenkung den Mietzins nicht senke, könne nicht vorgeworfen werden, sich eine stille Mietzinserhöhung vorbehal­ ten zu haben (vgl. zu dieser Frage auch Dürr, Mietzinsherabsetzung, S. 265 ff.; Weber, BSK, N 18 zu Art. 269 OR, der – im Gegensatz zum Bundesgericht – übersieht, dass mit der ohne Erklärung eines Vorbehalts erfolgten Mietzinsan­ passung keine Aussage über den konkret erzielten Ertrag bzw. den unter diesem Aspekt maximal zulässigen Mietzins oder mit Bezug auf die orts- oder quartie­ Beat Rohrer

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Art. 270a

rüblichen Verhältnisse verbunden ist. Folge einer unterlassenen Vorbehaltser­ klärung ist einzig, dass dem Vermieter danach in Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben verwehrt ist, nicht ausgeschöpfte, möglicherweise aber durchaus bestehende Mietzinsreserven in Anspruch zu nehmen). Die prakti­ sche Bedeutung der theoretisch bestehenden Möglichkeit, einem Senkungs­ begehren den Einwand eines nicht übersetzten Ertrages entgegenzustellen, ist wegen der restriktiven und umstrittenen Berechnungsmethode, wie sie das Bundesgericht für richtig erachtet, allerdings gering (vgl. dazu Näheres unter N 5 ff. zu Art. 269 OR).

2.3.4 18

Einwand Orts- oder Quartierüblichkeit und nicht kostendeckende Bruttorendite

Das Bundesgericht gesteht dem Vermieter unter Hinweis auf den Wortlaut von Art. 270a Abs. 1 OR zu Recht auch die Möglichkeit zu, einem Herabset­ zungsbegehren des Mieters andere absolute Mietzinsanpassungskriterien ent­ gegenzuhalten, nämlich die Orts- oder Quartierüblichkeit gemäss Art. 269a Buchst.  a OR (BGE 122 III 257, bestätigt u.a. im Urteil des Bundesgerichts 4C.285/2005 vom 18. Januar 2006, in: MRA 1/06, S. 1 ff.; Urteil 4A_530/2012 vom 17. Dezember 2012, E. 2, in: MRA 1/14, S. 27 ff.; BGE 140 III 433, E. 3, in: MRA 1/15, S. 16 ff.) und die nicht kostendeckende Bruttorendite gemäss Art. 269a Buchst. c OR (Urteil des Bundesgerichts vom 17. Februar 1997, in: MRA 1/98, S. 1 ff., ebenfalls bestätigt im Urteil des Bundesgerichts 4C.285/2005 vom 18.  Januar 2006, in: MRA 1/06, S.  1  ff. und in den weiteren zum Ein­ wand der Orts- oder Quartierüblichkeit angeführten Urteilen). Die Einrede, wonach der aktuelle Mietzins aufgrund der orts- oder quartierüblichen Ver­ hältnisse oder in Anbetracht der nicht kostendeckenden Bruttorendite trotz Senkung des Referenzzinssatzes nicht reduziert werde, steht dem Vermieter – wie auch der Einwand des nicht übersetzten Ertrages – nach der sogenannten absoluten Methode zu, d.h. auch dann, wenn bei früheren Mietzinserhöhun­ gen keine Vorbehalte zugunsten nicht ausgeschöpfter Mietzinsreserven erklärt worden sind (Urteil 4A_530/2012 vom 17. Dezember 2012, E. 2, in: MRA 1/14, S. 27 ff.; BGE 140 III 433, E. 3, in: MRA 1/15, S. 16 ff.; BGE 116 II 73 zum vor dem 1.  Juli 1990 geltenden Recht des BMM; BGE 121 III 163, in: MRA 4/95, S. 177 ff.; bestätigt u.a. im Urteil des Bundesgerichts 4C.285/2005 vom 18. Januar 2006, in: MRA 1/06, S. 1 ff.). Beruft sich der Vermieter auf die Ortsoder Quartierüblichkeit, so verbietet es sich angesichts der vom Gesetzgeber gewollten Gleichrangigkeit dieses Kriteriums gegenüber den absoluten Kos­ tenkriterien, eine Überprüfung des Ertrages vorzunehmen, selbst wenn es sich bei der Mietliegenschaft nicht um eine Altbaute im Sinne der bundesgericht­ 924

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Art. 270a

lichen Begriffsdefinition handelt (so auch im Ergebnis BGE 122 III 257, E. 4, unter Berufung auf den altrechtlichen Entscheid BGE 112 II 149, wo der Ein­ wand der Orts- und Quartierüblichkeit ohne jeden Hinweis auf ein entgegen den Gesetzesmaterialien als bestehend erachtetes Unterordnungsverhältnis der in Art. 269a OR genannten Missbrauchskriterien gegenüber dem angemesse­ nen Ertrag gemäss Art. 269 OR als zulässig erklärt wurde; vgl. zu dieser The­ matik ausführlich N 12 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR). Erweist sich der Einwand des Vermieters gegenüber dem Herabsetzungsbegeh­ 19 ren als berechtigt, so bleibt der Mietzins betragsmässig unverändert. Er bleibt aber auch mit Bezug auf die für künftige Mietzinserhöhungen massgebenden Kostenstände unverändert. Beruht der Mietzins also beispielsweise auf dem Referenzzinssatz von 2,25% und setzt sich der Vermieter einem Herabset­ zungsbegehren des Mieters wegen des auf 1,75% gesunkenen Referenzzinssat­ zes erfolgreich zur Wehr, so kann eine Erhöhung dieses Satzes von 1,75% auf 2,00% nicht zu einer entsprechenden Mietzinserhöhung führen, da der Miet­ zins nach wie vor auf dem Stand von 2,25% beruht. Der Mieter, der kein He­rabsetzungsbegehren stellt oder nach entsprechender Anfrage an den Vermieter, der sich unter Hinweis auf einen absoluten Erhöhungsgrund der Herabsetzung widersetzt, untätig bleibt, ist somit – entgegen der Auffassung von Weber (BSK, N 18 zu Art. 269 OR) – nicht bessergestellt als ein Mieter, der es auf ein Herab­ setzungsverfahren ankommen lässt. Inwieweit der Vermieter, der aufgrund seiner Ertragssituation oder angesichts der nachgewiesenen orts- oder quartie­ rüblichen Verhältnisse keine Mietzinsreduktion gewähren musste, unter Beru­ fung auf diese Anpassungsgründe eine Mietzinserhöhung anzeigen kann, beurteilt sich danach, ob diesbezüglich Vorbehalte erklärt worden sind bzw. ob im Falle der Orts- und Quartierüblichkeit seit der letzten Mietzinsfestsetzung ein statistisch relevanter Zeitraum verstrichen ist (N 7 f. zu Art. 269a OR).

3. Verfahren 3.1 Zeitpunkt Der Mieter kann die Herabsetzung des Mietzinses lediglich auf den nächst- 20 möglichen Kündigungstermin verlangen (Art. 270a Abs. 1 OR). Das Herab­ setzungsbegehren muss dabei vor Beginn der Kündigungsfrist beim Vermieter eingehen, wobei die sogenannte uneingeschränkte Empfangstheorie mass­ gebend ist: Das Herabsetzungsbegehren ist rechtzeitig gestellt, wenn es vor Beginn der Kündigungsfrist in den Machtbereich der Vermieters gelangt ist

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Art. 270a

bzw. bei einer Poststelle abgeholt werden kann (Weber, BSK, N 4 zu Art. 270 OR; Higi, ZK, N 70 und 94 zu Art. 270a OR; Bartels, Fristwahrung, S. 47 ff.; Botsch. 1985, S.  1500; a.M. Hulliger/Heinrich, CHK, N  9, welche die einge­ schränkte Empfangstheorie als massgebend erachten). 21

Im Unterschied zu Art.  269d OR ist nicht erforderlich, dass das Senkungs­ begehren 10 Tage vor Beginn der Kündigungsfrist beim Vermieter eintreffen muss (MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.5.4.1; Weber, BSK, N 4 zu Art. 270a OR). Dies ist dadurch begründet, dass der Gesetzgeber annimmt, es bestehe kein Interesse des Vermieters, das Mietverhältnis zu kündigen, anstatt es zu nachteiligeren Bedingungen fortzusetzen  – anders als im umgekehrten Fall zugunsten des Mieters. Abgesehen davon wäre eine Kündigung des Vermie­ ters, wenn sie nur deshalb erklärt würde, weil der Mieter von seinem Recht Gebrauch macht, eine Senkung des Mietzinses zu verlangen, wohl im Sinne von Art. 271a Abs. 1 Buchst. a OR missbräuchlich.

22

Wird das Herabsetzungsbegehren verspätet gestellt, so entfaltet es in Analo­ gie zu Art. 266a Abs. 2 OR auf den nächstfolgenden Kündigungstermin Wir­ kung (Hulliger/Heinrich, CHK, N 9 zu Art. 270a OR; MfdP/Oeschger/Zahrad­ nik, N 17.5.4.1; Higi, ZK, N 97 zu Art. 270a OR). Folge davon ist somit, dass die Mietzinsreduktion erst auf den nächstfolgenden vertraglich vereinbarten oder allenfalls gesetzlichen Kündigungstermin in Kraft treten kann.

23

Ist der Vertrag auf eine Mindestdauer abgeschlossen worden, so kann eine Mietzinsreduktion erst auf den erstmöglichen Kündigungszeitpunkt anbegehrt werden. Es stellt sich die Frage, welches der massgebende «nächste Kündi­ gungstermin» ist, wenn die Parteien unterschiedliche Kündigungsmöglichkei­ ten vereinbart haben. Sie können beispielsweise im Hinblick auf die Möglich­ keit einer Indexierung oder aber in der Absicht, dem Mieter, der an einem neuen Standort ein Geschäft eröffnet, bezüglich eines allfälligen «Ausstiegs» aus dem Vertrag grössere Flexibilität zu gewähren, vereinbaren, dass das Miet­ verhältnis für den Vermieter erstmals auf den Ablauf einer fünfjährigen Vor­ gangsdauer, für den Mieter aber beispielsweise einmal jährlich auf einen bestimmten Termin gekündigt werden kann. Es leuchtet ein, dass in dieser Fallkonstellation wegen der Exklusivität der Indexklausel, deren Anwendung ja nur die einseitige mindestens fünfjährige Bindung des Vermieters voraus­ setzt (Art. 17 Abs. 4 VMWG), vor Ablauf der einseitig zulasten des Vermieters vereinbarten Vertragsdauer keine Mietzinssenkungen geltend gemacht werden können, welche nicht durch eine Veränderung des Landesindexes der Konsu­ mentenpreise bedingt sind (abweichend Weber, BSK, N 4 zu Art. 270a OR, mit Hinweis auf den altrechtlich ergangenen Entscheid des Bundesgerichts 112 II 926

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Art. 270a

69 ff.). Näheres zu Verträgen mit Index- und Staffelungsklauseln vgl. N 35 ff. zu Art. 269b OR sowie N 19 ff. zu Art. 269c OR. Das Entsprechende gilt aber auch in einem befristeten Mietvertrag, in welchem dem Mieter – aus ähnlichen Überlegungen – vorzeitige Kündigungsmöglichkeiten (Early-Break-Optionen) eingeräumt worden sind. Der erste massgebende Auflösungszeitpunkt – und damit der erstmögliche Termin für eine Mietzinsanpassung für beide Par­ teien – ist der Ablauf der befristeten Vertragsdauer, und die Frage, ob auf die­ sen Zeitpunkt eine Mietzinsanpassung möglich ist, beurteilt sich – je nachdem, ob eine Mietzinsstaffelung oder eine Indexklausel vereinbart worden ist, nach den für diese Fälle entwickelten Grundsätzen der Rechtsprechung (vgl. wiede­ rum N 35 ff. zu Art. 269b OR sowie N 19 ff. zu Art. 269c OR).

3.2 «Vorverfahren» Das schriftlich gestellte Herabsetzungsbegehren des Mieters stellt  – abge­ 24 sehen vom Sonderfall, in welchem eine Mietzinserhöhung angezeigt wird (Art. 270a Abs. 3 OR) – ein Gültigkeitserfordernis in Hinblick auf das spä­ tere Verfahren zur Durchsetzung des Herabsetzungsanspruches dar. Der Mie­ ter kann also nicht von sich aus die Schlichtungsbehörde anrufen, ohne vor­ gängig ein schriftliches Reduktionsbegehren beim Vermieter gestellt zu haben. Das Bundesgericht qualifiziert die Pflicht des Mieters, vorab beim Vermie­ ter schriftlich die Reduktion des Mietzinses anzubegehren, als unabdingbare Prozessvo­raussetzung (BGE 132 III 702, E. 4.2/4.3; ähnlich schon Urteil des Bundesgerichts 4C.328/2005 vom 9.  Dezember 2005, E.  3; MfdP/Oeschger/ Zahradnik, N 17.5.5.2.1). Es präzisiert bzw. korrigiert damit die mit einem frü­ heren Entscheid geschaffenen Unsicherheiten, in welchem es die Bestimmung betreffend die vorgängig erforderliche schriftliche Anfrage des Mieters gemäss Art. 270a OR als «Ordnungsvorschrift» bezeichnet hatte und trägt der an die­ sen Unsicherheiten geübten Kritik Rechnung (vgl. BGE 122 III 20; Higi, ZK, N 6 zu Art. 270a OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 8 zu Art. 270a OR). Abzuleh­ nen ist die von Weber aus dem obiter dictum im BGE 132 III 702, E. 4.3, abge­ leitete Schlussfolgerung, auf das Vorverfahren könne verzichtet werden, wenn der Vermieter seiner Ablehnung der Senkung bereits Ausdruck verliehen habe. Der Vermieter hat im Interesse der Vermeidung eines unnötigen Verfahrens (und einer allfälligen Kündigungssperrfrist, die sich an ein solches Verfahren anknüpfen könnte) immer Anspruch darauf, dass gesetzlich vorgeschriebene formelle Verfahrensschritte, mit denen die Bedeutung eines Begehrens und die allfälligen rechtlichen Konsequenzen transparent gemacht werden, eingehal­ ten werden (Weber, BSK, N 5b zu Art. 270a OR).

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927

Art. 270a 25

Mit Zustellung des Herabsetzungsbegehrens beginnt für den Vermieter die Frist von 30 Tagen zu laufen, innert welcher er zum Begehren des Mieters Stel­ lung nehmen sollte. Erhält der Mieter innert dieser Frist keine Erklärung des Vermieters zum geltend gemachten Herabsetzungsanspruch, so kann er innert 30 Tagen nach Ablauf der 30-tägigen Antwortfrist die zuständige Schlich­ tungsbehörde anrufen. Geht anderseits eine Antwort des Vermieters ein, die erkennen lässt, dass dem Herabsetzungsbegehren nicht oder nicht im vollen beantragten Sinn entsprochen wird, so beginnt die Frist zur Anrufung der Schlichtungsbehörde bereits mit dem Eingang dieser Stellungnahme zu laufen (Higi, ZK, N 72 zu Art. 270a OR; Bartels, Fristwahrung, S. 47 f.). Erhebt der Mieter die Klage zu früh, so bleibt dies ohne Folgen, wenn innert der noch lau­ fenden Frist seinem Begehren nicht vollständig entsprochen wird. Andernfalls erweist sich die unnötige Anrufung der Schlichtungsbehörde als missbräuch­ lich, und das Einlenken des Vermieters könnte keinesfalls bewirken, dass eine Sperrfrist im Sinne von Art. 271a Abs. 1 Buchst. e Ziff. 4 ausgelöst wird (Higi, ZK, N 99 zu Art. 270a OR).

3.3 26

Verfahren vor Schlichtungsbehörde

Der Beginn der 30-tägigen Frist zur Anrufung der Schlichtungsbehörde ist eindeutig definiert, wenn der Vermieter zum Begehren des Mieters Stellung nimmt und diesem dabei nicht vollständig entspricht. Der Vermieter ist indes­ sen nicht verpflichtet, das Begehren zu beantworten, und es entstehen im wei­ teren Verlauf des Verfahrens keine Nachteile daraus, dass er nicht reagiert hat (a.M. Weber, BSK, N 5a zu Art. 270a OR, der übersieht, dass das Gesetz an die unterlassene Beantwortung der vom Mieter erhobenen Anfrage keine Nach­ teile knüpft). Antwortet der Vermieter hinhaltend, also etwa in dem Sinne, dass er seine Antwort auf einen Zeitpunkt nach Ablauf der 30-tägigen Frist in Aussicht stellt, so beginnt die Frist für die Klageeinleitung gleichwohl am letz­ ten Tag dieser Frist und nicht etwa dann, wenn zu einem späteren Zeitpunkt noch eine abschlägige Antwort des Vermieters eingeht (a.M. MfdP/Oeschger/ Zahradnik, N 17.5.5.4.1 und Weber, BSK, N 5a zu Art. 270a OR, die übersehen, dass das Gesetz den Fristenlauf ausschliesslich daran anknüpft, dass der Ver­ mieter dem Begehren nicht innert 30 Tagen vollständig stattgibt). Im Einzelfall kann die genaue Berechnung der Fristen Schwierigkeiten bereiten, weil hypo­ thetisch zu berechnen ist, wann der Vermieter spätestens hätte antworten müs­ sen und wann die entsprechende Antwort frühestens beim Mieter hätte ein­ gehen können (zutreffend daher der Hinweis bei Higi, ZK, N 72 zu Art. 270a OR, die Klage müsse in jedem Fall spätestens 60 Tage nach dem Zugang des

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Art. 270a

He­rabsetzungsbegehrens beim Vermieter eingereicht werden; Bartels, S. 47 f.). Die Frist ist durch Aufgabe der Klage am letzten Tag der Frist bei einer schwei­ zerischen Poststelle gewahrt. Unterlässt der Mieter die Einleitung des Schlichtungsverfahrens nach Ablauf der 27 30-tägigen Frist, so hat dies keine generelle Verwirkung seines allenfalls beste­ henden Herabsetzungsanspruches zur Folge. Verwirkt ist nur der Anspruch, eine Mietzinsreduktion auf den  – aus der Sicht des ursprünglich gestellten Begehrens – nächstmöglichen Kündigungstermins geltend zu machen (MfdP/ Oeschger/Zahradnik, N 17.5.5.4.4; Higi, ZK, N 105 zu Art. 270a OR). Aller­ dings ist in der Folge für ein allfälliges Senkungsbegehren erneut das Vorver­ fahren gemäss Art. 270a Abs. 2 OR einzuhalten, weil der Vermieter möglicher­ weise bereit ist, die Senkung auf einen nächsten Termin zu gewähren, sofern nicht ohnehin eine Veränderung der bestimmenden Kostenfaktoren eingetre­ ten ist (a.M. Hulliger/Heinrich, CHK, N 9 zu Art. 270a OR; BGE 132 III 702; vgl. für den analogen Fall der Mietzinserhöhung BGE 124 III 245, in: MRA 1/99, S. 15 ff.). Hält der Mieter das Vorverfahren gemäss Art.  270a OR nicht ein und stellt 28 er, ohne vorgängig den Vermieter kontaktiert zu haben, sein Herabsetzungs­ begehren direkt bei der Behörde, so fehlt es an einer Prozessvoraussetzung (BGE 132 III 702). Es stellt sich die Frage, in welcher Weise die Schlichtungs­ behörde diesfalls zu verfahren hat. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Die Schlichtungsbehörde kann den Mieter auf die ihres Erachtens fehlende Prozessvoraussetzung aufmerksam machen und ihm dann die Klagebewilligung (Art. 209 ZPO) ausstellen. Die andere Möglichkeit besteht darin, dass die Schlichtungsbehörde in der Form eines Urteilsvorschlages (Art. 210 Abs. 1 Buchst. b ZPO) das Begehren des Mieters abweist und es ihm überlässt, den Vorschlag abzulehnen, um die Klagebewilligung zu erhalten. Können sich die Parteien im Schlichtungsverfahren nicht einigen, so kann die 29 Schlichtungsbehörde, wie soeben beschrieben, entweder dem Mieter die Kla­ gebewilligung ausstellen oder einen Urteilsvorschlag erlassen (Art.  209 und 210 ZPO). Wird Letzterer abgelehnt, stellt die Schlichtungsbehörde der ableh­ nenden Partei oder beiden, wenn beide ablehnen, eine Klagebewilligung aus, worauf innert 30 Tagen das zuständige Gericht angerufen werden kann.

3.4

Keine Bindung des Vermieters an seine Stellungnahme

Im Verfahren betreffend Mietzinsherabsetzung ist der Vermieter an seine Erklä­ 30 rung, die er in seiner Stellungnahme auf das Begehren des Mieters abgegeben Beat Rohrer

929

Art. 270a

hat, nicht gebunden (MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.5.5.2.1). Der Vermieter kann also im Verfahren, so namentlich vor der Schlichtungsbehörde, zusätz­ liche oder andere Einwendungen gegen den Herabsetzungsanspruch erheben als diejenigen, die er in einem allfälligen Antwortschreiben genannt hat. Mit Bezug auf die solcherart fehlende Bindungswirkung der vermieterseits erstat­ teten Stellungnahme soll Art. 270a OR den Charakter einer sogenannten «Ord­ nungsvorschrift» haben (BGE 132 III 702, m.w.H.; Urteil des Bundesgerichts 4C. 328/2005 vom 9. Dezember 2005). 31

Dass die vorstehend beschriebene Praxis richtig ist, ergibt sich daraus, dass eine den strengen formellen Erfordernissen von Art. 269d OR im Erhöhungs­ verfahren entsprechende Bestimmung für das Herabsetzungsverfahren fehlt: Weder ist der Vermieter verpflichtet, ein Herabsetzungsbegehren überhaupt zu beantworten, noch muss er ein amtliches Formular verwenden und darin sei­ nen Standpunkt entsprechend Art. 269d Abs. 2 Buchst. b OR begründen. Da somit eine dem Erhöhungsverfahren entsprechende Bestimmung im Gesetz fehlt und der Vermieter daher nicht erkennen kann, welche Konsequenzen sich allenfalls ergeben könnten, wenn er streng formalistisch an seiner allfällig gegebenen Erklärung behaftet würde, verbietet sich die entsprechende Analo­ gie (Weber, BSK, N 5a zu Art. 270a OR).

32

Spätestens im Rahmen des Schlichtungsverfahrens hat der Vermieter sämtliche Einwendungen gegen den geltend gemachten Herabsetzungsanspruch zu erheben und die dazu sachdienlichen Belege vorzulegen (Art. 203 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 VMWG). Zwar ist es dem Vermieter nicht verwehrt, sich auch später  – im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens  – auf weitere, zuvor nicht genannte Gründe zu berufen, die er dem Herabsetzungs­ anspruch entgegenstellen will. Das in Art.  205 ZPO verankerte Vertraulichkeitsgebot bewirkt, dass dem Vermieter selbst dann, wenn er im Schlichtungs­ verfahren nicht alle ihm möglicherweise zu Gebot stehenden Einwendungen gegenüber dem Herabsetzungsbegehren des Mieters vorträgt oder durch sach­ dienliche Unterlagen belegt, im späteren Prozessverfahren keine Kosten- und Entschädigungsfolgen auferlegt werden können, und zwar selbst dann nicht, wenn der Mieter möglicherweise in Kenntnis weiterer Tatsachen auf die Einlei­ tung des Prozessverfahrens vor dem zuständigen Gericht verzichtet hätte. Dies hängt damit zusammen, dass wegen des erwähnten Grundsatzes dem Gericht gar nicht zur Kenntnis gebracht werden darf, was die Parteien im Schlichtungs­ verfahren vorgebracht oder vorgelegt haben (Alvarez/Peter, BK ZPO, N 4 und 5 zu Art. 205 ZPO; Infanger, BSK ZPO, N 3 ff. zu Art. 205 ZPO, wo ausdrück­ lich da­rauf hingewiesen wird, dass die im Schlichtungsverfahren von den Par­

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teien vorgelegten Urkunden der Gegenpartei nicht übergeben werden dürfen). Anders verhielte es sich nur dann, wenn der Vermieter in der allerdings vom Mieter zu beweisenden Absicht, ihm zu schaden, mit seiner Argumentation zurückgehalten hat, zum Beispiel dadurch, dass er der Schlichtungsverhand­ lung unentschuldigt ferngeblieben ist. Hält der Mieter im Prozessverfahren nach Kenntnisnahme der vom Vermieter zuvor zurückgehaltenen Informatio­ nen an seinem Herabsetzungsanspruch fest, entfällt die Voraussetzung, welche es rechtfertigen könnte, dem Vermieter unabhängig vom Prozessausgang Kosten- und Entschädigungsfolgen aufzuerlegen (Art. 107 Abs. 1 Buchst. b oder f bzw. Art. 108 ZPO, vgl. dazu auch das Urteil des Bundesgerichts 4A_17/2017 vom 7. September 2017, E. 4.2). In diesem Fall ist nämlich offenkundig, dass das Fehlen von Informationen nicht kausal gewesen ist für den Entscheid, den Richter anzurufen. Die Unterlassungen des Vermieters können daher nicht mehr zur Auferlegung von Kosten- und Entschädigungsfolgen führen. Diese Folgen richten sich vielmehr im Urteilsfall nach dem Verhältnis von Obsiegen oder Unterliegen (Art. 106 ZPO).

3.5

Mietzinsherabsetzung ohne Vorverfahren

Nach Art. 270a Abs. 3 OR entfällt die Pflicht zulasten des Mieters, schriftlich 33 ein Herabsetzungsbegehren beim Vermieter zu stellen in dem Fall, in welchem gleichzeitig mit der Anfechtung einer Mietzinserhöhung ein solches Begehren gestellt wird. Dieser Ausnahmebestimmung liegt die Überlegung zugrunde, dass dann, wenn der Vermieter eine Mietzinserhöhung geltend macht, die Stellungnahme zu einem Herabsetzungsanspruch gewissermassen antizipiert bereits vorliegt und es daher keinen Sinn macht, vom Mieter zu verlangen, dass er noch zusätzlich sein separates Vorverfahren einleiten muss. «Gleichzeitig» im Sinne von Art. 270a Abs. 3 OR bedeutet, dass der Redukti­ 34 onsanspruch nur auf den gleichen Termin geltend gemacht werden kann, auf den der Vermieter den Mietzins erhöhen will. Das Bundesgericht hat weiter­ gehend entschieden, dass während eines betreffend eine Mietzinsanpassung laufenden Prozessverfahrens (Mietzinserhöhung des Vermieters oder Miet­ zinsherabsetzung des Mieters) auf entsprechenden Parteiantrag auch weitere Senkungen von Kosten, namentlich Senkungen des Referenzzinssatzes, auf die jeweils nächsten Kündigungstermine geltend gemacht werden können, jeden­ falls so lange, als das Prozessrecht es zulässt, dass im laufenden Verfahren neue Anträge gestellt werden (BGE 122 III 24, E. 2c, in: MRA 4/96, S. 153 ff.; MfdP/ Oeschger/Zahradnik, N  17.5.5.3). Die bundesgerichtliche Praxis ist mindes­ tens mit Bezug auf ein vom Mieter eingeleitetes Verfahren betreffend Miet­ Beat Rohrer

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Art. 270a

zinsreduktion kaum mit dem Bundesrecht vereinbar, da Art. 270a Abs. 3 OR nach seinem klaren und nicht auslegungsbedürftigen Wortlaut vom Vorver­ fahren nur bei allfälliger Mietzinserhöhung des Vermieters entbindet (was das Bundesgericht im Entscheid 132 III 702 erkannt hat, ohne die daraus sich ergebenden Konsequenzen zu ziehen, indem es festhält: «Als Ausnahmebe­ stimmung und auch angesichts des klaren Wortlautes ist Art. 270a Abs. 3 OR indessen nicht unbesehen zu erweitern»). Die vom Gesetzgeber damit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Ausnahmen von der Durchführung eines Vorverfahrens erscheint dabei durchaus als gewollt: Die vom Vermieter angezeigte Mietzinserhöhung kann durchaus dahingehend verstanden werden, dass er ein allfälliges Senkungsbegehren des Mieters von vornherein ablehnt. Aus prozessökonomischen Überlegungen erscheint es daher sinnvoll, ein all­ fälliges Senkungsbegehren des Mieters im gleichen Verfahren zu beurteilen. Im Unterschied dazu bedeutet die Durchführung eines vom Mieter eingelei­ teten Verfahrens betreffend Mietzinsreduktion noch keinesfalls, dass der Ver­ mieter auch künftigen Begehren um Mietzinsreduktion nicht oder nicht voll­ ständig stattgeben wird (z.B. weil er dem ersten Senkungsbegehren noch mit Aussicht auf Erfolg den Einwand des nicht übersetzten Ertrages entgegenhalten kann, nicht aber allfällig weiteren Senkungsbegehren des Mieters). 35

Gegen die vom Bundesgericht befolgte Praxis, wonach in einem gerichtlichen Verfahren betreffend Mietzinserhöhung laufend neue Senkungsbegehren auf die jeweils nächstfolgenden Kündigungstermine beantragt werden können, spricht sodann folgende Überlegung: Dem Vermieter wird die Möglichkeit genommen, ausserhalb eines Verfahrens einem Begehren des Mieters ohne Weiteres zu entsprechen, und so beispielsweise den Eintritt einer Kündigungs­ sperrfrist im Sinne von Art. 270a Abs. 1 Buchst. e OR zu verhindern, die als Ergebnis des bereits laufenden Verfahrens nicht notwendigerweise einzutre­ ten braucht (und die auch in Anwendung von Art. 271a Abs. 2 OR nicht ein­ tritt, wenn einem Begehren des Mieters sofort entsprochen wird, vgl. N 80 zu Art.  271a OR, m.w.H.). Richtig erscheint daher, dass der Mieter stets  – also auch während eines laufenden Verfahrens betreffend eine Mietzinserhöhung – für weitere Begehren um Mietzinssenkung das Vorverfahren gemäss Abs.  1 und 2 einzuhalten hat. Das sich daran anschliessende Schlichtungsverfahren kann – ohne Rechtsnachteil für den Mieter, der ja mit seinen an den Vermie­ ter gerichteten Begehren die Fristen wahrt – bis zur Erledigung des laufenden Gerichtsverfahrens sistiert werden (Higi, ZK, N 86 zu Art. 270a OR; vgl. auch Lahmadi-Sutter, Mietzinsherabsetzung, S. 157 ff.). Will man entgegen dem hier vertretenen Standpunkt annehmen, Senkungsbegehren könnten auch in lau­ fenden Prozessverfahren ohne «Vorverfahren» und damit auch ohne Schlich­ 932

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tungsverfahren geltend gemacht werden, so dürfen dem Vermieter, der den Senkungsanspruch ohne Weiteres anerkennt, keine Kosten- und Entschädi­ gungsfolgen auferlegt werden, denn diesfalls war der vom Mieter – wiewohl in einem Prozessverfahren – erhobene Anspruch gar nie strittig. Nach dem Wortlaut von Art. 270a Abs. 3 OR ist unerheblich, wie der Vermie­ 36 ter die massgebende Mietzinserhöhung, in deren Zusammenhang das Reduk­ tionsbegehren gestellt wird, begründet hat. Es besteht kein Widerspruch zu Art.  13 Abs.  4 VMWG. Diese Bestimmung lässt nach ihrem Wortlaut ledig­ lich bei Mietzinsanpassungen wegen Veränderungen des Referenzzinssatzes eine Überprüfung der Frage zu, ob und inwieweit frühere Änderungen dieses Referenzwertes zu Mietzinsanpassungen geführt haben. Art. 13 Abs. 4 VMWG gilt mit Ausnahme der bereits dargestellten Konstellationen für den Spezial­ fall der Veränderung des Referenzzinssatzes als Durchbrechung der relativen Methode auch insoweit, als nicht nur Veränderungen seit der letzten massge­ benden Mietzinsfestsetzung, sondern auch gegenüber früheren Mietzinsver­ änderungen überprüft werden können (vgl. N 15). Demgegenüber ist Art. 270a Abs. 3 OR auf Veränderungen seit der letzten Mietzinsfestsetzung beschränkt. Eine Besonderheit gilt für den Fall, in dem der Mieter im Zusammenhang mit 37 der Anfechtung einer Mietzinserhöhung ein Herabsetzungsbegehren zufolge eines reduzierten Referenzzinssatzes stellt. Diesfalls ist es dem Vermieter gestattet, zusätzlich zur Begründung der massgebenden Mietzinserhöhung den Einwand zu erheben, er erziele keinen übersetzten Ertrag aus der Miet­ sache, obwohl er sich in der Begründung zu seiner Mietzinserhöhung dar­ auf nicht explizit berufen hat. Zulässig wäre nach der Rechtsprechung auch die Berufung auf die orts- und quartierüblichen Verhältnisse und auf die kos­ tendeckende Bruttorendite (N 17–19). Diese Einwände hätten dem Vermieter auch dann zugestanden, wenn der Mieter das Vorverfahren nach Art. 270a OR eingeleitet und sein Herabsetzungsbegehren ausserhalb der Anfechtung einer Mietzinserhöhung geltend gemacht hätte. Selbstverständlich darf der Vermie­ ter nicht schlechtergestellt werden, wenn das entsprechende Begehren vom Mieter erst im Zusammenhang mit der Anfechtung einer aus anderen Grün­ den, zum Beispiel wegen Mehrleistungen, geltend gemachten Mietzinserhö­ hung gestellt wird. Kommt im Rahmen des Anfechtungsverfahrens, in welchem sowohl die Miet­ 38 zinserhöhung des Vermieters als auch das ohne Vorverfahren vom Mieter gestellte Herabsetzungsbegehren zu beurteilen sind, vor der Schlichtungsbe­ hörde keine Einigung zustande, so muss beiden Parteien, wenn kein Urteils­ vorschlag unterbreitet wird, die Klagebewilligung ausgestellt werden. Das Glei­ Beat Rohrer

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Art. 270a

che gilt, wenn beide Parteien einen solchen Urteilsvorschlag ablehnen. Beide Parteien können alsdann, wenn sie an ihrem Standpunkt festhalten wollen, innert der Frist von 30 Tagen Klage erheben (Art. 209 Abs.  4 ZPO). Denn nach Durchführung des Schlichtungsverfahrens gilt für den Herabsetzungsan­ spruch die Besonderheit von Art. 270a Abs. 3 OR – die nur darin besteht, dass nicht vorgängig der Vermieter schriftlich um Mietzinsherabsetzung angegan­ gen werden muss – nicht mehr. Dies bedeutet zum einen, dass der Mieter sein Begehren um Mietzinsreduktion auch dann gerichtlich weiterverfolgen kann, wenn der Vermieter auf die Durchsetzung seiner Mietzinserhöhung verzich­ tet. Umgekehrt verzichtet der Mieter auf seinen Reduktionsanspruch, wenn er nicht selbstständig innert 30 Tagen Klage erhebt. Gelangt der Vermieter frist­ gerecht an das zuständige Gericht, so kann der Mieter im Rahmen des gericht­ lichen Verfahrens, wenn er nicht selbständig innert 30 Tagen Klage erhoben hat, seinen Herabsetzungsanspruch nicht mehr in der Form einer Widerklage erheben, jedenfalls nicht, soweit die Erhebung der Widerklage später als nach Ablauf von 30 Tagen seit der Zustellung der Klagebewilligung geltend gemacht wird (Urteil des Bundesgerichts 4C.367/2005 vom 7. März 2005 für den analo­ gen Fall im Kündigungsschutzverfahren, in dem aufgrund des Entscheides der Schlichtungsbehörde beide Parteien mit ihren gemäss Rechtsbegehren geltend gemachten Standpunkten zumindest teilweise unterlegen waren; abweichend Weber, BSK, N 6a zu Art. 270a OR). Weber übersieht, dass eine klagende Partei das Verfahren jederzeit durch Klagerückzug beenden kann. Nach einem allfäl­ ligen Rückzug der Klage kann die Gegenpartei keine Widerklage mehr erheben, was höchstrichterlich entschieden worden ist (BGE 136 III 90). Offengelas­ sen hat das Bundesgericht, ob die innert 30 Tagen auf ihr Klagerecht verzich­ tende Partei ihr Begehren in Form einer Widerklage in den Prozess einbrin­ gen kann, selbst wenn sie von der ihr zustehenden Klagemöglichkeit innert der Frist von 30 Tagen keinen Gebrauch gemacht hat. Eine solcherart erho­ bene Widerklage würde durch den Rückzug der Hauptklage nicht dahinfallen (Koller Thomas, ZBJV 147/2011, S. 1003 ff., m.w.H. auf Frei/Willisegger, BSK ZPO, N 1 zu Art. 224 ZPO). Tendenziell scheint das Bundesgericht die Auffas­ sung zu vertreten, dass beide Parteien mit unbenütztem Ablauf der Klagefrist gemäss Art. 209 Abs. 4 ZPO ihren Anspruch – zumindest auf den nächsten Kündigungszeitpunkt – verwirkt haben und ihn auch nicht – selbst wenn dies prozessrechtlich rechtzeitig mit der Klageantwort erfolgt – in der Form einer Widerklage geltend machen können (Koller, a.a.O., S. 1005 f., m.w.H.).

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Art. 270a

3.6

Formularmitteilung unveränderter Mietzins bei veränderten Berechnungsgrundlagen

Es stellt sich die Frage, wie es sich verhält, wenn der Vermieter von sich aus mit 39 amtlichem Formular mitteilt, der bisherige Mietzins bleibe trotz einer Kos­ tensenkung auf den nächsten Kündigungstermin hin unverändert, beruhe aber auf einer veränderten Berechnungsgrundlage, insbesondere auf einem niedri­ geren Referenzzinssatz, weil der theoretisch bestehende Senkungsanspruch mit Erhöhungsgründen im Sinne von Art.  13 Abs.  1 VMWG, letzter Satz, «verrechnet» werde. Handelt es sich dabei um eine «Mietzinserhöhung» oder um eine vorweggenommene Stellungnahme des Vermieters, die ein weiteres Vorverfahren überflüssig macht und dem Mieter in analoger Anwendung von Art. 270a Abs. 3 OR die Anrufung der Schlichtungsbehörde ermöglicht? Die auf amtlichem Formular erklärte Mitteilung des Vermieters, der im Gesamt­ 40 betrag gleichbleibende Mietzins beruhe inskünftig auf anderen Kostenfaktoren, stellt nach konstanter Praxis des Bundesgerichts keine «Mietzinserhöhung» dar, und sie muss bzw. kann vom Mieter trotz anderslautender Rechtsmittel­ belehrung auf dem Formular nicht angefochten werden (Weber, BSK, N 7 zu Art. 270a OR; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.5.3, m.w.H. auf BGE 126 III 124, E. 2a, in: MRA 4/00, S. 335 ff.; BGE 124 III 67, E. 3, in: MRA 2/98, S. 47 ff.; kritisch dazu: Rohrer, Hypothekarzinsen, S. 173 ff.; Polivka, Mietzinsherabset­ zung, S.  338  ff.). Damit erfüllt eine entsprechende Formularmitteilung nach dem klaren Gesetzeswortlaut auch nicht die Voraussetzungen, die es dem Mie­ ter ausnahmsweise erlauben, ohne «Vorverfahren» sein Herabsetzungsbegeh­ ren direkt bei der Schlichtungsbehörde anhängig zu machen. Das Nämliche gilt a fortiori für eine vom Vermieter auf amtlichem Formular angezeigte Miet­ zinssenkung, die nach Auffassung des Mieters dem bestehenden Senkungs­ anspruch nicht Rechnung trägt. Auch in diesen Fällen muss dem Vermieter somit durch das noch speziell an ihn zu richtende Begehren die Möglichkeit eingeräumt werden, sich ausserhalb eines bereits eingeleiteten Verfahrens mit dem Mieter einigen zu können. Daran besteht, wie das Bundesgericht richtig erkannt hat, nur schon in Hinblick auf die Vermeidung einer allfällig eintre­ tenden Kündigungssperrfrist gemäss Art. 271a Abs. 1 Buchst. d OR ein schutz­ würdiges Interesse (BGE 132 III 702).

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Art. 270b II. Anfechtung von Mietzinserhöhungen und andern einseitigen Vertragsänderungen 1 Der

Mieter kann eine Mietzinserhöhung innert 30 Tagen, nachdem sie ihm mitgeteilt worden ist, bei der Schlichtungsbehörde als missbräuchlich im Sinne der Artikel 269 und 269a anfechten.

2 Absatz 1 gilt auch, wenn der Vermieter sonstwie den Mietvertrag einseitig

zu Lasten des Mieters ändert, namentlich seine bisherigen Leistungen vermindert oder neue Nebenkosten einführt.

II.

Contestation des augmentations de loyer et des autres modifications unilatérales du contrat

1 Si le locataire estime qu’une majoration de loyer est abusive au sens des articles 269 et 269a, il peut la contester devant l’autorité de conciliation dans les 30 jours qui suivent l’avis de majoration. 2 Le

1er alinéa est aussi applicable lorsque le bailleur apporte unilatéralement au contrat d’autres modifications au détriment du locataire, par exemple en diminuant ses presta­ tions ou en introduisant de nouveaux frais accessoires.

II.

Contestazione dell’aumento della pigione e di altre modificazioni unilaterali del contratto

1 II

conduttore può contestare innanzi l’autorità di conciliazione, entro 30 giorni dalla comunicazione, la liceità dell’aumento della pigione a’ sensi degli articoli 269 e 269a.

2 II

capoverso 1 si applica anche se il locatore modifica in altro modo unilateralmente il contratto a svantaggio del conduttore, segnatamente diminuendo le sue prestazioni o introducendo nuove spese accessorie.

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Art. 270b

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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2. Anfechtungsobjekte .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Mietzinserhöhungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Andere einseitige Vertragsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

938 938 939

3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Legitimation .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.3 Umfang der Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.4 Verzicht des Vermieters auf Anrufung der richterlichen Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

939 939 940 941 944

4.

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Wirkung der unterlassenen Anfechtung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 270b

1. Vorbemerkungen 1

Art. 270b OR stellt eine Verfahrensvorschrift dar, die sich inhaltlich anlehnt an die in Art. 269d OR in Verbindung mit Art. 19 VMWG geregelte Pflicht zur Verwendung eines von einer kantonalen Behörde genehmigten Formulars.

2

Als verfahrensrechtliche Norm ist Art. 270b OR grundsätzlich der Parteidispo­ sition entzogen, insbesondere bezüglich der darin geregelten Verwirkungsfrist (Higi, ZK, N 5 zu Art. 270b OR; Roncoroni, zwingende Bestimmungen I, S. 80, ferner derselbe zwingende Bestimmungen II, S. 67 f.). Sie enthält im Übrigen inhaltlich grundsätzlich zwingendes Recht für Wohnräume mit Ausnahme der Möglichkeit, die Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht einzusetzen (Art. 361 Abs. 4 ZPO; BGE 141 III 201, wo das Bundesgericht festhält, dass auch die Ver­ einbarung eines Schiedsgutachtens zur Ermittlung der Orts- oder Quartier­ üblichkeit im Bereich der Miete von Wohnungen ausgeschlossen ist, wohin­ gegen die Parteien bei der Miete von Geschäftsräumen dafür sowohl ein nach eigener Wahl zusammengesetztes Schiedsgericht als auch einen Schiedsgut­ achter ernennen können). Art. 270b OR findet nur Anwendung bei Mietzins­ anpassungen von Mietobjekten, für welche die Bestimmungen über den Schutz des Mieters vor missbräuchlichen Mietzinsen gelten (Art. 253b OR).

2. Anfechtungsobjekte 2.1 Mietzinserhöhungen 3

Als Mietzinserhöhung im Sinne von Art. 270b OR ist zunächst jede auf dem gesetzlich vorgeschriebenen, sogenannten amtlichen Formular durch den Ver­ mieter zugesandte Mitteilung zu qualifizieren, der sich entnehmen lässt, dass die finanzielle Gegenleistung des Mieters für die Benützung des Mietobjektes sich gegenüber dem aktuellen Zustand nach dem Willen des Vermieters erhö­ hen soll (Erhöhung des Nettomietzinses, Erhöhung von Nebenkostenakontooder Pauschalzahlungen). Die Einführung neuer Nebenkosten gehört begriff­ lich zu den sogenannten anderen einseitigen Vertragsänderungen im Sinne von Art. 269d Abs. 3 OR (vgl. N 65 ff. zu Art. 269d OR).

4

Keine «Mietzinserhöhung» im Sinne von Art. 270b OR stellen von vornherein diejenigen Erklärungen des Vermieters dar, die nicht auf dem gesetzlich vor­ geschriebenen, amtlichen Formular mitgeteilt werden. Solche Mietvertragsän­ derungen sind nach Art. 269d Abs. 2 Buchst. a OR nichtig und entfalten keine Wirkungen, ohne dass sie angefochten werden müssen (vgl. N 57 zu Art. 269d

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Art. 270b

OR). Ebenfalls keine anfechtbaren Mietzinserhöhungen sind die auf dem amt­ lichen Formular übermittelten Mitteilungen des Vermieters, gemäss denen der betragsmässig gleichbleibende Mietzins künftig auf veränderten Kostengrund­ lagen beruhen soll und a fortiori mit amtlichem Formular mitgeteilte Mietzins­ reduktionen (vgl. N 18 zu Art. 269d OR und N 13 zu Art. 270a OR; BGE 126 III 124, E. 2a, in: Pra 2000, Nr. 186 sowie in: MRA 4/00, S. 335 ff.; 124 III 67, E. 3a, in: MRA 2/98, S. 47 ff.; BGE 132 III 702, E. 4.2; Hulliger/Heinrich, CHK, N 7 zu Art. 269d OR; Weber, BSK, N 13a zu Art. 269d OR; vgl. ferner bezüg­ lich der Ausgliederung von bisher im Nettomietzins enthaltenen Nebenkosten mit Reduktion des Nettomietzinses und gleichzeitiger Erhöhung der Zahlun­ gen für Nebenkosten: BGE 108 II 135, E. 2a; BGE 126 III 124, E. 2; vgl. aber den Widerspruch zum Urteil des Bundesgerichts vom 23. August 1999, in: MRA 3/00, S. 301 ff.; dazu Polivka, Mietzinsherabsetzung, S. 335 ff., ferner N 39 f. zu Art. 270a OR). Schliesslich sind von den Parteien im gegenseitigen Einverneh­ men getroffene Abreden als «zweiseitige» Vertragsänderungen nicht anfechtbar, auch wenn damit gegenüber dem vorbestehenden Zustand ein höherer Miet­ zins festgelegt worden ist (N 19 f. zu Art. 269d OR; BGE 128 III 419, E. 2.4.2, in: MRA 1/03, S. 22 ff.; Urteile des Bundesgerichts 4C.96/2005 vom 20. Juni 2005; 4C.59/2003 vom 26. Mai 2003, in: mp 3/03, S. 120 ff.; 4C.134/2001 vom 18. Oktober 2001, in: mp 1/02, S. 55 ff.; BGE 123 III 70, in: MRA 2/97, S. 72 ff.; Weber, BSK, N 7a zu Art. 269d OR; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.3.3.1.4).

2.2

Andere einseitige Vertragsänderungen

Anfechtbar sind auch die in Art. 269d Abs. 3 OR erwähnten sogenannten ande­ 5 ren einseitigen Vertragsänderungen (zum Begriff der anderen einseitigen Ver­ tragsänderung vgl. N 65 ff. zu Art. 269d OR). Ohne dass hier alle Anwendungs­ fälle möglicher anderer einseitigen Vertragsänderungen behandelt werden können, lässt sich allgemein sagen, dass im Rahmen des Anfechtungsverfah­ rens stets zu überprüfen ist, ob das mit dieser Vertragsänderung verschobene Leistungsgleichgewicht nach Massgabe der Art. 269 ff. OR als missbräuchlich qualifiziert werden kann.

3. Verfahren 3.1 Frist Die dem Mieter auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Formular angezeigte 6 Mietzinserhöhung oder andere einseitige Vertragsänderung ist innert der VerBeat Rohrer

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wirkungsfrist von 30 Tagen bei der Schlichtungsbehörde anzufechten. Auch nach der Aufhebung der Verordnung 1 vom 1. September 1967 zum Postver­ kehrsgesetz durch Art. 13 Buchst. a der Postverordnung vom 29. Oktober 1997 (SR 783.01), die zur Folge hat, dass die siebentägige Abholfrist nur noch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post als Regelfall vorgesehen ist, gilt bezüglich der Zustellung von Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen weiterhin unverändert die sogenannte eingeschränkte Empfangstheorie mit Zustellfiktion nach Ablauf dieser siebentägigen Frist (vgl. dazu Bartels, Fristwahrung, S. 28 ff., 42 ff.). Das bedeutet, dass sich der Mieter, der die ihm zugestellte Postsendung nicht abholt, den siebenten Tag der Abholfrist – ungeachtet einer mit der Poststelle individuell vereinbarten länge­ ren Abholfrist – als Zustelltermin anrechnen lassen muss. Ab diesem Zeitpunkt läuft daher die Anfechtungsfrist, auch wenn der Mieter die Mitteilung nicht entgegen- und a fortiori nicht zur Kenntnis genommen hat. Die Anfechtungs­ frist ist eine von Amtes wegen zu beachtende Verwirkungsfrist: Die Schlich­ tungsbehörde prüft daher die Rechtzeitigkeit der Anfechtung als Prozessvor­ aussetzung von Amtes wegen (Püntener, Zivilprozessrecht, N 150 ff., S. 148; N  220, S.  68; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N  17.3.5.1.1; Urteil des Bundesge­ richts 4A_120/2014 vom 19. Mai 2014).

3.2 Legitimation 7

Legitimiert zur Anfechtung einer Mietzinserhöhung oder anderen einseitigen Vertragsänderung ist nur der am Mietvertrag beteiligte Mieter. Sind am Miet­ verhältnis auf Mieterseite mehrere Personen beteiligt, so bilden sie eine einfache Gesellschaft (Art. 530 ff. OR) und können nur gemeinsam anfechten bzw. allenfalls vor Gericht klagen (BGE 136 III 431, E.  3; HAP-Immobiliarmiet­ recht/Bättig, Rz. 1.98; Hulliger/Heinrich, CHK, N 1a zu Art. 270a OR; MfdP/ Oeschger/Zahradnik, N  17.3.5.1.4; a.M. Weber, BSK, N  1 zu Art.  270b OR). Einer von mehreren am Vertrag beteiligten Mietern kann somit nur als Ver­ treter im Namen aller Mieter handeln, was indessen mit der Anfechtung zum Ausdruck gebracht werden muss. Klagt einer von mehreren Mietern allein und ausschliesslich im eigenen Namen, so vermag das nachträgliche Vorlegen einer Vollmacht anderer Mietparteien die fehlende Legitimation nicht herzustellen, weil die Anfechtung eben nicht im Namen der anderen Mitmieter erfolgt ist (so auch MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.3.5.1.4, die das Nachreichen einer Vollmacht nur als möglich erachten, wenn zuvor im Namen aller Mieter ange­ fochten worden ist). Im Unterschied zum Kündigungsschutzverfahren besteht für den nicht am Mietvertrag beteiligten Ehepartner bzw. den allenfalls regis­

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trierten gleichgeschlechtlichen Partner kein selbständiges Anfechtungsrecht. Dies gilt auch dann, wenn der am Vertrag beteiligte Partner den gemeinsa­ men Wohnsitz aufgegeben hat. Wiederum könnte der eine von zwei am Ver­ trag beteiligten Partner rechtsgültig nur als Vertreter der Gemeinschaft han­ deln, was er mit der Anfechtung zum Ausdruck bringen muss. Die Frage, ob ein Ehegatte, der die Anfechtung ablehnt, vom anderen (zusammen mit dem Vermieter) als Beklagter ins Recht gefasst werden kann, hat das Bundesgericht offengelassen (BGE 136 III 431, E. 3.3; BGE 140 III 598, E. 3.1; vgl. auch den Entscheid des OGer Aargau vom 27. November 1996, in: MRA 3/97, S. 119 ff., für den vergleichbaren Fall der Mietzinsherabsetzung; gemäss dem Kommen­ tar von Albert Romero zu diesem Entscheid entsprechend anwendbar auf den Fall einer Mietzinserhöhung oder anderen einseitigen Vertragsänderung, a.a.O., S. 124; ferner Entscheid des KGer Nidwalden vom 14. August 1998, in: MRA 5/98, S. 178 ff.).

3.3

Umfang der Überprüfung

Die Überprüfung der Missbräuchlichkeit der vom Vermieter geltend gemach­ 8 ten Mietzinserhöhung bzw. anderen einseitigen Vertragsänderung erfolgt grundsätzlich ausschliesslich auf der Basis der auf dem gesetzlichen Formular erklärten Begründung (vgl. N 36 ff. zu Art. 269d OR; Urteil des Bundesgerichts 4C.328/2005 vom 9. Dezember 2005, E. 2.4; sinngemäss gleichlautende Erwä­ gungen im BGE 137 III 362, in: MRA 2/12, S. 81 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4A_409/2009 vom 1. Februar 2010 und BGE 121 III 6, E. 3a und 460, E. 4a/bb und cc; Urteil des Bundesgerichts 4C.330/2002 vom 31. Januar 2003, in: MRA 2/03, S. 39 ff., Urteil des Bundesgerichts vom 23. August 1999, in: MRA 3/00, S. 301 ff.; ferner BGE 106 II 268, E. 4a, E. 3c und 118 II 130, E. 2b; 117 II 460, E.  2a; Weber, BSK, N  3 zu Art.  269b OR; HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.100). In krassem Widerspruch zur strengen Bindung des Vermieters an die im Formular abgegebene Begründung steht die Rechtsprechung des Bun­ desgerichts, die verlangt, dass eine Mietzinserhöhung, die unter Berufung auf die orts- oder quartierüblichen Verhältnisse oder auf ein anderes in Art. 269a OR genanntes Kriterium, zum Beispiel auf durchgeführte umfassende Überho­ lungen, begründet wird, zusätzlich – faktisch damit ausschliesslich – daraufhin überprüft werden muss, ob nicht ein übersetzter Ertrag erzielt wird, vgl. N 12 ff. Vorbem. zu Art. 269–270e OR; BGE 124 III 310, in: MRA 5/98, S. 147 ff., bestä­ tigt im Urteil des Bundesgerichts 4C.323/2001 vom 9.  April 2002, in: MRA 4/02, S. 143 ff.; BGE 140 III 433, in: MRA 1/15, S. 36 ff.) Auf die Konsequenz, wonach damit die in Art. 269a OR im einzelnen aufgezählten Mietzinsanpas­

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sungskriterien – die Orts- oder Quartierüblichkeit jedenfalls insofern, als es sich bei der konkret zu beurteilenden Liegenschaft nicht um eine sogenannte Altbaute handelt – zur Bedeutungslosigkeit degradiert werden, wird an ande­ rer Stelle hingewiesen (N 44 zu Art. 269d OR). 9

Die Überprüfung der Missbräuchlichkeit der Mietzinserhöhung oder der anderen einseitigen Vertragsänderung beschränkt sich vorbehältlich der nach­ folgend dargelegten Ausnahmen (N 10 ff.) sodann auf die Feststellung allfälli­ ger Veränderungen seit der letzten massgebenden Mietzinsfestsetzung. Als solche ist entweder die unangefochten gebliebene Festlegung des Anfangsmiet­ zinses oder die letzte unangefochten gebliebene Mietzinsanpassung (bzw. ein allfällig im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens abgeschlossener Vergleich oder ein rechtskräftiger Entscheid der angerufenen Behörde) zu betrachten. Es gilt somit auch zulasten des Mieters die relative Methode: Die geltend gemachte Mietzinserhöhung oder andere einseitige Vertragsänderung darf nur insoweit überprüft werden, als der Standpunkt vertreten wird, es lägen verän­ derte Verhältnisse gegenüber der letzten massgebenden Mietzinsfestsetzung vor. Nicht überprüfbar ist demgegenüber grundsätzlich die letzte, unangefoch­ ten gebliebene Mietzinsfestsetzung. Gegenüber dem vorerwähnten Grundsatz sind einige Ausnahmen erwähnenswert:

10

Zum einen kann nach Art. 13 Abs. 4 VMWG der Mieter bei Mietzinsanpas­ sungen zufolge Hypothekarzinsveränderungen (heute: Veränderungen des Referenzzinssatzes) verlangen, dass überprüft wird, ob auch frühere Miet­ zinssenkungen zufolge rückläufiger Referenzzinssätze die Mietzinsgestaltung beeinflusst haben. Diese Bestimmung enthält also beim Spezialfall des Refe­ renzzinssatzes eine Durchbrechung der relativen Methode (vgl. dazu auch N 15 zu Art. 270a OR). Dies gilt auch in Verträgen, in denen die Parteien den Miet­ zins indexieren wollen und deshalb mindestens einseitig zulasten des Vermie­ ters eine Mindestlaufzeit des Mietvertrages von fünf Jahren und des Weiteren vereinbaren, der Vertrag verlängere sich ohne Kündigung auf den Ablauf einer Fünfjahresperiode automatisch jeweils um weitere fünf Jahre. Wenn der Miet­ zins auf den jeweiligen Ablauf einer solchen Fünfjahresperiode nicht an einen allfällig veränderten Stand des Referenzzinssatzes angepasst wird, können sol­ che Veränderungen unter Bezugnahme auf die letzte Anpassung unter Berück­ sichtigung dieses Kriteriums, also unter Umständen an die seit Vertragsbeginn eingetretenen Veränderungen, angepasst werden, selbst wenn der Mieter sol­ che Anpassungen auf frühere Kündigungstermine nicht verlangt hat (Urteile des Bundesgerichts 4A_289/2010 vom 6. Januar 2011, in: MRA 3/11, S. 87 ff., und 4A_269/2015 vom 2. November 2015; vgl. auch N 38 zu Art. 269b OR).

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Die soeben beschriebene Durchbrechung der relativen Methode mit Bezug auf 11 das Kriterium des Referenzzinssatzes kann nach der Praxis des Bundesgerichts in folgenden Fällen nicht angerufen werden: –– Wenn eine frühere Mietzinsanpassung durch Gerichtsurteil oder Vergleich festgelegt wurde, sofern dabei Referenzzinssatzveränderungen berücksich­ tigt worden sind (vgl. dazu nun aber das dieser Praxis widersprechende Urteil des Bundesgerichts 4A_254/2016 vom 10.  Juli 2017 in: MRA 4/17, S. 183 ff.; Näheres dazu in N 15 zu Art. 270a OR); –– wenn der Mietzins zwischenzeitlich nach absoluter Methode angepasst wurde (z.B. nach Handänderung); –– wenn zwischenzeitlich eine Mietzinsanpassung zufolge einer Änderung des Referenzzinssatzes akzeptiert wurde (BGE 119 II 348, E.  4b, bestätigt in BGE 124 III 67, in: MRA 2/98, S. 47 ff.). Zu den Mietzinsanpassungen nach Ablauf einer Mindestvertragsdauer mit 12 Indexierung oder Staffelung vgl. N 35 ff. zu Art. 269b OR bzw. N 19 ff. zu Art. 269c OR. Möglich ist schliesslich eine Mietzinserhöhung ungeachtet der seit der letzten 13 Mietzinsfestlegung eingetretenen Veränderungen, wenn dafür ein Vorbehalt im Sinne von Art. 18 VMWG erklärt worden ist, der überdies begründet wurde (vgl. N 77 ff. zu Art. 269d OR). Keine Mietzinserhöhung oder andere einseitige Vertragsänderung stellt die 14 Erklärung eines Vorbehalts im Sinne von Art.  18 VMWG durch den Ver­ mieter dar. Der Vorbehalt dient nur dazu, die ohne entsprechende Erklärung eintretende Vermutung zu widerlegen, der Vermieter habe mit seiner Miet­ zinserhöhung alle ihm im aktuellen Zeitpunkt zustehenden Erhöhungsansprü­ che vollständig ausgeschöpft (HAP-Immobiliarmietrecht/Bättig, Rz. 1.99). Ein solcher Vorbehalt ist deshalb bei der Schlichtungsbehörde nicht anfechtbar (HAP-Immobiliarmietrecht/Biber, Rz. 7.24; Weber, BSK, N 4 zu Art. 269d OR; MfdP/Oeschger/Zahradnik, N 17.3.3.2.3; Higi, ZK, N 111 zu Art. 269d OR). Es fehlt deshalb für eine solche Anfechtung an einem Feststellungsinteresse, weil zur Zeit, in welcher der Vermieter den entsprechenden Vorbehalt erklärt, ja nicht feststeht, ob, auf welchen Zeitpunkt und in welchem Umfang die erklärte Mietzinsreserve dereinst in Anspruch genommen werden soll. Im Übrigen bleiben die Anfechtungsrechte des Mieters im Zusammenhang mit der Inan­ spruchnahme der vorbehaltenen Mietzinsreserve uneingeschränkt erhalten.

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3.4 15

Dem Vermieter fällt nach gescheitertem Einigungsversuch die Klägerrolle für die gerichtliche Überprüfung der Mietzinserhöhung zu. Bei der Anfech­ tung des Anfangsmietzinses gemäss Art. 270 OR oder bei einem Begehren um Mietzinsreduktion gemäss Art.  270b OR ist er nur dann Kläger vor Gericht, wenn er einen von der Schlichtungsbehörde unterbreiteten Urteilsvorschlag abgelehnt hat. Andernfalls fällt die Klägerrolle dem Mieter zu. Verzichtet der Vermieter, dem aufgrund der Ausstellung einer Klagebewilligung durch die Schlichtungsbehörde die Klägerrolle zufällt, auf die Anrufung des zuständigen Gerichts, so gelten weiterhin die bisherigen vertraglichen Leistungspflichten zulasten des Mieters. Sie beruhen dabei auf der Basis derjenigen Berechnungsoder Vertragsgrundlagen, wie sie der letzten massgebenden Mietzinsfestset­ zung zugrunde liegen. Der Verzicht auf einen Weiterzug der Mietzinserhöhung an die zuständige Gerichtsbehörde durch den Vermieter hat keine Verwirkung seiner Ansprüche zur Folge und bleibt in diesem Sinne ohne Rechtsnachteil: Es ist dem Vermieter unbenommen, auf einen späteren Zeitpunkt mit ähnlicher oder anderslautender Begründung die seit der letzten massgeben­ den Mietzinsfestsetzung eingetretenen Veränderungen in Form von Mietzins­ erhöhungen oder anderen einseitigen Vertragsänderungen geltend zu machen (Weber, BSK, N 4 zu Art. 270b OR; BGE 124 III 245, in: MRA 1/99, S. 15 ff.; Higi Peter, in: AJP 1998, S. 1116 ff.; Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 270b–270e OR). Bei einem Verzicht auf die Anrufung des Gerichts nach Ablehnung eines Urteilsvorschlags oder bei einem späteren Klagerückzug des Vermieters nach Klageeinleitung beim zuständigen Gericht tritt demgegenüber der Urteilsvor­ schlag im Sinne eines nunmehr rechtskräftigen Gerichtsentscheides wieder in Kraft (Püntener, Zivilprozessrecht, N 798, S. 229 f.).

4. 16

Verzicht des Vermieters auf Anrufung der richterlichen Behörde

Wirkung der unterlassenen Anfechtung

Die formell im Sinne von Art. 269d Abs. 2 OR korrekt begründete Mietzinser­ höhung oder andere einseitige Vertragsänderung tritt in Kraft, sofern sie nicht innert der Verwirkungsfrist von 30 Tagen bei der zuständigen Schlichtungsbe­ hörde angefochten wird. Dies gilt auch für den Fall, in dem die Mietzinserhö­ hung oder die andere einseitige Vertragsänderung mit Aussicht auf Erfolg hätte angefochten werden können, weil sie den vertraglichen Vereinbarungen wider­ spricht oder im Sinne der Art. 269 ff. OR missbräuchlich ist (Hulliger/Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 270b–270e OR). 944

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Art. 270c III. Anfechtung indexierter Mietzinse Unter Vorbehalt der Anfechtung des Anfangsmietzinses kann eine Partei vor der Schlichtungsbehörde nur geltend machen, dass die von der andern Partei verlangte Erhöhung oder Herabsetzung des Mietzinses durch keine entsprechende Änderung des Indexes gerechtfertigt sei. III. Contestation des loyers indexés Sous réserve de la contestation du loyer initial, une partie peut seulement faire valoir devant l’autorité de conciliation que l’augmentation ou la diminution du loyer demandée par l’autre partie n’est pas justifiée par une variation de l’indice ou qu’elle ne correspond pas à l’ampleur de celle-ci.

III. Contestazione di pigioni indicizzate Fatta salva la contestazione della pigione iniziale, ciascuna delle parti può contestare innanzi l’autorità di conciliazione soltanto che l’aumento o la riduzione della pigione domandato dalla controparte è fondato su una variazione dell’indice o corrisponde a tale variazione.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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2. Anfechtungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Anfangsmietzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Anfechtung der Erhöhung bzw. Herabsetzungsbegehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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4.

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Übergangsrechtliche Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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1. Vorbemerkungen 1

Wollen die Parteien Mietzinsanpassungen von der Entwicklung der Teuerung abhängig machen, so können sie in einem mindestens für den Vermieter für eine Mindestdauer von fünf Jahren unkündbaren Mietvertrag (Art. 17 Abs. 4 VMWG) als Index nur den Landesindex der Konsumentenpreise vereinbaren, wie er vom Bundesamt für Statistik (BfS) veröffentlicht wird. Da die korrekte Anwendung einer Indexklausel somit nicht als missbräuchlich betrachtet wird, beschränkt Art. 270c OR das Anfechtungsrecht des Mieters auf die Überprü­ fung der Frage, ob die Mietzinsanpassung angesichts der dabei zu berücksich­ tigenden Indexentwicklung korrekt berechnet worden ist (vgl. demgegenüber die Praxis zum vor dem 1. Juli 1990 geltenden Mietrecht, in dem der Begriff der Indexklausel weiter gefasst worden war: BGE 108 II 466; 108 II 470).

2

Art. 270c OR ist den Parteidispositionen entzogen und enthält in diesem Sinne zwingendes Recht (Roncoroni, zwingende Bestimmungen I, S.  80; derselbe, zwingende Bestimmungen II, S. 72).

2. Anfechtungsmöglichkeiten 2.1 Anfangsmietzins 3

Art. 270c OR eröffnet dem Mieter bei Verträgen mit vereinbarter Indexklausel das Recht auf Anfechtung des Anfangsmietzinses unter den Voraussetzun­ gen von Art. 270 OR.

4

Ähnlich wie bei der Anfechtung des Anfangsmietzinses bei der Vereinbarung eines gestaffelten Mietzinses (Art.  270d OR i.V.m Art.  269c OR) stellt sich die Frage, ob es dem Vermieter zumutbar ist, nach einer allfällig richterli­ chen Modifikation der Mietzinsgestaltung im Rahmen einer Überprüfung des Anfangsmietzinses an den Vertrag  – namentlich mit Bezug auf dessen Min­ destdauer – gebunden zu bleiben (vgl. N 56 ff. zu Art. 270 OR und N 11 zu Art.  270d OR). Im Unterschied zur Vereinbarung eines Staffelmietzinses ist dies beim indexierten Mietzins zu bejahen: Die Vereinbarung einer Indexklau­ sel im Sinne von Art. 269b OR entspricht dem Willen der Parteien, sämtliche Kostenveränderungen im Laufe der Mietdauer nach Massgabe der Entwicklung dieses Parameters abzugelten. Da der Vermieter anderseits keinen Anspruch erheben kann, dass entsprechende Mietzinserhöhungen auf der Basis eines als missbräuchlich einzuschätzenden Anfangsmietzinses vorgenommen werden, ist ihm auch bei einer allfälligen richterlichen Korrektur des Anfangsmietzin­

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ses die Vertragserfüllung auf der Grundlage des als nicht missbräuchlich beur­ teilten Anfangsmietzinses zumutbar. Anders verhält es sich demgegenüber bei Vereinbarung eines Staffelmietzinses (vgl. N 11 zu Art. 270d OR).

2.2

Anfechtung der Erhöhung bzw. Herabsetzungsbegehren

Der Gesetzeswortlaut scheint das Recht der Parteien, gegen die unter Berufung 5 auf eine Indexentwicklung verlangte Mietzinsanpassung Einreden zu erheben, auf das Verfahrensstadium der Schlichtungsverhandlung zu beschränken. Das ist ein offensichtliches – und gleichzeitig erstaunliches – redaktionelles Verse­ hen des Gesetzgebers, denn selbstverständlich können Einwendungen der Par­ teien gegen die von der Gegenpartei anbegehrte Mietzinsanpassung auch in einem sich an das Schlichtungsverfahren anschliessenden gerichtlichen Ver­ fahren geltend gemacht werden. Richtig wäre daher wohl die Formulierung «kann eine Partei im Verfahren betreffend die Mietzinsfestsetzung nur geltend machen (…)». Die Überprüfungsbefugnis der Schlichtungsbehörden und des Richters beschränkt sich im Anfechtungsverfahren auf die Überprüfung, ob die geltend gemachte Indexveränderung seit der letzten Zinsanpassung bzw. seit dem Abschluss des Vertrags auch tatsächlich eingetreten ist. Im Weiteren kann nur überprüft werden, ob die angewendete Berechnungsmethode sowie die konkrete Berechnung richtig ist. Ferner ist zu überprüfen, ob die Mietzins­ anpassung allfälligen vertraglichen Modalitäten der Überwälzung von Index­ anpassungen entspricht, z.B. mit Bezug auf eine allenfalls vereinbarte Über­ wälzung eines Teils der eingetretenen Veränderung des Indexes, mit Bezug auf Termine oder Fristen usw. Berechnet der Vermieter die Erhöhung falsch, so schuldet der Mieter den falsch 6 berechneten höheren Mietzins, wenn er die Mietzinserhöhung nicht fristge­ recht bei der Schlichtungsbehörde anficht (MfdP/Wettstein, N 20.2.12.1). Das gilt nach hier vertretener Auffassung auch, wenn die Voraussetzungen für die Vereinbarung einer Indexklausel nicht erfüllt sind, z.B. weil das Mietverhält­ nis für den Mieter nicht mindestens fünf Jahre unkündbar ist (vgl. dazu N 8 zu Art. 269b OR). Berechnet der Vermieter die Anpassung falsch und unter­ lässt der Mieter eine Anfechtung, so kann er bei einer späteren Erhöhungsan­ zeige, mit welcher der Mietzinsaufschlag – ausgehend vom falsch kalkulierten aktuellen Mietzins – berechnet wird, den Einwand der Fehlberechnung erneut, aber nur für die Zukunft geltend machen. Die unterlassene Anfechtung eines falsch berechneten Mietzinsaufschlages kann damit im Zusammenhang mit einer neuen Erhöhung für die Zukunft korrigiert werden, weil damit im End­

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effekt dem Willen der Vertragsparteien entsprochen wird; insofern gilt zulas­ ten des Mieters die relative Methode nicht. 7

Nach Art. 17 VMWG in der seit 1. August 1996 geltenden Fassung ist es auch bei Wohnungen zulässig, den Mietzins zu 100% der Entwicklung des Landes­ indexes der Konsumentenpreise anzupassen, nachdem zuvor höchstens vier Fünftel der Indexentwicklung überwälzt werden durften. Aus der redaktionell verunglückten Formulierung von Art. 17 Abs. 1 VMWG kann nicht – e con­ trario – die Schlussfolgerung abgeleitet werden, die Parteien könnten bei Miet­ verhältnissen betreffend Geschäftsräume vereinbaren, dass der Mietzins zu mehr als 100% der Indexentwicklung angepasst wird. Dies würde Art.  269b OR widersprechen (vgl. N 14 ff. zu Art. 269b OR).

8

Vorbehalten bleibt eine weitergehende Überprüfung der Erhöhung, wenn sie gestützt auf eine diesbezüglich ausdrücklich getroffene Vereinbarung unter Berufung auf Mehrleistungen oder umfassende Überholungen begründet wird (vgl. N 26 zu Art. 269b OR), aber nur nach relativer Methode, das heisst beschränkt auf die vom Vermieter geltend gemachte Umlegung von Mehrleis­ tungen oder von Kosten einer umfassenden Überholung. Systemwidrig wäre es, dem Mieter Einreden unter Berufung auf absolute Missbrauchskriterien zuzugestehen.

9

Beansprucht der Mieter aufgrund einer rückläufigen Entwicklung des mass­ gebenden Landesindexes der Konsumentenpreise eine Mietzinsreduktion, so hat er mangels abweichender gesetzlicher Regelung das Vorverfahren gemäss Art.  270a OR einzuhalten. Als nächstmöglicher Kündigungstermin gilt der­ jenige Termin, auf den im umgekehrten Fall der Vermieter eine Mietzins­ erhöhung hätte anzeigen können, wenn sich dies aus dem Vertragswortlaut ergibt. Mangels einer entsprechenden Vereinbarung kann das Begehren aller­ dings erst auf den nächstmöglichen Kündigungstermin gestellt werden, denn gemäss Art.  17 Abs.  3 VMWG gilt die Möglichkeit, unter Einhaltung einer Voranzeigefrist von 30 Tagen eine Mietzinsanpassung geltend zu machen, aus­ drücklich nur für Mietzinserhöhungen. Dass es sich hier um ein redaktio­ nelles Versehen des Verordnungsgebers handeln könnte, kann ausgeschlossen werden: Die Möglichkeit einer rückläufigen Indexentwicklung sehen ja sowohl Art. 270c OR und Art. 17 Abs. 2 VMWG ausdrücklich vor, sodass diese bei der Gesetzes- bzw. Verordnungsredaktion bedacht worden sein muss. Die erwähn­ ten Bestimmungen enthalten nun aber bezüglich des möglichen Termins, auf den eine Mietzinssenkung verlangt werden kann, keine von der gesetzlichen Grundsatzbestimmung von Art. 270a OR abweichende Regelung.

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Der Mieter kann Anspruch auf eine Mietzinsreduktion des Weiteren nur dann 10 erheben, wenn die Indexveränderung einer «wesentlichen» Änderung der Berechnungsgrundlage (Art. 270a Abs. 1 OR) entspricht. Das ist mit Sicher­ heit bei Veränderungen in der Grössenordnung bis zu 1,5% nicht der Fall, wobei, soweit ersichtlich, zu dieser Frage bisher keine Praxis existiert (HAPImmobiliarmietrecht/Bättig, Rz.  1.104). Anspruch auf Mietzinsreduktion besteht schliesslich nur insoweit, als die Parteien nicht rechtsverbindlich ein Absinken des Mietzinses unter den Anfangsmietzins wegbedungen haben (vgl. N 23 zu Art. 269b OR und N 2 zu Art. 270a OR; BGE 125 III 358; 108 II 135; Higi, ZK, N 48 zu Art. 269b OR; ausführlich und überzeugend HAP-Immobili­ armietrecht/Koumbarakis, Rz. 17.32–17.34; HAP-Immobiliarmietrecht/Nord­ mann/Schmelzer, Rz.  18.7; Blumer, Gebrauchsüberlassungsverträge, N  521, S. 161; Rohrer, indexierter Mietzins, S. 9 f.; unzutreffend Weber, BSK, N 4 zu Art. 269b OR und N 1a zu Art. 270a OR; MfdP/Wettstein, N 20.2.16, die eine entsprechende Klausel unter Hinweis auf das vorerwähnte Urteil BGE 125 III 358 für nichtig erachtet, obwohl das Bundesgericht dies für die hier behandelte Fallkonstellation nicht entschieden hat).

3. Verfahren Das Verfahren richtet sich nach Art. 270b OR (Erhöhung) bzw. Art. 270a OR 11 (Herabsetzung).

4.

Übergangsrechtliche Fragen

Art. 26 Abs. 3 VMWG bestimmt, dass Mietverhältnisse mit indexierten oder 12 gestaffelten Mietzinsen, die nach dem 1. Juli 1990 beginnen, dem neuen Recht unterstehen. Mietverhältnisse mit indexierten oder gestaffelten Mietzinsen, die vor dem 1. Juli 1990 begonnen haben, aber erst später enden, unterstehen dem alten Recht. Sind nach früherem Recht zulässige Indexklauseln vereinbart worden, die 13 nicht den nach revidiertem Mietrecht einzig möglichen Landesindex der Kon­ sumentenpreise als massgebend erklären (anderer Index, z.B. Baukostenindex, Mischklauseln, bei denen anteilig Hypothekarzinsentwicklungen und Teue­ rungsentwicklung zu Mietzinsanpassungen führen konnten usw., vgl. N 12 zu Art.  269b OR), bleiben diese auch unter dem Geltungsbereich des revidier­ ten Miet- und Pachtrechtes anwendbar. Sie können im Anfechtungsverfahren indessen umfassend auf ihre allfällige Missbräuchlichkeit hin überprüft wer­ Beat Rohrer

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den (vgl. Art. 9 BMM). Weitergehend wäre es, folgte man der diesbezüglich allerdings fragwürdigen Rechtsprechung des Bundesgerichts, sogar möglich, in Vertragsverhältnissen mit entsprechenden Indexvereinbarungen Mietzins­ senkungen bei reduzierten Hypothekarzinssätzen zu verlangen, freilich mit der Konsequenz, dass bei einem Anstieg des Referenzzinssatzes wiederum Miet­ zinserhöhungen möglich wären (BGE 108 II 321). 14

Haben die Parteien schon vor dem 1.  Juli 1990 ihre Mietzinsgestaltung aus­ schliesslich von der Entwicklung des Landesindexes der Konsumentenpreise des BfS (damals «BIGA») abhängig gemacht, so gilt die Beschränkung der Missbrauchsüberprüfung gemäss Art. 270c OR ebenfalls. Sie dürfte ohnehin am ehesten dem Parteiwillen entsprechen; im Übrigen folgt die Gleichbehand­ lung von Mietzinsanpassungen in Verträgen, in denen schon vor dem 1. Juli 1990 Indexklauseln entsprechend Art. 269b OR abgeschlossen wurden, auch da­raus, dass der Mieter, der schon vor dem 1. Juli 1990 eine nach dem revidier­ ten Miet- und Pachtrecht zulässige Klausel vereinbart hat, nicht «schutzwür­ diger» erscheint als derjenige Mieter, der unter dem Geltungsbereich des revi­ dierten Miet- und Pachtrechtes einer solchen Anpassungsklausel zustimmt (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 16. Februar 1994, in: MRA 1/95, S. 19 ff.; ferner Entscheid des Mietgerichts Zürich vom 4. Mai 1995, in: MRA 4/95, S. 186 ff.).

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Art. 270d IV. Anfechtung gestaffelter Mietzinse Unter Vorbehalt der Anfechtung des Anfangsmietzinses kann der Mieter gestaffelte Mietzinse nicht anfechten. IV. Contestation des loyers échelonnés Sous réserve de la contestation du loyer initial, le locataire ne peut pas contester le loyer pendant le bail.

IV. Contestazione di pigioni scalari Fatta salva la contestazione della pigione iniziale, il conduttore non può contestare la pigione scalare.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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2. Umfang der Anfechtung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Anfangsmietzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Überprüfung der vereinbarten Mietzinsstaffelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Keine Anfechtung von Mietzinserhöhungen in Anwendung der vereinbarten Staffelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Überprüfung bei Mietzinsanpassungen ausserhalb Staffelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.5 Folgen der richterlich festgelegten Mietzinsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 270d

1. Vorbemerkungen 1

Gemäss dem vor dem 1. Juli 1990 geltenden Recht konnte der Mieter, der mit dem Vermieter eine Staffelung des Mietzinses vereinbart hatte, jede einzelne, der Staffelungsklausel entsprechende Mietzinserhöhung als missbräuchlich anfechten (Art. 10 Abs. 2 BMM). Dies erwies sich rechtsdogmatisch als unbe­ friedigend, weil es sich bei der Geltendmachung der vertraglich vereinbarten Staffelung eigentlich nicht um eine einseitige Mietzinserhöhung des Vermie­ ters, sondern nur um die korrekte Anwendung des von den Parteien gemein­ sam vereinbarten Vertragsinhaltes handelte. Seit der auf 1. Juli 1990 in Kraft getretenen Revision ist dieser Missstand beseitigt, indem Art. 270d OR festhält, dass der Mieter unter dem Vorbehalt der Anfechtung des Anfangsmietzinses gestaffelte Mietzinse nicht anfechten kann.

2

Art. 270d OR ist den Parteidispositionen entzogen und enthält insofern zwingendes Recht. Dies bedeutet insbesondere, dass die Anfechtung des Anfangs­ mietzinses nicht wegbedungen werden kann. Anderseits können die Parteien nicht vereinbaren, der Mieter könne auch die einzelnen Mietzinsanpassungen in Anwendung der Staffelklausel anfechten.

2.

Umfang der Anfechtung

2.1 Anfangsmietzins 3

Das Anfechtungsrecht des Mieters bezieht sich zunächst auf den vertrag­ lich vereinbarten Anfangsmietzins, welcher unter den Voraussetzungen von Art.  270 Abs.  1 Buchst.  a oder b OR vom Mieter sowohl bei der Miete von Wohn- als auch von Geschäftsräumen angefochten werden kann.

2.2 4

Überprüfung der vereinbarten Mietzinsstaffelungen

Die Festlegung der einzelnen Mietzinsstaffelungen nach Massgabe von Art.  269c OR kann ausschliesslich im Zusammenhang mit der Anfechtung des Anfangsmietzinses überprüft werden. Erforderlich ist somit zunächst, dass der Mieter eine der formellen Voraussetzungen gemäss Art. 270 Abs. 1 Buchst. a oder b OR geltend machen kann (vgl. hierzu N 6 ff. zu Art. 270 OR). Der Mieter hat sodann innerhalb der Anfechtungsfrist gegenüber der Schlich­ tungsbehörde klar zu erklären, ob er nur den Anfangsmietzins, nur einzelne der Staffelungen oder alle Mietzinsfestlegungen anfechten will. Ficht er nur

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Beat Rohrer

Art. 270d

den Anfangsmietzins an, so kann er nach Ablauf der 30-tägigen Anfechtungs­ frist seine Anfechtung nicht zusätzlich auf einzelne oder alle Staffelungen aus­ dehnen. Das Gesetz regelt nicht im Einzelnen, nach welchen Kriterien die Überprüfung 5 des Anfangsmietzinses und insbesondere der einzelnen Staffelungen vorzu­ nehmen ist. Dient die Staffelung dazu, den anfänglich nicht genügenden Ertrag bzw. die anfänglich nicht genügende kostendeckende Bruttorendite im Laufe der Zeit zu erzielen oder soll dieser Mietzins dem bei Vertragsabschluss beste­ henden orts- oder quartierüblichen Niveau entsprechen (Art. 269a Buchst. a OR) und haben die Parteien dies im Hinblick auf die Mietzinsgestaltung nach Ablauf der Staffelperiode im Mietvertrag zum Ausdruck gebracht (N 19 ff. zu Art. 269c OR, m.w.H.), so kann im Rahmen der Anfechtung der angestrebte Zielmietzins nach Massgabe von Art. 269 bzw. Art. 269a Buchst. a oder c OR auf Missbräuchlichkeit hin überprüft werden, auch wenn allfällige Veränderun­ gen bezüglich der Berechnungsparameter oder bezüglich der orts- oder quar­ tierüblichen Verhältnisse bis zum Zeitpunkt, in dem die einzelnen Staffelungen in Kraft treten, aus naheliegenden Gründen nicht berücksichtigt werden kön­ nen. Für die einzelnen Staffelungen gilt in dieser Konstellation Folgendes: Jeder nach Massgabe der Staffelungsabrede gegenüber den bei Vertragsabschluss beurteilbaren Parametern (angemessener Ertrag, kostendeckende Bruttorendite oder Orts- oder Quartierüblichkeit) nicht als missbräuchlich zu qua­ lifizierende Mietzins kann im vertraglich vereinbarten Zeitpunkt vom Vermie­ ter im vollen Umfang beansprucht werden. Erweisen sich im Hinblick auf die Erzielung des vermeintlich nicht missbräuchlichen Zielmietzinses vereinbarte Staffelungen indessen nach Massgabe der genannten Kriterien bei Vertrags­ abschluss als missbräuchlich, so werden sie auf das zulässige Mass reduziert. Eine Art «proportionale» Anpassung der einzelnen Staffelungen verbietet sich in beiden Fällen, weil der Richter ausschliesslich befugt ist, missbräuchliche Mietzinse auf das als zulässig erachtete Mass zu reduzieren. Vereinbaren die Parteien eine Staffelungsklausel, um die von ihnen erwarteten 6 Kostensteigerungen im Laufe einer bestimmten Mindestvertragsdauer quasi vorwegzunehmen, so muss sich die Prüfung der Missbräuchlichkeit auf den vereinbarten Anfangsmietzins beschränken. Es kann ja nicht im Voraus beur­ teilt werden, ob die im Rahmen der Staffelung vereinbarten künftigen Miet­ zinse im konkreten Zeitpunkt, in dem die erwähnten Mietzinserhöhungen in Kraft treten sollen, missbräuchlich sind. Fehlen die Grundlagen für eine Beur­ teilung der gestaffelten Mietzinse auf allfällige Missbräuchlichkeit, so verbie­ tet es sich, entgegen dem Parteiwillen die solcherart getroffenen Mietzinsver­

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953

Art. 270d

einbarungen durch richterlichen Eingriff zu verändern, umso mehr, als die Festlegung des massgebenden Mietzinses in aller Regel im Kontext zu ande­ ren dem Mieter gewährten Vorteilen steht (Mindestvertragsdauer; kein Risiko anderer, nicht beeinflussbarer Kostenveränderungen während der Staffelperi­ ode usw.; ähnlich Higi, ZK, N 37 zu Art. 270c–270d OR, der eine Korrektur von Staffelmietzinsen im Rahmen der Anfechtung des Anfangsmietzinses nur dann zulassen will, wenn die Prognosen der Parteien über die künftige Miet­ zinsgestaltung bekannt und offensichtlich unzutreffend sind; Bättig, Staffelung, S. 6; nicht praktikabel ist mit Sicherheit die Auffassung von MfdP/Wettstein, N 20.3.6, wonach sich die Beurteilung der künftige Kostenentwicklungen vor­ wegnehmenden Staffelungen an der «wahrscheinlichen Entwicklung der Kos­ tenfaktoren» zu orientieren habe, denn eine solche Entwicklung lässt sich nicht vorhersehen). 7

Bei gestaffelten Mietzinsen sind Kompensationen einer anfänglichen Mietzins­ verbilligung mit später überhöhten Mietzinsen missbräuchlich (Botsch. 1985, S.  1471). Beabsichtigt der Vermieter also, mit der Mietzinsstaffelung anfäng­ lich gewährte Verbilligungen später zu kompensieren, so muss dies entspre­ chend der Regelung von Art. 269a Buchst. d OR ausdrücklich vereinbart wer­ den. Insofern besteht zwischen dem in Art. 269a Buchst. d OR vorgesehenen Modell und der Möglichkeit, gestaffelte Mietzinse zu vereinbaren, ein klarer, vom Gesetzgeber gewollter Unterschied, der einer Vermischung beider Sys­ teme entgegensteht.

2.3

Keine Anfechtung von Mietzinserhöhungen in Anwendung der vereinbarten Staffelung

8

Unterlässt der Mieter die Anfechtung des Anfangsmietzinses, so kann er spä­ ter die jeweiligen, den vereinbarten Staffelungen entsprechenden Mietzins­ erhöhungen nicht mehr anfechten. Solche Erhöhungen müssen allerdings trotzdem aus nicht einleuchtenden Gründen mit dem gesetzlich vorgeschrie­ benen amtlichen Formular angezeigt werden, wobei die Mitteilung frühestens 4 Monate vor Eintritt jeder Mietzinserhöhung erfolgen darf (Art.  19 Abs.  2 VMWG, vgl. N 11 ff. zu Art. 269c OR).

9

Zeigt der Vermieter mit amtlich genehmigtem Formular eine nicht der ver­ traglich vereinbarten Staffelungsklausel entsprechende Mietzinsanpassung an oder zeigt er eine entsprechende Anpassung zu früh, zu spät oder auf einen fal­ schen Termin an, so tritt die entsprechend angezeigte Anpassung gleichwohl

954

Beat Rohrer

Art. 270d

in vollem Umfang in Kraft, wenn der Mieter sie nicht innert 30 Tagen bei der Schlichtungsbehörde anficht (a.M. Higi, ZK, N 30 zu Art. 270c–270d OR).

2.4

Überprüfung bei Mietzinsanpassungen ausserhalb Staffelung

Wie an anderer Stelle dargelegt wurde, schliesst die Vereinbarung einer Staf­ 10 felungsklausel Mietzinsanpassungen aufgrund anderer Kostensteigerun­ gen, namentlich bei Mehrleistungen und umfassenden Überholungen, nicht aus. Die Parteien müssen zusätzliche Anpassungsmöglichkeiten allerdings vertraglich vereinbaren (N  9 zu Art.  269c OR, m.w.H.; Dietschy-Martenet, CPra, N 30 zu Art. 269c OR; Weber, BSK, N 7 zu Art. 269c OR, der in diesem Zusammenhang, wie auch bei der entsprechenden Vereinbarung bei indexier­ ten Mietverträgen, postuliert, dem Mieter müsse bei einer Mietzinsanpassung wegen Mehrleistungen oder umfassenden Überholungen das Recht zugestan­ den werden, auf den Zeitpunkt, auf den die Anpassung in Kraft tritt, kündigen zu können; a.M. MfdP/Wettstein, N 20.3.2). Zeigt der Vermieter eine entspre­ chende Mietzinserhöhung an, so kann diese auf eine allfällige Missbräuch­ lichkeit hin überprüft werden. Einreden des Mieters unter Berufung auf absolute Missbrauchskriterien können dabei jedoch nie zu einer Unterschreitung des nach Massgabe der Staffelungsklausel vereinbarten Mietzinses führen, da dies Art. 270d OR zuwiderliefe. Dies gilt selbst dann, wenn beispielsweise eine Ertragsüberprüfung zum Ergebnis führt, dass der unter Berufung auf die Staf­ felungsklausel zuletzt angepasste Mietzins dem Vermieter einen übersetzten Ertrag verschafft. Eine allfällige Anpassung kann vom Mieter freilich auf den Ablauf der Staffelperiode verlangt werden (N 19 ff. zu Art. 269c OR).

2.5

Folgen der richterlich festgelegten Mietzinsgestaltung

Werden der von den Parteien festgelegte Anfangsmietzins und möglicherweise 11 auch die vereinbarten Staffelungen im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens modifiziert (was mit Bezug auf die Letzteren nur möglich erscheint, wenn mit der Staffelung schrittweise ein Zielmietzins angestrebt wird, der nach Auffas­ sung des Vermieters dem eigentlichen Anfangsmietzins entsprechen soll, vgl. N 5), so stellt sich die nämliche Frage, die sich auch bei anderen auf eine Min­ destfrist eingegangenen Verträgen stellt: Kann es dem Vermieter zugemutet werden, dass er an eine langjährige Vertragsdauer gebunden bleibt, obwohl er diese als Gegenleistung und im Vertrauen auf den Bestand einer mit dem Mie­ ter ausgehandelten Mietzinsregelung eingegangen ist? Die Frage ist zu vernei­ Beat Rohrer

955

Art. 270d

nen. Rechtsdogmatisch richtig kann nur sein, dass bei einer Modifikation des Anfangsmietzinses der Mietvertrag in der Folge als unbefristetes Vertragsverhältnis ohne Mindestvertragsdauer zulasten der Parteien zu betrachten ist, bei dem die Mietzinsgestaltung inskünftig nicht nach den – zufolge der Verän­ derung des Anfangsmietzinses ohnehin nicht mehr massgebenden – Mietzins­ staffelungen erfolgt, sondern nach der Entwicklung der allgemeinen, die Miet­ zinsgestaltung beeinflussenden Kosten- oder Marktparameter nach Art. 269 ff. OR (vgl. N 2 ff. zu Art. 270 OR).

956

Beat Rohrer

Beat Rohrer

Art. 270e F.

Weitergeltung des Mietvertrages während des Anfechtungsverfahrens

Der bestehende Mietvertrag gilt unverändert weiter: a. während des Schlichtungsverfahrens, wenn zwischen den Parteien keine Einigung zustande kommt, und b. während des Gerichtsverfahrens, unter Vorbehalt vorsorglicher Massnahmen des Richters. F.

Validité du bail pendant la procédure de contestation

Le bail reste en vigueur sans changement: a. pendant la procédure de conciliation, si les parties ne sont pas parvenues à un accord; b. pendant la procédure judiciaire, sous réserve des mesures provisionnelles ordonnées par le juge.

F.

Validità ulteriore della locazione durante la procedura di contestazione

Il contratto di locazione permane valido senza alcun cambiamento: a. durante il procedimento di conciliazione, se le parti non raggiungono un’intesa, e b. durante il procedimento giudiziario, fatti salvi i provvedimenti cautelari ordinati dal giudice.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

958

2.

Weitergeltung bestehender Mietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

958

3.

Rückwirkung des Entscheids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

958

4.

Vorsorgliche Massnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Beat Rohrer

957

Art. 270e

1. Vorbemerkungen 1

Art. 270e OR stellt kein zwingendes Recht dar. Es steht den Parteien frei zu vereinbaren, dass eine allfällige Vertragsänderung (z.B. Erhöhung oder Herab­ setzung des Mietzinses) unter Vorbehalt der Rückforderung zugunsten der jeweils betroffenen Partei auch während eines laufenden Anfechtungsverfah­ rens bereits in Kraft treten soll. Es kann insbesondere der Mieter daran inte­ ressiert sein, dass er nicht dereinst, nach einem unter Umständen lange dau­ ernden Prozessverfahren betreffend eine Mietzinserhöhung, den letztlich vom Gericht festgelegten Differenzbetrag nachzahlen muss.

2.

Weitergeltung bestehender Mietvertrag

2

Treffen die Parteien keine abweichende Vereinbarung, so gilt während der Dauer eines Anfechtungsverfahrens der bisherige Mietvertrag unverändert weiter. Bei einer angefochtenen Mietzinserhöhung ist der bisherige, tiefere Mietzins zu entrichten. Umgekehrt gilt im Falle der Anfechtung des Anfangs­ mietzinses (Art. 270 OR) oder bei einem Verfahren betreffend Mietzinsreduktion gemäss Art. 270a OR, dass der Mieter den vereinbarten bzw. bisherigen Mietzins weiter zu bezahlen hat.

3

Betrifft das Anfechtungsverfahren eine andere einseitige Vertragsänderung, z.B. die Einführung neuer Nebenkosten oder die Ausscheidung der bisher im Nettomietzins enthaltenen Nebenkosten mit Einführung des Abrechnungssys­ tems nach effektivem Aufwand, so besteht während des Verfahrens ein Schwebezustand. Ist das Verfahren beendigt, so hat der Vermieter nach durchge­ führtem Verfahren je nach dessen Ausgang eine gesonderte Abrechnung zu erstellen.

4

Die wesentlichste Auswirkung der Bestimmung von Art.  270e OR besteht darin, dass der Mieter während der Dauer eines Anfechtungsverfahrens bezüg­ lich der strittigen Differenz nicht in Verzug geraten kann und die damit ver­ bundenen Folgen  – Kündigungsandrohung nach Art.  257d OR, Bezahlung von Verzugszinsen (Art. 104 f. OR) – nicht zum Zug kommen.

3. 5

Rückwirkung des Entscheids

Der Anspruch auf Ausgleich zu viel bezahlter Mietzinse (im Falle der Anfangs­ mietzinsanfechtung gemäss Art.  270 OR oder einer Mietzinsreduktion im

958

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Art. 270e

Sinne von Art. 270a OR zugunsten des Mieters) oder zu wenig bezahlter Miet­ zinse (nach einer Mietzinserhöhung im Sinne von Art.  269d OR zugunsten des Vermieters) wird mit Eintritt der Rechtskraft des Entscheids fällig, der das Anfechtungsverfahren abschliesst (Urteil des Bundesgerichts 4C.291/2001 vom 9. Juli 2002, E. 6c). Zu erstatten ist die Differenz zwischen bezahltem und nach dem Entscheid des letztinstanzlich urteilenden Gerichts geschuldeten Mietzinses, und zwar rückwirkend ab dem Zeitpunkt, auf den die Mietzins­ erhöhung oder -reduktion hätte in Kraft treten sollen bzw. – bei der Anfangs­ mietzinsanfechtung  – ab Mietbeginn. Anspruchsgrundlage für den Mieter, der zu viel Bezahltes zurückfordert, ist eine ungerechtfertigte Bereicherung (BGE 140 III 583, E. 3.2.3; Urteil des Bundesgerichts 4C.291/2001 vom 9. Juli 2002, E. 6c, mit Hinweis auf BGE 113 II 186, E. 1a, für den analogen Fall einer nichtigen Mietzinserhöhung; Higi, ZK, N 16 zu Art. 270e OR und N 74 f. zu Art. 270 OR; a.M. Weber, BSK, N 2 zu Art. 270e OR, der die Auffassung ver­ tritt, der Rückforderungsanspruch sei vertraglicher Natur, dies mit Hinweis auf BGE 130 III 504, der allerdings die Rechtsnatur des rückwirkenden Anspruchs auf verhältnismässige Mietzinsreduktion nach Art. 259d OR behandelt; Hul­ liger/Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 270e OR). Der Mieter ist davon befreit, ab diesem Zeitpunkt Verzugszins bezahlen zu müssen (Urteil des Bundesgerichts 4C.291/2001 vom 9. Juli 2002, E. 6c, in: MRA 5/02, S. 176 ff.; Weber, BSK, N 2 zu Art. 270e OR). Der Mieter kann seinen allfälligen Rückerstattungsanspruch auch mit künftigen Mietzinsen verrechnen.

4.

Vorsorgliche Massnahmen

Der Vorbehalt der Anordnung vorsorglicher Massnahmen nimmt Bezug auf 6 Art. 261 ZPO. Vorsorgliche Massnahmen können jedoch nur angeordnet wer­ den, wenn die dafür vorgesehenen Voraussetzungen – in der Regel Glaubhaft­ machen eines nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteils, der ohne Erlass vorsorglicher Massnahmen eintreten könnte  – erfüllt sind (Kommentar von Hans Bättig zu den Urteilen des Bundesgerichts 4A_347/2013 vom 7. Novem­ ber 2013 und 4A_494/2013 vom 25. Februar 2014, in: MRA 3/14, S. 148 ff.). Den Schlichtungsbehörden steht nach dem Wortlaut des Gesetzes keine Kom­ 7 petenz zu, im Rahmen von Mietzinsanfechtungsverfahren vorsorgliche Massnahmen zu verfügen (Urteil des Bundesgerichts 4C.35/2003 vom 3. Juni 2003, in: MRA 1/04, S. 27 ff.; Bättig, Streitigkeiten, S. 149; vgl. hierzu ZMP 1/91, Nr. 9; Higi, ZK, N 34 zu Art. 259i OR).

Beat Rohrer

959

Art. 270e 8

Will eine Partei die Sicherstellung ihrer Ansprüche bereits während des Schlich­ tungsverfahrens durch Erlass vorsorglicher Massnahmen erwirken, so kann sie dieses Begehren beim Richter stellen, der nach der ZPO vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit dafür zuständig ist.

960

Beat Rohrer

Raoul Futterlieb

Dritter Abschnitt: Kündigungsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen Art. 271 A. Anfechtbarkeit der Kündigung I.

Im Allgemeinen

1 Die

Kündigung ist anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst.

2 Die

Kündigung muss auf Verlangen begründet werden.

A.

Annulabilité du congé

I.

En général

1 Le

congé est annulable lorsqu’il contrevient aux règles de la bonne foi.

2 Le

congé doit être motivé si l’autre partie le demande.

A.

Contestabilità della disdetta

I.

In genere

1 La

disdetta può essere contestata se contraria alle regole della buona fede.

2 La

parte che dà la disdetta deve motivarla a richiesta dell’altra.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter der Norm .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Anwendungsbereich/Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.3 Verhältnis von Art. 271 zu 271a OR und zu Art. 2 ZGB .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

963 963 963 965

2. Anfechtbarkeit der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

966 966

Raoul Futterlieb

961

Art. 271 2.2 2.3

Verstoss gegen Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Bedeutung und Rechtsfolgen der Anfechtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

969 984

3. 3.1 3.2 3.3

Begründung der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Anforderungen; Klarheit der Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Berechtigung, die Begründung zu verlangen; Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Ausbleiben einer Begründung, Bindung des Kündigenden an die Begründung, unvollständige oder wahrheitswidrige Begründung, Nachschieben von Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Mehrere Kündigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Nachträglicher Wegfall des Kündigungsgrundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

986 986 988

3.4 3.5

962

989 991 991

Raoul Futterlieb

Art. 271

1. Vorbemerkungen 1.1

Zwingender Charakter der Norm

Art. 273c OR bestimmt, dass der Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen auf 1 Rechte, die ihm nach dem 3. Abschnitt des revidierten 8. Titels des OR zuste­ hen, nur dort verzichten könne, wo dies ausdrücklich vorgesehen sei. Der Mie­ ter kann damit auf das Anfechtungsrecht von Art. 271 und Art. 271a OR nicht verzichten. Dasselbe gilt aber hinsichtlich Art. 271 OR auch für den Vermieter, weil die Normen der Parteiautonomie entzogen und damit absolut zwingend sind (Higi, ZK, N 16 ff. zu Art. 271 OR; MfdP/Thanei, N 29.1.3 und Roncoroni, zwingende Bestimmungen I, S. 85 f. sowie in: mp 2/06, S. 77; a.M. Barbey, Pro­ tection, N 325 zu Art. 271–271a OR).

1.2 Anwendungsbereich/Abgrenzungen 1.2.1

Wohn- und Geschäftsräume

Entsprechend dem 3. Abschnitt des 8. Titels des Obligationenrechtes sind Kün­ 2 digungen anfechtbar, mit welchen Mietverhältnisse über Wohn- und Geschäfts­ räume beendet werden (zur Definition des Wohn- und des Geschäftsraumes vgl. N 24–25 Vorbem. zu Art. 253–273c OR; N 5 und 7 ff. zu Art. 253a OR; Higi, ZK, N  20–39 Vorbem. zu Art.  271–273c OR) sowie für privat- oder öffent­ lich-rechtliche Dienstwohnungen (Higi, ZK, N 22 Vorbem. zu Art. 271–273a OR), wenn deren Überlassung nicht als untergeordnete Nebenabrede erscheint. Eine Dienstwohnung setzt voraus, dass der Vermieter auch Arbeitgeber des Mieters ist und diesem eine Wohnung wegen reiner haupt- oder nebenbe­ ruflicher Tätigkeit überlässt, wie etwa im Falle einer Hauswartswohnung. Ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Überlassung einer Wohnung mit einem Arbeits- oder anderen Vertrag gekoppelt, so sind die Kündigungs­ schutzbestimmungen ausgeschlossen, wenn dieser den überwiegenden Teil der Leistungen ausmacht und das Mietverhältnis als untergeordnete Abrede zu gewichten ist (BGE 131 III 566, E. 3.1). Zur Frage, welches Vertragselement überwiegt, siehe BGE 115 II 452, E. 3a und 118 II 157, E. 3a (siehe im Übrigen N 3 zu Art. 272). Im Gegensatz zur Anfechtung missbräuchlicher Mietzinse können bei 3 Wohnräumen Kündigungen ohne Einschränkungen angefochten werden, mit­ hin auch bei luxuriösen Wohnungen und Einfamilienhäusern mit sechs oder mehr Wohnräumen sowie bei Wohnräumen, deren Bereitstellung von der

Raoul Futterlieb

963

Art. 271

öffentlichen Hand gefördert wurde und deren Mietzins durch eine Behörde kontrolliert wird. Nicht anfechtbar sind dagegen Kündigungen von unbeweg­ lichen Sachen, Fahrnisbauten und Einstellplätzen, es sei denn, solche Miet­ sachen seien zusammen mit Wohn- oder Geschäftsräumen gemietet worden (Art. 253a Abs. 1 OR; Barbey, Protection, N 188, S. 75 f.; Higi, ZK, N 40–42 Vorbem. zu Art. 271–273c OR; MfdP/Thanei, N 29.1.3). Dabei spielt es keine Rolle, ob die zusammen mit Wohn- oder Geschäftsraum gemietete (Neben-) Sache gleichzeitig mit der Hauptsache ge- oder später zugemietet wurde (vgl. N 13). Nicht anfechtbar sind schliesslich Kündigungen von Ferienwohnungen, die für höchstens drei Monate gemietet wurden (Art. 253a Abs. 2 OR).

1.2.2

Unbefristete Miete

4

Selbstverständliche Voraussetzung der Kündigungsanfechtung ist ein gül­ tiges, unbefristetes Mietverhältnis über Wohn- oder Geschäftsräume, da es zur Beendigung eines befristeten Mietverhältnisses keiner Kündigung bedarf. Einen Sonderfall bilden befristete Mietverhältnisse, die von einer oder beiden Parteien aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung vor dem Ablauf gekün­ digt werden können (Beispiel: «Das Mietverhältnis endet ohne Weiteres bei Beginn der Bauarbeiten, bis dahin kann es unter Einhaltung der gesetzlichen Frist auf jedes Monatsende gekündigt werden.»). Erfolgt in einem solchen Falle eine Kündigung, so kann sie angefochten werden.

5

Ebenfalls ausgeschlossen ist eine Anfechtung im Falle der einvernehmlichen Auflösung eines Mietverhältnisses (CHK, N 1 zu Art. 271/271a OR), des Rück­ tritts bei gravierenden Mängeln bei Übergabe der Mietsache (Art. 258 Abs. 1 OR) und nach Art. 107 Abs. 2 und Art. 109 OR, bei der vorzeitigen Rückgabe (Art. 264 OR), aber auch bei Nichtigkeit des Mietvertrags und bei weiteren Formen der Vertragsauflösung (ausführlich dazu Barbey, Protection, N  229– 235, S. 83–85; Higi, ZK, N 58 Vorbem. zu Art. 271–273c OR).

1.2.3 6

Hauptmiete, Untermiete

Die Kündigung von Wohn- oder Geschäftsräumen ist gleichermassen anfecht­ bar, ob damit ein Haupt- oder ein Untermietverhältnis aufgelöst wird (Calamo, Missbräuchlichkeit, S. 198; Higi, ZK, N 7 und 22 Vorbem. zu Art. 271–273c OR) mit der Einschränkung, dass das Untermietverhältnis nicht länger als das Hauptmietverhältnis dauern kann. Vorbehalten bleibt der Fall, dass die Unter­ miete hauptsächlich die Umgehung der Vorschriften über den Kündigungs­ schutz bezweckt (Art. 273b OR). In diesem Fall ist die Kündigung des Unter­ vermieters anfechtbar, und das vom Untermieter gegen den Untervermieter 964

Raoul Futterlieb

Art. 271

angestrengte Verfahren wird gegen den (Haupt-)Vermieter fortgeführt (N 17 f. zu Art. 273b OR).

1.2.4

Ordentliche und ausserordentliche Kündigung

Die Anfechtung ist möglich sowohl bei ordentlichen wie bei ausserordentli­ 7 chen Kündigungen (BGE 120 II 31, E.  4a; CHK, N  2 zu Art.  271/271a OR), bei Letzteren mit der Einschränkung, dass die Anfechtung allein mit einem Verstoss gegen Treu und Glauben begründet werden kann, nicht jedoch mit dem Fehlen der (ausserordentlichen) besonderen Voraussetzungen (BGE 121 III 156, in: MRA 4/95, 203 ff.; BGE 122 III 92; zu diesem Thema vgl. N 16). Dies ist aber als Vorfrage zu prüfen, weil nur eine gültige Kündigung auf Miss­ bräuchlichkeit geprüft werden kann (Urteil des Bundesgerichts 4A_270/2015 vom 14.  April 2016; zu diesem Thema siehe Kapitel «Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen», N 8).

1.3

Verhältnis von Art. 271 zu 271a OR und zu Art. 2 ZGB

Art. 271 Abs. 1 OR legt den allgemeinen Grundsatz fest, wann eine Kündigung anfechtbar ist. Die Norm ist anwendbar auf die Kündigung des Vermieters wie auf diejenige des Mieters.

8

Art. 271a OR regelt dagegen – im Sinne einer Konkretisierung der General­ 9 klausel des Art. 271 Abs. 1 OR – besondere Fälle, in denen die Kündigung des Vermieters anfechtbar ist. Die Regelungen gemäss den Buchst. a, b, c und f des ersten Absatzes von Art. 271a OR zählen einzelne Kündigungsgründe des Ver­ mieters auf, die nicht schützenswert sind, mithin gegen den Grundsatz von Treu und Glauben i.S.v. Art. 271 Abs. 1 OR verstossen. Die Regelungen gemäss den Buchst. d und e legen zeitlich fest, wann eine Kündigung als treuwidrig entsprechend der zitierten Norm zu gelten hat (einlässlich zum Thema Cor­ boz, Congé, S. 33 ff.). Art. 271 und 271a OR gehen gemäss herrschender Lehre und der höchstrich­ 10 terlichen Praxis als lex specialis Art. 2 ZGB vor und schliessen dessen selbstän­ dige Anwendung aus (BGE 133 III 175 und dort angeführte Literatur; vgl. auch CHK, N 2 zu Art. 271/271a OR; a.M. MfdP/Thanei, N 29.1.4.2 und Weber, BSK, N 29 zu Art. 271/271a OR, der postuliert, eine offensichtlich missbräuchliche Kündigung habe als nichtig i.S.v. Art. 2 Abs. 2 ZGB zu gelten).

Raoul Futterlieb

965

Art. 271

2.

Anfechtbarkeit der Kündigung

2.1 Kündigung 2.1.1 Allgemeines 11

Die Kündigung ist das beiden Parteien eines unbefristeten Mietverhältnisses zustehende Recht, das Dauerschuldverhältnis durch einseitige Erklärung zu beenden (Gauch, Beendigung, S. 36 ff.; Higi, ZK, N 31 ff. Vorbem. zu Art. 266– 266o OR). Als ordentliche bezeichnet man die unter Beachtung der vertragli­ chen und gesetzlichen Fristen und Terminen ausgesprochene Kündigung. Sie ist materiell-rechtlich an keine besonderen Voraussetzungen geknüpft. Dane­ ben statuiert das Gesetz Sonderfälle, die eine ausserordentliche Auflösung des Mietverhältnisses gestatten und deren Voraussetzungen durch Parteiabrede konkretisiert werden können (vgl. N 12).

2.1.2 Formgültigkeit/Nichtigkeit 12

Erste Voraussetzung einer Anfechtung ist eine formgültige Kündigung. Die Kündigung des Mieters hat schriftlich zu erfolgen (Art.  266l Abs.  1 OR). Betrifft sie eine Familienwohnung, so muss die ausdrückliche Zustimmung des anderen Ehegatten oder eingetragenen Partners vorliegen (Art. 266m OR; vgl. Hasenböhler, Familienwohung, S.  241  ff.). Die Kündigung des Vermie­ ters bedarf einer qualifizierten Schriftlichkeit, muss mithin mit einem vom Kanton genehmigten Formular ergehen (Art.  266l Abs.  2 OR) und eigen­ händig unterzeichnet sein (wird ein Begleitbrief mitversandt, so genügt die eigenhändige Unterschrift auf dem Begleitbrief, vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 10. Juli 1998, in: mp 4/00, S. 185). Betrifft sie eine Familienwohnung, so ist das Formular je separat an den Mieter und seinen Ehegatten oder einge­ tragenen Partner zu versenden (Art.  266n OR). Diese Formvorschriften gel­ ten für ordentliche wie für ausserordentliche Kündigungen (N 44, 48 und 49 zu Art.  266l–266o OR). Werden sie nicht eingehalten, so ist die Kündigung (form-)nichtig (Art.  266o OR), entfaltet mithin keinerlei Rechtswirkungen und braucht nicht angefochten zu werden (BGE 121 III 156, E. 1c/bb; BGE 122 III 95, E. 3d; BGE 140 III 244, E. 4.1).

13

Eine Kündigung kann aber auch aus anderen Gründen nichtig sein, so etwa, wenn sie nicht vom Vermieter oder aber nicht vom Mieter ausgesprochen wird (vgl. MfdP/Thanei, N 25.1), wenn sie bei einer Mehrheit von Vermietern oder Mietern nicht von allen bzw. im Namen aller Beteiligten ausgesprochen oder nicht an alle gerichtet wird (Urteil des Bundesgerichts 4C.331/1993; Urteil des

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Bundesgerichts 4C.6/2002 vom 10. September 2002, in: MRA 4/03, S. 115 ff.; a.M. Weber, BSK, N 2 zu Art. 271/271a OR; im Falle der Erbengemeinschaft vgl. Mitteilungen 26, Nr. 14 und N 33 Vorbem. zu Art. 266–266o OR). Desglei­ chen nichtig ist die Kündigung des Erwerbers der Mietsache, wenn sie vor dem Eigentumsübergang ausgesprochen wird (BGE 118 II 19; BGE 128 III 82, E. 1c; vgl. auch Calamo, Missbräuchlichkeit, S. 203 f.). Nichtig ist in der Regel die Kündigung einer mit der Hauptsache mitvermiete­ ten Nebensache, wenn Haupt- und Nebensache ein einheitliches Mietverhältnis bilden (N 20 ff. Vorbem. zu Art. 266–266o OR; Corboz, Congé, S. 51; Higi, ZK, N 96 ff. Vorbem. zu Art. 266–266o OR; BGE 125 III 231; Urteil des Bun­ desgerichts 4C.6/2002 vom 10. September 2002, in: MRA 4/03, S. 115 ff.). Nich­ tig ist sodann die Kündigung einer Wohnung wegen des Zahlungsrückstandes eines separat mitvermieteten Parkplatzes (BGE 137 III 123, E. 2). Nichtig ist auch die Kündigung einer Genossenschaftswohnung, wenn die Genossen­ schaft ihren Mitgliedern in den Statuten Anspruch auf die Benützung einer Wohnung einräumt und der Mieter/Genossenschafter bei der Kündigung noch nicht rechtskräftig aus der Genossenschaft ausgeschlossen worden ist (MfdP/ Thanei, N 25.7.2). Dies gilt allerdings nicht, wenn die Kündigung auf die glei­ chen Gründe gestützt wird, die einen Ausschluss aus der Genossenschaft gestatten (BGE 136 III 65, E. 2.1–2.4). Ob eine Kündigung wegen Nichteinhaltung der Formvorschriften (Art. 266o 14 OR) oder aus anderen Gründen nichtig oder unwirksam ist, wird vom Richter vorfrageweise geprüft (Urteil des Bundesgerichts 4A_270/2015 vom 14. April 2016). Unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs braucht der Empfänger einer nichtigen Kündigung kein Verfahren zur Feststellung der Nichtigkeit anzustrengen (BGE 121 III 156, in: MRA 4/95, S. 203 ff.; BGE 122 III 92; vgl. auch N 50 zu Art. 266l–266o OR).

2.1.3

Ausserordentliche Kündigung als Sonderfall

Das Gesetz sieht folgende ausserordentliche Kündigungen vor:

15

–– des Vermieters bei Zahlungsrückstand des Mieters (Art. 257d OR); –– des Vermieters bei Verletzung von Sorgfalt und Rücksichtnahme durch den Mieter (Art. 257f Abs. 3 und 4 OR); –– des Vermieters/Erwerbers der Mietsache bei dringendem Eigenbedarf (Art. 261 Abs. 2 OR); –– des Vermieters bei Konkurs des Mieters (Art. 266h OR);

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–– des Mieters bei Eintreten schwerwiegender Mängel der Mietsache (Art. 259b Buchst. a OR); –– der Erben des Mieters (Art. 266i OR); –– beider Parteien bei Vorliegen wichtiger Gründe (Art. 266g OR). 16

Jede dieser ausserordentlichen Kündigungen ist an besondere, materiell-recht­ liche Voraussetzungen geknüpft, deren Vorhandensein das Recht zur Kündi­ gung erst entstehen lässt. Dasselbe gilt für den Fall, dass die ausserordentliche Kündigung durch Vertragsabrede in besonderer Weise konkretisiert wird (z.B. bei der vertraglichen Konkretisierung wichtiger Gründe; vgl. dazu das Urteil des Bundesgerichts vom 22. August 1994; in: MRA 2/95, S. 89 und Hulliger, Kündigung, S.  6). Nach einer vorerst in anderer Richtung angedeuteten Pra­ xis (BGE 119 II 147) stellte das Bundesgericht mit BGE 121 III 156 (vgl. auch MRA 4/95, S. 201) allgemeingültig klar, dass ausserordentliche Kündigungen, deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind, als unwirksam zu qualifizieren sind. Sie brauchen mithin nur dann angefochten zu werden, wenn zusätzlich geltend gemacht wird, sie verstiessen gegen Treu und Glauben i.S.v. Art. 271 OR (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.35/2004 vom 27. April 2004 zu einer missbräuch­ lichen Zahlungsverzugskündigung, in: MRA 3/04, S. 87 ff.). Im Übrigen entfal­ ten sie keinerlei Rechtswirkungen und sind gleich zu behandeln wie nichtige Kündigungen (Higi, ZK, N 47 und N 57 zu Art. 257d OR und N 49 zu Art. 257f OR; Futterlieb Raoul, in: MRA 4/95, S. 206, zur Frage, ob der Kündigungsemp­ fänger auf Feststellung der Unwirksamkeit klagen könne; zum selben Thema die Entscheidkompetenz der Schlichtungsbehörde befürwortend Weber, BSK, N 6 zu Art. 273 OR; ablehnend: Tschudi, Zuständigkeit, S. 51 ff.).

2.1.4 17

Ergeht eine Kündigung unter Missachtung der vertraglichen oder gesetzlichen Fristen oder Termine, so gilt sie auf den nächstmöglichen Termin (vgl. N 9 ff. zu Art. 266a OR). Dies gilt gleichermassen bei der ordentlichen wie bei der ausserordentlichen Kündigung (MfdP/Thanei, N 26.4.2; Higi, ZK, N 48–50 zu Art. 266a OR). Eine Anfechtung ist nicht erforderlich, jedoch zulässig (Urteil des Bundesgerichts vom 31. Januar 1996, in: MRA 4/96, S. 166 ff.).

2.1.5 18

Frist- oder Terminwidrigkeit

Kündigungsschutz bei Nichtigkeit/Unwirksamkeit

Die Anfechtung einer Kündigung, die in Anwendung von Art.  266o OR als nichtig erkannt wird, löst keine Kündigungssperrfrist aus. Die Kündigung kann deshalb sofort formgültig wiederholt werden. Generell drängt sich kein

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anderer Schluss auf, wenn eine Kündigung formell fehlerhaft und damit nich­ tig oder unwirksam ist, unabhängig davon, ob es sich um eine ordentliche oder ausserordentliche Kündigung handelt (z.B. keine Verwendung des amtlichen Kündigungsformulars, fehlende Unterschrift, zu kurze Fristansetzung bei der Kündigung nach Art. 257d Abs. 1 OR, fehlende schriftliche Abmahnung bei der Kündigung nach Art. 257f Abs. 3 OR, nicht von allen Vermietern ausge­ hende oder an alle Mieter gerichtete Kündigung). Das Bundesgericht lässt aber eine Ausnahme von der Sperrfrist nur in den Fällen des Art. 271a Abs. 3 OR zu, vgl. BGE 131 III 33. Diese Praxis wird von Hulliger/Heinrich, CHK, N 10 zu Art. 271/271a OR, als (zu) rigoros kritisiert. Diese Auffassung scheint inzwi­ schen auch das Bundesgericht zu vertreten (Urteil 4C.432/2006 vom 8.  Mai 2007, in: MRA 3/07, S. 85 und Urteil 4A_432/2008 vom 17. Februar 2009, E. 2.2, in: mp 1/10, S. 52 ff.). Demnach muss gelten, dass keine Kündigungssperrfrist ausgelöst wird, wenn der Vermieter in einem Anfechtungsverfahren die Nich­ tigkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung aus formellen Gründen anerkennt oder dies im Verfahren festgestellt wird. Formell fehlerhafte Kündigungen kön­ nen jederzeit formgültig wiederholt werden. Anders die Rechtlage, wenn die Kündigung aus materiell-rechtlichen Gründen unwirksam (oder missbräuch­ lich) ist; deren Anerkennung durch den Vermieter oder deren Feststellung im Verfahren löst eine Sperrfrist aus.

2.2

Verstoss gegen Treu und Glauben

2.2.1

Anfechtbarkeit im Allgemeinen

Zwar erklärt Art. 271 OR ausdrücklich diejenige Kündigung für anfechtbar, die 19 gegen den in Art. 2 Abs. 1 ZGB verankerten Grundsatz von Treu und Glauben verstösst. Dabei hat jedoch der Gesetzgeber dogmatisch nicht mit hinrei­ chender Klarheit die in Art. 2 ZGB verankerten Prinzipien (Grundsatz des Ver­ haltens nach Treu und Glauben gemäss Art. 2 Abs. 1 ZGB einerseits und Verbot des Rechtsmissbrauchs nach Art. 2 Abs. 2 ZGB anderseits) differenziert (vgl. zum Problem: Higi, ZK, N 43–53 Vorbem. zu Art. 271–273c OR). Die Frage, wann eine Kündigung im Sinne von Art. 271 OR anfechtbar ist, muss 20 deshalb aus der Konkretisierung beider in Art. 2 ZGB enthaltenen Rechtsprin­ zipien gewonnen werden, also des Verhaltens nach Treu und Glauben einer­ seits und des Rechtsmissbrauchsverbotes anderseits. Als anfechtbar zu betrach­ ten ist demnach eine Kündigung, wenn sie auf ein dem Normengehalt dieser Prinzipien widersprechendes Verhalten zurückzuführen ist – nach Massgabe allerdings, dass nach Art. 2 Abs. 2 ZGB nur der «offenbare», also qualifizierte

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Missbrauch eines Rechts keinen Schutz findet. Von den durch die Rechtspre­ chung zu den genannten Prinzipien entwickelten Fallgruppen werden auf das Mietverhältnis am ehesten die nachstehenden herangezogen werden können: –– Missbräuchlichkeit durch die Ausübung eines Rechtes ohne jeden Nutzen, mit der Absicht zu schaden, mit dem Ziel der Schikane oder Rache; –– Missbräuchlichkeit durch krasses Missverhältnis der gegenseitigen Inte­ ressen; –– Missbräuchlichkeit der Rechtsausübung durch widersprüchliches Verhal­ ten im Sinne eines venire contra factum proprium; –– Missbräuchlichkeit durch rücksichtslose Rechtsausübung, indem aus meh­ reren Möglichkeiten bewusst die für die Gegenpartei nachteiligere gewählt wird; –– (ähnlich Barbey, Protection, N 24, S. 115 und Higi, ZK, N 63–87 zu Art. 271 OR; vgl. auch BGE 132 III 737, E. 3.4.2, m.w.H.). 21

Zur rechtsdogmatischen Auseinandersetzung mit dem Unterschied zwischen den Art. 271 und 271a OR einerseits und Art. 2 ZGB vgl. Higi, ZK, N 60–68 Vorbem. zu Art. 271 bis 273c OR. Zum Postulat, wonach entgegen herrschen­ der Lehre und Praxis zwischen missbräuchlichen einerseits und offensichtlich missbräuchlichen und damit nichtigen Kündigungen anderseits zu unterschei­ den sei, vgl. Weber, BSK, N 29 zu Art. 271/271a OR.

22

Diese Auslegung entspricht auch den einschlägigen Erwägungen der Botschaft. Danach liegt ein Verstoss des Vermieters gegen Art. 271 OR vor, wenn eine Kün­ digung ausgesprochen wird, die keinem schützenswerten Interesse entspricht und als eigentliche Schikane erscheint (Botsch. 1985, S. 1459; Higi, ZK, N 55 ff. Vorbem. zu Art. 271–273c OR, spricht generell von «unlauteren» oder «unan­ ständigen» Kündigungen; kritisch dazu: Weber, BSK, N 4 zu Art. 271/271a OR). Hinzuweisen ist sodann auf den Antrag Segond zur Formulierung von Art. 271 Abs.  1 OR, wonach die Kündigung dann gegen Treu und Glauben verstösst, «wenn die kündigende Partei kein legitimes Interesse an der Beendigung des Vertragsverhältnisses hat oder wenn ein offensichtliches Ungleichgewicht zwi­ schen den Interessen der Parteien besteht» (AB NR 1989, S.  533). Abzuleh­ nen ist die Auffassung von Calamo, wonach «unverhältnismässige» Kündigun­ gen anfechtbar seien, weil das Mietverhältnis vor privater Machtausübung zu schützen sei (Missbräuchlichkeit, S. 292 f.). Ebenso die ähnliche, jedoch noch weitergehende Ansicht von Thanei (Kündigungsschutz, S. 27), wonach die Gül­ tigkeit einer Kündigung davon abhänge, dass der Erstreckungsanspruch des

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Mieters das vom Vermieter anvisierte Ziel nicht verunmögliche. Das hätte zur Konsequenz, dass beispielsweise ein kurzfristiger Eigenbedarf oder ein drin­ gendes Sanierungsvorhaben einen missbräuchlichen Kündigungsgrund dar­ stellten, weil deren Realisierung – unter Berücksichtigung des Erstreckungsan­ spruchs – nicht auf den vom Vermieter gewünschten Zeitpunkt möglich wäre. Solche Thesen verkennen, dass eine angefochtene Kündigung ausschliesslich nach dem Prinzip von Treu und Glauben und des Rechtsmissbrauchsverbotes zu prüfen ist. Art. 271 und 271a OR haben allein den Zweck, die treuwidrige Kündigung zu sanktionieren und nicht, bei ihrer Ausübung eine «verhältnis­ mässige», mithin eine qualifiziert schonende Rechtsausübung vorzuschreiben (Higi, ZK, N 150 ff. Vorbem. zu Art. 266–266o OR und N 58–59 zu Art. 271 OR; a.M. Weber, BSK, N 4 zu Art. 271/271a OR, der zur Gültigkeit einer Kün­ digung das Vorhandensein eines «vernünftigen» Grundes postuliert). Ebenso wenig schreiben diese Normen vor, der Vermieter habe bei der Kündigung den (ihm in der Regel unbekannten und deshalb allfälligen) Erstreckungsanspruch des Mieters zu berücksichtigen. Das Gesetz nimmt durchaus in Kauf, dass die Erstreckung das mit der Kündigung verfolgte Ziel erschwere oder ausnahms­ weise gar verunmögliche. Die Folgen der Erstreckung ändern aber an der Legi­ timität einer Kündigung i.S.v. Art. 271 f. OR nichts, sondern stellen lediglich eine vom Gesetzgeber in Kauf genommene Erschwernis der grundsätzlich freien Dispositionsfreiheit des Vermieters dar. Dass dieses Gedankengut Art. 271 OR zugrunde liegt, wird durch die histori­ 23 sche Entwicklung dieser Bestimmung bestätigt: Im ursprünglichen Vorentwurf zur Revision des Mietrechts war (in einem Art. 273g OR) eine einschneidende Beschränkung des Kündigungsrechts des Vermieters vorgesehen: Demgemäss hätte dieser ein Mietverhältnis grundsätzlich nur kündigen können, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Auflösung des Mietverhältnisses hätte nach­ weisen können. Der Gesetzesvorschlag enthielt dementsprechend einen Kata­ log von legitimen Kündigungsgründen (vgl. Vorentwurf zu einem Bundesge­ setz über die Änderung des Miet- und Pachtrechtes, zitiert bei von Büren Bruno, SJZ 78, S. 193 ff.). Die Umschreibung des dort vorgesehenen, «schützenswer­ ten Kündigungsinteresses» als Gültigkeitsvoraussetzung für eine Kündigung erwies sich in der weiteren Gesetzgebungsarbeit allerdings als unüberwindli­ ches Hindernis, nachdem gegen den Vorentwurf massive und berechtigte Kri­ tik erhoben wurde (von Büren, a.a.O., S.  200  ff.). Von Inte­resse für das Ver­ ständnis und die Auslegung des geltenden Art. 271 OR mag sodann auch der Alternativtext einer Minderheit der ständerätlichen Kommission sein, der vor­ schlug, Art. 271 OR durch einen nicht abschliessenden Katalog anfechtbarer,

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d.h. missbräuchlicher Kündigungsgründe zu ergänzen (AB SR 1988, S. 173 ff.; Zihlmann, Mietrecht, S. 209 f.). 24

Nachdem der Verfassungsartikel 109 Abs. 1 BV den gleichen Stellenwert hat wie die Eigentumsgarantie und die Vertragsfreiheit (Botsch. 1985, S. 1398), ist die Frage nach der restriktiven oder extensiven Auslegung der Kündigungs­ schutzbestimmungen schwierig zu beantworten. Immerhin scheint klar, dass der Gesetzgeber die Aufhebung einer Kündigung nur im Falle eines Miss­ brauchs zulassen wollte bzw. bei einem Verstoss gegen Treu und Glauben, wes­ halb die Gültigkeit der Kündigung die Regel bleibt (rechtsdogmatisch diffe­ renzierend Higi, ZK, N 63 ff. Vorbem. zu Art. 271–273c OR; a.A. Weber, BSK, N 1a zu Art. 271/271a OR, der die Gültigkeit der Kündigung vom Ausbleiben einer Anfechtung abhängig sieht). Dementsprechend müssen die Art. 271 und 271a OR restriktiv angewendet werden im Zusammenhang mit der Frage, ob die Kündigung auf einem legitimen Grund beruhe (Barbey, Protection, N 128, S. 58).

25

Das Bundesgericht umschreibt die Rechtslage treffend wie folgt: «Ziel des Gesetzes ist einzig, den Mieter vor missbräuchlichen Kündigungen zu schüt­ zen. Eine Kündigung widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht schon dann, wenn das Interesse des Mieters an der Aufrechterhaltung der Miete höher ist als das Interesse des Vermieters an deren Beendigung» (Urteil 4A_322/2007 vom 12. November 2007, E. 6). Nur das offenbare Missverhältnis der Interessen infolge Fehlens eines schützenswerten Interesses seitens des Ver­ mieters kann eine Kündigung missbräuchlich machen (Lachat, a.a.O., S. 735).

26

Nachfolgend werden diese Grundsätze anhand von Fallbeispielen bzw. einer Kasuistik zu konkretisieren sein (N 26–39), wobei die Anfechtbarkeit der Kün­ digung des Vermieters im Vordergrund steht (N 40–45).

2.2.2 27

Zulässige Kündigungen im Allgemeinen

Negativ ausgedrückt sind grundsätzlich Kündigungen zulässig, wenn sie weder die in Art.  271a OR aufgezählten Voraussetzungen erfüllen noch in anderer Weise, jedoch ähnlich qualifiziert, den Missbrauchsanforderungen von Art. 271 OR entsprechen. Es ist davon auszugehen, dass die in Art. 271a OR genannten Gründe, soweit sie lediglich an objektive Voraussetzungen anknüpfen (Kün­ digungssperre nach Art. 271a Abs. 1 lit. d und e und Abs. 2 OR; vgl. N 26 ff., 39 ff. und N 73 ff. zu Art. 271a OR), dort abschliessend aufgezählt sind. Wei­ tere in Art. 271a OR nicht ausdrücklich genannte, mithin unter die Generalklausel von Art. 271 Abs. 1 OR fallende, anfechtbare Kündigungen sind daher

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nur dann anzunehmen, wenn dem Kündigenden eine anderweitige Treuwid­ rigkeit vorgeworfen werden kann. Ein zentraler Grundgedanke, wie er sich in den verpönten Kündigungsmotiven nach Art. 271a OR niedergeschlagen hat, bildet die Vorstellung, dass der Vermieter den Mieter nicht für ein Verhalten massregeln darf, das nach objektiver Betrachtungsweise mindestens nicht als unkorrekt anzusehen ist. Positiv ausgedrückt sind Kündigungen stets zulässig, wenn sie einem objektiv 28 ernsthaften und schutzwürdigen Motiv und damit einem legitimen Inte­resse des Kündigenden entsprechen, das Mietverhältnis zu beenden (Urteil des Bun­ desgerichts 4C.61/2005 vom 27. Mai 2005, E. 4.1, in: MRA 3/05, S. 117 ff.) und keine Sperrfrist i.S.v. Art. 271a Abs. 1 Buchst. d und e OR läuft. Nicht erfor­ derlich ist, dass ein besonders grosses Interesse vorliegt oder dass dem Kün­ digenden eine Fortführung des Mietverhältnisses unzumutbar ist (CHK, N 3 zu Art. 271/271a OR). Eine Abwägung zwischen den Interessen der Parteien ist nicht vorzunehmen (Urteil des Bundesgerichts vom 8. Mai 1998, E. 3b, in: MRA 2/99, S. 49) mit dem Vorbehalt, dass ein krasses Missverhältnis zwischen den infrage stehenden Interessen die Kündigung missbräuchlich erscheinen lässt (Urteil des Bundesgerichts 4A_575/2008 vom 19.  Februar 2009, E.  2.2 und 4.3). Weber (N  6 zu Art.  271/271a OR) befürwortet hingegen die Not­ wendigkeit einer Interessenabwägung im Rahmen der Kündigungsanfech­ tung nach einer eigenen Interessensskala und fordert, es seien die Kriterien der Verhältnismässigkeit zu beachten. Diese Auffassung steht aber nicht im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut und widerspricht der höchstrichterlichen Praxis: «Die Miete ist ein Vertragsverhältnis, das die Parteien nur für die ver­ einbarte Mindestzeit bindet. Anschliessend gilt Vertragsfreiheit, und jede Par­ tei hat das Recht, einen neuen Vertrag abzuschliessen und seine Vertragspartei neu zu wählen.» Dem Grundsatze nach ist somit jede Partei frei, das Mietver­ hältnis auf den Ablauf der Mindestdauer zu beenden, unter Beachtung der ver­ traglichen Frist (Urteile des Bundesgerichts 4A_167/2012 vom 2. August 2012, E. 2.2; 4A_735/2011 vom 16. Januar 2012, E. 2.2; 4A_631/2010 vom 4. Fe­bruar 2011, E.  2.3). Die Kündigung untersteht keiner besonderen Voraussetzung. Jede Partei kann das Mietverhältnis ohne gerechtfertigten Grund kündigen (Urteil des Bundesgerichts 4A_414/2009 vom 9. Dezember 2009, E. 3.1) (siehe auch Urteil des Bundesgerichts 4A_484/2012 vom 28. Februar 2013, E. 2.3.1). Im Falle einer Anfechtung haben deshalb Schlichtungsbehörde und Richter nicht danach zu fragen, ob der Kündigungsgrund vernünftig oder verhältnis­ mässig ist, sondern vielmehr, ob die Ausübung des Kündigungsrechtes gegen Treu und Glauben verstösst oder – umgekehrt ausgedrückt – ob sie einem legi­ timen Interesse des Vermieters entspricht. Raoul Futterlieb

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Art. 271 29

Im Hinblick auf die konkrete Beurteilung wird nachfolgend (N 26 ff.) anhand von Beispielen aufgezeigt, wann eine Kündigung grundsätzlich zulässig sein muss. Dazu ist allerdings der Hinweis anzubringen, dass sich diese Frage als solche aus dogmatischer Sicht nicht stellt, weil grundsätzlich von der Gültigkeit der Kündigung auszugehen ist (Higi, ZK, N 61 Vorbem. zu Art. 271–273c OR und dort zitierte Literatur; a.A. Weber, BSK, N 1a zu Art. 271/271a OR). Deshalb hat nicht der Kündigende primär die Rechtmässigkeit bzw. Gültig­ keit seiner Kündigung nachzuweisen, sondern der Kündigungsempfänger eine behauptete Missbräuchlichkeit (N  46  ff.). Nachdem Kündigungen des Mie­ ters zwar weitaus öfter vorkommen, jedoch äusserst selten angefochten wer­ den, wird nachfolgend das Schwergewicht auf diejenigen des Vermieters liegen.

2.2.3

Fallbeispiele und Kasuistik

2.2.3.1

Zulässige Kündigungen

30

Zulässig sind Kündigungen, welche der Vermieter als ordentliche Kündigungen auf einen nächsten vertraglichen oder gesetzlichen Termin ausspricht aus Gründen, welche eine ausserordentliche Kündigung ermöglichen würden  – selbst dann, wenn hiefür nicht alle besonderen Voraussetzungen erfüllt sind. So sind insbesondere zulässig Kündigungen, die ausgesprochen werden wegen Zahlungsverzuges des Mieters, wenn nach Ablauf der Zahlungsfrist von 30 Tagen bei Wohn- und Geschäftsräumen die rückständigen Mietzinse oder Nebenkosten nicht bezahlt werden. Dasselbe gilt, wenn der Mieter wiederholt den Mietzins zu spät bezahlt und damit fortgesetzt den Vertrag verletzt (ZMP 1992, Nr.  17; Barbey, Protection, N  205, S.  176/7). Zulässig sind auch Kün­ digungen, welche wegen Verletzung der Pflicht zu Sorgfalt und Rücksichtnahme durch den Mieter erfolgen, unabhängig davon, ob sämtliche Voraus­ setzungen für eine ausserordentliche Vertragsauflösung nach Art. 257f Abs. 3 oder 4 OR vorliegen (ZMP 1991, Nr. 17; Barbey, Protection, N 206/7, S. 177; siehe die Kasuistik unter N 78 ff. zu Art. 257f OR).

31

Zulässig sind sodann die Kündigungen, die mit einer Verletzung gesetzlicher Normen seitens des Mieters begründet sind: So die Verletzung der Meldepflicht (Art. 257g OR) oder der Duldungspflicht (Art. 257h OR), die eigen­ mächtige (also ohne schriftliche Zustimmung des Vermieters vorgenom­ mene) Durchführung von Erneuerungen und Änderungen durch den Mieter (Art. 260a Abs. 1 OR) oder die eigenmächtige Untervermietung (dazu N 34 ff. zu Art. 262 OR).

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Art. 271

Zulässig sind weiter Kündigungen, die mit einer Verletzung von Vertrags- 32 pflichten durch den Mieter begründet sind (Higi, ZK, N 60 zu Art. 271 OR), soweit die Vertragspflicht keinen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt (Art. 19 und 20 OR) hat oder gegen das Verbot übermässiger Vertragsbindung (Art. 27 ZGB) verstösst. Als zulässig hat beispielsweise das Bundesgericht eine Kündigung bezeichnet, die mit der Nichtbeachtung des vertraglichen Tierhal­ tungsverbots begründet war (Urteil des Bundesgerichts vom 21. Februar 1994, publ. in: MRA 2/95, S. 93). In die Kategorie zulässiger Kündigungen muss auch eine solche eingeordnet 33 werden, welche zufolge vorab subjektiv empfundener persönlicher Unverträglichkeit ausgesprochen wird (ähnlich Higi, ZK, N 61 zu Art. 271 OR). Dies gilt namentlich dann, wenn Vermieter und Mieter im gleichen Haus wohnen, wobei die Unverträglichkeit nicht als Kündigungsgrund für eine treuwidrig ausgesprochene Kündigung dienen darf. Als zulässig erkannt wurde die Kün­ digung durch die Witwe des Vermieters, die nach dessen Tod herausfand, dass die Mieterin im unteren Stockwerk dessen Geliebte gewesen war (unveröffent­ lichtes Urteil des Bundesgerichts aus dem Jahr 1971 zu einer Kündigung aus wichtigen Gründen, nachzulesen bei Schmid, ZK, N 52 zu Art. 269 aOR). Fer­ ner sollte der die Kündigung aussprechende Vermieter für die Verschlechte­ rung der persönlichen Beziehungen nicht hauptsächlich verantwortlich sein. Weiter dürfen die Spannungen zwischen den Parteien nicht Folge eines in guten Treuen erhobenen Anspruchs aus dem Mietverhältnis seitens des Mieters sein (Art. 271a Abs. 1 lit. a OR). Zulässig ist aber die Kündigung des Vermieters mit der Begründung, der Mieter habe bei der Bewerbung unzutreffende Angaben über Arbeitsort oder Einkommen gemacht, weshalb das Vertrauensverhältnis erschüttert sei (Barbey, Protection, N 220, S. 181). Aus den gleichen Gründen zulässig ist die Kündigung mit der Begründung, der Mieter bestreite seinen Lebensunterhalt mit Drogenhandel oder habe ständigen Prostituiertenbesuch (Barbey, Protection, N 220, S. 182). Gleiches gilt für die Kündigung, die der Vermieter ausspricht, um eine Situ­ 34 ation der Unverträglichkeit unter Mietern zu beenden, wobei dem Vermie­ ter nicht zuzumuten ist, den «Störer» durch umfangreiche Untersuchungen zu eruieren. Für die Kündigungsberechtigung muss genügen, dass sich Mieter oder Mietergruppen gegenseitig unkorrektes Verhalten vorwerfen, den Ver­ mieter mit entsprechenden Vorwürfen konfrontieren und von ihm ausdrück­ lich oder stillschweigend erwarten, dass er die Gegner massregle. Entschliesst sich der Vermieter in einer solchen Situation zur Kündigung gegen einen oder mehrere Mieter, so darf er sich bei der Auswahl des oder der Mieter nicht durch

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sachfremde Motive leiten lassen (Urteil des Bundesgerichts 4A_735/2011 vom 16. Januar 2012, in: MRA 1/13, S. 14 ff.; Thanei, Kündigungsschutz, S. 28, for­ dert dagegen, dass der Vermieter alles ihm Zumutbare unternehmen müsse, um die Kündigung gegen den «Störer» auszusprechen). 35

Zur Kategorie zulässiger Kündigungen gehören diejenigen, die der Vermie­ ter damit begründet, er wolle die Mietsache für eigene Bedürfnisse verwen­ den (Calamo, Missbräuchlichkeit, S.  305  ff.; Barbey, Protection, N  210–217, S. 179/180; Lachat, CR, N 8 zu Art. 271 OR). Nebst dem Eigenbedarf des Ver­ mieters für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte, kommen als berech­ tigte Interessen infrage, dass er Wohn- oder Geschäftsräume Arbeitnehmern (z.B. Hauswart) zur Verfügung stellen will oder aber Freunden, Bekannten oder Geschäftspartnern (Entscheid der Chambre d’appel en matière de Baux et Loyers Genf vom 24. April 1995; Higi, ZK, N 60 zu Art. 271 OR). Dasselbe gilt, wenn vermieterseits mit der Kündigung das gegenüber einem Dritten abge­ gebene Versprechen eingelöst wird, Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, damit dieser ein eigenes Geschäft eröffnen könne (ZMP 1992, Nr. 7).

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Sodann sind Kündigungen zulässig, wenn der Vermieter ein Gebäude abbrechen, umbauen oder umfassend renovieren will, aber auch im Hinblick auf die Umwandlung einer Liegenschaft in Stockwerkeigentum. Dabei ist in der Regel irrelevant, ob die Bauarbeiten dringend sind (Urteil des Bundesgerichts 4A_503/2013 vom 5. März 2014, E. 4.3).

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Entscheidend für die Gültigkeit einer Renovationskündigung ist das Inte­resse des Vermieters, die Arbeiten rasch und günstig auszuführen, was bei «leerem Hause» regelmässig zutrifft. Der Vermieter, der die Arbeiten nach bautechni­ schen und -ökonomischen Kriterien durchzuführen beabsichtigt, ist auf eine Kündigung zwecks vorgängiger Räumung des Mietobjektes angewiesen, wes­ halb ihm ein Verstoss gegen Treu und Glauben nicht vorgeworfen werden kann (BGE 135 III 112, E. 4.2; für einen Überblick zur Renovationskündigung siehe Urteil des Bundesgerichts 4A_703/2016 vom 24. Mai 2017, E. 4, in: mp 3/17, S.  214  ff. und Giavarini Marco, in: MRA 4/16, S. 185 ff.). Keine Rolle spielt dabei, ob der Mieter bereit ist, jedwede Inkonvenienzen in Kauf zu nehmen oder vorübergehend während der Bauarbeiten auszuziehen. Der Entscheid über Art und Umfang der Arbeiten ist grundsätzlich ausschliesslich Sache des Vermieters (BGE 135 III 112, E. 4.2; siehe auch Urteil des Bundesgerichts 4A_503/2013 vom 5. März 2014, E. 4.2). Auch steht es dem Vermieter frei, im Falle von Bauschäden eine Gesamtsanierung durchzuführen, auch wenn die Sanierung nur bei einem Teil der Wohnungen dringend ist (Urteil des Bundes­ gerichts 4A_703/2016 vom 24. Mai 2017). Keine Rolle spielt in diesem Zusam­ 976

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menhang Art. 260 OR (a.A. Weber, BSK, N 6 zu Art. 271/271a OR), weil er eine andere Frage regelt, nämlich, ob Erneuerungen und Änderungen der Mietsa­ che während eines bestehenden Mietverhältnisses zulässig sind (BGE 135 III 112, E. 3.3). Diese Massgaben gelten nicht für Renovationsarbeiten, wenn deren Durch­ 38 führung durch das Verbleiben des Mieters im Mietobjekt nicht oder nur uner­ heblich erschwert würde, wie dies etwa beim Streichen von Wänden, blossen Aussenrenovationen oder Balkonanbauten der Fall sein dürfte (BGE 135 III 112, E. 4.2). Wendet der Mieter solches ein, so hat er dies zu beweisen (siehe N 46 ff.). Eine gültige Abbruch- oder Renovationskündigung setzt allerdings voraus, 39 dass das Bauvorhaben nicht objektiv unmöglich ist, wie namentlich, wenn mit Sicherheit feststeht, dass eine Baubewilligung objektiv nicht erhältlich gemacht werden kann. Die Beweislast hierfür trägt der Mieter (BGE 136 III 190, E. 4; Urteil des Bundesgerichts 4A_210/2014 vom 17. Juli 2014, E. 3.1, m.w.V., in: MRA 3/15, S. 133 ff.). Wie bei jeder Kündigung wird die Gültigkeit aufgrund der Umstände zum 40 Zeitpunkt beurteilt, zu dem sie ausgesprochen wird (BGE 109 II 153, E. 3b). Dabei muss das Abbruch- oder Umbauprojekt zu diesem Zeitpunkt hinrei­ chend ausgereift sein und nicht fern jeglicher greifbarer Realität erscheinen (Urteil des Bundesgerichts 4A_703/2016 vom 24. Mai 2017). Ein Baugesuch oder eine Baubewilligung und erst recht nicht Werk- oder Finanzierungsver­ träge sind aber keine Voraussetzung einer Abbruch- oder Umbaukündigung (BGE 140 III 496, E. 2.1). Das Projekt muss aber so ausgereift sein, dass konkret festgestellt werden kann, dass ein Verbleib des Mieters die Arbeiten erschwe­ ren würde (BGE 142 III 91, E. 3.2). Dem Mieter müssen diesbezüglich bei einer Renovationskündigung (selbstverständlich aber nicht bei einer Abbruch­ kündigung) ausreichende Angaben vorliegen, damit er innert der 30-tägigen Frist abschätzen kann, ob er die Kündigung anfechten soll (BGE 140 III 496, E. 4.2.2). Letzteres überzeugt nicht aus folgenden Gründen: Eine Kündigung ist auch ohne Begründung gültig, und der Vermieter kann sie ohne Sanktionen im Schlichtungs-oder Gerichtsverfahren nachliefern (BGE 138 III 59, E. 2.3). Es ist deshalb nicht einzusehen, und das Bundesgericht führte vorerst keine über­ zeugende Begründung an, weshalb dies bei einer Renovationskündigung nicht gelten soll. Mit dem Urteil des Bundesgerichts 4A_703/2016 vom 24. Mai 2017 stellte es aber klar, dass die «unzureichende» Renovationskündigung nicht zu deren Aufhebung führe (E. 5.3.3). In der von der Rechtsprechung verlangten Ausgereiftheit des Renovationsprojektes ist Folgendes zu bedenken: Die strikte Raoul Futterlieb

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Anwendung dieser Rechtsprechung kann sich für beide Parteien als nachteilig auswirken: So wird der Vermieter, der erst nach Vorliegen einer konkreten Pla­ nung die Kündigung anzeigen kann, dazu tendieren, gerade nur die vertragli­ che Kündigungsfrist einzuhalten und nicht zugunsten des Mieters aus freien Stücken eine längere einzuräumen, weil dies eine verzögerte Realisierung des Bauvorhabens und allenfalls eine Neuberechnung der Baukosten zur Folge hätte. Desgleichen wird er bei einem längerfristigen Mietvertrag dem Mieter kaum eine lang bemessene Kündigungsfrist konzedieren (siehe dazu das Urteil des Bundesgerichts 4A_425/2009 vom 11.  November 2009, kommentiert in MRA 05/09, S. 184 ff., zum Fall, da eine Kündigungsfrist von 2 Jahren und 3 Monaten einzuhalten war und zum Zeitpunkt ihres Versandes die Planung des Umbauprojektes naturgemäss noch nicht ausgereift war, was zur Aufhebung der Kündigung führte). 41

Einfacher liegen die Dinge bei einer Abbruchkündigung. Nähere Angaben zum Projekt sind in der Kündigung entbehrlich, weil der Mieter das Mietobjekt ver­ lassen muss. Was die Ausgereiftheit des Projektes anbelangt, erachtete das Bun­ desgericht in einem Entscheid aus dem Jahr 2014 (Urteil des Bundesgerichts 4A_210/2014 vom 17. Juli 2014, in: MRA 3/15, S. 133 ff.) eine Abbruchkün­ digung für nicht missbräuchlich, obschon sie lediglich damit begründet war, der Vermieter beabsichtige den Abbruch und Neubau des Gebäudes und sich das Projekt in der Entwicklungsphase befinde, er habe am Tage des Versandes der Kündigung zwei Architekturbüros mit der Ausarbeitung von Bauprojek­ ten beauftragt, die aber wegen einer zwischenzeitlichen Änderung der Bauvor­ schriften überarbeitet würden (vor Schlichtungsbehörde hatte der Vermieter einen Grundriss- und einen Schnittplan der neuen Baute vorgelegt, vor Miet­ gericht neue Pläne nach der Hauptverhandlung eingereicht).

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Zulässig sind sodann Kündigungen mit sozialer Motivation, beispielsweise, um eine unterbelegte Wohnung einer kinderreichen Familie zur Verfügung zu stellen (Calamo, Missbräuchlichkeit, S. 307; ähnlich Higi, ZK, N 60 zu Art. 271 OR; Urteil des Bundesgerichts 4A_414/2009 vom 9.  Dezember 2009, E.  3.2. Vgl. aber N 71 zu Art. 271a OR). Weiter zulässig ist eine Kündigung im Hin­ blick auf einen Verkauf der Wohnung oder der Liegenschaft (Urteile des Bun­ desgerichts 4C.267/2002 vom 18. November 2002, in: MRA 2/03, S. 47 ff. und 4A_484/2012 vom 28.  Februar 2013, in: MR 1/14, S.  41; Barbey, Protection, N  217, S.  180). Zweifelhaft dagegen die Ansicht Barbeys, der von der Zuläs­ sigkeit einer Kündigung auch dann ausgeht, wenn der Vermieter die Mietsa­ che leer halten will (Protection, N 14/5, S. 112 und N 217, S. 180). Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass für einen Vermieter kein Vermie­

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tungszwang besteht, wird in einem solchen Fall zu prüfen sein, ob das Interesse des Vermieters am Leerstehenlassen von Wohn- oder Geschäftsraum aus kon­ kreten Gründen schützenswert ist bzw. ob nicht auf ein krasses Missverhältnis der Interessen der Parteien zu schliessen ist. Schützenswert ist allerdings eine Kündigung stets, wenn der Vermieter damit im Hinblick auf geplante Abbruchoder Bauarbeiten mit laufenden Mietverhältnissen verbundene Verzögerungs­ risiken ausschliessen will. Zulässig ist endlich eine Kündigung, weil der Vermieter die Mietsache einem 43 Dritten zu einem höheren Mietzins zur Verfügung stellen will mit der Mass­ gabe, dass der höhere Mietzins nicht missbräuchlich sein darf (BGE 120 II 105; zur Problematik dieses Entscheides vgl. Bisang Raymond, in: MRA 0/94, S. 28 f. und ZBJV 131/1995, S. 415; kritisch: Weber, BSK, N 16 zu Art. 271/271a OR). Das Bundesgericht hat diese Rechtsprechung mehrfach bestätigt (statt vieler: Urteil 4C.343/2004 vom 22.  Dezember 2004, in: MRA 3/05, S.  124  ff.) und präzisiert, dass eine solche Kündigung dann missbräuchlich ist, wenn bereits der aktuelle Mietzins im Rahmen des ortsüblichen liegt oder dem Vermieter bereits einen angemessenen Ertrag verschafft. Der Beweis der Missbräuchlich­ keit obliegt dem Mieter (zu einem Sonderfall vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.61/2005 vom 27. Mai 2005, in: MRA 3/05, S. 115 ff.). 2.2.3.2

Anfechtbare Kündigungen

Anfechtbar sind Kündigungen, deren Motive dem Wunsch des Vermieters ent­ 44 springen, dem Mieter zu schaden (Higi, ZK, N 5 ff. zu Art. 271 OR, spricht ganz allgemein von «unanständigen» Kündigungen; zustimmend CHK, N  3 zu Art. 271/271a OR). Klassisches Beispiel ist die Kündigung nach Ablauf der 3-jährigen Sperrfrist gemäss Art.  271a Abs.  1 lit.  e OR, wenn diese nur den Sinn hat, den Mieter dafür zu bestrafen, dass er in einem Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren ganz oder erheblich obsiegt hat oder wenn der Vermieter mit einer Kündigung reagiert, nachdem sich der Mieter gegenüber einer ver­ trags- oder gesetzeswidrigen Massregelung des Vermieters gewehrt hat. Wei­ ter ist an den Fall zu denken, dass dem Mieter gekündigt wird, weil er nicht bereit gewesen ist, die Hauswartung der Liegenschaft zu übernehmen oder ausschliesslich deshalb, weil er eine Kaufofferte abgelehnt hat (Calamo, Miss­ bräuchlichkeit, S. 291; Higi, ZK, N 65–67 zu Art. 271 OR). Anfechtbar sind sodann Kündigungen, die ausgesprochen werden wegen einer 45 Eigenschaft des Mieters, die in keinem konkreten Zusammenhang mit dem Mietverhältnis steht: z.B. Kündigungen wegen Religion, Geschlecht, Natio­ nalität, Rasse oder Mitgliedschaft in einem Interessenverband (MfdP/Thanei, Raoul Futterlieb

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N 29.3.1.3; Barbey, Protection, N 194, S. 172; ZMP 1992, Nr. 12/13). Einschrän­ kend gilt hier allerdings, dass persönliche Eigenschaften dann zu einem legiti­ men Kündigungsgrund Anlass geben können, wenn sie zu einer Vertragsverletzung führen oder den Hausfrieden stören (täglich deutlich hörbares Gebet eines Hare-Krishna-Anhängers in einer ringhörigen Liegenschaft, als störend empfundene Gerüche fremdländischer Kochkunst etc.). 46

Anfechtbar sind des Weiteren Kündigungen, deren Auswirkungen auf ein krasses Missverhältnis zwischen den Interessen der Parteien schliessen lassen (vgl. Urteil 4A_297/2010 vom 6. Oktober 2010, E. 2.2, m.w.H.), wie etwa Kün­ digungen wegen eines Fehlverhaltens mit Bagatellcharakter (Unordnung in der Waschküche, Verspätung der Mietzinszahlung um wenige Tage), jedenfalls dann, wenn sich das Fehlverhalten nicht wiederholt (MfdP/Thanei, N 29.3.1.3; Higi, ZK, N 75–77 zu Art. 271 OR).

47

Schliesslich sind Kündigungen anfechtbar, die das Gebot der schonenden Rechtsausübung oder das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verletzen (Higi, ZK, N 68–73 zu Art. 271 OR; Thanei, Kündigungsschutz, S. 27; MfdP/ Thanei, N 29.3.1.3). Dies gilt etwa bei einer (ausserordentlichen) Kündigung wegen Zahlungsrückstandes (Art.  257d OR), derweil der Vermieter keine Gewissheit über den geschuldeten Betrag hat, soweit der Irrtum in quantita­ tiver Hinsicht bedeutend ist (BGE 120 II 34, in: MRA 0/94, S. 30) oder wenn der Zahlungsrückstand unbedeutend ist, der Mietzins kurze Zeit nach Ablauf der Zahlungsfrist beglichen wird und der Mieter bisher stets pünktlich bezahlt hatte, wobei diese Bedingungen kumulativ erfüllt sein müssen (Urteil des Bundesgerichts 4C.35/2004 vom 27. April 2004, in: MRA 3/04, S. 87 ff.; siehe auch die Zusammenfassung der Bundesgerichtspraxis in: MRA 3/05, S.  139 und 2/12, S. 72 f.; siehe auch N 59 ff. zu Art. 257d OR). Gleiches gilt für eine Kündigung, die mit der Ausübung der Prostitution in den Mieträumlichkeiten begründet wird, obschon der Vermieter bereits bei Vertragsabschluss um diese Nutzung wusste (ZMP 1992, Nr. 13). Anfechtbar ist auch eine Kündigung mit der Begründung, der Mieter habe die Konditionen der Untermiete trotz Auf­ forderung nicht bekannt gegeben, obschon der Vermieter in der Vergangen­ heit der Untervermietung vorbehaltlos zugestimmt hatte. In einem entspre­ chenden Fall erwog das Gericht, unter diesen Umständen hätte der Vermieter zur Vermeidung einer Missbräuchlichkeit nicht sogleich eine Kündigung aus­ sprechen dürfen, sondern hätte vielmehr den Mieter erneut zur Bekanntgabe der Untervermietungskonditionen auffordern müssen: In Anbetracht der bis­ herigen, vorbehaltlosen Zustimmung zur Untervermietung sei die Kündigung schikanös (ZMP 1993, Nr. 10 und 11).

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Anfechtbar können Kündigungen sein, wenn sie gegenüber einem Mieter aus­ 48 gesprochen werden, der sich in einer ausserordentlich schwierigen Situation befindet (z.B. bei langjährigen, sehr schwer erkrankten Mietern, die in prekä­ ren finanziellen Verhältnissen lebten und den schwerwiegend beeinträchtig­ ten Sohn pflegten, siehe Urteil des Bundesgerichts 4A_297/2010 vom 6. Okto­ ber 2010; siehe auch einen ähnlich gelagerten Fall im Urteil des Bundesgerichts 4A_300/2010 vom 2. September 2010). Anfechtbar, weil unter Missachtung des Gebotes der schonungsvollen Rechts­ 49 ausübung erfolgt, können Kündigungen sein, wenn zum Zeitpunkt ihrer Mit­ teilung kein objektives, ernsthaftes und aktuelles Interesse des Vermieters vorhanden ist (Kündigungen «auf Vorrat»). Ebenfalls anfechtbar als scho­ nungslose Rechtsausübung können Kündigungen wegen Bagatellen (kleinere Verletzungen der Hausordnung, Falschparkieren, unzureichende Reinigung der Waschküche) sein, es sei denn, das Fehlverhalten des Mieters wurde trotz Abmahnungen fortgesetzt.

2.2.4 Beweislast In grundsätzlicher Hinsicht hängt die Missbräuchlichkeit einer Kündigung 50 davon ab, welchen Zweck der Kündigende verfolgt. Da es sich beim Entschluss zur Kündigung weitgehend um innere Vorgänge handelt, muss der Zusam­ menhang zwischen Willensentschluss und Kündigung aufgrund von Indi­ zien ermittelt werden. Ausgangspunkt ist allerdings der Grundsatz («principe in­tangible»), dass die Missbräuchlichkeit der Kündigung vom Kündigungs­ empfänger zu beweisen ist (Higi, ZK, N 161–172 zu Art. 271 OR; Urteile des Bundesgerichts 4C.170/2004 vom 27.  August 2004, in: MRA 4/04, S.  135  ff., und 4C.61/2004 vom 27. Mai 2005, in: MRA 3/05, S. 115 ff.). Indessen ist der Kündigende u. U. zur Mitwirkung verpflichtet, wenn er allein über die Ele­ mente zur Überprüfung des Kündigungsgrunds verfügt (Lachat, CR, N 9 zu Art. 271; BGE 120 II 111; BGE 135 III 112, E. 4.1; Urteile des Bundesgerichts 4C.170/2004 vom 27. August 2004, in: MRA 4/04, S. 135 ff.; 4C.411/2006 vom 9.  Februar 2007, in: MRA 2/07, S.  45  ff.; 4A_472/2007 vom 11.  März 2007, E. 2.1, in: MRA 3/08, S. 113), was aber keine Umkehr der Beweislast bedeu­ tet (Vogel Oscar, in: ZBJV 132/1996, S. 140 f.; vgl. auch Bättig Hans, in: MRA 2/05, S. 120–123). Keine andere Beweislastverteilung hat das Bundesgericht im Urteil 4C.61/2005 vom 27. Mai 2005 (in: MRA 3/05, S. 115 ff.) vorgenommen, sondern vielmehr die Verweigerung der Mitwirkungspflicht des Vermieters sanktioniert. Diese stützte sich auf a.Art. 274d Abs. 3 OR; nach dem Inkraft­

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treten der Schweizerischen Zivilprozessordnung wohl auf Art.  160, 164 und 247 Abs. 2 ZPO (BGE 140 III 266, E. 2.3). 51

Entgegen der herrschenden Lehre und der Bundesgerichtspraxis postuliert Weber, der Vermieter habe auf Verlangen nicht nur gemäss Art. 271 Abs. 2 OR den Grund der Kündigung zu nennen, sondern darüber hinaus umfassend den Nachweis seiner Motive zu erbringen (BSK, N 30 zu Art. 271/271a OR). Der Mieter trage lediglich die Beweislast, wenn er sich auf eine Sperrfrist berufe (ähnlich MfdP/Thanei, N 29.5). Damit würde allerdings Art. 8 ZGB aus den Angeln gehoben mit der Konsequenz, dass der Vermieter im Anfechtungsfalle die Nichtmissbräuchlichkeit der Kündigung nachzuweisen hätte.

52

Weber und MfdP/Thanei ist allerdings insofern beizupflichten, als vom Ver­ mieter im Bestreitungsfalle der Nachweis der eingetretenen, äusseren Tatsa­ chen verlangt werden kann dann, wenn solche kausal für den Kündigungs­ entschluss gewesen sind. Zu denken ist etwa an den Fall, dass der Vermieter Eigenbedarf geltend macht, weil seine eigene Mietwohnung gekündigt wurde. Diesfalls hat er das ihm angezeigte Kündigungsformular offenzulegen. Zu den­ ken ist des Weiteren an eine Kündigung wegen ständiger Verletzungen der Hausordnung trotz Abmahnung, deren Vorhandensein von ihm nachzuwei­ sen ist. Keine Rolle spielt dabei, was Anlass zu den Tatsachen, die für den Kün­ digungsentschluss kausal waren, gegeben hat – beim ersten Beispiel etwa, ob der Vermieter die ihm angezeigte Kündigung zu vertreten hatte.

53

Diese Überlegungen gelten nicht, wenn der Entschluss zur Kündigung des Ver­ mieters auf einer inneren Tatsache beruht wie etwa der Absicht, das Mietob­ jekt umfassend zu renovieren, weil solche sich einer strikten Beweisführung entziehen. Hier muss es genügen, wie es das Bundesgericht festhält, dass der Kündigende die Gründe zumindest glaubhaft macht (…«en les rendant au moins vraisemblables») (Urteile des Bundesgerichts 4C.305/1995 vom 15. Feb­ ruar 1996, E. 4a; 4C.167.2004 vom 3. August 2004, E. 2.1; 4C.170/2004 vom 27. August 2004, E. 2.1, in: MRA 4/04, S. 135 ff.; 4C.411/2006 vom 9. Februar 2007, E. 2.2, in: MRA 2/07, S. 45 ff.; vgl. auch Bisang Raymond, in: MRA 5/04, S. 175 f.). Beispiele: Ist die Kündigung damit begründet, die Mietsache werde umfassend über­ holt, so hat der Vermieter im Bestreitungsfalle alle Umstände zu nennen, die die Reno­ vationsabsicht plausibel erscheinen lassen, und soweit für die Glaubhaftmachung erfor­ derlichen Unterlagen einzureichen, nicht jedoch eine Baueingabe, eine Baubewilligung (Urteile des Bundesgerichts 4A_210/2014 vom 17. Juli 2014, E. 1.2 und 4A_726/2012 vom 30. April 2012, E. 1.2) oder einen Finanzierungsnachweis beizubringen. Der Mie­ ter hat nachzuweisen, dass die Bauarbeiten nicht bewilligungsfähig sind (Urteil des

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Bundesgerichts 4A_503/2013 vom 5. März 2014, E. 2.4), und ebenso, dass seine und seiner Habe Anwesenheit im Mietobjekt die vorgesehenen Arbeiten weder erschweren, verteuern noch behindern. Im Falle eines Abbruches genügt der Nachweis der Ertei­ lung eines Planungsauftrages (Urteil des Bundesgerichts 4A_210/2014 vom 17.  Juli 2014, E. 1.2). Ähnliches gilt im Falle der Kündigung, die mit Eigenbedarf für den Sohn begründet wird (Urteil des Bundesgerichts 4A_241/2010 vom 10. August 2010, E. 2.2 und 2.3). Der Vermieter hat die Absicht glaubhaft zu machen durch eine umfassende Darlegung der persönlichen Verhältnisse des Sohnes, nicht jedoch dessen Zeugenaussage anzu­ bieten; diese steht dem Mieter für den Beweis des Gegenteils (z.B. dass das derzeitige Arbeitsverhältnis des Sohnes im Ausland noch zwei Jahre dauert) offen. Kündigt der Vermieter mit der Absicht, von einem Nachfolgemieter einen höheren Mietzins erzielen zu wollen, so hat er lediglich glaubhaft zu machen, dass dies der ein­ zige und wahre Kündigungsgrund ist (Indizien: Vermietung ähnlicher Wohnungen in der gleichen Liegenschaft oder in der Nachbarliegenschaft zu wesentlich höherem Miet­ zins; Vorlegung allfälliger Mietofferten etc.). Der Mieter, der die Kündigung anficht, hat zu behaupten und zu beweisen, dass der aktuelle Mietzins keinen Aufschlag erlaubt, ohne dass er dadurch missbräuchlich würde. Macht er geltend, mit einem höheren Mietzins würde ein übersetzter Ertrag erzielt, wird der Vermieter im Rahmen der pro­ zessualen Mitwirkungspflicht die sachdienlichen Unterlagen vorlegen müssen. Anders bei Berufung auf Orts- oder Quartierüblichkeit: Hier obliegt der Nachweis, dass ein höherer Mietzins missbräuchlich ist, allein dem Mieter, weil er hierüber sich selbst ein Bild machen kann.

Von dem vom Bundesgericht selbst als «unantastbar» bezeichneten Grundsatz, 54 wonach der Mieter die Missbräuchlichkeit der Kündigung zu beweisen habe, weicht es im Falle der ökonomischen Kündigung (zur Erzielung eines höhe­ ren Mietzinses von einem Dritten) ab, wenn der Vermieter geltend macht, der höhere Mietzins liege im Rahmen der üblichen Mietzinse. Diesfalls müsse der Vermieter die Orts- und Quartierüblichkeit eines höheren Mietzinses bewei­ sen (Urteil des Bundesgerichts 4A_472/2007 vom 11. März 2008, in: MRA 3/08, S. 113 ff.). Zur Begründung beruft sich das Bundesgericht auf einen Spezialfall («hypothèse particulière») und hält dafür, die Mitwirkungspflicht des Vermie­ ters gehe dem vorerwähnten Grundsatz vor. Offen bleibt die Frage, weshalb die vom Bundesgericht vorgesehene Umkehr der Beweislast nur dann gelten soll, wenn sich der Vermieter bei der ökonomischen Kündigung auf die Orts- und Quartierüblichkeit beruft, nicht aber, wenn er eine ungenügende Rendite gel­ tend macht und diesfalls lediglich die Unterlagen für die Renditeberechnung edieren muss.

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Gelingt dem Kündigenden die Glaubhaftmachung nicht, so liegt kein legitimer Kündigungsgrund vor, was zur Aufhebung der Kündigung gleichermassen wie im Falle einer unbegründet gebliebenen Kündigung führen kann (N 64).

56

Dem Kündigungsempfänger obliegt hingegen der Beweis für die Tatsachen – sofern bestritten  –, aus denen er die Missbräuchlichkeit ableitet (Urteil des Bundesgerichts 4C.61/2005 vom 27. Mai 2005, in: MRA 3/05, S. 115 ff.; CHK, N 14 zu Art. 271/271a OR; a.A. Weber, BSK, N 30 zu Art. 271/271a OR und MfdP/Thanei, N  29.5). Diesbezüglich trifft ihn auch die volle Substanziierungspflicht. Von Bedeutung in diesem Zusammenhang ist Art. 247 Abs. 2 ZPO, wonach Schlichtungsbehörde und Richter den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen und die Beweise nach freiem Ermessen zu würdigen haben. Dabei gilt es zu beachten, dass dies nicht einer Untersuchungsmaxime ent­ spricht (N  59 ff. zu Bisang/Koumbarakis; Higi, ZK, N  172 zu Art.  271 OR; Urteil des Bundesgerichts 4C.287/2005 vom 18. Januar 2006, E. 3.2 und dortige Verweise, in: MRA 1/06, S. 6), sondern vielmehr ihren Spielraum im Rahmen der Parteivorbringen hat. Bei der Beweiswürdigung ist der Grundsatz der Ver­ tragsfreiheit stets im Auge zu behalten (Barbey, Protection, N 324, S. 211); für die Ungültigerklärung der Kündigung müssen Schlichtungsbehörde und Rich­ ter deshalb aufgrund einer hohen Wahrscheinlichkeit zur Überzeugung gelan­ gen, dass darin ein Verstoss gegen Treu und Glauben liegt. Als Regel ist von der Darstellung des Kündigenden auszugehen, wenn keine ernsthaften Elemente dagegen vorliegen (Birchmeier Wilhelm, in: ZB1 149 N 54).

57

Bei den a.o. Kündigungen hat der Kündigende in einem Anfechtungs-, Aus­ weisungs- oder in einem sonstigen Verfahren zwischen den Parteien die Tat­ sachen zu beweisen, auf die er sich zur Erfüllung der gesetzlichen Vorausset­ zungen beruft.

58

2.3

Bedeutung und Rechtsfolgen der Anfechtbarkeit

2.3.1

Grundsätzliche Gültigkeit einer formgültigen, wirksamen Kündigung, Ungültigkeit als Ausnahme

Bei der Einführung der Kündigungsanfechtung ist der Gesetzgeber grundsätz­ lich von der Vermutung ausgegangen, dass eine Kündigung vorrangig als gül­ tige, die Vertragsbeendigung herbeiführende Gestaltungserklärung zu betrach­ ten ist – und zwar so lange, als nicht Schlichtungsbehörde oder Richter einen die Ungültigkeit bewirkenden Sachverhalt rechtsgenügend festgestellt haben (rechtsdogmatisch differenzierend, im Ergebnis aber ähnlich Higi, ZK, N 60 ff. Vorbem. zu Art.  271 bis 273c OR; a.A. Weber, BSK, N  1a zu Art.  271/271a 984

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OR und MfdP/Thanei, N 29.1.4.4; Fn. 27). Diese Vermutung manifestiert sich in zweierlei Hinsicht: Einmal ist eine Anfechtung gestützt auf Art.  271 und 271a OR nur möglich, wenn ein Verfahren innert der 30-tägigen Verwirkungs­ frist des Art. 273 OR eingeleitet wurde. Sodann gilt das Prinzip, dass bei einer Rechtshandlung der Missbrauch nicht als Regel, sondern vielmehr als Aus­ nahme zu betrachten ist. Deshalb muss derjenige, der sich darauf beruft, den Missbrauch nachweisen (Barbey, Protection, N 4, S. 108; Urteil des Bundesge­ richts 4C.170/2004 vom 27. August 2004, in: MRA 4/04, S. 135 ff.). Schliesslich ist von Bedeutung, dass die Anfechtung der Kündigung in die grundrechtlich geschützte Rechtsposition der Vertragsfreiheit beider Parteien eingreift, beim Vermieter zudem in eine Befugnis, die aus der verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsgarantie fliesst, womit letztlich auch die Wahrnehmung der Handelsund Gewerbefreiheit verbunden ist (Calamo, Missbräuchlichkeit, S. 94 ff.).

2.3.2

Ungültigkeit und Kündigungsschutz

Obschon die Kündigung bis zum Entscheid über ihre Anfechtbarkeit als gül- 59 tig zu betrachten ist, entfaltet sie während der Dauer des Anfechtungsverfahrens keine Rechtswirkungen; diese sind jedoch nur aufgeschoben. Konsequenz davon ist einmal, dass Vermieter und Mieter bereit sein müssen, die Mietsa­ che auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Anfechtungsentscheides zurückzu­ nehmen bzw. zurückzugeben. Sodann hat der Mieter Besichtigungen durch Mietinteressenten zu gestatten (Art. 257h Abs. 2 OR). Er muss sich während des Verfahrens weiter um Ersatzlokalitäten bemühen, um nicht das Risiko zu laufen, den Erstreckungsanspruch (sofern begründet) verlustig zu gehen (N 42 zu Art. 272 OR). Die Gültigkeit der Kündigung bis zu einem allfälligen rechts­ kräftigen Aufhebungsentscheid von Schlichtungsbehörde oder Gericht bedeu­ tet hingegen nicht, dass der Vermieter ohne Weiteres zur Ausweisung berech­ tigt sei. Denn selbst im Falle, in dem die Kündigung als gültig erkannt wird, ist die Frage einer Erstreckung von Amtes wegen zu prüfen (Art. 273 Abs. 6 OR), weshalb während der Dauer des Kündigungsschutzverfahrens ein aktuelles Rechtsschutzinteresse zur Ausweisung fehlt. Der Vermieter ist hingegen in den Fällen, bei denen gemäss Art. 272a Abs. 1 OR eine Erstreckung ausgeschlossen ist, berechtigt, trotz hängiger Kündigungsanfechtung, eine Ausweisung zu ver­ langen, wenn er sich auf klare tatsächliche und rechtliche Verhältnisse i.S. von Art. 257 ZPO berufen kann (BGE 141 III 262, in: MRA 1/16, S. 36 ff.). Wird die Kündigung als missbräuchlich erkannt, so wird sie aufgrund eines Gestaltungsentscheides aufgehoben (Lachat, CR, N 2 zu Art. 271 OR). Sie gilt dann als ungeschehen und das Mietverhältnis läuft unverändert weiter. Wird

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Art. 271

die Kündigung des Vermieters als gültig erkannt, so prüfen Schlichtungsbe­ hörde oder Richter von Amtes wegen, ob das Mietverhältnis zu erstrecken ist (Art. 273 Abs. 5 OR), es sei denn, der Mieter verzichte ausdrücklich darauf oder er begründe einen Erstreckungsanspruch nicht. 61

Während eines Zeitraums von drei Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des Entscheides, mit welchem eine Kündigung aufgehoben wird, kann eine erneute, ordentliche Kündigung des Vermieters angefochten werden (Art. 270a Abs. 1 lit. e OR), ausser es handle sich um einen Sonderfall nach Art. 271a Abs. 3 lit. a und d OR (vgl. N 78 ff. zu Art. 271a OR).

3.

Begründung der Kündigung

3.1

Anforderungen; Klarheit der Begründung

62

Nach dem vor dem 1.  Juli 1990 geltenden Mietrecht war eine nicht begrün­ dete Kündigung gültig. Ohne dass eine generelle Begründungspflicht hätte eingeführt werden sollen, sah der Entwurf zur Mietrechtsnovelle ursprüng­ lich die «Unwirksamkeit» der Kündigung vor, «wenn der angegebene Kün­ digungsgrund offensichtlich vorgeschoben» sei (Botsch. 1985, S. 1511). Weil diese Bestimmung ohne Begründungspflicht nicht praktikabel gewesen wäre (der Kündigende hätte sich ohne Sanktion weigern können, die Kündigung zu begründen), anderseits eine generelle Begründungspflicht nicht eingeführt werden sollte, ist als Kompromiss in Art. 271 Abs. 2 OR die Verpflichtung vor­ gesehen, dass eine Kündigung auf Verlangen des Empfängers zu begründen ist (Zihlmann, Mietrecht, S. 208). Damit soll diesem ermöglicht werden zu beur­ teilen, ob allenfalls eine Anfechtung der Kündigung nach den in Art. 271 und in Art. 271a OR näher umschriebenen Kriterien in Betracht gezogen werden könne. Die Begründung ist aber nicht Gültigkeitsvoraussetzung einer Kündi­ gung (Higi, ZK, N 113 zu Art. 271 OR; Lachat, CR, N 10 zu Art. 271 OR; MfdP/ Thanei, N 29.2.1; Urteil des Bundesgerichts 4C.170/2004 vom 27. August 2004, in: MRA 4/04, S. 135 ff.; BGE 125 III 231, E. 4b; Pra 2002, Nr. 110, S. 103 ff.; SJZ 99, S. 329).

63

Das Gesetz enthält keine näheren Anforderungen an den Inhalt einer Begrün­ dung, ebenso wenig an eine bestimmte Form (der Antrag von Nationalrat Longet, der die Schriftform vorschreiben wollte, wurde im Nationalrat aus­ drücklich abgelehnt, vgl. AB NR 1989, S. 533 f.). Die Begründung kann daher mündlich erfolgen (MfdP/Thanei, N 29.2.6; siehe die Zusammenfassung der Bundesgerichtspraxis durch Hediger Alex, in: SJZ 99, S.  329). Da allerdings 986

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Art. 271

der Kündigende für die Erstattung der Begründung beweispflichtig ist (Higi, ZK, N 162 zu Art. 271 OR), empfiehlt sich die Schriftform. Dasselbe gilt für das Gesuch um Begründung seitens des Kündigungsempfängers. Abzuleh­ nen ist die Ansicht Webers, wonach die Anfechtung der Kündigung bei der Schlichtungsbehörde sinngemäss als Begründungsbegehren gelte (BSK, N 31 zu Art. 271/271a OR). Das Gesetz schweigt sich darüber aus, innert welcher Zeit die vom Kündi­ 64 gungsempfänger geforderte Begründung zu erstatten ist. Der Art. 273 Abs. 1 OR, wonach eine Kündigung innert 30 Tagen nach Empfang angefochten wer­ den muss, ist hier nicht anwendbar (mp 1/93, S. 29; a.A. Lachat, CR, N 11 zu Art. 271 OR). Jedenfalls kann der Kündigungsempfänger auf sein Begehren um Begründung bis zur Schlichtungsverhandlung beharren, gegebenenfalls auch bis zur Verhandlung vor dem ordentlichen Richter (Barbey, Protection, N 276, S. 197; Higi, ZK, N 126 zu Art. 271 OR). Obschon eine erst nach Einleitung des Schlichtungsverfahrens abgegebene Begründung, aber auch deren Verwei­ gerung, laut Gesetz keine unmittelbaren Rechtsfolgen haben (vgl. aber N 65 f.), empfiehlt es sich, eine solche innert der Klagefrist des Art. 273 Abs. 1 OR abzu­ geben, da sie ja für den Kündigungsempfänger die Grundlage bildet, um die Kündigung auf ihre Anfechtbarkeit zu prüfen (MfdP/Thanei, N 29.2.2). Keine gesetzlichen Vorschriften bestehen sodann mit Bezug auf den Inhalt 65 und die Ausführlichkeit der Begründung. Eine allgemeingültige Regel kann denn auch nicht aufgestellt werden, und es muss gelten: Soviel wie erforder­ lich, so klar wie möglich, damit der Kündigungsempfänger die Motivation des Kündigenden nachvollziehen kann. Dabei ist der Kündigende an das Prinzip der Wahrheit gebunden (Higi, ZK, N 114 zu Art. 271 OR; BGE 125 III 231, E. 4b). Erweist sich der Kündigungsgrund nachträglich als unwahr, so kann der Vermieter u.U. schadenersatzpflichtig werden (ZMP 2017, Nr. 9). Der Kün­ digungsempfänger ist nach der Vertrauenstheorie berechtigt, der Begründung den Sinn zu entnehmen, der ihr nach Treu und Glauben entnommen werden kann. Wird z.B. das Mietverhältnis gekündigt, um eine Totalrenovation durch­ zuführen, so sollten gemäss Barbey einige zweckdienliche Einzelheiten genannt werden, weil eine zu vage Begründung den Eindruck erwecken könnte, sie ent­ spreche nicht den tatsächlichen Motiven (Protection, N 281, S. 198/9). Dieser Auffassung ist zu widersprechen, denn es darf aus der Kündigung nicht mehr, weniger oder anderes abgeleitet werden, als was der Empfänger nach Treu und Glauben verstehen kann. Hingegen ist die von Barbey postulierte Deutlichkeit durchaus zu empfehlen: Ist etwa eine Kündigung mit der Verletzung von Sorg­ falt und Rücksichtnahme oder Nichteinhaltung der Hausordnung seitens des

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Mieters begründet, so sollte klargestellt werden, es handle sich beispielsweise um übermässige Lärmimmissionen oder um die Nichteinhaltung der Wasch­ küchenordnung oder aber um die kürzliche Auseinandersetzung, bei welcher er seinen Nachbarn geschlagen habe. 66

Eine Besonderheit gilt bei den ausserordentlichen Kündigungen: Der Emp­ fänger einer solchen muss dieser entnehmen können, dass es sich nicht um eine ordentliche Kündigung handelt, weil sich der Kündigende auf einen besonderen Tatbestand beruft (Weber, BSK, N 33 zu Art. 271/271a OR; MfdP/Thanei, N 27.1.4; Urteile des Bundesgerichts vom 3. Oktober 1995, E. 2b/aa, in: MRA 5/96, S. 228; 4C.324/2002 vom 3. März 2003, in: MRA 5/03, S. 165 ff., m.w.H.).

67

Gemäss Lehre und Praxis ist es zulässig, eine subsidiäre Kündigung auszu­ sprechen für den Fall, dass die erste nichtig oder unwirksam sein sollte (Higi, ZK, N  10 und 36 Vorbem. zu Art.  266–266o OR; Urteil des Bundesgerichts 4A_189/2011 vom 4. Juli 2011, E. 8.2, in: MRA 1/13, S. 24 ff. und der Kommen­ tar von Zinon Koumbarakis, S. 37).

3.2

Berechtigung, die Begründung zu verlangen; Zeitpunkt

68

Die Kündigung ist auf Verlangen des Kündigungsempfängers zu begründen. Der Art. 271 Abs. 2 OR statuiert bloss eine diesbezügliche Obliegenheit, die nicht klageweise durchgesetzt werden kann (Weber, BSK, N 32 zu Art. 271/271a OR; Higi, ZK, N 160 zu Art. 271 OR). Im Falle von mehreren Mietern oder Ver­ mietern sollte jeder von ihnen an den Kündigenden das Begehren um Begrün­ dung stellen können. Betrifft die Kündigung eine Familienwohnung, so sind sowohl der Mieter bzw. die Mieterin wie auch der Ehegatte und der eingetra­ gene Partner hierzu berechtigt (Barbey, Protection, N 270–272, S. 196; MfdP/ Thanei, N 29.2.1). Selbstverständlich kann auch ein bevollmächtigter Vertreter des Kündigungsempfängers die Begründung verlangen (z.B. Anwalt, Beistand; vgl. Higi, ZK, N 129 zu Art. 271 OR).

69

Das Begehren um Begründung der Kündigung richtet sich an den Kündi­ genden, im Falle einer Mehrheit von Kündigenden an jeden Einzelnen. Die Begründung kann auch nach Anhängigmachung eines Kündigungsschutz­ begehrens verlangt werden und selbst dann, wenn die Anfechtungsfrist des Art. 273 Abs. 1 OR ungenützt verstrichen ist (das Ausbleiben der Begründung hätte aber keine Folgen, vgl. Higi, ZK, N 138 zu Art. 271 OR).

988

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Art. 271

3.3

Ausbleiben einer Begründung, Bindung des Kündigenden an die Begründung, unvollständige oder wahrheitswidrige Begründung, Nachschieben von Gründen

Das Bundesgericht hatte in einem Entscheid vom 18. März 1992 Gelegenheit, 70 sich mit der Frage zu befassen, welche Rechtsfolgen an die Verweigerung oder an die späte Erstattung einer Begründung zu knüpfen sind (mp 1/93, S. 28). Im konkreten Falle war die Begründung erst anlässlich der Schlichtungsver­ handlung abgegeben worden. Das Bundesgericht hielt vorerst fest, dass auch eine unbegründet gebliebene Kündigung gültig ist, dass aber das Unterlas­ sen der geforderten Begründung nicht ohne Folgen bleiben könne. Ein sol­ cher Schluss wäre mit dem Wortlaut von Art. 271 Abs. 2 OR nicht vereinbar, wird doch dort die Pflicht zur Begründung statuiert. Aus dem Unterlassen der Begründung dürfe jedoch nicht von vornherein geschlossen werden, die Kün­ digung sei missbräuchlich erfolgt, denn eine solche Vermutung lasse sich aus dem Gesetz nicht entnehmen. Genauso wie der Kündigende, der eine Begrün­ dung abgibt, im Bestreitungsfalle ihre Richtigkeit darzutun hat, treffe denjeni­ gen, der bis zur Schlichtungsverhandlung damit wartet, die Pflicht, diese Ver­ zögerung einleuchtend zu begründen. Andernfalls laufe er Gefahr, dass seine Kündigung als missbräuchlich betrachtet werde. Diese Rechtsprechung wurde in der Folge mehrfach bestätigt (statt vieler: BGE 143 III 344, E. 5.3.1; BGE 138 III 59, E. 2.3; Urteil des Bundesgerichts 4C.170/2004 vom 27. August 2004, in: MRA 4/04, S.  135  ff.; vgl. die Zusammenfassung der Rechtsprechung durch Hediger Alex, in: SJZ 100, S. 340). Daraus folgt, dass der Kündigende, der über die Anfechtungsfrist nach Art. 273 71 Abs.  1 OR hinaus, allenfalls bis zur Schlichtungs- oder der darauffolgenden Gerichtsverhandlung seine Begründung zurückhält, plausible Gründe darle­ gen und beweisen muss, weshalb er solange zugewartet hat (Lachat, CR, N 11 zu Art. 271 OR; vgl. auch ein illustratives Beispiel im Falle einer ausserordent­ lichen Kündigung, in: MRA 4/99, S.  146  ff., die durch das Obergericht des Kantons Zürich am 19.  Oktober 1998 beurteilt wurde). Ist er hiezu nicht in der Lage oder bereit, so wird auf eine grundlose Kündigung, mithin auf eine unnütze Rechtsausübung und letztlich auf die Ungültigkeit der Kündigung zu schliessen sein (Weber, BSK, N 32 zu Art. 271/271a OR; zu den Fällen, in denen eine verspätete Kündigungsbegründung zulässig ist, vgl. Higi, ZK, N 147–154 zu Art. 271 OR).

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Art. 271 72

Der Kündigende ist grundsätzlich an die von ihm abgegebene Begründung gebunden (CHK, N 6 zu Art. 271/271a OR; zu einer mehrfachen Begründung siehe N 69). Im Laufe eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens kann sich aber herausstellen, dass die Begründung der Kündigung unvollständig oder wahrheitswidrig ist. In solchen Fällen ist nicht von vornherein auf Missbräuch­ lichkeit der Kündigung zu schliessen (Higi, ZK, N 126 und 150–154 zu Art. 271 OR; Zihlmann, S.  210; BGE 125 III 240; BGE 138 III 59, E.  2.3; Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19.10.1998, in: MRA 4/99, S. 146 ff.). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Kündigende ein berechtigtes Interesse daran hatte, die eigentlichen Kündigungsgründe zunächst nicht oder nicht wahrheitsgemäss zu bezeichnen. Bespiele hiefür finden sich auch in der Bot­ schaft zum allerdings anders abgefassten Art. 271 OR. Es ist etwa an den Fall zu denken, in welchem der Vermieter zunächst nicht den wahren Kündigungs­ grund nennt, weil dieser für den Mieter ehrenrührig ist (z.B. wenn dieser Mie­ ter Drogen verkauft oder ein Schläger ist) und dies erst im Anfechtungsverfah­ ren nachbringt (MfdP/Thanei, N 29.2.2). Hat der Kündigende in dieser oder in ähnlicher Weise ein nachvollziehbares Interesse, die Kündigungsgründe zunächst nicht oder nicht mit der Bezeichnung aller effektiv massgebenden Umstände zu nennen, ist eine unvollständige, wahrheitswidrige oder ausge­ bliebene Begründung zulässig, wenn die wahren Gründe im Anfechtungsver­ fahren nachgebracht werden (nach Weber, BSK, N  33 zu Art.  271/271a OR, ist eine solche Konstellation kaum je zu finden). Anders präsentiert sich die Rechtslage, wenn der Kündigende ohne schützenswerten Grund die Begrün­ dung während des Anfechtungsverfahrens ändert (siehe dazu das Urteil des Bundesgerichts 4C.131/2003 vom 6. August 2003 in einem Fall, da ein Vermie­ ter zuerst Eigenbedarf, sodann den Verkauf der Liegenschaft als Kündigungs­ grund angegeben hatte, und den Kommentar von Raymond Bisang, in: MRA 5/04, S. 174 ff.).

73

Eine Kündigung, deren Begründung gänzlich, d.h. auch im Anfechtungsver­ fahren verweigert wird, erweckt laut Bundesgericht den Verdacht, i.S.v. Art. 271 Abs. 1 OR missbräuchlich zu sein (Urteil des Bundesgerichts 4C.170/2004 vom 27. August 2004, in: MRA 4/04, S. 135 ff.). Mit anderen Worten ist eine unbe­ gründet gebliebene Kündigung, bei welcher ein rechtsgenügend behauptetes, objektiv erkennbares, ernstgemeintes und rechtlich schützenswertes Interesse nicht erklärt ist, einer unnützen Rechtsausübung gleichzusetzen, was zu deren Aufhebung führt (Weber, BSK, N 32 zu Art. 271/271a OR). Nichts daran ändert der Umstand, dass für die Missbräuchlichkeit der Kündigung grundsätzlich der Kündigungsempfänger beweispflichtig ist: Wenn nämlich die Gründe der Kündigung das Geheimnis des Kündigenden bleiben, so kann ein allen­ 990

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falls dahinterliegendes, legitimes, jedoch konsequent verschwiegenes Interesse nicht berücksichtigt werden (MfdP/Thanei, N  29.2.3). Wäre dem anders, so hätte es der Kündigende in der Hand, durch Verweigerung jeglicher Begrün­ dung seine Kündigung unanfechtbar zu machen (vgl. Higi, ZK, N 155–159 zu Art. 271 OR).

3.4

Mehrere Kündigungsgründe

Werden mehrere Kündigungsgründe genannt, so genügt es für die Gültigkeit 74 der Kündigung, dass einer sich als nicht treuwidrig erweist (Urteile des Bun­ desgerichts 4C.365/2006 vom 16.  Januar 2007, E.  3.2, in: MRA 5/06, S.  172 und 4C.400/1998 vom 23.  März 1999, E.  4a und 4b, in: mp 1999, S.  195  ff.; a.A. MfdP/Thanei, N  29.2.5). Entgegen Weber (BSK, N  29 zu Art.  271/271a OR) hängt die Gültigkeit der Kündigung nicht von einer Gesamtwürdigung der Umstände ab.

3.5

Nachträglicher Wegfall des Kündigungsgrundes

Die Gültigkeit einer Kündigung beurteilt sich aufgrund der Umstände zum 75 Zeitpunkt, zu dem sie angezeigt wurde (BGE 138 III 59, E. 2.1, m.w.H.; BGE 140 III 496, E.  4.1). Fällt der Kündigungsgrund nachträglich weg, so bleibt eine gültig ausgesprochene Kündigung gültig (BGE 135 III 441, E. 3.3; 137 III 208, E. 3.1, in: MRA 1/12, S. 20; Urteile des Bundesgerichts 4A_454/2012 vom 10.  Oktober 2012, E. 2.5, in: MRA 3/13, S.  28  ff.; 4A_545/2013 vom 28. November 2013, E. 3.2.3, in: MRA 4/14, S. 157 ff.; a.A. Weber, BSK, N 33a zu Art. 271/271a OR und Thanei, in: mp 2012, S. 99). Hulliger/Heinrich ver­ treten die Ansicht, in einem solchen Falle wäre der Vermieter auch berechtigt, anstelle des weggefallenen einen neuen Kündigungsgrund anzurufen (CHK, N 6 zu Art. 271/271a OR).

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991

Art. 271a II. Kündigung durch den Vermieter 1 Die

Kündigung durch den Vermieter ist insbesondere anfechtbar, wenn sie ausgesprochen wird: a. weil der Mieter nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Mietverhältnis geltend macht; b. weil der Vermieter eine einseitige Vertragsänderung zu Lasten des Mieters oder eine Mietzinsanpassung durchsetzen will; c. allein um den Mieter zum Erwerb der gemieteten Wohnung zu veranlassen; d. während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens, ausser wenn der Mieter das Verfahren missbräuchlich eingeleitet hat; e. vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens, in dem der Vermieter: 1. zu einem erheblichen Teil unterlegen ist; 2. seine Forderung oder Klage zurückgezogen oder erheblich eingeschränkt hat; 3. auf die Anrufung des Richters verzichtet hat; 4. mit dem Mieter einen Vergleich geschlossen oder sich sonst wie geeinigt hat; f. wegen Änderungen in der familiären Situation des Mieters, aus denen dem Vermieter keine wesentlichen Nachteile entstehen.

2 Absatz

1 Buchstabe e ist auch anwendbar, wenn der Mieter durch Schriftstücke nachweisen kann, dass er sich mit dem Vermieter ausserhalb eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens über eine Forderung aus dem Mietverhältnis geeinigt hat. 3 Absatz

1 Buchstaben d und e sind nicht anwendbar bei Kündigungen: a. wegen dringenden Eigenbedarfs des Vermieters für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte; b. wegen Zahlungsrückstand des Mieters (Art. 257d); c. wegen schwerer Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme (Art. 257f Abs. 3 und 4);

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Art. 271a

d. infolge Veräusserung der Sache (Art. 261); e. aus wichtigen Gründen (Art. 266g); f. wegen Konkurs des Mieters (Art. 266h). II.

Congé donné par le bailleur

1 Le

congé est annulable lorsqu’il est donné par le bailleur, notamment: a. parce que le locataire fait valoir de bonne foi des prétentions découlant du bail; b. dans le but d’imposer une modification unilatérale du bail défavorable au locataire ou une adaptation de loyer; c. seulement dans le but d’amener le locataire à acheter l’appartement loué; d. pendant une procédure de conciliation ou une procédure judiciaire en rapport avec le bail, à moins que le locataire ne procède au mépris des règles de la bonne foi; e. dans les trois ans à compter de la fin d’une procédure de conciliation ou d’une procé­ dure judiciaire au sujet du bail et si le bailleur: 1. a succombé dans une large mesure; 2. a abandonné ou considérablement réduit ses prétentions ou conclusions; 3. a renoncé à saisir le juge; 4. a conclu une transaction ou s’est entendu de toute autre manière avec le locataire; f. en raison de changements dans la situation familiale du locataire, sans qu’il en résulte des inconvénients majeurs pour le bailleur.

2 La lettre e du 1er alinéa est également applicable lorsque le locataire peut prouver par des

écrits qu’il s’est entendu avec le bailleur, en dehors d’une procédure de conciliation ou d’une procédure judiciaire, sur une prétention relevant du bail.

3 Les

lettres d et e du 1er alinéa ne sont pas applicables lorsqu’un congé est donné: a. en raison du besoin urgent que le bailleur ou ses proches parents ou alliés peuvent avoir d’utiliser eux-mêmes les locaux; b. en cas de demeure du locataire (art. 257d); c. pour violation grave par le locataire de son devoir de diligence ou pour de graves manques d’égards envers les voisins (art. 257f, 3e et 4e al.); d. en cas d’aliénation de la chose louée (art. 261, 2e al.); e. pour de justes motifs (art. 266g); f. en cas de faillite du locataire (art. 266h).

II.

Disdetta da parte del locatore

1 La

disdetta può essere contestata in particolare se data dal locatore: a. poiché il conduttore fa valere in buona fede pretese derivantigli dalla locazione; b. allo scopo di imporre una modificazione unilaterale del contratto sfavorevole al con­ duttore o un adeguamento della pigione; c. esclusivamente per indurre il conduttore ad acquistare l’abitazione locata; d. durante un procedimento di conciliazione o giudiziario in relazione con la locazione, sempreché il conduttore non l’abbia intrapreso in maniera abusiva;

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Art. 271a

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e. nei tre anni susseguenti alla fine di un procedimento di conciliazione o giudiziario in relazione con la locazione e nel corso del quale il locatore: 1. è risultato ampiamente soccombente; 2. ha ritirato o sensibilmente ridotto le sue pretese o conclusioni; 3. ha rinunciato ad adire il giudice; 4. ha concluso una transazione con il conduttore o si è comunque accordato con lui; f. per mutamenti nella situazione familiare del conduttore che non comportano svan­ taggi essenziali per il locatore. 2 Il

capoverso 1 lettera e si applica anche quando il conduttore può provare con docu­ menti scritti di essersi accordato con il locatore, fuori di un procedimento di conciliazione o giudiziario, circa una pretesa derivante dalla locazione. 3 Le

lettere d ed e del capoverso 1 non si applicano se è stata data disdetta: a. perché la cosa locata occorre al fabbisogno personale urgente del locatore, dei suoi stretti parenti o affini; b. per mora del conduttore (art. 257d); c. per violazione grave dell’obbligo di diligenza e di riguardo per i vicini (art. 257f cpv. 3 e 4); d. in seguito all’alienazione della cosa locata (art. 261 cpv. 2); e. per motivi gravi (art. 266g); f. per fallimento del conduttore (art. 266h).

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Zwingender Charakter der Norm .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

996 996 996

2. 2.1

996

Anfechtungsgründe im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Kündigung wegen der Geltendmachung von Ansprüchen durch den Mieter (Vergeltungskündigung) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Kündigung zur Durchsetzung einer einseitigen Vertragsänderung zulasten des Mieters oder einer Mietzinsanpassung (Änderungskündigung) . . . . . . . . . . . . . . .  Kündigung mit dem ausschliesslichen Ziel, den Mieter zum Erwerb der gemieteten Wohnung zu veranlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Kündigung während eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens .. . . . . . . . . . . . . . . .  Kündigung während der Kündigungssperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Kündigung wegen Änderung der Familienverhältnisse des Mieters .. . . . . . . . . . . . . . .  Kündigungssperrfrist nach Einigung der Parteien ausserhalb eines Verfahrens . . . 

1006 1008 1012 1021 1023

3. Ausnahmen vom Kündigungsschutz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Dringender Eigenbedarf des Vermieters und Veräusserung der Sache . . . . . . . . . . . . . 

1026 1026 1026

2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7

994

996 1002

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Art. 271a 3.3 Vertragsauflösung aufgrund ausserordentlicher Kündigungsgründe .. . . . . . . . . . . . . .  3.4 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1028 1029

4.

1029

Beweisfragen im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 271a

1. Vorbemerkungen 1.1 Bedeutung 1

Art. 271a OR enthält als Konkretisierung von Art. 271 OR einen Katalog von Voraussetzungen, unter denen die vom Vermieter ausgesprochene Kündigung anfechtbar ist. Es können zwei Kategorien vom Gesetz missbilligter Kündigun­ gen unterschieden werden: einerseits solche, bei denen der Gesetzgeber das Kündigungsmotiv des Vermieters als subjektives Element als verpönt erach­ tet, weil es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst (Art. 271a Abs. 1 Buchst. a–c, f OR). Anderseits nennt die neue Bestimmung Tatbestände, bei denen die Kündigung aufgrund rein objektiver Kriterien angefochten wer­ den kann, z.B. weil sie innert einer Sperrfrist ausgesprochen wird. Das Gesetz schafft hier die Fiktion, wonach die Kündigung in einem missbräuchlichen Zusammenhang mit dem die Schutzfrist auslösenden Ereignis stehe (Art. 271a Abs. 1 Buchst. d und e, Abs. 2 OR, vgl. aber die Ausnahmen unter N 31–36 und 44 f.). In diesen Fällen sind Kündigungen nur unter den eingeschränkten Vo­raussetzungen von Art. 271a Abs. 3 OR möglich.

1.2 2

Zwingender Charakter der Norm

Diesbezüglich gelten die Ausführungen unter N 5 zu Art. 271 OR.

2.

Anfechtungsgründe im Einzelnen

2.1

Kündigung wegen der Geltendmachung von Ansprüchen durch den Mieter (Vergeltungskündigung)

2.1.1 Allgemeines 3

Die Bestimmung lehnt sich inhaltlich an die Strafbestimmung von Art.  31 BMM an. In seiner neueren Praxis zum BMM gelangte das Bundesgericht zum Ergebnis, dass eine Kündigung, mit welcher der Vermieter die Strafbarkeits­ voraussetzungen von Art. 31 erfüllte, auch nichtig sein müsse (BGE 113 II 461 und 114 II 79).

4

Für die Anwendung von Art. 271a Abs. 1 Buchst. a OR müssen drei Vorausset­ zungen kumulativ erfüllt sein: –– ein Anspruch aus dem Mietverhältnis,

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Art. 271a

–– der vom Mieter nach Treu und Glauben geltend gemacht wird –– und Ursache der Kündigung ist.

2.1.2

Ansprüche des Mieters aus dem Mietverhältnis

Als «Ansprüche» können nach dem Wortlaut des Gesetzes und entsprechend 5 seiner Entstehung theoretisch sowohl geldwerte Ansprüche aus dem Mietver­ hältnis gelten (Barbey, Protection, N 55, S. 127) als auch alle Arten von Forderungen (positive wie negative, d.h. solche zu einem Tun, Unterlassen oder Dulden, vgl. Calamo, Missbräuchlichkeit, S. 232; MfdP/Thanei, N 29.3.2.2.2), soweit sie auf Gesetz oder Vertrag gestützt sind. Für die Beschränkung des Begriffs auf geldwerte Ansprüche sprechen eigent­ 6 lich Systematik und Entstehung des Gesetzes, gilt doch dieselbe Beschrän­ kung im Falle des Kündigungsschutzes infolge aussergerichtlicher Einigung nach Art.  271a Abs.  2 OR, entsprechend dem Votum von Bundesrat Koller vor dem Parlament (AB NR vom 28. November 1989, S. 1879 und AB SR vom 30. November 1989, S. 683), insbesondere vor dem Ständerat: «Es sollen damit Meinungsverschiedenheiten ausgeschlossen sein, die wirklich Baga­ tellen darstellen. Wenn beispielsweise zwischen Vermieter und Mieter eine Meinungs­ verschiedenheit entstanden ist, ob der Mieter eine Katze halten dürfe, und man sich einigt, dann wäre es unverhältnismässig, wenn der Mieter, nachdem man sich geeinigt hat, einen dreijährigen Kündigungsschutz daraus ableiten könnte. Deshalb die präzi­ sierende Erklärung: Nur für Geldforderungen und nur dann, wenn das durch Schrift­ stücke nachweisbar ist.»

Es wäre nun inkonsequent anzunehmen, das Gesetz verweigere dem Mieter 7 den Kündigungsschutz, wenn er sich mit dem Vermieter aussergerichtlich über einen nicht geldwerten Anspruch geeinigt hat (Art. 271a Abs. 2 OR), um hin­ wieder mit Art. 271a Abs. 1 Buchst. a OR den Kündigungsschutz zu bejahen im Falle eines ebenfalls nicht geldwerten Anspruchs (Barbey, Protection, N 55, S. 127). Zu beachten gilt allerdings, dass auch ein nicht geldwerter Anspruch des Mie­ 8 ters in besonderen Fällen in Anwendung der Grundsatznorm des Art. 271 OR zu einer Aufhebung der Kündigung führen kann, dann nämlich, wenn die Kün­ digung als Antwort auf einen solchen nach Treu und Glauben geltend gemach­ ten Anspruch des Mieters allein Strafcharakter hat. So etwa, wenn einem Mie­ ter die Bewilligung zur Tierhaltung vorerst ausdrücklich erteilt, diese später ohne jeden sachlichen Grund widerrufen wird. Von Bedeutung ist auch, dass als geldwerter Anspruch auch ein solcher zu gelten hat, der nicht mit einer

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bezifferten Geldforderung erfolgt, sondern Voraussetzung zu einer solchen darstellt (z.B. das Begehren um Mitteilung des Mietzinses des Vormieters zur Prüfung einer Anfechtung des Anfangsmietzinses). 9

Gegen die Beschränkung des Begriffs auf geldwerte Ansprüche spricht in ers­ ter Linie der Gesetzeswortlaut. Sodann sind die Konsequenzen eines eng ver­ standenen Begriffs kaum mit den gesetzgeberischen Intentionen in Einklang zu bringen. Es ist etwa nicht einzusehen, weshalb ein Mieter, der den Anspruch auf Untervermietung erhebt, schlechtergestellt sein soll als derjenige, der einen Anspruch auf Herabsetzung des Mietzinses geltend macht. Deshalb ist – unge­ achtet des Widerspruchs zu Art.  271a Abs.  2 OR  – davon auszugehen, dass grundsätzlich jeder sich aus dem Vertrag und den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen ergebender Anspruch des Mieters unter Art. 271a Abs. 1 Buchst.  a OR fällt (Weber, BSK, N  10 zu Art.  271/271a OR; Thanei, Kündi­ gungsschutz, S. 30; Lachat, CR, N 3 zu Art. 271a OR). Dies ist allerdings dahin­ gehend einzuschränken, dass der Mieter ein ernst zu nehmendes Interesse an der Wahrnehmung des seinem Anspruch zugrunde liegenden Rechts haben muss (Lachat, CR, N 3 zu Art. 271a OR). Im Sinne des unter N 6 wiederge­ gebenen Votums von Bundesrat Koller müssen deshalb Bagatellansprüche vom Kündigungsschutz ausgeschlossen sein (MfdP/Thanei, N 29.3.2.2.2; zum Bagatellbegriff vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 5.  Januar 1994, in: MRA 1/95, S. 39 ff.; vgl. Higi, ZK, N 23 zu Art. 271a OR und Zihlmann, Mietrecht, S.  217  f.). Zum Ausschluss von Ansprüchen vom Kündigungsschutz gelangt man ebenfalls, wenn solche schikanös, mithin gegen Treu und Glauben erho­ ben werden (vgl. N 11 und Thanei, Kündigungsschutz, S. 30). Ausser Betracht fallen von vornherein Ansprüche, die der Mieter weder auf den Vertrag noch auf das Gesetz stützen kann. Hat der Vermieter beispielsweise mit einem legi­ timen Grund gekündigt, so erweist sich die Kündigung nicht als missbräuch­ lich, wenn dem Mieter vorher das Ersuchen um die Benutzung eines zusätz­ lichen Raums abgeschlagen worden war, denn der Mieter hatte hiezu keinen Anspruch.

10

Nachdem bereits Art.  271a Abs.  1 Buchst.  d OR dem Mieter während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichts­ verfahrens Kündigungsschutz einräumt, geht das Gesetz offensichtlich davon aus, dass der Anspruch des Mieters im Falle von Art. 271a Abs. 1 Buchst. a OR ausserhalb eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens geltend gemacht wird (MfdP/Thanei, N 29.3.2.2.1). In welcher Form dies zu geschehen hat, schreibt das Gesetz nicht vor (anders im Fall von Art. 271a Abs. 2 OR). Infrage kommt deshalb die Geltendmachung von Ansprüchen in schriftlicher wie mündli-

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cher Form. Blosse Reklamationen genügen aber nicht; die Geltendmachung des Anspruchs durch den Mieter muss deutlich erkennbar sein (Higi, ZK, N 57 zu Art. 271a OR und Barbey, Protection, N 57, S. 128 und Conod, CPra, N 7 zu Art. 271a OR; a.M. MfdP/Thanei, N 29.3.2.2.1, die den Schutz auf den Fall ausdehnt, dass der Vermieter davon weiss, dass sich der Mieter überlegt, Ansprüche geltend zu machen – diese Auffassung lässt sich mit dem Wortlaut von Art.  271a Abs.  1 Buchst.  a OR nicht vereinbaren). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Anspruch direkt an den Vermieter gerichtet ist oder aber an eine von diesem bevollmächtigte Drittperson (Higi, ZK, N 35 zu Art. 271a OR). Der vom Mieter nach Treu und Glauben geltend gemachte Anspruch muss 11 «aus dem Mietverhältnis» abgeleitet werden können. Darunter fallen sämtli­ che Ansprüche im vorerwähnten Sinn, die sich auf den Mietvertrag oder auf gesetzliche Mieterrechte stützen (Weber, BSK, N  10 zu Art.  271/271a OR). Zu denken ist insbesondere an (vgl. auch die Beispiele bei Higi, ZK, N 24 zu Art. 271a OR): –– Begehren um Rückerstattung von Nebenkosten, die zu Unrecht erhoben wurden (Art. 257a OR) oder Verweigerung der Bezahlung nicht vereinbar­ ter Nebenkosten; –– Begehren um Rückerstattung einer Mietzinskaution bei der Wohnungs­ miete, soweit diese drei Monatszinse übersteigt (Art. 257e Abs. 2 OR); –– Begehren um Rückerstattung eines Teils des Mietzinses, wenn die Mietsa­ che verspätet zur Verfügung gestellt wurde (Art. 258 OR); –– Begehren um Beseitigung, Mietzinsherabsetzung und Schadenersatz im Fall von Mängeln (Art. 259d und 259e OR); –– Begehren um Mietzinsherabsetzung im Falle einer wesentlichen Änderung der Berechnungsgrundlagen, die zu einem übersetzten Ertrag der Mietsache führt (Art. 270a Abs. 1 OR); –– Geltendmachung der Nichtigkeit einer Mietzinserhöhung oder eines Koppelungsgeschäftes (N 20 zu Art. 254 OR); –– Begehren um Mitteilung des Mietzinses des vorangegangenen Mietverhält­ nisses (Art. 256a Abs. 2 OR); –– Begehren um Einsicht in die Belege der Nebenkostenabrechnung (Art. 257b Abs. 2 OR); –– Begehren um Einsicht in das Rückgabeprotokoll des Vormieters (Art. 256a Abs. 1 OR); Raoul Futterlieb

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–– Begehren um Zustimmung zur Untervermietung (Art. 262 OR; Urteil des Bundesgerichts 4C.155/2000 vom 30. August 2000), zur Übertragung der Miete von Geschäftsräumen (Art. 263 OR) oder im Rahmen einer Schei­ dung auf den geschiedenen Ehepartner (oder registrierten Partner) zu übertragen (Art. 121 ZGB und Art. 32 PartG); –– Geltendmachung der Unzumutbarkeit einer Renovation (Art. 260 OR). 12

Nicht zu den Ansprüchen i.S.v. Art. 271a Abs. 1 Buchst. a OR gehören dagegen solche, die keine gesetzliche oder vertragliche Grundlage haben, z.B. (vgl. auch die Beispiele bei Higi, ZK, N 26 zu Art. 271a OR): –– Begehren um freiwillige Senkung des Mietzinses; –– Begehren um Einräumung einer Option oder um Änderung des Vertrags­ inhaltes; –– Begehren um Vormerkung des Mietvertrages im Grundbuch; –– Begehren um Bewilligung der Haustierhaltung (Urteil des Bundesgerichts vom 21. Februar 1994, in: MRA 2/95, S. 95 f.).

13

Nicht gefolgt werden kann der Ansicht von Weber (BSK, N 10 zu Art. 270/271a OR), wonach Art. 271a OR auch dann zur Anwendung kommt, wenn der Ver­ mieter mit der Kündigung Ansprüche des Mieters aus anderen Verträgen oder aus öffentlichem Recht sanktioniert, weil Rache nie ein schützenswertes Kün­ digungsmotiv darstelle. Eine solche Kündigung ist vielmehr im Lichte des Art. 271 OR zu würdigen.

2.1.3 14

Mieteransprüche nach Treu und Glauben

Vorausgesetzt ist, dass der Mieter die gegen den Vermieter erhobenen Ansprü­ che, die Anlass für die Kündigung sind, «nach Treu und Glauben» geltend gemacht hat (MfdP/Thanei, N 29.3.2.2.4; Weber, BSK, N 11 zu Art. 271/271a OR). Dazu gehören einmal solche, die im Streitfalle zu einem «erheblichen Unterliegen des Vermieters» führen würden (vgl. dazu N 47 ff.). Sodann sol­ che, die der Mieter subjektiv als gerechtfertigt erachten darf, auch wenn sie es möglicherweise nicht sind, beispielsweise weil dem Mieter entweder das nötige Wissen oder aber die notwendigen Unterlagen fehlen (Higi, ZK, N 46–49 zu Art.  271a OR; Weber, BSK, N  11 zu Art.  271/271a OR). Dementsprechend schlägt Barbey vor, es müsse genügen, wenn der Mieter in gutem Glauben handle (Protection, N 71, S. 133; vgl. auch MfdP/Thanei, N 29.3.2.2.4). Für die Annahme, der Mieter sei gutgläubig, kann aber u.U. gehören, dass er, wenn sein Anspruch auf Ablehnung stösst, fachlichen Rat einholt, wie etwa bei der 1000

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von der Schlichtungsbehörde angebotenen Rechtsauskunftsstelle. Gutgläubig­ keit ist etwa dann nicht anzunehmen, wenn der Mieter die Höhe der Neben­ kosten beanstandet und eine Rückzahlung aus der Abrechnung fordert, ohne Einsicht in die Belege genommen zu haben. Schliesslich ist vorausgesetzt, dass der Mieter ein schützenswertes Interesse an der Wahrnehmung eines Rechts, das ihm nach Vertrag oder Gesetz zusteht, geltend machen kann (etwa verneint bei der Berufung des Mieters auf die Formvorschrift von Art. 269d OR nach einer einvernehmlichen Mietzinsanpassung, vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 25. März 1995, in: MRA 5/95, S. 223 ff.). Der darauf gestützte Anspruch darf nicht eines sachlichen Grundes entbehren oder schikanös sein (Zihlmann, Mietrecht, S.  212; Thanei, Kündigungsschutz, S.  30), ebenso darf der Mieter den Vermieter nicht wegen einer Bagatelle in Anspruch nehmen (MfdP/Tha­ nei, N 29.3.2.2.2), sodass sein konkretes Anliegen in keinem vernünftigen Verhältnis zur sachlichen Bedeutung und zum allenfalls provozierten administra­ tiven Aufwand steht (vgl. auch die Beispiele bei Higi, ZK, N 40–45 zu Art. 271a OR).

2.1.4

Mieteransprüche als Ursache der Kündigung

Zwischen dem vom Mieter geltend gemachten Anspruch und der Kündigung 15 muss ein Kausalzusammenhang bestehen (vgl. Higi, ZK, N 55 ff. zu Art. 271a OR; Thanei, Kündigungsschutz, S. 31; MfdP/Thanei, N 29.3.2.2.3). Ob ein sol­ cher besteht, ist vor allem dann schwierig zu beurteilen, wenn der Vermie­ ter sich auf andere Kündigungsgründe beruft. Diesfalls ist darauf abzustellen, ob die Ansprüche des Mieters ein derartiges Gewicht haben, dass aufgrund der Indizien angenommen werden muss, diese allein hätten zur Hauptsa­ che den Kündigungsentschluss des Vermieters hervorgerufen. Immerhin ist insgesamt auf den objektiven Eindruck abzustellen, der sich in Würdigung aller Umstände ergibt. Selbstverständlich kann der vom Mieter aufgrund von Indizien hergestellte Kausalzusammenhang widerlegt werden, insbesondere dann, wenn der Vermieter einen anderweitigen, legitimen Kündigungsgrund i.S.  eines Gegenbeweises belegt. In diesem Zusammenhang spielt der zeitli­ che Faktor eine wesentliche Rolle (MfdP/Thanei, N 29.3.2.2.3): Je länger der vom Mieter gestellte Anspruch zurückliegt, desto eher ist auf ein Nichtbeste­ hen eines Kausalzusammenhangs mit der Kündigung zu schliessen (Barbey, Protection, N 79, S. 136; Calamo, Missbräuchlichkeit, S. 234).

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2.1.5 Beweislast 16

Der Mieter, der die Kündigung gestützt auf Art.  271a Abs.  1 Buchst.  a OR anficht, hat zu beweisen: –– dass er einen Anspruch von schützenswerter Bedeutung aus dem Mietver­ hältnis geltend gemacht hat; –– dass der Anspruch nach Treu und Glauben gestellt worden ist; –– dass zwischen seinem Anspruch und der Kündigung Kausalität besteht (Higi, ZK, N 66 zu Art. 271a OR, hält diesbezüglich die Beweisanforderung der hohen Wahrscheinlichkeit als genügend; ähnlich Weber, BSK, N 12 zu Art. 271/271a OR und MfdP/Thanei, N 29.3.2.2.3).

17

Der Beweis der Bösgläubigkeit obliegt dem Vermieter. Zur Beweislast im All­ gemeinen vgl. N 38–40 zu Art. 271 OR.

2.2

Kündigung zur Durchsetzung einer einseitigen Vertragsänderung zulasten des Mieters oder einer Mietzinsanpassung (Änderungskündigung)

2.2.1 Allgemeines 18

Anfechtbar ist die Kündigung nach Art. 271a Abs. 1 Buchst. b OR, wenn sie ­ausgesprochen wird, weil der Vermieter eine einseitige Vertragsänderung zulasten des Mieters oder eine Mietzinsanpassung durchsetzen will. Wie bereits der früher geltende Art.  18 BMM will die nun geltende Gesetzesbe­ stimmung verhindern, dass der Mieter vor die Alternative gestellt wird, entwe­ der Vertragsänderungen zu seinen Lasten zu akzeptieren oder aber die Kün­ digung zu riskieren (BGE 106 IV 69; BGE 113 II 387). Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist unerheblich, ob der Vermieter die Vertragsänderung formell korrekt mit amtlichem Formular oder auf andere Weise, beispielsweise mittels Brief oder mündlich geltend gemacht hat (Zihlmann, Mietrecht, S. 212 f.; Higi, ZK, N 77 zu Art. 271a OR). Es genügt für die Annahme der Anfechtbarkeit, dass die Kündigung im Zusammenhang mit einem entsprechenden Versuch des Vermieters steht. Voraussetzung dabei ist allerdings, dass der (geschei­ terte) Versuch, eine einseitige Vertragsänderung zulasten des Mieters durchzu­ setzen, das entscheidende Kündigungsmotiv bildet (Zihlmann, a.a.O., S. 192; BGE 114 II 79 ff.). Unerheblich ist, ob die vom Vermieter gewünschte einsei­ tige Vertragsänderung oder Mietzinsanpassung missbräuchlich im Sinne der

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Art.  269  ff. OR oder ganz allgemein gesetzeswidrig ist (Thanei, Kündigungs­ schutz, S. 31; MfdP/Thanei, N 29.3.2.2.3). Entsprechend der zum früher geltenden Art.  18 Abs.  3 BMM entwickel­ 19 ten Rechtsprechung spielt es für die Annahme eines Zusammenhangs zwi­ schen dem Versuch des Vermieters, das Mietvertragsverhältnis zu ungüns­ tigeren Bedingungen für den Mieter fortzusetzen und der Kündigung keine Rolle, ob dem Mieter die Vertragsänderung vor oder nach der ausgesproche­ nen Kündigung offeriert wird (BGE 115 II 83  ff.). Der Mieter soll in jedem Fall über eine allfällige Vertragsänderung verhandeln können, ohne unter dem Druck der Kündigung zu stehen (Schmid, ZK, N 25 zu Art. 262 aOR; ZR 77 [1978] Nr. 119; Urteil des Bundesgerichts vom 15. September 1992, in: Plädo­ yer 1/1993, S. 59). Dies gilt allerdings nicht, wenn es der Mieter ist, der nach Erhalt der Kündigung Verhandlungen über eine Erneuerung des Mietverhält­ nisses initiiert (Higi, ZK, N 79 zu Art. 271a OR). Zutreffend weist Anita Thanei darauf hin, pönalisiert werde die Vorgehensweise des Vermieters und nicht ein legitimes Ziel (Kündigungsschutz, S. 31; MfdP/Thanei, N 29.3.2.3). Keine anfechtbare Kündigung liegt in der Regel vor, wenn der Vermieter das 20 Mietverhältnis kündigt in der Absicht, von einem Nachfolgemieter einen höheren Mietzins erhältlich zu machen (BGE 120 II 105; Urteile des Bundes­ gerichts 4C.343/2004 vom 22. Dezember 2004 und 4C.61/2005 vom 27. Mai 2005, in: MRA 3/05, S. 124 ff. und S. 115 ff.). Der in Art. 271a Abs. 1 Buchst. b OR enthaltene Schutzgedanke will verhindern, dass der Mieter zwischen der Alternative entscheiden muss, entweder den Vertrag zu ungünstigeren Bedin­ gungen fortzusetzen oder ausziehen zu müssen. Ohne diese – einen gewissen Nötigungseffekt enthaltende – Alternative ist die Kündigung gültig (vgl. auch N 33 zu Art. 271 OR). Anderer Auffassung Weber (BSK, N 16 zu Art. 271/271a OR), der die höchstrichterliche Praxis grundsätzlich kritisiert und darin eine Gesetzesumgehung annimmt. Er verweist den Vermieter auf eine Mietzinser­ höhung (gegenüber dem bestehenden Mieter) und sieht die diesem gegenüber ausgesprochene Kündigung als anfechtbar i.S.v. Art.  271 OR an, auch wenn nicht von ihm, sondern von einem Dritten ein höherer Mietzins erzielt werden soll. Der im laufenden Mietverhältnis geltenden relativen Methode entspre­ chend verschaffe der Mietzins dem Vermieter (vorbehältlich allfälliger Vorbe­ halte) einen genügenden Ertrag, weshalb es widersprüchlich und treuwidrig sei, von einem Dritten einen höheren Mietzins zu erwarten. Mit dieser These wird aber verkannt, dass gerade die Anwendung der relativen Methode im lau­ fenden Mietverhältnis dem Vermieter einen genügenden Ertrag nicht gewähr­ leistet, weshalb das Bundesgericht zutreffend erkannt hat, dass eine Kündi­

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gung grundsätzlich zulässig ist, um die Mietsache einem Dritten zu einem nach absoluter Methode zulässigen, höheren Mietzins zu vermieten (BGE 136 III 74, E. 2.1).

2.2.2

Einseitige Vertragsänderungen zulasten des Mieters oder Mietzinsanpassungen

21

Unter «einseitige Vertragsänderung zulasten des Mieters» ist jede vertragliche Schlechterstellung zu verstehen, die vom Vermieter einseitig durchgesetzt werden soll (Botsch. 1985, S.  1458; MfdP/Thanei, N  29.3.2.3), sofern damit nicht gleichzeitig auch eine (wirtschaftliche) Besserstellung verbunden ist, die das vorbestehende Leistungsgleichgewicht garantiert (gl.M. Higi, ZK, N 84 zu Art.  271a OR; a.M. Barbey, Protection, N  94, S.  141). Die Bestimmung fin­ det keine Anwendung, wenn die Parteien einvernehmlich vereinbaren, ihre Leistungen im gleichen Ausmass zu vermehren oder zu vermindern (z.B. der Verzicht auf einen Estrich, einen Bastelraum oder einen Parkplatz gegen ent­ sprechende Mietzinsreduktion). Beispiele einer einseitigen Vertragsänderung zulasten des Mieters sind die Einführung neuer, bislang im Nettomietzins ein­ geschlossener Nebenkosten, die Erhöhung der Kaution i.S.v. Art.  257e OR oder die Verkleinerung der Mietsache bei gleichbleibendem Mietzins (Tha­ nei, Kündigungsschutz, S. 31). Zu denken ist etwa auch an einmalige Ansprü­ che des Vermieters, die sich weder auf das Gesetz noch auf den Vertrag stützen, wie etwa auf Bezahlung einer Entschädigung für die Einwilligung zur Untermiete oder zur Übertragung der Geschäftsmiete oder eine Entschädigung für den Ersatz eines mitvermieteten Fernsehers, dessen Unterhalt und Ersatz zu seinen Lasten geht, aber auch der Vorschlag zum Abschluss eines unzulässigen Koppelungsgeschäftes. Entgegen MfdP/Thanei, N 29.3.2.3, fällt die Umwand­ lung eines unbefristeten in ein befristetes Mietverhältnis nicht per se unter Art.  271a Abs.  1 Buchst.  b OR, insbesondere dann nicht, wenn dem Mieter mit der Befristung eine längere Dauer eingeräumt wird als bis zum bisher ver­ traglich nächstmöglichen Kündigungstermin. Dies gilt selbst dann, wenn die Befristung i.S.v. Art. 272a Buchst. d OR eine Erstreckung ausschliesst.

22

Unter «Mietzinsanpassung» ist ausschliesslich eine Erhöhung von Mietzins oder Nebenkosten zu verstehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese i.S.v. Art.  269 oder Art.  269a OR missbräuchlich ist oder nicht (Calamo, Miss­ bräuchlichkeit, S.  283), ebenso wenig, ob die Mietzinserhöhung formgültig angezeigt wurde oder nicht (Barbey, Protection, N 84, S. 138). Nach der Botsch. 1985, S. 1460 soll Art. 271a Abs. 1 Buchst. b OR auch anwendbar sein, wenn der Vermieter dem Mieter eine geringere Mietzinsherabsetzung aufzwingen

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will als diejenige, die er gewähren müsste. Auf diesen Tatbestand ist allerdings Art.  271a Abs.  1 Buchst.  a OR anwendbar. Nicht zu den verpönten einseiti­ gen Mietzinsanpassungen i.S.v. Art. 271a Abs. 1 Buchst. b OR gehören Miet­ zinserhöhungen aufgrund einer vertraglichen Indexklausel oder Staffelung oder der aufgrund eines Umsatzmietzinses geschuldete Mehrbetrag. Irrelevant im vorliegenden Zusammenhang sind schliesslich Mietzinsanpassungen, bei denen der Mietzins nicht erhöht, jedoch auf andere Berechnungsgrundlagen gestellt wird, weil diese vom Vermieter abgegebenen Erklärungen nicht unter den Begriff der Mietzinserhöhung fallen.

2.2.3

Zusammenhang zwischen einer einseitigen Vertragsänderung/Mietzinsanpassung und der Kündigung

Art.  271a Abs.  1 Buchst.  b OR setzt voraus, dass zwischen der Kündigung 23 und dem Willen des Vermieters, eine einseitige Vertragsänderung zulasten des Mieters oder eine Mietzinsanpassung durchzusetzen, ein direkter Kausalzusammenhang besteht (BGE 115 III 83, E. 4c). Dabei genügt ganz allge­ mein, dass die Kündigung im Zusammenhang steht mit einem entsprechenden Versuch des Vermieters, in welcher Form dies auch immer geschieht (Lachat, Bail à loyer, S. 743). Grundsätzlich unbeachtlich ist der zeitliche Zusammen­ hang mit der Kündigung, mithin, ob diese vor, gleichzeitig oder mit der Gel­ tendmachung der vermieterseitigen Forderung nach einseitiger Vertragsände­ rung zulasten des Mieters oder einer Mietzinserhöhung ausgesprochen wird (Higi, ZK, N 58 zu Art. 271a OR; Barbey, Protection, N 95, S. 141; MfdP/Tha­ nei, N 29.3.2.3). Ein innerer Zusammenhang scheint zu bestehen, wenn die Forderung des 24 Vermieters und die Kündigung auf den gleichen Zeitpunkt ausgesprochen wer­ den (Botsch. 1985, S. 1459). Ein solches Indiz genügt für sich allein aber nicht, um den Kausalzusammenhang zu bejahen, und es sind durchaus Fälle denkbar, in denen das zeitliche Zusammenfallen von Kündigung und Mietzinserhöhung die Anwendung von Art.  271a Abs.  1 Buchst.  b OR nicht zulassen: So etwa, wenn eine Mietzinserhöhung seit geraumer Zeit angezeigt und unangefochten geblieben ist oder wenn die Mietzinserhöhung auf den Kündigungszeitpunkt damit begründet wird, dass sie vorsorglich für den Fall einer Erstreckung ange­ zeigt werde. Ebenfalls nicht anwendbar ist die Norm, wenn der Mieter nach Erhalt der Kündigung aus eigener Initiative dem Vermieter eine Erhöhung des Mietzinses vorschlägt in der Hoffnung, der Vermieter erkläre sich dazu bereit, die Vertragsbeziehung fortzusetzen (MfdP/Thanei, N 29.3.2.3; Higi, ZK, N 89 zu Art. 271a OR).

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2.2.4 Beweislast 25

Beweispflichtig für den direkten Zusammenhang zwischen dem Versuch des Vermieters, eine einseitige Vertragsänderung zulasten des Mieters oder eine Mietzinserhöhung durchzusetzen und der Kündigung ist in jedem Fall der Mieter (Lachat, Bail à loyer, S. 743; Higi, ZK, N 90 zu Art. 271a OR). Nebst der Begründung der Kündigung von Bedeutung sind die gesamten Umstände des Einzelfalls, auch die zeitliche Abfolge zwischen Änderungsbegehren und Kün­ digung, wobei deren zeitliche Nähe per se den Kausalzusammenhang nicht indiziert (a.M. Weber, BSK, N 15 zu Art. 271/271a OR).

2.3

Kündigung mit dem ausschliesslichen Ziel, den Mieter zum Erwerb der gemieteten Wohnung zu veranlassen

2.3.1 Allgemeines 26

Die Kündigung ist anfechtbar, wenn sie ausgesprochen wird mit dem aus­ schliesslichen Ziel, den Mieter zum Erwerb der gemieteten Wohnung zu ver­ anlassen («congé-vente»). Grundgedanke dieser Regelung ist ein ähnlicher wie bei Art. 271a Abs. 1 Buchst. b OR: Der Mieter soll über die Frage, ob er die gemietete Wohnung kaufen will, unbeschwert verhandeln können. Darin liegt aber die Problematik ihrer Anwendung, weil grundsätzlich sowohl der Ver­ kauf einer Wohnung als auch die Kündigung des Mietverhältnisses legitime Rechtsausübungen darstellen. In aller Regel wird im Hinblick auf den Verkauf eine Kündigung erfolgen, um die Wohnung «mietfrei» anbieten zu können. Art.  271a Abs.  1 Buchst. c OR hat denn auch  – offenbar mit Ausnahme der Westschweiz  – keine Bedeutung und kann nur auf den Fall anwendbar sein, dass der Vermieter mit der Kündigung den Mieter zum Kauf der Wohnung bewegen will  – eben weil er keine andere Verkaufsmöglichkeiten hat. Keine Rolle spielt es dagegen, ob der Vermieter dem Mieter die Wohnung zum glei­ chen Preis wie Drittinteressenten anbietet oder zu einem höheren (a.M. Tha­ nei, Kündigungsschutz, S. 34).

2.3.2 27

Gemietete Wohnung

Gegenstand der Norm ist ausschliesslich die Miete von Wohnungen, nicht jedoch von Einfamilienhäusern, Geschäftsräumen und anderen Kategorien von Mietlokalitäten (so überzeugend Barbey, Protection, N  165, S.  163, auf­ grund der Entstehung/Geschichte der Norm; gl.M. Higi, ZK, N  104–109 zu Art. 271a OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 9 zu Art. 271/271a OR und Weber,

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BSK, N 17 zu Art. 271/271a OR; a.M. Calamo, Missbräuchlichkeit, S. 242 f.). Die durch die Norm verpönte Situation kann bei Einfamilienhäusern und Geschäftsräumen einen Verstoss gegen Art. 271 OR darstellen.

2.3.3

Zusammenhang zwischen Verkaufswillen und Kündigung

Keine Rolle spielt es, ob der Preis, zu dem der Vermieter die Wohnung ver­ 28 kaufen will, angemessen oder übersetzt ist (Conod, CPra, N 20 zu Art. 271a OR). Von entscheidender Bedeutung ist allein, dass die Wohnung dem Mieter zum Kauf angeboten wird unter gleichzeitiger Aussprechung einer Kündigung mit dem Ziel, ihn zum Kauf zu zwingen. Der Zusammenhang zwischen einem Verkaufsangebot des Vermieters und der Kündigung muss somit ein qualifizierter sein. Damit ist nicht jede Kündigung anfechtbar, die in einem weite­ ren Zusammenhang mit Verkaufsabsichten des Vermieters steht. Es kommt beispielsweise oft vor, dass der Vermieter beabsichtigt, das Mietobjekt zu ver­ äussern, wobei es für ihn keine Rolle spielt, wer die Wohnung dereinst erwer­ ben wird. Diesfalls ist unbeachtlich, ob der Vermieter sie vorerst dem Mie­ ter zu einem höheren Preis anbietet als später Drittinteressenten (a.M. Thanei, Kündigungsschutz, S.  34). Lehnt der Mieter den Kauf ab, so steht die später erfolgte Kündigung nicht in einem i.S.v. Art. 271a Abs. 1 Buchst. c OR relevanten Zusammenhang; sie ist im Gegenteil zulässig, wenn die Wohnung einem Dritten ohne die Belastung eines ungekündigten Mietverhältnisses verkauft werden soll (Urteile des Bundesgerichts 4C_267/2002 vom 18. November 2002 und 4A_484/2012 vom 28. Februar 2013; Higi, ZK, N 115 zu Art. 271a OR und MfdP/Thanei, N 29.3.2.4; vgl. auch das Votum von Bundesrat Koller, AB SR 1989, S. 2009; siehe aber die differenzierende Auffassung von Weber, BSK, N 20 zu Art.  271/271a OR). Unerheblich ist, ob der Vermieter seine Verkaufsab­ sicht dem Mieter vor, nach oder gleichzeitig mit der Kündigung mitteilt (Higi, ZK, N 113 zu Art. 271a OR). Andernfalls liefe es auf ein faktisches Verbot für den Vermieter hinaus, die Wohnung auch oder vorab dem Mieter anzubieten, um eine spätere Kündigung nicht zu präjudizieren, was nicht im Interesse der einen und anderen Partei liegen kann. Die Norm kommt nur zur Anwendung, wenn der Vermieter nicht generell verkaufswillig ist, sondern es vielmehr dar­ auf abgesehen hat, seinen Mieter mittels der Kündigung zum Kauf zu bewe­ gen, eben weil er keine andere Verkaufsalternativen hat. Zur kritischen Würdi­ gung des Art. 271a Abs. 1 Buchst. c OR, mit ausführlichem Hinweis auf dessen Entstehungsgeschichte und auf die (welschen) kantonalen Gesetzgebungen vgl. Barbey, Protection, N 160–164, S. 161 f. und N 169–171, S. 164.

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Art. 271a

2.3.4 Beweislast 29

Die Beweislast für den Zusammenhang zwischen Kaufangebot und Kündigung seitens des Vermieters obliegt dem Mieter. Desgleichen, dass die Kündi­ gung allein den Zweck hat, ihn zum Kauf der Wohnung zu bewegen.

2.4

Kündigung während eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens

2.4.1 Allgemeines 30

Auch diese Bestimmung findet ihre Entsprechung im BMM: Gemäss Art. 24 BMM war eine Kündigung des Vermieters nichtig, wenn sie während der Dauer eines Schlichtungs- oder gerichtlichen Verfahrens ausgesprochen wurde. Neu ist, dass der Anfechtungsgrund gemäss Art. 271a Abs. 1 Buchst. b OR nicht allein auf Mietzinsanfechtungsverfahren beschränkt ist. Sinn und Zweck die­ ser Bestimmung bestehen darin zu verhindern, dass der Vermieter ein misslie­ biges Gerichtsverfahren dadurch beendigen kann, dass er das Mietverhältnis kündigt. Dass die Durchführung des Gerichts- oder Schlichtungsverfahrens den eigentlichen Kündigungsgrund bildet, ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht Voraussetzung: Während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhän­ genden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens ist jede Kündigung anfechtbar, auch wenn sie nachweisbar aus anderen Motiven des Vermieters erfolgt. Vor­ behalten bleiben lediglich die in Art. 271a Abs. 3 OR geregelten Ausnahmetat­ bestände (vgl. N 72 ff.) und der Sonderfall der formell fehlerhaften Kündigun­ gen (vgl. N 31).

31

Mit der gesetzlichen Bestimmung wird der Grundsatz konkretisiert, wonach eine Vergeltungskündigung anfechtbar ist, indem eine (unter dem Vorbehalt von Art. 271a Abs. 3 OR und des Rechtsmissbrauches i.S.v. Art. 2 Abs. 2 ZGB bzw. Art. 271a Abs. 1 Buchst. d OR) unwiderlegbare Vermutung aufgestellt wird, eine Kündigung während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhän­ genden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens habe einen solchen Zweck (Bar­ bey, Protection, N 101, S. 144; Higi, ZK, N 182 zu Art. 271a OR; Weber, BSK, N 24 zu Art. 271/271a OR). Wille des Gesetzgebers ist es, den Mieter vor den Repressalien des Vermieters zu schützen in der Zeit, in der er gerechtfertigte Ansprüche (damit in den Schranken von Treu und Glauben) eingeklagt hat.

32

Die Kündigungssperrfrist gilt während der Dauer eines mit dem (selben) Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens. Obwohl das Gesetz es nicht ausdrücklich erwähnt, muss dies auch für ein mit

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Art. 271a

dem Mietverhältnis zusammenhängendes Schiedsgerichtsverfahren gelten (Calamo, Missbräuchlichkeit, S. 248; MfdP/Thanei, N 29.3.5.1, Fn. 204; BGE 131 III 33, E. 3.1). Von der Norm nicht erfasst sind Verfahren auf der Grund­ lage des SchKG, strafrechtliche und verwaltungsrechtliche Verfahren (gl.M. Higi, ZK, N 243–245 zu Art. 271a OR; a.M. Thanei, Kündigungsschutz, S. 34).

2.4.2

Gegenstand des Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens

Das Gesetz setzt einen Zusammenhang zwischen dem Schlichtungs- oder 33 Gerichtsverfahren und dem Mietverhältnis voraus. Keine Rolle spielt, ob der Mieter Kläger oder Beklagter ist (Weber, BSK, N  24 zu Art.  271/271a OR). Dabei stellt sich die Frage, was Gegenstand eines solchen Verfahrens sein dürfe. Diesbezüglich sind die Meinungen in der Literatur geteilt: MfdP/Tha­ nei, N 29.3.2.5.2; Calamo (Missbräuchlichkeit, S. 248), und Weber, BSK, N 27 zu Art. 271/271a OR vertreten die Ansicht, auf den genauen Streitgegenstand komme es nicht an: Alle Verfahren, die mit dem Mietverhältnis zusammen­ hängen, sollen während ihrer Dauer Kündigungsschutz zur Folge haben. Differenzierter und in ihrer Begründung überzeugend ist die Auffassung von 34 Barbey (Protection, N  104–110, S.  145–147). Dieser weist am Beispiel einer Kündigung aus wichtigen Gründen (Art. 266g OR) oder infolge Zahlungsverzugs (Art.  257d OR) darauf hin, es würde zu einem äusserst stossenden Ergebnis führen, wenn ein Mieter während eines Verfahrens, das eine aus­ serordentliche Kündigung zum Gegenstand hat, Kündigungsschutz genies­ sen würde: Zeigt sich nämlich im Laufe des Verfahrens, dass eine solche man­ gels Erfüllung sämtlicher gesetzlicher Voraussetzungen als unwirksam erkannt werden könnte, so erscheint es unangemessen und nicht mit den gesetzgebe­ rischen Intentionen übereinstimmend, es dem Vermieter zu verunmöglichen, ohne weiteren Zeitverlust ordentlich zu kündigen. Barbey schliesst deshalb die Anwendbarkeit von Art. 271a Abs. 1 Buchst. d OR für Verfahren aus, die ent­ weder die Wirksamkeit einer ausserordentlichen oder aber die Formgültigkeit der Kündigung zum Gegenstand haben (ähnlich Rohrer Beat, in: MRA 5/04, S. 165 ff.). Das Bundesgericht lässt aber eine Ausnahme von der Sperrfrist nur in den 35 Fällen des Art. 271a Abs. 3 OR zu, vgl. BGE 131 III 33. Diese Praxis kritisie­ ren Hulliger/Heinrich (CHK, N 10 zu Art. 271/271a OR) mit ähnlichen Argu­ menten wie Barbey als (zu) rigoros und vertreten die überzeugende Auffassung, dass für formnichtige sowie formell fehlerhafte ordentliche oder ausserordent­ liche Kündigungen die Sperrfrist nicht gilt, weshalb entsprechende Wiederho­ lungen aus dem gleichen, vorbestehenden Motiv als ordentliche Kündigungen Raoul Futterlieb

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Art. 271a

jederzeit wiederholt werden können. Zu den formell Fehlerhaften gehören etwa die Zahlungsverzugskündigung gemäss Art. 257d OR bei zu kurzer Fristanset­ zung oder diejenige gemäss Art. 257f OR bei fehlender schriftlicher Abmah­ nung. Dasselbe muss gelten, wenn der Vermieter in einem Anfechtungsverfah­ ren oder aussergerichtlich die formelle Nichtigkeit oder Unwirksamkeit einer ordentlichen oder ausserordentlichen Kündigung anerkennt oder wenn dies behördlich/gerichtlich festgestellt wird mit der Konsequenz, dass keine Sperr­ frist gemäss Art.  271a Abs.  1 Buchst.  e OR ausgelöst wird. Damit wird eine solche nur durch Kündigungen ausgelöst, die aus materiell-rechtlichen Grün­ den unwirksam oder missbräuchlich sind (Hulliger/Heinrich, CHK, N 10 zu Art. 271/271a OR). Dieser Auffassung scheint sich das Bundesgericht im Urteil 4C.432/2006 vom 5. Mai 2007 (in: MRA 3/07, S. 85) nicht zu verschliessen. 36

Einschränkend MfdP/Thanei, wonach eine nicht separat an den Ehegatten (oder eingetragenen Partner) angezeigte Kündigung im Falle der Familienwohnung oder eine ohne Verwendung des amtlichen Formulars ausgesprochene Kündigung jederzeit wiederholt werden kann. Die Sperrfrist sei ausschliesslich dann kein Hindernis zur formrichtigen Wiederholung der Kündigung, wenn es um die Korrektur eines formellen Mangels geht (N 29.3.2.5.2). Ebenfalls von der Kündigungssperrfrist während eines mit dem Mietverhältnis zusammen­ hängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens nimmt Barbey (Protection, N  106, S.  146) sodann diejenigen aus, die der Vermieter eingeleitet hat, um den Mietzins einzutreiben oder um ausgewiesene gesetzliche und vertragliche Rechte durchzusetzen. Auch dies ist sachgerecht.

37

Eine weitere Einschränkung des Kündigungsschutzes ergibt sich aus der Natur des vom Mieter eingeklagten Anspruchs: Diesem muss ein ernst zu nehmen­ des Interesse des Mieters an der Wahrnehmung eines Rechtes zugrunde lie­ gen. Bagatellansprüche können keinen Kündigungsschutz auslösen (unabhän­ gig davon, ob sie eingeklagt sind oder nicht; vgl. N 9 und dortige Verweise).

38

Art. 271a Abs. 1. Buchst. d OR setzt somit voraus, dass zwischen den Parteien ein Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren hängig ist, dessen Gegenstand ein strittiger Anspruch aus dem Mietverhältnis ist, es sei denn, dass damit die Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit einer Kündigung festgestellt oder ein klar aus­ gewiesenes Recht des Vermieters durchgesetzt werden soll.

2.4.3 39

Ausschluss des Kündigungsschutzes

Nicht anwendbar ist Art. 271a Abs. 1 Buchst. d OR nach einhelliger Lehre im Falle der unter dem dritten Absatz aufgezählten Kündigungen (N 72 ff.) sowie

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Art. 271a

im Falle der Wiederholung formnichtiger oder formell fehlerhafter Kündigun­ gen (N 31). Die Norm ist ebenfalls nicht anwendbar, wenn der Mieter das mit dem Miet­ 40 verhältnis zusammenhängende Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren missbräuchlich eingeleitet hat (MfdP/Thanei, N  29.3.2.5.3; Higi, ZK, N  261 zu Art. 271a OR; Weber, BSK, N 27 zu Art. 271/271a OR). Damit soll verhindert werden, dass der Mieter sozusagen «präventiv» einen Anspruch einklagt, um in den Genuss des Kündigungsschutzes zu kommen. In Bezug auf die Frage des Missbrauchs gelten ähnliche Anforderungen wie im Zusammenhang mit der Erhebung von Ansprüchen nach Treu und Glauben gemäss Art.  271a Abs. 1 Buchst. a OR (N 12). BGE 130 III 563, E. 2.3, sanktioniert das Vorge­ hen des Mieters als rechtsmissbräuchlich, wenn dieser übersetzte Forderun­ gen aus dem Mietverhältnis stellt oder den Richter anruft, ohne zuvor an den Vermieter zu gelangen, um in den Genuss der Kündigungssperre zu gelangen. Als missbräuchlich müssen jedenfalls vom Mieter unnötigerweise eingeleitete Verfahren gelten: Er ist deshalb gehalten, den Vermieter zuerst aussergericht­ lich mit seinem Anspruch zu konfrontieren (vgl. Rohrer Beat, in: MRA 4/2015, S. 243 f.), ausser im Falle, in dem dessen Ablehnung von vornherein feststeht. Unnötig und damit missbräuchlich ist etwa eine Klage auf Herabsetzung des Mietzinses nach Art. 270a OR, wenn sie vor Ablauf der 30-tägigen Beantwor­ tungsfrist des zweiten Absatzes dieser Norm eingeleitet wird, es sei denn, der Vermieter habe vorgängig eine abschlägige Antwort erteilt oder bereits vor dem Begehren des Mieters klargestellt, er werde keine Senkung gewähren.

2.4.4

Dauer des Kündigungsschutzes

Entgegen einer in der Literatur nicht einhelligen Ansicht (Higi, ZK, N  233, 41 246 f. und 249 zu Art. 271a OR; Vorauflage, N 37 zu Art. 271a OR; Barbey, Pro­ tection, N 128, S. 151; Calamo, Missbräuchlichkeit, S. 249) beginnt die Kündi­ gungssperrfrist nicht mit der Kenntnisnahme des Schlichtungs- oder Gerichts­ verfahrens durch den Vermieter zu laufen, sondern mit der Postaufgabe des Schlichtungsgesuchs oder der Klage (BGE 141 III 101 ff.; siehe dazu die kriti­ sche Würdigung durch Beat Rohrer, in: MRA 4/2015, S. 240 ff.). Die Sperrfrist endet mit der rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens (Higi, ZK, N 250 ff. zu Art. 271a OR; Weber, BSK, N 24 zu Art. 271/271a OR). Nur ein Schlichtungsgesuch löst eine Sperrfrist aus. Kein solches stellt beispielsweise das Gesuch um Hinterlegung des Mietzinses durch den Mieter i.S.v. Art. 259g OR dar, sondern erst die Klage i.S.v. Art. 259h OR, weil die Hinterlegung keine pro­ zessuale Tätigkeit der Schlichtungsbehörde voraussetzt oder nach sich zieht

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Art. 271a

und sich in der Angabe an den Mieter einer Kontoverbindung bei der Gerichts­ kasse erschöpft. Eine andere Rechtsauffassung vertrat das Mietgericht Horgen in einem Entscheid aus dem Jahre 2009 (Urteil MB090 002 vom 24.  August 2009), das allerdings vor Inkrafttreten der Schweizerischen Zivilprozessord­ nung erging. Es erwog, in materiell-rechtlicher Hinsicht, der Kündigungs­ schutz müsse mit dem Hinterlegungsgesuch einsetzen, weil sonst der Mieter bis zur Anhängigmachung der Klage gemäss Art. 259h Abs. 1 OR den Schutz der Sperrfrist verlustig gehe.

2.4.5 Beweislast 42

Der Mieter ist beweispflichtig für die Zustellung der Kündigung während der Dauer eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens im vorerwähnten Sinne (Higi, ZK, N 263 zu Art. 271a OR). Erhebt der Vermieter die Einrede des missbräuchlichen Verfahrens, so trägt er hierfür die Beweislast (Higi, ZK, N 263 zu Art. 271a OR, hebt hervor, dass der Indizienbeweis genügen müsse).

2.5

Kündigung während der Kündigungssperrfrist

2.5.1 Allgemeines 43

Hat zwischen Mieter und Vermieter ein mit dem Mietverhältnis zusammen­ hängendes Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren stattgefunden, so ist nach dem Gesetzeswortlaut eine Kündigung während dreier Jahre nach dessen Abschluss anfechtbar, sofern es in der unter Ziff.  1–4 von Art.  271a Abs.  1 Buchst. e OR umschriebenen Weise erledigt worden ist. Voraussetzung für die Anfechtbarkeit bildet dabei in allgemeiner Weise der Umstand, dass der Ver­ mieter mit seinem Standpunkt nicht überwiegend durchgedrungen ist. Mit der Norm wollte der Gesetzgeber in Anlehnung an das früher geltende Recht (Art.  28 Abs.  3 BMM) unter bestimmten Voraussetzungen verhindern, dass der Mieter um die Früchte eines berechtigten Vorgehens gegen den Vermie­ ter gebracht würde. Dass die Durchführung des Schlichtungs- oder Gerichts­ verfahrens den eigentlichen Kündigungsgrund bildet, ist nach dem Gesetzes­ wortlaut nicht Voraussetzung: In den vom Gesetz abschliessend genannten Fällen ist drei Jahre nach Abschluss eines solchen Verfahrens jede Kündigung anfechtbar, auch wenn sie nachweisbar aus anderen Motiven und insbeson­ dere nicht aus Vergeltung erfolgt (Higi, ZK, N 266 zu Art. 271a OR; Calamo, Missbräuchlichkeit, S. 254; Weber, BSK, N 9 zu Art. 271/271a OR; MfdP/Tha­ nei, N 29.3.2.6.2). Vorbehalten bleiben die in Art. 271a Abs. 3 OR geregelten

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Art. 271a

Ausnahmetatbestände (vgl. N 72 ff.) und der Sonderfall der formell fehlerhaf­ ten Kündigung (vgl. N 31 und 42). Mit der gesetzlichen Bestimmung wird der Grundsatz konkretisiert, wonach eine Vergeltungskündigung anfechtbar ist, indem eine (unter dem Vorbehalt von Art. 271a Abs. 3 OR und des Rechtsmissbrauchs i.S.v. Art. 2 Abs. 2 ZGB bzw. Art. 271a Abs. 1 Buchst. d OR) unwiderlegbare Vermutung aufgestellt wird, eine Kündigung, die innert drei Jahren nach Abschluss eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens mit einem Ausgang gemäss Art. 271a Abs. 1 Buchst. e Ziff. 1–4 OR habe einen solchen Zweck (Barbey, Protection, N 101, S. 144; Higi, ZK, N 13 zu Art. 271a OR; differenzierend Weber, BSK, N 9a zu Art. 271/271a OR).

44

Die Kündigungssperrfrist gilt nach einem mit dem Mietverhältnis zusammen­ 45 hängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren. Obwohl das Gesetz es nicht ausdrücklich erwähnt, muss dies auch für ein mit dem Mietverhältnis zusam­ menhängendes Schiedsgerichtsverfahren gelten (BGE 131 III 33, E. 3.1). 2.5.1.1

Gegenstand des Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens

Keinen Kündigungsschutz löst ein Verfahren aus, in dem die Nichtigkeit der 46 Kündigung festgestellt worden ist (Higi, ZK, N  262 zu Art.  271a OR; Hulli­ ger/Heinrich, CHK, N  10 zu Art.  271/271a OR; MfdP/Thanei, N  29.3.2.5.2). Hat der Vermieter beispielsweise die Kündigung einer Familienwohnung nicht gesondert an die Ehegatten zugestellt, so würde die entsprechende, vorfra­ geweise Feststellung im Rahmen eines von den Mietern eingeleiteten Erstre­ ckungsverfahrens bedeuten, dass der Vermieter in diesem Verfahren vollstän­ dig unterlegen ist. Da der Kündigungsentschluss des Vermieters schon vor dem ersten Verfahren feststand und lediglich ein Formfehler korrigiert wird, ergibt sich, dass nicht die vom Gesetz fingierte Rache das Motiv der zweiten, form­ gültig ausgesprochenen Kündigung gebildet haben kann (Urteil des Bundesge­ richts 4C.432/2006 vom 5. Mai 2007, in: MRA 3/07, S. 85). Im Übrigen käme es einer unbilligen und vom Gesetzgeber nicht gewollten Benachteiligung gleich, wenn in dem beschriebenen Fall dem Vermieter eine formgerecht ausgespro­ chene Kündigung für eine Dauer von drei Jahren verunmöglicht würde. Trotz anders lautender Praxis des Bundesgerichts (BGE 131 III 33) und eines Teils der Literatur (MfdP/Thanei, N 29.3.2.5.2; Weber, BSK, N 27 zu Art. 271/271a OR) wird nach der hier in Anlehnung an Hulliger/Heinrich (CHK, N 10 zu Art.  271/271a OR) vertretenen Auffassung keine Sperrfrist ausgelöst durch Verfahren, in denen die Formnichtigkeit oder die formelle Unwirksamkeit einer Kündigung festgestellt oder vom Vermieter anerkannt wird (ausführli­ Raoul Futterlieb

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cher dazu N 31). Keine Sperrfrist lösen endlich Verfahren über Bagatellansprü­ che des Mieters aus (vgl. N 9). 2.5.1.2

Ausschluss des Kündigungsschutzes

47

Ganz allgemein nicht anwendbar ist Art. 271a Abs. 1 Buchst. e OR im Falle der unter dem dritten Absatz aufgezählten Kündigungen (N 74 ff.) sowie im Falle der Wiederholung formnichtiger oder formell fehlerhafter Kündigungen (vgl. N 31 und 42).

48

Keine Sperrfrist wird ausgelöst, wenn der Mieter die Anfechtung einer Mietzinserhöhung vor der Schlichtungsverhandlung zurückzieht (BGE 116 II 719), wohl aber, wenn der Vermieter die Anfechtung anerkennt.

49

Art. 271a Abs. 1 Buchst. e OR ist ebenfalls nicht anwendbar, wenn der Mieter das mit dem Mietverhältnis zusammenhängende Schlichtungs- oder Gerichts­ verfahren missbräuchlich eingeleitet hat (Weber, BSK, N 27 zu Art. 271/271a OR; ähnlich Higi, ZK, N 273 zu Art. 271a OR; vgl. ein Beispiel aus der Praxis, in: MRA 1/97, S. 6 ff.). Damit soll verhindert werden, dass der Mieter sozusa­ gen «präventiv» einen Anspruch einklagt, um in den Genuss des Kündigungs­ schutzes zu kommen (N  40). Mit Bezug auf die Frage des Missbrauchs gel­ ten ähnliche Anforderungen wie im Zusammenhang mit der Erhebung von Ansprüchen nach Treu und Glauben gemäss Art.  271a Abs.  1 Buchst.  a OR (N 12). Als missbräuchlich müssen jedenfalls vom Mieter unnötigerweise ein­ geleitete Verfahren gelten: Er ist deshalb gehalten, den Vermieter zuerst ausser­ gerichtlich mit seinem Anspruch zu konfrontieren ausser im Falle, in welchem dessen Ablehnung von vornherein feststeht (vgl. N 40). 2.5.1.3

50

Wirkung der Kündigungssperrfrist auf Dritte

Die Kündigungsschutzfrist des Art. 271a Abs. 1 Buchst. e OR gilt nach dem überwiegenden Teil von Lehre und Praxis im Falle des Todes des Vermieters auch für die Erben und im Falle der Veräusserung der Mietsache auch für den Erwerber unter dem Vorbehalt der ausserordentlichen Kündigungen nach Art. 261 Abs. 2 Buchst. b und Art. 271a Abs. 3 Buchst. a OR (vgl. BGE 110 II 309, der allerdings zum früher geltenden Recht erging, und BGE 118 II 50, in dem das Bundesgericht stillschweigend, mithin ohne nähere Prüfung, von der Wirksamkeit der Kündigungssperrfrist gegenüber dem Erwerber ausging; vgl. sodann Higi, ZK, N 22 zu Art. 261–261a OR sowie N 224 und 269 zu Art. 271a OR; MfdP/Thanei, N 29.3.2.6, Fn. 231; Barbey, Protection, N 135, S. 153; Tha­ nei, Kündigungsschutz, S.  37). Diese Ansicht überzeugt nicht, insbesondere

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nicht das in BGE 110 II 313 angeführte (Schein-)Argument, das Gesetz wolle verhindern, dass der Mieter «um die Früchte» seiner (Anfechtungs-)Bemühun­ gen gebracht werde: Die Kündigungssperrfrist des Art. 271a Abs. 1 Buchst. e OR soll verhindern, dass der Mieter bei einem berechtigten Vorgehen gegen den Vermieter mit der Kündigung «bestraft» werde. Sie soll ihn vor Repres­ salien des Vermieters schützen. Zu betonen gilt es, dass der Schutz des Mie­ ters vor demjenigen Vermieter besteht, mit dem der Mieter im Streit gewe­ sen ist und gegen den er einen berechtigten Anspruch durchgesetzt hat. Die Schutznorm betrifft deshalb nur das Verhältnis Mieter–Vermieter. Es ist des­ halb nicht einzusehen, weshalb der Schutz vor dem Vermieter auch den Schutz vor einem Dritten, dem Erwerber, einschliessen soll. Mit diesem hat der Mieter keinen Streit ausgefochten, und zu diesem hat er in der Regel keinerlei persön­ liche Beziehung. Dass die herrschende Auffassung unzutreffend ist, ergibt sich aus der Überlegung, dass Buchst. e von Art. 271a Abs. 1 OR von einer unwi­ derlegbaren Vermutung ausgeht, wonach eine Kündigung, die der Vermieter innert drei Jahren nach einem mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren (und einem Ausgang gemäss Ziff. 1–4) ausspricht, eine Vergeltungskündigung sei (N  39  f.). Diese Vermutung steht und fällt aber mit der Person des Vermieters, dessen Vergeltung abgewendet werden soll. Die hier vertretene Auffassung übersieht keineswegs, dass mit dem Ausschlussgrund des Art. 271a Abs. 3 Buchst. d OR der Übergang der Kündi­ gungssperrfrist auf den Erwerber offenbar stillschweigend vorausgesetzt wird. Der Gesetzgeber hat aber damit offensichtlich einen Denkfehler gemacht und auf dieser Grundlage zugunsten des Erwerbers ein Kündigungsrecht vorgese­ hen, das erst gar nicht nötig gewesen wäre (vgl. N 75). Soweit ersichtlich wur­ den weitere Entscheide zur Frage, ob die Kündigungssperrfrist auf den Erwer­ ber übergeht, seit dem Inkrafttreten des neuen Rechts nicht publiziert, bis auf denjenigen des Mietgerichts Zürich vom 24. Januar 1997 (in: MRA 2/97, S. 78 ff.), der sich für den Übergang der Sperrfrist auf den Erwerber aussprach, und des Tribunal des baux du canton de Vaud, das seiner Praxis entsprechend gegen den Übergang der Sperrfrist entschied (Urteil vom 26. Januar 2005 mit Hinweis auf kantonale Präjudizien, in: CdB 4/05, S. 126 ff.).

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2.5.2

Erhebliches Unterliegen des Vermieters, Rückzug von Forderung/Klage oder deren erhebliche Einschränkung durch den Vermieter (Art. 271a Abs. 1 Buchst. e Ziff. 1 und 2 OR)

2.5.2.1 Allgemeines 51

Der Wortlaut von Ziff. 1 des Art. 271a Buchst. e OR lehnt sich an das früher geltende Recht an (Art.  28 Abs.  3 BMM), Ziff.  2 ergänzt es. Auszugehen ist nicht vom prozessrechtlichen Begriff des Obsiegens und Unterliegens. Viel­ mehr ist daran anzuknüpfen, ob der Vermieter mit seinem Anspruch vollstän­ dig durchdringt bzw. den Anspruch des Mieters vollständig abwehren kann. Zur näheren Bestimmung, was unter «erheblichem Unterliegen» des Vermie­ ters zu verstehen ist, muss grundsätzlich auf die Anträge der Parteien und auf den Verfahrensausgang (vgl. aber N 48 und 51) abgestellt werden (MfdP/Tha­ nei, N 29.3.2.6.3; Higi, ZK, N 275 zu Art. 271a OR; Calamo, Missbräuchlichkeit, S. 255; Barbey, Protection, N 116, S. 149). Von der Literatur als erheblich wird ein Unterliegen bezeichnet in einer Bandbreite zwischen 20 und 40% (Zihl­ mann, Mietrecht, S. 216: 20 bis 30%; Barbey, Protection, N 115–117, S. 148/9: 35 bis 40%, unter ausdrücklichem Hinweis auf die Materialien zum BMM). MfdP/ Thanei, Weber und Calamo legen sich nicht auf einen Prozentsatz des vermie­ terseitigen Unterliegens fest; Higi fordert eine differenzierte Betrachtung ent­ sprechend der quantitativen und qualitativen Erheblichkeit der Streitsache, der Parteirollen sowie des vorprozessualen Verhaltens der Parteien (ZK, N 278 ff. zu Art. 271a OR). Hulliger/Heinrich (CHK, N 11 zu Art. 271/271a OR) gehen von der Faustregel aus, der Vermieter unterliege erheblich, wenn seine Ansprü­ che zu 30 bis 40% abgewiesen werden. Weber (BSK, N 25 zu Art. 271/271a OR) meint, der Erfolg des Mieters dürfe jedenfalls nicht nur marginal sein, im Ein­ zelfall zu gewichten seien der Streitgegenstand, das vorprozessuale Verhalten der Parteien, ihre Möglichkeiten zur Abschätzung der Prozesschancen und die Erheblichkeit der Streitsache.

52

Zum früher geltenden Recht (Art.  28 Abs.  3 BMM) gingen die Meinungen ebenfalls auseinander: Für die Erheblichkeit des Unterliegens des Vermieters lag die Bandbreite zwischen 20 und 50% (20 bis 30% gemäss Gmür/Cavie­ zel, Mieterschutz, S. 87; bei 50% nach Raissig/Schwander, Missbräuche, S. 177). Mangels wegleitender Gerichtsentscheide ist als Faustregel mit Barbey anzu­ nehmen, der Vermieter sei zu einem erheblichen Teil unterlegen, wenn er mit seinem Anspruch im Ausmasse von 35 bis 40% unterlegen ist, weil der Autor sich hierfür auf die Gesetzgebungsarbeiten zu Art.  28 Abs.  3 BMM berufen

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kann und der Begriff diesbezüglich unverändert ins neue Recht übernommen wurde. Beispiel: Der Mietzins wird für eine Wohnung von 1400 CHF netto pro Monat auf 53 1500 CHF erhöht. Der Mieter ficht diese Erhöhung bei der Schlichtungsbehörde als missbräuchlich an, ohne zu erklären, er anerkenne sie teilweise. Die Schlichtungsbe­ hörde schlägt als Vergleich einen neuen Nettomietzins von 1460 CHF vor. Der Mie­ ter wäre damit einverstanden, nicht aber der Vermieter. Eine Einigung kommt nicht zustande. Im gerichtlichen Verfahren wird der Mietzins auf 1470 CHF netto pro Monat festgelegt. Ein Kündigungsschutz besteht nicht: Der Vermieter hat seine Mietzinserhö­ hung im Umfang von 70% durchgesetzt und ist damit nicht erheblich unterlegen. Auf die Vergleichsofferte des Mieters kann nicht abgestellt werden, weil darin keine Teilan­ erkennung des Erhöhungsanspruches liegt. Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man, wenn im Schlichtungsverfahren ein Miet­ zins von 1460 CHF netto pro Monat anerkannt wird und danach vor Gericht die Dif­ ferenz zu 1500 CHF netto monatlich strittig ist. Selbst wenn das Gericht im Ergebnis 1470 CHF netto pro Monat als nicht missbräuchlich erkennt, hat der Vermieter insge­ samt zu 70% obsiegt. Verzichtet der Vermieter nach Anerkennung von 1470 CHF netto monatlich durch den Mieter im Schlichtungsverfahren auf die Anrufung des Richters, so wird ebenfalls keine Sperrfrist ausgelöst, weil der Vermieter erheblich, nämlich im Ausmass von 70% obsiegt hat.

Einschränkend gilt diesbezüglich, dass der Zusammenhang zwischen dem 54 Normgehalt von Ziff. 1 und 2 des Art. 271a Abs. 1 Buchst. e OR beachtet wer­ den muss. Hat nämlich der Vermieter im Schlichtungs- oder Gerichtsverfah­ ren seinen Anspruch eingeschränkt, so ist dies anzurechnen bei der Frage, ob er im Urteil erheblich unterlegen sei oder nicht (Fall 1 nachfolgend). Dasselbe gilt im Falle einer Teilanerkennung des Mieters während des Verfahrens (Fall 2 nachfolgend). Ausgangspunkt ist der Standpunkt der Parteien vor der Schlich­ tungsverhandlung, bei einer Mietzinserhöhung deshalb einerseits der im For­ mular angezeigte Aufschlag, allenfalls dessen freiwillige Reduktion durch den Vermieter, anderseits das Ausmass der Anfechtung des Mieters (ähnlich Higi, ZK, N 275 ff. zu Art. 271a OR). Fall 1: Ausgehend vom vorerwähnten Beispiel klagt der Vermieter auf Feststellung, 55 dass der Mietzins von 1470 CHF netto pro Monat nicht missbräuchlich ist; wird die­ ser vom Gericht auf 1450 CHF festgelegt, so unterliegt er gegenüber der Mietzinser­ höhungsanzeige um 50 CHF und damit erheblich. Auf das beim Gericht eingeklagte, reduzierte Begehren auf Anerkennung der Nichtmissbräuchlichkeit des Nettomietzin­ ses von 1470 CHF netto pro Monat, d.h., dass er im gerichtlichen Verfahren um ledig­ lich 20 CHF bzw. um rund 28% unterlegen ist, kommt es nicht an.

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Fall 2: Wird aber beim gleichen Beispiel die Mietzinserhöhung auf 1500 CHF netto pro Monat vom Gericht geschützt, so ist der Vermieter auch dann nicht erheblich unter­ legen, wenn der Mieter vor Schlichtungsbehörde einen Mietzins von 1480 CHF aner­ kannt hatte. 56

Die gleichen Überlegungen gelten im Fall einer Mietzinsherabsetzung nach Art. 270a OR. Beispiel: Hat der Mieter den Vermieter erfolglos um eine Mietzinssenkung um 100 CHF ersucht, und reicht er bei der Schlichtungsbehörde ein Begehren um Herabset­ zung im Ausmass von 70 CHF ein, so bedeutet ein Entscheid des Richters, die Senkung sei im Ausmass von 30 CHF gerechtfertigt, dass der Vermieter im Umfange von 30% und damit nicht erheblich unterlegen ist.

57

Die Frage nach dem erheblichen Unterliegen des Vermieters ist schwer zu beantworten, wenn der Anspruch des Mieters nicht beziffert oder nicht bezif­ ferbar ist: Beispielsweise dann, wenn er nach Art. 259a ff. OR die Beseitigung eines Mangels und «angemessene» Herabsetzung des Mietzinses fordert. Dringt der Mieter mit dem Beseitigungsanspruch und in grundsätzlicher Hin­ sicht mit dem Herabsetzungsanspruch durch, so ist der Vermieter erheblich unterlegen, unabhängig davon, in welchem Ausmass das Reduktionsbegehren gutgeheissen wird (ähnlich Higi, ZK, N  279 zu Art.  271a OR). Weitere Bei­ spiele siehe MRA 1/15, S. 1–14.

58

Besonderheiten des Prozessrechts sind zu berücksichtigen bei der unbeziffer­ ten Forderungsklage (Art. 85 ZPO). So richten sich Ziff. 1 und 2 von Art. 271a Abs. 1 Buchst. e OR nach dem Begehren des Klägers zum Zeitpunkt, in dem er vom Gericht zur Bezifferung angehalten wird. Wird auf ein vom Vermieter ein­ geleitetes Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren aus formellen Gründen nicht eingetreten und erneuert dieser seine Klage unter Beseitigung des Verfahrens­ fehlers, so löst der erste Prozess keinen Kündigungsschutz aus (Barbey, Protec­ tion, N 120, S. 149; ähnlich Higi, ZK, N 284 zu Art. 271a OR).

59

Sind mehrere Ansprüche eingeklagt, so ist deren Bedeutung untereinander abzuwägen. Fordert beispielsweise der Mieter in einem Mängelprozess Miet­ zinsherabsetzung und gleichzeitig Schadenersatz in einem weit höheren Betrag, so unterliegt der Vermieter nicht erheblich, wenn der Schadenersatzanspruch abgewiesen wird (z.B. mangels Verschulden).

60

Nicht immer taugt das Obsiegen bzw. Unterliegen der Parteien als Kriterium für die Auslösung einer Kündigungssperrfrist. Ins Gewicht fallen je nach den Besonderheiten des Einzelfalls die objektive und subjektive Erheblichkeit des

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Streitgegenstandes, das vorprozessuale Verhalten der Parteien und deren Mög­ lichkeit zur Abschätzung der Prozessaussichten (BGE 137 III 24, E. 3.2). 2.5.2.2 Beweislast Die Beweislast dafür, dass der Vermieter erheblich unterlegen ist sowie für den Rückzug seiner Forderung/Klage und der Erheblichkeit deren Einschränkung obliegt dem Mieter (Barbey, Protection, N  154, S.  159; Higi, ZK, N  299 zu Art. 271a OR).

2.5.3

61

Verzicht auf die Anrufung des Richters

2.5.3.1 Allgemeines Die Bestimmung von Art. 271a Abs. 1 Buchst. e Ziff. 3 OR geht davon aus, der 62 Vermieter habe von der Schlichtungsbehörde eine ungünstige Beurteilung des von ihm eingeklagten Anspruchs erhalten. Der Verzicht auf die Anrufung des Richters ist der Anerkennung gleichzusetzen, wonach er mit seinem Stand­ punkt unterliege (a.M. Higi, ZK, N 292 zu Art. 271a OR). Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Norm ist, dass ein Schlichtungsverfahren durchgeführt worden ist. Ausgangspunkt ist somit die Ausstellung der Klagebewilligung an den Vermieter (Art. 209 ZPO) oder ein Urteilsvorschlag (Art. 210 ZPO), mit dem der Vermieter erheblich unterliegt (dazu N 50– 60). Kein Kündigungsschutz besteht, wenn ein Entscheid der Schlichtungsbehörde vollständig zugunsten des Vermieters ergeht.

63

Kein Kündigungsschutz besteht des Weiteren, wenn der Mieter nach dem 64 Schlichtungsverfahren den Standpunkt des Vermieters vorbehaltlos anerkennt und sich deshalb die Einreichung der Klagebewilligung an das ordentliche Gericht durch den Vermieter (Mietzinserhöhungen und andere Vertragsände­ rungen) erübrigt. Dasselbe gilt im Fall, dass die Anerkennung des Standpunk­ tes des Vermieters so weitgehend ist, dass in Anbetracht einer geringfügigen Differenz der Verzicht auf die Anrufung des Richters nachvollziehbar erscheint. 2.5.3.2 Beweislast Die Beweislast für den Verzicht auf die Anrufung des Richters seitens des Ver­ 65 mieters und für das Durchdringen seines Standpunktes obliegt dem Mieter.

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2.5.4

Vergleich oder sonstige Einigung zwischen den Parteien

2.5.4.1 Allgemeines 66

Ein Kündigungsschutz wird immer (auch?) dadurch ausgelöst, dass die Par­ teien im Rahmen eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens einen Vergleich abschliessen oder sich sonst wie einigen. Es spielt bei dieser Verfahrenserledi­ gung nach dem Wortlaut des Gesetzes keine Rolle, wer nach dem Inhalt der getroffenen Vereinbarung mit seinem Standpunkt mehr oder weniger obsiegt hat (hierzu vgl. aber N 59 f.). Die Formulierung der Gesetzesbestimmung lässt im Übrigen erkennen, dass unerheblich ist, ob sich die Parteien anlässlich einer Verhandlung oder vor oder nach Durchführung einer solchen (allerdings stets vor Ablauf der Klage- oder Rechtsmittelfrist) aussergerichtlich einigen (Higi, ZK, N 294 zu Art. 271a OR). Entscheidend ist indessen, dass mit der Einigung ein laufendes Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren beendet wird. Einigen sich die Parteien in einem Zeitpunkt, in dem kein Schlichtungs- oder Gerichtsver­ fahren hängig ist, kommt der zweite Absatz von Art. 271a OR zur Anwendung (Zihlmann, Mietrecht, S. 216 f.; Calamo, Missbräuchlichkeit, S. 258 f.; MfdP/ Thanei, N 29.3.2.6.5).

67

Trotz Erzielung eines Vergleichs bzw. einer Einigung wird kein Kündigungsschutz ausgelöst, wenn – in Analogie zu Art. 271 Abs. 1 Buchst. d OR – der Mieter das Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren missbräuchlich eingeleitet hat (MfdP/Thanei, N 29.3.2.6.4). Denn die Anfechtbarkeit der Kündigung des Vermieters nach Art.  271a OR setzt ganz allgemein voraus, dass der Mieter sich an den Grundsatz von Treu und Glauben hält (vgl. dazu N 36 und 45); die Norm soll dem Missbrauch des Vermieters Einhalt gebieten, nicht denje­ nigen des Mieters schützen. Zutreffend merkt Zihlmann an, die missbräuch­ liche Einleitung eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens durch den Mie­ ter werde im Vergleichsfall durch die konziliante Haltung des Vermieters nicht geheilt (Mietrecht, S. 217).

68

Keinen Vergleich und keine Einigung im Sinne des Gesetzes stellt die weitge­ hende Anerkennung des Vermieteranspruches durch den Mieter dar. Auch wenn das Ziel des Verfahrens vor Schlichtungsbehörde darin besteht, zwischen den Parteien eine Einigung herbeizuführen, kann die Anerkennung des Stand­ punkts des Vermieters durch den Mieter – unabhängig von der Art der Ver­ fahrenserledigung – nicht mit einem Vergleich bzw. einer Einigung im Sinn von Art. 271a Abs. 1 Buchst. e Ziff. 4 OR gleichgesetzt werden (Higi, ZK, N 295 zu Art.  271a OR; MfdP/Thanei, N  29.3.2.6.3). Der Vergleich setzt nach der im schweizerischen Zivilprozessrecht geltenden Terminologie im Unterschied

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zur Klageanerkennung und zum Klagerückzug zwingend voraus, dass beid­ seits gegenüber dem ursprünglich eingenommenen Standpunkt Zugeständ­ nisse gemacht werden. Der Vergleich wird daher auch als Vertrag der Parteien «über beiderseitiges Nachgeben» bezeichnet. Anerkennt der Mieter im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens  – allen­ 69 falls gestützt auf eine vorläufige Beurteilung der Ansprüche durch das erken­ nende Gericht – den Standpunkt des Vermieters, so stellt es keinen Vergleich dar, wenn der Vermieter bereit ist, zur vereinfachten Verfahrenserledigung mit Bezug auf die Kosten- und Entschädigungsfolgen Zugeständnisse einzugehen (Higi, ZK, N  295 zu Art.  271a OR; MfdP/Thanei, N  29.3.2.6.3). Andernfalls wäre kein Vermieter mehr zu solchen bereit. Dasselbe gilt im Fall, in dem ein im Rahmen einer Schlichtungs- oder Gerichtsverhandlung vom Mieter aner­ kannter Anspruch auf ein späteres Datum fällig gestellt wird und dieses Zuge­ ständnis in Form eines Vergleichs gekleidet wird. 2.5.4.2 Beweislast Der Mieter ist beweispflichtig für das Zustandekommen eines Vergleichs, der 70 Vermieter gegebenenfalls dafür, dass der Vergleich keinen Kündigungsschutz ausgelöst hat (N 58 ff.).

2.6

Kündigung wegen Änderung der Familienverhältnisse des Mieters

2.6.1 Allgemeines Eine Kündigung ist anfechtbar, wenn sie ausgesprochen wird wegen Änderun­ 71 gen in der familiären Situation des Mieters, aus denen dem Vermieter keine wesentlichen Nachteile entstehen, wobei ein wesentlicher Nachteil genügt (vgl. Higi, ZK, N 149 zu Art. 271a OR). Sorge des Gesetzgebers war die Befürch­ tung, dass im Falle von Tod, Scheidung oder Trennung der Ehe bzw. Einge­ hung oder Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft nach Art. 29 ff. PartG oder Familienzuwachs eine Familie ihre Bleibe verlieren könnte (MfdP/Thanei, N 29.3.2.7). Verpönt ist die Kündigung nur, wenn die Änderung der Familien­ verhältnisse der ausschlaggebende Grund für die Kündigung ist (ZMP 3/92, Nr. 31). Die Norm ist nur anwendbar auf die Miete von Wohn-, nicht aber von reinem Geschäftsraum (a.M. Weber, BSK, N 21 zu Art. 271/271a OR). Der Begriff der «Familienwohnung» im Sinne von Art.  266m OR ist hier 72 nicht anwendbar: Vorausgesetzt wird vielmehr das Bestehen einer Familie als

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Gemeinschaft von Personen mit verwandtschaftlichen Bindungen untereinan­ der i.S.v. Art. 331 ZGB (Barbey, Protection, N 177, S. 167; Higi, ZK, N 131 zu Art.  271a OR; Weber, BSK, N  21 zu Art.  271/271a OR) oder einer eingetra­ genen Partnerschaft (i.S.v. Art.  2 PartG). Nicht unter die Schutznorm fallen Wohngemeinschaften, das Konkubinat (Higi, ZK, N  132 zu Art.  271a OR; a.M. MfdP/Thanei, N 29.3.2.7) und im Hause wohnende Hausangestellte (a.M. MfdP/Thanei, N 29.3.2.7, mit Hinweis auf Art. 331 ZGB). Ebenso wenig ist die Bestimmung im Zusammenhang mit der Aufnahme von Haustieren anwend­ bar (nicht publ. Urteil des Bundesgerichts vom 22. Oktober 1996). 73

Unter Änderungen in der familiären Situation des Mieters zu verstehen sind alle auf Dauer ausgerichteten Veränderungen des Personenbestandes der Haus­ gemeinschaft, mithin Heirat, Eingehung einer eingetragenen Partnerschaft, Geburt, Tod, Scheidung bzw. Auflösung einer registrierten Partnerschaft nach Art.  29  ff. PartG oder Trennung, aber auch die Wiedervereinigung von Ehe­ gatten bzw. von eingetragenen Partnern, der Auszug erwachsener Kinder oder eine Adoption, die Aufnahme eines Pflegekindes oder betagter bzw. pflegebe­ dürftiger Verwandter, die Zuweisung der ehelichen Wohnung durch den Rich­ ter im Scheidungsurteil an denjenigen Ehegatten, der nicht Partei des Mietver­ trags ist. Nicht zu den familiären Änderungen gehören dagegen der Verlust der Arbeitsstelle durch den Mieter, die Erkrankung oder Invalidität eines Familien­ mitglieds, die Aufnahme von Verwandten zu Besuch (Higi, ZK, N 141–145 zu Art. 271a OR), ebenso wenig die dauernde Aufnahme des/der Geliebten (eine damit begründete Kündigung kann aber i.S.v. Art. 271 OR treuwidrig sein; vgl. Hulliger/Heinrich, CHK, N 13 zu Art. 271/271a OR).

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Das Gesetz überlässt es dem richterlichen Ermessen zu beurteilen, wann für den Vermieter durch eine Veränderung in der familiären Situation des Mie­ ters wesentliche Nachteile entstehen. Für den Begriff «wesentliche Nach­ teile» kann auf den Sinngehalt der gleichlautenden Norm des Art. 262 Abs. 2 Buchst. c OR zurückgegriffen werden (N 21 ff. zu Art. 262 OR). Solche müssen nach objektiven Kriterien konkretisiert werden und können etwa darin beste­ hen, dass die Bezahlung des Mietzinses nicht mehr gewährleistet ist, die Woh­ nung infolge Familienzuwachses zu klein geworden ist oder der Zuzug einer Person eine Gefahr darstellen bzw. Unfriede im Hause stiften könnte (z.B. Auf­ nahme eines Drogensüchtigen). Für weitere Beispiele ist auf Higi zu verweisen (ZK, N 163 ff. zu Art. 271a OR). Fraglich ist, ob die Unterbelegung einer gros­ sen Wohnung, beispielsweise durch den Auszug erwachsener Kinder oder den Tod eines Ehegatten als wesentlicher Nachteil gelten kann (Higi, ZK, N  169 zu Art. 271a OR). Hier zeigt sich die Widersprüchlichkeit der erst durch das

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Parlament eingeführten und nicht grundlegend durchdachten Norm (Zihl­ mann, Mietrecht, S. 214; Higi, ZK, N 124 f. zu Art. 271a OR), kann doch auf ihrer Grundlage die durchaus schützenswerte Absicht des Vermieters durch­ kreuzt werden, eine grosse Wohnung des durch diverse familiäre Änderungen allein zurückgebliebenen Mieters einer kinderreichen Familie zur Verfügung zu stellen (N 32 zu Art. 271 OR). In der Praxis spielt allerdings Art. 271a Abs. 1 Buchst. f OR keine bedeutende Rolle.

2.6.2 Beweislast Den Beweis, dass die Kündigung wegen Änderungen in der familiären Situ­ 75 ation des Mieters ausgesprochen wurde, trägt der Mieter. Der Vermieter ist beweispflichtig dafür, dass ihm aus den Änderungen ein wesentlicher Nach­ teil entsteht.

2.7

Kündigungssperrfrist nach Einigung der Parteien ausserhalb eines Verfahrens

2.7.1 Allgemeines Die dreijährige Kündigungssperrfrist ist nach Art. 271a Abs. 2 OR auch dann 76 zu beachten, wenn der Mieter durch Schriftstücke nachweisen kann, dass er sich mit dem Vermieter ausserhalb eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfah­ rens über eine Forderung aus dem Mietverhältnis geeinigt hat. Diese Bestim­ mung war im Text der Botschaft noch nicht vorhanden und ist erst im Verlauf der parlamentarischen Beratungen in den Gesetzestext aufgenommen worden (AB NR vom 16. März 1989, S. 534 ff. und vom 28. November 1989, S. 1878; AB SR vom 19. September 1989, S. 430 f. und vom 30. November 1989, S. 683 f.). Sie dehnt den Kündigungsschutz, wie er in Art. 271a Abs. 1 Buchst. e OR im Zusammenhang mit Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren definiert wird, auf weitere, ausserhalb solcher Verfahren getroffene Einigungen zwischen Mie­ ter und Vermieter aus (vgl. das nicht veröffentlichte Urteil des Bundesgerichts vom 5. Januar 1994, E. 4a, in: MRA 1/95, S. 40/1 und BGE 130 III 563 sowie den erläuternden Kommentar von Matthias Tschudi zu diesem Urteil, in: MRA 3/04, S. 105 ff.). Für die Anwendung von Art.  271a Abs.  2 OR müssen die nachstehenden Vo­raussetzungen kumulativ erfüllt sein: –– eine geldwerte Forderung aus dem Mietverhältnis seitens einer Vertrags­ partei von einer gewissen Bedeutung (keine Bagatelle);

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Art. 271a

–– ein zwischen den Parteien ohne Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren darüber geführter Streit (eine Kontroverse) und dessen Beilegung durch gegenseitiges Nachgeben, wobei der Vermieter in mehr als bloss unbedeu­ tendem Mass von seinem ursprünglichen Standpunkt abrückt. Es muss sich um einen Kompromiss (laut Duden, Fremdwörterbuch: eine Übereinkunft auf der Grundlage gegenseitiger Zugeständnisse) handeln; –– der Nachweis der Einigung durch Schriftstücke seitens des Mieters. 78

Vorab gilt die Einschränkung, dass die Einigung zwischen den Parteien eine Geldforderung oder einen geldwerten Anspruch betreffen muss (gl.M. Higi, ZK, N 307 zu Art. 271a OR und Hulliger/Heinrich, CHK, N 11 zu Art. 271/271a OR; a.M. Calamo, Missbräuchlichkeit, S. 284; Roncoroni, Kündigungsschutz, S. 146 und MfdP/Thanei, N 29.3.2.6.5; differenzierend Weber, BSK, N 26 zu Art. 271/271a OR).

79

Art. 271a Abs. 2 OR ist nicht anwendbar bei Streitigkeiten über die Unterver­ mietung, über die Einhaltung der Hausordnung u.Ä., weil es sich nicht um geldwerte Forderungen handelt, so bei der Haustierhaltung auch deshalb, weil der Mieter keinen gesetzlichen und i.d.R. auch keinen vertraglichen Anspruch besitzt (a.M. Weber, BSK, N  26 zu Art.  271/271a OR und MfdP/Thanei, N 29.3.2.6.5). Die Forderung muss weiter eine gewisse Bedeutung haben, wes­ halb Bagatellen ausser Betracht fallen (Urteil des Bundesgerichts 4C.266/1993 vom 5. Januar 1994; Hulliger/Heinrich, CHK, N 11 zu Art. 271/271a OR). Im Urteil vom 5.  Januar 1994 (in: MRA 1/95, S.  41) machte das Bundesgericht deutlich, dass die Beanstandung einer Mietzinserhöhung um 7.50 CHF bei einem Mietzins von 1223.50 CHF als Bagatelle zu qualifizieren sei und auch der Streit um einen Reparaturkostenanteil von 47.50 CHF kaum bedeutsamer sei. Dementsprechend setzt Higi die Grenze der Beachtlichkeit einer Forderung bei ca. 50 CHF an, vgl. ZK, N 308 zu Art. 271a OR. Dabei wird man allerdings die Inflation beachten müssen und auch die laufende Verteuerung, insbesondere von kleinen Reparaturen. Sachgerechter ist es aber, den Bagatellcharakter der Forderung im Verhältnis zum Mietzins zu definieren, beispielsweise bei 10%.

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Vorausgesetzt ist sodann, dass über die geldwerte Forderung einer gewissen Bedeutung ein Streit zwischen den Parteien ausgetragen wurde und dass er durch gegenseitiges Nachgeben beigelegt wurde (Higi, ZK, N 306 zu Art. 271a OR; a.M. Thanei, Kündigungsschutz, S. 38). Kein Kündigungsschutz nach dem 2. Absatz von Art. 271a OR wird deshalb ausgelöst, falls die eine oder andere Partei dem Begehren der Gegenpartei sogleich entspricht, unabhängig davon, ob sie dieses als berechtigt einsieht oder aber nicht streiten will. Dies gilt etwa

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bei einem Mietzinsherabsetzungsbegehren, dem der Vermieter sogleich nach­ kommt (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 4C.400/1998 vom 23. März 1998, in: mp 1999, S. 196 ff.; Urteil 4C.179/1999 vom 24. August 1999, in: MRA 5/99, S. 196 ff.). Eine Kündigungssperrfrist infolge aussergerichtlicher Einigung setzt somit kumulativ voraus, dass –– die Parteien damit den Streit über den Bestand einer geldwerten Forderung aus dem Mietverhältnis beilegen; –– der Vermieter dabei in mehr als bloss unbedeutendem Ausmass von seinem ursprünglichen Standpunkt abrückt. Keine Sperrfrist i.S.v. Art. 271a Abs. 2 OR wird dagegen ausgelöst, wenn

81

–– es im Vorfeld gar nicht zu einem Streit gekommen ist (weil die eine oder andere Partei dem Begehren des Vertragspartners sogleich nachgekommen ist); –– sich der vorangegangene Streit auf eine reine Bagatelle bezogen hat; –– sich der vorangegangene Streit, falls der Mieter Ansprecher ist, um den Nachweis der anspruchsbegründeten Tatsachen gedreht hat; –– es weitgehend der Mieter ist, der von seinem ursprünglichen Standpunkt abrückt. Letzte Voraussetzung von Art.  271a Abs.  2 OR ist der Nachweis einer Eini- 82 gung im vorerwähnten Sinn durch Schriftstücke (auch bloss zusammenhän­ gende Korrespondenz). Dabei gilt es zu beachten, dass die Einigung durchaus mündlich erfolgen kann, deren Nachweis ist aber zwingend an die Schriftform gebunden. Es handelt sich um eine Beweisregel, weshalb andere Beweismittel (z.B. Zeugen) ausgeschlossen sind. Art. 247 Abs. 2 ZPO ist nicht anwendbar.

2.7.2 Beweislast Der Mieter ist dafür beweispflichtig, dass ein zwischen den Parteien geführter 83 Streit über eine geldwerte Forderung von gewisser Bedeutung aus dem Miet­ verhältnis vergleichsweise beigelegt wurde. Den Beweis der Einigung hat er zwingend durch Schriftstücke zu erbringen.

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3.

Ausnahmen vom Kündigungsschutz

3.1 Allgemeines 84

Abs. 3 von Art. 271a OR enthält einen Katalog von Gründen, deren Nachweis die Vermutung widerlegt, wonach eine Kündigung anfechtbar ist, wenn sie ausgesprochen wird: –– während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungsoder Gerichtsverfahrens (das nicht missbräuchlich eingeleitet wurde; Art. 271a Abs. 1 Buchst. d OR); –– innert 3 Jahren nach Abschluss eines solchen Verfahrens, wenn dieses ent­ sprechend Art. 271a Abs. 1 Buchst. e Ziff. 1–4 OR ausgegangen ist.

85

Dieser Katalog zerfällt in zwei grundsätzliche Kategorien: Der dringende Eigenbedarf des Vermieters für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte sowie die Kündigung durch den Neuerwerber zufolge Eigenbedarf (auf einen früheren als den nächsten vertraglichen Termin) stehen als subjektive Kündigungsmotive der Auflösung des Vertrages zufolge ausserordentlicher Umstände gegen­ über, die in einzelnen Bestimmungen des Gesetzes näher geregelt sind.

86

Nach dem Gesetzeswortlaut betrifft das während einer laufenden Kündigungs­ sperrfrist gleichwohl bestehende Kündigungsrecht lediglich Kündigungen, die i.S.v. Art. 271a Abs. 1 Buchst. d und e OR während oder nach Abschluss eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens ausgesprochen werden. Nach der Syste­ matik, aber auch nach dem Sachzusammenhang ist aber bei Vorliegen entspre­ chender Voraussetzungen auch der Kündigungsschutz nach Art. 271a Abs. 2 OR aufgehoben, verweist doch diese Bestimmung hinsichtlich der Grundlage ebenfalls auf Art. 271a Abs. 1 Buchst. e OR (gl.M. Higi, ZK, N 187 zu Art. 271a OR). Es wäre auch nicht einzusehen, weshalb bei einer im Rahmen eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens getroffenen Einigung der anschlies­ sende Kündigungsschutz bei Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes nicht mehr gelten soll, dagegen bei einer Einigung der Parteien ausserhalb eines sol­ chen Verfahrens zu beachten wäre.

3.2 87

Dringender Eigenbedarf des Vermieters und Veräusserung der Sache

Eine Kündigung während der Sperrfrist in den Fällen gemäss Art. 271a Abs. 3 Buchst. a–f OR ist zulässig, unabhängig davon, ob sie der Vermieter ordentlich

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oder ausserordentlich ausspricht (siehe BGE 117 II 415 bei einer Zahlungsver­ zugskündigung). Die Kündigungsschutzfrist ist unbeachtlich, wenn der Vermieter wegen drin­ 88 gendem Eigenbedarf für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte kündigt (Art. 271 Abs. 3 Buchst. a OR). Der Gesetzgeber hat hier eine Interessenabwägung zwischen dem dringenden Eigenbedarf des Vermieters und dem Schutz­ bedürfnis des Mieters nach einem Anfechtungs- oder Gerichtsverfahren mit entsprechendem Ausgang zugunsten des Vermieters vorgenommen (vgl. auch das Votum Camillo Jelmini, in: AB SR 1988, S. 176). Nach der höchstrichter­ lichen Rechtsprechung, die auf der historischen Interpretation der Art. 271a Abs. 3 Buchst. a und 261 Abs. 2 Buchst. a OR gründet, hat der legitime Bedarf des Eigentümers grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse des Mieters (BGE 118 II 50, E. 3c; Urteil 4C.400/2001 vom 4. März 2002, in: Pra 2000, Nr. 110, S. 635 ff. und MRA 3/02, S. 103 ff.; Urteil 4C.388/2005 vom 20. Februar 2006; Urteil 4C.17/2006 vom 27. März 2006, in: MRA 2/06, S. 61 ff.). Eine Abwägung zwischen den Interessen von Mieter und Vermieter hat bei der Beurteilung der Gültigkeit der Kündigung nicht stattzufinden (BGE 142 III 336, E. 5.2.1; Urteil des Bundesgerichts 4A_78/2013 vom 16. Mai 2013, E. 4.5, in: MRA 2/14, S. 79 ff.; MfdP/Thanei, N 27.4.3.1), massgeblich sind allein die Umstände auf­ seiten des Vermieters. Selbstverständlich hat der Vermieter sowohl Ernsthaftigkeit als auch Aktualität und Dringlichkeit des geltend gemachten Eigenbe­ darfs nachzuweisen. Es gelten diesbezüglich die gleichen Anforderungen, wie sie im Zusammenhang mit der Anwendung von Art. 261 Abs. 2 Buchst. a und Art. 272 Abs. 2 Buchst. d OR zu beachten sind (vgl. N 19 zu Art. 261–261a und N 46 ff., insbes. N 50 ff. zu Art. 272 OR), wobei nach der hier vertretenen Auf­ fassung der Vermieter Eigenbedarf auch zugunsten des eingetragenen Part­ ners i.S. des PartG geltend zu machen berechtigt ist (vgl. N 52 zu Art. 272 OR). Nach der höchstrichterlichen Praxis setzt der dringende Eigenbedarf keine Zwangs- oder gar Notlage des Vermieters voraus. Es genügt, dass es ihm aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen nicht zumutbar ist, auf die Benut­ zung der Mietsache zu verzichten (MfdP/Thanei, N 27.4.3.2). Der Eigenbedarf muss ernsthaft, konkret und aktuell sein. Das Erfordernis der Dringlichkeit ist dabei nicht allein zeitlich, sondern auch sachlich zu verstehen (zur Kritik die­ ser gefestigten Praxis vgl. Weber, BSK, N 28 zu Art. 271/271a OR; zur Kasuis­ tik siehe MfdP/Thanei, N 27.4.3.3). Die Kündigungssperrfrist wird im Falle der Veräusserung der Mietsache  – 89 dringender Eigenbedarf des Vermieters für sich, nahe Verwandte oder Ver­ schwägerte vorausgesetzt – in zweifacher Hinsicht durchbrochen: Einmal auf

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der Grundlage von Art.  261 Abs.  2 Buchst.  a OR, sodann im Fall, dass der Erwerber nicht auf den nächsten gesetzlichen Termin gekündigt hat, auf der Grundlage von Art. 271a Abs. 3 Buchst. a OR. Diese Norm verdeutlicht über­ flüssigerweise, dass der Erwerber bei Vorliegen eines entsprechenden Eigenbe­ darfs gemäss Art. 261 Abs. 2 Buchst. a OR nicht an eine Kündigungsschutzfrist gebunden ist (a.M. Weber, BSK, N 28 zu Art. 271/271a OR). Dieser Präzisie­ rung hätte es nicht bedurft. Zudem suggeriert sie, dass eine Kündigungssperr­ frist auf den Erwerber übergehe; dies ist aber nach der hier vertretenen Mei­ nung nicht der Fall (vgl. N 46).

3.3 90

Vertragsauflösung aufgrund ausserordentlicher Kündigungsgründe

Nicht auf die Kündigungssperrfrist berufen kann sich derjenige Mieter, dem wegen Zahlungsrückstandes oder schwerer Verletzung der Pflicht zu Sorgfalt und Rücksichtnahme gekündigt wird. Gleichermassen wird die ausserordentliche Auflösung des Vertrags zufolge Konkurs des Mieters durch eine Sperrfrist nicht verhindert. Der Katalog dieser den Kündigungsschutz beschränkenden Umstände entspricht den Erstreckungsausschlussgründen gemäss Art. 272 Abs. 1 Buchst. a–c OR, zuzüglich der Kündigung aus wichti­ gen Gründen. Analog zu den Ausführungen zu Art. 272a OR (vgl. N 5) ist auch mit Bezug auf den Ausschluss des Kündigungsschutzes unerheblich, ob der Vermieter bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen den Vertrag mit Einhal­ tung der ordentlichen Fristen auflöst oder mit der kürzeren gem. Art. 257d OR, Art. 257f Abs. 3 und 4 oder Art. 266h OR (Weber, BSK, N 28 zu Art. 271/271a OR; MfdP/Thanei, N  29.3.5.5; BGE 117 II 415). Allerdings muss der Mieter der Kündigung entnehmen können, dass sich der Vermieter auf einen aus­ serordentlichen Tatbestand beruft (Urteil des Bundesgerichts vom 3. Oktober 1995, E. 2b/aa, in: MRA 5/96, S. 228). Gegebenenfalls muss die Kündigungs­ erklärung entsprechend dem Vertrauensprinzip ausgelegt werden (BGE 117 II 273, E. 5a).

91

Ebenfalls nicht anwendbar ist die Kündigungssperrfrist, wenn das Mietverhält­ nis aus wichtigen Gründen i.S.v. Art. 266g OR gekündigt wird. (Zur Klarheit der Berufung auf diese Norm vgl. N 76 a.E.)

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Raoul Futterlieb

Art. 271a

Für die Voraussetzungen zu den ausserordentlichen Kündigungsgründen des dritten Absatzes von Art. 271a OR wird auf den Kommentar zu den einzelnen Bestimmungen verwiesen.

92

3.4 Beweislast Die Beweislast für das Vorhandensein sämtlicher Voraussetzungen zu den ein­ 93 zelnen Kündigungstatbeständen trifft den Vermieter. Dem Mieter obliegt der Beweis, dass die Kündigung während einer Sperrfrist erfolgt ist.

4.

Beweisfragen im Allgemeinen

Der Mieter ist grundsätzlich für die von ihm angerufenen Anfechtungstatbe­ 94 stände beweispflichtig. In diesem Zusammenhang hat er zunächst zu bewei­ sen, dass einer der Tatbestände, der zur Aufhebung der Kündigung führen können, sich verwirklicht hat. Hinsichtlich der in Art. 271a Abs. 1 Buchst. a–c und f OR genannten Anfechtungsgründe hat der Mieter sowohl den gesetzlichen Tatbestand als auch den Zusammenhang zwischen diesem und der Kündigung zu beweisen. Damit ist auch gesagt, dass das vom Gesetzgeber verpönte und daher mit der Sanktion der Aufhebung der Kündigung bedachte Motiv das ausschliessliche oder mindestens das überwiegende Kündigungsmotiv gebildet haben muss. Stehen mehrere Kündigungsmotive zur Debatte, so genügt es für die Gültigkeit der Kündigung, dass einer sich als nicht treuwidrig erweist (N 68 zu Art. 271 OR). Dem Mieter steht aber der Beweis offen, dieser Kündigungs­ grund sei vorgeschoben und die übrigen, missbräuchlichen Gründe seien das wirkliche Motiv der Kündigung (a.M. Weber, BSK, N 29 zu Art. 271/271a OR). Analog der zum Kündigungsschutz gemäss BMM entwickelten Grundsätze 95 genügt für den Beweis einer als missbräuchlich anfechtbaren Kündigung, dass Indizien mit grosser Wahrscheinlichkeit auf einen Zusammenhang zwischen einem von der Rechtsordnung in Art. 271a Abs. 1 OR missbilligten Verhalten und der Kündigung hindeuten. Als Indizien können etwa der zeitliche Zusam­ menhang zwischen der Kündigung und einem Ereignis, aus dem der Mieter die Anfechtbarkeit ableitet, in Betracht fallen, so beispielsweise die Geltend­ machung von Ansprüchen durch den Mieter nach Treu und Glauben oder der Versuch des Vermieters, eine einseitige Vertragsänderung zulasten des Mieters durchzusetzen. Ein weiteres Indiz kann sodann darin erblickt werden, dass bei Vorliegen eines der Tatbestände von Art. 271a Abs. 1 Buchst. a–c OR der Ver­ mieter kündigt, ohne dass er diese Kündigung mit anderweitigen, legitimen

Raoul Futterlieb

1029

Art. 271a

Gründen begründet. Der Vermieter kann allerdings solche Indizien entkräften, wenn er sowohl für den Kündigungszeitpunkt als auch für das Kündigungsmo­ tiv ernsthafte und einleuchtende Gründe darzulegen bzw. zu beweisen vermag (Beschluss OGer Kanton Zürich, II. Zivilkammer vom 10. Januar 1989, bestä­ tigt durch Urteil des Bundesgerichts vom 21. November 1989, auszugsweise publiziert in: BGE 115 II 484 ff.). 96

Der Vermieter, der sich darauf beruft, der Mieter habe sich rechtsmissbräuch­ lich verhalten, hat hierfür den Beweis zu erbringen. Auch hier muss es genügen, wenn Indizien mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auf einen solchen Miss­ brauch schliessen lassen. In der Praxis erweist es sich als äusserst schwierig, dem Mieter rechtsmissbräuchliches Verhalten nachzuweisen, weil sich auch die aussichtslose Wahrnehmung von Mieterrechten subjektiv mit einem «Mie­ terschutzinteresse» erklären lässt. Es kommt immer wieder vor, dass Mieter an die Schlichtungsbehörde gelangen mit der genauso simplen wie ungenügen­ den Begründung, sie seien entsprechend der Rechtsbelehrung von (zwingend vorgesehenen) Formularen oder aber unter Berufung auf ihren Interessenver­ band oder auf die Presse «berechtigt», das Verhalten des Vermieters generell überprüfen zu lassen. Deshalb gilt es hervorzuheben, dass ein Mieter rechts­ missbräuchlich handelt, wenn er direkt die Schlichtungsbehörde anruft, ohne vorgängig dem Vermieter Gelegenheit zu geben, auf sein Anliegen einzugehen (N 11). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die vorgängige Kontaktaufnahme mit dem Vermieter möglich und zumutbar gewesen wäre.

1030

Raoul Futterlieb

Urban Hulliger

Art. 272 B. Erstreckung des Mietverhältnisses I.

Anspruch des Mieters

1 Der

Mieter kann die Erstreckung eines befristeten oder unbefristeten Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung der Miete für ihn oder seine Familie eine Härte zur Folge hätte, die durch die Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre. 2 Bei

der Interessenabwägung berücksichtigt die zuständige Behörde insbesondere: a. die Umstände des Vertragsabschlusses und den Inhalt des Vertrags; b. die Dauer des Mietverhältnisses; c. die persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien und deren Verhalten; d. einen allfälligen Eigenbedarf des Vermieters für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte sowie die Dringlichkeit dieses Bedarfs; e. die Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume.

3 Verlangt

der Mieter eine zweite Erstreckung, so berücksichtigt die zuständige Behörde auch, ob er zur Abwendung der Härte alles unternommen hat, was ihm zuzumuten war. B.

Prolongation du bail

I.

Droit du locataire

1 Le

locataire peut demander la prolongation d’un bail de durée déterminée ou indéter­ minée lorsque la fin du contrat aurait pour lui ou sa famille des conséquences pénibles sans que les intérêts du bailleur le justifient.

2 Dans

la pesée des intérêts, l’autorité compétente se fondera notamment sur: a. les circonstances de la conclusion du bail et le contenu du contrat; b. la durée du bail; c. la situation personnelle, familiale et financière des parties ainsi que leur comporte­ ment; d. le besoin que le bailleur ou ses proches parents ou alliés peuvent avoir d’utiliser euxmêmes les locaux ainsi que l’urgence de ce besoin; e. la situation sur le marché local du logement et des locaux commerciaux.

Urban Hulliger

1031

Art. 272 3 Lorsque le locataire demande une deuxième prolongation, l’autorité compétente exa­ mine en outre si le locataire a entrepris toutes les démarches qui pouvaient raisonnable­ ment être exigées de lui afin de remédier aux conséquences pénibles du congé.

B.

Protrazione della locazione

I.

Diritto del conduttore

1 Il

conduttore può esigere la protrazione della locazione se la fine della medesima pro­ duce per lui o per la sua famiglia effetti gravosi che nemmeno si giustificano tenendo conto degli interessi del locatore.

2 L’autorità

competente pondera gli interessi delle parti tenendo segnatamente conto: a. delle circostanze che hanno determinato la conclusione del contratto e del contenuto del contratto; b. della durata della locazione; c. della situazione personale, familiare ed economica delle parti e del loro comporta­ mento; d. dell’eventuale fabbisogno del locatore o dei suoi stretti parenti od affini, come pure dell’urgenza di siffatto fabbisogno; e. della situazione sul mercato locale degli alloggi e dei locali commerciali.

3 Se

è chiesta una seconda protrazione, l’autorità competente considera anche se il con­ duttore ha intrapreso quanto si poteva ragionevolmente pretendere da lui per porre rime­ dio agli effetti gravosi.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Zwingender Charakter der Norm .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Erstreckbare Mietverhältnisse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.3 Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1034 1034 1034 1035

2. Härtegründe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Umstände des Vertragsabschlusses und Inhalt des Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Dauer des Mietverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Persönliche, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.5 Verhalten des Mieters .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.6 Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume/ Suchbemühungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.7 Andere Härtegründe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.8 Besondere Umstände bei Geschäftsräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1038 1038 1040 1042 1042 1046

1032

1047 1052 1052

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Art. 272 3. 3.1 3.2 3.3

Interessen des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Eigenbedarf des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Persönliche, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse sowie Verhalten des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Andere Interessen des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1060 1061

4.

Voraussetzungen für eine zweite Erstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1063

Urban Hulliger

1055 1055

1033

Art. 272

1. Vorbemerkungen 1.1 1

Zwingender Charakter der Norm

Art. 272 Abs. 1 OR ist i.S.v. Art. 273c OR zugunsten des Mieters relativ zwingendes Recht (a.M. Higi, ZK, N 13 zu Art. 272 OR und Roncoroni, zwingende Bestimmungen I, S. 86, die Art. 272 Abs. 1 OR für absolut zwingend erachten). Der Mieter kann vertraglich im Voraus damit nicht auf sein Recht verzich­ ten, bei Beendigung des Mietverhältnisses ein Erstreckungsbegehren zu stellen (beachte aber N 19 f. und N 25 zu Art. 272b OR). Art. 272 Abs. 2 und 3 OR ist seiner Natur nach der Parteiautonomie entzogen.

1.2

Erstreckbare Mietverhältnisse

2

Die Bestimmungen über den Kündigungsschutz des dritten Abschnitts des ach­ ten Titel des Obligationenrechtes gelten nur und ausschliesslich für Mietverträge, also nicht für andere Vertragsverhältnisse, die allenfalls die Überlassung von Räumlichkeiten zum Gegenstand haben, wie z.B. Gebrauchsleiheverhält­ nisse (in einem in mp 3/87, S. 64 ff., veröffentlichten Urteil eines Tessiner Zivil­ gerichts wird nur – mangels abweichender Parteivereinbarung – die analoge Anwendung der Kündigungsbestimmungen des Mietrechtes auf Gebrauchslei­ heverhältnisse für richtig erachtet).

3

Bei gemischten oder zusammengesetzten Vertragsverhältnissen darf Erstreckbarkeit nicht angenommen werden, wenn das Mietvertragselement innerhalb der Vertragsbeziehung eine untergeordnete Nebenabrede dar­ stellt (BGE 115 II 452; SJZ 81, S.  235; Giger, Erstreckung, S.  40  f.). Dies ist im Einzelfall, allenfalls im Rahmen einer Interessenabwägung, zu beurteilen (Moser, Erstreckung, S.  46  ff.). Die Frage, ob überhaupt ein Erstreckungsan­ spruch besteht, stellt sich namentlich bei den sog. Dienstwohnungen. Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch eine Wohnung zur Verfügung und geht aus den gesamten Umständen hervor, dass das arbeitsvertragliche Element überwiegt, so ist eine Erstreckung ausgeschlossen, und der Vertrag untersteht in Bezug auf die Kündigung dem Arbeitsrecht (Entscheide des Cour de Justice GE vom 23. Juni 1994 und 15. Juni 1998, in: mp 2/95, S. 61 und 2/00, S. 64; a.M. Higi, ZK, N 202 und 217 ff. zu Vorbem. zu Art. 253–274g OR; Thanei, Kün­ digungsschutz, S. 6; zum Teil auch a.M. Weber, BSK, N 7 zu Art. 272 OR, der die Anwendung von Art. 272 OR zwar bejaht, bei Dienstwohnungen je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls aber einen Erstreckungsausschluss annimmt). Nach BGE 131 III 566, E. 3.1, in: mp 1/06, 22 ff., kommen bei der 1034

Urban Hulliger

Art. 272

Kündigung – und somit auch bei der Erstreckung – eines Hauswartvertrags die Regeln desjenigen Vertrags zur Anwendung, der den überwiegenden Teil der Leistung ausmacht. Ähnliches gilt bei öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen: Überlässt ein Gemeinwesen einem Beamten oder einem Angestell­ ten im öffentlichen Dienst eine Wohnung und besteht zwischen Wohn- und Arbeitsort ein enger, sachlich gerechtfertigter und zwingender Zusammen­ hang, ist auch auf die Dienstwohnung öffentliches Recht anwendbar (Ent­ scheid des Amtsgerichtspräsidenten Olten-Gösgen vom 13. März 1994, in: mp 2/95, S. 58 ff.; a.M. Higi, ZK, N 22 zu Vorbemerkungen zu Art. 271–273c OR). Zu den Dienstwohnungen vgl. auch N 48 ff. zu Vorbem. zu Art. 253–273c OR sowie N 6 zu Art. 271 OR. Erstreckbar sind auch Mietverhältnisse für möblierte Einzelzimmer, da diese 4 zwanglos unter die Kategorie der «Wohn- und Geschäftsräume» zu subsu­ mieren sind (MfdP/Spirig, N 30.1.3.1). Dagegen ist weiterhin ein Mietverhält­ nis betreffend unbebautem Land nicht erstreckbar, und zwar auch dann nicht, wenn der Mieter auf dem Grundstück eine Fahrnisbaute errichtet hat (BGE 98 II 199, E. 4; Schmid, ZK, N 8 zu Art. 267a aOR, mit dem Hinweis, dass Miet­ verhältnisse für Wohnungen oder Geschäftsräume in Fahrnisbauten demge­ genüber erstreckbar sein müssen, vgl. auch die Beispiele bei Thanei, Erstre­ ckung, S. 5 f., Fn. 13 und 14). Mietverträge betreffend separat vermietete Autoabstellplätze, Garagen, Park­ 5 plätze, Estrichabteile und andere Nebenräume sind grundsätzlich nicht erstreckbar (BGE 110 II 51; vgl. HAP-Immobiliarmietrecht/Ruf, N 4.5). Nicht erstreckbar sind sodann auch Mietverhältnisse für Ferienwohnungen, 6 die für höchstens drei Monate gemietet werden (Art. 253a Abs. 2 OR). Erstreckbar sind nur Mietverhältnisse von Wohn- und Geschäftsräumen. Mie­ 7 terstreckung kann daher gewährt werden für solche Geschäftsräume, die dem Betrieb eines Gewerbes oder der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit dienen (Botsch. 1985, S. 1421, mit den beispielhaft genannten Büros, Verkaufsräumen, Werkstätten, Magazinen und Lagerräumen). Zum Begriff des Geschäftsraums siehe N 22 ff. zu Vorbem. zu Art. 253–273c OR.

1.3

Allgemeine Voraussetzungen

Voraussetzung für die Geltendmachung eines Mieterstreckungsanspruches ist 8 eine gültige Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter. Von Amtes wegen zu überprüfen ist dabei zunächst, ob die Kündigung formgül-

Urban Hulliger

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Art. 272

tig, d.h. mit dem gesetzlich vorgeschriebenen amtlichen Formular mitge­ teilt wurde. Der Erwerber einer Liegenschaft ist zur Kündigung erst berech­ tigt, wenn das Eigentum durch entsprechende Eintragung im Grundbuch auf ihn übergegangen ist (vgl. N 9 zu Art. 261–261a OR; MfdP/Spirig, N 27.4.6). Massgebend ist dabei das Datum der Einschreibung im Tagebuch (BGE 118 II 119, E. 3a) bzw. der Zuschlag im Zwangsvollstreckungsverfahren (BGE 128 III 82, E. 1a). 9

Mieterstreckung kann nicht nur bei der ordentlichen Beendigung des Miet­ verhältnisses verlangt werden. Sie ist auch möglich bei ausserordentlicher Auflösung des Vertragsverhältnisses aus wichtigen Gründen (Art. 266g OR; vgl. den Erstreckungsausschlusskatalog von Art.  272a OR, der als abschliessend zu betrachten ist und die Vertragsauflösung aus wichtigen Gründen nach Art. 266g OR nicht enthält). Aus diesem Grund verwendet Art. 272 OR den allgemeinen Begriff der «Beendigung der Miete», womit gleichzeitig auch zum Ausdruck gebracht wird, dass, wie das Gesetz sonst nur in der Verfahrensbe­ stimmung von Art. 273 Abs. 2 Buchst. b OR ausdrücklich festhält, Erstreckung auch bei Ablauf eines sogenannten (durch Zeitbestimmung oder Eintritt einer Bedingung oder eines Ereignisses) «befristeten» Mietverhältnisses möglich ist.

10

Nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht ausgeschlossen wäre auch eine Erstre­ ckung, die der Mieter verlangt, obwohl er das Mietverhältnis selber gekündigt hat. Stellt der Mieter ein Erstreckungsbegehren, nachdem er selber das Miet­ verhältnis durch Kündigung aufgelöst hat, wird darin ein Verstoss gegen Treu und Glauben (venire contra factum proprium) zu erblicken sein, was ungeach­ tet der Interessenlage der Parteien in jedem Fall zur Abweisung des Erstreckungsbegehrens führen muss (Zihlmann, Mietrecht, S. 223 f., Fn. 60, weist darauf hin, dass gemäss Art. 273 Abs. 2 Buchst. a OR die Frist zur Geltendma­ chung einer Erstreckung vom «Empfang der Kündigung» an läuft, woraus sich ergibt, dass der Gesetzgeber nur an diejenigen Kündigungen gedacht hat, die vom Vermieter ausgesprochen werden).

11

Sinn und Zweck des Mieterstreckungsrechts bestehen darin, einem Mieter mehr Zeit für die Suche nach einem geeigneten Ersatzobjekt einzuräumen, als ihm während der Kündigungsfrist zur Verfügung steht. Gewöhnliche, mit jeder Kündigung verbundene Umtriebe und Folgen, die mittels einer Mieter­ streckung nicht abgewendet, sondern lediglich hinausgezögert werden kön­ nen, sind als Härtegründe unbeachtlich. Eine Verlängerung kann somit nur sinnvoll sein, wenn damit eine Milderung der Folgen der Kündigung ver­ bunden ist, also erwartet werden kann, dass ein Umzug später für den Mie­ ter weniger nachteilig sein werde als bei Ablauf der Kündigungsfrist oder des 1036

Urban Hulliger

Art. 272

befristeten Vertragsverhältnisses (vgl. dazu auch N 15). Unabdingbar ist somit, dass der Zeitablauf die Situation des Mieters wesentlich zu verbessern ver­ möchte (Urteile des Bundesgerichts 4A_699/2014 vom 7.  April 2015, E.  3.5; 4C.309/1996 vom 19. Februar 1997; BGE 102 II 255 f.; 105 II 197 f., E. 3a; Egli, Kündigungsbeschränkungen, S. 40; Zihlmann, Mietrecht, S. 222 f.). Aus dieser Rechtsprechung kann indessen nicht abgeleitet werden, dass nur dann Erstre­ ckung gewährt werden kann, wenn tatsächliche Aussichten bestehen, neue Räumlichkeiten zu finden. Die Regeln über die Erstreckung sollen vielmehr die Nachteile abschwächen, die eine Kündigung für den Mieter mit sich brin­ gen kann. Besteht aufgrund der vorliegenden Verhältnisse auf dem Immobi­ lienmarkt für den Mieter überhaupt keine Aussicht, neue Räumlichkeiten zu finden, so kann trotzdem eine Erstreckung gewährt werden (BGE 116 II 446, E. 3c, in: mp 1/91, S. 6 ff.). Die Auffassung, es seien auch Fälle denkbar, bei denen auf Härte erkannt wer­ 12 den müsse, ohne dass der Mieter auf geeignete Ersatzräumlichkeiten ange­ wiesen sei, ist abzulehnen, da sie weder vom Wortlaut noch vom Sinn und Zweck des Gesetzes erfasst wird (a.M. Thanei, Erstreckung, S. 20). Das Miet­ erstreckungsrecht ist nicht dazu geschaffen worden, einem Mieter zu ermög­ lichen, noch während einer bestimmten Zeit bzw. möglichst lange von beson­ ders günstigen oder für ihn vorteilhaften Bedingungen profitieren zu können (BGE 105 II 198, E. 3b). Eine Mieterstreckung ist somit zu verweigern, wenn ein Geschäftsinhaber im 13 Pensionierungsalter geltend macht, dass ihm bis zur geplanten Geschäftsauf­ gabe noch einige Jahre Mieterstreckung gewährt werden sollten, weil er da­rauf angewiesen sei, im Hinblick auf seine Altersversorgung noch eine Zeit lang erwerbstätig zu sein. Faktisch würde auf diese Weise dem Vermieter zugemutet, einen Beitrag an die Sozialversicherung des Mieters zu leisten, ohne dass ihm die Möglichkeit gegeben ist, etwa durch Angebot eines zumutbaren Ersatz­ objekts die vorauszusetzende Härte aufseiten des Mieters und dadurch eine Erstreckung in Anwendung von Art. 272a Abs. 2 OR abzuwenden. Nicht ausge­ schlossen ist bei dieser Sachlage, dass in einer entsprechenden Situation einem Mieter zur Liquidation seines Geschäftsbetriebes eine kurzzeitige Erstreckung in der Grössenordnung von drei bis sechs Monaten als definitive Erstreckung gewährt wird (ähnlich Higi, ZK, N 100 und 106 zu Art. 272 OR). Aus grundsätzlich ähnlichen Überlegungen sind Mieterstreckungen bei befris- 14 teten Mietverhältnissen nur mit grösster Zurückhaltung zu gewähren (Urteil des OGer Zürich NG160008 vom 24.  Juni 2016, vom Bundesgericht bestä­ tigt im Urteil 4A_477/2016 vom 27.  September 2016; Urteile des Bundesge­ Urban Hulliger

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Art. 272

richts 4A_552/2009 vom 1. Februar 2010, E. 2.5; 4A_420/2009 vom 11. Juni 2010; Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 und N 4a zu Art. 272 OR). Dies deshalb, weil der Zeitpunkt der Vertragsbeendigung bei befristeten Vertragsverhältnis­ sen von Anfang an bekannt ist und der Mieter daher rechtzeitig Bemühungen um eine Ersatzlösung unternehmen muss. Demgegenüber braucht der Mieter eines unbefristeten Mietverhältnisses – vorbehältlich ausdrücklich anderwei­ tiger Information, die gegebenenfalls im Rahmen der Interessenabwägung zu würdigen ist  – grundsätzlich nicht im Voraus mit einer Kündigung zu rech­ nen. Er hat sich daher erst nach Erhalt der Kündigung ernsthaft um Ersatz­ räumlichkeiten zu bemühen. Hier nun kann, wenn der Vermieter nicht durch frühzeitige Kündigung mehr Zeit einräumt, als vertraglich vorgesehen ist, der Mieter mit der Suche nach Ersatzräumlichkeiten in Zeitnot geraten, weshalb er bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen, die nachfolgend darge­ stellt werden, eher auf eine Mieterstreckung angewiesen ist (Zihlmann, Miet­ recht, S. 222 f., Fn. 60).

2. Härtegründe 2.1 Allgemeines 15

Unter dem Begriff der Härte ist ein nach objektiven Beurteilungskriterien zu ermittelndes aussergewöhnliches Betroffensein des Mieters zu verstehen. Die­ ses muss das übliche Mass von Unannehmlichkeiten, die mit jeder Kündigung und dem damit verbundenen Zwang, an einen anderen Standort zu ziehen, deutlich übersteigen (Higi, ZK, N 84 zu Art. 282 OR). Der Begriff der Härte indiziert somit eine eigentliche Notsituation, in die ein Wohn- oder Geschäfts­ mieter gerät, weil er angesichts der bestehenden individuellen Sachzwänge bezüglich der finanziellen Verhältnisse, der Raumbedürfnisse und allfälliger objektiv nachvollziehbarer Einschränkungen des geografischen Suchrayons Probleme hat, bis zum Kündigungstermin ein für ihn geeignetes Ersatzobjekt zu finden, auf das er zur Deckung der elementaren Wohnbedürfnisse oder im Falle der Geschäftsraummiete existenziell angewiesen ist. Als Härtegründe fal­ len nur Umstände in Betracht, die sich durch Gewährung einer Mieterstre­ ckung abwenden oder wesentlich vermindern lassen. Unannehmlichkeiten, die Folge einer jeden Kündigung sind und die mit einer Erstreckung ledig­ lich aufgeschoben, nicht aber beseitigt oder gemildert werden können, sind keine Härtegründe (Schmid, ZK, N 17 zu Art. 267a aOR; Egli, Kündigungsbe­ schränkungen, S. 39 ff.; BGE 102 II 255; 105 II 198, E. 3a). Nicht vereinbar mit diesem Zweckgedanken ist die Argumentation des Bundesgerichts, es sei für 1038

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den – sehr vermögenden – Mieter schwierig, ein vergleichbares, ebenso einma­ liges Objekt zu finden, das streng genommen gar nicht ersetzt werden könne (in casu ein Anwesen mit mehreren Gebäuden, Stallungen, mehreren Gärten und einem Wäldchen). Dem Mieter sei nicht zuzumuten, seinen Lebensstil zu ändern (Urteil des Bundesgerichts 4C.267/2002 vom 18. November 2002, E. 3, in: mp 3/03, S. 127 ff. sowie MRA 2/03, S. 47 ff.). Das Bundesgericht hat zu Recht seine diesbezügliche Praxis geändert: Im Urteil 4A_699/2014 vom 15. April 2015 erwog es, der Inhaber eines Geschäftsbetriebs habe dann, wenn kaum Aussichten bestünden, ein mit dem bisher benützten Mietobjekt ver­ gleichbares Ersatzlokal zu finden, seine Ansprüche an die Eigenschaften eines solchen Ersatzobjekts zu senken und sein Geschäftsmodell anzupassen (a.a.O., E. 3.6.4, in: MRA 4/15, S. 212 ff., m.w.H.). Bei der Beurteilung von Mieterstreckungsgesuchen ist zunächst zu prüfen, ob 16 aufseiten des Mieters Härtegründe geltend gemacht werden können. Bei der Prüfung dieser Frage sind auch die Suchbemühungen des Mieters zu wür­ digen (Urteile des Bundesgerichts 4C.365/2006 vom 16.  Januar 2007, E.  4.1; 4A_15/2014 vom 26. Mai 2014, E. 4.1; 4A_452/2010 vom 22. November 2010, in: MRA 3/11, S. 107 ff.; 4A_577/2009 vom 4. März 2010, in: MRA 1/11, S. 19 ff.). Fehlt es an solchen Härtegründen, erfolgt keine weitere Interessenabwägung, d.h. das Mieterstreckungsgesuch ist abzuweisen, ohne dass es auf die Interessen des Vermieters ankommt (kritisch: HAP-Immobiliarmietrecht/Ruf, N  4.21). Das Bundesgericht hat in seinem Urteil 4A_106/2014 vom 28. Mai 2014 eine Erstreckung eines Ladenlokals um sechs Monate bestätigt, obwohl sowohl die Vorinstanz als auch das Bundesgericht selber festgestellt hatten, dass gar keine Härte im Sinne des Gesetzes vorliege. Diese dogmatisch nicht haltbare Praxis ist abzulehen (vgl. auch die berechtigte Kritik in HAP-Immobiliarmietrecht/ Ruf, N 4.23). Kann eine gewisse Härte dargetan werden, so ist diese den Inte­ ressen des Vermieters gegenüberzustellen. Aus dieser Abwägung ermittelt der Richter die Dauer der zu gewährenden Mieterstreckung (Egli, Kündigungs­ beschränkungen, S.  44; Hasenböhler, Familienwohnung, S.  2; Hulliger/Hein­ rich, CHK, N 2 zu Art. 272 OR; kritisch: Zihlmann, Mietrecht, S. 229, Fn. 81, der aber verkennt, dass eine Härte im absoluten Sinn Voraussetzung für eine Erstreckung bildet, weil das Gesetz nicht einfach eine Interessenabwägung vor­ schreibt; teilweise a.M. Higi, ZK, N 91 und 125 zu Art. 272 OR).

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2.2 17

Umstände des Vertragsabschlusses und Inhalt des Vertrags

Dieser Härtegrund spielt in der Praxis eine untergeordnete Rolle. Zu beurtei­ len ist, zu welchem Zweck das Mietobjekt dem Mieter überlassen wurde und welches die Vorstellungen der Parteien bei Vertragsabschluss über die voraus­ sichtliche Dauer oder über mögliche Beendigungsgründe des Mietverhältnis­ ses gewesen sind. Benützt ein Mieter das Mietobjekt lediglich als Zweitwoh­ nung oder allenfalls als Wochenaufenthalter, so wird in aller Regel keine Härte vorliegen. An einer Härte fehlt es auch, wenn der Mieter von Anfang an weiss, dass er nur für eine beschränkte Zeit im Mietverhältnis verbleiben kann, auch dann, wenn das Mietverhältnis als unbefristetes eingegangen wird: So kann der Mieter z.B. vorübergehend einen Auslandsaufenthalt antreten, weshalb er während seiner Abwesenheit die Wohnung untervermietet. Bean­ sprucht der Untervermieter nun im Hinblick auf seine Rückkehr die Wohnung wieder für den eigenen Gebrauch, so kann keine Härte des Untermieters ange­ nommen werden. Abgesehen davon wären die Voraussetzungen eines dringen­ den Eigenbedarfs gegeben.

18

Wird ein vorübergehend leer stehendes Mietobjekt einem Mieter ausdrücklich für eine durch die geplanten Dispositionen des Vermieters befristete Dauer zu besonders günstigen Konditionen überlassen, so liegt bei Eintritt der vorbe­ haltenen Bedingung zur Vertragsauflösung niemals eine Härte vor (BGE 105 II 198 f., E. 3b; BGE 121 III 260, E. 5b, S. 265). Im Übrigen ist bei dieser Sachlage ein Erstreckungsbegehren als rechtsmissbräuchlich zu erachten.

19

Aus den Umständen oder zufolge ausdrücklicher Regelung kann sich auch erge­ ben, dass die Wohnung als Dienstwohnung vermietet wurde. Von einer sol­ chen kann dann gesprochen werden, wenn der Vermieter zugleich Arbeitgeber des Mieters ist und diesem die Wohnung wegen seiner haupt- oder neben­ beruflichen Tätigkeit überlässt (Cocchi, Dienstwohnung; Higi, ZK, N 143 zu Art. 272 OR; zu weitgehend Thanei, Kündigungsschutz, S. 6, wonach erforder­ lich ist, dass der Arbeitnehmer und Mieter nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, in einer betriebseigenen Wohnung zu wohnen). Als Beispiele kommen etwa Wohnungen für das Personal einer Anstalt oder eine Hauswart­ wohnung in Betracht. Ist zufolge des sachlichen Zusammenhangs die Über­ lassung einer Dienstwohnung mit einem anderen Vertrag, wie z.B. mit einem Arbeitsvertrag gekoppelt, so ist die Anwendung der mietrechtlichen Vor­ schriften über die Vertragsbeendigung (d.h. diejenigen über den Kündigungs­ schutz und die Erstreckung) ausgeschlossen, wenn dieser den überwiegen­ 1040

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den Teil der Leistung ausmacht (BGE 131 III 566, E. 3.1, in: mp 1/06, 22 ff.) bzw. der Arbeitsvertrag die Rechtsbeziehungen der Parteien schwergewichtig prägt und die Überlassung des Mietobjekts als untergeordnete Nebenabrede erscheint. Die Frage, welches Vertragselement überwiegt, beurteilt sich nach der Interessenlage und dem Willen der Parteien (BGE 115 II 452, E. 3a und 118 II 157, E. 3a; Cocchi, Dienstwohnung, S. 53). Zur Ermittlung des Parteiwil­ lens wurden in Lehre und Rechtsprechung verschiedene Kriterien herangezo­ gen. Nach Cocchi (a.a.O., S. 53) soll dabei unter anderem die Höhe des Lohns mit dem Entgelt für die Wohnung verglichen werden; als weiteres Kriterium führt er die Intensität der Arbeitsleistung (Ganztags- oder Teilzeitarbeit) an. Diese Kriterien können indessen nicht massgebend sein. Entscheidend sind vielmehr die Gründe und die Interessen der Parteien, d.h., es kommt auf die Zweckbestimmung des Mietobjekts an. Zieht der bisherige Hauswart z.B. aus der Wohnung aus, und macht der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags zur Bedingung, dass der neue Mieter Hauswartarbeiten verrichten muss, so überwiegt der arbeitsrechtliche Charakter. Dabei ist es unerheblich, ob diese Arbeiten haupt- oder nebenamtlich ausgeführt werden. Ebenso wenig kommt es darauf an, wie das Verhältnis zwischen Mietzins und Lohn ist. Klare Indi­ zien, die darauf hindeuten, dass das arbeitsrechtliche Element überwiegt, bil­ den z.B. folgende Umstände: eine vertragliche Abrede, wonach bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses automatisch auch der Mietvertrag aufgelöst ist; der Arbeitnehmer ist aus dienstlichen Gründen verpflichtet, gewisse Zeiten in der Wohnung zu verbringen (Entscheid des Cour de Justice GE vom 23. Juni 1994, in: mp 2/95, S. 63); die Arbeitsleistung wird durch unentgeltliche Überlassung einer Wohnung entschädigt (vgl. Cocchi, a.a.O., S. 56, der in diesem Fall sogar verneint, dass ein Mietvertrag vorliegt und die Überlassung der Wohnung als arbeitsvertraglichen Naturallohn qualifiziert). Bei Dienstwohnungen kommt eine Erstreckung somit nur in Betracht, wenn 20 das mietvertragliche Element zumindest gleichbedeutend wie das arbeitsver­ tragliche ist (a.M. Higi, ZK, N 202 und 217 ff. zu Vorbem. zu Art. 253–274g OR; Thanei, Kündigungsschutz, S. 6). Selbst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, kann sich indessen aus den Umständen ergeben, dass keine Erstreckung gewährt werden kann, weil die Wohnung für den Nachfolger des ausscheiden­ den Arbeitnehmers benötigt wird (Botsch. 1985, S. 1461; kritisch: Zihlmann, Mietrecht, S. 234, Fn. 93). In einem solchen Fall überwiegt das Interesse des Vermieters eine allfällige Härte des Mieters. Zu den Dienstwohnungen siehe auch N 3.

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2.3

Dauer des Mietverhältnisses

21

Die Dauer des Mietverhältnisses vermag für sich allein eine Härtesituation in aller Regel nicht zu begründen: Der Umstand, dass ein Ersatzobjekt – wenn auch nach langer Mietdauer – bezogen werden muss, lässt sich durch Gewäh­ rung einer Mieterstreckung nicht abwenden. Die verschiedentlich angewen­ dete Praxis, wonach bei älteren Personen nach langer Mietdauer grundsätzlich eine Härtesituation angenommen wird, ist abzulehnen. Wenn nämlich gesagt wird, ältere Leute benötigten mehr Zeit, um sich auf eine veränderte Situa­ tion einzustellen, so widerspricht dies gerade der konstanten höchstrichter­ lichen Rechtsprechung: Damit wird mit der Erstreckung nämlich einzig ein Hinauszögern des Auszugs – ein Verbleib des Mieters zu den für ihn beson­ ders günstigen Verhältnissen – bewirkt. Die lange Mietdauer kann daher nur insofern berücksichtigt werden, als sie ein Indiz für eine besondere Verwurze­ lung des Mieters im Ort oder im Quartier schafft (gl.M. Higi, ZK, N 146 f. zu Art. 272 OR). Ob diese als Härte qualifiziert werden kann, ist indessen im Einzelfall vom Mieter zu konkretisieren und zu beweisen. Eine lange Mietdauer allein begründet jedenfalls noch keine besondere Verwurzelung des Mieters im Quartier (so auch der Entscheid des OGer Zürich vom 22. Februar 2002, in: MRA 4/02, S. 152 ff.). Allenfalls wäre dies auch im Rahmen der persönli­ chen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse (Art. 272 Abs. 2 Buchst. c OR) zu würdigen. Bei der Geschäftsmiete sind kaum Fälle denkbar, in denen die lange Dauer eines Mietverhältnisses für sich allein einen Härtegrund dar­ stellen könnte. Jedenfalls ist nicht erkennbar, warum etwa bei ausreichendem Ersatzangebot auf dem Markt eine Erstreckung gewährt werden sollte, auf die ein anderer Mieter nach kürzerer Mietdauer keinen Anspruch erheben könnte.

22

Abzulehnen ist die «Faustregel», wonach eine umso längere Mieterstreckung zu gewähren ist, je länger das Mietverhältnis gedauert hat (so aber MdP/Spirig, N 30.6.3 und – etwas undifferenziert – Botsch. 1985, S. 1461). Die Dauer eines Mietverhältnisses stellt immer nur ein Element im Rahmen der gesamten auf­ seiten des Mieters zu würdigenden Situation und innerhalb der vorzunehmen­ den Interessenabwägung dar und entbindet somit den Richter nicht davon, die entsprechende Interessenabwägung nach allen im konkreten Fall massgeben­ den Kriterien vorzunehmen.

2.4 23

Persönliche, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse

Unter die persönlichen Verhältnisse, die eine Härte begründen können, fallen Alter, Gesundheitszustand und eventuell Nationalität des Mieters. Betagte 1042

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und kranke oder gebrechliche Mieter können sich in der Regel weniger intensiv um eine Wohnung bemühen. Das Ersatzobjekt hat daher oft auch besonderen Anforderungen zu genügen: z.B. kommt nur eine Wohnung im Erdgeschoss oder in einem Haus mit Lift infrage (Egli, Kündigungsbeschränkungen, S. 42). Ein bestimmtes Alter des Mieters ist für sich allein indes noch keine Härte; es kann aber dann zu einem Härtegrund werden, wenn es dazu führt, dass der Mieter von der Kündigung ausserordentlich betroffen ist und diese Folgen durch eine Erstreckung gemildert werden können, indem dem Mieter mehr Zeit für die mit der Auflösung des Mietverhältnisses erforderliche Neuorien­ tierung gelassen wird (Urteil des Bundesgerichts 4A_106/2014 vom 28.  Mai 2014, E. 4.1). Ein von derartigen Umständen betroffener Mieter muss sich aber unter Umständen Hilfe suchen (Urteil des Bundesgerichts 4A_15/2014 vom 26. Mai 2014, E. 4.1). Ein arbeitstätiger Mieter kann sich nicht auf eine hohe Arbeitslast berufen (Urteil des Bundesgerichts 4A_662/2012 vom 7.  Februar 2013, E. 7.4, in: MRA 2/13, S. 39 ff.). Zu berücksichtigen sind auch vorüber­ gehende besondere Umstände, etwa kurz bevorstehende Geburt eines Kin­ des, bevorstehende Examina, laufendes Scheidungsverfahren usw. (Zihlmann, Mietrecht, S. 232). Unter Umständen kann bei Ausländern auch die Nationa­ lität in gewissem Sinne als Härtegrund betrachtet werden. Allerdings verbietet es sich, verallgemeinernd anzunehmen, allein die Tatsache, dass jemand Aus­ länder sei, erschwere seine Chancen auf dem Wohnungsmarkt. Es ist mithin vom betroffenen Mieter, der behauptet, bei der Suche nach einem Ersatzobjekt benachteiligt zu sein, anhand konkret durchgeführter Suchbemühungen und konkret erfolgten Absagen der Nachweis zu erbringen, dass besondere Schwie­ rigkeiten bestehen. Im Rahmen der persönlichen Verhältnisse weiter zu berücksichtigen sind 24 allenfalls religiöse Aspekte, etwa der Wunsch eines strenggläubigen Juden, in der Nähe einer zu Fuss erreichbaren Synagoge zu wohnen. Ebenfalls wesent­ lich wäre das Interesse, eine in der Nähe wohnende pflegebedürftige Person aus der Verwandtschaft zu betreuen und schliesslich die z.B. aus unregelmässiger Arbeitszeit sich ergebende Notwendigkeit, in der Nähe einer Station des öffent­ lichen Verkehrsnetzes wohnhaft zu sein. Im Bereich der familiären Verhältnisse fallen insbesondere ins Gewicht die 25 Anzahl der Kinder und  – dadurch bedingt  – das Bedürfnis nach einer ent­ sprechend grossen Familienwohnung. Ob alleinerziehende Elternteile auf besondere Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt stossen, wie gelegentlich behauptet wird, ist wiederum konkret anhand ergebnislos gebliebener, aber intensiv betriebener Suchbemühungen nachzuweisen (Thanei, Erstreckung,

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S.  21). Im Zusammenhang mit Kindern sind schliesslich unter Umständen negative Auswirkungen zu berücksichtigen, die sich durch einen Schulwechsel zu einem ungünstigen Zeitpunkt einstellen könnten: Steht z.B. kurz vor oder nach der Vertragsbeendigung der Übertritt in eine höhere Schulstufe nach der Primarschule bevor, so können sich hieraus gewisse Schwierigkeiten ergeben, die im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt werden können. Ein Schulwechsel stellt dagegen nicht generell einen Härtegrund dar, weil sich ein solcher mit einer Mieterstreckung, abgesehen vom soeben dargestellten Son­ derfall, nicht vermeiden, sondern lediglich aufschieben lässt, aber auch des­ halb, weil Kinder erfahrungsgemäss in neuen Schulklassen in der Regel rasch integriert sind. 26

Als Härtegründe fallen nur Umstände in Betracht, die den Mieter oder seine Familienangehörigen persönlich betreffen. Als Familienangehörige sind die nach Art. 333 ZGB unter der Hausgewalt des Mieters und dessen Ehegatten bzw. eingetragenen Partners stehenden Personen zu betrachten. Nicht Famili­ enangehörige im Sinne des Erstreckungsrechts sind in eheähnlicher Gemein­ schaft lebende Personen (BGE 105 II 197, E. 3c; a.M. MfdP/Spirig, N 30.5.2 sowie Weber, BSK, N 4 zu Art. 272 OR). Härtegründe, die lediglich den Partner einer solchen Gemeinschaft betreffen, sind daher grundsätzlich unbeachtlich. Hingegen ist zu berücksichtigen, dass ein legitimes Interesse besteht, die Haus­ gemeinschaft auch in einem anderen Mietobjekt fortzusetzen. Dies ist daher einerseits im Zusammenhang mit den konkreten Suchbemühungen zu berück­ sichtigen. Ein allfälliges Ersatzangebot des Vermieters ist nur «gleichwertig», wenn es die Fortsetzung des partnerschaftlichen Zusammenlebens ermöglicht. Anderseits kann der Mieter allenfalls aufgrund seiner persönlichen Verhält­ nisse eine Härte i.S.v. Art. 272 Abs. 2 Buchst. c OR geltend machen (ähnlich Higi, ZK, N 97 und 151 zu Art. 272 OR mit Beispielen).

27

Die Interessen anderer in Hausgemeinschaft mit dem Mieter lebender Perso­ nen (sogenannte Wohngemeinschaften) sind grundsätzlich als Drittinteresse unbeachtlich. Es besteht somit in der Regel auch kein Anspruch darauf, nur ein Ersatzobjekt zu beziehen, in welchem die Wohngemeinschaft fortgesetzt werden kann. Hat der Mieter indessen ein persönliches Interesse an der Fort­ führung der Wohngemeinschaft, kann unter Umständen eine Härte des Mie­ ters nach Art. 272 Abs. 2 Buchst. c OR vorliegen. Drittinteressen können somit ausnahmsweise auch dann als Härtegrund berücksichtigt werden, wenn sie – zumindest indirekt – zu eigenen Interessen des Mieters werden (Higi, ZK, N 99 zu Art. 272 OR unter Berufung auf BGE 113 II 406, E. 5). Dies ist z.B. der Fall, wenn der Mieter, der aus eigenem Interesse weiterhin mit seinem Konkubi­

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natspartner zusammenleben möchte, eine Ortsgebundenheit seines Partners geltend macht (zum anrechenbaren Drittinteresse des Geschäftsmieters siehe auch N  49  f.). Kann sich der Mieter auf Härtegründe eines Dritten berufen, muss er sich indessen auch die Vorteile, die der Dritte ihm allenfalls verschafft, anrechnen lassen. Von wesentlicher Bedeutung sind die finanziellen Verhältnisse des Mieters. 28 Abzustellen ist – einem im Zivilprozessrecht verankerten Grundsatz folgend – auf die im Zeitpunkt der Beurteilung des Erstreckungsbegehrens tatsächlich vorhandenen Verhältnisse und nicht auf künftige Entwicklungen, ausser, wenn solche mit Sicherheit voraussehbar sind (bevorstehende Pensionierung usw.). Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mieters bestimmen vorab, in wel­ chem Bereich sich der Mietzins bewegt, welcher aufgebracht werden kann: Die Praxis geht dabei von der Faustregel aus, dass insbesondere bei Familien der Mietzins nicht mehr als ein Drittel des monatlich erzielten Nettoeinkommens ausmachen sollte. Im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse ist auch allfällig vorhande­ 29 nes Vermögen zu berücksichtigen, insbesondere ist der Vermögensertrag dem Einkommen zuzurechnen. Verfügt ein Mieter über namhaftes Vermögen, aber relativ bescheidenes Einkommen – dies ist häufig bei Rentnern der Fall –, ist auch zu prüfen, inwieweit es zumutbar ist, das Vermögen für Mietkosten anzu­ brauchen (gl.M. Higi, ZK, N 173 zu Art. 272 OR). Ist bei Familien auch die Ehefrau erwerbstätig, ist ihr Einkommen vollumfänglich mitzuberücksichti­ gen. Lebt ein Mieter in eheähnlicher Gemeinschaft und billigt man zu, dass diese Gemeinschaft auch im Ersatzobjekt fortgeführt werden kann, so ist all­ fälliges Einkommen und Vermögen des Partners ebenfalls zugunsten des Mie­ ters zu berücksichtigen. Schulden des Wohnraummieters können dem Mieter nicht als härtebegrün­ 30 dend zugerechnet werden (mit überzeugender Begründung Higi, ZK, N 174 zu Art. 272 OR). Insbesondere vermögen Eintragungen im Betreibungsregis­ ter keine Härte des Mieters zu begründen. Bei Geschäftsräumen ist zu beurteilen, in welchem Verhältnis der mutmass­ 31 lich für ein Ersatzobjekt zu entrichtende Mietzins zu den Ertragsmöglichkei­ ten steht. Gegebenenfalls hat der Mieter hierüber durch Vorlegung von Jah­ resabschlüssen nähere Angaben zu machen. Über besondere Verhältnisse bei Geschäftsräumen vgl. N 47 ff. Keine Härte kann aus vom Mieter behaupteten und allenfalls getätigten Inves­ 32 titionen im Mietobjekt abgeleitet werden, auch wenn diese im Zeitpunkt der Urban Hulliger

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Vertragsbeendigung noch nicht amortisiert sein sollten (a.M. Higi, ZK, N 170 zu Art. 272 OR bei der unbefristeten Miete von Wohnungen sowie Weber, BSK, N 7 zu Art. 272 OR). Grundsätzlich erbringt der Mieter solche Investitionen, wenn er deren Amortisation nicht durch eine Mindestvertragsdauer absichert, auf eigenes Risiko (so auch der Entscheid des Zürcher OGer vom 22. Februar 2002, E. 5.1, in: MRA 4/02, S. 152 ff., bezüglich massgefertigter Einrichtungs­ gegenstände). Die allenfalls vom Vermieter zu solchen Investitionen erteilte Zustimmung gestützt auf Art. 260a OR schränkt lediglich dessen Recht ein, bei Beendigung des Vertragsverhältnisses die Wiederherstellung des ursprüngli­ chen Zustandes zu verlangen, bzw. berechtigt den Mieter, eine Mehrwertent­ schädigung zu verlangen. Eine Zustimmung des Vermieters zu Investitionen darf indessen nicht als Handlung missverstanden werden, die berechtigtes Ver­ trauen auf eine längere Vertragsdauer erweckt, weil für die Frage der Mietdauer die hierzu speziell getroffenen vertraglichen Regelungen allein massgebend sind. Im Übrigen wäre der Mieter durch einen ihm allfällig nach Art.  260a Abs.  3 OR zustehenden Entschädigungsanspruch abschliessend für getätigte, aber nicht amortisierte Investitionen abgesichert, sofern die entsprechenden Investitionen tatsächlich einen Mehrwert darstellen (Urteil des Bundesgerichts 4C.251/2004 vom 7. September 2004, E. 2.3.1, in: mp 1/06, S. 60).

2.5 33

Verhalten des Mieters

Als weiteres Kriterium nennt Art. 272 Abs. 2 Buchst. c OR das Verhalten der Parteien. Der Vermieter soll sich zur Abwendung einer Erstreckung auch auf pflichtwidriges Verhalten des Mieters berufen können, das weder die Voraus­ setzungen für eine vorzeitige Kündigung (Art. 257f Abs. 3 und 4 OR) noch die­ jenigen eines Erstreckungsausschlussgrundes nach Art. 272a Abs. 1 Buchst. b OR erfüllt (Botsch. 1985, S. 1461; MfdP/Spirig, N 30.6.7.1). Im Rahmen der hier vorzunehmenden Beurteilung fallen somit auch fortgesetzte kleinere Ver­ stösse des Mieters gegen die Hausordnung oder gegen seine vertragliche Ver­ pflichtung, den Mietzins pünktlich zu bezahlen, ins Gewicht. Bagatellverstösse sind indessen nicht zu berücksichtigen (Urteil des Bundesgerichts 4C.226/2000 vom 6. Februar 2001, in: mp 4/01, S. 215 f.: Bagatellverstoss in casu bei einem – bloss formellen – Verstoss des Mieters gegen ein vertragliches Hundehaltungs­ verbot verneint, obwohl die Mieter einen sehr kleinen Hund hielten und die anderen Mieter dadurch nicht belästigt wurden). Schliesslich wird unter die­ sem Aspekt auch eine Unverträglichkeit zwischen einem Mieter und dem Ver­ mieter oder unter verschiedenen Mietern zu berücksichtigen sein. Eine solche ist denkbar, ohne dass einer der Parteien ein Verschulden angelastet werden

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kann. Sie ist im Falle von Problemen zwischen dem Mieter und dem Vermie­ ter in besonderer Weise von Bedeutung, wenn diese im gleichen Haus wohnen (MfdP/Spirig, N 30.7.2).

2.6

Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume/Suchbemühungen

Die Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und 34 Geschäftsräume als nicht von den am Vertragsverhältnis beteiligten Parteien beeinflussbares Element im Rahmen der Gewährung einer Miet­erstreckung erscheint äusserst problematisch. Dies vorab deshalb, weil der Gesetzgeber offen­ gelassen hat, nach welchen Kriterien diese örtlichen Verhältnisse zu ermitteln sind. Es ist somit unbestimmt, auf welche Weise sich die zur Entscheidung beru­ fenen Instanzen (Schlichtungsbehörden und Gerichtsinstanzen) Kenntnis über die massgebenden Verhältnisse auf dem örtlichen Immobilienmarkt verschaf­ fen können. Offizielle Statistiken mit geeigneten Referenzgrössen existieren kaum; auch der in der Praxis namentlich von Vertretern der Mieterinteressen immer wieder ins Feld geführte sogenannte Leerwohnungsbestand erscheint nicht als taugliches Kriterium für die Beurteilung einer örtlichen Marktsitua­ tion (zur fragwürdigen Aussagekraft von Leerstandsquoten als Indikator einer Wohnungsnot vgl. N 16 ff. zu Art. 270 OR; Gratz, Mietzinsgestaltung, S. 58 f.). Der Leerwohnungsbestand erfasst nämlich nur die auf einen bestimmten Stichtag offiziell zur Vermietung gemeldeten Wohnungen, und zwar ohne jede Differenzierung nach Lage, Grösse und Qualität der darin erfassten Wohnun­ gen. Diese statistische Zahl ist somit für die Beurteilung der Marktverhältnisse nicht repräsentativ. Dies vor allem deshalb, weil heute die überwiegende Zahl von Mietverhältnissen durch die Mieter sogenannt ausserterminlich, d.h. nicht unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen, auf­ gelöst werden. Dadurch, dass Mieter in der Folge Ersatzmieter anbieten oder Liegenschaftenverwaltungen auf pendente Anmeldungen zurückgreifen kön­ nen, gelangen die entsprechenden Wohnungen nie offiziell in die Statistiken bzw. stehen nie leer. Über die Erhebung des Leerwohnungsbestandes beste­ hen sodann mindestens im Kanton Zürich keine einheitlichen Richtlinien. Es fehlt auch an einer Kontrollinstanz. Die Zuverlässigkeit der Erhebung ist daher nicht gewährleistet (HEV Zürich, Mitteilungen 8/1990, S. 288 f., zu einer offi­ ziell beim Regierungsrat des Kantons Zürich gestellten Anfrage). Der Leer­ wohnungsbestand ist denn auch tatsächlich hauptsächlich ein Trendindikator für Gesamtzusammenhänge am Wohnungsmarkt; mehr vermag er, obwohl hauptsächlich in der politischen Diskussion immer wieder mehr in ihn «hin­ Urban Hulliger

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eingelesen» wird, nicht sein. Aus den niedrig wirkenden Leerwohnungsziffern kann denn auch nicht geschlossen werden, dass ein Wohnungssuchender nur wenig Chancen habe, eine freie Wohnung zu finden (Gratz, Mietzinsgestal­ tung, S. 60). 35

Ist schon das Abstellen auf einen sogenannten «Leerwohnungsbestand» für die Ermittlung einer allfälligen Härtesituation eines Mieters grundsätzlich ein pro­ blematisches Kriterium (vgl. dazu auch N 16 ff. zu Art. 270 OR), so trifft dies noch mehr auf die Bestimmung einer Grenze des prozentualen Anteils an soge­ nannten «Leerwohnungen» im Verhältnis zum gesamten Wohnungsbestand zu, die eine Notsituation indizieren soll. Recht unterschiedlich sind denn auch die in der Literatur hierzu angeführten Werte (als Richtwert verweist Thanei, Erstreckung, S. 26, Fn. 106, auf einen Wert von 0,5%; MfdP/Spirig, N 30.6.6, nennen 1,5%). Da keine offiziellen Statistiken geführt werden, sollten im Zusammenhang mit der Not von Wohn- und Geschäftsräumen zusätzlich zur Leerwohnungsziffer (Verhältnis Leerwohnungsbestand zum gesamten Woh­ nungsbestand) noch folgende Kriterien berücksichtigt werden: –– Gewichtung der Qualität der freien Wohnungen (mit Bezug auf Lage, Preis, Grösse und Zustand); –– Dauer eines allfälligen Leerstandes als Indiz dafür, wie sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage ausgestaltet; –– Statistische Angaben über den Anteil des Mietzinses an den gesamten Haushaltsausgaben innerhalb der betreffenden Gemeinde; –– Entwicklung des sogenannten Wohnkostenindexes, weil dieser direkt das Verhältnis von Angebot und Nachfrage widerspiegelt; –– Intensität der Inanspruchnahme von Schlichtungsbehörden, weil auch hierin ein Indiz für eine allenfalls bestehende Not an Wohn- und Geschäfts­ räumen erblickt werden kann.

36

Nachdem klare und einigermassen verlässliche Kriterien über die Beurteilung der örtlichen Marktsituation im Immobilienbereich nicht vorhanden sind, besteht die Gefahr, dass Richter sich von einer Art «öffentlicher Meinung» über die entsprechenden Verhältnisse leiten lassen. Das Umsetzen einer sogenann­ ten öffentlichen Meinung in «gerichtsnotorisches Wissen» ist grundsätzlich problematisch und im Bereich des Mieterstreckungsrechts, in dem die verfas­ sungsmässige Eigentumsgarantie des Vermieters eingeschränkt wird, abzuleh­ nen.

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Im richtig verstandenen Sinn können die soeben dargelegten Überlegungen 37 und Kriterien für die Ermittlung der Marktsituation keinesfalls mehr bedeu­ ten als Vermutungen, die jedoch im einzelnen Fall anhand der konkreten Verhältnisse entkräftet werden können (ähnlich Higi, ZK, N 212 ff. zu Art. 272 OR). Korrekt angewendet verlangt Art.  272 Abs.  2 Buchst.  e OR einerseits eine Beurteilung der konkret und ernsthaft vom Mieter getätigten Suchbemü­ hungen und deren Resultate, was voraussetzt, dass auch im Ersterstreckungs­ verfahren solche Suchbemühungen zu betreiben sind (Urteil des Bundesge­ richts 4C.365/2006 vom 16. Januar 2007, E. 4.1; vgl. dazu Higi, ZK, N 215 zu Art. 272 OR, welcher von einem «Tatbeweis der Härte durch Suchbemühun­ gen» spricht). Anderseits muss dem Vermieter Gelegenheit geboten werden, durch Hinweis auf für den Mieter geeignete Ersatzräumlichkeiten, die seit Erhalt der Kündigung auf dem Markt angeboten worden sind, zu widerlegen, dass besondere Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für die konkret gesuch­ ten Räumlichkeiten die Annahme einer Härte rechtfertigen (Egli, Kündigungs­ beschränkungen, S. 42 f.). Nach geltender Praxis wird vorausgesetzt, dass der Mieter nicht untätig bleibt, 38 sondern sich sofort nach Erhalt einer Kündigung ernsthaft um andere Räume zu bemühen hat (BGE 102 II 256; 110 II 249, E. 4; Urteile des Bundesgerichts 4A_577/2009 vom 4. März 2010, in: MRA 1/11, S. 19 ff. und 4A_452/2010 vom 22. November 2010, in: MRA 3/11, S. 107 ff.). Dies gilt schon in einem Erster­ streckungsverfahren und nicht erst in einem allfälligen Zweiterstreckungs­ verfahren (Urteil des Bundesgerichts 4A_106/2014 vom 28. Mai 2014, E. 4.1, m.w.H.; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 272 OR). Der Mieter hat auch dann unverzüglich ernsthafte Suchbemühungen zu unternehmen, wenn er die Kündigung angefochten hat. Die Ernsthaftigkeit betriebener Suchbemühun­ gen bestimmt sich grundsätzlich nach objektiven Kriterien. Diese bestim­ men, an welcher Lage, zu welchem Preis und zu welcher Grösse sich der Mie­ ter nach Ersatzräumlichkeiten umzusehen hat. Als ungenügend einzustufen wären z.B. Suchbemühungen, die sich lediglich auf ein einzelnes Stadtquar­ tier beziehen, obwohl dem Mieter durchaus auch ein Wechsel des Quartiers oder gar ein Wechsel des Wohnorts ohne Weiteres zugemutet werden könnte. Ungenügend sind sodann Suchbemühungen, wenn der Mieter in einem beson­ ders günstigen Mietobjekt wohnt und seine Suchbemühungen nur auf Ersatz­ objekte beschränkt, die in einer ähnlichen Preisklasse liegen, obwohl ihm auf­ grund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse durchaus auch der Bezug eines teureren Objekts zugemutet werden könnte. Ebenso wäre es unge­ nügend, wenn ein alleinstehender Mieter seine Suchbemühungen auf 3½- oder 4½-Zimmer-Wohnungen beschränken würde, obwohl keine Umstände vor­ Urban Hulliger

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liegen, die den Bezug kleinerer Wohnungen ausschliessen (Higi, ZK, N  102 zu Art. 272 OR). Als elementare Voraussetzung dafür, dass man von ernsthaf­ ten Suchbemühungen sprechen kann, ist zu fordern, dass mindestens die Inse­ rate in den Tageszeitungen und die Angebote im Internet beobachtet werden und dass sich ein Mieter auf geeignete Objekte meldet. Der allgemeine Hin­ weis, man rechne sich bezüglich konkret zur Vermietung angebotener Objekte von vornherein keine Chancen aus, weshalb entsprechende konkrete Aktivitä­ ten unterblieben seien, vermöchte eine Härte zufolge der Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt in keinem Fall zu begründen. Beweispflichtig für die unter­ nommenen Suchbemühungen ist im Übrigen der Mieter. Für den rechtsge­ nügenden Beweis genügt der Hinweis auf dem Gericht eingereichte Kopien von auf Internetportalen oder in Tageszeitungen offerierten Mietgelegenhei­ ten nicht. Der Mieter hat darzulegen und im Bestreitungsfalle zu beweisen, ob und bei wem er sich beworben hat, ob er das potenzielle Ersatzobjekt besich­ tigt hat und weshalb ein Mietvertrag nicht abgeschlossen werden konnte. Zu den Suchbemühungen bei Objekten, auf die der Mieter vom Vermieter hinge­ wiesen wird, siehe N 77. 39

In gewissen Ausnahmefällen (z.B. familiär schwierige Situation) sind bei den Suchbemühungen indessen auch die persönlichen Verhältnisse des Mieters zu berücksichtigen (Urteil des Bundesgerichts vom 31. Januar 1996, in: MRA 5/96, S. 202 ff., in Bezug auf eine Zweiterstreckung; Urteil des Bundesgerichts 4C.155/2003 vom 3. November 2003, E. 4.1).

40

Auch dann, wenn davon auszugehen ist, dass es nahezu aussichtslos ist, ange­ messene Ersatzlokalitäten zu finden (N 12), muss der Mieter sich über erfolg­ lose Suchbemühungen ausweisen. In einem derartigen Fall dürfen indessen keine übertriebenen Suchbemühungen verlangt werden (BGE 116 II 447, E. 3b, in: mp 1/91, S. 6 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.155/2003 vom 3. November 2003, E. 4.1).

41

Ficht der Mieter die Kündigung an, so ist er auch während des laufenden Kün­ digungsschutzverfahrens grundsätzlich gehalten, ernsthaft nach Ersatzlokali­ täten zu suchen (N 42 zu Art. 271 OR; Higi, ZK, N 96 zu Art. 271 OR; Hul­ liger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 272 OR; vgl. N 215 zu Art. 272 OR; Urteile des Bundesgerichts 4A_518/2010 vom 16.  Dezember 2010, E.  3.3, in: MRA 2/11, S. 59 ff., m.w.H. und 4A_568/2008 vom 18. Februar 2009, E. 5, in: MRA 5/08, S. 195 ff.). Nur wenn die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Kündigung ernstlich infrage steht, können an die Suchbemühungen etwas weniger hohe Anforderungen gestellt werden (Zihlmann, Mietrecht, S. 231; Urteile des Bun­

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desgerichts 4C.155/2003 vom 3. November 2003, E. 4.1 und 4C.343/2004 vom 22. Dezember 2004, E. 4.2, in: mp 2/05, S. 100 ff. sowie in: MRA 3/05, S. 124 ff.). Keine oder ungenügende Suchbemühungen können je nach den Umständen 42 zu einer Reduktion der Erstreckungsdauer führen (BGE 125 III 226, E. 4c, in: Pra 88, S. 814 sowie in: MRA 4/99, S. 166 ff.; Urteile des Bundesgerichts 4C.343/2004 vom 22. Dezember 2004, E. 4.3 und 4.4 sowie 4C.365/2006 vom 16. Januar 2007, E. 4.1, in: mp 3/07, S. 186 ff. sowie in: MRA 5/06, S. 171 ff.) oder gar eine Erstreckung ausschliessen (Urteil des Bundesgerichts 4C.155/2003 vom 3. November 2003, E. 4.2). Liegt keine Ausnahmesituation vor, aufgrund derer sich Suchbemühungen erübrigen, ist es nicht angängig, dass das Miet­ verhältnis trotz unterlassener Suchbemühungen längstmöglich erstreckt wird (so aber Cour de Justice Genf vom 7. April 2003, E. 5, in: mp 3/03, S. 137 ff.). Beruft sich der Mieter auf eine allgemein prekäre Marktsituation, so ist er hie­ 43 für beweispflichtig. Wie dargelegt wurde, bestehen keine offiziellen Aussagen über die Marktverhältnisse und schon gar nicht in Bezug auf einzelne Kate­ gorien von Mietobjekten. Das Abstellen auf eine namentlich durch die Presse gestaltete «öffentliche Meinung» zu dieser Frage verbietet sich. Die Berücksich­ tigung des sogenannten Leerwohnungsbestandes hätte lediglich den Stellen­ wert einer Vermutung, die widerlegbar ist (Egli, Kündigungsbeschränkungen, S. 43). So kann der Vermieter z.B. den Nachweis antreten, dass seit Erhalt der Kündigung verschiedene Mietobjekte zur Vermietung ausgeschrieben worden sind, die sich nach Lage, Grösse und Preis ohne Weiteres für die Bedürfnisse des Mieters geeignet hätten. Weiter kann der Vermieter den Nachweis dafür antreten, dass der Mieter gar nicht auf ein dem bisherigen Objekt entsprechen­ des Ersatzobjekt hinsichtlich Preis, Grösse oder Lage angewiesen ist, dass mit anderen Worten auch ein Ersatzobjekt in einer anderen Gegend, die günstigere Marktverhältnisse aufweist, zumutbar wäre. Für Geschäftsräume gelten die unter N 34 ff. vorstehend dargestellten Überle­ 44 gungen analog. Auch hier sind die Marktverhältnisse aufgrund der konkreten, vom Mieter nachzuweisenden Suchbemühungen und deren Resultate zu beur­ teilen. Hinsichtlich der Anforderungen an ein Ersatzobjekt sind daher ähnli­ che Kriterien von Bedeutung. Gegenüber Wohnungsmieten sind in der Regel die Anforderungen an Suchbemühungen im Rahmen eines Ersterstreckungs­ verfahrens höher anzusetzen: Die Geschäftserfahrenheit, aber auch die bei ver­ schiedenen Geschäftsbereichen vorhandenen Kunden- oder Geschäftsbezie­ hungen eröffnen einem Geschäftsmieter zusätzliche Möglichkeiten, die bei der Wohnungsmiete in der Regel nicht gegeben sind. Unter Umständen kann auch verlangt werden, dass ein Geschäftsmieter selber inseriert. Urban Hulliger

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2.7

Andere Härtegründe

45

Der in Art.  272 Abs.  2 OR aufgeführte Katalog von Kriterien, die der Rich­ ter bei der Beurteilung einer Mieterstreckung zu berücksichtigen hat, ist nicht abschliessend. Je nach den konkreten Verhältnissen können weitere Härte­ grunde seitens des Mieters oder zusätzliche Interessen aufseiten des Vermie­ ters in Betracht fallen.

46

Gelegentlich wird die Auffassung vertreten, es könne auch eine Härte geltend gemacht werden, wenn der Mieter ein konkretes Ersatzobjekt in Aussicht hat, dieses jedoch wegen eines Umbaus oder aus anderen Gründen erst nach einer gewissen Zeit beziehen kann. Zweifellos stellt es eine gewisse Härte dar, wenn ein Wohnungsmieter innert kürzerer Zeit zweimal umziehen muss. Auch hier ist jedoch eine Interessenabwägung vorzunehmen. Keineswegs verschaffen sol­ che Umstände immer einen Anspruch darauf, in jedem Fall einen zweimaligen Umzug zu vermeiden (vgl. hierzu Egli, Kündigungsbeschränkungen, S.  41). Die Praxis anerkennt eine Härte nur, wenn ein Mieter in verhältnismässig kur­ zer Zeit zweimal umziehen müsste und ihm dies wegen seiner finanziellen Ver­ hältnisse nicht zugemutet werden kann. Das Bundesgericht hielt jedenfalls fest, bei dringendem Eigenbedarf des Vermieters könne eine Erstreckung gewährt werden, falls sich ein doppelter Umzug innert Jahresfrist als nötig erweise. Da im konkreten Fall der Mieter frühestens 19 Monate nach dem Kündigungszeit­ punkt in sein eigenes Heim einziehen konnte, erachtete es indessen einen zwei­ maligen Umzug als zumutbar (SJZ 91, S. 116; siehe dazu N 54 f.).

2.8

Besondere Umstände bei Geschäftsräumen

47

Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, die Anforderungen an die Erstreckung von Geschäftsräumen gesondert von denjenigen bei Wohnräumen zu regeln. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erstreckung von Geschäftsräu­ men entsprechen sinngemäss denjenigen bei der Wohnungsmiete, was bezüg­ lich der Kriterien von Art.  272 Abs.  2 Buchst.  a und b sowie Buchst.  e OR wegen der grundsätzlich geforderten Einzelfallbezogenheit nicht weiter pro­ blematisch ist. Etwas schwieriger gestaltet sich die Analogie zu Art. 272 Abs. 2 Buchst. c OR, wobei die hier zu berücksichtigenden Verhältnisse des Mieters vorab in den konkreten Bedürfnissen des betroffenen Geschäftsbetriebes zu suchen sind.

48

Mit den wirtschaftlichen Verhältnissen ist in erster Linie die Ertragssituation des in den Geschäftsräumlichkeiten betriebenen Unternehmens angesprochen,

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aus der sich ableiten lässt, in welchem finanziellen Bereich sich ein Ersatzob­ jekt bewegen kann. Von Bedeutung ist auch, ob der betroffene Geschäftsbe­ trieb einem Einzelnen oder einer Familie als Existenzgrundlage dient. Betreibt eine Unternehmung z.B. in der gleichen Ortschaft mehrere Ladengeschäfte, d.h. Filialen, so wird es kaum als Härte in Betracht fallen, wenn mangels eines geeigneten Ersatzobjekts vorübergehend ein Filialgeschäft nicht mehr betrie­ ben werden kann. Abzustellen ist sodann darauf, ob der Mieter wirklich das entsprechende Geschäft selber betreibt oder aber, wenn auch mit Billigung des Vermieters, den Geschäftsbetrieb an eine von ihm beherrschte Aktiengesell­ schaft oder andere juristische Person untervermietet hat. Nach der konstan­ ten Gerichtspraxis sind nämlich im Rahmen von Erstreckungsverfahren nur die Interessen des Mieters, nicht aber allfälliger Untermieter zu berücksichti­ gen (N 25 f. und N 5 f. zu Art. 273b OR). Dies muss auch gelten, wenn der Mie­ ter einen Geschäftsbetrieb an eine von ihm selbst beherrschte oder sonst wie nahestehende Drittperson oder juristische Person überlassen bzw. unterver­ mietet hat. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass jemand, der sich im Hinblick auf die Erlangung gewisser Vorteile im Rechtsverkehr einer bestimmten Rechts­ form bedient, sich auch die damit verbundenen Nachteile entgegenhalten las­ sen muss. Ein «Quasi-Durchgriff» zugunsten des eine juristische Person wirt­ schaftlich beherrschenden Aktionärs als Mietpartei ist abzulehnen (Bär Rolf, ZBJV 125/1989, S. 140 f., zu BGE 113 II 31, E. 2c und 113 II 406, E. 5). Ist unter den wirtschaftlichen Verhältnissen die Ertragssituation des in den 49 Lokalitäten betriebenen Unternehmens angesprochen, liegt beim Mieter keine Härte vor, wenn nicht er, sondern ein Dritter in den Lokalitäten ein Geschäft betreibt. Dies gilt selbst dann, wenn der Dritte ein enger Verwand­ ter des Hauptmieters ist. Zwar hält Abs.  1 der Bestimmung fest, eine Erstre­ ckung könne gewährt werden, wenn die Kündigung für ihn oder seine Fami­ lie eine Härte zur Folge habe. Als Familienangehörige sind der Ehepartner und die Personen, die unter der Hausgewalt des Mieters stehen, zu betrachten (vorne N 26 f.). Voraussetzung, dass die Härte der Familienmitglieder berück­ sichtigt wird, ist somit nach Sinn und Zweck des Gesetzes, dass diese zusam­ men mit dem Mieter im Mietobjekt leben. Folglich kann nur bei der Miete von Wohnungen die Härte der Familie berücksichtigt werden. Bei der Miete von Geschäftsräumen fällt jedoch die Härte, die nicht den Mieter, sondern sein Familienmitglied als tatsächlichen Benützer der Lokalitäten trifft, als Drittin­ teresse ausser Betracht. Als Drittinteresse nicht zu berücksichtigen sind auch die als «Härte» bezeichneteten Folgen, welche die Arbeitnehmer des Mieters trifft (in diese Richtung gehend aber Urteil des Bundesgerichts 4A_62/2010 vom 13. April 2010, E. 6.1.1, wo dies bei Gefährdung des Betriebs der Mieterin Urban Hulliger

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als bedeutsam erachtet wurde; 4C.343/2004 vom 22. Dezember 2004, E. 4.3, in: mp 2/05, S. 100 ff. sowie in: MRA 3/05, S. 124 ff.; Weber, BSK, N 4a zu 272 OR, stimmt dieser vom Bundesgericht eingeschlagenen Tendenz zu; ablehnend: Higi, ZK, N 93 ff. zu Art. 272 OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 272 OR; HAP-Immobiliarmietrecht/Ruf, Rz. 4.55). Der Geschäftsmieter kann sich nur dann auf die bei den Arbeitnehmern eintretenden Nachteile berufen, wenn dies bei ihm selber zu einer Härte führt. Kann der Mieter z.B. nachweisen, dass bei einem Ortswechsel die Arbeitnehmer kündigen, weil sie nicht bereit sind, einen längeren Arbeitsweg in Kauf zu nehmen, hat dieser bei den Arbeitneh­ mern eintretende Umstand eine Härte des Mieters zur Folge, weil ihm nicht mehr genügend Personal zur Verfügung steht. Führt die Kündigung indessen zu einer Gefährdung der Arbeitsstellen, wirkt sich dieser Umstand nicht auto­ matisch härtebegründend für den Mieter aus. 50

Bei der Beurteilung der Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume sind die Überlegungen gemäss N  34  ff. vorstehend analog he­ranzuziehen. Hier ist noch die Besonderheit zu erwähnen, dass bei Geschäfts­ räumlichkeiten eine dem «Leerwohnungsbestand» entsprechende vergleich­ bare Statistik nicht existiert und daher schlechterdings nicht zu erkennen ist, gestützt auf welche Grundlagen ein Mitglied einer Schlichtungsbehörde oder eines Mietgerichts in der Lage sein soll, Vorstellungen über die Verhältnisse auf dem örtlichen Markt zu besitzen. Bei Geschäftsräumen rechtfertigt sich daher in besonderer Weise die hier vertretene Auffassung, dass die entsprechenden Verhältnisse nur gestützt auf die vom Mieter konkret nachgewiesenen Suchbemühungen und deren Resultat beurteilt werden können.

51

Zu berücksichtigen sind im Rahmen der Beurteilung einer allfälligen Härte besondere Raumbedürfnisse eines Geschäftsbetriebes, z.B. Anforderungen an die Tragfähigkeit von Böden, eventuell Zufahrtsmöglichkeiten, allfällig mit der Geschäftsausübung verbundene Immissionen sowie eventuell Anforderungen bezüglich Standort, z.B. bei Betrieben mit dem Bedarf nach einer ausgespro­ chenen Passantenlage (Egli, Kündigungsbeschränkungen, S. 42; Thanei, Erstre­ ckung, S. 29).

52

Mieterseits erbrachte Investitionen stellen keinen Härtegrund dar (N 32).

53

Handelt es sich um einen Geschäftsbetrieb, der vorab auf eine grössere Stammkundschaft zählt, dürfen in der Regel auch weiträumigere Standortverlegun­ gen zuzumuten sein. Beschäftigt ein Unternehmen eine grössere Anzahl von Arbeitnehmern, so kann ins Gewicht fallen, ob der Standort eines Ersatzob­

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jektes verkehrsmässig, namentlich durch öffentliche Verkehrsmittel, genügend erschlossen ist. Problematisch erscheint es, wenn ein Geschäftsmieter geltend macht, es stehe 54 ihm in absehbarer Zeit ein Ersatzobjekt in Aussicht und mit der Erstreckung werde bezweckt, einen zweimaligen Umzug in relativ kurzer Zeit zu vermei­ den. Auch hier gilt, dass eine konkrete Interessenabwägung vorzunehmen ist; ein absoluter Anspruch des Mieters auf Gewährung einer Erstreckung besteht nicht. Das Bundesgericht hat einen Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich 55 bestätigt, in dem einem Mieter, der ca. 2 Jahre nach Erhalt der Kündigung ein Ersatzobjekt beziehen wollte, das ihm selbst gehörte, lediglich eine Erstre­ ckung um ein Jahr gewährt wurde. Weil einer weitergehenden Mieterstreckung gewichtige Interessen des Vermieters entgegenstanden, konnte der Mieter nach diesem Entscheid keinen Anspruch darauf erheben, einen zweimaligen Umzug unter allen Umständen zu vermeiden. Es wurde als zumutbar erachtet, dass bei dieser Situation der Mieter eine Zwischenlösung ins Auge zu fassen und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen hatte. In grund­ sätzlicher Hinsicht hatte das Obergericht festgehalten, dass der Erstreckungs­ anspruch des Mieters umso eher begründet sei, je kürzer die Übergangszeit bis zum Bezug eines eigenen Objektes sei. Beachtliche Interessen des Vermie­ ters vorausgesetzt, sei ein Mieter bei einer Übergangszeit von mehr als sechs Monaten jedoch gehalten, sich nach einem geeigneten – obwohl nur vorüber­ gehend benötigten – Ersatzobjekt umzusehen. Demgemäss dürfe er in dieser Situation nicht zum Nachteil des Vermieters untätig bleiben und müsse ihm zumutbare Suchbemühungen auch im Ersterstreckungsverfahren vorbrin­ gen können (Entscheid des Bundesgerichts vom 5. September 1988; Beschluss OGer Kanton Zürich II. Zivilkammer vom 11. Februar 1988; zum Ganzen vgl. auch N 45).

3.

Interessen des Vermieters

3.1

Eigenbedarf des Vermieters

Eigenbedarf setzt voraus, dass der Vermieter ernsthafte, nach den Umständen 56 einleuchtende Gründe geltend machen kann, die vermieteten Räume für sich oder nahe Verwandte oder Verschwägerte zu beanspruchen (BGE 99 II 50, E. 2; 99 Ia 312, E. 1a; Egli, Kündigungsbeschränkungen, S. 35 ff.). Der Eigen­

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bedarf muss zudem konkret und aktuell, nicht bloss zukünftig oder hypothe­ tisch sein (MfdP/Spirig, N 30.7.4.1). 57

Seit der Revision des Mietrechts, das auf 1. Juli 1990 in Kraft getreten ist, stellt der Eigenbedarf keinen Erstreckungsausschluss mehr dar. Die Rechtsprechung, die unter dem Geltungsbereich des früheren Mietrechts (Art.  267c OR) auf­ grund dieser Ausnahmeregelung einen engen Begriff des Eigenbedarfs kon­ kretisiert hatte, hat daher an Bedeutung verloren (vgl. BGE 98 II 105; 99 Ia 312, E. 1a; 99 II 50, E. 2; 99 II 164, E. 3; ZR 71 [1975] Nr. 73; SJZ 71, S. 368). Nach­ dem der Eigenbedarf im revidierten Mietrecht eine Erstreckung nicht mehr generell ausschliesst, sondern im Rahmen der Interessenabwägung bei Vorlie­ gen einer Härte des Mieters lediglich als ein – wenn auch gewichtiges – Ele­ ment zugunsten des Vermieters zu berücksichtigen ist, ist die enge Begriffs­ umschreibung, wie sie von der Rechtsprechung zu Art.  267c Buchst.  c aOR entwickelt worden ist, nicht mehr massgebend. Dies gilt insbesondere für die unter dem früheren Recht angewendete Praxis, wonach bei Unternehmungen ein Eigenbedarf nur dann angenommen worden war, wenn er für die eigene Geschäftstätigkeit geltend gemacht wurde. Das hängt auch mit den Entwick­ lungen auf dem Wirtschaftssektor zusammen: Es haben sich in den letzten Jahrzehnten Firmenkonglomerate gebildet, die aus den verschiedensten Unter­ nehmungen zusammengesetzt sind, seien sie als Holdingstrukturen organisiert oder in anderer Weise wirtschaftlich miteinander verbunden, also z.B. über die Eigentumsverhältnisse an Aktien von natürlichen und juristischen Per­ sonen an Mutter-, Tochter- oder Schwesterunternehmungen. Als Eigenbe­ darf zu betrachten ist im Lichte dieser Entwicklung somit auch das Interesse eines Vermieters, die Räume und Flächen, über die verfügt werden soll, einer in diesem Sinne verwandten Unternehmung, die mit ihr in einer Unterneh­ mensstruktur oder in einer Holdinggesellschaft oder in anderer Weise wirt­ schaftlich eng verbunden ist, zur Verfügung zu stellen. Insofern gilt die Aus­ dehnung des Eigenbedarfs auf nahe Verwandte auch für Unternehmungen und natürliche Personen, die in der beschriebenen Weise miteinander verbunden sind. Das Bundesgericht hat dies zumindest mit Bezug auf das Verhältnis zwi­ schen Aktionariat und Gesellschaft in verschiedenen Entscheidungen bestä­ tigt, so im Urteil 4C.139/2000 vom 10. Juli 2000, in BGE 132 III 737 und auch im Entscheid 4A_297/2010 vom 6. Oktober 2010 (vgl. Kommentar zum Urteil des Bundesgerichts 4C.85/2006 vom 24.  Juli 2006, in: MRA 3/08, S.  135  ff.). Das Bundesgericht hat im Übrigen erkannt, dass keine enge Umschreibung des Begriffs Eigenbedarf ausschlaggebend ist für die Beurteilung der Frage, ob eine Kündigung legitim ist oder nicht. Vielmehr ist auch das Interesse eines Eigen­

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tümers, ein Mietobjekt einer Unternehmung zu vermieten, die ihm nahesteht, ein legitimes Kündigungsinteresse. Will der Vermieter umbauen, bevor er in das von ihm gekündigte Objekt ein­ 58 ziehen will, wurde ein Eigenbedarf unter altem Recht nur geschützt, wenn schon während des Erstreckungsverfahrens eine rechtskräftige Baubewilligung vorlag (BGE 99 II 164). Zu Recht hat das Bundesgericht diese Praxis unter dem Geltungsbereich des revidierten Mietrechts nicht mehr aufrechterhalten. Der Eigenbedarf ist als Kündigungsmotiv auch dann beachtlich, wenn er erst nach Durchführung von baulichen Massnahmen realisiert werden kann (BGE 142 III 336, so dies sogar für den dringenden Eigenbedarf, der im konkreten Fall wegen einer laufenden Sperrfrist vorausgesetzt war, entschieden wurde). Der Eigenbedarf ist schliesslich, auch wenn er nur für eine Teilfläche eines Mietob­ jekts geltend gemacht wird, ein legitimer Kündigungsgrund (BGE 142 III 336; 118 II 50, E. 3c; 138 III 59; Urteil des Bundesgerichts 4A_52/2015 vom 9. Juni 2015). Im geltenden Recht ist nunmehr auch der Eigenbedarf des Untervermieters als 59 solcher zu berücksichtigen, nachdem der Gesetzgeber in der entsprechenden Bestimmung weiterhin vom «Eigenbedarf des Vermieters» und nicht von dem­ jenigen des «Eigentümers» spricht (gl.M. Higi, ZK, N 192 zu Art. 272 OR und Zihlmann, Mietrecht, S. 235; vgl. dazu auch BGE 118 II 50, E. 4, der vom Eigen­ bedarf des Vermieters oder Eigentümers spricht; unzutreffend der Entscheid des Mietgerichts Waadt vom 1. Mai 1992, in: mp 1/93, S. 41 ff., wonach mit dem Eigenbedarf des Vermieters nur derjenige des Eigentümers gemeint sei). Als zusätzliches Element ist bei der Interessenabwägung im Rahmen einer 60 Miet­erstreckung auch die Dringlichkeit des Eigenbedarfs zu berücksichtigen. Die Formulierung des Gesetzes lässt erkennen, dass der Eigenbedarf des Ver­ 61 mieters in jedem Fall im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichti­ gen ist und Dringlichkeit nicht grundsätzlich Voraussetzung für die Geltend­ machung eines solchen Bedarfs bildet. Die Dringlichkeit wird indessen im Zusammenhang mit der Bemessung einer allfälligen Mieterstreckung ein spe­ ziell zu würdigendes Kriterium darstellen (BGE 118 II 50, E. 3b und c; Botsch. 1985, S. 1461 f.; Thanei, Erstreckung, S. 31). Dringlichkeit ist immer dann anzu­ nehmen, wenn der Vermieter nachweisen kann, dass er das Mietobjekt auf einen bestimmten Zeitpunkt hin benötigt, z.B. weil ihm auf den erwähnten Zeitpunkt hin das bisher benutzte Mietverhältnis gekündigt worden ist oder weil er, bzw. die Person, für die Eigenbedarf geltend gemacht wird, aus dem Ausland zurückkehrend, eine Arbeitsstelle in der Nähe des benötigten Miet­

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objekts antreten wird. Dringlichkeit kann sodann auch dadurch gegeben sein, dass der Vermieter bereits über eine Baubewilligung verfügt, deren Gültigkeit befristet ist, weshalb mit den Umbauarbeiten noch vor Ablauf der Gültigkeits­ dauer begonnen werden sollte (Thanei, Erstreckung, S. 31). Dabei ist unerheb­ lich, ob mit Bezug auf andere Mietobjekte schon bereinigte Verhältnisse vorlie­ gen, weil den Interessen des Vermieters nur die persönlichen Härtegründe des Mieters entgegengestellt werden können. 62

Dringender Eigenbedarf setzt somit nicht eine Zwangs- oder gar Notlage des Vermieters voraus, die ausschliesslich auf seine Wohnverhältnisse zurück­ zuführen ist. Ein solcher Eigenbedarf ist vielmehr immer dann gegeben, wenn es dem Vermieter aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen nicht zuzumu­ ten ist, auf die Benutzung der vermieteten Wohnung oder des Hauses zu ver­ zichten. Das Erfordernis der Dringlichkeit ist nicht nur zeitlich, sondern auch sachlich zu verstehen. Es müssen deshalb Gründe vorliegen, denen auch nach objektiver Beurteilung eine gewisse Bedeutung zukommt (BGE 142 III 336; 118 II 50, E.  3c; Urteil des Bundesgerichts 4C.17/2006 vom 27.  März 2006, E. 3.1, in: MRA 2/06, S. 61 ff.). Eine wegen dringendem Eigenbedarf zulässige Kündigung schliesst die Erstreckung des Mietverhältnisses nicht aus. Der Rich­ ter ist vielmehr gehalten, eine zusätzliche Interessenabwägung vorzunehmen, bei der die Dringlichkeit des Eigenbedarfs als Massstab für die Erstreckungs­ dauer dient (BGE 118 II 50, E. 4).

63

Der Eigenbedarf ist für den Vermieter sowie für seine nahen Verwandten oder Verschwägerten zu berücksichtigen. Neben der Ehe vermag auch die Eintra­ gung einer Partnerschaft eine Verwandtschaft oder Schwägerschaft zu begrün­ den (Art. 21 ZGB). Das Gesetz umschreibt den Begriff der nahen Verwandten oder Verschwägerten nicht näher. Die Grenzziehung zwischen nahen und ent­ fernten Verwandten/Verschwägerten ist daher als fliessend zu erachten. Abzu­ stellen ist nicht nur auf den Verwandtschaftsgrad allein, sondern auch auf die konkrete Intensität der gegenseitigen Beziehungen (Schmid, ZK, N 15 ff. zu Art.  267c aOR). Grundsätzlich ist der Eigenbedarf für Kinder, Enkel, Eltern, Geschwister und deren Ehegatten, aber auch für Nichten und Neffen zu aner­ kennen. Anerkannt ist sodann der von mehreren Miteigentümern für einen Einzelnen unter ihnen geltend gemachte Eigenbedarf (SJ 1979, S. 577; MfdP/ Spirig, N  30.7.4.2). Lassen sich die Raumbedürfnisse des Vermieters indes­ sen anderweitig befriedigen, ist Dringlichkeit des Eigenbedarfs zu vernei­ nen (Urteil des Bundesgerichts vom 8.  Oktober 1996, E.  2 b, in: MRA 4/97, S. 160 ff.).

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In Fällen, in denen zwar ein «technischer» Eigenbedarf nicht vorliegt, die Inte­ 64 ressen des Vermieters aber einem Eigenbedarf sehr nahestehen, sind diese Umstände als besondere und gewichtige persönliche Interessen des Vermieters i.S.v. von Art. 272 Abs. 2 Buchst. c OR zu berücksichtigen. Das Zürcher Obergericht hatte in einem vom Bundesgericht bestätigten Ent­ 65 scheid das Interesse eines Erwerbers zu beurteilen, der sämtliche Aktien einer Gesellschaft erworben hatte, zu deren Aktiven ein Miteigentumsanteil an einem Geschäftshaus gehörte. Der Erwerber dieser Aktien hatte den Nachweis geführt, dass er den Kauf im Hinblick auf die eigenen Raumbedürfnisse und im Hinblick auf die Schaffung einer Raumreserve für zukünftige Bedürfnisse erworben hatte. Als nun einem der Mieter der erwähnten Aktiengesellschaft gekündigt werden musste, konnten die Interessen des Alleinaktionärs nach der dargestellten herrschenden Lehre und Rechtsprechung nicht als Eigenbedarf im Sinne eines Erstreckungsausschlussgrundes berücksichtigt werden. Das Obergericht erkannte jedoch, dass die Bedürfnisse des Alleinaktionärs nicht unerheblich seien und stellte fest, dass diese in Anbetracht der unbestritte­ nen wirtschaftlichen Identität gegebenenfalls im Rahmen einer Interessenab­ wägung wie ein Eigeninteresse der am Prozess beteiligten Aktiengesellschaft angemessen zu berücksichtigen seien (OGer Kanton Zürich, II. Zivilkammer, Beschluss vom 11.  Februar 1988; vgl. dazu die Änderungen der Rechtslage unter dem seit 1990 geltenden Mietrecht, N 72). Das vorstehend dargestellte Beispiel zeigt, dass die genaue Begriffsumschrei­ 66 bung des Eigenbedarfs im revidierten Mietrecht nicht mehr von der gleichen Bedeutung ist wie nach dem früher geltenden Recht. Denn bei juristischen Personen spielt es faktisch keine wesentliche Rolle, ob der Richter im Rah­ men der Interessenwürdigung des Mieters den geltend gemachten Bedarf eines Alleinaktionärs für eine juristische Person oder von einer juristischen Person für ihren Alleinaktionär als Eigenbedarf oder als anderes ausgewiesenes und ernsthaftes Vermieterinteresse in die Überlegungen einbezieht (siehe auch N 47). Das Bundesgericht hat zudem im Urteil 4C.139/2000 vom 10. Juli 2000, E. 2b, in: MRA 3/01, S. 75 ff., erwogen, falls eine natürliche Person Vermiete­ rin sei, mache sie eigene Interessen geltend, wenn sie kündige, um in den Räu­ men ihr Geschäft, das in der Form einer Aktiengesellschaft organisiert ist, zu betreiben. Die besondere Erwähnung des Eigenbedarfes ausserhalb der «persönlichen, 67 familiären und wirtschaftlichen Interessen» des Vermieters (Art.  272 Abs.  2 Buchst. c OR) macht deutlich, dass bei dessen Vorliegen eine Mieterstreckung nur mit grösster Zurückhaltung eingeräumt werden darf (vgl. dazu auch das Urban Hulliger

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Urteil des Bundesgerichts 4A_67/2016 vom 7. Juni 2016: Der dringende Eigen­ bedarf überwiegt eine Härte des Mieters, wenn eine Baubewilligung für die im Hinblick auf die Eigennutzung erforderliche Umgestaltung bereits erteilt wurde). In den parlamentarischen Beratungen war zunächst ein Antrag einge­ bracht worden, gemäss dem bei nachgewiesenem Eigenbedarf höchstens eine Erstreckung um sechs Monate hätte gewährt werden können (Votum Scherrer, AB NR 1989, S. 540). Dieser Antrag wurde zwar in der Folge zurückgezogen; materiell ist er aber im Hinblick auf die Rechtsprechung wegleitend geblieben (Zihlmann, Mietrecht, S. 225, Fn. 70).

3.2

Persönliche, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse sowie Verhalten des Vermieters

68

Zu den vom Richter zu würdigenden Interessen gehören nach Art. 272 Abs. 2 Buchst. c OR auch die persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhält­ nisse des Vermieters. Ferner ist auch dessen Verhalten in die Beurteilung mit­ einzubeziehen.

69

Im Rahmen der persönlichen Verhältnisse des Vermieters fällt etwa in Betracht, ob dieser z.B. als Hauseigentümer selber im Mietobjekt wohnt und daher per­ sönliche Beziehungen zum Mietobjekt einerseits und zu den übrigen Mietern anderseits bestehen. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, ob das Zusammen­ leben mit einzelnen Mietern aus irgendwelchen Gründen, die von nieman­ dem verschuldet zu sein brauchen, sich derart entwickelt hat, dass dem Ver­ mieter ein weiteres Zusammenleben mit entsprechenden Mietern auf engem Raum nicht mehr zugemutet werden kann. Dies gilt auch für diejenigen Fälle, in denen keine berechtigten Klagen als Kündigungsgründe angerufen werden können.

70

In die Beurteilung miteinzubeziehen sind sodann seitens des Vermieters auch sein Alter, sein Gesundheitszustand und im Rahmen seiner wirtschaftlichen Verhältnisse der Umstand, ob er eine oder mehrere Liegenschaften besitzt. Das Interesse eines Eigentümers, der nur gerade eine einzelne Liegenschaft besitzt, wird stärker zu gewichten sein als dasjenige eines institutionellen Liegenschaf­ tenanlegers, der auch hinsichtlich der persönlichen Beziehung zum Mietobjekt oder zu den Mietern weniger direkt betroffen ist.

71

Im Rahmen des Verhaltens des Vermieters ist zu berücksichtigen, in welcher Weise dieser während der Mietdauer den Mieter über in Zukunft bevorste­ hende Veränderungen orientiert hat, mit denen eine Auflösung des Mietver­

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hältnisses verbunden ist. Hat der Vermieter z.B. den Mieter, ohne vorerst for­ mell zu kündigen, darauf aufmerksam gemacht, dass er in absehbarer Zeit zufolge eines vorgesehenen Totalumbaus gezwungen sein werde, alle Mietver­ hältnisse zu kündigen, so wird, nach erfolgter Kündigung, ein lange dauerndes Mietverhältnis als Härtegrund nicht in Betracht fallen, weil sich der betroffene Mieter bereits seit Erhalt der entsprechenden Mitteilung auf die bevorstehende Veränderung hat einstellen können. Hat der Vermieter das Mietverhältnis wesentlich früher gekündigt, als er nach 72 Gesetz oder Vertrag verpflichtet gewesen wäre, so ist dies im Rahmen der Interessenabwägung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen (gl.M. Higi, ZK, N 217 f. zu Art. 272 OR, der jedoch zu Recht darauf hinweist, dass eine früh­ zeitige Kündigung den Mieter in der Suche unter gewissen Umständen auch behindern kann). Der Mieter erhält durch eine frühzeitige Kündigung zusätz­ lich zur vorgesehenen Kündigungsfrist eine verlängerte Zeitspanne, in der er sich einerseits an die veränderten Verhältnisse gewöhnen kann und in der ihm anderseits Zeit für die Suche nach geeigneten Ersatzräumlichkeiten einge­ räumt wird. Mithin gewährt ihm der Vermieter durch frühzeitige Kündigung genau das, was Sinn und Zweck des Erstreckungsrechts entspricht, nämlich die Möglichkeit, während längerer Zeit ein geeignetes Ersatzobjekt suchen zu kön­ nen (BGE 102 II 256; 90 II 170 f.; Egli, Kündigungsbeschränkungen, S. 41). Je länger der Vermieter das Mietverhältnis im Voraus kündigt, desto kürzer ist eine allenfalls zu gewährende Mieterstreckung zu bemessen. Dies gilt insbe­ sondere, wenn der Vermieter dem Mieter zugesteht, dass er jederzeit kurzfris­ tig vor dem Kündigungstermin ausziehen kann, ohne für weitere Mietzinszah­ lungen zu haften (ähnlich Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 272b OR; vgl. N 13 zu Art. 272b OR). Es ist zu beachten, dass der Vermieter sein Inte­resse, auf einen absehbaren Zeitpunkt über das Mietobjekt verfügen zu können, häufig nicht anders als durch eine frühzeitige Kündigung wahrnehmen kann. Es muss daher die über die gesetzlich oder vertraglich vereinbarte Minimalfrist hin­ aus gewährte Kündigungsfrist vollumfänglich als bereits vom Vermieter einge­ räumte Mieterstreckungsfrist berücksichtigt werden.

3.3

Andere Interessen des Vermieters

Beruft sich der Vermieter auf die Notwendigkeit einer Sanierung, die es 73 nicht erlaubt, dass die Mietobjekte gleichzeitig bewohnt werden, so ist für die Dauer einer allfällig zu gewährenden Erstreckung Folgendes zu berücksichti­ gen: Zunächst ist in Anlehnung an die bereits zu Art. 267a aOR befolgte Praxis von Bedeutung, ob für das Umbauvorhaben die nötigen öffentlich-rechtlichen Urban Hulliger

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Art. 272

Bewilligungen bereits vorliegen. Allenfalls ist in die Beurteilung miteinzu­ beziehen, in welchem Zeitraum, realistisch eingeschätzt, mit dem Vorliegen der erforderlichen Bewilligung gerechnet werden kann, sofern ein entspre­ chendes Baugesuch bereits eingereicht wurde. Mit Bezug auf die Dringlich­ keit eines Sanierungsvorhabens fallen allfällig bestehende öffentlich-rechtliche Auflagen oder ein Unterhaltsbedarf, der zeitlich – z.B. wegen bereits aufgetre­ tener Schäden (eindringendes Wasser, Schimmelpilz, abbröckelnde Fassaden­ teile usw.) – dringlich ist, ins Gewicht. Nicht von untergeordneter Bedeutung sind in diesem Zusammenhang auch die finanziellen Interessen des Vermie­ ters, sein Umbauvorhaben möglichst rasch verwirklichen zu können (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 4A_484/2010 vom 24. September 2010). Es besteht auch ein gewisses öffentliches Interesse, dass sanierungsbedürftige Liegen­ schaften entsprechend den aktuellen ökologischen Bedürfnissen überholt und möglichst rasch wieder gesamthaft vermietet werden können. Durch Mieter­ streckungen bedingte Verzögerungen verteuern wegen der dadurch auflaufen­ den Zinsen und Kosten sehr oft die Anlagekosten, die dann bei der Wieder­ vermietung die Mietzinse beeinflussen. Spirig lehnt die Berücksichtigung rein wirtschaftlicher Interessen des Vermieters grundsätzlich ab und weist da­rauf hin, dass solche Interessen im Rahmen der Mieterstreckung durch Ände­ rungen des Mietvertrags, insbesondere durch eine Mietzinserhöhung, kom­ pensiert werden könnten (MfdP/Spirig, N 30.7.3). Dem ist entgegenzuhalten, dass die wirtschaftlichen Interessen des Vermieters, möglichst zeitnah mit sei­ nem Umbauvorhaben beginnen zu können, in aller Regel um ein Vielfaches über dem durch eine allfällige Mietzinserhöhung realisierbaren Wert liegen (gl.M. Higi, ZK, N 177 zu Art. 272 OR; HAP-Immobiliarmietrecht/Ruf, N 4.66, S. 186). Das Obergericht des Kantons Zürich qualifiziert das finanzielle Inte­ resse des Vermieters, ein Umbauvorhaben möglichst schnell zu realisieren, zu Recht als nicht von untergeordneter Bedeutung (Urteil des OGer des Kantons Zürich, NG080019 vom 27. Januar 2009). 74

Wird im Hinblick auf eine Totalsanierung einer Liegenschaft allen Mietern gekündigt, und erhält ein einzelner Mieter zufolge der bei ihm festgestellten Härte eine Mieterstreckung, so rechtfertigt dies keineswegs, anderen Mietern, die nicht von einer entsprechenden Härte betroffen sind, eine Mieterstreckung zu gewähren mit der Begründung, der Vermieter könne sein Bauvorhaben ohnehin nicht vor Ablauf der Dauer einer gegenüber einer anderen Mietpartei gewährten Erstreckung verwirklichen. Ein solches Vorgehen widerspricht der gesetzlichen Regelung, wonach die Härtegründe eines jeden Mieters individu­ ell nach seinen persönlichen Verhältnissen bzw. denjenigen seiner Familie zu beurteilen sind. Es kann zu stossenden Resultaten führen: Die Erfahrung zeigt, 1062

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Art. 272

dass ein Mieter, auch wenn ihm längerfristig Mieterstreckung gewährt worden ist, oft schon lange vor Ablauf der Erstreckungsfrist ein geeignetes Ersatzobjekt findet und dieses, nachdem ja kurzzeitig gekündigt werden kann (Art. 272d OR), auch bezieht. Es wäre mit den Grundgedanken des Mieterstreckungsrech­ tes nicht vereinbar, wenn andere Mieter, bei denen keine ausgewiesenen Här­ tegründe vorliegen, für sich eine längere Erstreckungsfrist in Anspruch neh­ men könnten, die ihnen nur deshalb eingeräumt wurde, weil ein dritter Mieter als Härtefall betrachtet wurde. Es ist im Übrigen auch zu berücksichtigen, dass ein Vermieter viel eher in der Lage sein wird, für einen einzelnen Mieter eine Ersatzlösung zu finden, um so seine vorgesehenen Dispositionen rasch in die Tat umsetzen zu können. Diese Möglichkeit wird beschränkt, wenn anderen Mietern unter Hinweis auf die Härte eines Dritten Erstreckung gewährt wird, auf welche bei individueller Betrachtung kein Anspruch bestünde.

4.

Voraussetzungen für eine zweite Erstreckung

Unabdingbare Voraussetzung für die Gewährung einer zweiten Erstreckung 75 ist, dass der Mieter während der ersten Erstreckung alles unternommen haben muss, was von ihm zur Abwendung der Härte vernünftigerweise erwartet werden konnte (Botsch. 1985, S.  1462; MfdP/Spirig, N  30.9.1  f.; gl.M. wohl auch Zihlmann, Mietrecht, S. 236 f.; teilweise abweichend Higi, ZK, N 246 f. zu Art. 272 OR). Hat der Mieter gar keine oder wenig ernsthafte Suchbemü­ hungen getätigt, besteht richtiger Ansicht nach kein Anspruch auf Zweiter­ streckung. Ungenügende Suchbemühungen schliessen eine Zweiterstreckung grundsätzlich aus oder führen zumindest zu einer sehr erheblichen Reduk­ tion der Zweiterstreckung (Urteil des Bundesgerichts 4A_15/2014 vom 26. Mai 2014, E. 4.1; Hulliger/Heinrich, CHK, N 61 zu Art. 272 OR). Was einem Mieter vernünftigerweise zugemutet werden kann, bestimmt sich nach seinen indi­ viduellen Verhältnissen, jedoch können als Minimalanforderungen für Woh­ nungsmieter grundsätzlich folgende kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen erwartet werden: –– schriftliche Anfragen auf konkrete in Tageszeitungen erscheinende Inserate und Internetangebote; –– schriftliche Bewerbungen bei bekannten Liegenschaftenverwaltungen; –– eigene Inserate in Tageszeitungen; –– Bewerbung bei professionellen Vermittlungsbüros.

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1063

Art. 272 76

Die eben dargelegten Anforderungen an die Suchbemühungen richten sich zwar einerseits nach objektiven Kriterien. Nach dem in N  41 aufgeführten BGE bestimmt sich die Zumutbarkeit der Bemühungen anderseits aber auch wesentlich nach den individuellen Verhältnissen des Mieters (kritisch: MRA 5/96, S. 205).

77

Grundsätzlich obliegt es dem Mieter, im Verfahren den Nachweis für die von ihm betriebenen Suchbemühungen zu erbringen. Im Weiteren ist es dem Ver­ mieter unbenommen, den Mieter auf geeignete Ersatzobjekte hinzuweisen. Diesfalls obliegt es dem Mieter darzulegen, ob und mit welchem Erfolg er sich um diese ihm unterbreiteten Objekte bemüht hat. Gegebenenfalls wird er zu erklären haben, weshalb er darauf verzichtete, sich um diese Objekte zu bemü­ hen.

78

Die Suchbemühungen dürfen sich nicht lediglich auf einen kurzen Zeitraum beschränken, sondern sind regelmässig während der ganzen Erstreckungs­ dauer zu betreiben. Es gelten im Übrigen die Anforderungen, wie sie schon im Zusammenhang mit dem ersten Erstreckungsverfahren dargestellt worden sind (N 34 ff.). Der Mieter hat sich auch um weniger ideal gelegene oder in anderer Hinsicht nachteiligere Objekte zu bemühen, sofern diese objektiv als zumutbar erscheinen.

79

Erweisen sich im Verfahren die vom Mieter nachgewiesenen Suchbemühungen unter den geschilderten Aspekten als ungenügend, so ist keine Zweit­ erstreckung zu gewähren. Abzulehnen ist die Auffassung, wonach ungenügende Suchbemühungen lediglich zu einer Reduktion des Zweiterstreckungsanspru­ ches führen (so aber Entscheid des OGer Zürich vom 23. August 2000, E. 3, in: MRA 5/00, S. 381 ff. und ähnlich MfdP/Spirig, N 30.9.2).

80

Zur Frage der Dauer einer allenfalls zu gewährenden zweiten Erstreckung ist auf die Ausführungen zu Art. 272b OR zu verweisen.

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Art. 272a II. Ausschluss der Erstreckung 1 Die

Erstreckung ist ausgeschlossen bei Kündigungen: a. wegen Zahlungsrückstand des Mieters (Art. 257d); b. wegen schwerer Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme (Art. 257f Abs. 3 und 4); c. wegen Konkurs des Mieters (Art. 266h); d. eines Mietvertrages, welcher im Hinblick auf ein bevorstehendes Umbau- oder Abbruchvorhaben ausdrücklich nur für die beschränkte Zeit bis zum Baubeginn oder bis zum Erhalt der erforderlichen Bewilligung abgeschlossen wurde.

2 Die

Erstreckung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn der Vermieter dem Mieter einen gleichwertigen Ersatz für die Wohn- oder Geschäftsräume anbietet. II.

Exclusion de la prolongation

1 Aucune

prolongation n’est accordée lorsqu’un congé est donné: a. en cas de demeure du locataire (art. 257d); b. pour violation grave par le locataire de son devoir de diligence ou pour de graves manques d’égards envers les voisins (art. 257f, 3e et 4e al.); c. en cas de faillite du locataire (art. 266h); d. si, en prévision d’une transformation ou d’une démolition, le contrat de bail a expres­ sément été conclu pour une période expirant au début des travaux ou à la réception de l’autorisation requise.

2 En

règle générale, aucune prolongation n’est accordée lorsque le bailleur offre au loca­ taire des locaux d’habitation ou des locaux commerciaux équivalents.

II.

Esclusione della protrazione

1 La

protrazione è esclusa se è stata data disdetta: a. per mora del conduttore (art. 257d); b. per violazione grave dell’obbligo di diligenza e di riguardo per i vicini(art. 257f cpv. 3 e 4); c. per fallimento del conduttore (art. 266h); d. di un contratto di locazione che, in vista di imminenti lavori di trasformazione o demolizione, è stato espressamente concluso soltanto per il tempo intercorrente fino all’inizio della costruzione o fino all’ottenimento della relativa licenza.

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Art. 272a 2 Di

regola, la protrazione è esclusa se il locatore offre al conduttore altri locali d’abita­ zione o commerciali equivalenti.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Normcharakter und Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1067 1067 1067

2. Erstreckungsausschlussgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Zahlungsverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Verletzung von Mieterpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Konkurs des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Bevorstehender Abbruch oder Umbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.5 Ersatzangebot des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1069 1069 1070 1070 1071 1074

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Art. 272a

1. Vorbemerkungen 1.1

Normcharakter und Allgemeines

Hinsichtlich des zwingenden Charakters von Art. 272a OR kann auf die Aus­ 1 führungen unter N 1 zu Art. 272 OR verwiesen werden. Bei Beendigung des Mietverhältnisses ist der Mieter grundsätzlich berech­ 2 tigt, die Erstreckung des Mietverhältnisses zu verlangen. In Art. 272a OR sind Gründe aufgezählt, die ausnahmsweise die Erstreckung ausschliessen. Auf­ grund des Ausnahmecharakters steht somit fest, dass nur die gesetzlich erwähn­ ten Fälle einen Erstreckungsausschluss zur Folge haben. Die in Art. 272a OR enthaltene Aufzählung ist daher abschliessend (BGE 128 III 82, E. 2d). Infol­ gedessen kann bei jeder Vertragsbeendigung, die aus einem Grund erfolgt, der nicht von Art. 272a OR erfasst wird, das Mietverhältnis erstreckt werden, sofern aufseiten des Mieters eine Härte vorliegt. Dies gilt selbst dann, wenn das Interesse des Vermieters überaus gross ist, wie z.B. bei einem dringenden Eigenbedarf. Allerdings ist das Interesse des Vermieters bei der Bemes­ sung der Erstreckungsdauer gebührend zu berücksichtigen und der Härte des Mieters gegenüberzustellen (Urteil des Bundesgerichts 4C.170/2004 vom 27. August 2004, E. 3.2.; vgl. dazu auch N 60 ff. zu Art. 272 OR). Liegt dringen­ der Eigenbedarf vor, wird eine Erstreckung, sofern sie überhaupt in Betracht kommt, in aller Regel von kurzer Dauer sein (Zihlmann, Mietrecht, S. 225; vgl. N 67 zu Art. 272 OR). Für die in Art. 272a Abs. 1 Buchst. a–d OR als Ausschlussgründe festgelegten 3 Tatbestände hat bereits der Gesetzgeber im Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung bestimmt, dass eine behördlich verfügte Erstreckung gegen den Wil­ len des Vermieters nicht zulässig ist (vgl. Zihlmann, Mietrecht, S. 226). Bei Angebot eines gleichwertigen Ersatzobjektes i.S.v. Abs. 2 der Norm kann eine Erstreckung nur erteilt werden, wenn aufseiten des Mieters besondere Voraussetzungen gegeben sind (N 28).

4

Die Beweislast für das Vorliegen eines Erstreckungsausschlussgrundes obliegt dem Vermieter (Weber, BSK, N 10 zu Art. 272a OR).

5

1.2

Allgemeine Voraussetzungen

Die Erstreckung ist ausgeschlossen, wenn der Vermieter bei Zahlungsrück­ 6 stand, schwerer Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksicht­

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Art. 272a

nahme sowie Konkurs des Mieters von den im Gesetz vorgesehenen ausseror­ dentlichen Kündigungsmöglichkeiten Gebrauch macht. Dieser Ausschluss gilt auch dann, wenn die entsprechenden Voraussetzungen gemäss Art. 257d, 257f und 266h OR gegeben sind, der Vermieter aber nicht von seinem Recht zur vorzeitigen Vertragsauflösung Gebrauch macht, sondern erst auf den nächsten ordentlichen Termin hin kündigt (BGE 117 II 415, E. 4; Näheres N 7). Der Ver­ mieter kann nämlich durchaus ein Interesse haben, trotz der für ihn günstige­ ren und rascheren Auflösungsmöglichkeiten nach Art. 257d, Art. 257f Abs. 3 und 4 oder Art.  266h OR erst auf den nächsten gesetzlichen oder vertragli­ chen Termin zu kündigen: Zum einen ist er möglicherweise an einer rasche­ ren Verfügbarkeit des Mietobjekts gar nicht interessiert. Zum anderen verdient ein Mieter, dessen Verhalten die Voraussetzung für eine ausserordentliche Ver­ tragsauflösung nach den erwähnten Bestimmungen erfüllt, die Rechtswohltat der Mieterstreckung auch dann nicht, wenn der Vermieter aus Nachsicht oder aus anderen Gründen erst auf den nächsten gesetzlichen oder vertraglichen Termin kündigt. 7

Der Vermieter kann darauf verzichten, die Kündigung entweder unter Einhal­ tung der gesetzlichen Minimalfristen (30 Tage bei Art. 257d Abs. 2 und 257f Abs. 3 OR) oder fristlos (Art. 257f Abs. 4 und Art. 266h OR) auszusprechen. Kündigt er stattdessen auf den nächsten vertraglichen oder gesetzlichen Kün­ digungstermin, ist angesichts des Ausnahmecharakters, welcher dem Katalog der Ausschlussgründe beizumessen ist, eine Erstreckung nur ausgeschlossen, sofern folgende Voraussetzungen kumulativ gegeben sind (BGE 117 II 415, E. 5): –– Ein ausserordentlicher Kündigungsgrund i.S.v. Art. 257d, 257f oder 266h OR liegt tatsächlich vor; fehlt ein solcher, ist die Kündigung unwirksam (N 59 ff. zu Art. 2661–266o OR; N 16 zu Art. 271 OR). –– Die in den genannten Bestimmungen enthaltenen Formalitäten sind ein­ gehalten worden. Bei einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs muss der Vermieter, z.B. also dem Mieter und allenfalls dem Ehepartner bzw. einge­ tragenem Partner, eine Zahlungsfrist von mindestens 30 Tagen, verbunden mit der Kündigungsandrohung, angesetzt haben. Ist dies nicht der Fall, ist die Kündigung unwirksam (BGE 121 III 156, E. 1). Zu den Anforderungen an eine diesbezügliche Mahnung mit Fristansetzung und Kündigungsan­ drohung vgl. N 25 ff. zu Art. 257d OR. –– Bei Kündigung einer Familienwohnung bzw. bei eingetragener Partner­ schaft ist zudem Art. 266n OR zu beachten, ansonsten sie nichtig ist.

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–– Schliesslich muss in der Kündigungserklärung, die allenfalls nach dem Vertrauensprinzip auszulegen ist, zum Ausdruck kommen, dass der Ver­ mieter den Mietvertrag wegen eines ausserordentlichen Kündigungsgrun­ des auflösen will. Entsprechend Art. 271 Abs. 1 OR müssen die konkreten Umstände noch nicht in der Kündigung selber enthalten sein, sondern kön­ nen auch zu einem späteren Zeitpunkt genannt werden (vgl. Urteil des Bun­ desgerichts vom 3. Oktober 1995, E. 2b/aa, in: MRA 5/96, S. 226 ff.). Ist die Kündigung unwirksam bzw. nichtig, besteht das Mietverhältnis fort. 8 Die Prüfung der Frage, ob eine Erstreckung infrage kommt oder ob ein Erstre­ ckungsausschlussgrund vorliegt, erübrigt sich somit. Falls bei einer wirksamen und gültigen Kündigung in der Kündigungserklärung nicht zum Ausdruck kommt, dass der Vermieter zufolge eines ausserordentlichen Kündigungsgrun­ des den Vertrag unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündi­ gungsfristen oder -termine aufgelöst hat, ist von einer ordentlichen Kündigung auszugehen, weshalb eine Erstreckung grundsätzlich möglich ist. Wiederholte Vertragsverletzungen, die nicht zu einer vorzeitigen Auflösung 9 des Mietverhältnisses gemäss Art. 257f OR berechtigen, sowie der wiederholte Zahlungsverzug des Mieters sind in der Interessenabwägung als Verhaltens­ weisen zu würdigen, welche die Anwartschaft des betroffenen Mieters auf eine Erstreckung massiv reduzieren. Sind bei schleppender Zahlungsweise wieder­ holt die Fristen gemäss Art. 257d OR angesetzt worden, und bezahlt der Mieter jeweils kurz vor deren Ablauf, um der ausserordentlichen Vertragsauflösung zu entgehen, so wird die Erstreckung gänzlich zu verweigern sein (Zihlmann, Mietrecht, S. 228).

2. Erstreckungsausschlussgründe 2.1 Zahlungsverzug Beruft sich der Vermieter im Erstreckungsverfahren auf den Ausschlussgrund 10 des Zahlungsverzugs (Art. 272a in Verbindung mit Art. 257d OR), so hat er nach dem soeben Ausgeführten den Nachweis zu erbringen, dass der Mieter sich mit einer Mietzinszahlung im Rückstand befunden hat und sodann, dass trotz der Fristansetzung gemäss Art. 257d OR die ausstehende Zahlung nicht oder nicht vollständig geleistet wurde. Ist der Vermieter nach Art.  257d OR vorgegangen, ist die Erstreckung auch in folgenden Fällen ausgeschlossen: Der Mieter hat einen Teil des Mietzinses unter Berufung auf einen Anspruch zur Mietzinsherabsetzung (Art. 259d OR) einbehalten, oder er hat Forderungen Urban Hulliger

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innert der 30-tägigen Frist gemäss Art. 257d Abs. 1 OR (BGE 119 II 241, E. 6b) zur Verrechnung gestellt, wenn sich erweist, dass entsprechende Ansprüche nicht oder nicht in dem vom Mieter geltend gemachten Umfang bestanden haben (vgl. auch N 18 ff. zu Art. 257d OR). Dasselbe gilt, wenn bei der Hin­ terlegung des Mietzinses die befreiende Wirkung nach Art.  259g Abs.  2 OR nicht eintritt, weil wenigstens eine Hinterlegungsvoraussetzung fehlt (Higi, ZK, N 43 ff. zu Art. 259g OR).

2.2

Verletzung von Mieterpflichten

11

Die Erstreckung ist weiter ausgeschlossen bei Kündigungen wegen schwerer Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme, wie sie in Art. 257f Abs. 1 und 2 OR umschrieben ist. Nicht jeder Verstoss gegen vertrag­ liche Pflichten oder gegen die Hausordnung rechtfertigt die Annahme eines Erstreckungsausschlusses. Erforderlich ist eine gewisse Intensität des ver­ tragswidrigen Verhaltens; dieses soll dem Vermieter auch nicht mehr bloss für eine durch die Erstreckungsdauer beschränkte Zeit zugemutet werden können. Es kann auf die Darlegungen unter N 20 ff. zu Art. 257f OR verwiesen werden.

12

Der Vermieter hat im Prozess den Nachweis zu erbringen, dass der Mieter seine Pflicht zu Sorgfalt und Rücksichtnahme in schwerer Weise verletzt hat. Das Gesetz sieht in Art. 257f Abs. 3 OR vor, dass eine vorzeitige Vertragsauf­ lösung nur dann soll durchgesetzt werden können, wenn der Mieter zuvor schriftlich abgemahnt worden ist. Der Vermieter hat somit zum Nachweis des Erstreckungsausschlusses die erfolglos gebliebenen Abmahnungen nachzuwei­ sen. Diese brauchen eine Androhung der Kündigung oder der fristlosen, d.h. vorzeitigen Vertragsauflösung nicht zu enthalten (vgl. N 45 zu Art. 257f OR). Keine schriftlichen Abmahnungen sind erforderlich, wenn das Mietverhältnis gestützt auf Art.  257f Abs.  4 OR ausserordentlich aufgelöst wird (N  55 zu Art. 257f OR).

2.3 13

Konkurs des Mieters

Ausgeschlossen ist die Erstreckung bei Kündigung wegen Konkurs des Mieters nach Art. 266h OR.

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2.4

Bevorstehender Abbruch oder Umbau

Eine Erstreckung ist ausgeschlossen, wenn ein Mietvertrag ausdrücklich, im 14 Interesse der Beweisbarkeit in Schriftform, im Hinblick auf ein bevorstehendes Umbau- oder Abbruchvorhaben für eine beschränkte Zeit bis zum Baubeginn oder bis zum Erhalt der erforderlichen Bewilligung abgeschlossen worden ist. Die Rechtsprechung zum vor dem 1.  Juli 1990 geltenden Mietrecht hatte in entsprechenden Fällen ein Erstreckungsbegehren als missbräuchlich qualifi­ ziert und eine Erstreckung deshalb abgelehnt (BGE 105 II 197, E. 3b). Voraus­ setzung des Erstreckungsausschlusses ist, dass das im Vertrag näher umschrie­ bene Ereignis (Erhalt einer Baubewilligung, Baubeginn) den ausschliesslichen Grund für die Kündigung darstellt. Sinn und Zweck dieses Erstreckungsaus­ schlussgrundes bestehen darin, dem Vermieter zu ermöglichen, in einem Abbruch- oder Umbauobjekt vorübergehend leer stehende Mietlokalitäten zu vermieten. Der Vermieter soll nicht befürchten müssen, bei Erhalt einer Bau­ bewilligung oder bei unmittelbar bevorstehendem Baubeginn auf ausgespro­ chene Kündigungen hin noch lang andauernde Erstreckungsverfahren abwar­ ten zu müssen. Der Erstreckungsausschlussgrund beschränkt sich grundsätzlich auf Fälle, in 15 denen ein Umbau- oder Abbruchvorhaben tatsächlich geplant ist. Schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses muss eine einigermassen konkretisierte Planung hinsichtlich des erwähnten Vorhabens bestehen. Nicht erforderlich ist allerdings, dass der Vermieter bereits ein Bewilligungsverfahren eingelei­ tet hat. Es genügt, dass er sich ernsthaft mit einem Umbau- oder Abbruch­ vorhaben befasst und dieses in absehbarer Zeit realisieren will. Ein allgemei­ ner Hinweis im Vertrag, wonach der Vermieter in unbestimmter Weise die Absicht zum Ausdruck bringt, das Mietobjekt gelegentlich einmal um- oder auszubauen, genügt diesen Erfordernissen nicht (Thanei, Erstreckung, S. 16; Giger, Erstreckung, S.  69). Im Interesse der Transparenz ist dem Vermieter ohnehin zu empfehlen, hinsichtlich der «beschränkten Zeit», für die das Miet­ objekt noch zur Verfügung gestellt werden soll, möglichst konkrete Angaben zu machen. Als massgebende Umstände, die nach der Auflösung des Vertrags eine Erstre­ 16 ckung ausschliessen, nennt das Gesetz «Baubeginn» und «Erhalt der erfor­ derlichen Bewilligung». Wegen der einseitig zwingenden Natur der Norm (Art.  273c OR) darf der Erstreckungssausschluss nicht auf andere Fälle aus­ gedehnt werden. Es ist den Parteien aber unbenommen, den Zeitpunkt, bis zu dem das Mietverhältnis dauern soll, genauer zu definieren: So kann als «Bau­

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beginn» auch der «Erhalt der Baufreigabe» vereinbart werden. Nicht erforder­ lich ist sodann, dass eine rechtskräftige Baubewilligung vorliegen muss. Die Parteien können auch vereinbaren, dass die Zustellung der erstinstanzlich erteilten Baubewilligung das Vertragsende herbeiführt. 17

Vereinbaren die Parteien, dass das Mietverhältnis auf den Baubeginn hin oder nach Erhalt der Baubewilligung endet, liegt ein befristetes Mietverhältnis vor, dessen Beendigung lediglich von der Information des Mieters über den Ein­ tritt der Resolutivbedingung abhängt (vgl. hierzu grundsätzlich: BGE 121 III 260, E. 4, in: mp 2/96, S. 59 ff. sowie in: MRA 1/96, S. 15 ff.; N 6 zu Art. 266 OR; a.M. Higi, ZK, N 39 zu Art. 272a OR und Weber, BSK, N 6 zu Art. 272a OR, die davon ausgehen, dass mit dem Eintritt der Bedingung der Mietvertrag nicht automatisch endet, sondern damit dem Vermieter einen unanfechtbaren Grund verschafft, das Mietverhältnis zu kündigen).

18

Das Gesetz regelt im Weiteren nicht klar, ob die Erstreckung nur dann ausge­ schlossen sein soll, wenn die Parteien das Mietverhältnis als befristetes Ver­ tragsverhältnis eingehen. Nicht ausgeschlossen erscheint es nach dem Geset­ zeswortlaut, dass die Parteien auch ein unbefristetes Mietverhältnis oder ein auf einen bestimmten Zeitpunkt befristetes Mietverhältnis vereinbaren. Im ersten Fall müsste der Vermieter dann allerdings die gesetzlich vorgeschrie­ benen Kündigungsfristen einhalten, was voraussetzt, dass ihm der Eintritt der Bedingung im Voraus bekannt ist oder die entsprechende Zeitdauer abge­ schätzt werden kann. Im zweiten Fall stellt sich die Frage, ob das Mietverhält­ nis nicht gleichwohl erstreckt werden kann, wenn im vorgesehenen Zeitpunkt die Ausschlussbedingung noch nicht eingetreten ist. Hier könnte allerdings nur bis zum Zeitpunkt Erstreckung gewährt werden, in dem die vorausgesetzte Bedingung eintritt (Zihlmann, Mietrecht, S. 228). Um den hier aufgezeigten Schwierigkeiten zu entgehen, ist zu empfehlen, Verträge bis zum Erhalt einer Baubewilligung oder bis zum vorgesehenen Baubeginn als befristete Verträge abzuschliessen. Der Eintritt der vorbehaltenen Bedingung bewirkt dann auto­ matisch die Beendigung des Vertragsverhältnisses. Dass der Mieter dabei wegen der im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung bereits abgelaufenen Frist kein Erstreckungsbegehren mehr stellen kann (Art. 273 Abs. 2 Buchst. b OR), verstösst nicht gegen Art. 273c OR, da Erstreckung ohnehin nicht gewährt wer­ den kann.

19

Möglich ist überdies auch, einen grundsätzlich unbefristeten Mietvertrag mit einer Befristung zu kombinieren. Diese Kombination erweist sich deshalb als geboten, weil Umstände eintreten können, welche die Realisierung eines geplanten Umbau- oder Neubauvorhabens verunmöglichen (z.B. weil das 1072

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Projekt nicht bewilligungsfähig ist). Vereinbaren die Parteien einen bedingtbefristeten Mietvertrag, der automatisch, also ohne Kündigung beim Eintritt der Bedingung (z.B. Rechtskraft der Baubewilligung) endigen soll und tritt die Bedingung dann nie ein, wäre die Folge ein unkündbares ewiges Mietverhält­ nis. So ist etwa folgende Klausel zulässig: «Das Mietverhältnis ist kündbar unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf jedes Monatsende, endigt aber in jedem Fall, ohne dass es einer Kündigung bedarf, am Ende des zweiten, dem Eintritt der Rechtskraft einer Baubewilligung betreffend Abbruch-/Neubauvorhaben des Vermieters folgenden Monats. Eine Erstreckung ist in diesem Fall ausgeschlossen (Art. 272a Abs. 1 Buchst. d OR).»

Damit der Zweck der Gesetzesbestimmung erreicht wird, ist erforderlich, 20 dass die Voraussetzungen des Erstreckungsausschlusses abschliessend in einem summarischen Ausweisungsverfahren (Rechtsschutz in klaren Fällen im Sinne von Art. 257 ZPO) überprüft werden können. Wäre der Vermie­ ter da­rauf angewiesen, zuerst in einem Erstreckungsverfahren den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Voraussetzungen des Erstreckungsausschlusses nach Art. 272a Abs. l Buchst. d OR vorliegen, so bestünde kein Anreiz, vorü­ bergehend bis zum Abbruch oder Umbau leer stehende Mietlokalitäten noch zu vermieten. Die zu erwartende Dauer eines – wenn auch aussichtslos geführ­ ten  – Verfahrens stünde einem Vermietungsinteresse entgegen. Der Auswei­ sungsrichter seinerseits ist ohne Weiteres in der Lage, die Voraussetzungen des Erstreckungsausschlusses zu überprüfen. Der Vorbehalt, wonach das Miet­ verhältnis lediglich für die beschränkte Zeit bis zum Baubeginn oder bis zum Erhalt der erforderlichen Bewilligung abgeschlossen worden ist, muss vom Vermieter liquid nachgewiesen werden, was bei einer schriftlichen Vereinba­ rung keine weiteren Probleme bietet. Zusätzlich hat der Vermieter lediglich noch darzutun, dass die im Vertrag vorbehaltene Bedingung – Erhalt der Bau­ freigabe oder der Baubewilligung – eingetreten ist. Wird ein Mietvertrag beendet, sei es durch Kündigung oder durch Ablauf der 21 Befristung, und schliessen die Parteien im Anschluss daran einen neuen, i.S.v. Art. 272a Abs. 1 Buchst. d OR für eine beschränkte Zeit dauernden Mietver­ trag ab, kommt dieser im Ergebnis einer Erstreckungsvereinbarung gemäss Art. 272b Abs. 2 OR nahe. Demnach kann diesem neuen Vertrag Art. 273c OR nicht entgegenstehen (Higi, ZK, N 34 zu Art. 272a OR).

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2.5 22

Ersatzangebot des Vermieters

Die Erstreckung ist, wie der Gesetzeswortlaut sagt, «in der Regel» ausge­ schlossen, wenn der Vermieter dem Mieter einen gleichwertigen Ersatz für die Wohn- oder Geschäftsräume anbietet. Die Bestimmung ist gegenüber der in der Botschaft enthaltenen Fassung wesentlich allgemeiner formuliert. Dort war vorgesehen, dass eine Erstreckung in der Regel ausgeschlossen sein soll, wenn der Vermieter dem Mieter Ersatzräume anbietet, die hinsichtlich Miet­ zins, Ausstattung und Lage gegenüber den bisherigen Räumen keine erhebli­ chen Nachteile aufwiesen. Dem Richter steht damit ein wesentlich grösseres Ermessen bei der Frage zu, was unter dem Begriff «gleichwertiger Ersatz» zu verstehen sei. Als gleichwertig ist ein vom Vermieter unterbreitetes Angebot zu verstehen, das unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Mieters bezüg­ lich Grösse und Lage und seiner finanziellen Verhältnisse einerseits, ander­ seits aber auch angesichts der Marktverhältnisse zumutbar ist. Es ist dabei nicht Voraussetzung, dass das Ersatzobjekt nicht teurer oder nicht kleiner als das bisher benützte Objekt sein darf. Wenn z.B. ein Mieter während länge­ rer Zeit von besonders günstigen Mietzinskonditionen profitiert hat, wird er – selbst bei Gewährung einer Mieterstreckung – früher oder später ein Ersatzob­ jekt mieten müssen, das zu Marktverhältnissen angeboten wird. Er hat keinen unentziehbaren Anspruch, wieder ein besonders günstiges Mietobjekt mie­ ten zu können (sinngemäss das Bundesgericht im Urteil 4A_17/2008, E.  6.1 und 6.2, wo es festhält, es dürften dem Mieter mit dem angebotenen Ersatzob­ jekt zwar keine wesentlichen Nachteile aufgezwungen werden; hingegen habe er gegenüber dem bisher genützten Mietobjekt durchaus gewisse Abstriche in Kauf zu nehmen; vgl. Higi, ZK, N 75 zu Art. 272a OR). Dem Mieter, der um einen richterlichen Eingriff in das bestehende Vertragsverhältnis nachsucht, sind somit gewisse Opfer zumutbar (vgl. die sinngemäss geltenden Ausfüh­ rungen zur Frage der Suchbemühungen, N 41 ff. zu Art. 272 OR). Unzutreffend ist die in der Literatur vertretene Auffassung, es müsse an die Gleichwertigkeit eines vom Vermieter angebotenen Ersatzobjektes ein strenger Massstab ange­ legt werden, da sie die Erstreckung ausnahmsweise ausschliesse (MfdP/Spirig, N 30.4.2). Die Auffassung übersieht, dass das Erstreckungsrecht einen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsgarantie und in die Vertrags­ freiheit darstellt, weshalb grundsätzlich an die Voraussetzungen der Erstre­ ckung, insbesondere an geltend gemachte Härtegründe, ein strenger Massstab angelegt werden muss. Gleichwertigkeit bedeutet unter diesem Aspekt, dass zu prüfen ist, ob der Bezug des offerierten Ersatzobjekts dem Mieter ange­

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sichts seiner persönlichen und finanziellen Verhältnisse – und gegebenenfalls im Lichte weiterer Sachzwänge – zumutbar erscheint. Art. 272a Abs. 2 OR kann vom Vermieter nicht nur bei Beendigung des Miet­ 23 verhältnisses, sondern auch im Fall einer strittigen Zweiterstreckung angeru­ fen werden (Higi, ZK, N 69 zu Art. 272a OR). Das Ersatzangebot muss dem Mieter rechtzeitig unterbreitet werden. Dabei 24 sind dem Mieter die wichtigsten Eigenschaften des zum Ersatz offerierten Objekts bekannt zu geben, d.h. Mietfläche, Mietzins, Nebenkosten, Bezugster­ min und – bei Geschäftslokalitäten – die Grösse der verfügbaren Lagerfläche (Urteil des Bundesgerichts 4A_17/2008 vom 14. März 2008, E. 5.2). Er muss bis zum Entscheid über die Erstreckbarkeit des Mietverhältnisses genügend Zeit haben, um den Ersatz zu prüfen (Higi, ZK, N 77, 79 und 88 zu Art. 272a OR). Dabei bestimmt sich anhand der konkreten Umstände, wie viel Zeit der Mieter als Prüfungsfrist beanspruchen darf; in der Regel dürfte diese bei Woh­ nungen einen halben Monat und bei Geschäftsräumen einen Monat betragen (zum Ganzen Higi, ZK, N 80 und 86 f. zu Art. 272a OR; Conod, CPra, N 13 zu Art. 272a OR). Das Ersatzobjekt muss für den Mieter grundsätzlich auf den Zeitpunkt der 25 Vertragsauflösung bzw. bei Zweiterstreckungen auf das Ende des Ablaufs der Ersterstreckung verfügbar sein (Higi, ZK, N 78 zu Art. 272a OR). Ist das Ersatzobjekt auf einen früheren Zeitpunkt, d.h. vor dem Kündigungstermin bzw. vor dem Ablauf der Ersterstreckung, verfügbar und bietet der Vermieter dem Mieter an, ihn vorzeitig aus seinen mietvertraglichen Pflichten zu entlas­ sen, liegt ebenfalls ein gleichwertiges Ersatzobjekt vor. Kann das Ersatzobjekt erst einige Monate nach dem Kündigungszeitpunkt bzw. 26 dem Ablauf des Ersterstreckungstermins vom Mieter bezogen werden und bie­ tet der Vermieter bis zu diesem Zeitpunkt von sich aus eine Erstreckung an, kann dem Mieter nicht eine weitergehende Erstreckung gewährt werden. Dies würde dem Sinn und Zweck von Art. 272a Abs. 2 OR zuwiderlaufen. Nicht erforderlich ist, dass der Vermieter selber über das angebotene Ersatz­ 27 objekt verfügt. Es genügt, dass der Mieter auf eine konkrete Möglichkeit zum Abschluss eines neuen Mietvertrags hingewiesen wird, wenn der Abschluss eines Vertrages nur von seiner Zustimmung abhängig ist. Entgegen einem Entscheid der Schlichtungsbehörde Olten/Gösgen ist nicht erforderlich, dass der Vermieter überdies befugt ist, die Ersatzwohnung verbindlich zu offerie­ ren. Entsprechend dem Sinn und Zweck der Erstreckung ist vielmehr einzig massgebend, ob der Mieter den ihm angebotenen Ersatz zu Recht ablehnt oder Urban Hulliger

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nicht. Der Nachweis des Vermieters, wonach der Eigentümer des angebote­ nen Ersatzobjekts mit dem Mieter einen Vertrag abgeschlossen hätte, reicht somit aus. 28

Wird ein Ersatzobjekt vom Mieter abgelehnt, so ist die Erstreckung «in der Regel» ausgeschlossen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist deshalb die Erstre­ ckung ausnahmsweise trotzdem zulässig. Voraussetzung hierfür ist aller­ dings, dass besonders gewichtige Gründe seitens des Mieters vorliegen (Giger, Erstreckung, S.  71). In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass sol­ che Gründe bei älteren Leuten oder Familien mit Schulkindern gegeben seien, denen ein sofortiger Umzug nicht zugemutet werden kann (Thanei, Erstre­ ckung, S. 17; MfdP/Spirig, N 30.4.1, mit weiteren Beispielen). Diese Ansicht ist abzulehnen, bemisst sich doch grundsätzlich schon die Gleichwertigkeit des Ersatzobjektes anhand der persönlichen Verhältnisse des Mieters (vgl. Giger, Erstreckung, S. 70). Vielmehr rechtfertigt es sich erst dann, vom gesetzlichen Regelfall abzuweichen, wenn weitere erhebliche Gründe (z.B. schwere Krank­ heit) hinzutreten, die es dem Mieter verunmöglichen oder stark erschweren, gerade auf den Zeitpunkt umzuziehen, auf den das Ersatzobjekt zur Verfü­ gung steht. Zutreffend ist wohl MfdP/Spirig mit ihrem Hinweis auf Prüfungs­ termine eines Studierenden. Falsch ist indessen ihre Auffassung, nicht abge­ schriebene Investitionen, die der Vermieter nicht abzugelten bereit sei oder eine bevorstehende Pensionierung könnten die Ablehnung eines Ersatzobjekts rechtfertigen. Der Mieter hat Investitionen, die vom Vermieter aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Regelung nicht abzugelten sind, bis zum Ablauf des befristeten Mietverhältnisses oder bis zum erstmöglichen Kündigungster­ min abzuschreiben. Allfällige bis zu diesem Zeitpunkt nicht abgeschriebene Investitionen sind keine Härtegründe und vermögen eine Erstreckung a pri­ ori nicht zu rechtfertigen. Eine bevorstehende Pensionierung ist im Zusam­ menhang mit den persönlichen Verhältnissen einer Mieterschaft zu würdigen und beeinflusst daher die Konkretisierung des Begriffs der Gleichwertigkeit. Sie stellt indessen nicht per se einen Grund dar, der es erlaubt, ein geeignetes Ersatzobjekt abzulehnen (ähnlich und mit weiteren Beispielen Higi, ZK, N 83 f. zu Art. 272a OR). Die Tatsachen, aus denen abgeleitet wird, ein angebotenes Ersatzobjekt sei nicht gleichwertig, sind vom Mieter zu beweisen (Weber, BSK, N 10 zu Art. 272a OR).

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Art. 272b III. Dauer der Erstreckung 1 Das Mietverhältnis kann für Wohnräume um höchstens vier, für Geschäfts-

räume um höchstens sechs Jahre erstreckt werden. Im Rahmen der Höchstdauer können eine oder zwei Erstreckungen gewährt werden.

2 Vereinbaren

die Parteien eine Erstreckung des Mietverhältnisses, so sind sie an keine Höchstdauer gebunden, und der Mieter kann auf eine zweite Erstreckung verzichten. III. Durée de la prolongation 1 Le bail d’habitations peut être prolongé de quatre ans au maximum, celui de locaux com­

merciaux de six ans. Dans ces limites, une ou deux prolongations peuvent être accordées.

2 Lorsque

les parties conviennent d’une prolongation du bail, elles ne sont liées à aucune durée maximale et le locataire peut renoncer à une deuxième prolongation.

III. Durata della protrazione 1 La

locazione di abitazioni può essere protratta per quattro anni al massimo, quella di locali commerciali per sei anni. Entro questi limiti possono essere accordate una o due protrazioni.

2 Se

la protrazione è pattuita dalle parti, questi limiti non valgono e il conduttore può rinunciare a una seconda protrazione.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Zwingender Charakter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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2. 2.1 2.2

Definitive oder einstweilige Erstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Definitive Erstreckung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Einstweilige Erstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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3.

Dauer der Erstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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4. Erstreckungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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1. Vorbemerkungen 1.1 Allgemeines 1

Besteht aufseiten des Mieters eine Härte im Sinne des gesetzlichen Begriffes (vgl. N 15 ff. zu Art. 272 OR) und ist damit die Voraussetzung für die Gewährung einer allfälligen Erstreckung unter entsprechender Abwägung der Interessen der Vertragsparteien gegeben, so stellt sich zunächst die Frage, wie viel Zeit der Mieter in Anbetracht seiner persönlichen Verhältnisse voraussichtlich benö­ tigt, um ein ihm zumutbares Ersatzobjekt zu finden. Diesem Interesse ist das­ jenige des Vermieters gegenüberzustellen. In Würdigung der beidseitigen Inte­ ressenlage legt der Richter im Rahmen eines Ermessensentscheides sodann die Erstreckungsdauer fest. Bei Bemessung der Erstreckungsdauer hat der Richter ein weites Ermessen. Das Bundesgericht überprüft daher nur mit gros­ ser Zurückhaltung, ob die Vorinstanz in dem vom Gesetz vorgegebenen Rah­ men Bundesrecht verletzt hat (Urteile des Bundesgerichts 4A_503/2014 vom 17. September 2014; 4A_14/2014 vom 26. Mai 2014; 4A_62/2010 vom 13. April 2010, E.  6.1.3). Dieses ist nur verletzt, wenn der vorinstanzliche Richter die vom Gesetz festgelegten Grenzen überschreitet, wenn er sich von Erwägungen leiten lässt, die der anwendbaren Bestimmung fremd sind, wenn er Umstände ausser Betracht gelassen hat, die hätten beachtet werden müssen, oder wenn er diesbezüglich ungerechtfertigte Schlüsse zieht, sodass man von einem Miss­ brauch der Ermessensfreiheit sprechen muss (BGE 125 III 226, E. 4b, in: Pra 88, S. 813 sowie in: MRA 4/99, S. 166 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.139/2000 vom 10. Juni 2000, E. 2a, in: MRA 3/2001, S. 75 ff.; Urteil 4C.343/2004 vom 22. Dezember 2004, E. 4.1, in: mp 2/05, S. 100 ff.). Das Bundesgericht greift selbst dann nicht in das Ermessen der kantonalen Vorinstanz ein, wenn diese bei ausgewiesenem Vermieterinteresse trotz fehlender Suchbemühungen des Mieters eine langjährige Erstreckung ausspricht (Urteile des Bundesgerichts 4A_567/2010 vom 16.  Dezember 2010, E.  3; 4A_518/2010 vom 16.  Dezem­ ber 2010, E. 3.3, in: mp 2/11, S. 158 ff. und S. 164 ff.; vgl. Urteil des Bundes­ gerichts 4A_569/2013 vom 24. März 2013, in: MRA 3/14, S. 115 ff.). Gewährt die Vorinstanz dagegen trotz Vorliegens einer grossen Härte bloss eine kurze Erstreckung, weil der Mieter ungenügende Suchbemühungen unternommen und zum Hauswart ein angespanntes Verhältnis hat, nimmt das Bundesge­ richt ebenso wenig an, das kantonale Gericht habe das ihr zustehende Ermes­ sen überschritten (Urteil des Bundesgerichts 4A_577/2009 vom 4. März 2010, E. 2.4, in: MRA 1/11, S. 19 ff.).

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Das Gesetz legt für Wohn- und Geschäftsräume die Dauer der maximal mög­ 2 lichen Erstreckung unterschiedlich fest. Bei einer gemischten Nutzung von Wohn- und Geschäftsräumen wird die Höchstdauer anhand der überwiegenden Nutzung bestimmt (Higi, ZK, N 12 zu Art. 272b OR). Eine allfällige Mieterstreckung ist ab dem Zeitpunkt, auf den gültig gekün­ 3 digt worden ist, zu gewähren. Verschiebt sich der Kündigungstermin zufolge einer verspätet erfolgten Kündigung auf den nächsten gesetzlichen oder ver­ traglichen Termin (vgl. Art. 266a Abs. 2 OR), so kann theoretisch eine maxi­ male Erstreckung ab dem Kündigungszeitpunkt gewährt werden. Der Rich­ ter hat allerdings in diesem Fall die Zeitspanne, um die der Vermieter früher als vertraglich oder gesetzlich minimal möglich gekündigt hat, bei der Bemes­ sung einer allfällig zu gewährenden Erstreckung mitzuberücksichtigen (N 72 zu Art. 272 OR).

1.2

Zwingender Charakter

Unter Vorbehalt der den Parteien in Abs.  2 eingeräumten Dispositionsfrei­ 4 heit im Falle einer (gerichtlich oder aussergerichtlich abgeschlossenen) Erstre­ ckungsvereinbarung ist Art. 272b OR zugunsten des Mieters zwingendes Recht (a.M. Roncoroni, zwingende Bestimmungen I, S. 86, der die Norm in Missach­ tung des klaren Wortlauts von Art. 273c OR für absolut zwingend erachtet).

2.

Definitive oder einstweilige Erstreckung

2.1

Definitive Erstreckung

In einem früheren Entscheid erwog das Bundesgericht, auf eine definitive 5 Erstreckung sei nur in Ausnahmefällen zu erkennen. Es bedürfe besonderer Gründe oder eines besonderen Interesses des Vermieters, um eine zweite Erstre­ ckung bereits anlässlich der ersten auszuschliessen (Urteil des Bundesgerichts vom 5. Januar 1994, E. 5b, in: MRA 1/95, S. 39 ff.). Diese Betrachtungsweise, wonach die erstmalige Erstreckung die Regel und die definitive Erstreckung die Ausnahme bilde (Higi, ZK, N 36 zu Art. 272b OR; MfdP/Spirig, N 30.8.4; vgl. Weber, BSK, N 2 zu Art. 272b OR, gemäss denen die nur einmalige Erstreckung eher die Ausnahme darstellt), lässt sich aufgrund eines neuen Bundesgerichts­ entscheides indessen nicht mehr aufrechterhalten. Danach hat der Richter nach freiem Ermessen zu prüfen, ob eine definitive oder einstweilige Erstre­ ckung zu gewähren ist. Massgebend sind dabei die konkreten Umstände, auf­

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grund derer die Interessen der Parteien gegeneinander abzuwägen sind (Urteil des Bundesgerichts 4C.445/2006 vom 7. Juni 2007, E. 5.2.3, bestätigt im Urteil des Bundesgerichts 4A_62/2010 vom 13.  April 2010, E.  6.1.2). Gestützt auf diesen Entscheid ist richtigerweise zu folgern, dass beide Erstreckungsarten gleichwertig nebeneinander stehen. Die Schlichtungsbehörde oder der Rich­ ter haben daher eine definitive Erstreckung auszusprechen, wenn eine zuver­ lässige Prognose über alle massgeblichen Faktoren schon im Zeitpunkt des ers­ ten Erstreckungsverfahrens möglich ist. Eine endgültige Erstreckung ist auch zu gewähren, wenn dies die Interessen des Vermieters gebieten oder wenn dem Vermieter eine weitere Fortsetzung des Mietverhältnisses aus anderen Grün­ den nicht mehr zuzumuten ist. Liegt im Zusammenhang mit einem vom Ver­ mieter geplanten Umbau der Mietliegenschaft noch keine Baubewilligung vor, so ist in aller Regel trotzdem mit hinreichender Bestimmtheit prognostizier­ bar, bis wann die rechtskräftige Baubewilligung für das Bauvorhaben vorliegen wird, weshalb es sich rechtfertigt, in derartigen Konstellationen eine einma­ lige und nicht eine erstmalige Erstreckung zuzusprechen (Urteil des Bundesge­ richts 4A_621/2009 vom 25. Februar 2010, in: MRA 4/10, S. 157 ff.). Steht fest, dass der Mieter nach erfolgter Kündigung ein Ersatzobjekt nicht mehr bean­ sprucht, ist ebenfalls eine definitive Erstreckung angebracht (vgl. auch N 12 zu Art. 272 OR). Dies ist insbesondere auch dann der Fall, wenn dem Mieter nur kurze Zeit nach dem Kündigungstermin ein konkretes Ersatzobjekt in Aus­ sicht steht (MfdP/Spirig, N  30.8.4) oder wenn einem älteren Geschäftsinha­ ber Erstreckung gewährt wird, damit ihm im Hinblick auf eine Geschäftsauf­ gabe noch eine gewisse – allerdings kurz zu bemessende – Zeitspanne für die Liquidation des Geschäftes oder des Warenlagers usw. zur Verfügung steht (vgl. auch N 12 zu Art. 272 OR). Teilweise wird in der Praxis der Ausschluss einer Zweit­erstreckung durch eine lange definitive Erstreckung ausgeglichen (Urteil des Bundesgerichts 4A_62/2010 vom 13. April 2010, E. 6.1.2, m.w.H., in: mp 3/10, S. 212 ff. sowie in: MRA 5/10, S. 207 ff.; ähnlich Urteil des Bundesgerichts 4A_621/2009 vom 25.  Februar 2010, E.  2.4, in: mp 3/10, S.  218  ff. sowie in: MRA 4/10, S. 157 ff.). Das Bundesgericht scheint mittlerweile faktisch eher von einer Priorität der einmaligen Erstreckung auszugehen. Im Ergebnis gewährt das Bundesgericht nur eine erstmalige Erstreckung, wenn besondere Verhält­ nisse vorliegen, die gegen eine definitive Erstreckung sprechen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_62/2010 vom 13. April 2010). 6

Eine vom Vermieter auf einen bestimmten Zeitpunkt hin geltend gemachter Eigenbedarf rechtfertigt stets nur eine einmalige Erstreckung (Urteil des Bun­ desgerichts vom 5. Januar 1994, a.a.O., m.w.H., in: MRA 1/95, S. 39 ff. sowie Urteil des Bundesgerichts vom 18. Januar 1996, E. lc, in: MRA 5/96, S. 196 ff.; 1080

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Urteil des Bundesgerichts 4C.400/2001 vom 4. März 2002, E. 4). Ein solches Interesse ist insbesondere dann ausgewiesen, wenn ein Eigenbedarf des Ver­ mieters für sich selber oder nahe Verwandte oder Verschwägerte auf einen bestimmten Zeitpunkt hin glaubhaft gemacht wird und trotz dieses gewichti­ gen Interesses die Gewährung einer Erstreckung in Betracht gezogen wird. Als Beispiel sei der Fall eines Vermieters erwähnt, der auf diesen Zeitpunkt ein bis­ her von ihm benutztes Mietobjekt verlassen muss. Entsprechendes gilt in dem Fall, in dem ein naher Verwandter oder Verschwägerter auf einen bestimm­ ten Zeitpunkt eine Stelle in der Nähe des Mietobjekts antritt und darüber ver­ fügen können sollte. Ist der Zeitpunkt eines geplanten Umbaus bei Vorliegen einer rechtskräftigen Baubewilligung bereits bestimmt oder bestimmbar, so wird sich ebenfalls – extreme Härtefälle vorbehalten – eine definitive Erstre­ ckung aufdrängen, weil der Vermieter ein berechtigtes Interesse daran hat, die Umbauarbeiten auf einen länger im Voraus bekannten Termin hin zu organi­ sieren. Haben Vertragsverletzungen des Mieters (z.B. schleppende Mietzinszahlungen, 7 vertragswidriger Gebrauch der Sache oder mangelnde Sorgfalt und Rücksicht­ nahme) zur Kündigung geführt, ist aufgrund des vertragswidrigen Verhaltens für den Vermieter eine zweite Erstreckung nicht zumutbar. In diesen Fällen ist somit eine definitive Erstreckung anzuordnen. Grundsätzlich rechtfertigt sich eine definitive Erstreckung zudem in all jenen 8 Fällen, in denen auf längere Sicht keine Veränderung der Verhältnisse aufseiten der Parteien zu erwarten ist (ZMP 1/92, Nr. 8, S. 31). Hat der Mieter bis zur Durchführung des Erstreckungsverfahrens noch keine intensiven Suchbe­ mühungen getätigt, ist wohl in den meisten Fällen davon auszugehen, dass er innert der ihm zugestandenen Erstreckungsfrist ein passendes Ersatzobjekt fin­ det, falls er seine Bemühungen verstärkt. In aller Regel dürfte daher bei ausrei­ chenden, aber nicht allzu grossen Suchbemühungen des Mieters nur eine defi­ nitive Erstreckung infrage kommen (Urteil des Bundesgerichts 4C.400/2001 vom 4.  März 2002, E.  4; ähnlich ZMP 1/92, Nr.  8, S.  31  f.). Dies gilt umso mehr, als intensiv, aber ergebnislos betriebene Suchbemühungen unabding­ bare Voraussetzung für die allfällige Gewährung einer zweiten Erstreckung bil­ den. Dabei sind die vom Mieter seit Erhalt der Kündigung unternommenen Bemühungen, nicht etwa nur diejenigen, die er seit dem Entscheid betreffend die Gewährung der ersten Erstreckung unternommen hat, in die Beurteilung einzubeziehen. Erweist sich somit im Verfahren betreffend eine vom Mieter begehrte erstmalige einstweilige Erstreckung, dass bis zum Beurteilungszeit­ punkt keine genügenden Suchbemühungen unternommen worden sind, so ist

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die Gewährung einer erstmaligen Erstreckung ausgeschlossen. Grund dafür ist, dass ja bereits feststeht, dass eine zweite Erstreckung mangels genügender Suchbemühungen von vornherein nicht gewährt werden darf. Eine trotz dieser Erkenntnis gewährte, erstmalige Erstreckung würde diesfalls nur noch dazu dienen, dem Mieter durch Einleitung eines aussichtslosen Verfahrens die Mög­ lichkeit zu eröffnen, von der Dauer des eingeleiteten Verfahrens zu profitie­ ren. Das wäre indessen völlig sachfremd. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Mieter eine erste Erstreckung nicht zur Suche nach einem Ersatz benutzen wird, ist ebenfalls eine endgültige Erstreckung zu gewähren (Urteil des Bun­ desgerichts vom 5. Januar 1994, in: MRA 1/95, S. 39 ff.).

2.2

Einstweilige Erstreckung

9

Die einstweilige Erstreckung geht der definitiven, wie vorstehend ausgeführt wurde, nicht als Regelfall vor. Die beiden Erstreckungsarten stehen vielmehr gleichwertig nebeneinander (vgl. dazu N 5). Sind die Verhältnisse beidseits unbestimmt oder die Interessen des Vermieters nicht derart, dass ihm gege­ benenfalls nach Ablauf einer Ersterstreckung nicht noch mindestens die Zeit der Dauer des Zweiterstreckungsverfahrens zugemutet werden kann, rechtfer­ tigt sich die Gewährung einer einstweiligen Erstreckung (ähnlich ZMP 1/92, Nr.  8, S.  31). Eine solche Erstreckung ist somit in denjenigen Fällen ange­ zeigt, in denen sich erwarten lässt, dass nach Ablauf der Ersterstreckungsdauer zusätzliche Grundlagen für die Beurteilung einer möglicherweise im mass­ gebenden Zeitpunkt noch vorhandenen Härte bzw. mit Bezug auf eine noch nicht in allen Teilen konkretisierte Interessenlage des Vermieters vorliegen. Wird jedoch eine Härtesituation aufseiten des Mieters darin erblickt, dass die­ ser trotz nachgewiesenen intensiven Suchbemühungen nach Erhalt der Kün­ digung noch kein ihm zumutbares Ersatzobjekt gefunden hat, so ergeben sich für das Kriterium der örtlichen Verhältnisse auf dem Immobilienmarkt, die auf den konkreten Fall zu beziehen sind, zusätzliche Anhaltspunkte. Nach Art. 272 Abs. 3 OR bildet unabdingbare Voraussetzung für die Gewährung einer zwei­ ten Erstreckung, dass der Mieter den Nachweis erbringen kann, er habe trotz intensiv betriebener Suchbemühungen kein ihm zumutbares Ersatzobjekt fin­ den können (N 75 ff. zu Art. 272 OR).

10

Enthält der Entscheid der Schlichtungsbehörde oder des Gerichtes im Dispo­ sitiv keinen Hinweis, dass es sich um eine definitive Erstreckung handelt, so ist davon auszugehen, dass dem Mieter eine erstmalige Erstreckung gewährt wurde (Zihlmann, Mietrecht, S. 237). Dasselbe gilt, wenn die Parteien sich in einer Vereinbarung nicht darüber ausgesprochen haben, ob eine erste oder 1082

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eine letztmalige Erstreckung vereinbart wurde, muss doch der Verzicht des Mieters auf Zweit­erstreckung ausdrücklich erklärt werden (ähnlich Higi, ZK, N 36 zu 272b OR).

3.

Dauer der Erstreckung

Zwar steht dem Richter bei Bemessung der Erstreckungsdauer ein grosser 11 Ermessensspielraum zu (z.B. BGE 125 III 226, E. 4b, in: Pra 88, S. 813 sowie in: MRA 4/99, S. 166 ff.; vgl. N 1). Trotzdem ist in grundsätzlicher Hinsicht zu fordern, dass erstmalige Erstreckungen generell nur für eine verhältnismäs­ sig kurze Dauer gewährt werden (a.M. Higi, ZK, N 39 zu Art. 272b OR, mit der Begründung, in erster Linie sei der Härtesituation Rechnung zu tragen). Die Einräumung einer einstweiligen, nicht definitiven Erstreckung schafft für den Vermieter einerseits eine erhebliche Unsicherheit mit Bezug auf die Frage, wann über das Mietobjekt verfügt werden kann. Anderseits soll der Mieter im Hinblick auf die Voraussetzungen eines Zweiterstreckungsverfahrens veran­ lasst sein, möglichst rasch und laufend intensive Suchbemühungen anzustel­ len. Wird dem Mieter eine länger dauernde erstmalige Erstreckung gewährt, so besteht – wie die bisherige Praxis gezeigt hat – die Gefahr, dass der Mieter während längerer Zeit keinerlei Suchbemühungen unternimmt. Er stellt sich darauf ein, in jedem Fall noch ein (nach dieser Sachlage zwar aussichtsloses) Zweiterstreckungsverfahren einzuleiten, bis zu dessen Beendigung er zufolge der verfahrensrechtlichen Verzögerung ohnehin noch mit einem erheblichen Zeitgewinn rechnen kann. Es lässt sich auch bei Gewährung einer kurzen erst­ maligen Erstreckung im Rahmen eines Zweit­erstreckungsverfahrens hinrei­ chend beurteilen, ob der Mieter trotz den ihm zumutbaren intensiv betrie­ benen Suchbemühungen ein geeignetes Ersatzobjekt nicht hat finden können. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, können die allenfalls berech­ tigten Interessen des Mieters  – vorbehältlich der entgegenstehenden Interes­ sen des Vermieters – noch in genügendem Mass bei Gewährung einer zweiten, definitiven Erstreckung berücksichtigt werden. Die Dauer der Erstreckung hängt zwar von den einander gegenüberstehen­ 12 den Interessen ab (Urteil des Bundesgerichts 4C.139/2000 vom 10. Juni 2000, E. 2a, in: MRA 3/2001, S. 75 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.343/2004 vom 22. Dezember 2004, E. 4.1, in: mp 2/05, S. 100 ff.). Nach den vorstehend dar­ gestellten Grundsätzen dürfte aber bei Wohnungsmieten eine erste Erstre­ ckung nur in besonderen Ausnahmefällen den Rahmen eines Jahres und bei Geschäftsmieten selten die Dauer von zwei Jahren übersteigen. Abzulehnen ist

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Art. 272b

jedenfalls die sinngemässe Auffassung von MfdP/Spirig (N 30.8.5), wonach je geringer das Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses sei, desto eher sei eine der maximalen Erstreckungsdauer angenäherte Erstre­ ckung in Betracht zu ziehen. Liegt eine geringfügige Härte seitens des Mieters vor, so ist auch dann eine kurze Erstreckung zu gewähren, wenn das Interesse des Vermieters nicht allzu gross ist. 13

Kündigt der Vermieter lange im Voraus und bietet er dem Mieter an, das Miet­ objekt schon vor dem Kündigungszeitpunkt kurzfristig verlassen zu können, ohne für weitere Mietzinszahlungen haften zu müssen, so versetzt dies den Mieter mit Bezug auf die zusätzlich zur gesetzlich vorgeschriebenen minima­ len Kündigungsfrist gewährte Zeitdauer in die gleiche Lage, in der er sich mit der Gewährung einer Mieterstreckung befindet. Die Zeitspanne, um die der Vermieter früher gekündigt hat, ist daher im vollen Umfang auf eine allenfalls zu gewährende Erstreckung anzurechnen und die Erstreckungsdauer herabzu­ setzen (BGE 125 III 226, E. 4c, in: Pra 88, S. 814 und MRA 4/99, S. 166 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C. 343/2004 vom 22. Dezember 2004, E. 4.2, in: mp 2/05, S. 100 ff.; N 72 zu Art. 272 OR). Dies gilt namentlich dann, wenn der Vermie­ ter dem Mieter ein vorzeitiges Auszugsrecht anbietet und sich bereit erklärt, den Mieter kurzfristig vor dem Kündigungszeitpunkt aus den Vertragspflich­ ten zu entlassen (Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 272b OR). Auch ohne das Angebot eines vorzeitigen Auszugs ist eine längere Zeit im Voraus erklärte Kündigung und die damit dem Mieter zusätzlich gewährte Zeitspanne für die Suche nach einem Ersatzobjekt angemessen zu berücksichtigen. Die frühzei­ tig erklärte Kündigung versetzt den Mieter in eine ähnliche Lage, wie sie im befristeten Mietverhältnis besteht, bei dem nach konstanter Praxis eine Erstre­ ckung konsequent nur mit grosser Zurückhaltung in Betracht gezogen wird (Urteile des Bundesgerichts 4A_420/2009 vom 11.  Juni 2010; 4A_552/2009 vom 1. Fe­bruar 2010).

14

Ausgeschlossen ist eine Mieterstreckung auf unbestimmte Zeit, z.B. bis zum Eintritt eines Ereignisses oder einer Bedingung (BGE 135 III 121, E. 4, in: mp 1/09, S. 51 ff. sowie in: MRA 3/09, S. 111 ff.; zustimmend Higi, ZK, N 17 zu Art. 272b OR). Die Erstreckungsdauer muss mithin klar bestimmt sein. Der Richter kann also nicht das Mietverhältnis erstrecken, bis der Vermieter über eine rechtskräftige Baubewilligung verfügt. Ebenso wenig könnte einem Mie­ ter das Mietverhältnis bis zu jenem Zeitpunkt erstreckt werden, bis zu dem ein anderer Mieter in der gleichen Liegenschaft, dem bereits Erstreckung gewährt worden ist, sein Mietobjekt verlässt, mit der Begründung, es könnten die vor­ gesehenen Umdispositionen hinsichtlich dieser Mietsache nur dann vorge­

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nommen werden, wenn alle Mietobjekte geräumt seien (N 74 zu Art. 272 OR). Mit solch unbestimmten Zeitbegriffen würden namentlich für den Vermie­ ter nicht zu rechtfertigende Unsicherheiten geschaffen, und es bestünde gleich­ zeitig ein hoher Anreiz für den Mieter, darauf hinzuwirken, dass der Eintritt der Bedingung hinausgeschoben wird. Im Übrigen besteht die Gefahr, dass die Frage, ob die massgebende Bedingung eingetreten ist oder nicht, erneut einem Richter zur Beurteilung vorgelegt werden könnte.

4. Erstreckungsvereinbarungen Abs. 2 von Art. 272b OR bringt zum Ausdruck, dass eine von den Parteien nach 15 einer Kündigung getroffene Vereinbarung über die Verlängerung der Auszugsfrist gleiche Wirkungen entfaltet wie eine vom Richter gewährte Mieterstreckung. Insbesondere wird auch ausdrücklich ermöglicht, dass der Mieter auf eine zweite Erstreckung verzichten kann. Damit wird verhindert, dass der Mieter sich auf den Standpunkt stellen kann, es sei ein neuer Vertrag zustande gekommen, und er habe dabei nicht gültig auf seinen Erstreckungsanspruch verzichten können (Art. 273c OR). Nicht erforderlich ist, dass die Parteien ihre unter sich getroffene Vereinba­ 16 rung der Schlichtungsbehörde oder einem Gericht vorlegen (vgl. dazu Geset­ zesentwurf in Botsch. 1985, S. 1463). Ebenso wenig ist für die Verbindlichkeit einer unter den Parteien getroffenen Erstreckungsvereinbarung erforderlich, dass vom Mieter bereits ein Kündigungsschutzverfahren eingeleitet worden ist. Häufig einigen sich die Parteien gerade deshalb, weil sie ein solches Verfahren vermeiden wollen. Es wäre unsinnig zu verlangen, dass die Schlichtungsbe­ hörde angerufen werden muss, obwohl sich die Parteien bereits geeinigt haben, nur um der Einigung den Charakter eines gerichtlichen Vergleichs zu verlei­ hen. Im Rahmen einer Erstreckungsvereinbarung sind die Parteien frei, die Dauer 17 der gewährten Erstreckung abweichend von den gesetzlichen Maximalvor­ schriften festzulegen. Sie können auch – was in einem Verfahren nicht mög­ lich ist  – vereinbaren, dass das Mietverhältnis bis zum Eintritt einer Bedin­ gung, z.B. bis zum Eintritt der Rechtskraft einer Baubewilligung, erstreckt wird (MfdP/Spirig, N 30.10.3). Die Parteien können aber auch in analoger Anwendung von Art.  272c OR 18 andere Vertragsbedingungen festlegen. Ebenso steht es ihnen frei, die Moda­ litäten eines vorzeitigen Auszuges abweichend von den Vorschriften von

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Art. 272d OR zu regeln (Hulliger/Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 272b OR; zur Form siehe N 19 zu Art. 272c OR). 19

Im zweiten Absatz der Bestimmung ist nur die Rede von einem Verzicht auf die zweite Erstreckung. Bei unbefristeten Mietverträgen fragt sich somit, ob der Mieter nach Erhalt der Kündigung oder allenfalls auch schon früher, ins­ besondere also während der in Art. 273 Abs. 2 OR enthaltenen 30-tägigen Frist, im konkreten Einzelfall gültig auf sein Recht auf Erstreckung verzichten kann. Bestehen hiefür gute Gründe – z.B. im Falle einer finanziellen Abgeltung des Erstreckungsrechts – muss nach Sinn und Zweck des Gesetzes ein derartiger Verzicht schon vor Ablauf der erwähnten Frist zulässig sein (mit einlässlicher Begründung Higi, ZK, N 73 zu Art. 272b OR; a.M. MfdP/Spirig, N 30.10.1). Dies gilt umso mehr, als der Mieter von einer Geltendmachung seines Erstre­ ckungsanspruches absehen kann, indem er diese Frist unbenutzt verstreichen lässt. Nach dem Grundgedanken von Art. 273c OR sollen überdies nur diejeni­ gen Verzichtserklärungen des Mieters nichtig sein, die im Voraus, d.h. schon bei Vertragsbeginn oder vor Eintritt eines konkreten Einzelfalles (z.B. vor einer Kündigung) eingegangen wurden. Es ist deshalb nicht einzusehen, weshalb ein Verzicht, der schon vor Ablauf der 30-tägigen Frist erklärt wurde, anders zu behandeln ist als ein solcher nach Ablauf dieser Frist. Nach Erhalt der Kündi­ gung oder kurz vor Ablauf der Befristung kann der Mieter in jedem Fall gültig auf eine Erstreckung verzichten (Urteil des Bundesgerichts 4A_467/2009 vom 19. November 2009, E. 4; Weber, BSK, N 6 zu Art. 272b OR).

20

Im Übrigen würde sich ein Mieter rechtsmissbräuchlich verhalten, wenn er zuerst im Rahmen einer Vereinbarung, möglicherweise sogar als Gegenleis­ tung für andere ihm gewährte Vorteile, auf eine Erstreckung verzichtet und im Nachhinein geltend macht, sein Verzicht sei gestützt auf Art. 273c OR nichtig.

21

Es wird bisweilen die Auffassung vertreten, Vereinbarungen, die eine einma­ lige Mieterstreckung oder einen Verzicht auf eine Mieterstreckung zum Gegen­ stand haben, seien im Sinne von Art. 273c OR nichtig, wenn sie abgeschlos­ sen werden, bevor ein Erstreckungsanspruch überhaupt erst geltend gemacht werden kann, also nach Eingang einer Kündigung oder spätestens 60 Tage vor Ablauf eines befristeten Mietverhältnisses (ähnlich Higi, ZK, N 74 zu Art. 272b OR). Dies trifft indessen nicht zu: Die Parteien können auch schon vor Mitteilung einer Kündigung bzw. früher als 60 Tage vor Ablauf eines befristeten Mietverhältnisses eine Vereinbarung mit einem Verzicht des Mieters auf eine Erstreckung oder mit einer einmaligen Erstreckung, bei der auf eine zweite Erstreckung verzichtet wird, treffen, die vor Art. 273c OR standhält. Zu denken ist etwa an den Fall, bei dem der Vermieter dem Mieter seine Absicht bekannt 1086

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Art. 272b

gibt, das Mietverhältnis auf einen bestimmten Zeitpunkt zu kündigen (z.B. wegen Eigenbedarfs, wegen eines Neubaus oder wegen eines Umbauprojekts der Liegenschaft). Einigen sich die Parteien auf einen Beendigungszeitpunkt und vereinbaren sie dabei gleichzeitig, dass der Mieter auf eine Erstreckung verzichtet, so ist das gültig, auch wenn beim unbefristeten Vertragsverhältnis eine formelle Kündigung seitens des Vermieters nicht erklärt worden ist. Es liegt ein zulässiger Aufhebungsvertrag (vgl. N  25) und keine Erstreckungs­ vereinbarung vor (a.M. Higi, ZK, N 61 f. und 81 f. zu Art. 272b OR). Der mit dem Aufhebungsvertrag erklärte Verzicht auf eine Erstreckung des Mietver­ hältnisses erfolgt dabei nicht in verpönter Weise im Voraus (Weber, BSK, N 5 zu Art. 272b OR; a.M. MfdP/Spirig, N 30.30.1, die dafür hält, ein Verzicht des Mieters auf eine Erstreckung sei erst dann rechtsgültig möglich, wenn dieser mit der Zustellung des amtlichen Kündigungsformulars auf seine Rechte hin­ gewiesen worden sei. Die Autorin übersieht, dass beim befristeten Vertrag eine solche Rechtsmittelbelehrung nicht erfolgt, weshalb es generell darauf auch nicht ankommen kann). Weiter fragt sich, zu welchem Zeitpunkt die Parteien bei befristeten Mietver­ 22 trägen bzw. bei Zweiterstreckungen eine Erstreckungsvereinbarung treffen können. Abzulehnen ist die Auffassung, wonach eine solche Vereinbarung im Lichte von Art. 273c OR erst dann gültig vereinbart werden kann, wenn das Ende des befristeten Vertrages bzw. der ersten Erstreckung bevorsteht (Giger, Erstreckung, S.  129; MfdP/Spirig, N  30.10.3). Richtig ist vielmehr, dass auf­ grund der gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu prüfen ist, ob die Vereinbarung einen unzulässigen Vorausverzicht darstellt (gl.M. Higi, ZK, N 84 zu Art. 272b OR). Bei der Beurteilung ist insbesondere in Betracht zu ziehen, dass nicht zuletzt der Mieter an einer möglichst frühzeitigen Verein­ barung unter Umständen ein grosses Interesse haben kann. Dies ist etwa der Fall, wenn der Mieter von Gewerberäumen seinen Umzug mehrere Monate im Vo­raus planen muss. Schliessen die Parteien ausserhalb eines gerichtlichen Verfahrens eine Erstre­ 23 ckungsvereinbarung, in der sie eine erstmalige Erstreckung vorsehen, so kann der Mieter 60 Tage vor Ablauf der vereinbarten Ersterstreckungsfrist beim Richter die Gewährung einer zweiten Erstreckung verlangen. Die Vorausset­ zungen für die Einräumung einer solchen Erstreckung sind die gleichen, wie wenn der Richter die erste Erstreckung gewährt hätte. Der Richter ist aber an die gesetzliche Maximaldauer gebunden, was bedeutet, dass die Dauer der Erstund Zweiterstreckung zusammengerechnet das in Art. 272b Abs. 1 OR geregelte Höchstmass nicht übersteigen darf.

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Art. 272b 24

Zu beachten ist schliesslich, dass die Vereinbarung über eine Mieterstreckung bei Familienwohnungen nach Art. 273a Abs. 2 OR nur gemeinsam mit bei­ den Ehegatten bzw. eingetragenen Partnern (Art. 273a Abs. 3 OR) getroffen werden kann. Dies gilt nach dem Gesetzeswortlaut nicht nur für ausserhalb eines gerichtlichen Verfahrens getroffene Vereinbarungen, sondern auch für Vergleichslösungen im Rahmen eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens.

25

Von einer Erstreckungsvereinbarung, die entweder nach Erhalt der Kündi­ gung oder bei befristeten Mietverträgen frühestens 60 Tage vor Vertragsende abgeschlossen werden kann, ist der Auflösungsvertrag zu unterscheiden. Will der Mieter oder der Vermieter aus irgendwelchen Gründen das Mietverhält­ nis auf einen bestimmten Zeitpunkt beenden, so sind die Parteien frei, eine Auflösungsvereinbarung zu treffen. Diesfalls gelangen die Bestimmungen des 3. Abschnittes (Art. 271 bis Art. 273c OR) nicht zur Anwendung (Barbey, Pro­ tection, N 229 f., S. 83 f.; Higi, ZK, N 14 zu Vorbem. zu Art. 266–266o OR), und der Mieter hat keinen Anspruch auf Erstreckung (Giger, Erstreckung, S. 50).

26

Selbst wenn die Parteien sich bei Abschluss des Mietvertrages die Schriftform vorbehalten haben, kann der Aufhebungsvertrag mündlich abgeschlossen werden (Art. 115 OR). Haben die Parteien indessen auch vereinbart, dass Abänderungen des Vertrages formbedürftig sind, so unterliegt auch der Auflösungsvertrag dieser Form (Aepli, ZK, N 69 zu Art. 115 OR).

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Art. 272c IV. Weitergeltung des Mietvertrages 1 Jede

Partei kann verlangen, dass der Vertrag im Erstreckungsentscheid veränderten Verhältnissen angepasst wird. 2 Ist der Vertrag im Erstreckungsentscheid nicht geändert worden, so gilt er

während der Erstreckung unverändert weiter; vorbehalten bleiben die gesetzlichen Anpassungsmöglichkeiten. IV. Validité du bail 1 Une

partie peut demander que la décision de prolongation modifie le contrat en l’adap­ tant à la nouvelle situation.

2 Si

la décision de prolongation n’a pas modifié le contrat, celui-ci reste en vigueur sans changements pendant la prolongation; sont réservées les possibilités d’adaptation légales.

IV. Validità ulteriore della locazione 1 Ciascuna

parte può chiedere che, nella decisione di protrazione, il contratto venga ade­ guato alla nuova situazione.

2 Se

non è stato modificato nella decisione di protrazione, il contratto permane valido senza alcun cambiamento durante la protrazione; sono salve le possibilità legali d’adegua­ mento.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Charakter der Norm, intertemporales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1090 1090 1090

2. Weitergeltung des Mietvertrags als Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Auflösung des erstreckten Mietverhältnisses .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Anpassung der Vertragsbedingungen während der Erstreckungsdauer .. . . . . . . . . . . 

1091 1091 1091 1092

3.

Änderungen der Vertragsbedingungen im Erstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . 

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4.

Änderungen der Vertragsbedingungen durch Erstreckungsvereinbarung . . . . . 

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1. Vorbemerkungen 1.1 Allgemeines 1

Die Erstreckung des Mietverhältnisses läuft in grundsätzlicher Hinsicht den Intentionen des Vermieters zuwider, da dieser ja mit der Kündigung zum Aus­ druck bringt, dass er auf den Kündigungszeitpunkt über das Mietobjekt ver­ fügen will. Mit dem Ziel, das Mietverhältnis zu beenden, verträgt es sich nicht, eine Anpassung der Vertragskonditionen geltend zu machen, die – würde das Mietverhältnis fortgeführt – ohne Weiteres berechtigt wäre. Wird das Mietver­ hältnis nun aber nach Einleitung eines Erstreckungsverfahrens zumindest für die Dauer dieses Verfahrens, möglicherweise aber auch aufgrund einer Ent­ scheidung durch die zuständige Behörde oder den zuständigen Richter, über den Kündigungstermin hinaus verlängert, so kann sowohl für den Vermieter als auch für den Mieter ein legitimes Interesse entstehen, dass die Vertrags­ konditionen für diese Zeit abgeändert werden. Das Schutzbedürfnis des Mie­ ters geht nicht so weit, dass ihm die Erstreckung des Mietverhältnisses nur gerade zu den im Zeitpunkt der Kündigung bestehenden Vertragsbedingun­ gen gewährt werden kann, obwohl veränderte Verhältnisse grundsätzlich eine Mietzinsanpassung gerechtfertigt hätten. Da mit einer Mieterstreckung eine den Mieter treffende Härte abgewendet werden soll, können diesem durch­ aus auch gewisse Beschränkungen hinsichtlich des Gebrauchs der Mietsache oder veränderte Konditionen mit Bezug auf die Mietzinsgestaltung für die Erstreckungsdauer zugemutet werden. Art. 272c OR erlaubt dem Richter, ent­ sprechende Interessen beider Parteien während der Erstreckungsdauer zu berücksichtigen.

1.2 2

Charakter der Norm, intertemporales Recht

Art.  272c OR ist gemäss Art.  273c OR zugunsten des Mieters zwingendes Recht (a.M. Roncoroni, zwingende Bestimmungen I, S. 86 und Higi, ZK, 6 ff. zu Art. 272c OR, die diese Bestimmung in Missachtung des klaren Wortlautes von Art. 273c OR ganz oder teilweise als absolut zwingend erachten).

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2.

Weitergeltung des Mietvertrags als Grundsatz

2.1 Allgemeines Art. 272c OR legt den Grundsatz fest, dass der Mietvertrag während der Erstre­ 3 ckungsdauer unverändert weiter gilt. Mit der Erstreckung des Mietverhältnis­ ses wird nur insoweit in die bestehende Vertragsbeziehung eingegriffen, als dass die Wirkungen der vom Vermieter ausgesprochenen Kündigung erst auf einen späteren Zeitpunkt eintreten. Der Grundsatz, wonach der Mietvertrag unverändert weiter gilt, wird nur durch besondere Kündigungsrechte des Mieters (Art. 272d OR) und durch die Möglichkeit durchbrochen, vom Rich­ ter Anpassungen der Vertragsbedingungen zu verlangen. Während der Dauer der Mieterstreckung gelten somit alle von den Parteien ver­ 4 einbarten gegenseitigen Verpflichtungen ungeschmälert weiter. Der Vermie­ ter hat z.B. weiterhin die Mietsache in dem zum vorausgesetzten Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten (Art.  256 OR); der Mieter ist zur pünktli­ chen Bezahlung des Mietzinses und zu Sorgfalt und Rücksichtnahme ver­ pflichtet (Art. 257d und Art. 257f OR). Mit dem Erstreckungsentscheid wird die definitive Beendigung des Mietvertrags festgelegt. Diesem Zweck entspre­ chend hebt ein Erstreckungsentscheid bzw. eine Erstreckungsvereinbarung ein vertraglich vereinbartes Vormietrecht allerdings auf (Urteil des Bundes­ gerichts 4C.127/1999 vom 18. Januar 2000, E. 3b/bb, in: MRA 2/01, S. 42 ff.), sofern kein Vorbehalt angebracht wird. Gleiches gilt für ein vereinbartes Optionsrecht. Auch dieses wird aufgehoben, sofern dessen Ausübung nicht vorbe­ halten wurde. Die Erstreckung stellt ein durch richterliche Anordnung fortbestehendes Miet- 5 verhältnis sui generis dar (Higi, ZK, N 47 zu Art. 260 OR). Sie ist daher nicht einem gekündigten Mietverhältnis gleichzustellen. Daraus folgt, dass der Vermieter Erneuerungen und Änderungen i.S.v. Art.  260 OR an der Mietsa­ che auch während der Erstreckung vornehmen kann, sofern diese Arbeiten für den Mieter zumutbar sind (gl.M. Higi, ZK, N 47 zu Art. 260 OR; MfdP/Spirig, N 30.11.5; a.M. Weber, BSK, N 4 zu Art. 260 OR).

2.2

Auflösung des erstreckten Mietverhältnisses

Mit der Erstreckung des Mietverhältnisses sind die vertraglich vereinbarten 6 Kündigungsmöglichkeiten ausser Kraft gesetzt. Der Vermieter kann das Ver­ tragsverhältnis nicht im Rahmen der vereinbarten oder gesetzlichen Kündi­

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gungsfristen erneut kündigen. Für den Mieter gelten die «vorzeitigen» Auflösungsmöglichkeiten gemäss Art. 272d OR, soweit der Erstreckungsentscheid oder eine Vereinbarung nichts anderes festlegen. Selbstverständlich bleiben aber während der Erstreckungsdauer dem Vermieter die ausserordentlichen Vertragsauflösungsmöglichkeiten, so wegen Zahlungsverzugs des Mieters (Art. 257d OR), wegen schwerer Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme (Art. 257f Abs. 3 und 4 OR) sowie Auflösung wegen Konkurs des Mieters (Art.  266h OR), erhalten. Die Gewährung einer Miet­ erstreckung entbindet den Mieter nicht davon, sämtliche vertraglichen Ver­ pflichtungen weiterhin einwandfrei zu erfüllen. Der Vermieter muss weiterhin in der Lage sein, die Verletzung dieser elementaren Pflichten mit einer ausser­ ordentlichen Auflösung des Vertrages zu sanktionieren (Zihlmann, Mietrecht, S. 242; Thanei, Erstreckung, S. 39; MfdP/Spirig, N 30.11.7.1). Auch wichtige Gründe rechtfertigen eine vorzeitige Vertragsauflösung während der Dauer einer Mieterstreckung, wobei allerdings der Mieter diesfalls erneut ein Erstreckungsbegehren stellen kann (Art. 266g OR; Botsch. 1985, S. 1463). 7

Wird das Mietobjekt während der Dauer einer Erstreckung veräussert, so tritt der Erwerber in das bestehende und durch richterlichen Eingriff mit Bezug auf die Vertragsdauer gestaltete Vertragsverhältnis ein (Art. 261 OR). Die Kündi­ gungsmöglichkeit nach Art. 261 Abs. 2 Buchst. a OR bei dringendem Eigenbedarf des Käufers für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte muss auch diesfalls bestehen (Higi, ZK, N 39 zu Art. 261–261a OR, N 19 zu Art. 272c OR und N 46 zu Art. 272d OR; MfdP/Spirig, N 30.11.7.1).

2.3 8

Anpassung der Vertragsbedingungen während der Erstreckungsdauer

Nach der zu Art.  267a Abs.  4 aOR entwickelten Rechtsprechung konnte der Vermieter während der Erstreckungsdauer keine Mietzinsanpassungen gel­ tend machen. Solche Anpassungen konnten ausschliesslich im Rahmen des Erstreckungsverfahrens beim Richter anbegehrt werden (BGE 102 II 12  ff.). Art. 272 Abs. 2 OR behält nun den Parteien auch während der Erstreckungs­ dauer die «gesetzlichen Anpassungsmöglichkeiten» ausdrücklich vor. In materieller Hinsicht bedeutet das, dass der Mietzins nach Massgabe der Bestim­ mungen über die nicht missbräuchlichen Mietzinse (Art. 269 bzw. Art. 269a OR für den Vermieter und Art.  270a OR für den Mieter) verändert werden kann. Folgerichtig stehen dem Mieter auch die Anfechtungsmöglichkeiten

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nach Art. 270a ff. OR zu Gebot (Zihlmann, Mietrecht, S. 241; Thanei, Erstre­ ckung, S. 38). Ein vertraglicher Kündigungstermin besteht zwar für die Parteien zufolge der 9 gewährten Erstreckung nicht mehr. Eine Partei kann indessen während der Erstreckung den Mietzins auf einen gesetzlichen Kündigungstermin (was mit dem Begriff der «gesetzlichen Anpassungsmöglichkeiten» zum Ausdruck gebracht wird) anpassen. Abs. 2 der Bestimmung verweist somit auf Art. 269d Abs. 1 OR sowie auf Art. 270a Abs. 1 OR, die eine Erhöhung bzw. eine Herab­ setzung des Mietzinses auf den «nächstmöglichen Kündigungstermin» vor­ sehen. Darunter ist derjenige Termin zu verstehen, auf den die Mietzinsän­ derung hätte vorgenommen werden können, wenn das Mietverhältnis nicht gekündigt oder erstreckt worden wäre. Massgebend sind somit in erster Linie die ursprünglichen im gekündigten Vertrag vereinbarten Kündigungsfris­ ten und -termine und erst subsidiär die gesetzlichen Termine nach Art. 266c, 266d und 266e OR (Giger, Erstreckung, S. 134, mit Verweis auf das 3. Protokoll der vorberatenden Kommission des Ständerats, Rz. 525; ähnlich Weber, BSK, N 5a zu Art. 272c OR, der aber einzig die gesetzlichen Fristen als massgebend erklärt; a.M. Higi, ZK, N 28 ff. zu Art. 272c OR, der auf die Terminvorschrif­ ten von Art. 272d OR abstellt). Vorbehältlich anderslautendender Parteiabrede kann der Mietzins während der 10 Dauer der Erstreckung mehrmals angepasst werden. Eine Anpassung während der Erstreckung ist auch dann möglich, wenn der Vertrag schon im Erstre­ ckungsentscheid oder in der Erstreckungsvereinbarung abgeändert wurde (ähnlich Thanei, Erstreckung, S. 38). Haben die Parteien z.B. ein Vertragsverhältnis auf fünf Jahre vereinbart und 11 dabei für die Mietzinsgestaltung eine Indexklausel i.S.v. Art.  269b OR ver­ einbart, so gilt diese Klausel auch während der Dauer einer auf zwei Jahre bemessenen Mieterstreckung weiter (vgl. N 11 zu Art. 269b OR; MfdP/Spirig, N 30.11.6; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 272c–d OR; Higi, ZK, N 18 zu Art. 272c OR). Die Voraussetzung, wonach Indexklauseln nur im Rahmen von Verträgen gültig vereinbart werden können, welche für eine Mindestdauer von fünf Jahren abgeschlossen werden, ist weiterhin erfüllt. Haben die Par­ teien einen gestaffelten Mietzins vereinbart, so kann im Erstreckungsverfah­ ren eine Weiterführung der Staffelung vereinbart oder vom Richter festgelegt werden. Ohne solche Festlegung kann der Mietzins nach Massgabe der Grund­ sätze gemäss Art. 269 ff. OR veränderten Verhältnissen angepasst werden (a.M. Weber, BSK, N 6 zu Art. 272c OR).

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Art. 272c 12

Nach der Praxis des Bundesgerichts (Urteil vom 2. Mai 1995, E. 3a und 3b, in: MRA 4/95, S. 195 ff.) ist der Vermieter – unabhängig davon, ob er im Verlaufe des Mietverhältnisses einen entsprechenden Vorbehalt angebracht hat – befugt, den Mietzins anhand eines absoluten Erhöhungsgrundes (angemessene Nettorendite, Orts- und Quartierüblichkeit, kostendeckende Bruttorendite) anzupassen. Dabei steht es dem Vermieter frei, eine derart begründete Erhö­ hung entweder schon im Erstreckungsprozess zu beantragen oder diese dem Mieter während der Erstreckungsdauer unter Verwendung des Formulares mitzuteilen. Wurde der Mietzins indessen schon im Erstreckungsentscheid oder in der Erstreckungsvereinbarung erhöht, und hat der Vermieter keinen entsprechenden Vorbehalt angebracht, kommt zufolge des Vertrauensgrund­ satzes im Verlaufe der Erstreckung eine Mietzinserhöhung aufgrund der abso­ luten Methode nicht mehr infrage. Diesfalls kann der Mietzins während der Erstreckung vielmehr einzig nach der relativen Methode erhöht werden. Dazu hat das Bundesgericht in E. 3b des oben erwähnten Entscheides vom 2. Mai 1995 ausgeführt, was folgt: «Die Erstreckung hat zum Ziel, dem Mieter für die Suche eines geeigneten Ersatzobjek­ tes mehr Zeit zu geben, als ihm mit der ordentlichen Kündigungsfrist zur Verfügung stünde. Sie dient indessen nicht dazu, ihm eine günstige Wohnung über längere Zeit zu sichern (BGE 116 II 446, E. 3b). Folgerichtig kann der Mieter zwar unter den Voraus­ setzungen von Art. 272 OR eine Erstreckung gegen den Willen des Vermieters gericht­ lich durchsetzen, jedoch um den möglichen Preis nachteilig veränderter Vertragsbe­ stimmungen (Art. 272c OR). So muss sich der Mieter – anders als unter altem Recht (vgl. BGE 102 II 12) – insbesondere gefallen lassen, dass der im Erstreckungsverfah­ ren mangels Antrag des Vermieters unverändert gebliebene Mietzins noch während der Erstreckungsdauer angepasst wird. Dabei ist der Mieter mit der Berufung auf den Vertrauensgrundsatz ausgeschlossen, auf welchem die von der Rechtsprechung entwi­ ckelte relative Berechnungsmethode beruht (erstmals in BGE 106 II 356). Etwas ande­ res gilt allerdings dann, wenn der Mietzins im Erstreckungsverfahren angepasst wurde. Diesfalls darf der Mieter nach der allgemeinen Regel davon ausgehen, der neue Miet­ zins verschaffe dem Vermieter einen sowohl zulässigen als auch genügenden Ertrag, es sei denn, der Vermieter habe durch eine hinreichende Vorbehaltserklärung (Art. 18 VMWG) dessen Ungenügen zum Ausdruck gebracht (BGE 120 II 302, E. 6b; 118 II 124, E. 3b und 130, E. 3a, je mit Hinweisen)».

13

Diese Praxis steht im Einklang mit BGE 120 II 105, E. 3b und 3c, in: Pra 84, S. 469 und MRA 0/94, S. 26 ff.). In diesem Entscheid hielt das Bundesgericht fest, eine Kündigung, die damit begründet sei, von einem neuen Mieter einen höheren, nach der absoluten Berechnungsweise nicht missbräuchlichen Miet­ zins zu verlangen, sei in der Regel gültig. Kann der Vermieter ab dem Kündi­ gungszeitpunkt von einem Dritten einen nach der absoluten Methode ange­ 1094

Urban Hulliger

Art. 272c

passten Mietzins fordern, so ist er demzufolge auch berechtigt, diesen während der Erstreckung vom bisherigen Mieter zu verlangen (vgl. Futterlieb Raoul, in: MRA 4/95, S. 199 f.). Eine aufgrund absoluter Kriterien vorgenommene Anpassung kann eine mas­ 14 sive Mietzinserhöhung zur Folge haben. Diese kann im konkreten Einzelfall – d.h., wenn aufseiten des Mieters eine finanzielle Härte vorliegt – dazu führen, dass das Recht des Mieters auf Erstreckung illusorisch wird, weil er wäh­ rend der Erstreckungsdauer gar nicht in der Lage ist, den erhöhten Mietzins zu bezahlen. Es bleibt daher abzuwarten, ob das Bundesgericht trotz Fehlens einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage seine Rechtsprechung ergänzt und für solche Fälle eine Beschränkung des anhand der absoluten Methode erhöhten Mietzinses auf das vom Mieter Tragbare vorsieht (Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 272c–272d OR).

3.

Änderungen der Vertragsbedingungen im Erstreckungsverfahren

Eine Vertragsanpassung kann von der entscheidenden Instanz nur vorgenom- 15 men werden, wenn ein entsprechender Antrag einer oder beider Parteien vor­ liegt. Dieser Antrag kann sowohl im Schlichtungsverfahren als auch erst im nachfolgenden Gerichtsverfahren gestellt werden. Voraussetzung dafür, dass der Richter im Rahmen seines Erstreckungsent­ 16 scheides die gegenseitigen Leistungspflichten der Parteien abweichend gestal­ ten kann, sind veränderte Verhältnisse. Im Vordergrund steht die Anpassung des Mietzinses, namentlich die Bewilligung einer Mietzinserhöhung des Ver­ mieters. Dieser hat eine entsprechende durch veränderte Umstände gebotene Anzeige im Hinblick auf die von ihm erwünschte Vertragsbeendigung nicht mehr angezeigt. Es steht ihm im Rahmen des Erstreckungsverfahrens nun das Recht zu, sämtliche gesetzlich zulässigen Erhöhungsmöglichkeiten auf den massgebenden Zeitpunkt hin geltend zu machen (zur Mietzinserhöhung nach absoluter Methode vgl. N  12  f.). In gleicher Weise würde dem Mieter auch das Recht zustehen, unter den Voraussetzungen von Art. 270a Abs. 1 OR eine Herab­setzung des Mietzinses zu verlangen. Eine allenfalls beantragte Mietzins­ festlegung ist vom Richter bzw. von der Schlichtungsbehörde nach den Krite­ rien von Art. 269 bzw. Art. 269a OR uneingeschränkt zu überprüfen, falls die Parteien sich hierüber nicht einig sind (Botsch. 1985, S. 1463, wo festgehalten

Urban Hulliger

1095

Art. 272c

wird, dass der Vermieter gleichgestellt sein soll, wie wenn er ohne Kündigung den Mietzins auf den gleichen Termin hin angepasst hätte). 17

Es stellt sich die Frage, ob auch in einem Urteil, das die Ungültigkeit der Kün­ digung gestützt auf ein entsprechendes Anfechtungsbegehren des Mieters fest­ stellt, über veränderte Vertragsbedingungen zu entscheiden ist. Das Gesetz verwendet den Ausdruck «Erstreckungsentscheid». Wird die Kündigung für ungültig erklärt, kann der Vertrag somit nicht angepasst werden. Will der Ver­ mieter ohnehin den Mietzins erhöhen bzw. den Vertrag einseitig zulasten des Mieters verändern, so hat er, nachdem der Mieter ein Kündigungsanfechtungsverfahren anhängig macht, demnach wie folgt vorzugehen: Zum einen hat er dies dem Mieter auf den nächstmöglichen Kündigungstermin mit Formular bekannt zu geben. Zum anderen steht ihm offen, bei der Schlichtungs­ behörde bzw. beim Richter eine Vertragsanpassung zu verlangen, für den Fall, in dem das Mietverhältnis erstreckt wird. Geht der Vermieter in dieser Weise vor, kann der Mieter im Übrigen nicht mit Erfolg geltend machen, die Kündi­ gung sei ungültig, weil sie ausgesprochen worden sei, um eine Mietzinserhö­ hung bzw. eine einseitige Vertragsänderung durchzusetzen (Art. 271a Abs. 1 Buchst. b OR; vgl. dazu auch N 15 ff. zu Art. 271a OR). Diese Mitteilung auf dem Formular steht nämlich nicht im Zusammenhang mit der zuvor ausge­ sprochenen Kündigung. Sie erging vielmehr deshalb, weil der Mieter die Kün­ digung angefochten hat und der Vermieter demzufolge mit einer Fortsetzung des Mietverhältnisses rechnen muss.

18

Die Bestimmung von Art.  272c OR erlaubt nicht nur hinsichtlich des Miet­ zinses Vertragsänderungen. Vertragsänderungen können auch weitere mietvertragserhebliche Umstände sein (gl.M Hulliger/Heinrich, CHK, N  3 zu Art. 272c–272d OR, m.w.H. auf Higi, ZK, N 36 zu Art. 272c OR, der diesen Begriff auf mietzinsrelevante Bestimmungen beschränkt; gl.M. MfdP/Spirig, N 30.11.5; kritisch: Weber, BSK, N 3 zu Art. 272c OR). Es kann unter Umstän­ den das Bedürfnis bestehen, während einer Erstreckungsdauer gewisse Neben­ räume des Mieters für vorgesehene Umdispositionen zu beanspruchen, so z.B. Estrich- oder Kellerräume (Lachat, CR CO, N 3 zu Art. 272c OR; sog. Teiler­ streckung offengelassen in BGE 98 II 294, E. 8). Dabei ist nicht vorausgesetzt, dass für die erwähnte Dauer dem Mieter entsprechende Ersatzräumlichkei­ ten zur Verfügung gestellt werden. Der Richter kann daher  – unter Gewäh­ rung eines entsprechend reduzierten Mietzinses  – gewisse Einbussen anord­ nen, die für den Mieter während der Erstreckungsdauer zumutbar sind, da die Mieterstreckung in erster Linie der Milderung der ihn treffenden Härte und nicht der Gewährleistung eines in jeder Beziehung uneingeschränkten Mietge­

1096

Urban Hulliger

Art. 272c

nusses dient. Auf Verlangen des Vermieters kann der Richter im Erstreckungs­ entscheid auch anordnen, dass der Mieter gewisse zumutbare Erneuerungen i.S.v. Art. 260 OR dulden muss (ZMP 2/05, Nr. 23, S. 34 ff.; Hulliger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 272c–272d OR, m.w.H.; a.M. Higi, ZK, N 37 zu Art. 272c OR, der Schmälerungen der Mietsache für die Erstreckungsdauer nur in besonders schwerwiegenden Fällen gestatten will; a.M. Weber, BSK, N 5 zu Art. 272c OR; vgl. N 5).

4.

Änderungen der Vertragsbedingungen durch Erstreckungsvereinbarung

Im Rahmen von Erstreckungsvereinbarungen sind die Parteien frei, sämtli­ 19 che Vertragsbedingungen abzuändern. Wird der Mietzins erhöht oder kom­ men die Parteien überein, den Vertrag einseitig zulasten des Mieters zu ändern, sind die Formvorschriften von Art.  269d OR nicht zu beachten (Higi, ZK, N 47 f. zu Art. 272c OR; vgl. N 18 zu Art. 272b OR).

Urban Hulliger

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Art. 272d V.

Kündigung während der Erstreckung

Legt der Erstreckungsentscheid oder die Erstreckungsvereinbarung nichts anderes fest, so kann der Mieter das Mietverhältnis wie folgt kündigen: a. bei Erstreckung bis zu einem Jahr mit einer einmonatigen Frist auf Ende eines Monats; b. bei Erstreckung von mehr als einem Jahr mit einer dreimonatigen Frist auf einen gesetzlichen Termin. V.

Congé donné pendant la prolongation

À défaut d’un jugement ou d’un accord contraires, le locataire peut résilier le bail: a. en observant un délai de congé d’un mois pour la fin d’un mois lorsque la prolonga­ tion ne dépasse pas une année; b. en observant un délai de congé de trois mois pour un terme légal lorsque la prolon­ gation dépasse une année.

V.

Disdetta durante la protrazione

Se la decisione di protrazione o le parti non dispongono altrimenti, il conduttore può dare la disdetta: a. con preavviso di un mese per la fine di un mese, se la protrazione non è superiore a un anno; b. con preavviso di tre mesi per una scadenza legale, se la protrazione è superiore a un anno.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Zwingender Charakter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1099 1099 1100

2. 2.1 2.2 2.3

1100 1100 1101

1098

Kündigung während der Erstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Fristen und Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Ausserordentliche Kündigung während der Erstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Vorzeitige Rückgabe der Mietsache, Untermiete und Übertragung der Geschäftsmiete während der Erstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1102

Urban Hulliger

Art. 272d

1. Vorbemerkungen 1.1 Allgemeines Sinn und Zweck der Mieterstreckung bestehen darin, dem Mieter für die Suche 1 nach geeigneten Ersatzräumlichkeiten mehr Zeit einzuräumen, als ihm nach Vertrag zur Verfügung stünde (Urteile des Bundesgerichts 4A_106/2014 vom 28.  Mai 2014, E.  4.1; 4A_454/2012 vom 10.  Oktober 2012, E.  3.3, in: MRA 3/13, S. 28 ff.; Higi, ZK, N 19 zu Art. 272 OR; HAP-Immobiliarmietrecht/Ruf, Rz. 4.2; ferner altrechtlich BGE 105 II 197; 102 II 254 ff. und 116 II 446, E. 3). Der Mieter ist während einer ersten Erstreckung im Hinblick auf die strengen Anforderungen für eine Zweiterstreckung gehalten, während der ihm nun zur Verfügung stehenden Zeit alles Zumutbare zu unternehmen, um ein Ersatzobjekt zu finden. Sind solche Suchbemühungen erfolgreich, sollte der Mieter in der Lage sein, das Ersatzobjekt auf den Zeitpunkt anzutreten, auf den dieses zur Verfügung steht, auch wenn ihm eine Mieterstreckung von wesentlich längerer Dauer eingeräumt worden ist. Ein dadurch bedingter vorzeitiger Auszug liegt in der Regel auch im Interesse des Vermieters. Einerseits hat er mit der Kündi­ gung zum Ausdruck gebracht, auf welchen Zeitpunkt er nach seinen eigenen Dispositionen über das Mietobjekt in anderer Weise verfügen will. Anderseits ist er nicht daran interessiert, den Mieter an einem frühzeitigen Auszug zu hin­ dern, mit der Folge, dass dieser in einem späteren Zweiterstreckungsverfahren geltend macht, er habe auf den Ablauf der Ersterstreckungsdauer kein geeigne­ tes Objekt gefunden und zu einem anderen Zeitpunkt – bei Vermeidung von Doppelzahlungen – nicht ausziehen können. Art. 272d OR räumt dem zum Erlass des Ersterstreckungsentscheids zuständi­ 2 gen Richter die Kompetenz ein, von den gesetzlich statuierten Voranzeigefris­ ten abzuweichen und die Modalitäten eines vorzeitigen Auszuges frei festzulegen (vgl. N  3 und 5). Die in Art.  272d Buchst.  a und b OR geregelten Auszugsfristen und -termine gelangen nur zur Anwendung, wenn der Erstre­ ckungsentscheid sich darüber nicht ausspricht oder die gesetzliche Regelung übernimmt. Unausgesprochen, aber selbstverständlich ist, dass die Zinszah­ lungspflicht jeweils nur bis zum Zeitpunkt des Auszugs besteht, sofern die Kündigungsfrist eingehalten wurde und dass der Mieter davon entbunden ist, analog Art. 264 OR bis zum Ablauf der gewährten Mieterstreckung einen zumutbaren Ersatzmieter anbieten zu müssen. Entsprechend der Interessen­ lage beträgt die Voranzeigefrist – vorbehältlich einer abweichenden Festlegung durch die entscheidende Behörde – bei Erstreckungen bis zu einem Jahr einen Monat und bei solchen von mehr als einem Jahr drei Monate.

Urban Hulliger

1099

Art. 272d

1.2 3

Zwingender Charakter

Der Mieter kann im Voraus vertraglich nicht darauf verzichten, im Falle einer Mieterstreckung nach Beendigung des Vertrages das Recht der vorzeitigen Auf­ lösung des (erstreckten) Mietverhältnisses in Anspruch zu nehmen (Art. 273c OR). Dagegen sind die Parteien frei, im Rahmen einer Erstreckungsverein­ barung andere Modalitäten der vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses festzulegen oder auch ein vorzeitiges Auszugsrecht gänzlich auszuschliessen (vgl. dazu auch N 15 ff. zu Art. 272b OR). Dies gilt sowohl für Vereinbarun­ gen, die ohne Einleitung eines gerichtlichen Erstreckungsverfahrens getrof­ fen werden als auch für solche, mit denen ein eingeleitetes Verfahren erledigt wird (gl.M. Roncoroni, zwingende Bestimmungen I, S. 86). Ebenso kann die Schlichtungsbehörde im Rahmen eines Urteilsvorschlags oder der Richter im Erstreckungsentscheid Voranzeigefristen bestimmen, die von der gesetzlichen Regelung abweichen. Insoweit ist die Norm dispositiv (gl.M. Higi, ZK, N 9 zu Art. 272d OR).

2.

Kündigung während der Erstreckung

2.1

Fristen und Termine

4

Die in Art. 272d OR vorgesehenen Voranzeigefristen von einem Monat bzw. von drei Monaten gelten sowohl bei Wohn- als auch bei Geschäftsräumen in gleicher Weise. Bei Erstreckungen bis zu einem Jahr kann der Mieter auf jedes Monatsende kündigen (Art. 272 Buchst. a OR). Nach Art. 272 Buchst. b OR kann bei Erstreckungen von über einem Jahr nur auf einen gesetzlichen Ter­ min gekündigt werden. Dieser bestimmt sich nach Art. 266c und 266d OR. Als gesetzlicher Termin kommt somit der ortsübliche Termin infrage (so auch Higi, ZK, N  35 und 38 zu Art.  272d OR). Existiert dieser nicht, ist auf das Ende einer dreimonatigen Mietdauer zu kündigen (a.M. Zihlmann, Mietrecht, S. 242, insbesondere Fn. 116, gemäss dem ungeachtet eines ortsüblichen Ter­ mins auf das Ende einer dreimonatigen Mietdauer gekündigt werden kann).

5

Art. 272d OR überlässt es dem Richter zu entscheiden, ob aus besonderen Grün­ den mit Bezug auf das Recht des vorzeitigen Auszugs während einer gewährten Mieterstreckung andere Voranzeigefristen oder andere Termine festzulegen sind (N  3). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass eine Partei einen ent­ sprechenden Antrag stellte (Higi, ZK, N 11 zu Art. 272d OR). Ist der Vermie­ ter an der raschen Realisierung eines Umbauvorhabens interessiert, kann eine wesentlich kürzere Anzeigefrist festgelegt werden, da keine Weitervermietung 1100

Urban Hulliger

Art. 272d

organisiert werden muss. Es kann auch das Interesse bestehen, gewisse Kündi­ gungstermine (wie etwa den 31. Dezember) auszuschliessen. Lässt sich jedoch erwarten, dass der Mieter  – etwa bei bestimmten Kategorien der Geschäfts­ miete wie z.B. bei Restaurantbetrieben – längere Zeit im Voraus Kenntnis über den Zeitpunkt besitzt, in dem ein Ersatzobjekt angetreten werden kann, sind längere Anzeigefristen festzulegen, damit der Vermieter besser planen kann.

2.2

Ausserordentliche Kündigung während der Erstreckung

Vorbehalten bleiben unabhängig von den festgelegten Modalitäten über die 6 vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses während der Dauer der Erstre­ ckung die Rechte des Vermieters, das Mietverhältnis bei Vorliegen der ent­ sprechenden Voraussetzungen ausserordentlich aufzulösen, so bei Zahlungsverzug des Mieters (Art. 257d OR), bei Verletzung der Pflicht zu Sorgfalt und Rücksichtnahme (Art. 257f Abs. 3 OR), bei Konkurs des Mieters (Art. 266h OR) sowie  – was eher selten zutreffen dürfte, weil damit eine neue Erstre­ ckungsmöglichkeit eröffnet wird – aus wichtigen Gründen (Art. 266g OR; vgl. hierzu N 6 zu Art. 272c OR, m.w.H.). Zulässig ist die Kündigung des Erwerbers i.S.v. Art. 261 Abs. 2 OR (MfdP/Spirig, N 30.11.7.1; N 7 zu Art. 272c OR). Als lex specialis räumt Art. 272d OR dem Mieter ein vorzeitiges Kündigungs- 7 recht ein. Es fragt sich daher, ob er neben dieser Spezialregelung wie der Ver­ mieter berechtigt ist, während der Erstreckung ausserordentlich zu kündigen (z.B. bei einem schweren Mangel i.S.v. Art. 259b Buchst. a OR). Der Vermieter ist auch während des erstreckten Mietverhältnisses grundsätzlich verpflichtet, die Sache in mängelfreiem Zustand zu erhalten. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, muss es dem Mieter möglich sein – falls die entsprechenden Vor­ aussetzungen gegeben sind – gestützt auf Art. 259b Buchst. a OR zu kündigen. Theoretisch kann der Mieter bzw. seine Erben überdies das erstreckte Miet­ verhältnis gestützt auf Art. 266g oder 266i OR vorzeitig auflösen. In der Pra­ xis werden diese beiden vorzeitigen Auflösungsgründe indessen kaum angeru­ fen, sind die Kündigungsfristen und -termine für den Mieter doch ungünstiger oder stimmen nahezu mit denjenigen gemäss Art. 272d OR überein.

Urban Hulliger

1101

Art. 272d

2.3

Vorzeitige Rückgabe der Mietsache, Untermiete und Übertragung der Geschäftsmiete während der Erstreckung

8

Die Dauer der Erstreckung bestimmt sich anhand der Verhältnisse und Inte­ ressen der Parteien (Art. 272 und 272b OR). Dem Erstreckungsentscheid liegt eine Prognose zugrunde, in der die Chancen des Mieters auf ein Ersatzobjekt und die Interessen des Vermieters einfliessen. Die Erstreckung wird individuell dem jeweiligen Mieter eingeräumt, und deren Dauer richtet sich auch nach seiner persönlichen Situation und den berechtigten Interessen des Vermieters. Damit der Mieter nicht bis zum Ablauf der Erstreckung verpflichtet ist, den Mietzins zu bezahlen, hat der Gesetzgeber in Art. 272d OR eine vorzeitige Kün­ digungsmöglichkeit geschaffen, die dem Mieter während der Erstreckungszeit ermöglicht, kurzfristig ein Ersatzobjekt zu mieten (vgl. dazu N 1 f.). Zufolge dieses Kündigungsrechts ist der Mieter nicht darauf angewiesen, die Sache i.S.v. Art. 264 OR vorzeitig zurückzugeben. Damit ist der Vermieter berechtigt, einen vom Mieter i.S.v. Art.  264 OR vorgeschlagenen Ersatzmieter abzuleh­ nen, der bereit wäre, das erstreckte Mietverhältnis zu übernehmen (a.M. Tha­ nei, Erstreckung, S. 39 und Higi, ZK, N 43 zu Art. 264 OR). Art. 264 OR hat nur für die ordentliche Mietdauer Geltung, und die Spezialbestimmung von Art. 272d OR geht vor.

9

Dieselben Überlegungen gelten auch für die Übertragung der Geschäftsmiete. Der Vermieter kann daher unter Hinweis auf den gekündigten Mietvertrag und auf die laufende Erstreckung die Zustimmung aus wichtigem Grund ver­ weigern (Art. 263 Abs. 2 OR; Higi, ZK, N 21 zu Art. 272c OR). Das Gleiche gilt, wenn der Mieter während der Erstreckungsdauer das Mietobjekt untervermie­ ten will. Der Vermieter ist berechtigt, die Zustimmung gestützt auf Art. 262 Abs. 2 Buchst. c OR zu verweigern.

1102

Urban Hulliger

Lukas Polivka

Art. 273 C. Fristen und Verfahren 1 Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie das Begehren innert

30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen. 2 Will der Mieter eine Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen, so muss

er das Begehren der Schlichtungsbehörde einreichen: a. bei einem unbefristeten Mietverhältnis innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung; b. bei einem befristeten Mietverhältnis spätestens 60 Tage vor Ablauf der Vertragsdauer.

3 Das

Begehren um eine zweite Erstreckung muss der Mieter der Schlichtungsbehörde spätestens 60 Tage vor Ablauf der ersten einreichen.

4 Das

Verfahren vor der Schlichtungsbehörde richtet sich nach der ZPO.

5 Weist die zuständige Behörde ein Begehren des Mieters betreffend Anfech-

tung der Kündigung ab, prüft sie von Amtes wegen, ob das Mietverhältnis erstreckt werden kann. C.

Délais et procédure

1 La partie qui veut contester le congé doit saisir l’autorité de conciliation dans les 30 jours

qui suivent la réception du congé.

2 Le

locataire qui veut demander une prolongation du bail doit saisir l’autorité de conci­ liation: a. lorsqu’il s’agit d’un bail de durée indéterminée, dans les 30 jours qui suivent la récep­ tion du congé; b. lorsqu’il s’agit d’un bail de durée déterminée, au plus tard 60 jours avant l’expiration du contrat.

3 Le locataire qui demande une deuxième prolongation doit saisir l’autorité de concilia­ tion au plus tard 60 jours avant l’expiration de la première. 4 La

procédure devant l’autorité de conciliation est reglé par le CPC.

5 Lorsque l’autorité de compétente rejette une requête en annulabilité du congé introduite

par le locataire, elle examine d’office si le bail peut être prolongé.

Lukas Polivka

1103

Art. 273

C.

Termini e procedura

1 La

parte che intende contestare la disdetta deve presentare la richiesta all’autorità di conciliazione entro 30 giorni dal ricevimento della disdetta.

2 Il

conduttore che intende domandare la protrazione della locazione deve presentare la richiesta all’autorità di conciliazione: a. per le locazioni a tempo indeterminato, entro 30 giorni dal ricevimento della disdetta; b. per le locazioni a tempo determinato, al più tardi 60 giorni prima della scadenza del contratto. 3 Il conduttore che intende domandare una seconda protrazione deve presentare la richie­

sta all’autorità di conciliazione al più tardi 60 giorni prima della scadenza della protra­ zione iniziale.

4 La

procedura davanti all’autorità di conciliazione è retta dal CPC.

5 L’autorità

competente, qualora respinga una richiesta del conduttore concernente la contestazione della disdetta, esamina d’ufficio se la locazione possa essere protratta.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Neuerungen gegenüber dem alten Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Zwingender Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1105 1105 1105

2. Umfang Kündigungsschutzverfahren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Anfechtung der Kündigung nach Art. 271 und 271a OR .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Anfechtung nichtiger bzw. unwirksamer Kündigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Erstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1106 1106 1106 1107 1108

3. Legitimation .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1108

4. Allgemeine Verfahrensfragen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.1 Örtliche Zuständigkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.2 Fristwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.3 Form der Kündigungsanfechtung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.4 Form des Erstreckungsbegehrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1110 1110 1110 1114 1115

5.

Verfahren vor Schlichtungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1115

6.

Prüfung des Erstreckungsanspruches bei Anfechtungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 

1116

1104

Lukas Polivka

Art. 273

1. Vorbemerkungen 1.1

Neuerungen gegenüber dem alten Recht

Das seit dem 1.  Juli 1990 in Kraft stehende Recht übernimmt die altrechtli­ 1 chen Fristen zur Geltendmachung eines Erstreckungsbegehrens: Der Mieter hat beim unbefristeten Mietverhältnis wie in Art. 267a Abs. 3 aOR ein Erstre­ ckungsbegehren innert 30 Tagen nach Erhalt der Kündigung einzureichen. Beim befristeten Mietverhältnis muss die Erstreckung spätestens 60 Tage vor Ablauf des Mietverhältnisses verlangt werden. Für eine zweite Erstreckung muss das Begehren spätestens 60 Tage vor Ablauf der ersten ergehen. Die Frist zur Anfechtung der Kündigung beträgt ebenfalls 30 Tage seit Erhalt 2 (vgl. N  14). Der Mieter kann gleichzeitig die Kündigung anfechten und im Eventualfall ein Erstreckungsbegehren stellen. Der entsprechende Eventualan­ trag wird aber auch ohne ausdrückliche Geltendmachung von Amtes wegen geprüft (Art. 273 Abs. 5 OR, der seit dem 1. Januar 2011 den auf diesen Zeit­ punkt hin aufgehobenen Art. 274e Abs. 3 OR ersetzt). Damit besteht nach einer Frist von 30 Tagen Klarheit, ob die Kündigung – vorbehältlich der Geltendma­ chung der Nichtigkeit oder der Unwirksamkeit – Bestand hat oder ob in einem Verfahren darüber zu entscheiden ist. Im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der Schweizerischen ZPO sind die 3 Absätze 4 und 5 von Art. 273 OR geändert worden. So wird seit dem 1. Januar 2011 in Art. 273 Abs. 4 OR festgehalten, dass sich das Verfahren vor der Schlich­ tungsbehörde nach der ZPO richtet (vgl. Art.  197  ff. ZPO; Kapitel «Schlich­ tungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen»). Diese Bestim­ mungen der ZPO ersetzen in verschiedenen Punkten die mit dem Inkrafttreten der ZPO aufgehobenen Art. 274 OR bis und mit Art. 274g OR, wobei die bis­ her in Art. 274e Abs. 3 OR enthaltene Regelung neu Gegenstand von Art. 273 Abs. 5 OR bildet.

1.2

Zwingender Charakter

Die ersten zwei Absätze des Art. 273 OR sind der Parteiautonomie entzogen, 4 die letzten beiden sind absolut zwingend. Die gesetzlichen Frist- und Verfah­ rensbestimmungen sind grundsätzlich den Parteidispositionen entzogen (Higi, ZK, N 7 und 8 zu Art. 273 OR). Die Parteien können auf das Recht auf Anfechtung der Kündigung, der Mieter auf Erstreckung, vertraglich nicht im Vo­raus gültig verzichten (Roncoroni, zwingende Bestimmungen II, S. 77 f.; vgl. auch

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Art. 273

Art.  273c OR). Im Rahmen einer Erstreckungsvereinbarung kann allerdings gültig vorgesehen werden, ein Begehren um Zweiterstreckung müsse zum Bei­ spiel vier Monate vor Ablauf der ersten Erstreckung eingeleitet werden. Da der Mieter frei ist, auf das Zweiterstreckungsrecht vollständig zu verzichten (Art.  272b OR), kann er  – da weniger weitgehend  – einer solchen Fristver­ längerung gültig zustimmen. Der 3. Absatz von Art. 273 OR qualifiziert sich damit als Norm, die einen Mindestschutz garantiert (undeutlich Higi, ZK, N 8 zu Art. 273 OR).

2.

Umfang Kündigungsschutzverfahren

2.1 Allgemeines 5

Die Norm regelt, innert welcher Frist und bei welcher Behörde der Empfänger einer Kündigung ein Kündigungsschutzbegehren anhängig zu machen hat. Der Begriff «Kündigungsschutz» des 3. Abschnitts (des 8. Titels des Obligationen­ rechts) ist mit Bezug auf die Überprüfung der Kündigung nicht als umfassend zu verstehen. Darunter fallen nur die Anfechtung der Kündigung im Sinne der Art. 271 und 271a OR sowie die Erstreckung, nicht aber die Rechtsbehelfe gegen nichtige oder unwirksame Kündigungen (BGE 121 III 156, E. 1c; Urteil des Bundesgerichts 4C.168/2001 vom 17. August 2001, E. 3; vgl. aber N 7 f.).

2.2 6

Anfechtung der Kündigung nach Art. 271 und 271a OR

Anfechtbar aufgrund dieser Normen sind sowohl die ordentlichen wie die ausserordentlichen Kündigungen, Letztere mit der Einschränkung, dass die Anfechtung allein auf einen Verstoss gegen Treu und Glauben gestützt wer­ den kann, nicht jedoch auf das Fehlen der (ausserordentlichen) besonderen Voraus­setzungen (BGE 121 III 156, E. 1c; vgl. auch MRA 4/95, S. 203; zu die­ sem Thema einlässlich N 16 zu Art. 271 OR). Eine ausserordentliche Kündi­ gung, die die dafür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, kann aber nur im Ausnahmefall als missbräuchlich taxiert werden (BGE 140 III 591, E.  1, in: MRA 2/15, S.  105  ff., in dem das Bundesgericht dafürhält, dass ein Mietzinsausstand von 160 CHF nicht unbedeutend und eine gestützt darauf ausgesprochene ausserordentliche Kündigung nach Art. 257d OR somit nicht missbräuchlich sei). Will der Kündigungsempfänger die Missbräuchlichkeit der Kündigung i.S.v. Art. 271 und 271a OR geltend machen, so hat er insbeson­ dere die Frist des Art. 273 Abs. 1 OR einzuhalten (Higi, ZK, N 27 zu Art. 273

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Art. 273

OR). Dies gilt auch, wenn er geltend machen will, die Kündigung sei offensicht­ lich missbräuchlich i.S.v. Art. 2 Abs. 2 ZGB (BGE 133 III 175, E. 3.3).

2.3

Anfechtung nichtiger bzw. unwirksamer Kündigungen

Die Geltendmachung der Formnichtigkeit bzw. der sonstigen Nichtigkeit einer 7 Kündigung (vgl. dazu N  50 f. zu Art.  266l–266o OR) sowie ihrer Unwirk­ samkeit im Falle einer ausserordentlichen Kündigung (vgl. dazu N  59 f. zu Art. 266–266o OR) stützt sich nicht auf Art. 271 und 271a OR. Denn eine nich­ tige Kündigung oder eine unwirksame Kündigung, die die rechtlichen Folgen der Nichtigkeit nach sich zieht, braucht nicht angefochten zu werden (BGE 121 III 156, E. 1c; Hulliger/Heinrich, CHK, N  4 zu Art.  273 OR). Sie entfal­ tet keinerlei Rechtswirkung und die Nichtigkeit/Unwirksamkeit ist von Amtes wegen zu beachten. Der Empfänger einer solchen Kündigung braucht des­ halb – unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs i.S.v. Art. 2 Abs. 2 ZGB – zur Wahrung seiner Rechte nichts zu unternehmen und insbesondere nicht die Anfechtungsfrist des Art. 273 Abs. 1 OR zu beachten (Hulliger/Heinrich, CHK, N  4 zu Art.  273 OR; MfdP/Thanei, N  29.4.1; a.M. Calamo, Missbräuchlich­ keit, S. 311 ff. und Corboz, Congé, S. 56 f.). Gleichwohl muss es ihm unbenom­ men sein, zur Klärung der Rechtslage eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit/Unwirksamkeit bei der Schlichtungsbehörde einzureichen (BGE 122 III 92, E. 2d; Weber, BSK, N 3b zu Art. 273 OR). Ob in einem solchen Verfahren, in dem nicht gleichzeitig auch noch eine rechtzeitig geltend gemachte Kün­ digungsanfechtung und/oder ein Erstreckungsbegehren zur Diskussion steht (allenfalls auch nur als Eventualbegehren), von einer Streitigkeit i.S.v. Art. 210 Abs. 1 Buchs. b ZPO bzw. Art. 243 Abs. 2 Buchst. c ZPO ausgegangenen werden kann, ist umstritten und vom Bundesgericht auch in seiner jüngsten Recht­ sprechung offengelassen worden (BGE 139 III 457, E.  5; Urteil des Bundes­ gerichts 4A_383/2015 vom 7. Januar 2016, E. 2.4; BGE 142 III 278, E. 4.1, in: MRA 3/16, S. 156 ff.; Hulliger/Maag, Zuständigkeit, S. 106; die Anwendbarkeit von Art. 210 Abs. 1 Buchst. b ZPO und Art. 243 Abs. 2 Buchst. c ZPO hinge­ gen generell befürwortend Weber, BSK, N 6 zu Art. 273 OR). Stellt der Kündigungsempfänger aber innert der Frist gemäss 1. Absatz ein 8 Anfechtungs- oder Erstreckungsbegehren (und sei es auch nur im Sinne eines Eventualbegehrens), so darf und muss die Schlichtungsbehörde die Gültigkeit/ Wirksamkeit der Kündigung stets vorfrageweise prüfen: Die Anfechtbarkeit i.S.v. Art. 271 und 271a OR und die Erstreckung setzen die Existenz einer gülti­ gen/wirksamen Kündigung voraus (BGE 139 III 457, E. 5; Urteil des Bundesge­ richts 4A_383/2015 vom 7. Januar 2016, E. 4.2; BGE 142 III 15, E. 4.2, in: MRA Lukas Polivka

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Art. 273

3/16, S. 156 ff.; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 273 OR; Tschudi Matthias, in: MRA 2/06, S. 52 ff.; Eiholzer Heiner, in: mp 4/91, S. 183 f.; Calamo, Miss­ bräuchlichkeit, S. 204; Thanei, Erstreckung, S. 8; Giger, Erstreckung, S. 58 ff.; vgl. auch MRA 5/96, S. 210 f.). Mithin ist die Schlichtungsbehörde befugt, im Rahmen eines fristgerechten Anfechtungsverfahrens gleichermassen zu erken­ nen, dass eine Kündigung nichtig bzw. unwirksam ist oder aber missbräuchlich i.S.v. Art. 271 oder 271a OR (Weber, BSK, N 6 zu Art. 273 OR; Tschudi, Zustän­ digkeit, S. 52 ff.). Im Falle eines Erstreckungsverfahrens hat sie gegebenenfalls die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung festzuhalten. In beiden Fällen wird ein allfälliger und gestützt auf Art. 210 Abs. 1 Buchst. b ZPO ergan­ gener Urteilsvorschlag der Schlichtungsbehörde nach Massgabe von Art. 211 Abs.  1 oder Abs.  3 ZPO rechtskräftig (siehe Kapitel «Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen», N 88). Schliesslich gilt die soeben beschriebene Ausgangslage auch in denjenigen Fällen, in denen im Zusam­ menhang mit einem Erstreckungsbegehren nicht die Nichtigkeit/Unwirksam­ keit einer Kündigung zur Diskussion steht, sondern – etwa beim befristeten Mietverhältnis – aus einem anderen Grund die Frage umstritten sein kann, ob das Mietverhältnis bereits grundsätzlich rechtsgültig beendigt ist (BGE 142 III 278, E. 4.2, in: MRA 3/16, S. 156 ff.). Auch in diesen Fällen kann das Erstre­ ckungsbegehren erst dann beurteilt werden, wenn über die Beendigung des Mietverhältnisses Klarheit herrscht.

2.4 Erstreckung 9

Auf das Erstreckungsbegehren des Mieters ist Art.  273 OR uneingeschränkt anwendbar. Insbesondere ist die Frist des 1. Absatzes einzuhalten.

3. Legitimation 10

Das Recht, eine Kündigung als missbräuchlich anzufechten, steht grundsätzlich sowohl dem Mieter als auch dem Vermieter zu (Higi, ZK, N 31 f. zu Art. 273 OR). Der Mieter hat überdies die Möglichkeit, die Erstreckung des Mietver­ hältnisses zu verlangen. Grundsätzlich ergibt sich die Aktiv- und Passivlegiti­ mation aus der Sachlegitimation der am Mietvertrag beteiligten Parteien (siehe N 34 ff.; Meyer, Sachlegitimation, S. 47 ff.).

11

Aktiv- und passivlegitimiert sind zunächst die am Vertrag beteiligten Parteien. Auf Mieterseite sind dies der oder die im Vertrag genannten Mieter mit der Besonderheit, dass gemäss Art. 273a OR auch der nicht am Vertrag beteiligte

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Ehegatte des Mieters oder der eingetragene Partner (nicht aber der Konkubi­ natspartner) die Kündigung anfechten, Erstreckung des Mietverhältnisses ver­ langen oder weitere Rechte ausüben kann, die dem Mieter nach der Kündi­ gung zustehen (vgl. N 3–8 zu Art. 273a OR). Sind auf der einen oder anderen Seite mehrere Personen Vertragspartei, so wäre nach allgemeinen Grundsätzen allein deren Gesamtheit legitimiert (Higi, ZK, N 33 zu Art. 273 OR). Demge­ genüber erachtet es das Bundesgericht im Zusammenhang mit der Anfechtung der Kündigung eines Mietverhältnisses bei der gemeinsamen Miete als zuläs­ sig, dass ein Mitmieter seine nicht klagenden Mitmieter auf der Beklagtenseite in den Prozess einbezieht, damit dem Erfordernis der notwendigen Streitgenossenschaft gemäss Art. 70 ZPO Genüge getan wird (BGE 140 III 598, E. 3.2, in: MRA 3/15, S. 142 ff.; Weber, BSK, N 2a zu Art. 273 OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 273 OR; vgl. aber auch BGE 125 III 219; a.M. Higi, ZK, N 124 Vorbem. zu Art. 253–274g OR; SJZ 87, S. 375 und 377; Maag Andreas, in: MRA 3/04, S. 114; Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 27. November, in: MRA 3/97, S. 119 ff.). Zudem genügt es für eine rechtsgültige Anfechtung, wenn ein Mitmieter im Namen aller Mieter anficht und die erforderliche Bevoll­ mächtigung – allenfalls auch noch nach Ablauf der Anfechtungsfrist – nachge­ reicht wird (Urteil des Bundesgerichts 4C.236/2003 vom 30. Januar 2004, E. 3.3, in: mp 1/04, S. 60 ff.). Gleiches gilt gemäss Bundesgericht auch dann, wenn die Kündigungsanfechtung durch einen nicht bevollmächtigten Dritten im Sinne einer Geschäftsführung ohne Auftrag im Namen des oder der Mieter erfolgt und die Anfechtung in der Folge vom Mieter oder von den Mietern genehmigt wird (Urteil des Bundesgerichts 4A_351/2015 vom 5. August 2015, E. 6.2, in: MRA 1/16, S. 24 ff.). Entgegen BGE 118 II 170, E. 2b, kann jedoch Solidarität zwischen Mitmietern nichts daran ändern, dass sie Mieterrechte gemeinsam geltend machen müssen, ausser im Kündigungsschutzverfahren bei der Fami­ lienwohnung (siehe die Kritik von Weber, BSK, N 2a zu Art. 273 OR). Auf Vermieterseite liegt die Aktiv- und Passivlegitimation zunächst bei dem 12 im Vertrag genannten Vermieter, sodann beim allfälligen Neuerwerber einer Liegenschaft nach erfolgter Eigentumsübertragung (Art. 261 OR). Wird nach Einleitung eines Anfechtungs- oder Erstreckungsverfahrens durch den Mie­ ter das Mietobjekt veräussert, so wird der im Grundbuch eingetragene Erwer­ ber während des laufenden Verfahrens anstelle des ausscheidenden Vermie­ ters ohne Weiteres passivlegitimiert (Higi, ZK, N 35 zu Art. 273 OR; Hulliger/ Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 273 OR; Weber, BSK, N 2a zu Art. 273 OR). Es tritt also von Bundesrechts wegen ein Parteiwechsel ein (BGE 98 II 294, E. 6). Ist nicht der Eigentümer, sondern die Verwaltung einer Liegenschaft im Mietver­ trag als Vermieter bezeichnet, so ist sie als Vertragspartner des Mieters legiti­ Lukas Polivka

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Art. 273

miert mit der Konsequenz, dass allein deren Interessen berücksichtigt werden (Urteil des Bundesgerichts vom 19. April 1994, in: MRA 1/95, S. 7 ff.). Rich­ tet sich die Klage des Mieters gegen eine falsche Partei, so fehlt es dieser an der erforderlichen Passivlegitimation, wird die Klage abgewiesen (BGE 128 III 50, E. 2b/bb). Allerdings kann eine unrichtige Parteibezeichnung korrigiert wer­ den, wenn sie auf einem offensichtlichen Versehen beruht und sich die pas­ sivlegitimierte Person zweifelsfrei aus den Umständen ergibt (Urteil des Bun­ desgerichts 4A_560/2015 vom 20.  Mai 2016; E.  4.1.4; BGE 131 I 57, E.  2.2). Nach Auffassung des Bundesgerichts liegt eine solche Konstellation etwa dann vor, wenn sich die Klage gegen die Liegenschaftsverwaltung anstatt gegen die Mitglieder eines Vermieterkonsortiums richtet (Urteil des Bundesgerichts 4A_17/2016 vom 29. Juni 2016, E. 2.3).

13

4.

Allgemeine Verfahrensfragen

4.1

Örtliche Zuständigkeit

Gestützt auf Art. 33 ZPO sind die Schlichtungsbehörde und der Richter am Ort der gelegenen Sache sowohl für die Behandlung von Anfechtungs- als auch von Mieterstreckungsverfahren zuständig. Auf diesen Gerichtsstand kann der Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen nicht zum Voraus oder durch Einlas­ sung verzichten (Art. 35 Abs. 1 Buchst. b ZPO; siehe Kapitel «Schlichtungsver­ fahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen», N 227 ff.).

4.2 Fristwahrung 4.2.1 Allgemeines 14

Die Frist zur Anfechtung der Kündigung gestützt auf Art. 271 und 271a OR bzw. zur Einreichung eines Erstreckungsbegehrens bei unbefristeten Mietverhält­ nissen beträgt 30 Tage. Es handelt sich um eine Verwirkungsfrist des materiellen Bundesrechts (Urteil des Bundesgerichts 4A_471/2013 vom 11. Novem­ ber 2013, E. 2, in: MRA 1/14, S. 49 ff.; BGE 140 III 244, E. 5.1/5.1, in: MRA 2/14, S. 66 ff.; so jetzt auch: Weber, BSK, N 3 zu Art. 273 OR), die nicht unter­ brochen, von den Parteien vertraglich weder verlängert noch verkürzt und – wenn sie versäumt wird – auch nicht wiederhergestellt werden kann (Botsch. 1985, S. 1464; Barbey, Protection, N 296, S. 202 f.; Higi, ZK, N 43 und 53 ff. zu Art. 273 OR; MfdP/Thanei, N 29.4.1; MfdP/Spirig, N 30.13.4; Weber, N 3 zu Art. 273 OR). Die Gerichtsferien gemäss Art. 145 ZPO gelten nicht. Auf den

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Fristenlauf hat ein allfälliges Begehren um Begründung der Kündigung keinen Einfluss (MfdP/Thanei, N  29.4.1). Ob die Frist gewahrt ist oder nicht, muss von der Schlichtungsbehörde bzw. vom Richter von Amtes wegen festgestellt werden (vgl. Higi, ZK, N 61 f. zu Art. 273 OR; Weber, BSK, N 3 zu Art. 273 OR; Lachat, CR, N 5 zu Art. 273 OR). Ist die Frist verwirkt, so ist das Begeh­ ren durch Entscheid abzuweisen, weil der Anfechtungs- bzw. Erstreckungsanspruch definitiv untergegangen ist (ZR 72 [1973] Nr. 50). Im Falle der Familienwohnung beginnt die Anfechtungsfrist für jeden Ehegat­ 15 ten bzw. eingetragenen Partner separat mit dem entsprechenden Empfangsdatum. Es gilt nicht für beide das spätere Datum (gl.M. MfdP/Thanei, N 29.4.3; a.M. Higi, ZK, N 52 zu Art. 273 OR). Der u.U. unterschiedliche Fristenlauf hat aber für die Ehepartner bzw. für die eingetragenen Partner keine Nachteile, da es genügt, wenn bloss einer von beiden fristgerecht Erstreckung verlangt. Der nicht rechtzeitig anfechtende Ehegatte bzw. eingetragene Partner kann sich zudem als Nebenintervenient am Verfahren des anfechtenden Ehegatten bzw. eingetragenen Partners beteiligen (vgl. N 12 zu Art. 273a OR). Ergeht eine Kündigungsanfechtung nach Ablauf der Frist des Art. 273 Abs. 1 16 OR, so hat die Schlichtungsbehörde gleichwohl zu einer Verhandlung vorzu­ laden. Erst mit deren Abhaltung kann Klarheit darüber herrschen, ob es sich um eine (abzuweisende) auf Art. 271 oder 271a OR gestützte Anfechtungsklage handelt oder ob der Kündigungsempfänger die Feststellung verlangt, die Kün­ digung sei nichtig oder unwirksam (vgl. N 8). Die Frist von 30 Tagen zur Anfechtung oder zur Einreichung eines Erstre­ 17 ckungsbegehrens ist auch dann massgebend, wenn das Mietverhältnis lange zum Voraus gekündigt wird (MfdP/Thanei, N 29.4.1). Durch eine frühzeitige Kündigung des Vermieters wird das Mietverhältnis nicht von einem unbefris­ teten in ein befristetes umgewandelt – mit dem Ergebnis, dass der Mieter 60 Tage vor Ablauf der Mietdauer ein Erstreckungsbegehren i.S.v. Art. 273 Abs. 2 Buchst. b OR stellen könnte. Mit einer frühzeitigen Kündigung leistet der Ver­ mieter einen Beitrag zur Milderung einer allenfalls bestehenden Härte des Mie­ ters und versetzt diesen in die Lage, sich während längerer Zeit um ein Ersatz­ objekt zu bemühen, als ihm gemäss vertraglich vereinbarter Kündigungsfrist minimal zur Verfügung stehen würde (vgl. N 72 zu Art. 272 OR). Unzulässig ist, bei frühzeitigen Kündigungen gegen den Willen einer Partei das Verfah­ ren zu sistieren mit der Begründung, die Verhältnisse könnten später besser beurteilt werden (das Bundesgericht schloss in BGE 99 II 167, E. 2, diese Mög­ lichkeit allerdings nicht aus). Dies stünde im Widerspruch zur bundesrecht­ lichen (Ordnungs-)Vorschrift, wonach eine Schlichtungsverhandlung innert Lukas Polivka

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Art. 273

zwei Monaten nach Eingang des Schlichtungsgesuchs (oder nach Abschluss eines ausnahmsweisen Schriftenwechsels) stattzufinden hat (Art.  203 Abs.  1 ZPO) sowie zur Vorgabe, dass ein Schlichtungsverfahren spätestens nach zwölf Monaten abzuschliessen ist (Art.  203 Abs.  4 ZPO). Im Übrigen ist der Ent­ scheid über ein Erstreckungsbegehren stets eine Prognose für die Zukunft, die mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist, was vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen wird. Kündigt der Vermieter Jahre im Voraus und ist die Pro­ gnose im Einzelfall nicht möglich, so kann der Erstreckungsrichter eine kurze Erstreckung einräumen (BGE 99 II 167, E. 2).

4.2.2

Kündigungsanfechtung und (Erst-)Erstreckung bei unbefristeter Miete

18

Die Frist für die Anfechtung der Kündigung bzw. für die Geltendmachung eines Erstreckungsbegehrens bei unbefristeten Mietverhältnissen setzt den Empfang der Kündigung voraus, da es sich bei dieser um eine empfangsbe­ dürftige Erklärung handelt (vgl. hierzu N 5 Vorbem. zu Art. 266–266o OR).

19

Damit die von der kündigen Partei zu beachtende Kündigungsfrist als einge­ halten gilt, ist als massgebender Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nach der herrschenden Lehre und Rechtsprechung derjenige Tag massgebend, an dem die Sendung in den Machtbereich des Empfängers eingegangen ist, ohne dass er von dieser tatsächlich Kenntnis genommen haben muss. Danach gilt die Sendung, falls keine effektive Übergabe erfolgt, als zugegangen, wenn deren Behändigung durch den Empfänger möglich ist, d.h., wenn sie in den Briefkas­ ten gelegt oder auf dem Postamt oder im Postfach erstmals abgeholt werden kann (BGE 119 II 147, E. 2; BGE 137 III 208, E. 3.1.2, in: MRA 1/12, S. 16 ff.; Higi, ZK, N 47 ff. zu Art. 273 OR, m.w.H.; zur Zustellungsproblematik im Miet­ recht ganz allgemein vgl. Bisang Raymond, in: MRA 1/95, S. 47 f. und Base­ lice Carmine, in: MRA 2/95, S.  102  f.). Damit gilt die sogenannte uneingeschränkte Empfangstheorie (vgl. dazu Bartels, Fristwahrung, S. 27 f.).

20

Hinsichtlich des Beginns der Frist zur Anfechtung einer Kündigung oder zur Einreichung eines Erstreckungsbegehrens war in der Lehre umstritten, ob insofern auch die uneingeschränkte Empfangstheorie (vgl. N  5 f. Vorbem. zu Art. 266l–266o OR) oder aber die sog. eingeschränkte Empfangstheorie zur Anwendung gelangen soll. Im Falle der Massgeblichkeit dieser eingeschränkten Empfangstheorie würden die erwähnten Fristen erst mit der tatsächlichen Ent­ gegennahme (der Tag der Entgegennahme wird nicht mitgezählt), in jedem Fall bei nicht abgeholten Sendungen aber am Tage nach Ablauf der siebentägigen Abholfrist, zu laufen beginnen (BGE 119 II 147, E. 2; BGE 137 III 208, E. 3.1.3, 1112

Lukas Polivka

Art. 273

in: MRA 1/12, S. 16 ff.; MRA 2/95, S. 102 f.; Higi, ZK, N 49–51 zu Art. 273 OR; Weber, BSK, N 3a zu Art. 273 OR). Das Bundesgericht hat diese Frage in seiner neuesten Rechtsprechung nun dergestalt geklärt, dass es auch für die Anfech­ tungsfrist und die Frist für ein Erstreckungsbegehren mit Blick auf die Rechts­ natur dieser Fristen als Verwirkungsfristen des materiellen Rechts (vgl. N 14) sowie als Ausgleich zwischen den gegensätzlichen Interessen der beteiligten Parteien zutreffend die uneingeschränkte Empfangstheorie für anwendbar erklärt hat (Urteil des Bundesgerichts 4A_471/2013 vom 11. November 2013, E. 2, in: MRA 1/14, S. 49 ff.; BGE 140 III 244, E. 5, in: MRA 2/14, S. 66 ff.; BGE 143 III 15, E. 4, in: MRA 1/17, S. 31 ff.; vgl. dazu Bartels, Fristwahrung, S. 61 f.; ablehnend: Weber, BSK, N 3a zu Art. 273 OR). Beispiel: Die Kündigung wird am 1. Oktober per Einschreiben bei der Post aufgegeben. Nach einem ersten Zustellungsversuch am 2. Oktober wird dem Adressat am gleichen Tage eine Abholungseinladung in den Briefkasten gelegt, aufgrund derer er die Sen­ dung erstmals am Folgetag, das heisst am 3. Oktober, sowie längstens bis am 9. Okto­ ber auf der Post abholen kann. Die Sendung wird nicht abgeholt. Die Kündigung gilt als am 3. Oktober zugestellt, was für die Einhaltung von Frist und Termin von Bedeu­ tung ist. Der erste Tag für die Einreichung eines Kündigungsschutzbegehrens ist damit der 4. Oktober (Art. 77 Abs. 1 Ziff. OR), und die dreissigtägige Frist läuft am 2. Novem­ ber ab.

4.2.3

Ersterstreckung bei befristeter Miete und Zweiterstreckung

Die Frist für ein Begehren um Ersterstreckung bei befristeten Mietverhältnis­ 21 sen bzw. um Zweiterstreckung (vor Ablauf einer bereits erstmalig eingeräum­ ten bzw. vereinbarten) ist gewahrt, wenn der Mieter 60 Tage (oder in der ver­ einbarten Zeit) vor Ablauf der Mietdauer das Begehren einer schweizerischen Poststelle übergibt oder bei der zuständigen Schlichtungsbehörde mündlich stellt (Higi, ZK, N 101 zu Art. 273 OR; MfdP/Spirig, N 30.13.1 und 30.13.3). Das Risiko einer Verzögerung in der postalischen Zustellung geht nicht zulas­ ten des Mieters. Der Grundsatz, wonach eine an einem Sonn- oder allgemeinen Feiertag sowie an einem Samstag ablaufende Frist bis zum nächsten darauffol­ genden Werktag erstreckt ist (vgl. Art. 32 Abs. 2 OR sowie das Bundesgesetz über den Fristenlauf an Samstagen, SR 173.110.3), ist nicht analog anwend­ bar, weil Art. 273 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 3 OR keine (in die Zukunft gerich­ tete) Frist statuiert, sondern einen Zeitpunkt festlegt. Ist deshalb der 60. Tag vor Beendigung des (befristeten oder erstmals erstreckten) Mietverhältnisses ein Samstag, ein Sonn- oder allgemeiner Feiertag, so ist es ohne Rechtsverlust nicht möglich, das Begehren noch am nächsten folgenden Werktag zu stel­ len, weil dann die Mindestfrist von 60 Tagen nicht mehr gewahrt ist (treffend:

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1113

Art. 273

Lachat, CR, N 7 zu Art. 273 OR: «il faut ‹compter à reculons›»; vgl. auch Higi, ZK, N 101 zu Art. 273 OR und Hulliger/Heinrich, CHK, N 1a zu Art. 273 OR). 22

Haben die Parteien vertraglich das Mietverhältnis dergestalt befristet, dass es durch den Eintritt eines Ereignisses oder einer (Resolutiv-)Bedingung automatisch endigt (z.B. mit Erteilung einer Baubewilligung), so ist eine Fristwah­ rung durch den Mieter gemäss Art. 273 Abs. 2 Buchst. b OR nicht möglich. Das Bundesgericht hat eine gesetzgeberische Lücke erkannt und diese durch Richterrecht mit der Einräumung einer 30-tägigen (Nach-)Frist für die Einrei­ chung des Erstreckungsbegehrens ab Kenntnis des Ereignisses oder nach Ein­ tritt der Bedingung geschlossen (BGE 121 III 260, E. 5a, in: MRA 1/96, S. 15 ff.; MfdP/Spirig, N 30.13.2; Lachat, CR, N 8 zu Art. 273 OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 1a zu Art. 273 OR; kritisch: Higi, ZK, N 92 ff. zu Art. 273 OR; ableh­ nend: Weber, BSK, N 3d zu Art. 273 OR, der hinsichtlich der Beendigung eines Mietverhältnisses von der Unzulässigkeit einer Resolutivbedingung ausgeht). Hat der Mieter eine Ersterstreckung mit einer bestimmten Dauer verlangt und ist diese Dauer im Zeitpunkt, in dem das Verfahren beendet ist, bereits abge­ laufen bzw. steht der Ablauf der Erstreckungsdauer innert einer Frist von weni­ ger als 60 Tagen bevor, so ist eine Zweiterstreckung ebenfalls ausgeschlossen. In solchen Fällen muss der Mieter, der nicht damit rechnen darf, dass ihm vom Richter eine längere Erstreckung gewährt wird, vorsorglich schon frühzeitig ein Begehren um Zweiterstreckung stellen (MfdP/Spirig, N 30.13.3; Hulliger/ Heinrich, CHK, N 1a zu Art. 273 OR; Weber, BSK, N 3d zu Art. 273 OR; a.M. Lachat, CR, N 9 zu Art. 273 OR).

4.3 23

Form der Kündigungsanfechtung

Das Begehren um Anfechtung der Kündigung bedarf keiner besonderen Form (Weber, BSK, N  2 zu Art.  273 OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N  2 zu Art. 273 OR). Es kann deshalb auch mündlich bei der Schlichtungsbehörde zu Protokoll erklärt werden (so ausdrücklich Art. 202 Abs. 1 ZPO; MfdP/Thanei, N 29.4.2, und Higi, ZK, N 19 und 59 zu Art. 273 OR). Ebenfalls nicht erfor­ derlich ist ein Hinweis darauf, auf welchen Anfechtungsgrund der Mieter sich berufen will (Higi, ZK, N  25 zu Art.  273 OR; Weber, BSK, N  2 zu Art.  273 OR). Allerdings sollte der Mieter mit seinem Begehren klar zum Ausdruck bringen, dass die Gültigkeit der Kündigung angefochten wird (vgl. dazu BGE 122 III 92, E. 2d; a.M. Lachat, CR, S. 488; Gmür Roland, in: mp 3/90, S. 133 und Higi, ZK, N 19–26 zu Art. 273 OR, die die «sinngemässe» Anfechtung als genügend erachten). Nur wenn sich mit hinreichender Klarheit ergibt, dass ein Anfechtungsbegehren gestellt worden ist, ist ein solches zu beurteilen. Die hier 1114

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Art. 273

geforderte Strenge rechtfertigt sich deshalb, weil zum einen der Mieter gemäss Art.  202 Abs.  2 ZPO ein hinreichend bestimmtes Rechtsbegehren zu stellen hat und zum anderen das gesetzlich vorgeschriebene amtliche Formular, das bei der Kündigung verwendet werden muss, den Mieter eindeutig auf die bei­ den Möglichkeiten (Anfechtung und Mieterstreckung) hinweist (Art. 9 Abs. 1 Buchst. d VMWG). Stellt der Mieter hingegen lediglich ein Erstreckungsbegeh­ ren, so kann er später auch nicht mittels Klageänderung während des Verfah­ rens sein Klagebegehren in ein Anfechtungsbegehren abändern oder zusätz­ lich zum Erstreckungs- noch ein Anfechtungsbegehren stellen (vgl. N 27), weil die Möglichkeit, die Kündigung gestützt auf Art. 271 und 271a OR anzufech­ ten, nach Ablauf der bundesrechtlich gesetzten Frist von 30 Tagen definitiv verwirkt ist (MfdP/Thanei, N 29.4.2; Hulliger/Heinrich, CHK, N 3 zu Art. 273 OR). Vorbehalten bleibt die auch später zulässige Klage auf Feststellung der Nichtigkeit/Unwirksamkeit der Kündigung (vgl. N 7). Umgekehrt gilt aber auf­ grund der neu in Absatz 5 von Art.  273 OR eingefügten Bestimmung, dass bei Abweisung eines Anfechtungsbegehrens des Mieters von Amtes wegen zu beurteilen ist, ob das Mietverhältnis erstreckt werden kann (vgl. N 26).

4.4

Form des Erstreckungsbegehrens

Auch für Erstreckungsbegehren ist keine besondere Form für die Einreichung 24 des Gesuches zu beachten (Higi, ZK, N 70 zu Art. 273 OR). Es kann ohne Wei­ teres mündlich zu Protokoll erklärt werden (Art. 202 Abs. 1 ZPO). Immerhin hat der Mieter einen klaren Antrag zu stellen und die Dauer der gewünschten Erstreckung anzugeben (Urteil des Bundesgerichts vom 28. März 1995, in: mp 1995, S. 146). Eine Begründung ist dagegen nicht erforderlich (Higi, ZK, N 75 zu Art. 273 OR und Weber, BSK, N 2 zu Art. 273 OR).

5.

Verfahren vor Schlichtungsbehörde

Mit dem Inkrafttreten der ZPO sind die im OR enthaltenen zivilprozessua­ 25 len Bestimmungen weitestgehend aufgehoben und in gleicher oder veränder­ ter Weise in die ZPO überführt worden. Demgemäss hält die mit der ZPO per 1. Januar 2011 in Kraft getretene Neufassung des 4. Absatzes von Art. 273 OR fest, dass sich das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde nach der ZPO richtet. Gleiches gilt auch für ein allfälliges, an das Schlichtungsverfahren anschliessen­ des Gerichtsverfahren (siehe Kapitel «Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen», N 1 ff. und 114 ff.). Dabei sieht die ZPO für Strei­

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Art. 273

tigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen vor, dass die Schlichtungsbehörde paritätisch zusammengesetzt sein muss, das heisst aus einer vorsitzenden Person sowie je einem Vertreter der Mieter- und Vermie­ terseite besteht (Art. 200 Abs. 1 ZPO). Zudem ist das Verfahren grundsätzlich kostenlos, womit weder Gerichtskosten erhoben noch Parteientschädigungen gesprochen werden (Art.  113 ZPO). Bei alledem amtet die Schlichtungsbe­ hörde auch als Rechtsberatungsstelle für Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (Art. 201 Abs. 2 ZPO).

6. 26

Prüfung des Erstreckungsanspruches bei Anfechtungsverfahren

Der per 1. Januar 2011 in Kraft getretene Art. 273 Abs. 5 OR, der den auf die­ sen Zeitpunkt hin aufgehobenen Art. 274e Abs. 3 OR ersetzt (vgl. N 3), enthält eine Ausnahmeregelung gegenüber Art. 273 Abs. 2 OR: Ein Erstreckungsan­ spruch des Mieters, der nicht innert der gesetzlich vorgesehenen Frist von 30 Tagen nach Erhalt einer Kündigung bei der zuständigen Schlichtungsbehörde geltend gemacht wird, ist dann nicht verwirkt, wenn der Mieter rechtzeitig die Kündigung i.S.v. Art.  273 Abs.  1 OR bei der Schlichtungsbehörde angefoch­ ten hat. Gleichzeitig stellt Art. 273 Abs. 5 OR eine Durchbrechung der Dispo­ sitions- und der Eventualmaxime dar. Die Schlichtungsbehörde hat bei Ableh­ nung eines Anfechtungsbegehrens oder eines ebenfalls binnen der Frist von Art. 273 Abs. 1 OR gestellten Begehrens um Feststellung der Ungültigkeit einer Kündigung (BGE 122 III 92, E. 2d) auch bei ursprünglich fehlendem Erstre­ ckungsantrag zu ermitteln, ob der Mieter eine Erstreckung wünscht (Urteil des Bundesgerichts 4C.40/2001 vom 15. Juni 2001, E. 3.1, in: MRA 5/01, S. 147). Trifft dies zu – und nur dann (vgl. Gmür Roland, in: mp 3/90, S. 128) – haben die Schlichtungsbehörde und, was neu von Art. 273 Abs. 5 OR gegenüber dem zu engen Wortlaut des aufgehobenen Art. 274e Abs. 3 OR verdeutlicht wird, gegebenenfalls auch das erstinstanzliche Gericht darüber zu befinden, ob und allenfalls in welchem Ausmass dem Mieter eine Erstreckung zu gewähren sei. Diese gesetzliche Durchbrechung von Dispositions- und Eventualmaxime ist dogmatisch gerechtfertigt: Mit Einräumung einer Mieterstreckung wird dem Mieter der Verbleib im Mietobjekt für eine beschränkte Zeit zugestanden. Demgegenüber zielt die Anfechtung der Kündigung auf einen unbefristeten Verbleib (mit Wahrung aller Erstreckungsmöglichkeiten bei erneuter Kündi­ gung). Nach einem allgemeinen prozessrechtlichen Grundsatz ist es zulässig, der klagenden Partei weniger zuzusprechen, als sie selber verlangt hat.

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Art. 273

Zu beachten ist, dass das Umgekehrte nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht 27 gilt: Stellt der Mieter nicht innert 30 Tagen nach Erhalt der Kündigung ein Begehren um Anfechtung der Kündigung, so ist sein allfällig bestehender Anfechtungsanspruch definitiv verwirkt. Ein solcher Anspruch kann weder im Rahmen eines eingeleiteten Erstreckungsverfahrens vom Mieter nach­ träglich noch geltend gemacht werden noch kann die Behörde von sich aus die bloss anfechtbare Kündigung aufheben. Dies gilt auch, wenn sich aus der Aktenlage oder nach Ausübung des richterlichen Fragerechtes ergibt, dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung der anfechtbaren Kündigung vorgelegen hätten. Art. 271 OR stellt eine Sonderbestimmung zu Art. 2 Abs. 2 ZGB dar, sodass selbst eine offensichtlich rechtsmissbräuchliche Kündigung sich nicht als nichtig oder unwirksam erweist, sondern innerhalb der Verwirkungsfrist von 30 Tagen angefochten werden muss (BGE 133 III 175, E. 3.4; Higi Peter, in: AJP, 2007, S. 784; SJZ 103, S. 233; Gmür Roland, in: mp 3/90, S. 133). Aufgrund der mit dem Fristversäumnis einhergehenden Verwirkungsfolge kann die ver­ passte Kündigungsanfechtung auch nicht mittels Klageänderungen nachge­ holt werden (vgl. N 23; MfdP/Thanei, N 29.4.2; Weber, BSK, N 5 zu Art. 273 OR). Keine entsprechende Verwirkung tritt hingegen ein bei einer Ungültig­ keit wegen eines Formmangels oder einer sonstigen Gültigkeitsvoraussetzung (vgl. N 7). Haben die Schlichtungsbehörde und die erste richterliche Instanz die Gül­ 28 tigkeit der Kündigung erkannt und einen Erstreckungsanspruch verneint, ist Letzterer von der Rechtsmittelinstanz ohne entsprechenden Antrag nicht mehr zu prüfen (Urteil des Bundesgerichts 4C.400/1998 vom 23. März 1999, E. 6, in: mp 4/99, S. 195 ff.).

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Art. 273a D. Wohnung der Familie 1 Dient die gemietete Sache als Wohnung der Familie, so kann auch der Ehe-

gatte des Mieters die Kündigung anfechten, die Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen oder die übrigen Rechte ausüben, die dem Mieter bei Kündigung zustehen. 2 Vereinbarungen über die Erstreckung sind nur gültig, wenn sie mit beiden

Ehegatten abgeschlossen werden. 3 Die

gleiche Regelung gilt bei eingetragenen Partnerschaften sinngemäss.

D.

Logement de la famille

1 Lorsque

la chose louée sert de logement à la famille, le conjoint du locataire peut aussi contester le congé, demander la prolongation du bail et exercer les autres droits du loca­ taire en cas de congé.

2 Les

conventions prévoyant une prolongation du bail ne sont valables que si elles sont conclues avec les deux époux. 3 Le

présent article s’applique par analogie aux partenaires enregistrés.

D.

Abitazioni familiari

1 Se

la cosa locata funge da abitazione familiare, anche il coniuge del conduttore può con­ testare la disdetta, chiedere la protrazione della locazione ed esercitare tutti gli altri diritti che competono al conduttore in caso di disdetta.

2 Le

convenzioni concernenti la protrazione della locazione sono valide soltanto se con­ cluse con ambedue i coniugi. 3 Il

presente articolo si applica per analogia ai partner registrati.

InhaltsübersichtSeite 1.

Charakter der Norm, intertemporales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1119

2.

Rechte des Ehegatten bzw. des eingetragenen Partners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1119

3. Erstreckungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 273a

1.

Charakter der Norm, intertemporales Recht

Art. 273a OR ist absolut zwingend, kann also nicht durch Parteivereinbarung 1 abgeändert werden (Roncoroni, zwingende Bestimmungen II, S. 77 f.). Sie ist auf sämtliche Mietverhältnisse über Familienwohnungen anwend­ 2 bar, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt diese begründet wurden. Mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare vom 18.  Juni 2004 (PartG) am 1.  Januar 2007 wird der Schutz der Familienwohnung heterosexueller Paare auf eingetra­ gene gleichgeschlechtliche Paare ausgedehnt (vgl. zum Ganzen auch N 68 ff. zu Art. 266l–266o OR).

2.

Rechte des Ehegatten bzw. des eingetragenen Partners

Art.  273a OR durchbricht den Grundsatz, wonach Rechte aus einem Miet­ 3 vertrag nur von demjenigen geltend gemacht werden können, der Vertrags­ partei ist. Dient die gemietete Sache als Familienwohnung, so kann auch der Ehegatte bzw. der eingetragene Partner des Mieters, der den Mietvertrag sel­ ber nicht als mitbeteiligte Partei unterzeichnet hat, die Kündigung anfech­ ten und/oder die Erstreckung des Mietverhältnisses begehren. Ebenso ist der Ehegatte bzw. der eingetragene Partner des Mieters berechtigt, die weiteren Rechte auszuüben, die dem Mieter bei der Kündigung zustehen, also beispiels­ weise eine Begründung der Kündigung oder die Anpassung des Vertrages i.S.v. Art. 272c Abs. 1 OR zu verlangen (MfdP/Thanei, N 25.6.3; Weber, BSK, N 1 zu Art. 273a OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 273a–273c OR). Es liegt diesfalls ein Anwendungsfall der Prozesstandschaft vor (Higi, ZK, N  14 zu Art. 273a OR; Weber, BSK, N 1 zu Art. 273a OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 273a–273c OR). Mit dieser Bestimmung werden nur demjenigen Ehegatten bzw. eingetragenen 4 Partner Rechte eingeräumt, welcher selber nicht Mieter ist. Dem Ehegatten bzw. dem eingetragenen Partner aber, der Vertragspartei ist, werden dadurch keine weitergehenden Rechte gewährt. Seine Rechte im Zusammenhang mit einer allfälligen Kündigung entstehen kraft seiner Mieterstellung, wobei er aber in jedem Falle berechtigt ist, seine Rechte unabhängig vom Ehegatten bzw. vom eingetragenen Partner geltend zu machen.

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Art. 273a 5

Zur Frage, wann eine Familienwohnung und somit dieser Schutz des nicht mietenden Ehegatten bzw. des eingetragenen Partners besteht, vgl. N 24 ff. zu Art. 266l–266o OR; Higi, ZK, N 12 ff., insbesondere N 15 f. zu Art. 266m–266n OR; Hausheer/Reusser/Geiser, BK, N 11 und 21 f. zu Art. 169 ZGB; Hasenböh­ ler, Familienwohnung, S. 226 ff., insbesondere S. 234 f. und S. 244 f.

6

Denkbar ist somit, dass beide Ehegatten bzw. eingetragenen Partner die Kün­ digung anfechten oder eine Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen. Mit Bezug auf den Verfahrensgang spielt es keine Rolle, welcher von beiden Ehe­ gatten bzw. eingetragenen Partnern ein Verfahren einleitet und ob sich beide daran beteiligen. Jeder Ehegatte bzw. eingetragene Partner kann unabhängig von seiner mietvertraglichen Stellung und von seinem Partner die aus der Kün­ digung resultierenden Rechte zur Erhaltung der Familienwohnung verfolgen, nicht aber gegen den Willen des anderen auf sie verzichten oder auf andere Weise durch rechtsgeschäftliche oder prozessuale Handlungen beschränken. Daher können auch prozessuale Verwirkungsfolgen der Handlungen des einen nicht zulasten des anderen wirken, sofern sich beide am Verfahren beteiligt haben. Die Ehegatten bzw. eingetragenen Partner bilden diesfalls eine einfa­ che Streitgenossenschaft (BGE 118 II 168, E. 2b; Weber, BSK, N 1 zu Art. 273a OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 1 zu Art. 273a–273c OR). In jedem Fall kann der Ehegatte bzw. der eingetragene Partner eine allfällige Härte für sich selbst oder seine Familie geltend machen (Art. 272 OR).

7

Die Möglichkeit nach Art. 273a OR Rechte wahrzunehmen, steht nur demje­ nigen Ehegatten bzw. eingetragenen Partner zu, der das Mietobjekt tatsächlich bewohnt. Ist der (nicht mietende) Ehegatte bzw. eingetragene Partner definitiv ausgezogen, besteht nach herrschender Lehre keine Familienwohnung mehr (vgl. N 24 zu Art. 266l–266o OR; Higi, ZK, N  10 zu Art.  273a OR, m.w.H.; MfdP/Thanei, N  25.6.1; Hasenböhler, Familienwohnung, S.  226  ff.), weshalb er die Kündigungsschutzrechte gestützt auf Art. 273a OR nicht mehr geltend machen kann. Dem im Mietobjekt verbleibenden (mietenden) Ehegatten bzw. eingetragenen Partner hingegen stehen kraft seiner vertraglichen Stellung die Kündigungsschutzrechte nach wie vor zu. Umgekehrt hat der definitiv aus­ gezogene (mietende) Ehegatte bzw. eingetragene Partner kein Kündigungs­ schutzrecht. Diese Ausgangslage ist auch dann von Bedeutung, wenn beide Ehegatten (oder eingetragene Partner) Partei des Mietvertrages sind und somit eine gemeinsame Miete vorliegt. Aufgrund dessen hat das Bundesgericht die Berufung des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten auf die Nichtigkeit einer Zahlungsverzugskündigung nach Art. 257d OR, bezüglich der weder die Kün­ digungsandrohung noch die Kündigung dem definitiv ausgezogenen Ehegat­

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Art. 273a

ten zugestellt worden ist, als rechtsmissbräuchlich und unzulässig qualifiziert (BGE 140 III 491, E. 4.2.4, in: MRA 2/15, S. 81 ff.; BGE 139 III 7, E. 2.3.1; BGE 136 III 257, E. 2.1). Verliert das Mietobjekt den Charakter einer Familienwohnung, weil ein Ehe­ 8 gatte bzw. eingetragener Partner z.B. infolge gerichtlicher Trennung defini­ tiv ausgezogen ist, so bleibt der zurückgebliebene (nicht mietende) Ehegatte bzw. eingetragene Partner ohne Recht auf Kündigungsschutz. Der (mietende) Ehegatte bzw. eingetragene Partner kann somit ohne Zustimmung des in der Wohnung Zurückgebliebenen kündigen. Im Falle einer Vermieterkündigung stünde dem Zurückgebliebenen kein Anfechtungs- bzw. Erstreckungsrecht zu. Für solche Fälle postuliert Hasenböhler (Familienwohnung, S. 244), dass die Fiktion Platz greife, das Mietobjekt behalte seinen Familienwohnungscharak­ ter. Konsequenz davon ist, dass der definitiv ausgezogene (mietende) Ehegatte bzw. eingetragene Partner nur mit Zustimmung des Zurückgebliebenen kün­ digen darf. Zudem ist der Zurückgebliebene (obschon nicht Mieter) im Falle einer Kündigung des Vermieters zu einem Anfechtungs- bzw. Erstreckungs­ begehren berechtigt, derweil der Ausgezogene dieses Recht mangels Rechts­ schutzinteresse nicht mehr ausüben kann. Diese Auffassung kann insofern überzeugen, als damit dem zurückgebliebenen (nicht mietenden) Ehegatten bzw. eingetragenen Partner die Möglichkeit eingeräumt würde, aus eigenem Recht ein Anfechtungs- bzw. Erstreckungsbegehren zu stellen. Sofern damit aber auch die andauernde Anwendbarkeit von Art. 266n OR postuliert wird, ist sie abzulehnen. Der Vermieter darf nicht aufgrund der internen ehelichen bzw. partnerschaftlichen Verhältnisse, die naheliegenderweise nicht im Ein­ fluss- und Verantwortungsbereich des Vermieters stehen, mit zusätzlichen, über den klaren Wortlaut des Gesetzes hinausgehenden formellen Anforde­ rungen belastet werden.

3. Erstreckungsvereinbarung Aus der Überschrift zu Art. 273a OR und aus dem Zusammenhang mit Art. 273a 9 Abs. 1 OR ergibt sich, dass die Einschränkung hinsichtlich des Abschlusses von Erstreckungsvereinbarungen gemäss Abs.  2 ebenfalls auf diejenigen Verhält­ nisse beschränkt ist, bei denen die gemietete Sache effektiv als Familienwoh­ nung benützt wird. Für diesen Fall gilt, dass Erstreckungsvereinbarungen mit beiden Ehepartnern bzw. eingetragenen Partnern abgeschlossen werden müs­ sen. In der Botschaft des Bundesrates wird die Bestimmung damit begründet,

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Art. 273a

dass sie die notwendige Ergänzung zur Schutzbestimmung von Absatz 1 von Art. 273a OR darstelle (Botsch. 1985, S. 1465 f.). 10

Betrachtet man den Zusammenhang von Abs. 2 zu Abs. 1 von Art. 273a OR sowie die gesetzgeberische Absicht, dass Abs. 2 die Schutzbestimmung des 1. Abs. ergänzen soll, ist sachgerechterweise davon auszugehen, dass Abs. 2 nur dann zur Anwendung gelangt, wenn aufgrund der getroffenen Vereinbarung die Schutzbestimmung von Art. 273a Abs. 1 OR gar nicht hat zum Tragen kom­ men können. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn in einem befristeten Miet­ vertrag nur ein Ehegatte bzw. eingetragener Partner eine Erstreckungsver­ einbarung vor Ablauf der Frist von Art. 273 Abs. 2 Buchst. b OR abschliesst. Demgegenüber ist in denjenigen Fällen, in denen die von Art.  273a Abs.  1 OR vorgesehenen Rechtsbehelfe zur Verfügung gestanden haben, (zumin­ dest) ein Ehegatte bzw. eingetragener Partner davon aber keinen Gebrauch gemacht hat, nicht ersichtlich, weshalb der von Abs. 2 dieser Bestimmung vor­ gesehene ergänzende Rechtsschutz trotzdem Anwendung finden soll. Wenn ein Ehegatte bzw. eingetragener Partner eine Kündigung weder anficht noch ein diesbezügliches Erstreckungsbegehren stellt, obwohl ihm dies gestützt auf Art. 273a Abs. 1 OR möglich gewesen wäre, besteht kein Grund, dass er spä­ ter trotzdem wieder eine Mitwirkung an einer Vereinbarung beanspruchen kann, mit der der andere Ehegatte bzw. eingetragene Partner über die von ihm gestützt auf Art. 273 Abs. 1 OR geltend gemachten Ansprüche verfügt. Dies muss erst recht in denjenigen Fällen gelten, in denen kein Ehegatte bzw. ein­ getragener Partner  – trotz der entsprechenden Möglichkeit  – die Rechtsbe­ helfe gemäss Art. 273a Abs. 1 OR beansprucht hat, in der Folge aber mit dem Vermieter eine freiwillige Erstreckung des Mietverhältnisses vereinbart wer­ den soll. Das soeben dargestellte Verständnis des Gehalts von Art. 273a Abs. 2 OR wird zusätzlich durch den Umstand bestätigt, dass Art.  273a Abs.  2 OR nach seinem klaren Wortlaut lediglich die Beteiligung beider Ehegatten an einer Erstreckungsvereinbarung vorsieht. Hat nun ein Ehegatte bzw. ein­ getragener Partner auf die Anfechtung einer Kündigung verzichtet, und ist diese Anfechtung nur durch den anderen Ehegatten bzw. eingetragenen Part­ ner erfolgt, so sieht das Gesetz gerade keine Beteiligung des nicht anfechten­ den Ehegatten bzw. eingetragenen Partners an einer diesbezüglichen Vereinba­ rung vor. Der anfechtende Ehegatte bzw. eingetragene Partner kann somit in jedem Falle alleine und unabhängig vom anderen Ehegatten bzw. eingetrage­ nen Partner über seinen entsprechenden Anspruch verfügen. An dieser Aus­ gangslage ändert auch Art. 273 Abs. 5 OR nichts, da diese Bestimmung nur dann zum Tragen kommt, wenn die zuständige Behörde ein Anfechtungsbe­

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Art. 273a

gehren abweist. Dies ist aber nicht der Fall, wenn über ein Anfechtungsbegeh­ ren eine Vereinbarung abgeschlossen wird. Art. 273a Abs. 2 OR findet – entgegen verschiedener Lehrmeinungen (Higi, ZK, 11 N 24 zu Art. 273a OR; Lachat, CR CO I, N 4 zu Art. 273a OR; Weber, BSK, N 2 zu Art. 273a OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 2 zu Art. 273a–c OR) und auch der in der Vorauflage vertretenen Auffassung – somit nur auf diejenigen Fälle Anwendung, in denen sich die Vertragsparteien ausserhalb eines Verfahrens (und zwar bevor ein solches überhaupt eingeleitet werden kann bzw. muss) auf eine Mieterstreckung einigen. Ist hingegen ein Verfahren anhängig, an dem jedoch nur ein Ehegatte bzw. eingetragener Partner beteiligt ist, oder ist von beiden Ehegatten bzw. eingetragenen Partnern  – trotz entsprechender Mög­ lichkeit – auf die Inanspruchnahme der Rechtsbehelfe gemäss Art. 273a Abs. 1 OR verzichtet worden, so bedarf es keiner Beteiligung des anderen Ehegat­ ten bzw. eingetragenen Partners an einer Erstreckungsvereinbarung. Dies gilt somit ganz besonderes für den Abschluss eines Vergleichs im Rahmen eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens, an dem auf der Mieterseite nur ein Ehegatte bzw. eingetragener Partner beteiligt ist. Haben hingegen beide Ehe­ gatten bzw. eingetragenen Partner von den Rechtsbehelfen gemäss Art. 273a Abs. 1 OR Gebrauch gemacht, so bedarf es selbstverständlich auch der Beteili­ gung beider Ehegatten bzw. eingetragenen Partner an einem solchen Vergleich. Mit Blick auf den Gehalt von Art. 273a Abs. 2 OR (vgl. N 10) sowie auch auf 12 dessen Wortlaut kann ein Ehepartner bzw. eingetragener Partner, der nach der Kündigung des Mietverhältnisses einer Familienwohnung eine Erstreckung verlangt hat, sein Begehren im Laufe des Verfahrens zurückziehen, ohne dass es dazu der Zustimmung des am Verfahren nicht beteiligten Partners bedarf. Wenn Letzterer  – trotz entsprechender Möglichkeit  – auf die Inanspruch­ nahme der ihm gemäss Art. 273a Abs. 1 OR unabhängig vom anderen Ehegat­ ten bzw. eingetragenen Partner zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ver­ zichtet, kann bei zutreffender Betrachtung auch keine Rede davon sein, dass mit dem Rückzug eine von Art. 169 Abs. 1 ZGB bzw. Art. 14 PartG verpönte Beeinträchtigung der Familienwohnung verbunden sei. Dies gilt umso mehr, als mit dem Rückzug die gleiche Ausgangslage besteht, wie wenn derjenige Ehegatte bzw. eingetragene Partner, der ein Erstreckungsbegehren gestellt hat, ein solches Begehren gar nicht gestellt hätte. Eine (nachträgliche) Beteiligung des abseits stehenden Ehegatten bzw. eingetragenen Partners am hängigen Prozess ist im Rahmen einer zivilprozessualen Nebenintervention zwar mög­ lich, ohne dass aber eine solche Nebenintervention das Recht des als Haupt­ partei am Prozess beteiligten Ehegatten bzw. eingetragenen Partners schmä­

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Art. 273a

lern könnte, über den Verfahrensgegenstand zu verfügen (vgl. Art. 76 Abs. 2 ZPO). Nichts anderes ergibt sich aus BGE 115 II 361, in dem es um die Nichtig­ keit der Kündigung ging, nachdem die Kündigung den beiden Ehegatten nicht separat zugestellt worden war.

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Art. 273b E. Untermiete 1 Dieser Abschnitt gilt für die Untermiete, solange das Hauptmietverhältnis

nicht aufgelöst ist. Die Untermiete kann nur für die Dauer des Hauptmietverhältnisses erstreckt werden. 2 Bezweckt

die Untermiete hauptsächlich die Umgehung der Vorschriften über den Kündigungsschutz, so wird dem Untermieter ohne Rücksicht auf das Hauptmietverhältnis Kündigungsschutz gewährt. Wird das Hauptmietverhältnis gekündigt, so tritt der Vermieter anstelle des Mieters in den Vertrag mit dem Untermieter ein. E. Sous-location 1 Les

dispositions du présent chapitre s’appliquent à la sous-location jusqu’à l’extinction du bail principal. La prolongation n’est possible que pour la durée du bail principal.

2 Lorsque

la sous-location a pour but principal d’éluder les dispositions sur la protection contre le congé, le sous-locataire bénéficie de cette protection sans égard au bail principal. Si ce dernier est résilié, le bailleur principal est subrogé au sous-bailleur dans le contrat avec le sous-locataire.

E. Sublocazione 1 Le

disposizioni del presente capo sono applicabili alla sublocazione, sempreché non sia sciolta la locazione principale. La protrazione è possibile soltanto per la durata della loca­ zione principale.

2 Se

la sublocazione è intesa principalmente ad eludere le disposizioni sulla protezione dalle disdette, il subconduttore benefici di questa protezione senza riguardo alla loca­ zione principale. In caso di disdetta della locazione principale, il locatore è surrogato al conduttore nel contratto con il subconduttore.

InhaltsübersichtSeite 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1127

2.

Charakter der Norm, intertemporales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1127

3. 3.1

Rechte des Untermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Nicht aufgelöstes Hauptmietverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1128 1128

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1125

Art. 273b 3.2

Aufgelöstes Hauptmietverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1129

4. Umgehung der Vorschriften über den Kündigungsschutz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.1 Umgehungstatbestände .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.2 Rechtsfolgen bei Umgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Art. 273b

1. Vorbemerkungen In Absatz 1 von Art. 273b OR wird der Grundsatz konkretisiert, wonach das 1 Untermietverhältnis ein gewöhnliches Mietverhältnis ist, auf welches sämt­ liche Normen des Mietrechtes anwendbar sind (vgl. N 49 ff. zu Art. 262 OR). Ausnahmen von diesem Grundsatz ergeben sich aus dem Erfordernis, dass dem (Haupt-)Vermieter aus der Untervermietung keinerlei Nachteile entste­ hen dürfen. Insbesondere soll der Vermieter hinsichtlich seiner Rechte, das Hauptmietverhältnis aufzulösen, um über das Mietobjekt verfügen zu kön­ nen, in keiner Weise beeinträchtigt werden. Die Untermiete kann daher nicht länger erstreckt werden als das Hauptmietverhältnis dauert (BGE 120 II 112, E. 3b/cc; MfdP/Spirig, N 30.12.1; Weber, BSK, N 1 zu Art. 273b OR; Hulliger/ Heinrich, CHK, N  4 zu Art.  273a–273c OR). Der Umstand, dass die Dauer des Untermietverhältnisses durch die Dauer des Hauptmietverhältnisses beschränkt wird, könnte einen Vermieter dazu verleiten, zwischen sich und dem Mietinteressenten einen ihm nahestehenden Dritten als (Haupt-)Mieter einzuschalten. Dieser Dritte hätte diesfalls die einzige Aufgabe, bei einer allfäl­ ligen Kündigung auf sämtliche Rechtsmittel – Anfechtung bzw. Erstreckung – zu verzichten, mit der Konsequenz, dass dem Untermieter eine erfolgreiche Durchsetzung seiner Kündigungsschutzrechte verwehrt würde. Das bis am 30. Juni 1990 gültige Mietrecht enthielt keine Bestimmung, welche die Rechts­ folgen eines solchen Umgehungstatbestandes regelten. Die Rechtsprechung erachtete eine entsprechende Konstellation indessen als rechtsmissbräuchlich und mit Art. 2 ZGB unvereinbar (BJM 1972, S. 293 ff.; BGE 87 I 441, E. 2). Das seit dem 1. Juli 1990 in Kraft stehende Mietrecht regelt nun in Art. 273b Abs. 2 OR ausdrücklich die Rechtsfolge solcher Umgehungstatbestände, indem es den Hauptvermieter in das Untermietverhältnis als Vermieter eintreten lässt. (vgl. N 10 ff.)

2.

Charakter der Norm, intertemporales Recht

Diese Norm ist der Parteidisposition entzogen und somit als absolut zwingend zu betrachten (Roncoroni, zwingende Bestimmungen II, S. 78). Die Bestimmung ist auf sämtliche Mietverhältnisse über Wohn- und Geschäftsräume anwendbar, unabhängig davon, ob sie vor oder nach Inkraft­ treten des ab 1. Juli 1990 geltenden Mietrechtes abgeschlossen worden sind.

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2

Art. 273b

3.

Rechte des Untermieters

3.1

Nicht aufgelöstes Hauptmietverhältnis

3

Wird das Untermietverhältnis gekündigt, stehen dem Untermieter sowohl das Recht auf Anfechtung der Kündigung i.S.v. Art. 271/271a OR als auch das Recht zu, eine Mieterstreckung i.S.v. Art.  273 OR zu verlangen. Dabei sind einzig die Interessen der am Untermietvertrag beteiligten Parteien von Belang (MfdP/Spirig, N  30.12.1; Weber, BSK, N  1 zu Art.  273b OR; Hulliger/Hein­ rich, CHK, N 3 zu Art. 273a–273c OR). Allfällige Drittinteressen sind nicht zu berücksichtigen. Insbesondere kann sich der Untervermieter nicht auf die Interessen des Hauptvermieters berufen (Higi, ZK, N 17 f. zu Art. 273b OR; Lachat, CR, N 2 zu Art. 273b OR; MfdP/Spirig, N 30.12.1; Hulliger/Heinrich, CHK, N  3 zu Art.  273a–273c OR). Ist das Hauptmietverhältnis gekündigt oder endigt es infolge Zeitablaufs, so sind die Ansprüche des Untermieters insofern beschränkt, als dass ungeachtet der möglichen Anfechtungsgründe und ungeachtet einer allfälligen Härte das Untermietverhältnis nicht länger dauern kann als das Hauptmietverhältnis.

4

Ist dagegen das Hauptmietverhältnis nicht gekündigt oder endigt es nicht infolge Zeitablauf, so erfolgt die Beurteilung der Rechtslage hinsichtlich des Untermieters nach den gleichen Kriterien wie im normalen Mietverhältnis. Der Untermieter hat seine Anfechtungs- bzw. Erstreckungsklage gegen den Mieter und Untervermieter zu richten, ausser es liege ein Umgehungstatbe­ stand gemäss dem zweitem Absatz vor (vgl. dazu N 10 ff.).

5

Mit Bezug auf das Recht des Untermieters, eine Mieterstreckung geltend zu machen, gilt folgende Besonderheit: Gemäss Art. 272b OR kann das Mietver­ hältnis für Wohnräume um höchstens vier, für Geschäftsräume um höchstens sechs Jahre erstreckt werden, wobei im Rahmen der Höchstdauer eine oder zwei Erstreckungen gewährt werden können. Nun ist zu beachten, dass häu­ fig ein unbefristetes Hauptmietverhältnis vorliegt (Art. 255 OR). Wird nun dem Untermieter eine Erstreckung von beispielsweise zwei Jahren gewährt, besteht die Unsicherheit, ob der Untervermieter die ihm dadurch auferlegte Verpflichtung, den Untermieter während der Erstreckungsdauer im Mietobjekt zu belassen, überhaupt erfüllen kann. Denn es kann nicht ausgeschlossen wer­ den, dass das Hauptmietverhältnis vor Ablauf der Erstreckungsdauer gekün­ digt wird. Nach dem Grundsatz, wonach das Untermietverhältnis nicht länger dauern kann als das Hauptmietverhältnis, ergibt sich, dass der Untervermieter gegebenenfalls seinen – um die richterlich gewährte Erstreckung verlängerten – Vertrag bei einer Auflösung des Hauptmietverhältnisses vor Ablauf der Erstre­ 1128

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Art. 273b

ckungsdauer nicht erfüllen kann (MfdP/Spirig, N 30.12.1; Weber, BSK, N 1 zu Art. 273b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 273a–273c OR). Man­ gels Verschuldens kann in einem solchen Fall der Untervermieter nicht schadenersatzpflichtig werden. Dabei ist es nicht als Verschulden zu werten, wenn der Untervermieter – wegen Fehlens eigener Interessen – die Einleitung eines Erstreckungsverfahrens unterlässt (MfdP/Spirig, N 30.12.2; Weber, BSK, N 1 zu Art. 273b OR; Entscheid des Cour de Justice GE vom 5. 3. 1993, in: mp 2/94, S. 77 f. sowie N 5). Trifft den Untervermieter am Umstand, dass der Untermiet­ vertrag nicht vertragsgemäss erfüllt werden kann, hingegen ein Verschulden, so trifft ihn gegenüber dem Untermieter eine Schadenersatzpflicht (MfdP/Spi­ rig, N 30.1.2; Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 273a–273c OR).

3.2

Aufgelöstes Hauptmietverhältnis

Ist das Hauptmietverhältnis gekündigt oder endigt es infolge Ablauf bei 6 befristeter Miete, so gilt der Grundsatz, dass die Untermiete nicht länger erstreckt werden kann, als das Hauptmietverhältnis dauert. Haben das Gericht oder die Schlichtungsbehörde von der gültigen Beendigung des Hauptmiet­ vertrags Kenntnis, ist diese rechtlich erhebliche Tatsache von Amtes wegen zu berücksichtigen, und die Untermiete kann höchstens bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Hauptmietvertrags erstreckt werden (vgl. N 1). Hat der Mie­ ter das ihm zur Verfügung gestellte Mietobjekt ganz untervermietet, so müsste er im Rahmen eines von ihm selbst gegen den Vermieter eingeleiteten Erstre­ ckungsverfahrens die Interessen des Untermieters als Drittinteressen gel­ tend machen. Diese Interessen sind indessen weder nach Gesetz noch nach der bereits unter dem Geltungsbereich des alten Mietrechts entwickelten Recht­ sprechung beachtlich: Der Mieter ist auf die Geltendmachung einer Härte, die ihn persönlich oder seine Familie i.S.v. Art. 272 Abs. 1 OR trifft, beschränkt (vgl. N 3). Die Rechtsprechung hat selbst in Fällen, in welchen zwischen dem Unterver­ 7 mieter und dem Untermieter wirtschaftliche Identität bestand, nicht zugelassen, dass der Untervermieter die Interessen des Untermieters als Eigeninte­ ressen bzw. als Härtegründe im Rahmen eines Erstreckungsverfahrens geltend machen konnte. War beispielsweise eine natürliche Person Mieter und hatte dieser im Geschäftslokal den Betrieb der von ihm als Alleinaktionär beherrsch­ ten Aktiengesellschaft geführt, so konnte der Mieter nicht die geschäftlichen Interessen seines wirtschaftlichen Unternehmens bzw. die Härtegründe, wel­ che sich aus der Kündigung für dieses ergaben, den Interessen des Vermie­ ters entgegenstellen. Auch der Umstand, dass der Mieter am wirtschaftlichen Lukas Polivka

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Art. 273b

Schicksal der von ihm beherrschten Gesellschaft direkt teilnahm bzw. davon abhängig war, wurde nicht als Härtegrund gewertet. Die Praxis befolgte kon­ sequent den strengen Grundsatz, wonach sich derjenige Mieter, welcher zur Erlangung gewisser Vorteile im Rechtsverkehr sich einer von ihm wirtschaft­ lich zwar beherrschten, jedoch selbständigen juristischen Person bediente, auch die daraus resultierenden Nachteile in Kauf zu nehmen hatte. Jedenfalls wurde in Anlehnung an die herrschende Lehre und Praxis der Durchgriff zugunsten des die Aktiengesellschaft wirtschaftlich beherrschenden Aktionärs prinzipiell abgelehnt (BGE 113 II 31, E. 2c; BGE 113 II 406, E. 5). 8

Der Untermieter hat selbst dann keinen Anspruch auf weiteren Verbleib im Mietobjekt, wenn nach erfolgter Kündigung des Hauptmietverhältnisses der Untervermieter eine Kündigung des Untermietverhältnisses unterlässt oder eine Kündigung formnichtig – beispielsweise nicht mit dem gesetzlich vorge­ schriebenen amtlichen Formular – oder verspätet erklärt, womit diese Kündi­ gung überhaupt nicht oder erst auf den nächsten vertraglichen Kündigungster­ min wirksam werden könnte. In all diesen Fällen verfügt der Hauptvermieter über einen Ausweisungsanspruch gegenüber dem Untervermieter und/oder gegenüber dem Untermieter (vgl. dazu BGE 120 II 112, E.  3b/cc/ddd). Da zwischen Hauptvermieter und Untermieter kein Vertragsverhältnis besteht, gründet sich dieser Ausweisungsanspruch auf Eigentum (Art. 641 ZGB) oder auf der obligatorischen Rückgabeforderung nach Art.  262 Abs.  3 OR (vgl. dazu N 48 zu Art. 262 OR). Dem Untermieter stehen indessen unter Umstän­ den Schadenersatzansprüche gegenüber dem Untervermieter zu (vgl. N 5).

9

Grundsätzlich kann auch der Untermieter eine Kündigung aus den im Gesetz in Art. 271/271a OR genannten Gründen anfechten. Ist indessen das Haupt­ mietverhältnis gültig gekündigt worden, und wird eine Erstreckung des Haupt­ mietverhältnisses nicht anbegehrt oder gewährt, so kann der Untermieter trotz erfolgreicher Anfechtung der Kündigung gleichwohl nicht länger im Mietob­ jekt verbleiben als das Hauptmietverhältnis dauert. Auch in diesem Fall ist der Hauptvermieter also in der Lage, Mieter und Untermieter auszuweisen. Vor­ behalten bleiben auch in diesem Fall allfällige Schadenersatzansprüche des Untermieters gegenüber dem Untervermieter.

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Art. 273b

4.

Umgehung der Vorschriften über den Kündigungsschutz

4.1 Umgehungstatbestände Art. 273b Abs. 2 OR definiert lediglich die Rechtsfolge einer Umgehung. Wann 10 aber eine solche Umgehung vorliegt, die zur erwähnten Rechtsfolge führt, lässt das Gesetz unbeantwortet. Eine Umgehung liegt vor, wenn durch eine besondere Konstruktion und/ oder Vereinbarung zwischen dem Hauptvermieter und dem Untervermie­ ter die Kündigungsschutzbestimmungen bewusst ausgeschlossen werden sol­ len (Urteil des Bundesgerichts 4C.116/2003 vom 16. Oktober 2003, E. 2.1). Die Beurteilung der Frage, wann in der beschriebenen Weise ein Missbrauch vor­ liegt, hat anhand der folgenden Überlegungen zu erfolgen: Eine Umgehung kann etwa dann vorliegen, wenn der Mieter/Untervermie­ 11 ter kein eigenes Interesse am Gebrauch der Mietsache hat und wenn auch der Vermieter keinen nachvollziehbaren Grund für die Überlassung der Mietsa­ che an den Untervermieter anführen kann. Fehlt es also an einem schützenswerten Interesse an der Überlassung des Mietobjektes an einen Dritten, so fragt es sich, ob nicht ein Missbrauch vorliegt (Hulliger/Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 273a–273c OR). Als weiteres Indiz wäre zu beachten, in welcher Bezie­ hung der Untervermieter zum Hauptvermieter steht. Bestehen hingegen plau­ sible Gründe für den erfolgten Abschluss des Hauptmietverhältnisses, so spricht dies gegen die Annahme eines Missbrauchs. Beispiel 1: Ein Hauseigentümer vermietet ein ganzes Haus an eine professionelle Lie­ 12 genschaftsverwaltung mit dem Recht auf Untervermietung. Dies hat den Vorteil, dass die Liegenschaftsverwaltung als Vermieterin Verträge mit Mietern abschliessen kann. Sind in der Folge Streitigkeiten auszutragen, so ist die Liegenschaftsverwaltung als Par­ tei aktiv- bzw. passivlegitimiert. Der Hauseigentümer muss nicht in Erscheinung treten und insbesondere nicht zu Verhandlungen persönlich erscheinen. Eine missbräuchli­ che Untervermietung liegt nicht vor, weil einleuchtende Gründe für die Überlassung der Mietsache an den Untervermieter vorliegen (kritisch zu diesem Beispiel: Higi, ZK, N 42 zu Art. 273b OR; ablehnend: Weber, BSK, N 2a zu Art. 273b OR, und MfdP/Spi­ rig, N 30.12.3). Beispiel 2: Eine Genossenschaft verfolgt den Zweck, zeitlich befristet leer stehende 13 Wohn- und Geschäftslokalitäten  – beispielsweise in Liegenschaften, welche gelegent­ lich umgebaut oder abgebrochen werden – zu mieten, um diese in erster Linie ihren Mitgliedern oder Dritten in Untermiete zur Verfügung zu stellen. Der Genossen­ schaftszweck besteht somit einerseits darin, unerwünschte Leerstände zu vermeiden Lukas Polivka

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Art. 273b

und andererseits, einem besonderen Kreis von Mietinteressenten vorübergehend güns­ tige Mietgelegenheiten anbieten zu können. Diese Genossenschaft wird im Falle, in welchem das Hauptmietverhältnis aufgelöst wird, keine eigenen Interessen und mithin keinen eigenen Erstreckungsanspruch geltend machen können. Eine Umgehung der Vorschriften über den Kündigungsschutz liegt aber nicht vor. Die Untermiete bezweckt nämlich nicht, wie es gesetzlich Voraussetzung wäre, «hauptsächlich» die Umgehung der Vorschriften über den Kündigungsschutz. Der Hauptzweck besteht ja darin, sonst leer stehende und für den besonders interessierten Kreis von Mietinteressenten nicht zugänglichen Wohnraum vorübergehend nutzbar zu machen. Der Vermieter ist ande­ rerseits an einer Benutzung bis zum Abbruch mit klaren Verhältnissen – z.B. zur Ver­ meidung unerwünschter illegaler Hausbesetzungen – interessiert. In ähnlicher Weise werden Mietobjekte von Fürsorgebehörden, von studentischen Wohnhilfeorganisatio­ nen etc. gemietet. Ein Missbrauch kann in diesem Vorgehen nicht erkannt werden, weil es unerwünscht ist, dass Liegenschaften längere Zeit leer stehen (vgl. Art. 272a Abs. 1 lit. d OR; Higi, ZK, N 43 zu Art. 273b OR; Weber, BSK, N 3 zu Art. 273b OR; Hulliger/ Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 273a–273c OR). 14

In diesem Zusammenhang drängt sich ferner die Frage nach dem Zeitpunkt einer solchen Vereinbarung bzw. Konstruktion auf. Es sind Fälle denkbar, in denen beim Abschluss eines Untermietverhältnisses legitime Gründe für die Überlassung des Mietobjektes an einen Dritten vorliegen und der Vermieter und Untervermieter erst zu einem späteren Zeitpunkt eine Abrede treffen, um den Kündigungsschutz des Untermieters zu sabotieren, wie z.B. dann, wenn der Untervermieter das Untermietverhältnis auflösen möchte, deshalb den Hauptvermieter ersucht, das Hauptmietverhältnis zu kündigen und dadurch einen allfälligen Erstreckungsanspruch des Mieters vereitelt. Es stellt sich nun die Frage, ob Art. 273b Abs. 2 OR auch solche Tatbestände erfasst und die ent­ sprechende Rechtsfolge eintreten lässt. Stützt man sich auf den klaren Wortlaut der Bestimmung («Bezweckt die Untermiete …»), so ist diese Frage zu vernei­ nen (a.A. MfdP/Thanei, N  29.4.4; Weber, BSK, N  2 zu Art.  273b OR; Hulli­ ger/Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 273a–273c OR; offengelassen im Urteil des Bundesgerichts 4C.300/2000 vom 29. März 2001, E. 3c). Die Gründe, die zur Auflösung eines Hauptmietverhältnisses und zum Untergang des Untermiet­ verhältnisses führen, werden im Gesetz nicht erwähnt und beeinflussen den Untergang der Kündigungsschutzrechte des Untermieters nicht (vgl. dazu Higi, ZK, N 27 zu Art. 273b OR), sofern keine Umgehung vorliegt. Vorbehalten blei­ ben allerdings allfällige Schadenersatzansprüche des Untermieters gegenüber dem Untervermieter (Higi, ZK, N 43 zu Art. 273b OR).

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Art. 273b

Beweispflichtig für das Vorliegen eines Umgehungstatbestandes ist der Unter­ 15 mieter, welcher aus dem Umstand, dass eine Umgehung vorliegen soll, für sich die Rechtsbehelfe des Kündigungsschutzes in Anspruch nehmen will.

4.2

Rechtsfolgen bei Umgehung

Liegt ein Umgehungstatbestand vor, so wird dem Untermieter Kündigungs- 16 schutz gewährt, wie wenn das Hauptmietverhältnis bzw. der Untervermieter nicht existieren würde. Das bedeutet, dass der Untermieter sämtliche Rechte – Anfechtung der Kündigung und Geltendmachung einer Mieterstreckung – direkt gegenüber dem (Haupt-)Vermieter geltend machen kann. Die Klage muss innert der dreissigtägigen Verwirkungsfrist von Art.  273 Abs.  1 OR gegen den Hauptvermieter eingereicht werden, wenn der Untermieter nach Erhalt der Kündigung des Untermietvertrags schon bei Einreichung der Klage geltend macht, es liege eine Umgehung vor (Hulliger/Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 273a–273c OR). In verfahrensrechtlicher Hinsicht ergibt sich folgende Besonderheit: Wird 17 dem Untermieter das Mietverhältnis gekündigt, so ist dieser zunächst dar­ auf angewiesen, innert der gesetzlichen Frist die Anfechtung der Kündigung bzw. ein Erstreckungsbegehren gegen den Untervermieter geltend zu machen (MfdP/Thanei, N  29.4.4). Ergibt sich im Verlaufe des Verfahrens, dass ein Umgehungstatbestand vorliegt, so kann es dem Untermieter nicht schaden, wenn die Frist für die Anfechtung der Kündigung oder zur Geltendmachung eines Erstreckungsbegehrens nach erfolgter Kündigung des Hauptmietverhält­ nisses bereits verstrichen ist. Von Bundesrechts wegen erfolgt ein Parteiwechsel, d.h., der bereits angehobene Prozess wird gegen den Hauptvermieter fort­ geführt (Higi, ZK, N 46 zu Art. 273b OR; MfdP/Thanei, N 29.4.4; Weber, BSK, N 2 zu Art. 273b OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 5 zu Art. 273a–273c OR). Nach dem Gesetzeswortlaut ist zu schliessen, dass in der Folge bei Gewäh­ rung einer Mieterstreckung oder erfolgreicher Anfechtung das Mietverhältnis zwischen Vermieter und Untermieter fortgesetzt wird, wobei der Unter­ mieter mit allen Rechten und Pflichten an die Stelle des (Unterver-)Mieters tritt (Higi, ZK, N 46 zu Art. 273b OR; MfdP/Spirig, N 30.12.3; Weber, BSK, N 2 zu Art. 273b OR).

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Art. 273c F. Zwingende Bestimmungen 1 Der Mieter kann auf Rechte, die ihm nach diesem Abschnitt zustehen, nur

verzichten, wenn dies ausdrücklich vorgesehen ist. 2 Abweichende

F.

Vereinbarungen sind nichtig.

Dispositions impératives

1 Le locataire ne peut renoncer à des droits que lui confère le présent chapitre que si ce der­

nier le prévoit expressément.

2

Les conventions contraires sont nulles.

F.

Disposizioni imperative

1 Il

conduttore può rinunciare ai diritti conferitigli dal presente capo soltanto se previsto espressamente da quest’ultimo.

2 Le

convenzioni contrarie sono nulle.

InhaltsübersichtSeite 1.

Geltungsbereich, zwingender Charakter der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1135

2.

Verzicht des Mieters auf Rechte (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1135

3.

Nichtige Vereinbarungen (Abs. 2) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1135

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Art. 273c

1.

Geltungsbereich, zwingender Charakter der Norm

Die Norm gilt ausschliesslich für die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen 1 (Higi, ZK, N 3 zu Art. 273c OR). Die Bestimmung ist absolut zwingend (Higi, ZK, N 4 zu Art. 273c OR und Roncoroni, zwingende Bestimmungen II, S. 78; vgl. aber Weber, BSK, N 1 zu Art. 273c OR, der die Bestimmung als einseitig zwingend bezeichnet).

2.

2

Verzicht des Mieters auf Rechte (Abs. 1)

Auf welche Rechte vom Mieter verzichtet werden kann, bzw. was unter einem 3 unzulässigen Verzicht zu verstehen ist, wird von der Bestimmung nicht kon­ kretisiert. Der Umfang des Verzichtsverbotes muss anhand einer konkreten Untersuchung jeder einzelnen Norm des dritten Abschnitts ermittelt wer­ den. Ganz allgemein gilt, dass der Mieter nicht zum Voraus auf diese Rechte verzichten kann, es ihm aber unbenommen ist, auf deren Ausübung zu ver­ zichten, wenn sie entstanden sind (Urteil des Bundesgerichts 4A_467/2009 vom 19. November 2009, E. 4; Higi, ZK, N 6 ff. zu Art. 273c OR; MfdP/Spirig, N 30.10.1; Weber, BSK, N 1 zu Art. 273c OR; Hulliger/Heinrich, CHK, N 6 zu Art. 273a–273c OR).

3.

Nichtige Vereinbarungen (Abs. 2)

Aus Art. 273c OR ergibt sich zunächst, dass die Parteien beim Abschluss des 4 Mietvertrags die Rechte des Mieters im Zusammenhang mit der Kündigung bzw. Beendigung eines befristeten Vertrags in keiner Weise beschneiden kön­ nen. Der Mieter kann nicht im Voraus verpflichtet werden, auf eine Kündigungsanfechtung oder die Geltendmachung einer Mieterstreckung zu ver­ zichten (vgl. aber N 21 zu Art. 272a OR sowie N 22 und 26 zu Art. 272b OR). Anders hingegen ist die Rechtslage nach erfolgter Kündigung (bzw. bei Ablauf eines befristeten Vertrags). Es ist dem Mieter unbenommen, auf seine Kündigungsschutzrechte zu verzichten, indem er etwa innert der gesetzlichen Frist weder die Kündigung anficht, noch eine Erstreckung verlangt oder nachträg­ lich das gestellte Begehren zurückzieht (vgl. dazu N 20 f. zu Art. 272b). Ein gül­ tiger Verzicht auf die Kündigungsschutzrechte durch den Mieter ist ferner auch im Rahmen einer Erstreckungsvereinbarung möglich – sei es im Verlauf eines

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1135

Art. 273c

gerichtlichen Verfahrens oder ausserhalb eines solchen (Thanei, Erstreckung, S.  41). Art.  272b Abs.  2 OR hält ausdrücklich fest, dass der Mieter auf eine zweite Erstreckung verzichten kann (vgl. dazu N 16 zu Art. 272b). Ebenfalls keine unzulässige Vereinbarung stellt der Aufhebungsvertrag dar (vgl. N  21 und 26 zu Art. 272b; Weber, BSK, N 1 zu Art. 273c OR). 5

Auch auf weitere im dritten Abschnitt geregelten Rechte kann nicht gültig ver­ zichtet werden, wie z.B. das Recht des Mieters, eine Begründung der Kün­ digung (Art.  271 OR) oder im Rahmen eines Erstreckungsverfahrens eine Anpassung des Vertrags an veränderte Verhältnisse zu verlangen (Art.  272c OR). Schliesslich können die Parteien auch nicht vertraglich die gesetzlich vor­ gesehene Frist zur Anfechtung bzw. zur Stellung eines Erstreckungsbegehrens verkürzen oder die Frist für die Einreichung eines Begehrens um eine zweite Erstreckung über die gesetzlich vorgesehenen 60 Tage hinaus verlängern (vgl. aber die entsprechende Möglichkeit bei Erstreckungsvereinbarungen, N 15 ff. zu Art. 272b OR).

6

Rechtshandlungen, mit denen eine Umgehung der von Gesetzes wegen zwin­ genden Vorschriften nach dem dritten Abschnitt beabsichtigt wird, sind eben­ falls nichtig: Eine durch den Mieter selber ausgesprochene Kündigung, mit der dieser einen gleichentags abgeschlossenen Mietvertrag bereits auf einen bestimmten Zeitpunkt kündigt, ist nicht beachtlich, wenn die Kündigung eine vom Vermieter geforderte Bedingung für den Vertragsschluss darstellt. Damit würde ja bezweckt, dass das Mietverhältnis an einem zum Voraus bestimmten Termin definitiv beendigt ist, was gleichbedeutend mit dem Abschluss eines befristeten Mietvertrags wäre. Da keine Erstreckung verlangt werden kann, wenn der Mieter selber kündigt (vgl. N 10 zu Art. 272 OR), würde mit einer sol­ chen Regelung der Kündigungsschutz des Mieters vereitelt. Dies entspricht aber einer Umgehung des in Art. 273c OR geregelten Verbotes.

1136

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Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen InhaltsübersichtSeite 1. Schlichtungsverfahren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.1 Schlichtungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.2 Schlichtungsobligatorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.3 Schlichtungsgesuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.4 Erledigung des Schlichtungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1139 1139 1143 1147 1159

2. Gerichtliches Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.2 Vereinfachtes Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.3 Ordentliches Verfahren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.4 Summarisches Verfahren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2.5 Exkurs: Ausweisungsanspruch und Ausweisung im Summarverfahren .. . . . . . . . . . . 

1170 1170 1170 1178 1180 1196

3. Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.1 Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.2 Klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.3 Rechtshängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.4 Persönliches Handeln, Vertretung und Begleitung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.5 Streitverkündung und Intervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.6 Klageänderung und -erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.7 Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.8 Sistierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.9 Streitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.10 Kosten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3.11 Gerichtsferien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1202 1202 1216 1223 1226 1242 1244 1247 1250 1251 1254 1257

4. Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.1 Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4.2 Anfechtungsobjekte im Schlichtungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1257 1257 1265

5. Schiedsgericht und Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.1 Zulässigkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.2 Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.3 Echte Schiedsgerichte .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5.4 Verfahrensordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1268 1268 1270 1271 1272

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen 6. Vollstreckung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6.1 Vollstreckungsarten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6.2 Vollstreckungstitel aus dem Schlichtungsverfahren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1138

1273 1273 1274

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

1. Schlichtungsverfahren 1.1 Schlichtungsbehörde 1.1.1 Kernaufgabe Art.  201 ZPO regelt die Kernaufgabe der Schlichtungsbehörde. Danach ver­ 1 sucht die Schlichtungsbehörde die Parteien «in formloser Verhandlung zu ver­ söhnen». Die Schlichtungsbehörde hat die einvernehmliche Streitbeilegung aktiv zu fördern und nicht etwa einfach eine Klagebewilligung auszustellen (Botsch. ZPO, S. 7330). Auf dem Gebiet der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen ist die Schlich­ 2 tungsbehörde auch Rechtsberatungsstelle (unten N 10–13).

1.1.2 Organisation Die Organisation der Schlichtungsbehörden ist Sache der Kantone, soweit das 3 Gesetz nichts anderes bestimmt (Art. 3 ZPO). Den Kantonen bleibt überlassen, wie sie die allgemeinen (nicht paritätischen) Schlichtungsbehörden organisie­ ren. Bei Streitigkeiten aus Miete von Wohn- und Geschäftsräumen schreibt Art.  200 ZPO paritätische Schlichtungsbehörden vor (BGE 141 III 439). Diese bestehen aus einer vorsitzenden Person und einer paritätischen Vertre­ tung von Mieter- und Vermieterorganisationen. Unberücksichtigt blieb in der ZPO die noch in Art. 197 des Entwurfs enthaltene Regelung, die eine Berück­ sichtigung der verschiedenen Vermieterkategorien bei der Parität vorsah (vgl. Bisang Raymon, in: MRA 3/10, S. 102). Die Kantone haben die paritätischen Schlichtungsbehörden unterschiedlich 4 organisiert: Tätigkeitskreise sind Kanton (z.B. im Kanton Luzern), Region (z.B. im Kanton Bern), Bezirk (z.B. im Kanton Zürich) oder Gemeinde (z.B. im Kanton Thurgau). Administrativ ist die Schlichtungsbehörde z.B. im Kan­ ton Zürich dem Bezirksgericht angegliedert, das auch die Geschäftsführung der Schlichtungsbehörde regelt (§ 65 GOG ZH). Andere Kantone gliedern die Schlichtungsbehörde administrativ der Verwaltung an (wie z.B. der Kanton Solothurn, wo das Oberamt das Sekretariat sowie die Protokollführung besorgt und die Rechtsberatungsaufgaben wahrnimmt, § 34septies GO SO). Mit der paritätischen Vertretung soll sichergestellt werden, dass die den 5 Schlichtungsbehörden übertragenen Fälle nicht ausschliesslich aus juristi­ scher Perspektive, sondern unter Einbezug von Fachwissen und Erfahrung im Mietwesen der betroffenen Region beurteilt werden. Solches Fachwissen,

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1139

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

das auch den gerichtlichen Instanzen zukommen sollte, ist beispielsweise zur Beurteilung der örtlichen Verhältnisse auf dem Liegenschaftenmarkt (Art. 272 Abs. 2 Buchst. e OR) und der orts- und quartierüblichen Mietzinsen (Art. 269a Buchst. a OR) von Bedeutung. Die Kantone sind gemäss Art. 22 VMWG ver­ pflichtet, die Zusammensetzung der Schlichtungsbehörden und deren Zustän­ digkeit periodisch zu veröffentlichen.

1.1.3

Wesen und Wahl

6

Die Schlichtungsbehörde ist auch nach Inkrafttreten der Schweizerischen ZPO kein Gericht. Wie der Name es sagt, ist sie eine Behörde und deren Verfahren mithin ein Verwaltungs- und kein Gerichtsverfahren (BGE 139 III 273, E. 2.1; a.M. MfdP/Brüllhardt/Püntener, N 5.6.1, Fn. 32, relativierend in N 5.9, Fn. 68). Die Durchführung des Schlichtungsverfahrens bildet für den anschliessen­ den Zivilprozess eine Prozessvoraussetzung. Die Aufgaben der Schlichtungs­ behörde (Einigungsbemühungen, Urteilsvorschlag gemäss Art.  210  f. ZPO, Entscheid gemäss Art.  212 ZPO) sind nun aber dergestalt, dass von einem justizförmigen Verfahren gesprochen werden kann. Auch wenn die Verfah­ rensgarantien von Art.  6 EMRK wegen der fehlenden Gerichtseigenschaft keine Anwendung finden (Higi, ZK, N 32 zu aArt. 274a OR; a.M. MfdP/Brüll­ hardt/Püntener, N  5.9, Fn. 68), so hat die Behörde jedenfalls die allgemei­ nen Verfahrensgarantien gemäss Art.  29 BV zu gewährleisten: gleiche und gerechte Behandlung sowie Beurteilung innert angemessener Frist, Anspruch auf rechtliches Gehör, unentgeltliche Rechtspflege bei Mittellosigkeit. Die jus­ tizmässige Tätigkeit setzt voraus, dass die Behörde nicht weisungsgebunden, sondern genauso unabhängig und unparteiisch ist, wie es gemäss Art. 30 Abs. 1 BV von einem Gericht verlangt wird.

7

Das Bundesgericht hat in einem Fall, in dem gerügt wurde, dass ein Mitglied des urteilenden Mietgerichts des Kantons Waadt dem schweizerischen Mie­ terverband angehört, welcher der Gegenseite im Verfahren beigestanden hatte, festgehalten, dass ein beisitzender Richter des Mietgerichts nicht in den Aus­ stand treten müsse, weil ein anderer Angestellter dieses Verbands einer der Par­ teien unterstützt hatte. Werde die paritätische Zusammensetzung unter dem Vorsitz eines Berufsrichters unter dem Gesichtspunkt von Art. 6 Ziff. 1 EMRK als zulässig erachtet, müsse man auch die Logik dieses Systems akzeptieren. Von Mitgliedern eines Gerichts dürfe man die Fähigkeit verlangen, sich über die Umstände ihrer Ernennung zu erheben, wenn sie in der Ausübung ihres Amtes konkrete Entscheide fällen müssten (BGE 119 Ia 81, E.  4a). Es dürfe vo­rausgesetzt werden, dass sich ein beisitzender Richter der Tatsache bewusst

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

sei, dass er auf persönlicher Grundlage handle und vom Staat mit einer juris­ tischen Aufgabe betraut werde, die ihm im Gesamtinteresse anvertraut wor­ den sei und die er in völliger Unabhängigkeit zu erfüllen habe. Die Notwendig­ keit der richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit müsse auch vom Mieterverband und seinen Angestellten verstanden und akzeptiert werden, so gut wie vom beisitzenden Richter selbst (BGE 126 I 235, in: mp 2001, S. 40). Im Hinblick auf die von der Schlichtungsbehörde geforderte Unabhängigkeit 8 und Unparteilichkeit gilt dies in gleicher Weise für deren Mitglieder. Die pari­ tätische Besetzung der Schlichtungsbehörde entbindet nicht von einer unab­ hängigen und unparteiischen Amtsführung (Honegger, ZK, N 3 zu Art. 200 ZPO). Die Mitglieder einer Schlichtungsbehörde vertreten nicht Verbandsin­ teressen, sondern haben nach eigenem besten Wissen und Gewissen zu han­ deln (a.M. zum Teil MfdP/Brüllhardt/Püntener, N 5.6.1, Fn. 37). Zwar bestimmt die Zivilprozessordnung (vgl. Art. 200 Abs. 1 ZPO) nicht wei­ 9 ter, in welcher Weise die Parität sicherzustellen ist. Früher sah aArt. 274a Abs. 2 OR vor, dass Mieter und Vermieter vornehmlich durch ihre Verbände pari­ tätisch vertreten sein sollen. Es gibt in den Gesetzesmaterialien keinen Hin­ weis, dass die ZPO daran etwas ändern wollte. Erforderlich ist, dass die Ver­ tretung eindeutig der Mieter- oder Vermieterseite zugeordnet werden kann. Das wird allein durch die Mitgliedschaft im betreffenden Interessenverband nicht gewährleistet. Die Schlichter müssen auch das Vertrauen ihres Verbands geniessen. Das drückt sich darin aus, dass der Verband sie zur Wahl vorschlägt. Den Kantonen ist es unbenommen, die Verbände beispielsweise zu verpflich­ ten, mehr Vorschläge einzureichen als Mandate zu besetzen sind oder in beson­ ders begründeten Fällen weitere Vorschläge zu verlangen. Sie können jedoch keine Personen wählen, die von ihren Verbänden nicht vorgeschlagen wurden (BGE 141 III 439; zustimmend Koller, Thomas, in: ZBJV 152/2016, S. 815 ff.).

1.1.4 Rechtsberatungsstelle Bei Streitigkeiten aus Miete von Wohn- und Geschäftsräumen ist die Schlich­ 10 tungsbehörde auch Rechtsberatungsstelle (Art.  201 Abs.  2 ZPO). Gemäss Art. 21 Abs. 2 VMWG sind die Schlichtungsbehörden verpflichtet, Mieter und Vermieter ausserhalb eines Anfechtungsverfahrens, insbesondere vor dem Abschluss eines Mietvertrags, zu beraten. Sie haben namentlich Mietern und Vermietern behilflich zu sein, sich selbst ein Urteil darüber zu bilden, ob ein Mietzins missbräuchlich ist.

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1141

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen 11

Im Hinblick darauf, dass die Schlichtungsbehörde bei Streitigkeiten aus Miete von Wohn- und Geschäftsräumen einen Urteilsvorschlag unterbreiten (Art. 210 f. ZPO) oder einen Entscheid fällen kann (Art. 212 ZPO), erscheint es problematisch, ihr auch die Funktion einer Beratungsstelle zuzuerkennen. Es lässt sich nicht vermeiden, dass Mitglieder der Schlichtungsbehörde, die im Rahmen von unentgeltlichen Rechtsauskünften eine Partei anhören und bera­ ten, von der ihnen vorgelegten, möglicherweise subjektiv gefärbten, in jedem Fall aber einseitigen Aktenlage ausgehen. Die Behörde wäre in der Folge, falls es zu einer Streitigkeit kommt, nicht mehr unbefangen. Daran ändert nichts, wenn die Behörde gemäss Art. 21 Abs. 2 VMWG namentlich Mietern und Ver­ mietern behilflich sein soll, «sich selbst ein Urteil zu bilden, ob ein Mietzins missbräuchlich ist». Die Beratungstätigkeit ist solange unproblematisch, als die Schlichtungsbehörde nicht einen Urteilsvorschlag unterbreitet (Art. 210 f. ZPO) oder einen Entscheid (Art. 212 ZPO) fällt, sondern lediglich den Versuch unternimmt, zwischen den Parteien eine Einigung herbeizuführen.

12

In denjenigen Fällen, in denen die Schlichtungsbehörde einen Urteilsvorschlag unterbreiten (Art.  210  f. ZPO) oder einen Entscheid fällen kann (Art. 212 ZPO), ist jedoch die trotz paritätischer Zusammensetzung erforder­ liche Unparteilichkeit und Unabhängigkeit nicht mehr gegeben, wenn ein Mit­ glied der Behörde zuvor die eine Partei beraten hat. Es ist mindestens zu for­ dern, dass in diesen Fällen kein Mitglied der Schlichtungsbehörde mitwirkt, das zuvor eine Partei beraten hat. Andernfalls läge wohl ein Ausstandsgrund vor (a.M. MfdP/Brüllhardt/Püntener, N  5.24, die immerhin auf die Gefahr hinweisen, dass die Schlichtungsbehörde den «Bonus» der Neutralität ver­ liert). Gerade um eine solche Befangenheit zu vermeiden, sieht Art. 21 Abs. 3 VMWG vor, dass die Schlichtungsbehörde nicht nur einzelne Mitglieder, son­ dern auch das Sekretariat mit der Beratung betrauen kann (gl.M. MfdP/Brüll­ hardt/Püntener, N 5.24, Fn. 227).

13

Gesagtes gilt umso mehr während eines hängigen Schlichtungsverfahrens, da dies zu einem Konflikt zwischen Beratungs- und eigentlicher Schlichtungs­ tätigkeit führt (a.M. MfdP/Brüllhardt/Püntener, N  5.24). In einem entspre­ chenden Fall darf der Schlichtungsbehörde deshalb keine eigentliche Bera­ tungsfunktion zukommen. Art. 21 Abs. 2 VMWG spricht denn auch von einer Beratung «ausserhalb» eines (Anfechtungs-)Verfahrens.

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

1.2 Schlichtungsobligatorium 1.2.1 Grundsatz Art.  197 ZPO statuiert den Grundsatz, dass dem gerichtlichen Entscheidver­ 14 fahren ein Schlichtungsversuch vor einer Schlichtungsbehörde vorauszugehen hat. Die Durchführung des Schlichtungsverfahrens ist Prozessvoraussetzung für die nachfolgende Klage. Wurde das Schlichtungsverfahren nicht durchge­ führt oder liegt keine gültige Klagebewilligung vor, fehlt es an einer Prozessvo­ raussetzung (Art. 59 ZPO; BGE 140 III 70), weshalb das Gericht auf die Klage nicht eintritt.

1.2.2 Ausnahmen 1.2.2.1

Summarisches Verfahren

Das Schlichtungsverfahren entfällt im summarischen Verfahren (Art.  198 15 Buchst.  a ZPO). Das summarische Verfahren ist namentlich anwendbar für den Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 248 Buchst. b, 257 ZPO) sowie für die vorsorglichen Massnahmen (Art. 248 Buchst. d, 261 ff. ZPO). Der Rechtsschutz in klaren Fällen ist vorgesehen für Streitigkeiten, denen 16 ein liquider Sachverhalt (unbestritten oder sofort beweisbar) und eine klare Rechtslage zugrunde liegt (Art.  257 ZPO). Ein Hauptanwendungsfall in der Mietrechtspraxis ist die Ausweisung von Mietern (unten N 157). Vorsorgliche Massnahmen setzen voraus, dass die gesuchstellende Partei 17 glaubhaft macht, dass ein ihr zustehender Anspruch verletzt ist oder eine Ver­ letzung zu befürchten ist und ihr aus der Verletzung ein nicht leicht wiedergut­ zumachender Nachteil droht (Art. 261 ZPO). Im Mietrecht ist dies zum Bei­ spiel bei einer Verletzung der vertraglich vereinbarten Gebrauchspflicht eines Geschäftsmieters in einem Warenhaus durch Schliessung seines Ladens denk­ bar. Die Schlichtungsbehörde kann keine vorsorglichen Massnahmen erlas­ sen. Diese schon vor Inkrafttreten der ZPO geltende Rechtslage (ZMP 1991, Nr. 9; Higi, ZK, N 9 zu aArt. 274f OR) bringt Art. 262 ZPO dadurch zum Aus­ druck, dass eine vorsorgliche Massnahme nur eine «gerichtliche Anordnung» sein kann. 1.2.2.2 Aberkennungsklage In Abweichung zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 133 18 III 645, E. 3–5) entfällt das Schlichtungsverfahren neu bei der Aberkennungs­ klage (Art. 198 Buchst. e Ziff. 1 ZPO). Dies ist sinnvoll, da die als Vorausset­ Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

zung einer Aberkennungsklage erteilte provisorische Rechtsöffnung bereits auf einer richterlichen Prüfung des Anspruchs des Gläubigers nach Art. 82 SchKG beruht. 1.2.2.3 19

Kein Schlichtungsverfahren ist erforderlich bei Klagen des Vermieters von Geschäftsräumen auf Rückschaffung von Retentionsgegenständen (Art.  198 Buchst. e Ziff. 8 ZPO, Art. 284 SchKG). 1.2.2.4

20

Klage auf Rückschaffung von Retentionsgegenständen

Gerichtliche Klagefrist

Das Schlichtungsverfahren entfällt, wenn das Gericht eine Frist zur Klage gesetzt hat (Art.  198 Buchst.  h ZPO). Einen Anwendungsfall stellt z.B. die gerichtliche Prosequierungsfrist zur Einreichung des Hauptsachenprozesses nach vorsorglichen Massnahmen dar. Wird das Massnahmebegehren jedoch abgewiesen, ist auch keine Frist anzusetzen und das Schlichtungsverfahren erforderlich. 1.2.2.5

Handelsgerichtliche Mietstreitigkeiten

21

Bei handelsgerichtlichen Mietstreitigkeiten (unten N 118) ist ein Schlichtungs­ verfahren ausgeschlossen (Art. 198 Buchst. f ZPO). Sämtliche Klagen im han­ delsgerichtlichen Zuständigkeitsbereich müssen direkt beim Handelsgericht erhoben werden (zurzeit bestehen Handelsgerichte in vier Kantonen: Aar­ gau, Bern, St. Gallen und Zürich). Die Schlichtungsbehörde in Mietsachen hat in solchen Fällen keine Zuständigkeit. Der Gesetzgeber wollte die Handels­ gerichte mit diesem Verzicht auf ein Schlichtungsverfahren stärken. Entspre­ chend ist diesfalls ein freiwilliges Schlichtungsverfahren ausgeschlossen und jegliche Schlichtungsbehörde sachlich unzuständig. Bei Verwirkungsfristen ist besondere Vorsicht geboten (z.B. bei der 10-tägigen Prosequierungsfrist zur Aufrechterhaltung des Retentionsbeschlags).

22

Das blosse Schlichtungsgesuch in Fällen nach Art. 198 Buchst. f ZPO begrün­ det keine Rechtshängigkeit und auch die bei Anrufung einer unzuständigen Behörde vorgesehene Korrekturmöglichkeit gemäss Art.  63 Abs.  1 ZPO fin­ det keine Anwendung. Gemäss Art.  63 Abs.  1 ZPO kann durch Neueinrei­ chung der Klage innert eines Monats seit dem Klagerückzug infolge Unzustän­ digkeit oder dem Nichteintretensentscheid die ursprüngliche Rechtshängigkeit bewahrt (perpetuiert) werden, was in Verbindung mit Art. 64 Abs. 2 ZPO auch zur Wahrung von Klage-, Verjährungs- und Verwirkungsfristen führt. Wird nun statt dem Handelsgericht (einzig) die unzuständige Schlichtungsbehörde 1144

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

angerufen und verlässt der Kläger von sich aus den ursprünglich falsch ein­ geschlagenen Prozessweg in mietrechtlichen Angelegenheiten, indem er das Handelsgericht anruft (ohne an das ordentliche Gericht bzw. an das Mietge­ richt zu gelangen), sind die Voraussetzungen von Art.  63 Abs.  1 ZPO (d.h. ein Klagerückzug infolge Unzuständigkeit oder ein Nichteintretensentscheid) nicht gegeben (Handelsgericht des Kantons Zürich HG150 091 vom 8.  Juni 2015, in ZR 114 [2015] Nr. 54, S. 208, betreffend Prosequierung zur Aufrecht­ erhaltung des Retentionsbeschlags). Ebenso wenig vermag das Schlichtungsge­ such in diesem Fall die Verjährung zu unterbrechen (unten N 265). 1.2.2.6

Verzicht auf das Schlichtungsverfahren

Gemeinsam können die Parteien bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auf 23 die Durchführung des Schlichtungsverfahrens verzichten, wenn der Streit­ wert mindestens 100 000 CHF beträgt (Art. 199 Abs. 1 ZPO; zum Streitwert N  328  ff.). Die Bestimmung gilt auch für Mietangelegenheiten. Abgelehnt wurde ein Antrag im Nationalrat, die Zulässigkeit des Verzichts in Streitfragen betreffend Mietzinse (vgl. Art. 270a ff. OR) auszuschliessen (Honegger, ZK, N 1 zu Art. 199 ZPO). Selbst wenn der Streitwert 100 000 CHF übersteigt, erweist sich ein gemein­ 24 samer (vorgängiger) Verzicht auf das Schlichtungsverfahren (beispielsweise schon im Mietvertrag) dann als unwirksam, wenn das Gesetz selbst für das ent­ sprechende Verfahren eine Anfechtung oder Geltendmachung des Anspruchs bei der Schlichtungsbehörde vorsieht. Das trifft beispielsweise zu für Miet­ zinsanfechtungen (Art.  270 OR, Art.  270a OR und Art.  270b OR), die Kün­ digungsanfechtung (Art.  273 Abs.  1 OR) sowie das Erstreckungsbegehren (Art. 273 Abs. 2 und 3 OR; vgl. Bisang, Raymond, in: MRA 3/10, S. 110 f.). Ein gemeinsamer Verzicht auf das Schlichtungsverfahren ist somit bei Forderungs­ klagen mit einem Streitwert über 100 000 CHF möglich. Bei der Miete von Geschäftsräumen dürfte die Bestimmung bei reinen Forde­ 25 rungsklagen aufgrund der regelmässig höheren Streitwerte mit Blick auf die mögliche Zeitersparnis eine gewisse Bedeutung erlangen. Die klagende Partei kann einseitig auf das Schlichtungsverfahren verzichten, 26 wenn die beklagte Partei Sitz oder Wohnsitz im Ausland hat oder ihr Aufent­ haltsort unbekannt ist (Art. 199 Abs. 2 ZPO). Diese Regelung ist beispielsweise für einen Vermieter von Vorteil, der auf Herausgabe der Mietkaution klagt, nachdem der Mieter das Mietobjekt beschädigte oder den letzten Mietzins vor der Rückgabe nicht bezahlte und sich dann mit unbekanntem Aufenthalt (ins

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Ausland) absetzte. Nach Art. 141 Abs. 1 Buchst. a ZPO hat die klagende Partei die ihr zumutbaren Nachforschungen zur Ermittlung des Aufenthaltsorts der beklagten Partei anzustellen und dies – analog zu Art. 66 SchKG – der Schlich­ tungsbehörde auf Verlangen zu belegen (Honegger, ZK, N 5 zu Art. 199 ZPO). 27

Liegt kein einseitiger Verzicht gemäss Art. 199 Abs. 2 ZPO vor, erfolgt die prak­ tische Umsetzung durch eine von beiden Parteien unterzeichnete Verzichtser­ klärung, die dem Gericht einzureichen ist. 1.2.2.7

Kontrollierte Mietzinse

28

Streitigkeiten über behördlich kontrollierte Mietzinse (Art. 253b Abs. 3 OR) fallen  – mit Ausnahme der Nebenkosten  – nicht in die Zuständigkeit der Schlichtungsbehörden. Ist gegen Verwaltungsentscheide über Mietzinserhö­ hungen eine Beschwerdemöglichkeit vorgesehen, kommt das verwaltungs­ interne bzw. verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren zur Anwendung (MfdP/Brüllhardt/Püntener, N 5.6.4).

29

Bei einer Förderung gemäss dem bundesrechtlichen Wohnbau- und Eigen­ tumsförderungsgesetz (WEG) bzw. dem ab 1.  Oktober 2003 in Kraft stehen­ den Wohnraumförderungsgesetz (WFG) werden die Mietzinse nicht nur behördlich kontrolliert, sondern durch das Bundesamt für Wohnungswesen im sog. Mietzinsplan auch festgelegt. Es besteht daher für den Mieter keine Möglichkeit, diese Festlegung in einem ordentlichen Gerichtsverfahren anzu­ fechten, und es bleibt ihm auch die verwaltungsrechtliche Beschwerde versagt. Der Mietzinsplan ist Ausfluss des zwischen dem Bundesamt und dem Eigen­ tümer bestehenden verwaltungsrechtlichen Vertrags. Als Adressaten der Bun­ deshilfe und gleichzeitig Vermieter werden lediglich die Träger und Organisa­ tionen des gemeinnützigen Wohnungsbaus betrachtet. Dem Mieter steht daher nur die Möglichkeit offen, den Mietzins beim Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) auf Übereinstimmung mit der nach den öffentlich-rechtlichen Bestim­ mungen und Festlegungen zulässigen Höhe überprüfen zu lassen. Diese Miet­ zinskontrolle ist in Art. 54 WFG geregelt und gilt gemäss Art. 59 WFG auch für Streitigkeiten, die nach dem WEG zu beurteilen sind. Bei einer Über­ schreitung der zulässigen Mietzinse hat der Mieter gegenüber dem Vermie­ ter kein direktes Klagerecht. Gemäss Art. 59 der Wohnraumförderungsverord­ nung (WFV) fordert vielmehr das BWO vom Vermieter die zu viel bezogenen Beträge samt Zins zuhanden des Mieters zurück. Etwas anderes gilt hingegen für die Überprüfung der Nebenkosten. Gemäss Art. 54 Abs. 4 WFG sind dafür «die Schlichtungsbehörden nach dem Obligationenrecht zuständig» (kritisch dazu: Bisang Raymond, in: MRA 3/03, S. 137). 1146

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1.3 Schlichtungsgesuch 1.3.1 Form Durch Einreichung des Schlichtungsgesuchs wird das Verfahren eingeleitet. 30 Gemäss Art. 202 Abs. 1 ZPO kann das Schlichtungsgesuch in Papierform oder elektronisch eingereicht (Art. 130 ZPO) oder mündlich zu Protokoll gegeben werden. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts erfüllt eine Einreichung via Fax das Erfordernis der Schriftlichkeit nicht (BGE 121 II 252, E.  2; Urteil des Kassationsgerichts Zürich vom 25.  Oktober 2010 betreffend Nachfrist bei Laien, in: ZR 109 [2010] Nr. 65, S. 257 ff.). Nach wohl herrschen­ der Auffassung kann ein Schlichtungsgesuch auch nicht auf telefonischem Weg gestellt werden (Honegger, ZK, N 5 zu Art. 202 ZPO). Das Schlichtungsgesuch ist im Doppel einzureichen und wird der Gegenpartei unverzüglich zugestellt (Art. 202 Abs. 2 und 3 ZPO).

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1.3.2 Inhalt 1.3.2.1 Parteien Gemäss Art. 202 Abs. 2 ZPO ist im Schlichtungsgesuch «die Gegenpartei» zu 32 bezeichnen. Richtet sich die Klage gegen einen verstorbenen Vermieter, sind alle seine Erben aufzuführen (Urteil des Bundesgerichts 4A_482/2015 vom 7. Januar 2016, kommentiert in: CdB 2016, S. 51). Im Schlichtungsgesuch zu nennen ist aber auch die Klägerschaft (Egli, DIKE-Komm., N 6 zu Art. 202 ZPO; Infanger, BSK, N 3 zu Art. 202 ZPO; Honegger, ZK, N 10 zu Art. 202 ZPO). Im Schlichtungsgesuch aufzuführen ist eine allfällige Vertretung, unter Beilage einer rechtsgültigen Vollmacht, die nachgereicht werden kann. Bei natürlichen Personen genügen im Schlichtungsgesuch in der Regel die 33 Angabe des Vornamens, des Namens und der Adresse der Parteien (Urteil des Bundesgerichts 4A_116/2015 vom 9. November 2015, E. 3.5.1). Die Adresse der Gegenpartei ist anzuführen, soweit sie bekannt oder mit vernünftigem Aufwand ermittelbar ist (vgl. Art. 141 Abs. 1 Buchst. a ZPO). Nicht erforderlich ist die Angabe von Geburtsdatum, Bürgerort, bei Ausländern der Staatsange­ hörigkeit sowie des Zivilstands (Egli, DIKE-Komm., N 6 zu Art. 202 ZPO). Bei juristischen Personen sind die korrekte Firma sowie die Adresse und deren Sitz anzugeben. Nicht zwingend vorausgesetzt sind die Nennung der Unter­ nehmensidentifikationsnummer und die Einreichung eines Handelsregister­ auszugs. Bei nicht im Handelsregister eingetragenen juristischen Personen, z.B.

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Vereinen (Art. 61 ZGB), empfiehlt sich die Einreichung der schriftlichen Statu­ ten (Egli, DIKE-Komm., N 6 zu Art. 202 ZPO). 34

Ein Schlichtungsgesuch muss nicht zwingend vom Mieter selbst ausgehen, sondern kann auch durch eine bevollmächtigte Person aufgrund eines Stellvertretungsverhältnisses erfolgen. Diese Person kann ein aussenstehender Dritter sein oder aber im Falle von mehreren Mitmietern ein einzelner Mit­ mieter, der über eine Vollmacht verfügt, auch im Namen seiner Mitmieter zu handeln (zur Vollmacht und Vertretung unten N 267). Das Bundesgericht hat festgehalten, dass eine Kündigungsanfechtung auch durch einen nicht bevoll­ mächtigten Dritten im Sinne einer Geschäftsführung ohne Auftrag grund­ sätzlich möglich ist. Voraussetzung dafür ist jedoch insbesondere, dass der Dritte im Namen des Mieters und nicht in eigenem Namen handelt und dass die Anfechtung nachträglich vom Mieter genehmigt wird (Urteil des Bundes­ gerichts 4A_351/2015 vom 5. August 2015, in: MRA 1/16, S. 24 ff., mit Kom­ mentar von Marco Giavarini).

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In der Praxis stellt sich bei mehreren Mietern ein und desselben Mietverhält­ nisses (Mitmieter) die Frage nach dem Erfordernis des gemeinsamen Han­ delns, insbesondere beim Aussprechen einer Kündigung sowie bei der Anfech­ tung einer Kündigung oder einer Mietzinserhöhung. Handeln die Mitmieter in einem solchen Fall der notwendigen Streitgenossenschaft nicht gemein­ sam, sondern nur Einzelne von ihnen, fehlt es grundsätzlich an der erforder­ lichen Sachlegitimation im Prozess mit der Konsequenz, dass die Klage abge­ wiesen werden muss. Dies führt bei Kündigungs- und Mietzinsanfechtungen zu einem Rechtsverlust (vgl. Meyer, Sachlegitimation). Das Bundesgericht hat sich in diesem Zusammenhang wiederholt geäussert:

36

Mitmieter müssen eine Mietzinserhöhung gemeinsam anfechten bzw. ein Mietzinsherabsetzungsbegehren gemeinsam stellen. Sie bilden eine notwen­ dige Streitgenossenschaft. Handelt nur einer bzw. ein Teil der Mitmieter in eigenem Namen, so fehlt es bei der Anfechtung einer Mietzinserhöhung an der Aktivlegitimation, und es ist diese nicht korrekt angefochten mit der Kon­ sequenz, dass sie in Rechtskraft erwächst (BGE 136 III 431 ff., in: MRA 2/11, S.  48  ff.) bzw. es wäre ein solches Herabsetzungsbegehren abzuweisen. Die Frage, ob die anfechtungsunwilligen Mitmieter zur Vermeidung dieser Rechts­ folge auf der Passivseite in den Prozess einbezogen werden können, hat das Bundesgericht im vorgenannten Entscheid offengelassen. Folgt man den Über­ legungen von BGE 140 III 598 betreffend Kündigungsanfechtung (unten N 37 und 38), muss die Frage zu bejahen sein.

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Für den Fall, dass sich die Mitmieter über eine Kündigungsanfechtung nicht 37 einig sind, kann auch der einzelne Mitmieter die Kündigung des Mietverhält­ nisses in seinem eigenen Namen anfechten. Um dem Erfordernis der notwen­ digen Streitgenossenschaft gemäss Art. 70 ZPO zu genügen, muss der anfech­ tende Mitmieter die Kündigungsanfechtung nicht nur gegen den Vermieter, sondern auch gegen sämtliche anfechtungsunwilligen Mitmieter richten (vgl. BGE 140 III 598, in: MRA 2015, S. 142 ff.; zustimmend Weber, BSK, N 2 zu vor Art.  253–273c OR sowie Koller Thomas, ZBJV 152 [2016], S.  1  ff., ins­ bes. S. 45 ff.). Gemäss Urteil des Bundesgerichts 4A_689/2016 vom 28. August 2016 gilt diese Rechtsprechung auch, wenn im Zusammenhang mit einer Kün­ digungsanfechtung als Mieterin eine Erbengemeinschaft auftritt und der Erbe, der den Kündigungsschutz gegen den Willen seiner Miterben in Anspruch nimmt, das Mietobjekt auch tatsächlich nutzt. Unseres Erachtens weist Gia­ varini (a.a.O., S. 248 ff.) zu Recht darauf hin, dass im Gesetz eine Ausnahme fehlt, um von den Regeln der notwendigen Streitgenossenschaft abzuweichen. Weiter wird in einem einzigen Verfahren sowohl ein Streit über das Innenver­ hältnis der Mieter als auch das Aussenverhältnis geführt. Schliesslich sind die Mietgerichte, insofern das kantonale Recht sie vorsieht, für die Beurteilung des Innenverhältnisses sachlich gar nicht zuständig. Im Falle der Kündigung einer Familienwohnung gilt der Schutz von Art. 273a 38 OR. Gemäss dieser Spezialbestimmung kann auch der Ehegatte bzw. der einge­ tragene Partner des Mieters die Kündigung im eigenen Namen anfechten, die Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen oder die übrigen Rechte ausüben, die dem Mieter bei einer Kündigung zustehen, selbst wenn er nicht Mieter ist. Der Einbezug des Ehegatten bzw. eingetragenen Partners auf der Passivseite zusammen mit dem Vermieter ist gemäss BGE 115 II 365 möglich, aber nicht nötig. Sind hingegen beide Ehegatten bzw. eingetragene Partner Vertragspartei, muss der anfechtungsunwillige Ehegatte bzw. eingetragene Partner auf der Pas­ sivseite ins Recht gefasst werden (BGE 140 III 598, E. 3.2; vgl. Giavarini Marco, in: MRA 3/15, S. 142 ff.). Art. 273a OR ist nicht anwendbar bei Mietzinsanfech­ tungen. Folgt man den Überlegungen von BGE 140 III 598, muss es bei Miet­ zinsanfechtungen bzw. Herabsetzungsbegehren betreffend eine Familienwoh­ nung möglich sein, dass der eine Mitmieter alleine klagt und seinen Mitmieter auf der Passivseite in den Prozess einbezieht. Das Mietgericht Zürich erach­ tet den überlebenden Ehegatten nach Auslegung von Art.  273a OR als legi­ timiert, ohne Mitwirkung der (übrigen) Erben eine Kündigung anzufechten oder eine Erstreckung des Mietverhältnisses zu verlangen, solange er die ehe­ malige Familienwohnung noch bewohnt und soweit der Mietvertrag nicht auf einen anderen Erben übertragen wurde (ZMP 2017, Nr. 4, E. 3.2.6). Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

1.3.2.2 Rechtsbegehren 39

Das Rechtsbegehren bezeichnet, was der Kläger vom Beklagten will (für ent­ sprechende Muster vgl. Winter Patrick, Anträge an die Schlichtungsbehörde, in: mp 2013, S. 177 ff.; Eiholzer Heiner, Anträge an die Schlichtungsbehörde, in: mp 1993, S. 55 ff.). Dieses darf grundsätzlich anlässlich der Schlichtungs­ verhandlung noch geändert oder präzisiert werden (Urteil des Bundesgerichts 5A_588/2015 vom 9. Februar 2016). Art. 227 ZPO setzt unter anderem voraus, dass der geänderte oder neue Anspruch mit dem bisherigen in einem sachli­ chen Zusammenhang steht (Abs. 1 Buchst. a) oder die Gegenpartei zustimmt (Abs. 1 Buchst. b), vgl. unten N 311 ff.. Bei neuen Ansprüchen, die erst anläss­ lich der Schlichtungsverhandlung gestellt werden, tritt die Rechtshängigkeit erst zu diesem Zeitpunkt ein (Infanger, BSK, N 4 zu Art. 202 ZPO). 1.3.2.3 Streitgegenstand

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Der Streitgegenstand bezeichnet den Anspruch, über den verhandelt werden soll. Er kann auch nur mit einem Stichwort bezeichnet werden, zum Beispiel «betreffend Forderung» oder «betreffend Kündigungsschutz/Erstreckung» hin­ sichtlich «Liegenschaft xy». Einer schriftlichen Begründung bedarf das Schlich­ tungsgesuch nicht. 1.3.2.4 Beilagen

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Eine Pflicht, Beilagen – gar im Doppel – einzureichen, nennt Art. 202 Abs. 2 ZPO nicht. Art. 131 ZPO ist für das Schlichtungsverfahren nur bedingt anwend­ bar (gl.M. Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 682, S. 201). Die Einreichung von Beilagen ist regelmässig sinnvoll, um der Schlichtungsbehörde die Vorberei­ tung der Schlichtungsverhandlung zu ermöglichen. Im Zusammenhang mit der Verhandlung sieht Art.  203 Abs.  2 ZPO denn auch Folgendes vor: «Die Schlichtungsbehörde lässt sich allfällige Urkunden vorlegen und kann einen Augenschein durchführen.» Nach Abschluss des Schlichtungsverfahrens sind die eingereichten Beilagen den Parteien zu retournieren (zur Vertraulichkeit des Schlichtungsverfahrens unten N 49 ff.).

1.3.3 42

Mängel und deren Verbesserung

Genügt das Schlichtungsgesuch den vorerwähnten Anforderungen nicht, ist der klagenden Partei eine kurze Nachfrist zur Verbesserung anzusetzen unter der Androhung, dass im Unterlassungsfall das Gesuch als nicht erfolgt gelte (Art. 132 Abs. 1 ZPO). Eine Nachfristansetzung kommt generell nur bei verse­

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

hentlichen, nicht absichtlichen Unterlassungen der Parteien infrage. Zur verse­ hentlichen Einreichung bei der falschen Instanz vgl. unten N 261 ff. Eine Klage muss abgewiesen werden, wenn sie sich gegen die falsche Person 43 richtet. Eine ungenaue Parteibezeichnung kann von der Schlichtungsbehörde aber von Amtes wegen vor oder in der Verhandlung berichtigt werden, wenn es sich um ein offensichtliches Versehen handelt, keine Zweifel an der wahren Identität der Partei bestehen und jede Gefahr einer Verwechslung ausgeschlos­ sen werden kann (vgl. BGE 136 III 545, E. 3.4.1; ZR 81 [1982] Nr. 103, S. 249; Urteil des Bundesgerichts 4A_17/2016 vom 29. Juni 2016: Berichtigung bejaht bei Anfechtung einer Kündigung gegen die Verwaltung statt gegen die Mit­ glieder des Vermieterkonsortiums). Kritisch zur «Berichtigung» der Parteibe­ zeichnung N 11 der Vorbem. zu Art. 253–273c OR. Liegt kein Versehen vor, ist eine Berichtigung der Parteibezeichnung unzulässig (Cour d’appel civile du canton de Vaud vom 19. August 2013, Journal des Tribunaux 1/14, S. 23, in: mp-flash 5/2012, S. 2). Eine Berichtigung ist unter den gegebenen Voraussetzungen insbesondere 44 dann erlaubt, wenn zum Beispiel der Vertreter in einem Verfahren als Par­ tei aufgeführt wird und aus den Akten klar hervorgeht, dass er lediglich in Stellvertretung der eigentlichen Partei handelt. Hat sich indessen der Vertreter während des Verfahrens als Partei ausgegeben und zu keinem Zeitpunkt weder ausdrücklich noch mittelbar als Stellvertreter zu erkennen gegeben, kommt eine Parteiberichtigung nicht infrage (vgl. BGE 110 V 347, E.  2). Nennt ein Kläger keine beklagte Partei, ergibt sich diese jedoch zweifelsfrei aus den einge­ reichten Beilagen, ist gestützt auf Treu und Glauben (Art. 52 ZPO) davon aus­ zugehen, dass die beklagte Partei die in den Beilagen genannte ist (Urteil des OGer Zürich RU160044 vom 4. August 2016, in: mp 2016, S. 344 f.). Sind die Voraussetzungen für eine formelle Berichtigung einer falschen Par­ 45 teibezeichnung erfüllt, so kann dieser Mangel auch von der nachfolgenden Gerichtsinstanz noch geheilt werden (BGE 116 V 335, E. 4b).

1.3.4 Parteiwechsel Von der formellen Berichtigung einer fehlerhaften Parteibezeichnung abzu­ 46 grenzen ist der Parteiwechsel: –– Ohne Veräusserung des Streitobjekts ist ein Parteiwechsel nur mit Zustim­ mung der Gegenpartei zulässig; besondere gesetzliche Bestimmungen über die Rechtsnachfolge bleiben vorbehalten (Art. 83 Abs. 4 ZPO).

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

–– Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann der Erwer­ ber anstelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten (Art. 83 Abs. 1 ZPO). In der Mietrechtspraxis steht der Verkauf der Liegenschaft im Vor­ dergrund. Veräussert der Vermieter die Liegenschaft nach Abschluss des Mietvertrags, geht das Mietverhältnis mit dem Eigentum an der Sache auf den Erwerber über (Art. 261 Abs. 1 OR). In ein zwischen dem Veräusserer und dem Mieter hängiges Verfahren tritt der Erwerber für ihn betreffende Ansprüche neben den Veräusserer in den laufenden Prozess ein. Bei Gestal­ tungsklagen (z.B. Kündigungsschutzverfahren) kommt es zu einem Partei­ wechsel. Der neue Eigentümer tritt anstelle des bisherigen in den Prozess ein (N 9 zu Art. 261–261a OR; Higi, ZK, N 23 zu Art. 261–261a OR; ZMP 2003, Nr. 11 und 21; Hulliger/Heinrich, CHK, N 6 zu Art. 261–261b OR).

1.3.5 Schriftenwechsel 47

Es entspricht dem Wesen eines Schlichtungsversuchs, dass in «formlo­ ser Verhandlung» eine Einigung der Parteien gesucht wird (Art.  201 ZPO). Die Schlichtungsbehörde kann bei Streitigkeiten aus Miete von Wohn- und Geschäftsräumen «ausnahmsweise» einen Schriftenwechsel durchführen, wenn ein Urteilsvorschlag (Art. 210 ZPO) oder ein Entscheid (Art. 212 ZPO) infrage kommt (Art. 202 Abs. 4 ZPO). Die Anordnung eines Schriftenwech­ sels wird in der Praxis unterschiedlich gehandhabt. Sie darf jedenfalls nicht mit der Androhung einer Säumnisfolge verbunden werden. Die Verhandlung hat innert zwei Monaten seit Eingang des Gesuchs oder nach Abschluss des Schrif­ tenwechsels stattzufinden (Art. 203 Abs. 1 ZPO). In allen Schlichtungsverfah­ ren ist zwingend eine Verhandlung durchzuführen (Urteil des Bundesgerichts 4D_29/2016 vom 22. Juni 2016, E. 5.). In den Kantonen Luzern und Aargau wird die beklagte Partei zum Beispiel regelmässig aufgefordert, eine schriftli­ che Stellungnahme zur Klage einzureichen. Demgegenüber wird im Kanton Zürich direkt zur Schlichtungsverhandlung vorgeladen.

1.3.6 Öffentlichkeit 48

Die Verhandlung vor der Schlichtungsbehörde ist grundsätzlich nicht öffent­ lich. Bei Streitigkeiten aus Miete von Wohn- und Geschäftsräumen kann die Schlichtungsbehörde die Öffentlichkeit ganz oder teilweise zulassen, wenn ein öffentliches Interesse besteht (Art. 203 Abs. 3 ZPO). Die Schlichtungsbehörde kann auf Gesuch und nach Rücksprache bei den Parteien weitere Personen zulassen.

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

1.3.7 Verfahrensvertraulichkeit Art.  205 Abs.  1 ZPO sichert die Vertraulichkeit des Schlichtungsverfahrens. 49 Die Parteiaussagen dürfen weder protokolliert noch später im gerichtlichen Entscheidverfahren verwendet werden. Die Vertraulichkeit des Schlichtungs­ verfahrens ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Schlichtung (Botsch. ZPO, S. 7332). Den Parteien wird die Möglichkeit einer freien und formlosen Aussprache geboten (BGE 140 III 70, E. 4.3). Vorbehalten ist nach Art. 205 Abs. 2 ZPO «die Verwendung der Aussagen» im Fall eines Urteilsvor­ schlags oder Entscheids der Schlichtungsbehörde (unten N 53). Art. 205 Abs. 1 ZPO untersagt die Führung eines Verfahrensprotokolls gemäss 50 Art. 235 ZPO nicht, welches das Verfahren als Ganzes dokumentiert und über die wesentlichen Verfahrensschritte Auskunft gibt. Somit sind in jedem Fall Ort und Zeit der Verhandlung sowie die Personalangaben zur Besetzung der Schlichtungsbehörde, zu den erschienenen Parteien sowie den Rechtsvertre­ tern oder Begleitern zu protokollieren. Weiter ist das Ergebnis einer erfolgrei­ chen Einigung zu protokollieren. Wirken Mitglieder der Schlichtungsbehörde in einem späteren gerichtli- 51 chen Entscheidverfahren mit, ist die Verwendung von Kenntnissen untersagt, die aus Aussagen der Parteien im Schlichtungsverfahren gewonnen wurden. Insbesondere dürfen die Mitglieder der Schlichtungsbehörde über den Inhalt des Schlichtungsverfahrens nicht als Zeugen befragt werden. Hinzu kommt, dass die Mitglieder der Schlichtungsbehörde dem Amtsgeheimnis unterste­ hen. Die blosse Mitwirkung beim Schlichtungsverfahren ist «für sich allein» aber noch kein Ausstandsgrund (Art. 47 Abs. 2 Buchst. b ZPO). Das betrof­ fene Mitglied der Schlichtungsbehörde sollte aber insbesondere dann ein Aus­ standsgesuch stellen, wenn im Schlichtungsverfahren wesentliche Zugeständ­ nisse gemacht wurden (Egli, DIKE-Komm., N 3 zu Art. 205 ZPO). Das Verwertungsverbot richtet sich nicht nur an die Mitglieder der Schlich­ 52 tungsbehörde, sondern auch an die Parteien. Sie dürfen im Schlichtungsver­ fahren gemachte Äusserungen der anderen Partei im weiteren Verfahren nicht verwenden (Infanger, BSK, N 5 zu Art. 205 ZPO; Egli, DIKE-Komm., N 5 zu Art. 205 ZPO). Die Vertraulichkeit kann im Geltungsbereich des Urteilsvorschlags (Art. 210 f. 53 ZPO) oder Entscheids (Art. 212 ZPO) nicht absolut gewährleistet werden. Der Urteilsvorschlag kann und der Entscheid muss auf Verlangen von der Schlich­ tungsbehörde kurz begründet werden (unten N 92 und N 110). Art. 205 Abs. 2 ZPO gestattet der Schlichtungsbehörde dafür die Verwendung der Aussagen. Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Nach dem Wortlaut der genannten Bestimmung bezieht sich die Ausnahme vom Vertraulichkeitsgrundsatz aber ausschliesslich auf die «Verwendung der Aussagen» und nicht auf die Protokollierung. Die Schlichtungsbehörde hat sich daher, sofern dies für die Kurzbegründung des Urteilsvorschlags bzw. des Ent­ scheids notwendig ist, Notizen über die Aussagen der Parteien zu machen, die weder ins Protokoll noch in sonstige Akten des Schlichtungsverfahrens Eingang finden dürfen (Gloor/Umbricht Lukas, KUKO ZPO, N 5 zu Art. 205 ZPO; Honegger, ZK, N 3 ff. zu Art. 205 ZPO; Infanger, BSK, N 8 f. zu Art. 205 ZPO; a.M. MfdP/Brüllhardt/Püntener, N 5.26 Fn. 269). 54

Das Einlegen von Plädoyernotizen durch die anwaltlich vertretenen Parteien kann nach wie vor sinnvoll sein. Auch sie dürfen aufgrund des Protokollie­ rungsverbots keinen Eingang in das Protokoll finden und sind nach Abschluss des Verfahrens zu vernichten bzw. den Parteien zu retournieren (Infanger, BSK, N 8 zu Art. 205 ZPO).

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Vorgelegte Unterlagen dürfen im Schlichtungsverfahren nicht zu den Akten genommen werden und müssen nach Beendigung der Verhandlung den Par­ teien zurückgegeben werden. Aufgrund der Verfahrensvertraulichkeit darf die Schlichtungsbehörde von anlässlich der Schlichtungsverhandlung vorgelegten Urkunden auch keine Kopien anfertigen oder gar der Gegenpartei aushändi­ gen. Beides ist nur zulässig, wenn die Partei, welche die Urkunden ins Recht legt, damit einverstanden ist (Infanger, BSK, N  6 zu Art.  205 ZPO). Korres­ pondenz über Vergleichsbemühungen vor und nach der Schlichtungsverhand­ lung stellen demgegenüber grundsätzlich zum Beweis taugliche Urkunden dar. Anwältinnen und Anwälte haben aber diesbezüglich das Anwalts- bzw. Stan­ desrecht im Auge zu behalten (Art. 12 Buchst. a BGFA und Art. 6 und Art. 26 Standesregeln SAV; Fellmann Walter, in: Fellmann/Zindel [Hrsg.], Kommen­ tar zum Anwaltsgesetz, Zürich/Basel/Genf 2011, N  24  f. zu Art.  12 BGFA). Im anschliessenden Verfahren stehen dem Gericht weder die Akten noch ein vollständiges Protokoll noch ein Vergleichs- oder Urteilsvorschlag zur Verfü­ gung (Infanger, BSK, N 8 f. zu Art. 205 ZPO; Honegger, ZK, N 4 zu Art. 205 ZPO; a.M. MfdP/Brüllhardt/Püntener, N 5.26, Fn. 271 sowie 5.27.4.5, welche die Zulässigkeit der Verwendung des Urteilsvorschlags im anschliessenden Gerichtsverfahren bejahen).

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Die strikte Trennung der Verhandlung der Schlichtungsbehörde in einen informellen und – sofern ein Entscheid oder Urteilsvorschlag infrage kommt – einen formellen Teil, kann wesentlich zur Entschärfung des sich aus der Dop­ pelrolle der Schlichtungsbehörde als Sühn- und Entscheidinstanz ergebenden Konflikts beitragen. Die Parteien sind über den Wechsel vom informellen zum 1154

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

formellen Teil der Verhandlung zu informieren (Egli, DIKE-Komm., N 5 ff. zu Art. 205 ZPO). Im Geltungsbereich des Entscheids (Art. 212 ZPO) ist eine Pro­ tokollierung (erst) ab Eröffnung des formellen Teils zulässig bzw. notwendig (OGer Thurgau ZR.2012.64 vom 28.  November 2012, in: mp 2014, S.  79  ff.; Honegger, ZK, N 5 zu Art. 205 ZPO).

1.3.8 Beweisrecht Die Beweismittel im Schlichtungsverfahren sind im Hinblick auf den pri­ 57 mären Zweck, die Parteien zu versöhnen, beschränkt auf Urkunden und den Augenschein. Diese Beweismittel «lässt sich» die Schlichtungsbehörde «vorle­ gen» (Art. 203 Abs. 2 ZPO). Ein Augenschein ist nur mit grosser Zurückhal­ tung durchzuführen. Ein eigentliches Beweisverfahren findet vor der Schlich­ tungsbehörde nicht statt (Botsch. ZPO, S. 7331; Infanger, BSK, N 4 zu Art. 203 ZPO). Kommt ein Urteilsvorschlag nach Art.  210 ZPO oder ein Entscheid gemäss 58 Art.  212 ZPO infrage, können auch die übrigen Beweismittel abgenommen werden, wenn dies das Verfahren nicht weiter verzögert (Art. 203 Abs. 2 ZPO). Nach der Botsch. ZPO, S. 7331, ist «bei der Beweisführung grösste Zurückhal­ tung geboten, soll das Verfahren formlos und einfach bleiben». Es stellt sich die Frage, ob die für das gerichtliche (vereinfachte) Verfahren 59 vorgesehene abgeschwächte Untersuchungsmaxime gemäss Art. 247 Abs. 2 ZPO auch für das Schlichtungsverfahren gilt (wie bisher aArt. 274d Abs. 3 OR: «Schlichtungsbehörde und Richter»; zum Umfang der sog. sozialen Untersu­ chungsmaxime vgl. BGE 125 III 231, E.  4a sowie unten N  131 ff.). Kommt ein Urteilsvorschlag (Art.  210 ZPO) oder Entscheid (Art.  212 ZPO) infrage, muss dies der Fall sein. Es geht auch im (paritätischen) Schlichtungsverfah­ ren unverändert darum, die wirtschaftlich schwächere Partei zu schützen, die Gleichheit zwischen den Parteien herzustellen, was insbesondere gilt, wenn eine davon nicht anwaltlich vertreten ist sowie das Verfahren zu beschleuni­ gen (Botsch. ZPO, S. 7348). Die Untersuchungsmaxime entbindet die Parteien nicht, beim Schlichtungsver­ 60 fahren mitzuwirken und aktiv Beweismittel zu beschaffen bzw. zu benennen (BGE 125 III 231, E. 4a). Die Schlichtungsbehörde darf den Parteien auch unter der Untersuchungsmaxime nicht mehr oder anderes zusprechen, als diese ver­ langen (Dispositionsmaxime). Vorbehalten bleibt die (auch im Gerichtsver­ fahren) von Amtes wegen zu erfolgende Prüfung einer Erstreckung bei Abwei­ sung einer Kündigungsanfechtung (Art. 273 Abs. 5 OR; unten N 314).

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Gemäss Art.  8 ZPO hat grundsätzlich derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. Ohne jede Bedeutung für die Beweislastverteilung im anschliessenden Prozessverfahren ist entgegen einer Bemerkung in der Botschaft des Bundesrates zur Revision des Miet- und Pachtrechts, wer die Klägerrolle zu übernehmen hat (Botsch. 1985, S. 1468 zu 421.3).

62

Beispiel: Der Mieter, dem nach erfolglosen Mahnungen wegen Zahlungsrückstands die Wohnung unter Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen ordentlich gekün­ digt wurde, gelangt mit dem Antrag an die Schlichtungsbehörde, es sei das Mietver­ hältnis um zwei Jahre zu erstrecken. Der Vermieter beantragt Abweisung des Erstre­ ckungsbegehrens unter Berufung auf den Ausschlussgrund des Zahlungsverzugs im Sinne von Art.  272a Abs.  l Buchst.  a OR. Die Schlichtungsbehörde hält den geltend gemachten Zahlungsverzug für nicht erwiesen, weil die Fristansetzung nicht dokumen­ tiert und zudem vom Mieter bestritten wird. Sie erstreckt das Mietverhältnis dem Mie­ ter im Urteilsvorschlag antragsgemäss um zwei Jahre, und zwar im Sinne einer defini­ tiven Erstreckung.

Der Vermieter gelangt nach Ablehnung des Urteilsvorschlags innert der 30-tägigen Klagefrist an die zuständige richterliche Behörde. Selbstverständ­ lich ist er nun dafür beweispflichtig, dass er dem Mieter die 30-tägige Zah­ lungsfrist mit Kündigungsandrohung nach Art. 257d OR angesetzt hat. Erweist sich eine Erstreckung als grundsätzlich möglich – weil eine ordentliche Kündi­ gung vorliegt, ohne dass sich ein auch in diesem Fall grundsätzlich möglicher Erstreckungsausschluss durch den Vermieter beweisen lässt –, bleibt der Mieter für sämtliche von ihm geltend gemachten Härtegründe beweispflichtig, auch wenn er sich nun nicht mehr in der Klägerrolle befindet. In diesem Sinne hat er die von ihm unternommenen, erfolglos gebliebenen Suchbemühungen und andere Umstände nachzuweisen, aus denen er seinen Erstreckungsan­ spruch ableitet. Der Urteilsvorschlag der Schlichtungsbehörde führt hinsicht­ lich dieser Tatsachenelemente nicht zu einer Umkehr der Beweislast, weil er – als blosser Urteilsvorschlag – keine Vermutung für die Richtigkeit des vom Mieter eingenommenen Standpunkts schaffen kann.

1.3.9 Säumnis 63

Die Schlichtungsbehörde muss die Parteien gemäss Art. 147 Abs. 3 ZPO auf die Säumnisfolgen hinweisen. Die ZPO sieht keine Respektstunde mehr vor (vgl. Art. 147 ZPO). Damit tritt Säumnis grundsätzlich unverzüglich ein, wenn die Partei nicht pünktlich zu der in der Vorladung genannten Zeit erscheint (zur Präsenzpflicht im Schlichtungsverfahren unten N 270 ff.). Die Schlichtungsbe­

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hörden tolerieren regelmässig eine Verspätung von rund 15 Minuten, was auf­ grund des Verhältnismässigkeitsprinzips angezeigt ist. Nichterscheinen zum Schlichtungstermin mit Säumnisfolge liegt auch vor, 64 wenn bei einer Personenmehrheit (notwendige Streitgenossen) nicht alle Streitgenossen anwesend sind (z.B. alle Mitmieter) oder der Rechtsanwalt ohne seine Partei erscheint (siehe MfdP/Brüllhardt/Püntener, N 5.21.2). Im Schlichtungsverfahren ist die Wiederherstellung einer versäumten Frist 65 oder eines verpassten Termins nach Art.  148 ZPO zulässig (Urteil des Bun­ desgerichts 4C_1/2013 vom 25. Juni 2013, E. 4.3, in: mp 2013, S. 314, bestä­ tigt in BGE 139 III 478, in: Pra 2014, Nr. 46, vgl. Maag Andreas, in: MRA 3/14, S.  132  ff.). Die säumige Partei muss für das Gesuch insbesondere die Frist von 10 Tagen gemäss Art. 148 ZPO einhalten und glaubhaft machen, dass sie kein oder nur ein leichtes Verschulden trifft. Im Schlichtungsverfahren gelten nicht weniger hohe Anforderungen (zu weitgehend MfdP/Brüllhardt/Pünte­ ner, N  5.21.1, Fn. 200). Ein Unfall oder eine plötzliche Erkrankung der Par­ tei bzw. ihres Vertreters kann eine Wiederherstellung rechtfertigen. Die bishe­ rige Praxis setzte voraus, dass die Partei effektiv davon abgehalten wurde, selber innert Frist zu handeln oder eine Drittperson zu betrauen (Gozzi, BSK, N 20 ff. zu Art. 148 ZPO). Erleidet eine Partei beispielsweise eine Panne oder gerät sie in einen Stau, empfiehlt sich, dies der Schlichtungsbehörde sofort telefonisch mitzuteilen und um eine Verlängerung der Karenzzeit bzw. Verschiebung der Verhandlung gestützt auf Art. 135 ZPO zu ersuchen. Die Telefonnummer der Schlichtungsbehörde findet sich auf der Vorladung, die zur Verhandlung mit­ zubringen ist. Schlichtes Vergessen und versehentlich falsches Terminieren gel­ ten als grobe Nachlässigkeit (Merz, DIKE-Komm., N 24 zu Art. 248 ZPO). Gemäss Art. 149 ZPO entscheidet die betroffene Instanz über ein Gesuch um 66 Wiederherstellung «endgültig». Das Bundesgericht entschied, dass entgegen diesem Wortlaut die Schlichtungsbehörde oder das erstinstanzliche Gericht ein Rechtsmittel gewähren muss, wenn die Abweisung eines Wiederherstel­ lungsgesuchs zu einem Rechtsverlust führt und damit einem gerichtlichen Endentscheid gleichkommt, was zum Beispiel bei der Anfechtung einer Kün­ digung oder Mietzinserhöhung der Fall ist. Die Verweigerung der Wiederher­ stellung bildet dann den Endentscheid (BGE 139 III 478, in: Pra 2014, Nr. 46; vgl. Maag Andreas, in: MRA 3/14, S. 132 ff., zustimmend Koller Thomas, in: ZBJV 150/2013, S. 960 ff.). Offen ist die Frage, wie sich die rechtzeitig erschienenen Parteien bei Verspä- 67 tungen der Schlichtungsbehörde zu verhalten haben.

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen 68

Bei Säumnis der klagenden Partei gilt das Schlichtungsgesuch als zurück­ gezogen. Das Verfahren ist als gegenstandslos abzuschreiben (Art. 206 Abs. 1 ZPO). Damit entfällt zwar die Rechtshängigkeit, eine materielle Rechtskraft hat dies aber nicht zur Folge. Bei Verwirkungsfristen kann die klagende Partei indessen zufolge Säumnis einen materiellen Rechtsverlust durch Verwirkung der Klagefrist erleiden, so zum Beispiel der Mieter bei der Anfechtung einer Kündigung oder einer Mietzinserhöhung. Art.  206 Abs.  1 ZPO findet daher vor allem auf den Mieter Anwendung, der die gesetzlichen Vorschriften des Erscheinens nicht einhält (Urteil des Bundesgerichts 4C_1/2013 vom 25. Juni 2013, E. 4.3, in: mp 2013, S. 314).

69

Bei Säumnis der beklagten Partei verfährt die Schlichtungsbehörde, wie wenn keine Einigung zustande gekommen wäre (Art. 206 Abs. 2 ZPO, mit Hinweis auf Art. 209–212 ZPO).

70

Bei Säumnis beider Parteien wird das Verfahren als gegenstandslos abge­ schrieben (Art. 206 Abs. 3 ZPO).

1.3.10

Prüfung der Prozessvoraussetzungen

71

Das Gericht prüft von Amtes wegen, ob die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 60 ZPO). Der Gesetzestext von Art. 59 und 60 ZPO erwähnt nur das «Gericht». Es ist umstritten, ob von der Schlichtungsbehörde die Prozess­ voraussetzungen (insbesondere die örtliche und sachliche Zuständigkeit) geprüft werden müssen bzw. ob ihr die Kompetenz zukommen soll, auf das Begehren nicht einzutreten (einlässlich Honegger, ZK, N 19 zu Art. 202 ZPO; MfdP/Brüllhardt/Püntener, N 5.9; ferner Müller Boris, Prüfung der Prozessvo­ raussetzungen durch Schlichtungsbehörden, in: AJP 2013, S. 69 ff.). Das Bun­ desgericht hat bisher entschieden, dass die Klagebewilligung einer offensicht­ lich unzuständigen Schlichtungsbehörde absolut nichtig ist (BGE 139 III 273, E. 2.1).

72

Nach der Rechtsprechung des OGer Zürich soll die Schlichtungsbehörde ihre Zuständigkeit im Sinne von Art. 59 Abs. 2 Buchst. b ZPO prüfen und im Falle ihrer Unzuständigkeit der klagenden Partei Gelegenheit geben, ihr Begehren zurückzuziehen. Im Falle des Beharrens der klagenden Partei auf die Durch­ führung eines Sühnverfahrens hat die Schlichtungsbehörde diesem Begehren in aller Regel Folge zu leisten und den Entscheid über die Zuständigkeit dem Gericht zu überlassen. Demgegenüber wird bei offensichtlicher Unzuständigkeit die Kompetenz der Schlichtungsbehörde anerkannt, einen Nichteintretensentscheid zu fällen (Urteil des OGer Zürich LU130001 vom 30. April 2013,

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E. 3.2, anders Urteil des OGer Zürich RU110019, vom 12. Oktober 2011; für die Zulässigkeit eines Nichteintretensentscheids ebenso Cour d’appel civile du Tribunal du canton de Vaud vom 16. August 2011, Journal des Tribunaux 6/11, S. 185, in: mp-flash 2/2012; vgl. ferner Weingart Denise/Penon Ilija, ungeklärte Fragen im Schlichtungsverfahren, in: ZBJV 151/2015, S. 465 ff.; Zürcher, ZK, N  6b zu Art.  59 ZPO). Ist die Zuständigkeit streitig, hat die Schlichtungsbe­ hörde grundsätzlich auf die Behauptungen der klagenden Partei abzustellen (Urteil des OGer Zürich PD150011 vom 21. September 2015 betreffend sach­ liche Zuständigkeit). Von Amtes wegen zu prüfen ist auch die Einhaltung einer bundesrechtlichen 73 Klagefrist, wie beispielsweise die Frist zur Anfechtung eines Anfangsmiet­ zinses (Art.  270 OR), einer Mietzinserhöhung während des Mietverhältnis­ ses (Art.  270a Abs.  2 OR) oder einer Kündigung (Art.  273 Abs.  1 OR). Ent­ sprechend wird die Einhaltung einer solchen Frist von einem Teil der Lehre als Prozessvoraussetzung betrachtet (Zürcher, ZK, N 62 zu Art. 59 ZPO; Mül­ ler, DIKE-Komm., N  84 zu Art.  59 ZPO; a.M. Staehelin et. al., Zivilprozess­ recht, § 11, Rz. 4). Fest steht jedoch, dass bei versäumter Frist die Klage abzu­ weisen ist, da der Anspruch infolge Verwirkung untergegangen ist (BGE 135 III 489, E. 3.5; Staehelin et. al., Zivilprozessrecht, § 11, Rz. 4; Zürcher, ZK, N 62 zu Art. 59 ZPO, mit Hinweisen). Ist die Schlichtungsbehörde der Meinung, die Klagefrist sei nicht eingehalten, steht es ihr daher nicht zu, auf die Klage nicht einzutreten, wie es beim offensichtlichen Fehlen einer Prozessvoraussetzung an sich möglich wäre (a.M. Müller, DIKE-Komm., N 34 zu Art. 59 ZPO). Sie hat vielmehr eine Klagebewilligung auszustellen (unten N 99 ff.) oder kann im Anwendungsbereich von Art. 210 Abs. 1 Buchst. b ZPO (Kernbereich des sozi­ alen Mietrechts, unten N 87) den Parteien einen Urteilsvorschlag unterbreiten, in dem sie die Klage infolge versäumter Klagefrist abweist.

1.4

Erledigung des Schlichtungsverfahrens

1.4.1 Übersicht In Art. 208 ff. ZPO sind folgende Möglichkeiten einer Verfahrenserledigung durch die Schlichtungsbehörde vorgesehen: –– Einigung: Vergleich, Klageanerkennung oder Klagerückzug (Art. 208 ZPO) –– Urteilsvorschlag (Art. 210–211 ZPO) –– Klagebewilligung (Art. 209 ZPO)

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–– Entscheid (Art. 212 ZPO) –– Gegenstandslosigkeit (Art. 242, 206 ZPO)

1.4.2 Einigung 75

Kommt es zu einer Einigung, nimmt die Schlichtungsbehörde einen Vergleich, eine Klageanerkennung oder einen (vorbehaltlosen) Klagerückzug zu Protokoll und lässt die Parteien dieses unterzeichnen. Jede Partei erhält gemäss Art. 208 Abs.  1 ZPO ein Exemplar des unterzeichneten Protokolls. Auch ein Teilver­ gleich ist zulässig (Urteil des Bundesgerichts 4A_288/2014 vom 6. August 2014, in: SZZP 2014, S. 508); für den Rest ist die Klagebewilligung auszustellen. Ein Vergleich bedarf der Unterschrift beider Parteien. Eine Klageanerkennung oder ein Klagerückzug bedarf mindestens der Unterschrift des Klägers bzw. des Beklagten. Eine Unterzeichnung durch die mitwirkende Schlichtungsbe­ hörde ist nicht erforderlich. Die Einhaltung der Form gemäss Art. 208 Abs. 1 ZPO ist Voraussetzung dafür, dass die Rechtskraftwirkung nach Art. 208 Abs. 2 ZPO eintritt (zur Rechtskraftwirkung unten N 77; zum ausserhalb des Schlich­ tungsverfahrens geschlossenen Vergleich unten N 81).

76

Die Schlichtungsbehörde hat eine Einigung der Parteien anzustreben, die sich auf das gesamte Mietverhältnis (Höhe des Mietzinses, Dauer des Vertrags, Kündigungsfrist usw.) erstreckt (Art. 21 Abs. 1 VMWG). In den Vergleich kön­ nen auch ausserhalb des Verfahrens liegende Streitfragen zwischen den Par­ teien miteinbezogen werden (Art. 201 Abs. 1 ZPO). Mit einem Vergleich oder einer Klageanerkennung können die Parteien zum Beispiel die Beseitigung eines Rechtsvorschlags in einer laufenden Betreibung erreichen (Egli, DIKEKomm., N 8 zu Art. 208 ZPO) oder bei der Kündigung einer Genossenschafts­ wohnung den Ausschluss eines Genossenschafters aus der Genossenschaft.

77

Ein Vergleich, eine Klageanerkennung oder ein vorbehaltloser Klagerückzug haben die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheids (Art. 208 Abs. 2 ZPO; vgl. BGE 139 III 133). Der Vergleich ist so abzufassen, dass er vollstreckt wer­ den kann. Ein Abschreibungsbeschluss der Schlichtungsbehörde ist, anders als im gerichtlichen Verfahren (Art. 241 Abs. 3 ZPO), nicht zwingend erforderlich, jedoch angezeigt (Püntener, Zivilprozessrecht, Rz.  755, S.  219). Die Schlich­ tungsbehörde sollte den Vergleich im Abschreibungsbeschluss vollständig wiedergeben oder zumindest offiziell anheften. Vergleich und Klageanerken­ nung stellen einen definitiven Rechtsöffnungstitel dar (Urteil des Bundesge­ richts 5A_220/2017 vom 19. Oktober 2017, E. 3.6; Botsch. ZPO, S. 7332 und

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7345). Sie gelten sodann für eine Bank als Rechtstitel nach Art. 257e OR, mit welchem die Herausgabe der Mietkaution verlangt werden kann. Schliessen die Parteien im Schlichtungsverfahren einen Vergleich, stellt sich 78 die Frage, ob darin auch Vollstreckungsmassnahmen aufgenommen werden können, wie Zwangsmassnahmen oder Strafandrohungen nach Art. 343 ZPO (bejahend MfdP/Brüllhardt/Püntener, N 5.27.1, Fn. 274; vgl. zur Vollstreckung unten N 197 ff. und 415 ff.). In der Mietrechtspraxis betrifft dies vor allem den Ausweisungstitel zugunsten des Vermieters, wenn folgende Klausel im Ver­ gleich aufgenommen wird: «Diese Vereinbarung gilt per [Datum] als Ausweisungstitel. Der Mieter ist ein­ 79 verstanden, dass die Schlichtungsbehörde das zuständige [Stadtammannamt] anweist, die Verpflichtung des Mieters gemäss Ziffer x [betreffend Erstreckung/ Rückgabeverpflichtung] dieses Vergleichs auf erstes Verlangen des Vermieters zu vollstrecken. Die Kosten für die Vollstreckung sind vom Vermieter vorzu­ schiessen. Sie sind ihm aber vom Mieter zu ersetzen.» Zu Recht nehmen zahlreiche Schlichtungsbehörden, z.B. die Schlichtungs­ 80 behörde Zürich, die Rückgabeverpflichtung des Mieters unter Androhung der Zwangsvollstreckung im Unterlassungsfall und unter Anweisung an das zuständige Stadtammannamt in den Beschluss auf. Dadurch kann der Vermie­ ter direkt vollstrecken (siehe unten N 197). Auch ausserhalb des Schlichtungsverfahrens kann ein Vergleich geschlos­ 81 sen werden. Die Genehmigung des Vergleichs durch die Schlichtungsbe­ hörde ist jedoch erforderlich, damit die Wirkungen als Urteilssurrogat eintre­ ten (Art. 208 Abs. 2 ZPO). Zur Erlangung eines Vollstreckungstitels muss die Schlichtungsbehörde mindestens vom Inhalt des Vergleichs Kenntnis nehmen und diesen genehmigen (Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 752, S. 218). In der Regel halten die Schlichtungsbehörden im Abschreibungsbeschluss fest, dass die Parteien einen aussergerichtlichen Vergleich geschlossen haben (unter Hin­ weis auf das entsprechende Aktorum), dieser Vergleich zulässig und klar sei und das Verfahren deshalb als durch Vergleich erledigt abgeschrieben werde. Sinnvollerweise wird der Vergleich auch in diesem Falle im Abschreibungsbe­ schluss wiedergegeben oder offiziell beigefügt. Das setzt allerdings voraus, dass nicht bereits eine Klagebewilligung ausgestellt wurde. Mit der Ausstellung der Klagebewilligung (direkt oder nach abgelehntem Urteilsvorschlag) endet das Schlichtungsverfahren. Damit der Vergleich mit den Wirkungen als gerichtli­ cher Vergleich gemäss Art. 208 Abs. 2 ZPO zu Protokoll genommen werden

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kann, muss er der Schlichtungsbehörde also vor Ausstellung der Klagebewilli­ gung unterbreitet werden. 82

In den Vergleich kann ein Widerrufsvorbehalt aufgenommen werden. Wird der Vergleich fristgerecht widerrufen, erteilt die Schlichtungsbehörde meist die Klagebewilligung. Sie kann aber auch einen Urteilsvorschlag unterbreiten oder einen Entscheid fällen, ohne eine zweite Verhandlung anzusetzen, falls sie den Sachverhalt umfassend geprüft hat und die Parteien über diese Möglich­ keiten in Kenntnis setzte (Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 760, S. 220).

83

Der Klagerückzug hat nur dann die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheids, wenn er vorbehaltlos erfolgt. Bei erneuter Einbringung der Klage kann dies­ falls die Einrede der abgeurteilten Sache entgegengehalten werden (sog. res iudicata). Über die unterschiedlichen Rückzugsarten und deren Wirkungen sind die Parteien durch die Schlichtungsbehörde aufzuklären (Honegger, ZK, N 2 zu Art. 208 ZPO). Ein vom Kläger angebrachter Vorbehalt der Wiedereinbringung ist in den Abschreibungsbeschluss aufzunehmen (Infanger, BSK, N 13 zu Art. 208 ZPO).

84

Vom Klagerückzug ist der blosse Rückzug des Schlichtungsbegehrens zu unterscheiden. Der Rückzug des Schlichtungsgesuchs hat keine Abstandsfolge, da die Fortführungslast erst vor dem urteilenden Gericht eintritt (Botsch. ZPO, S. 7332). Die Klage kann jederzeit wieder eingereicht werden.

85

Je nach Verfahrenserledigung haben die Parteien im Auge zu behalten, dass dadurch allenfalls eine Sperrfrist im Sinne von Art. 271a Abs. 1 Buchst. e OR ausgelöst wird.

1.4.3 Urteilsvorschlag 86

Der Urteilsvorschlag nimmt eine Mittelstellung ein zwischen einem behörd­ lichen Vergleichsvorschlag und einem Entscheid. Vergleichsvorschlag ist er insoweit, als ihn jede Partei innert 20 Tagen frei ablehnen kann. Bei Stillschwei­ gen der Parteien hingegen wird er zum rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheid (Botsch. ZPO, S. 7333).

87

Die Schlichtungsbehörde kann den Parteien bei Streitigkeiten aus Miete von Wohn- und Geschäftsräumen einen Urteilsvorschlag unterbreiten (Art.  210 Abs.  1 Buchst.  b und c ZPO), sofern folgende Anwendungsbereiche betrof­ fen sind: –– unabhängig vom Streitwert: Hinterlegung von Mietzinsen (Art.  259g ff. OR und damit verbundene Begehren, siehe unten N 90); Anfechtung des

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Anfangsmietzinses (Art. 270 OR), Herabsetzung des Mietzinses während der Mietdauer (Art. 270a OR), Anfechtung von Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen (Art. 270b OR), Anfechtung von indexierten Mietzinsen (Art. 270c OR), Anfechtung von gestaffelten Miet­ zinsen (Art.  270d OR); Kündigungsschutz (Art.  273 Abs.  1 OR); Erstre­ ckung des Mietverhältnisses (Art.  273 Abs.  2 OR). Es handelt sich insge­ samt um den Kernbereich des sozialen Mietrechts. –– abhängig vom Streitwert: generell bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 5000 CHF. Der vorerwähnte Begriff des Kündigungsschutzes ist gleich auszulegen wie 88 bei der Anwendung des vereinfachten Verfahrens (zum prozessualen Begriff des Kündigungsschutzes siehe N 120 ff.). Entsprechend diesem weit gefassten Begriff des Kündigungsschutzes ist die Schlichtungsbehörde befugt, bei Fra­ gen der Ungültigkeit, Unwirksamkeit und Nichtigkeit einer Kündigung einen Urteilsvorschlag zu unterbreiten. Sobald die gültige Beendigung des Mietver­ hältnisses strittig ist, liegt ein Fall von Kündigungsschutz im verfahrensrecht­ lichen Sinn vor. Ist beispielsweise strittig, ob der Mietvertrag befristet oder unbefristet abgeschlossen wurde, kann die Schlichtungsbehörde einen Urteils­ vorschlag vorlegen. Als zulässig wird zu Recht auch ein Urteilsvorschlag über die Nichtigkeit einer Mietzinserhöhung erachtet (Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 782, S. 226).

89

Der Begriff der Mietzinshinterlegung in Art.  210 Abs.  1 Buchst.  b ZPO 90 (Urteilsvorschlag) entspricht Art.  243 Abs.  2 Buchst.  c ZPO (vereinfachtes Verfahren, unten N 117 ff.). Zu den damit durchzusetzenden Ansprüchen kön­ nen je nach den Umständen, nebst dem Anspruch auf Beseitigung des Mangels, auch Mietzinsherabsetzungs- oder Schadenersatzansprüche gehören. Dement­ sprechend ist der Begriff «Mietzinshinterlegung» in dieser Bestimmung so zu verstehen, dass davon sämtliche Mängelrechte gemäss Art. 259a OR umfasst werden, die der Mieter im Hinterlegungsverfahren durchsetzen will (Urteil des OGer Zürich NG150017 vom 13. November 2015, E. 4.4.3, in: ZR 115 [2016] Nr. 6, S. 33 ff.). Der mit einem Herabsetzungsbegehren im Zusammenhang mit dem Mangel zusätzlich geltend gemachte Schadenersatzanspruch kann somit ebenfalls im Rahmen eines Urteilsvorschlags beurteilt werden, selbst wenn der Schadenersatzanspruch 5000 CHF gemäss Art. 210 Abs. 1 Buchst. c ZPO über­ steigt (a.M. Schrank, Schlichtungsverfahren, N 543). Die Schlichtungsbehörde kann einen Urteilsvorschlag unterbreiten. In der Vor­ 91 ladung ist darauf hinzuweisen. Der Urteilsvorschlag steht im freien Ermessen Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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der Schlichtungsbehörde. Geeignet ist das Mittel des Urteilsvorschlags vor allem für einfachere Sachverhalte, die sofort beweisbar sind und die auch in rechtlicher Hinsicht eine eindeutige Lösung anbieten, d.h., dass für die ableh­ nende Partei ein erhebliches Risiko besteht, auch im gerichtlichen Verfah­ ren zu unterliegen. Die Kann-Regelung ist zu begrüssen, da beispielsweise in einem Verfahren betreffend Kündigungsschutz/Erstreckung unnötige Verzö­ gerungen vermieden werden können, wenn in der Schlichtungsverhandlung feststeht, dass der Urteilsvorschlag ohnehin abgelehnt wird (a.M. Thanei Anita, in: mp 2009, S. 185; Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 778, S. 224). 92

Der Urteilsvorschlag kann gemäss Art. 210 Abs. 2 ZPO eine Begründung ent­ halten. Die Schlichtungsbehörde muss den Urteilsvorschlag aber nicht begrün­ den. Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit drängt sich eine (kurze) Begrün­ dung auf (gl.M. Thanei Anita, in: mp 2009, S. 187). Der Urteilsvorschlag enthält die Elemente eines Entscheids gemäss Art. 238 ZPO (Art. 210 Abs. 2 ZPO). Der Urteilsvorschlag kann unter Umständen vom vorgängig unterbreiteten Vergleichsvorschlag abweichen, was zum Beispiel bei Massenkündigungen oft der Fall ist.

93

Der Urteilsvorschlag gilt als angenommen und hat die Wirkungen eines rechts­ kräftigen Entscheids, wenn ihn keine Partei innert 20 Tagen seit der schriftli­ chen Eröffnung ablehnt (Art. 211 Abs. 1 ZPO). Dies gilt unabhängig von einer allfälligen mündlichen Eröffnung anlässlich der Schlichtungsverhandlung. Die Ablehnung muss nicht begründet werden und ist bedingungsfeindlich (Bisang Raymond, in: MRA 3/10, S.  107). Die Ablehnung kann bis zur Ausstellung der Klagebewilligung zurückgenommen werden (Püntener, Zivilprozessrecht, Rz.  794, S.  228). Die Parteien sind auf die Wirkungen nach den Absätzen 1 bis 3 von Art. 211 ZPO hinzuweisen (Art. 211 Abs. 4 ZPO). Die Folgen einer Verletzung der Hinweispflicht von Art. 211 Abs. 4 ZPO sind umstritten, kön­ nen aber analog zur fehlenden Rechtsmittelbelehrung beantwortet werden (vgl. Beschluss OGer Zürich RT150 081 vom 1. Juli 2015, mit Hinweisen).

94

Erlässt die Schlichtungsbehörde einen Urteilsvorschlag, und ist der Vermieter überzeugt, dass das davon betroffene Kündigungsschutzbegehren des Mieters mangels persönlichen Erscheinens zur Schlichtungsverhandlung als zurück­ gezogen gilt und das Verfahren daher gemäss Art. 206 Abs. 1 ZPO als gegen­ standslos abzuschreiben ist, muss der Vermieter den Urteilsvorschlag fristge­ recht ablehnen und mit der in der Folge ausgestellten Klagebewilligung beim Gericht die Feststellung der Säumnis bzw. des Klagerückzugs beantragen. Eine Beschwerde gegen den Urteilsvorschlag an das obere kantonale Gericht

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ist unzulässig (BGE 140 III 310, vgl. auch Leuenberger Christoph, in: ZBJV 152/2016, S. 537). Die Schlichtungsbehörde stellt nach Eingang der Ablehnung des Urteilsvor­ 95 schlags die Klagebewilligung zu. Bei Streitigkeiten aus Miete von Wohn- und Geschäftsräumen wird die Klagebewilligung der ablehnenden Partei (gege­ benenfalls beiden Parteien) zugestellt, sofern die folgenden Anwendungsberei­ che betroffen sind (Art. 211 Abs. 2 Buchst. a ZPO): –– Hinterlegung von Mietzinsen; –– Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen; –– Kündigungsschutz; –– Erstreckung des Mietverhältnisses. Es kommt allenfalls zu einem Wechsel der Parteirollen. In den übrigen Fällen, 96 zum Beispiel bei reinen Forderungsklagen aus einem Mietverhältnis, wird die Klagebewilligung der klagenden Partei zugestellt (Art. 211 Abs. 2 Buchst. b ZPO). Reicht die klagebelastete Partei die Klage nicht rechtzeitig ein, sind folgende Konstellationen zu unterscheiden:

97

–– In den Fällen von Art.  210 Abs.  1 Buchst.  b ZPO (Hinterlegung von Mietzinsen, Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen, Kündigungsschutz, Erstreckung des Mietverhältnisses) gilt der Urteilsvorschlag trotz erfolgter Ablehnung als anerkannt und hat die Wirkungen eines rechtskräftigen Ent­ scheides (Art. 211 Abs. 3 ZPO). –– Im Fall von Art. 210 Abs. 1 Buchst. c ZPO (vermögensrechtliche Streitig­ keiten bis zu einem Streitwert von 5000 CHF) endet die Rechtshängigkeit, und der Urteilsvorschlag fällt einfach dahin. Eine res iudicata Wirkung tritt nicht ein. Wird die Klagebewilligung beiden Parteien zugestellt, klagt aber nur eine Par­ 98 tei, weil die andere Partei den Urteilsvorschlag nicht ablehnt oder ihn ablehnt, ohne rechtzeitig zu klagen, gilt Folgendes: Der Urteilsvorschlag der Schlich­ tungsbehörde fällt dahin, wenn auch nur eine der Parteien das Gericht anruft. Auch die Partei, welche das Gericht nicht angerufen hat, kann in der Folge auf ihre ursprünglichen Anträge zurückkommen und Widerklage erheben (BGE 135 III 253, in: MRA 4/09, S. 135 ff.).

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1.4.4 Klagebewilligung 99

Das Ausstellen einer Klagebewilligung setzt voraus, dass keine Einigung erzielt werden konnte (Art. 209 Abs. 1 ZPO). Mit der Ausstellung der Klagebewilli­ gung endet das Schlichtungsverfahren. Haben sich die Parteien über einen Teil geeinigt, stellt die Schlichtungsbehörde die Klagebewilligung über den noch verbleibenden strittigen Teil aus (Egli, DIKE-Komm., N  8 zu Art.  209 ZPO).

100

Die Klagebewilligung wird im Regelfall der klagenden Partei ausgestellt (Art.  209 Abs.  1 Buchst.  b ZPO). Bei der Anfechtung von Mietzinserhöhun­ gen wird die Klagebewilligung dem Vermieter ausgestellt und ihm damit die Klägerrolle zugewiesen (Art. 209 Abs. 1 Buchst. a ZPO). Bei Senkungsbegeh­ ren wird die Klagebewilligung dem Mieter ausgestellt. Lehnt der Mieter einen Urteilsvorschlag der Schlichtungsbehörde ab, der sich auf eine angefochtene Mietzinserhöhung bezieht, wird ihm als ablehnende Partei die Klagebewilli­ gung ausgestellt (oben N 95 f.). Art. 211 Abs. 2 Buchst. a ZPO gilt als lex spe­ cialis zu Art. 209 Abs. 1 Buchst. a ZPO (Honegger, ZK, N 4 zu Art. 209 ZPO, mit Hinweis auf Botsch. ZPO, S. 7334).

101

Die von der Schlichtungsbehörde erteilte, gültige Klagebewilligung ist eine Prozessvoraussetzung, die das Gericht von Amtes wegen zu prüfen hat. Eine Klagebewilligung ist zum Beispiel ungültig respektive nichtig (frz.: nul), wenn sie von einer dafür offenkundig sachlich bzw. funktionell unzuständi­ gen Behörde erlassen wurde (BGE 139 III 273, E. 2.1; Urteil des OGer Zürich NP130 005 vom 10. Juli 2013, in: ZR 112 [2013] Nr. 40, S. 162; ferner Pünte­ ner, Zivilprozessrecht, Rz. 765 ff., S. 221 f.). Die Klagebewilligung kann weder mit Berufung noch mit Beschwerde angefochten werden (BGE 139 III 273, E. 2.3). Die Gültigkeit ist im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren zu bestreiten. Es obliegt dem zuständigen Gericht, bei dem die Klage innert der Frist einzu­ reichen ist, im Rahmen der Prüfung der Prozessvoraussetzungen (vgl. Art. 59 ZPO) über die Gültigkeit der Klagebewilligung zu befinden (BGE 140 III 227, in: Pra 2015, Nr. 35, S. 292).

102

Da im Zeitpunkt der Einreichung des Schlichtungsgesuches die Rechtshängigkeit eintritt, werden in diesem Moment die Parteien des Prozesses fixiert und das Prozessrechtsverhältnis zwischen ihnen begründet (Art. 62 Abs. 1 ZPO). Der Kläger kann seine Klage nicht auf neue Beklagte ausdehnen, gegenüber welchen er keine Klagebewilligung eingeholt hat (Urteil des Bundesgerichts 4A_226/2016 vom 20. Oktober 2016, E. 3). Der Kläger kann grundsätzlich die Parteibezeichnungen gemäss Klagebewilligung für die dem Gericht zu unter­

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breitende Klageschrift übernehmen und ist nicht gehalten, Nachforschungen betreffend allfällige Änderungen anzustellen. Nach Eintritt der Rechtshängig­ keit muss die Gegenpartei allfällige Änderungen von sich aus dem Gericht mit­ teilen, wie zum Beispiel eine Veräusserung der Liegenschaft (Urteil des Bun­ desgerichts 4A_385/2014 vom 29. September 2014, E. 4.1, in: SZZP 2015, S. 32). Versäumt die klagebelastete Partei, die ohne vorgängig abgelehnten Urteilsvor­ 103 schlag ergangene Klagebewilligung innert der 30-tägigen Frist beim Gericht einzureichen, hat dies deren Erlöschen zur Folge (zur Rechtslage bei vorgängig abgelehntem Urteilsvorschlag oben N 97). Dadurch entfällt auch die Rechts­ hängigkeit. Die Nichteinreichung der Klagebewilligung führt nicht zu einer abgeurteilten Sache (res iudicata), da kein vorbehaltloser Klagerückzug im Sinn von Art. 208 Abs. 2 ZPO vorliegt (Infanger, BSK, N 28 zu Art. 209 ZPO; Honegger, ZK, N 13 zu Art. 209 ZPO, mit Hinweis auf Botsch. ZPO, S. 7333; Thanei Anita, in: mp 2009, S.  193). Folglich kann ein erneutes Schlichtungs­ gesuch eingereicht werden, wenn die klagebelastete Partei auf die Streitsache zurückkommen will. Bei Verwirkungsfristen, wie z.B. bei einer Kündigungsoder Mietzinsanfechtung, fällt dies ausser Betracht. Auch wenn die Klagebe­ willigung erlischt, wird durch das vorangegangene Schlichtungsgesuch die Verjährung im Sinne von Art. 135 Abs. 2 OR unterbrochen (BGE 118 II 479, E. 2; Honegger, ZK, N 13 zu Art. 209 ZPO; vgl. aber zur Rechtslage bei unzu­ ständiger Schlichtungsbehörde unten N 265). Stellt die Schlichtungsbehörde die Klagebewilligung versehentlich der falschen 104 Partei zu, braucht es eine zweite Klagebewilligung an den richtigen Adressaten. Erst diese zweite Klagebewilligung löst die Klagefrist aus (Urteil Chambre de recours civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud vom 25. Oktober 2013, in: CdB 2014, S. 29).

1.4.5 Entscheid In vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 2000 CHF 105 (sog. Bagatellsachen) kann die Schlichtungsbehörde in einem mündlichen Ver­ fahren entscheiden, sofern die klagende Partei einen entsprechenden Antrag stellt (Art.  212 ZPO; vgl. Urteil des OGer Zürich RU110009 vom 8.  August 2011). Bis zu dieser Streitwertgrenze amtet die Schlichtungsbehörde als echte erste Entscheidinstanz (Infanger, BSK, N  1 zu Art.  212 ZPO). In der Regel wird sich die Schlichtungsbehörde auf die Entscheidung von Fällen beschrän­ ken, die an der ersten Verhandlung spruchreif sind oder mindestens ohne viel Aufwand zur Spruchreife gebracht werden können. Die Erfahrung hat in die­ ser Hinsicht eine starke Zurückhaltung der paritätischen Schlichtungsbehör­ Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

den gezeigt. So wurden beispielsweise im zweiten Halbjahr 2016 schweizweit nur 0,5% der Fälle mit einem Entscheid gemäss Art. 212 ZPO erledigt (www. bwo.admin.ch/bwo/de/home/mietrecht/schlichtungsbehoerden/statistik-derschlichtungsverfahren.html). 106

Ein Entscheid ist nur in vermögensrechtlichen Streitigkeiten zulässig. Es sind dies zum Beispiel Streitigkeiten betreffend Mietzins- und Schadenersatzforde­ rungen, die Nebenkosten, den kleinen Unterhalt, eine Herabsetzung des Miet­ zinses infolge von Mängeln etc.

107

Voraussetzung für einen Entscheid gemäss Art. 212 ZPO ist wie erwähnt ein Antrag der klagenden Partei. Die Möglichkeit eines Antrags der beklagten Partei sieht Art. 212 Abs. 1 ZPO nicht vor. Der Antrag ist an keine Form gebun­ den und kann jederzeit im Verlauf des Schlichtungsverfahrens gestellt werden. Die Gegenpartei ist umgehend darüber zu informieren, wenn ein Antrag auf Entscheidung gestellt wurde, damit sie sich dazu äussern und gebührend auf die Verhandlung vorbereiten kann (vgl. Urteil OGer Zürich RU140005 vom 6.  Mai 2014). Dies ist vor allem relevant, wenn der Antrag nicht bereits im Schlichtungsgesuch gestellt worden ist (Infanger, BSK, N 7 ff. zu Art. 212 ZPO). Die beklagte Partei kann dem Antrag auf Entscheidung beispielsweise entge­ genhalten, sie sei auf ein umfangreiches Beweisverfahren angewiesen, weshalb ein Entscheid ausser Betracht falle.

108

Umstritten ist, ob ein Entscheid der Schlichtungsbehörde zulässig ist, wenn die beklagte Partei säumig ist und die klagende Partei den Forderungsbetrag anlässlich der Schlichtungsverhandlung auf 2000 CHF oder weniger reduziert, sodass ein Entscheid nach Art. 212 ZPO infrage kommt. Die beklagte Partei ist diesfalls über den Antrag auf Entscheidung nicht informiert und ihr rechtliches Gehör nicht gewahrt. Bei einem Streitwert von über 2000 CHF muss die beklagte Partei nicht mit einem Entscheid der Schlichtungsbehörde nach Art.  212 ZPO rechnen (gl.M. Püntener, Zivilprozessrecht, Rz.  807, S.  232  f., mit Hinweisen in Fn. 1087). Vorbehalten bleibt ein entsprechender Hinweis in der Vorladung der Schlichtungsbehörde unter den Säumnisfolgen zulasten der beklagten Partei.

109

Zurückgezogen werden kann der Antrag auf Entscheid gemäss Art. 212 ZPO bis zur Entscheidung der Schlichtungsbehörde darüber, ob sie die Sache ent­ scheiden will. Danach bewirkt ein Rückzug Abstandsfolge, d.h., der Anspruch kann kein zweites Mal prozessual geltend gemacht werden (Art.  65 ZPO), wo­rauf die Schlichtungsbehörde hinzuweisen hat (Infanger, BSK, N  3 zu Art. 212 ZPO; gl.M. Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 810, S. 233, m.w.H.).

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Die als Kann-Vorschrift ausgestaltete Regelung zwingt die Schlichtungsbe­ 110 hörde nicht zum Entscheid. Beschliesst aber die Schlichtungsbehörde, in der Sache zu entscheiden, muss sie dies auch tun. Die Schlichtungsbehörde orien­ tiert die Parteien nach Möglichkeit zu Beginn der Verhandlung darüber, ob sie entscheiden wird. Will die Schlichtungsbehörde dem Antrag auf Ausfäl­ lung eines Entscheids nach Art.  212 ZPO nachkommen, so hat sie ein for­ melles Entscheidverfahren durchzuführen (vgl. Urteil OGer Zürich RU140061 vom 18. Februar 2015, E. 5.2; ferner Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 809 ff.). Der Entscheid kann im Dispositiv eröffnet werden, doch ist eine Begründung nachzuliefern, wenn eine Partei binnen 10 Tagen nach der Eröffnung eine sol­ che verlangt (Art. 239 ZPO). Ergibt sich im Verlauf des Entscheidverfahrens, dass die tatsächlichen Verhält­ 111 nisse streitig, nicht sofort beweisbar oder kompliziert sind, diese nicht in einem Verhandlungstermin geklärt werden können, sich das Beweisverfahren als auf­ wendig oder umfangreich erweist, die Beweise nicht sofort abgenommen wer­ den können oder die rechtlichen Fragen komplex sind, so erscheint es zweck­ mässig, wenn die Schlichtungsbehörde auf ihre Spruchkompetenz verzichten kann. Schliesslich soll auch im Interesse der Prozessbeschleunigung von auf­ wendigen Verfahren vor der Schlichtungsbehörde und von Verhandlungen über mehrere Termine abgesehen werden. Daher darf die Schlichtungsbehörde auch bei bereits eröffnetem oder durchgeführtem Entscheidverfahren den Par­ teien einen Urteilsvorschlag unterbreiten oder die Klagebewilligung ausstellen (Urteil OGer Zürich RU150073 vom 13. Januar 2016, E. 3.2).

1.4.6 Gegenstandslosigkeit Gemäss Art.  206 ZPO ist das Verfahren bei Säumnis der klagenden Partei 112 (Abs. 1) oder beider Parteien (Abs. 3) als gegenstandslos abzuschreiben. Doch nicht nur diese, ausdrücklich geregelten Gründe können das Schlichtungs­ verfahren gegenstandslos werden lassen. Zu denken ist beispielsweise an den Rückzug einer angefochtenen Mietzinserhöhung durch den Vermieter oder die Situation eines Mieters, der während eines Erstreckungsverfahrens eine Ersatz­ wohnung findet und daher kein Interesse mehr an einer Erstreckung hat. Als Grundlage für eine Abschreibung des Verfahrens wegen Gegenstands­ 113 losigkeit dient Art.  242 ZPO aus dem ordentlichen Verfahren. Der Arti­ kel steht unter der Marginalie «Gegenstandslosigkeit aus anderen Gründen» und bestimmt, dass das Verfahren abgeschrieben wird, wenn es «aus anderen Gründen ohne Entscheid» endet. Dies ist insbesondere der Fall bei Wegfall des

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Streitgegenstandes oder des Rechtsschutzinteresses (vgl. dazu Gschwend/Steck, BSK, N 7 ff. zu Art. 242 ZPO).

2.

Gerichtliches Verfahren

2.1 Vorbemerkungen 114

Diejenige Partei, welcher die Schlichtungsbehörde die Klagebewilligung ausge­ stellt hat, kann damit binnen der Frist von 30 Tagen gemäss Art. 209 ZPO beim zuständigen Gericht die entsprechende Klage einreichen. Die Frist verlängert sich, wenn sie in die Gerichtsferien im Sinne von Art. 145 ZPO fällt (BGE 138 III 615, in: mp 2013, S. 71 f.). Je nachdem, ob die dafür bestehenden Vorausset­ zungen erfüllt sind, ist die Klage vom Gericht im ordentlichen oder vereinfach­ ten Verfahren zu beurteilen (Art. 219 ff. ZPO bzw. Art. 243 ff. ZPO). Auf diese beiden Verfahrensarten ist nachstehend einzugehen. Das Schwergewicht liegt beim vereinfachten Verfahren, weil dieses gemäss Art.  243 Abs.  2 Buchst.  c ZPO unabhängig vom Streitwert für den sog. Kernbereich des sozialen Miet­ rechts (N 84, 113) zur Anwendung gelangt, in welchem die meisten mietrecht­ lichen Auseinandersetzungen anfallen.

115

Im Weiteren wird das summarische Verfahren behandelt, bei welchem gemäss Art. 198 Buchst. a ZPO das Schlichtungsverfahren entfällt, sodass das Gericht – in aller Regel ein Einzelrichter  – direkt angerufen wird. Der Schwerpunkt liegt hier beim Rechtsschutz in klaren Fällen gemäss Art. 248 Buchst. b i.V.m. Art. 257 ZPO, welcher für die Ausweisung eines Mieters in Anspruch genom­ men werden kann, sofern die dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind.

2.2

Vereinfachtes Verfahren

2.2.1 Geltungsbereich 116

Das vereinfachte Verfahren ist konzipiert als laientaugliches Verfahren. Es ist daher charakterisiert durch vereinfachte Formen, weitgehende Mündlichkeit und richterliche Hilfestellung bei der Feststellung des Sachverhalts, was vor allem der sozial schwächeren Partei zugutekommen soll (Botsch. ZPO, S. 7245 Ziff. 3.2.2, S. 7345 f. Ziff. 5.16; BGE 140 III 450, E. 3.1).

117

Das vereinfachte Verfahren gilt gemäss Art. 243 Abs. 1 ZPO für vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 30 000 CHF. Ohne Rücksicht auf den Streitwert gilt es gemäss Art. 243 Abs. 2 Buchst. c OR für

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirtschaftlicher Pacht, sofern –– die Hinterlegung von Miet- und Pachtzinsen, –– der Schutz vor missbräuchlichen Miet- und Pachtzinsen, –– der Kündigungsschutz oder die Erstreckung des Miet- oder Pachtverhält­ nisses betroffen ist (insgesamt der Kernbereich des sozialen Mietrechts, vgl. N 87 ff.). Keine Anwendung findet das vereinfachte Verfahren gemäss Art. 243 Abs. 3 118 ZPO u.a. in Streitigkeiten vor dem Handelsgericht nach Art. 6 ZPO. Ebenso wenig findet bei diesen Streitigkeiten ein Schlichtungsverfahren statt (Art. 198 Buchst.  f ZPO). Die Klage ist direkt beim Handelsgericht einzureichen und wird im ordentlichen Verfahren beurteilt (vgl. unten N 136 ff.). Gegenwärtig kennen die Kantone Aargau, Bern, St. Gallen und Zürich ein Handelsgericht. Der Umstand, dass eine mietrechtliche Auseinandersetzung gleichzeitig eine handelsrechtliche Streitigkeit sein kann, hat Folgen für den Geltungsbereich des vereinfachten Verfahrens wie auch die gerichtliche Zuständigkeit. Das Bundesgericht hat in BGE 139 III 457, E. 3.2, der herrschenden Lehre und 119 der Botsch. ZPO (S. 7261) zu Art. 6 ff. ZPO folgend festgehalten, die sachli­ che Zuständigkeit der Handelsgerichte sei «bewusst sehr weit gefasst» worden. Es ging daher davon aus, dass der zwischen zwei im Handelsregister eingetra­ genen Gesellschaften erfolgte Abschluss von Mietverträgen über Geschäftslie­ genschaften und damit grundsätzlich auch Streitigkeiten aus solchen Verträgen unter den Begriff «Geschäftliche Tätigkeit» gemäss Art. 6 Abs. 2 Buchst. a ZPO fallen. In E. 4.4.3.3 desselben Entscheids erwog das Bundesgericht sodann, dass die Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit der Handelsgerichte und jener der ordentlichen Gerichte (bzw. in gewissen Kantonen der Mietgerichte) nicht der­ art sein könne, dass dadurch in die von der Zivilprozessordnung vorgesehenen Verfahrensarten eingegriffen werde. Für die Abgrenzung der Zuständigkeit ist daher davon auszugehen, dass die Regelung der Verfahrensart jener über die sachliche Zuständigkeit der Handelsgerichte vorgeht. Liegt ein Fall von Kündigungsschutz im Sinne von Art. 243 Abs. 2 Buchst. c ZPO vor, sind daher Schlichtungsbehörde und ordentliches Gericht (bzw. Mietgericht) zuständig, selbst wenn es sich gleichzeitig um eine handelsrechtliche Streitigkeit handelt. Erkläre die Schlichtungsbehörde im Rahmen eines Anfechtungs- oder Erstre­ ckungsbegehrens die Kündigung als ungültig, unwirksam oder nichtig, sei der Vermieter berechtigt, im Kündigungsschutzverfahren auf Feststellung der Gül­

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

tigkeit der Kündigung zu klagen (E. 5.2). Eine solche Situation lag dem zitier­ ten Entscheid zugrunde, bei welchem die Schlichtungsbehörde in einem vom Vermieter abgelehnten Urteilsvorschlag die Kündigung als ungültig erachtete, worauf der Vermieter gezwungen war, auf Gültigkeit der Kündigung zu kla­ gen, weil der Urteilsvorschlag sonst rechtskräftig geworden wäre. Es ist dies ein Fall von Kündigungsschutz im Sinne von Art. 243 Abs. 2 Buchst. c ZPO und Art. 210 Abs. 1 Buchst. b ZPO (betreffend den Urteilsvorschlag). 120

Weiter offengelassen hat das Bundesgericht in diesem Entscheid die Frage, ob auch ein Fall von «Kündigungsschutz» im Sinne dieser Bestimmungen vorliege, wenn nur die Feststellung der Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit der Kündigung verlangt werde. In BGE 142 III 402, E. 2.5 (deutsche Übersetzung in: mp 2016, S. 360), hält nun aber das Bundesgericht dafür, dass auch ein Begehren auf Fest­ stellung der Beendigung des Mietverhältnisses und Ausweisung des Mieters (für welches die Voraussetzungen des summarischen Verfahrens nicht erfüllt sind) im vereinfachten Verfahren zu beurteilen sei, selbst wenn keine Anfech­ tung der Kündigung wegen Missbräuchlichkeit und kein Begehren auf Erstre­ ckung, sondern lediglich die Gültigkeit der Kündigung zur Debatte steht, weil der Begriff des Kündigungsschutzes im Sinne von Art.  243 Abs.  2 Buchst.  c OR weit auszulegen sei. Sobald die gültige Beendigung des Mietverhältnis­ ses strittig ist, liegt ein Fall von Kündigungsschutz im verfahrensrechtlichen Sinne vor (Urteil des Bundesgerichts 4A_47/2016 vom 3. Oktober 2016; BGE 142 III 690, E. 3.1, in: MRA 2/17, S. 86 ff.). Soll indessen die Ausweisung in einem Mietverhältnis, das gleichzeitig als handelsrechtlich im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a ZPO gilt, im summarischen Verfahren erwirkt werden (vgl. unten N 184 ff.), ist in den Kantonen, die über ein Handelsgericht verfügen, dieses zuständig, gibt es doch das summarische Verfahren auch vor dem Han­ delsgericht (BGE 142 III 515, in: mp 2016, S. 356, bestätigt im Urteil des Bun­ desgerichts 4A_300/2016 vom 5. Oktober 2016, E. 2.3).

121

Von einem Fall des Kündigungsschutzes ging das Bundesgericht auch schon in BGE 142 III 278, E. 4.2 (in: MRA 3/16, S. 156 ff., mit Kommentar von And­ reas Maag) aus, in welchem der Mieter im Hauptbegehren beantragt hatte, es sei die Gültigkeit einer Optionsausübung festzustellen und eventuell für den Fall, dass eine gültige Verlängerung des Mietverhältnisses verneint wer­ den sollte, dessen Erstreckung verlangte. Das Bundesgericht hielt fest, es sei nicht zumutbar, dass der Mieter bei befristeten Mietverträgen gezwungen sei, einen ordentlichen Prozess über die Frage der vereinbarten Dauer zu führen und danach allenfalls in einem zweiten Prozess im vereinfachten Verfahren die Erstreckungsklage anzustrengen (vgl. zum Ganzen auch Hulliger Urban/Maag

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Andreas, Zur sachlichen Zuständigkeit der Handelsgerichte in mietrechtlichen Streitigkeiten − ein Zwischenbericht, in: MRA 3/14, S. 103 ff.). Das Bundesge­ richt bestätigte im Urteil 4A_340/2017 vom 24. Juli 2017 diese Rechtsprechung und qualifizierte die Frage, ob eine echte oder unechte Option zur Fortset­ zung des Mietverhältnisses vorliege, ebenfalls als Fall des Kündigungsschutzes. Verlangt der Mieter die Herabsetzung des Mietzinses oder Schadenersatz in 122 einem 30 000 CHF übersteigenden Ausmass im Rahmen eines Hinterlegungs­ verfahrens gemäss Art. 259g ff. OR, ist dieser Prozess ebenfalls im vereinfach­ ten Verfahren und damit nicht vor Handelsgericht zu führen, selbst wenn es sich bei der Auseinandersetzung als Folge behaupteter Mängel gleichzeitig um eine handelsrechtliche Streitigkeit handelt. Das Obergericht des Kantons Zürich erkannte in einem Entscheid vom 13. November 2015 (ZR 115/2016 Nr. 6, E. 4.4.3, S. 33 ff.), dass der Begriff «Mietzinshinterlegung» in Art. 243 Abs. 2 Buchst. c ZPO so zu verstehen sei, dass davon sämtliche Mängelrechte gemäss Art.  259a OR umfasst werden, die der Mieter im Hinterlegungsver­ fahren durchsetzen wolle. Fordert indessen der Mieter die Herabsetzung des Mietzinses oder Schadenersatz in einem 30 000 CHF übersteigenden Betrag, ohne den Mietzins zu hinterlegen, kommt nicht das vereinfachte, sondern das ordentliche Verfahren zur Anwendung. Handelt es sich nicht nur um eine mietrechtliche, sondern gleichzeitig um eine handelsrechtliche Streitig­ keit im Sinne von Art. 6 ZPO, bedeutet dies in einem Kanton, welcher über ein Handelsgericht verfügt, dass dieses anstelle des ordentlichen Gerichts bzw. des Mietgerichts für solche Prozesse sachlich zuständig ist. Ein solcher Kanton könnte dafür nicht ein anderes Gericht als das Handelsgericht für zuständig erklären (BGE 140 III 155, E. 4.3; vgl. auch N 207).

2.2.2

Vereinfachte Klage

Dem Konzept der Laienfreundlichkeit entsprechend kann die Klage gemäss 123 Art.  244 ZPO in den Formen nach Art.  130 ZPO, d.h. schriftlich oder elek­ tronisch eingereicht oder aber auch bei Gericht zu Protokoll gegeben werden. Gemäss Art. 244 Abs. 1 ZPO hat die Klage zu enthalten: a) die Bezeichnung der Parteien; b) das Rechtsbegehren; c) die Bezeichnung des Streitgegenstandes; d) wenn nötig die Angabe des Streitwerts; e) das Datum und die Unterschrift.

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen 124

Gemäss Art. 244 Abs. 3 ZPO sind als Beilagen einzureichen: a) eine Vollmacht bei Vertretung; b) die Klagebewilligung oder die Erklärung, dass auf das Schlichtungsverfah­ ren verzichtet werde; c) die verfügbaren Urkunden, welche als Beweismittel dienen sollen.

125

Eine Begründung der Klage ist gemäss Art. 244 Abs. 2 ZPO nicht erforderlich. Dem Kläger steht es indessen frei, mit der Klage gleichzeitig eine Begrün­ dung zu liefern. Die Art der Klageeinreichung hat alsdann Folgen auf den Ver­ fahrensablauf.

2.2.3 Verfahren 126

Art. 245 ZPO bestimmt: 1 Enthält

die Klage keine Begründung, so stellt das Gericht sie der beklagten Partei zu und lädt die Parteien zugleich zur Verhandlung vor. 2 Enthält

die Klage eine Begründung, so setzt das Gericht der beklagten Partei zunächst eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme.

127

Strittig kann sein, ob die Begründung den Anforderungen von Art. 245 Abs. 2 ZPO genügt. Nach einem Teil der Lehre sind die rechtserheblichen Tatsachen nicht nur in den Grundzügen, sondern so umfassend und klar darzulegen, dass darüber Beweis abgenommen werden kann (Mazan, BSK, N  11 zu Art.  245 ZPO unter Hinweis auf BGE 127 III 365, E. 2b). Gemäss Hauck, ZK, N 8 zu Art. 245 ZPO ist danach zu fragen, ob die Rechtsschrift als blosse Umschrei­ bung des Streitgegenstandes (die nach Art.  244 Abs.  1 Buchst.  c ZPO auch bei der Klage ohne Begründung erforderlich ist) aufgefasst werden kann oder ob eine sachliche Begründung gegeben ist, die über eine kurze Umreissung des Gegenstandes der Auseinandersetzung hinausgeht. Er plädiert dafür, dass im Zweifel auch eine Klage mit einer nur knappen Begründung als Klage mit Begründung im Sinne von Abs. 2 behandelt und der beklagten Partei eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme angesetzt wird. Abweichend davon wird die Meinung vertreten, eine äusserst kurze Klagebegründung ohne substanzi­ ierte Ausführungen zum Rechtsverhältnis stelle eine Klage ohne Begründung dar, sodass zur Verhandlung vorzuladen sei. Wie in Zweifelsfällen vorzugehen sei, liege jedenfalls im Ermessen des Gerichts (ZR 112 [2013] Nr. 43, S. 169 f.). In diesem Sinne auch Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 901 f., S. 257, mit dem Hinweis darauf, dass es dem Beklagten als Folge des sog. unbedingten Replikrechts unbenommen sei, dem Gericht vor der Verhandlung ungefragt eine 1174

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Stellungnahme einzureichen. Das Gericht darf jedenfalls eine seiner Meinung nach ungenügende Begründung nicht an den Kläger zur Verbesserung zurück­ weisen, sondern hat in diesem Falle zur Verhandlung vorzuladen (Hauck, ZK, N 8 a. E. zu Art. 245 ZPO). Stellt das Gericht eine begründete Klage der beklagten Partei zur schriftlichen 128 Stellungnahme zu, darf es dies nicht mit der Androhung verbinden, dass im Säumnisfalle ein Urteil gestützt auf die vorliegenden Akten gefällt werde. Die Stellungnahme im vereinfachten Verfahren dient einzig der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung, von deren Durchführung das Gericht nicht von sich aus absehen darf. Ein Verzicht auf die Hauptverhandlung setzt nach Art. 233 ZPO voraus, dass beide Parteien den Verzicht auf eine solche erklä­ ren (Beschluss des OGer Zürich PD150004 vom 19. März 2015; BGE 140 III 450, E. 3.2). Selbst wenn das Gesetz für einen solchen Verzicht keine ausdrück­ liche Äusserung verlangt und nach dem letztgenannten Bundesgerichtsent­ scheid somit auch ein konkludenter Verzicht möglich ist, darf nicht leicht­ hin von einem Verzicht auf eine mündliche Verhandlung ausgegangen werden, «soweit ein solcher überhaupt zulässig ist, was vorliegend offenbleiben kann» (E. 3.2). Die Möglichkeit eines solchen Verzichts ist im Einklang mit Williseg­ ger, BSK, N 14 f. zu Art. 233 ZPO indessen zu bejahen. Im rund ein halbes Jahr später ergangenen Entscheid 4A_680/2014 vom 29. April 2015, E. 3.4, hat das Bundesgericht den Verzicht auf eine mündliche Verhandlung für zuläs­ sig erklärt, wenn die Parteien durch Rechtsanwälte vertreten sind. Das Gericht muss bei Laien jedenfalls klar darauf hinweisen, es werde aufgrund der Akten entscheiden, wenn nicht innerhalb einer bestimmten Frist eine Verhandlung verlangt werde, sodass das Schweigen der Adressaten unzweideutig auf einen Verzicht schliessen lässt (BGE 140 III 450, E. 3.2). Wird demgegenüber einem Rechtsanwalt ausdrücklich erklärt, das Verfahren werde schriftlich, mit einem doppelten Schriftenwechsel durchgeführt, und weist das Gericht nach Eingang von Replik und Duplik darauf hin, dass sich die Parteien damit hinreichend zur Sache hätten äussern können und allfällige Bemerkungen innert Frist nach­ gereicht werden könnten, ohne dass sie sich dagegen zur Wehr setzen, darf daraus ein gültiger, konkludenter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung abgeleitet werden (Urteil des Bundesgerichts 4A_680/2014 vom 29. April 2015, E. 3.3 und 3.4). Nach Auffassung von Hauck, ZK, N 7 zu Art. 245 ZPO und Brunner/Steiniger, DIKE-Komm., N 5 zu Art. 245 ZPO ist bei unterbliebener Einreichung der gemäss Art. 245 Abs. 2 ZPO angeordneten schriftlichen Stel­ lungnahme der beklagten Partei ein peremptorisches Urteil zu fällen, wenn der Fall nach Darstellung des Klägers spruchreif ist und der Beklagte trotz Anset­ zung einer Nachfrist mit der Stellungnahme säumig bleibt. Dieser Schlussfol­ Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

gerung ist zuzustimmen, sofern dies mit der Ansetzung der Nachfrist auch aus­ drücklich so angedroht wird. 129

Grundsätzlich haben die Parteien gemäss Art. 55 Abs. 1 ZPO dem Gericht die Tatsachen, auf die sie ihre Begehren stützen, darzulegen und die Beweis­ mittel anzugeben (Verhandlungsmaxime). Vorbehalten bleiben gemäss Art. 55 Abs. 2 ZPO gesetzliche Bestimmungen über die Feststellung des Sach­ verhalts und die Beweiserhebung von Amtes wegen. Für das vereinfachte Ver­ fahren sieht Art. 247 Abs. 1 ZPO vor, dass das Gericht durch entsprechende Fragen darauf hinwirkt, dass die Parteien ungenügende Angaben zum Sach­ verhalt ergänzen und die Beweismittel bezeichnen (verstärkte richterliche Fra­ gepflicht). Gemäss Art. 247 Abs. 2 ZPO stellt das Gericht in den Angelegen­ heiten nach Art. 243 Abs. 2 ZPO und damit insbesondere in denjenigen des Kernbereichs des sozialen Mietrechts gemäss Buchst. c sowie in den übrigen Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirtschaftlicher Pacht bis zu einem Streitwert von 30 000 CHF den Sach­ verhalt von Amtes wegen fest (abgeschwächte Untersuchungsmaxime, auch genannt soziale Untersuchungsmaxime).

130

Gestützt auf die verstärkte Fragepflicht hat das Gericht darauf hinzuwirken, dass die Parteien erkennbar lückenhafte oder sonst wie ungenügende Anga­ ben zum Sachverhalt ergänzen und die Beweismittel bezeichnen. Das Ausmass der richterlichen Hilfestellung hängt von den Besonderheiten des Einzelfalles und den intellektuellen Fähigkeiten der Parteien ab, darf jedoch nicht so weit gehen, den Tatsachenvortrag einer Partei erheblich zu ändern oder gar auszu­ tauschen (Mazan, BSK, N 16–18 zu Art. 247 ZPO; Hauck, ZK, N 15 zu Art. 247 ZPO). Bei anwaltlicher Vertretung einer Partei ist die Fragepflicht stark gemil­ dert (Urteil OGer Zürich NG130014 vom 16. April 2014; Hauck, ZK, N 14 und 17 zu Art.  247 ZPO; Mazan, BSK, N  19 zu Art.  247 ZPO). Anderseits muss das Gericht aber auch einer vertretenen Partei Gelegenheit geben, offerierte aber noch nicht eingereichte Beweismittel nachzubringen (Urteil OGer Zürich NG130014 vom 16. April 2014, E. 3.3.5).

131

Die soziale Untersuchungsmaxime gemäss Art. 247 Abs. 2 ZPO bedeutet (Pün­ tener, Zivilprozessrecht, Rz. 143, S. 45): –– Das Gericht (wie schon die Schlichtungsbehörde) kann selber bzw. von Amtes wegen Beweis erheben und Beweismassnahmen anordnen (Art. 153 Abs. 1 ZPO) und ist dabei für die Beweiserhebung nicht an die Parteian­ träge gebunden; –– Beweismittel können bis zur Urteilseröffnung vorgebracht werden; 1176

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

–– das Gericht ist an die Beweisanträge der Parteien nicht gebunden; –– das Gericht kann dem Entscheid auch nicht behauptete, aber von Amtes wegen festgestellte Tatsachen zugrunde legen; –– die allgemeine Fragepflicht gemäss Art. 56 und 247 Abs. 1 ZPO wird erwei­ tert. Beispiel 1: Der Mieter behauptet im Erstreckungsverfahren, er habe jeden Tag in den 132 Zeitungen Wohnungsinserate studiert und sich auch bei einzelnen Inserenten gemeldet. Er leitet daraus ab, dass er intensive Suchbemühungen unternommen habe. Die Vor­ bringen des Mieters sind unsubstanziiert. Der Richter hat zu fragen, welche Tageszei­ tungen gelesen worden sind und um welche konkreten Mietofferten (Mietobjekt, Lage des Mietobjekts, Preis des Mietobjekts) sich der Mieter beworben hat. Weiter ist zu fra­ gen, ob sich der Mieter schriftlich oder allenfalls mündlich erkundigt hat, mit wem er gesprochen hat und warum ihm das Objekt letztlich nicht vermietet werden konnte. Beispiel 2: Der Vermieter behauptet, allen Mietern gekündigt zu haben, weil ein grös­ 133 seres Umbauvorhaben bevorstehe, bei dem es nicht möglich sei, dass das Mietobjekt gleichzeitig bewohnt bleibe. Der Richter hat zu fragen, welche Arbeiten im Einzelnen vorgesehen sind, ob die vorgesehenen Umgestaltungen einer Baubewilligung bedürfen und ob ein solches Bewilligungsverfahren bereits eingeleitet ist. Gegebenenfalls kann er auch nach Plänen, Kostenvoranschlägen etc. fragen.

Da die Untersuchungsmaxime indessen beschränkt und daher nicht mit dem 134 unbeschränkten Untersuchungsgrundsatz gleichzusetzen ist, wie er insbeson­ dere im Verfahren betreffend Kinderbelange gilt (Art. 296 ZPO), werden die Parteien dadurch nicht von der Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhalts und der Erhebung der Beweise entbunden (BGE 107 II 233, 236, 125 III 231, E. 4a, 128 III 411, 133 III 507, E. 5.4; vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_476/2015 vom 11. Januar 2016, in: MRA 2/17, S. 92 ff., mit Kommentar von Nicole Aellen). Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Akten selbst zu durchfors­ ten, um abzuklären, was sich aus diesen für die eine oder andere Partei ablei­ ten lässt (Urteil des Bundesgerichts 4A_32/2007 vom 16. Mai 2007, E. 4.1; BGE 125 III 231, E. 4a, m.w.H.; Hauck, ZK, N 33 zu Art. 245 ZPO; Püntener, Zivil­ prozessrecht, Rz. 145, S. 46). Im vereinfachten Verfahren hat das Gericht in den Angelegenheiten des Kern­ 135 bereichs des sozialen Mietrechts gemäss Art. 243 Abs. 2 Buchst. c ZPO sowie in den übrigen Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräu­ men und aus landwirtschaftlicher Pacht bis zu einem Streitwert von 30 000 CHF, bei welchem gemäss Art. 247 Abs. 2 ZPO die soziale Untersuchungsmaxime gilt, neue Tatsachen und Beweismittel (sog. Noven) bis zur Urteilsberatung zu berücksichtigen (Art. 229 Abs. 3 ZPO). Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

2.3

Ordentliches Verfahren

2.3.1 Geltungsbereich 136

Das ordentliche Verfahren stellt den Grundtypus des klassischen Zivilprozes­ ses dar, in dem die Verhandlungsmaxime (Art.  55 Abs.  1 ZPO) und eine − verglichen mit anderen Verfahren − strengere Eventualmaxime gilt (Willis­ egger, BSK, N  2 zu Art.  219 ZPO; Leuenberger, ZK, N  1 zu Art.  219 ZPO). Soweit für die anderen Verfahren keine speziellen Vorschriften bestehen, gel­ ten die Bestimmungen des ordentlichen Verfahrens sinngemäss auch für diese (Art. 219 ZPO). Da das ordentliche Verfahren jedoch erst ab einem Streitwert von über 30 000 CHF gilt (Art. 243 Abs. 1 ZPO) und für geringere Streitwerte sowie unabhängig vom Streitwert für Prozesse im Kernbereich des sozialen Mietrechts gemäss Art. 243 Abs. 2 Buchst. c ZPO das vereinfachte Verfahren zur Anwendung gelangt, werden die wenigsten mietrechtlichen Streitigkeiten im ordentlichen Verfahren ausgetragen.

2.3.2 Klage 137

Im Unterschied zur vereinfachten Klage, die mündlich bei Gericht zu Proto­ koll gegeben werden kann und nicht begründet werden muss, ist die Klage im ordentlichen Verfahren schriftlich einzureichen und zu begründen. Nebst den Angaben, die gemäss Art. 244 ZPO auch für die vereinfachte Klage not­ wendig sind, hat die Klage gemäss Art. 221 ZPO daher auch die Tatsachenbe­ hauptungen und die Bezeichnung der einzelnen Beweismittel zu den behaup­ teten Tatsachen zu enthalten. Zu den Beweismitteln, die eingereicht oder bezeichnet werden, ist gemäss Art. 221 Abs. 2 ZPO ausserdem ein Verzeich­ nis einzureichen.

138

Treten formelle Mängel auf, setzt das Gericht der klagenden Partei eine Nachfrist zur Verbesserung an. Keine Nachfristansetzung erfolgt aber bei inhalt­ lichen Mängeln der Klage (Leuenberger, ZK, N 3 zu Art. 221 ZPO). Wird die Klage eingereicht, ohne dass ein Schlichtungsverfahren durchgeführt wurde und ohne dass eine Ausnahme gemäss Art. 198 ZPO oder ein gültiger Verzicht gemäss Art. 199 ZPO vorliegt, fehlt es an einer Prozessvoraussetzung, sodass auf die Klage nicht einzutreten ist. Eine Überweisung von Amtes wegen an die Schlichtungsbehörde oder ein anderes, für die Klage zuständiges Gericht, kennt die ZPO nicht (Leuenberger, ZK, N 4 und 4a zu Art. 220 ZPO; Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 825, S. 237). Bei fehlender Zuständigkeit oder falscher Verfahrensart kann aber die Klage unter den Voraussetzungen von Art. 63 ZPO

1178

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

unter Beibehaltung der Rechtshängigkeit am richtigen Ort neu eingereicht werden (unten N 261 ff.).

2.3.3 Verfahrensablauf Nach Eingang der Klage setzt das Gericht der klagenden Partei gemäss Art. 98 139 ZPO eine Frist an zur Leistung eines Vorschusses bis zur Höhe der mutmass­ lichen Gerichtskosten. Davon kann ausnahmsweise, z.B. zur Verfahrensbe­ schleunigung, abgesehen werden (BGE 140 III 159, E. 4.2). Die Leistung eines allfälligen Kostenvorschusses stellt eine Prozessvoraussetzung dar, sodass im Säumnisfalle auf die Klage nicht einzutreten ist. Voraussetzung dafür ist ein Hinweis auf die Säumnisfolge (Art. 147 Abs. 3 ZPO) und die Ansetzung einer Nachfrist (Art. 101 Abs. 3 ZPO). Dennoch ist das Gericht nicht gehalten, mit der Zustellung der Klage an den Beklagten und der Ansetzung einer Frist zu deren Beantwortung zuzuwarten, bis der Kostenvorschuss geleistet ist, son­ dern kann die Fristansetzung zwecks Beschleunigung des Verfahrens gleich­ zeitig mit der Einforderung des Kostenvorschusses vornehmen (BGE 140 III 159, E. 4.2). Mit der Zustellung der Klage an die beklagte Partei setzt das Gericht dieser 140 gemäss Art. 222 ZPO eine Frist zur schriftlichen Klageantwort an. Die Frist kann gemäss Art.  144 Abs.  2 ZPO erstreckt werden. Bei versäumter Kla­ geantwort setzt das Gericht der beklagten Partei gemäss Art.  223 ZPO eine kurze Nachfrist an. Verstreicht auch diese unbenutzt, trifft das Gericht einen Endentscheid (peremptorisches Urteil), sofern die Angelegenheit spruch­ reif ist. Andernfalls lädt es zur Hauptverhandlung vor (Art. 223 Abs. 2 ZPO). Erfordern es die Verhältnisse, so kann das Gericht gemäss Art. 225 ZPO einen zweiten Schriftenwechsel anordnen. Ausserdem kann es gemäss Art. 226 ZPO jederzeit Instruktionsverhandlungen durchführen, die der freien Erörterung des Streitgegenstandes, der Ergänzung des Sachverhalts, dem Versuch einer Einigung und der Vorbereitung der Hauptverhandlung dienen. Nach Abschluss des zweiten Schriftenwechsels können neue Tatsachen und 141 Beweismittel (Noven) nur noch beschränkt, d.h. nach den Voraussetzungen von Art. 229 Abs. 1 ZPO vorgebracht werden. Das gilt auch dann, wenn nach dem zweiten Schriftenwechsel noch eine Instruktionsverhandlung durchge­ führt wird, da die Parteien nur zweimal, also in den beiden Parteivorträgen das Recht haben, unbeschränkt neue Tatsachen und Beweismittel in den Pro­ zess einzubringen (BGE 140 III 312, E. 6.3.2.3). Danach gilt ein Novenverbot.

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen 142

Gemäss Art.  228 ZPO haben die Parteien Anspruch auf die Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung, in der jeder Partei zwei Vorträge zuste­ hen. Hat weder ein zweiter Schriftenwechsel noch eine Instruktionsverhand­ lung stattgefunden, so können gemäss Art. 229 Abs. 2 ZPO neue Tatsachen und Beweismittel zu Beginn der Hauptverhandlung unbeschränkt vorgebracht wer­ den. Auf die Durchführung der Hauptverhandlung können die Parteien gemäss Art. 233 ZPO aber auch verzichten. Wird die Hauptverhandlung durchgeführt, findet die Beweisabnahme in der Regel gemäss Art. 231 ZPO in dieser Haupt­ verhandlung statt. Nach Abschluss der Beweisabnahme können die Parteien gemäss Art.  232 ZPO zum Beweisergebnis und zur Sache Stellung nehmen. Ist das Verfahren spruchreif, fällt das Gericht gemäss Art. 236 ZPO einen Ent­ scheid (Sach- oder Nichteintretensentscheid). Ohne Entscheid endet das Ver­ fahren, sofern sich die Parteien auf einen Vergleich einigen, die beklagte Partei die Klage anerkennt oder der Kläger die Klage zurückzieht. Die entsprechen­ den Erklärungen sind von den Parteien gemäss Art. 241 Abs. 1 ZPO zu Pro­ tokoll zu geben und zu unterzeichnen, was alsdann die Wirkung eines rechts­ kräftigen Entscheides hat und zur Abschreibung des Verfahrens führt (Art. 241 Abs. 2 und 3 ZPO).

2.4

Summarisches Verfahren

2.4.1 Zweck 143

Das summarische Verfahren dient der Prozessbeschleunigung und ist daher auf Schnelligkeit und Einfachheit ausgerichtet. Entsprechend findet kein Schlichtungsverfahren statt (Art. 198 Buchst. a ZPO), sind die Beweismittel im Wesentlichen auf Urkunden beschränkt (Art. 254 ZPO) und ist die Beweis­ strenge dort, wo es das Gesetz vorsieht, insbesondere im Bereich der vorsorglichen Massnahmen (Art. 261 ZPO) gelockert. Ausserdem kann das Gericht auf die Durchführung einer Verhandlung verzichten und aufgrund der Akten entscheiden, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt (Art. 256 Abs. 1 ZPO).

144

Die für das ordentliche Verfahren geltenden Bestimmungen finden gemäss Art. 219 ZPO auch für das summarische Verfahren Anwendung, dies allerdings nur, soweit sie mit dem Zweck und dem Wesen des summarischen Verfahrens vereinbar sind. So ist beispielsweise (wie übrigens auch im vereinfachten Ver­ fahren) gemäss Art. 81 Abs. 3 ZPO die Streitverkündungsklage unzulässig, gel­ ten Ausnahmen vom Anwaltsmonopol (Art. 68 Abs. 2 Buchst. b und c ZPO, vgl. unten N 294 ff.), stehen die gesetzlichen und gerichtlichen Fristen während den Gerichtsferien nicht still (Art. 145 Abs. 2 Buchst. b ZPO) und gelten verkürzte

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Rechtsmittelfristen (Art. 314 Abs. 1 und 321 Abs. 2 ZPO). Mit Ausnahme des Rechtsschutzes in klaren Fällen kann sodann im summarischen Verfahren von der klagenden Partei keine Sicherheit für die Parteientschädigung der beklag­ ten Partei verlangt werden (Art. 99 Abs. 3 Buchst. c ZPO; Pesenti, ZK, N 2a zu Art. 248 ZPO).

2.4.2 Geltungsbereich 2.4.2.1

In vom Gesetz bestimmten Fällen (Art. 249–251 ZPO)

In Art. 249 und 250 ZPO sind die wichtigsten Anwendungsbereiche für Ange­ 145 legenheiten des Zivilgesetzbuches und des Obligationenrechts, in Art. 251 ZPO diejenigen des SchKG aufgezählt. Die Aufzählung ist nicht abschliessend, doch kommen als Gesetze, die eine Auseinandersetzung in das summarische Ver­ fahren verweisen, nur Bundesgesetze infrage. So hat das Bundesgericht in BGE 139 III 38, E. 2, eine Vollzugsverordnung des Kantons Schwyz, welche die Mieterausweisung allgemein dem summarischen Verfahren im Sinne von Art. 248 Buchst. a i.V.m. Art. 250 ZPO (und nicht nur in klaren Fällen gemäss Art. 248 Buchst. b i.V.m. Art. 257 ZPO) dem summarischen Verfahren zuwies, als gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts verstossend betrachtet. Mietrechtspezifische Anwendungsfälle nennen die Art.  249 und 250 ZPO 146 nicht. Im Verhältnis Vermieter/Mieter sind folgende Anwendungsfälle denk­ bar (Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 915, S. 261): –– Vorläufiger Eintrag eines Bauhandwerkerpfandrechts (Art.  837 Abs.  1 Ziff. 3 ZGB; Art. 249 Buchst. d Ziff. 5 ZPO); –– Hinterlegung des Mietzinses bei Verzug des Vermieters (Art. 92 und 93 OR; Art. 250 Buchst. a Ziff. 3 ZPO); –– Hinterlegung des Mietzinses, wenn mehrere Personen darauf Anspruch erheben (Art. 168 Abs. 1 OR; Art. 250 Buchst. a Ziff. 6 ZPO); –– Ermächtigung, dass der Mieter bei schweren Mängeln im Sinne von Art. 258 Abs. 1 OR anstelle des Vermieters die Mängel beseitigt. Der Mieter kann die Beseitigung bei sog. mittleren Mängeln gemäss Art. 259b Buchst. b OR selber, also ohne vorgängige gerichtliche Genehmigung vornehmen; –– definitive oder provisorische Aufhebung des Rechtsvorschlages (Art.  80 und 82 SchKG; Art. 251 Buchst. a ZPO); –– Aufhebung oder Einstellung der Betreibung (Art.  85 SchKG; Art.  251 Buchst. c ZPO);

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1181

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

–– Vollstreckung, sofern das in einem anderen Verfahren urteilende Gericht nicht bereits selbst gemäss Art.  236 Abs.  3 ZPO Vollstreckungsmassnah­ men angeordnet hat (Art. 339 Abs. 2 ZPO). Weiter gelangt das summari­ sche Verfahren zur Anwendung: 2.4.2.2 147

Nebst der Rechtsöffnung ist dieser Bereich für das Mietrecht der wichtigste, da diese Bestimmung für das häufig vorkommende Ausweisungsverfahren zur Anwendung gelangt. Der Rechtsschutz in klaren Fällen wird daher in einem separaten Abschnitt behandelt, unten N 155 ff. 2.4.2.3

148

Vorsorgliche Massnahmen (Art. 261–270 ZPO)

Vorsorgliche Massnahmen sollen dem Gesuchsteller, der glaubhaft macht, dass ein ihm zustehender Anspruch verletzt ist oder eine Verletzung zu befürch­ ten ist und ihm aus der Verletzung ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht, bereits vor Einreichung einer Klage einstweiligen Rechtsschutz gewähren. Ist die Klage in der Hauptsache noch nicht rechtshängig, so setzt das im summarischen Verfahren tätige Massnahmegericht nach Anordnung einer Massnahme gemäss Art. 263 ZPO der gesuchstellenden Partei eine Frist zur Einreichung der Klage, mit der Androhung, die angeordnete Massnahme falle bei unbenutztem Ablauf der Frist ohne Weiteres dahin. Beispiele für Begeh­ ren des Vermieters bzw. Mieters um vorsorgliche Massnahmen finden sich bei Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 1004 f., S. 282 f.; vgl. auch Frese Lukas D./ Kobel Marcel, vorsorgliche Massnahmen im Mietrecht, in: mp 2016, S. 87 ff., insb. S. 97 ff. 2.4.2.5

150

Gerichtliches Verbot (Art. 258–260 ZPO)

Häufigste Anwendungsfälle sind Fahr- und Parkverbote auf privatem Grund, die gestützt auf eine entsprechende, im summarischen Verfahren ergehende Verfügung mit einer Verbotstafel auf dem Grundstück selber bekannt gemacht werden. Dadurch kann die rechtswidrige Benutzung einer Zufahrt und von Parkplätzen zur Anzeige gebracht werden. 2.4.2.4

149

Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 257 ZPO)

Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Es handelt sich dabei um die hoheitliche Tätigkeit eines Gerichts in nicht strei­ tigen Angelegenheiten zur Feststellung, Begründung, Änderung oder Aufhe­ bung privater Rechte oder zur Erhebung oder Feststellung eines Sachverhalts. Auf die nicht gerichtlichen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbar­ 1182

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

keit, die von Verwaltungsbehörden behandelt werden, kommen nicht die Bestimmungen der ZPO, sondern meist öffentlich-rechtliche Bestimmungen zur Anwendung (Feller/Bloch, ZK, N 6 zu Art. 19 ZPO; Pesenti, ZK, N 22 zu Art. 248 ZPO).

2.4.3 Verfahren Das Gesuch, mit dem das Verfahren eingeleitet wird, kann gemäss Art.  252 151 ZPO in den Formen nach Art.  130 ZPO in Papierform oder elektronisch gestellt werden. In einfachen oder dringenden Fällen kann es mündlich beim Gericht zur Protokoll gegeben werden. Erscheint das Gesuch nicht offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbe­ 152 gründet, so gibt das Gericht gemäss Art. 253 ZPO der Gegenpartei Gelegenheit, mündlich oder schriftlich Stellung zu nehmen. Erfolgt eine Fristansetzung zur schriftlichen Stellungnahme, wird diese mit der Androhung verbunden, dass bei Säumnis Verzicht auf Stellungnahme angenommen und über den Antrag aufgrund der Akten entschieden werde. Eine gestützt auf Art. 219 ZPO analoge Anwendung von Art. 223 Abs. 1 ZPO, wonach im ordentlichen Verfahren der säumigen beklagten Partei eine kurze Nachfrist angesetzt wird, verträgt sich nicht mit dem im summarischen Verfahren geltenden Grundsatz der Prozess­ beschleunigung (Kaufmann, DIKE-Komm., N 31 zu Art. 253 ZPO; a.M. für das Verfahren betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen: Mazan, BSK, N 16 zu Art. 253 ZPO). Die zürcherischen Einzelgerichte im summarischen Verfahren versehen die Aufforderung zur schriftlichen Stellungnahme denn auch mit der erwähnten Säumnisandrohung. Die Bestimmungen über den Fristenstillstand (Gerichtsferien) gelten gemäss Art. 145 Abs. 2 Buchst. b ZPO für das summa­ rische Verfahren nicht, worauf aber hinzuweisen ist (Art.  145 Abs.  3 ZPO). Es besteht kein Anspruch auf einen doppelten Schriftenwechsel (Klingler, ZK, N 9 f. zu Art. 253 ZPO; Kaufmann, DIKE-Komm., N 37 ff. zu Art. 253 ZPO). Ebenso wenig besteht ein Anspruch der Parteien auf eine mündliche Verhand­ 153 lung, sofern das Gesetz eine solche nicht ausdrücklich verlangt, was weder für die Rechtsöffnung noch den Rechtsschutz in klaren Fällen zutrifft (Kling­ ler, ZK, N 1 zu Art. 256 ZPO; Kaufmann, DIKE-Komm., N 4 ff. zu Art. 256 ZPO). Wird zu einer Verhandlung vorgeladen, verbinden dies z.B. die zürche­ rischen Einzelgerichte im summarischen Verfahren mit der Androhung für die gesuchsgegnerische Partei, dass bei Säumnis das Gericht aufgrund der Akten entscheide. Der gesuchstellenden Partei wird angedroht, dass sie mit Beweis­ mitteln ausgeschlossen sei, die sie nicht bereits eingereicht habe. Der gesuchs­ gegnerischen Partei wird angedroht, dass sie mit Beweismitteln ausgeschlossen Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

1183

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

sei, die sie nicht spätestens an der Verhandlung einreiche. Vorbehalten bleibe die Berücksichtigung von Beweismitteln nach Art. 229 Abs. 1 ZPO. Nach die­ ser Praxis, die sich mit der vorherrschenden Lehrmeinung deckt, ist das unbeschränkte Novenrecht zu Beginn der Verhandlung gemäss Art. 229 Abs. 2 ZPO für das summarische Verfahren, jedenfalls für die Rechtsöffnung und den Rechtsschutz in klaren Fällen, nicht anwendbar (Sutter-Somm/Lötscher, ZK, N 19–21 zu Art. 257 ZPO; Pahoud, DIKE-Komm., N 27 zu Art. 229 ZPO; Pün­ tener, Zivilprozessrecht, Rz. 922, S. 262; a.M. Willisegger, BSK, N 58 zu Art. 229 ZPO). 154

155

Der Beweis ist gemäss Art. 254 ZPO grundsätzlich durch Urkunden zu erbrin­ gen, weshalb diese dem Gesuch beizulegen sind. Andere Beweismittel sind nur zulässig, wenn sie das Verfahren nicht wesentlich verzögern, es der Verfah­ renszweck erfordert oder das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen fest­ zustellen hat (Art. 254 Abs. 2 Buchst. a–c ZPO). Trotzdem ist auch im summa­ rischen Verfahren der strikte Beweis zu erbringen, es sei denn, das Gesetz lasse blosse Glaubhaftmachung zu, wie es beispielsweise gemäss Art. 261 ZPO für den Erlass vorsorglicher Massnahmen zutrifft (Klingler, ZK, N 4 zu Art. 254 ZPO; Mazan, BSK N 9 f. zu Art. 254 ZPO).

2.4.4

Rechtsschutz in klaren Fällen

2.4.4.1

Wesen und Zweck

Der Rechtsschutz in klaren Fällen ist in der ZPO (unter dem Titel des summa­ rischen Verfahrens) in einer einzigen Bestimmung geregelt. Diese lautet: Art. 257 1

Das Gericht gewährt Rechtsschutz im summarischen Verfahren, wenn:

a. der Sachverhalt unbestritten oder sofort beweisbar ist; und b. die Rechtslage klar ist. 2 Ausgeschlossen ist dieser Rechtsschutz, wenn die Angelegenheit dem Offi-

zialgrundsatz unterliegt.

3 Kann

dieser Rechtsschutz nicht gewährt werden, so tritt das Gericht auf das Gesuch nicht ein.

156

Dieses bundesrechtliche Verfahren ist der Nachfolger des in den deutschspra­ chigen Kantonen vor der Einführung der Schweizerischen Zivilprozessord­ nung verbreiteten Befehlsverfahrens. Der Rechtsschutz in klaren Fällen soll

1184

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

der klagenden Partei bei klarer Sach- und Rechtslage ermöglichen, rasch zu einem rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheid zu kommen. Es steht aber im Belieben der klagenden Partei, entweder den normalen Prozessweg (ordentliches oder vereinfachtes Verfahren) oder bei gegebenen Voraussetzun­ gen den Rechtsschutz in klaren Fällen zu wählen. Dieser Rechtsschutz ist also eine Option (Göksu, DIKE-Komm., N 1 und 2 zu Art. 257 ZPO). Anders als die früheren kantonalen Befehlsverfahren ist der Rechtsschutz in 157 klaren Fällen nicht auf bestimmte Ansprüche oder Streitigkeiten beschränkt, sondern steht als abgekürztes Erkenntnisverfahren (unter dem Vorbehalt der dem Offizialgrundsatz unterliegenden Verfahren) grundsätzlich für sämtliche Anspruchsarten zur Verfügung. Es handelt sich also um ein Erkenntnisver­ fahren, das ohne Schlichtungsversuch und die Formalitäten des ordentlichen oder vereinfachten Verfahrens zu einem rechtskräftigen Entscheid führt. Die­ ser kann gemäss Art. 236 Abs. 3 i.V.m. Art. 219 ZPO auf Antrag der gesuchstel­ lenden Partei mit Vollstreckungsmassnahmen verbunden werden. Der Rechts­ schutz in klaren Fällen ist daher insbesondere für die Ausweisung von Mietern oder Untermietern geeignet, die widerrechtlich ein Mietobjekt belegen bzw. nicht verlassen. Mit dem Gesuch wird in diesen Fällen verlangt, der Mieter sei zu verpflichten, das Mietobjekt dem Vermieter zurückzugeben, und es sei die im entsprechenden Kanton zuständige Behörde anzuweisen, den Entscheid zu vollstrecken (vgl. unten N 192 f.). 2.4.4.2 Voraussetzungen Als erste Voraussetzung dafür, dass der Rechtsschutz in klaren Fällen bean­ 158 sprucht werden kann, muss ein klarer Sachverhalt gegeben sein, der also ent­ weder unbestritten oder sofort beweisbar ist (Art. 257 Abs. 1 Buchst. a ZPO). Es ist dies das Erfordernis der Liquidität des Sachverhalts. Der Sachverhalt ist nicht bloss glaubhaft zu machen, sondern es ist für die anspruchsbegründen­ den Tatsachen der volle Beweis zu erbringen (BGE 141 III 23, E. 3.2; BGE 138 III 620, E. 5.1.1, mit Hinweis auf BGE 133 III 153, E. 3.3; BGE 128 III 271, E. 2b/ aa und BGE 119 II 141, E. 4a und E. 4c). Die für vorsorgliche Massnahmen gemäss Art. 261 Abs. 1 ZPO geltende Erleichterung der Beweisstrenge (blosse Glaubhaftmachung) gilt somit für den Rechtsschutz in klaren Fällen nicht. Fraglich ist demgegenüber, ob für den Rechtsschutz in klaren Fällen eine 159 Beschränkung der Beweismittel gilt. In der Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung heisst es dazu, ein bestrittener Sachverhalt sei nur dann soweit beweisbar bzw. liquid, wenn er durch Urkunden oder allenfalls einen Augenschein am mitgebrachten Objekt bewiesen werden könne. Dagegen fie­ Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

len Beweise durch Expertisen, Zeugen wie auch Parteiaussagen grundsätzlich ausser Betracht, da im Zweifel die Angelegenheit in einem einlässlichen Pro­ zess auszutragen sei (Botsch. ZPO, S. 7352 Ziff. 5.18). Ein strikter Ausschluss dieser Beweismittel lässt sich indessen mit Art. 254 Abs. 2 ZPO nicht vereinba­ ren, sind doch danach andere Beweismittel als Urkunden zulässig, wenn sie das Verfahren nicht wesentlich verzögern oder es der Verfahrenszweck erfordert (gl.M. Sutter-Somm/Lötscher, ZK, N  5 zu Art.  257 ZPO und Göksu, DIKEKomm., N 8 zu Art. 257 ZPO). Ausdrücklich offengelassen wurde die Zuläs­ sigkeit des Zeugenbeweises unter Hinweis auf die divergierenden Meinungen in der Lehre in BGE 138 III 123 vom 21. Dezember 2011, E. 2.1.1 und 2.6. Im Urteil des Bundesgerichts 4A_447/2011 vom 10. September 2011, E. 2.2, haben die Richter noch festgehalten, dass der Beweis in der Regel durch Urkunden zu erbringen sei und unter Hinweis auf Art. 254 Abs. 1 und 2 ZPO angefügt: «Andere sofort greifbare Beweismittel sind aber nicht ausgeschlossen.» 160

Keines Beweises bedarf es, wenn ein schlüssig vorgetragener Sachverhalt unbe­ stritten ist. Das trifft nicht nur zu, wenn die Gegenpartei die im Gesuch behaup­ teten Tatsachen nicht bestreitet, sondern ebenso, wenn sie sich dazu entweder gar nicht äussert oder säumig bleibt, indem sie gar keine schriftliche Antwort einreicht oder zur Verhandlung nicht erscheint. Dies steht im Einklang mit der geltenden Verhandlungsmaxime, wonach nur bestrittene Tatsachen zu bewei­ sen sind (Art. 55 Abs. 1 und 150 Abs. 1 ZPO).

161

Bestreitet der Gesuchsgegner die Darstellung des Gesuchstellers, genügt es gemäss BGE 138 III 620, E. 5.1.1, S. 623 (bestätigt in BGE 141 III 23, E. 3.2, S.  25  f.) für die Verneinung eines klaren Falles, dass der Gesuchsteller «sub­ stanziiert und schlüssig Einwendungen vorträgt, die in tatsächlicher Hinsicht nicht sofort widerlegt werden können und die geeignet sind, die bereits gebil­ dete richterliche Überzeugung zu erschüttern». Gemäss diesem Entscheid kön­ nen die Ausführungen in der Botschaft, wonach «glaubhaftes Vorbringen der Einwände» verlangt wird (Botsch. ZPO, S. 7352 Ziff. 5.18 zu Art. 253 E-ZPO), zwangslos in diesem Sinne verstanden werden. Gemeint ist also nicht das mit höheren Anforderungen verbundene Glaubhaftmachen im Sinne von Art. 82 Abs. 2 SchKG zur Verhinderung einer provisorischen Rechtsöffnung. Ein kla­ rer Fall ist nach dem Gesagten zu bejahen, wenn das Gericht aufgrund der Aktenlage zur Überzeugung gelangt, der Anspruch des Klägers sei ausgewiesen und eine eingehende Abklärung der Beklagteneinwände könne daran nichts ändern.

162

Damit ist auch gesagt, dass offensichtlich unbegründete oder haltlose Bestrei­ tungen nicht ausreichen, um einen an sich bewiesenen Sachverhalt als illiquid 1186

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

erscheinen zu lassen (Urteil des Bundesgerichts 4A_2/2016 vom 18. Februar 2016). In solchen Fällen kann im Sinne einer antizipierten Beweiswürdigung auf die Abnahme der vom Beklagten angeführten Beweismittel verzichtet wer­ den (Entscheid des Kassationsgerichts Zürich vom 17. März 2004, in: ZR 103 [2004] Nr. 78, S. 307 f.; Hofmann, BSK, N 10a zu Art. 257 ZPO; Sutter-Somm/ Lötscher, ZK, N 7 zu Art. 257 ZPO). Als Beispiel für einen Fall, in dem der Sachverhalt trotz haltloser Einwen­ 163 dungen des Mieters als liquide betrachtet wurde, ist das Urteil des Bundesge­ richts 4A_447/2011 vom 20.  September 2011 zu erwähnen, in dem der Ver­ mieter dargelegt hatte, den beiden Ehegatten (Mietern) die Kündigung auf dem amtlichen Formular separat zugestellt zu haben. Während sich die Ehe­ frau dazu nicht vernehmen liess, behauptete der Ehemann, im entsprechen­ den Couvert habe sich nicht die Kündigung, sondern die Mahnung befunden, ohne dazu − trotz Verhandlungsmaxime − weitere Angaben zu machen und ohne die behauptete Mahnung beizulegen. Das Bundesgericht hielt dazu in E. 3 unter Hinweis auf sein Urteil 5C.97/2005 vom 15. September 2005, E. 4.4.3, in: SJ 2006 I, S. 271; BGE 124 V 400 sowie 2C_259/2011 vom 26. Juli 2011, E. 4, fest, es entspreche seiner Praxis, dass bei rechtzeitiger Aufgabe eines einge­ schriebenen Briefes und substanziierten Angaben des Absenders über dessen Inhalt eine natürliche Vermutung für die Richtigkeit dieser Sachverhaltsdar­ stellung spreche. Dem Empfänger stehe der Nachweis offen, dass der tatsäch­ liche Inhalt der Sendung ein anderer gewesen war. Dieser, der Verfahrensart entsprechend sofort zu erbringende Nachweis ist mit der blossen Behauptung, das Couvert habe nicht den vom Kläger (Vermieter) behaupteten Inhalt ent­ halten, nicht erbracht. Beispiele für Fälle, in denen die Gerichte von einem illiquiden Sachverhalt 164 ausgegangen sind: –– Mit Urteil 4A_127/2014 vom 19. August 2014 schützte das Bundesgericht 165 einen vorinstanzlichen Entscheid, mit dem auf ein Ausweisungsbegeh­ ren nicht eingetreten wurde, das sich auf eine Zahlungsverzugskündigung wegen nicht bezahlter Nebenkosten stützte. Es hielt fest, nicht nur für die Heizkosten, auf die allein sich Art.  8 VMWG beziehe, sondern auch für die allgemeinen Nebenkosten bestehe eine Abrechnungspflicht, wenn nicht pauschal abgerechnet werde (Art. 4 Abs. 1 VWMG). Dieser Pflicht komme der Vermieter nur nach, wenn die Abrechnung so klar und verständlich sei, dass der Mieter ersehen könne, für welche Nebenkostenpositionen er in welchem Umfang (Verteilschlüssel) belastet werde. Wenn die Kosten für Wasser, Kanalisation und Kehricht in einer Position zusammengefasst wür­ Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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den, sei dies daraus nicht ersichtlich. Darüber hinaus sei der Verteilschlüssel nicht nachvollziehbar, sodass keine klare Sach- und Rechtslage bestehe (so auch bei unklarem Saldo einer Zahlungsaufforderung ZR 116 [2017] Nr. 45, S. 151 ff.). 166

–– Im Urteil des Bundesgerichts 4A_592/2012 vom 9.  September 2012 hielt der Mieter dem Ausweisungsbegehren, das sich auf eine Zahlungsver­ zugskündigung gemäss Art.  257d Abs.  2 OR stützte, die Einrede der Til­ gung entgegen. Der Mieter stützte sich dabei auf das Protokoll einer Gene­ ralversammlung der Vermieterin, einer Aktiengesellschaft, in dem deren Verwaltungsrat dargelegt hatte, dass mit Bezug auf die Zahlungsrückstände des Mieters ein Anwalt eingeschaltet worden und diese Situation geregelt worden sei. Das Bundesgericht schützte die Auffassung des Bezirksrichters, wonach die vorgelegten Dokumente ungenügend waren, um sich Gewiss­ heit im einen oder anderen Sinne zu verschaffen und sich die Gewissheit darüber, welcher Betrag vom Mieter im Zeitpunkt der Kündigungsandrohung noch geschuldet war, ebenso wenig durch Partei- oder Zeugenbefra­ gung sofort erzielen liess.

167

–– Im Urteil 4A_2/2016 vom 18. Februar 2016 folgte das Bundesgericht dem KGer St. Gallen. Dieses war auf das vom Mieter im summarischen Verfah­ ren gemäss Art. 257 ZPO gestellte Gesuch nicht eingetreten, es sei festzu­ stellen, dass der behauptete Mietvertrag zustande gekommen sei, und es sei daher der Gesuchsgegner zu verpflichten, dem Gesuchsteller unein­ geschränkten Zugang zu den Mieträumlichkeiten zu verschaffen. Nach dem Kantonsgericht stand fest, dass der Gesuchsteller den Mietvertrag trotz den von den Gesuchsgegnern gewünschten Änderungen als verbind­ lich abschliessen wollte, während aufseiten der Gesuchsgegner Vorbehalte bestünden. Andernfalls hätten diese kaum darauf bestanden, das ursprüng­ lich als «Mietvertrag» betitelte Dokument in einen Vorvertrag umzuwan­ deln und dessen Gültigkeit zudem zeitlich auf einen Monat zu begrenzen. Unter diesen Umständen bleibe fraglich, ob das zwei Tage vor Ablauf die­ ses Monats vom Rechtsvertreter des Gesuchstellers ergangene Schreiben ohne Akzept der Gegenseite genügen würde, um die Gültigkeit des Vorver­ trages zu verlängern bzw. dem Gesuchsteller über die Monatsfrist hi­naus den Anspruch auf Abschluss des Mietvertrages zu erhalten. Es lasse sich nicht von vornherein ausschliessen, dass die Gesuchsgegner zunächst nur diesen Monat gebunden sein wollten und es für den Abschluss des Hauptbzw. des Mietvertrags einer (nochmaligen) übereinstimmenden gegenseitigen Willensäusserung beider Parteien im Sinne von Art.  1 Abs.  1 OR

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bedurft hätte. Im Verfahren vor Bundesgericht begründete der Gesuchstel­ ler seinen Anspruch, dass der Mietvertrag zwischen ihm und den Gesuchs­ gegnern zustande gekommen sei, unter anderem damit, dass das Verhalten der Gesuchsgegner rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Das Bundesgericht schützte die Auffassung der Vorinstanz, die von den Gesuchsgegnern erho­ benen Einwendungen erschienen nicht von vornherein als haltlos, weshalb die Voraussetzungen für den Rechtsschutz in klaren Fällen nach Art. 257 ZPO nicht gegeben seien. Berufe sich der Gesuchsteller für die Begründung seines Anspruchs auf das Rechtsmissbrauchsverbot nach Art. 2 ZGB, ver­ lange dies vom Gericht in der Rechtsanwendung eine wertende Betrach­ tung der gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls. In diesen Fällen sei aber die Rechtslage in der Regel nicht klar im Sinne von Art. 257 Abs. 1 Buchst. b ZPO und somit der Rechtsschutz in klaren Fällen ausgeschlossen. Vorbehalten hatte das Bundesgericht den offenkundigen Rechtsmissbrauch durch die Gesuchsgegner, sodass ausnahmsweise eine klare Rechtslage im Sinne von Art. 257 Abs. 1 Buchst. b ZPO vorliege, was der Gesuchsteller nicht darzulegen imstande war (E. 3.2, vgl. dazu unten N 172). –– Das OGer Bern bezeichnete in seinem Entscheid ZK 11 207 vom 2. Mai 168 2011 (in: CAN 2012 Nr. 7 und mp-flash 7/2012) den im Ausweisungsver­ fahren zufolge Zahlungsverzugskündigung erhobenen Einwand der Mie­ terin, man habe eine Zahlungsvereinbarung getroffen und die Vermieterin habe sich verpflichtet, mit der Exmission zuzuwarten, als «nicht völlig aus der Luft gegriffen». Belegt der Vermieter allerdings, dass nach gültig erfolg­ ter Zahlungsverzugskündigung gemäss Art. 257d OR der Mieter zur Rückgabe des Mietobjekts aufgefordert wurde, ohne dass Schriftstücke auf eine Stundungsvereinbarung mit dem Einverständnis des Vermieters schlies­ sen lassen, bei Einhaltung der gewährten Zahlungsfristen auf eine Auswei­ sung zu verzichten, ist ein entsprechender, in der Ausweisungsverhand­ lung vorgebrachter Einwand als haltlos im Sinne der vorstehenden N 162 zu bezeichnen. –– Für die Zustellung der Mahnung mit Kündigungsandrohung und die 169 Berechnung der dadurch ausgelösten Zahlungsfrist gemäss Art. 257d Abs. 1 OR gilt die relative (eingeschränkte) Empfangstheorie (was im Übri­ gen auch für die Zustellung der Anzeige einer Mietzinserhöhung gemäss Art. 269d OR und damit den Beginn der Anfechtungsfrist zutrifft). Massge­ bend ist also der tatsächliche Empfang durch den Mieter (BGE 137 III 208, E. 3.1.3, in: mp 2011, S. 115 ff., mit Hinweis auf BGE 130 III 396; bestätigt in BGE 140 III 244, E. 5.2; dies im Unterschied zur Zustellung der Kündigung

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und der Berechnung der dadurch ausgelösten Anfechtungsfrist, wofür die absolute [uneingeschränkte] Empfangstheorie gilt, wonach die Wirkung der Zustellung bereits mit dem Eintreffen der Erklärung in den Zugriffs­ bereich des Empfängers und nicht mit der tatsächlichen Kenntnisnahme beginnt; BGE 137 III 208, E.  3.1.2; 140 III 244, E.  5.2). Eine Zustellung der Mahnung mit Kündigungsandrohung per «A-Post Plus» belegt bloss, dass die Kündigung in den Zugriffs- oder Einflussbereich des Empfängers gelangt ist, nicht aber die für den Beginn der Zahlungsfrist massgebende Kenntnisnahme durch den Adressaten (Urteil KGer Waadt HC/2012/199 vom 20. März 2012, in: mp 2013, S. 216). Das kann dazu führen, dass in einem Ausweisungsverfahren unklar bleibt, ob eine Kündigung erst nach Ablauf der Zahlungsfrist erfolgte oder schon früher (womit sie unwirk­ sam wäre, BGE 121 III 156). Steht allerdings der Zeitpunkt fest, in dem die Mahnung mit Kündigungsandrohung in den Zugriffsbereich des Empfän­ gers gelangte, muss analog der Situation einer eingeschrieben versandten, bei der Post innerhalb der siebentägigen Abholfrist nicht behändigten und daher an den Absender retournierten Sendung angenommen werden, die Zustellung sei am siebten Tag, nachdem die Sendung in den Zugriffsbereich des Empfängers gelangt war, erfolgt (zur Zustellungsproblematik vgl. HAPImmobiliarmietrecht/Maag, Rz. 2.64 ff. bzw. 2.99 ff.). 170

Zweite Voraussetzung für die Beanspruchung von Rechtsschutz in klaren Fäl­ len ist eine klare Rechtslage. Die Rechtslage ist klar, wenn sich die Rechtsfolge bei der Anwendung des Gesetzes unter Berücksichtigung der Lehre und Recht­ sprechung ohne Weiteres ergibt und damit die Rechtsanwendung zu einem eindeutigen Ergebnis führt. Dagegen ist die Rechtslage in der Regel nicht klar, wenn die Anwendung einer Norm einen Ermessens- oder Billigkeitsentscheid des Gerichts mit wertender Berücksichtigung der gesamten Umstände erfor­ dert, wie dies namentlich bei der Beurteilung von Treu und Glauben zutrifft (BGE 141 III 23, E. 3.2; 138 III 123, E. 2.1.2, E. 3.3; je mit Hinweisen).

171

Unter klarem Recht wird üblicherweise objektives Recht  – einschliesslich Gewohnheitsrecht – verstanden, nicht aber Verträge und Statuten. Diese sind in der Regel auszulegen. Kann im Rahmen der subjektiven Vertragsauslegung, d.h. der Frage, ob übereinstimmende Willensäusserungen vorliegen, ein natürlicher Konsens nicht liquid nachgewiesen werden, erweist sich bereits der Sachverhalt als illiquid. Bei der objektiven Vertragsauslegung nach dem Vertrauensprinzip hat das Gericht auf den Grundsatz von Treu und Glau­ ben zurückzugreifen und sein Ermessen auszuüben, wofür im Verfahren nach Art. 257 ZPO kein Raum besteht (Handelsgericht Zürich, ZR 111 [2012] Nr. 65,

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E. 3.5, S. 186; Hofmann, BSK, N 11a zu Art. 257 ZPO; Sutter-Somm/Lötscher, ZK, N 10, 10a, 11 zu Art. 257 ZPO). Vertragliche Regelungen und privatrecht­ liche Satzungen sind allerdings nicht per se vom Anwendungsbereich ausge­ nommen, sondern deren Anwendung kann durchaus rechtlich klar sein (Hof­ mann, BSK, N 11a zu Art. 257 ZPO; Göksu, DIKE-Komm., N 11 zu Art. 257 ZPO). Erweist sich die Rechtslage aus Sicht des Gerichts als klar, schliesst eine zwischen den Parteien umstrittene rechtliche Qualifikation einer Vereinba­ rung den Rechtsschutz in klaren Fällen nicht aus (Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 953, S. 270). Schliesst eine notwendige Beurteilung nach Treu und Glauben grundsätzlich 172 das Vorliegen eines klaren Falles aus, heisst dies anderseits nicht, dass ein kla­ rer Fall in rechtlicher Hinsicht verneint werden muss, sobald eine missbräuchliche Rechtsausübung geltend gemacht wird. Das Rechtsmissbrauchsverbot setzt keine wertende Berücksichtigung aller Umstände voraus, wenn das Ver­ halten der betroffenen Partei offenkundig einen Missbrauch darstellt. Das ist namentlich der Fall, wenn es in eine der in Lehre und Rechtsprechung aner­ kannten Fallgruppen einzuordnen ist wie die zweckwidrige Verwendung eines Rechtsinstituts zur Verwirklichung von Interessen, die dieses Institut nicht schützen will. –– In diesem Sinne erachtete das Bundesgericht im Urteil 4C.124/2005 vom 173 16.  Juli 2005 den Einwand, die Kündigung wegen Zahlungsrückstands gemäss Art. 257d Abs. 2 OR sei einen Tag zu früh erfolgt, als rechtsmiss­ bräuchlich, weil der Mieter den Ausstand weder während noch nach der 30-tägigen Zahlungsfrist beglichen und er überdies während der gesamten Mietzeit keinerlei Mietzinszahlung geleistet hatte (vgl. auch Urteil des Bun­ desgerichts 4C.96/2006 vom 4. Juli 2006, in: MRA 1/07, S. 24 ff., bestätigt in BGE 137 III 208, E. 3.1.2, in: mp 2001, S. 115 ff.; zum rechtsmissbräuchli­ chen Einwand fehlerhafter Zahlungsfrist im Sinne von Art. 257d Abs. 1 OR vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.88/2001 vom 1. Juli 2003, in: MRA 2/04, S. 53 ff. und Urteil des Bundesgerichts 4A_541/2015 vom 20. Mai 2016, in: MRA 2/17, S. 68 ff., mit Kommentar von Zinon Koumbarakis). –– Im Urteil 4A_350/2015 vom 25. August 2015 erachtete das Bundesgericht 174 den Einwand als rechtsmissbräuchlich, die mit zwei getrennt versandten Formularen ausgesprochene Kündigung einer Familienwohnung sei form­ ungültig, weil nur auf dem einen Schreiben die eigenhändige Unterschrift der Vermieterin angebracht war. Der Zweck der eigenhändigen Unter­ schrift, nämlich keine Unsicherheit über die Identität des Erklärenden auf­ kommen zu lassen, war auch erfüllt, ohne dass auf dem zweiten Formular Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

die eigenhändige Unterschrift angebracht war, weil beide Formulare Name und Adresse der Vermieterin enthielten. Im Hinblick auf diesen Zweck hat das Bundesgericht bereits in BGE 138 III 401, E. 2.4, die Berufung auf die fehlende eigenhändige Unterschrift betreffend eine Mietzinserhöhung als rechtsmissbräuchlich qualifiziert, weil kein Zweifel über die Identität des Erklärenden bestand und beide Parteien der strittigen Mietzinserhöhung nachgelebt hatten. 2.4.4.3

Verfahren und Entscheid

175

Der Verfahrensablauf richtet sich nach den für das summarische Verfahren gel­ tenden Bestimmungen (Art. 252 ff. ZPO; vgl. oben N 151 ff.). Damit das Ver­ fahren gemäss Art. 257 ZPO zur Anwendung gelangt, muss aus dem Begeh­ ren hervorgehen, dass Rechtsschutz in klaren Fällen anbegehrt wird, ohne dass diese Worte ausdrücklich gebraucht werden müssen. Im Zweifelsfall hat der Richter von seiner Fragepflicht gemäss Art. 56 ZPO Gebrauch zu machen (Urteil des Bundesgerichts 4A_87/2012 vom 10.  April 2012, E.  3.1.1; in die­ sem Fall hatte das Mietgericht des Kantons Waadt ein mit «REQUETE [pro­ cédure sommaire, art. 248 ss CPC]» betiteltes Ausweisungsbegehren als Klage im vereinfachten Verfahren entgegengenommen, weil es im Anschluss an eine gescheiterte Schlichtungsverhandlung gestellt wurde, die es im summarischen Verfahren nicht gibt, und die Voraussetzungen von Art. 257 ZPO nicht erfüllt waren, sodass entgegen dem Titel gar kein Begehren um Rechtsschutz in klaren Fällen vorlag. Diese Ansicht wurde vom Bundesgericht geschützt).

176

Der Rechtsschutz in klaren Fällen ist kein Vollstreckungs-, sondern ein Erkenntnisverfahren. Hat in einem ordentlichen oder vereinfachten Verfah­ ren das ordentliche Gericht nicht gemäss Art. 236 Abs. 2 ZPO bereits selbst Vollstreckungsmassnahmen getroffen, können diese aber mit einem separaten Verfahren gemäss Art. 335 ff. ZPO durch das Gericht im summarischen Ver­ fahren angeordnet werden (Art. 339 Abs. 2 ZPO). Anderseits kann auch im Rechtsschutz in klaren Fällen unter den Voraussetzungen von Art. 257 Abs. 1 und 2 ZPO nicht bloss eine Klage gemäss Art. 84–90 ZPO (Leistungs-, Gestal­ tungs- oder Feststellungsklage) angehoben und beurteilt werden, sondern es können Leistungsklagen wie im ordentlichen und vereinfachten Verfahren gemäss Art. 236 Abs. 3 i.V.m. Art. 219 ZPO mit Vollstreckungsmassnahmen gemäss Art.  343 ZPO verbunden werden. In Betracht fallen namentlich die Wegnahme einer beweglichen Sache, die Räumung eines Grundstücks oder eine Ersatzvornahme (Art. 343 Abs. 1 Buchst. d und e ZPO). Lautet der Ent­ scheid auf eine Geldzahlung oder eine Sicherheitsleistung, so wird er allerdings

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nicht durch den Vollstreckungsrichter, sondern nach den Bestimmungen des SchKG vollstreckt (Art. 335 Abs. 2 ZPO). Während im vereinfachten Verfahren der Sachverhalt im Rahmen der sozialen 177 Untersuchungsmaxime gemäss Art. 243 Abs. 2 Buchst. c i.V.m. Art. 247 Abs. 2 Buchst. a ZPO von Amtes wegen festzustellen ist, gilt im summarischen Ver­ fahren grundsätzlich die Verhandlungsmaxime. Ist in einem summarischen Ausweisungsverfahren gemäss Art. 257 Abs. 1 ZPO die Gültigkeit der Kündi­ gung angefochten, sodass der Ausweisungsrichter vorfrageweise die Gültigkeit überprüfen muss, gilt Folgendes: Der Ausweisungsrichter hat die diesbe­ züglichen Vorbringen der beklagten Partei gemäss Urteil des Bundesgerichts 4A_440/2016 vom 24. Oktober 2016, E. 5.2.2, zunächst im Lichte zu betrachten, ob sie – wenn sie im vereinfachten Verfahren gemacht worden wären – Anlass zur Ausübung der gerichtlichen Fragepflicht im Sinne der sozialen Untersu­ chungsmaxime gemäss Art. 247 Abs. 2 ZPO geboten hätten. Nur wenn dies nicht der Fall ist und sich das Ausweisungsbegehren gestützt auf den vorgetra­ genen Sachverhalt als klar begründet erweist, kann er dieses sofort gutheissen. Ergeben sich dagegen aus der schriftlichen Gesuchsantwort des nicht anwalt­ lich vertretenen Mieters Anhaltspunkte dafür, dass eine gerichtliche Befragung weitere – dem Ausweisungsbegehren entgegenstehende – Umstände zum Vor­ schein bringen würde, können die entsprechenden Zweifel allenfalls anläss­ lich einer mündlichen Verhandlung ausgeräumt werden. Unter derartigen Umständen muss es nach dem zitierten Entscheid ausser Betracht fallen, das Ausweisungsbegehren ohne Weiteres unter Hinweis auf die nicht genügend substanziierten und/oder belegten Einwände des Mieters gutzuheissen. Für die Anwendung des beschränkten Untersuchungsgrundsatzes im Falle einer Mie­ terexmission im Prozess vgl. bereits: Koller Thomas, Kommentar zu BGE 141 III 262, in: ZBJV 152/2016, S. 829. Mit der (ohne vorangehendes Schlichtungsverfahren) gemäss Art. 252 Abs. 2 178 ZPO schriftlich bzw. in einfachen oder dringenden Fällen mündlich erfolg­ ten Einreichung des Gesuchs beim Gericht wird das Gesuch rechtshängig im Sinne von Art. 62 Abs. 1 ZPO. Die Rechtshängigkeit bewirkt gemäss Art. 64 Abs.  1 Buchst.  a ZPO insbesondere, dass der Streitgegenstand zwischen den gleichen Parteien nicht anderweitig rechtshängig gemacht werden kann, und zwar auch nicht in einer anderen Verfahrensart, beispielsweise durch eine Klage im ordentlichen oder vereinfachten Verfahren. Umgekehrt kann auf ein Verfahren zur Gewährung von Rechtsschutz in klaren Fällen gemäss Art. 59 Abs. 2 Buchst. d ZPO nicht eingetreten werden, wenn die Sache anderweitig rechtshängig ist (Urteil des Bundesgerichts 4A_141/2013 vom 22. August 2013,

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E. 2.2, kommentiert in: ZBJV 151/2015, S. 258, durch Christoph Leuenberger; Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 959, S. 271; vgl. aber unten N 195 f.). 179

Wird das Gesuch um Gewährung des Rechtsschutzes in klaren Fällen gutge­ heissen, kommt dem Entscheid volle materielle Rechtskraft zu, und er kann vorbehältlich der (von Gesetzes wegen bestehenden oder auf Antrag hin erteil­ ten) aufschiebenden Wirkung eines ordentlichen Rechtsmittels auch voll­ streckt werden. Der unterlegene Gesuchsgegner kann somit keine Neubeurtei­ lung in einem ordentlichen oder vereinfachten Verfahren verlangen, sondern ist auf die Ergreifung der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel angewiesen (BGE 138 III 620, E. 5.1, S. 622 f.; 138 III 728, E. 3.2; Sutter-Somm/Lötscher, ZK, N 24 zu Art. 257 ZPO; Hofmann, BSK, N 24 zu Art. 257 ZPO).

180

Erweist sich ein Begehren für den Rechtsschutz in klaren Fällen als illiquid, indem es an den Voraussetzungen eines unbestrittenen oder sofort beweis­ baren Sachverhalts oder klarer Rechtslage fehlt, ist auf das Gesuch gemäss Art. 257 Abs. 3 ZPO nicht einzutreten. Es handelt sich dabei um einen blos­ sen Prozess­ entscheid, dem keine Rechtskraftswirkung zukommt. Er steht somit weder einem ordentlichen noch einem vereinfachten Verfahren entge­ gen. Nach nicht unbestrittener, aber u.E. richtiger Auffassung kann auch ein neues Gesuch um Rechtsschutz in klaren Fällen (namentlich mit anderen, bes­ seren Beweismitteln) eingereicht werden (Hofmann, BSK, N  26 zu Art.  257 ZPO; Sutter-Somm/Lötscher, ZK, N 32b zu Art. 257 ZPO; a.M. Püntener, Zivil­ prozessrecht, Rz. 976, S. 274).

181

Verlangt der Gesuchsteller innert eines Monats seit dem Nichteintretensent­ scheid eine Beurteilung im ordentlichen bzw. vereinfachten Verfahren, so gilt als Zeitpunkt der Rechtshängigkeit gemäss Art. 63 Abs. 1 und 2 ZPO das Datum der ersten Einreichung beim Summarrichter. Die Rechtshängigkeit wird also nicht unterbrochen, sondern deren Eintritt auf den Zeitpunkt der Einreichung des ersten Verfahrens zurückbezogen (unten N  261; Hofmann, BSK, N  28 zu Art.  257 ZPO; Göksu, DIKE-Komm., N  26 zu Art.  257 ZPO; Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 977, S. 274 f.; a.M. Sutter-Somm/Lötscher, ZK, N  32 zu Art.  257 ZPO, wonach der sorgfältige Kläger, wenn er eine Verwir­ kungsfrist zu wahren hat, um keinen Rechtsverlust zu riskieren, jeweils mit Einreichen des Gesuchs um Rechtsschutz in klaren Fällen gleichzeitig mittels Schlichtungsgesuch oder Klage einen Prozess einleiten müsste, der dann bis zum Entscheid im Verfahren nach Art. 257 ZPO zu sistieren wäre. Das wider­ spricht dem Sinn von Art. 63 ZPO, der nach dessen Marginalie auch bei fal­ scher Verfahrensart anwendbar ist).

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Der deutsche Wortlaut von Art. 257 Abs. 3 ZPO (sowohl der französische wie 182 auch der italienische Gesetzestext sind nicht schlüssig), wonach das Gericht auf das Gesuch nicht eintritt, wenn der Rechtsschutz gemäss Art. 257 Abs. 1 ZPO nicht gewährt werden kann, bedeutet nach BGE 140 III 315 (vgl. Pra 2015, Nr. 4, S. 37 und MRA 3/15, S. 169), dass der Richter nur die Möglichkeit hat, dem Begehren zu entsprechen oder auf dieses nicht einzutreten. Selbst wenn der geltend gemachte Anspruch in dem Sinne klarerweise liquid ist, dass er nicht besteht, existiert keine Möglichkeit der Abweisung des Gesuchs mit der Wirkung materieller Rechtskraft des Entscheids. Der Nichteintretensentscheid ist auch in diesem Fall ein reiner Prozessentscheid ohne Wirkung der res iudicata (Sutter-Somm/Lötscher, ZK, N 25 zu Art. 257 ZPO; Hofmann, BSK, N 27–27d zu Art. 257 ZPO; Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 969 ff., S. 272 ff.). Stellt der Gesuchsteller eines Ausweisungsbegehrens im Verfahren nach 183 Art. 257 ZPO fest, dass die dem Begehren zugrunde liegende Kündigung nich­ tig oder wegen eines Formfehlers unwirksam ist, kann er die Kündigung wäh­ rend des pendenten Ausweisungsverfahrens oder nach dessen Abschluss wie­ derholen (Urteil des Bundesgerichts 4A_588/2013 vom 15. April 2014, E. 2.5, in: MRA 1/15, S. 36; so schon Urteil des Bundesgerichts 4C.432/2006, E. 4, in: MRA 3/07, S. 85). Wird indessen im Nachgang zu einer als unwirksam erklär­ ten Kündigung aus wichtigen Gründen gemäss Art.  266g Abs.  1 OR, der es an den materiellen Voraussetzungen fehlte, während der Sperrfrist gemäss Art. 271a Abs. 1 Buchst. e OR seitens des Vermieters ordentlich gekündigt, gilt Folgendes: Diese Kündigung erweist sich als anfechtbar, selbst wenn sie sich im Einzelfall nicht als missbräuchlich herausstellen sollte (BGE 131 III 3, E. 3.1– 3.5; 141 III 101, E. 2.8; in diesem Sinne auch oben N 30, 39 zu Art. 271a OR). Misslingt einem Vermieter die Ausweisung gestützt auf eine Kündigung, deren materiellen Vo­ raussetzungen sich im summarischen Verfahren betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen mangels Beweismöglichkeit als unklar (illiquid) erweisen, sodass auf sein Begehren nicht eingetreten wird (Art.  257 Abs.  3 ZPO), kann er versuchen, den Ausweisungsanspruch mit einer Klage über die Schlichtungsbehörde beim Gericht im vereinfachten Verfahren durchzusetzen (oben N 116 ff.).

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2.5

Exkurs: Ausweisungsanspruch und Ausweisung im Summarverfahren

2.5.1 Ausweisungsanspruch 184

Nach einem abgelaufenem Mietverhältnis muss der Mieter die Sache gemäss Art. 267 OR dem Vermieter zurückgeben. Der Vermieter hat somit einen vertraglichen (obligatorischen) Rückgabeanspruch. Handelt es sich beim Miet­ objekt um einen Raum, besteht der Anspruch darin, dass der Mieter das Objekt ordnungsgemäss räumt und sämtliche Schlüssel zurückgibt.

185

Ist der Vermieter gleichzeitig Eigentümer, konkurriert der vorgenannte obliga­ torische Anspruch mit dem dinglichen Eigentumsanspruch gemäss Art. 641 ZGB (Meier-Hayoz, BK, N 32, 54, 61 zu Art. 641 ZGB; Wiegand, BSK, N 50 zu Art. 641 ZGB). Mit dieser Eigentumsklage kann der Eigentümer die Räumung auch vom unberechtigten Besitzer verlangen, zu dem keine direkte vertrag­ liche Bindung bestand (Untermieter, unentgeltlicher Mitbewohner des Mie­ ters). Gegen den eigenmächtigen Besitzer steht sodann sowohl dem Eigen­ tümer wie auch dem Vermieter, der nicht gleichzeitig Eigentümer (sondern selbst lediglich obligatorisch berechtigter, mittelbarer Besitzer) ist, die Besit­ zesschutzklage gemäss Art. 937 Abs. 2 ZGB zur Verfügung (Stark, BK, N 12 der Vorbem. zu Art. 926–929 ZGB, N 31 zu Art. 937 ZGB; Ernst, BSK, N 7, 9, 14 der Vorbem. zu Art.  926–929 ZGB, N  7 zu Art.  937 ZGB). Von  Tuhr/ Peter, OR AT I, S. 138, regen schliesslich an, dass der Erstvermieter gegen den Untervermieter die Räumung in analoger Anwendung von Art. 262 Abs. 3 OR erwirken könne (i.d.S. auch Koumbarakis Zinon, in: MRA 3/14, S. 131 sowie schon das Urteil des Bundesgerichts 4C.251/1998 vom 22. Oktober 1998, in: mp 1999, S. 47, wobei diese Auffassung bereits in BGE 120 II 112, E. 3b/cc/ddd, S. 116 f., als vertretbar bezeichnet wurde). Das ist zu begrüssen, weil die Besit­ zesschutzklage gegen den Untermieter oder einen sonstigen Dritten, dem der Mieter den Besitz freiwillig überlassen hat, nicht möglich ist, da es am Erfor­ dernis der Eigenmächtigkeit fehlt (Stark, BK, N 60 der Vorbem. zu Art. 926– 929 ZGB; Urteil Cour de Justice Genf vom 12. März 1998, in: mp 1999, S. 51). Auf Art. 262 Abs. 3 OR wurde sinngemäss auch die Ausweisung des Untermie­ ters wegen beendetem Hauptmietverhältnis (Untermietverhältnis kann Haupt­ mietverhältnis nicht überdauern, Art. 273b Abs. 1 OR) im Urteil des Bundes­ gerichts 4C.116/2003 vom 16. Oktober 2003 gestützt, fehlt doch jeder Hinweis auf die Eigentümerstellung des klagenden Vermieters und damit auf Art. 641 ZGB.

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Der Ausweisungsanspruch steht dem Vermieter zu. Ist dieser nicht zugleich 186 Eigentümer des Mietobjekts, so kann sein Anspruch mit dem Herausgabean­ spruch des Eigentümers kollidieren. In Analogie zur Rechtslage bei der Hin­ terlegung (Art.  479 OR) muss diesfalls der Mieter die Sache dem Vermie­ ter zurückgeben, selbst wenn ihm der Anspruch des Eigentümers bekannt ist, es sei denn, dieser werde mit einer Eigentumsklage gemäss Art. 641 ZGB gegen ihn durchgesetzt, oder die Sache werde gerichtlich mit Beschlag belegt (von Tuhr/Peter, OR AT I, S. 137). Es sind jedenfalls diese obligatorischen oder dinglichen Ansprüche, die mit einem Ausweisungsbegehren verfolgt werden, mit dem Ziel, dass die Räumung befohlen und notfalls amtlich vollstreckt wird. Die Rückgabe einer gemieteten Sache stellt eine unteilbare Leistung i.S.v. 187 Art. 70 Abs. 2 OR dar. Sind mehrere Personen Mieter ein- und derselben Sache, ist nach dieser Bestimmung ein jeder zur Rückgabe der ganzen Sache verpflich­ tet. Auch ohne dass eine Solidarität unter den Mietern besteht, kann sich der Vermieter daher darauf beschränken, die Rückgabe von einem Mitmieter zu verlangen (von Tuhr/Escher, OR AT II, § 92, S. 326 f.). Allerdings kann in der Regel die Vollstreckung nur gegen die am Ausweisungsverfahren beteiligten Personen verlangt werden (ZR 101 [2002] Nr. 37, S. 129 ff.; ZR 86 [1987] Nr. 64, S. 162; Beschluss des OGer Zürich VB120007 vom 10. Oktober 2012). Das gilt nach SJZ 86, S. 212 und Urteil des Bundesgerichts 4P.133/1999 vom 24. August 1999, in: mp 2000, S. 36, auch mit Bezug auf den Ehegatten bzw. den eingetra­ genen Partner, der im Ausweisungsverfahren nicht Partei war. Eine Ausnahme gilt hingegen dort, wo die materielle Rechtskraft des Ausweisungsentscheids sich auf einen Dritten erstreckt. Das trifft auf den Untermieter zumindest dann zu, wenn der Vermieter sich im Ausweisungsverfahren gemäss Art. 641 ZGB auf sein Eigentum beruft (Lüthi, Einbezug, S. 62 f.). Der Zivilprozess kennt grundsätzlich kein Verfahren gegen unbekannt. Wird 188 der zivilrechtliche Erlass eines Ausweisungsentscheids gegen namentlich nicht bekannte Dritte (z.B. Hausbesetzer) vom Gericht abgelehnt, bleibt nur der Weg einer Strafanzeige gegen unbekannt wegen Hausfriedensbruchs gemäss Art. 186 StGB und eine im Rahmen des damit in Gang gebrachten Strafverfah­ rens angeordnete polizeiliche Räumung. Diese wird allerdings nicht selten an weitere Bedingungen geknüpft. So sieht beispielsweise das Merkblatt der Stadt­ polizei Zürich zu Hausbesetzungen (Stand 26. September 2012) vor, dass nebst eines gültigen Strafantrages eine rechtskräftige Abbruchbewilligung oder eine rechtskräftige Baubewilligung inklusive Baufreigabe mit dem Beleg unverzüg­ licher Aufnahme der Abbruch-/Bauarbeiten bzw. ein Beleg über die rechtmäs­

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

sige Nutzung der Liegenschaft nach deren Räumung (z.B. Vertrag) vorliegen muss (vgl. den entsprechenden Link unter www.stzh.ch). 189

Sinnvollerweise ist jedenfalls ein Ausweisungsbegehren gegen alle bekannten Personen zu richten, die das Mietobjekt belegen und sich weigern, es zu verlas­ sen. Bei Familienwohnungen, d.h. beim Vorliegen tatsächlich gelebter Ehen, wird eine Ausweisung nur vollstreckt, wenn die Ausweisungsklage gegen beide Ehegatten erhoben wurde (Hulliger/Heinrich, CHK, N 4 zu Art. 267/267a OR; Weber, BSK, N 3 zu Art. 267 OR). Es empfiehlt sich daher, unabhängig davon, ob im Falle eines Ehepaares beide Vertragsparteien sind oder nicht, beide ins Recht zu fassen. Der Grund liegt darin, dass ein Urteil grundsätzlich nur zwi­ schen den Parteien verbindlich ist (Staehelin et al., Zivilprozessrecht, §  24, Rz. 15). Eine Vollstreckung erweist sich somit als unmöglich, wenn nicht beide Ehegatten in das Verfahren einbezogen sind und ein Ehegatte sich weigert, das Mietobjekt zu verlassen. Selbst wenn beide Ehegatten Mieter sind, braucht dagegen wie in den anderen Fällen mehrerer Mitmieter nur einer ins Recht gefasst zu werden, wenn der andere sich nicht weigert, das Mietobjekt zu ver­ lassen oder es bereits verlassen hat und eine ihm gegenüber zu befehlende Aus­ weisung damit nicht notwendig ist.

190

Nicht ins Recht zu fassen sind dagegen die unmündigen Kinder von Ehegat­ ten, da diese von Gesetzes wegen die häusliche Gemeinschaft mit den Eltern teilen (Art. 25, 301 ZGB) und daher von einem an die Eltern gerichteten Aus­ weisungsentscheid miterfasst gelten. Das Gleiche gilt für einfache Besitzdiener, wie beispielsweise die Angestellten des Mieters; mit Bezug auf andere Famili­ enmitglieder (abgesehen vom Ehegatten) ist die Frage umstritten, vgl. Urteil des Bundesgerichts 4P.133/1999 vom 24. August 1999, in: mp 2000, S. 38.

191

Weigert sich ein Mieter, trotz beendetem Mietverhältnis dem Vermieter das Mietobjekt zurückzugeben, erlaubt das schweizerische Recht dem Vermieter oder Eigentümer nicht, die Mietsache gewaltsam in Besitz zu nehmen (vgl. Urteil OGer Zürich SB110 376 vom 22.  November 2011 betreffend Sachent­ ziehung nach Art. 141 StGB und Hausfriedensbruch nach Art. 186 StGB). Die Exmission lässt sich also grundsätzlich nicht durch blosses Auswechseln der Schlösser umgehen. Eine Ausnahme davon liegt vor, wenn der Mieter zum Ausdruck gebracht hat, das Mietobjekt definitiv verlassen zu haben, indem er unter Mitnahme von Hab und Gut nach unbekannt verreist ist. Verbietet sich eine solche Annahme, kann die Exmission nur in einem gerichtlichen Verfah­ ren durchgeführt werden (Urteil des Bundesgerichts 5P.122/2004 vom 29. Juni 2004). Vorbehalten bleibt die erlaubte Selbsthilfe bei verbotener Eigenmacht

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

gestützt auf Art. 926 Abs. 2 ZGB (vgl. zu Hausbesetzungen: Urteil des Bundes­ gerichts 1P.624/1989 vom 8. Mai 1991, in: ZBl 92/1991, E. 3, S. 552 ff.).

2.5.2 Ausweisungsbegehren Bei einem Begehren um Ausweisung (Exmission) des Mieters ist die Kombina­ 192 tion von Leistungsurteil (Befehl) und Vollstreckungsanordnung der Regelfall. Das entsprechende Rechtsbegehren lautet üblicherweise wie folgt: Betreffend: Ausweisung (Rechtsschutz in klaren Fällen)

193

Rechtsbegehren: Der Beklagte sei unter Androhung der Zwangsvollstreckung im Unterlassungsfalle zu verpflichten, das Mietobjekt … (genaue Umschrei­ bung) unverzüglich zu räumen und dem Kläger ordnungsgemäss, gerei­ nigt und unter Rückgabe sämtlicher Schlüssel zu übergeben, und es sei das Gemeinde- bzw. Stadtammannamt … (zuständige Vollstreckungsbehörde) anzuweisen, diesen Entscheid auf erstes Verlangen des Klägers zu vollstrecken, unter Kosten- und Entschädigungsfolge (evtl. zuzüglich MWST) zulasten des Beklagten.

2.5.3

Ausweisung im Summarverfahren

Das Begehren um Ausweisung (Exmission) richtet sich an den nach kantona­ 194 lem Recht in der Regel zuständigen Einzelrichter im summarischen Verfahren (gegebenenfalles ein solcher am Handelsgericht; BGE 142 III 515, vgl. N 120). Eine Exmission im Summarverfahren kommt bei klaren tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen sowohl bei einer ordentlichen wie auch einer ausserordentlichen Kündigung infrage (Püntener, Zivilprozessrecht, Rz.  1027, S. 290). Ist gegen eine ordentliche Kündigung kein Kündigungsschutzverfah­ ren angestrengt worden, sodass das Mietende definitiv feststeht, bestehen für ein Ausweisungsverfahren regelmässig keine Probleme hinsichtlich des kla­ ren Sachverhalts oder eines pendenten Schlichtungsverfahrens. Wurde hinge­ gen eine ordentliche Kündigung gemäss Art. 271 f. OR angefochten und/oder gemäss Art. 272 ff. OR eine Erstreckung verlangt, schliesst das entsprechende Kündigungsschutzverfahren vor der Schlichtungsbehörde bzw. anschliessend vor dem Gericht eine klare Sach- und Rechtslage mit Bezug auf die Beendi­ gung des Mietverhältnisses aus. Ein parallel zum Kündigungsschutzverfahren angestrengtes Ausweisungsverfahren im summarischen Verfahren wäre damit aussichtslos. Anders präsentiert sich die Sachlage hingegen bei einer Kündigung wegen Zah­ 195 lungsverzugs (Art. 257d OR), Konkurs des Mieters (Art. 262h OR) oder Miet­ Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

vertragsbeendigung nach abgelaufener Zwischennutzung (Art.  272a Abs.  1 Buchst. d OR). In diesen Fällen ist eine Erstreckung gemäss Art. 272a Abs. 1 Buchst. a, c und d OR ausgeschlossen. Erweist sich eine solche Kündigung klar als gültig, und reicht der Mieter trotzdem bei der Schlichtungsbehörde ein Kündigungsschutzbegehren ein, kann der Vermieter parallel dazu beim Sum­ marrichter gestützt auf Art. 257 ZPO die Ausweisung des Mieters verlangen. Die Rechtshängigkeit des Kündigungsschutzbegehrens steht der Ausweisung wegen der unterschiedlichen Streitgegenstände nicht im Sinne von Art.  64 Abs. 1 Buchst. a ZPO entgegen. Die Zulässigkeit eines parallelen Ausweisungs­ verfahrens ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte von Art. 257 ZPO. Sie ist eine Art Kompensation dafür, dass die früher gemäss aArt.  274g OR mögliche Kompetenzattraktion von Kündigungsanfechtung und Ausweisung beim Ausweisungsrichter mit der neuen ZPO weggefallen ist (BGE 141 III 262, E. 3.2; vgl. auch Bisang Raymond, in: MRA 3/10, S. 111 ff.). 196

Ist gleichzeitig bei der Schlichtungsbehörde ein Kündigungsschutzverfahren und beim Summarrichter gestützt auf Art. 257 ZPO ein Ausweisungsverfah­ ren hängig, ist der in Zürich und Basel-Stadt befolgten Lösung entsprechend das Schlichtungsverfahren bis zur Erledigung des Ausweisungsverfahrens zu sistieren (unten N 327). Wird das Ausweisungsbegehren gutgeheissen, führt dies zur Gegenstandslosigkeit des Schlichtungsverfahrens. Wird hingegen auf das Ausweisungsbegehren mangels Liquidität nicht eingetreten, führt dies zur Fortsetzung des Schlichtungsverfahrens, in dem der Vermieter allenfalls die Ausweisung des Mieters widerklageweise verlangen kann (Püntener, Zivilpro­ zessrecht, Rz. 1036 f., S. 293, Rz. 1031, S. 292 erstes Beispiel).

2.5.4 197

Vollstreckung der Ausweisung

Der Ausweisungsrichter verpflichtet den Mieter unter Androhung von Zwangs­ vollzug, das Mietobjekt zu räumen und dem Vermieter zu übergeben. Wird die­ sem Urteil nach Eintritt der Rechtskraft nicht nachgelebt, steht dem Vermieter das Vollstreckungsverfahren zur Verfügung, um den Entscheid amtlich voll­ ziehen zu lassen (zur Vollstreckung allgemein vgl. unten N 379 ff.). Denkbar ist auch, dass sich die Parteien im Ausweisungsverfahren einigen, indem bei­ spielsweise der Vermieter dem Mieter eine Auszugsfrist einräumt und beide Parteien damit einverstanden sind, dass der Ausweisungsrichter anordnet, dass der Vermieter die Rückgabe des Mietobjekts durch die Vollstreckungsbehörde vollziehen lassen kann, sofern dies auch nach dem vereinbarten Auszugster­ min noch nicht geschehen ist (zum entsprechenden Vergleich im Schlich­ tungsverfahren vgl. oben N 78 ff.).

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Das Bundesgericht erwog in BGE 117 Ia 336 ff., eine kantonale Bestimmung 198 (aArt. 474A Abs. 2 ZPO GE), wonach die Vollstreckung eines Ausweisungsent­ scheids aus humanitären Gründen im Rahmen des Notwendigen aufgescho­ ben werden könne, um dem Mieter zu erlauben, eine neue Wohnung zu finden, verstosse an sich weder gegen die Eigentumsgarantie noch gegen den Grund­ satz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts. Das ist deshalb plausibel, weil das Bundesgericht in diesem Entscheid die erwähnte kantonale Bestim­ mung im Licht des sich schon aus Art. 5 Abs. 2 BV ergebenden Grundsatzes auslegte, dass staatliches Handeln verhältnismässig sein muss. Damit konnte auch offenbleiben, ob eine entsprechende kantonale Bestimmung eine eigen­ ständige Bedeutung hat. Darf die Räumung nach dem Grundsatz der Verhält­ nismässigkeit nicht schonungslos erfolgen und kann sie daher aus humani­ tären Gründen, beispielweise bei schwerer Erkrankung nach rechtskräftigem Abschluss des Exmissionsverfahrens, aufgeschoben werden, so kann auf jeden Fall der Aufschub nur relativ kurz sein und darf faktisch nicht einer erneuten Erstreckung des Mietverhältnisses gleichkommen. Das Bundesgericht hat im Urteil 4A_207/2014 vom 19. Mai 2014 (übersetzt und publiziert in MRA 1/15, S. 54, mit Kommentar von Monika Sommer) festgehalten, die Praxis gemäss BGE 117 Ia 336, E. 2b, habe nach wie vor Gültigkeit. Der Vermieter, der von sich aus längere Zeit mit der Einleitung rechtlicher 199 Schritte zuwartet, hat in beweisbarer Form zum Ausdruck zu bringen, dass dies nicht als Erneuerung des Mietvertrags ausgelegt werden darf. Regelmässig vollstreckt der Ausweisungsrichter den Ausweisungsentscheid 200 nicht selbst, sondern beauftragt damit die nach der kantonalen Prozessord­ nung zuständige Behörde. Dieser Behörde hat der Vermieter den rechtskräfti­ gen Ausweisungsentscheid einzureichen. Ist gegen den Ausweisungsentscheid eine Berufung möglich, der aufschiebende Wirkung hinsichtlich des angefoch­ tenen Entscheids zukommt, ist dieser mit einer Rechtskraftsbescheinigung versehen zu lassen, um für die vollstreckende Behörde eine taugliche Grund­ lage zu bilden. Wird der Ausweisungsentscheid hingegen mit der Ausstellung rechtskräftig, 201 weil der für die Berufung erforderliche Streitwert von 10 000 CHF nicht gege­ ben ist, muss es genügen, wenn der Behörde der Ausweisungsentscheid ein­ gereicht wird. Es obliegt alsdann dem Mieter, der vollstreckenden Behörde darzutun, dass einer von ihm ergriffenen Beschwerde gemäss Art.  319 ZPO durch die Rechtsmittelinstanz die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Da der angefochtene Entscheid ohne solche sogleich vollstreckbar ist, geht es nicht an, die Vollstreckung erst mit dem Ablauf der entsprechenden Rechts­ Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

mittelfrist zuzulassen. Dasselbe gilt für einen kantonalen Rechtsmittelent­ scheid sowie den Entscheid eines Handelsgerichts, die mit einer Beschwerde gemäss Art. 90 BGG an das Bundesgericht gezogen können. Der Ausweisungs­ entscheid ist kein Gestaltungsurteil (wie beispielsweise das Urteil, mit dem eine Erstreckung gewährt wird), sodass der Beschwerde nicht gemäss Art. 103 Abs. 2 Buchst. a BGG von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt. Diese muss ihr erst verliehen werden, was im Ermessen des Instruktionsrich­ ters oder der Instruktionsrichterin liegt (Art. 103 Abs. 3 BGG). Solange dies nicht geschehen ist, bleibt das kantonale Urteil rechtskräftig und vollstreckbar (BGE 142 III 738, E. 5.5.4). 202

Die Vollstreckungsbehörde hat die Exmission wenn nötig unter Anwendung von Zwang und unter Inanspruchnahme der Hilfe der Polizei zu vollziehen. Die aus dem Mietobjekt entfernten Gegenstände sind vorübergehend zu lagern. Die Kosten des Vollzuges, einschliesslich allfälliger Lagerungskosten, sind vom Vermieter vorzuschiessen und ihm alsdann durch den Mieter zu ersetzen. Übli­ cherweise setzen die Vollstreckungsbehörden dem Mieter eine Frist an, um in Magazinen eingelagerte Ware abzuholen unter der Androhung, dass sie sonst versteigert oder entsorgt wird (zu den Kompetenzen der Vollstreckungsbe­ hörde siehe Beschluss des OGer Zürich II. ZK. Nr. 5 Varia/85 vom 20. Dezem­ ber 1985; vgl. ferner z.B. Verordnung über die Räumung von Wohnräumen im Rahmen des Exmissionsverfahrens des Kantons Basel-Stadt vom 20. Dezem­ ber 2011, 215.450).

3.

Allgemeine Bestimmungen

3.1 Zuständigkeit 3.1.1 Vorbemerkung 203

Gemäss Art. 59 Abs. 2 Buchst. b ZPO bildet die sachliche und örtliche Zustän­ digkeit eine Prozessvoraussetzung. Fehlt es an einer solchen, tritt das Gericht gemäss Art. 59 Abs. 1 ZPO auf eine Klage nicht ein. Während umstritten ist, inwieweit eine Schlichtungsbehörde befugt ist, das Vorhandensein von Pro­ zessvoraussetzungen zu überprüfen und auf das Schlichtungsbegehren nicht einzutreten, wenn sie der Meinung ist, es fehle an einer solchen (vgl. oben N 71 ff.), hat das Gericht gemäss Art. 60 ZPO von Amtes wegen abzuklären, ob die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind. Diese müssen jedenfalls zwingend im Zeitpunkt der Urteilsfällung vorliegen (Gehri, BSK N 3 f. zu Art. 59 ZPO).

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Die Aufzählung der Prozessvoraussetzungen in Art. 59 Abs. 2 ZPO ist nicht 204 abschliessend, was das Gesetz mit dem Wort «insbesondere» zum Ausdruck bringt. So werden beispielsweise das Vorliegen einer gültigen Klagebewilligung (BGE 139 II 273, E. 2, oben N 99) sowie die funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht erwähnt, obschon es sich dabei auch um not­ wendige Prozessvoraussetzungen handelt. Gemäss Art. 4 Abs. 1 ZPO regelt das kantonale Recht sowohl die sachliche wie auch die funktionelle Zuständigkeit der Gerichte, soweit das Bundesrecht nichts anderes bestimmt.

3.1.2

Funktionelle Zuständigkeit

Die funktionelle (auch graduelle) Zuständigkeit bestimmt, welches Gerichts­ 205 organ innerhalb des gleichen Prozesses in den verschiedenen Verfahrenssta­ dien zuständig ist. So ist beispielsweise im Kanton Zürich gemäss § 26 GOG ZH der oder die bis zu einem Streitwert von 30 000 CHF als Einzelgericht entscheidende/r Präsident oder Präsidentin des Mietgerichts berechtigt und bei Streitwerten von mindestens 15 000 CHF auf Verlangen einer Partei ver­ pflichtet, die Streitigkeit dem Kollegialgericht zu unterbreiten. Gemäss Art. 124 Abs.  2 ZPO kann gestützt auf eine entsprechende Delegation ein einzelnes Gerichtsmitglied funktionell für die Prozessleitung zuständig sein. Die funk­ tionelle Zuständigkeit bestimmt sodann vor allem das bei Rechtsmitteln für die verschiedenen Instanzen zuständige Gericht (Staehelin et al., Zivilprozess­ recht, § 9, Rz. 21).

3.1.3

Sachliche Zuständigkeit

Die sachliche Zuständigkeit bestimmt sodann, für welche Aufgabenkreise ein 206 Gericht nach der Natur und dem Umfang des eingeklagten Anspruchs und nach der Person der Parteien zur Behandlung eines Falls zuständig ist. Vorbe­ hältlich einer abweichenden Regelung durch die ZPO wird die sachliche wie auch die funktionelle Zuständigkeit gemäss Art. 4 Abs. 1 ZPO durch das kan­ tonale Recht geregelt. Solche Vorbehalte sind in Art. 5 und 6 ZPO enthalten. Gemäss Art. 5 ZPO hat das kantonale Recht zwingend eine einzige kantonale Instanz für die in dieser Bestimmung vorgesehenen Streitigkeiten vorzusehen. Bezeichnet ein Kanton gemäss Art.  6 ZPO ein Handelsgericht, was in den Kantonen Zürich, Bern, Aargau und St. Gallen geschehen ist, sind Streitigkei­ ten, die sich gemäss Art.  6 Abs.  2 ZPO als handelsrechtlich erweisen, zwin­ gend vom Handelsgericht zu beurteilen, sofern nicht ein Fall vorliegt, für wel­ chen gemäss Art. 243 Abs. 1 und 2 ZPO das vereinfachte Verfahren gilt, weil dieses gemäss Art. 243 Abs. 3 ZPO für das Handelsgericht nach Art. 6 ZPO

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

keine Anwendung findet (Staehelin et al., Zivilprozessrecht, § 9, Rz. 3; vgl. oben N 118 ff.). Anderseits gibt es auch vor dem Handelsgericht summarische Ver­ fahren (oben N 194). 207

Um als handelsrechtlich zu gelten, muss gemäss Art. 6 Abs. 2 Buchst. b ZPO gegen den Entscheid die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht offenstehen. In arbeits- und mietrechtlichen Streitigkeiten muss somit gemäss Art.  74 Abs.  1 BGG bei Einreichung der Klage der Streitwert von mindes­ tens 15 000 CHF gegeben sein. Wird dieser erreicht, und sind auch die übri­ gen Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 2 ZPO erfüllt, ist in den Kantonen, die ein Handelsgericht kennen, zwingend dieses zuständig. Dies sofern nicht das vereinfachte Verfahren gemäss Art. 243 Abs. 1 oder 2 ZPO zur Anwendung gelangt, selbst wenn es sich (auch) um eine mietrechtliche Angelegenheit han­ delt. Dem Kanton steht es nicht zu, dafür ein anderes Gericht als das Handels­ gericht für sachlich zuständig zu erklären (BGE 140 III 155, E. 4.3). Das gilt in gleicher Weise für das summarische Verfahren. Für die Ausweisung im Sum­ marverfahren, die ein Mietverhältnis betrifft, das sich auch als handelsrecht­ lich erweist, ist daher bei einem Streitwert ab 15 000 CHF das Handelsgericht (dort in der Regel ein Einzelrichter) sachlich zuständig. Die Bestimmung von §  44 Buchst.  b GOG ZH, wonach das Handelsgericht Zürich in solchen Fäl­ len erst ab einem Streitwert von 30 000 CHF entscheidet, ist bundesrechtswid­ rig und daher diesbezüglich unbeachtlich (Urteil des Handelsgerichts Zürich HE160149 vom 29. Juni 2016, E. 3.2).

208

Für das Schlichtungsverfahren (das bei handelsgerichtlicher Zuständigkeit gemäss Art. 198 Buchst. f ZPO entfällt) besagt Art. 200 Abs. 1 ZPO, bei Strei­ tigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen bestehe die Schlichtungsbehörde aus einer vorsitzenden Person und einer paritätischen Vertretung.

209

Für das erstinstanzliche Gerichtsverfahren steht es indessen den Kantonen gemäss Art.  4 Abs.  1 ZPO frei, sog. Fachgerichte, insbesondere Miet- und Arbeitsgerichte vorzusehen, die an die Stelle der ordentlichen Gerichte tre­ ten. Folgende Kantone haben ein oder mehrere, durchwegs paritätisch zusam­ mengesetzte Mietgerichte geschaffen (Püntener, Zivilprozessrecht, Anhang 3, S. 365 ff.): Freiburg (drei Mietgerichte), Genf (ein Mietgericht für den gesam­ ten Kanton, das «Tribunal des baux et loyers»), Jura (ein Mietgericht, das «Tri­ bunal des baux à loyer et à ferme»), Waadt (ein Mietgericht, das «Tribunal des baux» für den ganzen Kanton; mit Ausnahme der Streitigkeiten im Zusam­ menhang mit Geschäftsraummieten sind im Kanton Waadt alle Verfahren vor

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

dem Mietgericht kostenlos) und Zürich (je ein paritätisch zusammengesetztes Mietgericht pro Bezirk, das dem Bezirksgericht angegliedert ist). Im Kanton Zürich sieht § 21 Abs. 1 GOG ZH entsprechend der Regelung von 210 Art.  200 Abs.  1 ZPO für die Schlichtungsbehörde vor, das Mietgericht ent­ scheide erstinstanzlich Streitigkeiten (a) aus Miet- (Art.  253a OR) und aus Pachtverhältnissen (Art.  276 OR) für Wohn- und Geschäftsräume sowie (b) aus landwirtschaftlicher Pacht gemäss Art. 17 Abs. 2, 26 und 28 des Bundes­ gesetzes vom 4. Oktober 1985 über die landwirtschaftliche Pacht. Es fällt auf, dass im Unterschied zu Art. 33 ZPO, der die örtliche Zuständigkeit regelt und für Klagen aus Miete und Pacht «unbeweglicher Sachen» das Gericht am Ort der gelegenen Sache für zuständig erklärt, sowohl in Art. 200 Abs. 1 ZPO wie auch in § 21 Abs. 1 Buchst. a GOG ZH von «Wohn- und Geschäftsräumen» die Rede ist. Nach überwiegender Lehre und Rechtsprechung entspricht dieser Begriff demjenigen gemäss Art. 253a OR. Massgebend ist der von den Parteien vertraglich vereinbarte Gebrauchszweck des Raums als Wohn- oder Geschäfts­ raum. Unmassgeblich ist hingegen, wie der Mieter die Sache abweichend vom Vereinbarten tatsächlich braucht. Die Beurteilung von Mietstreitigkeiten hin­ sichtlich unbeweglicher Sachen, die keinen Wohn- oder Geschäftsraum bil­ den, wie beispielsweise Lager- oder Parkplätze sowie Garagen, die dem Mieter nicht zusammen mit Wohn- oder Geschäftsräumen zum Gebrauch überlassen werden, fällt also nicht in den Zuständigkeitsbereich der paritätischen Schlich­ tungsbehörde sowie der zürcherischen Mietgerichte (ZR 116 [2017] Nr.  54, S. 179 ff.; ZR 95 [1996] Nr. 47, S. 142, E. b; Hauser/Schweri/Lieber, GOG-Kom­ mentar, N 38 zu § 21 GOG ZH mit Bezug auf das Mietgericht; Infanger, BSK, N  2b–2e zu Art.  200 ZPO; Egli, DIKE-Komm., N  4 zu Art.  200 ZPO; HAPImmobiliarmietrecht/Schneider, Rz.  11.46 und 11.47; a.M. Püntener, Zivil­ prozessrecht, Rz.  195  f., S.  60  f.; Honegger, ZK, N  4 zu Art.  200 ZPO; Hau­ ser/Schweri/Lieber, GOG-Kommentar, N 1 zu § 66 GOG mit Bezug auf die Schlichtungsbehörde). Solche Prozesse sind mithin der gewöhnlichen Schlich­ tungsbehörde (Friedensrichter) und dem ordentlichen Gericht zu unterbreiten (§52 Buchst. a und §§ 53 ff. bzw. §19 und § 24 Buchst. a GOG ZH). Gewisse Kantone haben die sachliche Zuständigkeit der Schlichtungsbehör- 211 den weiter gefasst, zum Beispiel der Kanton Luzern auf die ganze Immobiliar­ miete (§ 43 Abs. 1 i.V.m. § 47 GOG LU) oder der Kanton Baselland auf Streitig­ keiten aus Miete unbeweglicher Sachen (§ 2 Buchst. d EG ZPO BL). Um die Zersplitterung der sachlichen Zuständigkeit auf Stufe Schlichtungs­ 212 behörde zu vermeiden, legt ein Teil der Lehre Art. 200 ZPO im Interesse einer kohärenten Praxis extensiv aus und erweitert dessen Anwendungsbereich auf Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

die Miete sämtlicher unbeweglicher Sachen (Honegger, ZK, N 4 zu Art. 200 ZPO). Diese Auslegung ist vorbehältlich der Situation gemäss N  196 abzu­ lehnen. Sie geht über den Wortlaut von Art. 200 ZPO hinaus. Kommt hinzu, dass sich zum Beispiel die Zuständigkeit des Mietgerichts im Kanton Zürich auf die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen beschränkt (vgl. § 21 Abs. 1 Buchst. a GOG ZH bzw. § 26 GOG ZH). Soweit bekannt, erachtet sich etwa die Schlichtungsbehörde Zürich nur bei Wohn- und Geschäftsräumen für sach­ lich zuständig. 213

Der Begriff der «Miete unbeweglicher Sachen» entstammt dem mit der Schaf­ fung der ZPO aufgehobenen aArt. 274a OR, der für Streitigkeiten in diesem Zusammenhang eine paritätische Schlichtungsbehörde vorsah, wie sie heute bei Streitigkeiten bei Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen in Art. 200 Abs. 1 ZPO vorgesehen ist. Mit Ausnahme von Zürich ist in allen Kan­ tonen, die ein Mietgericht kennen, dessen sachliche Zuständigkeit ausgedehnt auf die Streitigkeiten aus der Miete einer unbeweglichen Sache, umfassend also auch Flächen und Räume, die nicht Wohn- oder Geschäftsraum bilden (Genf: Art. 89 Abs. 1 Buchst. a loi sur l’organisation judiciaire; Jura: Art. 2 loi insti­ tuant le Tribunal des baux à loyer et à ferme; Freiburg: Art. 56 Abs. 1 Justizge­ setz; Waadt: Art. 1 Abs. 1 loi sur la juridiction en matière de bail). Gestützt auf diese ausdrücklichen Regelungen spricht nichts dagegen, in diesen Kantonen die sachliche Zuständigkeit der paritätischen Schlichtungsstellen über die vom Bundesrecht in Art. 200 Abs. 1 ZPO vorgesehene Zuständigkeit für Streitigkei­ ten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen hinaus im Sinne eines Gleichlaufs auf die Miete unbeweglicher Sachen auszudehnen. Würde eine extensive Auslegung von Art.  200 Abs.  1 ZPO, wonach diese Bestim­ mung generell Streitigkeiten aus Miete unbeweglicher Sachen umfasst, auch bei diesen Konstellationen verworfen, könnte jedenfalls ein Kanton seine pari­ tätischen Schlichtungsstellen gemäss Art. 3 ZPO ohne Weiteres auch für sol­ che Fälle als sachlich zuständig erklären. Ausser Betracht fallen hingegen die sachliche Zuständigkeit der Schlichtungsbehörde wie auch des Mietgerichts, wenn eine mietrechtliche Streitigkeit gleichzeitig eine handelsrechtliche ist und nicht ein dem vereinfachten Verfahren zugewiesener Streit im Kernbe­ reich des sozialen Mietrechts zur Debatte steht, sodass in den Kantonen, die ein Handelsgericht kennen, zwingend dieses, ohne Schlichtungsverfahren anzuru­ fende Gericht zuständig ist (oben N 21 ff., 118 ff.).

214

Die Schlichtungsbehörde behandelt Gesuche um Hinterlegung von Mietzinsen gestützt auf Art. 259g OR (z.B. § 66 Abs. 2 GOG ZH). Als Hinterlegungs­ stelle wird dort die Kasse des Bezirksgerichts bezeichnet. Die Schlichtungsbe­

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

hörde Zürich beispielsweise teilt nach Eingang des Hinterlegungsgesuchs eine Hinterlegungsnummer zu – eine Art provisorische Verfahrensnummer. Diese ermöglicht der Schlichtungsbehörde, den Parteien Auskunft über den Betrag und das Eingangsdatum der hinterlegten, sich bei der Kasse des Bezirksge­ richts befindlichen Mietzinse zu erteilen. Das Bundesgericht hat im Übrigen bereits zu aArt. 274a OR festgehalten, das 215 Gesetz begründe die Verfahrensordnung nicht aus dem Vertragsverhältnis, sondern aus dem mietrechtlichen Tatbestand als solchem. Es erklärte daher auch für eine Klage des Hauptvermieters gegen den Untermieter die Schlich­ tungsbehörde und das Gericht am Ort der gelegenen Sache für zuständig (BGE 120 II 112, E. 3c). Das Bundesgericht hat diese Rechtsprechung aber dahinge­ hend präzisiert, dass die Zuständigkeit des Richters am Ort der Sache (und damit der dortigen Schlichtungsbehörde) auf Rechtsbeziehungen beschränkt ist, die schwergewichtig mietrechtlicher Natur sind. Die Grundlage des Streits muss in einer mietrechtlichen oder jedenfalls mietrechtsähnlichen Beziehung der Parteien liegen (Urteil des Bundesgerichts 4C.274/1999 vom 17. Novem­ ber 1999, E. 3). Ist die sachliche Zuständigkeit der paritätischen Schlichtungs­ behörde gegeben, trifft dies auch für diejenige des Mietgerichts zu. Es kann daher auf die entsprechenden Ausführungen zum Schlichtungsverfahren ver­ wiesen werden (oben N 210 ff.). Ein die Zuständigkeit der Schlichtungsbehörde begründender «mietrechtlicher 216 Tatbestand» liegt vor, wenn es um Streitigkeiten aus dem (behaupteten) Bestand, Nichtbestand oder «Nichtmehrbestand» (Auflösung, Dahinfallen etc.) eines Mietvertrages geht (Tschudi, Zuständigkeit, S.  45  ff.). Ergibt sich aber, dass kein Mietvertrag vorliegt, weil beispielsweise der Mietzins nicht hinreichend bestimmt wurde (BGE 119 II 347) oder ein Innominatkontrakt ohne mietver­ traglichen Schwerpunkt anzunehmen ist (CdB 1997, S. 13 betreffend Tankstel­ lenvertrag), muss der behauptete mietrechtliche Anspruch bei ausgebliebener Einigung im Schlichtungsverfahren durch das angerufene Gericht abgewiesen werden. Auf einen nicht mietrechtlichen Anspruch darf ein Gericht, dessen Spruchkompetenz sich auf Mietfälle beschränkt (Mietgericht), nicht eintreten, selbst wenn der Anspruch als begründet erscheint. Anders ist es, wenn eine nicht mietrechtliche Forderung gegenüber einer mietrechtlichen zur Verrech­ nung herangezogen wird (unten N 325). Nach den erwähnten Grundsätzen umfasst die sachliche Zuständigkeit der 217 Schlichtungsbehörde:

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–– Forderungs-, Feststellungs- und Gestaltungsklagen aus dem Mietverhält­ nis; –– Ansprüche aus Innominatverträgen, deren Regelungsschwerpunkte in einer entgeltlichen Gebrauchsüberlassung liegen (Immobilienleasing, vgl. Müller Jürg P., in: MRA 3/06, S. 122); –– mietvertragsähnliche Ansprüche wie beispielsweise den Schadenersatz im Umfang des früheren Mietzinses bei Weiternutzung des Mietobjektes trotz beendeten Mietverhältnisses; –– Klagen des Hauptvermieters gegen den Untermieter, die sich aus der Benützung der Mietsache ergeben (kritisiert wird dieser «Auslegungs­ grundsatz der Praktikabilität» von Higi, ZK, N 52–58 zu aArt. 274 OR, N 8 zu aArt. 274b OR); –– Ansprüche, die sich gleichzeitig aus dem Mietvertrag und den allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts ergeben; –– Widerklagen, sofern diese ebenfalls einen mietrechtlichen Tatbestand betreffen (vgl. unten N 317); –– nichtmietrechtliche Streitigkeiten, wenn sie mit der Benutzung der Mietsa­ che in Zusammenhang stehen, wie z.B. bei Streitigkeiten über eine Konventionalstrafe für die Nichterfüllung eines Mietvertrages und für die Rück­ zahlung einer Anzahlung für den Kauf des Inventars eines Restaurants (mp 2000, S. 142). 218

Unter Berücksichtigung der präzisierten Rechtsprechung des Bundesgerichts wäre auch die Klage gegen den Bürgen auf Erfüllung einer offenen Schuld aus einem Mietverhältnis bei der Schlichtungsbehörde einzuleiten, setzt doch die akzessorische Bürgschaft den Bestand der verbürgten Schuld voraus. Demge­ genüber handelt es sich beim Garantievertrag (Art. 111 OR) um ein selbstän­ diges, von der versprochenen Leistung des Dritten (z.B. Mieter oder Vermieter) an sich unabhängiges Leistungsversprechen, sodass für die Klage gegen den Garanten die Schlichtungsbehörde sachlich nicht zuständig sein kann.

219

Ausserhalb eines mietrechtlichen Tatbestandes im Sinne der geschilderten Rechtsprechung liegt der Anspruch des Vermieters, den dieser gestützt auf Art. 60 VVG gegen die Haftpflichtversicherung des Mieters geltend macht. Gemäss dieser Bestimmung besitzt der geschädigte Dritte im Umfang seiner Schadenersatzforderung ein Pfandrecht am Ersatzanspruch, der dem Versiche­ rungsnehmer aus der Versicherung gegen die Folgen gesetzlicher Haftpflicht

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

zusteht. Anspruchsgrundlage ist ein Versicherungsvertragsverhältnis zwischen dem Mieter und der Versicherung und damit nicht das Mietverhältnis und auch nicht ein mietähnliches Verhältnis. Daran ändert nichts, dass die den Ver­ sicherungsanspruch auslösende Haftpflicht aus der Miete abgeleitet wird. Dies bedeutet bloss, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Miete und dem Deckungsanspruch besteht. Gleichwohl ist der Klagegrund nicht ein Schaden­ ersatzanspruch aus Miete, sondern ein Deckungsanspruch aus Versicherungs­ vertrag, für den die mietrechtlichen Instanzen ausser Betracht fallen (Urteil des Bundesgerichts 5C.181/2003 vom 4. November 2003). Ausserhalb eines mietrechtlichen Tatbestandes steht nach der Praxis des Miet­ 220 gerichts Zürich auch eine Klage, mit der die Herausgabe des Anteilscheinkapitals des Mieters einer Genossenschaftswohnung erwirkt werden will, wes­ halb es dafür seine sachliche Zuständigkeit verneint hat (MRA 5/95, S. 207). Folgt man dieser Praxis, fehlt bereits der Schlichtungsbehörde die sachli­ che Zuständigkeit zur Behandlung solcher Klagen. Richtet sich die sachliche Zuständigkeit nicht wie sonst üblich nach der Rechtsnatur des eingeklagten Anspruches und dem gestellten Antrag, wird der zitierte Entscheid mit der zutreffenden Begründung kritisiert, dass die Rückgabe des Anteilscheinkapi­ tals sehr wohl im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung im Rahmen der Auflösung eines Mietverhältnisses steht, sodass entsprechend der Ausei­ nandersetzung zwischen Hauptvermieter und Untermieter dafür die miet­ rechtlichen Instanzen sachlich zuständig sein sollten (Dell’Olivo Giuseppe, in: MRA 5/95, S. 211). Ausserhalb eines mietrechtlichen Tatbestandes liegt hingegen ohne Weiteres eine sog. paulianische Anfechtungsklage gemäss Art. 285 SchKG vor, mit der nicht gegen den Vertragspartner im Mietverhältnis, sondern gemäss Art. 290 SchKG gegen den von diesem Begünstigten vorgegangen wird. Es handelt sich nicht um eine mietrechtliche Streitigkeit, sondern streitig ist hier das mit dem Begünstigten abgeschlossene, anfechtbare Geschäft, sodass die mietrechtlichen Instanzen nicht zuständig sind.

221

Ausserhalb des mietrechtlichen Tatbestandes liegen sodann Streitigkeiten zwi­ 222 schen mehreren Mietern oder Vermietern einer gemeinsamen Miete unter­ einander, auch wenn es indirekt um ein Mietverhältnis geht. So hat der Ehe­ gatte, dem die zur Kündigung der Familienwohnung gemäss Art. 266m Abs. 1 OR notwendige Zustimmung durch den Partner ohne triftigen Grund verwei­ gert wird, oder der die Zustimmung nicht einholen kann, sich nicht an die Schlichtungsbehörde zu wenden. Besteht ein gemeinsamer Mietvertrag, ohne dass die mehreren, auf einer Vertragsseite daran Beteiligten verheiratet sind, Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

richtet sich das interne Verhältnis zwischen den mehreren Vermietern oder Mietern nach den Regeln der entsprechenden Gemeinschaft. Mietet ein Kon­ kubinatspaar gemeinsam eine Wohnung, bilden sie regelmässig eine einfache Gesellschaft (Pra 1996, Nr. 240, S. 939). Streitigkeiten unter mehreren Mietern oder Vermietern sind daher keine mietrechtlichen Streitigkeiten (Weber, Miet­ vertrag, S. 217), sodass die Zuständigkeit der Schlichtungsbehörde für solche Streitigkeiten (z.B. Regressansprüche) nicht gegeben ist. 223

Verneint wurde der besondere Gerichtsstand der gelegenen Sache bei einer Streitigkeit zwischen dem Hauswart und dem Mieter aus ungerechtfertigter Bereicherung, wenn jener behauptet, die Reinigungspflichten des Mieters bei der Rückgabe der Mietsache für diesen erfüllt zu haben (Urteil des Bundesge­ richts 4C.274/1999 vom 17. November 1999, E. 3).

224

Kein abweichender Rechtsweg besteht für die Beurteilung der Höhe des Miet­ zinses hinsichtlich luxuriöser Wohnungen und luxuriöser Einfamilienhäuser, obschon deren Mietzinse gemäss Art. 253b Abs. 2 OR gar nicht angefoch­ ten werden können. Der Unterschied liegt darin begründet, dass das Gesetz hier nicht – auch nicht sinngemäss – auf ein anderes Verfahren verweist. Die Schlichtungsbehörde ist daher für die Anfechtung einer Mietzinserhöhung sachlich zuständig, obschon nach der erwähnten Gesetzesbestimmung die Bestimmungen über den Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen nicht gelten. Es ist auf Art. 2 Abs. 1 VMWG zu verweisen. Das ist schon deshalb sinnvoll, weil oft strittig und damit zu beurteilen ist, ob überhaupt eine luxuriöse Woh­ nung vorliegt. Wird dies bejaht, kann jedoch eine materielle Überprüfung des Mietzinses so wenig erfolgen wie bei einer für weniger als drei Monate gemie­ teten Ferienwohnung. Die Schlichtungsbehörde hat die Klagebewilligung zu erteilen, damit die am Begehren festhaltende Partei den luxuriösen Charakter des Mietobjektes durch das Gericht beurteilen lassen kann. Wird der luxuri­ öse Charakter verneint, ohne dass sich die Parteien über die strittige Frage des Mietzinses einigen können, kann die Schlichtungsbehörde diesbezüglich einen Urteilsvorschlag (Art. 210 Abs. 1 Buchst. b ZPO) unterbreiten.

225

Gemäss Art.  301 OR richtet sich das Verfahren bei Streitigkeiten aus dem Pachtverhältnis nach der ZPO. Aufgrund des generellen Verweises sind ins­ besondere die besonderen Bestimmungen von Art. 33 und 35 ZPO (örtliche Zuständigkeit), Art. 200 Abs. 1, 201, 202 ff., 209 Abs. 4, 210 Abs. 1 Buchst. b ZPO (paritätische Schlichtungsbehörde und deren Verfahren), Art. 243 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. c ZPO (vereinfachtes Verfahren), Art. 113 Abs. 2 Buchst. c und Art. 115 ZPO (Kostenregelung) etc. anwendbar (siehe Kessler, CHK, N 1 zu Art. 301 OR). Analog zur Mietrechtspraxis ist der Begriff der Streitigkeit aus 1210

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

dem Pachtverhältnis weit auszulegen (oben N 216 ff.). Für Pachtverträge über landwirtschaftliche Gewerbe oder über Grundstücke zur landwirtschaftlichen Nutzung gilt das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1985 über die landwirtschaftliche Pacht, soweit es besondere Regelungen enthält (Art. 276a Abs. 1 OR). Im Übrigen gilt das Obligationenrecht mit Ausnahme der Bestimmungen über die Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (Art. 276a Abs. 2 OR). Die paritätische Schlichtungsbehörde ist also für Streitigkeiten aus einem landwirtschaft­ lichen Pachtverhältnis nicht zuständig (siehe z.B. § 66 Abs. 1 GOG ZH: «Die paritätische Schlichtungsbehörde ist zuständig für Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen»), was Art. 200 Abs. 1 ZPO entspricht. Die Zuständigkeit liegt also beim Friedensrichter, der gemäss §§ 52 Buchst. a und 57 GOG ZH, die Schlichtungsbehörde für die übrigen Fälle ist. Für das anschliessende Gerichtsverfahren liegt die sachliche Zuständigkeit gemäss § 21 Abs. 1 Buchst. b GOG ZH aber beim Mietgericht, oben N 210. Die sachliche Zuständigkeit der Schlichtungsbehörde hängt nicht davon ab, ob 226 das streitige Rechtsverhältnis von den Parteien als Miet- oder Pachtverhält­ nis bezeichnet wird. Auch Streitigkeiten über anders benannte Verträge über Wohn- und Geschäftsräume fallen in die Zuständigkeit der Schlichtungsbe­ hörde, wenn eine wesentliche Leistung in der entgeltlichen Gebrauchsüberlas­ sung der Sache besteht, wie es für das Immobilienleasing zutrifft (Higi, ZK, N 188 ff. der Vorbem. zu aArt. 253–274g OR; Müller, Jürg P., in: MRA 3/06, S.  122). Als schwierig kann sich die Rechtsanwendung bei gemischten Verträgen erweisen, die sich aus Tatbestandselementen verschiedener Vertragsty­ pen (z.B. Hauswartvertrag: Miete und Arbeit) zusammensetzen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_102/2013 vom 17.  Oktober 2013). Hier ist die sachliche Zuständigkeit der Schlichtungsbehörde als gegeben zu betrachten, wenn ein Anspruch mietrechtlicher Natur eingeklagt wird, selbst wenn dieser sich als nicht gegeben erweisen sollte, weil die Schlichtungsbehörde darüber ohnehin nicht verbindlich entscheiden kann (CdB 1997, S. 13 betr. Tankstellenvertrag; massgebend ist also das sog. Klagefundament, d.h. die Sachverhaltsdarstellung des Klägers). Gleich ist zu entscheiden bei Verträgen eigener Art mit miet­ rechtlichem Einschlag, beispielsweise beim Automatenaufstellungsvertrag (vgl. dazu Higi, ZK, N 198 der Vorbem. zu aArt. 253–274g OR).

3.1.4

Örtliche Zuständigkeit

Die örtliche Zuständigkeit bestimmt den räumlichen Wirkungskreis von 227 Schlichtungsbehörden und Gerichten. Sie wird in der ZPO abschliessend gere­ gelt. Eine Kompetenzdelegation zugunsten der Kantone besteht nicht. Art. 33

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1211

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

ZPO besagt: «Für Klagen aus Miete und Pacht unbeweglicher Sachen ist das Gericht am Ort der gelegenen Sache zuständig.» Die Zuständigkeit am Ort der gelegenen Sache gilt auch für die Schlichtungsbehörde, obwohl im Gesetz nur «das Gericht» erwähnt wird (Kaiser Job, BSK, N 12 zu Art. 33 ZPO). 228

Die Miete beweglicher Sachen ist von Art. 33 ZPO nicht erfasst. Es handelt sich dabei um Objekte, die in keiner oder nur loser Verbindung zum Boden stehen und deren räumliche Lage ohne Substanzverlust beliebig geändert wer­ den kann. Dies gilt auch, wenn die bewegliche Sache dem Mieter vereinba­ rungsgemäss als Wohn- oder Geschäftsraum dient (Feller/Bloch, ZK, N 13 f. zu Art. 33 ZPO), zum Beispiel bei mobilen Verkaufsständen, Hausbooten oder Schiffen, die zu kommerziellen Zwecken vermietet werden.

229

Der Anwendungsbereich von Art.  33 ZPO bezieht sich auf Grundstücke im Sinne der sachenrechtlichen Bestimmung von Art.  655 Abs.  2 Ziff.  1 und 4 ZGB, also Liegenschaften und Miteigentumsanteile (Higi, N 3 zu Vorbem. zu aArt. 253–274g OR). Von der Miete einer unbeweglichen Sache werden auch deren Bestandteile (Art. 642 ZGB) und deren Zugehör (Art. 644 ZGB) erfasst (Feller/Bloch, ZK, N 12 zu Art. 33 ZPO). Zu den unbeweglichen Sachen gehö­ ren zum Beispiel Bodenflächen, Häuser, Wohnungen, Zimmer, Bootsanlege­ stellen, Gärten, Keller, Bastelräume, Park- und Lagerplätze (N 18 f. der Vorbem. zu Art. Art. 253–273c OR; Feller/Bloch, ZK, N 11 zu Art. 33 ZPO mit weiteren Beispielen). Die örtliche Zuständigkeit nach Art. 33 ZPO, geht zum Teil weiter als die sachliche Zuständigkeit der Schlichtungsbehörde, je nach Regelung der Kantone in ihrer Anschlussgesetzgebung zur ZPO (oben N 210 ff.).

230

Die Geltung des Gerichtsstands von Art.  33 ZPO für Klagen aus «Miete und Pacht unbeweglicher Sachen» bedeutet, dass die Definition der «Miete von Wohn- und Geschäftsräumen» gemäss Art. 253a OR für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nicht massgebend ist. Der Gerichtsstand gilt also auch für die Miete blosser Flächen oder von Räumen, die weder Wohn- noch Geschäftsraum bilden. Nach richtiger Auffassung gilt er daher auch für Ferienwohnungen gemäss Art. 253a Abs. 2 OR, die für höchstens drei Monate gemie­ tet werden sowie für luxuriöse Wohnungen und Einfamilienhäuser gemäss Art. 253b Abs. 2 OR (Feller/Bloch, ZK, N 19, 20 zu Art. 33 ZPO; Kaiser Job, BSK, N 4 zu Art. 33 ZPO; Higi, DIKE-Komm., N 11 zu Art. 33 ZPO; Pünte­ ner, Zivilprozessrecht, Rz. 177, S. 55). Nach abzulehnender Auffassung eines Teils der Lehre unterstehen Streitigkeiten betreffend Ferienwohnungen, die für höchstens drei Monate gemietet werden, dem Konsumentengerichtsstand von Art.  32 ZPO oder subsidiär dem allgemeinen (Vertrags-)Gerichtsstand (vgl. Hinweise bei Kaiser Job, BSK, N 4 zu Art. 33 ZPO). 1212

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Der örtliche Gerichtsstand von Art.  33 ZPO bezieht sich auf Streitigkeiten 231 aus Miete und Pacht im weit verstandenen Sinne von BGE 120 II 112, E. 3c; Urteil des Bundesgerichts 4C.274/1999 vom 17.  November 1999, E.  3 bzw. 5C.181/2003 vom 4. November 2003, E. 2.2 und 2.3 (oben N 216 ff.). Darunter fallen nicht nur wie erwähnt Ferienwohnungen, die für höchstens drei Monate gemietet werden oder die Miete von luxuriösen Wohnungen und Einfamilien­ häusern, sondern auch Time-Sharing-Verträge oder gemischte Verträge, die ihren Regelungsschwerpunkt im Miet- oder Pachtrecht haben (Feller/Bloch, ZK, N 18-20 zu Art. 33 ZPO; Kaiser Job, BSK, N 9 zu Art. 33 ZPO; Higi, DIKEKomm., N 11 zu Art. 33 ZPO; Bisang Raymond, in: mp 2010, S. 242 ff.; Pünte­ ner, Zivilprozessrecht, Rz. 199–202, S. 62 ff.). Der Mieter von Wohn- oder Geschäftsraum kann gemäss Art.  35 Abs.  1 232 Buchst. b ZPO nicht zum Voraus, d.h. bevor die Streitigkeit entstanden ist, oder durch Einlassung auf den Gerichtsstand am Ort der gelegenen Sache gemäss Art.  33 ZPO verzichten. Vorbehalten bleibt gemäss Art.  35 Abs.  2 ZPO der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Entstehung der Streitigkeit. Es handelt sich also um einen ausschliesslichen, teilzwingenden Gerichtsstand, der den allgemeinen Gerichtsständen von Art. 10–12 ZPO und anderen besonderen Gerichtsständen vorgeht. Die Streitigkeit ist dann als entstanden zu betrachten, wenn es zwischen den 233 Parteien zum ersten Mal zu einer konkreten Meinungsverschiedenheit bezüg­ lich des späteren Streitgegenstandes kommt, was sich beispielsweise in einer Reklamation oder einem Briefwechsel manifestieren kann. Es ist nicht erfor­ derlich, dass ein gerichtliches Verfahren unmittelbar bevorsteht. Eine vor der Entstehung der Streitigkeit abgeschlossene Gerichtsstandsvereinbarung (mit der vom Gerichtsstand am Ort der gelegenen Sache abgewichen wird) ist für den Mieter oder Pächter von Wohn- oder Geschäftsraum einseitig unverbindlich. Darauf hat das angegangene Gericht von Amtes wegen hinzuweisen. Will sich indessen der Mieter oder Pächter an den vereinbarten Gerichtsstand (Prorogation) halten, ist auch der Vermieter oder Verpächter daran gebunden. Dasselbe gilt für die Einlassung (Art. 18 ZPO). Hält der Mieter oder Pächter nach erfolgter Aufklärung am Gerichtsstand fest, auf welchen er sich einge­ lassen hat (bewusste Einlassung), ist dies als zulässig und nicht als Verletzung von Art. 35 ZPO zu betrachten (Sutter-Somm/Hedinger, ZK ZPO, N 28 f. zu Art. 35; Kaiser Job, BSK, N 16–20 zu Art. 35 ZPO; Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 190, S. 59; a.M. Füllemann, DIKE-Komm., N 8 zu Art. 35 ZPO, wonach Art. 18 ZPO die Unterscheidung zwischen bewusster und unbewusster Einlas­ sung fremd ist, sodass nach Entstehung der Streitigkeit nur der Weg über eine

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1213

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

gemäss Art.  17 Abs.  2 ZPO schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, abzuschliessende Gerichtsstandvereinbarung offen ist). Sieht eine Mietvertragsklausel explizit den Lageort der Sache als Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus dem Vertrag vor, so gilt dies auch für eine Aberkennungsklage, und zwar im Sinne eines ausschliesslichen Gerichts­ stands. Dass die Klausel aus den AGB hervorgeht (wie z.B. Ziffer 22 der All­ gemeinen Bedingungen zum Mietvertrag für Wohnräume, HEV/SVIT/VZI, Ausgabe 2013), auf die der Mietvertrag verweist, ändert daran nichts, denn für eine gültige Gerichtsstandsklausel genügt nach geltendem Recht wie erwähnt schon der Nachweis durch Text (ZMP 2017, Nr. 3, E. 3.4). 234

Der Abschluss einer Gerichtsstandvereinbarung nach Entstehung der Streitigkeit (Art.  35 Abs.  2 ZPO) ist nach dem Gesagten zulässig; ebenso eine Einlassung (Art. 18 ZPO) durch die vermietende beklagte Partei. Sind keine Wohn- oder Geschäftsräume betroffen, kann auch die mietende Partei auf den gesetzlichen Gerichtsstand am Ort der gelegenen Sache im Voraus verzich­ ten oder sich einlassen. Die Beteiligung der beklagten Partei am Schlichtungs­ verfahren und deren Stellungnahme im Rahmen der Schlichtungsverhandlung begründet keine Einlassung auf ein örtlich unzuständiges Gericht (umstritten, vgl. Honegger, ZK, N 20 zu Art. 202 ZPO).

235

Die Möglichkeit, im Voraus eine Schiedsabrede zu treffen, wird durch vor­ stehende Ausführungen nicht eingeschränkt. In Angelegenheiten aus Miete von Wohnräumen können die Parteien nach Art. 361 Abs. 4 ZPO jedoch (ein­ zig) die Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht einsetzen. Es handelt sich um eine der aufgehobenen Bestimmung von aArt.  274c OR (i.V.m. aArt.  274a Abs. 1 Buchst. e OR) entsprechende Regelung. Da der Wortlaut von Art. 361 Abs. 4 ZPO nur die Wohnraummiete erfasst, besteht keine Beschränkung der Schiedsfähigkeit bei allen übrigen Mietverhältnissen, zum Beispiel betreffend Geschäftsräume (vgl. etwa die Musterklausel zur SVIT-Schiedsgerichtsord­ nung, Anhang 1, S. 69, in: Burkhalter Peter/Grell Boris T., Schiedsgerichtsbar­ keit der Schweizer Immobilienwirtschaft, Zürich, 2005). Zu beachten ist, dass die Verwirkungsfristen des Mietrechts auch für die Eröffnung eines Schieds­ verfahrens gelten. Zum Ganzen vgl. unten N 397 ff.

3.1.5 236

Internationale Verhältnisse

Liegt ein internationales Verhältnis vor, weil eine Partei oder beide im Ausland wohnen oder umgekehrt die Parteien zwar in der Schweiz wohnen, jedoch das Mietobjekt im Ausland liegt, so richten sich nicht nur die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte oder Behörden, sondern auch das anzuwendende 1214

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Recht und die Schiedsgerichtsbarkeit nach dem Bundesgesetz über das Inter­ nationale Privatrecht (Art. 1 Abs. 1 IPRG). Dies gilt gemäss Art. 1 Abs. 2 IPRG auch wiederum nur dann, wenn der entsprechende Bereich nicht durch einen völkerrechtlichen Vertrag geregelt ist. Zu nennen ist als solcher insbesondere das europäische Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handels­ sachen, abgeschlossen in Lugano am 30. Oktober 2007 (Lugano-Übereinkommen, LugÜ; SR 0.275.12). Keine Anwendung findet das Übereinkommen auf die Schiedsgerichtsbarkeit (Art. 1 Ziff. 2 Buchst. d). Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereichs des LugÜ findet sich auf der Internetseite des EDA (www. eda.admin.ch/vertraege). Art. 22 Nr. 1 LugÜ 2007 lautet wie folgt:

237

Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschliesslich zuständig: 1. für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Jedoch sind für Klagen betreffend die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum vorübergehenden privaten Gebrauch für höchstens sechs auf­ einanderfolgende Monate auch die Gerichte des durch dieses Übereinkom­ men gebundenen Staates zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, sofern es sich bei dem Mieter oder Pächter um eine natürliche Person handelt und der Eigentümer sowie der Mieter oder Pächter ihren Wohn­ sitz in demselben durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat haben. Liegt das Miet- oder Pachtobjekt in einem Vertragsstaat des LugÜ, sind für die 238 von Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 LugÜ erfassten Klagen die Gerichte des Staates, in dem das Miet- oder Pachtobjekt liegt, ausschliesslich und zwingend zuständig. Es werden also die allgemeine Zuständigkeit am Wohnsitz des Beklagten gemäss Art. 2 LugÜ wie auch die besonderen Zuständigkeiten von Art. 5 ff. LugÜ aus­ geschaltet. Ebensowenig ist es den Parteien gestattet, durch Prorogation oder Einlassung von der Zuständigkeit nach Art.  22 LugÜ abzuweichen (Art.  23 Abs. 5 bzw. 4, Art. 24 a E. LugÜ). Ein Gericht, das in einer Streitigkeit angerufen wird, für die ein Gericht in einem anderen durch das LugÜ gebundenen Staat nach Art. 22 ausschliesslich zuständig ist, hat sich von Amtes wegen als unzu­ ständig zu erklären (Art. 25 LugÜ). Entscheidungen, die in Verletzung der aus­ schliesslichen Zuständigkeit gefällt wurden, können nicht anerkannt werden (Art. 35 Abs. 1 LugÜ; vgl. zum Ganzen: LugÜ/Killias, N 5 ff. zu Art. 22 LugÜ). Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

1215

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen 239

Nun ist allerdings zu berücksichtigen, dass Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 und 2 LugÜ lediglich die internationale Zuständigkeit regeln, was sich aus dem Wort­ laut «die Gerichte des durch dieses Übereinkommen gebundenen Staa­ tes» ergibt. Befindet sich die unbewegliche Sache in der Schweiz, bestimmt sich im Anwendungsbereich von Art.  22 Nr.  1 LugÜ die innerstaatliche ört­ liche Zuständigkeit nach dem IPRG. Dieses kennt allerdings für Streitigkei­ ten aus Miete oder Pacht keine besonderen Zuständigkeitsvorschriften. Es gelten deshalb die allgemeinen Zuständigkeiten nach Art. 112 IPRG (Wohn­ sitz bzw. Niederlassung des Beklagten), Art. 113 IPRG (Erfüllungsort), Art. 5 IPRG (Gerichtsstandsvereinbarung), Art.  6 IPRG (Einlassung) und Art.  3 IPRG (Notzuständigkeit). Diese Bestimmungen sind auch mit Bezug auf Mietund Pachtstreitigkeiten abschliessend anwendbar. Das kann zur Folge haben, dass für internationale Streitigkeiten aus Miet- oder Pachtverhältnissen örtlich andere Gerichte zuständig sind, als es gemäss Art. 33 ZPO für Binnensachver­ halte zutrifft (LugÜ/Killias, N 20–24 zu Art. 22 LugÜ; a.M. Püntener, Zivilpro­ zessrecht, Rz.  180, S.  56, wonach auch bei ausländischem Wohnsitz der Par­ teien bei einem in der Schweiz gelegenen Mietobjekt das Gericht am Ort der gelegenen Sache zuständig sein soll).

3.2 Klagen 240

Mit der Klage gelangt die Partei, die in einem Rechtsstreit einen Entscheid erwirken will, an die Schlichtungsbehörde bzw. bei fehlgeschlagenem Eini­ gungsversuch an das zuständige Gericht. Es ist eine Eigenheit des mietrecht­ lichen Prozesses, dass die Klagerolle im Laufe dieses Prozesses wechseln kann. Hat beispielsweise ein Mieter eine Mietzinserhöhung angefochten, wird nach fehlgeschlagener Einigung die Klagebewilligung gemäss Art. 209 Abs. 1 Buchst. a ZPO dem Vermieter erteilt. Wird im Kernbereich des sozialen Miet­ rechts ein Urteilsvorschlag gemäss Art. 210 Abs. 1 Buchst. b ZPO von einer Partei abgelehnt, erteilt die Schlichtungsbehörde die Klagebewilligung gemäss Art. 211 Abs. 2 Buchst. a ZPO der ablehnenden Partei, selbst wenn diese im Schlichtungsverfahren die Beklagte war. Dem Kläger stehen, je nach Art sei­ nes Anliegens, drei Typen von Klagen zur Verfügung, nämlich die Leistungs-, die Gestaltungs- und die Feststellungsklage. Für die entsprechenden Rechtsbe­ gehren vgl. die Hinweise in N 39.

1216

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

3.2.1 Leistungsklage Grundlage für die Leistungsklage bildet:

241

Art. 84 ZPO 1 Mit

der Leistungsklage verlangt die klagende Partei die Verurteilung der beklagten Partei zu einem bestimmten Tun, Unterlassen oder Dulden.

2 Wird

die Bezahlung eines Geldbetrages verlangt, so ist dieser zu beziffern.

Die Verurteilung zu einem Tun betrifft vor allem die Verpflichtung zur Bezah­ 242 lung eines geschuldeten Geldbetrags, sei es, weil dem Kläger ein vertragli­ cher oder ausservertraglicher Anspruch oder ein solcher aus ungerechtfertig­ ter Bereicherung zusteht, den der Beklagte nicht freiwillig erfüllt hat. Erfüllen, d.h. bezahlen, muss der Beklagte erst, wenn die Forderung fällig ist (Art. 75 ff. OR). Die eingeklagte Forderung muss also spätestens im Urteilszeitpunkt fällig sein, es sei denn, das Gesetz lasse Klagen auf künftige Leistungen zu, wie es für periodische Leistungen wie Unterhaltsansprüche (z.B. nachehelicher Unter­ halt gemäss Art. 126 Abs. 1 ZGB bzw. Unterhaltsbeiträge für das Kind gemäss Art.  131 Abs.  1 Ziff.  4 ZGB) und Renten (z.B. Schadenersatzrenten gemäss Art. 43 Abs. 2 OR) zutrifft (Dorschner, BSK, N 11 zu Art. 84 ZPO; Bopp/Bes­ senich, ZK, N 12 zu Art. 84 ZPO). Sieht indessen ein Mietvertrag, wie es regel­ mässig anzutreffen ist, die periodische Leistung eines Mietzinses vor, so stellt sich der Anspruch des Vermieters auf dieses Entgelt nicht als eine im Moment des Vertragsabschlusses für die ganze vereinbarte Mietdauer begründete For­ derung dar, die bloss hinsichtlich ihrer Fälligkeit in einzelne Raten zerfallen würde (wie es für die erwähnten Unterhaltsverpflichtungen zutrifft), sondern die Mietzinsforderung entsteht mit dem Ablauf oder dem Beginn einer jeden Zahlungsperiode von Neuem (BGE 115 III 65, E. 3b; 41 III 230, E. 2). Eine Klage auf Bezahlung künftiger Mietzinse, bezogen auf die bestehende Vertrags­ dauer, müsste somit abgewiesen werden. Vom Erfordernis, die Forderungsklage zu beziffern (Art. 84 Abs. 2 ZPO), dis­ 243 pensiert Art. 85 Abs. 1 ZPO den Kläger, wenn es ihm unmöglich oder unzu­ mutbar ist, die Forderung bereits zu Beginn des Prozesses zu beziffern. Die klagende Partei muss jedoch einen Mindestwert angeben, der als vorläufiger Streitwert gilt. Dies ist schon deshalb von Bedeutung, weil sich gemäss Art. 243 Abs.  1 ZPO die Verfahrensart und in den Kantonen, die ein Handelsgericht kennen, auch die sachliche Zuständigkeit nach dem Streitwert bestimmt. Gemäss Art. 85 Abs. 2 ZPO ist bei einer unbeziffert anhängig gemachten For­ 244 derungsklage die Forderung zu beziffern, sobald die klagende Partei nach

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Abschluss des Beweisverfahrens oder nach Auskunftserteilung durch die beklagte Partei dazu in der Lage ist. Das angerufene Gericht bleibt zuständig, auch wenn der Streitwert die sachliche Zuständigkeit übersteigt. Ist somit eine gewöhnliche Forderungsklage in einem Kanton, der über ein Handelsgericht verfügt, beim ordentlichen Gericht bzw. Mietgericht anhängig gemacht wor­ den, und ergibt sich gestützt auf das Beweisverfahren ein 30 000 CHF über­ steigender Streitwert, erfolgt keine Überweisung an das Handelsgericht. Auf­ grund des zu diesem Zeitpunkt bereits fortgeschrittenen Verfahrensstadiums hat auch die Verfahrensart (vereinfachtes Verfahren) die gleiche zu bleiben (Füllemann, DIKE-Komm., N 3 zu Art. 85 ZPO). Ist die Höhe des berechtigten Anspruchs vom Gericht nach Ermessen festzulegen (z.B. ziffernmässig nicht nachweisbarer Schaden im Sinne von Art. 42 Abs. 2 OR), ist der Kläger von der Bezifferung der Forderung befreit. 245

Ist ein Anspruch teilbar, so kann gemäss Art. 86 ZPO auch nur ein Teil ein­ geklagt werden. In der Lehre wird zwischen einer echten und unechten Teilklage unterschieden. Bei der echten Teilklage wird von einem Gesamtanspruch summenmässig ein begrenzter Teil geltend gemacht. Von einer unechten Teil­ klage spricht man, wenn von verschiedenen Ansprüchen, die einem einheit­ lichen Rechtsgrund entspringen, nur einzelne geltend gemacht werden, z.B. einzelne Monatsmietzinse. Als Vorteil einer Teilklage gilt insbesondere die Ersparnis von Gerichtskosten und allenfalls die Ermöglichung eines Prozes­ ses im vereinfachten Verfahren, wobei das Rechtsmissbrauchsverbot und das Gebot von Treu und Glauben zu beachten sind (Dorschner, BSK, N  4  f. zu Art. 86 ZPO; Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 308, S. 94). Denkbar ist, dass der Beklagte eine Widerklage auf Feststellung des Nichtbestandes des gesamten Anspruchs erhebt. Wird indessen die Hauptklage im vereinfachten Verfahren geführt, erweist sich eine Widerklage mit einem 30 000 CHF übersteigenden Streitwert, für den gemäss Art. 243 Abs. 1 ZPO das ordentliche Verfahren gilt, als nicht zulässig, da eine Widerklage gemäss Art. 224 Abs. 1 ZPO nur möglich ist, wenn sie nach der gleichen Verfahrensart wie die Hauptklage beurteilt wer­ den kann (vgl. unten N 317).

246

Mit der Unterlassungsklage, auch negative Leistungsklage genannt, soll der Beklagte verpflichtet werden, ein rechtswidriges Verhalten, beispielsweise übermässige Lärmemissionen, zu unterlassen. Vorausgesetzt wird, dass sich die Klage auf ein Verbot eines bestimmten Verhaltens richtet (BGE 131 III 70, E. 3.3). Soll mit der Klage eine erst drohende Rechtsverletzung verboten wer­ den, muss dargelegt werden, dass die Begehung oder Wiederholung der wider­ rechtlichen Handlung unmittelbar droht (BGE 124 III 72).

1218

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Als Duldungsklage erweist sich beispielsweise die Klage auf Errichtung eines 247 Bauhandwerkpfandrechts nach Art.  837 Abs.  1 Ziff.  3 ZGB, mit der die Ein­ tragung eines Grundpfandes im Grundbuch verlangt wird, das der Beklagte gestützt auf das entsprechende Urteil zu erdulden hat (Bopp/Bessenich, ZK, N 11 zu Art. 84 ZPO).

3.2.2 Gestaltungsklage Die Gestaltungsklage ist geregelt in:

248

Art. 87 ZPO Mit der Gestaltungsklage verlangt die klagende Partei die Begründung, Änderung oder Aufhebung eines bestimmten Rechts oder Rechtsverhält­ nisses. Es gibt Gestaltungsrechte des materiellen Rechts, wie beispielsweise die Kün­ 249 digung, das Vorkaufs-, Kaufs- und Rückkaufsrecht, worauf gestützt durch eine privatrechtliche Willenserklärung eine Rechtsänderung erwirkt werden kann, ohne dass es dafür der Mitwirkung des Gerichts bedarf. Gegenstand von Gestal­ tungsklagen sind indessen nicht solche Gestaltungsrechte, sondern Gestaltungsklagerechte, gestützt auf die eine Begründung, Änderung oder Aufhe­ bung eines bestehenden Rechts- oder Rechtsverhältnisses durch Gerichtsurteil herbeigeführt werden kann. Da die Rechtslage durch das Gestaltungsurteil geändert wird, bedarf dieses keiner Vollstreckung (Bopp/Bessenich, ZK, N 3, 4 zu Art. 87 ZPO; Füllemann, DIKE-Komm., N 2 zu Art. 87 ZPO). Entsprechend ist das Rechtsbegehren der Gestaltungsklage so zu fassen, dass eine Rechtsge­ staltung durch das Gericht, und nicht bloss die Feststellung der Gültigkeit pri­ vatrechtlicher Willenserklärungen beantragt wird. Unbestrittenermassen als Gestaltungsklagen im Mietrecht gelten (vgl. Pünte­ 250 ner, Zivilprozessrecht, Rz. 313, S. 95): –– die Anfechtung des Anfangsmietzinses (Art. 270 OR); –– die Herabsetzung des Mietzinses während der Mietdauer (Art. 270a OR; BGE 142 III 557, E. 8.3.1); –– die Anfechtung der Kündigung (Art. 271 OR bzw. Art. 300 Abs. 1 OR für die Pacht); –– die Erstreckung des Mietverhältnisses (Art. 272 OR); –– die Auflösung der einfachen Gesellschaft beim solidarischen Mietvertrag (Art. 545 Abs. 1 Ziff. 7 OR). Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

1219

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen 251

Bestritten ist die Rechtsnatur als Gestaltungsklage mit Bezug auf: –– die Herabsetzung des Mietzinses bei Mängeln (Art. 259d OR bzw. Art. 288 Abs. 1 Buchst. b OR für die Pacht); –– die Mietzinserhöhungsklage nach gescheitertem Schlichtungsversuch (Art. 270b OR).

252

Mit Bezug auf die in Art. 259d OR vorgesehene Erklärung, mit welcher der Mie­ ter gegenüber dem Vermieter verlangt, den Mietzins wegen Mängeln herabzu­ setzen, hat das Bundesgericht in BGE 142 III 557 die verschiedenen Ansich­ ten zur rechtlichen Natur dieser Erklärung wie auch der entsprechenden Klage rekapituliert, ohne sich aber festzulegen. Es hielt immerhin in E. 8.3.1 und 8.3.2 Folgendes fest: Anders als bei der Mietzinsherabsetzung nach Art. 270a OR, bei der es sich um ein Gestaltungsurteil handle, besage Art. 259d OR in kei­ ner der drei Landessprachen, erst ein gerichtlicher Entscheid vermöge die Her­ absetzung rechtsgestaltend herbeizuführen (E.  8.3.2). Im Übrigen bekräftige die historische Auslegung die grammatikalische sowohl hinsichtlich der Dauer der Herabsetzung als auch darin, dass die Herabsetzung nicht nur durch ein gerichtliches Urteil eintrete, sondern vom Mieter direkt beim Vermieter bean­ sprucht werden könne. Konsequenterweise handelt es sich aber beim Herab­ setzungsanspruch nicht um ein Gestaltungsklagerecht, sondern um ein Gestal­ tungsrecht, wobei das Gericht im Streitfall durch Feststellungsurteil festzulegen hat, in welchem Umfang der Mietzins zu Recht herabgesetzt wurde (a.M. Boh­ net François/Dietschy-Martenet Patricia, in: DB, No  28/2016, S.  28  f., Kom­ mentar zu BGE 142 III 557).

253

Nichts anderes kann gelten, wenn der Vermieter gemäss Art. 269d Abs. 1 OR den Mietzins erhöht, der Mieter die Erhöhung gemäss Art. 270b OR anficht und das Schlichtungsverfahren erfolglos bleibt, sodass der Vermieter die Miet­ zinserhöhung gemäss Art. 209 Abs. 1 Buchst. a ZPO auf dem Klageweg durch­ setzen muss. Art. 269d Abs. 1 OR besagt ausdrücklich, der Vermieter könne den Mietzins jederzeit auf den nächstmöglichen Kündigungstermin erhöhen. Damit die Erhöhung wirksam wird, bedarf es keines Gerichtsurteils, sodass von einem Gestaltungsrecht des Vermieters auszugehen ist. Wird die Erhö­ hung angefochten, ohne dass die Parteien sich darüber einigen können, hat das Gericht mit einem Feststellungsurteil den Umfang der berechtigten Erhöhung nach den gesetzlichen oder vertraglichen Vorgaben festzustellen.

254

Folgt man den Erwägungen gemäss BGE 142 III 557, E.  8.3.2, ist mit dem Rechtsbegehren bei einer Mietzinsherabsetzungsklage gemäss Art.  259d OR die Feststellung zu verlangen, dass der Mietzins ab dem Zeitpunkt der Kennt­ 1220

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

nisgabe des Mangels bis zu dessen Behebung um den verlangten Herabset­ zungsbetrag tiefer liegt bzw. bei der Mietzinserhöhung, dass der Mietzins ab dem angezeigten Zeitpunkt um den angezeigten Mehrbetrag höher liegt. In der Praxis wird bei einer Mietzinsherabsetzungsklage gemäss Art.  259d OR mit dem Rechtsbegehren regelmässig (im Sinne einer Gestaltung durch das Gericht) verlangt, der Nettomietzins sei ab Kenntnisgabe des Mangels bis zu dessen Behebung um einen gewissen Betrag herabzusetzen (so auch das Mus­ terbegehren bei Winter Patrick, Anträge an die Schlichtungsbehörde, in: mp 2013, S. 191 sowie Eiholzer Heiner, Anträge an die Schlichtungsbehörde, in: mp 1993, S. 66). Es kann jedenfalls nicht schaden, wenn vom Gericht eine ent­ sprechende Rechtsgestaltung verlangt wird, da das Gericht die Rechtsbegeh­ ren nach Treu und Glauben dahingehend auszulegen hat, was erkennbar damit gewollt wird (Sutter-Somm/Grieder, ZK, N 22 zu Art. 56 ZPO; Urteil des Bun­ desgerichts 4A_383/2015 vom 7. Januar 2016, E. 2.3).

3.2.3 Feststellungsklage Die Feststellungsklage stützt sich auf:

255

Art. 88 ZPO Mit der Feststellungsklage verlangt die klagende Partei die gerichtliche Fest­ stellung, dass ein Recht oder Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht. Die Feststellungsklage bezweckt die Klärung einer ungewissen Rechtslage, 256 ohne dass diese (wie bei der Gestaltungsklage) durch das Urteil selbst geän­ dert würde. Das Feststellungsurteil ist daher auch einer Vollstreckung nicht zugänglich (Füllemann, DIKE-Komm., N 1 zu Art. 88 ZPO; Weber, BSK, N 1 zu Art.  88 ZPO). Wird die gerichtliche Feststellung verlangt, dass ein Recht oder ein Rechtsverhältnis besteht, spricht man von positiver Feststellungsklage bzw. von negativer Feststellungsklage, wenn die Feststellung des Nicht­ bestandes eines Rechts oder Rechtsverhältnisses festgestellt werden soll. Die Feststellungsklage ist zuzulassen, wenn der Kläger daran ein schutzwür­ 257 diges Interesse hat. Das ergibt sich zwar nicht direkt aus Art. 88 ZPO, bildet aber eine Prozessvoraussetzung gemäss Art. 59 Abs. 2 Buchst. a ZPO. Am Fest­ stellungsinteresse fehlt es in der Regel, wenn die klagende Partei sogleich mit einer Leistungsklage zum gewünschten Ziel kommen könnte (BGE 135 III 378, E. 2.2). Blosse Tatsachen können ebenso wenig Gegenstand einer Feststel­ lungsklage bilden wie abstrakte Rechtsfragen oder hypothetische und fiktive Rechtsverhältnisse bzw. Rechte (Füllemann, DIKE-Komm., N 4 f. zu Art. 88 ZPO). Wer ungerechtfertigt betrieben wird, hat indessen ein schützenswertes

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Inte­resse (insb. im Zusammenhang mit der Suche einer neuen Wohnung) an der Feststellung, dass die in Betreibung gesetzte Forderung nicht besteht. Ent­ sprechend sieht denn auch Art. 85a Abs. 1 SchKG vor, der Betriebene könne jederzeit vom Gericht des Betreibungsortes feststellen lassen, dass die Schuld nicht oder nicht mehr besteht oder gestundet ist. Gemäss BGE 140 III 41, E. 3.2.3,wird mit der Klage gemäss Art. 85a SchKG der Betreibungsgläubiger unter Gefahr des materiellen Rechtsverlustes zum Beweis seiner Forderung gezwungen. 258

Im Mietrecht ist die Feststellungsklage z.B. in folgenden Fällen zulässig (Pün­ tener, Zivilprozessrecht, Rz. 322, S. 98): –– Feststellung der Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit oder Nichtigkeit einer Kündigung (BGE 132 III 65, E. 3.3). Demgegenüber handelt es sich bei der Klage, die Kündigung sei gemäss Art.  271 bzw. 271a OR für missbräuch­ lich zu erklären, um eine Gestaltungsklage. Der Anfechtung im Sinne die­ ser Bestimmungen sind nur gültige Kündigungen zugänglich. Es ist erst das Gestaltungsurteil, welches als Folge festgestellter Missbräuchlichkeit die Ungültigkeit der Kündigung bewirkt (BGE 121 III 156, E. 1c/aa). –– Feststellung der Nichtigkeit einer bestimmten Kündigungsklausel des Mietvertrages (BGE 96 II 129, E. 3a). –– Feststellung der Vertragsbeendigung, nachdem der Vermieter sich gewei­ gert hat, die Schlüssel entgegenzunehmen und die Kaution auszulösen (Bohnet, CPC, N 49 zu Art. 88 ZPO). –– Feststellung, ob das Mietverhältnis durch die Optionsausübung bereits wirksam verlängert wurde oder die Verlängerung noch von einer Einigung über den Mietzins abhängig ist (Urteil des Bundesgerichts 4A_551/2008 vom 1. Juli 2002). –– Feststellung der berechtigterweise verlangten Mietzinsherabsetzung infolge eines Mangels gemäss Art. 259d OR (oben N 252). –– Feststellung der berechtigterweise erfolgten Mietzinserhöhung gestützt auf Art.  269d OR nach erfolgter Anfechtung durch den Mieter gemäss Art. 270b OR (oben N 252).

1222

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

3.3 Rechtshängigkeit 3.3.1 Grundsatz Die Rechtshängigkeit wird nach Art.  62 Abs.  1 ZPO bereits mit der Einrei- 259 chung des Schlichtungsgesuchs begründet. Der Eingang der Eingabe wird den Parteien von den Schlichtungsbehörden zum Teil bestätigt, was zu begrüs­ sen ist. Mit der Klageanhebung durch Einreichung des Schlichtungsgesuchs werden 260 allfällige Verjährungsfristen unterbrochen (vgl. Art. 135 Ziff. 2 OR, vgl. N 265) und Klagefristen gewahrt. Im Mietrecht ist die Rechtshängigkeit vor allem wegen der Verwirkungsfristen im Kündigungsschutz (Art.  273 OR) und für die Anfechtung missbräuchlicher Mietzinse (Art. 270 ff. OR) von Bedeutung. Die Rechtshängigkeit löst auch den Kündigungsschutz nach Art. 271a Abs. 1 Buchst. d OR aus. Die Kündigungssperrfrist wird bereits mit der Postaufgabe der Klage ausgelöst und nicht erst, wenn der Vermieter vom eingeleiteten Ver­ fahren Kenntnis erhält (BGE 141 III 101, E. 2.10, in: MRA 4/15, S. 234 ff.; vgl. auch Koller Thomas, in: ZBJV 152/2016, S. 801 ff.).

3.3.2

Fehlerhafte Prozesseinleitung

Wird wegen fehlender Zuständigkeit oder falscher Verfahrensart eine Ein­ 261 gabe zurückgezogen oder tritt das Gericht darauf nicht ein, wird sie entge­ gen der Regelung in früheren kantonalen Zivilprozessordnungen nicht an die zuständige Stelle weitergeleitet. Wird die Eingabe aber vom Kläger innert eines Monats bei der zuständigen Schlichtungsbehörde oder beim zuständi­ gen Gericht neu eingereicht, so gilt gemäss Art. 63 Abs. 1 und 2 ZPO als Zeit­ punkt der Rechtshängigkeit das Datum der ersten Einreichung. Vorbehalten bleiben gemäss Art. 63 Abs. 3 ZPO die besonderen gesetzlichen Klagefristen nach SchKG. Reicht also beispielsweise ein Mieter, der gegen eine Betreibung für ausstehende Mietzinse Rechtsvorschlag erhoben hatte, eine Aberkennungs­ klage gemäss Art. 83 Abs. 2 SchKG beim Gericht am Ort der gelegenen Sache gegen den beseitigenden Rechtsöffnungsentscheid ein, und erlässt das Gericht einen Nichteintretensentscheid, weil dessen Gerichtskreis ein anderer ist als derjenige des massgebenden Betreibungsorts, gilt Folgendes: Der Mieter kann die Aberkennungsklage binnen der in Art.  83 Abs.  2 vorgesehenen 20-tägi­ gen Frist beim örtlich zuständigen Gericht neu einreichen, und es ist nicht die 30-tägige Frist gemäss Art. 63 Abs. 1 ZPO massgebend. Der Kläger muss die gleiche Rechtsschrift, die er ursprünglich einer unzu­ 262 ständigen Schlichtungsbehörde oder einem unzuständigen Gericht einreichte, Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

1223

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

im Original bei der von ihm für zuständig gehaltenen Behörde neu einrei­ chen. Zu diesem Zweck muss die von ihm ursprünglich angerufene, unzu­ ständige Behörde ihm auf sein Verlangen hin die mit ihrem Eingangsstempel versehene Originaleingabe zurücksenden (BGE 141 III 481, E. 3.2.4). Bei ver­ änderten Rechtsschriften ergeht daher sogleich ein Nichteintretensentscheid, sofern eine prozessuale Verwirkungsfrist versäumt wurde (vgl. zum Gan­ zen Daetwyler George/Stalder Christian, Allgemeiner Verfahrensgang und Zuständigkeit des Handelsgerichts, in Brunner/Nobel, Festschrift zum 150. Jubiläum, S. 150 ff. sowie Urteil des Handelsgerichts Zürich vom 26. Mai 2017, HG150107-O [Manor-Fall]). 263

Nach zutreffender Auffassung ist Art. 63 ZPO nicht nur bei örtlicher, sondern auch bei sachlicher und funktioneller Unzuständigkeit anwendbar (BGE 138 III 471, E. 6; Urteil des Bundesgerichts 4A_592/2013 vom 4. März 2014; SutterSommer/Hedinger, ZK, N 8 zu Art. 63 ZPO; Müller-Chen, DIKE-Komm., N 6 zu Art. 63 ZPO; a.M. Infanger, BSK, N 6 zu Art. 63 ZPO). Zu bejahen ist die Anwendbarkeit von Art. 63 ZPO und damit der Rückbezug der Rechtshängig­ keit auf den Zeitpunkt der erstmaligen Einreichung einer Eingabe auch für den Fall, dass auf ein Begehren um Rechtsschutz in klaren Fällen gemäss Art. 257 ZPO mangels Liquidität nicht eingetreten wird (oben N 180 f.). Die Praxis des Bundesgerichts, wonach am neuen Ort die ursprüngliche Klage unverändert einzureichen ist, kann hier keine Anwendung finden, da die neue Klage den Anforderungen von Art. 221 bzw. Art. 244 ZPO genügen muss. Dies trifft für ein Begehren um Rechtsschutz in klaren Fällen regelmässig nicht zu. Es muss daher genügen, dass der Klage, die diese Anforderungen erfüllt, das Begeh­ ren um Rechtsschutz in klaren Fällen beigefügt wird, auf das nicht eingetreten wurde. Keine Anwendung findet Art. 63 ZPO, wenn auf die Klage wegen des Fehlens einer anderen Prozessvoraussetzung, wie z.B. fehlendes Rechtsschutz­ interesse oder mangelnde Parteifähigkeit, nicht eingetreten wird oder der Kläger seine Klage zurückzieht, obschon das angerufene Gericht grundsätz­ lich zuständig wäre (Infanger, BSK, N 9 zu Art. 63 ZPO; Müller-Chen, DIKEKomm., N 6 zu Art. 63 ZPO). Zur fehlerhaften Parteibezeichnung vgl. oben N 43 ff.

264

Wurde eine Klage beim sachlich unzuständigen Gericht eingereicht, beispiels­ weise beim Kollegialgericht, das indessen wegen nicht erreichten Streitwerts nicht zuständig ist, überweist dieses den Fall nach gängiger Praxis dem am sel­ ben Gericht zuständigen Spruchkörper, im genannten Beispiel einem Einzel­ richter (vgl. Sutter-Sommer/Hedinger, ZK, N 8 zu Art. 63 ZPO; a.M. Urteil des Einzelgerichts des Handelsgerichts Zürich HE160 415 vom 13. Oktober 2017,

1224

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

in: ZR 116 [2017] Nr. 51, S. 169, das eine gerichtsinterne Überweisung an einen anderen Spruchkörper ablehnt). Wird eine Berufung oder eine Beschwerde anstatt bei der zuständigen Rechtsmittelinstanz (iudex ad quem; Art. 311 bzw. 321 ZPO) versehentlich beim urteilenden erstinstanzlichen Gericht (iudex a quo) eingereicht, so hat dieses gemäss BGE 140 III 636, E.  3.7, in analoger Anwendung von Art. 48 Abs. 3 BGG die Eingabe an die Rechtsmittelinstanz weiterzuleiten, wobei für die Fristwahrung das Datum der irrtümlichen Einrei­ chung beim iudex a quo gilt. Mit der Klageanhebung durch Einreichung des Schlichtungsgesuchs wer­ 265 den wie erwähnt allfällige Verjährungsfristen unterbrochen (vgl. Art.  135 Ziff. 2 OR; oben N 260). Das gilt allerdings nicht, wenn in einem Verfahren, für welches das Handelsgericht zuständig ist, bei der Schlichtungsbehörde ein Schlichtungsgesuch eingereicht wird, weil der handelsgerichtliche Pro­ zess gemäss Art. 198 Buchst. f ZPO gar kein Schlichtungsverfahren kennt (vgl. oben N 22). Das Schlichtungsgesuch vermag daher auch keine Rechtshängig­ keit zu begründen und unterbricht die Verjährung nicht, zumindest wenn die klagende Partei direkt an das Handelsgericht gelangt. Es ist auf das Urteil des Bundesgerichts 4A_592/2013 vom 4. März 2014 zu verweisen. In diesem Fall handelsgerichtlicher Zuständigkeit wurde die Rechtshängigkeit mit der Ein­ reichung des Schlichtungsgesuchs beim Friedensrichter nur deshalb begrün­ det und damit die Verjährung unterbrochen, weil der Kläger vorerst an das Bezirksgericht gelangte, dort die Klage mangels sachlicher Zuständigkeit zurückzog, um sie dann gemäss Art.  63 ZPO dem Handelsgericht neu ein­ zureichen (vgl. auch HAP-Immobiliarmietrecht/Schneider, Rz. 11.112–11.114; Vetter Meinrad, Unterbricht das Schlichtungsgesuch bei Ansprüchen mit han­ delsrechtlicher Zuständigkeit die Verjährung?, in: Jusletter vom 2. Juni 2014; a.M. Koller Alfred, Unterbrechung der Verjährung, in: SJZ 113, S. 206). Im Einklang mit dieser Rechtsprechung hat das Bundesgericht bestätigt, dass 266 einem Berufungskläger, welcher eine Frist zur Verbesserung seiner Berufungs­ schrift mit unsachlichen und schikanösen Passagen verpasst hatte, sodass die Berufungsinstanz auf die Berufung nicht eintrat, keine zusätzliche Frist gemäss Art. 63 ZPO zur Verfügung stehe. Diese Bestimmung setze nach ihrem Wort­ laut eindeutig eine die Rechtshängigkeit begründende Eingabe im Sinne von Art. 62 Abs. 1 ZPO voraus. Eine Berufungsschrift stelle keine die Rechtshän­ gigkeit begründende Eingabe dar (Urteil des Bundesgerichts 4A_48/2016 vom 1. Februar 2016, E. 3.2).

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1225

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

3.4

Persönliches Handeln, Vertretung und Begleitung

3.4.1 Allgemeines 267

Während der Mieter in den Belangen eines Mietvertrags in der Regel persön­ lich handelt, trifft dies für den Vermieter nicht zu. Zur Verwaltung von Mehr­ familien- und Geschäftshäusern wird meist eine Verwaltung eingesetzt, die für alle Belange der Vermietung, wie Abschluss und Kündigung von Mietverträ­ gen, Organisation der Vornahme von Reparaturen, Inkasso, Anzeige von Miet­ zinsänderungen etc. zuständig ist. Die im Auftrag des Vermieters tätige Ver­ waltung handelt regelmässig im Namen und auf Rechnung des Eigentümers und damit als Vertreterin im Sinne von Art. 32 ff. OR. Vermieter und als sol­ cher Vertragspartei des Mieters ist damit der Eigentümer. Im Falle einer Ausei­ nandersetzung aus dem Mietverhältnis vor der Schlichtungsbehörde oder dem Gericht hat daher die Verwaltung im Namen des Eigentümers als Vermieter aufzutreten, und es ist vom Mieter der Eigentümer als Vermieter, vertreten durch die Verwaltung, ins Recht zu fassen (siehe zur falschen Parteibezeich­ nung N 43 ff.).

3.4.2 268

Rechtliche Grundlagen

Zur rechtsgeschäftlichen Vertretung einer Partei im Prozess sieht die ZPO in den allgemeinen Bestimmungen Folgendes vor: Art. 68 Vertragliche Vertretung 1 Jede

prozessfähige Partei kann sich im Prozess vertreten lassen.

2 Zur

berufsmässigen Vertretung sind befugt:

a. in allen Verfahren: Anwältinnen und Anwälte, die nach dem Anwalts­ gesetz vom 23. Juni 2000 berechtigt sind, Parteien vor schweizerischen Gerichten zu vertreten; b. vor der Schlichtungsbehörde, in vermögensrechtlichen Streitigkeiten des vereinfachten Verfahrens sowie in den Angelegenheiten des sum­ marischen Verfahrens: patentierte Sachwalterinnen und Sachwalter sowie Rechtsagentinnen und Rechtsagenten, soweit das kantonale Recht es vorsieht; c. in den Angelegenheiten des summarischen Verfahrens nach Artikel 251 dieses Gesetzes: gewerbsmässige Vertreterinnen und Vertreter nach Artikel 27 SchKG;

1226

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

d. vor den Miet- und Arbeitsgerichten beruflich qualifizierte Vertreterin­ nen und Vertreter, soweit das kantonale Recht es vorsieht. 3 Die

Vertreterin oder der Vertreter hat sich durch eine Vollmacht auszu­ weisen. 4  Das

Gericht kann das persönliche Erscheinen einer vertretenen Partei anordnen.

Für das Schlichtungsverfahren ist grundsätzlich die persönliche Anwesen- 269 heit der Parteien erforderlich und deren Vertretung nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Im Einzelnen gilt Folgendes: Art. 204 Persönliches Erscheinen 1 Die

Parteien müssen persönlich zur Schlichtungsverhandlung erscheinen.

2 Sie

können sich von einer Rechtsbeiständin, einem Rechtsbeistand oder einer Vertrauensperson begleiten lassen.

3 Nicht

persönlich erscheinen muss und sich vertreten lassen kann, wer:

a. ausserkantonalen oder ausländischen Wohnsitz hat; b. wegen Krankheit, Alter oder anderen wichtigen Gründen verhindert ist; c. in Streitigkeiten nach Artikel 243 als Arbeitgeber beziehungsweise als Versicherer eine angestellte Person oder als Vermieter die Liegenschafts­ verwaltung delegiert, sofern diese zum Abschluss eines Vergleichs schriftlich ermächtigt ist. 4 Die

Gegenpartei ist über die Vertretung vorgängig zu orientieren.

3.4.3

Anwesenheit im Schlichtungsverfahren

3.4.3.1

Persönliches Erscheinen

Ermöglicht Art. 68 Abs. 1 ZPO die Vertretung durch eine Drittperson, bedeutet 270 dies auch, dass jede prozessfähige Partei selbst auftreten und ihre Sache selbst vertreten darf. Es besteht also kein Anwaltszwang. Für das Schlichtungsver­ fahren sieht Art. 204 Abs. 1 ZPO vielmehr vor, dass die Parteien grundsätzlich, d.h. vorbehältlich der Vertretungsmöglichkeit gemäss Art.  204 Abs.  3 ZPO, persönlich erscheinen müssen. Im anschliessenden Verfahren vor Gericht hin­ gegen ist persönliches Erscheinen nicht vorgeschrieben, doch kann das Gericht gemäss Art. 68 Abs. 4 ZPO das persönliche Erscheinen einer vertretenen Par­ tei anordnen.

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Der gesetzliche Dispensationsgrund zu Gunsten der Verwaltung im Schlich­ tungsverfahren von Art. 204 Abs. 3 lit. c ZPO gilt im gerichtlichen Verfahren nicht. Das Gericht kann jedoch auf die Anordnung des persönlichen Erschei­ nens zurückkommen und eine Partei dispensieren. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn der Rechtsvertreter durch eine mit dem Mietverhältnis ver­ traute Person begleitet wird. Ist die Partei eine juristische Person, stellt sich die Frage, wie sich bei dieser das «persönliche Erscheinen» zu gestalten hat. 271

Vorbehältlich der Ausnahmefälle von Art. 204 Abs. 3 ZPO kann sich eine juristische Person in der Schlichtungsverhandlung gemäss BGE 140 III 70, E. 4.3, nur durch ein Organ oder eine wenigstens mit einer (kaufmännischen) Hand­ lungsvollmacht gemäss Art. 458 f. OR (Prokura) bzw. 462 OR (andere Hand­ lungsvollmacht) ausgestattete und zur Prozessführung befugte Person, die überdies mit dem Streitgegenstand vertraut ist, vertreten lassen. In BGE 141 III 159, E.  2.6, hielt das Bundesgericht fest, die Schlichtungsbehörde müsse rasch und einfach prüfen können, ob eine juristische Person korrekt vertreten zur Schlichtungsverhandlung erschienen sei. Die im Handelsregister eingetra­ genen Organe und die Prokuristen hätten zu diesem Zweck einen Handels­ registerauszug, die Handlungsbevollmächtigten (die im Handelsregister nicht eingetragen werden, vgl. Watter, BSK, N 3 zu Art. 462 OR; Schwarz, CHK, N 5 zu Art. 462 OR) eine Vollmacht zur Prozessführung in dieser Angelegenheit im Sinne von Art. 462 Abs. 2 OR vorzuweisen, aus der sich ihre Handlungsvoll­ macht im Sinne von Art. 462 OR ergebe. Faktische Organe könnten nichts Der­ artiges vorweisen, weshalb sich eine juristische Person im Schlichtungsverfah­ ren nicht von einem solchen vertreten lassen könne. In E. 3.2 und 3.3 präzisiert das Bundesgericht, eine Handlungsvollmacht im Sinne von Art. 462 OR setze voraus, dass eine Person nicht für ein einzelnes Rechtsgeschäft gezielt bevoll­ mächtigt sei, sondern für alle Rechtshandlungen als Rechtsvertreter bestellt werde, die der Betrieb eines ganzen Gewerbes oder die Ausführung bestimm­ ter Geschäfte in einem Gewerbe mit sich bringe; die Ermächtigung zur Pro­ zessführung nach Art. 462 Abs. 2 OR könne demnach nur einer Person erteilt werden, die (bereits) Handlungsbevollmächtigte im Sinne von Art. 462 Abs. 1 OR sei. Aus der Vollmacht zur Prozessführung (Art. 462 Abs. 2 OR) müsse sich mithin gleichzeitig ergeben, dass eine Handlungsvollmacht im Sinne von Art. 462 OR vorliege. Wird eine kaufmännische Handlungsvollmacht voraus­ gesetzt, ergibt sich daraus, dass eine bloss bürgerliche Bevollmächtigung i.S.v. Art. 32 ff. OR nicht ausreicht.

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Fehlt einer Person, deren Vertretungsbefugnis sich nicht aus dem Handels­ register ergibt, die Ermächtigung zur Prozessführung im Sinne von Art. 462

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Abs.  2 OR, und ist die von der nicht vertretungsberechtigten Person vertre­ tene juristische Person die klagende Partei, kann auf die Klage nicht einge­ treten werden. Die Schlichtungsbehörde hat vielmehr gemäss Art. 206 Abs. 1 ZPO die Klage als zurückgezogen zu betrachten und das Verfahren als gegen­ standslos abzuschreiben. Eine Klagebewilligung darf nicht ausgestellt werden. Eine trotzdem ausgestellte Klagebewilligung ist ungültig. In einem gestützt darauf angestrengten Gerichtsverfahren fehlt es somit an einer Prozessvo­ raussetzung, sodass auf die Klage nicht eingetreten werden darf (BGE 141 III 159, E. 2.1; 140 III 70, E. 5). Von grösster Tragweite ist dies, wenn es sich bei der Klägerin um eine mangelhaft vertretene juristische Person handelt, die mit der Klage eine bundesrechtlich vorgesehene Klagefrist wahren wollte. Bei diesen Fristen, z.B. den 30-tägigen Fristen zur Anfechtung einer Mietzinserhöhung gemäss Art. 270b Abs. 1 OR und zur Anfechtung einer Kündigung wegen Miss­ bräuchlichkeit gemäss Art. 273 Abs. 1 OR bzw. denjenigen für ein Begehren um Erstreckung eines Mietverhältnisses gemäss Art. 273 Abs. 2 OR, handelt es sich um Verwirkungsfristen. Ist der Anspruch, der mit der Klage durchge­ setzt werden wollte, verwirkt, lässt sich dies nicht mit einem neuen Verfahren heilen (vgl. die Kommentare zu BGE 141 III 159 von Maag Andreas, in: MRA 3/15, S. 162 bzw. Koller Thomas, in: ZBJV 152/2016, S. 823). Viel weniger einschneidend ist die Situation für die als Beklagte auftretende 273 juristische Person, die im Schlichtungsverfahren nicht korrekt vertreten und daher säumig ist. Die Schlichtungsbehörde verfährt diesfalls gemäss Art. 206 Abs.  2 ZPO, wie wenn keine Einigung zustande gekommen wäre. Sie stellt somit entweder gemäss Art. 209 ZPO eine Klagebewilligung aus oder erlässt gemäss Art. 210 f. ZPO einen Urteilsvorschlag bzw. gemäss Art. 212 ZPO einen Entscheid (Maag, a.a.O.; Koller, a.a.O.). Schliesst allerdings die klagende Partei in der Schlichtungsverhandlung mit der nicht korrekt, z.B. durch ein faktisches Organ vertretenen Beklagten einen Vergleich ab, entspricht es einem Gebot der Prozessökonomie, diesen durch eine oder bei kollektiver Zeichnungsberechti­ gung mehrere vertretungsberechtigte Personen der Beklagten genehmigen zu lassen, um alsdann den Prozess gemäss Art. 208 ZPO als durch Vergleich erle­ digt abzuschreiben. Bleibt eine Partei der Schlichtungsverhandlung oder einer gerichtlichen Ver­ 274 handlung, zu der sie persönlich vorgeladen wurde, unentschuldigt fern oder lässt sich  – was gleichbedeutend ist  – ungenügend vertreten, kann sie gemäss Art. 128 Abs. 1 oder 3 ZPO mit einer Ordnungsbusse bestraft werden. Vo­raussetzung ist allerdings, dass eine solche vorher angedroht wurde und das Nichterscheinen zur Schlichtungsverhandlung eine Störung des Geschäftsgan­

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ges gemäss Art. 128 Abs. 1 ZPO respektive eine bös- oder mutwillige Prozess­ führung nach Art. 128 Abs. 3 ZPO darstellt (BGE 141 III 265, E. 5.1). In diesem Entscheid hat das Bundesgericht die Frage, ob die Schlichtungsbehörde das Nichterscheinen der beklagten Partei gestützt auf Art. 128 ZPO mit einer Ord­ nungsbusse sanktionieren dürfe, als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeu­ tung im Sinne von Art. 74 Abs. 2 Buchst. a BGG behandelt und bejaht (nicht amtlich publizierte E. 2.3). Offen blieb allerdings, ob das Nichterscheinen eine Störung des Geschäftsganges bzw. eine bös- oder mutwillige Prozessführung darstellte und welche Kriterien für eine solche Annahme erfüllt sein müssen, da es im konkreten Fall bereits an der vorgängigen Androhung fehlte (E. 5.2–5.4). Immerhin verwies das Bundesgericht auf Dolge Annette, in: Dolge Annette/ Infanger Dominik, Schlichtungsverfahren nach Schweizerischer Zivilprozess­ ordnung, Zürich 2012, S. 127, die annimmt, eine Ordnungsbusse wegen Stö­ rung des Geschäftsganges gemäss Art. 128 Abs. 1 ZPO rechtfertige sich «nur ausnahmsweise», etwa wenn die Partei den Termin verschieben lasse, um dann gleichwohl unentschuldigt nicht zu erscheinen (E. 5.1). Demgegenüber könnte man sich gemäss Thomas Koller in seinem Kommentar zu BGE 141 III 265 fragen, ob nicht stets zumindest eine «Störung des Geschäftsgangs» vor­ liege, wenn der Beklagte dem Verfahren fernbleibe. Er argumentiert, es müss­ ten sich bei solchen Streitigkeiten immerhin die drei Personen der paritäti­ schen Schlichtungsbehörde auf den Fall vorbereiten und am Termin anwesend sein. Der damit verbundene Aufwand dürfe nicht unterschätzt werden und sei vom Steuerzahler zu tragen. Sei dieser Aufwand vergeblich, weil der Beklagte (unentschuldigt) nicht erscheine, «dürfte dies eine Ordnungsbusse rechtfer­ tigen» (ZBJV 152/2016, S. 814). Diese Auffassung ist schon deshalb abzuleh­ nen, weil der Aufwand der Schlichtungsbehörde auch bei unentschuldigtem Nichterscheinen der beklagten Partei nicht vergeblich ist. Sie muss ja die Ver­ handlung trotzdem durchführen und die klagende Partei anhören, um alsdann gemäss Art. 206 Abs. 2 ZPO so zu verfahren, wie wenn keine Einigung zustande gekommen wäre. Erlässt die Schlichtungsbehörde in einer Angelegenheit des Kernbereichs des sozialen Mietrechts gemäss Art. 210 Abs. 1 Buchst. b ZPO einen Urteilsvorschlag, wird dieser regelmässig zum Nachteil der beklagten Partei ausfallen, weil deren Argumente (selbstverschuldet) nicht gehört wer­ den konnten. Lehnt die beklagte Partei den Urteilsvorschlag ab, fällt ihr im danach anzustrengenden Gerichtsverfahren gemäss Art. 211 Abs. 2 Buchst. a ZPO die Klägerrolle zu.

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3.4.3.2 Vertretung Wer einen ausserkantonalen oder ausländischen Wohnsitz hat, muss gemäss 275 Art. 204 Abs. 3 Buchst. a ZPO zur Schlichtungsverhandlung nicht persönlich erscheinen, sondern kann sich vertreten lassen. Da in dieser Bestimmung – im Unterschied beispielsweise zu Art. 10, 31, 32, 34, 36, 37, 38 und 40 ZPO – nur von «Wohnsitz» und nicht auch von «Sitz» die Rede ist, stellt sich die Frage, ob sie auch für juristische Personen gilt. Die präzisere Fassung der genann­ ten Bestimmungen aus dem Bereich der örtlichen Zuständigkeit ändert nichts daran, dass es sachlich angezeigt ist, Art. 204 Abs. 3 Buchst. a ZPO auch auf juristische Personen auszudehnen (in diesem Sinne auch HAP-Immobiliar­ mietrecht/Bühlmann, Rz. 12.33; Koller Thomas, in: ZBJV 152/2016, S. 825, mit dem Hinweis, dass das Bundesgericht die Frage nicht ausdrücklich entschie­ den, aber in BGE 140 III 70, E. 4.3, S. 72, in diesem Sinne angedeutet hat). Da die Vertretungsmöglichkeit von Gesetzes wegen besteht, erweist sich ein Dis­ pensationsgesuch als unnötig. Nicht persönlich erscheinen und sich vertreten lassen kann sich sodann gemäss 276 Art.  204 Abs.  3 Buchst.  b ZPO, wer wegen Krankheit, Alter oder anderen wichtigen Gründen verhindert ist. Ist die Partei eine juristische Person, bei der nur eine Person die Voraussetzungen gemäss BGE 140 III 70 bzw. 141 III 159 dafür erfüllt (oben N 271), damit die Partei als persönlich erschienen gilt, muss Art.  204 Abs.  3 Buchst.  b ZPO auch zur Anwendung gelangen, wenn die dort genannten Gründe bei dieser (natürlichen) Person zutreffen. Wer sich darauf beruft, gemäss dieser Bestimmung berechtigt zu sein, einen Vertreter zu delegieren, hat vor der Verhandlung ein begründetes Dispensationsgesuch zu stellen. Die Begründung ist glaubhaft zu machen (HAP-Immobiliarmietrecht/ Bühlmann, Rz. 12.34; Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 248, S. 76). Im Geltungsbereich von Art. 243 ZPO, also bei einem Streitwert bis 30 000 277 CHF sowie unabhängig vom Streitwert im Kernbereich des sozialen Mietrechts kann sich der Vermieter im Schlichtungsverfahren gemäss Art.  204 Abs.  3 Buchst.  c ZPO durch die Liegenschaftsverwaltung vertreten lassen, sofern diese zum Abschluss eines Vergleichs ermächtigt ist. Nach dieser Formulie­ rung des Gesetzes und entsprechend der Praxis der Schlichtungsbehörden kann die Vertretung auch durch eine juristische Person übernommen werden, wenn die Verwaltung als solche organisiert ist. Da es sich um eine gesetzliche Vertretungsmöglichkeit handelt, braucht der Vermieter kein Dispensationsge­ such zu stellen, wenn er von der Delegation durch die Liegenschaftsverwaltung Gebrauch machen will. Zu belegen hat er jedoch, dass die Verwaltung für die fragliche Liegenschaft effektiv tätig sowie zur Vertretung bevollmächtigt und Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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zum Abschluss eines Vergleichs ermächtigt ist. Dieser Nachweis kann durch die Einreichung einer Kopie des Verwaltungsvertrags erbracht werden, wobei die für die Vertretungsbefugnis irrelevanten und nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Passagen (z.B. betreffend das Honorar) ohne Weiteres abgedeckt werden können. Die Tätigkeit der Verwaltung für die streitbetroffene Liegen­ schaft ergibt sich meistens schon aus der damit zusammenhängenden Korres­ pondenz und den entsprechenden Verträgen. 278

Fehlt der im Verwaltungsvertrag enthaltenen Vollmacht die Vertretungsbefug­ nis vor den Behörden und Gerichten bzw. die Ermächtigung zum Abschluss eines Vergleichs, hat der Vermieter eine separate, diese Kompetenzen umfas­ sende Vollmacht auszustellen. An der Schlichtungsverhandlung muss Klarheit darüber bestehen, dass eine gültige Vertretung gemäss Art. 204 Abs. 3 Buchst. c ZPO vorliegt. Fehlt eine deren Voraussetzungen erfüllende Vollmacht, hat die Schlichtungsbehörde der Liegenschaftsverwaltung Frist anzusetzen, eine sol­ che nachzureichen, unter der Androhung, dass sonst deren Rechtshandlun­ gen als nicht erfolgt betrachtet würden (HAP-Immobiliarmietrecht/Bühlmann, Rz. 12.11, 12.20–12.23, 12.35; Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 256 f., S. 78 f.; Urteil des Bundesgerichts 4A_51/2015 vom 20. April 2015, E. 3.2). Erweist sich in der Schlichtungsverhandlung, dass die Vollmacht unvollständig oder man­ gelhaft ist, und ist nebst der Verwaltung auch der Vermieter anwesend, kann dieser die korrekte Vollmacht zu Protokoll geben (Staehelin/Schweizer, ZK, N 27 zu Art. 68 ZPO; Tenchio, BSK, N 14 zu Art. 68 ZPO; a.M. HAP-Immobi­ liarmietrecht/Bühlmann, Rz. 12.19 bei Anm. 21).

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Macht der Vermieter von seinem Recht Gebrauch, die Liegenschaftsverwal­ tung an die Schlichtungsverhandlung zu delegieren, und schliesst die Verwal­ tung mit dem Mieter in der Verhandlung einen Vergleich, kann der Vermieter diesen nicht mit der Begründung als unwirksam anfechten, die Vollmacht ent­ halte keine schriftliche Ermächtigung zum Vergleichsabschluss, wenn die subjektive Auslegung der Willensäusserungen von Vermieter und Verwalter im Zusammenhang mit dem Abschluss des die Vollmacht enthaltenden Ver­ waltungsauftrags ergibt, dass die Ermächtigung zum Vergleichsabschluss auch ohne ausdrückliche Erwähnung bestehen soll. Das Bundesgericht hat dazu im Urteil 4A_51/2015 vom 20.  April 2015, E.  3.3, festgehalten, indem Art.  204 Abs. 3 Buchst. c ZPO einen schriftlichen Ausweis über die Vergleichsberech­ tigung des Vertreters verlange, werde nicht der Schutz der Parteien vor unbe­ rechtigter Vertretung im Schlichtungsverfahren und somit ihrer Entschei­ dungsfreiheit beabsichtigt, sondern es soll die wirksame Durchführung des Schlichtungsversuchs gewährleistet und dadurch die einvernehmliche Streit­

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beilegung gefördert werden. Dementsprechend könne eine Partei, die nicht persönlich an der Schlichtungsverhandlung erschienen sei, sondern sich habe vertreten lassen, von vornherein nicht einwenden, der an der Schlichtungsver­ handlung von ihrem Vertreter abgeschlossene und gemäss Art. 208 Abs. 1 ZPO zu Protokoll genommene Vergleich sei unwirksam, da die Voraussetzungen der Delegation gemäss Art. 204 Abs. 3 Buchst. c ZPO nicht erfüllt gewesen seien. Steht die Vertretungsbefugnis durch die Liegenschaftsverwaltung fest, und 280 ist die Liegenschaftsverwaltung eine juristische Person, stellt sich die wei­ tere Frage, wie diese selbst vor der Schlichtungsbehörde korrekt vertreten wird. Wie gesehen (oben N 271), kann die als juristische Person organisierte Partei, die sich nicht vertreten lässt bzw. (weil für sie als Mieterin kein Ausnahme­ tatbestand von Art. 204 Abs. 3 ZPO gegeben ist) sich nicht durch eine Dritt­ person vertreten lassen darf, an die Schlichtungsverhandlung nur ein Organ, einen Prokuristen oder eine (kaufmännisch) handlungsbevollmächtigte Per­ son im Sinne von Art. 462 Abs. 1 OR mit einer Vollmacht zur Prozessführung nach Art. 462 Abs. 2 OR delegieren, die mit der Sache vertraut sein muss. Kon­ sequenterweise müssen für die Liegenschaftsverwaltung dieselben Regeln gel­ ten (Honegger, ZK, N 11 zu Art. 204 ZPO; Koller Thomas, in: ZBJV 152/2016, S. 824). Handlungsbevollmächtigte werden nicht ins Handelsregister eingetra­ gen. Wird jedoch einem Angestellten, typischerweise einem Immobilienbewirt­ schafter, von der Liegenschaftsverwaltung die generelle Vollmacht erteilt, sie in den Belangen der im Auftrag betreuten Mietverhältnisse zu vertreten, han­ delt es sich dabei ohne Weiteres um eine Vertretung «zu bestimmten Geschäf­ ten in seinem Gewerbe» im Sinne von Art. 462 Abs. 1 OR. Das gilt auch, ohne dass der Angestellte formell als Handlungsbevollmächtigter bezeichnet wird. Wird ein solcher Angestellter einzelzeichnungsberechtigt zur Prozessführung gemäss Art. 462 Abs. 2 OR und gemäss Art. 204 Abs. 3 Buchst. c ZPO zum Abschluss eines Vergleichs bevollmächtigt, sind sowohl die Liegenschaftsver­ waltung wie auch der durch sie vertretene Vermieter rechtsgültig vertreten (in diesem Sinne auch Maag Andreas, in: MRA 3/15, S. 167 Ziff. 7.4 sowie – aller­ dings im Rahmen eines Gerichtsverfahrens – Cour de Justice Genf, Urteil vom 20. November 1995, in: mp 1997, S. 55). Während die Vertretungsmöglichkeit durch die Liegenschaftsverwaltung an 281 der Schlichtungsverhandlung gemäss Art. 204 Abs. 3 Buchst. c ZPO nur für den Vermieter gegeben ist (oben N 277), können sich Mieter und Vermieter vertreten lassen, wenn eine Ausnahme von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen besteht, d.h. in den Fällen von Art. 204 Abs. 3 Buchst. a OR (ausserkantonaler oder ausländischer Wohnsitz, oben N 275) oder Art. 204

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Abs. 3 Buchst. b OR (Krankheit, Alter, andere wichtige Gründe, oben N 276). Für diese Fälle regelt Art. 68 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a und b ZPO, wer zur Ver­ tretung der Mieter und Vermieter legitimiert ist, wie folgt: 282

Nach Art. 68 Abs. 1 ZPO kann sich jede prozessfähige Partei im Prozess ver­ treten lassen. Die in Art.  67 ZPO geregelte Prozessfähigkeit ist Vorausset­ zung und Berechtigung zugleich, einen Prozess als Partei selbst zu führen oder durch eine selbst gewählte, beliebige Person ihres Vertrauens führen zu las­ sen, die nicht berufsmässig auftritt. Die berufsmässige Vertretung ist in Art. 68 Abs. 2 ZPO geregelt (zur berufsmässigen Vertretung BGE 140 III 555, vgl. auch Leuenberger Christoph, in: ZBJV 152/2016, S.  523  f.). Als Vertreter gemäss Art. 68 Abs. 1 ZPO kommt nur eine natürliche Person infrage, die ihrerseits prozessfähig ist (Beschluss OGer Zürich PD110004 vom 19.  Mai 2011, E.  1 sowie PF110 022 vom 20. Mai 2011, E. 2b, beide unter Hinweis auf Tenchio, BSK, N 1a zu Art. 68 ZPO; gl.M. Hrubesch-Millauer, DIKE-Komm., N 2 zu Art.  68 ZPO; HAP-Immobiliarmietrecht/Bühlmann, Rz.  12.4). Die Möglich­ keit gemäss Art. 204 Abs. 3 Buchst. c ZPO, im Schlichtungsverfahren die Lie­ genschaftsverwaltung als Vertretung einzusetzen, bildet eine gesetzliche Aus­ nahme, die nicht auf den Vertreter gemäss Art.  68 Abs.  1 ZPO ausgedehnt werden kann. Dieser kann in der Schlichtungsverhandlung nicht anstelle der durch ihn vertretenen Partei auftreten, wenn keine Ausnahme von der persön­ lichen Erscheinungspflicht gemäss Art. 204 Abs. 3 Buchst. a oder b ZPO vor­ liegt.

283

Nach Art. 68 Abs. 2 Buchst. a ZPO sind Anwälte in allen Verfahren berechtigt, Parteien vor schweizerischen Gerichten (und Schlichtungsbehörden) beruf­ lich zu vertreten. Vor Bundesgericht können Parteien in Zivil- und Strafsa­ chen nur von Anwälten vertreten werden, die nach dem Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte vom 23. Juni 2000 (Anwaltsgesetz, BGFA) oder nach einem Staatsvertrag berechtigt sind, Parteien vor schweizeri­ schen Gerichtsbehörden zu vertreten (Art. 40 Abs. 1 BGG). Nach Art. 5 BGFA hat jeder Kanton ein Register der Anwälte zu führen, die über eine Geschäfts­ adresse auf dem Kantonsgebiet verfügen und die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen gemäss Art.  7 bzw. 8 BGFA erfüllen. Gemäss Art.  8 Abs.  1 Buchst. d BGFA müssen Rechtsanwälte «in der Lage sein, den Anwaltsberuf unabhängig auszuüben; sie können Angestellte nur von Personen sein, die ihrer­ seits in einem kantonalen Register eingetragen sind». Der leitende Angestellte des Rechtsdienstes einer Rechtsschutzversicherung darf daher nicht im Rah­ men des Anwaltsmonopols die bei seiner Arbeitgeberin Versicherten vor der Schlichtungsbehörde oder dem Gericht vertreten (BGE 123 I 193, E. 4e). Das

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Gleiche gilt für den bei einem Mieterverband (oder Hauseigentümerverband) angestellten Rechtsanwalt (BGE 139 III 249 in: Pra 2013, Nr. 113, S. 876 ff.; vgl. auch Koller Thomas, in: ZBJV 150/2014, S. 965 ff.). Solche angestellten Rechts­ anwälte können jedoch im Register eingetragen werden, wenn sie nebenberuf­ lich, in völliger Unabhängigkeit vom Arbeitgeber und ohne jeden Bezug auf die Anstellung, eigene Mandate auf eigene Rechnung ausführen, wobei aller­ dings die Vermutung der Abhängigkeit vom Arbeitgeber besteht (BGE 130 II 87, E. 5.1.1, 5.2; Staehelin et al., Zivilprozessrecht, § 30, Rz. 21). Nach Art.  68 Abs.  2 Buchst.  b ZPO können patentierte Sachwalter sowie 284 Rechtsagenten, soweit solche vom kantonalen Recht vorgesehen sind, vor der Schlichtungsbehörde, vor dem Gericht in vermögensrechtlichen Streitigkei­ ten des vereinfachten Verfahrens (insbesondere Streitigkeiten im Kernbereich des sozialen Mietrechts; Forderungen mit Streitwert bis 30 000 CHF) sowie in den Angelegenheiten des summarischen Verfahrens (insbesondere Auswei­ sung, Rechtsöffnung) berufsmässig vertreten. Solche Sachwalter kennen nur vier Kantone, nämlich Genf, Luzern, St. Gallen und Waadt. Die Regelung der Parteivertretung in Art. 68 ZPO ist grundsätzlich abschlies- 285 send, sodass den Kantonen in diesem Bereich keine Regelungskompetenz zukommt, es sei denn, Art. 68 ZPO selber sehe eine solche vor, wie es in des­ sen Abs. 2 Buchst. b, c und d geschehen ist (Tenchio, BSK, N 1 zu Art. 68 ZPO). In diesem Zusammenhang stellt sich aber die Frage nach der Auslegung von Art. 68 Abs. 2 Buchst. d ZPO. Gemäss dem Wortlaut dieser Bestimmung sind «beruflich qualifizierte Vertreterinnen und Vertreter» zur berufsmässigen Vertretung «vor den Miet- und Arbeitsgerichten» befugt, soweit das kantonale Recht es vorsieht (vgl. unten N 268 ff.). Denjenigen Kantonen, die ein Mietge­ richt kennen (FR, GE, JU, VD und ZH, oben N 209), ist es nach überwiegender und wohl richtiger Auffassung nach dem Grundsatz in majore minus gestat­ tet, diese Vertretungsmöglichkeit auch auf das Verfahren vor der Schlichtungs­ behörde auszudehnen (Beschluss OGer Zürich PD110004 vom 19. Mai 2011, in: SZZP 2011, S. 291; MfdP/Brüllhardt/Püntener, N 5.11.3, Fn. 101, m.w.H.). Weder mit dem Wortlaut der Bestimmung noch dem Willen des Gesetzge­ bers (vgl. dazu das Protokoll der Kommission für Rechtsfragen des Natio­ nalrates, Sitzung vom 14. Februar 2008, S. 29, zitiert bei Tenchio, BSK, N 13 zu Art.  68 ZPO) in Einklang zu bringen ist jedoch die Auffassung, die Ver­ tretungsmöglichkeit nach Art. 68 Abs. 2 Buchst. d ZPO könne auch von den Kantonen vorgesehen werden, die kein Mietgericht kennen (gl.M. HrubeschMillauer, DIKE-Komm., N  10 zu Art.  68 ZPO; Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 258, S. 79 f.; MfdP/Brüllhardt/Püntener, N 5.11.3; a.M. Tenchio, BSK, N 13

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u. 13a zu Art.  68 ZPO; HAP-Immobiliarmietrecht/Bühlmann, Rz.  12.8 und 12.16, mit einer Zusammenstellung der in den Kantonen getroffenen Regelun­ gen in Rz. 12.17). 286

Wer eine Partei in einem Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren vertritt, hat sich gemäss Art. 68 Abs. 3 ZPO durch eine Vollmacht auszuweisen. Das Bundes­ gericht hat in BGE 140 III 70, E.  4.4, mit Bezug auf eine juristische Person festgehalten, dass die für eine solche an einer Schlichtungsverhandlung anwe­ sende Vertreterin vorbehaltlos und gültig handeln können müsse. So müsse sie insbesondere zum Vergleichsabschluss ermächtigt sein, wie es Art. 204 Abs. 2 Buchst.  c ZPO für die den Vermieter vertretende Liegenschaftsverwaltung vorsieht. Damit kann aber für die übrigen Vertreter einer Partei nichts ande­ res gelten. In diesem Zusammenhang ist auf Art.  396 Abs.  3 OR zu verwei­ sen, wonach der Beauftragte zum Abschluss eines Vergleichs einer besonderen Ermächtigung bedarf. Die Kompetenz zum Abschluss eines Vergleichs muss also in der Vollmacht ausdrücklich erwähnt werden. Bloss zu erwähnen, der Bevollmächtigte sei zur Vertretung vor Behörden und Gerichten ermächtigt, reicht nicht. Soll die Vollmacht über den Eintritt des Verlusts der Handlungs­ fähigkeit des Vertretenen, dessen Konkurs, Tod oder Verschollenenerklärung hinaus gelten, ist dies gemäss Art. 35 Abs. 1 OR ebenfalls ausdrücklich festzu­ halten. Als Beispiel für entsprechende Mangelhaftigkeit einer Vollmacht vgl. Urteil OGer Bern ZK 15 275 vom 26. August 2015, in: CAN 2016 Nr. 34 und mp-flash 6/2016.

287

Erweist sich die Befugnis zur Vertretung einer juristischen Person, die gemäss Art. 204 Abs. 1 ZPO zum persönlichen Erscheinen verpflichtet ist, erst in der Schlichtungsverhandlung als nicht gegeben, kann der Mangel, zumindest dann, wenn es sich bei der Partei um die Klägerin handelt, nicht geheilt werden. Die Klägerin gilt als säumig, sodass gemäss Art. 206 Abs. 1 ZPO ihr Schlichtungs­ gesuch als zurückgezogen gilt und das Verfahren als gegenstandslos geworden abzuschreiben ist (BGE 140 III 70, E. 5, S. 74; 141 III 159, E. 2.1, S. 163). Fle­ xibler sind die Schlichtungsbehörden in der Regel, wenn eine juristische Per­ son als beklagte Vermieterin nicht korrekt vertreten ist. In der Praxis wird ver­ sucht, mit der an der Verhandlung seitens der Beklagten anwesenden Person einen Vergleich auszuhandeln und diesen im Nachhinein von der Vermieterin genehmigen zu lassen (zu BGE 141 III 159 Koller Thomas, in: ZBJV 152/2016, S. 824 f.).

288

Erweist sich die von einer Partei, die sich vertreten lassen darf, an eine Dritt­ person erteilte Vollmacht als mangelhaft, hat die Schlichtungsbehörde bzw. das Gericht gemäss Art. 132 ZPO Frist zur Verbesserung anzusetzen und dann die 1236

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anzudrohenden Säumnisfolgen erst eintreten zu lassen, wenn die Frist unge­ nutzt verstrichen ist (Gschwend, BSK, N 12, 36 zu Art. 132 ZPO; Kramer/Erk, DIKE-Komm., N 1, 5 zu Art. 132 ZPO; Staehelin, ZK, N 3, 4 zu Art. 132 ZPO). 3.4.3.3 Beistand/Begleitung Die Möglichkeit, einen in Art.  68 ZPO vorgesehenen Vertreter zu bestellen, 289 entbindet die Parteien nicht von der persönlichen Erscheinungspflicht an der Schlichtungsverhandlung, sofern kein Ausnahmetatbestand gemäss Art.  204 Abs. 3 ZPO gegeben ist. Immerhin sieht Art. 204 Abs. 2 ZPO vor, die Parteien könnten sich «von einer Rechtsbeiständin, einem Rechtsbeistand oder einer Vertrauensperson begleiten lassen». Nach zutreffender Auffassung ist für den begleitenden Rechtsbeistand kein Anwaltspatent, aber wie zur «Vertrauens­ person» ein besonderes Vertrauensverhältnis vorausgesetzt. Handelt es sich bei der Begleitperson nicht um eine berufsmässige Vertreterin im Sinne von Art. 68 Abs. 2 ZPO, darf aber das Mandat nicht berufsmässig ausgeübt werden (HAP-Immobiliarmietrecht/Bühlmann, Rz.  12.24  ff.; Püntener, Zivilprozess­ recht, N 21, S. 6 und MfdP/Brüllhardt/Püntener, N 5.11.4, je mit Hinweis auf a.M.). Der bei einer Rechtsschutzversicherung angestellte Rechtsanwalt fällt daher nicht nur als Vertreter ausser Betracht (oben N 283), sondern auch als Beistand im Sinne von Art. 204 Abs. 2 ZPO (Infanger, BSK, N 5 zu Art. 204 ZPO; Püntener, Zivilprozessrecht, N 261, S. 80 f.; HAP-Immobiliarmietrecht/ Bühlmann, Rz. 12.27 ff.). Jedoch können auch berufsmässige Vertreterinnen und Vertreter gemäss 290 Art.  68 Abs.  2 ZPO die zur persönlichen Anwesenheit verpflichtete Partei oder auch die den Vermieter gemäss Art.  204 Abs.  3 Buchst.  c ZPO vertre­ tende Verwaltung an der Schlichtungsverhandlung begleiten. Die persönliche Erscheinungspflicht macht (entgegen HAP-Immobiliarmietrecht/Bühlmann, Rz. 12.45) die Vertretung nicht unzulässig, sondern schränkt sie lediglich ein (Tenchio, BSK, N  2 zu Art.  68 ZPO). Da sich die persönliche Erscheinungs­ pflicht nur auf die Schlichtungsverhandlung bezieht, sind die in Art. 68 ZPO genannten Personen ohne Weiteres berechtigt, ausserhalb einer solchen für den Vertretenen rechtswirksame Handlungen vorzunehmen, wie beispielsweise die Einleitung des Verfahrens (Püntener, Zivilprozessrecht, Rz.  243, S.  75) oder der Abschluss eines Vergleichs vor oder im Nachgang zu einer Schlichtungs­ verhandlung. Die Beschränkung der Vertretungsbefugnis, die im Wesentlichen dahin geht, dass die vertretene Partei persönlich zur Schlichtungsverhandlung erscheinen muss, bedeutet aber nicht, dass der begleitende, ordnungsgemäss bevollmächtigte Vertreter an der Verhandlung keinerlei Rechtshandlungen

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

vornehmen und somit beispielsweise keinen unter Mitwirkung der Schlich­ tungsbehörde abgeschlossenen Vergleich unterzeichnen dürfte. Eine aktive Beteiligung des Vertreters wird regelmässig von der durch ihn begleiteten Par­ tei wie auch  – namentlich in komplexeren Fällen  – von der Schlichtungsbe­ hörde gewünscht (Staehelin et al., Zivilprozessrecht, § 20, Rz. 20). Es ist daher zu Recht von einer «vertretenden Begleitung» die Rede (HAP-Immobiliar­ mietrecht/Bühlmann, Rz. 12.45). 3.4.3.4 Orientierungspflicht 291

Nach Art. 204 Abs. 4 ZPO ist die Gegenpartei über die Vertretung vorgängig zu orientieren. Vorgängig bedeutet rechtzeitig vor der Schlichtungsverhand­ lung, damit die Gegenpartei sich darauf einstellen kann. Ist diese gemäss dem Grundsatz von Art. 204 Abs. 1 ZPO zum persönlichen Erscheinen verpflichtet, wird sie davon nicht allein durch den Umstand entbunden, dass die andere Par­ tei sich gemäss Art. 204 Abs. 3 ZPO vertreten lassen darf. Ein solch zusätzliches, im Gesetz nicht vorgesehenes Vertretungsrecht widerspricht dem Zweck der Schlichtungsverhandlung, im persönlichen Gespräch eine Einigung zu finden (HAP-Immobiliarmietrecht/Bühlmann, Rz. 12.41; a.M. Honegger, ZK, N 13 zu Art. 204 ZPO). Die Gegenpartei soll aber die Möglichkeit haben, eine Beglei­ tung zu organisieren.

292

Art. 204 Abs. 4 ZPO bestimmt nicht, wer die Gegenpartei zu orientieren hat. Üblicherweise geschieht dies durch die Schlichtungsbehörde, wovon die Par­ teien ausgehen können. Wird die klagende Partei vertreten, ergibt sich die Ver­ tretung in der Regel bereits aus dem Schlichtungsgesuch. Wird die beklagte Partei vor der Schlichtungsverhandlung aufgefordert, sich zur Sache schriftlich zu äussern, kann sie die Vertretung mit der entsprechenden Eingabe vermelden. Andernfalls ist eine separate Orientierung der Schlichtungsbehörde notwen­ dig, die ihrerseits die andere Partei zu informieren hat. Das Gesetz lässt eben­ falls offen, was zu geschehen hat, wenn die Orientierung unterbleibt. Obliegt die Orientierungspflicht der Schlichtungsbehörde, liegt jedenfalls keine Säum­ nis der Parteien vor, sodass eine Erledigung im Sinne von Art. 206 ZPO aus­ ser Betracht fällt. Die Verhandlung ist vielmehr durchzuführen, es sei denn, die weder vertretene noch begleitete Partei sehe sich dazu nicht in der Lage und stelle ein Verschiebungsgesuch, dem in diesem Falle zu entsprechen ist (Pün­ tener, Zivilprozessrecht, Rz. 262, S. 81).

293

Bei blosser Verbeiständung/Begleitung gemäss Art.  204 Abs.  2 ZPO gilt die Orientierungspflicht über die Vertretung gemäss Art.  204 Abs.  4 ZPO nicht (Staehelin et al., Zivilprozessrecht, §  20, Rz.  22; HAP-Immobiliarmietrecht/ 1238

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Bühlmann, Rz. 12.25; Honegger, ZK, N 4 zu Art. 204 ZPO; a.M. Egli, DIKEKomm., N 24 zu Art. 204 ZPO).

3.4.4

Vertretung im Gerichtsverfahren

Wie bereits erwähnt, kann sich eine Partei gemäss Art.  68 Abs.  1 ZPO vor 294 Gericht durch eine selbst gewählte, beliebige Person ihres Vertrauens vertreten lassen, soweit diese nicht berufsmässig tätig wird (oben N 282). Gemäss Art. 68 Abs. 2 Buchst. a ZPO sind Anwälte in allen Verfahren, also insbesondere auch vor Gericht, zur berufsmässigen Vertretung berechtigt (oben N  283). Vor Gericht sind sodann gemäss Art. 68 Abs. 2 Buchst. b ZPO in vermögensrecht­ lichen Streitigkeiten des vereinfachten Verfahrens im Sinne von Art. 243 ZPO sowie in den Angelegenheiten des summarischen Verfahrens der Art. 248 ff. ZPO die patentierten Sachwalter zur Vertretung berechtigt, soweit das kanto­ nale Recht es vorsieht (oben N 284). Im Weiteren können nach Art. 68 Abs. 2 Buchst. c ZPO gewerbsmässige Ver- 295 treter nach Art. 27 SchKG die Parteien in den Angelegenheiten des summari­ schen Verfahrens in den Bereichen der Zwangsvollstreckung gemäss Art. 251 ZPO vertreten. Entgegen der Rechtslage vor Inkrafttreten von Art. 68 Abs. 2 Buchst. c ZPO können solche, vom kantonalen Recht vorzusehende gewerbs­ mässigen Vertreter nun eine Partei nicht nur im eigentlichen Betreibungs­ verfahren vor den Behörden der Zwangsvollstreckung im engeren Sinne (Betreibungs-, Konkurs- und Nachlassbehörden), sondern auch in den betreibungsrechtlichen Inzidenzverfahren vor dem Richter (z.B. Rechtsöffnung, Konkursbegehren etc.) vertreten, soweit diese im summarischen Verfahren stattfinden (Tenchio, BSK, N 12 zu Art. 68 ZPO). Solche gewerbsmässigen Ver­ treter gemäss Art. 27 SchKG haben nur wenige Kantone vorgesehen, und die entsprechenden Regelungen werden ab 2018 weitgehend obsolet: Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft hat mit Beschluss vom 25. September 2015 den bisherigen Art. 27 SchKG aufgehoben und durch folgende Fassung ersetzt: 5. Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren Art. 27 1 Jede

handlungsfähige Person ist berechtigt, andere Personen im Zwangs­ vollstreckungsverfahren zu vertreten. Dies gilt auch für die gewerbsmässige Vertretung. Die Kantone können einer Person aus wichtigen Gründen die gewerbsmässige Vertretung verbieten.

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296

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen 2 Die

Kosten der Vertretung im Verfahren vor den Betreibungs- und Kon­ kursämtern dürfen nicht der Gegenpartei überbunden werden.

Der Bundesrat hat diese Änderung auf den 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt (AS 2016, S. 3643). 297

Während mit dieser Revision Art. 27 SchKG eine völlig neue Bedeutung erhält, bleibt der Wortlaut von Art. 68 Abs. 2 Buchst. c ZPO unangetastet, der auf die gewerbsmässigen Vertreter nach Art.  27 SchKG verweist. Das ändert nichts daran, dass mit der Revision von Art. 27 SchKG bezweckt wird, dass als Vertre­ ter in Betreibungsverfahren und gemäss Art. 68 Abs. 2 Buchst. c ZPO auch in den damit zusammenhängenden summarischen Gerichtsverfahren gemäss Art. 251 ZPO (Rechtsöffnung-, Konkurs-, Arrest- und Nachlassverfahren) ins­ besondere auch juristische Personen (Inkassobüros, Rechtsschutzversicherun­ gen etc.) gewerbsmässig auftreten können, ohne dass sie dafür einer Bewilli­ gung des Kantons bedürfen (Botsch. SchKG Ziff. 1.2.1 und 1.2.2, S. 8674 f.). Wie bei der Bevollmächtigung der Verwaltung als Vertreterin des Vermie­ ters im Schlichtungsverfahren kann also auch bei der Bevollmächtigung einer gewerbsmässigen Vertreterin nach Art.  27 SchKG ausnahmsweise eine juris­ tische Person beauftragt werden, wenn die Vertreterin als solche organisiert ist. Deren vor Gericht auftretender Exponent muss von der gewerbsmässigen Vertreterin wiederum ordnungsgemäss bevollmächtigt sein, sofern er nicht im Handelsregister als einzelzeichnungsberechtigtes Organ eingetragen ist. Für die Bereiche des summarischen Verfahrens ausserhalb von Art. 251 ZPO, bei­ spielsweise den Rechtsschutz in klaren Fällen und damit das Ausweisungs­ verfahren, besteht die Möglichkeit einer gewerbsmässigen Vertretung nach Art.  27 SchKG nicht. Als gewerbsmässige Vertreter kommen dort weiterhin nur Anwälte sowie patentierte Sachwalter bzw. Rechtsagenten infrage, soweit das kantonale Recht solche vorsieht (oben N 284).

298

Nach Art. 68 Ab. 2 Buchst. d ZPO sind schliesslich beruflich qualifizierte Vertreterinnen und Vertreter zur berufsmässigen Vertretung vor den Miet- und Arbeitsgerichten befugt, soweit das kantonale Recht es vorsieht. Nach dem kla­ ren Wortlaut der Bestimmung besteht diese Möglichkeit für mietrechtliche Prozesse nur für Kantone, die ein Mietgericht kennen, also Freiburg, Genf, Jura, Waadt und Zürich (oben N 209). Es ist Sache der Kantone zu definieren, wel­ che fachlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit jemand als qualifi­ zierter Vertreter zugelassen ist. Zu denken ist in erster Linie an entsprechende Verbandsvertreter oder Liegenschaftsverwalter.

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Im Kanton Zürich sind gemäss § 11 Abs. 2 Buchst. a Anwaltsgesetz zur Tätig­ 299 keit im Bereich des Anwaltsmonopols «Vertreterinnen und Vertreter im Sinne von Art. 68 Abs. 2 Buchst. d ZPO vor den Miet- und Arbeitsgerichten bis zu einem Streitwert von 30 000 CHF» berechtigt. Über die zu erfüllenden fach­ lichen Voraussetzungen schweigt sich das Gesetz aus. Die Bestimmung wird aber dahingehend ausgelegt, dass in Analogie zu Art. 204 Abs. 3 Buchst. c ZPO der Vermieter auch vor dem Mietgericht durch die Liegenschaftsverwaltung vertreten werden kann. Es gilt damit das in N 277–280 Ausgeführte entspre­ chend. Dies allerdings mit dem Unterschied, dass die Möglichkeit der Vertre­ tung durch die Verwaltung vor dem Mietgericht auch im Kernbereich des sozi­ alen Mietrechts nur bis zu einem Streitwert von 30 000 CHF besteht (vgl. auch N 300). Eine Analogie für die Vertretung des Mieters gibt es nicht. Dieser kann sich nur gemäss Art. 68 Abs. 1 ZPO durch eine beliebige (nicht gewerbsmäs­ sig auftretende) Vertrauensperson oder gemäss Art. 68 Abs. 2 Buchst. a ZPO durch einen Anwalt vertreten lassen. Erwähnt das Gesetz in Art. 68 Abs. 2 Buchst. d ZPO «beruflich qualifizierte Ver­ 300 treterinnen und Vertreter, soweit das kantonale Recht es vorsieht», sind Zwei­ fel daran angebracht, ob eine juristische Person diese Voraussetzungen erfüllen kann. Dies umso mehr, als grundsätzlich nur natürliche Personen als Vertre­ ter vor Gericht infrage kommen (Ausnahme ist die Liegenschaftsverwaltung im Schlichtungsverfahren gemäss Art. 204 Abs. 3 Buchst. c OR, oben N 277 und neu die gewerbsmässige Vertretung nach Art. 27 SchKG in einem sum­ marischen Verfahren gemäss Art. 251 ZPO, oben N 295). Am Grundsatz, dass als Vertreter nur natürliche Personen infrage kommen, hat das OGer Zürich im Entscheid PD110004 vom 19.  Mai 2011, in: SZZP 2011, S.  291, auch für die Vertretung nach Art. 68 Abs. 2 Buchst. d ZPO festgehalten. Es führte aus, der Wortlaut der ZPO lege nahe, dass das kantonale Recht zur «beruflichen Qualifikation» Bestimmungen aufzustellen hätte. Der Kanton Zürich habe das offenbar nicht so verstanden. Mit der in N  299 zitierten Ausnahme gemäss § 11 Abs. 2 Buchst. a Anwaltsgesetz mache das kantonale Recht offenkundig den Kurzschluss von «berufsmässig» zu «beruflich qualifiziert»; das sei zwar logisch etwas wunderlich, aber nicht weiter zu hinterfragen. Im Ergebnis sind also im Kanton Zürich Verbandsvertreter und Angestellte einer Liegenschafts­ verwaltung, die sich berufsmässig mit Mietangelegenheiten befassen, als Ver­ treter im Sinne von Art. 68 Abs. 2 Buchst. d ZPO zu betrachten, die gemäss § 11 Abs. 2 Buchst. a Anwaltsgesetz bis zu einem Streitwert von 30 000 CHF zur Ver­ tretung vor dem Mietgericht befugt sind.

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen 301

Bei einem Verband oder einer Gesellschaft angestellte, beruflich qualifizierte Vertreter im Sinne von Art.  68 Abs.  2 Buchst.  d OR sind nicht unabhängig. In dieser Funktion dürfen sie daher selbst dann nicht vor einer kantonalen Rechtsmittelinstanz oder dem Bundesgericht als Vertreter tätig sein, wenn sie über das Anwaltspatent verfügen (BGE 139 III 249, in: Pra 2013, Nr. 113, S. 876 ff., kommentiert von Koller Thomas, in: ZBJV 150/2014, S. 965 ff.). Was die Anforderungen an die anwaltliche Unabhängigkeit anbelangt, ist Art. 68 Abs.  2 Buchst.  a ZPO gleich auszulegen wie der für das Verfahren vor Bun­ desgericht massgebende Art. 40 Abs. 1 BGG. Wer vor kantonalen Instanzen als selbständig erwerbender Anwalt Mieter vertreten will, muss daher eine hinreichende Distanz zu Mieterverbänden halten (Koller Thomas, in: ZBJV 160/2014, S. 970; Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 260, S. 80).

302

Zur Vollmacht ist auf die Ausführungen zur Vertretung im Schlichtungsver­ fahren zu verweisen (oben N 278).

3.5

Streitverkündung und Intervention

303

Eine Partei, die für den Fall ihres Unterliegens eine dritte Person belangen will oder den Anspruch einer dritten Person befürchtet, kann diese auffor­ dern, sie im Prozess zu unterstützen (Art. 78 ZPO). Eine Befristung sieht das Gesetz dafür nicht vor, sodass diese Streitverkündung (Litisdenunziation) so lange möglich ist, als die streitverkündende Partei (Litisdenunziantin) zur Prozessführung berechtigt ist. Sie ist somit auch schon im Schlichtungsverfahren zulässig. Möglich ist aber auch eine aussergerichtliche, private Streit­ verkündung. Eine solche ist sinnvoll, wenn eine bloss interne Unterstützung gewünscht wird oder die streitberufene Person (Litisdenunziat) im Ausland wohnt (Frei, BSK, N 7 zu Art. 78 ZPO). In der Regel erfolgt die Streitverkün­ dung aber mit einer Eingabe an die Schlichtungsbehörde oder das Gericht, die mit dem Antrag verbunden wird, dem Litisdenunziaten sei eine Frist anzu­ setzen, um zu erklären, ob bzw. in welcher Form er sich am Prozessverfahren beteilige. Der Nachweis eines rechtlichen Interesses an der Streitverkündung ist nicht erforderlich.

304

Der Litisdenunziat kann gemäss Art. 79 Abs. 1 Buchst. a ZPO «zugunsten der Partei, die ihm den Streit verkündet hat, ohne weitere Voraussetzungen interve­ nieren» (Nebenintervention). Der Litisdenunziat wird damit, ebenfalls ohne dass der Nachweis eines rechtlichen Interesses notwendig wäre, zum Neben­ intervenienten. Der Nebenintervenient kann zur Unterstützung des Litis­ denunzianten alle Prozesshandlungen vornehmen, die nach dem Stand des

1242

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Verfahrens zulässig sind und nicht im Widerspruch zu denjenigen des Litis­ denunzianten stehen. Der Nebenintervenient wird zur Nebenpartei und kann als solche nicht mehr als Zeuge einvernommen werden. Vor Gericht können dem als Nebenintervenient in den Prozess eintretenden Litisdenunziaten ein Teil der Gerichtskosten auferlegt werden (Frei, BSK, N 10, 10a zu Art. 79 ZPO). Der Litisdenunziat kann gemäss Art. 79 Abs. 1 Buchst. b ZPO auch «anstelle 305 der Partei, die ihr den Streit verkündet hat, mit deren Einverständnis den Pro­ zess führen». Eine solche Prozessübernahme bewirkt einen Parteiwechsel. Der Litisdenunziat wird zur Hauptpartei und führt den Prozess in eigenem Namen, aber für «fremdes Recht» (Urteil des Bundesgerichts 4A_398/2008 vom 18. Dezember 2008, E. 1.1.2). Es handelt sich um eine Prozessstandschaft, bei der für das Urteil einzig das Rechtsverhältnis zwischen der streitverkündenden Partei und der Gegenpartei massgebend ist (Frei, BSK, N 12 zu Art. 79 ZPO). Ab dem Zeitpunkt der Prozessübernahme haftet für die Prozesskosten allein die streitberufene Partei, und es sind auch deren Prozesshandlungen wirksam, die im Widerspruch zu den bisherigen Ausführungen des Litisdenunzianten stehen (Frei, BSK, N 13 f. zu Art. 79 ZPO). Der Litisdenunziat kann schliesslich gemäss Art. 79 Abs. 2 ZPO auch den Ein­ 306 tritt in den Prozess gemäss Art. 79 Abs. 1 Buchst. a oder b ZPO ablehnen oder sich einfach nicht äussern. In diesem Fall wird der Prozess ohne Rücksicht auf die streitberufene Person fortgesetzt. Eine dritte Person, die ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, dass eine 307 rechtshängige Streitigkeit zugunsten der einen Partei entschieden werde, kann auch ohne Aufforderung (Streitverkündung nach Art. 78 ZPO) auf eigene Ini­ tiative im Prozess jederzeit als Nebenpartei intervenieren und zu diesem Zweck ein Interventionsgesuch stellen (Art. 74 ZPO). Eine solchermassen selbständige Nebenintervention ist ebenfalls bereits im Schlichtungsverfahren zuläs­ sig. Das Gesuch muss aber mit Blick auf das vom Gesetz verlangte rechtliche Interesse von der Schlichtungsbehörde bzw. dem Gericht bewilligt werden (Art.  75 ZPO). Im Übrigen hat die von sich aus intervenierende Nebenpar­ tei die gleiche Stellung und die gleiche Möglichkeit, die Hauptpartei zu unter­ stützen (vgl. Art. 76 ZPO), wie die gestützt auf eine Streitverkündung gemäss Art. 79 Abs. 1 Buchst. a ZPO intervenierende Nebenpartei (Frei, BSK, N 9 zu Art. 79 ZPO). Ein für die Hauptpartei ungünstiges Ergebnis des Prozesses wirkt auch gegen die intervenierende Nebenpartei, es sei denn, diese sei in der Unterstützung der Hauptpartei von dieser gehindert worden (Art. 77 ZPO). Selbst wenn dem

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308

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Urteil gegenüber dem Nebenintervenienten keine materielle Rechtskraft zukommt, muss es dieser gegen sich gelten lassen, wenn er keine Einreden gemäss Art. 77 Buchst. a oder b ZPO erheben kann. Das gilt in gleicher Weise sowohl für die von sich aus und die gestützt auf eine Streitverkündung inter­ venierende Nebenpartei (Art.  80 ZPO i.V.m. Art.  77 ZPO) als auch für den gemäss Art.  79 Abs.  2 ZPO passiv gebliebenen Litisdenunziaten (Frei, BSK, N 16 zu Art. 79 ZPO). Demgegenüber wird bei einem Parteiwechsel gemäss Art. 79 Abs. 2 Buchst. b ZPO das Urteil sowohl zwischen der Gegenpartei und der ausscheidenden, streitverkündenden als auch der in den Prozess als Haupt­ partei eintretenden streitberufenen Partei rechtskräftig (Frei, BSK, N  12 zu Art. 79 ZPO, N 3a zu Art. 80 ZPO). 309

Beispiel: Der Mieter stellt gestützt auf Art. 259a Abs. 1 Buchst. b i.V.m. Art. 259d OR ein Begehren um Herabsetzung des Mietzinses mit der Begründung, das Mietob­ jekt leide wegen der Immissionen, die von der Bautätigkeit auf dem Nachbargrund­ stück ausgingen, an einem Mangel (vgl. dazu Studer Hans-Jakob, Herabsetzung des Mietzinses, in: MRA 3/05, S. 93 ff.). Der Vermieter, der beabsichtigt, im Fall der Gut­ heissung des Begehrens den entsprechenden Schaden gestützt auf Art. 679 ZGB auf dem Regressweg vom Nachbarn einzufordern (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 5C.117/2005 vom 16.  August 2005, in: mp 2006, S.  134), verkündet diesem sinnvol­ lerweise bereits im Schlichtungsverfahren den Streit, damit bereits dort im Beisein des Nachbarn eine umfassende, auch den Regressanspruch einbeziehende Einigung getrof­ fen werden kann.

310

Will eine Partei einen Dritten nicht nur um Unterstützung bitten, sondern ihn für den Fall des Unterliegens als selbständige Hauptpartei in den Prozess zwin­ gen, sodass im Rahmen des Hauptprozesses gleichzeitig der Regressprozess geführt werden kann, in dem auch gegen die streitberufene Partei ein direkt vollstreckbares Urteil erwirkt werden kann, bietet sich die Streitverkündungsklage gemäss Art. 81 ZPO an. Aus dem Umstand, dass bei der Streitverkün­ dungsklage ein Schlichtungsverfahren entfällt (Art. 198 Buchst. g ZPO), wird abgeleitet, sie sei erst vor Gericht zulässig (Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 275, S. 84 f.). Die Zulassung ist spätestens mit der Klageantwort oder der Replik im Hauptprozess zu beantragen und vom Gericht zu bewilligen (Art. 82 ZPO). Im vereinfachten und im summarischen Verfahren ist die Streitverkündungsklage unzulässig (Art. 81 Abs. 3 ZPO).

3.6 311

Klageänderung und -erweiterung

Verlangt der Kläger vor Gericht mehr als im Schlichtungsverfahren, liegt eine Klageänderung vor. Eine solche ist gemäss Art. 227 ZPO zulässig, wenn der

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

geänderte oder neue Anspruch nach der gleichen Verfahrensart zu beurteilen ist und mit dem bisherigen Anspruch in einem sachlichen Zusammenhang steht oder die Gegenpartei zustimmt (vgl. zur Praxisänderung des Handelsge­ richts des Kantons Zürich HG160015 mit Beschluss vom 24. Mai 2017 (rechts­ kräftig), in: ZR 116 [2017] Nr. 52, S. 169). Beispiele:

312

–– Der Mieter verlangt mit seiner Klage auf Herabsetzung des Mietzinses im Hinblick auf den seit Abschluss des Schlichtungsverfahrens weiter gesun­ kenen Hypothekarzins eine weitere Mietzinssenkung. Obschon damit das Vorverfahren gemäss Art. 270a Abs. 2 OR ausgelassen wird, hat das Bundes­ gericht eine solche Erweiterung der Klage unter dem Vorbehalt der Zuläs­ sigkeit der Klageänderung nach kantonalem Prozessrecht (die heute nach Art. 227 ZPO gegeben ist) als zulässig erklärt (BGE 122 III 25). –– Der Mieter beantragt eine Erstreckung des Mietverhältnisses um vier Jahre, nachdem er vor der Schlichtungsbehörde nur drei Jahre verlangt hatte. –– Klagt der Vermieter beim Gericht auf Abweisung des von der Schlichtungs­ behörde mit Urteilsvorschlag gutgeheissenen Erstreckungsbegehrens, und kündigt er während des pendenten Gerichtsverfahrens ein zweites Mal wegen Zahlungsrückstandes gemäss Art. 257d OR, kann er nicht im Rah­ men einer Klageänderung im hängigen Erstreckungsverfahren die Auswei­ sung des Mieters verlangen. Es handelt sich nicht um eine Änderung der bestehenden Klage, sondern um ein neues selbständiges Begehren, das ent­ weder direkt an den Ausweisungsrichter im summarischen Verfahren oder über die Schlichtungsbehörde wiederum an den ordentlichen Richter zu richten ist (MRA 4/03, S. 180 ff.). Im Schlichtungsverfahren gibt es keine formalistische Unterteilung in Streitig­ 313 keiten, die nach ordentlichem Verfahren zu schlichten und solche, die im ver­ einfachten Verfahren zu behandeln wären. Vorbehältlich verschiedener Erledi­ gungsarten (Klagebewilligung gemäss Art. 209 ZPO, Urteilsvorschlag gemäss Art. 210 ZPO, Entscheid gemäss Art. 210 ZPO) versucht die Schlichtungsbe­ hörde in allen Fällen «in formloser Verhandlung, die Parteien zu versöhnen» (Art. 201 Abs. 1 ZPO). Die Verfahrensart wird daher erst mit Beginn des formelleren gerichtlichen Verfahrens bestimmt. Hat der Kläger bei der Schlich­ tungsbehörde eine Forderungsklage mit einem Streitwert unter 30 000 CHF eingereicht, der in der Klagebewilligung genannt wird, und fordert er mit der Klage an das Gericht einen 30 000 CHF übersteigenden Betrag, so führt erst Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

die Einreichung dieser Klage zur Festlegung des Verfahrens. Die Klage an das Gericht bewirkt also, dass gemäss Art. 243 Abs. 1 OR nicht das vereinfachte, sondern das ordentliche Verfahren zur Anwendung gelangt und sich danach das sachlich zuständige Gericht bestimmt. Unter diesem Aspekt ist die Kla­ geänderung ohne Weiteres zulässig (Beschluss des Mietgerichts Zürich vom 19. April 2012, Geschäfts-Nr. MD110017-L). 314

Art. 273 Abs. 5 OR enthält eine Ausnahmeregelung gegenüber Art. 273 Abs. 2 OR: Ein Erstreckungsanspruch des Mieters, der nicht innert der gesetz­ lich vorgesehenen Frist von 30 Tagen nach Erhalt einer Kündigung bei der zuständigen Schlichtungsbehörde geltend gemacht wird, ist dann nicht ver­ wirkt, wenn der Mieter rechtzeitig die Kündigung im Sinne von Art. 273 Abs. 1 OR bei der Schlichtungsbehörde angefochten hat. Gleichzeitig stellt Art. 273 Abs.  5 OR eine Durchbrechung der Dispositions- und der Eventualmaxime dar. Verlangt der Mieter ausschliesslich die Feststellung der Ungültigkeit bzw. Unwirksamkeit der Kündigung oder deren Aufhebung wegen Missbräuch­ lichkeit (BGE 122 III 95, E. 2d), hat die Schlichtungsbehörde auch bei fehlen­ dem Erstreckungsantrag zu ermitteln, ob der Mieter eine Erstreckung wünscht (Urteil des Bundesgerichts 4C.40/2001 vom 15. Juni 2001, E. 3.1, in: MRA 3/01, S. 147). Trifft dies zu – und nur dann, vgl. Gmür Roland, in: mp 1990, S. 128 –, hat die Schlichtungsbehörde gestützt auf einen solchen sinngemässen Even­ tualantrag darüber zu befinden, ob und allenfalls in welchem Ausmass dem Mieter eine Erstreckung zu gewähren sei. Diese gesetzliche Durchbrechung von Dispositions- und Eventualmaxime ist dogmatisch gerechtfertigt: Mit Ein­ räumung einer Mieterstreckung wird dem Mieter der Verbleib im Mietobjekt für eine beschränkte Zeit zugestanden. Demgegenüber zielt die Anfechtung der Kündigung auf einen unbefristeten Verbleib (mit Wahrung aller Erstre­ ckungsmöglichkeiten bei erneuter Kündigung). Nach einem allgemeinen pro­ zessrechtlichen Grundsatz ist es zulässig, der klagenden Partei weniger zuzu­ sprechen, als sie selber verlangt hat.

315

Zu beachten ist, dass das Umgekehrte nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht gilt: Stellt der Mieter nicht innert 30 Tagen nach Erhalt der Kündigung ein Begehren um Anfechtung der Kündigung, so ist sein allfällig bestehender Anfechtungsanspruch definitiv verwirkt. Ein solcher Anspruch kann weder im Rahmen eines eingeleiteten Erstreckungsverfahrens vom Mieter nachträg­ lich noch geltend gemacht werden noch kann die Behörde von sich aus die bloss anfechtbare Kündigung aufheben. Dies gilt selbst dann, wenn sich aus der Aktenlage oder nach Ausübung des richterlichen Fragerechtes ergibt, dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung der anfechtbaren Kündigung vorge­

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

legen hätten. Art. 271 OR stellt eine Sonderbestimmung zu Art. 2 Abs. 2 ZGB dar, sodass selbst eine offensichtlich rechtsmissbräuchliche Kündigung sich nicht als nichtig oder unwirksam erweist, sondern innerhalb der Verwirkungs­ frist von 30 Tagen angefochten werden muss (BGE 133 III 175; Higi, in: AJP 2007, S. 784; SJZ 103, Nr. 9, S. 233; Gmür Roland, in: mp 1990, S. 133). Da die Verwirkungsfolge von Bundesrechts wegen eintritt, gilt sie in jedem Fall, trotz der Möglichkeit einer Klageerweiterung oder Klageänderung gemäss Art. 227 ZPO. Keine entsprechende Verwirkung tritt hingegen ein bei einer Ungültig­ keit wegen eines Formmangels oder Fehlens einer sonstigen Gültigkeitsvor­ aussetzung. Damit ein Anfechtungsbegehren des Mieters beurteilt werden kann, ist es 316 erforderlich, dass der Mieter innert der gesetzlichen Frist von 30 Tagen ein Begehren stellt, in dem klar zum Ausdruck gebracht wird, dass die Gültigkeit der Kündigung angefochten wird (vgl. dazu BGE 122 III 95, E. 2d). Nur wenn sich mit hinreichender Klarheit ergibt, dass ein Anfechtungsbegehren gestellt wurde, ist ein solches zu beurteilen. Die hier geforderte formale Strenge recht­ fertigt sich deshalb, weil das gesetzlich vorgeschriebene amtliche Formular, das bei der Kündigung verwendet werden muss, den Mieter eindeutig auf die bei­ den Möglichkeiten (Anfechtung und Mieterstreckung) hinweist (Art. 9 Abs. 1 Buchst. d VMWG). Haben die Schlichtungsbehörde und die erste richterliche Instanz die Gültigkeit der Kündigung bejaht und einen Erstreckungsanspruch verneint, ist der Letztere von der Rechtsmittelinstanz ohne entsprechenden Antrag nicht mehr zu prüfen (mp 1999, S. 195).

3.7 Widerklage Die Widerklage ist die von der beklagten Partei im hängigen Prozess gegen die klagende Partei erhobene Klage (im Gegensatz zur Verrechnung gemäss Art. 120 ff. OR, bei der die beklagte Partei [bloss] das Erlöschen der Forderung geltend macht). Sie steht unter drei Voraussetzungen (vgl. Art. 14 und Art. 224 ZPO; Ruggle, BSK, N 3 zu Art. 14 ZPO):

317

–– sachlicher Zusammenhang (Konnexität) zwischen Haupt- und Widerklage; –– beide Ansprüche müssen mittels der gleichen Verfahrensart beurteilt wer­ den können; –– Rechtshängigkeit der Hauptklage. Eine Widerklage ist (wie bisher nach kantonalem Recht) auch vor der Schlich­ 318 tungsbehörde möglich. Das ergibt sich schon daraus, dass gemäss Art.  209 Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Abs. 2 Buchst. b ZPO in der Klagebewilligung auch eine allfällige Widerklage zu erwähnen ist. Wird im Schlichtungsverfahren noch keine Widerklage erho­ ben, kann dies die beklagte Partei noch mit der Klageantwort vor Gericht nach­ holen. Diesfalls entfällt gemäss Art. 198 Buchst. g ZPO für die Widerklage das Schlichtungsverfahren. 319

Die Widerklage ist zwar, wie erwähnt, in der Klagebewilligung aufzuführen (Art. 209 Abs. 2 Buchst. b ZPO). Eine separate Klagebewilligung wird für sie aber von den Schlichtungsbehörden nicht ausgestellt. Dies, obschon es sich um eine selbständige Klage handelt, die weder Angriffs- noch Verteidigungsmittel ist, sondern ein gegen den mit der Klage erhobenen Angriff geführter «Gegen­ angriff, mit welchem die Beklagtenseite ein selbständiges Ziel verfolgt, indem sie einen von der Vorklage nicht erfassten, unabhängigen Anspruch ins Recht legt» (BGE 123 III 47, E. 4c). Dies geschieht aber im Rahmen der Hauptklage. Diesem Verbindungszusammenhang entsprechend besagt Art. 209 Abs. 3 ZPO auch nur, die Klagebewilligung berechtige zur Einreichung «der Klage» beim Gericht. Die Widerklage teilt das Schicksal der Hauptklage. Wird diese nicht oder verspätet eingereicht, fällt auch die Rechtshängigkeit der Widerklage dahin (Bisang Raymond, in: MRA 3/10, S. 114).

320

Nach überwiegender und u.E.  zutreffender Lehre kann daher die bei der Schlichtungsbehörde eingereichte Widerklage nicht autonom fortgesetzt werden, wenn die Hauptklage nicht eingereicht wird (Urteil OGer Zürich PD170005 vom 7. Juli 2017; Willisegger, BSK, N 39 zu Art. 224 ZPO; Leuen­ berger, ZK, N 19 zu Art. 224 ZPO und Pahud, DIKE-Komm., N 12 zu Art. 224 ZPO; a.M. Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 843, S. 242; MfdP/Brüllhardt/Pün­ tener, N 5.13; offengelassen im Urteil des Bundesgerichts 4A_499/2013 vom 4. Februar 2014, vgl. auch Leuenberger Christoph, in: ZBJV 152/2016, S. 527 f.). Um ein entsprechendes Risiko zu vermeiden bzw. über einen Gang ans Gericht selber bestimmen zu können – unabhängig vom prozessualen Verhalten der klagenden Partei – kann die beklagte Partei eine sog. Zweitklage einreichen. Wenn diese gleichzeitig mit dem Begehren der klagenden Partei behandelt wer­ den soll, hat dies rechtzeitig zu geschehen, damit auch für die Zweitklage eine Vorladung zu ein und derselben Verhandlung erlassen und so das rechtliche Gehör der Gegenseite gewahrt werden kann.

321

Hat ein Mieter eine Mietzinserhöhung gemäss Art. 270b OR als missbräuch­ lich angefochten, und klagt der Vermieter gestützt auf die ihm erteilte Klagebe­ willigung gemäss Art. 209 Abs. 1 Buchst. a ZPO auf Feststellung der Gültigkeit der in Anwendung von Art. 269d Abs. 1 OR angezeigten Mietzinserhöhung, kann der Mieter dieser Klage eine Widerklage entgegenhalten, mit der er ein 1248

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Mietzinsherabsetzungsbegehren stellt. Gemäss der ausdrücklichen Bestim­ mung von Art. 270a Abs. 3 OR ist er dabei an das Vorverfahren und die ent­ sprechenden Fristen gemäss Art. 270a Abs. 2 OR nicht gebunden. Anders liegt die Sachlage hingegen, wenn der mit der Widerklage verfolgte 322 Anspruch binnen einer von Bundesrechts wegen vorgesehenen Klagefrist bei der Schlichtungsbehörde erhoben werden muss, wie es für das Kündigungs­ schutzverfahren gemäss Art. 273 OR zutrifft. Hier ist die Klagefrist durch ein entsprechendes Begehren bei der Schlichtungsbehörde zu wahren, und es kann ein allfälliges Versäumnis nicht durch eine Widerklage im Prozess des Gegners vor Gericht geheilt werden. Übersteigt der Streitwert der Widerklage (der gemäss Art. 94 Abs. 1 ZPO nicht 323 mit demjenigen der Hauptklage zusammenzurechnen ist) die sachliche Zustän­ digkeit des Gerichts, so hat dieses nach Art. 224 Abs. 2 ZPO beide Klagen dem Gericht mit der höheren sachlichen Zuständigkeit zu überweisen. Dies aller­ dings nur, wenn die Widerklage die für sie geltenden Voraussetzungen (oben N 317) erfüllt. Wird die Klage im vereinfachten Verfahren geführt, weil es sich um ein Kündigungsschutzverfahren gemäss Art. 243 Abs. 2 Buchst. c ZPO han­ delt, und will der Beklagte mit einer Widerklage gegen den Kläger ein Schaden­ ersatzbegehren im 30 000 CHF übersteigenden Betrag stellen, wird damit das Gebot der Verfahrenseinheit verletzt. Eine Überweisung kommt daher nicht infrage, sondern es hat das Gericht auf die Widerklage nicht einzutreten (Wil­ lisegger, BSK, N 63 zu Art. 224 ZPO). Über eine Widerklage kann das Gericht nur entscheiden, wenn ausser der gefor­ 324 derten Konnexität und Verfahrenseinheit auch dessen sachliche Zuständigkeit gegeben ist. Handelt es sich um ein Fachgericht (z.B. Mietgericht), besteht die Möglichkeit der Beurteilung einer Widerklage ebenfalls nur im Rahmen die­ ser Zuständigkeit. Auf eine Widerklage, die zwar mit der Hauptklage konnex ist, deren Gegenstand aber weder ein Miet- noch ein Pacht-, sondern beispiels­ weise ein Auftragsverhältnis bildet, kann daher ein Fachgericht, dessen sachli­ che Zuständigkeit sich nicht auf diesen Bereich erstreckt, nicht eintreten. Anders ist die Rechtslage, wenn der Beklagte einem Klageanspruch des Klägers 325 einen zwar gleichartigen, aber nicht unbedingt konnexen Anspruch (meist For­ derung auf Geldzahlung) bloss zur Verrechnung gegenüberstellt. Das Gericht hat auch die nicht in seine sachliche Kompetenz fallende Gegenforderung zu beurteilen (BGE 85 II 103, E. 2b; Habegger, BSK, N 12 zu Art. 377 ZPO).

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

3.8 Sistierung 326

Das Gericht kann das Verfahren sistieren, wenn die Zweckmässigkeit dies ver­ langt, namentlich wenn der Entscheid vom Ausgang eines anderen Verfahrens abhängig ist (Art. 126 Abs. 1 ZPO). Dieser beispielhaft angegebene Sistierungs­ grund bezweckt die Vermeidung sich widersprechender Entscheide. Dabei genügt es, dass der Ausgang des anderen Verfahrens das gegebenenfalls zu sis­ tierende Verfahren voraussichtlich bedeutend vereinfacht. Es ist aber stets im Einzelfall genau zu prüfen, ob tatsächlich eine präjudizielle Wirkung auf das zu sistierende Verfahren vorliegt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_5/2016 vom 20. Juli 2016 bzw. Urteil OGer Zürich PD160009 vom 2. Dezember 2016 [Fall Manor]). Die Botschaft erwähnt als weiteren Sistierungsgrund ausdrück­ lich die Möglichkeit, das Schlichtungsverfahren während der Jahresfrist von Art. 203 Abs. 4 ZPO pendent zu halten, um den Parteien Vergleichsverhand­ lungen zu ermöglichen, wobei das Verfahren allerdings auch in diesem Fall binnen der Jahresfrist abzuschliessen ist (Botsch. ZPO, S.  7331 Ziff.  5.13 zu Art.  200 Abs.  4 E-ZPO). Das Bundesgericht hat entschieden, dass auch im Schlichtungsverfahren eine Sistierung zulässig ist, wobei eine Sistierung, die zu einer längeren Hängigkeit des Verfahrens vor der Schlichtungsstelle füh­ ren kann, nur mit Zurückhaltung anzuordnen ist (BGE 138 III 705, E.  2.3). Eine Sistierung des Schlichtungsverfahrens soll die Ausnahme bleiben und ist nur anzuordnen, wenn triftige Gründe vorliegen. In Zweifelsfällen geht das Beschleunigungsgebot vor (Urteil OGer Zürich RU130082 vom 2. April 2014).

327

Erhebt der Mieter vor der Schlichtungsbehörde ein Kündigungsschutzbegeh­ ren, und stellt der Vermieter beim Einzelgericht im summarischen Verfahren ein Begehren um Ausweisung, ist das Schlichtungsverfahren bis zum Entscheid des Einzelgerichts zu sistieren (oben N 196). Die Sistierung des Schlichtungs­ verfahrens ist zweckmässig, da das summarische Ausweisungsverfahren erheb­ lich schneller abgeschlossen sein wird als ein Hauptsacheverfahren (ZR 110 [2011] Nr. 54, E. 7, S. 170). Einen Nachteil erleidet der Mieter dadurch nicht. Zwar gilt im Ausweisungsverfahren anders als im Kündigungsschutz- und Erstreckungsverfahren nicht die soziale Untersuchungsmaxime. Der Schutz des Mieters bleibt aber auch im Verfahren des Rechtsschutzes in klaren Fäl­ len gewährleistet, da das Begehren des Vermieters nur dann gutgeheissen wer­ den darf, wenn keine Zweifel an der Vollständigkeit der Sachverhaltsdarstel­ lung bestehen und die Kündigung gestützt darauf als klar berechtigt erscheint (Urteil des Bundesgerichts 4A_7/2012 vom 3. April 2012, E. 2.5; Urteil OGer Zürich RU160046 vom 26. Juli 2016). Eine Nachlassstundung sistiert Zivilpro­

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

zesse über Nachlassforderungen (Art. 297 Abs. 5 SchKG), steht jedoch einer Ausweisung des Mieters nach Art. 257 ZPO nicht entgegen (BGE 143 III 173).

3.9 Streitwert Für die definitive Streitwertbestimmung und damit auch die Bestimmung 328 der gerichtlichen Zuständigkeit ist der Zeitpunkt der Klageeinreichung beim Gericht massgebend (BGE 141 III 137, E. 2.2). Bei einer Klage an das Gericht ist also nicht die Rechtshängigkeit massgebend, die bereits mit der Einreichung des vorangehenden Schlichtungsbegehrens beginnt (Art. 62 Abs. 1 ZPO). Zin­ sen und Kosten des laufenden Verfahrens oder einer allfälligen Publikation des Entscheids sowie allfällige Eventualbegehren werden nicht hinzugerech­ net (Art. 91 Abs. 1 ZPO). Der Streitwert ist sowohl für Auseinandersetzungen vor der Schlichtungsbe­ 329 hörde wie auch vor dem Gericht von Bedeutung. So können beispielsweise die Parteien in vermögensrechtlichen Streitigkeiten von mindestens 100 000 CHF auf die Durchführung des Schlichtungsverfahrens verzichten (Art. 199 Abs. 1 ZPO). Soweit nicht der Kernbereich des sozialen Mietrechts betroffen ist, kann die Schlichtungsbehörde nur in vermögensrechtlichen Streitigkei­ ten bis zu einem Streitwert von 5000 CHF einen Urteilsvorschlag unterbreiten (Art. 210 Abs. 1 Buchst. c ZPO), und ihre Entscheidkompetenz ist auf vermö­ gensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 2000 CHF beschränkt (Art. 212 Abs. 1 ZPO). Der Streitwert spielt sodann eine Rolle zur Bestimmung der Verfahrensart, indem für vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 30 000 CHF das vereinfachte Verfahren zur Anwendung gelangt (Art. 243 Abs. 1 ZPO). Der Entscheid einer unteren Gerichtsinstanz kann regelmässig nur dann an 330 eine Rechtsmittelinstanz weitergezogen werden, wenn ein bestimmter Streit­ wert erreicht wird. So setzt die Berufung an das obere kantonale Gericht in ver­ mögensrechtlichen Angelegenheiten einen Streitwert der zuletzt aufrechterhal­ tenen Begehren von 10 000 CHF voraus (Art. 308 Abs. 2 ZPO). Die Beschwerde an das Bundesgericht ist in arbeits- und mietrechtlichen Fällen zulässig bei einem Streitwert von mindestens 15 000 CHF, in allen übrigen Fällen bei einem solchen von mindestens 30 000 CHF (Art.  74 Abs.  1 Buchst.  a und b BGG). Massgebend dafür sind die Begehren, die vor der Vorinstanz streitig geblieben waren (Art. 51 Abs. 1 Buchst. a BGG). Aus der Praxis zur Streitwertermittlung (vgl. auch HAP-Immobiliarmiet­ 331 recht/Hofstetter, Rz. 14.8 ff.; MfdP/Brüllhardt/Püntener, N 5.14): Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen 332

a) Bei einer Mietzinsanpassung entspricht der Streitwert der jährlichen Dif­ ferenz zwischen altem und neuem Mietzins, multipliziert mit zwanzig, sofern der Vertrag auf unbestimmte Dauer lautet (Art. 92 Abs. 2 ZPO bzw. 51 Abs. 4 BGG). Eine monatliche Mietzinserhöhung um mindestens 41.67 CHF kann also mit Berufung beim kantonalen Obergericht (41.67 CHF × 12 × 20 = 10 000.80 CHF), eine solche um 62.50 CHF mit Beschwerde beim Bundesgericht (62.50 CHF × 12 × 20 = 15 000 CHF) angefochten werden. Bei einem befristeten Mietverhältnis entspricht der Streitwert der stritti­ gen Differenz bis zum Ablauf des Vertrages (BGE 101 II 34; 118 II 424, E. 1; 121 III 214).

333

b) Bei einer Herabsetzung des Mietzinses infolge Mängeln entspricht der Streitwert in Übereinstimmung mit Art. 92 Abs. 1 ZPO dem Kapitalwert des verlangten Herabsetzungsbetrags während der Dauer, für welche die Herabsetzung gewährt werden soll. Grundsätzlich gilt auch hier bei unge­ wisser oder unbeschränkter Dauer als Kapitalwert der zwanzigfache Betrag der einjährigen Leistung (Art. 92 Abs. 2 ZPO). Kann die Dauer aber nicht ganz genau festgelegt werden, gilt sie deswegen nicht bereits als ungewiss. Denn ist eine Nutzung oder Leistung wahrscheinlich für eine Dauer von weniger als 20 Jahren geschuldet, ist nach der bundesgerichtlichen Recht­ sprechung auf den kapitalisierten Wert für die wahrscheinliche Dauer abzu­ stellen (Urteil des Bundesgerichts 4C.287/2004 vom 17. März 2005, E. 1.2.2, m.w.H., in: mp 2005, S.  280  ff.; Urteil des OGer Zürich PD120011 vom 5.  September 2012, E. 4.5). Eine Mängelbehebung dürfte kaum je erst in 20 Jahren erfolgen. Mit Blick auf die Dauer der darüber geführten Prozesse, geht die Praxis in der Regel von einer Dauer von zwei Jahren aus.

334

c) Der Begriff der «Hinterlegung von Mietzinsen» in Art. 243 Abs. 2 Buchst. c ZPO ist so zu verstehen, dass davon auch sämtliche Mängelrechte gemäss Art. 259a OR umfasst werden, sodass sämtliche Mängelrechte, die der Mie­ ter im konkreten Fall zu haben glaubt, im Hinterlegungsverfahren durch­ gesetzt werden können und im Prozess mithin das vereinfachte Verfahren zur Anwendung gelangt. Eine allfällige Zuständigkeit des Handelsgerichts fällt damit ausser Betracht, und es ist das angerufene Gericht zur Behand­ lung sämtlicher Rechtsbegehren der Klage zuständig (ZR 115 [2016] Nr. 6, E. 4.4.3, S. 37). Wird mit der Klage eine Mängelbeseitigung, eine Mietzins­ herabsetzung sowie Schadenersatz verlangt, stehen diese Ansprüche neben­ einander und schliessen sich nicht aus (Higi, ZK, N 13 zu Art. 259a OR, mit Hinweisen). Die Ansprüche sind daher für die Berechnung des Streitwertes zusammenzurechnen (Art. 93 Abs. 1 ZPO).

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

d) Klagen mehrere Mieter gegen denselben Vermieter bzw. der Vermieter 335 gegen mehrere Mieter beim gleichen Richter, und werden die Verfahren vereinigt, berechnet sich der Streitwert nach der Summe aller Verfahren (BGE 103 II 43). Das gilt auch, wenn eine Partei mehrere Rechtsbegehren stellt, die sich nicht gegenseitig ausschliessen (BGE 116 II 589). e) Ist die Anfechtung einer Kündigung zu beurteilen, so entspricht der Streit­ 336 wert dem Bruttomietzins, der für die Dauer bis zum nächstmöglichen Kün­ digungstermin geschuldet ist, gerechnet ab dem bestrittenen Kündigungs­ termin. Dabei ist auch der Kündigungsschutz von drei Jahren gemäss Art. 271a Buchst. e OR zu berücksichtigen. Zur Berechnung des Streitwerts für eine Beschwerde an das Bundesgericht bildet das Datum des angefochte­ nen kantonalen Entscheids den Beginn der Frist (BGE 137 III 389, E. 1.1, in: Pra 2012, Nr. 6, S. 34 und mp 2011, S. 315; 136 III 196, E. 1.1; Maag An­dreas, in: MRA 1/14, S.  1  ff.). Im Falle einer Umsatzmiete ist auf den geschul­ deten Bruttomindestmietzins abzustellen, da der künftige Umsatz unge­ wiss ist. Bei der vorzeitigen Kündigung eines zeitlich befristeten Vertrages entspricht der Streitwert der Summe der Mietzinse, die bis zum ordentli­ chen Ablauf des Vertrages geschuldet wären (BGE 136 III 196, E. 1.1). Liegt der Kündigungstermin der ausgesprochenen Kündigung vor dem darüber ergangenen Entscheid, gilt als Ausgangspunkt das Datum des angefochte­ nen Entscheides für die massgebende Zeit bis zum ordentlichen Ablauf des Vertrages für die Frage der Zulässigkeit eines Rechtsmittels (nicht aber für die Kosten- und Entschädigungsfolgen). f) Bezieht sich der Prozess auf die Erstreckung des Mietverhältnisses, ent­ 337 spricht der Streitwert dem insgesamt während der Dauer der beantragten Erstreckung geschuldeten Bruttomietzins (BGE 113 II 406, E.  1). Ist hin­ gegen der Mieter schon in den Genuss einer tatsächlichen Verlängerung gekommen, bestimmt sich der Streitwert nach der Praxis des Bundesge­ richtes nach der noch verbleibenden Mietdauer seit dem Zeitpunkt des Urteils der letzten kantonalen Instanz (BGE 109 II 351). g) Bei dem auf Ausweisung des Mieters gerichteten summarischen Verfah­ 338 ren (Rechtsschutz in klaren Fällen) bemisst sich der Streitwert nach dem Bruttomietzins während der Zeit, während welcher die Ausweisung wegen des Verfahrens nicht vollzogen werden kann. Nach der Praxis der zürche­ rischen Einzelgerichte im summarischen Verfahren wie auch des Ober­ gerichts wird diese Verfahrensdauer bis zur Exmission auf sechs Monate bemessen (Urteil OGer Zürich LF140064 vom 14.  August 2014; Urteil OGer Zürich PF140002 vom 21. Februar 2014, E. 6). Das Handelsgericht Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

des Kantons Zürich hat sich (im Nachgang zu einem abweichenden Ent­ scheid vom 31.  Juli 2013, in: ZR 113 [2014] Nr.  31, E.  5, S.  104) dieser Praxis angeschlossen (Verfügung und Urteil des Handelsgerichts Zürich HE140067 vom 9. April 2014, in; mp-flash 10/2014, S. 3; HE160 149 vom 29. Juni 2016, E. 3.2). Das Obergericht des Kantons Zürich hat im Urteil LF160063 vom 11. November 2016, E. IV.1, unter Hinweis auf Diggelmann, DIKE-Komm., N 44, 46 zu Art. 91 ZPO in einem Ausweisungsfall, in dem die Kündigung strittig war, für die Bemessung des Streitwerts (anhand des Mietzinses) die dreijährige Sperrfrist von Art.  271a Abs.  1 Buchst.  e OR berücksichtigt (vgl. zum Ganzen Bachofner Eva, Zur Streitwertberechnung der Mieterausweisung im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen, in: MRA 2/17, S. 55 ff.). 339

h) In den übrigen Mietstreitigkeiten, beispielsweise der Forderung von Miet­ zins oder Schadenersatz, richtet sich der Streitwert nach dem eingereich­ ten Begehren. Bei einfacher Streitgenossenschaft und Klagehäufung wer­ den die geltend gemachten Ansprüche zusammengerechnet, sofern sie sich nicht gegenseitig ausschliessen (Art. 93 Abs. 1 ZPO).

3.10 Kosten 340

Für das Schlichtungsverfahren sind die besonderen Kostenregelungen von Art. 113–115 ZPO massgebend.

341

Parteientschädigungen werden «im Schlichtungsverfahren» unabhängig vom Ausgang des Verfahrens nicht gesprochen (Art. 113 Abs. 1 ZPO). Ein Gerichts­ urteil kann die anwaltlichen Aufwendungen für das Schlichtungsverfahren hingegen berücksichtigen. Das widerspricht weder dem Wortlaut noch dem Sinn der ZPO und berücksichtigt, dass es ohnehin schwierig ist, die Aufwen­ dungen für das Schlichtungsverfahren klar von der Vorbereitung der gerichtli­ chen Klage abzugrenzen (BGE 141 III 20, E. 5.3, in: Pra 2015, Nr. 85, vgl. auch Koller Thomas, in: ZBJV 152/2016, S. 808 ff.).

342

In Streitigkeiten aus Miete von Wohn- und Geschäftsräumen werden gemäss der besonderen Regelung von Art. 113 Abs. 2 Buchst. c ZPO, die unter der Mar­ ginalie «Schlichtungsverfahren» steht, keine Gerichtskosten auferlegt. Nicht anwendbar ist also die allgemeine Kostenregelung zum Schlichtungsverfah­ ren von Art. 207 ZPO. In Streitigkeiten aus Miete von Wohn- und Geschäfts­ räumen kann demgemäss für das Schlichtungsverfahren auch kein Kostenvor­ schuss verlangt werden.

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Vorbehalten bleibt auch im paritätischen Schlichtungsverfahren die Auferle­ 343 gung von Gerichtskosten bei bös- oder mutwilliger Prozessführung (Art. 115 ZPO). Mutwilligkeit wird in der Praxis nur zurückhaltend angenommen. Generell dürfte das Verhalten desjenigen als mutwillig einzustufen sein, der ein Verfahren einleitet und dann unentschuldigt der Verhandlung fernbleibt (unten N 274). Als mutwillig erweist sich aber auch die Verfechtung aussichts­ loser Rechtspositionen. Beispiele:

344

–– Der Vermieter kündigt während der Sperrfrist von Art.  271a Abs.  1 Buchst. d OR, hält daran fest und verweigert Vergleichsgespräche, obschon er vorprozessual vom Mieter auf die klare Rechtslage hingewiesen wird, sodass der Mieter zur Einleitung eines Schlichtungsverfahrens gezwungen ist (mp 1990, S. 195). –– Stellt der Mieter vorsorglich ein Anfechtungsbegehren und erweist sich hernach im Verfahren, dass der Mieter keinerlei Anfechtungsgründe nam­ haft machen kann, so ist das Begehren mit Bezug auf die Anfechtung mut­ willig und missbräuchlich eingeleitet worden. –– Das Mietverhältnis ist einem Mieter im Rahmen eines Erstreckungsverfahrens definitiv erstreckt worden. Trotzdem reicht dieser Mieter 60 Tage vor Ablauf der Erstreckungsdauer ein Begehren um Zweiterstreckung ein. –– Im Mietvertrag wird festgehalten, dass der Mieter nur für eine beschränkte Zeit von einer besonders günstigen Wohngelegenheit profitiert und dass in absehbarer Zeit ein Umbau- oder Abbruchvorhaben bevorsteht. Der Ver­ mieter kündigt, weil die Baubewilligung eingegangen ist. Eine Erstreckung ist nach Art. 272a Abs. 1 Buchst. d OR von vornherein ausgeschlossen. Der Mieter verlangt gleichwohl eine Mieterstreckung, ohne in Abrede zu stel­ len, dass der Vermieter in den Besitz der rechtskräftigen Baubewilligung gelangt ist. Das Erstreckungsbegehren ist mutwillig. Art.  114 ZPO (mit der Marginalie «Entscheidverfahren») nennt die Streitig­ 345 keiten, in denen keine Gerichtskosten gesprochen werden – jedoch ohne Nen­ nung der Streitigkeiten aus Miete von Wohn- und Geschäftsräumen. Damit stellt sich die Frage, ob die Schlichtungsbehörde im Geltungsbereich von Art. 210 f. ZPO (Urteilsvorschlag) oder Art. 212 ZPO (Entscheid) befugt ist, den Parteien Kosten aufzuerlegen sowie Parteientschädigungen zuzusprechen. Dies ist umstritten (zum Stand der Kontroverse MfdP/Brüllhardt/Püntener, N 5.15.2). Die Frage ist nach der hier vertretenen Auffassung zu verneinen, da

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

sowohl der Urteilsvorschlag wie auch der Entscheid der Schlichtungsbehörde Teil des Schlichtungsverfahrens bilden. 346

Die Kostenfreiheit des Schlichtungsverfahrens nach Art. 113 Abs. 2 ZPO (insb. betreffend Miete und Pacht von Wohnräumen, vgl. Buchst. c der Bestimmung) gilt nach der Praxis der II. Zivilkammer OGer Zürich auch im Rechtsmittelver­ fahren (Urteil OGer Zürich RU160046 vom 26. Juli 2016, E. 3), nicht aber im gewöhnlich an das Schlichtungsverfahren anschliessende Verfahren vor Miet­ gericht.

347

Auch im Schlichtungsverfahren kann einer Partei ein unentgeltlicher Rechts­ beistand beigegeben werden, der durch den Kanton entschädigt wird (Art. 113 Abs. 1 ZPO). Massgebend hierfür sind die Bestimmungen von Art. 117 ff. ZPO. Für die unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Schlichtungsverfahren gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ein strenger Massstab (Urteil des Bundesgerichts 4A_384/2015 vom 24. September 2015, E. 4). Es sind hohe Anforderungen an die Notwendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsvertreters zu stellen, und eine unentgeltliche Verbeiständung ist im Schlichtungsverfah­ ren nur in Ausnahmefällen zu gewähren, etwa bei komplizierten Sach- oder Rechtsverhältnissen. Fehlen lediglich Sprachkenntnisse, ist grundsätzlich ein Dolmetscher und nicht ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen. Wird der Vermieter in der Schlichtungsverhandlung von der Liegenschaftsverwal­ tung vertreten (Art. 204 Abs. 3 Buchst. c ZPO), ist allein deshalb für den Mieter kein unentgeltlicher Rechtsvertreter erforderlich (zu weitgehend MfdP/Brüll­ hardt/Püntener, N 5.16.2).

348

Gemäss der aufgehobenen Bestimmung von aArt. 274d Abs. 2 OR konnte die Schlichtungsbehörde bei mutwilliger Prozessführung die fehlbare Partei zur Leistung einer Entschädigung an die andere Partei verpflichten. Dies ist nach dem Wortlaut von Art. 115 ZPO nicht mehr möglich, da hier nur von der Auf­ erlegung der «Gerichtskosten» die Rede ist und nicht von der Auferlegung der «Prozesskosten», die nach Art. 95 Abs. 1 ZPO auch die Parteientschädigung umfassen würden. Ein gegenteiliger Vorschlag im Vernehmlassungsverfahren wurde nicht aufgenommen (vgl. Jenny, ZK, N 2 zu Art. 115 ZPO). Sinnvoller­ weise hätte die bisherige Regelung beibehalten werden sollen (vgl. ferner Wein­ gart Denise/Penon Ilija, Ungeklärte Fragen im Schlichtungsverfahren, in: ZBJV 151/2015, S. 465 ff.).

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

3.11 Gerichtsferien Der Stillstand der Fristen, genannt Gerichtsferien, gilt weder für das Schlich­ 349 tungs- noch für das summarische Verfahren (Art. 145 Abs. 2 Buchst. a und b ZPO). Darauf sind die Parteien hinzuweisen (Art.  145 Abs.  3 ZPO). Die Gerichtsferien gelten insbesondere nicht für die Frist von 20 Tagen zur Ableh­ nung eines Urteilsvorschlags (Art.  210 ZPO), da das Schlichtungsverfahren noch in Gang ist. Mit der Ausstellung der Klagebewilligung ist das Schlichtungsverfahren abge­ 350 schlossen. Der Fristenstillstand gilt somit für den Gang von der Schlichtungs­ behörde ans Gericht. Das bedeutet namentlich, dass die 30-tägige Klagefrist von Art. 209 Abs. 4 ZPO während den Gerichtsferien stillsteht (BGE 138 III 615, E. 2.3, in: Pra 2013, Nr. 36), und zwar nach Art. 145 Abs. 1 Buchst. a–c ZPO wie folgt: –– vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern; –– vom 15. Juli bis und mit dem 15. August; –– vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen des SchKG über die Betreibungsfe- 351 rien und den Rechtsstillstand (Art. 145 Abs. 4 ZPO).

4. Rechtsmittel 4.1 Arten Die nachstehenden Ausführungen beschränken sich bewusst auf eine sehr 352 kurze Übersicht. Für eine umfassendere Darstellung, unter spezifischer Berücksichtigung der mietrechtlichen Streitigkeiten, vgl. Püntener, Zivilpro­ zessrecht, Rz. 1051 ff., S. 298 ff. Für Detailfragen sind die einschlägigen Zivil­ prozessrechtskommentare zu konsultieren.

4.1.1

Berufung (Art. 308 ff. ZPO)

Die Berufung gemäss Art. 308 ff. ZPO ist das Hauptrechtsmittel, mit dem erst­ 353 instanzliche Entscheide an das kantonale Obergericht weitergezogen werden können. Unzulässig ist die Berufung gegen Entscheide des Vollstreckungs­ gerichts sowie in diversen Angelegenheiten des SchKG, insbesondere gegen Rechtsöffnungsentscheide (Art. 309 ZPO). Wird ein Verfahren durch Klagean­

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

erkenung, Klagerückzug oder gerichtlichen Vergleich abgeschlossen und wird die Unwirksamkeit der entsprechenden Parteierklärungen geltend gemacht, hat dies nicht mit einer Berufung, sondern mit einer Revision zu geschehen (Art. 328 Abs. 1 Buchst. c ZPO). 354

Die Berufung ist im ordentlichen und vereinfachten Verfahren innert 30 Tagen, im summarischen Verfahren innert 10 Tagen, seit Zustellung des begründe­ ten Entscheids bzw. seit der nachträglichen Zustellung der Entscheidbegrün­ dung schriftlich, mit Antrag und Begründung versehen bei der Rechtsmittel­ instanz einzureichen (Art. 311, 312 ZPO). Im summarischen Verfahren steht diese Frist während der Gerichtsferien nicht still (Art.  145 Abs.  2 Buchst.  b ZPO). Wird die Berufungsschrift versehentlich bei der Vorinstanz eingereicht, hat diese sie unverzüglich an die Rechtsmittelinstanz weiterzuleiten (BGE 140 III 636, E. 3.7; Art. 63 ZPO gelangt nicht zur Anwendung, oben N 266).

355

Mit der Berufung kann unrichtige Rechtsanwendung wie auch unrichtige Fest­ stellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Neue Tatsachen werden aber nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorge­ bracht werden konnten (Art. 317 Abs. 1 ZPO). Art. 229 Abs. 3 ZPO, wonach das Gericht neue Tatsachen und Beweismittel bis zur Urteilsberatung berück­ sichtigen muss, wenn es den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären hat, fin­ det auf das Berufungsverfahren keine Anwendung (BGE 138 III 625, E. 2.2).

356

Der Berufung kommt aufschiebende Wirkung zu. Ausser wenn sich die Beru­ fung gegen ein Gestaltungsurteil richtet, kann die Rechtsmittelinstanz aber die vorzeitige Vollstreckung bewilligen, nötigenfalls unter Anordnung sichernder Massnahmen oder der Leistung einer Sicherheit. Keine aufschiebende Wir­ kung hat die Berufung gegen Entscheide über das Gegendarstellungsrecht und vorsorgliche Massnahmen. Immerhin kann die Vollstreckung vorsorgli­ cher Massnahmen durch die Rechtsmittelinstanz ausnahmsweise aufgescho­ ben werden, wenn der betroffenen Person ein nicht leicht wiedergutzumachen­ der Nachteil droht (Art. 315 ZPO).

357

Die Rechtsmittelinstanz stellt die Berufung der Gegenpartei zur schriftlichen Stellungnahme zu, es sei denn, die Berufung sei offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, in welchen Fällen der Berufungsentscheid ohne Anhörung der Gegenpartei ergeht. Die Frist für die Berufungsantwort beträgt 30 Tage, im summarischen Verfahren 10 Tage. Es handelt sich um gesetzliche Fristen, die nicht erstreckbar sind. Nach Eingang der Berufungsantwort kann die Rechtsmittelinstanz eine Verhandlung durchführen, aufgrund der Akten

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

entscheiden oder einen zweiten Schriftenwechsel anordnen. Ausserdem kann sie Beweise abnehmen (Art. 316 ZPO). Mit der Berufungsantwort kann die berufungsbeklagte Partei eine Anschluss- 358 berufung erheben. Mit einer solchen kann erreicht werden, dass der angefoch­ tene Entscheid durch die Rechtsmittelinstanz zuungunsten des Berufungsklä­ gers abgeändert wird. Die Anschlussberufung fällt jedoch dahin, wenn die Rechtsmittelinstanz nicht auf die Berufung eintritt, diese als offensichtlich unbegründet abgewiesen wird oder die Berufung vor Beginn der Urteilsbera­ tung zurückgezogen wird (Art. 313 ZPO). Im summarischen Verfahren ist die Anschlussberufung unzulässig (Art. 314 ZPO). Die Rechtsmittelinstanz kann den angefochtenen Entscheid bestätigen, neu ent­ 359 scheiden oder die Sache an die erste Instanz zurückweisen, wenn ein wesent­ licher Teil der Klage nicht beurteilt wurde, oder der Sachverhalt in wesentli­ chen Teilen zu vervollständigen ist. Der Entscheid wird mit einer schriftlichen Begründung eröffnet. Trifft die Rechtsmittelinstanz einen neuen Entscheid, so entscheidet sie auch über die Prozesskosten des erstinstanzlichen Verfahrens (Art. 318 ZPO).

4.1.2

Beschwerde (Art. 319 ff. ZPO)

Die Beschwerde ist subsidiäres Rechtsmittel, mit welchem gemäss Art. 319 ZPO anfechtbar sind:

360

a. nicht berufungsfähige erstinstanzliche Endentscheide, Zwischenentscheide und Entscheide über vorsorgliche Massnahmen; b. andere erstinstanzliche Entscheide und prozessleitende Verfügungen: 1. in den vom Gesetz bestimmten Fällen, 2. wenn durch sie ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht; c. Fälle von Rechtsverzögerung. Die Beschwerdefrist entspricht der Berufungsfrist (Art.  321 ZPO). Mit der 361 Beschwerde kann wie mit der Berufung unrichtige Rechtsanwendung, aber nur «offensichtlich» unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht wer­ den (Art. 320 ZPO). Das trifft nur zu, wenn der Sachverhalt willkürlich fest­ gestellt wurde (Spühler, BSK, N 5 zu Art. 320). In rechtlicher Hinsicht hat die Rechtsmittelinstanz indessen freie Kognition. Noven, d.h., neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel sind im Unterschied zur Beru­ fung völlig ausgeschlossen (Art. 326 Abs. 1 ZPO).

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Im Unterschied zur Berufung kommt sodann der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zu. Die Beschwerdeinstanz kann aber die Vollstreckung auf­ schieben. Nötigenfalls ordnet sie sichernde Massnahmen oder die Leistung einer Sicherheit an.

363

Die Rechtsmittelinstanz stellt der Gegenpartei die Beschwerde zur schriftli­ chen Stellungnahme zu, es sei denn, die Beschwerde sei offensichtlich unzu­ lässig oder offensichtlich unbegründet, in welchen Fällen, wie bei der Beru­ fung, ein sofortiger Entscheid ohne Anhörung der Gegenpartei erfolgt. Für die Beschwerdeantwort gilt die gleiche Frist wie für die Beschwerde (Art. 322 ZPO). Sie ist damit ebenso wenig erstreckbar. Eine Anschlussbeschwerde ist ausgeschlossen (Art. 323 ZPO). Die Rechtsmittelinstanz kann die Vorinstanz um eine Stellungnahme ersuchen (Art. 324 ZPO).

364

In der Regel entscheidet die Rechtsmittelinstanz aufgrund der Akten, wobei es ihr aber freisteht, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Soweit sie die Beschwerde gutheisst, hebt sie den Entscheid oder die prozessleitende Verfü­ gung auf und weist die Sache an die Vorinstanz zurück oder entscheidet neu, wenn die Sache spruchreif ist. Wird die Beschwerde wegen Rechtsverzöge­ rung gutgeheissen, so kann die Rechtsmittelinstanz der Vorinstanz eine Frist zur Behandlung der Sache setzen. Die Rechtsmittelinstanz eröffnet ihren Ent­ scheid mit einer schriftlichen Begründung (Art. 327 ZPO).

4.1.3

Revision (Art. 328 ff. ZPO)

365

Die Revision gemäss Art. 328 ff. ZPO ist ein subsidiäres, unvollkommenes und nicht devolutives, also durch die urteilende Instanz selbst zu entscheidendes Rechtsmittel, mit dem bezweckt wird, den rechtskräftig gewordenen Entscheid aus bestimmten Gründen, den sog. Revisionsgründen, aufzuheben und den Prozess wieder aufzurollen. Die Revision vermag somit im Interesse der mate­ riellen Wahrheit den Grundsatz der Endgültigkeit des rechtskräftigen Ent­ scheids zu durchbrechen.

366

Mit der Revision kann u.a. geltend gemacht werden, nachträglich seien erhebli­ che Tatsachen oder entscheidende Beweismittel entdeckt worden, die im frühe­ ren Verfahren nicht beigebracht werden konnten (unechte Noven). Diese müs­ sen prozessrelevant sein, sodass sie zu einem anderen Entscheid geführt hätten, wenn das Gericht im früheren Verfahren davon Kenntnis gehabt hätte. Tatsa­ chen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind (echte Noven), sind ausgeschlossen (Art. 328 Abs. 1 Buchst. a ZPO; zu den Voraus­ setzungen vgl. BGE 143 III 272). Ein weiterer Revisionsgrund besteht darin,

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

dass ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder ein Verge­ hen zum Nachteil der betreffenden Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde (Art. 328 Abs. 1 Buchst. b ZPO). In Betracht fallen namentlich falsches Zeug­ nis, falsche Gutachten, Urkundenfälschung oder Bestechungsdelikte. Mit der Revision kann sodann geltend gemacht werden, dass die Klageaner­ 367 kennung, der Klagerückzug oder der gerichtliche Vergleich unwirksam sind (Art. 328 Abs. 1 Buchst. c ZPO). Es sind diese Prozesshandlungen, die das Ver­ fahren beenden, indem Art. 241 Abs. 2 ZPO ihnen die Wirkung eines rechts­ kräftigen Entscheids bemisst. Es ist daher umstritten, ob die Revision sich gegen den gerichtlichen Abschreibungsbeschluss oder die genannten Urteils­ surrogate zu richten hat. Gemäss Urteil des Bundesgerichts 4A_605/2012 vom 10. September 2012, E. 1.3 (bestätigt in BGE 139 III 133; ferner BGE 141 III 489, E.  9.3), ist Letzteres zutreffend (zum Meinungsstand vgl. Herzog, BSK, N 63 zu Art. 328 ZPO). Die Auffassung des Obergerichts des Kantons Zürich gemäss dem Entscheid PD110003 vom 4. März 2011, E. 2.1, in: ZR 110 [2011] Nr. 34, S. 93, es müssten die ordentlichen Rechtsmittel eingelegt werden, wenn streitig sei, ob die verfahrenserledigende Parteierklärung prozessual formell gültig abgegeben worden sei, erweist sich nach dem genannten Entscheid des Bundesgerichts 4A_605/2012 vom 22.  Februar 2013 als überholt. Trotz­ dem hielt das OGer Zürich im Beschluss NP130 033 vom 20. März 2014 daran fest. Als Unwirksamkeitsgründe fallen insbesondere Willensmängel im Sinne von Art. 23 ff. OR in Betracht (vgl. dazu und weitere Gründe: Herzog, BSK, N 64–65a zu Art. 328 ZPO). Die Anfechtung eines Vergleichs wegen Irrtums über zur Zeit des Vergleichsabschlusses bestrittene oder ungewisse Punkte (bei späterer Aufklärung derselben) ist ausgeschlossen. Sonst würden gerade die Fragen wieder aufgerollt, wegen denen die Parteien sich verglichen haben (Freiburghaus/Afheldt, ZK, N 25 zu Art. 328 ZPO). Dasselbe gilt insbesondere hinsichtlich solcher Punkte, deren Ungewissheit gerade durch den Vergleich aus der Welt geschafft werden sollte (das sog. caput controversum) (Urteil des Bundesgerichts 4A_441/2015 vom 24. November 2015, E. 4.1; BGE 130 III 49, E. 1.2; Urteil OGer Zürich RU150070-O vom 25. Januar 2016, E. 3.2). Das Revisionsgesuch ist innert 90 Tagen seit Entdeckung des Revisionsgrun­ 368 des schriftlich und begründet beim Gericht, das als letzte Instanz in der Sache entschieden hat, einzureichen. Nach Ablauf von zehn Jahren seit Eintritt der Rechtskraft des Entscheids kann die Revision nicht mehr verlangt werden, aus­ ser im Falle von Art. 328 Abs. 1 Buchst. b ZPO (Art. 329 ZPO). Dem Revisi­ onsgesuch kommt grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zu (Art. 331 ZPO).

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen 369

Erweist sich das Revisionsgesuch nicht als offensichtlich unzulässig oder offen­ sichtlich unbegründet, stellt das Gericht es der Gegenpartei zur Stellungnahme zu. Heisst das Gericht das Revisionsgesuch gut, so hebt es seinen früheren Ent­ scheid auf und entscheidet neu (Art. 333 ZPO).

370

Der Entscheid eines unteren kantonalen Gerichts oder einer Schlichtungsbe­ hörde über das Revisionsbegehren ist mit Beschwerde gemäss Art. 319 ff. ZPO bei der kantonalen Rechtsmittelinstanz anfechtbar (Art.  332 ZPO), derje­ nige eines oberen kantonalen Gerichts mit Beschwerde in Zivilsachen gemäss Art.  72  ff. BGG oder subsidiärer Verfassungsbeschwerde gemäss Art.  113  ff. BGG beim Bundesgericht. Gegen den nach Gutheissung des Revisionsgesuchs neu gefällten Entscheid können die dafür gesetzlich vorgesehenen Rechtsmit­ tel ergriffen werden.

4.1.4

Erläuterung und Berichtigung (Art. 334 ZPO)

371

Gemäss Art. 334 ZPO nimmt das Gericht auf Gesuch einer Partei oder von Amtes wegen eine Erläuterung oder Berichtigung des Entscheids vor, wenn dessen Dispositiv unklar, widersprüchlich oder unvollständig ist oder mit der Begründung im Widerspruch steht. Im Gesuch sind die beanstandeten Stel­ len und die gewünschten Änderungen anzugeben (Art. 334 Abs. 1 ZPO). Das Gesetz kennt dafür weder eine ausdrückliche Frist noch eine Formvorschrift (BGE 139 III 379).

372

Die für die Revision geltenden Bestimmungen Art. 330 ZPO (Stellungnahme der Gegenpartei) und Art. 331 ZPO (aufschiebende Wirkung) sind sinngemäss anwendbar. Bei der Berichtigung von Schreib- oder Rechnungsfehlern kann das Gericht auf eine Stellungnahme der Parteien verzichten (Art. 334 Abs. 2 ZPO).

373

Der Entscheid über das Erläuterungs- oder Berichtigungsgesuch ist in glei­ cher Weise wie derjenige über ein Revisionsgesuch (oben N 370) anfechtbar (Art. 334 Abs. 3 ZPO). Wird das Gesuch gutgeheissen, wird der erläuterte oder berichtigte Entscheid den Parteien eröffnet (Art. 334 Abs. 4 ZPO). Folge davon ist, dass die anwendbaren Rechtsmittelfristen ab Zustellung des korrigierten Entscheids neu zu laufen beginnen (Herzog, BSK, N 17 zu Art. 334 ZPO).

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

4.1.5

Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht (Art. 72 ff. BGG)

Die Beschwerde in Zivilsachen ist gemäss Art. 75 Abs. 1 BGG zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen. Es muss sich dabei um eine zweite kantonale Instanz mit umfassender materieller Prüfungsbefugnis handeln (Klett, BSK BGG, N 2b zu Art. 75 BGG), es sei denn, die Vorinstanz sei eine einzige kantonale Instanz gemäss Art. 5 ZPO oder ein Handelsgericht gemäss Art. 6 ZPO.

374

Zur Beschwerde in Zivilsachen ist gemäss Art. 76 Abs. 1 BGG berechtigt, wer:

375

a. vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat und b. durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutz­ würdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Verlangt wird ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung 376 des angefochtenen Entscheids bzw. an der Prüfung der gegen diesen erhobe­ nen Rügen. Die Beschwerdebefugnis setzt also ein aktuelles und praktisches Interesse an der Gutheissung der Beschwerde voraus, das auch im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Urteils noch vorhanden sein muss (BGE 131 I 153, E. 1.2; 120 II 5, E. 2a). Ist in einem Ausweisungsverfahren der beschwerdeführende Mieter im Zeit­ 377 punkt der Beschwerdeerhebung bereits aus der Wohnung ausgezogen, fehlt ein aktuelles Interesse an der Aufhebung und Änderung des angefochtenen Ent­ scheids, sodass auf die Beschwerde nicht eingetreten werden kann (Urteil des Bundesgerichts 4A_576/2014 vom 25. März 2015). Findet der Auszug aus der Wohnung während pendentem Beschwerdeverfahren statt, ist dieses als gegen­ standslos geworden abzuschreiben (Urteile des Bundesgerichts 4A_364/2014 vom 18. September 2014, E. 1; 4A_622/2013 vom 26. Mai 2014, E. 1; BGE 131 I 242, E. 3.3). Das Bundesgericht verzichtet nur ausnahmsweise auf das Erfor­ dernis des aktuellen praktischen Interesses, wenn die gerügte Rechtsverletzung sich jederzeit wiederholen könnte und eine rechtzeitige gerichtliche Überprü­ fung im Einzelfall kaum je möglich wäre (sog. virtuelles Interesse; BGE 140 III 92, E. 1.1; 136 III 497, E. 1.1, mit Hinweisen). In miet- und arbeitsrechtlichen Streitigkeiten ist die Beschwerde gemäss Art. 74 Abs.  1 Buchst.  a BGG nur zulässig, wenn der Streitwert mindestens 15 000 CHF beträgt. Um was für eine Art von Mietverhältnis es sich handelt, spielt keine Rolle. Streitigkeiten aus einem Pachtverhältnis gelten jedoch als übrige

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378

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Fälle im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Buchst. b BGG, für die ein minimaler Streit­ wert von 30 000 CHF vorausgesetzt wird (BGE 136 III 196, E.  1.1). Erreicht der Streitwert den massgebenden Betrag nicht, so ist die Beschwerde gemäss Art. 74 Abs. 2 Buchst. a BGG dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (vgl. dazu Rudin, BSK BGG, N 63-65 zu Art. 74 BGG). 379

Eine Partei kann, wie schon vor der Schlichtungsbehörde und im Verfahren vor den kantonalen Gerichten, ihre Sache auch vor dem Bundesgericht selbst vertreten. Es besteht kein Anwaltszwang. Will sie sich aber vertreten lassen, kann dies vor dem Bundesgericht nur durch Anwälte geschehen, die nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 2000 oder nach einem Staatsvertrag berech­ tigt sind, Parteien vor schweizerischen Gerichtsbehörden zu vertreten (Art. 40 Abs. 1 BGG). Die Regeln gemäss Art. 68 Abs. 2 Buchst. b, c und d ZPO (oben N 283 ff.) sind somit vor dem Bundesgericht nicht anwendbar.

380

Mit der Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art.  95 Buchst.  a BGG). Dabei legt das Bundesgericht aber gemäss Art.  105 Abs.  1 BGG seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vor­ instanz festgestellt hat. Gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG kann die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens ent­ scheidend sein kann.

381

Gemäss Art.  103 Abs.  1 BGG hat die Beschwerde in der Regel keine aufschiebende Wirkung. Gemäss Art.  103 Abs.  2 Buchst.  a BGG kommt der Beschwerde indessen im Umfang der Begehren aufschiebende Wirkung zu, wenn sie sich gegen ein Gestaltungsurteil richtet, was zum Beispiel dann zutrifft, wenn die Vorinstanz eine Erstreckung des Mietverhältnisses gewährt hat (oben N  248  ff.). Bei Beschwerden, denen grundsätzlich keine aufschie­ bende Wirkung zukommt, kann der Instruktionsrichter oder die Instruktions­ richterin gemäss Art. 103 Abs. 2 BGG von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei die aufschiebende Wirkung gewähren.

382

Das Bundesgericht darf gemäss Art.  107 Abs.  1 BGG nicht über die Begeh­ ren der Parteien hinausgehen (Dispositionsmaxime). Heisst das Bundesge­ richt die Beschwerde gut, so entscheidet es in der Sache selbst oder weist diese zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurück. Es kann die Sache auch an die Behörde zurückweisen, die als erste Instanz entschieden hat (Art. 107 Abs. 2 BGG). Die meisten Fälle werden im Zirkularverfahren entschieden (Art.  58

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Abs.  2 BGG), sodass es nur ausnahmsweise zu einer öffentlichen Beratung kommt. Erweist sich eine Beschwerde in Zivilsachen gemäss Art.  72 BGG als unzu­ 383 lässig, weil der erforderliche Streitwert nicht erreicht wird oder keine Rechts­ frage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, verbleibt die Möglichkeit einer subsidiären Verfassungsbeschwerde im Sinne von Art.  113 BGG. Mit die­ ser kann gemäss Art. 116 BGG die Verletzung von verfassungsmässigen Rech­ ten gerügt werden. Führt eine Partei gegen einen Entscheid sowohl ordentli­ che Beschwerde als auch eine solche Verfassungsbeschwerde, so hat sie gemäss Art. 119 Abs. 1 BGG beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzurei­ chen, und das Bundesgericht behandelt beide Beschwerden im gleichen Ver­ fahren (Art. 119 Abs. 2 BGG).

4.2

Anfechtungsobjekte im Schlichtungsverfahren

4.2.1 Vorbemerkung In aller Regel wird nach fehlgeschlagener Einigung vor der Schlichtungsbe­ 384 hörde das erstinstanzliche Gericht angerufen (oben N 114 ff.). Mindestens in grundsätzlichen Fällen und im Rahmen der Verfassungsrügen müssen aber alle Streitigkeiten dem Bundesgericht vorgelegt werden können. Dessen Vor­ instanz muss ein oberes Gericht sein (Art. 75 Abs. 2 BGG). Kommt hinzu, dass die ZPO nur eine kantonale Rechtsmittelinstanz vorsieht. Wird ein Rechts­ mittel durch eine obere Instanz entschieden (Devolutiveffekt), kommt also als Rechtsmittelinstanz nur die letzte kantonale Instanz im Sinne von Art. 75 BGG infrage. Anfechtungsobjekte können sein:

4.2.2

Vergleich, Klageanerkennung oder Klagerückzug

Bei einem Vergleich, einer Klageanerkennung oder einem Klagerückzug wird 385 das Schlichtungsverfahren aufgrund einer Parteierklärung beendet. Gemäss Art. 208 Abs. 2 ZPO haben diese Willenserklärungen die Wirkung eines rechts­ kräftigen Entscheids (dazu oben N 77; vgl. ferner Reetz/Theiler, ZK, N 12 zu Art. 308 ZPO sowie Reetz, ZK, N 9 der Vorbem. zu Art. 308–318 ZPO). Deren Anfechtung erfolgt gemäss Art.  328 Abs.  1 Buchst.  c ZPO durch Revision (oben N 365 ff.). Die Revision ist bei der Schlichtungsbehörde zu beantragen (Art. 328 Abs. 1 386 ZPO) (BGE 139 III 133; Honegger, ZK, N 12 zu Art. 208 ZPO, mit Hinweis auf

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Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Botsch. ZPO, S. 7332; vgl. ferner Reetz/Theiler, ZK, N 12 zu Art. 308 ZPO sowie Reetz, ZK, N 9 zu Vorbem. zu Art. 308–318). 387

Gegen den Entscheid der Schlichtungsbehörde über das Revisionsgesuch kann Beschwerde ans Obergericht geführt werden (Art. 332 ZPO; Art. 319 ff. ZPO) (Reetz/Theiler, ZK, N 11 zu Art. 308 ZPO). Zur Beschwerde siehe N 360 ff.

388

Wird bei der Schlichtungsbehörde die Revision eines vor dieser Behörde abge­ schlossenen Vergleichs bzw. eines Klagerückzugs oder einer Klageanerken­ nung verlangt, muss zwar die Schlichtungsbehörde über das Revisionsgesuch entscheiden. Hat sie jedoch in der Sache keine Entscheidkompetenz, weil der Streitwert 2000 CHF übersteigt (Art. 212 ZPO), kann sie bei Gutheissung des Revisionsgesuchs nur eine Schlichtungsverhandlung durchführen und das Ver­ fahren alsdann je nach Situation gemäss Art. 208 ff. ZPO durch Einigung (Ver­ gleich), Klagebewilligung oder Urteilsvorschlag erledigen (Reiser Hans/JentSørensen Ingrid, Der Vergleich und seine Anfechtung, in: Breitschmid Peter et. al. [Hrsg.], Tatsachen – Verfahren – Vollstreckung, Festschrift für Isaak Meier, Zürich 2015, S. 564).

4.2.3 Urteilsvorschlag 389

Unterbreitet die Schlichtungsbehörde einen Urteilsvorschlag nach Art.  210 Abs. 1 Buchst. b und c ZPO (dazu oben N 86 ff.), kann dieser nicht mit einem Rechtsmittel angefochten, sondern lediglich abgelehnt werden. Wird der Urteilsvorschlag von keiner Partei innert der 20 Tage seit der schriftlichen Eröffnung abgelehnt, hat er «die Wirkungen eines rechtskräftigen Entscheids» (Art.  211 Abs.  1 und Abs.  3 ZPO). Möglich ist danach einzig die Revision (Art. 328 ff. ZPO), die wiederum bei der Schlichtungsbehörde zu beantragen ist (Art. 328 Abs. 1 ZPO) (Reetz/Theiler, ZK, N 11 zu Art. 308 ZPO, mit Hin­ weis auf Botsch. ZPO, S. 7332 und S. 7380). Zur Revision siehe N 365 ff.

390

Heisst die Schlichtungsbehörde das Revisionsgesuch gut, kann sie den Par­ teien einen neuen Urteilsvorschlag unterbreiten, der alsdann von den Par­ teien abgelehnt werden kann. Dies führt zur Ausstellung der Klagebewilli­ gung und ermöglicht in der Folge ein erstinstanzliches Entscheidverfahren vor Gericht (Reetz/Theiler, ZK, N 11 zu Art. 308 ZPO; Reetz, ZK, N 9 zu Vorbem. zu Art. 308–318 ZPO).

391

Gegen den Entscheid der Schlichtungsbehörde über das Revisionsgesuch kann Beschwerde ans Obergericht geführt werden (Art. 332 ZPO; Art. 319 ff. ZPO) (Reetz/Theiler, ZK, N 11 zu Art. 308 ZPO). Zur Beschwerde siehe N 360 ff.

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4.2.4

Prozessleitende Verfügung

Erlässt die Schlichtungsbehörde eine prozessleitende Verfügung, ist diese mit Beschwerde (Art. 319 Buchst. b ZPO) anfechtbar, allerdings nur, wenn durch sie ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht (Art. 319 Buchst. b Ziff. 2 ZPO). Zur Beschwerde siehe N 360 ff.

392

Das Obergericht des Kantons Zürich erwog in einem Beschluss vom 14. Fe­bruar 393 2011, die Vereinigung von zwei Verfahren durch die Schlichtungsbehörde, die weitgehend in ihrem Ermessen liege (Art. 125 Buchst. c ZPO), stelle zwar eine der Beschwerde ans Obergericht unterliegende prozessleitende Verfügung dar. Nicht gegeben sei aber der erforderliche, nicht wiedergutzumachende Nach­ teil, da nicht erkennbar sei, wie die Verfahrensvereinigung die Prüfung des Standpunktes der Beschwerdeführerin auf relevante Weise erschweren könne (Beschluss OGer Zürich RU110002 vom 14. Februar 2011, E. 3.2). Die Abschreibung des Schlichtungsverfahrens als gegenstandslos wegen Säum­ 394 nis des Klägers infolge Nichterscheinens an der Schlichtungsverhandlung gemäss Art.  206 Abs.  1 ZPO ist ein gesetzlich besonders geregelter Fall der Abschreibung wegen Gegenstandslosigkeit nach Art. 242 ZPO. Eine entspre­ chende Abschreibungsverfügung stellt eine prozessleitende Verfügung beson­ derer Art dar, da sie das Schlichtungsverfahren erledigt, und untersteht nach Massgabe von Art.  319 Buchst.  b ZPO der Beschwerde. Da das Gesetz die Anfechtbarkeit einer Abschreibungsverfügung nach Art. 206 Abs. 1 ZPO nicht vorsieht (Art. 319 Buchst. b Ziff. 1 ZPO), steht die Beschwerde gegen eine sol­ che Verfügung nach Art. 319 Buchst. b Ziff. 2 ZPO offen, wenn durch die Ver­ fügung ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht. Ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil kann dem Kläger beispielsweise entstehen, wenn die erneute Einreichung eines Schlichtungsgesuchs verspätet wäre, weil infolge des Ablaufs einer Verwirkungsfrist bei Abschreibung des Schlichtungs­ verfahrens ein materieller Rechtsverlust eintritt (Urteil des Bundesgerichts 4A_131/2013 vom 3. September 2013, E. 2.2.2.2).

4.2.5 Entscheid Entscheidet die Schlichtungsbehörde gestützt auf Art. 212 ZPO als echte erste 395 Instanz, unterliegt ihr Entscheid der Beschwerde ans Obergericht (Art. 319 ff. ZPO). Die Berufung scheidet aus, da sie einen Streitwert von mindestens 10 000 CHF voraussetzt (Art.  308 Abs.  2 ZPO), der aufgrund der Entscheid­ obergrenze der Schlichtungsbehörde von 2000 CHF gar nicht erreicht werden kann. Zur Beschwerde siehe N 360 ff.

Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

1267

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen 396

Mit Beschwerde kann namentlich geltend gemacht werden, die Schlichtungs­ behörde habe den Antrag auf Entscheidung gutgeheissen, womit das Recht auf Beweis verletzt worden sei (Infanger, BSK, N 14 zu Art. 212 ZPO).

5.

Schiedsgericht und Schiedsgutachten

5.1 Zulässigkeit 397

Art.  354 ZPO sieht vor, dass Rechtsstreitigkeiten, über die die Parteien frei verfügen können, von den Parteien (durch eine Schiedsvereinbarung gemäss Art.  357  f. ZPO) einem von ihnen gewählten, also privaten und nicht staat­ lichen Schiedsgericht, zum Entscheid unterbreitet werden können. Die Ent­ scheide eines solchen Schiedsgerichts haben gemäss Art.  387 ZPO die Wir­ kung eines rechtskräftigen und vollstreckbaren gerichtlichen Entscheids. Die Schiedsgerichtsbarkeit für Binnenverhältnisse ist in Art. 353 bis 399 ZPO gere­ gelt, diejenige für internationale Verhältnisse im 12. Kapitel des IPRG.

398

Obschon Ansprüche aus einem Miet- oder Pachtvertrag grundsätzlich der freien Verfügung der Parteien unterstehen, ist die Schiedsfähigkeit im Bereich der Miete und Pacht von Wohnräumen beschränkt. Art.  361 Abs.  4 ZPO, mit dem die Regelung des aufgehobenen aArt. 274c OR übernommen wurde, besagt: In den Angelegenheiten aus Miete und Pacht von Wohnräumen können die Parteien einzig die Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht einsetzen.

399

Der Begriff des Wohnraums in der zitierten Bestimmung richtet sich nach Art. 253 ff. OR. Es fallen darunter bewegliche und unbewegliche Mietobjekte, die in erster Linie dem dauernden Aufenthalt von Personen dienen, damit aber nicht Ferienwohnungen, die für weniger als drei Monate gemietet wer­ den. Keine Einschränkung, eine Streitigkeit mittels einer Schiedsabrede einem Schiedsgericht unterbreiten zu können, besteht hingegen für die Miete von Geschäftsräumen und von Konsumgütern (Habegger, BSK, N  28 und 38 zu Art.  354 ZPO; N  39 und 41 zu Art.  361 ZPO; Grundmann, ZK, N  18  f. zu Art. 354 ZPO; N 42 und 43 zu Art. 361 ZPO; N 37 und 38 zu Art. 361 ZPO; Schwander/Stacher, DIKE-Komm., N 19 zu Art. 361 ZPO).

1268

Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Art. 189 ZPO bestimmt zur Leistung des Beweises durch ein Schiedsgutach- 400 ten: 1 Die

Parteien können vereinbaren, über streitige Tatsachen ein Schiedsgut­ achten einzuholen.

2 Für

die Form der Vereinbarung gilt Artikel 17 Absatz 2.

3 Das Schiedsgutachten bindet das Gericht hinsichtlich der darin festgestell­

ten Tatsachen, wenn:

a. die Parteien über das Rechtsverhältnis frei verfügen können; b. gegen die beauftragte Person kein Ausstandsgrund vorlag und c. das Schiedsgutachten ohne Bevorzugung einer Partei erstellt wurde und nicht offensichtlich unrichtig ist. Selbst wenn die Parteien über einen Anspruch aus einem Miet- oder Pachtver­ 401 trag grundsätzlich frei verfügen können, gilt die Einschränkung von Art. 361 Abs. 4 ZPO auch für das Schiedsgutachten. Ein solches ist somit im Bereich der Miete und Pacht von Wohnräumen nicht zulässig (BGE 141 III 201, E. 3.2.3; vgl. auch Koller Thomas, in: ZBJV 152/2016, S. 829 ff.). Die Parteien können also beispielsweise die Frage, ob ein Mietzins orts- und quartierüblich sei, bei einer Wohnraummiete nicht durch ein Schiedsgutachten feststellen lassen. Das galt im Übrigen schon unter altem Recht (vgl. Rohrer Beat, in: MRA 2/04, S. 129). Analog zur Möglichkeit, bei einer Miete von Geschäftsraum gültig mit einer Schiedsabrede ein frei gewähltes Schiedsgericht zu benennen, ist indessen bei einer Geschäftsraummiete die Vereinbarung eines Schiedsgutachtens möglich. Nach wohl richtiger, aber umstrittener Auffassung gilt Art.  361 Abs.  4 ZPO 402 auch im internationalen Verhältnis, wenn das Mietobjekt in der Schweiz liegt und der Wohnungsmieter seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ebenfalls in der Schweiz hat und es sich nicht bloss um eine für höchstens drei Monate gemietete Ferienwohnung handelt (Vischer, ZK IPRG, N 17 zu Art. 177 IPRG; Weber, BSK, Vorbem. N 22 zu Art. 253 bis 273c OR; Higi, ZK, N  4  ff. zu aArt.  274c OR sowie Habegger, BSK, N  38 zu Art.  361 ZPO und Courvoisier/Wenger, ZK, N 18a zu Art. 354 ZPO, je mit Hinweisen auf abwei­ chende Meinungen). Hat der Mieter seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Auf­ enthalt im Ausland, liegt jedoch (unabhängig des Wohnsitzes oder Sitzes des Vermieters) uneingeschränkt eine schiedsfähige Sache gemäss Art. 177 Abs. 1 IPRG vor. Es kann somit nicht nur die Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht bestimmt werden. Bei entsprechender anderweitiger Schiedsabrede fehlt der

Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

1269

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Schlichtungsbehörde wie auch dem staatlichen Gericht gemäss Art.  7 IPRG die Zuständigkeit, sofern sich der Beklagte nicht vorbehaltlos auf das Verfah­ ren vor diesen Instanzen einlässt. Lässt sich der Beklagte vorbehaltlos auf das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde ein, sodass diese das Verfahren durch Entscheid im Sinne von Art.  212 ZPO, Urteilsvorschlag oder Klagebewilli­ gung gemäss Art. 210 bzw. 209 ZPO abschliesst, muss daraus abgeleitet wer­ den, dass die Parteien auch für die Fortsetzung des Verfahrens gemäss Art. 209 Abs.  4 ZPO das staatliche Gericht für zuständig erachten (mit den entspre­ chenden Folgen im Falle des Verzichts auf die Anrufung). Anders ist es indes­ sen, wenn die Schiedsvereinbarung die Anrufung des Schiedsgerichts erst nach durchgeführtem Schlichtungsverfahren vorsieht (Urteil des Bundesgerichts 4C.161/2005 vom 10. November 2005, in: mp 2007, S. 43). 403

Haben sich Mieter und Vermieter in einem Binnenverhältnis bzw. in einem internationalen Verhältnis, bei welchem der Mieter seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat, entgegen Art. 361 Abs. 4 ZPO auf ein Schiedsgericht (d.h. ein anderes als die Schlichtungsbehörde) geei­ nigt, ist diese Vereinbarung im Hinblick auf den zwingenden Charakter von Art. 361 Abs. 4 ZPO ersatzlos zu streichen. Die Schiedsvereinbarung fällt als solche dahin, ohne dass die Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht an die Stelle des unzulässigerweise vereinbarten Schiedsgerichts tritt, wenn sich aus dem Parteiwillen ergibt, dass die Parteien in Kenntnis der in Art. 361 Abs. 4 ZPO vorgesehenen Beschränkung ganz auf ein Schiedsverfahren verzichtet hätten (Schwander/Stacher, DIKE-Komm., N  19 zu Art.  361 ZPO; Courvoi­ sier/Wenger, ZK, N 18 zu Art. 354 ZPO [anders noch 2. Auflage], Grundmann, ZK, N 40–43 zu Art. 361 ZPO).

5.2 404

Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht

Gibt Art. 361 Abs. 4 ZPO den Parteien in einer Angelegenheit aus Miete und Pacht von Wohnräumen die Möglichkeit, sich darauf zu einigen, dass die Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht amten soll, ist davon auszugehen, das Gesetz meine damit die nach Art. 33 ZPO zuständige Schlichtungsbehörde am Ort der gelegenen Sache (Grundmann, ZK, N 35 zu Art. 361 ZPO; Schwander/ Stacher, DIKE-Komm., N 20 zu Art. 361 ZPO; a.M. Habegger, BSK, N 40 zu Art. 361 ZPO; Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 1230, S. 342). Können die Par­ teien einzig die Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht einsetzen, erweist sich dies anderseits nicht als eine Bezeichnung einzelner Schiedsrichter der Stellung nach gemäss Art. 361 Abs. 3 ZPO. Können die Parteien nur die Schlichtungs­ behörde als Schiedsgericht einsetzen, schliesst dies damit unseres Erachtens 1270

Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

aus, dass die Parteien ihre Schiedsrichter frei aus den jeweiligen Vertretern des Mieter- bzw. Hauseigentümerverbandes auswählen (a.M. Habegger, BSK, N 40 zu Art. 361 ZPO; Schwander/Stacher, DIKE-Komm., N 20 zu Art. 361 ZPO). Haben die Parteien mit einer Schiedsvereinbarung die Schlichtungsbehörde als 405 Schiedsgericht eingesetzt, muss dem Schiedsverfahren kein Schlichtungsver­ fahren vorangehen, da die Schiedsgerichtsbarkeit die staatliche Gerichtsbar­ keit und damit auch hinsichtlich des Schlichtungsverfahrens ersetzt (Habegger, BSK, N  42 zu Art.  361 ZPO). Ruft eine Partei ohne Hinweis auf eine beste­ hende Schiedsvereinbarung die Schlichtungsbehörde an, ist dies als Schlich­ tungsgesuch im Sinne von Art.  202 ZPO und damit als konkludenter Ver­ zicht auf die Schiedsklausel zu betrachten, sodass im Gerichtsverfahren nicht mehr der Einwand der Unzuständigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit erho­ ben werden kann (Urteil des Bundesgerichts 4C.161/2005 vom 10. November 2005, E. 2.5.2, in: mp 2007, S. 43; Püntener, Zivilprozessrecht, N 1232, S. 343). Die Erfahrung zeigt, dass Schlichtungsbehörden kaum als Schiedsgerichte ein­ 406 gesetzt werden. Die praktische Bedeutung dieser Möglichkeit ist also äusserst gering. Dementsprechend gibt es praktisch keine von Schlichtungsbehörden gefasste Schiedsgerichtsurteile, weshalb sie in den periodisch erscheinenden Erledigungsstatistiken des Bundesamts für Wohnungswesen nicht einmal auf­ geführt werden.

5.3

Echte Schiedsgerichte

Liegt keine die Schiedsgerichtsbarkeit einschränkende Angelegenheit im Sinne von Art. 361 Abs. 4 ZPO vor, können die Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung das Schiedsgericht nach den Bestimmungen von Art. 360 ff. ZPO frei wählen.

407

Sieht die Schiedsklausel einfach vor, dass anstelle der staatlichen Gerichte ein 408 Schiedsgericht eingesetzt wird, ist zu vermuten, dass damit auf ein Schlich­ tungsverfahren verzichtet werden soll (Urteil des Bundesgerichts 4C.161/2005 vom 10. November 2005, E. 2.5.1, in: mp 2007, S. 43). Die Parteien können aber auch vereinbaren, dass erst nach einem gescheiterten Schlichtungsversuch vor der staatlichen Schlichtungsbehörde ein Schiedsgericht an die Stelle des staat­ lichen Gerichts treten soll. Während nach der hier vertretenen Auffassung als Schiedsgericht im Sinne 409 von Art. 361 Abs. 4 ZPO nur die Schlichtungsbehörde am Ort der gelegenen Sache infrage kommt, der Sitz des Schiedsgerichts also vorbestimmt ist, kön­ nen die Parteien, die nicht an die Einschränkung der genannten Bestimmung

Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

1271

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

gebunden sind, z.B. Mieter und Vermieter eines Geschäftsraums, den Sitz des Schiedsgerichts frei wählen (Weber-Stecher, BSK, N 7 zu Art. 355 ZPO; Cour­ voisier/Wenger, ZK, N  6 zu Art.  355 ZPO). Der Sitz des Schiedsgerichts ist deshalb von Bedeutung, weil sich danach das anwendbare Schiedsverfassungs­ recht (lex arbitri) und damit auch der Spielraum der Parteien, das Schieds­ verfahren zu gestalten, bestimmt (Weber-Stecher, BSK, N 1 zu Art. 353 ZPO; Courvoisier/Wenger, ZK, N 7 zu Art. 355 ZPO). Grundsätzlich gelten gemäss Art. 353 Abs. 1 ZPO die Bestimmungen des dritten Teils der ZPO für Verfah­ ren vor Schiedsgerichten mit Sitz in der Schweiz, sofern nicht die Bestimmun­ gen des zwölften Kapitels des IPRG anwendbar sind. Gemäss Art. 353 Abs. 2 ZPO können die Parteien sodann die Geltung des dritten Teils der ZPO durch eine ausdrückliche Erklärung in der Schiedsvereinbarung oder in einer spä­ teren Übereinkunft ausschliessen und die Anwendung der Bestimmungen des zwölften Kapitels des IPRG vereinbaren, sofern beim Abschluss der Schieds­ vereinbarung wenigstens eine Partei ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Schweiz hatte (Art. 176 Abs. 1 IPRG).

5.4 Verfahrensordnung 410

Im Binnenverhältnis gelten sowohl für das Schiedsverfahren vor einer Schlich­ tungsbehörde wie auch dasjenige vor einem frei gewählten Schiedsgericht die Bestimmungen von Art. 372 bis 380 ZPO. Die Parteien können insbeson­ dere gemäss Art. 373 ZPO das Schiedsverfahren entweder selber regeln, die­ ses durch Verweis auf eine schiedsgerichtliche Verfahrensordnung bestimmen oder einem Verfahrensrecht ihrer Wahl unterstellen. Das Gleiche gilt für ein in der Schweiz durchgeführtes Schiedsverfahren in einem internationalen Ver­ hältnis gemäss Art. 182 IPRG. Der Verband der schweizerischen Immobilien­ wirtschaft SVIT Schweiz initiierte im Jahre 2005 die Gründung des Schiedsgerichts der Schweizer Immobilienwirtschaft samt Schiedsgerichtsordnung (www.svit-schiedsgericht.ch). Dieses unabhängige, auf immobilienrechtliche Fragen spezialisierte Schiedsgericht steht sämtlichen Marktteilnehmern der Schweizer Immobilien- und Bauwirtschaft offen.

411

Das Schiedsverfahren wird gemäss Art. 372 Abs. 1 ZPO rechtshängig: a. sobald eine Partei das in der Schiedsvereinbarung bezeichnete Schiedsge­ richt anruft oder b. wenn die Vereinbarung kein Schiedsgericht bezeichnet: sobald eine Partei das Verfahren zur Bestellung des Schiedsgerichts oder das von den Parteien vereinbarte vorausgehende Schlichtungsverfahren einleitet. 1272

Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

Die bundesrechtlich vorgesehenen Klagefristen gelten auch, wenn anstelle der 412 Schlichtungsbehörde ein vereinbartes Schiedsgericht angerufen wird. Damit die binnen einer Klagefrist geltend zu machenden Ansprüche nicht verwirken, sind sie innert Frist gemäss Art. 372 ZPO anhängig zu machen. Schiedsgerichte haben das materielle Recht in gleicher Weise anzuwenden wie 413 ein staatliches Gericht. Sowohl nach Art. 381 Abs. 1 Buchst. b ZPO wie auch nach Art. 187 Abs. 2 IPRG kann das Schiedsgericht nach Billigkeit entscheiden, wenn es von den Parteien dazu ermächtigt worden ist. Vorbehalten bleiben dabei die Bestimmungen zum Ordre public (Staehelin et al., Zivilprozessrecht S. 534; Arroyo, ZK, N 27 zu Art. 381 ZPO; Schwander, DIKE-Komm., N 10 zu Art. 381 ZPO; BGE 120 II 167 zu Art. 190 Abs. 2 Buchst. e IPRG). Die Auf­ fassung, der (inländische) Ordre public erfasse insbesondere die Bestimmun­ gen zum Schutz von missbräuchlichen Mietzinsen und zum Kündigungsschutz (Weber, BSK, N  25 zu Art.  253–273c OR, mit Verweis auf Art.  109 BV), ist jedenfalls dann vertretbar, wenn neben dem schweizerischen Sitz des Schieds­ gerichts das Objekt der mietrechtlichen Auseinandersetzung in der Schweiz liegt. Diesfalls weist der zu beurteilende Sachverhalt die notwendige Nähe zur schweizerischen Rechtsordnung auf, die eine solche Berücksichtigung recht­ fertigen kann (weitergehend Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 1239, S. 344). Gemäss Art. 384 Abs. 1 Buchst. f ZPO enthält der Schiedsspruch das Disposi­ 414 tiv in der Sache sowie die Höhe und die Verteilung der Verfahrenskosten und der Parteientschädigung. Während bei Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirtschaftlicher Pacht die Schlich­ tungsbehörde gemäss Art. 113 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Buchst. c ZPO keine Partei­ entschädigungen zusprechen und keine Gerichtskosten veranschlagen kann, ist also das Schiedsgerichtsverfahren vor einer Schlichtungsbehörde (wie das­ jenige vor einem gewöhnlichen Schiedsgericht) kosten- und entschädigungs­ pflichtig. Im Schiedsverfahren ist sodann gemäss Art. 380 ZPO die unentgeltliche Rechtspflege ausgeschlossen.

6. Vollstreckung 6.1 Vollstreckungsarten Die ZPO setzt den aus dem bisherigen Recht bekannten vollstreckungsrecht­ 415 lichen Dualismus fort. Sie regelt einzig die Realvollstreckung (Art. 335 Abs. 1 ZPO), das heisst die Vollstreckung von Entscheiden, die nicht auf Geldleistung lauten (Droese, BSK, N 2 zu Art. 335 ZPO; Staehelin, ZK, N 1 zu Art. 335 ZPO – Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

1273

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

vgl. auch in beiden Kommentaren die Literaturübersicht je vor N 1 zu Art. 335 ZPO; Gasser Dominik, in: Anwaltsrevue 8/2008, S. 340 ff.; Genna Gian Sandro, Vollstreckungssystem der Schweizerischen Zivilprozessordnung, in: Wolf Ste­ phan [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung und Notariat, INR 11, Bern 2010, S. 116 ff.). Beispiele dafür sind im Mietrecht die Heraus- bzw. Rückgabe der Mietsache oder die Beseitigung von Mängeln. 416

Zwangsvollstreckungen, die auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gerich­ tet sind, zum Beispiel bei Mietzinsforderungen, richten sich dagegen weiterhin nach dem SchKG und dessen Nebenerlassen (Art. 335 Abs. 2 ZPO und Art. 38 Abs. 1 SchKG).

417

Für die Vollstreckung stellt die ZPO zwei Wege zur Verfügung. Die direkte Vollstreckung und die indirekte Vollstreckung durch separates Gesuch an das Vollstreckungsgericht. Im Bereich der Realvollstreckung schliesst das Voll­ streckungsverfahren nach herkömmlicher Auffassung an das Erkenntnisver­ fahren an (sog. indirekte Vollstreckung). Die ZPO weicht von diesem Modell insofern ab, als das Gericht auf Antrag der obsiegenden Partei Vollstreckungs­ massnahmen anordnen kann (Art. 236 Abs. 3 und Art. 337 ZPO, sog. direkte Vollstreckung). Diese mit der Verpflichtung zu einem Tun oder Unterlassen verknüpfte Anordnung im Leistungsurteil ermöglicht der obsiegenden Partei, direkt an die Exekutivbehörde zu gelangen (beispielsweise an das Gemeinde­ ammannamt zur Ausweisung eines Mieters: §147 Abs. 1 Buchst. b GOG ZH). Dadurch lässt sich die ineffiziente Zweiteilung von Erkenntnis- und Vollstre­ ckungsverfahren vermeiden. Die Anordnung der direkten Vollstreckung wird nicht von Amtes wegen vorgenommen, sondern erfolgt auf Antrag (Art. 236 Abs. 3 ZPO).

418

Zur Vollstreckung der Ausweisung siehe N 197 ff.

419

6.2

Vollstreckungstitel aus dem Schlichtungsverfahren

6.2.1

Im Allgemeinen

Wichtigste Voraussetzung der Vollstreckung ist das Bestehen eines rechtsge­ nüglichen Vollstreckungstitels. Dazu gehört auch: –– ein vor der Schlichtungsbehörde abgeschlossener Vergleich (Art.  208 Abs. 2 ZPO). In diesem können sich die Parteien auch auf Vollstreckungs­ massnahmen einigen, welche die Schlichtungsbehörde alsdann im Erledi­ gungsbeschluss anzuordnen hat (oben N 78 ff.);

1274

Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen

–– eine Klageanerkennung (Art. 208 Abs. 2 ZPO); –– ein Urteilsvorschlag der Schlichtungsbehörde, der von keiner Partei innert der 20-tägigen Frist von Art. 211 Abs. 1 ZPO abgelehnt wurde (Art. 211 Abs. 3 ZPO); –– ein Entscheid der Schlichtungsbehörde in vermögensrechtlichen Streitig­ keiten bis zu einem Streitwert von 2000 CHF (Art. 212 Abs. 1 ZPO), der nicht angefochten wurde.

6.2.2

Vollstreckungsmassnahmen im Urteilsvorschlag

Unterbreitet die Schlichtungsbehörde den Parteien einen Urteilsvorschlag, 420 stellt sich die Frage, ob sie im Urteilsvorschlag auch Vollstreckungsmassnah­ men im Sinn von Art. 236 Abs. 3 ZPO aufnehmen kann (bejahend Püntener, Zivilprozessrecht, Rz. 783, S. 226). So zum Beispiel bei angefochtener ordent­ licher oder ausserordentlicher Kündigung, wenn der Vermieter nicht nur die Abweisung der Klage und die Feststellung der Gültigkeit bzw. Wirksamkeit der Kündigung beantragt, sondern vor Schlichtungsbehörde (bzw. rechtzeitig vor der Verhandlung) auch noch ein Ausweisungsbegehren stellt. Da ein Urteilsvorschlag der Schlichtungsbehörde, der von keiner Partei innert 421 der 20-tägigen Frist abgelehnt wurde, einen rechtsgenüglichen Vollstreckungs­ titel darstellt, sind unseres Erachtens Vollstreckungsmassnahmen im Urteilsvorschlag aus prozessökonomischen Gründen zuzulassen. Die Schlichtungs­ behörde Zürich berücksichtigt im Urteilsvorschlag zum Beispiel das Begehren um Beseitigung des Rechtsvorschlags (vgl. Art.  79 SchKG). Da gegebenen­ falls ein Vollstreckungstitel vorliegt, bleibt unbeachtlich, dass es sich bei der Schlichtungsbehörde – auch bei einem Streitwert über 2000 CHF – nicht um ein Gericht im Sinn von Art. 236 Abs. 3 ZPO handelt.

Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis

1275

Sachregister Hinweise zum Sachregister Verweise auf Gesetzesartikel betreffen stets Artikel des Obligationenrechts, wenn nichts anderes vermerkt ist.

Ständige Abkürzungen im Sachregister Die Wiederholung eines Begriffes innerhalb des gleichen Schlagwortes kann mit sei­ nem Anfangsbuchstaben abgekürzt angeführt sein. Generell abgekürzt sind: a.

an, am, auf

b.

bei, beim

d.

der/die/das und ihre Deklinationsformen

f. für i.

in, im

s. siehe u. und ü. über v.

von, vom, vor

Vorbem. Vorbemerkungen z.

zu, zum, zur

ZPO

Zivilprozessordnung, Kapitel «Schlichtungsverfahren und gerichtliches Verfahren in Mietsachen»

1277

Sachregister

A Abbruch- u. Umbauarbeiten – als Beendigungsgrund, Art. 255, N 18 – Ausschluss d. Erstreckung, s. dort – Kündigung, Anfechtbarkeit, Art. 271, N 36 ff. Aberkennungsklage, ZPO, N 18 Abgaben u. Lasten, Art. 256b, N 3 ff., Art. 257–257b, N 13 f. Abrechnungspflicht, Nebenkosten, Art. 257–257b, N 34 Absolute Erhöhungsgründe, s. Erhöhungsgründe (Mietzins) Absolute Methode, Vorbem. Art. 269– 270e, N 8/30 ff., Art. 270, N 29 ff. Abstellplätze u. Garagen, Art. 256, N 2 Abtretung, Abgrenzung z. Untermiete, Übertragung, Zession, Art. 262, N 7 f. Abzahlungskauf, Mietkauf, Abgrenzung z. Miete, Vorbem. Art. 253–273c, N 33 Akontozahlungen, Art. 257–257b, N 39 ff. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) – Allgemeines, Art. 256, N 62 ff. – Mieterschutz, Art. 256, N 49 – Formularvertrag, Art. 253, N 11 – Unterhaltspflicht d. Mieters, Art. 259, N 13 Ältere Bauten – Anfangsmietzins, keine Berufung d. Mieters a. übersetzten Ertrag, Art. 270, N 51 – Luxusobjekt, Art. 253b, N 16 – massgebende Anlagekosten f. Nettorendite, Art. 269, N 6 ff. Amortisation, Eigenmittel, Hypothek, Art. 269, N 5/22 Amtliches Formular, s. Formular Änderungen u. Erneuerungen, s. Erneuerungen/Änderungen Anfangsmietzins – absolute Methode, Art. 270, N 29 ff. – Anwendungsbereich, Art. 270, N 3/28 – Ausschluss der Unterschreitung unter d. Anfangsmietzins, Art. 270a, N 2, Art. 270d, N 10

1278

– Begriff, Art. 270, N 4 ff. – Formular, Formularpflicht, Art. 270, N 35 ff. – Vorbehalte b. Vertragsabschluss, Art. 270, N 34 – Herabsetzung, Art. 270, N 29 ff. – Kriterien f. Festlegung b. indexiertem Mietvertrag, Art. 269b, N 12 f. – orts- u. quartierübliche Vergleichsobjekte, Art. 269a, N 20 ff., Art. 270, N 32 – Vorbehalte b. Vertragsschluss, Art. 270, N 34 Anfechtung, Anfangsmietzins – Auswirkung auf Vertragsinhalt, Art. 270, N 56 ff. – Frist, Art. 270, N 47 f. – Altbauten, übersetzter Ertrag, Art. 270, N 51 – Beweislast, Art. 270, N 51 ff. – gestaffelter Mietzins, Art. 269c, N 18, Art. 270d, N 3 ff. – indexierte Mietverträge, Art. 270c, N 3 f. – Überprüfung nach absoluter Methode, Art. 270, N 29 ff. – Verfahren, Art. 270, N 47 ff. – Voraussetzungen, Art. 270, N 7 ff. Anfechtung d. Mietzinserhöhung/ Vertragsänderungen – gestaffelter Mietzinse, 270d, N 4 ff. – indexierter Mietzinse, Art. 270c, N 3 ff. – Missbräuchlichkeit, Art. 269, N 2 ff. / 270b, N 3 ff. Anlagekosten – massgebende, f. Bruttorendite, Art. 269a, N 88 ff. – massgebende, f. Nettorendite, Art. 269, N 6 ff. Annahmeverzug d. Vermieters, Art. 257d, N 7 Anteilschein – Herausgabe des Anteilscheinkapitals, Klage, ZPO, N 220 – Mietergenossenschaft, Art. 254, N 10

Sachregister Aufhebungsvertrag – s. auch Vertragsauflösung – u. Erstreckungsvereinbarung, Art. 272b, N 15/21 – u. Kündigung, Vorbem. Art. 266– 266o, N 41 – u. vorzeitige Kündigung, Art. 264, N 9 Auflösungsvertrag, Art. 255, N 3 Ausbesserungen, Pflicht d. Mieter, Art. 259, N 8 Auskunftspflicht, Bekanntgabe d. Mietzinses d. Vormieters, Art. 256a, N 17 ff. Ausschluss d. Erstreckung – Abbruch oder Umbau, Art. 272a, N 14 ff. – Allgemeines, Art. 272a, N 1 ff. – Beweislast, Art. 272a, N 5 – dringender Eigenbedarf, Art. 272a, N 2 – Ersatzangebot d. Vermieters, Art. 272a, N 22 ff. – Erstreckungsgründe, Art. 272a, N 10 ff. – Fristen, Art. 272a, N 7 – Konkurs d. Mieters, Art. 272a, N 13 – Verletzung v. Sorgfalt u. Rücksichtnahme durch d. Mieter, Art. 257f, N 37 ff., Art. 272a, N 11 f. – Voraussetzungen, allgemeine, Art. 272a, N 6 ff. – Zahlungsverzug d. Mieters, Art. 257d, N 11/44, Art. 272a, N 10 Ausserordentliche Kündigung, s. Kündigung, ausserordentliche Ausweisung, s. auch summarisches Verfahren – Ausweisungsanspruch, ZPO, N 184 ff. – Ausweisungsbegehren, ZPO, N 192 ff. – Rechtsschutz in klaren Fällen, ZPO, N 147/155 ff. – Untermieter b. Kündigung durch Vermieter, Art. 273b, N 6 ff. – Verfahren, ZPO, N 147/157/177/184 ff. – Vollstreckung, ZPO, N 197 ff.

– während Anfechtung, Art. 271, N 59 – Sistierung, ZPO, N 327

B Barkaution, s. Sicherheiten durch d. Mieter Bau-, Abbruchbewilligung als Beendigungsgrund, Art. 255, N 18 Baurecht – Abgrenzung z. Miete, Vorbem. Art. 253–273c, N 40 – Konkurrenz z. Mängelrechten, Vorbem. Art. 258–259i, N 83 Beendigung – Ablauf d. vereinbarten Dauer, Art. 255, N 16 f., Vorbem. Art. 266– 266o, N 2, Art. 266, N 4, s. auch befristetes Mietverhältnis – durch Eintritt eines bestimmten Ereignisses, Art. 255, N 18 ff., Art. 266, N 5 f. – einvernehmliche Vertragsauflösung, Vorbem. Art. 266–266o, N 24/42 Befristetes Mietverhältnis – Allgemeines, Art. 255, N 3 ff. – Beendigung, Art. 255, N 4 f., Vorbem. Art. 266–266o, N 2, Art. 266, N 4 ff. – Beendigung, Ablauf d. vereinbarten Dauer, Art. 255, N 16 f., Vorbem. Art. 266–266o, N 2 – Beendigung durch Eintritt eines bestimmten Ereignisses, Art. 255, N 18 ff. – Erstreckung, Art. 266, N 12, Art. 272, N 14 – Kündigung, Anfechtbarkeit, Art. 271, N 4 – Mietzinserhöhung, Art. 255, N 5 – stillschweigende Fortsetzung, Art. 266, N 14 ff. – unecht befristete Mietverhältnisse, Art. 255, N 8 Befundaufnahme, amtliche, Art. 256a, N 16 Berechnungsmodell (Bundesamt f. Wohnungswesen) f. d. Überwälzung

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Sachregister laufender Kostenveränderungen, Vorbem. Art. 269–270e, N 24 Beschädigung d. Mietsache, schwere, grobfahrlässige, Art. 257f, N 21/35/45 f./76 Beseitigung d. Mangels durch d. Vermieter – Allgemeines, Art. 259b, N 1 ff. – Auflösung d. Mietverhältnisses durch d. Mieter (Mängelrechte), Art. 259b, N 22 ff. – Beseitigungspflicht, Art. 259b, N 4 ff. – Duldungspflicht d. Mieters, Art. 257h, N 6 ff. – Ersatzvornahme, Art. 259b, N 47 ff. – Frist, Art. 259b, N 12 ff. – Pflicht d. Vermieters, Art. 259b, N 4 ff. – Meldepflicht d. Mieters, Art. 259b, N 8 – rechtzeitige Anzeige d. Vermieters, Art. 257h, N 13 – Selbsthilfe d. Mieters, Art. 259b, N 42 ff. – Mietzinsherabsetzung bzw. Schadenersatz, Art. 259b, N 39 f. – vollwertiger Ersatz, s. unter Ersatzobjekt – Zumutbarkeit, Art. 259b, N 10 Besitzesschutzrechte – Konkurrenz z. Mängelrechten, Vorbem. Art. 258–259i, N 83 – Mieter, Vorbem. Art. 253–273c, N 12 Besondere Eigenschaften, Zusicherung, Art. 256, N 42 ff. Bewegliche Mietsache – Begriff, Vorbem. Art. 253–273c, N 18 ff., Art. 253, N 3/24 f., Art. 266b–266f, N 37 f. – Kündigung, Art. 266k, N 2 ff. – Zuständigkeit i. Verfahren, ZPO, N 228 Beweisrecht – Beweismittel i. Schlichtungsverfahren, ZPO, N 57 f. – Beweismittel i. gerichtlichen Verfahren, ZPO, N 124/129

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– Noven i. Beschwerdeverfahren, ZPO, N 361 Beweislast – Beweislastverteilung i. Schlichtungsverfahren, ZPO, N 61 – d. Mieters b. Mängeln, Art. 259d, N 38 – d. Mieters f. Verzug d. Vermieters, Art. 258, N 31 – Erfüllungsmängel, Art. 256, N 46 ff. – Orts- u. quartierübliche Mietzinse, Art. 269a, N 20 ff. Branchenbedingungen, Art. 256, N 63 Bruttorendite – Allgemeines, Art. 269a, N 88 ff. – Anwendungsbereich, Art. 269a, N 89 ff. – Berechnungskriterien, Art. 269a, N 94 ff. – Mietzinsherabsetzung, Einwand d. nicht übersetzten Ertrags, Art. 270a, N 17 – neuere Bauten, Art. 269a, N 89 ff. – zulässige Bruttorendite, Art. 269a, N 100 ff.

C Congé-vente, Kündigung mit d. Ziel d. Mieter z. Erwerb d. Wohnung z. veranlassen, Art. 271a, N 26 ff.

D Dauer d. Erstreckung – Allgemeines, Art. 272b, N 1/11 ff. – definitive u. einstweilige Erstreckung, Art. 272b, N 5 ff. – Erstreckungsvereinbarung, Art. 272b, N 15 ff. – Kriterien f. d. Erstreckungsdauer, Art. 272b, N 11 ff. – Untermiete, Dauer, Art. 273b, N 3 ff. Dauerschuldverhältnis, Miete, Art. 253, N 4

Sachregister Depot, s. unter Sicherheiten durch d. Mieter Derogationsklausel, Art. 256, N 65 Dienstwohnung, Vorbem. Art. 253–273c, N 48 ff. Dingliche Belastungen d. Mietsache Art. 256b, N 3 Direktzahlung b. Nebenkosten, Art. 257– 257b, N 16 Dispositionsmaxime, ZPO, N 60 Doppelaufruf – Allgemeines, Art. 261–261a, N 6 – Vormerkung d. Miete i. Grundbuch, Art. 261b, N 10 Doppelvermietung, Vorbem. Art. 258– 259i, N 5 Dringender Eigenbedarf, s. Eigenbedarf Duldungspflicht d. Mieters – Allgemeines, Art. 257h, N 6 ff. – Arten d. z. duldenen Arbeiten, Art. 257h, N 8 ff. – Ansprüche d. Mieters, Art. 257h, N 16 ff. – Ansprüche d. Vermieters, Art. 257h, N 19 f. – Besichtigungen durch d. Vermieter, Art. 257h, N 21 ff. – rechtzeitige Anzeige, Art. 257h, N 13 – Weigerung d. Mieters, Art. 257h, N 19 f.

E Ehegatte / eheliche Wohnung – Begriff, Art. 253, N 15 – Rechte u. Pflichten d. Ehegatten, Vorbem. Art. 253–273c, N 13, Art. 273a, N 2 ff. – s. auch Familienwohnung Eigenbedarf – Kündigung des Vermieters/Erwerbers wegen dringenden Eigenbedarfs, Art. 261–261a, N 18, Art. 271a, N 87 ff., Art. 272c, N 7 – Ausnahmen v. d. Kündigungs­ sperrfrist, Art. 271a, N 87

– Ausschluss d. Erstreckung, Art. 272a, N 2 – Erstreckung, Art. 272, N 56 ff. Eigenkapitalrendite, Art. 269, N 1 Eigenmittel, investierte, Art. 269, N 20 ff. Eigenschaften d. Mietsache – Hauptleistungspflicht, Art. 256, N 3 ff. – Gebrauchstauglichkeit, Art. 256, N 21 – zugesicherte, Art. 256, N 33, Vorbem. Art. 258–259i, N 2/21/27 ff., Art. 258 N 2 – s. auch Zustand d. Mietsache Eigentümerwechsel, Art. 261–261a, N 2 f., s. auch Veräusserung d. Sache Eingetragene Partner – Rechte, Vorbem. Art. 253–273c, N 13, Art. 273a, N 2 ff., s. auch Kündigung, Familienwohnung, Wohnung eingetragener Partner Einigung, i. Schlichtungsverfahren, ZPO, N 75 ff. Einsichtsrecht – d. Mieters, Nebenkosten, Art. 257– 257b, N 32 f. – i. d. Rückgabeprotokoll d. Vormieters, Art. 256a, N 4 ff. Einstellplätze – Begriff, Art. 253, N 23 – Kündigung, Anfechtbarkeit, Art. 271, N 3 Einzelzimmer möbliert, Erstreckung, Art. 272, N 4 Empfangstheorie – Zustellung d. Kündigung, Vorbem. Art. 266–266o, N 5 f. – Zustellung d. Mietzinserhöhung, Art. 270b, N 6 – Zustellung d. Mietzinsherabsetzungs­ begehrens, Art. 270a, N 20 ff. Energie-Contracting, Art. 257–257b, N 53 ff. Enteignung – Ansprüche d. Mieters, Vorbem. Art. 253–273c, N 12 – Entschädigungspflicht d. Vermieters, Vorbem. Art. 253–273c, N 2/6, Art. 253–273c, N 2/6

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Sachregister – Schicksal d. Mietverträge, Art. 261– 261a, N 7 Entscheid, i. Schlichtungsverfahren, ZPO, N 105 ff. Entscheid d. Schlichtungsbehörde, s. Schlichtungsverfahren, Entscheid Erbengemeinschaft – Kündigung, Vorbem. Art. 266–266o, N 34 – Übergang d. Kündigungssperrfrist, Art. 271a, N 50 Erbgang/Erbteilung, massgebende Anlagekosten f. Nettorendite, Art. 269, N 6/13 Erfüllung – Beharren a. E. b. Vertragsverletzung, Art. 257f, N 34 – Unmöglichkeit, Vorbem. Art. 258– 259i, N 5 ff. Erhöhungsgründe (Mietzins) – absolute u. relative, Vorbem. Art. 269–270e, N 10 f. – Allgemeines, Vorbem. Art. 269–270e, N 8 f./30 f. – Berechnungsmodell, Vorbem. Art. 269–270e, N 24 – Missbrauchskriterien, Vorbem. Art. 269–270e, N 12 ff. – Umsatzmiete, Vorbem. Art. 269–270e, N 28 f. Erkenntnisverfahren, gerichtliches Verfahren, ZPO, N 157 Erneuerungen/Änderungen durch d. Mieter – Allgemeines, Art. 260–260a, N 60 ff. – Entschädigungsanspruch d. Mieters, Art. 260–260a, N 87 – Mängelbeseitigungspflichten d. Mieters, Art. 259, N 7 – Mehrwert v. Mieterinvestitionen a. Ende d. Mietzeit, Art. 260–260a, N 92 – Rechte d. Vermieters b. unbewilligten Erneuerungen/Änderungen, Art. 260–260a, N 63 ff. – Rechtsbehelfe d. Parteien, Art. 260– 260a, 58 f.

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– Übertragung d. (Geschäfts-)Miete, Art. 263, N 34 Erneuerungen/Änderungen durch d. Vermieter – Allgemeines, Art. 260–260a, N 13 ff. – Ankündigung, Art. 260–260a, N 42 – Einschränkungen, Art. 260–260a, N 21 ff. – gekündigtes Mietverhältnis, Art. 260– 260a, N 17 – Inkonvenienz, Art. 260–260a, N 44 f. – Kündigung d. Vermieters, Art. 271, N 36 ff. – Rechte und Pflichten d. Mieters, Art. 260–260a, N 46 ff. – Rücksichtnahme, Art. 260–260a, N 39 f. – ungekündigtes Mietverhältnis, Art. 260–260a, N 29 ff. – während erstreckten Mietverhältnisses, Art. 260–260a, N 37, Art. 272c, N 5 – Zulässigkeit, Art. 260–260a, N 19 f. – Zumutbarkeit, Art. 260–260a, N 22 ff. Ersatzanschaffung, Art. 257–257b, N 15 Ersatzmieter – Mietvertragsübernahme z. gleichen Bedingungen, Art. 264, N 39 ff. – Pflichten, Art. 264, N 49 ff. – Prüfung durch d. Vermieter, Art. 264, N 37 f. – Vorteilsanrechnung. Art. 264, N 54 ff. – Zumutbarkeitskriterien, Art. 264, N 11 ff. Ersatzobjekt, «vollwertiger Ersatz», Art. 259c, N 1 ff. Ersatzvornahme, Mängelbehebung – leichte u. mittlere Mängel, Art. 259b, N 42 ff. – schwere Mängel, Vorbem. Art. 258– 259i, N 72 – Selbsthilfe b. schweren Mängeln, Art. 259b, N 46 ff. Erstreckung d. Mietverhältnisses – Abbruch u. Umbau, s. unter Ausschluss d. Erstreckung, Abbruch u. Umbauarbeiten

Sachregister – absolute Erhöhungsgründe b. Erstreckung, Art. 272c, N 12 – allgemeine Voraussetzungen, Art. 272, N 8 ff. – Änderung d. Vertragsbedingungen i. Erstreckungsverfahren, Art. 272c, N 15 ff. – Änderung d. Vertragsbedingungen durch Erstreckungsvereinbarung, Art. 272c, N 18 – Anwendungsbereich, erstreckbare Mietverhältnisse, Art. 272, N 2 ff. – Ausweisung, s. dort – Ausschluss b. ausserordentlicher Kündigung, Art. 257f, N 68 – d. befristeten Mietverhältnisses, Art. 266, N 12 f., Art. 272, N 14 – d. befristeten Mietverhältnisses, nach Eintritt eines Ereignisses, Art. 255, N 18 f. – Dauer d. Erstreckung, s. dort – Dienstwohnung, Vorbem. Art. 253– 273c, N 48/51, Art. 272, N 3/18 f. – Doppelaufruf, Art. 261–261a, N 6 – Eigenbedarf d. Untervermieters b. Erstreckung, Art. 272, N 59 – Erneuerungen u. Änderungen, Art. 260–260a, N 37, Art. 272c, N 5 – Ersatzangebot d. Vermieters, s. unter Ausschluss d. Erstreckung – Erstreckungsbegehren, Zuständigkeit, ZPO, N 24 – frühzeitige Kündigung, Art. 272, N 72 – gemischte Vertragsverhältnisse, Art. 253b, N 3, Art. 272, N 3 – Interessenabwägung, Art. 272, N 8 ff. – Kündigung aus wichtigen Gründen, Art. 272, N 9 – Kündigung d. Erwerbers wegen dringenden Eigenbedarfs, Art. 261– 261a, N 22 f./29 ff., Art. 272c, N 7 – Kündigung d. Mieters, Art. 272, N 10 – Kündigung d. Mieters während d. Erstreckung, s. dort – pflichtwidriges Verhalten d. Mieters, Art. 272, N 33

– Suchbemühungen, Art. 272, N 16/34 ff./42, Art. 272b, N 11 – Übertragung d. Geschäftsmiete, Art. 272d, N 9 – Untermiete, Art. 272d, N 8 – vereinbartes Vormietrecht, Art. 272c, N 4 – vorzeitige Rückgabe d. Sache, Art. 272d, N 8 – Zinszahlungspflicht, Art. 272d, N 2 – zusammengesetzte Mietverhältnisse, Art. 272, N 3 Erstreckungsbegehren – Frist, Art. 273, N 18 ff. – Frist i. befristeten Mietverhältnis, Art. 266, N 13, Art. 273, N 21 f. – Form, Art. 273, N 23 Erstreckungsdauer, s. Dauer d. Erstreckung Erstreckungsvereinbarung(en), Art. 272b, N 15 ff. Ertrag – Anfangsmietzins Altbauten, keine Berufung d. Mieters a. übersetzten Ertrag, Art. 270, N 51 – angemessener, Begriff, Art. 269, N 1 – Mietzinsherabsetzung, Einwand d. nicht übersetzten Ertrags, Art. 270a, N 17 – übersetzter Ertrag, s. dort – zulässiger, Grenze z. Missbrauch, Art. 269, N 5 Ertragsberechnung, individuelle, Art. 269, N 39 ff. Ertragswert – zulässiger Ertrag, Art. 269, N 8/12/18 – orts- u. quartierübliche Mietzinse, Vorbem. Art. 269–270e, N 12 ff. Erwerber – Eintritt i. d. erstreckte Mietverhältnis, Art. 261–261a, N 30 – Eintritt i. ein Mietverhältnis mit hängigem Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren, Art. 261–261a, N 29 – Übergang d. Kündigungssperrfrist, Art. 271a, N 50

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Sachregister Eventualmaxime, ZPO, N 136 «Ewige» Miete, Art. 255, N 22 ff., Art. 266, N 7 f. Exkulpationsbeweis, Art. 259e, N 14 ff. Exmission, s. Ausweisung

F Fahrnisbauten – Allgemeines, Begriff, Vorbem. Art. 253–273c, N 18/24, Art. 253, N 21 – Kündigung Fahrnisbauten, unbewegliche Sachen, Art. 266b–266f, N 11 ff., Art. 271, N 3 Fahrnispfand, vertragliches b. Wohnungsmiete, Art. 268–268b, N 5 Faktische Miete, Vorbem. Art. 253–273c, N 35, Art. 253, N 6 Familiäre oder persönliche Notlage, Art. 270, N 10 ff. Familiäre Verhältnisse als Härtegründe d. Mieters f. eine Erstreckung, Art. 272, N 23 ff. Familienwohnung – Adressaten b. Familienwohnung, Art. 257d, N 38 – Allgemeines, Art. 253, N 15 ff., Art. 266l–266o, N 24 – Anfechtung d. Mietzinserhöhung/ Vertragsänderung, Art. 270b, N 7 – Ausweisungsbegehren gegen Familienmitglieder, ZPO, N 190 – Erstreckungsvereinbarung, Art. 273a, N 9 ff. – Kündigung, Familienwohnung, Wohnung eingetragener Partner, s. dort – Mahnung/Kündigung wegen Verletzung v. Sorgfalt oder Rücksichtnahme, Art. 257f, N 51 ff./57 ff. – Rechte d. Ehegatten/eingetragenen Partners, Vorbem. Art. 253–273c, N 13, Art. 273a, N 2 ff. – Scheidung, Art. 253, N 15, Art. 263, N 6

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– Schlichtungsverfahren, Schlichtungsgesuch, ZPO, N 38 – Untermietvertrag, Art. 262, N 12 – unvollständige Familie, Art. 253, N 16 – Vereinbarung ü. d. Erstreckung d. Kündigung, Art. 272b, N 24 Ferienwohnung – Abgrenzung, Art. 253a, N 8 f. – Anwendbarkeit d. Bestimmungen ü. d. missbräuchlichen Mietzinse, Vorbem. Art. 269–270e, N 7, Art. 269d, N 4 – Definition, Art. 253a, N 6 – Erstreckbarkeit, Art. 272, N 6 – Kündigung, Anfechtbarkeit, Art. 271, N 3 – Mieterschutz, Art. 253a, N 2 – Verfahren, örtliche Zuständigkeit, ZPO, N 230 Feststellungsklage, ZPO, N 255 ff., s. auch Verfahren, gerichtliches Fläche, unüberbaute, Art. 253a, N 4 Forderungsklage, ZPO, N 243 ff., s. auch Klage v. Gericht Formular – Anfangsmietzins, Formular, s. dort – Ausübung v. Gestaltungsrechten, Art. 253, N 9 – Formularpflicht, Vertragsänderung, Art. 269d, N 17 ff. – Formularinhalt, Art. 269d, N 25 f. – Indexierung u. Erhöhung, Art. 269b, N 18 – Missachtung der Formularpflicht, Art. 253, N 9 – Nichtigkeit, Art. 269d, N 57 – Unterschrift, Art. 269d, N 33 – v. kantonaler Behörde genehmigt, Vorbem. Art. 253–273c, N 7 – Wechsel d. Vertragspartei, Vorbem. Art. 253–273c, N 15 ff. – z. Hinterlegung v. Sicherheiten durch d. Mieter, Art. 257e, N 7 Formularpflicht/-zwang – b. Abschluss d. Mietvertrages, Ermächtigung d. Kantone, Vorbem. Art. 253–273c, N 8

Sachregister – b. d. Kündigung d. Familienwohnung, Art. 266l–266o, N 44 ff., s. auch Kündigung, Familienwohnung, Wohnung eingetragener Partner – b. Vermieterkündigung, s. Kündigung, Form b. Wohn- u. Geschäftsräumen – Indexierung, Staffelung d. Mietzinses, Art. 269d, N 34 f., Art. 270d, N 8 f. – Vertragsänderung b. gleichbleibenden Mietzinsen, Art. 269d, N 17 f. Frist – Anfechtung d. Mietzinserhöhung/ Vertragsänderung, Art. 270b, N 6 – Beseitigung d. Rechtsvorschlages nach Retention, Art. 268–268b, N 30 – Gesuch um Rückschaffung v. retinierten Gegenständen, Art. 268– 268b, N 36 – Mängelbeseitigung, Art. 259b, N 12 ff. – Mietzinserhöhung, Vertragsänderung, Art. 269d, N 7 ff. – Prosequierung d. Retentionsurkunde, Art. 268–268b, N 28 ff. Frist, Klage v. Gericht – bundesrechtliche Klagefrist, ZPO, N 73 – Erstreckungsbegehren, Frist, Art. 273, N 18 ff. – Gerichtsferien, ZPO, N 349 ff. – i. summarischen Verfahren, ZPO, N 144 – nach Schlichtungsverfahren, ZPO, N 114 – Prüfung Klagefrist, ZPO, N 73 – Verfahrensablauf, ZPO, N 139 ff. – Wiederherstellung, ZPO, N 65 Frist- u. terminwidrige Kündigung, Art. 266a, N 9 ff., Art. 271, N 17 Fristansetzung b. Zahlungsrückstand – Allgemeines, Art. 257d, N 25 ff. – Mietzinsanfechtung, Art. 270e, N 4 Fristen u. Termine, Kündigungsanfechtung, Erstreckung – Anfechtung d. Kündigung nach Fristablauf, Art. 273, N 16 – Frist b. unbefristeter Miete, Art. 273, N 18 ff.

– Frist b. Erstreckung v. befristeter Miete u. Zweiterstreckung, Art. 273, N 21 f. – Fristwahrung, Art. 273, N 14 ff. – i. Schlichtungsverfahren, ZPO, N 73 Fristenlauf nach Entscheid d. Schlichtungsbehörde oder Nichteinigung, ZPO, N 114 Fristsetzung b. Zahlungsrückstand, Art. 257d, N 25 ff. Frustrationsschaden, Art. 259e, N 10 Fusionsgesetz, Übertragung der Miete, Art. 263, N 4 f.

G Gastaufnahmevertrag – Altersheim, Vorbem. Art. 253–273c, N 46 – Allgemeines, Vorbem. Art. 253–273c, N 46 Gastwirtschaftsbetrieb, Miete oder Pacht, Vorbem. Art. 253–273c, N 28 Gebäudeversicherung, Art. 256b, N 3 Gebrauchsleihe, Abgrenzung z. Miete, Vorbem. Art. 253–273c, N 30 f., Art. 257–257b, N 5 Gebrauchsleihevertrag, Erstreckbarkeit, Art. 272, N 2 Gebrauchspflicht, Art. 257f, N 16 ff. Gebrauchsrecht d. Mieters, Vorbem. Art. 253–273c, N 12 Gebrauchstauglichkeit – darüber hinausgehende Eigenschaften, Vorbem. Art. 258–259i, N 15 – Gebrauchstauglichkeit d. Mietsache, Art. 256, N 19 ff. – Mass d., Vorbem. Art. 258–259i, N 46 ff. Gebrauchsüberlassung – Schutz v. missbräuchlichen Mietzinsen, Art. 253b, N 3 f. Gebühren, als Abgaben u. Lasten, Art. 256b, N 3 f. Gegenstandslosigkeit, ZPO, N 112 f. Gehör, rechtliches, ZPO, N 6/108

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Sachregister Gemeinsame Miete, mehrere Personen, Rechtsgemeinschaften, Art. 253, N 2 Gemischte Verträge – Absorptionstheorie, Vorbem. Art. 253–273c, N 41 ff. – Allgemeines, Vorbem. Art. 253–273c, N 39 ff., Art. 253b, N 3 – Erstreckbarkeit, Art. 272, N 3 – Koppelungsgeschäft, Art. 254, N 6 f. – Kündigung, Art. 266l–266o, N 63 ff. Genossenschaftswohnung – Kündigung, Nichtigkeit, Art. 271, N 13 – Zuständigkeit bzgl. Anteilscheinkapitalherausgabe, ZPO, N 220 Genugtuung, zufolge Schadens aus mangelhafter Mietsache, Art. 259e, N 11 Gerichtsstand, s. auch Zuständigkeit – Umfang, ZPO, N 227 ff. – Gerichtsstandvereinbarung, ZPO, N 232 f. – internationale Verhältnisse, ZPO, N 236 ff. Gerichtsverfahren, Verfahren, gerichtliches Geschäftsraum – Allgemeines, Vorbem. Art. 253– 273c, N 22/25, Art. 253a, N 10 ff., Art. 266b–266f, N 31 – Anfangsmietzins, Art. 270, N 3/28 – Anwendbarkeit d. Bestimmungen ü. d. missbräuchlichen Mietzinse, Vorbem. Art. 269–270e, N 7 – Erstreckbarkeit d. Mietverhältnisses, Art. 272, N 7 – Indexierung, Art. 269b, N 14 ff., Art. 270c, N 3 ff. – Kündigung, Anfechtbarkeit, Art. 271, N 3 – Kündigungsfrist b. mangelnder Sorgfalt u. Rücksichtnahme, Art. 257f, N 5/57 f. Gestaffelte Mietzinse – Allgemeines, Art. 269c, N 1 f. – Anpassungsmodalitäten, Art. 269c, N 11 ff.

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– Erhöhung, Art. 269c, N 6 f. – Formular, Formularpflicht, Art. 269c, N 11 ff., Art. 269d, N 34 f., Art. 270d, N 8 f. – Fristen, Art. 269c, N 15 ff. – Geltendmachung anderer Erhöhungsgründe während d. Mietdauer, Art. 269c, N 9 f. – Kündigungsanfechtung v. Mietzinserhöhung b. Staffelungsklausel, Art. 271a, N 22 – Mietzinsherabsetzung, Art. 270a, N 9 f. – Mindestvertragsdauer, Art. 269c, N 3 ff. – Nichtigkeit, Teilnichtigkeit, Art. 269c, N 4/7 – umfassende Überholungen, Art. 269a, N 80, Art. 269c, N 9 – Unterschreitung d. Anfangsmietzinses, Art. 270d, N 10 – Voraussetzungen f. d. Zulässigkeit, Art. 269c, N 3 ff. Gestaltungsklage, ZPO, N 248 ff., s. auch Klage v. Gericht Gestaltungsurteil, ZPO, N 249/258 Getränkeliefervertrag, Koppelung, Art. 254 N 13 Grundbuch, Vormerkung d. Miete i. Grundbuch, s. dort Grundbucheintrag, Untermiete, Vermietung einer fremden Sache, Art. 261b, N 8 Grundlast, als Abgabe u. Last, Art. 256b, N 3 f. Grundpfandrecht, als Abgabe u. Last, Art. 256b, N 3 f. Grundsteuern, als Abgaben u. Lasten, Art. 256b, N 3 f. Grundstück, unbebautes, kein Geschäftsraum, Vorbem. Art. 253–273c, N 25

Sachregister

H Haftpflichtversicherung, Abschluss als Mieterpflicht, Art. 254, N 20 Haftung – ausscheidender Mieter b. Abtretung, Vorbem. Art. 253–273c, N 15 – Mieter b. Untermiete, Art. 262, N 46 ff. – Veräusserer, Schadenersatz b. vorzeitiger Kündigung, Art. 261–261a, N 33 f. – Vermieter a. Nicht- oder Schlechterfüllung, Vorbem. Art. 258– 259i, N 79 f. Handänderung – absolute Methode z. Beurteilung v. Missbräuchlichkeit d. Mietzinses, Vorbem. Art. 269–270e, N 33 – Anwendbarkeit Bruttorenditeberechnung, Art. 269a, N 94 Handelsgericht, handelsgerichtliche Mietstreitigkeiten, ZPO, N 21 ff. Härtegründe f. Erstreckung d. Mietverhältnisses – Allgemeines, Art. 272, N 15 ff. – andere, Art. 272, N 45 f. – besondere b. Geschäftsräumen, Art. 272, N 47 ff. – Beweislast f. d. Vorliegen einer prekären Marktsituation, Art. 272, N 35 ff. – Dauer d. Mietverhältnisses, Art. 272, N 21 f. – Drittinteresse, Art. 272, N 27 – Ersatzobjekt, Art. 272, N 27 ff./38/43 f./46 – Familienwohnung, Art. 272, N 25 – Geschäftsräume, Art. 272, N 44/47 ff. – Konkubinatspartner, Art. 272, N 27 – persönliche, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse, Art. 272, N 23 ff. – Suchbemühungen, Art. 272, N 16/34 ff./42, Art. 272b, N 11 – Verhalten d. Mieters, Art. 272, N 33

– Verhältnisse a. d. örtlichen Markt, Art. 272, N 34 ff./43 – Wochenendaufenthalter, Art. 272, N 17 – Wohngemeinschaft, Art. 272, N 27 – Zweitwohnung, Art. 272, N 17 Haupt- u. Nebenpflichten d. Vermieters, Art. 256, N 3 ff., N 9 ff., Vorbem. Art. 258–259i, N 2 Hausordnung, Konkretisierung d. Sorgfaltspflicht d. Mieters, Art. 257f, N 30 Haustiere, s. Tierhaltung Hauswartvertrag – Allgemeines, Vorbem. Art. 253–273c, N 49 ff. – Anfechtbarkeit Kündigung, Art. 271, N 2 – Koppelung, Art. 254, N 15 – Schutz v. missbräuchlichen Mietzinsen, Art. 253b, N 4 Heiz- u. Nebenkostenabrechnung – Akontozahlungen, Art. 257–257b, N 39 ff. – Allgemeines, Art. 257–257b, N 34 ff. – Nebenkostenschlüsselung, -verteilung, Art. 257–257b, N 44 Herabsetzung d. Mietzinses, s. Mietzinsherabsetzung Herabsetzungsbegehren, s. Mietzinsherabsetzung Herabsetzungseinreden, Art. 257d, N 18 f. Herausgabe hinterlegter Mietzinse – Klage d. Mieters nach erfolgter Hinterlegung, Art. 259h, N 3 ff. – Klage d. Vermieters a. Herausgabe nach erfolgter Hinterlegung, Art. 259h, N 10 ff. Hinterlegung – d. Sicherheit d. Mieters, Art. 257e, N 11 ff. – Hinterlegungsvertrag, Abgrenzung z. Miete, Vorbem. Art. 253–273c, N 32 – zur Vermeidung d. Retention v. Gegenständen, Art. 268–268b, N 22 Hinterlegung d. Mietzinses – Allgemeines, Art. 259g, N 1

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Sachregister – Ankündigung, Art. 259g, N 34 ff. – b. Duldungspflicht d. Mieters, Art. 257h, N 18 – Herausgabe hinterlegter Mietzinse, s. dort – Hinterlegungsstelle, Art. 259g, N 37 f. – Klage d. Mieters nach erfolgter Hinterlegung, s. dort – Klage d. Vermieters a. Herausgabe nach erfolgter Hinterlegung, s. dort – Mängelrechte, Art. 259d, N 42 ff., Art. 259g, N 5 f. – Verfahren, – verspätete Übergabe d. Mietsache, Art. 258, N 32 – Voraussetzung, Art. 259g, N 7 ff. – vorsorgliche Massnahmen i. Gerichtsverfahren, ZPO, N 17/149 – Zahlungsrückstand, Art. 257d, N 23, Art. 259g, N 21/25 ff. – Zuständigkeit d. Schlichtungsbehörde, ZPO, N 214 Hypothekarzins – als zusätzliches Mieterentgelt, Art. 256b, N 8 – Berechnungsmodell d. Bundesamtes f. Wohnungswesen, Vorbem. Art. 269– 270e, N 24 ff. – massgebender, f. Kostensteigerung, Art. 269a, N 46 ff. – reine Kostenmiete, Art. 269a, N 49 ff.

I Immissionen – fristlose Auflösung d. Mietverhältnisses b. immissionsbedingten Mängeln, Art. 259b, N 30 – Immissionsfreiheit, geschuldetes Mass, Art. 256, N 17/36 ff. – Mangel a. d. Gebrauchstauglichkeit, Vorbem. Art. 258–259i, N 25/30/53 ff. – Mietzinsherabsetzung b. immissionsbedingten Mängeln, Art. 259d, N 12/30

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– Schadenersatz wegen Immissionen durch Unterhalt a. d. Sache, Art. 259e, N 20 – Übernahme d. Rechtsstreits durch Vermieter, b. Ansprüchen aus Nachbarrecht gegen d. Mieter, Art. 259f, N 7 Immobilienleasing, Vorbem. Art. 253– 273c, N 34 Indexierung – Allgemeines, Art. 269b, N 3 ff. – Anfechtung, Art. 269b, N 8 f. – Anpassungsmodalitäten, Art. 269b, N 18 ff. – Anwendungsbereich, Art. 269b, N 14 ff. – Anzeigefrist, Art. 269b, N 19 ff. – Ausschluss der Unterschreitung unter d. Anfangsmietzins, Art. 270c, N 10 – Erstreckung d. Mietverhältnisses, Art. 269b, N 11 – Formular, Formularpflicht, Art. 269b, N 18, Art. 269d, N 34 f. – Geschäftsraummiete, Art. 269b, N 14 ff. – Kombination mit anderen Mietzinsanpassungsgründen, Art. 269b, N 26 ff. – Kumulation mit Staffelungsklausel, Art. 269b, N 30, Art. 269c, N 9 f. – Kündigungsanfechtung v. Mietzinserhöhung b. Indexklausel, Art. 271a, N 22 – Indexklausel, Vorbem. Art. 253–273c, N 2 – Irrtum, Art. 269b, N 9, Art. 270c, N 6 – Landesindex d. Konsumentenpreise als Voraussetzung u. Indexierungsmassstab, Art. 269b, N 12 f. – Mehrleistungen d. Vermieters, Art. 270c, N 8 – Mietzinserhöhung, Vorbem. Art. 269– 270e, N 33 – Mietzinsgestaltung n. Ablauf d. vertraglichen Mindestdauer, Art. 269b, N 35 ff.

Sachregister – Mietzinsherabsetzung, Art. 270a, N 9 f. – minimale Vertragsdauer, Art. 269b, N 3 ff. – Nichtigkeit/Teilnichtigkeit, Art. 269b, N 7/13 – Option, Art. 269b, N 6/29 – rückwirkende Geltendmachung, Art. 269b, N 21 – umfassende Überholung, Art. 270c, N 8 – Vertragsabreden, Art. 269b, N 23 ff. – Voraussetzungen f. d. Zulässigkeit d. Indexierung, Art. 269b, N 3 ff. – während d. Erstreckung, Art. 272c, N 11 – Weitergeltung d. Mietvertrages nach Ablauf d. Mindestdauer, Art. 269b, N 5 f. – Wohnungsmiete, Art. 269b, N 14 ff. Indexklausel, s. Indexierung Innominatvertrag, s. gemischte Verträge Instandstellungen – Duldungspflicht d. Mieters, Art. 257h, N 9 f. – i. gekündigtem Verhältnis, Art. 257h, N 15 Instruktionsverhandlung, ZPO, N 141 f. Internationale Verhältnisse, Zuständigkeit, ZPO, N 236 ff. Intervention, ZPO, N 303 ff. Irrtum – Anfangsmietzinsanfechtung b. indexierten Mietverträgen, Art. 270c, N 6 – Indexierung ohne gesetzliche Mindestdauer, Art. 269b, N 9 – Konkurrenz z. Mängelrechten, Vorbem. Art. 258–259i, N 86 – Revisionsbegehren b. Irrtum, ZPO, N 367 – Staffelung ohne gesetzliche Mindestdauer, Art. 269c, N 3 ff. – Willensmangel, s. dort

K Kalkulatorische Grundlage f. Mietzins, Nebenkosten, Art. 257–257b, N 17 Kauf – Kaufzwang/Koppelung, Art. 254, N 18 f. – Kündigung mit d. Ziel, d. Mieter z. Erwerb d. Wohnung z. veranlassen, s. congé-vente Kaufpreis, offensichtlich übersetzter, Missbräuchlichkeit, Art. 269, N 17 ff. Kaution, s. unter Sicherheiten durch d. Mieter Kettenverträge, Art. 255, N 27 ff. Klage d. Mieters nach erfolgter Hinterlegung, Art. 259h, N 3 ff. Klage d. Vermieters a. Herausgabe nach erfolgter Hinterlegung, Art. 259h, N 10 ff. Klage v. Gericht, s. Verfahren, gerichtliches Klageanerkennung, ZPO, N 75 ff./385 ff./419 Klageänderung/-erweiterung, ZPO, N 311 Klageanhebung, ZPO, N 260/265 Klagebewilligung, ZPO, N 99 ff. Klagerückzug – Anfechtungsobjekt i. Schlichtungsverfahren, ZPO, N 385 – i. Schlichtungsverfahren, ZPO, N 75ff./83 Kleiner Unterhalt – Rückgabe d. Sache, Art. 267–267a, N 18 – Umfang, Kosten, Art. 259, N 14 Kommerzialisierungsschaden, Art. 259e, N 10 Kompetenzstücke, Retention, Art. 268– 268b, N 9/24 Konkubinat, Aufnahme d. Konkubinatspartners, Art. 262, N 4 Konkurrenzverbot, Verletzung als Kündigungsgrund, Art. 257f, N 19 Konkurs d. Mieters – Auswirkung auf das Mietverhältnis, Art. 266h, N 6 ff.

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Sachregister – Ausnahmen Kündigungsschutz, Art. 271a, N 90 – Erstreckung, Art. 272a, N 13 – Kündigung, s. Kündigung Konkurs d. Mieters – Kündigung b. Zahlungsrückstand, Art. 257d, N 67 – Kündigung d. Vermieters während d. Erstreckung, s. dort – Mietzinsausfall als Konkursforderung, Art. 266h, N 34 ff. – Sicherheitsleistung, Art. 257e, N 31, Art. 266h, N 18 ff. – v. und n. Übergabe der Mietsache, Art. 266h, N 8 ff. Konventionalstrafe, Zuständigkeit der Schlichtungsbehörde, ZPO, N 217 Koppelungsgeschäft – Anwendungsbereich und Abgrenzung, Art. 254, N 2 ff. – Begriff, Art. 254, N 6 f. – Kaufzwang, Art. 254, N 17 ff. – Kündigung, Art. 266l–266o, N 66 – mietfremde Verpflichtungen, Art. 254, N 14 – Missbräuchlichkeit, Art. 254, N 15 – nichtige, Art. 254, N 8 ff. – Nichtigkeit, Art. 254, N 29 ff. – Schlüsselgeld, Art. 254, N 26 f. – Schuldübernahme, Art. 256b, N 8 – Übertragung d. (Geschäfts-)Miete, Art. 263, N 42 Kostenmiete – Begriff, Vorbem. Art. 269–270e, N 9 – reine Kostenmiete, Art. 269a, N 49 ff. Kostensteigerungen, nicht missbräuchliche Mietzinse – Allgemeines, Art. 269a, N 34 ff. – Berechnungsmodell d. Bundesamtes f. Wohnungswesen, Vorbem. Art. 269– 270e, N 24 – Einwendung d. Vermieters gegen Mietzinsherabsetzung, Art. 270a, N 16 – reine Kostenmiete, Art. 269a, N 49 ff.

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– Überwälzung d. Unterhaltsanteils b. umfassenden Investitionen, Art. 269a, N 82 ff. – Verhältnis Teuerungsausgleich u. Kostensteigerungen, Art. 269a, N 40/110 f. – Referenzzinssatz, Art. 269a, N 41 ff. Kumulative Schuldübernahme durch Erwerber, Art. 261–261a, N 13 Kündigung – Alternativbegehren Kauf oder Kündigung, Art. 254, N 18 – b. befristeten Mietverhältnissen, Art. 255, N 9, Vorbem. Art. 266–266o, N 2 – durch d. Erwerber, Rechte d. Mieters, Art. 261–261a, N 22 ff. – Dienstwohnung, Vorbem. Art. 253– 273c, N 48 ff., Art. 266l–266o, N 63 ff., s. auch Dienstwohnung – Doppelaufruf, Art. 261–261a, N 6 – Empfangstheorie, s. dort – Erhalt eines höheren Mietzinses, Art. 271a, N 20 – (form)nichtige, Art. 271, N 12 ff., s. auch Kündigung, Nichtigkeit – frist- u. terminwidrig, Art. 266a, N 9 ff. – gekoppelte, gemischte, zusammengesetzte Verträge, Art. 253a, N 20, Art. 253b, N 3, Art. 266l–266o, N 66 f. – b. befristeten Verträgen, Art. 255, N 5, Vorbem. Art. 266–266o, N 2, Art. 266, N 9 f. – Kündigung d. Mieters während d. Erstreckung, s. dort – Kündigung d. Vermieters während d. Erstreckung, s. dort – Kündigung wegen dringenden Eigenbedarfs u. Erstreckung, Art. 261–261a, N 18 ff., Art. 272c, N 7 – Legitimation z. Kündigung, Kündigung durch Dritte, Vorbem. Art. 266–266o, N 27 f. – Miete als untergeordnete Nebenabrede, Art. 271, N 2

Sachregister – Neuvermietung, zur Ertragsoptimierung, Art. 269d, N 2, Art. 271a, N 20 – nichtige, Art. 266l–266o, N 50 ff., s. auch Kündigung, Nichtigkeit – nichtige, unwirksame, anfechtbare, Vorbem. Art. 266–266o, N 55 ff. – Optionsrecht, Vorbem. Art. 266–266o, N 43 ff. – ordentliche u. ausserordentliche, Vorbem. Art. 266–266o, N 52 ff., Art. 271, N 7 – Retention v. Sachen Dritter, Art. 268– 268b, N 7 – Teilkündigung, Art. 253a, N 19, Vorbem. Art. 266–266o, N 21 ff., Art. 269d, N 65 ff. – Unmissverständlichkeit, Vorbem. Art. 266–266o, N 19 f. – Unwiderruflichkeit, Vorbem. Art. 266–266o, N 18 – unwirksame, Vorbem. Art. 266–266o, N 55, Art. 266l–266o, N 59 ff. – verspätete, Art. 266a, N 9 Kündigung, Anfechtung – Anfechtung d. Kündigung u. Ersterstreckung b. unbefristeter Miete, Art. 273, N 18 ff. – Anfechtung nichtiger oder unwirksamer Kündigungen, Art. 273, N 7 f. – anfechtbare Kündigung, Vorbem. Art. 266–266o, N 57 – Anfechtbarkeit d. Kündigung, Art. 271, N 11 ff. – Anfechtbarkeit v. ordentlichen u. ausserordentlichen Kündigungen nach Art. 271/271a, Art. 273, N 6 – Anwendungsbereich, Art. 271, 2 ff. – ausserordentliche Kündigungen u. Anfechtbarkeit, Art. 271, N 7/15 – Ausweisung während Anfechtung, Art. 271, N 59 – b. Ausbleiben d. Sicherheitsleistung durch d. Mieter, Art. 257e, N 20 f. – b. Zahlungsrückstand, Art. 257d, N 41 – befristete Miete, Art. 271, N 4

– Begründung, Art. 271, N 62 ff. – Berechtigung, d. Begründung z. verlangen, Art. 271, N 68 f. – Beweisfragen i. Allgemeinen, Art. 271a, N 94 ff. – Beweislast, Art. 271, N 50 ff. – Eigenbedarf, Art. 271, N 35 – Einfamilienhäuser, Art. 271, N 3 – Einstellplätze, Art. 271, N 3 – Entscheidkompetenz d. Schlichtungsbehörde, ZPO, N 105 ff. – Ferienwohnungen, Art. 271, N 3, ZPO, N 224 – Formgültigkeit/Nichtigkeit, Art. 271, N 12 ff., s. auch Kündigung, Nichtigkeit – Frist- u. Terminwidrigkeit, Art. 266a, N 9 ff., Art. 271, N 17 – Fristenlauf, Vorbem. Art. 266–266o, N 5 ff. – Frist, Verwirkung, ZPO, N 20/260 – Genossenschaftswohnung, Art. 271, N 13 – Hauswartswohnung, Art. 271, N 2 – Kündigung v. Eigentumsübergang, Art. 271, N 13 – Kündigung während d. Kündigungssperrfrist, s. dort – Kündigung während eines Schlichtungs- o. Gerichtsverfahrens, s. dort – Kündigung wegen Änderung d. Familienverhältnisse, s. dort – Kündigung wegen Geltendmachung v. Ansprüchen (Vergeltungskündigung), Art. 271a, N 3 ff. – Kündigung z. Durchsetzung einer Vertragsänderung/Mietzinsanpassung (Änderungskündigung), Art. 269d, N 2, Art. 271a, N 18 ff. – Kündigung z. Durchsetzung v. Koppelungsgeschäften, Art. 254 N 30 – Kündigungsschutz, Ausnahmen, s. dort – Kündigungssperrfrist nach Einigung d. Parteien ausserhalb eines Verfahrens, s. dort

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Sachregister – – – –

Legitimation, Art. 273, N 10 ff. luxuriöse Wohnungen, Art. 271, N 3 mehrere Mieter, ZPO, N 35 ff. Nachschieben von Gründen, Art. 271, N 70 ff. – nachträglicher Wegfall des Kündigungsgrundes, Art. 271, N 75 – Nichtigkeit, Art. 271, N 12 ff., s. auch Kündigung, Nichtigkeit – unbefristete Miete, Art. 271, N 4 f. – unbewilligte Untermiete, Art. 262, N 38 ff. – unverhältnismässige Kündigungen, Art. 271, N 20 – Vergeltungskündigung, Kündigung wegen Geltendmachung v. Ansprüchen, Art. 271a, N 3 ff. – Vergleich oder sonstige Einigung zwischen d. Parteien, Art. 271a, N 66 ff. – vertragswidriger Gebrauch durch d. Untermieter, Art. 262, N 36 f. – Verstoss gegen Treu u. Glauben, Art. 271, N 19 ff. – Wohn- u. Geschäftsräume, Art. 271, N 2 ff. – Zulässigkeit i. Allgemeinen, Art. 271, N 27 ff. Kündigung, ausserordentliche – Allgemeines, Vorbem. Art. 266–266o, N 52 ff. – Anfechtbarkeit, Art. 271, N 9/11, Art. 273, N 7/16 – Begründungspflicht, Art. 266l–266o, N 19 ff. – b. Pflichtverletzung, Art. 257f, N 37 ff., Art. 272a, N 12 f. – dringender Eigenbedarf, Art. 261– 261a, N 18 ff. – Erneuerungen u. Änderungen, Art. 260–260a, N 36 – Konkretisierung i. Vertragsabrede, Art. 271, N 16 – ordentlicher Kündigungstermin, Erstreckungsausschluss, Art. 272a, N 7

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– unbewilligte Untermiete, Art. 262, N 38 ff. – Unwirksamkeit, s. Kündigung, unwirksame – vertragswidriger Gebrauch durch d. Untermieter, Art. 262, N 36 f. – während d. Erstreckung, Art. 272c, N 6 – während fester Vertragsdauer, Art. 266, N 9 – wegen schwerwiegender Mängel, Art. 271, N 15 – Zahlungsrückstand, Kündigung, s. dort – Zahlungsrückstand u. Konkurs d. Mieters, Art. 257d, N 67 – Zulässigkeit, Art. 271, N 15 Kündigung aus wichtigem Grund – Allgemeines, Art. 266g, N 3 ff. – Ausweisung, s. dort u. summarisches Verfahren – Beanspruchung v. Sicherheiten, Art. 266g, N 51 – d. Mieters nach Veräusserung d. Mietsache, Art. 261–261a, N 12 – d. Mieters während d. Erstreckung, Art. 272d, N 6 – d. Vermieters während d. Erstreckung, Art. 272c, N 6, Art. 272d, N 6 – Erstreckung, Art. 272, N 9 – Folgen, Art. 266g, N 42 ff. – Form, Fristen u. Termine, Art. 266g, N 39 ff. – Gründe i. d. Person d. Kündigenden, Art. 266g, N 24 ff. – Gründe i. d. Person d. Kündigungsempfängers, Art. 266g, N 29 ff. – Nachschieben d. Kündigungsgrundes, Art. 266g, N 9 – Schadenersatz b. vorzeitiger Rückgabe u. b. Kündigung aus wichtigen Gründen, Art. 264, N 52 – schleppende Mietzinszahlung, Art. 257d, N 9 Kündigung b. Tod d. Mieters – Allgemeines, Art. 266i, N 3 ff.

Sachregister – Ausschlagung der Erbschaft, Art. 266i, N 15 f. – Fristen u. Termine, Unterlassen d. Kündigung, Art. 266i, N 6 ff. – Legitimation z. Kündigung, Art. 266i, N 9 ff. – Kündigung der Erben, Art. 266i, N 4 ff. – Kündigung d. Mieters während d. Erstreckung, Art. 272d, N 7 Kündigung bewegliche Sachen, Art. 266k, N 2 ff. Kündigung d. Mieters – Anfechtung d. Kündigung d. Mieters, Art. 271, N 8 – aus wichtigem Grund nach Veräusserung d. Mietsache, Art. 261– 261a, N 12 – Erstreckung d. Mietverhältnisses, Art. 272, N 10, Art. 273c, N 4 – b. Mängeln, Vorbem. Art. 258–259i, N 68 – während d. Erstreckung, Art. 272d, N 7 Kündigung d. Mieters während d. Erstreckung – Allgemeines, Art. 272d, N 1 ff. – ausserordentliche, Art. 272d, N 6 f. – Fristen u. Termine, Art. 272d, N 4 f. – Übertragung d. Geschäftsmiete, Art. 272d, N 9 – Untermiete, Art. 272d, N 8 – vorzeitige Kündigungsmöglichkeit, Art. 272d, N 7 – Zinszahlungspflicht, Art. 272d, N 2 Kündigung d. Vermieters – Kündigung b. unbewilligten Erneuerungen u. Änderungen d. Mieters, Art. 260–260a, N 64 f. – Kündigung mit d. Ziel, d. Mieter z. Erwerb d. Wohnung z. veranlassen, s. congé-vente – Kündigung nach Ablauf d. Kündigungssperrfrist, Art. 271, N 44 – Kündigung wegen Geltendmachung v. Ansprüchen (Vergeltungskündigung), Art. 271a, N 3 ff.

– Kündigung während d. Kündigungssperrfrist, s. dort – Kündigung während eines Schlichtungs- o. Gerichtsverfahrens, s. dort – Kündigung wegen Änderung d. Familienverhältnisse, Art. 271a, N 71 ff. – Kündigung wegen dringenden Eigenbedarfs u. Erstreckung, Art. 261–261a, N 18 ff., Art. 272c, N 7 – Kündigung z. Durchsetzung einer Vertragsänderung/Mietzinsanpassung, Art. 269d, N 2, Art. 271a, N 18 ff. – Kündigungsschutz, Ausnahmen, s. dort – Kündigungssperrfrist nach Einigung d. Parteien ausserhalb eines Verfahrens, s. dort Kündigung d. Vermieters während d. Erstreckung – ausserordentliche während d. Erstreckung, Art. 272c, N 6, Art. 272d, N 6 – wichtiger Grund, Art. 272c, N 6 Kündigung, Familienwohnung, Wohnung eingetragener Partner – ausdrückliche Zustimmung d. Ehegatten, Vorbem. Art. 266–266o, N 37 f. – Begriff d. Familienwohnung, Art. 266l–266o, N 24 – eingetragene Partnerschaft, Art. 266l–266o, N 68 ff. – Geltungsbereich, Art. 266l–266o, N 44 ff. – Kündigungsanfechtung durch Ehegatten/eingetragenen Partner, d. nicht Vertragspartei ist, Art. 273a, N 3 ff. – Rechte d. Ehegatten, Art. 273a, N 2 ff. – Zustellung, Art. 266l–266o, N 44 ff. – Zivilstandsänderung d. Mieters, Art. 266l–266o, N 29 f. – Zustimmung d. Ehegatten, Art. 266l–266o, N 34 ff.

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Sachregister – Zustimmung durch d. Richter, Art. 266l–266o, N 39 ff. Kündigung, Form b. Wohn- u. Geschäftsräumen – Allgemeines, Art. 266l–266o, N 4 ff. – Begründung, Art. 266l–266o, N 8 ff. – Formularzwang, Art. 266l–266o, N 30 – gemeinsame Wohnung eingetragener Partner, Art. 266l–266o, N 68 ff. – Kündigung während Verfahren, Art. 271a, N 30 ff. – Nichtigkeit, s. Kündigung, Nichtigkeit Kündigung, Konkurs d. Mieters – Kündigung b. Zahlungsrückstand, Art. 257d, N 67 – Kündigung d. Vermieters während d. Erstreckung, s. dort – Kündigungssperrfrist unerheblich, Art. 271a, N 90 – Rückstand (Verzug) mit Mietzinsleistung, Art. 266h, N 34 ff. – Sicherheitsleistung, Art. 266h, N 18 ff. Kündigung, Legitimation – Allgemeines, Vorbem. Art. 266–266o, N 27 f. – Kündigung v. und a. mehrere Vermieter, Vorbem. Art. 266–266o, N 34 f. – Kündigung v. und a. mehrere Mieter, Vorbem. Art. 266–266o, N 36 ff. Kündigung, Nichtigkeit – Allgemeines, Vorbem. Art. 266–266o, N 55, Art. 266l–266o, N 50 f. – Anfechtung nichtiger Kündigungen, Art. 273, N 7 f. – Formgültigkeitsvoraussetzungen, Art. 271, N 12 ff. – formrichtige Wiederholung, Art. 266l–266o, N 52 ff. – Genossenschaftswohnung, Art. 271, N 13 – Kündigung v. Eigentumsübergang, Art. 271, N 13 – Prüfung v. Amtes wegen, Art. 271, N 14 – Sperrfrist, Art. 271, N 18

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– Wiederholung d. Kündigung, Art. 271, N 18 Kündigung, unwirksame – Allgemein Vorbem. Art. 266–266o, N 55, Art. 266l–266o, N 59 ff. – Anfechtung, Art. 271, N 16, Art. 273, N 7 f. – ausserordentliche Kündigung, Art. 271, N 15/66 – Kündigung während Verfahren, Art. 271a, N 30 ff. – Rechtswirkungen, Art. 271, N 59 – Sperrfrist, Art. 271, N 18 – Wiederholung d. Kündigung, Art. 271, N 18 Kündigung während d. Kündigungssperrfrist – Allgemeines, Art. 271a, N 43 ff. – Ausschluss d. Kündigungsschutzes, Art. 271a, N 39 f. – Beweislast, Art. 271a, N 61 ff. – Schiedsgerichtsverfahren, Art. 271a, N 45 – Verfahren betreffend Formgültigkeit oder Wirksamkeit d. Kündigung, Art. 271, N 18, Art. 271a, N 46 – Verfahren ohne Sperrfrist, Art. 271a, N 48 f. – Verzicht a. Anrufung d. Richters, Art. 271a, N 62 ff. – Wirkung d. Kündigungssperrfrist a. Dritte, Art. 271a, N 50 Kündigung während eines Schlichtungso. Gerichtsverfahrens – Allgemeines, Art. 271a, N 30 ff. – Ausschluss d. Kündigungsschutzes, Art. 271a, N 39 f. – Beweislast, Art. 271a, N 42 – Dauer d. Kündigungsschutzes, Art. 271a, N 41 – Gegenstand d. Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens, Art. 271a, N 33 ff. – Kündigungssperrfrist nach Einigung d. Parteien ausserhalb eines Verfahrens, s. dort

Sachregister – missbräuchliche Einleitung d. Verfahrens durch d. Mieter, Art. 271a, N 40 – Vermutung d. Vergeltungskündigung, Art. 271a, N 31 Kündigung wegen Änderung d. Familienverhältnisse, Art. 271a, N 71 ff. Kündigung wegen Geltendmachung v. Ansprüchen (Vergeltungskündigung), Art. 271a, N 3 ff. Kündigung z. Durchsetzung einer Vertragsänderung/Mietzinsanpassung (Änderungskündigung), Art. 269d, N 2, Art. 271a, N 18 ff. Kündigungsandrohung, Art. 257f, N 55, Art. 266h, N 3, Art. 266l–266o, N 45 Kündigungsanspruch d. Erwerbers, Art. 261–261a, N 16 f. Kündigungsfristen u. -termine – Allgemeines, Art. 266a, N 3 ff. – Empfang d. Kündigung, uneingeschränkte Empfangstheorie, Art. 273, N 20 – gesetzliche, Art. 266a, N 5, Art. 266b–266f, N 13 ff. – b. mangelnder Sorgfalt u. Rücksichtnahme, Art. 257f, N 5/57 ff. – Mindestkündigungsfristen, Vorbem. Art. 266–266o, N 10 f. – Mischnutzung z.B. Wohn-/ Geschäftsräume, Art. 266b–266f, N 32 – mit Wohn- oder Geschäftsraum zusammen vermietete Sache, Art. 266b–266f, N 6 f. – möblierte Zimmer, Art. 266b–266f, N 33 f. – unterschiedliche, Vorbem. Art. 266– 266o, N 10, Art. 266a, N 6 – vertraglich vereinbarter Verwendungszweck, Art. 266b–266f, N 2 f. – b. Zahlungsrückstand, Art. 257d, N 44 ff. Kündigungssperrfrist nach Einigung d. Parteien ausserhalb eines Verfahrens, Art. 271a, N 76 ff.

Kündigungsschutz, Ausnahmen – Allgemeines, Art. 271a, N 84 ff. – bei befristeten Mietverhältnissen, Art. 255, N 5 – Beweislast, Art. 271a, N 93 – dringender Eigenbedarf d. Vermieters, Art. 261–261a, N 19 f., Art. 271a, N 87 ff. – Übertragung d. (Geschäfts-)Miete, Art. 263, N 35 – Veräusserung d. Sache, Art. 271a, N 89 – Verfahren, ZPO, N 88 – Vertragsauflösung aufgrund ausserordentlicher Kündigungsgründe, Art. 271a, N 90 ff. Kündigungssperrfrist, b. Kündigung durch d. Erwerber, Art. 261–261a, N 23 Kündigungstermine, ortsübliche, Art. 266b–266f, N 13 ff.

L Lärm, Belästigung v. Nachbarn durch Mieter, Art. 257f, N 31 Lasten, Art. 256b, N 3 ff., Art. 257–257b, N 13 f. Leasing, Vorbem. Art. 253–273c, N 34 Lebensdauer, v. Einrichtungen u. Bauteilen als Mangel, Vorbem. Art. 258– 259i, N 50 Leistungsklage, ZPO, N 241 ff., s. auch Klage v. Gericht Leistungspflicht, d. Vermieters, Verminderung als andere einseitige Vertragsänderung, Art. 269d, N 65 ff. Leistungsstörung/-unmöglichkeit – Allgemeines, Vorbem. Art. 258–259i, N 4 ff. – Nichterfüllung oder mangelhafte Erfüllung, s. dort – Übergabe d. Mietsache, Art. 258, N 6 – Vertragsverletzung, b. Zahlungsrückstand, Art. 257d, N 7 – Verzug, s. dort

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Sachregister Leistungsverweigerungsrecht, Hinterlegung d. Mietzinses b. verspäteter Übergabe d. Mietsache, Art. 258, N 32 Lugano-Übereinkommen, ZPO, N 236 ff. Luxuriöse Wohnungen – Allgemeines, Art. 253b, N 10 ff. – Kündigung, Anfechtbarkeit, Art. 271, N 3

M Mahnung – Pflichtverletzung d. Mieters, s. Sorgfalt d. Mieters – verspätete Übergabe d. Mietsache, Art. 258, N 16 ff. – Zahlungsrückstand, s. Zahlungsrückstand, Fristansetzung Mängel – allg. Geschäftsbedingungen, Vorbem. Art. 258–259i, N 48 – Begriff, Vorbem. Art. 258–259i, N 19 ff. – Beseitigung, s. Beseitigung d. Mangels durch d. Vermieter – Beweislast, Art. 256, N 48 – Entstehungszeitpunkt, Vorbem. Art. 258–259i, N 59 – Feststellung d., Vorbem. Art. 258– 259i, N 26 ff. – gesetzliche Mangelkategorien, Vorbem. Art. 258–259i, N 61 ff. – Haftung d. Vermieters, Vorbem. Art. 258–259i, N 79 ff. – Mängelarten, Vorbem. Art. 258–259i, N 52 ff., Art. 258, N 33/36 – Mängelbehebung, Vorbem. Art. 258– 259i, N 60, Art. 259b, N 4 ff. – Mängelrüge b. Übertragung der Miete, Art. 263, N 31 – Meldepflicht, Art. 257g, N 9 ff. – Verursacher, Vorbem. Art. 258–259i, N 58 – vorausgesetzte Eigenschaften, s. dort – während d. Mietdauer, Art. 258–259i, N 11 ff.

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– zugesicherte Eigenschaften, s. dort – Zustand d. Mietsache, s. dort Mängelrechte – Erneuerung durch d. Vermieter, Art. 260–260a, N 50 ff. – Kündigung d. Mieters während d. Erstreckung b. schwerem Mangel, Art. 272d, N 6 – Mietzinsherabsetzung, b. Mängeln, s. dort – Untermieter gegenüber d. Mieter, Art. 262, N 50 – weitere Mängelrechte, Vorbem. Art. 258–259i, N 78 – zeitlicher Verzug d. Vermieters, Vorbem. Art. 258–259i, N 68 f. Marktmietzins, Abgrenzung z. orts- u. quartierüblichem Mietzins, Art. 269a, N 4 Marktverhältnisse (Wohn- u. Geschäftsräume) Härtegrund f. Erstreckung d. Mietverhältnisses, Art. 272, N 34 ff. Mehrleistungen Vermieter – Allgemeines, Art. 269a, N 52 – aufgeschobener Unterhalt, Art. 269a, N 64 – Bestimmung d. wertvermehrenden Anteils, Art. 269a, N 66 ff. – Beweislast f. Bestimmung d. Ausmasses d. Wertvermehrung, Art. 269a, N 70 f. – Einwendung d. Vermieters gegen Mietzinsherabsetzung, Art. 270a, N 16 – indexierte Mietverträge, Mietzinserhöhung, Art. 270c, N 8 – Kombination mit Indexierung, Art. 269b, N 27 – Kombination mit Staffelung, Art. 269c, N 9 – Kündigung d. Vermieters, Bewilligung, Art. 271, N 36 ff. – Überwälzung b. umfassenden Überholungen, Art. 269a, N 66 ff., s. auch umfassende Überholungen

Sachregister – Vergrösserung d. Mietsache, Art. 269a, N 60 – Vertragsänderung v. Ablauf d. Mindestfrist, Art. 269d, N 8 – werterhaltende Investitionen, Art. 269a, N 55/68 ff. – wertvermehrende Verbesserungen, Art. 269a, N 53 ff. – zusätzliche Nebenleistungen, Art. 269a, N 60 Mehrwert, Mehrwertentschädigung – Bemessungskriterien, Art. 260–260a, N 92 ff. – Entstehung, Fälligkeit d. Anspruchs, Art. 260–260a, N 111 f. – Voraussetzungen, Art. 260–260a, N 87 ff. Meldepflicht d. Mieters b. Mängeln – Allgemeines, Art. 257g, N 5 ff. – drohener Schaden, Art. 257f, N 26, Art. 257g, N 10 – meldepflichtige Mängel, Art. 257g, N 9 ff. – Obhutspflicht, Art. 257f, N 26, Art. 257g, N 5 – Schadenersatzpflicht, Art. 257g, N 17 – Zeitpunkt d. Meldung, Art. 257g, N 15 Meteorwassergebühren, Art. 257–257b, N 14 Miete – Definition, Vorbem. Art. 253–273c, N 1 – «ewige», Art. 266, N 7 – faktische, Art. 253, N 6 – gemeinsame, Art. 253, N 2 – s. auch Mietverhältnis, Mietvertrag Mieter – Allgemeines, Vorbem. Art. 253–273c, N 12 ff., – Partei, Art. 253, N 2 – Rechte b. Mängeln, Art. 259a, N 1 ff. Mieterausweisung, s. Ausweisung Mieterinvestitionen – Allgemeines, Art. 260–260a, N 60 ff. – Entschädigungsanspruch, Art. 260– 260a, N 87 ff.

– Wiederherstellungspflicht, Art. 260– 260a, N 73 ff. Mieterstreckung, s. Erstreckung d. Mietverhältnisses Mietkauf, Abzahlungskauf, Abgrenzung z. Miete, Vorbem. Art. 253–273c, N 33 Mietkaution, s. unter Sicherheiten durch d. Mieter Mietsache – bewegliche, unbewegliche, Art. 253, N 3/19 ff. – Kauf d. M., Koppelung, Art. 254, N 18 – Verwendungszweck, Art. 253, N 4 Mietverhältnis – befristet/unbefristet, Art. 255, N 3 ff., Vorbem. Art. 266–266o, N 1 ff. – Dauerschuldverhältnis, Art. 253, N 4 – echt/unecht befristet, Vorbem. Art. 266–266o, N 2 – einheitliches, Art. 253a, N 19 – Erstreckung d. befristeten Mietverhältnisses, Art. 266, N 12 f. – Erstreckung d. befristeten Mietverhältnisses, Art. 272, N 14 – s. auch Miete, Mietvertrag – stillschweigende Fortsetzung, Art. 266, N 14 ff. – unbefristet, Kündigung, Vorbem. Art. 266–266o, N 3, Art. 266, N 9 – Unzumutbarkeit d. Fortsetzung, Art. 257f, N 38 – zusammenhängendes/gekoppeltes, Art. 253a, N 20 Mietvertrag – Abgrenzungen, Vorbem. Art. 253– 273c, N 27 ff. – Allgemeines, z. Wesen u. Inhalt, Vorbem. Art. 253–273c, N 1 ff. – Änderung b. laufendem Mietverhältnis, Art. 253, N 7 – Begriff, Art. 253, N 1 – Essentialia, Vorbem. Art. 253–273c, N 4 f., Art. 253, N 1/5 – faktischer, Art. 253, N 6 – Form, Vorbem. Art. 253–273c, N 4 ff. – Formularverträge, Art. 253, N 11 – s. auch Miete, Mietverhältnis

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Sachregister – Solidarhaftung, Vorbem. Art. 253– 273c, N 14 – stillschweigend erneuerter, Art. 259b, N 34 – Vertragsergänzung, Vorbem. Art. 253–273c, N 7 – Vormerkung Grundbuch, Art. 253, N 10 – Wechsel d. Vertragspartei, Vorbem. Art. 253–273c, N 15 ff. Mietzins – Abgrenzung z. Gebrauchsleihe, Art. 257–257b, N 5 – Allgemeines, Art. 253, N 5 – Anpassung b. Option, Art. 255, N 12 – Arten, Art. 257–257b, N 6 – d. Vormieters, Auskunftspflicht d. Vermieters, Art. 256a, N 17 ff. – durch d. Retentionsrecht gedeckte, Art. 268–268b, N 10 f. – essentialia negotii, Art. 253, N 6 – Kostenmiete, reine, Art. 269a, N 49 ff. – missbräuchlicher Mietzins, s. dort – Nebenkosten, Art. 257–257b, N 11 ff. – orts- u. quartierüblicher, Vorbem. Art. 269–270e, N 9 – richterliche Festsetzung, Art. 253, N 5 – Schuldübernahme, Art. 257–257b, N 6 – Umsatzmiete, s. dort – Zahlung i. Lastschriftverfahren, Art. 254, N 21 – Zahlungsrückstand, s. dort – Zahlungstermin, Art. 257c, N 2 ff. – zusätzliche Leistungen, Art. 257–257b, N 6 Mietzinsänderung, s. auch Mietzinserhöhung – b. befristeten oder unbefristeten Verträgen, Art. 257–257b, N 9 – durch Übereinkunft, Art. 253, N 7, Art. 257–257b, N 9 – Form, Art. 253, N 9 – Formularpflicht, s. dort – gleichzeitige Geltendmachung verschiedener

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Mietzinsanpassungsgründe, Art. 269a, N 116 f. – Heilung d. formellen Mangels durch nachfolgende gültige Mietvertragsänderung, Art. 269d, N 64 – Kündigung z. Durchsetzung einer Vertragsänderung/Mietzinsanpassung (Änderungskündigung), Art. 269d, N 2, Art. 271a, N 18 ff. – während erstrecktem Mietverhältnis, Art. 272c, N 8 ff. Mietzinsausfall, b. Kündigung wegen Zahlungsverzug, Art. 257d, N 63 Mietzinsdepot, s. u. Sicherheiten durch d. Mieter Mietzinserhöhung – absolute oder relative Methode, Begriffliches, Vorbem. Art. 269–270e, N 8/30 ff. – absolute Erhöhungsgründe b. Erstreckung, Art. 272c, N 12 – Allgemeines, Anwendungsbereich, Art. 269d, N 1 ff. – Änderung d. Vertragsbedingungen i. Erstreckungsverfahren, Art. 272c, N 15 ff. – Änderung d. Vertragsbedingungen durch Erstreckungsvereinbarung, Art. 272c, N 18 f. – Anfechtung d. Mietzinserhöhung/ Vertragsänderung, s. dort – b. befristeten Mietverhältnissen, Art. 255, N 12 – Begriff, Art. 270b, N 3 f. – Ferienwohnungen, Art. 269d, N 4, ZPO, N 224/230 f./402 – Formularpflicht, s. dort – Fristen u. Termine Mietzinserhöhung, Vertragsänderung, Art. 269d, N 9 ff. – gleichzeitige Geltendmachung verschiedener Mietzinsanpassungsgründe, Art. 269a, N 116 f. – Heilung d. formellen Mangels durch nachfolgende gültige

Sachregister Mietvertragsänderung, Art. 269d, N 64 – luxuriöse Wohnungen, Art. 269d, N 4, ZPO, N 224/230 f. – Missbräuchlichkeitsüberprüfung b. indexierten Mietzinsen, Art. 269b, N 13 – Option b. befristeter Miete, Art. 255, N 12 – rückwirkend z. bezahlende, Art. 254, N 22 – umfassende Überholungen/ wertvermehrende Investitionen, Art. 269a, N 52 ff., s. auch umfassende Überholungen – Veränderungen seit d. letzten massgebenden Mietzinsfestsetzung, Art. 270b, N 12 ff. – Verfahren b. subventionierten Wohnungen, ZPO, N 28 f. – während erstrecktem Mietverhältnis, Art. 272c, N 8 ff. – Wirkung d. nicht angefochtenen, Art. 270a, N 13 – Zeitpunkt Inkrafttreten d. Mietzinserhöhung, Art. 269d, N 30 Mietzinsherabsetzung – Änderung d. orts- u. quartierüblichen Mietzinse, Art. 270a, N 5 – Änderung d. Vertragsbedingungen i. Erstreckungsverfahren, Art. 272c, N 15 ff. – Änderung d. Vertragsbedingungen durch Erstreckungsvereinbarung, Art. 272c, N 18 f. – Einwand d. nicht übersetzten Ertrags, Art. 270a, N 17 – Einwendungen d. Vermieters nach absoluter Methode, Art. 270a, N 17 ff. – Einwendungen d. Vermieters nach relativer Methode, Art. 270a, N 16 – gestaffelte Mietzinse, Art. 270a, N 2/9 f. – Herabsetzungsbegehren d. Mieters, Art. 270a, N 3 – indexierte Mietzinse, Art. 270a, N 2/9 f., Art. 270c, N 9

– Mass d. Herabsetzung, Art. 270a, N 12 ff. – Orts- u. Quartierüblichkeit, Art. 270a, N 5/18 – Senkung d. Landesindex, Art. 269b, N 16 – Senkung d. Referenzzinssatzes, Art. 270a, N 6 ff. – unangefochten gebliebene Mietzinserhöhung als massgebende Mietzinsfestsetzung, Art. 270a, N 13 – Verfahren, s. Mietzinsherabsetzung, Verfahren – Voraussetzungen, Art. 270a, N 3 ff. – wesentliche Änderung d. Berechnungsgrundlagen, Art. 270a, N 4 ff. Mietzinsherabsetzung, b. Mängeln – Allgemeines, Art. 259d, N 1 ff. – Anspruch d. Mieters b. Mängeln, Art. 259b, N 19 f. – Dauer, Art. 259d, N 18 ff. – Durchsetzung, Art. 259d, N 39 ff. – Umfang, Art. 259d, N 25 ff. – umfassende Überholungen, Inkonvenienzen, Art. 269a, N 66 – Verjährung, Art. 259d, N 45 ff. – Voraussetzung, Art. 259d, N 8 ff. Mietzinsherabsetzung, Verfahren – Bindung d. Vermieters a. Stellungnahme, Einwendungen, Art. 270a, N 30 ff. – Frist d. Vermieters z. Stellungnahme, Art. 270a, N 25 – Frist f. Klage, Art. 270a, N 29 – Mietzinsherabsetzung ohne Vorverfahren, Art. 270a, N 33 ff. – Verfahren v. Schlichtungsbehörde, Art. 270a, N 26 ff. – Vorverfahren, Art. 270a, N 24 ff. – Zeitpunkt d. Herabsetzung, Art. 270a, N 20 ff. Mietzinshinterlegung, s. unter Hinterlegung d. Mietzinses Mietzinskontrolle, Anwendungsbereich, Art. 257–257b, N 7 Mietzinsplan, Verfahren, ZPO, N 28 f.

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Sachregister Mietzinsstaffelung, s. unter gestaffelte Mietzinse Mietzinsverbilligungen, Ausgleich, Art. 269a N 2/103 ff. Mietzinsvorbehalt – Anfangsmietzins, Art. 270, N 34 – Basisindex v. Vertragsabschlusszeitpunkt, Art. 269b, N 23 f. – nicht ausgeschöpfte Mietzinsreserven, Art. 269d, N 77 ff. – Mietzinserhöhung, Art. 270b, N 14 Missbräuchlicher Mietzins – Allgemeines, u. Begriffe, Vorbem. Art. 269–270e, N 8 ff., Art. 269a, N 1 f. – angemessener Ertrag, s. Ertrag – Missbrauchskriterien, Vorbem. Art. 269–270e, N 12 ff. – Vergleichsmietzins, Vorbem. Art. 269–270e, N 9 Miteigentümer, Kündigung v. und a., Vorbem. Art. 266–266o, N 35 Möblierte Zimmer – Begriff, Art. 253, N 22 – Erstreckung, Art. 272, N 4

N Nachbarrecht – Anwendung a. d. Mietverhältnis, Vorbem. Art. 253–273c, N 12, Vorbem. Art. 258–259i, N 54 – Rücksichtnahme, Art. 257f, N 31 f. Nachfrist – Erfüllungsverzug b. Übergabe, Art. 258, N 16 ff. – i. Schlichtungsverfahren z. Verbesserung, ZPO, N 42 ff. Nebenkosten – Allgemeines, Art. 257–257b, N 11 ff. – Akontozahlungen, Art. 257–257b, N 39 ff. – Zahlungsrückstand, s. dort Nebenkostenabrechnung, s. unter Heiz- u. Nebenkostenabrechnung Nebenkostenpauschale, Art. 257–257b, N 38

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Nebenkostenschlüsselung, -verteilung, Art. 257–257b, N 44 Nebenleistungen, zusätzliche, Mehrleistungen d. Vermieters, Art. 269a, N 44 ff. Nebenräume, Erstreckung, Art. 272, N 5 Nebensache – Allgemeines, Art. 253a, N 15 ff. – Kündigung, Anfechtbarkeit Art. 271, N 3 – Kündigung, Nichtigkeit, Art. 271, N 13 Nettorendite – Allgemeines, Art. 269, N 5 – angemessener Ertrag, s. Ertrag – Anlagekosten, Art. 269, N 6 ff. – Aufteilung a. Gebäude u. Wohnung, Art. 269, N 39 ff. – Eigenmittel, investierte, Art. 269, N 20 ff. – individuelle Ertragsberechnung, Art. 269, N 39 ff. – Kosten, für die Berechnung der N. massgebende, Art. 269, N 26 ff. – massgebende Anlagekosten, Art. 269, N 6 ff. – Mietzinsherabsetzung, Einwand d. nicht übersetzten Ertrags, Art. 270a, N 17 – offensichtlich übersetzter Kaufpreis, Art. 269, N 17 ff. – Rückstellungen, Art. 269, N 28 – standardisierte Ansätze, Pauschalierung, Art. 269, N 38 – übersetzter Ertrag, s. dort – Verhältnis z. anderen Missbrauchskriterien, Vorbem. Art. 269–270e, N 12 ff. – zulässiger Ertrag, Art. 269, N 5 Neubauten u. orts- u. quartierüblicher Mietzins, Art. 269a, N 6 Nichterfüllung oder mangelhafte Erfüllung – b. Übergabe d. Sache, Vorbem. Art. 258–259i, N 4 f. – Haftung d. Vermieters, Vorbem. Art. 258–259i, N 79 ff.

Sachregister – Vermieter, Art. 256, N 45 ff. – während d. Mietdauer, Vorbem. Art. 258–259i, N 8 Nichtige Kündigung, s. Kündigung, Nichtigkeit Nichtigkeit – b. Indexklausel ohne minimale Vertragsbindung, Art. 269b, N 7 ff. – b. unzulässigen Vertragsklauseln f. Staffelung, Art. 269c, N 5 – Begriff, Art. 266l–266o, N 50 – Kündigung, s. Kündigung, Nichtigkeit – Mietzinserhöhung, Art. 269d, N 36 ff./56 ff. – Unwirksamkeit d. Kündigung, s. Kündigung, unwirksame Nichtlandwirtschaftliche Pacht, Vorbem. Art. 253–273c, N 27, Art. 253b, N 5 ff. Novation, Neuabschluss eines Mietvertrags durch d. Erwerber, Art. 261–261a, N 15 Noven – i. Schlichtungsverfahren, ZPO, N 135 – i. gerichtlichen Verfahren, ZPO, N 141/153/361/366 Nutzung – gemischte, Art. 253a, N 14, Art. 253b, N 3 – v. d. Parteien vereinbarte, Art. 253, N 12 Nutzungsänderung, vertragsmässiger Gebrauch, Art. 257f, N 9/77 Nutzniessung, Abgrenzungen z. Miete, Vorbem. Art. 253–273c, N 38 f.

O Obhutspflicht d. Mieters, Art. 257f, N 24 ff. Öffentlich-rechtliche Abgaben, Art. 256b, N 3 Option – Allgemeines, Art. 255, N 11 ff. – echte u. unechte, Art. 253, N 5, Vorbem. Art. 266l–266o, N 43 ff. – indexierte Verträge, Art. 269b, N 29 – Mietzinsanpassung, Art. 255, N 12

Ordentliche u. ausserordentliche Kündigung, Anfechtung, Art. 271, N 15/66 Ordentliches Verfahren, s. Verfahren, gerichtliches Örtliche Zuständigkeit, s. unter Zuständigkeit, örtliche Orts- u. quartierübliche Mietzinse – absoluter Erhöhungsgrund, Vorbem. Art. 269–270e, N 9/14 ff. – Allgemeines, Art. 269a, N 4 ff. – ältere Bauten, Vorbem. Art. 269–270e, N 18 – amtliche Statistiken, Art. 269a, N 27 f. – Anfangsmietzins, Art. 270, N 32 – Anlagekosten b. Nettorendite, Art. 269, N 12 – Anzahl d. Vergleichsobjekte, Art. 269a, N 22 f. – Bauperiode, Art. 269a, N 19 – Beweislast, Art. 269a, N 29 ff. – Einwand d. Mieters gegen Mietzinserhöhung, Art. 270b, N 8 – Feststellung offensichtlich übersetzter Kaufpreis, Art. 269, N 18 – Geschäftsmiete, Art. 269a, N 33 – Gutachten, Art. 269a, N 26 – Mietzinsherabsetzung, Art. 270a, N 5/18 – Option, Art. 255, N 12 – Vergleichskriterien, Art. 269a, N 11 ff. – Vergleichsobjekte, Art. 269a, N 9 f. – Verhältnis z. anderen Missbrauchskriterien, Vorbem. Art. 269–270e, N 12 ff. – Voraussetzungen f. d. Berufung, Art. 269a, N 7 ff. Ortsgebrauch – Ausbesserungen, Art. 259, N 12 – Unterhaltspflicht d. Mieters, Art. 259, N 6 ff. – Übergabe d. Mietsache, Art. 258, N 11 – z. Zweckbestimmung, Art. 253, N 4 Ortsübliche Kündigungstermine, Art. 266b–266f, N 13 ff.

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Sachregister

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Pacht – Abgrenzung z. Mietvertrag, Vorbem. Art. 253–273c, N 27 ff. – nichtlandwirtschaftliche Pacht, s. dort – Pachtzinskontrolle, Art. 253b, N 6 – Verfahren, Zuständigkeit, ZPO, N 117 Parkplätze – Allgemeines, Art. 253, N 23 – Erstreckung, Art. 272, N 5 Parteivereinbarung, Art. 255, N 6 ff. Parteiwechsel – Allgemeines, Vorbem. Art. 253–273c, N 15 ff. – Übertragung d. (Geschäfts-)Miete, Art. 263, N 30 – Verfahren, ZPO, N 46 Passivlegitimation, Vorbem. Art. 253– 273c, N 11 Pauschalierung, Nettorenditeberechnung, Art. 269, N 38 Persönliche oder familiäre Notlage, 270, N 10 ff. Persönliche Verhältnisse als Härtegrund d. Mieters f. eine Erstreckung, Art. 272, N 23 ff. Pflichten d. Vermieters – abweichende Vereinbarungen, Art. 256, N 49 ff. – Eigenschaftsvereinbarung, Mieterschutz, Art. 256, N 25 ff. – Immissionsfreiheit, Art. 256, N 36 ff. – Gebrauchstauglichkeit, Art. 256, N 19 ff. – geschuldeter Zustand d. Mietsache, s. Zustand d. Mietsache – Hauptleistungspflicht, Art. 256, N 3 ff., Vorbem. Art. 258–259i, N 1 f. – Nebenpflichten, Art. 256, N 9 ff. Pflichtverletzung, d. Mieters, s. Sorgfaltspflicht d. Mieters Protokoll, s. Rückgabeprotokoll Prozessvoraussetzung, ZPO, N 203 f.

Rahmenmietverträge, missbräuchlicher Mietzins, Art. 269a, N 112 ff. Raum, Begriff, Art. 253a, N 3 Realobligationen, i. Grundbuch vorgemerkte vertragliche Rechte (Miete), Art. 261b, N 3 Rechtliches Gehör, ZPO, N 6/108 Rechtsbegehren, i. Schlichtungsverfahren, ZPO, N 39 Rechtsbehelfe – d. Mieters (Mängelrechte), Art. 259b, N 42 f. – d. Mieters/Vermieters, Durchsetzung d. Ansprüche b. Erneuerungen/ Änderungen, Art. 260–260a, N 58 f. – b. Weigerung d. Mieters, Reparaturen zuzulassen, Art. 257h, N 19 f. Rechtshängigkeit, ZPO, N 259 ff. Rechtskraft – b. Einigung, ZPO, N 75 – b. Rechtsschutz in klaren Fällen, ZPO, N 179 – materielle, b. Säumnis, ZPO, N 68 – Rechtskraftbescheinigung, ZPO, N 200 Rechtsmissbrauchsverbot, ZPO, N 172 Rechtsmittel – Anfechtungsobjekte d. Schlichtungsverfahrens, ZPO, N 384 ff. – Arten, ZPO, N 352 ff. Rechtsschutz in klaren Fällen, s. auch summarisches Verfahren – Verfahren u. Entscheid, ZPO, N 175 ff. – Voraussetzungen, ZPO, N 158 ff. – Wesen u. Zweck, ZPO, N 155 ff. Rechtsstreitsübernahme, Art. 259f, N 4 ff. Rechtsvorschlag, d. Mieters b. d. Retentionsbetreibung, Art. 268–268b, N 25/30 Referenzzinssatz – Anfangsmietzins, Art. 269a, N 41 ff. – Mietzinssenkung, Art. 270a, N 6 ff. Reinigung, Sorgfaltpflicht, Art. 257f, N 22, Art. 259, N 16 ff.

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Sachregister Relative Methode – Begriff, Vorbem. Art. 269–270e, N 8/30 – Einwendung d. Vermieters gegen Mietzinsherabsetzung, Art. 270a, N 16 – Mietzinsherabsetzung, Mass, Art. 270a, N 12 Relative Erhöhungsgründe, s. Erhöhungsgründe (Mietzins) Reparaturen – Durchführung i. gekündigtem Mietverhältnis, Art. 257h, N 15 – Herabsetzung d. Mietzinses, Schadenersatz, Art. 257h, N 16 – Nebenkosten, Art. 257–257b, N 15 – kleiner Unterhalt, Art. 259, N 14 f. – Pflicht d. Mieters z. Duldung, Art. 257h, N 6 ff. – Rücksichtnahme, Art. 257h, N 13 f. Reparaturkosten, Rückgabe d. Sache, Art. 267–267a, N 39 Retentionsrecht d. Vermieters (Geschäftsräume) – Allgemeines, Art. 268–268b, N 1 ff. – b. Geldforderungen aus mietvertragsähnlichen Verhältnissen, Vorbem. Art. 253–273c, N 37 – Betreibung a. Pfandverwertung, Art. 268–268b, N 2 – Eigentumsvorbehaltsregister, Art. 268–268b, N 19 – Fristen, Art. 268–268b, N 30/36 – gegen d. Untermieter, Art. 268–268b, N 16 f. – Gegenstände Dritter, Art. 268–268b, N 18 ff. – Klage auf Rückschaffung, ZPO, N 19 – Kompetenzstücke, Art. 268–268b, N 9/24 – Rechtsbehelfe d. Mieters, Art. 268– 268b, N 24 ff. – Rechtsvorschlag d. Mieters, Art. 268– 268b, N 25/30 – Retentionsgegenstände, Art. 268– 268b, N 14 ff.

– retentionsgesicherte Forderungen, Art. 268–268b, N 10 ff. – Retentionsverzeichnis, Art. 268–268b, N 21 ff. – Retentionsurkunde, Art. 268–268b, N 28 ff. – Rückschaffung, Art. 268–268b, N 35 ff. – Verfahren, Art. 268–268b, N 21 ff. – Zurückhaltungsrecht b. Gefährdung d. Retentionsrechts, Art. 268–268b, N 34 Replikrecht, ZPO, N 127 Revisionsbegehren, gegen Entscheid d. Schlichtungsbehörde, ZPO, N 370 Risikotragendes Kapital, Teuerungsausgleich, nicht missbräuchliche Mietzinse, Art. 269a, N 110 f. Rohbaumiete, Art. 260–260a, N 62, Vereinbarungen, Art. 256, N 56 ff. Rückgabe – b. Übertragung d. (Geschäfts-)Miete, Art. 263, N 31 – Reinigung, Art. 259, N 18 – Rückgabeanspruch, ZPO, N 184 – v. nicht abgerechneten Nebenkostenzahlungen, Art. 257c, N 17 – v. z. viel bezahlten Mietzinsen, Art. 257c, N 18 Rückgabe d. Sache – Antritts- u. Rückgabeprotokolle, Art. 267–267a, N 44 ff. – Anwendungsbereich, Art. 267–267a, N 3 ff. – Durchsetzung, Art. 267–267a, N 25 ff. – Haftung d. Mieters, s. auch Haftung – Prüfungs- u. Meldepflicht d. Vermieters, Art. 267–267a, N 54 ff. – Rückgabehandlungen, Art. 267–267a, N 4 ff. – Schlüssel, Art. 267–267a, N 24 – verspätete Rückgabe, durch d. Mieter, Art. 267–267a, N 14 ff. – Verweigerung der Rücknahme, Art. 267–267a, N 17 – vorzeitige Rückgabe, s. dort

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Sachregister – Zeitpunkt d. Rückgabe, Art. 267‑267a, N 10 ff. – Zustand d. Mietsache, Art. 267–267a, N 18 ff. Rückgabe d. Sache, Haftung d. Mieters – Abnützung, Art. 267–267a, N 31 – Beweislast, Art. 267–267a, N 44 ff. – Entschädigungsvereinbarungen, Art. 267–267a, N 50 ff. – Haftung f. unsorgfältigen Gebrauch, Art. 267–267a, N 31 – Haftung f. Zufall oder höhere Gewalt, Art. 267–267a, N 32 – Mängelrüge, Art. 267–267a, N 54 ff. – Protokoll, amtliche Befundaufnahme, s. Rückgabeprotokoll – Prüfungs- u. Meldepflicht, Art. 267– 267a, N 54 ff. – Schadenersatzpflicht, Art. 267–267a, N 34 ff. – Veränderung der Mietsache, Art. 267–267a, N 33 – verdeckte Mängel, Art. 267–267a, N 63 – vorzeitige Rückgabe, s. dort Rückgabeprotokoll – amtliche Befundaufnahme, Art. 267– 267a, N 58 – Begriff, Art. 256a, N 4 – b. Mietende, Art. 267–267a, N 44 ff. Rückschaffung, heimlich oder gewaltsam fortgeschaffter Gegenstände, Retentionsrecht, Art. 268–268b, N 35 ff. Rückzug d. Klage, s. Klagerückzug

S Sache – bewegliche / unbewegliche, Art. 253, N 19/24 f. – mitvermietete, Art. 253a, N 15 ff., s. auch Nebensache – Retentionsgegenstände, Art. 268– 268b, N 5/14 Sachmangel, Vorbem. Art. 258–259i, N 52 Säumnis, i. Schlichtungsverfahren, ZPO, N 63 ff.

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Schaden – Frustrationsschaden, Art. 259e, N 10 – Genugtuung, Art. 259e, N 11 – Kommerzialisierungsschaden, Art. 259e, N 10 Schadenersatz – d. gekündigten Mieters gegenüber dem Veräusserer, Art. 261–261a, N 33 f. – Verletzung d. Sorgfaltspflicht d. Mieters, Art. 257f, N 35 f. – Zahlungsverzug d. Mieters, Art. 257d, N 63 Schadenersatzanspruch d. Mieters (Mängelrechte) – Anwendungsbereich, Art. 259e, N 3 – Anspruchsberechtigung, Art. 259e, N 27 ff. – Beweislast, Art. 259e, N 24 ff. – Genugtuung, Art. 259e, N 11 – Kausalzusammenhang, Art. 259e, N 12 f. – Schadenersatzbemessung, Art. 259e, N 36 ff. – Schadensarten, Art. 259e, N 8 ff. – Umfang, Art. 259e, N 33 – Meldepflicht d. Mieters, Art. 259e, N 21 ff. – Verschulden u. Exkulpation d. Vermieters, Art. 259e, N 14 ff. Schadenersatzanspruch d. Vermieters – b. Kündigung wegen Zahlungsrückstand, Art. 257d, N 63 – Retentionsrecht, Art. 268–268b, N 10 Schadenersatzpflicht d. Mieters – Verletzung d. Meldepflicht, Art. 257g, N 17 – Verletzung d. Sorgfaltspflicht, Art. 257f, N 35 f. – Verletzung d. Duldungspflicht, Art. 257h, N 19 Schadenersatzpflicht d. Vermieters – Anwendungsbereich (Mängel), Art. 259e, N 3 – b. Unterhaltsarbeiten mit Duldungspflicht d. Mieters, Art. 257h, N 16

Sachregister – b. Übergabeverzug (Verzugsschaden), Art. 258, N 26 f. – Entlastung d. Vermieters b. unterlassener Meldung, Art. 257g, N 18 Schiedsverfahren – echte Schiedsgerichte, ZPO, N 407 ff. – Geschäftsräume, Art. 270b, N 2, ZPO, N 399 – Klausel, Vorbem. Art. 253–273c, N 2/23, ZPO, N 408 – Kündigung während d. Schiedsgerichtsverfahrens, Art. 271a, N 45 – Schiedsgutachten, ZPO, N 400 – Schiedsvereinbarung, ZPO, N 397 – Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht, ZPO, N 404 ff. – Zulässigkeit, ZPO, N 397 ff. – Verfahrensordnung, ZPO, N 410 ff. Schlechterfüllung, s. Nichterfüllung oder mangelhafte Erfüllung Schlichtungsbehörde – Allgemeines, ZPO, N 1 ff. – Entscheid, s. Schlichtungsverfahren, Entscheid – Fristenprüfung, Art. 270b, N 6 – kontrollierte Mietzinse, Zuständigkeit, ZPO, N 28 f. – örtliche Zuständigkeit, s. Zuständigkeit – sachliche Zuständigkeit, s. Zuständigkeit Schlichtungsgesuch – Beweislastverteilung, ZPO, N 61 – Beweisrecht, Beweismittel, ZPO, N 57 ff. – Dispositionsmaxime, ZPO, N 60 – Familienwohnung, ZPO, N 38 – Form, ZPO, N 30 f. – Inhalt, ZPO, N 32 ff. – Parteien, ZPO, N 32 ff. – Parteiwechsel, ZPO, N 46 – Prozessvoraussetzungen, Prüfung, ZPO, N 71 ff. – Rechtsbegehren, ZPO, N 39 – Säumnis, ZPO, N 63 ff.

– Streitgegenstand, ZPO, N 40 – Streitgenossenschaft, ZPO, N 35 ff. – Untersuchungsmaxime, ZPO, N 59 Schlichtungsverfahren – Anfangsmietzinsanfechtung, Art. 270, N 49 f. – Beweiserhebung u. -würdigung d. Schlichtungsbehörde, Art. 273, N 26 ff. – Beweismittel, Beweisrecht, ZPO, N 57 ff. – Einigung, ZPO, N 75 ff. – Entscheid, ZPO, N 105 ff. – Gegenstandslosigkeit, ZPO, N 112 f. – Kündigungsschutz, ZPO, N 88/95 – Klagebewilligung, ZPO, N 99 ff. – Klagerückzug, ZPO, N 83 – Obligatorium u. Ausnahmen, ZPO, N 14 ff. – Öffentlichkeit, ZPO, N 48 – persönliches Erscheinen, ZPO, N 269 f. – sachliche Zuständigkeit, s. Zuständigkeiten – Säumnis, Folgen, ZPO, N 63 ff. – Schriftenwechsel, ZPO, N 47 – Sistierung d. Verfahrens, Art. 273, N 17 – Umfang d. Kündigungsschutzverfahrens, Art. 273, N 5 – Untersuchungsmaxime, abgeschwächte, im Schlichtungsverfahren, ZPO, N 59 – Urteilsvorschlag, ZPO, N 86 ff. – Verfahrensvertraulichkeit, ZPO, N 49 ff. – Verzicht a. Durchführung d. Schlichtungsverfahrens, ZPO, N 23 ff. – Vollstreckungsmassnahmen, ZPO, N 78 Schlüssel, Rückgabe d. Sache, Art. 267– 267a, N 5/24 Schriftformzwang, Vorbem. Art. 253– 273c, N 6 f., s. auch Formularzwang Schutzpflicht d. Vermieters, Art. 256, 10 ff.

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Sachregister Schwere Mängel – Allgemeines, Vorbem. Art. 258–259i, N 63 ff. – Kasuistik, Vorbem. Art. 258–259i, N 66 f. Selbsthilfe d. Mieters, b. Mängeln Art. 259b, N 42 ff. Serviceverträge, Abschlusspflicht durch d. Mieter, Art. 259, N 3 Sicherheiten durch d. Mieter – Allgemeines, Art. 257e, N 1 ff. – Anwendungsbereich, Art. 257e, N 6 – Anpassung d. Sicherheit b. Mietzinserhöhung, Art. 257e, N 17 – Betreibung b. Ausbleiben d. Sicherheit, Art. 257e, N 20 – Betreibung z. Herausgabe d. Sicherheit, Art. 257e, N 23 f. – Einführung b. laufendem Mietverhältnis, Art. 257e, N 7 – ergänzende Bestimmungen d. Kantone, Art. 257e, N 33 ff. – Formulare z. Hinterlegung, Art. 257e, N 7 – Herausgabe d. Sicherheit, Art. 257e, N 23 ff. – Höhe d. Sicherheit, Art. 257e, N 17 – Konkurs d. Mieters, Art. 257e, N 15 – Konkurs d. Vermieters, Art. 257e, N 31 – Kündigung b. Ausbleiben d. Sicherheit, Art. 257e, N 20 – b. Mietzinserhöhung, Art. 257e, N 17 – Retentionsrecht b. Verzug d. Mieters, Art. 257e, N 22 – Übertragung d. Miete, Art. 257e, N 32 – Veräusserung d. Mietsache, Art. 257e, N 9 – Verrechnung, Art. 257e, N 16 – Verzinsungspflicht, Art. 257e, N 18 – Verzug v. Übergabe d. Mietsache, Art. 257e, N 20 – Wahl d. Bankinstituts, Art. 257e, N 12 f. Sicherheiten durch Dritte, Art. 257e, N 30

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Solidarhaftung – Allgemeines, Vorbem. Art. 253–273c, N 14 – d. (ausscheidenden) Mieters b. Übertragung d. Miete, Art. 263, N 37 f. – Umfang d. Haftung d. Veräusserers, Art. 261–261a, N 13 Sorgfaltspflicht d. Mieters – Allgemeines, Art. 257f, N 6 ff. – Kasuistik, Art. 257f, N 75 ff. – Kündigung, Art. 257f, N 37 ff./35 ff. – Mahnung, Art. 257f, N 51 ff. – Pflichtverletzung, Art. 257f, N 37 ff. – Rücksichtnahme, Art. 257f, N 31 f. – Verantwortlichkeit d. Mieters, Art. 257f, N 71 ff. Sperrfrist – Kündigung während d. Kündigungssperrfrist, s. dort – Kündigungssperrfrist nach Einigung d. Parteien ausserhalb eines Verfahrens, s. dort Staffelklausel, Vorbem. Art. 253–273c, N 2 Steuern, Grundsteuern als Abgaben u. Lasten, Art. 256b, N 3 Störung – Nachbarrecht, Art. 257f, N 31 f. – d. vertragsgemässen Gebrauchs als Mangel d. Mietsache, Vorbem. Art. 258–259i, N 57 – Dritter, Abwehr d. Vermieter, Art. 256, N 18 Streitgenossenschaft – i. Schlichtungsverfahren, ZPO, N 35 Streitverkündung, ZPO, N 303 ff. Streitwert, ZPO, N 328 ff. Subventionen, öffentlich geförderter Wohnraum, Art. 253b, N 17 ff. Summarisches Verfahren – Ausweisung, s. dort – Geltungsbereich, ZPO, N 145 ff. – Hinterlegung des Mietzinses, s. auch Hinterlegung des Mietzinses – Rechtsschutz in klaren Fällen, s. dort – schwerer Mangel, s. auch Mängel, schwere Mängel

Sachregister – Verfahren, ZPO, N 151 ff. – Zweck, ZPO, N 143 ff.

T Tauglichkeit, Art. 256, N 15/19 ff. Teilkündigung, Abgrenzung, Art. 253a, N 19, Vorbem. Art. 266–266o, N 21 ff., Art. 269d, N 65 ff. Termine Mietzinserhöhung, Vertragsänderung, Mietzinserhöhung, Vertragsänderung, Art. 269d, N 7 ff. Teuerungsanpassung d. investierten Eigenkapitals, Art. 269, N 250 ff. Teuerungsausgleich – a. d. risikotragenden Kapital, nicht missbräuchliche Mietzinse, Art. 269a, N 110 f. – Indexierung, s. dort – Verhältnis z. Kostensteigerung, Art. 269a, N 40 Tierhaltung – Änderung d. Familienverhältnisse, Art. 271a, N 72 – keine Kündigungssperrfrist ausserhalb eines Verfahrens, Art. 271a, N 79 – Kündigung nach widerrufener Bewilligung, Art. 271a, N 8 – unerlaubte, Art. 257f, N 29/72, Art. 271, N 32 Tod d. Mieters – Ausschlagen d. Erbschaft, Art. 266i, N 15 f. – Beendigungsgrund, Art. 266i, N 14 – Kündigung, s. Kündigung b. Tod d. Mieters – Vertragseintritt d. Erben, Art. 266i, N 8

U Übergabe d. Mietsache – Aussbesserungspflicht d. Mieters, Art. 259, N 8 – Nichterfüllung oder Mängel b., Vorbem. Art. 258–259i, N 4 ff. – Verzug d. Vermieters b. Übergabe d. Mietsache, s. dort – Zeitpunkt, Art. 258, N 10 – Übergabepflicht, Art. 256, N 6 Überlassung – einer Sache z. Gebrauch, Art. 253, N 3 f., Art. 256, N 3 – Nebensache z. Gebrauch, Art. 253a, N 15 Übersetzter Ertrag – Verhältnis z. anderen Missbrauchskriterien, Vorbem. Art. 269–270e, N 12 ff. – zusätzliches Überprüfungskriterium b. Anfangsmietzinsanfechtung, Art. 270, N 32 Übertragung d. (Geschäfts-)Miete a. einen Dritten – Allgemeines, Art. 263, N 1 ff. – Parteiwechsel, Art. 263, N 30 – Verhältnis Mieter u. Übernehmer, Art. 263, N 39 ff. – Verhältnis Vermieter u. Übernehmer, Art. 263, N 31 ff. – Verhältnis Vermieter u. ausscheidender Mieter, Art. 263, N 36 ff. – Verweigerungsrecht, Art. 263, N 18 ff. – Voraussetzungen, Art. 263, N 11 ff. – Wohnräume, Art. 263, N 1 – Zustimmung, Art. 263, N 11 ff. Um- u. Ausbauten durch d. Mieter, Rohbaumiete, Vereinbarung, Art. 256, N 56 ff. Umbauarbeiten, s. Abbruch- u. Umbauarbeiten Umfassende Überholungen – Amortisation, Art. 269a, N 72 ff. – Begriff, Abgrenzung, Art. 269a, N 63 ff.

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Sachregister – Berechnung d. Überwälzung, Art. 269a, N 72 ff. – in Verbindung mit gestaffeltem Mietzins, Art. 269a, N 65, Art. 269c, N 10 – in Verbindung mit indexiertem Mietzins, Art. 269b, N 28, Art. 270c, N 8 – Kündigung d. Vermieters, Bewilligung, Art. 271, N 36 ff. – Mietzinsreduktion wegen Inkonvenienzen, Art. 269a, N 66 – Überwälzung a. d. einzelnen Mietobjekte, Art. 269a, N 85 ff. – Überwälzung, d. wertvermehrenden Investitionen, Art. 269a, N 61 ff. – Überwälzung d. Unterhaltsanteils, Art. 269a, N 82 ff. – Vertragsänderung v. Ablauf d. Mindestfrist, Art. 269d, N 8 – Verzinsung, Art. 269a, N 72 ff. Umgehung Kündigungsschutz, Erstreckungsrecht, Art. 273b, N 9 ff./16 f. Umsatzmiete – Allgemeines, Art. 257–257b, N 9 – Gebrauchspflicht, Art. 257f, N 16 f. – in Verbindung mit Indexierung, Art. 269b, N 30 – Orts- u. quartierübliche Mietzinse, Besonderheiten d. Geschäftsmiete, Art. 269a, N 33 Unbefristetes Mietverhältnis, Abgrenzung z. befristeten, Art. 255, N 3 Unentgeltliche Gebrauchsüberlassung, Art. 257–257b, N 5 Ungerechtfertigte Bereicherung – gestaffelte Mietzinse ohne gesetzliche Mindestvertragsdauer, Art. 269c, N 7 – indexierte Mietverträge ohne gesetzliche Mindestvertragsdauer, Art. 269b, N 9 – Mietzinserhöhung ohne Formular, Art. 269d, N 61 ff. – zu viel bezahlte Mietzinse, Art. 257c, N 18

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Unterhaltspflicht d. Mieters, Art. 259, N 6 ff. Untermiete – Allgemeines, Art. 262, N 4 ff. – Befugnisse d. Vermieters gegen d. Untermieter, Art. 262, N 46 ff. – bewegliche Sachen, Besonderheiten, Art. 262, N 60 ff. – Buchungsplattformen, Art. 262, N 41 ff. – eigenmächtige Vermietung durch d. Mieter, Sanktionen, Art. 262, N 35 ff. – erstrecktes Mietverhältnis, Art. 272d, N 8 – Erstreckung b. erfolgter Kündigung, Art. 273b, N 6 – Erstreckungsanspruch d. Untermieters, Art. 273b, N 1/3/9 ff. – Folgen d. Zustimmungsverweigerung, Art. 262, N 35 ff. – Frist f. Zustimmung, Art. 262, N 14 – generelles Verbot, Art. 262, N 1 – Grundbucheintrag, Art. 261b, N 8 – Haftung d. Mieters, Art. 262, N 46 ff. – Kündigungsrechte d. Vermieters, Art. 262, N 38 ff. – Kündigung, Anfechtung, Art. 271, N 6, Art. 273b, N 1/4/8 – missbräuchliche Untervermietungsbedingungen, Art. 262, N 18 ff. – Rechte d. Untermieters b. aufgelöstem Hauptmietverhältnis, Art. 273b, N 6 ff. – Rechte d. Untermieters b. nicht aufgelöstem Hauptmietverhältnis, Art. 273b, N 3 ff. – Rechtsfolgen d. Umgehung, Art. 273b, N 16 f. – Rücknahme d. Zustimmung, Art. 262, N 37 – Stillschweigen d. Vermieters, Art. 262, N 34 – Umgehung d. Vorschriften ü. d. Kündigungsschutz, Art. 273b, N 10 ff./16 f. – Verhältnis Vermieter u. Untermieter, Art. 262, N 55 ff.

Sachregister – Verhältnis Untervermieter u. Untermieter, Art. 262, N 49 ff. – vertragswidriger Gebrauch, Art. 257f, N 14/43 – vertragswidriger Gebrauch durch d. Untermieter, Art. 262, N 16 – Verweigerung, Folgen, Art. 262, N 35 ff. – Verweigerungsgründe d. Vermieters, Art. 262, N 15 ff. – Voraussetzungen, Art. 262, N 10 ff. – wesentliche Nachteile f. d. Vermieter, Art. 262, N 23 ff. Untersuchungsmaxime, abgeschwächte, soziale, ZPO, N 59/131 ff. Unwirksame Kündigung, s. Kündigung, unwirksame Urteilsvorschlag, s. Schlichtungsverfahren

V Veräusserer, Rechtsstellung nach Veräusserung, Art. 261–261a, N 13 ff. Veräusserung d. Sache – Allgemeines, Art. 261–261a, N 2 ff. – Erstreckung d. Mietverhältnisses b. Kündigung wegen dringenden Eigenbedarfs, Art. 261–261a, N 16 ff. – Kündigung a. wichtigen Gründen durch d. Mieter, Art. 261–261a, N 12 – Kündigung d. Vermieters wegen dringenden Eigenbedarfs, Art. 261– 261a, N 18 ff. – Parteiwechsel, Vorbem. Art. 253– 273c, N 15 ff. – Rechtsbehelfe d. Mieters bei ausserordentlicher/ordentlicher Kündigung durch d. Erwerber, Art. 261–261a, N 22 ff. – Schadenersatzanspruch d. Mieters gegen Veräusserer, Art. 261–261a, N 33 f. Verbraucherkosten – Gebrauchskosten als Abgaben u. Lasten, Art. 256b, N 4 – u. Nebenkosten, Art. 257–257b, N 11 ff.

Verbrauchsunabhängige Grund- u. Anschlussgebühr, Art. 256b, N 3 Vereinbarter Gebrauch, als vorausgesetzter Gebrauch d. Mietsache, Vorbem. Art. 258–259i, N 26 ff. Vereinbarung – d. Beendigung bei befristeten Mietverhältnissen, Art. 255, N 16 ff. – d. Nebenkosten, Art. 257–257b, N 19 ff. – d. Parteien z. Nachteil d. Mieters, Art. 256, N 50 – ü. Erweiterung d. gesetzlichen Unterhaltspflicht d. Mieters, Art. 259, N 1 f. Vereinfachtes Verfahren – Geltungsbereich, ZPO, N 116 ff. – vereinfachte Klage, ZPO, N 123 ff. – Verfahren, ZPO, N 126 ff. Verfahren, gerichtliches – Allgemeines, ZPO, N 114 f. – Ausweisung, s. dort – Eventualmaxime, ZPO, N 136 – Geltungsbereich, ZPO, N 136 – Klage, ZPO, N 137 f. – Rechtsmittel, s. dort – summarisches Verfahren, s. dort – Verfahrensablauf, ZPO, N 139 ff. – Verhandlungsmaxime, ZPO, N 136 – vereinfachtes Verfahren, s. dort Verfahrensgarantie, ZPO, N 6 Verfalltag, verabredeter, Fixgeschäft, Art. 258, N 21 Vergeltungskündigung, Kündigung wegen Geltendmachung v. Ansprüchen, Art. 271a, N 3 ff. Verjährung – Fristen f. Mietzins u. Nebenkosten u.a. Forderungen aus Mietverhältnis, Art. 257c, N 11 ff. – Mietzinszahlungen, Art. 257c, N 11 f. – Nebenkosten, Art. 257–257b, N 18 – Nebenkostennachforderungen, Art. 257–257b, N 18/41, Art. 257c, N 13

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Sachregister – nicht abgerechnete Nebenkostenzahlungen, Art. 257c, N 17 – periodische Nebenkostenzahlungen, Art. 257–257b, N 47 – Rückforderungen aus Umsatzmiete, Art. 257c, N 20 – übrige Forderungen, Art. 257c, N 12 – z. viel bezahlte Mietzinse, Art. 257c, N 15 – z. viel bezahlte Nebenkostenakontozahlungen, Art. 257c, N 17 ff. Verkauf, Beendigung d. Mietverhältnisses bei befristeten Verträgen, Art. 255, N 14 Vermieter – Allgemeines, Vorbem. Art. 253–273c, N 9 – Mietvertragspartei, Art. 253, N 2 – Untervermieter, Vorbem. Art. 253– 273c, N 9 Verminderung d. Leistungspflicht d. Vermieters, Art. 269d, N 65 ff. Verrechnung – v. Forderungen und Schulden, Allgemeines, Art. 265, N 1 ff. – b. Zahlungsrückstand, Art. 257d, N 18 ff. – Einschränkungen, Art. 265, N 15 ff. – Geltendmachung, Art. 265, N 13 f. Verrechnungseinrede, Zahlungsverzug, Art. 257d, N 18 ff. Versicherung – Meldepflicht d. Mieters f. Versicherungsansprüche, Art. 257g, N 11 – Versicherungspflicht, Unterhalt, Art. 259, N 3 – Versicherungspflicht, Koppelung, Art. 254, N 20 Verteilungsschlüssel, Überwälzung Kosten umfassender Überholungen a. d. Mietobjekte, Art. 269a, N 85 ff. Vertragsänderung – Abgrenzung z. Teilkündigung, s. Teilkündigung

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– Allgemeines, Anwendungsbereich, Art. 269d, N 1 ff. – Anfechtung d. Mietzinserhöhung/ Vertragsänderung, s. dort – Änderung d. Vertragsbedingungen i. Erstreckungsverfahren, Art. 272c, N 15 ff. – Änderung d. Vertragsbedingungen durch Erstreckungsvereinbarung, Art. 272c, N 18 f. – Anpassung d. Vertragsbedingungen während d. Erstreckungsdauer, Art. 272c, N 8 ff. – Begründung, s. Mietzinsänderungen, Mietzinserhöhungen – Entstehung neuer Nebenkosten, Art. 257–257b, N 28 ff. – Formularpflicht, s. dort – Fristen u. Termine Mietzinserhöhung, Vertragsänderung, Art. 269d, N 9 ff. – geringfügige Veränderungen, Art. 269d, N 68 – im gegenseitigen Einvernehmen, Art. 269d, N 19 – Kündigung z. Durchsetzung einer Vertragsänderung/Mietzinsanpassung (Änderungskündigung), Art. 269d, N 2, Art. 271a, N 18 ff. – Missbräuchlichkeit v. einseitigen Vertragsänderungen, Art. 269d, N 76 – nachträgliche Befristung wegen Abbruch u. Umbau, Art. 272a, N 17 – nachträglich eingeführter Sicherheit durch d. Mieter, Art. 257e, N 10 – Teilkündigung, Verminderung d. Leistungspflicht, Art. 269d, N 65 ff. – zweiseitige Vertragsänderung, Anfechtbarkeit, Art. 270b, N 4 Vertragsauflösung – Aufhebungsvertrag u. Erstreckungsvereinbarung, Art. 272b, N 15/21 – Aufhebungsvertrag u. vorzeitige Kündigung, Art. 264, N 9 – durch Eintritt eines Beendigungsgrundes, Art. 255, N 16 ff.

Sachregister – Dienstwohnung, Vorbem. Art. 253– 273c, N 48 ff. – einvernehmliche, Vorbem. Art. 266– 266o, N 41 f. Vertragsgemässer Gebrauch d. Sache, Art. 257f, N 10 ff. Vertragspartei, Vorbem. Art. 253–273c, N 9 ff. Vertragsverletzung, Vorbem. Art. 253– 273c, N 22 Vertragswidriger Gebrauch – d. Mietsache d. Mieter b. Übertragung d. Miete, Art. 263, N 19 – durch Untermieter, Art. 262, N 16 Vertrauensprinzip, ZPO, N 171 Vertrauensschaden, Art. 258, N 29 Vertretung, im Verfahren, ZPO, N 267 ff. Verwahrung, d. Hinterlegungsgutes, Vorbem. Art. 253–273c, N 32 Verwaltungskosten b. d. Heiz- u. Nebenkostenabrechnung, Art. 257–257b, N 35 ff. Verweigerung – d. Auskunft durch d. Vermieter, Anfangsmietzins, Art. 256a, N 24 ff. – d. Untervermietung, Art. 262, N 15 ff. – d. Zustimmung, Übertragung d. Miete, Folgen, Art. 263, N 18 ff. Verwendungszweck, Art. 253, N 4 Verwirkungsfrist – Verlängerung d. Anfechtungsfrist b. unrichtiger Angabe d. Vormietzinses oder b. verspäteter Abgabe d. Formulars, Art. 256a, N 25 Verzicht d. Mieters – a. nachträgliche Leistung, Art. 258, N 28 f. – a. Rechte a. Kündigungsschutz/ Erstreckung, Art. 273c, N 3 Verzug d. Mieters – Gläubigerverzug d. Mieters, Art. 258, N 6 – mit Leistung d. Sicherheit, Art. 257e, N 20 – Mietzinsanfechtung, Art. 270e, N 4 – Zahlung d. Mietzinses, s. unter Zahlungsrückstand

Verzug d. Vermieters b. Übergabe d. Mietsache – Allgemeines, Art. 258, N 1 ff. – Beweislast d. Mieters, Art. 258, N 31 – Nachfrist, Art. 258, N. 16 ff. – Verzugsarten, Art. 258, N 9 ff. – Vorgehen d. Mieters, Art. 258, N 5 ff. – Wahlrecht d. Mieters, Art. 258, N 22 ff. Vollstreckung – Ausweisung, s. dort – Vollstreckungarten, ZPO, N 415 ff. – Vollstrechungsmassnahmen im Urteilsvorschlag, ZPO, N 420 f. – Vollstreckungstitel, ZPO, N 419 Vormerkung d. Miete i. Grundbuch – Allgemeines, Art. 261b, N 3 ff. – Realobligation, Art. 261b, N 3 – Untermiete, Art. 261b, N 8 – Wirkung, Art. 261b, N 9 ff. Vorsorgliche Massnahmen – Ausnahme v. Schlichtungsobligatorium, ZPO, N 15 ff. – summarisches Verfahren, ZPO, N 143/149 – Teilherausgabe d. hinterlegten Mietzinse, Art. 259h, N 19 ff. Vorzeitige Rückgabe – Allgemeines, Art. 264, N 3 ff. – Ankündigung, Art. 264, N 28 ff. – Ersatzmieter, s. dort – Rücknahmeobliegenheit d. Vermieters, Art. 264, N 26 f. – Voraussetzungen, Art. 264, N 11 ff. – Vorteilsanrechnung, Art. 264, N 54 ff. – Zeitpunkt der Befreiung, Art. 264, N 24 ff. Vorzugslasten, als Abgaben u. Lasten, Art. 256b, N 3

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Sachregister

W Wechsel d. Vertragspartei – Allgemeines, Vorbem. Art. 253–273c, N 14 ff. – Auflösung eines Mandates zwischen Eigentümer u. Verwaltung, Vorbem. Art. 253–273c, N 16 – s. auch Übertragung d. (Geschäfts-) Miete a. einen Dritten – s. auch Veräusserung d. Sache – s. auch vorzeitige Rückgabe Werterhaltende Investitionen, Art. 269a, N 53 Wertvermehrende Investitionen, s. Mehrleistungen d. Vermieters Widerklage, ZPO, N 317 ff. Wiederherstellung, Vorbem. Art. 253– 273c, N 6 Willensmangel – Verfahren, Revision, ZPO, N 367 – Irrtum, s. dort Wohnraum – Allgemeines, Vorbem. Art. 253–273c, N 24, Art. 253a, N 6 f. – Anfangsmietzins, Art. 270, N 3/28 – Anwendbarkeit d. Bestimmungen ü. d. missbräuchlichen Mietzinse, Vorbem. Art. 269–270e, N 7 – Erstreckung, Art. 272, N 7 – Indexierung, Art. 269b, N 14 ff., Art. 270c, N 7 – Kündigung, Anfechtbarkeit, Art. 271, N 3 – öffentlich-rechtlich geförderter und kontrollierter, Art. 253b N 17 ff. – Sicherheitsleistungen durch d. Mieter, Art. 257d, N 16 – Verfahren b. d. Miete v. Wohn- u. Geschäftsräumen, s. Verfahren – Verbot abweichender Vereinbarung bzgl. Hauptleistungspflichten d. Vermieters, Art. 256, N 52 – Anfechtung v. congé-vente Kündigung, Art. 271a, N 26 Wohnraumförderung, Art. 253b, N 17 ff.

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Wohnrecht, Abgrenzung z. Miete, Vorbem. Art. 253–273c, N 38 f. Wohnung – Begriff, Art. 253, N 14, Art. 266b–266f, N 30 – d. Familie s. Familienwohnung – s. auch Wohnraum

Z Zahlungsrückstand – Allgemeines, Art. 257d, N 6 ff. – Kündigung, Anfechtung, Art. 257d, N 6 ff., Art. 271, N 15 – Mahnung, Art. 257c, N 10 – Rechtzeitigkeit d. Verrechnungserklärung, Art. 265, N 13 – Hinterlegung, Art. 257d, N 22, Art. 259g, N 21/25 ff. – Verfalltag, Art. 257c, N 10 – (-verzug) d. Mieters, Ausnahme v. d. Kündigungssperrfrist, Art. 271a, N 90 – Zahlungsfiktion b. unterlassener Klage nach Mietzinshinterlegung, Art. 259h, N 7 Zahlungsrückstand, Fristansetzung – Allgemeines, Art. 257d, N 25 ff. – Mietzinsanfechtung, Art. 270e, N 4 Zahlungsrückstand, Kündigung – Allgemeines, Art. 257d, N 6/41 ff. – Erstreckungsausschluss, Art. 257d, N 62, Art. 272a, N 10 – ordentliche Kündigung, Art. 271, N 30 f. – Wirksamkeit d. Zahlungsrückstandskündigung b. ungerechtfertigter Verrechnungserklärung d. Mieters, Art. 265, N 16 Zahlungstermin – f. Mietzins, Art. 257c, N 2 ff. – f. Nebenkosten, Art. 257c, N 8 Zeitliche Begrenzung, Art. 255, N 16 f. Zerstörung d. Mietsache, Vorbem. Art. 258–259i, N 12

Sachregister Zession d. Miete, Abgrenzung z. Abtretung, Übertragung, Untermiete, Art. 262, N 7 Zinsstufenhypothek, aufgrund Zahlungsplan, Art. 269a, N 2 Zivilstandsänderungen, Art. 266l–266o, N 29 ff. Zulässiger Ertrag, Art. 269, N 5 ff., s. auch Nettorendite Zusammengesetzter Vertrag, s. gemischte Verträge Zusicherung besonderer Eigenschaften d. Mietsache, Art. 256, N 21 Zustand d. Mietsache – Allgemeines, Vorbem. Art. 253–273c, N 2/22 – Gebrauchstauglichkeit, Art. 256, N 19 ff., Vorbem. Art. 258–259i, N 42 ff. – Gebrauchsvereinbarung, Art. 256, N 25 ff. – geschuldeter Zustand d. Mietsache, Vorbem. Art. 258–259i, N 26 ff. – Rückgabeprotokoll, Art. 256a, N 4 ff. Zuständigkeit – Allgemeines, ZPO, N 203 ff. – f. Streitigkeiten betreffend d. Rückschaffung v. retinierten Gegenständen, Art. 268–268b, N 36 – funktionelle, ZPO, N 205 – internationale Verhältnisse, ZPO, N 236 ff. – örtliche, ZPO, N 227 ff. – sachliche, ZPO, N 206 ff. – sachliche Z. der Schlichtungsbehörde, ZPO, N 217 Zustellung – d. Kündigung, s. unter Empfangstheorie – d. Kündigung mit eingeschriebenem Brief, Vorbem. Art. 266–266o, N 6 – d. Kündigung b. einer Mehrheit v. Mietern u. Vermietern, Vorbem. Art. 266–266o, N 33 ff. – Zustellung d. Mietzinserhöhung/ Vertragsänderung, Art. 270b, N 6

Zustimmung – d. Ehegatten z. Kündigung d. Familienwohnung, ausdrückliche, Art. 266l–266o, N 34 – d. Vermieters z. Abtretung d. Geschäftsraummiete, Vorbem. Art. 253–273c, N 15 – d. Vermieters zur Untervermietung, Art. 262, N 10 ff. Zustimmung d. Vermieters b. Erneuerungen u. Änderungen, Art. 260–260a, N 67 ff./113 ff. Zwingende u. teilzwingende Bestimmungen, Vorbem. Art. 253–273c, N 2 f.

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