Lingua et Religio: Ausgewählte Kleine Schriften zur antiken Religionsgeschichte auf sprachwissenschaftlicher Grundlage 9783666252310, 3525252315, 9783525252314

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Lingua et Religio: Ausgewählte Kleine Schriften zur antiken Religionsgeschichte auf sprachwissenschaftlicher Grundlage
 9783666252310, 3525252315, 9783525252314

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V&R

Hypomnemata Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben

Supplement-Reihe Herausgegeben von Albrecht Dihle, Siegmar Döpp, Dorothea Frede, Hans-Joachim Gehrke, Hugh Lloyd-Jones, Günther Patzig, Christoph Riedweg, Gisela Striker Band 1

Vandenhoeck & Ruprecht

Hubert Petersmann

Lingua et Religio Ausgewählte Kleine Schriften zur antiken Religionsgeschichte auf sprachwissenschaftlicher Grundlage Herausgegeben von

Bernd Heßen Mit zehn Abbildungen

Vandenhoeck & Ruprecht

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Petersmann, Hubert: Lingua et religio : ausgewählte kleine Schriften zur antiken Religionsgeschichte auf sprachwissenschaftlicher Grundlage / Hubert Petersmann. Hrsg. von Bernd Heßen. Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 2002 (Hypomnemata: Supplement-Reihe ; Bd. I) ISBN 3-525-25231-5

© 2002, Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen Internet: http://www.vandenhoeck-ruprecht.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Hubert & Co., Göttingen Einbandkonzeption: Markus Eidt, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Professor Dr. Hubert Petersmann

Inhalt Vorwort des Herausgebers

9

Beobachtungen zu den Appellativen fur Gott Ein sprachwissenschaftlicher Beitrag zum Gottesverständnis der Alten

11

Les dieux anciens et leuis professions

22

Quam vim nomen in religionibus ac superstitionibus gentium habeat

29

Religion, Superstition and Parody in Petronius' Cena Trimalchionis

39

Ευσέβεια, θρησκεία and religio An etymological analysis o f three disputed terms

48

Zu einem altrömischen Opferritual (Cato de agricuUura c. 141)

57

Lustrum·. Etymologie und Volksbrauch

69

Springende und tanzende Götter beim antiken Fest

89

Altgriechischer Mütterkult

105

Der homerische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtum Demeter in Dodona und Thrakien

133

Ein Nachtrag

146

Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos Eine etymologisch-religionsgeschichdiche Untersuchung

152

Titbmne als Epiklese der Athene Ein etymologisch-religionswissenschaftlicher Beitrag zum Wesensverständnis der Göttin

170

Die Moiren in Aischylos' Eumeniden 956-967

180

Nochmals zu Aischylos Agamemnon 560ff. Der sprachliche Ausdruck und die Bedeutung von ενθηρος

191

Orests Schuld und Sühne bei Aischylos W. Kraus ptaeceptori canssuno ac doctissimo

196

8

Inhalt

V o m Märchen zur epischen Sage Eine sprach- und modvgeschichtlichc Untersuchung zu den Namen der Hauptpersonen in der Mekagris

216

Neptuns ursprüngliche Rolle im römischen Pantheon Ein etymologisch-religionsgeschichtlicher Erklärungsversuch

226

Ljicina Nixusque pans. Die Geburtsgottheit in O v i d s Met. I X 294 Variationen eines mythologischen Motivs

236

D a s ursprüngliche Wesen der römischen Laren in neuem l i c h t

250

Abbildungen

273

Abbildungsnachweis

283

Verzeichnis der Schriften von Hubert Petersmann

284

Ausgewählter Stellenindex

292

Ausgewählter Wort-, Sach- und N a m e n s i n d e x

299

Vorwort des Herausgebers Es sei mir hier gestattet, ganz persönliche Worte in memoriam meines verehrten Lehrers Professor Hubert Petersmann, Ordinarius für Klassische Philologie, auszusprechen: Herr Petersmann verstarb - zwischen zwei Vorträgen - am 31. Januar 2001 in unserem Seminar. Kollegen, Mitarbeiter und Studierende erlebten voller Angst und Bangen die letzten Minuten seines Daseins mit Nie werde ich vergessen, wie sein Schüler und Stipendiat, Herr Andrej Petrovic, ihm ebenso gekonnt wie beherzt und liebevoll erste Hilfe leistete. Die Beisetzung fand im engeren Familien- und Freundeskreis in Klagenfurt statt, Herrn Petersmanns Heimat, der er sich stets verbunden gefühlt hat Bei uns in Heidelberg wurde in der größten und schönsten katholischen Kirche von Dekan Dr. Klaus Zedtwitz der Gedenkgottesdienst sehr würdevoll zelebriert Aus Deutschland und aus vielen Ländern l·«" eine zahlreiche Trauelgemeinde zusammen, um dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Beileidsbezeugungen trafen aus der ganzen Welt ein. Der Dekan der Fakultät für Orlen talis tik und Altertumswissenschaft, Herr Prof. Dr. Joseph Maren, der Geschäfts führende Direktor des Seminars, Herr Prof. Dr. Jürgen Paul Schwindt, sowie Herr Prof. Dr. Dr.h.c. mult Geza Alföldy, der ihm als Freund besonders nahe stand, hoben in ihren Ansprachen die herausragende Bedeutung von Professor Petersmanns wissenschaftlicher Arbeit hervor, sein überaus großes und beständiges Engagement im Seminar und in der Fakultät, für die er sich auch als Dekan in schwieriger Zeit mit ganzer Kraft eingesetzt hatte. Dabei wurde immer wieder und ausdrücklich an Herrn Petersmanns herzliches und zuvorkommendes Wesen erinnert, das jeder schätzte, der mit und bei ihm arbeiten durfte. Die Fürbitten zweier seiner ausländischen und zweier seiner deutschen Studierenden waren getragen von großer Dankbarkeit und Zuversicht, daß der Mensch Hubert Petersmann, sein vielfaltiges Werk und sein Wirken nicht der Vergessenheit anheimfallen werden. Es ist mir völlig unmöglich, allen namentlich zu danken, die mir bei der Organisation des Gottesdienstes mit dem sich anschließenden Beieinandersein geholfen haben. Herr Dekan Dr. Zedtwitz sei hier dennoch dankbar erwähnt. Professor Petersmann wurde am 20. August 1940 in Klagenfurt/Kärnten geboren. Er studierte in Wien und London Klassische Philologie, Vergleichende Sprachwissenschaft, Anglistik und Romanistik. Ganz besonders prägend für ihn waren seine Wiener Lehrer Walther Kraus und Albin Lesky. 1981 wurde Herr Petersmann auf den Lehrstuhl von Viktor Pöschl berufen. Sein wissenschaftliches Interesse gehörte der gräzistischen und latinistischen Linguistik; er widmete sich ihr in Forschung und Lehre mit Leidenschaft und Akribie. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur zwei Schwerpunkte nennen: (1.) die Erforschung religionsgeschichtlicher Phänomene mit dem Instrumentarium sprachwissenschaftlichen Arbeitens. »Gerade der sprachliche Terminus kann uns auch heute noch einen tiefen Einblick in Religion und Gottesverständnis der Antike vermitteln« - so formuliert Herr Petersmann selbst in seiner Abhandlung »Beobachtungen zu den Appellativen für Gott« (s. in diesem Band S. 11). Er war davon überzeugt, daß die Untersuchung sprachlicher Ausdrücke uns nicht nur etwas über die Ursprünge antiker religiöser Votstellungen mitteilt, sondern auch über deren Entwicklung im Prozeß soziokultureller Veränderungen.

10

Vorwort des Herausgebers

(2.) die intensive Beschäftigung mit den schwer zu beantwortenden Fragen, wie man sich das gesprochene Latein in seiner ganzen Komplexität vorzustellen und zu erklären habe. Beide dieser genannten Schwerpunkte bedürfen interdisziplinärer Zusammenarbeit, die Herr Petersmann stets gesucht hat. Ab Beispiel möchte ich nur sein engagiertes Mitwirken in dem Heidelberger Graduiertenkolleg Dynamik sprachlicher Substandardvarietäten nennen. Als Plautus- und besonders Petron-Forscher schon vor seinem Ruf nach Heidelberg international geschätzt, ist es Herrn Petersmann gelungen, das Seminar für Klassische Philologie unserer Universität zu einem Anziehungspunkt für Studierende und Doktoranden aus dem In- und - z.T. fernen - Ausland zu machen, die im Rahmen ihrer klassisch-philologischen Ausbildung sich auf hohem Niveau linguistisch spezialiesieren wollten. Das vorliegende Buch Lingua et Reägio vereint eine Reihe von religionsgeschichtlichen Arbeiten auf sprachwissenschaftlicher Basis. Die Auswahl war mit Herrn Petersmann abgesprochen. Der Band sollte zu seinem 60. Geburtstag als Festgabe erscheinen. Herr Petersmann hegte den Wunsch, seinen Vortrag über »Das ursprüngliche Wesen der römischen Laren in neuem Licht« hier als Erstveröffentlichung zu publizieren. Das Übermaß an Arbeit, das er sich in der äußerst prekären Situation unseres Seminars insbesondere auch aufgrund von Stellenstreichungen auflud, gewährte ihm, verantwortungsbewußt, wie er stets war, keine freie Minute. Leider ist ihm die Bearbeitung des Laren-Aufsatzes deshalb nicht mehr möglich gewesen. Sie wurde von seiner verehrten Gattin, Frau Dr. Astrid Petersmann, übernommen. Die Vorbereitung der Druckvorlagen für diese Gedenkschrift stellte mich vor nicht voraussehbaren Schwierigkeiten. Professor Petersmanns treue Sekretärin, Frau Valeria Mare, leistete mir immer — auch an Sonn- und Feiertagen — selbsdose und verläßliche Hilfe und Unterstützung. Ich bin ihr aus tiefstem Herzen dankbar. Danken möchte ich auch seinen wissenschaftlichen Hilfskräften und Stipendiaten, insbesondere Herrn Kai-Uwe Heinz, Frau Amina Kropp (Heidelberg), Frau und Herrn Ivana und Andrej Petrovic (Belgrad), sowie Herrn H. Vögele, Photographenmeister im Archäologischen Institut, der mir gegenüber sich sehr hilfsbereit zeigte. Großzügige finanzielle Unterstützung gewährten mir die Ehrensenatoren der Ruperto-Carola Heidelbergensis, vor allem Herr Dipl.-Ing. Peter Dornier und seine verehrte Frau Gemahlin, Maja Dornier, Herr Prof. Dr. Carl-Heinrich Esser, der schon mehrfach sich unserem Seminar verbunden gezeigt hat, sowie Herr Prof. Dr. Dr.h.c. mult. Heinz Maier-Leibnitz. Gratias ago quam maximas! Zum Schluß möchte ich dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht und den Herausgebern der Reihe Hypomnemata für die Übernahme der Gedenkschrift als Supplementum, Band 1 meinen Dank aussprechen. Frau Dr. Ulrike Blech war meine Ansprechpartnerin, eine ideale Ansprechpartnerin, insofern als sie in liebenswürdiger Weise mich kompetent beraten und die Publikation von Lingua et Religio mit viel Verständnis begleitet hat. Auch ihr gebührt meine große Dankbarkeit. Gewidmet sei diese Gedenkschrift der Witwe des Verstorbenen, Frau Dr. Astrid Petersmann, die ihrem Mann unermüdlich helfend zur Seite gestanden hat. Sie wünschte sich als Lesung in den Gottesdiensten in Klagenfurt und Heidelberg eine Passage aus dem Hohelied der Liebe (1. Kor. 13): ή άγάπη ουδέποτε πίπτει. Heidelberg, im Juli 2001

Bernd Heßen

Beobachtungen zu den Appellativen für Gott Ein sprachwissenschaftlicher Beitrag zum Gottesverständnis der Alten Elfriede STUTZ gehörte zu den immer seltener werdenden Gelehrten, die getragen sind von dem Bemühen, über die Grenzen ihres eigenen Faches hinauszublicken und stets auch die wissenschaftlichen Ergebnisse der Nachbardisziplinen in ihre Forschung miteinzubeziehen. Daß in diesem Anliegen und Wirken der Verstorbenen, deren Andenken die folgenden Ausführungen gewidmet sind, die Klassische Philologie einen ganz besonderen Platz eingenommen hatte, soll hier dankbar festgehalten werden. Sie war es auch, die für die Nöte und Sorgen der Klassischen Schumacher Latein und Griechisch stets ein offenes Ohr hatte und die sich tatkräftig fur den Erhalt der humanistischen Bildung in einer oft nur allzu inhumanen Zeit einsetzte. Ihr war aber ebenso bewußt, daß wahrer Humanismus ohne die Verankerung im Transzendenten nicht möglich ist und daß einen wichtigen Weg dahin die Religion des Menschen darstellt So wurde gerade auch ein beträchtlicher Teil ihrer Forschungsarbeit bestimmt von ihrem Interesse für religionswissenschaftliche Probleme und Phänomene. Daher möchte der Verfasser dieses Beitrags ganz bewußt eine alte Fragestellung aus diesem Bereich erneut aufgreifen und darlegen, wie vor allem der Mensch der griechisch-römischen Antike seine F.rfahtung von der Existenz des Göttlichen sowie dessen Wesen und Wirken in der Welt sprachlich zu fassen und in einem Begriff von Gott zum Ausdruck zu bringen versucht hat Denn gerade der sprachliche Terminus kann uns auch heute noch einen tiefen Einblick in Religion und Gottesverständnis der Antike vermitteln. Freilich können angesichts der Fülle des Materials hier nur einige Schwerpunkte gesetzt und besonders illustrative Beispiele herausgegriffen werden. Dabei soll das Ziel sein, das Eigenständige und das Überkommene der Gottesvorstellung der Griechen und Römer, wie sie sich im Sprachlichen dokumentieren, herauszuarbeiten, sie mit den Ausdrücken für Gott bei den anderen indogermanischen Völkern zu vergleichen sowie nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu fragen. Schon C. WATKINS1 hat darauf hingewiesen, daß sich eine einheitliche Ausbildung und Verbreitung eines allgemeinen Wortes für Gott bei den Urindogermanen noch nicht vollzogen habe. Dennoch finden sich bei den einzelsprachlichen Vertretern der Indogermanen eine Reihe von rein gedanklichen Parallelen aus einer ehedem gemeinsamen Begriffswelt, die sich in unterschiedlichen sprachlichen Ausdrücken manifestieren. Freilich müssen wir dabei stets im Auge behalten, daß manches siErstvenffentüchung in: Triuwe. Studien zur Sprachgeschichte und Literaturwissenschaft. Gedächtnisbuch für Elfriede Stutz. Hrsg. von K.-F. Kraft, E.-M Uli und U. Schwab, Heidelberger Bibliotheksschriften 47, Heidelberg 1992,127-141 (Heidelberg: Universitätsveriag C. Winter / HVA). 1 C. WATKINS, gad. In: M. MAYRHOFER, W. MEID, B. SCHLERATH, R. SCHMITT (Hrsg.),

AntiquitaUs Indogermanicae. Studien Indogermanischen Altertumskunde und ^ur Sprach- und Kulturgeschichte der indogermanischen Völker. Gedenkschriftfür H. CONTERT, Innsbruck 1974,102.

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Beobachtungen zu den Appellativen fur Gott

cherlich auch durch die Vorstellungen jener Völker mitbestimmt sein kann, mit denen die Indogermanen im Laufe ihrer Wanderungen in Berührung kamen bzw. die sie nach ihrer Seßhaftwerdung in einem bestimmten Siedlungsraum überschichteten. Analysieren wir nun die Appellativa für Gott in den Einzelsprachen, so muß zunächst folgendes festgestellt werden: Bevor es zur Bildung eines Gattungsnamens für Gott kam, bedurfte es einer Abstraktion dessen, worin sich eine Gemeinschaft in der Definition eines Allgemein-Göttlichen einig war. Es ist verständlich, daß diese Wesensbestimmung des Göttlichen zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten einer Sprachfamilie nicht einheitlich war, sondern, entsprechend den jeweiligen religiösen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten, nach unterschiedlichen Kriterien erfolgte. Auf das Ganze gesehen, kann man sagen, daß die Abstraktion und die damit verbundene Herausbildung eines allgemeinen Appellativs für Gott sich nach drei Gesichtspunkten vollziehen konnte, und zwar (1.) nach der Art, wie sich der Mensch im Kult den Göttern nähert, (2.) nach Wesen, Form und Ort der Erscheinung göttlicher Mächte und (3.) nach dem Wirken der Götter. Um die einzelnen Begriffsbildungen für Gott richtig zu verstehen, muß man wissen, daß Griechen und Römern sowie ihren indogermanischen Vorfahren im Gegensatz zu den monotheistischen Religionen des Judentums, des Christentums und des Islams die Vorstellung von einem in jeder Hinsicht absoluten Gott fremd war. Sie verehrten eine Vielzahl von Gottheiten und Dämonen, deren Erscheinung, Handlungs- und Wirkungsweise sehr verschieden sein konnte. In ihrer anthropomorphen Gestalt waren das ursprünglich nur überhöhte menschliche Wesen, die man sich weder allmächtig noch allgegenwärtig noch allwissend vorstellte. Sie waren nicht Schöpfer der Welt, sondern letztlich Geschöpfe, die geboren wurden, im Unterschied zu den Menschen jedoch gewöhnlich in ewiger Jugend verharrten. Wie die Menschen ihr Heim, ihre Arbeit in einem bestimmten Beruf und ihren Lohn haben, so hatten auch die Götter zunächst ihren fest umrissenen Wohnsitz, ihren Wirkungsbereich und ihre Opfer.2 Letztere dienten so wie die Gebete den Menschen dazu, die Götter von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort in ihre Mitte zu rufen, ihnen zu danken oder sie um ihren Beistand anzuflehen. Daher konnte auch die Kultpraxis den Ausgangspunkt für die Genese eines allgemeinen Ausdruckes für Gott darstellen. 1. Appellativa für Gott, gebildet nach der Art, wie sich der Mensch den Göttern nähert Bekanntlich tritt der Mensch durch Anrufungen, Gebet und Opfer in Kontakt mit den Göttern. Durch die magische Kraft des Wortes kann jedes übernatürliche Wesen in die Mitte der Menschen nicht nur gerufen, sondern nach urtümlicher Anschauung geradezu gezwungen werden. Dazu war es aber notwendig, das richtige Wort und den wahren Namen des Gottes zu wissen. Umgekehrt konnte die Gottheit durch einen falschen oder ungebührlichen Ausdruck vertrieben werden. Das gleiche traf auch für das Opfer zu. Daher wurde wie auch heute noch in vielen primitiven Kulturen der eigentliche ursprüngliche Name oft vermieden oder euphemistisch umschrieben,

2

Vgl. dazu bereits Herodot 2,52f.

Beobachtungen zu den Appellativen fiii Gott

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was dann im Laufe der Zeit zu vielen neuen Bildungen bei den Ausdrücken für Gott und das Göttliche führte.5 Vor diesem Hintergrund kann man vielleicht die Genese des allgemeingermanischen Wortes Gott erklären. Die Bildung des german. Appellativs Gott hat im Griechischen und Lateinischen keine Parallele. Allerdings glaubte man einen Beleg für dieses Wort im Altindischen gefunden zu haben, indem man german. *guia- (vgl got. gup, deutsch Gott, engl, god usw.), dem ein indogerm. *ghu-töm zugrunde liegt, mit dem zweiten Bestandteil von altind. puru-hütah, >viel-angerufenangerufen< (zu havate >ruft an, ruft herbeidie Anrufung der Götterausgegossen, dargebracht, geopfert^ dbutih >Opferspende< (zu juhöti, >er opfert einen GußOpferGießkannegießen< bzw. got gtutan, deutsch geßen, hedeitet 7 Das Appellativ gup >Gottdas angerufene Wesendas beopferte Wesen< zu erklären. So findet sich auch im Rigveda dbuta- in der angeführten Bedeutung des öfteren als Epitheton des Feuergottes Agni Nach C. WATKINS» könnte der germanische Gottesbegriff auf den auch sonst bei den Indoeuropäetn verbreiteten Brauch zurückzuführen sein, Geistern auf tumuli Trankopfer darzubringen.

2. Appellativa, gebildet nach Wesen, Form und Ort der Erscheinung göttlicher Mächte Eines der wichtigsten Charakteristika der meisten antiken Götter ist nicht nur, daß sie unsterblich sind, ewig jung9 und ohne Mühsal leben (ρεΐα ζώντες),10 sondern daß sie auch mit mehr Kraft ausgestattet sind als die Menschen, welche diese allerdings durch magische Mittel überwinden können. Diese Kraft dachte man sich zunächst

3 Vgl. dazu besonders W. HAVERS, Neuere Literatur φα Sprachtabu. SAWW 223,5, 1946, bes. 150f., H. PETERSMANN, Quam vim nomen in religionibus ac supetstitionibus gentium habeat VoxLat 20, 1984, fasc. 77, 246-255 (in diesem Band, S. 29-38) und zu Parallelen aus Afrika TH. SUNDERMEIER, Nur gmteinsam können wir Üben. Das Menschenbild scbvan^rikamcher ReBgmen, Gütersloh 1988, bes. 186-188. 4 Vgl. M. MAYRHOFER, Indogermanische Grammatik, 2. Halbband: Lautlehre, Heidelberg 1986,148 und id., Kurqffaßtes etymologisches Worterbuch des Altindischen 3, Heidelberg 1976, 585f. 5 F. KLUGE/W. MITZKA, Etymobgsches Wörterbuch der deutschen Sprache, 22. Aufl., völlig neu bearbeitet von E. SEEBOLD, Berlin, New York 1989, 273. 6 WATKINS (Anm. 1) 102 Anm. 5. 7 Vgl. dazu MAYRHOFER (Anm. 4) 3, 587, id. (Anm. 4) 1, Heidelberg 1956, 442 und J. POKORNY, Indogermanisches etymotogsches Wörterbuch 1, Bern, München 1959,447f. 8 WATKINS (Anm. 1), 102 Anm. 5. 9 Vgl. W. BURKERT, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1977, 309f. 10 Horn. II. 6,38, Od. 4,805.

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Beobachtungen zu den Appellativen fur Gott

durchaus physischer Natur. Und daher kann Homer noch reden von den θεοι φέρτεροι, d.h. >von den Göttern, die mehr tragen< (φέρειν, wovon φέρτεροι abgeleitet ist) können und daher stärker sind als die Menschen (vgl Horn. II. 21,264 θεοι δέ τε φέτεροι ανδρών). Doch schon in der Odyssee erscheint der Ausdruck in den geistigen Bereich übertragen, indem ihn die Göttin Kalypso hinsichtlich der himmlischen Gottheiten gebraucht, die »stärker als sie selbst sind im Denken und Ausfuhren« (Od. 5,169f. θεοί... / ol μευ φέρτεροι είσι νοήσαί τε κρήναί τε). Freilich haben weder die Griechen noch die Römer und deren Vorfahren den Gesichtspunkt der Kraft bzw. der Macht als derart bedeutsam angesehen, daß sie ihn zur Bildung eines Appellativs für Gott herangezogen hätten, oder wenn sie ein davon gebildetes Appellativ besaßen, haben sie es später zugunsten anderer Ausdrucksweisen aufgegeben. Ganz anders verhält es sich bei den Indoiranem, Germanen und Venetem, bei denen sich Spuren einer alten Gottesvorstellung jener Art an Hand der sprachlichen Dokumente deutlich nachweisen lassen: So diente im Altindischen das Wort äsurab, das zunächst (wie avest ahum >Mächtigerdas Leben, die Lebenskraft ausdrückte und etymologisch z.B. noch mit avest anbu >Leben(shauch)Leben, Geist< und letztlich mit altind. ämti >atmenWind< zu verbinden ist Bei letzteren ist von einer Wurzel auszugehen, die auch dem griech. άνεμος, uritaL *anamos > lat. animus, kelt anadl >Atem< u.a. zugrunde liegt." Außerhalb des Indoiranischen lassen sich auch sonst, wie bereits erwähnt, Spuren dieses Glaubens feststellen: vgl. die aus derselben Wurzel abgeleitete Bezeichnung der germanischen Asen (Götteridolatmen< geben (so richtig J. D E VRIES, Aägermamsche Reügfmsgschichte 2, Berlin 2 1957, 9, § 346 mit Anm. 9. Eine solche wurzelhafre /-Erweiterung liegt z.B. auch in griech. θεός, lat.fistus usw. vor: vgl. unten S. 21 dieser Arbeit.

Beobachtungen zu den Appellativen für Gott

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Mit dem Wesen einer Person oder eines Objekts untrennbar verbunden erweist sich die äußere Erscheinung und Form, wie es schon GOETHE in seiner Natürlichen Tochter treffend ausgedrückt hat: »Das Wesen war' es, wenn es nicht erschiene?«13 Zum Wesen des Göttlichen gehört von jeher, daß es nicht nur größer und stärker, sondern auch heller und strahlender gedacht wird als das Menschliche. Diese Auffassung findet sich in der Bildenden Kunst genauso wie in der Literatur. Licht und Helligkeit ist daher gewöhnlich eine typische Begleiterscheinung göttlicher Epiphanie,14 und diese Vorstellung hat sich z.B. auch noch im christlichen Heiligenschein erhalten. Schon bei den Indogermanen wurden Licht und Gott auf das engste verbunden: Dies hat zur Bildung des indogerm. Adjektivs *deiuos >göttlich< und substantiviert Gott geführt, das in den meisten Tochteridiomen des Indogermanischen fortlebt vgL ved. devab, avest daeva »Daemonc, altlat deivos > deus bzw. dims, osk, dehxä xlie Göttlichem (fem.), lit dievas, urgerman. *tetva^ < *dejuos (während das entsprechende altnord. Tyr als Eigenname gebraucht wurde), altnord. phir. tt vor < indogerm. *deju0s, altir. dia, bret doue (vgL auch als Bestandteil des altkeltischen Götternamens Devona) usw. Auffällig ist, daß sich im Griechischen das indogerm. Lexem *deiuo- zur Schaffung des Appellativs für Gott nicht fortsetzt Die Wortbildung von indogerm. * deiuoerfolgte durch sog. Vfddhi aus der Schwundstufe *diu (so vor Vokal bzw. dj.u vor Konsonant) zur Wurzel ~^*dieu-, die sich in griech. Ζευς, ved. Dyaub, lat 1i-piter findet (inschriftlich noch diou- [vgl E. DlEHL, Altlat. Inschr. 88, Index] wie osk. *dj:ou- in Diüvei, Gen. Iov-is < * diou-eslos, während im Griechischen der Gen. von Ζευς von der Schwundstufe gebildet wurde: Διός < διρός). Das Lexem *diieu-/diuz hatte im Indogermanischen die Bedeutung >Tag, Himmele Der indogerm. *d{eus (bzw. seine Nachfahren Zeus, Jupiter usw.) war also die Gottheit, die über den lichten Tag bzw. den hellen Himmel waltete. Die Gottheit und der von ihr beherrschte Ort bzw. Gegenstand bildeten ursprünglich eine Einheit (vgl. dazu auch griech. Γαία, Ούρανός usw. als Bezeichnung von Element und Gottheit zugleich): Die Notiz bei Macr. Satl,15,4 gibt dafür den Beleg: Cretenses Δία την ήμέραν vacant. VgL femer griech. ενδιος >mittäglich< Horn. Od. 4,450, das mit μεσημβρινός glossiert wird, und altind. divasah >Himmel, Tage Ebenso geht lat dies als nominativische Neubildung vom Akk. *diem letztlich auf *dj.eum zurück (*-eum über *emm > er/r, vgl. dazu auch griech. Ζην bzw. Ζήνα, ved. ιdydm), daneben gibt es aber auch lateinische Restfomien, die eine reguläre Entwicklung von *dieu- fortsetzen: *dieu- > diou- > diu- vgl. z.B. die erstarrte Schwurformel mediusfidtus (Cato or. frg. 54 ed. JORDAN. = ORF 176 ed. MALC. = OR 171 ed. CUG.) = me Dius Fidius (mit Ellipse etwa von iuvet wie z.B. Plaut. Poen. 440 ita me Iupiteri), worin Dius für den deifizierten Taghimmel steht, bei dem man schwor, daher auch sub diu (PauL Fest 62,14 L. sub caelo), so wie man auch sub love im Sinne von rnnter freiem Himmel· sagte. Die ursprüngliche Bedeutung von * dieus war jedoch einfach >der Glänzer, der Strahiere Das Nomen ist nämlich letzten Endes zu einer mit Laryngal h2 erweiterten Verbal-

13 Die natürluht Tochter, 2. Aufz., 5. Auftr., V. 1067 (Hamb. Ausg. 5, 8. völlig neubearb. Aufl., München 1977, 246). 14 VgL dazu BURKERT (Anm. 9) 289 und F. PFISTER, RE SuppL 4,277-323 s.v. Epiphanie. 15 Die Form teiwa findet sich auf dem Helm von Negau (um 200 n.Chr.): vgL J. D E VRIES (Anm. 12) 2, 5, § 343, wo auch auf die weiblichen Alatäviat (aus dem Gebiet des Niederrheins) aufmerksam gemacht wird.

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Beobachtungen zu den Appellativen für Gott

wurzel *dei+h2- >leuchten, scheinen, klar sein< zu stellen, die u.a. in altind. dt -dt-h .»scheint*, in der isolierten Imperfektform der 3. Pers. δέατο (Horn. Od. 6,242) >schienklar< usw. vorliegt" Die Gottheit, die Herr über den Glanz und im weiteren über den hellen Tag und Himmel war, wurde natürlich als eine besonders verehrungswürdige Macht angesehen, wie aus der Epiklese Vater hervorgeht: vgl Dyäuf pitä, Ζευς πατήρ, Iu(p)piter bzw. Dicspiter, umbr. lupater. Dies führte wohl auch dazu, daß man noch in indogermanischer Zeit aus tabuis tischen Gründen die ursprüngliche sprachliche Einheit von dem Gott und seinem Objekt, über das er waltete (Himmel, Tag), z.T. aufgegeben und differenziert hat So sind auch die Bezeichnungen fur den Tag in einer Reihe von Einzelsprachen zu erklären: Die Griechen wichen überhaupt auf ein anderes Wort für den Tag aus, nämlich ήμερα. Andere Idiome zeigen eine Erweiterung der schwundstufigen Wurzel *dej< *dl+n-: vgl. altind. dttia/n >TagTag< eine Erweiterung von *dtM- dar, während die vollstufige Form *dieu- zur Bildung des Appellativs für Gott herangezogen wurde. Diese Bedeutungsentwicklung von *dieus war bei den Hethitern nur deswegen möglich, weil man das Primäre dieses Gottes nicht mehr so sehr in seiner Funktion als Herrscher über das Licht des Himmels und den Tag sah, sondern vielmehr als Herr über das Licht generelL17 Dieselbe Sicht läßt sich auch bei den Griechen am Adjektiv δΐος ablesen: In seiner Form ein Adjektiv, gebildet von *diu-(i)Aio, hat es, anstelle der ursprünglichen Bedeutung >leuchtend, glänzend, göttlichedek ohne jeden Bezug zum lichten Taghimmel, wie dies etwa die Ausdrücke δΐοι 'Αχαιοί Horn. IL 5,451, δΐος ύφορβός >der edle Schweinehirt« Horn. Od. 16,1;20 oder χθων δια IL 14,347 lehren können. Vergessen wir in diesem Zusammenhang nicht, wie sehr auch bei den Hellenen die Vorstellung von Zeus als >Leuchter (des Tages), Himmel« geschwunden war und sich seine Bedeutung in Richtung auf eine allumfassende Gottheit geweitet hatte. Freilich waren die Griechen im Unterschied zu den Hethitern nicht so weit gegangen, daß Zeus zu einem allgemeinen Appellativ für Gott geworden wäre. Förderlich für diese Bedeutungsentwicklung war natürlich, daß auch sonst die Beziehung der Götter zum Himmel oft nur gering war. Von Zeus abgesehen, war ursprünglich für die Götter der Himmel weder allgemeiner Wohnsitz noch Wirkungsstätte. Was die vielen überirdischen Götter auszeichnete, war vielmehr das Licht, mit dem sie der Mensch verbunden hatte und in dem sie sich ihm zeigten.

16 Vgl. zu diesem ganzen Abschnitt über *dieu-, *diu-, *dieuo-, *deih!- besonders WATKINS (Anm. 1) 101-110, POKORNY (Anm. 7) 183-187, M. LEUMANN, Lateinische Laut- und Formen/ehre, Neuausgabe, München 1977, 357f., MAYRHOFF.R, Indogerm. Gramm. (Anm. 4) 172; 163, J. SCHINDLER, Bemerkungen zur Herkunft der idg. Diphthongstämme und zu den Eigentümlichkeiten ihrer Kasusfoim. Sprache 19,1973,148-151, PETERS (Anm. 11) 184 und R. ST. P. BEEKES, The Development of the Pmlo-Inde-European Laryngeal! in Grtek, Den Haag, Paris 1969, 260f. 17 Vgl. neben WATKINS (Anm. 1) 103 dazu auch E. NEU, Der Anitta-Text. Studien ψ den Boga^koy-Texten, Heft 18, Wiesbaden 1974,123f.

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Beobachtungen zu den Appellativen für Gott

3. Appellativa für Gott, gebildet nach dem Wirken der Götter a. Numen Nicht minder wichtig als Wesen oder Erscheinung der Götter schien auch ihre Wirkungsweise: Suchte der Mensch doch durch sie die vielfaltigen Phänomene der Welt zu erklären, indem er sein Wohl und Wehe vom Walten der Götter bestimmt sah. Dabei war der Wille der Götter das Entscheidende, durch den alles festgesetzt und geordnet war. Homer und Spätere gebrauchen dafür den Ausdruck Ιότητι θηών, der beim epischen Dichter allerdings nur in der Rede vorkommt und von Cicero fin. 5,49 mit numine divino wiedergegeben wird. Jedoch nicht alle göttlichen Mächte, deren Wirken der antike Mensch erfuhr, waren ihm klar faßbar, obwohl er natürlich fur alle überirdischen Phänomene stets auch nach einer Bezeichnung suchte. Denn durch die Kenntnis des wahren Namens kann nach urtümlich magischer Vorstellung der Mensch ein übernatürliches Wesen in seiner Wirkungsweise, in der sich dessen Wille manifestiert, entsprechend seinem eigenen Willen beeinflussen. Es gehört ohne Zweifel zu den Eigenheiten der römischen Gottesvorstellung, die — im Gegensatz zur griechischen - mehr im Magischen verwurzelt war, daß man sich eine überirdische Macht nicht durch das Setzen einer Tat, sondern einfach durch ihr numen, ihr >Zunicken, Wollen< wirkend dachte: Das ist nämlich die ursprüngliche Bedeutung von numen; nicht jedoch bezeichnet der Ausdruck, wie so oft falschlich aus dynamis tischer Sicht interpretiert, die einem belebten oder unbelebten Gegenstand innewohnende unpersönlich gedachte Potenz.1' Der Wille stellt zugleich auch die Macht dar, die etwas ins Werk setzt Wille, Macht und Werk einet Gottheit bilden mit bei den Römern eine Einheit, so wie Wort und Werk bei unserem jüdischchristlichen Gott. Schon die römischen Religionshistoriker selbst haben numen etymologisch richtig zu nutus gestellt: Vgl. Varro ling. 7,85: numen dictum esse Imperium, dictum ab nutu u n d F e s t 178,9 L .

nutus dei ac potes.

Beide

Wörter gehören wie nuo, deutsch nicken, zur Wurzel *neu-, wobei numen bzw. das formal entsprechende νεύμα auf *neu(s)-mn zurückzufuhren i s t " Sowohl der griechische als auch der lateinische Ausdruck begegnen erst relativ spät νεΰμα seit Theognis,20

18 Numen zuletzt wieder im dynamjs tischen Sinne als uraltes Glaubensgut der Römer erklart von H. WAGENVOORT, Wesenszüge altrömischer Religion. In; H. TEMPORINI (Hrsg.), ANRW1: Von de,η Anfängen Rems bis %tm Ausgmg der Repubük, Berlin, New York 1972, 352-356 und 366-376 (dort auch die ältere Literatur). Aber WAGENVOORTs Hauptstütze Ov. her. 15,158 für numen im Sinne einer dynamistischen Gottesvorstellung ist zu entkräften: An der genannten Stelle spricht Ovid vom Locus Vadimonis, auf dem sich nach dem Zeugnis des Plinius epist. 8,20,3 ff. schwimmende Inselchen befunden haben sollen. So ist m.E. hum mutti numen habere putant zu übersetzen: »viele glauben, daß dieser (seil, der genannte See) eine persönliche Willensäußerung besitze.« Sie wird offenbar so ins Werk umgesetzt, daß der Seedämon die Inselchen wandern läßt Aufgrund dieses Wirkens hat der See(dämon) auch den Namen Vadimon (zu vadert) erhalten (zum Suffix -mon vgL unten Anm. 30 dieser Arbeit). 19 Vgl. dazu POKORNY (Anm. 7) 767. 20 Belege zu νεΰμα in H. G. LIDDKIJ./R. SCOTT/H. ST. JONES, Α Gntk-EngBsh Lexiem. With α Supplement, Oxford 1968,1170.

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Beobachtungen zu den Appellativen fur Gott

numcrt seit Accius.21 Bemerkenswert ist jedoch, daß bei den Griechen der Ausdruck νεϋμα nicht dieselbe religiöse Bedeutung erlangt hat wie numen bei den Römern. Daß numen von letzteren aber ursprünglich nicht zur allgemeinen Bezeichnung einer nicht naher faßbaren göttlichen Kraft als Vorstufe des späteren persönlichen Gottesbegtiffes deus verwendet wurde, geht schon daraus hervor, daß das Wort bis in Augusteische Zeit mit Bezug auf den Willen einer bestimmten Gottheit gesagt wird.22 Erst dann weitet sich der Gebrauch von numen in Richtung auf ein Appellativ für Gott. Ursprünglich aber kannten die Römer nur an Appellativ für Gott, und zwar das oben besprochene deus, wenngleich damit der Glaube der Römer an persönlich nicht faßbare überirdische Kräfte nicht geleugnet werden solL23 Anders geben sich die Verhältnisse bei den Griechen: Bei ihnen begegnen vom Anfang an zwei Appellativa, nämlich θεός und δαίμων, die jedoch nicht einfach austauschbar sind. Hier soll der letztere Ausdruck zuerst behandelt werden.

b. Δαίμων Während θεός schon in den mykenischen Täfelchen der linear B-Texte häufig begegnet, finden sich die ersten Zeugnisse für δαίμων mit Sicherheit erst ab Homer 2 4 Bei ihm erscheinen sowohl δαίμων als auch θεός als Appellativa für Gott. Π. 1,222 heißt es z.B., daß Athene auf den Olymp μετά δαίμονας άλλους ging. W. BURKERT hat mit Recht festgestellt, daß mit δαίμων nicht eine bestimmte Klasse göttlicher Wesen im Unterschied zu den θεόι, sondern nur eine eigentümliche Wirkungsweise 25 überirdischer Mächte bezeichnet wird. Fragen wir nun, inwieweit uns darüber die Etymologie des Wortes nähere Auskunft geben kann, so möchte ich — entgegen den Einwänden mancher - an der von U. v. WlLAMOWITZ-MORT .7 .F.NDORFF vertretenen Deutung des Wortes als >Zuteiler< festhalten26 und für das Griechische von δαιzerteilenzuteilenteilen< anzunehmen (vgL z.B. ebenso griech. φέρειν >hintragen, hertragen, wegtragen«: zu letzterem vgl φώρ, lat fur, >der DiebTeil< bzw. Μοίρα, Αίσα >die Göttin, die austeilt^ also >Schicksalsgöttin«, ihre Parallele hat Freilich hat sich im Unterschied zu δαίμων das Wort μοίρα bzw. αίσα bei den Griechen nicht weiter zu einem Gattungsnamen für Gott entwikkelt Die Vorstellung, nach der der Teil, über den ein Gott waltet, mit dem Gott selbst als dessen Zuteiler identifiziert wird und so zum Appellativ für Gott werden konnte, findet sich jedoch nicht nur bei den Griechen. Sie hat ihte genaue gedankliche Parallele im indoiranischen und slawischen Sprachbereich. So heißt im Altindischen bbagpb einerseits der >Zuteiler< als Epitheton von Göttern, andererseits >Besitz, Wohlstand«, also letztlich >das, was einem zugeteilt wird, was man erhält«. Dieselbe Bedeutung wohnt auch dem altind. Verb bbäjati inne ( = >teilt zu, wird teilhaftig, empfangt«). Interessant ist, daß sich im Iranischen eine Bedeutungsentwicklung von indogerm. *bhag>s >Zuteiler< zum Appellativ fur Gott (vgL avest baja, altpers. baga) vollzogen hat, eine Erscheinung, die mit dem Iranischen auch das Slawische teilt51 Auch in letzterem heißt bog ursprünglich nicht nur der »Zuteilen, sondern auch der >Anteil«, wie heute noch im Slowenischen bog in beiden Bedeutungen verwendet weiden kann, letztere hat sich allerdings nur mehr im Dialekt erhalten: vgl· z.B. die Wendung aus einem Gebiet von Krain: yltga boga tqjva »er erlebt einen schlechten Zuteilet, einen schlechten Anteil, es geht ihm schlecht«. So wild auch der Mensch, der >keinen Zu28 VgL z.B. nur Horn. Od. 5395f. Da geht eine böse Krankheit von einem δαίμων aus, wobei sie mit diesem identisch ist, und steht im Gegensatz zu den θεοί als fest bestimmbaren göttlichen Wesen, die den Kranken von seinem Übel erlösen. Zu den volkstümlichen Vorstellungen von δαίμων vgl. besonders W. KULLMANN, Das Wirken der Götter in der IBas. Unters, χιιτ Frage der Entstehung des Homerischen Götterapporats, Berlin 1956, 49-57 und M. ALPEROWITZ, Dos Wirken und Watten der Götter im giechischen Reman, Diss. Heidelberg 1992, Kap. 5, mit weiterer Literatur. 29 Belege bei BURKERT (Anm. 9) 280 Anm. 9. 30 Das Suffix -mon bezeichnet gewöhnlich ein Nomen agentis, findet sich aber auch in Wörtern mit pass. Bedeutung: vg). zB. θημών »der Haufen« (zu τί-θη-μι), lat aimo xlas genährte Kind, der Pflegling« (zu ab)·, so ist auch ευδαίμων >die gut beteilte Person, der Reiche, Glückliche«. VgL E. BENEVISTE, Orignes de la formation des noms en Indo-etmpeen, Paris 1935, 122f., LEUMANN (Anm. 16) 371 und E. SCHWYZER, Griechische Grammatik 1, München 1939, 522ff., wo das Suffix -men/-man mit dem Suffix der mediopass. Partizipien -meno- etymologisch in Verbindung gebracht wird (mit weiterer Literatur); vgl. dazu femer G. BONFANTE, L'accento delle parole greche a esito spondaico. SIFC N.S. 7,1930, 284f. 31 Vgl. MAYRHOFER (Anm. 4) 2, Heidelberg 1963, 457ff. und 462.

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Beobachtungen zu den Appellativen für Gott

teilen hat, daher auch »keinen Anteil erhält*, ubog >arm< genannt, wie umgekehrt das P.P.P. bogat ( = >der von Gott Beteiltereich< (d.h. >der von Gott Bedachte*) semantisch seine genaue Parallele hat Das Phänomen der Verdrängung des gewöhnlichen Appellativs fur Gott im Iranischen und Slawischen hängt wohl mit einer Begriffsabwertung der älteren Ausdrücke für Gott zusammen: Sowohl rran. *daiua- als auch das entsprechende slaw. *ών- nahmen den Sinn des Negativ-Dämonischen an, was zur Folge hatte, daß das entstandene Vakuum durch ein neues Wort ausgefüllt werden mußte. Bei der Bedeutung, welche die Indogermanen von alters her den Göttern als den »Zuteilen» von Glück und Unglück im Leben beimaßen, erscheint dieser Ersatz im Iranischen und Slawischen ganz verständlich.34 Semantisch damit vergleichbar ist auch bei den Germanen die Vorstellung von Metod (zu metan >messencelle qui feconde< (cf. θρωσκω >sauterfecondervie, force vitalerespirer, vivrerespirervent< et lat. animus >vie, espritidolepartiesortc L'idee du partage a meme servi de base pour developper un nom generique signifiant dieu,, ce que montrent les appellatifs iran. baga, >dieucelui qui distnbuei aussi bien que >la partie< et qui est etymologiquement apparente ä skr. bbäjaä >partagercelui qui partage Universitate orationis T-atinae habendae. Religioni cum superstitione communis est persuasio esse numina deorum vel daemonum, quae vitae hominis aut prodesse aut nocete possint. Quae numina ut sibi propitia fäciant, homines antiquitus et ptecationibus et «arrifirii« utuntur. Homo autem cum deo vel daemone quodam societatem inire non potest, nisi nomen eius novit: Opinione enim hominum simpHcium ac tudium nomen idem est ac persona vel res denotata neque a persona vel re, quam denotat, separari potest Α. ERMANN, vir doctissimus, in libro suo de religione Aegyptiorum scnpto' demons travit iam Aegypüos antiquos credidisse hominem constare e corpore et animo et nomine. Quas partes inter se esse ita coniunctas, ut nullo modo possent seiungL Quam opinionem viri docti, qui alienarum gentium mores vitaeque consuetudines investigant - quos ethnologos vocamus —, nostris quoque temporibus invenerunt apud incolas regionis cuiusdam Angmagsalik appellatae, quae in insula Germanice tGmnlaiuk dicta [Latine: Gronia sive Gro(e)nlandia] sub solis ortum sita est. Proprium alicuius personae vel rei nomine indicatur, neque persona vel res, quid sit, cognosci, percipi, intellegi potest nisi nomine suo. Itaque vocabulum moment, quod ex ilia lingua anüquissima, quam Indogermanicam vocamus, ortum esse viri docti consentiunt, in Unguis Italicarum gentium et Ariorum non solum nomen ipsum, id est sermone nostro >Namem, sed etiam naturam atque vim personae vel rei cuiusdam (id est >Wtstm, >Begnffi [i.e. >essentiam et notionemnomen< non modo ad denotandos homines singulos, verum etiam ad appellandum totum populum vel rem publicam antiquitus in usu erat Cuius rei pauca exempla afferam: In lingua Indorum antiquorum verbis Ätyam nima, quorum propria significatio est >nomen Ariumpopulus Ariorumpopulo Latino< dictum est Saepe etiam in Tabulis Iguvinis vocabulum Umbricum numen vel nomen, quod nomen significat, cum adiectivo coniunctum ad gentem quandam appellandam adhibitum est. Cfr. exempli gratia inscriptionis verba Tabulae Igtvinae Vila lOsqq., in invocatione D e a e Praestitae Cerfiae posita »Prestota Sctfia Seif er Marlier,

tiom ear vesclir adrir

popluper

Erstveröffentlichung in: Vox Latina 20, fasc. 77, 1984, 246-255 (Saarbrücken: Universität des Saadandes). * Haec oratio habita est in lectionum Laonarum cyclo, qui inscriptus est »Nomen atque Omen«, die XXI. m. Decembns 1983° in Universitate Litterarum Heidelbergiensi, delude die XVI. m. Ianuarii MCMLXXXIV in Universitate Saraviensi, post in Litterarum Universitate Mogontiacensi die VII. m. Febniarii anno MCMLXXXIV. 1 CCt. A. ERMANN, Ägyptische Reägion, Berolini 2 1909, pp. 88sqq.

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Quam vim Domen in religionibus ac superstmombus gentium habeat

totar Iiovinar, totaper liovina, ertr nomneper, erar nomncper. Pnstota Serfia Werfer Martier, pnvendu via ecla atero tote Tarsinate, trifo Tarsinate, Tursce Naharce labusce nomne, totar Tarsinater, trifor Tarsinater, Tuscor Nabaner labusctr nomner nerus sitir ansihitir, iovies hostatir anostatir, era nomne ... Pnstota Serfia Serfer Martier, salvo seritu popler totar Iiovinar, totar Iiovinar nome neif arsmo, viro pequo, castruofrjf,saiva seritu, futu Jons pacer pase tua pople totar Iiovinar, tote Iiovine, ertr nomne, erar nomne.« Id est Latine: »Praestita Cerfia Cerfi Martii, te his vasculis atris pro populo civitatis Iguvinae, pro civitate Iguvina, pro populi nomine, pro civitatis nomine. Praestita Cerfia Cerfi Martii, advortito via omni malum civitati Tadinati, tribui Tadinati, Tusco Narco Iapudico nomini, civitatis Tadinatis, tribus Tadinatis, Tusci Narci Iapudici nominis principibus cinctis incinctis, iuvenibus hastatis inhastatis, eorum nomini ... Praestita Cerfia Cerfi Martii, salvum servato populum civitatis Iguvinae, civitatis Iguvinae nomen, principes sacerdotes, viros pecora, fundos fruges, saiva servato, esto volens propitia pace tua populo civitatis Iguvinae, civitati Iguvinae, populi nomini, civitatis nomini.« Quae oratio infra etiam ea de causa iterum tractanda ent, quod in eius initio verbum agendi res divinas indicans omissum est Vocabulum autem nomen pro populo vel gente dictum non solum apud Indos antiques et Italiae gentes invenimus, sed etiam Graeci verbo δνομα ita usi sunt: nam in operibus vetustiorum poetarum scriptorumque nonnnlla testimonia huius rei legxintur, quorum hoc loco tantum duo ex tragoediis sumpta afferam: In Euripidis Iphigenia Taurica Pylades Orestem amicum monens, ut et flendi et sororem amplexandi finem faciat terramque Tauricam relinquat, cum ex periculo nondum ereptus sit, haec verba effundit (vers. 902sqq.): τό μέν φίλους έλθόντας είς 6ψιν φίλων, 'Ορεστα, χειρών κεριβολάς είκός λαβείν λήξαντα δ' οίκτων κάκ' έκεΐν' έλθεΐν χρεών, δικός τί> κλεινύν δνομα τής σωτηρίας λαβόντες έκ γής βησόμεσθα βαρβάρου. Quos versus Graecos in versus Latinos vertere ego hoc modo conatus sum: Amicis, cum ante amicorum ora advenerunt, fas est inter se colla complecti manu. Dein necesse abire abstetsis lacnmis ut arrepto saluüs claro nomine ex terra hostili demigremus barban. Hoc loco voces rnomen salutisδνομα της σωτηρίας< nihil aliud nisi salutem significant. Simili ratione vocabulum δνομα dictum apparet in versu 1082 illius tragoediae Euripidis, quae Orestes inscribitur, ubi pro >amico< vel >amicitia< positum est: άλλ', ώ ποθείνόν δνομ' όμιλίας έμής, χαϊρ'.

Quam vim nomen in religionibus ac superstitionibus gentium habeat

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Id est Latine: Sed nomen exoptatum amici tu mihi, salve!

Lectionem όνομα codicibus tecte traditam esse persuasum habeo neque cum MURRAY editore consentio, qui δνομα in δμμα corrigendum esse putavit F.Ham notabilior nobis videtur ille vocabuli δνομα usus in posteriore lingua Graeca, in qua δνομα pro persona ipsa dici potuit Itaque in ilia praerlarissima oratione, qua Christus Pattern Nostrum in caelis invocat, δνομό σου pro σύ positum est Huic autem sermoni exemplum erat elocutio Aiamaica ßtkaddai Fmak, cuius verba verbis Graecis άγιασθητω το δνομά σου reddita sunt Eum usum verbi δνομα in postetiore Graecitate divulgatum esse nobis ostendit vir doctissimus A. NUTH in dissertatione sua, quae inscribitur »De Marci Diaconi vita Porphyri episcopi Gazensis quaestiones historicae et grammaticae.«2 Nam apud Marcum Diaconum vita Porph. episc. Gaz. 74 legimus: Προσετέθησαν οί>ν xfl τοΰ Χρνστοΰ κοίμνη ... όνόματα τριακόσια, id est »Christi gregi trecenta nomina, id est homines Christianos addiderunt«. Simili modo in recentiore lingua Graeca (ό)νόματοι pro hominibus vel personis dicitur. Etiam apud scriptores Latinos, imprimis apud poetas, eundem usum vocabuli nominis personam ipsam significantis invenimus: velut apud Senecam diaL 10,20: »cum (videris) celebre in foro nomen, ne invideris«, et apud Iuvenalem 13,247: »poena gaudebis amara nominis invisi«. Ex exemplis allatis satis perspicuum sit multos homines antiquitus credere nomen atque personam vel rem idem esse. Itaque nomini, cum persona vel res ipsa sit, vim ac potestatem personae vel rei inesse necesse est Id ehicet e vocabulo, quod in lingua Georgica >nomen< significat, id est sak'eti, quod Latine verti potest >id, quod vires datprecari< significantibus translatum e s t D e viribus deorum nomine solo auctis iam Indogermani eandem opinionem habuerunt ac gentes supra commemoratae. Q u o d plane intellegitur exemplis sequentibus ex antiquis Indorum carminibus, quae Vedae dicuntur, sumptis: nam legimus exempli gratia in carmine Rigveda appellato (3,34,2) Indrah ... brähmajütah ... pra jütim

iyarmi väcam amftäya

bhüfan.

I d est: » I n d r a ... q u i es c a r m i n i b u s p r o m o t u s ...

emitto vocem promoventem immortalibus vim vitalem tribuens.« Vires deorum carminibus adiuvari et augeri posse in sententia laudata elucet etiam e verbis brähmajütah et jütim n a m substantivum jütim non solum velocitatem, sed etiam vim et potestatem significat; idem valet, quod ad vim participii perfecti passivi jütalP in brähmajütah attinet: Gradus et quasi processus significationis verbi junäti clare intellegi possunt, si cum verbo Latino promovendi vel nostro verbo (Theodisco] >schieben< comparantur. Nolite quoque oblivisci eandem vim priscam Latinae voci >auguris< propriam fuisse, quae derivatur a verbo augendi. 4 Idcirco augur antiquissimis temporibus is erat, qui deorum potentiam carminibus ac verbis suis augere posse duceretur. Hac in sententia sensus proprius participii bhüsan est ό φύσας, id est >vim vitalem donansvis, potentia». Cfr. M. MAYRHOFER, Kurgefaßtei etymologisches Wörterbuch des Λ/tindischeit 1, Heidelbergae 1956, pp. 424sq. 4 Cfr. A. WALDE, Lateinisches etymotopsches Wörterbuch 1, Heidelberg 1965, p. 83 s.v. augur.

Quam vim nomeo in rebgionibus ac superstitionibus gentium habeat

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vocibus φύσις, φύω, fomiis Latinis fui,fuisti etc., verbis Slavicis bom, budem vel bihr, Le. >eresse< inest 5 Quod supra diximus, etiam affirmatur vocibus Indorum brähma et brahman, quae antiquissimis temporibus formam, figuram, elocutionem et formatorem, figuratorem vel eum, qui eloquitur, significaverant, postea sacrificium et eum, qui sacrificium facit, denotaverunt Voces brähma et brahman cum verbo bfbäti, quod ;ßrmaree vel >aliquem vi afficere< significat, coniungendas esse, ut nonnnlli viri docti putant, verisimile est: Brahman ergo ille est, qui brähma suo (id est vel precatione vel sacrificio) vires äuget Significatio huius verbi etiam nunc in lingua Afganorum in voce bram vim designante viget 6 Hoc modo perspicuum est, quare epitheta quaedam omantia in antiquis precationibus tarn frequenter usurpata sint, quae non solum ad orationem omandam, sed etiam ad dei gloriam et vim et potestatem augendam dicta esse G. B. BONFANTE in dissertatione sua -»Etude sur le Tabou dans les langues indoeutopeenneso' inscripta ostendit »Homines epithetis omantibus dicendis deos vi et gaudio affectos sibi propitios fore sperare.« Alia ex parte potentia viresque dei vel daemonis cuiusdam malo nomine etiam minui posse putantur Unde explicatur, cur homines simplices rudesque diis nonnumquam maledicant Quam vim ac potestatem nomen in superstitione habeat, etiam ex his rebus intellegitur, quas A . DIETERICH in libro Eine Milbrastiturg*· inscripto et H . BÄCHTOLD-STAUBLI in Handwörterbuch des deutschen Aberglauben? descripserunt etiam adhuc in regionibus quibusdam Germaniae est mos paginam cum nomine cuiusdam hominis inscriptam lingua detergere detersamque devorare. Quo facto vim ac potestatem daemonis vel personae, cuius nomen chartae inscriptum sit, in eum, qui nomen devoraverit, transire arbitrantur. De usu nominis, qui in vulgi arte medendi adhibetur, me multa disserere non necesse est. Ut alia omittam, Lucianus scriptor Gtaecus in capitulo decimo libri, qui Philopseudes inscribitur, homines dezisit, qui putarent morbos nomine sacro dicendo sanari posse, cum diceret: Σύμοιδοκεϊς, ... ούδέ

θεούς είναι κιστεύειν εί γε μή οΐέι ιας Ιάσεις οΐόν τε είναι χηώ Ιερών όνομάτων γίγνεσθαι, 1.e. Latine: »Tu mihi videris non credere deos esse, si diffidis nominibus sacris morbos sanari posse.« Nunc ad aliam vim ac potestatem nominis transeam, id est ad vim advocandi. Cum is, qui nomen alicuius noverit, ilium ipsum, cuius nomen sciat, in potestate sua teneat, ut supra demonstravimus, nomine dicendo illum ipsum cogere potest, ut adsit. Igitur intellegendum est, cur antiqui in precationibus ac hymnis deos quam 5 His de rebus copiose egit J. GONDA, The Miming oj Vedic bhüfati, Wageningen 1939, p. 5; et idem: Lat .Jarno etc. Mtumosyru III. ser. vol. 9,1940, pp. 112sqq. - Cfr. etiam M. MAYRHOFER, op. mem. 2, Heidelbergae 1963, pp. 515sq. 6 Cfr. M. MAYRHOFER, op. mem. 2, pp. 452sqq. et 3, p. 769 s.v. brähma et 2, p. 445sqq. s.v. brhä. 7 In opere, quod est: Melanges detingmitiqueofferts ä Charles Bafly, Genevae 1939. 8 Lipsiae 1903, p. 112. 9 Cfr. vol. 6, Berolini 1934/35, pp. 950sqq.

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Q u a m vim η omen in religionibus ac supers tioonibus gentium ha beat

plurimis nominibus appellaverint, quas preces Graece ΰμνους κλητικούς nominamus. Du pagani, quippe qui noa ubique praesentes esse putarentur, omnibus nominibus suis proptiis dicendis advocandi erant. Itaque antiqui, imprimis Romani, in precationibus magnam operam dabant, ne ullum nomen proprium dei omitterent neve falso nomine uterentur, ne deus vel daemon sibi irasceretur, ut elucet exempli gratia ex invocatione Isidis, quam legimus apud Apuleium in capitulo secundo libn undecimi Metamorphoseon: »Regina caeli, - sive tu Ceres alma frugum parens originalis, quae, repertu laetata filiae, vetustae glandis ferino remoto pabulo, miti commonstrato cibo nunc Eleusiniam glebam percolis, seu tu caelestis Venus, quae primis rerum exordiis sexuum diversitatem generato Amore sociasti et aetema subole h u m a n o genere propagato nunc circumfluo Paphi sacrano colens, seu Phoebi soror, quae partu fetarum medelis lenientibus recreate populos tantos educasti praeclansque nunc veneraris delubris Ephesi, seu noctumis ululatibus horrenda Proserpina tnfonru facie larvales impetus comprimens terraeque claustra cohibens lucos diversos inerrans vario cultu propiriaris, — ista luce feminea conlustrans cuncta moenia et undis ignibus nutriens laeta semina et solis ambagibus dispensans incerta lumina, q u o q u o nomine, q u o q u o ritu, quaqua facie te fas est invocare: tu meis iam nunc extremis aerumnis subsiste, tu fortunam conlapsam adfirma, tu saevis exanclatis casibus pausam pacemque tribue ...« C u m nomine proprio suo dicto ille, cuius nomen sit, adesse cogatur, homines n o m e n alicuius dei vel daemonis vel animalis periculosi n o n eloquuntur nisi necesse est, quod infra demonstrandum erit. Etiam mortuis parendum est, praesertim cum ter nominibus suis appellentur. U n d e animo comprehendimus, quare Ulixes in Odysseae carmine IX. (versibus 64sqq.) socios, qui procul patria occisi essent, ter nominibus vocaveric Qua ratione animae eorum coactae sunt aliena terra relicta naves in patriam sequi, ut domi cenotaphio condi p o s s e n t Sed daemon vel deus nomine suo dicendo non solum adesse cogitur, sed etiam depelli ac fugari potest. Ita exempli gratia versipellis praenomine suo appellatus rursus in formam humanam mutatur. Simili m o d o etiam nostris in fabulis illis lemuribus, quos Mährten vel Druden vocamus, fugiendum est, cum nominibus suis nuncupantur. Ea re partim explicatur, cur in superstitionibus usque ad nostram aetatem n o n n u m q u a m etiam verba obscaena adhibeantur: nam existimatur his vis inesse malos infestosque daemones pellendi. Q u o m o d o daemones nomine quodam dicendo pellantur atque fugentur, multis exemplis e gentium fabulis haustis illustrari potest. H o c loco tantum unum exemplum afferam, quod vobis omnibus notum sit, id est fabulam de discipulo magi, qua Goethe in illo carmine Der Zauberlehrling inscripto usus est. At Goethe ille poeta ckrissimus hanc fabulam non ipse finxit, sed ex antiquis fontibus hauriens retractavit. N a m primus Lucianus in libro, qui Philopseudes inscribitur, 10 narravit magum quendam Babylonicum nomen trium syllabarum pronuntiantem e pessulis, scopis, mortariis homines creavisse, qui opera facerent, eosdemque operibus confectis iterum in res commutasse. Hac fabula discimus, quantam vim nominibus inesse homines aestimaverint, arbitrati nominibus dicendis se res in homines animare animatosque rursus inanimos facere posse. Similia etiam in nostris Bibliis Sacris invenimus, cum apud Isaiam prophetam in capitulo 43,1 legimus: »Et nunc haec dicit 10 Cfr. capp. 35sq.

Quam vim nomen in religionibus ac supersorioiubus gentium habeat

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Dominus creans te, Iacob, et formans te, Israel· noli timere, quia redemi te, et vocavi te nomine tuo: meus es tu.« Sed etiam ilia persuasio nominibus pronuntiandis fieri posse, ut infestis hominibus noceatur, iam antiquitus permultis testimoniis confirmatur. Inter haec ante omnes defixionum tabellae cotnmemorandae sunt; quibus nomina hominum inimicorum insculpta et interdum etiam ferro transfixa dis inferis dedicabantur. Quibus rebus gerendis nostra quoque aetate multi homines se adversarios suos aut morte aut alio quodam damno afficere posse credunt Cuius rei pleraque exempla afferuntur in illo Superstitionum Thiudiscarum manuaä a viro docto BÄCHTOLD-STÄUBLI confecto," in quo mira quaedam consuetudo ab incolis Vestfaliae usque ad Helvedos servata describitur, ut nonnumquam homines nomen adversarii sui dicentes res quasdam verbetent. Quo facinore arbitrantur se illos, quos oderint, malo ac dolore afficere posse. Igitur maxime curant, ne quam partem corporis, cui detrimentum inferre velint, in devotionibus omittant Nunc mihi disputandum est, quibus de causis in religionibus ac superstitionibus nomina quaedam aut evitentur aut demutentur aut omnino aliis vocibus submota sint Quam rem Tabu [i.e. >indicibilem< vel >intangibilem