Lingua et religio: ausgewählte kleine Schriften zur antiken Religionsgeschichte auf sprachwissenschaftlicher Grundlage 9783525252314, 3525252315

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Lingua et religio: ausgewählte kleine Schriften zur antiken Religionsgeschichte auf sprachwissenschaftlicher Grundlage
 9783525252314, 3525252315

Table of contents :
Inhalt
Vorwort des Herausgebers
Beobachtungen zu den Appellativen für Gott
Les dieux anciens et leurs professions
Quam vim nomen in religionibus ac superstitionibus gentium habeat
Religion, Superstition and Parody in Petronius' Cena Trimalchionis
Εὐσέβεια, θρησκεία and religio. An etymological analysis of three disputed terms
Zu einem altrömischen Opferritual (Cato de agricultura c. 141)
Lustrum: Etymologie und Volksbrauch
Springende und tanzende Götter beim antiken Fest
Altgriechischer Mütterkult
Der homerische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtum
Demeter in Dodona und Thrakien
Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos
Tithrone als Epiklese der Athene
Die Moiren in Aischylos’ Eumeniden 956-967
Nochmals zu Aischylos Agamemnon 560ff.:
Orests Schuld und Sühne bei Aischylos
Vom Märchen zur epischen Sage. Eine sprach- und motivgeschichtliche Untersuchung zu den Namen der Hauptpersonen in der Meleagris
Neptuns ursprüngliche Rolle im römischen Pantheon. Ein etymologisch-religionsgeschichtlicher Erklärungsversuch
Lucina Nixusque Pares. Die Geburtsgottheiten in Ovids Met. IX 294
Das ursprüngliche Wesen der römischen Laren in neuem Licht
Abbildungen
Verzeichnis der Schriften von Hubert Petersmann
Ausgewählter Stellenindex
Ausgewählter Wort-, Sach- und Namensindex

Citation preview

VER

Hypomnemata Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben

Supplement-Reihe Herausgegeben von Albrecht Dihle, Siegmar Dópp, Dorothea Frede,

Hans-Joachim Gehrke, Hugh Lloyd-Jones, Günther Patzig, Christoph Riedweg, Gisela Striker Band 1

Vandenhoeck & Ruprecht

Hubert Petersmann

Lingua et Religio Ausgewühlte Kleine Schriften zur antiken Religionsgeschichte auf sprachwissenschaftlicher Grundlage

Herausgegeben von

Bernd Heßen

Mit zehn Abbildungen

Vandenhoeck & Ruprecht

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Petersmann, Hubert: Lingua et religio : ausgewählte kleine Schriften zur antiken Religionsgeschichte auf sprachwissenschaftlicher Grundlage / Hubert Petersmann. Hrsg. von Bernd HeBen. — Gottingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 2002 (Hypomnemata : Supplement-Reihe ; Bd. 1)

ISBN 3-525-25231-5

© 2002, Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen Internet: http://www.vandenhoeck-ruprecht.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Hubert & Co., Göttingen Einbandkonzeption: Markus Eidt, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Professor

Dr. Hubert

Petersmann

Vorwort des Herausgebets nn

9

Beobachtungen zu den Appellativen für Goff

Ein sprachwissenschaftlicher Beitrag zum Gottesverständnis der Alten un

11

Les dieux anciens et leurs professions ns

22

Quam vim nomen in religionibus ac superstitionibus gentium habeat ...................... 29 Religion, Superstition and Parody in Petronius’ Cena Trimalchionis une

Εὐσέβεια, θρησκεία and reZgio

39

An etymological analysis of three disputed terms ........

48

Zu einem altrómischen Opferritual (Cato de agrienitura c. 141) sess

57

Lustrunr. Etymologie und Volksbrauch ...................

69

sesenta

Springende und tanzende Götter beim antiken Fest .................

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Altgriechischer Mütterkult nn

89 105

Der homerische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtum ........... 133 Demeter in Dodona und Thrakien

Ein Nachtrag |... ttt ttt ttt ttt ttti 146 Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos Eine etymologisch-religionsgeschichtliche Untersuchung ..................

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152

Tithrone als Epiklese der Athene Ein etymologisch-religionswissenschaftlicher Beitrag zum Wesensverständnis der Göttin

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Die Moiren in Aischylos’ Eumeniden 956-967...

180

Nochmals zu Aischylos Agamemmon 560ff. Der sprachliche Ausdruck und die Bedeutung von ἕνθηρος ..nnneneneeeneneeeeneeenneenenennnennennn 191

Orests Schuld und Sühne bei Aischylos W. Kraus praeceptori carissimo ac doctissimo |...

nenne 196

Vom Märchen zur epischen Sage Eine sprach- und motivgeschichtliche Untersuchung zu den Namen der Hauptpersonen in der Me/eggnis |...

216

Neptuns ursprüngliche Rolle im rómischen Pantheon Ein etymologisch-religionsgeschichtlicher Erklärungsversuch ....................

sss

226

Lucina Nixwsque pares. Die Geburtsgottheit in Ovids Met. IX 294 Variationen eines mythologischen Motivs nn

236

Das ursprüngliche Wesen der römischen Laren in neuem Licht .........uneesen 250 Abbildungen ——————

273

Abbildungsnachweis inner

283

Verzeichnis der Schriften von Hubert Petersmann ...............

284

Ausgewählter Stellenindex..…....................….…..

ss

sn

Ausgewählter Wort-, Sach- und Namensindex sss

292 299

Vorwort des Herausgebers Es sei mir hier gestattet, ganz persönliche Worte in memoriam meines verehrten Lehters Professor Hubert Petersmann, Ordinarius für Klassische Philologie, auszuspre-

chen: Herr Petersmann verstarb — zwischen zwei Vorträgen — am 31. Januar 2001 in unserem Seminar. Kollegen, Mitarbeiter und Studierende erlebten voller Angst und Bangen die letzten Minuten seines Daseins mit. Nie werde ich vergessen, wie sein Schüler und Stipendiat, Herr Andrej Petrovic, ihm ebenso gekonnt wie beherzt und liebevoll erste Hilfe leistete. Die Beisetzung fand im engeren Familien- und Freundeskreis in Klagenfurt statt, Herrn Petersmanns Heimat, der er sich stets verbunden gefühlt hat. Bei uns in Heidelberg wurde in der größten und schönsten katholischen Kirche von Dekan Dr. Klaus Zedtwitz der Gedenkgottesdienst sehr würdevoll zelebriert. Aus Deutschland und aus vielen Ländern kam eine zahlreiche Trauergemeinde

zusammen, um dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Beileidsbezeugungen trafen aus der ganzen Welt ein. Der Dekan der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft, Herr Prof. Dr. Joseph Maran, der Geschäftsführende Direktor des Seminars, Herr Prof. Dr. Jürgen Paul Schwindt, sowie Herr Prof. Dr. Dr.h.c. mult. Geza Alföldy, der ihm als Freund besonders nahe stand, hoben in ihren Ansprachen die herausragende Bedeutung von Professor Petersmanns wissenschaftlicher Arbeit

hervor, sein überaus großes und beständiges Engagement im Seminar und in der Fakultät, für die er sich auch als Dekan in schwieriger Zeit mit ganzer Kraft eingesetzt hatte. Dabei wurde immer wieder und ausdrücklich an Herrn Petersmanns herzliches und zuvorkommendes Wesen erinnert, das jeder schätzte, der mit und bei

ihm arbeiten durfte. Die Fürbitten zweier seiner ausländischen und zweier seiner deutschen Studierenden waren getragen von großer Dankbarkeit und Zuversicht, daß der Mensch Hubert Petersmann, sein vielfältiges Werk und sein Wirken nicht der Vergessenheit anheimfallen werden. Es ist mir völlig unmöglich, allen namentlich zu danken, die mir bei der Organisation des Gottesdienstes

mit dem

sich anschließenden

Beieinandersein geholfen

haben. Herr Dekan Dr. Zedtwitz sei hier dennoch dankbar erwähnt. Professor Petersmann wurde am 20. August 1940 in Klagenfurt/Kärnten geboren. Er studierte in Wien und London Klassische Philologie, Vergleichende Sprachwissenschaft, Anglistik und Romanistik. Ganz besonders prägend für ihn waren seine Wiener Lehrer Walther Kraus und Albin Lesky. 1981 wurde Herr Petersmann auf den Lehrstuhl von Viktor Pöschl berufen. Sein wissenschaftliches Interesse gehörte der gräzistischen und latinistischen Linguistik; er widmete sich ihr in Forschung und Lehre mit Leidenschaft und Akri-

bie. Ich móchte in diesem Zusammenhang nur zwei Schwerpunkte nennen: (1) die Erforschung religionsgeschichtlicher Phänomene mit dem Instrumentarium

sprachwissenschaftlichen Arbeitens. »Gerade der sprachliche Terminus kann uns auch heute noch einen tiefen Einblick in Religion und Gottesverständnis der Antike vermitteln« — so formuliert Herr Petersmann selbst in seiner Abhandlung »Beobachtungen zu den Appellativen für Go//« (s. in diesem Band S. 11). Er war davon über-

zeugt, daB die Untersuchung sprachlicher Ausdrücke uns nicht nur etwas über die Ursprünge antiker religiöser Vorstellungen mitteilt, sondern auch über deren Ent-

wicklung im Prozeß soziokultureller Veränderungen.

10

Vorwort des Herausgebers

(2.) die intensive Beschäftigung mit den schwer zu beantwortenden Fragen, wie man sich das gesprochene Latein in seiner ganzen Komplexität vorzustellen und zu erklären habe. Beide dieser genannten Schwerpunkte bedürfen interdisziplinärer Zusammenarbeit, die Herr Petersmann stets gesucht hat. Als Beispiel móchte ich nur sein engagiertes Mitwirken in dem Heidelberger Graduiertenkolleg Dynamik sprachlicher Substandardvarietäten nennen. Als Plautus- und besonders Petron-Forscher schon vor seinem Ruf nach Heidelberg international geschätzt, ist es Herrn Petersmann gelungen, das Seminar für Klassische Philologie unserer Universität zu einem Anziehungspunkt für Studierende und Doktoranden aus dem In- und — z.T. fernen — Ausland zu machen, die im Rahmen ihrer klassisch-philologischen Ausbildung sich auf hohem Niveau linguistisch spezialiesieren wollten. Das vorliegende Buch Lingua et Religio vereint eine Reihe von religionsgeschichtlichen Arbeiten auf sprachwissenschaftlicher Basis. Die Auswahl war mit Herrn Petersmann abgesprochen. Der Band sollte zu seinem 60. Geburtstag als Festgabe erscheinen. Herr Petersmann hegte den Wunsch, seinen Vortrag über »Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht« hier als Erstveróffentlichung zu publizieren. Das Übermaß an Arbeit, das er sich in der äußerst prekären Situation unseres Seminars insbesondere auch aufgrund von Stellenstreichungen auflud, gewährte ihm, verantwortungsbewußt, wie er stets war, keine freie Minute. Leider ist

ihm die Bearbeitung des Laren-Aufsatzes deshalb nicht mehr móglich gewesen. Sie wurde von seiner verehrten Gattin, Frau Dr. Astrid Petersmann, übernommen.

Die Vorbereitung der Druckvorlagen für diese Gedenkschrift stellte mich vor nicht voraussehbaren Schwierigkeiten. Professor Petersmanns treue Sekretärin, Frau Valeria Mare, leistete mir immer — auch an Sonn- und Feiertagen — selbstlose und verläßliche Hilfe und Unterstützung. Ich bin ihr aus tiefstem Herzen dankbar. Danken möchte ich auch seinen wissenschaftlichen Hilfskräften und Stipendiaten, insbesondere Herrn Kai-Uwe Heinz, Frau Amina Kropp (Heidelberg), Frau und Herrn Ivana und Andrej Petrovic (Belgrad), sowie Herrn H. Vögele, Photographenmeister im Archäologischen Institut, der mir gegenüber sich sehr hilfsbereit zeigte. Großzügige finanzielle Unterstützung gewáhrten mir die Ehrensenatoren der Ruperto-Carola Heidelbergensis, vor allem Herr Dipl.-Ing. Peter Dornier und seine verehrte Frau Gemahlin, Maja Dornier,

Herr Prof. Dr. Carl-Heinrich

Esser, der

schon mehrfach sich unserem Seminar verbunden gezeigt hat, sowie Hetr Prof. Dr. Dr.h.c. mult. Heinz Maier-Leibnitz. Gratias ago quam maximas! Zum Schluß möchte ich dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht und den Herausgebern der Reihe Hypomnemata für die Übernahme der Gedenkschrift als Supplementum, Band 1 meinen Dank aussprechen. Frau Dr. Ulrike Blech war meine Ansprechpartnerin, eine ideale Ansprechpartnerin, insofern als sie in liebenswürdiger Weise mich kompetent beraten und die Publikation von Lingwa et Reägio mit viel Verständnis begleitet hat. Auch ihr gebührt meine große Dankbarkeit. Gewidmet sei diese Gedenkschrift der Witwe des Verstorbenen, Frau Dr. Astrid

Petersmann, die ihrem Mann

unermüdlich

helfend zur Seite gestanden hat. Sie

wünschte sich als Lesung in den Gottesdiensten in Klagenfurt und Heidelberg eine Passage aus dem Hobeled der Liebe (1. Kor. 13): ἣ ἀγάπη οὐδέποτε πίπτει.

Heidelberg, im Juli 2001

Bernd Heßen

Beobachtungen zu den Appellativen für Gott Ein sprachwissenschaftlicher Beitrag zum Gottesverständnis der Alten Elfriede STUTZ gehörte zu den immer seltener werdenden Gelehrten, die getragen sind von dem Bemühen, über die Grenzen ihres eigenen Faches hinauszublicken und stets auch die wissenschaftlichen Ergebnisse der Nachbardisziplinen in ihre Forschung miteinzubeziehen. Daß in diesem Anliegen und Wirken der Verstorbenen, deren Andenken die folgenden Ausführungen gewidmet sind, die Klassische Philologie einen ganz besonderen Platz eingenommen hatte, soll hier dankbar festgehalten werden. Sie war es auch, die für die Nöte und Sorgen der Klassischen Schulfächer Latein und Griechisch stets ein offenes Ohr hatte und die sich tatkräftig für den Erhalt der humanistischen Bildung in einer oft nur allzu inhumanen Zeit einsetzte. Ihr war aber ebenso bewußt, daß wahrer Humanismus ohne die Verankerung im Transzendenten nicht möglich ist und daß einen wichtigen Weg dahin die Religion des Menschen darstellt. So wurde gerade auch ein beträchtlicher Teil ihrer Forschungsarbeit bestimmt von ihrem Interesse für religionswissenschaftliche Probleme und Phänomene. Daher möchte der Verfasser dieses Beitrags ganz bewußt eine alte Fragestellung aus diesem Bereich erneut aufgreifen und darlegen, wie vor allem der Mensch der griechisch-römischen Antike seine Erfahrung von der Existenz des Göttlichen sowie dessen Wesen und Wirken in der Welt sprachlich zu fassen und in einem Begriff von Goff zum Ausdruck zu bringen versucht hat. Denn gerade der sprachliche Terminus kann uns auch heute noch einen tiefen Einblick in Religion und Gottesverständnis der Antike vermitteln. Freilich können angesichts der Fülle des Materials hier nur einige Schwerpunkte gesetzt und besonders illustrative Beispiele herausgegriffen werden. Dabei soll das Ziel sein, das Eigenständige und das Überkommene der Gottesvorstellung der Griechen und Römer, wie sie sich im Sprachlichen dokumentieren, herauszuarbeiten, sie

mit den Ausdrücken für Gott bei den anderen indogermanischen Völkern zu vergleichen sowie nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu fragen. Schon C. WATKINS! hat darauf hingewiesen, daß sich eine einheitliche Ausbildung und Verbreitung eines allgemeinen Wortes für Got bei den Urindogermanen noch nicht vollzogen habe. Dennoch finden sich bei den einzelsprachlichen Vertretern der Indogermanen eine Reihe von rein gedanklichen Parallelen aus einer ehedem gemeinsamen Begriffswelt, die sich in unterschiedlichen sprachlichen Ausdrücken manifestieren. Freilich müssen wir dabei stets im Auge behalten, daß manches si-

Erstweröffentichung in: Triuwe. Studien zur Sprachgeschichte und Literaturwissenschaft. Gedächtnisbuch für Elfriede Stutz. Hrsg. von K.-F. Kraft, E.-M. Lill und U. Schwab, Heidelberger Bibliotheksschriften 47, Heidelberg 1992, 127-141 (Heidelberg: Universitätsverlag C. Winter / HVA). 1 C. WATKINS, gd In: M. MAYRHOFER, W. MEID, B. SCHLERATH, R. SCHMITT (Hrsg,), "Antiquitates Indogermanicae. Studien zur Indogermanischen Altırtumskunde nad zur Sprach- und Kultergeschichteder indegermanischen Völker. Gedenkschrift für H. GÜNTERT, Innsbruck 1974, 102.

12

Beobachtungen zu den Appellativen für Goff

cherlich auch durch die Vorstellungen jener Völker mitbestimmt sein kann, mit denen die Indogermanen im Laufe ihrer Wanderungen in Berührung kamen bzw. die sie nach ihrer Seßhaftwerdung in einem bestimmten Siedlungsraum überschichteten. Analysieren wir nun die Appellativa für Go/ in den Einzelsprachen, so muß zunächst folgendes festgestellt werden: Bevor es zur Bildung eines Gattungsnamens für Gott kam, bedurfte es einer Abstraktion dessen, worin sich eine Gemeinschaft in der

Definition eines Allgemein-Göttlichen einig war. Es ist verständlich, daB diese Wesensbestimmung des Góttlichen zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten einer Sprachfamilie nicht einheitlich war, sondern, entsprechend den jeweiligen religiösen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten, nach unterschiedlichen Kriterien

erfolgte. Auf das Ganze gesehen, kann man sagen, daß die Abstraktion und die damit verbundene Herausbildung eines allgemeinen Appellativs für Got sich nach drei Gesichtspunkten vollziehen konnte, und zwar (1.) nach der Art, wie sich der Mensch im Kult den Göttern nähert, (2.) nach Wesen, Form und Ort der Erscheinung göttlicher Mächte und (3.) nach dem Wirken der Götter. Um die einzelnen Begriffsbildungen für Go# richtig zu verstehen, muß man wissen, daß Griechen und Römern sowie ihren indogermanischen Vorfahren im Gegensatz zu den monotheistischen Religionen des Judentums, des Christentums und des Islams die Vorstellung von einem in jeder Hinsicht absoluten Go# fremd war. Sie verehrten eine Vielzahl von Gottheiten und Dämonen, deren Erscheinung, Handlungs- und Wirkungsweise sehr verschieden sein konnte. In ihrer anthropomorphen Gestalt waren das ursprünglich nur überhöhte menschliche Wesen, die man sich weder allmächtig noch allgegenwärtig noch allwissend vorstellte. Sie waren nicht Schöp-

fer der Welt, sondern letztlich Geschöpfe, die geboren wurden, im Unterschied zu den Menschen jedoch gewöhnlich in ewiger Jugend verharrten. Wie die Menschen ihr Heim, ihre Arbeit in einem bestimmten Beruf und ihren Lohn haben, so hatten

auch die Götter zunächst ihren fest umrissenen Wohnsitz, ihren Wirkungsbereich und ihre Opfer.? Letztere dienten so wie die Gebete den Menschen dazu, die Götter

von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort in ihre Mitte zu rufen, ihnen zu danken oder sie um ihren Beistand anzuflehen. Daher konnte auch die Kultpraxis den Ausgangspunkt für die Genese eines allgemeinen Ausdruckes für Go darstellen.

1. Appellativa für Gott, gebildet nach der Art, wie sich der Mensch

den Göttern nähert Bekanntlich tritt der Mensch durch Anrufungen, Gebet und Opfer in Kontakt mit den Göttern. Durch die magische Kraft des Wortes kann jedes übernatürliche Wesen in die Mitte der Menschen nicht nur gerufen, sondern nach urtümlicher Anschauung geradezu gezwungen werden. Dazu war es aber notwendig, das richtige Wort und den wahren Namen des Goires zu wissen. Umgekehrt konnte die Gottheit durch einen falschen oder ungebührlichen Ausdruck vertrieben werden. Das gleiche traf auch für das Opfer zu. Daher wurde wie auch heute noch in vielen primitiven Kulturen der eigentliche ursprüngliche Name oft vermieden oder euphemistisch umschrieben,

2

Vgl dazu bereits Herodot 2,52f.

Beobachtungen zu den Appellativen für Gor

13

was dann im Laufe der Zeit zu vielen neuen Bildungen bei den Ausdrücken für σοῦ und das Göttliche führte. Vor diesem Hintergrund kann man vielleicht die Genese des allgemeingermanischen Wortes Got? erklären. Die Bildung des german. Appellativs Gofr hat im Griechischen und Lateinischen keine Parallele. Allerdings glaubte man einen Beleg für dieses Wort im Altindischen gefunden zu haben, indem man german. *gwda- (vgl. got. gp, deutsch Go/t, engl. god usw.), dem ein indogerm. *ghu-/óm zugrunde liegt, mit dem zweiten Bestandteil von altind. purw-bstab, viel-angerufenc einem Beiwort des Gottes Indra, in Verbindung brachte: vgl. ved. P.P.P. -bété- angerufen: (zu havate ruft an, ruft herbei; vgl. auch das fem. Subst. b#tr- die Anrufung der Götter). Dabei ist

von einer Set - Wurzel *ibeuH- auszugehen.* F. SEEBOLD hat in seiner Neubearbeitung des El/455 mit C. WATKINS diese bisher oft vertretene Ableitung und Deutung

von Gort zurückgewiesen. Mit Recht wurden phonologische Gründe ins Treffen geführt: So weist germ. *gwda- nicht auf eine Set - Wurzel, sondern auf eine A#-Wurzel *übeu-, von der sich reduktionsstufiges basd- »ausgegossen, dargebracht, geopfert, äbutib ‚Opferspende« (zu jshöt, ver opfert einen Guß), entsprechend griech. χυτός, χύσις bzw. hochstufiges altind. hab „Opfers, griech. χοῦς; (zu x£o), lat. fus »Gießkanne fundo gießen: bzw. got. gistan, deutsch gießen, herleitet? Das Appellativ gp Gott, ist demnach nicht als (neutr.) »das angerufene Wesen«, sondern als das beopferte Wesen zu erklären. So findet sich auch im Rigwda dhuta- in der angeführten Bedeutung des öfteren als Epitheton des Feuergottes Agni. Nach C. WATKINS® könnte der germanische Gottesbegriff auf den auch sonst bei den Indoeuropäern verbreiteten Brauch zurückzuführen sein, Geistern auf /umui Trankopfer darzubringen.

2. Appellativa, gebildet nach Wesen, Form und Ort

der Erscheinung göttlicher Mächte Eines der wichtigsten Charakteristika der meisten antiken Götter ist nicht nur, daß sie unsterblich sind, ewig jung? und ohne Mühsal leben (ῥεῖα Lövtec), sondern daß sie auch mit mehr Kraft ausgestattet sind als die Menschen, welche diese allerdings durch magische Mittel überwinden können. Diese Kraft dachte man sich zunächst 3 Vg. dazu besonders W. HAVERS, Newers Literatur zum Sprachtabu. SAWW 223,5, 1946, bes. 150f, H. PETERSMANN, Quam vim nomen in religionibus ac superstitionibus gentium habeat. VoxLat 20, 1984, fasc. 77, 246-255

(in diesem Band, S. 29-38) und zu Parallelen aus Afrika TH.

SUNDERMEIER, Nur gemeinsam können wir leben. Das Menschenbild schwarzafrikanischer Religionen, Gütersloh 1988, bes. 186-188. 4 Vgl M. MAYRHOFER, Indogermanische Grammatik, 2. Halbband: Lautiehre, Heidelberg 1986, 148 und id., Kurzesfaßtes stymologesches Wörterbuch des Altindischen 3, Heidelberg 1976, 585f. 5 F. KLUGE/W. MITZKA, Efymologischer Wörterbuch der deutschen Sprache, 22. Aufl, völlig neu bearbeitet von E. SEEBOLD, Berlin, New York 1989, 273.

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WATKINS (Anm. 1) 102 Anm. 5. Vgl dazu MAYRHOFER (Anm. 4) 3, 587, id. (Anm. 4) 1, Heidelberg 1956, 442 und J.

POKORNY, Indogermanisches etymolopisches Wörterbuch 1, Bern, München 1959, 447f.

8 WATKINS (Anm. 1), 102 Anm. 5. 9 Vgl W. BURKERT, Gréchische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1977, 309f. 10 Hom. IL 6,38, Od. 4,805.

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Beobachtungen zu den Appellativen für Got

durchaus physischer Natur. Und daher kann Homer noch reden von den θεοὶ qéptepot, d.h. von den Göttern, die mehr tragem (φέρειν, wovon eéptepo: abgeleitet

ist) können und daher stärker sind als die Menschen (vgl. Hom. IL 21,264 θεοὶ δέ τε φέτεροι ἀνδρῶν). Doch schon in der Odyssee erscheint der Ausdruck in den geistigen

Bereich übertragen, indem ihn die Göttin Kalypso hinsichtlich der himmlischen Gottheiten gebraucht, die »stärker als sie selbst sind im Denken und Ausführen« (Od. 5,169£. θεοί ... / οἵ μευ φέρτεροί εἰσι νοῆσαί te κρῆναί te). Freilich haben weder die Griechen noch die Rómer und deren Vorfahren den Gesichtspunkt der Kraft bzw. der Macht als derart bedeutsam angesehen, daß sie ihn zur Bildung eines Appellativs für Goff herangezogen hätten, oder wenn sie ein davon gebildetes Appellativ besaßen, haben sie es später zugunsten anderer Ausdrucksweisen aufgegeben. Ganz anders verhält es sich bei den Indoiranern, Germanen und Venetern, bei denen sich Spuren einer alten Gottesvorstellung jener Art an Hand der sprachlichen Dokumente deutlich nachweisen lassen: So diente im Altindischen das Wort ésurab, das zunächst (wie avest. aburo »Máchtiget) smächtiger Herr bedeutete, später auch zur Bezeichnung von Dämonen. Das Wort ist zu éswb zu stellen, das ursprünglich im Sinne des Orenda-Begriffes xdas Leben, die Lebenskraft: ausdrückte und etymologisch z.B. noch mit avest. afib# »Leben(shauch}, tochar. auw- »Leben, Geist

und letztlich mit altind. ámit >atment, dmilab "Wind zu verbinden ist. Bei letzteren ist

von einer Wurzel V *5,r-5, auszugehen, die auch dem griech. ἄνεμος, urital. *anamos > lat. animus, kelt. anadl ‚Atem« u.a. zugrunde liegt." Außerhalb des Indoiranischen lassen sich auch sonst, wie bereits erwähnt, Spu-

ren dieses Glaubens feststellen: vgl. die aus derselben Wurzel abgeleitete Bezeichnung der germanischen Asen ( neque agnum vitulumque. Si minus in omnis litabit, sic verba concipito: »Mars pater, si quid tibi in illisque suovitaurilibus lactentibus neque satisfactum est, te hisce suovitaurilibus piaculo.« Hoc loco etiam commemoranda est superstitio hodie quoque in quibusdam Austriae regionibus florens, qua animalia, cum caeduntur, nominati vetantur. Nam animalia, si nominatim appellentur, e vita decedere non posse existimantur.!s

Sed eo in sacrificio a Catone descripto etiam verbum piaculandi omissum est. Cuius verbi ellipsis in sacrificiis aliarum quoque gentium invenitur. Huius rei testimonium est non solum, quae leguntur in Tabula Iguvina supra dicta, sed etiam, quae in Vedis Indorum traduntur. Nunc petspicuum est, quare Cato in sacro, quod Marti fit, hostias nominare vetuerit verbumque piaculandi omiserit; minime autem elucet, cur non liceat cuiquam eo in sacrificio Martem ipsum nominati. Sed simillima

eius rei testimonia possunt afferri non solum ex cultu quorundam numinum Romanorum, praesertim eorum, qui agros, fruges, pecora tueantur, sed etiam ex Graecorum mysteris Orphicis, in quibus nefas erat adoratos deos deasque nominatim enuntiare. Itaque homines circumlocutionibus uti solebant, cum his de numinibus loquerentur. Exempla talium citcumlocutionum sunt appellationes velut Bona Dea, Tutelina, Dea Dia. Quae nomina ideo quoque eis diis sunt indita, ut eorum

benevolentia caperetur. Haec clare docent etiam Eumenides, quae nomine proprio 15 Cír. H. FRISK, Griechisches etymologisches Wörterbuch 2, Heidelbergae 1970, pp. 519sq. 16 Cfr. H. PETERSMANN, Zu einem altrómischen Opferritual (Cato de agricultura c. 141). RAM N.F. 116, 1973, pp. 238sqq. In diesem Band S. 57-68.

38

Quam vim nomen in religionibus ac superstitionibus gentium habcat

Erinyes vocabantur. Sed κατ᾽ εὐφημισμοῦ, ut Graeci dicunt, multa numina non solum antiquis, sed ctiam nostris temporibus appellata sunt, imprimis ea, quae

periculosa malignaque habebantur, ne cui homini aliquid damni inferrent. Huius rei demonstrandae causa ea referam, quae R. MERINGER!

vir doctus in dissertatione

quadam narravit Aliquando se incendio magno totum vicum devastanti interfuisse. Tum mulierem quandam, cum foras proruisset, alta voce clamasse: »Utinam propitia tempestas conquiescatl« Quibus vocibus igni feroci blandiri eam voluisse constat.

Simili modo montes, flumina, paludes, lacus aliaque loca periculosa, quae in numero daemonum putabantur, nominibus bonis saepe appellari.'* Cum dii vel daemones talibus secundis appellationibus ideo nuncuparentur, ut propitii essent, homines imprimis faustorum ominum gratia bonis nominibus vocari solebant, ut iam a viro doctissimo et clarissimo Christiano HELFER in lectione cyclica

Latina, quam »De nomine omine considerationes demologicae« inscripsit, copiose

demonstratum est.” E quorum magno numero pauca exempla afferam, ut nomen Latinum Fe&x, Graecuom Μακάριος, nomen Slavicum Bogomir, id est Germanicum Gottfried. Permulta enim sunt talia nomina, quibus bona fausta fortunata exoptari solent. Nam nomini opinione vulgi vis inest ea efficiendi, quae optantur, ut supra ostendimus.2 Qua de causa etiam nos libenter multas occasiones captamus, ut alternos optimis votis ac ominibus, quae exprimuntur nominibus, prosequamur. Igitur mihi quoque

liceat hodie non solum de nomine eiusque vi hac in corona disseruisse, sed etiam ex animo optare, ut nos omnes benedictos dies festos Nativitatis Salvatoris Nostri celebremus et Annum Novum bonum faustum fortunatumque peragamus, cuius

initium ab eo voto capiamus, a quo maioribus nostris mos erat incipiendi In Nomine Dominil* -- Dixi. —

17

Cfr. Wörter und Sachen. IF 21, 1907, p. 313.

18

Cfr

H.

PETERSMANN,

volkskundliche Bemerkungen

Euphemistisches

in

der

zu einigen Kärtner Ortsnamen.

Toponymie.

Etymologische

In: Festschrift für E. STUTZ

zum

und 65.

Geburtstag, Heidelbergae 1984. 19 Cfr. VoxLat 75, 1984, pp. 18-26. 20 Praeter dissertationem a viro clarissimo et doctissimo CH. HELFER compositam cfr. etiam R. SCHMITT, De Systemate nominum propriorum Indogermanico. VaxLar 20, 1984, fasc. 76, pp. 112sq. et G. NEUMANN, Zur Deutung einiger mykenischer Personennamen. In: Res Mycenaeae. Akten des VII. Internationalen Mykenologischen Colloquiums in Nürnberg 1981, ed. ab A. HEUBECK et G. NEUMANN,

Gottingae 1983, pp. 328sq. Qui dilucide ostendit iam Mycenacos multa nomina formavisse, quae nostra lingua »W'unschnamen [i.e. nomina desiderativad appellamus. * Haec sententia finalis votorum (Heidelbergae die 21? m. Dec. a. 1983?) in festa proxime futura oblatorum prolata in acroasibus Saraviponti et Mogontiaci compluribus Januatias anni 1984 factis mutata est propter anni cursum progressum.

septimanis post MOD.

Kalendas

Religion, Superstition and Parody in Petronius! Cena Trimalchionis G. Alföldy amico doctissimo atque illustrissimo sexagenario votis optimis It is a matter of fact that the novel of Petronius in many respects conveys a more or less realistic picture of the Roman Society of the Early Imperial Period with all its vatious aspects. The author's aim, however, was not only to depict the language, mo-

rals and manners, the religious beliefs and the superstitions of his contemporaties, but he also wanted to point out their follies, deficiencies and weaknesses. Petronius, however, never adopts a harsh moralizing attitude. Thus, the Jafyrica are not a satire

in our sense: They never attack anyone vigorously, but the author always tties to amuse his audience, and one of the most effective means to pursue this aim is parody. This intention can be seen throughout his entire fiction. Whereas Petronius" parodic targets concerning social, linguistic and literary phenomena were detected in many ways, religion and superstition, from this point of view, have been somewhat neglected.? Due to the limited space available for this paper I cannot analyse the entire relevant scope of this novel, but I shall focus mainly on the Cena of the freedmen. The reason is that this part of the Ja/yrica seems to be the most important source of our knowledge of the role which religion and superstition had played in the lives of the representatives of Roman Society depicted by our author. Before dealing with this

Erstveröffentäichung in: Groningen Colloquia on the Novel 6, 1995, 75-85 (Groningen: Egbert Forsten 1 On the correct title Syria and its literary allusions see especially K. MÜLLER/W. EHLERS 1983, 491f. 2 There are, however, a series of remarks on this topic amongst others in the commentary of SMITH 1975 and in the following studies: 1. ACHATZ, Petrus; Satyrion als Spiegel zeitgenössischer, Aterarischer und sozialer Ereignisse, Diss. Wien 1965, CH. STÖCKER, Humor bei Perron, Diss. Erlangen/Nürnberg 1969, M. GRONDOLA, La religions e la superstigione nella Coma Trimalchionis,

Bruxelles 1980, H. PETERSMANN, Perros Satyrica. In: J. ADAMIETZ (Hrsg), Die römische Satire (Grundriß der Löteraturgeschichten nach Gattungen), Darmstadt 1986, 415-420, with further bibliography. Concerning parody in general, I am also indebted to the studies of W. AX, R. F. GLEI (Hrsg), Literaturparodie in Antike und Mittelalter, Trier 1983, from which 1 merely quote W. AX, Phasellus ille / Sabinus ille — Ein Beitrag zur neueren Diskussion um die Beziehung zwischen Texten, 75-100, J. BLÄNSDORF, Plautus, Amphitruo und Rudens — oder wieviel literarische Parodie verträgt eine populäre Komödie?, 57-74, H. HOFMANN, Parodie des Erzählens — Erzählen als Parodie: Der Goldene Esel des Apuleius, 119-151, G. W. MOST, Die Batrachomyomachia als ernste Parodie, 27-40,

further to S. GREWE, Parodien mündlicher Rechtsformeln bei Petron. In: Beträge zur mündlichen Kultur der Römer, hrsg. von C. VOGT-SPIRA, Tübingen 1993, 37££. (SenprOra&a 47); see also the bibliography in C. L. SCHMELING/J. H. STUCKEY, A Bibliography of Petronius. Mnemosyre Suppl. 39, Leiden 1977, 235, 237, 238

on

the topics

Folklore

(Swperstitio), Parody,

Religion

and

M.

S. SMITH,

A

Bibliography of Petronius (1945-1982). ANRW2, 32.5, 1985, 1664 on the topics Humour, Wit, Irony and (15) Magic, Religion and Folklore.

40

Religion, Superstition and Parody inPetronius’ Cosa Trimakbionis

matter it is necessary, however, to define the proper sense of the words redeo and Regio originally meant respect combined with fear and reverence towards the gods and their sphere. Thus Cic. nat. deor. 2,72 defines reägiosus: (Qui autem omma, quae

ad cultum deorum. pertinerent, diligenter. retractarent et lamquam relegerent, dich sunt religiosi. »l'hose people who carefully review and so to speak retrace all that what concerns the cult of the gods are called regios. Whereas religio denoted the belief in the sarram sthe holy, accepted by an entire community,’ ssperstitio, derived from swperstare, according to its etymology, meant the xoverwhelming: — in religious context the»overwhelming: of demonic powers by me-

ans of magic practices which were not approved of by all members of the same community.* There is an illustrative example in Petronius’ novel itself which can prove the relation between sarwm and reágiosum when in ch. 60,7 the author makes the narrator smile at a special dish and the means by which it was offered to the guests at

Trimalchio's dinner-party: Ram ergo sacrum esse ferculum fam. religioso abparatu perfusum, consurreximns altius et »/Augusto, patri bafriae, feliater« diximus »We

thought it must be a

sacred dish that was anointed with such holy appointments, and we all stood straight up and cried: ‚The gods bless Augustus, the father of his country «5 Petronius, however, also uses the word rrägio in a parodic sense where normally one would speak of 5werstitio: so in ch. 17,9 where the mysterious obscene practices performed during the night in a sanctuary of the god Priapus are called reZgiones, but in Encolpius' narrative a few lines further on they are ironically referred to as sacra. In a similar parodic way in ch. 106,5, when Lichas confirms his belief that the gods are

caring for the world and man's fate, his words are qualified as superstitiosa oratio. Thus, it seems obvious that Petronius parodically identifies religion with superstition. There is, however, no passage in Petronius’ novel where one can detect traces of a true and honest attitude towards religion. The representatives of the educated social classes do not really believe in gods or in any supernatural powers at all, except perhaps in Fortuna, who corresponds to the Greek Ty »the blind fate or »destiny«, which cannot be influenced by any religious or magic practice. Therefore, man's life seems to be determined neither by religion nor by superstition, and when the educated characters mention the gods of the Roman Pantheon,

they do not differ in this respect from the illiterate persons of the fiction for whom too Fortuna is most important: cf. ch. 55,3 v. 2, where Trimalchio says: ef supra nos Fortuna negotia curat wand high over us Fortune directs our affairs« It is evident that in Petronius' novel the actors refer to divine powers merely a.) in proverbial formulas or similes, b.) in metaphors, c.) in poems or in descriptions of

3 On rgo see H. PETERSMANN, Eusebeia, Threskeia and religio. An etymological analysis of three disputed terms. Linguistica 33, 1995, 177-186. In this book p. 48-56. 4 On the etymology and original meaning of superstilo («— *super-sta-t-) sce A. WALDE/]. B. HOFMANN, Lateinisches etymologisches Wörterbuch 2, Heidelberg 1954, 632f. s.v. superstes and A. ERNOUT/A.

MEILLET, Dictionnaire étymologique de la langue latine. Histoire des mots, 4° &d., 4° tir. augm.

par J. ANDRE, Paris 1985, 653£. s.v. sto. 5 Translations are taken from M. HESELTINE, Petronius. With an English Translation. Revised by E. H. WARMINGTON, Cambridge/Mass., London 1969.

6

On the difference between reigio and superstitio see especially Cic. nat. deor. 42,117; 2,28,71f.

7

C£ ch. 100,3; 101,1 and 125,2.

Religion, Superstition and Parody inPetronius’ Cena Trimalchionis

41

pictures, and d.) in passages where Petronius either parodies literary patterns or mocks at superstitious practices and religious beliefs. These various kinds of parody can be discovered throughout the entire novel, but the last mentioned targets of the author’s humorous attacks are above all obvious in the so called Cena Trimakbionis. Tracing the occurrence and the actions of the supernatural powers in this part of Petronius' narrative, we can observe that just like in the other passages of the Ja/yrica there is no sign of any real and serious reverence paid to the gods. When they are mentioned, they usually appear, as stated above, either in formulas or similes: cf. e.g. ch. 68,8 sicut Venus spectat he has a look like Venus«, 58,2 cwrabo, iam tbi lovis inatus sit

»I will call down the wrath of Jupiter at once on you«, 58,7 Arsbana ribi irata sit! where the Roman goddess Minerva is addressed in the Greek Doric form, 57,2 futelam buius

loc habeam propitiam »l hope to have the spirit of this place on my sidex, 34,5 arguum Mars amat »Mars loves a fair field«, or the gods! names are used metaphorically: cf. e.g. 43,8 omnis Minervae bomo va man of every fine art«, 68,7 ommis Musae manicipium wa slave of all the talents« or 76,4 Neptunus in the sense of mare. In the same way eg. Orcus can be interpreted as »underworld in Trimalchio's verses ch. 34,10, and in the

poem ch. 55,6 the expression Martis moenia stands for Rome. There are, however, some traditional higher deities who seetn to have been actually involved in Trimalchio's life. Already on entering the parvenu's house the visitor is not only confronted with a wall-painting depicting Minerva, Mercurius, Fortuna and the Parræ, but also with a large cupboard displaying the statues of Venus and the Lares as well as a golden box in which the first cutting of Trimalchio's beard is being preserved. It is remarkable, however, that the supreme god Jove actually does not play any role at all, neither in the life of Trimalchio not in the lives of the other freedmen.

Only in ch. 44,18f. there is a reference to the power of this god: but in this passage Ganymedes recalls a time long ago when Jove was still truly worshipped by the people who were praying for rain during processions. Here the speaker contrasts that behaviour with the present situation where nobody cares for this deity and the other heavenly powers any more, stating: nemo enim caelum caelum putat, nemo ieiunium servat, nemo lovem pili facit, sed omnes opertis oculis bona sua computant. Antea stolatae ibant nudis pedibus in clivum, passis capillis, mentibus puris, et Iovem aquam exorabant »for no one now believes that the gods are gods. There is no fasting done, no one cares a button for religion: they all shut their eyes and count their own goods with open eyes. In the old days the mothers in their best robes used to climb the hill with bare feet and lose hair, pure in spirit, and pray to Jupiter to send rain«. The behaviour of the freedmen themselves, however, is the best example for all these attitudes criticized by Ganymedes, although he proudly declares in the same chapter: ego puto omnia illa a ditbus fieri »l believe all those things come from Heaven«. So they do not fast at all, and what for »counting one's wealth«, Trimalchio has employed even an astwariss to inform him of the latest state of his huge property (ch. 53,1). In spite of the fact that Trimalchio and his friends do not care about the Zi maiores and religion in general, they are anxiously superstitious, believing that their lives are governed by lower divine powers: cf. e.g. in ch. 38,8 the Incabo who was thought to guard hidden treasures, or in ch. 58,11 the Occupo, an otherwise unknown

42

Religion, Superstition and Parody inPetronius’ Cena Trimakbienir

god of possession and trade, or Fatws, the personal male deity reigning over human destiny (ch. 42,5; 71,1; 77,2), or in ch. 62,6 the particularly in Magna Graecia widespread belief in werewolves, and in ch. 63,4ff. the sirigae, witches who were regarded as ominous and dangerous birds, kidnapping babies and devouring their intestines. These witches euphemistically were also named socwrnae who, by hitting a human being manually, caused insanity, pain and finally death. For that reason such a demon is also called mala anus already in Pl. Amph. 605, Cist. 289f., Persa 312, (cf. also CIL VI 18817 — DESSAU 8006), where it operates in the same manner. The passages in Plautus also prove that in Petronius, ch. 63,7 we are not allowed to bracket the sentence quia salicet illum teligerat mala manus vof course because the witch's hand had touched him«, as MÜLLER 1961, 65f. and SMITH 1975, 34 have done, following

E. FRAENKEL. Ridiculing the belief in witches, the author makes Encolpius ironically tell in ch. 64,1 by which magic practice he and his companions reacted to this superstition: Minaprwr nos εἰ pariter credimus, osculafique mensamt rogamus nocturnas, κί suis se ant, dum redimus a cena »We were full of wonder and faith, and we kissed the table

and prayed the Nights-riders to stay at home as we returned home from dinner«. Thus, Petronius' novel, especially the Cena, is a most important source of our

knowledge of popular religious beliefs and superstitious rites by which the members of the lower social classes of the early period of the Roman Empire wanted to exert influence on the action of supernatural powers. Our author, however, obviously mocks at these people not only by making them perform such practices and trust in their effectiveness, but with regard to the uneducated freedmen, also by exposing their complete unfamiliarity with the right customs. Thus, in most cases, Trimalchio and his illiterate companions surpass ordinary superstition by behaving in an exagperated and silly manner. But what can one expect of these people who are totally ignorant of even the most common facts of mythology! Just remember ch. 50,5 where Trimalchio associates Troy with Hannibal, or ch. 52,1f. where he says Cassandra occidit filios suos »Cassandra killed her sons«, and Daedalus Niobam in equum Troianum includit »Daedalus shut Niobe into the Trojan Horsex. Encolpius and his friends encounter the first testimony of Trimalchio’s exaggeration of the common superstitious belief when they are about to enter his trichmimm. From Vitr. 3,4,4 we know that a person was expected to enter a temple with the right foot forwatd and above all not to stumble at the threshold? which would have been

regarded as a bad omen. Trimalchio, however, attributed to his Aricänium even more holiness than to a temple, for he had entrusted special servants with the task to make sute that the persons entering the room did so with their right foot forward. Encolpius remarks in ch. 30,5: Cum conaremur in triclinium intrare, exclamavit unus ex pueris, qui supra boc officium erat positus: »dextro pedek »We tried to get into the dining-room, when one of the slaves, who was entrusted with this duty, cried: »Right foot firstk «, and he

himself comments ironically: Sine dubio pauksper trepidavimus, ne contra praeceptum aliquis

8 Kultur9 Sprache

26).

On this apotropaic und religionsgeschichtliche On the holiness of und Religion der Römer,

gesture see SMITH 1975, 178, F. J. DÖLGER, Antike und Christentum. Studien 2, Münster 1930 (Nachdr. 1974), 213£f. the threshold in Roman religion see K. MEISTER, Die Hausschwelke in Heidelberg 1925, (SFLAW 1924/25, 3. Abh.), (on Petr. 30,6 see especially

Religion, Superstition and Parody inPetronius’ Cesta Trimalchiomis

43

nostrum limen transiret »For a moment we were naturally nervous, for fear any of us had broken the rule in crossing the threshold«. 'Thete are many more examples which demonstrate that Trimalchio did not have the right idea of common religious belief, of superstitious practices or of the correct social conventions: cf. e.g. 32,1 where Trimalchio, contrary to all good manners, instead of welcoming his guests personally upon their artival, lets them wait until he is carried into the dining-room.!° In this context Petronius also describes Trimalchio's robes and jewels he is wearing (32,3): babebat etiam im minimo digito sinistrae manus

anulum. grandem. subauratum, extremo vero articulo digiti sequentis minorem, ut mibi videbatur, fotum aureum, sed plane ferreis velut. stellis ferruminatum. et ne bas lantum ostenderet divitias, dextrum nudavit lacerum. armilla aurea. cultum et eboreo circulo lamina. splendente conexo »On the little finger of his left hand he had an enormous gilt ring, and on the top joint of

the next finger a smaller ring which appeared to me to be entirely gold, but was really set all round with iron cut out into little stars. Not content with his display of wealth, he bared his right arm, where a golden bracelet shone, and an ivory bangle clasped with a plate of bright metal«. By wearing these kinds of rings it is obvious that Trimalchio in his exorbitance wanted to appear of higher social rank than he really was.!! But besides this ostentative function of his jewellery the ring ornamented with iron stars had another purpose too: We know that from antiquity to our present time iron in popular belief is thought to ward off demons. Wearing iron rings and jewellery of this kind is explicity condemned as pagan superstition e.g. in Ps.-Aug. Hom. de sacrileg. 22 (ed. CASPARI

12). But, what has not been observed up to now is, that according to

another superstitious custom mentioned by Plin. nat. 33,24 one must never wear a ring on the digitus medicinalis as Trimalchio does, nor finger-rings at all during meals: These had to be taken off prior to the repast — probably for some religious reason — as we know from Plin. nat. 28,24: nam si mensa adsit, anulum ponere translatitium videmus,

quomiam ... mulas religiones pollere manifestum est »but when a table is ready it is a universal custom, we sce, to take off one's ring, since it is clear that scrupulous actions, even without words, have their powets«'? But in this respect too Trimalchio proves to be a total ignorant, since he wears his finger-rings during the entire meal and even dis-

plays them proudly along with his in ch. 74,1f. where Encolpius, the stitious reactions to the untimely 10,49 was regarded as a bad omen

other jewellery. We are reminded of this fact again narrator of the novel, reports Trimalchio's supercrow of a cock which also according to Plin. nat. indicating misfortune:

10 This seems to be an imitation of a custom of Augustus who according to Suet. Aug. 74 sometimes would come to table late, allowing, however, his guests to begin to dine before he took his place. There is also other evidence that Trimalchio tried to imitate imperial dining habits. But Suetonius informs us that (contrary to Trimalchio's Cena) Augustus’ dinner-parties were given without any extravagance. The emperor is also said to have enjoyed music, dramatic performances and especially aretalogies during his mar. Instead of serious talks, plays and good tales, however, in Petronius everything appears insipid, and Trimalchio and one of his guests tell funny fairy-tales themselves. 11

Cf FRIEDLÁNDER 1906, 222 and SMITH 1975, 69 on 32,5.

12

Demons being afraid of iron are already mentioned by the Scholiast on Hom. Od. 11,48. Cf.

SMITH 1975, 174 on 62,9 and C. P CASPART's commentary on Ps.-Aug. Homil. de sacrileg. 22.

13 1965,

Text and translation by W. H. S. JONES, Psy, Natural History 8, Cambridge/Mass., London 19.



See

on

this

custom

J.

HECKENBACH,

De

suditate

JUNGWIRTH. In: BÄCHTOLD-STÄUBLI 7, 1936 (1987), 706 s.v. Ring.

sarra,

Gießen

1911,

86,

and

44

Religion, Superstition and Parody inPetronius’ Cena Trimakheonis

Haec dicente eo gallus gallinacens cantavit. Qua voce confusus Trimalchio vinum sub mensa instit effundi ducernamque etiam mero spargi. Immo anulum traiecit in dexteram manum et onon sine causae, inquil, hic bucinus signum dedil; nam aut incendium oportet fiat, aut aliquis in vicinia animam abiciet. Longe a mobirk Just as he was speaking, a cock crew. The noise upset Trimalchio, and he had wine poured under the table, and even the lamp sprinkled with pure wine. Further, he changed a ring onto his right hand, and said: That trumpeter did not give his signal without a reason. Either there must be a fire, or someone close by is just going to give up the ghost. Lord, save usk In this passage again the rich parvenu is depicted as an extreme ignorant of the right

superstitious reactions to such an event. His ignorance can be mainly demonstrated by the information on this matter given by Pliny: in nat. 28,26 he mentions the superstitious practice of pouring a liquid underneath the table, although it is water, not wine, which was splashed to avett the bad omen evoked by a person's speaking of

fire during a banquet. Furthermore, in nat. 28,57 Pliny also refers to the transfer of a ring from the left hand to the right hand which was regarded as an evil averting gesture at ominous hiccups or sneezes. Trimalchio, however, instead of avoiding omina

of this kind, rather produces them by making the lamp sputter splashing it with pure wine! The flicker of a flame like sneezing was regarded as an omen indicating the sure happening of an expected event, as we learn from a passage in AP 6,535 where the flickering lamp is supposed to herald a person's imminent and happy arrival (cf. SMITH 1975, 203). But in our context the expected event is an unlucky one, and Trimalchio on all accounts should have tried to prevent this omen. So, here, again, Pe-

tronius mocks at Trimalchio's extravagance and ignorance. As a consequence of this scene, at the end of the Cena, the men of the fire-

‘brigade, alarmed by the horn-blowing of a slave at Trimalchio's mock-funeral, burst into the house by forcefully using their axes and flooding the place, although there is no fire. It is obvious that Petronius here was inspired by the popular farcial comedy playing with burlesque reversion. And the latter might also be detected in Trimal-

chio's order to kill and cook the evil-heralding cock: for, in the belief of many peoples since antiquity up to modern times, the cock has been regarded as an animal with supernatural powers, being capable not only of heralding misfortune, but also of averting mischief and demons.* Perhaps this is one of the reasons why in ancient times the cock had an important part in the ceremonies for the deceased. À cock was buried along in order to avert the dark and hostile ghosts of Hades from the deceased person when entering the underworld, so that he or she might be able to arrive

safely in the realm of light. Thus, in ancient religious belief the cock was the symbol

of light and life, and therefore it was also one of Proserpina's attributes. It indicated her annual rising at springtime from the darkness of Hades to the light of the Olympic world, a symbol which later the ancient Christians took over: In the inscriptions of the catacombs the cock stands for Christ and His Resurrection. According to an-

cient pagan belief, therefore, it was prohibited to slaughter a cock for profane purposes. In religious worship, however, the sacrifice of a cock played an important part,

14 Cf ORTH, RE 82, 1913, 2532f. s.v. Huhn and GÜNTER. In: BÄCHTOLD-STÄUBLI 3, 1931 (1987), 1333.

Religion, Superstition and Parody inPetronius' Cra Trimalchionis

45

especially in that of the god Asclepius,' to whom a cock was sacrificed in return for a person's cure from a deadly disease. An example for that custom we find e.g. in Herodas’ Mimiambi 4,11ff., where Aschepins and Hygieia, the deities of health, accept such a thanks-giving offer as a dessert (epidorpa).

It is remarkable that in the Satyrica the killing and cooking of the cock takes place near the end of the freedmen's dinner-party: it was meant to be a dessert, for poultry very often was served as a dessert, as we know e.g. from Athen. 14,664E — but cer-

tainly Athenaeus is not speaking of a cock! Trimalchio's command to kill and cook the cock, however, is not only another

grave offence against ancient religious customs, but it also has a further parodic intention: for, by ordering this sacred animal to be killed and offered as a dish to himself, Trimalchio acts like a god being entitled to receive religious sacrifices. The probability of this interpretation might be verified by several other passages in the Cena:

So e.g. in ch. 60,8f. where three setvants enter the dining-room. Two of them put the statues of Lares on the table, the third shouts dz propitii! Then, after a lacuna in the text, the passage continues as follows: ... abat autem unsm Cerdonem, alterum Felicionem,

tertium Lucrionem vocari. Nos eliam veram imaginem ipsius Trimalchionis, cum iam omnes

basiarent, erubwimus praeterire »He (scil Trimalchio) said that one of the images was called Gain, another Luck, and the third Profit. And as everyone else kissed Trimal-

chio's golden portrait we were ashamed to pass it by«. Here again, we discover many errors and offences against the usual customs:

SMITH 1975, 168f. ad loc. has pointed out that »according to Servius’ note on Aen. 1,730, after the main course had been removed at a normal dinner there was custo-

marily a solemn silence until some food was burned as an offering and a boy proclaimed the words di propitii, here, however, these words are preceded by a scramble for apopboreta and followed by the announcement of the comic, materialistic names of the Lares« The words Cerdo, Feicio and Lwrio, meaning »Gain« »Luck« and »Profit«, elsewhere in literature and in inscriptions occur as the names of slaves (cf. SMITH 1975, 169 ad loc), Trimalchio, however, uses them for the Lares, who nowhere else

had proper names, just as the dei Aurzi, the deities presiding over profit (cf. Arnob. nat. 4,2), whom Trimalchio here confuses with the Lares, unaware that cerdo and /rzo

had exactly the same meaning.' The third of the Lares mentioned here is another of Trimalchio's grave mistakes since these old and highly revered gods commonly were worshipped by the Romans as protectors of their families and properties either in the grammatical singulat form or as double divine beings, but never as triple deities. This fact can be verified not only by literary testimonies (e.g. Ov. fast. 5,143), but also by archaeological evidence." Therefore, when Trimalchio orders his slaves to place shree statues of Lares upon the table, this is another undue extravagance. Yet things are getting worse: from the context it is obvious that there is also a fourth statue on the table to be wotshipped by the guests: the one of Trimalchio himself! SMITH

1975,

169 already has observed that this looks like a »travesty of the imperial ritual« which the narrator Encolpius also ridicules by his sarcastic comment.

15 16

C£ G. W. MOST, A cock for Asclepius. CO 87, 1993, 96-111. Cf. Paul.-Fest. 49,12f. (ed. LINDSAY) χέρδωνα ... nos quoque lucrionem vocamus (χέρδων we also

call Ario) and LATTE 1965, 163. 17 Cf LATTE 1960, 90£f., WISSOWA 21912, 166ff. and SIMON 1990, 119ff.

46

Religion, Superstition and Parody inPetronius' Cra Trimalchienis

Now it becomes clear why on entering Trimalchio's fricimiw»r the guests had to be more careful to step in with the right foot forward than at the entrance of a temple: since Trimalchio considers himself a divine being, his dining-room, too, where he receives sacrifices and the worship of his guests, and furthermore, his entire

house, has to be regarded as a place more sacred than an ordinary temple. This can also be confirmed by the fact that he presetves the first cutting of his beard in the porticus of his domus, whereas normally it was offered to gods in temples. The parvenu keeps it in a big golden 5yxis which is displayed on a cupboard, along with silver — not golden! — statues of Lares and Venws. SMITH 1975, 60f. has remarked that Nero

displayed the same extravagance by the choice of a golden receptacle for his first beard, which was preserved on the Capitolium, as Suet. Nero 12,4 tells us. On these accounts it is most tempting to interpret Trimalchio's extravagant behaviour as ἃ secret parody on Nero himself! and as a satire on the divine rank which the Roman Empetors claimed for themselves and which was also ridiculed by the author of the /4pocolocyntbosis. In Petronius' Satyrica there is obviously another attack against the deification of persons: in ch. 17,5 we read the following mocking sentence: Ufiqwe nostra regio Jam

praesentibus plena est numinibus, ut facilius possis deum quam bonrinem insenire »Indeed the gods walk abroad so commonly in our streets that it is easier to meet a god than a man«. And the fact that Trimalchio considered himself a divine being is most clearly expressed in ch. 29,3ff. describing the above mentioned wall-painting at the entrance of the patvenu's house. In this picture Trimalchio himself is portrayed as a pwer capillatus entering the city of Rome in the company of gods, with the attitude of an imperial triumphator, who eventually is elevated by the god Mercurius to a high tribunal» Thus, for the ancient audience right at the beginning of the Cena it became evi-

dent that Petronius in describing the freedmen's perverted superstitious practices and their indecencies did not only ridicule some of the representatives of a certain social class — we might think here especially of the upstart Tigellinus — who, in their effort to imitate the extravagant habits of the emperor, even succeeded in surpassing him in

poor taste, but also, in a covert manner, was mocking at the exorbitant and ridiculous behaviour of the Emperor Nero himself. And we can be sure that this secret parody too was perceived by most of Petronius' intellectual contemporaries.

18 The goddess Venus who in Augustan Age is considered a special protector of the emperor and his family and whose statue is displayed along with Trimalchio's beard in a cupboard (ch. 29,8), as mentioned above, can also be taken as a hint to it.

19 This picture is absurd, though it is quite consistent with the usual lack of Trimalchio's acquaintance with the established religion. Here, too, we observe him having mixed up well attested beliefs with perverse and exorbitant personal traits: thus, on the one side Mercury rightly appears as a deity who is engaged in Trimalchio's commercial affairs and fortune (cf. also fata&s as epithet of this god in CIL. VI 521), as stated above; on the other hand, however, this god never elevates a living person into height, but, on the contraty, in his function of a psychopompes he leads the souls of the deceased into the underworld. Furthermore, Trimalchio's elevation by Mercury seems to be a parody of the contemporary opinion according to which the emperor was worshipped as Mercwrzw: having descended from Heaven. Cf. WISSOWA 21912, 93; 305£., and above all R. G. M. NISBET and M. HUBBARD,A Commentary on Horace: Odes, Book 1, Oxford 1970, 34ff. on carm. 1,2,43.

Religion, Superstition and Parody inPetronius' Cena Trimakhionis

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Εὐσέβεια, θρησκεία and reZgio An etymological analysis of three disputed terms While extensive philological research work has made clear the usage and the semantics of the words εὐσέβεια (also θεοσέβεια), θρησκεία and regio in Greek and Roman literature, their prehistoric meaning, whence the later sense of these terms has developed, is not transparent at all! This is due to the fact that one has not paid too

much attention to their etymologies, and thus the problems attached have not yet been definitely solved. By renewing these highly disputed questions the following paper hopes to conttibute to a more appropriate understanding of the original sense of the Greek and Latin words for religion, which beyond any doubt belonged to the most important concepts of ancient Hellas and Rome. Let us start with the word region itself which is derived from Latin reägio, -onis.

Examining the first occurrences and usages of this noun one can see that regio originally had a clear connotation: »holy scruples, »awex Slovene »reägiogen strab, swtna

bojeinosk, German »re&igiüses Bedenken, »heilige Schem. In this sense the word can be attested for the first time in Roman Comedy: cf. Plaut. Curc. 350, where against the usual reading secat me ad cenarr. religio fuit, denegare nolui (LEO, LINDSAY and others),

one should rather change the comma and let the parasite say: ... regio fuit denegare; nolui, thus having the same construction and meaning as one finds in Fab. Pict. apud Gell. 10,15,4 ( = frg.

5 HUSCHKE)

equo Dialer flaminem vebi religio est » There exist reli-

gious scruples that the fZamen Diaks should ride a horse ( = the flamen Dialis must not ride a horse)« or in German »Es gebt religiöses Bedenken (dagegen), daß ... « The last example clearly shows, that the construction of regio + infinitive in the sense of sit is forbidden has its origin in a sacred prerogative concerning the flamen Dialis. By ma-

king the parasite use the formula reZgio + inf. in Cure. loc. cit, Plautus wants the parasite Curculio to be solemn in a ridiculous way. There is also a passage in Plautus Merc. 881 which throws light on the original meaning of γερο, and even more illustrative is Ter. Andr.

940ff. and Acc.

TRF

171£

ed. RIBB?. In Terence

the old

Chremes expresses his doubts that he really might have found his daughter, saying to Pamphilus: 447 »ti unus scrupulus etium restat, qui me male babet, to what Pamphilus answers: dignus es cum Ina religione — odium!: nodum in sarbo quaeris. And in Accius! tragedy "Astyanax Menelaos exclaims: Nunc, Calcas, finem religionum fac! Desiste exercitum morari meque ab domuitione arcere tuo obsceno ominel

Erstverüffentüchung in: Linguistica 33, 1995, 177-186 (Univerza v Ljubljani, Filozofska fakulteta).

1 See the select general bibliography at the end of this paper, where you can also find the full bibliographical information on the books and articles which in the following will be quoted only by their authors' names.

Ενυσεβεια, θρησκεῖα and rgo

49

It is a matter of fact that awful fear of the supernatural were special characteristics of Roman religion. Therefore, according to the definition given by Nigidius Figulus (apud Gell. 4,92), a person who was not only anxious in that respect, but also too

fearful and superstitious, was called »regosusc? The verb itself, from which the nomen redigo is derived, is only once to be found in Latin literature, and there — in the form of a participle — in an old carmen whose author is not certain and from which Nigidius Figulus apud Gell. 49,1 ( — frg. inc. 148 R? = p. 7 FPL ed. MOREL/BÜCHNER = frg. 4 SWOBODA) quotes the following words as part of a sacred order: re/gentem esse oportet, religiosus ne fuas. Most philologists and scholars of historical linguistics have derived regio from ret iegere, not only because of the participle regens, but also with regard to Cicero nat. deor. 2,72: qui aufem omnia quae ad cultum. deorum. pertinerent. diligenter. retractarent et famquam relegerent, «bi^ dich sunt religiosi ex religendo, ut eligantes ex eligendo, ex diligendo diligentes, ex intellegendo intellegentes; his enim in verbis omnibus inest vis legendi cadem quae in ‚rehigiosor, Since antiquity, however, there have been others, who in agreeing with Lactantius inst. 4,28,2, and Servius Verg. Aen. 8,349, have combined religio with re+ägare to

bind to. ERNOUT/MEILLET 569 seem to support the latter detivation rather than that one from re+/sgere in the sense of »to gather. Nevertheless, considering the meaning of other verbs like diägo, neglego, intellego (the last two words sometimes appear also written as eghgo, intelägo, which perhaps might be the older and more correct orthography, although later attested in Roman literature), the connection of regio

with 4gere is much more plausible than that with Agare. So in his very thorough etymological and semantical investigation LIEBERG 57 (following WALDE/HOFMANN 1,552f) rightly states: »Dobbiamo del tutto abbandonare l'etimologia da relgare e ritenere sicura quella da reZgerr« ( = relsgere). The same scholar convincingly refutes the assumption of POKORNY

1, 658, KAETZLER

11ff., and SZEMERÉNYI

149, who tried to show that the Indo-Europeans had two verbal roots *eg-: one of which ending in a palatal g had the meaning of to gather: (to be found in /gere, relegere, eligere etc.: perf. gi ), whereas the kg- with velar g originally had the sense »to heedk and was the basis of regio, religens, religiosus and neglego (pert. neglexi), having its parallel in Greek ἀλέγω. But since the explanation of the a in ἀλέγω had caused difficulties

— HERMANN 171 and SEILER (1) 288 and (2) 8ff. declared it to be the zero grade of the preverb ἐν( λέγω) —, this theory had been abandoned already by FRISK 1, 66f, and also CHANTRAINE 1, 56 regarded it as highly uncertain. For the same reason LIEBERG 50 also did not accept the theory of WILT 13ff., who, although denying any etymological connection of regio with re/egere or redigere, nevertheless did not see any obstacle to combine the word with Greek ἀλέγω. But, in my opinion, there are good grounds for connecting reägio, regere with ἀλέγω, if one assumes, as RIX 86f. did, an Indo-European verbal root *5,ege/o- with the sense of to respect, regard, care for or of >heedk etc. BENVENISTE (2) 152, FRISK 1, 66f., RIX 86f., and also recently SCHRIJVER 21f., tried to connect this verb with Greek ἄλγος »pain, grief and its derivations (e.g. δυσ-ηλεγής etc), and FRISK and

SCHRIJVER thought that the original sense of ἀλέγω must have been »to feel painc 2 Further passages illustrating the original sense of reägio and re&gioser see especially in LIEBERG 51f£ and BENVENISTE (1) 2, 269ff.

50

Evorflera, θρησκεια and reise

But there is no evidence for this assumption. So CHANTRAINE 1, 56 (following SEILER [2] 9) rightly states: »Il semble difficile de rattacher pour le sens cette famille de mots (scil. de ἀλέγω ) à ἄλγος, encore que les deux séries aient pu agir l'une sur l'autre. (cf. sous ἄλγος) « Examining the occurrences of ἀλέγω and its enlarged forms ἀλεγίζω, ἀλεγύνω one can see that, with the exception of Latin re&rre, regio etc., this verbal root cannot be traced elsewhere but in Greek, where these verbs obviously were expressions of archaic poetry: the last two words are only to be found in epics, whereas ἀλέγω occurs in archaic lyrics as well: cf. e.g. Pind. OL 2,78: Πηλεύς τε καὶ Κάδμος ἐν τοῖσιν ἀλέγονται and also later in IG 14,1589 Π 6 (a metrical inscription found in the via

Appia) ἐν ἀθανάτοις ἀλέγεσθον. The meaning of ἀλέγω in the quoted passages is not, however, primarily to count among: as rendered by LS] s.v. 61, but rather »to respect: (scil. with reverence and awe), »to adore. Furthermore, the majority of testimonies, where the simplex ἀλέγω occurs, belong to a religious context (e.g. with accusative): Hom.

IL 16,388

θεῶν ὄπιν οὐκ ἀλέγοντες, Hes. op. 251; (with genitive): Hom. Od. 9,115 οὐ yàp Κύκλωπες Διὸς ... ἀλέγουσιν etc. We have already pointed out that the Latin word reApio, in its earliest occurrences in Roman literature, also had the meaning of»respect with reverence and awe Just as legio goes back to gere to gather, rego and religens (from religere) can be derived from the Italic prefix re- + *h,kge/o-. Because of the usual quantity # in reZgio? the conjunction of the two elements must have taken place after the disappearing of the laryngal in the Italic languages; otherwise the Latin form would be *raZgio. On the other hand, the change of e to ὦ in &g- points to an archaic period of the Latin language. Furthermore, the prefix re- and the ending -/» show that rego had become a typical Latin word. Since we have seen that from the very beginning *hyJege/o- must have had the sense of »tespectful awe, we can understand why, in combination with re- denoting the iteration, this vetbal root was used as basis to define the Romans' attitude to-

watds their gods. Intensive and respectful awe for the supernatural is not only a typical feature of Roman religion — although there it is most obvious —, but it is common to man's belief in divine powers in general. It was, therefore, also an essential part of the ancient Greeks’ religious feelings. This is expressed by the words εὐσέβεια and θεοσέβεια. These words, however, semantically do not cover the same large scope as

the Latin word re&gio does, since, as already WILAMOWITZ

15 justly observed, the

Greeks originally did not have a comprehensive proper term for this concept. Εὐσέβεια occuts for the first time in Greek Tragedy, θεοὐσέβεια, however, not before Xenophon, an. 2,6,26: the latter word in the sense of service or fear of Gods, »reli-

giousness«, whereas εὐσέβεια did not only signify the Greeks" reverence towards 3 SZEMERÉNYI 149 and SCHRIJVER 22 (as already SEILER [1] 288 and [2] 9) are mistaken in assuming an £ in reÁgio. Where the lengthening of the e in rr£gio occurs (mainly in Latin poetry), it can be explained as a metrical liberty, which, however, has its origin in the pronunciation of everyday life.

There the doubling of the / was optional, a custom which in later times became typical of the Latin speaking people in Africa, as attested by the Roman grammarians: cf. Isid. etym. 1,32,8: abdacismus est, si pro uno | duo pronuntiantur, ut Afri faciunt, Pomp. GLK 5, 282, Aff. /abdacismis scatent Afri; raro est, ut aliquis dicat οἷς But this phenomenon can be also detected in many metrical inscriptions outside Africa. Cf. LEUMANN 560.

Ευσεβεια, Opnoxeia and repo

51

their gods, but also towards the parents, thus being in some way an expression corresponding to Roman pietas (cf. LS] 731 s.v.).

Analysing εὐσέβεια or θεοσέβεια etc. from the etymological point of view the main question is: What was the original meaning of the verbal root oeß- which is the basis of σέβω, σέβομαι, σέβας, aeu vóc (*oeß-voc), ed-ceB- etc. But before trying to give an answer to this question it must be stated that the verb for the first time occurs in Hom. IL 4,242 in the middle form, which is the only evidence of this word in

epic literature at all The active form σέβω, however, can be found from postHometic times onwards (since Pindar and Trag). For LS}, the original meaning of σέβο-μαι is to feel awe or fear before God »feel shame, IL 4,242 as the earliest example quoted, whereas the active σέβω is rendered to worship, to honour (mostly

scil the gods). For FRISK 2, 686f. the etymology of σέβομαι is not clear. He says: »Lautlich móglich, aber wenigstens beim ersten Anblick wenig überzeugend ist die Zusammenstellung mit altind. sydjati sverlassen, im Stich lassen, aufgebene (this connection

had been put forward by BRUGMANN 301ff., POKORNY 1, 1086 and others), thus sharing the doubts which had been uttered already by MAYRHOFER 1, 529. But with regard to the causative σοβέω FRISK thinks that the original meaning of σέβομαι could have been: wuxgeilen, davonfiebene ... daraus »(scbeu) vor etwas zurücktreten, »zwrückweichen«. BURKERT 408 in his thorough analysis εὐσέβεια declares, quoting FRISK and Aischyl Pers. 694: »Der Wortstamm seb- ... weist etymologisch auf »Gefabr und >Flucht zutück« and CHANTRAINE

2 993, rejecting MAYRHOFER's

doubts, states:

»La diversité remarquable des emplis réduit a la signification unique »se refirerc ou ‚faire se relirerc, confirmée par l'étymologie, cf. skr. /yójatt »quitter, abandonner: de *fjegu-.« Also

RIX (1) 90, without any comment, connects σέβεται with sanskr. /ydjate. Comparing the usage of σεβ- and cof- one can see that according to the statements given in the relevant dictionaries, the stem oeß- is restricted to the religious sphere, whereas σοβ- is used in profane context. An examination of cop-, however,

clearly shows that the sense was not only »to move away, to drive away«, but also to move towards, to drive towards, to walk towards, especially ini an impressive, often pompous or fierce manner: cf. the relevant passages in LS] s.v. σοβέω, and, above all, the meaning of σοβαρός »rushingy violent, »haughty« etc. Thus the earliest sense of GoB- must have been a neutral one: simply to move in an impressive way, and the indication of a direction cannot have been original (just as fere first had the neutral sense of »to bring either to or away: [for the latter cf. φῶρ, far |). The very same also

holds good for σέβομαι, and this can be proved by Sanskrit, where ##a on the one hand means »to quit, to abandon, whereas /am-/ó- has the sense of to offer one's

body and life τος. Thus we can see that the common Indo-European verbal root * Hegt-, from which sanskr. /ydj- and σεβ-, soß- can be derived, oripinally had the neutral meaning »to move either to or away from somebody or somethinge The

Greeks, however, seem to have given this word of moving the special connotation of impressiveness.

52

Ευσεβεια, θρησκεῖα and "τάφο

This original sense of σέβεσθαι, to my mind, is obvious in Hom.

IL 4,242ff.,

where Agamemnon encourages his kinfolk to rush again into battle, exclaiming:

Ἀργέιοι ἰόμωροι, ἐλέγχεα, οὗ vo σέβεσθε; τίφθ᾽ οὕτως ἐστητε τεθηπότες ἥυτε νεβροί, at τ᾽ ἐπεὶ οὖν ἔκαμον πολέος πεδίοιο θέουσαι, ἑστᾶσ᾽, οὐδ᾽ ἄρα τίς σφι μετὰ φρεσὶ γίγνεται ἀλκή.

Most translators render οὔ νυ σέβεσθε with »why don't you feel shame?«, but, in my opinion, the question »why do you stand here so shocked as the young deer stand ...«

imposes rather an encouraging exhortation to rush into battle than to be ashamed. Therefore, I would propose to translate here 00 vo σέβεσθε »why don't you move now?« ( = »why don't you rush into battle?«). That this was the original meaning of σέβομαι can also be proved by a passagein

Aristoph. nub. 291ff., where Socrates first addresses the Clouds and then asks Strepsiades: ὦ μέγα σεμναὶ Νεφέλαι, φανερῶς ἠκούσατέ μου καλέσαντος. ἤσθου φωνῆς ἅμα καὶ βροντῆς μυκησαμένης θεοσέκτου;

The form θεοσέκτου has caused problems of understanding, so that WILAMOWTIZ changed it to θεόσεπτον, to which DOVER in his commentary replied: »I wish (with WILAMOWITZ [SPAW 1921, 741] that Ar. had written Beöoertov (or -ta), an internal accusative characterising the roar of the thunder; but emendation cannot be supported by adequate stylistic evidence.« Bearing in mind, however, what σέβομαι origi-

nally meant, one can see that the genitive θεοσέπτου here yields good sense: the βροντή is 9eócextoc, »moved, sent by the godsc ie. »the Clouds. And Strepsiades picking up -aex- (-oep-), as DOVER accurately observed, answers: xai σέβομαί γ᾽, ὦ πολυτίμητοι, καὶ βούλομαι ἀντοκαρδεῖν / πρὸς τὰς βροντὰς.

Here σέβομαι can be translated as»I move myself in the proper way (scil. in front of the gods), which leads to the sense »I adore (scil. the gods)o »I revere«. The original meaning of oeß-, however, evidently has been retained in the religious word

θεόσεπτος, a fact that might be explained by the conservative character of sacred language. Now we also comprehend the construction σέβεσθαι θεούς, where θεούς can be

defined as an accusative of direction (just as with [ἀφ)ικνέομαι: e.g. Hom. Od. 1,332 μηστῆρας ἀφίκετο etc., cf. SCHWYZER 2, 68). Thus σέβεσθαι could mean sto move towards (scil. the gods) or to move back (scil. from their altars »to quit them in a proper way which, of course, was done with reverence and awe. This then led to the

use of σέβομαι, σέβω in the general sense of #0 worshipx or»to fear the gods«. Besides paying reverence to the gods by moving humbly and decently to or from their altars, a main characteristic of religion is, furthermore, the observance of the gods' privileges, laws, rites and ceremonies as well as the handling of their statues and property with care and awe. The adequate expression for this careful handling was

εὐλαβέομαι, εὐλάβεια, in which -Aoß-, the stem of λαμβάνω, leads back to Indo-

Ευσεβεια, 9pnokeux and re£gio

53

European *5/h,#- to grasp, to seize, to hold From the concrete meaning of holding with care and awex the word εὐλάβεια achieved also the general sense of »fear of (.

uS

importance of the careful observance of the divine privileges, laws and tra-

ditional rites, on the other side, is reflected in the term θρησκεία. Although the usage of this noun, which in early historical times denoted »cult« »rituak, »worship of the

gods, and in the period of the Roman Empire had already achieved the general meaning of religions has been investigated quite well,‘ there are still some problems of its etymology to be solved. Hesychius' notice θρήσκω- νοῶ, θράσκειν- ἀναμιμνήσκειν,

&v-Opeiv' φυλάσσειν and à-Bep-éc- ἀνόητον, ἀνόσιον can give a hint to the original meaning of the words θρησκεία and θρησκεύω, which obviously belonged to the Ionian dialect. Therefore the a in Hesychius' θράσκειν is difficult to explain, unless

one assumes here the influence of the Doric or a N.-West Greek dialect (just as in Hesychius' τεθρᾶσθαι instead of τεθρῶσθαι, the perfect form from θρῷσκομαι)."

Another difficulty is not only to be found in the presumable aorist &v-Opeiv instead of év-Gepeiv, but also in Hesychius" θρεσκής περιττός, δεισιδαίμων, and Hymn. ad Isin 5 (= IG 12, (5) 739,5) φιλόθρεσκος »loving ceremonies, while we have θρησκός »pious, religious: in the New Testament Ep. Iacob. 1,26. The present θρήσκω, θρησκεύω, in which ox just as in θρῴ-σκω, θνήσκω, is an

infix, to my mind is to be derived from the Indo-European root *dberb,-. Its full form can also be detected in Hesychius' above mentioned &-Bep-£s- ἀνόητον, ἀνόσιον, and Homeric ἀ-θερ-ίζω to take no notice οἷς, whereas *dhrb,- is the basis of 6pñ-(oxw) etc. (Cf. the similar development of *dherb,- in E-Bop-ov, Bop-eiv; *dhrb,- in θρω-ι-σκ-

€ etc.9). There is no realization of this root in other Indo-European idioms. As far as the Greek origin is concerned, the words θρησκεία, θρησκεύω etc. be-

long, as stated above, to the Ionian dialect. They occur for the first time in Herodotus 2,18,2; 2,37,3; 2,64,1, and after disappearing in the literature for centuries, they

emerged again in the period of the Roman Empire and proved to be most vivid terms. Thus they became also central expressions in Ancient Christianity, and in later ages θρησκεία turned out to be the common word for religion in general, the result of which can be seen in modern Greek.

4 5

6

C£ VAN HERTEN, BENVENISTE (2) 2, 266f. and ROBERT 226ff. Cf. PETERSMANN 45 (note 25), 46.

Cf. PETERSMANN 44 (note 25).

54

Ευσεβεια, θρησκεῖα and reíge

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vol. 3, Bern 1954, 485-500). WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, Darmstadt.

U. von: (1959) Der Glaube der Hellenen, vol. 15-25,

56

Ευσεβεια, θρησκεία and rrágio

WILT, H. T.: (1954) Reëgro. A semantic study of tbe pre-Christian use of tbe terms religio and rehgion, Diss. Columbia University, 13-17. WISSOWA, G.: (21912) Region und Kultus der Römer, München. WLOSOK, A.: (1970) Römischer Religions- u. Gottesbegriff in heidnischer und christlicher Zeit. A&A 16, 39-53.

Zu einem altrómischen Opferritual (Cato de agricultura c. 141)" Cato hat uns in seinem Buch über die Landwirtschaft in c. 141 das religionsgeschichtlich so hochinteressante Dokument der /«s250 agri hinterlassen. Es ist das die zeitlich erste und älteste Erwähnung des Ambarvalienfestes, das im Frühling gefeiert wurde. Noch wichtiger als diese Tatsache ist jedoch die genaue Schilderung des Zeremoniells und Angabe der vorgeschriebenen Gebete. Daß Cato auf den Vorschriften älterer Ritualbücher basiert, ist längst bekannt.! Schon die sakrale formelhafte Wendung cwm divis volentibus quodque bene eveniat, mando libi, Mani, uti illace swovitaurilia fundum agrum terramque meam, quota ex parte sive circumagi sive arcumferenda censeas, ut cures lustrare am Beginn seiner Ausführungen weist in diese Richtung. Die Diskussion über die Person des Maniss, der hier angeredet wird — GESNER u.a. wollte dafür Mankus konjizieren, der für c. 144 und 152 als sw: feststeht —, erübrigt sich daher, denn Marius ist wohl wie die sakrale Formel selbst von

Cato aus seiner Vorlage übernommen: Er ist einfach Illustrationsbeispiel? analog dem Ὁ. Fabius in der Parallele bei Cic. div. 2,71 ©. Fabi, te mibi in auspicio esse volo, wo der Personenname ebenfalls fester Bestandteil der Ritualformel ist. Nach Cato läuft das Zeremoniell der Lustration wie folgt ab: Die drei Opfertiere, Ferkel, Lamm und Kalb (swovitaurika), werden um das zu entsühnende Gut herumgetrieben oder je nach Notwendigkeit herumgetragen.? Sie gehören der Kategorie der suovitasrilia lactentia an, wie aus dem folgenden ersichtlich ist, zum Unterschied von

Erstveröffentichung in: Rheinisches Museum für Philologie 116, 1973, 238-255 (Frankfurt am Main: Sauerländer). *

Vortrag, gehalten vor dem Eranos Vindobonensis am 23. Nov. 1972.

1

Vgl E. LUEBBERT, Commeniationes Pontificales, Diss. Berlin 1859, 121.

2

Der Name Manius, der nach dem Ausweis des

LEW

von A. WALDE/].

B. HOFMANN

2,

Heidelberg ?1954, 27 (mit W. SCHULZE, Zur Geschichte lateinischer Eigennamen, Berlin 1904, 469; 474) ursprünglich ein theophorer Name ist (zu archaisch mous 3 = gut, vgl. etwa Paul Fest. 109,7 Cerur mauus), ist schon auf der fibula Praenestina (CIL. I? 3) bezeugt. In späterer Zeit findet er sich selten, doch hat er sich gerade als Paradebeispiel, etwa unserem heutigen Maier oder Müller entsprechend, bis in die Kaiserzeit erhalten. Vgl. Afran. com. 210 (RIBBECK?) qwe deftssa expectando domi | sedi, quod spisso venire Manius visust

ibi, Varto Men. 259 (BÜCHELER,

aus der Satire namens

Maxis)

Manius mans

suscitat; rostrum sub rostra fert, populum in forum conduat, frg. 66 (BÜCHELER, aus der Satire Bimarcus) Mani, cum domi tuae vides commilitonum fuorum cobortis serws fuis ministrare caementa, Pers. 6,558. accedo Bonllas, /

chvumque ad Virbi praesto est mibi Manius beres, Petron 45,7 iam Manios aliquot babet, Mart. 11,20,5 (aus einem Zitat des Kaisers) und das bei Fest. 128,15 L. angeführte Sprichwort #4 Mami Ariciae (s. dazu auch A. OTTO, Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer, Leipzig 1890, 208£). 3 Letztere Anweisung gilt wohl für den Fall, daß eines der Tiere nicht freiwillig gehen oder ausbrechen wollte, was bekanntlich ein böses Omen gewesen wäre. Vgl. Macr. Sat. 3,5,8 observatum est a

sacrificantibus, st, si bostia, quae ad aras duceretur, fuisset vehementius rebutata ostendissetque se invitam. altaribus admoveri, amoversiur, quia invito deo offerri eam putabant. (Quae autem. stetisset oblata, banc volenti. numini dari aestimabatur.

58

Zu einem altrómischen Opferritual

den swonitaurilia maiora, die bei den öffentlichen Lustrationen dargebracht wurden.* Das Opfer ist für Mars bestimmt; erst in späterer Zeit trat an seine Stelle die Göttin Ceres, als auch bei diesen privaten Flurumgängen im Frühling die Dreizahl der Tiere auf ein Stück beschränkt wurde, das dafür aber dreimal um das Grundstück getrieben wurde.

Wird bei Cato der Umzug, der offenkundig apotropäisch-kathartischen Sinn hat,‘ von dem Opferdiener angeführt, so sind die nächsten, und zwar wichtigsten Schritte dieser Justratio dem Hausvater selbst vorbehalten. Er hat als Opferherr die Opfer-

handlung zu vollziehen, deren Elemente im wesentlichen typisch sind. Der Grad der Ausführlichkeit jedoch, mit dem auf sie eingegangen wird, hängt davon ab, inwieweit ihre Kenntnis schon aus vorhergehenden Kapiteln von Catos Lehrschrift vorausgesetzt werden kann. Dies zeigt sich gleich beim ersten Punkt der nun einsetzenden

Opferhandlung: bei der Weinvorspende an Janus und Jupiter, die nach dem Zeugnis des Pontifex Q. Fabius Maximus Servilianus (zitiert bei Macr. Sat. 1,16,25) vor jedem

Opfer obligat war. So wird der Wortlaut der dabei zu sprechenden Gebetsformeln hier erspart in Anbetracht von c. 134, wo dieser bei den Anweisungen für das Opfer einer porca praecidanea für Ceres genau angeführt wird. Daher heißt es an unserer Stelle nur lanum lovemque vino praefamino. Daran schließt sich asyndetisch sic dicito, das sich bereits auf das folgende Marsgebet bezieht. Solche asyndetischen Parataxen sind typisch für den archaischen Satzbau und finden sich gerade in dieser Catonischen Schrift über den Landbau häufig.’ Auf dieses Voropfer folgt dann das große Gebet an Mars. Es ist dies das Kost-

barste, was uns Cato in dem Kapitel überliefert hat. Die Literatur darüber ist sehr umfangreich, besonders was die Funktion

des Mars als ursprüngliche

Acker-

oder

4 Vgl Varro rust. 2,1,10 populus Romanus cum lustratur suovitaurikbus, cireumapuntur verres, aries, taurus, et quod. momina mulia babemus ab utroque pecore, a maiore et a minors, Liv. 21,62,7 iam prime ommum urbs dustrata est, bostiaeque maiores quibus editum est dis caesae, Dion. Hal. 4,22,1f. ὁ Τύλλιος ... καθαρμὸν

αὐτῶν

ἐποιήσατο ταύρῳ καὶ κριῷ καὶ κάκρῳ, (anstelle des letzten Wortes ist fälschlich τράγῳ, überliefert, das JACOBY in seiner Ausgabe zu Unrecht hält, s. W. H. ROSCHER. NJb f. Pbi. 107, 1873, 331£), Fest. 372 L. Vgl. dazu allgemein J. MARQUARDT, Römische S'taatswerwaltuns 3, Leipzig 21885, 171 Anm. Auch die frames Arvaks opferten gelegentlich swowiawrika mara (s. Protokoll aus dem Jahre 183 bei W. HENZEN, Ada fratrum Arvalum, Berlin 1874, 143). Die Arvalbrüder brachten natürlich sonst bei ihrem jährlichen Fest der Dea Dia, entsprechend den römischen Sakralvorschriften, weibliche Tiere dar.

Es fällt aber dabei die unkonventionelle Reihenfolge auf sowie der nicht cinheitliche Ort, an dem die

Tiere geopfert wurden: zwei Schweine und eine Kuh am Altar vor dem heiligen Hain, erst das Schaf wurdeim Heiligtum selbst dargebracht. (Vgl. HENZEN CXIX und 20 sowie CIX und 20 und 24). Vgl. auch Cic. leg. 2,12,29 ἐμά ex institutis pontificum et haruspicum non mulandum est, quibus bostis immolandum cuique deo, cxi maioribus, cui lactrutibus. 5 Zuersehen aus Verg. georg. 1,345 ferqwe novas circum felix eat bostia fruges (vgl. dazu die Anm. bei Servius fex bostia, ie. fecunda; diat aute» ambarvak sacrificum, quod de porca et saepe fecunda et grasida fieri consuererai). Bei Verg. ecl. 3,77 ist es ein Kalb: cam fadam vitula pro frupbus, ipse venito (vgl. auch dazu den

Komm. bei Servius) und Tib. 2,1,15 ist es ein Schaf: omite fulgentes ut eat sacer agnus ad aras. Dazu allgemein K. LATTE, Römische Rebgionsgeschichte, München 1960, 65 und G. WISSOWA, Region und Kulius der Römer, München 21912, 143 Anm. 5.

6 Das apotropäische Element liegt im magischen Kreis, durch den sozusagen ein unsichtbarer Wall gegen das feindliche Draußen errichtet wird; zugleich sollen damit aber auch bereits alle eventuell schon eingedrungenen dämonischen und unheilvollen Mächte aus dem eigenen Bereich ausgetrieben werden, und darin liegt die kathartische Wirkung der Prozession. Vgl. dazu E. NORDEN, Ass alrömi-

schen Priesterbüchern, Lund, Leipzig 1939, 165, K. LATTE, RRG 41f. und den wichtigen Aufsatz von M. SCHUSTER, Volkskundliche Bemerkungen zu Tibulls Ambarvaliengedicht. WS 56, 1938, 94fF. 7

Vg. R. TILL, Die Sprache Catos. Pbilologss Suppl. 28,2, 1935, 7ff.

Zu einem altrömischen Opferritual

59

Kriegsgottheit betrifft! Ich will darauf hier nicht näher eingehen, ebensowenig wie auf die rhythmische Gliederung des Gebets’ und das Problem, ob Cato es getreu nach seiner Vorlage zitiert oder ob es uns nicht frei von stilistischer Überarbeitung vorliegt, wie REITZENSTEIN!? meinte. Soviel steht jedenfalls fest, daß das Gebetin zwei Teile zerfallt, worin man sich wie im Arvallied der Hilfe

des Mars zuerst als der

unheilabwehrenden, dann als der segenspendenden Gottheit versichern will. Es schließt mit der teilweise wiederholten hochfeierlichen Formel! Mars pater, eiusdemrei ergo macte bisce suonitaurilibns lactentibus esto.

Darauf folgt eine weitere Ritualanweisung, deren Text zunächst einer Klärung bedarf. In den Handschriften und Ausgaben der Humanisten, die alle auf einen einzigen Archetypus, nämlich den verlorenen codex Florentinus Marcianus zurückge-

hen, ist tradiert: [fem esto item cultro facto strueps et fertum. uti adsiet inde οὐπεονείο. P.

THIELSCHER" hält die Überlieferung, indem er interpungiert: lem: » … esta.« item. cultro facito. struem et fertum. uti adsiet; inde obmoveto und übersetzt: »Ebenso: Sei ... k Ebenso. Schlachte mit einem Messer. Sorge dafür, daß eine s/rwes und ein fertuw zur Stelle ist; bringe davon dar.« Seiner Meinung nach wäre also die Formel Mars pater, 8

Die Literatur darüber findet sich zusammengestellt

und besprochen bei G. RADKE, Die Götter

Altitahens, Münster 1965 ( = Fonter et Commwentationes3), 199££., der sich für Mars als ursprünglichen Gott der bäuerlichen Gemeinde entscheidet. Die Richtigkeit seiner Ansicht wird offenbar bestätigt durch eine weitere Stelle bei Cato agr. c. 83 selbst, wo dem Mars und Silvan ein Opfer pro bubus adi salsaut dargebracht wird. Ebenfalls spricht dafür das bei den Umbrem männliche Pendant zur Ceres, das auf den Iguvinischen Tafeln stets das Epitheton Marts führt. Dieser Ces nimmt auch zusammen mit zwei weiteren Göttinnen, die mit ihm in Verbindung

stehen, bei der iguvinischen Lustration

die erste Rolle ein. Vgl. Tab. low». VIb 61£. Sere martie, prestota serfia ferfer martier, tursa serfia ferfer martier, fututo foner pacrer pass vestra popie totar üomimar, | tots tionine, ero merus fibitir anfibétir, touies bostatir anostatir, ero nomme, erar nomme X etfus Martius, Prestota Cerfia des Gerfus Martius, Torsa Cerfia des Cerfus Martius,

seid günstig und gnádig mit eurem Frieden dem Volk der Stadt Iguvium, / der Stadt Iguvium, ihren Vorstebern mit Amt und ohne Amt, den Jünglingen mit Waffen und ohne Waffen, dem Namen

dieser, dem Namen jener, Übersetzung von A. J. PFIFFIG, Religio Iguvina. DA

84, 1964. — Auf

eine alte Kulturkoine der italischen Völker weisen aber auch die Ähnlichkeiten des Wortlautes unseres Marsgebetes mit der Form des Gebets auf den Iguvinischen Tafeln, in dem dort neben den Gottheiten Jupiter Tefro, Fisonius Sanau: und Graborius auch die mit dem Cerfss

Martius verbundene

und ihrem

Namen nach schützende Ceres um Heil und Segen angerufen wird: Vlla 15 Presteta ferfia Serfer martier, saluom serits poplem totar üouinar, salua seritu | totam ieninam. prestola jerfia ferfer martier, salue seritu pepler totar fiowinar, tolar uouzmar | nome. nerf arpmo, vro pequo, castrwo frif salua seritu. futu fons pacer pase tua pople totar fouinar, | tols Howie, erer nomme, erar morvne. »Prestota Cerfia des Cerfus Martius, bewahre heil das Volk

der iguvinischen Stadt, bewahre heil die iguvinische Stadt. Prestota Cerfia des Cerfus Martius, bewahre heil den Namen des Volkes der iguvinischen Stadt, der iguvinischen Stadt; die Vorsteher und die Prie-

ster, die Menschen und die Tiere, die Felder und die Früchte bewahre heill Sei günstig und gnädig mit deinem Frieden dem Volk der iguvinischen Stadt, der iguvinischen Stadt, dem Namen

dieser, dem

Namen jeneri« 9 Das Gebet ist festgefaßte Prosa, die wie auch in den Gebeten auf den Iguvinischen Tafeln durch Kola und Kommata gegliedert wird. Auffallend ist auch die Vorliebe für den Ditrochäus am Schluß der Kola. Vgl. C. THULIN, Itaksche sakrale Possie, Berlin 1906, 52ff., F. LEO, Der saturnische Vers. AGG ΝΕ. 8, 5, 1905, 64 und A. KAPPELMACHER. WS 43, 1924, 170. 10 In: Straßburger Festschrift deutscher Phüblogen und Schulmäuner, Straßburg 1901, 152f. 11 Zur Anadiplosis von Wörtern und Formeln in Gebeten und Zaubersprüchen zum Zwecke der

Verstärkung vgl. ausführlich E. NORDEN in seinem Kommentar zu Verg. Aen. 6,46. — Über macte (= Vok. vom Part Perf. Pass. matws) zu *mago »nchren (also die uralte Vorstellung, daß die Kraft der Gottheit durch Opfer gestärkt wird) vgl. LATTE, RRG 45 Anm. 2 und j. B. HOFMANN/A. SZANTYR, Lateinische Syntax und Stikstik, München 1965, 79£. 12 De: Marcus Porins Cato Belebrung über die Landwirtschaft, Berlin 1963.

60

Zu einem altrómischen Opferritual

sinsdem rei ergo macte bisce suovitaurilibus lactentibus esfo noch zweimal zu wiederholen, was

aber im Text nur durch das zweimalige item angedeutet würde. Wie unglücklich aber diese Interpretation sowohl vom Sprachlichen als auch vom Inhaltlichen her ist (denn womit anderem schlachtet man sonst als mit einem Messer?), bedarf wohl kei-

ner weiteren Worte. Zu Recht hingegen hat schon der Humanist Jucundus (Giocondo), dem

sich KEIL, GOETZ

und MAZZARINO

in ihren Ausgaben

angeschlossen

haben, es item als Dittographie getilgt und läßt die Stelle lauten: em cultro facito struene et fertum uti adsiet, inde obmoveto.'” KEIL tum adsint cultro, quo bostiae mactantur, et neten Sinn: Sie enthält die Vorschrift, liegend zu denken haben, die beiden

versteht den Satz richtig als faifo uf strues et ferinde ea obmoveto. Diese Lesart ergibt ausgezeichdem Opfermesser, das wir wohl auf dem Altar Opferkuchen (stres und fertum) zur Seite zu

stellen, die noch vor dem eigentlichen blutigen Opfer darzubringen sind. Auch bei der Darbringung dieser Opferkuchen wird der Wortlaut des Gebets wie bei der schon oben erwähnten Weinvorspende nicht angeführt, weil er durch die genauen Angaben von c. 134 hier als überflüssig empfunden wurde. Ferner wissen wit, daß Kuchen und Opfermesser!5 wie die Opfertiere bei ihrer Weihung an die Gottheit mit der »#0/2 salsa bestreut wurden. Davon leitet sich auch immolare her, das

im ursprünglichen Sinn das Aufstreuen der mola auf den Kopf des Opfertieres bedeutete, wodurch dieses der Gottheit zu eigen gegeben wurde. So heißt es bei Paul. Fest. 97,22 L. immolare est mola, id est farre molto et sale, bostiam perspersam sacrare. V gl. auch Serv. zu Verg. Aen. 10,541 sane immolari proprie dicuntur bostiae, non cum caeduntur, sed cum acapiunt molam salsam, ebenso Paul. Fest. 125,14 L. und Serv. zu Aen. 4,57. Bei

dieser Weihung, dem eigentlichen Akt der immolatio, pflegte man den Kopf des Opfertieres außerdem mit einer Schale Wein zu übergießen. Wie also das Wort immolare selbst zeigt, sah der Römer das Wesentliche am Opfer nicht in der Schlachtung — erst sekundär erfolgte die Ausdehnung des Begriffes

auf die Tötung des Tieres —, sondern in der Darbringung. Dies wäre auch der nächste Punkt in der Abfolge unseres Lustrationsopfers. Wir müssen uns aber fragen, ob Cato das Wort immolare in seiner Anweisung abi porcum immolabis, agnum vitulumque, sic oportet: eiusque rei ergo macte sworilaurilibus immolandis esto in der erwähnten ursprünglichen oder schon erweiterten Bedeutung von »schlachterx verwendet. Die Beantwor-

tung dieser Frage ist nämlich deshalb nicht unwesentlich, weil von ihr abhängt, ob die Formel eiusque rei ergo macte suovitaurilibus immolandis esto‘ beim Akt der Weihung 13 TALL

ltem hat hier natürlich nur satzverbindende Funktion in der Bedeutung von ri», praeterea. Vgl. 7,2, 1, 535, SOfF, bes. 536, 30ff. — Zum

sprachlichen Ausdruck an unserer Stelle bemerkt

außerdem H. KEIL in seinem Kommentar: »Extra ordinem posito dativo casu »cultrox factum est, ut accusativi »struem« et »fertum« post verbum »facito« ponerentur, quamquam in hac verborum compositione, cum accusativus nominis cum primario verbo coniunctus subiecta enuntiatione accuratius definitur, id nomen primum locum obtinere solet: 8,2 nuces calvas, Abellanas, Praenestinas, Graecas facito uti serantur« (mit weiteren Beispielen). — Zu obmosere wie commovere (c. 134), die uns in der Bedeutung »darbringen« nur bei Cato belegt sind, vgl. Paul Fest. 222,11 L. und Tab. Igws. Vla 54 comobota.

14

Zu strwes und fertum als Opferkuchen vgl. Paul. Fest. 75 und 409 L.

15

Vgl

dazu

LATTE,

RRG

387

und

J.

MARQUARDT,

Römische

Staatsverwaltums

3,

3.

Aufl.

= unveränd. Nachdr. d. 2. Aufl. von 1885, Darmstadt 1957, 180 Anm. 9. 16 Die Tatsache, daß die Formel hier im Unterschied zum Schluß des Gebets nur in Kurzform aufscheint — es fehlt nämlich die Anrede an Mars, his und textibus — muß bei der der römischen Religiosität eigenen ängstlichen Genauigkeit befremdlich erscheinen. Ob dies beabsichtigt war oder ob die Ursache dafür in der Nachlässigkeit Catos oder in der Überlieferung zu suchen ist, können wir

Zu einem altrömischen Opferritual

61

oder bei der Tötung des Tieres zu sagen war. So vertritt z.B. THIELSCHER a.O. letztere Ansicht. Ich glaube jedoch, daß diese nicht richtig ist, wie sich auch noch aus den Ausführungen vorliegender Arbeit zeigen wird. Für erstere Deutung sprechen nämlich offensichtlich einige Stellen: So heißt es bei Serv. zu Verg. Aen. 9,641, wo von der eigentlichen immolatio die Rede ist: quotiens enim aut fus aut vinum super victimam fundebant, dicebant: »mactus est taurus vino vel ture.« Obwohl hier ein Irrtum vorliegt, denn die Formel richtete sich niemals an das Opfertier, sondern an den Gott," so geht daraus doch eindeutig hervor, daß die Formel bei der Weihung des Tieres an die Gottheit gesprochen wurde. Auch Ov. met. 7,593f. läßt sich als Beleg anführen: dw vota sacerdos | concipit et fundit purum inter cornua vinum. Hiet ist fm

seiner Etymologie entsprechend als Darbringungsformel zu verstehen, wor-

über W. W. FOWLER? handelt. Vgl. ebenfalls die Schilderung des Endes einer römischen Prozession mit ihren Opfern bei Dion. Hal 7,72,15 Συντελεσθείσης δὲ τῆς

κομπῆς ἐβουθύτουν εὐθὺς ol τε ὕπατοι καὶ τῶν ἱερέων olg ὅσιον, καὶ ὁ τῶν θυηκολιῶν τρόπος ὁ αὐτὸς ἦν τῷ παρ᾽ ἡμῖν .. Δημητρίους καρποὺς ἐπιρράναντες

αὐτῶν

(scil τῶν ἱερῶν) ταῖς κεφαλαῖς,

ἔπειτα

κατευξάμενοι,

θύειν τότε τοῖς

ὑπηρέταις αὐτὰ ἐκέλευον. Aus seinen Worten geht ebenfalls hervor, daß das Gebet

bei den Griechen üblich war, während man die mit Salz vermischte ungeschrotene Opfergerste u.a. auf den Kopf des Opfertieres warf." Auch Tab. Iguv. Vla 22, wo Ritualanweisungen zur Lustration des Volkes und zur Entsühnung der Burg gegeben werden, wird gebetet, wenn über das Opfertier das Libament ausgegossen wird.® Ganz eindeutig ist auch, daß Cato selbst in einem Fragment aus den Origines (55 PETER? bei Serv. zu Verg. Aen. 10,541) immolare noch im ursprünglichen Sinn verwendet: Lavini boves immolatos, priusquam caederentur, profugisse in silvam. Und gerade in

der konservativen Sakralsprache wurde diese alte Bedeutung weiterhin beibehalten. Vgl. z.B. das Protokoll der Arvalbrüder2 aus dem Jahre 87 n.Chr.: Z (scil frater Aralis) … feat immolavitque vino. mola … oder Fest. 124,2 L.: Cloatius efiam in libris heute nicht mehr entscheiden. Auch bereitet die Partikel qwe in eissgwe sprachlich Schwierigkeiten. Am Ende des großen Gebets und in c. 134,3 heißt es nämlich sixsdem und c. 139 steht bloßes eir in derselben Formel. Es ist schwer zu sagen, ob wir hier einen Bedeutungsschwund von qwe wie 2.B. archaisch meque= son (vgl. dazuJ. B. HOFMANN/A. SZANTYR 448ff.), das in $ 4 unseres Kapitels gleich zweimal aufscheint (nud tbi in iläsce swonitanrikbus lactentibus neque satisfactum est bzw. quod tibi illc porco neque satisfactum est), anzunehmen haben (auch im Spätlateinischen ist wieder Bedeutungsschwund von que anzutreffen; vgl. dazu ]. B. HOFMANN/A. SZANTYR 475) oder ob eine orthographische Verwechslung von qwe mit der deiktischen Partikel # vorliegt. Letztere Erscheinung ist z.B. CIL 12 756, CIL III 1114 (beide Male Pwiusque anstatt war) festzustellen (vgl. dazu E. LÖFSTEDT, Vermischtes Studien zur lateinischen Sprache und Syntax, Lund 1936, 42). Freilich ist aber « in Verbindung mit is im Altlatein sehr fraglich, aber wohl in Anbetracht der Parallelen aus den anderen italischen Sprachen wie z.B. oskisch iz& bzw. umbrisch ere& für diesen alten sakralen Text nicht ganz abzulehnen. Für das Spätlatein zitieren F. NEUE/C. WAGENER, Formeniehre der lateinischen Sprache 2 , Berlin 51897, 389 17 18 19 20

"Vgl dazu R. WÜNSCH, Anmerkungen zur lateinischen Syntax. RAM 69, 1914, 127. W. W. FOWLER, The Re£giour Experience of tbe Roman People, London 1911, 182ff. "Vgl Belege bei P. STENGEL, Die griechischen Kutusaltertümer, München 51920, 110f. Vgl. zu es manatu westeis F. BÜCHELER, Umbrica, Bonn 1883, 53f. und G. DEVOTO, Le Tavok

di Gubbio, Florenz 1948, 23.

21 Sübam hat B. BRISSONIUS in seiner auch heute noch äußerst brauchbaren Abhandlung De formulis et. sollemmibus bopuli Romani verbis, Frankfurt 71512, 27 anstatt des bei Servius tradierten saZam 22

bei W. Henzen,

Acta Fratrum

Arvakum,

Berlin 1874, 92.

62

Zu einem altrómischen Opferritual

sacrorum: »Molucrum esse aiunt ligneum quoddam quadratum, wbi immolatur. »Dieses Holzge-

stell diente zum Auffangen des Opfermehls, wenn man es über den Kopf des Tieres streute.« Es ist daher wahrscheinlich, daß immolare auch an unserer Stelle, wo es sich um einc Ritualanweisung handelt, in der wohl jede Unklarheit vermieden werden sollte, und wo sich das Wort überdies in der uralten Sakralformel sacr ... esto findet, in seiner ursprünglichen Bedeutung steht. Demnach zeigt sich, daß die erwähnte Sakralformel zum Akt der Weihung des

Opfertieres zu sprechen ist. Erst daran schließt sich die Tötung. Diese war natürlich so selbstverständlich, daß sie nicht ausdrücklich erwähnt werden mußte, doch kann

sie aus dem Zusammenhang MAZZARINO)

klar gefolgert werden, denn es wird in Z. 21 (ed.

die Anweisung für Ersatzsühneopfer gegeben für den Fall, daß das

Opfer aus irgendeinem Grunde ungültig ist oder an seiner Gültigkeit gezweifelt wird. Auch dafür hat Cato die zu sprechenden rituellen Formeln überliefert. Sie lauten:

Mars pater, si quid tbi im illisce swomtamrilibus lactentibus meque. satisfactum. est, te bisce suovitanrilibus piaculo. bzw. Mars pater, quod tibi illoc porco neque satisfactum est, te boc porco pracuio.

Beide Formeln fallen wegen der Verbalellipse im Hauptsatz auf. Interessant ist, daß sich genau parallel dazu auf den Iguvinischen Tafeln dasselbe Verschweigen des Verbums in ähnlichen Wendungen findet wie z.B. Tab. Vla 25,: di grabowie, fio esu bue

peracrei pibaclu ocreper fisiu, totaper iomina ... »Gott Grabovius, dich mit diesem fetten Rind als Sühneopfer für die Fisische Burg und die iguvinische Stadt ..« G. DEVOTO? und neuerdings A. J. PFIFFIG^ schließen sich F. BÜCHELER? an, der erklärte, das Verb werde hier κατ᾿ εὐφημισμόν verschwiegen. W. HAVERS®

hat dies

jedoch bezweifelt und glaubt, daß wir vielmehr hier einen Gebetsgestus, der das Verb ersetzte, annehmen müßten. J. B. HOFMANN/A. SZANTYR? denken an eine Sparsamkeitsellipse, und P. BERRETTONI2 wollte mit Hinweis auf Parallelen aus dem Sanskrit zuletzt zeigen, daß es sich bei dieser sakralen Verbalellipse in den beiden Catonischen Gebetsformeln um eine »conservazione di un tipo sintattico molto arcaico della lingua religiosa nelle »aree laterali: del dominio indoeuropeo« handle. Aber BÜCHELERs Ansicht scheint mir wahrscheinlicher zu sein, denn es muß zu denken geben, daß diese Ersparung des Verbs auf den Iguvinischen Tafeln nur in ganz bestimmten Wendungen, aber da ausnahmslos, durchgeführt ist, und zwar immer dann,

wenn der Betende als Subjekt die Huld der Gottheit durch eine Gabe für sich erheischen will? 23

24 25

26 27 28 29 grabouie,

Tabula Iguninae, Rom 21940, 189.

Religio Ipsvina 104f. Umbria 55.

Neuere Literatur zum Sprachtabu. SAWW 223,5, 1946, 151f. Lateinische Syntax und Stihstik 423. Sopra una formula piaculare nel de agri exítura di Catone. SSL 7, 1967, 166. Die gleiche Formel wie Tab. Igys. Via 25 noch Via 33; 35; 43; 45; 53; VIa 54 heißt es d fio comobota tribrifine buo peracrio pibacle | ocriper fisiu, totaper üonina »Gott Grabovius, dich mit der

dargebrachten Dreiheit von fetten Rindern als Sühneopfer für die Fisische Burg, für die iguvinische

Stadt«, VIb 9 sowie sansie, kom esa mefa spafa fisouina »Fisovius Sancius, dich spefa«, VIb 27 iefre iouts, tion esu sorsu persontru tefrak pihachı »T'efro Jovius, flüssigen Fett als Sühneopfer«, VIla 9; 18 und 21 Prestota £erfia ferfer martier, popluper totar bouinar, totaper tiowina »Prestota Cerfia des Cerfus Martius Krügen, dich mit den vollen für das Volk der iguvinischen Stadt, für die puni, tin sins »dich mit dem Trank, dich mit Wein«

mit dieser fisovischen mefa dich mit diesem tefralischen tiom isir veschr adrir, Kom plener dich mit diesen schwarzen iguvinische Stadt«, IIa 25 4x

Zu einem altrómischen Opferritual

63

Dieses Verschweigen des Verbums entspringt also wohl der Tendenz des Betenden, seine Aktion der Gottheit gegenüber nicht näher zu definieren, weil er sich über den richtigen Ausdruck dafür nicht im klaren ist. Was hätte er in unserem Fall auch konkret sagen sollen? Etwa: »Vater Mars, ich will dich mit diesem Schwein als Sühne versóhnen, gewinnen, verehren«? Und aus Angst, ein unpassendes Wort zu sagen, welches dem Gotte vielleicht nicht genehm wäre und die Gültigkeit des Opfers sogar gefährden könnte, wird daher die Tätigkeit lieber nicht bezeichnet. Dies ist wohl auch der Grund, warum in so vielen Sprachen der Vollzug einer Sakralhandlung durch den unbestimmten Ausdruck sw, der also praktisch alle Bereiche der Opferhandlung deckt, euphemistisch umschrieben wird: Man vergleiche etwa lateinisch facere, griechisch ῥέζειν, deutsch opfern, das sich von openzri herleitet. Auch im Umbrischen, Indischen, Hebräischen und Hethitischen findet sich diese Erscheinung.

Dagegen wird das Verb natürlich gesetzt, wenn der Betende um sein Tun genau Bescheid weiß. Vgl etwa Tab. Iguv. VIa 24 arsie fo subocau suboco, dei grabowie »Heiliger, dich rufe ich, habe ich gerufen, Gott Grabovius«.* Dieses rituelle Tabu, worum es sich an der Catostelle offenbar handelt, ist jedoch keineswegs das einzige in unserem religionsgeschichtlich so hochinteressanten Kapi-

tel. Nach der Anweisung für die immolatio findet sich nämlich in unserem Text der vieldiskutierte Satz nominare wtat Martem neque agnum. vitulumue, von dem KEIL in sei-

nem Kommentar feststellt: »In interpretatione vel emendatione verborum frustra laboraverunt interpretes.«

Sprachlich gesehen, hat schon zunächst der Indikativ #12 nach den vorausgehenden Imperativen pruefamino, diito und facio Anstoß erregt. Sonderbar muß auch auf den ersten Blick hin erscheinen, warum in diesem Verbot der Namensnennung nur zwei der drei Tiere angeführt werden, nämlich Lamm

und Kalb, während das

Schwein fehlt, und noch mehr muß wundernehmen, warum auch Mars genannt wird. K. LATTE?! hat folgende Erklärung für den Satz gegeben: »Irgendeine Autorität, deren Name ausgefallen ist, hat einmal die Suovitaurilien auf ein Ferkelopfer beschränkt und die Anrufung des Mars fortfallen lassen. Das ganze ist kein Zusatz eines späteren Schreibers, sondern Randnotiz eines Benutzers, als das Buch noch im Gebrauch war.«2 E. NORDEN? stimmt LATTE zu, meint jedoch, die Autorität sei ein

Sakralgesetz selbst. Es ist jedoch nicht einzusehen, warum die Anrufung des Mars bei diesem Opfer einmal hätte wegfallen sollen. Zwar handelt es sich tatsächlich um eine Ritualvor-

schrift, wie sich später noch zeigen wird, aber als Subjekt nicht mit NORDEN /ex zu denken. An den von NORDEN Stellen Cic. leg. 2,23,59 «cera im XII minuendi sumptus franslata de Solonis fere legibus. »Hloc plus inquit (scil. Lx, ne stocr. (= or. 23), 28 (629) Τοὺς δ᾽ ἀνδροφόνους ἐξεῖναι καὶ ἀπάγειν, ὡς ἐν τῷ ἄξονι ἀγορεύει (sciL ὁ νόμος), ...

von war hat man sich wohl als Parallelen beigebrachten sunt lamentationisque funebris facitoc und Demosth. in Ariἀποκτείνειν £v τῇ ἡμεδακῇ versteht sich die Ergänzung

30 «πῶς nach R. v. PLANTA, Grammatik der oskisch-wmbritcben. Dialskis, Straßburg 1892-1897 und BÜCHELER ein Vokativ (sansts), nach DEVOTO ein Lokativ (fx dedicatione), PFIFFIG »mit der Opfergabe, während der modernste Kommentator J. W. POULTNEY, The Bronze Tables of Igurium, Oxford 1959, darin eine Dedikationsformel sieht. 31 K. LATTE, Über eine Eigentümlichkeit der italischen Gottesvorstellung. ARW 24, 1926, 250 Anm. 1.

32

Ähnlich urteilt auch LATTE, RRG 66.

33

Aus altrömischen Prissterbüchern, Lund, Leipzig 1939, 261.

64

Zu einem altrómischen Opferritusl

von lex bzw. νόμος wohl von selbst aus dem Kontext, wo ja von Gesetzen die Rede

ist, bei Cato hingegen ist doch der Zusammenhang ganz verschieden, so daß eine solche Ergänzung weit hergeholt wäre. Mit H. KRONASSER* möchte ich vielmehr den zu Beginn des Kapitels angeredeten Manius als Subjekt auffassen, »der offenkundig als Leiter des Rituals fungiert«, und für den auch das folgende Atabit und dubitabit spricht, wo kein Zweifel über die Person bestehen kann. Er ist es doch, der auf Grund der inspectio extorum erklärt, ob

das Opfer von der Gottheit angenommen ist oder nicht (s mimus in omnis kfabifs »wenn er nicht für alle [scil. Tiere] gute Vorzeichen angibt«) bzw. ob irgendwelche Zweifel an der Gültigkeit der Opfer bestehen (si uno duobusve dubitabil).* Es ist also wahrscheinlich, daB dem Ritualleiter auch das vorliegende Verbot nominare velat ... in den Mund zu legen ist. Daher ist ebenfalls die Konjektur »w/a/o, die von P. G. GOIDANICH, SIFC 10, 1902, 330ff. und C. BRAKMAN, Mnemosyne 5, 1937, 318, vorgeschlagen wurde, unnotwendig. Die Nichtbezeichnung des Subjektwechsels ist vielmehr eine typisch archaische Stileigentümlichkeit, die sich gerade in sakralen und juristischen Texten (also in der Fachsprache) oft belegen läßt, weil die Kenntnis des

jeweiligen Subjekts aus dem Zusammenhang als bekannt vorausgesetzt wird. Diese Erscheinung ist weit verbreitet und findet sich nicht nur im Lateinischen (vgl. z.B. nur das aus dem

Zwölftafelgesetz bekannte

οἱ in ins vocat ifo, ni if antestamino, dazu

weitere Belege mit Literatur bei J. B. HOFMANN/A. SZANTYR, Lateinische Syntax und Süästik, 412; 733£. und für Cato im besonderen F. ECKSTEIN, Philologus 77, 1921, 149ff), sondern häufig auch in den anderen italischen Sprachen (vgl z.B. mit BÜCHELERs Anm., Umbrica 93, Tab. Igur. VIb 51/52 neip / amboltu, prepa desm combifiansi ver soll nicht herumgehen, ehe er vom Westen her verkündet hat« wo zu amboítu der flamen, der die Lustration vollführt, und zu wmbifiansi der Augur Subjekt ist), im Griechischen (vgl. z.B. die koische Ritualinschrift in DITTENBERGERs Syloge Inscripttomum Graecarum 5, nr. 1025, 42ff.,” zitiert bei NORDEN a.O. 262 Ἐπεὶ δέ xa

σπονδὰς ποιήσωνται, ὁ ἱαρεὺς ... προαγορευέτω ἁγνεύεσθαι γυναικὸς καὶ ἄρσενος ἀντὶ νυκτός. Toi δὲ κάρυκες αἱρείσθω σφαγῆ τοῦ βοὸς .. καὶ προαγορευέτω (sciL ὁ ἱαρεὺς) τῷ αὐλητᾷ τῷ αἱρεθέντι κατὰ ταὐτά.) und im Altindischen.* Auch sonst wird man an dem sprachlichen Ausdruck mowinare vetat Martem neque agnum vitulumque, insbesondere an dem alleinstehenden meque, das ἀπὸ κοινοῦ auf alle Glieder bezogen werden muß, in Anbetracht der ungezwungenen Redeweise Catos keinen Anstoß nehmen. Ich verweise nur auf die Parallele Cato agr. c. 66,1 vaso abeneo

34 35

Nugae Catonianae. WS 79, 1966, 302 Anm. 1. Vgl. zur Bedeutung von ἔχασε ausführlich WISSOWA, R«KR? 418 Anm. 8, PFIFFIG, Reëgio

Iguvina, 71 und PEASE in seinem Kommentar zu Cic. div. 2,36, mit weiterer Literatur.

36 Überliefert ist dubitavit, doch ist die Verwechslung von ὁ und s durch den Gleichklang der beiden Konsonanten in späterer Zeit überaus häufig. KEIL hat daber mit Recht in der 2. Auflage seiner Edition zu dubitabit geändert. Die Korrektur empfiehlt sich, abgesehen davon, daß bei Cato in #-Sätzen ein aktiver Indikativ eines Perf. sonst nicht zu belegen ist (vgl. KEILs Komm.

z.St.), auch durch die

vorausgehenden Futura immwolabis und &tabit. 37 Text auch bei I. DE PROTT, Leges Graecorum Sacrae, fasc. 1: Fasti Sacri, Leipzig 1896, 20 und nunmehr F. SOKOLOWSKI, Lois sacrées des cités Grecques, Paris 1969, nr. 151 A.

38 "Vgl B. DELBRÜCK, Vergleichende Syntax der indogermanischen Sprachen 3, Straßburg 1900, 127 mit Verweis auf die zahlreichen Ritualvorschriften, wofür gleich der Beginn des Satabatha-Brahmana ein gutes Beispiel liefert.

Zu einem altrômischen Opferritual

65

neque nucieis ad oleum ne utatur »Ex soll weder ein ehernes Gefäß noch Kerne für das Öl verwenden«.” Nun zum Inhalt des Verbots nominare vetat ..., dessen Eigenart schon oben kurz aufgezeigt wurde. KRONASSER verteidigt 2.0. 302f. mit Recht die bereits von GESNER vorgeschlagene Emendation von Martem zu porcum mit der Begründung: »Daß Martem sinnlos ist, wird allgemein angenommen, weil Mars unmittelbar vorher zweimal und nachher zweimal angerufen wird. Dies berechtigt zu einer Konjektur, die paläographisch nicht erklärbar sein muß: Martem ist einfach in die Feder gerutscht.«

KRONASSER will das nominare als »benennen« auffassen und glaubt, daß es sich an unserer Stelle um das Verbot eines sogenannten swswrrus magicus handle. Darunter

versteht er das heimlich flüsternde Benennen der Opfertiere mit dem Namen einer Person und beruft sich auf die aus antiken Verfluchungstafeln und auch aus hethitischen Texten bekannte magische Praxis, wonach man Tiere anstelle eines Menschen,

dem man den Tod wünschte, quälte und schließlich tötete. In dem Zusammenhang war natürlich die Nennung der betreffenden Person, die mit dem Tier identifiziert wurde, von eminenter Wichtigkeit. Nach KRONASSER hätten nun gerade die zur Schlachtung bereitstehenden Opfertiere zu einer solchen Verwünschung Gelegenheit geboten, die aber das Lustrationsopfer schwer belastet hätte und deshalb ausdrücklich untersagt worden sei.

Diese Interpretation ist jedoch kaum wahrscheinlich, denn es wird dabei übersehen, daß magische Devotionen nach ganz bestimmten eigenen Riten vollzogen werden mußten, sollte sich der gewünschte Erfolg einstellen.“ Außerdem wurde wohl von keinem der Teilnehmer, deren Zahl sich bei Cato vermutlich auf die Familienmitglieder beschränkte, angenommen, daß er die Lustration bewußt stören wolle. So

ließ man ja auch sonst bei Opfern nur die mitfeiern, von deren lauterer Absicht man überzeugt war. Vgl. Verg. Aen. 8,172 interea sacra baec, quando buc venistis amici, | annua, quae diferre nefas, celebrate faventes | nobiscum, ..., wozu Servius in seinem Kommentar

bemerkt: exraneos enim ad sacra non kcebat adhibere. Hos autem. adhibet ad sacra. quasi antiquis iunctos amcitiis. Auch wissen wir aus Tab. Iger. Ib 15ff. und VIb 53ff., daß gerade bei der Lustration der iguvinischen Heeresmacht alle Fremden entfernt wurden.“ Ich möchte daher das nominare an unserer Stelle als »namentlich aussprechen, »den Namen (der Tiere) in den Mund nehmen« auffassen, so wie es z.B. eindeutig in einer Ritualvorschrift, die uns Macrobius Sat. 1,16,25 erhalten hat, zu verstehen ist.

Dort heißt es: Fabius Maximus Servilianus pontifex in libro duodecimo negat oportere atro die parentare, quia func quoque lanum lovemque praefari necesse est, quos. nominari atro. die non

aportet.

Aber wie ist unser Verbot zu verstehen, und an wen ist es gerichtet, d.h. wer ist Subjektsakkusativ von seminare? Gewiß ist gerade in unserem Kontext, wie wir be-

reits feststellen konnten, seine Ellipse nichts Ungewóhnliches, wo doch als bekannt

39

40 41

Vgl. dazu die eingehenden Ausführungen von E. LÖFSTEDT, Syntartica 12, 342ff.

Vgl dazu A. AUDOLLENT, Defoaoxum Tabella, Paris 1904, XLIVfE. Vgl. auch S. EITREM, Opferritus und Voropfer der Griechen und Römer ( = Kristianias Videnskapssels-

kaps S'hrifier2, Hist.fil. KL, 1914, or. 1), 466; W. W. FOWLER, The Religious Experience of tbe Roman People, London 1911, 212f£ und BÜCHELER, Umbrica 51.

66

Zu einem altrómischen Opferritual

vorausgesetzt wird, an wen sich die Vorschrift richtet. Möglich wäre natürlich auch

die naheliegende Konjektur zu passivischem sominari (vgl. das eben angeführte Zitat bei Macrobius und den Beginn unseres Kapitels: impera. swomtawnia crumañi), wodurch der Satz zwar syntaktisch glatt würde, aber die Frage bleibt, an wen das Verbot

ergeht.

Zunächst denkt man als Parallele an das übliche far ängwis, favete verbis bzw. griech. εὐφημεῖτε. Aber dieses Schweigegebot galt ja schon seit Beginn der Opferhandlung für die Teilnehmer (bei staatlichen Opfern eigens durch einen Herold kundgemacht), damit der Opferherr bei seinem Sakralakt nicht durch ein böses Omen gestört würde.” Das Verbot wominare selat … bei Cato bezieht sich aber, wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, nur auf den Zeitpunkt der Schlachtung. Dafür besitzen wir ebenfalls eine höchst interessante, doch in der Literatur, so weit ich sehe, nirgends beachtete Parallele, die uns wieder bei Macrobius Sat. 1,16,3 überliefert

wird. Ihr Wortlaut ist: Naw cum bostia caeditur, fari nefas est, inter caesa et porrecta fari licet, rursus, cum adoletur, non licet. Zweifellos handelt es sich hier um ein altrómisches Ritualgesetz, das im Speziellen den Ausführenden des Opfers während der Schlachtung der Tiere Schweigen gebot, während das übrige gemeine Volk sich ja schon seit dem Beginn der Opferhandlung lautlos verhalten mußte. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß auch an unserer Stelle das xominar wíat vom Ritualleiter (Marius) insbesondere an den Gutsherrn und seine eventuellen Op-

ferhelfer gerichtet ist, womit ihnen das Aussprechen der Namen der Opfertiere während des Schlachtens untersagt wird. Freilich besteht zwischen dem Zitat des Macrobius und der Feststellung bei Cato ein nicht zu übersehender Unterschied: Das Ritualgesetz bei Macrobius ist ganz allgemein gehalten, während das nominare vetat ... ein spezielles Namentabu zum Inhalt hat. Aber was soll im letzteren eine Nennung oder Anrufung des Mats zur Zeit der Schlachtung der Opfertiere? Das Gebet und die sakralen Formeln sind ja bereits gesprochen, die Weihung ist vollzogen. Jetzt hieß es, sich ganz auf den Akt der Tótung zu konzentrieren, denn auch ein richtiges, d.h. nach bestimmten Satzungen festgelegtes Sterben der Opfertiere wat notwendig, um

den Zweck des Opfers nicht zu verfehlen (vgl. dazu Fest. 287 L. Pisewlaria auspicia, quae sacrificantibus tristia portendebant, cum aut. bostia ab ara effugisset, aut. percussa. mugitwm

dedisset, aut in altam partem corporis quam oporteret, œcidisset.). Dabei konnte natürlich eine Nennung der Tiere leicht vorkommen (etwa: »halt das Schwein festl«).

42 Zur häufigen Ersparung von Subjektspronomina im AcI vgl. insbesondere (mit weiterer Literatur)J. B. HOFMANN/A. SZANTYR 362. 43 Um jeden eventuellen störenden Laut zu übertönen, begleitete man bei den Römern (Belege bei WISSOWA, R«KR2 417 Anm. 4) wie bei den Griechen (vgl. STENGEL, Die griech. Sakralaltertsmer,, 111 Anm. 15; bei Homer allerdings noch nicht belegt, vgl. M. P. NILSSON, Geschichte der griechischen Region 1?, München 1955, 150) den Opferakt gewöhnlich mit Flötenspiel. Bei Cato findet sich davon zwar keine Erwähnung, was aber die Annahme eines tibicen beim Opfer nicht auszuschließen vermag. Im umbrischen Ritual dürfte er beim Opfer tätig gewesen sein (vgl NORDEN, Ass altrömischen Priesterbüchern 262). Diese Praxis stammt wohl über Vermittlung der Etrusker aus dem Orient. So konnte ich z.B. bei W. HINZ, Das Reich Elam, Stuttgart 1964, 49 schon für die Zeit um 2250 v.Chr. amtlich besoldete Musikanten belegt finden, die für gottesdienstliche Handlungen aufspielen mußten. Besonders illustrativ ist aber gerade im Zusammenhang dieser unserer Arbeit ein Relief des neuelamischen Fürsten Hanne (um 710 v.Chr.) in der Schlucht Kul-e Farah bei Iseh, das drei Künstler darstellt, die die Opferung eines Buckelochsen, eines Steinbockes und dreier Widder (f) auf Harfe, Leier und Flöte begleiten (vgl. HINZ a.O. 49).

Zu einem altrömischen Opferritual

67

Das Martem hingegen erscheint, wie sich auch von diesem Aspekt her zeigt, an unserer Stelle kaum angebracht. Zudem fehlt in dem Verbot ganz offensichtlich die Erwähnung des ersten Tieres der swovitanrika, ist es doch nicht einzuschen, warum

nur Lamm und Kalb, nicht aber auch das Schwein von dieser Tabubestimmung betroffen sein soll. Und dazu steht noch an demselben Platze, auch was die übliche

Wortreibung der Tiere betrifft (vgl. den Wortlaut in der vorausgehenden Ritualanweisung xbi porcum immolabis agnum vitulumque), eben das wenig sinnvolle Martem. Seine Emendation zu porcum ist daher einem Einschub von seque porcum unter Beibehaltung des Martem, wie von GOIDANICH a.O. vorgeschlagen, m.E. unbedingt vorzuziehen.“ Wir wollen uns aber nicht mit der bloßen Konstatierung dieses Namentabus begnügen, sondern auch versuchen nachzugehen, warum es ausgerechnet für die Zeit der Schlachtung gilt. Dazu möchte ich hier aus eigener Erfahrung auf eine auffällige parallele Sitte in Kärnten und im tirolerischen Außerferngebiet verweisen, die noch heute von älteren Leuten beim Töten von Haustieren streng beachtet wird. Sie hilft auch, die ursprünglichen Vorstellungen zu erschließen, die wohl hinter dem Namentabu bei Cato stehen, und führt in den Bereich des Magischen: So ist es in den besagten Gebieten allen Leuten, die ein Haustier schlachten oder bei der Schlachtung anwesend sind, streng verboten, während dieser Zeit den Namen des betreffenden

Tieres auszusprechen oder es gar zu bemitleiden, mit der Begründung, daß dadurch das Tier nicht sterben könne. Daher ist es bereits zu einer Selbstverständlichkeit geworden, daß die Tötung überhaupt unter Schweigen der Anwesenden vollzogen wird. Warum eine Namensnennung der Tiere verboten ist, wird für den klar, der weiß,

welch eminent wichtige Bedeutung der Name im Bereich der Magie und primitiven Kulturen einnimmt:

Es ist die Kenntnis

des Namens

einer Sache oder Person, die

einem Gewalt über diese verleiht; sein Aussprechen zwingt, wie allbekannt, selbst die Gottheit und im Christentum den Bösen herbei, uralte Vorstellungen, die sich bis in unsere Zeit finden. Die Belege dafür sind überaus zahlreich, ein näheres Eingehen darauf erübrigt sich jedoch in Anbetracht der großen Literatur dazu, von der ich hier für das Altertum nur auf die hervorragende Monographie von R. HIRZEL, Der Name, verweisen möchte. Ich greife nur ein einziges Beispiel heraus, und zwar den römischen Brauch der wnciamatie. Dieser bestand darin, daß man einen Toten unmittelbar nach seinem Hinscheiden mit seinem Namen zu rufen pflegte, um ihm, wie LATTE, Römische Religionsgeschichte, 101 bemerkt, »zu beweisen, wie gern man ihn behalten hätte; es ist dies ein Versuch, ihn durch Aussprechen seines Namens zurück-

zurufen.« Das Beispiel kann illustrieren, wieso es in unserem Zusamme zu einem Verbot der Namensnennung der Opfertiere kam: Man bringt das Tier der Gottheit dar, in deren Eigentum es nun übergehen soll. Dazu gehört auch, wie schon gesagt, 44

Ganz abzulehnen ist THIELSCHERs Konjektur naminare sweat meque «Aat im porcum? agnum

nitulumque, da es ja anschließend ausdrücklich heißt: s mms im ommis ktabit und si uno duobusve dubitabit, sic

verba concipito. Auch ist der Vergleich des Mars mit dem Teufel, dem Bringer allen Übels, geradezu unsinnig. Das grofie Gebet an den Gott um Abwehr und Hilfe zeigt doch gerade das Gegenteil: Wo bittet man den Teufel in dieser Art um etwas und nennt ihn wie den Mars Vater? In Mars wird vielmehr die Doppelseitigkeit der antiken Gottheiten, die zugleich nützen und schaden können, gut ersichtlich. Vgl. dazu NORDEN, Ass altrömischen Priesterbüchern, 136f£. 45 R. HIRZEL, Der Name. Ein Beitrag zu seiner Geschichte im Altırtum und besonders bei den Griechen, Amsterdam 21962 ( = Neudruck des 36. Bds. d. AS AW); vgl. insbes. 17ff.

68

Zu einem altrómischen Opferritual

daß das Opfertier nicht unwillig oder sich sträubend stirbt, denn das würde das Opfet zunichte machen. Ein Aussprechen des Namens kónnte aber nach magischprimitiver Anschauung genau das bewirken, weil man damit seine Macht und sein Besitzrecht über das Opfertier weiterhin ausübt. Letzteres ist auch der Grund, warum es bei kultisch-sakralen oder als dämonisch

empfundenen Tieren und Dingen so häufig zu Namentabus gekommen ist, die zur Bildung von Decknamen

und schließlich sogar dann oft zu einem Vergessen der

eigentlichen ursprünglichen Bezeichnungen geführt haben.* Dadurch wurde nämlich offen manifestiert, daß diese als dem profanen Bereich entzogen und somit als heilig oder unheimlich galten, und daß man vor ihnen Scheu und Angst hatte. Auch von daher

ist also das Namentabu an unserer Stelle zu verstehen, denn die Opfertiere

wurden ja seit dem Akt der Weihung als heilig und der Gottheit eigen betrachtet.“ Vergleichen wir nun abschließend dieses Catonische Verbot der Nennung der Opfertiere während ihrer Schlachtung mit dem bei Macr. Sat. 1,16,3 überlieferten Ritualgesetz,

so wird man

kaum

bezweifeln

können,

daß ersteres

seinem

Charakter

nach ursprünglichere Züge aufweist und eine Vorstufe zu letzterem bildet. Erst kundär scheint sich daraus ein solches allgemeines rituelles Schweigegebot für Zeit der Tötung der Opfertiere entwickelt zu haben, wie es uns bei Macrobius zeugt ist. Dies lassen wohl auch die oben besprochenen parallelen Bräuche

sedie beaus

Kärnten und Tirol vermuten.

46 Vgl die vielen Belege bei HAVERS, Newere Literatur zum Sprachtabu, 31ff., wo z.B. an den Verlust der ursprünglichen Bezeichnung des Fischotters im Armenischen sowie den Ersatz des Namens für den Biber in dieser Sprache durch ein syrisches Lehnwort erinnert wird. Keinen einheitlichen Namen im Indogermanischen gibt es auch für den Hasen, der oft mit dem Mond, dem Wohnsitz der

Totenseelen, in Verbindung gebracht wurde (vgl. HAVERS a.O. 51), oder vgl. z.B. auch den Bären ( = der Braunei), im Slawischen wedved ( = der Honigfresser), dessen Namentabu HAVERS

a.O. 37

von dem Kultischen her erklären will. Wahrscheinlicher dünkt mir aber wohl die Erklärung, daß man die wirkliche Bezeichnung deshalb vermied, weil man Angst hatte, das Untier könnte sonst erscheinen.

Vgl. das lat. Sprichwort 4pas in fabula oder unser »wenn man den Esel nennt, kommt er gerennt«. 47

Als Parallele für eine solche temporäre Tabuisierung von Kultisch-Sakralem möchte ich auch

auf den Wortlaut der Tab. Ie. VIb 49-51 verweisen. Es handelt sich hier um die zweite Fassung der iguvinischen Lustration, in der zum Unterschied von der Fassung 1 ( = Ταῦ. Ib 11-12) sowohl der

Feuerbehälter dort 44% genannt, in dem das heilige Feuer zum Opfer getragen wird, als auch der F&men mit einem Namentabu behaftet sind: pir endendu; pone eronome ferar, pufe bir entehust, ere fertu poe perca arsmatiam habiest »Gib das Feuer hinein; wenn es zum Opfer getragen wird, dann trage das, worin das Feuer getan wurde, derjenige, der die Priestertoga hat« (übers. nach PFIFFIG). Ähnliche zeitliche Tabubestimmungen gibt es bei vielen Völkern: Ich greife hier abschließend nur noch den Brauch (zit. bei

HAVERS 2.0. 32) in der Herzegowina heraus, nach dem der Weihnachtsblock (badnjak), der in der Heiligen Nacht verbrannt wird, zur Weihnachtszeit nicht mit seinem richtigen Namen genannt werden

darf. Die euphemistische Ersatzbezeichnung dafür ist sesehak ( = ‚Erfreuerd.

Lastruzr. Etymologie und Volksbrauch Albrecht Dihle zum 60. Geburtstag" Schon H. USENER! hat mit Recht erklärt: »Die Berührungen zwischen Heidnischem und Christlichem reichen weiter als man denkt. Zwischen dem Felsen der Lehre Christi und dem rein heidnischen Lande liegt eine breite Fläche gemeinsamen Besitztums. Da ist zuerst der Grenzraum mit den kindlich natürlichen Bildern des Góttlichen, die als Gemeingut des menschlichen Denkens überhaupt betrachtet werden mögen. Dann ein weiter Raum, einem Watt vergleichbar, über das einst die Flut des Heidentums sich ergoß; die Flut wurde allmählich abgedämmt durch das Chri-

stentum, aber der Boden blieb, was er gewesen ... Hier gedieh jene Fülle kirchlicher

Bräuche und Heilmittel, welche für den Bildungsstand des altertümlichen und mittelalterlichen Volkes Bedürfnis waren und unter dem Begriff des Aberglaubens gefaßt werden dürften, wenn sie nicht kirchliche Geltung besessen hätten und bis heute besäßen.« Eine solide Kenntnis der Volkskunde und Religionsgeschichte ist jedoch nicht nur für die Geistesgeschichte unerläßlich, sondern im weitesten Sinn auch für die Sprachwissenschaft, damit diese das Wesen und die Natur eines sprachlichen Gebildes als die durch den jeweiligen kulturellen Hintergrund geprägte Ausdrucksform des menschlichen Geistes verstehen und würdigen kann. Die Gültigkeit dieses

Postulats zeigt sich auch im Falle von Æs#rum. Über die ursprüngliche Bedeutung dieses Wortes hat man sich seit langem viele Gedanken gemacht, doch ist man, wie es scheint, bisher noch zu keiner klaren Lösung gekommen. Bei A. ERNOUT/A. MEILLET, Dickionnaire étymologique de la langue latine, Paris 1959 (Nachdr. 1979), 372, ist zu lesen: »Comme on ignore la cause, le but et les rites du /strurs, il est difficile de

donner une étymologie du mot.« Mit Sicherheit wissen wir auf Grund von vielen Belegen, daß das Wort /sstrum, dessen erstes # nach dem ausdrücklichen Zeugnis von Festus? lang war, einen Reinigungsakt bezeichnete, im besonderen den, welcher von den Zensoren im Abstand von fünf Jahren am Heer und der Bürgerschaft Roms vollzogen wurde (wobei dann auch die dazwischen liegende Zeit von fünf Jahren damit bezeichnet werden konnte). Es war daher naheliegend, daß man in 4strem und seinem Denominativ strare alte rituelle Termini sah und sie mit Begriffen des »Waschens, Abwaschens und Reinigens« Erstveriffentüchusg in: Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft, N.F. 9, 1983, 209-230

(Würzburg: Schöningen). * Vortrag gehalten im Herbst 1983 an der Universität Warschau auf Einladung der Polnischen Akademie der Wissenschaften, ferner an der Universität Heidelberg und (in modifizierter Form) im

Rahmen der 11. Österreichischen Linguistentagung an der Universität Salzburg. 1 H. USENER, Reëgomgeschichtäche Untersuchungen, 1. Teik Das Weihnachtsfest, Bonn 21911 (Nachdruck Hildesheim, New York 1972), XI. 2 10715 L. Er am einsdem vocabuli (scil. Bistrum) prima syllaba producatur, significat nunc tempus quénquennale, nunc popuË lustrationemr, Res egst. div. Aug. 8 wird die Länge von Atrum durch einen Apex markiert. 3 Belege von Austrum TbLL 7,2, 1880, 9ff.; von kstrare ThLL 7,2, 1872, B£f.

70

Lustrum: Etymologie und Volksbrauch

zusammenbrachte: so schon W. CORSSEN*, und in dessen Nachfolge dann auch L. DEUBNER: mit

were »spülen, waschen, reinigenc Æs#rww wäre somit das Reinigungs-

mittel; ähnlich hat auch A. VANICEK® Justruw von der Wurzel low- (die den Wörtern Javare,

lavere,

luere

ERNOUT/MEILLET

u.a.

zugrunde

liegt

abgeleitet,

was

zuletzt

in Erwägung gezogen wurde. Gegen

auch

wieder

von

eine solche Verbindung

sprechen aber inhaltliche Bedenken: So hören wir bei den Lustrationsriten nirgends etwas von kultischen Waschungen und Bädern. Eine direkte Herleitung aus ἔσεισε, luere kommt auch aus lautlichen Gründen überhaupt nicht in Frage, da es in dem einen Falle /austrum oder Jostrum, im anderen strum heißen müßte. In der Tat haben wir auch sir, doch ist das Wort zu lat. Jütwm »Schtnutz, Kot« polo »besudeln ἐμίανε, griech. λῦμα, λυμαίνομαι zu stellen und heißt »Morast, Pfützec DEUBNER (wie auch CORSSEN) identifiziert beide Wörter miteinander, wobei er die Quantitäts-

unterschiede als Spitzfindigkeit eines Grammatikers beiseite schiebt, und erklärt: »Das Wasser, das man zum Reinigen verwendet, wird durch die Reinigung zum Spü-

licht. Daher kann dasselbe Wort Reinigungsmittel und Kot bedeuten.« Zu Unrecht denkt auch K. LATTE! an eine Verbindung mit λύματα. Abzulehnen ist ebenso die Ansicht von F. HARTMANN," der annimmt, daß rw in der Bedeutung »Reinigungsopfer bzw. Austrare rein Reinigungsopfer vollziehen: ursprünglich mit kurzem x in der ersten Silbe ausgesprochen worden und von Zsfnare »beleuchten: zu trennen sei. Dabei leitet er Justrum, lustrare von luere »büßen, sühnen« ab, glaubt jedoch, Asian sei

dann unter dem Einfluß von {srrare »beleuchten« lang ausgesprochen worden, um es von iru

in der Bedeutung »Morast, Pfütze, Bordelk abzuheben. Die Verbindung

von lustrum und lyere findet sich schon bei Varro ling. 6,11 lustre nominatum tempus quinquennale a luendo, id est solvendo. Auch

W.

WARDE

FOWLER?

übernimmt

diese

Etymologie Varros und deutet /wsirum als eine Befreiung, Lösung vom Bösen, ohne

dabei auf die lautlichen Schwierigkeiten einzugehen, ebenso zuletzt R. BROXTON ONIANS, der Justrum mit delubrum zusammenbringt, indem er dieses Wort fälschlich

von Vis- lösen« herleitet und als »place of loosing« erklärt.‘ 4

5

Kritische Beiträge zur lateisischen Formenkbre, Leipzig 1865, 410f.

Archér für Reügounvisiensbaft ( = ARW ) 16, 1913, 127f£., bes. 131.

6 Gréechisch-Latémisches etymologisches Wörterbuch 2, Leipzig 1877 (Nachdruck Wiesbaden 1972), 850. 7 Vgl]. POKORNY, Indogermanisches etymologisches Wörterbuch 1, Bern, München 1959, 692; A. WALDE/]. B. HOFMANN, Lateinisches etymologisches Wörterbuch 1, Heidelberg 31938, 773£. s.v. Zw, H. FRISK, Griechisches etymologisches Wörterbuch 2, Heidelberg 1970, 138f. s.v. λούω.

8

Außerdem begegnet

vers »waschern als retrograde Form von αὐδάν, ebore sehr selten und spät:

der erste Beleg bei Sil. 11,22 ist unsicher,

dann

Marcell. med. 4,3,

CE

1036,6 und in Glossen. Vgl.

TALL 7,2, 1845, 59ff.

9

Zu Vku- d(b)r- vg). POKORNY 1, 681, FRISK 2, 144f. s.v. λῦμα, WALDE/HOFMANN 1, 840

s.v. Áufum. 10 ARW 16, 1913, 131. 11 Römische Rekgionsgeschichte, München 1960, 119 Anm. 20; mehr dazu s. unten S. 73.

12

Die Behandlung der lateinischen Wortfamilien im Unterricht. Götta 4, 1913, 164f.

14 15

Tbe Origins of European Thought ..., Cambridge 1951 (Nachdr. New York 1973), 510. delbrum ist richtig von Vios- vwaschen« abzuleiten, also der Platz im heiligen Bezirk, wo man

13

The Religious Experience of tbe Roman Peopk, London 1933, 2096.

vor der Opferhandlung die notwendige rituelle Waschung vornimmt. So schon richtig Setvius zu Verg.

Aen. 2,225 delubrum esse locum ante templum, ubi aqua currit, a deluendo und Isid. diff. 1,407 delubra autem μηρία fontes habentia ad purificandos et abluendos fideles. Vgl. dazu WALDE/HOFMANN 1, 338, ERNOUT/MEILLET 168 und POKORNY 1, 692.

Lustrim: Etymologie und Volksbrauch

71

Hingegen hat W. Ε. ΟΤΤΟ" zu Recht ussrem (im Sinne der Reinigungszeremonie) ausschließlich von der Wurzel Vieuk- abgeleitet, wie sie in io,

lux, λεύσσω,

λευκός etc. vorliegt. Er führt das Wort auf *owcstrom in der ursprünglichen Bedeutung von »Beleuchtung zurück und legt diesen Begriff auch den Wörtern Jusrare, illästrare, illustris, collästrare, sublästris usw. zugrunde. Als eigentliche Bedeutung von lustrare nimmt OTTO daher »beleuchten« an und leitet davon dann »sehen, besichtigen, besuchen« ab. Somit steht für ihn auch usiram in seiner amtlichen Grundbedeutung von Besichtigung, Musterung: fest, und dieser Akt der ‚Besichtigung, Musterungx ist seiner Meinung nach beim sakralen SchluBakt der Prozession im Reinigungsritual erfolgt, wodurch /sirare sekundär die Bedeutung sein Zustrum vollziehen, umwandeln, reinigen« erhalten hätte. Unrichtig ist jedoch die Annahme von OTTO 28, daß /ustrare erst in Augusteischer Zeit im Sinne von sakralem »reinigen« verwendet worden sei,

während in älterer Zeit bei Justrum nur die Vorstellung eines rituellen Umganges vorhanden gewesen sei. Zu Recht hat A. BERVE" dagegen Einwände erhoben, daß der sakrale Akt sekundär sei und sich erst aus einer profanen Musterung ergeben hätte, wie denn überhaupt die von OTTO 31 vorgenommene kategorische Scheidung zwischen »profan« und »sakrak irreführend ist. BERVE selbst zählt zur Grundbedeutung des Wortes den Begriff des »Herumgehens bzw. den des »Kreislaufes«. Er sieht in

lustrum das prüfende Umschreiten des zu Lustrierenden durch den mit priesterlicher Gewalt begabten Beamten, wie es dem profanen Zweck der Musterung diente, zugleich aber auch sakrale Handlung war, die nach dem Glauben vieler Völker durch den magischen Kreis apotropäische Wirkung hatte.!* Gegen BERVEs Deutung hat jedoch C. KOCH? vorgebracht, daß ‚Besichtigung nicht die Grundbedeutung des Wortes Justrum darstellt, sondern daß wir von »Beleuchtungx auszugehen haben, und fragt sich, wo »Beleuchtung: und »Umkreisung: eine Einheit bilden. Eine solche erkennt er im Umlauf des leuchtenden Himmelsgestirns, bei dem Licht und Kreisbewegung vereint erscheinen, und sieht im Wort lustrum sowohl hinsichtlich der Etymologie als auch der Semasiologie eine Erklärung dafür, daß die Sonnenbewegung kultisch in rechtswendigen Rundprozessionen nachgeahmt worden sei. Dieser Theorie von C. KOCH hat Á. SZABÓ? zugestimmt, der bei Auszrum ebenso von einer Grundbedeutung »Beleuchtung« ausgeht und meint, daß die Sonne nicht nur in ihrer Kreisbewegung, sondern auch in ihrem Licht durch Lichtprozessionen kultisch nachgeahmt worden sei. Anders hingegen ERNOUT/MEILLET: Sie geben als Grundbedeutung von rare parcourir des yeux (d’où de-, per-lustro [classique]« an und bemerken zur Bedeutung

réclairen: »peut-étre secondaire et provenu d'expressions comme /ustrare flammis (Verg. Aen. 4,607), lustrare lumine (Lucr. 5,693,1437); un croisement de sens et une influence de ax, juo ont pu et ont dü se produire, et, dans un composé comme «lustro, le doute sur l'origine est possible.«

16

Lustrum. REM 71, 1916, 176.

17 Vgl. Aetrum. RE 13, 1927, 2040ff. 18 Als das wesentlichste Element des Lustrationsritus sieht auch BOEHM, RE 13, 1927, 2030, GO£E. s.v. Justratio, mit Verweis auf die antiken Quellen das Umkreisen des zu Entsühnenden an.

19 Gertirmverebrung im alien Itaken. Sol indies und der Kreis der Di indigites, Frankfurter Studien zur Religion und Kultur der Antike 5, Frankfurt 1933, 25ff. 20 Lustrum und Circus. ARW 56, 1939, 135ff, bes. 142ff.

72

Lustnow: Etymologie und Volksbrauch

Zweifel in morphologischer Hinsicht hat auch in allerletzter Zeit noch M. LEUMANN, 2 leitet er Justrvw von der Wurzel VÆx£- + einer Stammbildung mit suffixalem -5/rv- ab, also */ewk-sfrom, und stellt dazu /strare in der Bedeutung muster

und Zsri, während er 203 erklärt: »ilestris und Austrare beleuchten: (vgl. lustrare), Ableitungen von einem Justrum (4-7) aus */(e)uks-trom zu lucere (vielleicht identisch mit lästrun ‚Lustration.).« WALDE/HOFMANNZ teilen ebenso ab wie LEUMANN an der zuletzt genannten Stelle und geben als Bedeutung »Beleuchtung: an mit dem Zusatz, daß »die bereits vorhistorische Bedeutungsentwicklung nicht ganz klar ist; jedenfalls ist /szrare »beleuchten, besichtigen, durchwandern: mit /usrare »reiniger« identisch.« Auch

für J.

POKORNY? ist diese Identität gegeben, wobei als Bildung */ewEs-/ro» und als Grundbedeutung »Beleuchtung angenommen wird. Nach OTTO, KOCH, WALDE/HOFMANN

und POKORNY wäre das Wort Justrum

(aus *kskstrom > *loukstrom) als ein Nomen actionis zu erklären, doch steht seit H. OSTHOFF# und K. BRUGMANNO? fest, daß es sich bei den Wörtern auf -(s)-rum zumeist um Ableitungen von Verben handelt, die die neutralen Entsprechungen zu den Nomina agentium auf -/er und -/er darstellen, wobei das häufig auftretende s im Suffix -sfro- nicht erklärt ist; vgl. z.B. capistrum (zu capio), also »das, was festhält« = »Halfter«,

flastrum ‚Fhut« (zu fluere) = »das, was fließt«; fu/getrum >Blitz (zu fulgere) = »das, was blitzt; aratrum, ἄροτρον »Pflug: (zu arare, ἀρόω) = »das, was pflügts vgl. aind. fasném »Messer«

(zu édsañ, sow. kosati) = »das, was schneidet, davon lat. casfnzre, etc. Lastrum (zu |ucere) ist demnach »das, was leuchtet, hell ist« also »das Licht«. Als neutrales Nomen agentis, das Feuer bezeichnend, hat zuletzt auch R. M.

OGILVIES /usfrum in der oft belegten Wendung /srum condere? gedeutet. Anders hingegen hatte noch H. USENER? und in dessen Nachfolge R. MÜNSTERBERG? und K. 21

M. LEUMANN, Lateinische Laut- und Formenkebre, Neuausgabe der 5. Aufl, München 1977, 313.

22 23 24 25

LEW 1,839. Indogermamiscbes etymologisches Wörterbuch 1, 688 s.v. luk. KZ23,1877, 313f. Grundriß der V ergleichendem Grammatik. der indogermanischen Sprachen, Straßburg, 21906, 2, 1, 339

und 377£; weitere Literatur s. bei M. LEUMANN

(Anm. 21) 512f.

26 27 28

Lustrum condere. JR 5 51, 1961, 31f£,, bes. 33 und 38f. Belege TALL 7,2, 1880, 58ff. Italische Mythen. RAM 30, 1875, 204 ( = Kleine Schriften, 4: Arbeiten zur Religionsgeschichte, Leipzig,

29

Lustrum

Berlin 1913, 117).

condere,

Hlicium.

WS

24,

1902,

352ff.

MÜNSTERBERG

verweist

in

diesem

Zusammenhang auf Hom. Il. 1,512ff. οἱ μὲν ἔπειτ᾽ ἀναβάντες ἐκέπλεον ὑγρὰ κέλευθα,

λαοὺς δ᾽ Ατρεΐδης ἀπολυμαίνεσθαι ἄνωγεν" οἱ 5’ ἀπελυμαίνοντο καὶ εἰς ἅλα λύματ’ ἔβαλλον. Er sieht in den λύματα das Austrum, das er als Reinigungsmittel erklärt und sich ins Wasser geworfen

denkt. Wahrscheinlicher ist aber doch, daß λύματα hier die »Befleckung: heißt (wie IL 14,170£) ἀμβροσίῃ μὲν πρῶτον ἀπὸ χροὸς ἱμερόεντος λύματα πάντα κάθηρεν (scil. Ἥρη),

die die Griechen durch ihr Bad im reinigenden Mcer (vgl. Eur. Iph. Taur. 1193 θάλασσα κλύξει πάντα τἀνθρώκων κακά) loswerden wollten. Für diese Interpretation der Stelle spricht auch der von W. LEAF in seinem Komm.

z.St. angeführte, bis zum Beginn der Neuzeit geübte Brauch der Neapolita-

ner, eine alljährliche Lustration durch ein Meerbad vorzunehmen. Und ähnlich ist wohl eine heute noch im niederländischen Zeeland verbreitete Sitte zu erklären: Da reiten Bauern mit ihren Pferden im Februar ins Meer (für den freundlichen Hinweis darauf habe ich N. VAN DER BEN, Amsterdam, zu danken).

Lustrum: Etymologie und Volksbrauch

LATTE? die Wendung interpretiert: Sie sahen im Justrum die gungszeremoniell um die zu Lustrierenden herumgetrieben beim Opfer vergraben worden seien, daher /ussrum condere. DEUBNER" gemeint, daß die Phrase das Vergraben bzw.

73

Opfertiere, die im Reiniund nach ihrer Tötung Und ähnlich hatte auch Wegschaffen des Reini-

gungsmittels ( = des reinigenden Wassers, das den Unrat und Unsegen in sich auf-

nehmen sollte) bezeichne.? Dagegen hat OGILVIE mit Recht eingewendet, daß sich bei keiner römischen Lustration eine Spur von einem solchen Akt nachweisen läßt. Vielmehr ging OGILVIE bei seiner Erklärung der Wendung Austrum condere von einem Vergleich der römischen Reinigungsriten mit denen auf den Iguvinischen Tafeln aus

und sah in der Lustration des iguvinischen Volkes das Analogon zur zensorischen Reinigung bei den Römern. Dabei machte er darauf aufmerksam, daß bei der Austrario der iguvinischen Bevölkerung ein rituelles Feuer sowie ein Feuerbehälter, in welchem dieses um das Volk getragen wurde, eine große Rolle spielen. Die Aufforderung auf den Iguvinischen Tafeln pir ententu (bzw. in jüngerer Schreibung entends) entspricht nach OGILVIEs Meinung dem Austrum condere. So heißt es in den entsprechenden umbrischen Ritualanweisungen Ib 12: pir abiimem ententu. Dune prr entelus, enumek. steblatu parfam tefe, tute ikuvine. »Gib das Feuer in den Behälter. Wenn du das Feuer hineinge-

geben hast, dann verlang den Auspizvogel für dich und die iguvinische Stadt.« bzw. VIb 49f. pir endendu. pone esonome ferar, pufe pir entelust, ere fertu, boe perca arsmatiam habiest, eribont aso destre onse fertu »Er soll das Feuer hineingeben. Wenn zum Opfer getragen wird, worin er das Feuer hineingegeben hat, soll es der tragen, der den Ritualstab hat,

der gleiche soll es angezündet auf der rechten Schulter tragen«% Und Ib 20 kateramn

30 Anlaß zu dieser Annahme gab vor allem Appians Bericht (bell civ. 5,401), daß bei einer Áusiratio classis, die, nachdem Rom Seemacht geworden war, vor einer Seeschlacht in Analogie zur lustralio excercitus vor einem Feldzug durchgeführt wurde, ein Teil der beim Opfer geschlachteten Tiere in das Meer geworfen, der andere Teil auf Altären verbrannt wurde. Daraus schloß man, daß an Stelle

des Versenkens der Opferticre ins Meer bei Vergraben der Opfertiere anzunehmen sei. entsprechenden Akt der Autruno car: ein anzunehmen haben, wie uns dies die vielen aufgeführten Belege lehren können (so hat

den Lustrationen der Bürgerschaft und des Heeres ein Weitaus wahrscheinlicher ist jedoch, daß wir beim Opfer an Gottheiten des Meeres und der Fluten bei NILSSON, Geschichte der griechischen Religion 1, 236f., man z.B. nach SIG? 1024 am 7. Hekatombaion auf

Mykonos dem Acheloos zehn Lämmer geopfert, drei auf dem Altar, die übrigen in den Fiuß, d.h. man versenkte sie darin, oder ihr Blut floß in die Fluten), Eur. Hel. 1584ff. läßt Menelaos vom Schiff

Stierblut in die Wogen des Meeres für Poseidon und die Nereiden als Opfer für eine glückliche Heimkehr fließen. 31 ARW 16, 1913, 133. 32 Zu weiteren ähnlichen Interpretationen der Wendung vgl. Literatur bei BOEHM s.v. Ásiratio. RE 8, 2030, 31ff. 33 Sowohl in dem pwfe per entelust als auch in dem poe perca arsmatiam babiest liegt, worauf zuletzt J. W. POULTNEY, The Bronze Tables of Igusium, Baltimore, Oxford 1959, 271 z.St., aufmerksam gemacht hat, Namentabu vor. Wenn für pwfe pir entelust in Ib 12 konkret der Feuerbehälter (vgl. ahtim-em) genannt wird (vgl POULTNEY, Komm. z.St. 165), so zeigt dies deutlich, daß die jüngere Fassung der Tabulae Igwvinae (im umbrischen Alphabet) oft urtümlicheres Gut bietet. Vgl. dazu G. DEVOTO, Tabulae Igwvinae, Rom 21940, 54£; Le Tavole di Gubbio, Florenz 1948, 3ff. und A. J. PFIFFIG, Regio Igwoina. Philobg. und rehgionsgesch. Studien zu dem Tabulae Iguvinae mit Text und Übersttqung und 8 Tafeln.

Denkserbiften d. Österr. Akad. d. wiss., phil-bist. Kl, 84. Bd., Wien 1964, 65, $ 37. — Mit poe perca arsmatiam

babies! ist der Priester gemeint, der die perca, d.h. den Ritualstab, hat. So möchte ich mit POULTNEY,

WALDE/HOFMANN DEVOTO

2, 292f, v.a. pera mit Hinsicht auf lat. pertica interpretieren, während

172 das Wort eine Art von Toga bedeutet.

für

74

Lusinos: Etymologie und Volksbrauch

ikuvinu. enumele aprels turef^ ef pure … triuper amprebtu »Versammelt euch, Leute aus Iguvium! Dann geh herum mit den Opfertieren und mit dem Feuer ... Dreimal geh’ herumi«. Für die römische censorische Lustration hat OGILVIE nun ebenso einen solchen Behälter mit Feuer, der um die Bürger herumgetragen worden sei, angenommen, und er bemerkt zur Wendung Astra condere: »In Roman ritual [...] Jusfrsw

condere could designate one of two ritual acts, the placing of fire in a container prior to the procession or the final reception of the fire at the altar.« Dabei entscheidet sich OGILVIE vor allem aufgrund der bildlichen Darstellungen, auf denen nach seiner Interpretation im Falle von censorischen Lustrationen das Hauptaugenmerk auf den Altar gelegt worden sei, sowie des Kommentars von Servius zu Verg. Aen. 8,183

proprie lustralia dicunt, quae duabus manibus accepta in aram pontifex vel cemsor imponit für das letztere. Beide Theorien zeigen aber sofort ihre Schwächen, wenn man sie einer sorgsamen Untersuchung unterzieht: Gegen die erste Annahme, der Ausdruck ur condere bezeichne das Hineingeben des rituellen Feuers in einen Behälter, spricht das konkrete umbrische pr entendu: man muß sich fragen, warum im Lateinischen dafür condere steht, was ursprünglich nicht das »Hineingeben«, sondern das »Zusammensetzen, Zusammenlegerx bedeutet. Und gegen die zweite Auslegung, die OGILVIE für die wahrscheinlichere hält, mit Austrum condere sei »the final reception of the fire at the altar« gemeint, spricht vor allem der Wortlaut des Satzes, der auf die oben angeführte Stelle im Kommentar des Servius auctus zu Verg. Aen. 8,183 folgt. Es heißt da nàmlich nach der Feststellung proprie lustraba dicunt, quae duabus manibus acepta in aram pontifex vel censor imponit ausdrücklich: quae non prosecantur. Aus diesem Satz, der von OGILVIE nicht mehr zitiert wird, geht aber eindeutig hervor, daß sich die ganze Anmerkung bei Servius auctus nur auf die exta, die Eingeweide, beziehen kann, denn

Prosecare ist im Zusammenhang mit dem rituellen Feuer bzw. dessen Behälter sinnlos. Hingegen wissen wir, daß das Wort prosecare ein terminus technicus war für das »Zerschneiden« oder »Herausschneiden« der exza, die im römischen Kult ausnahmslos der

Gottheit, der das Opfer dargebracht wurde, gehörten und zu diesem Zweck in das Opferfeuer gelegt wurden. Aus Servius’ Kommentar geht also hervor, daß man beim Lustrationsopfer die ex%z nicht zerschnitt, sondern ganz auf den Altar legte,” wobei sie der Pontifex oder der Zensor als Opferherr mit beiden Händen in Empfang nahm. Und auf diesen zuletzt genannten Akt bezieht sich offensichtlich der Ausdruck duabus manibus accepta, der z.B. auch im Griechischen seine Parallelen hat: vgl. z.B. Eur. EL 826 ἱερὰ ( = τὰ σπλάγχνο) δ' eig χεῖρας λαβὼν / Αἴγισθος ἤρθει; Polyb. 7,121 Φιλίππου ... θύοντος, μετὰ ταῦτα κατὰ τὸν ἐθισμὸν ἐκ τῶν τυθέντων

ἱερείων προσενεχθέντων αὐτῷ τῶν σπλάγχνων, δεξάμενος εἰς τὰς χεῖρας καὶ … ἤρετο ... ).*

34 Tures = lat. tauris steht hier für die Opfertiere schlechthin. Vgl. F. BÜCHELER, Umbrica, Bonn 1883, 98, DEVOTO? 278£., POULTNEY 165 Komm. z.St. 35 Vgl dazu ausführlich unten S. 84. 36

37

38

Vgl. dazu A. J. PFIFFIG 68f. und 72f. sowie LATTE 389f.

Vgl LATTE 119 Anm. 4 (mit älterer Literatur) und 390 Anm. 2.

Mehr bei P. STENGEL, Opferbräuche der Griechen, Leipzig, Berlin 1910 (Nachdr. Darmstadt

1972), 75f£., bes. 77£.

Lastrum: Etymologie und Volksbrauch

75

Der Kommentar des Servius auct. zu Verg. Aen. 8,183 stellt gewissermaßen eine Korrektur des Ausdrucks bei Vergil dar, der von der Teilnahme des Aeneas und seiner Gefährten an einem Opfer des Euander mit folgenden Worten erzählt: vescitur /Aeneas simul et Troiana iuventus

perpetui tergo bovis et lustralibus extis. Servius will in seinem

Kommentar sagen, daß J«sra&a von den exta im strengen Sinn

eigentlich nur gesagt werden kann, wenn es sich um ein Lustrationsopfer handelt, das vom Pontifex oder Zensor vollzogen wird, was aber hier nicht der Fall ist. Lustrationsopfer hatten nicht den Charakter eines Opfermahles, weshalb das Opferfleisch, besonders die Eingeweide, dabei nicht zerstückelt wurden wie sonst: In diesem Sinne von»unzerschnittene Eingeweidex wollte Servius /stralibus extis an unserer Vergilstelle vetstanden wissen, daher der Zusatz: quae non prosecantur (vgl. auch perpetuP? tergo bovis). Die Sitte, die Eingeweide zu essen, ist uns nur für Heraklesopfer bezeugt, wobei es sich um eine griechische Eigenheit handelt.” Bei allen übrigen Opfern haben die Römer die exta ausschließlich für die Götter verbrannt. Wenn sich aber im Kommentar des Servius Astraha offensichtlich auf die axza bezieht, so fällt damit auch OGILVIEs Theorie, und die Phrase /wstrw condere muß

einen anderen Sinn haben. Fest steht sicher, daß, wie oben erwähnt, ssrum in seiner ursprünglichen Bedeutung als »das, was leuchtet, hell ist, also als »Licht«, »Glanzc zu fassen ist, — eine

Bedeutung, die sich allerdings beim Substantiv, zum Unterschied vom davon abgeleiteten Verb /usfrzre, nicht in der uns erhaltenen lateinischen Literatur, wohl aber in späten Glossen nachweisen läßt.+ Wahrscheinlich nehmen letztere Bezug auf archaischen oder vulgären Sprachgebrauch. Bedenkt man zudem, daß der sermo vulgaris oft konservativ ist und sich durch viele Archaismen auszeichnet, so wird man gerade in Anbetracht der beim Verbum belegten Bedeutung von »beleuchten« und des Fortlebens von /ussram in der Romania u.a. im Sinne von »Glanzs »Blitzc ( = scil. »Leuchtens vgl. unser »Wetterleuchten) und Zsirare als »blitzen? annehmen dürfen, daß lustrum als »Licht, Glanz, Leuchten: in der lateinischen Volkssprache, die nur allzuoft

von der Literatur überdeckt und uns daher nur schwer greifbar ist, immer lebendig war. Interessant ist auch, daß sich κασι in der Bedeutung von »Glanzc auch noch im Mittellatein findet, worauf B. LÖFSTEDT® aufmerksam gemacht hat, wie auch συν

im Sinne von ilumino belegt ist.“ 39 perpetuus hier wie Verg. Aen. 7,176 in einem, unzerteilt« Vgl. dazu C. J. FORDYCE, Komm. z.St, Oxford 1977. 40 Vgl. Liv. 1,7,13 und W. WARDE-FOWLER, Aewsas at the Site of Rome. Observations on the Eighth Book of the Aeneid, Oxford 1918, 56f., mit weiterer Literatur. 41

Vgl. CGL 4, 111, 16 Austrum quinquenni tempus aut lumen, 5, 572, 10 L quinquenmium vel lumen, 5,

369, 40 u.a. £ illuminatio. Vgl. CGL 6 (Index) 663 bzw. TALL, 7,2, 1884, 85fF. 42 Vgl W. MEYER-LÜBKE, Romanisches etymologisches Wörterbuch, Heidelberg ?1935, nr. 5184 s.v. Áustrum ‚Glanz«, wo allerdings die auf der ersten Silbe des Wortes angegebene Kürze zu korrigieren ist. 43

AClass 12, 1980, 138, mit dem Stellenmaterial

44

Da

Austrem in der Bedeutung von Amen, slluminatio in Glossen belegt ist, ist LÖFSTEDTs

Verwunderung

darüber,

daß

MEYER-LÜBKE

Astrem

nicht

mit

einem

Stern

verschen

hat,

unbegründet. Aus diesem Grunde möchte ich aber auch ital. to »Glanzc nicht mit MEYER-LÜBKE unbedingt als reines Buchwort ansehen, und ebensowenig mit LOFSTEDT Bedeutung und Gebrauch von Astra

= YGlanzx im Mittellatein nur durch den Anschluß an üustro, sllustris erklären.

76

Lastram: Etymologie und Volksbrauch

Nun wissen wir jedoch aus der Volkskunde und der vergleichenden Religionswissenschaft, daß man von jeder Art von Licht glaubte, es vertreibe

die Dämonen

sowie

ihre Macht und reinige von deren Folgen. Seinem Wesen nach ist das Licht für das Volk apotropäisch und kathartisch: Es wirkt wie die Sonne, vor der alle Gespenster und Geister weichen müssen. Wir kennen das Motiv aus vielen Márchen und Sagen, in denen z.B. der Teufel vor Sonnenaufgang das Weite suchen muß; aber auch gute Geister sind davon nicht verschont, wie dies etwa Verp. Aen. 5,738ff., lehren kann,

wo sich der Schatten des Anchises von Aeneas mit folgenden Worten verabschiedet und dann in die Lüfte entweicht: »iamque vale; torquet medios Nox umida cursus et me saevus equis Oriens adflavis anbelis.c dixerat et tenuis fugit ceu ἤπιε in auras.

Die gleiche Wirkung hat auch das vom Feuer ausgehende Licht, und man versteht nun auch die Verwendung von Fackeln, Kerzen und anderen Lichtquellen in Kult und Brauchtum von der Antike bis in unsere Zeit herein, wobei einmal mehr die

apotropäische, ein andermal die kathartische Wirkung des Lichtes, oft auch beides zusammen zum Tragen kommt.“ Clemens von Alexandrien, strom. 7,4, $ 26,2 zählt die Fackeln (δᾷδες) ausdrücklich zu den Reinigungsmitteln (καθαρμοί), und auch eine Reihe anderer Stellen können

dies lehren: Tib.

1,2,59ff. heißt es ausdrücklich

(saga) se dixit amores cantibus... solvere posse meos, et me lustravit taedis, Stat. silv. 5,1,6 taedis -.. Justratus, vgl. ferner Diph. 126,1ff,# wo wie bei Lukian. nek. c. 7 mit Fackeln und

Meerzwiebeln ein kathartischer Ritus vollzogen wird.” In Lukian. Philops. 12 reinigt ein babylonischer Magier ein Feld von Schlangen und Gewürm dadurch, daß er den

Ort unter Nennung von sieben Zaubernamen mit Schwefel und einer Fackel gleich dreimal umkreist: ἐς yàp τὸν ἀγρὸν ἐλθὼν ἕωθεν ἕπειπὼν ἱερατικά τινα ἐκ βιβλίου καλαιᾶς ὀνόματα éxtá, θείῳ καὶ δᾳδὶ καθαγνίσας τὸν τόκον περιελθὼν ἐς τρίς, ἐξήλασεν ὅσα ἦν ἑρπετὰ ἐντὸς τῶν ὅρων.

45 Vgl dazu allgemein mit reichem Belegmaterial H. USENER, Das Wabnachtsfes®, 320ff., S. EITREM, Opferritus und V'oropfer der Grischen und Römer, Kristiania 1915 (Nachdr. Hildesheim, New York 1977), 133f£, J. G. FRAZER, The Golden Bough. A Study in Magic and Religion. Bibhography and General Index 2, London 1915 (Reprint 1955), 270ff, H. BÄCHTOLD-STÄUBLI, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hrsg. von E. HOFMANN-KRAYER, Berlin, Leipzig: Bd. 2, 1929/30, 1111ff. s.v. Fackel; 1389ff. s.v. Feuer; Bd. 4, 1931/32, 1243ff. s.v. Kerze; Bd. 5, 1932/33, 1240ff. s.v. Licht, O. A. ERICH und ΚΕ. BEITL, Wörterbuch der deutschen V'olkskunde, Stuttgart 1974, 509f. s.v. Licht; 109f. s.v. Fackel; 440 s.v. Kerze, G. GRABER, Kärnten. Sitte und Brauch im Jahreslauf, Klagenfurt o.]., 32 und 47fF. 46

Προιτίδας ἁγνίζων κούρας καὶ τὸν κάτερ᾽ αὑτῶν, Προῖτον ᾿Ἀβαντιάδην, καὶ γραῦν πέμκτην ἐπὶ τοῖσδε, δᾳδὶ μιᾷ σκίλλῃ τε μιᾷ, τόσα σώματα φωτῶν, θείῳ t' ἀσφάλτῳ τε πολυφλοίσβῳ τε θαλάσσῃ.

Genau dieselben Lustrationsmittel finden sich in den bei Zos. hist. 2,5,1 (MEINEKES [4 p. 416] und KOCKs [2 p. 578] Angaben sind hier zu korrigieren!) beschriebenen römischen Säkularfeiern. Vgl. dazu unten S. 84. 47 Περὶ μέσας νύκτας ἐπὶ τὸν Τίγρητα ποταμὸν ἀγαγὼν ἐκάθηρέν τέ με καὶ ἀπέμαξε καὶ κεριήγνισεν δαδὶ καὶ σκίλλῃ καὶ ἄλλοις πλείοσιν ἅμα καὶ τὴν ἑκῳδὴν ἐκείνην ὑποτονθορύσας.

ρας;

Wir haben hier also geradezu eine

Etymologie und Volksbrauch

77

frate vor uns mit der für sie typischen magi-

schen Umgehung und den klassischen Requisiten Feuer und Schwefel in katharti-

scher und apotropäischer Funktion. Wegen seiner abwehrenden und reinigenden Kraft wurde das Feuer bei allen wichtigen Anlässen des privaten und gemeinschaftlichen Lebens verwendet, und so kann Servius zu Aen. 1,292 sagen: mulum saerifiaum sine igne, bzw. Diomedes GL KEIL 1, 437, 8 sant spsae (scil. faedae) natwraliter sacris accomodatae. Und zu dem selben Zweck wurden und werden auch Kerzen, die dann vor allem bei den Christen anstelle der

Fackeln getreten sind, angezündet: So riefen die Römer nach Tert. nat. 2,2 bei der Geburt eines Kindes eine Göttin Candelifera an — der Name ist offensichtlich euphemistischer Natur — und zündeten dabei eine Kerze an, ein Brauch, der sich nach

BÄCHTOLD-STÄUBLI® bis in die Neuzeit verfolgen läßt. Er ist als Vorsorge zu verstehen, zum einen der Wöchnerin gegenüber, zum anderen und insbesondere gilt er dem Neugeborenen, das vor dem Zugriff böser Geister und Hexen, die Siechtum und Tod bringen, bewahrt werden soll. Im Mittelalter tanzte man mit dem neugeborenen Kind um eine Kerze herum, und in Schottland trägt man nach der Entbindung dreimal ein brennendes Licht um das Bett der Wöchnerin.” Ebenso ist auch die von

alter Zeit an übliche Verwendung von Fackeln bei den Hochzeitszeremonien zu verstehen, die im deutschen Volksbrauch im prozessionsweisen Tragen der Brautkerze ihre Entsprechung hat. Noch mannigfaltiger ist seit der Antike der Gebrauch von Licht, Fackel und Kerze beim Sterben eines Menschen und im Totenkult. Das angezündete Licht soll die bösen Geister und Mächte bzw. den Teufel fernhalten.% Mit Licht werden nach volkstümlicher Ansicht aber auch Krankheiten und Pestilenzen, die man

sich als das Werk der Dämonen

denkt, vertrieben. Schon die

Babylonier versuchten, sie auf diese Weise zu beseitigen: Ich verweise auf einen bei EITREM 166 zitierten babylonischen Text, in dem zur Heilung eines Kranken die Anweisung gegeben wird, Räucherbecken und Fackeln an ihn zu bringen. Bei Plut.

Is. 79, begegnet der Glaube, Ärzte könnten Krankheiten durch große Feuer vertreiben, und ähnliches findet sich Porphyr. vit. Pyth. 22: φυγαδευτέον πάσῃ μηχανῇ καὶ

περικοπτέον πυρὶ καὶ μηχαναῖς παντοίαις ἀπὸ μὲν σώματος νόσον, ἀπὸ δὲ ψυχῆς ἀμαθίαν, κοιλίας δὲ πολυτέλειαν, πολέως δὲ στάσιν, οἴκου δὲ διχοφροσύνην, ὁμοῦ

δὲ πάντων ἀμετρίαν. Auch die katholische Kirche hat das Feuer in dieser Funktion in das Ritual des Blasius-Segens übernommen, bei dem der Gläubige an zwei vom Priester kreuzweis

verschránkt gehaltene Kerzen herantritt und auf die Fürsprache des hl. Blasius den Segen erhält, der ihn von Halskrankheiten verschonen soll? und ebenso bedient man sich im Volksbrauch beim Besprechen von Krankheiten gelegentlich einer oder mehrerer Kerzen.?

Licht und Feuer finden seit der Antike aber auch bei vielen anderen Anlässen Anwendung: So zündet man ein Licht an, wenn z.B. ein Unwetter oder Naturkata48

49

HWdA 5, 1244 s.v. Licht.

Vgl EITREM 172.

50 BÄCHTOLD-STÄUBLI 5, 1244ff. s.v. Licht. 51 Vgl die übliche lateinische Segensformel des Rituale Romanum. Per intercessionem 5. Blasii Episcopi et Martyris Bberat te Deus a malo gutturis et a quolibei abo malo. In nomine Patris et Fili et Spiritus Sancti. Amen. 52 Vgl BÄCHTOLD-STÄUBLI 5, 1243 s.v. Licht. USENER, Das Webnachtsfes®, 323, macht u.a. auch auf die Sitte aufmerksam, am Fest des hl Blasius Kerzen als Heilmittel für Zahnschmerz und für

Krankheiten des Viehs anzuzünden.

78

Lastrum: Etymologie und Volksbrauch

strophen drohen und wenn man solche vertreiben will und von daher erklärt sich auch der in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in den Vogesen

verbreitete

Brauch der Lichterschwemmen im Frühling: An bestimmten Tagen läßt man da brennende Lichtlein Flüsse und Bäche abwärts treiben.“ Man hat sich über den Sinn dieser Gepflogenheit viele Gedanken gemacht, doch scheint mir die Legende, die in Eisenkappel (Kürnten) in diesem Zusammenhang erzühlt wird, AufschluB zu geben: Hier sieht man in dem Brauch, am Abend des 1. Februars kleine Kirchlein aus Pappe mit einer brennenden Kerze darin auf der Vellach schwimmen zu lassen — im Volksmund wird das als »das Feuer ins Wasser tragen« bezeichnet — die Einlösung eines Gelübdes, als der Fluß einst Hochwasser führte. Die Sage läßt trotz des christlichen

Gewandes eine alte heidnische Sitte durchscheinen: Wir dürfen wohl vermuten,

daß wie auch sonst, mit dem Feuer eine Hochwassergefahr bannen oder vermeiden wollte.’ Besondere Bedeutung hat das Feuer seit jeher als apotropäisches und kathartisches Mittel im Leben und in der Kultur der Bauern. Das geht deutlich hervor aus Redewendungen wie durch Licht und Feuer »den bösen Sämann vertreiben«, »den Tod ausjagen« oder »damit der Ertrag nicht gemindert werde«.% Daher bringt der Bauer an Balken von Haus und Stall sowie am Pflug Kerzen an und schreitet zu bestimmten Anlässen mit Kerze oder Fackel und anderen Lustrationsmitteln um seinen Pflug’ oder durch Flur und Haus, da dem Teufel, den bösen Geistern und Hexen

helles Licht zuwider ist: So geht man zu Weihnachten, Neujahr und am Festtag der Heiligen Drei Könige mit einer brennenden Glutpfanne, Weihrauch und Weihwasser in Haus, Hof und Stall herum, räuchert und sprengt aus.“ Bekannt ist auch die Gewohnheit in deutschen Gegenden, nach Tod und Beerdigung noch einmal alle Winkel des Hauses auszuleuchten, um, wie man sagt, die Furcht vor dem Verstorbenen

zu vertreiben, ursprünglich natürlich, um sicherzugehen, daß der Geist des Toten sich nicht weiter im Hause aufhält, sondern dieses verläßt.” Sehr illustrativ ist vor 53

Vgl BÀCHTOLD-STAUBLI 5, 1243f. s.v. Licht, USENER, Das Weibnachtsfes#, 322, GRABER

18. 54 Zum weit verbreiteten Brauch der Lichterschwemmen vgl. BÄCHTOLD-STÄUBLI 5, 1260ff., BEITL? 510f. s.v., GRABER 19, G. KAPFHAMMER, Brauchtum in den Albenländere, München 1977, 127f.

55 Feuer als Bannmittel von Fluten begegnet schon Hom. Il. 21,330f£, wo dem Wüten des ergrimmten Flußgottes Skamander dadurch Einhalt geboten wird; vgl. auch FRAZER, The Golden Bough 1, 252. 56 BÄCHTOLD-STÄUBLI 2, 1112 s.v. Fackel. 57 USENER, Das Weihnachtsfest, 322 und BÄCHTLD-STÄUBLI 5, 1242 s.v. Licht; vgl. auch in einem spätmittelalterlichen Merkzettel für die Beichte, wo als abergläubische Sünder gebrandmarkt werden qui arcumeunt. aratrum. cum candela benedicta. Text bei H. USENER, Christächer Festbrauch. Schriften des ausgehenden Mittelalters ( = Rehgionsgeschichtliche Untersuchungen 2), Bonn 1889 (Nachdruck Hildesheim, New York 1972), 85, Z. 30. Vgl. zum Brauch, mit brennenden Kerzen einen Lustrationsumgang zu machen, die Bemerkung von Johannes MACZYNSKI, Lexicon Latino-Polonicum, Königsberg 1564, 150b,

50 (= Nachdruck von R. OLESCH, Köln, Wien 1973, 239) s.v. frbrw: Rowe ták yáko » nas czimia 5 gromnicämi gdy bydlo, konie, ludzie y domowe katy ogrüem grommiczuym obchodza, co yest pogañski à mis Krzeiciahski obyrzay »So wie man es bei uns mit Kerzen macht, wenn man um das Vich, die Pferde, die Leute und die Winkel des Hauses mit Feuer von Kerzen schreitet, was aber eine heidnische und nicht christliche

Gepflogenheit ist.« 58 Vgl. GRABER 13 und 16. 59 Vgl. E. SAMTER, Geburt, Hochzeit und Tod. Beiträge zur Vergleicbenden Volkskunde, Leipzig, Berlin

1911, 76£.

Lustrum: Etymologie und Volksbrauch

79

allem der vom Vetus Missale Romanum Laterense für die Kerzensegnung am Feste Mariä Lichtmeß (2. Februar) belegte Wortlaut:# Benedic Domine lesu Christe banc creaturam cerae supplicantibus nobis et infunde ei per crucis tuae sanctae virtutem benedictionere caelestem, wi qui eam ad repellendas tenebras. bumano generi triubuist, talem signaculo crucis fuae. forfitudinem et benedictionem. accıpiat, ut in quibuscumque lods accensa sive imposita ‚Perit, discedat et contremiscat ille malignus diabolus et effugiat pavidus cum omnibus ministris suis de babitationibus illis nec praesumat inquietare servientes Deo. Proinde subplces quaesumus, Domine, ut ermittas angelum tuum Rapbaelem, ut, qui evulsit et expulit a Sara et Tobia daemonem mortiferum eas infestantern, conterat illum et perdat de cunctis habitationibus colentium Deum, de basilicis, de domibus, de anguis, de Jectulis, de refectoriis, de cunctis locis, in quibuscumque Deo famulanter habitant, dormiunt, vigilant, ambu-

lant et consistunt, nec valeat amplus inquietare vel pavores immittere,

Wichtig für uns ist in dieser Benediktionsformel vor allem der zweite Teil, der durch seine genaue Aufzählung aller Örtlichkeiten, aus denen der Teufel und seine Dämonen ausgetricben werden sollen, einem antiken Gebet ähnelt. Offenkundig ist darin zur antik-heidnischen Ausleuchtung als christliche Verstärkung der Engel Raphael getreten. Der Segensspruch über die Kerzen soll ihnen also die Kraft verleihen, diese Teufelsaustreibung zu bewirken. Nun wissen wir aufgrund hochmittelalterlicher Notizen, die aus antiker Tradition schöpfen, daß das Fest Mariä Lichtmeß, das die Kir-

che als den dies purzficationis Beatae Mariae Virginis vierzig Tage nach der Geburt Christi, also am 2. Februar, begeht, das antike Entsühnungsfest der Stadt, das Amburbium, ersetzen sollte, und dabei heidnisches Brauchtum übernahm. Das ist uns ebenso überliefert wie die Tatsache, daß das antike Amburbium oder Amburbale, von dem

Servius zu Verg. ecl. 5,77 bemerkt amburbale vel amburbium diatur sacrificium, quod urbem circuit et ambit victima, ein alter städtischer Sühneumzug zu Beginn des Monats Februar war,s! bei dem die Teilnehmer brennende Fackeln trugen: vgl. Sermo XII des Papstes Innozenz III über Mariä LichtmeB (Migne 217, 5102): facibus accensis in principio mensis

(scil. Februari) urbem de nocte lustrabant; unde festum iliud appellabatur amburbale. Cum autem Sancti Patres consuetudinem istam non possent. penitus. exstirbare, constituerunt, ut in bonore

Beatae. Virginis Mariae cereos portarent accensos. Aus dieser Bemerkung geht auch hervor, daB im christlichen Kult anstelle der Fackeln Kerzen getreten sind. Aus diesem Grund wurde das Fest bei den Christen auch Candelaria benannt, von dem der Pariser Theologe Johannes Beleth (um 1182) ration. 81 feststellt: ... usw est ab antiqua consuetudine. ethnicorum sive gentilium.

Erat. enim antiquitus. Romae

consuetudo, ut circa. boc

60 Zitiert bei USENER, Das Weibnachtsfes?, 320 Anm 27. 61 USENER, Das Weihnachtsfest, 313ff., wollte das Amburbale auf das Fest Mariä Lichtmeß setzen, doch handelt es sich vielmehr um feriar καρήνων (vgl. G. WISSOWA, Re&gion und Kultus der Römer, München

21912, 142 Anm.

12). Es ist aber kein Zufall, daß dieses Fest im Monat Februar

begangen wurde, ist doch dieser Monat, wie sein Name selbst schon ausdrückt, Zeit der Reinigung: vgl. Paul. Fest. 75,23ff. L.: februarius mensis dictus, quod tum, id est extremo mense anni, populus februarstur, id est dustraretur ac purparetur (das Verb februare ist Denominativ von frbrwum, das nach Varro ling. 6,13 sabinischen Ursprungs ist und soviel wie pargamwentum bedeutet: aus *dhues-ro »ráucherndc zur Wurzel

Ndbuas-, die u.a. auch in θύω »rauchen, opfer bzw. θεῖον Schwefek vorliegt vgl. POKORNY 1, 268f. und WALDE-HOFMANN

472). Die Vorschrift zur allgemeinen Reinigung in diesem Monat stammt

nach Macr. Sat. 1,13,3 von Numa: Austrari autem eo mense civilatem necesse erat.

62

"Text bei USENER, Das Weibnachtsfer?, 314 Anm. 22.

80

Lartrin: Etymologie und Volksbrauch

tempus in princabio Februarii urbem lustrarent cam

ambiendo cum suis processionibus gestantes

singuli candelas ardentes, et vocabatur illud amburbals.®

Aufgrund des vorgebrachten volkskundlichen Materials verstehen wir nun auch die Etymologie und Bedeutungsentwicklung von Aster Ursprünglich bedeutete es etwas mit Licht versehen, »beleuchten, ausleuchten« indem man mit einer Licht-

quelle einen Umgang machte und alles genau inspizierte, um ja sicher zu sein, daß kein Dämon sich irgendwo verberge. Und von daher hat Austrare die Bedeutung von

reinigen im rituellen Sinn ( = pwrificare, expiare), dann auch die von »herumgeheng ἐπὶ Kreise umschreiten, »etwas durchgehen« (in konkreter und in geistiger Hinsicht), »etwas genau anschauen, usw. erhalten.“ Das Wort, das ursprünglich in der Alltagssprache beheimatet war, wurde infolge euphemistisch-tabuistischer Gründe in den

Bereich des Sakralen gezogen, um eine ganz bestimmte rituelle Handlung zu bezeichnen, wofür z.B. auch andere alltägliche Ausdrücke wie etwa facere, ῥέζειν, operari in der Bedeutung von »opfern« Parallelen bieten.“ So erklärt sich auch, daß Jsrare (bzw. auch als Deponens rar) seit archaischer Zeit sowohl im profanen als auch im sakralen Sinn verwendet erscheint. Zu ersterem vgl. Liv. Andr. trag. RIBBECK? frg. 6: fum auiem lascivum Nerei simum pecus ludens ad cantum classem lustratur,

was Nonius 33526 M. ( = 528,26 L.) bei seiner Aufzählung der verschiedenen Bedeutungen von /usfrare unter arıumsire anführt. In ritueller Bedeutung expiare, purgare begegnet das Wort erstmals bei Cato agr. 141 (1,3), wo sich auch zum ersten Mal lustrum facere findet: (1) agrum lustrare sic oportet … (3) fundi terrae agrique mei lustrandi lustrique faciendi ergo ... macte bisce suovetaurilibus lactentibus esto. Bei Vergil Aen. 4,58: postera Phoebea lustrabat lampade terras smentemque Aurora polo dimoverat umbram

ist sowohl die sakrale als auch die profane Bedeutung herauszuhóren, wie dies in Servius! Kommentar und dessen Erweiterung richtig konstatiert wird. LUSTRABAT

aut inlustrabat, aut re vera lustrabat, id est purgabat; nam nox quodam modo polluit mundum: vel crcumibat, «t « VIII 231» Justrat Aventini montem. Bei Vergil wird also das Bild von der

aufgehenden Sonne gezeichnet, die in ihrem Umgang die Erde mit ihrer Fackel überall beleuchtet, ausleuchtet und durch ihr Licht reinigt, indem sie die Dunkelheit mit ihrem dámonischen Element vertreibt. An dieser Stelle können wir aus lampade ersehen, daß zu einer Lustration Licht ( = Feuer) gehört, und dies hat auch noch Servi-

63 64 65 159f.

Text ibid. bei USENER. Belege für alle diese Bedeutungen TÀIL, 8,2, 1872, 8ff. Vgl dazu W. HAVERS, Neuere Literatur zum Sprachtabu. SAWW

66 Vgl. vonsulats 50:

dazu

ausführlich

R

G. AUSTIN,

principio aetberio flammatus Iuppiter igni vehitur et fotum conlusirat lumine mundum.

Komm.

z.St. mit Verweis

223,5, 1946, 140f. und bes. auf Cic.

div.

1,17

aus

De

Lastnes: Etymologie und Volksbrauch

us gewußt, der zu der bei Verg.

81

Aen. 6,230ff., nach der Bestattung des Misenus be-

schriebenen Reinigung — wo es heißt spargens rore leri et rumo felicis olipae dustramtque veros dixilque mosttima verba —,

u.a. anmerkt: nam /ustratio a arcumlatione dicia est wel taedae vel suipburis. Spätlateinischem Sprachgebrauch entsprechend, werden wir æ/#/ hier et-et gleichsetzen dürfen,e denn zu einem Lustrationszeremoniell mit Feuer gehört Schwefel und gewöhnlich

auch Harz. So kann ClaudianVI. Cons. Honor. 324ff. sagen:

Die an sich schon apotropäische Wirkung des Lichtes durch das Feuer sollte durch den Rauch aus Schwefel (θεῖον bzw. sxipbur) und Harz (ἄσφαλτον bzw. bitumen) noch verstárkt werden. Zusammen mit den Fackeln werden Schwefel und Harz bei den von Zosimus hist. 2,5,1, beschriebenen Säkularfeiern als καθάρσια genannt, die an das Volk ausgegeben wurden.* Sie sind wohl identisch mit den swfimenta ( = »Räucherwerk),? von denen wir wissen, daß sie Kaiser Domitian ebenfalls bei Säkularfeiern verteilen ließ.” Mit einem solchen Gemisch von Schwefel und Harz, das bei Vegetius 3,12,1 als swffimentorum compositio bezeichnet wird und von dem es dort heißt Jasamum pellit, lustrat. animal, fugat daemones, submovet morbos, wurden

auch die Fackeln

versehen, mit denen man die Reinigungstiten vollzog. Die bei Verg. Aen. 6,230ff., geschilderte Lustration? entspricht in ihrer Art genau den schon oben erwähnten, heute noch üblichen Umgängen in unseren Alpenländern zu bestimmten Anlässen mit Feuer, Rauchwerk und Weihwasser, das man

mit einem Zweig aussprengt und wozu man betet.? Für diese Lustration, zu Weihnachten, zum Neuen Jahr und am Festtag der Hl. Drei Könige, wird aber hauptsáchlich der Name »Rauchen, Ausräuchern« verwendet, da man diesen Akt als besonders

67

Vgl]. B. HOFMANN/A. SZANTYR, Lateinische Syntax und Stilstik, München 1965, 502 und

521.

68

Vgl. unten S. 84; als Reinigungsmittel begegnen sie schon in dem oben Anm. 45 erwähnten

Fragment 126 des Diphilos.

69 Zu sb + fumo. Vgl. WALDE/HOFMANN 2, 625 s.v. sffe und POKORNY 263. 70 Vgl. eine Münze des Domitian, die den Kaiser (neben zwei Gefäßen) abbildet, wie er Räucherwerk verteilt, und auf der dieser Akt auch durch die Legende festgehalten ist: IMP CAES DOMIT AUG ... LUD £AEC SUF P D. Vel dazu H. MATTINGLY, The Coins of the Roman Empirein the British Museum 2, London 1930 (Nachdr. 1966), 394, nr. 428 (Photo nr. 78). 71

Vgl neben Aufawt auch das Wort arcemtuër, zu dem die antiken Grammatiker bemerken:

purgavit; antiquum. verbum est (Servius) und drcumferre est proprie kustrare (Nonius 261,29 M. = 399,29 L.). Die Konstruktion mit dem Akkusativ der Person und dem Ablativ des Ritualgegenstandes (unda) ist hier auffallend; vielleicht erklärt sie sich als Analogie zur entsprechenden geläufigen Konstruktion von crcumdare. Auch die umbrische Entsprechung in den Tabulae Igurinae Ib 10 aferum, VIb 48 gro, Via 19 anferemer (Vamb-fer) bat den Akk. der Person bei sich (die Transitivierung des Verbs erklärt sich wie im

Lateinischen durch das Präfix; vgl J. B. HOFMANN/A. 72

Vgl oben S. 78 mit Anm. 57.

SZANTYR

33), das Sachobjekt ist da

82

Lastrum: Etymologie und Volksbrauch

markant empfindet, so daß er für das ganze Reinigungszeremoniell mit allen Nebenhandlungen steht. Vergleichbares läßt sich beim schon erwähnten umbrischen aferum bzw. afero der Iguvinischen Tafeln beobachten, das ursprünglich »herumtragen« bedeutete, dann aber das ganze entsprechende Lustrationsritual bezeichnen konnte.” Das Herumtragen war das Wesentliche, und jeder wußte natürlich ursprünglich, was bei den ent-

sprechenden

Riten herumgetragen oder herumgeführt werden

sollte; daher unter-

blieb dessen Nennung, vielleicht auch aus tabuistischen Gründen: Auf Tafel Ib 10 heißt es bezüglich der Lustration des iguvinischen Volkes: pure puplum aferum beries, auf anzvriatu etu, bzw. an der entsprechenden Stelle VIb 48 pone poplo afero heries, auf aseriatu efu, d.h. »Wenn du um das Volk tragen willst, geh die Vögel beobachten«. Was herumgetragen bzw. herumgeführt wird, erfahren wir zum Glück durch die Ritualangaben im folgenden, wo es Ib 20 heißt: apretw twres et pure. »Geh herum (scil um das Volk) mit den Opfertieren und dem Feuerl«* Hätten wir diese Tafel nicht, sondern

nur die entsprechende Angabe auf der späteren Tafel VIb 56, so wüßten wir nichts über die verwendeten Lustrationsmittel, denn es steht dort einfach: cw prinvahir peraeris sacris ambretuto, d.h. »gemeinsam mit den prinvati ( = Beamte) sollen sie (der

Priester mit den Beamten) mit den hochheiligen Dingen herumgehen«.5 Im Zuge einer ähnlichen Bedeutungserweiterung ist bei J«srare ebenso leicht zu verstehen, daß das Wort im Laufe der Zeit generell anstatt puryare, pwrificare, expiare verwendet werden konnte, und zwar auch für solche Reinigungszeremonien, in de-

nen kein Feuer gebraucht wurde: Vgl. Ov. met. 4,480 (e Siyge) redit Iuno, quam ... / ronatis lustravit aquis Thaumantias Iris, Stat. Ach. 1,137 puerum ... secretis lustrare fretis, u.a. s. ThLL 7,2, 1872, 46ff. Freilich wird in den meisten Fällen bei den Riten, die mit lustrum, lustrare, lustratio etc. benannt wurden, die Verwendung von Feuer so selbstver-

ständlich gewesen sein, daß sie nicht eigens erwähnt werden mußte, geht sie doch aus den Wörtern selbst hervor. Es darf daher nicht wundernehmen, wenn bei der /usfrafro agri, die Cato schildert, oder den entsprechenden Ambarvalien etwa bei Tib. 2,1 von

Feuer bzw. Fackeln oder Kerzen nicht ausdrücklich die Rede ist. Das gibt uns jeden-

falls keineswegs die Berechtigung, diese zentralen Lustrationsmittel für die erwähnten Zeremonien und rituellen Begehungen einfach zu leugnen, wie OGILVIE 39 es tut. Auch für das Amburbium sowie seine Entsprechung in der Lustration des Mons

Fisius auf den Iguvinischen Tafeln bestreitet OGILVIE den Gebrauch von Feuer. Daß dies falsch ist, ergibt sich eindeutig aus den oben zitierten Stellen zum antiken amburbium.'* Und für die Verwendung von Feuer bei der Entsühnung des Mons Fisius spricht offenkundig der Text auf den Iguvinischen Tafeln, wo es VIa 19ff. heißt: bopler anferener et ocrer pibaner perca arsmalia babitu. vasor verisco treblanir porsi ocrer pehaner paca ostensendi, eo iso ostendu, pusi pir pureto cebefi dia. surur verisco tesonocir. surur verisco vebieir. »Zur Lustration des Volkes und zur Entsühnung der Stadt soll er (sciL der Priestet) den Ritualstab haben. Die Gefäße, die bei der Porta Trebulana der Entsühnung 73 Vgl. POULTNEY, Komm. z. VIb 56, 276. 74 Der Ausdruck fures entspricht hier den Suovitaurilien bei der römischen Lustration (vgl. dazu auch oben Anm. 33). Sie wurden nicht nur herumgetrieben, sondern bisweilen auch herumgetragen, wie wir dies aus Cato agr. 141,1 wissen: mando tbi, Mani, uti illace suovitawrila fundum agrum. terramque mea, quota ex parte sive circumagi sive crroumferenda censeas, uti cures lustrare.

75

Zum Plural des Verbs vgl. POULTNEY

aliquot principibus capiuntur.

76

Vgl S. 88.

143, $ 138a mit Verweis auf Livius 21,60,7 fpse dux cum

Lasines: Etymologie und Volksbrauch

83

der Burg wegen herumgereicht werden sollen, die soll er so herumreichen, daß Feuer vom Feuer ein Leuchten gibt.” Ebenso bei der Porta Tesenaca, ebenso bei der Porta Veia.« Es ist hier also die Rede von Gefäßen mit Feuer, die der Priester so herumreichen soll, daß die Teilnehmer des Rituals sich davon Feuer anzünden können.

Schwierig und bisher nicht völlig geklärt sind in dem Satz pus pir pwreto cbefi dia die beiden letzten Worte. Soviel kann man jedoch mit einiger Wahrscheinlichkeit sagen, daß pzr in dem Satz als Subjekt, pures als Ablativ von fer zu fassen ist; dann wäre entweder αὐτῇ oder dia das Prädikat, und der Satz muß den Sinn haben: »daf) Feuer von Feuer angezündet werde« oder »daß Feuer von Feuer einen Schein gebex Wie immer wir jedoch die dunklen Worte æhef da erklären,” fest steht, daß der Priester mehrere

Gefäße

mit dem

rituellen Feuer

herumreicht,

damit

die Teilnehmer

der

Sühneprozession in den Besitz des Feuers kommen, also ihre Fackeln daran anzünden können. Vielleicht wurden auch Fackeln an das Volk verteilt. Wenn anläßlich der Lichterprozession bei der päpstlichen Lichtmeßfeier in Rom Kerzen von der Kirche selbst an die Gläubigen verteilt wurden — eine Gepflogenheit, die sich mit der Verbreitung des Festes auch in anderen Gegenden einbürgerte —”, so steht möglicherweise auch dahinter ein antiker Volksbrauch. Jedenfalls wissen wir aus der schon oben erwähnten Stelle bei Zos. hist. 2,5,1, daß bei den römischen Säkularfeiern ne-

ben Schwefel und Harz® Fackeln als Reinigungsmittel von den Quindecimvirn an das Volk verteilt wurden:

77 So nach der Interpretation und Übersetzung von POULTNEY 238f. 78 Für DEVOTO, Tabulae Imsinae, 176, stellt cebefi das Verb dar; er will es mit dem 3,21 nicht ganz verständlichen kukebes, das er als rwrıas arısdat erklärt, zusammenbringen; dia interpretiert er als »weimak, und er übersetzt hf dia mit bis procedat. Die von DEVOTO gegebene Deutung Vasa bis admovenda sunt inter suse, ut omues comperire possint. utrumque ignem. genitorem. peneratumque exte scheint jedoch wenig wahrscheinlich. Linguistisch gesehen, spricht dagegen sowohl die Form dia, da VIb 63 bis dut heißt, als auch die Stellung des Zahlwortes. Die beiden gleichen Einwände lassen sich auch gegen cef vorbringen, wenn man das Wort als cine Verbalform (zu lat. azmdeo, [imjcendo), und zwar morphologisch

analog zu péhafri, pébafi Via 29, Via 38, VIb 31 ( = pratum sit) 5. Sing. Konj. Perf. Pass. ( = ωπονsit, so u.2. WALDE/HOFMANN 1, 152 s.v. azudeo) erklärt (denkbar wäre auch ein unpersönlicher Gebrauch, den C. LEVI, AGI 26, 1934, 170£., für pihafei, pibafı annimmt). POULTNEY 239 mit weiterer Literatur leitet cebef u.a. von *&sd-t&- als Akk. Subst. eines -io- Stammes ab, wobei er das Wort mit candeo, -emdo in Verbindung bringt (diese Etymologie wird hingegen mit anderen von WALDE/HOFMANN ausdrücklich abgelehnt). Dia ist für POULTNEY das Prädikat: Konj. Präs. (soll

geben) aus *dg--a zur Wurzel V*doy-i, die auch im Imperativ purdemits (‚du/er möge darreichen, opfemd oder pass. Partizip perdito (dargereicht, geopfert‘) vorliegt. H. RIX, Die umbrischen Infinitive auf fi und die urindogermanische Infinitivendung Figj, in: Studies in Greek, Παῖς and Indo-European Linguisties offered to L. R. PALMER, ed. by A. MOPURGO DAVIES and Wolfgang MEID, Innsbruck 1976, 319331 (für den freundlichen Hinweis darauf danke ich Gerhard MEISER), erklärt «def als mediopass. Präsensinfinitiv eines Verbums von der Wurzel vag ( = fassen), die u.a. in osk. &abad (er soll nehmen‘) vorliegt. (Den Wurzelvokal + der umbr. Form sieht er im Kompositum als Schwächungsprodukt entstanden und von dort auf das Simplex übertragen). Als übergeordnetes Verb des Satzes pas pir pureto cebefi dia deutet auch RIX dia (seiner Meinung nach am ehesten ein Modaladverb, allerdings für ihn ein Hapax und ohne etymologischen Anschluß) und schlägt u.a. als einfachste Übersetzung vor »daß Feuer vom Feuer genommen werden kann«. 79

Vgl

USENER,

Das

Weibachtrfer?, 321, und

die Bemerkung

des Missak Romanum

zum

2.

Februar: Si hoc _festum senerit ..., ΚΙ tantum: benedictio et distributio candelarum et processio, et missa dicitwr de donrinica.

80

Vgl dazu auch oben S. 81.

84

Lastrum: Etymologie und Volksbrauch

£v τῷ Κακιτωλίῳ καὶ £v τῷ νεῷ τῷ κατὰ τὸ Παλάτιον ol δεκακέντε ἄνδρες ἐπὶ βήματος καθήμενοι τῷ δήμῳ διανέμουσι τὰ καθάρσια- ταῦτα δέ ἐστὺυν δᾷδες καὶ θεῖον καὶ ἄσφαλτον.

Diese wurden in der ersten Nacht der Zeremonien, in der der Kaiser unter Assistenz der Quindecimviri drei Schafe opfert, angezündet: 2,5,3: φῶτα ἀνάπτεται καὶ πυρά. So werden wir wohl auch bei der censorischen Lustration annehmen dürfen, daß

jeder Teilnehmer im Besitze einer Fackel war, die bei der Zeremonie entzündet wur-

de. Dieses Entzünden des Lichtes durch den Zensor muß aber ursprünglich ein ganz zentraler Akt gewesen sein, und es ist daher sehr wahrscheinlich, daß ihn die Römer

auch mit einem eigenen Terminus markiert haben. Sehen wir uns nach einem solchen um, so bietet sich das umstrittene /us/rwm condere geradezu von selbst an. DaB mit dem

Terminus ursprünglich nicht generell der Vollzug des gesamten Reinigungsritus, sondern nur ein bestimmter Akt gemeint sein konnte, geht u.a. aus Cicero de orat. 2,268

lustrum condidit et taurum. immolavit und Varro ling. 6,87 censores inter se sortiuntur, uer dustrum faciat: ubi templum factum est, post tum. conyentionemf! babet, qui lustrum conditurus est hervor, worauf schon mit Recht OGILVIE

hingewiesen hat. Die Stelle bei Varro ist

besonders wichtig, weil darin auch der Terminus Aurum facere und lustrum condere sind jedoch bedeutungsmäßig nicht facere stellt den Oberbegriff dar, mit dem der Vollzug eines bezeichnet wurde, /ustrum condere hingegen findet sich nur

facere vorkommt. Toesfrm identisch, sondern Zustrum Reinigungsritus überhaupt bei der censorischen Lu-

stration.? Fragen wir uns nun, was condere ursprünglich heißt, so müssen wir von sei-

ner Etymologie ausgehen. Da sehen wir, daß das Wort in seinem verbalen Bestandteil zur Wurzel Vdhé. zu stellen ist, die in den Formen von cí-8n-pit und facio etc. vot-

liegt. Condere entspricht also genau griech. συντιθέναι." Lastrum condere heißt demnach ursprünglich »ein Licht, einen Glanz, einen Schein zusammensetzen, bewirken«,

was unserer Interpretation entsprechend der Zensor durch das Entzünden von Licht machen würde. Dabei muß man sich fragen, woher der Zensor das Licht nimmt. Bei der Beantwortung dieses Problems bieten sich zwei Möglichkeiten an: (1.) Das heilige Feuer, das zur Lustration notwendig ist, wird für das Ritual auf das Marsfeld mitgeführt, und für diese Deutung ließen sich die Bemerkung bei Festus 94,5f. L. ignem ex domo flaminia efferri non licebat, nisi divina gratia und Fabius Pictor ap. Gell. 10,15,7 ( = frg. 28 HUSCHKE) ignem a flaminia, id est flaminis Dialis domo, misi in saerum efferri ius non est als Stütze anführen. Daß man nämlich das Feuer für Opferhandlungen mitführte, geht auch aus einer Ritualanweisung auf Igesin. III, 11ff. hervor, wo die Rede von einem Opfer auf einem Felde ist. Und da wird den Priestern bzw. einem der Vorsteher im Ritual die Anweisung gegeben, das Feuer auf dem Weg dorthin unter Beten in Brand zu halten: Immek via mersuva arvamen etuta. Erak pir

persklu ufetu »Dann sollen sie den gewohnten Weg auf das Feld gehen. Dabei brenne das Feuer unter Gebet«. Auch sonst pflegte man Feuer zu überführen: z.B. nahm nach Varro frg. Non. 161,23ff. L. die neuvermählte Braut das Feuer mit einer Fackel

aus ihrem Haus in das Haus ihres Mannes mit. Wenn nun ebenso das heilige Feuer bei der censorischen Lustration der Römer auf dem campus Martius schon mitgebracht wurde, dann wurde mit /ustrum condere Licht, Glanz, Schein zusammensetzen, bewirken: nur das Entzünden der Fackeln bezeichnet, wobei x- in condere ganz be-

81 82 83

conventio hier archaisch für vonzio. Vgl. TALL. 4, 845, Off. Belegmaterial TALL 7,2, 1880, 58ff. Vgl. LEUMANN? 527 und WALDE/HOFMANN 1, 440ff. s.v. fan.

Lxstrum: Etymologie und Volksbrauch

85

wußt mit Bezug auf die Vielzahl der Teilnehmer an dieser religiösen Zeremonie gesagt wäre. Freilich könnte (2.) mit der Wendung Æstrem condere auch gemeint sein, daß der Zensor an Ort und Stelle auf dem Marsfeld Feuer in traditioneller Weise durch Reiben von Holzgegenstánden* oder Kieselsteinen® entzündet hätte, von dem dann das Licht an die Fackeln der Teilnehmer weitergegeben worden wäre. In Anbetracht der sogenannten Notfeuer® würde ich der Interpretation, daB mit der Phrase Áuzrww condere das Entzünden des lustralen Lichts überhaupt gemeint ist, den Vorzug geben. Bei den Notfeuern handelt es sich um einen uralten und weitverbreiteten Brauch,"

der sich z.B. in Kärnten noch in unserem Jahrhundert nachweisen läßt, in Zeiten, wenn Mensch und Vieh vor allem von Seuchen und ansteckenden Krankheiten, aber

auch von Ungezicfer etc. heimgesucht werden, große Feuer zu entzünden. Und um der Gefahr der Verseuchung vorzubeugen, errichtete man als präventive Maßnahme in bestimmten zeitlichen Intervallen große Holzstöße, setzte sie in Brand und trieb u.a. das Vieh durch das Feuer. Dabei mußte das Entzünden in archaischer Weise durch Reibung von Hölzern gegeneinander geschehen, und dieser Akt wurde als so wichtig angesehen, daB er dem Feuer den Namen gab: daher Notfeuer, in alten Quellen neben zodfyr auch riedfyr genannt. Das Wort heißt »Reibefeuer und ist zur Wurzel *&neu- zu stellen, die sich in griech. κνύω »kratzen«, ahd. moon »schüttelnc mhd. »osfen »sich hin- und herbewegen;, altisländisch hnöda, hnasd ‚stoßen, schlagenc

bnydia Werkzeug zum Stoßen oder Klopfen« und etwa dt. nieten findet.® Für solche Notfeuer mußten alle Bauern einer Gemeinde Brennholz liefern. Die Leitung des gesamten Rituals lag in den Händen von Amtspersonen, also der Dorfältesten und Bürgermeister, die nicht nur den Ablauf genau überwachten, sondern auch den Tag bestimmten und ihn ansagen ließen. Die feierliche Handlung begann bei Sonnenaufgang, und es herrschte wie bei den entsprechenden antiken religiösen Akten Schweigegebot (vgl. Tib. 2,1 Quisquis adest, fawat [scil. Angua): fruges lustramus et agros). Während dieser Zeit waren in allen Häusern die Feuer in Herd und Ofen gelöscht und wurden erst vom Notfeuer wieder entfacht, um damit auch den Hof von

der Seuche zu säubern.® Dieser Reinigungsritus der Notfeuer, bei dem zum Holz 84

Vgl unten Anm. 91 sowie WISSOWA, Region und Kultus der Römer, 160, J. G. FRAZER 1929

und F. BÖMER 1958, Komm. z. Ovid fast. 5,143, J. G. FRAZER, The Golden Bougb. Bibkography and General Index: 2, 270, sowie ausführlich M. H. MORGAN, De ignis eliciendi modis apud antiquos. HSCPh 1, 1890, 56ff. 85 Vgl. G. FRAZER und F. BÖHMER (Anm. 83) zu Ovid fast. 4,787ff. und 1. G. FRAZER, T# Golden Bough 8, 75. Für diese Gepflogenheit läßt sich als Parallele auch die Entzündung des Osterfeuers in der römisch-katholischen Ostediturgie anführen, nach der das aus Kieselstein geschlagene und dann geweihte Feuer in die Häuser der Gläubigen mitgenommen wird. Im gallikanischen Ritus wurden am Feste Mariä Lichtmeß nach einer Mitteilung des hl. Bernhard von Clairvaux die Kerzen davon entzündet, die man bei der Prozession in den Händen hielt (vgl. dazu USENER,

Das

Wabnachtsfes®,

320f.

Anm.

30).

Und

mit ihnen

nahm

man

zu

Hause

auch

die

Ausleuchtung vor. 86 Vgl dazu ausführlich mit Literatur BÄCHTOLD-STÄUBLI 6, 1934/35, 1138ff., BEITL 605f. s.v. Notfeuer. 87

So schon von J. GRIMM,

Deutsche Mythologie, bes. von E. H. MEYER

1, Gütersloh

1876,

502ff., aufgezeigt.

88

Vgl. POKORNY 1, 562f. und FRISK 1, 887 s.v. κνύω.

89 Ähnlich lie man auch bei den Rómem am Ende eines alten Jahres sowohl im Vestatempel als auch in Privathäusern das Herdfeuer ausgehen; am Beginn des neuen Jahres entzündeten es die

86

Lustrem: Etymologie und Volksbrauch

auch Pech, Teer, Wagenschmiere und Buschwerk gegeben wurde, wird uns erstmals bei Johannes REISKTUS in seiner Abhandlung über diesen Brauch im Jahre 1696 genau beschrieben.* Der Brauch ist jedoch viel älter: So ist um 800 im Imdieulus Superstifomnum 15 de igne fricato ligno id est nodfyr davon die Rede, nachdem bereits das Capitware Carlomanni im Jahre 742 illos sacrilegos ignes quos niedfyr vocant ausdrücklich verboten hatte?! Aus der Erzeugung des Feuers durch Reibung von Holz, die uns aus dem tômischen Vestakult?? bekannt ist, kann man jedoch auf ein hohes Alter dieses apotropäisch-kathartischen Brauches schließen, und verschiedene Einzelheiten wie Feuer, Rauchwerk, die Wiederholung der Notfeuer in festgelegten zeitlichen Abstän-

den und deren Überwachung und Vollzug durch Amtspersonen sowie die Teilnahme der ganzen Gemeinde rücken ihn in die Nähe zu antiken Lustrationsriten, namentlich zur römischen Zustratio populi. Daher ist es m.E. durchaus denkbar, daß auch bei der censorischen Lustration der Zensor Feuer entweder durch Reiben von Holz oder

Kieselsteinen entfacht hat und man diesen Akt als Zustrum condere bezeichnete. Dann wäre Justrum ‚Glanz, Schein« als Umschreibung für das sakrale Feuer zu verstehen,

wie denn überhaupt auch sonst beim Feuer oft Namenstabu zu beobachten ist? So wird es in bestimmten Gebieten der Ukraine als sf ( = wie im Lateinischen »Schein, Glanz) und svetlo ( = das Helle) benannt, und auch im altindischen Neu- und Voll-

mondopfer ist die Rede von »Glanz, der sich mit Glanz: vereinigen soll* Und in einer Reihe von romanischen Sprachen ist für die Bezeichnung des Herdfeuers das Wort Licht eingetreten,” wobei das Tabu des Wortes für »Feuerc im Rumänischen besonders stark ausgeprägt ist. Da wird in manchen Gegenden ausdrücklich hervorgehoben, man solle ja nicht foc, sondern /wwind sagen.% Respekt vor dem Feuer äußert sich auch im Umgang damit. Neben besonders vielen Umschreibungen für das Auslöschen des Feuers gibt es ebenso Tabuwörter für das Anzünden,” wozu ich auch accendo, incendo rechnen möchte, die zu candor

Glanz

candeo glänzen, schimmern zu

stellen sind. Und in diesen Bereich des Tabu würde auch die Wendung Zustrum condere gehören: also einen »Glanz, Schein zusammensetzen, zusammentun, bewirken«.

Damit erklärt sich meiner Meinung nach auch der Ausdruck Austrum missum, der in den Protokollen der Arvalbrüder begegnet* und den OGILVIE 39 zu Unrecht wie lustrum facere als allgemeinen Ausdruck für das gesamte Reinigungszeremoniell ansieht. Mit Sicherheit können wir gegen OGILVIE sagen, daß auch in den Lustrations-

Vestalinnen wieder, und man übertrug es in die Privathäuser: vgl. dazu WISSOWA, Reëgos und Kultus der Römer, 159, Solin 1,3,5 Romani initio annum decem mensibus computawrunt a Martio auspicantes adeo, ut eius die prima de aris V estalibus ignes accnderent, Macr. Sat. 1,12,6 prima die (scil. ammi mom) ignem novum V esiae aris

accendebant, ut incibiente anno cura denuo servandi novals ignis inciperet. 90 Kurtve Untersuchung des Notbfeuers, Frankfurt, Leipzig 1696. 91 Vgl. BÄCHTOLD-STÄUBLI 6, 1934/35, 1139 Anm. 3 s.v. Notfeuer. 92 Vgl Festus 94,1 L. Igmis Vestae si quando interstinchus esset, virgines verberibus adficiebantur a pontsfice, quibus mos erat tabulam felicis materiae ( = nach Cato bei Festus 81,26 L. Holz eines fruchtbringenden Baumes) /amdik terebrare, quousque excebtum ignem cribro aeneo virgo in aedem ferret. Vgl. dazu auch oben S. 85 Anm. 83.

93

Vgl dazu W. HAVERS, Newere Literatur zum Spracbtabu, GARE.

94

Vgl dazu mit Literatur G. DEVOTO, Tabula Iguvinae?, 176.

96 97 98

Vgl. HAVERS 67, mit Literatur. "Vgl HAVERS 67ff. G. HENZEN, Ada fratrum Arvakum quae supersunt, Berlin 1874, 145 und 149.

95

Vgl MEYER-LÜBKB nr. 5161.

Lastrum: Etymologie und Volksbrauch

87

ritualen der Arvalbrüder, welche die alten Ambarvalia fortsetzten, das Feuer als Reinigungsmittel eine Rolle gespielt haben muß. Es findet sich nämlich in ihren Akten aus dem Jahr 240 n.Chr. IIII Kal. Iun. nr. 9522, 35f. DESSAU? die Notiz: Deinde deas unguentaverunt et cereos adcendederunt (sicl) et ianua mediana deae Diae apería es” Wichtiger ist jedoch die in ihren Protokollen mehrfach belegte Notiz lmpadibus incensis tuscanicas contigerunt, quas per calatores domibus suis (u.a. auch domos suas, domus suas bzw. domo sua) miserunt bzw. einmal auch nur die

kurze Angabe Jampadibus accensis sacerdotes tuscanicas contigerunt." Bei den fuscanicat handelt es sich um rituelle Gefäße. Aus den Javrpadibus incensis (bzw. accensis) fuscanicas configerunt dürfen wir schließen, daß der Inhalt der Gefäße vom Feuer der Fackeln in Brand gesetzt wurde!" und daß die Arvalbrüder diese Behälter mit dem rituellen Feuer unter besonderen Maßnahmen (vgl. per calaïores) zu sich nach Hause schicken beßen.!® Dieser Akt der Aussendung des heiligen Feuers hatte wohl ebenso lustrale Funktion und wurde mit dem Ausdruck 4ustrum mittere bezeichnet. Der Ritus erinnert

bis zu einem gewissen Grade auch an die Übertragung des Osterfeuers in die Häuser der Gläubigen in der katholischen Osternachtsliturgie. Neben der erwähnten apotropäischen und kathartischen Bedeutung haben Licht und Feuer seit alters her auch eine andere, nicht minder wichtige Funktion inne, die

damit engst verbunden ist. Durch seine die Dämonen sowie deren Unheil vertreibende und reinigende Kraft fördert es zugleich auch das Leben, erhält am Leben. So

wird noch im neuzeitlichen Volksbrauch durch das Fackelschwingen und Fackellaufen über Feld und Flur nicht nur der böse Sämann oder der Tod vertrieben, sondern der

Sommer eingeholt, und aus dem Saatleucht« wird ein Kornaufwecken, ein Samenzünden und Samenlocken, was auch durch die dazu gesagten magischen Sprüche noch unterstützt werden solL!® Der Glaube an die fruchtbarkeitsfördernde Kraft des Feuers findet sich ebenso schon in der Antike oft belegt, wozu ich nur eine besonders illustrative Stelle am Anfang von Plutarchs quaest. Rom. c. 1 und 2 ( = 263 C-264 B) heraushe-

be. Da wird gefragt, warum eine Braut Feuer und Wasser berühren muß (Διὰ τί τὴν γαμουμένην ἅπτεσθαι πυρὸς xoi ὕδατος κελεύουσι), worauf u.a. als Antworten gegeben werden: ἢ διότι τὸ κῦρ καθαίρει καὶ τό ὕδωρ dryvilen .. À μᾶλλον, ἐκεὶ τὸ φῶς γενέσεώς ἐστι σημεῖον,

γυνὴ dt... τίκτειν ... πέφυκε ...

Durch das Feuer erhált man auch die Seelen der Verstorbenen am Leben oder ruft sie ins Leben.1% Und von dieser Vorstellung, daß Licht und Feuer Leben bedeuten,!'5 macht im spirituellen Sinne auch u.a. das Christentum Gebrauch: Von daher erklären sich bei den Tauf- und Osterzeremonien etwa die Verwendung von Kerzen mit ihrem

Licht.

Mit Recht

macht

EITREM

185 darauf aufmerksam,

»daß wir in der

urchristlichen Taufe mit Wasser und Feuer eine Neubelegung echt antiker ritueller 99 100 101 hominum 102

Vgl dazu auch G. WISSOWA, Zum Ritual der Arvalbrüder. Hermes 52, 1917, 344£. Vgl dazu HENZEN 43f. contingers ein Wort der Sakralsprache wie z.B. noch Verg. Aen. 2,648f. ... me divum pater atque rex | fubminis adflavit st contigit igni. Vgl HENZEN, Komm. z.St.

103 Vgl. BÄCHTOLD-STÄUBLI 2, 1112 s.v. Fackel und GRABER 32. 104 Vgl EITREM, Opferitus, 155f. 105 Zum Feuer als Symbol des Lebens vgl. FRAZER, The Golden Bougb 2, 265.

88

Lurtrum: Etymologie und Volksbrauch

Gebräuche haben, die von den Christen mit neuem Glaubensinhalt erfüllt wurden«. Christus ist selbst das Licht, das alles Böse und Unreine der Erbsünde reinigt und

Leben spendet. Licht und Taufe werden schon im Neuen Testament miteinander in Verbindung gebracht (vgl. Kol. 1,12f., Eph. 5,15£), und bei den späteren Urchristen des Ostens finden sich als Termini für die Taufe und deren Akt:

φωτισμός, φώτισμα bzw. φωτίζειν, d.h. also »Licht« und »Beleuchtungx bzw. »leuchten« und »beleuchten« So sagt auch Justin, bei dem φωτισμός erstmals als fester Ausdruck im Sinne von Taufe voll ausgebildet ist, 1. apol. 61,12: καλεῖται δὲ τοῦτο τὸ λοῦτρον

φωτισμός."

|

Bei den lateinisch sprechenden Christen hingegen findet sich kein einziger Beleg von /ustrum, lustrare im Sinne von »Taufe, »taufen« oder für einen sonstigen Reini-

gungsakt. Der Grund dafür ist, daß diese Wörter bis in die Spätantike von den Heiden zur Bezeichnung ihrer Lustrationsriten verwendet wurden und zu sehr das Ambiente des typisch Heidnischen mit sich führten.

Zusatz zu lustrum condere. Mit dem Reinigungsritus wurde der öffentliche Census, bei dem die Zensoren u.a.

auch das sittliche Verhalten der einzelnen Bürger prüften bzw. anprangerten, beendet und die versammelte Volksmenge von aller Schuld und dem ihr anhaftenden Bósen befreit. Damit sollte auch jeweils die alte Zeit zu Ende gehen und eine neue Epoche ihren Anfang nehmen. Dadurch versteht sich, daß Austrum condere später auch als politischer Terminus technicus für die Markierung des Beginns der neuen Zeit verwendet wurde, worauf schon TH. MOMMSEN, Römisches Staatsrecht 25, Leipzig 1887, 332 Anm.1

und O. LEUZE, Zur Geschichte der römischen Censur, Halle/Saale 1912, 65ff. und

77f£ hingewiesen haben. Und so läßt sich die Bedeutungsentwicklung des Wortes lustrum von »Licht über »Reinigungsakt: zu »Zeitraum bis zum nächsten Census: erklären. In letzterem Sinne ist u.a. Liv. 1,44,2 zu interpretieren, wo von der Einrichtung

des Census durch Servius Tullius die Rede ist: Cens# perfecto [...] edixcit, ut omnes aves Romanis, equites beditesque, in suis quisque centurits in campo Martio prima luce adessent. Ibi instructum exercitum omnem suovetaurilibus lustravit; idque conditum lustrum appellatum, quia is

censendo finis factus est. Mit der Lustration durch die Zensoren sollte auch Glück und Segen für die kommende Zeit bis zum nächsten Census sichergestellt werden, und wenn dies der Fall war, sprach man von einem Justrum fel: vgl. Paneg. 5,13,3 ad censorum laudem pertinebat, si lustrum felix condidissent.

106 Vgl zur Bedeutung von φῶς, φωτίζω, φωτισμός etc. bei den Christen ausführlich H. G. CONZELMANN, Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament 9, begründet von G. KITTEL, hrsg. von G. FRIEDRICH, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1973, 302-349, bes. 349 und Stellenmaterial neben 1.57 bei G. W. H. LAMPE, A Patristie Greek Lexicon, Oxford 1961 s.vv.

Springende und tanzende Gótter beim antiken Fest Es gehórt zu den ungelósten Fragen der Forschung auf dem Gebiet der antiken Geistesgeschichte, ob auch die indogermanischen Vorfahren der Griechen und Rómer

schon eine ausgesprochene Tanzkultur, wie sie uns im historischen Hellas begegnet (vgl. NEUBECKER 1990, Kap. 16), gekannt haben. Bemerkenswert ist nämlich, daß es kein einheitliches indogermanisches Wort für den Tanz gibt, was der unten ausgeführte Sprachvergleich lehren kann. Eine ausgeprägte und differenzierte Tanzkultur, die mit Gesang und Instrumentalmusik eine untrennbare Einheit bildete, ist in Europa jedenfalls erstmals und in einzigartiger Weise bei den Bewohnern Griechenlands faßbar, und zwar nicht nur in bildlichen, sondern auch in zahlreichen literarischen Denkmälern.

Es ist daher naheliegend, die Wurzeln

dieser hellenischen Tanzkultur

zu einem beträchtlichen Teil bei der vorgriechischen mediterranen Bevölkerung zu vermuten, die ihrerseits vom Alten Orient her beeinflußt sein mochte. Von Grie-

chenland dürften aber schon früh diesbezügliche Impulse auf den übrigen europäischen Raum ausgegangen sein: Belege dafür finden sich nicht nur bei den Völkern Altitaliens, sondern vielleicht auch sogar bei den Trägern der Hallstattkultur (wie EIBNER 1986, 271ff. nachzuweisen versucht hat).

Während wir im Griechischen eine große Anzahl von Ausdrücken für die verschiedensten Formen des Tanzes finden, begegnen im klassischen Latein zwei Wörter, die beide von der Wurzel V'sa/- abgeleitet sind: salire und saltare. Beide Verben haben neben der älteren, eigentlichen Bedeutung »springen, hüpfen« schon früh auch die von »tanzenc angenommen,! was bei dem etymologisch verwandten griech. &AXopat nicht der Fall war. Schon diese Kargheit des Lateinischen gegenüber der reichen Variationsbreite auf diesem Gebiet im Griechischen zeigt, daB die Römer in dieser Hinsicht auf einer niedrigeren kulturellen Stufe stehengeblieben sind als die Griechen, bei denen, wie schon erwähnt, in Musik und Tanz wohl das vorhellenisch-

ägäische Bevölkerungssubstrat seine reichen Spuren hinterlassen hat. In den Gepflogenheiten der Römer scheinen sich dagegen die ursprünglichen

Lebensverhältnisse und Verhaltensweisen ihrer indogermanischen Vorfahren getreuer widerzuspiegeln. Diese ernährten sich in ihrer alten Heimat vorwiegend von Viehzucht und der dafür notwendigen Weidewirtschaft. Um sein Vieh und sein Eigentum vor Feinden aller Art zu schützen, mußte der Mensch dieser Zivilisationsstufe, wollte

er überleben, auch tatsächlich stets »auf dem Sprung sein« Solche Verhaltensweisen des menschlichen Alltags fanden natürlich auch im Kult ihren Niederschlag: ganz offenkundig beim Fest und seinem feierlichen Ritual Denn was der Mensch selbst

Erstveröffentkchung in: Das Fest und das Heilige. Religiöse Kontrapunkte zur Alltagswelt. Hrsg. von J. Assmann in Zusammenarbeit mit Th. Sundermeier, Studien zu Verstehen fremder Religionen 1, Gütersloh 1991, 69-87 (Gütersloher Verlagshaus / Chr. Kaiser / Kiefel / Quell). 1 Im Vulgärlateinischen hingegen ist saZre auf die ältere Bedeutung »springen« beschränkt, sa/fare kann »springen und »tanzen« heißen, und nur im Sinne von »tanzen« begegnet das aus dem Griechischen enlehnte ballare: vgl. dazu MEYER-LÜBKE 1935, nr. 909, 7540 und 7551.

90

Springende und tanzende Gótter beim antiken Fest

zum Schutz und Gedeihen der Sippe und der größeren Gemeinschaft machte, das erwartete er erst recht von seinen Göttern und Dämonen. Beim Fest stehen sich nach allgemein verbreitetem religiösen Glauben Gott und Mensch am allernächsten: Es kommt zur kultischen Gemeinschaft zwischen beiden, besonders beim Mabl? zu dem der Mensch einlädt und bei dem er in seiner Bitte

dem Gott auch klar und unmißverständlich sagt, was er von ihm wünscht. Freilich hatte der Römer nie ein so inniges Verhältnis zu den göttlichen Mächten wie der Grieche. Die Götter und Dämonen sind den Römern stets unheimlich geblieben, daher machten sie auch niemals den Versuch, sie in ihre Mitte zu ziehen.

Das ist wohl auch der Grund, warum es bei den Römern nicht zur Ausbildung eines Reigentanzes gekommen ist,’ in dessen Zentrum bei den Griechen, wie noch dargestellt werden soll, immer der Gott steht. So ist die Vorstellung von einem beim Fest mittanzenden dämonischen Wesen, dem man die Hand reicht, für echt römische

Religiosität ganz undenkbar, und von daher wird es auch einsichtig, daß der vornehme Römer in alter Zeit, von wenigen kultischen Gepflogenheiten abgesehen, nicht getanzt hat. Nach altrömischem Empfinden war die den Göttern zukommende Stellung eine am Rande der menschlichen Gemeinschaft, vergleichbar der von bewaffneten Wächtern, die Unheil von ihr abwehren sollten, und zwar nicht nur solches, das von Menschen drohte, sondern auch das, das von Dämonen kam. In diesem Sinne ist es

zu verstehen, daß der Gott Mars im carmen Arvale ([CIL T? 2] Z. 3) aufgefordert wird, auf die Schwelle zu springen: ämen sah. Die Angaben der Acta fratrum Arvakum zum Ritual eines Fruchtbarkeitsfestes, das im Monat Mai gefeiert wurde, sind für uns besonders interessant. Obwohl erst im

2 Vgl ganz deutlich bereits Hom. Od. 14,434ff., wo Eumaios bei einem Festmahl, das er zu Ehren des heimkehrenden, als Bettler getamten Odysseus gibt, zuerst den Nymphen und Hermes ihren entsprechenden Anteil zukommen läßt, zur Vorstellung von der Anwesenheit des Gottes beim Fest s. vor allem im Index von FEHR 1971, 239; F. SOKOLOWSKI: Lois sacrées des cités grecques. Suppl, Paris 1962, 120f. und A. MOTTE: Le symbolisme des repas sacrés en Grèce. In: Homo religiosus. Le symbolisme dans le culte des grandes religions. Actes du Colloque de Lowoain-La-Neuse, octobre 1983, 157f£E. Auch heute noch ist diese Vorstellung im Volksbrauch stark ausgeprägt. A. CHANIOTIS (Heidelberg), dem ich

hier

auch

für

freundliche

Literaturhimweise

zu

danken

habe,

erinnerte

mich

z.B.

an

die

Gepflogenheit der Neugriechen, am Fest des hl. Basileios von Caesarea nicht nur an die bei der Feier anwesenden Mitglieder und Gäste der Familie Gebäck zu verteilen, sondern solches ist auch für den Heiligen, für Jesus und die abwesenden Familienmitglieder als Geschenk vorgesehen. Auch für den hl Nikolaus läßt man am Weihnachtsfest Kuchen zurück, und in Kämten werden bis auf den heutigen Tag auf dem Land bisweilen noch die Armen Seelen an ihren Gedenktagen Allerheiligen und Allerseelen in der beheizten Stube mit Speisen bewirtet. 3 Vom Chor, den Isidor 6,19,5 (mit Serv. zu Verg. Aen. 6,517) als muititudo in sacris. collecta definiert, erklärt er 5,39,11 ausdrücklich, daß »er in Griechenland erfunden wurde«. Das Wort, das

bereits Naevius in die rómische Literatur eingeführt hat, ist jedoch mit Ausnahme der Dichter in der lateinischen Literatur sehr selten und findet sich in der Prosa erst bei Cicero; vgl. TALL 3, 1907, 1022,

28ff.; zum griechischen Chor vgl. ausführlich WEBSTER 1970. 4

Der von Plin. nat. 7,159 genannte Stephanio, »der, mit der Toga bekleidet, zu tanzen begann«,

war ursprünglich kein Römer, und so sagt auch Cic. Mur. 6,13: Nemo eim fere saltat sobrius, misi forte insanit, neque in solitudine neque in convivio moderato atque bonesto »Denn wohl niemand tanzt nüchtern, außer er ist zufällig nicht bei Sinnen, und zwar weder wenn er allein ist, noch wenn er sich bei einem maßund ehrenvollen Gastmahl befindet«. Freilich, auf der römischen Bühne wird getanzt, doch sind die

Akteure mit Ausnahme Schauspieler in der Atellane Unfreie oder Angehörige niederen Standes.

Springende und tanzende Gótter beim antiken Fest

91

Jahre 218 n.Chr. aufgezeichnet, überliefern sie das Kultlied in einer sprachlich sehr alten Form. Es lautet (nach dem Text von NORDEN 1939, 114f.): Enos Lases invate neve lue rue Marmar sins incurrere in pleoris satur fu fere Mars limen sali sta berber Semunis alternei advocapit conctos enos Marmor iuvato

friumpe triumpe iriumpe triumpe Iriumpe Ja, ihr Laren, helft uns!

Laß nicht, Mars, Seuche und Verderben in die Menge eindringen! Sei satt, wilder Mars, spring auf die Schwelle, steh dort(?)! Die Götter der Saat ruft abwechselnd herbei, sie alle! Ja, du Mars, sollst uns helfen!

Im Dreischritt springe, springe, springe, im Dreischritt springe, springe! Hier schen wir Mars in Kultgemeinschaft mit den altrömischen Laren, den Göttern,

denen Schutz, Fruchtbarkeit und Segen des häuslichen Anwesens und seiner Bewohner oblag, sowie mit den Semonen, die schon durch ihren Namen als Saatgottheiten ausgewiesen werden. Als agrarischer Gott, der das bäuerliche Gut mit seinen Menschen und Feldern gegen das Böse schützen und dadurch Fruchtbarkeit und Segen im Inneren des Anwesens schaffen soll, ist uns Mars am ehesten greifbar in Catos Anweisung für die Justratio agri, die »Entsühnung des Landguts. Nach der rituellen entsühnenden Umschreitung des Gutes wird der Gott in einem rhythmisierten Gebet zuerst als Unheilabwehrer angerufen (vgl. agr. 141,26): 1 udi fu morbos 2 viduertalem 5 calamitates

4 probibessis defendas

1 daß du Krankheiten, 2 Verwaisung 3 Unglücksschläge 4 fernhalten, abwehren

sichtbare und unsichtbare,

und Verödung, und Wetterstürze und abwenden mögest,

Darauf folgt formal in gleichem Umfang die Segensbitte: 5 6 7 8

utique tu fruges frumenta grandire beneque pastores pecuaque duis bonamque salutem

5 und daß du Früchte, Getreide,

6 groß werden und gut 7 und Hirten und Herden 8 und verleihest gesegnetes Heil

vineta virgultaque evenire sinis

salva servassis voletudinemque Wein und Sträucher reifen lassen mögest gesund erhaltest und Gesundheit

92

Springende und tanzende Gótter beim antiken Fest

Z. 9 folgt gleichsam wie auf zwei Stollen A = B der Abgesang C, der das ganze Gebet schließt mit der Angabe, wem der Segen zuteil werden soll: 9 mibi domo familiaique

nostrai

9 mir, meinem Haus

und unserem Gesindel

In dieser Eigenschaft als entsühnender Gott begegnet Mars auch bei den anderen italischen Völkerschaften indogermanischen Ursprungs, wenn wir etwa nur an die umbrischen Ritualtafeln aus Iguvium denken. Dennoch ist die Unglück abwehrende und heilbringende Funktion nur e» Zug seines Wesens. Nicht weniger stark schon in alter Zeit und in spáteren Epochen sogar weitaus stärker ausgeprägt sind die anderen Wirkungsbereiche, durch die sich Mars auszeichnet (vgl. SCHOLZ 1970, 96). So erscheint er bereits im carmen Arvale als der wilde, bewaffnete Kriegsdämon, der, auf die Schwelle springend und dastehend

(fere Mars limen sali, sta berber), jegliches Eindringen eines bösen Feindes in die Gemeinschaft verhindern soll (neve Jue rue Marmar sins incurrere in pleoris). Diese Vorstellung entspricht ganz der des Marsgebetes bei Cato: Wie man dort für das bäuerliche Gut betet, so hier für das in archaischer Weise analog gedachte Gemeinwesen. Daher rief man vor Beginn eines Krieges dem Mars zu: Mars vigila! »Mars, sei wachsamil«, wie wir aus dem Kommentar des Servius zu Vergil Aen. 8,3, erfahren.

Im carmen der Arvalbrüder wird dem Gott aber auch ausdrücklich geboten: satwr Ju! Er möge selbst satt sein, um sich nicht an den Früchten und dem Ertrag der Menschen, die er schützen soll, vergreifen zu müssen. Und am Schluß dieses in Saturniern verfaßten Liedes wird ihm fünfmal #iæmpe! zugerufen. Und fünf ist auch die Zahl der Tropáentráger, die auf einem in der Villa Albani befindlichen reliefverzierten Rundmonument abgebildet sind und aus deren Körperhaltung zu erschließen ist, daß sie einen Waffentanz aufführen. Dieses Relief stammt, wie SCHNEIDER 1990, 167ff. na

iesen hat, aus Augusteischer Zeit, in der, der religiösen Restaurationspolitik

des Herrschers entsprechend, ein in altrómischer Weise dem Mars geweihter Triumphzug zur Darstellung gebracht wurde. Der in derartigen Prozessionen übliche Siegesruf /rivmp(b) an den Gott leitet sich, wahrscheinlich über etruskische Vermittlung, von dem vorgriechischen Thriambos her, dem Namen eines beim griechischen Dionysosfest gesungenen Liedes.5 Durch ausdrückliche Zeugnisse der Antike wissen wir aber, daß gesungene und rezitierte Weisen von entsprechenden rhythmischen Körperbewegungen, also von Tanz begleitet waren (vgl. Plutarch quaest. conv. 9,15 [748 A-C] und Strabo 10,5,9 [467 CT). Demzufolge war wohl auch der bei rómischen Siegesfeiern von den Soldaten rezitierte Zuruf 7o friumphe, mit dem sie dem auf das Kapitol ziehenden siegreichen Feldherrn zujubelten, mit Tanzbewegungen verbunden. Wie die Soldaten ihrem Feldherrn, so riefen auch die Arvalbrüder an ihrem Fest dem Gott Mars /riumpe zu, 5 Vgl Varro ling. 6,68: sic iniemıphars appellatum, quod cum imperatore milites redeuntes clamitaut per arbemin Capitolium eunti »io triumphec; id a thriambo ac Graeco Liberi cognomento poteit dictum »so kam es zum Wort triumphieren, weil die Soldaten bei ihrer Rückkehr und ihrem Zug durch die Stadt auf das Kapitol mit dem Feldherm ἐσ triwmphe rufen. Dieses Wort kann von Thriambos und der griechischen Bezeichnung des Liber ( = Dionysos) abgeleitet sein«, dazu ERNOUT/MEILLET 1959, 703f.

Springende und tanzende Gótter beim antiken Fest

93

nachdem sie ihn zuvor um seinen Beistand mit den Worten enos Marmor israto angefleht hatten. Zusammen mit Mars sollen auch die Laren nach dem Kampf am Sieg teilnehmen. Es ist sicherlich kein Zufall, daß diese Gottheiten, die, parallel zur Anrufung des Mars am Schluß des Gebetes (emos Marmor isvato), am Beginn des Liedes in ganz ähnlicher Form emos Lares isvate angesprochen werden, in der bildenden Kunst der Römer als Jünglinge im Tanzschritt dargestellt erscheinen: Dieser Tanzschritt ist ein sichtbares Zeichen des Sieges, und was man von den Göttern erwartete, das haben

die Menschen gewissermaßen in einem Analogiezauber selbst ausgeführt: So tanzten die Arvalbrüder diesen Siegestanz, indem sie das Lied dazu sangen. Das ist in ihren inschriftlichen Akten vom 29. Mai 218 n.Chr. festgehalten (CILVI 2104, 31ff. = ILS nr. 5039, 25ff. Dessau

= ILLRP nr. 4 DEGRASSI): Sacerdotes . . carmen descindentes

fripodaverunt: in verba baec, worauf der Gebetstext folgt und es dann weiter heißt: post tripodationern... infroierunt wnach dem Dreischritt-Tanz... traten sie ein« (scil. in den Tempel).

Neben poda (CGL 2, 459, 37 auch tripedo) und #ipodaño finden sich in älterer Zeit häufiger die Formen iripudio, tribudum zur Bezeichnung des Tanzes im Dreischritt. Der Grammatiker Diomedes 1, 479, 17 GL K. charakterisiert diesen Dreischritt rhythmisch als dem bakcheischen Versmaß entsprechend, beginnend mit einer Kürze, auf die zwei Längen folgen:

U — —, ein Rhythmus, zu dem der Ausruf

irivmpe genau paßt. Die /ribodatio galt stets als sakral-feierlicher Tanz zur Verkündigung des Sieges und war mit ausgesprochenen Sprungbewegungen verbunden. Wir finden den Dreischritt auch im umbrischen Ritual: vgl. den in den Tabula Iguvinae mehrmals bezeugten Imperativ abfrepäratu bzw. abatripursafu = *abs-tribodato. Der Dreischritt-Tanz hatte bis in die ausgehende Antike im Marskult seinen festen Platz. Er wurde vor allem von den Saliern aufgeführt, einem Priesterkolleg, das

im Dienste des Gottes Mars stand. Da das typische Merkmal des #pudums, wie schon erwähnt, die springende Bewegung war (vgl. Liv. 1,20,4: Sakos ... per wrbem ire canentes carmina cum tribudis solemnique saltatu iussit [scil. Numa] »König Numa befahl den Saliern .. unter Gesang im Dreischritt und feierlichen Sprungtanz durch die Stadt zu ziehen«, (Lact. inst. 1,21,45) qui [scil Sa&] in bonesto saltatu tripudiant »sie (die Salier) springen in ehrenvollem Dreischritt« u.a.), wurde diese Priesterschaft auch danach benannt (vgl. Fest. 438, 27ff. L.). LATTE 1960, 115 stellt dazu mit Recht fest: »Zunächst ist das der alte Kriegstanz gewesen, der in Nachahmung der Kampfbewegungen den günstigen Erfolg vorwegnimmt und die eigene Kraft zu erhóhen sucht.« Wenn dabei die springenden Bewegungen von einem Prae», dem Vorspringer, vorgemacht und dann von den Mitgliedern des Kollegs wiederholt werden, so steht wohl letztlich hinter dem Tun des pruesx/ die Vorstellung, daB der Gott der Leiter des Ganzen ist: Der Gott springt vor, die Gemeinde springt nach. Solche Tänze wurden aber sicher nicht nur als vorbeugend-helfende Maßnahme gegen einen tatsächlichen Feind ausgeführt, sondern sie dienten auch als apotropäische Mittel im Kampf gegen dämonische Mächte, von denen man sich bedroht fühlte und die auf verschiedenste Weisen, wie z.B. durch schlechtes Gedeihen

der

Saaten, Krankheit, Viehsterben usw., Schaden zufügen konnten. Ihnen sollte gleich

in der kritischen Zeit des beginnenden neuen Jahres, d.h. nach altrómischem Kalender im März, wenn die Natur wieder erwachte und die Kriegszüge wieder aufgenommen wurden, begegnet werden. Dasselbe gilt wohl auch für die Tánze der Salier

94

Springende und tanzende Gótter beim antiken Fest

im Oktober, wenn die Vegetation abstirbt und man blutbefleckt aus dem Krieg nach Hause zurückkehrte: Da bedurfte es der Entsühnung der Waffen, die in einem eigenen Ritual,

dem Armilustrium, vollzogen wurde (vgl. WISSOWA

1912, 144f.).

Wenn an diesen Festen die Salier in Waffen tanzten (vgl. WISSOWA 1912, 556 und LATTE 1960, 114£), so steckt dahinter vermutlich der weitverbreitete volkstüm-

liche Glaube, der sich von der Antike bis in die moderne Zeit verfolgen läßt, daß

durch eiserne Waffen jegliche böse Dämonen vertrieben werden können. Derselben psychologischen Sphäre gehört auch die blutrote Farbe der Kleidung der Salier an (vgl. WiSsOWA 1912, 556 und LATTE 1960, 114£): Sie ist nicht nur ein Zeichen von Würde, sondern sie ist ebenso sehr auch in der Magie beheimatet, ein Aspekt, den

man bisher bei der Behandlung der Salier-Tánze zu wenig beachtet hat: Aus den von BÄCHTOLD-STÄUBLI 7, 1935/1936, 792£f., bes. 805ff. s.v. rot aufgeführten Belegen geht hervor, daß man der roten Farbe auch unheilabwehrende und fruchtbarkeitsför-

dernde Funktionen zuschreibt Man wird also die kultischen Begehungen der Salier nicht nur als blutigen Sympathiezauber mit dem Krieg, sondern auch mit der Vegetation in Zusammenhang bringen müssen, was bisher in der einschlägigen Literatur oft übersehen wurde. Dazu paBt auch ihr springender Tanzschritt: Es ist kein Zufall, daß gerade die Götter und Dämonen, von denen man Wachstum und Fruchtbarkeit erflehte, auf das engste mit den verschiedenen Formen des Tanzes, besonders auch mit dem Waffentanz, in Verbindung standen, wie unten noch aufgezeigt werden wird, ahmte doch der Mensch ihr Tun und Treiben in solchen Tänzen nach (vgl. BÄCHTOLD-STÄUBLI

9, 1938/1941,

18 s.v. Wachstum).

Und vergessen wir nicht,

daß dem Sprung seit jeher beim ländlichen Fest, an dem es ursprünglich oft um Gedeihen und den damit verbundenen Fruchtbarkeitszauber ging, eine große Bedeutung zukommt.* Wir sehen also, um welche Tänze es sich bei den sa/fuvs der römischen Salier han-

delt und in welcher Sphäre sie beheimatet sind. Wenn die Priester sie ausführen, so handeln sie als Mittelspersonen stellvertretend für den Gott Mars, der über diesen 6 Vgl z.B. Schol. Hom. Od. 11,48, wo es heißt: »Bei den Menschen gibt es eine allgemeine Ansicht, daß Tote und Dämonen sich vor Eisen fürchten. Auch dea Klang von Metallgegenständen scheuen die Geister« Vgl. dazu auch BÄCHTOLD-STÄUBLI 2, 1929/1930, 717££. s.v. Eisen und mehr dazu bei H. PETERSMANN: Homer und das Märchen. In: I$ 94, NF 15, 1981, 65 Anm. 54.

7 So empfiehlt Plin. nat. 17,266 den Gebrauch von Rötel gegen landwirtschaftliche Schädlinge, und heute noch bindet man rote Bänder oder rote Tücher oder andere rote Gegenstände an Obstbäume und Tiere. Rote Gegenstände wurden auch als Zaubermittel z.B. gegen Impotenz verwendet: so schon Petron 131,5 ter me iussit... lapillos conicers in sinum, quos ipsa prascaniatos purpura involverat »Dreimal hieß sie mich Steinchen in die Tasche stecken, die sie selbst mit Zaubersprüchen versehen und in Purpur gewickelt hatte« Auch umzäunte man Gehege mit roten Seilen (vgl. Aristoph. Ach. 22), verwendete Rot im Wetterzauber (vgl. Pallad. 1,35) und zieht selbst rote Gewänder an, was seit antiker Zeit besonders auch für verschiedene Priester bezeugt ist. Die rote Farbe ist aber auch charakteristisch für Dämonen (vgl. BÄCHTHOLD-STÄUBLI 7, 1935/1936, 825 s.v. rot). 8 Schon Lukian salt. 34 spricht von den heftigen und ermüdenden Sprüngen, die zu seiner Zeit bei den Bauersfrauen noch ganz üblich waren. BÄCHTHOLDSTÄUBLI 8, 1936/37, 320ff. s.v. Sprung, springen erklärt die Bedeutung des Sprunges durch die einfache Analogie-Vorstellung: Je höher man springt, um so hóher wird etwas wachsen und gedeihen. Man denke z.B. an den Flachssprung oder an den hessischen Brauch, demzufolge der Schweinchirt zur Fastnachtszeit einige Sprünge tanzen muß. In Griechenland ist es, wie mir mein Heidelberger Kollege A. CHANIOTIS mitteilte, heute noch z.B. bei Hochzeitsfeierlichkeiten üblich, daß ein Vortänzer versucht, möglichst hoch zu springen. Daß es sich offensichtlich hier um die Kontinuität eines uralten Brauches handelt, kann Hom.

Od. 4,17ff.

lehren, wo an einem Hochzeitsfest im Hause des Menelaos zwei Springtänzer den Reigen anführen.

Springende und tanzende Gótter beim antiken Fest

95

Bereich waltet es ist der der Fruchtbarkeit, des Wachstums und Segens sowie des Sieges im Kampf. Und das ist auch die einzige Domäne bei den Römern geblieben, in der sich in alter Zeit vor dem Einfluß späterer griechischer Gepflogenheiten ein kultischer Tanz nachweisen läßt. Im Kult der anderen römischen Gottheiten gab es offenbar ursprünglich keinen Tanz: Es ist uns jedenfalls nichts Derartiges bezeugt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß den Etruskern die Vorstellung von springenden und tanzenden Göttern fremd gewesen zu sein scheint, wie dies das bisherige archäologische Material vermuten läßt (vgl dazu JOHNSTONE 1956, 143£). Kultische Tänze, die von eigens dafür bestimmten Artisten aufgeführt wurden, waren dagegen üblich.? Ganz anders als bei den Römern, bei deren altitalischen Verwandten und bei den

Etruskern war die diesbezügliche Situation in Griechenland: Für den Hellenen war ein springender oder tanzender Gott etwas ganz Selbstverstándliches, galten doch die Götter selbst als Erfinder der Tanzkunst (vgl. Lib. de saltat. or. 64,12 und 56). Zum Unterschied von Rom spielte der Tanz im Leben der Griechen stets eine große Rolle und hatte auch in der Erziehung seinen Platz. Er verbindet, wie Strabo 10,3,9 (467 C) feststellt, den Menschen mit dem Göttlichen. Es wurde zu den verschiedensten Anlässen der Freude und des Leids getanzt, und zwar nicht nur im Kult, also an Festen zu Ehren der Gótter und Heroen, son-

dern auch bei Gelegenheiten der rein menschlichen Spháre. Schon bei Homer sind Reigen und Tanz mit dem festlichen Mahl eng verbunden und werden seine Krönung genannt (vgl. Od. 1,152). In späterer Zeit wurde auch vor Beginn des Schmau-

ses getanzt (vgl. dazu mit Belegstellen TÖLLE 1964, 80). Man pflegte den Einzeltanz und den Gemeinschaftstanz im Chor. Da der Tanz stets an die Musik gebunden war, liegt dem Nomen μολκή (so wie dem Verb μέλκω, LéAñouat) seit Homer auch beiderlei Bedeutung inne. Hatte man dagegen mehr die Tanzbewegungen vor Augen, so sprach man generell von ὀρχεῖσθαι oder χορεύειν, wobei letzteres von χορός »der Reigen« abgeleitet ist. Die Ausdrücke ὀρχεῖσθαι bzw. ὄρχησις, ὄρχημα sind etymo-

logisch mit ἔρχομαι verwandt (vgl. FRISK 2, 1970, 433) und bedeuten ursprünglich nur »sich bewegen: bzw. >Bewegungx. Man darf mit Sicherheit annehmen, daß vor allem die kultische Tanzbewegung ursprünglich im Bereich der Magie beheimatet ist. So wird der Tänzer nicht nur zum Symbol des Gottes oder Dämons, sondern er wird durch seinen Tanz in gewisser Weise selbst zum dämonischen Wesen. Man ehrte die Götter durch verschiedene Tänze, an denen sie ihre Freude hatten

(vgl. Athen. 14,628 E). In Delos waren sogar die Opfer für die Götter mit Tanz und Musik verbunden (vgl. Lukian salt. 16). Auch glaubten die Griechen, daß die Götter selbst an den Festen mittanzten. Die ersten literarischen Belege dafür begegnen bereits in den Homerischen Epen: z.B. wird Od. 18,193f. von Aphrodite gesagt, daß sie im Chor der Chariten mittanzt. Nach dem Ausweis von WARNECKE

1932, 2238 sind es viele Götter und dämoni-

sche Wesen, die sich die Griechen tanzend vorstellten, vor allem aber die, welche für 9 Solche Aufführungen von Tánzen konnten sogar ohne Absingen eines Liedes vonstatten gehen, was z.B. nach griechischem Kunstempfinden als ganz geschmacklos galt (vgl. Plato leg. 2,669, dazu PRUDHOMMEAU 1, 1965, 360, $ 1184). Der Historiker Livius 7,2,4ff. weiß zu berichten, daß die Römer diese Technik von den Etruskern übernommen hatten und sie zum ersten Mal im Unglücksjahr 364 v.Chr. anwandten, um die Götter zu versöhnen.

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Springende und tanzende Gótter beim antiken Fest

die Hellenen den Inbegriff des Lebens und der Freude daran, den Frohsinn, die Ausgelassenheit, den Scherz und die Kunst symbolisierten: Diese Götter nehmen selbst am festlichen Reigen der Menschen teil, von denen sie dazu auch eingeladen werden. So überliefert uns Athen. 4,622 C unter Berufung auf ältere Quellen das Lied eines in die Orchestra einziehenden ithyphallischen Chores, in dem der Menge befohlen wird, dem Gott — cs ist in diesem Fall Dionysos — Platz zu machen. In Aristoph. nub. 563ff. ruft der Chor sogar Zeus, den obersten der Götter, zu'sammen mit Poseidon, Aither und Helios auf, an dem Festreigen teilzunehmen, und

in der Antistrophe V. 595ff. werden Phoibos Apollon, Artemis, Athene und Bakchos-Dionysos apostrophiert. Lukian salt. 11 weiß zu berichten, daß die Spartaner Aphrodite und die Eroten auffordern, sich in ihre tanzende Schar zu mischen und diese anzuführen. Auch Platon leg. 2,655 spricht von den Góttern nicht nur als den Urhebern der Reigentänze mit Rhythmus und Musik, sondern auch davon, daß sie selbst darin als Mittänzer auftreten. Da viele Götter und dämonische Wesen ursprünglich theriomorph gedacht waren, darfes nicht

wundern, wenn

gerade

beim Ritual, das ja bekanntlich seinem

We-

sen nach konservativ ist, Festteilnehmer in Tiermasken tanzten (vgl. LAWLER 1964, 58f£): Da finden wir Tänze von stier- und kuhförmigen Dämonen,

von Löwen,

Pferden, Vögeln etc. Ein Reflex von derartigen rituellen tierischen Vermummungen begegnet in den Tierchören der Alten Komödie. Daß Tänze von solchen Tiermasken im Brauchtum bis in die ausgehende Antike lebendig geblieben sind, lehrt eine Notiz bei Pollux Onom. 4,103, der einen Tanz μορφασμός erwähnt, bei dem alle Arten von Tieren vertreten gewesen seien. Spáter versuchte die Kirche, gegen dieses heidnische Treiben vorzugehen (vgl. dazu ausführlich RADERMACHER 1918, 86ff. und ROHLFS 1952, 29ff.). Zu den dámonischen Wesen der Antike, die ihre tierische Gestalt nie ganz abgelegt haben und deren Tänze in dieser Form bis in die Spätzeit von Menschen nachgeahmt wurden, gehóren vor allem die Satyrn und Silene. Bekanntlich sind sie im Bereich des Dionysos beheimatet, der ja der bedeutendste Fruchtbarkeitsgott der Antike ist. Es ist daher wohl nicht zufällig, daß sowohl in ihren Tänzen als auch in denen des Dionysos, zu dessen Begleitern sie der griechische Mythos gemacht hat, das Hüpfen und Springen einen ganz besonderen Platz einnimmt. Wie der Gott selbst im Tanze springt (vgl. z.B. Eur. Ion 716f.), so tun es seine Gesellen: In Lukian bis acc. c. 10 wird daher jemand mit πηδητικώτατε σατύρων »du bester Springer der Satyrm« angeredet, und das Bild des springenden und die Erde stampfenden Satyrs findet sich noch in Nonnos 40,241. Aussagekräftig sind ebenfalls die Namen der für diese Wesen typischen Tänze: z.B. die σίκι(ν)νις, ein thrakisches oder phrygisches Wort, das, etymologisch betrachtet, auch die Vorstellung von

Sprung und Kraft evoziert: Es ist vielleicht zu

κηκίω, dor. κακίω, lit. 206%, slaw. skoëf, skakañ »springen« zu stellen (vgl. FRISK 1, 1960, 838, sowie CHANTRAINE 1968-1980, 523 und 1005). Eine sprechende Bezeichnung ist ferner der Satyrname Σκίρτος: Er gehört zu σκιρτάω, σκαίρω (springen, hüpfen) und ist etymologisch u.a. mit althochdeutsch scerön ymutwillig, ausgelassen seins mittelhochdeutsch Scharz, Schurz Sprung und neuhochdeutsch Scherz verwandt (vgl. FRISK 2, 1970, 714£. und 734f., CHANTRAINE 1968-1980, 1009 und 1020).

Springende und tanzende Götter beim antiken Fest

97

Ebenso wie diese ursprünglich pferde-menschenförmig gedachten Mischwesen, die Satyrn oder Silene, erscheinen auch die Bócke eng mit Dionysos verbunden: Wie

erstere waren auch sie Symbol für Fruchtbarkeit und Lebensfülle. Die sogenannten Bocksgesänge mit den entsprechenden Tänzen waren ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil der Feste zu Ehren des Dionysos, und nach ihnen hat bekanntlich die Tragödie ihren Namen erhalten, wie das Lustspiel nach dem Gesang und Tanz des Schwarmzuges (Komos) benannt worden ist. In diesem Komos traten seit ältester Zeit Dickbauchtänzer auf, die ihrerseits Dämonen aus dem Umfeld des Dionysos symbolisierten. Im dorischen Siedlungsgebiet finden sich Abbildungen davon bereits auf Vasen vom Beginn des 7. Jhdt. v.Chr. an. Ein illustratives Beispiel liefert ein korinthischer Amphoriskos (heute Athen N.M. 664), auf dem dargestellt ist, wie Hephaistos durch die List des Dionysos und seiner dämonischen Begleiter in den Olymp zuVergessen wir nicht, daß auch die unteritalische Phlyakenposse ihren Namen von den Schauspielern hat, die ursprünglich an bestimmten Festen wohl den Phlyax darstellten, der einen Dämon aus dem dionysischen Bereich symbolisierte (vgl. BJORCK 1950, 61 und RADERMACHER 1924, 3ff.). Das Wort Phhyax zeigt dieselbe Bildung wie Kordax, der Name eines Tanzes in der Alten Komödie war. Der Kordax-Tanz begegnet außerdem im Kult des Apollon von Amorgos (IG 12, 7, nr. 246) und in dem der Artemis von Elis (Pausanias 6,22,1). BJORCK 1950, 61 hat zurecht darauf aufmerksam gemacht, daß wahrscheinlich auch

im Kordax die Bezeichnung eines dämonischen Wesens vorliegt. Offenkundig ist es später in das Umfeld des Dionysos, des Apollo und der Artemis geraten: Letztere

Gottheit führte in Elis auch das Epitheton xopbáxa (vgl. Paus. a.O.). Wie schon den antiken Gelehrten zu entnehmen ist, muß das Hauptcharakteristikum des Kordax wohl das Springen gewesen sein.'^ Wenn dieser Tanz auch im Kult des Apollo und der Artemis bezeugt ist, so hat dies seinen guten Grund: wurden doch beide Gottheiten neben Dionysos als Fórderer der Fruchtbarkeit, des Segens und des Lebens aller Geschöpfe verehrt. In diesem Zusammenhang soll noch auf drei weitere Namen hingewiesen werden, die sowohl zur Bezeichnung des Gottes als auch des Tanzes dienten, der zu

Ehren der Gottheit an ihrem Fest aufgeführt wurde: Es sind dies Paian, Dithyrambos und Thriambos. Wir wissen, daß der Paian (schon in den mykenischen Texten von Knossos im Dativ pajawone belegt) bei Homer noch als selbständiger Götterarzt fungierte und in späterer Zeit mit Apollon identifiziert wurde. In dem nach ihm benannten Lied wurde der Gott vor allem geehrt. Analog dazu ist θρίαμβος (vgl. Trag. Adesp. 140 KOCK, Diod. Sic. 4,5, Athen. 1,30 D u.a.) sowie διθύραμβος (vgl. Eur. Bakch. 526, Athen. 1,30 B, 465 A u.a.) auch Name des Gottes selbst. In dem spätantiken Hymnus auf Dionysos (Antbol. Pal. 9,524,5) wird der Gott als διθυραμβογενής angerufen,

was auf die uralte volkstümliche Vorstellung hinzuweisen scheint, daB Fruchtbarkeit und Lebensfülle, im Namen des Gottes gefaßt, durch das dithyrambische Tanzlied

10 Photios Lex. identifiziert diesen Tanz unter Berufung auf Aristoxenos mit der σικιννίς, und Schol Luc. κρολαλιὰῆ Διόνυσος (p. 9, 5 ed. RABE) rückt ihn in die Nähe der Pyrrhiche (dazu ausführlich unten S. 99f£): »Der Kordax ist in seiner Form ein unanständiger und häßlicher Tanz, der der Pyrrhiche sehr ähnelt.«

98

Sptingende und tanzende Götter beim antiken Fest

ins Leben gerufen werden konnte. Ebenso sollte natürlich mit dem Paian Heilung und somit Leben erwirkt werden. Bei dieser funktionellen Náhe von Dionysos und Apollon zueinander darf es nicht wundernehmen, daß schon Aischylos (fr. 86 METTE = RADT 341) und Euripides (fr. 477 NAUCK?) die beiden Götter gleichsetzen und daß beim delphischen Dionysosfest dieser Gott auch mit einem Paian gefeiert und selbst zum Paian wurde (vgl POWELL 1925, 165ff. und dazu BURKERT 1977, 345). Werfen wir einen Blick auf Paian, Thriambos und Dithyrambos aus etymologischer Sicht, so ist festzustellen, daß es sich wahrscheinlich um vorgriechische Lehn-

wörter aus dem ägäischen Substrat handelt. Wie sich aufgrund der reichen archäologischen Funde nachweisen läßt, war die Tanzkunst im Kult der ägäischen Bevolkerungsschicht stark ausgeprägt (vgl. BURKERT 1977, Index 505 s.v. Tanz). Dabei galt nach allgemeiner Ansicht der Antike Kreta als Wiege des Tanzes. Und dort ist auch

stark mit Einflüssen aus Ägypten und dem Orient zu rechnen. Eine besondere Vorliebe scheinen die Minoer für den Reigentanz gehabt zu haben: So fand man, worauf schon WEEGE 1926, 31ff. aufmerksam gemacht hat, in Palaikastro auf Kreta eine minoische Kleinplastik aus Ton, die mehrere Figuren in langen Gewändern darstellt, die um einen Leierspieler in ihrer Mitte einen fröhlichen Rundtanz aufführen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die in den Balkanraum eingewanderten Indogermanen bei ihrer Verschmelzung mit der ägäischen Urbevölkerung von dieser auch die ausgeprägte Liebe zum Reigentanz übernahmen, wobei sie ihn trotz seiner reichen Differenzierung vielleicht mit einem eigenen Namen zu fassen suchten: χορός XChor. Da ein Merkmal dieses Tanzes im gegenseitigen Händehalten der Teilnehmer besteht, wäre eine etymologische Verwandtschaft mit χόρτος, lat. bertvr etc. in der ursprünglichen Bedeutung von ‚Gehege: möglich, und das Wort wäre mit FRISK 2, 1970, 1112£. »als die Reihe der sich an der Hand fassenden Tänzer: zu erklären; auch

eine Verbindung zu lit. Zäras »Schar, Reihe wäre denkbar. Dieser Bedeutung entspricht die Funktion, die der Chor auch in späterer Zeit noch hat. Er ist der sichtbare Ausdruck einer Gemeinschaft von Menschen, einer Gemeinde oder Polis, die in ei-

nem religiösen Fest um ihren Gott zusammensteht und diesen im Tanze ehrt. Der Reigentanz ist demnach ein Zeichen der Einheit und als solches ein Symbol des fruchtbaren und liebenden Zusammenlebens. Lukian salt. 10f. hebt dies ausdrücklich hervor: So berichtet er, daß bei den Spartanern »Wettkämpfe mit Tänzen beschlossen werden, wobei der Flötist in der Mitte aufspielt und mit dem Fuß den Takt angibt, die Teilnehmer aber der Reihe nach auftreten und zum Rhythmus zuerst verschiedene kriegerische Posen einnehmen und kurz darauf zu Reigentänzen übergehen, die dem Dionysos und der Aphrodite lieb sind«. Dem entspricht bei Platon leg. 814f. die Einteilung der ὀρχήσεις "Tänze: in Kriegs- und Friedenstänze, von denen der Autor allerdings als dritte Gruppe das fröhlich-ausgelassene bakchische Treiben von Darstellern der Nymphen, Pane und Silene bzw. Satyrn in bestimmten Reinigungs- und Initiationsriten abhebt. Die Friedenstänze werden auch ἐμμέλειαι genannt, die sich, wie ihr Name schon ausdrückt,

durch Harmonie und ebenmäßigen Rhythmus auszeichnen. Zu Lieder und Tänze in der Tragödie gerechnet. Im Gegensatz dazu stellt Platon leg. 816 b f. die πυρρίχη (scil. den Kriegs- oder Waffentanz. Allem Anschein nach war dieser Provenienz. Er hat seine Entsprechung in den oben erwáhnten

ihnen wurden die ὄρχησις): den wilindogermanischer Tánzen der Salier

Springende uad tanzende Gótter beim antiken Fest

99

und in den Schwerttánzen der Germanen, von denen Tacitus Germ. 24 berichtet und

die sich nach dem Ausweis von BACHTOLD-STAUBLI 7, 1935/1936, 1548ff. s.v. Schwerttanz im germanischen Volksbrauch bis in die Neuzeit gehalten haben. Die Bezeichnung xoppiyn (scil. ὄρχησις) für den griechischen Waffentanz leitet sich von

πυρρός »rot< her, wobei die Form auf -ıxog ursprünglich in den dorischen Sprachraum zu weisen scheint. Dazu paßt auch die antike ὃÜberlieferung, die diesen Waffentanz in Kreta, das in historischer Zeit von Doriern besiedelt war, beheimatet sein läßt (vel dazu ausführlich LATTE 1913, 43ff. = 105ff. und 6ff. = 28ff). Die Farbe vor läßt — abgesehen von der oben (S. 94) erwähnten magischen Wirkung — darauf schließen, daß es sich bei diesem Kriegstanz ursprünglich wohl auch um Sympathiezauber handelte. Πυρρίχη war jedoch nicht die einzige Bezeichnung dieses Tanzes: Er wurde verständlicherweise auch evóxAiog (scil. ὄρχησις) (vgl. Poll. 4,96 und Anon. Vatican. 64 KELLER) sowie xpÜAw genannt (vgl. Aristot. fr. 519 ROSE). Wenngleich die Ety-

mologie von πρύλις unklar ist, so geht aus dem erwähnten Aristotelesfragment hervor, daß das Wort einen bei den Griechen mit Kreta oder Zypern verbundenen Tanz bezeichnet. Es ist sprachlich zum Ausdruck πρυλέες zu stellen, den wir aufgrund von Homer Ikas 11,49, Hes. scut. 195, Eustath. p. 893,37 und Hesych s.v.) als »schwetbe-

waffnete Krieger zu Fuß« erklären können. Athen. 4,629 C weiß zu berichten, daß dieser Waffentanz bei den Kretern auch ὀρσίτης und

ἐκπικρήδιος genannt wurde.

LATTE

1913, 9 bzw.

31

hat das Wort

ὀρσίτης (etymologisch zu ὄρνυμι etc.) mit Recht als exuitator, also den »Erreger, Bewegergedeutet — ein Begriff, der auch die Sphäre von Wachstum und Fruchtbarkeit berührt. Die Bezeichnung &röxıvos für die Pyrrhiche kommt hingegen von &roxıveiv swegbewegen«. Bemerkenswert ist ferner, daß ὀρχεῖσθαι stanzen«, seiner etymologischen Grundbedeutung zufolge, auch den Sinn von »kämpfen« annehmen konnte, wie dies aus Lukian salt. 14 hervorgeht. Beide Ausdrücke bezeichnen nicht

nur die entsprechenden Tanzbewegungen der Menschen, sondern es liegt ihnen wohl auch die Vorstellung von den Gebärden der helfenden Götter zugrunde, die man durch bestimmte Gesten und Sprünge in die Schar der Krieger zu Hilfe und Beistand im Kampf gegen menschliche oder dämonische Feinde rief. Da mit diesem Tanz etwas bewirkt und erreicht werden sollte, versteht es sich,

daß er auch τελεσιάς »Vollbringerc (Athen. 14,630 C, Poll. 4,99, Hesych s.v.) genannt wurde (zu τελεῖν). Ebenso zu erklären ist wohl auch der schon erwähnte, von Athenaios 14,629 C überlieferte Name ἐπικρήδιος, mit dem LATTE 1913, 9 bzw. 51

nichts anzufangen wußte: ἐπικρήδιος ist m.E. als eine mit dem Adjektivsuffix -Suog gebildete Ableitung! von einer Wurzel, die auch in ἐπικραίνω erfüllen, vollenden vorliegt, also: »der Erfüllende, Vollendende, Vollbringendes, eine Bedeutung, die wie-

derutn u.a. in den Bereich von Vegetation und Fruchtbarkeit weist. Dasselbe gilt wohl auch für die Bezeichnung μακτρισμός, die in ihrem Vorderglied etymologisch zu μάσσω »kneten, drücken« deutsch smachen« zu stellen ist (FRISK 2, 1970, 180f.

und CHANTRAINE 1968-1980, 670). Athenaios 14,629 D berichtet, daf dieser Tanz auch von Frauen aufgeführt wurde.

11 So gebildet wie etwa στάδιος »aufrechtstehendc vgl. FRISK 2, 1970, 773f. s.v., mit weiterer Literatur.

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Springende und tanzende Gótter beim antiken Fest

Sowohl seine verschiedenen Namen als auch die erwähnten Praktiken machen es jedenfalls deutlich, daß auch der griechische Waffentanz wie der Tanz der römischen Salier im Bereich des Magischen beheimatet ist: BÄCHTOLD-STÄUBLI 7, 1936/1937, 1550 s.v. Schwerttanz verweist auf die heute allgemein verbreitete Ansicht, daß Waffentänze »in ihrer letzten Wurzel auf die Darstellung eines Kampfes zwischen guten und bösen Dämonen (Sommer und Winter) zurückgehen« Für diese Auslegung spricht insbesondere die häufige Vermischung von Schwerttänzen mit Fruchtbarkeitsumzügen im Brauchtum vieler Völker bis auf die heutige Zeit. Daneben diente der Waffentanz aber auch als Analogiezauber für den Krieg. Sieg und Schutz im Kampf gegen jede Art von Feind, auch gegen die Dämonen, sowie Gedeihen und Fruchtbarkeit stehen, wie wir schon oben hervorgehoben haben,in enger Beziehung zueinander. Diese Güter werden dem Menschen jedoch nur dann zuteil, wenn das Göttliche dabei entscheidend mitwirkt. Von daher ist es ver-

ständlich, daß die Griechen sich als Erfinder des Waffentanzes göttliche Wesen dachten, die man sich (wie die Römer und ihre italischen Verwandten den Mars) über

beide Bereiche waltend vorstellte. Nach einem Teil der Überlieferung (vgl. BURKERT 1977, 325 Anm. 6, und LATTE 1913, 29 bzw. 7f. mit Stellenangaben) waren es die Dioskuren, die klassischen Nothelfer der Antike, die sowohl als fruchtbarkeits- und

segenspendende Hausgeister als auch als Schirmer in Krieg, Kampf und jeglicher Not verehrt wurden (vgl. NILSSON 1, 1967, 406ff.). Nach Epicharn im Schol. Pind. Pyth. 2,217 soll Athene den Dioskuren bei ihren Waffentänzen die Melodie auf der Flóte dazu gespielt haben, und sie selbst gilt auch als Erfinderin der Pyrrhiche bzw. des Enoplios (vgl z.B. Dion. Hal. ant. Rom. 7,72,7, Pap. Oxy. 2738 u.a.: BORTHWICK 1970, 518f£). Wieder anderer Tradition zufolge wurde die Pyrrhiche mit den Kureten in engste Verbindung gebracht, die später mit den Korybanten bzw. Kyrbanten, den

Dreh- und Wirbeltänzern aus dem Kult der kleinasiatischen Magna Mater, identifiziert wurden (vgl. WILAMOWITZ 1, 1955, 126 und LATTE 1913, 19 bzw. 41).12 Im griechischen Mythos waren die Kureten jene dämonischen Jünglinge, die, auf Kreta um die kreißende Rhea tanzend, durch den Lärm ihrer Waffen die Geburt des Zeus

beschirmen sollten (vgl. Belege mit weiterer Literatur FAUTH 1969, 378, s.v. Kureten). Im orphischen Hymnus (nr. 38 ed. QUANDT V. 20f) werden die KuretenKorybanten ausdrücklich mit den Dioskuren gleichgesetzt. Nach Lukian salt. 7 hat Rhea, die das Zeuskind auf Kreta vor Kronos verbirgt, diese ihre dämonischen Helfer die ersten Elemente des Tanzes gelehrt. Da der Waffentanz, wie wir schon mehrmals festgestellt haben, von alters her seinen festen Platz im Fruchtbarkeitszauber hatte — nicht zuletzt durch die Vorstellung von der dämonenvertreibenden magischen Kraft der eisernen und bronzenen Waffen (vgl oben S. 94), ist es nicht verwunderlich, daß auch die Kureten auf Kreta als Spender ländlichen Segens verehrt wurden (vgl. Diod. Sic. 5,65; Paus. 4,31,9). Dazu paßt das Bild,

das der zitierte orphische Hymnus (nr. 38 ed. QUANDT V. 9ff.) von ihnen malt: Wenn sie bewaffnet erscheinen und mit ihren Füßen im Springtanz den Boden stampfen,? erblüht die Erde in neuer Pracht, und

überall regt sich Leben. Schon bei

12 Während Κουρῆτες (bzw. dor. Kepijtec) eine Ableitung von κοῦρος (bzw. dor. κῶρος, att. κόρος) darstellt, ist die Etymologie von (vielleicht phrygisch) Κορύβαντες, Κύρβαντες unbekannt: vgl. FRISK 1, 1960, 920£. bzw. 923£. und CHANTRAINE

13

1968-1980, 567 bzw. 568 s.vv.

Vgl dazu besonders Orph. hymn. 31,1 ed. QUANDT.

Springende und tanzende Gótter beim antiken Fest

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Hesiod fr. 198 Rz = 123 M.-W., wo die Kureten »spielliebende Götter und Tänzer genannt werden, erscheinen sie daher mit anderen typischen Gottheiten aus dem Umfeld des Vegetationsgottes Dionysos verbunden, nämlich mit den Nymphen und Satyrn (vgl. dazu besonders LATTE 1913, 19£. bzw. 41f. mit weiteren Stellen), zu denen; wie oben (S. 96) aufgezeigt, als wesentliches Merkmal auch der Tanz gehört. So kann es nicht verwundern, daß die Pyrrhiche auch an Festen des Fruchtbarkeitsgottes Dionysos und bei den Hochzeitsfeiern ihren Platz hatte (vgl. LATTE 1913, 35 bzw. 54 und 18 bzw. 40 Anm. 2 mit Belegen), ging es doch gerade auch bei letzteren darum, durch bestimmte magische Riten etwaige gefahrliche Dämonen zu vertreiben. Wie das fruchtbarkeitsfórdernde und unheilabwehrende Springen des rómischen Gottes Mars stellvertretend von seinen Priestern, den Saliern, ausgeübt wurde, so

hatten auch bei den Griechen die göttlichen Kureten ihre menschlichen Vertreter (vgl. Strabo 10,3,7 [467 C]). Dionysios v. Halikarna 2,70 verwendet diese Bezeichnung auch zur griechischen Wiedergabe von lat. Jai und aus epigraphischen und literarischen Zeugnissen wissen wir, daß es in Ephesos ein Priesterkolleg von Kureten gab (Belege s. LIDDELL/SCOTT/JONES, 1968, 986 s.v. Κωρῆτες). Die mythische Heimat der göttlichen Kureten war jedoch, wie bereits erwähnt, Kreta, wo Zeus selbst offensichtlich Züge eines alljährlich neu erstehenden Vegetationsgottes hatte. Er wurde dort als Koros »Jüngling« verehrt. Dieser Gott ist wohl identisch mit dem aus Thera und in Kyrene bekannten Κούρης (vgl. WILAMOWTIZ 1, 1955, 126), und bei Strabo 10,4,16 (481 C) wird die Pyrrhiche ebenfalls auf einen Kures zurückgeführt, so daß also Zeus selbst als Erfinder dieses Waffentanzes erscheinen mag. In dem bekannten Hymnus von Palaikastro auf Kreta wird Zeus als ogrößter Kuros, Sohn des Kronos angerufen: Da schreitet der Gott im Zuge der Dämonen, womit wohl in erster Linie die Kureten gemeint sind (vgl. WEST 1965, 156), zu seinem Geburtsplatz auf der Dikte und soll sich an der ihm gewidmeten Tanzweise erfreuen. Im weiteren Verlauf des Liedes V. 45ff. (Text nach WEST 1965, 148£.) wird der jugendliche Zeus aufgefordert, auf die Herden, Gärten und Felder, auf die Städte und

deren Bewohner, auf die Schiffe und die Rechtssatzung zu springen. Die dort verwendete Imperativform θόρε (Aor. von θρῴσκω) »bespringex impliziert nicht nur den Schutz (wie ämen sak, das die Römer dem Gott Mars in ihrer Tanzprozession am Arvalfest zuriefen), sondern gleichzeitig auch die Bedeutung von »befruchten, besa-

men, (er)zeugen (vgl. LIDDELL/SCOTT/JONES 1968, s.v. θρῴσκω, Boreiv, 8opóc, θορή = serien genitale). BURKERT 1977, 168 hat gewiß recht, wenn er glaubt, daß die Kraft des Gottes in

den segenbringenden Tanzsprüngen der Kureten präsent gedacht wird.’ Das Fruchtbarkeit erzeugende Bespringen scheint jedoch nicht nur für den kretischen Zeus typisch gewesen zu sein: Auch eine Reihe von anderen Göttern, die offenkundig das Leben und die Vegetation förderten, werden im Kult mit Epiklesen, die von θρῴσκω, aor. θωρεῖν »bespringen, befruchten« abgeleitet sind, angerufen: So 14 Ähnlich auch WEST 1965, 156 Anm. 30 unter Berufung auf J. G. ERAZER: The Golden Bough 3, 21900, 123 Anm.3: »The mythical armed dance of the Kouretes is without doubt the projection of an armal ritual dance intended to promote fertility and growth« SÉCHAN 1930, 87 und H. JEANMAIRE, Couroi et Courètes. Essai sur l'éducation spartiate et sur les rites d'adolescence dans l'antiquité hellénique, Lille 1939, 421ff. und 427ff.

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führt z.B. Apollo bei Lyk. 352 den Beinamen θοραῖος, und ähnliches drückt sein von Hesych (s.v.) für Lakonien bezeugtes Epitheton θοράτης aus. Nicht zufällig ist ferner, daß sowohl die Nymphen, die, wie schon erwähnt, im Dionysoskult cine Rolle spielten, als auch die Musen Θούριδες (aus *fhorgides), die Bespringenden, Befruchtenden« genannt wurden (Hesych s.v). Besonders bemerkenswert ist jedoch, daß — einem Bericht des Paus. 1,31,4 zu-

folge — auch Athene in Phyla, wo Fruchtbarkeitsmysterien gefeiert wurden (vgl NILSSON 1, 1967, 669), unter der Epiklese Ti8póvn (der Form nach ein Vetbaladjcktiv von θρῴσκειν mit Präsensreduplikation rı-: vgl. z.B. Τι-θήνη etc.), also als »die Bespringende, Besamende, Befruchtende: verehrt wurde. Dies mag vielleicht auf den ersten Blick befremdlich erscheinen, doch wird diese Wirkungsweise der Göttin, nämlich ihr machtvolles Walten über den befruchtenden Geschlechtsvorgang, auch noch durch eine andere Nachricht bei Pausanias 5,3,2 erhärtet: Da wird überliefert, daß Frauen von Elis nach einem Gebet zu Athene um Nachkommenschaft von ihren Männern sofort empfingen. Zum Dank dafür erbauten sie der Göttin einen Tempel und verehrten sie dort als Muster.‘ Im Hinblick auf die erwähnte Fruchtbarkeit und Segen spendende Wirkung des Waffentanzes wird verständlich, daß man Athene, die, wie oben erwähnt, auch als

Erfinderin der Pyrrhiche galt, an ihrem speziellen Fest, den Panathenäen, mit diesem Tanz ehrte. So ahmten ihre menschlichen Schutzbefohlenen im Ritual das nach, was

der Mythos von der Göttin anläßlich ihrer Geburt zu berichten wußte: Mit Schild und Lanze dem Haupt ihres Vaters Zeus entsprungen, habe sie in Waffen getanzt (vgl. dazu BURKERT 1977, 169 mit Anm. 38). Und da das Wesen des antiken Festes

seit jeher nicht nur in der Erinnerung an ein bestimmtes Walten und Wirken der Gottheit, sondern auch in ihrer tatsächlichen Präsenz bei der kultischen Feier zu

begreifen ist, konnte man sich vorstellen, daß auch Athene selbst an diesem alljährlichen Waffentanz an den Panathenäen teilnahm. Fassen wir abschließend die Bedeutung von Tanz und Sprung beim antiken Fest zusammen, so ist zu betonen, daß beide nicht nur als fröhlich-feierliche Ausdrucks-

formen menschlicher Gefühle und Stimmungen betrachtet werden dürfen, sondern daß Tanzen und Springen vielmehr von alters her eine spezifisch kultische Funktion hatten: So sollten nicht nur Gebet und Opfer, sondern auch die springenden und tanzenden Bewegungen einer Gruppe von Teilnehmern am Fest dazu dienen, die Gottheit in die Mitte — oder doch wenigstens, wie bei den Römern, an die Schwelle —

der Gemeinde zu rufen. Stellvertretend für den Gott wollte man durch Tanz und Sprung nicht nur Unheilsdämonen abwehren, die einen ihrerseits anspringen konnten (vgl. Soph. OT 1300ff), sondern durch diesen Sympathiezauber auch göttlichen Schutz, Segen und Fruchtbarkeit für sich selbst erwirken. Und wie lebendig der Glaube an die Macht des durch Springen und Tanzen ausgeübten Sympathie- oder Abwehrzaubers geblieben ist, kann die auch heute noch gepflegte Echternacher Springprozession beweisen: Alljährlich am Pfingstdienstag bewegt sich in diesem luxemburgischen Ort eine Prozession im Schritt des Dreisprungs zum Grab des hl. Willibrord, um ursprünglich wohl auf diese Weise den bösen Dämon des Veitstanzes und der Epilepsie abzuwehren (vgl. BÄCHTOLD-STÄUBLI 2, 1929/1930, 536ff. s.v. Echternacher Springprozession). Das Springen und Tanzen der Festteilnehmer steht 15

Vgl zum Wesenszug der Athene als Μήτηρ besonders K. KERÉNYI, Die Jungfrau und Mutter in

der griechischen Religiomprischischen Ralgion. Eine Studie über Pallas Athene. Albae Vigil N.F. 12, 1952, 196,

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aber letztlich für den fruchtbarkeitsfördernden, Unheil abwehrenden Sprung und Tanz der Gottheit selbst: Diese magische Auffassung verbirgt sich vermutlich auch

hinter der heute noch in einigen Gebieten Österreichs verbreiteten Vorstellung, daß

am Ostersonntag, dem christlichen Auferstehungsfest, das heidnische Frühlingsfeiern zu Ehren der wiederkehrenden Sonne und der neu erwachenden Vegetation verdrängt hat, die Sonne drei Sprünge mache. Und der Fruchtbarkeit gelten zuvor auch die vielen Sprünge der häßlichen Narren zur Fastnachtszeit, wie sie besonders im alemannisches Raum lebendig geblieben sind. Literatur BÄCHTOLD-STÄUBLI, H.: (Hrsg) (1927ff.) Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, 10 Bde, Berlin, Leipzig. BJÖRCK, G.: (1950) Dar Albba impurum und die tragische Kunstsprache. 5. Enfer … Uppsala. Acta Soc. Litt. Hum. Reg, Ups. 39, 1. BORTHWICK, E. K.: (1970) P. Oxy. 2738: Athena and the Pyrrhic Dance. Hermes 98, 318-331. BURKERT, W.: (1977) Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche. Die Religionen der Menschheit 15. CHANTRAINE, P.: (1968-1980) Dictionnaire étymologique de la langue grecque: Histoire des mots, Paris.

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Altgriechischer Mütterkult Ungern entdeck’ ich bóberes Geheimnis. — Göttinnen tbronen bebr in Einsamkeit, Um sie kein Ort, noch weniger eine Zeit — Von ihnen sprechen ist V'erlegenbeit. Die Mütter sind es!

Goethe, Faust II, 6212ff.

1. Einleitung Während wir bei Kelten und Germanen einen besonders reich belegten Kult einer zusammengefaßten Mehrzahl mütterlicher Göttinnen vorfinden, in lateinischen Quellen zumeist Marres, Matronae oder auch Matra genannt, sind die Zeugnisse einer solchen Mütterverehrung bei den Griechen áuferst spárlich anzutreffen" Bemerkenswert ist auch die Tatsache, daß bis in die klassische Zeit bei den Griechen über-

haupt ganz wenige alteingesessene Gottheiten das Epitheton »Mutter ( = Μήτηρ) führten: neben Demeter und ihrer Tochter Kore nur noch Ge und Athena.! Wohl aber übte eine Reihe von weiblichen Gottheiten bestimmte mütterliche Funktionen aus, die jedoch nur an einzelne bestimmte Etappen oder Umstände im Leben eines Menschen gebunden waren und sich nicht auf die gesamte menschliche Existenz erstreckten. Daher konnten sie auch nie zu echten Müttern werden. Dies hängt in einem hohen Grad mit der stark patriarchalisch ausgerichteten Sozialordnung der Griechen zusammen. In einer solchen oblag nämlich der Frau und Mutter die Pflege des Kleinkindes; die Erziehung und Unterweisung des größeren Kindes, insbesondere des männlichen, war hingegen in erster Linie Sache des Vaters. So finden wir in der Kunst des Balkanraums von der Steinzeit an bis in die späte geschichtliche Zeit sehr häufig sitzende weibliche Idole, die ein Kleinkind auf ihrem Schoß oder in ihren Armen halten.? Viel seltener hingegen als dieser sogenannte Kourotrophos-Typ beErstveröffentkichung in: Matronen und verwandte Gottheiten. Ergebnisse eines Kolloquiums, veranstaltet von der Göttinger Akademiekommission für die Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas, Bonner Jahrbücher, Beiheft 44, Köln, Bonn

1987, 171-199

(Bonn: Rheinisches Landesmuseum

/

Bonn: Habelt). * — Für fördernde Kritik, rege Anteilnahme am Thema und freundliche Literaturhinweise habe ich vor allem G. NEUMANN und H. v. PETRIKOVITS zu danken, ferner meinen Heidelberger Kollegen G. ALFÖLDY und A. DIHLE, meinem Mitarbeiter F. M. SCHERER und Herm stud. phil R. PLÖCHL. Mein Dank gilt ebenso G. BAUCHHENS (Bonn) und Frau Dr. H. GROPENGIESER (Heidelberg), die mir in freundlicher Weise bei den Abbildungen behilflich war. 1 Vgl M. P. NILSSON, Geschichte der griechischen Religion 15. FLAW 1967, 444. Später findet sich

die Epiklese Μήτηρ auch bei einer Reihe anderer Góttinnen. Vgl. C. F.

H. BRUCHMANN, Epitheta

deorum quae apud portas Graecos leguntur. ROSCHER Suppl. 1, 1893 s.vv. 2 Vgl mit weiterer Literatur W. BURKERT, Griechische Rehgion der archaischen und klassischen Epoche. Religionen der Menschheit 15, 1977, 37 und E. STAUFFER, Antike Madonnenreligion. ANRW 2, 17,3, 1984, 1425ff.

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gegnet bei den Griechen die Abbildung eines Kindes, das an der Seite seiner Mutter steht, worauf bereits H. v. PETRIKOVTIS aufmerksam gemacht hat? Die Erklärung liegt darin, daß bei den indogermanischen Griechen die Vorstellung von der Mutter, die ihr Kind auch nach dem Kleinkindalter auf dem ganzen Lebensweg begleitet, schwach ausgeprägt war. Daher erscheinen viele göttliche Wesen in Kunst und Literatur zwar als Κουροτρόφοι

belegt, selten jedoch wird expressis verbis von

der

»Mutterx gesprochen. Ganz anders hingegen verhält es sich in solchen Gesellschaften, in denen die Frau und Mutter eine große Rolle spielt. Da ist es selbstverständlich, daB die Mutter in das Leben ihres Kindes viel stärker eingreift und auch später darin präsent ist, gehört es doch zu den Ureigenschaften der Mutter, ihrem Kind in allen Etappen seines Lebensweges schützend und liebevoll zur Seite stehen zu wollen. Diese Etappen sind nach der Geburt die Hochzeit und letzten Endes der Tod. Die Mutter ist es, die für

ihr Kind Glück, Segen und Fruchtbarkeit erlangen will, genauso wie sie es im Kampfe gegen Widersacher unterstützen, sein Leid heilen und im Tod bei ihm sein möchte. Ferner lehrt die Mutter als erste ihr Kind Recht und Satzungen. Verständlich ist, daß sich das Volk oft nicht eine einzige Mutter über alle Vorgänge und Etappen des menschlichen Lebens und der Welt waltend denkt, sondern, bedingt durch die Vielzahl der Phänomene und Menschen, diese Muttergottheit sich in einer Mehrzahl vorstellt. Bei den Griechen erscheinen eine Reihe von Gottheiten in multiplizierter Form. Man denke etwa nur an die Eileithyien, Horen, Chariten, Musen, Moiren usw. Dabei

haben die Zwei-, Drei- und Siebenzahl immer eine große Rolle gespielt. Die verschiedenen Aspekte, unter denen man eine Gottheit sah, führten dazu, daß man sie

vor allem in der bildenden Kunst häufig in verdoppelter oder verdreifachter Gestalt darstellte, und zwar auch solche Gottheiten, die verbal überhaupt nicht oder nur ganz selten in Mehrzahlform bezeugt erscheinen. Von Muttergottheiten können wir aber nur dann mit Sicherheit sprechen, wenn ihnen in bildlichen Darstellungen ein Kind als kennzeichnendes Attribut beigegeben ist oder sie ausdrücklich als »Mütter« bezeichnet werden. Wie eingangs erwähnt, finden sich im alten Balkanraum nur äußerst spärliche Belege für einen ausgesprochenen »Mütterkult. Nichts Vergleichbares gibt es auch hinsichtlich der Epitheta, mit denen die vielen in einer Mehrzahl auftretenden Muttergottheiten bei den Kelten und Germanen versehen sind. Wo bei den Griechen göttliche Mütter verehrt werden, erscheinen diese nur als Mntépec oder in Verbin-

dung mit Aa als Δαματέρες genannt. Unter diesem Namen werden nur Demeter und

3

Ein Mädchenkopf und andere Plastiken aus dem Heiligen Bezirk in Zingsheim. BJ 165, 1965,

192fF, bes. 201 = Beitráge zur römischen Geschichte und Archäologie 1931-1974. BJ, Beih. 36, 1976, 365£f., bes. 373 Anm. 29; vgl in dieser äußerst aufschlußreichen Abhandlung auch die reichen Literaturangaben zu den antiken Muttergottheiten 371ff. Anm. 17ff. 4 Vgl nun dazu die eingehende Arbeit von TH. HADZISTELIOU PRICE, Kowrotrophos. Cuts and Representations of tbe Greek Nursing Deities. In: Studses of tbe Dutch Archaeological and Historical Society 8, 1978. 5 Vgl dazu ausführlich H. USENER, Dreiheit. RAM ΝΕ, 58, 1903, 1-47; 161-208, bes. 189f£; 321-362 und HADZISTELIOU PRICE, Double and Multiple Representations in Greek Art and Religious Thought. [Η 91, 1971, 48ff., Taf. 1-10; vgl. dort Hinweise auf Ausdrücke wie Aristoph. eccl. 1068 ὦ Ἡράκλεις und auch auf die Verdoppelung bzw. Verdreifachung auch bei Abbildungen von Heiligen, ja selbst bei Darstellungen Christi bis in unsere Zeit herein.

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Kore zusammengefaßt. Im italischen Raum erscheinen sie in Pluralform als Cereres: vgl. z.B. In einer Inschrift aus Puteoli CIL X 1585 sacerdos Cererum. 2. Demeter und Kore als AAMATEPEE Diese zusammenfassende Bezeichnung der beiden Göttinnen ist in Griechenland nur an wenigen Orten bezeugt. Belege dafür bieten Inschriften auf Rhodos,* von denen die erste auf der Akropolis von Lindos ans Licht gebracht wutde und den Wortlaut [ΑἸλιαδᾶν Δαματέρον καὶ Διὸς Δαματρίου hat; die zweite, in dem Dorfe Siana gefunden, lautet Σμινθίου τετράδι ἱσταμένου Δαματέρσι olv xveboav. Ein weiteres Zeugnis für diesen Namen bietet aller Wahrscheinlichkeit nach auch etn Ziegelstempel (aus dem Eleusinion in Καλύβια τῆς Σωχᾶς in der Nähe von Sparta), auf dem, wie NILSSON gezeigt hat,’ [Anja ]tépov zu ergänzen ist. Die enge Verbindung beider Góttinnen miteinander dokumentiert sich jedoch nicht nur in dieser Namensform, sondern auch in Bezeichnungen wie tà θεώ, θεσμοφόρω, καρπκοφόρω, αἱ Akaroıvar u.a. Die Funktionen, die diese beiden Góttinnen in historischer Zeit im Kult inne-

hatten, sind weitgehend bekannt. Die Deutung ihres ursprünglichen Wesens und ihrer Herkunft hingegen bereitet groBe Schwierigkeiten. Daher ist es u.a. notwendig, daß wir zu klären versuchen, ob es sich bei ihnen um alte vorgriechisch-ägäische oder um indogermanische Göttinnen handelt, die die Griechen bei ihrer Einwanderung mitgebracht baben. Heute dürfte einigermaßen Konsens darüber bestehen, daß die Griechen etwa um 2000 v.Chr. in die ägäische Welt eingewandert sind, in der die Frau und Mutter sozial eine große Bedeutung hatte. In dieser Kultur trafen sie auch die Vorstellung

von einer großen Muttergottheit oder einer Reihe von mütterlichen Gottheiten an, deren Kult sie übernahmen und mit dem ihrer eigenen mitgebrachten Gottheiten verschmolzen. Einen höchst interessanten Beleg bietet eine in Pylos gefundene Tontafel mit der Aufschrift (im Dativ) masere fea? Aber es entzieht sich unserer Kenntnis, welchen bildlichen Darstellungen dieser Name zuzuordnen ist, denn — so W. BURKERT® — veine direkte Beziehung zwischen dem in den Namen gegebenen Góttersystem und den Bilddarstellungen und Idolen läßt sich bezeichnenderweise vorläufig nicht herstellen. Die Gótterwelt ist reicher und differenzierter, als die Bilddarstellungen ahnen lassen; dies stützt entscheidend die Vermutung, daß auch schon die minoische Religion einem Polytheismus, nicht einem Quasi-Monotheismus der ‚Großen Göttin huldigte Mit Sicherheit dürfen wir annehmen, daß diesen ägäischminoischen Gôtterhimmel religiöse Vorstellungen, die aus dem Vorderen Orient und Ägypten eingeflossen sind, mitgeformt haben. HADZISTELIOU PRICE hat jedoch mit Recht festgestellt! daß der orientalische Einfluß in der griechischen Religion oft 6 Vgl. Angabe der Publikationen der Inschriften (mit weiterer Literatur) bei D. MORELLI, I ex in Rodi. SCO 8, 1959, 1204. 7 aO. (Anm. 1) 463 Anm. 6, mit weiterer Literatur; vgl. auch id., Die Eleusinischen Gottheiten. ARW 32, 1935, 87 Anm. 5 = Opuscula selecta 2, 1952, 552 Anm. 33. 8 Vgl. dazu unten S. 124ff. 9 BURKERT 2.0. (Anm. 2) 85. 10 Ibid. 88. 11 aO. (Anm. 4) 215.

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überbewertet, der der Indogermanen hingegen oft unterbewertet worden ist. Wir dürfen nicht vergessen, daB auch die Indogermanen schon in alter Zeit mehrere göttliche Mütter auf das engste zusammengefaßt und verehrt haben. Belege dafür bieten nicht nur der Kult der Kelten und Germanen, bei den Slawen die (allerdings erst spät bezeugte) Verehrung der Babe, sondern auch die Religion der Indo-Arier mit ihren Mätarab. In diesen »Müttern, von denen bis zu sechzehn an Zahl genannt erscheinen, huldigte man vor allem den weiblichen Verstorbenen, die durch ihren chthonischen Charakter die Funktion von fruchtbarkeitsfördernden Dämonen innehatten. Sie wirkten wie die entsprechenden Pifarab ‚Väter aus der Unterwelt und wurden u.a. bei Hochzeitsfeierlichkeiten angerufen.? Die Indo-Arier kennen aber auch göttliche Zweiereinheiten.' Himmel und Erde z.B. sind so eng miteinander verbunden, daß man von ihnen u.a. in Dualform als Matana »die Mütter: sprechen konnte, und diese Einheit wurde in der Zusammensetzung Dydsaprthivi »Himmelerdex zum Ausdruck gebracht Von Agnz, dem Gott des Feuers, der als mit der Sonne identisch angesehen wird, berichtet man, daß er zwei Mütter (scil. Himmel und Erde) habe.5 Ebenso werden Morgendämmerung und Nacht als Einheit, und zwar als Töchter des Himmels, betrachtet, als mächtige Fruchtbarkeitsgóttinnen verehrt und als strahlende Mütter der Ordnung im Kosmos bezeichnet.!s

a. Δημήτηρ Wenn wir uns nun den griechischen Δαματέρες zuwenden, so müssen wir uns fragen,

wie und warım Demeter und Persephone, die im eleusinischen Kult auch einfach als Κόρη das Mädchen: bezeichnet wurde, den Namen Δαματέρες erhalten konnten. Zu

diesem Zweck empfichlt es sich, zunächst die Namensform der Demeter zu untersuchen. Schon das zweite Glied ihres Namens bringt zum Ausdruck, daß sie die Muttergöttin der Griechen κατ᾽ ἐξοχήν ist, denn bei keiner anderen Göttin ist Μήτηρ fester Bestandteil des Namens geworden. Während die Form μήτηρ indogermanisch ist, bietet das erste Element ihres Namens 8n, dor. δα, àol. auch δὼ in Δημήτηρ, dor.

Δαμάτηρ, thessal. Δαμμάτηρ, áol. Δωμάτηρ große Deutungsschwierigkeiten.? Damit verbindet sich sofort die Frage, welche Gottheit in Demeter ursprünglich verehrt wurde. Die Ansichten darüber sind in der Forschung bis heute sehr kontrovers. Für BURKERT ist der Name Demeter rätselhaft, und er lehnt die schon im Altertum oft 12 Vgl dazu mit Belegen und weiterer Literatur W. CALAND, Über Totenverehrung bei einigen der indogermanischen Völker. Verb. Koninkl. Akad, Letterk. 17, 1888, 36f. 13 Vgl dazu auch E. SCHWYZER, Griechische Grammatik 2. HAW, 1950, 50f. 14

Das Wort stellt eine Zusammenrückung aus db

> Tag, Himmel: und Pribivi »Exdex dar. Pribis,

eig. die Breite, ist eine tabuistische Umschreibung

zur Bezeichnung

entspricht dem griechischen Ortsnamen Πλαταῖαι

(zu πλατύς). Vgl dazu M. MAYRHOFER,

der göttlichen Erde

und

Kurzgefaftes etymologisches Wörterbuch des Altindischen 2, 1963, 334, W. HAVERS, Newers Literatur zum Sprachtabu. SAWW 223,5, 1946, 82, E. RISCH, Wortbildung der Homerischen Sprache, 21974, 74. — Vgl. dazu mit Belegen A. A. MACDONELL, Grendrif der Indearischen Philologie und Alteriumskunde, Hrsg. G. BÜHLER 1897, 126. 15 Identität mit der Sonne: ibid. 129; zwei Mütter: 91. 16 Ibid. 129. 17 Vgl dazu H. FRISK, Griechisches etymobogisches Wörterbuch 1, 1960, 379 s.v. Δημήτηρ und P. CHANTRAINE, Diskonnaire étymologique de la langue grecque: Histoire des mois, 1968-1980 s.v. Δημήτηρ

sowie Der Kleine Pauly 1, 1964, 1459 s.v. Demeter (VV. FAUTH); ältere Deutungen des Namens vgl. auch

bei RE 4, 1901, 2713£. s.v. Demeter (O. KERN).

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vorgebrachte Deutung als ‚Erdmutter sowohl vom sprachwissenschaftlichen als auch inhaltlichen Standpunkt ab. NILSSON hingegen erklärte Demeter in auspesprochenem Gegensatz zu Forschern (insbesondere zu A. DIETERICH und U. v. WILAMOWITZ-MOELLENDORFF), die in ihr eine Erd- und Vegetationsgottheit sahen, nur als Kornmutter. Auch E. SIMON meint, daß NILSSONs Deutung die richtige sei*? Zu dieser Ansicht gelangt NILSSON, wie er selbst zugibt, nur durch Analyse von Kult und Glauben, während ihm die Etymologie deshalb keine Hilfe biete, weil seiner Meinung nach die Verbindung des Namens der Demeter mit kretisch önai ( = jon. ζειαί, Leai) »Gerstec genauso gut möglich sei wie die Herleitung von δα-, Ön-, einem alten Lallnamen für die Erdgóttin.? Ein solches Lallwort, das noch im Namen des Poseidon begegnet, wurde erstmals von P. KRETSCHMER angenommen.2 Seine Ansicht wurde in der Folgezeit von vielen gebilligt, und es wurde dabei auch das Illyrische in Betracht gezogen.? Bei seiner Ablehnung von KRETSCHMERS Deutung der Demeter hat NILSSON,

der u.a. auf den metonymischen Gebrauch des Wortes in der Bedeutung von »Brot, Getreide: und auf Epitheta wie καρποφόρος usw. aufmerksam macht, jedoch übersehen, daß die Göttin nicht nur unter dem Namen

Demeter, dor. Damater, sondern im

thessalisch-äolischen Bereich auch als Δαμμάτηρ oder Δωμάτηρ verehrt wurde. In diesem Zusammenhang

ist besonders die Form Δωμάτηρ

und ihr Bezug zum Orts-

namen Dodona wichtig, der bisher viel zu wenig beachtet wurde.” Erfahrungsgemäß sind unter Wörtern und Bezeichnungen Toponyme am ehesten resistent. Sie halten sich auch, wenn die Angehörigen einer Sprache, die sie geprägt haben, längst ausgestorben, vertrieben oder von anderen Völkern überschichtet 18 2.0. (Anm. 2) 247ff. und 272. 19 NILSSON a O. (Anm. 1) 456ff., bes. auch 472, gegen DIETERICHs Buch Master Erde. Ein Versuch über olksrekgio®’, V Hrsg. E. FEHRLE 1925 und WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, Der Glaube der Helienen 15, 1959, 203£f. 20 E.SIMON, Die Götter der Griechen , 51985, 91f. 21 Auch BURKERT 2.0. (Anm. 2) 248 erklärt von Demeter, «daß das Zentrum ihrer Macht und ihrer Gnade das Getreide ist« ebenso 272.

22 Demeter. WS 24, 1902, 523ff. und Literaturbericht für das Jahr 1926. Gta 17, 1929, 240. 23 Übersicht bei F. SCHACHERMEYR, Posiden und die Entstehung des griechischen. Götterglaubens, 1950, 13.L. R. PALMER, Mycenasans and Minoans. Asgean Prebistory in the Light of tbe LinearB Tabkts, 21965, 138 stellt sogar fest: »Damater ... is self-evidentiy »Earth-Motherc« Id., Mycenaean Religion. Methodological Choices. In: Res Mycmaeae. Akten des VIL. Internationalen Mykenologischen Colloquiums in Nürnberg 1981, Hrsg. A. HEUBECK u. G. NEUMANN 1983, 354 erklärt δᾶ = »Erde« als eine auf Zypern erfolgte Lehnübersetzung aus dem Semitischen, doch ist diese Annahme, worauf J. CHADWICK, ibid. 364f., hingewiesen hat, durch nichts gesichert. - Ausdehnung auf das Illyrische: A. MAYER, Dis Sprache der alten. Ilhrier, 2: Etymolog. Wörterbuch des Uhrischen. Grammatik der ilbrischen Sprache. Österr. Akad. Wiss, Schr. Balkan-Kom., Linguistische Abt. 16, 1959, 32; dort auch gegen den Versuch von V. PISANI, Notulae Graeco-Latinae. IF 53, 1935, 30, den ersten Bestandteil des Namens der Demeter mit griech. χθών etymologisch in Verbindung zu bringen.

24

Damit fallt m.E. aber auch die Etymologie von A. J. VAN WINDEKENS, Δημήτρηρ, nom

grec d'une déesse égéenne. Sprache 12, 1966, 94ff., der von ais, δαιτός ausgeht und Demeter als »Mère de la portion, de la nourriturx versteht, dagegen schon E. P. NS.

9, 1968, 198ff., der, ebensowenig auf Dodona

HAMP, The Name of Demeter. Minas

eingehend, eine Wurzel

:*deH2- ansetzt, ohne

jedoch deren Bedeutung zu erklären. Als »purely Greek word erklärt den Namen der Göttin B. C. DIETRICH, The Origins of Greek Religion, 1974, 240. — Der erste Hinweis auf die Verbindung mit Dodona findet sich bereits bei R. MEISTER, Die gréchischen Dialekts, 1: Asiatisch-äohsch, Böotisch, Thessaksch, 1882, 75, dann bei Ὁ. HOFFMANN, Die griechischen Dialekte in ihrem historischen Zusammenhangs, 2: Der nord-achäische Dialekt , 1893, 374.

110

Altgriechischer Mütterkult

wurden. Analysieren wir den Ortsnamen Dedesa (Δωδώνη), so sehen wir, daB er aus geminiertem Do und einem Suffix auf -πα besteht. Antike Nachrichten lassen vermuten, daß sich an diesem Ort ursprünglich ein vorgriechisches Erdorakel befand, das erst später von Dione und Zeus übernommen wurde. Auf einen alten Erdkult weisen auch die Ausdrücke ἀνιπτόκοδοες und χαμαιεῦναι in IL 16,233ff., wo Dodona erstmals erwähnt wird: Ζεῦ ἄνα, Δωδωοναῖε, Πελασγικέ, τηλόθι ναίων, Δωδώνης, μεδέων δυσχειμέρου- ἀμφί δὲ Σελλοὶ σοὶ ναίουσ᾽ ὑποφῆται ἀνιπτόκοδες χαμαιεῦναι.

Noch deutlicher geht dies aus den Versen hervor, die nach Pausanias 10,12,10 die

Peliaden, die als die ersten Priesterinnen von Dodona galten, gesungen hätten: Ζεὺς ἦν, Ζεὺς ἐστίν, Ζεὺς ἔσσεται

ὦ μεγάλε Ζεῦ.

Γᾶ καρκοὺς ἀνίει, διὸ κλήζετε Ματέρα Γαῖαν.

Wenngleich die Verse jung sein mógen, so darf man sie dennoch nicht mit NILSSON einfach abtun,* sondern sie müssen zusammen mit den übrigen (bisher nicht beachteten) Zeugnissen über Dodona als das genommen werden, was sie sind, und zwar als späte Reflexe älterer Glaubensvorstellungen, die den Namen mit Erde in Verbindung brachten.? Nach antiker Tradition siedelten in Dodona zuerst Pelasger, und Herodot 2,52 weiß aus eigener Erfahrung zu berichten, daß diese ihren Göttern ursprünglich keine eigenen Namen gegeben, sondern sie nach ihrem Wirkungsbereich oder dem Element, über das eine Gottheit herrschte, benannt hätten: ἔθυον δὲ πάντα πρότερον oi

Πελασγοὶ Θεοῖσι ἐπευχόμενοι, ὡς ἐγὼ ἐν Δωδώνῃ οἶδα ἀκούσας, ἐπωνυμίην δὲ οὐδ᾽ οὔνομα ἐποιεῦντο οὐδενι αὐτῶν. οὐ γὰρ ἀκηκόεσάν

κω. θεοὺς δὲ προσωνόμασάν

σφεας ἀπὸ τοῦ τοιούτου ὅτι κόσμῳ θέντες τὰ πάντα κρήγματα καὶ πάσας νομὰς εἶχον. Daraus dürfen wir schließen, daß man in Dodona die Erde mit ihrem eigentlichen Namen angerufen hat. Das Toponym Dodona, das in der Antike schon als theophorer Ortsname erkannt wurde, legt nahe, daß diese Anrufung in der geminierten Form von Do (als Dodo) erfolgte.?* Die einfache Form Do begegnet aber als erstes Glied auch in Δωμάτηρ. Auf diese Beziehung von Dodo zu Dodona hat bereits Strabo

8,5,3 mit Verweis auf den alexandrinischen Dichter Sim(m)ias (frg. 10 Col Alex. ed. POWELL) aufmerksam gemacht: Δωδὼ δὲ τὴν Δωδώνην Σιμμίας. Der Name Δωδώ für Demeter ist m.E. auch, was bisher noch nicht gesehen wurde, im homerischen De-

25 Vgl. dazu L. WENIGER, Algischischer Bawmknuitus. Das Erbe der Alten 2, 1919, 1MfE, A. LESKY, Hellos-Hellotis. WS 46, 1928, 48ff. und 107ff., Der Kleine Pauly 4, 1972, 325£. s.v. Orakel (FAUTH), H.

PETERSMANN,

Der

homerische

Demeterhymnus,

Dodona

und

südslawisches

Brauchtum.

Gedenkschr. A. LESKY. WS 99, ΝΕ. 20, 1986, 69-85. In diesem Band, S. 133-145. Ähnlich sah WILAMOWITZ, Vorträge der Bibkotbek Warburg, 1926, 6 in Poseidon, der ja ursprünglich auch Herr der Erdtiefe ist, einen Vorgänger des Dodonäischen Zeus. Im übrigen vgl zu Dodona ausführlich

RE Suppl. 15, 1978, 1111£E. s.v. Zeus (H. SCHWABL), mit weiterer Literatur.

26 a.O. (Anm. 1) 427 Anm. 2. 27 Die alten und besten Scholien A b T (cd. ERBSE) vermerken zu Hom. IL 16,233 ausdrücklich: Τινὲς δὲ Δωδώνην τὴν γῆν; weiteres siehe in meiner Anm. 25 zitierten Abhandlung. — Zum Wortlaut Γᾶ καρποὺς ἀινίει bei Paus. 10,12,10 vgl. Hdt. 5,82,1 (Anm. 90). 28 Vgl dazu VERF. a.O. (Anm. 25).

Altgriechischer Mütterkult

111

meterhymnus 122 anstatt der korrupten Überlieferung Δώς einzusetzen.? Demeter nennt hier ihren Namen und ihre kretische Herkunft (122-124).% Δωδὼ ἐμοί y ὄνομ᾽ ἐστί: τὸ γὰρ θέτο κότνια μήτηρ. νῦν αὖτε Κρήτηθεν ἐπ᾽ εὐρέα νῶτα ἤλυθον οὐκ ἐθέλουσα …

Vom

sprachwissenschaftlichen Standpunkt ergibt sich daraus, daß wir im ersten

Glied von Δημήτηρ (bzw. Δαμάτηρ, Δωμάτηρ) wohl ein Wort für »Erde erkennen

dürfen. Die Reduplikation von Do in Dodo macht die Annahme eines Lallnamens, mit dem die Góttin angesprochen wurde, sehr wahrscheinlich. Ihr Name lebt noch in det Gestalt der Dodo im heutigen Brauchtum des südslawischen Balkanraumes weiter.?! Wir kennen solche Verdoppelungen von Lallnamen vor allem aus nichtindogermanischen kleinasiatischen Sprachen: So erscheinen in Kappadokien (seit dem Ende des 3. Jahrtausends v.Chr.) Eigennamen wie Dada, Dsds, Kiki, Nana, Lulu und andere.? Häufig begegnen derartige Namensformen im Kult bei der Anrufung von Gottheiten: vgl. z.B. Náva, nach Arnob. nat. 5,6 identisch mit der kleinasiatischen Magna Mater, die in einer Weihinschrift aus Piräus (IG 2, 3, 1613) mit Artemis gleichgesetzt wird. Bei den Hethitern wird z.B. eine Mutter- und Schicksalsgöttin mit der geminierten Bezeichnung für Großmutter als Hannabanna benannt,” mit der die auch im Namen analoge slawische baba zu vergleichen ist. Hinreichend bekannt ist, daß bei vielen Völkern Toponyme oft von göttlichen Wesen abgeleitet wurden. Der Hinweis auf Athen, auf das zuvor genannte Hannabanna oder den preußischen Ortsnamen Perkunen (benannt nach Perkénas, dem Eichengott der alten Balten) mag genügen.* Das gleiche trifft m.E. auch für den Namen Dodona zu, mit dem der der Erdund Vegetationsgöttin Dodo zugehörige Ort benannt wurde. Das Wort dürfte, was seine Herkunft betrifft, wahrscheinlich illyrisch sein. Als sprachliche Parallele für 29 Soin M tradiert, wofür ALLEN in der Editio Oxoniensis, 1912 und zuletzt N. J. RICHARDSON in seiner kommentierten Ausgabe (The Homeric Hyma to. Demster, 1974) mit PASSOW Δωσώ konjizierten (siehe bei RICHARDSON auch die anderen Emendationsversuche).

30 Vgl dazu NILSSON, Minoan-Myenasan Ralgon and Its Surssalin Greek Region, 1927, 468ff. u. 558ff, M. L. WEST, Hesiod Tbeogomy, ed. with Prolegomena amd Commentary, 1966, zu 971, RICHARDSON 4.0. (Anm. 29) 18 u. 188, mit weiterer Literatur. Unsicher ist allerdings, ob wir auf der Pylischen Tafel PY 114 in pa-kija-mija fo-sa da-ma-tt den Namen der Demeter erkennen dürfen; vgl. dazu M. VENTRIS u. J. CHADWTCK, Documents in Mycenaean Greek, 21973, 240fÉ., CHANTRAINE 4.0.

(Anm. 17) sv. Δημήτηρ (ablehnend ©. PANAGL in: S. HILLER u. O. PANAGL, Die frühgriechischen Texte aus mykenischer Zeit, 1976, 148), weitere Literatur bei FAUTH 2.0. (Anm. 17) 1461. 31 Vgl VERF. 2.0. (Anm. 25). 32 Vgl RE Suppl 6, 1935, 138f. s.v. Kappadekia (W. BRANDENSTEIN), KRETSCHMER, WS 24, 1902, 525£, id., Einleitung in die griechische Sprache, 1896, 334££, SCHWYZER, Griechische Grammatik 1, 1934, 422 und H. KRONASSER,

Vergleichende Laut- und Formenlehre des Fletbitischen, 1956, 138£., 6 1522.

33 Vgl E. v. SCHULER, Die Mythologie der Fiethiter und Hurriter. Wörterbuch der Mytbologs, Hrsg, H. W. HAUSSIG, Abt. 1, 1: Götter und Mythen im Vorderen Orient, 1965, 170f., mit weiterer Literatur. 34 Zu Athen vgl. FRISK 2.0. (Anm. 17) 28 und CHANTRAINE 2.0. (Anm. 17) 27f. s.v., zu Hanmsabasma Hasnabanna H. OTTEN, Die Rehgionen des Alten Kleinasien. Handb. Orientakstik 1, 8,1: Rekgionspeschichie des Altın Orients 1, 1964, 102 Anm. 3, zu Perkunen W. MEID, Das Suffix. -ma- in Götternamen. BN 8, 1957, 125 Anm. 79, mit weiterer Literatur. 35 Vgl FRISK δ΄. (Anm. 17) 429 zu Δωδώνη: »Der Ausgang -ώνῃ ist mit illyrischem Ursprung wohl vereinbar«, unter Verweis auf SCHWYZER a.O. (Anm. 32) 66 und H. KRAHE, Die Sprache der lüyrier, 1: Die Quellen, 1955, 107; vgl. aber auch S. 99 und id., Zur Bildungsweise einiger latein.

112

Altgriechischer Mütterkult

ein Toponym dieser Art aus dem nordgriechischen Raum bietet sich nach dem Ausweis des Stephanus von Byzanz (s.v.) die makedonische Stadt Aidvn an. Auch hier

sehen wir die Verbindung eines Lallnamens für die Erde (ala) mit dem Suffix -42:* Wir wissen, daß vor den Griechen Illyrier in Dodona saßen und Demeter dort verehrten. Diese sind es wohl gewesen, die Homer und Herodot als Pelasger bezeichneten. Aber die Illyrier stellen keine Urbevölkerung Griechenlands dar, sondern sind ebenso wie die Hellenen (nicht vor 2000 v.Chr.) in den Balkanraum eingewandert, und es ist anzunehmen, daß auch sie den Kult einer uralten Erd- und Vegetationsgottheit schon vorgefunden haben. Neben einer Reihe von religiösen Phänomenen, die mit dem Namen Dodona verbunden erscheinen und auf die u.a. A. LESKY

hingewiesen hat," sei nur die dort praktizierte Orakelbefragung aus Eiche und Taubenflug hervorgehoben. Sie erinnert offensichtlich an den Baum- und Vogelkult der Minoer.*

Und wie Dodona mit Dodo zu verbinden ist, so erklärt sich auch das Toponym Δώτιον (scil. πεδίον) als das der Do gehörige Land:? In dieser fruchtbaren, von Ber-

gen umschlossenen Ebene Ostthessaliens befand sich ein berühmtes Demeterheiligtum.® Dieses soll der Überlieferung nach von Pelasgern erbaut worden sein. Der Demetertempel in Knidos galt als Tochtergründung.* Vor allem Kult und Attribute der Demeter weisen auf ein hohes Alter dieser Göttin hin.*? BURKERT macht nämlich treffend auf Pausanias 2,34,10 (vgl auch 7,22,4 und 9,38,1) aufmerksam,® der berichtet, daß in Hermione geheime Opfer in einem Kreis großer, unbehauener Steine gefeiert wurden. Nach Athenaios 9,406 D

bat man sich bei den Eleusinischen Mysterien mit Steinen beworfen. Λιθοβόλια sind auch aus dem Kult der Damia und Auxesia, die mit Demeter und Kore identisch sind und u.a. in Troizen verehrt wurden, bekannt.“ Dazu kommt die aus Arkadien be-

zeugte Verehrung der Demeter in Form zweier Akrolithe.# Der Gedanke an die Steinzeit drängt sich geradezu von selbst auf. Beziehungen zum Neolithikum im Demeterkult hat man mit Recht auch bei den Thesmophorien Götternamen. In: Jatura. Früchte aus der Antiken Weil. O. WEINREICH zum 13. März 1951 dargebracht, 1952, 60, allerdings wie schon Stephanus von Byzanz mit Ableitung vom Flußaamen Δωδών. ME. ist

aber auch Δωδών wie Δωδώνη direkt von Δωδώ gebildet. Vgl. dazu ausführlich meinen Beitrag in der Gedenkschr. A. LESKY (Anm. 25).

36

Zu ala als Lallnamen vgl. A. LESKY, Aia. WS 63, 1948, 59f£. = Gesammelte Schriften. Aufsätze

und Reden zu antiker und deutscher Dichtung und Kultur, Hrsg. W. KRAUS 1966, 40ff. 37 2.0. (Anm. 25) 48ff. 38 Vgl zum Orakelkult in Dodona FAUTH 2.0. (Anm. 25) 324, mit weiterer Literatur, zu Baumund Vogelkult bei den Minoern ausführlich NILSSON 2.0. (Anm. 1) 280ff., 290ff£, BURKERT 2.0. (Anm. 2) 61; 144. 39 SCHWYZER 2.0. (Anm. 32) 288f. stellt Δώτιον richtig zu Δω(μάτηρ) und erklärt das t als Hiatkonsonanten oder euphonischen Konsonanten. Entgegen der Meinung von B. LOEWE, Griechische theophore Ortsnamen, Diss. Tübingen 1956, 79f., sind damit wohl auch die illyrischen Städtenamen 'Ap-

δώ-τιον, Epi-de-tium sowie der ütolische Volksstamm der ᾿Από-δω-τοι zu verbinden. Vgl. dazu auch KRAHE 40 41 42 43 44

a.O. (Anm. 35) 87 u. 111 und meine Arbeit (Anm. 25). Stellenbelege: Der Kleine Pauly 2, 1967, 155 s.v. Dotion (E. MEYER). Vgl Kallim. Dem. 24ff., Diodor 5,61,1 u.a. bei MEYER. Vgl FAUTH aO. (Anm. 17) 1459ff., mit weiterer Literatur. a.O.(Anm. 2) 38 u. 366. Vgl). G. FRAZER, Pawsanias’s Description of Greece, translated with a commentary 5, 1898, 266ff. zu

2,32,2. 45 Vgl. dazu NILSSON 2.0. (Anm. 1) 479.

Altgriechischer Mütterkult

113

gesehen.* Diesen Thesmophorien eigen sind besonders Schweineopfer. Von den genauen Vorgängen bei dieser Kulthandlung wissen wir nicht viel; eine unserer Hauptquellen dazu bildet ein Scholion zu Lukian (276,2ff. ed. RABE): ... ῥιττεῖσθαι τοὺς χοίρους εἰς τὰ χάσματα

τῆς Δήμητρος

καὶ τῆς Κόρης. tà δὲ σαπέντα τῶν

ἐμβληθέντων εἰς τὰ μέγαρα κάτω ἀναφέρουσιν ἀντλήτριαι καλούμεναι γυναῖκες καθαρεύσασαι

τριῶν ἡμερῶν

καὶ καταβαίνουσιν

εἰς τὰ ἄδυτα καὶ ἀνενέγκασαι

ἐπιτιθέασιν ἐπὶ τῶν βωμῶν- ὧν νομίζουσι τὸν λαμβάνοντα καὶ τῷ σπόρῳ συγκαταβάλλοντα εὐφορίαν ἕξειν. Man wirft Ferkel in die Klüfte der Demeter und Kore.

Die verwesten Reste des Hineingeworfenen holen Frauen heraus, die »>Schöpferinnen« heißen; sie haben sich drei Tage lang rein gehalten und steigen so in die unbetretbaren Räume hinab, bringen die Reste herauf und legen sie auf die Altäre. Wer davon nimmt — so glaubt man — und es mit der Saat auf die Erde streut, wird eine gute Ernte haben. Auch sonst finden sich in Demeterheiligtümern (so etwa in Knidos) nicht selten Votivschweine

aus Ton, und wir kennen

aus dem

Neolithikum

des Balkanraumes

Schweineplastiken, in die Getreidekórner eingepreßt sind. Das hohe Alter der Thesmophorien, die noch ganz im Bereich des Magischen verwurzelt sind, dürfte unumstritten sein.

Somit gehört Demeter die nicht nur die Griechen, Balkanraum kennengelernt diese Weise läßt sich auch

zu den ältesten vorindogermanischen Muttergottheiten, sondern auch die Illyrier bei ihrer Einwanderung in den und u.a. mit dem Lallwort Do, Dodo angerufen haben. Auf der Vokalwechsel in A& (bzw. An) und Aw, wie er in Da-

mater, Dammater, Demeter, Domater, Dodo usw. begegnet, am einfachsten als die unter-

schiedliche Wiedergabe eines illyrischen 4/0 deuten.“ Diese Herleitung aus dem Illyrischen erscheint mir für den nordgriechischen Raum, in dem sich die Form Δωμάτηρ belegt findet, jedenfalls wahrscheinlicher als die Ansicht von A. HEUBECK,

der ein Lallwort ausdrücklich ablehnt und auf ein den anatolischen Sprachen verwandtes indogermanisches Wort mit altem Wurzelablaut schlieBt.#

In Demeter verehrte also bereits die minoisch-ägäische Bevölkerung die Mutter Erde als Spenderin des Getreides, der Vegetation und aller Fruchtbarkeit von Natur

und Mensch. Daneben hatten die Griechen auch eine eigene Erdgöttin, die sie Χθών nannten und aus dem Norden mitgebracht hatten. Allerdings fehlten dieser Χθών zum Unterschied von Demeter oder Ge (bzw. Ga, Gaia) die Wesenszüge einer echten Mutter ganz. Sie war ursprünglich wohl Erdherrin, die Vegetation hetvorbringt,* 46 47 48

So SIMON 2.0. (Anm. 20) 91ff. "Vgl BURKERT a.O. (Anm. 2) 38. Vgl. dazu ausführlich VERF. a.O. (Anm. 25) mit weiterer Literatur. — In der thessal. Form

Δαμμάτηρ

sieht KRETSCHMER,

WS 24, 1902, 525 Anm. 2 eine »Übertragung der Dehnung von à

auf das folgende JL ... wie in lat. bae = báca, narro zu gnarus u.s: w.« Die Reduplikation des j1 kann m.E. aber auch als Emphase aus der Anrufung im Kult erklärt werden. 49 A. HEUBECK, Praegrasca Sprachliche Untersuchungen zum vorgriechisch-indogermanischen Substrat, 1961, 75ff., bringt die Namensformen

Gedenkschr.

P.

KRETSCHMER

2,

der Demeter (besonders mit Verweis auf W. MERLINGEN,

1957,

54)

mit

der

phryg.

Bezeichnung

der

kleinasiatischen

Muttergöttin Γδαμμαυὰ bzw. Γδανμάα ( = Kybele) in Verbindung, wobei das γδαν etymologisch griech. χθών

entspricht; als vorgriechisch(-indogermanisch)-pelasgisch

auch von V. GEORGIEV

angesehen: vpl dazu mit Literatur R. KATICIC, Ancent Languages of tbe Balkans 1, 1976, 77; für nichtgriechische Herkunft PALMER (Anm. 23) 365.

50

des

Wortes

auch

CHADWICK

in seinem

Diskussionsbeitrag

Zu diesem oft wenig beachteten Aspekt von χθών vgl. z.B. Hymn. Hom. Dem. 472.

gegen

114

Altgriechischer Mütterkult

und Göttin der Erdtiefe, Unterwelt und Toten zugleich. Χθών hat nicht nur eine inhaltliche, sondern auch eine genaue sprachliche Entsprechung u.a. in der baltischen

Erdgöttin Zemmina, Zemjhe, Zemynélé (oder auch Zempati genannt), die sowohl Herrin

des Getreides als auch der Verstorbenen ist‘! Freilich ist bei der Verschmelzung von

Demeter mit Χθών die alte prähellenische Muttergöttin stärker geblieben, und Χθών hat ihren personalen Charakter bei den Griechen, mit Ausnahme einer künstlichen Belebung bei den Tragikern, ganz eingebüßt. Daher hat sie keinen Kult. Bestimmte Züge von ihr leben jedoch in Demeter wie auch in Γῆ weiter. So findet sich bei beiden bisweilen der Beiname Xßovia, und die X0óvia sind auch ein Fest zu Ehren der Demeter.’ Als Erdgöttin war Demeter in erster Linie eine Göttin des Lebens und der Vegetation. Als solche gebiert sie Leben, nimmt dieses in sich auf und erweckt Tote(s) wieder zum Leben. Daher wurde sie besonders mit dem Getreide verbunden, das, zu

ihrem Symbol geworden, in die Erde gesenkt, wieder zu neuem Leben erwacht. Daraus entwickelte sich der Ritus, daß die Athener die Gräber ihrer Toten mit Getreide bestreuten,? und von daher erklärt sich, daß die Verstorbenen (bei Plutarch mor. 943b) Δημήτρειοι genannt wurden. Demeter ist eine Herrin des Lebens, in das auch

der Tod eingebunden erscheint.

b. Persephone — Kore Leben und Tod gehören zusammen, was vor allem dadurch dokumentiert wird, daß Persephone bzw. Kore mit ihrer Mutter Demeter eine Einheit eingegangen ist. Bei Persephone ist die Deutung des Namens und ihrer Herkunft noch schwieriger als bei Demeter. Im Mythos ist sie identisch mit Kore, der Tochter der Demeter, bzw. mit dem Mädchen, das der Unterweltsgott Hades in sein Reich entführt und dort zu seiner Frau macht. Dabei gehen die Meinungen auseinander, inwieweit hinter beiden

Bezeichnungen ursprünglich ganz verschiedene Gottheiten stehen.* Am wenigsten gesichert muß die Identifikation von Kore mit dem Kornmádchen erscheinen, das die indogermanischen Griechen nach NILSSON und anderen aus dem Norden auf die Balkanhalbinsel mitgebracht hätten, da die Existenz des Kornmadchens

selbst um-

stritten ist.$ Hingegen ist es m.E. wahrscheinlich, daß Κόρη selbst nur ein alter euphemistischer

Name

für Persephone

ist, die

uns

in lokalen

Varianten

auch

als

51 "Vgl H. USENER, Götternamen. Versuch einer Lehre von der relipósen Begrifisbildune, 1896, 105. — Vgl. jedoch das mit χθών ebenso etymologisch verwandte hethitische Wort für Erde (μέσα, taganzipaf) die personifiziert (daher mit dem Determinativ SAL »Frau versehen) als anna? ‚Mutter angesprochen wird (Belege siehe bei H. OTTEN, Eine althethidsche Erzählung um die Stadt Zalpa. Studien zu den Bogazköy-Texten 17 , 1975, 37); bei den Phrygern hat das entsprechende Γδαν ebenfalls den Beinamen Mutterc ( = Ma). Vgl. dazu FRISK a.O. (Anm. 17) 2, 1098 s.v. χθών,J. POKORNY, Indegermanisches etymologisches Wörterbuch 1, 1959, 414 s.v. £bdemr-, fbdom-, Der Kieine Pauly 2, 1967, 657 s.v. Gaia (W. FAUTH) und HEUBECK a.O. (Anm. 49) 76f., mit weiterer Literatur. 52 Vgl zur Bedeutung von χθών bei den Griechen bes. WILAMOWITZ 2.0. (Anm. 19) 205£ 53 Vgl Demetrios Phal. frg. 135 WEHRLI? ( = Cicero leg. 2,25,63): mec basc (scil. Einschränkung des Totenkults) a sapientissimis legum seriptoribus neglecta sunt, nam et Athenis iam ille mos a Cecrope ut aiunt permansit terra bumandi, quod quom proxumi fecerant obductaque terra erat, frupbus obserebatur, ut simus et gremium quasi matris mortuo tribueretur, solum autem frugibus expiatum ut vipi redderetur. 54 Vgl. dazu schon L. PRELLER, Griechische Mythologie 1*, bearb. C. ROBERT, 1894, 802 Anm. 1. 55 NILSSON aO. (Anm. 1) 146. — Weitere Belege vgl. BURKERT a.O. (Anm. 2) 250. 56 Vgl. BURKERT ibid.

Altgriechischer Mütterkult

115

Φερσέφασσα, Περσέφαττα, Περρέφαττα, Περρόφαττα, Φερσεφόνη, Πηριφόνα u.a. bekannt ist. Die problematische Etymologie des Wortes Persephonest habe ich an anderer Stelle zu erhellen versucht.* Wie im Falle von Demeter dürfen wir auch bei Persephone-Kore annehmen, daß sie eine recht komplexe Göttin ist. In Arkadien, wo sie auch unter dem Namen Despoina verehrt wurde, ist sie der Sage nach nicht Tochter des Zeus, sondern des Poseidon.®

Persephones Wesen wird vielfach als unheimlich und finster empfunden. Dazu paßt ihre Eigenschaft als Herrin der Unterwelt. G. ZUNTZ hat mit Recht in Demeter the Mother of all Lifex gesehen. Nicht richtig ist es jedoch m.E., Persephone nur als ‚Queen of the Death: zu deuten, als welche sie in Sizilien (nach ZUNTZ) verehrt

worden sein soll? Dagegen sprechen vor allem Zeugnisse u.a. aus Lokti, wo Persephone bei der Hochzeit im Kult ihren Platz hatte, ferner Weihinschriften auf Rüstungsgegenständen, aus denen hervorgeht, daB man sein Leben unter den Schutz dieser Góttin stellte. Bemerkenswert ist die enge Verbindung, die Persephone als Kore mit ihrer Mutter Demeter in Mythos und Kult, vor allem in den Thesmophorien und in den Eleusinischen Mysterien, aber auch in der bildenden Kunst (vgl. zur Illustration Abb. 2, 3 u. 4) eingegangen ist, so daß NILSSON Mutter und Tochter mit Recht als »zwei Auflagen desselben göttlichen Wesens: betrachtet. * Für WILAMOWITZ ist »Kore vollends Komplement zu ihrer Mutter, und er bemerkt richtig, daß »hier nicht sowohl eine Spaltung des Göttlichen in mehrere gleichgeordnete Personen eingetreten, sondern als Ergänzung die Tochter neben die Mutter gestellt ist, nicht als Objekt der mütterlichen Sorgfalt, sondern beinahe gleichberechtigt, wie es in dem Dual τὼ θεώ

57

Belege siehe RE 19, 1, 1937, 945f. s.v. Perssphone (F. BRÄUNINGER) und CHANTRAINE 2.0.

(Anm. 17) 889 s.v. Περσεφόνη. 58 HEUBECK, Argeiphontes und Verwandtes. BN 5, 1954, 28ff. = Keime Schriften zur griech. Sprache und Literatur, 1984, 256ff. nimmt als Grundform *bbersi-gthutie

= die Ertragreiche: (von einem

Nomen *p£pog und *grhen- »schwellen, strotzen) an. Dagegen denken FRISK und CHANTRAINE s.v.

mit WILAMOWITZ a.O. (Anm. 19) 108 (Anm. 3) und NILSSON 2.0. (Anm. 1) 474 gegen HEUBECK an einen vorgriechischen

Gôttemamen.

F. BADER,

Persée, ΠΕΡΘΩ

et l'expression archaïque du

temps en Indo-européen. BSL 69, 1974, 52 bemerkt: »Quant au nom de Perscbhone, Il'étymologie, et méme la forme (Φερσεφόνα, Πηριφόνα, Πηρεφόνεια, Φερέφαττα etc), en sont trop incertaines pour qu'on puisse en tirer quelque chose« Und CHADWICK 40. (Anm. 23) 356 erklärt sogar: »Surely … the Olympians except Zeus are ... non-Greek.« 59 H. PETERSMANN, Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos. Eine etymologischreligionsgeschichtliche Untersuchung. Festeabe fir M. MAYRHOFER. Sprache 32, 1986, 286-307. In diesem Band S. 152-169. Ich bin dort von *persa »Licht, Feuer: + "gtben-/ *stbon- »schwellen, strotzen, voll seinc ausgegangen. Persephone ist demnach »die an Licht, Feuer Übervolle, was auch zu ihrem unten S. 115ff besprochenen Wesen und Mythos paßt.

60

Vgl dazu NILSSON 2.0. (Anm. 1) 477# und BURKERT 2.0. (Anm. 2) 218, mit weiterer

Literatur. Vielleicht stellt die Verbindung der beiden »Herrinnenc Demeter-Kore mit Poseidon in dem auch sonst archaischen Arkadien eine Fortsetzung der alten mykenischen Trias (vgl. die pylische Tontafel PY Fr 1219) wanosoi passdaone dar, dazu PALMER a.O. (Anm. 23) 354 und FAUTH 2.0. (Anm. 17) 1462, mit weiterer Literatur.

61 ZUNTZ, Persepbone. Three Essays on Religion and Thoughtin Magna Graecia, 1971, 141. 62 Auch für WILAMOWITZ a.O. (Anm. 19) 107 ist Persephone eine Herrin der Toten geworden, allerdings erst bei den Griechen. 63 Vgl dazu unten S. 127.

64

2.0. (Anm. 1) 471.

116

Altgriechischer Mütterkult

sich ausspricht. Ähnlich finden wir beide Wesensformen bei Athene, wobei allerdings die jungfräuliche Erscheinungsform sich als die stärker ausgeprägte zeigt.** Zum Unterschied von Athene, in der beide Aspekte in ein und derselben Göttin vereinigt geblieben sind, sind sie bei Demeter und Kore auf zwei Personen verteilt. Diese Mutter-Tochter-Konstellation wurde so dominant, daß auch der mit Demeter

gleichgesetzten Göttermutter Kybele eine Jungfrau zur Seite gegeben wurde; vgl. IG 9, 1, (ed. min.) 96 und 105 (Aetolien): T& Mat£pı τῶν θεῶν καὶ (τᾷ) Παρθένοι. Bei der Frage nach der Herkunft dieser Mutter-Tochter-Konstellation sieht BURKERT im Orient keine Parallelen.” V. HAAS hat jedoch auf einen für uns höchst interessanten althethitischen Text aufmerksam gemacht, in dem von »Frau Erde und Tochter Sonne« die Rede ist.* Bemerkenswert ist darin, daß die Sonne, die im Hethi-

tischen mánnlich ist, wie bei den Protohattiern als weiblich gedacht wird. Dies geht ebenso aus ihrem gelegentlichen, auch für die Bezeichnung von Kore als Δέσποινα interessanten Prädikat ‚Herrin: hervor.#So scheint sich in die vielen Beziehungen, die altgriechischer Mythos zum Vorderen Orient aufweist, auch die enge Verbindung von Demeter und Persephone einzufügen. Wie bei den Griechen die Erde Δημήτηρ,

so wird sie auch bei den Hethitern »Mutter (vgl. an-na-a} ta-ga-an-75-pa-aj Mutter Erde«) genannt.” Sie erscheint identisch mit der protohattischen Göttin Uwru(n)Jemu (zu sur Land)

und wurde bei den alten Bewohnern Anatoliens auch als Sonne von

Arinnx verehrt und im Kult u.a. als »Königin des Himmels und der Erde angeru-

65

a.O. (Anm. 19) 209.

66

Als Mutter wurde Athene in Elis verehrt, wo sie den Beinamen Μήτηρ trug. Paus. 5,3,2 gibt in

seiner Kultiegende als Grund dafür an, daß sie den Wunsch von Frauen nach Empfängnis bei der Hochzeit erfüllte. In einem Chorlied in Euripides’ Herakkdes (770ff) wird sie als Mátnp, Δέσκοινα

und Φύλαξ der Stadt Athen angerufen, und ein kretisches Relief (2. Jhdt. v.Chr.) weiß offenbar von einer Schwängerung der Athene zu berichten. Vgl dazu NILSSON 2.0. (Anm. 1) 443£, K. KERENY, Die Jungfrau und Mutter in der griechischen Religion. Eins Studie über Pallas Athene. Alba Vigiae NF. 12, 1952, bes. 19ff, M. GUARDUCCI, 12-18.

Due

aspetti di Athena nella religione cretese. RLA

6, 1937-38,

67 a.O. (Anm. 2) 250; vgl. auch WILAMOWITZ a.O. (Anm. 19) 2, 44: »Die Erdmutter und ihre Tochter sind urhellenisch.« 68 V. HAAS, Mage und Mytbos im Reich der Hetbiter, 1: Vegetationskulte und Pflanzenmagie (o. ].) 51. — Vgl. Keilschrifitexte aus Bogazkôy 3, 38 Vs. 3’ = OTTEN 4.0. (Anm. 51) 6 B Vs. 3’ mit Komm. 37 und weiterer Literatur. Die von OTTEN aus einem anderen hethitischen Text angeführte Wendung taganzipas taknaï = (Ha PUTU-ui >Erd(boden) und der Erde Sonne (vgl auch Anm. 71) macht die Interpretation wahrscheinlich, daß auch an unserer Stelle in SAldaga-zi-pa-af = Ja DUMU.SAL PUTU ( = und FRAUErde TOCHTER SOTTSONNE) das sumerographisch geschriebene DUMU.SAL PUTU (DUMU.£AL = Tochter, das mit dem Determinativ D versehene UTU bedeutet ‚Sonnengottheitd nicht als Apposition zu SALda-20-75-ba-af = Ja (das Determinativ SAL = »Frau gibt an, daB da-ga-zipa-af »Erde« hier personifiziert als weibliches göttliches Wesen erscheint) zu verstehen ist. HAAS 51 übersetzt allerdings: »Und die Frau Erde und die Tochter Sonnec Der folgende Kontext, in dem nur von der Sonnengottheit die Rede ist, empfiehlt jedoch, daganzipaf als Genetiv aufzufassen, also: und ( = Ja) der Frau Erde Tochter, die Sonnengottheit« Vgl. dazu auch austührlich VERF. 2.0.

(Anm. 59).

69 Vel dazu ausführlich mit weiterer Literatur E. NEU, Der Anitta-Text. Studien zu den BodarzköyTexten 18, 1974, 126f., SCHULER a.O. (Anm. 33) 197 u. 199, A. GOETZE, Kukwrgeschichte des Alten Onents,

3,1:

Kleinasien,

1957,

137£.

— Zur

Anrede

der

»Sonnengöttin

der

Erde:

als »Herrinc

im

Hethitischen vgl. bes. auch OTTEN, Die Gottheit Lelvani der Bogazköy-Texte. Journal Cuneiform Stud 4, 1950, 120 Anm. 7. 70 "Vgl Anm. 51.

Altgricchischer Mütterkult

117

fen. In Beschwôrungsritualen, und gelegentlich sonst, begegnet ferner eine »Sonnengottheit der Erdex μεμα "ΤΙκί = iff-amui).? Mit großer Wahrscheinlichkeit bezieht sich dieser Aspekt auf den Glauben, daB die Sonne die Nacht in der Unterwelt, die man sich unterhalb des Horizontes vorstellt, zubringt und am Morgen aus der Erde bzw. aus dem Wasser wieder emporsteigt.” Wir verstehen daher, warum altanatolische Texte ebenso von einer »Sonnengottheit im Wasser oder »Sonne des Wassers: sprechen.” Man wird sofort an da schöne Bild bei den alten Hellenen erinnert, nach dem Helios, am Morgen aus dem Okeanos aufsteigend, über den Himmel fährt, der nach alter Vorstellung mit dem Okeanos eng verbunden, ja identisch ist,” und des Nachts in einem Becher im Gewässer der Unterwelt zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt.” Wir dürfen daher die hethitische »Sonnengottheit im Wasser oder »des Wassers mit der Sonne der Erdex die nach Kult und Ritual eine ausgesprochen chthonische Gottheit ist, identifizieren. Die Sonne ist aber, worauf wir oben

aufmerksam gemacht haben, zugleich Tochter der Erde. Sie geht auf und unter, dadurch erwuchs die Vorstellung einer Tages- und Nacht( — Unterwelts)sonne, und so

ergibt sich auch der Bezug zum Mythos von der ἄνοδος und κάθοδος der Kore als Tochter der ägäischen Erdgöttin Demeter. Daß auch Kore ursprünglich eine Sonnengottheit war, läßt sich m.E. noch aus vereinzelten antiken Zeugnissen erschlieBen, worauf unten (S. 124f.) weiter eingegangen wird. Kores Aufstieg aus der Unterwelt bringt wie der der anatolischen »Sonne der Erde: die Hoffnung auf Fruchtbarkeit und friedliche Ordnung durch göttliche Satzung mit sich, ihre κάθοδος den Glauben an Tod und Absterben der Vegetation.” Dadurch ist die Sonne Fruchtbarkeits- und Unterweltsgöttin zugleich, und als solche ist sie Herrin der Quellen. Quellen bilden aber auch Eingänge zur Unterwelt. Diese Beziehung der großen anatolischen Sonnengöttin, die ja zugleich Erdgöttin ist, zu den Quellen geht auch aus ihrem Namen *UTU τῶ Arinna hervor." Wit wissen aus der sumerischen Wiedergabe (TUL-na) von Arinna, daB das Wort Quelle, Brunnen bedeutet.? In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daB auch bei den Griechen sehr häufig der Kult der Demeter und Persephone mit Quellen und Wasser verbunden erscheint. In Lerna, wo Demeter Prosymne, Kore, Dionysos Saotes und Poseidon verehrt wurden, gibt es mächtige Quellen und den sogenannten halkyonischen Teich, der als Eingang in die Unterwelt 71 Vg. J. FRIEDRICH, Hethitisches Wörterbuch, 1952, 319 s.v. Uuru(n)iems, GOETZE 2.0. (Anm. 69) 1366, HAAS a.O. (Anm. 68) 51, OTTEN 2.0. (Anm. 34) 99, A. KAMMENHUBER, Das Hattische. Handb. Orientakstik 1, 2,1-2 Lief. 2: Altkleinasiatische Sprachen, 1969, 433 u. 461.

72

Vgl Anm. 68; taknal ist heth. Genetiv von tekar (zu χθών, Anm. 51), das Sumerogramm

DUTU entspricht der hethitischen übernommen haben. Vgl. NEU «ΟἹ. Sprachlichen FRIEDRICH (Anm. 71) 73 Vgl HAAS 2.O. (Anm. 68)

Sonnengottheit Liaæm, welche die Hethiter von den Hattiern (Anm. 69) 127, SCHULER a.O. (Anm. 33) 196ff. und 199ff. zum 91, 220 und 330. 51, GOETZE a.O. (Aum. 69) 157£, E. TENNER, Tages- und

Nachtsonne bei den Hethitern. Zeitschr. /Assyriologie u. vermandte Gebiete 38, 1929, 186}.

74 SCHULER a.O. (Anm. 33) 199, HAAS a.O. (Anm. 68) 51, 75 Vgl EM. s.v. ὠκεανός und dazu L. RADERMACHER, (Nachdr. 1968) 122. 76 Vgl Mimn. frg. 10 D., Stesich. frg. 6 D. (= frg. 185 P); Ges. Schr. 29££. 77 Zu Anatolien vgl. SCHULER a.O. (Anm. 33) 200, 3b. 78 4UTU URU Ariana, d.h. Sonnengôttin von Arinnac zu Determinativ URU ( = Stadt) versehene Arinaa war Kultzentrum 79 "Vgl FRIEDRICH 2.0. (Anm. 71) 297.

GOETZE a ©. (Anm. 69) 138. Mythos und Sage bei den Griechen, 1943 dazu LESKY 2.0. (Anm. 36) 25ff. = ‘UTU vgl. Anm. 72; das mit dem der Sonnengöttin ((UTU).

118

Altgriechischer Mütterkult

galt.® Ein uralter Quellkult befand sich auch beim Demeterheiligtum von Knossos.® Hier wurde ein äußerst aufschlußreiches Tonmodell aus minoischer Zeit ans Licht gebracht. In dessen Innerem ist eine Göttin im Epiphaniegestus bis zur Hälfte ihres Körpers abgebildet.2 Wir dürfen darin eine Darstellung der Erdgöttin selbst oder ihrer Tochter Kore sehen, die wie ihre Mutter schr häufig mit Quellen in Verbindung steht. Von den vielen Belegen mag der Hinweis auf die Quelle Kyane in Syrakus genügen, wo man Kores Abstieg in die Unterwelt zeigte.®

c. Die Δαματέρες — eine prähistorische Einheit Ich hoffe erstmals nachgewiesen zu haben, daß die Einheit, die Demeter und Kore bilden, auf uralte Glaubensvorstellungen zurückgeht. Kore, hinter der wir m.E. auch bei den Hellenen das Sonnenmädchen zu sehen haben, ist ein Teil dieser Einheit und mit der Erdmutter (Δημήτηρ) untrennbar verbunden. Die Vorstellung von dieser

* Einheit reicht von den ältesten Kulturen des Vorderen Orients über die minoischmykenische Welt bis zu den Griechen der historischen Zeit. Es ist interessant zu sehen, daß gerade in Rhodos, wo uns die enge Verbindung der zwei Muttergottheiten Demeter-Kore inschriftlich als Δαματέρες bezeugt ist, als Grabbeigaben Statuetten von zwei Göttinnen gefunden wurden mit nur einem Unterleib, einem einzigen Armpaar, doch zwei Köpfen und zwei Paar Brüsten (Abb. 2). Ähnliche Darstellungen sind auch aus Tanagra in Böotien bekannt (Abb. 3), ferner aus altkyprischen Gräbern (um 2000 v.Chr.). Der älteste derartige Beleg, den wir kennen, stammt aus Ain Sakhri in Palästina (9. Jahrtausend v.Chr.?); dann gibt es mehrere Zeugnisse dafür aus Altanatolien, und zwar aus. Catal Hüyük (frühes 6. Jahrtausend v.Chr.), aus Alaca Hüyük und Kültepe.# So fand sich z.B. in einem Kultraum des Heiligtums von Catal Hüyük eine weiße Marmorfigur, die eine Göttin mit zwei Köpfen, vier Brüsten, doch mit nur einem — verschränkten — Armpaar und einem Unterleib darstellt (Abb. 1). In einem anderen Raum entdeckte man vor dem Grab eines Kleinkindes

ein Relief mit einer ähnlichen Abbildung dieser Doppelgottheit. Am ehesten wird man diese Idole als Repräsentationen der einer Wurzel entstammenden Herrinnen des Lebens und des Todes ansehen dürfen. L. R. PALMER

erkennt wie schon J. MELLAART und W. HELCK darin Vorläuferinnen der griechi-

80

Vgl. dazu RE 12, 1925, 2085ff. s.v. Lerna (BOETHIUS) und Der Kleine Pauly 5, 1969, 583 s.v.

Lerna (E. MEYER). 81 Vgl dazu BURKERT a.O. (Anm. 2) 82 Anm. 54, mit weiterer Literatur. 82 BURKERT 2.0. (Anm. 2) 82. 83 "Vgl dazu ausführlich RICHARDSON 4.0. (Anm. 29) 18f. u. 181 zu Hymn. Hom. Dem. v. 99, F. MUTHMANN, Mutter und Quelle. Studien zur Quellenverebrung im Altertum und im Mittelalter, 1975, 1428. 84 Vgl. dazu mit weiterer Literatur HADZISTELIOU PRICE 2.0. (Anm. 5) 50, 61 u. Abb, J. MELLAART, Cata! Hiyük. Stadt aus der Steinzeit, 1967, 102f., 144f., 236 Abb. 70-71, W. HELCK, Betrachtungen zur Großen Göttin und den ihr verbundenen Gottheiten. In: Region s. Kultur der Altın Mittelmeerweit in Parallelforschh Hrsg. C. COLPE u. H. DÖRRIE 2, 1971, 28f. mit Abb. 47, J. KARAGEORGHIS, La grande déesse de Chypre et son culte. À travers l'iconographie de l'époque niohtbigm ax Ve 5. a,C, 1977, 55ff. mit Taf. 16€, PALMER 2.0. (Anm. 23) 345, zuletzt M. R. BELGIORNO, Le staluetts antropomorfe cipriote dell’ Età del Bronzo, 1: GE idoli del Bronzo Antico III — Bronzo Medio I. SMEA 25, 1984, 9ff, mit eingehender Besprechung der ikonographischen Typen, weiterer Literatur und Abbildungen.

Altgriechischer Mütterkult

119

schen Demeter und Kore. Er verweist dabei nicht nur auf die in mykenischen Gräbern gefundenen Darstellungen von zwei Göttinnen mit einem Kleinkind, das sie gemeinsam auf ihren Schultern tragen,® sondern auch auf die berühmte Elfenbeingruppe aus Mykene (15. Jhdt. v.Chr.): Sie zeigt zwei Frauen, die auf dem Boden knien und verbunden erscheinen durch einen gemeinsamen Mantel und durch ihre Arme, die sie einander um die Schultern gelegt haben.” Zwischen den Knien der einen Göttin befindet sich ein Kind, das sich mit seinen Armen auf die Knie der anderen aufstützt E. SIMON hat diese Gruppe mit guten Gründen als Demeter und Kore mit dem Plutos-Knäblein gedeutet# Diese Interpretation wird wahrscheinlich gemacht durch den Kult von Damia und Auxesia, zweier Göttinnen, die auf der Peloponnes und den Inseln Ägina und Thera verehrt wurden. Auf die kultische Verbindung von Δαμία (bzw. auch Δαμοία genannt) mit Demeter hat schon O. A. DANIELSSON hingewiesen.® In diesem Zusammenhang ist Herodot 5,82,1 besonders aufschlußreich. Es wird da berichtet, daß die Erde den Bewohnern von Epidauros keine Früchte (καρπόν) schenkte,* und diese daraufhin auf Geheiß des Delphischen Orakels Damia und Auxesia Kulte stifteten. Die Griechen opferten den beiden Göttinnen nach eleusinischem Ritus, wie uns Pausanias 2,30,4 berichtet, und von Hero-

dot 5,86 erfahren wir, daB sie in Ágina in knieender Stellung abgebildet gewesen seien.?!

3. Die Griechische Mutter in Sizilien Diodor 4,79,5£. und Plutarch Marc. 20,3£, dessen Bericht auf Poseidonios zurückgeht,? bezeugen übereinstimmend einen Kult von Μητέρες auf Kreta, den die Be-

wohner der Insel bei ihrer Auswanderung nach Sizilien (nach Diodor in uralter Zeit unter König Minos) mitgenommen hätten. Das Hauptheiligtum dieser kretischen Mütter, die sich noch zur Zeit Diodors und Ciceros hoher Verehrung erfreuten, befand sich in der von den Kolonisten gegründeten Stadt Engyon. Der Überlieferung nach erhält die Stadt auch später noch Zuzug durch den aus Troja kommenden Kreter Meriones. Der Kult der Mütter verbreitete sich von dieser Hauptstátte aus auf 85 "Vgl PALMER 4.0. (Anm. 23) 345, MELLAART a.O. (Anm. 84) zu Tafel 70-71 und HELCK a.O. (Anm. 84) 93. 86 Vgl. dazu auch E. FRENCH, The Development of Mycenacan Terracotta Figurines. ABS.A 66, 1971, 144. 87 Zwei sitzende identische weibliche Figuren, die durch einen Mantel miteinander eng verbunden sind, wurden als Votiv- und Grabbeigaben auch in Rhodos, Zypern und Ostkreta gefunden. Vgl. HADZISTELIOU PRICE a.O. (Anm. 5) 61 mit Abbildung VIT 19. 88

aO. (Anm. 20) 93ff. (mit Abbildungen); die Deutungen von anderen bei HADZISTELIOU

PRICE a.O. (Anm. 5) 49. 89 Vgl Herodot 5,82f, Paus. DANIELSSON

2,30,4 bzw.

IG

5, 1, 363

(Sparta); 1514

(Thalamae);

dazu

Damia-Amaia und Azesia-Auxesia. Erano: 1, 1896, 79ff. Zum Kult der Góttinnen als

Förderinnen der Fruchtbarkeit vgl. WILAMOWITZ a.O. (Anm. 19) 98f. 90 ᾿ἘΕπκιδαυρίοισι ἣ γῆ καρπὸν οὐδένα ἀνεδίδου. 91 Vgl dazu ausführlich FRAZER 4.0. (Anm. 44) 266ff., SIMON a.O. (Anm. 20) 93 erinnert zudem an die Thesmophonen, an denen sich die Frauen auf dem Boden lagerten; in Olympia hatte Demeter den Beinamen Χαμύνη »die auf der flachen Erder 92 F. JACOBY, FGrHist 2, 251, frg. 43. Dieser Bericht in Plutarchs Manelus Vita regte Goethe dazu an, Faust zu den Müttern hinabsteigen zu lassen; vgl. mit weiterer Literatur DIETERICH a.O. (Anm. 19) 120.

120

Altgriechischer Mütterkult

viele andere Städte Siziliens. Bei Plutarch lesen wir ferner von zahlreichen Speeren und Helmen, die sich im Tempel der Ματέρες als Weihegeschenke befanden. Nach Cicero Verr. 2,4,97 hatte auch P. Cornelius Scipio solche dort dargebracht.* Diodor

erzählt die Legende dieser kretischen Góttinnen: Sie hätten Zeus in Kreta heimlich vor Kronos verborgen und aufgezogen und seien zum Dank dafür als Bärinnen (ἄρκτοι) unter die Sternbilder des nächtlichen Himmels aufgenommen worden. Dabei zitiert Diodor zum Beweis die Verstirnungssage der Bärinnen aus Arats Phainomena (30-35). F. PFISTER meint, daß sowohl die Gleichsetzung der Μητέρες mit den Ammen

des Zeus als auch die Verstirnungssage sekundär ist, »hervorgerufen dadurch, daß von Kreta der Kult der Meteres hergeleitet und Kreta auch als Ort der Geburt und Aufziehung des Zeuskindes galt«* Für die Verstirnungssage trifft dies m.E. sicherlich zu, die Geschichte im Zusammenhang mit Zeus hingegen trägt recht archaische Züge, und wir dürfen annehmen, daß die Griechen sie bei ihrer Einwanderung nach Sizilien aus ihrer Heimat Kreta mitgebracht haben. In Sizilien ist sie dann wohl zur Lokallegende geworden. Bei Hesiod theog. 478ff. erscheint an Stelle der Μητέρες die Erdgöttin Γαῖα, die Zeus aufnimmt, um ihn auf der Insel Kreta zu nähren und auf-

zuziehen: ὦν τὸν μὲν oi ἐδέξατο Γαῖα πελώρη Κρήτῃ ἐν εὐρείῃ τρεφέμεν ἀτιταλλέμεναί τε.

Sie verbarg das Zeusknäblein in einer Grotte in der tiefen Erde am Ziegenberg (482ff). Der Ziegenberg ist, wie Wilamowitz richtig gesehen hat” Erfindung Hesiods, der m.E. offenkundig zwei alte Fassungen miteinander in Einklang bringen wollte. Nach der einen war es die Erde, die Zeus nährte, nach der anderen eine Zie-

gennymphe, die uns im späteren Mythos anthropomorphisiert als Amaltheia begegnet. Aber auch andere Nymphen nehmen sich da seiner an.“ Nach dem gängigen klassischen Mythos wurde Zeus auf dem kretischen Idagebirge in einer Höhle, die schon seit der minoischen Zeit als Kultstätte diente,” vor seinem Vater Kronos ver-

steckt und gepflegt. Wenn wir uns nun nach dem Wesen dieser Μητέρες fragen, so ist wichtig fest-

zuhalten, daß Cicero Verr. 2,4,97 vom Tempel einer (1) Mater Magna apud Enguinos redet, und 2,5,186 ruft er ebenfalls nur in singularischer Form eine sanctissima mater

ldaea ... apud Enguinos augustissimo et religiosissimo im templo an. An der Identität der in den griechischen Quellen genannten Μητέρες mit der bei Cicero genannten Muttergöttin, in der Cicero offenkundig eine Form der Magna Mater (Kybele) sieht, ist nicht zu zweifeln. Dafür sprechen auch drei griechische Inschriften (IG 14, 2407, 7) auf Stücken von Schleuderblei, von denen eine aus Panormos Νίκη Ματέρος lautet, zwei aus Leontinoi hingegen den Sieg von Müttern (Νίκη Ματέρων Νίκη bzw.

Μητέρων) preisen. Vom Tempel nur einer Mater in der Nähe von Leontinoi ist bei Vergil Aen. 9,584f. die Rede, wenn wir dort anstatt Martis mit Macrobius und einigen 93 94 95 96 97

Vgl. RE a.O. Vgl. Vgl

dazu F. PFISTER, Der Re&quienkult im Altertum 1. RGVV5, 1, 1909, 154; 1596; 331. 15,1932, 1373-1375 s.v Meteres (PFISTER). (Anm. 19) 124f. dazu Belege bei WILAMOWITZ ibid. und NILSSON 2.0. (Anm. 1) 319ff. dazu ausführlich WEST a.O. (Anm. 30) 297f zu Hesiod theog. 477, Burkert a.O.

(Anm. 2) 91.

Altgriechischer Mütterkult

121

guten alten Handschriften Matris schreiben (Matris luco Symaetbit circum | flumina), was auch für die bei Diodor 4,79,5f. ausdrücklich bezeugte Verbreitung des von Engyon ausgehenden Mütterkultes in dieser Region sprechen würde. Wie sollen wir uns jedoch diese Diskrepanz zwischen den Ματέρες und Métnp erklären? Die Schwierigkeit löst sich m.E. von selbst, wenn wir annehmen,

daß es

sich bei dem in Engyon befindlichen Idol um eine Götterstatue handelte, die man als Abbildung einer oder mehrerer Göttinnen ansehen konnte. Hier kommt der oben besprochene uralte, vom Vorderen Orient ausgehende und über die minoischmykenische Zeit bis in die klassische Epoche anzutreffende ikonographische Typ zu Hilfe,” der eine Göttin mit zwei Köpfen, vier Brüsten, aber mit nur zwei Beinen und

zwei Armen darstellte. Es muß auch nochmals in Erinnerung gerufen werden, daß man solche Idole u.a. auf Rhodos, Kreta, Zypern und in Böotien gefunden hat und rhodische Inschriften Demeter und Kore ausdrücklich als Δαματέρες bezeugen. Ebenso bekannt ist, daß Demeter alleine oft nur als Μήτηρ, beide Göttinnen zusammen aber nicht nur als ἣ Μήτηρ καὶ ἣ Κόρη, sondern des öfteren auch in Dual-

oder Pluralform als Δέσκοιναι, αἱ θεαί oder τὼ θεώ, θεσμοφόρω u.a. bezeichnet werden. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß man im griechischen Mutterland und dann in Sizilien, wo in der Nähe der kretischen Kolonie Engyon auch Rhodier siedelten,19 von ihnen nur als Μητέρες gesprochen hat. Die griechischen Quellen heben besonders die Erscheinungsweise dieser göttlichen Mütter hervor, in der sie sich den Menschen in ihren Tempeln zeigten und weswegen sie so hohe Verehrung genossen; vgl. Diod. 4,80,3: οὐκ ἄξιον δὲ παραλιπεῖν τὴν περὶ τὰς θεὰς ἀγνείαν τε καὶ τὴν xat! ἀνθρώπους ἐπιφάνειαν. τιμῶσι δ᾽ αὐτὰς οὐ μόνον οἱ ταύτην τὴν πόλιν οἰκοῦωτες, ἀλλὰ καί τινες τῶν ἄλλων περιοίκων

θυσίαις te μεγαλοπρεκέσι καὶ ταῖς ἄλλαις τιμαῖς ἀποσεμνύνουσι τὰς θεάς. Wegen der Erscheinungsform der Góttinnen stand auch die ganze Stadt Engyon, deren Alter hervorgehoben wird, in hohem Ansehen; vgl. Plut. Marc. 20,3f.: πόλις γάρ ἐστι

τῆς Σικελίας Ἐγγύϊον οὐ μεγάλη, ἀρχαία δὲ πάνυ καὶ διὰ θεῶν ἐπιφάνειαν ἔνδοξος ἅς καλοῦσι Ματέρας. ἵδρυμα λέγεται Κρητῶν γενέσθαι τὸ ἱερόν ... Die Darstellungsform ist wohl auch der Grund dafür gewesen, daß man in den Müttern eine Einheit

sah und von ihnen in singularischer Form reden konnte. Einige andere Eigentümlichkeiten weisen ebenfalls auf Demeter und Persephone hin. So wird bei Diodor 4,79,5 berichtet, die ausgewanderten Kreter hätten ihre Kolonie in Sizilien nach einer

Quelle in der Stadt Engyon benannt. Von Demeter und Kore wissen wir, daß sie oft in Verbindung zu Quellen stehen.!" Auch der Name Engyon selbst, von yba »Saatfeld, Ackerfeld« abgeleitet, stellt den Bezug zu Demeter her. Ein in Lokri gefundener

Helm mit der Aufschrift Πηριφόνᾳ (IG 14, 631) legt ebenfalls den Schluß nahe, daß es sich bei den Μητέρες, denen, wie oben erwähnt,!@ Helme und Waffen geweiht

wurden, um Persephone und Demeter handelt. Das stärkste Argument dafür, daß in den Μητέρες von Engyon die zweigestaltige

Erdmutter (Demeter und Kore) verehrt wurde, liefert jedoch die parallele Legende von Zeus: Geburt in Hesiods Theogonie (478ff.), nach der die Erdgöttin Gaia Zeus in 98 Der Symaithos fließt in der Nähe von Leontinoi. 99 Vgl oben S. 118£. 100 HADZISTELIOU PRICE a.O. (Anm. 4) 186. Der rhodische Einfluß war jedoch überhaupt in ganz Sizilien sehr groß. Vgl. ZUNTZ a.O. (Anm. 61) 110ff. 101 Vgl S. 118. 102 Vgl S. 120.

122

Altgriechischer Mütterkult

Kreta genährt und aufgezogen hat. Dazu kommt, daß nach alter antiker Tradition als Heimat der Demeter Kreta genannt wird.!® Damit fällt die bereits von J. J. BACHOFEN aufgestellte Theorie, daß diese Μητέρες ursprünglich Muttergottheiten gewesen seien, die so wie die keltischen und

germanischen Matronen in einem kultischen Dreiverband aufgetreten seien.'* Áhn-

lich äußerte sich in der Folgezeit WILAMOWITZ,'5 der außerdem übersehen hat, daß es sich bei diesen Μητέρες in Sizilien um keine lokalen Göttinnen handelt, sondern

um Gottheiten, die die griechischen Kolonisten aus Kreta mitgebracht haben. Somit erscheint aber auch die von WILAMOWITZ vorgenommene Identifikation der drei auf dem frühhellenistischen Relief aus Camaro bei Messina dargestellten Frauen mit den sizilischen Müttern als nicht richtig, und man wird diese doch eher als Nymphen o.ä. erklären.'% Denn daß wir in den Müttern von Engyon keine Mehrzahl, sondern eine Zweizahl vor uns haben, geht auch aus Diodor 4,79,5f. her-

vor. In seinem Mythos über ihre Verstirnung setzt er sie nämlich mit den bei Arat. 26f. beschriebenen zwei Bärinnen gleich." Die merkwürdige Darstellung dieser beiden Göttinnen, die bald als Einheit, bald als Zweiheit betrachtet und demnach als Ματέρες oder Mátnp verehrt wurden, führte wohl auch dazu, daß man in ihnen später nicht mehr Demeter und Kore erkannte und sie daher mit der seit dem 6. Jhdt. v.Chr. nach Unteritalien eingewanderten Magna Mater gleichsetzen konnte, wie dies seit Cicero bis heute geschicht.!® So werden bei Cicero nach Nennung der sanctissima mater Idasa ... apud Engwinos (Vert. 2,5,186) die Góttinnen Ceres und Libera (ibid. 187) angerufen. Die Stelle bei Cicero ist jedoch auch ein Beweis für die hohe Verehrung von Demeter und Kore in Sizilien; vgl. Verr. 2,4,106: mulam Sicikam totam esse Cereri et Liberae consecratam. Dasselbe

berichtet u.a. Diodor 5,2,3: ἱερὰν ὑκάρχειν τὴν νῆσον Δήμητρος καὶ Κόρης. !® Wir sehen also, daß hinter den Μητέρες von Engyon weder ein Dreiverein von

Müttern steht, deren alter Kult auf Sizilien (nach WILAMOWITZ), von schen Góttinnen Demeter und Kore ersetzt worden wäre, noch eine lokale Große Mutter, wie dies F. PFISTER angenommen hat, noch die Magna Mater, sondern Demeter und Kore selbst.!!? Dabei ist natürlich

den griechiselbständige orientalische nicht genau

103 Vgl dazu oben S. 120f. und RICHARDSON 2.0. (Anm. 29) zum homerischen Demcterhymnus 125, WEST (Anm. 30) zu Hes. theog. 971 und vor allem CH. PICARD, Die groBe Mutter von Kreta bis Eleusis. In: Vormäge über Gestalt und Kult der Großen Mutter, Hrsg. Ο. FRÖBE-KAPTEYN, Eranos-Jabrb. 1938 (1939), 91ff. 104 Vgl seine Ausführungen über das kretische Mutterrecht: Der Mytbus von Orient und Oosdent. Eine Metaphysik der Altın Waek2. Mit einer Einleitung von A. BÄUMLER, hrsg. von M. SCHROETER, 1956, 123. 105 Vgl. die Einleitung zu seiner Übersetzung der Eumeniden des Aischylos: Griechische Tragödie 210, 1925, 215; vgl. id. a.O. (Anm. 19) 202£.: »Bei Sikelem und Kelten ist für die eine Mutter ein Dreiverein eingetreten, aber sie scheinen den Quadriviae, Triviae verwandter, da sie örtliche Beinamen

erhalten, also fehlt die Allmutter Erde.« 106 So schon R. DELBRÜCK, Arch. Funde in Italien im Jahre 1913. 44 1914, 204. 107 Vgl dazu auch USENER 2.0. (Anm. 5) 192f. 108 Vgl B. PERRIN, Péarcb's Lives 5, 1917, 489 zu Plut. Marc. 20,3. Zum Kult der Magna Mater in Unteritalien vgl. ausführlich G. SFAMENI GASPARRO, I culti orientali in Sicilia. EPRO 31, 1973. 109 Mehr dazu bei ZUNTZ a.O. (Anm. 61) 70ff. 110 WILAMOWITZ: vgl. Anm. 105, 215 Anm. 2. — PFISTER a.O. (Anm. 94) 1374. — Andere ältere Erklärungen dieser Μητέρες aus Engyon etwa als Ammen des Zeus, als wahrsagende Sibyllen usw. bei ROSCHER 2, 2, 1894-1897, 2932 s.v. Meteres.

Altgricchischer Mütterkult

123

auszumachen, wie weit im einzelnen autochthoner Einfluß die Vorstellung und die Verehrung der beiden Gottheiten mitgeformt hat.!!! Fest steht jedoch die weite Verbreitung und enge Verbindung von Demeter und Kore auch im außergriechischen italischen Raum, wo man vielleicht analog zu Δαματέρες und Μητέρες vom heimischen Wort Ceres eine Pluralform Cerere: gebildet hat. Wir wissen hingegen nicht, um welche Mütter es sich bei den im gallischen Raum belegten Μητέρες handelt. So glaubt HÔFER z.B.!, daß die in Agathe (Agde) gefundene Weibinschrift mit dem Wortlaut Μητράσι καὶ Διοσκόροις von einem in der Gallia Narbonensis siedelnden Griechen gestiftet sei, und wollte sie daher mit den Μητέρες von Engyon in Verbindung bringen. Wahrscheinlicher ist die Annahme

PFISTERS,'4 daß es sich bei diesen Μητέρες um keltische Matronen handelt. Das gleiche trifft m.E. auch bei anderen in der Zwischenzeit gefundenen griechischen Zeugnissen eines Mütterkultes in Gallien zu: so bei den Inschriften Ssppi. Epigr. Graecum 19, 1963, nr. 637 und REG 79, 1966, nr. 503. Beide haben den Wortlaut MHTPON und stammen aus Olbia. Die erste davon ist nicht datiert und steht auf dem Grenzstein eines Heiligtums, die zweite stammt aus dem 3.-2. Jahrhundert v.Chr.

111 NILSSON a.O. (Anm. 1) 477 führt mit anderen besonders die Funktion von Demeter und Persephone als Unterweltgöttinnen auf einheimische Glaubensvorstellungen zurück, HADZISTELIOU PRICE 20. (Anm. 4) 186 (mit weiterer Literatur) denkt daneben auch an einen stark ausgeprägten Kult einer autochthonen Muttergottheit als Kourotrophos, die in Sizilien unter verschiedenen Namen verehrt wurde und auf Sardinien ihre Entsprechung hatte. Ihre Verehrung findet sich aber auch sonst. Man denke nur an zahlreiche Darstellungen dieser Göttin mit Wickelkindern (bis zu zwölf) in ihren Armen, z.B. aus Capua (Abb. bei E. LANGLOTZ u. M. HIRMER, Die Kunst der Westgriechen in Siziken und Unteritahen, 1965, Taf. 167; vgl. dazu auch J. HEURGON, Recherches sur l'histoire, la religion et la anilisation de Capow préromains, 1942, 334ff.). In diesem einheimischen Substrat sieht HADZISTELIOU PRICE auch einen Grund für den reichen Kult von Kourotrophoi bei den Griechen Unteritaliens. ZUNTZ a.O. (Anm. 61) 72ff. und 150ff. hingegen steht einem autochthonen Einfluß auf den Kult von Demeter und Kore bei den Griechen Siziliens sehr skeptisch gegenüber. Nicht zu übersehen ist jedoch die außergewöhnlich große Verehrung, die Persephone dort zuteil wurde. Pindar Nem. 1,13 berichtet, daß Zeus seiner Tochter Sizilien zum Geschenk gemacht habe, und nach Timaios (bei Plutarch, Nikias

12 = JACOBY FGrHist 5, 566, frg. 102) ist Kore eine besondere Schutzherrin dieser Insel. Ohne Zweifel wurde sie auf Sizilien besonders als Unterweltgöttin, die die Toten aufnimmt, verehrt. Nicht

zu vergessen ist jedoch, daß im benachbarten Sardinien schon aus der Zeit der Nuraghenkultur in der Kunst die Darstellung der göttlichen Mater dolorosa bezeugt ist, wie dies eine Bronzestatuette (7. Jhdt. v.Chr.) einer Mutter mit ihrem erwachsenen Sohn auf ihren Knien lehren kann (aus Nuoro, heute im Museo Nazionale von Cagliari; vgl. G. LILLIU u. H. SCHUBART, Frübe Randkultwren des Mittshmeerraumes. Korsika-S ardinien-Bakaren-Iberische Halbinsel. Mit einem Vorwort von J. THIMME, 1967, 63). 112

Vgl

die zahlreichen Belege im

itaischen Raum stammenden

TALI,

Onomasticon

jedoch nicht nur als Ceres, sondern

Namensformen

verehrt.

In messapischen

2, 341, 57ff. — Demeter

auch unter ihren aus dem Inschriften

erscheint

sie u.a.

wurde

im

Griechischen als Damasura,

Damatyia oder Domatria (vgl. dazu KRAHE 2.0. [Anm. 35] 22; 26f.; 82). In Unteritalien war sie, wie in manchen Gegenden des griechischen Mutterlandes, als Damia bekannt und gelangte wohl von Tarent aus, wo man nach Hesych zu ihren Ehren das Fest der Δάμεια feierte, nach Rom; dort wurde sie beim Fest der Bona Dea verehrt, vgl. Fest. 60,1ff. L.

113 Vgl bei ROSCHER 2, 2, 2931 ff. 114 2.0. (Anm. 94) 1374. 115 Zur ersten vgl. F. BENOIT, Circonscription d’Aix-en-Provence (partie sud). Gala 16, 1958, 432.— [. L. ROBERT, Rerue Études Grecques 79, 1966, nr. 505 sehen in den MHTPQN jedoch keine Beziehung zu einem Mütterkult, sondern erklären das Wort als Eigennamen.

124

Altgriechischer Mütterkult

4. Das Walten und Wirken der góttlichen Mutter Da die kretisch-sizilischen Μητέρες mit den Δαματέρες, wie aufgezeigt, mit großer Wahrscheinlichkeit identisch sind, dürfen wir annehmen, daß auch ihr Wirken und ihre Funktionen gleich waren. Freilich sagen unsere literarischen Quellen wenig darüber aus. Diodor 4,80,4 spricht nur ganz allgemein von Glück und Segen, die von den sizilischen Mntépeg sowohl für die einzelnen Menschen als auch für die Polis ausgehen.!!s Wir können jedoch aus den Funktionen Demeters und Kores auf ihr

Walten und Wirken schließen. Wie wir gesehen haben, werden Demeter und Kore Erdmütter genannt. Demeter ist die ältere Erdmutter; aus ihr ist die jüngere, daher auch Köpn bezeichnet, her-

vorgegangen. Nun wissen wir, daß im Mythos des Alten Orients die Sonne als Tochter der Erde betrachtet wurde (vgl. dazu oben S. 115ff.). Beide zusammen bilden eine uralte Einheit. Wahrscheinlich verbirgt sich auch hinter Kore-Persephone ursprünglich die Sonne, die als Tochter der Erde im Kult zumeist mit Demeter gemeinsam verehrt wurde. Ein Rest dieses Glaubens findet sich offenkundig u.a. noch in Euripides' Phaethon frg. 781,55 NAUCK (Eur. perditarum trag. fragm), wo nach der Überlieferung die Göttin als ab σὺ δ᾽ ὦ πυρὸς δέσποινα, Δήμητρος κόρη angerufen wird," und im Mythos von Kores Anodos und Kathodos. Alle Vegetation in der Natur geht auf die Erdmütter zurück: Demeter wirkt durch ihr Element, die Erde; die Erde kann Fruchtbarkeit jedoch nicht von selbst bewerkstelligen. Sie bedarf ihrer Tochter, der Sonne, die das Leben in der Natur wachsen und groß werden läßt. Es

ist daher nicht zufällig, daß neben Aopía, die mit Demeter identisch ist, im Kult Αὐξησία (zu αὐξω) verehrt wurde.!* Freilich haben sich beide Δαματέρες im Laufe der Zeit so verselbständigt, daß das Wissen um ihre alte kosmische Einheit geschwunden ist.

a. Die göttlichen Mütter als θεσμοφόρω und Spenderinnen der Fruchtbarkeit Das Zusammenwirken von Erde und Sonne ist geregelt und geordnet, es schafft selbst Ordnung in der Natur. Der Mensch ist in die Ordnung der Natur eingebunden, er sieht sich als einen Teil dieser Ordnung. Daher kann er die Δαματέρες als seine Mütter bezeichnen, die nicht nur Ordnung und Satzung (Beonoi) bringen, sondern auch für deren Einhaltung sorgen. Demeter und Kore werden deshalb θεσμοφόρω genannt. Satzung und Ordnung sind aber untrennbar mit Segen und Fruchtbarkeit verbunden. So spendet Demeter gemeinsam mit Kore den Menschen 116 Vorbedingung dafür ist aber, daß ihnen die rechte Verehrung zuteil wird, die sogar von

Orakeln befohlen wurde: ἐνίαις δὲ πόλεσι καὶ πυθόχρηστοι χρησμοὶ προσέταξαν τιμᾶν τὰς θεὰς (sci. Ματέρας). ἔσεσθαι γὰρ τοῖς τοιούτοις τοὺς τε τῶν ἰδιωτῶν βίους εὐδαίμονας καὶ τὰς

πόλεις εὐθενήσειν. 117 NAUCK TGF? 781, 59 hat allerdings mit BOTHE das überlieferte ὦ πυρός ohne einsichtigen Grund zu ὡς πάρος verändert. Daher möchte ich (wie auch WILAMOWITZ

4.0. (Anm. 19] 107) an

NAUCKSs älterer Lesung, die der Tradition folgt, festhalten: zu πῦρ in der Bedeutung von »Sonnenglut, Sonnenlicht vgl. Pind. Pyth. 3,50 und Plat. leg. 865b; mehr dazu in meiner oben (Anm. 59) zitierten Arbeit. 118

Vgl dazu oben S. 119f.

Altgriechischer Mütterkult

125

alle guten Gaben, die sie zum Leben brauchen: nicht nur Feldfrüchte, Obst, Wein und Vieh, sondetn auch Eintracht, Wohlverhalten und Frieden, wodurch die Voraus-

setzungen geschaffen sind, daß ernten kann, wer gesät hat. Kallimachos hat dies in seinem Demeterhymnus, der ein Thesmophorienfest beschreibt, mit den schönen Abschlußversen 134ff. zum Ausdruck gebracht: χαῖρε, θεά, καὶ τάνδε σάω πόλιν ἔν 0' ὁμονοίᾳ Ev τ᾽ εὐηκελίᾳ, φέρε δ’ ἀγρόθι νόστιμα πάντα:

φέρβε βόας, φέρε μᾶλα, φέρε στάχυν, οἷσε θερισμόν, φέρβε καὶ εἰράναν, ἵν᾽ ὃς ἄροσε τῆνος ἀμάσῃ.

That μοι, τρίλλιστε, μέγα κρείοισα θεάων. Demeter und Persephone sind, wie oben festgestellt, Mütter, die das Leben sowohl

der ganzen Polis als auch des einzelnen Menschen beschützen, es segnen und ihm zu jeder Stunde helfend zur Seite stehen. Als Herrinnen der Natur haben sie die Macht dazu. Dabei wird die Macht der Tochter Persephone nicht geringer eingeschátzt als die der Mutter. Persephones Wirkungsbereich beschránkt sich keineswegs auf das unterirdische Reich, dessen Königin sie ist, sondern »sie soll auch auf der Oberwelt herrschen über alles, was lebt und kriecht, und im Kreise der Gótter hóchste Ehre

genieBen«. Das wird ihr jedenfalls schon im homerischen Demeterhymnus 365f. versprochen: δεσκόσσεις κάντων ὁκόσα ζώει τε καὶ ἕρπει, τιμὰς δὲ σχήσησθα μετ’ ἀθανάτοισι μεγίστας.

Mit dem Die ders

δεσπόσσεις wird hier ohne Zweifel auf in singularischer Form meist sie, selten Pluralformen hingegen begegnen häufig an ihrem gemeinsamen Hauptfest, den

ihren Namen Δέσποινα angespielt, mit ihre Mutter Demeter bezeichnet wird. als Epiklesen beider Góttinnen. BesonThesmophorien, wurden sie nicht nur

mit θεσμοφόρω,, sondern auch bewußt als Δέσποιναι und Ilótvi angerufen.

b. Δημήτηρ und Κόρη als Geburtsgöttinnen und als Κουροτρόφος Die Thesmophorien waren ein ausgesprochen weibliches Fruchtbarkeitsfest, an dem man sich des huldvollen Wirkens der beiden góttlichen Mütter versichern wollte. Dieses beginnt schon beim Kindersegen und der Geburt des Menschen. Darum wurde an den Thesmophorien zu Demeter und Kore, ferner zu Ploutos, zu Kalligeneia, zu Kourotrophos u.a. gebetet. Vgl. Aristoph. Thesm. 295ff., wo die Heroldin den Frauen in der Versammlung zuruft: εὐφημία 'oto, εὐφημία 'oto.. εὔχεσθε τοῖν

Θεσμοφόροιν τῇ Δήμητρι καὶ τῇ Κόρῃ καὶ τῷ Πλούτῳ καὶ τῇ Καλλιγενείᾳ καὶ τῇ Κουροτρόφῳ.

119 Vgl. KERN 2.O. (Aum. 17) 2718, $ 9; 2743£., $ 33.

126

Altgriechischer Mütterkult

Von den beiden θεσμοφόριαι Πότνιαι 19 war es verständlicherweise Demeter, in der man vor allem die Mutter sah und unter deren Schutz man daher den Kindersegen,

gute Geburt und das Gedeihen des Kleinkindes stellte. Aus Hesych wissen wir, daB sie in Syrakus und in Tarent mit Eileithyia gleichgesetzt wurde.'2z! Wie diese hatte sie in Höhlen Kult.'2 Eileithyia, oft in der Mehrzahl belegt, ist eine alte kretische Geburts- und Fruchtbarkeitsgöttin, die Beziehungen zu Demeter aufweist und in Italien als Mutter verehrt wurde.'? In den Kreis der Geburtsgöttinnen wird Demeter jedoch nicht nur durch ihre Identität mit der Eileithyia, sondern auch durch die — wie es scheint — bei den Thesmophotien übliche Anrufung der Καλλιγένεια gestellt. Wahrscheinlich war Kalligeneia ursprünglich sogar identisch mit Demeter, was Hesych ausdrücklich s.v. Καλλιγένεια feststellt. Dafür würde auch das in Pergamon als Beiname der Demeter überlieferte Καλλιγόνη sprechen. Die Göttin wacht jedoch nicht nur darüber, daß die Geburt gut verläuft und ein schönes Kind das Licht der Welt erblickt, sondern sie beschützt das Kind auch wei-

terhin (vgl. das Epitheton παιδοφίλη). Als Mutter zeichnet sie sich durch ihre Liebe zu ihren Kindern aus, die sie nährt und aufzieht. Sie wird daher καιδοφίλη, παιδοτρόφος, τρόφος oder häufig κουροτρόφος genannt, ein Epitheton, das in Athen

sonst besonders Ge eigen ist.1# Für Persephone ist zwar keiner dieser Beinamen belegt, doch wurde sie in Unteritalien und Sizilien, wo orphische Vorstellungen besonders stark ausgeprägt waren, nicht nur als Herrscherin über die Unterwelt, sondern gerade auch als ausgesprochen mütterliche Gottheit des Diesseits verehrt, unter deren Schutz die Frauen ihr eheliches Leben und ihre Nachkommenschaft stellten. HADZISTELIOU PRICE bemerkt von ihr treffend: »She is, like Hera, both a matron and maiden, and a Kourotro-

phos«!'7 Als eine solche Gottheit begegnet sie uns in Locri Epizephyrii.!? Auf den ihr geweihten Tonreliefs ist sie dort, worauf E. SIMON hingewiesen hat," Kourotro-

phos sowohl eines männlichen als auch eines weiblichen Kindes. Der Knabe ist wahrscheinlich (nach SIMON) Dionysos. Persephone war im Heiligtum von Locri offensichtlich Hauptgottheit, Demeter hingegen spielte in diesem Kult fast keine Rolle.1#

120 121 122 123

So genannt in einer Inschrift aus der Mykale in Jonien; vgl. KERN 2.0. (Anm. 17) 2744. Vgl s.v. Ἐπιλυσαμένη. Vgl HADZISTELIOU PRICE 2.0. (Anm. 4) 182. Vgl Der Kleine Pauly 2, 1967, 212 s.v. Eileithyia (W. FAUTH) und S. PINGIATOGLOU,

Eïkithyia, 1981; siehe dazu auch die Rezension von C. ISLER-KERÉNYI, Gnomeon 57, 1985, 259ff.

124 Vgl. NILSSON 2.0. (Anm. 1) 465. 125 Vgl A. IPPEL, Die Arbeiten zu Pergamon 1910-1911, 2: Die Inschriften. Atben. Mitt. 37, 1912, 288, nr. 18. BURKERT a.O. (Anm. 2) 368 hingegen glaubt, daß die Καλλιγένεια sowie die Koopotpóqoc ausschließlich im Ritual existiert habe und keiner anderen Gottheit gleichgesetzt sei. Schon USENER a.O. (Anm. 51) 122 sah in beiden nur Sonderpótter. 126 Vgl HADZISTELIOU PRICE 2.0. (Anm. 4) 190f. s.v. Demeter und Ge. 127 Ibid. 172. 128 Vgl. M. TORELLI, I culti di Locri. Loci Epizefin. Atti del XVI. Convegno di Studi sulla Magna Greda

(Taranto,

3-8 ottobre

1976),

1977,

159ff.

und

C.

SOURVINOU-INWOOD,

Persephone

and

Aphrodite at Locri: A Model for Personality Definitions in Greek Religion. JHS 98, 1978, 101f£., mit weiterer Literatur. 129 SIMON, Criteri per l'esegesi dei pinakes locresi. Prospettiva 10, 1977, 15ff., ead., Gnamon 53, 1981, 218: Besprechung von HADZISTELIOU PRICE, Kourotrophos (Anm. 4). 130 Vgl. Anm. 128, davon SOURVINOU-INWOOD a.O. 118.

Altgriechischer Mütterkult

127

c. Die göttlichen Mütter als Hochzeitsgöttinnen Die Ehe ist ein wesentlicher Bestandteil der Satzungen des menschlichen Lebens, die auf Demeter und Kore als θεσμοφόρω zurückgeführt wurden. Sie schafft nicht nur Fruchtbarkeit, sondern auf ihr beruht auch jede gesellschaftliche Ordnung und jeder Staat. So heißt es bei Servius zu Aen. 4,58, der den Philhellenen Calvus zitiert, von

Demeter (Ceres) bei den Römern: dicunt favere nuptiis Cererem, quod prima nupserit low et condendis urbibus praesit, ut Calvus docet, et [eges sanctas docuit et cara iugamt corpora conubiis et magnas condidit urbes. Demnach spielte auch die Priesterin des Thesmophorienfestes bei der Hochzeit eine wichtige Rolle; sie gab dem jungen Brautpaar Lehren in die Ehe mit. Die Funktion von Demeter und Kore als Hochzeitsgöttinnen geht aber auch aus ihrer im Kult häufigen Verbindung mit Aphrodite und den Nymphen hervor. Pausanias 2,11,3 berichtet uns von einem in der Argolis gelegenen Heiligtum der Demeter Prostasia und der Kore, wo im sogenannten Νυμφών

Frauenfeste neben

Festen für Mánner gefeiert wurden. Von den Nymphen wissen wir, daf sie nicht nur als Geburtsgöttinnen und Κουροτρόφοι, sondern auch als Ehestifterinnen und Förderinnen der Fruchtbarkeit verehrt wurden. M. TORELLI und C. SOURVINAUINWOOD konnten außerdem zeigen,** daß Persephone in Lokri von Mädchen als Hochzeitsgöttin angerufen wurde. Dies beweisen u.a. die in ihrem Heiligtum gefundenen Weihgeschenke wie Bälle, Spiegel, Salbgefäße und Tonpuppen, womit die Stifterinnen den Abschied von ihrer Kindheit und den Eintritt in die Ehe zum Ausdruck bringen wollten.

d. Die göttlichen Mütter als Retterinnen in Not und Tod Zu den Eigenschaften einer Mutter gehört es, für ihre Kinder stets dazusein; sie will ihnen nicht nur Glück und Segen erwirken, sondern ihnen auch in Not, Leid und

Tod zur Seite stehen. Daß man sich daher ganz besonders in Kampf und Not an die Mutter um Hilfe wendet, ist ein urmenschlicher Zug. So erklärt sich z.B. der Nothelferaspekt mütterlicher Gottheiten, besonders im Zusammenhang mit der Religiosität der Soldaten. Der Soldat stellt sich bewußt unter den Schutz einer Muttergottheit. Dies läßt sich bei vielen Völkern nachweisen, insbesondere bei Kelten und Germa-

nen, und auch im Christentum sehen wir oft die Beziehungen zwischen soldatischer Frömmigkeit und Marienverehrung stark ausgeprä Bei den Griechen, vor allem in Sizilien, waren es Demeter und Kore, die die

Funktionen im Sinne persönlicher Schutzgeister der Soldaten wahrnahmen, doch erscheint Persephone auch alleine in dieser Rolle. Daher weihte man den Mntépec

die Rüstungen und Waffen. Die oben angeführten Zeugnisse sprechen eine beredte 131 Vgl Plut. praec. coniug. 1 ( = mor. 138 B); siehe dazu auch KERN a.O. (Anm. 17) 2752. 132 Vgl dazu NILSSON a.O. (Anm. 1) 248ff. RE 17, 1937, 1547ff. s.v. Nympha (W. RUGE), MUTHMANN a.O. (Anm. 83) 95, mit weiterer Literatur. 133 Vgl TORELLI 2.0. (Anm. 128) 147ff; dazu auch SIMON a.O. (Anm. 129) 218£ und SOURVINOU-INWOOD a.O. (Anm. 128) 103ff. 134 Vgl dazu H. BIRKHAN, Germanen und Keien bis zum Ausgang der Römerzeit. SAWW 272, 1970, 515; 535, F. HEILER, Die Hauptmotive des Madonnenkults. Zeitschr. Theologie x. Kirche N.F. 1, 1920, 431ff; zur christlichen Marienfrömmigkeit vgl. mit weiterer reicher Literatur bes. STAUFFER 2.0. (Anm. 2) 1487fF.

128

Altgriechischer Mütterkult

Sprache.

Nicht ohne Grund

hat Persephone deshalb zuweilen den Beinamen

Σώτειρα erhalten. Aber auch Demeter war die Rolle der rettenden und schützen-

den Mutter eigen, was aus dem Ausdruck σάω im Gebet des Kallimachos an die Göttin (Dem. 134) oder ihrem Beiwort Φυλάκα auf einer thessalischen Inschrift des 1. Jahrhunderts v.Chr. (ppl. Epigr. Graecum 17, 1960, nr. 288) deutlich hervorgeht. Ihre schützende Funktion als Hüterin des Eingangs zu einem Ort zeigt sich ebenso in ihrem Epitheton IIvAaío.t? Nicht weniger war bei Demeter von alters her die Funktion einer Heilgottin ausgeprägt, worin sich ebenso einer ihrer mütterlichen Aspekte zeigt. Schon die Verbindung mit Iasion,'® dem sie in Kreta Ploutos, den Gott des Reichtums und der Fülle,

geboren hat, stellt sie in die Nähe der Heilgottheiten, ebenso u.a. ihre Kultgemeinschaft mit Asklepios in Athen und Epidauros. In Eleusis erscheint sie als eine Göttin, die Augenkrankheiten heilt, und in Patrai suchte man bei ihr ganz allgemein als Heilgótun Hilfe an einer Quelle vor ihrem Heiligtum.!» Zur Rolle der Demeter als Heilgöttin paßt auch die mütterliche Fürsorge, die sie dem Menschen in seinem Tod zuteil werden läßt. Dabei ist Demeter die Mutter, von der ZUNTZ mit Recht festgestellt hat, daß sie ihre Kinder selbst nach dem Tod unter

ihren Schutz nimmt. Das erklärt, warum man als Grabbeigaben häufig Statuetten weiblicher Gottheiten vom Typ einer Kourotrophos gefunden hat und warum die Toten bei Plutarch mor. 943b Δημήτρειοι genannt werden konnten.!* Als Erdgóttin nimmt sie die Verstorbenen auf, um sie als Mutter mit neuem Leben zu versehen.

Daher ist Demeter nicht zu einer Totengöttin geworden. Der Tod der Menschen ist nicht ihr Werk; dieser wird von Persephone, der Herrin der Unterwelt, herbeipeführt? Aber auch diese Göttin erweist sich vor allem in der Vorstellungswelt der Orphiker als Mutter. Persephone wird z.B. in einem aus Kreta stammenden orphischen Epigramm des 2. Jahrhunderts v.Chr. mit Kybele gleichgesetzt und als Πάντων Μάτηρ angerufen.'^ Mütterlich faßt sie die Verstorbenen selbst an der Hand und geleitet sie ins Jenseits zur Schar der Seligen, wie dies das schóne aus Paros (2. Jhdt. v.Chr) stammende und auf eine gewisse Soteira verfaßte Grabepigramm 218,15f. (KAIBEL) bezeugt: ἀλλὰ σύ, καμβασίληα θεά, κολυώνυμε κούρα, τήνδε ἄγε ἐπ᾽ εὐσεβέων χῶρον ἔχουσα χερός.

Der Mensch weiß sich nach einem leidvollen und beschwerlichen Lebensweg am Busen der Göttin geborgen, und so wird Persephone zu einer Κουροτρόφος der Un-

135 Vgl oben S. 120; 121. 136 Vgl dazu BRÄUNINGER a.O. (Anm. 57) 972, WILAMOWITZ a.O. (Anm. 19) 107£. 137

Vgl z.B. Kallim. epigr. 39; dazu auch KERN 4.0. (Anm. 17) 2716.

138 Vgl dazu USENER a.O. (Anm. 51) 156f. 139 Vgl dazu KERN a.O. (Anm. 17) 2752f, id., Darstellungen der Góttermutter in Boiotien. AA 1937, 4728. 140 aO. (Anm. 60) 111. 141 Vgl. oben S. 128f. 142 Vgl z.B. Epier. Graea 244,1ff. KAIBEL und weitere Belege bei BRÄUNINGER 2.0. (Anm. 57) 967. 143 Vgl Orphicorum fragmenta, ed. O. KERN 1922 (Nachdruck 1963) 106, nr. 32b IV,1; dazu ausführlich id., Orphiker auf Kreta. Hermes 51, 1916, 554ff., bes. 557£f.

Altgriechischer Mütterkult

129

terwelt. Auf einem in Thurii gefundenen orphischen Plättchen (4.-3. Jhdt. v.Chr.) heißt es:i^

xOxAo[v] δ᾽ &Eéxvav BapuxevOéoc ἀργαλέιοιο,

inepro(ö) δ᾽ ExéBav στεφάνο(υ) ποσί καρκαλέμοισι, Δεσκοίνας δ[ὲ)} ὑπὸ κόλπον ἔδυν χθονίας βασιλείας.

5. Mutter- und Schicksalsgóttinnen Bei einer Reihe von Völkern erscheinen die Muttergottheiten oft identisch mit den Schicksalsgottheiten. Dieser Gleichsetzung liegt der uralte Glaube zugrunde, daB die Mutter, die ihre Kinder von Geburt an Satzung, Ordnung und deren Einhaltung lehrt, dadurch auch deren Schicksal bestimmt. Mutter- und Schicksalsgöttinnen kónnen daher mit demselben Namen bezeichnet werden. Diese Vorstellung laßt sich bereits am Beispiel der anatolischen Hawsahanna ablesen. Der Name stellt, wie oben erwáhnt,^ die Reduplikation eines Lallwortes 5assa- dar, das im Hethitischen die Großmutter bezeichnet. Daß die Funktion des Entscheidens, Richtens bereits mit der Geburt verbunden ist, zeigt sich durch die Gleichsetzung der Hassabanna mit der sumerischen Geburtsgóttin "NIN.TU. Daneben erscheint sie auch mit der sumerischen DINGIR.MAH, das soviel wie »die erhabene Muttergöttin« bedeutet, identisch." Im Götterhimmel des alten Vorderen Orients nimmt Hannabanna eine hervorragende Rolle ein. Eine Biene erscheint als ihre Dienerin, der es gelingt, den verschwundenen Vegetationsgott Telpinu ausfindig zu machen und dadurch eine Periode der Unfruchtbarkeit zu beenden. So bestimmt Hannabanna das Schicksal von Erde und Göttern. Für uns ist aufschlußreich,

daß

diese Muttergöttin

bei den Hethitern

auch in einer Mehrzahl

sumerisch als “MAH"® oder "MALI" wiedergegeben erscheint. Sie treten zumeist

in Verbindung mit den *GUL-se GUL-affef auf, deren Name (zu GUL-(a)f: rmarkieren, Schrift einritzen, schreiben, bestimmen, wie der der hurritischen Göttinnen utena und Hlutellera (zu but vschreiben, markieren), ebenfalls auf Schicksalsgôttinnen weist!*^ Aus

dem

Ritualtext der Tunnawi

wissen wir, daß

sich diese Mutter-

und

Schicksalsgottheiten an Gewässern (sappw- genannt) aufhalten, wo man oft einen Eingang zur Unterwelt vermutete.#

Aus den aufgeführten Phänomenen ergibt sich ein deutlicher Bezug dieser Göttinnen zu den griechischen Δαματέρες, die sich durch eine ähnliche Vorliebe für Gewässer an vermeintlichen Eingängen zur Unterwelt auszeichneten.!% Auffallend ist aber ebenso die große Rolle, die die Biene sowohl im Kult der Hannahanna als auch 144 Orphicorum fragmenta 106, nr. 32c 6-8. 145 Zu Kelten und Germanen vgl. BIRKHAN 20. (Anm. 134). 146 Vgl S. 111. 147 Zur Identität von “Hawnabauna, *NIN.TU und DINGIR. MAL vel mit weiterer Literatur FRIEDRICH 2.0. (Anm. 71) 288, OTTEN, Die Überlieferungen des Telpinu-Mythus. Hethitische Texte 7, 1942, 9£. Anm. 1 und SCHULER (Anm. 33), mit weiterer Literatur. 148 Vgl zu «MAAHIMES, 4M AHHLA, dGUL- se}, Hutma und Huwteliera FRIEDRICH 20. (Anm. 71) 285; 275 und 321 s.vv., SCHULER 4.0. (Anm. 33) 161; 168, GOETZE, The Hittite Ritual of Tunnawi.

American Oriental Series 14, 1938, 55ff. (Komm zu 1, 26). 149 Vgl bes GOETZE a.O. (Anm. 148) 53ff. (Komm. (Anm. 71) 244.

150 Vgl oben S. 118.

zu

1, 25) und

FRIEDRICH

20.

130

Altgriechischer Mütterkult

in dem der griechischen Muttergöttin Demeter und ihrer Tochter Kore spielt. Ihre Priesterinnen hießen Μέλισσαι;"" sie werden bei Hesych mit dem Ausdruck μητροκόλοι umschrieben. Sowohl Bienen als auch Quellen waren von alters her Symbole der Fruchtbarkeit.'% Eine ähnliche Entwicklung, wie sic bei Hannabanna im Alten Orient zu verzeichnen ist, hat sich auch später bei dem slawischen Lallwort baba vollzogen. Baba bezeichnete ursprünglich wie Honnabanna die GroBmutter, alte Mutterc'? In Verbindung mit dem Adjektiv 7443 golden begegnet das Wort schon im Altrussischen, Russisch-Kirchenslawischen und Altserbischen zur Bezeichnung einer Zauberin bzw. eines Gespensts. Bei den Tschechen, Slowaken und Sorben in der Lausitz ist die z/ata bzw. z/ota baba Göttin det Geburt und Kourotrophos zugleich; bei anderen Westslawen wird baba wie bei den Griechen Δημήτηρ bisweilen zur Bezeichnung der Kornmutter und des Getreides verwendet.

|

Die Baba ist jedoch sehr häufig die Schicksalsfrau, die, wie bei den Griechen, Römern, Kelten, Germanen u.a., zumeist in Dreizahl auftritt, um

das Los der Neu-

geborenen durch Spruch zu bestimmen.'* Die Dreizahl ist wahrscheinlich mitbedingt durch die drei wichtigsten Etappen des menschlichen Lebens, Zeugung und Geburt, Hochzeit, Tod, wo sie nicht selten auch persönlich anwesend und mitwir-

kend gedacht werden. Ihre Funktion deckt sich im wesentlichen mit der der griechischen Μοῖραι der »Zuteilerinnen« des menschlichen Schicksals.!55 Sie erscheinen un-

ter mannigfachen Namen: u.a. als bulgar. Nareönice, Orisnice, serbokroat. Sudenice, Rodenice, Orisnice, slowen. Sojenice, Rojenice usw., womit wichtige Funktionen angegeben werden. Als Nareönice (zu reiem »sagen, sprechen) bestimmen sie das Leben des Menschen, indem sie bei seiner Geburt wie die Moiren an die Wiege herantreten, durch ihren Schicksalsspruch;'*s als Rodenice, Rojenice (zu roditi »gebáren) wird ihre Funktion als Geburts- und Fruchtbarkeitsgöttinnen erkennbar, indem sie die Sippe (rod) mehren, als Sudenice, Sojenice (zu soditi urteilen«) bestimmen sie nicht nur das Leben des Menschen, sondern wachen auch über die Einhaltung von Normen. Als Oris (aus griechisch ópíGew begrenzen.) setzen sie dem Leben eine Grenze und geleiten die Verstorbenen in die Ewigkeit. Die Identität dieser Göttinnen mit den Babe spiegelt sich auch deutlich in der Bedeutungsentwicklung von bulgarisch baba »Großmutter,

alte Mutter zu Stützbalken, Grenzstein« Die Gleichsetzung konnte deswegen erfolgen, weil man in der baba nicht nur die liebevolle Mutter, sondern auch eine das gan-

ze Leben des Menschen bestimmende und tragende Gestalt sah.

151 Vgl. RE 15, 1931, 525 s.v. Melissa (3) (VAN DER KOLF). 152 So schon im Glauben Altanatoliens. Vgl dazu HAAS a.O. (Anm. 68) 88f. u. 53f£, zur Bedeutung der Quelle vgl. die besonders eingehende Monographie von MUTHMANN (Anm. 83). 153 Vgl. im folgenden zur Bedeutung von baba mit Belegen L. SADNIK u. R. AITZETMÜLLER, Vergleichendes Wörterbuch der slawischen Sprachen. Lief. 1, 1963, 61f£., nr. 102. 154 Vgl dazu ausführich R W. BREDNICH, Volkserzäblungen und — V'olesglaube von den Schicksalsfranen. Academia S cientarium Fennica, FF Communications 81, 1, nr. 193, 1964, 172ff., mit weiterer

Literatur sowie VERF., Die Moiren in Aischylos’ Ewmeniden 956-967. WS N.F. 13, 1979, 47 Anm. 29. In diesem Band S. 187.

155 Zu peiponon vgl. FRISK a.O. (Anm. 17) 2, 196 u. 249, CHANTRAINE 2.O. (Anm. 17) 678f. 156

So z.B.

bei der Geburt

von

Meleager.

Vgl.

dazu

ausführlich

mit weiterer Literatur VERF.,

Homer und das Märchen. WS N.F. 15, 1981, 57f. 157 Vgl E. SCHNEEWEIS, Grundriß des Volksglaubens und Volksbrauchs der Serbokroaten, 1935, 16 u. 64.

Altgriechischer Mütterkult

131

Bei den Griechen hingegen finden wir die Identität göttlicher Mütter mit Schicksalsfrauen nicht, obwohl manche ihrer Funktionen als gleich erscheinen mögen. Man bittet die Μοῖραι wie die Μητέρες um Fruchtbarkeit und um Hochzeit;! sie werden

ebenso zu jeder anderen Zeit des Lebens um segensreiches Wirken angerufen. Eine aus dem Kreis der Schicksalsgöttinnen bestimmt auch den Tod des Menschen Geburt, Hochzeit und Tod sind ja Teil der göttlichen Satzung, die sowohl in die Kompetenz der göttlichen Mütter als θεσμοφόρω als auch in die der Μοῖραι fallen. Wir finden daher Demeter und Kore des öfteren in Gemeinschaft sowohl mit den Μοῖραι als auch mit anderen Gottheiten, die über diese Bereiche des menschlichen Lebens walten, dargestellt. Ich kann hier nur auf weniges zur Illustration verweisen: Pausanias 3,19,4 berichtet z.B., daß am Altar von Amyklai Deineter, Kore und Plouton in Gesellschaft der Moiren, Horen, der Aphrodite, Athene und Artemis erschienen, in Akrokorinth befand sich (nach demselben Autor 2,4,7) ein Tempel der

Moiren, der Demeter und Kore, der Hera Bounaia und der Aphrodite. Besonders interessant ist eine Reihe von korinthischen Vasen, von denen eine ein Bild Deme-

ters mit der kleinen Kore und der Moira zeigt; auf einer anderen sind links Demeter und Kore in stehender Haltung, rechts die Moira mit dem Spinnrocken, dem typischen Zeichen der Schicksalsgöttinnen, abgebildet. Pausanias 1,19,2 weist auch auf

eine athenische Inschrift hin, in der die »Himmlische Aphroditex τῶν καλουμένων Μοιρῶν πρεσβυτάτη genannt wird, so daß wir die häufige Verbindung der Δαματέρες tnit dieser Göttin im Kult verstehen.!% | Demeter und Kore weisen als Mütter daneben noch andere Gemeinsamkeiten mit den Schicksalsgöttinnen auf. Wie die Μοῖραι und die entsprechenden Sojenice usw. bei den Slawen rächen sie als Hüterinnen der Ordnung und des Rechts den Frevel.!# Bei Plutarch Marc. 20, der Poseidonios zitiert,!#' findet sich der Glaube, daß die

Mntepeg ungebührliches Verhalten ihnen gegenüber mit Wahnsinn und Besessenheit ahnden.!# Ebenso bestrafen z.B. die Sojenice einen Sünder.# Auch finden wir Kore und Persephone (sic!), Plouton u.a. zusammen mit Moipeg καταχθονίες (sicl) als strafend-rächende Gottheiten auf einer Fluchtafel genannt.'* 158 Zur Funktion der Moiren als Hochzeits- und Fruchtbarkeitsgottheiten vgl. ausführlich VERF. 2.O. (Anm. 154) 276. 159 Vgl dazu auch TORELLI a.O. (Anm. 128) 175ff.

160 Bei Aischyl Eum. 961 werden die Moiren als δαίμοινες ὀρθονόμοι angerufen, und in einem anderen Gebet (frg. mel. chor. adesp. 1018 P — 5 D) fleht man zu ihnen: πέμκετ᾽ ἄμμιν (tüv) ῥοδόκολκον

Εὐνομίαν λικαροθρόνους τ’ ἀδελφὰς Δίκαν καὶ στεφανηφόρον Εἰράναν,

πόλιν τε τάνδε βαρυφρόνων λελάθοιτε συντυχιᾶν.

Mehr dazu bei VERF. a.O. (Anm. 154) 44; 50f. mit Anm. 40. 161 Vgl oben S. 120. 162 Vgl dazu PFISTER 2.0. (Anm. 94) 1373; Wahnsinn und Besessenheit sind überhaupt die Strafe, die auch sonst jemandem zuteil wird, wenn er sich mit überirdischen Wesen einläßt. Einer, der

dies bei Petron. 63,10 getan hat, stirbt als phrewetiow. 163 Vgl z.B. die Geschichte, die J. KELEMINA, Bake in pripovedke siovenskega Fudstva, 1930, 163, nr. 109 berichtet: Darin strafen die Sojenice einen Dieb mit einer solchen Besessenheit, daß er täglich dreimal die Mur schwimmend überqueren muß. Letztlich rettet ihn eine Statuette der Muttergottes, die er bei sich trágt, vom Dann. 164 Vgl Text und Kommentar bei R. WÜNSCH, Neue Fluchtafeln. RAM N.F. 55, 1900, 69; zu Moiren in der Unterwelt vgl. auch Aristoph. ran. 453 mit weiterer Literatur dazu im Kommentar von L. RADERMACHER. SAWW 1984 (1921; 71954, besorgt von W. KRAUS).

132

Altgriechischer Mütterkult

Bei all diesen Gemeinsamkeiten, die die Moiren mit den Μητέρες aufweisen, dürfen doch nicht die großen Unterschiede zwischen ihnen übersehen werden: (1.) Die göttlichen Mütter bilden bei den Griechen eine Zweizahl, da sie mit Demeter und Kore identisch sind. Hinter dieser Zweizahl verbirgt sich die uralte Einheit von Erde und Sonne, Δαματέρες oder einfach Μητέρες genannt. Die Moiren hingegen treten zumeist in einer Dreizahl auf. (2.) Die göttlichen Mntépes werden bei den Griechen ebensowenig Μοῖραι genannt wie die Schicksalsgöttinnen Μητέρες. Die Moiren teilen dem Menschen seinen Teil,

den er im Leben zu tragen hat, zwar zu, doch weder schützen sie ihn noch sorgen sie mütterlich für ihn. Die Μοῖραι (oder Μοῖρα) sind die Gottheiten, die bestimmen und zwingen. Dieser Zwang ist so stark, daß sich ihm selbst Zeus beugen mul. Nicht ohne

Grund erscheint daher die älteste der Moiren, Aphrodite, als Mutter der Anan-

ke. Aphrodite zeigt sich den Griechen als eine schicksalhafte, zwingende Urmacht,

die oft als Übel empfunden wird, dem weder Götter noch Menschen entfliehen können. Ebensowenig kann jemand der Μοῖρα entgehen, die den Todestag (μόρσιμον ἦμαρ 15) des Menschen bestimmt. Wie weit entfernt sind die Griechen von der Vorstellung der Völker, bei denen die Muttergöttin zugleich Schicksalsgöttin ist und der Todestag wie in einem hethitischen Text als asa? Siyat ‚Tag der Mutter bezeichnet werden kannl'? Der griechische Mensch sieht im Mütterlichen nichts BestimmendZwingendes. Die Mutter ist für ihn nur Inbegriff der liebevollen Fürsorge, des Schutzes, des Rechts und der Ordnung, des Heils, der Fruchtbarkeit und des Lebens ihrer Kinder. All das hat er in seinen Müttern Demeter und Kore verwirklicht gefunden.

165 Vgl E. FRAENKEL (Hrsg.), Acschylus Agamemnon, 3: Commentary, 1950, 729£. (zu v. 1535£) und VERF. 4.0. (Anm. 154) 43. 166 Vgl Orph. hymn. 55 Bei Mosch. frg. 2 N.? hingegen erscheint die Moira der Ananke

gleichgesetzt:

ὦ καὶ θεῶν κρατοῦσα καὶ θνητῶν μόνη Moip', ὦ λιταῖς ἄτεγκτε δυστήνων βροτῶν, πκάντολμ΄ ἀνάγκη ...

167 Hom. Il. 15,615 und Od. 10,175. 168 Vgl dazu mit Belegen und Literatur1. PUHVEL, Hittite Etymological Dictionary 1, 1984, 56 s.v. Gmha-, ANM-.

Der homerische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtum

Mit den folgenden Ausführungen möchte der Verfasser seines unvergeBlichen Lehrers Albin LESKY dadurch gedenken, daß er ein Problem aufgreift und weiterführt, das LESKY schon früh beschäftigte und dem er selbst in einem Band dieser Zeitschrift einen Beitrag widmete.! Darin hat LESKY u.a. zu beweisen versucht, daß in

Dodona ursprünglich verehrt worden und Dione gewichen sei. kennen, während er

ein altes vorindogermanisches Götterpaar Hellos und Hellotis bei der Besiedelung des Ortes durch die Hellenen Zeus und In Hellos wollte LESKY den alten ägäischen Himmelsgott erHellotis als Erdgöttin deutete. Freilich muß gleich angemerkt

werden, daß sowohl Hellos als auch Hellotis als Götternamen von LESKY

nur er-

schlossen sind: Hellos aus einer mythischen Figur dieser Gegend und Hellotis dann aus Hellos. Daß vor allem gegen diese Schlußfolgerungen von keinem Geringeren als M. P. NILSSON? m.E. berechtigte Einwände erhoben wurden, ist verständlich. Heißt es aber nicht das Kind

mit dem

Bade

auszuschütten, wenn

NILSSON

gleichzeitig

kategotisch einen alten Kult einer Erdgöttin für Dodona leugnet und u.a. dem Beleg bei Pausanias 10,12,10 keine Bedeutung beimißt, nach dem die Priesterinnen, denen

in Dodona die Orakelpflege oblag, folgende Verse gesungen haben sollen: Ζεὺς ἦν, Ζεὺς ἐστίν, Ζεὺς ἔσσεται: ὦ μεγάλε Ζεῦ. Γᾶ καρκοὺς ἀνίει, διὸ κλήζετε Ματέρα γαῖαν.

Auch H. W. ῬΑΚΚῈΡ stellt mit Verweis auf G. RACHET* zu diesen Versen fest: »The second of them should not be cited as evidence for a primitive cult of an Earth goddess at Dodona. There is no indication elsewhere in our evidence to suggest that Zeus had any female predecessor there as apparently at Olympia or as Apollo had at Delphi«

Von den beiden Versen darf man sicherlich sagen, daB sie jüngeren Datums sind; die sich dahinter verbergende Vorstellung von einem Götterpaar, in dem wir als weibliche Komponente die Erde zu sehen haben, kann hingegen uralt sein. Bei einer von mir durchgeführten Untersuchung der Tradition hat sich nämlich ergeben, daß Pausanias' Zeugnis, das auf den Kult einer Erdgöttin in Dodona schließen läßt, nicht das einzige ist. In der Antike muß es doch noch eine stärkere Erinnerung daran gegeben haben, als wir heute davon Kenntnis haben.

LESKY macht in seiner genannten Abhandlung mit Recht auf eine Notiz im Eiymologicum Magnum aufmerksam, wo es von Dione, die in historischer Zeit neben Erstveröffentkichung in: Wiener Studien 99, N.F. 20, 1986, 69-85 (Wien: Verl. der Österreichischen Akademie der Wissenschaften). 1 Hellos-Hellotis. WS 46, 1928, 48-67, 107-129. 2 Geschichte der griechischen Religion 1, 5. durchges. u. erg. Aufl, München 1967, 427 Anm. 2. 3

4

The Oracks of Zeus. Dodona,

Olympia, Ammon, Oxford 1967, 160.

Le sanctuaire de Dodons. Origine et moyens de divination. BAGB 4, 1, 1962, 88.

134

Der homerische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtum

Zeus in Dodona

verehrt wurde, heißt: ἣ αὐτὴ γάρ ἐστι τῇ γῇ. Wenngleich

diese

Nachricht ebenfalls spät ist, so kann man sie dennoch keineswegs einfach abtun, denn sie wird so wie die Stelle bei Pausanias gestützt durch weitere Notizen, aus denen sich die Verehrung der Erde in Dodona erschließen läßt: Stephanus von Byzanz zitiert nämlich in seinem äußerst wertvollen Kapitel s.v. Δωδώνη u.a. aus dem ersten Buch von Apollodors Abhandlung Περὶ θεῶν (FGrHis 244, frg. 88 JACOBY): »᾽Ακολλόδωρος ... τὸν Δωδωναῖον οὕτως ἐτυμολογεῖ- »καθάπερ οἱ τὸν Δία Δωδωναῖον μὲν καλοῦντες ὅτι δίδωσιν ἡμῖν τὰ ἀγαθά, Πελασγικὸν δὲ ὅτι τῆς γῆς πέλας ἐστίν.« Die hier gegebenen Etymologien, die ganz in der Tradition det stoischen Mythenallegorie stehen, mögen tóricht erscheinen, doch konnte τῆς γῆς πέλας ἐστίν nur

gesagt werden, wenn man von einer Verbindung des Zeus mit der Erde in Dodona noch wußte. Diese Vorstellung wird von den alten und besten Scholien ( = b AT ERBSE) zu Hom. Il. 16,233 bestätigt, die zu Auöwvaie im Zeusgebet des Achill ausdrücklich vermerken: : Τινὲς δὲ Δωδώνην τὴν γῆν, καρόσον πάντα δίδωσι. Auf Grund der Ortsnamenforschung wissen wir, daß Toponyme ihren Ursprung oft im Kult haben. Orte werden im Altertum nach den Namen von Gottheiten oder Heroen — wie bei den Christen nach den Namen von Heiligen — benannt, die dort verehrt werden. Wir dürfen daher auch bei Dodona annehmen, daß es sich um einen

theophoren Ortsnamen handelt, was schon die antiken Zeugnisse ausdrücklich festhalten.5 Scholien zu Hot. IL 16, 233 nennen Dodone eine Okeanide, die dem Ort

den Namen verliehen habe. Dies wird uns bestátigt durch den in neronischer Zeit lebenden Epaphroditos (frg. 55 LUENZNER), der sich in seinem Kommentar zu Kallimachos' Aitien (frg. 53 PFEIFFER) auf Thrasybul (FHG 2, 464 MÜLLER) beruft, ferner durch das Etymologicum Magnum s.v. Δωδωναῖος und durch Eustathios zu Hom.

IL 2,750, p. 335,45.

Freilich war Dodona nicht die einzige Bezeichnung, die wir für den Ort kennen. So wird er bei Sophokles Trach. 172, frg. 455 RADT ( = PEARSON, 417 NAUCK?, frg. 460 (422 NAUCK?, frg. 461 (423 NAUCK?), Kallimachos frg. 483 (PFEIFFER) und Euphorion frg. 2,1 (Coll Alex., POWELL) Δωδών genannt. Dies ist aber gleichzeitig der Name des Hauptflusses dieser Gegend, und Dodon (bzw. Dodonos) war auch die Bezeichnung des männlichen Heros eponymos von Dodona.* Aus

Stephanus

von

Byzanz

248,7f.

MEINEKE

( =

Herodian.

1,336,32f.

und

347,25f. LENTZ) erfahren wir, daß der alexandrinische Dichter Sim(m)ias aus Rhodos (300 v.Chr.) die Form Δωδώ anstatt Δωδώνη gebrauchte; frg. 10 (Coll. Alex. POWELL) sagt er: Ζηνὸς ἕδος Kpovibao μάκαιρ᾽ ὑπεδέξατο Audi.

5

Vgl auch Steph. Byz. 247,10. MEINEKE = Herodian. 1, 336,24ff. LENTZ; dazu KERN, Do-

dona. RE 5, 1, 1903, 1258 und ESCHER, Dodone ibid. 1265. Nach anderer antiker Überlieferung galt

Δωδώνη auch als Tochter des Zeus: vgl. Eustath. zu Dionys. perieg. 5,428 ( = Geogr. Graea min. 2, 298 MÜLLER).

6

Vgl. Steph. Byz. 247, 12ff. MEINEKE zu Δωδώνη ( = Herodian. 1,336, 26ff. LENTZ bzw.

FHG 2, 464 MÜLLER): ᾿Ακεστόδωρος δὲ ἀπὸ Δώδωνος (so MEINEKE; cod. Coisl. und epit. hingegen Δωδώνου dieselbe Form auch cod. T der Schol. Hom. IL 16,233 [51] ERBSE) τοῦ Διὸς xai Ευρώκης εἰκὸς δὲ ἀπὸ Δώδωνος ποταμοῦ ὅν παρατίθησιν ὁ τεχνικὸς ἐν tà a' τῆς καθόλου λέγων οὕτως νΔώδων ποταμὸς "Hreipous, Eust. zu Dion. Periheg. 5,428 ( = Geogr. Graea min. 2, 298 MÜLLER) sowie id. zu Hom. IL 2,750, p. 335, 45f.: ὠνομάσθη δὲ ñ Δωδώνη ἀπὸ Δωδώνης, ἡρωίδος À Ὠκεανίδος νύμφης, À ἀπὸ Δώδωνος ποταμοῦ ἐλέγετο δὲ καὶ Δωδών δισυλλάβως.

Der homerische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtum

135

Dieser Sprachgebrauch des Sim(m)ias wird außerdem durch Strabo 8,5,3 (C 364) bestätigt: Δωδὼ δὲ τὴν Δωδώνην Σιμμίας.

Der alexandrinischen Gelehrsamkeit entsprechend zeigte Sim(m)ias Vorliebe für seltene Wörter und Formen.’ Wie die hellenistischen Dichter oft alte und wenig bekannte Lokalmythen wieder zum Vorschein brachten, so verfuhren sic vielfach auch bei der Auswahl ihres Wortschatzes. Es ist daher durchaus wahrscheinlich, daß Sim(m)ias ein altes Wort verwendet, das im örtlichen Dialekt von Dodona noch lebendig gewesen ist und das sich, wie in dieser Untersuchung noch aufgezeigt werden soll, im Brauchtum des Balkans bis in die Neuzeit erhalten hat.

Wenn wir Awöß seiner Form nach betrachten, so sehen wir, daß es aus redupli-

ziertem öw besteht. Reduplikationen dieser Art begegnen häufig bei Lallnamen. Sie sind in kleinasiatischen Sprachen ganz geläufig; man vergleiche etwa aus Kappadokien Eigennamen wie Dada, Dudu, Kiki, Nana. Vor allem sind solche Wortdoppelungen im Kult bei der Anrufung von Gottheiten anzutreffen. Ein frühes Beispiel bietet die altanatolische Mutter- und Schicksalsgöttin Hannahanna (banna = Lallname für die Großmutter); Arnobius nat. 5,6 bezeugt z.B. Nasa als Namen

für die kleinasiatische

Magna Mater.* Fragen wir uns nun nach der Bedeutung und dem weiteren Vorkommen des Elements δὼ in Dodo, Dodona, Dodon, so finden wir dieses im ersten Glied des Wortes

Δωμάτηρ. Unter dieser Namensform verehrte die äolisch sprechende Bevölkerung Griechenlands die Göttin, die bei den anderen Hellenen als Δαμάτηρ bzw. Δημήτηρ

angerufen wurde. Auf eine Verbindung zwischen Domater und Dodona haben schon R. MEISTER’ und ©. HOFFMANN! aufmerksam gemacht, allerdings ohne etwas über die Bedeutung der ersten Komponente im Namen der Demeter zu sagen. P. KRETSCHMER war es dann, der in seinem vielbeachteten Aufsatz »Demeter«.

WS

24, 1902, 523ff., das Element δᾶ als uralten Lallnamen für die Erdgöttin erklärte. Er

wiederholte seine Ansicht später nochmals, wobei er ein vorgriechisches Wort in Erwägung zog.!! Die Deutung von Demeter als >Erdgôttinc wurde dann ebenso von vielen anderen vertreten,? während M. P. NILSSON® sich entschieden gegen diese

Interpretation wehrte, weil seiner Meinung nach die Verbindung des Namens der De-

7 8

Vg. H. GÄRTNER, Simmias. Der Kleine Pauly 5, 1975, 200. Vgl dazu P. KRETSCHMER, Einkitung in die griech. Sprache, Göttingen 1896, 334ff., id., Demeter. WS 24, 1902, 525f., W. BRANDENSTEIN, Kappadokia. RE Suppl. 6, 1935, 138f.; zu Hannchanna vgl. E. v. SCHULER, Die Mythologie der Hethiter und Hurriter. In: Wörterbuch der Mythologie, hrsg. von H. W. HAUSSIG, Abt. 1, Bd. 1: Götter und Mytben im V orderen Orient, Stuttgart 1965, 170f. 9

Diegriech. Dialekte, 1: Asiatisch-Äoksch, Böotisch, Tbessaliscb. Göttingen 1882, 75.

10 Die griech. Dialekte in ihrem hist, Zusammenhange mit den wichtigsten. ihrer Quellen 2, Góttingen 1893, 3748. 11 Literaturbericht für das Jahr 1926. Gotta 17, 1929, 240. 12 Vgl z.B. A. DIETERICH, Muster Erde. Ein Versuch über Volksreligion, 3., erw. Aufl., besorgt von E. FEHRLE, Leipzig, Berlin 1925, U. v. WILAMOWITZ-MOELLENDORFF,

Der Glaube der Hellenen 1,

Berlin 1931, 203ff., F. SCHACHERMEYR, Paseidon und die Entstehung des griech. Götterglaubens, München 1950, 13 (dort auch Zusammenstellung älterer Meinungen), L. R. PALMER, Mycenasans and Minoans. "Aegean Prebistory in the Light of Linear B Tablets, 2nd rev. ed., London 1965, 138.

13

(Anm. 2) 456ff., bes. 472.

136

Det hometische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtum

meter mit kretisch δηαί ( = jon. ζειαί, ζεαί »Gerste) genauso möglich sei wie die mit einem Lallwort 9a, δῆ. Auch W. BURKERT" erklärt: »Die im Altertum verbreitete, oft wiederholt aufgegriffene Deutung als >Erdmutten ist weder sprachwissenschaftlich noch inhaltlich einleuchtend«; er hält wie NILSSON daran fest, daß »das Zentrum der Macht und der Gnade der Göttin das Getreide ist.« Gegen die Herleitung des Namens der Demeter von δηαί Gerste: spricht jedoch eindeutig das ὦ in der Nebenform Aouétnp, das dabei unerklärt bliebe. Unwahrscheinlich ist ebenso die von A. J. VAN WINDEKENSIS" vorgeschlagene Etymologie: Er geht beim ersten Wortelement in Δημήτηρ, Δαμάτηρ, Δωμάτηρ von *deià, *dai- d und *dai-o- aus und will die verschiedenen Namensformen zu δεῖπνον bzw.

δαίς, δαιτός, δαίομαι stellen, indem er die Göttin als »Mére de la portion, de la nourriture« deutet. Dagegen hat aber bereits E. P. HAMP! berechtigte Einwände erhoben. Dieser zieht eine Wurzel ΖΗ; in Betracht und führt die Schwankungen Aà (bzw. An-) / Ao- u.a. auf verschiedene Genetivformen eines Nominativs δᾶς zurück, der

seiner Meinung nach auch im Namen des Poseidon begegnet. Ohne jedoch die Bedeutung von *&H, zu erklären, kommt er dann sogar zu der SchluBfolgerung, Demeter sei Mutter (I) des Poseidon. Auch A. HEUBECK! hat dem lautlichen Problem Δαμάτηρ-Δωμάτηρ seine Aufmerksamkeit geschenkt. Er sieht in der Variante a - ὦ

einen alten Wurzelablaut. Dabei weist er das Wort einer älteren vorgriechischen Bevólkerungsschicht indogermanischer Provenienz zu und bringt damit auch (das für ihn spätere) griech. χθών, lat. wmus etc. in Verbindung. Bei seiner Analyse von Demeter kommt er auf die Grundform Γδαν-μάτηρ >Erd-Mutterc deren erstes Glied er

auch in der phrygisch-kleinasiatischen Muttergöttin Γδαμ-μανα, Γδαν-μαα ( = Kybele) wiederfinden will. Entschieden wendet sich HEUBECK daher auch gegen die Deutung von Aà, Aw als einen alten Lallnamen. Für diese Deutung spricht aber m.E. die Reduplikation von δὼ in Dodo, Dodona und Dodon, sind doch bei Lallnamen

Doppelungen, worauf bereits oben bingewiesen wurde," geläufig. Wir müssen uns aber fragen, ob wir auch sonst Indizien haben, die auf eine Ver-

bindung von Demeter und Dodo, Dodona, Dodon schließen lassen. Auch hier war es P. KRETSCHMER,

der, wie schon andere, in seiner oben erwähnten Abhandlung

über

Demeter!’ einen Bezug zu Vers 122 des homerischen Demeterhymnus herstellte, wo

sich Demeter der Überlieferung nach selbst Aóc nennt. Diese Form wurde von vielen akzeptiert, und W. FAUTH? erklärt mit Verweis auf P. PHILIPPSON? Δώς zu einer chthonischen Urgóttin der Pelasger, deren Verwandtschaft mit Demeter nicht abzu-

14

Gniech. Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1977, 248.

15 Δημήτηρ, nom grec d'une déesse égéenne. Sprache 12, 1966, 94ff. Zu Unrecht wird Demeterals »purely Greek word« auch von B. C. DIETRICH, The Origin of Greek Religion, Berlin, New York 1974, 240 erklärt. 16

17

The Name of Demeter. Misos N.S. 9, 1968, 198ff.

Prasgraeca. Sprachliche Untersuchungen zum vorgriechisch-indogermanischen Substrat, Erlangen

1961,

75ff. 18 "Vgl S. 1354. dieser Arbeit. 19 Vgl. P. KRETSCHMER, Demeter (Anm. 8) 526, MEISTER (Anm. 9) 75, HOFFMANN (Anm. 10) 374£, O. KERN, Demeter. RE 5, 1901, 2741 und F. BECHTEL, Die griech. Diakkte, 1: Der Jesbische, tbessaliscbe, böotische, arkadische und kyprische Dialekt, Berlin 1921, 64, $ 78. 20

21

Demeter. Der K/eine Pauly 1, 1964, 1460.

Thessalische Mythologie, Zürich 1944, B1ff.

Der homerische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtum

137

weisen sei. Dem wird man gern zustimmen, wenngleich die Form Ads im Demeter-

hymnus m.E. nicht zu halten ist. Die Überlieferung lautet (122-124): t Δὼς t ἐμοί Y ὄνομ΄ ἐστί: τὸ γὰρ θέτο πότνια μήτηρ νῦν αὖτε Κρήτηθεν ἐπ΄ εὐρέα νῶτα θαλάσσης ἤλυθον οὐκ ἐθέλουσα ...

Det erste Vers ist offensichtlich um eine Silbe zu kurz; es wurden deshalb die verschiedensten Konjekturen vorgeschlagen, die im kritischen Apparat und im Kommentar der Ausgaben von N. J. RICHARDSON? und F. CÀSSOLA? besprochen werden und von denen ich nur die wichtigsten aufführe. RICHARDSON schreibt mit PASSOW Δωσώ, CÀSSOLA mit BRUNCK Δὼς «μὲν», HERMANN und BECHTEL Aoíc,

ALLEN und ALLEN/HALLIDAY/SIKES hingegen setzen die crux desperationis. CÀSSOLA hat sich für Aóc gegen Aucw und die anderen Formen ausgesprochen, da diese sonst nicht bezeugt sind, während sich Δώς bei Hesiod erg. 356 findet. RICHARDSON hat jedoch mit Recht an dem μέν Anstoß genommen, außerdem ist auch Δὼς bei Hesiod wahrscheinlich nur eine ad hoc-Bildung, die als Name nie lebendig war.^ Ich möchte daher an dieser Stelle als Konjektur Δωδώ vorschlagen und schreiben (122): Δωδώ ἐμοί γ᾽ ὄνομ᾽ ἐστί’ τὸ γὰρ θέτο πότνια μήτηρ.

Wie wir gesehen haben, ist Δωδώ als Name belegt. Auch paßt er aus einem anderen Grund bestens in den Zusammenhang: er steht in jener Passage, in der Demeter, um unerkannt zu bleiben, als alte Frau auftritt und behauptet, sie komme aus Kreta. Tat-

sáchlich war Kreta ein altes Zentrum des Demeterkultes und mit dem Demetermythos eng verbunden.5 Wenn nun der Dichter vor dem attischen Publikum, das in Eleusis Demeter verehrte und vor dem der Hymnus ursprünglich gesungen worden sein dürfte,# die Göttin in ihrer Lügengeschichte sagen läßt, sie komme aus Kreta, so tut er dies mit Ironie. Er will damit vor allem die bekannte kretische Tradition, nach

der Demeter und sogar die Mysterien von Eleusis ursprünglich in Kreta beheimatet gewesen seien,” als Lüge entlarven, und man mag sich die kretischen Lügengeschichten des Odysseus dafür als das Vorbild denken. 22 The Homeris Hyres to Demeter, Oxford 1974. 23 Immi Omeria, Milano 1975. 24 "Vgl M. L. WEST, Komm. zu Hes. erg. 356, dessen Angabe insofern zu korrigieren ist, als die Angabe im Eiym. Mags. 293, 48f. GAISFORD sich auf Hesiod bezieht. Auch aus der Notiz in Orions Etymolog. 138, 16 STURZ (καὶ ὡς δώσω δώς, σάω σῶς οὕτω καίσω £oic) geht nirgends hervor, daß es sich bei δώς um einen Eigennamen handelt. 25 Vgl. RICHARDSON, Komm. z.St. und WEST zu Hes. theog. 971, mit weiterer Literatur. 26 "Vgl RICHARDSON, Introd. 6: »It seems clear that the poet of our Hymn, if not of necessity himself from Attica ..., was at least intimately acquainted with Eleusis, its topography and ritual, and was probably composing for recitation to an Attic audience.« 27

Vgl Diodor 5,77: Περὶ μὲν οὖν τῶν θεῶν ol Κρῆτες τῶν παρ᾽ αὐτοῖς λεγομένων γεννηθῆναι τοιαῦτα

μυθολογοῦσι τὰς δὲ τιμὰς καὶ θυσίας καὶ τὰς κερὶ τὰ μυστήρια τελετὰς ἐκ Κρήτης εἰς τοὺς ἄλλους ἀνθρώκους

παραδεδόσθαι λέγοντες τοῦτο φέρουσιν, ὡς οἴονται, μέγιστον τεκμήριον τήν τε γὰρ παρ’ ᾿Αθηναίοις ἐν Ἐλευσῖνι γινομένην τελετήν, ἐπιφανεστάτην σχεδὸν ἁκασῶν, καὶ τὴν Ev Σαμοθράκῃ καὶ τὴν ἐν Θράκῃ ἐν τοῖς Κίκοσιν,

ὅθεν ὁ καταδείξας Ὀρφεὺς ἦν, μυστικῶς παραδίδοσθαι, κατὰ δὲ τὴν Κρήτην ἐἐν Κνωσῶ νόμιμον ἐξ ἀρχαίων εἶναι φανερῶς τὰς τελετὰς ταύτας πᾶσι παραδίδοσθαι, καὶ τὰ καρὰ τοῖς ἄλλοις ἐνà ἀκορρήτῳ παραδιδόμενα Kap’ αὐτοῖς

μηδένα κρύπτειν τῶν βουλομένων τὰ τοιαῦτα γινώσκειν. τών γὰρ θεῶν φασι τοὺς πλείστους ἐκ τῆς Κρήτης

ὁρμηθέντας ἐκιέναι πολλὰ μέρη τῆς οἰκουμένης, εὐεργγετοῦντας τὰ γένη τῶν ἀνθρώπων καὶ μεταδιδόντας ἐκάστοις

138

Der homerische Demeterhymnus, Dodons und südslswisches Brauchtum

Wollte der Autor des Hymnus diese Tradition ins Lächerliche ziehen, dann dürfen wit das gleiche wohl auch bei der Nennung des Namens der Góttin in der Lügengeschichte annehmen. Es kann sich also m.E. auch beim Namen nicht um eine bloße Erfindung des Sängers handeln. Viel wahrscheinlicher ist doch, daß auch hier auf eine nichteleusinische Überlieferung angespielt wird, in der Demeter unter einem anderen Namen verehrt wurde. Nicht ohne Grund hat der Dichter gerade den Kultnamen aus Dodona gewählt, dürfen wir doch vermuten, daß die Festteilnchmer in Eleusis von einer Identifikation ihrer Demeter mit einer Göttin des Nordens, die

dort als Dodo bezeichnet wurde, Kunde hatten. Durch die Gleichsetzung von Demeter mit Dodo in der Lügengeschichte der Göttin will der Verfasser des Hymnus

meiner Meinung nach auch diese Tradition des nördlichen Hellas als unwahr hinstellen. Akzeptiert man die von mir vorgeschlagene Konjektur Ao im homerischen Demeterhymnus 122, dann ergibt sich daraus, daß es sich bei Dodo und Demeter um ein und dieselbe Göttin handelt. Aber auch im Kult gibt es einiges, das auf eine Beziehung zwischen Demeter und Dodo(ne) schließen läßt. Pausanias 9,8,1 berichtet aus dem böotischen Potniai,

wo Demeter und Kore verehrt wurden und dem Ort auch den Namen gaben, von einem Brauch, der mit einem Ritus der eleusinischen Thesmophorien identisch ist. Man warf Ferkel in unterirdische μέγαρα und glaubte, daß sie im nächsten Jahr in

Dodona wieder zum Vorschein kommen.® H. W. PARKE? erklärt dazu: »Here it is most likely that the idea of undergronnd link between Boeotia and Dodona derives from associations in cult. Evidence for a ritual like the Thesmophoria at Dodona is otherwise lacking, but it may well have existed there.« Vergessen wir nicht, daß Demeter überhaupt im Kult und im Mythos der nördlichen Gegenden von Hellas eine große Rolle spielte. Diodor erwähnt an der oben zitierten Stelle? Demetermysterien in Thrakien und Samothrake, ferner ein hochberühmtes Heiligtum der Göttin in einer fruchtbaren Ebene Thessaliens, die Δώτιον benannt und ursprünglich von Pelasgern besiedelt war (5,61,1£).* Mit Recht hat man seit R. MEISTER? auf das Element δὼ in Δώτιον"" aufmerksam gemacht und es mit Δω(μάτηρ) und Δωδώνη in Verbindung gebracht.

Durch das angeführte sprachwissenschaftliche und religionsgeschichtliche Material hoffe ich aufgezeigt zu haben, daß wir in Dodona mit guten Gründen den Kult einer alten Göttin annehmen dürfen, die freilich nicht Hellotis hieß, wie LESKY meinte, sondern eine nórdliche Erscheinungsform der Demeter darstellte und auch unter dem Namen Δωδώ(νη) verehrt wurde. τῆς ἐκ τῶν ἰδίων εὑημάτων ὠφελείας. Δήμητραν μὲν γὰρ περαιωθεῖσαν eig τὴν ᾿Αττικὴν ἐκεῖθεν εἰς Σικελίαν ἀκᾶραι...

28

Vgl. dazu ausführlich 1. G. FRAZER, Komm. z.St., Pausanias, Description of Greece 5, London

1913, 29£.

29 The Oracles of Zeus (Anm. 3) 153. 30 Vgl S. 137 dieser Arbeit. 31 Dort begeht Erysichthon den Baumfrevel. Kallimachos weiß in seinem Hymnus auf Demeter (6, 24ff.) davon zu berichten. 32 Vgl oben Anm. 9, Hoffmann (Anm. 10) 37, Kretschmer, Demeter (Anm. 8) 526, A. B. COOK, Zeus. A Study in Ancient Religion 3, 1, Cambridge 1940, 289 und D. M. NICOL, The Oracle of Dodona. G ἃ R N.S. 5 = 27, 1958, 133. 33 Vgl. E. SCHWYZER, Grisch. Grammatik 1, München 1939, 288f., der Δώτιον ebenfalls richtig zu Δωί(μάτηρ) stellt, erklärt das x als Hiatkonsonanten oder euphonischen Konsonanten.

Der homerische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtum

139

Wir müssen uns nun nach der Herkunft dieser Góttin fragen, deren ersten Namensbestandteil wir, wie festgestellt, auch in Δωμάτηρ (bzw. Δαμάτηρ) wiederfinden.

Daß Demeter ursprünglich keine Göttin der Griechen war, dürfte wohl feststehen. Darauf weist auch der Vokalwechsel von a zu ὦ in ihrer Namensform hin. E. SCHWYZER" zieht als Erklärung dafür die verschiedene Wiedergabe cines fremden ö-Lautes in Betracht. Aus welcher Sprache haben die Griechen jedoch die Bezeichnung der Demeter und der damit identischen Domater, Dodo(ne) entnommen? KRETSCHMER® spricht nur von einem vorgriechischen Lallnamen, wobei er Belege aus dem kleinasiatischen Raum

brachte, um die merkwürdige Variante Δαμάτηρ-

Aouétnp zu erklären. An die Möglichkeit eines kleinasiatischen Lallnamens bei Dodona denkt auch A. MAYER, ohne jedoch das Wort mit Δωμάτηρ, Δαμάτηρ etymologisch zu verbinden. Ein Hinweis auf den vorgriechischen Charakter des Wortes liefert ihm das Schwanken in der Flexion des Ortsnamens

Dodona

neben Dodon,

wobei er auf Πυθώ, -oüc und Πυθών, -ὥνος verweist. Daneben denkt MAYER mit

H. KRAHE"! wegen der aus dem illyrischen Sprachgebiet auch sonst bekannten Identität von Fluf- und Stádtenamen* bei Dodon ( = Dodona) an ein Wort illyrischen Ursprungs. Für einen illyrischen Namen spricht, daß Dodona in einem Gebiet lag, das bei Homer IL 16,253, Hesiod frg. 319 M.-W. ( = 212 R. aus Strabo 7,7,10 Δωδώνην φηγόν te, Πελασγῶν ἔδρανον, fev) und einer Reihe späterer Autoren (z.B. Kallimachos frg. 186 11 PFEIFFER) als pelasgisch bezeichnet wurde.” Dionysios von Halikarnaß (1,18,2) erzählt, daB die meisten Pelasger nach ihrer Vertreibung aus Thessalien zu ihren Verwandten nach Dodona zogen. Nach Ephoros bei Strabo 7,710 (= FGrHist 70, frg. 142 JACOBY) galt Dodona als pelasgische Gründung; das wird auch von Ps.-Skymnos 447ff. (Geogr. Graea min. 1, 215 MÜLLER) bestätigt, der

nach Δωδώνη Διὸς / μαντεῖον ἵδρυμ᾽ ἐστὶ δ’ οὖν Πελασγικόν für seine Zeit (2. Jhdt. v.Chr.) noch bemerkt: Ἔν τῇ μεσογείῳ δ᾽ εἰσὶ μιγάδες βάρβαροι, / οὕς καὶ προσοικεῖν φασι τῶ χρηστηρίφ.

Daß die Bezeichnung Pelasger bei den griechischen Autoren nur als Sammelname für die verschiedensten vor- und nichthellenischen Vólkerschaften zu bewerten ist, ist längst bekannt. Die vergleichende Orts- und Personennamenforschung kann — wie auch sonst oft — so im Falle der Pelasger von Dodona und Thessalien behilflich sein, diese ethnisch näher zu fassen. Der die Gegend von Dodona beherrschende Berg hieß Τόμαρος, Touobpoc oder auch Τμάρος." Da der Name als Bezeichnung von Gebirgen* auch sonst im illyrischen Sprachraum begegnet (vgl. Tmor an der dalmatinischen Küste nordwestlich von Dubrovnik und Tomor bei Besat im Norde34 1,364f. 35 Vgl oben S. 135 mit Anm. 8. 36 Die Sprache der alten Illyrier, 1: Einkitung, Wörterbuch der iljyr. Sprachreste. Österr. Akad. der Wiss., pbil-bist. KL, Schriften der Balkan-Komm., Linpist. Abt. 15, Wien 1956, 126f. Seine Bezugnahme auf H. JACOBSOHN, Dodona. ZV.$ 55, 1928, 35ff. ist jedoch falsch, denn JACOBSOHN handelt dort nicht über den Ortsnamen Dodona. 37 Die alten balkanillyrischen geographischen Name , Heidelberg 1925, 47. 38 Vgl. z.B. noch Ῥίζων; dazu KRAHE (Anm. 37) 2. 39 Vgl das Stellenmaterial übersichtlich bei F. LOCHNER-HÜTTENBACH, Die Pelasger, Wien 1960 (Arbeiten aus dem Institut für Verghichende Sprachwissenschaft, hrsg. von W. BRANDENSTEIN, Graz, Heft 6), 185; zu Dodona vgl. 188. 40 = xler Dunkles vgl. J. POKORNY, Indogerm. etymolos. Wörterbuch 1, Bern, München 1959, 1064. 41 Vgl dazu E. POLASCHEK, Tomaros. RE 6, A 2, 1937, 1697f.

140

Der homerische Demeterhymnus, Dodons und südsiswisches Brauchtum

pirus), dürfen wir auch in Dodona mit Illyrischem rechnen und den Ortsnamen als Was Thessalien betrifft, so hieß die von den Griechen unterworfene Bevölkerung Πενέσται."2 Das ist aber auch der Name eines am Ochridsee wohnhaften illyrischen Volksstummes, det von Livius 44,11,7 (zum Jahr 169 v.Chr.) erwähnt und des-

sen Siedlungsgebiet als Penestiana terra (Liv. 43,18,5) bezeichnet wird.? Wie bereits oben* festgestellt, saßen nach antiken Zeugen im fruchtbaren Δώτιον πεδίον von Thessalien ursprünglich ;»Pelasger. Als Heros eponymos nennt Stephanus von Byzanz 256f. (MEINEKE)

mit Verweis auf Mnaseas, einen Schüler des Eratosthenes,

und Herodian einen gewissen Δῶτος Sohn des Pelasgos.* Bei der Suche nach Parallelen für diesen Personennamen liefern gerade der illyrische und der thrakische Bereich, zwischen denen man cine sprachliche Verwandtschaft annehmen darf, Belege. D. DETSCHEW*' verzeichnet u.a. einen Personennamen Dotus aus Histria, einen Δώτιος aus Tomi und eine Dotocha aus Tricornium (CIL XVI DipL 67) in Moesia Superior. Nicht zu trennen davon sind die Stádtenamen ᾿Αρ-δώ-τιον und Epi-do-tium aus dem illyrischen Gebiet* sowie der ätolische Volksstamm der 'Axo-6o-toi, die in der Antike als Halbbarbaren galten und, wohl

infolge der Vermischung mit Illyriern, einen (nach Thukydides 3,94,5) unverständlichen Dialekt sprachen.® Fruchtbare Erde ist immer durch Wasser bedingt. Das ist auch der Grund, warum Demeter im Kult so oft mit Quellen verbunden erscheint,% und weshalb auch der Name Εὐρώκη als Bezeichnung von Land und Wasser verwendet werden konnte. Die Erde ist eben auch Herrin des befruchtenden Wassers. So wird klar, warum

(nach dem Hinweis des Pausanias 9,39,4f) Demeter in Bóotien den Beinamen Εὐρώπη hatte und dies anderseits auch der Name einer hesiodischen Okeanide (vgl. Theog. 357)? und einer Quelle in Dodona war. A. B. COOK* sah mit Recht in Europe ursprünglich »a great earth-mother, who sent up vegetation from her home in the ground«. Nach antiker Tradition war Europe aber nicht nur eine Tochter des

42

Den Hinweis verdanke ich A. BARTONÉK (Brno).

43 Vgl dazuJ. SZILÄGYI, Penestai (2). Der Kine Pauly 4, 1972, 614. 44 Vg S. 139. 45 Aómov: πόλις Θεσσαλίας. Μνασέας (FHG 3, 153, frg. 21 MÜLLER) δὲ »&xó Δώτου τοῦ Πελασy09.« Ἡροδιανός (1, 214, 19 LENTZ) »Δῶτος ὁ Πελασγοῦ, ἀφ᾽ οὗ τὸ Adrtiov xeb(ov.« 46 G.R. SOLTA, Einführung in die Balkanlinguistik mit besonderer Berücksichtigung des Substrats und des Balkanlateinischen, D'armstadt 1980, 24f. 47 Die thrakischen Sprachreste. Österr. Akad. der Wiss., phil-hist. KL, Schriften der Balkan-Komm., Linpuist. "Abt. 14, Wien 1957, 151. 48 "Vgl H. KRAHE, Die Sprache der Uhrier, 1. Teil: Die Quellen, Wiesbaden 1955, 106. 49 Vgl. E. KIRSTEN, Aitolia. Der Kleine Pauh 1, 1964, 205. 50 Vgl. dazu W. BURKERT (Anm. 14) 145 mit Anm. 31 und F. MUTHMANN, Mutter und Quelle. Studien zur Quellenverebrung im Altertum und im Mittelalter, Basel 1975, 142£f. 51 Vel H. SCHWABL, Zeus. RE Suppl. 15, 1978, 1230f. und id., Zeus (Bemerkungen zu Wesen und Geschichte des Gottes). WHB 26, 1984, 7. 52 Vgl. Kallim. frg. 630 PFEIFFER mit Komm.; Pap. Oxy. 221 col. IX, 15 ist auch die Rede von einer (wahrscheinlich böotischen) Eópoxía κράνα. 53 Zeus. A Study in Ancient Religion 1, Cambridge 1914, 524; zu Europe als Erdpôttin vgl. auch H. v. GEISAU, Europe (1). Der Kleine Pauly 2, 1967, 447.

Der homerische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtum

141

Okeanos, sondern auch Gattin des Zeus, dem sie den Fuß Dodon gebar,* und auch

Dodone galt als Okeanide.5 Höchst bemerkenswert ist, daß sich redupliziertes de zur Bezeichnung eines Gewässers auch andernorts findet, und zwar als altpreußischer Flufiname. Damit dürfte wohl die indogermanische Herkunft des Namens gesichert sein. Er diente

ganz ähnlich wie der Lallname ala, worauf A. LESKY’ hingewiesen hat, zur Bezeichnung von Land und Wasser. Wir dürfen annehmen, daß ihn die Illyrier bei ihrer Einwanderung auf den Balkan mitgebracht haben. A. MAYER“ hat jedoch gegen V. PISANI? mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß illyrisch do keineswegs etymologisch zu griechisch χθών zu stellen ist. Sehr wohl hingegen ergibt sich die Verbindung mit δᾶ, wenn wir bedenken, daß a und o als verschiedene Wiedergabe ein

und desselben illyrischen Phonems erscheinen können.® Auf diese Weise erklärt sich der Name der Göttin Damatura neben Domatura auf Inschriften Unteritaliens,' wo illyrische Stämme saßen, so wie Δαμάτηρ neben Δωμάτηρ oder z.B. das Schwanken

des Vokals im Namen des oben (S. 139) erwähnten Berges Tomaros, an dessen Fuß die Orakelstätte von Dodona lag. Was die Wortbildung Δωδώνη betrifft, so gehen die Meinungen der Gelehrten auseinander. H. KRAHE,? der mit Recht für illyrischen Ursprung des Namens plädiert hat, leitet ihn zuletzt wie schon antike Scholiasten vom

Fluß Δώδων

ab, also

Δωδών-η, wobei er -n ( = a) als Zugehórigkeitssuffix wie in xop-fj (zu πῦρ) oder rörp-n (zu πατήρ) deutet. H. FRISK9 s.v. Δωδώνη verweist jedoch u.a. mit E. SCHWYZERS auf das Suffix -wvn, das ebenfalls mit dem Illyrischen wohl vereinbar

ist. D. M. NICOLS hingegen glaubte, daß der Fluß Dodon nach der Okeanide Dodone benannt sei. Freilich hat man bei der Erklärung des Namens bisher ganz vergessen, daß neben Audov und Δωδώνη auch die Form Δωδώ existierte, die man als die

primäre anzusehen hat. Von diesem Wort, das die mit Wasser befruchtete Erde bezeichnete, wurden, wie ich glaube, sowohl Δωδώνη als auch Δώδων abgeleitet. Die Bildungsweise Δωδώνη aus Δωδώ hat im Balkanraum z.B. noch ihre genaue Parallele in Aidıvn (aus ala), dem Namen einer makedonischen Stadt, wie er uns bei 54 Vgl oben Anm. 6, dazu auch SCHWABL (Anm. 50) 1230f. und W. BÜHLER, Europa. Ein Überblick über die Zeugnisse des Mytbosin der antiken Literatur und Kunst, München 1968. 55 Vgl Belege oben S. 134f. und Anm. 6. 56 Vgl E. GERULLIS, Alpreußische Ortsnamen, Leipzig 1922, 29 und F. LOCHNER-HÜTTEN-

BACH (Anm. 39) 156f., mit weiterer Literatur. 57

Aia. WS 63, 1948, 428: jetzt in: A. LESKY, Gesammelte Schriften. Aufsätze und Reden zu antiker und

deutscher Dichtung und Kultur, hrsg. von W. KRAUS, Bern, München 1966, 42; dort auch die Belege von ala als Gewässermamen: z.B. berichtet Strabo 7,330, frg. 21. 23 von einer makedonischen Quelle die-

ses Namens, die nach Stephanus von Byzanz s.v. (vgl. Herodian. 1,271,221 LENTZ) in der Thsbais des Antimachos (frg. 40 K. = 51 WYSS) vorkam. 58 Die Sprache der alten Illyrier, 2: Etymelogisches Wörterbuch des Ilhyrischen, Grammatik. der illyrischen Sprache. Österr. Akad. der Wiss., pbil-bist. KL, Schriften der Balkan-Komm., Lineuist. Abt., 16, Wien 1959, 32. 59

60

Notulae Graeco-Latinae. IF 53, 1935, 30.

Vgl. dazu MAYER 1 (Anm. 36) 131£.

61 Belege beiH. KRAHE, Die Sprache der Uhrier (Anm. 48) 22. 62 Zur Bildungsweise einiger latein. Götternamen. In: Satura. Früchte aus der Antiken Welt. O. WEINREICH zum 13. März 1951 dargebracht, Baden-Baden 1952, 60f., id. Die Sprache der Ilyrier (Anm. 48) 99, ebenso F. LOCHNER-HÜTTENBACH (Anm. 38) 156. 63 Grischisches etymolog. Wörterbuch 1, Heidelberg 1960, 429 s.v. Δωδώνη.

64

(Anm. 33) 66.

65

(Anm. 32) 130.

142

Der homerische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtum

Stephanus von Byzanz s.v. überliefert ist. Auch hier hat wie im Falle von Dodone ein

aus einem Lallwort für die Erde (alo) abgeleiteter Begriff dem Ort seinen Namen verliehen. Dieses -no-/-sa-Suffix ist im Indogermanischen häufig anzutreffen, und H. KRAHE,* dem W. MEID® gefolgt ist, hat gezeigt, daß es in Bezeichnungen von Gottheiten die Herrscher- und Schützerfunktion über einen Bereich der Natur zum Ausdruck bringt So ist bei den Griechen z.B. Διώνη (zu Ζεύς, Διίρ]ός, lat. dies etc.)

ursprünglich »Herrin des Tags, der Helle und des Himmels: gewesen,® wie bei den

Litauern Ze»rjna, Zemyné Herrin, Göttin der 22» ( = Erde); vgl. ferner auch lit. Perks-nas (ursprünglich »Herr der Fiche, zu lat. gwercus, dann »Donner-, Blitz[gott]), dessen Name auch in Toponymen des ostpreußisch-baltischen Raumes, wie z.B. im Dorfnamen Perkunen weiterlebt;" lat. Silnö-nus (‚Herr über den Waldo), Pomö-na (‚Herrin über das Obst), kelt. Damona (‚Herrin über die Rinders, zu gall. *damos = altır. Dam ‚Rind, Ochses), illyr. Menzanas (‚Herr der Pferde, Beiname des Jupiter bei den Sallentinern, einer Völkerschaft der unteritalischen Illytier, zu indogerman. *mendjo kleines Ρέεσάς alban. mir).

Das Suffix -no-/-nä- zeigt sprachlich den Übergang zur Personifikation an: Der Vorgang der Trennung von Gottheit und Bereich ist jedoch erst sekundár eingetreten. Nach archaischer Gottesvorstellung konnten beide, wie MEID" mit Recht festgestellt hat, eine Einheit bilden. Demnach verkörperte Δωδώ ursprünglich sowohl das Element der fruchtbaren, wasserreichen Erde als auch die Erde als Gottheit. Erst

später wurde dazu Auöß-vn gebildet im Sinne von »Herrin über die fruchtbare, wasserreiche Erde. Dem entspricht auf maskuliner Seite die Form Δδώδων, denn auch das Suffix -6#- hat diese Funktion im Indogermanischen: vg]. analog zu dem Gôtterpaar Δωδώνη und Δώδων z.B. im Lateinischen Pomo-na und Pomo,-onis.” Wir sehen also, daß auch in Dodona die Erd- und Vegetationsgöttin ursprünglich ein maskulines Pendant zur Seite hatte. Es ist durchaus eine weitverbreitete Gepflogenheit der Indogermanen gewesen, ein góttliches Wesen oder Element in Gott und Göttin aufzuspalten. P. KRETSCHMER? macht bei den Indern u.a. auf die Götterpaare

Indra-Indráni,

Rudra-Rudrani,

V/aruna-V'arunäni aufmerksam;

in deutschen

Volkserzählungen vgl z.B. der Tod-die Tödin, bei den Römern das zuvor genannte Paar Pomo-Pomona, bei den Griechen Ζεύς-Διώνη. Im Litauischen gibt es neben der

ebenfalls erwähnten Zemÿna, Zemÿné, eine Zempati Erdherrin«, das weibliche Gegen-

stück zu Zem(e)pat(i)s ‚Erdherr,’s wobei die Wortbildung besonders interessant ist. Sie

66

(Anm. 62) 61ff.

67

Das Suffix -»o- in Götternamen. BN 8, 1957, 72ff. und 113ff.

68 Das gleiche auch bei Personen. Vgl. z.B. den Namen einer illyrischen Königin Tewtana »Herrscherin über die Teuta ( = Volksgemeinde). Vgl. MEID (Anm. 67) 74, mit weiterer Literatur. 69 Zur Bildung und Bedeutung vgl. KRETSCHMER, Einleitung (Anm. 8) 91. 70 Vgl dazu H. USENER, Götternamen. Versuch einer Lehre von der religiósen Begriffibildums, Bonn 1896, 97, GERULLIS (Anm. 56) 120, und MEID (Anm. 67) 125 Anm. 80, mit weiterer Literatur. 71 (Anm.67)92. 72 Vgl. zu Poo, -onis K. LATTE, Römische Rehgionsgeschichte, München 1960, 59 mit Anm. 2 und MEID (Anm. 67) 80 Anm. 20 und 91 Anm. 38.

73 Einleitung (Anm. 8) 91; bei den Iraniern vgl. Ahuräni als Gattin des Ahura (Mazda); dazu SCHWABL (Anm. 51) 7, mit weiterer Literatur. 74

Vel L. PETZOLD, Deutsche Volkssagen, München 1970, 372, nr. 105: die Erzählung von ‚Tod

und Tödin« mit Komm. und weiterer Literatur. 75 Vgl. USENER (Anm. 70) 105.

Der homesische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtum

143

hat in umgekehrter Folge der Wortelemente ihre genaue Entsprechung in Ποσειδῶν, dem im Mykenischen noch eine Posidaeja (PY Tn 316) zur Seite stand. Bei dem zuletzt genannten Götterpaar ist die Verbindung zu Dodon, Dodo(na) besonders auffallend, und zwar sowohl sprachlich, wie dies m.E. das Element &, da zeigt, als auch inhaltlich. Poseidon ist nämlich ursprünglich eine Erdgottheit gewesen. In Mythen Arkadiens, wo sich altertümlicher Glaube besonders lange gehalten hat,’s erscheint Poseidon auch als Gatte der Demeter.” Er war Herr der Erdtiefe, aus

der er das die Erde befruchtende Wasser sandte. Somit gehörten offenkundig auch die Quellen in seinen Bereich. Die Gegend von Dodona wird aber von den Alten ausdrücklich wegen ihres Reichtums an Quellen gerühmt.? Schon H. DIELS® hat in Dodona den Kult eines älteren, vorgriechischen Quellgottes angenommen, und

U. v. WILAMOWITZ-MOELLENDORFF# sah in Poseidon einen Vorgänger des dodo-

näischen Zeus.& H. SCHWABL® hat erst unlängst wieder mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß der Himmelsgott Zeus von seiner Natur aus auch über die Feuchte und den Regen waltete und somit seine Verbindung zum (Süß)wasserbereich gegeben ist. So ist zu erklären, daß Zeus gerade im quellenreichen Dodona als Náiog verehrt wurde. Dieses Epitheton gehört nämlich seiner Bedeutung nach zu νᾶμα Quelle, vaio »fließen« Nat »Naiadex usw.*

Von daher verstehen wir auch, warum Zeus bei der Besiedelung von Dodona durch die Griechen den älteren illyrischen Gott Dodon, nach dem der Hauptfluß des Ortes benannt war, ablösen und Dione den Platz der Dodo(ne) einnehmen konnte. Dione war, wie schon erwähnt, ursprünglich »Góttin des Himmels, Frau (des) Zeus.

In der späteren mythologischen Überlieferung erscheint sie ebenso wie Dodone als Okeanide (vgl. Hes. theog. 353). Wann die Griechen das illyrische Götterpaar Dodon-Dodo(ne) durch Zeus und Dione ersetzten, ist nicht bekannt. Wir wissen nur, daß Zeus schon bei Homer als

Δωδωναῖος angerufen wird. H. SCHWABL® hat auf Orakelanfragen aus Dodona hingewiesen, in denen neben Zeus und Dione auch Themis (und Apollon) genannt werden, wobei mit Themis auch eine für Delphi belegte Kultkonstellation begegnet. Nach Pausanias 10,5,5f. wurden nämlich in Delphi in alter Zeit Erde und

Poseidon

verehrt, die dann von Themis und zuletzt von Apollo abgelöst wurden. Interessant 76 Vgl. SCHWABL (Anm. 51) 5, der mit Recht auf Arkadien als Rückzugsgebiet verweist. 77 Vg. dazu NILSSON 1 (Anm. 2) 29 und 478f. sowie BURKERT (Anm. 14) 218, mit weiterer Literatur. 78 Vgl NILSSON (Anm. 2) 450. 79 Vgl. Scholien b T (ERBSE) zu Hom. Il. 16,233, ὁ δὲ (scil. Ζεὺς) Δωδωναῖος καὶ Νάϊος ὑδρηλὰ γὰρ τὰ ἐκεῖ χωρία. Dazu auch PFEIFFER zu Kallim. frg. 186,14 und frg. 630 mit Verweis auf Theopomp frg. 319 JACOBY FGrHis2, 115 (= Plin. nat. hist. 4, praef. 2): ia ea (scil. Epiro) ... Selle, Hellopes, Mobssi apud quos Dodonaei lows tembhom oraculo inlustre, Toarus mons centum fontibus arca radices Theopompo celebratus. 80 Zeus. ARW 22, 1923/24, 5f. 81 Zeus. Vorträge der Bibkotbek Warburg 1923/24, Leipzig, Berlin 1926, 6 ( = Sonderausg. Darmstadt 1964, 32). 82 NICOL (Anm. 32) 133 Anm. 4 macht auch auf entsprechende Darstellungen von Zeusfiguren aufmerksam, die man in Dodona gefunden hat. 83 (Anm. 51) 1113f. bzw. 6. 84 Vgl SCHWABL (Anm. 51) 1113f. bzw. 8. und besonders W. PÖTSCHER, Zeus Naios und Dione in Dodona. Mnemosyae Ser. 4, 19, 1966, 132f£.

85

(Anm. 51) 1115.

144

Der homerische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtum

ist, daB wir auch in Delphi ursprünglich wie in Dodona eine weibliche und männliche Erdgottheit vor uns haben. Zum Unterschied von Delphi muß jedoch in Dodona die Verehrung der weiblichen Gottheit neben der von Zeus stark ausgeprägt geblieben sein, denn z.B. Hyp. Eux. 24 spricht von einem ἄγαλμα τῆς Διώνης und 25 von einem ἕδος τῆς Διώνης, das die Athener zu seiner Zeit unter großem Aufwand geschmückt hätten. Allerdings scheint Dione nur Gottheit der Griechen gewesen zu sein. Im Volk des nie völlig hellenisierten Epirus hingegen, wo wir mit einem starken illyrischen Bevölkerungselement zu rechnen haben, muß sich hingegen die Verehrung dieser Göttin unter ihrem alten Namen Δωδώ stets lebendig erhalten haben. Nur so ist es zu erklären, daß der hellenistische Dichter Sim(m)ias anstatt Διώνη die Bezeichnung Δωδώ verwenden und sogar ein Vordringen des Kults der Dodo gegenüber dem des Zeus feststellen konnte, wenn er, wie schon oben erwähnt, bemerkt: Ζηνὸς ἕδος Κρονίδαο μάκαιρ᾽ ὑπεδέξατο Δωδώ.

Freilich hóren wir dann von einer Verehrung dieser Dodo in der Antike nichts mehr. Inschriften aus Dodona bezeugen jedoch ein lokales Fest, das Nóix genannt wurde.” Dieses Fest wurde wohl zu Ehren des Ζεύς Νάϊος begangen. Schon L. R. FARNELL® meinte, daß in dieser kultischen Feier Regenzauber eine Rolle gespielt haben müsse. Wir kennen Regenzauber im Zeuskult aus anderen Gebieten Griechenlands, in denen man bei Trockenheit durch magische Riten den Regen vom Himmel herabzuziehen versuchte.® Bräuche dieser Art wurden bis in unsere heutige Zeit gepflegt. Besonders häufig findet man in Europa das Begießen eines nackten Mädchens, das bei seinem Umzug in Laub, Kräuter und Blumen gehüllt ist oder Pflanzen mit sich führt. Burchard von Worms (+ 1024) bezeugt für deutsche Gegenden eine derartige Sitte, die im heutigen Brauchtum des südlichen Balkanraumes noch ihre Parallelen hat.” Die Parallelität läßt auf einen alten Brauch der Indogermanen schließen. Die Namen, mit denen die Regenmädchen bezeichnet werden, sind zwar nicht einheitlich, doch ist es höchst interessant, daß gerade im serbischen und makedonischen

Gebiet, wo wir ein starkes illyrisches Substrat annehmen dürfen, der Name des Regenmädchens u.a. Dodo, Dodola, Djudiul ist. Von dieser Gestalt, die in vielen Liedern

besungen wird, erwartet man, daß sie von Gott im Himmel den Regen auf die Erde holt?! 86 "Vgl S. 135. 87 "Vgl Belege bei SCHWABL (Anm. 51) 1117. 88 The Cults of the Greek States 1, Oxford 1896, 39. 89 Vgl. Paus. 8,38,4 zu den Riten des Priesters des Zeus Lykaios in Arkadien; dazu SCHWABL (Anm. 51) 1047 bzw. 5. 90 "Vgl. STEGEMANN, Regen. In: Handworterbucb des deutsches Aberglaubens, hrsg. von H. BÄCHTOLD-STÄUBLI 7, Berlin, Leipzig 1935/36, 581ff, COOK (Anm. 32) 284ff., mit weiterer Literatur, B. SCHMID, Volkskben der Neugriechen, Leipzig 1871, 30£., E. SCHNEEWEIS, Grundriß des Volksglaubens und Vollksbrauchs der Serbokroaten, Celjc 1935, 219ff. und SCHWABL (Anm. 51) 1048. 91 Ein solches Lied, mit dem die Dodo z.B. in der Gegend von Polibar bei ihrer Prozession begleitet wird, lautet (vgl. SCHNEEWEIS 220):

Mi idemo preko poba, oj Dodo, oj Dodo! À oblaa prako neba, oj Dede, oj Dodale!

Nala Doda Boga mob, oj Dode, oj Dadoke!

Der homerische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtum

145

Schon A. B. COOK? hat in dem Regenmädchen der Südslawen cine Nachfolgerin der alten Dodo gesehen und sie mit Domater-Demeter in Verbindung gebracht. Mit Recht hat er diese nicht einseitig nur als Kornmutter oder als Erdmutter, sondern als Göttin der gesamten Vegetation und des Lebens gedeutet.” Die Spuren der Do(do)-Domater reichen jedoch viel weiter zurück, als es COOK erkannt hat. Auf Grund sprachlicher Indizien dürfen wir m.E. annehmen, daß die Griechen die Bezeichnung dieser Göttin, deren Kult freilich auf ein noch viel höheres Alter schließen lásst,* von den Illyriern übernommen haben. Ihre Namensform Δωδώ hat sich im Balkanraum bis in unsere Zeit erhalten und begegnet aller Wahrscheinlichkeit nach, wie ich aufzuzeigen versucht habe, schon im homerischen Demeterhymnus, Vers 122.

Da ndari resma kite, ej Dade, ej Dodok! Da eresi rosa poña, ej Dede, sj Dodek!

I ornope vürope, oj Dodo, oj Dodok!

Wir zichen über die Flur, oj Dodo, oj Dodola, aber die Wolken über den Himmel, oj Dodo, oj Dodolal Unsere Doda bittet Gott, oj Dodo, o; Dodola,

daß tauiger Regen sich ergieße, oj Dodo, oj Dodola,

daß er beriesle die tauige Flur, oj Dodo, oj Dodola,

und die Widder mit gewundenen Hörnern, oj Dodo, οἱ Dodola!

Weitere Belege und zu den einzelnen Namensformen vgl. COOK (Anm. 32) 288£., Reim broatskoga ik srpskoga jexika (na swjet izdaje jugoshov. Akad. vnanosti i umetmosti) 2, Zagreb 1884-1886, 558 s.v. Dodo, Dodola, und P. SKOK, Eämologijski renik hroatskoga ik srpshkoga jezika 1, Zagreb 1971, 421 s.v. (mit Literatur), der Dodola als eine Neubildung erklärt, hervorgegangen aus der nominativisch gebrauchten Vokativform Dodo mit der emphatischen Partikel 4. 92 (Anm. 32) 289 Anm. 2. 93 Als solche feiert sie auch Kallimachos in den Abschlufiversen seines Hymn. 6,134ff. 94 Daß die Illyrier den Namen ihrer Vegetations- und Erdgöttin auf eine alte ägäische Muttergottheit übertragen haben, ist wahrscheinlich. Manche Riten im Demeterkult weisen auf die Steinzeit

zurück. Vgl dazu BURKERT (Anm. 14) 38, E. SIMON, Die Götter der Grischen, 3., durchges. Aufl, München 1985, 91ff., FAUTH (Anm. 20) 1459ff. und VERF., Altgriechischer Mütterkult. In: Matroner und verwandte Gottheiten. Festschr. F. LANKUHN, BJ, Beih. 44, 1987, 171-199. In diesem Band S. 105-132.

Demeter in Dodona und Thrakien Ein Nachtrag Mit den folgenden Ausführungen möchte der Verfasser nicht nur einen bescheidenen Beitrag zu einem Band leisten, mit dem die Wieser Studien in diesem Jahr ihr hundertjähriges Jubiläum begehen, sondern sie sind, verbunden mit allen guten Wünschen, als kleine Gabe zum 85. Geburtstag besonders auch Walther KRAUS zugeeignet, dem verehrten Lehrer und bedeutenden Gelehrten, der über viele Jahre den Charakter dieser Zeitschrift als Herausgeber mitgeformt hat. Diese Zeilen sollen zugleich als Nachtrag an eine Arbeit anknüpfen, die im letzten Band der Wiener Studien unter dem Titel »Der homerische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtume! erschienen ist. Darin hatte ich u.a. aufzuzeigen versucht, daß wir in alter Zeit auch in Dodona einen Kult der Demeter in der Funktion

einer Erd- und Vegetationsgottheit annehmen dürfen. Vieles deutet darauf hin, daß die aus dem Norden in den Balkanraum eingewanderten Indogermanen, unter denen sich neben Griechen auch illyrische und thrakische Stámme befanden, in ihrer neuen Heimat eine ältere nichtindogermanische Fruchtbarkeitsgöttin chthonischer Natur vorgefunden und sie unter dem Namen Aà (bzw. An) oder Ao angerufen haben.? Der erste Bestandteil des Namens Demeter, Damater, Dammater, Domater, der etymologisch mit der Bezeichnung Δωδώ(νη); zu verbinden ist, weist auf Provenienz aus einer nördlichen Balkansprache. Wie die in meiner oben zitierten Arbeit beigebrachten Belege zeigen können, wurde Dodona ursprünglich von illyrischen Χάονες besiedelt. Bei den griechischen Historikern und Geographen findet sich dafür auch der Sammelname Pelasger. Strabo 7,7,10 (= C 327) nennt im Anschluß an Ephoros (FGrHist nr. 70 F 142 JACOBY) Dodona eine pelasgische Gründung, was ebenso von Ps.Skymnos 447ff. (Geogr. Graeci min. 1, 215 MÜLLER) überliefert wird. Dieser illyrische Stamm der Xdoveg gab dem ganzen Gebiet um Dodona die Bezeichnung Chaonien. Der Name ist identisch mit dem der Χῶνες, die nach Strabo 6,1,2 ( = C 253) auf der

anderen Seite des Adriatischen Meeres Landstriche von Lukanien, Xóvn genannt (vgl. Strabo 6,1,4 = C 255), besiedelten. Ebenso heißt in der lateinischen Literatur die pelasgische Gegend des Epirus mit seinem religiösen Zentrum Dodona Chaonien. Für uns sehr aufschlußreich ist, daß auch noch bei den Römern dieses Gebiet von

Dodona mit Ceres, die ja die lateinische Entsprechung der Demeter darstellt, in Verbindung gebracht wurde.

Erstverüffentüchbung in: Wiener Studien 100, 1987, 5-12 (Wien: Verl. der Österreichischen Akademie der Wissenschaften).

1

W. 99, N.F. 20, 1986, 69-85.

2

Vgl dazu VERF, Altgriechischer Mütterkult. In: Masronen und verwandte Gottheiten. BJ, Beih. 44,

1987, 175f£. In diesem Band S. 109ff.

3

Vgl Strabo 8,5,3 (= C 364), Δωδὼ δὲ τὴν Δωδώνην Σιμμίας. S. Simias frg. 10 (Coll Alec. ed.

POWELL, p. 113): Ζηνὸς ἔδος Kpovidao μάκαιρ᾽ ὑπεδέξατο Δωδώ. Zur Etymologie vgl. VERF. (Anm. 1) 71ff.

Demeter in Dodona und Thrakien

147

Vergil georg. 1,5f£, betrachtet die Gegend zusammen mit Actolien, wo er den Weinbau beheimatet sein lift, als die Wiege der agrarischen Zivilisation? … Vas, o clarisrima mundi lumina, labentem caelo quae ducitis annurs, Liber et aima Ceres, vestro si munere Tellus,

Chaoniam pingui glandem mulavit arista, poculaque inventis Acheloia miscuit vis (scil. camo)

Mit Chaoniam glandem nimmt Vergil auf das an Eichen reiche Dodona Bezug, deren Eicheln den Menschen ursprünglich als Nahrung dienten.s Der römische Dichter spricht diese Meinung nochmals georg. 1,147ff. mit anderen Worten aus: Prima Ceres ferro mortales vertere terram insfituit, cum iam glandes atque arbuta sacrae deficerent silvae et victum Dodona negaret.

Das verbindet deutlich die bekannte Vorstellung der Kulturentwicklung mit Dodona. Bei der Erwähnung der Eicheln drängt sich auch die Assoziation zum Tierreich auf, finden diese Baumfrüchte doch bis heute vor allem Verwendung als Schweinefutter? Das Schwein aber spielte im Kult der Demeter eine bedeutende Rolle. So warf man an den eleusinischen Thesmophorien Ferkel in unterirdische Hohlräume.

Ihre Reste holte man dann wieder heraus, um sie zum Gedeihen von

Feld und Frucht auszustreuen, wie uns dies Schol Lukian dial meretr. 2,1 (p. 276,

2ff. RABE) überliefert. Man nannte den Vorgang nach μέγαρα, der Bezeichnung dieser Kulthöhlen, μεγαρίζειν." Dieses Ritual aus dem Demeterkult wurde jedoch nicht nur in Eleusis, sondern auch anderswo praktiziert. Pausanias bezeugt es für das bóo4 So schon Hekataios von Milet vgl. FGrHir nr. 1 F 15 JACOBY mit Komm. z.St., und W. RICHTER, V erg Georpica. Hrsg. und erkl, München 1957, zu 1,9 mit weiteren Belegen. 5 Für den freundlichen Hinweis darauf danke ich meinem Heidelberger Kollegen E. CHRISTMANN. Paris 1918.

6

-- Vgl. dazu auch den Komm.

z.St. von F. PLESSIS/P. LEJAY, Œuvres de Virgile,

Die Reminiszenz von Eicheln als menschliche Nahrung der Urzeit ist weit verbreitet: vgl. dazu

MARZELL. In: H. BÄCHTOLD-STÄUBLI, Hasdwôrterbuch des deutschen Aberglaubens 2, Berlin 1930, 646ff. s.v. Eiche; die antiken Belege vgl. besonders bei OLCK, RE 5,2, 1905, 2023, 26ff.; 2068, 34ff. und 55ff. s.v. Eiche. — Für Ovid fast. 4,507ff. ist es zum Unterschied von Vergil nicht Dodona,

sondem Eleusis, wo der Wechsel der Nahrung von Eicheln zu Brotgetreide stattfand. 7

Soschonz.B. Hom. Od. 10,242; mehr bei OLCK (Anm. 6) 2065, 20ff. und 2069, 19ff.

8

Vgl Clemens Alex. protr. 2,17. — Was die μέγαρα waren, geht aus Hesych s.v. hervor: μέγαρα τὰς κατωγείους οἰκήσεις καὶ βάραθρα. Der Ausdruck begegnet noch an der unten zitierten Stelle Paus. 9,8,1 (vgl. dazu auch J. G. FRAZER, Pawamias, Description of Grece, Transl with a Commentary 5, London 1898, Nachdruck New York 1965), außerdem Porphyr. antr. 6 (NAUCK?), wo es heißt: Τοῖς μὲν Ὀλυμπίοις θεοῖς ναούς te xai ἕδη καὶ βωμοὺς ἱδρύσαντο, χθονίοις δὲ xoi ἥρωσιν

ἐσχάρας, ὑκοχθονίοις δὲ βόθρους καὶ μέγαρα. - Das Wort μέγαρα selbst ist semitischen Ursprungs und bezeichnete die »Hóhlex (hebr. sw ar): vgl. H. FRISK, Griech. etymolog. Wörterbuch 2, Heidelberg 1970, 189 s.v. und Nachtr. Bd. 5, Heidelberg 1972, 150 und P. CHANTRAINE, Dictionnaire

tiymologiqwe de la langue grecque: Histoire des Mots 2, Paris 1968, 674f. s.v. (mit weiterer Literatur), die μέγαρα von μέγαρον ( = »Halle, Saal, Gemach, innerer Raum eines Tempels) mit Recht trennen. Später wird jedoch zwischen beiden Wörtern nicht mehr streng geschieden, was F. ROBERT, Thymék. Recherches sur la signification et la destination des Monuments circulaires dans l'architecture religieuse de la Grèce, Paris 1939, 210ff., übersehen hat.

148

Demeter in Dodona und Thrakien

tische Potniai, wobei er eine höchst interessante Merkwürdigkeit

mitüberliefert

(9,8,1): Man glaubte nämlich, daß die in Böotien in die Erde geworfenen Schweine

im nächsten Jahr in Dodona wieder zum Vorschein kämen. Auch diese Angabe scheint auf die Existenz eines alten, allmählich in Vergessenheit geratenen Kultes der

Demeter in Dodona zu weisen." Freilich empfand man die Göttin, die dort, wie ich aufzuzeigen versucht habe, noch in historischer Zeit unter dem reduplizierten Lallnamen Dodo bzw. in der mit dem Suffix -na erweiterten Form als Dodona verehrt wurde, mit Demeter nicht mehr

identisch. Demeters Funktion wurde nämlich bei den Griechen stärker auf die einer Getreidegottheit eingeengt, wie dies ähnlich bei der italischen Ceres, die ursprünglich eine Göttin des Wachstums gewesen ist, der Fall war.! Dies ist auch aus den oben zitierten Versen, Vergil georg. 1,147ff., ersichtlich, wo

sich Ceres in Gegenüberstellung zu Dodona findet. Gerade aus dem Kontrast mit Ceres geht hervor, daß der Dichter Dodona nicht nur im lokalen, sondern auch im theophoren Sinn faßt. Durch die vorausgehenden Verse 1,125ff. wird klar, für wel-

che Gottheit hier Dodona steht, die den Menschen in der Urzeit vor der Einführung des Ackerbaus von sich aus alles gab und Nahrung bot (1,127£.): gpsaque tellus

omnia lüberius nullo poscente ferebat.

Es ist die Erde, und offenkundig haben wir bei Vergil noch eine Reminiszenz an die alte Bedeutung des Wortes Dodona, die uns auch ausdrücklich durch Glossen bezeugt

wird.!! In seiner nicht geminierten Form Aw begegnet das Wort im nördlichen Balkan nicht selten, und zwar sowohl in Toponymen als auch in Personennamen. Sein Verbreitungsgebiet reicht, worauf ich aufmerksam gemacht habe, vom illyrischen Siedlungsraum im Westen bis in das östliche Thrakien. Dies führt in die schwierige Frage der sprachlichen und kulturellen Gemeinsamkeiten zwischen Illyrern und Thrakern, worüber hier jedoch nicht näher gehandelt zu werden braucht. Nur soviel sei festgestellt, daß solche vorhanden waren. Vergessen wir nicht, daß Splitter thrakischer Bevölkerung selbst in Küstengegenden am Adriatischen Meer bezeugt sind;!2 umgekehrt waren auch im Nordosten die Grenzen zwischen dem illyrischen und thrakischen Gebiet fließend. Ein für uns höchst aussagekräftiges Dokument einer illyrisch-thrakischen Gemeinsamkeit, auf welche ich in diesem Zusammenhang erstmals hinweisen möchte, liefert ein epigraphisches Denkmal, das in dem Dorf Goljam manastir (ehemals Büyük manastir) ans Tageslicht gebracht wurde und sich heute im Museum von Sofia

9 H. W. PARKE, The Oracles of Zeus. Dodona, Olympia, Ammon, Oxford 1967, 153, bemerkt: »Evidence for a ritual like the Thesmophoria at Dodona is otherwise lacking, but it may well have existed there.« 10

Zu Ceres, etymolog. verwandt mit crescere, creare, creber, κόρος, lit. feris, Sfr mähren« ( = »wach-

sen lassen«) usw., vgl. A. WALDE/J. B. HOFMANN, Latein. eymolog. Wörterbuch 1, Heidelberg ?1930, 204ff. s.v. und A. ERNOUT/A. MEILLET, Dictionnaire étymologique de la langue latim, Paris *1959, 116£. s.v. Cerus; 149 s.v. evo; 150 s.v. creseo.

11

Belege vgl. VERF. (Anm. 1) 70.

12

"Vgl dazu mit Belegen R. KATICIC, Ancient Languages of tbe. Balkans 1, Den Haag, Paris

1976, 130.

Demeter in Dodona und Thrakien

149

(Inv. nr. 2603) befindet. Sein Text hat folgenden Wortlaut (E. KALINKA nr. 165 — G. MIHAILOV nr. 1794):5 Τόνδε κοτὲ ἱδρύσαντο θεῶ [x]epuca[A JAdı

Φοίβω ᾿Απ[οϊλλώνις ἠδὲ κασίγνητοι [π]αῖδες

Αὐλουζένεω 5

ἔ[σ]κε [δ]ὲ τῶν κατρῶος ἀνὰ Σακαϊκὴν

ἐρίβωλοναὐτὰρ οἵ στήσαντο κατὰ χ[θ)όνα Δωδοκάροιο.

Die Versinschrift ist in einen runden Opferaltar gemeißelt, der zu Ehren des Apoll aufgestellt wurde. Mit τόνδε in Vers 1 ist, wie schon E. KALINKA mit Recht bemerkt hat, der Altar gemeint und nicht cine verlorengegangene Statue des Apoll (so u.a. G. MIHAILOV). Für die Interpretation KALINKAs spricht nämlich das stark deiktische Demonstrativpronomen, das gewöhnlich den allernächsten Gegenstand bezeichnet, und der Umstand, daß es sich um einen Opferaltar handelt, auf dem übli-

cherweise keine Götterstatue angebracht war. Der Kulttisch befand sich ursprünglich im thrakischen Zaraikn (gegenüber Thasos) wo er von einem gewissen “AroAAdvig ( = scil. Apollonios) und seinen Brüdern, den Söhnen eines Αὐλουζένης, gestiftet wurde. Ihre Besitzer stellten ihn später an einem anderen Ort auf, und zwar κατὰ χθόνα Δωδοπκάροιο und versahen ihn mit der vorliegenden Inschrift Bei Δωδοκάροιο handelt es sich offenkundig um den homerisierenden Genetiv des Namens! für den Ort, wo die Weihung des epigraphischen Denkmals erfolgte. Der zweite Bestandteil des Toponyms ist durchsichtig und hat seine Parallelen in den thrakischen

Ortsnamen

Becoóxapov,

Bpixapov,

plural

Βόσπαρα,

Δαρδάκαρα,

Βενδίπαρα usw.!* Als seine Grundbedeutung steht »Furt, Zugang: u.ä. fest. Die erste Komponente des Wortes Auöözapov ist mit Wahrscheinlichkeit von Amô@(vn) nicht zu trennen. Wenn der thrakische Ortsname in zweiter Silbe ein o

statt ὦ aufweist, so darf dies keineswegs verwundern, lassen doch ebenso andere sprachliche und metrische Eigenheiten der Inschrift erkennen, daß ihre Dedikatoren einer nur halb hellenisierten Bevölkerungsschicht angehórten." In deren Redeweise

13

E. KALINKA, Antike Denkmäler in Bulgarien. In: Schriften der Balkankommission, Antiquar. Abt.

IV, Kaiserl Akad. d. Wiss, Wien

1906, 149f£., nr. 165 bzw. G. MIHAILOV,

Isnsomriptiones Graecae in

Bulgaria repertae 3 (Inscriptiones inter Flaemum et Rhodopem repertae). Acad. &tterar. Bulgar, Sofia 1964, 175f£., nr. 1794.

14 Für freundliche Informationen babe ich hier meinem Kollegen G. ALFÖLDY (Heidelberg) zu danken, der sich ebenfalls der Meinung KALINKAs anschliefit. 15 Homerisierend femer περικαλλέϊ, doch findet sich das Wort später offenkundig als Ionismus noch in der Koine, ebenso κασίγνητοι, ἠδέ, ἔσκε, ἐρίβωλον, das augmentlose στήσαντο sowie der Gebrauch des Artikels τῶν, ot in demonstrativer Funktion. 16 Vgl. dazu mit den BelegenD. DETSCHEW, Die thrakischen Sprachreste. In: Schriften der

Balkankonmission, l inguist. Abt. XIV, Österr. Akad. d. Wiss., Wien 1957, 359 und KATICIC (Anm. 12) 141.

17 Eine solche dem thrakischen Sprachsubstrat zuzuschreibende Eigenheit der Inschrift ist die Form Ἀπολλώνις anstatt Ἀπολλώνιος (so wie l'aíc anstatt Γαῖος in dem Weiherelief [12, 554, ed. MIHAILOV] an den einheimischen Heros Σαλδοκελήνος). Untegelmáflig gebildet ist auch der Genetiv Αὐλουζένεω des in Inschriften häufig belegten Personennamens Αὐλουζένης bzw.

150

Demeter in Dodona und Thrakien

findet sich o anstatt ὦ auch sonst: vgl. ὀρδιν(ᾶτος) und ᾿Ακόλλοίνι) in der Inschrift

nr. 1712 (ed. MIHAILOV). Zudem sind bei der orthographischen Wiedergabe von Ortsnamen Inkonsequenzen nicht außergewöhnlich, wenn man mit H. KRAHE' u.a. nur an Ptolem. geogr. 2,11,10 MnAißoxov (anstatt MnAißwxov) ὄρος denkt. Wir dür-

fen also das thrakische Toponym A«8óxopov mit »Dodofurt« wiedergeben.1 Wie Dodona, so ist auch allem Anschein nach Dodoparon ein theophorer Name gewesen, der auf einen alten Kult der Erde im Zusammenhang mit Demeter weist. Dieser Schluß wird nicht nur durch das Toponym selbst nahegelegt, sondern auch noch durch andere Gegebenheiten. In Dodoparon gab es vermutlich mehrere antike Heiligtümer. Am Fuße der Anhöhe, wo die Inschrift gefunden wurde, steht heute eine christliche Kirche mit einer Quelle. Nun wissen wir, daß die Christen ältere

heidnische Kultstätten durch ihre Sanktuarien ersetzten. Aus der Antike selbst sind uns an Orten der Verehrung von Demeter und Kore sowie ganz allgemein der Erde sehr häufig Quellen und Erdöffnungen bezeugt, die man für Zugänge zur Unterwelt hielt und wo sich die Heiligtümer dieser Gottheiten befanden.? So ist z.B. in einer Inschrift aus Poissa auf Keos, IG 12, 5, 569 (3. Jhdt. v.Chr.), die Rede vom Auftrag

ἐκιμελεῖ[σθαι καὶ τῆς κά͵τω κρήνης, ὅκως ... κα[θα]ρὸν τὸ ὕδωρ εἴσεισιν ἐς τὸ

ie[póv] τῆς Afuntpols.

Nicht übersehen sollte man, wie stark die Stifter bei den Angaben über die Aufstellungen des Altars ihres Apollon πατρῶος (der ja gewiß als ihr und ihres Besitzes Schutzgott zu denken ist) Fruchtbarkeit und Erde betont haben. Parallel zu ἀνὰ Σαπαϊκὴν ἐρίβωλον steht das uns besonders interessierende κατὰ χθόνα Δωδοπάροιο, das die nächste epische Parallele in dem formelhaften ἐπὶ bzw. ἀνὰ und κατὰ χθόνα πουλυβότειραν (das letzte Hymn. Hom. 4,517) hat. Diese intendierte Aussage wird durch die Ungeschicktheit des Griechischen der Inschrift gewiß nicht entwertet. Denkt man Land und Erde in göttlichen Kategorien (wie das ja hier schon durch den theophoren Ortsnamen Dodoparon nahegelegt ist), so drängt sich die Assoziation zu

Demeter auch durch die Wortfügung κατὰ χθόνα auf, ist doch χθονία ebenso wie καταχθόνιος eines der Beiwörter dieser Göttin.2 Offenkundig wurde Demeter von den hellenischen und hellenisierten Bewohnern Thrakiens, wo nach Diodors Zeugnis (5,77) ihre Mysterien besonders stark verbreitet waren, auch als Γῆ (x8ovín) verehrt. Dies geht z.B. ganz deutlich aus einer in Dragicevo gefundenen Inschrift hervor (nr. 2123, ed. MIHAILOV), in welcher Persephone als Γαίης κούρα apostrophiert wird. Auf das ebenso interessante epigraphische Denkmal aus Apollonia 12, 398, ed.

MIHAILOV, Γῆς χθονίης μέγαρον hat H. SCHWABL? aufmerksam gemacht und mit Αὐλούζενις. Die Genetivform lautet darin zumeist Αὐλουζένεος. — Zum metrischen Charakter der Inschrift vgl. die Anmerkungen von KALINKA und MIHAILOV. 18 H. KRAHE, Die alten Balkanil)yrischen geographischen Namen auf Grund von Autoren und Inschriften, Heidelberg 1925, 51. 19 Eine genaue Entsprechung dazu ist das oben angeführte Bendipara >Bendisfurte 20 "Vgl dazu MIHAILOV (Anm. 13) nr. 1794, mit weiterer Literatur. 21 Vgl dazu ausführlich VERF. (Anm. 2) 184, mit Literatur. In Eleusis gab es ein χθόνιον χάσμα, wo geopfert wurde (vgl. Eur., fr. 592 NAUCK?) ergänzend dazu vgl. auch G. E. MYLONAS, Ekeusis and tbe Eleusinian Mysteries, Princeton, N. J. 21972, 149. 22

Zur Epiklese der Demeter als xBovia vgl. Paus. 2,35,5, der auch berichtet, daß zu Ehren der

Göttin in der Argolis ein Fest Χθόνια gefeiert wurde; zu καταχθόνιος vgl. IG 3, nr. 1423, wo Demeter unter diesem Betwort zusammen mit Persephone, Pluton und den Erinyen angerufen wird. 23 H. SCHWABL, Tradition und Neuerung in antiken Götterkulten im thrakischen Gebiet. In: Spätantike und frühbyzantinische Kultur Bulgariens zwischen Orient und Okzident, hrsg. v. R. PILLINGER,

Demeter in Dodona und Thrakien

151

Recht auf die Beziehung zum Demeterkult hingewiesen. Wir dürfen annehmen, daß die einheimische Bevölkerung ihre Erdgöttin mit der griechischen Demeter identifizierte und es somit zu einem Synkretismus kam. Es bleibt zu fragen, wieweit man sich Apoll in Dodoparon, wo noch eine weitere ihm geweihte Inschrift ausgegraben wurde (nr. 1795, ed. MIHAILOV), auch als einen von einheimischen Zügen geprägten Gott vorstellen darf. Die Antwort ergibt sich wohl aus der im dortigen Bereich auch sonst feststellbaren Affinität zur Erdgöttin: Apoll hatte nämlich bei den hellenisierten Thrakern Züge einheimischer Gottheiten in sich aufgenommen, so daB, worauf SCHWABL ebenso treffend hingewiesen hat, z.B. der »gleiche Gott einmal als Apoll, dann wieder als Zeus erscheinen kann«.# Daher finden wir Apoll, dessen Name in den griechischen Inschriften Thrakiens sehr häufig begegnet, nicht nur in seiner bei den Griechen üblichen Funktion als Schutz- und Heilgott, sondern auch als Gottheit mit ausgesprochen chthonischen Zügen, wozu Erde und Jenseits nicht weniger ge-

hóren als Fruchtbarkeit und Gedeihen.5 All das rückt ihn in die Náhe der weiblichen Erdgóttin, welche die Griechen als Demeter** und die nichthellenischen Bewohner des nördlichen Balkanraumes als Dodo verehrt haben. Und diese weibliche Gottheit lebt auch heute noch, urn es ergänzend zu meinen zitierten Ausführungen festzuhalten, nicht nur im Volksglauben und Brauchtum der Südslawen jener Gegenden fort, wo ursprünglich illyrische Bevölkerung siedelte, sondern auch in den alten Heimatgebieten der Thraker.7

Schriften der Balkankommission, Antiquar. Abt. XV I, Österr. Akad. d. Wiss, Wien 1986, 16. H. SCHWABL habe ich hier auch für weitere freundliche Hinweise zu danken. 24 Vgl. H. SCHWABL (Anm. 23) 17, der außerdem mit Recht bemerkt, daß die Titulierung eines einheimischen Gottes als Zeus oder Apoll nicht nur eine Steigerung, sondern auch eine typologische Zuordnung bedeutet. Gerade letztere ist für uns besonders wichtig. 25 Zum Jenseitsaspekt Apolls vgl. seine Gleichung mit dem Tihrakischen Rester, der u.a. Symbol des heroisierten Verstorbenen war: vgl. dazu ausführlich SCHWABL (Anm. 25) 17ff., der hier auch auf die Verbindung des Gottes mit dem Wein aufmerksam macht. Sie wird deutlich aus einem Weiherelief mit

der Inschrift 12, nr. 374, ed. MIHAILOV: ᾿Αγαθῇ voyii. / Αὐλουζένης Αὐλουζένεος / ᾿Απόλλωνι ὑπὲρ τῆς σωτηρίας xoi τῶν ἰδίων ἀμπέλων ἐπὶ &/xpav εὐχαριστήριον ἀνέθηκεν. Wichtig ist ferner SCHWABLs Hinweis auf Hom. Od. 9,197, wo der thrakische Apollonpriester Maron (aus Ismaros), der ein Sohn des Εὐάνθης(Ὁ ist und ἐν ἄλσεϊ δενδρήεντι (D) wohnt, dem Odysseus Wein schenkt. Zu Apollon in Thrakien als Vegetationsgott mit chthonischen Zügen vgl auch M. OPPERMANN, Thraker zwischen Karpatenbogen und Ägäis, Leipzig 1984, 246. Apoll war aber ebenso schon in Hellas mit der Natur und ihrem Wachstum

verbunden: vgl. z.B. Paus. 2,34,6, der als Epiklese des

Gottes Πλατανίστιος und 10,15,2 Σιτάλκας bezeugt. Letzteres Beiwort weist ihn als Schützer des Getreides aus (vgl. zur Etymologie DETSCHEW [Anm. 16] 452). Besonders behütete Apoll nach dem Glauben der Griechen Mensch und Herdenvieh und fórderte dadurch ihr Gedeihen. Vgl dazu W. FAUTH, Der Kleine Pauh 1, 1964, 441ff. s.v. Apollon.

26 Zu Demeter als Gottheit der Fruchtbarkeit, des Schutzes und Heils sowie als göttliche Mutter, die ihre Kinder selbst im Tode nicht verläßt, vgl. VERF. ( Anm. 2) 190ff. 27 Vgl dazu E. SCHNEEWEIS, Grundriß des Volksglaubens und V'olesbrauchs der Serbokroaten, Cilli (Celje) 1935, 219ff. und A. B. COOK, Zeus. A Study ἐπ Ancient Religion 3,1, Cambridge 1940, 288ff., mit weiterer Literatur.

Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos Eine etymologisch-religionsgeschichtliche Untersuchung Sobald die Sonn erwacht, erlöschen Nacht und Lampe, und auf in einem Schaum geht Glauben und Unglauben. Rümi

Mit dem folgenden Beitrag hoffe ich, Dir, sehr verehrter, lieber Jubilar, als einem

hervorragenden Kenner der Sprachen und Kulturen des Alten Orients eine kleine Freude zu bereiten. Zugleich möchte ich damit in einer Zeit zunehmender Spezialisierung die Notwendigkeit der von Dir selbst so beispielhaft gepflegten interdisziplinären Zusammenschau unserer Wissenschaft in Erinnerung rufen. So soll in der vorliegenden Arbeit der Versuch unternommen werden, ausgehend von Kult und Mythos, unter Einbeziehung bisher nicht beachteter religiöser Vorstellungen des Alten Orients, einer etymologischen Deutung des nach wie vor höchst umstrittenen Namens der Persephone näherzukommen. Zu diesem Zweck muß zunächst das Verhältnis der Bezeichnungen Persephone und Kore zueinander untersucht werden, deren Identität für uns seit dem homeri-

schen Demeterhymnus bezeugt ist: Darin ist Persephone (V. 56,560,387,405) oder Persephoneia (V. 337,348,359,370,493) erstmals als Tochter (δυγάτερ V. 2) bzw. Mädchen (kópn V. 439) der Demeter greifbar.! Für die meisten Forscher ist die ursprüngliche Identität von Persephone und Kore nicht gegeben.? Vielmehr waren sie der Meinung, daß die Verschmelzung beider Göttinnen erst sekundär ist. Als Tochter der Demeter entspräche Kore dem von den Griechen bei ihrer Einwanderung aus dem Norden mitgebrachten Kornmädchen, das der Kornmutter zur Seite stand, während

man in Persephone vorwiegend oder sogar ausschließlich eine alte selbständige vorhellenische Unterwelts- und Totengottin sah. Was Δημήτηρ (bzw. dor. Δαμάτηρ, àol. Δωμάτηρ, thess. Δαμμάτηρ) betrifft, so

haben die Griechen den Namen, wie es scheint, von den Illyriern übernommen und auf eine ältere Erd- und Fruchtbarkeitsgöttin des ägäischen Raumes übertragen. Anders verhált es sich jedoch bei der der góttlichen Mutter beigegebenen Kore. W. BURKERT* macht nämlich mit Recht darauf aufmerksam, daß sich in dem reichen

Erstveröffentlichung in: Die Sprache 32, 1986, 286-307 (Wiener Sprachgesellschaft). 1 Eur.Hel 1342 nennt sie auch Παρθένος, ebenso Soph. frg. 736 NAUCKZ. 2 Vg. U. v. WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, Der Glaube der Hellenen 1, Berlin 1931, 106ff.; 205 und 2, 44, F. BRÄUNINGER, Persephone. RE 19, 1937, 944ff., M. P. NILSSON, Geschichte der griechischen Religion 1, 3. durchges. u. erg. Aufl, München 1967, 471, G. ZUNTZ, Persebhone. Three Essays on Region and Thought in Magna Graecia, Oxford

1971, 75ff., vorsichtiger W. BURKERT,

Griechische

Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart u.a. 1977, 302: »Ihr (scil. Persephones) rätselhafter Name kann auf eine eigentlich selbständige, unheimliche Große Göttin weisen.« 3

Vgl

dazu ausführlich H. PETERSMANN,

Der homerische

Demeterhymnus,

Dodona

und

südslawisches Brauchtum. W^$ 99, N.F. 20, 1986, 69-85 und id., Altgriechischer Mütterkult, in: Matronen und verwandte Gottheiten. BJ, Beih. 44, 1987, 171-199. In diesem Band S. 105ff.

Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos

153

von W. MANNHARDT und J. G. FRAZER* gesammelten Material die Verbindung von Mutter und Tochter als nördliche Korngottheiten — al en von einem einzigen unklaren Beleg — nicht findet. Nicht richtig ist jedoch, wenn BURKERT der Mutter-Tochter-Konstellation zugleich Parallelen aus dem Orient abspricht.’ Ein bisher nicht beachtetes Zeugnis eines hethitischen Ritualtextes des 14./13.

Jahrhunderts v.Chr. kann nämlich das Gegenteil erweisen: In den Keilschrifttexten aus Boÿazkôy (KBo) III 38 Vs.2’f. ( = H. OTTEN, Eine althethitische Erzählung um die Stadt Zalpa, Wiesbaden 1973 [Sswdien zu den Bogazkóy-Texten 17}, B Vs. 2’ S. 6) findet sich folgender Wortlaut: [ma-a-]an In-uk-kat-ta-15 URU Za-al-pa pa [BJALda-ga-zi-pa-aS-Ja DUMU.SAL PUTU NINDA. KUR« [R]A [

Offensichtlich handelt es sich bei diesem Text um die Schilderung eines Opfers: Jemand ging in die Stadt Zalpa (""" Za-al-pa pa[), sobald es hell wurde (/ma-a-Jan In-ukkat-fa-i) und brachte einen Brotlaib (NINDA. KUR, /RLA) als Opfer dar. In diesem Zusammenhang werden zwei Gottheiten genannt: da-ga-si-pa-aja " DUMU.SAL PUTU: und (Frau) Erde (und) Tochter Sonne. Das Determinativ SAL (Frau) bei daJ4a-zi-pa-ai-ja gibt an, daß wir die Erde hier als personifiziertes göttliches Wesen zu betrachten haben, das in anderen Texten als annaf Mutter angesprochen wird.

Überaus interessant ist jedoch die nachfolgende Wendung: DUMU. SAL PUTU. H. OTTEN" faßt mit H. G. GUTERBOCK'! DUMU. SAL PUTU als Apposition zu da-ga-%i-pa-af auf, wobei er daga-zi-pa-af als Nominativ Singular interpretiert. Er übersetzt daher: und die (Göttin) Erde, die Tochter (der) Sonne. Daneben zieht OTTEN als zweite Möglichkeit in Erwägung, DUMU.SAL in diesem Kontext »lediglich als Bezeichnung für das weibliche Wesen »Erde« zu fassen, ohne die Familienbeziehung Tochter zu implizieren«: »und Göttin Mädchen Erde (und) die Sonnengottheit. Gegen diese beiden Interpretationen spricht jedoch die mehrfach belegte Wen-

Sau.

(Anm. 2) 250. Mytholegische Forschungen, Straßburg, 1884, 202ff. The Golden Bongb 7, 3. Aufl., London 1915, 207ff. Ähnlich erklärte bereits WILAMOWITZ (Anm. 2) 2, 44: »Die Erdmutter und ihre Tochter sind urhellenisch.« 8 Daganziha- bezeichnete ursprünglich allein die personifizierte göttliche Erde, später auch,

synonym mit iekan (zu χθών), >Erde als Element verwendet (daher hier mit dem Determinativ versehen, um die Personifikation anzugeben); vgl zum Gebrauch und zur Bildung des Wortes 1 TISCHLER, Hethitische Nominalkomposition. In: Sprachwissenschaft in Innsbruck, hrsg. von W. MEID, H. ÖLBERG, H. SCHMEJA, Inasbr. Beitr. x, Kalturwiss., Sonderh. 50, 1982, 223 und E. NEU, Studien zum endungslosen Lokativ des Hethitischen. Imusbr. Beitr. x. Sprachwiss., Vorträge 23, 1980, 13; zu tekan

auch M. MAYRHOFER,

Ergebnisse einer Überprüfung des indogermanischen Ansatzes Thorn.

AAWW 119, 1982, Sonderh. 12, 245f. 9 Vgl Belege bei OTTEN (s.o. S. 153) 37 (Komm. z.St.). Bei den Phrygern hat das dem heth.

tekan und griech. χθών »Erdex entsprechende Γδαν ebenfalls den Beinamen »Mutterc (Ma). Daraus und aus anderen Belegen kann man gegen NILSSON (Anm. 2) den Schluß ziehen daß die Vorstellung von der Erde als Mutter auch bei den Griechen alt ist. Vgl. dazu ausführlich PETERSMANN, Altgriechischer Mütterkult (Anm. 3). In diesem Band S. 106. 10 (so. S. 153) 37. 11 Die historische Tradition und ihre literarische Gattung bei Babyloniem und Hethitern. Zeitschrift f. Assyriol. 44, N.F. 10,1938, 101f.

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Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos

dung taknaf PUTU(-uij? »der Erde Sonnengottheit« auf die OTTEN selbst aufmerk-

sam macht. Es ist daher wohl richtiger, DUMU.SAL, als Apposition zu PUTU aufzufassen. Bei "^ da-ea-si-pa-a! kann es sich grammatikalisch sowohl um einen Nominativ Singular als auch um einen Genetiv Singular handeln: Versteht man " 4a-ga-zi-pa-af als Nominativ Singular, so würde sich DUMU.SAL °UTU daran asyndetisch anschließen. In diesem Sinne übersetzt V. HAAS? unsere Stelle: und die Frau Erde und die Tochter Sonne Wahrscheinlicher ist m.E. jedoch, "^ da-ga-zi-pa-a! -(fa) in diesem Kontext als Genetiv zu deuten, der von DUMU.SAL PUTU abhängig ist. Dafür spricht erstens, daß im folgenden die Sonne allein redend und handelnd eingeführt wird: Sie ist es, die Vs. 4' den Bittenden bzw.

Opfernden

mit GrieB oder Grütze

( = me-ma-al) beschenkt (PUTU-uf me-ma-al ἐξ σα ἴα Su-w{h-) »Die Sonnengottheit schüttete [ = %-w{[h-] in seinen/ihren Mund [4-J2-2J-/2]«) und der Stadt Zalpuwa (Zal-

pa) Gedeihen verspricht: [pla-id.dw mwi-i-ja-ru """ Za-al pu-w-ya-a! »es soll geschehen: es soll gedeihen die Stadt Zalpuwa«. Die Sonne steht also im Mittelpunkt der Szene (B

Vs. 4-6”), nicht die Erde, daher ist auch vermutlich zuvor (B Vs. 3”) nicht von der

‚Erde als Tochter der Sonne die Rede, sondern von der »Sonnengottheit als Tochter der Erdgöttin«.

Als weiteres Argument gegen die Interpretation von ""da-ga-2-pa-af als Nominativ in B Vs. 3’ ist ferner anzuführen, daß das Wort NINDA. KUR,./R/A »Brotlaib« es nahelegt, daß es sich hier wohl um ein Opfer handelt.'* Daher kann die Gottheit

nicht im Nominativ erscheinen, man würde den Dativ erwarten. "da-ga-zi-pa-af ist formal aber nur Nominativ oder Genetiv, bei den Sumerogrammen DUMU.SAL

PUTU ist hingegen jeder Kasus möglich. Auch von dieser Warte aus gesehen, kann man m.E. nur so übersetzen: »und (scil. er/sie opferte) der Sonnengottheit, der Tochter der Frau Erde«. Diese Vorstellung von der Sonne als Tochter der Erdgöttin haben die Hethiter vermutlich von den Protohattiern übernommen, bei denen zum Unterschied von den

eingewanderten Hethitern die Sonnengottheit weiblich gedacht wurde15 Der Ausdruck """da-ga-zi-pa-af.!a DUMU.SAL ΤΟ wirft aber auch Licht darauf, daß wir die häufig belegte Wendung faknaf UTU/(-ui) der Erde Sonne: nicht nur in der engeren Bedeutung einer chthonischen Göttin zu verstehen haben, die des Nachts in der Unterwelt weilt, also im Sinne von »Nachtsonne«. Vielmehr ist iaknaf als die Erde schlechthin zu fassen, aus der die Sonne hervorgeht. Aus diesem Grund begegnen

beide Gottheiten auch sonst personifiziert in enger Verbindung als /aganzipaf taknaÿ-

(Da PUTU-usErdgöttin und der Erde Sonnengottheit«.!s Die Sonne ist wie die Erde selbst eine Göttin der Ober- und Unterwelt zugleich; Ursprung dieser Vorstellung ist die Wahrnehmung, daß die Sonne am Morgen aus 12

Vgl. E. TENNER, Tages- und Nachtsonne bei den Hethitern. Zeitschr. f. Assynol. 38, N.F. 4,

1928, 186ff. und E. LAROCHE, Recherches sur les noms des dieux bittites. RHA

7, fasc. 46, 1946-

1947, 106, mit weiterer Literatur. 13 Magie und Mythen im Reich der Hethiter, 1: V egetationskulte und Pflanzenmagis, Hamburg 1977, 51. 14 Brotopfer an die Sonnengottheit begegnen uns auch sonst: Belege s. u.a. bei L. ROST, Ein hethitisches Ritual gegen Familienzwist. Mittel. Inst. Orientforsch. 1, 1953, 348 und 362 und H. OTTEN, Die Gottheit Lelvani der Bogazköy-Texte. Journ. Cunsif Stud. 4, 1950, 124 (ΚΒ XXV 35,4 die Gottheit in syllabischer Lautung als Plans). 15 Vgl. dazu E. NEU, Der Anitta-Text. Studien zu den Bogaxköy-Texten 18, Wiesbaden 1974, 116ff., besonders 126ff., mit weiterer Literatur.

16

Vgl dazu mit Beleg OTTEN (s.o. S. 153) 37.

Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos

155

der Erde bzw. aus dem Wasser des Meeres oder eines Sees herauskommt, während

des Tages über den Himmel zieht und am Abend in die Erde bzw. in das Wasser

zurückkehrt. Aus diesem Grund wird sie z.B. KBo V 2 II 13 PUTU &-i-te-e-ni Sonnen-

gottheit im Wasser benannt. Demnach dachte man sich nicht nur die Erde, sondern auch das Meet als Stätte, wo die Sonne des Nachts ruht; Erde und Himmel hingegen sind die Eltern; daher neben takna? PUTU

auch die häufige Anrede

nepias PUTU,

also der Genetivus (separativus); vgl. KUB VI 45 III 13f.: »Du erscheinst, Sonnengott des Himmels, aus dem Meer und an den Himmel trittst du«.'

Dieselbe Genealogie der Sonne findet sich auch bei den Ägyptern (hier ist allerdings Geb, die Erde, männlich und Nut, der Himmel,

weiblich pedacht)'* und bei

den Griechen: vgl. homerischer Hymnus auf Helios (Hymn. 51,4£), in dem Hyperion — ursprünglich nur ein umschreibender Name für den Sonnengott und mit diesem identisch (vgl Hom. Od. 12,133) — ein Kind der Gaia und des Uranos ist. Kehren wir nun zu Kore-Persephone zurück: Es ist bemerkenswert, daß sie mit ihrer »Erdmutter: Demeter im Kult eine ganz enge Verbindung eingegangen ist: Beide Göttinnen werden in Rhodos sogar gemeinsam als Δαματέρες verehrt.” Wir dürfen annehmen, daß sie auch in der bildenden Kunst als eine Einheit dargestellt wurden.

Man

denke

an die vor allem in Rhodos,

aber auch

andernorts,

gefundenen

weiblichen Kultplastiken, die sich durch nur einen Unterleib, aber zwei Oberleiber und zwei Köpfe auszeichnen und die u.a. als Grabbeigaben dienten. Diese Darstellungen erinnern an die zahlreichen ähnlichen Idole aus dem Vorderen Orient, die dort bis in die frühe Jungsteinzeit zurückreichen. Ein besonders illustratives Zeugnis liefert eine weiße Marmorstatuette einer solchen Doppelgottheit aus Catal Hüyük, bestehend aus einer weiblichen Figur, aus der ein Mädchen erwächst. Schon J. MELLAART,? W. HELCK? und L. R. PALMERZ haben darin Vorläuferinnen der griechischen Demeter und Kore gesehen. Diese kleinasiatischen Idole sind m.E. wahrscheinlich als Darstellungen der Mutter Erde und der aus ihr hetvorgehenden Tochter Sonne zu deuten. Das legen nicht nut die oben besprochenen hethitischen Texte nahe, sondern auch die aus Anatolien bekannten Abbildungen einer schwangeren Göttin. E. STAUFFER? hat in diesem Zusammenhang auf ein hóchst interessantes Zeugnis aus dem Heiligtum von Gatal Hüyük aufmerksam gemacht, wo man an der Ostwand das Bildnis einer schwangeren Göttin entdeckte, um deren Nabel ein ornamentaler Kreis gezogen ist. Er äußerte die berechtigte Vermutung, daß es sich dabei um die Sonne im Leib der Gravida handle, »der hier im Sinne des neolithischen Róntgenstiles transparent gedacht wáre«. Dazu passen auch die aus der spáteren Zeit Anatoliens bekannten Sym17 18

Vgl. dazu TENNER (Anm. 12) 186 und LAROCHE (Anm. 12) 106. Vgl W. HELCK, Die Mythologie der Alten Ägypter. In: Wörterbuch der Mythologie, 1: Götter und

Mytben im Vorderen Orient, Stuttgart 1965, 351.

19 diesem 20 21

Vgl. dazu ausführlich mit Belegen H. PETERSMANN, Altgriechischer Mütterkult ( Anm. 3). In Band S. 106. Catal Häyük. Stadt aus der Steinzeit, Bergisch Gladbach 1967, zu Tafel 70-71. Betrachtungen zur Großen Göttin und den ihr verbundenen Gottheiten, Religion und Kultur der Alten

Mittelmeerwelt in Parallelforschungen 2, München, Wien 1971, 28f. mit Abb. 47.

22 Mycenacan Religion. Methodological In: Res Myemaea. Akten des VII. Internationalen Mykenologiscben Colloquiums in Nürnberg 1981, hrsg. von A. HEUBECK und G. NEUMANN, Göttingen

1983, 345. 23

Antike Madonnenreligion. ANRW2, 17,3, 1984, 1432, mit weiterer Literatur.

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Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos

bole der Sonnenscheibe (heth. &itar), unter der besonders die Sonnengöttin von Arinna (so benannt nach ihrem bisher nicht gefundenen Hauptkultort Arinna — sie wurde bei den Hethitern stets ideographisch PUTU

VW Arinna geschrieben) verehrt

wurde. Als genaue Parallele ist hier auch die altindische Vorstellung von Agni anzuführen: Agni verkörperte das göttliche Element des Feuers und wurde mit der »Sonnex identifiziert. Man glaubte u.a., daß die Erde mit ihm schwanger sei. Wir müssen uns nun fragen — was bisher noch nicht geschehen ist —, ob sich in Mythos und Kult der Demeter und Kore, wie auch sonst bei vielen religiösen Vorstellungen der Griechen, eine Brücke zum Alten Orient schlagen läßt und wir auch bei ihnen Spuren eines alten Glaubens an die Sonne als einer Tochter der Erdgottheit entdecken kónnen. In diesem Zusammenhang ist ein (bereits oben erwähntes) epigraphisches Zeug-

nis von der Insel Rhodos, die schon durch ihre Lage orientalischen Einflüssen besonders offen war, sehr illustrativ. Es wurde auf der Akropolis von Lindos gefunden und hat folgenden Wortlaut? ['A Ἰλιαδᾶν Δαματέρων xoi Διὸς Δαματρίου. Es

handelt sich also um eine Inschrift an die beiden Δαματέρες ( = Demeter und Kore) und an Ζεὺς Δαμάτριος. Das Aufschlußreiche aber ist, daß sie von einer religiösen Priesterschaft, den ᾿Αλιάδαι, gesetzt wurde, aus deren Namen (Αλιάδαι zu ἥλιος)

schon der Bezug zum Sonnenkult hervorgeht, wie er uns auch sonst gerade für Rhodos belegt ist 2 Wenn die Sonnenptiester im Zusammenhang mit Demeter, Kore und Zeus genannt werden, so dürfen wir wohl annehmen, daß die Sonne bei dieser kulti-

schen Konstellation eine Rolle gespielt hat. Bemerkenswert ist hier auch die Nennung des Ζεὺς Δαμάτριος: Im griechischen Mythos galt doch Persephone als Tochter der Erdgöttin Demeter und des Himmelsgottes Zeus — genau wie sonst bei den Griechen und Orientalen die Sonne als Frucht der Verbindung der Erde mit dem zu ihr gehörenden Himmelsgott erscheint.” Die Erde ist wie die Sonne in der Vorstellung der Völker stets mit dem wärmespendenden Feuer verbunden: Man wußte nicht nur von dem in der Erde befindlichen Wasser, sondern auch von dem in ihrer Tiefe geborgenen Feuer. Daher konnte man sich ausmalen, daß sich die Sonne nach ihrem abendlichen Untergang mit die24 "Vgl E. SCHULER, Die Mythologie der Hethiter und Hurriter. In: Wörterbuch der Mytbologie (Anm. 18) 197, mit weiterer Literatur. 25 Vgl Rigveda 7,4,5; mehr dazu bei H. OLDENBERG, Die Re&gion des V'eda, Berlin 1923, 120; zum Einfluß der Indo-Arier auf den Alten Vorderen Orient s. die zahlreichen richtungweisenden Arbeiten von M. MAYRHOFER, verzeichnet in der Bibliographie seiner Axsgewäblten Kleinen Schriften, hrsg. von S. DEGER-JALKOTZY und R. SCHMITT, Wiesbaden 1979; davon dort abgedruckt Die Vorderasiatischen Arier (Rez.-Aufsatz zu A. KAMMENHUBER, Die Arir im Vorderen Orient, Heidelberg 1968), 29-44 ( = Asiat. Stud. 23, 1969, 139-164), Eine neue Ta'anach-Tafel und ein indoarischer Name, 45-47 ( = AAWW 109, 1972, 119-121), Die Arier im Vorderen Orient — ein Mythos?, 48-71 ( = Teilabdruck von »Die Arier im Vorderen Orient — ein Mytbos? Mit einem bibliograpbischen Suppiemens. SAWW, 294,5, 1974, 93 Seiten), Namenkundliche Zeugnisse der indischen Wanderung? Eine Nachprüfung (mit W. EILERS), 72-99 ( = Sprache 6, 1960, 107-134). 26 Rhodos bildete zur Hethiterzeit eine wichtige Station auf dem Handelsweg zur See zwischen Hellas und dem kleinasatischen Festland. Vgl dazu A. GOETZE, Kulturgeschichte des Alten Orients. Kleinasien, 2. neubearb. Aufl, München 1957, 181 und 210.

27 Vgl. 28 Vgl. noch IG 12, 29 Vgl

dazu mit weiterer Literatur D. MORELLI, I audi in Rodi. SCO 8, Pisa 1959, 120f. dazu besonders BURKERT (Anm. 2) 272f.; als Priesterschaft werden 'AAıdödan in Rhodos 1, 155 erwähnt. dazu oben S. 154f.

Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos

157

sen beiden Elementen stärkt, um am Morgen, auch vom Schlaf erquickt, aus der Er-

de neu hervorzugehen. Dieser Glaube ist uns noch gut greifbar in einem althethitischen Gebet (KBo VII 28,24f.),% in dem von Dienern die Rede ist, die die Sonnengöttin zu Bett bringen und stärken: In diesem Sinn ist 25 die Lücke [...]-aJ-s»» mit da zu ergänzen. Dabei paßt daf{fa)ns- in der bekannten Bedeutung von »statk machen, stárken« ausgezeichnet, und es besteht kein Grund, mit J. FRIEDRICH?! hier ein Wort für »wecken« zu fordern. Der Glaube an die Wesensgleichheit des Feuers mit der Sonne findet sich bei vielen Völkern bis in die heutige Zeit. Schon die altindische Religion liefert dafür zahlreiche Belege; vgl. z.B. Rigv. 3,14,4: »Agni mit hellem Glanz leuchtete mächtig als Sonne, am Himmel als Sonne leuchtete er« ebenso Rigv. 8,56,5: »Agni, deine Strahlen, die in der Sonne sind, die mit des Sonnenaufgangs Strahlen sich über den Himmel breiten ...« Daher gebrauchte man auch in Riten den Feuerbrand als Vertreter der Sonne: So entflammte man am Morgen Feuer, um den Aufgang der Sonne zu bewirken und zu fórdern, und für die Bedienung des Feuers sind uns im Rigwda eine Reihe von Sprüchen überliefert, in denen Agni als Licht, Sonne bzw. Feuerbrand am Himmel angerufen wurde.? Auch in unserem heutigen Brauchtum lassen sich noch zahlreiche Spuren dieser alten Identifikation des Feuers mit der Sonne nachweisen. Denken wir etwa nur an die vielen magischen Feuerriten besonders zur Winter- und Sommersonnenwende, aber auch sonst, die als Sympathiezauber zu deuten sind und mit denen man das Wirken der Sonne in ihrem Lauf beeinflussen wollte.? Dabei ist nicht zu vergessen, daß Feuer, Licht und Sonne als

lebensspendend und fruchtbarkeitsfördernd galten.* Von daher ist es nun verständlich, daß das Feuer gerade im Kult der Demeter und Kore seinen besonderen Platz hatte. NILSSON® hat darauf aufmerksam gemacht, daß in den Heiligtümern der Demeter und Kore in Megalopolis und Mantineia ein nie erlöschendes Feuer brannte — genau wie im Tempel der keltischen Sonnengöttin Sul in Bath;* in Trapezus stieg neben der Quelle Feuer aus der Erde auf. Man denke ferner an die Lampen, Fackeln und Fackelläufe zu Ehren der beiden Göttinnen. Aus Argos ist uns ein besonders interessanter Brauch überliefert: Pausanias 2,22,3 betichtet, daß man dort für Kore brennende Fackeln in eine Grube warf. Auch dabei

handelte es sich offenkundig um einen Sympathiezauber. In Lerna in der Argolis, dem Ort, wo der Sage nach Persephone von Pluton in die Unterwelt entführt wurde

30

Mit Anschlußstück KBo VIII 92; vgl. dazu E. LAROCHE, Cataogwe des textes hittites, Études et

commentaires 75, Paris 1971, 65, nr. 371.

31 Ein hethitisches Gebet an die Sonnengöttin der Erde. RSO 32, 1957 ( = Sanfti in onore di G. FURLANI 1), 217ff., bes. 225 (Komm. z.St.). 32 Vgl dazu OLDENBERG (Anm. 25) 108ff. 33 Vgl. zB. nur die besonders aussagekräftigen Riten und Sprüche bei der altindischen Pravargyafeier (dazu OLDENBERG [Anm. 25] 446ff.); für unseren Kulturkreis H. BÄCHTOLD-STÄUBLI, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 8, Berlin, Leipzig 1936/37, 50 s.v. Sonne und H. HARTMANN,

Der Totenkulin Irland. Ein Beitrag zur Rehgion der Indogermanen, Heidelberg 1952, 69ff. 34

Ausdrücklich schon Plut. quaest. Rom. 2 τὸ φῶς γενέσεώς ἐστι σημεῖον. Mit Feuer glaubte man

auch die Toten am Leben zu erhalten oder sie ins Leben zurückzurufen, wie dies der griechische Papy-

rus Par. 1411 lehrt. Vgl. S. EITREM, Offerritus und Voropfer der Griechen und Römer, Kristiana 1915,

155ff., H. PETERSMANN, Lustrus. Etymologie und Volksbrauch. #14 N.F. 9, 1983, 209ff. (mit weiterer Literatur; in diesem Band S. 69£f.) und auch unten S. 159f. 35 (Anm. 2) 480. 36 Vgl. dazu]. DE VRIES, Keltiscbe Religion, Stuttgart 1961, 786; zu Sw/ H. BIRKHAN, Germanen und Kelten bis zum Ausgang der Römerzeit. SAWW 272, 1970, 490 Anm. 1447.

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Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos

(vgl. Paus. 2,36,7) und vom Neolithikum bis in die Spätantike Kult bezeugt ist, fand sich eine Inschrift (IG 4, 666 = KAIBEL, Epigr. Graeca 821), auf der Demeter und Kore sogar als γῆς xupqópot θεαί bezeichnet werden. Eine besonders illustrative Spur des alten Glaubens, der Kore mit dem Feuer bzw. der Sonnenglut in Beziehung setzte, begegnet bei Eutipides, Phaethon frg. 781,55 NAUCK (Eur. perd. trag. fragm): Da fleht der König Merops, Unglück ahnend, die Tochter der Demeter und Hephaist mit folgenden Worten an, seinem Haus gewogen zu sein: Σὺ δ' ὦ κυρὸς δέσποινα, Δήμητρος κόρη,

Ἥφαιστέ τ᾽, ἔστε κρευμενεῖς δόμοις ἐμοῖς.5 Kore wird also hier als »Herrin des Feuers angerufen, wobei πῦρ als das Element zu verstehen ist, durch das die Sonne wirkt. Daher verwenden Pindar Pyth. 3,50 und

Platon leg. 865 B das Wort in der Bedeutung von Sonnenglut, und die Stoiker reden von der Sonne u.a. als εἰλικρινὲς πῦρ (vgl. Sioic. ver. fragm. 650 v. ARNIM). Es steht also sprachlich nichts im Wege, in dem Fragment des euripideischen Phaethon, dessen Name ursprünglich eine Bezeichnung für den Sonnengott ist (zu

φάος »Licht), πυρὸς δέσκοινα als die göttliche Sonnenfrau zu deuten. Ein Bezug zur Sonne ergibt sich auch durch die Nennung des Hephaistos, der als Vater des Helios galt (vgl. Suda s.v. Ἥλιος, Cic. nat. deor. 3,54 Vulcanus) oder mit Helios selbst gleichgesetzt wurde (vgl. Orph. hymn. 66,6 sein Epitheton ἥλιος). Auch dahinter steht eine aus dem Orient übernommene Vorstellung von einer mit der Erde untrennbar verbundenen Feuergottheit, aus der die Sonne hervorgegangen ist Wohl in dem gleichen Bereich anzusetzen ist der Glaube an die Sonne als eine goldene Erdscholle (χρυσέα βῶλος), wie sie von Euripides frg. 783 NAUCK TGF? = Diog. Laert. 2,10 im Anschluf an die Lehren des aus dem kleinasiatischen Klazomenai stammen-

den Anaxagoras genannt wurde. Auch sonst deutet in der Sage und im Kult der Persephone-Kore manches darauf hin, daß wir in ihr ursprünglich eine Sonnengöttin sehen dürfen, die im Alten Orient ihre Parallelen hat. Dazu paßt vor allem ihr kaum beachteter oder (schon von den antiken Scholiasten) nicht verstandener Beiname λεύκικπος (Pind. OL 6,95), der deutlich auf den solaren Bereich weist, zumal sich sowohl die Völker des Alten Ori-

ents als auch die Griechen den Sonnengott mit einem feurig-leuchtenden Rossegespann über den Himmel fahrend vorstellten (deshalb sagt Pind. OL 7,71f. von ihm: ὁ γενέθλιος ἀκτίνων κατήρ, πῦρ πνεόντων ἀρχὸς ἵππων).» Als Lenker werden in der

vedischen Mythologie die Asvin (etymologisch zu ἵππος, equus etc.) genannt; Sürya, die weibliche Sonnengottheit, die etymologisch genau 'HAía entspricht, ist ihre Gemahlin.?^ Bei den Griechen entsprechen diesen Rosseherren die Dioskuren, die in

37 NAUCK TGF? 781, 59 hat allerdings mit BOTHE ohne Notwendigkeit das überlieferte ὦ πυρός zu ὡς παρός geändert. Schon WILAMOWITZ (Anm. 2) 109 hat daher mit Recht an der Tradition festgehalten. 38 Zu den Beziehungen Hephaists zum Alten Orient in Mythos und Kult vgl. W. FAUTH, Hephaistos. Der Kleine Pauly 2, 1967, 1024ff. 39

Vgl zum Sonnenwagen BURKERT (Anm. 2) 273, mit weiterer Literatur.

40

Vgl. A. A. MACDONELL, Vedic Mythology, Grundriß der Indo-Arischen Philologie und /Altertumsieunde

3, 1A, Straßburg 1897, 51 und H. OLDENBERG (Anm. 25) 212f.

Persephone im Lichte des altorientslischen Mythos

Kunst

159

und Mythologie gleichfalls mit der Sonne eng verbunden erscheinen.“ Sie

wurden u.a. unter dem Namen

λεύκικποι (vgl Ibyk. 2,1 DIEHL = 285,1 PAGE),

λευκόκωλοι (Pind. Pyth. 1,66; Eur. Herakl. 30 usw.) und in Theben als λευκὼ πώλω verehrt.“ Daher konnte man auch vom Tag als λευκόπωλος sprechen (z.B. Aischyl Pers. 386, Soph. Ai. 673). Dieser wurde von Eos angekündigt, die mit Helios ebenso in engstem genealogisch-mythologischen Zusammenhang stand.” Man glaubte, daß sie am Morgen in einem leuchtenden Wagen der Sonne vorausfahre und deren Aufgang ankündige; deswegen heißt auch sie (bei Bakchyl frg. 20 C 22 SNELL-MAEHLER) λεύκικκος 'Adc. Die Sonne geht nicht nur täglich auf und unter, sondern sie hat auch, auf das Ganze des Jahres gesehen, ihren bestimmten Lauf. Dieser Rhythmus reflektiert sich im Mythos von Kores ἄνοδος und κάθοδος. Ihr Abstieg in die Unterwelt làt die

Vegetation dahinwelken und absterben. Auch für diese Vorstellung liefern hethitische Texte eine interessante Parallele: So liest man auf einer bei Yuzgat (unweit von Boÿazkôy) gefundenen Tafel (VBoT 58, zu ergänzen durch KUB XXXVI 44 und KBo XIII 85), die u.a. ein Bittgebet an den Sonnengott darstellt, eine Erzählung über die Entführung der Sonne durch eine andere Gottheit und die daraus entstehende Notzeit mit Habbima, der personifizierten Starre. Diese wird schließlich durch die

Rückführung des Sonnengottes überwunden.“ Ähnlich bringt auch Kores Aufstieg und Rückkehr in die Oberwelt Fruchtbarkeit mit sich. Sie ist es, die im Zusammenwirken mit ihrer Mutter Erde die Natur im Frühling zu neuem Leben erweckt und

das Wachstum fördert.“ Dazu paßt der Name Αὐξησία (zu αὐξάνω, augeo smehren«, "wachsen lassen), unter dem sie bei den Griechen auch verehrt wurde. Es ist daher

nicht zufällig, daß Persephone in Magna Graecia als Hochzeitsgöttin Opfer erhielt“ und daß ebenso in der altindischen Religion bei der Hochzeit vor allem Agni, aber auch Süryä, die weibliche Sonnengottheit, als Spender irdischen Glücks und Segens eine Rolle spielte.” In derselben Funktion erscheint die anatolische >Sonnengöttin der 41 Vgl. dazu mit Belegen E. BETHE, Dioskuren. RE 5, 1, 1903, 1087f£. 42 "Vgl U. v. WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, Kommeriar zu Euripides Herakks 30 (2. Bearb., Bd. 2, Berlin 1895, 13£. = Nachdr. Bd. 3, Darmstadt 1985, 13) mit Hinweis auf den Schluß von Euripides’ Artope (s. frg. C 716. Suppl. Eur. v. ARNIM = Eur. frg. 10,92f. Select Papyri III PAGE). 43 Bei Hesiod theog. 371 ist sie Schwester des Helios und Tochter des Hyperion und der Theia bzw. — im homerischen Helioshymnus 4ff. — der Euryphacssa (s. zu diesen Bezeichnungen für die Sonne unten S. 164). 44 Vgl dazu SCHULER (Anm. 24) 214 sowie 207f. zu anderen analogen altorientalischen Mythen über verschwundene Vegetationsgottheiten, mit weiterer Literatur. 45 Über die Jahreszeiten, in denen Kores ἄνοδος und κάθοδος stattfinden, hat man sich seit der Antike viele Gedanken gemacht. Sieht man in Persephone-Kore die Sonne, so kann sich die ἄνοδος der Göttin nicht schon im Herbst bei der Aussaat des Getreides vollziehen, wie NILSSON (Anm.2) 4726. mit F. M. CORNFORD, The ἀπαρχαί and the Eleusinian Mysteries. In: Essays and Studies presented to W. RIDGEWAY, Cambridge 1913, 153ff, glaubte, sondern nur zur Zeit des griechischen Frühlings. Dafür spricht auch der homerische Demeterhymnus 401ff. selbst; im übrigen vgl. zu diesem Problem ausführlich mit Literatur N. J. RICHARDSON (ed.), Tbe Homeric Hymm to. Demeter, Oxford 1974, Komm. z. 399ff. 46 Vgl M. TORELLI, I culti di Locri. In: Locri Epizefiri. Ait del XVI Convegno di Studi sulla Magna Greaa. (Iaragto, 3-8 ottobre 1976), Napoli 1977, 147ff, C. SOUVRINOU-INWOOD,

Persephone and

Aphrodite at Locri. A Model for Personality Definitions in Greek Religion. JH.$ 98, 1978, 101ff. und H. PETERSMANN, Altgriechischer Mütterkult (Anm. 3). In diesem Band S. 106. 47 Vgl OLDENBERG (Anm. 25) 245f. und 461f.

160

Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos

Erde. In der oben erwähnten Erzählung von der Stadt Zalpa erweist sie sich als eine Gottheit, die jemanden mit Grief (oder Grütze) beschenkt und der Stadt Wohlergehen verspricht. Um langes Leben, Gedeihen und Fruchtbarkeit, Frieden, Brot und Wein wird sie auch in dem oben S. 157 erwähnten althethitischen Gebet (KBo VII 28 und KBo VIII 92) angerufen. Mit Wohlergehen verbunden ist stets friedliche Eintracht, als deren Stifterin die Sonnengöttin in einem Ritual gegen Familienzwist begegnet.# Diese Güter bringt sie mit ihren Dienern bei ihrem Aufstieg aus der Erde mit sich und beschenkt damit die Menschen.® Dadurch wird die Göttin zur Königin und Hertin über Mensch, Vegetation und alle Mächte, die darüber walten. Deshalb wird sie in hethitischen oder protohattischen Texten als SALLUGAL bzw. kattah

»Königin« oder GA-SAN-IA »meine Herrin angesprochen.” Der Titel paßt jedoch

nicht nur zur Sonnengöttin als Königin des Diesseits, sondern auch zu ihrer Herrscherfunktion über das Jenseits. Aus diesem Grund opferte man ihr beim Begräbais.“ Ihr Wirken war ambivalent: Es konnte sowohl Leben schaffen als auch ver-

nichten, und daher wird deutlich, warum sie »Ängste« und »Schrecknisse« (ΚΒ XXX 127 [+.ABoT 44] I 60£) begleiten und sie im Kampf als Helferin erscheint. In der gleichen Weise sind auch die Epitheta Δέσκοινα, Πότνια oder Βασίλεια der Persephone-Kore zu verstehen, die wie ihre anatolische Vorgängerin als eine erdgebundene Gottheit Königin zweier Welten ist. Sehen wir in Persephone-Kore den Reflex einer alten Sonnengottheit, so erklärt sich ihre Funktion als Fruchtbarkeits-, Heilsund Jenseitsgóttin zugleich.* Damit im Einklang befindet sich ihre häufige Vereh48 Vgl Text mit Übersetzung und Kommentar bei ROST (Anm. 14). 49 Vgl dazu FRIEDRICH (Anm. 31) 224 (Komm. z. KBo VII 28,Z. 40ff.) und H. OTTEN, Die inschriftlichen Funde. Miel d. Deutsch. Orientges. 86, 1953, 63. In dem Text (ergänzt durch KBo VIII 92) heißt es (nach der Übersetzung von OTTEN) von der Sonnengottheit Z. 11£: »Zum Guten wende deine Augen, die tausend Wimpem hebe [ ... ], den König schaue im Guten an, deine Ohren neige und gutes Wort [ ... ] erhörel« und Z. 40£: »Wenn ihr (sciL Diener der Sonne) nun kommt, dann bringt Gutes heraufl Die Erde möge wachsen und in Frieden ruben! Und für alle Zukunft soll das Wort der Götter ausgeführt seinl« — Über die Nähe des Chthonischen zu Segen und Fruchtbarkeit vgl. auch treffend F. HÖLSCHER, Der Raub der Kore im 5. Jahrhundert. In: Tajo. Festschrift für R. HAMPE zum 70. Geburtstag, hrsg. von H. A. CAHN und E. SIMON 1, Mainz 1980, 179. 50 Vgl. dazu OTTEN, Die Gostbeit Lebsani (Anm. 14) 120 Anm. 7, und NEU, Der Anitia-Text

(Anm. 15) 126.

51 KUB XXX 15 (* XXXIX11 und 19) Vs. 44 erhält sie und die Seele des verstorbenen Königs wa. je cin Rind und neun Schafe. Vgl. dazu H. OTTEN, Ein Bestattungsritual hethitischer Könige. Zeitschr. f. Assyriol 46, N.F. 12, 1940, 206ff., id., Hethitische Totenrituals, Berlin 1958; für weitere Literatur s. E. LAROCHE (Anm. 30) nr. 450. 52 Vgl dazuJ. FRIEDRICH, In aller Kürze. AOF 17, 1954/56, 148 und A. GOETZE (Anm. 26) 136. 53 So wird sie z.B. Orph. hymn. 29,6 »Königin der Unterirdischen (ὑποχθονίων βασίλεια) genannt. In Athen wurde sie als BaaíAn verehrt (vgl. WILAMOWITZ [Anm. 2] 2, 45), und auf sie paßt auch sonst die Bezeichnung Βασίλεια (vgl. u.a. Aristoph. av. 1537£f. und Diodor 3,57) als >Kônigin des Himmels, wenngleich im Laufe der Zeit in Vergessenheit geriet, wer sich hinter diesem Namen ver-

birgt

54

All diese Figenschaften hat man auch spáter immer wieder in der Sonne verwirklicht gesehen,

wenn wir etwa nur an das denken, was Johannes Aventinus im 16. Jahrhundert (vgl. die S. 167 zitierte

Stelle) als Volksglauben seiner Zeit über die »Himmelskönigin Sonne berichtet. Nicht ohne Grund wurde daher Persephone-Kore als Σώτειρα verehrt (vgl. z.B. Paus. 8,31,1f., Sy

Inscr. Graec? 1158,5

DITTENBERGER). Dazu paßt auch die Weihinschrift (IG 14, 631) Π]εριφόναι auf einem in Lokri gefundenen Helm. Mehr darüber bei H. PETERSMANN, Altgriechischer Mütterkult (Anm. 3). In diesem Band S. 106.

Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos

161

rung an Quellen, die einerseits als lebensspendend, andererseits als Eingänge in die Unterwelt betrachtet wurden. Ebenso stand ihre orientalische Vorgängerin in enger Verbindung zum Quellenkult.5 Der Mythos von Persephone scheint schon in minoischer Zeit zu begegnen, worauf bereits BURKERT* hingewiesen hat. Auf einem Teller aus dem ersten Palast von Phaistos findet sich eine aus der Erde aufsteigende Frauengestalt inmitten zweier tanzender Mädchen, einer Blume zugewandt.’ Auch aus der subminoischen und geometrischen Zeit Kretas, das ja der Sage nach als Heimat der Demeter und ihrer Tochter galt, wurden einige runde Tongefäße ans Licht gebracht, in deren Innerem eine Göttin in Epiphaniegestus bis zur Hälfte des Oberkörpers dargestellt ist. Ebenso wurde in der griechischen Vasenmalerei Kores ἄνοδος öfters abgebildet. Auf einem Krater in Dresden ist der aus der Erde aufsteigenden Göttin sogar Φερόφαττα beigeschrieben. Zusammen mit ihrer Erdmutter ist Persephone nicht nur eine Herrin der Fruchtbarkeit, sondern auch Garant göttlicher Satzung und Ordnung (deswegen u.a.

ihr Name tà θεσμοφόρα). Diese sind Voraussetzungen für Segen und Wohlergehen. Ähnliche Vorstellungen sind mit der altorientalischen Sonnengottheit verbunden, zu

deren Dienern und Begleitern die personifizierte Gerechtigkeit gehört.” 55 Vgl. dazu HAAS (Anm. 13) 53f, F. MUTHMANN, Muster sud Quelle. Studien zur Owellenvershrung im Altertum und im Mittelalter, Basel 1975, 141ff. sowie H. PETERSMANN, Altgriechischer Mütterkult (Anm. 3), mit weiterer Literatur. In diesem Band S. 106. — Auch sonst wissen wir, daß Quellen der

Sonne heilig waren; Solin collect. rer. memorab. 27,45 (S. 125,15 MOMMSEN)

bezeugt dies für die

Kyrenaika, aus der Swda 1, 106, 27 ADLER s.v. "AXewov geht es für Rhodos hervor.

56 (Anm. 2) 82. 57 Ähnliche Blumen finden sich auch zwischen den Tanzenden auf dem Ring von Isopata. Man denkt unweigerlich an die blumenpflückende Persephone. Nach antiker Tradition war ihr u.a. der Asphodelos heilig, mit dessen Blüten man in Rhodos ihre Bilder und die der Artemis zu bekränzen pflegte (vgl. Suds 1, 19£. ADLER s.v. ἀσφόδελος). Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang such der altägyptische Mythos von der Geburt der Sonne aus dem Kelch einer Lotosblüte. Vgl G. POSENER/S. SAUNERON/]. YOYOTTE, Lexikon der ägyptischen Kultur, Wiesbaden 1960, 92 s.v. Gótterichren und 148f. Lotos und Kamal Sabri KOLTA, Die Gkichsetquag ágyptischer und griechischer Götter bei Herodot, Diss. "Tübingen 1968, 109. 58 Vgl NILSSON (Anm. 2) 476 mit weiterer Literatur und Tafel 39,1; s. auch ZUNTZ (Anm. 2) 82 und BURKERT (Anm. 2) 82. 59 KUB XXXI 127 (*.A4BoT 44) I 65 erscheinen in dieser Funktion, worauf FRIEDRICH (Anm. 52) 148 aufmerksam

gemacht

hat, Bunene

und Misaru. Letzteres Wort, das die Hethiter von den

Babyloniern übernommen haben, ist seit der akkadischen Zeit in dieser Bedeutung belegt (vgl. W. v. SODEN, Akad. Handwérttrbucb, Wiesbaden 1965ff., The Assyrian Dictionary of the Oriental Instituts of tbe University of Chicago, Chicago 1956ff. s.v). Die Grundbedeutung von Bunene hingegen ist unbekannt. Wir wissen aber, daß er u.a. auf der akkadischen Stiftungsinschrift des Tempels von Mari (aus der Zeit des Hammurabbi) als Großwesir des Sonnengottes Samaë genannt wird und Tempelschänder sowie deren Nachkommenschaft mit Tod und Verderben bestrafen soll; vgl. dazuG. DOSSIN, L'inscription de fondation de Iabdun-Lim. Syria 32, 1955, 17 (s. col. V 29ff), zu Bunene ferner I. NAKATA, Deitier

in the Mari Texts, Diss. Columbia University, New York 1974, 109£, M. KREBERNIK, Materialen zur Erforschung der ältesten meropotam. Gótterüsten, München 1985, 170f. und Karlheinz DELLER, Köche und Küche des Assur-Tempels. Bashd. Mittel. 16, 1985, 365 (Karlheinz DELLER danke ich auch für seine freundlichen Hinweise und Beschaffung von Literatur zu diesem Problem). Ähnlich steht bei den Alten Ágyptern Maat als Hüterin der Ordnung und des Rechts dem Sonnengott zur Seite. Vgl. dazu HELCK (Anm. 21) 373£. und KOLTA (Anm. 57) 110. Dieselbe Vorstellung lebt noch in unserem Kirchenlied ‚Sonne der Gerechtigkeit: weiter. Vgl. zu dieser Vorstellung ausführlich auch F. J. DÖLGER, Die Sonne der Gerechtigkeit und der Schwarze. Eine religionmpeschichtlcbe Studie zum Tanfgelöbnis. Liturgiegeschichtliche Forschungen 2, Münster 1918, 83ff.

162

Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos

Es bleibt nun übrig zu fragen, ob sich aus dem Namen der Persephone selbst ei-

ne Deutung als Sonnengottheit ableiten läßt. Ohne Zweifel kann man als gemeinsames Vorderglied des Namens, der lokal sehr stark variiert, Tlepoe- (bzw. Tlepoo/*Tlepor-) ansetzen und ® in den Formen ®epo- als Assimilation an das folgende qóvn, -pátta etc. erklären. Höchst aufschlußreich ist, daß das Element Tlepo- in einer

Reihe von Eigennamen vorkommt, welche sowohl der alte Mythos als auch spätere Gelehrsamkeit offenkundig mit der Sonne in Beziehung setzten. Schon Hom. Od. 10,139 und Hes. theog. 956f. kennen — wie auch Apoll. Rhod. 4,591 und Cic. nat. deor. 3,48 — Πέρση bzw. IIeponíc als Gattin des Sonnengottes

Helios und Tochter des Okeanos. Als ihr Sohn wird Schol Lyk. Alex. 174 (ed. SCHEER 79,19) nicht zufällig ᾿Αλωεύς genannt. Sein Name ist von ἀλωή »Tenne, bebautes Land« und den ᾿Αλῶα, dem Fest der aufkeimenden Saat, das man am Be-

ginn des griechischen Frühlings zu Ehren der Demeter und ihrer Tochter (Persephone) feierte, nicht zu trennen.? Anderer antiker Tradition zufolge (vgl. Apollod. 1,83 und 147) erscheint Petses mit seiner sprechenden Bezeichnung als Sohn des Helios und der Perse. Hes. theog. 375ff. wird Perses zusammen mit den Himmelskórpern Astraios und Pallas als Kind des Kreios und der Eurybie genannt. Eurybie selbst galt aber als Tochter der Gaia. Ursprünglich war wohl der Name Εὐρυβίη eine euphemistische Bezeichnung der Erdgöttin selbst, für die auch andere Umschreibungen wie z.B. Πλαταῖα oder Πανδώρα begegnen. An dieser Stelle findet sich offenkundig ein Reflex des altorientalischen Mythos, in dem die Sonne als Kind der Erde erscheint. Dieselbe Genealogie der Sonne ist uns schon bei Hyperion begegnet. Nun erklärt sich auch, warum Hesiod Perses! ἰδμοσύαι, die man bisher nicht verstanden hat,

preist (theog. 377): ὅς καὶ πᾶσι nerenpenev ἰδμοσύνῃσιν. Das stimmt genau mit dem überein, was auch sonst von der Sonne geglaubt wurde: vgl. Hom. IL 3,277, wo He-

lios mit den Worten ὅς πάντ᾽ ἐφορᾷς καὶ μάντ᾽ ἐπακούεις angerufen wird. Allwissenheit und Gerechtigkeit machten die Sonne bereits im Alten Orient zu einem besonderen Schwurgott. Hes. theog. 409ff. ist Perses Gemahl der Asterie (‚der Sternhaftend, aus deren Verbindung Hekate stammt. Im homerischen Hymnus auf Demeter 24 heißt Hekates Vater Περσαῖος. Sowohl Hekates Name als auch ihr ältestes Verbreitungsgebiet weisen auf das karische Kleinasien,® das allerdings nach Herodot 1,171 von den ägäi-

schen Inseln aus besiedelt worden ist. Die aus Kyme stammende Familie Hesiods scheint zu Hekate ein besonderes Nahverháltnis gehabt zu haben. Hekate war vielleicht ursprünglich Mondgottheit, die dann, da sie den Sonnengott Perses zum Vater hat, verständlicherweise

dieselben Eigenschaften besitzt. Sie hat Anteil an Erde,

Himmel und Wasser; sie ist Schützerin im Kampf, steht den ehrwürdigen Herrschern 60

Vgl dazu ausführlich L. DEUBNER, Artische Feste, Darmstadt 1969, 64f. ( = Nachdr. der 2.

von B. DOER erweit. und durchges. Aufl., Berlin 1966). 61 Vgl zum Problem A. LESKY, Hethötische Texte und griechischer Mythos. AAWW 1950, 137ff£., id., Zum hethitischen und griechischen Mythos. Eranos 52, 1954, 8ff., id., Gtiechischer Mythos und Vor-

derer Orient. Saeculum 6, 1955, 35ff. (alle drei Beiträge jetzt in: A. L., Gesammelte Schriften. Aufsätze und Reden zu antiker und deutscher Dichtung und Kultur, hrsg. von W. KRAUS, Bern, München 1966, 356ff.; 372£f., 3796). Zur späteren Zeit vgl. besonders W. BURKERT, Die orientaksierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur. SFLAW 1984, 1.

62

Vgl. SCHULER (Anm. 24) 199 und KOLTA (Anm. 57) 110.

63

Vgl. dazu BURKERT (Anm. 2) 266, T. KRAUS, Hecate, Heidelberg 1960, 20 und RICHARD-

SON (Anm. 45) 155.

Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos

163

zur Seite, ist Hüterin des Rechtes und Spenderin der Fruchtbarkeit von Mensch und Tier. Wir dürfen uns daher nicht wundern, wenn Hekate im Mythos bei Persephones

Hadesfahrt und Rückkehr eine Rolle spielt und sogar zu ihrer Schwester gemacht wird.* Hekate selbst ist es, die Persephone aus der Unterwelt zurückholt;$ auch hier finden wir wieder eine alte Parallele in einem hethitischen Text (KUB VII 5 I 24f£): nu e-bu PEN.ZU-na-za MUL ték-na-af "UTU-un kat-i-it-ti #-wa-te-it »Nun komm herbei, Mondgott (und) Stern, führe die Sonnengottheit der Erde mit dire Nicht von ungefähr ist die Mondgottheit auch auf Reliefs aus der Zeit des hethitischen Großreiches stets dem Sonnengott zugesellt. Bei Lykophron Alex. 1175 wird als Vater der Persephone-Hekate nicht Perses, sondern Perseus genannt. Es handelt sich dabei nicht um eine Verwechslung der Personen, sondern beide Namen wurden in der Antike als identisch empfunden und

unterschiedslos gebraucht, wie uns dies auch das Schol. Apoll. Rhod. 3,200 lehrt.

Dieses

Scholion beruft sich auf die Argonautika

des Dionysios

Skytobrachion

(FGrHist or. 32 frg. 1 a JACOBY = frg. 21 a RUSTEN): ἱστορεῖ δὲ Διονύσιος, Ἡλίου ὅτι ἐγένοντο Περσεὺς καὶ Αἰήτης. Dieselbe Identifikation findet sich im E/ymologickm Magnum 515 GAISFORD s.v. Κίρκαιον. Formal bieten sich keine Schwierigkeiten, da auch sonst Formen auf -nç mit solchen auf -&u im Nominativ, Akkusativ und Voka-

tiv wechseln: so regulär im Arkado-Kyprischen, daneben im Dorischen, in epischer Sprache und auf attischen Vasen, wo sich sogar neben IIPOMEGEE u.a. ΠΕΡΣΕΣ anstatt ΠΕΡΣΕΥΣ findet. Es besteht also keine Veranlassung, mit WILAMOWITZ* den von Hesiod unter den Titanen genannten Πέρσης von dem berühmten Heros IIepσεύς (attisch Περ(ρ)εύς), dem Sohn des Zeus und der Danae, zu trennen.®

Für uns besonders aussagekräftig sind in diesem Zusammenhang die antiken Zeugnisse, die das Wort Περσεύς ausdrücklich mit Sonne gleichsetzen. Ein solches begegnet in Schol. zu Hes. theog. 276 ( = Stoic. vet. fragm. 2, 662 v. ARNIM), wo es heißt: Περσέα δὲ τὸν ἥλιον καλεῖ ... καρὰ τὸ περισσῶς σεύειν. Dahinter steht alte

64 Vgl. Orph. frg. 41 KERN (mit Komm), Kallim. frg. 466 PFEIFFER (mit Komm), RICHARDSON (Anm. 45) 84 und 155f., BURKERT (Anm. 2) 249 und 266. 65 Vgl dazu besonders Orph. frg. 42 KERN (mit Komm.) und die vorhergehende Anm.; zur Rolle der Hekate im Mythos und in den Mysterien von Eleusis vgl. auch F. HÓLSCHER (Anm. 49) 173£f., bes. 176, mit weiterer Literatur. 66 Vgl. dazu mit Belegen und weiterer Literatur E. SCHWYZER, Griechische Grammatik 1, München *1968, 575f., P. KRETSCHMER, Die griechischen Vaseninschriften ihrer Sprache nach untersucht, Gütersloh 1894, 191£., $ 172 und B. WYSS (ed.), Autimachi Colopboni reliquiae, Berlin 1936, 5 zu frg. 6 aus dem ersten Buch seiner Thebas, mit weiterer Literatur. Die Endung -nç anstatt -&uc scheint wohl in der dorischen Umgangssprache Italiens gängig gewesen zu sein. Von daher erklärt sich auch +, -es im Etruskischen und Lateinischen; vgl. z.B. etr. Perse, “ἄγε, lat. Achilles, Ulocis etc. Das hat schon Prisc. inst. 6,92 (GL KEIL 2, 276, 4) beobachtet, der u.a. als Beleg Ibyk. 17 DIEHL = 306 PAGE “Opens zitiert und sich dabei ausdrücklich auf die Dorer beruft; im übrigen vgl dazu C. de SIMONE, Die griech. Entishuungen im Etruskischen 2, Wiesbaden 1970, 123ff., mit Literatur zu den griech. Bildungen auf -;; dazu auch J.-L. PERPILLOU, Les substantifs grecs en φεύς. Études et commentaires 80, Paris 1973.

67

(Anm. 2) 107.

68

Perseus, den schon H. USENER, Die Sintfsthsagen, Bonn 1899, 85f., mit Perses identifizierte und als Sonnengott deutete, wurde in Attika kultisch verehrt (vgl. Paus. 2,18,1 und Hesych s.v. Tlep-

peoc). Von ihm leitete sich der Name des tion 99,9 BEKKER) her, ebenso Περσεία Perseus wie in Argos in besonders MOELLENDORFF, Pixdaros, Berlin 1922,

attischen Demos Περρίδαι (so Hesych; Περσίδαι Harpokraals Bezeichnung einer Quelle in Mykene (Paus. 2,16,6), wo hohen Ehren stand (vgl dazu U. v. WILAMOWITZ148).

164

Persepbone im Lichte des altorientalischen Mythos

Tradition und nicht nur antike Gelehrsamkeit der Stoiker, die den Namen zu erklären

versuchten. Dasselbe stellt Lydus mens. 4,22 mit Berufung auf die Χαλδαῖοι fest. Ein Reflex dieser Tradition ist sicherlich ebenso in dem Bericht der 5«4a 3, 406, 34ff. ADLER s.v. Μέδουσα zu sehen, wo Perseus Vermittler des himmlischen Feuers ge-

nannt wird: σφαῖρα πυρὸς κατηνέχθη ἐκ τοῦ οὐρανοῦ, ἐξ ἧς ἔλαβε πῦρ ὁ Περσεὺς καὶ καρέδωκε τοῖς τοῦ ἔθνους φυλάττειν καὶ τιμᾶν, ὡς ἐκ τοῦ οὐρανοῦ κατενεχθέν. Εἰnen Hinweis auf Perseus als einen älteren Vorgänger des Helios liefert auch die argivische Inschrift bei SCHWYZER, Dial Graec. ex. epigr. 95, 4£: Darin erscheint der He-

ros zusammen mit den Dioskuren, die uns schon oben S. 158 im Zusammenhang mit den góttlichen Sonnenrossen begegnet sind, als Ahnherr einer hochgestellten Persönlichkeit. Noch aufschlußreicher ist jedoch eine Notiz im Ehwelogioum Gudianum 462, GOf. STURZ

s.v. Περσεφόνη, wo »Perseus nicht nur in der Bedeutung von Sonne

er-

scheint, sondern mit diesem Wort auch Name und Wirken der Persephone in Verbindung gebracht werden: Περσεὺς καλεῖται ὁ ἥλιος, καὶ ἐξ αὐτοῦ Περσεφόνεια, ἡ ἀνάδοσις τοῦ σίτου, f) ἀπὸ τοῦ ἡλίου γινομένη. Nicht zufällig ist Perseus — wie Persephone -- Spender von Fruchtbarkeit; so berichtet Herodot 2,91, daß bei Perseus" Erscheinen in Ägypten das ganze Land er-

blüht (ἐπεὰν φανῇ, εὐθενέειν ἅκασαν Αἴγυπτον [scil Aéyovotv]), und auf einer kyprischen Inschrift (SCHWYZER, Dial Graec. ex. epigr. 682, 12) bittet jemand den (von Περσεύς abgeleiteten) Heros bzw. Gott Περσεύτας um Kindersegen.

Daß die Namen Perse, schon vor mehr als hundert Allerdings hat USENER brachte Material läßt jedoch

Perse(u)s und Persephone zusammengehören, darauf hat Jahren H. USENER® hingewiesen. Persephone als Mondgöttin gedeutet. Das oben beigeeindeutig erkennen, daß sich hinter den mythischen Ge-

stalten Perse(u)s, Perse und Persephone

die Sonne verbirgt, die — wie auch andere

Götter und Dämonen — in ein weibliches und männliches Wesen aufgespalten wurde. Ähnlich ist es zu erklären, daß die Hethiter zur alten protohattischen Sonnengöttin ein (indogermanisches) männliches Pendant stellten; auch die vedische Religion kennt eine männliche und weibliche Sonnengottheit,! und dieselbe Aufspaltung findet sich bei den Griechen: vgl. neben Ἥλιος, Ὑπερίων, Φαέθων usw. die weiblichen Bezeichnungen für die Sonne wie Ἡλία, Εὐρυφάεσσα usw.

Auf der Suche nach einer etymologischen Erklärung für Perse(is), Perse(u)s bzw. Persephone kommt uns eine Stelle bei Lykophron Alex. 1428 zu Hilfe, wo in bezug auf die große Anzahl persischer Geschosse im Kampf des Perserkónigs Xerxes gegen die Griechen gesagt wird: καλύψει πέρραν. Daß πέρρα in diesem Zusammenhang

69 Kallone. RAM 23, 1868, 346 und 353 ( = Kleine Schrifien 4, Leipzig, Berlin 1913, 48 und 60) sowie id, Götternamen. Versuch einer Labre son der rehgiösen Begriffsbildung, Bonn 1896, 11£, gefolgt u.a. von C. ROBERT, Die griech. Heldensage 1, Berlin 1920, 245, F. ALTHEIM, Persona. ARW 27, 1929, 55f£., K. KERENYI, Die Mythologie der Griechen 1, 3., durchges. Aufl, Zürich 1964, 186ff., id., Dar görtäche Mädchen. Die Haspigestalt der Mysterien von Eleusis in mytbologiscber und psychologischer Beleuchtung. Albae VigKae 8-9, Amsterdam, Leipzig 1941, 47f., id., Tochter der Sonne. Betrachtungen über griechische Gottheiten, Zürich 1964, 47. Auch U. v. WILAMOWITZ-MOELLENDORFF sieht eine etymologische Verbindung zwischen Perseus (Anm. 68) bzw. Perses (Anm. 2, 106f.) und Persephone. 70 Vgl dazu oben 8.154 mit Anm. 15. 71 $5ryáb etymologisch Ἥλιος, Jsr(2)d Ἡλία entsprechend. Vgl. dazu M. MAYRHOFER, KurzgeJaßtes etymologisches Wörterbuch des Altindischen 3, Heidelberg 1976, 496 s.v.

Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos

165

nur ;Sonne und nicht auch — wie E. BOBHARDT? und A.-HEUBECK? meinten — »Erdex bedeuten kann, ergibt doch sowohl der Kontext” — was soll heißen »Die Geschosse werden die Erde bedecken«? — als auch die Lykophron hier vorschwebende Parallele bei Herodot 7,226, wo geprahlt wird, daß die Menge der persischen Pfeile die Sonne verbergen und so ihr Licht verdunkeln werde. Das von Lykophron verwendete Wort xéppa für ἥλιος paßt durchaus zum Stre-

ben dieses hellenistischen Autors nach seltenen und zu seiner Zeit oft kaum mehr verstandenen Ausdrücken. Ein Teil des von ihm gebrauchten Wortgutes ist offenkundig archaischer Natur. Ohne Zweifel dürfen wir für xéppa ein älteres "πέρσα »Sonnex ansetzen, was sich

sprachlich genau mit der oben behandelten mythischen Gestalt der Πέρση als »Frau Sonnex bei Homer und Hesiod trifft. Ich kann daher K. KERENYI nicht zustimmen,

wenn er im Anschluß an H. USENER Perse als ursprüngliche Mondgöttin deutete und sie mit Hekate identifizierte. Wenn Hekate bei Apollonios Rhodios Perseis heißt (3,467 πότνα θεὰ Περσηί; 3,478 ‘Exétnç Tleponidog; vgl. auch 3,1035), so be-

zeichnet dies ihre Zugehörigkeit, nämlich daß sie aus der Familie des Perse(u)s stammt wie Chryseis oder Briseis aus der des Chryse(u)s oder Brise(u)s. Daher kann auch Alkmene bei Euripides Herakks 801 als Nachkomme des Perseus so genannt werden. Dasselbe trifft zu für Περσαῖος (Hymn. hom. Dem. 24 anstatt Πέρσης) und

Περσεία (Name der Hekate Orph. hymn. 1,4%). Alle diese Bezeichnungen sind etymologisch zu *repou zu stellen und leiten sich direkt oder indirekt davon ab." Allerdings findet sich in keiner der uns bekannten Sprachen ein Wort, das cine etymologische Verbindung mit *xepoa »Sonne: zuließe, und auch die ua. von C. von HOLZINGER in seinem Kommentar zu Lykophron 1427 erwogene Erklärung von

xéppa als koptisches Wort entbehrt, wie mir von Ägyptologen versichert wurde, jeder Grundlage.’ So können wir annehmen, daß es sich bei *xepca wohl um ein ägäisches Wort handelt.

72 Die Nomina auf -eûs. Ein Beitrag zur WW ortbildung der grischischen Sprache, Zürich 1942, 136, $ 437. 73 Argeiphontes und Verwandtes. BN 5, 1954, 28ff. ( = Kine Schriften zur griech. Sprache und Literatur, Erlangen 1984, 256ff.). 74 Es heißt bei Lykophron 1426ff.: κύφελλα δ᾽ ἰῶν anAößev ῥοιζουμένων ὑπὲρ κάρα στήσουσι Κίμμερόςθ᾽ ὅκως σκιὰ καλύψει πέρραν, ἀμβλύνων σέλας.

USENER, Kallone (Anm. 69) 349 (bzw. 52) hat auf Grund des Kontextes der Stelle mit Recht festgestellt, daß die Bedeutung von xéppa = Sonne hier offenkundig ist; vgl. ebenso schon Schol. min. (ed. L. BACHMANN, Leipzig 1830) z.St: τὸν ἥλιον αὐτόν. 75 Vgl. die Literatur oben Anm. 69; auch für H. GÖTTNER-ABENDROTH, Die Göttin und ihr Heros. Die matriarchalschen Religionen in Mythos, Märchen und Dichtung, München *1984, 36 ist Persephone die »weiße Mondgóttin« KERENYI gelangt zu dieser Deutung u.a. auf Grund des Namens der Νέαιρα, die Hom. Od. 12,133 als Gattin des Helios Hyperion begegnet und in der er »die »Neue«, das heißt der Neue Mond, der Mond in seiner dunkelsten Phase« sieht. Mit Νέαιρα wird aber m.E. nur etwas über

das Alter der Göttin gesagt. Wenn sie die ;jungex genannt wird, so paßt dies auf die Sonne ausgezeichnet, die ja nach antikem Glauben, wie wir gesehen haben,

76 7T!

Kind der Erdmutter ist.

Vgl dazu mit weiteren Belegen W. QUANDT (ed), Orphei bymni, Berlin 1941 z.St. Blofie mythologische Spekulationen der Antike brachte dann auch den Volksnamen der Perser

ins Spiel, so schon Herodot 7,61, der Perseus zu ihrem Abnhertn macht.

78 Für freundliche Hinweise habe ich meinen Heidelberger Kollegen J. ASSMANN, G. BURKARD und R. GRIESHAMMER zu danken. Sie bestätigen, was bereits USENER (Anm. 74) festgestellt hat.

166

Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos

Es stellt sich die Frage, ob wir *#epoc mit den in den Linear-B-Tafeln PY Tn 316 und Un 1189,2 und 3 belegten Namen einer Göttin Pr-re-82 zusammenbringen und darin eine Kurzform der Persephone (Peresa — Persa) erkennen dürfen. Zu den von M. S. RUIPÉREZ? und G. PUGLIESE CARRATELLI® dafür vorgebrachten Argumenten kommt m.E. als starke Stütze hinzu, daß sich für die in Un 118922 und 3

erwähnten Opfer nach Art der römischen Suovitaurilien Parallelen aus dem in Eleusis belegten Kult von Demeter und Persephone-Kore beibringen lassen. Dazu paßt auch das bei Homer Od. 11,130£. vorgeschriebene Opfer von Schafbock, Stier und Eber für Poseidon, der in den archaischen Mythen Arkadiens Gatte der Demeter und Vater der Persephone-Kore ist? Damit ist wahrscheinlich gemacht, daß Πέρσα schon in mykenischer Zeit zur Bezeichnung der Persephone diente. Der Name setzt sich fort in der Perse des griechischen Mythos. Als männliches Pendant zur Göttin, vom gleichen vorgriechischen Wortstamm *xepoa abgeleitet, erscheinen Perse(u)s und Perseutas.® Allen diesen Gottheiten bzw. Heroen ist eigen, daß ihr Mythos und Kult noch auf ursprüngliche Sonnengottheiten weisen. Daneben sind uns seit der historischen Zeit in Persephone, Persephatta etc. auch zweigliedrige Namensformen der Göttin belegt.“ Die darin vorkommenden Ablautverhältnisse weisen auf urgriechische Zeit zurück. Als ursprüngliche Bedeutung von *repoa ist vermutlich »Feuer, Licht« anzunehmen. Eine vereinzelte Spur dieses Wortes findet sich noch, wie wir gesehen haben, bei Lykophron, wo es analog etwa dem Gebrauch von »Feuer, πῦρ, £gti etc. zur Be-

zeichnung der Sonne diente. Davon ausgehend, erklärt sich Persephone als Sonnengottheit von selbst, wenn wir im zweiten Glied ihres Namens als Wurzel (*gtben-) /*£thon- bzw. reduktionsstufiges -grbp- in der Bedeutung von »schwellen, strotzen, übervoll seinc ansetzen,® und zwar *-gtbon-cH, in: jon.-ep. Περσεφόνη, lyr. Φερσεφόνη, kret. (inschr.) ®epoorövn, lokr. (inschr.) Π]εριφόνα usw.; *-gtbon-es;H, in: ep. Tlepoepöveia, lakon. (nach Hesych) Πηρεφόνεια, Hesych Φερσεφόνεια usw. (wie

Πηνελόκεια neben Πηνελόπη); *-grbon-esr-jeH, in: jon. (inschr.) Φερσεφονείη usw.; *-

ghog-tiH,

in:

att.

Περρέφαττα,

Φερσέφαττα,

Φερρέφαττα,

Περσώφατί(τ)α,

Περ(ρ)όφατί(τ)α, Trag. Περσέφασσα und Φερσέφασσα.""

79 Mykenisch Ρε-τε- 82) »Persephone«. In: Minoica, Festschraft f. J. SUNDWALL, hrsg. v. E. GRUMACH, Deutsche Akad. d. Wiss. zu Berka, Schriften d. Sektion f. /Altertumswiss. 12, Berlin 1958, 359ff. 80 La dea micenea Per(e)sa e Persefone. SCO 7, 1958, 20ff. 81

In den

eleusinischen

Ritualtexten τρίττοα

Bobapxos

(außerhalb

Attikas

auch

Boóxpepoc)

genannt. Vgl dazu ausführlichL. ZIEHEN, Leges Graecorum sacrae 9 tituhs collectae 2 (Leges Graecae et insularum), Leipzig 1906, 10f. (zu nr. 2 und 4,37). 82 Dort allerdings nicht als Persephone oder Kore, sondern unter dem Namen Despoina verehrt.

Vgl. dazu NILSSON (Anm. 2) 477f£.

83 Ähnliche Maskulinisierungen finden sich auch sonst; vgl. z.B. die Namen “Apns bzw. äol "Apeuc (wahrsch. zu ἀρή).

Bpóvtng (zu βροντή),

84 Unwahrscheinlich F. BADER, Persée, κέρθω et l'expression archaïque du temps en indoeuropéen. BSL 69, 1974, 52, die den Namen des Perseus von dem der Persephone wieder völlig trennt und als Hypokoristikon (zu πέρθω) aus dem Indogermanischen ableitet.

85

Zu "μόνα." *etbon- vgl. J. POKORNY, Indogermanisches etymolopisches Wörterbuch 1, Bern, München

1959, 491 (1) s.v. 86 Belege s. H. G. LIDDELL/R. SCOTT/H. ST. JONES, A Grek-Enghsh Lexicon, Oxford ?1973, 1395 s.v. Περσεφόνη, mit Suppl. 120 und 1922 s.v. Φερσέφασσα, KRETSCHMER

(Anm. 66) 107, $ 88,

122, $ 102, 178, $ 155, H. FRISK, Griechisches etymologisches Worterbuch 2, Heidelberg 1973, 517 s.v.

Περσεφόνη.

Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos

167

Die Grundbedeutung des Namens der Göttin ist also »die von Feuer, Licht

Übervolle. Daraus ergibt sich, daß entgegen der Meinung von FRISK und anderen, die als erste Komponente des Wortes neben Περσε- auch Φερσε- in Erwägung ziehen,* nur Hepo- in Frage kommt ® im Anlaut ist daher ausschließlich als Assimilation an das folgende -pövn, -φάττα etc. anzusehen. An den Formen Περ(ρ)όφατί(τ)α,

Tlepaópat(x)a. (o anstatt o ist nur als orthographische Variante oder Verschreibung zu bewerten), Depooxóvn und II]eptpóvo!* zeigt sich, daß als Kompositionsvokal bei

der Zusammensetzung von "persa t *etb(o)s- neben e auch o und τ erscheinen. Suchen wir nach einer Erklärung dafür, warum zu Persa überhaupt eine zweigliedrige Form Persephone etc. gebildet wurde, so scheinen mir am ehesten euphemi-

stische Gründe in Betracht zu kommen. Sie beziehen sich m.E. auf den Unterweltscharakter der Sonne und sind der ängstlichen Vorsicht zuzuschreiben, ihr bei ihrem Untergang weder durch ein unrechtes Wort Kraft zu nehmen noch sie zu beleidigen, sondern im Gegenteil ihre Macht und Stärke zu preisen sowie ihren Aufenthaltsort und ihre Ruhe während der Nacht ehrenvoll zu umschreiben und ihren Aufgang am nächsten Tag zu sichern. Der Volksglaube liefert dafür viele Belege. Ein besonders illustratives Beispiel liest man in der Bayrischen Chronik des Johannes Aventinus (Frankfurt 1580, 19b): »Dergleichen haben sie (scil die Leute) ein Weib Frauw Son-

nen in die Zahl der untódlichen Gótter geschrieben, sie eine Kónigin des Himmels, nach ir den Tag Liecht und den ersten Tag genennt, uber Kreuter, Krankheit und Kindbetterin gesetzt, dorfft keiner sagen, sie gienge unter, must sprechen, sie gieng zu Róst und Gnaden, wie dann noch etwan das närtisch gemein Volk meint.« Ein deutlicher Euphemismus beim Sonnenuntergang ist auch die neugriechische Wendung βασιλεύει ὁ ἥλιος, rumänisch soarek asfinfeste »die Sonne wird heilig«, d.h. »sie geht in die himmlische Herrlichkeit ein und umgibt sich mit der Glorie des Lichts«,

87 So P. CHANTRAINE, Dictionnaire étymologique de la langue grecque. Histoire des mots, Paris 1968, 889 s.v.; vgl. auch ALTHEIM (Anm. 69) 35ff., id., Terra Mater. Untersuchungen zur altitalischen Rekpionsgeschichte. RGVV 22, 2, Gießen 1931, 56, 100£f., 107, id., Geschichte der lateinischen Sprache von den Anfängen bis zum Begins der Literatwr, Frankfurt 1951, 340. ALTHEIM will — wie auch andere (s. W. FAUTH, Persephone.

Der Kleine Pauly 4, 1972, 647) — etruskisch gersu damit in Verbindung bringen und darin den Namen einer ursprünglichen Totengottheit schen. C. de SIMONE, Die griechischen Entiebnungen im Erruskischen 2, Wiesbaden 1970, 2936, bes. 296, hat jedoch gegen ALTHEIM gezeigt, daß es bei den Etruskern mehrere gersu gab und der Name nur als Beischrift von maskierten Männern mit Bart und Spitzhut in der Funktion von Henkern, Wettläufern und Tänzern begegnet und die damit bezeichnete Person nicht von den Griechen herkommt. Hingegen erscheint es durchaus möglich, Περσώ bzw. Persis (bei Hyg. fab. 3 ROSE für überliefertes Cher), die Bezeichnung einer der Graien oder Phorkiden, zu denen Perseus bei seinem Gang in das Jenseits gelangt, mit dem Vorderglied des Namens der Persephone in Verbindung zu bringen (vgl. dazu M. L. TROWBRIDGE, Perso. RE 19,1, 1937, 1036). Eine Kurzform des Namens könnte auch bei Diodor 27,4,7 vorliegen, wo von der lokrischen Persephone die Rede ist, wenn man dem überlieferten Φέρσεως trauen kann. würe darin aber

sekundär und von den Namensformen mit anlautender Aspirata (Φερσεφόνη etc.) her zu erklären. 88 D.h. [Iepwóva mit Ersatzdehnung (vgl. dazu SCHWYZER, Griechische Grammatik 1, 281) oder

Περ(ρ)ιφόνα. 89

Bei

FRISK

(Anm.

86)

und

CHANTRAINE

(Anm.

87)

s.v.

sind

Formen

mit

dem

Kompositionsvokal o überschen. Vgl. zuo / e / 1 in der Kompositionsfuge SCHWYZER, Griechische Grammatik 1, 438 und 447, K. MEISTERHANS,

Grammatik. der attischen Inschriften, 3. vermehrte und

verbesserte Aufl, Berlin 1900, 115f., $ 45b und KRETSCHMER (Anm. 66) 122, $ 105 mit Hinweis u.a. auf Namen wie Φειδέστρατος: Φειδόστρατος, ᾿Αρχέβιος; ᾿Αρχίβιος, ᾿Αρχεκλῆς: ᾿Αρχικλῆς etc.

᾿Αγέλαος:

᾿Αγόλαος,

᾿αρχεκράτης:

᾿Αρχοκράτης,

168

Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos

und Pose siónzko skbadta »die göttliche Sonne geht auf« in der Sprache der Wenden.” Es ist also keineswegs zufällig, daB Persephone gerade in ihrer Eigenschaft als Son-

nengöttin der Unterwelt und der Toten mit diesem Namen als ıdie an Licht Übervolle versehen wurde. Werfen wir abschließend nochmals einen Blick auf die Wortbildung von »Persephone usw., so zeigt sich uns ein Name, der aus einem nicht-indogermanischen ersten und einem indogermanischen zweiten Teil zusammengesetzt ist. Solche Bildungen finden sich im Griechischen auch sonst, wenn wir z.B. mit P. KRETSCHMER" an Bellerophontes denken. Sowohl die Etymologie des Wortes als auch die Mythologie und der Kult der Persephone weisen ganz offensichtlich auf eine ursprüngliche Sonnengöttin, die ihre genauen Parallelen im Alten Orient hatte. Diese alte Sonnengöttin wurde von den in den Mittelmeerraum eingewanderten Griechen übernommen und ihrer Sprache angepaßt, wie sich dies im zweiten Bestandteil ihres Namens zeigt. In ihrer Eigenschaft als Sonnengöttin des lichten Tages wurde sie jedoch später von den entsprechenden indogermanischen Gottheiten zurückgedrängt, so daß man ihren Namen in seiner ursprünglichen Bedeutung später nicht mehr verstand und auch die Vorstellung von ihr als Tochter der Erde in Vergessenheit geriet. Dies führte in der modernen Forschung dazu, daß man die Identität von Persephone und Kore bestritt und in beiden zwei anfänglich von einander getrennte Gottheiten

sah, wobei man

den Bereich der Persephone hauptsächlich oder sogar ausschließlich auf die Unterwelt beschränkte. Durch die auffallenden Parallelen für die Mutter-Tochter-Konstellation von Demeter und Kore im altanatolischen Mythos, die sich auch in den bildlichen Darstellungen ausdrücken, hoffe ich jedoch gezeigt zu haben, was Kore ursprünglich war: wie hethitisch SALdaganzipaf DUMU.SAL PUTU die Sonne als Tochter der Erde.

Dazu paßt ihr Name Persephone: die von Feuer, Licht Übervolle. So läßt sich auch gerade am Wesen dieser Göttin wieder die enge Verflechtung der griechischen Religion mit der Vorstellungswelt des Alten Orients erkennen.

90 Vgl dazu ausführlich mit weiterer Literatur und Belegen W. HAVERS, Nesere Literatur zum Sprachtabu. SAWW, 223,5, 1946, 87 ff., $ 38. 91 Nochmals die Hypachäer und Alaksandus. Geta 24, 1936, 236ff. und 273, id., Bellerophontes. Ghtta 31, 1951, 92ff. — Nach HEUBECK (Anm. 73) 28ff, im Anschluß an H. EHRLICH, Ein griechisches Auslautsgesetz. KZ 39, 1906, 560ff., wären hingegen beide Bestandteile des Namens der Persephone aus dem Indogermanischen herzuleiten und als xdie Ertragreiche: (* φέροςἘἘ grhfo)n »strotzen hom. ἄλθετο H. RIX, Anlautender Laryngal vor Sonant im Griechischen. MSS 27, 1970, 88f. 17 Zur Funktion dieses Morphems E. BENVENISTE, Origine: de ia formation des moms en indeeuropéen, Paris 1935, 188ff. 18 In dieselbe Richtung weist vielleicht auch noch die von Hesych bezeugte (wohl hybride) Form ἀλθεῖναι, wenn sie richtig überliefert ist, und die mit χαλεπῆναι erklärt ist: Ist doch die Metapher von Glut und Hitze für Groll, Zom,

Haß

und Rache bis heute in einer Reihe von Sprachen ganz

geläufig. Für das Griech. vgl. z.B. nur Aristoph. ran. 844, wo Dionysos zu Aischylos sagt: μὴ πρὸς ὀργὴν σκλάγχνα θερμήνῃς κότῳ.

220

Vom Märchen zur epischen Sage

Mutter ᾿Αλθαία gehütet wurde, war auch das Leben ihres Kindes heil. Da die Mutter in allen Sagenfassungen stets ᾿Αλθαία hieß, wird klar, daß sie von jeher mit dem magischen Gegenstand (ἄλθος), seiner Wartung und dem Brand (ἄλθα) in Zusammenhang gebracht wurde: Sie reißt ja bekanntlich das lebenserhaltende Scheit nach dem Spruch der Moiren aus dem Herdfeuer, verwahrt es sorgfältig, damit ihr Sohn wachsen und gedeihen kann, und brennt es letzten Endes ab, um den Mörder ihres Bruders zu vernichten. Daher muß, auch vom Sprachlichen aus gesehen, das Scheitmotiv

ursprünglich und der Fluch der Mutter, wie er sich bei Homer findet, sekundär sein. Es ist auch nicht zufällig, daß dieser Gegenstand, an dem das Geschick und Leben des Märchenhelden hing, ein Stück Holz war. Holz als Mittel zur Erzeugung von Wärme wat, wie der Baum als sein Spender, ein Symbol des Wachstums, der Nah-

rung und des Lebens schlechthin. So mag für unseren Zusammenhang der Hinweis

darauf interessant sein, daß das etymologisch dem griech. ἄλθα entsprechende altschwedische Wort alda die fruchttragende Eiche bezeichnet. Offenkundig sah der Mensch in Baum und Holz etwas Magisches, in dem er nicht nur dämonische Kräfte und Mächte vermutete, sondern auch sein eigenes Wesen wiederzufinden glaubte. Daher erklärt sich auch die hohe kultische Verehrung, die man Baum und Holz zukommen läßt und die sich in sehr vielen bis in die Neuzeit hinein gepflegten Bräuchen spiegelt.? Aus der großen Anzahl solcher Bräuche möchte ich hier nur auf einen näher eingehen, der besonders bei den Südslawen und den anderen Völkern des Balkans verbreitet war und noch ist: Bei ihnen ist es üblich, am Weihnachtsfest einen

Holzklotz im offenen Feuer zu verbrennen. Dabei besprengt man ihn u.a. mit Weihwasser, beräuchert ihn mit Weihrauch, bestreicht ihn mit Honig, begießt ihn mit Wein und Suppe, gibt ihm auch Speisen wie Gemüse und Kuchen bei, ja man schlachtet sogar Tiere darauf. Was man von diesem Holzklotz als Gegenleistung für diese Verehrung erwartet, geht aus einem Trinkspruch auf ihn hervor, der uns z.B. aus Kosovo bekannt ist: »Auf dein Wohll Wir geben dir Wein und Kuchen, du uns Gesundheit, Frieden, männliche Kinder, Segen, Fruchtbarkeit und jegliches gute Giückke!

19 20

"Vgl POKORNY (Anm. 16) 26f. s.v. al. Vgl dazu ausführlich MARZELL s.v. Baum. In: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hrsg.

von BÄCHTOLD-STÄUBLI

unter Mitwirkung von E. HOFFMANN-KRAYER

1, Berlin 1927, 954ff.

und ©. A. ERICH/R. BEITL, Wörterbuch der deutschen Volkskunde, Stuttgart 31974, 69ff. s.v. Baum, mit reicher weiterer Literatur. 21 Die Slowenen Krains benannten diesen magischen Gegenstand nach dem Ausweis VALVASORs, Die Ehre des Herzogtums Krain, Laibach, Nürnberg 1689, hrsg. von J. KRAJEC und J. PFEIFER, Rudolfswert (Novo Mesto) 71877-1879, 476, einfach als »Klotz< pain ( = pan). Bei den Slowenen von Görz heißt er um 1850 5e; (Bezeichnung für Weihnachten) = Deminut. von bug XGotk < idg. *bbag- »zuteilen, altind. bhajati rer teilt zus, b5ásab »Zuteiler, av. baya »"Gott usw., vgl. F. BEZLAJ, Etwoloikei slovar slovenskega jezika 1, Ljubljana 1977, 29 s.v. bog, und POKORNY

1 (Anm. 16)

107; die Serbokroaten benennen ihn (wie die Slowenen: vgl. bo) mit dem Namen für Weihnachten badnik, badnjak (also der »Wachtag« < beders, bedeti vwach sein« [vgl. BEZLAJ s.v. badmik), er wird aber auch mit Euphemismen umschrieben: z.B. sesehak (zum Verbum seseät) xler Exfreuerx oder blafena palica ‚das selige Holzstück« usw. Vgl. zum Brauchtum um den Weihnachtsklotz besonders bei den Südslawen, aber auch sonst in Europa E. SCHNEEWEIS, Grundriß des Volkiglaubens und Volksbrauchs der Serbokroaten, Celje 1935, 155ff, WEISER-AALL s.v. Weihnacht. In: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens (Anm. 20) 9, Berlin 1941, 898 (Nachtr.) und BEITL, Wörterbuch der deutschen Volkskunde (Anm. 20) 950 mit Belegen und Literatur; zu den Euphemismen vgl. W. HAVERS, Newere Literatur zum Sprachtabu. SAWW 223,5, 1946, 32f.

Vom Märchen zur epischen Sage

221

Man versteht nun vielleicht auch, warum im Volksglauben oft das Leben von einem Stück Holz abhängig ist und dieses zum Sitz der sogenannten external soul werden konnte. Wie man Leben und Fruchtbarkeit durch das Abbrennen des magischen Holzes unter Darbringung von Opfern zu fördern glaubte, so konnte man offenkundig auch das Gegenteil damit bewirken, wenn man es wie Althaia ohne Opfer, sondern aus Zorn dem Feuer überantwortete und vernichtete. Ich hoffe, aus der Analyse des Namens der Afhaïa deutlich gemacht zu haben, daß sie ursprünglich in der Erzählung vom magischen Scheit ihren festen Platz hatte.2 Freilich bedurfte die Mutter im Märchen keines eigenen Personennamens, und auch heute noch ist sie in den entsprechenden Volkserzählungen namenlos: Es hieß wohl und heißt seit jeher einfach am Beginn dieses Märchens: »Es war einmal eine Mutter, die ...« Als aber das Märchen zur Sage wurde, brauchte die Mutter natürlich

einen Eigennamen, und sie erhielt diesen von ihrem Zaubermittel Wie die Mutter, so hatte auch ihr Sohn Meleager in der alten Volkserzählung keinen Eigennamen, sondern er wurde nur mit dem Appellativum Sohn bezeichnet. Erst der Heldenmythos gab ihm den Personennamen Μελέαγρος. Der Name ist ein

Nominalkompositum mit verbalem Prásensstamm als regierendem Vorderglied, dessen Typus schon im Mykenischen begegnet: Er leitet sich von μέλειν und ἄγρα her.

Man darf mit guten Gründen vermuten, daß der Name nicht erst von Homer eingeführt wurde, sondern daß er schon in der vorhomerischen Sage vorkam. Aus seiner sprachlichen Form kann man auf die Tätigkeit und Lebensweise des Helden schlieBen: Er ist der Mann, dem die Jagd am Herzen liegt. In seiner Eigenschaft als Jäger wurde er in die Erzählung von der Kalydonischen Jagd übernommen und dort zum mythischen Helden. Und diesen Ruf und Ruhm als Jäger hat Meleagros auch in den späteren Phasen der Überlieferungsgeschichte der antiken Sage nie mehr abgelegt. Ja, die epische Heldendichtung hat ihn zum Unterschied vom Volksmärchen, wo nicht er, sondern Althaia und das magische Scheit die zentrale Rolle spielten, in den Mit-

telpunkt der Handlung gestellt. Sicherlich ohne Eigennamen war in der alten volkstümlichen Erzählung auch der Bruder Althaias, den Meleager tötet, dessentwegen die Mutter das fatale Holzstück,

von dem das Leben des Sohnes abhängt, in das Feuer wirft. Auch bei Homer ist Meleagers Oheim namenlos: Es ist von ihm nur als Bruder der Althaia die Rede, dessen Tod die Schwester durch ihren Fluch rächt: vgl. IL 9,567, πόλλ᾽ àyéovo' ἠρᾶτο κασιγνήτοιο φόνοιο. Anders als bei Homer, für den wie in der Volkserzählung nur 22 Gänzlich überholt daher die von ESCHER, RE 1, 2, 1894, 1693 vorgebrachte Deutung der Althaia als »Heil und Gedeihen bringende Wolkennymphex 23

Zur Rekonstruktion des Wortlautes des antiken Meleagermärchens vgl KAKRIDIS,

Dis alten

Hellenen im neugrisch. olkıglanben V (Anm. 5) 46£.

24

Vgl. zu dieser Wortbildung nach dem sog. Öpx&xakog-Typus P. CHANTRAINE, Études sur ke

vocabulaire grec. Études εἰ Commentaires 26, Paris 1956, 45£, SCHWYZER 1 (Anm. 11) 441 und von KAMPTZ (Anm. 11) 60ff. — Zum Mykenischen (z.B. e-ke-da-mo ΚΝ Ufl 522, PY Cn07 = "Exébapoc) und allgemein vgl nun auch die wichtige Untersuchung von G. NEUMANN, Die hometischen Personennamen. Ihre Position im Rahmen der Entwicklung des griechischen Namenschatzes. In: Zweibundert Jahre Flomer-Forschung, Rückblick und Ausblick, Colloquium Rauricem 2, hrsg. von J. LATACZ, Stuttgart, Leipzig 1991, 311ff, bes. 320. — Anders, jedoch nicht überzeugend H. MÜHLESTEIN, Redende

Personennamen

bei Homer,

Studi mic. ed egeo-anatol. 9, 1969, 84 Anm.

15, der im ersten

Bestandteil des Namens Μελέαγρος das Adj. μέλεος verfolglos, unglücklich: annimmt und auf Euripides frg. 517 N.? Μελέαγρε, μελέαν γάρ ποτ᾽ ἀγρεύεις ἄλραν verweist, wo es sich aber um eine Volksetymologie handelt.

222

Vom Märchen zur epischen Sage

das Faktum des Todes des Oheims durch Meleager wichtig erscheint — der geht daher auch auf keine Einzelheiten ein, sondern setzt das Geschehen als voraus —, hat die spätere Sage nicht auf Namen verzichtet und aus cinem sogar zwei Personen gemacht. Vgl. Bakchyl epin. 5,127ff, wo Meleager in terwelt selbst erzähle

Dichter bekannt Oheim der Un-

ἔνθ᾽ ἐγὼ κολλοῖς σὺν ἄλλοις Ἴφικλον κατέκτανον

ἐσθλόν τ᾽ ᾿Αφάρητα, θοοὺς μάτρωας.

Während wir bei der Mutter Althaia, dem Sohn Meleagros und dem Mutterbruder mit Sicherheit annehmen können, daß sie — obgleich nur in appellativischer Form genannt — der alten Volkserzählung eigen waren, trifft dies für Oineus, den Gemahl Althaias und Vater Meleagers, nicht zu. Oineus hatte im alten Märchen keinen Platz. Vielleicht stand hinter Oineus einmal ein Weingott, wie man dies angenommen hat.5 Zu einer gemein-griechischen Gottheit ist er jedoch nicht geworden; sein Verbreitungsgebiet beschrünkte sich auf Átolien, wo sich insbesondere in Kalydon, dem alten Herrensitz der Gegend, um seine Person Sagen rankten. Dort war er zum Lokalheros geworden. Und in dieser Rolle wurde er, als das Märchen vom magischen Holzscheit zur Meleagersage um- und ausgebaut wurde, in die neue Erzählung integtiert und erhielt darin funktionale Bedeutung. Oineus ist es námlich, der die Kaly-

donische Jagd verursachte, hatte er sich doch gegen Artemis versündigt, die daraufhin sein blühendes Land durch einen Eber verwüsten läßt und zwischen Kalydon und den Kureten einen Streit um die Jagdtropháe entfacht: Die Folge davon ist offenkundig der Tod des Oheims durch Meleager und der daraus resultierende eigene Untergang des Helden. Letzteres wird bei Homer bewußt nicht mehr erzählt. Auch

erfahren wir vieles in einer so komprimierten und oft nut anspielenden Form, daß man ohne Zweifel auf die Existenz einer vorhomerischen epischen Meleagerdichtung geradezu schließen mußte. In dieser kam wohl auch bereits die Frau des Meleager vot. Homer überliefert ihren Namen und gibt eine Schilderung ihrer Abstammung, von der M. M. WILLCOCK mit Recht feststellt: »This digression is most obscure and allusive; it does seem like an abbreviation of a longer narrative«.? Vgl. Il. 9,555-564:

A τοι ὃ μητρὶ φίλη ᾿Αλθαίη χωόμενος κῆρ

κεῖτο παρὰ μνηστῇ ἀλόχῳ, καλῇ Κλεοκάτρῃ, κούρῃ Μαρπήσσης καλλισφύρου Eünvivng

Ἴδεώ θ᾽, ὃς κάρτιστος ἐπιχθονίων γένετ᾽ ἀνδρῶν τῶν τότε — καί pa ἄνακτος ἐναντίον εἵλετο τόξον

25 So U. von WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, Der Glaube der Hellen 2, Darmstadt 31959, 64 Anm. 2 und R HANSLIK, RE 17, 1937, 2195f£. s.v. Orneus.

26

Dem kämpferischen Charakter Meleagers, den Hom. Il. 9,550 als ἀρηίφιλος bezeichnet, ist es

zuzuschreiben, daB ihn nachhomerische

Heldendichtung nicht Sohn des Oineus, sondern des Ares

sein ließ: so schon Hesiod im Frauenkatalog frg. 25 ed. MERKELBACH/WEST. Vgl. auch VAN DER

KOLF, RE 15, 1, 1951, 446 s.v. Mekagros. 27

Mythological Paradeigma in the Iliad (Anm. 4) 149; ähnlich auch in seiner kommentierten

Edition (The Ikad of Homer, B. I-XII, London 1978, 282 z.St).

Vom Märchen zur epischen Sage

225

Φοίβου ᾿Ακόλλωνος καλλισφύρου εἵνεκα νύμφης᾽

τὴν δὲ τότ᾽ ἐν μεγάροισι κατὴρ καὶ πότνια μήτηρ ᾿Αλκυόνην καλέεσκον ἐπώνυμον, οὕνεκ᾽ ἄρ᾽ αὐτῆς μήτηρ ἀλκυόνος πολυπενθέος οἶτον ἔχουσα κλαῖ᾽, ὅτε μιν ἑκάεργος ἀνήρκασε Φοῖβος ᾿Ακόλλων.

Aus dieser Digression bei Homer erfahren wir, daß Meleagers Frau nicht nur Kleopatre hieß, sondern auch von ihren Eltern Alkyone genannt wurde. W. SCHADE-

WALDT billigte der Namensform Alkyone zwar Überlieferungswert zu,* glaubte jedoch im Anschluß an R. OEHLER,? daß der Name Kkopatr eine Erfindung des Iliasdichters sei, und zwar nicht nur motivisch, sondern auch sprachlich, in Analogie zu Patroklos, der Achill bewegt, von seinem Groll abzulassen. Dies war eines der Argumente, mit denen SCHADEWALDT

auch das μῆνις-

Μοῦν

einer älteren epischen

Dichtung absprechen und es Homer allein zuschreiben wollte.” Dagegen hat KAKRIDIS mit Recht eingewendet, daß es für Homer singulär wäre, einen eingebürgerten Namen von sich aus durch einen anderen zu ersetzen. Allem Anschein nach setzt doch Homer an der Stelle, wo er Kleopatre nennt, den Namen als bekannt voraus. SCHADEWALDT gibt auch überhaupt keine Erklärung für das Faktum einer doppelten Namengebung. KAKRIDIS macht jedoch in diesem Zusammenhang u.a. auf IL 6,402f. aufmerksam, wo es von Hektors Sohn heißt: τόν δ᾽ Ἕκτωρ καλὲεσκε Σκαμάνδριον, αὐτὰρ οἱ ἄλλοι

᾿Αστυάνακτ᾽ οἷος γὰρ ἐρύετο Ἴλιον “Ἕκτωρ.

Offenkundig hat Hektors Sohn hier seinen zweiten Namen genauso von einer Verhaltensweise des Vaters erhalten, wie Meleagers Gattin von ihren Eltern nach den

Klagen ihrer von Apoll geraubten Mutter 'AAkvóvn (zu ἀλκυών »Eisvogek) genannt wurde,? war doch in der Antike der Eisvogel Symbol treuer Gattenliebe und lieben-

28

Ikasstudien (Anm.

5); wie SCHADEWALDT

auch W. THEILER,

Der Dichter der Ilias. In:

Festschrift für Edouard TIÉCHE, Bern 1947, 164 Anm. 61; auch WILLCOCK, Komm. z. Il. 9,556 (Anm. 27) neigt wieder zu dieser Ansicht. 29 Myibolosiscbe Exempla, Diss. Basel 1925, 16. 30 Vgl. Ifasstudien (Anm. 5) 159£.; für die Zuweisung an Homer bereits BETHE (Anm. 9) 1ff., bes. 11£; so auch W. KULLMANN, Dar Wirken der Götterin der I&as. Deutsche /Akad. der Wiss. zu Berlin, Schrift. der Sekt. für /Altertummwiss. 1, Berlin 1956, 40 Anm. 3 und A. HEUBECK, Zur neueren Homerforschung.

Gymnasium 66, 1959, 399.

31 Vgl Homeri Ressarches (Anm. 5) 29ff; für eine Verankerung von Meleagers μῆνις in vorhomerischer Ependichtung auch E. HOWALD, Meleager und Achil RAM 73, 1924, 402ff. (HOWALD wollte auch in seinem Buch Der Dichter der Ikas, Zürich 1946, 118 den Namen Patroklos aus Kleopatre ableiten); G. FINSLER, Homer, 1: Der Dichter und seine Weit, Leipzig , Berlin 51924, 39f£., OEHLER (Anm. 29) 14, VAN DER KOLF (Anm. 26) 448, W. WOLFRING, Ilias und Meleagris. WS 66, 1953, 24ff., G. S. KIRK, The Songs of Homer, Cambridge 1962, 166, WILLCOCK (Anm. 4) 149, LESKY, Geschichte der grücbiscben Literatur (Anm. 5) 38f. und RE Suppl 11, 1968, 758 bzw. Sonderausgabe 72. 32 Zur Benennung der Kinder nach Lebensumständen, Handlungen und Verhaltensweisen der

Eltern s. z.B. nur Odysseus’ Sohn Τηλέμαχος oder Schmerzenreich im Grimmschen Märchen (nr. 31) Das Mädchen obus Hände. dazu KAKRIDIS, Haweric Ressarches (Anm. 5) 31. — Zum Unterschied von Kleopatre, deren Name nicht auf den Mythos beschränkt war, findet sich 'AAxvóvn nur bei Heroinen,

die

Kurzform

(Anm. 10) 264 bzw. 30 s.vv.

᾿Αλκυώ

allerdings

auch

im

Alltagsleben.

Vgl.

FRASER/MATTHEWS

224

Vom Märchen zur epischen Sage

der Klage.” Vermutlich ist in dieser Praxis der doppelten Namengebung die Spur einer alten Gepflogenheit zu sehen, die u.a. heute noch in Indien ihre genaue Entsprechung hat Auch dort unterscheidet sich der eigentliche Name, den die Eltern ihren Kindern geben, von demjenigen, mit welchem die Kinder óffentlich gerufen

werden. Der Grund dieser Doppelnamigkeit liegt in der Absicht, dämonische Wesen zu täuschen, um ihnen durch Verheimlichung des eigentlichen Namens keine Gewalt über das Kind zu geben.* Nach dem Dargelegten ist es doch sehr wahrscheinlich, daß Homer den Namen

Kleopatre nicht selbst erfunden, sondern aus einem älteren Meleagergedicht übernommen hat. Welche Rolle die Gattin des Helden darin spielte, wissen wir nicht. Bei Homer ist Alkyone jedenfalls ein sprechender Name. Er spielt in der Presbeia deutlich auf die Homer offenkundig bekannte Sage von der Entführung der Mutter Kleopatres durch Apoll an. Vielleicht ist in der vorhomerischen Meleagris der Name Alkyone bewußt gewählt, um damit bereits das künftige Leid der liebenden Gattin, die über den Tod ihres Mannes trauert, anzudeuten. Die späte Sage operiert jedenfalls mit diesem Motiv, wobei wir nicht ausmachen

können, ob sie auf ältere Tradition zu-

rückgegriffen oder eigenständig die Handlung weiter ausgesponnen hat: Vgl. Hyg. fab. 174 am Schluß der Fabel: Ar comiumx eius (scil. Meleagri) /Akyone maerens in luctu decesstt. Ohne Zweifel gehörte m.E. Kleopatre bzw. Alkyone (sowie Meleagers Vater

Oineus) ursprünglich anderen Erzählungen an und wurde erst sekundär, als die MeJeagris vom Märchen zur epischen Sage umgestaltet wurde, aus diesen übernommen und mit dem Geschehen um Meleager verbunden. Mit dem ursprünglichen Meleagermärchen hatte Kleopatre bzw. Alkyone jedenfalls nichts zu tun. Dies zeigt sich auch in der sprachlichen Form ihrer Namen, die keinerlei Bezug zur Handlung der

alten Volkserzählung vom magischen Scheit aufweisen. Man muß sich auch fragen, welche Funktion die Frau des Helden darin hätte erfüllen sollen. Anders hingegen in den von Homer abhängigen Sagenfassungen, in denen sich das Motiv des Fluchs und Grolls findet (so [Ps.-] Apollod. 1,8,3 und Ant. Lib. 2,5 [aus Nikander]). Die funktionstragenden Inhaltselemente: Verfluchung des Meleagros durch die Mutter, sein Zorn darüber und die Frau des Helden, gehören da aufs engste zusammen. Wenn aber Kleopatre einer älteren epischen Meleager-Dichtung schon eigen war, wie man annehmen darf, dann hatte doch wahrscheinlich darin auch bereits das μῆνις-Μοῦν

seinen Platz und ist nicht erst eine Erfindung Homers.* Auf alle Fälle wurde jedoch mit der Eliminierung des Scheitmotivs der alten

Volkserzählung in der epischen Dichtung gleich mehrerlei erreicht: Fehlte das Scheit, so konnte dadurch auch die Einführung der Moiren ausbleiben. Die Schicksalsfrauen des alten Märchens waren doch ausgesprochene Gestalten des Volksglaubens. Sie

33

Vgl dazu besonders Plut. de sol. an. 983 A und B, Dionys. omith. 2,8 ed. GARZYA, Schol.

Theokr. 7,57, Ovid met. 11,410ff., Hygin fab. 65 u.a., s. WERNICKE, Æyone.

RE 2, 2, 1894, 1580f. s.v. A

34

Vgl zur Vorstellung der Dimonentäuschung HAVERS (Anm. 21) 25.

35

Pausanias 4,2,7 spielt auf eine etwas andere Sagenfassung an, nach der sich Meleagers Frau, an

der Stelle Kleopatre genannt, auf den Tod des Gemahls hin selbst das Leben nimmt. 36 Vgl zu diesem konventionellen Motiv im Heldenepos J. LATACZ, Homer. Der erste Dichter des Abendlandes, München, Zürich 21989, 115f.

Vom Märchen zur epischen Sage

225

sind es, die das Los des Menschen durch ihren Spruch an seiner Wiege bestimmen.? Gerade das aber entsprach keineswegs hometischer Grundhaltung, nach der der Mensch, wenn schon nicht in vollem Ausmaß, so doch wenigstens zum Teil für sein

Schicksal selbst verantwortlich ist. Und schon gar nicht wollte man dieses von magischen Praktiken abhängig wissen, was im Epos zu einer Ausschaltung des Zaubers aus der Sphäre des Menschen führte:* Stirbt der Held, so fällt er gewöhnlich im Kampf durch die Hand eines Menschen oder eines Gottes. Letztere Funktion erfüllt in der homerischen Erzählung die Erinys: Sie konnte Meleager mit ἄτη schlagen,” was schließlich in irgendeiner Weise seinen Tod herbeiführen mußte. Wie sich Homer Meleagers Ende dachte, wissen wir nicht. Für die nachhomerische epische Dichtung steht jedoch fest, daß es der Gott Apollon ist, durch den Meleager stirbt.”

Durch die Einführung des Fluch- und Grollmotivs sowie der Kleopatre wurde in der epischen Gestaltung der Meleagris gegenüber dem Märchen aber auch noch etwas anderes erreicht. Das Epos humanisierte die alte Volkserzählung. Es stellte dem Haß und der Rache der Mutter, die in ihrem Handeln von urtümlichen, doch für die he-

roische Dichtung nicht mehr annehmbaren Vorstellungen einer álteren Kulturstufe bestimmt war, die eheliche Liebe gegenüber." Und für diese ist der Held der epischen Mekagris letztlich auch in den eigenen Tod gegangen.

37 "Vgl dazu R. W. BREDNICH, Volkserzäblungen und Volkiglaube von den Schicksalsfrauen ( = FF Communicat. 193), Helsinki 1964, sowie VERF., Die Moiren in Aischylos’ Eumeniden 956-967. WS 92, 1979, 37£f. (in diesem Band S. 180ff.) und Homer und das Märchen (Anm. 2) 58. 38 Vgl dazu ausführlich VERF. (Anm. 2), mit weiterer Literatur. 39 Hom. IL 19,87£. und Od. 15,233f. 40 So nach dem Ausweis des Paus. 10,31,3 in den Hesiod zugeschriebenen Eboien (vgl. nunmehr frg. 25,11 ed. MERKELBACH/WEST) und in der Mimyas (vgl. frg. 5 PEpFr ed. BERNABÉ = frg 3 EpGrFr ed. DAVIES), doch ist unsicher, ob frg. 7,2 PEpFr ed. BERNABÉ = Hesiod frg. 280,2 ed. MERKELBACH/WEST hierher gehört. WILLCOCK (Anm. 4) 154 hat mit Recht auf Grund des Wortlautes bei Pausanias ausgeschlossen, daß Homer ebenfalls an Apollo dachte. 41 Vgl. dazu KRAUS (Anm. 5) 19 ( = 37); zur Haltung Althaias vgl besonders KAKRIDIS,

Μελεάγρεια (Anm. 5) 17ff.

Neptuns ursprüngliche Rolle im rómischen Pantheon Ein etymologisch-religionsgeschichtlicher Erklärungsversuch Die folgenden Ausführungen sollen nicht nur dem um die heute so seht in Frage gestellte humanistische Bildung hochverdienten slowenischen Gelehrten und langjährigen Freund Kajetan GANTAR eine kleine Freude zu seinem 65. Geburtstag bereiten, sondern sie sind auch bewußt gewählt, weil sie im Zeitalter zunehmender Spezialisierung ein persönliches Bekenntnis und Plädoyer für die vom Jubilar stets so glücklich vertretene Einheit der Altertumswissenschaften darstellen, und zwar aus dem Bewußtsein heraus, daß viele offene Fragen der Klassischen Philologie oft nur durch das Zusammenwirken mehrerer Disziplinen gelöst werden können. Das Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, unter Einbeziehung der bisher in der philologischen Forschung zu wenig berücksichtigten linguistischen Seite eine Antwort auf die Frage nach dem ursprünglichen Wirkungsbereich des altrömischen Gottes Neptun zu geben. Ganz allgemein gilt: Erkennt man die Etymologie eines Wortes oder Begriffes, so versteht man auch das eigentliche Wesen, das mit der entsprechenden Bezeichnung zum Ausdruck gebracht werden sollte. So kann im Falle der antiken Religionswissenschaft die Klärung der Etymologie zum Verständnis der ursprünglichen Funktion und des Kultes einer bestimmten Gottheit führen, wie andererseits das in der

rituellen Verehrung zum Ausdruck Gebrachte oft erst den Schlüssel zur richtigen Etymologie gibt. Geradezu ein Paradebeispiel für das eben Ausgeführte ist der oberste Gott der Griechen und Römer: Zeus bzw. Jupiter. Aufgrund seines vielfältigen Kultes und seiner verschiedenen Epitheta könnte der ursprüngliche Bereich, über den dieser Gott waltete, kaum erfaßt werden. So ließe ihn der mancherorts geführte Beiname Δαμάτριος in erster Linie als Herrn über Erde und Feldfrüchte erscheinen, seine Epitheta ὄμβριος oder νεφεληγερέτης hingegen würden ihn als einen alten Regengott

oder Wolkenschieber ausweisen. Die Etymologie des Wortes Zeus bzw. Jupiter (zur indogerm. Wurzel *der(h,)- scheinen, leuchten.) zeigt jedoch ganz klar, daß das eigentliche Wesen dieses Gottes als »Leuchterx zu fassen ist: In seiner ältesten Rolle ist er also der »Gott des hellen Tages bzw. Himmels; alle anderen Funktionen sind erst sekundär.!

Erstveröffentlichung in: Ziva Antika

- Antiquité vivante 45, Sertum

Ganterianum,

1995, 253-264

(Skopje: Institute of Classical Studies, Faculty of Philosophy). 1 Vgl dazu]. SCHINDLER, Bemerkungen zur Herkunft der idg. Diphthongstámme und zu den Eigentümlichkeiten ihrer Kasusform. Sprache 19, 1975, 148ff., H. PETERSMANN, Les dieux anciens et

leurs professions. K/ema 15, 1990, 77f. (in diesem Band S. 24f)und id. Beobachtungen zu den Appellativen für Gott. Ein sprachwissenschaftlicher Beitrag zum Gottesverständnis der Alten. In: Triuwe. Studien zur Sprachgeschichte und Literaturwissenschaft. Gedächtmisbuch für E. STUTZ, hrsg. von K.F. KRAFT, E. M. LILL und U. SCHWAB, Heidelberger Bibliotbehsschrifien 47, 1992, 1334. In diesem Band S. 16f.

Neptuns ursprüngliche Rolle im römischen Pantheon

227

Stellen wir uns nun dieselbe Frage bei Neptun, so sehen wir, daß gerade aufgrund der bisher nicht recht geklärten ursprünglichen Bedeutung seines Namens auch seine Rolle im römischen Pantheon verschieden ausgelegt wurde. So heißt es etwa bei R. MUTH? »Zu Ehren des Neptunus — sein Name ist unerklärt — wurden schon im ültesten rómischen Kalender verzeichnete Neptunalia begangen. Als Gott der Gewässer, zunächst wohl nur Herr des Süßwassers, da Roms Seefahrt sich erst später

entwickelte, wurde er durch offenbar frühe Angleichung an den griechischen Poseidon (jedenfalls vor den Lectisternien von 399 v.Chr.) auch Gebieter über das Meer und Schutzherr der Seeleute.« Schon ST. WEINSTOCK stellt in seinem RE-Artikel fest: »In ersten Linie müßte die sprachliche Deutung zur Klärung seines Wesens beitragen. Aber schon hier finden wir ungelöste Schwierigkeiten vor«? Auch G. RADKE* erklärt, daß eine gesicherte Deutung des Namens bisher noch fehlt. Nach RADKEs Ansicht ist der römische Gott in allen seinen Funktionen in so hohem Maß mit dem griechischen Poseidon gleichgesetzt worden, daß er alle Versuche, aus dem zweifellos italischen Namen das ursprüngliche Wesen Neptuns ergründen zu wollen, als hypo-

thetisch betrachtet. Den angeführten vorsichtig-skeptischen Äußerungen stehen aber die Meinungen anderer Altertumsforscher gegenüber, die glaubten, das ursprüngliche Wesen dieses Gottes klar definieren zu können. So ist Neptun für G. WISSOWAS in ältester Zeit vor der Überlagerung durch den griechischen Poseidon eine Gottheit des fließenden Wassers und der springenden Quellen. Dieselbe Auffassung wurde schon von A. von DOMASZEWSKI* vertreten; sie findet sich auch bei K. LATTE! und in dem für den Kleinen Pauly verfaßten Artikel von K. SALLMANN.* Für E. SIMON? hingegen stand der römische Neptun durch seine von antiken Autoren (Varro ling. 5,72, Servius zu Verg. Aen. 10,76, Festus 436,14 L. mit der Ergänzung von Paulus-Festus 437,6 L.,

OU RE à

ND

Augustinus civ. 4,10 und 7,22) bezeugte Kultpartnerin Sala mit der Salzgewinnung in Verbindung. Sie sah offenkundig in Salana eine Weiterbildung von sa/ »Salzı oder salum »das salzige Meerc Demnach wäre Neptun wie schon für die antiken Gelehrten Gott des salzigen Meerwassers gewesen, eine Interpretation, die sich jedoch vom linguistischen Standpunkt aus nicht halten läßt. In Salacia als Kultpartnerin Neptuns sahen jedoch noch andere Forscher einen Weg, zum ursprünglichen Wesen des Gottes vordringen zu können: So erklärt G. ALFOLDY,' daß der Name dieser Göttin »richtig auf die Springkraft der Quellen zurückzuführen ist« und verweist dabei auf die bereits genannte Abhandlung von G. WISSOWA!! und den RE-Artikel von K. WITTE.! Die gleiche Deutung von Salacia

Einführung in die griechische und römische Religion, Darmstadt 1988, 270f. Vgl. RE 28, 1935, 2516 s.v. Neptunus. Die Götter Altitahens, 2., durchges. und erg. Aufl., Münster 1979, 227£.

©

©

Religion und Kultus der Römer, München 21912 (unveränd. Nachdr. 1971), 226. Abbandlungen zur römischen Religion, Leipzig, Berlin 1909, 20 und 162. Römische Regionsgeschichte, München 1960, 131 und 55 Anm. 3. Der Kisine Pauly 4, 1972, 64 s.v. Neptunus. Die Götter der Rómer, München 1990, 183. 10 Die Krise des Imperium Romanum und die Religion Roms. In: Die Krise des römischen Reiches. Geschichte, Geschichtsschreibung und Geschichtsbetrachtung, Ausgewählte Beiträge, Stuttgart 1989, 380 Anm. 115. 11 (Anm. 5) 226. 12 RE2A, 1920, 1818f. s.v. Sala.

228

Neptuns ursprüngliche Rolle im rómischen Pantheon

als »Springkraft des Süßwassergottes Neptune wurde auch schon u.a. von K. LATTE» und davor bereits von H. OSTHOFF! vorgebracht. Die etymologischen StandardWörterbücher schweigen sich bei dem Wort überhaupt aus. G. RADKE» führt die verschiedenen antiken Meinungen auf, ohne sich jedoch selbst für die eine oder andere zu entscheiden, und so stellt auch K. SALLMANN im Keinen Pauly fest, daß die Etymologie von Salacia ungeklärt ist.16 Daß es sich bei Salacia um eine sehr alte Sondergottheit handelt, steht fest: Ihr Name

begegnet nämlich in einer alten Gebetsformel, die uns bei Gellius 13,23,2

überliefert ist. Doch auch noch in späterer Zeit gehörte diese Göttin zum Glaubensgut breiterer Volksschichten: Dies kann eine Inschrift aus Wien Jhdt. n.Chr. deutlich machen. In diesem epigraphischen Dokument CIL 27 = ILS 9268 erscheint Salacia, wie in dem erwähnten Gebet bei Gellius, dung mit Neptun. Es handelt sich bei der Inschrift um eine Weihung:

lebendigen aus dem 3. III 14359, in Verbin-

[T(ow) o(ptimo)] m(aximo) IN ept]wmo [S]alaceae Nimp[bis Danuv]io Acauno d[is deabus]q(ue) ommib(us).

Daß Salacia jedoch keine eigenständige Göttin und daher auch nicht Gemahlin des Neptun war, sondern nur eine spezielle Kraft dieses Gottes verkörperte, zeigt die zitierte Gelliusstelle, wo auch noch die personifizierten Wirkungsweisen anderer Götter als weibliche Sondergottheiten angerufen werden: Lxs Safurni, Salacia Neptun, Hora Quirini,

Virites Quirini, Maia Volcani, Heries Iunonis, Moles Martis Nerioque Martis,

d.h. »die Seuchenkraft Saturns, die Salacia Neptuns, die Jugendkraft des Quirinus, die Manneskräfte des Quirinus, die Wachstumskraft der Juno, die Wucht und die Stärke

des Mars Man versteht, daß solche personifizierten weiblichen Potenzen von männlichen Gottheiten in späterer Zeit als deren Gattinnen aufgefaßt werden konnten. Ursprünglich ist jedoch eine solche Auffassung nicht, wie dies K. LATTE!5 gezeigt hat. Die Aufspaltung einer göttlichen Macht in einzelne Wirkungsweisen ist eine für altrömisches religióses Empfinden typische Erscheinung: Sie begegnet z.B. auch bei der Geburtsgöttin Lucina, als deren Bestandteile die Geburtswehen, die Nixus pares,

angerufen werden: so Ovid met. 9,294 Iscinam Nixusque pares clamore vocabam.' Bisher wenig beachtet blieb jedoch das Phänomen, daß bei Neptun neben Salacia auch eine Göttin Venilia genannt wird, die Spätere ebenfalls als Gemahlin des Gottes deuteten und über deren Etymologie man gleichfalls rätselte. So erklärt Servius in seinem Kommentar zu Vergil Aen. 10,76 den Namen der Mutter des Turnus, Venika, auf folgende Weise: same banc Veniam quidam Salaciam accipiunt, Nepturi uxo

13

(Ann. 7).

14

Bei A. von DOMASZEWSKI (Anm. 6) 107.

15

Der Kleine Pauly 4, 1972, 1503£. s.v. Salaria.

17

zitiert bei A. von DOMASZEWSKI (Anm. 6) 107 und G. ALFÓLDY (Anm. 10) 380.

16

(Anm.8) 64.

18 (Anm. 7) 55f. 19 Vgl. dazu H. PETERSMANN, Lucina Nixusque pares: Die Geburtsgottheiten in Ovids met. 9,294. Variationen eines mythologischen Motivs. RAM 133 (N.F.), 1990, 157-175. In diesem Band S. 236-249.

Neptuns ursprüngliche Rolle im rómischen Pantheon

229

rem: Salaam a salo, V'emiliam quod veniam dat navigantibus (Thilo, codd. negentibus). Vatro ng. 5,72 hingegen bemerkt: Salacia Neptuni ab salo. Venika a veniendo ac vento illo, quem Plautus (Cist. 148) dia: » ... qui secundo vento vectus est tranquillo mari, | ventum gaudeo.« Hier ist zu bemerken, daß die richtigen Etymologien von Sala und V emika nur gefunden werden können, wenn vorher die ursprüngliche Bedeutung von Nepiwn selbst geklärt ist. Dadurch könnten die Funktionen dieser Sondergötter ihrerseits wieder zu einem besseren Verständnis des Gottes Neptun beitragen. Wenn wir uns dem Wort Neptunus selbst zuwenden, so läßt sich der Name hinsichtlich seiner Struktur in folgende Formalelemente segmentieren: (1.) in eine Wurzel *nebb-, erweitert durch (2.) das Element -/-7, das ein Verbalabstraktum bezeichnet, woran sich

(3.) das Suffix -πο- zusammen mit dem Kasusmorphem anschließt. Das Wort ist demnach

gleich gebaut wie for-fu-na, Por-tw-nu-s, oppor-tu-nust etc.

Das -no- Suffix weist diese Wörter als ursprüngliche Verbaladjektive aus: Es bringt, wie A. DEBRUNNER im Anschluß an F. SOMMER formuliert hat, zum Ausdruck, daß etwas mit den Merkmalen einer Handlung oder eines Vorganges behaftet ist.? Dadurch können sie auch in der Rolle von Nomina agentium auftreten. In dieser Funktion begegnet die Formans -#0- aber nicht nur im Verbalsystem (z.B. griech. φερόμε-νοςς, lat. di-nas usw.), sondern sie konnte auch Nominalstämme

erweitern: so besonders häufig in den westindogermanischen Sprachen wie im Lateinischen, Keltischen, Germanischen und gelegentlich auch im Griechischen. Im latei-

nischen Nominalsystem — häufig hinter langem Vokal, also z.B. in den Silben -anss, inas, -ény5 etc. — drückt -no- eine Zugehörigkeit zu einer Person oder Sache aus* bzw. auch ein Versehensein, Ausgestattetsein mit etwas, oder es definiert das Wirken einer Person oder eines Gegenstandes über einen bestimmten Bereich, so daB »diese Bildungen in semasiologischer Beziehung mehr als eine rein beigeordnete, nämlich eine 20 Zur Längung des w in -- vor folgendem -w- vgl. M. LEUMANN, Lateinische Laut- und Formeniebre, Neuausgabe, München 1977, 261f. bzw. zur Herleitung eines uritalischen *weptuno- < *nebbin-h;no- vgl. G. MEISER, Lawtgeschichte der umbrischen Sprache ( = Innsbrucker Beiträge zur Sprachwissenschaft, hrsg. von W. MEID 51), Innsbruck 1986, 121, mit Verweis auf weitere Literatur. Nicht folgen kann ich

der Segmentierung des Wortes in INepi-w-mo-, wie sie G. DUMÉZIL, Féfes romaines d'été et d'automne, suivi des Dix questions romaines, Paris 1975, 25 in seinen Ausführungen zu den Neptunalia vorgenommen hat; dort auch weitere Abhandlungen DUMEZILs zu Neptun und seinem Fest sowie zu einer angenommenen mythologischen Verbindung des römischen Gottes mit dem irischen Nechtan und dem indo-iran. Apam Napat: Le puits de Nechtan. Crítica 6, 1962, 50-61, bes. 58ff. und Myrtbe et épopée. Histories romaines, Paris 1973, 21-89; vel außerdem G. S. OLMSTED, The God: of tbe Celts and the IndoEuropeans, Innsbruck 1994, 249. 21 Ähnliche Wortbildungen auf -/»-wo- könnten, wie mich B. JANSON (Heidelberg) aufmerksam gemacht hat, vielleicht schon im Mykenischen vorliegen, so in dem Theonym pr-pi-tw-sa (KN Fp 13,1) und in den männlichen Personennamen /o-/w-o und ko-rm-tw-no-. Vgl. A. MORPURGO-DAVIES, Myesnaeae Grascitatis Lexicon, Rom 1963 s.vv. und F. A. JORRO/F. R. ADRADOS, Dicxonario micénic 1, Madrid 1985; 2, Madrid 1993 s.vv.

22 A. DEBRUNNER, Verschobener Partizipialgebrauch im Griechischen (Der Typus caf# chantant im Griechischen). MH 1, 1944, 41 mit F. SOMMER, Handbuch der lat Laut- und Formenlehre, 2. und 3. Aufl, Heidelberg 1948, 599, $ 379. Vgl dazu auch H. PETERSMANN, Tithrone als Epiklese der Athene. HSF 103, 1990, 43f. In diesem Band S. 174. 23 Vgl dazu W. PORZIG, Die Namen für Satzinhalte im Griechischen und im Indogermanischen ( = Untersuchungen zur indogermanischen Sprach- und Kultunwissenschaft, hrsg. von E. SOMMER, Bd. 10), Berlin 1942, 344ff. 24 Vgl LEUMANN (Anm. 20) 32ff.

230

Neptuns ursprüngliche Rolle im rómischen Pantheon

übergeordnete Beziehung zu dem zugrundeliegenden Nominalbegriff ausdrücken«.5 Dadurch erhält das entsprechende Nomen sekundär die Bedeutung von »Herr sein über (z.B. Söloa-na-s >Herr über den Wald«, Pomo-na ‚Herrin über das Obst« Texta-no-s

‚Herr über das Volk: usw.). Bei fortvsa hingegen haben wir es ursprünglich mit einem Adjektiv zu tun, wie dies noch aus der sakral formelhaften Fügung Fors fortwna er-

sichtlich ist. Fortuna ist also die Gottheit, die über das »Tragenc ( = *fortw-s), also »das Schicksak, waltet. W. MEID? hat in Modifizierung dieser bereits von H. KRAHE2 vorgebrachten Deutung aufgezeigt, daß im Falle von Götternamen durch das Suffix -20- ein unpersönlich gedachter Bereich oder Vorgang personifiziert wird. Demzufolge ist Nepiunus ursprünglich der »Herr über das Nássenx gewesen, also xler Nässendes denn sein Name ist aller Wahrscheinlichkeit nach zur indogerm. Wurzel *nebb- ınaß, feucht zu stellen, die auch u.a. in awest. sap/a-, lat. nebula, griech. νεφέλη, νέφος, altind. sábbab, slaw. nebo, hethit. spit, deutsch Nebe/ begegnet.

Wohl ausgehend von P. KRETSCHMER,* der für das Basiswort *neprws als Grundbedeutung Quelle: annahm, erklärten in der Folge die meisten Sprach- und Religionswissenschaftler Nepfwa ursprünglich als einen »Gott der Quellen und Flüsseco

Bei dieser Erklärung hat man allerdings einen ganz wesentlichen Aspekt übersehen, nämlich daß es sich bei der Wurzel *#bh- nicht um einen generellen Ausdruck

für den Begriff snaß, feucht: handelt: Diese Wurzel bezeichnet vielmehr im engeren Sinn das »Naß der Wolken also das NaB, das vom Himmel stammt. So heißt das dem griechischen νέφος genau entsprechende altindische »ábbab »Dunst, Feuchtigkeit, dann auch »Nebel, Wolke: und »Himmek. Diesselbe Bedeutungsentwicklung hat sich auch bei heth. #epifund slaw. nebo vollzogen.*? Der durch die Wurzel *#ebh- definierte Begriff »naf scheint jedenfalls bei den

Indogermanen klar von den übrigen Arten des feuchten Elementes geschieden gewesen zu sein. Dies hängt mit einer Eigenheit der indoeuropäischen Völkerfamilie zusammen, die bisher ebenfalls kaum Beachtung gefunden hat, nämlich mit dem

25

W. MEID, Das Suffix -#- in Götternamen. BNF 8, 1957, 75.

26 Belege s. bei LEUMANN (Anm. 20) 323. 27 (Anm. 25) 888. 28 Zur Bildungsweise einiger lateinischer Götternamen. In: Satunz. Früchte aus der antiken Wels. Otto WEINREICH zum 13. März 1951 dargebracht, Baden-Baden 1952, 59-70, bes. 67ff. 29 Vgl. H. KRAHE (Anm. 28) 63 und W. MEID (Anm. 25) mit A. WALDE-J./B. HOFMANN,

Lateinisches stymologisches Wörterbuch 2, Heidelberg *1972, 162 und P. KRETSCHMER, Einkitung in die Geschichte der grisch. Sprache, Göttingen 1896 (Neudruck 1970), 133; weniger sicher J. POKORNY, Indogermanisches etymologisebes Wörterbuch 1, Bern, München 1959, 316 und A. ERNOUT/A. MEILLET, Dictionnaire étymologique de la langue latine: Histoire des mots, 4° édition, 4* tirage augmenté d'additions et de corrections nouvelles par J. ANDRÉ, Paris 1985, 438.

30 31

(Anm.29) 133. 80 expressis verbis WALDE/HOFMANN (Anm. 29) und POKORNY (Anm. 29). Merkwürdig,

daß M. YORK, The Roman Festival Calendar of Numa Pompilius ( = American University Studies, Series 17, Classical Languages and Literature 2), New York, Bern, Frankfurt/M. 1986, 85f. zwar wie die meisten der Religionshistoriker (vgl. dazu oben S. 227f. dieser Arbeit) in Neptun eine ursprüngliche Wasserund Quellgottheit sieht, mit *sedt«s jedoch sprachlich nichts anzufangen weiß und dazu erklärt: »the meaning ... escapes us completely«. 32 Vgl F. BEZLAJ, Eimoliki slovar slovenskiga jezika, 2: ΚΟ, Ljubljana 1982, 217 und M. VASMER, Rassisches etymologisches Wörterbuch 2, Heidelberg 1955, 205. Als Parallele für diese Bedeutungsentwicklung vgl. auch deutsch Io/& und das poetische englische Wort weltin »Himmek.

Neptuns ursprüngliche Rolle im rómischen Pantheon

231

Bestreben, für ein und dasselbe Element verschiedene Bezeichnungen zu verwenden, je nach dem, ob man es rein dinglich oder als personifiziertes bzw. deifiziertes Wesen betrachtete. Die Gründe dafür sind u.a. im Sprachtabu zu suchen. So bezeichnete das dem deutschen Wort »Feuers, griech. πῦρ, umbr. pér oder heth. pabbswar (pabbur) zugrundeliegende indogerm. *peb,-ur das unbelebte Element, mit dem man im alltáglichen Leben hantierte, während die indogermanische Vorstufe von lat. igmi, slaw. ogenj, lit. ugnit, alind. agmib das personifizierte Feuer als göttliche Macht bedeutete, wie dies aus dem altindischen und hethitischen Feuergott Ages ersichtlich ist. Allerdings

konnten einzelsprachlich bestimmte Aspekte im Laufe der Zeit zurücktreten oder sogar vollständig schwinden: Während im Hethitischen noch beide Ausdrücke für Feuer: erhalten sind, lebt in den anderen indoeuropäischen Idiomen nur jeweils einer davon weiter.

Eine ähnliche Differenzierung wie beim Feuer wurde auch beim Wasser vorge-

nommen:* So bezeichnete indogerm. "μόδον als Vorstufe von greich. ὕδωρ" und den etymologisch damit verwandten Wörtern wie slaw. soda, lat. unda, deutsch Wasser usw. das unbelebte Element, das man im täglichen Gebrauch hatte, während mit *5,&'eh,

= aqud* as., ahd. aba usw. das Deifizierte des Wassers auf der Erde zum Ausdruck gebracht wurde, wie dies altisländ. Aeger als Name für den Dämon des Meeres lehren

kann.‘ Von diesen beiden Begriffen abgehoben wurde offenkundig das Naß, das aus den Wolken des Himmels stammt, wie dies aus dem oben angeführten sprachlichen Material ersichtlich ist. Somit hoffe ich deutlich gemacht zu haben, daß Neptun ursprünglich keineswegs ein typischer Landwassergott war, wie dies bisher immer wieder angenommen wurde, sondern daß er als Herr über das Naß des Himmels, d.h. über den Dunst und

die Wolken am Himmel fungierte. Die Wolken, durch die der Gott wirkt, können jedoch zwei verschiedene Gesichter

haben: Sie können entweder (1.) heitere Schönwetterwolken oder (2.) dunkle Regenwolken sein, die Feuchtigkeit und Regen bringen. Von daher erklärt sich m.E. auch die Aufspaltung des Gottes Neptun in zwei Potenzen, die von späteren römischen Religionshistorikern zu seinen Gemahlinnen gemacht wurden. Ein Reflex dieser Vorstellung findet sich bei Catull 31,3, der dort vom séerque INeptunus spricht. Eine dieser Wirkungsweisen hieß Verka. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ist schon seit der Antike umstritten. A. L. PROSDOCIMI? bringt das Wort

33 Vgl. dazu H. FRISK, Griechisches etymologisches Wörterbuch, 2, Heidelberg 1973, 628f. und P. CHANTRAINE, Dictionnaire (tymologque de la langue grecque: Histoire des mots, Paris 1968, 957, mit weiterer Literatur.

34

Vgl. FRISK (Anm. 33) 2, 959 und CHANTRAINE (Anm. 33) 1153 zu ὕδωρ.

35 Vgl M. MAYFHOFER, Indogermanischh Grammatik, 1,2: Lautlebre [Segmentale Phonologie des Indogermanischen], Heidelberg 1986, 172. 36 Vgl. MAYFHOFER (Anm. 35) 133. 37 Vgl POKORNY (Anm. 29) 23. 38 Vgl WALDE/HOFMANN (Anm. 29) 2, 747, die darin den Namen einer Meergottheit sehen, wobei sie auf Varro Ang. 5,72 a veniendo ac vento und Augustinus av. 7,22 (aus Varro) sema unda est, quae ad ktus semi! verweisen und fragen: »zu so Oder Fremdw.?« ERNOUT/MEILLET (Anm. 29) 719 hingegen ziehen mit Recht eine »étymologie populaire« in Erwägung. Weitere antike und neuere Erklirungsversuche des Namens und der ursprünglichen Funktion dieser Göttin bei RADKE (Anm. 4) 310. G. DUMEZIL, Archaic Roman Religion. With an Appendix on tbe Religion of the Eiruscans. Translated by

΄

232

Neptuns ursprüngliche Rolle im rómischen Pantheon

mit altind. sésam in Verbindung, das u.a. die Bedeutung von »Wasser, Quellex hatte.

Diese Erklärung würde jedoch mehr das Wesen als eine Eigenschaft oder Wirkungsweise des Gottes umschreiben, an die hier in erster Linie gedacht werden muß. Da-

her bietet sich m.E. cher eine Ableitung von einem Adjektiv *vemiäs an. Bei diesem Wort, gebildet wie babiks, fadks etc., ist auszugehen von der indogerm Wurzel *yen(b,)- lieben, begehrenc die u.a. in altind. sénat, wanóti liebt, wünscht, altisländ.

wir »Freund« deutsch Wonse und lat. venzs, veria vorliegt." Demzufolge symbolisiert Venilia die vfreundliche« bzw. »heiterex Seite des Wettergottes Neptun. Die andere Potenz, in der sich Neptuns Wirken äußerte, ist die der Salacia. Sie stellt den Gegensatz zu Venilia dar. Das Wort ist gebildet zu salax wie fallaria zu fallax oder audacia zu audax. Das Adjektiv salax bezieht sich jedoch nicht auf die »Springkraft der Quellen, wie immer wieder behauptet wurde, sondern in der überwiegenden Mehrheit der Belege hat dieses Wort ohne Zweifel die Bedeutung »zum Bespringen, Begatten geneigts, »geik (zu saëre im Sinn von »bespringen, begattend: So erscheint es häufig als Attribut oder sonst im Zusammenhang mit dem Gott Priap genannt.? Ferner bezeichnet es die Paarungsfreudigkeit bestimmter männlicher Tiere, vor allem die der Sperlinge und Hähne, die als besonders lüstern gelten.“ Schließlich kann salax auch »geil machend« »Lüsternheit erregend: heißen.* In letzterem Sinn ist wohl auch das von Paulus-Festus 437,7f. L. zitierte Ovid-Fragment mympbae salaces zu verstehen, wo die Wendung als Stütze für die von den meisten Religionshistorikern angenommene Bedeutung »Spnngkraft der Quellen: herangezogen wurde.“ Angesichts der Tatsache, daß die Wörter salax und salacitas sonst immer nur in den oben

erwähnten Bedeutungen von »paarungsfreudig, lüstern« bzw. »Lüsternheit erregend« belegt erscheinen, ist jedoch auch hier die Auslegung als »lüstern machende Nymphen« die wahrscheinlichere. Das von salax abgeleitete Substantiv Salacia stellt demnach die »Begattungs- und Befruchtungsfreudigkeit: Neptuns dar. Dies paßt vorzüglich zu Neptun als dem P. KRAPP, Foreword by M. ELIADE, Bd. 1, Chicago, London

1970, 389, hingegen sieht überhaupt

keine Deutungsmöglichkeit dieses Theonyms. 39 Etimologie di Teonimi: Venilia, Summanus, Vacuna In: Studi I /npuistiai in onore di V. PISANI2, Brescia 1969, 780ff. 40 "Vgl M. MAYFHOFER, Kurzyefaßtes etymologiseber Wörterbuch des Altindischen (A Concise Eiymological Sanskrit Dictionary), 3: Y-H, Heidelberg 1976, 138f. 41 Vgl POKORNY (Anm. 29) 1146. 42 Vgl Priap. 14,1 dei salacis, Priap. 54,1 deo salaci, Priap. 56,5 domino ... salacı. 43 Vgl Priap. 26,5 passeribus salaciores, Plinius nat. hist. 10,107 pariat autem post solstitium. columbae et Burtures octomis amnis vivumt. contra passeri minimum vilae, cui salaatas par, Columella 8,2,9 gallnaceos mares misi salacissimos babere non expedit. 44 So häufig von Speisen: vgl. Priap. 51,20 sa/aces nocte tollat erucas, Ovid rem. 799 nec minus erucas aptum vitare salaces. 45 Vgl dazu oben S. 227f. dieser Arbeit. 46 Diese Auffassung von Saísda wurde schon von W. W. FOWLER, The Roman Festivals of the Period of the Republic, London 1899, 186 vorgeschlagen, allerdings ohne die kosmische Komponente in Erwägung zu ziehen. Seiner Meinung nach betont Saszia nur Neptuns männliche Kraft als Ahnherrn eines römischen Geschlechtes: »Salacia is in my opinion rather to be referred to salax (lustfuk etc.) and, like Nerio Martis, must to be taken as indicating the virile force of Neptunus as the divine progenitor of a stock« Der schon von H. JORDAN in L. PRELLER, Römische Mythologie, hrsg. von H. JORDAN, Bd. 2, Berlin, 31883, 121 Anm., vorgebrachten Interpretation von Neptun als Regen- und

Feuchtigkeitsgott stand FOWLER (a.O. 186f., und The Reägious Experience of tbe Roman People, London 1911, 266£) ohne nähere Begründung skeptisch gegenüber (»we are ignorant of the real meaning of

Neptuns ursprüngliche Rolle im römischen Pantheon

233

Herrn über das Naß aus den Himmelswolken: Dahinter verbirgt sich die uralte Vorstellung von der heiligen Hochzeit zwischen Himmel und Erde, aus welcher Verbindung in Form des befruchtenden Regens alles Leben entsteht: Sie hat im bieros gamos des griechischen Himmelsgottes Uranos mit Gaia ihre genaue Entsprechung. Etymologisch gesehen, ist auch Uranos ursprünglich der »Befeuchterc Οὐρανός ist nämlich, wie M. PETERS" gezeigt hat, auf indogerm. *5,uórso- -Befeuchtung: oder *b,sorsé;»Befeuchter zurückzuführen. Und so ist ebenfalls Οὐρανός genau wie Neptun als Herr über das von Himmel kommende Nafk zu deuten. Den allgemeinen Sinn von »Himmek hat das Wort wohl erst im Laufe der Zeit bei den Griechen angenommen. So geht aus den Etymologien von Sala und Venika zusammen mit der von Neptun selbst deutlich hervor, daß dieser Gott ursprünglich ein Wolken- und Regengott war — im Gegensatz zu Jupiter, der, wie oben? erwähnt, anfänglich den leuchtenden Taghimmel verkórperte. Auf Neptuns ursprüngliches Wesen als Wolken- und Regengottheit weist m.E. aber auch der Kult hin. Da der Gott in dieser Funktion sowohl für die bäuerliche Arbeit als auch für die See- und Flußschiffahrt von höchster Relevanz war, ist es

nicht erstaunlich, daB das Fest der Neptunalia nicht nur zu den ältesten uns bezeugten römischen Festen gehört — es stammt noch aus Roms bäuerlicher Vergangenheit — sondern auch bis in die Spätantike sich einer großen Verbreitung erfreute. So zeigen sich Züge einer ursprünglichen Verehrung Neptuns als Herrn über Regen im Charakter der Neptunalia selbst: Am 23. Juli gefeiert, lagen sie in der Zeit der größten Dürre und sollten, wie K. LATTE" richtig festgestellt hat, ein Versiegen der Wasseradern abwenden. Dabei baute man Hütten aus Laub, doch primär wohl nicht, wie man in der Forschung mit Paulus-Festus 519,1f. L. (umbrae vocabantur Nepfunalibus casae frondeae pro tabernaculis) bisher fast einhellig angenommen hat, um sich gegen die Sonnenstrahlen zu schützen, sondern es verbarg sich m.E. hinter dieser

Gepflogenheit ein uralter Sympathiezauber: Durch das Grün der Hütten sollte ein Grünen der Natur bewirkt werden. Als Parallele dafür läßt sich ein auf dem Balkan bis heute verbreiteter Brauch anführen, nach dem man in Hochsommer ein Mädchen, das bei den Südslawen u.a. Dodo genannt wird, mit frischem grünen Laub be-

deckt, es springend und tanzend durch das Dorf führt und dabei um Regen betet, damit auch die Quellen wieder sprudeln und die Bäche fli

ES

the old meses scil Neptunus« Re Exp. 260), so daß man in der Folgezeit unter seinem Einfluß JORDANs Deutung völlig außer acht ließ (z.B. WEINSTOCK [Anm. 3] 2515£.: » ... in der Tat reicht unser Material zu dieser Auffassung bei weitem nicht aus dort auch Hinweise auf weitere Literatur).

47 Untersuchungen zur Vertretung der indogermanischen Laryngale im Griechischen. SAWW 377, 1980, 180. 48 In klassischer Zeit, als Neptuns ursprüngliches Wesen von dem griechischen Poseidon überlagert war, hat man die Bedeutung von Jas natürlich nicht mehr verstanden, wie die oben S. 232 angeführten falschen Etymologien (zu sa/ und salm) bei Varro und Servius lehren. An einer anderen Stelle des Servius zu Verg. Aen. 1,720 scheint sich jedoch noch eine Reminiszenz an die alte Vorstellung gehalten zu haben, wenn zu Sala festgestellt wird: dea meretricum. 49

50 51

s. S. 227 dieser Arbeit.

(Anm. 7) 131. so z.B. MEID (Anm. 25) 103.

52 Vgl H. PETERSMANN, Der Homerische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtum. WS 99, N.F. 20, 1986, 83£. (in diesem Band S. 144£) mit Verweis auf E. SCHNEEWEIS, Grundrißdes Voollesglaubens und V'olksbrauchs der Serbokroaten, Celje 1935, 219ff.

234

Neptuns ursprüngliche Rolle im rómischen Pantheon

Als Stütze für die hier vertretene Meinung, daB Neptun ursprünglich weder ein Landwassergott noch ein Gott der Salzgewinnung war oder darüber hinaus sogar chthonische Züge hatte, wie von M. YORK ohne einsichtige Gründe konstatiert wurde,? sondern einen Wolken- und Wettergott verkörperte, kann auch eine Stelle in

Vetgils Aeneis (5,138) angeführt werden: In ihr findet sich ein — allerdings in der Forschung bisher außer acht gelassener — Reflex dieser alten Glaubensvorstellung. Da blickt der Steuermann Palinurus wegen der aufziehenden Gewitterwolken besorgt zum Himmel empor, wobei er ausruft: beu, quianam tanti anxerunt aetbera nimbi?

quidve, pater Neptune, paras ?

Für diesen italischen Gott des wolkigen Himmels, der NaB spendet, gibt es Parallelen auch bei den anderen indogermanischen Völkern: Auf den griechischen Uranos wurde bereits hingewiesen. Interessant ist, daß auch die Hethiter einen »Wettergott des

Himmels kannten: spifaf PISKUR-a bzw. anstelle des Sumerogramms ?ISKUR die hethitische Lesung ”Tarbunnaf (zu tarh- mächtig sein, Herr sein),* also: des Himmelsnasses Herr. Bereits det althethitische Aziz Text bezeugt ihn. Als wie mächtig dieser Gott angesehen wurde, ist aus einem junghethitischen Dokument ersichtlich. E. NEU hat darauf hingewiesen, daß sich darin ältere Tradition widerspiegelt, wenn dieser Gott als Herrscher nicht nur über Himmel und Erde, sondern auch über die

Menschheit erscheint. Die aufgeführten Zeugnisse können lehren, daß bereits in indogermanischer Zeit die Vorstellung von einem mächtigen Wolken- und Regengott vorhanden war, der unter verschiedenen Namen verehrt wurde. Eine Hypostase davon war der gemeinitalische Neptun, den auch die Etrusker, wahrscheinlich von den Umbrern, übernahmen und als NeOss anriefen. Auf sein hohes Alter, seine Macht und Würde weist

bei den Römern das Epitheton pater, mit dem Neptun bei Vergil angeredet wird und das auch Gellius 5,12,5 als Ehrentitel für diesen Gott bezeugt.

Freilich hat im Laufe der Zeit im römischen wie im griechischen Pantheon Jupiter bzw. Zeus als alter Lichtgott des Himmels Funktionen des Wolken- und Regengottes Neptun bzw. Uranos übernommen. Im Falle des Neptun kam noch dazu, daß in historischer Zeit durch weitgehende Verschmelzung mit dem griechischen Meeresgott Poseidon sein eigentliches Wesen verdunkelt wurde. In den Glaubensvorstellungen der einfachen Bevölkerung dürften sich jedoch gewisse Reminiszenzen an seine ursprüngliche Rolle bis in die Spätzeit des Imperium Romanum gehalten

53 (Anm. identifiziert. 54 Vgl E. 55 (Anm. 56 Vgl H.

31) 86 zu seiner Gleichsetzung

des Neptun

mit Janus, den er 83 mit Consus

NEU, Der /Anitta-Text (= Studien zu den Bogaxköy-Texten 8), Wiesbaden 1974, 118. 54) 117. RIX, Rapporti onomastici fra il panteon etrusco e quello romano. In: G. COLONNA et

al, Οὐ Etruschi e Roma. Atti dell'incontro di studio in onore di Massimo PALLOTTINO.

Roma 11-13 dicembre

1979, Rom 1981, 123f. (mit Rezension dazu von D. STEINBAUER, GGA 235, 1985, 225ff.) sowie die Ausführungen von G. MEISER (Anm. 20) 121.

Neptuns ursprüngliche Rolle im rómischen Pantheon

235

haben, wie die weite Verbreitung seines Kultes z.B. in dem von Hitze und Dürre heimgesuchten Binnenland von Nordafrika nahelegt.? Und wie lebendig die Verehrung des Neptun begreiflicherweise besonders bei Bauern und Seeleuten in der gesamten Antike bis in die christliche Ära geblieben ist, lehrt die Tatsache, daß noch im

frühen Mittelalter die Kirche sich gezwungen sah, unter Androhung der Exkommunikation gegen die Feiern der Neptunalia einzuschreiten.**

57 Vgl). TOUTAIN, Les cubes paians dans l'Empire Romain 1, Paris 1907, 572ff. (von 27 Kultbelegen stammen nur zwei aus Küstenstädten!). 58 Vgl Ps.-Augustinus hom. de sacrileg. 2, $ 3 Caspari: Si quis Neptwnalia ...«obterwat? ..., saat se fidem et baptismum perdidisse.

Lucina Nixusque Pares Die Geburtsgottheiten in Ovids Met. IX 294 Variationen eines mythologischen Motivs V. PÓSCHL octogenario 1. Lacina Ovid gehört ohne Zweifel zu den nach antikem Originalitätsbegriff originellsten Schriftstellern, weil er seine literarischen Vorbilder nicht nur rezipiert, sondern sie in spielerischer Weise transformiert und seinen poetischen Interessen unterordnet. Diese seine meisterhafte Virtuosität zeigt sich auch in seinem Spiel mit der Tradition hinsichtlich der Gottheiten, die bei der Geburt des Herakles wirksam sind. Met. 9,281ff. schildert Alkmene ihrer Schwiegertochter, die vor der Niederkunft

steht, die Schwierigkeiten, die ihr selbst die eifersüchtige Juno bereitet hatte, um die Geburt des Herakles zu verhindern: Als ihr Kind zur Welt kommen

sollte, rief die

menschliche Gattin des Jupiter die Geburtsgöttin Lucina sowie weitere Gottheiten der Entbindung an (292ff.): septem ego per noctes, tofidem crudata diebus fessa malis tendensque ad caelum bracchia magno Luanam Nixusque pares clamore vocabam.

Auf Alkmenes Flehen erschien zwar Lucina, doch war sie von Juno bestochen und daher entschlossen, die Geburt zurückzuhalten, selbst unter Gefährdung des Lebens

der Wöchnerin (295f.): Illa (scil. Lucina) quidem venit, sed prascorrupta meumque quae donare caput Iunoni vellet iniquae.

Was Lucina betrifft, so sind ihr Wesen und ihre Funktion in der rómischen Religion deutlich faßbar: Für den einfachen Römer war Lucina nur ein Epitheton der Juno, also mit dieser identisch. Die Epiklese Lana leitet sich ursprünglich von einer der wichtigsten Verehrungsstätten der Juno her, nämlich von einem alten heiligen Hain

am Fuße des Esquilin (vgl. Ov. fast. 2,435; 449£., Varro ling. 5,74 u.a), und ihre Deutung als die, die das Kind 24 /scem bringt, ist nur als schon antike Volksetymologie zu bewerten.! Ovid hat jedoch an unserer Stelle Juno Lucina offensichtlich in

Errtverüffentüchung in: Rheinisches Museum für Philologie 135, 1990, 157-175 (Frankfurt am Main: Sauerlánder). 1 Zur richtigen Herleitung des Wortes von eus vg M. LEUMANN, Zwei lateinische Wortbedeutungen: Luisa und bubo. Sprache 6, 1960, 156f£., id., Lateinische Laut- und Formenlehre

Lucina Niauque Pares. Die Geburtsgottheiten in Ovids Met. IX 294

237

zwei selbständige Gottheiten aufgespalten, indem er ihre Funktion als Lucina personifiziert, diese mit der griechischen Eileithyia gleichsetzt und der Juno als Partnerin gegenüberstellt? So erscheint diese Góttin einige Verse früher auch unter ihrem griechischen Namen I&tbyie (281ff): Inapit /Alcmene: Faveant tibi numina saltem corriptantque moras (um, cum matura vocabis tom imidis parientibus Tltbyiam,

Diese Rolle der Juno, die bei Ovid nur im Hintergrund agiert, entspricht durchaus der, welche Hera in den verschiedenen uns überlieferten griechischen Sagenversionen bei der Geburt des Herakles spielt. Mit einer einzigen Ausnahme, nämlich der Angabe beim späten Rhetor Libanius narr. 8 (p. 1099 REISKE = VIII p. 39 FOERSTER), tritt Hera meist gar nicht selbst in Erscheinung, sondern sie bedient sich der

Góttin(nen) der Geburtswehen, um ihren Plan auszuführen: Dadurch, daß sie Eileithyia bzw. die Eileithyien zurückhält, hemmt sie die Entbindung des Herakles. So stellt schon Homer IL 19,119 von Herz fest: ᾿Αλκμήνης δ’ ἀπέκαυσε τόκον, σχέθε δ᾽ Εἰλειθυίας.

In der I£as 11,270f. werden die Eileithyien als Töchter der Hera bezeichnet, die über die bitteren Wehen walten: μογοστόκοι Εἰλείθυιαι, "Hpnc θυγατέρες πικρὰς ὠδῖνας ἔχουσαι.

1955-1962. Οὐρία 42, 1964, 112 und ähnlich schon W. MEID, Das Suffix -#0- in Gótternamen. BN 8, 1957, 102. 2 VglF. BÖMER, P. Owdius Naso, Metamorpbosen, Buch III-IX, V Kommentar, Heidelberg 1977, 361 z.St.: »Er (Ovid) benutzt ... diese Situation offenbar dazu, im Sinne der bei ihm beliebten »Ich-Spaltung: … eine Gottheit zu ihrem eigenen Wesen in Gegensatz zu setzen.« 3 Der griechische Name Iäthyia stand in Augusteischer Zeit gleichwertig neben den lateinischen Bezeichnungen. Die Funktion dieser Göttin war es u.a., die Geburt zur richtigen Zeit und in rechter Weise in die Wege zu leiten und die Mütter zu schützen. Vgl. Horaz carm. saec. 13f£: Rufe matures aperire partus | fenis, Ikthyia, tuere matres, | sive tu Lucna probas vocari | stu Genitahs. Catull. 34,13ff. wird Diana mit Juno Lucina identifiziert:

Tu Lina dolentibus / Iuno dicta puerperis, / Tu potens Trivia et notho’s /

dicta lumine Luna. So auch Horaz carm. 3,22,1ff.: Monti

custos nemorumque sirgo, | quae laborantis utero

puellas | ter vocata audis. adimisque eto, | dima iriformis. — Zur Verehrung der altrómischen Diana Nemorensis von Aricia als Frauengóttin s. KIEBLING/HEINZE z.St. — Bei Ovid erscheint der Name

Ikthyia in den Metamorphosen nur an dieser einzigen Stelle; in den Fasten des Dichters wird er überhaupt nicht verwendet: vgl F. BÖMER, P. Osidius Naso, Die Fasten, Einkitung, Text s. Übersetzung und Kommentar, 2: Namens- u. Sachregister, Heidelberg 1957. Der volle Name Iuno Lucina begegnet weder in den Metamorphoses noch in den Fasten, doch ist in den Fasten Ludna meist eindeutig eine Epiklese der Juno (vgl. op. cit. Register s.v. Iuno). In den Metamorphosen wird die Geburtsgóttin Lama an folgenden Stellen genannt: 5,303f.: Illa potentem / Lacinam nosiens, noviens paritura, vocawt; 9,698: Nec dubita, cum te

parfu Lacina kvarit; 10,507: mec cina polest. parientis voce. vocan; 10,510£: constitit ad ramos mitis scina I dolentes | admovitque manus et verba puerpera dis.

238

Lucina Nixusqu Pares. Die Geburtsgottheiten in Ovids Met. IX 294

Während an den eben zitierten homerischen Stellen von einer Mehrzahl der Eileithyien die Rede ist, spricht der Dichter IL 19,103£, wo Zeus die Geburt des

Herakles ankündigt, nur von einer einzigen Eileithyia: σήμερον ἄνδρα φόωσδε μογοστόκος Εἰλείθυια ἐκφανεῖ, ὅς πάντεσσι περικτιόνεσσιν ἀνάξει

Wie schon bei Homer findet sich auch in späterer Zeit dieselbe Inkongruenz hinsichtlich der Zahl der göttlichen Mächte, die bei bzw. gegen Herakles Geburt direkt

am Werk sind. Bei Ps.-Apoll. Bibl. 2,4,5 (2, 53 Mytbogr. Grœci ed. WAGNER) überredet

Hera aus Eifersucht die Eileithyien, zu verhindern, daß der Sohn des Zeus rechtzeitig das Licht der Welt erblicke, und bei Diodor. Sic. 1,9,4 werden Hera und Eileithyia zusammen genannt: τὴν δ’ Ἥραν ζηλτυποῦσαν καὶ συνεργὸν ἔχουσαν Εἰλείθυιαν τὴν θυγατέρα, τῆς μὲν ᾿Αλκμήνης παρακατασχεῖν τὰς ὡδῖνας …

In Plautus' Ampbitrwo, der auf einer uns nicht näher faßbaren griechischen dramatischen Vorlage basiert, gibt es hingegen überhaupt keinen Hinweis auf irgend-

welche Machenschaften zur Verhinderung der Geburt des Herakles. Im Gegenteil, Jupiter verspricht hier Alkmene bei der Niederkunft seinen Beistand (877££): atque Alcumenae in tempore auxilium feram Jaciamque ut uno fetu et quod gravida est viro et me quod gravida est, pariat sine doloribus.

Der Gott erfüllt dann auch in wunderbarer Weise sein Versprechen und ist selbst bei der Entbindung als Geburtshelfer anwesend: vgl. den Beticht der Dienerin Bromia, den sie dem Amphitruo gibt (1091ff.): BR. postquam parturire bodie uxor occtbit tua, bi utero exorti dolores, ut solent puerpera, invocat deos immortalis, ut sibi auxilium ferant,

manibus puris, capite operto. ibi continuo contonat soniiu maximo; aedis primo ruere rebamur fuas. aedes totae confulgebant tuae quasi essent aureae. AM. quaeso, absolvito binc me extemplo, quando satis deluseris. quidfit deinde? BR. dum baec aguntur, interea uxorem tuam neque gementen neque plorantem nostrum quisquam audivimus; ia profecto sine dolore peperit.

Während also in der plautinischen Version das Eingreifen Jupiters eine rasche und schmerzlose Geburt bewirkt, ist bei Homer und der von ihm abhängigen Tradition bei Diodor 1,9,4 und Ps.-Apollodor 2,4,5 (2, 53 Mytbogr. Graeci ed. WAGNER) Heras Intrige, das rechtzeitige Einsetzen der Geburtswehen zu verzögern, erfolgreich. Eine

andere Variante dieses Themas begegnet in der Erzählung Ovids: Die Wehen sind bereits da, doch Lucina verhindert durch magische Praktiken, daß es zur Entbindung kommt (met. 9,297f£): nique meos audit (scil. Lucina) genitus subsedit in illa ante fores ara dextroque a poplite laevum

pressa genu et digitis inter se pectine iuncti

Luasa Nixusque Pares. Die Geburtsgottheiten in Ovids Met. IX 294

239

sastinuil parius; lacila quoque carmina voce

dixcit, et inceptos tenuerunt carmina partus.

Offensichtlich hat hier unser Dichter mehrere mythologische Traditionen kontaminiert und variiert.‘ Eine seiner Quellen war sicher das 4. Buch der Heferorumena des Nikander von Kolophon, aus dem uns Antoninus Lib. 295 einen Auszug bietet: In der darin geschilderten Sagenversion sind es neben der untätigen Eileithyia vor allem die Moiren, die durch den Zauber der verschränkten

Hände

die in den Wehen lie-

gende Alkmene nicht gebáren lassen. Von dieser Machenschaft der Moiren, die übrigens im Kult des öfteren mit der Eileithyia bzw. den Eileithyien verbunden erscheinen,‘ wußte bereits der Kallimachosschüler Istros zu berichten, wie uns dies Schol T

zu Homer IL 19,119 überliefert? Ἴστρος δέ φησιν ὠσινούσης ᾿Αλκμήνης τὰς χεῖρας συνέχειν τὰς Μοίρας, γαλῆς δὲ καρελθούσης ἀναλῦσαι καὶ τεχθέντος αὐτοῦ voμισθῆναι γαλῆν εἶναι αὐτῷ τροφόν. Auf die an dieser Stelle erwähnte Rolle des Wiesels wird unten noch eingegangen. Es ist zu vermuten, daß Istros, alexandrinischer Gelehrsamkeit entsprechend, dabei wie auch bei der Einführung der Moiren auf eine thebanische Lokallegende zurückgegriffen hat: So weiß noch Pausanias 9,11,5 in seiner Beschreibung der Sehenswürdigkeiten Thebens von einer Sagenvariante zu betichten, in der Hera, um die Geburt des Herakles zu verzögern, Pharmakides geschickt habe. Bei Pausanias ist es ein Mádchen mit dem sprechenden Namen ‘lotopis, also die Wissende«, die den Bann dieser Zauberinnen erkennt und zu bre-

chen versteht. Das Motiv des "Wissens erscheint auch bei Ovid: Bei ihm durchschaut die Magd Galanthis die Arglist der Juno sowie der ihr gehorsamen Lucina und weiß ihr durch eine Gegenlist zu begegnen, während ihre Herrin Alkmene ahnungslos zu der ihr übelwollenden Góttin betet (306ff.): Una ministrarum, media de plebe, Galanthis, flava comas, aderat, faciendis strenua iussis, offiair dilecta suis. Fa sensit iniqua nescio quid Innone geri, dumque exit et intrat Jaepe fores, divam residentem vidit in ara bracchiaque in genibus digitis conexa tenentem et XQuaecumique ese, ait, »dominae gratare! levata est "Argolis Alcmene potiturque puerbera voto. Exsiluit iuncasque manu: pavefacta remisit diva potens uteri: vinclis levor ipsa remitir.

4 Vgl zu den einzelnen griechischen Sagenversionen besonders BÓMER (Anm. 2) 360ff.; zur engen Verbindung von Juno und Herculesim archaischen italischen Raum und den dort verbreiteten, doch von Ovid nicht berücksichtigten Mythenvarianten, nach denen die Góttin den Heros selbst sáugt und sogar als seine Mutter ausgewiesen wird, vgl. TH. KÖVES-ZULAUF, Ein römischer Geburtsritus: Tisch und Liege im Geburtshaus. In: Fiologa e forme Intterarie. Studi offerti a F. Della Corte 5, Utbino 1987, 168 und 173 ( = Kine Schriften, hrsg. von A. HEINRICHS, Heidelberg 1988, 387 und 392), mit weiterer Literatur. 5 = frg. 60 ed. O. SCHNEIDER (Nicandrea 654). 6

Vgl. dazu U. v. WILAMOWITZ-MOELLENDORFF,

Der Glaube der Hellmen

1, Darmstadt

51959, 355, E. WÜST, RE 19, 1938, 1839£. s.v. Pharmakides. 7 Vgl JACOBY, FGr Hist 334 F 72 (III B 185) mit Kommentar dazu Ib Suppl. 659; zu SchoL T Hom. IL 19,119 s. ERBSE in seiner Edition und Eustath. 1175,45 ( = 4, 298, 10ff. VAN DER VALK mit seiner Anm).

240

Lucina Nixwsque Pares. Die Geburtsgottheiten in Ovids Met. IX 294

Ovid hat in diesem Punkt wohl bewußt die thebanische Lokaltradition eingeflochten,

die ihm wahrscheinlich aus mythologischen Handbüchern bekannt war. Was die Moiren oder Pharmakides und ihre magischen Praktiken betrifft, so hat Ovid auch dieses Mythologem kunstvoll in seine Schilderung verwoben, wenngleich er die Schicksalsfrauen nicht auftreten läßt. Die φάρμακα, nach denen die Pharmakides in Theben ihren Namen hatten, bestanden wahrscheinlich im Aufsagen magischer Sprüche: Noch in hellenistischer Zeit wurde Dichtung als Zaubermittel betrachtet. Nach alter volkstümlicher Tradition bestimmen die Moiren durch ihre Sprüche am Bett der Wóchnetin das Schicksal des Kindes. Es liegt daher die Vermutung nahe, daß die Pharmakides in Theben mit den Moiren identisch waren? Ovid variiert nun diesen Zug der thebanischen Lokaltradition dahingehend, daf) er die Rolle der Moiren bzw. Pharmakides bewußt auf die Geburtsgóttin Lucina überträgt und auf sie beschränkt: Sie ist es, die nicht nur durch die magische Geste der verknoteten Hände

und in Abwandlung des Motivs der übereinandergeschlagenen Βείης die Entbindung hemmt, sondern darüber hinaus auch carina spricht, Zaubersprüche, die genau das Gegenteil von dem bewirken sollen, was sonst mit diesem bis in unsere Zeit herein lebendigen volkstümlichen Brauch intendiert war, nämlich die Niederkunft zu beschleunigen und die Schmerzen der Gebärenden zu lindern. An anderer Stelle bietet Ovid selbst ein Beispiel für die geburtsfórdernde Wirkung solcher Sprüche: met. 10,510f. erbarmt sich Lucina der in einen Baum verwandelten schwangeren Myrthe, indem sie sanft mit ihren Händen die Äste der Gebärenden streichelt und dazu wrba puerpera spricht In unserer Passage aber erzielt der Dichter durch die bewußte Verkehrung des Wesens und der Funktion Lucinas in das genaue Gegenteil ein besonders künstlerisches Paradoxon. Wir haben bereits oben (S. 239) auf die Rolle des Mädchens Galanthis in der Erzählung Ovids hingewiesen. Auch für dieses Motiv dienten unserem Dichter in erster Linie die Verwandlungsmythen des Nikander von Kolophon als Quelle, wobei er aber wiederum sein Vorbild variierte und mit anderen Versionen kontaminierte. In der Sagentradition, die uns in Nikanders Heterviumena (bzw. dem Auszug davon bei Ant. Lib. 29) vorliegt, ersinnt eine Gespielin Alkmenes mit dem Namen Galinthias eine List, um den Zauber der Moiren zu lösen, wofür sie von diesen aus Zorn in ein

Wiesel verwandelt wird. Bei Libanius narr. 8 (p. 1099 REISKE = VII, p. 39 FOERSTER) heißt das Mädchen Akalanthis: Ovid hat daraus die Dienerin Galanthis gemacht.

8 Vel dazu F. T. GRIFFITHS, Poetry as Pharmakon in Theocritus! Idyll 2. In: Arktowros, Hellenic Studies presented to B. M. W. KNOX, Berlin, New York 1979, 81ff. 9 So seit W. H. ROSCHER, Asusführächer I exkon der griechischen und römischen Mythologie 3, 2276, der die Pharmakides, die uns nur aus Pausanias bekannt sind, mit den Moiren gleichsetzt: vgl. auch WÜST

(Anm. 6) 1839£. 10 "Vgl dazu ausführlich BÖMER (Anm. 2) 362; über Vorstellungen dieser Art bis in die Neuzeit vgl. auch H. BÄCHTOLD-STÄUBLI, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 5, Berlin, Leipzig 1931, 412 s.v. Geburt.

11 Vgl dazu oben Anm. 2; zu Zaubersprüchen bei der Geburt vgl. auch Plato Theait. 149 C und BÄCHTOLD-STÄUBLI (Anm. 10) 3, 414; auch das magische Handauflegen bei der Geburt sollte dazu dienen, die Schmerzen

1909, 14£f.

zu linden: vgl. dazu O. WEINREICH,

Antike Heilungswunder.

RGVV

8,

Lucina Nixusque Pares. Die Geburtsgottheiten in Ovids Met. IX 294

241

Die verschiedenen Namensformen lassen vermuten, da der Name der Heroine im Mythos nicht ganz einheitlich war, wobei allerdings nicht auszuschließen ist, daß

die Variante Galanthis von Ovid selbst gebildet wurde. Auf alle Fälle ist jedoch sowohl in Gaänthias als auch Galanthis der Anschluß an griech. yon, γαλῆ »Wiesek

gegeben. Nicht gedeutet hat man jedoch bisher den von Libanius überlieferten Na-

men ᾿Ακαλανθίς ;Distelfink oder »Hänfling«.'2 Diese Umschreibung findet aber m.E. ihre Erklärung in der Tatsache, daß das Wiesel bis in die Neuzeit als dämonisches

Wesen galt und daher aus Gründen des Sprachtabus oft mit ganz verschiedenen Bezeichnungen, u.a. auch solchen für andere Tierarten, versehen wurde. Man

denke

z.B. daran, daß das Wiesel in den deutschen Dialekten Mährens »Erdzeisek und im

Ostfriesischen »Zeiselken heißt. Und von diesem Blickpunkt aus betrachtet, erscheint auch vielleicht die Annahme nicht ganz abwegig, daß sich hinter der bei Pausanias genannten 'lotopíg = die Wissende nur ein anderer tabuistischer Name für

das Wiesel verbirgt, wenngleich der antike Perieget von einer ursprünglichen Tiergestalt des Mädchens nichts berichtet.!*

Bekanntlich begegnet das Wiesel im Mythos von der Geburt des Herakles erstmals in der genannten Sagenversion des Istros, in der auch von seiner Rolle als Amme des Heros berichtet wird. Bei Eustathios 1175,45 (4, 298, 10ff. VAN DER VALK)

ist dem noch der Vermerk hinzugefügt, daß daher das Wiesel dem Herakles geweiht war: ὅθεν ἀνέκειτο ñ γαλῆ τῷ Ἡρακλεῖ . Später bezeugen Clemens von Alexandrien protr. 2,39,6 (2, 34 P.), und Aelian nat. anim.

12,5, ausdrücklich, daß wegen dieser

seiner Funktion bei der Geburt des Herakles das Wiesel in Theben kultische Vereh-

rung genoß. Ferner erfahren wir aus Ant. Lib. 29 im Anschluß an die Erzählung von Alkmenes Niederkunft, daß auch zu seiner Zeit noch beim Heraklesfest in Theben als erstes immer der Galinthias, die vor dem Geburtshaus des Heros ihr Standbild hatte, ein Voropfer dargebracht wurde: ταῦτα νῦν ἔτι τὰ ἱερὰ Θηβαῖοι φυλάττουσι

καὶ πρὸ Ἡρακλέους ἐορτῆς θύουσι Γαλινθιάδι πρώτῃ. All dies legt den Schluß nahe, daß sich, wie M. P. NILSSON5 vermutet, hinter

Galinthias ursprünglich eine theriomorphe Geburtsgóttin verbirgt. Es ist auch kein Zufall, daß diese wieselgestaltig gedacht wurde. Noch für die Neuzeit läßt sich dokumentieren, daß das Wiesel, dem man seit alters her als einem dämonischen Wesen

gute und bóse Eigenschaften zuschrieb, oft in Zusammenhang von Eros, Schwan-

gerschaft und Geburt begegnet. Weit verbreitet ist ferner der Glaube

an seine

12 Vgl. zu 'axaAavOic (aus *'axavOaAic zu ἄκανθα, Stachel, Distek etc) H. FRISK, Griechisches etymologisches Wörterbuch 1, Heidelberg 1960, 50 s.v. und P. CHANTRAINE, Dictionnaire étymologique de la langue grecque 1, Paris 1968, 45f. s.v. ἄκανθα. 13 Vgl. dazu BÄCHTOLD-STÄUBLI (Anm. 10) 9, 580: dort (579£. und 595ff.) auch zu anderen Umschreibungen wie Pfeifkatzel, Stadelkätzien, engl dial —»mwse-bownd und den tabuistischeuphemistischen Bezeichnungen wie nürnberg. Schöndinglein, bayr. Schöntierlein, frz. belette (zu lat. bellus, -4, τι Ua; ergänzend zur dort verzeichneten Literatur vgl. vor allem W. HAVERS, Neuere Literatur xum Sprachtabu. SAVW, 223,5, 1946, 506. und 149. 14 Vgl zum Glauben an die dámonische Verwandlungsfähigkeit des Tieres unten S. 242 mit Anm. 16. 15 M. P. NILSSON, Griechische Feste von religiöser Bedeutung mit Ausschluß der attischen, Leipzig 1906, 447. Opferartige Fütterungen des Wiesels begegnen noch jetzt bei Völkern im Balkanraum: vgl. BÄCHTOLD-STÄUBLI (Anm. 10) 9, 592.

242

Luna Nixusque Parts. Die Geburtsgottheiten in Ovids Met. IX 294

apotropäischen Kräfte und vor allem an seine Fähigkeit, sich in menschliche Gestalt zu verwandeln.!5 In der thebanischen Lokallegende hatte das Wiesel vielleicht auch noch aus einem anderen Grund seinen festen Platz: Bekanntlich hat nach einer Version des Mythos Hera dem kleinen Herakles Schlangen geschickt, nach einer anderen und vielleicht sogar älteren Fassung war es der menschliche Vater Amphitryon, der ihm die Schlangen in die Wiege legte, um seine göttliche Abkunft zu erproben." Das Wiesel aber, von dessen Ammenrolle in der Heraklessage oben (S. 241) die Rede war, galt seit dem Altertum als erbitterter Feind der Schlangen.'* Es könnte daher dieser Legende auch das uralte und weitverbreitete volkstümliche Motiv vom »helfenden Tier zugrunde liegen. Die thebanische Lokaltradition weist ja auch sonst im Gegensatz z.B. zur Version bei Homer viele altertümliche und märchenhafte Züge auf: Die Entbindung wird durch magische Sprüche und Praktiken der Moiren bzw. Pharmakides verhindert, und dieser Zauber kann nur durch einen Gegenzauber gebrochen werden: Er kam wohl von einem alten, ursprünglich wieselgestaltig gedachten Geburtsdämon, der später anthropomorphisiert, in Theben kultisch verehrt wurde und in seiner menschlichen Gestalt aus den oben genannten tabuistischen Gründen in Erzählungen unter verschiedenen Namen begegnet. Freilich, den Schriftstellern der hellenistischen Epoche, die gerne auf lokale Sagentraditionen zurückgriffen (wie z.B. Nikander von Kolophon),® war die Identität der verschiedenen Bezeichnungen oft nicht mehr bewußt. Eine Reminiszenz an die alte theriomorphe Geburtsgottheit findet sich aber auch noch in späterer Zeit in der Sage von der Verwandlung des hilfreichen Mädchens in ein Wiesel: Als Strafe für ihre List, mit der sie den Bann der feindlichen Mächte gelöst hat, wird bei Nikander Galinthias von den überrumpelten Moiren, bei

Ovid Galanthis von der erzürnten Lucina in dieses Tier verwandelt. Vgl met. 9,316ff.: Numine decepto risisse Galanthida fama est; ridentem prensamque ipsis dea saeva capillis traxit et e terra corpus relevare volentem arcuit inque pedes mutavit bracchia primos. Strensitas antiqua manet, nec terga colorem

amisere suum: forma est diversa prion. Quae quia mendaci parientem iuverat ore, ore parit nostrasque domos, ut et ante, frequentat. Ovid hat in diese seine Schilderung aber auch noch ein anderes, bisher nicht beach-

tetes Mythologem eingeflochten: eine Variation des schon homerischen Motivs der geprellten Gottheit und ihrer Rache. 16 Vgl neben BÄCHTOLD-STÄUBLI (Anm. 10) 9, 579 und 590ff. auch E. ROHDE, Ein griechisches Märchen. RAM 43, 1888, 304. 17 Vgl Ps.-Apollod. Bibl. 2,4,8 (2, 62 γι». Graea ed. WAGNER) mit Verweis auf Pherekydes (FGrHist 3 F 69a). 18 Siehe BÄCHTOLD-STÄUBLI (Anm. 10) 9, 589, mit Belegen. 19 Auf Nikander ist vielleicht die Verknüpfung der thebanischen Mythenvariante mit der homerischen Erzáhlung zurückzuführen: Jedenfalls treten in seiner Version der Verwandlungssage die Moiren zusammen mit Eileithyia als Komplizinnen der Hera auf.

Lucina Nicusque Pares. Die Geburtsgottheiten in Ovids Met. IX 294

243

In der epischen Fassung der Vorgänge um die Geburt des Herakles (IL 19,95ff.) ist es Zeus, der als der Geprellte erscheint: Da werden seine Pläne bezüglich einer künftigen Vorherrschaft seines Sohnes durch die List der eifersüchtigen Hera durchkreuzt, indem sie sich heimlich vom Olymp nach Argos begibt, um die frühzeitige Geburt von Herakles’ Rivalen Eurystheus zu fördern. Auf die homerische Version, in der Hera als triumphierende Siegerin begegnet — Ti. 19,120ff. brüstet sie sich Zeus gegenüber mit ihrem Erfolg — hat die thebanische Lokallegende gezielt geantwortet, indem sie letzten Endes die Göttin als die Betrogene hinstellt. In der uns bei Nikander vorliegenden Fassung tritt allerdings, soweit wir dies aus Ant. Lib. 29 feststellen können, Hera selbst nicht in Erscheinung: Bei ihm sind es, wie schon oben aufgezeigt, die Moiren, deren Zaubertricks unschädlich gemacht wurden und die dafür Rache nehmen. Anders bei Ovid: Hier wird zuerst die geprellte Lucina von Galanthis ausgelacht. Aus Zorn darüber und über ihre Niederlage reißt sie das Mädchen an den Haaren zu Boden, bevor sie es in ein Wiesel verwandelt. Auch in dieser Szene hat Ovid — was

man bisher übersehen hat — ein episches Motiv variiert: Als Zeus bei Homer erkennt, wie er durch Trug getäuscht wurde, ist er so wütend, daß er die göttliche Personifikation der Verblendung, die Ate, an ihren Zópfen packt und sie vom Olymp auf die Erde zu den Menschen schleudert. Vgl. IL 19,125ff.: ὡς φάτο, τὸν δ’ ἄχος ὀξὺ κατὰ φρένα τύψε βαθεῖαν" αὐτίκα δ᾽ εἴλ᾽ "Atnv κεφαλῆς λιπαροπλοκάμοιο χωόμενος φρεσὶν fiio, καὶ uoce καρτερὸν ὅρκον

μή ποτ᾽ ἐς Οὔλυμπόν τε καὶ οὐρανὸν ἀστερόεντα

αὖτις ἐλεύσεσθαι "Arnv, À πάντας ἀᾶται.

ὃς εἰκὼν ἔρριψεν ἀκ’ οὐρανοῦ ἀστερόεντος χειρὶ περιστρέψας τάχα δ᾽ ἵκετο ἔργ᾽ ἀνθρώπων.

Aus dem geprellten Góttervater der I&as, über den Hera mit überheblichen Worten triumphiert, wurde bei Ovid die von einem menschlichen Wesen betrogene Lucina, die dazu noch durch Gelächter verhóhnt wird. Wenn wir diese Passage aber genauer betrachten, so fällt auf, daß im zweiten Teil von Alkmenes Erzählung der Name Lucinas überhaupt nicht mehr erwähnt wird. Der einzige Göttername, der hier aufscheint, ist der Junos (308£): ea sensit imiqua | nescio quid Iunone geri ... Lucina hingegen

wird vom Dichter umschrieben: zweimal mit dur 310 ... divam residentem vidit in ara und 314f. exsiluit iuncasque manus pavefacta remisit | diva potens uteri. 316 ist überhaupt nur von numen die Rede: numine decepto risisse Galanthida fama est, und 317 schließlich wird sie dea saeva genannt: ridentem prensamque ipsis dea saeva capillis | traxit ... Juno beherrscht demnach von Vers 309 an die Szene, und der Leser gewinnt den Eindruck, daß ihr Werkzeug Lucina immer mehr hinter Juno zurücktritt bzw. daß aus Juno und Lucina allmählich wieder Juno Lucina wird. So ist es bei Ovid Juno, die

am Ende als die Geprellte erscheint: Dies kommt besonders deutlich zum Ausdruck durch das allgemein gehaltene nuren in 316 {numine decepio), während im Vers davor

(315) mit diva potens uteri noch mehr ihre Funktion als Lucina angesprochen ist. In 317 tritt endlich Juno, die als iniqua die ganze Zeit im Hintergrund über dem Geschehen gewaltet hat, nun als strafende dea saeva vollends in Erscheinung.

20

"Vgl dazu ähnlich auch BÓMER (Anm. 2) 361f.

244

Lucina Nixusque Pares. Die Geburtsgottheiten in Ovids Met. IX 294

Der erste Teil dieser Motivstudie sollte aufzeigen, wie meisterhaft Ovid mit den in der Tradition vorgegebenen griechischen Mythologemen spielt, sie abwandelt, verändert und neu zusammensetzt und dadurch, daß er sie römischen Verhältnissen

anpaßt, ein schillerndes, doppelbödiges Gebilde von großer poetischer Dichte und Geschlossenheit schafft. Vornehmlich dem zuletzt genannten Aspekt, der Adaptation griechischer Gottheiten an römische religiöse Vorstellungen, soll der zweite Teil dieser Untersuchung gewidmet sein.

2. Nixus pares Als bei Ovid Alkmenes Niederkunft naht, fleht sie sieben Tage und Nächte lang zur Geburtsgöttin Lucina und zu anderen Göttern um ihren Beistand. Doch wer sind diese anderen Gottheiten, die die Heroine in 294 mit Lucina zusammen anruft?

Wie die uneinheitliche Überlieferung zeigt, haben sie nicht nur den modernen Editoren, sondern schon den Kopisten der Codices größte Schwierigkeiten bereitet: Einige der ältesten und besten Ovid-Handschriften tradieren mixusgue pares: so der Vaticanus Palatinus (E) aus dem 12. Jhdt., ein Korrektor (Ν2 im Neapolitanus (N),

ebenfalls aus dem 12. Jhdt.; der Vaticanus Latinus (W) aus dem 13. Jhdt. und der Londiniensis (a) aus dem 11. Jhdt., ferner einige jüngere Handschriften sowie die Editio princeps Romana (1471), und auch Turnebus und Jahn entschieden sich für diese Lesart. Der Vaticanus Urbinas (U) aus dem 11./12. Jhdt. überliefert nisusgue.

Erwähnenswert ist weiter, daß die griechische Übersetzung des byzantinischen Mönches Maximos Planudes τὸν τῆς ὠδῖνος πατέρα auf ein von ihm als Gen. Sg. verstan-

denes mix#s oder nisus in seiner lateinischen Vorlage schließen läßt. Der Rest der Codices bietet entweder nexusque! oder nexosque.2 MAGNUS und ANDERSON (ed. Teubner 1982) folgen mit Nixosque pares einer Korrektur in dem Florentiner Codex F (11. Jhdt.), während MERKEL und BREITEN-

BACH Nixosque patres konjizierten. EHWALD, LAFAYE, ANDERSON (in seiner früheren Ausgabe, ed. 1972) und BÓMER lesen mit HEINSIUS und den codd. recc. Nixasque pares, ebenso v. ALBRECHT. BÖMER, Komm. 369, erklärt dazu: »Die Fragen dieser Stelle sind mit unseren Mitteln nicht definitiv zu lösen. Im einzelnen: Es handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine zweite Gruppe von Gottheiten, und zwar um Geburtsgottheiten, ... mit der weder die Abschreiber noch ... Ovid selbst etwas Rechtes anfangen konnten. Da bieten sich ... die Nixae an, von denen Non. 57,15f£.M. 80 L. berichtet: Enixae dicuntur feminae nitendi, boc est conandi et dolendi, labore perfunctae wel a Nixis, quae

religionum genera parientibus praesunt; sed elegantior intellectus, ut ex boc dictae esse credantur … Aus dem Wortlaut bei Nonius geht jedoch keineswegs hervor, daß es weibliche Geburtsgottheiten sind, die den gebárenden Frauen vorstehen, sondern es ist daraus

nur zu entnehmen, daß er diese Gottheiten als Gestalten des Volksglaubens (reZgionum genera) betrachtet. Hinter der Form Nixis könnten sich deshalb ebensogut männ-

liche (scil. d) Nixi verbergen. In dem Zusammenhang ist auf die volkstümliche Vorstellung von schwangeren Männern hinzuweisen,? die auch zum Verständnis einer 21 22 23

M (Marcian. Flor), 11. Jhdt.: nex/sque pares, jedoch manus div. in margine: πέρα. SoP (Paris), 12. Jhdt.; e (Erford.), 12. Jhdt., hingegen adnexus parts. Vgl. dazu R. ZAPPERI, Der schwangere Mann (aus dem Italien. übersetzt von I. WALTER),

München 1984.

Lucina Nixusque Pares. Die Geburtsgottheiten in Ovids Met. IX 294

245

Stelle bei Festus 182,23ff. L. beitragen kann: Nix di appellantur tria signa in Capitolio ante cellam. Minervae. genibus nixa, velut praesidentes parientium nixibus, quae signa sunt qui memoriae prodiderint, /Amtiocbo rege Syriae superato, M. /Acilium subtracta a populo Romano adportasse, atque ubi sunt, posuisse: etiam qui capta Corintbo advecta buc, quae ibi subiecta fuerint mensae. Man wird sich daher schwerlich BÖMERs Meinung anschließen können, daß es sich bei diesen knienden Gestalten ursprünglich überhaupt um keine Götter, schon gar nicht um Geburtsgottheiten gehandelt habe, sondern daß diese zunächst lediglich aufgrund ihrer Körperhaltung und ihres Geschlechtes #x7 genannt worden und erst sekundär durch Vermischung mit den von BÖMER angenommenen Nixae zu Geburtsgöttern geworden seien. Viel wahrscheinlicher ist dagegen K. LATTES Ansicht, der den Ausdruck di mid an unserer Festus-Stelle als Verkürzung von & et #ixa interpretiert.“ Als Stütze für diese Erklärung kann eine aus Sparta stammende Marmorgruppe dienen, die eine kniende, d.h. in Gebárstellung befindliche Göttin darstellt, die von zwei männlichen,

wahrscheinlich dämonischen Gestalten flankiert wird, die ihr beim Geburtsvorgang hilfreich zur Seite stehen. Jedenfalls ist es kaum denkbar, daß die Römer diese drei Figuren, die Festus 2.0.

erwähnt, just vor der Cella des Minervatempels aufgestellt hätten, wenn sie in diesen nicht Abbildungen von bestimmten Gottheiten gesehen hätten, die sie mit Geburtsgöttern ihrer eigenen Religion in Verbindung bringen konnten. Bei der Frage, welche männlichen Götter das waren, die man sich als hilfreich

und an der Geburt mitbeteiligt dachte, drängen sich m.E. unweigerlich die Nzxws als petsonifizierte und deifizierte Geburtswehen auf, deren göttliche Verehrung uns zumindest für die spätere Zeit durch eine Reihe archäologischer Zeugnisse belegt ist. Diese sind jedoch bei der Erklärung unserer Ovidstelle — mit Ausnahme einer knappen Bemerkung von R. EGGER* — bisher unberücksichtigt geblieben. Und doch dürfte bei ihnen der Schlüssel zum Verständnis des überlieferten Wortlautes von 24 K.LATTE, Römische Rehgionsgeschichte, München 1960, 52 Anm. 3. LATTE wendet sich dort mit Recht gegen G. WISSOWA, Religion und Kultus der Rómrer, München 21912, 249 Anm. 1, der glaubte, es sei bei den soa & des Festus an kniende Giganten zu denken, die als Tischfüfe gedient hätten. Widerspruch erfuhr WISSOWA wa. auch von O. BASINER, Nixi di und Verwandtes. RAM N.F. 60, 1905, 614ff., sowie von L. DEUBNER, NL4 13, 1904, 668. Daß es sich bei diesen von Festus

beschriebenen signa um Darstellungen von Geburtsgottheiten handelt, wird nun durch eine Kleinplastik des 6. Jhdts. wahrscheinlich gemacht, die im Heraion von Samos gefunden wurde und auf die mich mein Heidelberger Kollege P. BRIZE freundlicherweise mit Literatur aufmerksam gemacht hat. Sie stellt wie U. SINN, Der sog. Tempel im Heraion von Samos. AM

100, 1985, 151ff. und id.,

Zur Wirkung des ägyptischen Bes auf die griech. Volksreligionen. In: Antidoron. Festschr.f. J. THIMME, "hrsg. von D. METZLER, B. OTTO, C. MÜLLER-WIRTH, Karlsruhe 1983, 87ff. (dort auch Abbild), gezeigt hat, einen dämonischen Kourotrophos dar, auf dessen Kopf eine Opferplatte mit dargebrachten Kuchen aufgesetzt ist. Diese Weihegabe wirft auch Licht darauf, wie Festus' quae (scil. signa, d.h. die soc di) ibi subiecta fuerint mensae zu verstehen sind. 25 F. MARX, Marmorgruppe aus Sparta. AM 10, 1885, 177ff. (Tafel VI), der diesen Fund erstmals besprochen hatte glaubte, wie später auch P. WOLTERS, Ἐφημερὶς ἀρχ. Βοιωτικαὶ ᾿Αρχαιότητες 10, 1892, 225ff., daB es sich bei der abgebildeten Frau um ein menschliches Wesen

handle; dagegen H. v. PROTT, Zur Erklärung der Marmorgruppe aus Sparta. AM 29, 1904, 16ff., der u.a. auch auf die in Gebärstellung kniende Eileithyia in Tegea aufmerksam macht, die dort nach dem Ausweis des Pausanias 8,48,7 Αὔγη ἐν γόνασι benannt wurde: vgl. zu dieser Art des Gebárens auch

Soranus gynaec. II, 18 (59), p. 357 ROSE (= IV 7 [59] 2 p. 136 ILBERG). 26

Gnomon 10, 1934, 581ff. (Besprechung von G. BRUSIN, GZ scan di Aquikria, Udine 1934, 86).

246

Lucina Nixusque Pares. Die Geburtsgottheiten in Ovids Met. IX 294

Vers 294 liegen: Luanam Nixwsque pares clamore socabam. Personifikationen bei Wörtern der «-Deklination sind zwar selten, doch lassen sich dafür gerade aus der altrömischen Religion noch andere Beispiele anführen: so z.B. der von Varro rust. 1,1,6 u.a. bezeugte altrómische Gott Bonus Eventus, der über das gute Gedeihen der Feldfrüchte wacht. Was die göttlichen Nixws betrifft, so fand sich in Aquileia ein Altärchen mit der Inschrift: NIXIBUS [ET] LUCINIS (vgl. Année épigr. 1934, nr. 238),7 nachdem in Mauer an der Url (bei Amstetten, Niederösterr.) bereits zuvor eine Urne mit der Aufschrift: NIXIBUS SANCTIS PRO SALUTE COSTUTES zum Vorschein gekommen war (vgl. Annde épigr. 1933, nr.127).# Kurz danach stieß man in Rembrecht (nördlich des Bodensees) auf einen Fingerring mit der Aufschrift NIX, der sich in das erste Viertel des 3. Jhdts. n.Chr. datieren läßt, und erst jüngst machte R. NOLL? auf vier weitere Fingerringe, die ebenfalls die Aufschrift NIX tragen, aus dem Raum von Carnuntum aufmerksam. Einer davon ist besonders bemerkenswert, weil er in

kräftigem Relief eine figürliche Darstellung aufweist zwei Löwen beiderseits eines Kraters. In der Frage, welche Nominativform zu NLXIBUS bzw. der Abkürzung NIX anzunehmen ist, hat sich NOLL (4AWW 113, 1973, 2, 32)% in seiner Besprechung der oben erwähnten Inschrift NIXIBUS SANCTIS PRO SALUTE COSTUTES auf der Graburne von Url so wie auch bei der in Aquileia gefundenen Altaraufschrift NIXIBUS [ET] LUCINIS* für den Nominativ plur. Nixas entschieden. In seiner oben (Anm. 29) zitierten Abhandlung geht er jedoch ohne Angabe von Gründen von einem Nominativ plur. Nixes aus, wie vorher schon F. HEICHELHEIM, RE 17, 1936, 780 in dem Artikel »Nix(es?)«, wobei er diese Nixes als weibliche Geburtsgottheiten

betrachtet. Auch H. KENNER? sieht in den Nixwr weibliche Geburtsgottheiten, weil sie diese aufgrund einer Inschrift aus Como, deren Dedikation /FLATIS [NJIXIBUS NINLA AETHERIA V.S.LM. lautet? mit den Fasze identifiziert. Doch ist dieser Schluß keineswegs zwingend, da es sich hier einfach um eine asyndetische Aufzählung von verschiedenen Göttern handeln kann, wie sie auch sonst in epigraphischen Denkmälern nicht selten begegnet. Für die Spätantike ist aber die Annahme von weiblichen römischen Nixus oder Nixes nicht ganz von der Hand zu weisen. Es ist verständlich, daß unter dem Einfluß 27 Erstmals publiziert von BRUSIN (Anm. 26). 28 Zur Genetivíorm Coswes (von Comswio) vgl R NOLL, Eine Sigillataschüssel mit Eigentumsvermerk und Preisangabe aus Flavia Solva. Germania 50, 1972, 150. 29 Nixibus. Vier neue Belege für die Geburtsgöttinnen aus dem Raum von Camuntum. Germania 63, 1985, 159ff.

30 Vgl. dort auch weitere ältere Literatur. 31 Während Luisa im echt römischen Kult stets nur in singularischer Form begegnet, konnte es später auch bei dieser Gottheit besonders in den Provinzen analog zu den griechischen Εἰλείθυιϊιαι oder mehr noch zu den keltischen und germanischen Geburts-, Schicksals- und Muttergottheiten, die

sehr häufig in einer Mehrzahl auftreten (Fatae, Matronae, Matres etc.), zu einer Multiplizierung kommen. G. ALFÖLDY, Zur keltischen Religion in Pannonien. Germania 42, 1964, 57 Anm. 14 (mit Literatur), macht darauf aufmerksam, daß der Kult der Face in Norditalien besonders verbreitet war; im übrigen

vgl. weiter die entsprechenden Abhandlungen mit reichen Belegen und Literatur in: Matronen und verwandte Gottheiten. BJ, Beih. 44, 1987 [Red.: G. BAUCHHENSS und G. NEUMANN]. 32 Die Götterwelt der Austria Romana. ANRW2, 18,2, 1989, 892£. und 933f. 33 Vgl. H. PAIS. CIL Suppl. Ital. 1, 1884, nr. 739; vgl. dazu auch C. B. PASCAL, The Cults of Cisalpine Gaul. Co Latomus 75, Brüssel 1964, 70 und 123.

Lucina Nixuique Pares. Die Geburtsgottheiten in Ovids Met. IX 294

247

der griechischen Eileithyiai als der deifizierten Geburtswehen* — das griechische Wort ὠδῖνες, ein Femininum, erscheint selbst nie personifiziert — im Laufe der Zeit auch im Lateinischen zu den männlichen Nixus ein weibliches Pendant getreten ist, wie dies aus spätlateinischen Glossen ersichtlich ist: vgl. CGL 3, 9, 18: Antvia nixa,

3, 168, 24: ibtbyia — tbea nixe (sic); CGL 2, 134, 11: Nixae wöeives; CGL 3, 165, 33: odine nixe (sich).

Sehr unwahrscheinlich mutet es allerdings an, daß es schon zur Zeit Ovids eine kultische Verehrung weiblicher Nixae oder Nixer gegeben hat. Das gängige Wort für »Geburtswehen« ist das Maskulinum #ixus, wm, stets im Plural gebraucht: vgl. Gell. 12,1,4: ... qwam dintinum puerperium et quam laboriosi nixus fuissent, zuvor Ovid

fast.

5,171: bwnc stirps Oceani maturis nixibus Aetbra | edidis, Vergil georg. 4,199: ... fetus nixibus edunt, und Lucr. 5,222ff.:

Tum porro puer, ut saevis proiectus ab undis navita, nudus bumi iacet, infans, indigus omni vitali auxilio, cum primum in luminis oras

nixibus ex alvo patris natura profudit.

An unserer Ovidstelle (met. 9,294) haben wir den ersten literarischen Beleg für Deifikation dieser Geburtswehen. Wenn sie da als pares bezeichnet werden, so steht keine Veranlassung, diese Überlieferung zu bezweifeln und z.B. in pa/res zu rigieren, denn für pares in der Bedeutung »zwei (ebenbürtigek gibt es nicht nur sprachliche Parallele bei Ovid selbst (met. 8,308 Astoridaegue pares)5 sondern

eine bekoreine der

Ausdruck ist auch inhaltlich wohl begründet: pares sind die Nixus deswegen, weil die

Geburtswehen tatsächlich in zweifacher Form auftreten: die PreBwehen, denen später die Nachwehen folgen. Das ist wohl m.E. auch einer der Gründe, warum ebenso

die griechische Eileithyia bisweilen in einer Mehrzahl gedacht wurde. Ob auch die Darstellung mit den zwei Löwen auf dem oben (S. 246) erwähnten Fingerring mit der

Aufschrift NIX auf die Nixus pares zu beziehen ist, mag dahingestellt bleiben. Was nun die Deifikation dieser Nixxs betrifft, so ist es sicherlich kein Zufall, daß sie bei Ovid,

wie auch

später in der Weiheinschrift

von Aquileia, zusammen

Lacina(e) erscheinen, stellen die Geburtswehen doch die Kräfte und Wir!

mit

eisen

der Lucina(e) dar, genauso wie die griechischen ὠδῖνες als die Potenzen der Eileithyia bzw. der Eileithyien: angesehen werden konnten. Vgl. Aristarch (in Schol T) zu Hom. Il 19,119: Εἰλειθυίας: ὠδῖνας κατὰ μετωνυμίαν, ὡς "Apng ὁ σίδηρος, Ἥφαιστος τὸ πῦρ. Während aber, wie schon oben aufgezeigt, das griechische Wort ὠδῖνες niemals personifiziert oder deifiziert wird, geht die römische Religion im Falle

der analogen nixus eigene Wege. Wenn Ovid Alkmene neben Lucina auch die Nixas als göttliche Kräfte der Ge-

burt anrufen läßt, so ist dies sicher nicht nur als ein poetisches Spiel unseres Dichters zu bewerten, der sich bemühte, den vorgegebenen Mythos in die römische Gedankenwelt zu transponieren, indem er zu den Eileithyien seiner hellenistischen Vorbilder in den Nixus eine lateinische Entsprechung schuf. Vielmehr kann diese Deifika34 Vgl dazu oben S. 237. 35 Bereits MAGNUS hat in seiner Edition darauf aufmerksam gemacht; vgl z.B. aber ebenso noch in einem spätlateinischen Hymnus auf die Jungfrau Maria, hrsg. von R. ROCA-PUIS, Barcelona 21965, V. 35: exierunt ambo de templo pares.

248

Luana Nixusque Pares. Die Geburtsgottheiten in Ovids Met. IX 294

tion der Nixus neben Lucina wohl ebenso auf sein Bestreben zurückgeführt werden, im Sinne der Augusteischen Restaurationspolitik auch in seiner Dichtung religiöse Vorstellungen der alten Zeit neu zu beleben. Es war nämlich ein charakteristischer Zug altrómischer Frömmigkeit, nicht nur die Gottheit selbst, sondern auch ihre typischen Kräfte und Wirkungsweisen als göttliche Mächte zu verehren. In der archaischen Epoche Roms war das religiöse Denken und Handeln nicht so sehr durch den Glauben an bestimmte göttliche Persönlichkeiten geprägt, sondern vielmehr durch den Kult der durch eine Gottheit symbolisierten Macht in ihren verschiedenen Äußerungen. So kam es einerseits zu

Identifikationen, anderseits auch zu Aufspaltungen ein- und desselben göttlichen Numens nach seinen verschiedenen Macht- und Wirkungsbereichen. Und diesen Potenzen, die ursprünglich eng mit der eigentlichen Hauptgottheit verbunden waren, konnte auch eigene religiöse Verehrung zukommen. Gellius 13,23,2 überliefert uns unter Berufung auf altrömische Priesterbücher einige sehr interessante Beispiele für derartige comprecañiones, d.h. die Mitanrufung eines göttlichen Wirkungsbereiches zusammen mit der eigentlichen Gottheit, indem er neben einer La Saturni, Salacia Neptuni, Hora Quirini, den Virites Quirini u.a. auch die Mokes Martis erwähnt. Eine Be-

stätigung zu Gellius’ Bericht liefert die Inschrift CIL. X 8375, 16 ( = DESSAU ILS 108), wo von einer Suppäcatio Mokbus Martis berichtet wird, die in Augusteischer

Zeit auf dem Kapitol von Rom abgehalten wurde.% Diese deifizierten Kampfesmühen waren wohl ebenso untrennbar mit Mars verbunden und als ein integrierender Bestandteil der Wirkungsweise dieses Gottes empfunden worden, wie die Nixws zur Geburtsgóttin Juno Lucina gehörten. Daraus erklärt sich auch, daß die Néxus in met. 9,294 zwar angerufen werden, im folgenden aber gar nicht erscheinen: Lucina ist eben hier nicht gewillt, ihre Kráfte wirksam werden zu lassen. Ob es sich bei den deifizierten Nixss um eine poetische Erfindung Ovids im Sinne der altrömischen Tradition handelt oder ob sie tatsächlich in Rom mit Juno Lucina zusammen

schon Kult hatten, läßt sich schwer entscheiden. Für die letztere

Möglichkeit würde aber sprechen: (1.) die oben (S. 244£) erwähnten Bildnisse männlicher Geburtsgótter auf dem Kapitol (dort aufgestellt seit dem Ende des 2. Jhdts. v.Chr.), (2.) die Verehrung der Nixus in der Kaiserzeit und (3.) die Tatsache, daß es wohl kaum vorstellbar wäre, daß die Römer mit ihrem Hang zu vielen Sondergöttern gerade diesen wichtigen Bereich des menschlichen Lebens, die Geburt, nicht von

eigenen Wehengöttern geschützt gedacht hätten. Eine solche göttliche Verehrung der Nixus in Verbindung mit Lucina in Augusteischer Zeit läßt sich vielleicht auch aus dem u.a. von DESSAU als merkwürdig empfundenen Gegensatz erschließen, daß im inschriftlichen Protokoll der Saecularfeier des Jahres 17 v.Chr. zwar von einem Opfer

des

Augustus

an

mehrere

Geburtsgötter

die

Rede

ist

(CIL

VI

32323

[ = DESSAU ILS 5050], Z. 115ff. noctu autem ad Tiberim sacrificium fecit deis Ihthyis ... imp. Caesar Augustus), daB der Kaiser jedoch selbst dann in seinem darin ebenfalls überlieferten Gebet die Ilithyia, d.h. Lucina alleine anruft: precatus est boc modo: IHtbyia, uti tibei in illeis libreis seribtum est ... tibi VIII popanis et VIII libeis et VIIII pthoibus sacrum fat ... Wenn die Nixus als besondere Wirkungsweise der Lucina verehrt wurden, so kam

36

Vgl dazu WISSOWA (Anm. 24) 148; zur Deifizierung der Potenzen römischer Gottheiten vgl.

besonders auch W. W. FOWLER, The Roman Festivals of tbe Period of the Republe, London 1899, G6ff.

Lacina Nixusque Pares. Die Geburtsgottheiten in Ovids Met. IX 294

249

jedes Opfer an Lucina auch ihnen zugute — daher vielleicht der Plural deis Ithyis --Ὁ

im Gebet genügte es, Lucina alleine anzurufen, die Nixxs waren darin miteingeschlossen. Die gänzliche Verselbständigung der Nixus zu eigenen Geburtsgöttern hat sich wohl erst im Laufe der Kaiserzeit vollzogen und dann auch zur Bildung weiblicher Entsprechungen geführt. Welch große Verbreitung die Néxws (und vielleicht auch Nixae?) vor allem in der Spätantike hatten, können die archäologischen Funde aus Oberitalien, Rätien, Noricum und Pannonien erweisen. Und wie stark die Veranke-

rung auch der männlichen Nixus in den religiösen Vorstellungen des Volkes gewesen sein muß, zeigt letztlich ihr Weiterleben in bestimmten christlichen männlichen Heiligen. Wie im römischen Reich die Nzxws, so wurden dann im christlichen Abendland

bis in die heutige Zeit bestimmte Heilige (z.B. der hl. Leonhard) um eine glückliche

Geburt angerufen und sogar in den Dienst des Gebärzaubers gestellt. Die besprochene Stelle in Ovids 9. Buch der Metamorphosen kann vor Augen führen, wie weit sich diese Tradition zurückverfolgen läßt und wo ihr Ursprung zu suchen ist: Anfänglich nur Potenzen der Juno Lucina, welche die Göttin an den Gebärenden wirksam werden ließ, haben sie sich von dieser genau so abgespalten und

verselbständipt, wie Ovid in unserer Passage die Lucina aus ihrer alten Einheit mit Juno gelöst und sie neben diese als ihre personifizierte helfende göttliche Kraft gestellt hat.

37

Der Plural wird außerdem verständlich, wenn man daran denkt, daß Opfer nicht nur der

Lacna und den Nixws allein dargebracht wurden,

sondern

auch anderen

Geburtsgöttern, von denen

die altrómische Religion eine Reihe kennt: vgl. z.B. Varro bei Gell. 5,16,9f£: Parza ... Nona et Decima a

partus tempestiw tempore, Caesell. Vindex bei Gell. 3,16,11 ia ... nomina Parcarum. sunt: Nona, Decuma, Monta, Tertull. anim. 37,1 swberstitio Romana deam finxit... Nonam et Decimam a solliitioribus mensibus et Partulam, quae partum gubernet (vgl. dazu auch ]. H. WASZINK, Komm. z.St, Amsterdam 1947, 425; Mytbogr. Vat. 2,6 = CC ser. Lat. 91 ed. KULCSÁR 101, wird Iuno selbst als dea partus bezeichnet). Auch verehrte man im römischen Kult eine Carmenta (bzw. Carmentis) nicht nur im Singular, sondern auch im Plural, wobei man ihre Beinamen Prorsa (bzw. Porrima oder Antevorta) und Postvorta u.a. von der Lage des Kindes im Mutterleib her deutete, worüber diese göttlichen Potenzen walteten: vgl. dazu ausführlich L. L. TELS-DE JONG, Sur quelques divinités romaines de la naissance et de la propbétie, Amsterdam 1960, 21ff.

38 Vgl dazu BÄCHTOLD-STÄUBLI (Anm. 10) 3, 416 s.v. Geburt. In Griechenland wird bis zum heutigen Tag der hl Eleutherios als Geburtshelfer verehrt, worauf mich M. CHRISTMANN (Heidelberg) aufmerksam gemacht hat. Interessant ist auch die Notiz bei Hyg.

ROSE? antiqui obstetrices mon habuerunt.

fab. 274,10,167,2f.

Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht Géza Alfóldy zum 65. Geburtstag in herzlicher Verbundenheit Vorbemerkungen Die Frage nach der Deutung des ursprünglichen Wesens der Laren und der Entstehung ihres Kultes gehórt, wie W.EISENHUT!

festgestellt hat, zu den schwierigsten,

bisher noch nicht gelósten Problemem der rómischen Religionsgeschichte: eine Feststellung, die auch heute noch Gültigkeit hat. Der folgende Versuch, diese Frage einer Klärung zuzuführen, wird erweisen, daß nur durch die Zusammenschau mehrerer Disziplinen der Altertumswissenschaft Licht in diese dunkle und unübersichtliche Problemlage gebracht werden kann. Dabei kommt gerade der Sprachwissenschaft in Verbindung mit der Archáologie und der Vergleichenden Religionswissenschaft eine besondere Rolle zu. Der Beitrag soll somit auch ein Plädoyer für die Einheit der Altertumswissenschaften sein, die trotz aller ihrer berechtigten Spezialisierung nicht vergessen dürfen, daß sie letztlich bei der Bewältigung ihrer Aufgaben auf einander angewiesen sind.

In der vorliegenden Untersuchung über Herkunft und Wesen der Laren ist es daher auch keineswegs beabsichtigt, diese alte, schon mehr als hundertjährige Fragestellung der Klassischen Philologie in ihrer ganzen Breite und mit ihrer überaus reichen Literatur dazu wieder aufzurollen. Vielmehr sollen hier vor allem bisher in der Forschung nicht berücksichtigte Aspekte sowie unbeachtet gebliebene Erklärungsversuche antiker Autoren und archäologische Zeugnisse eingebracht werden, die zu

einem neuen Wesensverständnis der Laren und ihres Kultes beitragen können. So wollen wir uns u.a. mit der Etymologie des Wortes auseinandersetzen, die bisher in der philologischen Diskussion wenig Aufmerksamkeit erfahren hat. Denn auch hier gilt Kennt man die Etymologie eines Namens, so versteht man letztlich das Wesen der damit bezeichneten Person oder Sache in seiner Ursprünglichkeit. So hoffe ich, am Beispiel der Laren aufzeigen zu können, was die Sprachwissenschaft für die Klárung dieses Problems zu leisten vermag.

Originalbeitrag, bearbeitet von Frau Dr. Astrid Petersmann. * Als Vortrag gehalten an den Universitäten Innsbruck 1991, Regensburg 1993, Heidelberg (Religionswiss. Kolloquium) 1994, Szeged 1999. 1 Laren.

W.EISENHUT 1969, 494-496 s.v. Lares. Vgl. auch A. MASTROCINQUE

1999, 1147-1150 s.v.

Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht

251

Finleitung: Kurzer Überblick über die bisher vorgebrachten Erklärungen a. Deutungsversuche der modernen Forschung Grob gesprochen, stehen sich heute noch immer die zwei seit (1.) E. SAMTER? und

(2.) G.WISSOWA? vorgebrachten Ansichten gegenüber, die Laren seien (1.) ursprünglich Ahnen oder (2.) örtliche Schutzgeister gewesen. Einen Ausgleich zwischen diesen beiden Theorien, bei welchen die Mehrzahl der Forscher zu WISSOWA neigt — so z.B. F. BÖMER*

K. LATTE}

H. J. ROSES

-, versuchten

in gewisser Weise

W.

F.

OTTO’ und F. ALTHEIM, indem sie die Laren als Fruchtbarkeitsdámonen deuteten,

die Beziehungen zu Unterwelts- und Erdgottheiten aufwiesen. Ähnlich erklärte sie auch G. RADKE, wobei er sie zwar nicht mit dem Totenkult in Zusammenhang brachte, aber an ihrer chthonischen Natur festhielt und sie als den hilfreichen Zwer-

gen des germanischen Volksglaubens verwandt betrachtete, während u.a. G. J. LAING,! F. BOEHM" und zuletzt E. SIMON"? in ihnen Gottheiten allgemeinen Charakters sahen, denen der Schutz des Hauses, des Anwesens

und der dort lebenden

Personen oblag.

b. Erklärungsversuche antiker Autoren Die Deutung der Lares als ursprüngliche Totenseelen, die nach SAMTER? auch von ERNOUT/MEILLET*

und zuletzt wieder von A. MASTROCINQUE? vertreten wird,

fand ihre stärkste Stütze in den Nachrichten aus der Antike selbst: So spricht Paulus Festus 273,6ff. L. von ihnen als di inferi,s ein Ausdruck, der m.E. jedoch nicht mit RADKE" einfach als Erdgottheiten ohne Bezug zum Totenkult interpretiert werden darf. Dazu kommt noch z.B. Servius! Kommentar zu Verg. Aen. 3,302 manes piorum, qui lares viales sunt und zu Aen. 6,152 apud maiores ... ommes in suis domibus sepeliebantur, unde ortum est, ut lares coleremtur in domibus. Unde etiam umbras larvas (a laribus [auct., cod. CJ und vor allem Arnob.

3,41: Dieser zitiert Varro, der sich seinerseits auf ältere

2 3 4

E.SAMTER 1901, 105ff. (Anhang: Die Entstehung des Larenkultes) und id. 1907, 368ff. G. WISSOWA 1912 (1971), 166ff. — Vgl. auch id. 1894-1897 2, 1868ff. und 1904, 42ff. F.BÓMER 1943, 123ff.

6

H.). ROSE 1948, 25; 38ff.

7 8

W.F.OTTO 1908, 113ff. F. ALTHEIM 1931, 62.

5

K.LATTE 1960 (21967), 90£f.; 3068; 416.

9

G. RADKE 1965, 166ff.

10

G.]. LAING 1921, 124-140.

11 12 13

F.BOEHM 1924, 806ff. E. SIMON 1990, 1196 (Anm. 2).

14

A. ERNOUT/A. MEILLET 1985, 341f. s.v. Lar, Láris.

15

A. MASTROCINQUE 1999, (Anm. 1) bes.1147.

16 Piae et effigies virifes εἰ »uliebres ex lana Compitalbus suspendebantur in conpitis, quod bunc diem festum esse deorum inferorum, quos vocant Lares, putarent, quibus tot pilae, quot capita servorum; tot effigies, quot estent lüberi, ponebantur, uf vivis parcerent et esstnt bis pilis et simulacris contenti.

17

(Anm.9).

252

Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht

Quellen beruft: Var similiter baesitans nunc esse illos (scil. dares) Manes et ideo Maniam matrem esse cognominatam larum, nunc aerios rursus deos et beroas pronuntiat. appellari, nunc antiquorum senlenlias sequens Larvas diat esse Lares, quasi quosdam genios et functorum animas. Gerade die schon von Varro vorgenommene Identifizierung der Laren mit den Heroen und die Wiedergabe dieser rómischen Gottheiten durch den griechischen Ausdruck f(poec(etwa im Mon. Ancyr. 10,11 und 18,25 [ = lat. Text 4,7 und 6,33}, Dion.

Hal. 4,2 und 70, Plut. fort. Rom. 10 [323 C], CIL. X 3757 berves qui Augusti nomen gerunt [was schon MOMMSEN" richtig als poetische Umschreibung für Lares August erkannt hat]) wurde auch von Forschern der Neuzeit zur Erklärung des Wesens der Laren wieder ins Treffen geführt. Freilich, alle diese Belege liefern keinen schlüssigen Beweis für die Ursprünglichkeit dieser Anschauung. Sie stellen nämlich nichts anderes als Spekulationen gelehrter römischer Antiquare und Religionshistoriker dar, von denen Arnobius a.O. nur den bedeutendsten nennt Varro, der sich in der Deutung der Laren selbst nicht mehr sicher war. Hauptteil I. Welche Einsichten über das Wesen der Laren vermitteln Gebetsformeln und Kult? Viel aussagekräftiger sind in diesem Zusammenhang die Hinweise, die wir den überlieferten Gebetsformeln und dem Kult selbst entnehmen. Ich móchte davon nur folgende drei wichtige Gegebenheiten ins Gedáchtnis rufen: (1.) In der Devotionsformel des Konsuls Decius bei

Liv. 8,9,6, deren Wortlaut mit

Sicherheit uralte Überlieferung darstellt, werden ausdrücklich Laren und Manen gesondert genannt. Daraus ergibt sich, daß sie ursprünglich nicht identisch sein konnten:

lane, Iuppiter, Mars pater, Quirine, Bellona,

Lares, Divi Novensiles, Di Indigites, Divi

quorum est potestas nostrorum bostiumque, Dique Manes, vos precor veneror veniam peto oroque!?

uti populo Romano Quiritium vim victoriam prosperetis, bostesque populi Romani Quiritium terrore formidine morteque adficiatis. Sicut verbis nuncubavi, Ifa pro re publica populi Romani Quiritium, exercitu legionibus auxiliis pabuli Romani Quiritium, legiones auxiliaque bostium mecum Deis Manibus Tellurique devoveo.

(2) Die Tatsache, daß den Laren auf arae geopfert wurde, schließt Totenkult aus.” Nach dem Zeugnis von Tertullian spect. 5 wurden die Laren zusammen mit dem 18 TH. MOMMSEN, Gesammelte. Sobrifte, 7: Philologische Schriften, Berlin 1909, 181. 19 oroque FORCHHAMMER, feroque codd. 20 Vgl z.B. die unten zitierte Stelle aus Ovid fast. 5,130. Vgl. auch WISSOWA 1912 (1971), 170 und 92 Anm. 5.

Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht

253

Ackergott Mars und dem Erntegott Consus im Circus Maximus auf einem uralten, unterirdisch angelegten Altar? verehrt, dessen Inschrift Tertullian folgendermaßen wiedergibt: Consus consiko Mars duello Lares coillo*. potentes. In seiner nächsten Nähe befanden sich die Kultstätten der alten Saatschutzgöttinnen Seia, Segetia bzw. Segesta, Messia und Tutilina.7

(3.) Aufschlußreich sind auch Datum

und Art der Larenfeste: Die Compitaka, ihr

Hauptfest, wurden Ende Dezember / Anfang Januar begangen; ein anderes Larenfest wurde am 1. Mai gefeiert, und die Flurbegehung der Arvalbrüder Mars und den Semonen in einem Laren angerufen wurden: CIL T^ 2

im Laufe zu Ehren alten in = ILLRP

desselben Monats fand in der Kaiserzeit der Dea Dia statt, bei der jedoch neben Saturniern verfaßten Lied* als erste die 4.

Enos Laser ivvate neve lue rue Marmar Satur fu fere Mars, Semunis alternei Enos Marmor iuvato.

Sins incurrere in pleoris. men sali, sta berber.5 adyocapit?$ conctos.

Trisenpe, trixnrpe, trinmpe, rüumpe, Νέμσγρε 7

Bei all diesen Festen handelt es sich um solche zur Zeit der im Süden wieder erblühenden oder bereits voll erstandenen Vegetation, wozu kein Totenkult paßt. Nach Ausweis von Ovids Fasten 5,129ff. wurden die Laren am Beginn des Monats Mai, der seinen Namen (aus *ragios zu magnus) von einem Gott hat, der groß machen, also Wachstum schenken soll, als praestites »Schützer« verehrt: Es heißt da: aram constitui parvaque signa deum: ara erat illa quidem Curibus, sed multa vetustas

21

Varro ling. 6,20: Consuala dicta a Conso, quod tum feriae publicae ei deo et in Ciro ad aram eius ab

sacerdotibus udi ill, quibus virgines Sabinae raptas. Vgl. auch Dion. Hal. 2,31,2, Plut. Rom. 12,24, Serv. zu Verg. Aen. 8,636 und WISSOWA 1912 (1971), 201 Anm. 8.

22

14, Tac. ann.

K. E. GEORGES, Ausführliches latsinisch-deutsches Handwörtebuch, Hannover 111962 s.v. collum

erklärt das Wort als das Innere (des Hausesx und bringt es mit griech. τὸ κοῖλον »das Ausgehöhlte, die Höhle, Vertiefung: etc. in Zusammenhang. 23 Der Name Tuna durfte offenbar nicht ausgesprochen werden: vgl. Plin. nat. 18,8, der nur Sea und Segesta nennt. Tert. spect. 8 zählt Sera ( = Ses), Messia und Tutulna auf, Seia, Sepwtia und Tutukna werden zusammen bei Macr. Sat. 1,16,8 und Aug. εἰν. 4,8 erwähnt, während Varro ling, 216

BUECH. nur von Ta#£na spricht, desgleichen ling. 5,163, wo die Tunikuar bxa in etwa an der angeführten Stelle im Circus Maximus lokalisiert werden. Vgl. WISSOWA 1912 (1971), 201f. mit Anm. 8 u. 9 und (Anm. 54). 24 Das Lied ist in den erst 218 n.Chr. epigraphisch aufgezeichneten Aa frairum Arvalium

überliefert. Linguistische Indizien weisen jedoch darauf hin, daß es spätestens im 4. Jhdt. v.Chr. entstanden ist. Vgl. dazu G. RADKE

1981, 111

und H. PETERSMANN/A.

PETERSMANN

1991,

13-15, mit zahlreicher weiterer Literatur. 25 bvrber: die Bedeutung dieses Wortes ist unerklärt. 26 advocpif. apokopierte Form eines alten Futurimperativs advorabite. Vgl. H. PETERSMANN/ A. PETERSMANN

1991, 15.

27 Übers.: »Ja, ihr Laren, helft uns! / Laß nicht, Mars, Seuche und Verderben in die Menge eindringen! / Sei satt, wilder Mars, spring auf die Schwelle, steh dort(?)! / Die Götter der Saat ruft abwechselnd herbei, sie alle! / Ja, du, Mars, sollst uns helfen! / Im Dreischritt springe, springe, springe, im Dreischritt springe, springel« Vgl. Anm. 26.

254

Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht

destruit: et saxo longa senecta nocel. causa tamen positi fuerat cognominis illés, quod praestant oculis onmia tula suis. stant quoque pro nobis ei praesunt moenibus Urbis et ust praesentes auxiliumque ferunt.

at canis ante pedes saxo fabricatus eodem stabat: quae standi cum Lare causa fuit? servat uterque domum, domino quoque fidus uterque, compita grata deo, compita grata cani. exagitant et Lar et turba Diania fures,

pervigilantque Lares, pervigilanique canes. bina gemellorum quaerebam signa deorum: viribus annosae facta caduca morae. mille lares Geniumque ducis qui tradidit illos, Urb: babet, et vici nurmina trina colunt.

Diese Stelle ist für das Verständnis der Larenverehrung besonders wichtig: Sie zeigt, daß die Laren auch außerhalb Roms Kult hatten. Cicero leg. 2,192 denkt ebenso in erster Linie an ländliche Gegenden. Nach Varro sind diese Gottheiten sabinischer Herkunft? und dazu steht in Einklang die Erwähnung von Cures in der zitierten Ovidstelle, wo der Dichter einen dort selbst gesehenen sehr alten Larenaltar beschreibt. Die Darstellung Ovids stimmt auch genau zu dem, was wir im allgemeinen über die Laren sowohl aus literarischen als auch archáologischen Quellen wissen. Sie treten hier wie z.B. noch fast. 2,615 und sonst háufig in einer Zweizahl auf. Sie schützen die Stadt und deren Häuser — zu dieser Schutzfunktion paßt auch der Hund in ihrer Mitte — und sie lieben die compita.

II. Wo ist der Ursprung der Larenverehrung anzunehmen: im Haus oder auf den Fluren? — Gab es ursprünglich nur einen Lar? In diesem Zusammenhang stellen sich zwei Fragen, die die Forschung bisher sehr bescháftigt haben: (1.) Woher hat der Larenkult örtlich seinen Ausgangspunkt genommen? Sind die Laren

(a.) ursprünglich Flurgottheiten gewesen und von ihrer Verehrung dort, insbesondere an den mmpita, erst sekundär ins Haus gelangt oder ist (b.) ihr Kult ehedem vom Haus ausgegangen? (2.) Wie ist die schwankende Zahl der Laren zu erklären?

Beide Probleme sind m.E. eng miteinander verknüpft. Wenn wir uns zunächst der ersten Frage zuwenden, so sehen wir, daß die Mehr-

zahl der Forscher den Ursprung der Larenverehrung außerhalb des Hauses anneh-

28 «Im urbibus? delubra babento. Lacos in agris habento et Larum sedes. 29 ling. 5,74: Feronia, Minerva, Novensides a Sabinis. Paulo aliter ab eisdem. dicimus baec: Palm, Vestam, Salutem, Fortunam, Fontm, Fidem. E arae (coniec. MUELLER, ea re codd.) Sabinum Anguam olent, quae Tati regis voto sunt Romae dedicatae: nam, ut annales dicunt, vout Opi, Florae, Vediow Saturmoque, Sok, Lunas,

Volcano et Summano, itemque. Larunda, Termino, Quirino, Vortummo, Laribus, Dianae Ladnasque; + quis nonnulla nomina in utraque Engua babent radices, ut arbores quae in confinio natae in utroque agro Serpamt.

Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht

255

men.? Nach ihrer Meinung sei diese erst sekundär auf das Haus und den Herd übertragen worden. Auch hinsichlich ihrer Zahl dachte man, daß jedes Anwesen anfänglich nur einen Lar als Schutzgottheit gehabt haben könne. SIMON"! sieht die Zweizahl als nicht ursprünglich an, sondern geht letzten Endes von einer Einzahl bzw. von einer unbestimmten Menge aus und stellt fest: »Zur Zeit des Plautus gab es noch nicht die paarweise auftretenden Statuetten, wie sie aus Pompeji bekannt sind. Die Zweizahl ist dort wohl ein reduzierter Plural und durch die symmetrische Abbildung in den Lararien bedingt. Vielleicht wirkt auch das Vorbild der Dioskuren (Castores)

herein, die wie die Laren Schutzgötter waren. So kam es zu den Larenzwillingen, die durch Ovid in die literarische Überlieferung gelangt sind.« Auch W. EISENHUT? erklärt mit Verweis auf G. WISSOWA,® daß der Lar familiaris vor der Augusteischen Reform stets im Singular, die übrigen (z.B. die Lares wmprfakes) meist im Plural erscheinen. In Anbetracht von Plaut. Rud. 1205ff. kann diese Behauptung jedoch nicht richtig sein: Da ruft der alte Daemones seiner Frau, die ihre wiedergefundene Tochter küßt, ins Haus zu, sie möge lieber Opfervorbereitungen für die Laren treffen: "Aliquando esculando melinst, uxor, pausam fieri; alque adorna,ut rem divinam faciam, quom intro advenero, Laribus familiaribus, quom auxerunt nostram familiam.

Wir haben an dieser Stelle jedenfalls einen alten Beleg vor uns, und wir dürfen auch hier wohl an eine Zweiheit denken. Für ein hóheres Alter der Zweiheit im Larenkult spricht auch die oben zitierte Passage aus Ovid fast. 5,131ff., wo der Dichter in seinet Beschreibung des alten Larenaltares (143) von den »zwei Standbildern der göttli-

chen Zwillinge: bina gemellorum ... signa deorum spricht. Jedenfalls finden wir die Laren als Zwillinge auch auf einer rómischen Münze aus dem Jahre 112 / 111 v.Chr. abgebildet. Diese Darstellung entspricht auch genau der Schilderung, die Plutarch quaest. Rom. 51 gibt: Ihre Quelle, die auch von Ovid in den erwähnten Versen benutzt worden ist, dürfte wohl Varro sein. Unsere Ovidstelle lehrt ferner, daß die dort genannten Lares praestites, die zugleich auch die Lares compitales sind, im Grunde genommen mit den Lares famikares als identisch angesehen werden können: In beiden Fällen sind sie auch Schutzherren der Háuser, wenngleich durch die verschiedenen Epitheta, die diesen Gottheiten gegeben wurden, ihr Walten und Wirken römischen religiösen Vorstellungen entsprechend genauer differenziert wurde. So wird durch das Epitheton farnilaris der Akzent auf den Hausvater, seine Frau, seine Kinder und das Gesinde gelegt, doch sind solche Differenzierungen wohl erst sekundär erfolgt. In den ältesten Zeugnissen dagegen erscheinen die Laren ohne Zusatz. Man denke nur an das uralte Lied der frasres Arvaks, in dem die Gottheiten in nicht-rhotazistischer Form als Lases um ihren Bei-

stand gebeten werden: e nos Lases iuvate! An nur zwei Laren ist hier wohl nicht zu denken: Denn die Priester agierten bei diesem ihren Umgang, bei dem sie das er30 31 32 33 34

So z.B. (Anm. 5) 90f.; 97. (Anm. 12). Vgl. EISENHUT (Anm. 1). WISSOWA 1894-1997 (Anm. 3) 1876. Vgl BOEHM (Anm. 11) 813.

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Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht

wühnte carmen sangen, im Namen der ganzen römischen Gemeinde mit ihrer Vielzahl von Häusern, Gütern und Bewohnern — es sei denn, man stellte sich auch hier Rom

als Großfamilie vor, bestehend aus einem Haus und dem dazugehörigen Grund und Boden. Dieser Zweiheit eines römischen Anwesens entspricht dann Rom selbst, das in seinen Ursprüngen auf einer bäuerlichen Struktur basiert und sich aus einer solchen entwickelt hat, und diese Zweiteilung dürfte letzten Endes auch der Vorstellung von zwei Laren zugrunde liegen. Einer davon sollte wohl über das Haus und die darin wohnende Familie walten, der andere über Grund und Boden des Guts, wozu natür-

lich neben den Menschen auch das Vieh gehórte. So verstehen wir ihre Epiklesen als ‚famikares, compitales, praestites, custodes (letzteres Tib. 1,19f. aeri custodes) oder als grundules (Varro rust. 2,4,18) bzw. granduki (Arnob. 1,28). Das zuletzt genannte Epitheton die Grunzenden« bezieht sich offenkundig auf die Schweinehaltung des altrómischen Bauern, und das Schwein wird von Varro a.O. auch als Opfertier an die Laren genannt. Ebenso charakteristisch ist die Darbringung von «is (an den Compitalia, vgl. Pers. 4,30 farratam ollam), einer breiartigen Speise, die in die Praehistorie weist,*5 in die

Zeit noch vor der Erfindung des Brotbackens. Zentrum eines Bauernhofes war jedoch von jeher immer der häusliche Herd: Hier versammelte sich der Hausvater mit seinen Angehörigen und dem Gesinde, und hier wurde auch dem Lar fariliaris geopfert, um in erster Linie den Schutz des eigentlichen Hauses und seiner Bewohner zu erflehen: Von daher erklárt sich die Einzahl ar familiaris, ebenso wie der Singular Jar compitahs wohl die Schutzfunktion für den Acker des einzeinen Bauern betonen sollte. Andererseits ist es aber auch zu verstehen, weshalb die Ires compitales meist im Plural erscheinen: An den compita, wo sie verehrt wurden, stießen gewöhnlich die Felder mehrerer Besitzer zusammen, und wir wissen, daß die Larenheiligtümer an den æmpita so viele Öffnungen hatten, als

Grundstücke der einzelnen Bauern aneinandergrenzten. Und da Acker- und Feldwirtschaft den größten Teil der bäuerlichen Arbeit eines Jahres ausmachte, diese aber im Laufe der Zeit in Rom

immer mehr von Sklaven verrichtet wurde, ist es auch

verständlich, daß die Compitalia nicht nur zum Hauptfest im Larenkult, sondern auch

zu einem Sklavenfest wurden. Den Mittelpunkt des bäuerlichen Anwesens konnten aber niemals die wmpita oder auch das Ackerland bilden: Das Zentrum war, wie

schon gesagt, immer das Haus mit seinen Bewohnern und seinem Herdfeuer, und dort ist m.E. der Ursprung der Larenverehrung zu suchen, wie ich dies im Gegensatz zu FOWLER,” LATTE* u.a. annehmen

möchte. Die Laren erscheinen nämlich als

Hausgötter. Als solche wurden sie auch des öfteren mit den Penaten verwechselt. Aber während der Sitz der Penaten in der Vorratskammer gedacht wurde, wobnten die Laren im Herd, wie aus mehreren antiken Zeugnissen hervorgeht: Besonders deutlich

wird dies u.a. aus dem römischen Hochzeitsbrauch, in dem sich die erwähnte Zweiheit der Laren bzw. ihrer Schutzfunktionen reflektiert: Beim Einzug in das Haus ih-

res Mannes brachte die römische Braut drei Asse mit: Einen davon gab sie ihrem Mann, den zweiten legte sie in den Herd und den dritten brachte sie an dem nächsten compitum dar: Er galt dem Hüter und Förderer ihres nunmehrigen Ackerlandes. 35 36 37 38 39

Varro ling. 5,105 bezeichnet p#% daher als antiguissima. Vgl. z.B. DESSAU, ILS nr. 9252. W. W. FOWLER 1899 (1969), 101. (Anm. 5) 308. Vgl Non. 531 aus Varro; vgl. auch SAMTER 1901, 24, H. J. ROSE 1924, 101.

Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht

257

III. Deutung der Laren aus archaisch-animistischer Sicht In diesem Zusammenhang muß jedoch betont werden, daß Lar und Herd ursprünglich keineswegs identisch waren. Der Herd ist von Anfang an der Vesta heilig: Sie verbirgt sich nach animistischer Vorstellung ehedem hinter dem Herd, und in archaischer Zeit hat auch bei den Rómern Vesta, wie ihre griechische Entsprechung Hestia, in jedem Haus Verehrung genossen (vgl. Cato agr. 132,2). Diese wurde in Rom im Laufe der Zeit allerdings auf den Staatskult beschránkt — vielleicht deshalb, weil in

den stadtrómischen Häusern der báuerliche gemauerte Herd durch tragbare Kohlenbecken (foc) ersetzt worden war. Daß der staatliche Vestakult sich jedoch aus einem häuslichen entwickelt hat, steht m.E. außer Zweifel. Die Bedeutung der Göttin Vesta

für die Großfamilie und für den Staat hat H. HOMMEL® klar aufgezeigt: Sie symbolisiert in der römischen Familie die keusche Hausfrau (casta Vesta bei Prop. 2,29 b,27)

und Mutter, wodurch sich auch ihre kultische Epiklese mater erklárt.*! Zur Familie gehört neben dem Weiblich-Mütterlichen auch das MännlichVäterliche mit seiner Zeugungskraft. Mit Recht hat G. WISSOWA* die Ansicht vertreten, daß im Staatskult der Vesta dieses männliche Element durch den Pontifex

maximus repräsentiert wurde. Doch der Priester konnte selbst nur als Stellvertreter einer Gottheit fungieren. Fragen wir uns nun, welche Gottheit das war, so wetsen alle kultischen Gegebenheiten auf den Lar: Wie Vesta als water der Familie betrachtet wurde, so war der Lar der pater farmiliae, dem der Schutz der Familie und ihres gesamten Gutes oblag. Als solcher wird er bereits bei Plautus Merc. 834f. zusammen mit den Penaten angerufen: di penates meum parentum, familiai Lar pater, vobis mando meum parentum rem, bene ut tutemini!

Als Sitz des Laren wurde, wie schon oben erwähnt, der Herd, die Wohnstätte

des

Feuers, angesehen: d.h. auf das sinnlich Wahrnehmbare übertragen, der Lar ist das Feuer. Man weiß längst, daß das Feuer, das Licht und Wärme zugleich spendet, in

allen menschlichen Kulturen von jeher mit der Vorstellung von Fruchtbarkeit, Wachstum und Gedeihen verbunden erscheint. Schon A. KUHN® hat in einer richtungsweisenden Arbeit über Die Herabkunft des Feuers und des Góttertranks bereits vor mehr als hundert Jahren die Feuerentzündung mit dem Zeugungsakt verglichen — eine Vorstellung, die H. HOMMEL* nun ausführlich durch Belegmaterial untermauert hat. Daraus ist zu ersehen, daß das Feuer als phallisches Element gedacht wurde, und so wird m.E. verstándlich, weshalb in der staatlichen Vestaverehrung, die ja den Kult

40

H. HOMMEL 1972, bes. 401ff.

41

Vgl Enn. frg. var. 65 V., Cic. dom. 144, Verg. geotg. 1,498, Ovid fast. 4,828, CIL X 1125 u.a.

42

G. WISSOWA s.v. Vesta. In: Ausführliches Lexikon der grischischen und römischen Mythologie 6, hrsg.

von W. H. ROSCHER, Leipzig, 1924-1937, bes. Sp. 262££, HOMMEL (Anm. 40) 403f. dagegen vergleicht das Verhältnis des Pontifex Maximus

zu den Vestalinnen mit der paris potestas des

Hausvaters über seine Töchter.

43 A. KUHN 1886. KUHN war auch der Begründer der ehemals nach ihm benannten sprachwissenschaftlichen Zeitschrift KZ (später Historische Sprachforschung, heute Historical Linguistics).

44

(Anm. 40) bes. 411ff.

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Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht

der altrómischen Großfamilie widerspiegelt, das Feuer eine so bedeutende Rolle spielte. Erhellt wird diese durch eine Nachricht bei Plinius nat. 28,29, an deren Richtigkeit nach dem eben Gesagten wohl nicht zu zweifeln ist: fasdmus ... qui deus inter sacra Romana a Vestalibus colitur. In diesem Phallos (fasanss) verehrte man offenbar die Leben spendende göttliche Macht des Herdfeuers, das von den Vestalinnen gehütet wurde. Nun verstehen wir auch, warum das Feuer nie verlöschen durfte und daher so

sorgsam gewartet werden mußte: Ein Verlöschen hätte nach urtümlich-magischer Anschauung das Ende von Wachstum und Fruchtbarkeit der römischen Gemeinde bedeutet. Und wie man das Feuer mit der männliche Zeugungskraft identifizierte, so wurde auch der Herd, der in seiner primitivsten Form eine aufgebaute Feuergrube (griech. ἐσχάρα, lat. ar) war, mit dem weiblichen Geschlechtsorgan verglichen, wie

aus einer Stelle bei Aristophanes ersichtlich ist.“ Aus den angeführten Belegstellen wird m.E. also deutlich, daB nach archaischer römischer Vorstellung im den Laren die deifizierte männliche Zeugungskraft verehrt wurde, die sich im Herdfeuer manifestierte.

IV. Antike literarische und archäologische Zeugnisse für die Bedeutung Lar ‚Feuers, männliche Zeugungskraft« a. Literarische Belege Die Gleichsetzung der Laren mit dem Feuer ist uns sogar aus der Antike selbst ausdrücklich bezeugt, was aber bisher in der Forschung kaum beachtet wurde: vgl GL KEIL 8 113, 29 Jar id est ignis, ebenso CGL 5, 369, 54 las laris id est ignis" Columella 10,354 spricht von der innata ... laris (lari GESNER) ... favilla, und Sedulius carm. pasch. 1,260 verwendet sr auch für igmis, wenn er dem Naß (zx) das Feuer (ipsis) folgen läßt: hic superstitiosus laticem colit, tlle larem

Wie weit sich diese Identifikation von Jar mit dem Herdfeuer schon zurückzuverfolgen läßt, kann u.a. die von Dion. Hal. ant. 4,2, Plin. nat. 36,204 und Plut. fort. Rom.

10 (323 A f£) überlieferte Geburtslegende des römischen Königs Servius Tullius erweisen: Nach dieser soll seine Mutter Ocrisia, eine sabinische Kriegsgefangene im Palast des etruskischen Kónigs Tarquinius Priscus, am Herd von einer Erscheinung in Phallosform geschwängert worden sein. Dionysios von Halikarnaß und Plutarch bezeichnen den übernatürlichen Vater entweder als ὃ κατοικίαν ἥρως bzw. ἥρως

oikovpóc oder als den Feuergott Hephaistos; Plinius nat. 36,204 hingegen spricht nur vom Lar familiaris. Tarquinio Prisco regnante tradunt repente in foco eius comparuisse genitale e cinere masculi sexus eamque, quae insederat ibi, Tanaquilis reginae ancıllam Ocresiam captivam consurrexisse gravidam. Ita Servium Tullium natum, qui regno successit. Inde et in regia cubanti ei 45 (Anm. 44) 419, gibt hier allerdings eine andere Erklärung: Die Wiederentzündung des verlóschten Feuers durch das Aneinanderreiben zweier Hölzer kam einem Geschlechtsakt und somit einer Verletzung des Keuschheitsgelübdes durch die schuldige Vestalin gleich, was die schwere Bestrafung zur Folge hatte. 46 Vgl Anstoph. equ. 1286 und Scholion dazu; Eusth. zur Od. p.1525,29, Priap. 73. 47 Vgl. dagegen CGL 5, 369, 55: Jar laris id est domus.

Das ursprüngliche Wesen der römischen Laren in neuem Licht

259

puero caput arsisse, creditumque Laris familiaris filium. Ob id Compitalia ludos Laribus primum instituisse. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang nicht nur das Auftreten des Phallos, sondern auch der Feuerschein um das Haupt des kleinen Servius sowie die Erklärung für die Einrichtung der Compitaha als Larenfest. Interessanterweise wird uns dieselbe Erzählung noch einmal berichtet von Arnobius nat. 5,18, nur

mit dem Unterschied, daß bei Arnobius die Gottheit im Plural (vermutlich Zweizahl) erscheint und

er sie di comserentes, »besäende,

befruchtende,

schwängernde

Götter

nennt: Jed et deos Conserentis pari more ac dissimulatione taceamus, quos cum ceteris soribit Flaccas in humani penis similitudinem versos obruisse se cinere, qui sub ollula fuerat factus extorum: quem cum Tanaquil dimoveret Etruriae disaplinarum perita, subrexisse se deos ef nervis obduruisse divinis. Corniculanae inde imperavisse captivae, ut intellegeret et agnosceret, quid sibi res vellet; Ocrisiam prudentissimam feminam divos insermisse genital, explicuisse motus certos: tunc sancta ecferventia numina vim vomuisse Luck ac regem Serwum natum esse Romanum. Die hier erzáhlte Legende gehórt zum Typus einer volkstümlichen italischen Wandererzählung und findet sich in variierter Form noch öfter, so z.B. im Bericht des hellenistischen Historikers Promathion bei Plutarch Roses 2 (FGrHist 5 C 817) über die Geburt des Romulus und Remus: Es wird hier von einer Jungfrau im Kónigshaus von Alba Longa erzählt, die sich mit einem dem Herd entsprungenen Phallos, der über mehrere Tage sichtbar ist, verbindet. Besonders interessant ist jedoch auch die bei Servius zu Verg. Aen. 7,678 übetlieferte Sage von dem Feuerwunder bei der Zeugung des Caeculus, des Stadtgründers von Praeneste: Die Schwester eines göttlichen Brüderpaares empfängt durch einen Funken aus dem Herd, an dem sie sitzt, ihren Sohn Caeculus. Bei Vergil 7,679 wird als Vater Vulcanus genannt.

b. Archáologisches Zeugnis Die Vorstellung, die die mánnliche Zeugungskraft mit dem Herdfeuer identifizierte, ist aber noch viel älter als die uns greifbare literarische Tradition, wie eine aus der zweiten Hälfte des 4. Jhdts. v. Chr. stammende Darstellung in einem etruskischen Grab in Orvieto, der sog. Tomba Golini I ( 2 Tomba dei Velii in der Nekropole von Settecamini)* beweist, die bisher allerdings bei den Erklärungsversuchen für die Laren keine Beachtung gefunden hat. Das zentrale Thema der bemalten Innenwände in der Grabkammer bildet ein Bankett im Jenseits und seine Vorbereitung; Teilnehmer dieses Banketts sind, wie aus den beigefügten etruskischen Inschriften hervorgeht, ua. die Angehörigen der Familie aus verschiedenen Generationen. Das Gastmahl wird zu Ehren eines in der Unterwelt neu angekommenen Familienmitgliedes veranstaltet, wobei Szenen aus dem wirklichen Alltagsleben in das Totenreich projiziert werden. Eine davon (auf der linken Wand im Hintergrund) zeigt einen gemauerten Herd und zwei halbnackte Sklaven: Der eine schwingt eine Kasserolle, der andere ' schiebt ein Pfanne (etrusk. paria = lat. patella) ins Ofenloch. Leider ist die Zeichnung auf dem Herd seit der Auffindung des Grabes vor mehr als hundert Jahren ziemlich verblaßt, ältere Wiedergaben dokumentieren jedoch eindeutig die Abbildung von

48 Vgl. S. STEINGRÄBER 1985, 286f., nr. 32 (Abb. S. 287). Vgl. bes. auch A. E. FERUGLIO et al. 1982, 22ff. und Abb. S. 51 (mit reicher Literatur), M. PALLOTINO 21985, 97£., F. POULSEN 1922 (1970), 37EE.

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Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht

zwei gleich aussehenden menschlichen Phallen im Herd.* Dieser wohl früheste Beleg für die Darstellung der Laren in dieser Form ist für uns auch durch die Zweizahl und das gleiche Aussehen der Phalloi interessant: Dadurch wird wahrscheinlich, daß es sich bei den Larenzwillingen in Ovids Fasten 5,143 nicht um eine poetischee Erfindung des Dichters handelt, sondern daß sie auf einer alten Tradition basieren.

c. Das älteste literarische Zeugnis Der älteste literarische Beleg für die Laren scheint ein Fragment aus einer Komödie des altlateinischen Dramatikers Naevius zu sein (Naev. CRF 102 R5). Die Stelle wurde offenbar schon von Festus 260, 15ff. L. mißverstanden: Er zitiert die Passage wegen der im archaischen Latein üblichen Verwendung von pexis im Sinne von cauda / coda 'Schwanzc Penem antiqui codam vocabant; ... et periculi (scil. vocantur), quis calciamenta tergentur, quod e codis extremi faciebant antiqui qui lergeni ca. Dictus est forsitan a pendendo. Naevius in Tunicularia ( = Naev.

CRF 99ff. R.5) Theodotum

sedens in cella circumtectus tegetibus Lares ludentis peni pinxit bubulo. Significat peniculo grandi, id est coda.

Nach Festus' Erklärung bestand das Vergehen des Malers Theodotus, weswegen man ihn schilt (w»»e/las)) oder gar — nach Ribbecks Konjektur — verprügeln soll (compeiles = cmpiles), anscheinend darin, daß er für die Darstellung der Laren anstelle eines Pinsels (pemicuius) einen Rinderschwanz verwendete. K. E. GEORGES? machte daraus einen »Ochsenziemere. Das oben geschilderte etruskische Wandgemälde macht es m.E. jedoch wahrscheinlich, daß Festus’ Interpretation nicht richtig ist. Zu Naevius’ Zeit im 3. Jhdt. v.Chr. war man sich vermutlich der ursprünglichen Funktion der Laren noch ein wenig bewußt: Diese wollte der Maler Theodotus, der anläßlich der Compitaka Altäre mit Bildern von hüpfenden und tanzenden Laren schmückte, dadurch zum Ausdruck bringen, daß er seine anthropomorphen Laren in schalkhaft-übertreibender Weise mit Phallen von Stieren versah. Nach dieser Deutung würde die Pointe in der erwähnten Passage auch an Witz gewinnen: So versteht man, warum Theodotus Schelte verdient. Bemerkenswert ist ferner, daß die Laren hier als Tanzende vorgestellt werden, wie sie auch in der Bildenden Kunst ab dem 2. Jhdt. v.Chr. immer wieder begegnen —

49 Vgl Abb. 5: die Reproduktion einer älteren Fotografie aus den Beständen des Seminars für Klassische Archäologie der Universität Heidelberg, die die Abbildung (Tab. VT) dieser Szene in der Erstpublikation der Fresken durch G. C. CONESTABILE, Pitture mural a fresco e suppelletäili etrusche im bronzo e in terra colla scoperte in una necropoh presso Orvisto nel 1863 da Domenico Golini, Florenz 1865, wiedergibt. Für den freundlichen Hinweis darauf habe ich an dieser Stelle Frau Prof. Dr. L KRAUSKOPF zu danken. Da schon bald nach der Freilegung der Tombe Golini durch Einwirkung von Feuchtigkeit ein Verfall der Fresken einsetzte, ist auf den Abbildungen in moderneren archäologischen Büchern die erwähnte Zeichnung leider kaum mehr erkennbar. 50 (Anm. 22) s.v. bubulas.

Das ursprüngliche Wesen der römischen Laren in neuem Licht

261

denn daß /udentis hier als sa/fantes! zu verstehen ist, hat bereits JORDAN vor mehr als

hundert Jahren erkannt. In diesem Fragment des Naevius werden uns die Laren erstmals in der Literatur als persónliche Wesen vorgestellt. Freilich exisitierte daneben, vor allem im volkstümlichen Glauben, bis in die Spátzeit hinein auch weiterhin die unpersónliche, numinose Vorstellung, ähnlich wie z.B. bei den Penaten. Daher kann noch Arnob. nat. 3,42 schreiben: etiamsi personaliter ignoramus, qui sunt Lares, qui sunt Novensiles, qui Penates, esse illos famem consensio ibsa vindicat auctorum et in numeris caelitum formar sui generis optinere. Diese Stelle ist auch deswegen wichtig, weil hier die Laren offenkundig zu den himmschen Mächten gerechnet werden, ein weiteres Indiz (neben den oben schon angeführten), das gegen die Deutung der Laren als ursprüngliche Totengeister spricht.

V. Die Funktionen der Laren im Licht der vorgebrachten Interpretation a. Allgemein Fragen wir uns nun, welches die ursprüngliche Funktion der Laren gewesen ist, so kann nach den bisher vorgebrachten Zeugnissen die Antwort nur lauten: Als deifizierte Zeugungskraft walten sie zunächst über Fortpflanzung, Gedeihen und Wohlergehen der Familie, und dazu gehört im weiteren Sinn auch die Fruchtbarkeit der

Herden und Felder und der reiche Ertrag des gesamten Anwesens. Da nach archaisch-primitiver Vorstellung die mánnliche Potenz sich oft als Feuer manifestiert und wir diese Identifikation beim Lar familiaris eindeutig nachweisen konnten, bin ich im Gegensatz zu den meisten bisherigen Meinungen der Auffassung, daß die eigentliche und älteste Funktion der Laren die des Lar familiaris war, der durch seine Gleichset-

zung mit dem Herdfeuer an das Haus im engeren Sinn gebunden war. Dies wird auch durch die frühesten Zeugnisse für den Lar familiaris bestätigt: Cato agr. 143,2 soll die Gutsverwalterin dem Gott ein Blumengewinde als Opfer in den Herd legen und zu ihm pro copia flehen: festus dies cum erit, coronam in focum indat per eosdemque dies Lari familiari pro copia supplicet. Geradezu selbstverständlich ist es, daß die Laren in ihrer Eigenschaft als Leben spendende Mächte auch bei der Hochzeit eine große Rolle spielten: sie arrangieren sie (z.B. Plaut. Aul. 236), sie sollen die Ehe glücklich machen (Aul. 385f£), das Haus

in gesegnetem Zustand erhalten (Trin. 3966) und schützen (Merc. 830ff.); sie erhalten ein Opfer, wenn sich die Familie vergrößert (Rud. 1205), aber auch ein Sühneopfer, wenn sie sich durch den Tod eines Angehórigen verkleinert (Cic. leg. 2,55). Auf das Münzopfer, das die Braut bei ihrem Einzug in das Haus des Bräutigams den Laren der neuen Familie in den Herd und an das compitum legte, wurde schon oben hingewiesen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Brauch, daß sich die Neuvermählte im Haus des Mannes auf einen Phallos, der den sogenannten Mütinus Titiaus oder Mätinus Tutunus verkörperte, setzen mußte. Vielleicht sind sowohl Mxtunus

51 Andere Belege für dere = saltare. Liv. Andr. trag. 5 TRFR. Adens ad cantwm, Accius frg. 10, V. 250, Varro ling. 6,22 (von den Saliern) aroemibant ludentes ancilibus armati, CRF R. p. 20: Lares ludentes. Vgl. A. PIGANIOL 1923, 106.

52

L. PRELLER/H.

JORDAN

?1883 s.v. Lares.

262

Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht

bzw. Matinus als auch Times bzw. Tim; (die Namensform schwankt)? nur zwei verschiedene Bezeichnungen für die beiden Laren, denn in beiden Wörtern steckt die Bedeutung von »Phallos So gehört Manus zu mato, -onis bzw. mätonism ‚das männliche Glied. Und Tissus wird uns ausdrücklich als Name für den Gott Priap bezeugt, dessen Symbol bekanntlich der Phallos war. Eine Reminiszenz an eine solche Bedeutung der Wurzel *##- läßt sich auch noch dem Schol. Pers. 1,20 entnehmen, wo

der Name Titus als »mit großem Penis Ableitung von Tifws dar (so wie Ionginus Jedenfalls handelt es sich bei dem schen Religion häufige Phänomen der

versehen« erklärt wird. Tiäiens aber stellt cine von Jongus).55 Namen Mwtésxs Tétines um das in der rómiDoppelung ein- und derselben göttlichen Po-

tenz. Dasselbe trifft auch auf das Larenpaar zu, wobei der Name Lares vielleicht als

Oberbegriff zu verstehen ist. Als Schutzgötter der ganzen Großfamilie, als die auch die res publica gedacht wurde, sowie ihrer einzelnen Mitglieder, Wohnstätten und Örtlichkeiten können die Laren auch entsprechende Beinamen erhalten (vgl. Lares public, Hostihi, Volusani, "Augusti, compitales, Querquetulami usw.). Sie begleiten die Familienangehörigen auch auf ihren Wegen außer Haus. Daher ruft man sie vor und auf Reisen auch als sa: um ihren Beistand an (vgl. Plaut. Merc. 864£.: invow / vos, Lares viales, ut me bene tutetis!) Ja,

selbst über das Meer ziehen sie mit und stehen da in Kampf und Not ihren Schützlingen bei, daher ihr Beiname permarini. So wurde nach der siegreichen Seeschlacht gegen Antiochus den Großen im Jahre 179 v.Chr. den Lares permarini ein Tempel auf dem Marsfeld geweiht. Zum Unterschied von den Kobolden, den hilfreichen und schützenden Hausgeistern der deutschen Sagen, waren die Laren also ebensowenig an das Haus gebunden wie die Penaten, welche die Familie bei einer Ortsveränderung mitnehmen konnte. Letztere werden daher bei Vergil Aen. 2,294 als fatorum comites bezeichnet. Es ist daher verständlich, daß Laren und Penaten in späterer Zeit öfters miteinander verwechselt wurden.” Ursprünglich sind beide Gottheiten jeodch streng von einander zu scheiden: Während die Sorge der Penaten ehedem dem pers, 53

Die Kirchenväter überliefern, unter Berufung auf Varro, die Form Masinus Tutinus (Arnob.

4,7 und 11 Tert. apol. 25, nat. 2,11 und 12, Aug. civ. 4,11, während Verrius Flaccus 142f. L. Msziwus Titinus gibt. — Über die Quantität der ersten Silbe von Tazwexr herrscht offenbar Unsicherheit: vgl WALDE/HOFMANN

s.v. Tütiinus / Titinus, aber s.v. »mutó geben sie Tadnus / Titinus.

54 Aug. civ. 4,11, Arnob. 4,7 und 11. 55 Die ursprünglich ambivalente Bedeutung der Wurzel *#- /#f- ist ersichtlich aus dem griechischen Wort τ τίς, das im Lexikon des Photios mit γυναικεῖον αἰδοῖον... καὶ ἣ κέρκος erklärt

wird. Vgl. WISSOWA 1912 (1971), 243 Anm. 7. Ich móchte hier auch auf die von der langen Wurzel #- gebildeten Wortfamilien are

etc. »kitzeln« und 4o ‚Feuerbrand: , »brennendes Scheit hinweisen.

Letzeres Wort findet sich vor allem im Vulgärlatein und lebt auch in den romanischen Sprachen weiter, es hat aber auch seine Entsprechung in griech. τ τώ in der Bedeutung »Licht: (bei Kallimachos und Lykophron) oder lit. fmagar »Feuerstein. Vgl. dazu GEORGES (Anm. 22) s.v. sitio, MEYERLÜBKE 51972 s.v. fo, LS] s.v. tvtó, WALDE/HOFMANN

s.v. 1. #io und s.v. sl. — Bei der oben

erwähnten Saatgottheit Tuna bzw. Täsukna, deren Namen man offenbar nicht aussprechen durfte (vgl. oben Anm. 23), handelt es sich vielleicht ursprünglich um das weibliche Pendant zu Tad — eine Beziehung, die in späterer Zeit nicht mehr verstanden wurde, so daß man Taxiina dann mit £wor in Verbindung brachte. 56 Man denke etwa an den römischen Gott Aixs Locwtius (zu aio und hqwr). 57 So werden die Penaten bei Dionysios v. Halikamaß ant. 1,67,3 nicht nur θεοὶ κτήσιοι,

épxeiot, sondem auch πατρῶιοι und γενέθλιοι genannt. Freilich paßt das zuletzt angeführte Epitheton keineswegs zu dem Wirkungsbereich der Penaten, sondern, wie seine Ableitung von γένος bekundet, nur zu dem der Laren.

Das ursprüngliche Wesen der römischen Laren in neuem Licht

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dem Vorrat an Speisen und Lebensmitteln galt, oblag den Laren als den Gottheiten des Herdfeuers die Zeugung und Fortpflanzung der Familie, sowie deren Wohlergehen und Schutz, der sich in erster Linie auf die Menschen selbst, weiters aber auch auf deren Wohnstätten, Felder und Tiere erstreckte. Wie der Geni; die deifizierte

Zeugungs- und Vollkraft des männlichen Einzelindividuums darstellt, so verkörpert der Lar (bzw. in seiner gedoppelten Form als Lares) dieselbe in bezug auf das ganze Haus, d.h. die gesamte Familie. Dadurch werden die Laren zu numinosen Gründern und Ahnherren der einzelnen Sippen, und so erklärt sich auch das oben zitierte Epitheton parer familie für den Lar famikaris.

b. Identifikation von Lar mit Genius in antiken Belegen Diese Ähnlichkeit von Lar und Genius haben bereits die Alten selbst gesehen, sie haben auch auf die ursprüngliche Funktion der Laren richtig hingewiesen. Leider hat man von diesen für die Deutung des Larenkultes so wichtigen Textzeugnissen in der Forschung bisher keine Notiz genommen. Besonders aussagekräftig ist in diesem Zusammenhang Ausonius technopaegn. 8,9,161, wo der Lar ausdrücklich als Genius domuum erklärt wird, nachdem bereits Censorinus de die narak 3,2, unter Berufung auf

ältere Quellen die Identität von Genius und Lar festgestellt hatte: Eundem esse Genium et Larem 4/5 veteres memoriae prodiderunt, in quis etiam Granius Flaccus in libro, quem ad Caesarem de indigitamentis scriptum reliquit. Flunc in nos maximam, quin immo omnem babere potestatem creditum est. Für Arnobius sind die Laren in der oben ausgeschriebenen Erzählung von der Zeugung des Servius Tullius (5,18) die di conserentes, und Ovid fast. 2,631 gebraucht für diese Gottheiten den bezeichnenden Ausdruck 4 generis: Er begegnet in der Schilderung eines Familienfestes, der sogenannten Caristia, das später zu einem Ahnenfest geworden ist, bei Ovid jedoch expressis verbis für die lebenden Angehörigen der Sippe gefeiert wird. Auch von daher gesehen, können die di generis, denen aus diesem Anlaß geopfert werden soll, keine Götter der Toten, sondern nur Götter der Lebenden gewesen sein. Sie sind mit den Laren identisch, deren Name an der erwähnten Stelle gleich darauf erscheint: dis generis date tura bomi — Concordia fertur illa praecipue mitis adesse die — et libate dapes, ut, grati pignus bonoris, nutriat incinctos missa patella Lares!

Die Laren stellen also die deifizierte Zeugungskraft eines Hauses dar, die in den lebenden Angehörigen wirkt. Von daher erklärt sich auch der seit der Augusteischen Zeit geltende Brauch, an den Compitalien Laribus Augusti et Genio Caesaris: gemeinsam zu opfern, der an unserer Ovidstelle (2,637£) auch auf die Caristia übertragen erscheint: et bene vos, bene te, patriae pater, optime Caesar. dicite: suffuso sint bona verba mero!

264

Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht

c. Spätere Verschmelzung der Laren mit griechischen Heroen Eine Sippe (gens) besteht aber nicht nur aus den lebenden Mitgliedern, sondern ebenso aus den verstorbenen Angehörigen, die man sich mit der Familie weiterhin engst verbunden denkt. Daher konnten die Laren als von alters her wirkende numinose Zeugungskräfte einer gens im Laufe der Zeit dann auch zu Totendämonen werden, indem man sie mit den menschlichen Ahnherrn der Sippe identifizierte: Nun entsprachen sie den griechischen Heroen, wodurch sich auch die Wiedergabe der Laren durch ἥρωες erklärt. Der Heros ist im nachhomerischen griechischen Sprachgebrauch ein Toter, der als ehemaliger Stamm- oder Städtegründer von seinem Grab aus wirkt und die entsprechende Verehrung erfordert. Nach dem Glauben der Alten begleiteten auch die griechischen Heroen, wie die Laren, ihre lebenden Nachkommen auf all ihren Wegen und auch über das Meer. Man erwartete von ihnen persönlichen Schutz und Segen ebenso wie Fruchtbarkeit von Mensch und Land, sowie Beistand in Kampf und Not ihres Stammes, ihres Landes oder ihrer Stadt. Auch sie konnten wie die römischen Laren in einer Zweizahl in Erscheinung treten. Wahrscheinlich war es unter dem Einfluß der griechischen Heroen, die man sich stets persönlich dachte, daß auch die römischen Laren aus ihrem ursprünglich numinosen Dasein heraustraten und anthropomorphisiert wurden. Jedenfalls stellten auch die Römer ihre Laren — wie in der Regel die Griechen ihre Heroen — nicht alt, sondern als blühende Jünglinge dar. Aus der oben zitierten Stelle bei Naevius CRF 102 R.? geht hervor, daß die Laren schon im 3. Jhdt. v.Chr. in menschlicher Gestalt verehrt wurden, doch haben sie da

noch etwas von ihrem ursprünglichen phallischen Wesen beibehalten, wie wir oben

aufgezeigt haben.

VI. Anthropomorphe Darstellungen der Laren in der Bildenden Kunst ab dem 2. Jhdt. v.Chr. Die archáologischen Zeugnisse jedoch, die die Laren als rein menschliche Wesen darstellen, stammen alle erst aus späterer Zeit, nämlich frühestens aus dem 2. Jhdt. v.Chr. Aber auch in diesen anthropomorphen Abbildungen ist noch etwas von der alten Funktion der Laren als schützende Fruchtbarkeitsgottheiten faßbar. So gehören nicht nur die Lanze oder die pafera zu ihren Attributen, sondern vor allem auch das Füllhorn. Eine Bronzestatuette aus Weißenburg aus dem 2. Jhdt. n.Chr. zeigt einen Lar mit einem Doppelfüllhorn. Ob wir hier noch auf einen Reflex einer ursprünglichen Doppelgestaltigkeit der Laren schließen dürfen, mag dahingestellt bleiben; fest

steht jedoch, daß die Bildende Kunst die Laren auch als zwei tanzende Jünglinge darstellt, wie dies z.B. durch

den

marmornen

Larenaltar vom

Views Sanda&arius

(2. Jhdt. v.Chr.) in Rom bezeugt wird. Auch sonst ist die tánzerische Bewegung eines ihrer häufigsten Charakteristika, wie dies die archäologischen Funde erweisen und wozu auch die Schilderung in dem oben besprochenen Naeviusfragment paßt. Auch dieser Wesenszug weist die Laren als schirmende Fruchtbarkeitsgottheiten aus: So 58 Herodot 8,37f. berichtet von zwei solchen Heroen, die als Schirmherren von Delphi die Zerstörung des Ortes durch die Perser verhinderten. Ihre Namen Phylakos und Astonoos, ‚Wächter: und ‚Selbst, sprechen für sich.

Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht

265

wird von jeher in der Vorstellung vieler Völker dem Tanz von göttlichen und dämonischen Wesen schützende, segenspendende und wachstumsfórdernde Wirkung zugeschrieben, wie ich dies in anderem Zusammenhang aufzuzeigen versucht habe.” Gerade durch ihre charakteristischen tänzerischen Bewegungen heben sich die Laren jedoch von den griechischen Heroen ab. Ferner werden sie, im Unterschied zu diesen und zu den meisten Göttern, auch nicht personal, sondern wie bereits oben

aufgezeigt, als göttliche Potenzen gedacht. So wie die Penaten führen sie daher keine Individualnamen; sie werden jedoch, im Gegensatz zu diesen, sehr oft mit Epitheta versehen, durch die aus der großen Breite ihres mächtigen Wirkungsbereiches jeweils nur ein ganz bestimmter Aspekt herausgehoben werden soll. Mit den Penaten haben sie gemeinsam, daß sie von Anfang an mit dem Segen und Glück eines Hauses sowie seiner Generationen auf das engste verbunden erscheinen. Dadurch erklärt sich auch,

daß sie, wie schon erwähnt, im Laufe der Zeit miteinander verwechselt bzw. identifiziert werden konnten (vgl. Tib. 2,5,19).

VII. Sprachwissenschaftlicher Erklärungsversuch: Bietet die Etymologie von Lar eine Stütze für die vorgebrachte Theorie? In der vorausgehenden Analyse wurde versucht, das ursprüngliche Wesen und die älteste Funktion der Laren aus den antiken Nachrichten über sie selbst und aus ihrem Kult herauszuschälen.

Dabei ergab sich klar, daß die Laren als die deifizierte Zeu-

gungskraft einer Hausgemeinschaft anzusehen sind. Sie manifestierte sich, wie gezeigt wurde, im Feuer des Herdes als dem Mittelpunkt des Hauses und der Familie. Wurde das Feuer entweiht, so erhielt der Lar als die im Feuer waltenden göttliche Macht ein Feueropfer zur Sühne, ein Brauch, dessen Lebendigkeit bis in die Spätantike uns noch durch das Verbot im Codex Theodosianus 16,10 12 bezeugt wird: Nullus omnino ex quolibet genere ... insontem victimam caedat, vel secretiore piaculo Larem igne,

mero Genium, Penales odore veneratus accendat lumina, inponat tura, serta suspendat. Die oben S. 258 zitierten Glossen dokumentieren zudem explizit die Bedeutung des Wortes Lar als »Feuer. Wir müssen uns daher fragen, ob auch die Etymologie von Lar Anhaltspunkte für diese Erklärung bietet.

a. Herkunft des Wortes aus dem Etruskischen oder Indogermanischen? Nach Meinung vieler? leitet sich das Wort aus dem Etruskischen her. Die Verbindung von Lares mit Larentia und Larunda ist wegen der verschiedenen Quantitäten aber wohl sekundär: Erst relativ späte Gelehrsamkeit hat diese vielleicht etruskischen Gestalten in der römischen Mythologie zu Müttern der Laren gemacht. Weniger Schwierigkeiten bietet m.E. hingegen die von Ovid fast. 2,599ff. genannte Lara als mater larum, soferne hier nicht überhaupt, wie angenommen wird, eine reine Erfindung des Dichters vorliegt. Für eine Herleitung des Wortes Lar aus dem Indogermanischen scheint m.E. dagegen der Ablaut zu sprechen: Der nicht nur vom Metrum

(vgl. Ovid fast. 5,141),

59 Vgl. H. PETERSMANN 1991, 69-87. In diesem Band S. 89-104. Siehe in diesem Zusammenhang auch Abb. 6, 7, 8 (bei E. SIMON 1990, 120 u. 124£). 60

So z.B. ERNOUT/MEILLET s.v. Lar, Lars.

266

Das ursprüngliche Wesen der römischen Laren in neuem Licht

sondern auch von Priscian gramm. 6,32 (GL KEIL 2,223) attestierte Nominativ Lar im Unterschied zu den übrigen Kasus Lars, Lars etc. erklärt sich als Dehnstufe (wie más, märis). Festzuhalten ist ferner, daB das Lied der Arvalbruderschaft und Varro ling. 6,1,2 noch Lases als Nominativ plur. ohne durchgeführten Rhotazismus (+ nos Lases iuvatel) übetliefern, wodurch auch eine Verbindung des Wortes mit den eruskischen Namen Lars, Laran und Laruns ausgeschlossen wird. Vergessen wir in diesem

Zusammenhang nicht, daß Varro, wie bereits erwähnt, ling. 5,74 bei der Frage nach

der Herkunft des Wortes sabinischen Ursprung angibt. Auf alle Fälle kannten die Etrusker jedoch den Larenkult, wie dies die besprochene Darstellung in der Tomba Golini von Orvieto zu lehren vermag. Stimmt Varros Information, dann ergibt sich daraus, daß die Etrusker diese Gottheiten von einer anderen, und zwar von einer indogermanischen italischen Völkerschaft übernommen haben. b. Etymologischer Erklärungsversuch Dadurch kommt eine indogermanische Etymologie des Wortes in Betracht, wobei,

wie schon von anderen‘! postuliert, von der Wurzel *as- auszugehen wäre, die u.a. in lat. lasrivus yausgelassen«, lascivio yausgelassen sein, hüpfen, tanzen, altind. /ja »spielen, tanzen,% sich vergnügen« vorliegt; letzteres lsa# bedeutet allerdings auch »strahlen, scheinen, soferne dabei nicht überhaupt eine andere Wortwurzel zugrunde liegt. Beide Bedeutungen würden zu Lar im Sinne von »Feuer« gut passen, doch in Anbetracht dessen, daß sich für /ája& »strahlen, scheinen: außerindisch keine Parallelen

beibringen lassen, wird man eher von der ersteren Bedeutung »hüpfen, tanzen usw. ausgehen. Der Lar hätte dann allerdings nichts mit einer gerigen Totenseele? zu tun,

sondern er ist m.E. als Tänzer zu deuten, was nicht nur zu den tanzenden Laren in der Bildenden Kunst und Literatur bestens paßt, sondern auch zur überlieferten Bedeutung von Lar als »Feuer. Der Ausdruck Tänzer für Fewer könnte dem Bereich des Sprachtabus entstammen und dem Verlangen nach einer euphemistischen Umschreibung für dieses dämonische Element zugerechnet werden.* Auch uns ist das Bild der höpfenden und tanzenden Flammen geläufig.

VII. Parallelen aus der Vergleichenden Religionswissenschaft Eine religionswissenschaftlich bemerkenswerte Parallele finden die tanzenden und hüpfenden Laren im indischen Schôpfergott Siva, der ebenfalls meist tanzend und in einer

Flammenaureole

dargestellt wird, was

auf seine Verbindung

zum

Feuer

61 Vgl. WALDE/HOFMANN s.v. Lar, J. POKORNY 1959, s.v. Las, wo außer aind. fati »begehrt« auch aind. Jara »strebt, spielt, ist vergnügt angeführt wird: letzteres bedeutet auch »scheint, strahlt

62 Vgl. M. MAYRHOFER 1976, s.v. dasah : wstrahlt, glänzt, prangt, erscheintc..; daneben 4s‚spielen, sich vergnügen«..., say tanzen (ep. u.a.), ἀζια- m. Springen, Hüpfenc (kl), asya n. »Tanz« (ep. usw.) etc. — Nicht geklärt.« 63 So einer der von WALDE/HOFMANN sv. Lar vorgeschlagenen etymologischen Erklärungsversuche, wobei außer an Jasavss und aind. at »begehrt auch an kmures »"Gespensterc und griech.

λαμυρός xgierig: angeknüpft wird. 64 Vgl. das reiche Belegmaterial bei W. HAVERS 1946, 64tt., $ 22 s.v. Feuer. 65 δέρμα ist nach MAYRHOFER 1976, 344 s.v. fivdb »gütig, freundlich, günstig, vertraut: ebenfalls als ein Tabu-Name zu erklären.

Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht

267

weist: Aus seiner linken Hand züngeln außerdem Flammen empor.“ In heutiger Zeit wird $iva dagegen auch durch einen Steinphallos symbolisiert, worauf H. KRIK® aufmerksam gemacht hat. In einem indischen Gedicht# wird Siva Lord of Cawes genannt Dies erinnert an die oben erwähnte Inschrift Lares coillo potentes? falls man dort der Überlieferung Glauben schenken darf. Es scheint sich hier um ein religionsgeschichtliches Phänomen zu handeln, das man mittels der Lateraltheorie erklären kann: Offenbar haben sich im Westen und im Osten in den äußersten Randgebieten der indoeuropäischen Völkerfamilie uralte gemeinsame Vorstellungen bis weit in historische Zeit hinein erhalten.

IX. Metonymischer Gebrauch von Lar im Sinne von Herd, Haus, Hof, Besitz Bei der Einheit, die Feuer und Herd bildeten, ist es nur zu verständlich, daß Herd und

Fewer im Sprachgebrauch ineinanderflossen und Fever metonymisch auch für Herd verwendet werden konnte. Ein Beleg dafür ist das Wort forss selbst. Es bedeutet ursprünglich die Feuerstätte, die im späteren römischen Stadthaus herumgetragen wurde, doch dann nahm es in der Volkssprache die Bedeutung des Feuers selbst an. Dabei verdrángte focus das Wort ignis fast vollständig, wie dies aus dem Romanischen ersichtlich ist (vgl. span. fwego, ital. fuoco, frz. few etc.). So trat umgekehrt auch das »Feuεἴς Lar, für den »Herd«, Vesta, ein, besonders, als der gemauerte Herd im Laufe der

Zeit im römischen Privathaus durch die tragbaren Feuerstätten, die aa, verdrängt wurde. Aus diesem Grund konnte Plinius nat. 28,276, vom focus Larum sprechen. Da der Herd und sein Feuer ehedem jedoch, wie oben erwähnt, vor allem in der bäuerlichen Gesellschaft, welche die altrómische Kultur bestimmt hat, den zentralen Platz im Haus eingenommen hat, konnte Jar schon sehr früh im Sinne von Hass und Hof, Heim verwendet werden. Die ersten Ansätze für diesen metonymischen Sprachgebrauch finden sich bereits im frühen Altlatein, worauf mit Recht I. G. DANKA?* aufmerksam gemacht hat. So sagt Charinus in Plaut. Merc. 8368: Ego mibi alios deos Penatis persequar, alium Larem, aliam urbem, aliam civitatem: ab Atticis abhorreo. 66 So z.B. bei zwei einander sehr stark ähnelnden Bronzestatuetten aus Südindien aus dem 11. und 12. Jhdt.: Siva, mit wehendem Haar und umgeben von einem Flammenkreis, steht mit dem rechten Bein auf einem tiergestaltigen Dämon, das linke Bein ist im Sprungtanz hoch erhoben. Während die Beine, vom Betrachter aus gesehen, noch nach links gerichtet sind, ist der Rumpf schon in Frontalansicht, und den Kopf hält der Gott bereits nach rechts gewendet. Die drehende Tanzbewegung wird auch durch die Verdoppelung der Arme zum Ausdruck gebracht: Der rechte Arm des Gottes (vom Betrachter aus links) ist vom Ellbogen an verdoppelt: Der eine Unterarm weist nach oben, der andere nach vorne. Der linke Arm ist von der Schulter an verdoppelt Der eine Arm ist

(vom Betrachter aus) nach links gerichtet, der andere nach rechts, und aus seiner hohlen Hand züngeln Flammen empor. — Die Statuette aus dem 11. Jhdt. befindet sich heute in der Sammlung Eduard von der Heydt im Museum Rietberg in Zürich (s. Abb. 9). 67 H.KRIK 1982. Für den freundlichen Hinweis darauf und auf das Folgende habe ich Frau Dr. Ulrike RÓDER vom Institut für Sprachwissenschaft an der Universität Innsbruck zu danken. 68 A. PRABHU, Sfwakiwe of Sims. Translated with an introduction by A. K RAMANUJAN, Harmondsworth 1973 (reprinted 1979). 69

Vgl oben S. 255 und Anm. 22.

70

I. G. DANKA 1983, 57ff.

268

Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht

Hier sehen wir, daß das Wort Lar sowohl die Gottheit als auch Herd und Haus be-

zeichnet. In der Folgezeit mehren sich noch eindeutigere Zeugnisse für diese Verwendung: so z.B. Laber. CRF 110 R.*:

Eques Romanus e lare egressus meo donum revertar minus. Ovid fast. 3, 242: nunc avis in ramo fecta laremque parat Prop. 4,3,54:

vix aperit clausos una puella Lares Mart. 9,43,12: privatos gaudet munc babitare lares Iuv. 3,110: matrona latis; Apul. met. 9,24,1: uxor ... larem mariti pudice gubernabat;

Amm.

16,10,13: Romam

..., imperii virtutumque omnium larem, Cassiod. var. 6,1,6:

lares proprios ... egredere, CIL VI 10971: in lare Ditis und CIL III 754, wo der Mann den Tod seiner Frau mit folgenden Worten beklagt: Lar mibi baec quondam, baec spes, baec unica vita.

Schluf

Weiterleben des Wortes Larin den romanischen Sprachen Die metonymische Bedeutung von Jar im Sinne von »Herd(feuer), ;»Haus »Heim« muß sich auch in der lateinischen Vulgärsprache fest eingebürgert haben, wie dies ihr

Fortbestand in den romanischen Idiomen erweist, allerdings nicht in allen: das Wort lebt nämlich nur im Sprachgebiet Italiens, der Iberoromania und in Südfrankreich fort, während in Nordfrankreich und auf dem Balkan jede Spur davon fehlt: So heißt,

um nur wenige Beispiele herauszugreifen, im Katalanischen und Galizischen (in Spanien) der Herd heute noch ar, vgl. ferner span. Ares >Feuerhaken altprov. Jar im Sinne von Ȋtre, foyer, in Rovigno

sagt man /zri für casa, desgleichen zr» in der Ro-

magna, und am prägnantesten ist der Gebrauch im Portugiesischen, wo das Wort Jar nicht nur die Bedeutung »Herd, Haus, Heim« angenommen hat, sondern auch die von Familie, Heimat; ferner leben dort auch die Weiterbildungen /arezz und /zrada in der

Bedeutung »Herdfeuer: fort. Im Sardischen und Italienischen heißt alari »Feuerbock«, denselben Sinn hat /arze in der Mundart von Lucca."

71

Vgl

W.

MEYER-LÜBKE,

nr.

4910

etymologisches Wörterbuch, Basel 1969-1983 s.v.

s.v.

dar »Herd,

W.

von

WARTBURG,

Frunzüsisches

Das ursprüngliche Wesen der römischen Laren in neuem Licht

269

Bis auf ganz wenige Spuren ist dagegen im Romanischen die Verwendung von lar zur Bezeichnug des Herd- und Hausdámons geschwunden. Dies ist wohl auf die Restriktionen der Christen gegenüber dem heidnischen Glauben zurückzuführen, wofür das oben zitierte Verbot der Larenverehrung im Codex Theodosianus einen Beleg liefert. Dennoch scheinen sich Reste eines Brauchtums im Zusammenhang mit dem Larenkult unterschwellig erhalten zu haben. Es ist nicht zufällig, daß sich diese in einem Randgebiet der Romania, und zwar auf der Iberischen Halbinsel finden, wo

sich nach dem Ausweis der Schrift De correctione rusticorum des Bischofs Martin von Braga das Heidentum besonders lange gehalten hat. Dort wird im Galizischen das Ferkel /arego genannt.? Diese Bezeichnung stellt offenkundig eine Ableitung von Jar dar: Das Schwein hatte nämlich als Opfertier im römischen Larenkult seinen besonderen Platz, wie wir oben aufgezeigt haben. Im gelehrten Mittelalter hingegen lebte das Wort /zrin seiner ursprünglichen Bedeutung wieder auf, indem es mit den deutschen Hausgeistern ingesid und inguomo in Verbindung gebracht wurde,* für deren Existenz die Schriften Notkers III. Labeo aus dem 10. Jhdt. die ersten Belege liefern.^ Das früheste romanische Zeugnis des Wortes lares zur Bezeichnung von >Hausgeistern« begegnet in Frankreich am Ende des 15. Jahrhunderts, und im 16. Jhdt. folgt Jaraire, doch geht diese Verwendung nur auf die Gelehrsamkeit

der Humanisten

zurück. Letzteren ist es zu verdanken, daß

sich das Wort Jarin seiner alten Bedeutung, die in der Verehrung des Herdfeuers als Dämon wurzelt, als »( savant zur Bezeichnung des Hausgeistes in allen europäischen Sprachen eingebürgert hat.

72 73

Vgl. W. MEYER-LÜBKE a.O. inguomo steht für les, während ingesid das Wort penates wiedergibt. Vgl.dazu BÄCHTOLD-

STÄUBLI 3 s.v. Herd, 1770f. mit Verweis auf GRIMM 1876, 1, 413£. und 1877, 3, 144f. 74 Vgl E. LINDIG 1987, 35.

270

Das ursprüngliche Wesen der tómischen Laren in neuem Licht

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Abbildungen

274

Abbildungen

Abb. 1: Doppelfigur einer Góttin aus Catal Hüyük, Kultstátte IV A 10; Marmor, 6. Jhdt. v.Chr.; Ankara, Arch. Museum.

Abbildungen

Abb. 2: Terrakotta aus einem Grab in Rhodos; 7. Jhdt. v.Chr.; Paris, Louvre.

275

276

Abbildungen

Abb. 3: Terrakotta aus Tanagra, Böotien; 7./6. Jhdt. v.Chr., Athen, Nationalmuseum.

Abbildungen

Abb. 4: Sitzende Terrakottagruppe aus einem Grab in Potniai (?); Anfang 6. Jhdt. v.Chr., Athen, Nationalmuseum.

277

278

Abbildungen

aan A mv

Abb. 5: Darstellung aus der sog. Tomba Golini (= Tomba die Velii in der Nekropole von Settecamini).

Abbildungen

Abb. 6: Marmorner Larenaltar vom Vicus Sandaliarius in Rom.

279

280

Abbildungen

Abb. 7: Tanzender Lar aus dem Lararium der Casa degli Amorini dorati in Pompeji.

Abbildungen

Abb. 8: Tanzender Lar aus dem Lararium der »Casa degli Amorini doratk in Pompeji.

281

282

Abbildungen

Abb. 9: Tanzender Siva (Nataraja), Südindien, 11. Jhdt.

ΘΔ

Arch. Museum Ankara Louvre, Paris, M. Chuzeville Arch. Nationalmuseum Athen Arch. Nationalmuseum Athen s. S. 260 Anm. 49

Instneg Nr. 65.2157, Bildautor Koppermann, Florenz Uffizitien, Larenaltar Instneg Nr. 59.1961, Bildautor Koppermann, Neapel, Mus. Naz., Bronzelar

ΟΜ

ΡΟΝ

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Abbildungsnachweis

Instneg Nr. 59.1962, Bildautor Koppermann, Neapel, Mus. Naz., Bronzelar s. S. 267 Anm. 66 RE

Portrátfoto H. Petersmann: Foto Gärtner, Heidelberg

Verzeichnis der Schriften von Hubert Petersmann Die in diesem Sammelband aufgenommenen Arbeiten sind mit einem * gekennzeichnet.

I.

Bücher 1. 2.

T. Maccius Plautus, Stichus. Einleitung, Text, Kommentar. Universitátsverlag C. Winter, Heidelberg 1975. 254 S. Petrons urbane Prosa. Untersuchungen zu Sprache und Text (Syntax). Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Bd. 323, Wien 1977. 319 S.

Die römische Literatur in Text und Darstellung. Hrsg. von M. v. Albrecht. Bd. 1: Republikanische Zeit I: Poesie. Hrsg. von H. und A. Petersmann, Philipp Reclam jun., Stuttgart 1991. 476 S.

II.

Aufsätze Philologische Untersuchungen

zur antiken Bühnentür, Wiener Stu-

dien 84, N.F. 5, 1971, 91-109. Menanders Halieus, in: Antidosis.

zum

70. Geburtstag.

Hrsg.

von

Festschrift

für Walther

R. Hanslik, A. Lesky

Kraus

und

H.

Schwabl, Wiener Studien, Beiheft 5, 1972, 238-252.

Zum Schluß von Aischylos’ Sieben gegen Theben, Ziva Antika —

Antiquité Vivante 22, 1972, 25-34.

Zu Cato, de agricultura 154.1 und den frühesten Zeugnissen für den Ersatz des Nominativs Pluralis von Substantiven der 1. Deklination dutch Formen auf -as, Wiener Studien 86, N.F. 7, 1973, 75-90.

Zu einem altrömischen Opferritual (Cato, de agricultura c. 141), Rheinisches Museum für Philologie 116, 1973, 238-255. Die altitalische Volksposse, Wiener Humanistische Blátter 16, 1974, 13-29.

Beobachtungen zur Sprache Petrons (zu c. 9.6; 26.10; 154.1), Die Sprache 21, 1975, 43-48. Textkritische Probleme

bei Petron in neuer Sicht, Wiener

Studien

88, N.F. 9, 1975, 118-134. Vom Altlatein zum Romanischen: eine lexikalische Studie zu zwei Slang-Ausdrücken

bei Plautus, in: Latinität und Alte Kirche.

Fest-

schrift für Rudolf Hanslik zum 70. Geburtstag. Hrsg. von H. Bannert und J. Divjak, Wiener Studien, Beiheft 8, Wien 1977, 205-214. 10.

Aus

lateinischen Romanen,

1. Teil: Petronius, Litterae Latinae 32,

1977/78, fol. 5/4, 17-32. 11.

Aus lateinischen Romanen, 2. Teil: Historia Apollonii regis Tyri, Litterae Latinae 32, 1977/78, fol. 5, 33-40.

Verzeichnis der Schriften von Hubert Petersmann

285

Mythos und Gestaltung in Sophokles' Antigone, Wiener Studien 91, N.F. 12, 1978, 67-96. Die Moiren in Aischylos’ Eumeniden 956-967, Wiener Studien 92, N.F. 13, 1979, 37-51.

Zur Entwicklungsgeschichte der motionslosen Partizipia im Griechischen, Die Sprache 25, 1979, 144-166.

Euripides Alkestis 177 ff. und die Bedeutung von IIEPI, Wiener Studien 95, N.F. 14, 1980, 18-24. Homer und das Märchen, Wiener Studien 94, N.F. 15, 1981, 43-68.

Die Haltung des Chores in der Sophokleischen Antigone, Wiener Studien 95, N.F. 16, 1982, 56-70. Nochmals zu Aischylos Agamemnon 560 ff. Der sprachliche Ausdruck und die Bedeutung von ἔνθηρος, in: Serta Indogermanica. Festschrift für Günter Neumann zum 60. Geburtstag. Hrsg. von J. Tischler, Innsbrucker Beiträge zur Sprachwissenschaft, hrsg. von W. Meid 40, Innsbruck 1982, 259-263. Lustrum. Etymologie und Volksbrauch, Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft, N.F. 9, 1983, 209-230. 20. 21.

Die pragmatische Dimension in der Sprache des Chores bei den griechischen Tragikern, Antike und Abendland 29, 1985, 95-106. Die Entwicklung der griechischen Komódie im Lichte der neueren Forschung, in: Le théátre antique. Son róle et son importance dans loptique des enseignements supérieurs et secondaires. Acta Colloquii Didactic Classici noni (Orleans 1982), Didactica classica Gandensia 22, 1982 (1984), 33-56. Euphemistisches in der Toponymie. Etymologische und volkskundliche Bemerkungen zu einigen Kärntner Ortsnamen, in: Philologische Untersuchungen, gewidmet Elfriede Stutz zum 65. Geburtstag. Hrsg.

von

A.

Ebenbauer,

Philologica

Getmanica

7, Wien

1984,

340-356. Quam vim nomen in religionibus ac superstitionibus gentium habeat, Vox Latina 20, fasc. 77, 1984, 246-255. 24.

25.

26. 27. 28.

29.

Der Einfluß der italischen Dialekte auf das Lateinische, in: Wesen

und Wirken von Sprache, Humanistische Bildung 9, Stuttgart 1985, 29-53. Umwelt, Sprachsituation und Stilschichten in Petrons Satyrica, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt 2, 32.3, 1985, 16871705. Der Begriff Sarwra und die Entstehung der Gattung, in: Die rómische Satire. Hrsg. von J. Adamietz, Darmstadt 1986, 7-24. Der homerische Demeterhymnus, Dodona und südslawisches Brauchtum, Wiener Studien 99, N.F. 20, 1986, 69-85. Persephone im Lichte des altorientalischen Mythos. Eine etymologisch-religionsgeschichtliche Untersuchung. Festgabe für M. Maythofer, Die Sprache 32, 1986, 286-307. Petrons Satyrica, in: Die römische Satire. Hrsg. von J. Adamietz, Darmstadt 1986, 383-426.

286

Verzeichnis der Schriften von Hubert Petersmann

Altgriechischer Mütterkult, in: Matronen und verwandte Gottheiten. Ergebnisse eines Kolloquiums, veranstaltet von der Göttinger Akademiekommission für die Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas, Bonner Jahrbücher, Beiheft 44, Köln, Bonn 1987, 171-199.

Demeter in Dodona und Thrakien. Ein Nachtrag, Wiener Studien 100, 1987, 5-12. Zum Gebrauch von pos/(ea)quam im Vulgärlateinischen und seinen Nachfolgern im Romanischen, Zeitschrift für romanische Philologie 103, 1987, 229-237. Albrecht Dihle zum 65. Geburtstag, Ruperto Carola 40. Jahrgang, Heft 78, 1988, 153-155. Die Urbanisierung des römischen Reiches im Lichte der lateinischen Sprache, Gymnasium 96, 1989, 406-428.

Le culte du soleil chez les Arabes selon les témoignages grecoromains, in: L'Arabie pré-islamique et son environnement historique

et culturel. Actes du Colloque de Strasbourg 24-27 juin 1987. Édités

36.

37.

38.

par T. Fahd, Travaux du Centre de Recherche sur le Proche-Orient et la Gréce Antique 10, Leiden 1989, 401-412. Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der Atellane, in: Studien zur vorliterarischen Periode im frühen Rom. Hrsg. von G. Vogt-Spira, ScriptOralia 12, Reihe A: Altertumswissenschaftliche Reihe 2, Tübingen 1989, 135-159. Lucina Nixusque pares. Die Geburtsgottheiten in Ovids Met. IX 294. Variationen eines mythologischen Motivs, Rheinisches Museum für Philologie 133, 1990, 157-175. Tithrone als Epiklese der Athene. Ein etymologisch-religionswissenschaftlicher Beitrag zum Wesensverständnis der Göttin, Historische Sprachforschung 103, 1990, 58-50. Das Walten der Götter über Haus und Hof in Homers Odyssee, in: O OMHPIKOX OIKOX. Από ta Πρακτικά tou E" Συνεδρίου για τὴν

41.

Οδύσσεια (11-14 Σεκτεμβρίου 1987), Ithaka 1990, 159-175. Karl Meister, Klassischer Philologe, *22.10.1880 Leipzig, }13.9.1963 Heidelberg, in: Neue Deutsche Biographie 16, Berlin 1991, 727-728. Springende und tanzende Gótter beim antiken Fest, in: Das Fest und das Heilige. Religiöse Kontrapunkte zur Alltagswelt. Hrsg. von J. Assmann in Zusammenarbeit mit Th. Sundermeier, Studien zu Verstehen fremder Religionen 1, Gütersloh 1991, 69-87.

42.

Die instrumenta inscripta Latina als Spiegel der Entwicklung der lateinischen Sprache, in: Specimina nova dissertationum ex Instituto Historico Universitatis Quinqueecclesiensis de Iano Pannonio Nomi-

43.

natae 1991, 37-53. Beobachtungen zu den Appellativen für Gor. Ein sprachwissenschaftlicher Beitrag zum Gottesverständnis der Alten, in: Triuwe. Studien zur Sprachgeschichte und Literaturwissenschaft. Gedächtnisbuch für Elfriede Stutz. Hrsg. von K.-F. Kraft, E.-M. Lill und U. Schwab, Heidelberger Bibliotheksschriften 47, Heidelberg 1992, 127-141.

Verzeichnis det Schriften von Hubert Petersmann

45.

287

Lateinisch #rwar: Eine wortgeschichtliche Untersuchung, in: Texte, Sätze, Wörter und Moneme. Festschrift für Klaus Heger zum 65. Geburtstag. Hrsg. von S. R. Anschütz, Heidelberg 1992, 529-535. Quid S. Gregorius Magnus Papa Romanique eius aetatis de lingua sua senserint, in:

Actes del Xè Simposi de la Secció Catalana de la

SEEC, Tarragona, 28 a 30 de novembre de 1990. Homenatge a Josep Alsina II. Hrsg. von E. Artigas, Tarragona 1992, 515-525. Vulgärlateinisches aus Byzanz, in: Zum Umgang mit fremden Sprachen in der griechisch-römischen Antike. Kolloquium der Fachrichtungen Klassische Philologie der Universitäten Leipzig und Saarbrücken am 21. und 22. November 1989 in Saarbrücken. Hrsg. von C. W. Müller, K. Sier und J. Werner, in: Palingenesia 36, Stuttgart 1992, 219-231. 47.

Zu den neuen vulgärlateinischen Sprachdenkmälern aus dem römischen Britannien. Die Täfelchen von Vindolanda, in: Latin vulgaire

— latin tardif III. Actes du III*me colloque international sur le latin

. vulgaire et tardif, Innsbruck, 2-5 septembre 1991. Édités par

49.

M. Iliescu et W. Marxgut, Tübingen 1992, 283-291. De vetustissimis Christianorum libris in linguam Latinam versis, in: Cristianesimo latino e cultura greca sino al sec. IV. XXI incontro di studiosi dell'antichità cristiana, Roma, 7-9 maggio 1992. Studia ephemeridis »Augustinianum« 42, Roma 1993, 305-324, (mit franzósischer Zusammenfassung S. 517-520). H Οδύσσεια tov Ομήρου xat n προέλευση του κρασιού, in: ETIONAEE ΣΤΟΝ OMHPO. Από τα Πρακτικά tov C" Συνεδρίου για την Οδύσσεια, 2-5 Σεπτεμβρίου 1990, MNHMH 1.8. KAKPIAH, Ithaka 1993, 215-231, (mit deutscher Zusammenfassung: Homers Odyssee und die Herkunft des Weines, S. 230-231).

Εὐσέβεια, θρησκεία and rrägio. An etymological analysis of three disputed terms, Linguistica 33, 1993, 177-186. Johannes Theophanes Kakridis (1901-1992), in: Erinnerungen an Klassische Philologen. Festgabe für Ernst Vogt, Eikasmos 4, Bologna 1993, 231-232. Albin Lesky (1896-1981) und Rudolf Hanslik (1907-1982), in: Erinnerungen an Klassische Philologen. Festgabe für Ernst Vogt, Eikasmos 4, Bologna 1993, 249-251.

Les dieux anciens et leur professions, Ktéma 15, 1990 (1994), 75-80. De linguae Latinae origine atque de eius in Imperio Romano usu publico, in: Miscellanea ad linguam Latinam linguasque recentiores attinentia. Hrsg. von S. Albert, J. Kramer, W. Schweickard, Romania

Occidentialis 26, Würzburg 1994, 5-10. Vom Märchen zur epischen Sage: Eine sprach- und motivgeschichtliche Untersuchung zu den Namen der Hauptpersonen in der Meleagris. EBAIPOE. Hans Schwabl zum 70. Geburtstag gewidmet. Hrsg. von E. Dónt, W. Kraus, A. Primmer, F. Rómer, K. Smolak,

E. Woytek, Wiener Studien 107/108, 1994/95, 15-27.

288

Verzeichnis der Schriften von Hubert Petersmann

Religion, Superstition and Parody in Petronius' Cena Trimalchionis, in: Groningen Colloquia on the Novel 6, 1995, 75-85. Conjugal Love as Expression of Homers Humanity, in: EYXHN OAYZEEI. An τα Πρακτικά του Z’ Συνεδρίου για mv Οδύσσεια, 3-8

Σεπτεμβρίου 1993, Ithaka 1995, 75-88.

Neptuns ursprüngliche Rolle im rómischen Pantheon, Ziva Antika —

Antiquité vivante 45, Sertum Ganterianum, 1995, 253-264.

Soziale und lokale Aspekte in der Vulgärsprache Petrons, in: Latin vulgaire — latin tardif IV. Actes du 4* colloque international sur le

latin vulgaite et tardif. Caen, 2-5 septembre 1994. Édités par L. Callebat, Hildesheim 1995, 533-547.

60. 61.

62.

63.

64.

65.

Zur Entstehung der Hellenistischen Koine, Philologus 139, 1995,

3-14. Zur mündlichen Charakterisierung des Fremden in der Komödie des Plautus, in: Plautus und die Tradition des Stegreifspiels. Festgabe für Eckard Lefevre zum 60. Geburtstag. Hrsg. von L. Benz, E. Stárk, G. Vogt-Spira, ScriptOralia 75, Reihe A: Altertumswissenschaftliche Reihe 19, Tübingen 1995, 123-156. L'homélie pseudo-augustinienne Sur le sacrilége. Un document gallo-romain concernant la lutte des Chrétiens contre le paganisme, in: Culture antique et fanatisme. Textes réunis par J. Dion, Études anciennes 15, Nancy, Paris 1996, 141-149. From concrete to abstract thinking. The development of moral concepts in Archaic Latin, in: Aspects of Latin. Papers from the Seventh International Colloquium on Latin Linguistics, Jerusalem, April 1993. Ed. by H. Rosen, Innsbruck 1996, 665-674. Die Nachahmung des sermo rusticus auf der Bühne des Plautus und Terenz, Acta Antica Academiae Scientiarum Hungaricae 37, 1996/97, 199-211. Bild und Gegenbild des sir bonus dicendi peritus in der römischen Literatur von ihren Anfängen bis in die frühe Kaiserzeit, in: Vir bonus

dicendi peritus. Festschrift für A. Weische zum 65. Geburtstag. Hrsg. 66.

von

B.

Czapla,

T.

Lehmann,

S. Liell

Wiesbaden

1997,

321-329. Orests Schuld und Sühne bei Aischylos, in: Studien zum Verstehen fremder Religionen. Hrsg. von J. Assmann und Th. Sundermeier. Bd. 9: Schuld, Gewissen, Person, Gütersloh 1997, 180-202.

67.

Gab es ein aftikanisches Latein? Neue Sichten eines alten Problems der lateinischen Sprachwissenschaft, in: Estudios de Lingüística La-

tina. Áctas del IX Coloquio Internacional de Lingüística Latina. Universida Autónoma de Madrid. 14-18 de abril de 1997. Ed. par B. García-Hernandez con la colaboracion de R. L. Gregoris, E. N. Ballester, M. E. Torrego, Madrid 1998, 125-136.

68.

Maecenas, Nasidienus und Trimalchio. Ein Beitrag zur Illustration des diaethischen Sprachaspekts in der rómischen Literatur der frühen Kaiserzeit, in: Mousopoulos Stephanos. Festschrift für Herwig Görgemanns. Hrsg. von M. Baumbach, H. Köhler, A. M. Ritter,

Verzeichnis der Schriften von Hubert Petersmann

289

Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften, R. 2, N.F. 102, Heidelberg 1998, 269-277. 69.

Póschl, Viktor, in: Enciclopedia Oraziana, vol. 5, sezione 15, Roma

71.

1998, 433-434. Zur Sprach- und Kulturpolitik in der Klassischen Antike, in: Scripta Classica Israelica 17, Studies in Memory of Abraham Wasserstein, 1998, 87-101. Der Einfluß des sermo mnilitaris auf das Vulgärlatein. Zur Geschichte von romanisch aadars, in: Latin vulgaire— latin tardif. Actes du V* Colloque international sur le latin vulgaire et tardif. Heidelberg, 5-8 septembre 1997. Éd. par H. Petersmann, R. Kettemann, Heidelberg 1999, 529-537.

72.

Environment, Lingustic Situation, and Levels of Style in Petronius'

70.

Satyrica, in: Oxford Readings in The Roman Novel Ed. by S. J. Harrison, Oxford 1999, 105-123. 73.

74. 75.

76.

77.

L'humanisation du héros chez Homère, in: Le paradoxe du héros ou d'Homére à Malraux, Études anciennes 20, Nancy, 1999, 17-27. The Language of Early Roman Satire: Its Function and Characteristics, Proceedings of the British Academy 93, 1999, 289-310. Ovids Fasten vor dem Hintergrund kultureller und sprachlicher Tendenzen des Kaisers Augustus, in: Ovid, Werk und Wirkung. Festgabe für Michael von Albrecht zum 65. Geburtstag. Hrsg. von W. Schubert, Studien zur Klassischen Philologie 100, Frankfurt/M., Berlin u.a. 1999, 657-674. Antike Unterhaltungsliteratur zwischen Roman und Satire: Petrons Satyrica, das Iolaos- und Tinouphisfragment, in: Festschrift für Zsigmond Ritoók zum 70. Geburtstag, Acta Antica Academiae Scientiarum Hungaricae 40, 2000, 317-379. Conjugal Love as Expression of Homer's Humanity, in: Essays in Honour of Prof. Lin Zhi-chun on his 90th birthday, Studies in Chinese and Western Classical Civilzations, Peking 2000, 365- 376.

78.

79.

Die etymologische Herleitung des Namens Roma. Ein sprachlicher Beitrag zur Forschung der Frühgeschichte Italiens, in: Hortus Litterarum Antiquarium. Festschrift für Hans Armin Gärtner zum 70. Geburtstag. Hrsg. von A. Haltenhoff, F.-H. Mutschler, Heidelberg 2000, 451-464. Lateinische Varietátenrhythmik — aufgezeigt an ausgewählten Komödien des Plautus, Wiener Studien 113, 2000, 153-165.

80.

La latinizzazione dell'Italia meridionale e il Satyricon di Petroni, in: La preistoria dell'italiano. Atti della Tavola Rotonda di Linguistica Storica Università Ca’ Foscari di Venezia 11-13 giugno 1998. A cura di J. Herman e A. Marinetti con la collaborazione di L. Mondin,

Tübingen 2000, 81-92. 81.

Das ursprüngliche Wesen der rómischen Laren in neuem Licht. Erstverôffentlichung in diesem Band, S. 250-271.

Verzeichnis der Schriften von Hubert Petersmann

82.

Zur Entwicklung des vulgär- und spätlateinischen Wortgebrauch von fare im Sinn von dire, in: EYM®AOAOTEIN. A. Primmer gewidmet. Hrsg. von H. Schwabl, Wiener Studien 114, 2001, 445-448.

83. 84.

85.

III.

Bedeutung und Gebrauch von lateinisch fw: Eine soziolinguistische Analyse (im Druck: 12 Manuskriptseiten), Paris 2000. La situazione linguistica in Italia sino alla fine della Repubblica Romana, in: Bollettino di Studi Latini (im Druck: 31 Manuskriptseiten), Napoli 2000. Trimalchion, poète épigrammatique dans les Satyrica de Pétrone, in:

Études anciennes 21 (im Druck: 7 Druckseiten), Nancy 2000.

Rezensionen H. Rahn, Morphologie der antiken Literatur, Darmstadt 1969, in: Deutsche Literaturzeitung 92, 1971, 313-314. W. Eisenhut (Hrsg) Antike Lyrik, Darmstadt 1970, in: Deutsche

Literaturzeitung 95, 1972, 613-614. D. Korzeniewski (Hrsg), Die Rómische Satire, Darmstadt

1970, in:

Deutsche Literaturzeitung 95, 1972, 614-615. R. M. Ogilvie, The Romans and Their Gods in the Age of Augustus,

London 1969, in: Gymnasium 79, 1972, 165-167. A. Seel, Laus Pisonis. Text, Übersetzung, Kommentar. Dissertation

Erlangen/Nürnberg 1969, in: Gymnasium 79, 1972, 81-83. Hirtengedichte aus neronischer Zeit. T. Calpurnius Siculus und die Binsiedler Gedichte. Hrsg. und übersetzt von D. Korzeniewski, Darmstadt 1971, in: Gymnasium 80, 1973, 473-476. Hirtengedichte aus spátrómischer und karolingischer Zeit. Nemesianus, Endelechius, Modoinus. Hirtengedicht aus dem Codex Gaddianus. Hrsg. und übersetzt von D. Korzeniewski, Darmstadt 1976,

in: Gymnasium 87, 1980, 355-357. M. S. Smith, Petronii Arbitri Cena Trimalchionis, Oxford 1975, in: Gymnasium 87, 1980, 353-355. Flavius Cresconius Corippus: In laudem Iustini Augusti Minoris libri IV. Edited with Translation and Commentary by A. Cameron, London 1976, in: Jahrbuch der Osterreichischen Byzantinistik 30, 1981,

10.

11.

351-354. U. J. Stache, Flavius Cresconius Corippus: In laudem Iustini Augusti Minoris. Ein Kommentar, Dissertation Berlin 1976, in: Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik 30, 1981, 354-357. J. Knobloch, Homerische Helden und Christliche Heilige in der kaukasischen Nartenepik ( = Kulturhistorische Wortforschung, 1. Heft, Heidelberg 1991), in: Beiträge zur Namenforschung 28, 1993,

12.

83-85. Weitere 41 Rezensionen bzw. Kurzanzeigen in den Wiener Studien von Bd. 82, 1969 bis Bd. 94, 1981 im Umfang von jeweils 1-3 Seiten.

Verzeichnis der Schriften von Hubert Petersmann

IV.

291

Herausgebertátigkeit

Reihen: 1. 2.

Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften. N.F., ab R. 2, Bd. 77, 1986. Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg. Lustrum. Internationale Forschungsberichte aus dem Bereich des klassischen Altertums. Ab 28/29, 1986/87 (zusammen mit H. Gärt-

3.

ner, Regensburg). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Variolingua. Nonstandard - Standard - Substandard. Ab 1996 (zusammen

mit J. Albrecht,

N.

Cartagena,

B.

Glauser,

B.

Henn-

Memmesheimer, O. Jastrow, J. Lüdtke, K. J. Mattheier, B. Panzer und

E. Radtke). Peter Lang GmbH schaften, Frankfurt am Main.

- Europäischer Verlag der Wissen-

Einzelwerke: 1.

Dihle, A., Antike und Orient. Gesammelte Aufsätze. Hrsg. von H.

Petersmann und V. Pöschl. Supplemente zu den Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse, Bd. 2, Jahrgang 1983. Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg 1984. 235 S. 2.

3.

Kraus, W., Aus Allem Eines. Studien zur antiken Geistesgeschichte.

Hrsg. von H. Petersmann. Lothar Stiehm Verlag, Heidelberg 1984. 485 S. (mit beiliegender Tabula gratulatoria Walther Kraus zum 80. Geburtstag). Φιλανθρωπία καὶ εὐσέβεια. Festschrift für Albrecht Dihle zum 70. Geburtstag. Hrsg. von H. Petersmann, G. W. Most und A. M. Ritter. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1993, IX. 510 S.

4.

5.

Römische Lebenskunst. Interdisziplinäres Kolloquium zum 85. Geburtstag von Viktor Pöschl, Heidelberg, 2.-4. Februar 1995. Hrsg. von H. Petersmann, G. Alföldy, T. Hölscher, R. Kettemann. Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften. N.F., R. 2, Bd. 97. Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg 1995. 320 S. Latin vulgaire — latin tardif V. Actes du V* Colloque international sur le latin vulgaire et tardif, Heidelberg, 5-8 septembre 1997. Hrsg. von H. Petersmann und R. Kettemann. Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften. N.F., R. 2, Bd. 105. Universitütsverlag C. Winter, Heidelberg 1999. 567 S.

Ausgewählter Stellenindex Accius frg. TRF 1716! Aelian nat. anim. 1,38 6,63 12,5 Aischylos Ag. 119£. 174ff. 2126. 395 560ff. 561f. 750f£. 76Aff. 1118 1535f. Ch. 298ff. 306tf. 435ff. 807f. 1027f. Eum. 214ff. 235ft. 462ff. 520f.

48 193 193 241 195 207 203 21 191 194 201 201 197 181, 184, 189 204 189 204 182 206 181 205 199 208

576ff.

198

596 660 754 9566. 961 1001 1045f. 694 515ff. 682

206 1758. 182, 209 180 151 210 209 51 184 206

Pers. Prom. sept. Alkaios frg. 54a (B 2), 9f£ PLF L.-P.

Apollonios von Rhodos 4,591 Appian bell. civ. 5,401 Apuleius met. 2,11,5 7,28 Socr. 71 Arat . 26f. 30ff. Aristeides or. 2,16,30 Aristophanes av. 1064 . 1537ER. equ. 1286 Lys. 1025 nub. 291ff. ran. 452 453 , 844 Thesm. 2956. Aristoteles hist. an. 8,10 Arnobius nat.

Ex. Jesaja 2. Makk. Psalm 1. Samuel Athenaios

178 268

Antoninus Liberalis

2,5 29 29,3 Apollodori Bibliotheca 1,82 2,4,5

217, 224 187, 240f., 243 176 217 238

73 53 217 23 122 120 178, 209 193 160 258 193 52 189 131, 181 219 125 193

3,41

251

3,42 5,18

18, 261 259

ΑΤ

Ammianus Marcellinus

16,10,13

162

Augustinus dv.

33,19 29,13 43,1 6,12 9,11 32,5 16,7

209 206 34 207 207 206 206

4,622 C

96

9,406 D

112

14,628 E

95

14,629 C

99

4,10 4,11 722

227 262 227,251

295

Ausgewihlter Stellenindex

5,127ff. 5,140ff.

222 217

66,1

1585 8375, 16 Clemens von Alexandrien protr. 2,17

64

83

59

1322

257

134 139 141 1432 144 152

58, 60f. 61 57f£., 80, 82, 178 261 57 57

Catull

147 241

16,10 12

265

Codex Theodosianus Columella 8,29 10,354 Demetrios von Phaleron frg. 135 WEHRLI? Diodor 1,9,4 4,79,5f. 4,80,3 4,80,4

231 237 185

3.2

263

2,134,11 2, 459,37 3, 165, 33 4,111,16 5, 369, 40

247 93 247 75 75

Diomedes

5, 369, 54

258

Dionysios von Halikarnassos

52,3

Censorinus

5,61,1f. 5,77

CGL

2,10 1,437,8GLK 1, 479, 17 GL K.

75

1,182 1,67,3

2,268

84

2,70

57

5,49 2,1229 219 2,23,59 2,25,63 2,55 6,13 2,72 3,48 1,70

17 58 254 63 114 261 90 49 162 23

2,4,97 24,106 2,5,186

120 122 120ff.

756 754 1114

90, 253 178 57

422,f. 7,7245

Euripides El. frg.

Herakleid. Hipp. Iph. Taur.

826 517 N2 781,55 N2 1342 1584ff. 770ff. 1102f£ 902ff.

Or.

943ff. 1193 1082

Hel.

Fabius Pictor ap. Gell

10,15,4 10,15,7

158 77 93 139 262 101 58 61 74 221 124, 158 152 73 116, 172 183 30 210 72 30 48 84

287 3,16,9ff. 12,1,4 13232

249 247 228, 248

13638

173

178,9

14359, 27

228

182,23ff.

4 93 42 248 257

258 119, 121f. 121 124 122 112, 138 137, 150

86 86 69 17 177,245 66

81,26 94,1 107,15

2104, 31f£ 18817 32323, 115ff. 1125

114

Festus L.

61 268 61

521

232 258

Diogenes Laertios

5, 572, 101.

2 2,2 3 IH

2,39,6

313 34,13ff. 64,320ff.

2n

107 248

Gellius

294

Ausgewählter Stellenindex

4,11ff.

45

Herodot 2,182 2373 2,52f. 2,64,1 3,101,2 8,37f.

53 53 12, 20, 22, 27, 110 53 176 264

218 25411 M.-W. 280,2 M.-W. 286 M.-W. 193 220 276 353 371 375ff. 409ff. 477ff. 478ff.

207 225 225 200 99 189 163 143 159 162 162 120 120f.

19,76 41 63 10 5,20,5f.

218 218 218 218 170

1,312ff. 3,277 4242ff. 5,91 6,402f. 9,524ff. 9,555ff. 9,567 10,528f. 11,270f. 11,49 14,170f. 16,233 19,103£. 19,119 21,264 23,782. 1,152 1,299£. 3,249f. 3,309f. 4,207f. 4,529ff. 5,169f. 6,242 9,115 10,175

72 162 51f. 189 223 217 222 221 175 237 99 72 110, 134, 139, 143 238 237, 239, 247 14 172 95 197 197 197 187 197 14 16 50 132

10,242 11,130f. 11,409f. 11,429f. 24,343f. Homerische Hymnen Ap. 123 Aphr. 5,1 Dem. 24 99 122ff. 123 359ff. 401ff. 472 Horaz carm. 322A ff. 3,29,49 carm.saec. 156 Hygin fab. 3 65 174 274,10 IG 12, 5, 569 14, 2407, 7 "14,631 14, 1389 I1 6

147 166 197 197 189 174 23 162, 165 118 136£E, 145 122 152 159 113 237 25 237 167 224 217, 224 249 150 120 121, 160 50

Innozenz II.

Od.

sermo XII (Migne 217,510a) Iordanes Get. 13,78 Isidor von Sevilla diff. 1,407 etym. 1,32,8 5,39,11 Iuvenal 3,110 13,247 Kallimachos Dem. 24ff. 134ff. frg. 186 11 PFEIFFER 466 PFEIFFER 630 PFEIFFER KBo III 38 Vs.2'f. V 21113 VII 28 28,24. VIII 92 XIII 85 KUB VI 45 III 15f. VIH 5 I 24ff. XXV 35,4

79 14, 26 70 50 90 268 31 112 125, 128 139 163 140,143 153 155 157, 160 157 157, 160 159 155 163 154

295

sublim. Lukian bis acc. dial meretr. nek.

442

175

10 2,1 7

Philops.

10

salt.

7 10£. 11 16 34

96 147 76 33 76 100 98 96

12

95

4,22

164

Iohannes Lydos mens.

Lykophron

Macrobius Sat.

Marcellus med. Martial

101, 176 176 218 163 174 165 165 168

1,15,14 1,16,8 1,16,25 3,5,8

25 253 58, 65 57

EE & =

el

un

Ovid fast.

352 448 582 1175 1398 1426ff. 1427 1428

œ

55 59,11ff. 60,16 66,6

Lukrez 192 193 247

D

Orphische Hymnen

94

2,871ff. 3,720f. 5,222ff.

D

93 88 95 252 82 26

oo

1,20,4 1,442 72,4tf. 8,9,6 21,607 39,7,8

Livius

>

64,56

237 95 95

8 64,12

132, 184

ES

ot.

93 49

117

her. met.

rem. Palladius

1,673ff. 2,599ff. 2,631ff. 4,828 5,129ft. 5,130 5,143 5,171£. 15,158 4,480 7,593£. 9,294 9,297EE. 11,410ff. 799 1,35

43 9,43,12 11,20,5

70 268 57

Paulus-Festus L. 75,23ff. 9722 125,14 222,11

8883

Libanios part.

268

Mimnermos frg. 10D Moschos frg. 2N2 Naevius ftg. CRF 99ff. R^ frg. CRF 102 R.? Nigidius Figulus ap. Gell. 492 Nikander von Kolophon alex. 31 423 ther. 493 Nonius 80 L. 528,26 L. Nonnos 40241 NT Apg. 15,9: Ep. Iacob. 1,26 Eph. 5,13£. 1. Jo 1,9 Kol 1,12f. Mt. 15,8 15,11 Röm. 9,15ff. Oppian Hal 3,293

κα

4282

160 159

υδ

XXX 127 I 60f. XXXVI 44 Laberius frg. CRF 110 R^ Laktanz inst. 1,21,45

εξ

Ausgewählter Stellenindex

296

Ausgewählter Stellenindex

437,6 43771. 519,1£.

227 232 233

Merc.

1,192

834f. 836f. 864f. 881

131, 185

Persa

312

1,28,5 2,11,3 2225 2,30,5

210 127 157 219 112 131 174, 245 138, 147f. 185

Pausanias

254,10 3,194 8,48,7 9,8,1 9,25,4

Poen. Rud. Trin. Plinius der Ältere nat.

Petron

17,5 17,9 29,3ff. 30,6 44,18 45,7 52,1f. 55,3 v. 2 58,2 58,11 62ff. 63,10 131,5

46 40 46 42 4 57 42 40 4 41

42 131 94

Pindar

hymn. frg. 30 S. Nem. OL

1,13 3,78 2,78 6,15 6,95 7,71 1,66 3,50 3,82 11,17

185 125 168

50 195 158 158 159 124, 158 18, 27 197

440 1205fF. 1 10,49 11,112 11,115 17,266 18,8 28,18 28,24 28,26 28,29 28,57 28,276 36,204

Plinius der Jüngere epist. 8,20,3£f. Plutarch Cor.

32,3ff.

Is. Marc. Nik. praec. contug. quaest. conv.

79 206. 12 1 2,9 9,15

quaest. Rom.

Rom. Pollux Onom.

1

2 51 14

17

199 77 119,131 123 127 193 92 87 87,157 255 253

4,96 4,103

99 96

742,1

74

2,19,5

22

209 77

51,20 73

232 258

6,32

6,92

266 163

2,29 4,54

257 268

Polybios Porphyrios

397 cf. 400 e

2,653 814f. 868 a-b 871 be 872e Theait.

149 c

176b Plautus Amph. Aul. Cist. Curc.

877ft. 1091 ff. 256 146. 2896. 350

20

abst.

184 96 98 202 202

vit. Pyth. Priapea carmina

206

gramm.

240 209 238 238 261 229 42

48

Priscian Properz Pseudo-Augustinus hom. de sacrileg. 23 C. 22C.

235 43

297

Ausgewählter Stellenindex

Ptolemaios geogr.

Rigveda

211,10

150

7,4,5

156

1,260

258

10,20

31

2,225 3,302 4,58 6,152 7,678

70 251 128 251 259 92 74,75 4

Ha m Via

Sedulius

carm. pasch. Seneca dial Servius

VIb

zu Verg. Aen.

8,3 8,183 8,349 9,641 ed. 3,77 georg. 1,21

61

VIla Tacitus Germ. Terenz Andr.

Tertullian

79 24, 26

anim. apol.

SIG? 1024 Sim(m)ias frg. 10 (Coll. Alex. ed. POWELL)

73

2,61,2f. 4,98,6

110, 134, 146

Solinus

Tibull 13,5

Sophokles Ai. Icho. OT Phil Trach. Statius Ach. silv.

spect. Thukydides

673 215f. 1300ff. 697 1026ff. 1,137 3,1,6

1,19€ 2,1 2,5,19

86 159 193

Varro

102

ap. Non.

193 175

ling.

82 76

Stephanos von Byzanz 247,10f. M Stesichoros frg. 6 D. frg. 217(40), 21ff. PMG P. Strabon 612 7,740 10,7 10,3,9 10,4,16

134 117 197

Men. rust.

Vegetius 146 139, 146 101 92, 95 101

3,12,1 Vergil Aen.

Sueton

Aug.

74

Nero

12,4

43 46

Tabulae Iguvinae Ib

10 11£. 12

15ff. 20

161,23f£ L. 5,163 6,11 6,13 6,20 6,68 6,87 7,85 259 1,1,6 2,4,18

81£. 68 73 65 73,82

ecl. georg.

2,294 2,648f. 4,5f. 5,13f. 5,738ff. 8,172 9,584f. 3,77 1,5ff. 1,147ff. 1,345 1,498

298

Ausgewählter Stellenindex

Xenophon an.

Zosimos 2,6,26

Xenophon von Ephesos 5,11,2

50

218

hist.

2,5,1

76, 83

Ausgewählter Wort-, Sach- und Namensindex Besessenheit (s. auch Wahnsinn) Bilingue aus Konya

A

Agamemnon

27,52, 132, 178, 191£, 197,

201, 203, 207£. Agni Ahnen igi Ae Aius Locutius

13, 108, 156£., 159 201, 251 172 19, 185 262

Ἁλιάδαι

156

Alkestis-Sage Alkmene Alkyone

184 165, 236, 238£., 247 223f.

Althaia

196f., 210 202

Bocksgesánge

97

Bona Des Bonus Eventus brahma Brotopfer

37, 123 246 33 154

Bunene

161

Burchard von Worms

144

Büyük manastir

148

217, 219, 221£.

ἄλθος

C

218

Amaltheia Amburbium Amphitryon Analogiezauber Ananke animus anthropomorph 12, 22, 27, 120, 264 Antiochos Epiphanes Aphrodite — 23, 95f., 98, 143, 150f. 225 Apollon 96fF., 143, 149f£., 162£., 202, 209, 223ft. Appellativ

120 79, 82 242 93, 100 132, 185 14, 26f. 242, 260, 207 176, 198, 176, 198,

11, 13£., 16, 18£E., 25, 226

Archaismus

176, 195

Ares Arinna

176, 197, 222 116f., 156

Armilustrium

94

Artemis 96£., 111, 131, 161, 185, 203, 222 Arvalbrüder 58, 61, 86f., 92f, 253 Asen

Caristia 263 carmen 49, 92f., 256 carmen Arvale 59, 90, 92 Catal Hüyük 118, 155 Cerdo 45 Ceres 23, 34, 58£, 122f., 127, 146ff. Chariten 95, 106 Chor 90, 95f£., 172, 184, 193, 195, 198, 200ff., 206f., 210

X0óvia

chthonisch

114, 150

108, 117, 136, 146, 151, 154,

160, 181, 234, 251 codex Florentinus Marcianus compita Compitalia conclamatio Consivius Consus

59 254, 256 253, 256, 259f. 67 26 234, 253

D

14, 26

Asklepios

45, 128, 219

Ate

Athene

Blutrache Blutsühne

131 173

199, 243

18, 24, 26, 96, 100, 102, 116, 131, 170ff., 177£., 199, 205, 209ff., 229

Auge Auxesia Aventinus

11, 173£. 112, 119 160, 167 B

Baba

Befruchtung Bernhard von Clairvaux Bes

108, 130

172 85 52, 68, 173, 245

daemon 15, 34 δαίμον 180, 185, 187 Dämonen 12, 14, 76£., 79, 87, 90, 94, 96f., 100£., 108, 164, 172, 177 Damia 112, 119, 123 Dea Dia 37, 58, 253 Demeter 105ff., 135ff., 143, 146ff., 1558, 166, 168, 170£., 173 Δαμάτηρ — 108,111, 135£, 139, 141, 152 Damater 109, 113, 146 Domater 113, 135, 139, 146 Despoina 115, 166 deus 15, 18, 25f, 34, 258 Devotionsformel 252

300

Ausgewählter Wort-, Sach- und Namensindex

diabolus (s. auch Teufel) Dickbauchtänzer dii propitii Dike Dione Dionysos

79 97 45

189, 200, 207 110, 133, 143, 144 92, 96ff., 101, 117, 126, 219

Dionysosfest 92, 98 Dioskuren 100, 158£., 164, 178, 255 Dithyrambos 97£. Ditrocháus 59 dives 20 Dodo 110ff, 135f., 138£., 143ff., 148, 150, 152, 233 Δωδώ

110£., 134£., 137£E., 141£., 144ff.

Dodona

109f£., 133ff., 233

Dodone

133£, 141ff.

Dreischritt (s. auch tripodatio) Dreizahl

91,93, 253

58, 130, 132, 187

Druden

34 E

Ehegottheiten Eileithyia

181, 184£.

126, 174, 187, 237ff., 242, 245, 247

Εἰρήνη

Feuer

57,113, 138, 147, 205, 269 198, 205f. 59f.

68, 72, 76f£., 115, 156fF., 166£f., 217, 220f., 251, 257£., 261, 265ff.

Feuergottheit Feuerriten Notfeuer fibula Praenestina Fluch Fluchgeist

158 157 85f. 57 18, 205, 217, 220£., 225 202

Flurgottheiten Fortpflanzung

254 261, 263

Fortuna Frevel Friedenstänze

23, 40f., 230 131, 189, 201ff., 208 98

Fruchtbarkeit 91, 94f., 97, 99f£., 106, 113,117, 119, 124, 127, 130££., 150£., 159ff., 172, 177f., 187, 192, 220f., 257, 261, 264 Fruchtbarkeitsdämonen Fruchtbarkeitsgöttinnen Fruchtbarkeitskult Fruchtbarkeitszauber Füllhorn

185

Empfüngnis Engyon

116, 177 119, 1216

Eo: s Epiklese

Ferkel Ferkelblut fertum

159 16, 24, 26, 102, 105, 150£., 170, 172, 174, 177£., 229, 236f., 257

Epiphanie Erbschuld Erbsünde Geschlechterfluch Erdgottheiten

15, 25 202 88 201 251

Erdgöttin 109, 113£., 117, 120f., 128, 133, 135, 140, 145, 151, 154, 156, 162 Erinyen 150, 171, 180£., 183£., 197, 200, 202, 206, 210 Eros

241

G Gaia Ge

25, 113£., 121, 155, 162, 173, 235 105, 113, 126, 129, 189, 220

Ganymedes

4

Geb

155, 242

Geburt

78ff., 199, 102, 106, 120£., 125f, 129f£., 161, 173, 177, 185, 187£., 236ff. Geburtsgóttinnen 125ff., 186, 246 Geburtsgottheiten 174, 177, 228, 236ff. Geburtswehen 228, 237£., 245, 247 Gefjon 172 Genius Gewässernamen Gnade

263 141 109, 136, 209

Eumeniden 122, 130, 180, 198£., 202, 205, 208, 210, 225

Εὐνομία

H

131, 185

Euphemismus

167

Europe Eurybie expiare

140 162 80, 82

exta

74f.

F

Haaropfer

185

Hades

44, 114, 206

Hallstattkultur Hannahanna Hausgötter Hausgeister Hausgottheiten Hausschwelle

Fackel fatalis Fata Fatus Felicio

251 108, 130, 171ff. 171,186 94, 100, 176f£. 264

76ff., 80, 84, 87 46 181, 186f., 246 42 45

42,178

Heilgottheiten Heilung Heilige Drei Könige Hekate Helios

89 135 256 100 172 128 77,98, 218 78, 81 162£., 165

96, 117, 155, 158£., 162, 164f.

Ausgewählter Wort-, Sach- und Namensindex

Hellos 133 Hellous 133, 138 Hephaistos 97, 158, 258 Hera 126, 131, 171, 181, 185, 187, 218, 237EF., 242f. Herakles 159, 165, 187, 256. Herdfeuer 85, 229, 256, 258ff., 268 Hermes 87, 90, 128, 182, 193£, 219 Hestia Hexen

257 77£, 187

hieros gamos 233 Hochzeit 78, 106, 115£., 127, 130f, 159, 177, 185, 185, 187£., 235, 262 Hochzeitsbrauch 256 Holzscheit 219, 222 Horen

106, 131, 185

hostia Hybris Hygieia Hyperion

57£, 66 207 45 155, 159, 162, 165

26, 58, 234 32, 60f.

Incubo

Kureten

1008, 222

Kybele (s. auch Magna Mater) 128, 136

41

Indra 13, 32 Initiationsriten 98 Iphigenie 203 Iuno 82, 228, 236f., 239, 243, 249f. Iupiter 15, 41, 58f, 142, 226, 233£., 236, 238 Diespiter 16 Iupater 16

Lalinamen Laren

109, 111£, 135£., 139, 148 18, 41, 45£., 91, 93, 250ff.

Larenaltar

254, 264

Laryngale 14, 24, 175, 233 Licht 15£, 71£., 75£f., 80, 84f£., 107, 115, 118, 126, 165, 157£, 161, 165f£., 174, 201, 238, 245, 250, 257, 261, 262 Lichterprozession Lichtgott

71,83 234

limen (s. auch Schwelle) litare

64

Lucina Lucrio

177, 228, 236ff. 45 236 70

lustrum lustrare

69, 71£., 75, 80, 82, 84ff57, 69, 71£., 75, 80ff., 88

lustratio 57£., 71, 73, 77, B1£., 86, 91, 178 Lustrationsriten 70, 86, 88

M Mast

161

mactare

23

μῆνις

2231.

Magie

K

67, 94£., 116, 154

Mater (s. auch Kybele)

Kalypso

Keren

Kerze

Kleopatte Klytaimestra Komos Kordax

125f. 222

14

76ff.

223f£ 197€, 204 97 97

105, 107, 112f£., 130f£., 138, 150, 152, 155ff., 160, 166, 168, 170£., 181 Korngottheiten 153 Kornmutter 109, 130, 145, 152 Korybanten 100 Kourotrophos 106, 123, 125f, 128, 130, 178, 245 Kriegstanz 93, 99 100f., 120 170f.

34

Manen

252

Manius Märchen

57, 64, 66 76,94, 130, 165, 181, 184, 186ff.,

216£., 222f£., 242

76 189

Kore

Kronos Ktesios

100, 111, 120,

122, 135 Mahrten

kathartisch

43, 90ff., 101, 178,

253

Magna

Kalligeneia Kalydon

113, 116, 120,

L

lucus luete

I Ianus immolare

301

Mariä Lichtmeß 79,85 Mars 37, 41, 58ff., 90ff., 100£., 178, 228, 248, 252f. Marsfeld 84£, 262 Martin von Braga 269 μεγαρίζειν 147 Meleagris 216, 223ff.

Meleager

Menelaos Mercurius

Messia Metod

130, 216ff.

48, 73, 94, 208 41, 46

253 20

Minerva 41, 173, 177, 253 Moiren 106, 130f£., 180ff., 187f£., 220, 224£., 239t., 242f.

rola salsa

37, 60

302

Ausgewählter Wort-, Sach- und Namensindex

Mondgottheit 162 Münzopfer 261 Musen 102, 106 Musik 89, 95f. Mütinus Titinus 261f. Mütünus Tütünus 261£. Mütterkult 105f., 123, 145f., 152f, 155, 199fF, 173, 279 Μήτηρ 102, 105, 108, 116, 121 matres 237 matronae 105 meteres

120, 122

Muttergottheiten 106, 113, 118, 122, 129, 173, 187, 246 Muttermord 196ff., 206 Mysterien 112, 115, 137, 150, 163£., 170

Mythenallegorie

134 N

Νάϊος

1438.

Namentabu (s. auch Sprachtabu) Neoanalyse Neptun Neptunalia Nero

66ff., 73 216

41, 226ff. 227, 229, 233, 235 46

Nikander von Kolophon Nixus pares Nixes nixi di

239f., 242 228, 244ff.

152 186f. 223 110, 112, 136, 139£., 146, 175 185 18, 256£., 261f, 265 262 1628. 165

Perseus

1626

Persephone 108, 114fF, 121, 123, 125ff., 131, 150, 152, 156£, 159, 161f£., 181 Persephone-Kore 115, 158£f., 166 Phaethon

Phallos Pharmakides Philoktet Phlyakenposse Phylakos pietas Pluton Pollentia

nomen arcanum

35

34

Nornen 181, 186f. numen 17£., 29, 233, 243 Nuraghenkultur 123 Nut 155 Nymphen 90,98, 101f, 120, 122, 127, 232

O Ocrisia Oineus Okeanos omen

258 222, 224 117, 141, 162 42ff.

Opferspende

13 61, 68, 256, 269 110, 181, 202 196ff., 202, 204£f., 208ff. 87 87

Paian Pandrosos Parodie

94f. 178 39, 41, 46

80, 82

Q Quellenkult Quirinus

161 228

R Regenmädchen Regenzauber Reigen Reinigungsritus religio relegere religere Reue

144f. 144 946. 84f., 88 35, 40, 486. 49 49f. 203, 206

Rhea

100

Ritualangaben Ritualstab

82 73,82

rot

94, 99

S sacrum

P

18, 26

purificare

22

nomen proprium

124, 158

258f., 261 239, 240, 242 193 97 264 51 125, 128, 150, 157, 181

Poseidon 73, 96, 109f. 115, 117, 135f, 143, 166, 219, 227, 233f. Priap 40, 232, 258, 262 puls 256

247f. 177, 245

νομή

Opfertier Orakel Orest Osterzeremonien Osterfeuer

Παρθένος Parzen Patroklos Pelasger Peleus Penaten penus Perse Perscis

Sakralformel Sakralsprache Salacia salacitas salax

26, 35f., 40, 84, 248

62 61, 87 227ft., 232f., 248 232 232

303

Ausgewählter Wort-, Sach- und Namensindex

SM.

κα αἰ ρα αὐ ia DUMU SAL Dury

Themis

116, 153£, 168 153 93£. 98, 100

da-ga-zi-pa-ai

' 89 232

28, 143, 185, 203

Pan

14, Lr 18, an20f. | 2

Thesmophorien

— 112ff., 119, 125£., 138, 147

θεσμοφόρω

107,121, 124£, 127, 131, 161

89, 261 228 248 ” 96ff., 101,193

Thetis qurikien pnoxeta Thriamboe

138, 146, 148. 185 P , 92, 978.

20£, 129, 187£,, 190, 199, 201,

vef een

iM

o 225, 00 2e i81. 1846 187£, 224f, 240 EN

Schicksalsspruch

130, 185, 187, 217

Schuld

88, 196, 198f£., 207ff.

Schwangerschaft

Tithrone Tomba Golini

Toponymie

CT

Toteagóttin

76£., 79, 81, 83

Schweigegebot Schwein

TLISI osi

Totengeinter

172f, 241

Schwefel

24, 26, 170£., 229, 280 259, 266 AI

128. 152

Totenzottheit

"167

63, 66€, 147, 66,256,68, 26985 Schwelle (s. such limen) 90£f., 102, 253

tripoda ro ( auch Dreischritt) Tüumohzue

Schwurgott

Tutili

253

Toche

40

162

Semonen

91, 253

Siebenzahl

106

Siva

93

92 37

Tutel phzug

y

266f.

Sokrates Solon

181, 209 200

Sonnengottheit

1168, 153f£., 158ff., 166

Sonnenkult

156

Sonnenmädchen Sonnenpriester

118 156

Soteira

128

Sprachtabu (s. auch Namentabu)

13, 25, 36,

62, 68, 80, 86, 108, 168, 220, 231, 241

Springen

Sprungtanz

85, 191ff.

Unterwelt 108, 114ff, 126, 128£, 131, 150, 154, 157, 159, 163, 168, 181, 222, 259

Uranos

24f., 155, 2335

Urania

185 V

93, 267

Valentia

37, 59f.

Vatermord

63, 196, 198, 204, 206, 210, 265

Entsühnung

Sühneprozession

61, 82, 91, 94, 198, 202ff.

83

Sul

157

superstitio

163, 194f.

Ungeziefer

100

strues

Suovetaurilia

Umgangssprache

96£., 101£, 176, 266

Springtanz

Sühne

U

36f., 57f£., 66f., 80, 82, 88, 166

37, 40, 249

Sympathiezauber

94, 99, 102, 107, 233

T

Tabuwórter (s. auch Namentabu)

Talion

89 93f.

Tau Teufel (s. auch diabolus)

72,178, 191£, 210 67, 76££.

111,142

Venilia

228f., 231Ff.

Venus

34, 41, 46, 188

verba puerpera

237, 240

Verfluchungstafeln

65

Vesta

257, 267

Vestakult

86, 257

Vestalin victima Vulcanus

86

Tanzkultur

200

Vegetationsgöttin

86, 257£. 52, 79 158, 259

W

197, 200

Tanzschritt

18, 26

Wahnsinn (s. auch Besessenheit)

131, 206

Weihnachten

78, 81, 220

Weihwasser Wiesel

78, 81, 220 240ff.

304

Ausgewählter Wort-, Sach- und Namensandex

Willensfreiheit Wolken- und Regengottheit Wettergott

Zeugung

19 233 234

130, 259, 263 257ff., 261, 263, 265

Zeus

15£, 25£, 96, 100f£, 110, 115, 120£E, 1326, 138, 140£, 143£, 148, 151, 156, 163, 170£, 173, 177, 181, 184£, 187, 189, 200, 207, 209fE, 218, 226, 234,

238, 243 Zweizahl Zwölftafelgesetz

122, 132, 254£, 259€, 264 64