Lexikon der Ernährungskunde [3. Aufl.] 978-3-7091-4586-9;978-3-7091-4736-8

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Lexikon der Ernährungskunde [3. Aufl.]
 978-3-7091-4586-9;978-3-7091-4736-8

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Lexikon der Ernährungskunde (E. Mayerhofer, C. Pirquet)....Pages 337-604

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LEXIKON DER

ERNÄHRUNGSKUNDE HERAUSGEGEBEN VON

DR.E.MAYERHOFER PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT ZAGREB

UND

DR. C. PIRQUET PROFESSOR ANDER UNIVERSITÄT WIEN

3. LIEFERUNG

SPRINGER-VERLAG WIEN GMBH

1925

ISBN 978-3-7091-4586-9 ISBN 978-3-7091-4736-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-7091-4736-8

Gefliigeldiinger-Gefrorenes EinfiuJ3 von fliegen erfolgte Umbildung eines zu Vogel gehorigen Kollektivums oder ist die Form mit l die altertiimlichere und als Grundform auch fiir Vogel ein zu fliegen gebildetes germanisches flugla anzusetzen, das durch dissimilierenden Ausfall eines l zu fugla geworden ist. Mch.

Gefliigeldiinger ist ein natiirlicher Phosphordi.inger, der dem Guano an Wirksamkeit

sehr ahnlich ist; wenn er auch nicht in solchen Massen vorkommt, dall er zur Di.ingung grollerer Landereien verwendet werden konnte, erhalt man doch aus grolleren Gefli.igelfarmen Mengen, die zur Versorgung von Gemi.isegarten hinreichen. M. Gefrorenes (Speiseeis) ist eine Zuckerware, die aus verschiedenen Nii.hr- und Gewi.irzstoffen hergestellt wird. Je nach den Grundstoffen unterscheidet man zweierlei Arten: das ,,Milchgefrorene" und das ,,Obstgefrorene". Das mit Milch bereitete Gefrorene soll vor allem aus Milch (Rahm) und Zucker bestehen; als Zusatze werden verschiedene Fruchtsafte, Eidotter oder Eiweill, Schokolade, Kaffee, verschiedene Samen (Haselnull) oder Gewi.irze (Vanille) verwendet. Das Obstgefrorene soll lediglich aus Zucker und Fruchtsaften hergestellt werden. Zur Bereitung von Speiseeis fi.ir Kranke oder Rekonvaleszente wird zuweilen auch Fleischsaft oder Fleischsaft mit feinstem Schabfleisch gebraucht. Alle Bestandteile des Speiseeises sollen von tadelloser Beschaffenheit sein, insbesondere mull auf die Unverdorbenheit der verwendeten Milch oder des Rahmes geachtet werden, da sonst - besonders zur Sommerszeit - schwere Verdauungsstorungen auftreten konnen. Als Kaltequellen werden Mischungen von Eis mit verschiedenen Salzen (sogenannte Kaltemischungen) beni.itzt. Gute Speiseeismaschinen mi.issen so beschaffen sein, dall von den Kaltemischungen nichts in das Gefrorene dringt. Als Fiillmittel werden bei billigem Speiseeis Starkemehle oder Eier verwendet; das Starkemehl erkennt man durch das Mikroskop 11lld die bekannte Jodreaktion. Eierzusatz wird im extrahierten Fett durch eine Lezithinbestimmung nachgewiesen. An Stelle dieser Ftillmittel finden auch Gelatine, kaufliches Kasein, Gummi oder Tragant Verwendung. Statt Milch oder Rahm wird auch Rahm mit Zuckerkalk oder pfianzliches 01 gebraucht. Zuckerkalk kann durch eine Kalkbestimmung festgestellt werden. Die Art des Fettes wird nach Extraktion durch die Bestimmung der Fettkonstanten eruiert. Zur Prtifung auf eine vorhandene ktinstliche Farbung werden etwa 20 g Speiseeis unter Zusatz von Sand oder Bimssteinpulver und etwas Kalziumkarbonat zur Trockene eingedampft. Die trockene, fein zerriebene Masse wird im Soxleth-Apparat mit absolutem Alkohol ausgezogen und in bekannter Weise mit Hilfe eines Wollfadens auf ktinstlichen Farbstoff untersucht. Als Frischhaltungsmittel konnen Borax und Formaldehyd vorkommen. Borax wird am einfachsten in der Weise festgestellt, daLI man 5 cm• der von der Fettschicht abgesonderten Fltissigkeit mit 10 cm• Salzsaure ansauert, 5 cm• Kurkumatinktur zugibt und verdampft. Formaldehyd wird im Destillate des geschmolzenen Speiseeises nachgewiesen. Auch auf die Gegenwart kiinstlicher SiiLlstoffe (Saccharin) muLI geachtet werden. (Die besonderen Untersuchungsmethoden siehe bei Konig, III. Bd., 2. Tei!, pag. 732 u. ff.)

Das Gefrorene ist noch nicht allzulange in der deutschen Ki.iche heimisch. So schreibt z. B. Goethe in ,,Dichtung und Wahrheit" (II. Buch) den folgenden recht bezeichnenden Satz: ,,Bei dieser Gelegenheit mull ich, um von der Unschuld jener Zeiten (1759) einen Begriff zu geben, anfi.ihren, dall die Mutter uils eines Tages hochlich betri.ibte, indem sie das Gefrorene, das man uns von der Tafel (des Konigleutnants) sendete, weggoil, weil es ihr unmoglich vorkam, dall der Magen ein wahrhaftes Eis, wenn es auch noch so durchzuckert sei, vertragen konne." Noch einige arztliche Bemerkungen ! Der haufige und gewohnheitsmallige Genull von Speiseeis kann durch den Kaltereiz Schadigungen der Magenschleimhaut hervorbringen. In Landern, in denen die Bevolkerung besonders gerne Speiseeis und eisgeki.ihlte Getranke geniellt (Amerika),. will man eine auffallende Haufigkeit von Magenkatarrhen, Saurebeschwerden und Magengeschwi.iren b.eobachtet haben. M.

Gefrorenes, Eis, Halbgefrorenes, (,,Granit"), Speiseeis, S.-Z.: 6,645; Fruchtgefrorenes, Obstgefrorenes, S.-Z.: 6,6451. K. Gefrorenes: Vitaminwert wechselt nach dem Zusatz: (a - u), Pirquetsche Formel: 6 (T -A) + 7,5 F. Kl.

i'(rniihrungs-Lexikon.

337

22

GeiBfuB-Gelatine GeiBfuB. Der gemeine Geif3fuf3 oder das Gerhardskraut (Aegopodium podagraria) ist ein Histiges Unkraut der Garten. Immerhin werden in einigen Gegenden die ganz jungen Blatter dieser Pflanze zugleich mit anderen fein geschnittenen frischen Pflanzen oder mit Kohl vermischt verspeist. Die Pflanze hat einen nicht gerade angenehmen Geschmack, und nur die Gewohnheit vermag es, diese an sich nicht ungesunde Speise genief3bar zu machen. Kl. Gemeiner GeiBful3, Gerhardskraut, ,,Das Podagra heilender GeiBful3", Schnittkohl, kleine, wilde Angelik, Zipperleinskraut, Hinful3, Strenzel, Gersch, Gierisch, Giersch, Gosch, Gersch, Strensel, wilder Holler, Ziegenful3, Gerisch, Geere, Geersiln, Gierl3, Griel3bart. S.-Z.: 7,45. K.

GeiBraute. Die gemeine Geif3raute (Galega officinalis) ist eine im siidlichen Europa und auch in Deutschland wild wachsende Pflanze. In Italien wird sie als Salat gegessen. Kl.

s.-z.:

7 ,53894.

Gekrose (Inster) heif3t man im engeren Sinne jene gro.13e Einstiilpung des Bauchfellsackes, welche die verschiedenen Darmabschnitte umkleidet und untereinander sowie mit der Bauchhohlenwand verbindet; im weiteren Sinne versteht man darunter auch den Magen, das Netz nebst den kleinen, krausen Gedarmen vom Kalb oder Lamm. Beim Rinde nennt man diese Schlachtabfalle Kaldaunen. Ebenso heif3t man auch das Ganse- und Entenklein (das ,,Junge") vielfach ,,Gekrose". Haufig rechnet man auch das ,,Geschlinge", d. h. den Schlund, Lunge (Beuschel), Herz, Milz und Leber des Kalbes oder des Lammes zum Gekrose. M.

s.-z.:

2,643. Gekrilse, mhd. kroese, gekroese, nd. kros ,,Eingeweide von Gansen" geht aus germ. krausa- hervor und steht in Ablautverhaltnis zu mnd. kriise ,,Gekrose, Bauchfett". Gemeint ist also ,,das Krause" Mch.

Gelatine ist ein besonders gereinigter Leim, der fiir Speisezwecke farb-, geruch- und geschmacklos seiri soil. Die Gelatine besteht im wesentlichen aus Glutin, das aus den leimgebenden Teilen des tierischen Korpers, besonders also aus Knochen, Hautstucken und Knorpeln gewonnen wird. Im Knorpelleim ist Chondrin, ein Umwandlungsprodukt des Chondrogens, enthalten. In der Technik der Zubereitung von N ahrungs- und GenuJlmitteln wird Gelatine vielfach verwendet. Man gebraucht Gelatine zum KHiren von Wein, Bier und anderen Getranken. Die klli.rende Wirkung der Gelatine beruht auf der ganz allgemeinen Eigenschaft von Kolloiden, feine und feinste TriiJmngen in Fliissigkeiten niederzuschlagen; ferner beniitzt man Gelatine in der Kiiche und in der Industrie zur Bereitung und als Zusatz bei gallertartigen Speisen (Sulzen, Aspik usw.), zur Darstellung und Haltbarmachung mancher Fleisch- und Fischkonserven, als Beigabe zu geleeartigen Obstkonserven, zur Bereitung frischerObstgallerten oder zur Herstellung von siif3en Geleespeisen. - Die Gelatine kommt sowohl in diinnen, glashellen, weif3en sowie gelb oder rot gefli.rbten Tafeln oder auch in Form von weif3em Pulver in den Handel. · Die Gelatinetafeln sind meistens etwas wasserreicher als die pulverige Handelsware. Erstere besitzen zwischen 13,0-17,5%, letztere zwischen 11-12% Wasser. Der Aschengehalt schwankt zwischen 1,0-2,7 % und der Stickstoffgehalt zwischen 14,8-15,7 %. Eine Verunreinigung der Gelatine mit schwefliger Saure und mit Schwefelsaure ist durch die Darstellung zu erklaren, soil jedoch in der Speiseware nur ganz spurenweise vorhanden sein. Die Untersuchung der Gelatine erstreckt sich auf: Wasser, Aschengehalt, Stickstoff, Glutin und Glutose, schweflige Saure und Schwefelsaure; Gelatine fiir Speisezwecke darf insbesondere kein Arsen enthalten (Prufung im Marshschen Apparat). Gelatlna alba ist feinster, weil3er Leim. Er bildet farblose, dtinne, geschmackfreie Tafeln. Man bentitzt weiBe Gelatine zur Herstellung von Gelatinespeisen; daneben wird dieses Praparat auch innerlich, zu Heilzwecken, verwendet. Auch die Praparate zur subkutanen lnjektion werden aus Gelatina alba hergestellt.

Fiir Speisezwecke rechnet man im Sommer, wenn die Gallerten schwerer erstarren, etwa 45-50 Gramm lufttrockener Gelatine, im Winter etwas weniger

Gelbwurzlige Lilie-GeJidusi (Pelidisi) (um 40 Gramm) auf einen Liter Gelee. Bei hiiheren Konzentrationen macht sich ein unangenehmer Leimgeschmack bemerkbar, der auch durch stark schmeckende Wurzen nicht mehr unterdruckt werden kann. Wegen dieser geringen Konzentration ist au ch der N ahrw ert der Gelatinespeisen nur s ehr g erin g zu veranschlagen. In den ftir unsere Zwecke al& fettfrei anzunehmenden tierischen Gallerten wird man den Nahrwert nach der Pirquetschen Formel 6 X (Trockensubstanz-Asche) berechnen kiinnen. (Fruchtegallerten besitzen einen etwas hiiheren Nahrwert. Pirquet berechnet sie mit 0·4 nem in 1 g.) Fur die Beurteilung der tierischen Gelatine flillt noch in die Wagschale, dall sie ein ,,unvollstandiger Eiweillkiirper" ist. Dem Kollagen fehlen wichtige Aminosauren, wie: Tryptophan, Tyrosin und Cystin. Mit dieser Minderbewertung der Gelatine soll aber durchaus nicht der Genullwert der verschiedenen Gallertspeisen herabgesetzt werden. In der Krankenkuche dienen die Gallerten als bevorzugter Oberg an g von der flussigen zur fest en Kostform. Die Gallerten uben im Magen keinerlei Reizwirkungen aus; sie verlassen den Magen sch on innerhalb ganz kurzer Zeit. - Auch zu dilitetischem Geback wird Gelatine tierischer oder pflanzlicher Abkunft als Teiglockerungsmittel zugesetzt. Fur die Krankenpflege wurden in der Vorkriegszeit verschiedene in Gllisern verschlossene Praparate in den Handel gebracht (,,Huhnergelee" usw.). Der Preis solcher Erzeugnisse war jedoch sehr· hoch. M. S.-Z.: 2,77; Gelatina alba, S.-Z.: 2,773. Vitaminwert: o-u, Pirquetsche Formel: 6 (T-A)

+

7,5 F.

Kl.

GelbwurzJige Lilie. Die Zwiebel der gelbwurzligen Lilie (Lilium martagon) = Turkenbundlilie oder Turkenbund wird in Sibirien und bei den Tataren in Milch gekocht genossen. (Siehe noch unter Lilienzwiebeln.) Kl. S.-Z.: 7 ,2341.

Gelidusi (Pelidisi) bedeutet die dritte Wurzel aus dem zehnfachen Nettogewichte des Kiirpers in Gramm, dividiert durch die Sitzhiihe. Dieses Wort ist eine gesprochene Formel ftir den mathematischen Ausdruck: . . 10 x Gewicht - - - - - - ; es 1st aus den Im folgenden fettgedruckten Buchstaben und Sitzhiihe Silben zusammengesetzt: Gewicht, zehnfach, linear (dritte Wurzel), durch Sitzhiihe. Fur den internationalen Sprachgebrauch habe ich statt des aus deutschen Wiirtern gebildeten Gelidusi auilerdem noch das aus lateinischen Ausdrticken zusammengesetzte Schltisselwort Peli dis i gebildet. (Pond us, decies, lineare, divisum sedentis altitudine.) Beim muskelkraftigen Erwachsenen und beim gut entwickelten, fetten Saugling betragt das Gelidusi 1; oder in Hundertstel-Einheiten (Graden) gerechnet, 100°. Demnach ist das Gelidusi ein zahlenmailiger Ausdruck ftir den Ernahrungszustand des Menschen. Zahlen unter 100 bedeuten ein Abweichen vom idealen Ernahrungszustand, Werte unter 94,5 bezeichnen schon eine Unterernahrung, die stufenweise bis 80 heruntergehen kann. Das niedrigste Gelidusi (76,5) beobachtete ich bei einem 8 Jahre alten Kinde. Die Zahlen uber 100 kennzeichnen gradweise den Zustand der Uberernahrung. Ein Gelidusi von 105 bedeutet z. B. einen schon recht hohen Grad von Fettleibigkeit. Innerhalb dieses Rahmens sind nattirlich Abweichungen nach Alter und Geschlecht miiglich. Ich habe die verschiedenen Altersgruppen untersucht und bin zu folgenden Messungszahlen bei Foten, Kind~rn und Erwachsenen gekommen:

V

1. 2. 3. 4.

Kleinster gemessener Ftitus, Knabe Nr. 77. Neugeborener Knabe, Nr. 56. Kriiftig. Knabe Georg M., 7 Jahre 9 Monate. Mager. Erwachsener W., 28 Jahre, Soldat, Rekonvaleszent nach Dysenterie, mittelkriiftig.

339

22*

Gelidusi (Pelidisi) 1. 2. 3. 4.

Fiitus Neugeborener 8jiihriger Erwachsener

Messungen von Standhiihe, Sitzhiihe und Gewicht: Standhiihe 26,6 cm Sitzhiihe 17,0 cm 50,5 " 32,0 " 116,0 " 66,0 " 177,0 " 93,0 "

Gewicht

0,35 2,9 22,3 73,3

kg " " "

Die Differenzen zwischen dem kleinsten und dem grof.lten Korper sind sehr betrachtlich. Die Standhohe steigt von 26,6 auf 177 cm, der Erwachsene war also 6,6 mal liinger als der Fotus. Die Sitzhohe zeigt eine etwas geringere Variation 17 : 93 cm, also wie 1 : 5,5. Das Gewicht dagegen zeigt den Unterschied von 350 g zu 73.300 g, verhalt sich also wie 1 : 220. Die grof3ere Variation der Standhohe im Verhaltnis zur Sitzhohe beruht auf der Entwicklung der Beine. Diese sind beim Fotus und beim Neugeborenen noch relativ kurz. Die Beinhohe betragt beim Fotus 9,6 cm, also 56 % der Sitzhohe, beim Neugeborenen 18,5 oder 58 %, beim 8jahrigen 50 cm oder 76 %, wahrend sie beim Erwachsenen mit 84 cm 90% der Sitzhohe erreicht. · Betrachten wir nun das Verhaltnis zwischen der dritten Wurzel aus dem Gewichte und der Sitzhohe: Fiitus Gewicht in g (Gi) oder Po (Pondus) ............. dritte Wurzel daraus (Gili oder Poli) ............ Sitzhiihe (Si) ................................... Verhiiltnis



V Gewicht: Sitzhiihe (Gelidusi od. Pelidisi)

350 7,04 17,0 0,415

Neu-~ .. h. I geborener I oJa riger

Erwachsener

2900 14,3 32,0

22.300 28,1 66,0

73.300 41,9 93,0

0,446

0,426

0,450

Wir sehen, daf3 dieses Verhaltnis nur eine Variation von 0,415 bis zu 0,45 zeigt; der Unterschied zwischen dem Fotus und dem Erwachsenen ist jetzt nur wie 100: 108, wahrend die Sitzhohen einen Unterschied von 100: 547 gez-eigt hatten, und die Gewichte einen solchen von 100: 22.000. Ohne Verhaltnisrechnung wird die Beziehung erkennbar, wenn wir die dritte Wurzel nicht aus dem einfachen Gewichte, sondern aus dem zehnfachen Gewichte ziehen:

lOfaches Gewicht (Ge oder Pe) .... dritte Wurzel dar:i.us (Geli oder Peli) Sitzhiihe cm (Si) .................. Verhiiltnis (Gelidusi oder Pelidisi) ..

Fiitus

I Neugeborener I

8jiihriger

Erwachsener

3.500 15,2 17,0 89

29.000 30,7 32,0 96

223.000 60,5 66,0 92

733.000 90,1 93,0 97

Peli und Si sind nur wenig verschieden: 15,2 und 17,0, 30,7 und 32,0, 60,5 und 66,0, 90,1 und 93,0. Die Variation des Pelidisi, das zwischen 89 und 97 schwankt, wird noch dadurch ausgeglichen, daf3 der magere Fotus und der magere 8jahrige ganz ahnliche Zahlen ergeben, und ebenso der kraftige Neugeborene und der mittelkraftige Erwachsene. Es besteht also eine bestimmte Beziehung zwischen Sitzhohe und Gewicht. Noch deutlicher und einfacher erscheint diese Beziehung, wenn wir, um die hochgradige Magerkeit des Fotus auszugleichen, hier solche Falle auswahlen, die durch einen grof3eren Kopf ein iiber den Durchschnitt reichendes Gewicht aufweisen.

Gelidusi (Pelidisi) 1. Ftitus Nr. 73, Knabe. Standhtihe 30,0; Sitzhtihe 18,5; Gewicht 600 g. Der Kopfumfang betragt 21,5, das durch Untertauchen gemessene Kopfvolumen 160 cm 3 • 2. Neugeborener Knabe Nr. 57. Standhtihe 47,5; Sitzhtihe 30,0; Gewicht 2700 g; Kopfumfang 34 cm; Kopfvolumen 675 cm 3 . 3. Erwachsener Sehl. Vinzenz, 26 Jahre, Nr. 15. Rekonvaleszent nach Dysenterie. Standhtihe 171,5; Sitzhtihe 90,0; Gewicht 72 kg, Kopfumfang 56 cm.

.-1

10faches Gewicht in Gramm (Ge oder Pe) ..... · dritte Wurzel daraus (Geli oder Peli) . . . • . . • . • . . • Sitzhiihe cm (Si) . . • . . . . . . . .. .. . . . .. . . . . . . . . . . . . Gelidusi oder Pelidisi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Fotus

I Neugeborener I Erwachsener 27.000 30,0 30,0 100

6.000 18,2 18,5 98,4

720.000 89,5 90,0 99,5

Die Sitzhtihe ist bier fast gleich mit Peli, der dritten Wurzel aus dem 10fachen Ktirpergewicht. Oder: die dritte Potenz der Sitzhtihe ist ungefii.hr gleich dem 10fachen Ktirpergewicht.

Sitzhohe 3 • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 10faches Gewicht in Gramm .......•............

Fotus

I N eugeborener I Erwachsener

6332 6000

I

27.000 27.000

I

729.000 720.000

Ein Wiirfel mit der Sitzhtihe als Seitenlii.nge, also ein Wiirfel, in dem der Mensch gerade aufrecht sitzen kann, wiirde, mit Wasser gefiillt, das 10fache Gewicht des Menschen haben. Oder es wiirden in diesem Wiirfel, wenn man die Ktirper darin eng aneinander pressen wiirde, 10 Menschen gerade Raum finden. Diese einfache Beziehung ergibt sich bei den eben besprochenen Fallen. Im nachfolgenden sei untersucht, inwieweit diese Beziehung auch bei dem Durchschnitte der Falle ihre Richtigkeit hat und welche Variationen sich ergeben. Zu dieseni Zwecke babe ich die Berechnung von Gelidusi in verschiedenen Altersstufen zunachst an den eigenen Messungen und dann an den in der Literatur vorfindlichen Zahlen ausgefiihrt. Ftiten. Die Tabelle bringt die Abmessungen von 54 Ftiten, Friih- und Neugeburten, von einer Ktirperlange (Standhtihe) von 26,6 (des friiher beschriebenen kleinsten Ftitus Nr. 77) bis zur erreichten Reife mit einer Sitzhtihe von 33,7 cm. ProtokollNr. 77 73 76 75 34

51 74 67 70 22 68

Sitzhiihe cm 17 18,5 20 21 21,5 21,5 22 22 22 22,2 23

I

Gewicht g

Gelidusi

ProtokollNr.

350 600 600 550 850 650 900 820 820 700 730

89 98 91 84 95 87 94 92 92 86 84

66 62 40 24 23 45 24 64 65 60 31

34 1

Sitzhiihe cm 23 23 23 23,2 23,3 24 24 24 24 24,2 24,5

Gewicht g 1100 1000 840 850 730 1000 900 1000 1100 1000 920

I

Gelidusi 97 94 88 88 83 90 87 90 93 89 85

Gelidusi (Pelidisi)

=S=it=~=!=oh=e=e=\=G=e=w=!c=h=t~\

c r = .o=ll=·e=\

=G=elidusi

52 47 7 47 53 59 5 41 6 63 76 36 48 35 42 32

25 25 25,1 26 26 26,5 26,7 27 27 28 28,5 28,5 28,5 28,6 29 29

1400 1400 1120 1150 1450 1500 1230 1410 1350 1750 1410 1450 2000 1250 1630 2000

96 96 89 87 94 93 86 89 88 93 85 86 95 81 87 94

J

~koll. I

I

54 46 38 57 4 50 43 25 55 56 69 8 48 71 33 72

SitzhOhe cm

Gewicht g

Gelidusi

29,5 29,5 29,5 30 30,1 31 31 32 32 32 32,4 32,5 33 33 33 33,7

1800 2000 1810 2700 2040 2100 1920 1960 3000 2900 2700 2030 2500 2800 2630 2800

89 92 89 100 91 89 86 84 97 96 93 84 89 92 90 90

In dieser Gruppe zeigen ein Gelidusi von: 81- 85 8 Falle 86- 90 23 91- 95 16 " 96-100 7 " Neugeborene. Messungen an 128 Neugeborenen liegen diesen Zahlen zugrunde. lch gebe hier nur das berechnete Gelidusi an, ohne die Gewichte und die Sitzhohe ausfiihrlich zu bringen. Gelidusi Knaben Miidchen Zusammen

87 3 3

88 2 2 4

89 1 2 3

Neugeborene (Messungen der Kinderklinik). 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 3 10 10 7 9 4 4 2 4 1 1 3 9 11 10 5 6 4 6 3 2 1 1 6 19 21 17 14 10 8 8 7 2 2 2

102 1 1 2

Bumme

62 66 128

!'0':.':i1~;

93,18 93,73 93,46

Durchschnittlich betrug das Gelidusi bei den Neugeborenen 93,46; bei den Knaben mit 93,18, d. i. etwas weniger als bei den Madchen mit 93,73. Aus dieser Differenz auf einen Geschlechtsunterschied zu schlief.len, ware verfriiht. Wie sich aus der untenstehenden Abbildung ergibt, liegt die Mehrzahl bei 91 und 92; unter 91 sind nur wenige, 18 t - - t - - t - - + - magere Kinder, wahrend sich 161--+-+-.+nach rechts zu ein allmahlicher ~ Abfall bis zu den fettesten ~ 11,1 i-----r-----r-----r-Kindern zeigt. ~ 12 ..,.101---+--+--+--

Sauglinge. lch habe damit dem Be61--+--+-weise vorgegriffen, daf3 die Verschiedenheit des Gelidusi 2 hauptsachlich vom Fettgehalte 0 des. Unterhautzellgewebes abAbb. 14. Gelidusi des Neugeborenen (128 Falle). hangt. Ein Beweis, den ich in der Kategorie der Sauglinge fiihren kann, wo wir ja die Difterenzen zwischen Abmagerung und Fiille am allerscharfsten vor uns haben. ~~

~

Bt--+--+--+--

Gelidusi (Pelidisi) Die Messungen aller Kinder, die am 14. 3. 1916 auf der Sauglingsabteilung der von mir geleiteten Wiener Kinderklinik waren, sind im folgenden zusammengestellt. Das klinische Urteil ,,mager, mittel, fett" wurde eingeschrieben, bevor die Berechnung des Gelidusi ausgeflihrt war, ist also nicht durch die Theorie beeinflul3t. Man sieht hier eine Variation des Gelidusi zwischen 83 und 101. Die ,,gesunden" Sauglinge, die nach akuten Krankheiten noch weiter aufgeflittert wurden, und klinisch die Bezeichnung ,,mittlerer Fettgehalt" bekamen, zeigen ein Gelidusi zwischen 93 und 99; alle Kinder unter Gelidusi 91 waren deutlich mag er. Als ,,fett" wurde ein Ammenkind mit Gelidusi 101 bezeichnet, und ein Kind von Gelidusi 96; dieses Kind war uber 2 J ahre alt, und zeigte no ch die flir dieses Alter ungewohnliche Flille eines gesunden Sauglings. Geschlecht

I ~!:~e

Sit~~he Ge~:ht

L__~ia~~o:e ----TKl=T~e!id:-

~~~~0==~~~~~~~==~~~~

9 15 16 18

42,5 46,5 47 47 37,5 38,5 37 26 33

4 4 7

'I•

•1.

!:::. =

20 7 10 3 26 15 6 11 4 17 6 (Knaben);

44

Q=

39 39 39,5 5-i 43 41 42,5 36 45 41

4,35 6,03 6,60 6,48 3,84 4,04 3,64 1,29

2,72

6,81 4,73 5,13 5,29 14,0 7,29 6,3 7,15 4,57 8,89 7,02

Erbrechen Pneumonie Empyem Amaur. Idiotie Pneumonie Dermatitis Atrophie Friihgeburt Rekonvaleszenz (nach Hunger) Gesund (Rachitis) (nach Scabies)

Mager

Sehr mager Mager

Mittel

(Ammenkind) (nachFurunkulose (Friihgeburt) (Ammenkind) Bronchitis Pneumonie Gesund (nach Dysp.) (Ammenkind) ,,

Fett Mittel

Fett

83 84 86 87 87 89 90 90 91 93 93 95 95 96 97 97 98 99 99 101

(Madchen)

Wahrend wir also bei den Neugeborenen, die ja so ziemlich alle als gesund anzusehen sind, die Mehrzahl bei einem Gelidusi von 91-93 gefunden haben, finden wir bier bei den gesunden ein hoheres Gelidusi, zwischen 93 und 101. Dies entspricht der physiologischen Fettansammlung, die sich im Verlaufe des ersten Lebensjahres vollzieht. Wie diese vor sich geht, konnen wir an dem gesunden Ammenkinde F. Raimund verfolgen: Alter in Wochen

Sitzhohe cm

Gewicht kg

3 7

35 36 38 40 41

3,3 4,1 5,25 6,18 7,2

11

19 27

Gelidusi 92 96 99 99 101

Durch eine, auch klinisch deutlich wahrnehmbare Fettansammlung hat sich das Gelidusi von 92 auf 101 vermehrt. Das Kind war anfangs normal mager und nahm dann von Woche zu Woche intensiv an Fett zu.

343

Gelidusi (Pelidisi) Andere Sauglinge halten ihr Gelidusi durch Monate hartnackig fest, indem sie ihr Fett nur in gleicher Proportion mit dem Langenwachstum ansetzen: Ammenkind H. Ferdinand. Alter in Wochen

SitzhOhe cm

Gewicht kg

Gelidusi

1 3 6 10 16

35 35,5 36,5 38,0 40,0

3,5 3,7 3,97 4,55 5,25

93,5 94,0 93,5 94,0 93,7

Kinder von 1-14 Jahren. Die Abbildung. 15 gibt Aufschlul3 iiber das Verhalten des Gelidusi wahrend des Kindesalters. Zur Anlegung der Tabelle sind nur jene Kinder benutzt, welche AHer in Jahren: o 1 2 3 Gehi'rlusi 10.

ff),'O

-

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96

90 88

6

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1

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81/

BZ

i Abb. 15. Gelidusi von Kindern zwischen 1 und 14 Jahren.

Iangere Zeit auf der Klinik gehalten wurden und unter genauer Beobachtung ihrer Ernahrung standen. Die Verbindungslinie bedeutet die grol3te Differenz, die sich im Gelidusi des einzelnen Kindes ergab. So kam als magerstes Kind ein Knabe von 8 Jahren mit einem Gelidusi von 84 in die Klinik; als er sie nach einer Ernahrungskur verliel3, hatte er ein Gelidusi von 89. Die starkste Differenz zeigt der erste Knabe, der unter den 6jahrigen angefiihrt ist. Er kam mit 92 und wurde. mit 99 entlassen. Der allgemeine Oberblick iiber die Abbildung ergibt, dal3 die grol3te Variation wieder ganz ahnlich ist, wie bei der vorhergehenden Gruppe: 84-102, die Mehrzahl der Falle liegt zwischen 90 und 96. Alle bisherigen Zahlen waren in der Weise gewonnen, dal3 das Gewicht jedes einzelnen Kindes mit der Sitzhohe desselben Kindes verglichen wurde. Zur Feststellung von Mittelwerten ist noch ein zweiter Weg moglich, namlich jener, das durchschnittliche Gewicht einer einigerma13en einheitlichen Kategorie mit der durchschnittlichen Sitzhohe der betreffenden Kategorie zu vergleichen.

344

Gelidusi (Pelidisi) In dieser Weise konnte ich die Messungen von Quetelet, Weissenberg und West verwenden, welche bei einer grol3eren Zahl von Individuen desselben Alters neben anderen Mal3en Sitzhohe und Gewicht ermittelten und die Durchschnittszahlen zogen. Aus diesen Durchschnittszahlen habe ich dann das Gelidusi berechnet.

Ganz exakt ist der Vergleich mit meinen Zahlen allerdings nicht, da ich das Nettogewicht hestimmte, wahrend bei diesen Autoren Uber die Art der Gewichtsbestimmung keine viillige Klarheit zu erreichen war. West nahm das Gewicht (das ich von Pfund in Kilogramm umrechnete) ,,in leichter Kleidung", bei Weisse n berg fand ich keine Angabe Uber die Abrechnung der Kleider. Aus der Ahnlichkeit des Gelidusi bei West und Weissenberg ist zu schlief3en. daf3 auch Weissenberg eine leichte Kleidung mitgewogen. hat. Quetelet dUrfte, be! der Exaktheit aller seiner Bestimmungen, das Nettogewicht genommen haben. Leichte Kleidung ist ungefiihr mit 3% des Korpergewichtes einzuschatzen, was einer Erhiihung des Gelidusi um einen Grad entspricht. Die aus West und Weissenberg berechneten Zahlen dUrften demnach um einen Grad zu hoch sein. Gelidusi der Knaben im Lebensjahre:

I

aus

o

I

1

I

2

I

3

~~~~~~~~~==:=~~~'"=====

92,3198,;~5,3 93,1

Qu~telet.

............. We1ssenberg ......... West ..................

-1-

-

-

I

4

I

5

I

6

I

1

I

s

19 i

10

1

i

11

12fi3f14

92,6192,5j 91,6j 92,o/ 91,5l 91,3[ 9o,9l 91,3j 91,8[ 93,6j 94,9 -195,1195,1194,9 94,1 94,4 93,9193,9194,7 94,6196,3 95,8 96,5 94,7 193,6 1 93,9 194,7 95,0 1 95,0 195,5 95,6 -

Die aus den Arbeiten Weissenbergs und Wests gewonnenen Gelidusizahlen sind aullerordentlich iihnlich, was um so bemerkenswerter ist, als sie aus ganz verschiedenen Gegenden stammen: (aus Siidrul3land und Nordamerika), und als die absoluten Zahl en von Gewicht und Sitzhohe bei den West sch en Kindern bedeutend hoher liegen, was in den besseren Lebensverhaltnissen der amerikanischen Kinder seinen Grund haben diirfte. Bei der gleichen Grol3e des Skelettes haben aber die russischen und die amerikanischen Kinder dasselbe Gewicht, also den gleichen Fett- und Muskelgehalt. Nach den Zahlen von Quetelet zu schliellen, sind die belgischen Kinder der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts etwas magerer gewesen als die heutigen amerikanischen und russischen Kinder. Seine Zahlen interessieren uns hauptsachlich in den erst en 4 Lebensj ahren, fiir welche bei Weisse n b erg tind West keine Messungen vorliegen. Bei den N eugeborenen ergibt die Berechnung aus Que t e 1 et eine iihnliche, wenn auch etwas niedrigere Durchschnittszahl als bei unseren Wiener Neugeborenen: 92,3 gegen 93,46. Im erst en Lebensj ahre ist eine bedeutende Erhohung zu sehen: ein Gelidusi von 98,2, das dann sch on im zweiten J ahre wieder auf 95,3 sinkt. Dieser Befund entspricht dem Fettansatze wahrend der Siiuglingszeit, der auch bei meinen Ammenkindern klar zutage tritt. Das ist die ,,erste Fiille", welcher dann fiir das Alter bis zu 12 Jahren eine Periode physiologischer Magerkeit folgt. Fiir eine Periode der ,,zweiten Ftille", wie sie Stratz annimmt, besteht weder klinisch no ch in den Durchschnittszahlen irgend ein Anhaltspunkt. Uber die Miidchen liegen mir nur die Zahlen von West vor, aus denen sich ganz ahnliche Gelidusi ergeben wie bei den Knaben. Gelidusi der Madchen im Lebensjahre:

ausWest .......

5

6

7

8

9

10

11

12

I

13

96,0

94,7

94,4

93,8

94,2

94,6

94,0

94,0

I

93,2

I

14 95,0

I Es besteht also jedenfalls im mittleren Kindesalter kein prinzipieller Unterschied im Ernahrungszustand beider Geschlechter.

345

Gelidusi (Pelidisi) Das Alter von 15-20 Jahren. Hierliber habe ich kein eigenes Material, sondern bin ganz auf die Berechnungen aus den Messungen Quetelets, Weissenbergs und Wests angewiesen. Jahre Manner, Manner, Manner, Frauen,

aus aus aus aus

Quete let ......................... Weissenberg .................... West ............................. West .... : ........................

15

16

17

18

19

20

95,9 95,0 94,6 93,9

95,6 94,6 95,6 93,5

97,6 94,5 95,6 94,4

97,0 95,5 95,1 95,7

96,8 96,8 96,6 95,4

97,3 95,8 95,8

Entsprechend dem Ansatze von Muskulatur und Fett nach der Pubertlit ist iiberall gegenliber der Vorperiode eine Erhtihung des Gelidusi nachzuweisen, die aber nur bei Quetelet erheblich ist. Bei ihm liegt das Gelidusi im 6.-10. Jahre um 92, im 15.-20. Jahre um 96; bei den anderen Autoren steigt es nur von 94 auf 95. Erwachsene. Hier ist bei beiden Autoren, denen Zahlen fiir Manner zu entnehmen sind, Quetelet und Weissenb erg, ein deutlicher Anstieg des Gelidusi zu konstatieren. Jahre Manner, aus Quetelet. ....................... . Manner, aus Weissenberg ................... .

21-25

26-30

31-40

41-50

98,1 96,0

97,6 97,6

97,5 98,4

98,9

Bei den erwachsenen Mlinnern nlihern sich mithin die Durchschnitte der Zahl 100, die im Kindesalter sonst nur von einzelnen Individuen erreicht oder iiberschritten wird. Einige Individualzahlen fiir erwachsene Manner gewann ich an Soldaten, die wlihrend des Krieges in meiner Klinik lagen. ProtokollNr. 9

19

16 13 11

10 18 9 20 21 12 15 14 17

Sitzhohe cm

84

93 86 94 87 88,6 90 84 87 89 90 90 85 88

Gewicht kg 43 62,8 53,6 73,3 62,7 66,5 70 59,6 65,5 71

73,3 72 66,5 75,3

Gelidusi 90 92 94 96 98 98 98 100 100 100 100 100 102 103

Bei diesen gut gebauten, ziemlich muskelkrliftigen Mlinnern schwankte das Gelidusi zwischen 90 und 103, die grtiilte Zahl der Flille (5 von 14) liegt bei 100. Besonders instruktiv ist Fall Nr. 9, ein kleiner Mann von 84 cm Sitzhtihe, der mit schwerer Dysenterie in vollstlindig abgemagertem Zustande mit 43 kg in die Klinik eingebracht wurde, und innerhalb mehrerer Monate sein Gewicht auf 59,6 kg erhohte. Er hatte dann einen gut mittleren Ernlihrungszustand. Gelidusi betrug bei der Aufnahme 90, bei der Entlassung 100.

Gelidusi (Pelidisi) Messungen, die Schick an erwachsenen gesunden Frauen anstellen lieil, ergaben folgende Zahlen: Gelidusi Fane

90 1

91 1

92

93 2

94 4

95 2

96 2

97 7

98 7

99 6

Gelidusi Fiille

100 8

101 3

102 9

103 6

104 6

105 2

106

107 2

108 1

109 2

Eine Gruppe von magersten mit 90 und 91 und eine Gruppe von fetten mit 107-109 hebt sich von den flieilenden Dbergangen der Mittelzahlen ab. 51 von 70 Untersuchungen zeigen ein Gelidusi zwischen 97 und 104, also wieder um 100, wie bei den erwachsenen Mlinnern. Zusammenfassung. Fassen wir nun die Resultate der Individualuntersuchungen nochmals zusammen:

Fiiten ............ . Neugeborene ..... . Sauglinge ........ . Kinder ........... . Manner .......... . Frauen .......... .

81-85

86-90

8

23 16 6 36 1 1

2 1

I 91-95 96-100 j101-105 106-1101 kleinstes ~ z a h I d e r F a 11 e Gelidusi 16 81 5 79 2 9

7 27 6 24 9 30

-

4 1 2 2 25

-

5

81 87 83 84 90 90

100 102 101 102 103 109

Die Schwankungen des Gelidusi in all en Altersgruppen sind ziemlich lihnlich: Bei den Kindern erreichen die fetten Individuen die Zahl 100, die mageren bleiben unter 90. Bei den Erwachsenen ist auiler dem Fettpolster auch die Muskulatur zu berlicksichtigen, welche eine Erhohung des Index um etwa 5 Grade bewirkt. Die Mageren sind unter 95, die fetten fiber 105. Auch die Durchschnittszahlen beweisen dasselbe: sie halten sich in der Zeit der physiologischen Magerkeit unter 95, und liberschreiten diese Zahl in der Zeit der ersten Flille, und dann wieder bei den Erwachsenen. Woher kommt es, dail trotz des Wachstums der Extremitliten und des ent-

sprechend zunehmenden Gewichtes der Extremitaten doch die Sitzhohe vom

Fotus bis zum Erwachsenen ihre gleiche Beziehung zum Korpergewicht erhalt? Dies geschieht dadurch, dail die Extremitaten durch das Gewicht des Kopf es kompensiert werden. Was die Extremitliten desFotuszu wenigwiegen, das wiegt sein Schadel mehr. Die Bestimmung des Gelidusi im Einzelfalle kann uns zunlichst zum Vergleiche des Wechsels im Ernlihrungszustande bei demselben Individ u um dienen. Hier hat schon jeder Grad Gelidusi Bedeutung. Ein Grad entspricht einer Verlinderung um 3 % des Korpergewichtes, zehn Grade einer Verlinderung um 27 %, 20 Grade einer Verlinderung um 49 %· W ozu bedlirfen wir aber einer solchen Berechnung, wenn das Gewicht die Verlinderung viel bequemer erkennen lliilt? Bei dem erwachsenen Mann Nr. 9, der in der Spitalbehandlung von 43 kg auf 59,6 kg zunahm und dadurch im Gelidusi um 10 Grade, von 90 auf 100 vorrlickte, lliilt sich allerdings die Zunahme des Ernlihrungszustandes ebensogut aus dem absoluten Gewichte erkennen. Anders liegt die Sache bei den Kindern, die wahrend der Beobachtungszeit wachsen. Der Sliugling H. Ferdinand hat zwischen der 3. und der 16. Woche sein Gewicht von 3, 7 auf 5,25, also um 42 % erhoht, er ist aber in seinem Er-

347

Gelidusi (Pelidisi) nahrungszustande gleich geblieben und hat das Gelidusi von 94 unverandert behalten, weil durch das gleichzeitige Langenwachstum seine Sitzhtihe von 35 auf 40 cm zunahm. Beim Saugling Raimund dagegen erfolgte neben dem allgemeinen Wachstum eine starke relative Vermehrung des Fettpolsters. Von der 3. bis zur 27. Woche nahm seine Sitzhtihe von 35 auf 41 cm zu, sein Gewicht von 3,3 auf 7,2 kg; dies bedeutet ein Vorriicken des Gelidusi um 9 Grade, von 92 auf 101. Aus dem Gewicht allein ktinnte man sich hier gar kein Bild gestalten. Zurn Vergleiche des Ernahrungszustandes verschiedener Individuen kommen nurUnterschiede imGelidusi um mindestens 5Grade inBetracht. Bei gleicher Sitzhtihe ktinnen namlich Variationen in der Lange der Extremitaten, dem Umfange des Stammes und damit dem Gewicht der inneren Organe und (besonders bei Ftiten und Neugeborenen) Verschiedenheiten des Kopfgewichtes, Gewichtsdifferenzen bedingen, die, trotz eines ahnlichen Fettpolsters, mehrere Grade betragen ktinnen. Ein genaueres Studium dieser Bedingungen wird spater auf Grund meines ganzen anthropometrischen Materiales folgen. Ich hoffe, dadurch so weit zu kommen, dall ich aus dem Vergleich der Messungszahlen mit dem Gewicht das Vorhandensein von pleuralen und abdominalen Ergiissen usw. nachweisen kann. Bei Einknickung der Wirbelsaule oder starken Verkriimmungen derselben kann die Sitzhtihe nicht zur Bestimmung des Gelidusi verwendet werden. In solchen Fallen kann der Brustumfang einen gewissen Ersatz bieten. Zurn Zwecke der sta tis ti sch en Erheb ungen ist es zur Bestimmung des Gelidusi nicht ntitig, die Messung der Sitzhtihe und die Gewichtsbestimmung unbekleidet durchzufiihren. W enn die Kinder nur auf der Hose oder auf einem diinnen Rocke sitzen, bedeuten die wenigen Millimeter Stoffdicke fiir die Messung der Sitzhtihe keinen Unterschied; und bei der Gewichtsbestimmung kann leichte Kleidung (ohne Oberkleider und schwere Schuhe) durch Abzug von einem Grade Gelidusi (3 % des Bruttogewichtes) ausgeglichen werden. Berechnung von Gelidusi.



Die Berechnung von v'~l-0-G-ew-ic_h_t_: Sitzhtihe erscheint kompliziert, ist aber mit Hilfe des Rechenschiebers in einem einzigen Akte zu ltisen. Im folgenden ist die Bestimmung von Gelidusi bei einem Gewichte von 10,0 kg und einer Sitzhtihe von 50 cm dargestellt. Sieg 3

4

5

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Streffen.__.__,_~~~~~-z~o~~~-3~0~~-'-l~ t---+---11'---'-.--'---,--'-rn>--'~

Abb. 16. Ablesung von Gelidusi am Rechenschieber.

Zuerst wird der Faden des Steges in der obersten Linie auf die Zahl 1 = 10 kg Gewicht eingestellt, dann der verschiebbare Streifen in seiner unteren Teihmg auf den Faden bei der Zahl 5 (50 cm Sitzhtihe); die Ablesung von Gelidusi erfolgt rechts unten: 93. Ein Gelidusi fiber 100 erscheint links unten. P. Praktische Anwendung. Fiir die Durchfiihrung von Massenuntersuchungen von Schulkindern hat Pirquet handliche Tabellen ausgearbeitet. Wie sich die Pelidisi-Verhaltnisse eines ganzen Landes darstellen, ergibt die nebenstehende Karte von Osterreich aus den J ahren nach dem Kriege. M.

420.000 Kinder untersucht; November 1920 bis Janner 1921.

Die beigefUgten Zahlen geben das Durchschnittspelidisi an.

DURCHSCHNJTTSPELIDJSJ: 92·s

PELIDISIVERHAL TNISSE in OSTERREICH

Abb. 17.

Gelinckbrot-Gemischte Kost Gelinckbrot ist ein nach dem Gelinck' schen Verfahren hergestelltes Brot. Das trocken

gereinigte Korn wird in Wasser eingetaucht, gewaschen, hei.ll aufgebriiht und dann in zerquetschtem Zustande als Ganzes zur Brotbereitung verwendet. Nach einem li.hnlichen Verfahren arbeiten A vedyk-D esgoffe und Simons, in etwas verli.nderter Form auch Schiller und in neuester Zeit Groll. Gelinckbrot und Avedykbrot sind derzeit aus demHandel verschwunden. Die Urteile der Fachleute und der medizinischen Forscher iiber die Ausniitzung aller Vollkornbrote sind aber nicht sehr giinstig. (Vergleiche hiezu R. 0. Neumann: Die im Kriege 1914-1918 verwendeten .... Brote, Brotersatz- und Brotstreckmittel; Springer, 1920.) K. S.-Z.: 5,92195.

Gemischte Kost ist die fiir den gesunden Menschen zutrli.glichste Form der Er-

nli.hrung. Der dem Menschen innewohnende Trieb nach Abwechslung in den Speisen ist nach meiner Meinung geniigend in seiner ganz ursp'riinglichen Omnivorie begriindet. (Siehe ,,Omnivorie".) Diese auch gegenwli.rtig noch bei den meisten Menschen und auch bei vielen Vtilkern ganz allgemein beobachtete Sucht nach einer gewissen Abwechslung in der Kost bildet eine li.ullerst wichtige, natiirliche Regelung fiir eine zweckmli.Jlige Zusammensetzung der Nahrung. Fehlt dieser Trieb oder ist er durch Kultureinfliisse mangelhaft oder einseitig geworden, so konnen verschiedene Schli.den fiir den einzelnen Menschen oder auch fiir ganze Vtilker entstehen. Die natiirliche Nahrungsauswahl bezieht sich auf ganz verschiedene Eigenschaften der Speisen. Wir erwli.hnen hier besonders: Temperatur der Speisen, li.ullere Form, Gehalt an unverdaulichen Schlacken, Zubereitung der Speisen oder Rohgenull, Wiirzung und nicht zuletzt das Verhli.ltnis der verschiedenen N ahrungsbestandteile in der tli.glichen Kost. - Fiir die Beurteilung der W ertigkeit einer gemischten N ahrung ist vor all em das Verhli.ltnis zwischen Eiweill, Fett und Kohlehydraten mallgebend. Pettenkofer und Voit haben aus der in Bayern iiblichen Ernli.hrungsweise fiir den mli.Jlig arbeitenden Mann einen tli.glichen Bedarf von 118 g Eiweill, 56 g Fett und 500 g Kohlehydrate abgeleitet. Andererseits kam Landois zu den Zahlen 130- 84- 404g. Gewill sind diese Zahlen weder nach der einen noch nach der anderen Angabe als feststehend zu betrachten, sondern sie wechseln vielfach nach Beruf, Lebensgewohnheit und Klima; es gibt auf diesem Gebiete keine feststehenden Zahlen; als Fehler ist es zu bezeichnen, wenn man in der Ernli.hrungslehre an den Pettenkofer-Voit sch en Zahlen wie an Standard-Werten festhalten wollte. Dies ist aber leider vielfach geschehen. Pirquet hat in seinem natiirlichen System der Ernli.hrung auch in diesen Ftagen der Forschung einen neuen Weg gewiesen. Durch Vergleich mit unserer ersten und natiirlichsten Ernli.hrung (Frauenmilch) erniedrigt sich vor allem die Eiweiilzahl. Als Mindestwert werden wir zehn Prozent des gesamten Nemwertes in Form von Eiweillnem ansehen. Das Fettminimum ist so gering, dall wir es praktisch vernachlli.ssigen konnen. Auch ein Kohlebydrat-Minimum gibt es; vielleicbt ergibt das Studium der Azetonausscheidung bei Einschrli.nkung der Koblebydrate bier noch einige Klarheit. Auch die erforderlicben Mengenverbli.ltnisse des einen Bestandteiles der N ahrung bei Variation der beiden anderen sind uns noch grolltenteils unbekannt. Eine Ausnahme machen die Beobacbtungen fiber die scblecbte Ausniitzung der Koblebydrate bei mangelnder Eiweilldarreichung in der Tierfiitterung. Moderne Beobacbtungen am Menscben feblen aber nahezu vollkommen. Auch etbnographische Bericbte konnten nacb dieser Riebtung bin verwendet werden; vor allem ab er wli.ren aucb auf diesem Gebiet - ehe der letzte N aturmenscb von der Ertle verschwunden ist - neue Beobachtungen notig. Die Erfahrung lebrt, dall der gesunde Mensch der gemiWigten Lander bei einer gemischten Kost, die eine einseitige Bevorzugung einer der drei Haupt-

350

Gemse bestandteile hintanhalt, sich am besten befindet. Es ist gebrauchlich, die einzelnen, meist von Arzten aufgestellten Diatformen auf das Pettenkofer-Voit sche System der drei Hauptbestandteile zu beziehen. Die verschiedenen Diatformen beruhen auf einer Vermehrung oder Verminderung eines, zweier oder aller drei Nahrungselemente. Hiezu kommen noch die Diatformen, bei denen ein oder zwei Elemente ganz ausgeschaltet werden. Schlieillich kann au ch die W assereinfuhr verringert oder vermehrt werden. Einzelheiten siehe unter den Schlagworten: ,,Durst k u re n", ,,E iw e iil- Fett-Dia t", ,,Fettdiat", ,,Kohlehydratdiat", ,,Diabetesdiat". M.

Gemse (Rupicapra rupicapra Pall.) gehort zu den Wiederkauern; sie ist der einzige

Vertreter der Antilopen in den europaischen Gebirgen. Das von den Jagern auf das Hochste geschatzte Gamswild lebt im Hochgebirge, und zwar in den Alpen, auf den Pyrenaen, im Apennin, in den Abruzzen, zentralen Karpathen, im Kaukasus, doch auch in Griechenland und Nordafrika. In den Alpen nahrt sich die Gemse im Sommer auf den an der Schneegrenze gelegenen Alpenwiesen. Im Herbst und im Winter bezieht die Gemse die tiefer gelegenen Alpenweiden und sucht sogar in den Bergwaldern Schutz. Je nach dem Standorte unterscheidet man an manchen Orten die tieferstehende ,,Waldgams" von der ,,Latschen-", ,,Zundern-", ,,Kees-" und ,,Steingams". Doch muil betont werden, dail das Gamswild eben wegen seiner so hoch gelegenen Standorte einen eigentlichen Flurschaden kaum :mrichten kann. - Im 17. J ahrhundert scheinen die Gem sen in den mitteleuropaischen Alpen viel "Seltener gewesen zu sein als heutzutage. Erst im 18. Jahrhundert beginnt namentlich in den oberbayrischen Gebirgen eine auffallende Vermehrung, die auch an anderen Orten bis in die neueste Zeit anhalt. Der Grund hieftir ist die Ausrottung des Raubwildes. Die Gemsen haben tiberdies au ch vi el weniger an N ahrungsnot zu lei den als an deres Wild. Sie finden sogar zur kalten Jahreszeit an steilen, schneefreien (,,aperen") Bandern noch immer A.sung, wahrend Rehe und Hirsche in den tieferen Lagen im Winter viel groileren Mangel leiden. Eine eigentliche Winterftitterung ist auch nirgends tiblich. Hochstens versucht man Salzlecken (,,Sulzen") anzulegen, da die Gemse Kochsalz auilerordentlich liebt. Das Gamswild hat seine ,,Feistzeit" im Herbste (Oktober, Anfang November); zu dieser Zeit ist das Wildpret auch am besten. Besonders ist das Fleisch der jungen Tiere wohlschmeckend, steht jedoch dem Rehfleische bei weitem nach. Das Fleisch der alteren Tiere soll man vor der Zubereitung durch Hi.ngere Zeit einbeizen; besonders zah ist das Wildpret der alten Gamsbocke. Auch hat der Bock besonders zur Brunftzeit (November) einen starken, widerlichstiilen, moschusahnlichen Geruch, der von einer hinter den Krickeln gelegenen, zur Brunft stark anschwellenden Riechdrtise (,,Brunftfeige") stammt. Von Erkrankungen des Gamswildes erwahnen wir: die Lungenwurmseuche, die Drehkrankheit, Leberegel, Klauenseuche, die Gemsraude, welche namentlich in der Nahe von Schafalmen beobachtet wird und in allerletzter Zeit den Hestand der Gemsen in den Alpen stark gefahrdet, sowie schlieillich eine als ,,Ruhr" bezeichnete Darmkrankheit, die beim Dbergang zur Frtihlingsasung auftritt. Gemsenmilch soll im Geschmack der Ziegenmilch gleichen, Gemsenfett (Gemstalg) verhalt sich wie Ziegentalg. M. Gemse: Geschichtliches nnd Sprachliches. Die Gemse war in der Dilnvialzeit anch nordlich der Donau noch weiter verbreitet. Doch kannten sie die Germanen in ihrer iilteren Heimat nicht mehr und lernten sie erst bei ihrem Vordringen in die Alpen kennen. Ahd. gamiza, gamnz, mhd. gemeze, gamz ist ans einem alpinen Wort entlehnt, ans dem anch ein Iateinisches camox nnd weiter ital. camozza, frz. chamois, span. gamnza geflossen ist. Bei jenem camox ist vielleicht an Verwandtschaft mit griech. icsµa> zn denken. Mch. S.-Z.: 2,416. Gemsenfett (Talg), S.-Z.: 4,27; Gemsenmilch, S.-Z.: 1,26. K.

Gemiise Gemiise. Man versteht darunter die verschiedensten Teile meist geziichteter Pflanzen, die teils roh, nieist aber zubereitet und gekocht zur Bereitung von Speisen (Mus; davon der Name Gemiise) verwendet werden. Der Gemiisebau ist uralt und wurde schon vor dem Getreidebau auf dem ,,Hackfelde" betrieben. Jiinger als das Hackfeld ist der Gemiisegarten, der innerhalb eines eingefriedeten Pflanzenlandes, in unmittelbarer Nii.he des Hauses, die notwendigen Nli.hrpflanzen beherbergte. Die Pfahlbauern an den Ufern der Schweizer Seen haben schon vor ungefahr 4000 J ahren kleinki:irnige Erbsen, Pastinak und Mohrriiben gepflanzt. Aus der Bronzezeit ist uns der Anbau einer kleinki:irnigen Erbse, die zu Beginn der Eisenzeit au ch in N orddeutschland gebaut wurde, bekannt; spater kam noch die Saubohne hiezu. Vom Gemiisebau des Altertums wissen wir nicht allzuviel. Cato (,,de re rustica") nennt uns einige Gemiisesorten und riihmt besonders eine eigene Kohlart. Aus dem bukolischen Gedichte Ver g il s (moretum, Mi:irsergericlit) kennen wir den Bestand des Gemiisegartens eines einfachen, ri:imischen Landmannes aus der Zeit des Augustus. Vergil nennt die folgenden Sorten: Kohl, Mangold, Ampfer, Malven, Alant, Mi:ihren, Lauch, Mohn, Salat, Rettich und Kiirbis. Ein griechischer Schriftsteller unbekannten Namens beschreibt in der Geopontika (um das Jahr 912 n. Chr.) die Bearbeitung und Beurteilung des Gartenbodens, die Bewasserung der Pflanzen und die Diingung. Die in diesem Buche niedergelegten Erfahrungen entsprechen etwa den nicht schulmli.J3ig beeinflu13ten Kenntnissen und Anschauungen unserer Gartner und sind im allgemeinen ganz richtig. Im friihen Mittelalter trugen namentlich die ,,rodenden Mi:inche" (Benediktiner- und spater Zisterzienserorden) sehr viel zur Verbreitung des Gemiisebaues bei. Die Mi:inche waren schon wegen der Ordensvorschriften auf Pflanzenkost und damit auf den Gemiisebau angewiesen. Das karolingische ,,Gapitulare de villis" schrieb schon im 9. Jahrhundert (um 812) genau vor, welche Pflanzen auf den ,,Hofgli.rten" zu bauen sind. In den Verzeichnissen der beiden Hofgiiter Asnapium und Treola finden wir z. B. die folgenden Gemiisesorten als vorhanden aufgezahlt: Kohl, Mohrriiben, Saubohnen, Kohlrabi, Zwiebeln, Knoblauch, Schnittlauch, Petersilie, Kerbelkraut, Melde, Bohnenkraut, Dillenkraut, Garten- und Wiesenktimmel, Koriander, Thymian, Minze, Fenchel, Kresse, Lattich, Endivie, Erbsen, Melonen, Gurken, Koloquinten, Mohn, Sellerie, Senf, Anis, Rosmarin, Salbei, Liebsti:ickel, Meisterwurz und noch eine Reihe von Heilpflanzen. Im nachstehenden folgt eine kurze allgemeine Dbersicht Uber die wichtigsten Gemiisesorten. Einzelheiten und seltenere Gemiisesorten sind nicht hier, sondern unter den verschiedenen Schlagworten abgehandelt. - In unserer Einteilung der Gemiise in Wurzel-, Zwiebel-, Stengel- und Sproilgemiise, in Blatt-, Bliiten-, Frucht- und Samengemiise folgen wir in ganz natiirlicher Weise den einzelnen Pflanzenteilen von unten nach oben. ·

1. Wurzelgemiise sind durch die Kultur vergriiBerte oder fleischig gewordene unterirdische Pflanzenteile; meist handelt es sich um Hauptwurzeln, seltener kommenKnollen oderWurzelstiicke in Betracht. Gelbe Ruben oder Miihren. Die feinste Sorte heiBt Karotten. Die gelben Ruben mussen eine schiine, rotgelbe Farbe haben. Die Karotte soil kurz, dick, fast rundlich sein; der Geruch der angeschnittenen gelben Rube sei ebenso wie der Geschmack etwas suBlich. Faule, unscheinbare oder oberfliichlich von Pilzrasen iiberzogene gelbe Ruben sind zu beanstiinden. In den meisten Fallen handelt es sich um eine Pilzerkrankung der gelben Rube. Eine andere wichtige Erkrankung der gelben Rube ist die BakteriennaBfaule, die in ihren Erscheinungen der Kartoffelkrankheit viillig gleicht. Pastinak ist eine einfache oder wenig iistige, einkiipfige Pfahlwurzel, an der Oberfliiche gelbbriiunlich, im Innern weiBlich gefiirbt. Zeller, Sellerie ist der knolleniihnliche, halbkugelige Wurzelstock der gleichnamigen Pflanze. Im Innern ist die Sellerie weiB, schwammig-fleischig, oft hob!. Der Geruch ist eigentumlich wiirzig, der Geschmack wiirzig siiBlich. Die Zellerknollen sind sehr hiiufig von der BakteriennaBfiiule befallen. AuBer dem Knollenzeller gibt es auch noch einen Stengel- oder Bleichzeller, dessen Stengel und Blatteile als Gemuse dienen.

Gemiise Petersilienwurzel (siehe noch unter ,,Gewtirze") ist eine meist einfache, an der Oberfliiche gelblichweill, im Innern weill gefiirbte Pfahlwurzel. Der Geruch ist angenehm wiirzig. Kerbelriibe, aus Sibirien stammend, ist eine einkopfige Hauptwurzel, die ein wohlschmeckendes Gemiise gibt. Rote R ii be, auch Runkelriibe genannt, hat eine di eke, oft sehr umfangreiche, kugelige oder manchesmal mehr in die Lange gehende Hauptwurzel. Die ,,roten" Riiben sind dunkelblutrot bis schwarzrot gefiirbt, seltener gelb und weiB; gute Ware darf nicht zu alt sein, soll fleischig, saftig und siiB sein. Die roten Riiben enthalten zwei Farbstoffe, einen roten und einen gelben. Der rote Farbstoff geht mit der Zeit und auch unter Temperatureinfliissen in den gelben iiber. Radieschen (siehe unter Gewiirzen). Es gibt sehr viele verschiedene Kulturformen. Alle Retticharien benotigen eine gute, in alter Dungkraft stehende Garienerde; am besten ist die Friihlingsware aus Treibbeeten. WeiBe Riibe, auch Wasserriibe genannt, hat eine durch die Kultur oft sehr umfangreiche Hauptwurzel; der Geruch und der Geschmack ist schwach rettigariig. Kohlriibe oder Steckriibe besitzen eine dicke, riibenformige Hauptwurzel, die im Innern meist gelblich und sehr fleischig ist. Der Geschmack ist milde, siiBlich, Kren (siehe unter Gewiirze). Rapunzel hat eine einfache einjiihrige Hauptwurzel, die an der Oberfliiche meist blutrot, im Innern weill gefiirbt ist. Die kultivierie Wurzel ist fleischig mit siiBlichem Geschmack; sie wird als Salat und als Gemiise verwendet. Schwarzwurzel hat eine lange und dicke, einkopfige Pfahlwurzel; die einjiihrige Wurzel ist kleiner und zarier; die zweijiihrige Wurzel erreicht im tiefgelockerten, gut gediingten Grunde eine oft ansehnliche GroBe und Dicke. Die Oberfliiche ist dunkelbraun, das Innere ist fleischig, weiB und reich an einem weiBen, rahmariigen Milchsaft; beim Ausgraben der Wurzel sollen Verletzungen nach Tunlichkeit vermieden werden, da mit dem Verluste des Mi)chsaftes der Wohlgeschmack der Wurzel leidet. Japanische Kartoffeln sind Knollen einer kultivierten Stachysart; sie sind 10-12 mm dick, 2-5 cm lang und durch tiefe Einschniirungen in eine Anzahl scheibenfOrmiger, wie gedrechselter Glieder abgeteilt. Die fleischigen, saftigen Knollen werden wie Karioffeln genossen. Topinambur sind die Knollen einer Sonnenblumenart; sie werden wie Kartoffeln genossen underinnern im Geschmack an Schwarzwurzeln. Kartoffel ist im botanischen Sinne als Wurzelgemiise zu bezeichnen. Wegen ihres hohen Nemwertes ist d.ie Kartoffel das wichtigste Wurzelgemiise; diiitisch und nach dem Niihrwerte bildet die Karioffeln eine eigene Gruppe (siehe Seite 356). Man unterscheidet nach der Form, GroBe, Farbe des Innern und nach der Konsistenz (gekocht: mehlig, speckig, wiisserig) sehr zahlreiche (iiber 900) Spielarien. Fiir den Wiener Markt waren hauptsiichlich die bohmischen, ungarischen, galizischen und die Karioffeln vom Marchfelde von Bedeutung. Die friihesten und teuersten Kartoffeln kamen aus Malta und aus Italien. Die Spiitsorten wurden vor dem Krieg aus Deutschland und RuB!and nach Wien eingefiihrt. Die Kennzeichen einer guten Kartoffel sind folgende: Die Schale ist prall, entsprechend dick und zeigt feine, runzelige Vertiefungen. Wenn die Karioffel zu friih aus dem Boden genommen wurde, so hat sie eine Schale, die diinn, leicht verletzbar und stellenweise schilferig ist; die Schale nicht aw;gereifter Knollen ist fleckenweise auch noch griinlich gefiirbt. Nicht ausgereifte Karioffeln (,,Kindergift") diirfen nicht verkauft werden. Das Kartoffelgift(Solanin) ist am reichlichsten in den Trieben der Knollen und in der Schale der ausgetriebenen Kartoffeln enthalten. In lichten Riiumen aufbewahrte Kartoffeln enthalten mehr Solanin als im Dunkeln eingekellerie. Wenn man eine rohe Kartoffel auseinanderschneidet und die Schnittfliichen aneinander reibt, so bildet sich bei einer guten, mehligen Karioffel ein leichter Schaum und beide Hiilften bleiben aneinander kleben. Bei unreifen Kartoffeln fallen die beiden Hiilften auseinander.-Gefrorene Kartoffeln schmecken nach dem Kochen siiB; sie sind als minderwertig zu betrachten. Gefrorene Kartoffeln erkennt man beim Einkaufe daran, daB sie beim Aufschiitten auf den Boden wie Steine klappern. Auch auf feuchte Steine gelagerte Karto!feln bekommen mit der Zeit einen siiBen Gescbmack, wobei sie hart und glasig werden. Rotliche Kartoffeln bekommen beim Kochen die schonste weiBe Farbe, dann kommen die bliiulichen Sorten; weiBe Kartoffeln werden nach dem Kochen meistens gelb. Kartoffeln mit "ganz glatter Schale eignen sich weniger gut zum Kochen; ebensowenig taugen Kartoffeln mit pockiger Schale oder solche mit buntscheckigem Inneren zum Kochen. -Obrigens gehen die Urteile iiber den besseren oder schlechteren Geschmack der verschiedenen Sorten sehr auseinander. Die Knollen werden von vielen Krankheiten, die den Wert als Speisekartoffel sehr beeintriichtigen, befallen. Meist sind es Pilzkrankheiten oder bakterielle Erkrankungen. Der ,,Krebs" zeigt blumenkohlartige Wucherungen an den Knospen (Augen) der Knollen. Schalenkrankheiten entstehen durch Wachstumsstorungen oder Gewalteinwirkungen; die durch Parasiten hervorgerufenen Schalenkrankheiten heiBt man Schorfkrankheiten. Die Kartoffelfiiule, von der man eine trockene und eine nasse Form unterscheidet, wird durch verschiedene Erreger verursacht. Andere Kartoffelfehler sind noch die sogenannte Eisenfleckigkeit, die Pfropfenkrankheit und die Schwarzfleckigkeit. Die Ursache dieser sogenannten inneren Kartoffelkrankheiten sind tins noch nicht vollkommen bekannt. Im Fleische bemerkt man manchesmal noch Locher und FraBgiinge von verschiedenen Insekten. Zuweilen treten an der Karioffel auch Nematoden oder Milben als Schiidlinge auf. - Heurige (neue) Kartoffeln werden in betriigerischer Absicht oft durch Ausstechen aus alten Kartoffeln und nachtriigliches Wiilzen in Erde hergestellt. Der Unterschied ist nach dem Abwaschen der Erde leicht zu erkennen. Ernahrungs-Lexikon

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Gemiise 2. Zwiebelgemiise sind bei den Gewiirzen (siehe dort) kurz besprochen worden. Die Zwiebelgewachse zeigen bei der Aufbewahrung mitunter Faulnis. Bakterien rufen zuweilen eine Na.Bfliule hervor, die jener der Kartoffeln entspricht. Auch der Pilz Botrytis cinerea beflillt die Zwiebeln, wobei zunachst kleine, miBfarbige, einsinkende Stellen sich bilden, die spater die ganze Zwiebel durchsetzen. Unter den aulleren, zusarnmentrocknenden Bliittern entstehen gruppenweise kleine, schwarzgeflirbte Sklerotien. Die befallenen sind von den gesunden Zwiebeln zu trennen, darnit die Krankheit nicht auf den ganzen Vorrat sich erstrecke. 3. Stengel- und SproBgemiise bestehen aus Stengelteilen, welche durch die Kultur fleischig und saftig geworden sind; ebenso gehoren die jungen Sprosse und Triebe hierher. Kohlrabi, nicht zu verwechseln mit Kohlriibe, besitzt einen knollig oder kugelig aufgetriebenen Hauptstengel. An diesem Knollen sitzen die gestielten, breit entspringenden Blatter. Guter Kohlrabi mull zart und nicht iiber Mittelgrolle sein. Beim Fingerdruck mull der Kohlrabi elastisch erscheinen. Harte oder gar holzige Stucke sind in der Kiiche nicht zu verwenden. Geplatzte, unregelmallig geformte· oder rissige Knollen sind minderwertig. Von Krankheiten, die den Kohlrabi fiir den menschlichen Genull ungeeignet werden lassen, erwahnen wir mehrere. Es tritt eine Ari Na.Bfliule ein, die entweder nur kleine Flecken hervorbringt oder auch tiefgreifende Zerstorungen verursacht. Auch eine Gefii.Jlbakteriose ist bekannt, wobei die Blattrippen der Blatter und auch die Gefallbiindel der Knollen sich. schwarz verfarben. Die Bliitter vergilben dann und trocknen aus. Am bekanntesten ist die Pilzkrankheit der sogenannten Kohlhernie. Ant Kohlrabi, aber auch iln Kohlriiben und anderem Wurzelgemiise entstehen Geschwiilste (Hernien) von oft erstaunlicher Grolle. In den Zellen der Neubildrmg sind die Plasmodien oder die Sporen des Parasiten enthalten. - An der Marktware ist die Wurzel meist abgeschnitten; die fleischigen Blatter lallt man stehen, da sie zum Gemiise verwendet werden konnen. Spargel ist der junge, durch Lichtabschlull gebleichte Stengelsproll der ausdauernden Spargelpflanze. Die besten Sorien sind weill, mitteldick und nicht zu Jang gestochen. Keinesfalls sind die ,,Riesenspargel" auch die besten Sorten. Die Spargelkopfe sollen weill und nur spurenweise griinlich sein, mit noch fest anliegenden Schuppen. Die Schnittflache am unteren Ende sei frisch, keinesfalls aber trocken oder rot und braun gefiirbt. Da abgeschnittener Spargel schon nach kurzem Aufbewahren als Altware sehr leicht kenntlich·wird, iiben die Handler die Gepflogenheit, den abgeschnittenen Spargel unter Wasser aufzubewahren. Gewasserter Spargel verlieri nicht allein seine beste Wiirze, sondern biillt auch eine merkliche Menge an Nahrstoffen (stickstoffhliltige und anorganische Verbindungen) ein. Hopfensprossen(,,Hopfenspargel" oder auch ,,Hopfenstangen" genannt), we\-den in manchen Hopfenbau treibenden Gegenden als Salat verzehrt. Zu den Sprollgemiisen mull man auch die im jungen Zustande verzehrten Vegetationskegel der verschiedenen Palmenarten (siehe ,,Palmkohl") rechnen; auch die jungen Bambusscholllinge, welche in den Tropen als Gemiise verwendet werden, gehoren hierher. {Siehe unter ,,Bambus".) 4. Blatt.gemiise wird entweder gekocht als eigentliches Gemiise {Kohl, Spinat, Kochsalat, Kraut usw.) oder ungekocht und nur mit Geschmackszutaten als Salat zubereitet. Kohlgemiise. Die wichtigsten Sorten sind: Blattkohl, Griinkohl und Winterkohl. Es sind gezogene Gartnerspielarten mit verli\ngerten Stengeln und flach ausgebreiteten, nicht zu einem eigentlichen Kopf zusarnmengeschlossenen, breiten, grob gerippten Blattern. Eine Spielari des Blattkohls ist der Blau- oder Braunkohl mit rotbraunen, violett- oder griinbraunen, straullfederartig zerschlissenen, dicht gekrausten oder auch blasig runzeligen Blattern. Griinkohl und Braunkohl ist frosthart; diese beiden Sorien sind sogar nach den ersten Frosten zarter; die kleinbliittrigen Kohlsorten sind besser als der Riesenkohl. Kohlsorien aller Art werden. durch Bakterien geschadigt. Solche Krankheiten sind die Nallfliule und eine Gefii.Jlbakteriose, bei welcher die Blatter vergilben und vertrocknen. Wirsingkohl, ,,Kelch", Kapusten. Die lockeren Blatter erscheinen zu einem eirunden, li\nglichen oder fast kugeligen Kopfe gehauft. Spater werden die Bliitter wieder lockerer, stehen ab und sind blaslg runzelig, triibgriin. Kraut, Kopfkohl. Der Stengel ist verkiirzt, die Blatter sind breit, kreisrund oder eirund, glatt, gebogen und zu einem meist kugeligen, festen Kopfe (,,Happel" = Hauptel) dicht zusarnmengeschlossen. Nach der Farbe unterscheidet man zwischen Weillkraut und Rotkraut. Kraut wird zerschnitten, mit allerlei Zutaten versetzt und einer saueren Gahrung unterzogen {Sauerkraut). Sprossenkohl, Rosenkohl, mit langem Strunke; aus den Blattachseln entspringen kugelige, geschlossene Knospen, die winterhari sind. Geruch und Geschmack dieses leicht bekommlichen Gemiises ist kohlartig. Spinat hat mehrere Formen. Der echte Spinat soil zarie, aber doch voll entwickelte, fleischige, intensiv griine Blatter mit noch weichen jungen Stielen und Blattnerven besitzen. Handelsware mit welken, gelben, bleichen oder gelbgerandeten Blattern, ebenso Spinatbliitter von Pflanzen, die bereits in Bliite iibergegangen sind, weise man zuriick. Neben dem echten Spinat gewinnt man ein sehr gutes Spinatgemiise vom Mangold, vom sogenannten Neuseeliinder Spinat und vom perennierenden Spinat. In der Not der Kriegsjahre wurden neben den erwahnten Spinatpflanzen noch allerlei andere Bliitter als Spinatersatz empfohlen. Da diese Pflanzen nicht auf gediingtem und gelockertem Boden wachsen, kann man zu diesem sogenannten ,,Wildspinat" nur die Blatter und Sprossen der Friihlingspflanzen verwenden. Ein Hanpterfordernis fiir den Wildspinat ist, dal3 er nicht von giftigen, ekelerregend riechen-· den oder irgendwie schlecht schmeckenden Pflanzen genommen ist. Frischheit und Zartheit der Blatter

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Gemiise ist auch von dieser Handelsware zu verlangen. Von den am meisten gebriiuchlichen Spinatersiitzen erwiihnen wir den wohlschmeckenden und bekiimmlichen Brennesselspinat, den Biirenlauch (siehe dort) und das Scharbockskraut, oder auch Feigwurzspinat genannt. Der Zusatz verschiedener Rubenblatter zum echten Sinat ist unzulassig und darf nur nach _Deklaration erfolgen. Salatgemuse, Hauptelsalat mit vielen Spielarten. Beim sogenannten Kopfsalat schlieilen sich die Blatter zu einem kugeligen Kopfe zusammen; beim Bundsalat sind die BHitter zu einer lockeren Rosette vereinigt. Salat son frisch, nicht welk sein, das Innere (,,Herzel'') zarte, gelbgebleichte Blatter zeigen. Die Rippen und Blattnerven auch der iiuileren grunen Blatter seien zart. Ware mit Schneckenfraf3 oder anderen Fra13giingen ist minderwertig. Folgende Pflanzen durfen unter ihrem Namen als Blattsalat verkauft werden: Endivie (Radicio), Wegwart (Zichorie), Gartenlattich mit seinen verschiedenen Spielarten, Feldsalat, auch Viigerlsalat oder Rapunzelsalat genannt, Brunnenkresse, Loffelkraut, Liiwenzahn, Portulak, Ehrenpreis, Boretsch und Kapuzinerkresse. Rhabarher(entstanden aus einer Apothekerabkurzung: R. =radix, ha.= herba, barber= Barberae = R. ha. barber.) Die Blattstiele des offizinenen Rhabarbers; sie sind von, verschiedener Starke, halbrund, grun, teilweise gegen das untere Ende riitlich und meist mit zahlreichen kleinen, roten Punktchen gezeichnet. Sie werden als Gemuse verwendet oder auch zu einem abflihrenden Kompot eingekocht. Gewurzgemuse. Man rechnet hiezu die Kriiuter von Petersi!ie, Estragon, Dill, Kerbel, Schnittlauch, Knoblauch, Kopflauch (Porree) usw. 5. Bliitengemiise sind durch die Kultur veriinderte, fleischig gewordene Blutenstiinde einiger Pflanzen. Die Blliten wildwachsender Pflanzen wie Veilchen werden nur hie und da als Krauterzutat verwendet und kommen als eigentliche Gemuse nicht in Betracht. Artischocken sind die unentfalteten Bllitenkiirbchen der eilbaren Artischocke. Sie sind faustgroil und bestehen ans dem fleischig gewordenen Bllitenboden und dem unteren fleischigen Teile der sonst zahen Hunblatter. Der Geschmack ist spargelartig. Es gibt eine grof3e Anzahl von Giirtnerspielarten. Der Genuil von blaugrun gefiirbten Artischocken kann Vergiftungen hervorrufen. Die Vergiftung wird auf einen Bazillus zuriickgeflihrt, der gemeinsam mit dem Kolibazillus die Artischocken befiillt und auch die erwiihnte Farbenveranderung hervorbringt. Die Artischocken sollen, da sie ein sehr guter Niihrboden fur Bakterien sind, sofort nach dem Kochen gegessen werden. Blumenkohl, Karfiol ist der unentwickelte, durch dle Kultur veriinderte, fleischig gewordene Bllitenstand einer Kohlart. Dieses Gemuse ist sehr bekommlich; Geruch und Geschmack sind kohlartig. Der Karfiolkopf soil fest geschlossen, nicht grunlich, sondern schneeweif3 sein. Im Inneren darf der Karfiol nicht faul sein, er son keinerlei Fraf3giinge von Insekten oder Schnecken zeigen. 6. Frucht- und Samengemiise. Grune Bohnen sind die unreifen, grunen Fruchte von den vielen Spielarten der Bolmenpflanzen. Man kaufe sie im frischen Zustande, da sie bald nach dem Pflucken verkocht werden sollen. Grune Bohnen mus sen zart sein und sich leicht brechen !assen; die Bruchflache sei saftig und weise nurwenig Fasern auf. Grune Erbsen sind die grunen Samen mehrerer Spielarten der Gartenerbse. Von der Zuckererbse und der Sichelerbse werden auch die Hlilsen als Gemiise beniitzt. Die Zuckererbsen miissen noch frisch, jung und saftig sein; die Hiilsen einer guten \Vare sind frisch grun, prall (keineswegs welk) und innen besetzt mit dicht aneinander gereihten Erbsen, die nicht hart, sondern weich sein sollen und einen suilen Geschmack besitzen mussen. Gurken sind die unreifen, noch grunen Beerenfruchte der Gurkenpflanze. Salatgurken sollen erst halbentwickelt sein und nur wenig Samen besitzen. Salzgurken und namentlich Senf- oder Zuckergurken kiinnen schon weiter entwickelt sein und diirfen sogar eine schon gebliche Schale zeigen. Bitter

schmeckende Gurken werden nicht verwendet.

Kiirbis ist eine oft sehr groil werdende, sehr wiisserige Frucht von verschiedenen Spielarten der Kiirbispflanze. Paradeisapfel siehe unter ,,Gewiirz". Melanzani heif3t man die Friichte der Eierpflanze, eines in Sudeuropa gedeihenden Nachtschattengewiichses. Diese Fruchte sind eifi:irmig, weif3; oder gurkeniihnlich und violett gefiirbt oder mehr rundlich, gelb bis rot. Eine eigene Spielart hat weif3e, vollkommen eieriihnliche Fruchte. Die :\Ielanzani Iiefern ein wohlschmeckendes, nahrhaftes Gemuse, das aber nur im Suden gut gedeiht. Die zuweilen bei uns gezogenen Melanzani sind wenig schmackhaft. Einzelheiten siehe noch unter den betreffenden Schlagworten.

Ein Kennzeichen guten Gemiises ist die Frische; welkes Gemiise, Blattgemiise mit gelben oder matschen BHi.ttern weise man zuriick. Hier soll noch die Tatsache eri:irtert werden, dail Wurzel- und Blattgemiise auch durch eine fehlerhafte Zusammensetzung des Bodens minderwertig, wenig haltbar oder auch ganz unbrauchbar werden kann. Gemiise aus Moorbi:iden oder von Rieselfeldern pflegt an Wasser und an Amiden und Aminosauren reicher zu sein. Solche Gemiisepflanzen faulen aber leicht, wie auch die Gemiisesorten von den mit viel Kunstdiinger (Chilisalpeter) versetzten Boden. Das gleiche gilt von den Pflanzen aus Garten und Ackern, die mit Stallmist iiberdiingt worden sind. Solche Pflanzen schieilen ,,ins Kraut" und ,,vergeilen". Manche Gemiisesorten vertragen iiber-

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Gemiise haupt keinen frischgediingten Boden und werden darin von allerlei Krankheiten befallen. So werden Petersilienwurzel und gelbe Riiben in mit frischem Stallmist gediingten Boden leicht brandig oder rostig. - Die dem Gemiise anhaftende Erde kann mancherlei Krankheitskeime beherbergen. Dies gilt besonders vom Gemiise aus Rieselfeldern. Krankheitserreger konnen auch in verletzte Wurzel und Knollen eindringen. Durch Gefrieren werden die meisten Gemiisesorten, ausgenommen gewisse frostharte Gemiise, ungenieilbar. Jahreszeit und Alter sind von groilem Einfluil auf die Giite der Ware. In geringer Menge konnen auch einige giftige Metalle (Kupfer, Blei, Zink) aus dem Gartenboden in das Gemiise gelangen, wenn die Gartenerde mit Kompost, in dem Stucke von Zink-, Blei- oder Kupfergeraten sich befinden, gediingt worden ist. Erheblich werden diese Mengen in jenen seltenen Fallen, in denen der Boden schon von Natur aus zhikhaltig ist. Beurteilung der Gemiise im Nemsystem. Die Gemiise besitzen von all en i m Nat u r z us tan de befindlichen N ahrungsmitteln den geringsten Nahrwert, sie stehen am unteren Ende der Pirquetschen Nahrwerttafel. Die wortgewandten franzosischen Gastronomen des 18. und 19. Jahrhunderts schrieben bemerkenswerterweise, dail die Gemiise mehr zum Ausputzen der Zahne und zur Reinigung des Mundes, denn als hungerstillende Nahrung geeignet sind. - Am hochsten im Nahrwert stehen die mehl- und zuckerhaltigen Wurzel- und Knollengemiise. Gute Kartoffeln besitzen einen Nemwert von 1,25 ( 5 / 4). Denselben Nahrwert (1,25) weisen noch die mehr in den warm en Gegenden als bei uns verwendeten Bataten. In die Grupp e de r G 1e i ch nahrung zahlen: Topinambur, griine Zuckererbsen und Zuckerriiben, Krenwurzel (Meerrettig), Stachysknollen (,,japanische Kartoffel") und andere seltenere Knollen. Die Zwiebelgewachse (auch Schalotten) sind einer Halbnahrung gleichzusetzen, ebenso Schnittbohnen und die,