Lessings Huarte-Übersetzung (1752): Die Rezeption und Wirkungsgeschichte des "Examen de ingenios para las ciencias" (1575) in Deutschland 9783111389189, 9783111027388

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Lessings Huarte-Übersetzung (1752): Die Rezeption und Wirkungsgeschichte des "Examen de ingenios para las ciencias" (1575) in Deutschland
 9783111389189, 9783111027388

Table of contents :
Vorwort
Einführung
I. Kritischer Forschungsbericht über den Hispanismus Lessings
II. Juan Huarte de San Juan, sein Werk und seine Zeit
III. Huartes Aufnahme in Deutschland vor Lessing
1) Meßkataloge, Possevino-Kritik 1610
2) Joachim Caesars Scrutinium Ingeniorum von 1622
3) Spuren in den Sprachgesellschaften, in pädagogisch-philosophisch- psychologischen Traktaten und bei den Enzyklopädisten
IV. Lessings Prüfung der Köpfe und ihre geisteswissenschaftliche Stellung
1) Die Spanischstudien in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und der geistige Boden für das Examen de Ingenios
2) Lessings Berührungen mit der Kultur der iberischen Halbinsel bis zur Huarte-Übersetzung
3) Die Übersetzung
a) Umstände, Ort und Zeit der Entstehung
b) Vorstudien
c) Zeitgenössische Übersetzungstechnik in ihrem Verhältnis zu Theorie und Praxis bei Lessing
d) Aussagewert von Titel und Vorwort
e) Stilvergleich
f) Würdigungen und Urteile der Zeitgenossen
V. Einfluß im 18. Jahrhundert
1) Theoretische Anregungen für die Geniediskussion: Flögel, Herder, Heinse, Lavater, Garve u. a
2) Die zweite Auflage von J. J. Ebert
a) Literarhistorischer Bericht
b) Sprachliche Revision
c) Wandel des Huarte-Bildes
VI. Wirkung im 19. Jahrhundert
1) Pädagogische Schulschriften
2) Schopenhauers Interesse für den Spanier
VII. Huarte-Forschung im 20. Jahrhundert
1) Beiträge der Pädagogik, Medizin und Psychologie, Philosophie und Kulturgeschichte
2) Das Examen de Ingenios und seine wechselvolle Konzeption im Lauf der Jahrhunderte
VIII. Anhang
A) Gesamtabriß der Spanischstudien Lessings
B) Übersichtstafeln
1) Hispanismus Lessings
2) Verzeichnis der Huarte-Ausgaben
3) Bibliographie des Examen de Ingenios in den Bibliotheken deutschen Sprachgebiets (Deutschland, Österreich, Schweiz)
Quellen- und Sigelverzeichnis
Namenregister

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HAMBURGER ROMANISTISCHE STUDIEN Herausgegeben vom Romanischen Seminar der Universität Hamburg

B. IBERO-AMERIKANISCHE REIHE (Fortsetzung der „Ibero-amerikanischen Studien") Herausgegeben von Rudolf Grossmann und Hans Flasche Band 29

MARTIN F R A N Z B A C H

L E S S I N G S H U A R T E - Ü B E R S E T Z U N G (1752) Die Rezeption und Wirkungsgeschichte des »Examen de Ingenios para las Ciencias« (1575) in Deutschland

KOMMISSIONSVERLAG: CRAM, DE GRUYTER & CO. HAMBURG 1965

Alle Redite vorbehalten Printed in Germany Druck von Ludwig Appel, Hamburg

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Fueron dignos algunos de mejor siglo,... Pero lleva una ventaja lo sabio, que es eterno, y si éste no es su siglo, muchos otros lo serán. Gracián, Oráculo Manual, 20. Maxime

INHALT

Vorwort

9

Einführung I. II. III.

11

Kritischer Forschungsbericht über den Hispanismus Lessings

13

Juan Huarte de San Juan, sein Werk und seine Zeit

19

Huartes Aufnahme in Deutschland vor Lessing 1) Meßkataloge, Possevino-Kritik 1610 2) Joachim Caesars Scrutinium Ingeniorum

27 von 1622

3) Spuren in den Sprachgesellschaften, in pädagogisch-philosophischpsychologischen Traktaten und bei den Enzyklopädisten IV.

31 45

Lessings Priilung der Köpfe und ihre geisteswissenschaftliche Stellung 1) Die Spanischstudien in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und der geistige Boden für das Examen de Ingenios

57

2) Lessings Berührungen mit der Kultur der iberischen Halbinsel bis zur Huarte-Übersetzung

61

3) Die Ubersetzung 1752 a) Umstände, Ort und Zeit der Entstehung

68

b) Vorstudien c) Zeitgenössische Ubersetzungstechnik in ihrem Verhältnis zu Theorie und Praxis bei Lessing

70

d) Aussagewert von Titel und Vorwort

79

e) Stilvergleich ea) Die Periode eb) Gedankentreue — Originalnähe ec) Emphase — Variation ed) Stilebenen — Wortschatz ee) Quellenzitate ef) Fehler und Versehen eg) Benutzung anderer Ubersetzungen eh) Europäischer Vergleich ei) Synthese

89

f) Würdigungen und Urteile der Zeitgenossen

73

126

V.

Einfluß im 18. Jahrhundert 1) Theoretische Anregungen für die Geniediskussion: Flögel, Herder, Heinse, Lavater, Garve u. a

131

2) Die zweite Auflage von J. J. Ebert 1785 a) Literarhistorischer Bericht

147

b) Sprachliche Revision

149

c) Wandel des Huarte-Bildes VI.

VII.

Wirkung im 19. Jahrhundert

153 157

1) Pädagogische Schulsdmften

158

2) Schopenhauers Interesse für den Spanier

162

Huarte-Forschung im 20. Jahrhundert 1) Beiträge der Pädagogik, Medizin und Psychologie, Philosophie und Kulturgeschichte 165 2) Das Examen de Ingenios und seine wechselvolle Konzeption im Lauf der Jahrhunderte

VIII.

174

Anhang A) Gesamtabriß der Spanischstudien Lessings

179

B) Ubersichtstafeln 1) Hispanismus Lessings a) chronologisch b) Autoren

188

2) Verzeichnis der Huarte-Ausgaben

195

3) Bibliographie des Examen de Ingenios in den Bibliotheken deutschen Sprachgebiets (Deutschland, Österreich, Schweiz) 197 Quellen- und Sigelverzeidmis

201

Namenregister

215

VORWORT Die Redaktion dieser Arbeit wäre nicht möglich gewesen ohne ein Stipendium der Bürgermeister-von-Melle-Förderung, das dem Verfasser längere Aufenthalte in der Herzog-August-Bibliothek (Wolfenbüttel) und in den Nationalbibliotheken in Paris und Madrid gewährte. Für manche Anregung und Förderung sei an dieser Stelle besonders den Herren Professoren Knoche, Rheinfelder, Schneider, Schramm und vor allem Herrn Professor Dr. Tiemann gedankt. Aus den Nachbargebieten der Medizin und Psychologie berieten mich in Einzelfragen Herr Professor Dr. Dr. Dr. Lejeune sowie Herr Dr. Ispizua y Uribarri. In Spanien bin ich außerdem den Herren Professoren Simón Díaz, Sánchez Castañer und P. Mauricio de Iriarte S. J . sehr verpflichtet. Den Herausgebern der „Ibero-amerikanischen Reihe" der „Hamburger Romanistischen Studien", Herrn Professor Dr. Rudolf Grossmann und Herrn Professor Dr. Hans Flasche, schulde ich für ständige Hilfe und Aufnahme der Arbeit in genannte Reihe meinen tiefempfundenen Dank ebenso wie den Damen und Herren des Ibero-amerikanischen Forschungsinstituts, Hamburg, vor allem Frau Maria von Wevell und Herrn Dr. Hans-Karl Schneider. Hamburg, 1. Juli 1964 Martin Franzbach

EINFÜHRUNG Vorliegende komparatistische Untersuchung entstand aus einer intensiven Beschäftigung mit Lessings spanischen Studien. Ursprünglich als Kapitel einer Gesamtschau geplant, löste sich dieser Komplex zu einer selbständigen Darstellung. Aus diesem Blickwinkel ergibt sich die historisch-chronologische Methode. Die Lessingsche Version ist einzig und allein aus der Vorgeschichte des Examen de Ingenios in Deutschland zu verstehen. Die von der lateinischen Übersetzung Joachim Caesars 1622 und ihren Auflagen ausgehenden Strahlen kondensieren sich im Brennpunkt der Übersetzung von 1752 und leuchten weiter bis in die Gegenwart. Daraus resultiert ebenfalls die Fortführung des Themas bis heute. Außerdem können wir Standort und Wert dieser Ubersetzung erst auf Grund der Wirkungsgeschichte ihrer Vorlage bestimmen. Wegen einer anderen Überlegung entschieden wir uns für den historischen Aufbau: Eine Übersetzung gilt nicht nur als Paradigma für übersetzungstechnisdie Probleme; in ihr spiegelt sich auch die Aufnahme einer geistigen Erscheinung, also ein kulturgeschichtlicher Vorgang; die Frage nach den Huarte-Übersetzungen richtet sich so gleichzeitig stets audi auf die Rolle des Spaniers im deutschen Geistesleben. Die Übertragung bezeichnet die Stelle, an der sich die Bekanntschaft mit einem Werk wiederum in Übung und Leistung umsetzt. Sie ist deshalb von einzigartiger Aufschlußkraft, weil sich in ihr der aufnehmende Geist der vollen Breite des Werkes stellen muß. Der ausschließlich ideengeschichtliche Weg hätte in sehr heterogene Gebiete geführt: Pädagogik, Medizin, Psychologie, Soziologie, Philosophie, Jura, Theologie, Naturwissenschaften. Aber wegen eben dieser verwirrenden Universalität, die später oft an dem Buch kritisiert wurde, verbot sich eine einheitliche Darstellung. Denn um jede Anregung, z. B. auf dem Felde der Medizin, in ihre deutschen und europäischen Zusammenhänge völlig gerecht einzuordnen, fühlen wir uns nicht kompetent. Doch wird dieser Nachteil gerade durch die historisch abwechselnde Schilderung kompensiert, die Huartes Gedanken als Ferment der europäischen Geistesgeschichte besser hervortreten läßt. Die Betrachtung der Einzelzeugnisse und Äußerungen soll jedoch auf kein Namenkompendium oder auf die Lessingsche Übertragung zugespitzte Formulierungen hinführen, sondern völlig selbständige Glieder einer Kette 11

durch fast vier Jahrhunderte darstellen. Allerdings werden wir dem Irrtum der These Pitollets zu entgehen suchen und keine modernen Bewertungsmaßstäbe ungerecht kanonisieren. Jeder Beleg muß nicht als ein Absolutum, sondern als ein Phänomen innerhalb seines historischen Raumes gewürdigt werden. So stellt sich uns die Aufgabe in der Grundspannung jedes historischen Unternehmens: jedes Ausdrucksprinzip aus seinen eigenen Bedingungen heraus zu beurteilen und dennoch einen letzten Bestand überzeitlicher Maßstäbe zu wahren. Die vielfachen Anregungen Huartes für Ärzte, Lehrer, Juristen, Philosophen, Theologen, Psychologen und Dichter verfolgen wir hauptsächlich nur da, wo sie durch Zitat explicite feststehen. Daß sie indirekt größer waren, ist augenscheinlich, doch wollen wir keinen Hypothesen und Konstruktionen erliegen, da „der Einfluß dieser Materie in die ganze Gelehrsamkeit ganz unbeschreiblich ist" (Lessing, Vorrede seiner Übersetzung). Diese Arbeit will in erster Linie ein festes Fundament legen. Die direkten Berührungspunkte ergeben einen zuverlässigen Leitfaden, von dem aus eine spätere Untersuchung zu verborgenen Quellen vordringen kann. Bei aller Systematik läßt sich der Zufallscharakter der Funde nicht verleugnen. Doch darf man das von ihnen gelegte Mosaik keineswegs als willkürlich ansehen. Wohl werden sich eine Reihe weiterer Dokumente finden lassen, welche die Gestalt des genialen Spaniers in helleres Licht setzen, aber sein Wirkungsbild höchstens chronologisch-individuell verdichten werden. In summa ergeben sich als Hauptziele dieser Arbeit: 1) Darstellung der Wirkungsgenese des Examen de Ingenios in Deutschland. 2) Synthese der Spanischstudien Lessings und paradigmatische Ausdeutung seiner Huarte-Übersetzung. Daneben wollen wir auf die Bedeutung der spanischen Renaissance-Medizin aufmerksam machen und für eine gerechtere Erkenntnis der deutsch-spanischen Begegnungen im Aufklärungszeitalter den Grundstein legen.

12

I.

Kritischer Forschungsbericht über den Hispanismus Lessings La tesis relativa al "hispanismo" de Lessing resulta probada y trabajo ha de tener quien quiera impugnarla. Menéndez y Pelayo an Pitollet

12. 10. 1909

Die Meinung über Umfang und Wert der Spanischstudien Lessings wird von der Arbeit Pitollets beherrscht, die außerdem als einzige das Gesamtthema behandelt, so daß ihre kritische Untersuchung im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen wird. Die Teilaufsätze und zahlreichen Einzeläußerungen werden nur dann berücksichtigt, wenn sie sich als typisch für eine Zeitbetrachtung, originell oder folgenreich erwiesen. Durch den Aufweis der Resultate dieser Arbeiten soll die spätere Darstellung mit möglichst wenig historischem Material belastet und eine einseitige Betonung bestimmter Seiten vermieden werden. Am Schluß dieses Forschungsüberblicks, der mitten in die Probleme führt, steht die Frage, ob die Wissenschaft ein festes Fundament gelegt hat, auf dem sich in dieser Arbeit weiterbauen läßt oder ob nach ihrer Kritik ein anderer Weg einzuschlagen ist. Lessings Beschäftigung mit Spanien war den Zeitgenossen nur ein Symptom seiner bewunderten vielseitigen Veranlagung. Erst nach seinem Tode setzt die Besinnung über ihre Tiefe ein. Während das ironisch-abwertende Urteil seines Bruders Karl Gotthelf noch ganz auf das äußerliche Unvermögen zu sprechen, allenfalls zu „radebrechen", zielte1), behauptet der Göttinger Professor Friedrich Bouterwek, der mit seiner spanischen Literaturgeschichte (1804) zu europäischem Ruhm gelangte: „Lessing war übrigens von dem spanischen Theater kaum aus der zweiten Hand unterrichtet" 2 ). Zu dieser Feststellung kam Bouterwek durch Lessings Auszug der Virginia Montianos, der allerdings von einem französischen Original ausgeht. Vergleichen wir Bouterweks Bemerkung mit der seines Nachfolgers, des Grafen von Schack, fünfzig Jahre später, finden wir hier eine distanziertere Bewertung®). Lessing 1) K. G. L e s s i η g , Gotthold Ephraim Lessings Leben, nebst seinem nodi übrigen litterarischen Nachlasse, Berlin 1793—1795, Bd. 1, S. 110—111, Bd. 2, S. 66. 2) F. B o u t e r w e k , Geschichte der spanisdien Poesie und Beredsamkeit, Göttingen 1804 (Geschichte der Poesie und Beredsamkeit, Bd. 3) S. 579. 3) A. F. Graf v. S c h a c k , Gesch/chie der dramatischen Literatur und Kunst in Spanien, Bd. 3, Frankfurt a. M. 1854, S. 454.

13

wird das Verdienst zuerkannt, „zuerst wieder auf die Urbilder aufmerksam gemacht zu haben" 4 ). Die „geringen" Kenntnisse werden „aus Mangel an Hülfsmitteln" entschuldigt; die treffenden Sätze in der Hamburgischen Dramaturgie kontrastieren um so vorteilhafter dazu. Wer nach einer größer angelegten Würdigung in der ersten Zusammenfassung der deutsch-spanischen Literaturbeziehungen von Ebert sucht5), verkennt den Charakter dieser Arbeit. Aus mangelndem Abstand referiert und sammelt sie, ohne die Bedeutung der Ereignisse zu ermessen. Erwähnt werden nur die dramatischen Bezüge, aus denen Lessings überragende Stellung auf diesem Felde hervorgeht. Eberts Fazit: „Das spanische Drama in dem Freiheitskrieg unserer Literatur als Bundesgenoß" überschätzt den nationalen Aspekt, der Lessing fern lag. Um diese Zeit äußern sich zum ersten Male auch Spanier: Der Diplomat und führende spanische Romancier des 19. Jahrhunderts, Juan Valera, durch Aufenthalte in Dresden und Wien sowie durch intime Freundschaft mit dem Grafen von Schack ein guter Kenner der deutschen Literatur, schreibt am 10. Februar 1870 in der Revista de España: „Lessing da a conocer nuestro Teatro del siglo XVII, y le celebra cuando en la misma España estaba menospreciado" 6 ). Während für Valera Lessing Profil gewinnt durch einen rückschauenden Vergleich mit der negativen Einstellung zu Calderón und Lope de Vega im Spanien des 18. Jahrhunderts, urteilt Menéndez y Pelayo 1886 aus der Wirkungsperspektive: Die Kritik der Romantik wäre nie auf das spanische Theater aufmerksam geworden, wenn Lessing nicht die Hamburgische Dramaturgie geschrieben hätte'). Die Rolle des notwendigen Vorläufers ist gesehen, die Folgerung aber sehr kühn und unbeweisbar. Während bis 1883 von keiner systematischen Forschung, sondern nur von höchst willkürlichen Aussagen gesprochen werden kann, erscheint in diesem Jahre die Programmschrift Bruno Alwin Wagners 8 ). Der Verfasser, ausgewiesen durch seine Lessing-Studien auf dem Gebiet der Echtheitskritik, beschränkt sich fast ausschließlich auf die Dramenfragmente und Rezensionen. Ein großer Teil der zwölf Textseiten ist mit Lessings eigenen Äußerungen paraphrasierend gefüllt. Wagner eliminiert das Sprachproblem und bringt nur historische Tatsachen. Trotzdem hält sich Farinelli durch die „gründliche Schrift" eines eigenen Urteils über Lessing für enthoben 9 ). Schon die heute wertlose und überholte Arbeit Wagners enthält Ansätze zu einer Quellensuche. Diese Spürmethode, die auch auf anderen Gebieten nachweisbar ist, bestimmt die Folgezeit bis zu ihrer Ubersteigerung. Für die Konzentration gibt es mehrere Gründe: 4) In dieses Lob wurde bei G. T i c k n o r Wieland einbezogen. (Geschichte der schönen Literatur in Spanien, Supplementband, Leipzig 1867, S. 110.) 5) A. E b e r t , Literarische Wechselwirkungen Spaniens und Deutschlands, in: Deutsche Vierleljahrs-Schriit, Heft 2, Stuttgart & Augsburg bei Cotta 1857, S. 93 f. 6) J. V a l e r a , Obras completas. Bd. 2, Madrid 21949, S. 401. 7) M. M e n é n d e z y P e l a y o , Historia de las ideas esíélicas en España, Bd. 3, Santander 1940, S. 97. 8) B. A. W a g n e r , Zu Lessings spanischen Studien, Berlin 1883, 16 S. (Wiss. Beil. ζ. Progr. d. Sophien-Realgymnasiums.) Rez.: LCD (1883) 1613—1614 (C.). 9) A. F a r i n e l l i , Spanien und die spanische Litteratur im Lichte der deutschen Kritik und Poesie, in: ZvglLg. N. F. 5 (1892) 279, 283.

14

1) die positivistische Forschungswelle, die einen Höhepunkt erreicht hatte, 2) das Erscheinen der Munckerschen Auflage der Werke Lessings 1886 ff. und das Editionsprinzip, jede Notiz von Lessings Hand aufzunehmen. 3) die anregende Publikation Paul Albrechts, Leszing's Plagiate, Hamburg & Leipzig 1890, ein Werk, das jeden Gedanken Lessings auf eine „plagiierte" Quelle reduzierte. Eine Diskussion der Bezüge führt in diesem Rahmen zu weit; es folgen darum nur die Titel als Bibliographie: Emilia Galotti Dorer, Edmund: Vermischte Aufsätze, Bd. 1, Dresden 1893, S. 183 f. (Moreto, Primero es la honra). Klein, Julius Leopold: Geschichte des spanischen Dramas, Bd. 3, Leipzig 1874 (Geschichte des Dramas, Bd. 10), S. 733 (Einfluß des Conde de Sex Coellos). Rosenbaum, Richard: Zu Lessings „Emilia Galotti", in: Euphorion 5 (1898) 107 f. (Guillén de Castro, El Conde Alar cos). Einflüsse von Montianos Virginia in jeder Quellenstudie, speziell (zur Ergänzung auch spätere Titel): Pitollet, Camille: Comment la première tragédie allemande est empruntée à l'Espagne, ou Lessing et Montiano, in: Hispania, Paris 1921. Roethe, Gustav: Zu Lessings dramatischen Fragmenten, in: VJS 2 (1889) 516—532. Vail, Curtis C(hurchill) D(oughty): Lessing and Montiano, in: JEGPh. 34 (1935) 233—237. Faust-Fragment Fischer, Kuno: G. E. Lessing als Reiormator der deutschen Literatur, Teil 1, Stuttgart 1881, S. 173 (Calderón, La vida es sueño). Sauer, August: Das Phantom in Lessings „Faust", in: VJS 1 (1888) 13—27. Nachträge S. 522—523 (Calderón, La vida es sueño, El mágico prodigioso, En esta vida todo es verdad y todo mentira). Hamburgische Dramaturgie Boxberger, Robert: Zu Lessings Hamburger Dramaturgie, in: ALG 8 (1879) 437—438 (Einfluß von Saavedra Fajardos República literaria im 36. Stück). Das Horoscop Hölscher, Karl George Ludwig: Lessing als Dramatiker, Siegener Schulprogramm 1843, Theil 2, S. 19 (Calderón, La vida es sueño). Minna von Barnhelm Michaelis, C. Th.: Lessings Minna von Barnhelm und Cervantes' Don Quijote, Berlin 1883, 44 S. Diskussion: Akad. Blätter, Braunschweig (1884) 51—54 (Wilhelm Brandes). DLZ 4 (1883) 1463 (Erich Schmidt). LCD (1883) 1613—1614 (C.). Nicht nachprüfbar: Corresp. f. Gelehrte Realsch. Württ. 1883. Beil. zur Päd. 6 (1883) R. v.d.L. Dieser meistdiskutierte Einfluß auf ein Lessingsches Werk beruht auf einem unabsichtlichen Hinweis Guhrauers 1853 auf das Spanische in der 15

ritterlichen Ehre Teilheims. Unabhängig davon vertritt dieselbe Ansicht T. W. Rolleston, in: The Contemporary Review 64 (1893) 253. Philotas Minor, Jacob: Quellenstudien zur Literaturgeschichte des 18. Jhs. 11. Zu Lessing. 2. Zum Philotas, in: ZdPh. 19 (1887) 239 f. (Calderón, El principe constante). Nodi vertreten von Bertrand, Clavileño, Heft 1 (1950) S. 9. Sinngedichte, Das böse Weib Albrecht, Paul: Leszing's Plagiate, Bd. 1, Hamburg & Leipzig 1890, S. 186 (Cervantes, Don Quijote). Lessingiana Muncker, Franz: Neue Lessing-Funde, in: Sitzungsber. d. Kgl. Bayer. Akad. d. Wiss., phil.-philol. u. hist. Klasse, 12. Abh. 1915, S. 23—24 (Slg. span. Dramen in der Hamburger Stadtbibliothek, Lessings Hand in Moreto, No puede ser). Weilen, Alexander von: Lessings Beziehungen zur Hamburgischen Neuen Zeitung, in: VJS 3 (1890) 398—412 (Rez. v. 29. 2 . - 3 . 3. 1768). Darin: Sandoval, Historia de la vida y hechos del emperador Carlos V. Einwände Erich Schmidts S. 412 ff.

Alle diese Arbeiten haben den Gesichtspunkt der Ideenfiliation gemeinsam, der nur die vermutliche Berührung registriert, nicht aber die Modifizierung durch Lessing berücksichtigt. Als unbewiesene Behauptungen erregten sie momentanes Aufsehen ohne fortzuwirken. Durch diese Publikationsflut verschob sich die Diskussion um Lessings Hispanismus: Er wurde überbewertet. Das Spanische avancierte zum beliebten Gebiet für Konjekturen und Beziehungen aller Art. Daß die Verfasser meist die spanische Sprache nicht beherrschten, erhöht die Bedenklichkeit. Dieser allgemeine Wirrwarr von vagen Konstruktionen und deren Widerlegungen war die günstige Ausgangsbasis für den französischen Hispanisten Camille Pitollet 10 ). Der Verfasser teilt sein Werk in zwei Abschnitte. Der erste behandelt Lessings direktes Verhältnis zur spanischen Sprache, veranschaulicht an Übersetzungsbeispielen, der zweite diskutiert chronologisch an jedem Einzeldokument die Quellen Lessings. Abschnitt 1 und 2 stehen für Pitollet in ursächlicher Beziehung. So ist der Befund ein doppelt negativer: Lessing konnte nur sehr mangelhaft Spanisch und plagiierte fast alles aus anderen, meist französischen Quellen. Eine genauere Untersuchung von Material und Methode ergibt: Teil 1 vergleicht sechs Übersetzungen: 10) Camille P i t o l l e t , Contributions à l'étude de l'hispanisme de G. E. Lessing, Paris 1909, XIII, 342 S. — Außer bogenlangen Digressionen, Fußnoten, adjonctions und adjonctions supplémentaires in Petitdruck, erschien zusätzlich eine Selbstanzeige mit nodi ausführlicheren Noten, in: Vragen en mededeelingen op het gebied der geschiedenis, taal- en letterkunde, Arnhem 1910, S. 142—143, 166—168, 189—191, 212—216, 233—236, 241—244. Rez.: Jahresber. I. neuere Lit.g. (1909) II, 874 (E. Schmidt), das. (1911/12) II, 932 (W. Oehlke). ASNSL 64 (1910) 223—227 (A. Ludwig). LCD 61 (1910) 1219 (M. K[och]). Lit.bl. i. germ. u. rom. Phil. 35 (1914) 291—299 (Arthur Ludwig Stiefel). Euphorioη 22 (1915) 400—407 (Julius Petersen). MLN 26 (1911) 21—28 (Rudolph Sdievill). Studi di filologia moderna 4 (1911) 135—137 (Β. Sanvisenti). Revue de synthèse historique 21 (1910) 213—214 (P. van Tieghem). Revue critique d'histoire et de litt. 69 (1910) 130—132 (F. Baldensperger).

16

1) Sonettfragment Orpheus, unpubliziert, auf Grund seiner Ubereinstimmung mit Quevedos Orfeo behandelt, obwohl Vorlage nicht gekennzeichnet und Abhängigkeit von den im 18. Jh. sehr beliebten französischen Parodien und Ubersetzungen wahrscheinlicher. 2) Huarte-Übersetzung, veröffentlicht. 3) Eraclio und Argila, 4) Fenix. (nicht für Publikation gedachte Fragmente) 5) Essex, paraphrasierende Interpretation, nirgends als Übersetzung gekennzeichnet. 6) Marañón, sekundäre Überarbeitung einer deutschen Übersetzung, Mitarbeit Leistes. Angesichts dieser Einschränkungen hält nur die Huarte-Übersetzung einer kritischen Beurteilung stand. Pitollet führt sie in einer zweisprachigen Auswahlsynopse durch: Satzfetzen und Wörter werden einander gegenübergestellt, ihre Inkongruenz als Fehler gebrandmarkt. Pitollet macht sich nicht die Mühe, den Kontext zu befragen oder die Fülle der getroffenen Wendungen in Betracht zu ziehen; er übergeht die primäre Fragestellung, ob die Ubersetzungstheorie der Aufklärung und besonders die Lessings seiner eigenen Auffassung widersprechen könnte. Durch die so erlangte Isolierung spricht er Lessing die Fähigkeit ab, ein spanisches Buch in der Ursprache zu lesen. Bedenklicher als die Methode ist die Art der Darstellung: Es wimmelt von persönlichen Angriffen gegen „les lessingforscher", die Pitollet, außer dem einzigen P. Albrecht, mit Dummköpfen gleichsetzt. Nationale Revanchegelüste von 1870/71 fließen in jede Seite, richten sich gegen den „chauvinisme germain" und gegen Lessing als „grand gallophobe" oder „grand dilettante". Lessings „Kleptomanie" wird zur deutschen Nationaleigenschaft. Das Spanische bietet dem Franzosen eine offene Stelle für diese unsachliche Polemik. Diese Voreingenommenheit, mit leidenschaftlich-blinder Verve vorgetragen, mindert den Wert der Tatsachen erheblich und macht stutzig. Da sich kaum Ansätze zu einer ideengeschichtlichen Einordnung finden, liegt der Wert, außer in einigen aufgelösten Quellenbezügen, nur in der gigantischen Materialsammlung, die ein mehrmonatiges Spezialstudium erfordert. Durch die umfangreichen abschweifenden Exkurse, Anmerkungen und die unförmige Stoffülle sicherte sich Pitollet vor späteren Nachforschungen. Die Rezensenten wußten auf diesem Sondergebiet den Tatsachen und der Methode wenig entgegenzusetzen; sie beschränkten sich auf scharfe Reaktion gegen die tendenziösen Diatriben. Die zwei Dutzend, von Pitollet als „ l'hypnose lessingophile" bezeichneten Quellenarbeiten des 19. Jahrhunderts waren ein überschätzendes Extrem, die „Contributions" stellten die negativ abwertende Seite dar. An einer Fülle von Äußerungen läßt sich seitdem der faszinierende Einfluß der Pitolletschen Untersuchung nachweisen. Ohne daß ihre Gedanken im Inhaltlichen und Formalen wieder angefochten wurden, übernahm die Forschung das Endresultat: Lessings Spanischkenntnisse waren bescheiden, sein Wissen über spanische Literatur gering. Allenfalls wird auf seine zeitlich singuläre Stellung und eine gewisse Bedeutung für die Wiedererweckung 17

des Interesses an Spanien hingewiesen11). Eine Belebung dieser starren Abhängigkeit brachte die erweiterte Habilitationsvorlesung Tiemanns12). Lessing wurde auf die spanische Bühne durch die Erkenntnis der Stilähnlichkeit zwischen dem englischen, spanischen und alten deutschen Theater, die teilweise schon von Voltaire beobachtet war, nachdrücklich hingewiesen. Die Essex-Analyse in der Hamburgischen Dramaturgie muß als untergeordnete Illustration zur Poetik Lope de Vegas und damit als Beispiel für die gesamte spanische Dramatik gesehen werden. Ergebnis der Auseinandersetzung ist ein Abrücken vom engen Aufklärungsklassizismus auf dem Wege zum „Welt- und Naturgefühl der Folgezeit". Lessing ist „ein Mann des Ubergangs", dem jedenfalls das Verdienst zukommt, sich als erster Deutscher mit Lopes Werk kritisch vertraut gemacht zu haben. Während fast immer Lessings Beschäftigung mit dem spanischen Drama im Vordergrund stand, beschränkt sich ein Aufsatz Rheinfelders ausschließlich auf die Huarte-Übersetzung 13 ). Der Verfasser arbeitet unmittelbar mit den Texten, ohne vorgefaßte Meinungen zu diskutieren. Auf diese Weise gelangt er zu einem positiven Resultat, das aber durch genaue Untersuchung der Pitolletschen These, Lessing habe dieses Werk aus anderen Übersetzungen kompiliert, an Wert gewonnen hätte. Wichtiger als der summarische Textvergleich sind Rheinfelders Gedanken zur Methode des Ubersetzers, die er an der Behandlungsweise der zahlreichen Zitate mit gelungenen Einzelbeobachtungen aufweist. Obwohl die Studie eine erste Vorstellung nicht übersteigt, trägt sie sehr ausbaufähige Ideen zum Gesamtbild bei. Es ist oft gefragt worden, besonders nach Erscheinen der umfangreichen Arbeit Pitollets, ob sich die aufgewandte Mühe im Verhältnis zum Tatsachenbestand lohne, ob nicht der Beschäftigung Lessings mit Spanien ein zu großer Wert beigemessen würde. Dagegen spricht die Menge und Qualität der Belege aus allen Lebensjahren, dagegen zeugen aber auch die dauerhaften Anregungen, die davon ausgingen. Pitollet hat die Grenzen seiner positivistischen Behandlung selbst abgesteckt. Er verschiebt die Akzente, wenn er unterschiedslos publizierte und unpublizierte, wesentliche und unwichtige, Primär- und Sekundärzitate aufgreift. Daneben zeigten sich methodische Bedenken. Der elementarste Grundsatz jeder historischen Arbeit, die Fakten aus dem Licht ihrer Zeit und Umgebung, ohne jede apologetische Tendenz, zu werten, bleibt unbefolgt. Der Verfasser verabsolutiert von seinem Standpunkt aus moderne Maßstäbe. Eine gültige und verbindliche Grundlage für diese Arbeit hat sich nicht ergeben. Pitollet wird stoffliche Ansätze bieten, seine Deduktionen bedürfen wegen der angewandten subjektiv-positivistischen Perspektive einer neuen objektiven Prüfung.

11) E. S c h r a m m , Die Einwirkung der spanischen Literatur auf die deutsche, in: Deutsche Philologie im Autriß, Bd. 3 (Berlin 2 1962) Sp. 172. Besonders harte Verdikte fällt die französische Forschung. Bertrand behauptet seit 1914 wiederholt, Lessing sei allenfalls „de troisième ou de quatrième main" unterrichtet gewesen. (J. J. A. B e r t r a n d , Cervantes et le Romantisme allemand, Paris 1914, S. 5.) 12) H. Τ i e m a η η , über Lope de Vegas Bild und Wirkung in Deutschland, in: RJb. 1 (1947/48) 233—275, bes. S. 248—258. 13) H. R h e i n f e l d e r , Der junge Lessing als Übersetzer aus dem Spanischen, in: Worte und Werte, Bruno Markwardt zum 60. Geburtstag, Berlin 1961, S. 326—333. 18

II.

Juan Huarte de San Juan, sein Werk und seine Zeit Die letzten Dezennien des 16. Jahrhunderts zeigen den europäischen Kontinent in lebhafter Bewegung. Das spanische Weltreich Karls V. bewahrt unter seinem Nachfolger Philipp II. zwar noch äußeren Glanz, aber die Sturmzeichen mehren sich. Dem befreienden Seesieg bei Lepanto 1571 über die Türken und der Einverleibung Portugals 1580 stehen der Untergang der Armada und das gefährliche Aufkommen Englands gegenüber. Der erbitterte Krieg in den Niederlanden, der mit dem Abfall der Nordprovinzen endet, ist nur ein Symptom des Niedergangs. Die auswärtigen Feldzüge erschöpfen die Staatskasse und führen zu unersetzlichen Menschenverlusten. Innenpolitisch betrachtet der strenggläubige König den Kampf für die Kirche als seine Lebensaufgabe. Während in Frankreich die Hugenottenkriege in der Bartholomäusnacht 1572 ihren blutigen Höhepunkt finden, säubert in Spanien die Inquisition auf lautlose, aber nicht minder grausame Weise das Land von Ketzern und unterdrückt einen Moriscos-Aufstand in Andalusien. Spanien verliert den Kontakt mit Europa äußerlich und innerlich. Den politischen Menetekeln steht eine glänzende geistige Blüte in allen Wissenschaftsbereichen gegenüber. Die Sterne eines Cervantes, Shakespeare und Lope de Vega haben noch nicht ihren hellsten Glanz erreicht, in den Naturwissenschaften dringt das Dreigestirn Tycho Brahe, Kepler und Galilei mit neuen Fernrohren in unermeßliche Räume vor, von den berühmten flämischen und spanischen Malern ist allein erst Rubens geboren, und in der Philosophie muß Giordano Bruno an der Schwelle einer neuen Zeit seine aufklärerische Lehre mit dem Leben büßen. Diesen epochalen Umwälzungen und Entdeckungen fügt sich zunächst unauffällig das Werk eines spanischen Arztes ein. In Baeza, einem heute kleinen andalusischen Ort, unweit von Linares, erscheint 1575 das Examen de Ingenios para las Sciencias des Doctor Juan Huarte de San Juan. In die Biographie des Verfassers haben erst die gründlichen archivalischen Studien Iriartes einiges Licht gebracht 14 ). Um 1529 geboren in San Juan del Pie del Puerto (Navarra), widmete er sich einer gründlichen Ausbildung: huma14) M. de I r i a bución a la historia sung Münster i. W. den Artikel Huarte «(1958) S. 659 f.

r t e, El Doctor Huarte de San Juan y su Examen de Ingenios. Contride la psicología diierencial, 3a edición corregida (Madrid 1948). Dt. Fas1938 (SpFdGG, Reihe 2, Bd. 4). Für weitere Bibliographie vergleiche man bei J. F e r r a t e r M o r a , Diccionario de Fiiosoiía. Buenos Aires

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nistisch-philosophisches Studium in Baeza, Medizinstudium in dem berühmten Alcalá de Henares. Diesem vielseitigen Ausbildungsgang und seiner eigenen Tüchtigkeit verdankte er eine ehrenvolle Berufung als Amtsarzt nach Baeza durch königliches Dekret vom Februar 1572. Dort starb er Ende 1588 im Kreise seiner Familie, nachdem sein W e r k schon fünf spanische und fünf Auflagen in Frankreich und Italien erlebt hatte. Diesen wenigen Daten einer ruhigen äußeren Lebensbahn steht eine bewegte Geschichte des Examen gegenüber. Bedeutungsvoll wird, daß das Buch nach der Indizierung in seinem Ausgangsort Baeza 1594 in erweiterter und korrigierter Form gedruckt wird 15 ). Beide Fassungen haben bisher die für ein wissenschaftliches Buch ihres Jahrhunderts beispiellose Zahl von 75 Ausgaben mit 87 Titelvarianten in 7 Sprachen erreicht. Zum Verständnis der äußeren Wirkungsgeschichte bildet das Eingehen auf die innere Struktur des Werkes die Grundlage 19 ). Der ausführliche Untertitel umschreibt Inhalt und Nutzen : „Gezeigt wird die Verschiedenheit der menschlichen Fähigkeiten und die jeder entsprechende Wissenschaft. Der aufmerksame Leser wird seine geistige V e r a n l a g u n g finden und das Fach wählen, in dem e r am nützlichsten ist. W e n n er sich aber schon zu einem Beruf bekannt hat, wird er sehen, ob seine Geschicklichkeit ihn das Richtige treffen ließ."

Diese einfache und direkte Aussage ist keinem geringem als dem König selbst gewidmet. Das erste Vorwort macht ihm den Vorschlag, ein Gesetz zu geben, auf Grund dessen jeder nur in seinem Berufe amtieren dürfe. Da niemand ohne Nachteil für sich oder die Materie zwei Aufgaben dienen könne, nicht jeder aber seine Begabung erkenne, müsse eine staatliche Kommission einsichtsvoller Prüfungsbeamter jedem seine Pflicht zuweisen. Wenn man die Verbindung von a r t e und n a t u r a l e z a berücksichtige, würde der König über die vollkommensten Bürger und Werke in dem vollkommensten Staate gebieten. Zur praktischen Erreichung dieser teleologischen Entwicklungskette sind vier Fragen zu lösen: 1) W a s befähigt den Menschen zu einer Wissenschaft, während er für eine andere ungeschickt ist? 2) Wieviele Begabungsverschiedenheiten gibt es? 3) Welche Künste und Wissenschaften entsprechen jedem Einzelnen? 4) Woran erkennt man die wichtigsten Eigenschaften? Zur Durchführung seines Programms wendet sich Huarte an die Eltern, denen er mit diesem Buch einen Leitfaden zur Erkenntnis des natürlichen Ingenium ihrer Söhne an die Hand geben will. Dieser pädagogisch-soziologischen Zielsetzung folgt eine streng logische Kapiteleinteilung (Erstausgabe) : I.

Philosophisch-psychologisch theoretischer Beweisteil 1. Mangel angeborener Begabung führt zu V e r s a g e n 2. Die Natur ist die einzige Lehrmeisterin 3. Bestimmung und beste Einrichtung des Denkzentrums

15) Edición comparada der beiden Drucke Baeza 1575 und 1594 von R. S i n z , 2 Bde. Madrid 1930. 16) Nähere Einzelheiten bringen die Kapitel, es kann hier nur der Gesamtaufriß folgen.

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4. 5. 6. 7. II. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. III.

Adäquates Temperament ist die Vorbedingung für die weise Seele Die humoralen Eigenschaften differenzieren die Genies Widerlegung von Einwänden und Zweifeln Die Mischung der Hauptbesdiaffenheiten impliziert keine Sterblichkeit der Seele Pädagogisch-praktischer Beweisteil Methode der Begabungsdifferenzierung in Theorie und Praxis für den Redner für den Theologen für den Juristen für den Arzt für den Soldaten für den König

Biologisch-praktischer Beweisteil 15. Praktische Modalitäten zur Zeugung begabter Söhne

Der medizinische Hauptgedankengang, der dieses Gebäude hält, leitet aus Wärme, Feuchtigkeit und Trockenheit des Gehirns drei Grundkräfte der Seele her: Gedächtnis, Einbildungskraft und Verstand. Von der Wärme soll die Einbildungskraft, von der Feuchtigkeit das Gedächtnis und von der Trockenheit des Gehirns der Verstand abhängen. Weil das Gehirn unmöglich zu gleicher Zeit trocken und feucht sein kann, sind Verstand und Gedächtnis entgegengesetzte Fähigkeiten, die einander ausschließen.· Diese kühne Konstruktion traf auf die konventionelle Theologia naturalis, wie sie sich zu Beginn des 15. Jahrhunderts in der universellen Gestalt des Bischofs Raimundo de Sabunde 17 ) verkörperte, der gleichzeitig Theologie, Philosophie und Medizin vereinte. Woran nahm die Inquisition Anstoß, und wie veränderte sich die zweite Fassung? 16 ). Der portugiesische Index von 1581 und der spanische des Generalinquisitors Quiroga von 1583 schnitten den Faden der fünf dicht zusammenliegenden Auflagen ab, „donec corrigatur". Erst sechs Jahre nach dem Tod des Verfassers erschien 1594 das expurgierte Exemplar. Das neue Privileg wurde durch den Sohn Luis Huarte veranlaßt, der nach seiner Behauptung vom Vater hinterlassene Korrekturbögen einschob, um dem eigenen Geldmangel abzuhelfen. Schon diese Umstände und das Nichterscheinen einer gereinigten Version zu Huartes Lebzeiten geben zu denken 19 ). Alle Übersetzer und der Herausgeber einer kritischen Ausgabe stehen vor einer seltenen Schwierigkeit: Die Ausgabe letzter Hand datiert Huesca 1581, eine neue angeblich authentische Edition postum Baeza 1594. 17) J. L i η g e η s , Die Psychologie Raymunds von Sabunde, Diss. Bonn 1920 (Masch.). Κ. Ρ e t r y , Uebei Raimund von Sabundes .Buch vom Menschen", Diss. Heidelberg 1947 (Masch.). 18) F. H. R e u s c h , Die Indices iibioium piohibiiorum des 16. Jhs., Tübingen 1886 (Bibl. des Litt. Vereins in Stuttgart, Bd. 176) S. 359, 435. — Dazu der bisher übersehene Index Sixtus V., Rom 1590, Reusch, S. 477 mit der Auflage „donec juxta regularum forma repurgentur". Die Originalfassung ist auf Grund des Dekrets von 1604 noch heute indiziert (Index libr. prohib. 1948). 19) Den Optimismus der Forschung auf vollständige Echtheit der Zusätze können wir nicht teilen. Man beacht-e das Zugeständnis auf dem Titel von 1594: Agora nueuamente enmendado por el mismo Autor, y añadidas muchas cosas curiosas, y prouediosas. Das Erscheinen der zweiten erweiterten Fassung genau nach den flämischen Drucken Leyda 1591, Anvers 1593 sollte deren Erfolg erschüttern. Eine genaue Stil- und Inhaltsanalyse der Zusätze mit Hinblick auf den Index wäre dringend nötig.

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Trotz der vorgeschriebenen Auslassungen und Korrekturen wuchs der Umfang des Werkes um über ein Drittel. Der Versuch Huartes, auf rationale Denkweise die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen (7. Kapitel), erregte Argwohn und mußte ganz getilgt werden 20 ). Dafür nahm der theoretische Teil drei neue Hauptpunkte auf: 1. Eine Definition des ingenio und Bestimmung seiner Verschiedenheiten, 2. Gruppierung der für die Wissenschaft ungeeigneten Menschen, 3. Bedeutung des Temperaments für den Menschen. Unbeschadet dieser Umarbeitung, in deren Rahmen noch einige größere Exkurse fallen, blieb der Grundcharakter des Werkes gewahrt. Die vorgeschriebenen Änderungen sind aus dogmatischen Erwägungen allein nicht zu erklären. Huarte versucht immer wieder, einem Konflikt zwischen der kirchlichen Autorität und der bloßen Vernunft durch die Forderung nach strenger Scheidung der verschiedenen Gebiete vorzubeugen. Der eigentliche Stein des Anstoßes wird in der materialistischen Grundhaltung und der eigenwilligen Interpretation der Bibel durch den Verfasser liegen. Diese persönliche Stellungnahme, welcher sich der Autor voll bewußt ist, wird durch einen kurzen Blick auf die Charaktermorphologie der Renaissance erhellt 21 ). Die Menge der Einzeltraktate folgt drei Strömungen: 1. Schriften zur Funktion der Körperbeschaffenheit, 2. Schriften zur Übernahme der von Aristoteles und Galen übernommenen Temperamentenlehre, 3. Typologische Schriften zur Unterscheidung der Geschlechter, Lebensalter, Nationalitäten usw. Alle drei Richtungen lassen sich im Examen nachweisen. Durch die Quintessenz des körperlich-seelischen Kausalnexus finden sie ihre gemeinsame Bindung, in dem universellen Blickwinkel erheben sie das Werk über ihresgleichen. Von diesem Blickwinkel abgesehen, müssen Huarte und sein Buch auch innerhalb der Fachkollegen ihrer Zeit und ihrer Anschauungen betrachtet werden 22 ). Marañón, ein berufener Kenner dieser Materie, sagt, daß Umfang und Bedeutung der spanischen Renaissance-Medizin im Rahmen der Gesamtdisziplin noch weit unterschätzt werden. Die Ärzteschaft stellt die Pioniere und das Zentrum der methodologischen Bewegungen jenes Jahrhunderts. Wenn wir die Verbreitung dieser spanischen medizinischen Literatur, die meist in Latein verfaßt ist, in Deutschland verfolgen, sollen damit nicht nur die Worte Marañóns größere Beweiskraft erhalten, sondern gleichzeitig kulturgeschichtliches Milieu und ideengeschichtliche Gemeinsamkeiten für 20) P. D i e p g e n , Uber den Einiluß der autoritativen Theologie aui die Medizin des Mittelalters, in: Akad. der Wiss. und der Lit. Mainz. Abhdlg. d. geistes- u. sozialwiss. Klasse, 1958, Nr. 1, S. 3—20. 21) Zu finden in jeder größeren Geschichte der Psychologie, z. B. bei M. D e s s o i r , Geschichte der neueren deutschen Psydiologie, Bd. 1, Berlin 21902. 22) G. M a r a ñ ó n , La literatura científica en los siglos XVI y XVII, in: Diaz-Plaja, Historia general de las literaturas hispánicas, Bd. 3, Barcelona (1953), S. 931—966.

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das Examen eruiert werden, die auch für seine Aufnahme in Deutschland bedeutsam sind"). A n der Spitze des untersuchten Schrifttums24) steht Andrés de L a g u n a (1499?—1560), Weltreisender, Universalgeist ersten Ranges, Leibarzt hoher Persönlichkeiten, u. a. Papst Julius III., regt Philipp II. zur Gründung des ersten botanischen Gartens in Aranjuez an. Seine Übersetzung des Dioskurides, d e s Kompendiums der Pharmakologie, seine Galen- und Aristoteles-Kommentare erfreuen sich in Deutschland hoher Beliebtheit. In einem Vortrag an der Universität Köln nimmt er die Vision des Untergangs des Abendlandes voraus 25 ). Arbeiten über die männlich-weibliche Sterilität und die Kinderkrankheiten") sichern Lobera de Ávila 27 ) weites Interesse, während in der Chirurgie die dreibändige Cirugía Universal Juan Fragosos ihren Eingang findet. Besonders neu werden für den deutschen Arzt des 17. Jahrhunderts Nachrichten über Drogen und Heilmittel aus der Neuen Welt gewesen sein. Daraus mag sich die Existenz der Bücher García de la Huertas und Nicolás Monardes in den Bibliotheken erklären 28 ). Größere Beachtung als diese therapeutischen Arbeiten werden die der Epidemiologen gefunden haben, vor allem des Hofarztes und Astrologen López de Villalobos 28 ). Die Werke der Autoritäten in Seuchen- und Fieberfragen Francisco Vallès und Luis Mercado erscheinen sogar in Köln und Frankfurt, die damit zum Zentrum dieser Literatur werden 30 ). Mercado beschreibt 23) Als Laie beschränken wir uns auf bibliographische Feststellung dieser Werke in Auktions- und Bücherkatalogen des 17. Jahrhunderts. Um eine reine Nomenklatur zu vermeiden, werden nur die häufigsten und berühmtesten Namen hervorgehoben. Die Streuung ist natürlich viel breiter. Eine eindringlichere Untersuchung müßte die entsprechende deutsche Spezialliteratur danebenstellen und Schlüsse über den Forschrittsstand der Medizin deduzieren. Durch Einflußbezüge würden Namen und Schriften größeres Profil gewinnen. 24) Die deutsch-spanischen Kulturbeziehungen sind umfassend bisher nur auf literarischphilosophisches, allenfalls theologisch-religiöses (Georg Schreiber) Schrifttum erforscht. Ein weites Feld Sachliteratur, von der Musik, Geographie, Zoologie, Landwirtschaft bis zu Heerwesen, Astronomie, Bergbau, z. T. deutsche Ubersetzungen spanischer Werke, wartet mutatis mutandis der Bearbeitung. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts finden sich in der Bibliothek E s c h e n b u r g s spanische Horaz- und Aristoteles-Kommentare González de Salas', eine spanische Horazübersetzung und andere Fachliteratur zur Klassischen Philologie. Ebenso finden sich bei Mendelssohn Übersetzungen des Flavius Josephus und Sallust von Emanuel Sueiro. Obwohl die Benutzung nur aus Marginalien zu erschließen ist, darf dieser Gesichtspunkt nicht unterschätzt werden. Gerade die Spezialgebiete setzen sich über die „leyenda negra" hinweg. Die Fachliteratur kennt besonders im 17. und 18. Jahrhundert keine Nationalitäten, sondern nur den bindenden Gegenstand. 25) Gedruckt: Europa, hoc est misere se discrucians. Coloniae 1543. — F. L e j e u n e , Einer der bedeutendsten Arzte seiner Zeit 1orderte im Jahre 1543 ein ,Vereintes Europa', in: Die Medizinische, Nr. 22 (1959) 1088—90. 26) In Frankfurt erscheint 1656: Antonio Fueldez, Von den Urschlechten und KindesBlättern. 27) L. L o b e r a d e A v i l a , Ein nützlich Regiment der Gesundheit, genannt: Das Bankett oder Gastmahi der Edlen, Augsburg 1531. 28) F. L e j e u n e , Die Chirurgie des goldenen Zeitalters in Spanien, in: Centralblatt iür Chirurgie 53 (1926) 400—11. Derselbe: Die ersten 50 Jahre medizinischer Literatur in Neuspanien 1570—1620, in: Janus 30 (1926) 122. Das. S. 201—24: Die ersten lünlzig Jahre spanisdier Medizin in Amerika. 29) Die Problemata des Villalobus. Auszugsweise zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt, erläutert und mit einer Einleitung versehen von Fritz L e j e u n e , Greifswald 1923. 30) F. V a l l è s , De diäerentla iebrium, Coloniae 1592. Die Werke des Luis Mercado werden 1620 in Frankfurter Offizinen gedruckt.

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als erster die „angina maligna", den Krupp (Halsbräune), und empfiehlt als Heilmittel das später allgemein anerkannte Ausbrennen der Kehle. Die spanische Anatomie, deren Leistungen ein maßgebendes deutsches Handbuch31) als „recht spärlich" apodiktisch verurteilt, hat bereits 1488 in Zaragoza ihre erste Sezierschule32) und zu Huartes Zeit in Salamanca regelmäßige öffentliche Autopsien an Menschen- und Tierleichen 33 ). Für Deutschland feststellbar sind nur die Schriften des Katalanen Montaña de Montserrat 31 ), nicht die seiner großen Antipoden Rodríguez de Guevara und Juan Valverde aus Palencia. Außerdem sei nicht die erste Beschreibung des Blutkreislaufes durch den aragonesischen Arzt Miguel Servet vergessen, obwohl dessen Christianismi Restitutio (1553) und sein tragisches Ende ihn in Deutschland zu einem bekannteren Symbol werden ließen 35 ). Es sind die führenden Köpfe ihres Landes, die im europäischen Rahmen auch in Deutschland Widerhall fanden36). Das Werk Huartes und seine Ausdehnung standen mitten unter ihnen. Wie sie wies es alle Züge eines umfassenden Humanismus auf, beginnend mit der großen Lektürekenntnis der antiken Klassiker bis zur universellen Aufgeschlossenheit für alle Lebensbereiche, so wie sich Laguna auch in den Naturwissenschaften und in der Politik hervortat, Servet für seine theologische Überzeugung starb, López de Villalobos in der Astrologie zu Ansehen gelangte. Philosophisch gesehen, ist den Ärzten jener Zeit zu Recht eine scholastischaristotelische Tendenz nachgesagt worden. Stärker hervorzuheben ist aber die latente Opposition gegen den Aristotelismus und allgemein gegen den blinden Respekt für klassische Autoritäten 37 ). Die rationale Empirie wird höchstes Wahrheitskriterium. Die Erfahrung macht selbst an einer Kritik vor den jahrhundertealten Lehrgebäuden eines Hippokrates und Galen, in deren Geist die jungen Ärzte in Salamanca und Alcalá herangebildet werden, nicht halt 38 ). Auch für diese Schwelle zwischen Tradition und Fortschritt lassen sich auf jeder Seite des Examen de Ingenios Beispiele finden, wobei das Ringen um Abstand die Mischung zwischen größten Abstrusitäten und erhabensten Gedanken genugsam erklärt. 31) N e u b u r g e r / P a g e l , Handbuch der Geschichte der Medizin. Bd. 2. Jena 1903. S. 234. 32) Zur historischen Weltgeltung der Medizinischen Fakultät von Zaragoza, die ihren frühen Ruhm arabischen Ärzten und Philosophen verdankt, erschien ein substantieller Bericht von Francisco O l i v e r in: Die Waage, Wiss. Zts. der Grünenthal GmbH., Stolberg/Rhld. 2 (1961) 110—15. Die Dokumente und Faksimilia unterstreichen eindrucksvoll den hohen Stand und das Berufsethos der spanischen Ärzteschaft im Mittelalter. 33) F. L e j e u n e , Zur spanischen Anatomie vor und um Vesal, in: Janas 31 (1927) 413—22. 34) F. L e j e u n e , Montaña de Montserrat und seine Kenntnis vom „Kreislaul', in: Münchner medizinische V/ochensdirilt 72 (1925) 313. 35) Eine Reihe Manuskripte in unseren Bibliotheken spricht für das Echo seiner Werke in Deutschland. Interessant die Renaissance im 18. Jh. durch die Dissertation Allwoerdens, Helmstedt 1727 unter Mosheim und dessen spätere Biographie 1750, die auch zeitgenössische Rezensionsbreite gewann. 36) F. L e j e u η e , Die spanische Medizin im 16. Jahrhundert und ihre Bedeutung für die medizinische Wissenschatt im übrigen Europa, in: Janus 28 (1924) 394—95. 37) Der allgemeine Nachweis, wobei die Beziehung zur übergangenen Medizin sich aber ableiten läßt, bei J . R e y P a s t o r , La Ciencia γ ¡a técnica en el descubrimiento de América. Buenos Aires 31951 (Colección Austral. Bd. 301). 38) H. H e i n r i c h s , Die Überwindung der Autorität Galens durch Denker der Renaissancezeit, Bonn 1914 (Renaissance und Philosophie. Heft 12). Huarte S. 71.

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Weiterhin soll nicht der Beitrag dieser Literatur zur Methodologie vergessen werden, die in Spanien schon 300 Jahre vorher in der Ars Magna Ramón Lulls europäische Geltung erlangt hatte. Schließlich stehen wir auch für Fragen des Sprachbewußtseins an einem Scheideweg: Selbst in der wissenschaftlichen Literatur wie in der Medizin wird das gelehrte Latein scheinbar reibungslos von der Volkssprache abgelöst. Die medizinischen Kompendia sind sogar auf spanisch im Ausland verbreitet (Fragoso). Auch hierfür ist Huarte ein typisches Exempel, ja es gibt persönliche Äußerungen, in denen sich der Verfasser ausdrücklich und bewußt zu seiner Muttersprache bekennt. Durch das engere Band der humanistischen Durchdringung, die gefeiltere Form der Volkssprache und gewisse soziologische Voraussetzungen wird in der Romania das Problem der Zweisprachigkeit erstaunlich glatt gelöst. Obwohl das Examen de Ingenios diesen geistes- und ideengeschichtlichen Hintergrund seiner Zeit reflektiert, fällt ein Kapitel über seine Vorläufer 39 ) unbefriedigend aus. Wichtiger als die stets gestellte Frage nach der Abhängigkeit, die wegen des weiten thematischen Horizonts sehr unergiebig ist, gestaltet sich ein Besinnen auf Zweck und Erfolg einer solchen Literatur. Wie ist es möglich, daß ein Werk wie das Huartes gerade zu dieser Zeit und gerade in Spanien aufkommt? Dem Problem der Begabtenprüfung liegt die Einsicht in eine kommende Notwendigkeit der Berufsspezialisierung zugrunde. Bei allen umfassenden Zügen deutet diese einschränkende Tendenz am meisten in die Zukunft. Erinnern wir uns an die großen Epidemien und Fieberkrankheiten, die Millionen vor Erreichen ihrer Schaffensgrenze dahinraffen! Erinnern wir uns der eingangs erwähnten verheerenden Kriege mit ihren Folgen, und das Bild eines großen Aderlasses an Menschen zeichnet sich ab. Diesem empfindlichen Mangel steht eine starke Erweiterung des Weltbilds geographisch-geistiger Natur entgegen. Erinnern wir uns, daß die Entdeckung Amerikas knapp zwei Generationen zurückliegt! Große Räume erfordern zur Kolonisation viele Menschen, die fast ausschließlich spanischem Mutterboden entstammen. Erinnern wir uns der epochalen Entdeckungen der Naturwissenschaften! Erinnern wir uns des Materialreichtums, der Medizin und Philosophie auf allen Zweigen zufließt! Erinnern wir uns schließlich des wirtschaftlichen Aufschwungs mit seinem blühenden Handel! Der Mensch hat einen Wert erhalten, weil er immer größere Lebensbereiche durchdringen muß. Das ist der ernste Hintergrund des Examen de Ingenios und der Schlüssel zu seinem Inhalt.

39) I r i a r t e ,

El Doctor

Huarte,

S. 135—196. 25

III.

Huartes Aufnahme in Deutschland vor Lessing 1) Meßkataloge, Possevino-Kritik 1610 Wenn einmal die wichtige Geschichte der Vermittlung spanischen Kulturguts nach Deutschland durch die niederländischen Druckereien im Zusammenhang gewürdigt wird, muß das Examen an erster Stelle stehen: denn auf der Frankfurter Fastenmesse wird 1593 die Antwerpener Ausgabe der Officina Plantiniana verkauft. An wenigen Büchern lassen sich besser die Spekulationen der Verleger studieren 40 ). Denn die beiden Fassungen des Werkes sind in Komposition und Inhalt von unterschiedlicher Prägung. Hier die noch vom Verfasser betreute Fünfzehn-Kapitel-Version mit ihrem streng logischen Aufbau, dort die postum edierte Fassung seines Sohnes und das Bestreben, den Forderungen der Zensur Genüge zu tun; dazu die erweiternden Zusätze, welche die Grundidee keineswegs deutlicher herausheben. Nach der Indizierung erschien über ein Jahrzehnt keine spanische Ausgabe. Die Nachfrage, durch das Verbot noch gesteigert, wird eher gestiegen als gefallen sein. Es ist wahrscheinlich, daß die flämischen Offizinen von der Neufassung gehört haben. Kurz bevor diese erscheint, werfen sie in Leyden 1591 und Antwerpen 1593 das alte Original auf den Markt. Die Ausgaben sind bis auf Kleinigkeiten identisch. Die Fülle mehr oder weniger entstellender Druckfehler kompensiert die kostbare Aufmachung. Diese und die späteren Auflagen sind als elzevierische Drucke eine gesuchte Rarität 41 ). Auch für das folgende 17. Jahrhundert lassen sich die geschäftstüchtigen niederländischen Verleger das Buch nicht entgehen. Insgesamt bestimmen sechs Ausgaben seine Verbreitung in Deutschland 42 ). Noch Lessing und Schopenhauer benutzten diese flämischen Drucke. Die Ergänzungen der expurgierten spanischen Fassung sind selbst in der lateinischen Übersetzung Joachim Caesars (1622) nie einflußgewinnend geworden. Der Deutsche liest und exzerpiert das Examen nach der gängigsten Antwerpener, Leydener oder Amsterdamer Ausgabe. Wie werden die Möglichkeiten ihrer allgemeinen Verbreitung um die Wende des 16./17. Jahrhunderts zu beurteilen sein? Bei aller heftigen Reaktion und Polemik vieler Kreise gegenüber der Religion und Politik Spaniens, wie sie 40) ü b e r diese Nachdrucke L. Ρ f a η d 1, Spanische Kultur und Sitie des 16. und 17. Jahrhunderts, Kempten 1924, S. 123 ff. 41) Klassikerausgaben kleinen Formats der holländischen Verlegerfamilie Elzevier. 42) Leyden 1591 und 1652, Antwerpen 1593 und 1603, Amsterdam 1662, Brüssel 1702. Zur Verbreitung in Deutschland siehe Anhang, Tafel 3!

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sich gerade zu dem Zeitpunkt in den Flugschriften kundtut, gab es genug Spanischkundige. Auf berühmten Schulen, so ζ. B. dem Collegium Mauritianum, wurde seit der Gründung 1599 außer Lateinisch, Italienisch, Französisch auch Spanisch unterrichtet. Fürsten, wie der Landgraf Moritz von HessenKassel und der Herzog Heinrich Julius von Braunschweig, verstanden Spanisch. In Hofkreisen und Klöstern43) muß sich das Werk einer gewissen Beliebtheit erfreut haben. Mit dieser Welt steht auch der erste Übersetzer in Verbindung. Schon beim Sprachenlernen traf der Hispanophile damals auf Huarte. Die gebräuchlichste Grammaire espagnolle expliquée en trançois von César Oudin (1597) führt eine lange Passage aus dem 13. Kapitel des Examen an, „la où les studieux la pourront voir a leur aise, toutesfois par ce que le liure pour sa rareté ne se trouue pas pour tout" (S. 160). Es handelt sich um die Etymologie des Wortes hidalgo, die Huarte mit der „zweiten Geburt" verknüpft. Vorher ist der Mensch „hijo de nada", nach vollbrachten Taten „hijo de algo". Die klare, ausgreifende Deduktion wird dem Spanier diesen ersten Nachruhm gesichert haben. Werfen wir einen Blick zurück in die Meßkataloge und Bücherverzeichnisse, erscheint die Ausgabe 1593 unter „libri philosophici et artium", nicht etwa „libri medicinae" 44 ). Das entspricht Huartes eigener Auffassung. Er liebt es, gegen die anderen Philosophen und Metaphysiker seinen Begriff des „filósofo natural" auszuspielen, welcher der Ursache aller Dinge auf den Grund geht. Der folgende Seitenhieb auf die katholische Kirche wird großen Unwillen erregt haben: „La ignorancia de la filosofía natural hace poner milagros donde no los hay" (2. Kapitel). Den ersten wichtigen Hinweis auf das Inquisitionsverbot geben nicht die voluminösen Spezialenzyklopädien, sondern der Catalogue Clarorum Hispaniae Scriptorum (Moguntiae 1607) des Valerius Andreas Taxander, eine lateinische Bibliographie 45 ). Der Titel wird „Examen ingeniorum ad disciplinas perdiscendas" wiedergegeben, „qui tarnen liber censoria notatione purgatur". Neben der Notiz einer spanischen, italienischen und französischen Übersetzung von 1580 findet sich der erste biographische Verweis: „Cantaber medicus". Wie wenig diese dürren Katalogeintragungen aussagen 46 ), so sehr läßt sich die Bedeutung, die man dem Buch beilegte, aus dem Erscheinen der 7. Auflage der Huarte-Kritik des berühmten Jesuiten Antonio Possevino in Köln 1610 ermessen 47 ). 43) Man vergleiche im Schlüssel zur Tafel 3 die Zirkulation in den Klosterbibliotheken der Schweiz und Österreichs. Für das Examen gilt damit dasselbe, wa5 Schwering für die Standorte der indizierten Schelmenromane feststellte. 44) C 1 e s s i u s 1602. D r a u d i u s , Bibliotheca Exotica, Frankfurt 1610 und 1625. In desselben Bibliotheca Classica 1625 unter: Ingeniorum cultura. 45) Ein Veto wäre auch schon in dem B e r g sehen Index librorum (Monachii 1582) möglich gewesen, ist dort jedoch nicht nachzuweisen. 46) Diese Einzelkritik richtet sich nicht gegen das Gesamtwerk. Η. Τ i e m a η η , Das spanische Schriittum in Deutschland von der Renaissance bis zur Romantik, Hamburg 1936 (Ibero-amerikanische Studien. 6). S. 70. 47) A. P o s s e v i n o , Cuitara ingeniorum. Examen ingeniorum Ioannis Huartis expenditur, Coloniae Agrippinae Ί610. 207 S. Das Werk ist ein Sonderdruck der ersten zwölf Kapitel des 1. Buches der Bibliotheca Selecta, qua agitur de ratione studiorum in historia, in disciplinis, in salute omnium procurando, Romae 1593 (Coloniae 1607). Eine deutsche Übersetzung in: Der Jesuiten Perpiña, Boniiacius und Possevin ausgewählte pädagogische Schriften, Freiburg i. Br. 1901 (Bibliothek der katholischen Pädagogik. Bd. 11) S. 400—503. Biographie und Werke S. 277—399.

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Der Verfasser ist ein führender Kopf der Gegenreformation auf kirchenpolitisch-pädagogischem Gebiete. Als Sekretär des Ordensgenerals nimmt er aktiv an schwierigsten diplomatischen Missionen in alle kontinentalen Länder teil. Mehrjährige Aufenthalte in Frankreich, Rußland, Polen, Ungarn, nutzt er mit äußerstem Geschick zur Festigung und Verbreitung des katholischen Glaubens. Ein Höhepunkt ist sein erfolgreiches Auftreten als päpstlicher Legat in Stockholm (1577—1580). In Deutschland gründete er Seminarien und Schulen in Siebenbürgen, Ostpreußen und Mähren, die durch seine Persönlichkeit Schüler aus allen Ländern anzogen. Die weite Streuung seiner zahllosen theologischen sowie philosophischen Schriften und seine noch wichtigeren Gespräche und Abkommen mit Königen und Staatsmännern deuten den großen Radius an. Die Cultura ingeniorum leitet die Bibliotheca selecta ein und enthält praktische Grundsätze zur Geistesbildung. Die auf Huarte bezüglichen Kapitel 13—18, deren Wichtigkeit Separatdruck und Titel hervorheben, stehen im Zusammenhang eines geschichtlichen Rückblicks. Aufgegriffen werden hauptsächlich: 1. Huartes Zuordnung der Wissenschaften (8. Kapitel) Gedächtnis: Grammatik, theoretische Rechtsgelehrsamkeit, Arithmetik, positive Theologie, Verstand: Dialektik, Natur- und Moralphilosophie, praktische Jurisprudenz, Einbildungskraft: Theoretische Medizin, scholastische Theologie, Poesie, Rhetorik, Musik, Astrologie, Diplomatie usw. Paradigmatisch greift Possevino zwei Behauptungen heraus: a) Die Abhängigkeit des Sprachenlernens von dem Gedächtnis und daher als Vorrecht der Jugend. Dadurch würden Erwachsene vom Sprachenstudium abgeschreckt, während es nur von einer ausgeglichenen Seelenlage abhängig sei. b) Die Sprache ist zufällige Erfindung des Menschen zur Verständigung. Possevino wehrt mit aller Schärfe unter Hinweis auf die Bibel ab. Gott habe dem ersten Menschen, dem Lichte, dem Himmel, Tag und Nacht ihren Namen gegeben, erst dann sei Adam zu nennen. 2. Der Gegensatz memoria — imaginatio, aus dem der Spanier die Unfähigkeit klassischer Philologen zu den spekulativen Wissenschaften deduzierte sowie die geringe Begabung der Spanier zur lateinischen Sprache. In rhetorischer Klimax opponiert der Jesuit (S. 51): „At bonus vir toto errat coelo. Plus errant, qui versantes eius librum, non secernunt verum a falso." Es folgt die Rettung des Thomas von Aquin, den Huarte unter die Verstandestypen eingereiht hatte. Als gute lateinische Stilisten werden die Dominikaner Melchor Cano und Soto, Pedro Fonseca, José Acosta, die Aristoteles-Kommentatoren des Collegium Conimbricense u. a. hervorgehoben. 3. Huartes Abwertung der Diktion des Aristoteles, die allerdings auf lateinischer Lektüre des Stagiriten beruht. 29

Es würde zu weit führen, in eine Diskussion über Pro und Contra dieser Argumentation einzutreten. Wichtiger ist die Grundhaltung, die trotz aller Sachlichkeit durchschimmert. Es sind Einzelbeweise, die immer leicht anzufechten sind und eine schematische Abstraktion im Huarteschen Sinne erschweren. Es sind orthodoxe Beweise, die mit der rationalen Naturphilosophie Huartes keine einheitliche Diskussionsebene finden können. Es sind philosophische Traditionsbeweise, die noch fest in der Scholastik und im gültigen Aristotelismus verankert sind. An diesem Einzelfall sind zugleich alle scharfen Gegensätze zwischen Huarte und der Inquisition aufgezeigt. Possevino ist die lebendige Inkarnation der Gegenseite. Wir ahnen das Aufsehen und die Kämpfe, die Huartes Gedanken hervorriefen. Wie sieht der Italiener ein Examen de Ingenios? Nur Gott als Schöpfer des Menschen kann diesen zu einer Tätigkeit berufen. Alle Begabungen sind durch ihn allein gegeben und können nur durch ihn erkannt werden. Hingabe im täglichen Gebet zu Gott und der Jungfrau Maria ist daher der einzige W e g zur Prüfung der Geistesanlagen. Die Theologie ist Ausgangspunkt und Fundament des Studiums, das ewige Heil zur Ehre Gottes das Ziel. Nach einem Preis der Institution und Verfassung der Universität Salamanca folgen detaillierte Kapitel über Studienordnung und Bildungsweise der Gesellschaft Jesu. Nirgends wird der Sinn der Schrift klarer: Es ist eine getarnte Propagandabroschüre, die zum Eintritt in die Jesuitenkollegien ermuntern soll. Nirgends aber wird der Abgrund zwischen Huarte und Possevino deutlicher als hier. Der allgemeine praktische Leitfaden des Spaniers, den Eltern und Lehrer bei ihren Kindern direkt verfolgen konnten, widersprach der strenggläubigen Starrheit des Jesuiten und dem werbenden Charakter seines Ordens. Empirische Ratio und dogmatischer Glaube stehen sich scharf gegenüber. Durch die einflußreiche Stellung Possevinos, den persönlichen Umgang mit ihm und seine Anregungen für das deutsche Schulwesen wird auch die Cultura ingeniorum mit der entscheidenden Kritik Huartes lebhafte Diskussionen in deutschen Fachkreisen hervorgerufen haben. Die Erwähnung in der Vorrede der lateinischen Version Joachim Caesars ist ein maßgeblicher Hinweis. Das Interesse für eine Ubersetzung des Spaniers war geweckt. Zwei Jahre nach dieser Publikation zeigen die Meßkataloge 1612 an: Libri ¡uturis Nundinis prodituri Ioannis Huartis Examen ingeniorum ex Hispanica lingua in Latinam translatum à Theodosio Arctogonio, Austriaco. Argent, apud loan. Carolum. Diese Vorankündigung erfüllte sich nicht. Bis heute ist kein Exemplar dieser Straßburger Ausgabe auf in- oder ausländischen Bibliotheken aufgetaucht 48 ). Ebensowenig finden sich spätere Hinweise oder Zitate. Aufschlußreicher wäre die Identifizierung des Verfassers. Da alle Quellen versagen, ist ein Pseudonym nicht ausgeschlossen. Doch nur Weller erwähnt einen sehr ähnlichen Namen, allerdings ohne Aufschlüsselung 49 ). Sanz' scharfsinnige Hypo48) Τ i e m a η i l , Das spanisAe Sdirilttum, S. 203. Dort bereits Köln 1594 angemerkt. 49) E. W e l l e r , Lexicon Pseudonymorum, Regensburg 2 1886, S. 42: Aretogon, Theodosius, Exemplum literarum de societate Jesu (1609).

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thesen, die von Iriarte erneut zur Diskussion gestellt wurden, zielen auf Possevino selbst, der häufiger Decknamen verwandte 50 ). Nach der heftigen Kontroverse ist diese Vermutung jedoch entschieden abzulehnen. Der erste Abschnitt der Rezeption Huartes endet mit einer unlösbaren Frage.

2) Joachim Caesars Scrutinium Ingeniorum von 1622 Geistesgeschichtliche Einordnung Mit Beginn des 17. Jahrhunderts zirkuliert spanisches Schrifttum in Deutschland in bisher nie wieder erreichter Tiefe und Dichte. Aus spanischen und niederländischen Druckereien strömt eine Fülle philosophischer, gelehrter, politischer und literarischer Werke in das Land. Durch Originale, Übersetzungen oder Umformungen dringt spanisches Kulturgut auf allen Gebieten in weiteste Kreise. Die im gleichen Zeitraum erschienenen Streitschriften stellen nur ein scheinbares Paradoxon zu diesem Sachverhalt dar. Das Barockzeitalter — und das gilt mit Nachdruck auch noch für das 18. Jahrhundert — rezipiert frei von nationalen und konfessionellen Ressentiments. Das metaphysische Gedankengut eines Francisco Suárez (1548—1617) dringt ebenso in protestantische Theologie und Philosophie ein. Wie sehr das Verlangen nach einem Vorbild für die eigene Literatur den Prozeß verstärkt und beschleunigt, ist hier nicht Raum zu untersuchen. Ein Gang auf die Büchermessen jener Jahre zeigt für die höfische Didaktik die Traktate Antonio de Guevaras durch seinen deutschen Übersetzer Aegidius Albertinus in immer neuen Auflagen. Derselbe Interpret verhilft 1615 durch Bearbeitung des Guzmán de Alfarache den spanischen Novelas picarescas zu ihrem Einzug. Der Amadis de Gaula findet als Kompendium höfischer Etikette selbst in Fischart einen Ubersetzer und wird zu dieser Zeit noch lange nicht persifliert. Die Sdiäferromane beginnen durch die Kuffsteinsche Übersetzung der Diana Montemayors 1619 zu florieren, und für die asketisch-mystische Literatur der Santa Teresa, Juan de la Cruz, Luis de Granada usw. stehen eindrucksvolle Zahlen bereit. In welche dieser Strömungen wird die Caesarsdie Huarte-Ubersetzung einzureihen sein? Für die zahlreiche lateinische Literatur hat Tiemann den umfassenden Überbegriff „Barockhumanismus" verwandt. Als Verbindung zwischen höfischer und realistisch-satirischer Prosa gehören dazu als Grundlagen Enzyklopädien und Grammatiken, Hofliteratur Guevaras, aber auch Volksliteratur in lateinischer Ubersetzung, wie der Guzmán de Alfarache, der Lazarillo de Tormes des Gaspar Ens und die Celestina Kaspar von Barths. Gebrauchs-, Hof- und Unterhaltungsliteratur vereinen sich durch das Band der lateinischen Sprache. Es wird schwer fallen, andere gemeinsame Züge des „Barockhumanismus" festzulegen. Denn „Humanismus" heißt zu der Zeit auch Beschäftigung mit zeitgenössischer Volksliteratur anderer Länder. Doch ginge es zu weit, den Terminus deswegen aufzulösen und den Inhalt auf 50) Sanz teilte seine Vermutung bereits 1928 Artigas mit. M. A r t i g a s , Notas para la bibliogralía del Examen de Ingenios, in: Homenaje a D. Carmelo de Echegaray, San Sebastián 1928, S. 600.

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höfische Didaktik, Schelmenromane und Satire zu verstreuen. Bei späterer systematisch-bibliographischer Auswertung dieser Literatur wird manches übersetzte Fachwerk dem „Barockhumanismus" noch weiteren Umfang verleihen. Was das Werk Huartes betrifft, strebt es innerhalb dieses Bereichs nicht nur — wie man annehmen sollte — zur didaktisch-pädagogischen 51 ), sondern durchaus ebenfalls in die Nähe des höfisch-gesellschaftlichen Lebensideals Guevaras und Graciáns 52 ). Der schon erwähnte Hidalgo-Exkurs propagiert das höfische Leitbild des „héroe", und das 14. Kapitel „a qué diferencia de habilidad pertenece el oficio de Rey y qué señales ha de tener" ist Guevaras Reloj de príncipes in nuce, von einem originellen Blickwinkel aus gesehen. Diese teilweise inhaltliche Kongruenz zwischen dem Examen de Ingenios und der „literatura de corte" spiegelt sich verblüffend in dem paarweisen Auftauchen Graciáns und Huartes bei Buddeus, Thomasius, Lessing, Lavater, ja sogar noch Schopenhauer. Obwohl wir für das 14. Kapitel keinen direkten Einfluß in Deutschland feststellen können, muß die enge Verbindung der Thematik, zumindest in diesem 17. Jahrhundert, evident gewesen sein. Die pädagogische Idee dient der politischen. Biographie des Übersetzers 53 ) Nachdem im ersten Abschnitt dieses Kapitels wegen der Zielrichtung der Schrift Possevinos ein Umlauf des Examen de Ingenios in den Kreisen deutscher Pädagogen als wahrscheinlich vermutet wurde, tritt das Werk durch Persönlichkeit und Stellung des Ubersetzers Joachim Caesar in das helle Licht des Anhaltischen Hofes und der Fruchtbringenden Gesellschaft. Wenig sichere Nachrichten haben wir von Caesars Leben und Schaffen, das sich wegen seiner sozialen Position dazu noch hinter Pseudonymen verbirgt. Nicht die früheste, aber die ausführlichste Sekundärquelle berichtet 54 ): Joachim Caesar wird als Sohn des Rektors M. Christoph Caesar (1540—1604) unter acht Geschwistern, von denen drei überleben, in Halle geboren. Nach der traditionellen Bildungsreise durch Italien, Frankreich und Spanien wird er in Magdeburg Fürstlicher Hof- und Justizrat. Später soll sich Caesar in Großglogau aufgehalten haben. Persönlichkeit und Werk dieses Barockhumanisten gelangten zur allgemeinen Diskussion, als es Tiemann 1933 auf Grund subtiler Stilvergleiche und Meßkatalognotizen glückte, die bisher unter Pahsch Bastei von der Sohle laufende erste deutsche Teilübersetzung 51) H. F l a s c h e möchte gegenüber Tiemann diese Seite mehr betont sehen. (VJS, Referatenheft 17, 1939, 136). 52) Auf direkte Lektüre Huartes durch Gracián sei hier besonders verwiesen. Das Wortspiel Huartes im 13. Kapitel „milicia-malicia" wird in der 13. Maxime des Oráculo Manual übernommen: „Milicia es la vida del hombre contra la malicia del hombre." Weitere Bezüge in demselben Kapitel bestätigen nur die schon bei Possevino bemerkte Tatsache, daß Huarte in Jesuitenzirkeln sehr im Gespräch gewesen sein muß. In der Bibliothek seines Freundes Lastanosa konnte Gracián außerdem die Valencianer Ausgabe 1580 des Examen de Ingenios lesen. K.-L. S e l i g , The library ol Vincendo Juan de Lastanosa, Palron oí Gracián, Genève 1960 (Travaux d'humanisme et renaissance. Bd. 43). 53) Die folgenden Ausführungen fußen vornehmlich auf H. T i e m a n n , Der deutsche Don Kichote von 1648 und der Übersetzer Aeschacius Major, ZdPh. 58 (1933) 232—265. 54) J. Chr. v . D r e y h a u p t , Beschreibung des Saal-Kreyses, 2. Theil, Halle 1751, S. 599 f.

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des Don Quijote mit Joachim Caesar zu verknüpfen. Sorgfältiges Studium der Vorreden seiner Werke und der Leipziger Matrikellisten, wie es Tiemann erschöpfend durchführte, zeigen Caesar 1588 inskribiert, 1604 vereidigt, 1616 auf Reisen, 1628 wahrscheinlich im Dienst der Grafen von Oldenburg-Delmenhorst. Außer einem jugendlichen Epithalamium von 1599 sind folgende Übersetzungen bekannt: Aus dem Französischen 1612 Rationis et adpetilus pugna 1615 Glücks- und Liebeskampf (beides Novellen Bandellos) Aus dem Spanischen 1622 ScTutinium Ingeniorum (Huarte, Examen de Ingenios) 1648 Don Kichote (Cervantes, Don Quijote) Aus dem Italienischen 1624 Thiasonum Fastus55) 1628 Regieikunst (Paciano, L'arte di governare i popoli) Der Autor verbirgt sich hinter den Pseudonymen Aeschacius Major 56 ), Caesar von Joachimsthal, Caesar de Salis valle Joachimicus und Pahsch Bastei von der Sohle57). Übersetzungstheorie Zu einer geschlossenen Würdigung der Übersetzungen Caesars gehört eine richtige Vorstellung von Wert und Stellung dieser Gattung im 17. Jahrhundert. Im Gegensatz zum folgenden Aufklärungszeitalter ist die Übersetzung durchaus ein eigenes literarisches Genus. Der Übersetzer bewegt sich oft pseudonym im Hintergrund, seltener aber wird man wie im 18. Jahrhundert in die Leere eines Anonymi stoßen. Im Falle Caesars prangen sogar Werk und Ubersetzerpseudonym bei übergehung des Autors auf dem Titelblatt 58 ). Den Vorwurf des Plagiats vermeidet der Interpret jedoch schon durch Zitat Huartes auf der dritten Seite seiner Praefatio. Daß die Übersetzung später häufiger als sein eigenes Werk angeführt wird, ist unverschuldete Ironie "des Schicksals59). 55) Vom Verfasser in Wolfenbüttel gefunden (Sign. 9811, alte Helmstedter Kataloge): THRASONUM FASTUS / ex Italico / in latiarem versus / hâc vice I prioribus tantum scenis tribus / comicè exhibitus: / opera / Caesaris de Salis valle Jo / achimici. / (Drudcstempel) / Hallis Saxonum / Typis Petri Fabri, Typ. aul. Impensis / Michaelis Oelschlegell. / M. DC. XXIV. 19 unpag. Blätter. 8° Dem Fürsten Georg-Herbert von Anhalt gewidmet. Geschrieben „e castro Mauritiano". 56) Die erste Entschlüsselung dieses Anagramms fanden wir bei M. W a t s o n , Unió sapientiae sive synopsis /otius philosophiae, Bremae 1658, S. 212. 57) Gegen diese Identifizierung J. J. Α. Β e r t r a η d , La primera traducción alemana del .Quijote", in: RFE 32 (1948) 475—486. Keine noch so scharfsinnige Hypothese enthebt einer weiteren Quellensuche. 58) Sdiultheiss' Vermutung, das Verschweigen Huartes hinge mit der Indizierung zusammen, ist bei Kenntnis dieser Zusammenhänge und der Nichterwähnung des Verfassers bei vielen anderen Übersetzungen, z. B. bei dem Don Kichote, zu verwerfen. E. S c h u l t h e i s s , Juan Huartes .Prülung der Kopie zu den Wissenschalten", Ζ (s. I. ärztl. Fortbildung, Jena 53 (1959) 1447—1449. Ein Auszug: Neue Zts. 1. ärztl. Fortbildg., Berlin 48 (1959) 690—691. 59) Ζ. B. Ph. A. B u r g o l d e n s i s (d. i. Oldenburger), Notitiae germanici, Freistadii 2 1669, Annex, S. 5.

rerum

imperii

romani-

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Die weitgehende Identität zwischen Original und Version mag einer der Gründe sein, daß es bis heute nicht gelungen ist, eine gültige, einheitliche Konzeption der Übersetzungstechnik: im 17. Jahrhundert herauszukristallisieren. Die Übersetzung als solche ist durchaus autonom und untersteht keinen Allgemeinregeln. Das widerspricht nicht der Einheitlichkeit eines Übersetzungskorpus, wie bei Joachim Caesar. Aus dem theoretisch-praktischen Vergleich, der Prooemien und Stilprinzipien zieht Tiemanns Studie ihre berechtigten Ergebnisse 60 ). Wie genau wir den Aristarchus oder die Poetik Opitzens und die Haubtsprache Schottels auf allgemeine Vorschriften zur Versionstheorie durchforschen, so oft treffen wir auf die formende Erziehung durch das Original zugunsten der deutschen Sprache01): „Eine guete art der vbung aber ist, das wir vns zueweilen auß den Griechischen vnd Lateinischen Poeten etwas zue vbersetzen vornemen, dadurch denn die eigenschafft vnd glantz der Wörter, die menge der figuren, vnd das vermögen auch dergleichen zue erfinden zue wege gebracht wird."

Von dieser Haltung unterscheidet sich Caesar beträchtlich, selbst in seinen deutschen Übersetzungen, und darin liegt neben der exemplarischen Wahl der Originale seine Größe. Wie bemüht er um die deutschen Übersetzungen ringt, beweisen Vorworte und Texte in jeder Zeile. Das Problem der Zweisprachigkeit stellte sich auch ihm vor jedem Unternehmen. Sicher ist das Sciutiriium Ingeniorum als wissenchaftliche Lektüre für einen bestimmten Kreis bewußt lateinisch abgefaßt, aber nicht weniger beachtenswert ist das Argument im Vorwort des Don Kichotee2) : „Dannenhero idi mir getrawte mit drey Blaten ehe fertig zu werden so auß obgesetzten dreyen in die Lateinische Sprach vmbzusetzen seynd ails mit deren einem in die Teutsche."

Diese Worte sind wahrscheinlich zur Zeit der Huarte-Übersetzung geschrieben. Ein Blick in den deutschen Don Kichote und ein Blick in das spanische Examen de Ingenios zeigen die unüberwindlichen Schranken, die einer vollständigen deutschen Übernahme Huartes entgegenstanden. Der Don Kichote brach im 23. Kapitel ab. Wie weit wäre Caesar über die Strecke von 738 Sei-' ten Textvorlage bei Huarte gekommen? Titel des

Scrutinium

Betrachten wir nach diesen ausführlichen, zum Einzelverständnis aber notwendigen Präliminarien nunmehr Vorankündigung und endgültigen Titel des Scrutinium Ingeniorum"3): 1621

Scrutinium Ingeniorum: liber admirabilis: cuius ductu eam sibi quisque seiiget discendam artem, in qua maxime possit excellere: omni hominum 60) Die Ubersetzungsforschung im 17. Jh. erwartet ein weites und ertragreiches Feld. Für ein anderes wichtiges Problem, Individual- oder Gruppentheorie (z. B. Gibt es eine Schule der Fruchtbringenden Gesellschaitl), fanden wir noch keinen Ansatz. 61) Μ. Ο ρ i t ζ , Aristarchus sive de contemptu linguae Teutonicae (1617), 8. Kap., Leipzig 1888, S. 201. 62) Ρ a h s c h B a s t e i v o n d e r S o h l e (d. i. Joachim Caesar), Don Kichote de la Mantzscha, Frankfurt 1648 (Zit. Neudruck Tiemann, Hamburg 1928). 63) Herbstmessen Frankfurt und Leipzig, Kataloge L a t o m u s und G r o ß e 1621 (Appendix). Die Ligaturen und Abkürzungen wurden aufgelöst.

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generi, praesertim Uteratis, qui emergere cupiunt, lectu pernecessarius: magno ingeniorum detrimento hactenus in Germania nequidquam desideratile: nunc primum è lingua Castellana in latinam traductus, interprete Aeschacio Maiore Dobreborano, ibid. in 8. 1622

SCRUTI/NIUM/ INGENIORUM/ pro ijs,/ qui excellere cupiunt·,! perpetuò linguae Castellanae trans/latione/ latinitate donatum:/ interprete/ AESCHACIO MAJORE/ DOBREBORANO./ Lege: stupesces./ (Druckerzeichen)/ Cum privilegio S. Caesareae Majest./ Prostat Lipsiae/ IN OFFICINA COTHONIENSI/ M. DC. XXII. β4) Der Katalogtitel von 1621 ist nicht nur eine Vorform des endgültigen Titelspiegels, sondern eine überaus wirksame Buchreklame. Außer den suggestiven Epitheta „liber admirabilis", „lectu pernecessarius" sind folgende Punkte aufsdilußreich: 1. Das Buch ist zu großem Nachteil bis jetzt in Deutschland vergebens verlangt. 2. Es ist die erste lateinische Übersetzung. 3. Es ist eine Direktübertragung aus dem Spanischen. Kurz nach dieser Katalognotiz war das Scrutinium bereits mit 500 Exemplaren in Druck65). Im Gegensatz zu dieser weitläufigen Ankündigung bringt die echte Titelseite nur die Kurzform „Scrutinium ingeniorum pro ijs, qui excellere cupiunt". Das pseudonyme Examen ingeniorum von 1612 weicht einem gewählteren „Scrutinium ingeniorum" ββ ), wie überhaupt das Titelblatt in sehr ausgesuchtem Latein (latinitate donatum) abgefaßt ist. Das blasse objektivere „para las ciencias" ist durch „pro ijs, qui excellere cupiunt" sehr attraktiv personifiziert. Die psychologische Erkenntnis, daß jeder gern vor andern hervorragen möchte, macht das Buch zum begehrten Ziel. Diese Anziehungskraft wird durch die Versprechung „Lies: du wirst staunen" gesteigert. Trotz verlegerischer Interessen dürfen diese knappen Wendungen nicht als obligatorisch und nebensächlich abgetan werden. Das Buch soll durch das „Scrutinium ingeniorum" zum „excellere" führen. Der Leser wird bei der Lektüre staunen (stupescere). Absicht und Folge entsprechen dem horazischen „aut prodesse aut delectare". Nutzen und unterhaltendes Vergnügen finden sich bei Huarte sogar gepaart. Anziehender läßt sich kein Buch anpreisen. Die Wissenschaft wird zur anregenden Kunst erhoben. Schon die erste Seite des Scrutinium erweckt durch ihre kluge Redaktion lebhafte Spannung und brennendes Lesebedürfnis. Das Buch ist dem Herzog Albrecht von Sachsen-Eisenach und dem Anreger der Fruchtbringenden Gesellschait, dem Fürsten Ludwig von An64) 743 pag. Seiten. 8° Unpag.: Privileg, Epistola Dedicatoria, Praefatio 39 S., Index 45 S. 65) G. K r a u s e , Ludwig, Fürst zu Anhalt-Cöthen, und sein Land vor und während des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, Cöthen 1877, S. 270. Τ i e m a η η , Der deutsche Don Kichote, S. 237. 66) Scrutinium ist jedoch ein durchaus gängiger Terminus für eine wissenschaftliche Untersuchung. Vgl. M. M a j e r i , Scrutinium Chymicum, Francofurti 1687. Α. Κ i r c h e r , Scrutinium physico-medicum . . . pestis, Romae 1658.

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halt, gewidmet. Die auf dem Titel erwähnte Oiücina Cothoniensis war, wie Tiemann nachwies, als Verkaufsniederlage der fürstlichen Druckerei in der Stadt Kothen erst 1618 gegründet. Vorwort Obwohl die „Praefatio ad Lectorem" (27 S.) dem damaligen gelehrten Stil huldigt und eine Fülle antiker „flores" aus Plautus, Cicero, Seneca, Julian, Tacitus, Horaz, Juvenal u. v. a. geschickt verarbeitet, überragt sie ähnliche Vorworte an präzisen und persönlichen Angaben. Der Hauptfaden berührt den Leserkreis, eine Würdigung des Autors und seines Buches, die Gegner des Werkes, die Geschichte der Übersetzung, den Stil des Examen, die Fehleranzeige, die Übersetzungsmethode, Editionen und Übersetzungen. Caesar verzichtet auf den Redeschmuck (honestamentum), der anderen Versionen vorausgeht, und stellt allein das Werk in den Mittelpunkt, das so für sich sprechen soll, daß es den Dolmetscher entbehren könne. Das Scrutinium lohne eine häufige Lektüre, weil es alle Künste und Wissenschaften tangiere, ohne flüchtig zu wirken; überall sei der Verfasser „explorator" (Erkunder von Neuland). Deshalb würden davon der Theologe, Jurist, Arzt, Politiker, Philosoph und die Schüler aller Wissenschaften profitieren können. Es würde niemanden geben, „qui ab hâc lectione sive melior, sive doctior surgere non possit". In dieser erzieherischen Zielsetzung sieht Caesar den Sinn des Werkes. Wie bekannt das Buch sei, so dunkel bliebe die Lebensgeschichte seines Verfassers. Darin ändert sich bis in unser Jahrhundert kaum etwas. Aber der Übersetzer hat sich in Spanien wenigstens nach ihm erkundigt. So können wir nur aus dem Buch auf die innere Biographie schließen. Da reißt es Caesar zu dem begeisterten Ausspruch hin: „De caetero visus mihi est doctorum hominum nostri seculi, si quisquam, longé subtilissimus." Mit der „subtilitas" verbindet Caesar die Meinungsfreiheit (opinandi libertas), die seit der Antike verlorengegangen sei. Huarte habe den Querbalken von den „vulgares opiniones" geschoben und ihnen eine neue persönliche Deutung gegeben. Nur genial habe dieser geniale Autor über das Ingenium schreiben können67). Trotz diesem von Caesar aufrichtig, nicht in stilistischer übertreibung gemeintem Lob, habe es dem Buch nicht an Gegnern gefehlt, wie der Übersetzer aus Andeutungen im zweiten Kapitel richtig schließt. Zu dieser Stelle führt eine direkte Verbindung von der Cultura ingeniorum Possevinos. Caesar enthält sich bewußt einer Kritik und überläßt das Abwägen der Argumente dem Publikum. Das Terenzwort „si placet, utere" (Phormio) sollte allen Zensoren ans Herz gelegt werden. Nach diesen biographisch-bibliographischen Recherchen widmet sich Caesar in aller Breite seiner eigenen Übersetzung. Das Verständnis für diese Digression werden wir in der vorhin erwähnten Konzeption der Übersetzung als selbständigen Originals finden. Der Übersetzer lernte das Werk in Frankreich durch seinen spanischen Sprachlehrer, Joaquín Vicente Soler, einen sehr gebildeten und polyglotten Mann, kennen. Der Spanier wies ihn nachdrücklich auf das Buch hin und riet dem geschickten Übersetzer, in seiner 67) In Nicolas A n t o n i o s Bibliotheca dieser Paragraph aufgenommen.

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hispana nova. Bd. 1, Romae 1672, S. 543, wird

Arbeit fortzufahren. Abenteuerlich war der weitere Weg des Scrutinium. Ein Teil der Übersetzung entstand auf Reisen, zur See und zu Lande, in Herbergen und im Reisewagen, in müßigen Augenblicken, vor dem Schlafengehen (hietando nascente). Das Werk ließ seinen Übersetzer nicht mehr los. Selbst als durch einen unglücklichen Zufall im Baskenland der Mantelsack mit dem wertvollen Teilkonzept verlorengegangen war, blieb ihm das Glück treu: Nach IV2 Jahren erhielt Caesar das Verlorene zurück. Habent sua fata libelli I Neben diesen äußeren Schwierigkeiten rang der Übersetzer mit äußeren Zweifeln. Wegen der „loca obscura" reute es ihn oft, diese harte Arbeit begonnen zu haben. Dazu kamen Scham und Verantwortung vor dem letzten Kapitel, in dem Huarte eine genaue Anleitung zur Zeugung kluger Söhne liefert. Später gelang es ihm in Halle, den Rest zu übertragen. Freunde hätten ihn zur Herausgabe gedrängt und ihm das Manuskript aus den Händen gewunden (extorsissent). Während diese Äußerungen durchaus keinen Topos darstellen, zielen Caesars Aussagen über Huartes Stil auf Nachsicht möglichen eigenen Fehlem gegenüber. Dem Spanier werden asiatische Grandiloquenz, scholastische Redeweise, allgemein „obscuritas" nachgesagt. Diese krassen Mißverständnisse, ergänzt durch eine kurze Fehleranzeige, sind höchstens aus dem eigenen Ringen um einen möglichst klaren Text zu erklären. Von anderen Übersetzungen waren Caesar die französische Chappuis' und die seiner Meinung nach bessere italienische bekannt, die er für IV2 Stunden in der Bibliothek der Deutschen in Padua einsah. Alle Übersetzungen und die früheren spanischen Ausgaben, nach denen Caesar begann, zeigten die ursprüngliche Fünfzehn-Kapitel-Fassung. Trotzdem folgte der lateinische Übersetzer einem erweiterten Exemplar, das vor etwa achtzehn Jahren in Spanien erschienen war, und das er in Kothen zur Hand hatte. Es kann sich hier nur um die „gereinigten" Ausgaben Baeza 1594 oder Medina del Campo 1603 handeln. Die textlich gleiche Edition Medina paßt besser zum Erscheinen des Scrutinium, so daß das Vorwort 1621 oder 1622 anzusetzen ist"8), der Beginn der Übersetzertätigkeit „anno abhinc . . . quinto", mithin 1616/17. Die Methode Caesar ist der erste Übersetzer, der beide spanischen Ausgaben zu vereinigen trachtet. Dabei kommt es ihm nur auf einen lesbaren und logisch vollständigen Übersetzungstext an. Offen gesteht er im Vorwort seine Umstellungen und Veränderungen: „assulatim singula . . . concenturiavi, . . . dispreta conglutinavi." Um keine Langeweile zu erregen, werden daher schon die drei Vorreden zusammengelötet (conferruminare). Auffälliger als diese Verschmelzung sind die Umstellungen, z. B. im 9. Kapitel, die Wiederholungen vermeiden sollen (vgl. dagegen S. 239 und S. 672), dafür jedoch sehr unglücklich angeordnet sind. Zusatz des Übersetzers ist vor allem ein mehrseitiger Auszug (S. 563—569) aus De la sagesse (Lyon 1606) von Pierre Charron, der neben Montaigne in Frankreich als Bahnbrecher dieser Wissenschaft galt. 68)1 Τ i e m a η η fixiert (ZdPh. 58, 1933, 248).

die Abfassung der Vorrede nach dem Chronogramm auf 1622

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Wer die Inkongruenz der purgierten und erweiterten spanischen Fassung von 1594 kennt, wird Caesars Vorhaben im Ansatz billigen, zugleich jedoch die Gefahr erkennen, wie in einem Puzzlespiel alle Gedanken an ihrem Platze auf jeden Fall unterbringen zu wollen; denn der Übersetzer will auf keinen Satz verzichten. Um diese Präzision zu erreichen, greift Caesar zu erklärenden Zusätzen, wie im 5. Kapitel (S. 156): „Hisce sequentibus aliquot periodis corrigit auctor in postremo exemplari sententiam hactenus expositam: quam in prioribus exemplaribus omnibus adstruxerat." Oder etwa im Feuer-Exkurs (S. 642) : „ Videtur hie omissum quid esse secundum punctum concernens." Jede Änderung läßt das ehrliche Wollen des Übersetzers erkennen, und nicht ohne Stolz vergleicht er zum Schluß in einer kurzen Vorrede zum letzten Kapitel (Reliquarium mit eigenem Titelblatt) sein Werk mit den italienischen und französischen Übersetzungen. Dem Leser würde diese Ausgabe um so angenehmer sein, nicht nur weil sie vollständiger als alle andern sei, „sed et quia haec unica et perfecta est et perfectissimo exemplari Hispánico respondet" (S. 562). Kontraktionen, Metathesen, Zusätze stehen im Dienste des alles enthaltenden Kunstwerks, dem in diesem Jahrhundert audi gute Übersetzungen entsprechen müssen. Darin unterscheidet sich Caesar nicht von einem Aegidius Albertinus, dessen kompilatorische Arbeitsweise demselben Zwecke, „Colligiren" nennt er es, huldigt. Einen vollständigen Text erwartet das Publikum, und der Dolmetscher hat sich danach zu richten. Wie hätte Caesar diese Forderungen philologischer erfüllen können? Ein Beispiel dafür geben die französischen Übersetzer Vion d'Alibray (1645) und Savinien d'Alquié (1672), welche die bedeutendsten Divergenzen mit Seitenzahl in einen Anhang verwiesen. Dem Leser blieb es überlassen, sich seine Gedanken über die Einordnung der Addenda zu machen. Beide Verfahren haben ihre Vor- und Nachteile, die Caesarsche Methode bewährte sich jedoch bis zur harten Kritik Lessings, welche aus dieser Schwäche ihre Berechtigung zog und dem Original größeres Eigenrecht zuerkannte. Stilkriterien Das Streben nach umfassender Vollständigkeit, von dem sich Caesar bei seiner philologischen Methode leiten ließ, reflektiert der Stil des Scrutinium als Bemühen um Akribie und möglichste Distinktion. Dabei versucht der Übersetzer, durchdrungen von dem humanistischen Glauben an die Allmacht der Sprache, jeden Ausdruck des Originals auf eine adäquate Sprachebene seiner Version zu bringen. Einige Hauptphänomene verdeutlichen diese Züge: 1. Namen Den sehr seltenen Fällen, in denen sich ein spanischer Name der Latinisierung entzieht, begegnet Caesar a) durch phonetische Schreibweise: Heri filius Petri, Santsdionis nepos appellabatur (S. 493): Ayer se llamaba hijo de Pedro y nieto de Sancho. Die spanische Aussprache wird einem lateinischen Nomen Santscho zugrundegelegt, das sich dann wie ein römischer Name, etwa Cato, deklinieren läßt. Der Übersetzer rettet das spanische Element. 38

b) durch etymologische Umsetzung: Dianae Majoris montani (S. 300): Diana de Montemayor Caesar zerlegt den Namen in seine Bestandteile und verdolmetscht das zusammengesetzte Substantiv getrennt. Diese Art der Transponierung mutet spielerisch an, dient aber dem ernsten Zweck, audi ein sprachlich geschlossenes Ubersetzungsbild zwischen Kopie und Original zu schaffen. In größerem Ausmaß als im Scrutinium häufen sich diese Namensversionen im Don Kichote. Aus Gründen der Aussprache bekennt sich Caesar in der Vorrede zu Santzscho, Kichote, Mantzscha, Panssa. Jedoch findet sich auch „Mantzscha" noch einmal übertragen als „Fleckenland". In den Rahmen einzubeziehen wäre die Historia Ulenharts (1617), der „Rinconete y Cortadillo" analog in „Isaac Windcelfelder vnd Jobst von der Schneid" umwandelt. Diese Vergleiche lassen die Vermutung auf ein allgemein übliches Verfahren bei der Namensübertragung zu, doch fehlen Vorarbeiten für andere Sprachen. Griechische Wendungen Als Einfluß der Alamode-Gewohnheit sind Gräzismen zu werten 69 ). Sie sind in jedem Fall ein Zugeständnis an den rhetorischen Schmuckstil und sagen wenig zur Verdeutlichung des Originals aus. a) refugium έυπρόαωπον ac magnae speciei invenere (S. 237) : inventaron una huida aparente. Die bei Caesar häufige adjektivische Doppelung steht — wie noch gezeigt wird — meist im Dienste der nachdrücklichen Behauptung. Die Wiedergabe des spanischen aparente gewinnt jedoch keineswegs durch den griechischen Terminus. Die Absicht des Übersetzers zielt allenfalls auf die beliebte Wirkung einer auditiv-visuellen Barock synästhesie (schön klingend — großer Schein). b) ne is superveniat atque επ αυτοφώρω in furto se deprehendat (S. 701): no venga y los halle en el hurto. Huarte bringt ein Urteil, nach dem die Kinder von Ehebrechern dem Hahnrei ähnlich sähen, weil beim Geschlechtsakt beide mit Schrecken an den Mann dächten, „daß er nicht komme und sie bei dem Diebstahl fände". Diese Sachlage verdeutlicht der griechische präpositionale Ausdruck „auf frischer Tat", in flagranti. Das Verständnis für diesen eingeflossenen terminus technicus fällt nicht schwer, wenn man bedenkt, daß Caesar Justizrat war. Wie weit auch lateinische Fachwörter und Bilder aus diesem Sprachbereich in die Übersetzung eingedrungen sind, bedürfte einer Detailstudie. Hingewiesen sei nur auf die freie Vorrede und Stellen wie „das Buch spricht für sich und führt seinen Prozeß so, daß es meiner Maklerdienste enthoben ist", „satisdatio — Bürgschaft" usw. 69) T i e m a n i sieht hinter dieser Erscheinung allein die Belesenheit des Barockhumanisten (mündl. Mitteilung).

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3. Definitionen Wenn sich typisch spanische Phrasen nicht ohne Schwierigkeiten für den Leser unmittelbar latinisieren lassen, paraphrasiert Caesar den Inhalt. a) H i d a l g o (hoc est filios alicujus, si latine reddendem sit vocabulum) (S. 493). Die Notwendigkeit einer Erklärung läßt sich hier sehr geschickt durch Ubersetzung der Etymologie (hijo de algo) erfüllen. Der Nachsatz desillusioniert allerdings den Leser. Der Übersetzer, geleitet von dem Prinzip allerstrengster Präzision, durchbricht den Autor und rechtfertigt seine Definition. Nicht überall verläuft die Wiedergabe eines Begriffs so glatt, manche Erläuterungen sind übergenau ausgedeutet: b) Ν ob i li s , item: vendicare sibi quingentos sólidos stipendii juxta statutum Hispaniae, item vox: illustris domus (S. 502): Hijodalgo de devengar quinientos sueldos, según fuero de España, y de solar conocido. In zweifacher, auffälliger Parallelisierung werden „Hijodalgo" (hier eindeutig übersetzt), „devengar quinientos sueldos" und „solar conocido" gleichgesetzt. Obwohl es sich im Spanischen um einen einzigen Begriff handelt, trennt Caesar zuerst scharf und verbindet dann wieder etwas schematisch durch „item" und „item vox". Während Huarte an dieser Stelle eine ausführliche historische Ableitung der Redensart „hijodalgo de devengar quinientos sueldos" liefert, nach der ursprünglich für hervorragende Kriegstaten dieser Sold gezahlt wurde, steht bei Cervantes diese geschichtlich entstandene, schwerverständliche Wendung isoliert (Don Quijote, 1. Teil, Kap. 21). Rodríguez Marin nimmt nach Clemencin ausdrücklich gegen Huarte eine Bestrafung für schwere Beleidigungen von 500 Sueldos g e g e n diese Hidalgo-Klasse an70). Wie verhält sich Pahsch Bastei von der Sohle an dieser diffizilen Stelle seines Don Kichote? „Ohn ist es zwarten nicht / daß ich einer v o m Adel bin / von einem wohlbekannten Hause / von solchen Gütern vnd Eigenthumb / daß idi ein fünffhundert Creutzer jährliches Einkommens h a b e " (Neudruck Tiemann, S. 356, 412). „Bien es v e r d a d que yo soy hijodalgo de solar conocido, de posesión y propriedad y de devengar quinientos sueldos."

Die Cervantes- und Huarte-Übersetzung wurden 1621 von dem gleichen Übersetzer angezeigt. Die völlige Kongruenz zwischen „quingentos solidos stipendii" und „fünffhundert Creutzer jährliches Einkommens", eine nach heutiger Forschung falsche Interpretation, erklärt sich vielleicht aus der Huarteschen Deutung. Die durch Tiemann festgestellte Identität der Übersetzer wird durch diesen Floskelvergleich gestützt. Nachdem Caesars Bemühen, möglichst nahe am spanischen Original zu bleiben und alle Nuancen des Textes zu übersetzen, an drei Haupterscheinungen aufgezeigt wurde, soll durch zwei kurze synoptische Textanalysen die innere 70) Auch Konetzke meint, als Wergeid für den Tod eines Hidalgos konnten 500 Goldsolidi gefordert werden: R. K o n e t z k e , Zur Geschichte des spanischen Hidalgos, in: SpFdGG 11 (1962) 153.

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Struktur des Satzes verglichen und das bisher gewonnene Bild durch Ergänzungen vertieft werden. Besonders wird darauf zu achten sein, ob sich das Phänomen des „asianischen" Barockstils, das bei den Neulateinern des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts eher als in der unentwickelten deutschen Prosa erscheint, auch bei Joachim Caesar schon andeutet 71 ). Ohne die Texte auszuschöpfen, sollen in jeder Partie nur die hervorstechendsten Merkmale aufgegriffen werden. 1. Este mismo beneficio y ayuda recibe el cerebro de estos espíritus vitales, cuando el ánima racional quiere contemplar, entender, imaginar y hacer actos de memoria, sin los cuales no puede obrar; y de la manera que la sustancia gruesa del cerebro y su mal temperamento echan á perder el ingenio, así los espíritus vitales y sangre arterial (no siendo delicados y de buen temperamento) impiden al hombre su discurso y raciocinio. . . . (Platon-Zitat als Beleg) y es la razón, que estos espíritus vitales se engendran en el corazon, y tal sustancia y temperamento toman, cual le tenía el que los formó (Aristoteles-Zitat als Beleg). A estos espíritus vitales llaman los médicos (Hipócrates, Aph. 2) naturaleza, porque son el instrumento principal con que el alma racional hace sus obras; y de éstos también se puede verificar aquella sentencia: Natura facit habilem (BAE, Bd. 65, S. 428). Idem beneficii auxiliique à spiritibus hisce vitalibus & cerebrum accipit: quum se anima rationalis ad contemplandum, intellegendum, imaginandum, aut actûs aliquos memoriae exequendos accingit. quippe circa horum auxilium operari cerebrum nequit. Atque uti crassa cerebri substantia ac mala ejus temperies ruinam causatur ingenio: haud secùs & vitales spiritus & arterialis sanguis; ubi nec benè temperatus est, discursum hominis ac ratiocinationem turbant & remorantur. . . . Ratio enim ejus rei est, quòd spiritus isti vitales in corde generentur ac eandem recipiant substantiam ac temperiem, qualem principium eorum obtinet, à quo formantur. Hos spiritûs vitales Medici naturam appellant, quòd instrumentum principale sint, quo mediante rationales anima operatur. Ac de his quoque vera potest esse sententia: Naturam habilem facere. (Marginalie:) Hipp. 1. Aphor. (S. 160—61.) Die spanische Vorlage bietet die wissenschaftliche Beschreibung der Art und Wirkung der „espíritus vitales". Das Präsens, der stark nominale Stil und der Wortschatz unterstreichen den inhaltlich objektiven Charakter. Die vier Satzeinheiten zielen auf die lateinische Conclusio „natura facit habilem". Dem Inhalt entspricht die hypotaktische Verbindung, die jeden Satz in konzessive, kausale und relativische Trikola trennt. Innerhalb eines Gliedes herrscht parallele substantivische Doppelung. Nur einmal greift der Parallelismus auch auf den Satzanfang über und unterbricht die starre Hypotaxe. Schon beim ersten Lesen der lateinischen Übersetzung fällt die außerordentliche Textnähe in die Augen. Deswegen werden keine oder höchstens SyntaxDifferenzen zu konstatieren sein. Aber selbst in den deduktiven Übergängen paßt sich Caesar dem Spanier an. Einzig der konzessive Relativsatz (sin los 71) A. L a η g e η , Deutsche Sprachgeschichte vom Barock bis zur Gegenwart, Philologie im AuiriB, Bd. 1 (Berlin 2 1957) Sp. 962; Ο. Κ 1 u g e , Die neulateinische in: Giotia 23 (1935) 18—80.

in: Deutsche Kunstprosa,

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cuales ...) wird von Caesar erweitert. Außer dem hinweisenden „auxilium" wird das Subjekt „cerebrum" wiederaufgenommen, weil der Spannungsbogen durch die dazwischengeschobenen Aufzählungen überbelastet war. Diese zurückgreifende Aufnahme, die im Dienste möglichster Verdeutlichung steht, taucht, durch begründende Partikel verstärkt, an einem Satzanfang wieder auf: Ratio enim ejus rei est. Den konsekutiv wissenschaftlichen Stil verstärkt Caesar durch weitere Substantivierung. Selbst die Schlußgnome ist durch einen A. c.I. abstrakt wiedergegeben. Während sich eine leicht wahrnehmbare Aufschwellung des Textes nur durch Rezeption vorangegangener Substantive ergab, lassen sich audi keine Erweiterungen und Verfeinerungen durch rhetorische Figuren aufdecken. Möglichkeiten zum Chiasmus werden z. B. vergeben bei „vitales spiritus & arterialis sanguis" und vorher. Selbst das bei Kaspar von Barth evidente Wuchern der Verbformen ist hier kaum vorhanden. Lediglich „impiden" wird durch eine Zwillingsformel verstärkt (turbant & remorantur). Bei „ruinam causatur" dagegen wird der Prosarhythmus, für den die ganze Übersetzung ein feines Gefühl zeigt, eine Rolle gespielt haben. Er ließ Caesar hier mit dem Cursus tardus abschließen. Los moros, como son grandes jugadores de ajedrez, tienen ordenados siete escalones en la paga, á imitación de siete casas que ha de andar el peon para que sea dama; y así los van subiendo de una paga á dos, y de dos á tres hasta llegar á siete, conforme á los hechos que hiciere el soldado, y si es tan valeroso que mereciere tirar tan subida ventaja como siete, se la dan; y por esta causa los llaman septenarios ó mata-siete, los cuales tienen grandes libertades y exenciones, como en España los hidalgos (BAE, Bd. 65, S. 479). Gentiles illi atque Ethnici populi, quos vulgo Aethiopes à colore appellamus, cum in ilio latrunculorum ludo admodum excellant, stipendia sua militaría in Septem classes ac gradûs distribuerunt ad imitationem Septem illorum scacdiiae spaciorum, quae transeunda sunt pediti, ut honoratioris lapilli dignitatem consequatur. Atque ita solutionem stipendiorum ipsis exaugent à simplici ad duplex, inde ad triplex, ac tandem ad septuplicatum procedentes, prout egregiae fuerint res gestae cujusque militis: qui si tàm fortis animosusque sit, ut ad septimum usque gradum ascendat, solvuntur ipsi septem stipendia. Atque ob earn causam hi tales Septenarii appellari soient. Hi aequè magna libertate atque exemtione gaudent, uti in Hispania nobiles, quos Hidalgos vocant (S. 487).

Der Absatz führt auf die Erklärung der „septenarios" oder „mata — siete" hin. Er ist äußerst knapp und dabei höchst anschaulich gehalten (de una paga á dos, y de dos á tres ...). Caesar beginnt mit einer recht umständlichen, für den damaligen Leser aber notwendigen Umschreibung: Was sind Moros? Sie werden vom christlichen (Ethnici — heidnisch) und vom biologisch-rassischen Standpunkt aus definiert. Wobei Caesars Quelle und die rettende Assoziation für alle seine Leser Plinius (Historia naturalis 32, 141) gewesen sein mag: „atrae gentes et quasi Aethiopes." Die Ursache wird der Humanist aus dem Namen ,,Αί&ίοψς — sonnverbrannt" abgeleitet haben, und die Moros waren ein Begriff für ihn. Während dieses spanische Prosastück im Gegensatz zum vorigen kaum nominale oder verbale Doppelung aufweist, übersetzt Caesar „escalones" 42

mit „classes ac gradûs", während für „valeroso" „fortis animosusque" eintritt. Obwohl schon Huarte zur bimembren Ausdrucksweise neigt72), verstärkt dieser im Scrutinium auffallendste Stilzug nur noch die Zweigliedrigkeit und verlangsamt den Satzrhythmus. Schon in der Vorrede des Don Kichote wies Caesar auf diese Übersetzungsmethode hin: „Hierumb ich mir dann die Freyheit genommen / zuweilen so w o l ein Spanisch Wort mit z w e y Teutschen zugeben / gestalt dann in vnserer Muttersprach nicht ohngemein / daß man eigentlichere Verstands halber z w e y gleichbedeutende Wörter zusammen setzt: als auch eine Spanische Art zu reden mit z w e y Teutschen oder eine kürtzere mit einer andern weitläufftigern zuvertauschen." (Neudruck Tiemann, S. 13, 410 f.)

Wenn Nielas Ulenhart in seiner Bearbeitung des Rinconete y Cortadillo (1617) „suerte" mit „glück oder vnglück" interpretiert, um den ambivalenten Bedeutungsinhalt des spanischen Begriffes genau zu umreißen, liegt dasselbe Kriterium zugrunde 73 ). Während aber Ulenhart die Nuancen der Vorlage durch Doppelwendungen in vollem Umfang zu treffen versucht, wobei jeder Teil des zweigliedrigen Ausdrucks eine neue Schattierung beiträgt, verwendet Caesar die synonymen Paare, um oft formelhaft lediglich stärker zu akzentuieren. Es besteht vom Original her keine Notwendigkeit, „valeroso" mit „fortis animosusque" zu umschreiben; dem Übersetzer mag ein beliebter Ciceronianismus in die Feder geflossen sein, um zur Eleganz des Stiles beizutragen. Die Bimembrität ist ein Hauptcharakteristikum des Scrutinium. Es wäre aber unvorsichtig, sie als Grundindiz des Individualstils Caesars in Anspruch zu nehmen. Wir begegnen ihr ebensogut in den Ubersetzungen des Lazarillo de Tormes (1617), Ulenhart und Aegidius Albertinus bevorzugen sie. Bei Caesar differenziert sich das Stilphänomen jedoch zur Synonymik und trägt weniger zur genaueren Deutung als zur Amplificatio des Textes bei. An einigen auffälligen Erscheinungen wurde kurz in steter Konfrontation mit dem Original Caesars Streben nach möglichster Textnähe und Übertragung aller Nuancen in das Lateinische aufgewiesen. Die gediegene Latinisierung der Namen hebt das Fremde für den Leser auf, die erklärenden Zusätze bei „hidalgo" und „moro" machen ihn mit lokalen Zentralbegriffen auf das genaueste vertraut, in der inneren Satzstruktur dienen Wiederholungen und Rückbezüge einer gleitenden und fließenden Lektüre. Andere Erweiterungen der Übersetzung, wie Gräzismen und paarweise Wendungen, sind Zeugnisse der eigenen Belesenheit oder Konzessionen an das damalige ausschmückende Stilempfinden. Sie tragen kaum zur Verdeutlichung des Textes bei. Bei diesem Ansatz stellt sich erneut die Frage nach dem „asianischen" Barockstil. Bei aller Sorgfalt werden wir vergebens nach beabsichtigten Anaphern, Hyperbeln, Oxymora, Chiasmata oder anderen rhetorischen 72) „Das Spanische hat eine ganz besondere Vorliebe für Zweigliedrigkeit, die sich schon in der in den anderen romanischen Sprachen nicht vorhandenen Möglichkeit kundgibt, Plurale und Singulare, Maskulina und Feminina durch y ohne Wiederholung des Artikels zu verbinden." L. S ρ i t ζ e r , Stilistisch-Syntaktisdies aus den span.-poit. Romanzen, ZrPh. 35 (1911) 279. 73) R. S c h u l z e - v a n L o o n , Nielas Ulenhaits .Historia'. Beiträge zur deutschen Rezeption der Novela picaresca und zur Frühgeschichte des barocken Prosastils, Diss. Hamburg 1955 (Masch.) S. 198. Τ i e m a η η , Der deutsche Don Kichote, ZdPh. 58 (1933) 257.

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Figuren des geblümten Stils fahnden. Schwulstmerkmale wird eine Spezialstudie nur im phraseologischen Bereich feststellen. Dabei werden die damals weit verbreiteten Anthologien und Florilegia, deren antike Redeblüten der Praxis des Lateinschreibens nützen sollten, eine große Rolle gespielt haben 74 ). Auf Grund von Speziallexika läßt sich nur die negative Bestimmung geben: Das Scmtinium enthält kaum Ciceronianismen, im Gegensatz etwa zu den Schriften eines Friedrich Taubmann. Der Wortschatz Caesars wurzelt in der Spätantike und steht dem Lactanz- und Claudian-Stil des Taubmann-Schülers Kaspar von Barth ungleich näher, ohne dessen Antithesen, Wortspiele und Pointen zu teilen. Verglichen mit dem einfachen, schmucklosen Stil des Spaniers fällt die unterschiedliche Ausdrucksweise des Scrutinium am deutlichsten in die Augen. Statt des schlichten „quiere . . . hacer actos de memoria" (1. Text) ergeht sich Caesar in taciteischem „ad . . . actûs aliquos memoriae exequendos accingit". Die spanische Brevitas in einem „para que sea dama" (2. Text) verdolmetscht der Lateiner prunkvoll „ut honoratioris lapilli dignitatem consequatur". Wer bei einer Übertragung auf möglichste Korrespondenz der Stilebenen drängt, wird Caesar den Tadel rhetorischer Dilatatio anheften. Obwohl der Übersetzer im Vorwort den Verdacht von sich weist, er habe mit diesem Werk den Ruf eines guten Latinisten erwerben wollen, steht er unter dem barocken Stilideal der e l e g a n t i a , die in Nachahmung der Antike Verfeinerung und Sublimierung der Wortkunst und „utraque copia verborum et rerum" (Erasmus) vereinigte. Darauf weist auch ein fester Formelschatz im Scrutinium, der vom Verfasser mit großem Geschick unter Beachtung der Variatio an den entsprechenden Stellen verwandt wird. Wenn die Sprache nicht ausartet, wie etwa bei Kaspar von Barth, liegt das einmal an der wissenschaftlichen Prosa Huartes, am Charakter der Übersetzung und am methodischen Prinzip Caesars, das zwischen Originalnähe und selbständiger Übersetzung vermittelt und sich auch darin über seine Zeit erhebt 75 ). Würdigung und Fortleben der Übersetzung In der Blütezeit des Eindringens spanischen Schrifttums in Deutschland zu Beginn des 17. Jahrhunderts findet auch Huartes Examen de Ingenios seinen Eingang in die gelehrten Kreise. Der Übersetzer Joachim Caesar, ein vielgereister und sprachenkundiger Humanist, steht der Fruchtbringenden Gesellschaft nahe. Von einem Spanier angeregt, reifte die Version über mehrere Jahre langsam bei ihm heran. Ein ungewöhnlich reichhaltiges Vorwort berichtet begeistert von der engen persönlichen Beziehung des Dolmetschers zu seiner Vorlage. Die Übersetzungsmethode, die den vollständigsten Text anstrebt und die beiden Fassungen nach eigenem Sinngefühl zu verarbeiten sucht, steht unter der zeitgenössischen Konzeption des alles umfassenden Sprachkunstwerks, die in einer selbständigen, gut lesbaren Übersetzung ihr Hauptziel sieht. Trotz dieser Umformung verfolgt Caesar auf das genaueste den Weg der „Treue". Man wird seiner Übersetzung keine ausdrücklichen 74) P. B ö c k m a n n , Formgeschichte der deutschen Dichtung, Bd. 1, Hamburg (1949), S. 347 f. 75) Zum Stilzwang der Vorlage vergleiche man das metaphernreiche Vorwort in freier Prosa mit dem Ubersetzungstext.

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Fehler vorwerfen, sondern höchstens an einigen Stellen eine zu pedantische Akribie monieren, die Grenzen des Präzisierungstriebs absteckt. Einflüsse frühbarocken Schwulstes lassen sich kaum vom Original her, sondern nur von der eigenen Diktion Caesars in gewissem Umfange ableiten. In ausgesuchten Worten und Wendungen, nicht im überlieferten Apparat rhetorischer Schemata, erfüllt der Übersetzer das Ziel eines „eleganten Stils". Caesar gelingt damit auf glückliche Weise das zeitlose Ideal, beim Lesen einer Übersetzung die Vorlage nie als lästig durchscheinen zu fühlen und ihr doch in jedem Augenblick nahe zu sein. Der buchhändlerische Profit entspricht dem Können des Übersetzers und der Beliebtheit des Werkes. Auch die nächsten beiden Ausgaben sind als glänzender Erfolg zu werten 76 ). Die Drucke unterscheiden sich nicht in Text und Paginierung, sondern nur in geringfügiger Korrektur einiger Orthographica"). Die lateinische Sprache sichert dem Werk ein internationales Leserpublikum. Durch den schon erwähnten Panegyrikus bei Nicolás Antonio und Extrakte in anderen Enzyklopädien, z. B. bei Mercklin78), strahlt das Scrutinium nach Spanien (Feijoo), Frankreich und England. In einem nach der Ubersetzung Bellamys 1734 in London hergestellten Auszug aus dem Examen wird die lateinische Übersetzung vor allen andern hervorgehoben; Sanz hält sie sogar für die beste. In Deutschland erfüllt sie als Caesars bekannteste Arbeit bis zur Lessingschen Version alle Ansprüche. Erst ein veränderter Sprachzustand und eine andere Meinung von Original und Übersetzungstechnik lassen Kritik an ihr aufkommen und eine Neufassung wünschenswert erscheinen. Abgesehen von der Wirkung, wird ihr stilistischer Wert bei genauerer Kenntnis des Übersetzungsmarktes im 17. Jahrhundert eher steigen als sinken.

3) Spuren in den Sprachgesellschaften, in pädagogisch-philosophischpsychologischen Traktaten und bei den Enzyklopädisten Sprachgesellschaften Während das Erscheinen der lateinischen Version Joachim Caesars mit dem Übersetzen als Ziel der Sprachgesellschaften zusammenhängt, erklärt es sich aus der gesellschaftlichen Struktur, wenn wir auch für die Folgezeit dem Examen de Ingenios in Kreisen der Sprachgesellschaften begegnen. Hier versammelten sich die führenden Geister um einen repräsentativen Mittelpunkt und wetteiferten miteinander in eigenem oder nachschöpferischem Gelehrtentum. Hier sind die geistigen Umschlagplätze für die neuesten Erscheinun76) o. O. 1637 bei Johann Victorinus Mohr. Druckprivileg Wien. Jena 1663 bei Johann Ludwig Neuenhahn. Diese Edition erscheint mit und ohne Verlegerwappen im Titel. Eine weitere, überarbeitete und um die Callipaedia des Abbé Q u i l l e t (1604—1661) vermehrte Auflage, die 1715 im Herbstkatalog Leipzig (Große) für Braunschweig bei L. Schröder vorangezeigt war, ließ sidi nicht nachweisen und ist wahrscheinlich nie erschienen. 77) Z. B. S. 561: paullò, heic (1622); pauló, hic (1637, 1663). 78) G. A. M e r c k l i n , Lindenius renovatus . . . de scriptis medicis, Bd. 1, Norimbergae 1686, S. 521 sub voce Johannes Argenterius. Huartes Urteil über diesen piemontesischen Arzt am Anfang des 12. Kapitels findet sich bis Jöchers Gelehrtenlexikon in vielen Enzyklopädien unter Quellenhinweis.

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gen des ausländischen Büchermarktes. Hier ist die Keimzelle neuer Anregungen und Ausstrahlungen. Unter den Sprachvereinigungen war der Löbliche Hirten- und Blumenorden an der Pegnitz unter seinem Haupt Georg Philipp Harsdörffer (1607—1658) in einer besonders glücklichen Lage. Durch den Reichtum der ausgedehnten Handelsbeziehungen flöß ein Strom materieller und geistiger Güter durch Nürnberg 79 ). Seit langem schon bestanden Agenturen heimischer Kaufleute in Sevilla, Lissabon, Lyon, Brabant und Antwerpen. Harsdörffer war ein geschickter Nutznießer dieser Verbindungen, die er selbst bis zum Fürsten Ludwig von Anhalt zu leiten wußte, um seltene Bücher auf dessen Wunsch zu besorgen. Dazu trat bei Harsdörffer eine schriftstellerische Fruchtbarkeit großen Ausmaßes, die mit einer ebenso verblüffenden Belesenheit in enger Wechselbeziehung stand. Was der literarische Markt an Besonderheiten und originellen Raritäten bot, ergriff sein scharfer Spürsinn und verarbeitete es in seinen Werken. So nimmt es nicht wunder, der Antwerpener Ausgabe des Examen de Ingenios (1603) in Harsdörffers Frauenzimmer-Gesprechspielen, 2. Teil 1642, zu begegnen 80 ). Das Werk steht unter 849 anderen in dem „Register etlicher Scribenten welcher sich der Verfasser zu Behuff der Gespräch-Spiel bedienet". Trotz dieses Quellennachweises ist eine Suche nach der Verwendung in den acht Bänden der Gesprechspiele (1641—49) ergebnislos. Narciss hat nachgewiesen, daß etwa 25 °/o der „Scribenten" nicht weiter benutzt wurden. Das Examen ist unter die Werke zu rechnen, deren Auswertung zwar geplant, in diesem Zusammenhang aber nicht mehr realisiert werden konnte. In welchen Rahmen wäre der Spanier gestellt worden? In zwangloser Konversation plaudert die Gesellschaft nach italienischem Vorbild über allgemeinbildende Themen der Dichtung und Wissenschaft. Scheinbar plan- und absichtslos wird der Stoff im Spiel ausgebreitet. Die ersten vier Bände sollten j e 50, die andere Hälfte 25 Spiele enthalten. Als gesellschaftliches Bildungsideal schwebte Harsdörffer ein Leitfaden für fruchtbare Gespräche vor, die Anregung zur weiteren Diskussion boten. Um formal der horazischen Poetik zu genügen, wird die didaktische Unterhaltung durch Anekdoten und Zwischenspiele unterbrochen. Hier wird bei dem ungeheuren Stoffbedarf das Examen einzufügen sein. Der Caesarsche Wunsch nach „prodesse" und „delectare" wäre bei Harsdörffer exemplarisch ausgeführt worden. Ob in den Kreisen der vornehmen Gesellschaft im höfischen Ton das eine oder andere Mal zum Vergnügen und zur Unterhaltung der Name Huartes fiel, ist unbeweisbar. Die Erwähnung Huartes bei Harsdörffer bleibt trotz ihrer Kürze ein sehr lebensnaher Hinweis in diese Richtung. Während das Examen in Deutschland allmählich Boden gewinnt, haben es in Frankreich zu dieser Zeit schon mehr als ein Dutzend Ausgaben populär gemacht und eine Reihe enthusiastischer oder kritischer Stimmen hervorgerufen. Es ist 79) G. A. Na r c i s s , Studien zu den Frauenzimmergesprächsspielen Georg Philipp Harsdö rtler s (1607—1658), Leipzig 1928 (Form und Geist. Heft 5), S. 100. 80) Bisher wurde in der Forschung nur Harsdörffers Verhältnis zu Cervantes und zur spanischen Mystik kurz beleuchtet. Ρ f a η d 1 , Spuren des Licenciado vidriera von Cervantes bei Harsdörlier, ASNSL 126 (1911) 440—41. S c h w e i t z e r , Harsdörtter and Don Quixote, Philological Quarterly 37 (1958) 87—94. Τ i e m a η η , Das spanische Schritttum, S. 82—84; Harsdörtier und die Mystik.

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wieder ein Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschalt, das eine dieser Schriften übersetzt und auf den Spanier aufmerksam macht. Johann Wilhelm von Stubenberg (1619—63), der „Unglückselig-Seelige", verdeutscht 1660 den 3. Band der Science Universelle (Paris 1641) Charles Sorels, der als Schöpfer des „roman trivial" in Frankreich bekannter ist81). Das 5. Kapitel handelt „Von waarer Ausforschung der Geister/ Oder Von den Mittelen/ die Wissenschaften zu erlernen/ gegründet auf die Natur/ durch die Erforschung der Leibes-Bewandnissen der Menschen/ und durch die Enderung/die man selbiger geben kan". In einer „Erinnerung an den Leser" weist Stubenberg darauf hin, daß man keine oder nur wenig Bücher auf deutsch fände, die diese Materie behandelten. Daher hätten sich für ihn große Schwierigkeiten bei der Übersetzung der termini technici ergeben. Es sind dieselben Probleme wie bei Joachim Caesar, deren Lösung die umständliche Version getreulich reflektiert 82 ). Den Sorelschen Einwänden geht ein Kaleidoskop der bisher vorgebrachten Thesen gegen das Examen voraus. Im Mittelpunkt steht die scharfe Polemik Guibelets 83 ), die im Gegensatz zur theologischen Schau Possevinos philosophische Bedenken vorbringt. Die Abhängigkeit der Seele von körperlichen Kräften wird heftig angegriffen. Die Nähe des trennenden Dualismus Descartes' ist deutlich spürbar. Selbst auf naturwissenschaftlicher Basis erregen Huartes praktische Experimente, die Gehimvolumina der Ameisen, Bienen oder Fliegen mit dem Menschen zu vergleichen, staunendes Befremden. Das humanistische Tabu von der Würde des homo sapiens überwiegt noch jeden Vergleich mit dem „unvollkommenen Ungezifer". Von diesen Fesseln distanziert sich Sorel. Er greift die schon von Possevino behandelte Kasuistik der Temperamente und Charaktere wieder auf und widerspricht in theoretischer Ungebundenheit dem Huarteschen Schema von humoralen Eigenschaften, geistigen Kräften und Berufszuordnung. Die Widerlegung trifft trotz ihrer Kürze das Examen im Kern und ist wegen ihrer neutralen Sachlichkeit ernster zu nehmen als die Kontroversen Possevinos und Guibelets. Wie bekannt und geschätzt das Werk Huartes schon damals im Universitätsleben war, zeigt eine Jenenser 81 ) Disputation 1677 unter dem Professor der Naturkunde Caspar Ρ o s η e r. Das Thema De Manna wird in 23 Paragraphen systematisch abgehandelt. Zur Bestimmung des Etymon, der Synonyme, Bestandteile, Wirkung, Farbe, des Geschmacks wird eine Fülle geeigneter Zitate kompiliert. Der § X I X lautet: „An vero cum manna Israelitarum, qva illi per desertum annos qvadraginta sustentati, nostra eadem?" Die affirmative Antwort wird dem Scrutinium Joachim Caesars („an Janus Huartus Medicus Spanicus?") entnommen. Sie ist die erste Anerkennung für die Naturbeobachtung und Kombinationsgabe des Spaniers. Ausgehend von der alttestamentarischen Bibelstelle 81) Von menschlicher Vollkommenheit. In unsere hochleutsche Matter-- Haubt — Sprache übersetzt durch ein Mitglied der hochlöblichen Fruchtbringenden Gesellschaft, Nürnberg bey Michael Endter 1660. R a u s c h , Johann Wilhelm von Stubenberg. Ver sudi einer Monographie, Diss. Wien 1950 (Masch.). 82) Besondere Mühe wendet Stubenberg auf die Verdeutschung der Fremdwörter, wie S. 633 Instinkt — Ober-Klugheit, S. 637 Quantität — Wievielheit. 83) J . G u i b e l e t , Examen de Γ Examen des esprits, Paris 1631. 84) Man erinnere sich, daß die 3. Auflage des Scrutinium Ingeniorum 1663 in J e n a erscheint.

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2. Mose 16 beweist Huarte im 12. Kapitel den Einfluß der Nahrung auf die geistigen Fähigkeiten im großen Rahmen einer Völkerpsychologie. Um den Scharfsinn des israelitischen Volkes zu erklären, fehlt ein schlüssiger Identitätsbeweis zwischen dem biblisdien und dem heutigen Manna. Diesen erbringt Huarte auf Grund eigener Beobachtungen und Erfahrungen als „filósofo natural". Der Spanier hat das Manna mit eigenen Augen gesehen und probiert, dem deutschen Philologen genügt der locus citatus, von dem aus die Zusammenhänge dürftig konstruiert werden. Der Manna-Exkurs des Scrutinium fällt unter die viel getadelten „Ungereimtheiten", die aus dem Werk ein „krauses Kauderwälsch" 65 ) machen. Jeder, der die Zusammenhänge sieht, wird die voll ausgeführte Abhandlung über das Manna als nebensächlichen Einschub erkennen. Die überraschende Aufnahme bei Posner, auf einem ganz anderen Sachgebiet als es das Thema des Buches umfaßt, spricht für den Wert und das Ansehen der Einzelbeobachtungen Huartes und für seine Universalität. Pädagogisch-philosophisch-psychologische Traktate Etwa um 1660 verdichtet sich die Literatur über Charakterunterschiede und Begabtenauslese. Obwohl das Problem zeitlos ist, fällt die Konzentration in dem nun folgenden Jahrhundert auf86). Neben der t h e o r e t i s c h e n Auseinandersetzung, die den Menschen und seine Talente in ein Koordinatensystem zu zwängen sucht, steht das p r a k t i s c h e Bemühen, das unter richtiger Einschätzung der Faktoren eine optimale Lösung vorschlägt. Aus den Argumenten dieser zweiten Gruppe spricht das Nachkriegsdilemma des verheerenden Dreißigjährigen Krieges, der die Bevölkerung um V3 verminderte, in den Hauptzerstörungsgebieten sogar um 50—70 °/o. Die Universitäten sahen sich einer doppelten Lebensfrage gegenüber: in kürzester Zeit den richtigen Kopf für den richtigen Platz auszubilden und bei aller Not dem Ansturm der Studentenspreu zu wehren, die — wie immer nach unsicheren Zeiten — ohne Bedenken dem geschützten Port eines gehobenen akademischen Berufes zustrebte. In diese Problematik führt die Abschiedsrede des Helmstedter Medizinprofessors Valentin Heinrich V o g l e r am 10. Januar 1661 im Juleum 87 ). Bei 85) E. S c h m i d t , Lessing. Geschichte seines Lebens und seiner Schrillen, Bd. 1, Berlin 1923, S. 188. K. G. L e s s i η g , G. E. Lessings Leben, Bd. 1, S. 144. 86) Um den Zusammenhang mit dem Examen de Ingenios anzudeuten, seien nodi folgende Schriften hervorgehoben (z. T. nach I r i a τ t e , S. 372—76) : Β e 11 i u s , Carl Andreas, De deleciu ingeniorum Pythagorico, Lipsiae 1742. B e r g e r , Johann Wilhelm, Programma de Ímpetu ingeniorum ad certa studia singulari scriptum 1731, in: Stromateus Academicus, Lipsiae 1745, S. 339—45. H e r m e l i n , Olaus, De varietale ingeniorum. Diss. Dorpat 1695. J o s e p h , P. v. S., De ingeniorum delectu ad studia litterarum habendo, dieta 1724, in: Orationes, Lipsiae 1728, S. 235—50. P r o g r a m m a Decani Facultatis Philosophiae in Academia Lipsiensi, De varietale ingeniorum quoad diversas scientias, Lipsiae 1666. W e s t ρ h a 1 e η , Andreas, De cultura ingenii, Greifswald 1737. Zur Durchforschung wäre nötig eine systematische Durchsicht der Bibiiotheca Medico-historica sive catalogue librorum historicorum de re medica el scientia naturali syslematicus collegit ac digessit Ludovicus C h o u 1 a η t (1842). Hildesheim 21960. 87) Valentini Henrici V o g 1 e r i , De natvrali in bonarvm doctrinarvm stvdia propensione, delectv ingeniorvm, stvdiorvm hodiernis corrvptelis, earvmque cavssis, Dissertationes qvinqve, Helmestadii, apvd Henningvm Mvllervm, Acad. Ivi. Typogr. Anno M DC LXXII. S. 15—28: De delectv ingeniorvm dissertano. Habita die X Ianuarii, anno MDCLXI, qvvm magistratvm deponeret. 4

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A n w e s e n h e i t des L a n d e s h e r r n , des H e r z o g s Christian Ludwig v o n Braunschweig-Lüneburg, gibt V o g l e r zum letztenmal die Summe seiner Lebense r f a h r u n g . Nichts unterstreicht b e s s e r die b r e n n e n d e A k t u a l i t ä t . Der T a d e l richtet sich g e g e n die „prava sodalitia" der S t u d i e r e n d e n , aber auch g e g e n die U n v e r n u n f t der v e r m ö g e n d e n Eltern, die den N a m e n ihrer d u m m e n S ö h n e auf einer P u b l i k a t i o n s e h e n wollten. „Nec e n i m ingenium a u t e r u d i t i o n a t a l e s comitatur, m u l t o m i n u s in h e r e d i t a t e m t r a n s i r é p o t e s t " (S. 20—21). Der a l l g e m e i n e n M e i n u n g , d a s „ingenium" l e r n e m a n auf d e r H o h e n Schule, b e g e g n e t V o g l e r mit der F o r d e r u n g nach e i n e r V o r a u s l e s e . Dabei ist er sich b e w u ß t , daß er ein f ü r v i e l e heißes Eisen anpackt („ingrata fortassis nonnullis loquor"). Seine E r f a h r u n g berechtige ihn jedoch zur F r a g e nach d e r „nativa p r o p e n s i o " . Es g e n ü g e n k e i n e φιλομαΰεία u n d προθυμία n u r w e r viel U m g a n g mit K i n d e r n hat, k a n n i h r e A n l a g e e r k e n n e n . Mit dieser n e g a t i v e n Bestimmung b e s c h r ä n k t sich Vogler. O b w o h l in seiner Rede k e i n e Spur des Examen zu entdecken ist, m u ß sie als zeitlich f r ü h e s t e w e g e n i h r e r praktischen Einschätzung der Sachlage a n dieser Stelle ihren Platz finden. Der d i r e k t e Einfluß H u a r t e s ist a m g r ö ß t e n in e i n e r Dissertatio des H a l l e n s e r T h e o l o g i e p r o f e s s o r s J o h a n n Franz Β u d d e u s , die bis in das 18. J a h r h u n dert h i n e i n sehr g e f r a g t war 8 8 ). Im G e g e n s a t z zu V o g l e r ist B u d d e u s auf theoretische K l ä r u n g bedacht, d e r e n Ergebnisse die Praxis logischerweise erleichtert. Die A r b e i t b e s t e h t d a d u r c h aus e i n e r t o t e n Zitatekompilation. Der S p a n i e r ist beliebt w e g e n s e i n e r v i e l e n Q u e l l e n aus der A n t i k e (Kapitel 1, § 9) u n d als einziger n e u e r e r Bearbeiter dieser Thematik. Das Scrutinium Ingeniorum C a e s a r s wird b e s o n d e r s eifrig im 2. Kapitel, § 8—11, b e n u t z t : „An a r c e n d i a studiis sint, qui ingenio p l a n e d e s t i t u u n t u r ? Diversitas q u o q u e i n g e n i o r u m s e c u n d u m s e n t e n t i a m Iani H u a r t i exponitur." Die u n f ä h i g e n Geister scheiden sich nach B u d d e u s in: 1. völlig V e r n u n f t l o s e o h n e H o f f n u n g auf Besserung, w i e z. B. die Eunuchen. 2. A n f ä n g e r , die aber sofort erste Z u s a m m e n h ä n g e w i e d e r v e r g e s s e n . 3. Fortgeschrittene, die a u s einem Satz v i e l e Schlüsse ziehen k ö n n e n , sie auch behalten, d e n e n sich aber bei einer E i n o r d n u n g alles verwirrt 8 9 ). 88) Io. Francisci Β ν d d e i iheol. D. et pioí. pvbl. ord. de cvltvra ingenii dissertano habita olim Halae Saxonvm A. R. S. MDCXCIX. Edilio qvaita. lenae ¡Uteris lo. Friderici Ritteri MDCCXXIIII. 100 S. Dazu Κ. F. B u d d e u s , De olticio hominis circa emditionem acquirendam, Diss. Jenae 1713, S. 11. 89) Man vergleiche hierzu die Klassifizierung V i v e s ' (De tradendis discipiinis, Antwerpen 1531): 1. quidam acuti sunt, et perspicaciter singula intuentur, coniuncta vero non capiunt, v e l non tenent. 2. alii capiunt, non tum cogitationem reflectunt ad ea quae sunt intuiti, ut cuius rationis ac modi quiccumque sit, censeant ac dijudicent. 3. stupescunt dementia et torpore perpetuo. 4. intervallis quibusdam male sana sunt (ingenia). Die inhaltliche Verbindung zu Buddeus wirft gleichzeitig die Frage nach dem Einfluß Vives' auf Huarte auf (A. B o n i l l a y S a n M a r t i n , Luis Vives y la íiiosolia del renacimiento, Teil 2, Madrid 1903, S. 463. I r i a r t e , El Doctor Huarte, S. 192—194).

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Diese Gruppierung beruht auf Huartes Schema von: entendimiento imaginativa 1.

memoria

wenig 3. vorhanden vorhanden Dem negativen Dreiklang entspricht eine positive Stufenfolge, welche verschiedene Grade der selbständigen Forschertypen hervorhebt. Diese Ordnung verdeutlicht Buddeus bezeichnenderweise mit Beispielen aus der Antike, nicht aus seiner Zeit. Abgelehnt wird mit Possevino die sich ausschließende Gegensätzlichkeit von Verstand und Einbildungskraft. Gewonnen hat Buddeus mit dieser Einteilung nichts, erst durch Huartes Anwendung auf die verschiedenen Fakultäten gewinnt sie praktischen Nutzen. Diese „Cultura ingenii" will nur objektiv sein und Fragen aufwerfen. Sie sammelt das bisher Geleistete in großer Breite mit erstaunlicher bibliographischer Kenntnis, enthält sich aber eigener Anregungen. Bemerkenswert sind höchstens Anklänge an eine individuelle Neigung des Schülers, die vielleicht zu berücksichtigen sei 90 ). Im ganzen verharrt Buddeus im stoisch-senekistischen Glauben, die Natur sei die beste Lehrmeisterin und ihre genaue Beobachtung der Schlüssel zum „delectum ingenii". 2.

W i e aktuell das Examen damals war und wie oft der Name Huartes als Autorität vom Katheder erwähnt ist, beweist eine andere, wahrscheinlich von Buddeus angeregte 91 ) Disputation der Brüder W e i t z m a n n 9 2 ) . Durch eine große Anzahl Stellenhinweise, auch zeitgenössische, wird das Interesse für den Fragenkomplex dokumentiert. Das Grundgerüst des Spaniers wird übernommen, die Methode zur Kinderzeugung im 15. Kapitel skeptisch beurteilt. „Quare cum HVARTVS modum tradit, quo parentes generare possint filios sapientes, in eo quidem nescio, an multos sibi suffragantes sit habiturus" (S. 13). Nicht mehr zweifelhaft, wie noch bei Guibelet und Sorel, erscheint jetzt die Abhängigkeit des Ingenium von der körperlichen Verfassung, „quia non puram atque a corpore abstractam rationem humanam intellegimus" (S. 8). Neben diesen sachlichen Relationen zeigt Weitzmann eine auffallende Vorliebe für die geistreichen Stellen des Buches, wie Wortspiele und Anekdoten. Es war zweifellos auch der „elegante" Stil Caesars, der dem Werk zu seinem Ruhm verhalf. Von einer „dissertatio philosophica" wird man aber damals 90) Buddeus' Schüler M. G e s s n e r bringt danach in seinen Institutiones rei scholasticae, J e n a e 1715, Kapitel 4, S. 206 ff. diese Klassifizierung der Studierenden: 1. qui volunt et possunt per facúltales animi. 2. qui volunt, sed difficulter possunt. 3. qui non volunt, dum possint. 4. qui nec volunt, nec possunt. 91) In den Corollario, S. 62: „ex animo gratulatur (Buddeus)." Quellenzitate bringt audi der Buddeus-Schüler F. W. H o f f b a u e r , Quaestio an naturali homines poUeant vaticinandi iacultatel Diss. Halle & Magdeburg 1698, § 25 f. übergangen werden hier Epitomen wie J . Chr. Β i 1 e f e 1 d , Disputatio de invita Minerva, Lipsiae 1686, § 20. 92) Dissertatio philosophica de ingenio ad philosophandum nato, quam divina adsistente gratia, rectore magniiicentissimo, serenissimo principe ac domino Gvilielmo Henrico duce Saxoniae Ivliaci, Cliviae, Montivm, Angariae et Gvestphaliae, reliqva, in Academia lenensi inclvti phiiosophorvm ordinis consensv ad diem leb. MDCCXXI. modestae ervditorvm disquisitioni svbmittent praeses M. Samvel W e i t z m a n n et respondens Philippvs Polycarpvs Weitzmann Neo-Marchici iratres Germani, Ienae, typis Hellerianis. 64 S.

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ebenfalls „Witz"*3) erwartet haben. Hier nun bietet sich willkommene Gelegenheit, die Spötter des genialen Baldus zu zitieren, der noch im hohen Alter von der Medizin zur Juristerei umgesattelt war: „Sero venis, B a l d e94), in alio seculo eris advocatus." Eine andere Anekdote nach Galenus steht im 14. Kapitel: Ein Skythe, den ein Athener verhöhnte, entgegnete: „Mir gereicht mein Vaterland, du aber deinem Lande zum Schimpfe!" Ebenso reizvoll ist die Bemerkung, Genies seien der katholischen Kirche sehr gefährlich, ein versteckter Seitenhieb Huartes. Denn das Genie sei den Ziegen ähnlich, die sich zwischen Hügeln und Felsen ihren eigenen Weg bahnen. Für solche Aphorismen und Histörchen begeistern sich die Brüder Weitzmann, und sie konstrastieren seltsam zu der trockenen Studie Buddeus'. Als Johann Justus von E i n e m 1734 seine Meditatici de ingeniorum scrutinio"5) schreibt, kann er im Vorwort schon auf eine lange Reihe ähnlicher Traktate zurückblicken und die Frage nach der Berechtigung seiner Abhandlung stellen. Er zieht sie aus der Erfahrung seines vierzehnjährigen Rektorats an der Schule Klosterbergen, dem Zentrum des Pietismus bei Magdeburg und aus der immanenten Zeitproblematik. Weil Handwerker und Bauern ihre Söhne ohne Unterschied der Veranlagung und „Capacität" auf die Hochschulen schickten, habe Friedrich III. von Preußen den Magistraten Befehl gegeben, „unter denen ingeniis, welche zu denen Studiis sich wohl anlassen . . . einen Selectum zu machen" (S. 12—13). Nicht nur in Preußen ringt man um einen Ausweg. Georg I. von England erließ 1722 ein Edikt, nach dem jeder, der später studieren wolle, sich ab 14 Jahren einer Vorauswahl auf Kollegien in Hannover, Celle, Göttingen, Stade und Ratzeburg zu unterziehen habe. Wer trotz Eignung zum Handwerker eine Universität besuche, solle im Hannoverschen keine Anstellung finden. Es wäre lohnend, diese Vorschriften auszugraben, um über die Praxis der Auswahl verbindliche Richtlinien zu erfahren. Auch von Einem trägt nichts Neues zu diesem Thema bei. Seine Zuordnung folgt in allen Einzelheiten dem Spanier und summiert schließlich: „Ita, si quis singulari polleat vi judicii, is multum praestabit in Theologia, Jurisprudentia, Medicina: Si imaginatione; in studiis humanioribus, imprimis in oratoria, Mathesi, Poesi: Si felici memoria; in historicis, Geographicis, Genealogicis & linguis" (S. 33).

Diese chronologisch weitgespannte Auswahl aus einem heute recht unbekannten Schrifttum mag genügen, den Rahmen abzustecken, in dem Huartes Examen de Ingenios wirkte. Es sind schulisch-universitäre Kreise, in denen sich Theologen und Mediziner, Rektoren und Doktoranden über der Aufgabe der Begabtenauslese die Köpfe zerbrechen. Alle Schriften sind typisch für eine Lebensauffassung, die Wissen und Macht miteinander gleichsetzt und 93) Dieser Begriff beginnt die „elegantia" gerade zu jener Zeit abzulösen. 94) Spanisch en balde = vergeblich. 95) Nova meditatio de necessario ingeniorum scrutinio et delectu, omnis leiicis institutionis et eligendi vitae generis iundamento; philologice, philosophice, historice & theologice delineata, testimoniisque & exemplis tarn veterum quam recentium roborata, ac in memoriam conditae auspiciis SERmi ac POTmi Magnae Britanniae regis & electoris Brunsv. & Lun. Georgi II. Novae Scholae & Gymnasii Göttingensis, quod CXLVIIJ. annos lloruit, in Academiam mutati conscripta: Auetore Jo. Justo von E i n e m , Göttingensi, V. D. M. Osterw. in Duc. Magd. . . . Magdeburgi, Uteris Viduae Siegelerianae. MDCCXXX1V. 48 S. 51

das Denken zu mechanisieren glaubt. Während Huarte durch die „Prüfung der Köpfe" zur Vervollkommnung seines Staates beizutragen dachte, sieht sich das folgende Jahrhundert auf Grund einer veränderten Daseinskonstellation der Abwehr aller unqualifizierten Kräfte gegenüber. Das ehrliche Bemühen um die Auswahl der besten Köpfe hat mit Schein und Eitelkeit zu kämpfen. Hier greift man als willkommenem Hilfsmittel zu dem Scrutinium Ingeniorum. Die elementare Scheidung der Wissenschaften nach den Geistesvermögen wird wegen ihres klar überschaubaren Entwurfs sehr begrüßt. Wohl machen sich alle diese Arbeiten über die Legislative und Exekutive Gedanken, in keiner aber wird man exakte ins Detail gehende Angaben über das Wie der Auswahl finden. An diesem Punkt kreuzt sich die pädagogisch-philosophische Literatur mit einem Schwärm p s y c h o l o g i s c h - p h y s i o g n o m i s c h e r Schriften, die wenigstens auf ihrem Gebiet aus äußeren Indizien und Gesten, aus Haarfarbe, Stimmton, Augenwendung, Stirnform und Nasengröße genaue Rückschlüsse auf die geistige Verfassung ihres Trägers ableiten. Das Ziel ist dabei sokratische Selbsterkenntnis, nach welcher erst die Prüfung anderer Köpfe möglich sei. Ein unterhaltsames Beispiel ist der Curieuse Attecten-Spiegel des M e l i s s a n t e s (d. i. Johann Gottfried Gregor) 96 ). Da wimmelt es von Regeln und Maximen „für den Regenten, die gottseeligen Theologi, den Jure-Consultus, den gelehrten und erfahrenen Medicus, den rechtschaffenen Philosophus" usw. Die Begabungsselektion fällt in Richtung auf ein gezeichnetes Ziel wesentlich leichter aus. Bei aller Scharlatanerie darf die ernste Verantwortung nicht übersehen werden. Die bitteren Klagen über die Jugend bleiben dieselben. „Woran liegt es aber, daß heute zu Tage unter hunderten kaum einer oder zwey zu einer soliden Erudition gelangen?" (Kapitel 10, § 4). Schuld tragen die Eltern, die Jugend und die Lehrer, „welche das Scrutinium Ingeniorum neglegiren, und nicht erforschen, ob dieser oder jener zum studiren tüchtig sey, auch nicht deswegen mit denen Eltern reden, und ihnen ihre Meinung wohlmeynend entdecken, und das Beste besorgen helffen". Gregor legt Wert auf die „Exploration der inclination u n d vires". Der Affectenspiegel kennt nicht die stoffliche Trockenheit eines Vogler und Buddeus. Er stellt sein Thema mit Gelassenheit und Humor dar, der selten in Sarkasmus umschlägt. „Manche bekommen die schönsten Subsidia, bey denen Hopffen und Maitz, Oel und Schmaltz verlohren ist" (S. 517). Diese neue Art der Darstellung wird viele Leser gefunden haben. Das horazische „ridens dicere verum" ist psychologisch geschickt angewandt: Vos in Institutes Estis similes brutis. Et in Digestís Nihil potestis: In Codice Legitis modice, Estis in novellis 96) Curieuser Atiec ten-Spiegel, oder aaserlesene Cautelen und sonderbahre Maximen, die Gemüther der Menschen zu eriorschen, and sich darnach vorsichtig und behutsam aulzuführen, in Frag und Antwort vorgestellet, und nebst nöthigen Registern ausgeiertiget von M e l i s s a n t e s , Franckiurt und Leipzig, in Verlegung Ernst Ludwig Niedtens, Buchhändlers in Arnstadt, 1715. 682 S.

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Similes asellis: Tarnen creamini Doctores, O Tempora! o mores! Von der physiognomisdien Tabulatur Gregors ist es nur noch ein Schritt bis zur völligen Meßbarkeit pathologischer Eigenschaften. Die Temperamentselemente der Antike und Huartes lassen sich in gewisse Grade Wollust, Geist oder Liebe mischen und dann z. B. das diplomatische Verhalten Mazarins und Louis d'Haros bestimmen"). Sogar T h o m a s i u s erliegt der Austrahlung dieses Zauberschlüssels, mit dem sich das Innere jedes Menschen aufschließen und sezieren läßt. In seinem Versuch von Wesen des Geistes, Halle 169998), liegt ein extremes Experiment vor, das „Examen de Ingenios" durch mathematisch-physikalische Observationen zu lösen. In Weiterführung Cartesianischer Gedanken, mit leicht polemischer Verve, unternimmt es Thomasius, „die andere Helffte von unsichtbaren Dingen etwas besser und gegründeter zu untersuchen". Während Descartes, der in jesuitischem Geiste erzogen war, lehrte, die menschliche Existenz hänge von der Materie ab, geht Thomasius von einer magnetischen Naturkraft aus. Diese anziehende Komponente führt den männlichen „wärmenden" Geist zum weiblichen „kalten" und bestimmt in ihrer Mischung das materielle Resultat. Während Huarte an diesem Punkt in der Tradition eines Aristoteles und Galen verharrt, gelangt der Leipziger Professor zu meßbaren Quotienten, die Licht, Luft und Erde als Elemente alles Lebenden proportionieren (5. Hauptstück). Trotz dieser Schematisierung mutet das Werk wie eine überspitzte philosophische Untermauerung der Huarteschen Problematik an. Die praktische Erkenntnis der Deduktionen liegt allein bei dem Spanier. Der Versuch von Wesen des Geistes verleugnet bei aller Wissenschaftlichkeit nicht einen spielerisch-dilettantischen Charakter. Es ist daher auch die von allen thomasianischen Schriften am erfolgreichsten attackierte. Der schärfste Kontrahent Realis de Vienna wirft Thomasius Geistermacherei oder Aberglauben vor und bezeichnet das Werk als einen barbarischen geistigen Rückschritt"). Unberührt von dem negativen Echo bleibt der seltsame Reiz der Arbeit, die wegen ihres illustren Verfassers in das hellste Licht der Diskussionen rückte. Zeitbedürfnis und Persönlichkeit treten aber letztlich hinter der drängenden Grundthematik zurück, deren Verwandtschaft mit Huartes Examen de Ingenios unleugbar ist100). Vieles von der damaligen Erregung über die aggressiven und gewagten The97) Κ. Β o r i η s k i , Baltasar Gradan und die Holliteratur in Deutschland, Halle/Saale 1894, S. 35. 98) Versuch von Wesen des Geistes oder Grund-Lehren / So wo hl zur natürlichen Wissenschaft als der Sitten-Lehre. In weichen gezeiget wird / daß Licht und Luflt ein geistiges Wesen sey / und alle Körper aus Materie und Geist bestehen / auch in der gantzen Natur eine anziehende Krallt / in dem Menschen aber ein zweyiacher guter und böser Geist sey. AuHgesetzet und allen Wahrheit Liebenden zur Prü/ung übergeben von Christian T h o m a s e n , Halle/ Zu finden bey Christoph Sallelden und in Rengerischen Buchladen, 1699. 190 S. 99) R e a 1 i s d e V i e n n a (d. i. Gabriel Wagner), Priilung des Versuchs vom Wesen des Geistes / den Christian Thomas / Prof. in Halle / 1699. An Tag gegeben, 1707. 80 S. 100) Das Scrutinium lngeniorum Huartes als Quelle führte Thomasius an in: Die neue Erfindung . . . , das Verborgene des Hertzens anderer Menschen . . . zu erkennen, Halle (1691), S. 30.

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sen Thomasius' vibriert in dem geschlossensten Versuch jener Zeit, dem charakterologischen Kompendium v o n R o h r s 1 0 1 ) . Der Verfasser unterscheidet Willensenergien und Verstandeskräfte, für die ihn das Scrutinium Ingeniorum Huartes einer besonderen Ableitung enthebe. Ähnlich wie zwei Generationen später (Garve) sind wir an einem Sammelpunkt angelangt. Die Ideen des Spaniers haben sich auf ihrem Spezialgebiet durchgesetzt. Viele Einzelbeobaditungen, die vor 30—40 Jahren noch mit Quellenbeleg diskutiert wurden, sind als anerkanntes Allgemeingut kritiklos rezipiert. Außer dem Eindringen in das tiefste Innere des M e n s c h e n , in das auf psychologisch-physiognomischer Basis Spuren Huartes führen, sät das Werk auch Anregungen in der V ö l k e r psychologie102). Mit emsiger Gelehrsamkeit trug Nicolaus Hieronymus G u n d l i n g 1706 ein Kapitel über das Temperament der Spanier zusammen103). Hätte er sich nur an spanische Quellen wie das Examen gehalten, wäre ein getreueres Bild entstanden. So gestaltet sich unter dem Einfluß französischer Literatur ein Zerrspiegel, zu dem die wissenschaftlich abgeleiteten Ergebnisse Huartes nicht recht passen und daher verurteilt werden. Aus dem Einfluß des Klimas auf die Humoralpathologie des Gehirns Schloß Huarte auf geistige Trägheit bei allzugroßer Wärme und Kälte. Den Mittelmeerländern als gemäßigter Zone gebührte der Preis der besten Ingenia. Gundlings Ansatz ist aber gerade die große Hitze Spaniens, die bei seinen Bewohnern zu den Generaltopoi Habsucht, Ehrgeiz, Hochmut, feurigem Temperament usw. umschlägt und auf die geistigen Produktionen Einfluß hat. Ähnlichen Mißverständnissen begegnen Huartes Behauptungen, die Spanier hätten großen Verstand, die Deutschen dagegen ein starkes Gedächtnis und viceversa (8. Kapitel). Während die Kritik aus dem Buddeus-Kreis (Rose) den Ansatz bemängelt, sprechen H e u m a η η und Η a η e später offen von „spanischem Hochmut". Wissenschaftlicher Inhalt wird blind mit subversivem Völkerklischee parallelisiert 104 ). Enzyklopädisten Bis zum Aufkommen der Konversationslexika um die Wende des 18./19. Jahrhunderts bringen die Nachschlagewerke eigene oder andere subjektive Urteile, die zudem meist von einem Werk in das andere urteilslos übernommen werden. Diese Abziehbilder sind angesichts der großen Bändezahl und der wenigen Bearbeiter verständlich. Gruppenarbeit und damit Hebung des 101) J. Β. v. R o h r , Unterricht von der Kunst, der Menschen Gemüther zu erforschen. Leipzig 1714. 102) Bereits bei W a t s o n [Unió sapientiae, S. 212) stehen Huarte und Barclay als Fachleute hierfür: „Mediae regiones incolae salubrem ingenii mixturara; Septentrionales, pervivaees, bellicosi." 103) Ν . H. G u n d l i n g , Otia, Frandcfurt & Leipzig 1706. S. 1—80. Huarte S. 17 und S. 79. Das. S. 81—93 das alte Thema von der Antipathie der Spanier und Franzosen, eine Folge dieser Art von Nationalpsychologie. Die Originalsdirift Carlos Garcías (1617) war bereits 1645 ins Deutsche übertragen worden und ist eines der verbreitetsten Drudewerke im 17. Jahrhundert. Zu Gundling vgl. Τ i e m a η η , Das spanische Schriíttum, S. 99 f. 104) Ph. F. H a n e (Hrsg.), Annales literarii Mecklenburgenses, Rostode & Neu-Brandenburg 1721, S. 120. — D e r s . , Commentatici académica de ingenio gentium borealium philosophicis, Rostochii & Lipsiae 1724, S. 4, 14 f. — Chr. A. H e u m a n n , Acta philosophorum, das ist: Gründl(iche) Nachrichten aus der historia philosophica, 4. Stück, Halle 1716, S. 571. — C. R o s e , De temperamento mathematica, Diss. Ienae 1710, S. 4, 17 f.

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Niveaus bringt erst Diderots Enzyklopädie. Im folgenden Teil soll untersucht werden, ob es den deutschen Enzyklopädisten bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts gelingt, ein geschlossenes Bild des Spaniers zu vermitteln oder verwertbare Einzeltatsachen beizutragen. Ein Werk von europäischem Rang und erstaunlicher Wissensfülle ist das Vermächtnis des ausgehenden 17. Jahrhunderts: der Polyhistor literarius (1688—92) des Kieler Professors Daniel Georg M o r h o f . Hier wird die Pansophie, der komplexe Zusammenhang aller Wissenschaften, gegen die Auffassung Huartes, daß der Mensch nur für e i n e Sache natürliche Neigung besitze, ad oculos demonstriert. Die wißbegierige Belesenheit Morhofs, der sogar Spanisch verstand, ließ ihn auch nach dem Scrutinium Ingeniorum Joachim Caesars greifen und es mit dem Original vergleichen. Es wird die Kurzfassung gewesen sein, denn das negative Urteil lautet: „Sed versio illa vehementer discrepai ab Hispánico, multa addita sunt, multa omissa" (Bd. 2, Buch 3, Kap. 1, § 3). Nächst diesem Verdikt wurde später gern Morhofs Absage an das 15. Kapitel Huartes erwähnt (Polyhistor, Bd. 1, Buch 2, Kap. 1, §8). Es handelt sich um eine schlichte unbegründete Aussage, die mit „moquiren" (Kestner) oder „sich lustig machen" (Ebert) zu eigenwillig interpretiert ist. Im ganzen gesehen, ist die Recensio Morhofs recht dürr, doch hat sie wegen der Berühmtheit des Namens vier Auflagen und weite Verbreitung erfahren. Von den zahlreichen „Conspectus rei publicae literariae" zeigt die Kurtze Anleitung zur Historie der Gelahrheit des Jenenser Professors Gottlieb S t o l l e , Halle 1718, den Spanier von einer ganz anderen Seite — als „Verächter und Feind der Poesie" (1. Teil, S. 209). Die Poesie schließt nach Huarte (8. Kapitel) als Primat der Einbildungskraft den Verstand aus. Ein Dichter wird es in keiner Wissenschaft zu etwas bringen. Dieser Fortsetzung des platonischen ·&έϊος εν&ονσιααμός läuft bis Herder und Goethe die Konzeption vom „rationalen Versemacher" zuwider. Aus der verschiedenen Auffassung vom „Poeten" zieht Stolle dieses Urteil Huartes, das als völlig unzutreffend anzusehen ist. Ein Mitarbeiter Stolles war Christian Wilhelm K e s t n e r , dessen Medicinisches Gelehr ten-Lexicon (Jena 1740) einen zwar knappen, aber den genauesten Huarte-Artikel liefert. Die Lebenszeit (letzte Hälfte des 16. Jahrhunderts) und das 15. Kapitel („gar umständlich") sind vorsichtig umschrieben. Die Quellen sind Morhof, Heumann und Joachim Caesar, dessen Buch — wie die Catalogi librorum rarorum bestätigen — als „ziemlich selten" festgestellt wird. In demselben Jahr widmet S t r u ν e dem Examen und seinem Fragenbereich einen Paragraphen 105 ). Hier fließen reichlich bibliographische Angaben über verwandte Dissertationen. In Anlehnung an Possevino wird die Trennung und Verbindung der Seelenkräfte mit bestimmten Wissenschaften bemängelt. Die großen historischen Lexika kopieren Nicolás Antonio, Baillet, Moréri, Bayle. Nach Ζ e d 1 e r s epochemachendem Universallexikon hat Huarte um 1580 gelebt „und wird von denen gelehrten sehr hoch gehalten". Noch dürftigere Nachrichten gibt J ö c h e r s Gelehrtenlexikon. Die hier an einem Einzelbeispiel gezeigten Unzulänglichkeiten der deutschen Lexikographie 105) B. G. S t r u ν e , Biblíotheca Philosophica, Bd. 2, Göttingen 1740, S. 93—96. 55

lassen die Ubersetzung des B a y l e sehen Dictionnaire durch Gottsched (1741·—44) als notwendige und erlösende Tat erscheinen106). Im 2. Band, S. 868—69, werden Huarte und sein Buch ausführlich gewürdigt. Die sehr objektive und sachlich richtige Darstellung rügt nur eine „wundersame Einbildung" im letzten Kapitel und äußert Bedenken über die Praxis der Auslese. Charakteristische Auszüge aus Sorel und der französischen Übersetzung Chappuis' runden das Bild ab. Rückblick Die wissenschaftlichen Studien über das Problem der Begabtenauslese und Berufswahl führen unmittelbar bis zur Schwelle der Beschäftigung Lessings mit dem Spanier. Wegen seiner umfassenden Behandlung der methodischen Fragestellung nimmt das Examen de Ingenios bis dahin an exponierter Stelle eine wichtige Funktion ein. Mit Vorliebe wird auf die Einteilung der geistigen Veranlagungen und ihre Anwendung auf die verschiedenen Wissenschaften zurückgegriffen. Der Rückgriff auf die theoretischen Aussagen des Buches entspricht einer eigenen Unsicherheit über die anzuwendenden Modalitäten 107 ). Der Praxis der Begabtenauslese kommt das Buch am nächsten bei den physiognomisch-völkerpsychologischen Traktaten, die zwischen Pfuscherei und Wissenschaft feste Maßstäbe zur Intelligenzbestimmung zu geben suchen. Diese aktuelle Problematik, die Erzieher, Ärzte, Theologen diskutieren und in deren Mitte das Werk Huartes nach allen Seiten strahlt, muß man sich vor Augen halten, wenn man nach den Gründen der Aufnahme durch Lessing fragt. In diesem Zusammenhang erscheint wichtig, daß Lessings Vater 1712 in Wittenberg über das verwandte Teilproblem De attectibus sententia den Magistergrad erwarb. Die genaue Quellendurchsicht der Disputatio ergibt expressis verbis Huartes Scrutinium Ingeniorum als Hintergrund, so daß der Name auch im Elternhaus einen überlieferten Begriff bedeutete 108 ). Dem Übersetzer aber galt das Buch nicht „als Vorläufer physiologischer und historischer Bestrebungen der Gehirntopographie und einer naturwissenschaftlichen Psychologie überhaupt" 108 ), sondern war als bestes und umfassendstes Kompendium im täglichen Gespräch und gehörte zum festen Bildungsbesitz der Professoren. Der erneute Erfolg und die Auflagen sind Zeugnisse der wichtigen Mission, die es bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zu erfüllen hat.

106) E. L i e c h t e n s t e i n , Gottscheds Ausgabe von Bayles Dictionnaire, Heidelberg 1915. 107) Man vergleiche dagegen die praktischen Forderungen eines Engländers im Spectator, Februar 1712. Die 59. Rede behandelt das Examen de Ingenios. Der Verfasser fordert eine radikale Reform nach Huartes Prinzipien. Als maßgebliches Sprachrohr der frühen Aufklärung erscheint die Zeitschrift 1725 übersetzt. 108) Diese Tatsache widerspricht der Behauptung Oehlkes, Lessings Vater habe „wohl über den Inhalt der seltsamen Schrift eines ausgesprochen materialistisch reflektierenden spanischen Arztes und Philosophen . . . wenig Freude empfinden können". W. O e h 1 k e , Lessing und seine Zeit, Bd. 1, München (1919), S. 228. 109) S c h m i d t , Lessing, Bd. 1, S. 189.

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IV.

Lessings Prüfung der Köpfe und ihre geisteswissenschaftliche Stellung 1) Die Spanischstudien in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und der geistige Boden für das Examen de Ingenios Es ist erst ein Vierteljahrhundert her, daß die Legende von der unfruchtbaren Beschäftigung der Deutschen mit spanischer Literatur im frühen 18. Jahrhundert einem gerechteren Bild wich. Trotzdem ist in der Geschichte der deutsch-spanischen Beziehungen noch heute kein Abschnitt weniger erforscht als die Jahre 1700—1750. Diese Vernachlässigung liegt hauptsächlich an dem geringen Interesse, das sich an die deutschen Vermittler knüpft und das ein Studium der spanischen Literatur in Deutschland um ihrer selbst willen im gedachten Zeitraum erforderte. Erst mit den Namen eines Gleim, Lessing, Wieland oder Hamann gegen Mitte des Jahrhunderts setzt eine stärkere Konzentration der Persönlichkeit ein, die auch das Verständnis der spanischen Kultur intensiviert. Die Huarte-Übersetzung markiert auch hier den Beginn einer lebendigeren Durchdringung beider Länder. Die Verdienste der Aufklärung auf diesem Gebiete, die Einführung der spanischen Romanze durch Gleim, Jacobi und Herder, die erste fast vollständige Don Quijoteübertragung durch Bertuch und der Beginn der Literaturgeschichtsforschung durch Dieze deuten auf vorbereitenden Charakter für die Spanienbegeisterung der Romantik hin. Allerdings kommt ein neuerer Forscher zu diesen Zusammenhängen : „Die von Ratio und Empirie durdiherrsditen Epochen verschließen sich den inneren W e r t e n der spanischen Kultur; dagegen finden sie in der von einer metaphysisch-religiösen Spannung des Endlichen und Unendlichen bewegten Gefühlswelt des Geistes ihren Raum. Klassizismus und Aufklärung stehen in einer negativen oder äußeren, Barock und Romantik in einer positiven und inneren Beziehung zum spanischen Genius" 1 1 0 ).

Das ist die letzte Konsequenz, die in antithetischer Schau den Bemühungen der Aufklärung als Ubergangsepoche das negative Urteil spricht. Brüggemanns Schema suggeriert, ähnlich der Schererschen Literaturkurve, einen steigenden und fallenden Rhythmus der deutsch-spanischen Beziehungen, der zwischen Ratio und Gefühl pendelnd, auch auf unser Jahrhundert an110) B r ü g g e m a n n ,

Cervantes und die Figur.. . , S. 1 f. 57

zuwenden sein müßte. Diesen verlockenden Konstruktionen gegenüber sollen aus den Berührungspunkten zwischen der spanischen Welt und Deutschland für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts eigene Ergebnisse deduziert und zugleich die Relevanz der Lessingschen Übersetzung zum Ganzen eruiert werden. Ein europäisches Ereignis ersten Ranges ist der spanische Erbfolgekrieg (1701—14), der bei der engen Verbindung zwischen Politik und Wissenschaft das Interesse für die spanische Sprache neu weckte. Außer den antibourbonischen Flugschriften sind die Lehrbücher der zuverlässigste Gradmesser. Sie umfassen ζ. B. die spanische Grammatik und Syntax des Nürnberger Professors Matthias Cramer (1702 und 1711) oder den Llave capital de la lengua castellana (1706) des Leipziger Sprachlehrers Juan Sotomayor, eine bilingue Darstellung. Ein Jahr darauf erscheint in Köln eine lateinische Übersetzung der kastilischen Grammatik von César Oudin. Diese Elementarwerke begleitet eine aufgeschlossene Kenntnis der spanischen Sprache, wie sie der Hamburger Advokat Christian Heinrich Postel und der Lübecker Theologe Caspar Lindenberg zur gleichen Zeit verbreiten 111 ). Nodi ungeklärt ist das Verhältnis der Belletristik zur Fachliteratur in diesem Zeitraum. Außer Quevedo und Cervantes, der sich viele neue Anhänger gewinnt, erfährt besonders die politische Hofliteratur Graciáns, Saavedra Fajardos und Guevaras wiederholte Auflagen. Eine Renaissance wird auch dem Realismus der Schelmenromane zuteil. Mateo Alemáns Guzmán de Alíarache ist 1751/52 „seines besonderen Inhalts wegen" übersetzt, und der Lazarillo de Tormes wird bis 1750 in drei, bis 1800 in fünf weiteren Auflagen gelesen. Die spanische „novela picaresca" entspricht ebenso wie im Barockzeitalter dem didaktisch-unterhaltenden Lesebedürfnis. Während die Streuung des mystischen Schrifttums eindrucksvoll, aber regional begrenzt ist (4. Auflage der Werke der Santa Teresa 1732!), wird der Macht der Inquisition und Zensur für die Bildung der „leyenda negra" in Deutschland eine bequeme, aber überdimensionale Bedeutung beigemessen 112 ). Es ist gerade ein Verdienst der Aufklärung, Licht in diese feindlichen Urteile gebracht zu haben. Es gab genug kritische Geister, die nach Übersetzungen von „Geschichten der Inquisition", wie 1724 und 1741 aus dem Englischen, verlangten. Zieht man zu diesen größeren Bereichen die Fülle der Fachliteratur, tritt das Aufklärungszeitalter gerade in V i e l f a l t d e r I n t e r e s s e n und im S t r e b e n n a c h a b s o l u t e r W a h r h e i t vor anderen Jahrhunderten hervor. Dem Wert dieser Aussagen tut die indirekte Vermittlung spanischer Gedanken durch französische, italienische oder englische Quellen keinen Abbruch. Eine bestimmende Bevormundung des Spanienbildes durch Frankreich läßt sich selbst auf dem Gebiet der Reisebeschreibungen nicht feststellen. Wohl kann man das geistige Panorama, das sich dem Deutschen auf Grund ausländischer Wörterbücher, Übersetzungen und Berichte bot, im jeweiligen Fall klar beleuchten. Die Reaktion, selbst auf krasseste Unwahr111) C. P i t o l l e t , Deux types d'hispanologues allemands avant ¡'ère .lessinguienne" : Caspar Lindenberg et Christian-Heinridi Postel, RABM 24 (1911) 549—564; 25 (1911) 83—91, 40&—421. 112) Der vielzitierte Artikel Von dem Zustande der Gelehrsamkeit in Spanien im Hannoverischen Magazin (1764) ist ein Auszug aus dem Universal Magazine des Vorjahres.

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heiten, ist nicht so gläubig, wie man anzunehmen geneigt ist, und wird bei kritischen Köpfen jedesmal durch den Filter aufklärerischer Untersuchung gehen. Trotz des Nachteils sekundärer Quellen gibt es direkte Beziehungen. Abgesehen von den Ubersetzungen ist der bisher übersehene B a r o n v o n S c h ö n b e r g aus Dresden zu nennen, der sich in den dreißiger Jahren durch einen Korrespondenten um Nachrichten über den führenden spanischen Schriftsteller des 18. Jahrhunderts bemüht. Die Kunde davon gelangt zu Feijoo selbst, der anläßlich der dunklen Notiz von einer deutschen Übersetzung seiner Werke schreibt: „Si hay esta traducción, es verisímil que sea Autor de ella el Varon de Schömberg residente en Dresde; porque este docto Caballero ha trece, ò catorce años pidió à un corresponsal suyo Español un resumen de mi vida, con las circunstancias de nacimiento, patria, nombres, y calidad de mis padres, edad, tiempo en que recibi el santo Habito, estudios, empleos y honores que tuve en la Religion, etc. lo qual no veo para qué pudiese ser, sino para estampar estas noticias en la frente de alguna traducción de mis Obras"11').

Leipzig, Dresden und Hamburg (Postel) werden in dieser Zeit als Zentren für die Beschäftigung mit Spanien anzusehen sein. Wahrscheinlich wurde von Schönberg (so richtig!) auf Feijoo aufmerksam durch die bibliographischen Hinweise, die Mayáns y Sisear 1731 an die repräsentativen Acta Eruditorum sandte. Diese dürftigen Büchernachrichten werden gerne zur Illustration des stagnierenden Spanischstudiums herangezogen (Farinelli). Mit großer Sicherheit aber wird man in dieser Zeit mit verschiedenen Ebenen des Spanienverständnisses rechnen müssen, die von der trockensten Erudition bis zur vertrauten Cervantes-Begeisterung Ramlers 1748 reichten. Es gab noch keine hispanistische Tradition, wie sie später Herder in Weimar oder Tieck in Göttingen vorfanden, die Beschäftigung mit Spanien blieb der Initiative des Einzelnen überlassen und wurde damit zur Frage der Persönlichkeit. Schon eingangs fielen die Spanier auf, deren Werke im 18. Jahrhundert Neuauflagen oder Übersetzungen erfahren. Spätbarock; und Aufklärung stehen sich in optimistischer Sicht, in Gemeinsamkeit der horazischen Poetik-Postulate und in Ubergängen des Formprinzips sehr nahe. Ein Vergleich der Schelmenroman-Versionen zeigt nur die Einkleidung in ein neues Sprachgewand, Deutung und Ansehen laufen fast parallel. Von dieser Sicht der Zweiteditionen ist ein Blick in das Examen des Ingenios für dessen weitere Erfolgschancen sehr aufschlußreich. Hier ist die Frische und Zeitnähe des Buches besonders auffällig. Es könnte, abgesehen von den Tatsachen, in diesem Jahrhundert geschrieben sein. Die klare Gliederung, die deduktive Ausführung, die logische Beweisstärke bedürfen stilistisch keiner Transponierung mehr. Inhaltlich atmet jeder Satz Huartes fortschrittsgläubige Ideen. Seine Methode läßt ihn unmittelbar vor Augen des Lesers das Gehirn öffnen und die Ventrikel beschreiben. Dabei fehlt es nicht an dramatischen Auseinandersetzungen mit der traditionellen Dogmatik, wie z. B. in dem 113) B. G. F e i j o o , y M o n t e n e g r o , Cartas eruditas y curiosas ... Critico Universal, Bd. 3. Madrid 21774, Carta 14, Dedicatoria vom 12. 6. 1750.

del Thealro

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anschaulichen Gärtner-Exkurs des 2. Kapitels, einer Aufklärungsparänese in nuce114) : Zum Gespräch eines Naturforschers und Sprachgelehrten gesellte sich ein Gärtner mit der Frage, woher es komme, daß Unkraut schneller als gedüngte und begossene Gartengewächse hervorschieße. Der Sprachgelehrte verwies auf den Willen Gottes, worauf der Naturforscher lachte. Als sein Partner fragte, ob das Lachen ihm gelte, entgegnete er: „Nicht dich ladie ich aus, sondern den, der dich so unterrichtet hat." Dann folgt die Erklärung des Naturforschers: Gottes Wirken zu deuten, sei Sache der Theologen, die Wege der Natur könne nur der Naturwissenschaftler erkennen. Gleichnishaft wird das Erdreich mit einer Mutter verglichen, die ihren eigenen Kindern am meisten Saft und Nahrung zukommen läßt.

Diese schlichte Episode, die dem Emile Rousseaus entnommen sein könnte, erfüllt im geschlossenen Kreis alle Maßstäbe, die man an das neue Formideal des „Witzes" legte. Gebildet am französischen Stilprinzip des „bei esprit" soll er „intelligence" und „imagination" vereinigen 115 ). Klare Einsicht in die Kausalzusammenhänge löst der „Witz" des „filósofo natural" in einer überraschenden Pointe, wie man von einem „scharfsinnigen Kopf" den Blick für verborgene Parallelen erwartete. Die Darstellung verstärkt und reflektiert das inhaltliche Geschehen. Die Anekdote setzt an ihrem Wendepunkt nicht zu trockener Belehrung an, sondern Huarte retardiert den Dialog, als man nach dem Gelächter des Naturforschers billigen Spott erwartet. In überlegen-geistreicher Toleranz sieht dieser die Schuld in der Erziehung des Sprachgelehrten und entzieht der Situation jede peinliche Verlegenheit. Diese geistige Souveränität, die auf dem optimistischen Sieg der Vernunft beruht, in dramatischer Antithese herausgearbeitet, war ganz im Sinne der Zeit116). Neben derartigen radikalen Vernunftsätzen läuft eine stark irrationale Welle, die oft gerade in der Überspitzung einer allzu aufklärerischen Geisteshaltung wurzelt. Als eine reiche Fundgrube erweisen sich die naturwissenschaftlichen Zeitschriften. Sie sind ein lebendiger Spiegel für die unersättliche Leselust aller Stände, denen es nicht nur auf Belehrung, sondern vor allem auf Unterhaltung ankam. So war der „Journalschreiber" ständig auf der Suche nach Merkwürdigkeiten, welche die dichte Breite dieser Gazetten erklären: „Die Menge der physikalischen Schriften, welche man jetzo in Deutschland überall zum Vorschein kommen siehet, beweiset, daß die gegenwärtigen Zeiten unter unsern Mitbürgern der Naturlehre sehr günstig sind. Ich will dadurch nicht sagen, daß es Deutschland sonst an Liebhabern und Kennern der Naturlehre gefehlt habe; nur scheinet, daß der Geschmack an dieser Kenntniß viel allgemeiner ist, als er vordem gewesen" 117 ). 114) Die Existenz eingelegter Dialogszenen in einem wissenschaftlichen Text des Humanismus darf nicht überraschen. Nach dem Vorbild Piatos und Ciceros ist das Gespräch seit dem Mittelalter die beliebteste Form der Erörterung philosophischer, religiöser und weltanschaulicher Probleme. Erst nach den Streitschriften und Disputationen der Reformation tritt eine Ruhe ein, bis diese Literaturgattung im Aufklärungszeitalter eine neue Blüte erfährt. Audi diese kompositioneile Verwandtschaft muß bei dem folgenden Beispiel gesehen werden. 115) B ö c k m a n n , Formgeschichte, S. 487. 116) Eine Reihe von Neuauflagen, keineswegs nur wissenschaftlicher Natur, wird sich aus dieser Stilverwandtschaft, die nichts mit der spanischen Grandiloquenz gemeinsam hat, erklären. Vgl. Τ i e m a η η, Das spanische Schiiittum, S. 92 ff.

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Wahrheit mischt sich mit Wahrscheinlichkeit, Aberglauben mit echtem Beweis. „Von einem Ohrwurme, der seinen Unterleib aufgefressen hat", fand der staunende Leser ebenso belehrend und unterhaltsam wie die Nachricht eines Doktors Erpel von einer Frau, die fünf Kinder, vier Mißgeburten und ein Mondkalb geboren habe118). Ein gerichtliches Zeugnis für die Glaubwürdigkeit dieser Geburten innerhalb von 21 Tagen wurde beigelegt! Eben diese Abstrusitäten hat auch das Examen de Ingenios aufzuweisen. Gewachsen auf dem reichen Boden einer zeitgenössischen Volksmedizin 119 ), ist ein Einfluß abergläubischer Heilsanschauung unvermeidbar. Besonders das letzte Kapitel ist reich an Verirrungen dieser Art, wie z. B. der Nachweis der Schwangerschaftsbefähigung. Zur Ehre des Spaniers sei gesagt, daß er bei unwahrscheinlicheren Vorschlägen des Hippokrates oder Galen berechtigte Zweifel anmeldet, die sich jedoch nicht in scharfer Abkehr von den Autoritäten äußert. Eine Zeit wie das 18. Jahrhundert, in der Quacksalber und Wunderdoktoren mit großem Erfolg durch die Lande zogen, mußte audi hieran Gefallen finden. Ärztliches Kurpfuschertum und Volksaberglauben standen noch schroff der wissenschaftlichen Heilkunde gegenüber 120 ). Ohne die spätere Wirkung des Buches zu berücksichtigen, lassen sich schon, nur vom Text und seiner Darbietung aus, Affinitäten zum Lebensstil der Aufklärung herstellen. Die Anziehungskraft liegt in der reizvoll rational-irrationalen Mischung, die, verbunden durch einen „witzigen" Vortrag, dem aufklärerischen „prodesse" und „delectare" entgegenkommt.

2) Lessings Berührungen mit der Kultur der iberischen Halbinsel bis zur Huarte-Ubersetzung Im vorigen Kapitel wurde angedeutet — so gut es die bekannten Tatsachen vermochten — wie sich die spanische Kultur durchaus im Hintergrund der dominierenden französischen Geistesart lebensfähig erhält. Obwohl man von keinem geschlossenen Spanienbild des Deutschen um die Mitte des 18. Jahrhunderts sprechen kann, zeigen vereinzelte Linien aus dem Barock eine kontinuierliche Tradition. Die folgenden Absätze verdichten den Überblick: chronologisch-individuell. Lessings Erziehung, seine Begegnungen mit Lehrern und Persönlichkeiten werden auf Spanieninteresse und Vermittlung 117) Physikalische Belustigungen, 21. Stück, Berlin 1753 (von Mylius redigiert). Zum europäischen AUgemeininteresse auf einem Teilgebiet vergleiche man die sehr instruktive chronologische Bibliographie von H. L a e h r , Die Literatur der Psychiatrie, Neurologie und Psychologie im XVIII. Jahrhundert, Berlin 21895 (Festsdir. zum 50jährigen Jubiläum der ProvinzialHeilanstalt Nietleben bei Halle a. S. am 1. November 1894). 118) Hamburgisches Magazin 12 (1753) 90—92. Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen, 11. 2. 1751. 119) Zum Zeitverständnis F. L e j e u n e , Das Gesundheitsreglement des Palmireno vom Jahre 1569. Ein Beitrag zur Kenntnis der spanischen Volksmedizin im XVI. Jahrhundert, Greifswald 1926. P. V a r g a s R o s a d o , Altspanische Gesundheitslehre. Medicina Española contenida en proverbios vulgares de nuestra lengua, muy provechosos para el buen regimiento de la salud y más larga vida. Compuesta por el Dr. Juan Sorapán de Rieros. (Granada 1616). Diss. Wien (1940). 120) E. E r m a t i n g e r , Deutsche Kultur im Zeitalter der Auiklärung. Potsdam o. J. (Handbuch der Kulturgeschichte, I. Abt., Geschichte des deutschen Lebens). S. 302—306.

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vorsichtig abgetastet, um Keimzellen erwachender Aufmerksamkeit festzuhalten. Bei Lessings ersten Arbeiten werden weniger die Tatsachen Beachtung finden — denn das ist an anderer Stelle geschehen — als vielmehr Methode und Hilfsmittel, um praktische Modalitäten, besonders im Hinblick auf die Übersetzung des Examen de Ingenios, herauszustellen. Erst während der L e i p z i g e r Studienjahre kann eine Anregung zur Beschäftigung mit spanischer Literatur für Lessing vermutet werden. Weder im protestantischen Elternhaus noch auf St. Afra, der Fürstenschule zu Meißen, wird der Name eines Cervantes gefallen sein. Bei aller Freiheit zur selbständigen Arbeit ist die Antike der Kanon, der die Ausbildung bestimmt. Erst in Leipzig tritt der junge Student in die vielseitigen Impulse der großen Welt. Mehr noch als in den Kollegs finden wir ihn in der Theaterwelt der Neuberin. Sie vermittelte neben der praktischen Seite Bekanntschaft mit den verschiedensten Sujets aller Völker und regte zu eigener Stoffsuche an. Bekannt ist die Existenz spanischer Dramen im Repertoire deutscher Wandertruppen 121 ). Lessing besaß aus dieser Zeit mehrere Stücke zum Extemporieren, z. B. schon einen Grafen von Essex, jedoch sind wenig mehr als Anekdoten aus diesem Kreis bekannt. Gab es unter den Universitätsprofessoren der spanischen Welt aufgeschlossene Köpfe? Schon in dem Professoren der Beredsamkeit Johann Erhard K a p p , unter dessen Rektorat sich der Theologiestudent am 20. September 1746 immatrikulierte, begegnete er einem Mann von umfassender Bildung. Es ist aufsdilußreich zu beobachten, wie in dem polyhistorischen Weltbild dieses Gelehrten auch das Spanische seinen bedeutenden Platz hat. Von dem höfisch-gesellschaftlichen Ideal Graciáns, das fünfzig Jahre früher sein Vorgänger Christian Thomasius an derselben Stätte gegen die übertriebene Nachahmung der Franzosen vor überfüllten Hörsälen verkündete, führt eine Verbindung zu den historisch-politischen Schriften Saavedra Fajardos. Es ist Kapp, der 1748 die Ubersetzung der Locuras de Europa und der República Literaria direkt aus dem Spanischen anregt und einführt 122 ). Ist schon der Weitblick erstaunlich, mit dem „bey den iezigen verwirrten Umständen" Saavedra Fajardo als Mahner und Warner auftreten soll, besticht noch mehr die überlegene Kenntnis historischer Zusammenhänge. Mit souveränem bibliographischen Geschick werden deutsche, italienische, französische, spanische, lateinische Quellen benutzt, um ein lebensnahes, kein gelehrt-pedantisches Zeitmosaik zusammenzusetzen. Sowohl das zeitgenössische Diario de los literatos de España als auch Historiker wie Prudencio de Sandoval und Francisco de Cascales werden zu Rate 121) Dazu die Aufsätze von A. D e s s o f f , ZvglLg. N. F. 4 (1891) 1—16 und StvglLg. 1 (1901) 420—444. 122) Da die Forschung, wohl nur aus bibliographischer Kenntnis, K a p p bisher als Übersetzer dieser beiden Werke ansieht, wird aus der Vorrede der Gelehrten Republic zitiert (S. 103): „Die Uebersetzung anlangend, so ist dieselbe v o n einer in der Spanischen und andern Abend- und Morgenländischen Sprachen erfahrnen Person abgefaßt worden die sich aber ins künftige schon näher zu erkennen geben wird. Der Uebersetzer ist dabey so bescheiden, daß er die Leser ersuchet, die etwa mit untergelaufenen Fehler nicht nach der Strenge zu beurtheilen, sondern denselben durch eine gütige Aufnahme zu andern dergleichen Uebersetzungen aus dem Spanischen aufzumuntern. Wie er denn nicht abgeneigt ist, au 1 mein Α η rathe η, unsers Saavedra Corona Gothica gleichfalls ins Teutsche zu übersetzen, . . (Kursive v o m Verfasser dieser Arbeit).

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gezogen. Es gibt keine autoritative Übernahme aus Nicolás Antonio; alles wird mit den entlegensten, aber kompetenten Zeugnissen überprüft. Kapp hat sich sogar um die seltenen spanischen Quellen bemüht. Die Zusendung eines Buches Mayáns y Siscars dankt er „dem wegen seiner großen Reisen und Kenntnis der gelehrten Geschichte berühmten Sächsischen von Adel, Herrn Hans Dietrich von S c h ö n b e r g , . . . welcher mir solche nebst andern in die Spanische Litteratur einschlagenden Schriften schon vor vielen Jahren verehret hat". Es ist derselbe Baron, der mitFeijoo, den Kapp übrigens auch kennt, in Verbindung zu treten suchte. Während seine Schlüsselstellung — näheres müßten Territorialbiographien ergeben — ihn früher in Kontakt mit spanischen Gelehrten zeigte, stellt er hier seine Kenntnisse und Bücher in den Dienst deutscher Universitätsprofessoren. Die enge Brücke ist Zeichen echter Anteilnahme. Kapp las 1746 „über den neuesten Zustand der Litteratur in Europa". Farinelli spricht von einem möglichen Einfluß, bei Lessing die erste Ahnung von den Schätzen der spanischen Kultur erweckt zu haben. Zumindest wird man sagen können, daß die jungen Semester an Methode, Sachkenntnis und Gesamtschau spanischen Wesens in Johann Erhard Kapp einen Gelehrten urbaner Bildung fanden. Es ist sicher, daß das eine oder andere Wort über die iberische Kultur auch in die Vorlesungen und Disputationen einging. Ein vertrauterer Umgang Lessings ist uns mit dem Dichter und Professoren der Mathematik Abraham Gotthelf K ä s t n e r (1719—1800) überliefert, „dessen Unterricht ich in wichtigeren Dingen zu genießen das Glück hatte". Auch Kästner, bei dem sich Cramer, Zadiariä, Johann Adolf Schlegel, Lessing und sein Freund Mylius zu Kolloquien trafen, bemüht sich aktiv um das Verständnis spanischer Themen. Zwar fehlt ihm die Übersicht Kapps, aber eine vielseitige Produktion verrät gediegene Kenntnis und Akzentuierung. Zeitlebens ein begeisterter Anhänger Cervantes', den er selbst gegen Mayáns y Sisear in Schutz nahm, arbeitete er als typischer Aufklärer z. B. über Alfonso el Sabio, das Autodafé, über „germanesco und jerigonza" und andere Gebiete123). Ebenso wie für Kästners aufmunterndes Urteil über sein erstes Lustspiel Der junge Gelehrte, wird Lessing auch für Auskunft und Rat in spanischen Dingen bei diesem Professoren ein offenes Ohr und Sachwissen gefunden haben. Zwanzig Jahre später begegnete er Kästner wieder, der inzwischen in Göttingen mit Dieze zusammen der Philosophischen Fakultät angehörte. Es spricht für die Güte der Ausbildung, Lessings Selbstbewußtsein und sein Zutrauen, wenn mit den Jahren in Leipzig praktisch seine geistige Formung abgeschlossen ist. Die Flucht nach B e r l i n , äußerlich durch Auflösung des Freundeskreises, Geldnot und die Spannungen mit den Eltern motiviert, ist nichts als das Wissen, weder in Leipzig noch an anderen Universitäten mehr dazulernen zu können. Berlin war damals der Mittelpunkt des französischen Geschmacks in Deutschland, der am Hofe Friedrichs II. in der Gestalt Voltaires sichtbar kulminierte. Bekannt ist dessen Urteil: „Je me trouve ici en France. On ne parle que notre langue." Für einen jungen Studenten, der, mittellos und ohne jede elterliche Unterstützung, in dieser Stadt alles auf 123) A. G. K ä s t n e r , Werke, 2 Bde., Berlin 1841.

Gesammelte

poetische

und prosaische

schönwissenschaitiiche

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das Schriftstellerleben setzen wollte, stand die Frage der Beziehungen, die ihm dazu verhelfen konnten, im Vordergrund. So sehen wir ihn erstmal auf Empfehlung seines Freundes Mylius die umfangreiche Bibliothek des Buchhändlers Johann Andreas Rüdiger ordnen, die nach dem Auktionskatalog auch seltene spanische Bücher enthielt124). Dessen Vertrauen trug ihm einen Rezensentenposten an der Berlinischen Privilegirlen Zeitung ein, die ebenfalls Rüdiger besaß. Wollte er bei dieser Tätigkeit hervorragen, kam es auf umfassende Kenntnisse der Geistesgeschichte an, die in jedem Augenblicke parat stehen mußten. Ein Rückgriff auf die Quelle war bei der Besprechung der zahlreichen Übersetzungen von unschätzbarem Vorteil. Dadurch ergab sich ζ. B. bei den Ubersetzungen spanischer Literatur über das Französische eine oft erheblich korrigierende Präzision, die den Rezensenten weit über seinesgleichen erhob. Unter diesem Blickwinkel erstaunt das Bekenntnis des Spanischstudiums vom 2. November 1750 an seinen Vater weniger. Der „Nutzen" zielte im Moment allerdings nur auf die Journalistentätigkeit und allenfalls auf das übersetzen. Zwischen dem ersten Auftauchen spanischer Namen im Oktober 1749 und dem ersten Übersetzungsfragment (Calderón, La vida es sueño, 23. 8. 1750) sind die Anfänge der Beschäftigung Lessings mit der spanischen Sprache zu suchen. Aus dieser Zeit berichtet sein Bruder Karl Gotthelf eine in ihrer Lebensnähe und Farbigkeit bezeichnende Anekdote 125 ) : „Er spazierte einmal mit seinem Freunde Mylius unter den Linden, und plauderte mit ihm zur Uebung Spanisch. Ein Spanier ging hinter ihnen her, freute sich herzlich, wo nicht Landsleute, doch Kundige seiner Muttersprache, zu finden, und redete sie an. Sie verstanden ihn aber kaum, und konnten ihn noch weniger Spanisch unterhalten, weil die Unterhaltung vermuthlidi von Dingen aus dem gemeinen Leben, und nicht von Wissenschaften, seyn mochte. So geht es gewöhnlich Gelehrten, die keinen Lehrmeister einer fremden Sprache haben, als sich selbst."

Schon dieser Bericht, dreiundvierzig Jahre später niedergeschrieben, beruht auf einem sekundären Ondit. Wie der Zug der schadenfrohen, altklugen, verallgemeinernden Sentenz beweist, paßt er dem rivalisierenden Bruder Karl Gotthelf vorzüglich in das Gesamtkonzept seiner Biographie128). Dabei übersieht er, daß es Lessing weniger auf sprachliche Fertigkeit — sie erreichte immerhin die Aufmerksamkeit eines Spaniers — als auf baldiges Eindringen in die Literatur eines Landes ankam. Lessing ist nicht in der glücklichen Lage Herders, der in Bertuch einen kompetenten Sprachlehrer vorfindet, ihm bleibt nur der autodidaktische Weg. Dabei kann jedoch auch er eines Mediums nicht entraten, selbst wenn es sich nur um einen passiven Zuhörer handelte 127 ). Wahrscheinlich basierte die Konversation auf einem 124) Die Voranzeige erschien in der BPZ, 16. 11. 1748. 125) K. G. L e s s i η g , G. E. Lessings Leben, Bd. 1, S. 111. 126) In einem Brief an Nicolai vom 15. 11. 1789 bittet K. G. Lessing um Nachrichten über das Leben seines Bruders aus gerade dieser Epoche. F. Frhr. v. B i e d e r m a n n , Gotthold Ephraim Lessings Gespräche nebst sonstigen Zeugnissen aus seinem Umgang, Berlin 1924, S. 384—385. Die vernichtende Kritik Nicolais an der leichtsinnigen Darstellung K. G. Lessings bringt O. v. H e i n e m a n n , Zur Erinnerung an Gotthold Ephraim Lessing, Leipzig 1870, S. 175. 127) Mylius beherrschte von den neueren Sprachen Italienisch, Englisch, Französisch. E. T h y s s e n , Christlob Mylius. Sein Leben und Wirken, Diss. Marburg 1912.

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„Sprach-Zeiger", der wenig über Syntax und Satzkonstruktion aussagte, wozu Lessings übersetzerschwäche in diesen grammatischen Kategorien stimmt128). Wenig wissen wir vom Sprachenlernen in jener Zeit. Auch Lessings Methode wird sich nicht viel von der seines Leipziger Lehrers Abraham Gotthelf Kästner unterschieden haben129) : „Ich habe midi nie anfangs bey einer Sprache mit der Grammatik lange aufhalten können, sondern sogleich zu lesen angefangen, sobald ich vom Decliniren und Conjugiren so viel wußte, als nöthig war, die Wörter in ihren verschiedenen Gestalten zu kennen. . . . Wenn ich eine Sprache zum Schreiben und Reden lernen wollte, so las ich nachher eine vollständige Grammatik davon, wo mich die Regeln nur an die häufigen Exempel dazu, die ich schon in Büchern gelesen hatte, erinnerten, und also mir weder unverständlich noch trocken waren."

Gewiß war es auch Lessings Ziel, sich möglichst bald an einer spanischen Comedia zu versuchen. So leidenschaftlich und intensiv — obwohl weniger ausdauernd — er damals alles Neue trieb, wird diese Bekanntschaft mit einem Original schon bald stattgefunden haben. Größtenteils waren es Übungsarbeiten, von denen das meiste der Vergessenheit anheimfiel. In einem dieser Ubersetzungsfragmente, dem anonymen No hay cosa buena por fuerza, erhalten wir einzigartigen Einblick in die Werkstatt des Spanischtreibenden. Am Rand des Manuskripts sind gewissenhaft spanische Vokabeln mit ihrem deutschen Äquivalent verzeichnet. Da das erste spanisch-deutsche Wörterbuch erst 1795 erscheint, kann es sich nur um ein spanisch-französisches Dictionnaire handeln. Aus der Folge der Redensarten (dentro, dentro de si, dentro de pocos dias), aus den Bedeutungsnuancen (asir: nehmen, verbinden) und aus der Orthographie (acetar, el para bien, couchiHo Augenversehen von couteau!) läßt sich auf Benutzung des zweibändigen Diccionario nuevo de ¡as lenguas española y francesa von Francisco S o b r i n o (Brusselas 1721) schließen, das 1751 in einer weiteren Auflage erschienen war. Nach Dieze waren Grammatik und Wörterbuch von Sobrino die häufigsten Utensilien des Hispanophilen im 18. Jahrhundert 130 ). Da ein bequemes Argument die Schwierigkeit der damaligen Spanischstudien im Fehlen oder in mangelnder Güte geeigneter Hilfsmittel sieht, muß hier einmal mit aller Entschiedenheit betont werden, daß die Kompendia Sobrinos für den, der sie richtig zu nutzen weiß, ganz vorzüglich und erschöpfend sind. Auf 530 Seiten breitet sich dreispaltig der Wortschatz aus. Aufgenommen sind neben Vokabeln und Redensarten sogar die seltensten geographischen Lokalitäten mit genauer Lagebezeichnung. Schwer verständlichen Phrasen ist eine ausführliche Etymologie beigegeben. Selbst grammatische Erklärungen fand der Benutzer in beschränktem Rahmen, wie Seite 520: „Uno no se dize delante un substantivo." 128) Als ausführliches Titelbeispiel zur Illustration: Teutsch-Sparu'scher Richtiger und Regulmäßiger Spiadi-Zeigei / vorstellend wie man nicht nur diese Helden-Sprache recht aussprechen und declinieren / sondern aucil bey denen vorfallenden Begebenheiten / als auf der Reis / Wirths-Häusern / Assambleen, und Zusammenkiinlten / Ball- oder anderen Spielen u. d. gl. in Gesprächen sich verhalten / anbey Frag und Antwort geben soll. . . (hg. v. A. F. K.) Nürnberg 1712. 129) K ä s t n e r , Werke, Bd. 2, Theil 4, S. 196. 130) L. J. V e l á z q u e z , Geschichte der spanisdien Dichtkunst, übersetzt und mit Anmerkungen erläutert von Johann Andreas Dieze, Göttingen 1769, S. 126.

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Es reizt, unter diesem Aspekt der Entstehung des bekanntesten Übersetzungsfehlers Lessings, der Wiedergabe der Cervantinischen Novelas ejemplares mit Neue Beyspiele nachzuspüren. Die Metathese von Adjektiv und Substantiv läßt Pitollet sogar von einem Stadium der Neuen Beyspiele sprechen, auf dem Lessing zeitlebens stehengeblieben wäre. Sobrino verdolmetscht novela mit nouvelle, während exemplo u n d exemplar einseitig mit exemple aufgeführt sind. Schon Kapp sprach 1748 in der Vorrede zu Saavedra Fajardo von den „neuen Histörgen", was auch durchaus dem von Cervantes beabsichtigten Sinngehalt entspricht. Daß Lessing ejemplo richtig mit Beispiel zu übersetzen verstand, läßt sich an einem Dutzend Stellen aus der Huarteübersetzung mühelos darlegen. Nachdem Umstände, lexikographischer Apparat und erste Versuche herausgestellt wurden, unter denen sich Lessing dem Studium des Spanischen widmete, sollen darauf die Rezensionen in der Berlinischen Privilegirten Zeitung und in den Critischen Nachrichten aus dem Reiche der Gelehrsamkeit auf Methode, Kenntnisse und einschlägige Quellen sondiert werden. Sein praktischer Wirklichkeitssinn ließ Lessing den Wert der neuerworbenen Sprachkenntnisse sofort erkennen und anwenden. Schon die erste Rezension (CN, 12. 2. 1751) ragt über ihresgleichen weit hinaus. Besprochen wird kein deutsches Werk, sondern höchst eigenwillig — eine italienische Ubersetzung der Gitanilla des Cervantes durch den Leipziger Sprachlektor d e m e n t e Romani, den Lessing aus seiner Studienzeit kennen mochte. Der Übersetzer wird zuerst beiläufig auf das Glatteis geführt: „Ein Italiäner braucht kein Hexenmeister zu seyn, um Spanisch zu können." Der Leser kann viel von dem Buch verlangen. Der Rezensent muß einen schärferen Maßstab anlegen. Der Autor Cervantes wird mit wenigen Strichen als allgemein bekannt angedeutet, die übersetzte Novelle in den Kranz der Novelas ejemplares eingereiht. Schon das übergehen des Verfassers erweckt bei einem „spanischen Sprachmeister" Argwohn. Konsequent vollzieht sich Schritt für Schritt die Entlarvung des Signore Romani. In exakter Parallele werden ein spanischer, der italienische und der französische (Chassonville) Passus verglichen, aus den Fehlern und Elisionen, aus der falschen Stillage die italienische Zingarella als Abklatsch der französischen bloßgestellt. Der Titeldruck „tradotta dall' originale Spagnuolo" vernichtet Romani endgültig. Lessings Hinweis auf eine laufende deutsche Übersetzung des Cervantes (durch Conradi) impliziert das Abraten vom Kauf dieses Machwerkes. Der sorgfältige Vergleich mit dem Original — die Zeitgenossen beschränkten sich mit billigen Inhaltsparaphrasen und wohlwollender Zustimmung — gibt dem Rezensenten einen weiteren und gerechteren Horizont, in dem er seine Kritik ansetzen kann. Es fehlen daher ab 1751 in keiner Rezension Urteile wie: „Was gegenwärtige Uebersetzung anbelangt, so müssen wir mit Mißvergnügen sagen, daß sie nach der französischen Uebersetzung gemacht ist, worinne unzähliche Schönheiten der Urschrift verlohren gegangen sind"131).

Der sprachlichen Urteilskraft verhilft eine genaue Kenntnis der einschlägigen Fachhandbücher zu größerem Nachdruck. So ist dieselbe ausführliche Be131) BPZ, 9. 10. 1751. Rezension einer deutschen Ubersetzung des Guzmán de

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Allarache.

sprechung des Guzmán de Aliarache in den Critischen Nachrichten vom 29. 10. 1751 ein offener Angriff auf das Jöchersche Gelehrtenlexikon an seiner schwächsten Stelle: den spanischen Artikeln. Mit Hilfe der Bibliotheca Hispana Nicolás Antonios, die Lessing sogar als Kompendium für Fragen der lateinischen Literatur dient, werden Jöcher „wenigstens so viel Schnitzer als Zeilen" nachgewiesen. Jede Notiz wird, ebenso wie bei der Materialaufnahme zur Biographie Huartes, abgetrennt und gesondert scharfsinnig untersucht: Alemán ein Italiäner oder Spanier. Geheimer Secretarius bey Philippo dem III. übersetzte den Horatium in die spanische Sprache usw. Außer seiner Hauptquelle, N i c o l á s A n t o n i o , „zu der wir doch alle unsere einzige Zuflucht nehmen, wenn wir von einem Spanier was wissen wollen", wie es 1759 einmal heißt, konsultierte Lessing mit Vorliebe die Spanische Geschichte M a r i a n a s . Einen einzigartigen Einblick in weitere gleichzeitige Quellen bietet das 1904 von Georg Minde-Pouet in der Stadtbibliothek zu Bromberg aufgefundene Handexemplar Lessings des Allgemeinen Gelehrtenlexikons Jöchers, vier Bände, Leipzig 1750—51, mit zum Teil beschnittenen Marginalien. Muncker hat auf Grund fragmentarischer Abkürzungen und Seitenzahlen den Apparat zusammengestellt, aus dem der junge Lessing seine Funde schöpfte132). Zu der Bibliotheca Hispana und dem Werke Marianas treten S c h o t t s Hispaniae Hlustratae (1603—1608) und der Index 1 i b r o r u m prohibitorum (1667) hinzu. Da Lessing zur gleichen Zeit an der Übersetzung des Examen de Ingenios arbeitete, ist es wichtig zu wissen, daß ein großer Teil der verbesserten Vitae in das hispanistische Fach fällt. Hier kommen ihm philologische Methode und Sprachkönnen besonders zugute. Obwohl die Kritik, die sich schon in den Berliner Rezensionen andeutete, unveröffentlicht blieb133), zeigt sie Lessings Gewandtheit und sichere Beherrschung der ausgewählten Quellenwerke. Als um die Jahrhundertwende mit der Neuherausgabe der Lachmannschen Edition das geistige Tauziehen um die „echten" Lessingrezensionen in den Berliner Blättern um 1750 einsetzte, reichten sprachliche Kriterien auf dieser frühen Entwicklungsstufe des Dichters zur Textbestimmung oftmals nicht aus. Damals gaben eben diese Quellenkenntnis und das selbständige Urteil den Ausschlag. Für die Echtheit der spanischen Nachrichten sollte aber allein schon ihre Existenz bürgen. So bedenklich diese Methode in anderen Fällen erscheinen mag, risikolos anwendbar ist sie ohne Zweifel hier, denn bedeutendes Interesse Mylius' für die iberische Kultur wird man nicht voraussetzen. Von dieser Sicht aus entglitten dem Editionsprinzip Munckers kürzere Notizen, an die sich keine textanalytischen Maßstäbe legen ließen. So weist z. B. der Jahrgang 1751 der Critischen Nachrichten, bei dem Lessings Mitarbeit begann, im Verhältnis zum vorigen eine ungewöhnliche Fülle und Reichweite an kulturellen und politischen Neuigkeiten von der iberischen Halbinsel auf. Es ist, als habe Lessing hier gegenüber den stereotypen Be132) F. M u n c k e r , Neue Lessing-Funde, in: Sitzungsber. d. Kgl. Bayer. Akad. d. Wiss., phil.-philo], u. hist. Klasse, 12. Abh. 1915, S. 15—23. 133) N a u m a n n an Haller, 3. Advent 1752 aus Wittenberg: „Herr Mag. Lessing ist v o n hi-er wieder nach Berlin gegangen, nachdem der H. Prof. Jöcher in Leipzig die Klugheit erfand, durch die hiesigen Professores die Kritik über das Gelehrtenlexikon zu unterdrücken. Ich besitze die ersten 3 gedruckten Bogen derselben, als eine Rarität, und beklage, daß die Wahrheit schweigen muß." B i e d e r m a n n , G. E. Lessings Gespräche, S. 362.

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richten von Arbeiten französischer Forscher einmal einen Einblick in eine ganz andere Welt geben wollen. Die Ergebnisse des spanischen Kreises werden als gleichberechtigt und ebenso anregend in die „Gelehrtenrepublik" eingefügt. Neben den politischen Artikeln vom spanischen Hofe, die auch in anderen Zeitschriften täglich erscheinen, finden sich Anzeigen juristischer, geographischer, theologischer, archäologischer Werke. Am 2. Juli 1751 wird ζ. B. eine Preisfrage der Königlich Spanischen Gesellschaft der Ärzte ausgesetzt: „Warum verschmähen schwangere Frauen bestimmte Speisen, die sie früher annahmen, und warum greifen sie nach anderen, vor denen sie sich vorher ekelten?" Natürlich müßte durch Vergleich mit den zeitgenössischen französischen Blättern Fremdes und Eigenes geschieden werden. Dieser Ansatz soll nur auf die gezielte verstärkte Stoffauswahl hinweisen. W a s kennt Lessing bis Ende 1751 von der spanischen Literatur? Trotz des ephemeren Wertes der Rezensionen hat er sich mit Cervantes, den Schelmenromanen, dem kontemporären und dem klassischen spanischen Drama, auch im Original, näher beschäftigt. Er kennt die Spezialenzyklopädien, deren gegenseitiges Abwägen ihm eine kritische und gerechte Deutung spanischer Nachrichten ermöglicht. Wir finden bei ihm keine parteiische Stellungnahme zu politisch-religiösen Fragen. Sein kosmopolitischer Blick umfaßt schon alle Geistesbereiche. Werden ihm auf dieser Stufe Lektüre und Ubersetzung eines spanischen Buches im Original zuzutrauen gewesen sein? Die Kenntnis fragmentarischer Zeugnisse ist kein Beweis gegen dieses Vermögen. Lessing betreibt die Sprache zwar erst seit IV2 Jahren, doch zeigen die Zitate sein intensives Bemühen. Es hat an praktischen Übungen nicht gefehlt. Kleine Erfolge lassen sich ins Große transponieren, da Hilfsmittel und Methode konstant bleiben. Bereits Anfang November 1750 schreibt Lessing von einem übersetzungsplan der Cervantinischen Novelas ejemplares. Ein anderer Übersetzer kam ihm auf der französischen Eselsbrücke zuvor. Das Heranziehen anderssprachiger Übersetzungen wird man auch beim Examen de Ingenios sorgfältig prüfen müssen. Es ist ein im 18. Jahrhundert durchaus legitimes Unternehmen. Andererseits halten wir fest, daß bei Lessing, der außerdem um den unschätzbaren Wert einer Quelle wußte, die Fähigkeit, einem spanischen Buch im Original zu folgen methodisch und praktisch schon zu ausgeprägt war.

3) Die Übersetzung 1752 a) Umstände, Ort und Zeit der Entstehung Spannungen mit Voltaire und dem Elternhaus werden von den Biographen als äußere Gründe für das überraschende Ausweichen Lessings in der letzten Dezemberwoche des Jahres 1751 nach W i t t e n b e r g angegeben. Hinzukommen wird ein starkes Bedürfnis, nach der aufreibenden Produktion schriftstellerischen Tagesbedarfs, in der kurzen Muße eines Jahres neue Wissensvorräte anzulegen und den Horizont zu erweitern. Es ist für die innere Unabhängigkeit Lessings bezeichnend, daß er an dieser Hochburg des Protestantismus nicht Theologie wie sein Vater studierte, sondern die Leipziger Medizinstudien fortsetzte und in dieser Fakultät auch graduierte. 68

Die Verbindung von Medizin und Philologie war damals nichts Unerhörtes. Der berühmte Arzt Albrecht von Haller nahm in Bern sogar eine Professur für Eloquenz und Geschichte ein. In Wittenberg dozierten damals zwei internationale Kapazitäten: der Chirurg George August Langguth, ein Pforta-Schüler, und Abraham Vater, Mitglied der Römisch-Kaiserlichen, der Königlich-Preußischen und der KöniglichGroßbritannischen Akademie der Wissenschaften 134 ). Lessing durfte bei ihnen Verständnis für sein Promotionsthema voraussetzen. Interessant bleibt dodi, daß der Spanier und sein Werk von der Medizinischen ebenso wie in unserem Jahrhundert von der Philosophischen Fakultät gleichermaßen anerkannt werden. Von anderen spanischen Arbeiten zur gleichen Zeit ist nichts bekannt. Ein Jahr zuvor hatte die Theologische Fakultät angenommen: D. Hoffmanni An Magi, qui ex oriente ad Jesum recens natum venerunt, fuerint Hispani? Die Abhandlung basierte auf Psalm 72, 10: Reges Tharsis et Insulae muñera offerunt. Der Verfasser beschränkte sich auf gelehrte Diskussion lateinischer Quellen. Weiterhin ist es unwahrscheinlich, daß damals Spanier an der Universität lehrten oder studierten. Die Blütezeit dieser Welle war das 16. Jahrhundert, in dem, aus Glaubensgründen geflüchtet, spanische Gelehrte am Tische Melandithons tafelten und dem protestantischen Lager manchen Gefallen getan haben werden. Um 1520 bereits wirkte in Wittenberg der Spanier Mateo Adriano als Lehrer der hebräischen Sprache und der Medizin. Francisco de Encinas ließ sich 1541 inskribieren, um an der Übersetzung der Bibel vom Griechischen ins Spanische zu arbeiten. Noch 1588 sagt Bruno von Nola in seiner Oratio valedictoria: „Xenerunt autem ex omni gente, natione et disciplinatae Europae populo Itali, Galli, Hispani, Lusitani, Angli, . . ,"135) Im 18. Jahrhundert hat Wittenberg seine Anziehungskraft längst an Leipzig und Göttingen abtreten müssen, bis die Alma mater nach den napoleonischen Wirren 1817 endgültig in der Universität Halle aufging. Urkunden und Erlasse um 1750 zeichnen ein unruhiges Bild der Lutherstadt 13 '). Verschiedene Male muß der Kurfürst Friedrich August II. von Sachsen, König von Polen, mit drakonischen Maßnahmen gegen Ausschreitungen in Bier- und Branntweinschenken, Billardlokalen und Theatervorstellungen einschreiten. Den Studenten werden die wilden Ehen untersagt und ihr herausforderndes Benehmen, „in Schlafröcken und mit brennenden Tabakspfeifen sich auf der Gasse zu zeigen", gerügt. Von all diesen Exzessen hielt sich Lessing fern. Er bezog mit seinem Bruder Theophilus, der hier Theologie studierte, eine Stube und lebte sehr einfach, um nicht zu sagen ärmlich. Wenig wissen wir aus Lessings Leben um diese Zeit. Von dem ersten Spanischstudium bis zur Magisterprüfung sind nur zwei Briefe an den Vater erhalten, die dazu noch wegen der Mutter vorsichtig redigiert wurden. Aus Mitteilungen der Freunde 134) F. B ö r n e r , Nachrichten von den vornehmsten Lebensumständen und Schri/ten jetztlebender berühmter Arzte und Naturiorscher in und um Deutschland, Wolfenbüttel 1749. Langguth und Vater Bd. 1, S. 79—85, bzw. S. 116—144. 135) J. Chr. A. G r o h m a n n , Annalen der Universität zu Wittenberg, Theil 1, Meissen 1801, S. 198 f. 136) W. F r i e d e n s b u r g , Urkundenbuch der Universität Wittenberg, Teil 2 (1611— 1813), Magdeburg 1927, S. 377, 407, 410 (Gesciiichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt, Neue Reihe, Bd. 4).

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und seines Bruders geht hervor, daß er mit Hilfe seines Meißner Schulfreundes Schwarz, der an der Universitätsbibliothek angestellt war, die Schätze eifrig nutzte 137 ). Lessing sagte später selbst, es gebe dort kein einziges Buch, das nicht durch seine Hände gegangen sei. Die Lesefrüchte kommen der Verbesserung des Jöcherschen Gelehrtenlexikons zugute. Das Baylesche Wörterbuch in der Gottschedschen Übertragung ist seine tägliche Lektüre. Schlecht schneiden gegenüber den ausführlichen exakten Notizen des Franzosen die dürftigen zusammenhanglosen Lebensskizzen des Leipziger Professors ab. Um diese Zeit etwa, Januar—April 1752, wird sich Lessing am intensivsten mit der Übersetzung Huartes beschäftigt haben 138 ). Jedoch müssen Plan und Teilkonzept wegen der Zeitkürze bereits aus Berlin mitgebracht sein. Dem widerspricht nur Lessings eigene Aussage in einem Brief an Christoph Gottlieb von Murr vom 25. 11. 1768, er habe die Übersetzung schon 1751 in Wittenberg drucken lassen. War vielleicht, ähnlich wie schon bei dem Scrutinium Ingeniorum Joachim Caesars 1621, vorher eine Teilauflage mit späterem Datum in Druck? Es muß sich um einen Irrtum Lessings handeln, denn die Vorankündigungen in den Frankfurter und Leipziger Bücherkatalogen auf die Ostermesse 1752 sind inhaltlich und kompositionell noch ein gutes Stück von dem Originaltitel entfernt: Libri historici, philosophici et artium humaniorum Huarts, Joh. Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften, worinne die Verschiedenheit, derer in den Menschen liegenden Fähigkeiten gezeigt, der Theil der Gelehrsamkeit, welcher sich vor ieden derselben besonders schickt, bestimmt wird etc. aus dem Spanischen nebst dem Leben des Autoris übersetzt, von G. E. Leßing, 8 Wittenb. bey S. G. Zimmermann. Der Untertitel zeigt noch nicht die attraktive Form der Endfassung. Die passivische Bildung und das Partizip Präsens wirken sehr unbeholfen, deuten jedoch schon auf eine raffende Stiltendenz, die im Falle des „liegend" einen Relativsatz vermeiden will. Sehr wichtig ist auf dieser Stufe der Plan, ein „Leben des Autoris" beizugeben. Wäre Lessing schon in die Materie weiter eingedrungen, hätte er bald die ergebnislose Sammlung konstruktiver biographischer Nachrichten eingesehen. b) Vorstudien Ungefähr aus diesem Anfangsstadium hat der Zufall einige Blätter lateinischer Notizen hinterlassen, die einzigartiger Ausdruck erster Kenntnisnahme Lessings von dem Spanier sind. Fülleborn, dem noch das Manuskript vorlag, veröffentlichte 1795 Einige Materialien zu einem Lateinischen Aufsätze über Johann Huart als Anhang zu den Anmerkungen zur Gelehrten-Geschichte13"). Er vermutete damals, es handele sich um lateinische Aufzeichnungen als Grundlage der Lessingschen Vorrede zur Prüfung der Köpfe. Spätere Forscher wie von Maitzahn, Boxberger und Muncker schlossen aus der lateini137) Die Benutzung der Universitätsbibliotheken war während jener Zeit den Studenten untersagt. Göttingen löste zuerst dieses traditionelle Verbot. 138) Zur gleichen Zeit ist nur noch die Übertragung des 6. Teils der Römisdien Historie Rollins bekannt. 139) K. G. L e s s i η g , G. E. Lessings Leben, Bd. 3, S. 365—370. LM XIV, 169—171.

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sehen Abfassung auf einen gelehrten Zweck, d. h. Verwendung zur Magisterpromotion am 29. April 1752. Beide Ansichten haben ihre guten Gründe. Zunächst ist es die übliche Form einer bio-bibliographischen Stoffsammlung, wie sie uns bereits bei der Rezension des Guzmán de Alfarache begegnete. Als Quellen sind genannt Morhof, Placcius140) und vor allem Bayle141). Auffallend ist hier noch das Fehlen des Nicolás Antonio. Die Nachrichten über Huarte sind jedoch sehr dürftig und bestehen dazu noch zum größten Teil aus dem Caesar-Zitat, so daß sich ein Auslassen an dieser Stelle entschuldigen läßt. Zitiert wird aus zwei Ausgaben: aus dem Vorwort der lateinischen Übersetzung Joachim Caesars (nach den Seitenzahlen die 2. Auflage 1637), und der Text —· wie ebenfalls die Paginierung ausweist — nach der spanischen Amsterdamer Edition 1662142). Die Materialien beginnen mit der exakten Feststellung des Vornamens ganz im Zuge der philologischen Tradition 143 ). Das latinisierte „Janus" Morhofs (und damit auch Caesars) wird unter Hinweis auf Bezeichnung des Johannisevangeliums zurückgewiesen. Pedantisch wirkt heute die Buchstabenetymologie, die von Ioannes zu Juan führte. Schon dieser erste Passus aber ist bezeichnend für den jungen Lessing: Gesunder Menschenverstand und gute Sprachkenntnisse weisen dem berühmten Enzyklopädisten und Polyhistoren Morhof einen seit mehr als hundert Jahren tradierten peinlichen Fehler nach. Wie bei der gleichzeitigen Korrektur des Jöcherschen Lexikons wird jeder Buchstabe gegen die Wahrheit aufgewogen. Die Professoren wird weniger die Tatsache als die Zurechtweisung Morhofs haben aufhorchen lassen. Ob Huarte ein Spanier sei, obwohl er in dem damals schon französischen (seit dem Pyrenäenfrieden 1660) Saint-Jean-Pied-de-Port geboren wurde, war eine keineswegs sinnlose Frage. Lessing löst sie aus intimer Kenntnis des Originals: Im 8. Kapitel gesteht Huarte, er schreibe in „seinem" Spanisch, weil er es als Muttersprache am besten von allen verstünde. Auch die nächsten Ergebnisse schöpft der Biograph aus dem spanischen Original: ein Fingerzeig auf Huartes Jugend und seine Studien. Der nur aus dem Examen de Ingenios gewonnenen Biographie folgt die Geschichte des Buches. Von den spanischen Ausgaben werden die rarsten genannt: Baeza 1575, Bilbao 1580. In keiner deutschen Enzyklopädie, weder bei Morhof, Bayle oder Nicolás Antonio144) findet sich etwas darüber. Woraus wird Lessing sich unterrichtet haben? Beide Angaben entstammen dem Index librorum 140) V. P l a c c i u s , Theatrum Anonymorum et Pseudonymorum, Hamburg 1708, S. 472 eine deutsche Übersetzung, die jedoch als Irrtum mit der lateinischen Version zu identifizieren ist. 141) Farinelli, Schmidt und Diintzer schließen daher höchst willkürlich auf erste Bekanntschaft Lessings durch den Franzosen. 142) Theoretisch möglich wäre auch eine Benutzung der druck- und seitenkongruenten Brüsseler Fassung 1702. Diese unwichtige Variante schließt sich jedoch wegen der großen Rarität des Textes aus. 143) Lessing sah aber auch tiefere Zusammenhänge: „Man gewinne . . . einen . . . Schriftsteller nur erst lieb, und die geringste Kleinigkeit, die ihn betrifft, die einige Beziehung auf ihn haben kann, höret auf, uns gleichgültig zu sein" (Leben des Sophokles, Einleitung. LM VIII, 293 f.). 144) Nach einem schwerwiegenden anachronistischen Fehler Ρ i t o 11 e t s (Contributions, S. 120) soll Lessing die Ausgabe von 1575 Nicolás Antonio entnommen haben. Pitollet benutzte jedoch die Bibliotheca Hispana nova von 1783, ohne an die Änderung des Artikels Huarte seit 1672 zu denken. So war Lessing freilich das Ubersehen sechs weiterer Ausgaben vorzuwerfenl

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prohibitorum (1667) des Generalinquisitors Antonio de Sotomayor, den Lessing — wie schon erwähnt wurde — gerade damals zur Korrektur der spanischen Artikel Jöchers heranzog. Auf den Seiten 734—735 steht eine dreispaltige detaillierte Stellentabelle der Expurgationen (quítese hasta ...). Damit war Lessing gleichzeitig über die Doppelfassung und ihre Veränderungen unterrichtet. Mit Erwähnung der französischen und lateinischen Ubersetzungen nach Bayle schließt die Bestandsaufnahme der Fakten. Es beginnen die subjektiven Urteile und Lessings eigene Lesefrüchte und Meinungsansätze. Eine persönliche Entdeckung bedeutet schon die originelle Anekdote, die Gottlob Friedrich Seligmann nach le Grand berichten ließ145): Huarte habe sich im Delirium für einen König gehalten und die weisesten Reden geführt. En passant übernimmt Lessing diesen Irrtum, der auf einer Verwechslung von Erzähler und Erzähltem beruht, in die Vorrede des Übersetzers. Er wird nicht wenig zur Spannung auf den Inhalt des Buches beigetragen haben. Für Lessing bot sich gleichzeitig die Gelegenheit einer souveränen „Rettung". Außer dem unterhaltenden Quiproquo Seligmanns und Bayles lobendem Urteil wußte Lessing von dem Tadel der Schamlosigkeit des Autors, der sich auf das 15. Kapitel gründete. „Besonders sind die Stimmen zurückzuweisen, die ihn einen sittenlosen Schriftsteller nennen", heißt es. Für Bücher dieser Art gelte das Wort des Apuleius: „Tanto sanctiores sunt, quanto apertiores, tanto pudicitius compositi, quanto simplicius professi." In der Antike, im 1. Buch der Insti tulio Oratoria Quintilians, findet Lessing auch die ersten Spuren einer systematischen Behandlung der Begabungsunterschiede. „At noster solus repertus est ex omni memoria, qui hoc argumentum ex instituto pertractaverit." Huarte sei der einzige in der Überlieferungskette, der dieses Thema von allen Seiten geistig umfassend durchdacht hat. Dabei ist Lessing keineswegs geneigt, schon längst überholte Meinungen des Spaniers in Schutz zu nehmen. Doch gesteht er, daß er, trotz der wahrscheinlichen Zurückhaltung der Ärzteschaft, durch diese Art zu philosophieren nicht unerheblich erfreut werde. Mit diesen zentralen Sätzen, die eine Lektüre des Vorworts von 1752 noch verstärken wird, ist der äußere Rahmen der Lessingschen Geistesverwandtschaft zu Huartes ingeniösem Gedankenbau umrissen. Es ergibt sich nur noch eine Trennung in positive und negative Argumente. Zu den berühmten Stellen zählt Lessing z. B. die Zurückführung des biblischen Manna-Wunders auf halbnatürliche Ursachen (12. Kapitel); weniger wahr erscheint ihm die Stellung der Tapferkeit über Gerechtigkeit und Klugheit (13. Kapitel). Zu Recht erhebt er sich über die scholastischen Wortklaubereien Huartes (militia-malitia) und opponiert auch gegen den Mangel an Ingenium bei der Frau. Keine Gnade findet Huartes Methode, von dem äußeren Aussehen auf innere Eigenschaften zu schließen. Wie sich denn auch Lessing gegenüber den Lavaterschen Physiognomischen Fragmenten für den Rest seines Lebens ablehnend zurückhielt. „Denn durch wie häufige Beispiele zeigt uns die Natur, daß der tapferste und glücklichste Geist sich unter jeder beliebigen Haut verbergen könne." Als abschließende Rechtfertigung für Huartes Paradoxien steht 145) G. F. S e l i g m a n n , Rostockii 1682, § 13.

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Sciagiaphia viiium imaginationis,

Resp. Johannes Postel,

Senecas Wort von der Mischung zwischen Genie und Wahnsinn 14 "). Mit dieser vertieften Einsicht haben sich die knappen Aufzeichnungen längst über den Anspruch einer sachlichen Materialsammlung erhoben und sind zum bekennenden Selbstzeugnis geworden 14 '). Dadurch rücken sie zugleich in unmittelbare Nähe der Dissertation. Außer dem nur scheinbar unsystematischen Zusammenhang, der aber in strenger Schematik jeder bio-bibliographischen Frage nachgeht, sprechen die zahlreichen Zitate antiker Schriftsteller für einen wissenschaftlichen Zweck. Mit den schmückenden „flores" gab der Doktorand eine gelehrte Probe seiner Belesenheit und stützte gleichzeitig in eleganter Form seine Argumente. Die „Materialien" bringen Belege aus Apuleius, Cicero, Quintilian, Seneca, die geschickt mit dem Inhalt des Examen de Ingenios verknüpft sind. Mit Wendungen aus Ciceros Cato Maior, 24, wird ζ. Β. die Eigenschaft des Philosophen gegenüber dem Redner abgehoben, nicht mit schlichter Diktion und sorgfältig gewählten Floskeln, sondern mit bemerkenswerten Begebenheiten die Aufmerksamkeit des Publikums zu erheischen. So sind der Spanier und sein Werk wirkungsvoll in die Traditionskette eingeflochten. c) Zeitgenössische Ubersetzungstechnik in ihrem Verhältnis zu Theorie und Praxis bei Lessing Als Grundlage für die Dissertation oder als Vorbereitung für die projektierte Übersetzung entsprechen die „Materialien" genau dem Plan, den der Halberstädter Konrektor Georg V e η ζ k y für die ersten Schritte eines jungen Interpreten entworfen hat148). Zur gewissenhaften Präparation gehört das umfassende Sammeln von Nachrichten über Autor und Werk: Lebenslauf, Studienort, Bedienungen, Würden und Anfechtungen, Tugenden, Fehler, Neigungen. „Zu dem Ende muß man erstlich die Schrift durchlesen, sich dessen bedienen, was in der Vorrede des Originals davon möchte angeführet seyn" (S. 98). Der Aufsatz Venzkys, den wir in diesen Dingen als maßgebliches Sprachrohr des Gottsched-Kreises ansehen müssen, ist die einzige ausführliche kontemporäre Quelle zur Methodik des Übersetzens in dieser Epoche146). Während man zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch eine gewisse Selbständigkeit wahrte und Eigenes dem fremden Muster vorzog, war um 1741 der Lesehunger der Massen derart angewachsen, daß G o t t s c h e d sagte 150 ): „Die Uebersetzungssucht ist so stark unter uns eingerissen, daß man ohne Unterschied Gutes und Böses in unsre Sprache bringt." 146) Drei Jahre später sieht Lessing selbst darin eine ausgemachte Tatsache: „Man muß glauben, daß der größte Verstand mit der größten Thorheit sehr wesentlich verbunden ist, oder sein Charakter bleibt ein unauflösliches Räthsel" (Rettung des Hieronymus Cardanus, 1754. LM V, 310). 147) Die „Materialien" müssen umfangreicher gewesen sein, denn Fülleborn interpunktiert den Schlußsatz mit einem Komma, wozu auch die Numerierung paßt. 148) G. V e n z k y , Das Bild eines geschickten Uebersetzers. In: Beyträge zur Crilischen Historie der deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit, 9. Stüde, Leipzig 1734, S. 59—114. 149) J. W. D r a p e r , The theory oí translation in the eighteenth century, in: Neophilologus 6 (1921) 241—254. W. F r a n z e l , Geschichte des Ubersetzens im 18. Jahrhundert, Leipzig 1914 (Beiträge zur Kultur- und Universalgeschichte, Heft 25). G. F u c h s , Studien zur Ubersetzungstheorie und -praxis des Gottsched-Kreises. Versuch einer Wesensbestimmung des nachbarocken Klassizismus, Diss. Freiburg/Sdiweiz 1935/36. 150) Beyträge, 27. Stüde, Leipzig 1741, S. 516.

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Trotz dieser berechtigten Klagen bemühte sich selbst Gottsched um keine theoretische Klärung der Elementarprinzipien. Bezeichnend ist, daß in seiner Dichtkunst, die doch als Enzyklopädie gedacht war, den Ubersetzungen keine selbständige Betrachtung gewidmet ist. De facto war das übersetzen allerdings längst aus einer beiläufigen Begleiterscheinung zu einem integrierenden Bestandteil der Kultur geworden, zu dem selbst später berühmte Dichter und Gelehrte ihr Teil beitrugen: Klopstock, Lessing, Sulzer, Winckelmann, Mendelssohn und Nicolai, sogar Goethe und Schiller, haben in ihrer Jugend übersetzt. Aber noch Wieland wurde es verargt, daß er seine Dichtergabe an der Shakespeare-Übersetzung vergeudete. Das Entstehen einer Originalliteratur entzog dem übersetzen die besten Talente. Außerdem stieg durch Einführung eines Honorars, das zu fabrikmäßigem Betrieb führte 151 ), die Quantität zuungunsten der Güte. Das übertragen wurde ein Geschäft minderwertiger Literaten. Dieser problematischen Entwicklung sah sich V e n z k y gegenüber. Durch seine englischen Übersetzungen war er aufs engste mit der Praxis vertraut. Sorgfältiges Formulierungsstreben drückt schon die Definition aus: „Uebersetzungen sind . . . Schriften, welche eine Sache oder gelehrte Arbeit in einer andern und gewissermassen bekanntern Sprache, als in welcher sie anfänglich von ihrem Verfasser geschrieben worden, zu dem Ende erzählen, daß so wohl Unwissende, als auch in der Grundsprache einer Schrift ungeübte eben die Sachen in einer ihnen bekannteren Sprache mit grösserem Nutzen und Vergnügen lesen können" (S. 63).

Hinter diesen inhaltlichen Forderungen des Lesers steht der Sprachoptimismus der Aufklärung, der glaubte, jeden Gedanken stilgerecht aus einer Sprache in die andere übertragen zu können. Für die Seelenkräfte des Übersetzers sieht der fortschrittsgläubige Venzky dabei: „Der Verstand wird aufgeklärter und gelehrter: Der Wille geneigter zur Wahrheit: Die Erfindungskraft behender und geübter: Die Beurtheilungskraft schärfer und durchdringender und scharfsichtiger: Das Gedächtniß reicher, der Geschmack lauterer und vollkommener" (S. 72).

Außerdem resultiere aus der sprachvermittelnden Tätigkeit eine bessere Kenntnis des eigenen und des anderen Idioms. Der Übersetzer dringe tiefer in den Sinn des Gelesenen, da er sich über Inhalt und Form jedes Satzes genaue Rechenschaft geben müsse. Übersetzen sei kein ästhetischer Vorgang, der eine Trennung in Kunstwerk und wissenschaftliche Arbeit rechtfertigen könne. Selbst die Ubersetzungsarten lassen sich klassifizieren (S. 65): 1. 2. 3. 4. 5.

natürliche, die eng dem Wortsinn folgen, freiere, mit Zusätzen vermehrte, durch Auslassungen verstümmelte, mit Anmerkungen ergänzte und verbesserte.

Alle Methoden sind ihrer Art nach nützlich und angenehm, jedoch genügt eine Wortübersetzung allein nicht. Der besten Übersetzung müssen erleuch151) Ein höchst anschauliches Bild von den „Übersetzungsmanufakturen" bietet Chr. F. N i c o l a i , Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker (2. Buch, 1773) Leipzig 1938 (DNL, Reihe 14, Bd. 15).

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tende Anmerkungen hinzugefügt sein, „welche mehr Unterricht, Erklärung, Nachricht, Erläuterung und Verwahrung wieder das Aergerniß in sich fassen" (S. 107). Der Übersetzer hat die Pflicht, gewagte Partien zu eliminieren152), jedoch bleiben eine straffere Darstellung langatmiger Strecken oder eingeschaltete Erläuterungen dunkler Passus seinem eigenen Ermessen überlassen. Obwohl ehrliche Unterscheidung zwischen originalen und heterogenen Gedanken gefordert wird, differieren Theorie und Praxis an dieser entscheidenden Nahtstelle in der Ubersetzungstechnik des 18. Jahrhunderts besonders stark153). Damit läßt Venzky aber schon den Übersetzer mehr dem Publikum als der Individualität seines Autors verantwortlich werden. In der letzten Konsequenz wird der Leser allenfalls noch eine sekundäre Bearbeitung in der Hand halten. Dem Dolmetscher bleibt dann der Ruhm, „daß die eigene Leistung das Original übertrifft" (S. 99). Gegen eine Ausartung dieses Verfahrens sichert sich Venzky durch einschränkende Empfehlungen zur Wahl des Musters. Nur „nützliche, erbauliche, unanstößige, gründliche und gelehrte Werke" sind legitim (S. 97 f.). Durch Kongruenz dieses Postulats mit dem allgemeinen Zeitideal bleibt dem Ubersetzer in der Praxis nur die Flucht in eine noch gelehrtere, erbaulichere und nützlichere Anmerkungsmaterie. Wie verhält sich L e s s i n g in Theorie und Praxis zu den Theoremen Venzkys?154) Wie steht seine Kritik zur Übersetzungsliteratur der Zeit? Welche Anerkennung haben seine Ubersetzungen damals und heute gefunden? Die Beantwortung dieser Fragen soll Irrtümer und Vorurteile in der Diskussion um die Huarte-Übersetzung ausschließen, ohne einer Eigenbetrachtung am Schluß vorzugreifen. Da hier nur die großen Linien aufgezeigt werden, bleibt auf Grund der Einzelheiten genug Bewegungsfreiheit für eine detailliertere Einordnung und Würdigung der Prüfung der Köpfe. Wie kaum ein anderer Geist seiner Zeit hat Lessing den Büchermarkt um Übersetzungen aus dem Englischen155), Französischen 156 ), Spanischen und Lateinischen157) bereichert. Daß es sich meist um zeitnahe Schriften handelte, wie z. B. um die Lettres au public Friedridis des Großen, mag ein Anlaß dafür gewesen sein, daß heute der „Ubersetzer" Lessing völlig unbekannt und 152) Noch 1787 übersetzt W i e 1 a η d die Horaz-Satire I, 2 (Der Sexus) nur Vers 1—63 und begründet: „Die Rücksicht auf das, was ein Schriftsteller unsrer Zeiten der Ehrbarkeit und Anständigkeit schuldig ist, hat mir selbst in der Hälfte, deren Uebersetzung ich gewagt habe, mehr als einmal in Wendungen und Ausdrücken weniger Treue, als ich mir sonst erlaube, zur Pflicht gemacht." W i e l a n d s Gesammelte Schritten. 2. Abt., Bd. 4: Übersetzungen, Berlin 1913, S. 415. (Akademie-Ausgabe). Zur Spannung zwischen Zeit- und Individualprinzipien der Ubersetzungstechnik F. S e η g 1 e , Wieland, Stuttgart 1949, S. 552—554. 153) Der Übersetzer war an einem möglichst umfangreichen Notenapparat interessiert, weil die Verleger nicht nadi dem wahrscheinlichen Absatz, sondern nach der Bogenzahl honorierten. 154) Die Untersuchung dieses Problems fordert bereits C o l l e v i l l e in einer Rezension Fuchs', in: RLC 18 (1938) 748. 155) J. C a r o , Lessing und die Engländer, in: Euphorien 6 (1899) 465—490. C. Ch. D. V a i 1, Lessing's relation to the English language and literature, New York 1936 (Columbia Univ. Germanic studies, N. F. Bd. 3). 156) J. V. P a t r a s c a n u , Lessings Übersetzungen aus dem Französischen, Diss. Berlin 1928. E. S c h m i d t , G. E. Lessings Ubersetzungen aus dem Französischen Friedrichs des Großen und Voltaires, Berlin 1892 (Textsammlung und Vorwort). 157) E. D a h i n t e n , Studien zum Sptachstii der Uiasübertragungen Bürgers, Stolbergs und Vossens unter Berücksichtigung der Ubersetzungstheorien des 18. Jahrhunderts, Diss. Göttingen 1956 (Masch.) (auch Lessing-Kapitel).

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ungewürdigt ist. Von den Zeitgenossen dagegen wurde er auch wegen dieses Talentes gefeiert und bewundert 158 ). Selbst V o l t a i r e erkennt seine einfühlsame Sprachbegabung an: „Je serois très satisfait, que Vous traduisiez le livre en Allemand . . . plus capable de le bien traduire" (Brief vom 1.1. 1752)15'). Die Nachwelt dagegen zog aus der Aktualität der Werke und ihrem frühen Erscheinen (1749—1760) die Berechtigung, geringschätzig von „Lohnarbeiten" zu sprechen, die Lessing nur um des Gewinnes wegen unternommen habe160). Als Konsequenz wurden die umfangreicheren Werke als „handwerksmäßige Arbeiten" (Lachmann) von der Aufnahme in das Gesamtopus ausgeschlossen. War schon das beschränkende Kriterium auf Grund der Seitenzahl aus verlegerischen Interessen verdächtig, sind die vielfachen negativen Äußerungen, die Übersetzungen sagten „doch nichts Wesentliches über den geistigen Entwicklungsgang des Übersetzers aus"191), noch bedenklicher. Für die Entwicklung der Sprache Lessings ist eine genaue Kenntnis seiner Ubersetzungen unerläßlich 182 ). Trotz der zahlreichen und vielseitigen Verdeutschungen vermissen wir einen vollständigen Aufsatz Lessings über Theorie und Prinzipien seiner Übersetzungskunst. Es ist, als wolle er sein Gesamtwerk als Vorbild für diese Gattung kommentarlos sprechen lassen. So muß aus den zahlreichen kritischen Bemerkungen über seine Zeitgenossen eine zusammenhängende Darstellung abstrahiert werden, die dann jeweils gegen die Betrachtungen Venzkys aufgewogen werden soll. Den Klagen Gottscheds tritt Lessing mit seiner schärfsten Waffe zur Seite: der begründeten Kritik, welche „die Unverschämtheit der gelehrten Tagelöhner"183) von weiteren Machwerken abhalten und den Anspruch des Publikums heben soll. Wohlvertraut zeigt er sich mit den dürftigen Voraussetzungen der Übersetzerclique, die nur auf Übung und Sprachverständnis abzielen. Zumindest dürften sie nicht schematische Wortübersetzungen liefern, sondern aus der Gedankenfolge den Inhaltsverlauf reproduzieren. Durch aktives Mitdenken würden selbst mangelhaftere Sprachkenntnisse kompensiert. Das Ideal wäre, wenn der ausschließliche Übersetzer dem umfassenderen Gelehrten wiche, dem man den Vorwurf nicht machen könne, daß er nichts Besseres mit der Zeit anzufangen wisse. 158) .Lessing verstand die Theorie derUebersetzungskunst nach allen ihren Zweigen so vollkommen, und übte sie mit so vortrefflichem Erfolge aus, daß ich ihm unter den besten Uebersezern der Deutschen niemanden als einen Ramler an die Seite sezen zu können glaube." Chr. S c h ü t z , Ueber Gotthold Ephraim Lessings Genie und Schriften. In drei akademischen Vorlesungen, Halle 1782, S. 20 f. 159) LM XIX, 8 f. 160) Als Vermutung erstmals in der Biographie K. G. L e s s i n g s , G. E. Lessings Leben, Bd. 1, S. 145. Für die Priiiung der Kopie wieder lapidarisdi vertreten von Newald: „Für einen Buchhändler in Zerbst übertrug Lessing . . . " d e B o o r / N e w a l d , Geschidite der deutschen Literatur, Bd. 6, Teil 1, Mündien 21959, S. 51. 161) So der jüngste Editor Paul R i l l a (Gotthold Ephraim Lessing. Gesammelte Werke, Bd. 3, Berlin 1955, S. 723). 162) Erstmals positiv bei H. S c h n e i d e r , Lessing. Zwöli biographische Studien, Mündien 1951, S. 272. Es scheint, als habe sich mit Bedeutung der Stilanalyse eine stärkere Beachtung durchgesetzt. In den Studien über den Stil G. E. Lessings im Verhältnis zur Aufklärungsprosa B. M a r k w a r d t s (Wiss. Ζ s. der E.-M.-Arndt-Univ. Greifswald, Ges.- und Spradiwiss. Reihe, Bd. 5, 1955—56, S. 297—338) ist wenigstens aus dem Vorwort der Prüfung der Köpfe exzerpiert. 163) Vierter Brief die neueste Litteratur betreffend, 1759 (LM V, 8). Audi zum folgenden die wichtigste Quelle.

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Ein Blick in die Rezensionen spiegelt die verzweifelte Lage wider. Mit geißelndem Spott äußert sich Lessing selbst auf diesem trockenen Gebiet. Anläßlich der Besprechung einer französischen Übersetzung heißt es am 30. 1. 1753 in der Berlinischen Priviiegirten Zeitung·. „Den Uebersetzer bittet die deutsche Sprache durch uns, ja nichts eher wieder zu übersetzen, bis er wenigstens den Unterschied zwischen mir und mich gelernet hat"164). Der Kampf gegen die „undeutschen Wortfügungen" war nächst der korrekten Übertragung ein Hauptanliegen Lessings. Bei einem Ubersetzungsplan des Calderónschen Alcalde de Zalamea unterscheidet er als höhere Stufe des Übersetzens das „Verdeutschen" 165 ). Aber wie sah es mit den Sprachkenntnissen aus? Nicht nur die englische und französische, sogar die traditionsreiche lateinische Sprache wurde falsch verstanden. Und obendrein noch von einem Pastor, der als Kardinalfehler „ducentia pocula" mit „zweihundert Becher" übersetzte! Das Vademecum (1754), das Lessing dem hochgepriesenen Pastor Lange in Laublingen auf den Weg gab, sollte den Zeitgenossen die Augen öffnen und sie zu wacherer Kritik erziehen. Die Jahrhunderte haben den Namen Langes nicht durch seine Horaz-Übersetzung, sondern durch die vernichtende Diatribe Lessings unsterblich gemacht. Es wäre verfehlt, nur diese negative Seite des Rezensenten zu sehen. In mehr als einem Falle bemüht sich Lessing um Verbesserungen, dem Sinne des Originals näherzukommen. Im Mittelpunkt dieses Verlangens steht der wichtige Begriff der T r e u e , den Venzky sehr weit faßte. Dem Werk durfte sein autonomes Recht entzogen und auf die Zeitverhältnisse transponiert werden. Erforderliche Kürzungen und Ergänzungen, die rational gegründet erschienen, waren durchaus erlaubt. Diese Anschauungen hat Lessing nicht geteilt; darin liegt der wesentliche Abstand und Fortschritt zu seiner Zeit. Der Übersetzer muß sich bemühen, jeder Nuance des Textes, selbst Wortspielen, zu folgen, um den w a h r h a f t e s t e n Eindruck des Originals zu vermitteln. Dabei stelle jede unbegründete Straffung oder freiere Vermehrung einen Verstoß gegen die Ehrlichkeit dem Leser gegenüber dar. Andererseits war Lessing sich darüber klar, daß allzugroße „Treue" zur „Untreue" wurde, „wann er seine Urschrift dadurch verdunkelt(e)" 186 ). Der Prüfstein für diese veränderte Konzeption sind die Anmerkungen, mit denen Venzky so generös umgegangen war. Denn in ihrer Anwendung drücken sich am besten Respekt und Stellung des Übersetzers zu Verfasser und Werk aus. Lessing hält nicht sehr viel von diesem Gewerbe, das mit Hilfe einiger weniger Quellen jedermann praktizieren kann. Er liebt es, den Leser selbst denken zu lassen und seine eigenen Gedanken „auf eine andere Gelegenheit (zu) versparen" 167 ). Allenfalls verteidigen seine Glossen übersetzungstechnische Entscheidungen, wie z. B. in den Gefangenen des Plautus. 164) LM V, 151. 165) LM XVIII, 254. 166) Rettungen des Horaz, 1754 (LM V, 302). Vgl. J. W. v. G o e t h e , Dichtung und Wahrheit, 3. Teil, 11. Buch: „Jene kritischen Ubersetzungen, die mit dem Original wetteifern, dienen eigentlich nur zur Unterhaltung der Gelehrten untereinander" (Artemis-Gedenkausgabe, Bd. 10, Zürich 1948, S. 541). 167) Des Abts du Bos Ausschweiiung von den theatralischen Vorstellungen der Alten. Vorbericht (Theatralische Bibliothek, 3. Stüde, 1755. LM VI, 248).

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Er ist sich dabei bewußt, daß diese Methode ihre Gegner finden wird, jedoch „er würde es wenigstens manchem geschwomen Anmerkungsschmierer nicht übel nehmen, wenn er seinem Exempel folgete 168 ). Wenn Lessing um die Mitte des 18. Jahrhunderts das Meer der Übersetzungen und ihre Qualität überblickte, konnte es nicht ausbleiben, daß er sich die Frage nach dem Sinn dieser Tätigkeit stellte. Auch hierin trennt er sich von dem optimistischen Venzky, der glaubte, Originale durch Nachbildungen übertreffen zu können. Für Lessing ist die Lektüre eines Shakespeare im Urtext durch nichts zu ersetzen. Die Übersetzung ist lediglich ein Hilfsmittel für Sprachunkundige. Ihre Existenz ist wegen der Rarität und des hohen Preises der ausländischen Ausgaben als kleineres Übel zu erdulden1"9). Wenn wir dieser Ansicht das „Ethos des Übersetzers" unterlegen, läßt sich dieses ungeschriebene Gesetz zweifellos mit der vertieften Anschauung Lessings, nicht mit der oberflächlichen lukrativen Betrachtungsweise Venzkys und seiner Zeit füllen. Mit glänzendem sprachlichen und geistigen Rüstzeug ausgestattet, versucht der junge Lessing durch Kritik u n d eigene Leistung vorbildlich zu wirken. Beherrschung der Fremd- und Muttersprache ist die einfach klingende Elementarforderung, Integrität des Originals als Verantwortung vor dem Publikum das oberste Gesetz. Die Übersetzungs t e c h η i k ist nur die Grundlage zur übersetzungs k u η s t. Der Handwerker wird durch Begabung und Talent übertroffen, der „Anmerkungsschmierer" durch den selbstplanenden Kopf ersetzt, der schon durch die Übersetzung originalnahe interpretiert 170 ). Der ausschließliche Vorwurf der „Lohnschreiberei" wirkt aus dieser vergleichend-historischen Perspektive paradox. Den Zeitgenossen war es eine Erklärung für die Wahl des „seltsamen" Spaniers, die noch durch die seltene Sprache stärker akzentuiert wurde. Das Vokabular Venzkys spricht aus der Biographie Karl Gotthelf Lessings, der hier vor einer Aporie stand: „Uebersetzte er es bloss, um sich im Spanischen zu üben und seinen dringendsten Bedürfnissen dadurch abzuhelfen?" 171 ) Das Rätsel ist durch Nicolais lakonische Marginalie „Freylich!"172) nicht geklärt. Nicolai, der Lessing außerdem erst seit 1755 kannte, sucht ebenso wie Lessings Bruder die alleinige Erklärung in der Zeitmode und den ärmlichen Verhältnissen des jungen Medizinkandidaten. Diesen Analogieschlüssen redet ein späterer Brief Lessings an seinen Bruder aus Wolfenbüttel am 8. 4. 1773 das letzte Wort und vielleicht die Wahrheit: „Ich bin in meinem Leben schon in sehr elenden Umständen gewesen, aber doch noch nie in solchen, wo ich im eigentlichen Verstände um Brodt geschrieben hätte" 173 ).

168) Voltaires kleinere historische Schrüten. Vorrede des Uebersetzers, Rostock 1752 (LM V, 2). 169) BSW, 1757 (LM VII, 76). 170) Diese herausgearbeiteten Argumente stehen auf Grund ihrer größeren Materialfrequenz im Gegensatz zu den Ergebnissen Dahintens, der Lessing audi hier der allgemeinen Theorie seiner Zeit verhaftet sieht. 171) K. G. L e s s i n g , G .E. Lessings Leben, Bd. 1, S. 144. 172) R. M. W e r n e r , Nicolais Exemplar von „Lessings Leben", in: ALG 12 (1884) 536. 173) LM XVIII, 81.

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d) Aussagewert von Titel und Vorwort Verleger und Titel Wahrscheinlich bot Lessing lange vorher seinen Ubersetzungsplan dem Verleger Z i m m e r m a n n an, wie er es noch im gleichen Jahr mit den Schriften Voltaires bei der Verlagsbuchhandlung G. C. Walther in Dresden tat174). Der Verleger, Bürgermeister Samuel Gottfried Zimmermann zu Wittenberg, war zugleich Besitzer einer Filiale in Berlin175). Es ist möglich, daß Lessing schon dort in Verbindung mit ihm getreten war. Durch die Heirat seiner Tochter mit dem bei ihm in Wittenberg tätigen Handlungsdiener Christoph Gottlieb Nicolai (gest. 1752), Christoph Friedrichs Vater, gelangte die Niederlassung in Berlin als Mitgift in dessen Besitz. Man sieht, wie eng die Bande zwischen Berlin und Wittenberg und zwischen den Nicolais und Zimmermanns waren. Auch diese innere Sicherheit und das Ansehen, das er in jenen Verlegerkreisen genoß, machten Lessings mehrmaliges Pendeln zwischen der Preußen- und der Lutherstadt möglich. Der Druckort Ζ e r b s t war damals noch bedeutende Hauptstadt des Fürstentums Anhalt-Zerbst (1603—1793). Wir erinnern uns, daß aus der fürstlichen Druckerei des Fürsten Ludwig von Anhalt die erste lateinische Ausgabe des Examen de Ingenios stammte. Die Konzentration der Huarte-Anhänger im Raum Wittenberg—Halle (Buddeus) — Jena (Stolle, Posner) ist auffällig und hat sicher auch lokale Ursachen der Verbreitung. Das Buch bedurfte keiner Empfehlung. An den Schulen und Universitäten hatte es — wie wir gesehen haben •— eine lebendige Tradition, die durch die Überfüllung der Lehrstätten aktualisiert war. Die letzte Auflage des Caesarschen Scrutinium Ingeniorum lag fast 90 Jahre, über zwei Generationen, zurück und war außerdem noch lateinisch abgefaßt. Bereits 1681 aber übertrafen anteilmäßig zum erstenmal die deutschen Werke die lateinischen 176 ). In der Philosophie und Medizin dominieren die deutschen Schriften erst um die Jahrhundertwende. Im Jahre unserer Übersetzung ist endlich auch die juristische Literatur auf deutsch in der Überzahl. Die Kenntnis der Alten Sprachen stagnierte schon seit langem. Als Gründe wurden die schlechte Ausbildung auf den Trivialschulen und der Zug zum Brotstudium angegeben177). Samuel Gottfried Zimmermann wird kein tüchtiger Verleger gewesen sein, wenn er nicht alles dieses und noch mehr bedachte: Die Zeitungen sprechen 1752 von einem ungewöhnlich fruchtbaren Jahr mit verblüffendem GeburtenÜberschuß, wie es am Vorabend großer Kriege ein biologisches Gesetz zu sein scheint. Das Titelblatt spielt geschickt auch auf diese Seite an und rührt damit fast marktschreierisch an das „Unbewußte", wie die moderne Werbung sagen würde. Kurzum, für Lessings Piüiung dei Köpfe traf genau Venzkys 174) Briet des M. G. E. LeBing, Wittenberg, 1. 11. 1752 (LM XXIII, Vili—IX). 175) L. F. G. v. G ö c k i η g k , Friedrich Nicolai's Leben und literarischer Nachlaß, Berlin 1820, S. 3. 176) R. J e n t z s c h , Der deutsch-lateinische Büchermarkt nach den Leipziger Ostermesskatalogen von 1740, 1770 und 1800 in seiner Gliederung und Wandlung, Leipzig 1912 (Beiträge zur Kultur- und Universalgeschichte. 22). 177) Ein instruktives Beispiel: Die Universität (Wittenberg) an die kuriürstliche Visitationskommission (26. Juni 1731). Die Vernachlässigung des Griechischen ( F r i e d e n s b u r g , Urkundenbuch, Urkunde 893, S. 366 f.).

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Prognose ein: „Ist der Inhalt rar und sonderlich: So ist es noch besser, und der Verleger kan sich eines geschwinden Abgangs erfreuen" 178 ). In diesem Sinne kam ein großer Teil des Erfolges auf eine kluge Komposition des Titelblattes an: Johann Huarts / Prüfung der Köpfe / zu den / Wissenschaften / Worinne er die / Verschiedenen Fähigkeiten / die in den Menschen liegen / zeigt / Einer jeden den / Theil der Gelehrsamkeit bestimmt / der für sie eigentlich gehöret / Und endlich / den Aeltern Anschläge erlheilt / w i e sie / fähige und zu den / Wissenschaften aufgelegte Söhne / erhalten können / A u s dem Spanischen übersetzt / v o n / Gotthold E p h r a i m Leßing / ZERBST / In d e r Zimmerm a n n i s c h e n Buchhandlung. 1752 179 ).

Die wörtliche passivisch-partizipiale Vorankündigung von 1751 ist einer natürlichen glatten Fügung gewichen. Durch subjektive Beziehung auf den Verfasser Johann Huart ist der Untertitel ansprechbarer und eindringlicher gestaltet. Das „Leben des Autoris" ist wegen der geringen Tatsachen gewichen. Der interessanteste Zusatz im Untertitel ist das dritte Versprechen: „Und endlich den Aeltern Anschläge ertheilt . . .". Dazu werfen wir einen kurzen orientierenden Blick auf die benutzte Vorlage: EXAMEN / DE / INGENIOS / PARA LAS SCIENCIAS. / Donde se muestra la diferencia de habili-1 dades, que ay en los hombres; y el ge- / nero de letras, que a cada uno ¡ responde en particular. / Compuesto por el Doctor JUAN HUARTE, / natural de Sant luán del pie del Puerto. / La quarta Edición de Mu- / chos querida. / ( V i g n e t t e : EXSPECTANDO.) / En AMSTERDAM, / En la Officina d e J U A N d e RAVESTEIN. / M. DC. LXII.

Der Titel dieser Ausgabe ist ebenso wie bei allen anderen ausländischen und der Vorfassung Lessings zweitaktig aufgebaut. Der Zusatz ist aber keine erfundene Umschreibung Lessings, sondern der Inhalt des 15. Kapitels, § 4: Que diligencias se han de hazer para que los hijos salgan ingeniosos y sabios. In sicherer Erkenntnis, daß der theoretische Teil zu philosophisch klänge, preist Lessing den praktischen Nutzen zugkräftig an. Durch die Wendung an die Eltern ist die pädagogische Zielrichtung des Werkes festgelegt. Der Erfolg und das Aufsehen dieses 15. Kapitels sollten Ubersetzer und Verleger recht geben. Im Vergleich zu dem schlichten „pro ijs, qui excellere cupiunt" Joachim Caesars fällt die ungeheure Ausweitung des Titels auf. Es wäre zu oberflächlich, hierfür Barockausläufer oder die Zeitmode verantwortlich zu machen. Die ausführliche Unterteilung ist eine Vorliebe Lessings180). Offenheit und Klarheit dem Leser gegenüber treffen hier mit geschickten verlegerischen Interessen zusammen. Der rare Zusatz „Aus dem Spanischen übersetzt" erhöhte den Reiz, denn „eine Uebersetzung aus dem Spanischen war in Deutschland 1752 wieder ein seltnes Ding worden, so häufig auch unsre liebe Vorfahren 178) V e η ζ k y , Das Bild eines . .. Übersetzers, S. 97 f. 179) Aus den mir zugängigen 22 Exemplaren ließ sich kein Doppeldruck feststellen, auf den mich Herr Professor Tiemann aufmerksam machte. Auch Iriarte und Mundcer verzeichnen nur einen Druck. Zur Vorrede des Ubersetzers ist in einigen Texten allerdings eine andere Vignette entworfen. 180) Doppeltitel: Damon oder Die wahre Freundschalt. Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück. Laokoon oder Ober die Grenzen der Malerei und Poesie.

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ein Jahrhundert vorher aus dem Spanischen übersetzt hatten" 181 ). Dazu tritt erstmals das volle Signum Lessings, das nur einmal in Zeitschriften, mit den Anfangsbuchstaben bei der „Alten Jungfer", gezeichnet war. Die Nominierung auf dem Impressum der Prüfung der Köpfe ist nicht zufällig. Durch den Streit mit Voltaire war der Name Lessings in aller Munde. Bevor wir das Titelblatt umwenden, muß die Kopfzeile „Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften" eines kritischen Blickes gewürdigt werden. Es geht hier um den vieldeutigen Begriff des „ingenio", den die ausländischen Übersetzungen mit „ingegni, esprits, wits, ingenia" qualifizieren. Eine Wortuntersuchung der Lessingschen Übersetzung zeigt, daß „ingenio" fast immer mit „Genie" festgelegt ist. Die Alternative „Witz" läßt sich in jedem einzelnen Fall erklären. Einmal heißt es sogar bei Wiederholung des Titels: „Prüfung der Genies zu den Wissenschaften" (S. 215). Weshalb wurde auf der ersten Seite das aufklärerische „Köpfe" vorgezogen? Der T i t e l ist eine w ö r t l i c h e Ü b e r n a h m e aus der deutschen Übersetzung des Bayleschen Dictionnaire von G o t t s c h e d (1741—1744), das wir Lessing schon bei seinen lateinischen Vorarbeiten eifrig exzerpieren sahen182). Es ist kurios, daß Lessing, der sich später (Hamburgische Dramaturgie, 34. Stück) im Geniebegriff, dem Kern seiner Kunstanschauung, so scharf von Gottsched trennte, auf dieser frühen Stufe, wenigstens in einer wichtigen Kleinigkeit, dem Leipziger Literaturpapst folgt. Gerade Gottsched zeigte kein Verständnis für den hohen Rang angeborener Seelenkräfte. Seinen Sterbenden Cato (1731) kompilierte er aus Addison und Deschamps. Die Bevorzugung der Übersetzung vor dem Original sahen wir schon als festes Ingredienz aus seinem Kreis hervorgehen (Venzky). In seiner Bearbeitung von Batteux' Les beaux arts réduits à un même principe (1754) verdolmetscht Gottsched „génie" immer mit „Witz" oder „die glücklichsten Köpfe". In dem grundlegenden Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen (1730) werden im Kapitel über den Charakter eines Dichters horazisches „ingenium et mens divinior" mit „lebhafter Witz" und „munterer Kopf" gedeutet 183 ). Das ganze Werk ist ein allgemeingültiges Regelbuch für die Vernunftdichtung. Ähnlich heißt es in einer Rezension aus dem Neuesten aus der anmuthigen Geiehrsamkeit (Februar 1757): „Unsere neuen Sprachverderber würden wohl gar schweren, daß er [der rezensierte Autor] das undeutsche Ding besitze, was sie Genie nennen; aber mit keiner deutschen Zunge ausgesprochen werden kann. Wir aber, die wir bey deutschen Sylben eben so viel als sie bey ausländischen denken, würden es Geist und Lebhaftigkeit des Witzes nennen" (S. 152).

Was hätte Gottsched wohl zur Inventio-Lehre des Spaniers gesagt, die der erfinderischen Tätigkeit der Imagination alles unterordnet? „Ingenium" ist schon im Spanien des „Siglo de Oro" ein psychologischer Begriff, der eine 181) Lessing-Aufsatz (1781). Werke, hrsg. von B. Suphan, Bd. 15, S. 488. 182) „Bayles Wörterbuch führte er mehrmals . . . an, und zwar schlug er immer Gottscheds deutsche Ubersetzung davon nach." M u η c k e r , Neue Lessing-Funde, S. 13. 183) , K o ρ Í wäre vielleicht noch das einzige Deutsche Wort, welches das Französische mit der Zeit verdrängen könnte, wenn ihm nur nicht etwas Niedriges anklebte, und wenn es nicht zunächst die obern Kräfte der Seele bezeichnete, dagegen G e n i e sich auch, und zwar vorzüglich, über die unteren Kräfte erstreckt." J. Chr. A d e l u n g , Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart. Bd. 2, Wien 2 1808, Sp. 565.

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angeborene seelische Potenz bezeichnet, die sich in den verschiedensten geistigen Vorgängen manifestieren kann184). „Latine ingenium, a gignendo proprie natura dicitur cuique ingenita, indoles", definiert die Autorität Covarrubias 185 ). Erst in weitem Abstand erkennt Huarte in Fortführung des aristotelischen „neminem natura sapientem esse" gewisse Erziehungseinflüsse auf das Ingenium an. Genie und Talent sind eins, seltener tritt der moderne Begriff der Intelligenz hinzu. Wort und Begriff durchlaufen bei L e s s i n g die Inhalte des Gottschedkreises bis zur Gefühlsästhetik Herders und Hamanns 186 ). Während der Terminus „Genie" in den frühen Werken noch nicht auftaucht, wird er 1748—52 mit „schöpferischer, großer, kühner, hoher, erhabner Geist" beinhaltet. Ein wichtiges gleichzeitiges Zeugnis trennt „lebhaften Witz und wirklich poetischen Geist"187). Für Gottsched dagegen, der „esprit" mit „Kopf" wiedergegeben hatte, war „Genie" (schöpferische Begabung) kein Gegensatz, sondern kongruent mit dem „witzigen Kopf"188). Mit diesem Widersinn kehren wir zur Titelübersetzung zurück: Was hätte „Prüfung der Genies zu den Wissenschaften" bedeutet? Es wäre eine Wertung a priori gewesen, die sich nur auf die „innata ingenia" des Menschen bezogen hätte. „Prüfung der Köpfe" dagegen ist die objektivere Form, die positiv wie negativ jedes „Ingenium" meint. Das Huartesche „ingenio" zielt nach kurzer Abgrenzung der Unbegabungen allein auf die „Genies", die sich aber noch durch Umwelteinflüsse verändern können. Gottsched differenzierte noch nicht, während Lessing, der den vielleicht schon bekannten deutschen Titel nicht variieren mochte, „Kopf" und „Genie" nebeneinander stehen läßt, wie das Schwanken im Titel zeigt. Erst mit der sinkenden Autorität Wölfischer Philosophie und dem wachsenden Einfluß der subjektivistischen Monadenlehre Leibniz', mit der Diskussion der französischen (Batteux, du Bos, Goguet) und englischen (Shaftesbury, Gerard, Warton, Young, Hutcheson) Ästhetik durch Mendelssohn, Nicolai, Garve, Lichtenberg u. a. trennen sich die Fronten und machen den Geniebegriff zum Mittelpunkt der Kunstanschauung, die den Boden für die Klassik bereitet. Schon durch diesen groben Umriß ist klar geworden, in welche Richtung das Examen de Ingenios in diesem Jahrhundert wirken wird — trotz des Gottschedschen Titels189). 184) H. W e i η r i c h , Das Ingenium Don Quijotes. Ein Beitrag zur literarischen Charakterkunde, Münster (1956). (Forschungen zur romanischen Philologie, Heft 1), S. 7. 185) S. de C o v a r r u b i a s , Tesoro de la Lengua Castellana o Española (1611). Barcelona 1943, S. 737, s. V. ingenio. Vgl. dazu die Wendung anonymer Comedias-Autoren: de un ingenio de esta Corte (von einem erfinderischen Kopf dieses Hofes). 186) P. G r a p p i n , La théorie du génie dans le préclassicisme allemand, Paris 1952. J. u. W. G r i m m , Deutsches Wörterbuch, 1. Abt., Bd. 4, Teil 2. Leipzig 1897, Sp. 3396—3450 s. v . „Genie". E. L a u t e r b o r n , Beiträge zur Geschichte des Iranzösischen Geniebegriiis im 18. Jahrhundert, Diss. Freiburg i. Br. 1952. (Masdi.). B. R o s e n t h a l , Der Geniebegrilf des Auiklärungszeitalters (Lessing und die Popularphilosophen), Berlin 1933 (Germanische Studien, Heft 138). S. 149—184. 187) BPZ, 4. 3. 1752 (LM V, 9). 188) Weitere Beispiele für die Lessingsdie Antithese zwischen „Kopf" und „Genie" ab 1759 bei R o s e n t h a l , Der Geniebegrilf, S. 150 f. Rosenthals These v o n der früheren Ubereinstimmung dieser beiden Begriffe, die auf der Prüfung der Kopie beruhte, ist nach den vorherigen Ausführungen überholt. 189) Daß Lessing bereits damals bewußt auf die originelle Bedeutung des Huarteschen „ingenio" hinweist, läßt sich aus dem systematischen Fettdruck „Genie" in seiner Übersetzung schließen.

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Vorwort 1 ' 0 ) „Von den spanischen Gelehrten werden wenige unter uns so bekannt seyn als Johann Huart, nicht sowohl nach seiner Person, als nach seinem Werke dessen Uebersetzung wir hier liefern: denn in Ansehung jener trift der Ausspruch des Seneca, oder wenn man ihn lieber einem Franzosen zuschreiben will, des Herrn de la Bruyere auch an ihm ein: viele kennt man und viele sollte man kennen."

Mit diesen einleitenden Worten, die alles über die Verbreitung und Anerkennung des Werkes sagen, führt Lessing seine Prüfung der Kopie zu den Wissenschaften ein. Das Paradoxon zwischen der Berühmtheit des Buches und dem vergessenen Autor wird durch die senekistische „flos" ins Allgemeingültige erhoben. Huarte steht mit seinem Schicksal nicht allein. Dieser Eingang findet sich in Lessings Werken als stehender Topos, denn er birgt im Kern die Rechtfertigung zu einer „Rettung"191). In unserem Falle ist er elegant mit dem Hinweis auf einen Franzosen variiert, „die ja für alles das Prioritätsrecht beanspruchen und deren Geschmack heutzutage gilt", ist man versucht zu ergänzen. Paradoxon, eine pikante Spitze, ein „witziges" Prooemium, das alles weckte im Leser Neugierde und Appetit, in der Lektüre fortzufahren. „Ließ sich denn wirklich in unserem fortschrittlichen Jahrhundert nichts über den Verfasser ermitteln?" Bevor Lessing jedoch die Captatio benevolentiae wegen der „allzutrockenen und unzulänglichen" Biographie erheischt, ist er es, der Huarte bereits in „die Register der Unsterblichkeit" eingetragen hat: „Nur einen Mann, der über die Grenzen seines Jahrhunderts hinaus dachte, der sich mit nichts gemeinem beschäftigte und kühn genug war neue Wege zu bahnen192), findet man kaum dem Namen nach darinne, ..

Hier werden zum erstenmal ausführlich von dem jungen Lessing an einem Beispiel die Inhalte des Genies formuliert, das seiner Zeit und seiner Materie vorauslebt. Fortan wird Huarte unter diesem Spektrum mit seinen Vor- und Nachteilen beurteilt werden, denn für das Genie gelten Sonderrechte. Nach dieser hohen Bewertung sind die Leser noch gespannter auf die Biographie des einzigartigen Geistes geworden. Der Geburtsort Heß sich ohne Mühe aus dem Titel belegen: Sant Iuan del pie del Puerto im Niedernavarresisdien. Aber schon mit dem Geburtsjahr sah sich Lessing von allen Enzyklopädien, einschließlich der berühmten „Spanischen Bibliothek" Nicolás Antonios, verlassen. Da er in einer Quelle1"®) als Erscheinungsjahr des Examen de Ingenios 190) Abdruck LM V, 4—8. 191) „Manche sind in den Geschichten berühmt, und manche sollten es seyn. Die Araber gehören zu den letzten" (Geschichte der Araber des Abtes von Marigny, BPZ, 31. 5. 1753) LM V, 171. „Erinnern Sie sich, was Seneca sagt: Einige sind berühmt; andere sollten es seyn." (Briefe, die neueste Litteratur betreffend, 32. Brief, 27. 6. 1765) LM VIII, 285. 192) Dieselbe Wendung im Juni 1751: „ . . . ein Genie, welches niemals seinen Vorgängern ganz folgt, einen neuen W e g einschlägt, oder den schon bekannten über die alten Grenzen h i n a u s b ä h n e t . " (Das Neueste aus dem Reiche des Witzes. LM IV, 413.) 193) „überhaupt griff er weniger gern zu den großen Sammelwerken, deren Zuverlässigkeit im einzelnen ihm gerade nach den Erfahrungen mit Jocher nicht außer allem Zweifel zu stehen schien. . . . Um so fleißiger schöpfte er aus den großen bibliographischen Hilfsbüdiern, aus Katalogen öffentlicher Bibliotheken sowie aus Verzeichnissen der Bücher einzelner Gelehrten und Sammler." M u n c k e r , Neue Lessing-Funde, S. 13 f. Das folgende unentschlüsselte Datum fällt bei der großen Belesenheit Lessings unter diesen Erfahrungszusammenhang.

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1566194) gefunden hatte, kombinierte er dieses Jahr mit Huartes eigener Vorschrift, erst zwischen dem 31.—51. Lebensjahr 195 ) Bücher zu schreiben. Dieser scharfsinnige Bezug zwischen Regel und Verfasser führte auf das Jahr 1520. Wir wissen heute, daß das Buch zum erstenmal 1575 erschien. Addiert man die neun Jahre, um die sich Lessing versah, zu 1520, ergibt sich genau das Geburtsjahr, wie es die sorgfältigen Archivstudien Iriartes festlegten. Lessings Methode ist einwandfrei logisch, nur die Quellen trogen ihn. „Er wird für einen Spanier gehalten; gleichwohl ist er in einer Stadt des französischen Navarra gebohren gewesen", hieß es bei Bayle. Mit einem der etwa bei Kapp (Gelehrtenrepublik, S. 45 f.) angeführten Hilfsmittel wird Lessing auch hier die Entscheidung getroffen haben: Mariana, Sandoval196) oder der seltenen Diatribe de regno Navarrae Sdiöpflins. Die Namensformen deuten auf eine lateinische Quelle: „Wer weiß nämlich nicht, daß um das Jahr 1512 der König von Spanien Ferdinandus Katholicus den päbstlichen Bann an dem Könige Johannes Labretanus vollzogen und sich in den Besitz des ganzen Königreichs Navarra setzte? Wie leicht kann es also nicht seyn, daß die Aeltern unsers H u a r t s mit der spanischen Armee in diese Gegend kamen?"

überbietet Lessing schon in dieser historischen Ableitung die Tradition, so hat er am sichersten das Medizinstudium Huartes in der angesehenen Universität von Alcalá de Henares getroffen. Weder die französischen noch deutschen Nachschlagewerke wissen etwas davon zu berichten. Die lebendige Beschreibung des Antonio de Nebrija im 10. Kapitel führte ihn zu dieser Vermutung, wie denn das Examen de Ingenios überreich an Charakterschilderungen aus der Studentenwelt ist, Iriarte hat mit Hilfe der Matrikellisten Huarte von 1553—1559 in Alcalá nachgewiesen und Lessings Konjektur bestätigt. Weniger richtig und aus obskurer Quelle ist dagegen der Beleg, Huarte habe in Madrid sein Leben verbracht. Das Todesjahr (um 1590, heutige Forschung: 1588) mochte Lessing dem Privileg einer expurgierten Ausgabe entnehmen, das vom 6. Juni 1592 datiert. Es ist sicher, daß dem, der Hypothesen wagt, mehr Fehler unterlaufen als dem Vorsichtigen. Fragen wir aber, ob das von Lessing gelegte biographische Mosaik des Dr. Huarte irreführend oder einseitig ist, müssen wir entschieden verneinen. Es spiegelt das ruhige Leben zuverlässig wider und akzentuiert gleichzeitig durch behutsamen Bezug auf das Werk die innere Verwobenheit des Verfassers mit diesem. Wenn Iriarte später meint, keiner habe den wertvollen persönlichen Gehalt des Examen zu nutzen verstanden 197 ), ist Lessing rühmlich davon auszunehmen. Er ist der erste und über zwei Jahrhunderte einzige, der im sicheren Rahmen das menschliche 194) Auf Grund des späteren Briefes eines Ramón Ν ο ν o a an Sebastián Medina, Baeza vom 7. 9. 1839, soll Huarte 1566 in Granada gelebt haben, während die Pest in Baeza wütete. Das Faktum beruht jedoch auf keiner wahren Dokumentation, sondern mündlicher Hypothese. B. J. G a l l a r d o , Ensayo de una biblioteca española de libros raros y cariosos. Bd. 3, Madrid 1888, S. 232. 195) Im 1. Kapitel richtig 33.—50. Lebensjahr. Die fehlerhafte Veränderung beruht auf einer Reminiszenz Lessings, der aus dem Gedächtnis zitierte, wobei ihm manchmal Lapsus unterliefen. 196) P. de S a η d ο ν a 1 , Segunda parte de ¡a Vida y Hechos del Emperador Carlos Quinto, Valladolid 1606. 197) I r i a r t e , El doctor Huarte, S. 12.

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Bild des navarresischen Arztes erweitert. Dieses Verfahren mußte auf die Zeitgenossen, die sich mit der Fahndung nach Sekundärliteratur begnügten, überraschend wirken. Mit feiner Psychologie hat Lessing darauf die schon in den Materialien angedeutete Anekdote Seligmanns wiederaufgenommen. Zwischen den gelehrten Folgerungen zur Biographie und den nun einsetzenden bibliographischen Notizen erfüllt sie eine entspannende Funktion. Das horazische „prodesse" wechselt ganz im aufklärerischen Sinne mit geistreichem „delectare"; Ernst und Scherz sind wohlberechnet gemischt. Der Leser konnte, wie übrigens bei einem weiteren interessanten Stellenverweis, sogleich auf Seite 56 Seligmann und le Grand entlarven. Das Buch war ihm nicht mehr fremd. Hier ist der Ort, nochmals auf die enge Verflochtenheit zwischen den lateinischen Vorarbeiten und der Vorrede des Übersetzers hinzuweisen. Nationalität, Geburtsort, Anekdote und später Mischung zwischen Genie und Wahnsinn sind dort bereits angedeutet oder diskutiert. Es ist auf Grund der dünnen Ausbeute absurd zu behaupten, Lessing habe allein mit lateinischen Beiträgen zur B i o g r a p h i e Huartes promoviert 198 ). Die Materialien sind erstes Ergebnis einer systematischen Stoffsammlung, für die auch im Hinblick auf die Übersetzung exzerpiert ist, wie die Verbindungslinien zeigen. Nach der Biographie Huartes leitet Lessing zur Geschichte seines Buches über. Aber anstatt in gelehrter Pedanterie die ihm bekannten Ausgaben auszubreiten, ist der Raum einer einzigen reserviert: dem Scrutinium Inge η i o r u m Joachim Caesars 199 ). Diese Übersetzung hat für Lessing eine besondere Bedeutung gehabt: „ W e n i g s t e n s a b e r w i r d mir d i e s e s z u s a g e n v e r g ö n n t s e y n , daß e i n e v o n d e n v o r n e h m s t e n Ursachen, w a r u m ich m i d i a n e i n e d e u t s c h e U e b e r s e t z u n g g e m a c h t , e b e n d e r g e r i n g e W e r t h d e r l a t e i n i s c h e n an d e r m a n sich b i s h e r h a t m ü s s e n b e g n ü g e n l a s s e n , g e w e s e n sey."

Die Kritik wird präzisiert: 1. an der M e t h o d e : Caesar habe alle erreichbaren Ausgaben seiner Übersetzung zugrundegelegt. Dadurch und wegen der Zusätze sei der Gedankengang dunkel und widersprüchlich geworden, „daß man es nicht anders als mit Eckel200) lesen kann". 2. an der Übersetzungs t r e u e : Caesar habe „an unzählichen Orten" den Sinn des Spaniers verfehlt. Diese massiven Vorwürfe sollen auf Grund unserer früheren Untersuchung des Scrutinium Ingeniorum kurz auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht werden. 198) Ν € w a 1 d , Geschichte der dt. Literatur, S. 52. 199) Da Lessing die zweite Auflage von 1637 benutzte, übernahm er den Irrtum der editio princeps 1612 statt 1622 aus den Lexika Zediere und Jöchers. 200) Damals noch nicht im stark abwertenden Sinne, sondern eher „überempfindlich, überdrüssig, ermüdend". .Eines andern Vortheils bedienet sich der Hr. Verfasser in A n s e h u n g derjenigen Kunst, mit welcher er den Eckel für diejenigen Sittenlehren vermeidet, die in gemeinen Romanen ganze Seiten und Blätter mit Pedantereyen anfüllen." (BPZ, 8. 11. 1753. LM V, 211). „Es würde ein wenig eckel klingen, w e n n ich diese Apostrophe weiter treiben wollte" (Rettungen des Horaz, 1754. LM V, 276).

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ad 1) Caesar selbst hat aus seinen Kontaminationen kein Hehl gemacht. Seine „Lötmethode" (conferruminatio) trachtete danach, an Vollständigkeit alle bisherigen Übersetzungen zu übertreffen. Der Leser hatte Anspruch darauf, jedes Wort des Autors verarbeitet zu wissen. Erst durch strikte Anwendung dieser Basis sah sich Caesar wegen der Inkohärenz der erweiterten Fassung zu subjektiven Umstellungen und erklärenden Zusätzen genötigt. Man darf annehmen, daß Lessing das Scrutinium mit kritischer Aufmerksamkeit gelesen hat. Er gab sich nicht mit dem oberflächlichen negativen Urteil Morhofs zufrieden, nach dem viel hinzugefügt und viel ausgelassen sei. Als echter Philologe wird er es passim mit seiner spanischen Ausgabe kollationiert haben. Es konnte nicht ausbleiben, daß er auf einen Abschnitt stieß, den Caesar aus den drei erweiterten Kapiteln interkaliert hatte. Der knappe, deduktive Stil Huartes duldete keine eigenmächtigen Digressionen, die nicht logisch verknüpft waren. Für Caesar gehörte Gleiches zu Gleichem, um ein geschlossenes Bild zu erreichen. Darin lag für ihn die stilistische Logik. In diesem Sinne sprach Lessing von Dunkelheit. Denn die Integrität des Originals verbot ihm, selbst den freien Vorschriften Venzkys zu folgen. Lessing glaubte noch, Huarte habe sich bei jeder Neuauflage seines Werkes anders besonnen. Ein summarischer Eindruck verschiedener Übersetzungen erweckt allerdings diesen Gedanken. Aber bemerkenswerter erscheint noch die Nähe zur französischen Übersetzung Savinien d'Alquiés von 1672. Dort ist in einem Avis au lecteur mit Lessing sehr ähnlichen Worten auf die Veränderungen hingewiesen 201 ), die in einem Lesartenapparat anschließend folgten (S. 535—629). Diese wissenschaftliche Akribie war ganz nach Lessings Geschmack. W i e aber hätte sich Caesar aus einer solchen Aporie heraushelfen sollen? Der Philologe Lessing rät ihm zur „letzten Ausgabe" als verbindlicher Richtschnur. Für das 18. Jahrhundert waren das selbstverständliche Regeln. Wie hat Lessing ihnen genügt, da er die Amsterdamer Edition 1662 benutzte? Das Titelblatt nennt die quarta Edición de Muchos querida, ü b e r die Ausgaben Leyde (1652), Anvers (1603 und 1593) basiert sie auf den Drucken Pamplona oder Bilbao. Strenggenommen müßte man die Fassung Huesca 1581 als „Ausgabe letzter Hand" ansehen 202 ). Ob Lessing diese Zusammenhänge bei dem ungewissen Sterbedatum Huartes (um 1590) kannte, ist unwahrscheinlich. Zumindest wußte er, daß die niederländischen Drucke sehr weit zurückreichten und — auf Grund des Index librorum prohibitorum von 1667 — auch noch von der Existenz der erweiterten Version Baeza 1594. Daß diese Ausgabe n a c h Huartes Tode lag und trotzdem von Caesar benutzt wurde, wird zu ihrer Verdammung beigetragen haben. Wieviel Glauben man noch heute den Worten Luis Huartes schenkt, er habe die Papiere im Nachlaß seines Vaters gefunden, wird ihre Authentizität bestimmen. Mit Z u s t i m m u n g des Autors erschien der neue Druck n i c h t mehr. 201) „Comme l'Auteur de ce livre a fait de nouvelles additions presque à tous les chapitres qui y sont contenus, . . . Nostre Docteur a creu tout à fait important d'adjouster des nouvelles beautés à son ouvrage, qui outre la necessità qu'on en avoit, pour une plus claire intelligence des matieres, c'est qu' elles donnent une nouvelle force à ses raisonnemens." 202) Ρ i t o 11 e t , Contributions, S. 125, spottet, Lessing habe die letzte Ausgabe im wörtlichen Sinne gemeint und brilliert mit (unvollständiger) bibliographischer Widerlegung.

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Aus dem bisher Gesagten wird zusammenfassend deutlich, daß jede Wertung zwischen der Methode Lessings und Caesars verfehlt ist. Beide stehen in einem anderen Jahrhundert, beide gehen individuell von anderen Prämissen aus. Der Jurist Caesar will ein wohlabgewogenes Gesamtkunstwerk, dem Philologen Lessing geht es um peinliche wissenschaftliche Sondierung, Klärung der Editionsprinzipien und exakte Wahrung der Textfolge. Eine Übersetzertradition hat sich gebildet, die sich auch in den Werken manifestiert. ad 2) Schon aus der Darstellung der Übersetzertheorie bei Lessing ergab sich, wie verantwortungsbewußt und streng der Begriff der „Treue" im Zentrum seiner Gedankenwelt stand und sich von dem Venzkys abhob. Der weitere Radius dieses Terminus umfaßte sogar die Ergänzungsfrage. Lassen sich aber auch im konkreteren Sinne Caesar Vorwürfe machen? Übersetzungsfehler im schulmeisterlichen Verstände hat der Lateiner kaum gemacht, schon gar nicht „an unzähligen Orten". So geht der Hinweis Lessings höchstens auf den umständlichen Stil, die Aufschwellung durch Doppelwendungen und Gräzismen, die ebenso wie die methodisch bedingten Zusätze dem sparsamen Stilisten Lessing 130 Jahre später entbehrlich erscheinen. Darin liegt allerdings eine Sinnverfehlung, denn der substanzreiche, knappe Stil des Examen de Ingenios erfordert eine geschlossene, aber deutliche, adäquate Stilebene. Während Caesar die Nuancen mit umfangreicherem Wortapparat zu treffen sucht, läßt sich der wendige Lessing auf das Wagnis e i n e s Begriffs ein. Wie weit ihm dadurch, auch stilistisch, eine wahre Vermittlung gelungen ist, muß die folgende Untersuchung zeigen. Etwas anderes als diesen „Bruch in der Sinnebene" bei Caesar zu kritisieren, wäre ungerecht. Lessing hat daher auch seine Hauptangriffe, Verfälschung durch Zusätze und Sinnänderung, äußerst vorsichtig abgefaßt. In rhetorischer Frage und verbalem Konjunktiv wird dem Leser auch formal die letzte Entscheidung überlassen, Μ o r h o f und L e s s i η g stehen mit ihrem kritischen Tadel nicht allein. Zur gleichen Zeit, als die Prüfung der Köpfe entsteht, stößt in Spanien das enzyklopädische Interesse des Padre F e i j o o , angeregt durch den schon erwähnten Aufsatz im Spectator (1712) auf das Examen de Ingenios**3). Nicolás Antonio vermittelt ihm Nachricht von der lateinischen Übersetzung Caesars. Das hohe Lob des Ausländers für den Spanier ist ihm bitteres Symptom der landsmännischen „modorra literaria", die den Propheten im eigenen Lande nichts gelten läßt. Drei Jahre nach diesem Urteil hält er das Scrutinium Ingeniorum in den Händen. Sein leider unbegründetes Urteil summiert sich: „Tampoco estaba bien informado del merito del libro Escasio Mayor804), γ tal quai otro que quisieron elogiarle; porque es poquísimo lo que tiene digno de algún aprecio; y sobre todo, la Physica del Autor apenas vale la tinta con que se escribió **M). Hier wird Caesar nicht nur die Wahl des Autors, die von dessen Wertschätzung abhängt, sondern sogar das begeisterte Lob zum Vorwurf gemacht. Die Kritik hat europäische Resonanz gefunden. 203) F e i j o o , Cartas eruditas. Bd. 3, S. 320—323, Carta 28, Dedic. 12. 6. 1750, Bd. 4. S. 294—295, Carta 21, Dedic. 8. 1. 1753. 204) So noch heute in Unkenntnis des Anagramms B. A. E., Bd. 65, S. 397. 205) Auf den Wandel des Huarte-Bildes, wie er in Deutschland bei der 2. Auflage der Lessingschen Übersetzung 1785 durch Ebert am deutlichsten ist, sei hier nur hingewiesen.

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Nachdem Lessing die nötigsten bio-bibliographisdien Nachrichten so anziehend wie möglich dargestellt hat, wendet er sich zum Sdiluß noch einmal zum besseren Verständnis dem Verfasser und seiner Methode zu. Mit der Besinnung über das Genie setzte die Vorrede ein, mit der Huldigung an die erfindenden Genies wird sie enden. Der Kreis hat sich geschlossen. Die liebevoll ausgearbeitete Einführung ist zum Kunstwerk im Kleinen geworden, das audi kompositioneil gewürdigt sein will. Sein Anspruch hat bloße obligatorische Vorstellung überwunden. Schon in den vorbereitenden „Kollektaneen" sahen wir Lessing von dem Verfahren des „filósofo natural" fasziniert. Diese Art zu philosophieren sei zwar aus der Mode gekommen, das Werk behaupte aber immer noch das Monopol in seiner allgegenwärtigen Disziplin. Ergänzend dazu hat Lessing in einem späteren Brief an den Nürnberger Gelehrten von M u r r 206) den Gedankenreichtum hervorgehoben, dem „nichts als die Einkleidung in eine neuere philosophische Sprache" mangele. Auch darin hat ihm das frühe 19. Jahrhundert recht gegeben und seine Prophezeiung wahr gemacht. Für Lessing bedeutete dieser Hinweis eine Rechtfertigung seiner übersetzermühen. Darüber hinaus ist der Schlußabsatz eine Apologie gegen verborgene Einwände seiner Zeitgenossen: Wie kann ein Genie auf soviele Paradoxien verfallen? Dem Verzicht auf Anmerkungen wird durch typisierende Bestimmung des janusköpfigen Geniebegriffs vorbeugend begegnet. Es fällt zwar nicht mehr das Senecawort „nullum magnum ingenium sine mixtura dementiae", aber der Leser konnte sich mit Seitenangabe bequem überzeugen, wie Huartes Originalstolz nur den großen und erfindenden Genies das Bücherschreiben zubilligte. „Sollte man ihn nun nach seinen eignen Grundsätzen beschreiben, so würde man von ihm sagen müssen; er ist kühn, er verfährt nie nach den gemeinen Meinungen, er beurtheilt und treibt alles auf eine besondre Art, er entdecket alle seine Gedanken frey und ist sich selbst sein eigner Führer."

So verlebendigt sich für Lessing das B i l d d e s G e n i e s . Es ist die innere Biographie des Dr. Juan Huarte aus dem kleinen San Juan del Pie del Puerto, wie sie aus jeder Seite entgegenleuchtet. Lichtenberg wird keine bessere Formulierung dafür finden. Huarte ist zum Prototyp einer schöpferischen Spezies geworden, deren Eigengesetzlichkeit dem Zeitgenossen um die Mitte des Jahrhunderts noch neu und fremd war. Daher Lessings Bemühung um rationale Deutung einer irrationalen Kreatur. Es ist noch nicht der Begeisterungstaumel des Sturm und Drang. „Man überlege das Jahrhundert des Verfassers, man überlege seine Religion, so wird man auch von seinen Irrthümern nicht anders als gut urtheilen können." Der relativierende Begriff des National- und Zeitgeistes, den Herder später vollkommen prägen wird, ist hier zum erstenmal an einem Vorbild eingeführt. Nicht die Anprangerung einer „leyenda negra", nach der dogmatische Theologie und Genie sich konträr gegenüberstanden, sondern verstehende Toleranz findet zu einer Erklärung. Es ist nicht der Hochmut einer fortgeschrittenen Wissenschaft, aber Stolz über die „erleuchtetere" Zeit mischt sich zweifellos darin. Nun ist es an dem „aufgeklärten" Leser, sich die folgenden 206) Hamburg, 25. 11.1768 (LM XVII, 274).

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Paradoxien selbst zu erklären. Zur eindringlichen Verdeutlichung schließt die dichterischste der rhetorischen Figuren, die Metapher — wie es Lessing liebte207) — seine Aussagen ab: „Ich vergleiche ihn übrigens einem muthigen Pferde, das niemals mehr Feuer aus den Steinen schlägt, als wenn es stolpert" 208 ). Prüft man alle Lessingschen Vorworte miteinander, wird in den einleitenden Seiten zur Prüfung der Köpfe bei aller Objektivität die persönlichste Aussage deutlich, die wegen ihres Verständnisses die Verwandtschaft mit Gegenstand und Verfasser nicht verleugnet. Der junge Lessing wußte um die Bedeutung einer guten Vorrede. Denn der überlastete Rezensent zog häufig seine Kritik allein aus den ersten Seiten 209 ). Da boten die Zeitgenossen eine breite Angriffsfläche: übertriebene Anpreisung, berechnende Selbstgefälligkeit, Bitte um milde Kritik, waren das schon topologische Vokabular. Sein begründetes Selbstbewußtsein schützt Lessing vor diesen Erniedrigungen. Kurz und bündig folgen die Nachrichten über Verfasser und Werk. Es ist nicht mehr das „Prooemium doctum" Joachim Caesars, der sich mit der Feststellung, daß er nichts Biographisches erfahren habe, zufrieden gab. Der äußeren Lebensbeschreibung tritt die innere an die Seite, die hier wesentlicher erscheint: die Nomenklatur des G e n i e s . In diesem Sinne sagte Herder in seinem Lessingaufsatz später: „In der kurzen Vorrede zu ihm ist Leßing schon ganz känntlich" 210 ). Damit sind Inhalt und Eigenschaften umschrieben: Sachkenntnis, Treffsicherheit, Toleranz, Originalität, Wahrheitsdrang. e) S t i l v e r g l e i c h Von zwei Gesichtspunkten aus läßt sich die einheitliche Ausdrucks- und Gestaltungsweise einer Übersetzung betrachten: als unter stetem Zwang der Vorlage entstandener Text und als unabhängiges schriftliches Dokument neuer Prägung. Der Wissenschaftler wird sich hauptsächlich für den Vergleich mit dem Original interessieren, um die vollbrachte Leistung gerechter zu würdigen, der Leser, dem es auf Unterhaltung oder Belehrung ankommt, wird das Werk wie eine Originalschrift behandeln und nur bei Kenntnis der übersetzten Sprache und bei höchster Aufmerksamkeit das Muster an einigen Stellen störend durchschimmern sehen. Beide Betrachtungsweisen sollen hier zur Geltung kommen, wobei aus der freieren Behandlung die eigensprachliche Analyse ihre Berechtigung ziehen mag. Denn je sklavischer der Übersetzer dem Duktus der anderen Sprache folgt, desto mehr gibt er von seinem eigenen Formungswillen auf. Eine gute Übersetzung soll nicht nur kopierendes Echo ihres Vorbildes sein, sondern jeden Inhalts wert g e i s t i g auf die andere Sprach-, Zeit- und Individualebene umsetzen. Die Untersuchung wird vom vollständigen Satz und seinen Haupterscheinungen auf die Konfrontierung dreier Doppelpaare übergehen, von denen zwei (Gedankentreue — Originalnähe, Emphase — Variation) 207) L a n g e n , Dt. Sprachges&ichte, Sp. 1061—1062. S c h m i d t , Lessing, Bd. 2, S. 529—538. 208) Die völlig verfehlte, im Sachlichen falsche Darstellung S a η ζ ' , der die Lessingsche Übersetzung nach seinem eigenen Zeugnis nur rasch durchblätterte, will Lessing hier das Bild des Leuchtturms vorschreiben! (S a η ζ , Edition, Bd. 1, S. LXVIII.) 209) „Vorwortrezensionen", sehr treffend M a r k w a r d t , Studien, Bd. 3, S. 161. 210) Werke, Ed. Suphan, Bd. 15, S. 488.

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gegensätzlich zu sein scheinen, während das dritte (Stilebenen — Wortschatz) die verschiedenartigen Einzelbausteine mit ihren jeweiligen Komponenten verflicht. In drei Sonderkapiteln soll über die Umsetzung der Quellenzitate Huartes, über die Fehler und Versehen sowie über die mögliche Heranziehung anderer Ubersetzungen gehandelt werden. Da es in der bisherigen Forschung allein die letzten beiden Punkte waren, die das negative Urteil über die Prüfung der Köpfe bestimmten, rückt ihre Diskussion an exponierte Stelle, obwohl das endgültige Bild erstmals aus der Gesamtkonzeption gewonnen wird. Ein längeres Textstück wird abschließend im Sechssprachenvergleich Akzente für den europäischen Wert der Lessingschen Übertragung setzen und zur besseren Erkenntnis individueller Fähigkeiten beitragen. Die Betrachtung des E i g e η s t i 1 s wurde auf die Darstellung der zweiten Auflage 1785 verspart, weil sich infolge der sprachlichen Revision durch den Herausgeber Ebert Lessings Sprachzüge besser herauskristallisieren und ζ. B. die schwierigen Probleme des Individual- und Zeitstils durch Kontrast angenähert werden können. Bevor wir mit der Gegenüberstellung der Stilkategorien beginnen, muß eine kurze Anmerkung der Lessingschen Vorlage dienen, die ein glücklicher Zufall aus Paginierung in den Materialien und Schreibweise spanischer Vokabeln in der Ubersetzung finden ließ211). Die Amsterdamer Ausgabe von 1662 bringt wie alle flämischen Drucke die alte Fünfzehn-Kapitel-Fassung. Im Vergleich mit den spanischen Drucken fallen die Umänderungen der Vorworte auf. Alle Erwähnungen Philipps II. werden — wohl aus politischen Gründen — ausgemerzt. So entsteht statt des national gebundenen Proemio a la Magestad del Rey Nuestro Señor Don Felipe II ein schlichtes Al Lector bei gleichem Inhalt, und aus dem Proemio al Lector wird ein Prohemio212). Als ein mögliches Motiv für die Benutzung anderssprachiger Ubersetzungen seien schon hier die vielen Druckversehen erwähnt (Verwechslungen, Silbenelisionen, Metathesen), die den Text stellenweise sehr unleserlich machen213). Ein Wortvergleich mit der Ausgabe Pamplona 1578 zeigt jedoch keine weiteren Varianten, so daß die kritische Benutzung gerechtfertigt erscheint. ea) Die Periode Hypotaktische Fügung, eine Fülle sich ablösender Konjunktionalsätze, gilt als das Hauptmerkmal des Aufklärungsstils 214 ). Man ist nicht wenig überrascht, eben diesem Indiz als hervorstechendstem Zug der Satzstruktur des Examen de Ingenios zu begegnen. Schon bei einem flüchtigen Blick auf die ersten Seiten häufen sich die Konjunktionen: para que, sino que, porque, de lo cual, aunque, pues, pero, si como, cuando usw. Dem wissenschaftlichen Inhalt entspricht eine streng logische Durchformung. Jede Behauptung muß bewiesen werden, um den Leser zu überzeugen. Man merkt es dem Spanier an, 211) Die Seitenzahlen der Stilanalyse beziehen sich im folgenden auf diese Edition. 212) Damit entfallen R h e i n f e l d e r s Vermutungen, die Lessing diese Änderungen zuschrieben (Der junge Lessing, S. 330). 213) Auf eine positive Nebenfunktion der Errata sei hingewiesen: In einer Anmerkung Huartes S. 56 steht .admire" verdruckt für »admite*. Lessing übersetzt S. 59 „bewundert" statt „läßt zu". Die Originalnähe ist hier besonders auffällig. 214) S p e r b e r , Die Spradie der Aulklärung, in: Zts. f. Deutsdikunde 43 (1929) 777—794.

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daß er sich lange mit seinem Gegenstand befaßt hat. Seine Belesenheit in der Bibel, in den Schriften der griechischen und lateinischen Philosophen und Ärzte verbindet sich mit dem reichen Sdiatz eigener Erfahrung. So deduziert er mit sichtlicher Freude und Stolz auf das eigene Können. Aber selbst das koordinierende y, das sich häufig verbindend an den Satzanfang schiebt, hat bei ihm oft folgernden Charakter: „Porque si comemos lechugas (cuyas calidades son frialdad y humedad) la sangre que délias se engendrare sera fría y húmeda, y el suero frió y húmedo; y la simiente fría y húmeda. Y si es miel (cuyas calidades son calor y sequedad) la sangre que délias se hiziere, sera caliente y seca; y el suero caliente y seco; y la simiente caliente y seca: porque es impossible . . . " (S. 365) 215 ). „Wann man zum Exempel Salat ißt welcher v i e l Kälte und Feuchtigkeit b e y sich hat, so wird auch das Blut welches daraus zubereitet wird, kalt und trocken seyn; folglich auch das Serum; iolglich auch der Same. Ißt man Honig d e s s e n Beschaffenheit W ä r m e und Trockenheit sind, so wird auch das Blut welches daraus gemacht wird kalt und trocken seyn; Iolglich auch das Serum; iolglich auch der Same; w e i l es . . . unmöglich ist . . . " (397).

Lessing hat das erkannt. Seine „folglich" beschleunigen den Satzrhythmus wie Peitschenhiebe. Beim Übergang zum Honig-Exemplum gönnt kein konditionales „wenn" eine Atempause. Asyndetisch verkürzend schließt das Verb unmittelbar an. Die zweifach hämmernde parallelistisdie Apodosis überzeugt inhaltlich u n d stilistisch. Der Quotient Hypotaxe — Parataxe liegt bei Huarte nach sprachstatistischer Auszählung etwa bei 7 :3. Wie verhält sich Lessing bei dem Drittel gleichordnender Konstruktionen? „Pero e n el entretanto esta significación de naturaleza es muy universal y confusa, y el entendimiento no huelga ni descansa hasta saber el discurso particular y la ultima causa: y assi es menester buscar otra significación deste nombre (naturaleza) que tenga a nuestro proposito mas conveniencia" (24—25). „Unterdessen w e i l die a n g e g e b e n e Bedeutung des Worts Natur zu allgemein und unbestimmt ist, der Verstand aber sich nicht eher zufrieden giebt, als bis er zu der allerletzten Ursache hindurchgedrungen ist; s o wird es nöthig seyn, eine andere Bedeutung dieses Worts aufzusuchen welche meinem Endzwecke näher kommt" (26).

Der deutsche Text s u b o r d i n i e r t und spannt den gleichmäßigen Fluß der spanischen Periode in einen kausalen Zusammenhang. Da das Spannungsgefüge des Vorsatzes durch ein doppelt begründendes Dikolon und komparativisches „eher — als" voll ausgelastet ist, wird zu Beginn der steigenden Periode als stützender Kontrapunkt das „so" postiert und dem Fazit aufmerkender Nachdruck verliehen. Das Satzgewicht ist wiederhergestellt. An einer Fülle von Beispielen läßt sich die Unterordnung gleichgereihter spanischer Satzgebilde verfolgen. Durch Temporal-, Kausal-, Konsekutiv-, Final- oder Konditionalsätze wird ihnen bei gleichem Inhalt ein neues Formgewand gegeben, das oft sogar zwei Hauptsätze logisch verknüpft. Die weitaus häufigste Konjunktion ist neben finalem „daß" begründendes „weil", 215) Hervorhebungen in den Zitaten zur besseren Obersicht immer vom Verfasser. 91

das sogar in relativische Hypotaxe eindringt, wie der Titel des 15. Kapitels zeigt: „Capitulo notable, donde se trae la manera, corno los padres an de engendrar los hijos sabios, y del ingenio que quieren las letras" (331). „Welches ohne Zweifel das wichtigste seyn wird, weil man darinne zeigt, wie die Väter weise und zu den Wissenschaften fähige Söhne erzeugen sollen" (359).

In gewisser Weise muß die Ankündigung dieses Kapitels dem verheißungsvollen Zusatz Lessings auf dem Titelblatt entsprechen. Der Spanier referiert schlicht den Inhalt: daß es ein bemerkenswertes Kapitel ist, daß die Eltern den Zeugungsmodus für kluge Söhne darin erfahren werden. Lessing potenziert nicht nur den Superlativ, sondern pleonastisch, als wenn es einen ungläubigen Thomas zu überzeugen gelte, durch „ohne Zweifel". Der Leser ist um so gespannter, der Verfasser muß sich rechtfertigen, was mit der erklärenden Begründung geschieht. Die sachliche Aussage Huartes ist in diesem Fall zu einem höchst persönlich ansprechenden Stimulans geworden. Betrachtet man Satzraum und -anfang, erreicht der Übersetzer durch logische Unterordnung eine erhebliche Straffung des Baugefüges. Diese zusammenfassende Tendenz wird durch gleichzeitige Auflösung sinn- und satzbetonter Verben, Adjektive oder Adverbien ausgeglichen, die Lessing in feinem Sprachgefühl selbständige Nebensätze bilden läßt: „Y puede tanto naturaleza (con sus irritaciones) que aunque el arte, y officio, sea indecente a la dignidad del que lo aprende, se da a ello, y no a otros exercicios honrosos" (182). „Die Natur wirkt sogar mit so starken Trieben, daß wenn auch die Kunst oder die Verrichtung noch so unanständig und der Würde desjenigen welcher sich damit abgiebt, noch so nachtheilig ist; er sich dennoch bloß ihr und keiner andern, wann auch noch so viel Ehre damit verbunden wäer (!), widmet" (192—193).

Der Kontrast „indecente-honroso" bedarf einer ausgewogenen Wiedergabe. Den konzessiven Nebensatz (aunque) verstärkt Lessing durch doppelte Adjektivierung (unanständig, nachtheilig). Der Parallelismus verlangt nach einem einräumenden Gegenpol, um das Gleichgewicht des Satzes zu bewahren und die Periode harmonisch abzurunden. Ein anderes Motiv läßt sich aus einer adverbialen Erweiterung erkennen : „Por donde es necessario saber todas las leyes, y estudiar cada una en particular, y guardarlas distinctamente en la memoria" (193). „Derjenige also der sich darauf legt muß nothwendig ein jedes Gesetz insbesondre studiren und es genau im Gedächtnisse behalten, wo er es mit keinem andern vermengen muß " (206).

Die wörtliche Übersetzung ergäbe: „ . . . und sie alle unterschieden im Gedächtnis zu behalten." Durch den abschließenden Relativsatz dagegen wird ein bewußter Nachdruck erreicht, den die Wendung ins Negative noch verstärkt. Hypotaxe und die bei Lessing sehr beliebte Litotes (Emphase!) heben hervor und akzentuieren scharf. Bisher wurden mit der Unterordnung ganzer Satz- und Wortteile Strukturphänomene erörtert, die im Ermessen des Übersetzers lagen, weil die Vor92

läge sich gegenüber der Gedankenlogik biegsam genug zeigte. Eine typisch romanische und auch im Spanischen sehr häufige Konstruktion zeigt sich allen wörtlichen Übersetzungskünsten gegenüber spröde: das Gerundium, wie es im Partizip Präsens einen relativischen, temporalen oder kausalen Zusammenhang verbergen kann. Hier muß der Übersetzer besonders genau den Kontext befragen, um das richtige konjunktionale Verhältnis zu gewinnen. Zwar zeigt sich Lessing trotz Gottschedscher Klagen210) dem adjektivischen Gebrauch der Präsens-Partizipien nicht abgeneigt — eine „unter den Händen habende Geschichte" (157), „aus dem bey sich habenden Salze" (394, für echt spanisches de ser salado) trägt auch sein Satzbogen — aber die spanischen Partizipialsätze und -Wendungen sind fast immer in Nebensätze aufgelöst: „La quarta duda es: de que manera se compadece, que estando escritas en Latin todas las sciencias que pertenecen al entendimiento; y que las puedan estudiar y leer los libros, aquellos que son faltos de memoria; siendoles por esta razón, repugnante la lengua Latina" (142 f.). „Die vierte Aufgabe endlich ist diese: wie es, da alle Wissenschaften die von dem Verstände abhangen in lateinischer Sprache geschrieben sind, zugehe, daß diejenigen welchen es am Gedächtnisse fehlt diese Bücher gleichwohl lesen und darinne studiren können, ob ihnen schon, eben wegen ihres wenigen Gedächtnisses, die lateinische Sprache ganz zuwider ist" (152).

Das richtig getroffene Kausal-Konzessivverhältnis bewirkt zugleich einen rascheren Rhythmus. Die Kola sind kürzer als das sanftere Legato der spanischen Vorlage, das sich nur bei den Gerundialformen intensiviert. Der Lessingsche Redefluß treibt stoßartig vorwärts: dem sammelnden Doppelpunkt folgt kein längerer Sprechtakt wie im Spanischen (de que manera se compadece). Die beiden einleitenden Einsilber (wie es) werden sofort durch die erste Konjunktion unterbunden. Das weit gesperrte Verb (zugehe) bringt die nächste Stockung217), die wegen des folgenden Relativsatzes weiter anhält. Erst dann entfaltet sich durch das beruhigende gleichwohl ein längerer Satzfluß, der jedoch wegen Unterordnung des zweiten Gerundiums (siendoles repugnante) erneut unterbrochen wird. Wieder steht ein Verb in der Kadenz und umschließt einen kausalen Nebensatz. Lange und kurze Tempi hämmern im Staccato. Der Rhythmus ist Spiegel der umgewandelten Hypotaxe. Schon im letzten Beispiel erschwerte die häufige Schachtelung eine flüssige Lektüre. Grenzen der rationalen Raffung werden bei langperiodischen Verschränkungen abgesteckt, bei denen Lessing zuviele Satzkola in den Gedankenbogen zu schließen trachtet: „Pero lo que mas les ha de acavar el juyzio, es: que queriendo Dios desengañar al mundo y enseñarle llanamente la verdad (que es la contraria obra que hizo el Demonio) vino en figura de paloma, y no de aguila, ni de pavón, ni de otras aves, que tienen mas hermosa figura: y sabida la causa es; que la paloma participa mucho del humor que inclina a rectitud, a llaneza, a verdad y simplicidad; y carece de colera, que es el instrumento de la astucia y malicia" (118 f.). 216) J. Chr. G o t t s c h e d , Grundlegung einer deutschen Sprachkunst, Leipzig 31752, S. 310. 217) Der zweite Herausgeber Ebert hat den zerhackten Rhythmus als störend empfunden und das Verb vorgezogen.

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„Was sie aber vollkommen davon zu urtheilen in Stand setzen wird ist, daß ich auf die Frage: warum Gott, als er die Welt aus ihrem Irrthum reissen und sie die lautre Wahrheit lehren wollte (welches gleich das Gegentheil von dem ist was der Teufel thut) in Gestalt einer Taube, nicht aber in Gestalt eines Adlers, eines Pfaues oder sonst eines andern Vogels der noch schöner aussieht herabkam? daß ich, sage ich, antworte: die Ursache war, weil die Taube sehr viel von derjenigen Feuchtigkeit hat welche am meisten zur Redlichkeit, Wahrheit und Einfalt geneigt macht, von aller Cholera aber frey ist, als welche das Werkzeug der List und Boßheit ist" (125).

Durch Einführung einer indirekten Frage, die aber mit dem Fragezeichen endet, gelingt es Lessing, eine kunstvoll aufgebaute und logisch g e g l i e d e r t e Einheit zu errichten. Die Berechtigung der kausalen Interrogativform leitet der Übersetzer aus dem partizipialen sabida la causa (lateinischer A b l a t i v u s absolutus). Nach der Frage genügte es, mit „antworte" fortzufahren. Stattdessen werden, um sich des Zusammenhangs zu vergewissern, nicht nur Konjunktion und Pronomen wiederholt (daß ich), sondern durch „sage ich" ein autoritativer Schwerpunkt eingeführt 218 ), Der Ausdruck, ist mehr als eine Verstärkung. Seine z w e i t e Funktion hebt den wissenschaftlich-objektiven Stil des Spaniers auf D i a l o g e b e n e , w i e sie bereits in der Kapitelüberschrift anklang. Dem erzählenden „Ich" w i r d v o n einem anonymen Partner die Frage nach der Symbolisierung Gottes durch die Taube gestellt. Jeder Leser sieht sich gezwungen, dasselbe Problem zu lösen. Der T e x t ist durch die Personifizierung eindringlicher g e w o r d e n . Das Denken ist gesellig gemacht219). eb) Gedankentreue Es kann sich Ρ i t o 11 e t nicht darein finden, daß seine spanischen Satz- und W o r t f e t z e n bei Lessing keine adäquate Entsprechung finden. Der erste T e i l seines W e r k e s besteht daher aus einer deutsch-spanischen Synopse, bei der alle Abweichungen durch Fettdruck h e r v o r g e h o b e n sind. Anstatt bei diesem Sachverhalt stehenzubleiben, werden die D i v e r g e n z e n als „ b é v u e s " und „passages mal réussis" gebrandmarkt. U m den Grundzug des Lessingschen Übersetzungsprinzips zu erfassen, soll daher in einem zusammenhängenden Abschnitt der Urtext mit einem Teilstück der Pitolletschen Gegenüberstellung verglichen werden, w o b e i die „ F e h l e r " w i e bei dem Franzosen hervorg e h o b e n sind. „Esta manera de proceder quisiera yo poder guardar contigo (curioso 1) Lector) si vuiera íoima para poderte primero tratar y descubrir a mi220) solas, el talento de tu ingenio: ... porque si tu ingenio es de los comunes y vulgares, bien sé que estás persuadido, que el numero de las sciencias y su perfecion, ha mucho dias que por los antiguos está ya cumplido; 218) Bei langen Perioden außerdem nodi S. 60, 260, 359. Der Spanier liebt das wiederholende dixe zur Nuancierung (S. 143, 315). S c h m i d t , Lessing, Bd. 2, S. 516: Lessingsdies .sage ich" in Anfangsstellung. 219) S c h m i d t , Lessing, ebda., S. 526 als konstitutiv für Lessings Stil. Für einen ergiebigen Vergleich mit dem Dramenstil des jungen Lessing fehlen neuere SpezialStudien. 220) P i t o l l e t , Contributions, S. 7: mis. Andere Wortvarianten: hablaron für hallaron (S. 6), antes que für primero que (S. 8). Der Umfang wird mit 410 statt 420 Seiten angegeben (S. 5). Die Titel der Ausgaben Baeza 1594 und Bilbao 1580 wimmeln von Fehlern (S. 4). Pitollet hat die Drucke sehr flüchtig verglichen.

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2) movido con una vanarazon; que pues ellos no hallaron mas que dezir, argumento es, que no ay otra novedad en las cosas: y si por ventura tienes tal opinion, no passes de aqui, ni leas mas adelante: porque te dara 3) pena ver provado, quan miserable diferencia de ingenio te cupo. Pero si eres discreto, bien compuesto y suffrido, dezirte he tres conclusiones muy 4) verdaderas, aunque por su novedad, son dignas de grande admiración" (Prohemio). „Ich wünschte, neugieriger Leser, daß idi auf eben diese Art auch mit dir 1) verfahren könnte. Ich wollte, daß idi anfangs das Talent deines Genies entdecken und probiren könnte,,.. denn bist du eines von den gemeinen und pöbelhaften Genies, so weiß ich wohl, daß du dir es fest überredet hast 221 ), daß schon vor langer Zeit von den Alten die Wissenschaften insgesamt erfunden und zur Vollkommenheit wären gebracht worden; und zwar aus 2) dem seichten Grunde: weil in den Gegenständen selbst seitdem nichts neues vorgefallen se y, so könne man auch nichts mehr davon sagen als das was sie schon gesagt hätten. Wann du von ohngefehr diese Meinung hegen solltest, so bleib nur hier stehen und erspare dir die Mühe weiter zu lesen; weil du nur das Mißvergnügen haben möchtest in der Folge bewie3) sen zu sehen, was du für ein elendes Genie habest. Bist du aber klug, überlegend und geduldig, so will ich dir drey vollkommene wahre Folgerungen 4) sagen, welche wegen ihrer Neuigkeit deine Bewunderung verdienen" (Einleitung).

Das Prohemio will in lebhaftem Einsatz (curioso Lector) die für diese Art zu philosophieren aufnahmebereiten Geister von den ungeeigneten trennen. Die Unmöglichkeit, das Talent jedes Lesers vorher zu prüfen, wird konstatiert. Das ist der Sachverhalt, wie er im konditionalen si-Satz zum Ausdrude kommt. Lessing trennt zwar die Satzverbindung, in parallelem „ich wünschte" und „ich wollte" wird aber derselbe Inhalt ausgedrückt. Die Irrealität ist durch den anaphorisdien Doppelbeginn verstärkt. Pitollet meint, Lessing habe nicht die Form si hubiera erkannt. Dieser Akt bedeutete für den Übersetzer aber nur eine Zwischenstufe, das logische Verhältnis daraus zu abstrahieren. Der endgültigen Umsetzimg eines konditionalen Verhältnisses gilt die Hauptüberlegung Lessings. Die deutsche Sprache bot verschiedene formale Möglichkeiten: 1. 2. 3. 4. 5.

konditional: kausal: konsekutiv: final: vergleichend:

Hauptsatz, wenn es . . . gäbe Da es keine Form gibt, negativer Hauptsatz Es gibt keine Form, so daß . . . nicht Es gibt keine Form, um mit dir . . . Wie es keine Form gibt, ebensowenig . . .

Dieser Auswahl zog Lessing eine stilistische Figur vor, welche in diesem Fall die spanische Hypotaxe auflöst, durch stärkere Eindringlichkeit und übersichtliche Gliederung aber der Intention Huartes begegnet. Eine andere gedankliche Umformung zeigt der zweite Fall: In geistreicher Prokatalepse nimmt Huarte mögliche Einwände vorweg und widerlegt sie: „Wenn schon die Alten nichts mehr zu sagen fanden, gibt es nichts Neues mehr zu erfinden." Diese Aussage ist kurz vorher schon in allgemeinerer Form ausgesprochen (ei numero ...). Die Argumentation der Gegner amplifiziert diesen 221) H b e r t . S . 2 men lassen,. .."

so wirst du dir, wie ich gar wohl weiß, die Meynung nidit beneh-

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Gedanken lediglich. Lessing bezieht den gesamten Zeitverlauf in seine Ubersetzung ein. Sein Duktus variiert die Folgerung Huartes genau umgekehrt. Die Vergangenheit weicht dem Hysteron Proteron der Gegenwart: Huarte:

los antiguos — no hallaron mas que dezii — no ay otra

Lessing:

no ay otra novedad los antiguos.

(desde entonces)

novedad

— no hay mas que dezir —

Der Wortvergleich Pitollets kann bei diesen Denkkategorien keine Basis mehr finden und moniert daher. Bei den nächsten Hervorhebungen handelt es sich um Ausdrucksvarianten, die aber demselben Prinzip entspringen. Das differenziertere quan miserable diferencia de ingenio te cupó verallgemeinert der Deutsche zu w a s du für ein elendes Genie habest. Der Sinngehalt wird nicht berührt. Durch die klare Vereinfachung ist das Satzglied lesbar und einprägsam geworden. W e r die letzten Zeilen des deutschen Abschnittes liest, wird über keinen Widerspruch stolpern. Eine Aufzählung wird angekündigt, die wegen ihrer Neuigkeit ( = Neuheit) bewundert zu werden verdient. Und doch enthält der spanische Text eine Nuance: Angeknüpft wird an das Argument der Widersacher (durch novedad auch syntaktisch sichtbar), es gebe seit den Zeiten der Griechen und Römer nichts Besonderes mehr zu sagen. Der Autor aber muß für sein W e r k um Aufmerksamkeit werben und sein Erscheinen rechtfertigen. Daher unterbreitet er jetzt drei Schlüsse, die trotz ihrer Novität aller Beachtung wert sein sollen. Huarte simuliert, als gestehe er der Antike die völlige Ausschöpfung der novedades zu. Es ist eine Verbeugung vor dem curioso lector. In Wirklichkeit aber wird das Gegenüber sehr bald erkennen, daß die novedad allein in eben den Seiten liegt, die es gerade umwendet. Der Originalstolz des Spaniers nimmt von diesem „understatement" seinen Ausgangspunkt. Die Vertauschung der konzessiven (aunque) mit der kausalen (wegen) Präposition mag grammatisch inkorrekt sein, inhaltlich ist sie profunde durchdacht. A u s dieser Interpretation geht hervor, daß es völlig verfehlt ist, Ubersetzungsfragmente aus dem Kontext zu lösen und dem spanischen Original gegenüberzustellen. Jede Umstellung, Auslassung oder andere Veränderung e n lassen sich aus dem Ganzen erklären. Ein Unterschied liegt nur im Formalen, nicht im Gedanklichen. Lessings Übersetzungstechnik strebt keine Form-, sondern Gedankentreue an. Ein Vergleich muß deshalb v o n keiner Form-, sondern v o n einer Ideenkritik ausgehen. A l l e s andere führt zu perspektivisch falschen Untersuchungsergebnissen. Nach dieser wichtigsten Erkenntnis soll unter diesem Blickwinkel an der Vereinfachung der Huarteschen Doppelung, an Elisionen und Abschwächungen als Einzelphänomenen das Stilprinzip der Gedankentreue relativiert werden. Bereits bei der A n a l y s e des Scrutinium Ingeniorum war die bimembre Ausdrucksweise als bestimmender Stilzug Huartes hervorgetreten. Während der Spanier dadurch erklären, nuancieren oder verstärken wollte, erweiterte Caesar die Zweigliedrigkeit, um die spanische brevitas nach allen Seiten präzisierend auszuschöpfen. Dabei ließen sich ein Hang zur Synonymik und Zugeständnisse an die Alamode-Gewohnheit (Gräzismen) nicht verleugnen. Im Gegensatz hierzu arbeitet Lessing bei aller Genauigkeit auf verdeut-

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lidiende Stilraffung hin. So wird aus den paarweisen Ausdrücken je nach ihrer Funktion ein Begriff. Den sichersten Grund bieten bestimmte stereotype Doppelungen des Examen de Ingenios, die Lessing als Hendiadyoin betrachten durfte: elección y examen ist immer Prüfung, ingenio γ habilidad — Fähigkeit, coloquio γ disputa — Gespräch. Meistens aber ist mit einem Adverb oder Attribut die verstärkende Zweigliedrigkeit sorgfältig zu umreißen versucht: corrido γ aíírentado el mozo wird der ... empfindlich beschämte Knabe (3), distinguir γ conoscer— gehörig bestimmen, providencia y saber — unendliche Weisheit. Menschen, die agudos γ maliciosos sind, zeigen verschmitzte Bosheit (38). Wenn Huarte die verschiedenen ingenia an podenços y galgos erläutert (45), sieht Lessing sehr wohl, daß es sich nur um ein Beispiel „pars pro toto" handelt und eliminiert die podencos (Hasenhunde). Wie wenig dabei schematisiert wird, zeigt ein gegensätzliches Beispiel: Wenn Grundsätze und Regeln unseren Verstand gebändigt haben, nimmt er eine gesetztere und anständigere Art zu schließen und zu untersuchen an (10). Mit den hervorgehobenen Adjektiven ist gracioso verdoppelt. Einige Zeilen darüber dieselbe Wendung für gracia en el andar. Huarte vergleicht an dieser Stelle die Vernunftlehre und den Verstand mit den Stridden und dem wilden Maulesel. Um den Vergleich auch im Vokabular durchzuführen, wiederholt Lessing das Adjektivpaar, obwohl dadurch eine Erweiterung eintrat. Der für deutsche Leser wegen des fremden Milieus sehr anziehende Vergleich wird syntaktisch nodi näher gerückt. A u s l a s s u n g e n auf Grund eindeutiger Bezüge oder Füllsel verraten ein ständiges Eingehen des Übersetzers auf den Text. So konnte sich Lessing zwei Jahrhunderte später Huartes geographische Umschreibung für Skythien (que es una provincia que está debaxo del Septentrion) sparen (155). Wie aber sollte er den besugo (383) verdolmetschen, von dem Sobrinos Wörterbuch (Bd. 1, S. 82) nur zu berichten wußte: „Certain poisson que l'on pêche dans la mer d'Espagne"?222) Am nächsten sind wir dem intensiven Mitarbeiten Lessings bei den A b S c h w ä c h u n g e n der Vorlage. Der Übersetzer durfte nicht immer erwarten, mit der starken naiven Bildmetaphorik Huartes, die ihre Wurzeln in der Medizin und in den Naturwissenschaften hatte, auf Verständnis des Lesers zu stoßen, überraschende Vergleiche sind daher mit einem so zu reden oder gleichsam vorbereitend eingeleitet, um ihren Charakter zu kennzeichnen. Der Vergleich zwischen estómago und entendimiento (14) schließt damit ab, daß der Verstand stark wird durch das, was wir „so zu reden wieder kauen" (rumiar). Ebenso werden die menschlichen Fähigkeiten gleichsam befruchtet und gebohren (25). Neben dieser stilistischen Milderung laufen leichte inhaltliche Ausgleichungen, die besonders überholte wissenschaftliche Tatsachen abschwächen, die von Huarte zu prononciert geäußert waren. Daß der Same des rechten Testikels den Uterus völlig verbrennt, wird als ganz wie verbrennet übersetzt (408). Aber auch dem Faktum, weise Männer seien beim Geschlechtsakt ungeschickt, wird von Lessing mit einem nicht allzu geschickt (428) die 222) Ebenso unbestimmt bei L. F r a n c i o s i n i , Vocabolario Genevra 1706, S. 95: , V n pesce di mare di color rosso."

italiano,

e spagnolo.

Bd. 2,

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absolute Schärfe genommen. Ebenso erscheint ihm die Behauptung, schon im Mutterleib könnten Kinder vom weissagenden Furor befallen werden, eine Sache die man schwerlich leugnen wird statt der unbedingten N e g a tion (63). Und wenn Huarte meint, es gebe Kinder, die einen Nominativ erst in zwei oder drei Tagen lernten, substituiert Lessing den nominativo durch wenige Wörter (145). Schließlich sei schon auf die Verkleinerung der Zahlenhyperbolik hingewiesen. W o Huarte von einem Heer der cien mil des Quintus Fabius Maximus spricht, reduziert der Philologe auf wahrscheinlichere fünftausend Soldaten (279). Es sind alles Fälle, in denen Lessing im V o r w o r t „das Jahrhundert des Verfassers" zu bedenken gab. Man wird kaum von einer Verfälschung des Originals sprechen, sondern den bewußten Versuch eines möglichst g e d a n k e n t r e u e n sinnvollen Mitdenkens anerkennen. Originalnähe Scheinbar nur widerspricht die Feststellung der freieren Behandlung des spanischen Textes dem Befund der Originalnähe. Denn schon aus dem vorangegangenen Abschnitt sprach die intime Nachbarschaft des Übersetzers, die ihm diesen geistigen Spielraum erlaubte. Während Pitollet dort aber noch das Odium anderssprachiger Übersetzungen geltend machen konnte, wird er es bei den rund hundert spanischen Sätzen, Wörtern und Redensarten, die Lessing in seine Arbeit einfließen ließ, kaum können. Die Erwähnung fehlt daher bei dem Franzosen, um die tendenziösen Akzente nicht zu verschieben. W i r aber sind in der innersten Zelle der Werkstatt des Übersetzers angelangt. Welche Funktion erfüllen die s p a n i s c h e n Z i t a t e ? Bedeuten sie die Kapitulation des Nachschaffenden v o r der fremden Sprache? Sollen sie dem Leser einen Hauch des anderen Kolorits vermitteln? Um welche Begriffe handelt es sich? Allen voran stehen die sprichwörtlichen Wendungen: Eine besonders schwierige Stelle ergab sich im Hidalgo-Exkurs des 13. Kapitels, den schon Oudin in seine Grammatik übernommen hatte. W e n n Huarte explicite el refrán Castellano, que dize einführt, gibt Lessing erst den Sinnspruch auf spanisch: Cada uno es hijo de sus obras (304) und übersetzt dann „jeder ist der Sohn seiner W e r k e " . Das spanische Sprichwort, das im Deutschen keine Entsprechung hat, ist w e g e n der besonderen Introduktion belassen. Ebenso ist es mit einer anderen ausdrücklich gekennzeichneten Redensart: tirar gajes del Re y o ventajas. Das Äquivalent gibt Lessing ebenfalls in Klammern: „Gehalt oder andre Vortheile von dem Könige ziehen" (312). Schwieriger wird es bei der Phrase, mit der wir schon den lateinischen Übersetzer ringen sahen: hijo dalgo de devengar quinientos sueldos, según fuero de España y de solar conocido umschreibt eine Spezies der Hidalgos. Lessing konnte nicht auf den vollständigen Ausdruck verzichten (311), weil im folgenden, ausgehend von Antonio de Nebrija, die Etymologie untersucht wird 223 ). Eine deutsche Version erübrigt sich, weil sie aus der Wortdeutung 223) Dabei w i e d e r h o l t sich diesmal por fuero de España, w a s Lessing aber mit Hinblick auf das V o r i g e mit s e g un íuero de España notiert. D i e französische Ubersetzung Chappuis' (1613) w a r ihm da v o r a u s g e g a n g e n (S. 145).

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sichtbar wird. Wie hätte Lessing auch den langen Kommentar im Wörterbuch Sobrinos (Bd. 1, S. 289) komprimieren sollen? Diskutiert wurden zwei Theorien: 1. für erlittenes Unrecht 500 Sueldos empfangen, 2. historische Bezeichnung aus den Maurenkämpfen. Der zeitgenössische Leser konnte sich auf Grund des erhaltenen Urtextes seine eigenen Gedanken über die Etymologie von „vendicare — devengar" machen. Er war zur aktiven Kritik aufgerufen. Ähnlich ist es mit den Definitionstermini. Der Begriff der agudeza, den Caesar mit acumen ac subtilitas latinisierte, steht bei Lessing im Text, weil er gleich anschließend mit List, Falschheit, Verschlagenheit umrissen ist (112). Genauso bleibt der Maure, der sich durch Tapferkeit zum siebenfachen Sold hochgedient hat, ein mata-siete (299). Ob der Leser allerdings den Sinn Siebentöter erriet, bleibt zweifelhaft. Unausweichlich sind die Hispanismen bei den Wort- und Reimspielen. Die Konsonanzen eines phrenetischen Kranken konnte der Lateiner wegen der Sprachnähe noch realisieren, für den Deutschen bleibt nur der spanische Text, wobei der Leser sich durch lautes Lesen oder visuelle Probe von dem Sachverhalt überzeugen mußte: „Pues reniego de Dios por amor de vos, y de sancta Maria por amor de Mari garcia; y de S. Pedro por amor de Juan de Olmedo" (55). Ein sehr instruktives Beispiel ist die Vorstellung des letrado, den der Spanier als Kontraktion aus α letra dado für den Juristen in Anspruch nimmt. Da an diesem Fall der Unterschied zum Scrutinium Ingeniorum Joachim Caesars besonders frappant wird, folgt ein Vergleich: „La qual doctrina supuesta, es cosa muy clara, saber ya; porque razón el legista se llama letrado, y no los de mas hombres de letras: y es por ser a letra dado; que quiere dezir, hombre que no tiene libertad de opinar, conforme a su entendimiento; sino que por fuerça ha de seguir la composicion de la letra" (190 f.). „Qua praesupposita doctrina palàm fit, quare legista ita Υ.ΟΛ έξοχήν literatus appelletur, reliqui vero eruditi hoc nomine non veniant: quoniam nimirum quasi literae datus aut literae ipsi addictus esse debet; quod ejusmodi dénotât hominem, qui non habet libertatem opinandi, prout rectum ipsius videtur intellectui, sed qui necessario constructionem sive, ut alias loquimur, pedem literae sequi debet" (368 f.). „Diese Lehre vorausgesetzt, wird ein jeder die Ursache leicht einsehen können, warum ein Rechtsverständiger insbesondre ein Litteratus (letrado) genennet werde. Weil er nämlich a letra dado, das ist, dem Buchstaben ergeben seyn muß; weil es ihm nicht frey steht, eine Auslegung des Gesetzes nach seinem eignen Gutdünken anzunehmen, sondern weil er in allen dem ausdrücklichen Buchstaben folgen muß" (203).

Wendet man die Aufmerksamkeit auf die Sprachmischung in den Ubersetzungen, fällt schon auf den ersten Blick das spanische Element in der deutschen und das griechische in der lateinischen auf. Der Gräzismus — inhaltlich völlig überflüssig — im Sinne von „vorzugsweise" deutet nur auf das entscheidende Wort hin: literatus. Selbst die Huartesche Erklärung „a letra dado" ist latinisiert. Aber wie sorgfältig hat Caesar den Begriff umschrieben! Durch ein annäherndes quasi abgeschwächt, wird der eingliedrige Ausdruck durch nochmaliges literae ipsi addictus in sich erläutert. Es ist zweifelhaft, ob der 99

Leser noch das Wortspiel merkte: liter(ae d)atus. Diese Vorsicht, bei der Übersetzung jede Nuance zu verdeutlichen, wiederholt sich am Schluß. Die durch constructio bereits verdolmetschte composicion wird noch einmal mit pes literae amplifiziert. Dem quasi entsprechend zeigt diesmal ut alias loquimur das wägende Umschreiben Caesars. Ganz anders verfährt Lessing. Zwar deutet auch er die etymologische Verwandtschaft zu „Litteratus" an, aber schon in Parenthese wird der spanische Terminus eingeführt, der das nun Folgende sehr erleichtert. Nach der Auflösung α letra dado wird ohne Scheu die deutsche Übersetzung riskiert, die genau dem lateinischen literae ipsi addictus entspricht. Nur daß sie hier zur Erläuterung des spanischen Wortes unumgänglich ist, während Caesar seine eigene Redensart zu verdoppeln glaubte. Es ist dasselbe Streben nach sprachlicher Geschlossenheit, das den früheren Ubersetzer selbst die spanischen Namen auf seine Sprachebene transponieren ließ. Für Lessing dagegen bestand kein Grund mehr, „Santscho" zu schreiben, wo doch der Name als Gefährte Don Quijotes allgemein bekannt war. Es wäre sogar irreführend gewesen, hätte er von der „Diana" des „Größerer Berg" gesprochen, wie Caesar in „Majoris montani" zerlegte. Montemayors Schäferroman war längst zu einem europäischen Begriff geworden und auch in Deutschland durch die Übersetzungen Kuffsteins, Barths und Harsdörffers allgemein bekannt. Für den deutschen Übersetzer waren lediglich einige seltenere Stammesbezeichnungen neuzuschöpfen. Die Estremeños, Gallegos, Montañeses werden, nicht wie heute von den Landschaftsnamen abgeleitet, zu Estremengern, Gallegern, Montangesen (29), womit sie dem lautlichen Bild angeglichen bleiben. Vergeblich wird man in der Prüfung der Kopie nach weiterem spanischen Sprachgut suchen. Allein bei Sprichwörtern, Definitionen und Wortspielen sah der Übersetzer eine Symbiose der beiden Idiome für notwendig an. Als wissenschaftlichem Buch fehlt dem Werk bei innerem geistigen Impetus das äußere Ambiente, wie es die novela picaresca in reichem Maße aufweist. Hier hätte der Interpret beim übertragen anderer Volksbräuche sein Geschick zeigen müssen. Die Fachsprache dagegen ist allgegenwärtig. Und kommt einmal ein typisch spanischer gattungsgeschichtlicher Begriff aus der Poetik, wie die redondilla, behilft sich Lessing mit artigen Zeilen und Strophen (55). W a s hätte er auch dem terme de Poesie Espagnole Sobrinos (Bd. 1, S. 434) anderes entnehmen sollen? Jede weitschweifige exemplarische Erläuterung des vierzeiligen Achtsilbers würde den Rahmen gesprengt haben. Nächst den spanischen Wendungen schimmern an einer anderen Stelle Stilund Formzwang 224 ) der Vorlage durch: in der Verwendung der F r e m d w ö r t e r . Während sich der Übersetzer aber bei den ersten bewußt zu ihrem Gebrauch entschloß, handelt es sich bei den Fremdwörtern zum Teil um unbewußte Abfärbung des spanischen Textes, die aber nicht weniger beredtes Zeugnis von der Originalnähe ablegt. In der folgenden Auswahl sind außerdem alle Wörter ausgesondert, die in der französischen und latei224) Andere übereinstimmende Kategorien, w i e Kasusnähe, sind der Einheitlichkeit w e g e n ausgeklammert. Der Plural entendimientos ist z. B. häufiger als Verstände wiedergegeben (S. 98, 220 u. ö.).

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nischen Übersetzung eine Entsprechung finden. Dadurch soll die Dichte der Vorlage noch unanfechtbarer erscheinen. Zwei Arten kristallisieren sich heraus: Fremdwörter eigener Prägung und Bildungen auf Grund des spanischen Musters. Zur ersten Gattung gehören ζ. B. geläutige Convulsionen (446), formiren (379), übel temperirt (436), oder als steuertechnischer Ausdruck einroliiren (303) für spanisches empadronar, das sich auf das Verhältnis des Staates zu den Hidalgos bezieht. Die andere Gruppe bewahrt Proiession (382, für proiession), kuriren (234 u. ö., curar), Medicus (Vorwort, Medico), organisiren (5, organizar), topisch (31, tópico), Figur, (32, figura). Von selteneren Bildungen Cur (57, cura), Accidens (101, accidente), Komplexion (195, complexion), votiren (225, votar), war im Flor (233, ilorescio), animalische Vermögenheit (67, facultad animal). Es heißt immer blanker Wein für vino blanco statt Weißwein (398, 399, 416 u. ö.). Die Exorcisten dagegen (62, exorcistas) wird Lessing als kirchengeschichtlichen terminus technicus für die Austreibung böser Geister gelassen haben. Zur Aufgabe des Fremdwortes vergleiche man dieses Beispiel, in dem vom gemeinen Soldaten die Rede ist: „Alles was ihm zukömmt ist dieses, daß er seinen Platz bis auf dem letzten Blutstropfen vertheidige, wann er sich nicht infam machen will" (298). Als Übernahme von spanisch infame reflektiert das Fremdwort vorzüglich den pejorativen Sinn225). Das Tadelnde verbindet sich mit der lateinischen Bedeutung, die Ruhm u n d Ehre vereint. Der zweite Bearbeiter Ebert versucht die Auflösung wenn er nicht seiner Pflicht und Ehre zuwider handeln will" (362). Der Unterschied sticht sofort in die Augen. Obwohl die Doppelung lateinisch fama zu umschreiben strebt, sind Brisanz und Schärfe des infam verharmlost. Der Wortwahl Lessings kommt hier eine echte und bewußte Bedeutung zu. Am Schluß seiner Textsammlung der frühen Ubersetzungen Lessings aus dem Französischen hat Erich S c h m i d t ein umfangreiches Verzeichnis der von Lessing verdeutschten Fremdwörter aufgestellt226). Daraus leitet er auch später eine puristische Neigung oder „Fremdwörterhatz"227) für den jungen Lessing ab. Schon Dunger228) hat betont, daß man sich vor einem groben Urteil der mühsamen Feststellung unterziehen müsse, welche fremden Ausdrücke damals noch nicht in dem Maße eingebürgert waren wie heutzutage. Selbst wenn man den langen Fremdwörterkatalog in der Prüfung der Köpfe mit den Verdeutschungen229) in Relation setzt, wird man von Schmidts Behauptung erheblich abtreten müssen. Von einer Animosität Lessings auf diesem Gebiet kann keine Rede sein. Sogar in seinen zweiten Fassungen zeigt er sich hierin später sehr tolerant. Für die Frequenz in dieser Übersetzung kann außer dem optischen Vorbild noch ein Argument in Frage kommen: Im allgemeinen zieht Lessing lateinische Fremdwörter den französischen vor 230 ). 225) Das Wort ist aus der Gerichtssprache schon um 1700 allgemein bekannt. H. S c h u l z , Deutsches Fremdwörterbuch, Bd. 1, Straßburg 1913, S. 291. 226) S c h m i d t , Lessings Übersetzungen, S. 269—273. 227) S c h m i d t , Lessing, Bd. 2, S. 506. 228) H. D u η g e r , Der junge Lessing und die Fremdwörter, in: Zts. des allg. dis. Sprachvereins 8 (1893) 54 f. 229) Ζ. B. Untüditige und Zwitter für Eunuchen und Hermaphroditen (45), Nennwort und Zeitwort für Substantiv und Verb (160). 230) D u η g e r , ebda., S. 54.

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ec) Emphase Es kann bei der vorliegenden Analyse nicht ausbleiben, daß sich verschiedene Kategorien überschneiden. Denn noch weniger als die Sprache läßt sich der persönliche Stil eines Menschen rubrizieren. Die Einteilung umfaßt nur das Schwergewicht einer Erscheinung. So begegneten wir Elementen der Gravitas schon bei der Behandlung des Satzbaus. Wenn Lessing Adjektive oder Adverbien zu einem Nebensatz auflöst, liegt darin ein ebenso starker Ausdruckswille wie in dem gravierenden „sage ich" nach langem Periodenfluß. Ein Phänomen, das aber hauptsächlich zur stilistischen Eindringlichkeit beiträgt, sind die r h e t o r i s c h e n F i g u r e n . Denn ob sie, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, als Gedanke oder Wort den Text verbinden, dienen sie immer der Erhöhung der Rede, Hervorhebung einzelner Teile oder Schmuck der Aussage. Die Lessingsche Übersetzung ist wie die schlichte wissenschaftliche Prosa Huartes arm an quantitativer Breite der Figuren. Möglichkeiten zum Chiasmus, wie sie die häufigen Doppelungen nahelegen, sind ebensowenig wie bei Joachim Caesar genutzt. Registrieren wir die Aufzählungen, treten die A n a p h e r n und Κ 1 i m a χ e besonders einprägsam hervor. Im Vorwort an den Leser spricht Huarte von den Hlósolos antiguos: „ K e i n e r von ihnen aber hat es deutlich zu erklären gewußt, was das für eine Natur sey die den Menschen zu einer Wissenschaft fähig . . . macht. K e i n e r hat es bestimmt wie viel Verschiedenheiten des Genies in dem menschlichen Geschlecht anzutreffen sind . . . K e i n e r . . . hat uns die Merkmahle woran man diese Verschiedenheiten erkennt, angegeben."

Spanisches Pero ninguno ... ni ... ni . . . ist wirkungsvoll durch den verneinten unbestimmten Artikel verstärkt. Anstatt der wörtlichen Übersetzung eines parallelen weder .. . noch nachzugeben, ist die Asyndese vorgezogen. Die Anaphern reflektieren auch stilistisch den Inhalt. Denn die Vorwürfe den antiken Philosophen gegenüber heben die Einzigartigkeit Huartes hervor. Seine singulare Stellung gewinnt er aus der Abgrenzung zur Tradition. Er, Juan Huarte, wird in diesem Buch zum ersten Male erklären, welche Natur den Menschen zu nur einer Wissenschaft befähigt, wieviele Begabungsdifferenzen es gibt und wie man sie unterscheidet. Die Gradation ist sogar durch eine Doppelklimax vertreten, Die Rede ist von der kurzen Dauer der Kindheit, die bei einigen mit zwölf Jahren ende: „Sie fangen z e i t i g an ihre Vernunft zu brauchen, der Bart schießt ihnen z e i t i g e r hervor und z e i t i g e r verliert sich ihre Einbildungskraft, so daß . . . (15).

Der Spanier reihte die Glieder in gemächlicher Polysyndese: comiençan luego a raciocinar y nacerles la barba, y durales muy poco el ingenio: y a . . . (14). Lessing rückt die Akkumulation zusammen und ordnet den Satz unter. Die Steigerung bereitet auf die konsekutive Fortsetzung des Satzes vor. Die pubertale Akzeleration wird dem Leser mit rhetorischen Mitteln besonders betont eingängig gemacht. Tritt die höchste Vergleichsstufe der Klimax als Superlativ oder Elativ getrennt auf, kann man von W o r t h y p e r b o l i k sprechen. Wenn das Genie sowohl die deutlichsten als dunckelsten, sowohl die leichtesten als 102

schwersten Regeln (86) fassen kann, werden durch diese Verabsolutierung spanische reglas ... claras, escuras,· faciles, y diftìcultosas (82) kräftig unterliniert. Für einen angehenden Arzt genügt es, wenn er die Schriften der vernünftigsten und erfahrensten Aerzte die vor ihm gelebt haben lieset... (245). Im engeren Sinne bedeutet die superlativische Auslese gegenüber den medicos racionales y experimentados (Grundstufe) Huartes eine inhaltliche Veränderung. Durch die Meistform ist der Satz aber ungleich zugespitzter und pointierter geworden. Der Gedanke bleibt wegen seiner formalen Anschaulichkeit besser im Gedächtnis haften. Die gleiche Wirkung geht von substantivischen Z w i l l i n g s f o r m e l n aus, die Lessing sicher unbewußt in die Feder flössen. Alliterierendes Kayser und Könige tritt für Emperadores (200) ein, synonymes Lumpen und Hadern verstärkt sichtbar spanisches handrajos (219). Besonders geläufig war Lessing die Reimformel Handel und Wandel. Zweimal tritt sie für comprar y vender ein und bezeichnet sehr prägnant das fließende Geben und Nehmen der Waren (149, 293). Auf keine der rhetorischen Figuren in der Prüfung der Köpfe stößt man so häufig wie auf die Litotes. Als verstärkte Hervorhebung eines Begriffs durch Verneinung des Gegenteils ist dieser Tropos wie prädestiniert für die Emphase des Stils. Wenn der Spanier muy, mucho oder einen Superlativ setzt, läßt sich vor allem wirkungsvoll antiphrasieren: „Und gewiß, sie haben nicht Unrecht" (14) — y tienen muy gran razón (13) „unleugbare Begebenheiten (57) — historias muy verdaderas „Es gibt nicht wenige" (20) — muchos (19) „kein größeres Vergnügen" (357) — uno de los mayores contentos (330)

(54)

Die zahlreichen überzeugungskräftigen claro, cierto, natural, evidente den gern durch unwidersprechlich negiert:

wer-

„Der allerunwidersprechlichste Beweis (198) — la señal mas evidente (186)

Einmal allerdings schlägt eine Litotes durch erneute Verneinung in ihr Gegenteil um: Esta variedad de ingenios cierto es, que nace del anima racional, . . . (26) „Daß diese Verschiedenheit des Genies n i c h t von der vernünftigen Seele herrührt ist unwidersprechlich, . . . " (27).

Der positive Sinn des spanischen Satzes ist durch das nicht verfälscht, denn unwidersprechlich enthält schon eine Doppelnegation. Wahrscheinlich wollte Lessing nach nicht fortfahren: . . . kann keiner behaupten, um den affirmativen Charakter stärker zu betonen. Sehr selten findet sich die umgekehrte Erscheinung, wobei Lessing spanische Litotes nun seinerseits bejahend verdolmetscht: Jeder Dieb -wünscht so zu stehen, daß er weder ergriffen noch gesehen w e r d e , . . . (282) — Ningún ladrón ay que no . . . (262)

In diesem Fall wird die verlorene Eindringlichkeit durch spätere erneute Metapher jeder Feldherr kompensiert, so daß auch der Stilakzent erhalten bleibt. 103

Die Sachwörterbücher 231 ) zählen zur E m p h a s e eine große Anzahl weiterer Stilfiguren auf: Anaklasis, Antistasis, Diaphora, verblümte Redeweise. Dabei wird meist die konzentrierende Funktion des F r a g e z e i c h e n s übersehen. Huarte beginnt einen Absatz: Qual sea el buen orden de naturaleza, para este electo, es tener el anima vegetativa buen temperamento (43).

Diese nüchterne Aussage wird bei Lessing: „Worinne besteht aber die gute Verbindung der zu dieser Absicht bestimmten natürlichen Ursachen? In nichts anders als in dem guten Temperament der vegetativischen Seele" (45).

Nach einer langen zitatereichen Deduktion unterbricht die Interrogativstellung den Gedankenfluß. Lessing läßt den Autoren sich der denkenden Mitarbeit seiner Leser vergewissern. Die Einfalle werden wie in einem Brennpunkt neu geordnet und gesammelt. Die Pause entspannt und gibt Zeit zur aufgeforderten Überlegung. Ob das Gegenüber die Frage für sich beantwortet hat oder nach einer Weile weiterliest: Mit Explosivkraft wird die Lösung in den Raum geschossen. Erwartung und Spannung sind durch gekonnte Aufstauung gesteigert. Erwartet der Redner keine Erwiderung und stellt seine These nur zum Nachdenken hin, wählt er die Form der rhetorischen Frage: „Ist es denn dem Mahler welcher mit einem guten und zu seiner Kunst geschickten Pinsel wohl zu mahlen weiß, zur Last zu legen wenn er mit einem schlechten Pinsel auch schlechte Arbeit macht? (118).

Die Problemstellung richtet sich unmittelbar an die andere Person. Der Leser wird aktiver Beteiligter. Durch den Tonfall ist die negative Antwort meisterhaft suggeriert. Der Sachverhalt wird noch lange nachklingen. Die persönliche Vorstellung geht bei Lessing so weit, daß er sogar eine indirekte Frage mit dem Fragezeichen abschließt: „Von gleichem Innhalte ist die Antwort die e r . . . auf die Frage: warum die Einwohner in heissen Ländern... sinnreicher und weiser wären als die Einwohner in kalten Ländern? ertheilet" (74).

Diese sokratische Methode, durch berechnetes Fragen den Leser zu aktivieren und ihn am Gedankengang teilnehmen zu lassen, verlebendigt die sachliche Prosa Huartes, ohne den Inhalt zu berühren. Nach einer Parallele Erich Schmidts232) könnte man diesen Kunstgriff als P l ä d o y e r - S t i l bezeichnen. Der Autor bzw. Lessing führt den Prozeß für die wissenschaftliche Wahrheit: Der Leser ist der Schöffe; ein anonymer Opponent, der sich aus der Alternativfrage ergibt, der Advokat des Gegners. Der Leser-Schöffe muß, um später gerecht urteilen zu können, auf jeden Fall die Fragen mitdenken: welches die natürliche Ordnung der vegetativischen Seele sei, ob einem Maler ein schlechter Pinsel bei der Ausführung zur Last zu legen sei, warum die Bewohner heißer Länder klüger seien. Damit prägt sich ihm der Inhalt fest und nachdrücklich ein — ebenso wie bei den rhetorischen Figuren, mit 231) H. L a u s b e r g , Handbuch der literarischen Rhetorik, München 1960. G . v . W i l p e r t , Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 1955 (Kröners Taschenausgaben, Bd. 231). 232) S c h m i d t , Lessing, Bd. 2, S. 521.

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denen der Anwalt in seinem Plädoyer das hohe Gericht von der "Wahrheit überzeugen will. Variation Nur ein oberflächlicher Betrachter kann in der Abwandlung des Ausdrucks einen der Emphase entgegengesetzten Stiltrieb sehen. Der Konzentration des Nachdrucks scheint die zerstreuende Aufgliederung zu widerstreiten. Dabei kann Variation ebenso wie Monotonie ein Mittel der eindringlichen Schilderung sein. Die Extreme berühren sich. Die gleiche A u f z ä h l u n g , die der Übersetzer durch Anapher und Klimax verstärkt hat, variiert er ein andermal, um eine elegantere Diktion zu erreichen: „Man sieht d a h e r auch, daß so v i e l e sich a u s s e r Griechenland auf die G e l e h r s a m k e i t gelegt haben, w e n n sie Philosophen g e w e s e n sind, w e d e r dem Plato, noch dem A r i s t o t e l e s gleich g e k o m m e n ; sind sie A e r z t e gewesen, so sind sie weit u n t e r einem H i p p o k r a t e s und Galenus geblieben; sind sie R e d n e r g e w e s e n , so h a b e n sie es k e i n e m Demosthenes gleich g e t h a n ; und sind sie Dichter g e w e s e n , so h a t H o m e r immer noch einen unendlichen V o r z u g v o r ihnen b e h a l t e n " (329 f.). Y assi v e e m o s que quantos n a c e n , y estudian fuera de Grecia, si son Philosophos, ninguno llega a Platon, y A r i s t o t e l e s ; si medicos, a H i p p o c r a t e s , y G a l e n o ; si oradores, a Demosthenes; si poetas, a H o m e r u s : (304).

Die scharf antithetische Gegenüberstellung Huartes ist von Lessing durch die Einsetzung neuer Verbformen für jedes Glied gemildert. Wo das Spanische sich mit einem ¡legar begnügt, hat Lessing die vier Vergleiche mit gleichkommen, weit . .. unter ... bleiben, gleichtun, Vorzug behalten abgestuft. Die Ellipse ist entziffert. Man braucht darin keine Ohnmacht vor der spanischen Brevitas und Prägnanz zu sehen233), denn der Satz ist in der gleichen Schärfe ohne Schwierigkeiten auch wörtlich wiederzugeben, sondern wird das Bemühen des Autors um eine harmonische, klare Sprachform suchen, die alle Satzteile vielseitig und farbig ausdeutet. Diese Wortvariation, die nolens volens eine breitere Diktion im Gefolge hat, ließe sich bei anderen Reihungen belegen. Doch wird ein in seiner Simplizität sehr einleuchtendes Beispiel denselben Tatbestand stützen. Im sechsten Kapitel widerlegt Huarte eine Reihe von Einwänden gegen seine Lehre234), deren Einleitungsfloskel bei ihm (S. 93—109) und bei Lessing (S. 98—114) jeweils lautet: A Al AI A Al Al A Al Al A

la primera duda segundo argumento tercero argumento la quarta duda quinto argumento sexto argumento la séptima dilticultad octavo argumento noveno argumento 1a ultima duda

principal principal principal principal principal principal principal principal principal principal

se se se se se se se se se se

responde responde responde responde responde responde responde responde responde responde

233) R h e i n f e l d e r , Der junge Lessing, S. 321. 234) Man sieht audi hier eine innere Affinität zum Plädoyer-Stil Lessings. 105

Auf den ersten Hauptzweifel unterdessen kann man folgendes antworten Der andre Einwurf läßt sich folgender Gestalt beantworten Auf den dritten Zweifel antworte idi Auf den vierten Einwurf antworte idi folgender Gestalt Idi komme auf den fünften Einwurf auf welchen ich folgendes antworte Die Antwort auf den sechsten Einwurf ist diese Der siebende Einwurf ist auf diese Art zu heben Dem achten Einwürfe gehe ich damit entgegen Auf den neunten Einwurf antworte ich Auf den letzten Zweifel endlich habe ich dieses zu antworten

Bereits aus diesem optischen Überblick geht das schematische Handeln des Spaniers hervor. Das grammatische Subjekt und das finite Verb verändern sich nicht. Die A u s s a g e dient allein der Sache. W i e v i e l anders dagegen Lessing I Stellt man eine Tabelle der Varianten zusammen, ergibt sich:

Subjekt

duda argumento diífícultad (se)

Verb

se

präposit. Ausdrude

responde

Hauptzweifel Einwurf Zweifel man, es, idi Einwurf kann antworten läßt sich antworten antworten Antwort ist ist zu heben gehe entgegen habe zu antworten

Während sich anfangs beide Texte in der Wortwahl noch die W a a g e halten, ist in der Ubersetzung die Auslese für das stereotype se responde in beträchtlich größerer Breite getroffen. Allein sechsmal bekennt sich bei Lessing der Spanier mit ich zu seinen Behauptungen. Die Objektivität ist durchbrochen; die Personifikation verleiht Nachdruck. Einmal erscheint spanisches argumento sogar als Subjekt im Deutschen. A m reichsten sind die Verbalausdrücke variiert, wobei selbst das nüchterne antworten zugunsten bilderreicher Sprache zurücktritt: „Der Einwurf ist zu heben." „Dem Einwürfe gehe ich entgegen." Vergleichen wir die Konstruktion: ein schlichter Hauptsatz bei Huarte; Lessing dagegen hat sich nicht mit dem Doppelpunkt begnügt. Folgendes, folgender Gestalt, diese, diese Art, damit weisen auf das Zukünftige und wecken Spannung. Beim fünften Beispiel sind Haupt- und Nebensatz entstanden. Der achte Einwurf ist mit dem folgenden Inhalt hypotaktisch verknüpft. Kehren wir zum Ausgangspunkt zurück, wird deutlich, daß es Lessing durchaus nicht nur auf Inhaltswiedergabe, sondern auch auf die abwechselnde Erzählform ankam. Eine Ubersetzung war ihm mehr als eine anonyme Schreibarbeit. Sie mußte auch als Visitenkarte des eigenen Stils Wertgeltung haben. Für Satzbau und Wortwahl gibt es kein übersetzungssdiema. Der Kontext wandelt jeden Gedanken. Nach der A n a l y s e größerer Einheiten soll dieses Prinzip an dem einfachsten sprachlichen Bedeutungsträger, dem i s o l i e r t e n W o r t , kurz aufgezeigt werden. Die Vokabel temperamento gibt das Wörterbuch Sobrinos 106

(Bd. 1, S. 485) allein mit temperament Lessing umfaßt dagegen: Temperament, Bau Theile Mischung Temperatur Einrichtung Beschaffenheit,

wieder. Die nuancierende Skala bei

das die Seelenarten zur Weisheit brauchen (40) zu den Fähigkeiten der Seele (39) der Lebensgeister und der Arterien (41) der Hauptbeschaffenheiten der Natur (40) in der Seelensubstanz (39) des Gehirns (47) welche die Lebensgeister annehmen (40)

Neben die substantivischen Varianten treten adjektivische und verbale Verwendung: Plato sagt, was den Menschen scharfsinnig mache, sei la blandura y buen temperamento del coraçon — „ein weiches und z a r t e s Herz" (41). Der Beschaffenheit entspricht das Beiwort, das im folgenden Fall mit der Kopula das Verb bildet: „wenn der menschliche Saamen nicht b e s c h a f f e n ist wie er seyn soll, . . . " (45). Der Übersetzer hält sich an keine Standardwendung. Er paßt sich chamäleonartig der jeweiligen Satzumgebung an und sucht nur den Sinngehalt wiederzugeben. Sein Ziel ist die Gedankentreue. Schon D u η g e r stellt für die französischen Ubersetzungen Lessings Wortketten fest235). Lessing war sich des Aufsehens, das er mit seinen Bedeutungsabwandlungen erregen konnte, voll bewußt. Eine Fußnote in einer anderen Übersetzung 238 ) begründet und verteidigt das Verfahren: „Durch dieses Wort habe ich das Französische Contraste übersetzen wollen. Wer es besser zu übersetzen weis, wird mir einen Gefallen thun, wann er mich es lehret. Nur daß er nicht glaubt, es sey durch G e g e n s a t z zu geben. Ich habe A b s t e c h u n g deswegen gewählt, weil es von den Farben hergenommen und also eben so wohl ein mahlerisches Kunstwort ist, als das französische. U e b (ersetzer)."

ed) Stilebenen Ein nicht geringer Reiz und Erfolgsfaktor des Examen de Ingenios liegt in der wohlabgewogenen Mischung zwischen dem belehrenden genus tenue und dem unterhaltenden genus medium. Nach langen scharfsinnigen Gedankenzügen stößt der Leser auf eine lebendig ausgeführte Anekdote oder auch auf ein Eigenerlebnis Huartes, welche die Theorie bestätigen und gleichzeitig zur Entspannung beitragen. Wenn man unter Popularphilosophie die Zielrichtung wissenschaftlicher Gedanken auf einen praktischen Zweck ohne den verflachenden Beigeschmack versteht, gehört das Werk Huartes in die vorderste Linie. Wie bewegt sich der Übersetzer im Wissenschafts- und Gesprächsstil? Sieht er die Unterschiede, oder hält er überall eine gleiche Stillage? Als typischer Bestandteil darstellender w i s s e n s c h a f t l i c h e r P r o s a begegnete uns schon die Hypotaxe, die den Satz straffend in ein logisches Gefälle zwingt. Sieht man von diesem Eingriff in die innerste Struktur der Periode 235) D u η g e r , De r ¡unge Lessing, S. 54: mémoires = Denkwürdigkeiten, Gesdiiciitbiidier, Aufsatz, geschriebene Aufsätze, aufgesetzt« Nachrichten. 236) Theatralische Bibliothek, 1. Stiick, Abhandlungen von dem weinerlichen oder rühren den Lustspiele, 1754 (LM VI, 12).

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ab, liegt die häufige Verwendung substantivischer Konstruktionen und Zusammenziehungen im Wesen theoretischer Objektivität: „Y assi lo veemos por experiencia, que si a un mochacho de estos le damos que aprenda un nominativo de memoria, no lo tomara en dos ni tres dias: y si es un pliego, de papel escrito en metro, para representar alguna comedia, a dos bueltas que le de, se le fixa en la cabeça. Estos se pierden por leer en libros de cavallerias, ..." (136). „Die Erfahrung lehrt es, daß Knaben von dieser Art in Auswendiglernung weniger Wörter wohl zwey bis drey Tage zubringen, und hingegen nach dem zweyten Ueberlesen mehr als einen Bogen im Kopfe haben, wann es etwas in Versen ist, zum Exempel eine Komödie. Sie verbringen ihre Zeit mit Lesung der Ritterbücher ..." (145).

Obwohl das Verhältnis Substantiv—Verb bei dem Spanier schon mit 1 3 : 8 als N o m i n a l s t i l gelten kann, ist bei Lessing die Substantivierung erheblich mit 15 :5 erweitert. Allein mit dem kontrahierten Hauptwort Auswendiglernung werden zwei spanische Verben, damos que aprenda ... de memoria erfaßt. Die Ergänzung „zum Exempel" verstärkt die theoretischpraktische Nomenklatur. Als viertes substantiviertes Verbalabstraktum tritt Lesung für spanischen präpositionalen Infinitiv (por leer) ein. Drei dieser Substantive enden auf die verallgemeinernde Ableitung -ung, die an anderen Stellen durch -heit, -keit, -/ä/-Abstrakta ersetzt ist. Lessing hat die Verben gegenüber den Substantiven in den Hintergrund gerückt und dadurch noch größere Begrifflichkeit erreicht. Einem anderen Gesetz als der objektiv referierenden Prosa unterliegt der G e s p r ä c h s s t i l . Der Autor wird sich je nach seiner Vorstellungs- und Fabulierkraft nicht nur in den Charakter eines Pagen, Arztes, Priesters oder Königs einzufühlen haben, sondern auch das gegenseitige Spiel der Dialogpartner möglichst wahr einhalten, um durch Übereinstimmung von Wort und Person zu überzeugen. Sind damit schon an den Verfasser hohe Anforderungen gestellt, steht der Übersetzer aus einer fremden Sprache vor der schier unlösbaren Aufgabe, den Stil der Epoche, den Habitus der Konversation, die Gesten der Teilnehmer, ohne lächerlich zu wirken, gleichbeseelt zu übertragen. Besonders wenn der Dolmetscher die Sprache nur aus Grammatiken und Wörterbüchern kennt, wenn er ihren Klang nie gehört und das Land nie bereist hat, steht er vor einer Ausweglosigkeit. Alle diese ungünstigen Prämissen treffen für Lessing zu. Ihm bleibt nur die Möglichkeit, den Geist des vollständigen Gesprächs auf sich wirken zu lassen und danach die Einzeläußerungen abzustufen. Drei Partien werden im Auszug an entscheidenden Stellen wiedergegeben. Jedesmal setzt die Aussage bei der delikaten Anrede ein. Obwohl es Zwiegespräche sind, spricht bei der Dank- und Leichenrede nur eine Person. 1. Dankrede Während der Genesung des wahnsinnigen Pagen, den Lessing schon in der Vorrede vorstellte, kommt der Arzt auf Besuch, um sich des Lobes und der Belohnung für seine Künste zu vergewissern. Stattdessen beklagt der Herr, daß mit der Heilung die klugen Aussprüche des Pagen aufgehört hätten. Darauf erwartet der Doktor wenigstens Dank von seinem Patienten. Dessen Gratulatio hebt an: 108

„Señor Doctor, yo os beso las manos por tan gran merced como me aveys hedió, en averme vuelto my juyzio: pero os doy mi palabra, a fee de quien soy que en alguna manera me pesa de aver sanado:" (54). „mein Herr Arzt, ich danke ihnen, daß sie haben wollen so gütig seyn, mir zu meinem gesunden Verstände zu verhelfen. Einigermassen aber, ich versichere sie es heilig, verdrießt es midi, daß ich wieder gesund bin" (57).

Der spanische Teil ist in ausgesuchten Worten abgefaßt: beso las manos, gran merced, a íee de quien soy. Dabei hat Lessing richtig die floskelhafte Wirkung von beso las manos erkannt 237 ). Dafür ist die Anrede durch das Possessivpronomen devot und warmherzig zugleich gestaltet. Die Dankbarkeit hebt Schranken. Darauf wird in stilisierter Kunstprosa die gran merced aufgewogen. Die Inversion, die Doppelinfinitive, treffen genau den Charakter der Situation. Dann setzt die Schwurformel des Pagen ein: beim Spanier zweifach verstärkt, während Lessing an lee mit heilig anknüpft. Alle erwarten eine neue überschwenglichkeit — da trifft der zweite Tadel den Doktoren, mit dem wir schon vorher als mit dem armen Arzt sympathisieren. Dank und Absage sind antithetisch konfrontiert. Lessing ist dem gehobenen Stil Huartes mit der umständlichen Dankesverbeugung seiner Zeit sicher gefolgt 238 ). 2. Leichenrede Eine Haupteigenschaft des Redners ist ein gutes Gedächtnis. Während die Studenten in Alcalá de Henares dem hervorragendsten spanischen Humanisten seiner Zeit, Antonio de Ν e b r i j a , im hohen Alter das Ablesen vom Blatt verziehen, hatte der Kanzelprediger bei dessen laudatio funebris diese Gnade nicht zu gewärtigen. Trotzdem mußte er wegen zu kurzer Vorbereitungszeit das Konzept benutzen: Suplico a vuestras poca memoria

mercedes

lo oygan con paciencia,

γ me perdonen

la

(166).

„Ich ersuche also meine hochzuehrenden Zuhörer mir ihre Aufmerksamkeit geduldig zu gönnen und midi wegen meines schwachen Gedächtnisses entschuldigt zu halten" (176).

Der peinlichen Lage des Priesters entspricht das intensivere suplicar, das nicht einfach mit bitten übersetzt werden kann, sondern besonders höflich ersuchen geworden ist. Die mercedes sind hier meine hochzuehrenden Zuhörer, die nicht geduldig hören (oygan), sondern wohlwollend ihre Aufmerksamkeit ... gönnen. Selbst perdonar hat seinen Literalsinn verzeihen abgegeben. Die Trauergäste werden ersucht, den Redner wegen seines schwachen Gedächtnisses entschuldigt zu halten. Jeder Ausdruck ist auf eine andere 237) Diese höfliche spanische Grandezza begeisterte später den Göttinger Professor D i e ζ e so sehr, daß er am 19. 9. 1773 an J. A. Ebert schrieb: „Die Spanier blieben noch immer meine Lieblinge; auch Ihre Sprache ist so schön, harmonisch, fein. Klingt das nicht besser, wenn ich sage V. M. me ponga a los Piès de la Señora, als wenn ich auf gut deutsch sage: Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlin" (Unveröff. Manuskript der Herzog-August-Bibliothek, Wolfenbüttel). 238) Zum Konversationston: M e n a n t e s (d. i. Christian Friedrich Hunold), Die beste Manier in honnéter Conversation sich höiüch und behutsam aulzuiühren, und in kluger Conduite zu leben, Hamburg 1713. A. M o r a t o r i , Bequemes Correspondes- und ConversationsLexicon, worinnen die meisten irembden Wörter und Redens-Arten, welche bey der Handlung . . . eingelühret sind, . . . erkläret und nebst andern nützlichen Sachen abgehandelt werden, Nürnberg 1727.

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Ebene transponiert. Es ist keine Täuschung, wenn man Lessing in diesem Fall die größere Sensibilität zuspricht. Das Spanische gab den T o n an, die deutsche Sprache macht alle Schwingungen mit. Der Gefühlswert der W ö r t e r , den kein Dictionnaire vermittelt, ist instinktsicher getroffen. 3. Dialog A u s geschichtlichen Kausalzusammenhängen hat Huarte die überragende Kapazität der jüdischen Ä r z t e dargelegt. Sogar König Franz I. v o n Frankreich w o l l t e nur v o n ihnen behandelt werden. Die Entdeckung eines christlichen Arztes, den er für einen Juden gehalten hatte, begann mit der Frage, ob er es nicht einmal leid sei, auf den im Gesetze versprochenen Messias zu hoffen. (Medico)

Señor yo no espero al Mexias prometido en la ley Iudayca. . . .

(Rey) (Medico)

luego vos Christiano soys? Señor si, por la gracia de Dios.

(Rey)

pues volveos en ora buena a vuestra tierra (231 f.).

Der Arzt.

Idi, Sire? Ich hoffe auf keinen Meßias der in dem jüdischen Gesetze versprochen wird. . . . Der König. Ihr seyd also ein Christ? Der Arzt.

Sire; Gott sey Dank, das bin ich.

Der König.

So? Kehrt nur also, so bald wie möglich, in euer Vaterland wieder zurück (249).

Der A r z t ist durch die Frage nach der jüdischen Messiaserwartung höchst überrascht und zugleich leicht schockiert. Lessing hat die erste Gegenwirkung vorangestellt. Seine vergewissernde Rückfrage beruht auf engstem Miterleben der Situation. Die Anrede ist dem M i l i e u angeschlossen 239 ). Die entschiedene Ablehnung setzt den K ö n i g in Erstaunen. Schrittweise vollzieht sich die Entlarvung des Arztes. Das v o l l e Eingeständnis beschleunigt die Entwicklung. Die Reaktion des Herrschers ist im Spanischen ein mildes nun gut, bei Lessing entfährt dem König ein fragendes So? Er kann es noch gar nicht glauben. Feststellung, Resignation, Überlegung zum Entschluß sammeln sich darin. Die Szene hat durch die unwillkürlichen Ausrufe menschlich dramatische A k z e n t e erhalten. Die Begabung des Übersetzers auf diesem Gebiet ist offenbar. O b der Page, der Prediger, der A r z t oder der K ö n i g sprechen, jedesmal hat er sich den Adressaten und sein A n l i e g e n plastisch vorgestellt. Der Redeton wechselt, die innere Emotion w i r d verstärkt, man glaubt, auf Grund der W o r t e das Mienenspiel der Teilnehmer erraten zu können. Die Übertragung ist kongenial gelungen. W i r stehen v o r einem Höhepunkt der Lessingschen Ubersetzungskunst. Wortschatz W e n n unter dieser Uberschrift Aprosdoketa, auffällige stilistische Wendung e n und Pointen, v e r e i n i g t sind, mag die Konzentration auf den ersten Blick 239) Bei dem Gespräch Karls V. mit dem Dr. Suárez von Toledo (S. 300—303) scheint „Sire" allerdings eine Parallele zur Titulierung Friedrichs des Großen zu sein. Man vergleiche in Schillers Don Carlos (1787) das an Philipp II. gerichtete, vom Volksmund erweiterte, „ S i r e , geben Sie Gedankenfreiheit!" des Marquis de Posa.

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überraschend erscheinen. Im Verhältnis zum Gesamtwerk handelt es sich aber nur um verstreute Punkte, die an dem allgemeinen Eindruck eines noch heute in jeder Phase klar verständlichen Textes nichts ändern. Nominalstil wurde als Hauptindiz der wissenschaftlichen Prosa festgestellt. Der Verdacht könnte naheliegen, Lessing habe dem Substantivstil der spanischen Vorlage durch Neubildungen, wie die schon registrierte Auswendiglernung, folgen wollen240). Zwar stößt der Leser häufiger auf Ver fahrungen und Vergleichung, auf ähnliche Kompositionen jedoch nur beiHinundwiederreden (57, muchas cosas que avian tratado) und Unter einander mengung (70, mezclando). Auch der philosophische Inhalt schimmert nur bei einigen wenigen Stellen durch, an denen Lessing die scholastischen Termini lateinisch stehen läßt: „actualiter und potentialiter (99, 131) — acto y potencia, causa materialis (202, 256) — causa material, Schluß in Darii (242) — silogismo en darii." Dagegen ist ein Zug zur A n s c h a u l i c h k e i t zu unterstreichen, der auch vor kräftigeren Farben nicht zurückschreckt. In einem Haus sin moradores können sich Diebe und Mörder verstecken (122) Ein Stilist ist aufgeblasen (151, hinchado), das Sprichwort mahlet ab (153). Für Ärzte, welche die bittersten Tränen weinen, wird das Mitleid verstärkt. Belebend wirken kosmische Vergleiche wie ein sonnenklarer Ausspruch (226) und Genies, die himmelweit voneinander verschieden sind (317). Eine abgeleitete Neuschöpfung ist knickerig, obwohl das Substantiv seit Luther bekannt war 24 '). Als Euphemismen für sterben bzw. töten treten abfahren (15) und in die Grube schicken (244) ein242). Die letzte biblische Redensart gilt noch bei Adelung als ungewöhnlich 243 ). Der Gottsched-Günstling Freiherr von S c h o e n a i c h verspottete Klopstock, der geschrieben hatte: „Jeder G e d a n k e von dir (der Seele) der Ewigkeit würdig E n t s c h w i n g sich der G r u b e , wie du." „Die ganze Seele stack auch in der G r u b e , ehe sie S e h r a f f K l o p s t o c k begeisterte"" 4 ).

Genau in diesem ironisierenden Sinne, der in der hohen Dichtung des Seraphs Klopstock nicht opportun war, paßte der Ausdruck Lessing in das Konzept. Der Absatz handelt von den Rezeptvorschriften der Ärzte: „Wann ein Mensch dieses bloß durch die Erfahrung lernen sollte, so müßte er wenigstens dreytausend Jahr leben und durch Versuchung der Arzneymittel, ehe er ihre Eigenschaften kennen lernte, eine unendliche Anzahl Menschen in die Grube schicken" (244). 240) Zu Lessings Schwäche für die -ung-Abstrakta S c h m i d t , Lessing, Bd. 2, S. 502. 241) F. K l u g e , Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin 18 1960, S. 381. 242) Vgl. L e s s i η g , Die alte Jungler (1748); Herr Dronte zur Jungfer Ohldin: .Und w o l l e n Sie denn in die G r u b e fahren, ohne das überirdische Vergnügen des Ehestandes geschmeckt zu haben?" (LM III, 203.) 243) A d e l u n g , Gramm.-krit. Wörterbuch, Bd. 2, Sp. 821. 244) Chr. O. Frhr. v. S c h o e n a i c h , Die ganze Aesthetik in einer NuB oder Neologisches Wörterbuch (1754). Berlin 1900 (Deutsche Literaturdenkmale, Nr. 70—81) S. 168.

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Der Gedanke wirkt in seiner irrealen Vorstellung humoristisch. Schlichtes spanisches matar als töten wäre zu ernst gewesen. Durch die makabre Floskel wird der Inhalt sofort charakterisiert. Dialekt- oder Z e i t g e b u n d e n e s ist sehr selten. Im verblümten Verstände (312) für metaphoricamente wird als Purismus zu werten sein. Statt vorletzter kennt Lessing auf dieser frühen Stufe nur letzter ohne einen, wie englisch last but one. Fachvokabular taucht auf mit Sprenkel für Vogelschlinge (110). Statt Apfelsine erscheint noch Pommeranze (33), da erst 1755 appelsina in Hamburg als Dialektwort bezeugt ist245). Um 1770 setzt sich diese Form auch im Mittel- und Oberdeutschen durch, weil Hamburg und Amsterdam die Hauptmärkte für Norddeutschland waren, während in Süddeutschland die Italiener damit handelten (Orange, Pomeranze). Als einziges Wort, nach dem man heute in allgemeinen Sprachlexika sehr suchen muß, sind comadres mit Kindermütter (264) verdeutscht. Obwohl Kindelmutter süddeutsch und Kindermutter sächsisch noch heute zu belegen sind, hat Hebamme die Oberhand behalten 246 ). Resümierend wird man auch in der Wortwahl das Streben Lessings erkennen, eine allgemein verständliche Übersetzung zu schaffen, die sich von dem sparsamen und schlichten Wortschatz des Examen de Ingenios kaum unterscheidet. ee) Quellenzitate Es ist eine unerklärte Tatsache, warum Huarte keine zeitgenössischen, sondern nur antike Autoren und die Bibel zitiert. Abgesehen von dem Gegenstand, wird man darin einen bewußten Hinweis auf seine Verbundenheit mit einem Aristoteles, Cicero, Galen, Hippokrates oder Plato sehen müssen. Huarte fühlt sich als dienendes Glied einer Kette. Durch die wissenschaftliche Abgrenzung wird ihm aber gleichzeitig das unerhörte Wagnis eines Neubeginns in seiner ganzen Verantwortung deutlich. I r i a r t e hat siebenhundert Zitate tabellarisch zusammengestellt 247 ), mit denen Huarte seine Meinung stützt oder durch Kritik erörtert. Die hohe Zahl überrascht. Nicht zuletzt werden es jedoch diese sorgfältigen Anführungen aus der Antike gewesen sein, denen das Werk seinen internationalen Ruhm verdankte. Jeder konnte sich von der Wahrheit überzeugen und die Stellen nachschlagen. Das wäre bei einem regionalen Belegspiegel unmöglich gewesen. Als Marginalien oder im Text, im vollen Wortlaut oder nur als Verweis, begegnet der Leser den Gewährsmännern. Die Sprache ist immer spanisch oder lateinisch, selbst wenn es sich um griechische Quellen handelt. Da Huarte dieser Sprache nicht mächtig war, mußte er sich auf Übersetzungen verlassen. An dieser Stelle setzt die philologische A k r i b i e L e s s i n g s ein: Nicht nur die lateinischen, sondern auch die griechischen Noten sind im Urtext aufgesucht, gewissenhaft nachgeprüft und in der Übersetzung wortgetreu vermerkt oder danach deutsch übersetzt. Und schreibt Huarte: „Por la quai 245) K l u g e , Etymolog. Wörterbudi, S. 27 f. 246) Zur Bedeutungsgeographie M. V i r k k u n e n , Hebamme, Deutscher Wortatlas, Bd. 5, Gießen 1957, S. 9—13. 247) I r i a r t e , El doctor Huarte, S. 136—138.

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in: M i t z k a / S c h m i t t ,

razón los llamavan los Hebreos Genanin, que quiere dezir engañadores" (151), finden wir im Druck die hebräischen Lettern für das Betrüger-Zeichen (161). Wenn wirklich einmal die lateinische Version statt der anderssprachigen übernommen wurde, wie bei den Problemata des bedeutendsten Aristoteles-Exegeten der peripatetischen Schule, Alexander von Aphrodisias, sind der Verlust des griechischen Originals oder ungedruckte griechische Urfassungen der Grund. Zweimal sind griechische Stellenverweise zur Verdeutlichung voll ausgeführt (40, 257). Dabei erstreckt sich das Galenzitat im 12. Kapitel über eine halbe Seite. Huarte hatte die Quelle nur angedeutet (238): Lib. 3. de aliment, facul. cap. 39. Der Ernst des jungen Gelehrten trieb zur Erweiterung, obwohl die meisten Benutzer den Einschub sicher überlasen. Grenzen der Quellenkonsequenz sind hier abgesteckt. Dieselbe wissenschaftliche Genauigkeit, mit der Lessing die Methode Joachim Caesars rügte, läßt ihn auf die Quellen zurückgehen. Die literarische Kritik hatte ihn gelehrt, daß keinem Beleg zu trauen sei. Einen Teil seiner persönlichen Anerkennung verdankte er allein diesem Wahrheitsdrang „ad fontes". Der Erfolg stellt sich auch bei den griechischen Sekundärzitaten des Examen de Ingenios bald ein. Wenn die lateinische Wiedergabe oder ihre spanische Übersetzung zu frei periphrasieren, besteht Lessing bedenkenlos auf dem echten griechischen Urtext, selbst wenn er sich dadurch einmal vom Zusammenhang entfernen sollte. Philologische Treue ist das oberste Gesetz. Ein Beispiel soll den letztgenannten Sachverhalt dokumentieren. In einer Randglosse wird Aristoteles sinngemäß zur Charakterisierung der Melancholiker herangezogen: „También son c o r t o s d e v i s t a , por la mucha sequedad del celebro. Arist. libro de somno & vigilia" (184).

Statt des erwarteten: „Sie sind auch wegen der vielen Trockenheit des Gehirns k u r z s i c h t i g " , lesen wir bei Lessing: „Gleichfalls haben sie w e g e n der großen Trockenheit des Gehirnes ein b l a s s e s G e s i c h t . Αριατο. περι ύπνου και έργηγοραεως" (196).

In dem tertium comparationis, der aristotelischen Schrift, stößt man tatsächlich auf: ,,εως âv εις την μέλαιναν ελ&η χρόαν και άφανιαβ^"2*9). Die Variante Huartes wird aus der Übersetzung Nicolo Gazas zu erklären sein, in der er den Stagiriten las248). Wenn es die Quelle erfordert, geht die Korrektur bis in winzige Kleinigkeiten. Spricht Huarte in einem lateinischen Übersetzungszitat von einem Marcus, weist Lessing ihm aus seinem Aristoteles den Marakus nach. Ein andermal meint der Spanier auf Grund eines kuriosen Anachronismus, Plato habe die besten Sentenzen der Bibel entlehnt (48), z. B. daß die vernünftige Seele früher en compañía de Dios gewesen wäre (47). Lessing denkt mit und verbessert stillschweigend eine Seite vorher in Gesellschaft der Götter (50). Selbst bei der Übersetzung lateinischer Autoren gelingt es dem Deutschen, einen Irrtum aufzuspüren. Nach der Ars Poetica soll sich bei Huarte Horaz jeden S o m m e r (52) 248) A r i s t o t e l e s de insomniis et de divinalione per somnum. E. L u l o f s . Leiden 1947 (Philosophia antiqua. Bd. 2) S. 5, 459 b 17 f. 249) I r i a r t e , El doctor Haarte, S. 139.

Drossaart

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einer Gallenkur unterzogen haben, obwohl es seiner Dichtkunst schade! Lessing zitiert nicht nur lateinisch aus der Pisonenepistel, Vers 301, sondern übersetzt selbständig (im) Frühjahre (55). Der Spanier hatte wegen des äußerlich sehr identischen Wortbildes sub verni temporis mit verano verwechselt. Eine Ausnahme macht Lessing lediglich mit den 160 Zitaten aus dem Alten und Neuen Testament. Das Zurückgehen auf das Hebräische oder Griechische der Septuaginta im Alten Testament wäre für Verleger und Leser zu umständlich gewesen. Wenn der Spanier die für ihn kanonische Vulgata des Hieronymus anführt, benutzt der Pastorensohn Lessing mit derselben Sicherheit die L u t h e r b i b e l . Die Unterschiede in der Zählung werden peinlich beachtet: Vulgata 89. Psalm, Luther 90. Psalm (342). Vulgata 3. und 4. Buch der Könige, Luther 1. und 2. Buch (325). Selbst in dem Glaubensartikel des Kleinen Katechismus, den Huarte inhaltsgemäß spanisch umschreibt, folgt die Prüfung der Kopie den Lutherworten: „er sey am dritten Tage wieder auferstanden und gen Himmel g e f a h r e n . . . " (162). Durch Sanktionierung der allgemein geläufigen deutschen Bibelzitate erübrigt sich eine Übersetzung aus dem Lateinischen, wie das Examen de Ingenios jedesmal den doppelten Text bringen muß. Zur Präzision der Lutherschen Ubersetzung und der Lessingschen Bibelkenntnis vergleiche man eine Stelle zu Beginn des 13. Kapitels (275). Aus dem apokryphen Buch Judith (Kap. 5, Vers 22—23) hat Huarte ohne Vermerk gleich spanisch die Vulgata übersetzt. Statt den Text zu übernehmen, kennzeichnet Lessing ihn als Zitat und bringt die vollständigere und genauere deutsche Fassung. Ein Nachteil dieser Methode ergibt sich nur da, wo der Spanier an den Wortsinn der lateinischen Bibel anknüpft, Lessing dagegen unter dem Quellenzwang der deutschen Lutherversion steht und beide im Ausdruck divergieren. So stützt Huarte die Betrachtung, daß die Griechen alle anderen Nationen bárbaras nannten, aus den Römerbriefen: „Graecis ac B a r b a r i s , sapientibus & insipientibus debitor sum. ad Rom. c.L." (304). Die Bemerkung gerät bei Lessing auf eine andere Seite und verliert außerdem die entscheidende Pointe zu den bárbaras: „Ich bin ein Schuldner beyde der Griechen und der U n g r i e c h e n ; beyde der Weisen und der Unweisen. Rom. I. 14" (330). Schon dieses Versehen oder die bereits erwähnte verschobene Platon-Stelle zeigen, daß Lessing erst den Text übersetzte und sich dann den Randzitaten zuwandte. Aus diesem Verfahren oder wegen unidentifizierter Quellen, wie sie schon Iriarte registrierte, mag sich ein Teil der 29 nicht wiedergegebenen Belege erklären. Daß die Hälfte davon auf die letzten hundert Seiten entfällt, begründet sich aus der Zusammenballung im Original. Auffällig sind öftere A u s l a s s u n g e n aus dem Spruchbuch Jesus Sirach des Alten Testaments (58, 149, 152, 340). Die Erklärung, es gehöre zu den von Luther nicht anerkannten Büchern, trifft nicht immer. Ein Bezug Huartes (314) durfte von Lessing (340) gespart werden, da schon im Prohemio darauf hingewiesen war. Manchmal ist der Ecclesiastes mit „daher sagt auch der Prediger" ohne Quellenangabe in den Text eingearbeitet 250 ). An einigen 250) Diese logische Straffung audi S. 320, wo ein Galen-Ausspruch (296 Marginalie) in den Text aufgenommen wurde.

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Stellen läßt sich die Elision aus überflüssigem Doppelzitat in Text- und Außennoten schließen. Die Amsterdamer Ausgabe hat überdies zuweilen exzerpierte Bonmots aus dem Inhalt an den Rand gesetzt. Es versteht sich, daß Lessing in diesem Falle auf eine Wiedergabe verzichtet. Bei keiner Gelegenheit ist schematisch gehandelt. Man mag im Hinblick auf den großen Gesamtsinn diese Verbesserungen als Pedanterie und Quisquilienjagd abtun, der zweiundzwanzigjährige Lessing legte seinen Stolz und Ehrgeiz in diese Quellenmethode. Der Gelehrte verglich mit dem griechischen oder lateinischen Originalwortlaut, der Laie beschränkte sich auf die deutsche Synopse. Zu Recht erkennt R h e i n f e l d e r : „Durch das Zurückgehen auf die Urform hat Lessing seiner Ausgabe einen Wert gegeben, der, jedenfalls für seine Zeitgenossen, den Wert des Originals in der Genauigkeit der Zitierweise übertraf" 251 ). ef) Fehler und Versehen Wer die bisherige Begegnung Lessings mit dem Examen de Ingenios verfolgt hat, wird sehr vorsichtig geworden sein, dem Deutschen ohne vorherige Prüfung aller Umstände den Makel eines grammatisch-sprachlichen Verstoßes anzuheften. Auf keinen Fall wird man Unrichtigkeiten auf der Fährte Ρ i t o 11 e t s suchen, der Wortkongruenz um jeden Preis forderte. Aber selbst bei offenkundigen Unstimmigkeiten darf nicht gleich ein schweres Nichtwissen Lessings angenommen werden. Man muß zwischen Versehen und Fehler unterscheiden. Wenn im Text uno o dos mit „zwei oder drei" wiedergegeben wird, kann niemand behaupten, daß Lessing nicht gewußt habe, was „eins" und „zwei" auf Spanisch hieße, da man mit einem Dutzend anderer Stellen leicht den Gegenbeweis antreten kann. Es sind aber besonders die Z a h l e n , bei denen der Übersetzer vom Original abweicht. Nichts auszusetzen ist an der Zahlenhyperbolik, die Lessing immer richtig erkannt hat: mil disparates (113) — hundert Ungereimtheiten (119), cien mil annos (124) — tausend Jahr (131), mil capones (352) — alle Castraten (382).

Drückt sich, schon in diesen übertreibungen und vielen mehr eine gewisse Freizügigkeit des Spaniers aus, durfte der Übersetzer an anderen Stellen auf ein ähnliches Gutdünken schließen. Häufig bewegt sich ein Sachverhalt in einem Zahlenpaar, das zur Wahl stellt. Ein Spielraum wird gelassen, der auf keinem vorsichtigen Abwägen beruht. Diese Möglichkeit hat Lessing variiert. Fällt Huarte sein Verdikt über einen Jungen, der nach einem oder zwei Monaten nicht schließen kann, schwächt Lessing zu „zween bis drey Monaten" ab (230). Erscheint dem Spanier mit Honig abgekochte Ziegenmilch „sechs oder sieben Tage" vor der Zeugung wichtig, nimmt sich Lessing die Freiheit, von „acht bis neun Tagen" zu sprechen (418). Daß es sich um keinen Fehler handelt, geht viele Seiten später hervor. Der Übersetzer weiß genau, was er geschrieben hat. Die „acht bis neun Tage" sind wiederaufgenommen (442). 251) R h e i n f e l d e r , Der Junge Lessing, S. 332. Dieser Paragraph bekennt sich dankbar dem Aufsatz Rheinfelders verpflichtet. 115

Zehn oder z w ö l f geglückte Schachzüge w e r d e n bei dem Deutschen „zehn bis e i l f " (147). Erfindungsreiche Prediger kommen nie w i e d e r auf das, was sie „in v o r h e r g e h e n d e n Jahren" gesagt haben (177, veinte años atras). A n d e r e r seits w i r d präzises tres in „ z w e y bis d r e y " aufgespalten, w e n n es sich um die A n z a h l g e w i s s e r Gesetzeskenntnisse handelt, die einigen Juristen genügen, um eine Regierung zu führen (231). W i e sich aus den vorliegenden Fällen ergibt, treten die Abweichungen immer dann auf, w e n n dem Nachdenkenden eine A n g a b e zu arbiträr erscheint. Seine Veränderungen sind ein erklärendes V o t u m zum Inhalt. Zum Schluß seiner Einleitung mahnt Huarte den Leser, die unauflösbaren Einw ä n d e noch einmal am elften Kapitel zu prüfen. Die Sinnübertragung Lessings meint das z w ö l f t e Hauptstück. Begabungstypologie des Juristen und des Mediziners sind im besten W i l l e n vertauscht. Es bleibt der Perspektive des Betrachters überlassen, in solchen Fällen v o n beabsichtigtem V e r s e h e n oder unwissentlichen Fehlern zu reden. Zu den V e r s e h e n ohne Einfluß auf die M a t e r i e gehören die Zuordnung der Baukunst statt M u s i k zur Einbildungskraft (135), das W ü r f e l s p i e l statt des Kartenspiels (156) und als eines der W e l t e n d e n Ostindien für Indias de Poniente (414). Diese Vertauschung mag auf dem Wörterbuch Sobrinos beruhen, der allein Indias Occidentales für A m e r i k a gesetzt hatte (Bd. 1, S. 302). Ein einschneidender Fehler liegt d a g e g e n im 9. Kapitel v o r : „El ingenio de S. Pablo era a p r o p r i a d o

para este ministerio" (152).

„Das Genie des H. Paulus war auch hierzu g a r n i c h t (162).

geschickt"

Die affirmative Wortbedeutung v o n apropriado (geeignet) ist negativ auch in der f o l g e n d e n Periode wiedergegeben. Wahrscheinlich ließen lateinische und griechische Spracheinflüsse den Ubersetzer ein verneinendes a-privativ u m vermuten. Nächst den Zahlenänderungen sind W o r t v e r t a u s c h u n g e n auf den ersten Blick erstaunlich. Die einzelnen Glieder starker Gegensatzpaare w i e feucht — trocken (181, 183, 370, 397), warm — kalt (402), rechts — links (409) wechseln öfter miteinander, da der Spanier diese humoralpathologischen K a t e g o r i e n besonders im letzten Kapitel in v e r w i r r e n d e r Fülle häuft. Nicht ohne Ironie des Schicksals ist dabei an der für die Praxis der Söhneerzeugung wichtigsten Stelle die Seitenvertauschung rechts — links (409). Hatte sich Lessing schon bei der Festsetzung der Ziegenmilch-Kur großzügig gezeigt, w i r d an der f o l g e n d e n Stelle der Sinn ins Paradoxe verkehrt. Huarte hatte verordnet, die Frau müsse sich nach dem Geschlechtsakt auf die rechte Seite legen, den Kopf tief, die Beine hoch lagern und einen bis z w e i T a g e im Bett bleiben (376). Falle der Same auf die rechte Seite des Uterus, entständen Söhne, auf der linken dagegen Töchter, hatte schon Hippokrates gesagt. A n diesem entscheidenden Punkt hat Lessing genau den Sinn verkehrt. Die Verwechslungen sind deshalb so wichtig, w e i l aus ihnen die Arbeitsmethode des Übersetzers deutlich wird 252 ). „ M a n lese erst einen ausgeführten 252) H i e r m i t w e r d e n P a t r a s c a n u s setzungen S. 36).

116

A u s f ü h r u n g e n im A n s a t z bestätigt {Lessings

Ober-

Satz bis auf den Endepunct bedächtlich durch . . . Hier auf erwege man eines jeden Worts eigentliche Bedeutung, welche hier gilt", hatte V e n z k y gefordert 253 ). Dieser Anleitung zur Wortübersetzung ist Lessing nicht gefolgt. Sein Blidc umfaßt einen vollständigen Absatz. Sobald ihm der Sachverhalt klar geworden ist, reproduziert er selbständig im Gehirn, ohne die Augen zur Nachkontrolle wieder auf das Papier wenden zu müssen. Er ist kein visuell, sondern gedanklich rezipierender Typ. Daher die freiere Formähnlichkeit zwischen Vorlage und Übersetzung. Die Irrtümer sind Überbelastungen und Konzentrationsschwächen des Denkzentrums. Besonders bei einer Fülle oder Abgrenzung ähnlicher Vokabeln verwischen sich dem Gedankentypus die sachlichen Einzelheiten. Um auf den eingangs zitierten Fall zurückzukommen, werden auf Seite 376 des Examen de Ingenios achtmal derecho und izquierdo vermischt. Die Definition des Hippokrates reicht wenige Zeilen zurück. Danach folgen die verwirrenden Deduktionen. Dem Übersetzer flöß die Vertauschung ungewollt in die Feder. eg) Benutzung anderer Ubersetzungen Aus zwei Behauptungen wird die Mitbenutzung der französischen und lateinischen Übersetzungen für die Priilung der Köpfe hergeleitet: 1. Lessings Spanischkenntnisse seien für eine Originalübersetzung zu schwach gewesen, 2. es habe der Zeitmode entsprochen, Ubersetzungen aus dem Spanischen nach dem französischen Zwischenglied anzufertigen. Fingieren wir die Annahme dieses Tatbestandes, müßten an irgendeiner Stelle die herangezogenen Übersetzungen hindurchschimmern. Ein genauer Vergleich wird durch die Wort- und Sinntreue der vier in Frage kommenden anderen Übersetzungen erschwert. Sie folgen dem Original wie sein eigener Schatten. Daher bot sich von der Lessingschen Übersetzung aus ein E l i m i n a t i o n s verfahren an: Alle Abweichungen der deutschen Version vom Examen de Ingenios, die nicht unter das abgeleitete Postulat der Gedankentreue fielen, Wort-, Konstruktionsvarianten oder Fehler, wurden mit den drei französischen Übersetzern Chappuis, Vion d'Alibray, Savinien d'Alquié und dem lateinischen Interpreten Joachim Caesar verglichen. Das Ergebnis war bei den französischen Drucken negativ. Nur für das Scrutinium Ingeniorum, aus dem Lessing schon exzerpierte, läßt sich an zwei Orten eine Übernahme v e r m u t e n : 1. „No tienen otro officio los maestros con sus discípulos . . . mas que a p u n t a r l e s la doctrina" (4f.) Caesar: „favillam s u f f l e n t " (74) „ . . . thun die Lehrmeister mit ihren Schülern nichts, als daß sie die Wissenschaft in ihnen a n b l a s e n " (5) 2. „ s e s e n t a nombres" (146) „ s e x c e n t a extant nomina" (314) „ s e c h s h u n d e r t Benennungen" (156) 253) V e n z k y , Das Bild eines ... Übersetzers, S. 103.

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Die letzte Kongruenz wird nodi durch zwei Wahrscheinlichkeiten geschwächt. „Sechshundert" kann ebenso wie „sexcenta" für „sehr viele" (Weinsorten) eingetreten sein. Wenn es ein Fehler ist, entstand er aus allgemeinem lateinischen Spracheinfluß254). Keine Bedeutung haben in diesem Zusammenhang lateinische Endungen wie Phlegmatici, Cholerici (183—84), Practicus, Theoreticus, Empiricus (241—42) oder latinisierte Namensformen der Art Carolo (300), Pindarus (76), Homerus, Heraclitus usw.*55). Außerdem sind sie bei dem jungen Lessing häufiger und nicht einmal ein ausschließlicher Quellenbeweis. Nach dieser eindeutigen Gesamtfeststellung, die als angenommene Hypothese von einem Textvergleich ausging, soll die Berechtigung der eingangs konzentrierten Argumente untersucht werden. P i t o l l e t s Behauptung, das kümmerliche Wissen habe Lessing zwangsläufig zu anderssprachigen Drucken hingeführt, beruhte auf einer Voraussetzung des erst zu Beweisenden. Gerade dieser Stilvergleich hat aber gezeigt, wie eng Lessing sich an das Examen de Ingenios anlehnt. Übernahme der Druckfehler, spanische Zitate, Fremdwörter, Nuancen des Gesprächsstils sind nur aus dem Original zu gewinnen. Das Ziel eines Ausweichens auf andere Übersetzungen wäre doch Verdecken eigener Fehler und Mängel und eine möglichst richtige Kopie gewesen. Dagegen sprechen in gewissem Umfange die Versehen und Lapsus, die sich in keiner der fraglichen Übersetzungen finden. Sie sind ebenso wie die stilistischen Kategorien Ausdruck der Originalnähe. Wer sich auf die Zeitgepflogenheit beruft, vergißt, daß keine Ubersetzung spanischer Literatur über das Französische Anspruch auf unmittelbare Übertragung erhebt. Entweder wird auf dem Titel vermerkt „Aus dem Französischen übersetzt" oder der Bezug bleibt frei. Lessing erwähnt aber ausschließlich die s p a n i s c h e Vorlage. Aus dem übersetzungstheoretischen Vergleich ging hervor, wie verantwortungsbewußt und prägnant der junge Philologe den Begriff der „Treue" und des „Originals" faßte. Etwa zur gleichen Zeit heißt es in einer Rezension der Cervantinischen Novelas Ejemplares vom 12. Dezember 1752sae) : „Wir wollten nur wünschen, daß diese Ubersetzung nach dem spanischen Originale wäre gemacht worden, anstatt daß man die ungetreue französische Ubersetzung übersetzt hat. Der Nutzen hiervon wäre . . . dieser gewesen, daß sich der Geist des Spaniers an unzählichen Orten in einer weit reitzendern Stärke würde gezeigt haben; . . . "

Deutlicher lassen sich Bewußtsein und Überzeugung von dem hohen Wert des Musters nicht formulieren. Die Wortübertragung tritt hinter dem nicht mehr rational faßbaren Streben nach dem „Geist des Spaniers" zurück. Es ist bekannt, daß Lessing 1775 Bertuch eine holländische Don Quijote-Übersetzung sandte und zur Mitbenutzung riet257). Noch Wieland zog bei seiner 254) Auf Lessings ungezwungene Behandlung der Zahlenhyperbolik ist verwiesen. S. 406 riditig „sechzig" für sessenta spricht für Mengenbegriff an dieser Stelle. 255) Für die nomina propria bedauert G o t t s c h e d , Grundlegung, S. 170, die Assimilationsschwäche der deutschen Sprache und führt dagegen das Lateinische und Griechische ins Feld. 256) BPZ, 149. Stück (LM V, 14). 257) L. G e i g e r , Christian Felix Weisses Brieie an F. J. Bertuch, in: ZvglLg. N. F. 10 (1896) 249.

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Cicero-Übertragung 1808 französische Übersetzungen mit heran. Wir wissen, daß Lessing das Scrutinium Ingeniorum Caesars kannte. Es ist wahrscheinlich, aber unbeweisbar, daß er stellenweise einen Ausdruck v e r g l i c h . Keine Unkenntnis und damit Umgehung des Originaldrucks war der Grund. Die vorliegende Analyse hat gezeigt, daß es nur geschehen konnte, um sich zu vergewissern, eine letzte Entscheidung zu fällen und seine Meinung auf der Basis des Examen de Ingenios abzusondern. Mehr läßt sich aus den tatsächlichen Fakten nicht schließen. eh) Europäischer Vergleich Um Vor- und Nachteile der Ubersetzungskunst Lessings klarer zu erkennen, ist ein übergreifen auf die europäische Geschichte des Buches unumgänglich. Denn aus dem Vergleich Original—Kopie geht nie hervor, wie es der Ubersetzer anders oder besser hätte machen können. Das Werturteil bleibt gebundener, während erst in der Abgrenzung anderer Bemühungen der weite Horizont eine gerechtere Bestimmung erlaubt. Jede Übersetzung ist nicht nur eine nationale Tat, sondern hat trotz Zeit-, Individual- und Sprachscheide auch ihren außerräumlichen und überzeitlichen Ort. Die folgende Untersuchung vereint neben dem Original fünf Deutungen desselben Textstückes aus der Mitte des 13. Kapitels: 1. Examen de Ingenios para ¡as Sciencias, Amsterdam 1662. 2. Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften, ü b . Gotthold Ephraim Lessing, Zerbst 1752. 3. Scrutinium Ingeniorum, üb. Joachim Caesar, o. O. 1637. 4. The Tryal of Wits, üb. Edward Bellamy, London 1698258). 5. Examen des esprits propres et naiz aux sciences, üb. Gabriel Chappuis, Roven 1613259). 6. Essamina de gl'ingegni de gli hvomini, ü b . Salustio Gratii, Venetia 1604. Die geschilderte Anekdote dient der Exemplifizierung, daß Verdienstadel vor Geburtsadel geht. Ein spanischer Hauptmann armer Herkunft, der soeben aber mit großen Auszeichnungen aus Italien zurückkehrte, ist in eine Gesellschaft adliger Ritter geraten: 1. 1

„en cierta pregunta que uno dellos le hizo, le llamo vos (atento que era natural de aquella tierra, y hijo de unos padres de baxa fortuna, y nacido en una aldea de pocos vezinos) el capitan sentido de la palabra, respondio, diziendo, Señor sepa vuestra señoría, que los sol5 dados que an gozado de la libertad de Italia, no se pueden hallar bien en España, por las muchas leyes que ay contra los que edian mano a la espada. Los otros cavalleros (viendo, que le llamava señoría) no pudieron sufrir la risa. De lo qual corrido el cavaliere, les dixo desta manera: Sepan vuestras mercedes que la señoría de Italia es en España 10 merced: y como el señor capitan viene hecho al uso y costumbre de aquella tierra, llama señoría, a quien ha de dezir merced. A esto 258) Die zweite englische Ubersetzung Richard Carews hat die italienische Version Camillo Camillis zur Vorlage. 259) Als beste der französischen Ubersetzungen vor der weitschweifigen Vion d'Alibrays und der freien Savinien d'Alquiés ausgewählt. Dasselbe gilt für die italienischen Übertragungen.

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respondio el capitan, diziendo, No me tenga vuestra señoría poi hombre tan necio, que no me sabre acomodar al lenguage de Italia, estando en Italia y de España estando en España: Pero quien a mi me 15 ha de llamar vos, en España, por lo menos ha de ser señoría de España; y se me hara muy de mal" (S. 283—284). 1

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„Einer aus der Gesellschaft der eine gewisse Frage an ihn that, nennte ihn, in Betrachtung seines geringen Herkommens, seiner armen Aeltern und des kleinen schlechten Fleckens welcher sein Geburtsort war, i h r . Der Hauptmann bemerkte dieses Wort und ward darüber empfindlich, sagte aber nichts als: Ewr. Herrlichkeit sollen wissen, daß diejenigen Soldaten welche einmal der italienischen Freyheit gewohnt sind, sich unmöglich in Spanien wohl befinden können, weil daselbst allzuviel Gesetze wider diejenigen sind welche den Degen ziehen. Als die übrigen welche zugegen waren höreten, daß der Hauptmann den Ritter Ewr. Herrlichkeit nannte; so konnten sie sich des Lachens nicht enthalten. Der Ritter aber als er sie lachen sähe, wurde ganz zornig darüber und sagte: meine Herren, sie müssen wissen, daß Ewr. Herrlichkeit hier nichts weiter heissen soll als das spanische v. merced; (Ewr. Gnaden.) Der Herr Hauptmann weiß noch nicht, was hier Sitte ist, er nennt also alle diejenigen welche er v. merced nennen sollte, v. señoría (Ewr. Herrlichkeit.) Nein, nein, fiel ihm der Hauptmann in das Wort; Ewr. Herrlichkeit dürfen mich nicht für so dumm ansehen, daß ich mich nicht sollte nach der italiänischen Sprache zu bequemen wissen, wenn ich in Italien bin; und nach der spanischen, wenn ich midi in Spanien aufhalte. Derjenige aber der mich i h r zu nennen Recht hat, der muß wenigstens in Spanien eine Herrlichkeit seyn; und auch alsdenn würde er mir noch sehr unhöflich begegnet haben" (S. 306—307). 3. „quidam eorum in certa quaestione, quam ad Capitaneum instituerai, eum articulo secundae persone pluralis, Vos, compellabat: eò quòd ex illa provincia oriundus pauperum parentum esset filius in vico pauciorum casarum natus. Capitaneus verbo isto probé ad animum revocato respondebat equiti: Domine, sciat vestra dominatio (quod epitheton in Hispania tantùm Comitibus & horum similibus tribuitur) milites, qui libertati Italiae adsueti sunt, commodùm atq; arbitratu suo vivere non posse ob multas ille leges, quae contra eos latae sunt, qui gladium in alium strinxerint. Reliqui équités, quod viderent istum dominationis titulo honorari, risum tenére non potuere. Quo offensus eques in haec verba erupit: Nolo lateat caritates vel gratias vestras, nomen Dominationis ejusdem esse sensus in Italia, cujus vocula gratiae in Hispania est. Ac quia dominus Capitaneus usui ac moribus illius regionis adsuevit, nomine dominationis pro nomine gratiae utitur. Ad quod respondit Capitaneus: Ne me pro tàm stolido habeat dominatio vestra, qui adcommodare nequeam linguam meam usui Ioquendo Italico, si in Italia commorer, vel usui Ioquendo Hispánico, quando in Hispania vivo. Sed cui jus competit, ut articulo, vos, me compellare possit in Hispania, minimùm etiam competat ipsi necessum est Dominationis titulus: nec tamen admodùm benignè mecum egerit" (S. 495—497). 4. „in a certain demand which one of them made him, he said to him, you, in respect of the Meanness of his Birth, being a Native of that

Country, descended of Parents of a slender Fortune, and Born in a Village of a few Houses. The Captain affronted at that term, answered, 5 saying, Señor, your Signory may know that the Soldiers who enjoy so great Liberty in Italy, cannot find themselves so well in Spain, because of the many Laws in this Country against those that draw their Swords. The other Gentleman blushing, bespoke them after this manner: Be it know to you Gentlemen, that in Italy, Signoria, is as 10 much as to say in Spain, Merced, (Your Worship) and the Captain being used to the Manner and Custom of his Country, he uses this Term, Signoria, where he should do that of Merced. To which the Captain replied, Surely Señor, you do not take me to be so ignorant, but that I know when I am in Italy how to apply my self to the Italian 15 Tongue, and to the Spanish when I am in Spain: But he that in Spain in Talking gives me the Vos, You, must at least have a Signoria in Spain; tho'it goes against the grain" (S. 349—351). 5. 1

„en vne certaine demande qu'vn d'eux luy fist, il dist, (vous) attendu qu'il estoit du pays, & fils de pauures parens, d'vn petit village, peu habité: & le Capitaine se ressentant de ceste parole, respondit en ceste maniere: Seigneur, sçache vostre seigneurie, que les soldats qui ont 5 iouy de la liberté d'Italie, ne se peuuent bien trouuer en Espagne, pour le grand nombre de loix qu'il y a contre ceux qui mettent la main à l'epee. Les autres chevaliers voyans qu'il vsoit de ce mot, Seigneurie, ne se peurent tenir de rire. De quòy le cheualier courroucé, dist en cette maniere, Vos mercis: & pource que le seigneur Capitaine est fait 10 à l'vsage & coustume de ce pays là, il vse de ce terme, seigneurie, au lieu de merci, comme il doit dire. Le Capitaine respondit à cela, & dist: Vostre seigneurie ne me tienne pour vn homme tant ignorant que ie ne sçache accomoder au langage d'Italie, estant en Italie et au langage d'Espagne estant en Espagne. Mais celuy qui m'appellera, ou me dira 15 vous en Espagne, pour le moins doit estre Seigneurie d'Espagne, encores qu'il m'en face bien mal" (Blatt 142—143). 6.

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„in una certa domanda uno di essi fatta al Capitano; li diede del uoi: perche era natiuo de quella Terrà, Figlio di padre pouero, e nato in un piccolissimo borgo. Il Capitano risentitosi per quella parola, rispose dicendo: Signor mio V. S. sappia, die i soldati i quali hanno goduto la 5 libertà di Italia, non possono star bene in Spagna, per lo gran numero delle leggi die ci sono contra di quelli, die mettono mano alla spada. Sentendo gli altri Caualieri, che il Capitano parlaua al Caualiero per Signoria, non poteno ritenere il riso. Per la qual cosa vergognandosi il Caualiero, disse loro in questo modo. 10 Sappino le vostre mercedi, die tanto vale il dir signoria in Italia, quanto in Spagna Mercede; & il Signor Capitano, come quello die di fresco vien d'Italia, & è assuefatto all'vso di quel paese, dà il titolo di Signore a quello, a cui si conuiene il titolo di Mercede; replicò il Capitano V. S, non mi tenga per così ignorante, che io non sappia in 15 Italia accommodarmi alla lingua Italiana, & in Spagna alla Spagnuola. Ma colui, che meco parlando in Spagna deue darmi del voi, è necessario, die almeno sia Signoria in Spagna, & ancora l'hauerei per in giuria" (S. 366—367).

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Ein erster summarischer Vergleich zeigt alle Texte sehr wörtlich im Gefolge der spanischen Vorlage. Die deduktive h y p o t a k t i s c h e Periode Huartes, die alles mit einem de lo quai, y como, pero quien usw. begründet, wird von allen Übersetzern getreu eingehalten. Eine Verschiebung ergibt sich nur bei den zahlreichen Präsens- und Perfektpartizipien. Während die romanischen Sprachen mit voyans, risentitosi, vergognandosi, sentendo im Italienisch-Französischen, mit Ablativi absoluti im Lateinischen und selbst im Englischen mit geläufigen being, saying, observing, laughing, blushing, talking mühelos folgen, mußte sich der Deutsche vom Formalaufbau entfernen und unterordnen: Als die übrigen welche zugegen waren höreten (Zeile 8—9, viendo), wenn ich in Italien bin (19, estando en Italia), wenn ich midi in Spanien aufhalte (19—20, estando en España).

Die durch Hypotaxe bedingte breitere Diktion kann nur einmal bei D o p p e l u n g verkürzt werden: uso y costumbre wird als Pleonasmus zur eingliedrigen „Sitte" (14). Nur Salustio Gratii folgt im 6. Teil diesem Beispiel (12). Dafür schiebt der Italiener eigenmächtig zur Verdeutlichung eine kausale Begründung voran: come quello che di fresco vien d'Italia (11—12). Im Gegensatz zur Raffung der Bimembrität steht die Erweiterung eingliedriger Ausdrücke bei Joachim Caesar. Präzises spanisches bien (5) wird als „vorteilhaft und nach ihrem Belieben" (7, commodùm atq; arbitratu suo) vielseitig gedeutet. Das intensive Bemühen, jeden spanischen Ausdruck vollgültig zu übertragen, läßt den Lateiner auch bei vuestras mercedes (9) zur periphrasierenden Doppelung greifen: „caritates vel gratias vestras" (11). Umsichtige Klärung und genaue Bezeichnung verrät ebenfalls die Substitution des Personalpronomens durch den Namensträger „capitaneus" (1), ebenso wie später „equiti" (5) hinzugefügt ist. Das Scrutinium Ingeniorum ist in weiter Ausdeutung aller Textnuancen durch eigenen Wortschatz zweifellos die sorgfältigste aller Übersetzungen. Die eigentliche Schwierigkeit des vorliegenden Abschnittes liegt in der Übertragung der Titel, auf deren Abstufung die Pointe beruht. Objektivem señor stehen als unterster Grad vos und als vornehmste Anrede vuestra señoría gegenüber. Im Plural ist als Adelsprädikat vuestras mercedes gebräuchlich. Die selbstverständliche Laut- und Begriffsgleichheit der Übersetzungen Chappuis' und Gratiis ist nur festzustellen. Mit „dominatio" und „gratiae" standen dem lateinischen Interpreten kongruente Termini zur Verfügung. Um aber das für „dominantes" metonymische Abstraktum genau zu umreißen, erläutert er in Parenthese (5—6): „quod epitheton in Hispania tantum Comitibus & horum similibus tribuitur". Ebenso unverständlich erschien ihm für den Leser die Schmach, die der Hauptmann aus der Anrede vos herleitet. Der Zusatz „articulo secundae persone pluralis" (2) klärte auch hier, obwohl die anmerkende Unterbrechung desillusionierend wirkt260). Wie lösen die westgermanischen Sprachen das Problem? Es gab zwei Mög260) Daß die Caesarsdie Ubersetzung trotz dieser Ergänzungen an Wortzahl (193 Ausdrücke, Huarte 195, Lessing 232) die bei weitem kürzeste ist, spricht nicht für den Stil des Interpreten, sondern für die Prägnanz der lateinischen Sprache. Im Endeffekt hat Lessing (456 Seiten) besser die spanische Brevitas (420 Seiten) gemeistert. Audi diese formale Ubereinstimmung entsprach den Empfehlungen Venzkys.

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lichkeiten: die Originalfloskeln mit eventuellen Zusätzen zu lassen oder ähnlich wie der Lateiner an der Landessprache zu relativieren. Den ersten Weg hat der Engländer Bellamy beschritten, allerdings sehr inkonsequent. Sein englisch-italienisch-spanisches Sprachkonglomerat ist unglücklich gewählt. Die Nähe der italienischen Übersetzung, die schon sein Vorgänger Carew benutzte, leuchtet durch. Nachdem anfangs „you" gesetzt wurde, stehen später (16) „Vos" und „you" unverbunden im Räume. Das fremde „Merced" ist als „Your Worship" (10) bekanntgemacht. Geist und Motive des Gesprächs bleiben unverstanden. Das entscheidende vos ist bei L e s s i η g durch lange Sperrung am Satzende, an betontester Stelle, deutsch hervorgehoben. Allein die Position nach bedeutsamer Atempause erklärt das Außergewöhnliche. Ein Zusatz wie im Scrutinium ist überflüssig. Auch für die weiteren Anreden konnte Lessing auf deutsche Entsprechungen zurückgreifen. Dabei wird vuestra señoría nicht, wie man es nach der Zeitmode erwarten sollte, mit „Ihro Hochwohlgeboren" wiedergegeben, sondern als „Ewr. Herrlichkeit" eingeführt. Dieses schon damals veraltete Appellativ ironisiert gelungen die feine Gegenwaffe des Hauptmanns. Erst bei dem Vergleich der italienisch-spanischen Sprache kann der Übersetzer nicht umhin, v. merced und v. señoría jeweils neben der deutschen Wendung einzusetzen. Die Konsequenz und Logik ist ungleich größer als bei dem einmaligen Anglizismus „Your Worship". Das Spanische ist erst dann herangezogen, als es zur Erläuterung unumgänglich erscheint. Lessing vermeidet erklärende Zusätze wie Caesar, beugt aber andererseits einer Überfremdung des Textes wie bei dem Engländer, selbst bei den Hispanica, noch vor: Alle drei Anreden sind von dem deutschen Äquivalent begleitet. Stilistisch gesehen, ist die Episode trotz ihrer Kürze voll geballter Spannung. Der Hauptmann wird von einem Ritter geringschätzig tituliert. Er fühlt sidi gekränkt und antwortet mit der gleichen Spitze zur übertriebenen Seite. Pluralisch ist in allgemeiner Sentenz vom Degenziehen die Rede. Der Ritter, durch das Gelächter der Umstehenden in seiner Ehre verletzt, zur Verteidigung gezwungen, übersensibel im zornigen Affekt, schiebt die sprachliche Ignoranz (necedad)2*1) des Hauptmanns in den Vordergrund, die nur durch seine kürzliche Rückkehr aus Italien gemildert würde. Die Auflösung durch den capitán bringt die endgültige Blamage des Gegners. Kränkung — Spitze — Beleidigung — Blamage, der Zwist erhitzt sich zusehends um den point d'honneur, den empfindlichsten Begriff der spanischen Moralethik des Siglo de Oro. Niemand hat das dramatische Geschehen besser erkannt als C e r v a n t e s . In seinem postumen Abenteuerroman Los trabajos de Persües y Sigismunda (Buch 1, Kap. 5) endet dasselbe Erlebnis mit capa γ espada gegen den capitán. Wie gestalten nun die fünf Übersetzer den Übergang zur G e s p r ä c h s e i n l a g e ? Sowohl der italienisch-französische als der lateinische Text fallen nicht aus der Stillage. Eine gewisse Berechtigung mag dazu das Original bieten. Die Ereignisse werden nacheinander in vollendeter, eisiger Höflichkeit referiert. Die einleitenden Verben distanzieren durch floskelhaften 261) Das lateinische stultus. Uber die Gradation: W e i n r i c h , Das Ingenium, S. 34—47. 123

Konjunktiv: sepa, sepan, no me tenga. Die vibrierende Erregung — als sentido und corrido erzählerisch gesteigert — verhält aber überall zwischen den Zeilenj lediglich im Schlußsatz y se me hara muy de mai bricht sie unverhohlen hervor. Allein der Engländer zeigt Ansätze einer persönlichen Darstellung. Seinem konzilianten „surely" sieht man jedoch die Schärfe der Ironie nicht an. Das Gespräch bleibt auf der Ebene des Unverbindlichen. Der Gentleman wahrt das Dekorum. Werfen wir einen Blick in die d e u t s c h e Übersetzung, hat sidi die Erwiderung des Hauptmanns in lebhafter Stichomythie asyndetisch ohne Einleitung gegen die Vorrede abgesetzt (16). Der Gegensatz wird audi formal deutlich. Aber mehr noch: Doppelt werden Ausrede und Vorwurf des Ritters negiert. Der Hauptmann zeigt sich mit Leib und Seele beteiligt. Es geht um die absolute Wahrheit, die keinen Aufschub duldet. Erst nach diesem leidenschaftlichen Rede-Agon unterbricht der Erzähler. Kein „sagen" oder „sprechen" kann diesen Ausbruch bezeichnen, nur ein temperamentvolles „in das Wort fallen" trifft hier zu. Worte und Schilderung entsprechen einander. Die Szene wirkt durch ihre Eindringlichkeit glaubwürdiger. Nicht durch formale Stilisierung des Wortschatzes, sondern mit wenigen sparsamen stilistischen Strichen ist das Ziel erreicht. In der unauffälligen W o r t w a h l Schloß sich Lessing allen Übersetzern an. Nur Bellamy entzieht sich geringfügig diesem Gesetz. „Tho' it goes against the grain — obwohl es gegen den Strich geht" ist eine kühne Metapher (17), die außerdem im Prosareim zu „Spain" steht. Die Bildlichkeit ist im aufwallenden „Erröten" (8, blushing) des Ritters schon vorgedeutet. Die gewählte Latinitas Caesars überrascht nur im Teilstück, an anderer Stelle ist sie als durchgängig bereits aufgezeigt. Hingewiesen sei jedoch auf die Wortvariation, wobei der Übersetzer z. B. für llamar — „compellare" (2, 18), „titulo honorari" (10), „pro nomine uti" (14) abwechseln läßt. Das Elegantia-Streben schließt ein inneres Interesse nicht aus. Der G e s a m t v e r g l e i c h , der an mehreren Abschnitten mit demselben Ergebnis durchgeführt wurde, hat die Vorzüge der Übersetzungskunst Lessings selbst auf begrenztem Raum abgehoben. Ständiges Mitdenken entscheidet sich für eine geschickte Sprachmischung an der richtigen Stelle, einfühlsame Hingabe verhilft dem Gesprächston zu seiner lebendigsten und effektvollsten Ausdeutung. Wo andere Übersetzungen sich um den Wortsinn bemühen, überblickt Lessing von höherer Warte die Anekdote und ihre Funktion im Gesamtopus. ei) Synthese Außer inhaltlicher Kongruenz, wie der brennenden Thematik und ihrer originellen Lösung, bekennt sich das Examen de Ingenios trotz der weiten Zeitdistanz audi in engeren Stilkategorien zu den Postulaten der Aufklärung. Grundsätzlich sind bei festgestellter Stilverwandtschaft alle Phänomene bei Huarte vorgeformt. Eine umfangreiche Periode versucht in hypotaktischem Aufbau, der in viele konjunktional verflochtene Kola zerfällt, streng logische Deduktionen bündelweise zu raffen. Mit sichtlicher Anspannung zeigt der Übersetzer, daß die deutsche Sprache, die der eigene König in Wort und Schrift gegenüber dem Französischen immer wieder herabminderte, in diesem 124

Wettstreit nicht zu unterliegen braucht. Lessing löst nicht nur die übrige Parataxe auf, sondern treibt die Unterordnung bis an die Grenzen des Möglichen. Das logische Verhältnis ist selbst bei typisch spanischen Konstruktionen, wie bei dem Gerundium, richtig getroffen. Ein vielfach gegliederter Rhythmus als Spiegel der verschachtelten Hypotaxe fordert vom Leser konzentrierteste Lektüre. Alles R e t a r d i e r e n d e , wie synonyme Bimembrität, f ä l l t nach sorgfältiger Revision f o r t , wenn es keinen engeren Zusammenhang mit dem Ganzen hat262). Das verlangt ein ständiges M i t d e n k e n des Ubersetzers mit seiner Vorlage, das zugleich in jeder Phase die Reaktion des Lesers lebendig vor Augen hat. In diesem Sinne sind Abschwächungen zu erklären, da für Lessing eine Version keine gläubige Wortübertragung, sondern eine behutsam rationale I n t e r p r e t a t i o n sein soll. Aus der zusammenfassenden Arbeitsmethode, die kleinere Räume geschlossen überblickt und jeden Gedanken am Gesamtsinn abstrahiert, ergibt sich eine g e d a n k e n t r e u e Wiedergabe, die auf jeglichen formalen Ehrgeiz verzichtet. Dem g e i s t i g e n S p i e l r a u m , den sich der Übersetzer für die Reproduktion vorbehält, entspricht die Toleranz spanischen Sprichwörtern, Definitionen und Wortspielen gegenüber, die trotz der anschließenden Verdeutschung das Kolorit erhalten und dem Leser einen starken Eindruck von der O r i g i η a 1 η ä h e geben sollen. Ungewollt zeigt sich der Dolmetscher audi bei zahlreichen Fremdwörtern der Vorlage verpflichtet. V e r a n t w o r t u n g vor dem ihm anvertrauten Autoren wechselt mit stetem Hinblick auf eine möglichst anziehende Darstellung für den Benutzer. Dabei verstärkt Lessing zur größeren E i n d r i n g l i c h k e i t nicht nur mit Anapher, Klimax, Litotes, Worthyperbolik und Zwillingsformeln, sondern tritt durch das Stilmittel der Wort-, Satz- und rhetorischen Frage mit dem Leser in persönliche Beziehung. Der P l ä d o y e r - S t i l auf D i a l o g e b e n e zwingt jedermann zur aktiven geistigen Mitarbeit und hebt die Schranken zwischen Subjekt und Text auf. Ausdrucksvariation wirbt auf gleicher Linie um die Aufmerksamkeit des Nachschaffenden. Neben der Gedankenvermittlung sieht Lessing seine Aufgabe unter dem höheren Blickwinkel, einen Hauch vom „ G e i s t d e s S p a n i e r s " zu übertragen. Hierin kulminiert die Übersetzung im Übergang vom wissenschaftlichen zum Gesprächsstil. Lessing versetzt sich i n t u i t i v in die verschiedenen Konversationsstufen und ihre Träger, um aus der Kenntnis seines Zeitstils jeder Schwingung stilisierten oder echten Ausdruck zu verleihen. Bei der Wiedergabe emotionaler Töne, die dem Können des Übersetzers begegneten und im Plädoyer-Stil nur verhüllt Einlaß fanden, erhebt sich die Übersetzungstechnik zur übersetzungs k u η s t. Nicht im schlichten Wortschatz, sondern in wenigen stilistischen Finessen ist das Geheimnis zu suchen. Innere Eigenschaften Lessings, die in Tradition und Erziehung wurzeln, verrät nächst der persönlichen Darstellung am auffälligsten die systematische Behandlung der fremdsprachigen Zitate. In keinem Fall scheuen A k r i b i e und Wahrheitsdrang des P h i l o l o g e n vor der mühsamen Quellensuche zurück, wenn der Spanier griechische oder hebräische Belege aus zweiter Hand übernommen hat. Der Erfolg rechtfertigt die Methode. 262) Als Hauptergebnis der Arbeiten Patrascanus und Dahintens bestätigt.

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Gegenüber diesen Vorzügen sind stereotype Fehler und größere Abweichungen, die sich in Gruppen ordnen ließen, cum grano salis ohne Einfluß auf den Gesamtsinn. Statt sich als Belastung auszuwirken, hebt dieser kleine Kontrast gerade die vorzügliche K e n n t n i s d e s S p a n i s c h e n durch Lessing hervor. Denn ihre Existenz unterstützt den außerdem durch einen Wortvergleich erbrachten Beweis, daß Lessing keine anderen Übersetzungen aus Unkenntnis konsequent benutzt haben kann. Der europäische Vergleich hat die singulare Stellung der Prüfung der Köpfe nachdrücklich unterstrichen. Erst recht gilt diese Feststellung im Rahmen der deutschen Übersetzungsliteratur um 1750, die dem von Gottsched-Venzky aufgestellten Schema folgte. Ein Gedanke wie der des Z e i t - oder S p r a c h g e i s t e s , der besonders im intuitiv-gefühlsbetonten Kräftespiel der Gesprächslage zur Geltung kam, war völlig neu und wurde erst mit Herder zum selbstverständlichen Mittelpunkt jeder nachschöpferischen Leistung. Für eine günstige Ausgangsposition Lessings spricht allein die Stilaffinität Huartes zur Aufklärung. Dadurch ist aber nur die Aufnahme beim Publikum erleichtert; in keinem Fall bleibt der Übersetzer wegen der Heterogenität der Idiome seiner Bewährung enthoben. Dazu hat die d e u t s c h e S p r a c h e um die Mitte des 18. Jahrhunderts noch nicht die Biegsamkeit und den Ausdrucksreichtum der Hochsprache der Klassik. Aufgaben wie diese Übersetzung waren es, an denen auch Lessing die Kräfte wuchsen und die ihn befähigten, ein eigenes fortwirkendes S t i l v o r b i l d zu konstituieren. f) W ü r d i g u n g e n

und U r t e i l e der

Zeitgenossen

Im Gegensatz zu Schopenhauer, der mit seiner Übersetzung des Graciánschen Oráculo Manual lebenslang verwachsen blieb und es unermüdlich zitierte, versiegen bei Lessing nach seiner Übersetzung fast alle Quellenbezüge. Man hat darin ein erneutes Argument für den unscheinbaren Wert des Spaniers in seinem Kulturbereich gesehen. Die innere Zuneigung bezeugt aber noch die Magisterpromotion einige Wochen später, am 29. April 1752, mit welcher der junge Medizinkandidat einen Abschluß seiner Studienjahre erreicht. Nicht aus der antiken Kultur, in deren Welt er erzogen und aufgewachsen war, nicht aus dem sein Jahrhundert dominierenden französischen oder dem aufkommenden englischen und italienischen Geistesbereich wählt sich Lessing das Thema seiner Disputation, sondern ein spanischer Arzt des 16. Jahrhunderts und seine originellen Gedanken faszinieren und befruchten ihn zugleich. Die tiefere Ursache späteren Schweigens war die geringe Gelegenheit, die Gedanken des Examen de Ingenios in seinem literarischen Tageskampf oder wissenschaftlichen Essay anzuführen. Schon Eschenburg und F ü l l e b o r n , der die lateinischen Materialien herausgegeben hatte, haben auf Lessings j u g e n d l i c h e Neugierde für die Physiognomik hingewiesen, die sicherlich durch Huarte geweckt sei283). Eschenburg edierte 1793 in den Kollektaneen ebenso wie Fülleborn aus dem Nachlaß Sammlungen und Bemerkungen über angewandte Charakterkunde. Bereits aus den lateinischen Vor263) G. G. F ü l l e b o r n , & Freystadt 1797, S. 163.

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Beyträge

zur Geschichte

der Philosophie,

8. Stück,

Züllidiau

arbeiten ging hervor, wie reserviert und sogar ablehnend sich Lessing gegenüber den körperlich-seelischen Wechselschlüssen des Spaniers verhielt. Im Nachlaß finden sich zwar Exzerpte der Lavatersdien Fragmente, die jedoch keine Anerkennung erlangten. Die Völkerpsychologie Huartes durfte dagegen seines Beifalls gewiß sein: „Eigentlich zu reden hat man keine andere als physikalische Ursachen, warum die Nationen an Leidenschatten, Talenten und körperlichen Geschicklichkeiten so verschieden sind; denn was man moralische Ursachen nennt, sind nichts als Folgen der physikalischen"264).

Die spärliche Anzahl schriftlich fixierter ähnlicher Ideengänge erklärt den Ausfall des Spaniers. Auf das briefliche Urteil an von Murr 1768, nach welchem dem Werk nur die Einkleidung in eine neuere philosophische Sprache fehle, wurde bereits hingewiesen. Erst wenige Jahre vor seinem Tode zitiert Lessing einmal aus dem Examen de Ingenios. Der Zeitbogen von über einem Vierteljahrhundert ist sichere Bestätigung, daß das Buch seinen inneren Werdegang unauffällig begleitet hat. In der theologischen Polemik des 4. Anti-Goeze (1778) zieht Lessing gegen den Gelehrtendünkel zu Felde. Nachdem schon Francisco de Rojas gesagt hatte, das Latein mache erst den rechten Narren, wird Bacon gegen Huarte abgegrenzt: „Ich finde zwar nicht, dass Baco wie Huart dachte, der es geradezu für das Zeichen eines schiefen Kopfes, eines Stümpers hielt, zu glauben, dass er sich in einer fremden Sprache besser werde ausdrücken können, als in seiner"265).

Die Ableitung266) geht bei Huarte von der willkürlichen Erfindung der Sprache durch den Menschen aus. Jeder Ausdrude sei übertragbar 267 ). Deshalb habe es niemand nötig, ein anderes Idiom für seine Ideen zu suchen. Mit Galen wird den Deutschen aus klimatischen Gründen ein starkes Gedächtnis und wenig Verstand, den Spaniern das Gegenteil attestiert (S. 154). Erfindungskraft und Sprachbegabung seien hauptsächlich im Norden, Philosophie, Theologie, Jura und Medizin im Süden zu Hause. Die antiphilologische Haltung gegenüber den Grammatikern beruht auf Geringschätzung des Gedächtnisses. Aufschlußreich ist weniger der Inhalt, als daß es wieder eine völkerpsychologische Erfahrung ist, die Lessing erinnernswert schien, sogar an wichtiger Stelle in das Licht der Öffentlichkeit zu treten. Der Ansatz der Otia Gundlings zu Beginn des Jahrhunderts hat seine Fortsetzung gefunden. Mit dem Erscheinen zur Ostermesse 1752 war die Übersetzung jedem zugänglich. Das erste Rezensionsecho kann nicht breit gewesen sein208). Das Buch war noch eines unter vielen. Herder trifft eine Seite: „Sein eigentlicher Name fängt ziemlich mit den sogenannten kleinen Schritten an, die seit 1753. in Berlin erschienen" 269 ). Das einzige erhaltene Fragment ist dafür um so wert264) 265) 266) 267) 268) Berlin 269)

Rezension: L'Esprit des Nations, 2 Bde., La Haye 1752, in: BPZ, 2. 1. 1753 (LM V, 144). LM XIII, 163. 8. Kapitel, S. 138 ff. Man vergleiche die Nähe zum Sprachoptimismus Venzkys. Auch das dreibändige Werk J. W. B r a u n s , Lessing im Urtheile seiner Zeitgenossen, 1884—1897, verzeichnet keine Besprechung zur Huarte-Übersetzung. Lessingaufsatz 1781. Werke, Ed. Suphan, Bd. 15, S. 488.

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voller, obwohl es nur noch in einem Sekundärzitat greifbar ist270). Die Besprechung erschien am 20. Juli 1752 im 87. Stück der Berlinischen Privilegirten Zeitung, an der Lessing als Rezensent tätig war271). Berichtet werden einige Paradoxien Huartes: daß der Teufel Musik hasse, daß Salomo ihn mit dem Geruch einer Wurzel vertrieben habe. Diese Stellen habe Lessing zweifellos nur des Belustigenden und der Vollständigkeit wegen übersetzt. Die günstige Gelegenheit, einige hundert Anmerkungen zu verschwenden, sei für unwürdig erachtet worden. Zu Recht gilt diese Rezension nicht als Lessings Eigentum272). Sie zeigt, in welche Richtung Erstaunen und Bedenken der Zeitgenossen zogen. Die Tradition ist allzu gegenwärtig, als daß der „Kunstrichter" einer Erklärung für die Auslassung der Noten entraten könnte. Lessings Abstand von der Zeitmode ist auch hierin immanent. In einer literarischen Vorstellung Lessings 1760 wird das Werk in einem Atemzuge mit den Dramen genannt. Auch das zeigt seine Beliebtheit, die sich rasch Anerkennung erworben haben muß: „Der N a m e eines Leßings, w e i s idi, ist ihnen nicht unbekannt. Sie kennen, sie b e w u n d e r n in ihm den Übersetzer des H u a r d , den V e r f a s s e r einer M i ß Sara Sampson, eines Freygeistes, und der Juden, . . ,"273)

Nach dem bereits erwähnten Lob Herders, der das Außergewöhnliche einer Übersetzung aus dem Spanischen um 1750 hervorhob und schon die Lessingsche Handschrift zu spüren glaubte, verdienen als exemplarisches Echo die Aussprüche Heinses274) und Karl Gottheit Lessings275) Aufmerksamkeit. Obwohl die Kritik aus dem Huarte-Gesamtbild der Verfasser später verständlicher werden wird, unterstreicht sie auch einzeln den Inhalt des RezensionFragments der Berlinischen Privilegirten Zeitung. Ebenso wie dort ergötzt sich H e i η s e an den Paradoxien des Spaniers. W i e ist es möglich, daß Huarte für eine Berühmtheit gehalten wird? Und dazu noch „von dem ältern Herrn Leßing". Proportion und Maßstab zwischen Irrtum und Genie bleiben unverstanden. Dabei wird aller Respekt der Meinung Lessings gegenüber gewahrt. A n die Absonderlichkeiten der Prüfung der Kopie knüpft auch K a r l G o t t h e i t L e s s i n g an. Wenn es 1752 hieß, Lessing habe das Werk eines langen Kommentars für unwürdig erachtet, muß der spätere Betrachter die Frage offen lassen: „So ein Buch könnte man immer mit einem sechsfach dickeren Kommentar begleiten, und Lessing hat nicht Eine Anmerkung dazu gefügt! War er denn damals so kenntnißarm?" Als Hauptgrund der Ubersetzung wird 270) E. C o n s e n t i u s , Lessing und die Vossische Zeitung, Leipzig 1902, S. 36. 271) Dieser wichtige Jahrgang wurde durch Umfragen vergeblich von den Auskunftsbüros in Deutschland, der Schweiz, Österreich, England und Frankreich gesucht. Das Österreichische Staatsarchiv besitzt nur das 92. Stück vom 1.8. 1752, das der kaiserliche Gesandte aus Berlin mit einem Bericht einschickte. 272) Dagegen liegen Selbstrezensionen vor bei den Schriften (BPZ, 13. 11. 1753. L M V , 212 f.), dem Vademecum (BPZ, 17. 1. 1754. LM V, 377) und dem 1. Stück der Theatralischen Bibliothek (BPZ, 17. 10. 1754. L M V , 437). 273) Neue Erweiterungen der Erkenntniß und des Vergnügens, Leipzig 1760, 12. Bd., 68. Stück, S. 146—157. ( B r a u n , Lessing im Urtheile, Bd. 3, S. 27 f.) 274) W . H e i η s e , Prosaische Aulsätze. Aus dem Thüringischen Zuschauer 1770 (Sämtl. Werke, hrsg. von C. Schüddekopf, Bd. 1, Leipzig 1902, S. 163). 275) K. G. L e s s i η g , G. E. Lessings Leben, Bd. 1, S. 145 f.

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edit aufklärerisch Belehrung als Stoff zum Nachdenken und Lachen angenommen. Den Widerspruch zwischen Bildung und Systemlosigkeit umgeht der Verfasser mit dem Hinweis, auch das grillenhafteste Buch übe den Verstand mehr als ein risikofreier Stilist, der nur Allgemeinplätze verbreite. Dieses „Versteigen" habe Lessing an dem Werke gereizt. Es erübrigt sich, nach weiteren Urteilen zu suchen. Die einförmigen Wiederholungen verallgemeinern folgendes Verhältnis: 1. Ein durchaus neues Phänomen tritt in den Gesichtskreis der Zeitgenossen: das G e n i e . 2. Erstmals liegt in geschlossener Darstellung aus bestimmtem Blickwinkel eine wissenschaftliche Deutung der Begabungsdifferenzen vor, die auch die Frage nach der Erkenntnis und Definition des Geniebegriffs eng berührt. 3. Die kommentarlose Übersetzung Lessings, der sich nur in der Vorrede zu Buch und Autoren enthüllt. Bei der Kritik scheiden sich die Geister: Dem in enger Tradition befangenen Karl Gotthelf Lessing fallen nur die Paradoxien auf, Wahl und Darbietung Lessings werden ihm zum Problem; der Spanier wird als negatives Kuriosum abgetan. Lessing und Herder sehen visionär das Neue und Einmalige. Das Genie, das allen voranschreitet, darf deswegen irren, ohne daß ihm ein Vorwurf erwächst. Aus naher Geistesverwandtschaft fühlen sie sich Huarte verbunden. Nicht anders stand das Wagnis einer Übertragung vor Lessing. Wenn sein Bruder meinte, einem solchen Buch sei kein Publikum zu versprechen, verstärkt diese Ansicht ein Blick auf die europäische Verteilung der Editionen: 16. 17. 18. 19. 20.

Jahrhundert Jahrhundert Jahrhundert Jahrhundert Jahrhundert

19 37 6 5 7

Ausgaben Ausgaben Ausgaben Ausgaben Ausgaben

Das verstehende Vorwort Lessings und die sorgfältige Übersetzung versuchten den Leser vorzubereiten. Die Prüfung der Kopie ist ein weiteres Beispiel, wie ein Name, klug von einer großen Persönlichkeit eingeführt, in nahem Kontakt zur Zeitproblematik, die Kulturgeschichte beschäftigt. Zwiespältig werden auch Widerhall und Nutzen sein. Aufklärung und Vorklassik teilen die Lager. Es lag jetzt an Huarte selbst, seinen Weg zu machen. Die Weichen waren gestellt.

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V.

Einfluß im 18. Jahrhundert 1) Theoretische Anregungen für die Geniediskussion: Flögel, Herder, Heinse, Lavater, Garve u. a. Der geniale Mensch in seinem geistigen Werdegang und Wirken ist das bevorzugte Problem der deutschen Popularphilosophie, wie sie zwischen 1760—1780 ihren Höhepunkt erreicht hat. In immer neuen Ansätzen, gefördert durch die Schriften der französischen und englischen Moralphilosophen, erweitert sich der Begriff des „ G e n i e s " , bis er in der klassischen Gestalt Goethes seine reinste Inkarnation gefunden hat. Das vorbereitende Verständnis ist Verdienst der Aufklärung. Sie ist bestrebt, den neuen Typus in die Reihe der schon klassifizierten Begriffe einzuordnen, um ihn für ihre erzieherischen und moralisierenden Zwecke zu verwerten. Die Methode ist sehr vielschichtig: Sie reicht von krassester psychologischer Analyse bis zur spekulativen Metaphysik, wie sie sich in der Kritik der Urteilskraft Kants ausprägt. Allen Deutungsversuchen gemeinsam ist das streng rationale Verfahren, dem erst seit Herder emotionale Erkenntnis zur Seite tritt. Die eben skizzierte Zeitströmung führt in einer Fülle philosophischer, psychologischer, pädagogischer Artikel das Thema der Prüiung der Kopie mit sich. Hauptsächlich wird unter dem Genie der große Dichter verstanden. Die Gestalt Klopstocks hat eine neue Ära eingeleitet, das Werk Shakespeares zieht einen immer größeren Radius. Die Versuchung liegt nahe, in einem Ideenvergleich den Spanier in diese Bewegung einzuordnen. Auf Schritt und Tritt ließen sich Ubereinstimmungen im Ingenium, der Inventio, dem Enthusiasmus, dem göttlichen Ursprung des Genies, nachweisen. Getreu unserem Vorhaben beschränken wir uns auf die direkten Quellenaussagen. Diese Verengung wird nur an wesentlichen Stellen durch einen Ausblick auf einflußreiche Namen erweitert. Wenn dabei auch ohne Erwähnung Huartes die Ideenkongruenz sofort in die Augen fällt, wird die Beliebtheit der Prüiung der Kopie allgemein verständlich gestützt. Das Schweigen läßt sich ohne waghalsige Hypothese erschließen. Als typischer Vertreter führt die Geschichte des menschlichen Verstandes (Breßlau 1765) des Kultur- und Literarhistorikers Carl Friedrich F l ö g e l (1729—88) mitten in die Diskussion. In klarer Gliederung heben sich die Kapitel ab: Quellen des Verstandes, Genie, Klima, Alter, Körper, Sprache, Bedürfnis, Staat, Erziehung. Als Grundlage wird die einschlägige franzö131

sische Literatur — noch kein Shaftesbury — angegeben: du Bos, Montesquieu, Goguet, Helvétius. Doch schon nach kurzem Blättern stößt man auf den Namen Huartes. Während Helvétius die Kräfte der menschlichen Seele aus sittlichen Ursachen herleitete, Montesquieu die Himmelsstriche berücksichtigte und du Bos nach den Ausdünstungen der Erde reclínete, habe der Spanier ebenso einseitig aus der Perspektive der natürlichen Gründe interpretiert. Die Natur ließe sich aber in kein Joch zwängen. In Philosophie und Geschichte käme es auf Begebenheiten an, die sich nicht aus einem einzigen Gesetz bestimmen ließen. Die Theorie müsse aus den Ereignissen, nicht die Ereignisse aus der Spekulation hergeleitet werden. Als extremes Einzelbeispiel wird die Bestimmung der Speisen Christi angeführt, dabei dem Spanier ein sinnreicher878) Witz bescheinigt. Trotz dieser primär negativen Ausgangsstellung konnte sich Flögel dem Reiz der Prüfung der Kopie nicht entziehen. Schon in den wichtigsten Definitionen begegnen sich der Deutsche und der Spanier. Genie ist die Harmonie aller Komponenten, die nur eine Fähigkeit hervorhebt, der sich alle anderen unterordnen. Es gibt kein allgemeines Genie, sondern nur Einzelgenies. Ebenso wie Huarte, der darauf bestand, ein unbegabter Kopf dürfe keine Bücher schreiben, greift Flögel den Gedanken auf, um dem Halbgelehrtentum vorzubeugen. Dagegen wird eine altersmäßige Beschränkung abgelehnt (S. 116 f.). Das Kriterium sei die Erfindungsgabe, aber nur die bewußt vollzogene: Darum sei Berthold Schwarz kein Genie gewesen, weil der Zufall ihm die Entdeckung des Pulvers in die Hände spielte. Je schwerer und verwickelter eine Erfindung zu einem gewissen Zeitpunkt sei, desto besser zeuge sie für die Größe des Genies. Der Begriff des Zeitgeistes ist verständnisvoll berücksichtigt. Irrtum schließt ein Genie nicht aus. „Gemeine Köpfe fehlen auf eine gemeine Weise, aber ein Genie fehlt auf seine Weise" (S. 24). Die Fehler großer Köpfe bereiteten mehr Vergnügen als die Einförmigkeit nichtigen Geplauders. Der Same der Gedanken Lessings ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Tatsächlich wird — neben der regellosen Formlosigkeit Shakespeares! — der spanische Arzt genannt. Selbst wo er sich versieht, muß man seinen Scharfsinn und Witz bewundern. Das Lob der Vorrede ist wiederaufgenommen. Das Lessingsche Bild von dem mutigen Pferd hat die richtige Erkenntnis einprägsam beschleunigt und schließt ab. Senecas Wort von der Mischung zwischen Genie und Wahnsinn fällt ebenso passend wie in den Materialien Lessings. Eine Topologie zur Beurteilung des Genies hat sich entwickelt. Der ambivalente inhaltliche Charakter des Examen de Ingenios, der Lessing und den Rezensenten auffiel, drückt sich auch in der Rezeption durch Flögel aus. So wertlos die geringschätzig bedachten „Schwärmereien" waren, so willkommen wird die feine empirische Beobachtungsgabe Huartes als Quellenstütze verwandt. Die Rolle des Vorläufers auf dem Gebiet der Nationalpsychologie, die schon Gundling und Lessing sahen, wird weitergeführt. Noch heute ist Spanien ein Land, in dem selbst jede Provinz einen andersgearteten, manchmal sogar extremen Menschentyp beherbergt. Huarte nimmt diese Verschiedenheit sogar für jedes Dorf in Anspruch, wobei er als Bewohner des besonders 276) Das Wertattribut zielt auf den geistigen Inhalt, nicht auf die Form der Darstellung. M a r k w a r d t , Studien, S. 309.

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individualistischen Südens nicht Unrecht haben mochte. Dieses instruktive Beispiel hat Flögeis Staunen erregt und seine Erwähnung gerechtfertigt (S. 66)277). Eine andere lokale Erfahrung erschien wichtig für die Erziehung der Söhne: Um den Schmeicheleien der Verwandten zu entgehen, müsse der junge Student immer das Elternhaus verlassen und in einer anderen Stadt studieren. Ein Genie entwickele sich nur in ungehemmter Verantwortung (S. 248). Die Unterbewertung des Gedächtnisses, schreibt Flögel mit direkter Anspielung auf Huarte, habe dazu geführt, daß mancher Dünkel sich seiner schlechten Erinnerungsgabe rühme. Als praktische Gegenbeispiele werden Leibniz und Grotius zitiert. Aber audi der Spanier hat Beispiele: der phrenetische Bauer, der durch seine Krankheit beredt wie Cicero wurde (S. 146). Erfahrung steht gegen Erfahrung. Flögel ist ehrlich genug, die anderen Argumente anzuführen. Jede Regel ist veränderlich, erkennt er an (S. 116). Die Objektivität, mit der die verschiedenen Meinungen vor dem Leser diskutiert werden, madit im Vergleich zu späteren Zeugnissen den Wert der Geschichte des menschlichen Verstandes aus. In enger Anlehnung an die wohlverstandene Vorrede des Übersetzers Lessings ist der Inhalt der Prüiung der Köpfe im Zusammenhang einer historisch-anthropologischen Abhandlung ausgewertet. Trotz der Opposition gegenüber der zu befangenen Grundthese Huartes, trotz einiger übersteigerter Fakten, illustrieren persönliche Erfahrungen die Gedanken des Verfassers. Die Nachteile des Examen de Ingenios sind zugleich seine Vorzüge 278 ). Am 11. Oktober 1765 publizierten die Königsbergschen Gelehrten und politischen Zeitungen eine Besprechung der Flögeischen Geschichte des menschlichen Verstandes. Unter der Alternative einer wissenschaftlich-psychologischen und einer geschichtlichen Methode wird Huarte als Hauptquelle gewürdigt. Als Verfasser zeichnet der einundzwanzig jährige H e r d e r . Er ist in demselben Alter wie Lessing auf den Spanier gestoßen. Der Grundstein einer lebenslangen Bewunderung wurde gesetzt. Flögel ist für Huarte das glückliche Bindeglied zwischen den führenden Genies seines Jahrhunderts geworden. Die erste rekonstruierbare Einflußkette des Examen de Ingenios läßt sich bilden. Wenig später studiert Herder die deutsche Übersetzung. Es war eine gründliche Lektüre. Huarte wird ihm fortan zur Autorität in Fragen des menschlichen Charakters. Bis an sein Lebensende, über dreieinhalb Jahrzehnte, gehört das Buch zu seinem festen Bildungsbesitz, aus dem er in allen Altersstufen voll Anerkennung schöpft 27 '). Die höhere Erkenntnis der 277) Dagegen behauptet F l ö g e l in seiner Geschichte des Grotesk-Komischen (1788), die Spanier hätten in dieser Gattung wegen ihrer ausschweifenden und erhitzten Einbildungskraft alle Völker in Europa übertroffen. Ed. F. W. Ebeling, Leipzig 41887, S. 73. 278) Das Exemplar der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek, das dem Itzehoer Schriftsteller Johann Gottwerth M ü l l e r gehörte, ist vom Besitzer der Prüiung der Köpfe angebunden und unterstreicht auch dadurch den engen Zusammenhang, der von den Zeitgenossen erkannt wurde. 279) Sämtliche Zitate bis auf eins bei F a r i n e l l i , Dos excéntricos: Cristóbal de Villahin. El Doctor Juan Huarte, Madrid 1936, S. 101 f. (RFE, Anejo 24). Für die Beschäftigung Herders mit Spanien unter bestimmten Aspekten, ohne Erwähnung Huartes, W. Κ a y s e r , Die iberische Welt im Denken J. G. Herders, Hamburg 1945 (Ibero-amerikanisdie Studien. 17).

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genialen Paradoxien ist vorausgesetzt und verwundert nicht mehr wie bei Karl Gotthelf Lessing, Heinse oder Flögel. Was zieht Herder an der Prüfung der Kopie an? Worin unterscheidet er sich von seinen Vorgängern? Zunächst setzt sich die Linie der klimatologischen Einflüsse auf Individuen und Nationen fort. Neben Huarte tritt nur noch der vielgewandte Schweizer Johann Georg Zimmermann, Leibarzt der Könige von England und Preußen, der in seiner Abhandlung „über den Nationalstolz" (1758) sogar die Staatsformen nach den Temperamenten ausgerichtet hatte: Demokratie für Ungestüme, Oligarchie für Stillvergnügte, Monarchie für Anpassungsfähige. Damit ist aber schon die einzige Verbindung Herders zur Tradition geschildert, alle anderen Äußerungen über das Examen de Ingenios verraten ein grundsätzlich neues Interesse: die F r a g e n a c h d e r I r r a t i o n a l i t ä t i n d e r N a t u r . Lassen sich denn wirklich bei derart feinen Zusammenhängen die inneren Wesenseigenschaften eines Menschen mathematisch sezieren? Kann überhaupt eine schematische Zuordnung bestimmter Züge gewissen Berufsgruppen eignen? Wenn Huarte im 3. Kapitel den körperlichen Sitz positiver Geistesfaktoren mit rationaler ärztlicher Anatomie bestimmt, wenn er die Gehirnkapseln millimetergenau ordnet, wenn er die großen (hohlen) Köpfe mit den großen dickschaligen Pomeranzen280) vergleicht und ihren fleisch- und saftlosen Inhalt bestimmt, anerkennt Herder den Scharfsinn, folgt aber der Beweisführung keinen Schritt mehr. Das innere Gewebe ist „von zu verflochtner feiner Art, als daß man mit Huarte ein Conklave von Cardinalkräften zimmern . . . könnte" 281 ). Ein andermal wird die empirische Methode nur angedeutet: „Diese deux sortes d'esprits könnte ich verfolgen und mit Huarte gar die vier Kapseln des Gehirns darnach ordnen aber gnug. " Der Titel des Aufsatzes, dem dieses Zitat entnommen ist, lautet: Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele. Bemerkungen und Träume (1778)282). Die Fronten sind schon im Vokabular klar getrennt. Hier „Zergliederung, Öffnung und Absonderung der Ventrikel, Mengenbestimmung der Gehirnzellen", dort „Empfinden, Träume, aber gnug". Die methodische Möglichkeit wird konzediert, aber nicht gelten gelassen. Ein Vorgang wie die Übertragung eines Sinneseindrucks durch die Netzhaut in das Gehirn, die Fixierung im Gedächtnis, ohne von anderen Bildern gelöscht zu werden, die Umwandlung zur Imagination, ist für Herder rational unlösbar. Die erklärenden Bemühungen des französischen Mathematikers Maupertuis, der seit 1741 Akademiepräsident in Berlin gewesen war und die „Spitzfündigkeiten" Huartes sind ihm ein Beweis der Aporie 283 ). Grenzen der Erfahrung sind überschritten. Das Reich der Metaphysik hat begonnen. Diese Transzendenz, die sich unter Einfluß und Nähe von Rousseau und Hamann herausgebildet hat und auf engstem Raum manövriert 280) Herder las das Examen de Ingenios später sogar auf Spanisch. Freiere Abweidlungen von der deutschen Ubersetzung, wie „Granatapfel" an dieser Stelle und die spanische Quellenangabe, sind der Beweis. 281) Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions bildendem Traume. 1778. Werke, Ed. Suphan, Bd. 8, S. 42. 282) Werice, Ed. Suphan, ebda., S. 233. 283) Journal meiner Reise im Jahr 1769. Werke, Ed. Suphan, Bd. 4, S. 458.

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wurde, mußte sich von ihrer Zeit abheben. Gegenüber der rein verstandesmäßigen Erkenntnis Kants wird erstmals auf die Schöpferkraft des Gefühls und Gemüts hingewiesen. Es verwundert nicht, nach diesen Gedankengängen einer neuen Seite des Buches zu begegnen. Herder ist der erste und einzige, der ein feines Gespür für den plastischen Stil Huartes hat und seine Bilder anführt. Sensibles ästhetisches Empfinden fühlt sich angesprochen. Vor allem der Vergleich der erfindenden Köpfe mit den Ziegen, den Flögel nur berührte, hat wegen seiner Metaphorik und Ursprünglichkeit gefallen. Da die Ziege sich immer von der Herde absondert und auf einsamen Felsklippen allein herumklettert, verbinden die Toskaner die Inventio und das Genie mit dem Begriff „capricciosi" (S. 88). So muß ebenfalls den Schafherden auf dem Felde ein Dutzend Ziegen beigesellt werden, die Bewegung in die graue Masse bringen. Herder variiert, indem er für jeden Haufen nur einen Geißbock fordert, weil sich sonst alle verliefen 284 ). Ebenso eingenommen und angetan, weist er nachdrücklich für den rohen Verstand auf das Beispiel des wilden Maulesels hin, dem man Seile anlegen müsse, damit er im Geleise gehen lerne und nicht ausschlage 285 ). Es ist dasselbe Bild, um dessen gracia sich Lessing mit besonderer Sorgfalt bemühte. Die Zeitgenossen sahen nur auf den Inhalt, aus Herders Assimilation des Examen de Ingenios spricht auch der K ü n s t l e r . Neben der praktischen stilistischen Verwandtschaft der S p r a c h e begegneten sich der Deutsche und der Spanier in der Theorie über ihren Ursprung: Sie ist nichts anderes als eine notwendige Erfindung des Menschen. Wie Huarte von Aristoteles ausgeht, formuliert auch Herder in seiner Preisschrift über den Ursprung der Sprache das zweite Naturgesetz nach dem Stagiriten: Dem Menschen als Herdengeschöpf ist die Fortbildung seiner Sprache natürlich, wesentlich, notwendig. In den Grundlagen herrscht Einigkeit. Wie Herder aber in der Auseinandersetzung mit Süßmilch den göttlichen Ursprung der Sprache leugnete, stand er auch der Besessenheit eines Menschen durch einen Rededämon ablehnend gegenüber: „denn daß keine Krankheit, daß kein Fieber uns ungelernte, nie gehörte Sprachen beibringen könne, ist ein Axiom jeder vernünftigen Semiotik" 286 ). Dieser Gedanke stützt im Zusammenhang die Bibelkritik gegen die Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten. Die Geschichtsphilosophie, in der Schrift Uber den Ursprung der Sprache nur im Ansatz vorhanden, wird vom späten Herder zur Beweisführung virtuos beherrscht. In diesem Sinn findet auch der phrenetische Bauer, den Huarte einen zweiten Cicero werden ließ, keinen Glauben mehr: „Der verständige Huarte glaubte sie noch . . . " Der historische Fortschritt seit dem 16. Jahrhundert und im engeren Rahmen sogar seit Flögel, der diese Beobachtung keineswegs zu den „Schwärmereien" rechnete, hat sich unverkennbar realisiert. Man wird nach Behandlung der klimatologischen, rationalen, stilistischen und sprachtheoretischen Anregungen fragen, ob Herder als Pastor und Er284) Vom Erkennen und Empfinden der mensdilichen Seele. Bemerkungen und Träume, 1778. Werke, Ed. Suphan, Bd. 8, S. 224. 285) Von Sdiulübungen, 1781. Werke, Ed. Suphan, Bd. 30, S. 65. 286) Christliche Sdirilten. Erste Sammlung, 1794. Werke, Ed. Suphan, Bd. 19, S. 5.

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zieher keine Ansichten zum wesentlichen pädagogischen Gehalt der Prüfung der Kopie hinterlassen hat. Das letzte uns überlieferte Zeugnis entstammt den Schulen als Uebungsplätzen der Fähigkeiten der Seele (1799). In klarem Referat wird noch einmal der Inhalt des spanischen Werkes dargestellt: „Wie die mancherlei Genies sich in unserm Gehirn haben und sitzen, mag Huarte wissen; wie sie in den Fächern und lumbris der Classe sitzen, das kann und muß einem aufmerksamen Lehrer wohl bekannt werden"287).

Theorie und Praxis sind bedeutsam geschieden. Die Meinung des Arztes gilt solange, wie er in seinem Ressort arbeitet und experimentiert. Auf „Seelenfähigkeiten" lassen sich keine mathematisch-physikalischen Ergebnisse übertragen. Ein Vierteljahr vor der Rezension der Flögeischen Geschichte des menschlichen Verstandes, der ersten Bekanntschaft Herders mit Huarte, hielt er am 27. Juni 1765 zur Einführung des neuen Rektors an der Domschule in Riga seine öffentliche Antrittsrede Von der Grazie in der Schule. Der Schullehrer dürfe kein Handwerker sein. Nur die Anziehungskraft der Wissenschaft ersetze Vorschrift und Unterweisung. Durch Vortrag und Methode müsse der „Mitarbeiter der Jugend" die tote Masse beleben. Diese Haltung deutet auf den springenden Punkt. In der Praxis kommt es allein auf die Persönlichkeit und Beobachtungsgabe des Lehrers an. Als Freund der Schüler kennt am besten er ihre Schwächen und Eigenheiten. Es gibt keine Unbegabung von vornherein, wohl aber einen autoritären trockenen Lehrer, der durch seine leblose Darstellung den Inhalt nicht bis an die Kinder zu tragen vermag. Erforderlich ist allein der verständige Erzieher, der „mit heiterer Stirn zwischen Freunden wandelt, die ihre Seele ihm geben" 288 ). In diesem Idealfall kann die Pädagogik medizinischer Vorschriften für die „Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften" entbehren. Ein noch ungeschriebenes Kapitel der deutsch-spanischen Begegnungen ist die Aufgeschlossenheit des Thüringers Wilhelm H e i η s e (1746—1803) für die iberische Kultur im Rahmen seiner Verehrung der Gesamtromania 289 ). Seine unmittelbare Natur- und Kunstnähe und ihre Gestaltung ließ ihn noch in den Kreisen der Frühromantik (Hölderlin, Brentano) weiterleben. Aber in der Vielfalt seiner Interessen, im polyhistorischen Sammeln, ist Heinse echter Aufklärer. Die spanische Philosophie, Geschichte und Literatur, Musik und Tanz, Land und Leute finden seine Teilnahme. Besonders fühlt sich Heinse von der spanisch-portugiesischen Lyrik angezogen. In der Freude am Wohlklang der Sprache steht er Herder nahe. Die Halberstädter Büchse (1774) hat kongeniale Übertragungen des Camöes, Góngora und Fernando de Herrera direkt aus dem Spanischen und Portugiesischen erhalten. Ein Wechsel der Übersetzungstheorie ist wahrnehmbar. Nicht durch Wort- und Sinnwiedergabe, sondern dem Gefühl folgend, werden die Bilder aneinandergereiht. Man wird gespannt sein, was den „ Apostel der Sinnenfreude und Verkünder 287) Werke, Ed. Suphan, Bd. 30, S. 260. 288) Werke, Ed. Suphan, Bd. 30, S. 23. 289) Da diese Beziehungen der Forschung bisher entgangen sind, soll wenigstens auf den kurzen, allerdings völlig unzureichenden Aufsatz W. V o r d t r i e b e s hingewiesen werden: W. Heinse's share in the German interest in Spanish literature, JEGPh. 48 (1949) 88—96.

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des ästhetischen Immoralismus"290) mit Huarte verbindet. Es ist gewiß kein Bemühen um den Geniebegriff, kein Interesse für die Nationalpsychologie, noch viel weniger eine auf den Nägeln brennende pädagogische Problematik. Weit entfernt von dieser ernsten Zielsetzung, ist ihm die Prüfung der Kopie allein ein heiteres Brevier menschlicher Lebenskunst. Wenn sein Lieblingsschriftsteller Rousseau in der Lettre à d'Alembert behauptet, die Frauen hätten kein Genie, genügt Heinse nur die Autorschaft des berühmten Franzosen, keineswegs die unbewiesene Behauptung. Er ist auf der Suche nach einem Beweis, der dazu prononciert geistreich und scharfsinnig geführt sein muß. Da bot sich der Spanier an: ist doch die Bevorzugung des männlichen Prinzips vor dem weiblichen ein Hintergrund des ganzen Buches. Die Zeitumstände müssen dabei ausgeklammert werden. „Ihre Reden, wie wir täglich hören, haben nur einen Schein von Fähigkeit", heißt es von den Frauen (S. 392). Der Anlaß ist ein empirisches Faktum, das jeder Laie machen kann. Es ist Sache des Wissenschaftlers, nach der Ursache zu forschen. Die Schuld liegt nicht bei den Frauen, sondern an den Graden der Feuchtigkeit und Kälte. Das 15. Kapitel bringt die wichtige Dreiteilung des weiblichen Geschlechts. Innere und äußere Eigenschaften werden bestimmt: 1.Grad: viel Genie, gute Einbildungskraft, schlechtes Gedächtnis, rauhe Stimme, mager, braun, zänkisch, viele Haare, häßlich. 2. Grad: weder klug noch unverständig. 3. Grad: ungemein dumm, blaß, dick, hübsches Gesicht, usw. Die dazugehörigen männlichen Ingenia mit den humoralpathologischen Eigenschaften hitzig und trocken lassen mathematische Kombinationen zu. Das ist die Eugenik des Examen de Ingenios. Sie konnte als Erklärung mehr befriedigen als die apodiktische Meinung Rousseaus. Die Natur ist Urheberin der Gegensätze. Heinse hat diese These rasch rezipiert. Die misogyne Seite des Examen de ingenios, die sich über Schopenhauer bis in unsere Tage fortgesetzt hat, ist hier an ihrem Ursprung greifbar. Nicht ohne ein verstehendes Augenzwinkern schreibt Heinse am 18. November 1770 aus Erfurt an Gleim: „Ich muß ihnen aber bekennen, daß meine Mutter nichts weniger als eine Muse, sondern eine gute, ehrliche Frau war, die nach dem H u a r t , ohne allen Zweifel, den dritten Grad der Kälte und Feuchtigkeit hatte" 2 8 1 ).

Dem Inhalt ist eine pointierte Wendung gegeben, die der Adressat entschlüsseln mußte. Die Chiffre bei Huarte lautet: „Wann hingegen ein Frauenzimmer von gutem Betragen ist, wann sie sich über nichts bekümmert, wann sie bey allen Gelegenheiten lacht, wann sie alles übersieht und sehr gut schläft, so zeigt dieses von dem dritten Grade der Kälte und Feuchtigkeit; weil die grosse Biegsamkeit der Seelen gemeiniglich mit wenig Weißheit verbunden ist" (S. 377).

Man darf annehmen, daß Gleim diese Charakterologie gegenwärtig war. Die Voraussetzung Heinses ist ein weiterer Beweis für den Radius der Prüfung der Köpfe. Es ist der Inhalt dieses letzten Kapitels, der Heinses 290) Newald nach W. B r e c h t , Heinse und der ästhetis&e 291) Sämtliche Werke, Ed. Schüddekopf, Bd. 9, S. 3.

Immoralismus,

Berlin 1911.

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Phantasie beschäftigt und fasziniert: daß ein Hund, ein Bär, ein Affe und ein Fisch ein Mädchen geschwängert hätten. Die Beispiele stammen nicht von Huarte, sondern sind „glaubwürdigen Geschichtsschreibern" entnommen. Für Heinse bleiben sie rätselhafte Zeugnisse einer geistigen Ambivalenz: „Ich weis nicht, was ich aus diesem Hanns H u a r t machen soll! Er muß manchmal ganz närrisch und manchmal sehr klug gewesen seyn; der Mann muß einen unbegreiflich grosen Glauben gehabt haben" 2 " 2 ).

Die Partnerschaft Lessings mit dem Spanier läßt Zusammenhänge nur ahnen. Zwischen der ablehnenden Kritik Karl G. Lessings und der positiven Haltung des Übersetzers Lessing hat das Staunen Heinses seinen schöpferischen Platz. Es ist eine offene Kenntnisnahme, die sich keiner Anregung verschließen will, dagegen noch auf der Suche nach einem Zugang ist, der den Schlüssel zu dieser Sphinx liefert. Als letzte Konsequenz und spielerische Variation findet Huarte Eingang in die tändelnde Lyrik. Unter dem Einfluß Gleims und Wielands entstanden 1771 die Sinngedichte: An

C h l o e n im M a n n s k l e i d e W a r ' ich ein Mädchen! — o Chloe! Ich weinte — die ganze Nacht, Daß nach dem Huart dein V a t e r Dich nicht zum Knaben gemacht! Itzt aber bin ich ein Jüngling, Und werd' in Himmel entzückt, Da ich dich — wie Bathyllen Anakreon — angeblickt! 2 9 3 ).

Diese anakreon tische Verwechslungskomödie entzieht sich jeder Interpretation, weil sie als Gelegenheitsreimerei keinen Anspruch darauf erhebt. Die naive Assimilationskraft Heinses ist erstaunlich. Er kennt keine trennende Wand zwischen erworbenem und angewandtem Bildungsgut. Mit derselben Selbstverständlichkeit personifiziert er allegorisch in Briefen an Gleim wiederholt dessen Diener als den Sancho Cervantes'. Die Gestalten leben mit dem Dichter, und der Dichter lebt mit den Gestalten. Das Ideal der lebendigen Wissenschaft ist erreicht. Der Leser will sich ohne komplizierte Gedanken nur dem Ergötzen hingeben. Das „delectare" wird dem „prodesse" vorgezogen. Diese Zuneigung bestimmte zweifellos auch das Interesse weiter Kreise, die das Buch um seiner originellen Ratschläge zur Fortpflanzung willen begierig verschlangen. Mit Heinse hat die Adaptation Huartes in Deutschland ihre v o l k s t ü m l i c h s t e Stufe erreicht. Zur Zeit dieser Bekanntschaft, um 1770, notiert sich der junge G o e t h e in seine Ephemerides: Examen des esprits par Huarté2β4). Das Tagebuch, ein Quartheft von vierunddreißig Seiten, diente Goethe zu Eintragungen seiner laufenden Lektüre. Das Diarium wird ihn noch nach Straßburg begleiten. Hat Goethe das Examen de Ingenios in einer französischen Übersetzung gekannt? 292) Prosaische Aulsätze. Aus dem Thüringischen Zuschauer, 1770. Werke, Bd. 1, S. 162. 293) Werke, Bd. 1, S. 47. In der Halberstädter Büchse (1774) sind Don Quijote, Sancho Panza und der Barbier in ein Gedicht gefaßt. 294) Artemis-Gedenkausgabe, hrsg. von E. Beutler, Bd. 4, Zürich (1953) S. 967.

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Ein Blick in die Umgebung des Zitats verschafft näheren Aufschluß : Le portrait du charactere des hommes et des Siecles par Barclai. L'homme d'esprit peut bien faire un couplet, mais il faut etre poete pour en faire trois. Des pastiches.

Die Notiz kann nur einer französischen Quelle entnommen sein. Es handelt sich um die Réflexions critiques SUT la Poésie et sur la Peinture des A b b é d u Β o s 29ä). In den zeitlich frühesten der französischen ästhetischen Schriften betonte der Sensualist du Bos die angeborene Begabung des Genies, die sich weder durch Regeln noch Übung verändern lasse. Die Wirkung des Genies geht durch das pathetische Gemüt. Ihr Effekt ist allgemeine Rührung. Im Genie-Kapitel werden interessierte Leser auf die W e r k e Huartes und Barclays (Icon animorum) nebeneinander verwiesen: „On peut profiter beaucoup dans la lecture de ces ouvrages quoiqu'ils ne méritent pas toute la confiance du lecteur" 298 ). Dieses Urteil hat Goethe zur Weiterforschung angeregt 287 ). Die folgenden Exzerpte entsprechen dem Unterschied zwischen „l'homme de génie et d'esprit" und den Gedanken über die Nachahmungen (pastiches). Du Bos steht in unmittelbarer Nähe von Lessings Laokoon oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie. Im Zusammenhang kunsttheoretischer Erörterung zog den jungen Goethe die physikalische Komponente an. Es ist bei der orientierenden Notiz geblieben 298 ). Es übersteigt das biographisch-wissenschaftliche Interesse, wenn man sich fragt, welche Persönlichkeiten im kulturellen oder öffentlichen Leben jener Zeit E x e m p l a r e des Examen de Ingenios oder der Prüfung der Köpfe in ihrer Bibliothek besaßen. Selbst wenn ihre W e r k e keinen Einfluß reflektieren, ist doch die Existenz des Spaniers ein wichtiges Zeugnis seiner Verbreitung. Da ist es aufschlußreich zu beobachten, daß der führende Jurist seines Jahrhunderts, Ludwig Timotheus Freiherr v o n S ρ i 111 e r (1752 bis 1810), 1779 Professor in Göttingen, 1806 württembergischer Minister und Kurator der Universität Tübingen, die Lessingsche Ubersetzung 1772 erwarb. So verzeichnet es das Exemplar der Tübinger Universitätsbibliothek (DK IV, 69). Speziell für den Juristen konnten dabei die Ausführungen über die Vaterschaftsbestimmung bei unehelichen Kindern im 15. Kapitel wichtig sein: Sie sähen den legitimen Vätern ähnlich, weil die Frau während des verbotenen Koitus an den Hahnrei dächte. Das Problem wird noch Lavater beschäftigen299). A b e r v i e l bedeutsamer war für Spittler die umfassende Allgemeinbildung, in deren Rahmen die Prüfung der Köpfe zu diesem Zeitpunkt unbedingt ge295) Erstauflage 1719. Ins Deutsche übertragen Kopenhagen 1760. Für eine Kenntnis durdi Lessing v o r der Huarte-Obersetzung gibt es keinen Anhalt. 296) Bd. 2, Paris «1751, S. 13. 297) Der entzifferte Quellenbezug ist von der Goetheforschung nodi nicht entdeckt. Einzelkommentar Μ. Μ o r r i s , Der ¡ange Goethe, Bd. 6. Leipzig 1912, S. 143—152. 298) Dagegen ist für das lebhafte Interesse Goethes an der Physiognomik Lavaters und später Galls eine Bekanntschaft mit dem Spanier nicht ausgeschlossen, jedoch unbeweisbar. 299) Zur Kriminalpsychologie im Examen de Ingenios vergleiche man die wertvollen Ausführungen S a l d a r í a s . F. v. L i s z t , Tratado de Derecho Penal. Adicionado con la Historia del Derecho Penal en España por Quintiliano Saldaña, Bd. 1, Madrid 1928, S. 318.

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hörte. Sein Gesamtwerk ist ein glänzender Spiegel enzyklopädischen Wissens300). Sein Entwurf der Geschichte der spanischen Inquisition (Hannover 1788) sind die ersten mit kritischem Blick aus Urkunden geschöpften Nachrichten über die Entstehung und Ausbildung des spanischen Glaubensgerichts. Ein gründlicher Kenner der Sprache, scheute er nicht vor heißen Eisen, wie der Geschichte des Jesuiten- oder der Mönchsorden zurück, die undogmatisch und objektiv abgehandelt werden. Seine quellenkundigen vergleichenden Landesgeschichten, wie das Hauptwerk Entwurf der Geschichte der europäischen Staaten (Berlin 1793—94), wirkten nachhaltig auf die politische Urteilsbildung. Spittlers Schaffen gibt eine Antwort auf die Frage: Inwieweit berücksichtigt ein Historiker und Jurist des 18. Jahrhunderts Kultur und Geschichte der iberischen Halbinsel? Einem ähnlichen Universalismus begegnet der Forscher in dem 1776 gedruckten Versteigerungskatalog der Bibliothek Johann Georg H a m a n n s und seines Lebensfreundes, des eben verstorbenen Johann Gotthelf Lindner. Die Biga verzeichnet aus dem spanischen Bereich z. B. Werke und Übersetzungen der Celestina, seiner Lieblingslektüre des Don Quijote, des Francisco de Cáceres, Fray Luis de Granada, Lope de Vega, Lull, Quevedo, Saavedra Fajardo, Vives und vieler anderer. Dazu gehören gleich zwei Exemplare des Examen de Ingenios, die Plantiniana 1603 und die zweite Auflage des Caesarschen Scrutinium Ingeniorum von 1637301). Obwohl die iberische Halbinsel in Hamanns Denken erst nach Frankreich und Italien steht, hat er sich volkswirtschaftlich und kulturell intensiver mit ihr beschäftigt. Mit dem Auftauchen des Scrutinium Ingeniorum (Edition 1663) in der Büchersammlung Moses M e n d e l s s o h n s 302) finden wir zu den Popularphilosophen und der Geniediskussion zurück. Anders als seine Vorgänger ist Mendelssohn bemüht, Erkennen und Erfinden nicht miteinander zu vermischen, sondern harmonisch zu versöhnen. Die scheinbaren Gegensätze sollen als positives Vermögen mit den vom Verstände diktierten Kunstgesetzen übereingestimmt werden. Unter dem Einfluß von Shaftesbury fordert er nicht nur Regeln, sondern auch ihre psychologische Existenzberechtigung, die in subjektiven Empfindungen wurzelt. In diesem verwandten Zusammenhang wird er Huarte mit Aufmerksamkeit gelesen haben: Die angeborenen Fähigkeiten übertreffen jedes mühsame Nachfeilen. Jeder Kunst ist eine Proportion der Seelenkräfte unterzulegen. Das Genie kann in allen Wissenschaften auftreten: „Wo aber die Art der Kenntniß einerlei ist, da hat der Sprachgebrauch auch keine Verschiedenheit im Genie des Lernenden gesucht"303). Der eklektische Sinn Mendelssohns zog ältere Erkenntnisse zur Stütze seiner Kunsttheorie hinzu. 300) Ludwig Timotheus Freiherrn v. S ρ i 1t1 e r ' s sämmtliche Werke, hrsg. von Karl Wächter, 15 Bde., Stuttgart & Tübingen 1827—37. 301) Sämtliche Werke, hrsg. von J. Nadler, Bd. 5, Wien (1953) S. 361 f. Nr. 123—124. Damit ist widerl-egt F a r i n e l l i , Dos Excéntricos, S. 65: „No creo que Hamann se haya fijado en el Examen." 302) Verzeichnis der auserlesenen Büchersammlung des seeligen Herrn Moses M e n d e l s sohn, Berlin 1786, 56 S., 1089 Titel (Herzog-August-Bibliothek, Wolfenbüttel: Bc 1406). 303) 93. Brief, die neueste Litteratur betrefiend, 3.4. 1760. Moses M e n d e l s s o h n ' s gesammelte Schritten, hrsg. von G. B. Mendelssohn, 2. Abt., Bd. 4, Leipzig 1844, S. 53.

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„Das Vermögen, sich bei Erlernung, oder Ausübung, oder Erfindung eines bestimmten Gegenstandes, aller Seelenfähigkeiten leicht und geschickt zu bedienen, nennt man Genie . . . Auch bemerkt man eine große Verschiedenheit dieser Gabe, sowohl ihrem Maaß als ihrer Richtung nach; w o v o n der Grund in manchen, zum Theil zufälligen und physischen Ursachen der A n l a g e und Entwickelung des Geistes zu suchen ist."

So lauten Anfang und Ende der Definition „Genie" des Kunsttheoretikers Johann Joachim E s c h e n b u r g in seinem Entwurf einer Theorie und Literatur der schönen Wissenschaf tenaoi). Als Nachschlagewerk wird an erster Stelle die deutsche Übersetzung Huartes genannt. Ein Zufall hat das Bücherverzeichnis des Braunschweiger Gelehrten erhalten 305 ). Der ungewöhnliche Anteil Hispanica (147 Bände) läßt auf Substanz seines Freundes Lessing schließen. Eschenburg besitzt nicht nur die von Lessing erwähnten Novelas Ejemplares von 1739, die Rimas Lope de Vegas von 1613, sondern auch die seltenere spanische Ausgabe des Examen de Ingenios, Amsterdam 1662, die Lessing als Vorlage für seine Übersetzung zur Verfügung stand308). Daneben hält sich die italienische Übersetzung Salustio Gratiis, Venetia 1600307). Nichts unterstreicht besser die Schätzung und Achtung, die dem Werk entgegengebracht wurde. Am 15. Mai 1779 übersandte Lessing dem schleswig-holsteinischen Schriftsteller Johann Gottwerth M ü l l e r , genannt Itzehoe (1743—1828), ein Billett mit dem erbetenen Text Nathan der Weise 308 ). Diese Geste ist mehr als ein Zeugnis des lebhaften Interesses der Zeitgenossen an dem dichterischen Schaffen Lessings. Sie spricht für den Weitblick Müllers, der aber dazu nodi als rechter Büchernarr stets auf kennerischer Suche nach Kostbarkeiten war. So trug er im Laufe seines Lebens 12 000 Bände zusammen, eine selbst für heutige Zeiten umfangreiche Privatbibliothek 309 ). Der hundertste Teil, 120 Titel, gilt der spanischen und portugiesischen Literatur und Geschichte. Darunter ist die Prüfung der Köpfe, an die Flögeis Geschichte des menschlichen Verstandes angeheftet war. Für Müller war Huarte aber nicht nur eine bibliographische Erwerbung, sondern Teil einer aktiven Anteilnahme. In seinem bekanntesten Roman Siegfried von Lindenberg (1779) zeigt er sich als begeisterter Nachahmer Cervantes' 310 ). In zahlreichen anderen Prosabearbeitungen spanischer Stoffe, in Artikeln und Aufsätzen, hat er um Verständ304) Neue und umgearb. Ausgabe, Berlin & Stettin 1789, S. 18 f. 305) Verzeichniß derjenigen Büdier aus dem Nachlasse weil(and) . . . Joh(ann) Joachim Eschenburg, weiche am 7. October dieses Jahres und an den folgenden Tagen, Nachmittags von 2 bis 5 Uhr, in dem Eschenburgschen Hause am Catherinen-Kirchhoie auktionsmäßig verkault werden sollen. 2 Bde., Braunschweig 1822. VIII, 416 S. (Herzog-August-Bibliothek, Wolfenbüttel: Bc 592). 306) Die französischen, italienischen, spanischen Bücher ersteigerte hauptsächlich der bekannte Calderón-Ubersetzer von der M a l s b u r g , wie aus den Notizen auf den durchschossenen Seiten hervorgeht. 307) Verzeichnis, Bd. 2, S. 254, 276. 308) H. S c h r ö d e r , Johann Gottwerth Müller, Verfasser des Siegfried von Lindenberg, nach seinem Leben und seinen Werken dargestellt, Itzehoe 1843, S. 65. 309) Verzeichniß der von dem Herrn Dr. Ph. Joh. Gottw. Müller in Itzehoe hinterlassenen Bibliothek, ... Itzehoe 1829. 310) A. B r a n d , Müller von Itzehoe, sein Leben und seine Werke. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Romans im 18. Jahrhundert, Berlin 1901 (Literarhist. Forschungen, Heft 17). 141

nis für die fernen Länder geworben 311 ). In diesem Rahmen stand er Huarte nicht nur als Bibliophile, sondern auch als Repräsentant einer bevorzugten Kultur gegenüber. Dieser kurze, instruktive Überblick zeigt eine andere Seite der Rezeption des Examen de Ingenios. Man wäre versucht, sie als passiv zu bezeichnen, wenn sich nicht das vielseitige Interesse seiner Besitzer auch dem Lebenskreis, dem es entstammt, gewidmet hätte. Dem schillernden Inhalt gemäß greift die Verbreitung auch auf die Rechtsgelehrsamkeit über. Das Thema der Begabungsauslese und der Bestimmung des Geniebegriffs geht jeden an und ist nicht nur Salonkonversation. In den führenden Gelehrtenkreisen, in Königsberg, Berlin und Braunschweig, weiß man es zu schätzen. Aber selbst eine Randfigur wie Müller von Itzehoe hat es in seiner Bibliothek griffbereit: eine erfolgreiche Bestätigung der Übersetzertätigkeit Lessings und des Wertes ihres Autors. „Schon früher, als die Forschung der P h y s i o g n o m i e , besonders durch die L a v a t e r i s c h e n Fragmente, so viel Sensation in Deutschland machte, hatte L e s s i η g sie gelegentlich zu seinem Studium gemacht; und schon seine Uebersetzung des H u a r t e , dessen erste Ausgabe im J. 1752 herauskam, scheint ihn auf dieß Studium und manche damit verwandte Untersuchungen, geleitet zu haben"812).

Mit diesen einleitenden Worten umreißt der Herausgeber Eschenburg nicht nur den frühen Blick Lessings für die Bedeutung der Physiognomik, sondern betont zugleich die Vorläuferrolle Huartes für die Gedanken Lavaters 313 ). Die Physiognomischen Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe (1775—1778) des Züricher Arztsohnes Johann Caspar L a ν a t e r sind der erste geschlossene Versuch, das Daseinsrecht einer Wissenschaft zu begründen, welche die seelisch-körperlichen Wechselwirkungen harmonisch vereint. An verschiedenen Stellen wird der unvollständige Charakter betont. Er ist voll bewußt eingegangen. Lavater arbeitet als Dilettant. Er will keine Systematik. Das wahllos gesammelte Material wird nur nach Natur und Gefühl zum höheren Ideal der Humanität interpretiert. Der Verfasser ist kein Philologe oder Wissenschaftler. Seine Haltung ist subjektivempirisch, antitraditionell. „Ich wollt' oft alle Schriftsteller von der Physiognomik durchgehen, fieng an hier und dort zu lesen, konnte aber das Gewäsche der meisten, die alle den Aristoteles ausschrieben, kaum ausstehen"314).

Mit diesem offenen Bekenntnis ist das Verhältnis Lavaters zu seinen Vorgängern bestimmt. Welchen Ort — an der objektiven Wahrheit gemessen — es einnimmt, steht hier nicht zur Debatte. In den Präliminarien zur Temperamentenlehre wird noch einmal falschen Erwartungen des Publikums vorgebeugt. Daraus spricht bisherige Kritik. Was sich darüber schreiben ließe, 311) Ζ. B. Uber das Ehrgelähl der Portugiesen, in: ltzehoer Wochenblatt, 1817. Nr. 19, S. 165 —170, Nr. 23, S. 205—208. 312) Gotthold Ephraim Lessings Koüektaneen zur Literatur, Bd. 2, Berlin 1790, S. 275 f. 313) «Huarte fut le vrai prédécesseur de Lavater", versichert audi J.-M. G u a r d i a (Essai sur l'ouvrage de J. Huarte: Examen des aptitudes diverses pour les sciences, Paris 1855, S. 277). 314) J. C. L a v a t e r , Physiognomisdie Fragmente zur Beiörderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe, Bd. 1, Leipzig & Winterthur 1775, S. 11.

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hätten Haller und Zimmermann, Kämpf und Oberreit in der Gegenwart, Aristoteles, Huarte, Böhme usw. in der Vergangenheit gesagt. Es sind epochemachende Stationen, aber auf einer anderen Strecke. Die Tradition ist damit durch Aufzählung befriedigt. „Studiert habe ich diese Schriftsteller nicht, das heißt, sie nicht erst selbst durchaus zu verstehen gesucht"315). Lavaters Gesamturteil über das Examen de Ingenios unterscheidet sich in nichts von der öffentlichen Meinung: „Huart lesenswürdig, obgleich voll Cruditäten, und kühner unerweislicher Hypothesen" 319 ). Wert und Umfang des Buches bleiben für Lavater durch die Armut an physiognomischen Beobachtungen bestimmt. Das mag für seine Art der Betrachtung gelten. Es ist kein „Affectenspiegel" eines Melissantes mehr. Für Huarte existiert die Physiognomik nur, insofern sie dem eingeschränkten Thema dienlich ist. Das bedeutete für das 16. Jahrhundert schon sehr viel. Dazwischen liegt eine Tradition, die dem Wagnis die Kühnheit genommen hat. So erklären sich die IV2 Dutzend Zitate aus der Prüfung der Kopie. Es sind Lesefrüchte ohne jeden Anspruch, die manchmal zur Kontemplation anregen. In einer Gruppe sind sie nacheinander numeriert. Die Auswahl ist eklektisch, wie es dem Verfasser in den Sinn kam. Sie greift nicht über das erste Viertel hinaus. Man glaubt zu spüren, wie Lavater nicht weitergelesen hat. „Dann schmiß ich sie sogleich wieder weg — und hielt mich wie zuvor an die bloße Natur und an Bilder —"317). Dieselben Komplexe bilden in der Nachbarschaft Kollektaneen aus Campanella, Nicolai, Bacon usw. Der Vollständigkeit ist Genüge getan. Der Autor wendet sich wieder mit Erleichterung seinen Porträtanalysen zu. Dieser lange Prolog soll zweierlei zeigen: 1. Man darf mit keinen Illusionen bewußten Einfluß propagieren, wo er abgelehnt ist. 2. Man muß sich darauf beschränken festzuhalten, was an Einzeltatsachen in diesem Rahmen Lavater interessierte. Die „Stellen aus Huart"318) enthalten nicht nur physiognomische Daten. Als Beispiel für den vielgerühmten „Witz" des Spaniers schien Lavater bemerkenswert: „Einige sind klug, und scheinen es nicht zu seyn. Andere scheinen es und sind es nicht. Andere sind es nicht, und scheinen es auch nicht. Andere sind es und scheinen es auch." Dieses scholastische Wortspiel wird kommentiert: „Ein einfacher Probierstein für viele Gesichter." Wer hieraus praktischen Nutzen für Lavater vermutet, irrt: Es ist eine objektive, historische Rezension. Mit der gleichen Kühle wird der Vergleich zwischen den dicken Pomeranzen und den großen Köpfen, den Herder sich zu vollziehen weigerte, weitergeführt. Lavater abstrahiert: „Viel Knochen, viel Fleisch und Fett ist der Seele hinderlich." Logisch gesehen, ist das keineswegs eine Folgerung, sondern ein inspirierter Gedanke. Genau darauf kam es Lavater an, nicht auf gelehrte Exzerpte in langen Zettelkästen, mit denen er an der richtigen Stelle prunken konnte. Die Anregung oder Inspiration kann sich sogar zu allegorischer Ausdeutung versteigen. Der realistische Mediziner schrieb: „Wer nicht 315) 316) 317) 318)

L a v a t e r , Physiognom. Fragmente, Bd. 4, S. 343. L a v a t e r , ebda., S. 467. L a v a t e r , ebda., Bd. 1, S. 11. L a v a t e r , ebda., Bd. 4, S. 176—179. 143

schwanger ist, kann nicht gebähren, und wenn die geschickteste Hebamme da ist." Lavater sieht darin die Forderung, v o n keinem Gesichte Früchte zu verlangen, deren Samen es nie empfing. Die Physiognomik sei die weise Wehmutter, die Kennzeichen jeder geistigen und moralischen Schwangerschaft kenne und ihr helfe! Einen großen Raum nehmen natürlich Kontroversen in empirischen Beobachtungen ein: ob eine platte Stirn Zeichen eines schwachen Verstandes sei, ob Köpfe kluger Leute zerbrechlich gebaut seien, ob ein dicker Bauch auf einen trägen Verstand schließen lasse, ob schwarze Haare Zeichen einer guten Phantasie seien. Es sind dieselben Unterschiede, die noch heute der Physiognomik v o n ihren Gegnern v o r g e w o r f e n werden und sie als autonome Wissenschaft diskreditieren. Das Gesetz der Ausnahme, welche die Regel bestätigt, läßt sich nicht mehr apologetisch anführen. Der Mensch und seine innerlich-äußeren Qualitäten sind nicht schematisierbar. Zur Ausdruckskunde im weitesten Sinne zählt Lavater ebenfalls die Graphologie. Es ist erstaunlich, daß Huarte auch hierin vorangegangen ist. Lavater erkennt das an und nimmt die Anregung auf. Auch bei den feinen Observationen des Spaniers zum Lachen geht der Schweizer aus seiner Reserve heraus. W e r gut lacht, ist gut. „Eine Physiognomik des Lachens wäre das interessanteste Lehrbuch der Menschenkenntniß!" Mit sichtlicher Begeisterung ist der Gedanke rezipiert. Man wird zumindest im sparsamen Kommentar dem Examen de Ingenios eine Rolle zubilligen müssen. Ebenso wichtig wie die direkten Beziehungen ist in diesem Fall die allgemeine inhaltliche Kongruenz. Denn es handelt sich trotz aller Einschränkungen bei Huarte und Lavater um wissenschaftliche W e r k e mit wenigstens streckenweise gleicher Materie. Da ist es aufschlußreich zu beobachten, daß beide einander verwandter sind, als man vielleicht annimmt. Schon im Prinzip der selbständigen Naturerfahrung gleichen sie sich. Huarte gehört nicht zu den unbedingten Nachbetern des Galen, Hippokrates oder Aristoteles, wie Lavater behauptet. A l s Praktiker geht ihm eine selbstgewonnene Erkenntnis allemal über eine nachgeschriebene Tradition. Das läßt sich bereits aus den „Cruditäten" ersehen. W i e weit ist denn Lavater von Paradoxien frei? Wenn Huarte bewies — wie in dem Absatz über den Juristen Spittler an einem Beispiel dargelegt wurde — daß das Kind das Aussehen des Bildes erhielte, das der Mutter bei der Befruchtung vorgeschwebt hätte, führt Lavater unter den „Wirkungen der Einbildungskraft" folgenden Fall an: W e i l sich ihre Mutter während der Schwangerschaft mit einer Nachbarin über einen Hirsch gezankt habe, sei ein sechs- bis siebenjähriges Mädchen teilweise mit Rehhaaren bewachsen 219 ). Die Dokumentation bilden ein großflächiges Profil- und Rückenbild. Lavater fühlt ebenso w i e Herder die Schwelle des übersinnlichen: „Aber ich stehe hier an einem Abgrunde, wo ich keinen Schritt v o r w a g e n darf." Dagegen wagt sich Lavater in einer kurzen Anmerkung auf das ureigenste Gebiet der Prüfung der Köpfe: „Kaltes Temperament und matte Imagination der Mutter bringen mehr Töchter als Söhne hervor" 320 ). Man wird diese schwache Be319) L a v a t e r , ebda., S. 68. 320) L a v a t e r , ebda., S. 339. 144

hauptung, selbst wenn sie nur als Aperçu gedacht ist, für ebenso arbiträr w i e die Vorwürfe an Huarte halten. In exakter Beweisführung ist der Arzt dem Geistlichen immer überlegen. A n einem anderen Punkt begegnen sich beide: Lavater liebt ebenso w i e der Spanier das Heranziehen der Bibel für physiognomisdie Aussagen 321 ). Mehr noch: „Religion ist mir Physiognomik, und Physiognomik Religion." Der Mensch als Ebenbild Gottes ist das Motto. Die Handschrift des Allmächtigen spiegelt sich in der menschlichen Natur. Auf Grund dieser tiefreligiösen A n schauung werden die Christusbilder 322 ) untersucht. So bringen beide Texte den apokryphen Lentulusbrief 323 ), der auf Psalm 45, 3 beruht324). Während Huarte aber das Zeugnis nur zur Stützung seiner Temperamentenlehre gelten ließ und aus Haarfarbe, Statur, Gesichtsform usw. deduzierte, sieht Lavater darin den unmittelbarsten Ausdruck göttlichen Waltens. Die Gegensätze lassen sich bei gleicher Quelle auf Ratio und Gefühl reduzieren. Das Echo der Lavaterschen Fragmente war gewaltig 325 ). Schon im V o r w o r t zum ersten Band muß sich der Verfasser die Zusendung v o n Scherenschnitten und Anfragen zur Beurteilung v o n Schattenrissen oder Zeichnungen verbitten. Eine ganze Nation nahm Anteil; in der Liste der berühmten Mitarbeiter figurieren Herder und Goethe. Das zeigt am besten die Aufnahmebereitschaft und Neugierde der Zeit für diese Fragen. W i r stehen im Vorhof der Klassik. Intimstes Interesse am Menschen verbindet sich mit Humanität und Religion. In diesem geistigen Zusammenhang ist die Erwähnung Huartes nicht einmal erstaunlich326). Durch die von Lavater richtig erkannte Rolle des Vorläufers hat er seinen Platz verdient. Der Züricher legt aber keinen W e r t auf wissenschaftliche Systematik, sondern steht, in enger Nähe zu der theologischen Tradition, unter einem emotionalen Zug. A n dem Spanier interessieren ihn größtenteils physiognomisdie Bemerkungen, die aber w e g e n der Anlage isoliert und ohne Einfluß auf das Gesamtwerk bleiben. Die Einzelreaktion ist positiv und negativ. Das allgemeine Verständnis Huartes bleibt zweifelhaft. 321) L a v a t e r , ebda., S. 199—216 (Zitat S. 215). 322) Eingehende Besprechung der Überlieferung bei E. v . D o b s c h ü t z, Christusbilder. Untersuchungen zur christlichen Legende, Leipzig 1899 (Texte u. Untersuchungen zur Gesch. d. altchristl. Lit., Bd. 18 = N . F. Bd. 3). 323) L a v a t e r , ebda., Bd. 4, S. 428. Huarte, Ed. Lessing, S. 352 f. Im ConversationsLexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch iür gebildete Stände, 4. Bd., Altenburg und Leipzig (F. A . B r o c k h a u s ) 1817, S. 861 f. werden Vorwürfe Huarte gegenüber erwähnt, den Brief als authentisch bekanntgemacht zu haben. Die Tradition läßt sich jedoch mit Varianten bis ins 6. Jahrhundert zurückverfolgen. Vgl. Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 3, Tübingen 31960, Sp. 317. 324) Zur zeitgenössischen Diskussion über die Aufnahme dieser Epistel siehe R. S t e i g , Herders Verhältnis zu Lavaters Physiognomischen Fragmenten, in: Euphorion 1 (1894) 540—557. 325) Wegen der einflußreichen Verbreitung weisen wir besonders auf die positive Ableitung des spanischen Nationalcharakters hin, die sich auf prächtige Porträttafeln Ignacio de Loyolas und des Sevillaner Malers Luis de Vargas gründet. Ein neues Völkerbild, das wegen seiner wissenschaftlichen Grundlage Anspruch auf absolute Geltung erhebt, ist geboren. Die Vorurteile Morhofs und der subjektiven Reisebeschreibungen sind überwunden. Vgl. W . B r ü g g e m a n n , Die Spanienberichte des 18. und 19. Jahrhunderts und ihre Bedeutung iür die Formung und Wandlung des deutschen Spanienbildes, in: SpFdGG 12 (1956) 1—146. 326) Das wissenschaftliche physiognomische Schrifttum diskutiert den Spanier objektiver. (K. F. I r w i n g ) Eriahrungen und Untersuchungen über den Menschen, Berlin 1772, S. 115. A . J. D o r s c h , über Ideenverbindung und die darauf gegründeten Selenzustände, Frankfurt 1788 (Beiträge zum Studium d. Philosophie, 4. Heft) S. 106 f.

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Erst aus der vollständigen Perspektive läßt sich eine verwandte Ausgangsposition in Methode und Praxis konstatieren. Die Physiognomik als neugegründete selbständige Lehre führt beide auf dieselben Probleme, aber audi Abwege oder „Schwärmereien". Daran hat sich selbst im Aufklärungszeitalter nichts geändert. Der Wert der Physiognomischen Fragmente für die Rezeption Huartes in Deutschland liegt allein in der größeren geographischen Streuung seines Namens unter Lesepublikum aller Kreise; er wird von keiner Autorität gestützt. Zur Zeit der Lavaterschen Fragmente setzt eine deutlich wahrnehmbare Kritik an den ästhetischen Ideen der Batteux, du Bos, Trublet usw. ein. Mendelssohn, Nicolai, Lichtenberg, um nur die Hauptfiguren zu nennen, entwickeln den Geniebegriff an der empirischen englischen Philosophie weiter. Christian G a r ν e übersetzt 1776 den Essa y on Genius des schottischen Ästhetikers Alexander Gerard. Darin findet sich die folgenreiche Teilung des wissenschaftlichen und des Kunstgenies, je nachdem der Hang zum Allgemeinen und Betrachtenden oder zum Einzelnen und Ausübenden führt. Diese Division ist von dem Übersetzer in seinem Versuch über die Prüfung der Fähigkeiten (1779) übernommen worden327). Die praktische Haltung, die wir schon im Huarte-Artikel des Spectator zu Beginn des Jahrhunderts bemerkten, spricht aus der Frage nach Nutzen und Anwendung einer Prüfung der Köpfe. Garves Reaktion ist negative Skepsis: „Wodurch will man die Fähigkeiten des Geistes erkennen, wenn man ihn nicht handeln sieht?" (S. 8). Die Erziehung hinke immer einen Schritt nach, da sich die Entwicklungsstufen erst nach ihrer Reife deutlich erkennen ließen. „Der Richterstuhl, der über die Fähigkeiten junger Bürger in einem Staate den Ausspruch thun, und jedem seine Lebensart nach diesem Aussprudle zuerkennen sollte, ist einer von den schönen Vorschlägen, die zu weiter nichts dienen, als ihre Erfinder zu belustigen. Die Natur will nicht haben, daß sich unsre Weisheit in alle ihre Werke mischen soll . . . " (S. 10).

Diese Wendung zur Irrationalität, die an Herder erinnert, ist typisch für die Wandlung im Charakter der Genieauffassung. An den Grenzen des krassesten Rationalismus hat sich Garve die geheimnisvolle Kraft des Seelengrundes aufgetan. Diese Erkenntnis ist keine Ausflucht, sondern echtes ureigenes Erlebnis. Die Rückkehr zum Metaphysischen geht über das empirische Bewußtsein. So erschließen sich Garve neue Seiten: der Begriff des Dämonischen und der genialen Absonderlichkeit, die vor vernünftigem Räsonieren schon vergessen schienen. Die Absage an die Praxis beinhaltet keine theoretische Resignation. Garve schlägt zwei Wege ein: 1. Sammlung der Kennzeichen, die auf gewisse Seelenfähigkeiten schließen lassen, 2. Bestimmung der Berufsdominanten. Es ist eine exakte Kopie der Gliederung des Examen de Ingenios. Nur die Ausführung des ersten Teils variiert in Anlehnung an die Erfahrungsphilosophie der Engländer. Den Huarteschen Grundkategorien Gedächtnis, Einbildungskraft, Verstand wird die Empfindung zugesellt, die sich in Aufmerk327) Chr. G a r v e , Versuch über die Prüiung handlungen. A u s der N B S W 8 (1779) 8—115.

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der Fähigkeiten,

in: Sammlang

einiger

Ab-

samkeit, Lebhaftigkeit, Begierden, Bau der Sinneswerkzeuge usw. äußern kann. Für den zweiten Teil hält sidi Garve einer selbständigen Untersuchung für enthoben: „H u a r t hat diesen Theil unsrer Materie schon sehr gut abgehandelt, und wir brauchen also nichts als einige Anmerkungen zu machen, die sich hauptsächlich auf die Wissenschaften einschränken sollen" (S. 105).

Mit diesem offenen Zeugnis sind Wert und Erfolg der Prüfung der Köpfe auf ihrem ausschließlichen Gebiet gedeutet. Während Huartes Ideen für Lavater nur auf einem Randgebiet existierten, muß Garve sie schon im Titel in ihrer ganzen Breite anerkennen. Gerade die Berufung des neuen Herausgebers Ebert auf den Versuch über die Prüfung der Fähigkeiten als Kronzeugen der Kritik g e g e n Huarte, rechtfertigt diese längere Behandlung. Die Unterschiede sind nicht so groß, im Aufbau ist fast völlige Kongruenz feststellbar. Die Zeit für eine zweite Auflage der Lessingsdien Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften war gekommen.

2) Die zweite Auflage von J. J. Ebert 1785 a) Literarhistorischer Bericht In der Vorrede des Bearbeiters wird die Notwendigkeit einer Neuedition motiviert: Trotz seiner Mängel habe die Prüfung der Köpfe in Deutschland unter den Gelehrten soviele Liebhaber gefunden, daß der Bedarf nicht mehr befriedigt werden konnte3*8). Daher sei der Verleger an ihn, Johann Jakob Ebert, herangetreten, den Zweitdruck, durch Anmerkungen und Verbesserungen erweitert, zu besorgen. Die Veränderungen beginnen bereits auf der Titelseite : Johann Huart's / Prüfung / der Kopie / zu den Wissenschaften / Aus dem Spanischen übersetzt / von / Gotthold Ephraim Lessing / Zwey/e verbesserte, mit Anmerkungen / und Zusätzen vermehrte Auilage / von / Johann Jakob Ebert / Prof. der Mathem. / Wittenberg und Zerbst / bey Samuel Gottfried Zimmermann / 1785. /

Der lange Untertitel ist gewidien. Das Buch hat sich durchgesetzt. Die Kopfzeile ist zu einem Begriff geworden. Inwieweit das Verlangen nach diesem Erstlingswerk mit Lessings Namen und kürzlichem Tod zusammenhängt, bleibt Vermutung. Ebert hat das Werk jedenfalls nicht als Reliquie betrachtet. Der Umfang seiner Zusätze wird am deutlichsten aus einer Konkordanz der Paginierung (s. S. 148 oben). Konzessionen an den Zeitgeschmack verrät außer den Zusatznoten die Bemerkung, er hätte das 15. Hauptstück gern fortgelassen, wenn nicht die Mißbilligung einiger Leser zu befürchten stände. Das weist deutlich in die Richtung populärwissenschaftlicher Rezeption Heinses. Persönlicher Mut und Wahl Lessings drei Jahrzehnte vorher erscheinen in einem besondern Licht. 328) Die Auflage von 1752 dürfte 500—800 Exemplare nicht überschritten haben. Als Vergleich die Versuche über den Charakter und die Werke der besten itaiiänischen Dichter Johann Nicolaus M e i n h a r d s (Braunschweig 1763—64), welche in 800 Drucken nicht einmal während eines Jahrzehnts abgesetzt werden konnten.

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Lessing Deckblatt Vorrede des Übersetzers Vorrede zur neuen Auflage Der Verfasser an den Leser Einleitung Text Zusätze Register

1 10

4 8 456 8

487 S.

Ebert

1

8 4 6 8 536 30 9 602 S.

Zur Biographie weiß Ebert nichts Neues beizutragen, wenig mehr zur Geschichte des Buches: den Titel der Übersetzung Chappuis', die Kritiken Morhofs und Guibelets; eine lateinische Version Antonio Possevinos ist sogar falsch. Allgemein gesehen, hat die Einleitung nur als Dokument des Ansehens Huartes ihren Wert. Ein Vergleich mit der Vorrede Lessings ist indiskutabel. W e r war Johann Jakob E b e r t 329)? In Breslau 1737 geboren, habilitierte er sich nach dem Studium in Leipzig für mathematische und philosophische Vorlesungen an der Universität Wittenberg, wo er 1805 starb. Dem äußerlich ruhigen Leben, das nur durch Bildungsreisen nach Italien, Frankreich und Rußland unterbrochen wurde, entspricht eine vielseitige Publikation mit Übersetzungen aus dem Holländischen und Englischen. Seine Hauptarbeiten sind: Aniangsgründe der Naturlehre (1775) und Der Philosoph iiir Jedermann (1784). Ein eigentlicher Höhepunkt fehlt. Das pädagogische Schaffen liegt in zahlreichen Annalen und Wochenschriften verstreut, von denen vielleicht das Jahrbuch zur belehrenden Unterhaltung für junge Damen (Leipzig 1794—1801) hervorzuheben ist. Es ist das typische Leben eines aufklärerischen Gelehrten, wie es in seinem polyhistorischen Drang an jeder Hochschule zu finden war: bescheiden, tätig, ohne Anspruch auf den Ruhm der Nachwelt. Das menschliche Bild Eberts zeichnet ein Rechenschaftsbericht der Universität an den Hof nach Dresden 1789, der trotz seines amtlichen Charakters einen lebendigen Eindruck vermittelt 330 ) : „Ein Gelehrter, der nach Naturgaben, sittlichen Caracter, Menschenkenntniß, Fleiß und Wissenschaft gleich schätzbar und für die Universität wohlthätig ist. Zu der anständigen und dabei ungezwungenen Umgänglichkeit, wodurch er zur Bildung junger Studirenden, die sich seiner Leitung bedienen wollen, vieles beiträgt und die Jugend sich ganz gewinnt, haben ihn seine vorigen Hofmeister, Verhältnisse und seine Reisen vorbereitet, und die Faßlichkeit seines gründlichen Vortrags, wodurch sich seine mathematischen und philosophischen Vorlesungen sowohl als seine Schriften . . . auszeichnen, machen ihn zu einem so nutzbaren als angenehmen Docenten, wie überhaupt seine Eigenschaften zu einem der vorzüglichsten Mitglieder der Universität." 329) H. D ö r i η g , Johann Jacob Ebert, in: E r s c h / G r u b e r , Allgemeine Encyklopädie der Wissenschatten und Künste, 1. Section, Bd. 30, Leipzig 1838, S. 272. Κ. H. J ö r d e n s , Lexicon deutscher Dichter und Prosaisten, Bd. 6, Leipzig 1811, S. 53—57. J. G. M e u s-e 1 , Das gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetztlebenden deutschen Schrittsteller, 23 Bde., Lemgo 1796—1834. Bd. 2: S. 136—139, Bd. 9: S. 268, Bd. 11: S. 184, Bd. 12: S. 324, Bd. 13: S. 305, Bd. 17: S. 470, Bd. 22, Abt. 2: S. 9. 330) F r i e d e n s b u r g , Urkundenbuch, S. 491.

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b) Sprachliche Revision Es wurde bisher allgemein angenommen, die Ebertsche Fassung der Prüfung der Kopie unterscheide sich kaum oder gar nicht von dem Textdruck 1752331). Ein Zeichen- und Wortvergleich hat dagegen 9577 Abweidlungen ergeben, durchschnittlich 20 Korrekturen pro Seite. Man wird angesichts dieser hohen Zahl nach dem Grund der Veränderungen fragen und Linien eines gemeinsamen Prinzips zu erkennen suchen. An dieser Stelle muß vorausgeschickt werden, daß Ebert aus mangelnder Sprachkenntnis keinen Vergleich mit dem spanischen Original realisieren konnte. Dadurch hätten sinnvoll Fehler und Versehen Lessings behoben werden können. So bleibt nur die anspruchslosere Tätigkeit einer syntaktisch-stilistischen Verbesserung, um eine flüssigere Lesbarkeit zu erreichen. Man darf daraus nicht von vornherein auf unsorgfältige oder hastige Arbeit Lessings schließen. Bei jeder Korrektur müssen bedacht werden: 1. der persönliche Stil Eberts, 2. der Individualstil des j u n g e n Lessing, 3. der Fortschritt der deutschen Sprache auf dem Wege zum harmonischen Stilempfinden der Klassik. Die Forschung begegnet hier dem einmaligen Glücksfall, daß derselbe Text in der gleichen Stilepoche von einem anderen Schriftsteller überarbeitet ist. Das ermutigt zu einem vorsichtigen Versuch: 1. aus den Veränderungen mit den obigen Einschränkungen eigensprachliche Züge Lessings zu abstrahieren, 2. auf Grund der Lessingschen Korrektur seiner Jugenddramen die Frage nach der Berechtigung der Arbeit Eberts zu stellen. Entspricht das Exemplar von 1785 noch dem Stil Lessings, selbst wenn er allein es später korrigiert hätte? Die Beantwortung dieser beiden für die Stilforschung elementaren Probleme soll auf dem engen Raum eines frühen Schriftdokuments den folgenden Sammelbericht über den Zweck einer trockenen Katalogisierung erheben. Er wird nur als vorbereitender Komplex für die wichtigeren Folgerungen zu werten sein. Der Wert der Abweichungen wird zunächst dadurch geschwächt, daß es sich bei über der Hälfte um Ergänzungen, weniger Korrekturen, der Zeichensetzung handelt. Die eigenwillige I n t e r p u n k t i o n Lessings berücksichtigt nur individuelle Sprechpausen. Noch der junge Goethe folgt nicht dem logischen, sondern dem musikalischen Akzent. Ein weiteres Drittel ist den O r t h o g r a p h i c a und D r u c k f e h l e r n gewidmet. Dabei ist zu bemerken, daß der junge Lessing keine einheitliche Rechtschreibung kennt. Auch darin befindet sich die Zeit um 1752 in einem Ubergangsstadium. Die beliebten konditionalen oder iterativen „wann", ein Spiegel Huartescher Hypothesen, setzt Ebert regelmäßig in „wenn" um332). Die ebenso häufige Vorsilbe ohn- (ohngeachtet, ohngefehr, ohnmöglich, ohnfehlbar) wird als 331) Ρ i t o 11 e t , Contributions, S. 117: .Ebert . . . n'a pas toudié à la traduction, . . 332) Für die Beispiele sind nur größere Gruppen berücksichtigt. Die Frequenz in diesem Falle liegt bei 327. 149

veraltet durch un- substituiert33®). Aus dem gleichen Motiv erhalten Formen wie „derohalben, dahero, nachhero", die nach Kanzleistil schmecken, ihre neuhochdeutsche Form „deshalb, daher, nachher". Am durchsichtigsten sind die Korrekturen der Dialekteigenarten 334 ). Darunter fallen die zahlreichen apokopierten und synkopierten „e", die besonders bei Dativen und präpositionalen Ausdrücken wie „von dem Gehirne" auftreten. „Und in Meißen flicket man an viele Wörter ein e, die es nicht nötig haben", resignierte schon Gottsched335). Am auffälligsten ist die Erweiterung Huart-e, obwohl noch Herder nur von dem englischen Philosophen Lode sprach. Eindeutig sind sächsische „Ergetzlichkeiten, Spierhund, Ziegel, zeigen", die Ebert zu ö, ü und eu rundet. Für die Druckfehler, Buchstaben- und Wortmetathesen, Dittographie, die manchmal sogar zu einer „vox nihili" führen (S. 46 Bübchen für Böckchen), ist es kurios zu registrieren, daß außer übersehenen Errata die hinzugekommenen (29) den verbesserten (36) fast die Waage halten. Am entstellendsten ist bei Ebert die Verwechslung des dritten mit dem vierten Kapitel. Entscheidende Eingriffe sind erst bei der S y n t a x und F o r m e n l e h r e spürbar. Für die Substantive verwendet Lessing abweichend vom heutigen Gebrauch ein anderes Genus: der Gift, die Katheder, die Dunst, wobei Ebert nur „das" Katheder korrigiert. In der Verbindung Adjektiv/Substantiv zieht Lessing das schwach flektierte Beiwort vor: ein ander Zeichen, ein reicher und fruchtbarer Land. Gemäß den Vorschriften Gottscheds und Adelungs findet sich in der zweiten Auflage die vollere Endung. Bei den Verben sind regelmäßig die schwachen Formen verbessert: rufte, bewegte, angewendet, nennte, dazu altertümliches furchte und geschieht. Die andere Rektion wie „welche ihr zur Ader ließ" (S. 58), „bin ich meines Wunsches gewährt worden" (S. 124), ist am augenfälligsten in der ständigen Verbindung von „lehren" mit dem Dativ. Als allgemeine Zeiterscheinung, die auf einer Verwechslung mit „lernen" beruht, brandmarkt sie Gottsched als „höchst falsch"336). Als ein Hauptcharakteristikum des Lessingschen Stils tritt in der Prüfung der Köpfe das Auslassen der Hilfsverben „sein" und „haben" auf: „wenn sie Philosophen gewesen sind, weder dem Plato, noch dem Aristoteles gleich gekommen; sind sie Aerzte gewesen, . . . " (S. 330). Dieses Beispiel zeigt, daß sich keine strenge Regel konstituieren läßt. Volle finite Verbform steht neben dem elliptischen Partizip Perfekt. Ebert hat wie in allen Fällen zu „gleich gekommen s i n d " ergänzt (S. 399). Dadurch trifft asyndetisch zweimal derselbe Ausdruck aufeinander. Vielleicht erklärt sich die Auslassung an dieser Stelle aus einem feinen Sprachgefühl Lessings. Während die Änderung der Wortform oder Ergänzungen keinen Eingriff in die innerste Satzstruktur bedeuten, will Ebert mit der Auflösung der Verbumklammerung größere Deutlichkeit und Übersicht erreichen: „Bey so gestaltenen Sachen also ist uns der W e g auf welchen wir gehen müssen, wenn wir zeigen wollen, was für Genies eigentlich die Gesetze erfordern, e r ö f n e t " (S. 204). 333) G o t t s c h e d , Spiachkunst, S. 476: „Es ist ein Misbraudi, daß viele das Un vor den Nebenwörtern, immer in ohn verwandeln wollen." 334) S c h m i d t , Lessing, Bd. 2, S. 507—511. 335) G o t t s c h e d , Sprachkunst, S. 504.

336) G o t t s c h e d , ebda., S. 444.

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Durch Verbindung der weiten Sperrung Subjekt-Prädikat erreicht der Bearbeiter ein geschlosseneres Satzbild (S. 254). Lessing ist ganz im Periodenbau gefangen gewesen. Die Spannung blieb bis zum Schluß erhalten. Man kann über die Vorzüge beider Syntagmata geteilter Ansicht sein. Vollständigkeit und eindeutiger Ordnungstrieb sind auch die Ursache der Umschreibung zahlreicher Finalsätze, die Lessing als abgekürzte Infinitivkonstruktion gab: „Niemals irren zu können, müßte man nicht nur die ganze Wissenschaft nach ihrem Umfange einsehen, sondern auch . . . " (S. 241). Das korrekte Ebertsche „um — zu" hebt vielfach die einleitende Absicht durchsichtiger hervor. Einen Eingriff in den Modus erlaubt sich Ebert an vielen Orten, wo Lessing nach „daß" konjunktivisch fortfährt337): „Da nun die Advokaten sehen, daß unter den Einsichten der Richter eine so große Verschiedenheit anzutreffen sey, daß jeder denjenigen Gründen wohl wolle welche . . . " (S. 226). Der logischen Aussage nach handelt es sich um einen realen Sachverhalt, dem der Text von 1785 mit indikativischen „ist" und „will" entspricht. Unangetastet bleibt dagegen der beliebte relativische Anschluß, „als welche, als woran, weßwegen wir, welches Temperament", durch den der Redefluß zwar umständlich wirkt, aber oft noch eine Hypotaxe der Periode angefügt werden kann338). Die s t i l i s t i s c h e n Verbesserungen Eberts setzen mit äußeren Schönheitskorrekturen ein, wie der Umgehung kakophonischer Doppelungen: die, sie, ist. Mit den Änderungen lässiger „ w a s sehr gewöhnliches" (S.198) in „ e t w a s . , , " wird eine Entwicklung eingeleitet, die ängstlich bemüht ist, die Umgangssprache zugunsten einer unauffälligeren Prosa zurückzudrängen: „spitzigere Sachen" werden zu „tiefsinnigeren" (S. 518), „knickricht" zu „sehr geizig" (S. 389). Spricht Huarte vom unvernünftigen Menschen als dem bruto animal, verwischt Ebert das Lessingsche „Vieh" in neutrales „Thier" (S. 39). Der höheren Stillage fällt auch das „in die G r u b e schicken" zum Opfer, mit dem Lessing das Verhalten der Ärzte glänzend ironisierte. In der zweiten Auflage wird man fortan „ins G r a b schidien" lesen (S. 300). Der stilistischen Abschwächung entspricht in einem Fall eine inhaltliche Milderung: ein Affe habe mit einer Frau zwei Kinder gezeugt! Dem affirmativen Sinn Huartes und Lessings nimmt Ebert mit einem zweifelnden „soll" die nackte Bedeutung der Tatsache. Zum Wechsel des Wortschatzes gehört auch die Schwächung der -ungAbstrakta: Gelüstungen — Lüsternheit, Antreibungen — Antriebe, Nahrungen — Nahrungsmittel. Am deutlichsten sind die Änderungen in einem stark p u r i s t i s c h e n Zug greifbar: Medicus — Arzt, probiren — untersuchen, Exempel — Beyspiel, Theologe — Gottesgelehrter, Sorte — Gattung, formirt -— gebildet, Kreatur — Kind, Argument — Beweisgrund. In diesen Zusammenhang gehört die weitläufige Umschreibung von „infam — wenn er nicht seiner Pflicht und Ehre zuwider handeln will" (Ebert, S. 362). überhaupt versucht der zweite Herausgeber manchmal einen eleganteren Stil. Wenn Lessing, in den Wortlaut des Examen de Ingenios vertieft, 337) G o t t s c h e d , ebda., S. 497, gestattete die Möglichkeitsform nach Konjunktion nur bei indirekter Rede. 338) A. L e h m a n n , Forschungen über Leasings Sprache, Braunschweig 1875, S. 127—159: Eine Attraktion (Trajektion) bei Relativsätzen. F. D ü s e 1, Ein Beitrag zur Sprache des ¡ungen Lessing, Zts. f. dt. Sprache 7 (1894) 6—13, hebt die Freigebigkeit im Übersetzungsstil hervor.

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schreibt (Einleitung): „so weiß idi wohl, daß du dir es fest überredet hast" (bien sé que estás persuadido), stilisiert Ebert mit Parenthese (S. 2): „so wirst du dir, wie ich gar wohl weiß, die Meynung nicht benehmen lassen." Wenig später wird umständliches „wie ich es mir zu seyn vorgesetzt habe" zu schlichtem „als ich wünsche". Andere Abweichungen streifen in ihrer Freiheit den Sinn der Übersetzung: Wenn etwas „schlecht gesagt ist" (no esté bien dicho), wird es bei Ebert zu „unrichtig" (S. 8). Eine „ziemliche Vermuthung" (sospecha) wird zur „Wahrscheinlichkeit oder Vermuthung" (S. 283). Als Endprodukt der Überarbeitung fällt ein Dutzend Auslassungen, darunter eine Anmerkung, dem Wittenberger Professor zur Last, die in keinem Fall motiviert sind. Sie erklären sich allein daraus, daß der Text neu geschrieben werden mußte, wobei die Elisionen unterliefen. Nach dieser kurzen Bestandsaufnahme, die nur häufigere Phänomene berücksichtigte, sollen die eingangs gestellten Fragen nach der Eigensprachlichkeit und der Berechtigung der Korrekturen wiederholt werden. Heben sich auf Grund der Ebertschen Revision einige Erscheinungen als früher Individualstil von der Zeitumgebung ab? Zur Klärung lassen sich Lessings spätere Änderungen an seinen Jugenddramen heranziehen 339 ). übereinstimmend mit der Prüfung der Kopie hat Lessing stets das konditionale und iterative „wann" in „wenn" verwandelt, weiterhin größtenteils das schwach flektierte Adjektiv in substantivischer Stellung beseitigt. Diese beiden Züge müßten Indizien für den Frühstil sein. Aber schon ein Blick in Gottscheds Sprachkunst zeigt den allgemein verbreiteten Fehler. Wie denn auch Klopstock und Herder die kürzere Form lieben340). Wie verhält es sich mit der Ausschaltung von „haben" und „sein"? Auch sie ist besonders bei der erneuten Durchsicht des Laokoon teilweise rüdegängig gemacht. Muncker hat sie anfangs ohne Bedenken als Specificum im Rezensionenstreit um die Jahrhundertwende für Lessing vindiziert341). Inzwischen hat sich auch in diesem Fall durch die Arbeiten Markwardts das Gewicht radikal verschoben 342 ). Christian Weise, J. E. Schlegel, Winckelmann, selbst Gottsched liefern Belege für die Elision der Hilfszeitwörter. Ähnlich verhält es sich mit den anderen Charakteristika, so daß sich folgern läßt, Lessings Stilgestaltung sei für diese frühe Zeit noch nicht hinreichend individuell abgestuft, um als absolut sicherer Fingerzeig zu gelten343). Der Wert der herausgestrichenen Zitate, die durch die Ebertsche Korrektur noch gesteigert wurden, liegt mithin in ihrer Bedeutung als „Leitfossilien für den Zeitstil und den zeitbedingten Typus" 344 ). Für Lessing bezeichnend sind sie allenfalls in ihrer Konzentration und Frequenz. Die Ergebnisse dieses Schlußurteils sind daher nur an einem längeren Textstück, zu exemplifizieren. In kurzen Rezensionen oder Büchernotizen ist mit Vorbehalt das 339) F. Τ y r o 1 , Lessings sprachliche Revision seiner Jugenddramen, Berlin 1893. 340) Th. L ä η g i η , Die Sprache des jungen Herder in ihrem Verhältnis zur Sdiriltsprache, Diss. Freiburg 1891, S. 51. 341) Ζ. B. LM IV, S. VIII. Erste Kritik bereits bei Consentius. Dazu die Entgegnung M u n c k e r s in: Euphorion 9 (1902) 737—748. 342) M a r k w a r d t , Studien, S. 316—320. Studie 14: Einzelzüge zeitgebundener Sprachgestaltung. Abwehr der Zuordnung als Lessingsche .Sonderiormen". 343) M a r k w a r d t , ebda., S. 311. 344) M a r k w a r d t , ebda., S. 321.

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Kriterium der Methode anzuwenden, das für Lessing bedeutet: Quellenkenntnis und selbständiges Urteil. Welchen Sinn erfüllen damit Eberts Verbesserungen? An einigen wenigen Einzelzügen wäre ihnen — wie wir sahen — Lessing bei einer zweiten Edition gefolgt. Die Änderungen waren formaler Natur. Das Verfahren Eberts, ohne Vergleich mit dem Original, oft willkürlich, den Text umzusetzen, ist riskant und fragwürdig. Als Resultat der Arbeit Tyrols ergab sich345) : Die sprachliche Revision Lessings auf dramatischem Gebiet zielt auf noch größere Knappheit und Prägnanz des Ausdrucks, überträgt man dieses Prinzip auf den Übersetzungsstil und fragt nach den Richtlinien Eberts, wird man nur ein subjektives Sprachgefühl finden, das unsystematisch arbeitet und sich um keine durchgehende Straffung bemüht. In diesem verfehlten Ziel zeigt für den Kenner die zweite Auflage der Prüfung der Kopie nicht mehr Lessings Stilspur. c) Wandel des Huarte-Bildes Mit der Kommentierung der Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften hat Ebert genau das getan, was Lessing sorgsam vermieden wissen wollte. Die vorbeugende Einleitung, die den Zeitgeist des Verfassers zu erwägen gab, die überlegte Version, die den Leser zu eigenem Mitdenken anregte, machten jede Anmerkung überflüssig. Der anonyme zeitgenössische Rezensent in der Berlinischen Privilegirten Zeitung spielte auf das Eigenkriterium des Publikums an, das die stärksten Paradoxien selbst auflösen könne. Aus der Forderung Karl Gottheit Lessings nach einem sechsfach dickeren Erläuterungs-Apparat sprach die Zeitgepflogenheit. Sicherlich muß man hinter diesem Verlangen die stärkste Partei sehen. In seiner Vorrede zur neuen Auflage behauptet Ebert, einem Wunsche des Verlegers gefolgt zu sein. Man mag darin eine persönliche Entlastung erkennen, aber der Bearbeiter hätte sich auch ohnehin keinen Zwang angetan. Lessing sei sicher aus Zeitnot von den Anmerkungen abgehalten worden, heißt es (Vorrede, S. XII). Eine aufmerksame Lektüre des Vorwortes von 1752 würde den Fortschritt der Medizin als selbstverständlich übergangen haben. Aber schon Huarte hatte in der Einleitung geahnt: „Ich will es ganz gerne gestehen, daß in diesem meinem Werke einige Fehler vielleicht mit untergelaufen sind, weil die Materie allzu fein ist und ich mir selbst die Bahn brechen mußte." So füllt sich die Ubersetzung mit 77, manchmal sogar ganzseitigen Bemerkungen, die ebenso wie Huartes Glossen unter die Seite statt im Text, wie bei Lessing gesetzt sind. Umfangreichere Materie wird in vier Zusatzkapiteln abgehandelt (S. 545—574). Ein Hauptansatzpunkt sind die Z w e i f e l a n d e r P r a x i s , die besonders durch die Gedanken Garves gestützt werden. Das 15. Kapitel bot in dieser Beziehung eine breite Angriffsfläche zum Spott. Hier muß eingefügt werden, daß schon in der Approbation der Ausgabe Pamplona 1578 die Exekutive skeptisch gesehen wird84'). Wichtig ist, daß Ebert die Ausführung nicht aus metaphysischen Gründen wie Herder negiert, sondern aus rationaler Distanz der überholten Tatsachen. Der F o r t 345) T y r o l , Lessings spradil. Revision, S. 70. 346) I r i a r t e , Ei doctor Huarte, S. 68.

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s c h r i t t d e r W i s s e n s c h a f t e n hat jede Zeile diktiert. A l l e s muß neu am „Probierstein der Vernunftlehre" (S. 161) g e w o g e n werden. Das entspricht genau der A n t w o r t Lessings an von Murr, in der er nur die Einkleidung in ein neues philosophisches Gewand forderte. So weiß Ebert z w e i Jahrhunderte später, daß es Fische und A f f e n gibt, deren Gehirn proportional das des Menschen übertrifft (S. 47). Sub specie aeternitatis betrachtet, tut aber schon seine Belehrung von der regelmäßigen Menstruation der Affenweibchen Huarte Unrecht (S. 447). Reine Gelehrsamkeitskrämerei ist der lange naturwissenschaftliche Exkurs über das Manna (S. 314—316). Die Gefahren eigener Eitelkeit werden deutlich. Immerhin ist die Erkenntnis, daß nicht alle in der Prüfung der Köpfe angeschnittenen Probleme v o n der „heutigen erleuchteten Zeit" gelöst seien, einsichtsvoll zu nennen. Dazu gehört die Psychologie des Lachens, die schon Lavater und auch Garve stark beschäftigte. In einer ausführlichen Digression wird die Forschung diskutiert (S. 135—137): Zückert sieht einen mechanischen Nervenkitzel, Sulzer die Ungewißheit des Urteils, Crusius eine überlegene geistige Haltung. O b j e k t i v gesehen, bedeuten diese Anmerkungen keinen Vorwurf gegenüber dem Spanier, da sie nur die Übersetzung auf den Stand eines neuen Jahrhunderts heben. Dagegen wird an einer anderen schwachen Stelle immer wieder der Hebel angesetzt: den B e i s p i e l e n Huartes und der Frage, ob sie zu einer induktiven Folgerung hinreichten. Gegen die Schwächung der Geisteskräfte nach Kastration zeugt bei Ebert der französische Scholastiker Abaelard (S. 459), gegen die Feindschaft zwischen Gedächtnis und Verstand wurde schon bei Flögel Leibniz 347 ) ins Feld geführt, bei Ebert tritt außerdem der Mathematiker Euler hinzu348). Als Beweis für ein vielseitig talentiertes Genie w i r d Friedrich der Große angeführt (S. 558 f.): Regent, Feldherr, Dichter, Musiker. Ebenso w i e die naturwissenschaftlichen Korrekturen erleiden die historischen Beispiele im Hinblick auf die großen Linien der Geschichte manche Einbuße. W e n n die Konfrontation dieser empirischen Beweise einen Sinn hat, dann nur den, daß die différentielle Psychologie noch heute nur aus einem Mehrheitsbefund deduzieren kann. Auf jeder Seite lassen sich Exempel häufen. Diese Einsicht blieb Ebert verschlossen. Ihm ging es um ein Entweder—Oder. Das Wagnis einer Behauptung glaubte er durch einen Namenkatalog stürzen zu können. Auf Grund dieser Ausgangsposition sind die Zusätze nur erweiterte Glossen mit demselben Inhalt: ob man nur e i n Genie besitzen könne, ob jedem Genie nur e i n e Gattung zukomme, ob ein schlechter Theoretiker immer ein schlechter Praktiker sein müsse, welcher Unterschied zwischen Gedächtnis und Erinnerungskraft sei, ob man ohne Verstand kurieren könne. Nicht ohne Ironie ist bei dem letzten Punkt die Bemerkung, Huarte sei in der Praxis wahrscheinlich nicht sehr glücklich gewesen, weil er dazu den Verstand ableugne. Gerade die Forschungen Iriartes haben aber ergeben, daß der Spanier schon zu Lebzeiten w e g e n seiner außerordentlichen Heilerfolge hochgeschätzt wurde. 347) Ebert indiziert die eigene Anmerkung s. v . Leibnizl (S. 580). 348) Die Kette der Gegenbeweise aus Mathematik, Geometrie und Arithmetik zeigt den Lebenskreis des Verfassers (S. 8, 171, 274, 329).

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Als interessantes Beispiel für die Art der Argumentation sei der vierte Zusatz herausgegriffen: Nach Aristoteles und Ebert besteht zwischen Gedächtnis und Erinnerungskraft eine enge Allianz. Als Bundesgenosse wird Garve zitiert, der Gedächtnis in einen behaltenden und einen räsonierenden Faktoren aufspaltete. Das räsonierende Gedächtnis als nachdenkender Teil des Verstandes entsprach genau der Erinnerungskraft. Vergleicht man die Quelle, sagt Garve expressis verbis, daß die andere Komponente, das behaltende Gedächtnis, also etwa das Auswendiglernen, bei großem Verstände selten sei (S. 29). Das deckt sich genau mit Beispielen und Absichten Huartes. Dem Inhalt der Kritik Eberts entspricht der äußere Ton. Es ist die souveräne geistige Überlegenheit eines „Credat Iudaeus Apella!" (S. 518). Die Vorlage wird als „Grillen, sonderbare Einfälle, Ungereimtheiten, Geschwätz, Rockenphilosophie" (S. 154) behandelt. Eine Anmerkung wird nur eingeführt, um die Aussage als „Mährchen" abzutun (S. 156). Mit milder Gelassenheit wird der „gute Huart" (S. 165) in seine Schranken gewiesen. Der auf diese Weise gegängelte Leser konnte das Buch nur noch mit historischem Interesse würdigen, wenn ihm nicht schon die zahlreichen ausführlichen Noten sagten, daß der Wert der Prüfung der Köpfe in der Anregung zum Nachdenken durch Widerspruch lag. Um so überraschender kommt ein Satz in der Einleitung zu den Addenda, der als Kompliment für die Arbeit Garves gedacht ist, in Wirklichkeit aber ein hohes Lob Huartes zwischen den Zeilen verbirgt: „Wenn man diese Abhandlung mit der gegenwärtigen Schrift des Huarte verbindet, so wird man gewiß in Ansehung der Hauptsache keine weitern Zusätze verlangen können" (S. 545 f.). Eberts Kommentare zeigen erst recht Unverständnis und mangelnde Einsicht in die epochale Bedeutung Huartes. Die Prüfung der Köpfe von 1785 ist w e d e r s p r a c h l i c h n o c h k o n z e p t i o n e l l in Lessings Sinn und Geist herausgegeben. Die beiden bekannten Rezensionen paraphrasieren nach Zeitsitte den Inhalt der Vorworte Lessings und Eberts349). Sie sind als Bücheranzeigen, nicht als selbständige Prüfung zu werten. Die Allgemeine deutsche Bibliothek wünscht dem Buch einen verständigen Leser, der es andernfalls rasch weglegen würde, wenn nicht die lustigen und paradoxen Stellen die Aufmerksamkeit wachhielten. Nicht nur chronologisch, sondern audi ihrer verwandten inhaltlichen Kritik nach, sind in die Nähe der zweiten Auflage und der Rezensionen die Urteile F ü l l e b o r n s und K. G. L e s s i n g s über den Spanier zu stellen. Die negative Auffassung von der Übersetzung spiegelt sich in den Eigenäußerungen zu der Begabungsselektion. Fülleborn, Professor am Elisabethanum in Breslau, versichert, „durchaus nichts Neues und Bedeutendes für die Physiognomik gefunden zu haben, wohl aber einseitige Urtheile und unkritische Träumereyen in Menge'" 50 ). Der jüngere Lessing unterstreicht die Ungereimtheiten und einseitigen Erfahrungen: „Die Hirngespinste des Galenus, 349) ADB 65 (1786) 244—248 (Oz.). Der Rezensent ist aufgeschlüsselt als der Prediger Noodt in Wesenberg (Lübeck), der in diesen Jahren Predigten und Schöne Wissenschaften rezensierte. Vgl. G. P a r t h e y , Die Mitarbeiter an Friedrich Nicolai's Allgemein Deutscher Bibliothek nach ihren Namen und Zeichen, Berlin 1842, S. 46. Altonaisdier Gelehrter Mercurius 23 (29. 12. 1785) 413 f. 350) F ü 11 e b o r η , Beyträge, S. 129.

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Hippokrates, und Aristoteles, sind so herrlich mit des Verfassers eigenen verwebt, daß sich die leidigen Systemmadier daran spiegeln können" 351 ). Anläßlich einer Besprechung der Philosophie des schon erwähnten Crusius meint Karl Gotthelf Lessing, man brauche nur das erste beste Buch dieser Gattung aufzuschlagen, um etwas zu denken oder zu lachen zu haben wie bei Huarte 352 ). Das ist die Sprache der Allgemeinen deutschen Bibliothek. Der Wandel in der Anschauung des Examen de Ingenios beruht nicht nur auf isolierten persönlichen Ansichten, er reflektiert im Großen die veränderte Stellung zum Geniebegriff. Der extreme Subjektivismus des Sturm und Drang hatte zu einer kritischen Katharsis geführt, wie sie sich besonders in den Meinungen der Adelung, Sulzer, Resewitz zum Genie manifestiert. Wie diese Philosophen gehört Johann Jakob E b e r t zu den Wolffianern, die damals alle wichtigen Lehrstühle einnahmen und der Genietheorie distanzierter gegenüberstanden. Seit der späten Aufklärung wird sich der Begriff nach zwei Richtungen hin entwickeln: zu einem unbewußt schaffenden goetheschen Prometheus und zu dem romantisch-aktiven Naturphänomen, das bis zum Übermenschen Nietzsches ausstrahlt. Der völlige Ausfall einer Rezeption Huartes durch die Romantiker läßt sich aus diesem Gegensatz ahnen. Sie konnten einer rationalen medizinisch-philosophischen Deutung entbehren. Das 18. Jahrhundert hatte in leidenschaftlicher Auseinandersetzung die geistigen Grundlagen geschaffen.

351) K. G. L e s s i η g , G. E. Leasings Leben, Bd. 1, S. 144. 352) Κ. G. L e s s i η g , ebda., S. 194.

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VI.

Wirkung im 19. Jahrhundert Welche gesicherten Nachrichten fand der Gelehrte vor, wenn er sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts über Juan Huarte und sein Examen de Ingenios informieren wollte? Im Gegensatz zu den französischen Enzyklopädisten Diderot und d'Alembert mit ihrer vielbändigen Encyclopédie (1751—1780), im Gegensatz zur Encyclopedia Britannica (seit 1771) hat sich die deutsche Lexikographie in der zweiten Hälfte des Aufklärungszeitalters in keiner zentralen Leistung ein Denkmal setzen können. Die originellen Grenzen bleiben sogar hinter dem emsigen Sammlerfleiß der Gelehrtenlexika Zedlers und Jöchers zurückgesteckt. Dafür ist die Zahl der Fachhandbücher gestiegen. Die Universitas litterarum schwindet. Dem Mediziner bereitete es keine Schwierigkeit, sich in der vorzüglichen Bibliotheca anatomica (1774—1777) des genial vielseitigen Albrecht von H a 11 e r nach Huarte umzusehen. Er fand nicht nur ein zuverlässiges Kompendium der Ausgaben, sondern auch eine objektive ausführliche wissenschaftliche Darstellung des Inhalts853). Die bibliographischen Nachrichten stammten aus direkter und persönlicher spanischer Quelle: Antonio Capdevila 354 ). Die allgemeinen Handbücher haben im Vergleich zu den dürftigen sekundären Notizen Jöchers und seines Fortsetzers Adelung ihre Huarte-Artikel vergrößert. Die hypothetischen Ergebnisse der Lessingschen Forschungen sind bedenkenlos aufgenommen: der Aufenthalt in Madrid, die Zusätze zum Werk, die verwirrte Caesarsche Übersetzung 355 ). Huartes Bedeutung wird vor allem ersichtlich in dem ausgezeichneten Handbuch für Bücherfreunde und Bibliothekare des Königlich Dänischen Justizrats Heinrich Wilhelm L a w ä t z 356). Das erste und zweite Kapitel über das Genie füllen Angaben über das Examen de Ingenios, seine Übersetzungen und verwandte Arbeiten, die zum Teil schon in der Titelwahl ihre Abhängigkeit von dem Spanier andeuten. Huarte ist der Urvater der Themenstellung. Der Leser assoziiert mit der Lessingschen Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften einen festen Geisteszusammenhang. 353) Α. ν. H a 11 e r , Bibliotheca anatomica, Bern 1774—77, Bd. 1, S. 249 f., Zusätze Bd. 2, S. 744. 354) Zur Verbindung dieses spanisdien Gelehrten mit Deutschland, die an die Tätigkeit Mayáns y Siscars erinnert: Aus einem spanischen Sendschreiben Herrn Proiessors Antonio Capdevila an Hrn. C. G. v. Murr, NBSW 15 (1773) 1. Stück. 355) C. J. Β o u g i η é , Handbuch der allgemeinen Litterargeschichte nach Heumanns Grundriß, Bd. 1, Zürich 1789, S. 606. J. G. G r o h m a n n , Neues historisdi-biographisciies Handwörterbuch, Theil 4, Leipzig 1797, S. 409. 356) Erster Band, Halle 1788. Bes. S. 5.

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1) Pädagogische Schulschriften Wenn aus der Fülle der bei Lawätz erwähnten Traktate eine Schrift des 18. Jahrhunderts paradigmatisch herausgehoben wird, geschieht das aus zwei Gründen: 1. um zu zeigen, daß neben der theoretischen Diskussion über den Geniebegriff eine praktische pädagogische Welle läuft, die das Examen de Ingenios mit sich führt. 2. um an diese Studie pädagogische Schulschriften anzuschließen, die noch bis in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts zu verfolgen sind. Es versteht sich, daß in ihnen allen des Spaniers gedacht wird. Die Abhandlung des Gubener Schulrektors Β ö 11 i g e r Ueber die besten Mittel die Studirsucht derer die zum Studiren keinen Berui haben zu hemmen (Leipzig 1789) spiegelt wie kaum eine andere den „Studierschwindel", dessen Klagen von einem weiten Zeitungsecho getragen werden: Die Eltern wollen ihre Söhne in gehobeneren Positionen sehen. „Heute hält jeder die Schule für eine Gemeintrift, auf der jedes Vieh grasen könne" (S. 7). Die natürlichen Folgen sind Bewerberüberschuß, Sinken der Einkünfte, Ehelosigkeit. Das Heer der Hauslehrer, Privatinformatoren, Sekretäre, Schreiber, Agenten, Hofmeister 357 ) vermehre sich beständig. Die tieferen Gründe liegen nach Böttiger nicht in der Zunahme der Bevölkerung, der ja ein Nachwachsen der Schulbauten gefolgt sei, sondern in dem Drang der unteren Klassen, Handwerker und Bauern, nach einer besseren Ausbildung 358 ). Das Gespenst der Landflucht erhebt sein Haupt. Die Nähe der Französischen Revolution, die im Jahre dieser Veröffentlichung losbricht, ist deutlich spürbar. Welche Eigenschaften sieht der Verfasser als unumgänglich für ein Studium an? Im Vordergrund stehen überraschenderweise nicht die natürlichen Fähigkeiten. Böttiger wendet sich offen gegen die „Grillen" des Spaniers und stellt fest, „daß fast alle, die seitdem über die Prüfung der Köpfe schrieben, . . . H u a r t s Nachbeter wurden" (S. 21). Hier spricht nicht die unterhaltsame Kritik K. G. Lessings oder Fülleborns, sondern die drängende Not des Praktikers. Böttiger kann sich nicht mehr auf das Studium der Physiognomik oder der aristotelischen Temperamentenlehre einlassen. Er sieht den Zwang einer Radikalreform. Innere B e r u f u n g , Vermögen und Gesundheit gehören zur Selbstkontrolle. Die organisatorische Seite klammert von den drei Erziehungsmächten die E l t e r n als bestimmenden Faktor aus. Das Kind sei nur Widerhall ihrer Wünsche. Das Vergrößerungsglas der Liebe und Eitelkeit verzerre die Perspektiven. Die L e h r e r s c h a f t erliege bei einer anderen Meinung dem gemeinsamen Kampf von Eltern und Verwandtschaft. Außerdem reflektiere der Erzieher auf das Privatstundenhonorar der Dummen und auf höhere Einkünfte durch eine größere Schülerzahl. Bei dieser Feststellung bleibt es. Das Problem der Lohnforderung ist noch nicht angeschnitten. 357) Zur elenden Lage das Drama Lenz' Der Hotmeister oder Die Vorteile der Privaterziehung (1774). 358) Zur Illustration: Ein Ochsenhändler im Holsteinischen sagte seinem zwanzigjährigen dummen Sohn, der mit großem Profit Rinder in Hamburg verkauft hatte, bei dessen Rückkehr: . D u mußt Pfarrer werden!" Und so geschah es (S. 73).

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Scharf kehrt sich Böttiger gegen die Flut der Privatstiftungen, denen sogar Friedrich der Große beigepflichtet hätte, die aber nur ihre Schäfchen durchbrächten359). Die ausführende Gewalt liege allein beim S t a a t — wie bei Huarte — der einen unparteiischen Oberbeamten entsenden müsse. Wegen der Differenzen im Schulabschluß verlangt der Rektor außerdem eine besondere Ausleseprüfung für die Hochschulen. Die Examina zeitigten allerdings das merkwürdige Phänomen, daß die Tüchtigsten meist die Ärmsten seien. Ein circulus vitiosus zeichnet sich ab. Der Grund liegt für Böttiger in dem verweichlichenden Wohlstand der reichen Söhne. Die Standeskonturen sind noch scharf gezogen. „Daraus entsteht nothwendig jenes Hummelvolk, die nur summen, aber kein Honig bereiten können, jenes traurige Aftergesdiledit von oberflächlichen Halbwissern, Süßlingen und Papamännerchen, die ihre Blöße mit den oft auch sehr zweydeutigen Verdiensten ihrer Väter decken" (S. 56).

Verhaltener im Ton, mit kühlem Abstand von der Thematik, erscheint die Neue Prüfung der Köpfe für Künste und Wissenschalten (1801) Gottfried Immanuel W e n z e l s 3eo). Anlaß ist nicht mehr die Sorge um das Staatswohl, sondern die Beobachtung, den Studenten Zeit und Geld an einer falschen Karriere vergeuden zu sehen. Als einziges Vorbild wird die Prüfung der Köpfe Lessings erwähnt. Die Einzeltatsachen erforderten jedoch eine neue Darstellung. „Ich entschloß midi daher, denselbigen Gegenstand nach den neuesten Grundsätzen der P h y s i k und P h i l o s o p h i e zu bearbeiten, . . . " (Vorbericht).

Die von Lessing geforderte Umsetzung drückt sich in Titel und Werk aus. Die Methode, dem Weg der Natur zu folgen, bleibt konstant. In dreißig Abschnitten werden die geistig-körperlichen Anlagen konfrontiert. Die Beispiele aus der Antike sind durch zeitnähere ersetzt: Böhme, Mendelssohn, Sulzer, Wieland, Jerusalem. Das letzte Drittel, die Zuordnung der Eigenschaften auf Berufe und Fakultäten, entspricht dem achten bis vierzehnten Kapitel Huartes. Die Beziehungen sind bis in Einzelheiten verfolgbar, wie der Verteilung der geistigen Grundkomponenten: Gedächtnis, Verstand, Einbildungskraft auf das Ideal eines Juristen. Aber welch ein Unterschied zwischen dem Examen de Ingenios und der Neuen Prüfung der Köpfe! Während Huarte (11. Kapitel) säuberlich in Theorie, Praxis und Regentenkunst teilt, häuft Wenzel Eigenschaften, die für viele andere Berufe gleichzeitig zutreffen: Witz, Beharrlichkeit, Liebe zur Geschichte, Phantasie usw. (S. 123—24). Während Huarte stufenweise ableitet, setzt Wenzel nach dem gesunden Menschenverstand seine Dominanten. Während Huarte sich auf wenige physiologische Ursachen beispielhaft beschränkt, gibt Wenzel einen Katalog ethisch-moralischer Eigenschaften. 359) Drei weitere Schriften unterstützen die Forderung nach fürstlichen Dekreten bei mangelnder Begabung: B ü s c h i n g , Beantwortung der Frage: wer soll studiren? Programmschrift Berlin 1781. K r a u s e , Beantwortung der Frage: wer hat Beruf, ein Gelehrter zu werden? Bremen 1787 und 1788. W i e d e n b u r g , In wie fern kann verhütet werden, daß diejenigen nicht studiren, die dazu nichts taugen? Helmstedt 1783. 360) Untertitel: oder Kennzeichen, nach we/chen man mit Wahrscheinlichkeit erkennen kann, ob unsere Kinder zu Künsten und Wissenschaften überhaupt Anlage haben, und für welche daraus insbesondere sie von der Natur organisirt se γη oder nicht, Wien 1801.

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Der Eklektiker glaubt vollständiger zu sein, aber Universalismus heißt Beschränkung aus Einsicht in größere Zusammenhänge. So verwundert es nicht, schon am Anfang der deutschen Arbeit dem Prototyp des geistig am besten organisierten Jünglings zu begegnen: „Seine Gesichtsfarbe ist nicht zu Blonden, als dem Schwarzen. Er Extremitäten, . . . keinen hervor . . . und einen f r e y e n Athem, . . (

roth. Seine H a a r e nähern sich mehr dem hat . . . keine zu starken Adern an den stechenden Bauch, . . . gerundete W a d e n S . 14 f.)

Im Jahre 1829 setzt das Königlich Preußische Ministerium für Kirchen-, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten einen Preis von 200 Joachimstalern auf die beste Beantwortung der Frage: „Quaenam sunt c e r t a signa, non illa in adolescentium aut c a l v a aut vultu conspicua, sed e psychologiae ad usum et e x e m p l a a c c o m o d a t a e placitis oblata, quibus quum a parentibus et magistris in v i t a e ratione eligenda, tum a iudicibus in examine decerni possit, qui a d theologiae, iurisprudentiae, medicinae aut studia aut muñera admittendi sint, quique non sint?"

Der Gewinner, der Straßburger Theologieprofessor Theodor F r i t z , hat seine Gedanken in einem Versuch über die zu den Studien erforderlichen Eigenschaften und die Mittel dieselben am Knaben, Jüngling und Manne zu erkennen (Hamburg 1833) niedergelegt381). Die Gliederung der Hauptdisziplinen Philosophie, Medizin, Jura, Theologie ist bis ins Einzelne verfächert, z. B. Medizin: Anatomie, Physiologie, Hygiene, Diätetik, Pathologie, Therapeutik, Chirurgie, Gerichtsmedizin usw. Huarte verzichtete bewußt im achten Kapitel auf eine detaillierte Behandlung aller Wissenschaften. Das Besondere läßt sich aus dem Allgemeinen deduzieren. Das Examen de Ingenios hätte nie seine Berühmtheit erlangt, wenn es sich in zeitbedingte Diskussionen über die Wesenseigenschaften eines Kirchenrechtlers oder Moralphilosophen eingelassen hätte. In diesem Gegensatz liegt die historische Bedeutung Huartes für Fritz begründet (S. VI). Bei den Anzeichen der Frühreife wird einmal allerdings auch dem Spanier zugestimmt (S. 109). Die Trennung in Theorie und Praxis, die Dreiteilung der Geisteskräfte für den Juristen sind weitere eindeutige Ubernahmen. Im zweiten Teil ergibt sich für Fritz die gleiche Schwierigkeit wie für seinen Vorgänger Wenzel: den zahlreichen Spezialfächern unterschiedliche geistige und physische Erfordernisse zuzuordnen. Das Vokabular erschöpft sich zusehends: Menschenkenntnis, Mitgefühl, Geduld, Klugheit, Nicht-alles-aufeinmal, Stolz usw. Die Grenzen dieser Betrachtung sind deutlich gezogen. Allein die von dem Medizinalrat Vogel aus Großglogau sorgfältig formulierte Problematik zeigt, wie ungelöst und aktuell die Talentsuche immer noch war. Der Schwierigkeit einer Berufstypologie entgeht sehr geschickt die Lehre von den Köpfen des Schenefelder Pastors D i r k s e n 3 β 2 ) . Es ist nicht nur der 361) Folgende Arbeit wurde vergeblich gesucht: D. Α. ζ u r H e l l e n , Uber die Prälung der Kopie. Eine psychologische Abhandlung, Schwelm 1818. Um die Zeitproblematik hervorzuheben: Η e i η ζ e , Was gehört in imsrer Zeit dazu, wenn Studirende mit glücklichem Erlolg eine Universität beziehen wollen? Neustadt a. d. Oder 1831. 362) H. W. D i r k s e n , Die Lehre von den Kopien, namentlich von dem witzigen und schwärmerischen Kopf, Altona 1833.

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umfangreichste, sondern audi der vollständigste und relativ am besten gelungene Versuch, an die Popularphilosophie des 18. Jahrhunderts anzuknüpfen. „Kopf" umfaßt für Dirksen alle intellektuellen Anlagen, das Gedächtnis ausgenommen, das beinahe im Gegensatz dazu steht. 1. intellektueller Sinn: der feinsinnige, scharfsinnige, tiefsinnige Kopf usw. 2. Verstand: systematischer, rhapsodischer, einfältiger Kopf 3. Einbildungskraft: dichterischer, träumender, zerstreuter Kopf usw. Aus der Mischung und Durchdringung dieser Typen entstehen die Köpfe zweiter (witzig, satirisch, schwärmerisch) und dritter Ordnung (gelehrig, pragmatisch, klug usw.). Auch ohne daß der Verfasser es bekennt, würde man schon aus der exponierten Stellung des Gedächtnisses die Lektüre der Lessingschen Prüfung der Kopie vermuten. Die Spaltung dieser Kraft in Wort-, Namen-, Zahlen- und Sachgedächtnis ist dagegen als Einfluß Garves zu erklären. Dirksen hat noch einmal in erschöpfender, aber selbständiger, Darstellung gesammelt, was zum Thema der Begabungsunterschiede Allgemeingut geworden war. Seine Einteilung ist nicht originell, aber durch den Verzicht auf jeden praktischen oder professionellen Zweck ein sicheres Fundament. Noch einmal passieren alle Fragen und Probleme, um deren Lösung das vorige Jahrhundert gerungen hatte: die scharfsinnige Paradoxie, die Psychologie des Lachens, die Zweifel über die Mathematik als spekulative Verstandeswissenschaft, die Begründung des Geniebegriffs. An allen Diskussionen war der Spanier beteiligt. Nimmt man dem Inhalt des Examen de Ingenios die aristotelische Temperamentenlehre und die Humoralpathologie, liest sich die Lehre von den Köpfen wie ein historischer Huarte-Kommentar. Die hier zusammengefaßte Gruppe hat ebenso wie ihre Zeit einiges mit den Sorgen der Buddeus, Vogler, Weitzmann im 17. Jahrhundert gemeinsam. Die Überfüllung der Lehrstätten zwingt zur Selbstbesinnung auf das Wesen des menschlichen Geistes. Große Kriege haben unstillbare Wunden geschlagen. Für das 19. Jahrhundert dämmert das Industriezeitalter herauf. Der Fortschritt der Wissenschaften hat die Prüfung der Köpfe Huartes in mancher Einzelheit überholt, in der Einteilung und Methode jedoch schulden ihm die Schulrektoren, Pfarrer und Theologieprofessoren mehr als sie zugeben wollen. Jede Inhaltsübersicht setzt dem spanischen Arzt ein unbewußtes Monument. Man wird sich fragen, weshalb der Faden der Physiognomischen Fragmente Lavaters abgerissen ist. Wie kommt es, daß die Gelehrten auf die fragwürdige Monotonie ethisch-moralischer Merkmalstypologie zurückgreifen? Warum schließt die lateinische Preisfrage die Physiognomik zugunsten der Psychologie als unwissenschaftlich aus? Es darf nicht vergessen werden, daß die Physiognomik erst durch den Goethefreund Carl Gustav C a r u s um die Mitte des Jahrhunderts eine Neubegründung auf morphologischer Basis erfährt. Seitdem führen dann direkte Linien zur Ausdruckslehre Klages' und Konstitutionsforschung Kretschmers, die sie beide in ihrem Lehrgebäude als wesentlichen Bestandteil anerkennen. 161

2) Schopenhauers Interesse für den Spanier383) Es führte im Rahmen dieser Arbeit zu weit — und wäre außerdem ein nodi nie unternommener Versuch — den inneren Gründen der geistigen Verwandtschaft und Zuneigung Schopenhauers zur spanischen Literatur nachzuspüren. Für die späte Begegnung mit Huartes Examen de Ingenios läßt sich nur ein sicherer Instinkt für alles Außergewöhnliche und Einmalige, ein Gefühl für selbständigen praktischen Realismus, die Freude an der bewiesenen originellen Aussage, vermuten. Alles weitere muß eine Schilderung der Tatsachen ergeben. Das einzige überlieferte Dokument ist in die postumen Aphorismen Ueber die Weiber eingeflossen364). Schopenhauer sammelt ähnlich wie Heinse Urteile über die geringe geistige Befähigung des weiblichen Geschlechts zu den Wissenschaften. Anders als Heinse, der sich an dem Gedanken belustigte und Huartes Deduktionen schließlich persiflierte, geht es Schopenhauer um eine durchaus wissenschaftliche Bestandsaufnahme. Aus allen Zeiten, angefangen mit den Germanen, aus allen Gegenden, bis Hindostán, aus allen Literaturen sind Beispiele herangezogen. In diesem weiten Horizont ist das Examen de Ingenios mit spanischen Zitaten aus der Vorrede und dem 15. Kapitel angeführt. Soviel läßt sich erkennen, daß dem deutschen Philosophen die Humoralpathologie als schlüssiger Beweis gefallen hat und ihn überzeugte. Aufsdilußreidi ist in diesem Zusammenhang, daß die Vorwürfe Eberts, die Lehre Huartes ruhe auf zu schwachen empirischen Füßen, entkräftet werden. Einzelne Ausnahmen ändern für Schopenhauer nichts an der Gesamttatsache. Als ständiger Ansporn des unedlen männlichen Ehrgeizes seien die Weiber der Verderb der modernen Gesellschaft! Kennten wir nur diese Stelle, müßte man annehmen, Nutzen und Wert der Prüfling der Kopie hätten sich für Schopenhauer in der misogynen Komponente erschöpft. In seiner noch heute vorhandenen Bibliothek hat sich aber die Ausgabe Antwerpen 1603 des Examen de Ingenios erhalten (Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt a. M.: Schop. 1042). Dieses Faktum gewinnt an Bedeutung, wenn man erfährt, daß viele der Bücher unaufgeschnitten oder ungelesen sind, das Examen de Ingenios dagegen eifrig kommentiert wurde365). Außer der Ergänzung des Druckorts (Amberes) auf dem Titel, hat Schopenhauer das Vorsatzblatt mit bibliographischen Notizen beschriftet: die französische Version Savinien d'Alquiés (Amsterdam 1672), die zweite Auflage der Lessingschen Übersetzung; der Essay Guardias (Paris 1855) bietet einen terminus post quem für die Lektüre. Als Lebensdaten sind vermerkt: „Huarte natus 1520 den: 1590"3ββ). Eine genaue Untersuchung der Schreibmaterialien ergibt ältere und frische Tinte, dicken Bleistift e i n e r Hand. Die Vermutung liegt nahe, daß Scho363) Α. Η ä m e 1 , Arturo Schopenhauer y la literatura española. Sonderdrude aus Anales de la Facultad de Filosofía y Letras de ¡a Universidad de Granada, 1925. 364) A. S c h o p e n h a u e r , Parerga und Paralipomena, Sämtliche Werke, Bd. 2, Wiesbaden 2 1947, S. 657. 365) E. G r i s e b a c h , Edita und Inedita Schopenhaueriana, Leipzig 1888. Zu den kommentierten Texten gehören auch die Fabeln Iriartes und die Fortsetzung des Lazarillo de Tormes von Juan de Luna. 366) Die Angaben entsprechen L. W a c h l e r , Handbuch der allgemeinen Geschichte der literarischen Cultur, Bd. 2, Marburg 1805, S. 630.

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penhauer das Werk in seinen letzten Lebensjahren, zwischen 1855—1860, wiederholt beschäftigt hat. Der schmale Rand der Plantiniana, der kaum zu ausführlichen Notizen einlädt, weist nur dreimal Wort- und Satzreihung auf. Neben der aristotelischen Naturdefinition ist die prägnante philosophische Formel: „forma dat esse rei" vermerkt (S. 28), das andere Mal wird eine Spezialbedeutung von mover richtig mit abortus erklärt (S. 43). Wenn Huarte vom Vor- und Nachteil des Lichtes der Einbildungskraft spricht, deutet Schopenhauer den Zusammenhang in der Gelehrtenrepublik mit einer Maxime La Rochefoucaulds an: „L'intérêt, qui aveugle les uns fait la lumière des autres" (S. 325). Die Wahrheit ist als allgemeingültig akzeptiert. Die Marginalien auf jeder zweiten Seite, Striche, Seitenzahlenverweise, Ausrufungs- und Fragezeichen gewähren einzigartigen Einblick in die aktive Mitarbeit des illustren Lesers. Die Korrekturen der Druckfehler sind nicht nur Spiegel der mangelhaften niederländischen Setzerarbeit, wie sie schon bei der Amsterdamer Edition 1662 auffiel, sondern mehr noch der vorzüglichen Spanischkenntnisse Schopenhauers, obwohl nicht alle Irrtümer getroffen sind. Für besonders wichtig (zwei senkrechte Striche) hielt der Deutsche ebenso wie Herder den Vergleich der Genies mit den Ziegen (capricciosi). Die Ausrufungszeichen bedeuten doch wohl Aufmerksamkeit für eine der kuriosen „Schwärmereien" Huartes: der Gegensatz zwischen Verstand und Gedächtnis als Achse des Systems, die Seltenheit der Kahlköpfe in Deutschland, die roten Haare Adams, der Einfluß der Speisen auf die Fortpflanzung usw. Einen kritischen Geist verraten die Fragezeichen: Unklar waren die Völkerpsychologie des Aristoteles, die Verbindung Piatos mit dem christlichen Gott, die Folgen der Kastration; abgelehnt werden der apokryphe Lentulusbrief und die Ähnlichkeit der unehelichen Kinder mit ihren Vätern. Es wäre müßig, jeder der vielen Äußerungen dieser beredten Zeichensprache nachzugehen. Sie verraten mehr als lange Aufsätze die ernsthafte Auseinandersetzung, die sich stets im Urteil Rechenschaft über ihre eigene Stellung zu dem Spanier abgibt. Obwohl sich keine großen Interessenbereiche abheben, unterstreicht das Bild der statischen Lektüre nachdrücklich, daß Huarte Schopenhauer mehr als ein Kompendium der Weiberfeindschaft bedeutete. Der Spanier gilt ihm als Ausdruck eines universellen Individualismus, den keine Zeit- und Ländergrenzen binden. In dieser höheren Erkenntnis steht Schopenhauer wegen seiner originellen Rezeption des Examen de Ingenios Herder und Lessing sehr nahe. Er ist die letzte große Persönlichkeit, der das Buch des spanischen Arztes einen ständigen geistigen Wert bedeutete. Dieses Kapitel wurde mit einem Blick auf die Handbücher eröffnet; inzwischen hat sich der neue Typ des Konversationslexikons gebildet, der unter Verzicht auf enzyklopädischen Charakter die Redaktion der Artikel einem Stab von Mitarbeitern überträgt. Für die Nachrichten über Huarte ist es bedeutsam zu beobachten, wie sich zwar die Biographie eng an Lessings Vorrede hält387), die praktische Forschung jedoch Eingang findet. Sogar die verbesserte Auflage der Bibliotheca Hispana Nova (1783) Nicolás Antonios 367) Man könnte eher sogar von einer Zunahme sprechen: B r o c k h a u s' ConversationsLexicon 1817, S. 861 f. Die folgende Auflage stand an Goethes Arbeitsplatz. E r s c h / G r u b e r , Ailg. Encyklopädie, 2. Section, Bd. 11, Leipzig 1834, S. 314. Für den Artikel zeichnet Baur.

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hatte auf Grund von zeitgenössischen Manuskriptfunden neue Kenntnisse gebracht 388 ). Die Begründung der Phrenologie durch G a l l weist allgemein auf Juan Huarte, der als der erste Organologe versuchte, bestimmte geistige Anlagen in den entsprechenden Partien von Schädel und Gehirn zu lokalisieren. Das Feld einer ungeheuren Verbreitung seines Werks, die aber immer noch zu niedrig angesetzt wird, zeichnet sich ab. Besonders persönlich sind die ersten Aufnahmen in spanische Literaturgeschichten gestaltet 388 ). In Zusätzen zur Arbeit Ticknors weist Julius erstmals auf die Bedeutung Huartes für Lavater hin370). Zu Recht kann Gervinus sagen: „Das Buch des Spaniers Huarte de scrutinio ingeniorum hatte Viele gewaffnet" 371 ). Die Prüfung der Kopie hat ihre Aufgabe erfüllt. Die Besinnung über die Leistung setzt ein.

368) Bd. 1, Matriti 1783, S. 712. 369) E. B r i n c k m e i e r , Abriß einer documentirten Geschichte der spanischen Nationalliteratur, nebst einer vollständigen Quellenkunde, von den iriihesten Zeiten bis zum Anlange des siebenzehnten Jahrhunderts, Leipzig 1844, S. 265. 370) G. T i c t n o r , Geschichte der schönen Literatur in Spanien, Dt. mit Zusätzen hrsg. von N. H. J u 1 i u s , Bd. 2, Leipzig *1867, S. 309. Supplementband das., S. 185. 371) G. G. G e r v i n u s , Geschichte der deutschen Dichtung, Bd. 3, Leipzig 51872, S. 663.

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VII.

Huarte-Forschung im 20. Jahrhundert 1) Beiträge der Pädagogik, Medizin und Psychologie, Philosophie und Kulturgeschichte Nach einem Wort Iriartes, des verdienstvollen spanischen Huarte-Kenners, hat allein ein deutscher Forscher die Bedeutung des Examen de Ingenios ermessen: Karl B o r i n s k i 372). Die Ausführungen Borinskis sind eingebettet in sein Buch Baltasar Gradan und die Hoilitteratur in Deutschland (Halle 1894)373). Im Zusammenhang mit den idealpolitischen Werken der Saavedra Fajardo und Gracián läßt sich das Bedürfnis nach einer praktischen empirischen Psychologie aus dem Examen de Ingenios erschließen. Der Verfasser wird als Symptom einer Zeit gesehen, die zwischen tiefer Kontemplation und oberflächlicher Geistesverachtung schwankte. Die Gefahr habe nahegelegen, in einen groben Materialismus oder in luftige, rationale Psychologie zu verfallen. Mit dieser Erklärung ist aus weitem, vertieften Abstand, der einen ganzen Zeitraum mit seinen Gestalten überblickt, das Zeitverständnis Lessings wiederaufgenommen. Man wird rückschauend aus der Wirkung des Buches sagen, daß Huarte, relativ betrachtet, zwar die Mitte zwischen den Extremen gehalten habe, seine Gedanken jedoch oft, besonders im 18. Jahrhundert, zu oberflächlich als Gegensätze gesehen wurden. Mit feinem kulturgeschichtlichen Sinn hat Borinski einige „Schwärmereien" auf Zeitphänomene zurückgeführt: die psychologische Erklärung für die Kahlköpfigkeit der Staatsmänner als Trost für das Aufkommen der Perücken, die Kurzsichtigkeit, bei Huarte Indiz des tiefsinnigen Genies, als Kommentar zum Gebrauch der Brillen. Der ursprüngliche Gedanke des Adels als „große, wichtige Null zu den Zahlen der Machtmittel" wird bei Lohenstein wörtlich nachgewiesen. Ansätze zu einer Erforschung des indirekten Einflusses sind gegeben. Pädagogik Man mag sich über das geringe Echo der Prüfung der Köpfe bei der praktischen Erziehungswissenschaft des 20. Jahrhunderts wundern" 4 ). Die Ak372) I r i a r t e , El doctor Huarte, S. 390. 373) S. 60—69. Rez.: ZvglLg. Ν. F. 9 (1896) 379—413 (Α. Farinelli). Ein Auszug audi Κ. B o r i n s k i , Lessing, Bd. 1, Berlin 1900, S. 47 f. 374) Ein historischer Bericht, der nicht zugänglich war: A. K u c k e n b e r g , Versuch zur Lösung des Begabtenproblems vor 3'h Jahrhunderten (Huarts Prüfung der Kopie zu den Wissenschalten, übers, von G. E. Lessing 1752) in: Hannoversche Schulzeitung 65 (1929) 300.

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tualität des Grundproblems, der Begabungsauslese, hat sich durch die Kriegsgeschehnisse eher verschärft als gemildert. Die Deutung liegt in der weiteren Aufspaltung der Wissenschaften, die William S t e r n 1911 die différentielle Psychologie schaffen ließen, die sich wiederum in Psychologie der Geschlechtsunterschiede, Begabungen, Typen, Altersdifferenzen usw. teilt. Die Lektüre der Schultraktate des 19. Jahrhunderts genügt, um die Grenzen einer Autonomie der Pädagogik auf diesem Gebiet einzusehen. Die Methode hat sich völlig auf die Medizin und ihre Grenzgebiete verlagert, die aus ihren Versuchslaboren den Lehrern die neuesten Erkenntnisse zukommen lassen. Die von Herder befürchtete Meßbarkeit geistiger Potenzen ist perfektioniert. Testverfahren sind für jede Alters- und Berufsgruppe in unzähligen Variationen jederzeit greifbar. Die Tatsachen, nicht ein originelles Verfahren, interessieren. Wirft man heute einen Blick in die Nachkommen der Prüfung der Köpfe, in die Flut der Broschüren und Bücher zur Berufswahl 3 ' 5 ), ist vielmehr von Statuten, Zeugnissen, Ausbildungskosten, Lohnskala und Aufstiegschancen die Rede als von innerer Befähigung oder gar Berufung. Erziehungsziel ist der tüchtige Durchschnitt, der in jeder Lage aus gesundem Menschenverstand urteilt. Die Gefahr einer Fehlentwicklung wird dadurch herabgesetzt, daß man heute jeden Menschen auf einen anderen Beruf umschulen kann. Wenn Huarte seine Lehre im besten Willen zum Wohl des Staates und Fortschritt der Wissenschaften König Philipp II. empfahl, hat er damit eine Entwicklung eingeleitet, die mit dem Schlagwort des französischen Materialisten Lamettrie „l'homme machine" nur annähernd umschrieben ist. Das sorgfältige Examen de Ingenios ist aus äußeren und inneren Gründen zum Nachteil der Ruhe und des Glücks der Individuen vergröbert und schematisiert worden. In diesem Wandel der Anschauungen hat der Spanier als unangenehm warnende Stimme allerdings nur noch historische Bedeutung. Medizin und Psychologie Schon in der Monographie Iriartes wird die Vernachlässigung des Examen de Ingenios in der neueren Medizinhistorie beklagt 378 ). Die Erscheinung einer charakterologischen Psychologie mit medizinischem Einschlag widersetzt sich jeder systematischen Einordnung in die allgemeine Geschichte der Seelenlehre. Darin mag ihr Vergessen begründet sein. Diese singuläre Stellung hat dem Werk allein in den Arbeiten des Berliner Psychologen D e s s o i r besondere Abschnitte gesichert, die es als wichtige Station für die selbständige Übernahme der aristotelischen Temperamentenlehre würdigen377). In diesen Zusammenhang gehört die kurz vor dem ersten Weltkrieg von D y r o f f 378) in Bonn angeregte Dissertation: K l e i n , Anton: Juan Huarte und die Psychognosis der Renaissance, Diss. phil. Bonn vom 28. 11. 1913. Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile: 375) F. C r e m e r , Was kann ich weiden? Mit dem Reifezeugnis ins Stadium, Essen 3 (1952). O. L e ν e η , Deine Beruíswahl, Frankfurt a. M./Wien (1954) (Humboldt-Taschenbücher, Bd. 51). 376) I r i a r t e , El doctor Huarte, S. 380 f. 377) M. D e s s o i r , Abriß einer Geschichte der Psychologie. Heidelberg 1911, S. 7. Ders., Geschichte der neueren deutschen Psychologie, Bd. 1, Berlin 2 1902, S. 479 f. In der ersten Auflage 1894, S. 325 f. kommen Lessings Urteile ausführlich zu Worte. 378) Dyroffs Lehrgebiete waren Klassische Philologie und Geschichte der Psychologie. Studien über Bacons Vorläufer werden ihn zu Huarte geführt haben.

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Biographische und bibliographische Einleitung I.

II.

1. 2. 3. 4.

Die Problemstellung Das Wesen der Anlagen Die Klassifikation der Wissenschaften Die Theorie der Zeichen

1. Das Grundproblem des Examen in der pädagogischen Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts 2. Die physiognomischen Bestrebungen der Renaissance 3. Ergebnis

Klein will als Entwurf zu einer historischen Kritik Huartes Werk in Beziehung zur pädagogischen Diagnostik der Renaissance setzen. Im wesentlichen zweiten Teil diskutiert der Verfasser daher ausgiebig alle Schriften und Gelehrten, die sich mit dem Ansatz und Inhalt des Examen de Ingenios berühren: Peter Paul Vergerius (gest. 1428), Mapheus Vegius (gest. 1458), Silvio Antoniano (gest. 1603), Luis Vives und viele andere. Dadurch entsteht der Eindruck, Huarte liefere in einer breiten Strömung psychognostischer Literatur nur einen weiteren Beitrag zum Thema der Talentauslese. Kleins Methode stellt zuerst die Verbindung her, grenzt dann die besonderen Aspekte einer anderen Arbeit ab, die er bei Huarte vermißt, vollzieht aber nicht den entscheidenden Schritt zu den Fragen: Wodurch zeichnet sich der Spanier vor allen diesen Thesen aus? Wie erklärt sich die Zeitlosigkeit gerade seines Werkes? Huartes Untersuchung, so ergibt sich für Klein am Ende des Kapitels, ist nur e i n e Antwort auf e i n e Frage, die er nicht einmal selbst aufzuwerfen brauchte. Wenn wir die zitierten Vorgänger des Examen de Ingenios genauer betrachten, treten jedoch wesentliche Unterschiede hervor. Ihre Antworten bilden kein systematisches Gebäude, sondern sind eher Gelegenheitsschriften mit Teileinfällen. Huartes Bedeutung liegt aber mehr noch als in den Einzelheiten in dem planmäßigen, geschlossenen Aufbau seines Werkes. Allein die Methode überlebte die Zeiten, die Einzeldaten müssen der Struktur jeder Epoche neu angepaßt werden und sind daher ephemer. Nach Behandlung der allgemeinen pädagogischen Affinitäten versucht der Disserent eine genauere methodische Einreihung des Werkes. Wie schon aus der Entwicklungsgeschichte erhellte, finden sich Tendenzen in alle Richtungen. Es geht Klein um die physiognomische Abgrenzung im weitesten Sinne, um auf sicherem Boden Anknüpfungspunkte für den Spanier zu finden. Der Individualismus der Renaissance begünstigte dieses Schrifttum, doch stellt der Verfasser gerade in Spanien auf Grund der Inquisition eine geringere Verbreitung fest. Als Vermutung angedeutet wird ferner der dem „albedrio" widernatürliche Einfluß des Körpers auf die Seele. Die Indizierung des Examen de Ingenios faßt Klein als Bestätigung seiner These auf. Nach einem erneuten Kompendium physiognomischer Renaissanceliteratur summiert sich das Ergebnis: 1. Huarte gibt innerhalb der reichen psychognostischen Strömung seiner Zeit eine Speziallösung. 167

2. Huarte hat — ungeachtet jeden Einflusses — die Bemühungen seiner Vorgänger im utopistischen Sinne fortgesetzt und auf die Spitze getrieben. Der Glaube an die Durchführbarkeit seiner Gedanken zeugt von großer Naivität. Dieser negativen Beurteilung steht gegenüber 3. Eine starke Originalität, eingeschränkt durch fehlende sachliche Kritik und zu große Bindung an die Antike. Kleins Dissertation hat ihren Wert als Stoffsammlung für eine Geschichte der physiognomischen Bestrebungen der Renaissance, sobald sie aber Huartes Werk innerhalb dieser Literatur kritisiert, muß unbedingt differenziert werden. Es ist leicht, einem Buch durch Konfrontation mit der gesamten gleichzeitigen und späteren Wissenschaft Lücken nachzuweisen, eine genauere Lektüre des Werkes und seiner individuellen Umstände hätte eine gerechtere Stellung gezeitigt. Vor allem muß die Position innerhalb der „Septem artes liberales" gesehen werden, nicht nur auf dem Gebiet der Psychognose, in dessen Einordnung das Examen de Ingenios nie ohne Rest aufgehen wird. Es scheint ein gewagtes Unternehmen, den Sprung von der Medizingeschichte in die lebendige Praxis zu tun. Denn die Gefahr liegt nahe, als Laie Zusammenhänge zu konstruieren, wo das Vokabular unverstanden bleibt. Es ist aber zweifellos reizvoll zu sehen, was die gegenwärtige Forschung zu Wesen und Ursprung des Ingenium und der Moral im Vergleich zum Examen de Ingenios Huartes sagt. Hat der empirische Fortschritt der Medizin über fast vier Jahrhunderte den Abstand zu einem Gegensatz vergrößert? Der Tübinger Psychiater und Neurologe Ernst K r e t s c h m e r hat mit der systematisch durchgeführten Vereinigung von Konstitutionslehre und Charakterkunde, wie sie in seinem Hauptwerk Körperbau und Charakter (1921,241961) dargelegt ist, der jahrhundertelangen Diskussion zwischen den körperlich-seelischen Beziehungen auf einem Teilgebiet positive Anerkennung gesichert. Greifbarer ist der Inhalt der Prüfung der Köpfe in seinem anderen Standardwerk, der Medizinischen Psychologie (1922), die das psydiophysische Grenzgebiet für die ärztliche Praxis gewonnen hat. Wenn Huarte als Fundament geistiger Tätigkeit das aus angeborenen seelischen Eigenschaften, von Abstammung unabhängige, Ingenium e m p i r i s c h konstituiert und es im Gehirn lokalisiert, sagt Kretschmer zu diesem Problem 379 ): „Zum ontogenetischen Aufbau der persönlichen Moral, d. h. zur Aufnahmefähigkeit für die traditionsgebundene ethische Erziehung, bedarf es . . . einer elementaren Kerngruppe ererbter Affekt- und Triebdispositionen, vermutlich in der biologisch gewohnten antagonistischen Anordnung von Trieb und Triebhemmung; diese Elementardispositionen dürften vielleicht in dem Wirkungszirkel zwischen Hirnstamm und endokrinem Apparat gegeben sein;..."

Der kongruenten Grundidee ist nur eine andere Formaussage gegeben. Kretschmer und Huarte stimmen selbst in der Lokalisation der Intelligenz379) E. K r e t s c h m e r , Medizinische

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Psychologie,

Stuttgart "1956, S. 61.

faktoren überein. Wenn Lessing 1768 schrieb, dem Werk fehle nur die Transponierung in eine modernere Terminologie, ist über viele Zeitstufen die Wahrheit dieser Erkenntnis aufgegangen. Das primär Entscheidende ist die Vererbung, erst danach, heißt es bei Huarte immer wieder, kann Erziehung modifizieren. Kretschmer bestätigt: „Für die Intelligenzhöhe eines Individuums ist in erster Linie die Erbanlage und erst in zweiter Linie derEinfluß von Erziehung und Milieu verantwortlich" 380 ). Durchdenkt man diesen Satz in allen seinen Konsequenzen, liegen darin die Schranken des pädagogischen Optimismus des 18. und 20. Jahrhunderts beschlossen. Nicht diese Tatsache, sondern die frühe w i s s e n s c h a f t l i c h e Erkenntnis haben das Examen de Ingenios seiner Zeit so weit vorausleben lassen, daß dieser Gedanke erst heute in der Praxis allmählich virulent geworden ist. Hier ist noch ein echtes Faktum an seiner Quelle vor vier Jahrhunderten lebendig. Nach dem Ausbilde auf die überholten Ergebnisse, der Nuancierung in zeitbedingte Formdifferenz und in der eben bewiesenen Verwandtschaft eines gegenwärtigen Fundamentalgesetzes, wird man sich fragen, ob selbst die heutige Medizin noch ungelöste Probleme kennt, die mit der Begabungsselektion zusammenhängen. Da ist es evident, daß bei der Analyse bestimmter Talente noch viele Fragen offen sind. Wenn Huarte und von ihm angeregt, Garve und Ebert über die Korrelation von Verstand und Einbildungskraft in der Mathematik disputieren, muß Kretschmer bei diesem Problem resignieren: „Neben der allgemeinen Intelligenzhöhe gibt es dann mehr umschriebene S p e z i a l b e g a b u n g e n , deren biologische Grundlagen wir noch gar nicht kennen, wie z. B. das musikalische und das mathematische Talent"381). Es läßt sich nur ein Zusammenspiel heterogener Einzelkomponenten vermuten, die sich getrennt oder gekoppelt vererben können. Durch Vergleiche weiß man, daß die anschaulich-gegenständliche Beziehung des Mediziners in negativer Verschränkung zur mathematischen Begabung zu stehen scheint. Das widerspräche der Zuordnung der Mathematik zur Einbildungskraft, die Huarte vornahm. Deutlicher als ein urteilendes Abwägen der Phänomene soll hieraus das Staunen klarwerden, das man der Erfindungskraft und Tüchtigkeit eines spanischen Arztes um 1575 zollen muß, der diese schwierigen noch heute vakanten Themen formulierte und ihrer Lösung anzunähern suchte. Vergleichen wir abschließend die Methode! Wie sind die différentielle Psychologie oder Kretschmer zu ihren Ergebnissen gekommen? Sie haben das Material genauso systematisch wie der „filósofo natural" nach der Naturbeobachtung erarbeitet. Die Fälle sind zahlenmäßig gesammelt, 1000 Kinder, 3500 Amerikaner, 100 hervorragende Männer, der Befund wird in Gruppen gesondert und relativiert. Wir sahen die Kritik bei Huarte: Possevino und Ebert fanden allemal eine Persönlichkeit, mit der sie das System des Spaniers zu erschüttern glaubten. Diese Wertung ist bei konstantem Verfahren auf Kretschmer übertragbar. Nur daß die Erkenntnis des Aproximalwerts jede ablehnende Haltung heute gegenstandslos macht. Es waren aber Pionierarbeiten, wie das Examen de Ingenios, die durch eine lange Tradition zu 380) K r e t s c h m e r , ebda., S. 210. 381) K r e t s c h m e r , ebda., S. 209.

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diesem wichtigen Resultat führten. Betrachtet man das Gesamtwerk Huartes, summiert ein anderer Arzt Zeitwert und fachliche Bedeutung382) : „Wenn wir sein Werk mit heutigem Maße messen, müssen wir sagen, daß seine Auffassung von der Natur des Ingeniums und des Begriffes des Intellektes originell und bis zu einem gewissen Grade nodi heute annehmbar ist. Seine im allgemeinen darstellenden und erklärenden Vorstellungen über Entstehung, Zustandekommen und Verlauf der intellektuellen und affektiven Funktionen sowie der Physiologie der psychischen Funktionen können heute nicht mehr bestehen, diese widerspiegeln die mystische Naturphilosophie seiner Zeit."

Dieser Kommentar sollte die Legende von einer allein historischen Bedeutung widerlegen 38 '). Philosophie und Kulturgeschichte Da das Ziel dieser Arbeit die Darstellung einer Wirkungsgeschichte ist und auf eine umfangreiche selbständige Behandlung des Examen de Ingenios wegen der Vorarbeiten Iriartes verzichtet wurde, trat der philosophische Gehalt zugunsten des pädagogisch-psychologisch-medizinischen Ideenbereichs in den Hintergrund. Für diese Verlagerung des Schwergewichts gibt es eine andere plausible Erklärung: Der philosophische Grundriß des Buches wurde unter einem anderen Namen in der Geschichte berühmt: Francis B a c o n 384). In seiner Schrift De dignitate et augmentis scientiaium (1623) werden die Wissenschaften zu den drei Seelenfähigkeiten Gedächtnis, Phantasie und Vernunft aufgegliedert. Dem Gedächtnis entspricht z. B. die Geschichte, der Phantasie die Poesie, der Vernunft die P h i l o s o p h i e . Für Huarte hat diese Ordnung beruflich-charakterologische Bedeutung, für Bacon bezeichnet sie die Überwindung des alten aristotelischen Systems: theoretische, praktische, poietische Philosophie. Die Weltweisheit wird aus der Bevormundung der Theologie emanzipiert. Diese epochemachende Entdeckung ist auf Grund medizinischer Erkenntnis methodisch bei dem Spanier vorskizziert. Es war Oswald Κ ü 1 ρ e , der von der Verbindung zwischen kritischem Realismus und experimentell-psychologischer Untersuchung ausgehend, diese Kombination der von ihm begründeten Denkpsychologie aufzeigte385). Die grundlegende Anregung wird Huarte zuerkannt, in der Formung der Einzelheiten ist Bacon natürlich selbständig. Dem schillernden Charakter des Werkes entsprechend, finden sich wichtige Spuren in zwei Dissertationen der jüngsten Zeit. Huartes vielseitige Gedanken dienen der Abgrenzung und Stützung kulturgeschichtlicher und charakterkundlicher Einzelheiten. Im Zusammenhang einer soziologischliterarischen Untersuchung der weiblichen Figuren in der novela picaresca 382) S c h u l t h e i s s , Juan Huartes . . . , S. 1449. 383) Ein positiver Forschungsvergleidi hätte sich audi durchführen lassen mit L. Κ 1 a g e s , Die Grundlagen der Charaklerkunde, Bonn 10 1948. Besonders wichtig der Anhang: Verhältnis der Schulpsydiologie zur Charakterkunde, S. 217—232. 384) Zur direkten Kenntnis des Engländers v o n Huarte: I r i a r t e , El doctor Huarte, S. 358—360. 10 385) O. K ü l p e , Einleitung in die Philosophie, Leipzig 1921, S. 15.

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ergibt sich für H a c k e l s b e r g e r - L i a n g 3 β β ) aus den Schelmenromanen Mateo Alemáns, López de Übedas und anderer das Ideal einer schönen, klugen, geistreichen und gebildeten Frau. Diese Lebensform gewinnt erst überraschendes Profil im Vergleich mit der theologisch-asketischen und der wissenschaftlichen Literatur des Jahrhunderts. Fray Luis de León ζ. Β. weist der Frau in seinem religionsethischen Werk La peiíecta casada (1583) ein häusliches, eng begrenztes unauffälliges Ideal zu. Juan Huarte sagt nicht nur, daß die Frau jeglicher intellektuellen Begabung entbehre, sondern stützt seine These rational-materialistisch 387 ). Heinse staunte vor der Möglichkeit eines Beweises, Schopenhauer stellte aus verwandter Haltung den Spanier in eine Traditionskette, Hackelsberger-Liang konfrontiert zwei Richtungen innerhalb einer Zeitperiode — drei Variationen desselben Themas über zwei Jahrhunderte. Einen ausführlichen Rahmen nimmt das Examen de Ingenios in der Arbeit W e i η r i c h s ein: Das Ingenium Don Quijotes3™). Das Werk ist als zeitgenössische Primärquelle von doppelter Bedeutung für diese charakterologische Untersuchung: 1. wegen seiner exakten erschöpfenden Definitionen, 2. wegen seines wahrscheinlichen Einflusses auf den Don Quijote*"*). Der Begriff des „entendimiento" ζ. Β. steht bei Huarte nicht nur mit der „imaginativa" und „memoria" als dritter Hauptpotenz im Zentrum seiner Lehre, sondern wird in den Leistungen „inferir, distinguir, eligir" durch Beispiele genau differenziert. Obwohl der Terminus bei Vives390) mit „mens" kongruiert und Willenskraft, Verstand (razón), Urteilskraft (juicio), Ingenium im weitesten Sinne umfaßt, erlauben diese Abgrenzungen Weinrich, von einer gemeinsamen Ausgangsbasis auf Synonymik von „ingenio" und „entendimiento" zu schließen. Der Befund im Don Quijote wird durch Vergleich mit der Philosophie und Pädagogik des 16. Jahrhunderts überzeugend gestützt und modifiziert. Ein wichtiges Grundergebnis der Studie Weinrichs, das vorher nur andeutungsweise in der Forschung latent war, ist gerade die verblüffende Kenntnis Cervantes' der aristotelisch-galenischen Humoralpathologie und Physiognomik seiner Zeit. Daraus allein läßt sich noch keine Wirkung Huartes auf Cervantes deduzieren. Erst mit der überraschenden Anwendung auf die Beispiele erregt Salillas' Arbeit Aufmerksamkeit. Unter diesem Aspekt wird die Geschichte vom wahnsinnigen Pagen, der schon im Vorwort der Lessingschen Übersetzung auftauchte, zur Hauptquelle des 386) Mi Mi H a c k e l s b e r g e r - L i a n g , Die Frauengestalten im spanischen Schelmenroman, Diss. Mündhen 1959. 387) J. F i t z m a u r i c e - K e l l y , Woman in sixteenth-century Spain, RH 70 (1927) 557—632. 388) H. W e i n r i c h , Das Ingenium Don Quijotes. Ein Beitrag zur literarischen Charakterkunde, Münster i. W. (1956) (Forschungen zur romanischen Philologie, Heft 1). 389) R. S a l i l l a s , Un gran inspirador de Cervantes: El doctor Juan Huarte y su Examen de Ingenios, Madrid 1905. O. H. G r e e n , El .ingenioso" hidalgo, HR 25 (1957) 175—193. M. de I r i a r t e , .El ingenioso Hidalgo' y .El Examen de Ingenios'. ¿Que debe Cervantes al Dr. Huarte de San Juan? In: Revue intern, des études basques 24 (1933) 499—522. Dass, in: Acción Española 7 (1933) 445—458, 535—547. 390) J. L. V i v e s , Introducción a la Sabiduría, BAE, Bd. 65, S. 243 (Ad sapientiam introducilo, Salamanca 1572). 171

Licenciado Vidriera3S1). Während Cervantes mit seinem Stoff im Sinne der goetheschen Definition einer „unerhörten Begebenheit" Staunen und Bewunderung hervorrufen wollte, analysiert Huarte als „filósofo natural" das Ereignis als psychopathologischen Fall. Weinridi hat das Motiv des Gläsernen Lizentiaten schon bei Rhodiginus nachgewiesen 392 ) und damit der überhitzten These Salillas' Boden entzogen. Aber auch die Beispiele können durchaus auf einer dritten Quelle basieren. Andererseits läßt sich bei Tirso de Molina in der Mischung iocura-meiancolia eine Abfärbung Huartescher Gedanken vermuten (Weinrich, S. 55). Die Vorgänge sind zu delikat, unsere Kenntnis damaliger Verhältnisse zu lückenhaft, als daß sich Bestimmteres sagen ließe. Aber selbst wenn man von einer direkten Befruchtung des Don Quijote durch Huarte vorsichtig absieht, bleiben deutliche Affinitäten zur Mischung ingenio-locura des Caballero de la Triste Figura, die das Examen de Ingenios über den Rahmen eines wissenschaftlichen Kommentars zum Don Quijote erheben. Diese innere Wechselwirkung aus charakterologischer Perspektive dargestellt zu haben, ist das Verdienst Weinrichs im Rahmen der Huarte-Rezeption in Deutschland. Jede Seite seiner Arbeit verdeutlicht das sich wandelnde „Ingenium Don Quijotes" mit stetem Blick auf das Werk des navarresischen Arztes383). Man kann angesichts dieser sporadischen Erwähnungen von keiner geschlossenen Huarte-Forschung sprechen. Jede Begegnung beruht auf einer eigenen Anschauung. Da es sich um Rahmenarbeiten handelt, schließt sich kein Glied an das andere an. Das ist selbst in Spanien nicht anders. Die populäre Themabreite des Examen de Ingenios mahnt zur Vorsicht bei Einflußstudien. Wenn die Bemerkungen und Aussprüche zu dem Werk etwas klar hervorgehen lassen, ist es die Erkenntnis der Vorläuferrolle auf mancherlei Gebieten. Darin muß man den Beitrag der d e u t s c h e n Forschung sehen. Denn das folgende Buch ist zwar in Deutschland erschienen, hat aber einen Spanier zum Verfasser. Die Publikation der Huarte-Monographie (1938) des Jesuitenpaters I r i a r t e fiel in eine einmalige Zeitkonstellation, für die trotz der Fülle verschiedener Ingenia die Begabungsselektion ein Problem war. Am Vorabend des zweiten Weltkrieges trat außerdem noch der pädagogisch-medizinische Aspekt des bevorzugten männlichen vor dem weiblichen Embryo hinzu, der durch Prämien gefördert wurde. Diese politisch-historische Assoziation, die für den Dreißig- und Siebenjährigen Krieg nur angedeutet wurde, rückte das Buch erneut in einen helleren Kreis. „Die Auslese der Begabten ist heute im Dritten Reich eine der wichtigsten Maßnahmen zur Erziehung eines in jeder Beziehung den Anforderungen eines Berufs gewachsenen Nachwuchses." 391) Der emphatischen Betonung Cervantes' im Vorwort der Novelas Ejemplares wird dabei wenig Bedeutung beigemessen: „Y éstas son mías propias, no imitadas ni hurtadas; mi ingenio las engendró y las parió mi pluma." 392) L. C. R h o d i g i n u s , Lectionum Antiquarum libri XXX, Basel 1542. 393) Vgl. dagegen die Kritik N e u s c h ä f e r s , die an Weinrichs Transponierung einer zeitgenössischen Denkstruktur a priori Anstoß nimmt, ein Monitum, das sich jedoch aus der singulären Perspektive des Verfassers zur gesamten bisherigen Cervantesforschung ergibt. H.-J. N e u s c h ä f e r , Die Parodie der Ritterromane durch Cervantes. Versuch einer neuen Deutung des „Don Quijote", Diss. Heidelberg 1960 (Masch.) S. 232. G r e e n , El „ingenioso" Hidalgo, S. 190—193 führt seine Kritik gegen Weinrichs Entwiddungsbegriff des Ingeniums Don Quijotes.

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Die deutschen Rezensionen394) der Studie Iriartes spiegeln nicht nur die vielseitige Bedeutung für alle Interessenskreise, sondern heben auch das ü b e r zeitliche hervor: Die individuellen Studienpläne für die einzelnen Entwicklungsjahre seien noch heute nachahmenswert. Das Buch sei reich an Gedanken und sollte weitere Förderung bringen. Dieser Wunsch hat sich nicht erfüllt. Die enzyklopädischen Lexika, Ausdruck des Auf und Ab aktuellen Wissens, verzeichnen den Namen Huartes nicht mehr. Er fehlt sowohl im neuesten Großen Brockhaus (naturwissenschaftlich) als auch im Großen Herder (geisteswissenschaftlich). Ältere Artikel sind spärlich dokumentiert. Die Literaturgeschichte klammerte ihn aus neuer Sicht als Fachgelehrten aus385). Handbücher der Psychologie reihen Huarte mit von ihm beeinflußten Nachfolgern, ohne die Rolle des Wegbereiters zu erkennen396). Ein einbändiger Nachfahre des Jöcherschen Gelehrtenlexikons — was im Vorwort bewußt unterstrichen wird — weiß zu berichten397) : „Arzt in Madrid. Suchte auf Grund der körperlichen Konstitution auf die geistigen Eigenschaften zu schließen, wodurch er zu den Begründern der Psychologie zählt." Die irrtümliche biographische Notiz ist ein letzter Reflex der Lessingschen Forschungen 398 ). Für den Vorläufer einer Wissenschaft aber, die im 20. Jahrhundert entstanden und geformt ist, hat dieses Säkulum ein kurzes Gedächtnis gehabt.

394) DLZ 60 (1939) 1155—1157 (Wilh. Haberling). Daraus S. 1156 das vorige Zitat. Mitteilungen zur Geschichte der Medizin und Naturwissenscha/ten 38 (1939) 157 (Haberling). Der Nervenarzt 12 (1939) 415—416 (v. Gebsattel). Scholastik 14 (1939) 423—424 (J. Fröbes S. J.). Rivista di filosofia neo-scolastica 31 (1939) 440 (M. Bemaschina). Ciencia Tomista 58 (1939) 297 (Fr. T. Urdanoz). Giornale critico della filosofía italiana 20 (1939) 378—383 (Giorgio Radetti). Philosophisches Jahrbuch der Görresgesellschalt 53 (1940) 259 (Bernhard Jansen S. J.). ZrPh. 60 (1940) 314—316 (Werner Krauss). Razón y Fe 119 (1940) 180—184 (E. Guerrero). Stimmen der Zeit 138 (1941) 68 (H. Becher S. J.). GRM 29 (1941) 168 (Adalbert Hämel). Lycfinos. Lärdomshistoriska Samfundets Arsbok (1942) 355—356 (W. Sjöstrand). 395) L. Ρ f a η d 1, Geschichte der spanischen Nationalliteratur in ihrer Blütezeit, Freiburg i. Br. 1929, S. 55. Dagegen erkennt die spanische Forschung die Verdienste, ζ. B. J. G a r c i a L ó p e z , Historia de la literatura española, Barcelona 5(1959) S. 206. 396) Th. S c h a r m a n n , Wesen, Entstehung und Wandlung der Berufe, in: Mayer/Herwig u. a., Betriebspsychologie, Göttingen (1961) (Handb. der Psychologie, Bd. 9) S. 293: Cervantes, Erasmus, Huarte de San Juan, Montaigne. 397) Gert Α. Ζ i s c h k a , Allgemeines Gelehrten-Lexikon, Stuttgart (1961) (Kröners Taschenausgabe, Bd. 306) S. 303. 398) In ausländischen Nachschlagewerken wird die Lessingsche Ubersetzung vor allen andern nodi heute hervorgehoben: The Encyclopaedia Britannica, Bd. 11, London/New York 14(1929) S. 855.

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2) Das Examen de Ingenios und seine wechselvolle Konzeption im Lauf der Jahrhunderte Der Ausgangspunkt dieser Arbeit war die prophetische Einsicht eines spanischen Arztes in die kommende unausweichliche Aufgliederung der Universitas litterarum. Aus Sorge um das innere Glück des Menschen und als Beitrag zu dem Fortschritt der Wissenschaften widmet er nach vieljährigem Studium sein Werk König Philipp II. Aus philosophisch-psychologischem und pädagogisch-biologischem Aspekt sind alle der Begabungsauslese verwandten Gedanken der Antike und des Christentums mit eigener Praxis auf dem reichen Boden der führenden zeitgenössischen Medizin seines Landes verschmolzen. Das Buch gewinnt bereits zu Lebzeiten des Verfassers europäische Resonanz. Flämische Offizinen tragen spanische Drucke noch gegen Ende des 16. Jahrhunderts auf den deutschen Büchermarkt. Die kritischen Kontroversen des Jesuitendiplomaten Possevino werden in Hof- und Gelehrtenkreisen zur Auseinandersetzung herangezogen. Der vielgereiste und hochgebildete spätere Justizrat Joachim C a e s a r aus Halle, der mit der europäischen Gestalt des Fürsten Ludwig von Anhalt und seiner Fruchtbringenden Geseiischaft verkehrt, bringt von einer seiner Bildungsreisen den Anfang eines lateinischen Übersetzungsmanuskripts mit nach Hause. Eine sehr persönliche und erschöpfende Praefatio gibt über die abenteuerliche Entstehung Auskunft. Der Übersetzer sieht in der wagemutigen und meinungsfreudigen Pionierleistung Huartes Nutzen und Unterhaltung für alle geistigen Berufe. Das Scrutinium Ingeniorum zeigt Spuren des jahrelangen Ringens mit Inhalt und Sprache. Die Übertragung der Namen und Definitionen demonstriert im Einzelnen das Streben nach möglichster Sprachkongruenz und Textnähe ¡ Kontraktionen, Metathesen und Zusätze wollen den vollständigsten Text in elegantem Stil bieten. So gelingt Caesar trotz aller Zeiteinflüsse ein selbständiges und dauerhaftes literarisches Kunstwerk. Die Folgezeit steigert den Wert der Übersetzung und des Spaniers. In Sprachgesellschaften gehört er zum literarischen Repertoire, wie die Erwähnung Harsdörffers beweist. Die katastrophalen Folgen des Dreißigjährigen Krieges führen zur Konzentration aller Kräfte auf einen richtigen Einsatz der Ingenia. Das Gewicht verlagert sich auf die Hochschulen, wo in einer Flut pädagogisch-philosophischer Traktate das Thema des Examen de Ingenios diskutiert wird. In Halle und Leipzig bilden sich um führende Köpfe wie Buddeus und Thomasius intensive Forschungszentren, die Anregungen und Kritik ausstrahlen. Der unterschiedslos starke Besuch der Universitäten, der Wissen als Macht propagiert, führt zur Besinnung über einen geistigen numerus clausus. Die Zuordnung Huartes der intellektuellen Grundkomponenten Verstand, Einbildungskraft, Gedächtnis auf das Netz der Wissenschaften erleichtert das „Scrutinium Ingeniorum", das zu einem autonomen terminus technicus wird. Als scheinbar dilettantische Variation haben gleichzeitig physiognomisch-psychologische Schriften praktische Modalitäten zur Intelligenzbestimmung im Gefolge. Erzieher, Ärzte, Juristen und Theologen sehen in dem Examen de Ingenios ein kanonisches Kompendium zur Begabungsselektion. 174

Brennende Aktualität — wie sie sich in landesfürstlichen Edikten kundtut — und eine innere kompositioneile Verwandtschaft, deduktiv klare wissenschaftliche Prosa, vorurteilslose rationale Gedankenfolge, Stilharmonie zwischen „prodesse" und „delectare", Witz und Scharfsinn sichern dem Buch auch im 18. Jahrhundert seinen Platz als Exponent latenten spanischen Kulturguts. Sinn für den praktischen Nutzen führt Gotthold Ephraim L e s s i η g 1750 zur spanischen Sprache. Zwei Jahre später wird sich seine ahnungsvolle Mühe in die Tat umsetzen. Die Zeitthematik und der weite Stoffhorizont haben ihn zu dem Buch Huartes geleitet. Es handelt sich um keine Regeneration oder Wiederbelebung eines plötzlich avancierten Gegenstandes, sondern um die kontinuierliche Fortführung einer stets immanenten Linie. Der nun folgende Entschluß zur Übersetzung basiert auf keiner begeisterten Anregung oder anfänglichen Mithilfe eines Spaniers wie bei Caesar, sondern ist in der Stille der Studierstube gefaßt. Sorgfältige Vorarbeiten dienen einer verständnisvollen Einführung, welche die Prüfung der Kopie aus dem Übersetzungsmarkt heraushebt und gleichzeitig mit Wärme von geistiger Nähe spricht. Das spätere Wort Lessings von dem Genie, das nur von seinesgleichen entzündet werden kann, hat sich erfüllt. In einer „Rettung" wird die Gestalt des Verfassers allein aus ihrem Gedankenbau dem Dunkel zweier Jahrhunderte entrissen. Als erfindender Wegbahner einer allgegenwärtigen Materie habe Huarte über die Grenzen seiner Zeit hinausgedacht. Mit vertieftem Verständnis wird die innere Biographie gezeichnet. Es ist die Nomenklatur des Genies, das sich selbst sein eigener Führer ist, dem aber, in richtiger Erkenntnis des Zeitgeistes, auch Irrtümer zu vergeben seien. Damit ist der Name in die Register der Unsterblichkeit eingetragen. Der sorgfältigen Deutung von Autor und Werk entspricht eine verantwortungsbewußte Übersetzung, die auf Konzessionen an die Zeittheorie verzichtet. Der Interpret sieht seine Aufgabe nicht in sklavischer Nachzeichnung der Linien, sondern reserviert sich einen geistigen Spielraum, der bei steter Originalnähe allein an Gedankentreue gebunden ist. Durch intensive Konzentration aller retardierenden Momente und durch dialogische Verstärkung steigt der Anspruch an den Leser. Dadurch nähert sich zugleich der Ubersetzungsstil des jungen Lessing dramatisch-gebundener Diktion. Die Akribie des Philologen wechselt bei der schwierigsten Gesprächslage in intuitives künstlerisches Erfassen, das einen Hauch vom „Geist des Spaniers" übertragen will. Weder im Inhaltlichen noch im Sprachlichen ließ sich die negative Kritik Pitollets aufrechterhalten. Ein unmittelbarer Textvergleich zeigte die Unterschiede. Dieser exemplarische Beweis, der an dem umfangreichsten, vollständigsten und späterhin einflußreichsten Zeugnis des Lessingschen Hispanismus realisiert wurde, erhebt Anspruch auf eine Gesamtrevision. Die Prüfung der Köpfe überragt als Stilvorbild im ständigen Mitdenken nicht nur die utilitaristischen Wortübertragungen ihres kosmopolitisch-rezeptionsfreudigen Jahrhunderts, sondern nimmt auch im europäischen Wettbewerb eine originelle Stellung ein. Für den jungen Lessing bedeutet sie die erste Publikation, mit der er sich in seinem eigenen Namen vor aller Öffentlichkeit bekennt. 175

Ein Vergleich mit den Versionen Lessings aus dem Französischen, Englischen und Lateinischen läuft auf Kongruenz in den Editions- und Übersetzungsprinzipien hinaus. Mancher Einzelzug der Stilinterpretation müßte dagegen auf seine relative Bedeutung für die anderen Werke erstmals überprüft werden. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß alle Übersetzungen Lessings im Zusammenhang mit seinen eigenen Studien stehen und daß Namen wie Rollin, Diderot, Voltaire, Crébillon durch ein waches Gespür für Tages- und Zeitaktualität zusammengehalten werden. Darunter nimmt aber auch im Verhältnis zu ihrer Wirkung die Huarte-Übersetzung den ersten Rang ein. Es läßt sich ohne übertreibung sagen, daß Huarte durch Lessings Übersetzung noch berühmter wurde und gleichzeitig seinen späten europäischen Kulminationspunkt erlangt hat. Andererseits gereicht dem Deutschen das instinktiv richtige Einschätzen des Werkes, wie die Folgezeit bewies, zur verdienten Ehre. Selbst für den Rang dieses einzelnen frühen Schriftdokuments trifft das Goethewort zu, daß Lessing den hohen Titel eines Genies ablehnen wollte, obwohl seine dauernden Wirkungen dagegen zeugten. Gestalt und Werk des Spaniers geraten in den Schnittpunkt fast aller geistigen Strömungen des 18. Jahrhunderts: den G e n i e b e g r i f f . Der Inhalt des Buches berührt aus philosophisch-medizinischer Sicht die Fragenkette der Genietopologie: Vererbung oder Erziehung, Differenzierung und Kompetenz, körperlich-seelische Indizien, Individual- und Völkerpsychologie. Eine Persönlichkeit aus Fleisch und Blut hat aus innerster Überzeugung ihr Leben in einem schriftlichen Testament hinterlassen. Neben dem großen Geist Shakespeares gilt Huarte als paradigmatischer Prototyp und Inkarnation einer eigengesetzlichen schöpferischen Spezies. Das Examen de Ingenios in der Lessingschen Übersetzung ist der maßgebende s p a n i s c h e B e i t r a g zur Geniediskussion des Aufklärungszeitalters, wie die Ergebnisse du Bos', Goguets aus Frankreich, Shaftesburys, Gerards, Hutchesons aus England. Die führenden Köpfe ihrer Zeit erkennen und bewundern die feine Einheit von Autor und Werk. H e r d e r sieht hinter dem Periodenbau schlüssigster Deduktionen die Grenzen rationaler Naturerfahrung. Der sensible Künstler sucht nach den ästhetischen Seiten des Examen de Ingenios, wie sie ihm in ausgesuchten Metaphern begegnen. Als Vorläufer subtiler physiognomischer Kenntnisse findet Huarte Eingang in die epochale Leistung L a v a t e r s , in der bei aller Distanz seine geschliffenen, geistreichen Beobachtungen ausgiebig zu Worte kommen. Naive Ursprünglichkeit H e i η s e s bestaunt und assimiliert die wissenschaftliche Eugenik der Fortpflanzung und ihre kuriosen Beispiele und Ratschläge. Die Verwunderung über das janusköpfige Geistesantlitz seines Verfassers fällt auf die bekennende Aussage zurück: Huarte ist ein Prüfstein dafür, wie tief oder oberflächlich die Zeitgenossen das Phänomen des Genies verstanden haben. Die Verbreitung der Prüiung der Köpfe hat ihren Höhepunkt erreicht: Spittler, Hamann, Mendelssohn, Eschenburg u. a. zählen den Spanier griffbereit zum Schatz der Allgemeinbildung. G o e t h e wird auf ihn hingewiesen. Eine Neuauflage der deutschen Übersetzung wird nötig. Der Wittenberger Mathematikprofessor E b e r t revidiert nach subjektiven sprachlichen Kriterien den Text und bedenkt alle Fakten, die der zweihundertjäh176

rige Fortschritt der Wissenschaften überholte, mit exakten Anmerkungen. Die reizvolle Mischung zwischen Wahrheit und Aberglaube wird dem Buch zum Untergang. Ein streng rationaler Zeitgeist sieht in unerbittlicher Verallgemeinerung nur Grillen und „Schwärmereien". Die Wahrheit ist durch den Irrtum stark geworden. Der Wandel vollzieht sich. Das Buch ist als historischer Ballast der Tradition anheimgegeben. Bis weit in das nächste Jahrhundert hinein erinnern sich praktisch-pädagogische Schriften der Vorarbeit. Aus dem Mangel und der notwendigen Dosierung geistiger Kräfte im 16. und 17. Jahrhundert ist der Dämon schrankenlosen Besuchs der Lehrstätten erwachsen. Bei steigenden Aufgaben und Anforderungen verwischt der Andrang alle Leistungsgrenzen. Huartes Name fehlt in keiner der Einleitungen aller Abhandlungen zur Begabungsauslese. Als klassisches Exempel genießt er beispielhafte Geltung. Nicht mehr die überholten Tatsachen, sondern das methodische Gerüst wird von Schulleitern, Pfarrern und Professoren anerkennend übernommen. Das Wesentliche hat die Jahrhunderte überdauert. Als letzter großer Persönlichkeit bedeutet das Buch des spanischen Arztes S c h o p e n h a u e r in seinen späten Jahren einen ständigen geistigen Wert, der an der kühnen, bewiesenen Behauptung seine Freude hat. Vor den Augen der beginnenden Forschung hebt sich auf dem Hintergrund von mehr als 75 Ausgaben in allen europäischen Sprachen klar die Rolle Huartes als wegweisenden Bahnbrechers einer neuen Experimentalwissenschaft ab: Pädagogik, Medizin, Jura, Philosophie, Theologie, allgemein definiert, statistische, empirische Psychologie, wissenschaftliche Gehirntopographie, différentielle Begabungspsychologie, im Speziellen, sind seine Schuldner und finden noch heute Grundideen vorgezeichnet 399 ). Geblieben sind außerdem die drängenden Aufgaben: die Überfüllung der Universitäten, von denen ein immer stärkerer Bedarf verantwortungsvolle Ausbildung verlangt, die damit kohärente Suche nach Maximen und Möglichkeiten einer Talentauslese. Geblieben sind die vielen kleinen, alltäglichen Fragezeichen, von denen einige in ihrer metaphysischen Transzendenz unlösbar scheinen: weshalb vielen Müttern die Leibesfrucht versagt bleibt, ob sich die maskuline Geburt regulieren läßt. Huarte gehört in eine dynamische Entwicklung. Die Problematik des Examen de Ingenios stellt sich jeder Generation erneut; darin liegt seine unsterbliche Existenz. Faustische Neugier und zielendes Wissen werden sich stets an der Lösung versuchen. Die Verhältnisse ändern sich, der Mensch und seine Aporien bleiben unwandelbar. In dieser zeitlosen Erkenntnis bemühte sich der Spanier nach dem edelsten und reinsten Humanismus Terenz': „Homo sum; humani nil a me alienum puto." Wir glauben es ihm: Leben und Werk zeugen dafür.

399) Als die drei großen geistigen Strömungen im Spanien des 16. Jahrhunderts, die sdiulbildenden positiven Einfluß in Europa ausübten, hat man bezeichnet: Vivismus (Kritik), Suarismus (Metaphysik), H u a r t i s m u s (psychologische Physiologie). G. L a v e r d e , Ensayos críticos sobre filosofia, literatura e instrucción pública española, Lugo 1868.

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Vili.

Anhang A) Gesamtabriß der Spanisdistudien Lessings Wenn man die Beschäftigung Lessings mit Spanien einer ersten Revision unterzieht, fällt zweierlei in die Augen: die quantitative Breite der Testimonia, die für jene Zeit unerhört ist und das polyhistorische Interesse für alle Geisteszweige: Literatur, Sprache, Geschichte, Medizin, Malerei, Klassische Philologie und als passionierter Schachfreund auch für spanische Schachliteratur. Räumlich umfaßt Lessings Blick dabei die ganze iberische Halbinsel und Südamerika. Dem Bekenntnis an seinen Vater vom 2. 11. 1750: „Da es eine Sprache ist, die eben in Deutschland so sehr nicht bekannt ist, so glaube ich, daß sie mir mit der Zeit nützliche Dienste leisten soll . . . " liegt das in den Beyträgen zur Historie und Aufnahme des Theaters gegebene Versprechen zugrunde, Auszüge aus dem spanischen Theater zu liefern. Einem halben Dutzend Namen, die für Lessing damals kaum mehr bedeuten, folgt die Feststellung: „Diese sind alle Männer, die zwar eben so große Fehler als Schönheiten haben, von denen aber ein vernünftiger Nachahmer sich sehr vieles zu Nutze machen kann" 400 ). Befreiung von der ausschließlichen Herrschaft des französischen Theaters ist Lessings Ziel. Die Bühne der Spanier soll neben der italienischen, englischen und holländischen den Horizont und das Repertoire erweitern. Einerseits sucht Lessing nach neuen Stoffquellen für seine eigene Werkstatt, zum andern versucht er zu vermitteln. Noch seine vergebliche Anregung des Alcalde de Zalamea in einem Brief an seinen Bruder Karl Gotthelf vom 20. 9. 1777 entspringt diesem Drange: „Ich könnte Dir wenigstens damit eine Arbeit unter den Fuß geben, die alle Anlage hätte, für unsere Theater sehr interessant zu werden." Aber auch Lessing selbst bemüht sich, durch Vorlagen zu wirken. Die erhaltenen Bruchstücke zeigen ihn auf Sujetsuche. Wie wenig es ihm dabei auf Verfasser und Quelle ankommt, zeigen die noch vor siebzig Jahren rätselhaften Ubersetzungsfragmente Eraclio und Fenix. Es handelt sich um „sueltas", die Lessing in die Hände fallen und bereitwillig von ihm verarbeitet werden. Als No hay cosa buena por fuerza (anonym) und Cuando no se aguarda: El principe tonto (Francisco de Leiva Ramírez de Arellano) muß man heute in den Literaturgeschichten lange nach ihnen suchen. 400)) Vorrede, LM IV, 52.

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Auch ein. Torso von Calderóne La vida es sueño kommt über den Anfang nicht hinaus. Daraus Sprachschwierigkeiten abzuleiten (Pitollet), heißt Lessings Arbeitsweise jener Jahre verkennen. Sie ist rastlos auf der Suche, sie entwirft und verwirft, sie umfaßt die ganze Weltliteratur und bleibt darum stets fragmentarisch. „Meine Sudeleien von entworfenen Komödien könnte ich Dir leicht geben; aber Du würdest sie sicherlich nicht nutzen können. Ich weiß oft selbst nicht mehr, was ich damit gewollt" (Brief an seinen Bruder vom 28. 10. 1768). Erst mit dem Auszug aus Montianos Virginia (Theatralische Bibliothek, 1754), der Inhaltsanalyse des Conde de Sex (Hamburgische Dramaturgie, 1767) und der anschließenden Wesensbestimmung des spanischen Drama gelingt es Lessing, einen vollständigen Eindruck zu übertragen und weiterzureichen. Obwohl der Extrakt aus Montiano nur einer französischen Ubersetzung entlehnt ist — Lessing bemüht sich vergebens um das spanische Original — zeitigt er schon bald Lob und Echo. Von den führenden literarischen Zeitungen schreiben die Göttingischen Anzeigen von Gelehrten Sachen, 7. 12. 1754: „Er (Lessing) bringet aber dennoch dem Leser von den theatralischen Wercken der Spanier einen ungemein viel vortheilhaftern Begriff bey, als die meisten sich zum voraus davon machen möchten"401). Das spätere Abrücken Lessings von Montiano (Hamburgische Dramaturgie, 68. Stück) zeigt sein durchaus kritisches Urteil in dieser Materie, obwohl es vielleicht unter Diezes Einfluß entstanden sein mag. Lessings Geschmack ist reif geworden. Der Besprechung des Comte d'Essex von Th. Corneille und des gleichen Stoffes von John Banks schließt er scheinbar absichtslos über acht Stücke hinweg, einen Monat lang, den spanischen Conde de Sex an. „Daß Lessing kein vollendeteres Drama zur Interpretation gewählt hatte, ist einer der Gründe, daß er auf halbem Wege stehen blieb", behauptet Brüggemann 402 ). Hier kommt es Lessing auf keine „Wahl" und „Vollendung", sondern auf das übergeordnete „Essex"-Thema und erst in diesem begrenzteren Rahmen auf einen typisch spanischen Beitrag an. Schon in den Beyträgen zur Historie und Aufnahme des Theaters (S. 53) äußert Lessing das Verlangen, durch einen Vergleich das jeder Nation Eigentümliche zu bestimmen. Während Herder der Poesie das Urrecht einräumt, ist Lessing überzeugt, „daß aus keiner andern Sache das Naturell eines Volkes besser zu bestimmen sey, als aus ihrer dramatischen Poesie". So gewinnt der heute unbedeutende spanische Essex exemplarische Dimension. Das „Essex"-Thema war durch die Aufführungen der Wandertruppen weithin beliebt403). Aus Mangel an Vorarbeiten läßt sich nur vermuten, daß die spanische Variante als früheste (1638) von Banks und Corneille benutzt wurde. Auf jeden Fall handelt es sich bei der deutschen Ubersetzung von 401) In diesem Zusammenhang merzen wir einen verbreiteten Irrtum aus: Der beziehungsreiche Aufsatz Cronegks Die spanische Bühne muß n a c h Lessings Montiano-Exzerpt erschienen sein. „Die Virginia und der Ataulpho sind fast die letztern, von denen wir etwas wissen" (Cronegk). Diese Bemerkung ist der erste Widerhall, allerdings mit dem einschränkenden Bedauern: „Wie weit müssen es die Spanier nicht gebracht haben, wenn sie diesen Meistern gefolget sind?" 402) B r ü g g e m a n n ; Cervantes, S. 15. 403) W. B a e r w o l f f , Der G raí von Essex im deutschen Drama (Diss. Tübingen) Stuttgart (1920) S. 36—79.

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Breuer aus dem Italienischen um die spanische Version 404 ). Die Bearbeitung aus dem Französischen erscheint von dem Hamburger L. Peter Stüven 1735 viermal auf der Neuberschen Bühne in Hamburg, 1748 in Wien, wo auch am 14. Mai 1752 die Aufführung bezeugt ist. Wir wissen von weiteren Vorstellungen am Anhalt-Zerbstischen Hofe vom 7. Mai und 11. August 1756. Lessing besaß einen Essex aus dem Nachlaß der Neuberin, der aber nur den Aufriß enthielt405). Aus dieser Sicht erscheint die Behandlung des spanischen Essex weniger willkürlich, und nicht ohne Stolz erwähnt Lessing am 5. 1. 1769 in einem Brief an Dieze „den weitläuftigen Auszug" und erkundigt sich nach dem Verfasser. Wie nimmt die Um- und Nachwelt diese Anregung auf? Denn Lessing kommt es auf dramatischem Gebiete, wie wir sahen, in erster Linie auf den Impuls an. Es ist mehr als ein Kuriosum der Literaturgeschichte, daß selbst dieses „wenig vollendete" Drama seine Nachfolger findet. Die von Klotz redigierte Deutsche Bibliothek der schönen Wissenschatten in Halle bemängelt zwar die „etwas lange Digreßion", begrüßt aber doch die geistige Belebung408). Achtzehn Jahre später erscheint die erste „refundición". Christoph S e i ρ ρ , ein österreichischer Theaterdirektor, verfaßt getreu dem spanischen Untertitel Dar ¡a vida por su dama: Für seine Gebieterin sterben. Ein Trauerspiel in fünf Auf Zügen. Preßburg und Leipzig bey Mahler 1785. Die Kritik in der Allgemeinen deutschen Bibliothek verurteilt Stück und Verfasser hart407). Sie vermißt „den Geist des Zeitalters, der Nation, der Personen, so wie sie uns die Geschichte schildert; langweiliger, unnatürlicher Dialog, Unwahrscheinlichkeiten, harte Elisionen, undeutsche Redensarten die Menge .. . Kurz, weder die Herren Kollegen, noch das Publikum werden dem Gräzer Kollegen Dank wissen, daß sie diesen Essex mehr haben". Seipp ist nicht der Mann, einem spanischen Drama auf der deutschen Bühne Eingang zu verschaffen. Lessings Essex-Drama reicht bis ins 19. Jahrhundert. Der Auszug regt sogar Coleridges „Triumph of Loyality" an408). Durch Heinrich Sequanus' Übersetzung (1822)40") geht das Stück in Laubes Bearbeitung (1856) über. Bei Gregor410) wird das Schauspiel, unabhängig von seiner deutschen Rezeption, als repräsentativ für eine historisch-romantische Comedia aufgenommen. Aus diesem eindringlich dargestellten Einzelbeispiel läßt sich ersehen, wie Lessing durch sein Vorbild, hier unbeabsichtigt, in der Art eines Gries oder von der Malsburg, vor allem aber durch mehr Inhaltsanalysen dieser Natur das spanische Theater dem deutschen hätte annähern können. Seine Analyse des Conde de Sex ist die erste eines Dramas überhaupt, die Zug um Zug, 404) F. Η. Β r e u e r , Die ermordete Unschuld oder die Enthauptung des Graien Essecs, aus dem Italienischen des Sign. Creognini (Cicognini?) Straßburg 1716. 405) F. N i c o l a i , Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781, Berlin & Stettin 1784, S. 565. Hierzu und zum folgenden C. H e i n e , Gral Essex aus Ludwig Hoffmanns Repertoire, in: VJS 1 (1888) 323—342. 406) Vierter Band, 1769, 13. Stüde, S. 152—172, 15. Stüde, S. 485—512. Signiert Stl. (Flögel?). 407) ADB 68 (1786) 128 f. (OL.) 408) E. M. W i 1 k i η s ο η , Coleridge und Deutschland, 1794—1804, in: Forschungsprobleme 2 der Vergleichenden Literaturgeschichte (1958) 7—23. 409) H. Sequanus (d. i. Heinrich Helmreich Ludwig Spitta) ; Der Graf von Essex. Romantisdies Trauerspiel aus dem Spanischen, Göttingen 1822. 2 410) J. G r e g o r , Das spanisdie Welttheater, München 1943, S. 422 ff.

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Handlung, Szene und Situation vor unseren A u g e n entstehen läßt und dem damaligen Publikum ein so anziehendes und neuartiges Bild von einer spanischen Comedia des 17. Jahrhunderts gibt, daß es lebhaftes Interesse dafür empfindet. W e n n auch auf praktischem Gebiet die Nachfolger ausbleiben, sind die theoretischen Überlegungen im 69. und 70. Stück der Hamburgischen Dramaturgie um so beachteter und weitreichender. A l s gültige Charakteristik des spanischen Dramas haben sie das Jahrhundert begleitet, und noch Brinckmeier führt sie als autoritativ an411). Grillparzer wird durch sie auf das spanische Theater aufmerksam, und der bekannte Romanist Arthur Ludwig Stiefel schildert, wie er v o n Lessings Beispiel angezogen, sich eifrig dem Studium des Spanischen widmet412). Mit Hilfe von Lope de Vegas Arte nuevo de hacer comedias arbeitet Lessing den „Zwitterton", die Symbiose des Erhabenen mit dem Lächerlichen, plastisch heraus. Obwohl der Gracioso als berühmte Inkarnation dieses Prinzips keineswegs mit der Dramaturgie Lessings und seiner Zeit kongruiert, wird die Vermischung von Tragisch-Komischem nicht diktatorisch abgelehnt. Natürliche Kausalität zwischen beiden Komponenten, welche die Abstraktion der Begriffe für sich aufhebt und an Shakespeares Weltbühne gemahnt, eine gewisse folgerichtige Linie muß der Dichter dabei beobachten. Damit ist aber bereits der Erfolg des spanischen Theaters in der Romantik vorausgedeutet, w o diese scheinbar konträren Elemente durchaus stilformend ineinanderfließen. Zugleich jedoch steht Lessing trotz aller Zeitgebundenheit hierin der späteren Bewegung sehr nahe. Sein „entwicklungsfähiger Begriff des spanischen Dramas" wird „konstitutiv für die romantische Kunst" 413 ). Das spanische Theater dient als tertium comparationis neben der französischen und englischen Bühne. Diese räumlich-geistige Erweiterung des abendländischen Horizonts durch die Dramatik der Spanier auf theoretischem Gebiet vollzogen zu haben, ist Lessings heute allseits anerkanntes Hauptverdienst und das Zentrum seiner Beschäftigung mit der spanischen Kultur. W e r einen profunden Schatz gelesener spanischer Comedias bei Lessing erwartet, wird sich enttäuscht sehen. Seine Methode abstrahiert die Theorie paradigmatisch aus einigen wenigen Beispielen. Das eine schließt das andere bei einem Genie nicht aus. A m 5. Januar 1761, ein Jahr nach der EssexAnalyse, schreibt Lessing dem Göttinger Professor Dieze: „Einige ähnliche Auszüge könnte ich Ihnen zu Ihrem spanischen Theater liefern. A b e r vielleicht haben wir nur ganze Uebersetzungen darin zu erwarten, und da gestehe ich gern, daß mir noch kein spanisches Stüde vorgekommen ist, von dem ich eine solche zu machen Kräfte und Lust genug gehabt hätte." Dieses ehrliche Selbstbekenntnis skizziert und belegt den oben beschriebenen Sachverhalt. Bedeutsam steht in der Vorrede der Beyträge zur Historie und Aufnahme des Theaters nach dem Namenskatalog spanischer Dichter: „Diese sind alle Männer, die zwar eben so große F e h l e r als S c h ö n h e i t e n haben, 411) B r i n c k m e i e r , Abril3, S. 16 f. 412) Literaturbl. f. germ, und rom. Philol. 35 (1914) 291. 413) B r ü g g e m a n n , Cervantes, S. 14 ff. Τ i e m a η η , Uber Lope de Vegas Bild, S. 257 f.

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von denen aber ein vernünftiger Nachahmer sich sehr vieles zu Nutze machen kann." Der Kreis schließt sidi im 68. Stück der Hamburgischen Dramaturgie: „Die echten spanischen Stücke sind vollkommen nach der Art dieses Essex. In allen einerlei F e h l e r , und einerlei S c h ö n h e i t e n"414). Nach einem Zeitraum von achtzehn Jahren findet Lessings Urteil zum Ausgangspunkt zurück, mit dem einzigen Unterschied eines b e w u ß t e n , selbst erarbeiteten Ergebnisses. Anreiz zur Nachahmung heißt das Programm 1749, die Zeiten überlebt nur die theoretische Auseinandersetzung und wirkt fruchtbar fort. In dieser geistigen Elementarspannung zwischen Wollen, Gelingen und Erreichtem offenbart sich bei Lessing eine gewisse Tragik. Nach den Spanischstudien auf dramatischem Sektor verblassen zu Unrecht Lessings Bemühungen, auf anderen Gebieten das Interesse für die iberische Halbinsel und ihr Kulturleben zu wecken, übergehen wir die emsige Kleinarbeit der gelehrten Korrektur vieler spanischer Lexikon-Artikel, deren einen er 1753 nur verbessert, „weil er in die spanische Literatur mit einschlägt", bleiben als größere Blöcke die H u a r t e - U b e r s e t z u n g , der Kranz von einem Dutzend R e z e n s i o n e n 1751—1754 und eine Alterspublikation, die Herausgabe der geographischen B e s c h r e i b u n g B r a s i l i e n s des Cudena, alles Prosaschriften, doch ohne den hohen Anspruchswillen der dramatischen Gedanken. Daß sie trotzdem weite Beachtung finden, hebt ihre Bedeutung und rechtfertigt einen kurzen Blick auf sie. Die herausragende Stellung der Besprechungen vergegenwärtigt man sich am besten, wenn andere zeitgenössische Rezensenten, möglicherweise desselben Werkes, dagegengestellt werden 415 ). Uber Inhaltsparaphrasen reicht das kritische Vermögen nicht hinaus. Lessings Begabung und Wert für die Entwicklung des Journalismus strahlt hier besonders hell hervor: kritische Ausschöpfung aller Quellen, ideen- und stoffgeschichtliche Assoziationen, überraschender Vergleich mit dem Original, selbständiges Urteil. Die Rezension der Übersetzung der Novelas Ejemplares durch Conradi wird sogar von den Allgemeinen Gelehrten Nachrichten (Hamburg) übernommen und erreicht weitere Resonanz. Dadurch erkennt man deutlich die zeitgenössische Würdigung 416 ). Anders als bei den sehr unabhängigen Bücherbesprechungen ist die Herausgabe der Descripción del Brasil des Cudena 1780 sehr gebunden 1. durch das Manuskript und dessen fehlerhafte deutsche Übersetzung; 2. durch Mitwirken des Rektors Leiste in Wolfenbüttel 417 ). Der Akzent liegt hierbei nicht auf der Art und wegen geographischer Unkenntnis allerdings weniger glücklichen Korrektur der Übersetzung, sondern 414) Hervorhebungen v o m Verfasser. 415) Z. B. F. W. Β e e r s Ubersetzung des Guzmán de Alíarache, Leipzig 1751—1752. Rezensionen von Lessing in: BPZ, 9. 10. 1751. CN, 29. 10. 1751. Andere: Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen 13. 1. 1752. Allg. Gei. Nadir, zum Hamb. Unpartheyischen Correspondenten 25. 2. 1752. Staats- und Gel. Ztg. des Hamb. Unparth. Corresp. 16. 8. 1752. 416) Unter diesem vergleichenden Aspekt gesehen, sind die Rezensionen nicht nur handwerkliche Brotarbeiten. Eine Sonderstudie, im Zusammenhang der Geschichte des deutschen Journalismus, wäre sehr ergiebig. 417) Der wertvolle Auktionskatalog Leistes (Herzog-August-Bibliothek, Wolfenbüttel: Bc 1230) ist ein unschätzbares Dokument dafür, was ein deutscher Geograph des 18. Jhs. an Fachliteratur und Karten über die iberische Halbinsel und Südamerika im Schrank zum täglichen Gebrauch besaß.

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auf der sicheren Entdeckung des Manuskriptes und der Erkenntnis seines Wertes. Es bleibt bis auf die nächsten vier Jahrzehnte eine zwar trockene, aber die erste beste und am leichtesten erreichbare Quelle für den Portugiesisch-Unkundigen, der nichts mit dem Rocha Pita anzufangen weiß418). Die Zeitgenossen zollen diesem letzten gelungenen Griff hohe Anerkennung 419 ). Der Historiker und Geograph sind gleichermaßen angesprochen und befriedigt. Es ist mehr als Zufall, daß das erste und letzte Buch Lessings mit Spanien zusammenhängen; es ist audi überzeugender Ausdruck seiner Universalität: ein spanischer Arzt des 16. und ein spanischer Weltreisender des 17. Jahrhunderts, zwei Eroberungen einer terra incognita, des Geistes und der Welt, eine symbolische Bedeutung spanischer Weltgeltung. Suchen wir unter den Prosawerken der Spanier, denen Lessing seine Aufmerksamkeit schenkt, nach einem Gegenpol zu der Dramentheorie, finden wir als überragende Gesamtleistung allenfalls die Huarte-Übersetzung. Trotzdem gibt es ein Werk, das Lessing wenigstens in seiner Jugend sehr beschäftigt: ü b e r die Hälfte der Rezensionen kreist um den Don Quijote. Bei dieser quantitativen Feststellung wird das Urteil Brüggemanns kurz zu prüfen sein, nach dem Lessing „keine originalen Ansichten" über Cervantes geäußert habe420). Lessing lernt den Don Quijote in der anonymen deutschen Ubersetzung nach der französischen Arnaulds (Leipzig 1734) kennen. In den Rezensionen steht das Vokabular der Aufklärung: „Spanischer Witz, lachende feine Satyre, lebhafte Einfälle." Betont wird der Ewigkeitswert des Werkes, aber nur auf Grund der komischen Seite421). Auch die „langweiligen Zwischenerzählungen", die Lessing bemerkt, ragen nicht über die zeitgenössische französische und deutsche Auffassung hinaus, die das Stilideal der „direkten Prosa" postulierte. Die vielzitierte und falsch interpretierte Bemerkung, daß die Spanier „mit ihrem Don Quixote ohnedem nicht viel Ehre eingelegt haben", ist reine Ironie, wie aus dem Kontext ersichtlich ist422). Nach diesen allgemeinen Sentenzen überrascht ein Zug in der Beilage der Berlinischen Privilegirten Zeitung423). Der zweiundzwanzigjährige Lessing spricht über die epische Dichtkunst in England. Eine Nachahmung des Don Quijote gibt Anlaß zur positiven Kritik: „Er hat überall des Cervantes ernsthafte Art zu scherzen genau beybehalten, und sie niemals mit dem Drolligten abgewechselt." Der Don Quijote fällt hier nicht unter die später bei den Dramen bemerkte störende Stilmischung. Seine „ernsthafte Art zu scherzen" harmoniert wegen ihrer einheitlichen Konzeption. Aus innerer Konsequenz wechseln Tragik und Komik miteinander. Man erwartet eine allgemeine Bemerkung über das „Mischspiel" und wirklich findet sie sich: 418) S. d a R o c h a P i t a , Historia da América Portuguesa, Lisboa 1730. In Deutschland weit v e r b r e i t e t . 419) R e ζ.: (Büsdiings) Wöchentl. Nadir, von Landkarten und Büchern, 35 (1780)¡ ADB, 43 (1780) 211—214¡ Hallische Gelehrte Zeitungen, 59 (1780) 465—467; Neue Ztg. von Gel. Sachen, 18.5. 1780; Franklurter Gel. Anzeigen, 24 (1781) 189 f.; Altonaischer Gel. Merkurius, 40 (1781) 317; Hannoverisches Magazin, 27. 6. 1783. 420) B r ü g g e m a n n , Cervantes, S. 44. 421) „Und w i r d gewiß nicht eher aufhören gelesen zu werden, als bis niemand in der W e l t mehr Lust h a b e n w i r d zu lachen" (BPZ, 4. 9. 1753). 422) BPZ, 23. 2. 1754. 423) Das Neueste aus dem Reiche des Witzes, Mai 1751. 184

„Welche Vermischung zwar vielen gefällt, in der That aber ein Fehler ist." Lessing hat sich nodi nicht zur toleranteren Haltung in der Hamburgischen Dramaturgie durchgerungen. Er ist zu keiner Konzession an das Publikum, wie Lope de Vega, bereit. In diesem einen Satz, der sicher, en passant gesagt, nicht überinterpretiert werden darf, steht Lessing außerhalb des dogmatischen Urteils seiner Zeit, etwa der fast gleichzeitigen Äußerungen Ramlers und Gleims, die in dem Roman lediglich eine Heterogenität des LächerlichErnsten sehen. Damit erschöpft sich die theoretische Bestandsaufnahme. Der Roman selbst begleitet Lessing sein ganzes Leben, seine berühmten Abenteuerszenen fließen metaphorisch häufiger in den Text ein. Durch Übersendung einer holländischen Übersetzung an Bertuch und Empfehlung zur Beachtung nimmt Lessing Anteil an dem bedeutsamen Ereignis der ersten vollständigen Verdeutschung nach dem Original. Besonders sorgfältig ist die Lektüre der deutschen Übersetzung 1759, als sie dazu dient, Parallelwendungen für das Logausche Wörterbuch zu stellen424). Um das Fazit zu ziehen, wird man von Brüggemanns Behauptung einige Abstriche machen müssen. Lessing bleibt zwar cum grano salis seiner Zeit verhaftet, hat aber doch das Meisterwerk der Spanier auf durchaus eigene originale Weise adaptiert und weiterverarbeitet. Zuletzt beim Don Quijote sehen wir, wie Lessing aus einer Sekundärübersetzung schöpft. Wie bewähren sich seine Spanischstudien, wenn sie mit dem strengen Maßstab der d i r e k t e n Quellenbeziehung zu ihrem s p a n i s c h e n Original gemessen werden? Bei aller Behutsamkeit bleiben mit Sicherheit die frühen Übersetzungsfragmente (Calderón, Eraclio und Fénix*25), der Textvergleich zwischen der italienischen und spanischen Fassung der Novelas Ejemplares in einer Rezension 1751, das Rojas-Zitat. Es bleiben die ausführlichen zweisprachigen Gegenüberstellungen in der Hamburgischen Dramaturgie, der Cudena-Bericht und die Huarte-Übersetzung. Es bleibt weiterhin ein spanisches Stammbuchzitat aus Graciáns Héroe von 1754, dessen noch nicht erklärte Textvariante auf eigenen Lessingschen Geistesbesitz schließen läßt. Damit ist auch die Behauptung schwer haltbar, Lessing kenne die spanische Literatur nur aus zweiter Hand. Die Bekanntschaft mit spanischen Comedias in Hamburg, die Übersendung der Rimas Lope de Vegas an Meinhard und die Anschaffung spanischer Bücher für die Bibliothek während seiner Wolfenbütteler Zeit426) bilden einen weiteren engen Berührungskreis. Neben der eigenen unmittelbaren Aufmerksamkeit Les424) Für Lessings Wörterbuchpläne standen als Exzerpiermaterial ebenfalls Wirsungs Celestina-übersetzung und Ulenharts Rinconete y Cortadillo-Version auf der Liste, 150 J a h r e bevor das Grimmsche Wörterbuch auf diese beiden Prosakostbarkeiten aufmerksam wurde. 425) Mit mehr Fragmenten dieser Art darf geredinet werden. Lessing musterte und vernichtete jährlich nebensächliche Papiere. Eine zweite Revision erfuhr der Nadilaß durch Fülleborn und noch 1794 druckt K. G. Lessing im 22. Teil der Sämmtlichen Schrititen nur eine Auswahl des theatralischen Nachlasses, »da die Aufsätze darin fast zur Hälfte nur schwache Jugendversuche, und des Aufbehaltens in keiner Rücksicht völlig werth sind". Diesem Standpunkt widersetzten sich Ladimann-Mundcer in ihrer Editionstechnik, während neuerdings Rilla in seiner Ausgabe wieder heftig für die Scheidung des Wesentlichen vom Unwichtigen polemisiert. 426) Geographisch-chronologisch betrachtet, liegt die Hauptbeschäftigung Lessings mit Spanien dagegen in seinen Berlin-Wittenberger und Hamburger Jahren. Die Huarte-Übersetzung und die Kapitel in der Hamburgisdien Dramaturgie sind die repräsentativen Marksteine dafür.

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sings für Spanien wurde seine Teilnahme an den literarischen Unternehmungen der damals führenden Hispanophilen Deutschlands bisher nur angedeutet. Die folgenden stichwortartigen Notizen sollen nebenbei ein für die Verbreitung des Spanischen lebendiges Zeitbild in nuce ergeben. 1) Johann Nicolaus M e i n h a r d (1727—1767)427) aus Erlangen, hatte 1755—1756 auf einer umfassenden Reise auch Spanien kennengelernt. Sehr sprachenbegabt, beherrschte er unter anderem beide iberischen Hauptidiome und galt seitdem als Autorität für diese Länder, obwohl Zachariä seine Vorliebe für Italien bestimmte. Sein Hauptwerk sind die von Lessing sehr geschätzten Versuche über den Charakter und die Werke der besten italiänischen Dichter (1763—1764). Bekannt sind uns kongenial übertragene Szenen aus den Lusiadas des Camöes, ein übersetzungsplan der Araucana Alonso de Ercillas, Aufsätze über spanische und portugiesische Literatur im Hannoverischen Magazin und Prosaübersetzungen einiger Romanzen Góngoras, die noch Herder anregten. Lessing schickte ihm 1765 (wie schon vorher Gleim spanische Romanzen) die Rimas Lope de Vegas, und zwar in derselben Ausgabe, die im Anhang Lopes Arte Nuevo enthielt, den Lessing zwei Jahre später in die Hamburgisdhe Dramaturgie passend einfügte. Meinhards Bitte um spanische Bücher aus der Lessingschen Auktion liegt der kühne Plan zugrunde, von den Meisterstücken der Weltliteratur Auszüge zu geben, über Meinhard in Erfurt war Lessing mit Gleim und Jacobi in Verbindung. 2) Friedrich Justin B e r t u c h (1747—1822)428) Der berühmte Weimarer Verleger und Goethefreund, Übersetzer des Don Quijote und Avellaneda (1775—1777), des Fray Gerundio de Campazas vom Padre Isla (1773, zweite Auflage bereits 1777), der Lieder des Villegas (1774), Herausgeber eines Magazin der spanischen und portugiesischen Litteratur (1780—1782) und eines Manual de ¡a lengua española (1790), vermittelte zwischen Wieland und Lessing, der seine Übersetzung des Fra γ Gerundio kannte. Vor März 1775 schickte Lessing ihm eine holländische Ausgabe des Don Quijote als „Meisterstück" und riet zur Mitbenutzung. 3) Christoph Gottlieb von M u r r (1733—1811) Übersetzer verschiedener spanischer Werke, und durch direkte Korrespondenz mit Spanien befugter Dolmetsch zwischen beiden Ländern, erkundigte sich nach Lessings Huarte-Übersetzung. Nicolai warnte, sich mit ihm wegen spanischer Nachrichten einzulassen, da er dem Hallenser Kreis um Lessings Gegner Klotz nahestand. Murrs kritische Bewertung des Laokoon fror die Beziehungen 1770 ein. 427) H. R e h d e r , Johann Nicolaus Meinhard und seine Übersetzungen. The University of Illinois Press, Urbana 1953 (Illinois Studies in Language and Literature, Bd. 37, Nr. 2) war nicht zugänglich. F. J. R i e d e 1 , Denkmal des Herrn Johann Nicolaus Meinhard, Jena 1768. 428) Zu den folgenden Persönlichkeiten drei Aufsätze B e r t r a n d s , Ch. Gottlieb von Murr, in: BH 30 (1928) 256 f. Bertuch y su grupo, in: Clavileño, Heft 5 (1950) 9—14. Primicias del hispanismo alemán. El iniciador: J. A. Dieze, in: Clavileño, Heft 1 (1950) 9—13.

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4) Johann Andreas D i e ζ e (1729—1785) Professor in Göttingen, Altersgenosse Lessings und ihm am engsten verbunden. Sein Hauptwerk ist die Übersetzung und wertvolle Ergänzung der Orígenes de la Poesía Castellana des Velázquez (1769), eines Standardwerkes bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Weiterhin schrieb er eine Geschichte von Spanien und Portugal (12. Band von Guthries Allgemeiner Geschichte, 1774), übersetzte Puentes Viaje de España (1775), die gelesenste Reisebeschreibung über Spanien. Die Version eines geographisch-historischen Werkes Antonio de Ulloas (1781) war seine letzte Arbeit. Vier Jahre später riß ihn der Tod aus vollen Schaffensplänen. Obwohl nur ein Brief Lessings an Dieze überliefert ist, herrschte über die Professoren am Braunschweiger Collegium Carolinum Heyne und Ebert reger Austausch von Bücherkatalogen und Empfehlungen. Aus Hamburg noch hören wir Lessings Lob über Diezes Spanische Dichtkunst und das Versprechen, spanische Dramen für sein projektiertes „Theater" zu senden. Trotz der räumlichen Nähe Wolfenbüttel — Göttingen fand die von beiden ersehnte häufigere Begegnung wegen dringender Arbeiten nur einmal statt. Als Dieze, durchdrungen von Wahrheits- und Gerechtigkeitsliebe für „seine" Spanier, von der Übersetzung des Théâtre Espagnol Linguets erfährt, schreibt er am 18. 3. 1770 verzweifelt an Ebert nach Braunschweig: „Warum mußte denn Lessing nicht da seyn? der weiß ich gewiß wird mit mir einstimmen." Nichts kennzeichnet besser die Anerkennung und das Vertrauen in Lessings kritisches Urteil zur spanischen Literaturgeschichte, vor allem wohl nach dem weiten Echo auf den Auszug in der Hamburgischen Dramaturgie. Der Versuch der französischen Forschung (Bertrand, Pitollet), D i e z e als ersten Hispanisten Deutschlands hervorzuheben, erscheint angesichts des freundschaftlichen Verkehrs zwischen ihm und Lessing illusorisch. Dieze verfügte zwar über das größere Detailwissen, aber Lessing verstand es, durch umfassende Kenntnis der allgemeinen Zusammenhänge nachhaltiger zu wirken. Die Skizzierung der persönlichen Beziehungen Lessings verstärkt seine zentrale Rolle als Mittler und Ausgangspunkt spanischer Kultur. Die Fäden laufen in die Zentren der Spanischstudien nach Weimar und Göttingen. Durch aktiven Kontakt nimmt Lessing an den Unternehmungen teil. Damit rundet sich das Bild seines vielseitigen Interesses auch auf diesem Gebiete 429 ).

429) Man darf nicht vergessen, daß hier nur wenige zufällig gefundene Fakten vereinigt sind. Da es sich bei Bertuch, von Murr und Dieze um heute uninteressante Figuren der Wissenschaftsgeschichte handelt, deren Briefe allenfalls kulturhistorischen Wert haben, müssen die Autographen mühsam gesucht und zusammengestellt werden. Eine Durchsicht des Bertuchschen Nachlasses in Weimar würde noch manche Zusammenhänge in diesen vergleichenden Beziehungen aufdecken. Darin liegt eine Möglichkeit, mehr über Lessings aktive Spanischstudien zu erfahren, wie es uns mit dem Dieze-Nadilaß in Göttingen und Wolfenbüttel im Ansatz gelang. Die zweite aufschlußreiche Quelle wären die Auktionskataloge der Lessingschen Bibliothek, deren Existenz bezeugt ist: Sommer 1768 —· Berlin, 1.2. 1769 •— Hamburg, 14. 5. 1770 — Hamburg. Spanische Bücher, die er 1755 in Berlin zurückließ, übernahm Mendelssohn (LM X I X , 30, 96).

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Β) Übersichtstafeln 1) Hispanismus Lessings a) chronologisch430)

1749 Okt.

Ρ

Programmzitat: L o p e d e V e g a , Agustín Moreto, Antonio de Mendoza, Francisco de Rojas Zorrilla, Fernando de Zarate, Pérez de Montalván, Antonio de Azevedo, González de Bustos (Beyträge zur Historie und Aufnahme des Theaters, Vorrede) IV, 50—52.

8.

U

2. 11.

U

2. 11.

U S

Übersetzungsfragment: C a l d e r ó n , La vida es sueño (Nachlaß) III, 303. übersetzungsplan: C e r v a n t e s , Novelas Ejemplares (Brief an seinen Vater) XVII, 21. Spanische Sprachstudien (Brief an seinen Vater) XVII, 22. Spanischkonversation mit Mylius Unter den Linden in Berlin (K. G. Lessing, G otthold Ephraim Lessings Leben, nebst seinem noch übrigen litterarischen Nachlasse, Theil 1, Berlin 1793, S. 110 f.). Quellenreminiszenz: G u e v a r a , Menosprecio de corte y alabanza de aldea, übers, von Aegidius Albertinus (Beyträge zur Historie und Auinahme des Theaters) IV, 61.

1750 23.

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1750—1752 U

Korrekturen und Zusätze zu Jöchers Allgemeinem Gelehrtenlexikon (Handexemplar) bei: Abraham Usque, Acosta (Christopherus), de Aguilar (Petr.), de Aguilon (Petrus), Alba (Jo.), Albertinus (Aegidius), de Alcazar (Ludov.), A l e m a n η (Matthaeus), Almenar (Johannes), Alphonsus X., Alphonsus (Augustinus), de Alvarado (Antonius), Aretius (Claudius Marius), de Avila (Stephanus), de C e r v a n t e s Saavedra (Michael), Cervera (Raphael), Costa oder Acosta (Joh.), XXII, 202—253. Nachlaß: Joseph de Caceres, Caspar Caldora (XVI, 218, 220). Quellen: Nicolas Antonio, Bibliotheca hispana vetus et nova. Index librorum prohibitorum 1667. Schott, Hispaniae illustratae.

U

Ubersetzungsfragmente (Nachlaß) : Anonym, No hay cosa buena por tuerza, III, 304—306. Francisco de Leiva Ramírez de Arellano, Cuando no se aguarda: El príncipe tonto, III, 306—309. Quevedo, El Parnaso Español, 6. Muse, Nr. 90, Orleo, I, 50.

Ρ

Rezension einer italienischen Ubersetzung: C e r v a n t e s , La Gitanilla (CN). Darin: Don Quijote, 204—206. Quellenbezug: C e r v a n t e s , Don Quijote (Das Neueste dem Reiche des Witzes) IV, 410.

1750—1757

1751 12.

Mai

2.

Ρ

430) Es bedeuten: Ρ = Primärquellen, publiziert, U = Primärquellen, unpubliziert, S = Sekundärquellen, zeitgenössische. IV, 50—52 = Ausgabe Lachmann-Muncker, Bd. 4, S. 50—52.

188

IV, aus

11.

6.

Ρ

21.

8.

Ρ

Rezension nach Journal des Sçavants: Μ o η t i a η o , Discurso sobre las tragedias españolas (CN) IV, 225—226. Darin: Ignacio de Luzán, L o p e d e V e g a , Alfonso Virués, La Celestina, Nicolás Antonio, du Perron de Castera: Théâtre Espagnol, Añorbe y Corregel: El Paulino, Jerónimo Bermúdez: Nise lastimosa und Nise laureada, Pérez de Oliva: La venganza de Agamenón und Hécuba triste, Sales Barbadillo: La hija de Celestina y la ingeniosa Helena, Marqués de San Juan: Ubers, des Cinna von Corneille. Rezension einer deutschen Übersetzung: G u e v a r a , Menosprecio de corte y alabanza de aldea (BPZ). Darin: Epístolas familiares, Libro áureo de Marco Aurelio, IV, 347—348.

9. 10.

Ρ

Rezension einer deutschen Übersetzung:

29. 10.

Ρ

2. 12.

Ρ

Rezension derselben dt. Ubersetzung (CN). Darin: Biographie und Werke Mateo A 1 e m á η s , Lazarillo de Tormes, G u e v a r a , dt. übers, des Aegidius Albertinus, Nicolás Antonio, IV, 266—269. Rezension: Geheime Liebesgeschichte Heinrichs des IV., Königs von Castilien mit dem Zunamen der Unvermögende (BPZ). Darin: Mariana als Quelle, IV, 374 f.

2.

4.

Ρ

29.

4.

U

27.

6.

S

12. 12.

Ρ

Rezension einer deutschen Ubersetzung: C e r v a n t e s , Novelas Ejemplares (BPZ) V, 14.

30. 12.

Ρ S

Zitat: Alfonso VII. (BPZ) V, 20. Ubersetzungspläne: Aldrete und Susa, V, 262, XIV, 165 (G. S. Nicolai, Brief an den Herrn Magister Lange bei der Streitigkeit mit dem Herrn Magister Lessing, über die Ubersetzung des Horaz, Frankfurt & Leipzig 1754, S. 11).

29.

5.

U

Plan eines Supplementbandes zu Marigny, Geschichte der Araber: Geschichte der Moraviden in Spanien (Brief an seinen Vater) XVII, 34.

23.

6.

Ρ

24.

7.

Ρ

Rezension einer deutschen Ubersetzung: Garcilaso de la Vega, La Florida del Inca (BPZ) V , 176. Quellenbezug: C e r v a n t e s , El coloquio de los perros (BPZ) V, 186.

4.

9.

Ρ

Alemán,

Guzman de Aliarache

(BPZ) IV, 360.

1752 Ubersetzung: H u a r t e , Examen de Ingenios para las Ciencias (Vorrede, V , 4—8). Darin Vorrede: Nicolás Antonio als Quelle. Magistergrad mit H u a r t e : Fragni, lat. Notizen zu Biographie und Werk (Nadilaß) X I V , 169—171. Naumann empfiehlt Albrecht von Haller den „Kandidaten der Arzneikunst" Lessing als Übersetzer aus dem Spanischen (F. Frhr. v. Biedermann, Gotthold Ephraim Lessings Gespräche nebst sonstigen Zeugnissen aus seinem Umgang, Berlin 1924, S. 362).

1753

Rezension einer deutschen Nachahmung: C e r v a n t e s , Don Quijote (BPZ) V, 196 f.

189

4. 10.

Ρ

Rezension einer deutschen Nachahmung: C e r v a n t e s , Don Quijote (BPZ) V, 201 f.

8. 11.

Ρ

Lob der dt. Ubersetzung: C e r v a n t e s , (BPZ) V, 210.

Ρ

Korrektur des Jöcherschen Gelehrtenlexikons: Abraham Usque (Schrifften, 2. Theil, 25. Brief). Darin: Caspar Lindenberg, De non contemnendis, ex Lingua Hispánico utiiitatibus theologicis Epistuia, Lubecae 1702. V, 133—135.

Novelas

Ejemplares

1754 23.

2.

Ρ

Rezension einer deutschen Nachahmung: C e r v a n t e s , Don Quijote (BPZ) V, 388.

4.

7.

Ρ

Rezension einer deutschen Nachahmung: C e r v a n t e s , Don Quijote (BPZ) V , 415 f.

12.

7.

U

Span. Stammbucheintrag: G r a c i á n , El Héroe dem Berliner Arzt J. G. Krünitz) XXII, 4.

Ρ

Quellenbezug: Martin del Rio, Disquisìtiones Magicae (Schrifften, 3. Theil, Rettung des Hieronymus Cardanus) V, 310 f.

Ρ

Quelle: Zwei Briefe Alphonsus Valdesius an den Peter Martyr 0Schrifften, 3. Theil, Rettung des Cochläus) V, 355—367. Darin: Juan de Valdés.

Ρ

Quellenbezug: Ruiz de Alarcón, La verdad sospediosa für Corneille, Le Menteur (Theatr. Bibl., 1. Stück) VI, 11.

Ρ

Vergleichszitat: C e r v a n t e s , Don Quijote (Theatr. Bibl., 1. Stück) V I , 13. Auszug nach frz. Übersetzung: Μ o η t i a η o , Virginia (Theatr. Bibl., 1. Stück) V I , 70—120. Darin: Biographie, Werke und Sekundärliteratur zu Montiano.

Ρ

(gewidmet

1756/57 S

Plan einer Don-Quijotiade mit Nicolai gegen Gottsched (E. Dorer, Cervantes und seine Werke nach deutschen Urtheilen, Leipzig 1881, S. 102 f.).

U

Zitat: L o p e d e V e g a als Symbol geistiger Fruchtbarkeit (Brief an Gleim) X V I I , 148.

Ρ

Quellenbezug: Moreto Stoffquelle für Riccoboni, malgré lui (Theatr. Bibl., 4. Stück) VI, 303.

Ρ

Sprachzitate: C e r v a n t e s , Don Quijote, dt. Ubers. (Friedrich von Logaus Sinngedichte. Wörterbuch)VII, 364, 383, 393, 411.

Ρ

Quelle: L u l l u s buch) VII, 375.

U

Zitat: Wirsungs Celestina-Ubersetzung. Augsburg 1520 (Anmerkungen zu Chr. E. Steinbachs deutschem Wörterbuch. Bd. 2) X V I , 41.

U

Zitat: Figuren Sancho Panza und Don Quijote nach Hogarth (Vorarbeiten zum Laokoon) X I V , 350.

1758 8.

7.

L'imposteur

1759

(Friedrich von Logaus Sinngedichte.

Wörter-

1759—1775

1763—1766

190

1765 S

Meinhard sendet Lessing die Rimas L o p e d e V e g a s zurück (Danzel/Guhrauer, Gotthold Ephraim Lessing. Sein Leben und seine Werke, Bd. 2, Berlin 21881, S. 654).

Ρ

Inhaltsanalyse von Coello, El Conde de Sex. Theoretische Gedanken über das span. Theater (Hamburgische Dramaturgie, 60.—70. Stück) X, 33—83. Darin: 62. St.: C e r v a n t e s : Comedias, Virués. 64. St.: Boscán, Garcilaso de la Vega. 68. St.: C a 1 d e r ó η , M o n t i a n o : Virginia, Lope de Vega. 62., 69., 70. St.: L o p e d e V e g a , Arte nuevo de hacer comedias.

U

Selbstkritik: H u a r t e - Übersetzung (Brief an von Murr) XVII, 274.

U

Collectaneen (XV) zu: Christoval Acosta (S. 131), Baukunst (der Inkas, S. 153), Beredsamkeit (dt. Ubers. Padre Isla: Fray Gerundio de Campazas, S. 154), Blaserohr (Etymologie „Zebratana" nach Covarrubias, S. 162), Boyer. Abel (engl, übers, des Don Quijote von Motteux, S. 168), Brusquet (Hofnarr Karls V., S. 170), Komische Süjets (Anregung zu einem Don Juan, S. 281), Lara (Historia de los siete ¡niantes de Lara, nach Felibien, Mariana als Quelle, S. 286 f.), Ray. L u I i i u s (S. 295), Mahlerey (Quelle: Antonio Gonzalez de Salas, S. 303), Raphael (Gemälde im Escorial, S. 354), Schach (span.-port. Schachbücher, S. 365), Spanien (Skulpturen in Aranjuez, S. 380), Venusseuche (Quelle: Pedro Mártir, S. 390).

1.

U

25. 3.

S

Dank an Dieze für Ubersendung von Velázquez, Geschichte der span. Dichtkunst (Brief) XVII, 280 f. Darin: Autorfrage, El Conde de Sex. Versprechen von Theaterauszügen. Nicolais Warnung, sich wegen span. Nachrichten an von Murr zu wenden (Brief Nicolais an Lessing) XIX, 303. Metapher Windmühlenabenteuer: C e r v a n t e s , Don Quijote (Briefe antiquarischen Inhalts) X, 429.

1767 27. 11. — 1 . 1 . 1768

1768 25. 11. 1768—1775

1769 5.

Ρ 1770

22.

1.

S

18. 3.

S Ρ

Versprechen, Dieze span. Komödien zu überlassen (unveröff. Brief Diezes an J. A. Ebert, Herzog-August-Bibliothek, Wolfenbüttel). Dieze erwartet Protest Lessings gegen die dt. Ubers, von Linguets Théâtre Espagnol (unveröff. Brief Diezes an J. A. Ebert, Herzog-August-Bibliothek, Wolfenbüttel). Quellenbezug: Mariana (Berengarius Turonensis) XI, 142 f.

1771 Ρ Ρ

epigrammatischer Quellenbezug (Vermischte Schrifften, 1. Theil) XI, 216. Quellenreminiszenz: C e r v a n t e s , Don Quijote (Vermischte Schrititen, 1. Theil) XI, 227.

191

Ρ Ρ

Quelle: Nicolás Antonio (Vermischte Schrillten, 1. Theil) XI, 271. Quelle: span. Übersetzer Martials, in: G r a c i á η , Aite de Ingenio (Vermischte Schrifíten, 1. Theil) XI, 294 f. Darin: Nicolás Antonio, Velazquez (Quellenversagen).

S

Übersendung einer holländischen Ubersetzung des Don Quijote an Bertuch (Brief Weißes an Bertuch. L. Geiger, Christian Felix Weisses Briefe an F. J. Bertuch, in: ZvglLg. N. F. 10 [1896] 249). Hinweis und Anregung zur Übersetzung: Pedro Antonio de la Puente, Viaje de España (Tagebuch der italienischen Reise) XVI, 273 f.

1775 März

U

1777 20.

9.

U

U

Ubersetzungsplan und Stoffanregung: C a l d e r ó n , Ei Alcaide de Zalamea (?), (Brief an seinen Bruder) XVIII, 254. Quellenbezug: L u i l u s (Zur Gesdiichte der dt. Sprache und Litteratur von den Minnesängern bis auf Luthern) XVI, 349.

1778 14. 11.

U Ρ Ρ

1780

Ρ Ρ

(1781)

Quelle: Covarrubias für Etymologie (Theatr. Nadilaß, Nathan der Weise) III, 490 ¡ XXII, 89. Span. Quellenbezug: Francisco de Rojas Zorrilla (Anfi-Goeze) XIII, 161. Quellenbezug: H u a r t e , Examen de Ingenios (Anti-Goeze) XIII, 163. Übersetzung (?): Lied aus dem Spanischen (Musenalmanach, Hamburg) I, 129. Revision und Edition eines Manuskripts: Pedro Cudena, Descripción del Brasil (Beschreibung des Portugiesischen Amerika, Braunschweig).

(P)

Dasselbe postum, in: Zur Geschichte und Litteratur. Aus den Schätzen der Herzoglichen Bibliothek zu Wollenbüttel, 6. Beytrag. (Vorrede: Maranjon, abgedruckt XIV, 125—131).

U

Bibliographische Notiz: L o p e d e V e g a , Arte nuevo de hacer comedias, XVI, 238. Lektüreplan: Ulenharts Geschichte Isaac Winckelfelders und Jobst von der Schneid (d. i. C e r v a n t e s , Rinconete y Cortadillo, übers. 1617) XV, 483.

Nachlaß U

Hinzu kommen libri hispanici 4 ad classem poeticam, in: Conspectus classium generalium librorum a bibliothecario Le s s i η g Ao 1770 ad 80 Bibliothecae Augustae comparatorum (nicht zugänglich). Zitiert nach H. Schneider, Lessing. Zwöll biographische Studien, München 1951, S. 88.

192

Portugiesisch (Zur Vervollständigung und Ergänzung) 1750—1752

1753

8. 12.

U

Korrekturen und Zusätze zu Jödiers Allgemeinem Gelehrtenlexikon (Handexemplar) bei: Almeida oder Almaida (Emanuel), Alvarez (Franciscus), Amatus Lusitanus, Anrriguez (Henr. Georgius), de Azevedo (Lud. Marino), Cabedo (Michael), de Costa (Emanuel), Lopez de Castañeda (Ferdinandus), XXII, 221—259. Quelle: Corpus illustrium poetarum Lusitanorum, qui latine scripserunt.

Ρ

Quellenbezug: Camôes, Os Lusiadas (BPZ), V, 217.

Ρ

Auszug und Korrekturen: Gebauer, Portugiesische Geschichte (Briefe, die neueste Litteratur betreffend) VIII, 145—165. Darin: Bezüge und Quellen zur span. Geschichte.

U

Collectaneen (XV) zu: Nonius Acosta (S. 131), Hamburg (Port. Bücher bei Rahmeyer, S. 256—258), Mahlerey (Quelle: Fonseca e Figueroa, S. 303), Schach (span.-port. Schachbücher, S. 365).

Ρ

Beschreibung des Portugiesischen Amerika. Siehe Spanienl

1759 23.

8.

1768—1775

1780

b) Autoren (Zusammenstellung der häufiger zitierten bekannten Namen) Alemán Daten Biographie und Werke Guzmán de Alfarache

1750—1752 9. 10. 1751 29. 10. 1751 IV, 266—269 XXII, 219 IV, 268 f., 360 XXII, 217

Daten Allgemein El Alcalde de Zalamea La Vida es Sueño

23. 8. 1750 25. 12. 1767 20. 9. 1777 Χ, 75 (?) XVIII, 254 III, 303

Daten

2. 11. 1750 1750—1752 12. 2. 1751 Mai 1751 12. 12.1752 24. 7.1753 4. 9. 1753 4. 10. 1753 8. 11. 1753 23. 2. 1753 1753 1756/57 1759 1763—1766 4. 12. 1767 1768—1775 1769 1771 1775 Nachlaß

Calderón

Cervantes

193

XXII, 249 Χ, 47 IV, 210 V, 196 f., 201 f., 388 VI, 13 VII, 364, 383,393,411 Χ, 429 XI, 227 XIV, 350 XV, 168 Dorer, siehe 1756/571 Geiger, siehe März 1775! IV, 204—206 V, 14, 186, 210 XV, 483 XVII, 21

Biographie und Werke Comedias Don Quijote Novelas

Ejemplares

Gracián Daten Agudeza y Arte de El Héroe

Ingenio

12. 7. 1754 XI, 294 f. XXII, 4

1771

Guevara Daten Biographie und Werke Menosprecio de corte .,

1750 21. 8.1751 IV, 269, 347 f. IV, 61, 347 f.

29.10. 1751

Huarte Ostermesse (2. 4.) 1752 29. 4. 1752 25. 11. 1768 1778 XIV, 169—171 Vorrede V, 4—8 XIII, 163 XVII, 274

Daten Biographie und Werk Examen de Ingenios

Lope de Vega Daten Allgemein Arte nuevo de hacer Rimas

Okt. 1749 11. 6. 1751 8. 7. 1758 4. 12. 1767 — 1. 1. 1768 Nadilaß IV, 52, 226 X, 75 XVII, 148 X, 47, 76—83 XVI, 238 comedias Danzel/Guhrauer, siehe 1765! Lull

Daten Biographie Werke

1759 1768—1775 1777 XV, 295 VII, 375 XVI, 349 Montiano y Luyando

Daten Biographie und Werke Discurso sobre las tragedias españolas Virginia 194

11. 6. 1751 VI, 70—72 IV, 225 f. VI, 72—120

1754

X, 74

25. 12. 1767

1765

2) Verzeichnis der Huarte-Ausgaben 4 3 1 ) Suerte igual no la ha alcanzado ningún otro libro de filosofía española. Menéndez y Pelayo 432 ) D i e s e s V e r z e i c h n i s ergänzt u n d v e r b e s s e r t die v o n Iriarte 433 ) g e g e b e n e g r u n d l e g e n d e Übersicht. Eine Beschreibung der dort f e h l e n d e n E d i t i o n e n soll d i e Forschung erleichtern. 1575 1578 1580 1581 1582 1586 1588 1590 1591 1593 1594 1596 1597 1598 1600 1602 1603 1604 1607 1608 1609 1613 1614 1616 1619 1622 1631 1633 1634 1637 1640

Baeça Pamplona Bilbao, Lyon, Valencia Hvesca Venetia Venetia Cremona, Paris London, Venetia Leyda (Anvers) Baeça, London London Lyon Roven Venetia (2) Roven (Anvers), Medina, Venetia London, Venetia Barcelona, Roven Lyon Lyon Roven Paris (4) London Paris (4), Roven Lipsiae (lat.) Paris Paris Paris (T) o. O. (lat.) Alcala

1645 1650 1652 1655 1659 1661 1662 1663 1668 1672 1675 1698 1702 1712 1734 1752 1768? 1785 1845 1846 1873 1884 1905 1913 1917 1929 1930 1944 1946 1953 1959

Paris Paris Leyde Paris Amsterdam (holl.) Paris (2) Amsterdam J e n a e (2, lat.) Lyon, Madrid, Paris (3) Amsterdam, Lyon Paris (2) London Brusselas Amsterdam London (T) Zerbst Granada Wittenberg und Zerbst Madrid Madrid Barcelona, Madrid Barcelona Madrid Madrid Barcelona Madrid Madrid Madrid Buenos Aires (T) Madrid Gainesville/Florida

431) (2) = die Varianten des Titelblattes. (T) = eine Teilausgabe. 432) M. M e n é n d e z γ P e l a y o , Historia de las ideas estéticas en España, Bd. 2, Santander 1940, S. 142. 433) I r i a r t e , El doctor Huatle, S. 85 f. 195

76 88

Editionen Titel spanisch französisch englisch italienisch lateinisch deutsch holländisch

Ausgaben 30 25 8 7 3 2 1

Übersetzer 3 3 2 1 1 1

Beschreibung der bei Iriarte nicht verzeichneten Ausgaben englische Ubersetzung L o n d o n 1590? A Triall of Wits (Kopftitel) Vorhanden: British Museum, London (1471. b. 2.). Vgl. British Museum. General catalogue of printed books, Bd. 108, London 1961, Sp. 181. Fragment einer englischen Ubersetzung des Examen de Ingenios. Gotische Drucktype. S. 5—12 (Teile von Kapitel 1 und 2). 8° Drucker und Datum sind nur annähernd identifiziert, wahrscheinlich durch einen Vergleich mit dem vollständigen Exemplar, der von John Wolf, einem bekannten Londoner Drucker des 16. Jahrhunderts, 1590 in Stationers' Company Register durchgeführt wurde. Es wird angenommen, daß das Fragment Teil der Edition John Wolfs von 1590 ist. Im Vergleich mit der nächsten englischen Übersetzung aus dem Italienischen von Richard Carew, London: Adam Islip 1594 fallen die größere Originalnähe (nach dem Spanischen), der ältere Sprachzustand und genauere Zitierweise in die Augen. Die gemeinsame Initiale „I" läßt auf Identität von Druckort (London) und Verleger (Wolf, Islip) schließen. französische Übersetzung A m s t e r d a m 1712 L'EXAMEN / DES ESPRITS / POUR LES SCIENCES. / Où se montrent les differences des Esprits, qui / se trouvent parmi les hommes, & à quel / genre de Science un chacun est propre / en particulier. / Composé par JEAN HUARTE / Medecin Espagnol. / Et augmenté de plusieurs additions nouvelles / par l'Auteur selon la derniere impres- / sion d'Espagne. / Le tout traduit de l'Espagnol par / FRANÇ. SAVINIEN D'ALQUIE. / (Zierstück) / A AMSTERDAM, / Aux dépens D'ESTIENNE ROGR, chez qui l'on / trouve un assortiment général de toute / sorte de Musique, 1712. / Vorhanden: Herzog-August-Bibliothek, Wolfenbüttel. österreichische Nationalbibliothek, Wien. Die Ausgabe ist ein unveränderter Nachdruck der Edition Amsterdam 1672. Drucktypen, Schriftspiegel und Paginierung kongruieren. Der vorgebundene Kupfertitel mit dem Impressum 1672 ist geblieben. Der Haupttitel weist drei Differenzen auf: 1712 1672 FRANÇ. Vorname FRANÇOIS (zwei Rosen im BlumenhalbVignette (unter einem Baum ruhender kranz) Mann, dem ein Vogelpaar zufliegt: EXSPECTANDO) Verleger Chez JEAN de RAVESTEIN Aux dépens D1 ESTIENNE . . . M. DC. LXII. ROGR . . . 1712. 196

3. spanische Ausgabe M a d r i d 1846 Vorhanden: Biblioteca Nacional, Madrid. Unveränderter seitengleicher Nachdruck der Ausgabe Madrid 1845. Der Titel nennt die neue Druckerei: Imprenta de D. RAMON CAMPUZANO, Carrera de San Francisco, núm. 8. 4. spanische Ausgabe M a d r i d 1944 BREVIARIOS DEL PENSAMIENTO ESPAÑOL / Doctor Huarte de San Juan / SELECCION Y PROLOGO / DE / EMILIANO AGUADO / EDICIONES FE — MCMXLIV / Vorhanden ζ. Β.: Biblioteca Nacional, Madrid. Anthologie mit imaginärem Porträt als Vortitel. 161 S. 8°. 5. spanische Ausgabe B u e n o s A i r e s 1946 JUAN HUARTE DE SAN JUAN / EXAMEN DE INGENIOS / PARA LAS CIENCIAS / ESPASA — CALPE ARGENTINA, S. Α. / BUENOS AIRES — MEXICO / Vorhanden ζ. B.: Ibero-amerikanische Bibliothek, Berlin-Lankwitz. Erschienen 1946, 216 S. 8° (Colección Austral, Bd. 599). Vorworte beider Ausgaben von Baeza. 6 Kapitel Fassung 1575, 3 Kapitel Zusatz 1594. 6. spanische Ausgabe M a d r i d 1953 Unveränderter Nachdruck der BAE, Bd. 65. 7. englische Ubersetzung G a i n e s v i l l e / Florida EXAMEN DE INGENIOS / THE EXAMINATION OF MENS WITS / (1594) / BY / JUAN HUARTE / TRANSLATED OUT OF THE SPANISH BY M. CAMILLO CAMILLI / ENGLISHED OUT OF HIS ITALIAN BY RICHARD CAREW / A FACSIMILE REPRODUCTION / WITH AN INTRODUCTION / BY / CARMEN ROGERS / GAINESVILLE, FLORIDA / SCHOLARS' FACSIMILES & REPRINTS / J 959. / Privatbesitz. Introduction S. (V-) XII. Faksimiletext 8 ungez. B., 333 gez. S., 1 ungez. Bl. 8°

3) Bibliographie des Examen de Ingenios in den Bibliotheken deutschen Sprachgebiets (Deutschland, Österreich, Schweiz) Dieser Büchernachweis beruht auf einer Umfrage bei den noch im Entstehen begriffenen regionalen Zentralkatalogen. Da zum Teil auch noch Vorkriegsbestände bibliographiert wurden, waren zahlreiche Einzelrückfragen nötig, um ein annähernd exaktes Bild zu erreichen 434 ). Pamplona Lyon Venetia Venetia

1578 1580 1582 1586

Bibliothekssigel: Signatur (wenn angegeben) 23 : 145.12 Eth. 23 : LI 154 75 : Phil. 1599. 8° BeS ShS 5 : Fd 386/20 Rara 7 : 8° Phil. IV 6536 777 Aust : 8° Fr 461

434) Bei der Verbreitung sind die durdi Kriegseinwirkung entstandenen Verluste zu berücksichtigen; z. B. besaß die Staats- und Universitätsbibliothek H a m b u r g früher die Ausgaben Venetia 1603, Leyde 1652, Amsterdam 1662, Roven 1598 und 1607, Paris 1645 und 1668 sowie Joachim Caesars Ubersetzung in allen drei Auflagen (1622, 1637, 1663). Heute dagegen verzeichnet sie nur nodi die Editionen (Anvers) 1603 und Zerbst 1752.

197

Cremona Paris Venetia

1588 1588 1590

(Anvers)

1593

Baeça Venetia

1594 1600

Anvers

1603

Medina del Campo Venetia

1603

London Venetia Barcelona Roven Lyon Lyon Roven Paris Roven Lipsiae

1604 1604 1607 1607 1608 1609 1613 1614 1619 1622

o. O.

1637

Paris Paris Leyde

1645 1650 1652

Paris

1661

Amsterdam Jenae Lyon Madrid Paris 198

1603

1662

1663 1668 1668 1668

3 Aust : I 151.324 LzZ BeS 7 : 8° Phil. IV 6540 12 : Ene. 109 í Aust : 22. S. 32 9Í3 Ausi : ohne Sign. BeS 14 : Encycl. 463 23 : 146. 3 Phys. 24 : HB 1065 1 Aust : 74. Y. 80 2 Aust : I. 85.474 4 Aust : 114.503 ZüZ 12 : Enc. 113m ι Aust : 74. Y. 83 I 2 : E n c . 110 20 23 : 94 Eth. 24 : HB 3577 5 : Fd 386/16 Rara 7 : 8° Phil. IV 6525 8 : Κ 2899 12 : Enc. 114 18 : A/4488 23 : LI 152 30 : Sdiop. 1042 50 180 Ha 32 1 Aust : 74. K. 152 8 Aust : 74.275 I 9 Aust : I 1423 23 ; 130.21 Eth. 29 : Trew Z* 81 9 23 : 107.39 Eth. 24 : HB 3578 35 :; IV 5 Β 1 Aust : 74. Y. 79 23 ι: 24.10 Eth. 23 :: 108.8 Eth. 23 :; 136.3 Phys. 1 Aust : 74. Y. 81 ad 29 ¡; 12° Phs. V, 48 50 AaK BeS 23 : 146.5 Phys. 7 : 8° Phil. IV 6599 12 : Enc. 111 35 : IV 10 AaK 1 : No I I I a 8° 8 : Κ 2900 12: Enc. 1179 21 23 : 68 Eth. 35 : IV 3 C 8° 150 Bücherei der Oberschule Zerbst 7 : 8 ° Phil. IV 6577 12 : Enc. 117t 21 23 56 : C 346 75 : Solg. 2123. 8° 121 1 Aust : 219.960 — A

38 : PI 455*

6 : S 8 3574 7 : 8° Phil. IV 6522 9 12: Enc. 115 23 : 133.11 Eth. 70 180 ChK 12: Enc. 112 777 Aust : 8° H 35 21 23 : LI 153 25 : E 1179 29 : 12° Phs. V, 48 36 : VI. f. 53 a 8 Aust : 74.572 555 Aust : 150 f 71 777 Aust : 8° H 36 3 : F b 1967 5 : Dd 418 7 : 8° Phil. IV 6579 9 12: 117k 2 3 : LI 156 38 : PI 85 43 : Bk 5652 50 ZoS 29 : Phs. V, 48® LzZ SoZ 6 : S 2 3575 12 : 4° Enc. 11 29 : Trew Ρ 49 7 : 8° Phil. IV 6568

Amsterdam

1672

Paris London Brusselas Amsterdam Zerbst

1675 1698 1702 1712 1752

Wittenberg und Zerbst

1785

Madrid Barcelona Barcelona Madrid Buenos Aires

1873 1884 1917 1930 1946

4 5 : Fd 386/28 Rara 22 23 : 149. 1 Phys. 29 : 12° Phs. V , 4 8 « 70 Ne 1 : ohne Sign. 2 Aust : 1 85.475 629 Aust : ohne Sign. 6 :S 2 3575m 29 : Trew N* 605/606 9 Aust : I 11.804 SGSt 35 : IV 3 C 8° 328b 629 Aust : Nr. 36 087 23 : LI 155 1 Aust : 594.675 — A 1 : No 166b 8° 3 : Fb 1976 7 : 8° Phil. IV 6582 8 : A 59 und J 7822 12 : Enc. 116 18 : AJ 103 637 21 : DK IV. 69 22 : Ph. o. 611 23 : Lo 4787 29 : Trew L* 173 36 : VI. f. 53 c 50 75 : Phil. 4805. 8° 204 : 8° Span bm 22 Ν 1 8 Aust : 74.465 I 740 Aust : IV 464 WfS ZüZ 1 : No 167a 8° 5 : Fd 386/46 Rara 6 : S2 35751 J2 : Enc. 117 16 : Ν 738 21 23 : Lo 4788 29 : Phs. Β 1831 38 : PI 86 43 : Bk 5656 70 180 M 36 a 1 Aust : 52 L. 2 und FKB 20.550 2 Aust : I 103.886 3 Aust : 15.204 8 Aust : 46.743 I 31 Aust : 35.494 I 740 Aust : XIII 4333 AtzK LzZ ZüZ ζ. B. 18 : y/ 334:65 204 : 8° Span bm 36 204 : 8° Span bm 25 BaU ZüZ : CG 3699 204 : 8° Span bm 23 Schlüssel Deutschland

1 3 4 5 6 7 8 9 12 14 16 18 20 21 22 23 24 25

Berlin Halle a. S. Marburg a. d. Lahn Bonn Münster i. W. Göttingen Kiel Greifswald München Dresden Heidelberg Hamburg Würzburg Tübingen Bamberg Wolfenbüttel Stuttgart Freiburg i. Br.

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29 30 35 36 38 43 50 56 70 75 121 150 180 204 Ha 32 M 36 α NI Nel 1 2 3 4 8 9 31 555 629 740 777 913

Aust Aust Aust Ausi Aust Aust Aust Aust Aust Aust Aust Aust

Aa Κ Ba U Be S Ch Κ Lz Ζ SG St Sh S So Ζ Wt S Zo S Zü Ζ

200

Erlangen Frankfurt a. M. Hannover Mainz Köln Wiesbaden Donaueschingen Braunschweig Coburg Nürnberg Trier Neuburg/Donau Mannheim Berlin-Lankwitz Halle a. S. München Nürnberg Neresheim/Württ. Wien Wien Graz Innsbruck Salzburg Klagenfurt Graz Wien Melk St. Florian Kremsmünster Admont

Aarau Basel Bern Chur Luzern St. Gallen Schaffhausen Solothum Winterthur Zofingen Zürich

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Quellen- und Sigelverzeidinis Quellen Manuskripte D i e ζ e , Johann Andreas (1729—1785) Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek Viewegsche Sammlung: Neun Briefe an J. A. Ebert 1768—1773. Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Cod. Ms. Heyne 122 „ Hist. lit. 48η „ philos. 133, IV „ „ philos. 169,1 „ philos. 182 Briefe und Diversa an Göttinger Professoren 1768—1785. Huarte In Ermangelung einer kritischen Ausgabe wird zwecks größerer Akribie nach den Lessingsdien Vorlagen zitiert. Am zugänglichsten ist das Original in der BAE, Bd. 65, S. 403—520. Von den 88 bekannten Titelspiegeln wurden 63 erreichbare zum Vergleich herangezogen. H u a r t e , Juan, Examen de Ingenios para las Sciencias, Amsterdam 1662. M a j o r , Aeschacius (d. i. Joachim Caesar), Scrutinium Ingeniorum pro ijs, qui excellere cupiunt, o. O. 21637. L e s s i η g , Gotthold Ephraim, Priiiung der Köpfe zu den Wissenschaften, Zerbst 1752. Zweyte verbesserte, mit Anmerkungen und Zusätzen vermehrte Auflage von Johann Jakob Ebert, Wittenberg & Zerbst 1785. A r t i g a s , Miguel, Notas para la bibliografia del "Examen de Ingenios", in: Homenaje a D. Carmelo de Echegaray, San Sebastián 1928, S. 579—600. F a r i n e l l i , Arturo, Dos excéntricos: Cristóbal de Villalón. El Doctor Juan Huarte, Madrid 1936 (RFE, Anejo 24). G r e e n , Otis H., El "ingenioso" hidalgo, HR 25 (1957) 175—193. G u a r d i a , J(osé)-M(iguel), Essai sur l'ouvrage de J. Huarte: Examen des aptitudes diverses pour les sciences, Paris 1855. G u i b e 1 e t , Jourdain, Examen de l'Examen des esprits, Paris 1631. I r i a r t e , Mauricio de, El Doctor Huarte de San Juan y su Examen de Ingenios. Contribución a la historia de la psicología diferencial. 3 a edición corregida (Madrid 1948). Dt. Fassung Münster i. W. 1938 (SpFdGG, Reihe 2, Bd. 4). "El ingenioso Hidalgo" y "El Examen de Ingenios". ¿Qué debe Cervantes al Dr. Huarte de San Juan? In: Revue intern, des études basques 24 (1933) 499—522. Dass, in: Acción Española 7 (1933) 445—458, 535—547.

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NAMENREGISTER

Abaelard 154 Acosta, C. 188, 191 Acosta, J. 29 Acosta, Ν. da 193 Adam 29, 163 Addison 81 Adelung 81, 111, 150, 156 f., 205 Adriano 69 Aesdiacius Major (d. i. J. Caesar) 32 f., 35, 87, 201, 212 Aguado 197 Aguilar, P. de 188 Aguilón, P. de 188 Alba, J . 188 Albertinus 31, 38, 43, 188 f. Albrecht, P. 15—17, 202 Albrecht von Sachsen-Eisenach 36 Albret (Labretanus) J. d' 84 Alcázar, L. de 188 Aldrete, B. J . de 189 Alemán 58, 67, 171, 188 f., 193 Alembert, J . le Rond d' 137, 157 Alexander von Aphrodisias 113 Alfonso, Α. 188 Alfonso VII 189 Alfonso X el Sabio 63, 188 Allwoerden 24 Almeida, E. 193 Almenar 188 Alvarado, A. de 188 Alvarez, F. 193 Amatus Lusitanus (d. i. J. R. de Castelo Branco) 193 Anakreon 138 Afiorbe y Corregel 189 Anriguez 193 Antoniano 167 Antonio, N. 36, 45, 55, 63, 67, 71, 83, 87, 163, 188 f., 192, 205 Apuleius 72 f. Arctogonius (Pseud.) 30

Aretius 188 Aretogon (Pseud.) 30 Argenterius 45 Aristardi 34, 210 Aristoteles 22—24, 29 f., 41, 53, 105, 112 f., 135, 142—144, 150, 155 f., 158, 161, 163, 170 f., 205 Arnauld 184 Artigas 31, 201 Avila, E. de 188 Azevedo, A. de 188 Azevedo, L. M. de 193 Bacon 127, 143, 166, 170 Baerwolff 180, 205 Baillet 55, 205 Baldensperger 16 Baldus 51 Bandello 33 Banks, J. 180 Barclay 54, 139 Barth, Κ. v. 31, 42, 44, 100 Batteux 81 f., 146 Baur 163 Bayle 55 f., 70 f., 81, 84, 205, 209 Becher, H. 173 Beer, F. W. 183 Bellamy 45, 119, 123 f. Bellius 48 Berengarius Turonensis 191 Berg 28 Berger J . W. 48 Bermúdez, J. 189 Bernaschina 173 Bertrand 16, 18, 33, 186 f., 205 Bertuch 57, 64, 118, 185—187, 192, 205, 207 Beutler, E. 138 Biedermann, F. Frhr. v. 64, 67, 189, 202 Bilefeld, J. Chr. 50, 203 Böckmann 44, 60, 205 215

Böhme, J. 143, 159 Bonifacius 28, 208 Bonilla y San Martín 49, 205 Boor, H. de 76, 205 Borinski, K. 53, 165, 202 f. Borner, F. 69, 205 Boscán 191 Böttiger 158 f., 203 Bouginé 157, 205 Bouterwek 13, 206 Boxberger 15, 70, 202 Brahe 19 Brand, Α. 141, 206 Brandes, W. 15 Braun, J. W. 127 f., 202 Brecht, W. 137, 206 Brentano, C. 136 Breuer 181, 206 Brinckmeier 164, 182, 206 Brockhaus 145, 163, 173, 206 Brüggemann 57, 145, 180, 182, 184 f., 206 Bruno 19 Brusquet 191 Buddeus, J. F. 32, 49—52, 54, 79, 161, 174, 203 Buddeus, K. F. 49, 204 Bürger, G. A. 75, 206 Burgoldensis (d. i. Ph. Α. Oldenburger) 33, 206 Büsching 159, 184 Cabedo 193 Cáceres, F. de 140 Cáceres, J. de 188 Caesar, J. 7, 11, 27, 30—47, 50, 55, 70 f., 79 f., 85—87, 89, 96, 99 f., 102, 113, 117, 119, 122—124, 140,157, 174 f., 197, 201, 210 Caesar, M. Chr. 32 Caesar von Joachimsthal (d. i. J. Caesar) 33 Caesar de Salis valle Joadiimicus (d. i. J. Caesar) 33, 206 Calderón de la Barca 14—16, 64, 77, 141, 180, 185, 188, 191—193 Caldora 188 Camilli 119,200 Camöes, L. Vaz de 136, 186, 193 Campanella 143 Campuzano 197 Cano 29 Capdevila 157, 210 216

Cardanus 73, 190 Carew 119, 123, 196, 200 Caro 75, 202 Carolus, J. 30 Carus 161 Cascales, F. de 62 Castanheda, F. L. de 193 Castro, Guillén de 15 Cato 38, 81 Cervantes Saavedra, M. de 15 f., 19, 33, 40, 46, 57—59, 62 f., 66, 68, 118, 123, 138, 141, 171—173, 180, 182, 184, 188—193, 201 f., 205 f., 210 f. Cervera 188 Chappuis 37, 56, 98, 117, 119, 122, 148 Charron 37 Chassonville 66 Choulant 48, 206 Christian Ludwig von BraunsdiweigLüneburg 49 Cicero 36, 43 f., 60, 73, 112, 119, 133, 135 Claudian 44 Clemencin 40 Clessius 28, 206 Cochläus 190 Coello 15, 191 Coleridge 181, 213 Colleville 75 Conradi 66, 183 Consentius 128, 152, 202 Corneille, P. 189 f. Corneille, Th. 180 Costa, E. de 193 Costa (oder Acosta), J. 188 Cotta 14 Covarrubias y Horozco, S. de 82, 191 f., 206 Cramer, J. A. 63 Cramer, M. 58 Crébillon 176 Cremer, F. 166, 206 Creognini (d. i. Cicognini?) 181 Cronegk, J. F. Frhr. v. 180, 206 Crusius 154, 156 Cudena 183, 185, 192 Dahinten 75, 78, 125, 206 Danzel 191, 194, 202 Demosthenes 105 Descartes 47, 53 Deschampe 81 Dessoff 62, 206

Dessoir 22, 166, 206 Díaz-Plaja 22, 209 Diderot 55, 157, 176 Diepgen 22, 206 Dieze 57, 63, 65, 109, 180—182, 186 f., 191, 201, 205, 212 Dioskurides 23 Dirksen 160 f., 204 Dobsdiütz, Ε. v. 145, 206 Dorer 15, 190, 194, 206 Döring 148 Dorsch 145, 204 Draper 73, 207 Draudius 28, 207 Dreyhaupt, J. Chr. v. 32, 207 Drossaart Lulofs 113, 205 Du Bos, Abbé 77, 82, 132, 139, 146, 176, 207 Dünger 101, 107, 202 Düntzer 71, 202 Du Perron de Castera 189 Düsel 151, 202 Dyroff 166 Ebeling, F. W. 133 Ebert, A. 14, 207 Ebert, J. A. 109, 187, 191, 201 Ebert, J. J. 7, 55, 87, 90, 93, 95, 101, 147—156, 162, 169, 176, 201 Echegaray, C. de 31, 201 Einem, J. J. v. 51, 204 Elzevier 27 Encinas, F. de 69 Endter 47 Ens 31 Erasmus 44, 173 Ercilla, A. de 186 Ermatinger 61, 207 Erpel 61 Ersch 148, 163, 207 Eschenburg 23, 126, 141 f., 176, 202, 207 Essex, Graf v. 15, 62, 180—183, 191, 205 f., 208, 212 Euler 154 Faber (Schmidt?) P. 33 Fabius Maximus Cunctator 98 Farinelli 14, 59, 63, 71, 133, 140, 165, 201, 207 Feijoo 45, 59, 63, 87, 207 Felibien 191 Ferdinand II. (der Katholische) 84

Fernández de Avellaneda 186 Ferrater Mora 19, 207 Fischart 31 Fischer, K. 15, 202 Fitzmaurice-Kelly, J. 171, 207 Flasche 2, 9, 32 Flavius Josephus 23 Flögel 7, 131—136, 141, 154, 181, 204, 207 Fonseca, P. 29 Fonseca e Figueroa 193 Fragoso 23, 25 Franciosini 97, 207 Franz I. 110 Fränzel 73, 207 Friedensburg 69, 79, 148, 207 Friedrich August II. von Sachsen 69 Friedrich II. der Große 63, 75, 110, 154, 159, 202 Friedrich III. von Preußen 51 Fritz, Th. 160, 204 Fröbes 173 Fuchs, G. 73, 75, 207 Fueldez 23 Füllebom, G. G. 70, 73, 126, 155, 158, 185, 207 Galen 22—24, 51, 53, 61, 105, 112—114, 127, 144, 155, 171, 208 Galilei 19 Gall 139, 164 Gallardo 84, 207 García, C. 54 García de la Huerta 23 García López 173, 207 Garcilaso de la Vega (Inca) 189, 191 Garve 7, 54, 82, 131, 146 f., 153—155, 161, 169, 204 Gaza 113 Gebauer 193 Gebsattel, v. 173 Geiger 118,192,194,207 Georg I. von England 51 Georg II. von England 51 Georg-Herbert von Anhalt 33 Gerard 82, 146, 176 Gervinus 164, 207 Gessner, J. M. 50, 207 Gleim 57, 137 f., 185 f., 190 Göckingk, L. F. G. v. 79, 207 Goethe, J. W. v. 55, 74, 77, 131, 138 f., 145, 149, 156, 161, 172, 176, 204 Goeze 127, 192

217

Goguet 82, 132, 176 Góngora y Argote, L. de 136, 186 González de Bustos 188 González de Salas 23, 191 Gottsched 56, 70, 73 f., 76, 81 f., 93, 111, 118, 126, 150—152, 190, 205, 207—209 Gracián 6, 32, 53, 58, 62, 126, 165, 185, 190, 192, 194, 203, 208, 212 Granada, Fray L. de 31, 140 Grappin 82, 208 Gratii 119, 122, 141 Green 171 f., 201 Gregor, J. 181, 208 Gregor, J. G. 52 f. Gries 181 Grillparzer 182 Grimm (Brüder) 82, 185, 208 Grisebach 162, 208 Grohmann, J. Chr. A. 69, 208 Grohmann, J. G. 157, 208 Große 34, 45, 210 Grossmann, R. 2, 9 Grotius 133 Gruber 148, 163, 207 Guardia, J.-M. 142, 162, 201 Guerrero 173 Guevara, A. de 31 f., 58, 188 f., 194 Guhrauer 15, 191, 194, 202 Guibelet 47, 50, 148, 201 Gundling 54, 127, 132, 204 Guthries 187

Haberling 173 Hackelsberger-Liang 171, 204 Haller, A. v. 67, 69, 143, 157, 189, 208 Hamann 57, 82, 134, 140, 176, 208 Hämel 162, 173, 208 Hane 54, 204 Haro, L. d' 53 Harsdörffer 46, 100, 174, 204, 210, 212 Heine, C. 181, 208 Heinemann, O. v. 64, 202 Heinrich Julius von Braunschweig 28 Heinrich IV. 189 Heinrichs 24, 208 Heinse 7, 128, 131, 134, 136—138, 147, 162, 171, 176, 204, 206, 212 Heinze (19. Jh.) 160 Heller 50 Helvétius 132 Heraklit 118 218

Herder 7, 55, 57, 59, 64, 82, 88 f., 126— 129, 131, 133—136, 143—146, 150, 152 f,. 163, 166, 176, 180, 186, 204, 208 f., 212 Hermelin 48 Herrera, F. de 136 Herwig 173, 211 Heumann 54 f., 157, 204 f. Heyne 187, 201 Hieronymus 114 Hippokrates 24, 41, 61, 105, 112, 116 f., 144, 156 Hoffbauer 50, 204 Hoffmann, D. 69 Hoffmann, L. 181, 208 Hogarth 190 Hölderlin 136 Hölscher 15, 202 Homer 105, 118 Horaz 23, 35 f., 46, 52, 59, 67, 75, 77, 81, 85, 113, 189, 203 Huarte de San Juan, J. passim Huarte, L. 21, 86 Hunold 109 Hutcheson 82, 176 Iriarte, M. de 9, 19, 25, 31, 48 f., 80, 84, 112—114, 153 f., 165 f., 170—173, 195 f., 201 Iriarte, T. de 162 Irwing 145,204 Isla, P. J. F. de 186, 191 Islip 196 Ispizua y Uribarri 9 Jacobi 57, 186 Jansen 173 Jentzsch 79, 208 Jerusalem 159 Jesus Christus 145, 206 Jödier 45, 55, 67, 70—72, 83, 85, 157, 173, 188, 190, 193, 208 Johannes d. Evangelist 71 Jördens 148, 208 Joseph, P. v. S. 48 Juan de la Cruz 31 Julian 36 Julius III. 23 Julius, N. H. 164, 212 Juvenal 36 Κ., A. F. 65, 208 Kämpf 143

Kant 131, 135 Kapp, J. E. 62 f., 66, 84 Karl V. 16, 19, 84, 110, 191, 211 Kästner, A. G. 63, 65, 208 Kayser 133, 208 Kepler 19 Kestner, Chr. W. 55, 208 Kirdier 35 Klages 161, 170, 208 Klein, A. 166—168, 204 Klein, J. L. 15, 208 Klopstock 74, 111, 131, 152 Klotz 181, 186 Kluge, F. l l l f . , 208 Kluge, O. 41, 208 Knoche 9 Koch, M. 16 Konetzke 40, 208 Krause (18. Jh.) 159 Krause, G. 35, 208 Krauss 173 Kretschmer 161, 168 f., 209 Kruckenberg 165 Krünitz 190 Kuffstein 31, 100 Külpe 170, 209 La Bruyère 83 Lachmann 76, 185, 188, 202, 213 Lactanz 44 Laehr 61, 209 Laguna, A. de 23 f. Lamettrie, J. O. de 166 Lange, S. G. 77, 189, 203 Langen, A. 41,89,209 Langguth 69 Längin 152, 209 La Rochefoucauld, F. de 163 Lastanosa, J . de 32, 212 Latomus 34, 210 Laube 181 Lausberg 104, 209 Lauterborn 82, 209 Lavater 7, 32, 72, 127, 131, 139, 142— 147, 154, 161, 164, 176, 204, 212 Laverde 177, 209 Lawätz 157 f., 209 Le Grand 72, 85 Lehmann, A. 151, 202 Leibniz 82, 133, 154 Leiste 17, 183, 209 Leiva Ramírez de Arellano 179, 188 Lejeune, F. 9, 23 f., 61, 209 f.

Lentulus 145, 163 Lenz, J. M. R. 158 León, Fray L. de 171 Lessing, G. E. passim Lessing, J . G. 56, 202 Lessing, Κ. G. 13, 48, 64, 70, 76, 78, 128 f., 134, 138, 153, 155 f., 158, 179, 185, 188, 202 Lessing, Th. 69 Leven 166, 209 Lichtenberg 82, 88, 146 Liechtenstein, E. 56, 209 Linden 45 Lindenberg, C. 58,190,211 Lindner 140 Lingens 21, 209 Linguet 187, 191 Liszt, F. v. 139, 209 Lobera de Avila 23 Locke 150 Logau, F. v. 185, 190 Lohenstein, D. K. v. 165 López de Übeda 171 López de Villalobos 23 f., 209 Loyola, I. de 145 Ludwig, A. 16 Ludwig Fürst zu Anhalt-Cöthen 35, 46, 79, 174 Lull 25, 140, 191 f., 194 Luna, J. de 162 Luther 114, 192 Luzán, I. de 189 Mahler 181 Majer, M. 35 Maliart 202 Malsburg, E. F. G. O. Graf v. d. 181

141,

Maitzahn, v. 70 Marañón, G. 22, 209 Mariana, J. de 67, 84, 189, 191 Marigny, Abbé de 83, 189 Markwardt, B. 18, 76, 89, 132, 152, 202 f. Martial 192 Mártir 190 f. Maupertuis 134 Mayáns y Sisear 59, 63, 157, 210 Mayer 173, 211 Mazarin 53 Medina 84 Meinhard 147, 185 f., 191, 210 f. Melandithon 69 219

Melissantes (d. i. J. G. Gregor) 52, 143, 210 Menantes (d. i. Chr. F. Hunold) 109,210 Mendelssohn, G. B. 140, 210 Mendelssohn, M. 23, 74, 82, 140, 146, 159, 176, 187, 210 Mendoza, A. de 188 Menéndez y Pelayo 13 f., 195, 210 Mercado 23 Mercklin 45, 210 Meusel 148, 210 Michaelis, C. Th. 15, 202 Minde-Pouet 67 Minor 16, 203 Mitzka 112, 210 Mohr, J. V. 45 Monardes 23 Montaigne 37, 173 Montaña de Montserrat 24, 209 Montemayor 31, 39, 100 Montesquieu 132 Montiano y Luyando 13, 15, 180, 189—191, 194, 203 Moratori 109, 210 Moréri 55, 210 Moreto y Cabaña 15 f., 188, 190 Morhof 55, 71, 86 f., 145, 148, 210 Moritz von Hessen-Kassel 28 Morris 139, 210 Moses 48 Mosheim 24 Motteux 191 Müller, H. 48 Müller, J. G. (gen. Itzehoe) 133, 141 f., 206, 210 f. Muncker 15 f., 67, 70, 80 f., 83, 152, 185, 188, 202 f., 213 Murr, Chr. G. v. 70, 88, 127, 154, 157, 186 f., 191, 205, 210 Mylius 61, 63 f., 67, 188, 212 Nadler 140, 208 Narciss 46, 210 Naumann (18. Jh.) 67, 189 Nebrija, A. de 84, 98, 109 Neuber 62, 181 Neuburger 24, 210 Neuenhahn 45 Neuschäfer 172, 210 Newald 76, 85, 137, 205 Nicolai, Chr. F. 64, 74, 78 f., 82, 143, 146, 155, 181, 186, 190 f., 203, 207, 210 f.

220

Nicolai, Chr. G. 79 Nicolai, G. S. 189, 203 Niedt 52 Nietzsche 156 Nola, Β. v. 69 Noodt 155 Novoa 84 Oberreit 143 Oehlke 16, 56, 203 Oelschlegell 33 Oldenburg-Delmenhorst, Grafen v. Oliver, F. 24, 210 Opitz 34, 210 Oudin 28, 58, 98, 210

33

Paciano 33 Pagel 24, 210 Pahsdi Bastei von der Sohle (d. i. J. Caesar) 32—34, 40, 210 Palmireno 61, 210 Parthey 155, 211 Patrascanu 75, 116, 125, 203 Paulus 116 Pérez de Montalbán 188 Pérez de Oliva 189 Perpiña 28, 208 Petersen, J. 16 Petry, K. 21, 211 Pfandl 27, 46, 173, 211 Philipp II. 19, 23, 90, 110, 166, 174 Philipp III. 67 Pindar 118 Pitollet 12 f., 15—18, 58, 66, 71, 86, 94—96, 98, 115, 118, 149, 175, 180, 187, 203, 211 Placcius 71,211 Plantin 27 Plato 41, 60, 105, 107, 112—114, 150, 163 Plautus 36, 77 Plinius Maior 42 Posner 47 f., 79, 204 Possevino 7, 27—32, 36, 47, 50, 55, 148, 169, 174, 202, 208 Postel, Chr. H. 58 f., 211 Postel, J. 72, 205 Puente, P. Α. de la 187, 192 Pythagoras 48 Quevedo 17, 58, 140, 188 Quillet 45 Quintilian 72 f. Quiroga 21

Radetti 173 Raffael 191 Rahmeyer 193 Ramler 59, 76, 185 Rausch 47, 211 Ravestein, J. de 80, 196 Realis de Vienna (d. i. G. Wagner) 53, 211 Rehder 186 Renger 53 Resewitz 156 Reusch 21, 211 Rey Pastor 24, 211 Rheinfelder 9, 18, 90, 105, 115, 203 Rhodiginus 172 Riccoboni 190 Riedel, F. J. 186, 211 Rilla 76, 185, 202 Río, M. del 190 Ritter, J. F. 49 Rocha Pita, S. da 184,211 Rodríguez de Guevara 24 Rodriguez Marín 40 Roethe, G. 15, 203 Rogers, C. 200 Rogr 196 Rohr, J. Β. v. 54, 204 Rojas Zorrilla, F. de 127, 185, 188, 192 Rolleston 16 Rollin 70, 176 Romani 66 Rose 54, 204 Rosenbaum 15, 203 Rosenthal 82, 211 Rousseau 60, 134, 137 Rubens 19 Rüdiger, J. A. 64 Ruiz de Alarcón 190 Saavedra Fajardo, D. de 15, 58, 62, 66, 140, 165, 211 Sabunde, R. de 21, 209, 211 Salas Barbadillo 189 Saldaña 139, 209 Salfeld 53 Salillas 171 f., 202 Sallust 23 Sánchez Castañer 9 Sandoval, P. de 16,62,84,211 San Juan, Marqués de 189 Sanvisenti, B. 16 Sanz 20, 30 f., 45, 89 Sauer, Α. 15, 203

Savinien d'Alquié 38, 86, 117, 119, 162, 196 Schadc, A. F. Graf ν. 13 f., 211 Scharmann 173, 211 Sdierer 57 Sdievill (d. i. Schwill) 16 Schiller, F. v. 74, 110 Schlegel, J. A. 63 Schlegel, J. E. 152 Schmidt, E. 15 f., 48, 56, 71, 75, 89, 94, 101, 104, 111, 150, 202 f. Schmitt 112, 210 Schneer 202 Schneider, H. 76, 192, 203 Schneider, H.-K. 9 Schneider, K.-L. 9 Schoenaidi, Chr. O. Frhr. v. 111, 211 Schönberg, H. D. Baron v. 58, 63 Schopenhauer 8, 27, 32, 126, 137, 162 f., 171, 177, 204, 208 Schöpflin 84 Schott 67, 188, 211 Schottel 34, 211 Schramm, E. 9, 18, 211 Schreiber, G. 23 Schröder, H. 141,211 Schröder, L. 45 Schüddekopf 128, 137, 204 Schultheiss 33, 170, 204 Schulz, H. 101,211 Schulze-van Loon 43, 212 Schütz, Chr. 76, 203 Schwarz (18. Jh.) 70 Schwarz, B. 132 Schweitzer, Chr. E. 46, 212 Schwering 28 Seipp 181, 212 Selig 32, 212 Seligmann 72, 85, 205 Seneca 36, 73, 83, 88, 132 Sengle 75, 212 Sequanus (d. i. H. H. L. Spitta) 181, 212 Servet 24 Shaftesbury 82, 132, 140, 176 Shakespeare 19, 74, 78, 131 f., 176, 182 Siegeler 51 Simón Díaz 9 Sixtus V. 21 Sjöstrand 173 Sobrino, F. 65 f., 97, 99 f., 106, 116, 212 Sokrates 104 Soler 36 Sophokles 71 221

S o r a p á n de Rieros 61, 212 Sorel 47, 50, 56, 205 Soto 29 Sotomayor, A. de 58 Sousa 189 S p e r b e r 90, 212 Spittler, L. T. Frhr. v. 139 f., 144, 176, 212 Spitzer 43, 212 Steig 145, 212 Steinbach, Chr. E. 190 Stern, W. 166 Stiefel, A. L. 16, 182 Stolberg 75, 206 Stolle 55, 79, 212 Struve, B. G. 55, 212 Stubenberg, J. W . v. 47, 205, 211 S t ü v e n 181 Suárez, F. 31, 177 Suárez de Toledo 110 Sueiro 23 Sulzer 74, 154, 156, 159 S u p h a n 81, 89, 127, 134—136, 204 Süßmilch 135 Tacitus 36, 44 T a u b m a n n 44 T a x a n d e r 28, 212 Terenz 36, 177 T e r e s a de J e s ú s 31, 58 Thomasius 32, 53 f., 62, 174, 205, 212 Thomas v o n A q u i n o 29 Thyssen, E. 64, 212 Tidcnor 14, 164, 212 Tieck 59 Tieghem, P. v a n 16 T i e m a n n 9, 18, 28, 30, 32—40, 43, 46, 54, 60, 80, 182, 210, 212 Tirso de Molina (d. i. Gabriel Téllez) 172 Trublet 146 Tyrol 152 f., 203 Ulenhart (Pseud.) 39, 43, 185, 192, 212 Ulloa, A. de 187 Urdanoz 173 Usque, Α. 188, 190 Vail 15, 75, 203 Valdés, A. de 190 Valdés, J. de 190 V a l e r a 14, 212

222

Vallès 23 V a l v e r d e 24 Vargas, L. de 145 V a r g a s Rosado 61, 212 V a t e r 69 V e g a Carpio, Lope F. de 14, 18 f., 140 f., 182, 185 f., 188—192, 194, 212 Vegius 167 Velazquez, L. J. 65, 187, 191 f., 212 V e n z k y 73—81, 86 f., 117, 122, 126 f., 212 Vergerius 167 V e s a l 24, 209 Vieweg 201 Villalón, C. de 133, 201 Villegas, E. M. de 186 Vion d'Alibray 38, 117, 119 V i r k k u n e n 112 Virués, C. de 189, 191 Vives 49, 140, 167, 171, 177, 205, 212 Vogel (19. Jh.) 160 Vogler, V. H. 48 f., 52, 161, 205 Voltaire (d. i. F. M. A r o u e t de) 18, 63, 68, 75 f., 78 f., 81, 176, 202 Vordtriebe 136,212 Voß, J. H. 75, 206 Wachler, L. 162, 212 Wächter 140, 212 Wagner, B. A. 14, 203 Wagner, G. 53 Walther, G. C. 79 W a r t o n 82 Watson, M. 33, 54, 205 Weilen, A. v. 16, 203 W e i n r i d i 82, 123, 171 f., 205 Weise, Chr. 152 W e i ß e 118,192,207 W e i t z m a n n (Brüder) 50 f., 161, 205 W e i l e r 30, 213 Wenzel, G. I. 159 f., 205 W e r n e r , R. M. 78, 203 Westphalen, A. 48 Wevell, M. v. 9 W i e d e n b e r g 159 Wieland 14, 57, 74 f., 118, 138, 159, 186, 212 f. Wilhelm-Heinrich v o n Sachsen 50 Wilkinson 181, 213 Wilpert, G. v. 104, 213 Winckelmann 74, 152 W i r s u n g 185, 190 W i t k o w s k i 210

Wolf, J. 196 Wolff, Chr. Frhr. v. Young

82

Zachariä 63 Zárate, F. de

188

156

Zedier 55, 85, 157, 213 Zimmermann, J. G. 134 Zimmermann, S. G. 5, 70, 79 f., 147 Zischka 173, 213 Ziickert 154 Zur Hellen 160

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