Lehrbuch der organischen Chemie: Band 1, Teil 1 Allgemeiner Teil. Verbindungen der Fettreihe. Die aliphatischen Kohlenwasserstoffe und ihre einwertigen Abkömmlinge [Unveränd. Nachdr. Reprint 2020 ed.] 9783112352946, 9783112352939

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Lehrbuch der organischen Chemie: Band 1, Teil 1 Allgemeiner Teil. Verbindungen der Fettreihe. Die aliphatischen Kohlenwasserstoffe und ihre einwertigen Abkömmlinge [Unveränd. Nachdr. Reprint 2020 ed.]
 9783112352946, 9783112352939

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VICTOR MEYER UND PAUL JACOBSON LEHRBUCH DER

ORGANISCHEN CHEMIE. ZWEITE

AUFLAGE.

HERAUSGEGEBEN VON

PAUL JACOBSON. ERSTER BAND.

ALLGEMEINER TEIL. - VERBINDUNGEN DER FETTREIBE NEU BEARBEITET VON

P. JACOBSON UND ß. STELZNEB. ERSTER TEIL. ALLGEMEINER TEIL. — DIE ALIPHATISCHEN KOHLENWASSERSTOFFE UND IHRE EINWERTIGEN ABKÖMMLINGE. MIT FIGUREN IM TEXT.

UNVERÄNDERTER NEUDRUCK.

BERLIN UNI) LEIPZIG 1922. VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER W A L T E R DE GRUYTER & CO. VORMALS G. J. GÖSCHBN'SCHE VERLAG3HANDLUNG :: J.GUTTBNTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG :: GBOBQ REIM EH :: KARL J. TROBNBR :: VEIT K COMP.

Torwort. Das Lehrbuch, dessen erster ßand hiermit in zweiter Auflage der Öffentlichkeit übergeben wird, bezweckt eine ausführliche Darstellung der organischen Chemie in einer für die fortlaufende Lektüre geeigneten Form. Es macht nicht auf Vollständigkeit in dem Sinne Anspruch, daß- jede bekannte Verbindung aufgeführt werden soll. Sein Ziel ist hauptsächlich eine eingehende Schilderung der Körpergruppen in ihrer Eigenart und in ihren gegenseitigen Beziehungen unter Hervorhebung derjenigen einzelnen Glieder, denen durch Bedeutsamkeit für das praktische Leben, für die chemische Werkstatt oder für den Haushalt der Natur gewissermaßen eine „persönliche Note" zukommt Besonderen Wert habe ich auf möglichst weitgehende Anführung der Original-Literatur gelegt. Den jüngeren Fachgenossen hoffe ich dadurch die Anregung zum fleißigen Studium der Quellen gegeben und den Anschluß an die Forschung unserer Tage erleichtert zu haben. Aber allgemein sollte dem Leser die Möglichkeit geboten werden, die Angaben des Buches zu prüfen und zu ergänzen. Für- die Ordnung und Beschreibung des gewaltigen Tatsachenbestandes, der in der heutigen organischen Chemie vorliegt, haben natürlich die bewährten theoretischen Anschauungen der Struktur- und Stereochemie als ßahmen gedient Daß es mit ihrer Hülfe auch heute noch gelingt, des in fast beängstigender Progression sich mehrenden Materials im wesentlichen Herr zu werden, darf wohl als sicheres Zeichen dafür gelten, daß ihr Fortbestand noch nicht ernstlich gefährdet, ihre Triebkraft noch nicht erschöpft ist Doch wurde an passenden Stellen auch auf die Schwächen, welche ihren anbafter, hingewiesen .und der neueren Bestrebungen zu ihrer Vertiefung und Fortbildung gedacht, .wie es überhaupt ein Hauptziel des Buches ist, den Leser nicht nur mit dem bisher Erreichten vertraut zu machen, sondern ihn zur Verfolgung der weiteren Entwicklung zu befähigen und zur Mitarbeit anzuregen. Die hier kurz angedeuteten Gesichtspunkte waren fUr Behandlung und Auswahl des Stoffes auch bei der ersten Auflage maßgebend, als

IV

Vorwort.

ich deren Herausgabe in Gemeinschaft mit meinem seither so frühzeitig dahingeschiedenen Lehrer VICTOR METES begann. An ihnen etwas zu ändern, lag um so weniger Veranlassung vor, als auB zahlreichen mündlichen und schriftlichen Äußerungen zu entnehmen war, daß eine Darstellung der organischen Chemie in solcher Form als ein Bedürfnis empfunden wurde, dem in der sonstigen chemiechen Literatur nicht entsprochen ist. Auch zeigte dies der buchhändlerische Erfolg; denn der erste Band der ersten Auflage war seinerzeit bald vergriffen, ein unveränderter Neudruck ebenfalls. So fehlte der erste Band jahrelang im Buchhandel; dem Wunsche der Verlagsbuchhandlung entsprechend, habe ich mich nunmehr zu seiner Neubearbeitung entschlossen, ehe noch in erster Auflage der zweite (in drei Teile zerfallende) Band1 der Vollendung entgegengeführt war, die durch Überhäufung mit anderen Arbeiten sehr gegen meinen Wunsch verzögert worden ist, aber alBbald erstrebt werden soll, wenn die zweite Auflage des ersten Bandes fertiggestellt ist. Die für die erste Auflage gewählte Kapitel-Einteilung konnte unverändert beibehalten werden. Doch war der Stoff so ungeheuer angeschwollen, daß sich eine sehr beträchtliche Umfangsvermehrung nicht vermeiden ließ, wenn man an dem Charakter des Buches festhalten wollte. Des .handlicheren Gebrauchs wegen wird deshalb der erste Band in zwei Tqflb zerlegt, deren erster die Kapitel über allgemeine Fragen und die Schilderung der einwertigen aliphatischen Verbindungen enthält, während der zweit« Teil die mehrwertigen Verbindungen der Fettreihe behandeln wird. Fast jedes Kapitel mußte von Grund aus neu bearbeitet werden. Selbst in den wenigen Fällen, in denen nicht eine außerordentliche Fülle neu hinzugekommenen Materials, das Bild der Körpergruppe ganz wesentlich verändert hatte, paßte sich die frühere Ausdrucksweise meist nicht mehr den heutigen, besonders durch die Entwicklung der allgemeinen und physikalischen Chemie modifizierten Anschauungen an. So darf wohl gesagt werden, daß in dieser zweiten Auflage eigentlich ein neues Buch vorliegt Selten n u r bot Bich Gelegenheit, der Umfangsvermehrung dadurch

entgegenzuwirken, daß gewisse Gegenstände in einer gegen die erste Auflage gekürzten Form behandelt wurden, weil ihre Bedeutung heute geringer erschien als ehedem. Ganz fortgefallen ist das Kapitel über die präparativen Laboratoriums-Operationen, da man hierüber heute in l Der erste Teil des zweiten Bandes (einkernige isocyclische Verbindungen) ist 1902, der zweite Teil (mehrkernige Benzolderivate) 1908 abgeschlossen worden; der dritte Teil wird die heteroeyclischen Verbindungen und diejenigen Naturstoffe, die sieb nicht in d*a 8yatem des Werkes einreihen lassen, behandeln.

Vorwort.

v

verbreiteten Spezialwerken leicht Belehrung findet; Statt dessen ist dem allgemeinen Teil ein Kapitel über die physikalische Charakterisierung der organischen Verbindungen eingefügt worden. Die durchgreifende Neubearbeitung erforderte infolge der Hochflut neuer Produktion, die in der organischen Chemie nun schon Beit Jahren anhält, einen weit größeren Arbeitsaufwand als seinerzeit die Abfassung der ersten Auflage. Ich konnte bei meiner Beanspruchung durch amtliche Tätigkeit diese Aufgabe nicht in Angriff nehmen, ohne mich zuvor bewährter Hülfe zu versichern. So bat ich Herrn Dr. ROBERT STELZNEB, der mir seit mehr als einem Jahrzehnt bei amtlichen literarischen Arbeiten zur Seite steht, um seine Mitarbeiterschaft. Für die treue Hingebung, die er dieser Aufgabe widmete, sei ihm an dieser Stelle mein wärnjster Dank ausgesprochen. Angaben und Abschnitte, welche in Gebiete hinüberspielen, die unserem eigenen Arbeitsfelde fern liegen — besonders technischer, physikalischer, physiologischer Art — haben wir meist Fachgenossen aus Wissenschaft oder Industrie zur Kontrolle vorgelegt Wir sind den folgenden Kollegen und Firmen für Ratschläge und manche wichtige Ergänzungen zu Dank verpflichtet: F . AUEBBACH (Berlin), K. AÜWEBS (Greifswald), BADISCHE ANILINUND SODA-FABBIK (Ludwigshafen a/Rh.), A . BANNOW (Berlin), E. BÜCHNEB (Berlin), C. DÜISBEBG (Elberfeld), M. HAMEL (Cöpenick), A. HESSE (Berlin), G. KBAMKR (Berlin), M. KBÜGEB + (Berlin), A- NicoiiAiEB (Berlin), B. PBAGEB (Berlin), W . A . ROTH (Greifswald), F. W . SCHUEPEB (Cöpenick), F. ULIIMANN (Berlin). Herrn Dr. PAUL SCHMIDT danken wir dafür, daß er sich der mühsamen Vergleichung sämtlicher Zitate bei der Revision unterzog. Wir hoffen, daß dadurch eine möglichst große Zuverlässigkeit der Hinweise auf die Original-Literatur erzielt ist. In äußerlicher Beziehung sei noch erwähnt, daß sich auf der ersten Seite eines jeden Druckbogens rechts unten neben der Bogensignatur das Datum der Korrektur verzeichnet findet, bis zu welchem der Inhalt der Zeitschriften nach Möglichkeit berücksichtigt ist. Für die Rechtschreibung der Fachausdrucke lag, als der Druck der ersten Lieferung begann (August 1905), noch nicht das endgültige Ergebnis der auf Erzielung einer Einheitlichkeit gerichteten-Bestrebungen1 1

Vgl.: B. 30, 4898—4399 (1903); 37, 4762—4763 (1904); 38, 4205—4206 (1905); 89, 4448—4449 (1906). Die endgültigen Vorschriften sind in dem Werke: „Rechtschreibung der naturwissenschaftlichen und technischen Fremdwörter. Unter Mitwirkung von Fachmännern herausgegeben vom Verein Deutscher Ingenieure. Bearbeitet von Dr. HOBEST JAUSEN (Berlin-Schönebeig 1907, LANGES« CHENYRECHE Verlagsbuchhandlung)" niedergelegt (vgL daselbst die Druckanweisung 2 mit den IZus&tzen a und b auf S. XXXII).

VI

Vorwort.

vor. Durch meine Teilnahme an den Arbeiten des hierfür eingesetztes Ausschusses war ich indes schon damals in der Lage, im wesentlichen das Besultat vorauszusehen. Die Schreibweise der termini technici — insbesondere der chemischen Namen — weicht daher bereits im vorliegenden ersten Teil des ersten Bandes nur wenig von den Vorschriften ab, die nunmehr 'nach Abschluß jener Arbeiten für die gelehrte Schreibung gegeben sind, und wird von Beginn des zweiten Teiles ab ganz mit diesen Vorschriften in Ubereinstimmung gebracht werden. Berlin, im August 1907.

Paul Jacobson.

Inhalt.. Seile

Einleitung i—6 (Die Gründe der Scheid uDg zwischen anorganischer und organischer Chemie. — Inhalt, Aufgaben und Ziele der organischen Chemie.)

Allgemeiner Teil. E r s t e « K a p i t e l . Die Ermittlung der empirischen Znsammensetzunr von •rganlsehen Verbindungen. I. Qualitative Element&ranalyee P r ü f u n g auf Kohlenstoff 1, auf Wasserstoff 8, auf Stickstoff 8, auf Halogene 9, auf Schwefel 10, auf andere Elemente 10. II. Quantitative Elementaranalyse Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff 10, von Stickstoff 21, von Halogenen und Schwefel 28, von anderen Metalloiden, sowie Metallen 32, TOn Sauerstoff 34. — Berechnung d«r Formel aus den Analyseucahlen 84. HL Ermittlung der Moleculargröfin Theorie der Molecniargewichtsbestimmaog 36. — Methoden der Dampfdichtebestiumong 45. — Bestimmung der Gefrierpunktserniedrigung Sl. — Bestimmung der Dampfdruck Verminderung bzw. Siedepunktoerhöhung 55.

'

10

36

Z w e i t e s K a p i t e l . Die Ermittlung der rationellen Zusammensetzung »on organischen Verbindungen. Ältere Auffassungaweignn (Radicaltheorie, Typentheorie) 59 Atomvorkettungstbeorie 63 Konstitution der Alkohole, Aetbtr, Carbonsäuren, Aldehyde und Ketone 71 Stereochemie »3 Physikalische Isomerie, Polymorphie 116 Gleichgewichtfliaomerie (Tautomerie und Desmotropie) 118 D r i t t e s K a p i t e l . Die physikalische Cb;irufcterlsieruug der organischen Verbindungen Krystallform 125. — Spezifisches Guwic bt 126. — Liislichkeit 126. — Schmelz- und Siedepunkt 127. — Verbrennungswärnieti 130. — Brechungeiudex 131. — Molecularrcfraktiou und -dispersion 132. — Optisches Drebungsveruiögen Ui2. — Magnetisches Drehungsvermögen >34. — Elektrisches Leitvermögen 135. — Dielektrizitätskonstante 136. — Korrespondierende Zustände 137.

124

Vili

Inhalt.

Viertes Kapitel. Die wesentlichsten Prinzipien fBr die Systematik,Nomenklatur und Registrierung der »iranischen Verblndangen. Offene and geschlossene Ketten . Haaptklassen der organischen Verbindungen Homologie Klassifizierung nach der Wertigkeit and dem Sättigungsgrade . . . . Nomenklatur Registrierung Dach der Bruttotonne 1

fMta 137 140 142 143 146 147

Spezieller Teil.

Erstes Bach. Die Verbindungen der Fettreihe. A. Die Grenzkohlenwasserstoffe und ihre einwertigen Abkömmlinge. Erstes Kapitel. Die Grenikohlenwasseretoffe »der Paraffine (C a H tn + t). (Tabelle: 164—166.) Zusammensetcang, Nomenklatur, Konstitation Vorkommen and Entstehungsweisen der Paraffine Allgemeine Charakteristik der Grenskohlenwasserstoffe Die einseinen Glieder der Seihe Methan 169. — Aethaa 173. — Propan bis Heptan 174. — Höhere Paraffine 176. Industrielle Gewinnung und Verwertung der Paraffine Leuchtgas 177. — Erdöl 183. — Paraffin-Industrie 190. — Osokcrit 192. Zweites Kapitel. Die einwertigen Alkohole der Grenzreihe CnH^^OH). (Tabellen: S. 209, 210, 281.) Zusammensetzung, Konstitntion, Einteilung und Nomenklatur . . . . Vorkommen und Entstehungsweisen Allgemeine Charakteristik der Grenzalkoliole Die einseinen Glieder der Reihe Methylalkohol 222. — Aethylalkohol 227. — Propjlalkohole 234. — Butylalkohole 235. — Amylalkohole 238. — Hexylalkohole 243. — Heptylalkohole und OctylaJkohole 244. — Höhere Alkohole 245. Industrielle Gewinnung und Verwertung der Grenzalkohole Alkoholische G&rung 247. — Spiritusbrennerei 254. Drittes Kapitel. AlkylTerbindnngen, deren Alkylrest an Halogeuatome oder an Sauerstoff gebunden ist (Tabellen: S. 271, 238, 812.) I. Alkylhalogenide C n H^ + 1 Cl, C n H, n + ,Br, CnH.^.J, C n H l n + l F . . . Bildnngsweisen 267. — Allgemeine Charakteristik 270. — Einzelne Glieder 279. — Alkylfluoride 282. IL Einfache und gemischte Alkylaether CnH, n+1 0 Zusammensetzung, Konstitution und Isomerien 283. — Bildnngsweisen 284. — Allgemeine Charakteristik 287. — Einsclne Glieder 292. III. Alkylperoxyde

151 155 163 169 177

193 196 208 222

247

266 267 283 298

Inhalt. IV. Alkylester der Mineralsäaren Zusammensetzung, Konstitution und Einteilung 299. — Bildangsweisen 300. — Allgemeine Charakteristik 800. — Ester der Sauer»to&äuren des Chlors 801. — Ester der schwefligen Säure 302, der Schwefelsäure 804, der selenigen Säure 804 und der Selensäure 808. — Erter der Stickstoffsäuren 308, Ester der untersalpetrigen S t a r e (Diaaoaethoxsn) 808, der salpetrigen Säure 308, der Salpetersäure 310. — Elster der Säuren des Phosphors und Arsens 312, der phosphorigen Säure 812, der Phosphorsänre 313, der arsenigen Säure 814, der Arcensäure 314. — Ester der Borsäure 314. — Ester der Kieselsäure 814. Viertes K a p i t e l AlkylTerblndangen, deren Alkylrest a n Sefcwefel (Selen oder T e l l u r ) gebunden Ist. (Tabelle: S 329.) Übersicht fiber die schwefelhaltigen Verbindungstypen 1. Mercaptan« oder Alkylsulfhydrate, Thioalkohole CnHjn+^SH) . . . . Bildnngsweisen 817. — Allgemeine Charakteristik 818. — Einselne Glieder 880. 2. Alkylsulfide oder Thioaether (C n H, n + ,)jS 8. Salfbnionyverbindongen 4. Disnlfide a n d Polysulfide . . . 6. Sulfoxyde a n d Sulfone 6. SulfbnsSaren a n d Thiosalfonstaren 7. AlkylthioschwefelsKuren C n H l n + , - S - S 0 , H 8. Alkylsulfinsäuren C n H l n + l ßO,H 8elen- und Tellurverbindungen F ü n f t e s K a p i t e l . A l k f l r e r b i n d u n f e n , deren Alkylrest a n Stickstoff gebunden ist. (Tabelle fttr Amine: S. 354—856.) Obersicht über die wichtigsten Verbindangsformen mit an Stickstoff gebundenen Alkylen 1. Alkylamine C B H, B + ,N . . . . Konstitation 340. — Nomenklatur 341. — Entstehungsweisen und Darstellungsmethoden 841. — Allgemeine Charakteristik 858. — .y-Halogenderirate der Amine 362; Thio-, Thionyl- und SolfurylDerivate der Amine 365; Alkylamide der salpetrigen und der Salpetersäure 867; Aminderivate mit phosphor-, arsen-, bor- oder siliciamhaltigen Besten 370- — Die einseinen Glieder 870. Methylamin 370. Dimethylamin 372^ Trimethylamin 373. Aethylamin 374. Diaethylamin 874. Triaethjylamin 374. Heptadecylamin 875. 2. Quartär« Ammoninmverbindungen 3. Hydrazine 4. Diazoverbindungen Diazcniamsalce 386. Diazoaethansulfonsäure 387. Methyldiazostare •387. Diasomethan 388. Diazoaethan 390. Isodiaaomethan 890. 5. Verbindungen mit Stickstoff-Ketten oder -Bingen, die aus mehr als swei Stickstoffatomen bestehen Diasoaminoverbindungen 390. Alkylazide 391. Tetrazone 891. 6. Alkylderivate des Hydroxylamins and Trialkylamin-oxyde 7. Alkyluitrosoverbindungen (Nitroso-paraffine) C n H 1 > + , . N O

IX

Seite 299

815 817

821 828 326 827 828 833 884 335

887 840

875 881 385

390 392 398

Inhalt. Saite 8. Alkylnitroverbindungen (Nitro-paraffine) C n H, n+1 »NO l 400 Entstehung und Konstitution 400. — Allgemeine Charakteristik 403. — NitrolsKuren und Pseudonitrole 406. — Einzelne Glieder 411. — Desmotropie der Nitroverbindungen. Pseudosäuren. Negative bzw. reaktivierende Gruppen 412. 9. Isocyanide (Isonitrile, Carbylamiue) CnHSI1+I«NC 419 S e c h s t e s K a p i t e l . Verbindungen der Alkylreste mit den Übrigen Metalloiden. (Tabelle fìlr Phosphine: S. 427.) 1. Alkylverbindungen des Phosphors . Phosphine und quartSre Phosphoniumverbindnngen 423. — Phosphinige Säuren, Phospliinsäuren und Phosphinoxyde; SulfophosphinBäuren, Disulfophosphinsäuren und Phosphinsalfide 429. 2. Alkylverbindungen des Arsens Monalkylderivate des Arsenwasserstofis 433. — Dialkylderivaie (Kakodylverbindangen) 435. — Tri- und Tetraalkylderivate 439. 3. Alkylverbindungen des Antimons 4. Alkylverbindungen des Wismuts ! 5. Alkylverbindungen des Bors 6. Verbindungen der Alkyle mit den Elementen der Siliciumgruppe . . Verbindungen des Siliciuma 443, flfts Germaniums 447, des Zinns 448. Siebentes Kapitel. 1. 2. 3. 4.

Die Vorbindungen der Alkylreste mit den Metallen. (Tabelle für Zinkdialkyle: S. 464.) Verbindungen der Alkalimetalle , . *. Verbindungen mit den Metallen der Magnesiumgruppe Verbindungen des Berylliums 456, des Maguesiums 456, des Calciums 462, des Zinks 463, des Cadmiums 466, des Quecksilbers 466. Verbindungen mit den Metallen der Aluminiumgruppe Verbindungen des Aluminiums 469, des Thalliums 470. Verbindungen des Bleis

A c h t e s K a p i t e l . Übergang' zu den Carbonsäuron, Aldehyden und Ketonen. ' Die Alkyleyanide oder FettsUure-Nitrile C n H, n + ,.CN . . . (Tabelle: S. 479—480.) Nomenklatur und Konstitution der Nitrile Entstehungsweisen Allgemeine Charakteristik N e u n t e s K a p i t e l . Die gesUttigteu einbasischen Carbonsüuren oder FettsUuren C n H, n O t . (Tabellen: S. 501—502, 519.) Zusammensetzung, Nomenklatur, Konstitution, Isomerien Vorkommen und Entstehungsweisen . . . - , . Allgemeine Charakteristik. Die einzelnen Glieder 'Ameisensäure 609. — Essigsäure 517. — Propionsäure 528. — Buttersäuien 529. — Valeriansäuren 533. — Die Säuren jyon der sechsten bis zur zehnten Reihe 538 (Capronsäure 539. Oenanthsäure 540. Caprylsäure 540. Pelargonsäure 540. Caprinsäure 541). — Die Sänren von der elften bis zur zwanzigsten Reihe 541 (Laurinsäure

423

433 441 442 443 443 454 456 45.6 469 471 472 474 475 479

488 493 500 509

Inhalt.

XI

Balte 544, Myristinsäure 544, Palmitinsäure und Stearinsäure 544, Margarinsäure 548, Daturinsäure 549, Iso- und Neuro-Stearinsäure 549, Arachiasänro 549). — Die Säuren mit mehr als zwanzig Kohlenstoffatomcn 549 (Belienaiiuro 549, Lignoce^insäure 550, Hyänasäure 550, Cerotinaäure 550, Montansäure 551, Melissinsäure 551, Psyllostearylsäure 551, Dicetylessigsfiure 551). Industrielle Bedeutung und Gewinnung der Fettsäuren 551 Ameisensäure 551. — Essigsäure 552 (Gärungsessig 552, Holzessig 555). — Palmitinsäure und Stearinsäure 556. Zehntes KapiteL Derivate der Fettsituren. (Tabellen: S. 569—570, 584—585, 586—587, 606—607.) Übersicht Uber die Säurederivate 557 I. Halogenide der Säureradieale (Acylhaiogenide) 560 Chloride 5C0. — Bromide 566. — Jodide 567. — Fluoride 567. IL Säureanhydride (Acyloxyde) 567 Bildungsweisen 567. — Allgemeine Charakteristik 570. Hl. Superoxyde der Säureradieale 576 IV. Alkylester der Fettsäuren .577 Bildungsweiso und Darstellungsmethoden 578. — Allgemeine Charakteristik 683. — Einzelne Glieder 591. — Wachsarten 592. V. Alkylester von Orthosäuren 594 VI. Thiosäuren 596 VII. Aminoniakderivate der Fettsäuren 599 1. Amido 601 (Bildungsweisen der primären Säureamide und ihrer Alkylderivatfl 602. Allgemeine Charakteristik 605. Metallderivate der Säureamide und Konstitution der freien Säureamide 613. Sekundäre und tertiäre Amide 616). — 2. Iminoaether 617. — 3. Amidhalogcnide R-CHlg,-NH, und Imidhalogenide K'CHlg: NH. — 4. Thioamide 621. — 5. Amidine 622. VIII. Hydrazinderivate der Fettsäuren 625 1. Hydrazide 625. — 2. Hydraz'idine 628. IX. Derivate der Stickstofiwasserstofisäure 629 SSureazide 629. X. Hydroxylaminderivate der Fettsäuren 630 1. Hydroxamsäoren und Hydroximsäuren 690. (Formbydroxamsäure 635, Acethydroxamsäure 686). — 2. Amidoxime (Oxy-amidlne) 636. — 3. Oxy-amidoxime (Hydroxam-oxime) 699. E l f t e s Kapitel. Sie gesättigten einwertigen Aldehyde und Ketoné. (Tabellen: S. 684—687, 690, 726—727, 728—731.) Konstitution und Nomenklatur Gemeinschaftliche Bildungsweisen für Aldehyde und Ketone . . . . Besondere Bildungsweisen für Aldehyde Besondero Bildungsweisen für Ketone ~. Allgemeine physikalische Eigenschaften der Aldehyde und Ketone . . Allgemeine Reaktionen, welche sowohl den Aldehyden wie Ketonen zukommen Speziellere Charakteristik der Aldehyde Nachweis der Aldehyde 680. 1 Einzelne Aldehyde . Formaldebyd 682. (Darstellung 682. Formol, Formalin 689. Para-

639 644 650 653 657 661 672 682

xn

Inhalt. formaldehyd 691. Polyoxymethylene 692. Bedeutung für die Assimilation der Kohlensäure und Kondensation zu zackerähnlichen Stoffen 693. Technische und medizinische Verwendung 698. Nachweis und quantitative Bestimmung 701. Verbindung mit Natriumbiaulfit 705. Hydrosulfit N. F. und Rongalit G. 706). — Acetaldehyd 708. (Paraldehyd 711. Nietaldehyd und Tetraldehyd 713. Aldehydharz 714). — Isovaleraldehyd 715. — Oenanthol 715. — Capryl-, Pelargon-, Caprin-, Laurin- und Myristin-aldehyd 716. Speziellere Charakteristik der Ketone Einzelne Ketone Aceton 731 (Derivate des Acetons 735. Homologe 737). — Pinakoline 738. Thioaldehyde, Thioketone und ihre Derivate Thioformaldehyd 745. — Thioacetaldehyde 746. — Thioacetone 748. Kundensationsprodukte der Aldehyde und Ketone mit Ammoniak und Ammoniakderivaten (Aminen, Amiden, Hydroxylamin, Diamid, Hydrazinen usw.) 1. Ammoniak-, Amin- und Amid-Derivate 749 (Hexamethylentetramin 751. Aldehydammoniake 754. Paraldimin 756. Thialdin 757. Acetonhaaen 759. Nitrimine 760). — 2. Derivate des Hydrazins (Diamids) und der Hydrazinabkömmlinge 762 (Hydrazone, Aldazine, Ketazine 762. Semicarbazone 766). — 3. Derivate des Hydroxylamins und der Alkylhydroxylamine 767 (Oxime 767: Bildungsweisen 767, allgemeine Charakteristik 770, Tautomerie 774, Formaldoxim 776, Acetaldoxim 777, Acetoxim 777, Pinakolinoxim 778). Stereochemie der Oxime und anderer Verbindungen mit dem Komplex >C:N— Stereochemie des dreiwertigen, doppelt an Kohlenstoff gebundenen Stickstoffs 778. HAVTZSCH -WEBUKB sehe Hypothese 780. Nomenklatur und KonfiguratiOnsbetitiromung der stereoisomeren Oxime 781. Stereoisomerie bei Imiden und Hydrazonen 785.

Seite

716 726 741

749

778

B. Die ungesättigten Kohlenwasserstoffe und ihre einwertigen Abkömmlinge. Zwölftes Kapitel. Allgemeines Uber die Konstitution der ungesättigten Verbindungen. Gründe für die Hypothese mehrfacher Bindungen und Kritik dieser Hypothese Isomerie bei ungesättigten Kohlenwasserstoffen Konjugierte Systeme von Doppelbindungen Stereochemie der mehrfachen Kohlenstoffbindung Einfluß der mehrfachen Kohlenstoffbihdung auf physikalische Eigenschaften .

786 790 795 798 811

D r e i z e h n t e s Kapitel. Sie ungesättigten Kohlenwasserstoffe. (Tabelle für Alkylene: S. 823—824.) I. Die Kohlenwasserstoffe C n H l n . Alkylene 813 Zusammensetzung und Nomenklatur 813. — Entstehungsweisen 815. — Allgemeine Charakteristik 822. — Einzelne Glieder 836 (Aethylen 8S6, Propylen 839, Butylene 840, Amylene 843, höhere Alkylene 846).

Inhalt.

xnx Seite

II. Die Kohlenwasserstoffe C n H t n ^ 847 1. Kohlenwasserstoffe mit einer dreifachen Bindung. Acetylea-Eeihe ( . . . t»-Beihe) 848. Acetylen 848 (Bildnngsweisen 849, Eigenschaften 862, chemisches Verhalten 856, Metallderivate [Acetyleriide, Carbide] 861, praktische Verwendung des Acetylena 870, Analyse des Carbids und Acetylen» 873). — Homologe des Acetylens 876 (Allylen 878). 2. Kohlenwasserstoffe mit zwei Doppelbindungen ( . . . difh-Reihe) 881. — a) Kohlenwasserstoffe mit kumulierten Doppelbindungen 882' (Allen 882). — b) Kohlenwasserstoffe mit konjugierten Doppelbindungen 883 (Divinyl 884, Pipeiylen 885, Isopren 886, höhere Homologe 887). —i c) Kohlenwasserstoffe mit isolierten Doppelbindungen 888 (Diallyl 888, Geraniolen 889, Linaloolen 889). III. Kohlenwasserstoffe C n H t n w | 889 Hexatri£n-(1.3.5) 889, Myrcen 890. IV. Kohlenwasserstoffe 0 D H l n _ , 890 Diacetylen 890, — Dimethyl-diacetylen 891. — Dipropargyl 892.

Vierzehntes KapiteL Einwertige angreslittlgte Halogeuderivate.

(Tabelle für Propylenderivate: S. 897.) I. Mcnohalogenderivate der Aethylen-Kohlenwasseratoffe, CnH, n _,Hlg . . 893 Vinylhalogenide 896. — Monohalogenderivate des Propylens 896. — Brombutylene 898. U. Monohalogenderivate der Acetylen-Kohlenwasserstoffe, C n H l n _,Hlg . . 898 Derivate des Acötylens 898. — Derivate des Allylens 900.

Fünfzehntes Kapitel. Einwertige ungesättigte Alkohole and ihre Ab-

kSmmlingo 900 I. Alkohole von der Zusammensetzung C n H, n _i(OH) 903 Vinylalkohol 908. — Derivate des Vinylalkohols 904 (Neurin 905). — Allylalkohol 906. — Derivate des Allylalkohols 908. — Propenylund Isopropenylalkohol 910. — Butenole 911. — Höhere Alkohole S i l . — Olefinisohe Terpenalkohole 914 (Citronellol 916, Rhodinol 917). — Oleinalkohol 918. — Phytol 918. IL Alkohole von der Zusammensetzung C n H, n _,(OH) 919 1. Acetylen-Alkohole ( . . . tnoMleihe) 919. — Propargylalkohot 919. 2. Alkohole mit zwei Doppelbindungen ( . . . d»eno/-Reihe) 921. — Geianiol 922. — Nerol 924. — Linalool 925. — Uvrcenol 928.

S e c h z e h n t e s K a p i t e l . Einbasische nngesgttlgte SRuren 928 I. SRuren CnH, n _,0, (Acrylaflure- oder Oelsäore-Reihe) 929 Vorkommen, Bildnngsweisen, Isomeriefälle 929. — Allgemeine Charakteristik 889. — Einzelne Glieder 949 (Acrylsäure 949, Vinyl-essigsäure 952, Aethyliden-essigsSare 953, CrotonsSuren 954, Methacrylsäure 958, normale Sauren C 6 H,0, 960 [Allyl-essigsäure 961, Angelicasäure und Tiglinsäure 982], Säuren CeH,0O, 965 [fS-Propyl-acrylsfiure 965, Hydrosorbinaäure 966, y-Aethyliden-buttersSure 966/ (?-Ällylpropionsäure 966, Brenzterebinsäure 967], Säuren C^H^O, [p-AllylbuttersSure 968, Teracrylsfiure 968], Säuren C 16 H 18 0, 968 [Citronellsäure 968, Bbodinsäure 969], Undecylensäuren 970, Säuren C „ E M 0 — C I J H , J O , »71 [Oelaäuro 972, Elaidinsäure 974, Isoölsäure 977, Oelaäure 977, Bapinsäure 977, Gadoleinsäure 977, Eracasäure 077, Brassidinsäure 978, Isoerucasäure 979]).

XIV

Inhalt.

II. 8Suren CnH.n^O, 1. Pfopiolatnre-Reihe 980 (Propiolslnre 982, Alkyl-acetylenearbonrfuren 988 [TetrolsSure usw. 983], Dehydro-undecylengäure 984, Undecolsinre 984, Stearola&ure 966, Taririn säure 986, BehenolsSure 987). 2. S&nren mit zwei Doppelbindungen 988. Sorbiuaiure-Reihe 988 (^-Vinyl-acrylaiure 990, Sorbinaäure 990, Diallylessigs&ure 990, Geranioms&ure 991). — Trocknende Oelaäuren 999 (Linola!ure 998). HL Säuren CgHm-,0, Citryliden-eaaigsäore 998, Linolen- und Isotinolens&ure 994, Jecorfasiure 994.

MM

980

W3

Siebzehntes Kapitel. Einwertige ungesittigte CarbeiylTcrkiaiaagea 994 I. Ungesättigte Aldehyde 995 A. Aldehyde C,H, n _,0 995. Acrolein 998, Homologe des Acrolein« 10C0 (Crotonaldehyd 1002, Tiglinaldehyd 1009). — Citronellal 1005, Bbodinal 1008. B. Aldehyde C A n _ « 0 1008. — a) Aldehyde mit einer dreifachen Bindung 1009 (Propioialdehyd 1009). — b) Aldehyde mit swei Doppelbindungen 1010 (Citral 1010). II. Ungeaftttigte Ketone. 1015 A. Ketone CnH ln _,0 1017. — Vinyl-alkyl-ketone 1017. — Aethylidenaceton 1018. — Meaityloxyd 1019. — Allyl-alkyl-ketone 1022. — Allyl-aeeton 1023. — Methylheptenon 1023. B. Ketone CBH^^O 1027. — Pentyl-aoetyl-acetylen 1027. — Phoron 1028. — Diallyl-aceton 1029. C. Ketone CBH,b_,0 1030. — Peeudojonon 1030. III. Ketone 1031 Dimethyl-keten 1031. Register Berichtigungen und Verbesserungen

1033 1060

Tabellenverzeichnis. Nr. 1. Nr. 2. Nr. S. Nr. 4. Nr. 5. Nr. 6. Nr. 7. Nr. 8. Nr. 9. Nr. 10. Nr. 11. Nr. 12. Nr. 13. Nr. 14. Nr. 15. Nr. 16. Nr. 17. Nr. 18. Nr. 19. Kr. 20. Nr. 21. Nr. 22. Nr. 28. Nr. 24. Nr. 25. Nr. 26. Nr. 27.

Molekulare Gefrierpunktserniedrigung fär verschiedene Lösung«mittel Molekular« Siedepunktsorhöhung für verschieden« LSsungsmittel . . GrenzkohlcnWasserstoffe Normalprimfire Alkohole Die isomeren Alkohole der dritten bi« fünften Seihe Spezifisches Gewicht der Mischungen von Alkohol and Wasser . . Alkylhakgenide Dialkylaether Alkylnitrite und Alkylni träte . . Mercaptane, Sulfide, Disulfide, Sulfoxyde und Salfone der Alkyle. . Primär«, sekundäre nnd tertiäre Alkylamine Primäre, sekundäre nnd tertiäre Alkylphosphine Zinkdialkyle Alkylcyanide oder FettsSarenitrile FettsSaren . . . . . . . Spezifisches Gewicht der wftürigen Essigsäure . Erstanongsponkt der wäßrigen Essigsäure Chloride und Anhydride der Fettsäuren . Aethylester der Fettsäuren . 1 Essigsioreester der Grenzalkohole Amide der Fettsäuren Aldehyde der Fettreihe, deren Oxime, Phenylhydrazone nnd andere charakteristische Derivate Spezifisches Gewicht wäßriger Formaldehydlöauugen Einfache Ketone der Fettreihe, deren Oxime, Phenylhydrazone und Semicarbasone Gemischte Ketone der Fettreihe vom Typus CH, • CO • R, deren Oxime, Phenylhydrasone, Semicarbazone und andere charakteristische Derivate . . Alkyleoe Monohalogenderivate des Propylens

Balte 54 58 164 209 210 281 271 288 312 829 354 427 464 480 501 519 519 569 584 586 606 684 690 727 728 823 897

Verzeichnis der für die Literatnrnachweiße benutzten Abkürznngen. • . — L B H I Annalen der Chemie A. ch. "> Annale« de chimie et de physique. Am. «• American Chemical Jouraal. Am. Soc. » Journal of the American Chemical Society. A. Ptli. m Arehiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie. Ar. » Arehir der Pharma«e. B. «» Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft BL — Bulletin de la Société Chimique de Paris. B. Ph. P. — Beitdge aar chemischen Physiologie and Pathologie. C. - Chemisches Zentralblatt C. r. = Comptes rendus de l'Academie des sciences. Ch. I. » Chemische Industrie. Ch. Z. = Chemiker-Zeitung. Chem. N. •= Chemical News. D. «= D a r a u s polytechn. Journal. D. K.P. - Patentschrift des Deutschen Reiches. EL Ch. Z. - Elektrochemische Zeitschrift. Fr. « (Fussan»') Zeitschrift für analytische Chemie. FrdL m F U B O L A S H D K K S Fortschritte der Teerfarbenfabrikation (Berlin, SraraoEn). G. Gauetta chinika italiana. H. •» (Hom-Snunft) Zeitschrift für physiologische Chemie. J. » Jahresbericht der Chemie. J. pr. » Journal fBr praktische Chemie. L. V. S t »• Landwirtschaftliche Versuchsstationen. M. — Monatshefte der Chemie. P. C. H. •> Pharmazeutische Zentralhalle. P. Ch. S. — Proceedings of the Chemical Society. Ph. Ch. — Zeitschrift für physikalische Chemie. B. — Recueil des travaux chimiques des Pays-Bas. B.A.L. « Atti della Reale Accademia dei Lincei (Rendiconti). Soe. « Journal of the Chemical Society of London. W. « W a n n u m s Annalen der Physik. Z. « Zeitschrift fBr Chemie. Z. a. Ch. * Zeitschrift Ar anorganische Chemie. Zu Aug. Zeitschrift Ä r angewandte Chemie. Z.B. « Zeitschrift ffir Biologie. Z.E1. Ch. x Zeitschrift fBr Elektrochemie. Z. Kr. - Zeitschrift fBr Krystallographie.

Einleitung. Die Gründe der Scheidung zwischen anorganischer und organischer Chemie. — Inhalt, Aufgaben nnd Ziele der organischen Chemie.

Noch ia den ersten Dezennien des neunzehnten Jahrhunderts stellte man die chemischen Verbindungen, welche die Natur ausschließlich im pflanzlichen oder tierischen Organismus erzeugt, als eine besondere, scharf zu unterscheidende Gruppe jenen Verbindungen gegenüber, welche sie als Mineralien darbietet, oder welche aus diesen Mineralien durch im Laboratorium ausführbare Umwandlungen hervorgehen. Zwar hatte man schon erkannt, daß in den vegetabilischen und animalischen Substanzen keine anderen Grundstoffe sich finden, als sich an dem Aufbau der mineralischen Stoffe beteiligen; doch war es noch in keinem Falle gelungen, eine jener Substanzen aus mineralischen Stoffen herzustellen. Und daher glaubte man, daß für das Zustandekommen dieser „organischen" Verbindungen gewisse Bedingungen notwendig wären, deren Herbeiführung der Mensch nicht in seine Gewalt bekommen könne. Eine besondere „Lebenskraft" sollte es nach B E R Z E U U S sein, welche ihre Entstehung in den belebten Wesen bewirkt; wohl könne man eine solche Verbindung, nachdem sie einmal im Organismus gebildet und von den begleitenden Stoffen durch die Hülfsmittel des Chemikers getrennt ist, auf kttn9tlichem Wege in andere umwandeln, die sich vielleicht auch im Organismus finden. Allein sie aus den Elementen aufzubauen, das sei das Vorrecht jener geheimnisvollen Kraft, über welche zu gebieten dem Menschen versagt sei. Wie in jener Zeit, so teilen wir auch heute noch die Chemie in anorganische und organische Chemie ein und unterscheiden anorganische von organischen Verbindungen. Doch sind die Gründe, welche uns zu dieser Einteilung bestimmen, heute ganz anderer Art wie damah. Der .Glaube an jene Lebenskraft ist längst durch das Experiment beseitigt Seit W Ö H L E » 1 8 2 8 zum ersten Male die künstliche Darstellung eines tierischen Stoffes — des Harnstoffs — aus mineralischen Substanzen gelang, sind ähnliche Erfolge in großer Zahl erzielt worden. Die Pflanzensäuren, die Fette, viele der kompliziertesten Pflanzenfarbstoffe, die Harnsäure, Zuckerarten, Pflanzenbasen usw. hat man auf künstlichem Wege herzustellen — zu „synthetisieren" — gelernt; und* jedes Jahr bringt neue Synthesen solcher Stoffe, deren Entstehung vorher nur in Lebensvorgängen beobachtet war. Freilich sind wir noch weit davon entfernt, alle MBYIB-JACOBSON,

arg.CH.

Zw. Aufl.

II.

(September 1905)

2

Einleitung.

Verbindungen des pflanzlichen and tierischen Organismus synthetisch herstellen zu können; aber wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln, daß, was schon in so vielen Fällen gelungen ist, in allen Fällen gelingen könnte. Wir sind heute zu der Ueberzeugung berechtigt, daß die chemischen Verbindungen des Pflanzen- und Tierreichs ebenso wie diejenigen des Mineralreichs und diejenigen, welche aus den von der Nfttur gebotenen Stoffen durch kQnstliche Prozesse gewonnen werden, in bezug auf ihr Entstehen und ihre Umwandlungen den gleichen Gesetzen unterworfen sind, — daß es dieselben Kräfte sind, welche die Elementaratome in der belebten wie in der unbelebten Natur zu Moleciilen zusammenfügen. Nachdem durch die zahlreichen Synthesen von Pflanzen- und Tiersubstanzen die Definition der organischen Verbindungen als solcher, welche unter dem Einfluß der Lebenskraft gebildet werden, unhaltbar geworden war, hat man sich längere Zeit mit wenig Erfolg bemüht, auf anderer Grundlage den Unterschied zwischen anorganischen und organischen Verbindungen zu präzisieren. Ausgehend von der Tatsache, daß alle organischen Substanzen Kohlenstoff enthalten, hat man sich endlich entschlossen, in dem Kohlenstoffgehalt das einzige Merkmal einer organischen Verbindung zu sehen. Die heutige organische Chemie ist eine Chemie der Kohlenstoffverbindungen; die große Mehrzahl dieser sogenannten organischen Verbindungen ist lediglich im Laboratorium erzeugt, niemals im Organismus aufgefunden worden und dürfte wohl überhaupt nicht in der Natur vorkommen. Außer dem Kohlenstoff finden wir in den organischen Verbindungen besonders häufig die Elemente Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff; aber auch alle übrigen Elemente können sich an dem Aufbau der Molecüle organischer Stoffe beteiligen. Wesentliches Erfordernis für die Zugehörigkeit einer Verbindung zur organischen Chemie ist allein ihr Kohlenstoffgehalt. Die organische Chemie umfaßt alle Verbindungen dieses Elementes; nur einige der einfachsten — das Kohlenoxyd, die Kohlensäure mit ihren Salzen und gewisse bei sehr hohen Temperaturen entstehende Verbindungen des Kohlenstoffs mit anderen Metalloiden bzw. Metallen (,,Carbide TÄDBEB, B. 32 , 8150 (1899). Ch. I. 26, 26 (1903). — Vgl. auch REWSXK, Am. 3, 134 (1881/82). 8

v . KONBE. Z. A n g . 1 7 , 771 (1904).

10

Prüfung auf Schwefel usw.

haltigen Substanzen wegen der Bildung von Cyansilber nicht angeht. Auch durch Erhitzen mit einem Gemisch von Silber- und Kupfernitrat bis zur Rotglut,1 sowie durch Verschmelzen mit Natriumsuperoxyd2 läßt sich die organische Materie zerstören und das Halogen an Metall binden. Sehr bequem ist endlich die folgende, von B E I L S T E I N 3 angegebene Probe: Man bringt die Substanz auf ein Körnchen Kupferoxyd, das in dem Oehr eines Platindrahtes befestigt und vorher sorgfältig ausgeglüht ist, und erhitzt nun nahe am unteren und inneren Rande einer mäßig geöffneten nichtleuchtenden Gasflamme; ein Halogengehalt gibt sich durch die von den flüchtigen Halogenverbindungen des Kupfers bewirkte Grünbzw. Blaufärbung der Flamme zu erkennen, welche sofort hervortritt, nachdem der Kohlenstoff verbrannt ist und das dadurch verursachte Leuchten der Flamme wieder aufgehört hat. Schwefel kann meist nachgewiesen werden, indem man eine Probe der Substanz mit Natrium erhitzt und die Lösung des Glührückstandess auf Schwefelnatrium prüft, dessen Gegenwart am schärfsten durch die mit Nitroprussidnatrium eintretende purpurviolette Färbung erkannt wird. Substanzen, bei denen ihrer Flüchtigkeit wegen diese Probe nicht zuverlässig erscheint, oxydiert man zunächst durch Erhitzen mit rauchender Salpetersäure im geschlossenen Rohr auf 250—300° oder durch Verschmelzen mit Natriumsuperoxyd vollständig; dann prüft man die Lösung auf Schwefelsäure. Zur Prüfung auf alle anderen Elemente (Phosphor, Araen, Silicium, die Metalle usw.) ist es ebenfalls am zweckmäßigsten, zunächst durch Erhitzen mit Salpetersäure (oder in geeigneten Fällen durch Verschmelzen mit Natriumsuperoxyd) vollständige Oxydation herbeizuführen, dann die mit Wasser verdünnte, nur noch anorganische Stoffe enthaltende Lösung nach den gewöhnlichen analytischen Regeln zu untersuchen. — Die Gegenwart der meisten Metalle ergibt sich schon aus dem Zurückbleiben einer unverbrennlichen Asche beim Erhitzen einer Substanzprobe auf dem Platinblech.

II. Quantitative Elementaranalyse.4 1. Die Bestimmung des Kohlenstoffs und Wasserstoffs. Die

Bestimmung dieser beiden Elemente wird stets in einer Operation aus1 KASTLE, BEATTY, A m . 1 0 , 412 (1897). * PRINOSHEIM, B . 3 6 , 4 2 4 4 (1903); 3 7 , 2155 (1904). A m . 8 1 , 386 (1904). — v . KONEI, Z. A n g . 1 6 , 516 (1903); 1 7 , 771 (1904). — NEUMANN, MEINEBTZ, E . 4 3 , 37 (1904).

3

B. 6, 620 (1872). — Vgl. auch H. ERDMANN, J. pr. [2] 56, 36 (1897). Eine ausführliche Behandlang des Gegenstands, welche hier nicht beabsichtigt ist, findet man in HANS METERS „Analyse und Konstitutionsermittlung organischer Verbindungen" (Berlin, 1903), S. 94—233, genaue praktische Anweisungen für einige besonders gebräuchliche Methoden in GATTERMANNS „Praxis des organischen Chemikers" (7. Aufl., Leipzig 1905), S. 75 ff. Einen sehr interessanten, historischen Ueberblick 4

Quantitative

Elementaranalyse.

11

geführt. Das Prinzip der dazu dienenden Methode besteht in der vollständigen Verbrennung einer abgewogenen Menge der Substanz und Ermittlung des Gewichts ihrer Verbrennungsprodukte; der Kohlenstoff wird so in Form von Kohlensäure, der Wasserstoff als Wasser gewogen. Dieses Prinzip versuchte schon LAVOISIER, der Begründer der quantitativen Forschung, zur Analyse organischer Verbindungen anzuwenden; SATJSSUBE, THENABD, BEBTHOLLET, GAY-LUSSAC und BEBZEMUS führten es in verschiedener Weise durch; endlich gab ihm LIEBIG 1 1831 die einfache und vollkommene Ausführungsform, welcher man sich noch heute unter Benutzung einiger teils die Leichtigkeit, teils die Sicherheit erhöhender Modiiikationen bedient. Als Sauerstoffquelle für die Verbrennung wird nach LIEBIGS Vorgang gewöhnlich Kupferoxyd verwendet, welches natürlich von organischen Substanzen und von Feuchtigkeit vollkommen, befreit sein muß. Die „Verbrennung" geschieht auf einem Gasofen in einer Röhre aus schwer schmelzbarem Glase Sie wurde früher meist — von LIEBIG

Fig. 1 n. 2. Aeltere Typen von Verbrennungsröhren.

noch ohne Zuhülfenahme von Sauerstoff — im „geschlossenen Rohr", das an seinem einen Ende zu einer umgebogenen Spitze (Fig. 1) oder in Bajonettform (Fig. 2) ausgezogen war, vorgenommen, während man sich heute fast immer des b e i d e r s e i t s offenen R o h r s (Fig. 3) be-

Fig. 3. Beiderseits offenes Verbrennungsrohr.

dient und die Vollständigkeit der Oxydation durch Ueberleiten von Sauerstoff sichert Dieses von GLASER2 vorgeschlagene Verfahren bietet — namentlich bei Anstellung mehrerer Verbrennungen hintereinander — große Vorteile. über die Entwicklung der organischen Elcmentaranalyse mit reichhaltigem Literaturverzeichnis hat DEINSTEDT in der AHDENS sehen Sammlung ehem. und chem.-techn. Vorträge [Bd. IV, Heft 1—3 (1889)] gegeben. JPOGG. 2 1 , 1 ( 1 8 3 1 ) . — Vgl. hierzu J . VOLUAIID : JUSTUS v. LIEBIG, sein Leben und Wirken, A. 3 2 8 , 1 , 1 9 ( 1 9 0 3 ) . * A. Suppl. 7, 2 1 5 ( 1 8 7 0 ) . 1

12

Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff. Bei Benutzung dieser Methode verfährt man wie folgt: Eine an beiden Seiten über das Ende des Ofens 1 (Fig. 4) etwas hinausragende Röhre (Fig. 3) wird in ihrem vorderen Teil auf etwa 2 / s der ganzen Länge mit einer Schicht (d) gekörnten Kupferoxyds 2 beschickt, welche zwischen Asbestpfropfen oder kleinen Kupferspiralen festgehalten wird; an ihrem hinteren Endo kann sie mittels des einen Grlashähn tragenden Ableitungsrohrs a — unter Zwischenschaltung eines Trockenapparates — nach Belieben mit einem Luft- oder einem Sauerstoff-Gasometer in Verbindung gesetzt werden. Man glüht nun zunächst die Röhre mit dem Kupferoxyd im trocknen und kohlensäurefreien Luftstrom aus, läßt dann wieder erkalten mit Ausnahme des vorderen Teiles der Kupferoxydschicht d, öffnet den Stopfen e und führt jetzt die abgewogene Substanzmenge in dem Schiffchen e, dann eine oxydierte Kupferspirale b (aus Kupferdrahtnetz zusammengerollt) ein. Nachdem man dann die Böhre mit dem Stopfen e wieder verschlossen hat, setzt man in der aus Fig. 4 ersichtlichen Weise am vorderen Ende die Absorptionsapparate an, welche vor und nach der Verbrennung 1 Die in den meisten Laboratorien eingeführten Verbrennungsöfen sind nach dem Eblenmeyer sehen System ausgeführt. Durch die von Volbabd [A. 284, 241 (1895)] angegebene, zweckmäßigere Gestaltung der Kacheln läßt sich, unter gleichzeitiger Verminderung des Gasverbrauchs, die Heizwirkung des Ofens wesentlich erhöhen. — In jüngster Zeit ist von Hbbaeds (C. 1005,1,1289). ein elektrischer Verbrennungsofen konstruiert worden, bei welchem ein mit dünnster Platinfolie umwickeltes, durch den elektrischen Strom erhitztes Porzellanrohr als Wärmequelle dient. Dieses neue System soll sich gut bewähren [v. Kokek, Gh. Z. 28, 1126 (1904)]. — Ueber eine andere elektrische Methode zur Verbrennung organischer Substanzen vgl. Mobbe, Taylor, Am. 3 3 , 591 (1905). 1 Zweckmäßiger ist nach Mabec [J. pr. [2] 68, 461 (1903)] die Verwendung von oxydierten Kupferdrahtnetzrollen.

Gang der „Verbrennung".

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gewogen werden, und deren Gewichtszunahme die Menge des gebildeten Wassers und der Kohlensäure angibt. Es sind dies das U-förmig gebogene „Chlorcalciumrohr" (zur Aufnahme des Wassers) und der „Kaliapparat" oder „Kugelapparat" zur Aufnahme der Kohlensäure (Näheres vgl. S. 14—15); ihnen schließt man — um der Absorption von Luftfeuchtigkeit vorzubeugen — ein beliebiges Chlorcalciumrohr an. Nach diesen Vorbereitungen beginnt die eigentliche Verbrennung. Indem man einen nur ganz schwachen Luftstrom unterhält, erhitzt man zunächst einerseits den hinteren Teil der oxydierten Kupferspirale b, andererseits am vorderen Teil der Bohre eine etwa 2—3 dm lange Schicht Kupferoxyd. Bevor diese Stellen zum schwachen Glühen gebracht sind, darf die Substanz nicht verdampfen oder sich zersetzen; ist eine genügend lange Schicht im Glühen, so nähert man sich mit den Flammen allmählich dem Schiffchen, welches die Substanz enthält, und sorgt dafür, daß andauernd ein mäßiger Gasstrom voti etwa zwei Blasen in der Sekunde durch den Kugelapparat streicht. Je flüchtiger die Substanz ist, oder je plötzlicher sie sich zersetzt, um so vorsichtiger muß man verfahren, damit die zwischen der Substanz und dem offenen Ende der Röhre befindliche Kupferoxydschicht auch bei etwas rascherer Entwicklung von Dämpfen zur vollkommenen Verbrennung ausreicht. Bei Verbrennung von sehr flüchtigen Flüssigkeiten ist es zweckmäßig, besonders die hinteren Flammen zur allmählichen Verflüchtigung der Substanz zu benutzen und eine Reihe von etwa 8—10 Brennern vor der Substanz zunächst außer Gebrauch zu lassen; durch die. Abkühlung in diesem Raum wird dann eine etwa eintretende plötzliche Dampfentwicklung - wieder ausgeglichen. Man bringt schließlich die ganze Röhre zu mäßiger Rotglut; sobald die Kohlensäuree/itwicklung sich ihrem Ende nähert, leitet man einen langsamen Strom von trocknem und kohlensäurefreiem Sauerstoff durch die Röhre, um die Kohle, die — wenn nicht gerade eine leicht und unzersetzt flüchtige Substanz zur Analyse gelangte — sich gewöhnlich in der Nähe des Schiffchens reichlich abgesetzt hat, vollständig zu verbrennen. Nach Beendigung der Verbrennung ist es notwendig, den Sauerstoff aus den Absorptionsapparaten durch trockne Luft zu verdrängen, da diese — mit Sauerstoff gefüllt — ein anderes Gewicht zeigen «würden, als wenn sie mit der spezifisch etwas leichteren Luft angefüllt sind. Nach dem Abschluß einer Verbrennung kann sofort in derselben Röhre, ohne daß Bie vom Ofen entfernt wird, zu einer neuen Verbrennung geschritten werden. Hat man nicht gleich wieder eine Verbrennung anzustellen, so bewahrt man die Röhre beiderseits verschlossen auf und kann sie nun jederzeit zur Ausführung einer neuen Verbrennung ohne weitere Vorbereitung benutzen. Zu einer derartigen Kohlenstoff- und Wasserstoff-Bestimmung verwendet man etwa 0*2 g Substanz. Handelt es sich um einen festen Körper, so wägt man die Substanzprobe direkt in einem Porzellan-

14

Abwägen von Flüssigkeiten.

oder besser Platin-Schiffchen ab und bringt sie in der S. 12 angegebenen Weise in das Rohr ein. Flüssigkeiten kann man direkt im Schiffchen nur dann wägen, wenn sie sehr schwer flüchtig sind. Andernfalls wägt man sie in kleinen Glaseimerchen (Fig. 5 a) ab, welche durch Eintropfenlassen der Flüssigkeit aus einer Capillarpipetto (Fig. 56) gefüllt werden. Bei flüchtigen Flüssigkeiten, welche unter 100° sieden, verschließt man das Eimerchen mit einem aus Glasstab angefertigten Stopfen (E'ig.öc), damit während der Wägung und während des Zeitraums* bis zum Einbringen in das VerbrennungBrohr nicht durch Verdunstung Verluste entstehen. Sehr leicht flüchtige Flüssigkeiten, wie z. B. Aether, bringt man in* vorher gewogene GlaBkügelchen1 (Fig. 5d), die mit einer lang ausgezogenen capillaren Spitze versehen sind und nach dem Einfttllen der Flüssigkeit (durch Erwärmen und Einsaugenlassen der Flüssigkeit während des Erkaltens) zugeschmolzen und wieder gewogen werden; man schneidet durch einen Feilstrich das capillare Ende ab und wirft Kugel und abgeschnittenes Ende in die Verbrennungsröhre ein. Es ist zweckmäßig, in das Eügelchen ein Stückchen Kupferoxyd zu bringen, um auch die Verbrennung des darin zurückbleibenden Dampfes zu bewirken. In jedem Falle legt man den FlUssigkeitsbehälter derart in das Schiffchen, daß sein offenes Ende dem vorderen Teile der Verbrennungsröhre zugewandt ist. Organische Substanzen, welche lediglich aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehen, liefern als Produkte ihrer- vollständigen Verbrennung nur Wasser und Kohlendioxyd. Zur Absorption des aus dem Verbrennungsrohr entweichenden Wasserdampfes dient fast stets ein mit gekörntem (porösem) Chlorcalcium. gefülltes U-Bohr, dessen a dem Ofen zugewendeter Schenkel mit einer Kugel versehen ist, in welcher sich bereits der größte Teil des Wassers kondensiert. Damit keine Kohlensäure in dem ChlorcalciumFIG. 5 . Gefäßchen u. rohr absorbiert werden kann, ist es notwendig, vor dem GePipette zum, brauch einen etwaigen Gehalt des Chlorcalciums an Aetzkalk Fähigkeiten* ¿^nrch unschädlich zu machen, daß man einige Zeit trockne Kohlensäure hindurchleitet, diese durch trockne Luft verdrängt, das Bohr wägt, das Einleiten von Kohlensäure und Luft wiederholt und sich nun durch nochmalige Wägung von dem Konstantbleiben des Gewichts überzeugt. Das Chlorcalciumrohr kann so lange gebraucht 1

Bequemer und auch sicherer scheint es zu sein, abgewogene Mengen sehr flttchtiger Substanzen in einem besonderen kleinen ßlasapparat [STREATFEILD, ETNON, Chem. N . 7 9 , 5 0 ( 1 8 9 9 ) . — DIMEOTH, W . WISLICENUS, B. 3 8 , 1 5 7 5 ( 1 9 0 5 ) . — STEINKOPF, FBOHMEL, B. 3 8 , 1 8 6 7 ( 1 9 0 5 ) ] außerhalb des Verbrennungsrohres zu vergasen und den mit Sauerstoff gemischten Dampf über das Kupferoxyd zu leiten.

Absorptionsapparate.

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werden, als noch ein größerer Teil des Chlorcalciums nicht zerflossen ist. Entfernt man nach jeder Analyse das in der Kugel kondensierte Wasser, so ist die Dauer der Brauchbarkeit eine fast unbegrenzte. . Zur Aufnahme des Kohlendioxyds dient gewöhnlich ein Kugelapparat, welcher mit einer stark konzentrierten (meist 331/3-pi'ozentigen) wäßrigen Lösung von AetzkaU gefüllt wird; die Kalilauge ist nach dreimaligem Gebrauch zu erneuern.—An Stelle des ursprünglichen LIEBIG sehen Modells verwendet man schon seit längerer Zeit meist den bequemeren, aufrecht stehenden GEISSLERsehen Kaliapparat (Fig. 6); er wird bei a durch einen kurzen Gummischlauch (Glas an Glas!) mit dem Chlorcalciumrohr verbunden; an den eigentlichen Kugelapparat schließt sich mit einem Glasschliff das mit festen Stückchen Aotzkali gefüllte Röhrchen b, in welchem der durch den Gasstrom aus dem Kugelapparat mitgefuhrte Wasserdampf und etwa noch unabsorbiert gebliebene Kohlensäure zurückgehalten werden. Die Konstruktion des Kugelapparates ist neuerdings in mannigfacher Weise modifiziert worden.1 Alle diese Verbesserungsvorschläge laufen im wesentlichen darauf hinaus, den hindurchstreichenden Gasstrom in möglichst innige Berührung mit der Aetzlauge zu bringen, hierdurch deren Wirkung zu erhöhen und gleichzeitig einen schnelleren Gang der Analyse zu ermöglichen. In vielen Laboratorien ist man von der Anwendung der „Kaliapparate" ganz abgekommen und benutzt für die Absorption der Kohlensäure Natronkalk 6- GEissiBBscher Kaliapparat, in U-formigen Söhren, deren man zwei hintereinander schaltet. Da in diesem Falle die eigentlichen Absorptionsapparate keine Flüssigkeit, sondern nur festes Material enthalten, so bedarf man noch eines kleinen „Blasenzäblapparates", um die Schnelligkeit des Gasstroms beurteilen zu können. Als solcher kann z. B. ein kleines, mit kugelförmigen Erweiterungen versehenes U-Röhrchen dienen, welches mit einigen Tropfen konzentrierter Schwefelsäure beschickt ist und .hinter den beiden Natronkalkröhren eingefügt wird. Auen kann an den vorderen Teil des zur Wasserabsorption dienenden Chlor1 Z. B. von WETZEI [B. 33, 3393(1900)] durch Einschmelzen kleiner Glastrichter, unter welchen sich die Gasblasen einige Zeit ansammeln, ehe sie in die nächste Kugel übertreten. — In den letzten Jahren sind ferner zahlreiche zylindrische Kaliapparate konstruiert worden, die mit energischer Absorptionswirkung größere Standund Bruchfestigkeit vereinigen. Unter diesen seien die ebenfalls von WETZEL vorgeschlagenen Apparate [B. 36, 161 (1903)] erwähnt, bei welchen von Glaswolle aufgesaugte Kalilauge zum Festhalten des Kohlendioxyds dient.

Verbrennung stickstoffhaltiger Verbindungen.

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calciumrohrs ein solches Röhrchen angeschmolzen werden,1 welches man von vornherein mit einem Tropfen Wasser versieht, der nun als Jndicator für den Gang der Verbrennung dient. Die im Vorstehenden beschriebene Bestimmung des Kohlenstoffs und Wasserstoffs bedarf einiger Veränderungen, wenn außer Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff noch andere Elemente in der zu analysierenden Verbindung zugegen sind. Manche s t i c k s t o f f h a l t i g e n Verbind u n g e n entwickeln bei der Verbrennung höhere Oxyde des Stickstoffs, welche teils im Chlorcalciumrohr, teils im Kaliapparat zurückgehalten und dadurch ganz falsche Resultate bedingen würden.2 Es ist daher notwendig, diese Gase vor ihrem Eintritt in die Absorptionsapparate zu Stickstoff oder Stickoxydul zu reduzieren. Dies geschieht dadurch, daß man in das vordere Ende der Röhre eine etwa 1—11/2 dm lange Spirale von Kupferdrahtnetz einbringt und diese während der ganzen Verbrennung im Glühen erhält; das glühende Kupfer entzieht den höheren Oxyden des Stickstoffs ihren Sauerstoff und führt sie dadurch in jene Gase übe1*, welche weder im Chlorcalciumrohr noch im Kaliapparat merklich absorbiert werden. Die hierzu dienende Kupferspirale wird vor jeder Verbrennung in folgender Weise vorbereitet: Man erhitzt sie in der Gebläselampe zum Glühen, zerstört dadurch alle ihr etwa anhaftende organische Substanz und versieht sie mit einer oberflächlichen Oxydschicht; noch heiß läßt man sie nun in ein Reagensrohr gleiten, an dessen Boden sich einige Tropfen Methylalkohol befinden; der Alkohol gerät ins Sieden, und seine Dämpfe reduzieren die Oxydschicht zu metallischem Kupfer; die jetzt ganz blanke Spirale bringt man in ein einerseits geschlossenes Glasrohr, welches andererseits mit einer Wasserstrahlluftpumpe verbunden und nun evacuiert wird; man erhitzt sie in diesem Rohr gelinde durch einen Bunsenbrenner, um alle anhaftende Feuchtigkeit bzw. Gase zu entfernen, läßt sie im Vacuum erkalten und führt sie dann in die Verbrennungsröhre ein. — Einige stickstoffhaltige Substanzen (Nitroverbindungen) zersetzen sich sehr plötzlich und unter Entwicklung großer Mengen von nitrosen Dämpfen. In diesen Fällen ist es unbedingt geboten, die Substanz mit viel Kupferoxyd zu mischen, um sie auf eine längere Schicht zu verteilen und so die allmähliche Verbrennung kleiner Anteile zu ermöglichen; man bedient sich dann statt der gewöhnlichen,, hierfür zu kleinen Platinschiffchen eines längeren und geräumigeren Kupferschiffchens, 9 füllt dieses etwa zur Hälfte mit ausgeglühtem und im Exsiccator erkaltetem, p u l v e r i g e m Kupferoxyd, schüttet dann die Substanz aus einem Wägegläschen darauf, bedeckt sie mit einer weiteren Schicht Kupferoxyd, so daß das Schiffchen zu etwa drei Vierteln angefüllt ist, and mischt durch Rühren mit einem 1

Vgl. Bbbdt, Postb, A. 2 8 5 , 385 (1895). » Vgl. Benedict, Am. 2 8 , 334 (1900). 5 Ueber Schiffchen mit Abteilangen siehe Mdkmann, Fr. 36, 380 (1897).

Verbrennung von Verbindungen, welche Halogene, Schwefel usw. enthalten.

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Platindrahte. 1 Auch empfiehlt es sich hier, vor der Substanz eine längere Schicht Kupferoxyd kalt zu lassen. Einen nicht normalen Gang der Analyse erkennt man daran, daß während der Verbrennung in der Kugel des Chlorcalciumrohrs sich bräunliche Dämpfe zeigen, oder nachher das in derselben kondensierte Wasser stark saure Reaktion besitzt. Enthält die Substanz Halogene, so bildet sich bei der Verbrennung Chlorkupfer bzw. Bromkupfer oder Jodkupfer. Diese Verbindungen verlieren ihren Halogengehalt leicht teilweise (namentlich bei Gegenwart von Sauerstoff) und sind auch etwas flüchtig; um zu verhüten, daß die Halogene in die Absorptionsapparate gelangen, kann man eine Spirale von Silberblech einschieben, durch welche die Halogene zurückgehalten werden. Gewöhnlich aber verbrennt man in diesem Falle mit chromsaurem Blei, da Chlorblei, Bromblei und Jodblei sehr wenig flüchtig und viel beständiger sind. Man braucht dann keine Silberspirale und hat nur dafür zu sorgen, daß im vorderen Teile der Röhre eine Schicht Bleichromat durch etwa drei Flammen nur ganz schwach erhitzt wird; in diesem kälteren Teil werden dann die Spuren von Halogenverbindungen des Bleis oder freien Halogenen, welche etwa aus dem stark erhitzten hinteren Teil entweichen, vollständig zurückgehalten. Desgleichen ersetzt man das Kupferoxyd durch Bleichromat bei schwefelhaltigen Verbindungen, da Kupfersulfat bei Glühhitze schweflige Säure entwickelt. Auch das Bleisulfat ist freilich nicht ganz glühbeständig; man muß daher gleichfalls die eben erwähnte Vorsichtsmaßregel beachten, im vorderen Teil der Röhre eine kleine Schicht Bléichromat fast kalt zu lassen. Bei sehr schwefelreichen Substanzen findet man trotzdem leicht etwas zu hohe Zahlen für Wasserstoff und Kohlenstoff und kann in dem Wasser des Chlorcalciumrohrs Schwefelsäure oder schweflige Säure nachweisen; dies läßt sich indes durch sehr vorsichtige Leitung der Verbrennung vollständig vermeiden. Enthält die zu analysierende Substanz die Metalle der Alkalien oder alkalischen E r d e n , so würden die letzteren bei der Verbrennung im Schiffchen in Form von Carbonaten zurückbleiben, und demnach ein Teil der Kohlensäure der Absorption im Kaliapparat entgehen. Auchi solche Substanzen verbrennt man daher mit Bleichromat und zwar, indem man sie damit mischt; das Bleichromat zersetzt die Alkalicarbonate unter Bildung von Alkalichromat und Bleioxyd und Austreibung der Kohlensäure. Es muß indes hervorgehoben werden, daß die Verbrennung mit Bleichromat keineswegs ebenso bequem ist, wie diejenige mit Kupferoxyd; namentlich macht sich der Umstand in sehr lästiger Weise fühlbar, daß 1

Bei Vorbindungen, welche weder hygroskopisch noch besonders flüchtig sind, kann man auf die Verwendung von Schiffchen ganz verzichten. In derartigen Fällen genügt es, die mit Hülfe eines längeren Wägeröhrchen» eingeführte Substanz im Rohr selbst mit einer ausreichenden Menge pulverigen Kupferoxyds zu vermischen; vgl. hierzu auch E. v. WALTHEB, P. C.H. 4 5 , 514 (1904). MUYKH-JACOBSON-, org. CH. Zw. Aufl. II.

2

(September 1905)

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Neuere Verbrennungsmethoden.

die Glasröhren bei Anwendung von Bleichromat sehr stark angegriffen werden. Letzterem Übelstand läßt sich zwar in gewissem Grade dadurch abhelfen, daß man das Bleichromat selbst durch körniges Kupferoxyd ersetzt, welches mit Bleichromat nur überstäubt wurde. Immer aber bleibt der Nachteil bestehen, daß das Bleichromat nach beendigter Verbrennung nicht regeneriert werden kann, und daß die zunehmende Vermischung mit Bleisulfat (bzw. Bleihalogenid) bereits nach 3—4 Verbrennungen zu einer Erneuerung des Oxydationsmittels zwingt. Man wird daher besonders für diejenigen Fälle, in denen die Benutzung von Kupferoxyd nicht angezeigt erscheint, eine der 'inten beschriebenen neueren Methoden heranziehen, bei welchen die Verbrennung z. B. durch Platin als Kontaktsubstanz bewirkt und der Halogen- bzw. Schwefel* gehalt durch geeignete Absorptionsmittel unschädlich gemacht wird. Von den zahlreich bekannt gewordenen Modifikationen des LTEBIGschen Verfahrens seien unter Hinweis auf DENNSTEDTS schon zitierte Broschüre (S. 10—11, Anm.4) hier diejenigen übergangen, welche bei dem Vorliegen von explosiven, hygroskopischen oder , leicht flüchtigen Substanzen notwendig werden; dagegen sind im folgenden einige Verfahren erwähnt, welche teils eine wesentliche Veränderung des Prinzips der Methode, teils eine erhebliche Vereinfachung der Apparatur darstellen. Bei dem Verfahren von KOFFER 1 wird die Verbrennung in einem beiderseits offenen Rohr ausgeführt; die Dämpfe der Substanz streichen, mit Sauerstoff gemischt, über eine Schicht glühenden platinierten A s b e s t s (Gemisch von Platinschwarz und Asbest), welcher die vollständige Verbrennung bewirkt. Da diese Schicht nur kurz (etwa 2—3 dm) zu sein braucht und zu ihrer Erhitzung eine Reihe von vier Flammen ausreicht, so bedingt dies Verfahren eine bedeutende Gasersparnis. Es wird von vielen Seiten sehr empfohlen, von anderen3 dagegen bemängelt. In den letzten Jahren hat sich DENHSTKDT9 eifrig mit Versuchen beschäftigt, den Grundgedanken KOFFERS ZU einer Methode auszugestalten, die'vielseitige Brauchbarkeit mit größter Einfachheit der Ausführung verbinden und womöglich eine gleichzeitige Bestimmung von Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Halogenen un,d Schwefel gestatten sollte. DEINSTEDT weist darauf hin, daß die enormen Wärmemengen, welche' die jetzt allgemein gebräuchlichen Verbrennungsöfen zu entwickeln vermögen, bei Zuhülfenahme von Sauerstoff zur Verbrennung der Substanzen nicht erforderlich sind. Er erhitzt das 8B cm lange Verbrennungsrohr in einer eisernen Rinne, welche auf einem ganz einfachen eisernen Gestell ruht. Die in einem Schiffchen befindliche Substanz wird durch sehr langsame Annäherung einer Flamme ganz all1 Fr. 17, 1 (1878); vgl. auch WABKEN, Fr. 3, 272 (1864); 5, 169 (1866). * ZEIÜBL, M. 7, 573 (1886). — DOBBIE, LADDSB, Chem. N. 77, 215 (1898). * B. 30,1590, 2861 (1897); vgl. auch die Broschüre DENNSTEDTS: „Anleitung cur vereinfachten Elementaranalyee", Hamburg, 1903.

Neuere Verbrennungsmethoden.

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mählich verkohlt bzw. verflüchtigt. Die mit überschüssigem Sauerstoff gemischten Dämpfe streichen .über eine nur 6—8 cm lange Schicht von zum Glühen erhitztem Platinasbest oder über eine entsprechende Anzahl von Stückchen platzierten Quarzes, wodurch ihre Verbrennung bewirkt wird. Wasser und Kohlendioxyd werden wie üblich in an das Rohr angeschlossenen Chlorcalcium- und Natronkalk-Röhren absorbiert. Enthält die Substanz gleichzeitig Halogene, Schwefel und Stickstoff, so werden in das Verbrennuhgsrohr vier gewogene Schiffchen eingeführt, von welchen je zwei mit moiecularem Silber und zwei mit Bleisuperoxyd 1 gefüllt sind. Das Silber hält die Halogene als Chlor-, Brom- oder Jodsilber, sowie den zu Schwefelsäure verbrannten Teil des Schwefels als Silbersulfat zurück; das Bleiauperoxyd nimmt den nur bis zu schwefliger Säure oxydierten Rest des Schwefels unter Bildung von Bleisulfat, sowie die Stickstoffoxyde unter Bildung von Bleinitrat auf. 'Nach bekannten Methoden der anorganischen Chemie werden dann in den Gemischen die einzelnen Bestandteile quantitativ ermittelt. Diesem im Prinzip recht einfach und einleuchtend erscheinenden Verfahren, mit dessen Vervollkommnung B E N N S T E D T noch beschäftigt ist, 2 wird neuerdings in mehreren Laboratorien Beachtung zugewandt. Seine Anwendung ist besonders für solche Verbindungen bequem, welche sich beim Erhitzen allmählich unter Verkohlung zersetzen. In anderen Fällen — namentlich bei unzersetzt flüchtigen Verbindungen — bietet die Ausführung dem nicht speziell Geübten mancherlei Schwierigkeiten; es ereignet sich dann zuweilen, daß infolge zeitweiligen Sauerstoffmangels Teile unverbrannten Materials 3 in die Absorptionsapparate gelangen; ferner bilden sich gelegentlich explosive Gasgemische, deren Auftreten selbstverständlich das Mißlingen der im Gang befindlichen Analyse zur Folge hat. — Auch die Wirksamkeit des Platinquarzes 4 scheint durch manche Zufälligkeiten in Frage gestellt zu werden, z. B. durch die Verflüchtigung geringer Mengen Metall beim Verbrennen von Zinndoppelsalzen u. dergl. 6 — Aus diesen und ähnlichen Gründen hat es nicht an Stimmen gefehlt, die betonten, daß durch die Bemühungen D E N N S T E D T S die zuverlässige Lösung des wichtigen Problems noch nicht gelungen sei; 7 E D . L I P P W A N N 8 weist darauf hin, daß der von ihm schon früher empfohlene, unter Cbestimipten . Bedingungen darzustellende Kupferoxydasbest weit bessere Dienste leistet als der Platinasbest. R. v. W A L T H E B 8 dagegen bevorzugt die gemeinsame Anwendung von sog. „molecularem" Kupferoxyd in Verbindung mit Platinmohr als Kontaktsubstanz. 1

1

V g l . DENNSTEDT, HASSLER, Fr. 4 2 , 4 1 7 (1903).

Ch. Z. 29, 52 (1905). * Vgl. dagegen DENNSTEDT, Ch. Z. 28, 35 (1904). Man versäume nicht, sich von d?r '„Aktivität" des Platinquarzes zn" fiberzeugen, indem man ein Körnchen im Bunsenbrenner zum Glühen erhitzt und prüft, ob nach Löschung der Flamme das Glühen im Gasstrgpi andauert. 4

5 7

4 WEIL, B , 3 8 ; 2 3 2 (1905V Ch. Z. 2 7 , 8 1 0 (1903); 29," 4 8 7 (1905). LAPRIMKN, FLEBSNE», M. 7 , 9 (1886). * P . C. H . 4 5 , 489, 5 0 9 (1904). 2*

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Neuere

Verbrennungsmethoden.

Ein abschließendes Urteil über alle diese neueren Methoden1 wird sich erat fällen lassen, wenn sie eine ausgedehntere Anwendung durch zahlreiche Experimentatoren an Material der verschiedensten Körperklassen gefunden haben. Zweifellos stellt das L i E B i o s c h e , seit J a h r z e h n t e n in unzähligen F ä l l e n erprobte V e r f a h r e n auch h e u t e . n o c h die empfehlenswerteste und zuverlässigste Methode dar. Doch läßt sich nicht leugnen, daß es gelegentlich in besonderen Fällen sogar dem Geübten nicht ganz leicht zu überwindende Schwierigkeiten bietet; auch haften diesem Verfahren, selbst bei sorgfältigstem Arbeiten, kleine Mängel an,2 welche die Erzielung völlig scharfer Resultate in Frage stellen können. Jedenfalls verdienen deshalb die in den letzten Jahren so eifrig verfolgten Versuche, die Elementaranolyse noch einfacher und vollkommener zu gestalten, allseitige Beachtung. Die Ausführung einer Verbrennung nach dem alten Verfahren erfordert einschließlich der Wägungen, des vorbereitenden Ausglühens des Rohres usw. etwa 3 Stunden, welche für andere Arbeiten verloren gehen. Die Analyse nach dem Dennstedt sehen Verfahren verlangt bis zu ihrer Beendigung im allgemeinen eine etwas längere Zeit, bietet aber den erheblichen Vorteil, daß man während der eigentlichen Verbrennung nur von Zeit zu Zeit nachzusehen braucht und daher andere Arbeiten daneben auBf ihren kann. — Auch an anderweitigen Bemühungen, den Chemiker der ständigen Ueberwachung der im Gang befindlichen Analyse zu entheben, hat es nicht gefehlt. Deiglmayb3 sucht dieses Ziel mit Hülfe einer einfachen Vorrichtung zu erreichen, welche durch automatische Regulierung der das Rohr erhitzenden Gasflammen einen gleichmäßigen Verlauf der Verbrennung sichern soll; Pbegl* hat den Verbrennungsofen mit einem Uhrwerk verbunden, welches die zur Zerstörung der Substanz erforderlichen Gasflammen Selbsttätig heranführt Mehrfach wurde in der letzten Zeit auch die Anwendung von Autoclaven6 in Vorschlag gebracht, in welchen die organischen Substanzen durch Erhitzen mit komprimiertem Sauerstoff verbrannt werden. Ueber einige weitere Modifikationen der Verbrennung, welche hauptsächlich auf eine Abkürzung der Verbrennungsdauer gerichtet sind, vgl. Dudlet,• Blau,7 Thibatjlt und Voubnasos.® Für die Ermittlung des Kohlenstoffgehaltes, besonders bei schwer verbrenn1 Hier sei noch des Verfahrens von Collie [Soc. 8 5 , 1 1 1 1 (1904)1 gedacht, bei welchem die Substanzen in einem bekannten Volumen Sauerstoff verbrannt und die entstehenden Mengen Kohlondioiyd und Wasser volumetrisch' ermittelt werden. 1 Vgl. Mabery, Am. Soc. 20, 510 (1898) und Auchy, AM. Soc. 20, 528 (1898). * B. 35,1978 (1902). Ch. Z. 26, 520 (1902). — Das Verfahren wird im Tübinger Universitätslaboratorium vielfach benutzt; vgl. z. B. B. 37, 1792 Amn. (1904). 4 B. 38, 1434 (1905). 5 Bebthelot, C . r. 1 1 4 , 317 ( 1 8 9 2 ) ; 129, 1002 (1899). — Hehpel, B . 30, 2 0 2 (1897). — Zuntz, Frentzel, B. 30, 3 8 0 (1897). 8

B . 2 1 , 3 1 7 2 (1888).

• Bl. [3] 27, 895 (1902).

' M. 1 0 , 3 5 7 (1889).

Bestimmung von Kohlenstoff auf nassem Wege.

21

liehen oder explosiven Substanzen, empfiehlt v. KONEK,1 die Probe mit Natriumsuperoxyd (dessen Gehalt an Na rinmearbonat bekannt sein muß) zu oxydieren und die wäßrige Lösung der Schmelze mit Bariumchloridlösung von bekanntem Gehalt zu fällen. Im Filtrat vom Barium carbonat scheidet man den Best des Chlorbariums als Sulfat ab; aus dem Gewicht dieses Niederschlags läßt sich dann der Kohlenstoffgehalt der Analysensubstanz berechnen.

Zur B e s t i m m u n g des K o h l e n s t o f f s auf nassem Wege erwärmt die Substanz mit einem Gemisch von Chromsäure und konzentrierter Schwefelsäure und leitet die gebildete Kohlensäure in einen gewogenen Kaliapparat; frühere Vorschläge zu dem gleichen Zweck sind von BRUNNEB, 3 LADENBURG,* WANKLYN und COOPER 5 gemacht worden. Das Verfahren leidet an dem Uebelstand, daß man nicht mit Sicherheit voraussagen kann, ob in einem gegebenen Fall die Oxydation eine ganz vollständige sein wird oder nicht MESSINGER 6 sicherte die Vollständigkeit der Verbrennung später dadurch, daß er die aus dem Zersetzuugsgefäß austretenden, eventuell noch Kohlenoxyd enthaltenden Gase durch ein mit Kupferoxyd und Bleichromat gefülltes, zu schwachem Glühen erhitztes Röhrchen leitete. Die Methode gewinnt hierdurch an Zuverlässigkeit, büßt aber gleichzeitig an Einfachheit der Ausführung ein. Immerhin wird man sich ihrer in gewissen Fällen, z. B. bei der Analyse von explosiven,7 sowie Bchwefel-, i raen- und phosphorhaltigen Körpern 8 mit Vorteil bedienen. MES&INGER 2

Erwähnt sei schließlich noch, daß von OSER® ein Verfahren zur E l e m e n t a r a n a l y s e auf e l e k t r o t h e r m i s c h e m Wege ausgearbeitet worden ist, welches eine gleichzeitige Bestimmung der Verbrennungs wärme des betreifenden Körpers ermöglicht.

2. Die Bestimmung des Stickstoffs. Aus allen organischen Ver-

bindungen läßt sich der Stickstoff als solcher durch Verbrennung mit Kupferoxyd und Reduktion der höheren Oxyde mittels glühenden Kupfers abscheiden. Führt man daher die Verbrennung in einem mit Kohlensäure gefüllten Rohr aus und leitet die sich entwickelnden Gase zur Absorption der Kohlensäure in ein mit Kalilauge gefülltes Gefäß, so wird sich über der Kalilauge der StickstoiF ansammeln und seine Menge durch Volummessung ermittelt werden können. Es wird hierbei offenbar keinen Fehler bedingen, wenn etwa die Reduktion der höheren Oxyde nur bis zur Stufe des Stickoxyduls gehen sollte, da ja ein Volum Stickoxydul (Na0) ebensoviel Stickstoff enthält als das gleiche Volum reinen Stickstoffs. Auf dieser Grundlage hat DUMAS 10 eine Methode zur v o l u m e t r i » Z. Ang. 17, 888 (1904). • B. 21, 2910 (1888); s. ferner CBOSS, BEVAN, S c. 63, 889 (1888). » POQQ. 96, 379 (1855). *• A. 136, 1 (1865). « Chem. N. 38, 133 (1878). • B . 2 3 , 2756 (1890).

7

VgL THIELE, MAUAIS, A., 2 7 3 , 151 (1893)..

• B. 21, 2916 (1888). • M. 11," 486 (1890). 10 Ueber den Anteil früherer Experimentatoren, namentlich LIEBIOS, vgl. BENNSTEDTS S. 10—11, Anm. 4 zitierte Broschüre, S. 29 ff.

22

Bestimmung des Stidcstoffs.

sehen S t i c k s t o f f b e s t i m m u n g ausgearbeitet, welche später in einigen Einzelheiten vereinfacht ist und heute fast allgemein in folgender Form ausgeführt wird. In eine an einem Ende rund zugeschmolzene Verbrennungsröhre bringt man zunächst eine etwa 12—15 cm lange Schicht einer Substanz, welche beim Erhitzen reine Kohlensäure liefert; als solche wendet man in der Eegel Magnesit (MgCOs) oder Natriumbicarbonat (NaHCO,) an.1 Auf den Kohlensäureentwickler folgt ein Asbestpfropf, dann eine etwa 10 cm lange Schicht reinen gekörnten Kupferoxyds, das Gemisch der abgewogenen Substanzprobe (ca. 0»2 g) mit pulverigem Kupferoxyd,2 wieder eine Schicht reinen gekörnten Kupferoxyds von etwa 3—4 dm Länge, endlich eine reduzierte Kupferspirale (S. 16). Das derart beschickte Rohr wird nun mit einem Grasansammlungsapparat von bei, „ . , „ , . stehender Form 8 (Fig. 7) Fie. 7. Apparat zum Auffangen des »Stickstow bei 111 . TT , . , \ / g PP Stickstoffbestimmungen. Verbindung gesetzt 1 Viele ziehen es vor, die Kohlensäure nicht in der Verbrennungsröhre selbst, sondern in einem besonderen Entwicklungsapparat zu entbinden und so auch den Stickstoff im „offenen Rohr" zu bestimmen; vgl. E. v. Walthsb, P. 0. H. 46, 516 (1904). Eine Kritik der verschiedenen Entwicklungsarten s. bei Kbeusleb, Fr. 24, 488 (1885). * Das Mischen der Substanz mit Kupferoxyd und Einbringen in die Verbrennungsröhre geschieht gewöhnlich in der Weise, daß man die abgewogene Substanzmenge in einem kleinen, innen glasierten Porzellanmörser mit Kupferoxyd verreibt und das Gemenge durch einen Trichter mit weitem Ablaufrohr einschüttet. Mörser und Trichter werden dann zweimal, mit neuem Kupferoxyd ausgespült » H. Schipp, B. 13, 885 (1880). — Gattermakn, Fr. 24, 57 (1885). — Modifikationen dieses Apparates: Mabqwis, Bl. [S] 28, 780 (1903). — Landsiedl. Ch. Z. 28, 643 (1904).

Stickstoffbestimmung

nach Dumas.

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Das Röhrchen a wird durch einen mit Quetschhahn versehenen Gummischlauch mit dem aus der Yerbrennungsröhre tretenden Gasableitungsrohr verbunden; das Rohr b, welches oben mit einem Glashahn c versehen ist, dient zur Aufsammlung des Stickstoffs und ist unten mit etwas Quecksilber abgesperrt; durch das capillare Ableitungsrohr d wird nach der Verbrennung der Stickstoff in eine Meßröhre übergeführt (vgl. unten); in die Kugel e wird eine etwa 40—50-prozentige Kalilauge eingefüllt; sie steht durch einen starken Gummischlauch mit dem Rohr.b in Verbindung, man kann sie höher und niedriger stellen und dadurch mehr oder weniger Lauge in das Sammelrohr b eintreten lassen. Zu Beginn der Bestimmung stellt man sie ganz tief, sodaß fast keine Lauge sich in b befindet, läßt den Hahn c geöffnet und erhitzt nun die hintere Hälfte des Kohlensäureentwicklers, um zunächst alle Luft in der Verbrennungsröhre durch Kohlensäure zu verdrängen. Nach einiger Zeit prüft man, ob alle Luft ausgetrieben ist, in der Weise, daß man durch Heben der Kugel das Sammelrohr ganz mit Kalilauge füllt, den Hahn o schließt und zusieht, ob sich unter diesem noch Luftblasen ansammeln, oder ob die aus dem Verbrennungarobr austretenden GasblaBen vollkommen durch Kalilauge absorbiert werden. Ist letzteres erreicht, so füllt man auch das Capillarrohr d durch Heben der Kugel e bei geöffnetem Hahn c vollständig mit Kalilauge, mäßigt die Kohlensäureentwicklung und schreitet nun zur eigentlichen Verbrennung, die ganz in der S. 13 beschriebenen Weise geleitet F jS- 8 - Ueberfüllen des Stick. , _ ,. atoffs aus dem Sammelapparat wird. Nach ihrer Beendigung erzeugt man ¡ n die Meßröhre. wieder einen,lebhafteren Kohlensäurestrom durch stärkeres Erhitzen der noch nicht erschöpften vorderen Hälfte des Entwicklers, um allen noch in der Röhre befindlichen Stickstoff in das Sammelrohr überzuführen. Man löst nun die Verbindung zwischen Verbrennungsrohr und Sammelapparat und läßt in letzterem das Gas noch etwa eine Stunde mit der Kalilauge in Berührung, um sicher zu sein, daß alle ihm noch beigemengte Kohlensäure absorbiert wird. Dann füllt man das Gas in eine mit Wasser gefüllte Meßröhre in der durch Pig. 8 erläuterten Weise über; man stellt die Kugel so hoch als möglich, taucht das Ende des Capillarrohres d unter Wasser, hält schräg darüber die Meßröhre und öffnet vorsichtig den Hahn c; durch den Druck der in der Kugel befindlichen Lauge wird das Gas aus dem Rohr b gepreßt, verdrängt zunächst' die Kalilauge in dem Capillarrohr d und tritt dann durch dieses Rohr, welches schließlich ganz durch die nachströmende Lauge angefüllt wird, in das Meßrohr ein. Nachdem es in

24

Volwmetrische

Stickstoffbestimmung.

letzterem die Temperatur des umgebenden Wassers angenommen hat, liest man das Volum ab und notiert gleichzeitig die Temperatur t und den Barometerstand b. Ist das gefundene Gasvolum v, so entspricht es bei 0° und 760 mm Druck einem Volum: V e

_

v(b-u>) 760(1 + 0 - 0 0 3 6 7 / )

'

wo w die Tension des Wassers bei t° bedeutet. Da nun 1 ccm Stickstoff bei 0° und 760 mm 0-001254 g wiegt, so ergibt sich das Gewicht des erhaltenen Stickstoffvolums in dem Werte: _ P

c(b - w) • 0 - 0 0 1 2 5 4 760(1 + 0-00867

t)~'

Zur Erleichterung der Ausrechnung kann man Tabellen 1 benutzen, welche das Gewicht von 1 ccm Stickstoff unter verschiedenen Temperaturen und Drucken augeben. Ein Apparat, durch welcbcu man unmittelbar nach Beendigung der Verbrennung und Abkühlung des Gases, ohne Thermometer und Barometer ablesen zu müssen, das Gewicht des entwickelten Stickstoffs erfahrt, ist von LUNGE * konstruiert worden.

Das DüMA88che Verfahren der Stickstoffbestiminung, das auch eventuell nach dem von KOPFER fiir die organische Elementaranalyse entwickelten Prinzip (S. 18) umgestaltet werden kann 3 und auch bei Gasgemischen, wie sie z. B. im sog. Genoratorgas vorliegen, anwendbar ist,4 gibt gewöhnlich um 0«2—0-4°/0 zu hohe Werte. Dieser „normale" Fehler ist/vielleicht darauf zurückzuführen, daß es nicht gelingt, die Luft auB dem pulverigen Kupferoxyd völlig auszutreiben,5 oder aber dem Umstände zur Last zu schreiben, daß die Kupferspirale das entwickelte Stickstoffoxyd nicht völlig zu Stickstoff (bzw. Stickoxydul) reduziert.8 Zum Unschädlichmachen des „Luftfehlers" wird vielfach empfohlen, das Bohr vor Beginn der Stickstoffbestimmung zu evaeuieren.' In gewissen Fällen, besonders wenn die Substanz schon bei niedriger Temperatur viel Methan 8 bzw. andere schwer völlig oxydierbare Paraffine und Alkylene9 entwickelt, können sich auch bei nicht anomal schnellem Gange der 1

Vgl. GATTEUMANN« Praxis des organischen Chemikers (7. Aufl., Leipzig 1905). —

HANS MEYERS A n a l y s e u n d K o n s t i t u t i o n s e r m i t t l u n g o r g a n i s c h e r S t o f f e (Berlin 1903),

S. 180—131. — KÜSTEEB logarithmische Rechentafeln für Chemiker (3. Aufl., Leipzig 1902), S. 2 8 — 3 5 , 6 3 — 5 6 . ' ' B . 2 3 , 4 4 6 (1890). • BADEB, STOHHANN, Ch. Z. 2 7 , 663 (1903). — V.WALTIIER, P . C. H . 4 5 , 5 1 5 (1904). 4 5 CBARITSCHKOW, C. 1 0 0 3 , II, 311. BLAU, M. 1 3 , 2 7 7 (1892).

• Nach O'SDI.UVAN [B. 2 5 Ref., 804 (1892)] sollen 4—11 °/0 des Stickstoffs als Oxyd aus dem Bohr entweichen und die Kupferspiralen überhaupt wirkungslos sein; vgl. dagegen KLINOEMANN, A. 276, 94 (1893). — Eine Verunreinigung des Stickstoffs mit größeren Mengen Stickoxyd kann man leicht darin erkennen, daß sich beim Durchmischen des in ein trocknes Reagensglas übergeführten Gases mit Luft eine Gelbfärbung des Gefäßinhalts bemerkbar macht. 7 BODLÄNDEII [B. 2 7 , 2265 (1894)] b e n u t z t h i e r z u d a s G a s b a r o s k o p . • DTOSTAN, CARB, C h e m . N . 7 3 , 1 2 8 (1896). ' GÜAEESCHI, GRANDE, C. 1 8 9 8 , I I , 61. — V g l . a u c h JACOBSON, HÖNIOSBEROER,

B. 3 6 , 4100 (1903), sowie FREBKJUS, Ar. 241, 259 (1903).

Gleichzeitige

Bestimmung

von Kohlenstoff,

Wasserstoff und Stickstoff.

25

Analyse gasförmige Kohlenwasserstoffe dem Stickstoff beimischen und d e m gemessenen Gase zuweilen sogar die Eigenschaft verleihen, brennbar z u sein; m a n findet dann natürlich Stickstoffwerte, welche erheblich z u hoch sind. Durch sehr vorsichtige Leitung der Verbrennung läßt sich ein solcher abnormer Verlauf meist vermeiden, namentlich wenn m a n die Kohlensäure außerhalb der eigentlichen Verbrennungsröhre entwickelt (S. 22, Anm. 1) und derart j e d e vorzeitige Erhitzung der Substanz durch, den Kohlensäurestrom verhütet. BLAU1 suchtc die Ungenauigkeiten des DüMAssclien Verfahrens dadurch zu vermeiden, daß er die Substanz im beiderseitig offenen Rohr im Kohlensäurestrom verkohlt, die Dämpfe über glühendem Kupferoxyd verbrennt, die zurückgebliebene Kohle durch Einleiten von Sauerstoff oxydiert, den überschüssigen Sauerstoff durch glühendes Kupfer absorbiert und dann den Rest des Stickstoffs mit Hilfe eines Kohlensäurestromes in das Meßrohr übertreibt. Hat man es mit Substanzen zu tun, welche schwer in einer für mehrere Analysen ausreichenden Menge beschafft werden können, so kann man auch die v o l u mctrische S t i c k s t o f f b e s t i m m u n g mit der Bestimmung des K o h l e n s t o f f s u n d W a s s e r s t o f f s z u g l e i c h i n e i n e r O p e r a t i o n a u s f ü h r e n . ' Man darf dann die Verbrennung natürlich nicht in einer Atmosphäre von Kohlensäure ausführen, sondern erzeugt statt dessen im Versuchsrohr durch Erhitzen einer Mischung von 110 g Kaliumbichromat und 100 g Kaliumpermanganat einen Strom von reinem Sauerstoff, durch welchen zuerst die Luft und später die Verbrennungsprodukte aus dem Rohr verdrängt werdon. An das Verbrennungsrolir schließen sich zunächst das Chlorcalciumrohr und der Kaliapparat, dann der Sammelapparat für den Stickstoff, welcher in diesem Falle mit einer Sauerstoff absorbierenden Flüssigkeit gefüllt sein muß; als solche benutzt man eine Lösung von Chromchlorür. 5 — Ueber andere Methoden zu demselben Zweck vgl. SCHÜTZE, 4 FBEBICHS, 5 P F L Ü G E « , 6 H E M P E L 7 und DENNBTEDT.* Die Maßnahmen, welche bei allen diesen Verfahren für die quantitative Absorption des aus dem Wasserstoff entstandenen Wassers erforderlich sind, machen die Apparatur etwas kompliziert; dageg n ist die g l e i c h z e i t i g e B e s t i m m u n g von K o h l e n s t o f f und Stickstoff (unter V e r z i c h t auf die W a s s e r s t o f f b e s t i m m u n g ) eine recht einfache Operation. Nach dem zuerst von FHANKLAND und ARMSTRONO 9 verwerteten Prinzip verbrennt man die sehr sorgfaltig mit Kupferoxyd oder Bleichromat verriebene Substanz in einem evaeuierten Rohr, mißt dann das sich entwickelnde Gemisch von Kohlensäure und Stickstoff und absorbiert die Säure durch Kalilauge. Der Gasrest ist Stickstoff.10 — Zum gleichen Zweck kann man auch das MEESINGEBSCHE Verfahren zur Kohlenstoffbestimmung mit der K E Ü Q E B sehen Ausführangsform der KJELDAHL-Methode (vgl. S. 27) vereinigen; 11 man ist dann aber naturgemäß auf diejenigen Substanzen beschränkt, deren Stickstoffgehalt sieb auf letzterem Wege vollständig in Ammoniak überführen läßt. Die Unbequemlichkeit, zur Ermittlung des Kohlenstoff-, Wasserstoff- und 1

M. 1 3 , 277 (1892).

1

JANNASCH, V . MEYEB, A . 2 3 3 , 375 (1886).

» Der Versuch MALPATTIS (Fr. 3 2 , 7 5 4 [ 1 8 9 4 ] ) , den Sauerstoff mittels im Kohleneäurestrom glühenden Kupfers zu absorbieren, bedeutet wohl kaum eine Verbesserung 0 dieses Verfahrens. * Fr. 5, 2 6 9 ( 1 8 6 6 ) . B. 10, 2 6 ( 1 8 7 7 ) . • Fr. 18, 296 (1879). ' Fr. 17, 409 (1878). ' In den S. 10—11 Anm. 4 und S. 18 Anm. 3 zitierten Broschüren. • Soc. 21, 87 (1868). 10

KLINGEMANN, A . 2 7 5 , 9 2 ( 1 8 9 3 ) . —

» FBITSCH, A . 2 9 4 , 79 (1897).

MÖRNEB, F r . 3 7 , 1 ( 1 8 9 8 ) .

26

Sticksloffbestimmung durch üeberführung in Ammoniak.

Stickstoff-Gehalts zwei Verbrennungen ausführen En müssen, läßt sich- dadurch umgehen,1 daß man zunächst den Kohlcnstöffgehalt auf nassem Wege feststellt und dann eine zweite Substanzprobe in einem Strom trockener Kohlensäure verbrennt Der entweichende Wasserdampf wird dann wie üblich in einem Chlorcalciumrohr, der Stickstoff in einem ScBirpschen Apparat aufgefangen.

Das Verfahren der volumetriacben Stickstoff bestimmung gibt innerhalb der S. 24 angedeuteten Fehlergrenze fast in allen Fällen zuverlässige Resultate und wird daher jetzt, wenn es sich um die Ermittlung des Stickstoffgebalts von neuen Verbindungen handelt, wohl allgemein angewendet— In agrikulturchemischen Laboratorien ist täglich eine größere Reihe von Stickstoffbestimmungen an Futterstoffen, Düngemitteln usw. anzustellen, und man bedarf daher für diese Zwecke einer Methode, welche rascher auszuführen ist. Früher bediente man sich der Methode von W I L L und VARKENTHAPP, welche darauf beruht, daß aus jenen Stoffen beim Erhitzen mit Natronkalk die ganze Menge des in ihnen enthaltenen Stickstoffs als Ammoniak entwickelt wird; in einer kurzen Verbrennungsröhre wurde daB Gemisch der Substanz mit Natronkalk erhitzt, das entweichende Ammoniak in einer abgemessenen Menge titrierter Salzsäure aufgefangen und durch Zurücktitrieren der nicht neutralisierten Säuremenge bestimmt. Dies Verfahren ist jetzt fast vollständig durch die bequemere Met h o d e von K J E L D A H L 2 verdrängt; ihr Prinzip besteht darin, daß die Substanz mit konzentrierter Schwefelsäure einige Zeit auf eine dem Siedepunkt der Säure nahe liegende Temperatur erhitzt wird,3 wodurch in vielen Fällen schon der größte Teil des Stickstoffs in Ammoniak übergeführt wird; durch Zusatz von kleinen Portionen pulverförmigen Kaliumpermanganats nach beendigter Einwirkung der Schwefelsäure wird die Üeberführung in Ammoniak vollständig. Die Zersetzung wird in einem Kölbchen aus Kaliglas ausgeführt; nach ihrer Beendigung wird mit Wasser verdünnt, mit Natronlauge übersättigt, das gebildete Ammoniak abdestilliert4 und durch Titration bestimmt 4 Diese ursprüngliche Form 1

GEHRENBECK, 6 . 2 2 , 1694 (1889); vgl.

auch KEHBHANN, MESSINGES, B. 2 4 ,

2172 (1891). * KJULDABL, Fr. 22, 366 (1S83). — Eine praktische Vorschrift zur Ausführung des Verfahrens vgt in HOHPE-SEYLEBB Handb. d. phygiol.- u. pathol.-chem. Analyse, 7. Aufl. v o n THUKFELDEB (Berlin, 1903), S. 411—413.

s Das häufig sehr listige, unregelmäßige Sieden („Stoßen") des Gemisches Wird am besten vermieden, wenn man das Kölbchen mit Hülfe einer geeigneten Vorrichtung ständig schüttelt [SIEGFRIED, H. 41,1 (1904)]. 4 DM Schäumen der siedenden Flüssigkeit [vgl. anch GBÜGOIRE, CAVUVX (C. 1903,1,1436)] läßt sich durch Zufügen von Talcum vermindern. — Ueber spezielle Destillierapparate für das KJELDABL sehe Verfahren vgl. BLANK, Ch. Z. 28, 406 (1904). — Auf Fehler, welche durch die AJkalinität des für die Kühler und Siederöhren benutzten Glases in die Bestimmung hineingetragen werden können, haben JALOWBTO (C.1804, II, 1068), sowie SCHÖNEWALD und BASTELT (C.1906,1,47) aufmerksam gemacht. * In gewissen Fällen kann das übergehende Ammoniak mit flüchtigen organischen Aminbasen verunreinigt sein. Nach D£BOOBDEAVX [C. r. 138, 905 (1904)] läßt

Kjeldahl sehe Stickstoffbestimmung.

27

der vortrefflichen Kjeldahl sehen Methode, welche in theoretischer Beziehung übrigens noch sehr der Aufklärung bedürftig ist, 1 wurde in mannigfacher Weise modifiziert-, denn es stellte sich bald heraus, daß zahlreiche organische Verbindungen, besonders solche, weiche den Stickstoff in ringförmiger Bindung enthalten, wie Pyridin und Chinolin, auf diesem Wege nicht vollständig in dem gewünschten Sinne auf* geschlossen werden können. Man ging deshalb bald dazu Ober, der Schwefelsäure gewisse Chemikalien zuzusetzen, welche teils ihren Siedepunkt erhöhen, teils ihre oxydierende und spaltende Kraft vergrößern sollten. Zu erstgenanntem Zweck dient meist das Kaliumsulfat* oder Natriumpyrophosphat,3 während als Oxydationsmittel unter anderem Kaliumbichromat,4 Kupfersulfat,6 sowie Quecksilber* und dessen Salze empfohlen worden sind. Bei der Verwendung von Quecksilber bzw. seinen Salzen ist es jedoch notwendig, vor dem Abtreiben des Ammoniaks durch Schwefelkalium oder auch Natriumhypo3ulfit7 das Quecksilber als Sulfid auszufällen, da ohne diese Maßregel ein Teil des Ammoniaks in Form von Quecksilberamidverbindungen zurückbleiben oder wenigstens sehr langsam aus denselben ausgetrieben werden würde. Körper mit 0 : N - oder N • N-Bindungen sind der Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl meist erst nach voraufgehender Reduktion dieser Komplexe zu NB^ zugänglich. Mabtin Kbügeb8 empfiehlt zur Vorbehandlung* von Nitroso-, Nitrokörpern u. dgl. die Reduktion mit Zinnchloriir und Salzsäure in Alkohol. In einigen Fällen, speziell bei Nitroverbindungen und Nitraten, gelingt es häufig, durch einen Zusatz von Phenol, Salicyleäure oder anderen, leicht nitrierbaran Stoffen9 zur Schwefelsäure eine vollständige Umwandlung des vorhandenen Stickstoffs in Ammoniak zu erzielen. Die Schwierigkeiten, welchen man bei der Uebertragung der KjblDAHLschen Methode auf gewisse Aminosäuren, auf Kreatin, Kreatinin und einige Verbindungen der Harnsäuregruppe begegnete,10 haben sich sich dieser Uebelstand vermeiden, wenn man die Substanz mit Kaliumhyposnlfit und Raüummonosulfidlösung eindampft oud dann mit Kalilauge destilliert. ' Dafert, B. 18 Ref., 19« (1885). — Donath, M. 11, 15 (1890). — Bbedig, Brown, Pb. Ch. 46, 502 (1903). : 3 Gdmkimg, Fr. 2 8 , 188 (1889). RIVRIJUÄ, Buihachs, B L [ 3 1 1 5 , 806 (1896). 4 Kbügeb, B. 27, 609 (1894). — Die Anwendung dieses Mittels ist besonders bei Pyridin- und Cbinolinderivaten geboten. * Cadssb, Bl. [3] 18, 636 C1895). * Wilpabtb, Fr. 24, 455 (1885). — Aboutinskt, C. 1890,1 598. ' Maqubnne, Koüx, Bl. [3] 21, 312 (1899). — NECBEBO, B. Ph. P. 2, 214 (1902). » B . 27,vi633 (1894). — Vgl. auch: Flamand, Prager, B . 8 8 , 659 (1905). — Milbauer, Fr. 4 2 , 725 (1903). * v. Asboth, C. 1886, 161. — Jodlbacer, ebenda 433; vgl. auch Dy^b, Soc. 67, 811 (1895). 10 Kutscher, STETOEL, H. 38,12 (1903). — Schöjjdorfp, C. 1805, II, 951; 1903, EL, 683. — GIBSON, C. 1 9 0 4 , 1 , 752. — Sörenskn, ANDERSEX, H. 4 4 , 429 (1904).

28

Kjeldahl sehe Stickstoffbestvmmung.

schließlich überwinden lassen durch Oxydation mit wäßriger Permanganatlösung 1 oder durch genügend langes Erhitzen.3 Nur bei Chloroplatinaten' versagen alle Modifikationen * der KjeldAHL-Methode, weil das Platinchlorid leicht Chlor abspaltet, welches einen Teil des Ammoniaks zu elementarem Stickstoff oxydiert. Die Bedeutung des K j e l d a h l sehen Verfahrens, das in der Genauigkeit seiner Resultate hinter der I)uMA88chen Methode keineswegs zurücksteht, kommt in erster Linie bei agrikulturchemischen5 und physiologischchemischen Untersuchungen zur Geltung, wo es sich um die g l e i c h z e i t i g e A u s f ü h r u n g z a h l r e i c h e r g l e i c h a r t i g e r A n a l y s e n handelt. Auch bei rein chemischen Arbeiten aber wird es gelegentlich mit Vorteil herangezogen werden können, wenn die gasvolumetrische Methode aus irgend einem Grunde (vgl. S. 24—25) versagt oder ihre Ausführung besondere Schwierigkeiten macht. 6 Nach v. Kowek7 läßt sich der Stickstoff in den verschiedensten Klassen organischer Verbindungen durch Verschmelzen mit Natriumsuperoxyd quantitativ zu Salpetersäure oxydieren, die man dann nach Devabda bestimmen kann. Ueber die Ermittlung des Stickstoffgehalts in Amiden, Nitrilen, Harnstoffen, Aminosäuren und Eiweißkörpern mit alkalischer Hypochloritlösung vgl. Effromt, B. 37, 4290 (1904). Bestimmung des Stickstoffs in Nitraten und Salpetersäureestern: Wohl, PoppknBEEO, B. 36, 676 (1903). — D£bourdeaux, Bl. [3] 31, 1, 3 (1904).

ä. Die Bestimmung der Halogene und des Schwefels kann in

den meisten Fällen nach dem V e r f a h r e n von Camus 8 ausgeführt werden. Es besteht darin, daß die Substanz durch Erhitzen mit starker Salpetersäure vollständig oxydiert wird, wobei der Schwefel in Schwefelsäure Ubergeführt wird, während die Halogene zunächst als solche abgeschieden werden und bei Gegenwart von Silbernitrat in ihre unlöslichen Silberverbindungen übergehen. Man wägt die Substanz (in der Regel nicht mehr als 0>15—0-2 g) in einem engen, 6—8 cm langen Höhrchen aus schwer schmelzbarem Glase ab und läßt dieses in eine starkwandige, etwa 5 dm lange, mit 1 bis höchstens 2 ccm reiner Salpetersäure vom spez. Gewicht 1*5 beschickte Röhre gleiten, welche ebenfalls aus schwer schmelzbarem Glase gefertigt ist und einen inneren Durch' Malfatti, H. 39,467 (1903). ' Söbbnsen, Pedkbskn, H. 39, 513 (1903). — Beqeb, Fingerling, Morgen, H. 39, 829 (1903). — Im allgemeinen ist die Ammoniakbildung bei der KjELDAHi-Methode bereits beendigt, sobald die Lösung klar geworden ist (Law, C. 1902, II, 477). * DÜLINNB, BL. [S| 1 3 , 2 2 2 (1895).

4

Ueber die elektrolytische Zerstörung der in Schwelelsäure gelösten Substanz vgL Budde, Sohoc, Fr. 3 8 , 344 (1899). ' Modifikationen des Verfahrens für spezielle Zwecke der landwirtschaftlichen Chemie: Kkllnbb, G. 1903, II, 463. — Sbebhan, Mc Lacghlin, Ostebbebo, Am. Soc. AE, 3 6 7 (1904). — Sherman, Falk, Am. Soc. 2 6 , 1 4 6 9 (1904). — Cobbadi, C. 1 9 0 5 , II, 569• Vgl. Dennstedts S. 10—11 in Anm. 4 zitierte Broschüre S. 58. 9 ' Z. Aug. 17, 888 (1904). A. 136, 129 (1865).

Bestimmung

der Halogene und des

Schwefels.

29

messer von 12—14 mm besitzt; bei Halogenbestimmungen setzt man ferner noch eine solche Menge Silbernitrat zu, daß diese sicher zur Bindung des ganzen Halogengehalts ausreicht. Das „Einschmelz-" oder „Schieß-Robr" wird dann — eventuell unter Zuhülfenahme eines Sauerstoffgebläses — zu einer capillaren Spitze ausgezogen und zugeschmolzen, wobei man Sorge trägt, daß während des Zuschmelzens die Salpetersäure noch nicht mit der Substanz in Berührung kommt (vgl. Fig. 9), darauf in eine unten geschlossene eiserne Schutzröhre gesteckt und im Kanonenofen (Fig. 10)1 erhitzt. Letzterer wird derart aufgestellt, dafi die vordere, die offenen Enden der Schutzröhren enthaltende Seite einer festen Wand zugekehrt ist; eine etwa während des Erhitzens

Fig. 9.

Einschmclzröhre.

Fig. 10. Kanonenofen.

eintretende Explosion kann dann keinen Schaden anrichten, da die Röhrensplitter zunächst gegen die Wand geschleudert werden. Es empfiehlt sich ferner, die Füße des Kanonenofens fest auf den Tisch zu schrauben oder ihn mittels einer starken eisernen Kette mit einem in die Wand eingelassenen Haken zu verbinden, da es zuweilen bei sehr heftigen Explosionen vorgekommen ist, daß der ganze Ofen -— falls er 1 Ueber eine vereinfachte Konstruktion der „Schiefiöfen" vgl. F. W. Köster, A. 285, 842 Anra. 2 ( 1 8 9 5 ) . — Die jetzt wohl an ollen derartigen Oefen angebrachten, zum Auf- und Abwärtsbewegen eingerichteten Heizschlangen sind von Gattermaku und Weimlig [B. 2 7 , 1 9 4 4 ( 1 8 9 4 ) ] angegeben worden. — Vorrichtungen zum gleichzeitigen Erhitzen mehrerer Röhren auf bestimmte Temperaturen, z. B. den Siedepunkt des Auilins oder gewisser Kohlenwasserstoffe, haben Volhabd [A. 284, 2 3 5 ( 1 8 9 5 ) ] und Sudbohodqh (C. 1899, I, 721) beschrieben. — Einen Schießofen, welcher daa Beobachten der unter Druck vor sich gehenden Reaktionen gestattet, hat Jonghahn [Ch. Z. 28, 1 1 7 6 ( 1 9 0 3 ) ] konstruiert.

30

Methode von Conus.

frei stand — fortgeschlendert wurde. Für manche Substanzen genügt ein Erhitzen auf 150—200°, bei anderen ist eine mehrstündige, ja selbst mehrtägige Einwirkung bei 250—300° oder noch höheren Temperaturen erforderlich; es ist daher empfehlenswert, in allen Fällen wenigstens eine Temperatur von etwa 300° zu erreichen. Um ein Springen der Röhren bei diesen hohen Temperaturen zu vermeiden, erhitze man zunächst einige Stunden nur auf 180—200°, lasse dann erkalten, öffne die Röhre (vgl. darüber unten), lasse die schon reichlich durch Oxydation der Substanz gebildete Kohlensäure und die niederen Oxyde des Stickstoffs entweichen, schmelze wieder zu und erhitze jetzt mehrere Stunden auf 250—300°. Bei schwer oxydierbaren Substanzen muß man die Temperatur so hoch steigern, als es bei voller Ausnutzung der Heizflammen jnöglich ist; man entfernt dann natürlich das die Temperatur anzeigende Quecksilberthermometer.* — Das Oeffnen der starken Druck enthaltenden Köhren kann bei unvorsichtigem Operieren zu gefahrlichen Explosionen Anlaß geben, ist aber bei Einhaltung der folgenden Kautelen völlig gefahrlos. Man öffne niemals eine Röhre vor dem vollständigen Erkalten, lasse nur den obersten Teil aus der eisernen Schutzröhre herausgleiten und umwickle diesen, bis auf die Spitze mit einem Handtuch. Eine etwaige Explosion während des Oeffnens verläuft dann gefahrlos, da die Splitter durch die eiserne Röhre und das Handtuch zurückgehalten werden. Da indes in vereinzelten Fällen auch die eiserne Schutzröhre bei Explosion der inneren Röhre geborsten ist, so ist es empfehlenswert, die Hand, mit welcher man die eiserne Röhre faßt, durch einen starken ledernen Handschuh zu schützen. Die Spitze wird nun in der leuchtenden Flamme eines Bunsenbrenners vorsichtig erwärmt, damit die in ihr enthaltenen Flüssigkeitsteilchen nach unten destillieren und nicht beim Oeffnen herausgeschleudert werden können; darauf erwärmt man in der nicht leuchtenden Flamme bis zum beginnenden Erweichen. Durch den von innen wirkenden Druck bläst sich die Spitze alsbald auf, und die Oase entweichen allmählich und gefahrlos durch die entstandene kleine Oeffnung. Man sprengt nun die Röhre unmittelbar unter der Spitze ab und spült den Inhalt mit Wasser in ein Becherglas. Bei Halogenbestimmungen hat man zunächst das Halogensilber zu filtrieren und in bekannter Weise weiter zu behandeln; im Filtrat läßt sich ein etwaiger Schwefelgehalt durch Fällung mit Barinmnitrat nachweisen und bestimmen. Bei halogen1 Naeh KOSXBB [A. 286, 340 (1895)] sind derartige Maßnahmen für die Halogenbestimmung allerdings nicht erforderlich. Er erhitzt in einem 50 cm langen Einschmelzrohr von ScHorr-Jena, das 2 mm Wandstärke und 12 mm lichte Weite besitzt, 0-1—0-2 g Substanz mit '/« g Silbemitrat in Stöcken und nur 16—20 Tropfen Salpetersäure (D. 1-5) auf 320—840° (Stickstoffthermometer!) und versiebtet auch auf ein langsames Anheizen des Ofens. Das Rohr lftßt sich wiederholt benutzen, ohne daß ein Zerspringen su befürchten ist — Nach ANOKLI [G-. 21, II, 163 (1891)] kann bei der Schwefelbestimmung durch Zusatz von etwas Brom zur Salpetersäure die Zersetaungstemperatur erheblich herabgesetzt weiden.

Halogenbestimmung mittel? Kalks.

31

freien schwefelhaltigen Substanzen kann man unmittelbar nach starker Verdünnung mit Chlorbarium fällen oder auch vor der Fällung durch Eindampfen auf dem Wasserbade die überschüssige Salpetersäure vertreiben. Es sei daran erinnert, daß das schwefelsaure Barium stets auf einen Gehalt an löslichen Bariumsalzen geprüft werden und nötigenfalls durch Auskochen mit verdünnter Salzsäure davon befreit werden muß. In Verbindungen, welche sich nach der CAKIUS sehen Methode nicht vollständig oxydieren lassen, bestimmt man den Schwefel zweckmäßig durch Ueberführung in schwefelsaures Calcium, indem man die mit reinem Kalk gemischte Substanz in einem einerseits zu einer Spitze ausgezogenen Verbrennungsrohr unter Ueberleiten eines Sauerstoffetroms erhitzt Der Röhreninhalt wird dann in verdünnter Salzg&ure gelöst und die %.ösung mit Chlorbarium gefällt. Auch durch Glühen der Substanz mit Aetzkalk, der mit CalciumnitratlSsung abgelöscht wurde,1 kann, der Schwefel zu Schwefelsäure oxydiert werden. — Versuche, die CARITO sehe Methode zur Bestimmung der Halogene dadurch zu vereinfachen, daß man den ReBt des nicht in Halogeusilber umgewandelten Silbernitrats nach VOLHABD mit Rhodanammonium titriert,* geben leicht falsche Resultate,* weil — besonders bei zu langem oder zu starkem Erhitzen — das ßlas nicht unbedeutende Mengen Silber als Silicat aufnimmt.

Die Bestimmung der Halogene kann in allen Fällen durch Glühen der Substanz mit Kalk 4 in einer am einen Ende rund geschmolzenen, 3—4 dm langen Verbrennungsröhre (ohne Ueberleiten von Sauerstoff) ausgeführt werden. In die Röhre wird zunächst etwas reiner Kalk, dann das Gemisch der Substanz mit Kalk, endlich eine längere Schicht reinen Kalks gebracht; man erzeugt dann durch Aufklopfen einen Kanal und erhitzt auf dem Verbrennungsofen — vom vorderen Ende anfangend — allmählich zum Glühen. Nach dem Erkalten wird der Kohrinhalt in Wasser geschüttet und mit Salpetersäure bis zur schwach sauren Reaktion versetzt; man filtriert von der ungelöst bleibenden Kohle und fällt im Filtrat das Halogen durch Silbernitrat. Zum Auswaschen des Niederschlags nimmt man am besten zunächst eine verdünnte Silbernitratlösung, wodurch die lösende Wirkung de8 Calciumnitrats verringert wird.' Bei der Analyse von jodhaltigen6 Substanzen würde in der sauren Lösung etwas Jod ausgeschieden werden; man versetzt dann vor der Filtration mit etwas schwefliger Säure, um das freie Jod wieder in Jodwasserstoffsäure überzuführen. Die Halogenbestimmung durch Glühen mit Kalk führt rascher zum Resultat als die CABiussche Methode und ist der letzteren fast stets vorzuziehen, wenn es sich nicht um die gleichzeitige Bestimmung von Halogen und Schwefel handelt. Nach neueren Vorschlägen zerstört man die organische Substanz 1

Nraora,

DE KÖNINCK,

B. 2 7

Ref., 801

(1894).

' W A L K E R , HEMDEBSON, B . 2 8 R e f . , 8 6 1 ( 1 8 9 5 ) . • KÜSTER, A . 2 8 5 , * BAEYEE [ B .

344

(1895).

38, 116S Anm. (1905)] zieht Soda vor.

* WROWMXIDBR, M . 1 8 , 3 4 4 ( 1 8 9 7 ) .

* Ueber Machweis und uolorimetrische Bestimmung kleiner Jodmengen vgl. BOCBCBT, C . 1 8 0 8 , I ,

1228.

82 dorch S c h m e l z e n mit einem Gemisch von N a t r i u m s a p e r o x y d und Soda 1 oder reinem Natriumsuperoxyd 2 in geeigneten Tiegeln und benatzt verkettungstheorie. — Ermittlung der Konstitution der Alkohole, Aether, Carbonsäuren, Aldehyde und Ketone. — Stereocbemie. — Physikalische Isomerie, Polymorphie. '— Gldehgewichts-Isomerie, Tautomerie und Desmotropie.)

Geschichtliches.. Von den vier Fragen, deren Beantwortung am Beginn des vorigen Kapitels als notwendig zur Ermittlung der Zusammensetzung chemischer Verbindungen verlangt wurde, können die drei ersten nach den daselbst beschriebenen Methoden gelöst werden. Es bleibt uns zu besprechen» auf welchem Wege die letzte Frage, welche das Problem der r a t i o n e l l e n Z u s a m m e n s e t z u n g oder der Konstitution der chemischen Verbin« düngen einschließt, einer Lösung nahe gebracht werden kann. Wenn wir die Umwandlungen der Verbindungen ineinander verfolgen, so sehen wir oft, wie in einer Seihe von Umsetzungen ein größerer zusammengesetzter Bestandteil von den Veränderungen, die in der molecularen Zusammensetzung hervorgebracht werden, unberührt bleibt Einen solchen Atomkomplex, welcher — nicht unähnlich einem Elementaratom — den chemischen Eingriffen in einer größeren Zahl von Reaktionen Stand hält, sich von den mit ihm verbunden gewesenen Atomen trennt, um an sich unverändert mit anderen Atomen zu einer neuen Verbindung zusammenzutreten, nennt man ein Radical. Die Erkenntnis der Bedeutung der Radicale für eine rationelle Auffassung der organischen Verbindungen wurde hauptsächlich durch die klassischen Arbeiten von GAY-LUBSAC 4 über das Cyan (1815), von LIEBIG und W Ö H L E S 6 über das 1 Ph. Ch. 2, 602 (1888). * B. 22, 1084 (1889). — Vgl. auch: GUGLIEIJIO, K. A. L. [5] 10, II, 232 (1902).

— BISDLE, A m . 2 9 , 341 (1908). — TOECHE-MITOBB, C. 1 8 0 8 , II, 411. — BÜGHBMEB,

A. 889, 297 (1905). — PEHMAN, SOC. 87, 194 (1906). * Neuerdings hat BAKUS [SOC. 85, 286 (1904); B. 87, 1764 (1904)] eine Methode ausgearbeitet, welche auf dem Vergleich der Dampfdrucke zweier Lösungen durch mikroskopische Messung der Größe von bikonkaven, in einem Capillarrohr gebildeten Tropfen beruht 4 A. ch. [1] 95, 136 (1815). » A. 3, 249 (1832).

60

Geschichtliche Entwicklung der Konstitutionalehre.

Benaoyl (1832), von Bdnbbk1 aber das Kakodyl (1839) gefördert Unter dem Einfluß dieser Untersuchungen erstarkte die R a d i c a l t h e o r i e , 1 welche namentlich von Bebzelius, Liebig und Dumas ausgebildet wurde und der Entwicklung unserer Wissenschaft äußerst förderlich gewesen ist wenn sie sich auch nicht dauernd zu behaupten vermocht hat. An dem Beispiel der Verbindungen der Benzoesäurereihe sei der Begriff des Radicals etwas näher erläutert Aus dem Bittermandelöl CjHgO (Benzaldehyd) entsteht durch Oxydation die Benzoesäure C7EeOs, aus letzterer durch Einwirkung von Chlorphosphor das Benzoylchlorid C T H 6 OC1, welches einerseits durch Reduktion, indem das Chloratom gegen Wasserstoff ausgetauscht wird, in das Bittermandelöl zurückverwandelt werden kann, andererseits durch Austausch des leicht beweglichen Chloratoms bei der Einwirkung von Wasser wiederum Benzoesäure liefert: C,H,0C1 + H, =» CjHJO-H + HCl; CjH.OCl + HÖH = 0,0,0 OH + HCL Es ist daher ersichtlich, daß die Atomgruppe C 7 H t 0 — das Radical Benzoyl —, welches im -Molecül des BenzoyIchloride mit einem Chloratom vereinigt ist, auch einen Bestandteil der Molecfile des Benzaldehyda und der Benzogsäure bildet Der Benzaldehyd erscheint als Benzoylwasserstoff C7H60«H, die Benzoesäure als Benzoylhydroxyd C,HjO'OH. Bei einer großen Zahl anderer Umsetzungen, deren nähere Besprechung hier zu weit führen würde, läßt sich ebenfalls der Uebertritt des Benzoylradicala von einer Verbindung in eine andere verfolgen. Das Aufsuchen der Radicale, welche sich in gewissen Reaktionsfölgen unverändert erhalten, ist bis heute eines der wichtigsten Halfemittel zur Erforschung der chemischen Konstitution geblieben. Doch ist für uns die Erkenntnis der Radicale eben nur ein Hülfsmittel und nicht, wie zur Zeit der Radicaltheorie, das Endziel der Konstitutionsbetrachtung. Wir können in den Radicalen nicht mehr etwas den Elementaratomen durchaus Vergleichbares erblicken; denn wir wissen, daß es von der Auswahl der Reaktionen, die wir unseren Betrachtungen zugrunde legen, abhängt, welche Atomgruppen sich uns als etwas Zusammengehöriges zu erkennen geben. Die Benzoesäure z. B. enthält nach gewissen anderen genetischen Beziehungen ein Radical C e H„ das „Phenyl" genannt wird; sie läßt sich aus dem Ariilin, welches eine Verbindung des Phenylradicals mit dem Ammoniakrest NHj darstellt, gewinnen, indem man zunächst den Ammoniakrest durch das Cyanradical CN ersetzt und in dem so entstehenden Benzonitril die Cyangruppe durch Abspaltung des Stickstoffs in die Carboxylgruppe C0,H überführt: C,H»-NH, Anilin; C.H.-CN Benzonitril; C,H,-C0,H Benzoesäure. 1

A . 3 1 , 1 7 5 ( 1 8 8 9 ) ; 3 7 , 1 ( 1 8 4 1 ) ; 4 2 , 14 ( 1 8 4 2 ) ; 4 6 , 1 (1843).

* Die geschichtliche Entwicklung der Konstitutionalehre kann hier nur flüchtig geschildert werden. Ausführliche Darstellungen finden sich in den historischen Werken von Lapshbukg, Entwicklungsgeschichte der Chemie (3. Aufl., Braunschweig 1908) und E. v. Mcykr, Geschichte der Chemie (3. Aufl., Leipzig 1905).

61

Badiealtheorie und Typentheorie.

Destilliert man die Benzoesäure mit Kalk, so resultiert unter Abspaltung von Kohlendioxyd die Verbindung des Phenylradicals mit Wasserstoff: das Benzol C e H 6 -H. Wie sieb demnach aus den vorher geschilderten Reaktionen auf die Gegenwart eines Radicals C 7 H 6 0 (Benzoyl) schließen ließ, so gibt sich in den jetzt betrachteten Reaktionen das Phenylradical C6H5 als nicht wechselnder Bestandteil zu erkennen. Beide Befunde sind für die Frage nach der Konstitution der Benzoesäure von hoher Bedeutung, keiner derselben löst dieselbe in ausreichender Weise. Die Radicaltheorie (etwa von 1830—1845) beleuchtete die Beziehungen, welche zwischen Verbindungen von durchaus a b w e i c h e n d e m chemischen Charakter infolge des Vorkommens desselben Radicals bestehen. Die ihr später folgende Typentheorie (etwa von 1848—1858), welche sich hauptsächlich auf Experimentaluntersuchungen von W U B T Z , A. W. HOFMANN und WILLIAMSON stützte, von DUMAS begründet wurde, ihre Ausbildung aber in erster Linie GEBHARDT verdankt, faßte in glücklicher Weise solche Verbindungen unter einheitlichen Gesichtspunkten zusammen, welche verschiedene Radicale enthalten, aber ä h n l i c h e n chemischen Charakter zeigen. Alle organischen Verbindungen wurden nach dieser Lehre auf eine geringe Anzahl von Typen, welche der anorganischen Chemie entnommen sind, bezogen. Zunächst wurden die vier Typen: Wasserstoff:

Chlorwasserstoff:

¡3

Wasser:

Ammoniak:

S)

U-

aufgestellt. Auf den Typus Wasserstoff konnten die Kohlenwasserstoffe bezogen werden: Aethyl Wasserstoff; Methyläthyl. Dem Typus Chlorwasserstoff gehörten die Halogenderivate der Kohlenwasserstoffe, die Säurechloride, die Nitrile an: Acthylohlorid;

^Cl}

A

Benzoylehlorid;

cetylchlorid;

Propionitril.

Der Wassertypus umfaßte die Alkohole, Säuren, Säureanhydride und Ester: CsH Aethylalkohol; »^jo Essigsäure; C,H,

H}°

BenzoösäQre

;

CbHfeOj0 BenzoösSureftthylester;

C|H*O1°

E33i

K8äureanMrid;

^ ( f j p j o Essigsäurefithylester;

62

Typtntheorie.

der Typua Ammoniak endlich die Amine and Säureamide: C

^ » | N Methylamin;

Aethylamin;

(CH,^Jn Dinj^yiami,,.

Acetamid;

^ { J ^ N Benzamid;

Succinimid.

Diesen vier Typen fügte später Kekuii& noch den Typus „Grubengas" Hl g l C zu. Das Bestreben, alle organischen Verbindungen diesen Typen einzureihen, machte ferner die Annahme von „vervielfachten" und „gemischten" Typen notwendig. Die Typentheorie ermöglichte eine außerordentlich Übersichtliche Systematik der organischen Verbindungen; das Problem der Konstitutionserforschung fand indes in dem Vergleich mit gewissen einfachen anorganischen Typen noch durchaus keine befriedigende Lösung. Jene Analogien zwischen komplizierten organischen Verbindungen und einfachen anorganischen Typen haben sich zwar keineswegs als unzutreffend erwiesen, vielmehr werden sie auch in unseren heutigen Anschauungen noch in demselben Umfang wie zur Zeit der Typenlehre anerkannt. Indes ihre Erkenntnis genügte nicht zur Lösung einer Aufgabe, welche bei' Konstitutionsbetrachtungen mit in erster Linie steht: zur Erklärung der einzelnen Isomeriefälle, d. h. jener Fälle, in welchen wir bei gleicher prozentischer Zusammensetzung und gleicher Moleculargröße Verschiedenheit der Eigenschaften beobachten (vgl. S. 4, 83). Wir kennen z. B. drei Verbindungen CsHaO: Metbyläthyläther, Propylalkohol und Isopropylalkohol; die Typentheorie verwies mit Recht alle drei in den Typus Wasser und versinnlichte ihre Zusammensetzung durch die Ausdrucke: CH.)0 C,H,j0 C,H,j 0 Methyläthyläther;

Propylalkohol;

Isopropylalkobol.

In diesen Formeln finden wir wchl eine Erklärung für die Verschiedenheit des gemischten Aethers von den beiden Alkoholen; denn in dem Methyläthyläther sind eben beide Wasserstoffatome des Wassers durch kohlenstoffhaltige Radicale vertreten, während in den beiden Alkoholen eines noch unvertreten enthalten ist Warum aber sind Propylalkohol und Isopropylalkohol voneinander verschieden, wenn beide als Wasser aufgefaßt werden müssen, in welchem die Hälfte des Wasserstoffs durch ein Radical C,H7 (Propyl) ersetzt ist?. Offenbar wird dieses Radical in jedem der beiden Fälle eine abweichende rationelle Zusammensetzung besitzen; auf die Frage aber, worin diese Verschiedenheit bestehen mag, konnte die Typenlehre keine Antwort geben; sie konnte

Atomverkeilungstheorie.

63

wohl die gröbere Isomerie zwischen den Angehörigen verschiedener Xörperklassen erklären, für die feinere Isomerie, wie sie zwischen Verbindungen einer und derselben Klasse besteht, konnte ihr eine Deutung nicht entnommen werden. Also weder das Aufsuchen der Radicale, welche Bich rn gewissen Reaktionsfolgen unverändert erhalten, noch die Ableitung der einzelnen Verbindungen von bestimmten Typen enthüllt uns die rationelle Zusammensetzung der Molecüle organischer Verbindungen so weit, daß das berechtigte Verlangen nach einer Erklärung aller Isomeriefälle erfüllt wird. Nicht bei der Erkenntnis gewisser Atomgruppen, die den Wandel einiger Reaktionen in ihrer Zusammengehörigkeit überdauern, dürfen wir stehen bleiben; denn, wie das eben besprochene Beispiel der beiden Propyl-Radicale erkennen laßt, zeigen auch diese Bruchstücke der Molecüle noch Isomerie, d. h. Verschiedenheit bei gleicher empirischer Zusammensetzung. Die Gliederung der Molecüle muß bis auf jene einzelnen Bausteine verfolgt werden, deren weitere Zerlegung wir zwar nicht als undenkbar, aber als für unsere gegenwärtigen Hülfsmittel unausführbar betrachten, — bis auf die Elementaratome. Dieses Ziel, die Konstitution der chemischen Verbindungen durch das Zurückgehen bis auf die einzelnen Elemeutaraiome zu erkennen, wird in der Atomverkettungstheorie erstrebt. )hre> Grundzüge entwickelten unabhängig voneinander KEKÜU6 und COÜPEB (1858); das Verdienst, durch eine systematische Durchführung ihre Brauchbarkeit erwiesen und ihr dadurch allgemeine Geltung verschafft zu haben, gebührt unstreitig in erster Linie KEKUIJ£, welcher hierin von BÜTLEBOW und EBLHNMEYEK sen. in erfolgreicher Weise unterstützt wurde. Die Atomverkettungslehre hat sich nicht nur in fast allen Fällen als fähig bewährt, die Konstitution der bekannten organischen Verbindungen in befriedigender Weise zu deuten; sie ist seit ihrer Aufstellung bis heute — also bereits durch einen Zeitraum von fast einem halben Jahrhundert — der Leitstern für die überwiegende Mehrzahl der neuen Untersuchungen auf dem Gebiete der organischen Chemie gewesen; sie hat Beziehungen angedeutet, welche zwischen gewissen Verbindungsklassen bestehen könnten und dann durch das Experiment erkannt wurden; sie ließ die Existenz gewisser neuer Verbindungsformen als möglich erscheinen, wies die Wege, auf welchen man die Darstellung dieser neuen Verbindungen in Angriff nehmen könnte, und ließ den Experimentator, der sich ihrer Leitung anvertraute, nur selten unbalohnt; kurz sie verlieh der Forschung einen Impuls, wie er wohl selten mächtiger und nachhaltiger von einer Theorie ausgegangen ist Atom Verkettungstheorie. Die Atomverkettungstheorie oder Strukturtheorie, wie man sie auch treffend bezeichnet, da sie die Bauart der Molecttle erkennen lassen will, geht von dem Grundsatz aus., daß jedes Elementaratom nur

64

VàUmxiekre.

mit einer begrenzten kleinen Anzahl anderer Âtome in u n m i t t e l b a r e Beziehung treten kann. Für jedes Element ist diese Zahl von Atomen, welche von je einem Atom gebunden werden können, eine charakteristische Eigenschaft, welche als A t o m b i n d e k r a f t , S ä t t i g u n g s k a p a z i t ä t oder häufiger a b W e r t i g k e i t , V a l e n z bezeichnet wird. Die Lehre von der Valenz der Elemente, welche vornehmlich von C O U P E R , F B A N K L A N D , K E K U L É , K O L B E 1 und O D L E N O ausgebildet ist und schon frühzeitig ( 1 8 5 2 ) in besonders klarer Weise von F B A N K L A N D dargelegt wurde, war daher ein notwendiger Vorläufer der Atomverkettungstheorie. Ein Urteil über die-Atombindekraft der einzelnen Elemente bilden wir uns, indem wir feststellen, in welchem Atomverhältnis sie miteinander zu Verbindungen zusammentreten und in Verbindungen sich gegenseitig ersetzen können. Wenn wir nun an den Umwandlungen von wasserstoffhaltigen Verbindungen verfolgen, in welchem Atomverhältnis der W a s s e r s t o f f durch andere Elemente vertreten wird, so machen wir die Wahrnehmung, daß niemals eine größere Zahl von Atomen eines anderen Eléments an die Stelle eines Wasserstoffatoms tritt, wohl aber häufig mehrere Wasserstoffatome durch ein Atom eines anderen Elements ersetzt werden. Aus diesem Befund können wir schließen, daß unter denjenigen bekannten Elementen, welche überhaupt zur Bildung von Verbindungen befähigt sind, keines eine niedrigere Valenz als der Wasserstoff besitzt. Wir bezeichnen daher den Wasserstoff als einw e r t i g e s Element. Die Wertigkeit anderer Elemente, welche die Fähigkeit besitzen, mit Wasserstoff Verbindungen zu bilden, wird nun aus der Zusammensetzung dieser Verbindungen ermittelt werden können, vorausgesetzt, daß eine Wasserstoffverbindung bekannt ist, deren Molecül nur ein Atom des auf seine Wertigkeit zu untersuchenden Element» enthält. An dieser Stelle haben wir uns nur mit der Valenz des fur die organischen Verbindungen charakteristischen Elements —5 des K o h l e n s t o f f s — zu beschäftigen. Für dieses trifft obige Voraussetzung zu; denn unter seinen zahlreichen Wasserstoffverbindungen findet sich eine, deren Molecül nur ein C-Atom enthält, und diese Verbindung — das Grubengas oder Methan '— besitzt die Molecularformel: CH,,

welche uns dazu führt, das Kohlenstoffatom als vi er w e r t i g zu betrachten. Diese Folgerung wird dadurch bestätigt, daß wir das gleiche Atomverhältnis in den einfachsten Verbindungen des Kohlenstoffs mit denjenigen Elementen finden, welche nach zahllosen Erfährungen, wenn sie an Stelle von Wasserstoffatomen in Verbindungen eingeführt werden, 1 Zwar wurde K O L B E in seinen späteren Jahren ein unermüdlicher Bekfimpfer der Valeuztheorie, ,doch hat gerade er mit in erster Linie zur Klarlegung des Valenzbegriffs beigetragen.

Vierwertigkeit

des

Kohlenstoffs.

65

den Wasserstoff Atom für Atom vertreten, also die gleiche Wertigkeit wie Wasserstoff äußern, — nämlich den Halogenen: CF4;

CGlt;

CBr4; CJ«.

Da es feruer bei der konsequenten Durchführung dieser Folgerung gelingt, für die ungeheure Zahl der Kohlenstoffverbindungen in fast allen Fällen Vorstellungen über den Bau der Molecüle zu entwickeln, welche die Bildungsweisen und Umsetzungen der einzelnen Körper in plausibler Weise erklären, so darf die Vierwertigkeit des K o h l e n s t o f f a t o m s als wohlberechtigte Grundlage für die Betrachtungen über die Konstitution der organischen Verbindungen gelten. Freilich sind auch Ausnahmen zu verzeichnen: Verbindungen, deren molecularer Bau sich ungezwungen nur unter der Annahme deuten läßt, daß es in ihren Molecülen' Kohlenstoffatome gibt, welche ihre Atombindekraft nicht völlig betätigen. Zu diesen Ausnahmen gehört gerade die einfachste Kohlenstoffverbindung: das Kohlenoxyd CO, in dessen Molecül ein Kohlenstoffatom sich mit der Bindung eines Sauerstoffatoms begnügt, und mithin — wenn wir das Sauerstoffatom entsprechend der Zusammensetzung seiner wasserstofireichsten Wasserstoffverbindung H , 0 als zweiwertig betrachten — nur die Hälfte seiner Sättigungakapazität äußert Auch gewisse stickstoffhaltige Verbindungen (Carbylamine, Knallsäure) finden ihre beste Deutung unter der namentlich von NKF verfochtenen Annahme, daß ihre Molecüle ein Kohlenstoffatom enthalten, welches nur mit der Hälfte seines Atombindongsvermögens in Wirkung tritt. In neuester Zeit (1900) ist ferner ein Kohlenwasserstoff bekannt geworden, für welchen sein Entdecker G O M B E B G 1 die Strukturformel (CgHj), G als wahrscheinlich betrachtet; in dem Molecül dieser „Triphenylmethyl" genannten Verbindung würde also ein Kohlenstoffatom (in obiger Formel kursiv gedruckt) nur drei einwertige Radicale CgH6 („Pheayl"-ßadicale, vgl. S. 60) binden und demgemäß nur mit drei Vierteln seines regulären Atombindevermögens auftreten. 1 Solcher Erscheinungen sind wir aus der Anorganischen Chemie nicht ungewohnt; man hat, um ihnen Rechnung zu tragen, für die Mehrzahl der Elemente die Annahme gemacht, daß diesen niefit eine k o n s t a n t e Wertigkeit zukommt, sondern daß ihre Wertigkeit v e r ä n d e r l i c h ist. Die Wahrnehmung, daß ein Elementaratom unter Umständen seine Wertigkeit nicht vollständig ausnutzt, wäre durchaus nicht auffallend, wenn man die Atombindekraft etwa mit der Tragkraft eines Magneten vergleichen könnte. Wie letztere nur ein Maß für die höchstmögliche Ausnutzung des Magneten darstellt, so würde auch die Wertigkeit eines Elementaratoms nur der Ausdruck für die höchstmögliche Anzahl anderer 1

Vgl. die Zitate in Fußnote 2 auf S. 66. ' Vgl. dagegen: HEIHTSCHEL, B. 36, 320, 579(1903). — TSCWTOOHIBABIK, B. 37, 4709 (1904); 88, 771 (1906). — JACOBSON, B. 38, 196 (1906). MRYBR-JACODSON, o r g . Zw. Aufl. C h . I i . 5 (8epteinber 1905)

66

Wechselnde Valenz.

Atome sein, welche es direkt an sich ketten k a n n , aber nicht notwendigerweise in jedem Falle an sich zu ketten b r a u c h t . Allein dieser Vergleich entspricht nicht den üblichen Anschauungen über die Art der Kraftwirkung von Atom zu Atom in den Molecülen. Man hat vielmehr die Vorstellung gewonnen, daß die Bindekraft der Atome in einzelnen Angriffspunkten gewissermaßen „konzentriert" ist, von welchen aus die chemische Affinität in gesonderten Affinitätsanteilen wirkt; die Wertigkeit des Atoms ist hiernach eben die Anzahl solcher Angriffspunkte. Diese Vorstellung von der Teilung der einem Atom zukommenden Atombindekraft in einzelne Affinitätsanteile oder „ V a l e n z e n " , wie man kürzer zu sagen pflegt, hat eine erhöhte Berechtigung gewonnen, seit es mit ihrer Hälfe gelungen ist, die r ä u m l i c h e A n o r d n u n g der Atome innerhalb des Molecüls in erfolgreichster Weise zu diskutieren. 1 Im Sinne dieser Vorstellung hat also das Kohlenstoffatom Tier Angriffspunkte, an welchen es mit anderen Atomen in AffinitätsWirkung treten kann. Jene S. 65 erwähnten, mit dieser Affinitätsyerteilung nicht ohne weiteres vereinbaren Fälle bedürfen dann einer besonderen Erklärung. Man kann entweder die. Annahme machen, daß unter gewissen Umständen eine Verteilung der Atombindekraft in eine g e r i n g e r e Zahl einzelner „Valenzen'* eintreten kann (Annahme von w e c h s e l n d e r K o h l e n s t o f f v a l e n z , * von z w e i w e r t i g e m bzw. d r e i w e r t i g e m Kohlenstoff); oder aber man kann, indem man die Verteilung in vier Valenzen als unveränderlich betrachtet, die Möglichkeit zulassen, daß unter Umständen einzelne Valenzen unbefriedigt bleiben (Lftckentheorie). Beide Annahmen bedingen für die Konstitutionserörterung der Kohlenstoffverbindungen eine gewisse Willkür und Unsicherheit Es wird dies namentlich hervortreten, wenn die Struktur der ungesättigten Kohlenwasserstoffe und ihrer Abkömmlinge erörtert wird (vgl. Kapitel 12 des speziellen Teiles) — Verbindungen, in deren Molecülen man Kohlenstoff»tome miteinander durch mehr als je eine Valenz („mehrfache Bindung") gebunden anzunehmen pflegt. Man erkennt aus dem Vorstehenden, daß Uber den der Atomverkettungstheorie zugrunde liegenden Begriff — über das Wesen der Valenz 3 — keineswegs klare Vorstellungen gewonnen sind. Trotzdem 1

Doch kann auch für die Erörterung der räumlichen Atomanordnung die Annahme gesonderter Valenzeinhciten entbehrt werden; vgl. hierzu die Anschauungen von L« Bel und von Wernbb in Werners Lehrbuch der Stereochemie (Jena, 1904), S. 1 4 — 1 5 . 1

Vgl. hierüber besonders: Nsp, A. 2 7 0 , 267 (1892); 3 8 0 , 803 (1894).

AM. Soc.

ae, 1549 (1904). — Gombbro, B . 33, 3 1 6 1 (1900); 38, 1839 (1902); 37, 2049 (1904); 38, 2 4 5 8 (1905). — Waiden, B . 35 , 2018 (1902). — LOKB, B . 3«, 3068 (1908). Z. EL. C h . 9 , » 0 4 (1908); 1 0 , 504 (1904).

' Neuere Erörterungen Aber das Wesen der Valens vgl. u. a. bei: Saohse, Pb. Cb. I I , 185 (1898). — Knobh, A . 8 7 9 , 202 (1894). — Thibus, A . 3 0 8 , 87 (1899).

Gleichwertigkeit

dei• Kohlenato

ffvalmxm.

67

hat diese Lehre in der organischen Chemie die größten Erfolge errungen; jedes Kapitel des speziellen Teiles wird zeigen, wie außerordentlich wertvoll sie für das Verständnis der organischen Verbindungen geworden ist. Im folgenden wollen wir zunächst von der Annahme wechselnder Kohlenstoffwertigkeit absehen und die Vorstellung von der unveränderlichen Teilung der einem Kohlenstotfatom zukommenden Atombindekraft in vier „Valenzen" festhalten. Es wirft sich dann die Frage auf: „Sind diese vier Valenzen einander gleichwertig oder nicht?" Nehmen wir einmal an, sie seien ungleichwertig; es sei z. 6. eine derselben (a) vor des drei übrigen (b, c und d) in irgendwelcher Weis« ausgezeichnet, was wir dadurch versinnlichen wollen, daß wir eine Valenz durch einen punktierten Strich, die anderen durch ausgezogene Striche darstellen. Dann erhielte das Methan die Formel: (C)HN.

/H(6)

( C = C < , —N=»N—); Spekulationen über ihre Natur vgl. Kap. 12 deB speziellen Teiles. METER-JACOBSON,

org. C H . Zw. Aufl. Ii,

6 (September 1906)

82

Zusammenhang zwischen physik. Eigenschaften und cüem. Konstitution.

Z u s a m m e n h a n g zwischen p h y s i k a l i s c h e n E i g e n s c h a f t e n u n d chemischer Konstitution. Die Konstitutionsableitungen, welche in dem vorhergehenden Abschnitt als Beispiele zur Erläuterung der für die Erforschung der Struktur zu befolgenden Methode gegeben wurden, ruhen auf rein chemischen Grundlagen. Man kenn sich nun die Frage vorlegen, ob nicht auch auf physikalischer Basis ein Einblick in die Struktur der Molecüle gewonnen werden kann. Als wir uns mit dem Problem der Moleculargewichtsbestimmung beschäftigten, lernten wir in dem spezifischen Gewicht der Dämpfe eine physikalische Eigenschaft kennen, welche direkt proportional dem Moleculargewicht ist; diese Konstante ist also nur von der Anzahl und Art der zu einem Moleciil zusammentretenden Elementaratome, nicht von ihrer Anordnung, abhängig und besitzt für isomere Substanzen gleichen Wert Gibt es nicht andere physikalische Eigenschaften, welche auch von der Gruppierung der Atome beeinflußt werden, und für welche eine gesetzmäßige Abhängigkeit von der Struktur sich nachweisen und formulieren läßt, so daß sie zur Beurteilung der Struktur in ähnlicher Weise verwertet werden können, wie die Dampfdichte, die Gefrierpunktsemiedrigung usw. zur Erkenntnis des Moleculargewichts? Solche von der Konstitution abhängigen Eigenschaften — „konstitutive", wie sie OsTWAiiD1 im Gegensatz zu den „additiven" Eigenschaften bezeichnet, deren Zahlenwert in einer Verbindung einfach die Summe der den einzelnen Bestandteilen zukommenden Zahlenwerte darstellt und von der Art ihrer Aneinanderlagerung nicht beeinflußt wird, — gibt es in großer Zahl. Zu ihnen gehören z. B. das spezifische Gewicht der Flüssigkeiten, das Lichtbrechungsvermögen, das elektrische Leitungsvermögen, das optische Drehungsvermögen, welches die Flüssigkeiten im magnetischen Felde zeigen. Man hat für eine große Anzahl von Verbindungen bekannter Konstitution diese und andere Eigenschaften sorgfältig bestimmt und die an verschiedenen Substanzen beobachteten Eigenschaften miteinander verglichen in der Hoffnung, regelmäßige Differenzen aufzufinden, welche bestimmten Aenderungen in der Struktur entsprechen. Diese Forschungsrichtung wurde durch H. KOPP* begründet, welcher 1842 die Molecularvolumina von Flüssigkeiten nach diesem Gesichtspunkte zu untersuchen begann. An den beobachteten Zahlen haben sich gewisse Regelmäßigkeiten ergeben. Auch hat man die erkannten Regelmäßigkeiten für Konstitutionsbetrachtungen zu verwerten gesucht, indem man bei Verbindungen, deren chemische Untersuchung die ihnen zukommende Struktur noch zweifelhaft ließ, auf Grund der physikalischen Eigenschaften eine Auswahl zwischen den möglichen Formeln traf. Die derart gezogenen Schlüsse konnten oft durch die weitere chemische 1

Abhdlgn. d. sächs. Geselisch. d. Wiss. XV, 238 (1889).

' A. 4 6 , 215 (1848).

Polymerie und Isomerie.

83

Untersuchung bestätigt werden. Für die Erörterung von Strukturfragen bietet mithin das Studium der physikalischen Eigenschaften in manchen Fällen ein wichtiges Hülfsmiitel (vgl. ferner S. 124 £). E n t w i c k l u n g der A t o m v e r k e t t u n g s t h e o r i e zur L e h r e von d e r r ä u m l i c h e n Molecülkonfiguration (Stereochemie). Die Erörterung der Atomanordnung innerhalb der Molecüle war durch das Bestreben hervorgerufen, die zahlreich beobachteten Isomeriefälle zu erklären. Als „Isomerie" wurde S. 3—4 die Erscheinung bezeichnet, daß Verbindungen von gleicher prozentischer Elementarzusammensetzung verschiedene Eigenschaften zeigen; diese Definition entspricht dem älteren Gebrauch des Wortes und läßt es zunächst unberücksichtigt, ob mit der Gleichheit der prozentischen Zusammensetzung auch Gleiohheit des Moleculargewichts zusammentrifft oder nicht Man faßte früher diese beiden Möglichkeiten als Spezialfälle der Isomerie auf und unterschied sie durch die Bezeichnungen „ P o l y m e r i e " (gleiche Zusammensetzung bei verschiedenem Moleculargewicht. z. B. C,H4 und C4Hg) und „Metamerie" (gleiche Zusammensetzung bei gleichem Moleculargewicht). Der Ausdruck „Metamerie" wird heute nur wenig mehr benutzt; vielmehr versteht nlan heute meist unter „Isomerie" nur solche Falle, in deneg Gleichheit der p.ozentischen Zusammensetzung mit Gleichheit der Moleculargröße zusammentrifft (Isomerie im engeren Sinne), und unterscheidet davon die „Polymerie", welche nicht eine Isomerie im eigentlichen Sinne des Wortes darstellt. Wenn nun die Erklärung der eigentlichen Isomeriefälle an der Hand der Atomverkettungstheorie, deren Grundzüge in den vorhergehenden Abschnitten dargelegt wurden, allgemein gelingt, so ist eine Hauptaufgabe dieser Theorie als erfüllt zu betrachten. Für jede einzelne beobachtete Verbindung muß sich eine Konstitutionsformel ableiten lassen, welche alle ihre Entstehungsweisen und Umsetzungen begreifen läßt und ihr besonderes, von allen übrigen Verbindungen abweichendes Verhalten erklärt. Wir erwarten von einer Theorie noch mehr; wir wollen ihr Anregung zu neuen Versuchen entnehmen. In wie hohem Grade die Atomverkettungstheorie dieser Erwartung entsprochen hat, ist bereitp früher (S. 63) ausgeführt worden. Als ein Widerspruch gegen die Theorie ist es nicht aufzufassen, wenn sich nicht alle Kombinationen, die wir als möglich ableiten können, als wirklich bestehend erweisen lassen. Wir dürfen nicht erwarten, daß es gelingen wird, jede beliebige Verbindung darzustellen, welche einer gewissen, uns möglich erscheinenden Atom an Ordnung entspricht; nicht alle Umsetzungen, die von der Theorie angedeutet werden, brauchen wirklich ausführbar zu sein. Denn es wird Ursachen, deren Natur uns vorläufig noch unbekannt ist, geben, welche die Existenz bestimmter Atbmlagerungen überhaupt unmöglich machen. Oder das Bestehen gewisser Verbindung*6*

84

Uebergang zur Erörterung der räumlichen Atomanordnung.

formen, das Eintreten gewisser Umsetzungen kann an Bedingungen geknüpft sein, deren Verwirklichung zurzeit noch nicht in unserer Macht steht Wenn also die Mannigfaltigkeit der Beobachtungen hinter der Mannigfaltigkeit der theoretischen Möglichkeiten zurückbleibt, so liegt noch kein Grund vor, an der Brauchbarkeit des Fundaments, auf welchem wir unsere theoretischen Betrachtungen aufbauen, zu zweifeln. Wenn aber die Erfahrung mehr Kombinationen kennen lehrt, als die Theorie erwarten läßt, wenn in einzelnen Fällen die Anzahl der beobachteten Isomeriefalle die Anzahl der theoretisch möglichen übersteigt, wenn Verbindungen aufgefunden werden, denen wir auf Grund ihres Verhaltens die gleiche Strukturformel zuerteilen müssen und die doch voneinander verschieden sind, — dann erweist sieb die Theorie als nicht genügend zur Lösung der ihr gestellten Aufgabe. Solche Beobachtungen blieben nicht aus; man konstatierte „ a b n o r m e " Isomeriefälle zunächst nur in geringer Zahl; man bemühte sich anfangs, sie doch auf Strukturverschiedenheit zurückzuführen, ohne hierbei vor oft sehr gezwungenen und bedenklichen Interpretationen der Tatsachen zurückzuschrecken. Die Beobachtungen, deren Erklärung in dieser Weise Schwierigkeiten verursachte, häuften sich aber immer mehr und veranlaßten endlich eine Erweiterung der Theorie: den Uebergang zur Diskussion der r ä u m l i c h e n A n o r d n u n g der Atodie innerhalb der Molecüle. Die Atomverkettungstheorie hatte sich ja anfangs mit vollem Recht in der Erörterung der Atomlagerung eine gewisse Beschränkung auferlegt; sie suchte zunächst nichts anderes zu ermitteln als die Reihenfolge, nach der die einzelnen Atome miteinander verkettet sind, d. h. zu entscheiden, zu welchen anderen Atomen jedes einzelne Atom in besonders naher Beziehung steht. Wenn z. B. die Isomerie des Aethylenchlorids und Aethylidenchlorids durch die Strukturformeln: H H \ /H \ /H CI-)C- C vier Raumformeln als möglich :

e

I.

r—\ -d

e

,

IT.

d-\—f

a—j—e

| , a — j—e

b

b

e

III

f—\—d r

\ , e—j—a b

e

IV.



d—\—fr

j . e—j—a b

vier, die Ecken eines regulären Tetraeders bildenden Punkten Metallstäbe (als Verlängerung des Radius) fest eisgelassen sind; diese Stäbe bedeuten die Valenzen; indem man mehrere Modelle durch Vermittlung dieser Stäbe miteinander verknüpft und an die nicht zur Rohlenstoffbindang verbrauchten Valensen die Modelle andersartiger Atome bzw. Radikale anfügt, kann man die Konfiguration komplizierterer Molecüle gut veranschaulichen. Auf Veranlassung von v. BABYEB werden besonders konstruierte Verbindungsstfickchen — Schrauben mit Gelenken — beigegeben, mit deren Hülfe auch Molecüle mit mehrfachen Bindungen oder mit ringförmiger Anordnung ohne Schwierigkeit dargestellt werden können. Diese Modelle genügen fttr Vorlesung«!wecke allen Anforderungen, sind aber für den Gebrauch des einzelnen unnütz groß und vor allem viel zu kostspielig. Billige Kolilenstoffmodelle sind von P. FBIEDLAENDEB aus Gummischläuchen konstruiert Worden [vgl. B. 23, 572 (1890)]; sie sind für die Veranschaulichung einfacher Verbindungen sehr beqnem; in komplizierteren Fällen, wo Einzelmodelle ia größerer Zahl aneinander gefügt werden müssen, sind indes die so entstehenden Gebilde nicht stabil genug. Auf Veranlassung von P. JACOBSON [vgl. Ch. Z. 16, 1808 (1802)] werden Modelle nach dem Prinzip der KBKULfischen Modelle, aber in e i n f a c h e r A u s f ü h r u n g « f o r m für das Einzelstudium angefertigt. Die Atome werden als Kugeln-dargestellt, die Valenzen durch zylindrische, zum Mittelpunkt gerichtete Bohrungen markiert Durch Bleistäbchen, die in diese Bohrungen hineinpassen, wird die Verbindung hergestellt Infolge der Biegsamkeit dieser Stäbchen (die auf Vorschlag von C. ENOLCB auch durch Metallspiralen ersetzt werden können) gelingt auch die Darstellung der mehrfachen Bindungen und die Zusammenfügung von Ringsystemen ohne Schwierigkeit Die Firma C. DESAOA in Heidelberg liefert Kasten, welche eine genügende Zahl von Modellen und Bleistäbchen enthalten, zu dem Preise von 5 Mk. Vgl. a u c h : KNOEVEJUQEI,, A. S i l , 201 (1900). — H . WISUCENDS, Z. A n g . 1 6 , 49 (1902). 1 Für die folgende Ueberlegong ist wesentlich nur der Umstand, daß die beiden Kohlenstoffatome u n g l e i c h a r t i g a s y m m e t r i s c h sind. Dieser Bedingung genügt auch die Strukturformel: a \ -,/a \d

in welcher uur v i e r verschiedene Arten einwertiger Gruppen — nicht, wie oben, s e c h s — vorkommen. Von dieser Formel kann man also ebenfalls für die Betrachtungen am Modell ausgehen, falls nicht Kugeln in sechs verschiedenen Farben •ur Verfügung stehen. 7*

100 Isomeriemöglichkeiten bei Gegenwart zweier asymmetr. Kohlensloffatome. Keine dieser Formeln kann in die andere durch Drehung der beiden Kohlenstoffsysteme gegeneinander um die vertikale Achse verwandelt werden; sie müssen selbständigen Isomeren entsprechen. Eine nähere Betrachtung der Formeln bzw. Modelle lehrt nun über die Art der Isomerie folgendes. Man erkennt leicht, daß die beiden Formeln I I und I I I , welche nicht miteinander zur Deckung gebracht werden können, sich wie Gegenstand und Spiegelbild verhalten, also im Verhältnis der Enantiomorphie stehen; die diesen beiden Formeln entsprechenden isomeren Verbindungen werden daher zwei optische Antipoden sein, welche sich dadurch unterscheiden, daß die eine um ebenso viel nach links dreht wie die andere nach rechts; sie werden miteinander demzufolge auch eine racemische Modiiikation bilden können. Das gleiche Verhältnis finden wir zwischen den Formeln I und I V ; auch diese sind einander enantiomorph und müssen daher zwei Isomeren von entgegengesetztem Drehungsvormögen entsprechen, welche wiederum miteinander sich zu einem Racemkörper vereinigen können; letzterer aber muß verschieden sein von dem Racemkörper aus I I und I I I . Das Ergebnis ist also: B e i G e g e n w a r t v o n zwoi u n g l e i c h a r t i g a s y m m e t r i s c h e n K o h l e n s t o f f a t o m e n sind vier optisch aktive I s o m e r e möglich, welche p a a r w e i s e z u s a m m e n g e h ö r e n und d a h e r zwei R a c e m k ö r p e r bilden können. Wenn wir nun aber aus jedem der beiden Antipodenpaare (I, IV~ und II, III) je eine Formel — z. B. I und I I — auswählen und diese beiden miteinander vergleichen, so tritt uns ein viel g r ö b e r e r U n t e r s c h i e d entgegen, als bei den bisherigen Betrachtungen über Raumisomerie. Während bei den einander enantiomorphen Konfigurationen der gegenseitige Abstand der einzelnen einander entsprechenden Atome bzw. Gruppen stets der gleiche ist, erweist es sich als unmöglich, den Konfigurationen I und I I eine solche Stellung zu geben, daß jede der Gruppen a, b, c, d, e und f von jeder anderen in der einen Konfiguration die gleiche Entfernung hat wie in der zweiten Konfiguration. Die Verschiedenheit der Verbindung, welche der Formel I entspricht, von der Verbindung, welcher die Formel I I zukommt, wird also viel erheblicher sein, als die Verschiedenheit zwischen Antipoden; beide Verbindungen (I und II) werden sich durch diß G r ö ß e des optischen Drehungsvermögens unterscheiden, während Antipoden nur durch den S i n n des Drehungsvermögens unterschieden sind; sie werden verschiedenen Schmelzpunkt, verschiedene Löslichkeit zeigen, während Antipoden in allen solchen physikalischen Eigenschaften, für welche der Unterschied von rechtsgewendeter und linksgewendeter F o r m nicht in Betracht kommt, vollkommen miteinander übereinstimmen; sie werden aber auch im c h e m i s c h e n Verhalten starke Abweichungen voneinander — wenigstens in solchem Grade, wie man es überhaupt bei nahestehenden Gliedern

Enantiostereomerie

und

Diastereomerie.

101

einer und derselben Körperklasse erwarten kann — zeigen können, während optische Antipoden sich chemisch durchaus gleichartig verhalten (vgl. dazu indes S. 110). Wir können also zwei Arten der Eaumisomcrie unterscheiden: A. Die Isomeren sind untereinander e n a n t i o m o r p h . Die Modelle können durch passende Drehung in solche Lagen gebracht werden, daß das eine das Spiegelbild des anderen ist, and daß mithin, in b e i d e n F ä l l e n die A b s t ä n d e der e i n z e l n e n Molecülteile (Atome) voneinander vollkommen gleich sind. Diese Isomerie äußert sich n u r in dem Auftreten von optischem Drehuugsvermögen umgekehrter Richtung in beiden Fällen und in einigen weiteren physikalischen Eigenschaften, für welche der Unterschied von „rechts" und „links" in Betracht kommt. B. Die Isomeren sind einander nicht enantiomorph. D u r c h keino D r e h u n g d e r M o d e l l e l ä ß t es s i c h e r m ö g l i c h e n , daß s ä m t l i c h e e i n z e l n e n M o l e c ü l t e i l e in b e i d e n F ä l l e n vone i n a n d e r g l e i c h e A b s t ä n d e z e i g e n . Diese Isomerie kann sich in einer Verschiedenheit s ä m t l i c h e r physikalischen Eigenschaften und des c h e m i s c h e n Verhaltens äußern. Es empfiehlt sich, für diese wesentliche Verschiedenheit des Charakters der Raumisomerie in den beiden allgemeinen Fällen auch eine allgemeine Bezeichnung einzuführen1, indem man unterscheidet: A. E n a n t i o - S t e r e o i s o m e r i e ; B. D i a - S t e r e o i s o m e r i e 3 [abgeleitet von der griechischen Präposition diu (im Abstand)]. In abgekürzter Weise kann man dann unter Fortlassung der Silben „iso" von: E n a n t i o s t e r e o m e r i e und D i a s t e r e o m e r i e , e n a n t i o s t e r e o m e r e n und d i a s t e r e o m e r e n Verbindungen sprechen. Die Erkenntnis dieser durchgreifenden Verschiedenheit im Charakter der Isomerie führt uns zu einem wichtigen Schlüsse, wenn wir die Entstehung einer Verbindung mit zwei asymmetrischen Kohlenstoffatomen aus einer Verbindung mit nur e i n e m solchen verfolgen. Führen wir, von der Verbindung /d b~C—C—d Vgl. dazu auch ASCBAN, B. 3 6 , 3398 (1902). Die hierfür vorgeschlagene und vielfach gebrauchte Bezeichnung » g e o m e t r i s c h e I s o m e r i e " erscheint weniger geeignet, da man unter geometrischer Isomerie eigentlich j e d e Raumisomerie — also auch die Enantio-Stereoisomerie — verstehen sollte. 1

1

102

Bildung aktiver Farmen im Leberuproxeß.

— und zwar von ibrer Konfiguration A: e

e

— ausgehend, an Stelle von einer Gruppe d die Gruppe f ein, so kann sich von den auf S. 99 als möglich abgeleiteten Konfigurationen sowohl Nr. I wie Nr. II bilden, je nachdem die eine Gruppe d oder die andere substituiert wird. Da nun aber diese beiden Gruppen d von den übrigen Bestandteilen des Molecüls nicht die gleichen Abstände haben, so ist keineswegs wahrscheinlich, daß die eine von ihnen mit der gleichen Leichtigkeit ausgetauscht wird wie die andere. Die Verhältnisse liegen hier — bei der Neubildung eines asymmetrischen Kohlenstoffatoms in einem schon von vornherein asymmetrischen Molecttl — also durchaus anders, wie bei der S. 91—92 besprochenen Bildung 'des ersten asymmetrischen Kohlenstoffatoms. Es ist nicht nur denkbar, sondern sogar wahrscheinlich, daß von den beiden „Diastereomeren" das eine in Überwiegender Menge — eventuell auch ausschließlich — entsteht Ebenso wie die Konfiguration A wird sich natürlich die eiiantiomorphe Konfiguration B (s. o.) verhalten und die beiden Konfigorationen Nr. III und IV (S. 99) in verschiedenen Mengen liefern, aber in demselben gegenseitigen Verhältnis, wie I und II aus A hervorgehen. Und wenn wir die Bacemform A + B als Ausgangsmaterial verwenden, werden wir von den beiden Racemkörpern I + IV und II + III den einen im Ueberschuß bzw.- ausschließlich erhalten; auch hier aber wifd sich aus inaktivem Ausgangsmaterial direkt bei künstlichen Prozessen nur inaktives Produkt bilden können. Die hier theoretisch entwickelten Schlüsse werden durch zahlreiche Erfahrungen bestätigt, die zum Teil schon vorlagen, bevor die Theorie ihre Dentung ermöglichte, zum Teil erst unter Führung der Theorie gesammelt worden sind. Die mietet besprochenen Verhältnisse werfen ein Liebt auf die Erscheinung, daB durch die natürlichen Lebensprozesse die Verbindungen mit asymmetrischen KoMenstoflatomen fast stets nur!-in aktiver Form gebildet werden1. Wenn 8. B. eine einmal im Organismus vorhandene aktive Substanz J?H (Ä: ein Komplex, welcher ein asymmetrisches Kohlenstofiatom oder mehrere solche enthält) durch einen ayn-



thetuchen ProaeB in eine Substanz R—C^A Übergeht, so wird sich von den beiden e Konfigurationen: b

1

E. FISCHER, B. 27, 3280 (1894).

Asymmetrische

Synthese.

die eine — nehmen wir z. B. an die erste — in größerer Menge bzw. ausschließlich bilden, da infolge d e r schon im R e s t e R v o r h a n d e n e n .Asymmetrie diese beiden Konfigurationen nicht enantiomorph, sondern di&stefeomer sind. Wird non durch einen Spaltungsprozeß wieder der Best R abgetrennt und etwa durch i ersetzt, so resultiert von der Verbindung C ab cd, welche durch diese Reaktionafolge im Organismus erzeugt ist, die eine Konfiguration: b

im Üeberschuß bzw. ausschließlich: „ D a s eine a k t i v e Molecül h ä t t e d a n n ein z w e i t e s g e b o r e n " (E. FISCHBB). Eine „ a s y m m e t r i s c h e S y n t h e s e " nach diqpem Schema muß sich auch außerhalb des lebenden Organismus unter ZuhSlfenahme ^ einer optisch aktiven Ausgangssubstans, die im Verlaufe der Prozesse wieder abgespalten wird, ausfahren lassen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen1 ist dieser Nachweis kürzlich gelungen1. " Mehrfache Spekulationen hat die Frage hervorgerufen, auf welche Weise.^rohl z u e r s t aktive Substanz e i n e r Drehungsrichtung in der Delebten Natur entstanden ist Die letzte Ursache dieser Erscheinung wird neuerdings in der Beeinflussung des auf Erden vorhandenen zirkiilar-polarisierten Lichtes durch den Erdmagnetismus gesucht*. Infolge dieses nach e i n e r Richtung wirkenden Einflusses wird von den beiden zirkulären Lichtfonnen die eine im Ueberschuß vorhanden sein. Nun fahren einige Beobachtungen an dr und /-Weinsäuren Salzep zu der Folgerung, daß optische Antipoden gegen zirkuläres Licht eines bestimmten Vorzeichens eine verschiedene pliotochemische Empfindlichkeit zeigen, also davon in verschiedenem Betrage zersetzt werden. In diesen Verh<nissen kann man eine Erklärung dafür finden, daß der biologisch-photochemische Prozeß des Pflanzenwachptums von Anfang an nicht die beiden Modifikationen von optisch-aktiven Verbindungen gleichmäßig entstehen läßt, sondern die eine ausschließlich bzw. im Ueberschusse.

Die Anzahl der möglichen Isomerien, welche S. 99—100 für den Fall zweier ungleichartig asymmetrischer C-Atome an der Hand der ausführlichen Konfigurationsformeln ermittelt rfurde, kann man auch durch die folgende einfache Ueberlegung ableiten. Bezeichnen wir die beiden asymmetrischen Kohlenstoffsysteme mit A und B und zwar in denjenigen Konfigurationen, welche eine Rechtsdrehung der Schwingungsebene des polarisierten Lichtes bewirken, mit 4- A und + B, in den enantiomorphen Konfigurationen mit — A und — B, so erscheinen ohne weiteres die vier Kombinationen: 1) + ¿1 + B)

2) - A\ - B\

8) 4- A\ - Bl



4)*-

+ £1

1 V g l . COHBN, WHITELEY, Soc. 7 9 , 1305 (1901). — E . FISCHBB, S m g u s a , B . 8 6 , 2576 (1903). • MABCKWALD, B . 3 7 , 349, 1368(1904). — Mc K r a m s , Soc. 8 5 , 1249(1904). — Vgl. a u c h S. TIJMSTKA Bz., B . 3 8 , 2165 (1905).

* BYK, Ph. Ch. 49, 641 (1904). — Vgl. daselbst auch die Nachweise für die frühere Literatur über den Gegenstand.

104 als die möglichen. Machen wir die Annahme, daß der optische Charakter des Gesamtmolecüls sich additiv aus den optischen Effekten der einzelnen asymmetrischen Systeme zusammensetzt, so ergibt sich, daß in der ersten und zweiten Formel die beiden Systeme sich in ihrer Wirkung verstärken, in der dritten und vierten einander entgegen wirken; die Formeln Nr. 1 und 2 werden also zwei stark drehenden, optisch entgegengesetzten Formen (Summenmodifikationen), Nr. 3 und 4 zwei schwächer drehenden, einander ebenfalls optisch entgegengesetzten Formen (Differenzmodifikationen) entsprechen. Die in dem letzten Satz gemachte Voraussetzung nennt man das Prinzip der „ o p t i s c h e n S u p e r p o a i t i o n " ; sie ist an zahlreichen Beispielen experimentell bestätigt worden1. Eine a l l g e m e i n e Ableitung s ergibt für die Gegenwart von n asymmetrischen Kohlenstoffatomen die Zahl von 2" Isomeriemöglichkeiten; diese Zahl schließt die Racemkörper nicht ein. Sie verringert sich, wenn unter den n asymmetrischen Kohlenstoffatomen sich solche befinden, welche einander in bezug auf die daran gebundenen Gruppen gleichartig sind (vgl 8.105—106). Gleichgültig für die Anzahl der ableitbaren Isomeriefalle ist, wie man besonders aus der auf S. 103—104 (oben) wiedergegebenen Ueberlegung alsbald ersieht, der Umstand, ob die verschiedenen asymmetrischen Kohlenstoffatome direkt miteinander verbunden sind, oder ob sie durch Zwischenglieder, welche keine Asymmetrie zeigen, getrennt sind. Letzteres kommt z. B. für die Salzbildung von denjenigen organischen Basen, welche in optisch aktiven enantiomorphen Modifikationen auftreten, mit ebensolchen organischen Säuren in Betracht — ein Fall, welcher für die S. 109 zu besprechenden Spaltungen von Racemkörpern besondere Wichtigkeit bat und daher hier noch kurz erörtert werden möge. Man erkennt ohne weiteres, daß hier vier Einzelsalze: 1) ¿-Base 1 d-Säurej

2) /-Base \ /-Säure)

3) ¿-Base 1 Z-SäureJ

4) /-Base ) d-SäureJ

möglich sind, welche sich voneinander in derselben Weise unterscheiden mOssen, wie die vier Formen einer Verbindung mit zwei asymmetrischen Kohlenstoffatomen (vgl. S. 99—100). Die Salze Nr. 1 und 2 sind Enantioatereomere, müssen daher in Löslichkeit und anderen physikalischen Eigenschaften einander gleich, im optischen Drehungsvermögen aber entgegengesetzt sein und können miteinander ein racemisches Salz (Nr. 1 + Nr. 2) bilden; im gleichen Verhältnis zueinander stehen die Salze Nr. 3 und Nr. 4, welche ein zweites racemisches Salz (Nr. 3 + Nr. 4) bilden werden. 1

V g l . : GUT«, GAUTIER, C . r. 1 1 0 , 740, 9 5 3 (1894). — GUTE, JOBDAN, C . r. 1 2 0 , 6 8 2 (1895). — GÜTE, GOUDET, C. r. 1 2 1 , 827 (1895); 1 2 2 , 9 3 2 (1896). — WAMWK,

Ph. Ch. 17, 719 (1895). — Vgl. dagegen U m s , Ar. 242, 51 (1904). 1

V g l . a u c h NIOUSL, P h . C h . 1 2 , 2 7 5 (1893).

Partielle Eacemie.

105

Dagegen ist das Salz Nr. 1 mit dem Salz Nr. 3 Dicht enantiostercomer, sondern diastereomer und wird sich von ihm in der Größe des Drehungsvermögens, der Löslichkeit usw. unterscheiden; in demselben Verhältnis wird Nr. 2 zu Nr. 4 stehen. Es wirft sich nun die Frage auf, ob auch zwei diastereomere Einzelsalze miteiuander zu Verbindungen zusammentreten können, ob also die vier Doppelsalze: ¿-Base 1 ^ ¿-Base j ¿•Säure J /-Säure J

/-Base 1 + /-Base 1 /-Säure J ¿-Säure/

¿-Base 1 d- Säure J

/-Base 1 /-Säure J

/-Base * ¿-Säure J

¿-Base 1 /-Säure J

existieren können, bei deren Komponenten immer nur ein Teil des Molecills — entweder der saure oder der basische — im Verhältnis der Enantiomorphie steht, während der andere — ebenfalls unsymmetrische — Teil beiderseits gleiche räumliche Ausbildung zeigt. Daß eine derartige Vereinigung zu „ p a r t i e l l racemischen" Doppelsalzen, welche natürlich im Gegensatz zu den eigentlichen Racemkörpern optisches Drehungsvermögen zeigen, statthaben kann, ist an mehreren Beispielen erwiesen1 (LADENBUBG).

Man könnte es hiernach für wahrscheinlich halten, daß allgemein zwischen Verbindungen, wie:

ti]

u n d

+ ß } >

Vereinigung zu partiell racemischen Körpern möglich ist 1 . Die bisher sichergestellten Fälle von ,,partieller Kacemie" betreffen aber ausschließlich Salze.

Im Vorhergehenden ist bisher nur der Fall der gleichzeitigen Gegenwart mehrerer u n g l e i c h a r t i g asymmetrischer Kohlenstoffatome behandelt worden. Eine wichtige Veränderung der Verhältnisse tritt uns entgegen, wenn wir die Vereinigung g l e i c h a r t i g asymmetrischer Kohlenstoffatome in einem Moleciil erörtern. Der denkbar einfachste Fall ist in der Strukturformel: o\ /a ¿AC

e/

C(-b \•c

dargestellt, welche z w e i gleichartig asymmetrische Kohlenstoffatome enthält Bei der Ableitung der Konfigurationsformeln in der S. 98—99 erörterten Weise erkennt man, daß von den vier daselbst konstruierten 1

V g l . LADENBÜBO, B. 3 1 , 524 (1898). - LAJ>ENBCKO, HERZ, B. 3 1 , 937 (1898). — LADENBÜEO, DOCTOR, B. 3 1 , 1969 (1898); 3 2 , 50 (1899). — POPE, PEACHIY, SOC. 7 3 , 902(1898). Z. K r . 3 1 , 11 (1899). — BAKHUIS-ROOZEBOOM, P h . Ch. 2 8 , 502 (1899). — KIPPINQ. Soc. 7 7 , 861 (1900). — KBPPINO, HUNTES, Soc. 8 1 , 576 (1902). — LADEB«DRG, BOBEBTAO, B. 3 6 , 1649 (1903). 1 Vgl. d a z u E . FISCHEE, B. 2 7 , 8225 (1894). — V g l . a u c h COOPEB, A m . 2 3 , 260 (1900).

106 Baumfortnein nunmehr zwei miteinander identisch w e r d e n d i e Anzahl der Möglichkeiten Bich also auf die folgenden drei verringert: I.

b e— — a i a—j—e b

IL

b c— a— 1

b III. T

'

Formel I ist das Spiegelbild von Formel III, läßt sich aber durch keine Drehung damit zur Deckung bringen; die beiden Formeln entsprechen also zwei Antipoden (Enantiostereomeren), die miteinander einen Racemkörper bilden können. Formel II dagegen ist mit I und III diastereomer; konstruiert man zu Formel II das Spiegelbild, so sieht man, daß man letzteres nur auf den Kopf zu stellen braucht, um zur ursprünglichen Formel zurückzugelangen; diese Konfiguration also ist mit ihrem Spiegelbild identisch und muß daher optisch inaktiv sein. Sie besitzt eben eine Syinjuetrieebene, wie sich auch beim Anblick ihrer Projektionsformel sofort ergibt:

denn zu der in der Mitte gezogenen punktierten Linie stehen oberhalb und unterhalb alle einzelnen Gruppen in den gleichen Abständen. B e i G e g e n w a r t von zwei g l e i c h a r t i g a s y m m e t r i s c h e n K o h l e n s t o f f a t o m e n also sind n u r zwei o p t i s c h a k t i v e I s o m e r e möglich, welche einen R a c e m k ö r p e r b i l d e n k ö n n e n , a u ß e r d e m a b e r e x i s t i e r t noch eine an sich — ohne R a c e m i s i e r u n g — i n a k t i v e Form. Wir lernen hier einen neuen Typus von Verbindungen, welche trotz der Gegenwart asymmetrischer Kohlenstoffatome optisch i n a k t i v sind, kennen; von dem Typus der Racemkörper (bzw. inaktiven Konglomerate) ist dieser neue Typus dadurch wesentlich unterschieden, daß bei ihm eine S p a l t u n g in optisch aktive K o m p o n e n t e n u n m ö g l i c h erscheint. 1 Man ersetze in den vier Konfigurationsformeln auf S. 99 d durch a, e durch b, / durch e; dann wird b b

aus II (8. 99):

—e

,

aus III (S. 991:

c—

Diese beiden Formeln konstruiere man am Modell; dafi die beiden Konfigurationen identisch sind, erkennt man alsbald, wenn man das eine Modell entsprechend den obigen Formeln vor sich hinstellt, das andere aber auf den Kopf stellt, so daß das in obiger Formel obeu befindliche Kohlenstofisystem nun nach unten kommt.

Methoden zur Spaltung inaktiver

107

Formen.

Der Grund der luaktivität ist am Modell der Formel II leicht zu erkennen: trennt man die beiden Kohlenatoifatome voneinander und stellt nnn beide mit der freien Valenz nach unten, so übersieht man, daß das eine System das Spiegelbild des zweiten ist, mit dem zweiten aber nicht zur Deckung gebracht werden kann und daher dessen optische Wirkung aufheben muß. Noch einfacher lassen sich die Verhältnisse nach dem Prinzip der optischen Superposition übersehen; von den S. 103 abgeleiteten vier Kombinationen müssen Nr. 3 und Nr. 4, wenn A = B ist, zu einer einzigen Kombination:

zusammenfallen, deren Drehungsvermögen diesem Prinzip zufolge = 0 sein muß. Unter den inaktiven Formen von Verbindungen mit asymmetrischen Kohlenstoffatomen sind also zu unterscheiden: I. 'Spaltbare Verbindungen, deren Inaktivit&t auf e x t r a m o l e c u l a r e r K o m p e n s a t i o n zweier Antipoden beruht (vgL S. 92). A. Racemkörper. B. Pseudoracemkörper. C. Inaktive Konglomerate. II. Nichtspaltbare Verbindungen, deren luaktivität auf in,tramolec u l a r e r K o m p e n s a t i o n der einzelnen asymmetrischen Molecülteile beruht Aus den Entwicklungen über die durch Gegenwart von asymmetrischen Kohlenstoffatomen bedingten Isomerien wird hervorgetreten sein, wie wichtig es ist, über Methoden zu verfügen, welche die S p a l t u n g i n a k t i v e r P r o d u k t e in ihre optisch aktiven, e i n a n d e r e n t g e g e n g e s e t z t e n K o m p o n e n t e n ermöglichen1. Solcher Methoden bedarf man Bowohl zur diagnostischen Unterscheidung des spaltbaren inaktiven Typns vom nichtspaltbaren, wie auch zur präparativeu Bereitung der aktiven Formen aus den inaktiven. Die Lösung letzterer Aufgabe ist namentlich dann von Bedeutung, wenn es sich um die synthetische Erzeugung einer natürlich vorkommenden aktiven Verbindung bandelt Denn da die von inaktivem Material ausgehenden synthetischen Prozesse zunächst immer inaktives Material liefern müssen (vgL S. 91—92,102), kann in solchen Fällen die künstliche Beaktionsfolge ihren endgültigen Abschluß erst erreichen, wenn es gelingt, das inaktive Material in seine aktiven Einzelbestandteile aufzulösen. Wir kennen zurzeit vier Methoden zur S p a l t u n g i n a k t i v e r 1 Ueber einen Spaltbarkeitabeweis ohne direkte Spaltung vgl. 71, 805 (1806).

MORB,

J. pr. [2]

108

Baoemspaltung durch einfache Kryslallisation und durch Pilze.

F o r m e n , vou denen schon Pastecu 1 drei im Laufe seiner klassischen Untersuchungen über die Weinsäuren (vgl. S. 87—88) aufgefunden hat. 1. S p o n t a n e S p a l t u n g d u r c h E r y s t a l l i s a t i o n % (PASTEÜB): Einige Racemkörper zeigen die Eigenschaft, bei der Erystallisation unter gewissen Bedingungen in die Rechts- und Links-Form zu zerfallen; wenn nun diese aktiven Formen gut ausgebildete Erystalle liefern, an denen man die Lage der entgegengesetzt hemiedrischen Flächen oder andere charakteristische Merkmale der Enantiomorphie wahrnehmen kann, so können sie durch mechanisches Auslesen gesondert, darauf eventuell durch Umkrystallisieren gereinigt werden. Die getrennte Erystallisation der Antipoden beruht darauf, daß unter den Bedingungen der Erystallisation der Racemkörper nicht als solcher existieren kann. Jeder Racemkörper besitzt eine für ihn charakteristische „ U m w a n d l u n g s t e m p e r a t u r " , oberhalb bzw. unterhalb welcher die racemische Vereinigung der beiden Eomponenten aufgehoben wird und demgemäß ein inaktives „Eonglomerat" (S. 92 ff.) entsteht — analog den Verhältnissen, welche bei zahlreichen Doppelsalzen beobachtet sind. Erfolgt die Erystallisation bei Temperaturen, welche innerhalb des Existenzgebietes des Racerakörpers liegen, so krystallisiert der Racemkörper als solcher aus; erfolgt sie bei einer außerhalb jenes Existenzgebietes liegenden Temperatur, so krystallisieren die Eomponenten gesondert. Nur in einer beschränkten Anzahl von Fällen hat man von dieser Methode, welche eine hervorragende Erystallisationsfähigkeit zur Voraussetzung hat, Gebrauch machen können. 2. Die b i o c h e m i s c h e M e t h o d e 3 ( P A S T E Ü B ) bewirkt nicht eigentlich eine Zerlegung der inaktiven Substanz in die beiden aktiven Eomponenten, sondern vielmehr eine Z e r s t ö r u n g der einen aktiven Modifikation, infolge welcher die andere, übrig bleibende, aktive Modifikation nun fiir sich isolierbar wird. Sie beruht auf der Eigentümlichkeit niederer Organismen 4 (Schimmelpilze, Hefearten, Schizomyceten), als Nahrung die Molecüle der einen Eonfiguration zu bevorzugen (über die mutmaßliche Ursache dieser Erscheinung vgl. S. 111 sub Nr. 4). Bringt man z. B. in eine mit Nährsalzen versetzte Lösung von traubensaurem Ammonium (dem Racemkörper aus ¿i-weinsaurem und /-weinsaurem Ammonium) einige Sporen von Penicillium glaueum, 1

A. ch. [3] 28, 56 (1850). A. 88, 213 (1853). C. r. 46, 616 (1858); 51, 298 (1860). Vgl. dazu: Jdnqfleibch, BL. [2] 41, 222 (1884). — vají't Hopf, Deventer, Ph.Ch. 1, 173 (1887). — van't Hoff, H. Goldschmidt, Jobissen, Ph. Ch. 17, 49 (1895). — 4

W d i t h e b , B. 2 8 , 3002 (1895). — £ . FISCHBB, BEENSCS, B. 2 9 , 2929 (1896).

1 Vgl. daza: Ulmani, Condelli, G. 30, I, 382 (1900). — McKenzie, Habdeit, Soc. 83, 424 (1903). 4 Angaben Aber die geeigneten Pilze, deren Reinkultor und die Aasführung der Spaltveraache hat P. Lindneb in Landolts „Optisches Drehnngsvennögen" (Brannschweig 1898), S. 99 ff., gemacht.

Spaltung durch Kombination mit aktiven Körpern.

109

so verschwindet, während sich eine Vegetation des Pilzes entwickelt, die Rechtsweinsäure, und es bleibt eine Lösung des linksweinsauren Salzes zurück. Die biochemische Methode und die sub Nr. 3 besprochene Methode sind bislang praktisch die wichtigsten Hülfsmittel für die Aktivierung inaktiver Produkte. 3. Die S p a l t u n g auf-physika l i s c h e r G r u n d l a g e d u r c h Komb i n a t i o n m i t optisch aktiven K ö r p e r n 1 (PASTEUB), auf deren große praktische Bedeutung soeben hingewiesen wurde, beruht auf den S. 100 und 104—105 erörterten Verhältnissen. Wenn wir eine inaktive Base (¿-Base + /-Base) mit einer aktiven Säure (z. B. ¿-¡Säure) zusammenbringen, so bilden sich zwei diastereomere Salze: I.

¿-Base d-Säure

I

welche sich durch ihre Löslichkeit unterscheiden and daher durch fraktionierte Krystallisation voneinander getrennt werden können. Ist z. B. die Kombination I die schwerer lösliche, so wird sich diese bei der Krystallisation zuerst abscheiden; wenn man nun aus dem so gewonnenen, nötigenfalls durch weitere Krystallisation gereinigten 1 Salze die Base in Freiheit setzt, so gewinnt man letztere in der ¿-Form. Aus der Mutterlauge kann man unter Umständen auch das leichter lösliche Salz II rein darstellen, welches dann zur Gewinnung der /-Form dient In gleicher Weise kann man natürlich eine inaktive Säure (¿-Säure + ¿-Säure) durch eine aktive Base spalten. Diese Methode kann auf jede Kombination zweier unsymmetrisch konstituierten Substanzen A und B, welche in die Komponenten A und B wieder gespalten werden kann, — also z. B. Ester, Amide, Hydrazone usw. — ausgedehnt werden. Bis vor kurzer Zeit hat man sich indes auf den Fall der Salzbildung beschränkt und die Methode mithin nur zur Zerlegung von inaktiven Säuren oder Basen benutzt Erst neuerdings hat man begonnen, sie für andere Verbindungsgruppen anzuwenden®. Das Gelingen der Spaltung ist davon abhängig, daß während der Krystallisation eine Temperatur herrscht, bei welcher das partiellracemische, aus den beiden obigen Kombinationen bestehende Produkt (vgl. S. 105) nicht existenzfähig ist. Zar Spaltung von B a s e n benutzte man bisher gewöhnlich die leicht zugängliche (¿-Weinsäure; neuerdings haben POPE und I'FAOHEY4 durch Anwendung der Kulfosäuren der Camphergruppc große Erfolge erzielt. Zur Spaltung von S f t u r e n verwendet man aktive Pflanzenbasen (wie C h i n i n , Cinclionin, Brucin, Strycbnin). 1

V g l . d a z u : MARCKWAI.D, CHWOLI.ES, Li. 8 1 , 783 (1898). —

LADENECTHO, B . 3 2 ,

56 (1899). — MF.YERIIOFFEB, B. 37, 2604 (1904). 1 V g l . d a z u : MARCKWALD, METH, B. 3 8 , 807 (1905). ' ERLENHETEK i u u . , B . 3 8 , 976 (1903). — NEUBERQ, B . 3 8 , 1 1 9 2 (1903). — ERLENMEYER j u n . , ARNOLD, A . 3 3 7 , 307 (1904). — NEUBEBO, FEDEBER, B . 3 8 , 8 6 8 (1905).

1

Vgl. Soc. 73, 895 (1898).

110

RacemSpaltung durch Kombination mit optisch-aktiven Körpern.

4. S p a l t u n g auf c h e m i s c h e r Grundlage durch K o m b i n a t i o n mit a k t i v e n K ö r p e r n 1 (MABCKWALD, MCKENZIE) bzw. Enzymen (E. FJSCHEU). Die Methode stützt sich darauf, daß die Gleichartigkeit im chemischen Verhalten zweier Enantiostcreouaeren verschwindet, wenn man sie mit e i n e r und d e r s e l b e n aktiven Form eines unsymmetrisch konstituierten Körpers in Reaktion bringt Wenn man die inaktive Form eines Körpers A, welche also die beiden Formen +A nnd —A in gleichen Mengen enthält, mit der aktiven Form eines zweiten Körpers — z. B. + B — kombiniert, so entstehen die beiden diastereome^en Kombinationsprodukte:

Die wesentliche Verschiedenheit dieser beiden Kombinationen wird nun nicht nur in den Eigenschaften der fertigen Produkte zum Ausdruck kommen; vielmehr wird, wie man aus den Erörterungen auf S. 100—101 folgern kann, auch ein Unterschied in der Leichtigkeit, mit welcher die eine und die andere z u s t a n d e kommt, — also in ihrer B i l d u n g s g e s c h w i n d i g k e i t — bestehen. Unterbricht man also den Bildungsprozeß, bevor er zu Ende gefuhrt ist, so wird, wenn sich z. B. die erste Kombination rascher als die zweite bildet, der noch nicht in Reaktion getretene Anteil des Körpers A nicht mehr die beiden aktiven Formen + A und —A zu gleichen Teilen, sondern die langsamer reagierende Form — A im Ueberschuß enthalten. Umgekehrt wird in dem Reaktionsp r o d u k t die Form überwiegen, so daß man erwarten darf, daraus nach Abspaltung der Komponente B ein Präparat von A zu gewinnen, welches die rascher reagierende Form + A im Ueberschuß enthält. In diesen Verhältnissen liegt nur ein s c h e i n b a r e r W i d e r s p r u c h gegen den früher ausgesprochenen Satz, d a ß o p t i s c h e A n t i p o d e n s i c h c h e m i s c h d u r c h « a u s g l e i c h a r t i g v e r h a l t e n (vgl. S. 100—101). Bringen wir eine unsymmetrisch konstruierte Substanz mit einer zweiten unsymmetrisch konstruierten Substanz in Reaktion, so sind vier Fälle zu unterscheiden* 1. Reaktion zwischen +A und

+B

2.





8. 4.

„ „



-B +B -B.



+A „ — A ,, -A „

Streng genommen ist der Fall 1 um mit Fall 4 und der Fall 2 nur mit Fall 3 vergleichbar. Für die Reaktion 1 würde uun die experimentelle Prüfung jedenfalls genau denselben Verlauf wie für Reaktion 4, für Reaktion 2 den gleichen wie Ittr Reaktion S ergeben; d. h. die beiden Antipoden von A verhalten sich einander gleich, wenn man sie mit e n t s p r e c h e n d e n Antipoden von B in Reaktion bringt*. 1

MABCKWALD, MO KBNZIK, B. 32, 2130. (1899); 33, 208 (1900); 34, 469 (1901). — MABCKWALD, Mrrft, B. 38, 801 (1905). — Vgl. dazu: WALDBH, B. 82, 2703 (1899). E. FISCHBB, B. 32, 3811 (1899). — Vgl. auch: SOBOLTZ, B. 34, 8016 (1V01). — Mo EJSMZIE, THOMPSON, SOC. 87, 1004 (1905). ' Diese Verhältnisse legen auch die Frage nahe, ob ein optisch aktive«

111 Daß die in den eben besprochenen Verhältnissen begründete AktivierungBmethode durchführbar ist, wurde bisher für die Fälle der Ester* bildung und Ainidbildung experimentell bewiesen. Die biochemische Methode (Nr. 2) beruht höchst wahrscheinlich auf den gleichen Verhältnissen wie diese rein chemische Methode. Denn, wenn die Mikroorganismen zwischen der Rechtsform und der Linksform einer und derselben Substanz eine Unterscheidung treffen, so liegt der Grund hierfür wohl zweifellos darin, daß gewisse unsymmetrisch konstituierte chemische Bestandteile ihres Körpers, welche bei der Nahrungsaufnahme in Reaktion treten, nur in der einen aktiven Form vorhanden sind (also eine ähnliche Rolle spielen wie der Körper + B in dem zur Erläuterung der vierten Methode S. 110 benutzten Beispiel). Für die Lebensprozesse sind von großer Bedeutung die Enzyme — Stoffe von noch nicht aufgeklärter chemischer Natur, welche bestimmte chemische Vorgänge herbeiführen, ohne daß sie selbst in die zur Beobachtung gelangenden Reaktionsprodukte eintreten. Für die Enzyme — deren Wirkungen auch außerhalb des lebenden Organismus verfolgt werden können — hat nun E. F I S C H E S 1 den Nachweis geführt, daß sie in mehreren Fällen sich durchaus verschieden gegenüber optischen Antipoden verhalten; so läßt das Enzym „Emulsin" von zwei einander enantiomorphen Glykosiden (Methylglykosid) das eine unverändert, während es das andere spaltet (in Methylalkohol und Glykose). Dieses Verhalten kann zur Raceinspaltung benutzt werden*. Daß optische Antipoden sich physiologisch verschieden verhalten, wird bei der Besprechung der einzelnen Substanzen im speziellen Teile mehrfach hervorzuheben seiu. Diese Verschiedenheit findet in den oben geschilderten Verli<nissen ihre Deutung, sobald man annimmt, daß die chemischen Bestandteile des Organismus, welche die Reaktion vermitteln, unsymmetrisch konstituiert and nur in e iner aktiven Form zugegen sind.

Bei den vier oben dargelegten Methoden handelt es sich darum, aus dem vorliegenden inaktiven Produkt, welches aus 50°/0 d-Form und 50 °/0 /-Form besteht, die von Beginn an vorhandene Menge der einen optisch aktiven Komponente von der anderen abzutrennen. Neuerdings haben MASCKWALD und PAUL 3 mit Erfolg Versuche in der Richtung gemacht, durch wechselseitige Umwandlung der Komponenten ineinander ihr Mengenverhältnis zu verändern, mithin inaktive Produkte ohne S p a l t u n g zu a k t i v i e r e n 4 . Wenn man ein inaktives Produkt j +A und —4} mit einer aktiven Verbindung +B kombiniert, so erhält Löaungsmitte! gegenüber zwei optischen Antipoden verschiedenes Lösungsvermögen zeigen kann; vgl. dazu COOPER, Am. 33, 255 (1900). * * B. 36, * 4

Vgl.: B. 2 7 , 2992 (1894); 3 2 , 3617 (1899). H. 2 0 , 81 (1898). Vgl.: DAKIN, C. 1 0 0 3 , I I , 199; 1 9 0 5 , I , 1638. — £ . FISOHBB, BRRQELL, 2593, 2603 (1903); 3 7 , 8103 (1904). — WABBÜRO, B. 3 8 , 187 (1905); B. 3 8 , 810 (1905).

Vgl. auch Mo RÜHZIE, THOMPSON, SOC. 87, 1004 (1906).

112

Aktivierung inaktiver Produkte ohne Spaltung.

man bei vollständig verlaufender Reaktion ein Gemisch der beiden dia* stereomeren Kombinationsprodukte:

in gleichen Mengen. Erhitzt man dieses Gemisch auf höhere Temperatur, so wird an den einzelnen unsymmetrisch konstituierten Molecülteilen — ebenso wie bei der Racemisierung optischer Antipoden (vgl. S. 94—95) — eine sterische Unilagerung eintreten. Gelingt es nun, Bedingungen zu treffen, bei welchen diese Umlagerung nur die Teile A, nicht aber die Teile B betrifft — daß solche Bedingungen realisierbar sind, hatte sich bei EL FISCHEBS Untersuchungen an Körpern der Zuckergruppe gezeigt —, so wird sich I in IE und umgekehrt II in I verwandeln. Diese Umwandlung aber wird nun in einem solchen Falle nicht gleichmäßig nach beiden Richtungen verlaufen, weil I und ü diastereomer sind und daher ungleiche Stabilität besitzen. Mithin wird sich das Mengenverhältnis von I und I I derart verschieben, daß entweder I oder II im Ueberschuß vorbanden ist Spaltet man nun nach dem Erhitzen den Bestandteil B wieder ab, so wird man ein Gemenge von +A und —A zu u n g l e i c h e n Teilen — also ein a k t i v e s Produkt — erhalten, welches in seiner Gesamtmenge bei quantitativem Verlauf der Operationen der ursprünglichen Menge des inaktiven Produkts {+A und —A\ gleich sein würde. Bisher haben wir stets nur den Fall zweier asymmetrischer Kohlenstoffsysteme näher betrachtet. Die räumlichen Isomerieverhältnisse in Kombinationen von größerer Kohlenstoffzahl lassen sich auf ganz analoge Weise behandeln, solange die einzelnen Kohlenstoffsysteme durch e i n f a c h e B i n d u n g miteinander zu „ o f f e n e n K e t t e n " vereinigt sind. Besondere Verhältnisse aber treten ein, wenn die Kohlenstoffatome Glieder eines r i n g f ö r m i g geschlossenen Komplexes (vgl. dazu S. 139) sind. Eine freie Rotation der einzelnen, zum Ring gehörigen Kohlenstoffsysteme um die Achse, welche die Zentren zweier Nachbarsysteme verbindet, in der S. 96 besprochenen Weise ist dann, wie am Modell leicht ersichtlich ist, nicht mehr möglich, ohne daß der Zusammenhang des cyclischen Komplexes aufgehoben wird. Für den einfachsten Fall — die ringförmige Vereinigung von drei KohlenBtoffatomen — ist es selbstverständlich, daß die Zentren der drei Kohlenstoffsysteme in e i n e r Ebene liegen. Die Gruppen, welche an die sechs zur• Ringbildung nicht benutzten Valenzen des Komplexes:

herantreten, befinden sich dann — wie die Konstruktion des Modells ergibt — bei möglichst symmetrischer Stellung der drei tetraedrischen Systeme in zwei zu dieser „Ringebene" parallelen Ebenen, und zwar —

Stereochemie cy'cliseher Systeme.

113

wenn wir die Ringebene horizontal stellen — drei in einer oberen, drei in einer unteren. Man kann dies durch das Schema:

zum Ausdruck bringen; in den Ecken des Dreiecks sind die Kohlenstoffatome des Ringes zu denken; die von jeder Ecke nach oben und unten gerichteten Striche bedeuten die Valenzen 1 , welche an jedem Kohlenstoffatom noch verfügbar sind. Sind mehr Kohlenstoffsysteme miteinander cyclisch vereinigt, so ist die Lagerung ihrer Zentren in e i n e r Ebene nicht mehr notwendig. Doch hat sich bei der Bearbeitung stereochemischer Fragen aus dem Gebiet der cyclischen Verbindungen, die in theoretischer wie in experimenteller Hinsicht besonders von BAETER gefördert ist, herausgestellt, daß die Erfahrungen eine befriedigende Deutung finden, wann man auch für die gliederreicheren Ringsysteme, deren Ringglieder durch einfache Bindung miteinander verkettet sind, die Zentren der einzelnen Ringglieder in e i n e r Ebene gelagert annimmt (näheres vgl in Bd. II, Teil I). Dann verteilen sich auch in diesen Fällen die an die Ringglieder gebundenen Gruppen auf zwei zur Ringebene parallele Ebenen; für den Vier-, Fünfund Sechsring findet diese Anordnung folgenden schematischen Ausdruck: 2

Aus dieser Betrachtungsweise ergibt sich sofort, daß bei gleicher Struktur Raumisomerie stets auftreten kann, sobald an mindestens zwei Gliedern des Ringes die zur Ringbildung nicht verwendeten Valenzen — die „äußeren" Valenzen — in verschiedenartiger Weise beanspracht werden. Die Formel:

bietet den denkbar einfachsten Fall dieser Art dar; von den Gruppen a und b, welche an die mit * bezeichneten C-Atome gebunden sind, können die gleichartigen sich entweder auf derselben Seite oder zu beiden Seiten der Ringebene befinden: a a a a eis-Form

a 6 trans-Form

1 Ohne Berücksichtigung des Winkels, welchen ihre Richtungen bilden. * Ueber eine vereinfachte graphische Ausdrucksweise s. A S C I L A H , B. 8 5 , 3 3 9 0 ( 1 9 0 2 ) . MBYBS-JACOBSON. org. Ch. Zw. Aufl. I i . 8 (Oktober 1905)

cis-trans-Isomerie.

Die beiden Formen sind diastereomer; man bezeichnet diese besondere Art der Diastereomerie als „cw-irww-Isomerie" und unterscheidet die einzelnen Isomeren als „eis"- und „?

Azinring

/

o< >c

V\

1

Pyrrolring

Ys /

C^N/ ThiazolriDg

sind Beispiele für solche „Ringe"; jede ist charakteristisch für eine größere Gruppe von Verbindungen. Den Ringsystemen, die aus lauter gleichartigen Gliedern — Kohlenstoffatomen — bestehen, reihen sich demnach solche an, deren Glieder verschiedener Art sind. Man kann die «roteren als „isocyclische", die letzteren als „ h e t e r o c y c l i s c h e " bezeichnen. Den „cyclischen" Verbindungen Uberhaupt kann man die Körper, deren Molecal keine ringförmige Atomanordnung enthält, als „ a c y c l i s c h e " Verbindungen gegenüberstellen. Die organischen V e r b i n d u n g e n können demnach, soweit ihre K o n s t i t u t i o n e r k a n n t i s t , in d r e i g r o ß e K l a s s e n eingeteilt werden: I. Aliphatische oder acyclische Verbindungen:

Verbindungen,

deren

Molecüle nur offene Atomketten enthalten. (Verbindungen der F e t t reihe.) II. Isocyclische Verbindungen: Verbindungen, deren Molecüle geschlossene Ketten von Kohlenstoffatomen enthalten. (Benzolderivate u. a.) III. Heterocyclische Verbindungen: Verbindungen, die in ihrem Molecül neben Kohlenstoffatomen auch andere Elementaratome als Glieder geschlossener Ketten enthalten. ( P y r i d i n d e r i v a t e usw.) Die Angehörigen der beiden letzten Klassen stellt man zuweilen den Verbindungen der Fettreihe als V e r b i n d u n g e n der a r o m a t i s c h e n R e i h e gegenüber, weil die Mehrzahl in ihrem chemischen Verhalten gewisse gemeinsame Eigentümlichkeiten aufweist, die in Auffälligem Gegensatz zu dem chemischen Charakter der aliphatischen Verbindungen stehen. Eine nähere Kennzeichnung dieses „aromatischen" Charakters kann erst im -zweiten Bande (Teil I) gegeben werden. Andererseits aber finden sich unter den cyclischen Verbindungen auch solche, welchc in ihrem chemischen Verhalten den aliphatischen Körpern sehr ähneln1 und daher als ^aliCyclische" 1 Verbindungen bezeichnet werden können. Es handelt sich also bei obiger Unterscheidung von drei Klassen ntir um eine für die S y s t e 1 S

Näheres s. in Bd. II, Teil I, Kap. 1. Bakbebqeb, B. a a , 769 (1889).

Hauptklassen

der organischen

Verbindungen.

141

imatilv sehr wertvolle Einteilung; in der c h e m i s c h e n N a t u r der einzelnen Klassenjglieder dagegen finden wir nicht durchgreifende Unterschiede, sondern allmfihliche Uebergänge 1 . Die s t r e n g e Durchführung des obigen Prinzips erweist sich indes, soweit die 'dritte Klasse in Betracht kommt, auch für die Systematik nicht als zweckmäßig. Verbindungen z. B., wie CH. 2 -CO CH4—CO i ^>0, i >0 , CH.-CH, CH,—CO Butvrolacton Bernsteinsäureanhydrid gehören streng genommen in die Klasse der heteroeycliscben Verbindungen, werden aber mit gutem Grunde stets bei den aliphatischen Verbindungen abgehandelt — deshalb, weil ihre ringförmige Atomgruppierung sich nicht in einer größeren Zahl von Umsetzungen erhält. Die Verbindungen mit offener Kette: CH,—CO OH ¿H,—CH, • O H ' Oxybuttersäure.

CH,—CO-OH ¿Hg—CO • OH Bernsteinsäure

stehen zu ihnen in nächster Beziehung; aus letzteren bilden sie sich durch Wasserabspaltung und gehen durch Wasseraufnahme wieder leicht in dieselben über: sie sind „innere Anhydride" jener Verbindungen. Der cyclische Kern in ihrem Molecül ist bei jedem chemischen Eingriff bereit, sich zu öffnen; fast alle ihre genetischen Beziehungen verknüpfen sie mit aliphatischen Verbindungen, und es wäre daher unnatürlich, sie getrennt von ihren nächsten Verwandten zu behandeln. Dagegen werden die Substanzen: Cs CHO

CH j CH

> CH Furfurol

,

C H ~ C ^ C O OH : /O , CR ." Oii Brenzschleimsäurc

welche ein aus denselben Atomen gebildetes Ringsystem enthalten, bei den cycli«cheu Verbindungen abgehandelt, weil ihre Entstehungsweisen und Umwandlungen den (.yclischen Komplex ihres Molecüls als ihren wirklichen Stammkern erkennen lassen, der seineu Zusammenhang in einer großen Zahl von Reaktionen wahrt. Zu der ersten Klasse gehören natürlich auch diejenigen Verbindungen, welche m e h r e r e . offene Kohlenstoffketten unter Zwischenschaltung anderer mehrwertiger Atome enthalten, z. B.: CH» • CH,—0—CH, • CH, • CH, • C H , . Ebenso umfaßt die zweite Klasse auch alle Verbindungen, in deren Molecülen Kohlenstoffringe mit offenen Kohlenstoffketten oder miteinander verbunden sind, z. B : HjC.

.CH, JCH.CH,-CH,-CH,, CH,

CH HCr^^C-CHjX HCL J e — C H , / CH 1

*'

CII HC^y.C H c l JiCH CH

CH C.f^NCH Höi^JcH' CH

CH CH HCr^NC-NH-Crj^NCH HCL UcH HOIJCH' CII CH

Vgl. auch KHAFPT, J. pr. [2] 6 2 , 75 (1900).

142

Homologie.

Der dritten Klasse endlich werden auch alle Kombinationen heterocyclischer Ringe mit offenen Kohlenstoffketten and mit Kolilenstofiringen eingereiht, z. B.: CH, CH CH,

HjCf H s Cl

JCH—CH, *CHj • CHg NH

HC-^^^^Ov. .JCHj CH NH

Für die K l a s s i f i k a t i o n der einzelnen Verbindungen i n n e r h a l b j e n e r d r e i H a u p t k l a s s e n besitzen wir in der „ H o m o l o g i e " ein aasgezeichnetes Hülfsmittel. Der chemische Charakter einer Verbindung bleibt in seinen Grundzügen ungeändert, vrenn ein an Kohlenstoff gebundenes Wasserstoffatom durch die Methylgruppe: —CH, ersetzt wird. Zwei Verbindungen, deren eine aus der anderen durch eine solche einmalige oder mehrmalige Einfuhrung einer Methylgruppe entstanden gedacht werden kann, bezeichnet man als homolog. Solche Verbindungen lassen sich zu Reihen zusammenstellen, in denen jedes Glied von dem vorhergehenden durch den Besitz einer Methylgruppe an Stelle eines Wasserstoffatoms sich unterscheidet. Die schon öfters erwähnten Kohlenwasserstoffe Methan, Aethan, Propan und Butan bilden z. B. die Anfangsglieder einer homologen Reihe: Diff. Methan: CH 4 }CH, Aethan: CH, CH, = C S H,' Propan: C,H 6 CH, = C,H,I ^ Butan: C,H,-CH, = C 4 H !o }CH, usw.

Zwei einander benachbarte Glieder einer homologen Reihe müssen natürlich stets eine Zusammensetzungsdifferenz von CHj zeigen, da dem Austritt eines Wasserstoffatoms der Eintritt eines Kohlenstoffatoms und dreier Wasserstoffatome entspricht (CHa = CH3 — H). Die homologe Reihe der Kohlenwasserstoffe, deren Anfangsglieder oben zusammengestellt sind, bildet eine Gruppe von Verbindungen, welche einander in ihrem chemischen Verhalten äußerst ähnlich sind, welche durch analoge Reaktionen erhalten werden können und sich bei der Einwirkung von Reagentien fast gleichartig verhalten. Dieselbe Analogie in dem chemischen Charakter findet sich nun wieder, wenn wir die Verbindungen betrachten, die aus jenen Kohlenwasserstoffen durch gewisse Aenderungen in der molecularen Zusammensetzung entstehen. Wird z. B. ein Wasserstoffatom ersetzt, durch Chlor oder durch Hydroxyl oder durch Carboxyl, so resultieren die homologen Reihen der Alkylchloride, Alkohole und Carbonsäuren: Mcthylchlorid: Aethylchlorid: Propylchlorid: Buty'lchlorid:

CHaCl CSH6C1 C,H,C1 C4H„C; usw. Essigsäure: Propionsäure: Buttersäure: Valeriansäure:

Methylalkohol: Aethylalkohol: Propylalkohol: Butylalkohol: CH,(CO,H) C,H,(CO,H) C,H 7 (CO,H) C 4 H,(C0 t H) usw.

CH,(OH) C,H,(OH) C,H,(OH) C4H9(OH) usw.

Klassifizierung

nach der Wertigkeit.

143

Zwischen den einzelnen Gliedern dieser Reihen besteht dieselbe weitgehende Uebereinstimmung in dem chemischen Charakter. Die Besprechung der organischen Verbindungen wird demnach durch ihre Einordnung in homologe Reihen wesentlich erleichtert, da die Beschreibung eines einzigen Gliedes typisch für die ganze Reihe ist und für die übrigen Glieder in der Regel nur durch wenige Angaben ergänzt zu werden braucht Auf die Regelmäßigkeit in der Zusammensetz ungsditferenz ähnlicher Körper und die sich hieraus ergebende Möglichkeit ihrer Einordnung in Reihen hat zuerst, SCHIEL 1 aufmerksam gemacht, der dadurch der organischen Chemie einen großen Dienst geleistet hat. Homologe Verbindungen wurden vorher als solche Verbindungen definiert, welche auseinander durch Einführung von Methylgruppen an Stelle von an Kohlenstoff gebundenen Wasserstoffatomen entstehen. Es muß indessen noch hervorgehoben werden, daß man es nnr dann mit einer wirklichen Homologie zu tun hat, wenn durch diese Substitution nicht diejenige Atomgrappe verändert wird,,die für den chemischen Charakter der betreffenden Verbindung bestimmend ist. Beim u Acetaldehyd: GH,—C

Michael, Am.

2 6 , 4 1 9 (1901).

' A . 7 1 , 171 (1849); 7 4 , 4 1 (1850).

4

9

Vgl. K r a f f t , Görna, B . 2 1 , 3 1 8 5 ( 1 8 8 8 ) . A. 1 4 2 , 3 1 5 ( 1 3 6 7 ) ; s. auch Lwow, Z. 1 8 7 1 ,

257.

• A : 6 9 , 257 (1849).

Miybr-Jacobson,

org. Cli. Zw. Aufl. I i .

11

(Oktober

1905.)

162

Synthese der Grenzkohlenwasserstoffe aus den Elementen.

C n H J n + 1 , welcher sich mit einem gleichartigen vereinigt So entwickelt sich bei der Elektrolyse der Essigsäure am positiven Pol neben Kohlensäure Aethan: CH,-CO,H

CH,

= | + 2 CO, + H, CH,-CO,H CH, Kathode' Anode

Neben diesem Prozeß stellen sich indes auch andersartige Reaktionen ein, so daß namentlich die Homologen der Essigsäure bei der Elektrolyse ihrer Hauptmenge nach in anderer Richtung zerfallen, als obige Gleichung es darstellt 1 . (Näheres vgl. im Kap. 9.) Von besonderem theoretischen Interesse 'sind solche R e a k t i o n e n , durch welche die B i l d u n g „ o r g a n i s c h e r " V e r b i n d u n g e n a u s „ a n o r g a n i s c h e m " M a t e r i a l — d. h. aus dem Kohlenstoff selbst bzw. seinen direkten Verbrennungsprodukten (Kohlenoxyd und Kohlendioxyd) — ermöglicht wird. Einige solcher „ S y n t h e s e n a u s den E l e m e n t e n " werden für die einfachen Glieder der Paraffin-Reihe unter den speziellen Bildungsweisen angeführt werden (vgl. S. 171—172,174). Hier sei auf eine allgemeine Reaktion hingewiesen, welche die Bildung von Kohlenwasserstoffen — darunter auch solchen der Paraffin-Reihe — aus Kohlenstoff selbst gestattet. Man vereinigt den Kohlenstoff mit einem Metall zu einem „Metallcarbid", indem man Kohle mit dem Metall selbst oder einem Metalloxyd auf sehr hohe Temperatur erhitzt; bringt man nun das entstandene Carbid mit Wasser zusammen, so erfolgt Zersetzung unter Bildung des Metallhvdroxyds, 'während der Kohlenstoff mit dem Wasserstoff des Wassers zusammentritt, z. B.: A14C3 + 12H-OH = 4AI(OH), + 3CH,. In den meisten Fällen erhält man Gemische mehrerer Kohlenwasserstoffe; seit langer Zeit bekannt ist die Bildung von Grenzkohlenwasserstoffen beim Auflösen von Gußeisen oder Spiegeleiscn — d. h. also eisencarbidhaltigem Eisen — in Säuren 3 . In neuerer Zeit ist durch die Untersuchungen von MOISSAN über die Bildung der Carbide im elektrischen Ofen die Kenntnis solcher Prozesse sehr erweitert und gefördert worden. So fand MOISSAN auch die durch obige Gleichung wiedergegebene Bildung von Methan, das in diesem Falle mit anderen Kohlenwasserstoffen nur wenig verunreinigt ist, aus Aluminiumcarbid auf'. 1

Vgl. JAHNS Beobachtungen Aber die Elektrolyt« der Propionsäure [WIKDE-

MANHS A n n . 3 7 , 4 8 0 (1889)], s o w i e HOPER, MOBST [A. 3 2 3 , 2 8 4 (1902)]. * Cu>fiz, C . r. 8 6 , 1 0 0 3 ( 1 8 7 7 ) ; B l . [2] 8 0 , 174 (1878); 3 2 , 4 0 5 (1879). -

dazu CAMPBELL, C. 1 8 9 7 , I , 157. ' MOISSAN, BL. [8] 11, 1012 (1894): 1 5 , 1285 (1896).

Vgl.

Allgemeine Charakteristik der Orenzkohlemoasaerstoffe.

169

In ähnlicher Weise filtirt auch die Einwirkung von Waaser auf Lanthan-1, Beryllium-1, Thorium- und Uran-8, sowie Mangan-Carbid4 zur Bildung von Methan, dem sich Aethylen und Acetylen, sowie auch Wasserstoff beizumischen pflegen. Allgemeine Charakteristik der Grenzkohlenwasserstoffe. Die Glieder mit 1—4 Kohlenstoffatomen sind bei gewöhnlicher Temperatur gasförmig; dann folgen flüssige Kohlenwasserstoffe bis etwa zum 15. Gliede; die höheren Homologen sind fest, ihr Schmelzpunkt erhöht sich langsam mit wachsender Kohlenstoffzahl; der Siedepunkt steigt viel rascher und liegt bei den höheren Homologen so hoch, daß diese nur im luftverdünnten Räume unzersetzt destilliert werden können. Das spezifische Gewicht steigt langsam; bei den höheren normalen Gliedern besitzt es fbr die Schmelztemperatur einen nahezü konstanten Wert, so daß vom Undecan aufwärts gleiche Volume geschmolzener Nonnalparaffine fast gleiches Gewicht zeigen. Die Tabelle Nr. 3 auf S. 164 enthält die Konstanten für eine größere Zahl von Paraffinen; vom Heptan aufwärts beziehen sich diese Konstanten nur auf die normalen Kohlenwasserstoffe6. Aus den Zahlen, welche diese Tabelle in der Kolumne „Siedelpunkt" zeigt, ist ersichtlich, daß von den isomeren Kohlenwasserstoffen mit gleicher Kohlenstoffzahl (vgl. Butane, Pentane, Hexane) immer derjenige am höchsten siedet, welcher die normale Struktur besitzt; je verzweigter die Kohlenstoffkette ist, um so niedriger liegt der Siedepunkt Vergleicht man andererseits die Siedepunkte ausschließlich fllr die normalen Kohlen wasserstoffe (Butan, Pentan, Hexan usw.), so zeigt sich ein regelmäßiges Ansteigen in der Weise, daß die Differenz der Siedepunkte ftlr zwei einander folgende Glieder beim Aufsteigen in der Reihe immer kleiner wird; vom Butan zum Pentan beträgt diese Differenz 35°, vom Octadecan zum Nonadecan nur noch 13°. Aehnliche Verhältnisse zeigen sich in fast allen übrigen homologen Reihen organischer Verbindungen 8 . 1

MOISSAN, C. r. 1 2 3 , 148 (1896).

4

LEBEAU, C . r . 1 2 1 , 4 9 8 (1895). * MOISBAN, ÜTAHD, A . c h . [7] 1 2 , 4 2 9 (1897). —

MOISSAN, BL. [ 3 ] 1 7 , 15 ( 1 8 9 7 ) .

< MOISBAN, C. r. 122, 423 (1896). * Ueber Regelmäßigkeiten, welche in den spezifischen Wärmen der Kohlenwasserstoffe

Zulage

Kompressibilität

und

treten

v e r g l . MABEHY,

spezifische

Wärme

GOLDBTEIH,

der

A m . 2 8 , 6 6 (1902).

Paraffine C , H U



bis C,,H T4 (aus

a m e r i k a n i s c h e m P e t r o l e u m ) : BABTOLI, G . 2 8 , I , 4 6 6 , 4 7 2 ( 1 8 9 6 ) . — F ü r V e r b r e n n u n g s w ä r m e n v g l . THOHSSM, P h . C h . 6 2 , 346 (1905). — M o l e c u l a r r e f r a k t i o n d e r P a r a f f i n e : BEÜHL, 6 . 2 7 , 1065 ( 1 8 9 4 ) ; EYKMAN, R . 1 3 , 2 8 ( 1 8 9 4 ) ; 1 4 , 1 8 5 ( 1 8 9 5 ) ; 1 5 , 5 2 (1896).

* Formeln zur Berechnung des Siedepunkts homologer Paraffine, Alkohole, Aldehyde und Ketone hat RAMAQE (C. 1904:, I, 1514) aufgestellt. 11*

Tabellarische Uebersicht über die Qrenzkoklenwassersloffe.

164

T a b e l l e Nr. 3.

I

Schmelzpunkt

Siedepunkt

Gewiiht

1

GH,

I M e t h a n »—»•»»•«*•»

— 184*

- 1 6 4 ° (760 m m )

C,H,

Aethan "»«•«•«•«

-172-1

—84*1®(749 m m ) (0° b e i 23-8 A t m . )

C , H , ¡ Propan 1

" » « . « . « J . S I . S J . H

C4H,0 I Normales B u t a n

4 - 8

"

-

.

.

.

.

.

.

45

Normales

- 4 4 - 5° (0° b e i 5 A t m . ) 1«

0 - 4 1 5 ( — 164°) 0 - 5 5 5 (0®, 7 6 0 m m ) 0 - 4 4 6 (0°) 0 - 5 8 6 (0°, flitasig)



+



- 1 7

0 • 6039 ( 0 * )



+ 36- 3

0 - 4 5 4 (0*)

+ 30« 4

0-622

I s o b u t a n 4-4' CjHlt

spen

0 - 6 0 0 (0°)

Pentan i-""»-«-«-«-

4 S . 4 » . S 4 . 7 0

D i m e t b y l & t h y l m e t h a n »•"-»-«•• 4 S . M . M

Tetrwnethylmethan C.H14

.

.

.

-20

+

9



Normales Hexan 7-io.i..«-so.«. 48.I6.S7.6e-U.71.71



Dimethvlisopropylmethan

69

0-6603

58

0-666

iD-"-

U . 6 0 . 7 4

er 2. TO

o o

D i m e t h y l p r o p y l m e t h a n »«•«•«•"



62

0-6766 (0°)

Methyldiäthylmetban

.



64

0-677

Trimethyläthylmethan «•»•»•« Heptan ' " 0 . 1 S . » - « S - » « . « - « . 5 » . S 7 . 7 »



49- 6

0-6488

C,H16



98- 3

0-683

2.

C,H,g

O c t a n »«•»—»•«•»i



125- 8

0-702

TO

C«H,0

N o n a n 1®,,!l

- 5 1

150

0-718

-31

173

0-7467

-26

196

0-7581 0-7684

7

8

1

.

!

Decan C„H,4

Undecan

.

.

.

.

C J » H „

D o d e c a n s»-«-«-'»

- 1 2

215

C„H,8

Tridecan

-

6

234

0-775

C

U

Tetradecan

+

4

252

0-775

C

I B

H



H „

S3 - ,6 - 7 >

Pentadecan

C1sH,4

H e x a d e c a n «»-«-ae.so.js

C J J H , ,

H e p t a d e c a n »»•>»•»»•»»

.

.

.

C1SHU

O c t a d e c a n «»•«•»•«

.

.

.

Ci»H1(,

Nonadecan

+ 10

270

0-776

18

287

0-775

.

22

303

0-777

.

28

317

0-777

32

330

0-777 0-778

i3-56-"

c,0H4i

Eikosan

37

205

C..H«

Heneikosan "

40

215

0-778

C I I H «

Dokosan

44

224

0-778

T r i k o s a n "•58-7S

48

234

Tetrakosan

51

243

C

M

H . .

M - M

M

"

CMHm

Pentakosan "•'9

53-5 !

C»H,4

Hexakosan"

58

— .

Heptakoaan

60

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Chemisches Verhalten der Qrenxkohknwasserstoffe.

165

Zitate

zu der T a b e l l e Nr. 3 : 1 WROBLEWSKI, G. r. 9 9 , 136 (1885). — C. r. 1 0 0 , 940 (1886). — * OLSZEWSKI, WIEDEMAXNS Ann. 31, 58 (1887). — 4 FBANKLAND, A. 71, 171 (1849). — 8 BOUAIDS, J . pr. [1] 94, 424 (1865). — • BOTLBKOW, A. 1 4 4 , 10 (1867). — ' WAKREH, Z. 1 8 6 5 , 668. — 9 SCHORLEMMER, A. 1 2 5 , 103 (1863). — 9 WILLIAMS, A. 1 0 2 , 127 (1857): 1 2 6 , 107(1863). — " LACHOWICZ, * OLSZEWSKI,

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"

A.

SCHIFF,

220,

KRLENMEYEH, WANKLYN,

"



THORPE, A . 1 9 8 , 3 6 4 ( 1 8 7 9 ) . — "

SOHORLEMMEB, THORPB, A . 2 1 7 , 1 4 9 ( 1 8 8 3 ) .



— RICHE, A. 117, 265 (1861). — 8 0 SCHORLEMMER, A. 1 4 7 , 227 (1868). — " ZINCIE, A. 182, 15 (1869). — «• THORPE, SOC. 87, 213—218 (1880). — » KRAFFT, B. 16, 1687, 1711 (1882); 1 6 , 1714 (1883); 1 9 , 2218 (1886). — M LACHOWICZ, A . 2 2 0 , 168 (1883). — 8 8 SORABJI, Soc. 4 7 , 37 (1885). — * EICHLER, B. 1 2 , 1882 (1879). — »' MAI, B . 2 2 , 2133 (1889). — OLSZEWSKI, B .

— 41

S o c . 71, 4 4 6 (1897). — 9 2 0 (1898). —

63,

19,

48





YOUNO, SOC. 7 8 , 9 0 6 ( 1 8 9 8 ) . —

Yorao,

50

1145 (1900).

419 (1897). —

84



"

77,

PORTEY, SOC.

29,

(1896). —

1323

86



(1892).



89

PERKIN, SOC. 6 1 ,

EYKMAN, R . 1 5 , 5 6 ( 1 8 9 6 ) . —

J . pr. [2] 5 4 , 52 (1896). — B. 32,

1445 (1899). —

33,

1905 (1900). —

67,

1071 (1895). —

4 3 , 7 (1891). —

88 ,0

1 9 0 5 , I,

88

84

2 9 4 (1892). "



78

78



88

PERKIN, SOC. 6 9 , 1172 (1896).

7,

"

MABERY, A m .

KONOWALOW, C . r . 1 1 4 ,

193 (1899). —

31, I,

88

87

347 (1901).

26 —

88

H . WISLICENUS,

88

MARKOWNIKOW,

MARKOWNDCOW, B .

THOMAS, YOÜNO, SOC.

» STOHMANN, KLEBER, J . p r . [ 2 ]

B . 3 4 , 4 0 3 6 (1901). —

ASCHAN, B . 3 1 , 1 8 0 1 ( 1 8 9 8 ) . —

ch. [7]

YOUNO, FORTEY,

81

YOONO, THOMAS, SOC. 7 1 , 4 4 0 ( 1 8 9 7 ) . —

MARIE, A .

Yooxo,

88

78

212 (1896).

»

MABERY,

LEBEAU, C . r . 1 4 0 , 1 0 4 2 ,

MOISSAN, CHAVANNE, C . r . 1 4 0 , 4 0 7 ( 1 9 0 5 ) . —

217. —

44

THORPB, JONES, SOC.

1446 (1899). —

ODDO, G .

40

COMBES, J b . 1 8 8 7 , 1 4 2 4 . — 74

49

MARKOWNIEOW, C . 1 8 9 9 , I I , 4 7 2 . —

YOUNG, P h . C h . 2 9 ,





MABERY,

FRANCIS, YOUHG, SOC. 7 3 ,

L . MEYER, B . 2 7 , 2 7 6 7 ( 1 8 9 4 ) . —

» MICHAEL, A M . 2 6 , 4 2 0 ( 1 9 0 1 ) .

A M . 2 8 , 1 6 5 (1902). — 1454(1905). —

274 (1893).

48

Siedepunkt bei Omm Druck: GASTENMEISTER, PH. Ch. 6, 5 2 9 ( 1 8 9 0 ) .

L E B E L , WASSERMANN, C . r. 1 0 0 , 1 5 8 9 ( 1 8 8 5 ) .

57

41

169—175. —

1 1 2 6 (1900). —

MARKOWNIKOW, B . 3 2 ,

SCHALL, B . 2 5 , 1 4 9 0 ( 1 8 9 2 ) .

KRAFFT, WEILANDT, B .

79

HAINLKN, A . 2 8 2 , 2 2 » , 2 4 5 ( 1 8 9 4 ) .

44

FEIKDEL, GOEOEU, C . r . 1 2 7 , 5 9 2 ( 1 8 9 8 ) . —

48

2 7 3 (1893).

SOC. 7 7 ,

C.



26, 2 0 7 1 ( 1 8 9 3 ) . — " Vgl. die Zitate auf S . Am. 19, 2 4 3 ( 1 8 9 7 ) . — 4 4 THORPB, JONES, SOC, 63,

L . METER, B .

HUDSON,

81

LADENBCRO, KRÖOEL, B . 3 2 , 1821 (1899); 8 3 , 638 (1900).

88

2 7 , 3 3 0 6 (1894).

BL.

77

[3]

P o m , COSTACHESOO, 16,

567 (1896). —

Die Paraffine sind farblos. Mit Wasser sind sie nicht mischbar, in Alkohol und Âether lösen sich die mittleren Glieder leicht, die höheren nur schwer auf1, Ihr chemisches Verhalten ist durch verhältnismäßig große Widerstandsfähigkeit gegen sonst sehr energisch wirkende Reagentien charakterisiert; im Vergleich mit anderen Körperklassen zeigen sie nur geringe Bereitschaft zu leicht und glatt eintretenden chemischen Umwandlungen. Dies gilt besonders für die normalen Kohlenwasserstoffe und solche 1

Löslichkeit der Paraffine in Amylalkohol : FMSDRL, GOBOEU, C . r. 1 2 7 ,

5 9 4 (1898).

166

verzweigten Kohlenwasserstoffe, die „quartär" gebundene Kohlenstoffatome: C (Kohleustoffatome, welche mit vier anderen G Kohlenstoffatomen in direkter Bindung stehen)

enthalten, deren Wasserstoffatome also sich ausschließlich in Form von Methylgruppen —CHS oder Methylengruppen >CH 4 vorfinden. Reaktionsfähiger erweisen sich solche verzweigten Kohlenwasserstoffe, welche „tertiär" gebundene Kohlenstoffatome

aufweisen, also Wasserstoffatome in Form der Methenylgruppe ^ C H enthalten. Für die größere Beweglichkeit der an tertiäre Kohlenstoffatome gebundenen Wasserstoffatome werden wir #rach bei anderen Körperldassen noch häufig Beispiele finden. So werden durch 5-proz. Kaliumpermanganatlösung zwar vom Methan 0-3 und vom Aethan noch 0-25 ccm innerhalb 5Minuten oxydiert, aber schon die Glieder der 3. und 4. Reihe können mit diesem Reagens 1 Minute geschüttelt werden, ohne daß sie in nennenswertem Betrage zerstört werden1. Dagegen wird ein Paraffin mit tertiär gebundenem Kohlenstoff — das Methyl-diäthyl-methan, CHg-CH^H,)^ —, ähnlich wie die ungesättigten Verbindungen, leicht schon von 1-proz. Chamäleonlösung angegriffen. Rauchende Schwefelsäure führt die mittleren und höheren Glieder der Paraffinreihe in Sulfonsäuren über 1 und löst die niederen. Diese Löslichkeit ist speziell beim Aethan immerhin so bedeutend, daß sie bei der Gasanalyse berücksichtigt werden muß; ein äthanhaltiges GaB darf höchstens Stunde, ein methanhaltiges Gemisch höchstens 1 Stunde mit rauchender Schwefelsäure in Berührung bleiben. Chlorsulfonsäure wirkt auf normale Paraffine in der Kälte kaum ein, greift aber Kohlenwasserstoffe, welche eine CH-Gruppe enthalten (Isoparaffine, desgleichen methylierte Polymethylene und Glieder der aromatischen Reihe) leicht an; hierauf läßt sich ein Verfahren zur Reindarstellung von Paraffinen mit gerader Kohlenstoff kette gründen4. In den älteren Lehrbüchern der organischen Chemie wird stets als ein charakteristischer Unterschied zwischen aliphatischen und aromatischen Kohlenwasserstoffen angeführt, daß nur die letzteren nitrierbar seien, d. h. unter der Einwirkung von Salpetersäure Wasserstoffatome gegen den Rest NO, der Salpetersäure — die Nitrogruppe — auatauschen: R-!H + HO- NO t = R , 0 + R-NO,. 1

V. MOTU, Saam, B. 30, 1938 (1897).

* Zelinskt, Zelixow, B. 8 4 , 2865 (1901). 9

4

W o k o t a l l , A m . 2 0 , 6 6 4 (1898).

Yoüko, SOC. 78, 172 (1899).

AM. Soc. 2 1 , 346 (1899).

der Grmzkohlenwasserstoffe.

167

In solcher Form ausgesprochen, besitzt dieser Satz keine Gültigkeit mehr, seit KONOWALOW Bedingungen kennen gelehrt hat, unter denen auch die Nitrierung vieler Grenzkohlenwasserstoffe gelingt. Immerhin besteht ein erheblicher Unterschied in der Leichtigkeit, mit der sich die Nitrierung vollzieht. Denn die meisten aromatischen Kohlenwasserstoffe reagieren, mit starker Salpetersäure bei gewöhnlicher Temperatur zusammengebracht, so heftig, daß zur Mäßigung der Reaktion Kühlung erforderlich ist; die Mehrzahl der Grenzkohlenwasserstoffe zeigt dagegen eine so leichte Nitrierbarkeit nicht Nach den Untersuchungen von K O N O W A L O W , denen sich Arbeiten von MABKOWNIKOW, WOBSTALL und anderen anreihen, können Grenzkohlenwasserstoffe durch Erhitzen mit verdünnter Salpetersäure der Dichte 1 >075 im Rohr in ihre sekundären und tertiären Nitroderivate umgewandelt werden1; vermeidet man die Anwendung von Druck und kocht nur mit verdünnter Salpetersäure, so sind auch primäre Nitroderivate R-CHj-NOj, neben Dinitroderivaten und Oxydationsprodukten, erhältlich'. Quartäre Paraffine, ferner normale Paraffine (und nicht substituierte Polymethylene), sind dagegen so schwer nitrierbar3, daß sie sich hierdurch charakteristisch von anderen Kohlenwasserstoffen unterscheiden. Konzent r i e r t e Salpetersäure der Dichte 1-53 wirkt schon bei gewöhnlicher Temperatur langsam auf normale Paraffine und sehr energisch auf Kohlenwasserstoffe ein, die ein tertiäres Wasserstoffatom enthalten; in letzterem Falle entstehen als Oxydationsprodukte Kohlensäure, flüchtige Fettsäuren (Essigsäure), zweibasische Säoren (Bernstein- und Oxalsäure), sowie auch kleine Mengen von Polynitroderivaten*. Auch beim Erwärmen mit rauchender Salpetersäure auf dem Wasserbade erweisen sich die normalen Paraffine weit widerstandsfähiger als die Isoverbindungen mit verzweigter Kohlenstoffkette'. Eine Lösung von konz. Salpetersäure in konz. Schwefelsäure, in welcher nach MABKOWNIKOW die Nitroschwefelsänre N0 a *0-S0 a '0H anzunehmen ist, greift im allgemeinen die Paraffine nur wenig an; eine Ausnahme machen hier jedoch gewisse tertiär-sekundäre Grenzkohlenwasserstoffe, wie z. B. das Isohexan der Formel ( C H 3 ) J C H • C H , • C H A • C H S , welche mit diesem Reagens weit leichter und aach viel glatter nitriert werden können als mit rauchender Salpetersäure allein4. Chlor wirkt schon in der Kälte auf die Paraffine ein, indem es sich ihres Wasserstoffs bemächtigt; im Sonnenlicht kann sich diese Reaktion beim Methan bis zur Explosion und Abscheidung von Kohlenstoff: C H 4 + 2CI, = 4 HCl + C 1

KONOWALOW, C . r. 1 1 4 , 26 (1892). B . 2 8 , 1852 (1695). WOBSTALL, A M . 2 0 , 2 0 2 (1898); 2 1 , 210 (1899). • MABKOWNIKOW, C. 1 8 9 8 , II, 472, 473. 4 MABKOWNIKOW, C. 1 8 9 8 , I , 1064; I I , 4 7 2 , 473. B . 3 2 , 1441 (1899). J . pr. [2] 6 9 , 5 5 6 (1899). — PONI, C. 1 9 0 2 , II, 16. — PONI, COSTACHESCU, C. 1 8 0 8 , 1 , 624. • FRANCIS, Y o t w o , S o c . 7 3 , 928 (1898). 6 ZALOZIEOKI, FBABCH, B . 3 5 , 390 (1902); vgl. d a g e g e n MABKOWNIKOW, B . 3 6 , 1584 (1902). 2

168

Halogenierung dar Grenzkohlenwasserstoffe.

steigern; im zerstreuten Tageslicht tritt in der Kälte langsame, in der Wärme raschere Substitution des Wasserstoffs durch Chlor ein: CH4 + Cl, = CH.Cl + HCl;

doch ist es schwer, die Reaktion auf der Stufe der Monosubstitutionsprodukte festzuhalten, da diese im Augenblicke des Entstehens leicht weiter chloriert werden. Im Methan and Aethan kann man durch fortgesetzte Behandlung mit Chldr alle Wasserstoffatome substituieren und so zu den Verbindungen CC14 und 0,01« gelangen. Die substituierende Wirkung des Chlors wird hier, wie in vielen anderen Fällen, durch die Gegenwart einer geringen Menge Jod begünstigt; es beruht dies auf der vorübergehenden Bildung von Chloijod, das leicht wieder unter Abgabe des nun im Entstehungszustande befindlichen und daher energischer wirkenden Chlors zerfällt. Die Chlorierung kann noch weiter getrieben werden, wenn mandas Chloijod bei erhöhter Temperatur unter Druck in geschlossenen Röhren wirken läßt; auf diese Weise gelingt auch die Gewinnung des völlig chlorierten Prcpans C,C1„ (Perchlorpropan). Dagegen konnten die Perchlorderivate der höheren Paraffine (z. B. C4Cll0 aus C 4 H lt ) nicht erhalten werden, da das Chloijod auch eine spaltende Wirkung ausübt und die Bildung der besonders bestfindigen Chlorderivate CCl,, C,C1,, C4C1« (Perchlormesol) und C,C1« (Hexachlorbenzol) herbeizuführen sucht1. Ganz ähnliche Besultate wurden bei Versuchen erhalten, durch Anwendung besonders energisch wirkender Mittel, z. B. Jod und Antimonpentachlorid bei 300° bis 400*, die vollständige Chlorierung komplizierter zusammengesetzter Kohlenwasserstoffe zu erzwingen'. Bei der sukzessiven Einführung in Kohlenwasserstoffe mit längerer Kette verhalten sich Chlor und Brom nicht gleichartig, doch scheint hierbei folgende Regelmäßigkeit zu bestehen8: Ein Kohlenwasserstoff mit unverzweigter Kette nimmt bei glatt verlaufender Substitution so vijele Bromatome auf, als er Kohlenstoffatome enthält; hierbei treten die Bromatome nacheinander an benachbarte Kohlenstoffatome4. Die Bildung des symmetrischen Tribrompropans läßt sich dementsprechend durch folgendes Schema veranschaulichen: CH.-CH.-CH, ->- CH,• CH,• CH,Br —>- CH,• CHBr• CH,Br

CH,Br• CHBr• CH,Br.

Auch bei der Chlorierung substituieren die beiden zuerst eintretenden Halogenatome meist zwei nebeneinander stehende Kohlenstoffatome; versucht man jedoch, weitere Chloratome einzuführen, so treten diese häufig an ein bereits mit Chlor verbundenes Kohlenstoffatom. Die Chlorierung des Propaqs* verläuft demgemäß im Sinne der Formelbilder: C H , C H , C H , — • CH,• CH,• CH,C1 — C H . - C H C l - C H . C l — C H , • CCl, • CH.Cl. — J o d läßt sich nicht direkt in gesättigte Kohlenwasserstoffe einführen. Flüssiges F l u o r ' reagiert auf festes Methan bei — 187° unter Feuererscheinung und heftiger Esplosion. B. 8 , 1296 (1875). — KBAFPT, B. 0 , 1085 (1876); 1 0 , 801 (1877). B. 2 4 , 1011 (1891). ' HERZÍELDEB, B. 2 6 , 2432 (1893). * KEONBTEDJ. B. 2 4 , 4245 (1891). — V . MEYEB, F B . MÜLIEB, B. 2 4 , 4247 (1891); J . pr. [2] 4 6 , 161 (1892). — V. MEYER, PETBENKO-KBITSCHEMKO, B. 2 6 , 3304 (1892). — V. METER, B. 2 5 , 3310 (1892). > HXBZTELSES, B. 2 6 , 1257 (1893). 4 MOISSAH, CHAVAXHE, G r. 1 4 0 , 409 (1905). 1

K B A F I T , MEHZ,

*

HABTXAMN,

Die einzelnen Grenzkohlenwcssersloffe.

169

Für die Kenntnis der pyrogenetischen Prozesse, welche in der Industrie zur Gewinnung von Leuchtgasen durch trockne Destillation (vgL S. 177—182) benutzt werden, Bind die interessanten Beobachtungen wichtig, die über das Verhalten einzelner Paraffine bei hoher Temper a t u r gesammelt sind. Erwähnt sei hier, daß reines Heptan und Octan1 bei 900° vorwiegend Alkylene (ungesättigte Kohlenwasserstoffe CnHan), ferner Methan, Acetylen und aromatische Kohlenwasserstoffe liefern. Hexan C6HJ4 zerfallt bei 600° der Hauptsache nach in Methan CH4 und Amylen C5H10, welch letzteres sich zum Teil weiter in Aethylen CgH4 und Propylen C3HS spaltet; um etwa 1200° zerfällt das Hexan dagegen ausschließlich in Kohle und Wasserstoff2. Die einzelnen Glieder der Reihe. Das Methan CH4 (Grubengas, Sumpfgas) ist ein Bestandteil sehr vieler natürlicher Gasquellen3. Die Gase, welche den Bohrlöchern der Petroleumquellen entströmen, enthalten reichliche Mengen Methan; die seit alten Zeiten brennenden heiligen Feuer von Baku in Kaukasien werden durch das Entweichen von Methan, welchem Stickstoff, Kohlensäure und Steinöldämpfe beigemengt sind, unterhalten; aus dem Schlammvulkan bei Bunganak in der Krim tritt fast reines Methan aus (BDNSEN 4 ). — In den Höhlungen der Steinkohlenflöze ist ein Gas eingeschlossen, welches 80—90°/0 Methan und daneben wesentlich nur Stickstoff enthält 6 ; beim Abbau der Flöze entweicht dasselbe, Methan ist daher Btets der Grubenluft6 beigemengt und führt aus diesem Grunde die Bezeichnung Grubengas. Tritt es bei der Grubenarbeit plötzlich in großen Mengen an einer Stelle aus, so verursacht es, wenn es sich aus irgend einem Grunde sofort entzündet, die „feurigen Schwaden"; weit verhängnisvoller verläuft die Verbrennung, wenn sich das Gas zunächst mit der atmosphärischen Luft zu den unter dem Namen der „schlagenden W e t t e r " bekannten explosiven Geniengen mischt7; ihre Entzündung durch Grubenlichter ruft jene furchtbaren Explosionen hervor, in denen jährlich so 1 WORSTALL, BUKWELL, A M . 1 8 , 815 (1897). « HABER, C. 1 8 9 6 , I I , 237. — HABER, SAMOYLOWIOZ, C. 1 8 9 0 , I I , 377.

8 So enthielt z. B. ein 1895 bei Heathficld (England) erbohrtes Gas 93-2% Methan [DIXON, BOKE, P. Ch. S. 10, 63 (1903)], während eine Gasquelle auf Kokskär (an der ostfrieBischen Küste) ein Gemenge um 79% Methan mit 20-8% Wasserstoff ergab [v. WINKLER, Gh. Z. 29, 669 (1905)] und ein Brunnen in Enkhuizen (Holland) ein Gasgemisch mit 82.9 °/0 Methan lieferte [VAV BBEUEELEYEEN, R. 15, 280 (1896)]. 4 Gasometrische Methoden, S. 213 (2. Aufl.). 6 Mit steigender Tiefe vermehrt sich der Gehalt an Methan (KURMAKOW, C. 1 9 0 3 , I, 193). • Nach GB£UA»T [C. r. 136, 726 (1902)] schwankte der Methangehalt in 9 Luftproben ans Kohlenbergwerken zwischen 3-5—7• 5°/0. — Bestimmung des Methans

in G r u b e n g a s e n : SCHBEIBEB, Z. A n g . 1 6 , 6 7 4 (1902).

' Nach MALLABD [C. r. 135, 727(1902)] ist ein 6°/0 Methan enthaltendes Luftgemisch bereits explosiv. — Ueber Explosiongeschwindigkeit vgl. H. B. Drxon, Phil. Transact. of the Royal Soc. of London, 184, A. 97 (1893).

170

Vorkommen und Darstellung des Methans.

viele Bergarbeiter ihren Tod finden. — Mit Kohlensäure und Stickstoff gemengt, bildet das Methan ferner das aas. dem Bodenschlamm von SUmpfen und Teichen aufsteigende Gas, in welchem es von VOLTA 1778 entdeckt wurde; seine Entstehung verdankt es hier der Fäulnis organischer Substanzen. Vielleicht bildet es sich hauptsächlich aus Cellulose, denn es ist festgestellt, daß Cellulose unter dem Einfluß der im Kloakenschlamm und Flußschlamm vorkommenden Mikroorganismen zu Kohlensäure und Methan vergärt: C,H 1 0 O, + H , 0 = 3 C O , + 3 C H 4 . Cellulose

Auch das Vorkommen in den Darmgasen des Menschen, deren Gehalt an Methan namentlich nach Genuß von Hülsenfrüchten erheblich ist, könnte auf ähnliche Ursachen zurückzuführen sein1. Ferner ist die Gegenwart von Sumpfgas in den Blutgasen3 und in der Exspirationsluft3 von Tieren, die mit Cellulose gefüttert waren, festgestellt worden. Bei der trocknen Destillation sehr vieler organischer Stoffe, bei dem Durchleiten von organischen Dämpfen durch glühende Röhren entsteht Methan; daher bildet es einen Hauptbestandteil des Leuchtgases aus Steinkohlen (vgl. S. 181), welches 30—40°/o Methan enthält Zur Darstellung des Methans läßt sich die Destillation eines Gemenges von 1 Tl. Natriumacetat und 4 Tin. Natronkalk benutzen (s. S. 159—160); das entwickelte Gas kann von geringen Mengen Aceton durch Waschen mit Wasser, von Aethylen durch Waschen mit konzentriertet Schwefelsäure gereinigt werden, behält aber dann noch eine nicht unerhebliche Menge Wasserstoff (bis zu 8°/0) beigemengt. — Reines Methan erhält man bequem und in vortrefflicher Ausbeute durch Reduktion von Methyljodid CH3J in alkoholischer Lösung mit verkupfertem Zink4; man präpariert letzteres, indem man granuliertes Zink viermal mit zweiprozentiger Kupfervitriollösung übergießt und auf diese bis zur Entfärbung wirken läßt, dann mit Wasser gut auswäscht und mit Alkohol benetzt; läßt man nun eine Mischung von Methyljodid mit Alkohol — zweckmäßig unter Zusatz einiger Tropfen Schwefelsäure — darauf tropfen, so entwickelt sich schon ohne Erwärmen ein langsamer aber stetiger Strom von Methan, das von Methyljodiddämpfen mittels konzentrierter Schwefelsäure und anderen Mitteln5 zu befreien ist — Auch aus Zinkmethyl oder Aluminiumcarbid kann durch Zersetzung mit Wasser reines Methan erhalten werden. — Als Darstellungsmethode ist vielleicht heute 1 Vgl. hierüber: TAPPEINEK, B. 1 6 , 1787, 1740 (1888). Zteclir. f. B i o l o g i e 2 0 , 52 (1884); 2 4 , 105 (1888). — HENNBBBRO, STOBMANN, e b e n d a 2 1 , 613 (1885). — HOPPE-SETLEB, H . 1 0 , 201, 401 (1885). — OMSMAMSKI, C. 1 0 0 2 , I, 782, 944, 1068. — M * z i , C. r. 1 3 7 , 887 (1903). ' 1 1 O c h s e n b l u t enthält nach DE ST. MAHTIN [C. r. 119, 83 (1894)] 0 - 7 c c m Methan, n e b e n 0 - 4 — 0 - 6 c c m Wasserstoff. » TAOXE, B . 1 7 , 1827 (1884). 5 * GLADSTONB, TRIBE, SOC. 4 8 , 154 (1884). WIK KLEB, B . 3 4 , 1417 (1901).

Synthesen des Methans aus den Elementen.

171

am besten die Tatsache verwertbar, daß Methylmagnesiumjodid mit Wasser 1 oder Salmiak8 Methan liefert: CHG»MGJ + H , 0 = C H 4 +

MgJOH.

Methan and Aethan lassen sich ferner durch Umsetzung von Kaliumhydrür mit Alkylhalogeniden' gewinnen: KH + CHSC1 = CH4 + KCl.

Von hervorragendem theoretischem Interesse ist die direkt« Bildung des Methans — und zwar als einzigen Kohlenwasserstoffs — aus Kohlenstoff und Wasserstoff bei 1 2 0 0 ° ( B O K E und J E R D A N *). Die Vereinigung der beiden Elemente vollzieht sich ferner — unter gleichzeitiger Bildung anderer Kohlenwasserstoffe — im elektrischen Lichtbogen, der in einer Wasserstoffatmosphäre zwischen Kohlenelektroden unterhalten wird5; die Ausbeute an Methan ist hierbei dadurch begrenzt, daß in der Zusammensetzung des resultierenden Gasgemisches bald der folgende Gleichgewichtszustand eintritt: Wasserstoff . . 90—91°/0 Acetylen . . . . 7—8 „

Methan Aethan

. . . . . . . .

1-25 •/« Ö«75 „ .

Synthesen des Methans auf indirektem Wege lassen sich mit Hülfe der Verbrennungsprodukte des Kohlenstoffs (Kohlenoxyd CO und Kohlendioxyd COa) sowie seines Vereinigungsprodukts mit Schwefel (Schwefelkohlenstoff CS,) ausführen. Ein Gemenge von Kohlenoxyd und Wiasserstoff liefert nach B B O D I E 6 unter der Einwirkung elektrischer Entladungen Methan; bei viel niederer Temperatur ( 2 5 0 — 4 0 0 ° ) läßt sich die Reduktion von Kohlenoxyd und Kohlendioxyd durch Wasserstoff: CO + 3H, =. CH4 + H , 0 CO, + 4H, = CH4 4- 2 H , 0

nach SABATTEB und S E N D E B E N S ' in Gegenwart von reduziertem Nickel (oder auch Kobalt) bewerkstelligen. Leitet man ein Gemisch von Schwefelkohlenstoff und Schwefelwasserstoff über glühendes Kupfer, so vollzieht sich nach B E B T H E L O T 8 folgende Reaktion: CS, + 2H.8 + 8Cu = CH4 + 4Cu,S

— historisch die erste Synthese des Methans. Aus Schwefelkohlenstoff entsteht Methan auch durch die Einwirkung des bei der Zersetzung des Phosphoniumjodids PH 4 J durch Erhitzen auf 1 2 0 — 1 4 0 ° frei werdenden Wasserstoffs ( J A H N ) : 9

CS, + 4H, = CH4 + 2H,S. 1

TISSIER, GRIONABD, C.

r. 1 3 2 , 835 (1901). — Vgl. auch TSCHOOAJKW, B. 3 5 ,

3912 (1902). 1

1

HOCBBX, B . 3 8 , 3 0 2 0 (1905). Soc. 71, 41 (1897).

5

3 MOISSAK, C . r. 1 3 4 , 8 8 9 (1902). BONE, JERDAH, S o c . 7 « , 1 0 4 2 (1901).

• A. 169, 270 (1878). ' C . r. 1 3 4 , 5 1 4 , 6 8 9 (1902); v g l . a u c h ELWORTHY, WIWJAMSOK, D . R . - P . 1 8 1 6 6 6

(C. 1905, II. 1000). • C. r. 4 3 , 2 3 6 (1856).

9

B . 1 3 , 127 (1880).

172

Eigenschaften

des Methans.

Die wichtige, von M O I S S A N 1,2 entdeckte Bildung des Methans aus Metallcarbiden ist schon S. 162—163 besprochen. Das Interesse an diesen synthetischen Bildungsweisen wird noch durch den Umstand erhöht, daß man vom Methan fortschreitend die große Mehrzahl der organischen Verbindungen synthetisch aufbauen kann. So gelangt man z. B. auf den Wegen: CH,(OH) (Methylalkohol) CH,-CO t H (Essigsäure)

>- CH,—CHO (Acetaldehyd)

>- CH,-CH,(OH) (Aethylalkohol)

zum Methylalkohol, zu der Essigsäure, dem Acetaldehyd, Aethylalkohol — Verbindungen, deren jede wieder den Ausgangspunkt zur Darstellung zahlloser anderer bildet. Durch die oben angegebenen Bildungen des Methans aus seinen Elementen wird es ermöglicht, auch für alle jene komplizierteren Verbindungen Wege zu ermitteln, auf denen sie synthetisch durch Zusammentritt der einzelnen Elemente miteinander gewonnen werden könnten. Häufig tritt Methan als S p a l t u n g s p r o d u k t auf; so entsteht es beim Ueberleiten von Aethylen* CH, :CH, oder Cyclohexan4 über erhitztes Nickel. In letzterem Fall« scheint es sich durch Einwirkung von Wasserstoff auf Benzol im Entstehungszustande zu bilden: CH

-CH.CH, «CH' -

CH

.CH—CH, CH

+

— *

CH,.

Acetylen zerfallt bei 1150° ziemlich rasch in Methan, Kohlenstoff und Wasserstoff5. Ferner entsteht Methan beim Erhitzen gewisser ungesättigter Säuren, z. 11. der ß-Vinylacryl6äure und der Sorbinsäure, mit Baryumoxyd neben polycycliechen Kohlenwasserstoffen und Kohleudioxyd6.

Das Methan ist ein farbloses, geschmackloses, sehr schwer kondensierbares Gas, welches in ganz reinem Zustand einen angenehmen, etwas lauchartigen Geruch zeigt7. Es gehört zu den wenigen Gasen, welche man vor noch nicht langer Zeit für überhaupt nicht kondensierbar hielt und daher als „permanente Gase" bezeichnete8. Seine Verflüssigung gelang endlich 1877 CAILLETET9; es bedarf dazu bei —11° eines Druckes von 180 Atmosphären. Weit bequemer läßt es sich jetzt jedoch unter gewöhnlichem Druck durch Abkühlung mit Hülfe flüssiger Luft verdichten. Das flüssige Methan bildet ein farbloses durchsichtiges Liquidum vom Siedepunkt — 164 07 10: bei einer Druckverminderung auf 80mm 1

MOISSAN,

C. r.

122,

1462

(1896).

» MOISSAN, BL. [3] 1 1 , 1 0 1 2 ( 1 8 9 4 ) . 3

SABATIEB, SENDEBENS,

Chem. N. 74, 15 (1896). C. r. 1 1 9 , 16 ( 1 8 9 4 ) .

A . e h . [7] 9 , 8 0 2 ( 1 8 9 6 ) .

C. r. 124, 617 (1897).

* SABATIEB, MAILHE, C . r. 1 3 7 , 2 4 0 (1903). 6

BONE, JERDAN, P . C h . S . 1 7 , 1 6 4 (1901).

9

DOEBNEB, B . 3 6 , 2 1 2 9 ( 1 9 0 2 ) .

C. r. 1 4 0 , 409 (1905). 8 Dieser Begriff hat seine ursprüngliche Bedeutung fast ganz verloren, seit mau mit Uülfe der jetzt zu billigem Preise käuflichen flüssigen Luft ohne Schwierigkeit Temperaturen von fast —200° erreichen kann. 9 B. 12, 274 (1879). 7

MOISSAN, CHAVANNE,

»® LADENBOBQ, KBÜOEL, B . 3 2 ,

1820 (1899);

3 3 , 638 (1899).

173

Aethan.

kühlt es sich auf —185-8° ab und beginnt' zu erstarren 1 . — Von kalter rauchender Schwefelsäure wird Methan langsam, aber merklich a b s o r b i e r t I n Wasser ist es sehr wenig löslich3; mit etwa 6 Mol Wasser scheint es sich zu einem Hydrat zu vereinigen4, dessen kritische Temperatur bei + 2 1 . 5 ° liegt5. — Das Methan brennt mit kaum leuchtender Flamme. Beim Ourchleiten durch stark glühende Röhren, ebenso unter dem Einfluß von elektrischen Entladungen, zerfallt es in seine Elemente Kohlenstoff und Wasserstoff; daneben bilden sich indes auch Aethan, Aethylen C a H 4 , Acetylen C2Ha und höher kondensierte Kohlenwasserstoffe, z.B. Benzol und Naphtalin. Im Gemisch mit Sauerstoff entzündet es sich schwerer (erst bei 667 °) als seine Homologen (Aethan bei 616°, Propan bei 547°)e; durch langsame Oxydation mit Sauerstoff (Va Vol.) bei 450—500° liefert es Wasser und Formaldehyd CH,0, der dann weiterhin zu Kohlenoxyd, Kohlensäure und Wasser verbrannt wird7. Im Gemisch mit Luft ist Methan auch bei Gegenwart katalytisch wirkender Metalle, z. B. eines auf 450° erhitzten Palladiumdrahtes, so schwer verbrennlich, daß es auf Grund dieses Verhaltens neben Wasserstoff und leichter oxydierbaren Kohlenwasserstoffen bestimmt werden kann 8 . Aethan C2H6 (Dimethyl: CH3• CH3) findet sich ebenfalls in der Natur. Es ist im Rohpetroleum aufgelöst9 und bildet einen Bestandteil der aus den Petroleumquellen entweichenden Gase, welche bei Pittsburg für gewerbliche Zwecke als Heizgas verwendet werden10. Zu seiner Darstellung kann man eine der S. 156—162 erörterten allgemeinen Methoden anwenden; empfehlenswert ist die Reduktion von Aethyljodid bei Gegenwärt von Wasser oder Alkohol mit verkupfertem Zink 11 oder durch Erhitzen mit Aluminiumchlorid, ferner die Zersetzung von Zinkäthyl mit Wasser. Von neueren Verfahren kommen die Zerlegung von Magnesiuinäthyljodid durch Wasser 12 oder Salmiak13, die Umsetzung von Kaliumhydrür mit Aethyljodid1*, die Reduktion von Aethylen oder Acetylen durch Ueberleiten über im Wasserstoffstrom auf bestimmte Temperaturen (etwa I

OLSZEWSKI, C. r. 1 0 0 , 9 4 0 (1885).

* WORSTALL, A m . Soc. 2 1 , 246 (1899).

' WINKLER, B. 34, 1417 (1901). * DB FORCBAND, C. r. 134, 886 (1902); 135, 959 (1903). 5 VILLARD, C. r. 108, 1602 (1888). 0 V. METER, MONCH, B. 26, 2429 (1893). ' BONE, WHEELER, SOC. 8 1 , 5 3 5 (1902): 8 3 , 1074 (1903).

83, 1088 (1903). 8

V g l . ABMSTRONQ, SOC.

C. 1904, II, 969.

V g l . d a z u : HEMPEL, Z. a. CH. 3 1 , 4 4 5 (1902). — BRUNCK, Z. A u g . 1 6 , 6 9 5 (1903). — GRAPE, C. 1 9 0 3 , II, 1389. — RICHARDT, C. 1 9 0 4 , II, 864. — MACRI, C. 1 9 0 4 , II, 1337. 9 1(R RONALDS, J . pr. [1] 9 4 , 4 2 0 (1865). L. SMITH, A . O.b. [5] 8 , 566 (1876). II GLADSTONE, TRIBE, B . 6 , 2 0 2 (1873). — PERCY FRANKLAND, SOC. 4 7 , 216 (1885). " TISSIER, GBIONARD, C. r. 1 3 2 , 835 (1901). " HOUBEN, B . 3 8 , 3020 (1905). " MOISPAN, C. r. 1 3 4 , 389 (1908).

174

Propan.

100—180°) erhitzte Metalle — vor allem Nickel1 — in Betracht Auch über die Aethanbildung durch Elektrolyse des Käliumacetats liegt eine neue Untersuchung8 vor. Die eben erwähnte Bildungsweise aus Acetylen ermöglicht gleichzeitig die Synthese des Aethans aas seinen Elementen, denn das Acetylen bildet sich bei der direkten Vereinigung von Kohlenstoff und Wasserstoff im elektrischen Flammenbogen (vgl. Kapitel 13). Das Aetban hat in der Geschichte der organischen Chemie eine wichtige Rolle gespielt. Man hielt früher das darch Elektrolyse der Essigsäure und das aus Methyljodid mit Zink gewonnene Gas — das sogenannte freie Methyl — für verschieden von dem Aethylwasserstoff C2H6-H, der aus Aethyljodid mit Zink und Wasser erhalten war. Erst SCHOBLEMMEB 3 wies 1863 die Identität beider Gase nach und bestätigte damit eine bereits von GEBHARDT und LAUBENT geäußerte Ansicht. Hieraus ergab sich die Folgerung, daß die „freien Radicale" als solche nicht existenzfähig sind. Der Durchf&hrung der Atomverkettungstheorie brachte diese Erkenntnis mächtige Förderung4. Das Aethan kann bei 4° durch einen Druck von 46 Atmosphären verflüssigt werden. Wie das Methan ist es in Wasser kaum löslich, scheint aber mit diesem ein Hydrat CJH6 + 7H 2 0 zu bilden6, dessen kritische Temperatur + 14-5° ist8. In Alkohol ist es etwas löslicher als das Methan: 1 Vol. absoluter Alkohol löst 11/2 VoL Aethan. — Aethan brennt mit schwach leuchtender Flamme; es ist weit leichter oxydierbar als Methan. Bei der langsamen Verbrennung liefert es zunächst Wasser und Acetaldehyd CHs-CHO, der dann weiter zu Kohlenoxyd, Kohlensäure und Wasser oxydiert wird7. In ozonisierter Luft bei 100° liefert es als erstes Verbrennungsprodukt Aethylalkohol CHs-OHa-OH, neben Acetaldehyd und Spuren von Formaldehyd CH 2 0 8 . Propau: C,Hg [ M e t h y l - ä t h y l : CH,-CjH„, D i m e t h y l - m e t h a n : (CUjJ.CH,] wird am zweckmäßigsten durch Reduktion von Ifiopropyljodid mit verkupfertem Zink* oder mit Aluminiumchlorid10 gewonnen. Auch aus den Halogenderivaten komplizierterer Kohlenwasserstoffe, z. B. liutyl- und Hexyl-Jodiden, ist es mittels Aluminiumchlorid (durch Erhitzen auf bestimmte Temperaturen) erhältlich11. Es ist in Alkohol bedeutend ldslicher als Methan und Aetban: 1 Vol. Alkohol löst 6 Vol. Propan. Bringt man es mit Wasser unter Druck bei Temperataren unterhalb 0" zusammen, so entsteht ein festes Ilydrat, das bei +8-5° wieder in seine BestandI

SABATIEK, SENDEBENS, C. r. 1 2 4 , 617, 1358 (1897);

1 2 8 , 1173 (1899);

130,

250, 1559, 1628, 1761 (1900); 131, 40, 187, 267 (1900). Bl. [3] 25, 671 (1901). * FÖRSTER, PIOÜBT, Z. El. Cli. 1 0 , 729 (1904).

' A. 131, 76 (1864); 132, 234 (1864). * Vgl. SPIEGELS Nekrolog auf SCHORLEMUER, B. 26 Ref., 1113—1116 (1892) 8 6 DE FORCRAUD, c. T. 135, 959 (1903). VILLAB», C. r. 106, 1602 (188»). ' BOMB, STOCKINOS, Soc. 8 5 , 693 (1904). BOKE, DRUOMAW, P - C h . S. 2 0 , 127 (1904). * PBRCV FBAKUAMD, SOC. 4 7 , 235 (1885). 10 KÖHNIEIN, B . 1 6 , 560 (1883). A

II

L. METER, B. 27, 8766 (1894).

Butan bis Heptan.

175

teile zerfällt>. Die Leuchtkraft des Propans übertrifft diejenige des Aethans am etwa das anderthalbfache. Bntane: Von der vierten Reihe-ab treten nun die Grenzkohlenwasserstoffe in isomeren Modifikationen auf. Für das Butan C 4 H I0 gibt es zwei Stroktarmöglichkeiten: CH,—CH,—CH,—cn, \ normales Butan, Diäthyl;

CH,—CH^Qg1 Isobutan, Trimethyl-raetban (Methyl-propan)

Der Kohlenwasserstoff, welcher ans Aethyljodid durch Einwirkung von Zink entsteht: ' CH,—CH, J + JiCH,—CH, + jZn] = ZnJ t + CH,—CH,—CH,—CH,, muß dieser Bildungsweise zufolge das D i ä t h y l oder n o r m a l e B u t a n sein. Ein Kohlenwasserstoff C4HJ0 von anderen Eigenschaften wurde durch Reduktion von zwei isomeren Jodiden C 4 H e J (dem Jodid des Isobutylalkohols und des tertiären Butylalkohols, s. Kap. 2 u. 3) gewonnen ; für ihn bleibt die zweite Formel übrig, welche auch durch diese Bildungsweisen bestätigt wird; es ist das I s o b u t a n . (Eigenschaften und Literaturaugaben vgl. Tabelle Nr. 8 auf S. 164.) Pentan bis Heptan: Den in der 5. Reihe sich als möglich ergebenden drei Strukturfällen: CH,—CH,—CH,—CH,—CH, normales Pentan

CH,—CH,—CH bei den Produkten der Halbinsel Apscheron bis za 90°/o) aus Kohlenwasserstoffen von der Zusammensetzung CnHjn, welchen man den Namen „Naphtene'i gegeben bat 1 . Diese sind isomer mit den Gliedern der Aethylenreihe und zeigen das Verhalten gesättigter Kohlenwasserstoffe; sie leiten Bich von gesättigten cyclischen Kohlenstoffkernen mit 5 und 6 Ringgliedern ab, z. B.: CH,—CH-CH, CHj-CH« Methyl-cyclopentan

CH,
C C H-Cf N CH, Aeet&ldehyd /CH, HC^O-MgJ

CH 3 /CH, | = H-CeO-MgJ, MgJ CH, Methylmagnesiumjodid

+

+ H,0

=

/CH, H-C^OH

.OH + Mg c < g ' . ^ . C i H t , C:!;>C

C

cc^ch'

primärer Isobutylalkohol

CH, ¿H(OH);

>-

Isobutylen

— -

cS:>c

C u H s n + , -CH,(OH). Alkohol

Durch fortgesetzte Anwendung dieser Reaktionen könnte man vom Methylalkohol ausgehend auf synthetischem Wege die ganze Reihe der normalen primären Alkohole aufbauen; ein solcher Aufbau ist tatsächlich bis 1

GMONASD, C. r. 1 3 6 , 81!> (1903).

* WEIOEHT, B . 8 6 , 1007 (1903).

207

Reindarsleüung von Alkoholen.

zum normalen primären Hexylalkohol ausgeführt worden1. — Auch das entgegengesetzte Problem — der Abbau e i n e s Alkohols zu einem solchen der n ä c h s t n i e d r i g e n R e i h e — ist durch eine Kombination von Reaktionen lösbar, wenn man von einem primären Alkohol ausgeht; man oxydiert ihn zu der entsprechenden Carbonsäure und verwandelt diese in ihr Amid; aus den Säureamiden kann man nun durch Einwirkung von Brom in alkalischer Lösung das Amin der nächstniedrigen Reihe (s. Kap. 5) und aus letzterem nach Bildungsweise 3) den Alkohol gewinnen: PnH»n+i • CH^OH) Alkohol

v •

CnH4n+,COOF Carbonsäure

C n H 1 1 1 + l .(NH 1 ) Amin

*

CnH,n+1.CONHt Sänreamid

CoH,n+1.(0H). Alkohol

Zum Schluß sei noch eine Reaktion erwähnt, welche den A u f b a u k o h l e n s t o f f r e i c h e r e r Alkohole aus solchen der niederen Reihen u n t e r V e r d o p p l u n g der K o h l e n s t o f f z a h l gestattet Die Natriumalkylate (vgl. S. 212) zerfallen beim Erhitzen für sich oder in Gegenwart der ihnen zugrunde liegenden Carbinole meist in komplexer Weise; unter gewissen Bedingungen läBt sich die Reaktion jedoch so leiten, daß sie größere Mengen neuer Alkohole liefert*. So entsteht z. B. aus Natriumpropylat bei 220—230° der „Dipropylalkohol": CH S • CH, • CH, • ONa

(

P ^ > C H • CH, • OH .

An Stelle der Alkoholate scheint in manchen Fällen, z. B. beim CaprylCH alkohol, Q g 3 >CH-OH, auch ein Gemisch des Alkohols mit festem 6

13

Aetzkali treten zu können3. Für die R e i n d a r s t e l l u n g von A l k o h o l e n , die für sich nicht krystallisieren, empfiehlt sich häufig die Umwandlung in gut krystallisierende Ester, aus denen sie durch Verseifung wiedergewonnen werden können. Für diesen Zweck kann man z. B. die durch Einwirkung von Phenylisocyanat C 6 H 6 -N: CO entstehenden Phenylcarbamidsäureester CeHs-NH'CO*OR („Urethane") benutzen*. Bei den neueren Untersuchungen über Alkohole der ätherischen Oele haben vielfach die aus Phtalsäureanhydrid gewinnbaren sauren Phtalsäureester 6 HOjC-CjH^ CO-OR Verwendung gefunden. Ferner ist auch die Esterifizierung mittels Brenztraubensäure0 empfohlen worden. 1

Siehe LIEBEN, ROSM, A. 158, 177 (1871); 169, 70 (1871). — Rosai, A. 159,

7 9 (1871). — LIEBEN, JANECZEK, A . 1 8 7 , 1 2 6 (1877). 5 GUBBBET, C. r. 128, 511, 1002 (1899); 182, 207 (1901); 183, 300, 1220 (1902); 134, 467 (1902); 185, 172 (1902). A. ch. [7] 2 7 , 67 (1902). — NEF, A. 318,187 (1901). 3 MAHKOWNIKOW, ZCBOW, B. 3 4 , 3246 (1901). * Usber die Phenylcarbamidsäureester einiger höherer Grenzalkohole vgl. BLOCH,

BL. [3] 3 1 , 4 9 ( 1 9 0 4 ) . • V g l . STEPHAN, J . p r . [ 2 ] 6 0 , 2 4 8 ( 1 S 9 9 >

' BODVEADLT, C . r . 1 3 8 , 9 8 4 ( 1 9 0 4 ) .

208

Allgemeine Charakteristik der

Grenzalkohole.

A l l g e m e i n e Charakteristik der Grenzalkohole. Die Alkohole sind neutral reagierende, farblose1 Verbindungen; die niederen Glieder der Reihe sind mit Wasser mischbare, leicht bewegliche, entzündliche2 Flüssigkeiten von charakteristischem Geruch3 und brennendem Geschmack. Aus ihren wäßrigen Lösungen können sie durch leicht lösliche Salze (am besten Pottasche) abgeschieden werden. Die Löslichkeit in Wasser nimmt mit wachsendem Kohlenstoffgehalt rasch ab; während der primäre Propylalkoliol noch in jedem Verhältnis mit Wasser mischbar ist, erfordert der primäre normale Butylalkohol schon 12 Teile Wasser zur Lösung. Die Alkohole von der 4. bis zur 11. Reihe sind ölige, mit Wasser nicht mischbare Flüssigkeiten. Dann folgen Verbindungen, die bei gewöhnlicher Temperatur fest sind und aus Aethylalkohol oder Aether krystallisiert erhalten werden können. Die höchsten Glieder sind geschmack- und geruchlos. Durch den Eintritt der Hydroxylgruppe in den Grenzkohlenwasserstoff ist die Flüchtigkeit erheblich vermindert: die Alkohole sieden stets beträchtlich höher, als ihre Stammkohlenwasserstoffe. Von der 16. Reihe ab können sie nur noch im Vacuum unzersetzt destilliert werden. Von Wichtigkeit ist, daß die Alkohole der niederen Reihen — mit Ausnahme des Methylalkohols — mit Wasser konstant siedende Gemische* bilden, deren Siedepunkt niedriger liegt als der Siedepunkt des Alkohols. Aus diesem (¿runde ist es 1

In sehr dicker Schicht erscheinen die Alkohole — wie wohl alle sogenannten farblosen organischen Verbindungen — gefärbt. In 26 m langer Schicht besitzt der Methylalkohol eine blaue Färbung, die. sich jcdoch von der Farbe des Wassers durch einen grünlichen Stich unterscheidet; Aethylalkohol erscheint ähnlich, aber minder lebhaft gefärbt, während Amylalkohol eine gelbgrüne Färbung aufweist. Das Auftreten der blauen Färbung ist auf das Vorhandensein. der Hydroxylgruppe zurückzuführen; die Nuance eines Alkohols nähert sich um so mehr derjenigen des Wassers, j e kürzer die mit dem Hydroxyl verbundene Kohlenstoffkette ist. Hydroxylfreie Verbindungen erscheinen in dicker Schicht mehr oder minder tief goldgelb gefärbt [SPRING, C. 1800, II, 75; 1897, I, 1114. R. 16, 1 (1897). Z. a. Ch. 12, 253(1896)]. 4 Die Eutilammungstemperatur der wasserfreien Alkohole ist im allgemeinen abhängig vom Siedepunkt; der Einfluß der Konstitution bei den einzelnen Verbindungen äußert sich dahin, daß bei Isomeren die Entflammungstemperatur um so niedriger liegt, je verzweigter die Kohlenstoffkette der betreffenden Alkohole ist. Durch Verdünnen mit Wasser wird die Entflammungstemperatur meist wesentlich erhöht [RAIKOW, Ch. Z. 23, 145 (1899); 26, 437 (1902)']. 9 Isomere Alkohole zeigen oft ganz verschiedenen Geruch; so riecht z. B. der normale*Butylalkohol nach Buttersäurc, der tertiäre Butylalkohol aber campherartig [vgl. d a z u PASST, C. r. 114, 1140 (1892)]. 4 Vgl. d a r ü b e r : YODKO, FORTEY, SOC. 8 1 , 717, 739, 752 (1902). — Z u r F r a g e d e r B i l d u n g v o n „ A l k o h o l - H y d r a t e n " v g l . : LOBBY DE BETTYS: R. 11, 138 (1892). — FÖRCH AND , A. c h . [6] 2 7 , 525 (1892). — PASIZEK, SUIC, B . 2 6 , 1411 (1893). — BARENDRECHT, P h . C h . 2 0 , 234 (1896). — THORPE, SOC. 71, 920 (1897). — V I RENNE, GODEFROY, C. r. 1 3 7 , 993 (1903); 1 3 8 , 990 (1904). — JONES, GETMAN, A m . 3 2 , 3 0 8 (1904).

Tabellarische Uebersicht Über die normalen primären Alkohole.

209

zwar möglich, den Methylalkohol aus seinen Mischungen mit Wasser durch fraktionierte Destillation wuserfrei darzustellen, während dies beim Aethylalkohol (vgl. S. 229) nicht erreichbar ist.

Die folgende Tabelle Nr. 4 gibt einige Eigenschaften der n o r m a l e n p r i m ä r e n A l k o h o l e , soweit letztere bekannt sind, wieder: T a b e l l e Nr. 4.

N o r m a l - p r i m ä r e Alkohole 1 .

Schmelzpunkt CH^OH) C,H4(0H) OA(OH) CACOH) C,Hu(OH) C,H„iOH) C,H„(OH) CBH17(OH) C,H„(OH) CIOH„(OH) CnH^OH) C„H„(OH) CuH^iOH) C l4 H,,(0H) C,sH„(OH) C„H„(OH)

Siedepunkt ¡Spezifisches Gewicht

— 9 3 - 9 ° * - 9 7 - 8 ° 5 - 1 8 | 64-5® •FGO«.U.LB -11X-8 0 **- 1 0 , - 1 1 7 - 3 0 5 - " j 9>j s it.u 10,15 —127®** ' • -79-9®*, -122®** 1 , 1 5 j 117®» 138® ' 157® >» I 176® 195® 213® 231® 131" 143® 155—156® 167® i i i 190° | _

- 3 6 - 5 ° * '® -17-9®* 10 - 5 ®

15

+7® + l 9 o«.i» 24® 30-5®» 38" 45—46° "-16 50° 15 59®

CleH„(OH)

16

|

' I

0-812» 0 - 8 0 6 "

0-817 11 •82311 829 833 836 839 842 0-839 0-831 0-824 0-818

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I B

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1 Ueber physikalische Eigenschaften der Alkohole vgl. ferner die folgenden Arbeiten: Molecolarvoiumen: L T R A Ü B E , A . 2 9 0 , 52 (1896). — Zähigkeit: G A R T E N M E I B T S B , Ph. Ch. 6 , 529 (1890). — Dampfdruck: G . C. S C H M I D T , Ph. Ch. 8 , 628(1891). — Ausdehnungskoeffizienten: T H O R P E , J O N E S , Soc. 6 3 , 278—282 (1893). — Verdampfungswärme: L O Ü O D I K I N E , A. ch. [ 7 ] 1 3 , 289. B R O W N , S O C . 8 3 , 987 (1903) — Verbrennungswärme: Z U B O W , C . 1 8 9 9 , I, 586; 1 9 0 3 , II, 1415. L E X O U L T , C . r. 1 3 7 , 979 (1903). — Spez. Leitfähigkeit, Dielektrizitätskonstanten: W A L D E N , Ph. Ch. 4 6 , 103 (1903). — Zur Frage der Ionenspaltung vgl. auch A B B O G , Z. £1. Ch. 1 0 , 1 8 6 (1904). — Leitfähigkeit von Salzen in Wasser, Alkoholen und wäßrigen Alkoholen: J O N E S , L I N D S A Y , Am. 2 8 , 329 (1902). — Absorptionsspektrum: S P R I N G , R . 1 6 , 1 (1897). * LADENBURQ, K R Ü O E L , B . 4

CABBARA, L E V I ,

G.

32,

33, II,

638 36

(1900).

(1902).

3 6

LOOMIS, P h . C h . 8 2 , GUTTMANN,

SOC. 8 7 ,

588

(1900).

1037

(1905).

A. 224, 85 (1S84). B . 1 6 , 1714 (1883); 1 9 , 2221 (1886); 2 3 , 2360 (1890). 8 JEFFREYS, Am. 2 2 , 37 (1899). • B L A U , M . 2 6 , 89 (1905). 10 CARRARA, C O P P A D O R O , G. 33, I, 329 (1903). — Die mit * versehenen Zahlen beziehen sich auf die krystallinische, die mit ** versehenen Zahlen auf die glasige Modifikation der in flüssiger Luft erstarrten Alkohole. 11 Vgl. auch E I J X K A N , B. 1 2 , 277, 278 (1893). — C R I S M E B , C . 1 9 0 4 , I, 1479. 9 ZANDER, * KRAFFT,

'» Y O Ü N G , F O R T E Y ,

SOC. 8 1 ,

717,

739,

" Y O Ü N G , S O C . 81, 7 0 7 ( 1 9 0 2 ) . 16 Weitere Literatnrangaben vgl.

752

(1902). — TOUNO, S o c . 8 1 , 7 8 0 ( 1 9 0 2 ) . 14 Looms, Ph.Ch. 32, 5 9 3 ( 1 9 0 0 ) .

bei der speziellen Besprechung der einzelnen

Alkohole S. 222—246. JTTTKK-JACOBSON, o r f . C h .

Zw. Aufl. I i .

14

(November

1905)

210

Tabellarische Uebersicht über die isomeren Alkohole der 3. bis 5. Röhe.

Es ist daraas ersichtlich, daß die Siedepunktsdifferenz zweier aufeinander folgender Alkohole yon der 2. bis zur 10. Reihe eine ziemlich gleichbleibende ist (18—20"); bei den höheren Alkoholen verringert sich diese Differenz auf 12°(vgL S. 163). Ein ähnliches Verhalten zeigen die Schmelzpunkte (vgl. von der 7. Reihe aufwärts); auch bei diesen werden die Differenzen geringer, je größer das Moleculargewicht wird 1 . Bei Betrachtung der Zahlen in der Kolumne „Spezifisches Gewicht" fällt auf, daß der Wert vom 2. bis 9. Gliede für gleiche Temperatur (0°) regelmäßig ansteigt, daß aber das erste Glied der Reihe — Methylalkohol CHj-OH — sich dieser Regelmäßigkeit nicht einfügt, vielmehr ein höheres spezifisches Gewicht besitzt als sein nächstes Homologes C 2 H 6 -OH. Es wird sich später häufig zeigen, daß gerade das erste Glied einer homologen Reihe in bezug auf die physikalischen Konstanten eine Ausnahmestellung einnimmt (vgl. in der Tabelle Nr. 4 auch den Schmelzpunkt des Methylalkohols, welcher höher liegt als derjenige des Aethylalkohols). Ueber die Aenderung der physikalischen Eigenschaften durch verschiedene Struktur bei gleicher Kohlenstoffzahl gibt die Tabelle Nr. 5 Aufschluß; sie umfaßt die in der 3. bis 5. Reihe bekannten isomeren Alkohole und enthält in Kolumne I die Siedepunkte, in I I das spezifische Gewicht bei 20° bezogen auf Wasser von 4° (d24°), in III den BrechungsT a b e l l e Nr. 5. Die i s o m e r e n A l k o h o l e d e r 3. bis 5. R e i h e 2 . ji C,H,0 Propylalkohole. 1. Primärer 2. Sekundärer

. . . .

j i

r

1 CH.CH.CH.iOH) CH,-CH(OH).CH3

; iL !

r

hi. ! iv. i

0-804 1-3835; 4-718 81® 0-789 1-37571 4-592 97°

CTH1(>0 Butylalkohole:

1. Norm. prim. . . . C,H,CH2.CHS(OH) 2. Norm, sekund.. . C,H5-CH(OH)-CB, 3. Prim. Isobatylalk. ( C H , ) , C H • CHJ(OH) (CH,),C(OH)-CHA 4. Tert. Butylalk. . . C 5 H„0 Amylalkohole: C,HS • CH2 • CH, • CH,(OH) 1. Norm. prim. (CH,),CH •CH, • CH,(OH) 2. Isobutylcarbinol . . CHS • C H ( C , H E ) • C H , ( O H ) 3. Sekundärbutylcarbinol (CH,),C-CH,-OH 4. Tertiärbutylcarbinol C,H5-CH,-CH(OH)-CH4 5. Methylpropylcarbinol 6. Methylisopiopylcarbinol i' (CH,),CH-CH(OH).CH, 7. Diäthylcarbinol . . .: C,H,-CH(OH)C,H,, 8. Dimethyläthylcarbinol . Ii (CH,),C(OH)-C,H5 1

BLAU, M. 3 6 , 89 (1905). BRÜHL, A. 2 0 3 , 1 , 255, 363

0-810 jl-3971j — 0-808 | — | — 107® 0-806¡1-3940 4-416 83® ; 0-786 1-S8571 — i i .i I j 138° 0-817 — — 130® 0 - 8 1 0 1-4051;! 4-289 128® 0 - 8 1 6 113® 119® 112.5" 0-819 — 117® 102® ! 4-283 117°

100® !

(1880). — R. SCHIFF, A. 2 3 8 , 70 (1884). — Weitere Literatorangaben vgl. bei der Besprechung der einzelnen Alkohole S. 234—248. 1

211 index (ji a ) und in den Capillaritätskoeffizienten (a 2 ) beim Siedepunkt. Die Kolumne I zeigt, daß unter den isomeren Alkoholen stets der primäre normale den höchsten Siedepunkt besitzt, daß der Siedepunkt sowohl mit größerer Verzweigung der Kohlenstoffkette als auch mit dem Hineinrücken der Hydroxylgruppe von dem Ende der Kohlenstoffkette nach der Mitte sinkt. Aas den Kolumnen II, III und IV läßt sich für die betreffenden Konstanten, soweit gilt vergleichbare Bestimmungen vorliegen, im großen and ganzen derselbe Schiaß ziehen. Die Verbindung mit erheblich höherem Siedepunkte besitzt auch die größere Dichte, größeren Brechungsindex und größere Capillarerhebang. Eine solche Proportionalität dieser Konstanten findet sich auch bei den meisten anderen Verbinduugsgruppen der Fettreihe wieder1.

Die tertiären Alkohole, welche unter ihren Isomeren den niedrigsten Siedepunkt besitzen, zeigen im Gegensatze hierzu meist den höchsten Schmelzpunkt. Von den vier Butylalkoholen ist nur der tertiäre bei gewöhnlicher Temperatur fest; er schmilzt 2 bei +25-45°. Von den 8 Amylalkoholen erstarrt — abgesehen vom Tertiärbutylcarbinol — der tertiäre (Nr. 8) ebenfalls am leichtesten (bei —12% während das Isobutylcarbinol 3 erst bei —134° fest wird. Auf den Schmelzpunkt wirkt wesentlich erhöhend die Anhäufung von Methylgruppen im Molecül; dieser Einfluß zeigt sich besonders deutlich beim Tertiärbutylcarbinol (Schmp. 52—53°) 4 und beim Tertiärbutyl- dimethyl-carbinol, dem sog. Pentamethyläthol (Schmp. 17°; vgl. S. 244). In den Kolumnen I I und I I I der Tabelle Nr. 5 sind spezifisches Gewicht und Brechungsindex angegeben. Es ist nun schon S. 131—132 darauf hingewiesen worden, daß diese beiden Konstanten zur Berechnung einer von der Temperatur unabhängigen Größe — der s p e z i f i s c h e n R e f r a k t i o n R bezw. M o l e c u l a r r e f r a k t i o n MR — dienen. Aus der folgenden Zusammenstellung der Molecularrefraktionen: MR Methylalkohol . . Aethylalkohol . . j Pi>Anrla11r/ilinlA

; piff.

für CH3

4.55 ! 4-71—4.73

tertiärer . . 22-09 Isoamylalkohol. . , 26-62 1 3 4

Vgl.: BKÜHL, A. 208, 276 (1880). — R. SCHIFF, A. 223, 89 (1884). Vgl. DB FORCRAND, C. r. 136, 1034 (1908). OLSZEWSKI, M. 5, 128 (1S84). TISSLEB, C. r. 112, 1066 (1891); A. ch. [6] 2 9 , 340 (1893).

212 ist ersichtlich, daß diese Konstante MR für isomere Glieder praktisch die gleiche ist, beim Aufsteigen um eine Kohlenstoffreihe aber immer um annähernd denselben Wert — im Mittel 4-6 — zunimmt Ganz analoge Verhältnisse haben sich in einer großen Zahl anderer homologer Reihen gezeigt Das I n c r e m e n t der MoleculaTrefraktion f ü r einen Unterschied der empirischen Z u s a m m e n s e t z u n g um CH, — berechnet aus Beobachtungen in den verschiedensten Reihen 1 — schwankt nur unbeträchtlich um den Mittelwert 4-570. Auf dieses wichtige Resultat werden wir später zurückzugreifen haben, wenn die Besprechung weiterer Körperklassen Gelegenheit bietet, den Einfluß zu beleuchten, den andere Zusammensetzungsdifferenzen auf die Molecularrefraktion ausüben. Das chemische Verhalten der Alkohole wird hauptsächlich durch die R e a k t i o n s f ä h i g k e i t der H y d r o x y l g r u p p e beeinflußt; das an Sauerstoff gebundene Wasserstoffatom ist, wie schon öfter hervorgehoben wurde, mannigfachen Austausches fähig. Ersetzt man es durch Metalle, so entstehen die Alkoholate® Alk-O Me1 — .auch A l k y l a t e genannt Diese Metallderivate werden indes schon von Wasser in die Alkohole und Metallhydroxyde zerlegt; man kann sie demnach als äußerst leicht „hydrolysierbare Salze" bezeichnen. Am bequemsten sind die Alkaliderivate zugänglich, die man durch direktes Eintragen des Metalls in die betreffenden Alkohole darstellen kann. Die Auflösung von Natrium und Kalium in Methyl- und AethylAlkohol vollzieht sich unter lebhafter Wasserstoffentwicklung; die Reaktion steigert sich jedoch nicht — wie dies bekanntlich beim Wasser der Fall ist — bis zur Entzündung des geschmolzenen Metalls. Weit weniger energisch wirken die Alkalimetalle auf die höheren Alkohole ein8. Neuerdings wird die Darstellung der Alkalialkoliolate mit Hülfe der Lösungen von Alkalimetallen in flüssigem Ammoniak empfohlen4. — Das Magnesium6 reagiert mit Methylalkohol schon in der Kälte sehr heftig, mit Aethylalkohol dagegen erst beim Erhitzen im zugeschmolzenen Rohr unter reichlicher. Bildung von Magnesiuinalkylat (Alk-0)aMg. — Reines Aluminium wird auch von siedenden Alkoholen nur sehr langsam angegriffen; in Form von amalgamierten Blättchen liefert es jedoch mit 1

V g l . BBOBL, P h . C h . 7 , 157 ( 1 8 9 1 ) .

3

Z u r M o l e c u l a r f o r m e l s. BECKMANN, SCHLIEBS, A . 2 8 9 , 8 S (1896).

9

Ueber das elektrolytische und chemische Verhalten des Natriums in verschiedenen Alkoholen, sowie die Dissociation der Alkoholate vgl.: TIJMSTBA BZ., Ph. Ch. 4 8 , 3 4 5 ( 1 9 0 4 ) . — BRÜHL, SCHRÖDER, B . 3 7 , 3 9 4 3 ( 1 9 0 4 ) . 4

CHABLAY, C. r. 1 4 0 , 1 3 4 3 , 1 3 9 6 ( 1 9 0 5 ) .

6

SzAitvAsr, B . 8 0 , 3 0 5 , 8 0 6 , 183G ( 1 8 9 7 ) . — TISSIEH, GRIONARD, C. r. 1 3 2 ,

(1901).

836

213 Alkoholen der ersten Reihen leicht, mit Alkoholen von höherem Moleculargewicht schwieriger, Alkoholate 1 ; die Intensität der Umsetzung läßt'sich durch den Zusatz wasserfreier Metallchloride, z. B. SnCl4, HgCl,, AlClg, oder durch Einleiten von kleineren Mengen trocknen Salzsäuregases wesentlich steigern3. — Die Alkoholate der Erdmetalle, z. B. das Bariumderivat3 Ba^OCjH^ kann man durch Kochen des wasserfreien Alkohols mit dem Metalloxyd darstellen. Das Calciumäthylat entsteht auch aus Calciumcarbid CaC2 und Alkohol bei 180*. Läßt man alkoholisches Ammoniak bei 0 0 auf metallisches Calcium reagieren, so entsteht Calciumamid Ca(NHj)^, das sich alsbald mit Alkohol zu Calciumäthylat umsetzt, welches in Form der gut krystallisierten Doppelverbindung CaiOCjHJ,2C S H,0 isoliert werden kann6. — Auch von einigen Schwermetallen sind Alkoholate erhalten worden; so entsteht das Eisenäthylat Fe(OCaH5),(?)® beim Zufügen von Natriumäthylatlöaung zu einer alkoholischen Ferrichloridlösungi — Da« Thalliumäthylat CjHjO-Tl, eine unter 0° erstarrende, durch ihr hohes spez. Gew. (3>55)7 und leichte Zersetzlichkeit ausgezeichnete Flüssigkeit, ist aus Thalliumoxydul und absolutem Alkohol erhältlich8. Die Alkoholate hinterbleiben beim vorsichtigen Eindampfen ihrer Lösungen meist als amorphe Pulver, können aber in Verbindung mit Alkoholen häufig auch gut krystallisiert erhalten werden. Beim Erhitzen auf höhere Temperaturen zerfallen sie in komplizierterWeise unter Bildung von Alkylenen C n H i n , Kohlenoxyd usw. Die Aluminiumalkoholate der niederen primären und sekundären Alkohole aber können bemerkenswerterweise unter stark vermindertem Druck unzersetzt destilliert werden; beim Erhitzen unter gewöhnlichem Druck zersetzen sie sich ebenfalls. Die Alkalialkoholate werden — teils in Lösung, teils in fester Form — für zahlreiche synthetische Zwecke verwendet, besonders häufig für den Austausch von Halogenatomen gegen Alkyloxygruppen —O-Alk, sowie als Kondensationsmittel (bei den „CLAISEH sehen Reaktionen"); auch wird ihre Eigenschaft, sich verhältnismäßig leicht zu oxydieren, zuweilen für Reduktionszwecke (z. B. zur Umwandlung von Nitroverbindungen in Azoxyverbindungen) ausgenutzt. I Vgl. TiscHTacHENKO, C. 1 9 0 0 , I, 10, 585. • HJLLTER, Am. 18, 621 (1896); 19, 597 (1897). — HILLYER, CBOOKER, Am. 19, 37 (1897): — Ueber die Einwirkung von Aluminiumchlorid auf Alkohole vgl. PEBBIBR, POOOBT, Bl. [3] 2 6 , 551 (1901). • BEBTHELOT, BL. [2] 8, 389 (1867). — DESTBEM, A. ch. [5] 27, 5 (1882). — Nach D? FOKCRAND [C. r. 119, 1266 (1894); 1 2 0 , 737 (1895)] führt die Einwirkung der Alkohole auf die Oxyde nicht- zu Alkoholaten, sondern zu Additionsprodukten, z. B. (C,Ttf 8 0) 4 (Ba0), und (C,H 6 0) 4 (Ca0)j. -4 DB FORCBAND, C. r. 119, 1266 (1894). • DOBV, Z. a. Ch. 3 5 , 93 (1903). II GBMAUX, Bl. [2] 41,157 (1884); vgl. dagegen NICOLABDOT, 0 . r. 140, 857 (1905). 7 LAMY, C. r. 5 5 , 836 (1362); 50, 780 (1864). 9 KARLBAU», ROTH, SIEDLER, Z. a. Ch. 29, 221 (1902).

214

Einwirlcung von Säuren und Säurechloriden auf Alkohole.

Schon 8. 207 ist die Reaktion erwähnt, nach welcher in gewissen Fällen durch Erhitzen der Natriumalkoholate mit den entsprechenden freien Carbinolen Alkohole Ton doppelter Kohlenstofizahl entstehen1. Bei dieser Reaktion wirken also die Alkoholate als A l k y l i e r u n g s m i t t e l ; auch in anderen Fällen können sie eine solche Wirkung ansähen*, wobei vielleicht anzunehmen ist, daß sie primär in NaOH und Alkylidene R»CHCH(OH) unter intermediärer Bildung von ChP>C0

HO^CCp > G O (vgl- Kapitel 11 über die Oxydation der Ketone). CH Cö 1 H — Als eine Anomalie sei die Bildung von Tsobuttersäure bei der die 8&are

Oxydation des tertiären Butylalkohola

OH

pu

8

h u t ' . Sie ist wohl dadurch 3 CH zu erklären, daß zunächst durch W a s s e r a b s p a l t u n g das Isobutylen QJJ*]]>C=CH, erwa

entsteht, dessen normales Oxydationsprodukt — Isobutylenglykol (CH,),C(OH) - CH, • OH — in saurer Lösung durch Wasserabspaltung (vgl. darüber Kap. '20) Isobutyraldehyd (CH B ),CH-CH: 0 liefert'; aus letzterem würde dann durch weitere Oxydation Iso1

Butlebow, Z. 1871, 484.

s

V g l . N e v o l e , B . 9 , 4 4 8 ( 1 8 7 6 ) . — G . W a g n e r , B . 2 1 , 1 2 3 " (1888).

Vgl. auch A. 180, 73 (1877).

218

Pyrochemische Zersetzung der Alkohole.

buttersäure entstehen. Es bildet sich übrigens aus dem tertiären Butylalkohol nur sehr wenig Isobuttersäure, die Hauptprodukte der Oxydation sind der obigen Regel entsprechend Aceton CK 3 -C0-CH, und Essigsäure CH,-CO*OH. Eine Wasscrabspaltung während der Oxydation — welche die Bildung der Alkylene bewirkt und die Verfolgung des Oxydationsverlaufs kompliziert, da man nicht nur die eigentlichen Oxydationsprodukte der Alkohole selbst erhält, — ist namentlich bei der Anwendung von s a u r e n Oxydationsmitteln (sehr häufig ist Chromsäuregemisch für die Oxydation der Alkohole verwendet worden) in Betracht zu ziehen. Mit einer n e u t r a l e n Kaliumperm anganatlösung gelang es Waokbe1, einen einwertigen tertiären Alkohol, der in Nachbarstellung zum hydroxylierten Kohlenstoffatom ein „tertiär" gebundenes Wasserstoffatom enthält (vgl. S. 166), zu dem zweiwertigen bitertiären Alkohol von gleicher Kohlenstoffzahl zu oxydieren: (CH3)jC!(OH)'CH(CHJ),

—>-

(CH,),C(OH) • C(OHXCH,),.

Im einzelnen ist der Oxydationsverlauf natürlich sowohl von der besonderen Art des oxydierenden Agens2 wie von der Struktur des betreffenden Alkohols sehr abhängig. Di« Oxydierbarkeit der primären Alkohole bringt es mit sich, daß sie unter Umständen auch solchen Verbindungen gegenüber, die man nicht gerade als eigentliche Oxydationsmittel zu betrachten gewohnt ist — z. B. Quecksilberchlorid, aromatische Ketone — , reduzierende Eigenschaften betätigen 3 (meist jedoch erst bei höherer Temperatur); vgl. auch S. 213 die stärker reduzierenden Eigenschaften der Alkoholate. Der Einwirkung oxydierender Mittel ist in mancher Beziehung die p y r o c h e m i s c h e Z e r s e t z u n g d e r A l k o h o l e 4 vergleichbar. Unter dem Einfluß hoher Temperaturen zerfallen die Carbinole vorwiegend in Alkylene und Wasser; dieser „Dehydratation" gehen jedoch Reduktionsund Oxydations-Prozesse parallel, so daß sich im Reaktionsprodukt auch Paraffine, Aldehyde, Kohlenoxyd und Wasserstoff finden. E s hat sich nun gezeigt, daß man die Temperatur, bei der sich diese Umsetzungen vollziehen, durch Anwendung sogenannter „Kontaktsubstanzen" z. B. Kohle, Graphittiegelmasse, Tonerde, Metalle usw., wesentlich herabsetzen und hierdurch den Verlauf des pyrogenetischen Prozesses so weit regeln kann, daß eine ergiebige Gewinnung definierter Produkte, z. B. bestimmter Kohlenwasserstoffe, Aldehyde und Aether, möglich ' J. pr. [2] 44, 308 (1891). Betreffs der Einwirkung von S a l p e t e r s ä u r e auf Alkohole vgl. die folgenden neueren Untersuchungen: Konowalow, C. 1 9 0 1 , 1 , 995; 1 9 0 4 , 1 , 1495. — Ponzio, 6 . 31, I, 401 (1901). — Bouveault, Wahl, C. r. 136, 1563 (1903). Oxydation durch den e l e k t r i s c h e n Strom: Dont-H£ha0lt, Z. El. Ch. 6, 533 (1900). — Elbs, Bbukneb, Z. EI. Ch. 6, 604 (1900). — S„aboszewicz, Ph. Ch. 42, 343 (1903). » Vgl. Kbbp, B. 28, 1476 (1895). — Fonzes-Diacon, Bl. [3] 16, 762 (1896). * Ipatjew, B. 34, 596 , 3579 (1901); 35, 1047, 1057, 1062 (1902); 30, 1990, 1998, 2003, 2014 (1903); 37, 2961, 2986 (1904). J. pr. [2] 67, 420 (1903). C. 1904, II, 1020. — Sabatieb, Sendebens, C. r. 136, 738, 921, 983 (1903). — Ehbehfkld, J. pr. [2] 67, 49, 428 (1903). — Nep, A. 318, 187 (1901). 2

219 wird1. Leitet mau m i t L u f t g e m i s c h t e A l k o h o l d ä m p f e über glühende Metalle, z. B. eine Platinspirale 2 , so treten — falls die Temperatur nicht zu hoch gewählt wird — die Oxydationsvorgänge in den Vordergrund und führen je nach den Versuchsbedingungen zur Bildung von Aldehyden R-CHO (bzw. aus sekundären und tertiären Alkoholen zu Eetcnen), Acetalen R • CH(0R)2 oder .Säuren RCOOH. Die E i n w i r k u n g von Chlor auf primäre Alkohole" — ein vielfach untersuchter and im Falle des Aethylalkohols technisch zur Chloraldarstellung (Näheres vgl. Kap. 33) benutzter Prozeß — führt zur Bildung von chlorierten Aethern, chlorierten Acetalen und chlorierten Aldehydalkoholaten. Die scheinbar recht komplizierte Reaktion wird in ihrem Verlauf leicht verständlich, wenn man sie in ihre einzelnen Phasen zerlegt: sie besteht in einer Folge von Substitutions- and KondensationsProzessen. Als erste Phase ist stets der Eintritt von Chlor in die Grnppe —CH3 • OH anzunehmen; die hierdurch entstehenden, sehr unbeständigen und nicht isolierten Produkte mit der Gruppe —CHC1-OH aber kondensieren sich unter dem Einfluß der durch die Substitution entstandenen Salzsäure zu chlorierten Aethern. Im Falle des Methylalkohols entsteht auf diesem Wege symmetrischer Dichlormethyläther: CH,Cl OH HO|.OH,Cl = CH.Cl-O.CH.Cl + H,0. Andere primäre Alkohole nehmen indes sogleich zwei Chlöratome auf, und die sich hierbei bildenden Verbindungen vom Typus C n H 2n Cl • CHC1 • OH reagieren mit dem noch unveränderten Alkohol nach der Gleichung: CnH,nCl • CH5—2 °/0 Wasser. Um vollständig wasserfreien (absoluten) Alkohol herzustellen, kocht man den käuflichen „absoluten" Alkohol am Bückflußkühler eine Stunde lang mit so viel gebranntem Kalk (in mäßig großen Stücken), daß der Kalk nicht ganz von dem Alkohol bedeckt ist, und destilliert dann aus dem Wasserbade ab4. Setzt man hierbei etwas wasserfreien Aetzbaryt zu, so erkennt man den Punkt, wo vollständige Entwässerung erreicht ist, an der Gelbfärbung des Alkohols, da sich Aetzbaryt erst in ganz absolutem Alkohol unter Bildung von Bariumalkoholat mit gelber Farbe löst5. Zur Entfernung der letzten Wasserspuren wird beim Aethylalkohol sowohl wie bei anderen Alkoholen vielfach die wiederholte Destillation über kleine Mengen metallischen Natriums0 benutzt; neuerdings ist das Natrium hierfür durch metallisches Calcium7 ersetzt worden. Durch fraktionierte Destillation kann man aus wäßrigem Alkohol keinen absoluten Alkohol herstellen, da Alkohol mit Wasser eine konstant siedende Mischung (aus 95>57 Gew.-Proz. Alkohol und 4*43 °/0 Wasser bestehend) gibt (vgl. S. 208—209), die niedriger — bei 78-15° — siedet, als reiner Alkohol (Sdp. 78-3°). Setzt man indes Benzol zu, so gelingt die Abscheidung von reinem Alkohol durch fraktionierte Destillation8; es geht dann zunächst alles Wasser in Form eines konstant 1

Ch. I. 20, 266 (1897).

f

Ch. 1 . 1 8 , 4 5 4 ( 1 8 9 5 ) . — Ueber ein Verfahren, Alkohol durch Einwirkung von Ozon auf ein stark gekühltes Gemisch von Acetylen und Wasserstoff darzustellen, vgl. JAY & Co., D. R. P. 149893; C. 1604, I, 1185. ' F R . KECOEK, POCKEBT,

» v . MILLEB, HOFEB, B . 2 8 , 2 4 2 8 ( 1 8 9 5 ) . * EKLENMEYEB Ben., A . 1 6 0 , 2 4 9 ( 1 8 7 1 ) ; v g l . CBISWBB, C . 1 9 0 4 , I , 1 4 7 9 . » MEMDEIEJEW, fooa. Ann. 1 3 8 , 2 4 6 (1869). * LIEBE«, A. 1 5 8 , 1 5 1 ( 1 8 7 1 ) . 7

L . W . WIMKLEB, B . 3 8 , 3 6 1 2 ( 1 9 0 5 ) .

• YOUHG, SOC. 8 1 ,

717 (1902).

707 (1902); C.

1903,

II, 869. —

YOUHO, FOBTEY,

Soc.

81,

230

Eigenschaften des Aethylalkohols.

siedenden „ternären" Gemisches (Wasser, Alkohol und Benzol] vom Sdp. 64-85°, dann der Best des Benzols in Form eines „binären" Gemisches (Alkohol und Benzol) vom Sdp. 68-25° über, und zum Schluß folgt wasser- und benzolfreier Alkohol vom Sdp. 78-3°. Um Alkohol auf einen Wassergehalt zu prüfen, benutzt man das entwässerte Kupfersulfat; dieses behält beim Schütteln mit wasserfreiem Alkohol seine weiße Farbe, während es sich mit wasserhaltigem Alkohol blau färbt. Sehr empfindlich ist auch, die Prüfung mit einer Lösung von flüssigem Paraffin in absolutem Alkohol oder wasserfreiem Chloroform; fügt man zu einer solchen einige Tropfen eines wasserhaltigen Alkohols, so findet sofort Trübung statt1. Ferner kann man sich des Magnesiumamalgams2, sowie des Calciumcarbids3 bedienen, um Alkohol wasserfrei zu machen bzw. um einen Wassergehalt des Alkohols zu erkennen, da diese Agentien auf wasserhaltigen Alkohol unter Entwicklung von Wasserstoff bzw. Acetylen reagieren, auf kalten absoluten Alkohol aber nicht einwirken. Zur Prüfung auf Wassergehalt kann auch die Bestimmung der kritischen Lösungstemperatur, z. B. in Benzol, dienen4. Der Alkohol6 ist eine leicht entzündliche, mit blaßblauer nicht leuchtender Flamme verbrennende, wasserbelle Flüssigkeit. In flüssiger Luft erstarrt er zu einer glasartigen Masse; beim Ansteigen der Temperatur auf —135° geht diese mit explosionsartiger Heftigkeit und unter plötzlicher Temperatursteigerung in eine krystallinische Form über, welch letztere bei —117-3° schmilzt*. Der Alkohol wirkt berauschend, in konzentriertem Zustand als tödliches Gift. Er ist ein Lösungsmittel für viele organische und auch manche anorganische Verbindungen (Fette, Oele, Harze, Alkalien). Er ist hygroskopisch7 und mischt sich mit Wasser in jedem Verhältnis unter Kontraktion und geringer Wärmeentwicklung; das Maximum der Kontraktion {3—4°/0) tritt ein, wenn auf 1 Mol. Alkohol annähernd 3 Mol. Wasser kommen8; 52 Vol. Alkohol + 48 Vol. Wasser geben bei 20° statt 100 nur 96-3 Vol. Mischung. Die Tabelle Nr. 6 (S. 231) zeigt das spezifische Gewicht8 von Mischungen zwischen Alkohol und Wasser bei verschiedenen Temperaturen, bezogen auf Wasser von 4 Der Bestimmung des spezifischen Gewichts mit Hülfe des Aräometers bedient man sich im Handel allgemein, um den Alkoholgehalt 1

3

CBISKEB, B . 1 7 , 649 (1884).

* EVANS, FETSCH, A m . S o c . 2 6 , 1158 (1904).

YVON, C. r. 125, 1181 (1897). — Der so gewonnene 100-prozentige Alkohol besitzt nach OSTEBMATEB (C. 1 8 0 8 , I, E^8) jedoch einen unangenehmen Geruch und 4 Geschmack. CRISXEB, C. 1002, II, 3. 6 Darstellung und Eigenschaften von reinem Alkohol: L. W. WIKKIEB, B. 38, 3 6 1 2 (1905). ' LADEKBCKO, B . 3 1 , 1963 (1898). — LADEKBÜBO, KBÜOEL, B . 3 2 , 1821 ( 1 8 9 9 ) ;

33, 638 (1900). — GOTTMANN, SOC. 87, 1037 (1905). ! Vgl. dagegen L. W. WINKLEB, B. 38, 3616 (1905). 9

MENSELEJEW, Z. 1 8 6 5 , 257.

Pooa. Ann. 1 3 8 ,

103 , 2 3 0 (1869);

vgl.

auch

L. W. WIKKLEB, B. 38, 3615 (1903). — lieber Schwankungen des spez. Gew. von W a s s e r - A l k o h o l M i s c h u n g e n v g l . VITTENET, BL. [?] 2 9 , 8 9 (1903).

281

Alkoholometrie.

von wäßrigem Alkohol zu ermitteln1. Früher wurde der Alkoholgehalt meist nach Volumprozenten angegeben; zur Bestimmung dienten die „Alkoholometer" von T B A L L E S : Aräometer, deren Skala nicht das spezifische Gewicht, sondern direkt den Alkoholgehalt in Volumprozenten anzeigt; in ihnen ist ein Thermometer angebracht, damit man die Temperatur bei der Messung erfährt und die Angabe des Alkoholometers nach besonderen, für diesen Zweck berechneten Tabellen auf die Normaltemperatur von 156/B°C. reduzieren kann. Seit 1888 sind von den deutschen Behörden Gewichtsalkoholometer eingeführt, welche den Alkoholgehalt in Gewichtsprozenten der Mischung bei der Normaltemperatur von 15° C. angeben; arbeitet man bei anderer Temperatur, so kann man mit Hülfe von Tabellen den beobachteten „scheinbaren" Alkoholgehalt auf den „wahren" Gehalt bei 15° umrechnen. Tabelle Nr. 6. GewicbtsP r o r . des Alkohols



10°

20°

80"

5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100

0-99135 0-93489 0-97996 0-97566 0-97115 0-96540 0-95784 0-94989 0-93977 0-92940 0-91848 0-90742 0-89595 0-88420 0-87245 0-86035 0-84789 0-83482 0-82119 0-80625

0-99113 0-98409 0-97816 0-97263 0-96672 0-95998 0-96174 0-94255 0-93264 0-92182 0-91074 0-89944 0-88790 0-87613 0-86427 0-85215 0-83967 0-82665 0-81291 0-7978?.

0-98945 0-98195 0-97527 0-96877 0-96185 0-95403 0-94514 0-93511 0-92493 0-91400 0-90275 0-89129' 0-87961 0-86781 0-85580 0-84366 0-83115 0-81801 0-80433 0'7S045

0-98680 0-97892 0-97142 0-96413 0-95628 0-94751 0-93813 0-92787 0-91710 0-90577 0-89456 0-88304 0-87125 0-85925 0-84719 0-83483 0-82232 0-80918 0-79553 0-78096

Fiir die Bestimmung von niederen Alkoholgehalten wurde die Ermittlung der Capillaritätskonstante empfohlen, da diese bei geringem Alkoholgehalt durch kleine 1 Ausführliche Angaben Uber Alkoholometrie, sowie die dabei zu benutzenden Tabellen s. in MAEKCKEBB Handbuch der Spiritusfflbrikation, 8. Aufl., herausgegeben von DELBRÜCK (Berlin 1903), S. 218 ff. — Vgl. auch OST, Techn. Chemie, 5. Aufl.

( H a n n o v e r 1903), S. 498.

232

Bestimmung und Nachweis des Aethylalkohols.

Konzentrationsunterschiede relativ erhebliche Aenderungen erleidet. Zar Prüfung auf dieser Grandlage dient das S t a l a g m o m e t e r : »ein einfacher Apparat, darch welchen die in einem konstanten Volum enthaltene Tropfenzahl bestimmt wird1. — Auch die Feststellung der Temperatur, bei der ein auf erhitzte Metallplatten herabfallender Tropfen Alkohol nicht mehr herabfließt, sondern in den sphäroidalen Zustand übergeht, kann zar annähernden Feststellung des Alkoholgehaltes in der betreffenden Probe dienen'. — Für die Ermittlung des Alkoholgehaltes verdünnter (höchstens 10-prozentiger) Sprite ist ferner die Feststellung des Gefrierpunktes derartiger Lösungen empfohlen worden*. Sehr häufig ist eine B e s t i m m u n g des A l k o h o l g e h a l t s in solchen F l ü s s i g k e i t e n , die a u ß e r Alkohol und Wasser n o c h a n d e r e S t o f f e e n t h a l t e n , wie z. B. in Bier und Wein, auszuführen. In solchen Fällen besteht die zuverlässigste Methode'in der Destillation einer bestimmten Menge der zu untersuchenden Flüssigkeit, Auffangen des Destillats und Ermittlung seines Alkoholgehalts durch Bestimmung des spezifischen Gewichts4*5, Zorn q u a l i t a t i v e n N a c h w e i s des A e t h y l a l k o h o l s kann man sich oft mit Vorteil der J o d o f o r m r e a k t i o n von LIEBKX bedienen8. Sie beruht auf der Bildung des leicht erkennbaren Jodoforms CHJ, bei der Einwirkung von Jod in alkalischer Lösung aal Alkohol. Man erwärmt die zu prüfende Flüssigkeit gelinde, fügt ein Körnchen Jod and darauf eine gerade zur Entfärbung ausreichende Menge Kalilauge hinzu; es bildet sich bei größeren Mengen gleich ein hellgelber Niederschlag des durch einen charakteristischen Geruch ausgezeichneten Jodoforms; bei großen Verdünnungen muß man bis zum nächsten Tage stehen lassen, um die aus mikroskopischen sechsseitigen Tafeln oder sechsstrahligen Sternen bestehende Fällung zu erhalten. Diese Reaktion gibt noch einen Alkoholgehalt von 1:2000 an. Mit ihrer Hülfe hat Mcirrz den Alkoholgehalt der natürlichen Wässer (s. S. 227) nachgewiesen, indem er ans einer Quantität von 15 1 zunächst 150 ccm überdestillierte, diese 150 ccm nochmals destillierte und nur die ersten 5 ccm auffing, mit denen nun die Reaktion ausgeführt wurde. Bei ihrer Anwendung muß man indes beachten, daß auch sehr viele andere organische Verbindungen, wie z. B. Aldehyd, Aceton (vgl. S. 226), Isopropylalkohol, dieselbe Reaktion zeigen; Methylalkohol, Aethyläther, Essigsäure, normaler Propylalkohol liefern sie dagegen nicht — Recht scharf ist auch der Alkoholnachweis durch gelindes Erwärmen mit einigen Tropfen B e n z o y l c h l o r i d 1 , welches die Bildung des durch seinen charakteristischen Geruch sieb kundgebenden Benzogsäureäthylesters C s H,-0-C,H 5 0 bewirkt; der Geruch tritt hervor, nachdem man das überschüssige Benzoylchlorid durch Zusatz von Kalilauge zersetzt h a t 1

I . TRAUBE, B. 2 0 , 2646, 2824 (1887). — U e b e r a n d e r e V e r f a h r e n , d e n A l k o h o l -

gehalt in stark verdünntem Spiritus festzustellen vgl.: ARQENSOV, Bl. [3] 27, 1000 (1902). — SOHMATOLLA, C. 1 9 0 2 , I, 545, I I , 1389. — HASSE, C. 1 9 0 2 , I I , 1346. — LEVT, C. 1 9 0 2 , I I , 1389.

> BORDIEB, C. r. 136, 459 (1903).

1

* GAUNT, F r . 4 4 , 106 (1905).

Näheres s. in LUNGE-BÖCKMANNS chemisch-techn. Untersuchungsmethoden, 5. Aufl. Bd. IH (Berlin 1905), S. 563, 601, 686. — ELBNEB, Die Praxis des Chemikers, 7. Aufl. (Hamborg u. Leipzig, 1900), S. 288, 331. 6 Ueber einige, in den letzten Jahren vorgeschlagene Verfahren vgl.: MASTIN, C. 1903, II, 745. — NICLOUX, C. r. Soc. Biol. [10] 3, 841 (1896). Bl. [3] 17, 424 (1897). C. 1897, I, 1012, 1257; 1904, II, 479 (Kritik dieses Verfahrens: POZZI-ESCOT, C. 1 9 0 2 , I, 5 4 5 , 1 9 0 4 , I I , 733). — THOBPE, HOLMKS, SOC. 8 3 , 814 (1903). — ZETSCHE, C. 1 9 0 3 , I, 1001. — RAIKOW, SCHTAXBANOW, Ch. Z. 2 8 , 886 (1904> — ACKEBMANN, STEINHANN, C. 1 9 0 5 , I , 1672. • A . Suppl. 7 , 218, 377 (1870). ' BERTHELOT, C. r. 7 3 , 496 (1871).

233

Chemisches Verhallen des Aethylalkohols.

Doch ist auch hier zu beachten, daß andere Alkohole Ester mit ähnlichem Gerach erzengen. — Erheblich zuverlässiger ist die analoge Verwendung von p - N i t r o b e n z o y l c h l o r i d ' , mit dem man den schön krystallisierenden, bei 57° schmelzenden p-Nitrobenzoeaaureäthylester NO, • C0II4 • CO • 0 • C,H, erhält — Am sichersten weist man den Aethylalkohol natürlich nach, indem man ihn als solchen abscheidet and durch seinen Siedepunkt und Ueberführiing in andere charakteristische Aethylverbindungen, wie z. B. Aethyljodid, p-NitrobenzoSsäureäthylester, identifiziert 3 .

Daa chemische Verhalten des Aethylalkohols bedarf nach der allgemeinen Schilderang auf S. 212—221 und der Hervorhebung der Unterschiede vom Methylalkohol (S. 224—225) nnr einiger ergänzenden Angaben. Wendet man Salpetersäure als Oxydationsmittel an, so bleibt — wohl unter vorübergehender Bildung von Nitro- oder Oximino-Derivaten1 — die oxydierende Wirkung nicht bei der Bildung von Aldehyd und Essigsäure4 durch Oxydation der —CHj• OH-Gruppe stehen, sondern sie erstreckt sich auch auf die CH,-Gruppe; es bilden sich die Verbindungen: CH^OH)CO,H Glykolaäure '

CHOCHO. Glyoxal 1

COHCO t H Glyoxylsäure'

CO.H-CO.H Oxalsäure

Der Alkoholdampf ist bis 300° beständig; bei Glühhitze entstehen aus ihm Wasserstoff, Sumpfgas, Aethylen, Acetylen und kompliziertere Verbindungen (Benzol, Naphtalin usw.)5. Von erwärmtem Zinkstaub wird «r unterhalb der Glühhitze in Aethylen und Wasser zerlegt, welch letzteres durch weitere Beaktion des Zinkstaubs zu Wasserstoff reduziert wird; bei Dunkelrotglut dagegen wird er glatt in Wasserstoff, Grubengas und Kohlenoxyd gespalten8: C,H,0 = H, + CH4 + CO,

(wobei eine primäre Entstehung von Acetaldehyd anzunehmen ist)7. Leitet man Aethylalkohol über erhitztes, pulverförmiges Aluminium, so bilden sich — neben Acetaldehyd und Aethylen — reichliche Mengen Divinyl8, CH, :CH-CH:CHa. Unter den Alkoholaten (vgl. S. 212—214) ist das wichtigste das Natriumäthyiat C2H5-ONa, dessen alkoholische Lösung durch Auflösen von metallischem Natrium in absolutem Alkohol erhalten wird9. Konzen1

BVCHNKB, MEISENHKIMEB, B . 3 8 , 624 (1905).

* MÜLLIKBN [A method for the identification of pure organic Compounds, Vol. I (New York 1904), S. 168 ff.] empfiehlt zur Identifizierung des Aethylalkohols und anderer Alkohole die Ester der 8,5-Dinitrobenzo68äure. • HANTZSCH, A. 2 2 2 , 66 (1884). 4

Diese entstehen schon bei längerer Einwirkung der L a f t ; vgl. DDCHEMIK,

DOUBLE», C. r. 140, 1466 (1905). — MATHIEÜ, C. 1 9 0 5 , II, 782. — Ueber Darstellung

von aldehydfreiem Alkohol and Nachweis von Aldehyd in Alkohol s. J. PAUL, F r . 3 5 , 647 (1896). — L . W . WIMKLEB, B. 3 8 , 3612 (1905). — Z u m V o r k o m m e n d e s

AldehydB im Rohspiritus s. S. 261—262. 9 • BEHTHELOT, A . 81, 109 (1852). JAHN, B. 1 3 , 987 (1880). IPATJEW, J . p r . [2] 0 7 , 420 (1903).

' V g l . S. 218.

8

* Quantitative Bestimmung des Natriumäthylats mit Menthon: TUBAKDT, A. 339, 4 1 (1905).

234 triert man diese durch Abdampfen im Wasserstoffstrom, so scheiden sich farblose durchsichtige Krystalle der Verbindung: C 2 H 5 -ONa + 2C 2 H 6 0 ab 1 ; analog zusammengesetzte krvstallisierte Natriumalkoholate erhält man auch aus dem Methyl-, Propyl- und Amylalkohol; durch weiteres Erhitzen (beim Methylat auf 170°, beim Aethylat auf 200°) wird der Krystallalkohol ausgetrieben, und es bleiben die alkoholfreien Alkoholate zurück 2 . Letztere erhält man jedoch bequemer durch Zutropfen der berechneten Menge Alkohol zu Natrium (am besten Natriumstaub) unter Xylol 3 . Die alkoholischen Lösungen der Alkoholate röten sich beim Stehen an der Luft, weil eine langsame Oxydation 4 unter Bildung von Aldehyd eintritt, welch letzterer durch das Alkali in Aldehydharz verwandelt wird. Durch längeres Erhitzen alkoholischer Natriumäthylatlösungen auf 210° bilden sich unter Entwicklung von Wasserstoff Aethylen C H j : C H j und Essigsäure 5 CH s -COOH. Erhitzt man trocknes Natriumäthylat im Luftstrom auf 100—150°, so entsteht, unter Abspaltung von Alkohol, ein Gemisch von essigsaurem, ameisen- und kohlensaurem Natrium, dem sich bei 2 0 0 a u c h oxalsaures Salz beimischt*. — Auf Existenz und Eigenschaften der Alkoholate anderer Metalle wurde bereits S. 212—213 aufmerksam gemacht; hier sei nur noch das durch seine Destillierbarkeit im Vacuum interessante A l u m i n i u m ä t h y l a t 7 A1(0-C2H6)3 näher gekennzeichnet; es ist eine weiße8, bei 130° schmelzende Masse, die unter 14 mm Druck bei 205° siedet". Propylalkohole: C 3 H g 0. Die Konstitution der beiden Propylalkohole ist schon früher (S. 77—78) erörtert worden. Sie ergibt sich unzweifelhaft aus dem verschiedenen Verhalten bei der Oxydation; derjenige Alkohol, welcher hierbei in Propior.aldehyd CHg-CH 2 'CHO und Propionsäure CH 3 • CH a • C0 2 H übergeführt wird, ist der p r i m ä r e P r o p y l a l k o h o l CII3• CH 2 • CH2(OH) [ A e t h y l - c a r b i n o l , Propanol-(I)]-, derjenige Alkohol, welcher zunächst Aceton OH3-CO-CH3 und dann Säuren von niederer Kohlenstoffzahl liefert, ist der s e k u n d ä r e P r o p y l a l k o h o l oder I s o p r o p y l a l k o h o l CH3-CH(OH)-CH3 [ D i m e t h y l - c a r b i n o l , Propanol-{2)]\ vgl. S. 216—217. Der p r i m ä r e P r o p y l a l k o h o l ist zuerst von CHANCEI,1" 1853 als Nebenprodukt der Alkoholgärung beobachtet worden. Die Anteile des Rohspiritus, welche zwischen dem Aethylalkohol und Amylalkohol 1

Vgl. auch LESCOKUR, C. r. 121, 691 (1895). GEUTHEB, FRÖHLICH, A. 2 0 2 , 294 (1880). » BRÜHL, B. 2 4 , 650 (1891); 37, 2066 (1904). 4 Vgl. auch DDCHEMIN, DOUULKSI, C. 1 9 0 5 , I I , 1053. — Ueber Darstellung längere Zeit farblos bleibender Lösungen von wäßrig-alkoholischem Kali für Titrierzweckc vgl. THIELE, MARC, C. 1 9 0 4 , I I , 1T56. — HAUPT, P. C. H. 4 6 , 569 (1905). 5 6 GUERBET, C. r. 128, 1002 (1899). v. HEUMELHAYR, M. 12, 151 (1891). 7 GLADSTONE, TRIBE, SOC. 2 9 , 158 (187G); 39, 1 (1881); 41, 5 (1882). A HILLYEB, CROOKER, Am. 19, 37 (1897). 0 TI8CUTSCHE.NKO, C. 1 9 0 0 , I, 10. 10 Vgl. A. 151, 298 (1869): s. auch FITTIÜ, A. 149, 318 (1869). !

Primärer

Isobutylalkohol.

235

destillieren, bilden eine reiche Quelle für diesen Alkohol1 (vgl. S. 262), so daß man zu seiner Gewinnung nicht die synthetischen Reaktionen, nach denen er erhalten werden kann 2 , zu benutzen braucht. Der I s o p r o p y l a l k o h o l dagegen, der 1855 von BERTHELOT 3 aus Propylen nach Bildungsweise 2 (S. 197—198), 1862 von F B I E D E L 4 durch Reduktion von Aceton erhalten war, und dessen Natur als erster Repräsentant der sekundären Alkohole von KOLBE 5 erkannt wurde, kommt unter den Produkten der Alkoholgärung nicht vor6. Man gewinnt ihn entweder durch Reduktion des Acetons oder durch Kochen des aus Glycerin leicht erhältlichen Isopropyljodids CH 3 -CHJ-CH 3 (S. 281—282) mit Bleihydroxyd und Wasser7 (vgl. S.196—197 u.202). Er ist nur äußeret schwer völlig wasserfrei zu erhalten 8 . Sehr bemerkenswert ist, daß sich aus Glykoljodhydrin CHaJ-CH,(OH) durch Einwirkung von Zinkmethyl ZnfCHj), nicht nach der Gleichung: CH,(OH)-CH,J + Zn(CH,\ = CH^OH).CH,-CH g + ZoJ(CH,)

der primäre Alkohol, sondern infolge einer noch unerklärten Ümlagerung der Isopropylalkohol9 bildet; über seine ebenfalls anomale Bildung aus normalem Propylamin durch salpetrige Säure vgl. S. 198. Bntylalkohole: C4H10O. Den vier, auf S. 194 entwickelten, theoretischen Möglichkeiten entsprechend sind vier Butylalkohole bekannt. Unter diesen ist der wichtigste der p r i m ä r e I s o b u t y l a l k o h o l CH *0H OHj—CH-H O H j - ^ ^ C O • OH

besitzt (vgl. Kap. 9). — Der aktive Amylalkohol des Fuselöls ist die linksdrehende Modifikation; für den reinen Alkohol ist das Drehungsvemögen: [«je30 = —5*90°. Er unterscheidet sich vom Isoamylalkohol sehr charakteristisch durch den Geruch und reizt nicht zum Husten. Erhitzt man ihn in Form des Natriumamylats einige Zeit auf etwa 200° so wird das Drehungsvermögen aufgehoben, und man erhält die — aus gleichen Teilen rechtsdrehenden und linksdrehenden Alkohols bestehende — inaktive Modifikation (vgl. S. 94—95 über „Eacemisierung"), aus der durch Zerlegung (vermittelst Pilzaussaat; vgl. S. 108—109) wieder aktiver Amylalkohol — nunmehr aber rechts drehender 4 — gewonnen werden kann. Die Siteren Arbeiten Uber die optisch aktiven Amylderirate, darunter aueh die umfassenden Untersuchungen Geras über den Einfluß der physikalischen Bedingungen auf die Größe des DrehungsVermögens5, sind mit Gemischen von aktivem und inaktivem Amylalkohol ausgeführt worden, die in der Zusammensetzung wechselten, und bedürfen deshalb in ihren ziffernmäßigen Ergebnissen der Korrektur. Viel benatzt wurde der sog. CLAUDONsahe Alkohol", der eine Zeitlang ifa Handel 1

V g l . : L « Y , B . 6 , 1 3 6 2 ( 1 8 7 8 ) . — W . MABCKWALD, MO KBNZIB, B . 3 4 , 4 9 0 ( 1 9 0 1 ) .

1

V g l . : ROOXBS, SOC. 6 3 , 1 1 3 0 ( 1 6 9 3 ) .



SCHÜTZ, W . MABOKWALD, B . 2 0 ,

52

— W. MABOIWALD, B. 3 4 , 4 9 0 ( 1 9 0 1 ) ; 37, 1 0 4 5 ( 1 9 0 4 ) . — Am Licht wird der Amylalkohol durch den Luftsanerstoff ebenfalls (wenn auch langsam) zu Methylftthylessigs&ure oxydiert; dabei bildet sich gleichzeitig viel Wasserstoffsuperoxyd

(1896).

[RIOHABDSOK, FOBTBY, S o c . 6 9 , 1 3 4 9 ( 1 8 9 6 ) ] . 1

La

C. r. 8 7 , 213 (1878). — Gute, GAOTIER, BL [3] 11, 1173 (1894). — Soc. 7 1 , 255 (1897). — Im weiteren Verlauf der Reaktion entstehen dann neben «nderen Produkten Diamylalkohol C^H^O, und Divalerians&ore C ^ H I O O , [GOBBBBT, C. r. 1 2 8 , 511, 1002 (1899); vgl. auch Nur, A . 8 1 8 , 171 (1901)]. 4 LB BSL, Bl. [2] 31, 104 (1879). 5 Vgl. Arch. Sc. phys. Gunive [8] 83, 409 (1895). C. r. 119, 906 (1895); 125, 819 (1897). Bl. [3] 16, 177 (1896); 25, 544 (1901). BCL,

FBANKLAXD, PBICB,

• V g l . GUYS, CHAVAKKE, BL. [8] 1 6 , 2 7 5 ( 1 8 9 6 ) .

MBYBB-Jacobsom , org.

Ch. Zw. Aufl. 11.

16 (November 1905)

242

Weitere

Amylalkohole.

war; er wurde durch begrenzte Anwendung des LE Bm-schen Verfahrens (S. 240) dargestellt and enthielt etwa 75 °/0 aktive Substanz.

Der n o r m a l e p r i m ä r e A m y l a l k o h o l C ^ C H j - C H j - C H j - C H ^ O H ) [Ptntanol-(l)~\ ist synthetisch 1 ans dem normalen Butylalkohol durch Vermittlang des entsprechenden Cyanids und der Carbonsäure (s. S. 206) gewonnen worden; hieraus ergibt sich seine Konstitution. Der primäre Alkohol mit am meisten verzweigter Kohlenstoffkette — d a s T e r t i ä r b u t y l - c a r b i n o l (CH3)3C CH 2 -OH [Dimethylpropanol-ßj] — läßt sich durch Umwandeln von Tetramethylmethan in das Monochlorderivat (CHj^C-CHjCl, Umsetzen des letzteren mit Silberacetat und Verseifen des so gewonnenen Esters (CHg^C• CHS• 0• COCH3 erhalten*; er bildet sich ferner (neben anderen Produkten) bei der Reduktion eines Gemisches von Trimethylessigsäure (CHs)sC-COOH und deren Chlorid (CH^C-CO-Cl mit Natriumamalgam 9. S e k u n d ä r e A m y l a l k o h o l e . Daa D i ä t h y l - c a r b i n o l , CH,.CI£,.CH(OHlCH, • CH, [Pentanoi(SJ], wird aus AmeisensSureester durch Einwirkung von Aetliyljodid und Zink (S. 201)4, besser von Aethylmagnösiumbromid 5 , erhalten und liefert durch Oxydation Diäthylketon C,H 5 —CO- C,H 5 . — Das Methyl-propyl-carbinol6"' CH,-CH(OII)-CH ä . CH, • CH, [Pentanol-(2)}

Methyl-isopropyl-earbinol911 CH0 -CH(OH). CH(CH,), [2-Methylbuianol-(3))

und

entstehen bei der Reduktion der entsprechenden Ketone: Methyl-propvl-keton und CH,-CO-CH,-CH, • CH,

Methyl-isopropyl-keton CH, • CO • CH(CH.,),.

Beide enthalten asymmetrische Kolileostoffatome, besitzen aber zunächst, da sie auf synthetischem Wege gewonnen sind, kein optisches Drehungsvermögen. Doch ist es L E B E L 9 gelungen, aus dem inaktiven Methyl-propyl-carbinol die linksdrehende Modifikation abzuscheiden, indem er darin eine Aussaut von Peuicillium glaucnm sich entwickeln ließ.

Der t e r t i ä r e A m y l a l k o h o l (CHg^OHJ CHg-CH, [ D i m e t h y l ä t h y l - e a r b i n o l , 2-Methylbutanol-(2j] kann aus Propionylchlcrid mit Zinkmethyl 10,11 gewonnen werden. Bequemer ist seine Darstellung aus dem Amylen C 6 H J 0 , das durch Wasserabspaltung aus dem Fuselöl erhalten wird und zum großen Teil aus Trimethyläthylen ( C H , ) 8 C = C H - C H , besteht (s. Kap. 13); durch Vermittlung von Schwefelsäure 11 oder Oxalsäure 12 geht dieses Alkylen unter Wasseraddition in Dimethyl-äthyl-carbinol über: (CH,),C: CH-CH 3 -i- H,0 = (CIi a ),C(OH).CH,.CH,. 1

LIEBE?,

Rossi, A.

• TISSIER, C . r .

112,

S

1 5 8 , 70 (1871). 4

1066 (18'JI).

5

GRIQMAW», C .

7

BtBLOHOüBEK, B . 9 , 9 2 4 (1876).

1901,

II,

6

623.

LE

TISSIEK, WAONER.

A.ch.

[6] 2 9 ,

SAIZEW,

B E I , , BL. [ 3 ] 9 ,

A. 677

321

176,

(1893).

351

(1876).

(1898).

* MÜNCH, A . 1 8 0 , 3 3 9 (1676).

• C. r. 89, 312 (1879). Bl. [2] 33, 106 (1880V 19

POPOW, A .

145,

292

(1868).

" WI8CHNEOBAD8KY, A . 1 9 0 ,

—•*ERMOLAIES, Z . 1 8 7 1 ,

328 (1878)

•»

275.

MIKLÄSCHEWSKY,

B.

24

Ref., 269 (1891).

Ilexylalkohulc.

243

D a s Dimethyl-äthvl-carbinol entstellt ferner als Produkt einer anomalen Reaktion (vgl S. 198) aus tertiärem ßutjlcarbiuamin (CH 3 \,C-CH 2 -NH 2 und salpetriger Säure an Stelle des hier zu erwartenden Tertiär Imtylcarbinols 1 . Ks wird als Schlafmittel — unter der Bezeichnung „ A i n y l e n h y d r a t " , . . A m y l e n u m h y d r a t n m " , die sich auf seine Darstellung aus Aniylen gründet — verwendetK Hexylalkohole: Von den 17 der Theorie Dach innglichen Alkoholen C,H u O sind 14 bekannt. Erwähnt sei, daß sich ein Hexylalkohol im Weintreberfuselöl 3 findet; über seine Konstitution läßt sich nur sagen, daß er ein primärer Alkohol ist, da er durch Oxydation in eine Capronsäure C , H „ 0 , übergeht. Zwei primäre Hexylalkohole finden sich als Ester in der Natur. Der eine kann aus dem ätherischen Oel der Samen von Heracleum giganteum gewonnen werden; da er auch aus der normalen Capronsäure CH3»[CH,]4-C0.2H durch Reduktion entsteht, so ist er der n o r m a l e H e x y l a l k o h o l 4 CO,-CH,-CH I -CH,-CH,-CH 1 (OH) [Hexanol-(l)\. Ein anderer 5 kommt — an ungesättigte Säuren gebunden —im K ö m i s c h - K a m i l l e n ö l vor: er C

liefert durch Oxydation Sekundärbutylessigsäure:

H

^JJ'^>CH• CH. • C0 2 H;

ihm

ist

CH

daher die Formel: » ' ^ » > C H • CH,• CH,(OH) {3-Methylpmtanol-(l)\ zu erteilen. — Relativ leicht zugänglich ist ferner derjenige H e x y l a l k o h o l " , welcher aus dem Mannit - einem scchsatomigen Alkohol CH2'(OH)-CH(OH)-CH(OH)-CHCOH).CH(OH)CH,(OH). — durch Vermittlung des sekuhdäven Hexyljodids C » H , , J nach Bildungsweise 10 (S, 202) erhalten werden kann. Das durch diese Reaktionsfolge entstehende Produkt {st wahrscheinlich ein Gemisch 7 zweier normaler sekundärer Hexylalkohole, nämlich des M e t h y l - » - b u t y 1 - c a r b i n o l s CHS • CHiOH) • CH, • CH, • CH, • CH, [Hexanol-(2)\ und des A e t h y l - n - p r o p y l - c a r b i n o l s CH,-CH t CH(OH)-CH 2 CH , • CH 3 [Uexanol-(3)]. — Der aus dem Pinakolin (CH^C-CO-CH, durch Reduktion mit Natriumamalgam» erhältliche P i u a k o l i n a l k o h o l (CH,)aC• CH(0H)• CH, [Methyl-feri.-butyl-carbinol, 2J}-Dimelhylbutanol-(3)] verdient durch die Leichtigkeit Interesse, mit welcher bei der Waseerabspaltung (durch Erhitzen mit Oxalsäure) eine Umlagerung des Kohlenstoffgertistes erfolgt unter Bildung von TetramethylC_H_ äthylen 9 : »^-CH CHj.CCHJ „ „

1

F R E U N D , L E N Z E , B. 2 4 , 2160 (1891). — TIBBIER, C. r 1 1 2 , 1065 (1891). Vgl.: P. C. H. 28, 339 (1887); 2 9 , 15 (1«Ä8); 3 0 , 7, 68 (1889). — L I E B R E J C H LANOOAARDS „Compcndium der Arznei Verordnung", 5. Aufl. (Berlin 1902), S. 6C. 1



8

FAOET, A .

4

FRANCHIMONT,

LIEBEN,

HENRY, C . 5

88.

325

JAKKCEK, 1905,

II,

(1853).

ZINCKE, A.

187,

A.

163,

135

193(1872).

(1877). ~



MÖSMNOKH,

FRENTZEL,

Ber.

A. 16,

186,

26(1877).

744 (1883). —

214.

Körne, A. 1 9 5 , 102(1879). — P. VAN ROMBURGH, Ber. 2 0 R e f . , 375, 468 (1887). R. 5, 219 (1886); 6, 150 (1887). " E R L E K M E Y E R sen., W A N K L Y N , A. 1 3 5 , 129 (1865). — SCHORLEMMER, A. 1 6 1 , 272 (1*72). , 7 Vgl.: C O M B E S , L E B E L , B L . [3J 7, 5 5 1 ( 1 8 9 2 ) . — W A O N E R , B . 27, 1637 Annt. (1894). 8



RASETTI, BL. [3] 3 3 ,

FRIEDEL,

SILVA,

(1892). '

691

J. 1873,

ZEI.LVSKY, Z E U K O W ,

(1905). 339.

— Vgl. auch

COUTURIER,

A. ch.

R 34, 3250 (1901). 16*

[6]

26, 459

244

Hepfyl- und Oatylalkohole.

Heptylalkohele: C,H„0. Der p r i m ä r e normale H e p t y l a l k o h o l 1 [Hepfanal-(l)] wird durch Beduktion de* Oenanthola — des durch Destillation von BicinusOl leiekt gerinnbaren normalen Aldehyds der 7. Reihe GHt-[CH,])-CHO — erhalten. Außer ihm sind noch zwölf andere Heptylalkohole bekannt Nor auf einen der tertiären Alkohole — das T e r t i ä r b u t y l - d i m e t h y l - c a r b i n o l : CH,X /CH, C H , ^ C - C f (OH) [2,2,3- TrimethylbuUmolr(3)}, CH,/ \CH, das ans Trimethylessigsäurechlorid und Zinkmethyl nach Bildungsweise II (S. 303) entsteht1, — sei noch hingewiesen, da dieser durch seine Konstitation einige Beachtnng •erdient Er ist ein fünffach methylierter Aethylalkohol und führt daher auch die Bezeichnung P e n t a m e t h y l - ä t h o l ; die Anhäufung der Methylgruppen bedingt hier, wie in den meisten anderen Fällen, Erhöhung des Schmelzpunkts; unter allen Heptylalkoholen ist dieser der einzige, der krystallisiert erhalten wurde; sein Schmelzpunkt liegt bei + 17*, der Siedepunkt schon bei 131*. Bemerkenswert ist auch seine Neigung rar Bildung eines hochschmelzenden Hydrats; schon in Berührung mit feuchter Luft erstarrt der Alkohol zu dem Hydrat 2C,H„0 + H , 0 , welches lange, bei 83* schmelzende Nadeln bildet. Octylalkohele: C,H„0. Der p r i m ä r e normale O c t y l a l k o h o l [Oetamol-(l)] kommt in Form von Estern in dem Oel der Frächte von Heracleum Sphondylium, Heracleum giganteum und Pastinaca sativa vor und wird durch Verseifung dieser Oele gewonnen*. Seine Konstitution folgt daraus, daß er durch Oxydation die normale Caprylsäure CH,• [CH,],• CO• OH liefert — Ein s e k u n d ä r e r n o r m a l e r Octylalkohol — das häufig schlechthin als C a p r y l a l k o h o l bezeichnete M e t h y l - h e x y l - c a r b i n o l CH,• ÖH(OH)• [CH,],• OH, [0etanol-(2)] (Siedep. 179-5®) — wird bei der raschen Destillation von Ricinusölseife mit Aetzkali oder Aetznatron erhalten*. Durch Oxydation liefert er ein Keton, dessen Konstitution als normales Methylhexylketon CH9-CO>[CH,]»-CH, sich aus dem Zerfall durch weitere Oxydation in Essigsäure and normale Capronsäure CH, • [CH,]4 • CO,H ergibt. Aus dem erwähnten Keton kann das Carbinol durch Reduktion mit Natrium und Alkohol zurückerhalten werden*. Beim Erhitzen mit seinem Natriumderivat geht es in Gemische von Di-, Tri- und Tetracaprylalkohol (C 1S H„-0H, Cä4H4i OH und C,,H„-OH) über». Das Methylhexyl-carbinol ist relativ leicht zugänglich. Es enthält ein asymmetrisches Kohlenstoflatom (in der Formel mit * bezeichnet) und kann daher in optisch aktiven Formen auftreten, die aber noch nicht rein isoliert sind. Das käufliche Präparat ist schwach linksdrehend und stellt ein Gemisch von inaktivem und linksdrehendem Alkohol dar 7 . 1 GKIKSHAW, Schoblemmer, A. 1 7 0 , 148 (1873). — SCBOBLBMMER, A . 1 7 7 , 303 (1875). — CKOSS, A . 1 8 9 , 1 (1877). — Joubdan, A . 2 0 0 , 102 (1880). — KÄAFTT, B. 1 6 , 1723 (1883). — GUBBBBT, BL. [3] 2 6 , 300 (1901). T * Bvtlbbow, A. 177, 176 (1875); s. feiner Booomolbz, A. 206, 78 (1881). —

Vgl. auch Gbioxabd, A. ch. [7] 24, 470 (1901). * ZIMCKE, A . 1 5 2 , 1 (1869). — Möslingkb,

A. 1 8 6 , 26 (1877). — RENESSE, A. 1 6 6 , 8 0 (1873); 1 7 1 , 380 (1874). * Bonis, A. 80, S04 (1851); 82, 395 (1854). — Neison, Soc. 27, 507, 8 3 7 (1874). — SCHOBLEMMEB, A . 1 4 7 , 222 (I 868); 1 6 2 , 155 (1869). — FREUND, SCHÖNPELD, B . 2 4 , 3351 (1891). — BFCUI, BL. [3] 6 , 131 (1891). — WAID«», B . 2 7 , 3472 (1894).

» W e l t , C. r. 119, 857 (1894). * 7

Gotrbet, C. r. 1 3 2 , 685 (1901). W . MARCKWALD, MC KENZIE, B.

— Mabiowmkow, 3 4 , 474 (1901).

Zcbow,

B. 3 4 ,

3246

(1901).

Nonylalkohol

bis

Hexadseylaücohol.

245

Xonjlalkohol: C»HTOO bis Oetadecjlalkohol: C„H M O. — Die n o r m a l e n p r i m ä r e n A l k o h o l e m i t 9, 10, 12, 14, 16 und 18 K o h l e n s t o f f a t o m e n (Eigensch. s. Tab. 4 auf S. 209) sind von KBAFFT 1 durch Redaktion der entsprechenden Aldehyde dargestellt worden. Der n o r m a l e N o n y l a l k o h o l [Nonanol-(l)) kommt in Form von Estern im Oel aus den Schalen süßer Pomeranzen vor*; das isomere M e t h y l - » - h e p t y l - c a r b i n o l , (CH,)(C, H,,)CH • OH [Nonanol-(2)] (Siedepunkt 193—191*), läßt sieh ans dem Methylheptyl-keton, das sich bis zn 5*/« (neben kleinen Mengen von Fettsäuren and sehr yiel Methyl-nonyl-keton) im Rautenöl findet*, durch Redaktion mit Natrium und Alkohol erhalten4. — Der n o r m a l e U n d e c y l a l k o h o l C 10 H„• CH,• OH [Undecanolfl)} wurde durch Ginwirkung von salpetriger Sfiure auf das Undecylamin*, ferner durch Reduzieren des zugehörigen Aldehyds, des Undeeanals C 10 H,, • CHO, mit Zinkstaub und Eisessig* gewonnen. — Ein n o r m a l e r s e k u n d ä r e r A l k o h o l m i t 11 K o h l e n s t o f f a t o m e n , das M e t h y l n o n y l - c a r b i n o l OH, CH(OH)-[OH,].-CH, [ündeeanol-(2)] (Siedepunkt 228—229°) ist durch Redaktion des im Rautenöl in sehr reichlichen Mengen vorkommenden normalen Methy 1-nonyl-ketons CH, • CO • [CH,]| • CH, erhältlich'. — Ein Alkohol C l l H M 0, wahrscheinlich der normale D o d e c y l a l k o h o l , kommt als Palmitinsäure- und Stearinsäure-Ester im Oel der Caseara sagrada vor*, während ein Alkohol der nächst höheren Reibe, der P i s a n g - C e r y l a l k o h o l C i a H n O, sich im Wachs von auf Java wild wachsenden Bananen findet*. — Ein« natürliche Quelle für den normalen P e n t a d e c y l a l k o h o l C, a H„0 [Pentadecanol-(l)] ist bisher noch nicht aufgefunden worden. Dagegen gelang die künstliche Darstellung dieses Carbinols aus dem zugehörigen Amin mit salpetriger Säure1*, sowie auch aus der Palmitinsäure; das Silbersalz dieser Säure reagiert mit Jod unter Abscheidung von Jodsilber, Entwicklung von Kohlensäure und Bildung von Palmföns&ure-pentadecylester, der dann mit alkoholischem Kali zu Pentadecylalkohol und Kalinmpalmitat verseift werden kann 11 : 2C„H, 1 -COOAg + J , = C l i H 8 1 COO-C 1 ,H J 1 + 2AgJ + CO, C„H, l .COOC l l l H, l + KOH = C 1 6 H„COOK + C . ^ O H .

Der normale primäre Hexadecylalkohol öder Cetylalkohol (auch

Aethal genannt) CH3-[CH2]u.CHa-OH [Hexadecanol-(l)] (Siedepunkt in absolutem Vacuum13:119°) ist unter den höheren Alkoholen der wichtigste, da er aus einem im Handel vorkommenden Naturprodukte, dem Walrat (s. Kap. 10), sehr leicht gewonnen werden kann13. Der Hauptbestandteil des Walrats ist, wie CHEVBEUL 1 8 1 8 nachwies, der Palmitins&ureester > B . 1 6 , 1714 (1888); 1 0 , 2220 (1886); 2 8 , 2360 (1890). 8 * STEPHAN, J . p r . [2] 6 2 , 632 (1900). TBOMS, C. 1 9 0 1 , I, 524. 4 MANNICH, B. 3 6 , 2144 (1902). — TBOMS, MANNICH, B. 3 6 , 2547 (1908). * JEFFBETß, A m . 2 2 , 36 (1899). * BLAISB, GUIARA, BL. [3] 2 9 , 1202 (1903). 7 GIBSECUS, Z. 1 8 7 0 , 431. — MANNICH, B. 3 6 , 2144 (1902). — THOMS, MANNICH, B. 3 8 , 2547 (1903). * DOHMS, ENGELHARDT, A m . Soc. 2 0 , 539 (1898). * GBESHOFP, SACK, R . 2 0 , 67 (1901). 10 JEFFREYS, A m . 2 2 , 28 (1899). 11 SIMONINI, M. 1 4 , 85 (1893). — PANICB, M. 1 6 , 9 (1894). " KBAFFT, WEILANDT, B . 2 9 , 1325 (1896). 19 CHBVBEOL, A. ch. [2] 7 , 157 (1818). — BEBTHELOT, P6AN DE SAINT-GILLBS, J .

1S62, 413. — S. ferner die Zitate in FuBnote 3 auf S. 246.

Alkohole

2 4 J 6

der höheren

des Cetylalkohols C 16 H 33 0-C 1 6 H 3 1 0. Kali wird dieser Ester verseift: C16II,3-0-CUH310 + KOH

-

Reihen.

Durch Kochen mit alkoholischem CUH38

OH

+

und es entsteht nebeu palmitinsaurem Kalium der freie Cetvlalkohol. Oetylalkohol ist ferner im Fett von Ovarial-Dermoidcysten nachgewiesen worden1. Die normale Struktur dieses Alkohols folgt aus seinen Beziehungen zur Palmitinsäure, deren normale Struktur später (Kap. 9) begründet werden wird: aus dieser Säure kann er durch Reduktion erhalten werden; auch läßt er sich durch Oxydation 2 wieder in dieselbe überführen. — In untergeordneter Menge kommt auch der O c t a d e c y l a l k o h o l C 1 8 H, 8 0 [Octadeeanol-(l)] in Form von Estern im Walrat vor 3 ; dieser Alkohol ist der charakteristische Bestandteil des Bürzeldrüsensekrets der Vögel 4 . — Eine andere Quelle für hochmoleculare Verbindungen der aliphatischen Reihe ist das Wollfett, das u. a. den bei 68—69° schmelzenden C a r n a u b y l a l k o h o l C 24 H 50 O in Form von Estern enthält 5 . — Diese höheren Glieder der Alkoholreihe erinnern in ihren äußeren Eigenschaften durchaus nicht mehr an die niederen. Es sind krystallisierb&re, geruchlose Körper, die sich fettartig anfühlen. Alkohole, die noch reicher an Kohlenstoff sind, finden sich in den W a c h s a r t e n teils in freiem Zustande, teils in Form von Estern an kohlenstoflreiche Säuren gebunden (s. Kap. 10, Fettsäureester). Als Cerylalkohol bezeichnet man einen zuerst aus chinesischem Wachs 6 isolierten, bei 76—79° schmelzenden Alkohol C„H 55 (OH) oder wahrscheinlicher7 CMH6S(OH), der sich auch im Camaubawachs 8 und Bienenwachs 8 , sowie im Flachs 1 0 und Wollfett 1 ' findet, — als Myrlcylalkohol den Alkohol mit 30 Kohlenstoffatomen C80H61(OH), der am besten aus dem Camaubawachs 8 -" gewonnen wird (Schmelzpunkt 86°; 8pez. Gewicht beim Schmelzpunkt 0-808 0 ) 13 . Dem bei 85—85*5° schmelzenden Alkohol, welcher aus dem Bienenwachs erhalten wird, wurde von BBODIE 14 ebenfalls die Formel C30H6,(OH) beigelegt, während SCHWALB " die Formel C S1 H, S (0H) für wahrscheinlicher hält; vielleicht ist die Zusammensetzung der Bienenwachsbestandteile eine mit der Gegend und dem Jahrgange wechselnde. 1

LL-DWIO, II. 2 3 , 38 (1897). — V. ZEYVF.K, H. 2 3 , 48 (1897). CI.AUS, v. DKEDEN, J . pr. [2| 4 3 , 148 (1891). 3 HEINTZ, A. 8 4 , 306 (1352); 9 2 , 299 (1854). — KKAFFT, B. 17, 1627 (1884). 4 RÖHSLANN, C. 1 9 0 4 , I, 822. 6 DABJISTÄDTEB, LIFSOHÜTZ, B. 2 9 , 2895 (189(i). 4 BRODIE, A. 6 7 , 201 (1848). ' HENRKICES, B. 3 0 , 1415 (1897). 8 0 STÜBCKE, A. 2 2 3 , 283 (1884). SCHWALB, A. 2 3 5 , 106 (1886). 10 CROSS, BEVAN, SOC. 5 7 , 196 (1890). — HOFFMEISTEE, B. 3 6 , 1047 (1903). " DABMBTÄDTEH, LIFSCHÜTZ, ß . 2 9 ; 28f)8 (1896); 31, 99, 102 (1898). 12 STOBT-MASKXLSTNE, Z. 1 8 6 9 , 300. — PIF.VEKIIMO, A. 1 8 3 , 314 (1876). u «« MENSCHDTKIN, P h . Ch. 1, 619 (1887). A. 71, 147 (1849). 1

Alkoholische Gärung.

247

Noch etwas kohlenstcfireicher scheint der P s y 1 l a - s t e a r y l a i k o h o l (J,:,H9>0 (Schmelzpunkt 68—70°) zu seiu, der si"h als Payllastiureester Oa,H6S • CO • 0 • C M H„ in dem von einer Blattlaus (Psylla Alni) produzierten Wachs findet1.

Die oben aufgeführten Alkohole des Bienenwachses und Carnaubawachses sind primär, da sie in Carbonsäuren von gleicher Kohlenstoffzahl übergeführt werden können; die Umwandlung geschieht sehr glatt beim Erhitzen mit Natronkalk 2 unter Wa3serstoffentwicklung: R • CHj(OH) + NaOH = RCO-ONa + 2H,.

Bei quantitativer Messung des entwickelten Wasserstoffs kann diese Reaktion mit zur Ermittlung der Zusammensetzung der höheren Alkohole benutzt werden 3 . — Die Wachsalkohole besitzen wahrscheinlich normale Struktur, da fast alle hochmolecularen, in der Natur vorkommenden Verbindungen der Fettreihe sich als normal konstituiert erwiesen haben. Ein endgültiger Beweis ihrer Struktur steht indessen bislang noch aus. Kohlenstoffreiche sekundäre Alkohole, z. B. das D i n o n y l - , D i c a p r y l - and D i m y r i s t i c y l - C a r b i n o l , kann man durch Behandeln höherer Fettsftaren mit Phosphorpentachlorid synthetisch darstellen, wobei diese in Wasser» Kohlendioxyd und Ketone zerfallen, die dann mit Natrium und Alkohol reduziert werden müssen 4 : 2C„H sn+1 .COOII

-*- (C n H ln+1 ) s CO + CO, + H . 0

(C u H Jn + i),CO + H, = (C a H» n+ i),CH-OH.

D i e a l k o h o l i s c h e G ä r u n g u n d die S p i r i t u s b r e n n e r e i . Daß für den Aethylalkohol und einige seiner Homologen der praktisch wichtigste Bildungsprozeß durch die „alkoholische Gärung" geboten wird, ist S. 196, 227, 234—235, 238 hervorgehoben. Seit den ältesten Zeiten kennt man diesen Vorgang durch die Erfahrung, daß Fruchtsäfte, wenn sie an der Luft stehen bleiben, in „Gärung" geraten: unter Auftreten einer Gasentwicklung setzt die vorher klare Lösung einen Niederschlag ab, den man als „Hefe" bezeichnet, die Flüssigkeit verliert allmählich ihren süßen Geschmack und gewinnt eine berauschende Wirkung. Diese einfachste Form der Bereitung von „geistigen Getränken" beruht auf der „alkoholischen Gärung". Die wesentlichsten Vorgänge, die sich dabei abspielen, köunen wir auf Grund unserer heutigen Kenntnisse kurz folgendermaßen beschreiben: Die Fruchtsäfte enthalten einen (bzw. mehrere) Zucker C 6 H 1S 0 6 , 1

1

SUNDWICK, H . 3 2 , 355 (1901).

Ans dieser zuerst von 1)CÜAS und STAS [A. 35, 129 (1840)] erprobten Methode hat sich später das weit allgemeinere Verfahren der Kalisclimelze entwickelt, welches für den Ausbau der organischen Chemie so wertvolle Dienste geleistet hat [vgl. A . W . v. HOKMANNB N a c h r u f auf STAS, B. 2 6 , 3 (1892)]. 8 4 HELL, A. 2 2 3 , 2 t 9 (1884). KIPPINO, Soc. 6 3 , 452 (1893).

248

Geschichte der Oärungstheorie.

welche ihren süßen Geschmack bedingen. Durch die Gärung wird der Zacker nach der Gleichung: C,H„0,

=

2 CO, + 2 C . H . 0

in Kohlendioxyd (das entweichende Gas) und Alkohol (deü Träger der berauschenden Wirkung) zersetzt. Die Gärung wird dadurch eingeleitet, daß Keime des Hefepilzes aus der Luft in die Flüssigkeit hineingelangen; sie finden darin die zu ihrer Ernährung notwendigen Bestandteile (stickstoff- und kohlenstoffhaltige Verbindungen, anorganische Salze), wachsen und pflanzen sich fort Die „Hefe" besteht aus diesen sich rasch vermehrenden Mikroorganismen. Durch ihren Lebensprozeß erzeugen sie einen „Zymase" genannten Stoff (bzw. ein Gemisch verschiedener Stoffe), welcher die Eigenschaft hat, den Zucker nach obiger Gleichung zu zersetzen. In welchen Etappen man zu dieser Auffassung gelangt ist, sei zunächst kurz geschildert1. Daß bei der Gärung Zucker in Alkohol und Kohlensäure zerfällt, war schon Ende des achtzehnten Jahrhunderts bekannt, und LAVOISIEB hatte zuerst eine quantitative Erforschung des Verhältnisses von Zucker zu den Spaltungsprodukten unternommen. Ueber die Natur der Hefe aber brachten erst in den Jahren 1836—1837 die Untersuchungen von CAGNIABD-LATOUB, SCHWANN und KÜTZING Klarheit; aus den von diesen drei Forschern unabhängig angestellten Beobachtungen ergab sich als zweifellos, daß die Hefe eine lebende niedere Pflanze (Sproßpilz) ist. Auf Grund dieser Entdeckung wurde dann der Schluß gezogen, daß der Zuckerzerfall eine zum Lebensprozeß der Hefe gehörige Erscheinung sei: es bildete sich die „vitalistische" Gärungstheorie aus, welcher in LIBBIG ein mächtiger Gegner erstand. Während die Anhänger der vitalistischen Theorie die Ansicht verfochten, daß Gärung und Hefeleben sich gegenseitig bedingen, sollte nach LIEBIG der Zuckerzerfall dadurch zustande kommen, daß sich die moleculare Erschütterung, die mit den beim Leben der Hefe sich abspielenden chemischen Vorgängen verbunden ist, auf die Zuckermolecüle fortpflanzt 1

Eingehendere Darstellungen der Geschichte der Gärungstheorien vgl. in den folgenden Werken: J. R. GREEN, Die Enzyme; ins Deutsche übertragen von W. WINDISOH (Berlin 1901). F. B. Amuurs, Das Gärongsproblem-, Sammlung ehem. und chem.techn. Vortrüge Bd. VII, Heft 12 (Stuttgart 1902). An. MAYER, Die Gärungschemie, III. Band des Lehrbuchs der Agrikulturchemie (5. Aufl., Heidelberg 1902; 6. Aufl., bearbeitet von J. MEUENHEIKKII, erscheint 1906). C. OPPENHEIMER, Die Fermente, 2. Aufl. (Leipzig 1903). ED. BUCHHSR, H. Bocmout u. M. HAHN, Die Zymaseg&rung (München u. Berlin 1903). MIKCKEBS Handbuch der Spiritusfabrikation, 8. Aufl., herausgegeben von M. DELBRÜCK (Berlin 1903), S. 458 ff. — Eine Sammlung dter Arbeiten von SCHWANK, CIAMIJID-LATOU» u. KÜTSINO, sowie von Aufs&tzen zurGeechichte derTheorie der Gärung und der Technologie der G&rnngsgewerbe gaben M. DELBRÜCK U. A. SCHROHE in dem Werke: „Hefe, Gärung nnd Fäulnis" (Berlin 1904); vgl. dazu ED. BÜCHNER, C. 1906, II, 642. — Vgl. ferner M. DELBRÜCKS Vortrag: „Ueber die Fortschritte der Gärungschemie in den leisten Dezennien", B. SL, 1913 (1898).

249

Mikroorganismen als Oärungserreger.

(Zersetzungstheorie). Nach L I E B I G also wird die Gärung zwar durch die Gegenwart der Hefe verursacht, gehört aber nicht zu den eigentlichen Lebenserscheinungen des Pilzes, sondern isj, ein damit parallel sich abspielender Vorgang. Der Streit zwischen den beiden Lagern hatte etwa zwei Jahrzehnte angedauert, als 1857 P A S T E C B seine umfassenden Untersuchungen über die Gärung zu veröffentlichen begann, in denen er mit experimenteller Meisterschaft die Methodik der heutigen „Gärungschemie" begründete. Im Laufe dieser Arbeiten erbrachte P A S T B U B den schlagenden Beweis dafür, daß Mikroorganismen, die sich in der Luft vorfinden, dasjenige Agens sind, welches die Gärung der Zuckerlösungen veranlaßt; er zeigte ferner, daß diese Gärung ausbleibt, wenn man die Zuckerlösung keimfrei macht („sterilisiert") und die Luft nur durch die von H. S C H B Ö D E B schon früher in die Methodik eingeführten „Filter" von .Baumwollwatte oder ähnliche Vorrichtungen hinzutreten läßt, welche die in der Luft schwebenden Keime zurückhalten; in solchen Filtern wies er nach ihrer Benutzung die gleichen Mikroorganismen nach, die sich in den gärenden Flüssigkeiten finden. Die ursächliche Beziehung zwischen der Entwicklung lebender Organismen und der Gärung wurde durch diese Befunde außer Zweifel gestellt, die vitalistische Theorie gewann eine erhöhte Berechtigung. Aber eine Erkenntnis, auB welchen Gründen der Lebensprozeß der Hefepilze den Zuckerzerfall zur Folge hat, war noch nicht erzielt, wie L I E B I G mit Becht noch 1870 hervorhob; die nächstliegende, schon von S C H W A N N aufgestellte Annahme, daß der Zucker den Sproßpilzen als Nahrungsmittel diene, Kohlensäure und Alkohol als unbrauchbare Stoffwechselprodukte ausgeschieden werden (Assimilationshypothese), erwies sich bei Berücksichtigung der quantitativen Verhältnisse als unhaltbar ( N Ä G E L I ) . Erst die letzten Jahre haben für die Auffassung des Vorgangs auf dem Wege des Experiments wieder einen entscheidenden Fortschritt gebracht: seit 1 8 9 7 erscheinen die Untersuchungen E D . B U C H N E B S in denen der B . 8 0 , 117, 1110 (1897); 3 1 , 568 (1888); 3 3 , 3811 (1900). 1110. — E D . B Ü C H N E R , K A P P , B . 3 0 , 2668 (1897). B . 3 1 , 1084, 1090, 1531 (1898); 3 2 , 127, 2086 (1899); 3 4 , 1523 (1901). — A L B B B T , E D . B U C H N E B , B . 3 3 , 266, 971 (1900). — E D . BCCHNER, MEISENHEIMER, B . 3 7 , 417 (1904); 3 8 , 620 (1905). — E D . BITCHNEB, ANTONI, H. 4 4 , 206 (1905); 4 6 , 186 (1905). Eine Zusammenfassung der bis 1903 ausgeführten Untersuchungen liegt in dem S. 2 4 8 Anm. zitierten Werke von E D . und H . BÜCHNER und H A H N „Die ZymasegftruDg" vor. Versuche und Meinungsäußerungen zur Zymasegärung vgl. ferner E. B. in den folgenden Abhandlungen: STAVENHAOEN, B . 3 0 , 2 4 2 2 , 2 9 6 8 ( 1 8 9 7 ) . — M A B I E V . M A N A S S E I N , « E D . BUCHKEB,

C. 1 9 0 1 ,

I,

B.

3 0 , 3 0 6 1 ( 1 8 9 7 ) . — NEÜBEIBTER, B . 3 0 ,



H.

II,

54. —

WILL, C. 1 8 9 8 , F.

B . AHSENS, Z. A a g .

B. 3 3 ,

2 7 6 4 (1900). —

(1901).



H.

II, 439. — H .

FISCHER,

1 3 , 4 8 3 (1900). —

ALBERT, B . 3 3 , C.

1903,

2 9 6 3 ( 1 8 9 7 ) . — ABELES, B . 3 1 ,

2261 (1898).

L A N G E , C . 1 8 9 8 , I I , 5 4 8 . — DÜCLAÜX, C .

II,

MACFADYEN, MORRIS,

3 7 7 5 (1900). — 277, 324.



1900,

ROWLAND,

WBÖBLEWSKI, J . p r . [ 2 ] 6 4 ,

HIBDEN, B. 3 6 ,

716 (1903).

MEIBKNHSIMKR, H . 3 7 , 5 1 8 ( 1 9 0 3 ) . — GROMOW, G R I G O B I E W , I I . 4 2 , 2 9 9 ( 1 9 0 4 ) . —

1 —

HARDEN,

Zellenfreie Gärung.

Nachweis geführt wird, daß man die Gärwirkung von der lebenden Hefezelle abtrennen kann. Wenn man die Hefe mit Quarzsand und Kieselgur kräftig zerreibt, so gelingt es, die Membranen und Plasmaschläuche der Hefezellen zu zerreißen, und man kann dann durch starken Druck einen ,.Preßsaft" gewinnen, welcher den flüssigen Inhalt der Hefezellen darstellt. Dieser Preßsaft hat nun die Fähigkeit, Zucker in alkoholische Gärung zu versetzen, und verdankt diese Wirkung nicht etwa einzelnen in ihm vorhandenen Hefezellen (oder Spaltpilzen); denn er behält seine Gärkraft,'auch wenn er mit antiseptischen Mitteln, welche die Lebensfunktionen von Organismen aufheben, versetzt oder durch geeignete Filtration keimfrei gemacht wird. Auch kann man aus ihm trockne Präparate (durch vorsichtiges Eindampfen oder Fällen) gewinnen, die lange aufbewahrt werden können, ohne die Fähigkeit zur Gärungserregung zu verlieren. Die Gärung ist also an den Lebensprozeß der Hefe nicht gebunden: es gibt eine „ z e l l e n f r e i e Gärung". Die Gärung ist kein physiologischer Akt, sondern ein rein chemischer Vorgang, bedingt durch einen bzw. mehrere Stotfe, die sich in jenem Preßsaft und den daraus dargestellten Trockenpräparaten finden. Dieses wirksame Prinzip, das B U C H N E B „ Z y m a s e " nannte, wird durch den Lebensprozeß der Hefe erzeugt; aber es bedarf — einmal entstanden — dieses Lebensprozesses nicht mehr, um die alkoholische Gärung zu erregen und zu unterhalten. In dieser Erkenntnis haben die vitalistische und die rein chemische Gärungstheorie einen Ausgleich gefunden. D e r Preßsaft wird am besten in einer hydraulischen Presse unter einem Druck von 60—OOkg auf 1 qcm gewonnen. Er stellt eine gelbliche Flüssigkeit dar und wird, bei gewöhnlicher Temperatur aufbewahrt, schon nach ca. 24 Stunden unwirksam. Er läßt sich, ohne sein Gärvermögen einzubüßen, durch Ausfrieren oder durch Eindampfen im Vaeuum bei 20—25° konzentrieren; den konzentrierten Saft kann man — auf Glasplatten aufgestrichen — durch Verdunstung bei 35 0 im Vaeuum oder an der Luft in ein trocknes haltbares Präparat verwandeln. Ein solches gewinnt man auch durch Fällung des Saftes mit Alkohol oder AlkoholAether oder Aceton. Auch aus H e f e , die Vorher bei niederer Temperatur getrocknet, dann im Wassevstoffstrom auf 100—110° erhitzt war und hierdurch — wie ihre WachstumUnfähigkeit beweist — „getütet" ist, kann ein gärkräftiger Preßsaft gewonnen werden 1 : ein besondere entscheidender Reweis dafür, daß nicht etwa lebende Plasmastüekehen als Träger der Gärwirkung itn Preßsaft anzusehen sind. Dil! Gänvirkung des Preßsaftes hält am längsten bei 5—7° an und setzt am raschesten bei 28—30° ein: die höchsten Gärkrafrzahlen werden bei 12—14 c er halten. Zusatz von schwachem Alkali beschleunigt die Gärwirkung; besonders Natriuinphoäphat wirkt günstig. Verdünnte organische Säuren setzen am Aufaug die Intensität der Gärung stark herab; doch bleibt in ihrer Gegenwart die Gärkraft länger bestehen. D e r Preßsaft äußert seine W i r k u n g auch bei sehr hohen Zuckerkonzentrationen (bis zu 50 %). Yocuo, B. 3 7 , 1052(1904). —

V g l . a u c h CZAPEK, B i o c h e m i e d e r P f l a n z e n ( J e n a 1905).

Bd. I , S . 2 5 5 . 1 ED. BUCHNEB, B. 3 3 , 3307 (1900).

Zymase.

251

Ein haltbares Präparat von abgetöteter Hefe \ welche die Inhaltsstofie der Zellen noch in jenem Zustand enthält, wie sie in den lebenden Zellen vorhanden waren, — . . D a u e r h e f e " — gewinnt man, wenn man Hefe durch einen Druck von 15—30 kg auf 1 qcm entwässert, dann in Aceton einträgt, unter Aceton etwa 15 Minuten verweilen läßt, abnutacht, das Aceton durch Aether verdrängt und die Masse nunmehr an der Luft — schließlich im Trockenschrank bei 45° — trocknet. Ein solches Präparat, ist unter der Bezeichnung „ Z y m i n " zurzeit käuflich.

Mit der Entdeckung der gäruDgserregendeii Kraft des Hefepreßsaftes sind unsere Kenntnisse über den alkoholischen Gärungsprozeß 2 sehr wesentlich gefördert; aber zu einer vollständigen Aufklärung fehlt noch die Lösung zahlreicher Fragen. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist in letzter Zeit der Nachweis der einzelnen Phasen gelungen, in welchen die Spaltung des Zuckermoleciils zu Alkohol und Kohlensäure sich vollzieht. Auf die Untersuchungen über diesen Punkt kann erst bei Besprechung der Zuckerarten (Kapitel 35) näher eingegangen werden; hier sei nur darauf hingewiesen, daß sie zu der Annahme geführt haben, die Gärwirkung des Preßsaftes sei zwei „Enzymen" (vgl. S. 252) zuzuschreiben®, von denen das eine — eigentliche Z y m a s e — 1 Mol. Zucker CjH 1 2 0 B in 2 Mol. Milchsäure C 3 H 6 0 3 (vgl. Kap. 29) spaltet, das andere — L a c t a c i d a s e — Milchsäure in Alkohol und Kohlensäure zerlegt (vgl. S. 228, 254). Aber vor allem bleibt die Frage bestehen: welcher Natur ist die Zymase (bzw. Zymase und Lactacidase), und wodurch gewinnt sie die Fähigkeit, den Zucker zu zersetzen? Wir kennen diesen Stoff einstweilen eigentlich nur durch seine Wirkung; in dem Preßsaft und den durch Fällung daraus gewonnenen Trockenpräparaten ist er gemischt mit vielen anderen Stoffen, von seiner Isolierung in reinem Zustand sind wir noch weit entfernt, seine Wirkungsweise ist völlig rätselhaft Das gleiche gilt von einer großen Anzahl anderer Materien, die im Lebensprozeß entstehen und dadurch charakterisiert werden können, daß sie — auch vom lebenden Organ abgetrennt — die Fähigkeit haben, gewisse spezifische Reaktionen hervorzubringen, ohne daß sie selbst iu die Reaktionsprodukte eintreten, uud zwar in quantitativ zu ihrer eigenen Meuge unverhältnismäßig großem Betrage. Wir werden bei Besprechung der industriellen Gärungen (S*. 254 ff.) gleich die „Diastase", welche die Stärke in einfache Kohlenhydrate zerlegt, und die „Invertase". die aus Rohrzucker rlen Traubenzucker und Fruchtzucker erzeugt, und später noch vielfach ähnliche Stoffe kennen lernen. Seit langer Zeit bezeichnet man als „ F e r m e n t e " (abgeleitet von fermentatio = Gärung) 1

ALBERT, EU. BÜCHNER, RAPI\ B . 3 5 , 2 3 7 0 ( 1 9 0 2 ) .

!

Xeuere physikalisch-chemische Betrachtungen und Untersuchungen über die alkoholische Gerung s. in rlen folgenden Abhandlungen: HERZOO, H. 37, 149 (1902). —

ABEBSON. R. 2 2 ,

78 (1903).



RPBNER. C . 1 9 0 5 ,

1 , 3 9 . — EULER, H . 4 4 ,

(1905). 3

ED. BÜCHNER, MEISENHEIMEB, B . 3 7 , 4 2 3 ( 1 9 0 4 ) ; 3 8 , 6 2 1 ( 1 9 0 5 ) .

53

252

Enzyme.

organische Erzeugnisse1, welche die Eigentümlichkeit besitzen, in verhältnismäßig Behr geringer Menge anwesend sehr große Mengen anderer Stoffe in bestimmter Weise zu zersetzen, sich selbst aber scheinbar an der Reaktion nicht beteiligen. Man unterschied dann zwischen geformten (organisierten) F e r m e n t e n (Mikroorganismen) und ungeformten Fermenten (Materien, die ihre Fermentwirkung außerhalb des lebenden Organismus ausüben können); fttr letztere wurde später von K Ü H N E der Name „Enzyme" (abgeleitet von = Sauerteig) gewählt, der sich allgemein eingebürgert hat Zu den organisierten Fermenten gehörte die Hefe. Nachdem die Wirkung der Hefe auf die Wirkung eines Enzyms (bzw. mehrerer Enzyme) zurückgeführt ist und der gleiche Nachweis in letzter Zeit für einige andere „Gärungsvorgänge" erbracht ist, die früher der Lebenstätigkeit von Mikroorganismen zugeschrieben wurden, muß es als nicht unwahrscheinlich betrachtet werden, daß alle sogenannten „geformten" Fermente ihre Fermentwirkung Enzymen zu verdanken haben. In den Kreisen der Gärungschemiker wird es daher heute für zweckmäßig gehalten, den Sammelnamen „Fermente" ganz fallen zu lassen und nur von Mikroorganismen einerseits, von Enzymen andererseits zu spreohen. Man sieht die Enzyme — einstweilen ist keines derselben in annähernd reinem Zustand isoliert — als Stoffe an, welche den Eiweißkörpern in ihrer chemischen Natur nahe stehen. Sowenig es zurzeit möglich ist, sie anders zu kennzeichnen, als durch die Eigentümlichkeit und die Bedingungen ihrer Wirksamkeit, sowenig läßt sich heute eine präzise Definition des Begriffs „Gärung" geben; die alte Bedeutung dieses Wortes — ein unter Gasentwicklung verlaufender Zersetzungsprozeß — trifft heute vielleicht noch für den volkstümlichen Gebrauch, aber längst nicht mehr für den wissenschaftlichen zu. Wir bezeichnen als Gärungen chemische Zersetzungsprozesse der verschiedensten Art, die durch Mikroorganismen an organischen Verbindungen hervorgebracht werden, gleichgültig ob die Reaktion von Gasentwicklung begleitet ist oder nicht Kehren wir von diesen allgemeineren Bemerkungen über „Gärungen" und „Gärungserreger" wieder zur alkoholischen Gärung zurück, so ist, bevor wir zur Schilderung ihrer technischen Ausbeutung übergehen, noch darauf hinzuweisen, daß die S. 248 gegebene Gleichung: CEH,,0,

=

2 C , H , 0 + 2 CO,

in quantitativer Beziehung ein zwar sehr annähernd richtiges Bild des Prozesses gibt, aber vollkommen weder für die Verhältnisse des Laboratoriumsversuches noch des technischen Betriebes zutrifft. Ent1

N e u e r d i n g s ist

diese

Bezeichnung

v o n BBEDIQ — v g l . BREDIQ, V. BEHNBCK,

Ph. Ch. 31, 258 (1899) — auch auf die anorganischen „Katalysatoren" angewendet worden. — Vgl. dazu BBBOELL, C. 1906, II, 1810.

Nebenprodukte der alkoholischein Gärung.

253

sprechend der obigen Gleichung entstehen sowohl bei der Gärung mit lebender Hefe wie mit Preßsaft Alkohol und Kohlensäure in etwa der gleichen Menge1. Aber selbst bei den sorgfältigsten Laboratoriumsversuchen erhielt man nicht mehr alB ca. 95°/0 des Zuckergewichts in Form dieser Hauptgärungsprodukte. PASTEUB beobachtete bei seinen Versuchen mit lebender Hefe, daß in annähernd konstanter Menge 2-5—3-6°/ 0 des Zuckergewichtes als Glycerin, 0-5^-0-7% als B e r n s t e i n s ä u r e erschienen; er betrachtete diese Produkte als „konstante Produkte der Gärung" und zog sie in die Gärungsgleichung hinein, die dadurch eine viel kompliziertere Gestalt erhielt. Später, hat sich gezeigt, daß die Mengen, in denen sich diese beiden Verbindungen bilden, sehr durch die Bedingungen der Gärung beeinflußt werden; und BUCHNEB fand mit R A P P bei der Zymasegärung so geringe Mengen davon2, daß der Schluß auf ihre Nichtbildung in Anbetracht der VerBuchsfehlergrenzen berechtigt erscheint Man ist daher heute der Ansicht, daß die Bildung dieser Produkte mit der Alkoholproduktion in keinem Zusammenhang steht; das Glycerin speziell wird vielmehr als ein Stoffwechselprodukt der Hefe angesehen*, das wohl überhaupt nicht aus dem Zucker,' sondern aus den fettartigen Bestandteilen des Hefekörpers entsteht4. Außer diesen beiden Stoffen, die bei der Destillation des Gärungsgemisches nicht übergehen, finden sich bei den Gärungen der Praxis als Nebenprodukte regelmäßig flüchtige Verbindungen, die mit dem Alkohol überdestillieren: Homologe des Aethylalkohols, Fettsäuren, Ester, Aldehyd. Man faßt diejenigen Nebenprodukte, die höher als der Aethylalkohol sieden und demnach bei der unten (S. 260—262) näher zu besprechenden Destillation des Rohprodukts den Nachlauf bilden, gewöhnlich unter der Bezeichnung F u s e l ö l zusammen. Die Fuselöle von verschiedenem Rohmaterial sind verschieden zusammengesetzt; manche — wie z.B. das Weinfuselöl — haben angenehmen Geruch und Gesehmack und erteilen den sie enthaltenden Getränken (z. B. Kognak) ihren Wert; andere Fuselöle — wie das Korn- und Kartoffelfuselöl — riechen widrig und unangenehm. Ueber ihre Zusammensetzung und die Frage ihrer Herkunft vgl. S. 262—263. In letzter Zeit ist man besonders noch auf die Entstehung kleiner Menge von Essigsäure und Milchsäure aufmerksam geworden5. Essigsäure wird regelmäßig sowohl bei der Gärung mit lebender Hefe wie mit Preßsaft gebildet; die Möglichkeit, daß sie aus dem Alkohol 1

Ueber das Verhältnis in den verschiedenes Phasen der Gärung s. LIND ET,

MABBAIS, C. r. 1 3 9 , 1228 (1904). 5 E». BUCHNEB, RAPP, B. 3 4 , 1526 (1901). ' SEIFERT, RBISCB, C. 1 9 0 4 , I I , 1380.

Vgl. MÄBCKES-DBLBHÜCK, Spiritusfabrikation, 8. Aufl. (Berlin 1903), S. 495.

1

Vgl.: ED. BÜCHNER, WEISBWHBIKEB , B. 3 7 , 417

(1904); 3 8 , 620 (1905). —

RBISCH, C. 1905, II, 779. — Ueber Bildung von Ameisensäure vgl. THOMAS, C. r. 1 3 6 , 1015 (1903).

254

AlkokoüAldung durch Schimmelpilze und intramolekulare Atmung.

durch Oxydation entsteht, erscheint für die zellenfreie Gärang durch die Vcrsuchsanordnung ausgeschlossen. M i l c h s ä u r e tritt bei der zellenfreien Gärung häufig in kleinen Mengen auf: ein Befund, der für die Ansicht, daß diese Säure ein Zwischenprodukt der Alkoholbildung ist (vgl. S. 251), große Bedeutung hat; bei der Gärang durch r e i n e lebende Hefe ist sie bisher noch nicht aufgefunden worden; Uber ihre reichliche Bildung aus Zucker durch Spaltpilze vgl. S. 258—259. Die Hefepilze (Saccbaromyceteu) — über ihre verschiedenen Arten vgl. S. 257 — sind nicht die einzigen Mikroorganismen, die aus Zucker Alkohol und Kohlensäure erzeugen könuen. Auch einige Schimmelpilze — besonders Mucor mucedo und racemosus — und Spaltpilze können unter geeigneten Bedingungen alkoholische Gärung veranlasseu ! ; über technische Verwendung der Schimmelpilze vgl. S. 264. Ohne die Mitwirkung von Mikroorganismen, aber im LebensprozcS, erfolgt die Spaltung von Zucker zu Alkohol und Kuhlendioxyd in zuckerhaltigen Früchtcn und überhaupt in Organen höherer Pflanzen, wenn sie unter A b s c h l u ß v o n S a u e r s t o f f aufbewahrt werden, durch die „ i n t r a m o 1 e c u 1 a r e A t m u n g " ( „ a n a e r o b e r S t o f f w e e h e l " ) 2 . Sterilisierte Erbsen z.H., in sterilisiertem Wasser aufbewahrt, gaben bis zu 22°/» Alkohol (berechnet auf die ursprüngliche Trockensubstanz). Dnß es sich bei diesem Prozeß um die Wirkung von Enzymen, welche der Zymase ähnlich sind, bandelt, glaubt STOKLASA nachgewiesen zu haben; doch wird dies von anderer Seite bestritten 3 . Ebenso wird die Gegenwart zymaseÄhnlicher Enzyme in tierischen Organen von STOKLASA4 behauptet, von anderen 6 nicht anerkannt.

Die i n d u s t r i e l l e E r z e u g u n g d e s A e t h y l a l k o h o l s — die Spiritus— ist für das wirtschaftliche Leben der Völker von einer so eminenten Bedeutung, wie sie kaum irgend einer anderen, die Herstellung einer organischen Verbindung bezweckenden Industrie zukommt. Sie ist ein landwirtschaftliches Gewerbe, welches die Möglichkeit bietet, aus Bodenarten, die für die Kultur der meisten Feldfrüchte wenig geeignet sind, noch reichen Gewinn zu ziehen; denn euerseits gedeiht der Wichtigste Rohstoff der Spritfabrikation — die Kartoffel — auch auf Bodenarten, welche den Anbau des Getreides kaum lohnen; andererseits

brenneroi0

1

Vgl. darüber OPPENHEIMEBS „Fermente" (Berlin 1903), S. 330.

4

V g l . d a r ü b e r : GODLEWSKI, POLZENICSZ, C. 1 9 0 1 , I I , 5 9 5 . — STOKLASA, JELÎNEK, VÎTEK, B . P h . P . 3 , 4 6 0 (1903). — NABOKICH, C. 1 9 0 4 , I , 194. — STOKLASA u . M i t -

arbeiter, C. 1906, I, 36. — Vgl. auch MAZÉ, C. r. 138, 1514 (1904). Ueber Alkoholbildung bei der anaëroben Atmung der Eier s. STÈPÂKKK, C. 1904, II, 548. » V g l . TAKAHASHI, C . 1 9 0 2 , IT, 1330. STOKLASA, O E E N Y , B . 3 0 , «22 (1903). — STOKLASA U. M i t a r b e i t e r , I, 961. 4

4

C. 1 9 0 4 ,

Vgl.: COHNHEIM, H. 8 9 , 348 (1903). — BATELL-, G. r. 137, 1079 (1903). — Vgl. auch MAIQHAK, C. r. 140, 1124 (1905). * Ausführliche Beschreibung s. in MÄBCKERS Handbuch der Spiritusfabrikation, 8. Aufl., nerausgegeben von M. DELBRÜCK (Berlin 1903). — Eine kürzere Schilderung s. in OSTS Lehrb. d. ehem. Technologie, 5. Aufl. (Hannover 1903), S. 492 (T.

Bedeutung

der

SpiritusbrenMr'ei.

255

liefern die Rückstände der Brennerei (die Schlempe) wertvolles Futter zur Haltung eines großen Viehstands, der durch die Produktion von Dünger dem Landwirt wieder ein Material zur Verbesserung seines Ackers gibt. Die Erkeuntnis dieser Vorteile J'ür die Landwirtschaft hat eine außerordentliche Steigerung der Spiritusproduktion, damit aber auch ein Sinken des Preises und eine Zunahme des Branntweingenusses im Gefolge gehabt, welche die ernstesten Besorgnisse für die Volkswohlfabrt hervorrufen muß. Die Regierungen sahen sich veranlaßt, die Spiritusfabrikation durch Erhebung von Steuern zu einer Einnahmequelle für den Staat zu machen, um gleichzeitig durch die mit der Besteuerung verbundene Preissteigerung auf eine Verminderung des Branntweingenusses hinzuwirken. In den Budgets aller Kulturstaaten spielt der Ertrag der Branntweinsteuer eine erhebliche Rolle. In Deutschland wurden 1900/1901 ca. 4050000 Hektoliter Alkohol (auf absoluten Alkohol berechnet) produziert, die Einnahme des Staates aus der Spiritussteuer betrug ca. 152 Millionen Mark; im folgenden Betriebsjahre ist die Produktion noch etwas gestiegen, um dann zu sinken 1 ; im letzten Brennjahre 1004—1905 betrug sie 3790000 Hektoliter 2 . Welches die zweckmäßigste Form der Spiritusbesteuerung Bei, ist eine vielumstriitene wirtschaftspolitische Frage von hoher Bedeutung. Bis 1887 erhob D e u t s c h l a n d e i n e „ M a i s c h , a u in - S t e u e r " ; d. h. die Höhe der Steuer, welche eine Bfcnnerei zu zahleu hatte, richtete sich nach dem Fassungsraum ihrer Gärbottiche. Diese Besteuerung vcranlaßte die Industrie natürlich, ihr Verfahreu so einzurichten, daß mit möglichst geringem Maischraum möglichst viel Spiritus erzeugt wird (Dickmaischen). Die Steuer wai ziemlieh gering und betrug auf den Hektoliter 100-prozentigen Alkohols etwa Iii Mark. Seit 1887 besteht, nachdem die Absicht, der Regierung, ein staatliches M o n o p o l einzuführen, an der Stimmung weiter Kreise der Bevölkerung und der Volksvertretung gescheitert war, ein neues Steuergesetz, wonach nur noch in dun kleineren landwirtschaftlichen Brennereien die Maischraumsteuer, in den größeren gewerblichen Brennereien dagegen eine in ihrer f l ö h e entsprechende F a b r i k a t - S t e u e r erhoben wir«l. Dazu kommt eine V e r b r a u c h s a b g a b e von SO bzw. 70 Mark fiH- 1 Hektoliter abs. Alkohol; der niedere Satz wird für die 4'/., 1 auf den Kopf der Bevölkerung nicht überschreitende Produktion, der höhere Sats für das darüber hinaus produzierte Quantum erhoben. — Ueber die D e n a t u r i e r u n g deijenigen Mengen con Spiritus, welche steuerfrei bleiben sollec. s. S 266.

Der hohen Bedeutung, welche der Spiritusbrennerei und anderen Gärungsgewerben für Landwirtschaft und Industrie zukommt, entsprechen die Bemühungen, die Praxis dieser Gewerbe durch dauernden Konnex mit der wissenschaftlichen Forschung vor Störungen zu sichern und stetig zu vervollkommnen. Besondere Institute sind erstanden, in denen alle chemischen und biologischen Fragen, die in Zusammenhang mit den Gärungsgewerben stehen, Bearbeitung mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Technik linden; auch bieten diese Institute den Praktikern Ge' Vgl. die statistischen Zahlen in Rii.h. Mevlrs Jahrbuch d. Chemie (Bnmiischweig) 12, 332 (1902): 13, 3»4 (I90.U 2 Vgl. Chemische Zeitschrift 4, 503 (1900).

256

Verzuckerung des Gärmaterials.

legenheit, sich in Theorie und Praxis ihres Berufs auszubilden. P A S T E U B , E . CH. HANSEN, MÄRCKEB, DELBRÜCK und ihre Schüler haben sich besonders durch wissenschaftliche und organisatorische Arbeit um diese Durchdringung der Gärungsindustrie mit wissenschaftlichem Geiste verdient gemacht. Für die technische Verarbeitung von Feldfrüchten auf Spiritus ist von größter Wichtigkeit die Lösung der folgenden drei Aufgaben: 1. Die Umwandlung der in den Feldfrüchten enthaltenen Kohlenhydrate in gärungsfähigen Zucker; 2. Die Auswahl und Reinhaltung der die Gärung bewirkenden Hefe; 3. Die Fernhaltung schädlicher Mikroorganismen während des Gärprozesses. Bevor wir den eigentlichen „Betrieb" der Spiritusbrennerei einer kurzen Schilderung unterziehen, empfiehlt es sich, das Wissenswerteste über diese Punkte zusammenzustellen. 1. Umwandlung d e r in den F e l d f r ü c h t e n enthaltenen K o h l e n h y d r a t e in g ä r u n g s f ä h i g e n Z u c k e r (Verzuckerung). Kartoffeln und Getreidearten enthalten an sich nicht den Zucker, aus dem durch Gärung Alkohol erzeugt werden kann, wohl aber in großer Menge ein Material, das leicht in gärungsfähigen Zucker übergeführt werden kann. Es ist dieses die S t ä r k e (C 6 H 10 0 6 ) x , ein zur Gruppe der „ K o h l e n h y d r a t e " gehöriger Stoff von komplizierter molecularer Zusammensetzung. Unter der Bezeichnung „Kohlenhydrate" (ausführliche Besprechung vgl. in Kap. 35 u. 36) faßt man die einfachen Zuckerarten und eine Reihe von komplexeren natürlichen Stoffen zusammen, die durch „hydrolytische Spaltung" — d. h. unter Aufnahme von Wasser — in einfache Zuckerarten verwandelt werden können. Diese hydrolytische Spaltung können wir durch Kochen mit verdünnten Säuren vornehmen; doch ist dieses Verfahren für die Gärungstechnik von keiner Bedeutung, weil es den Nährwert der Schlempe (vgl. S. 261) beeinträchtigen würde. Hier bedient man sich vielmehr zur Vornahme dieser notwendigen Spaltung eines Enzyms: der D i a s t a s e , die sich in der keimenden Gerste — dem „Malz" — vorfindet und die man in Form des Malzes auf den stärkehaltigen Rohstoff wirken läßt. > Die Wirkung der Diastase auf die Stärke besteht darin', daß sie die unlösliche Stärke in Lösung überführt und in Kohlenhydrate von einfacherer molecularer Zusammensetzung spaltet; als Endprodukt entsteht ein „ M a l t o s e " genannter Zucker C 1 2 H 2 2 O n , der direkt durch geeignete Hefearten vergoren wird, wahrscheinlich weil diese Hefearten das Enzym „ M a l t a s e " enthalten, welches MaltoBe in zwei Molecüle Traubenzucker C 6 H, 2 0 6 spaltet: C 1 2 H 2 2 O n + H^O = 2C 6 H la O e ;_ als Zwischenprodukte entstehen verschiedene Kohlenhydrate, die man als „ D e x t r i n e " bezeichnet Eine vollständige Umwandlung der Dextrine in gärungsfähigen Zucker gelingt bei dem diastatischen Prozeß der Technik nicht; 10—20°/ o bleiben in der Regel zunächst als Dextrin zurück, das durch die gewöhnlichen

Hefearten.

257

Hefearten nicht vergoren, aber allmählich durch diastatische Nachwirkung größtenteils in die Gärung hineingezogen wird (vgl. S. 260). Die Wirksamkeit der Diastase wird durch Temperaturen oberhalb 85° aufgehoben; das „Optimum" ihrer Wirkung liegt zwischen 50° und 57°. Bei den Rohrzucker C 1 2 H 2 2 O n enthaltenden Feldfrüchten (Rüben) ist eine besondere Verzuckerung nicht notwendig, da die Hefe ein Enzym — die I n v e r t a s e — enthält, welches den Rohrzucker in zwei gärfähige Zuckerarten C 6 H 12 0 6 zerlegt: CIJHjjOU -f HaO = C3H120, + C 6 H„O e . Traubenzucker Fruchtzucker 2. D i e A u s w a h l d e r H e f e und i h r e L e b e n s b e d i n g u n g e n . Wenn im Vorstehenden immer nur von „ H e f e " schlechthin gesprochen wurde, so ist nunmehr zu betonen, daß dieser Begriff — die Gattung S a c c l i a r o m y c e s — eine sehr große Anzahl von einzelnen Arten umfaßt; dem Studium der verschiedenen Arten und Rassen haben sich in den letzten 30 Jahren die Gärungstechnologen — in erster Linie E. CH. HAUSEN (Kopenhagen) — mit größtem Eifer und Erfolg gewidmet. Durch „ R e i n z u c h t " aus e i n e r Zelle kultivierte man die einzelnen Varietäten, die nun in bezug auf die Eigentümlichkeiten ihrer Wirkung studiert werden konnten. Heute können die Brennereien, Brauereien usw. die für ihre speziellen Zwecke besonders geeignete „Mutterhefe" als „Reinhefe" käuflich beziehen (vgl. S. 259). Man unterscheidet zunächst von den w i l d e n H e f e n , welche Nebenprodukte unangenehmer Natur erzeugen, die K u l t u r h e f e n . Unter den Kulturhefen wiederum gibt es eine große Anzahl von Rassen, die sich durch die Schnelligkeit ihrer Gärwirkung, durch stärkere oder schwächere Vermehrung, durch Differenzen in der Wirkung auf die einzelnen Kohlenhydrate usw. unterscheiden. Ihr Charakter kann durch die Lebensbedingungen verändert werden; sie können im Betrieb die wertvollen Eigenschaften erhalten oder verlieren („entarten"). Zu den Merkmalen der verschiedenen Rassen gehört auch die Eigenschaft, sich während der Gärung entweder am Boden des Gärgefäßes ( u n t e r g ä r i g e Hefen) oder aber zum Teil an der Decke ( o b e r g ä r i g e Hefen) anzusammeln. Die „Unterhefen" sind namentlich für die Bierbrauerei in Deutschland von Bedeutung; für die Spiritusfabrikation dagegen dienen die „Oberhefen", welche eine raschere Vergärung bewirken. Ein Arbeiten mit absoluten Reinkulturen würde im Betriebe sehr schwierig sein. Es kommt hier im wesentlichen darauf an, den Gärungsverlauf so zu leiten, daß nach geeigneter Aussaat die gewünschten Arten von vornherein in kräftige Entwicklung geraten und im Kampf ums Dasein gegenüber ihren Gegnern Sieger bleiben ( „ n a t ü r l i c h e R e i n zucht"). Als günstigste K o n z e n t r a t i o n der Zuckerlösung für die Gärung gilt ein Gehalt von 12—15 °/0, der aber infolge der Steuerverhältnisse M E V E R - J A C O B S O N , o r g . C h . Zw. Aufl. I i . 17 (November 1 9 0 5 ) J

258

Schädliche Gärungen des Zuckers.

bei den „Dickmaischen" (vgl. S. 255) stets erheblich Uberschritten wird. Die Grenztemperaturen der Gärung liegen zwischen 0° und 50°, die günstigsten Temperataren zwischen 25° and 40°. Die Hefe bedarf zu ihrer Ernährung der „Nährstoffe". Sie entnimmt das zu ihrem Wachstum nötige organische Material znm Teil dem Zacker; unter den Stickstoffverbindtingen sind namentlich die Aminosäuren und Amide gute Nahrungsmittel der Hefe; von Mineralstoffen gebraucht sie besonders Kali und Phosphorsäure. Der Sauerstoff der Luft befördert das Wachstum der Hefe; doch kann Hefe auch ohne Luftzutritt wachsen und sich vermehren. Die Hefe kann sich sowohl durch Sprossung wie durch endogene Sporenbildung fortpflanzen. Innerhalb gärender Flüssigkeiten aber erfolgt die Vermehrung nnr durch Sprossung. B. Die F e r n h a l t u n g der schädlichen Mikroorganismen und die Beinhaltung der Hefe. Der Zucker kann außer der alkoholischen Gärung noch andere ,,Gärungen" erleiden: die Milchsäure- und die ßuttersäure-Gärnng, die durch Spaltpilze (Bakterien) veranlaßt werden. Da solche Spaltpilze in der Luft stets vorhanden sind, so muß der Brenner ihrer schädlichen Wirkung vorbeugen. Verhältnismäßig wenig schädlich — unter Umständen sogar bis zu einem gewissen Grade erwünscht (vgl. S. 259) — ist die Milchsäuregärung 1 , die in einer Spaltung von 1 MoL Zucker C,H ll O e in 2 Mol. Milchsäure GsHeOs besteht; sie verläuft am besten bei 30—50° und kommt zum Stillstand, sobald mehr als 1 °/0 Milchsäure in der Flüssigkeit zugegen ist. Sehr schädlich dagegen ist Buttersäuregärung; sie erzeugt unter Entwicklung von Kohlensäure und Wasserstoff die normale Buttersäure C8H7-C03H- und verläuft am besten bei 40°; ihr Produkt — die Buttersäure — unterdrückt das • Wachstum der Hefe. Damit diese Gärungen den Betrieb nicht stören, müssen die Temperaturen, welche ihnen besonders günstig sind, nach Möglichkeit vermieden werden; vor allem aber muß eine mit Sorgfalt gezüchtete Hefe zur „Aussaat" kommen, die durch rasche und kräftige Entwicklung ihre Feinde nicht aufkommen läßt. Man könnte denken, daß nach Beendigung einer Operation ein Teil der entwickelten Hefe wieder als Aussaat für die nächste Operation dienen kann usf. Ein solcher Gebrauch besteht in der Bierbrauerei bei der Bereitung untergäriger Biere; hier hält sich die Hefe durch viele Generationen ziemlich rein. Aber bei den viel stürmischer verlaufenden Gärungen der Spiritusbrennereien degeneriert die Hefe leicht; der Brenner muß daher für jede einzelne Operation die Hefe züchten. Daher geht in den Kartoffel- und GatreideBrennereieir neben den Hauptgärungen ein besonderer Gärungsbetrieb 1

Sie ist nicht zu verwechseln mit der Milcheftureentstehnng, die bei der a l k o h o l i s c h e n Gärung eintritt und als intermediäre Phase der Alkoholbildung aufgefaßt wird; vgl." 8. 251, 254.

259

Hefeführung.

— die „ H e f e f ü h r u n g " — in viel kleinerem Maßstab einher, der nur den Zweck hat, die zu benutzende Hefensorte in ihrer Bassenreinheit zu konservieren. Diese Bereitung von „Kunsthefe'-' geschieht in folgender Weise. Man stellt ähnlich, wie die3 unten fiir den Hauptbetrieb näher geschildert werden wird, — aber bei höherer Temperatur, um die Buttersäurepilze möglichst abzutöten —, eine „Maische" her, kühlt diese „Hefenmaische" jedoch nicht, wie die Hauptmaische, r a s c h ab, sondern läßt sie einige Zeit bei einer Temperatur von möglichst genau 50° stehen; hiermit bezweckt man den Eintritt der Milchsäuregärung und die Bildung der Milchsäure in einem solchen Betrage (1 u / 0 ), daß eine weitere Entwicklung der Spaltpilze durch den Säuregehalt verhindert wird (vgl. S. 258). Ist dieser Säuregehalt erreicht, so. erwärmt man die „gesäuerte" Maische zunächst etwa */2 Stde. auf ca. 75°, um die Milchsäurepilze zu töten, kühlt dann auf 20° ab und sät „Mutterhefe" aus; bei Beginn der Kampagne bezieht man hierfür „Reinhefe" (vgl. S. 257), im Verlauf der Kampagne benutzt man stets einen Teil der in der vorigen Hefenzucht-Operation erzeugten Hefe. Hiermit wird eine lebhafte alkoholische Gärung eingeleitet, in deren Verlauf die Temperatur auf etwa 30° steigt. Nachdem die „ A n s t e l l h e f e " sich auf etwa das 4—5fache vermehrt hat, entnimmt man eine gewisse Menge als „ M u t t e r h e f e " für die nächste Hefeiunaische und benutzt den Rest als Anstellhefe für die Hauptmaische. In neuerer Zeit leitet man die Säuerung der Hefenmaischen häufig auch durch Aussaat von „Milchsäure-Reinkulturen" ein. Oder man wendet als Ersatz der Pilzsäuerung fertige (technische) Milchsäure au; auch Zusatz von Mineralsäuren an •Stelle von Milchsäure wurde empfohlen. Ueber die Anwendung von Flufisänre vgl. S. 260.

Wenden wir uns nun zu der Spritbrennerci aus den einzelnen technischen Ausgangsmaterialien, so ist als' wichtigster Rohstoff (vgl. S. 254) die Kartoffel zu bezeichnen; es gilt dies wenigstens für Deutschland, und die Gewinnung des S p i r i t u s aus K a r t o f f e l n sei daher in ihren Hauptzügen geschildert. Die erste Operation ist die Verz u c k e r u n g d e r S t ä r k e durch Diastase (vgl. S. 256). Die Kartoffeln werden in geschlossenen Apparaten („ HENZE-Dämpfern") mit gespanntem Dampf von 2 1 j 2 —3 Atmosphären (125—135°) behandelt; nach der Dämpfung läßt man die Füllung plötzlich durch ein Ventil austreten, der Druck gleicht sich nun mit dem der Atmosphäre aus, und aus dem überhitzten Zellsafte der Kartoffel entwickelt sich gewaltsam Dampf, wodurch die Kartoffeln in eine homogene dünnbreiige Masse verwandelt werden. Es folgt nun die E i n m a i s c h u n g dieses stärkemehlhaltigen Materials mit dem zur Verzuckerung dienenden Malz in den mit Rührwerken versehenen' „Maischbottichen". Für die Verzuckerung ist am günstigsten eine Temperatur von ca. 60°; sie kann schon in ca. 15 Minuteri genügend gefordert sein; doch wird im all17*

Kartoffelspiritus.

260

gemeinen eine längere Verzuckerungszeit (1—1 ] / 2 Stde.) bevorzugt Es kommt bei der Verzuckerung darauf an, daß durch ausreichend hohe Temperatur eine möglichst pilzfreie Maische erzielt, andererseits aber die Wirksamkeit der Diastase nicht zerstört wird; denn die Diastase hat auch während der nachfolgenden Gärung noch eine Arbeit zu leisten, indem sie nach Möglichkeit die zunächst entstandenen Dextrine (vgl. S. 256—257) weiter verzuckern und in die Gärung hineinziehen soll. — Nach beendigter Verzuckerung wird die Temperatur entweder im Maischbottich selbst oder seltener in besonderen Kühlapparaten auf etwa 15° herabgesetzt, wobei man eventuell zugleich durch „ E n t s c h a l e r " einen Teil der suspendierten Treber entfernt und möglichst schnell verfährt, damit die Temperaturoptima der Milchsäure- und Buttersäure-Gärung rasch überschritten werden. — Die Maische, die man im Gegensatz zu der gesäuerten „Hefenmaische" (vgl. S. 259) die „süße" Maische nennt, wird nun mit Eunsthefe (vgL S. 259) in den „ G ä r b o t t i c h e n " bei ca. 20° „angestellt", und es beginnt die G ä r u n g . Da diese mit erheblicher Wärmeentwicklung verbunden ist, so versieht man die Gärbottiche zwecks Regelung der Temperatur mit Kühlvorrichtungen; für die Hauptgärung (Periode der Maltosevergärung) ist eine Temperatur von 27-5—30°, für die Nachgärung (Periode der Dextrinvergärung infolge diastatischer Nachwirkung) eine solche von 26—29° einzuhalten. Die Gesamtdauer der Gärung' ist in Deutschland steueramtlich auf 72 Stunden festgesetzt. Nach dem Effroktsehen Verfahren setzt man der Maische vor der Gärung als Antisepticum zur Verhütung von Bakterienentwicklnng und zugleich als Konservierungsmittel für die Diastase kleine Miengen von F l u B s ä u r e (bzw. Fluoriden) hinzu1. Nach einer neueren Modifikation züchtet man auch die Hefe in Gegenwart von Flußsfiure, akklimatisiert sie dadurch an die „Flußsäureatmosphfire" und benutzt für die Hauptg&rung etwa die halbe Flußsäurekonzentration wie für die Hefezüchtung.

In der vergorenen Maische sind nun neben den durch die Gärung sieht veränderten Bestandteilen des Rohmaterials — Fasern, Eiweißstoffe, oiganische Salze usw. — die Gärungsprodukte Alkohol, Fuselöl, Bernsteinsäure und Glyceriu in wäßriger Lösung vorhanden. Der anfängliche Zuckergehalt der Branntweinmaischen ist niemals so groß, daß nach vollständiger Vergärung ein Alkoholgehalt von 12—14 Volumprozent überschritten ist. Durch einen D e s t i l l a t i o n s p r o z e ß wird nun der Alkohol mit den anderen flüchtigen Beimengungen von den nicht flüchtigen Bestandteilen der vergorenen Maische getrennt; man ist dabei natürlich bestrebt, ein Destillat zu erhalten, welches die gesamte Menge des erzeugten Alkohols neben einer möglichst geringen Menge von Wasser 1

Vgl. darüber MXbckeb-Delbrück, Spiritusfabrikation (8. Aufl., Berlin 1903), S. 658 ff. — Vgl. auch Ulpiam, Sarcoli, R A. L. [5] 11, II, 173 (1902). Ueber andere Mittel zum Schutz gegen Infektion s.: Effbokt, C. r. 136, 1556 (1903): C. 1908, II, 1377. — Aluot, Gimel, C.r. 138, 911 (1904).

Rektifizierung

des

Rohspiritus.

261

enthält. Diesen Zweck erreicht man durch Apparate, in denen das Prinzip der Rektifikation und Dephlegmation angewendet wird. Die alkoholhaltigen Dämpfe, die in einem Teile des Apparats sich entwickeln, werden gezwungen, sich in einem anderen Teile zu kondensieren; die kondensierte Flüssigkeit wird nun durch nachströmenden Dampf von neuem zur Destillation gebracht; bei dieser zweiten Destillation entwickelt sich ein alkoholreicherer Dampf^als bei der ersten. Vermittelst einer solchen mehrmaligen Wiederholung von Kondensation und Wiederverdampfung im gleichen Apparat gelingt es, durch eine Operation einen ziemlich starken Alkohol (durchschnittlich von 80—95 °/0) aus der Maische herauszudestillieren. Sehr gebräuchlich sind hierfür kontinuierlich wirkende Apparate, denen ununterbrochen vorgewärmte Maische zugeführt wird, während ihnen ebenso ununterbrochen einerseits der destillierte Eohspiritus, andererseits die vom Alkohol befreite — „entgeistete" — Maische, die man Schlempe nennt, entfließt. — Die Schlempe enthält die Asche und die durch die Gärung nicht veränderten Nährstoffe der Kartoffel, ferner die nicht flüchtigen Gärungsprodukte (Glycerin, Bernsteinsäure) und wird als Viehfutter — entweder direkt, oder nachdem sie durch Eindampfen haltbar und transportfähig gemacht ist — benutzt Der „ R o h s p i r i t u s " , wie er auf diese Weise erhalten wird, ist von Fusel begleitet und muß daher für viele Zwecke — wie für die Darstellung besserer Trinkbranntweine, zum Verschneiden des Weines — noch einer Reinigung unterworfen werden. Die Verwandlung in „ F e i n s p r i t " wird nur selten in den Brennereien selbst ausgeführt 1 ; in der Regel geschieht sie in besonderen Spiritusraffinerien, die an den großen Handelsorten ihren Sitz haben. Zur Entfuselung wird der Rohsprit häufig zunächst, nachdem er durch WasBer bis zur Stärke von etwa 50°/0 verdünnt ist, über Holzkohle filtriert Durch die Verdünnung wird ein Teil der hochsiedenden Beimengungen, welche in Wasser nicht löslich sind, in feinen Tröpfchen abgeschieden, die bei der Filtration an den Flächen und in den Poren der Holzkohle hängen bleiben; vorwiegend aber scheint die Kohle chemisch zu wirken, indem durch den in ihr absorbierten Luftsauerstoff ein Teil des Aethylalkohols und seiner Homologen in Aldehyde und dann in Fettsäuren übergeführt wird, welch letztere dann mit den Alkoholen Elster von angenehmem Geruch und Geschmack bilden. Hiernach würde es sich bei der Kohlenfiltration2 nicht um eine eigentliche Entfuselung, Bondern vielmehr um eine durch chemische Einwirkung bedingte Geruchs- und Geschmacks-Verbesserung („Bukettbildung") handeln. — Auf die Filtration folgt eine, sehr sorg1

Neuerdinga sind Apparate konstruiert worden, in denen direkt aus vergorener Maische durch e i n e Operation bei kontinuierlichem Betriebe Feinsprit hergestellt werden kann. * V g l . d a z u GLASENAPP, Z. A n g . 11, 617, 6 6 5 (1898).

Fuselöl.

262

fältige Rektifikation, bei der zunächst ein aus dem sehr leicht flüchtigen Acetaldehyd bestehender „Vorlauf" abgesondert wird; nach dem Vorlauf fangt man hochgrädigen F e i n s p r i t (von etwa 96 Vol.-Proz.), dann Sekundasprit, darauf schwächeren Sprit, der wieder in den Betrieb zurückkehrt, und endlich den Nachlauf („Fuselöl") auf, welcher die hochsiedenden Beimengungen (homologe Alkohole, Fettsäureester) enthält Die zur Rektifikation benutzten Destillierapparate bestehen aus einer Destillierblase, auf die eine Rektifizierkolonne von sehr mannigfaltiger Konstruktion aufgesetzt ist. Absoluter Alkohol — über die Unmöglichkeit seiner Gewinnung durch direkte Destillation von wäßrigem Alkohol vgl S. 229 — wird im großen durch Entwässern von hochgradigem Feinsprit mit Aetzkalk oder gewöhnlicher mit Chlorcalcium hergestellt. Er findet Verwendung zur Darstellung von Lacken. D u „ F u s e l ö l " (vgL S. 258) enthält als Hauptbestandteile die Homologen des Aethylalkohols: normalen Propylalkohol (S. 234), Isobutylalkohol (S. 235) und namentlich Gärungsamylalkohol (S. 238), ferner kleine Mengen von Fettsäuren und ihren Estern, Basen der Pyridin- und Pyrazin-Reihesowie Furfurol. Von den Mengenverhältnissen, in denen sieh diese Verbindungen finden, mögen die folgenden Zahlen*, die sich auf 1 kg wasser- und äthylalkoholfreies Fuselöl beziehen, ein annäherndes Bild geben: Kartoffelfuselöl n-Propylalkohol Isobntylalkohol Amylalkohol Fettsäuren Fettsäureester Furfurol, Basen usw.

68-54 g 243-50 „ 687-60 „ 0-11 „ 0-20 „ 0-05 „

Kornfuselöl 36-90 167-60 758-90 1-60 3-05 0-21

g „ „ „ „ „

Die Frage, weichen Prozessen das Fuselöl seine Entstehung verdankt, ist vielfach umstritten worden*, dhne daß man bisher zu allgemein anerkannten Ergebnissen gelangt ist. Selbst darüber, ob der Zucker das Material ist, aus dem durch Umbildung während der Gärung die einzelnen Komponenten des Fuselöls entstehen, oder ob andere Bestandteile der Maischen die Ausgangsprodukte der Fuselölbildung sind, herrscht noch keine völlige Uebereinstimmnng. Nach den neuesten Versuchen4 kann es indes als sehr wahrscheinlich betrachtet werden, daß die Homologen des Aethylalkohols sich aus den Aminosäuren, die aus Eiweißkörpern 1

Vgl. BAMBERG ER, EINHOBN, B. 3 0 , 224 (1897).

* WINDISCH, BICH. METERS J a h r b u c h der Chemie 2 , 398 (1892). — Vgl. aueb SCHÜPPHATTS, A m . Soc. 1 4 , 45 (1892). • V g l . d a z u : LIMDET, C. r. 1 1 2 , 1 0 2 , 663 (1891); 1 1 7 , 122 (1893). — GENTIL, € . 1 8 0 7 , I I , 622. — EMHEBIING, B. 3 7 , 3535 (1904); 8 8 , 953 (1905). — RAT?MAH. KBUIS, C. 1 0 0 4 , 1 , 736. — BAU, C. 1 8 0 4 , I I , 640. — BOKORH:, C h . Z. 3 8 , 301 (1904) ~ PJUNOSHEIH, B . 3 8 , 486 (1905). 4 F . EHELICH, C. 1 0 0 6 , I I , 156. Z. A n g . 1 8 , 1604 (1905).

Kornbranntwein,

263

Preßhefe.

durch Spaltung hervorgeben, anter Abspaltung von CO, und Auetausch von NH, gegen OH bilden, z. B.: ^ > C H CH, CH(NH,) Leucin Cgs^H.CHpiH^CO.H ftct Isoleucin

^ 8 > C H -CHT -CH, • OH , Isoamylalkohol ^ | > C H . C H , OH • act. Amylalkohol

Um den rektifizierten Alkohol auf einen G e h a l t an A m y l a l k o h o l (Fuselöl) EU untersuchen, spült man ein groües Becherglas mit etwa & ccm des Alkohols aus und schwenkt es mehrmals in der Luft uuiher; der Aethylalkohol verdunstet dabei sehr raaeh, und der etwaige Faselgeruch macht sich deutlich bemerkbar. — Zur q u a n t i t a t i v e n B e s t i m m u n g * ist amtlich das Verfahren von ROBSB eingeführt, welches darauf beruht, daß Chloroform einem Gemisch von. 30-prosentigem Alkohol and FnselSl das letztere beim Schütteln entzieht und dadurch sein Volam vermehrt In einem eigens dafür konstruierten Apparat wird eine bestimmte Ghloroformmenge mit 100 ccm des auf 30 VoL-Proz. verdünnten, zu untersuchenden Alkohols durchgeschüttelt and die Zunahme der Chloroformschicht, deren Absitzen man durch Zusatz von etwas verdünnterSchwefelsäure erleichtert, abgelesen; eine Tabelle gibt an, welcher Fuselölgebalt einer bestimmten Volumvermehrang entspricht1. — Der Gehalt an FuselSL ist von besonderer Wichtigkeit für die T r i n k b r a n n t w e i n e wegen des nachteiligen Einflusses, welchen der Amylalkohol and die höheren Alkohole auf die Gesundheit ausüben. Ein.Gehalt von S °/0 Fuselöl wirkt entschieden giftig; die deutschen Trinkbranntweine enthalten indes höchstens 0-3—0-6 %> der Regel bedeutend weniger'; bei einem so geringen Gehalt kommt die Schädlichkeit des Faselöls gegenüber der des Aethylalkohols selbst kaum in Betracht.

Der Spritgewinnung aus Kartoffeln sehr ähnlich ist die Herstellung von Alkohol aus Getreidearten. Auch hier geht man von einem stärkemehlhaltigen Material aus, dessen Stärkegehalt zunächst durch Diastase verzuckert wird. In England wird fast aller Alkohol aus Getreide gewonnen. In Deutschland benutzt man vorzugsweise Boggen zur Darstellung des „Kornbranntweins". In den deutschen Getreidebrennereien -ist häufig der Spiritus nicht dasjenige Erzeugnis, um dessentwillen der Betrieb in erster Linie geschieht, sondern die Hefe, die als „Preßhefe" für Bäckereizwecke in den Handel geht 1

Vgl. über die verschiedenen Methoden: SELL, Arbeiten aas d. kais. Gesundheits-

a m t e 4 , 109 (1888). — WINDISCH, e b e n d a 5 , 373 (1889). — I . TRAUBE, B. 1 9 , 8 9 2 (1886); 2 0 , 2644 (1887). C h . Z. 1 4 , 1410 (1890). — W . FBESBNIUS, F r . 2 0 , 307 (1890). — STUTZER, REITHAIB, Z. A n g . 3 , 622 (1890). — MÖHLER, G. r . 1 1 2 , &3 (1891). — SCALA, G . 21, I , 346 (1891). — STUTZER, MAUL, F r . 3 5 , 1S9 (1896). — BECKMANN, BRÜQOEMANN, C. 1 8 0 0 , I I , 731. — BECKMANN, C. 1 9 0 2 , 1 , 230. — KOMAROWSKV, C h . Z. 2 7 , 807, 1086 (1903). — TAKAHASHI, C . 1 9 0 5 , I , 1483. — SCHIDROWITZ, KAYH, C . 1 9 0 5 , I I , 276. — BECKMANN, LÜSEN, C. 1 9 0 6 , I I , 790. — GBAPTIAD, C . 1 9 0 6 , I I , 982.

1 Näheres s. in MÄIICKEB-DELBRÜCKS Spiritusfabrikation (Berlin 1903), S. 205 ff. — LONOE-BÖCKMANN, Chem.-techn. Untersuchungsmethoden, 5. Aufl. Bd. III (Berlin

1905), S . 571 ff.

* Vgl. die Tabelle in den Arbeiten aus d. kais. Gesundheitsamt 4 , 216—218 (1888).

264

Maisbrennerei {Amyloverfahren), Rübenspiritus,

Obstbranntwein.

In Amerika, Ungarn, Italien, Belgien, Frankreich und anderen Ländern wird vielfach M a i s als Rohstoff der Spiritusbrennerei angewendet Für die Maisbrennerei hat in den letzten Jahren ein interessantes neues Verfahren — das A m y l o v e r f a h r e n — Bedeutung erlangt, das auf der t e c h n i s c h e n V e r w e n d u n g v o n S c h i m m e l p i l z e n beruht Dieses Verfahren 1 nahm seinen Ausgang von einer in Ostasien seit langer Zeit üblichen Bereitungsweise von R e i s b i e r und R e i s b r a n n t w e i n mit Hülfe von Schimmelpilzen, die bei ihrem Wachstum ein stärkeverzuckerndes Enzym entwickeln. Die nähere wissenschaftliche Untersuchung jener ostasiatischen Pilzgemische führte zur Isolierung des besonders gut verwendbaren A m y l o m y c e s ß (auch Mucor ß genannt). Der Hauptvorteil des Verfahrens besteht darin, daß die Nachwirkung der Malzdiastase (vgl. S. 260) infolge der Gegenwart eines verzuckernden Pilzes unnStig wird; man kann daher, nachdem die Stärke durch eine verhältnismäßig geringe Menge Gerstenmalz verflüssigt ist, die Maische d u r c h Kochen s t e r i l i s i e r e n und nun eine völlig sterile Maische durch eine Reinkultur des Amylomyces zur Verzuckerung und Vergärung bringen; da die Vergärung durch den Amylomyces nur langsam erfolgt, so unterstützt man sie nach beendigter Verzuckerung noch durch Aussaat von reingezüchteter Hefe. Die Verarbeitung von Z u c k e r r ü b e n auf SpirituB ist natürlich wesentlich von der Kartoffel- und Getreide-Brennerei verschieden, da hier die Verzuckerung des Rohmaterials fortfallt (vgl. S. 257). In Frankreich und Oesterreich wird Rübenspiritus in größtem Maßstäbe erzeugt; in Deutschland entwickelt sich diese Industrie nicht, da die Steuerverh<nisse der Kartoffelbrennerei viel günstiger sind. — Hierher gehört ferner die Verwertung der M e l a s s e — des bei der Rübenzuckerfabrikation bleibenden unkrystallisierbaren Rückstands, der noch reichliche Mengen Rohrzucker enthält — zur Gewinnung von Spiritus. Die Melassebrennerei besitzt namentlich in Frankreich und Böhmen großen Umfang, wird aber auch in Deutschland vielfach betrieben (vgl. die Zahlen auf S. 266). Durch Vergärung von Rolirzuckermelasse wird auf Jamaica und Cuba der durch sein eigentümliches Aroma ausgezeichnete, echte Rum gewonnen, in Java der A r r a k . Im Anschluß daran sei die Erzeugung von B r a n n t w e i n s o r t e n , die durch ihren angenehmen Geschmack und ihr Aroma geschätzt sind, aus Obst erwähnt Im Schwarzwald wird in großem Umfang die Erzeugung von K i r s c h wasser aus der schwarzen Waldkirsche betrieben, in Böhmen fabriziert man den Sliwowitz aus Zwetschen, indem man den Fruchtbrei zugleich mit den gröblich zerkleinerten Kernen der freiwilligen Gärung überläßt und darauf abdestilliert. — Durch Destillation von Wein gewinnt man den K o g n a k ; doch ist der größte Teil des gegenwärtig im Handel sich findenden Kognaks durch Vermischen von Kartoffelsprit mit künstlichem Weinöl hergestellt. Der Alkoholgehalt der gewöhnlichen Trinkbranntweine 1 schwankt meistens zwischen 4 0 — 6 0 Vol.-Proz. 1 Näheres vgl. in MÄRCKEE-DELBRÜCKS Spiritusfabrikation (Berlin 1903), S. 517—538. ' Vgl. K Ö N I G , Chemische Zusammensetzung der menschlichen Nahrungs- und Genußmittel, 4. Aufl. (Berlin 1903), I, S. 1406 ff.

265

Verwendung des Spiritus.

Die Gewinnung der alkoholhaltigen Getränke (Bier, Wein) durch geistige Gärung ohne darauffolgende Destillation wird in dem Kapitel „Nahrungs- und Genußmittel" (Bd. II, Teil III) besprochen werden. Bei weitem die größte Menge des produzierten Alkohols dient gegenwärtig zum Trinken 1 . Die Einschränkung des Branntweingenusses muß in Anbetracht der furchtbaren Folgen — Krankheiten, sittliche Verrohung, Verarmung —, welche das gewohnheitsmäßige Branntweintrinken heute namentlich unter den niederen Klassen äußert, als eine der wichtigsten Aufgaben bezeichnet werden, der sich im Interesse der Volkswohlfabrt die Regierungen sowohl wie der einzelne 2u widmen haben. Aber andererseits wird man eine erhebliche Beschränkung des Brennereigewerbes, das för die Landwirtschaft so große Vorteile bietet (vgl. S. 254—255), nicht für wünschenswert halten. Es ist daher danach zu streben, daß dem von den Brennereien erzeugten Spiritus sich immer größere Absatzgebiete für die gewerbliche Verwendung bieten. Solche Bemühungen werden in neuerer Zeit — in Deutschland besonders durch die 1899 begründete „Centrale für Spiritusverwertung" — eifrig und mit Erfolg gefördert; sie haben sich namentlich auf die Einführung des Spiritus als Leuchtstoff in Form von Spiritusglühlicht und alti Kraftquelle„für Motoren gerichtet2. Erhebliche Mengen von Alkohol dienen seit langer Zeit zur Herstellung von Essig und Aether, ferner als Lösungsmittel für Lacke, Firnisse, Farben, zur Darstellung von Teerfarbstoffen und mehreren Wichtigen pharmazeutischen Präparaten, wie Chloroform, Jodoform, Chloral, in den Haushaltungen zum Brennen und Putzen, in den Apotheken zur Bereitung von Arzneien usw. Die folgenden Zahlen 3 geben ein Bild über den Verbrauch des deutschen Spiritus für die letzten Jahre in Hektolitern: I

1904/05

Verbrauch für Trinkzwecke . . . 2 209 154 „ zu technischen Zwecken Ii 1 402 334 Ausfuhr I j 4 259

1903/04

1902/03

2 332 527

2 334 103

2 378 559

1 3 9 4 607

1 2 8 9 123

1 114 2 3 0

74 9 9 2

376 435

219 626

j

1901/02

1 Ueber die Frage, welche Bedeutung dem Alkohol ale Nährstoff zukommen kann, vgl. NEUMEISTERS Lehrbuch der physiologischen Chemie, 2. Aufl. (Jeoa 1897),

S. 375. — V g l . f e r n e r : 1 9 0 4 , I, 3 0 1 . 1

SCHNYDF.R. C. 1 9 0 3 , I, 4 7 4 . — ROSEMASN, C. 1 0 0 3 , I, 8 8 9 ;

Vgl. hierüber die jährlichen Berichte über Spiritusfabrikation von MÄRCKEK

m i t E . H . SCRDLTZE,

NAUMANN u n d BÜHHIKG, s p ä t e r v o n DELBRÜCK u n d MOHR i n

RICH. METERS „Jahrbuch der Chemie' 1 IBraunschweig); besonders 6, 369—370 (1896); 7 , 8 6 3 — 3 6 5 ( 1 8 9 7 ) ; 8 , 3 8 2 — 3 8 5 (1898); 9 , 3 4 6 - 3 4 7 ( 1 8 9 9 ) ; 11, 3 5 3 ( 1 9 0 1 ) ; 1 2 , 3 5 8 — 3 5 9 ( 1 9 0 2 ) ; 1 3 , 4 0 0 — 4 0 2 (1903).

1 0 , 377—378 (1900);

' Vgl. Chemische Zeitschrift 4 , 503 (1905). — Zahlen für den französischen Verbrauch vgl. ebenda, 498.

266

Denaturierung des

Spiritus.

In welchem Verhältnis die verschiedenen Rohstoffe an der deutschen Spirituserzeugung beteiligt sind, erhellt aas den nachstehenden Zahlen1 fttr 1903/04: Kartoffelbreunerei Getreidebrennerei Melassebrennorei Sonstige Materialien . . . .

8045605 692483 88124 23373

hl „ „ ,, .

Nur der zum Trinken bestimmte Alkohol soll versteuert werden; der für andere Zwecke zu benutzende Alkohol ist steuerfrei, nachdem er durch gesetzlich vorgeschriebene Zusätze zum Trinken untauglich gemacht, „ d e n a t u r i e r t " , ist. An das Denaturierungsmittel muß die Anforderung gestellt werden, daß es den Alkohol ungenießbar macht, seine Verwendung, zu technischen Zwecken aber nicht schädlich beeinflußt und sich ferner nicht durch einfache Operationen wieder aus dem Alkohol herausschaffen läßt1. In Deutschland ist auf 1001 Alkohol ein Zusatz von 2-51 eines Gemisches aus 4 Tin. rohem, acetonreichem Holzgeist (vgL S. 225) und 1 Tl. Pyridinbasen vorgeschrieben (einigen Industrien ist die Benutzung bestimmter anderer Denaturierungsmittel gestattet). Drittes Kapitel.

Alkylverbindungen, deren Alkylrest an Halogenatoxne oder an Sauerstoff gebunden ist. (Alkyl-CUloride, -Bromide, -Jodide und -Fluoride. Einfache and gemischte Aether. Mineralsäureester.)

In den Alkoholen haben wir Verbindungen kennen gelernt, deren Molecüle die einwertigen Reste der Grenzkohlenwasserstoffe (Alkylreste, vgl. S. 152) an eine Hydroxylgruppe gebunden enthalten. Von den Alkoholen ausgehend, kann man durch direkten oder indirekten Austausch der Hydroxylgruppe eine große Zahl von anderen Verbindungen gewinnen, welche alle den Alkylrest noch unverändert enthalten. Man kann diese Abkömmlinge der Alkohole daher sämtlich als „Alkylverbindungen" bezeichnen; sie zerfallen in folgende Gruppen: 1. Verbindungen, deren Alkylrest an Halogenatome gebunden ist. (Alkylhalogenide.) 2. Verbindungen, deren Alkylrest an Sauerstoff gebunden ist (Aether, Peroxyde, Säureester.) 1

Heinzbuta*», Chemische Zeitschrift 4, 445 (1905). * Vgl. cur Denaturierungsfrage z.B.: Cari-Mahtrakd, C. r. 120, 1063 (1895). BL. [3] 39, 765 (1908). — Babulot, C. r. 124, 1163 (1897). — Kiab, C k l . 21,116 (1898). — Kbaemeb, Ch. I. 28, 30 (1899).

266

Denaturierung des

Spiritus.

In welchem Verhältnis die verschiedenen Rohstoffe an der deutschen Spirituserzeugung beteiligt sind, erhellt aas den nachstehenden Zahlen1 fttr 1903/04: Kartoffelbreunerei Getreidebrennerei Melassebrennorei Sonstige Materialien . . . .

8045605 692483 88124 23373

hl „ „ ,, .

Nur der zum Trinken bestimmte Alkohol soll versteuert werden; der für andere Zwecke zu benutzende Alkohol ist steuerfrei, nachdem er durch gesetzlich vorgeschriebene Zusätze zum Trinken untauglich gemacht, „ d e n a t u r i e r t " , ist. An das Denaturierungsmittel muß die Anforderung gestellt werden, daß es den Alkohol ungenießbar macht, seine Verwendung, zu technischen Zwecken aber nicht schädlich beeinflußt und sich ferner nicht durch einfache Operationen wieder aus dem Alkohol herausschaffen läßt1. In Deutschland ist auf 1001 Alkohol ein Zusatz von 2-51 eines Gemisches aus 4 Tin. rohem, acetonreichem Holzgeist (vgL S. 225) und 1 Tl. Pyridinbasen vorgeschrieben (einigen Industrien ist die Benutzung bestimmter anderer Denaturierungsmittel gestattet). Drittes Kapitel.

Alkylverbindungen, deren Alkylrest an Halogenatoxne oder an Sauerstoff gebunden ist. (Alkyl-CUloride, -Bromide, -Jodide und -Fluoride. Einfache and gemischte Aether. Mineralsäureester.)

In den Alkoholen haben wir Verbindungen kennen gelernt, deren Molecüle die einwertigen Reste der Grenzkohlenwasserstoffe (Alkylreste, vgl. S. 152) an eine Hydroxylgruppe gebunden enthalten. Von den Alkoholen ausgehend, kann man durch direkten oder indirekten Austausch der Hydroxylgruppe eine große Zahl von anderen Verbindungen gewinnen, welche alle den Alkylrest noch unverändert enthalten. Man kann diese Abkömmlinge der Alkohole daher sämtlich als „Alkylverbindungen" bezeichnen; sie zerfallen in folgende Gruppen: 1. Verbindungen, deren Alkylrest an Halogenatome gebunden ist. (Alkylhalogenide.) 2. Verbindungen, deren Alkylrest an Sauerstoff gebunden ist (Aether, Peroxyde, Säureester.) 1

Heinzbuta*», Chemische Zeitschrift 4, 445 (1905). * Vgl. cur Denaturierungsfrage z.B.: Cari-Mahtrakd, C. r. 120, 1063 (1895). BL. [3] 39, 765 (1908). — Babulot, C. r. 124, 1163 (1897). — Kiab, C k l . 21,116 (1898). — Kbaemeb, Ch. I. 28, 30 (1899).

267

Alkylhalogenide.

3. Verbindungen, deren Alkylrest an Schwefel gebunden ist. (Mercaptane, Sulfide, Sulfonsäuren usw.) 4. Verbindungen, deren Alkylrest an Stickstoff gebunden ist. (Amine, Hydrazine, Nitrckohlenwasserstoffe usw.) 5. Verbindungen, deren Alkylrest an andere Metalloidatome gebunden ist. (Phosphine, Verbindungen des Arsens, Bors, Siliciums usw.) 6. Verbindungen, deren Alkylrest an Metallatome gebunden ist. (Metallorganiscbe Verbindungen.) Unter diesen Verbindungen sind die Alkylhalogenide besonders wichtig, da sie einerseits direkt aus den Alkoholen ¿ehr leicht gewinnbar, andererseits mannigfacher Umsetzungen fähig sind, und man daher durch ihre Vermittlung die Alkylreste in die verschiedenartigsten Verbindungsformen überführen kann. Hierdurch rechtfertigt sich ihre Besprechung an erster Stelle.

I. Alkylhalogenide. Allgemeine Zusammensetzung: C„H1I1+1C1, C n H, n+ ,Br, C n H l n + 1 J, C

nH»n+iFl

Im folgenden soll zunächst nur über die Chloride, Biromide und J o d i d e berichtet werden; die viel weniger untersuchten Fluoride sind auf S. 282—283 kurz behandelt, Bildungsweiseu. Man erhält die Alkylhalogenide am leichtesten aus den ihnen entsprechenden einwertigen Alkoholen der Grenzreihe durch Austausch der Hydroxylgruppe gegen Halogen. Dieser Austausch kann entweder durch Erhitzen der Alkohole mit Halogenwasserstoffsäuren1 unter Wasserabspaltung : C n H , n + I . O Ö T iijCl = H>OH + C N H l n + , - C l

oder durch Einwirkung von Halogenverbindungen des Phosphors aut die Alkohole bewirkt werden: 3 C U H , N + 1 . ; Ö H ''+' P;J3

-

P(OH), +

3CNHSN+,-J.

Während erstere Reaktion3 längeres Erhitzen erfordert, verläuft die Einwirkung der Phosphorhalogenverbindungen heftig und fast momentan. Beide Reaktionen gestatten indes keine völlig quantitative Ueberftthrung des Alkohols in Alkylhalogenide. Der Umsetzung von Alkohol mit Halogenwasserstoff entgegen wirkt, wenn die Reaktionsprodukte Wasser und 1 D e n Verlauf derartiger Reaktionen hat CAIK [Ph. Ch. 12, 751 (1893)] am Beispiel des Aethylalkohols näher verfolgt. Er fand, daß sich die Urasetsang bei Zimmertemperatur nur gußerst langsam, bei 80—100° dagegen mit meßbarer Geschwindigkeit vollzieht. » Vgl. dazu MALBOT, Bl. [3] 3, 136 (1889); 3, 68 (1890).

268

Umwandlung von Alkoholen in Alkylhalogenide.

Alkylhalogenid in beträchtlicherer Menge gebildet sind, die umgekehrte Umsetzung: CnHin+1- C1 + H- OH = HCl + CnH, n+1 .OH;

man muß daher einen großen Ueberschuß von Halogenwasserstoff anwenden, um eine möglichst vollständige Umwandlang des Alkohols zu erzielen. — Der glatte Verlauf der Reaktion zwischen Pbosphorhalogenverbindungen und Alkoholen andererseits wird beeinträchtigt durch Nebenreaktionen, in denen sich esterartige Verbindungen der Phosphorsäureu bilden (vgl. S. 312—314), z. B.: PCI, + 3C.H..OH = P(0-C,H,)(0H), + 20,13,0 + HCl.

Für die Gewinnung der C h l o r i d e nach der ersten Methode hat sich in der Methyl- und Aethyl-Reihe ein Zusatz von Chlorzink als besonders vorteilhaft erwiesen; man löst das Chlorzink in dem betreffenden Alkohol auf, leitet Salzsäuregas bis zur Sättigung ein und erhitzt 1 (vgl. die Darstellung des Aethylchlorids, S. 281). In den höheren Reihen bietet der Chlorzinkzusatz keinen Vorteil 2 ; auch treten bei seiner Anwendung leicht zum Teil Umlagerungen ein, indem neben der Hauptreaktion durch Wasserentziehung eine Bildung von Köhlenwasserstoffen der Aethylenreihe stattfindet, an die sich dann Anlagerung des Chlorwasserstoffs, unter Entstehung eines isomeren Chlorids schließen kann 3 , Z

'

B

":

C,H n • CH, • CH, • OH - H,0 = C6Htl • CH: CH, C ^ - C H i C H , + HCl = C»Hn-CHCl.CH,

(vgl. auch S. 237, 269). — Derartige Umlagerungen erfolgen auch oft bei der Gewinnung von Alkyljodiden aus Alkoholen und Jodwasserstoff. Die Methode der Einwirkung von Phosphorhalogenverbindungen wird besonders häufig zur Darstellung der B r o m i d e und J o d i d e angewendet. Es ist hierbei nicht nötig, von den fertigen Brom- bzw. Jod-Verbindungen des Phosphors auszugehen; man kann vielmehr die Bildung und Zersetzung der Phosphorhalogenverbindung in einer und derselben Operation bewirken, indem man zu dem Gemisch des Alkohols mit rotem Phosphor allmählich die nötige Menge Brom bzw. Jod zufügt, z. B.:

3C,H5 OH + 3J + P = 3CtHjJ + P(OH)s.

Die Bildung der Alkylhalogenide aus Halogenwasserstoffsäuren und Alkoholen durch Wasserabspaltung entspricht der Esterbildung aus Sauerstoffsäuren und Alkoholen (s. S. 214). In Rücksicht auf diese Analogie werden die Alkylhalogenide zuweilen als H a l o g e n w a s s e r s t o f f s ä u r e E s t e r (Halogenide) d e r A l k o h o l e bezeichnet. Aus m e h r w e r t i g e n A l k o h o l e n erhält mau durch Erhitzen mit Jodwasserstoff s e k u n d ä r e A l k y l j o d i d e , indem an Stelle einer mittelständigen Hydroxylgruppe ein Jcdatoin tritt, während alle anderen 1

Gsovea, A. 174, 872 (1874). — Kbügeb, J. pr. [2] 14, 195 (1876). * Malbot, GENTU, A. ch. [6] 19, 405 (1890). ' Schoelkmkeb, A. 177, 801 (1875).

Weitere Bildungsweisen der Alkyihalogenide.

269

Hydroxylgruppen durch Wasserstoff ersetzt werden; aus dem Glycerin CEyOH) • CH(OH) • CH^OH) wird z. B. in dieser Weise Isopropyljodid C H 3 - C H J - C H J dargestellt (vgl. S. 2 0 2 u. 2 8 1 — 2 8 2 ) Ueber die Bildung von Alkyllialögeniden (namentlich Alkyljodiden) durch Spaltung von Aethern mit Halogenwasserstoffsäuren, z. B.: (C,H,),0 + HJ = C,H5J + HO-CjH, vgl. S. 289—290. Durch Anwendung von wasserfreiem verflüssigtem Jodwasserstoff kann man die Reaktion auch nach der Gleichung: leiten».

(CtHj),0 + 2HJ = 2C,H,J + H,0

In kleiner Menge entstehen Alkyljodide ferner bei der anter Benutzung eines Diaphragmas auszufahrenden Elektrolyse solcher Lösangen, die am positiven Pol ein fettsaures Salz und am negativen Pol Jodkalium enthalten*; so bildet sich aus propionsaurem Kalium Aethyljodid:

CHä • Cy, • CO.—: —K J

1—K

CH.-CH, J

+ CO, + 2 K .

,Die Alkyihalogenide werden ferner häufig durch A d d i t i o n von H a l o g e n w a s s e r s t o f f an K o h l e n w a s s e r s t o f f e d e r A e t h y l e n r e i h e gewonnen: OH,: CH, + H B r = CH 3 CH 2 Br.

Die Homologen des Aethylens geben in dieser Reaktion nicht primäre, sondern sekundäre oder tertiäre Alkyihalogenide, da die Anlagerung so erfolgt, daß das Halogenatom an das mit weniger Wasserstoff beladene Kohlenstoffatom tritt, z. B.: CH,-CH: CH, + HJ = CHa -CHJ-CH,; (CH,),C: CH, + HCl = (CH,),CC1CH,. Es beruht hierauf die schon öfter erwähnte Bildung von Bekundären oder tertiären Alkylhalogeniden aus primären Alkoholen (vgl. S. 268). Von theoretischem Interesse ist endlich die B i l d u n g von AlkylChloriden und rBromiden durch direkte Substitution der Gr e n z k o h l e n Wasserstoffe: CH4 + Cl, - CH,C1 + HCl; CH, • [CH,], • CH, • CH, + Brs = C H s [ C H , ] , C H B r C H , + HBr.

Die Substitution wird durch Operieren im Sonnenlichte befördert. Als Darstellungsmethode ist diese Bildungsweise nicht empfehlenswert, einerseits weil die reinen Grenzkohlenwasserstoffe kein leicht zugängliches Ausgangsmaterial sind, andererseits weil die Chlorierung und Bromierung 1 4 s

Vgl. hierzu: MICHAJX, J. pr. [2] ®0, 421 (1899). NOBRIS, COTTBELL, A m . 1 8 , 1 0 3 (1896). — COTTRELL, ROGERS, A m . 2 1 , 64 (1899). v. MILLER, HOFER, B. 2 8 , 2 4 3 0 (1895).

270

Allgemeine Charakteristik der Alkylhalogenide.

nicht zq einheitlichen Produkten führt. Bei der Einführung von C h l o r entstehen stets zugleich primäre und sekundäre Chloride 1 ; aus normalem PeAtan z. B. wird CH,• CH,• CH,• CH,• CH,C1

und

C H , . C H s . C n , CHCl.CH,;

bei der B r o m i e r u n g liefern die normalen Paraffine hauptsächlich sekundäre Bromide von der Formel C n H, n + 1 -CHBr-CH 3 (ygl. die Gleichung auf S. 269) neben anderen Derivaten'. Auch geht die Substitution leicht über die Bildung von Monosubstitutionsprodukten hinaus, namentlich wenn man die Halogene auf die flüssigen Kohlenwasserstoffe reagieren läßt und ihre Einwirkung durch Gegenwart von Jod (s. S. 168) befördert; die Bildung der höheren Substitutionsprodukte wird dagegen fast ganz vermieden, wenn die Halogene auf die Kohlenwasserstoffe in Dampfform zur Einwirkung gelangen.— Die Einführung von J od in die Grenzkohlenwasserstoffe durch Substitution gelingt überhaupt nicht. Ueber die Umwandlung von Alkyl-Chloriden, -Bromiden und -Jodiden ineinander vgl. S. 277—278. Allgemeine Charakteristik. Bis auf die drei bei gewöhnlicher Temperatur gasförmigen Verbindungen Methylchlorid, Aethylchlorid und Metliylbromid sind die Alkylhalogenide der niederen und mittleren Reihen ölige Flüssigkeiten, die in Wasser fast unlöslich, mit Alkohol und Aether dagegen meist in jedem Verhältnis mischbar sind. Die höchsten Glieder sind bei gewöhnlicher Temperatur feste Substanzen von salbenartiger Beschaffenheit; in kaltem Alkohol und Aether lösen sie 'sich kaum. Die Alkylhalogenide sind farblos, die Jodide färben sich indes durch geringe Zersetzung leicht etwas rötlich. Sie besitzen meist einen angenehm süßlichen Geruch. Sie sind brennbar; Methyl- und AethylChlorid geben eine grüngesäumte Flamme. Der Siedepunkt der Bromide liegt durchschnittlich um 20—25°, derjenige der Jodide um 40—60° höher, als der Siedepunkt der entsprechenden Chloride. Ebenso besitzen die Jodide das höchste, die Chloride das geringste spezifische Gewicht. Letzteres sinkt in den homologen Reihen mit zunehmendem Kohlenstoffgehalt, da der das spezifische Gewicht erhöhende Einfluß des Halogenatoms um so mehr zurücktritt, je größer das Molecül wird. Die folgende Tabelle (Nr. 7 auf S. 271) enthält für eine Anzahl von Alkylhalogeniden der ersten 8 Reihen die Siedepunkte und spezifischen Gewichte. Das Halogenatom besitzt in diesen Verbindungen eine verhältnismäßig große Beweglichkeit, vermöge welcher sein Austausch gegen andere Atome oder Atomgruppen in einer Reihe von Umsetzungen möglich wird. Diese Reaktionsfähigkeit ist am größten bei den Jodiden (vgl. S. 156 u. 196), am schwächsten bei den Chloriden. Während z. B. 1

«

1 6 1 , 263 (1872); vgl. Mahkownikow, J. A . 1 8 8 , 2 4 9 (1877); vgl. Michael, B . 3 4 ,

ScHOBLEmtEB, A.

Sckoblemheb,

pr. [2] 59, 569 4037 (1001).

(1890).

Tabellarische

Uebersicht

über die

271

Alkylhalogenide.

Tabelle Nr. 7. Formel

Bromid

Bezeichnung des Alkylrestes

Siede- , Spezif. Gewicht punkt

CH,

M e t h y l 1-6.«.50.81.SS.«7.71.77.73." 79.61.B3

- 2 3 . 7 ° 0-952(0°)

C,H 5

Aethyl »•»•••«•»•«.ISO.M.SS—ss.

C3IIT

P r o p y l Ä — H.13.S2.48.51—68.68.87. 80

des

Alkylates

C CH3'CH,-CH,Nrtl (CH a ),CH\ n CH i C H , . C H , - > u ' (CHjijCH^ ' (CH.J.OH-^"Dipropyl-Ether Propyl-isopropyl-äther Diisopropyl-äthcr

Büdungsweisen der Aether.

284

Aber auch Aether, welche Alkylreste von ungleicher Kohlenstofizahl enthalten, besitzen dieselbe Zusammensetzung und sind daher einander isomer, wenn die Summe der in den beiden Alkylresten enthaltenen Koblenstoffatome gleich bleibt: C I W CjH,,-^"' Methyl-auiyl-,

CtHj^j-j, C^H,^"' Aethyl-butyl-,

C.H,^' Dipropyl-äther

Die letztere Art der Isometie bezeichnet man wohl auch als M e t a m e r i e (vgl. S. 88).

B i l d u n g s r e i s e n . Besonders beweisend für die Konstitution der Aether ist ihre Bildung aus N a t r i u m a l k o h o l a t e n und A l k y l h a l o g e n i d e n (WILLIAMSON) 1 : CHj-0 Na + J- C.H, «= NaJ + CH, O.C,H,.

Nach dieser Reaktion können sowohl einfache wie gemischte Aether erhalten werden; sie wird besonders zur Gewinnung der einfachen Aether aus den höheren Reihen und der gemischten Aether angewendet2. Aus Alkyljodiden mit verzweigter Kette entstehen als Nebenprodukte mehr oder minder große Mengen von Alkylenen3. Die Alkylierung der Alkohole durch Alkylhalogenide kann auch z. B. bei Gegenwart der Natriumsalze von SSureamiden eintreten4: C.H.-OH + C,H 6 J + CH,-CONHNa = (C,H,),0 + CH.CO-NH, + NaJ. Katrium-acetamid

Die einfachen Aether der drei ersten Reihen 5 können in sehr bequemer Weise durch E i n w i r k u n g von k o n z e n t r i e r t e r S c h w e f e l s ä u r e auf die A l k o h o l e dargestellt werden. Diese Reaktion gehört zu den am frühesten beobachteten Vorgängen der organischen Chemie; nach ihr wurde bereits im 16. Jahrhundert (VAL. CORDUS, 1 5 4 0 ) Diäthyläther aus Weingeist dargestellt Ihre Erklärung hat in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts zwischen den hervorragendsten Chemikern Diskussionen hervorgerufen, welche auf die Entwicklung der chemischen Theorien großen Einfluß gehabt haben. Man glaubte den Aether1

A. 77, 37 (1851); 81, TS (1852). — Vgl. auch REBOÜL, C. r. 108, 39 u. 162 (1889). — Ueber die Geschwindigkeit dieser Reaktion in verschiedenen Fällen s. Conus, BBUCKNBB, Ph. Ch. 4, 631 (1889); 7, 274, 283 (1891). — Einfluß des Wasser« u n d T h e o r i e d e r R e a k t i o n : LOBBT DE BBUYH, STEGES, R . 1 8 , 311 (1899). — LOBBY DE BRUTN, TMMSTBA BZ., P h . C h . 5 0 , 436 (1904).

' Vgl. LIPFEBT, A. 2 7 6 , 154 (1893).

* NEF, A. 318, 6 (1901).

4

6

TITHEBLET, Soc. 79, 392 (1901). Vgl. NOHTON, PBESCOTT, Am. 6 , 241 (1884). — Bei der Darstellung von

Aethern mit sekundären oder tertiären Radicalen wendet man am besten kleine Mengen rauchender oder reiner Schwefelsäure an [MAMONTOW, C. 1897, II, 408; SOUTHBBDEX, P. Ch. S. SO, 117 (1904)]; für die Gewinnung gewisser gemischter Aether, *. B. des Aethyl-amyl-äthers, ist dagegen die Benutzung einer nur 85-prozentigen Säure von Vorteil [PETBB, B. 32, 1419 (1899)].

285

Wüliamsons Theorie, der Aetherbildung.

bildungsprozeß zunächst als in einer einfachen, durch die Schwefelsäure bewirkten Wasserentziehung bestehend auffassen zu dürfen. Diese Ansicht wurde hinfällig, als es sich zeigte, daß das bei der Reaktion gebildete Wasser zugleich mit dem Aether abdestilliert, und daß man mit einer kleinen Menge Schwefelsäure eine unverhältuismäßig große Menge Alkohol in Aether verwandeln kann. Man schrieb dann der Schwefelsäure eine „katalytische" Wirkung (Kontaktwirkung) zu, womit eben nur der Mangel einer genügenden Erklärung zugegeben wurde. Die Reaktion wurde endlich durch W I L L I A M S O N S 1 scharfsinnige und sorgfältige Versuche (1851) in den wesentlichsten Punkten aufgeklärt. Nach W I L L I A M S O K zerfällt die Bildung des Aethers aus Alkohol in zwei aufeinanderfolgende Reaktionen; es entstehen zunächst aus Alkohol und Schwefelsäure Aethylschwefelsäure und Wasser: C,H5OH + OH.SO.OH

=

C J H , • 0 • SO» • O H +

H,0;

die Aethylschwefelsäure reagiert dann auf neu zufließende Mengen von Alkohol unter Bildung von Diäthyläther und Wiedererzeugung der Schwefelsäure: C , H , . 0 . : S 0 , I O H | + C , H , • JÖHJ

=

(C,H5),0 +

OH-SOFOH.

Der in diesen Gleichungen angenommene Reaktionsverlauf wird besonders durch den Nachweis gestützt, daß bei der Einwirkung von Schwefelsäure auf ein Gemisch von zwei Alkoholen (z. B. Methyl- und Aethylalkohol) sich der gemischte Aether (Methyl-äthyl-äther) neben den beiden einfachen Aethern (Dimethyl- und Diäthyläther) bildet2. Würde die Schwefelsäure ausschließlich in dieser Weise einwirken, so könnte der Aetherbildungsprozeß beliebig lange fortgesetzt werden, und die kleinste Menge Schwefelsäure würde zur Umwandlung beliebiger Quantitäten von Alkoholen ausreichen; in Wirklichkeit treten aber in gewissem Umfange Nebenreaktionen ein, die zur Bildung von Aethylen und sulfonierten Produkten 8 (Aethansulfonsäure C3H5«S03H und Isäthionsäure HO• C2H4• SOjH?), sowie zur Entwicklung von schwefliger Säure 4 führen und hierdurch der Kontinuität des Betriebes eine bestimmte Grenze setzen. Die Erklärung des Aetherbildungsprozesses war nicht die einzige Fracht jener Untersuchungen WILLIAMSONS, die vielmehr von größter allgemeiner Bedeutung für die Umgestaltung der theoretisch-chemischen AnBehauungen wurden. Die Entdeckung, daß aus Kaliumäthvlat und Aethyljodid der Aethyläther entsteht, und die Auffindung der gemischten Aether brachten die lange umstrittene Frage nach dem gegenseitigen Verhältnis von Alkohol und Aether zum Abschluß. Während man vorher vielfach dem Alkohol und Aether Formeln mit gleich viel Kohlenstoffatomeu zuerteilt hatte, konnte es nun nicht mehr zweifelhaft sein, daß die Formel des Aethers doppelt so viele Kohlenstoffatome aufweisen müsse als diejenige des Alkohols. 1

A . 7 7 , 37 (1851); 8 1 , 7 3 (1852).

- V g l . a u c h NORTON, PRGSCOTT, A m . 6 , 244 (1884) — PETEB, B. 3 2 , 1418 (1899). '• PRUNIER, C . r. 1 2 4 , 1 2 3 9 ( 1 8 9 7 ) . 4

Vgl. hierzu KLAR, Ch. I . 3 1 , 2 9 9 (1898).

286

Bildung von Aelherti aus Alkoholen.

Die Richtigkeit des schon früher aufgetauchten Gedankens, daß Alkohole und Aether als Abkömmlinge des Wusers anzusehen seien, wurde durch die neaen Tatsachen aufs deutlichste erwiesen. Dies aber hatte wieder zur Folge, daß man die moleculare Zusammensetzung des Wassers als der Formel H,0 entsprechend anerkennen mußte. Die Durchfuhrung der Reform der Atomgewichte, die schon mehrere Jahre vorher von Gf.bhabdt und Laurent angeregt war, wurde nun unabweisbar. Auf Grund älterer und neuerer Beobachtungen ist man Williamsohs Theorie für den Prozeß der Aetherbildung in den letzten Jahren mehrfach entgegengetreten1 und hat auch andere Zwischenstufen als die Aethylschwefelsfiure in Erwägung gezogen ; als solche kommt außer der Isäthionsäure und AethansulfonB&ure (vgl. S. 285) auch das aus Alkohol und Schwefelsäure schon bei 0° sich leicht bildende Diäthylsulfat* C,H & 0-S0,-0C,H 6 in Betracht. — Nach Nbf 1 hat man es auch hier mit einer intermediären Entstehung von Alkylidenen R-CHCH,0> Alk + Mg(Hlg),.

Allgemeine Charakteristik. Der Dimethyläther ist bei gewöhnlicher Temperatur ein Gas; vom Diäthyläther aufwärts stellen die Aether Flüssigkeiten dar, die leichter als Wasser und darin nur wenig löslich sind. Während die niederen Glieder der Alkoholreihe mit Wasser sich in jedem Verhältnis mischen, gibt es keinen einzigen Aether, der mit Wasser mischbar wäre. Es ist dies ein spezieller Fall einer allgemeinen Erscheinung; die Gegenwart der Hydroxylgruppe —OH bedingt eine gewisse Löslichkeit in Wasser; wird aber das Wasserstoffatom der Hydroxylgruppe durch Radicale ersetzt, so wird die Löslichkeit aufgehoben oder wenigstens erheblich vermindert (vgl. S. 300—301). Die hochmolecularen Aether sind krystallisierbar. Der Siedepunkt des Dimethylund Diäthyläthers liegt erheblich niedriger als der Siedepunkt der entsprechenden Alkohole. Ueberhaupt siedet ein Aether, welcher durch Eintritt einer Methyl-, Aethyl-, Propyl- oder Isopropyl-Gruppe in die Hydroxylgruppe eines Alkohols entsteht, stets niedriger als dieser Alkohol; durch den Eintritt von Isobutylgruppen wird der Siedepunkt des Alkohols nicht erheblich verändert, durch den Eintritt von normalem Butyl oder von höheren Alkylresten dagegen wesentlich erhöht. — Die folgende Tabelle Nr. 8 enthält oben die Eigenschaften einiger einfacher Aether, unten einiger gemischter Aether, deren eines Radical stets Aelhyl ist. 1

WUBTZ,

A. ch. [3J

46,

222 (18ö6).

» HAMONET, C. r. 138, 813 (1904).

2

TISCHTSCHENKO, C . 1 9 0 0 , I ,

585.

288

Tabellarische Uebersickt über die AMcyläther.

Tabelle Nr. 8. Siedepunkt

i

Dimethyl- Aether >•'«•«•«

C,H,0 C.H10O c.h 14 o C.H u O C.H„0 C.H.,0 C ä H„0 C,0H„O C I0 H„O c„hmo CMH^O C,.H„0

. . . .

Dipropyl„ »-'•»'»»•«»•«• . . . Diisopropyl- „ 7-8-" Di-norm.-butyl-Aether »•>«•«»•« . . Di-sek.-bntyl-Aether 11•" **. . . . Diisobufyl., »»•"•»•« . . . Diisoamyl„ »-»o-s«-«» . . Di-aA/.-amyl„ . . . . Di-sek.-hexyl- „ " Di-norm.-heptyl-,, 8 9 - 4 ® " . . . . Di-norm.-octyl- „ . . . .

-23-6® + 34-6® + 90-7° 69® 141® 121® 122® 172.5—173° 169® 203—208® 262® 286—287®

Spezifisches Gewicht 0-731 (4°) 0-763 (0°) 0-743 (0°) 0-784 (0°) 0-756 (21°) 0 762 (15®) 0-781 (15®) 0-774 (15°) 0-815 (0®) 0-805 (17°)

Dicety] äther:"" Cj.H^O schmilzt bei 57—58° Aethyl-

Siedepunkt



CjHJO

-methyl-Äther

QH.,0 CsHltO

-propyl-äther 5-18 -isopropyl-ätherM,,s -norm.-butyl-äther,0 isobulyl„ 15 88 -tertiärbutyl- ., **•**•'» -isoainyl„ »••»•»8-»8-88 . . . -norm.-hexyl- ,, -norm.-heptyl- ,, -norm.-octyl- ,, 15

c»h m o

C6HU0 C,H»0

C,HlsO C8H18O C9HjoO C10H,,0

+ 11® 63—64® 54® 92® 78—80® 70® 112® 134—137° 165® 182—184°

Spezifisches Gewicht —

0-739 (20°) 0 -745 (0°) 0-769 (0®) 0-751 0-752 (20®) 0-764 (18®) —

0 790 (16®) 0-794 (17®)

Aethyl-cetyl-äther:M C,»HM0 schmilzt bei 20®. Zitate zu der Tabelle Nr. 8:

1

Eblbnheysb, Kriechbaumer, B. 7, 699 (1874). —

' Reonaclt, J. 1863, 70. — 8 R. Schipp, A. 220, 33# (1888). — 4 E. R., E. H. u. Ch. F. Squibb, Chem. N. 61, 66, 76 (1885). — 5 Ckanoel, A. 151, 304 (1869). — • Linnemann, A. 161, 37 (1872). — ' Zander, A. 214, 163 (1882). — 8 Erienmbyer, A. 126, 306 (1863). — • Lieben, Rossi, A. 165, 110 (1873). — 10 Reboül, C. r. 108, 39, 162 (1889). — 11 Kessel, A. 175, 50 (1875). — " Würtz, A. ch. [3] 42, 153 (1854). — ,A Wubtz, J. pr. [1] 68, 150 (1856). — " Erlbnkeybr, Wanklyn, Z. 1863, 282. — " Möslinqeb, A. 185, 56 (1877). — Fbidaü, A. 83, 22 (1852). — 17 Wiiliamson, A. 81, 77 (1852). '» Brühl, A. 200, 177 (1880). — 18 Markownikow, A. 138, 374 (1866). — *® Lieben, Rossi, A. 158, 167 (1871). — " Kopp, A. 64, 214 (1848> — n Rebocl, Tbcchot, Z. 1867, 439. — 28 Güthbie, A. 105, 37 (1858). — M Liebe», Janecee, A. 187, 139 (1877). — " Caoss, A. 180, 5 (1877). — M Becker, A. 102, 220 (1857). — " CtartenUeisteb, Ph. Ch. 6, 530 (1890). — »» Lippebt, A. 276, 157, 160, 185 (1893). — 29 Krappt, B. 26, 2833 (1893). — 84 Norton, Pbescott, Am. 6,

289

Chemisches Verhalten der Aether. 244

(1884).

(1885).





"

Genvbesse,

B . 3 3 , 6 3 8 (1900). — (1893).



BL. [ 8 ] 1 1 , 8 9 0 ( 1 8 8 4 ) .

G u t e , Chavanne,

" "

GOTTE, 41

1065.



— 4T

44

Vgl.

15,

Bl.



[3] 1 1 ,

II,

1176



"

LINEUABOEB,

C . 1 9 0 3 , I , 1119. —

4A

die



408. — (1894).

*• ROOEBS, SOC. 0 3 , C.r. 110,

Am.

Zitate

auf

I I , 419 (1903).





4

44

— 4

1135

(1894).



WELT, B. 3 0 ,

ABCHIBALD, M C IMTOSB,

"

1 8 , 4 3 8 (1896).

S. 292—298.

742 40

*» DOBBINEB, A . 2 4 3 , 5 , 9 ( 1 8 8 8 ) . —

ODDO, COSMANO, G . 3 3 , femer

Pebxin, J . pr. [ 2 ] 3 1 , 5 1 3 44 Ladenbübq, Kbüoel,

"

301 (1886).

BBOCHET, BL. [ 3 ] 1 3 , 6 8 9 ( 1 8 9 5 ) . —

Soc. 2 6 , 305 (1904). 158 (1897).

[3]

Ȁ MAMONTOW, C . 1 8 9 7 , GAUTIEB,

*» P B T E B , B . 3 2 , 1 4 1 9 ( 1 8 9 9 ) . — 1494 (1897). —

BL.

Am.

BBÜBL, B .

30,

» HENBT, C . 1 9 0 4 ,

I.

» LAZINSKI, SWADKOWSD,

ODDO, G . 3 1 , I, 311 ff. (1901).

In ihrem chemischen V e r h a l t e n sind die Aether durch ziemlich große B e s t ä n d i g k e i t ausgezeichnet Alkalien und verdünnte Säuren, Phosphorpentachlorid 1 wirken in der Kälte nicht ein; Natrium entwickelt keinen Wasserstoff. — Beim E r h i t z e n mit a n g e s ä u e r t e m W a s s e r findet unter Wasseraufnahme Spaltung in zwei Molecüle Alkohol statt: (C.H.j.O + H,0 = 2CjH,'OH; sehr langsam tritt diese Alkoholbildung auch scho^ bei gewöhnlicher Temperatur ein; die Aether mit sekundären ßadicalen erleiden sie viel leichter als die Aether mit primären Radicalen*. — K o n z e n t r i e r t e S c h w e f e l s ä u r e löst den Diäthyläther unter starker Entwicklung von Wärme auf; bei längerem Erhitzen de3 Gemisches auf 100° bildet sich, neben kleinen Mengen Diäthylsulfat SO^OC^H^, Aethylschwefelsäure: (CJHJJJO +

2SO.H,

=

2C,H,.SO,H

+

H,0,

die sich bei höherer Temperatur unter Entwicklung von Aethylen und schwefliger Säure zersetzt®. — Sättigt man die Aether bei 0° mit J o d wasserstoff, so werden sie in Alkyljodide und Alkohole gespalten: CUH,N+1'0>CMHS1J1+I

+ HJ

=

C

N

H

1 0 + J

>OH + C

M

II,

M +

,'J ,

und zwar tritt bei gemischten Aethern primärer Alkohole vorwiegend das kohlenstoffärmere Radical an Jod gebunden aus; die Spaltung4 in diesem Sinne erfolgt besonders leicht und glatt bei Aethern, welche die Methylgruppe enthalten. Auch Jodphosphonium bewirkt schon in der Kälte Abspaltung von Alkyljodiden aus Aethern. — Beim Erhitzen mit starker Jodwasserstoffsäure werden beide Radicale in Alkyljodide übergeführt: ^nHjD+1'O'CinH,,,,^, + 2HJ = C n H, n+ ,J + C m H, m+1 J Auch bei niederer Temperatur sind unter Anwendung von verfliissig1

Vgl. dazu AITENBIETH, Ar. 2 3 3 , 27 (1895).

» ELTEKOW, B . 1 0 , 1902 (1877). 3

ScHOLVtEN, P. C. H. 31, 605 (1890).

4

SILVA, B . 8 , 1352 (1875); 9 , 852 (1676t.

A. 2 7 8 , 148 (1893). Meykr-Jacobson, org.

Ch.

Zw.

Aufl.

Ii.

Ch. I. 14, 114 (1891). A . e h . [5] 7 , 4 2 9 (1875). — LIWEBT,

19

(November 1905)

290

Additionsprodukle

der Aether.

tem Jodwasserstoff aus dem Diäthyläther etwa 88°/ 0 der nach der Gleichung: (C t H 5 ),0 + 2HJ = 2C,H,J + H,0

zu erwartenden Menge Aethyljodid erhalten worden1. Bei gemischten Aethera verläuft die Spaltung mit Halogen wasserstof&äaren im allgemeinen, wie eben 'mitgeteilt, hauptsächlich derart, daß das Halogen an das kleinere (1er beiden Radicale tritt. Ana Aethera mit je einem primären and tertiären Badical erhält man dagegen, auch wenn das primäre Badical kleiner ist, den primären Alkohol and das tertiäre A l k y l h a l o g e n i d E s ist jedoch sehr wahrscheinlich, daß die hier beobachteten Gesetzmäßigkeiten nur den wesentlichen Verlauf der Beaktionen wiedergeben, und daß in gewissem Betrage auch die Spaltung im umgekehrten Sinne sich abspielt*. Mit organischen Säurechloriden tritt bei Gegenwart von Chlorzink Spaltung anter Bildung von Alkylchloriden and Säureestern ein 2 C H 3 » 0 > C J H 1 1 + 2 C H , • CO• Gl

„ CH3CI + CH3-COOC5Hu (Essigsäure-amy lcater) *

* C»H„C1 + CH, • COOCH, (Essigsäure-methylester)

Durch Salpetersäure und Chromsäure werden die Aether zn denselben Produkten oxydiert, wie die Alkohole mit gleichem Alkylrest — Dagegen wirkt Chlor einfach unter Ersetzung von Wasserstoffatomen der Alkylreste ein. Beim Erhitzen mit Brom upd Schwefel liefern die Aether Alkylbromide, gebromte Aldehyde und Bromwasserstoff, der dann zum Teil weiter auf noch unveränderten Aether einwirkt*: (C,Hj),0 + SBr, = CHBr.CHO + CaII6Br + 3HBr, Dibromacetaldehyd (C,H s ),0 + 2HBr = 2C,H,Br + 11,0 .

Seit langer Zeit sind a d d i t i o n e i l e P r o d u k t e von A e t h e r n m i t H a l o g e n e n , H a l o g e n w a s s e r s t o f f s ä u r e n und M e t a l l h a l o g e n i d e n bekannt, die früher meist als „Moleciilverbindungen" (vgl. S. 70) aufgefaßt wurden; doch hatte schon F h i e d e l 6 1875 für das von ihm entdeckte Produkt aus Dimethyläther und Chlorwasserstoff die atomistiache Formel: c5>°

so würde auch die Additionsfähigkeit der Sauerstoffverbindungen auf dem Uebergang in eine höhere Valenzstufe beruhen:

So kann man dieser Anschauung zufolge von der „basischen N a t u r " des S a u e r s t o f f s sprechen und die Verbindungen, in deren Moleciil viexwertiger Sauerstoff angenommen wird, als „ O x o n i u m v e r b i n d u n g e n " bezeichnen. Die Annahme der Vierwertigkeit für den Sauerstoff hat durchaus nichts Befremdendes, sobald man die Verbindungsverhältnisse des mit 1 E i n e historische Zusammenstellung der L i t e r a t u r bis 1902 s. bei W ALOEN, B. 3 4 , 4185 (1901); 3 5 , 1764 (1902). Vgl. ferner f ü r die basische N a t u r und Vierwertigkeit des Sauerstoffs die folgenden A b h a n d l u n g e n : KEHKMANS, B. 3 4 , 4170 (1901); 3 8 , 2959 (1905). A. 3 2 2 , 1 (1902). — BAEYKB, VULIQEB, B. 3 5 , 1201 (1902). — SACKUB, B. 3 5 , 1242 (1902). — KOJENHEIM, LÖWENSTAMM, B. 3 5 , 1128 (1902). — KLAQES, B. 3 5 , 2313 (1902). — COEKN, B. 3 5 , 2673 (1902). — WALXEK, SOC. 8 5 , 1082 (1904). — Mo INTOSH, SOE. 8 7 , 792 (1905). — BECKHANN, B. 3 8 , 905 (1905). — GOMBEBG, CONE, B. 3 8 , 1337 (1905). — KAUTZSCH, B. 3 8 , 2143 (1905). D e u t u n g d u r c h „Nebenvalenzen": WF.ENEB, A. 3 2 2 , 296 (1902). Vgl. ferner die Zitate f ü r Additionsprodukte des Dimetbyläthera und DiäthylUthers S. 292, F u ß n o t e 3 u n d 4, sowie S. 295 F u ß u o t e 3 und S. 296 F u ß n o t e 1, 2 und 3. 19*

292

Dimethylätker.

dem» Sauerstoff zu einer Gruppe des periodischen Systems gehörigen Schwefels in Betracht zieht, für den schon seine Oxydationsstufen SO, und SO, die Vier- und Sechswertigkeit ergeben. Bei der Besprechung der organischen Schwefelverbindungen werden wir ferner die Sulfoniumverbindungen kennen lernen, für welche man Strukturformeln vom Typus: IV CH.^^CH, ch.^SJ allgemein annimmt (vgl. S. 325—326). So gewichtige Gründe wie für die Vierwertigkeit des Schwefels konnten indes für die Tetravalenz des Sauerstoffs bisher nicht beigebracht werden. Für die Additionsproduktc der Dialkyläther, die hier zu dieser theoretischen Erörterung den Anlaß gaben, werden bei der Beschreibung des Dimethyläthers und Diäthyläthers einige Beispiele angeführt Einzelne Glieder. Dlmethyläther ( C H G ^ O wird aus Methyl, alkohol und Schwefelsäure oder besser Phosphorsäure1 gewonnen. Man hat vorgeschlagen, ihn zur Kälteerzeugung zu benutzen*, doch hat er wohl kaum in größerem Maßstabe Verwendung gefunden. — Sehr bemerkenswert — namentlich in Rücksicht auf die eben dargelegten Anschauungen über die Vierwertigkeit des Sauerstoffs — ist sein Verhalten zu Chlorwasserstoff 8 . Die beiden Gase vereinigen sich unter Eontraktion: es entsteht eine Flüssigkeit, die bei —1° siedet und sich dabei teilweise, aber nicht vollständig, dissociiert; von Wasser wird sie sofort zersetzt. Ihre Analyse ergab auf die Formel (CHj^O + HCl annähernd stimmende Werte. — Beständiger ist ein bei 126—128° siedendes flüssiges Additionsprodukt mit Boriluorid4 von der Zusammensetzung (CH3)20 + BF 3 . Diäthyläther (Schwefeläther, auch Aether schlechthin, sowie Aethyläther genannt) (C2H8),0 ist in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entdeckt. Seine Zusammensetzung wurde 1807 von Saussdee und 1815 von Gay-Lussac festgestellt. Er wird fabrikmäßig6 aus Aethylalkohol und konzentrierter Schwefelsäure gewonnen (vgl. S. 284—286). Zu seiner Darstellung erhitzt man eine Mischung von 5 Tin. Alkohol (90 °/0) und 9 Tin. konzentrierter Schwefelsäure auf etwa 130—140°; es destilliert ein Gemisch von Aether, Wasser und etwas Alkohol ab, und in demselben Maße läßt man in die erhitzte Flüssigkeit, deren Temperatur auf 130—150° zu erhalten ist, neue NEWTH, SOC. 7 9 , 9 1 7 ( 1 9 0 1 ) . Tewjkb, Ar. 2 1 0 , 5 7 ( 1 8 7 7 ) . J . 1 8 7 7 , 1 1 5 7 . • Fbiedel, Bl. [2] 2 4 , 160, 241 (1875). — Zecchini, Ph. Ch. 1 9 , 431 (1896). — VVeoscheideb, C. 1 8 9 9 , I , 1148. M. 2 0 , 320 (1899). — Kurare», Ph. Cb. 3 7 , 485 (1901). — Abchibald, MOIntosh, SOC. 86, 927 (1904). 4 Gasseliv, A. ch. [7] 3, 28 (1894). •

!

6

Vgl. Uber die technische Darstellung: Damm ebb Handbuch der chemischen Technologie, Bd. I I I (bearbeitet von A. Bendeb, Stuttgart 1896), S. 594.

Diäihyläiher (gewöhnlicher Aelher).

293

Mengen von Alkohol nachfließen. Man kann im ganzen etwa die sechsfache Menge des ursprünglich in der Mischung enthaltenen Alkohols umwandeln. Das Destillat wird zur Entfernung von Alkohol und von schwefliger Säure mit alkalihaltigem Wasser, dann mit reinem Wasser gewaschen, darauf mit Chlorcalcium getrocknet und rektifiziert. Käuflich sind verschiedene Aethersorten vom spez. Gew.1 0-728, 0-722 und 0-720. Der beigemengte Alkohol haftet dem Aether höchst hartnäckig an; man kann ihn durch sehr oft wiederholtes Schütteln mit immer erneuten kleinen Mengen von Wasser* entfernen. Um ganz wasser- und alkoholfreien Aether zu erhalten, läßt man das Präparat nach dem Ausschütteln mit Wasser und dem Trocknen mit Chlorcalcium noch etwa 12 Stunden über dünnen Natriumscheiben oder Natriumdraht 3 stehen und destilliert dann aus dem Wasserbade ab. — Auf einen Wassergehalt kann man durch Schütteln mit dem gleichen Volum Schwefelkohlenstoff prüfen: bei wasserfreiem Aether tritt keine Trübung ein. Auf Zusatz von metallischem Natrium entwickelt auch der reinste Aether etwas Gas in feinen Bläschen; das Gas stammt aber nicht aus dem Aether, sondern aus dem Natriumhydroxyd, mit dem sich das Natrium an der Luft augenblicklich überzieht; daher hört bei reinem Aether die Gasentwicklung bald auf, and das Natrium bleibt blank, während in feuchtem Aether von vornherein große Gasblasen auftreten und sich das Metall mit einer weißen Kruste überzieht4. — Ein Alkoholgehalt zeigt sich beim Schütteln mit etwas essigsaurem Rosanilin: wasser- und alkoholfreier Aether färbt sich nicht mit diesem Reagens5. — Die Handelspräparate enthalten ferner meist kleine Mengen Acetaldehyd CH3-CHO, den man mit Hülfe des NESBLBnachen Reagens (Bildung eines roten, quecksilberhaltigen Niederschlags)6 oder Ammoniak (Entstehung von unlöslichem Aldehydammoniak)7 nachweisen und durch 24-stündige Einwirkung alkalischer Permanganatlösung zerstören kann 6 . Der Diäthyläther ist eine äußerst bewegliche Flüssigkeit von angenehmem Geruch. Er erstarrt 8 bei —129° krystallinisch und schmilzt 1 Nach Privatmitteilung von Dr. A. BANMOW gelingt es. beim Arbeiten im Großen nicht, den wasserfreien, Qber Natrium destillierten Aether von geringerem spez. Gew. als 0-7198 bei 15° (gegen Wasser von 15°) zu erhalten; diese Zahl kann gegenüber dem Wert für absolut reinen Aether höchstens um 1—2 Einheiten der vierten Dezimale zu hoch sein. — Vgl. dazu auch KLAB, Ch. I. 19, 141 (189B). * Vgl. LIEHEN, A. Suppl. 7, 221 (1870). 9 Nach LASSAR-COHN [A. 284, 223 (1895)] eignet sich für diesen Zweck besser die flüssige Legierung aus 2 Tin. Kalium und 1 Tl. Natrium. 4 Nach Mitteilung von Dr. A. BANMOW. 5 Vgl. über diese Prüfungen: E. R , E. H. und CH. F. SQUIBB, Chem. N. 51, 6»,

76 (1885); f e r n e r : ADAM, C. 1 8 9 0 , I, 1226; GBASSINI, C. 1 9 0 0 , I I 821; FBEYEH, C. 1 9 0 1 , I I , 900. 7 ' LASSAII-GOHK, A . 8 8 4 , 226 (1895). ADRIAN, C. 1 8 9 6 , I , 20. 8 FRANÇOIS, C . 1 8 9 7 , I I , 144. > OI.SZEWS~I, M. 5 , 1 2 8 (1884). — ABCUIBALD, MC IXTOSH, A m . Soc. 2 6 , 805 (1904).

294

Eigenschaften des Aethers.

bei — 117 • 4°, bzw. — 113 • 1 0 Wasser und Aether lösen sich gegenseitig in gewissen Mengen; die ziffernmäßigen Angaben der einschlägigen Literatur2-8 schwanken etwas: nach KI>OBBI£ s löst Wasser von 19° c a / ß ' / ^ / O Aether, während Aether von 20° etwa 1 J / 4 °/0 Wasser aufnimmt Sehr reichlich löst sich Aether in starker Salzsäure auf: 1 Vol. 88-5-proz. Säure löst bei 10° 1-67 Vol. Aether4 (man darf daher stark salzsaure Lösungen nicht ausäthem); dieses Verhalten beruht wahrscheinlich auf der Bildung einer salzartigen Verbindung5. In konzentrierter Schwefelsäure löst sich der Aether ebenfalls leicht; er kann aus dieser Lösung mittels Eis unverändert abgeschieden werden6; bei andauerndem Erhitzen des Gemisches auf 100° tritt die S. 289 geschilderte Zersetzung ein. Der Aetherdampf bewirkt beim Einatmen Bewußtlosigkeit. Aus diesem Grunde wurde Aether vor der Einführung des Chloroforms bei chirurgischen Operationen als Betäubungsmittel angewendet. Nachdem er dann eine Zeitlang von diesem Narkoticum aus den Operationssälen verdrängt war, bevorzugt man ihn neuerdings wieder. Hierbei war die Erfahrung maßgebend, daß Chloroform infolge eeiner (glücklicherweise nur selten hervortretenden) lähmenden Eigenschaften auf den Herzmuskel etwa viermal soviele Todesfälle in der Narkose verschuldet als der Aether; letzterer kann allerdings ebenfalls sehr unliebsame Störungen hervorrufen, da er auf empfindliche Atmungsorgane und Schleimhäute eine gewisse Beizwirkung ausübt und gelegentlich auch schwere Lungenentzündung erzeugt7. Zur Narkose darf nur reinster Aether 8 verwendet werden (vgl. dazu S. 298). Aether ist ein vortreffliches Lösungsmittel für sehr viele organische Verbindungen; wegen dieser Eigenschaft wird er bei präparativen Arbeiten sowohl im Laboratorium wie in der Technik vielfach als Lösungsmittel — teils zum Krystallisieren, teils zum Ausschütteln von wäßrigen Lösungen oder Gemischen von wäßrigen und öligen Schichten („Ausäthem") — benutzt. Aber auch viele anorganische Substanzen — so z. B. Jod, Chromsäure, Eisenchlorid, Quecksilberchlorid, Quecksilberjodid, Zinnchlorür — lösen sich in Aether auf, was bei der Reinigung organischer Verbindungen durch Aether stets zu berücksichtigen ist. — Beim Manipulieren mit Aether muß man wegen 1 LADENBURO, KBÜQEL, B . 3 2 , 1821 (1899); 3 3 , 6 3 8 (1900). • NAHER, B l . [2] 2 9 , 122 (1878). — SCHUNCKE, P h . Ch. 1 4 , TOLLOCZKO, B . 2 8 , 8 0 8 (1895). — HERZ, B . 31, 2 6 7 1 (1898).

334 (1894). —

• Ph. Ch. 2 4 , 616 (189T). • NAPIEB, BL. [2] 2 0 , 122 (1878). — DRAPER, J . 1 8 7 7 , 76. • V g l . JÖTTMSR, P h . Ch. 3 8 , 56 (1901). ' BIEDEL, D . R . - P . 5 2 9 8 2 ; FRDL. I I , 551.

' Vgl. VcLPitrs, P. C. H. 3 6 , 117, 134 (1894). Ueber die Eigenschaften, welche „Aether pro narcosi" besitzen muß, vgl.:

8

THOMS, P . C. H . 8 5 , 735 (1894). — GÜNTHER, P . C. H . 3 6 , C. 1 9 0 2 , I I , 1520. — WOBBE, C. 1 9 0 3 , I I , 458.

4 1 (1865). — STOLL£,

Verwendung des Aethers.

295

seiner Entzündlichkeit und der Eigenschaft seines Dampfes, mit Luft ein heftig explodierendes Gemenge zu geben, vorsichtig verfahren. Hat man ätherische Lösungen im Laboratorium abzudestillieren, so erwärmt man daher nicht Uber freiem Feuer, sondern in einem Wasserbade, das vor Beginn der Destillation mit warmem Wasser beschickt und dann mit Hülfe einer allseitig von D r a h t n e t z u m g e b e n e n k l e i n e n F l a m m e auf genügend hoher Temperatur erhalten wird. Auf diese Weise vermeidet man das Brennen von offenen Flammen in der Nähe des Destillationsapparates, die eine Entzündung der Dämpfe verursachen könnten. Selbstverständlich hat man stets in Anbetracht der Flüchtigkeit des Aethers einen möglichst intensiv wirkenden Wasserkühler anzuwenden. Sehr häufig hat man in einer größeren Menge Acther eine verhältnismäßig kleine Menge einer höher siedenden Flüssigkeit gelöst, die nach dem Abdestillieren des Aethers fttr sich destilliert werden soll. Würde man nun einen großen Kolben anwenden, welcher die ganze Menge der ätherischen Lösung fassen kann, so hätte man nach dem Verjagen des Aethers die Flüssigkeit in einem unverhältnismäßig großen Gefäß und würde durch Umgießen in ein Destilliergef&ß von angemessener Größe beträchtlichen Verlust erleiden. Man benutzt daher von vornherein einen Siedekolben von solcher Größe, daß er voraussichtlich znr Aufnahme der rückständigen Flüssigkeit passen wird, befestigt im Hals desselben mittels eines durchbohrten Korkes einen Tropftrichter mit Glasbahn, steckt die Kugel des Siedekolbens in ein warmes Wasserbad und verbindet sein Abflußrohr mit einem Wasserkühler; nun läßt man aus dem Tropftrichter die ätherische Lösung allmählich in den Siedekolben fließen in demselben Maße wie der Aether abdestilliert. So gelingt es, ohne erbeblichen Verlust die im Aether gelöste Substanz nach dem Abtreiben des Aethers unmittelbar in einem für die weitere Destillatioa passenden Gefäß zu erhalten.

Von technischen Verwendungen des Aethers sei seine Benutzung zur Herstellung des Collodiums und der Kunstseide, sowie zur Reinigung der Schießbaumwolle für die Darstellung von Sprengstoffen erwähnt1. Bevor die iiüssige Luft als Kälteerzeugungsmittel zur Verfügung stand, bediente mau sich zur Erzielung tiefer Temperaturen häufig ebenfalls des Aethers; so erreicht man durch Verrühren von festem Kohlendioxyd mit absolutem Aether eine Abkühlung auf — 79-5°, im Vacuum sogar auf - 108 0 2 . Der Diäthyläther tritt mit vielen anderen Substanzen zu A d d i t i o n s p r o d u k t e n (vgl. S. 290—292) zusammen. Mit Brom 3 entstehen bei sehr niedriger Temperatur (—95°) rotgelbe Nadeln, die bei —40° schmelzen und die Zusammensetzung C 4 H 10 O.Br 2 zeigen; durch Vereinigung bei gewöhnlicher Temperatur erhält man ein Oel, das unter 0° zu chromsäureähnlichen Krystallen vom Schmelzpunkt + 2 2 ° und der Zusammen1

Ucber einen Versuch, den Aether zum Carburieren von Luftgas heranzuziehen,

vgl. LINAU, C . 1 9 0 4 , I I , !

1266.

ABCHIBALD, MC INTOSD, A m . S o c . 2 6 , 3 0 6 ( 1 9 0 4 ) .

» SCHÜTZENBEBGER, A . 1 6 7 , 8 6 ( 1 8 7 8 ) . — M c INTOSH, S o c . 8 7 , 7 8 9 (1905).

296

AddilionsprodukLc

des

Aethers.

sctzung C4H10O-Br3 erstarrt. — Mit Jodwasserstoff1 entsteht ein weißes, krystallinisches, bei — 18° schmelzendes Produkt C4H,0O*HJ. — Die Magnesiumjodidverbindang2 MgJs-2C4H10O — farblose Prismen vom Schmp. 52—53° — entsteht in heftiger Reaktion, wenn man Jod mit Magnesium unter Aether zusammenbringt, während Jod in Benzol oder Schwefelkohlenstofflösung nicht mit Magnesium reagiert; sie kann weit aber ihren Schmelzpunkt ohne Zerfall erhitzt werden, erst gegen 190° beginnt Aether abzudestillieren. Von Wasser aber wird sie stürmisch zersetzt; beim Erwärmen mit Benzoylchlorid erfolgt eine Zerlegung in Magnesiumchlorid, Aethyljodid und Benzoesäureäthylester, die man im Sinne der Oxoniumtheorie gnt durch die Gleichung: CjH,^^) Ö

JS^^-CJHJ 0

+ 2C,H 5 .C0C1 = 2C T H,J + 2 C , H , C O O C , H , + MgCl,

wiedergeben kann. — Als Beispiele weiterer Additionsprodukte s mit Metalloid- und Metall-Halogeniden-seien die krystallinischen Verbindungen HgBra-8C4H10O, SnCl^C4H10O, TeCl t .4C 4 H 10 O genannt Gegen höhere Temperaturen ist der Aether ziemlich unempfindlich, erst oberhalb 500° zersetzt er sich merklich, bei 550° liefert er große Mengen Acetaldehyd4. Am Licht oxydiert sich der Aether unter Bildung von Wasserstoffsuperoxyd, Acetaldehyd und E s s i g s ä u r e n e b e n diesen finden sich — da Oxydations- und hydrolytische Prozesse häufig gleichzeitig eintreten 6 — noch Alkohol und dessen Essigsäureester. Durch katalytisch wirkende Metalle, wie Kupfer oder Platin 7 , lassen sich diese Vorgänge wesentlich beschleunigen. Aether, auf Platinschwarz getropft, entzündet sich. Wenn man durch reinen Aether längere Zeit ozonhaltige Luft leitet oder ihn mit Wasserstoffsuperoxyd anhaltend schüttelt, so bilden sich kleine Mengen von Vinylalkohol CH2:CH(OH). Letzterer entsteht 1

ARCHIBALD, MO INTOSB, SOC. 8 5 , 925 (1904). — Mc INTOSB, A m . Soc. 2 7 , 2«

(1905). — Additionsprodukte mit Salpetersäure und Chlorsulfonsäure: Mc INTOSH, Am. Soc. 27,1013 (1905). — Additionsprodukt mit Ferrocyanwaaserstoff: £TADD, B£IIOHT, C. r. 99, 972 (1884). BAEYEB, VILUQEB, B. 34, 2688 (1901); 36,1205 (1902). BBOWMINO, B. 36, 93 (1902). ' ZELINSKY, C. 1 9 0 3 , I I , 277. — MEKSCBUTJUN, C. 1 9 0 3 , I I , 1237. — BLAISE,

C. r. 139, 1211 (1904); 140 , 661 (1905). — Vgl. auch: HOLHOYD, P. Ch. S. 20, 39 (1904). — ABBENS, STAPLER, B. 38, 3259 (1905). * Vgl.: KUHLXANH, A. 3 3 , 107 (1840). — Nicsiis, J . 1861, 199, 593; 1864, 252. — BEOSON, A. 180, 236 (1876). — RUST, B. 3 0 , 2828 (1897). — WALKER, SPENCBR, SOC. 8 6 , 1106 (1904). — STÄBLEB, DENK, B. 3 8 , 2617 (1905). — STÄHLE»,

B. 38, 2620 (1905). 4 LIBBIO, A. 14, 134 (1835). — Ueber die Theorie des Vorganges, sowie die hierbei auftretenden Nebenprodukte vgl. NEF, A. 318, 198 (1901). * RICHARDSON, FOBTEY, Soc. 6 9 , 1352 (1896). * BERTHELOT, C. r. 1 2 9 , 627 (1899).

7

TBILLAT, C. r. 1 3 7 , 187 (1903).

Oxydationsprodukte

des Aethers.

297

aber unter gleichzeitiger Bildung von Wasserstoffsuperoxyd1 auch schon bei der Einwirkung des atmosphärischen Sauerstoffs auf den Aether:

Vinylalkohol ist daher ein ständiger Begleiter des Aethers2. Man erkennt seine Gegenwart, wenn man ein klares Gemisch von 4-5 Vol. einer gesättigten Kaliumbicarbonatlösung und 1 Vol. gesättigter Quecksilberchloridlösung mit dem Aether durchschüttelt, daran, daß sich nach 10 — 20 Minuten in dem wäßrigen Teil der Mischung ein weißer amorpher Niederschlag (Vinylquecksilberoxychlorid Hg3Cl1OaCiH3) bildet8. Den Vinylalkohol entfernt man durch Destillation des Aethers mit Phenylhydrazin, wobei er als Acetaldehyd-Phenylhydrazon CH 3 -CH:NNH-O e H 6 zurückbleibt, oder auch durch wiederholtes Schütteln mit Wasser oder obiger Quecksilberoxychloridlösung, ferner durch Behandeln mit Brom oder Kaliumhydroxyd. Es sind mehrfach beim Abdampfen von Aether, der längere Zeit aufbewahrt war, heftige Explosionen vorgekommen4; sie sind wahrscheinlich auf die Gegenwart des Aethylsuperoxyds (s. u.) oder aber auf das Vorhandensein von Wasserstoffsuperoxyd, welches bei der Lufteinwirkung neben Vinylalkohol bzw. durch Hydrolyse des Aethylsuperoxyds entstanden ist, zurückzuführen. Man reinigt den Aether von Wasserstoffsuperoxyd, indem man ihn mit wäßriger schwefliger Säure schüttelt und dann von schwefliger Säure wieder durch Schütteln mit Kalkmilch befreit. Beim Einleiten von trockenem Ozon in absoluten Aether bildet sich A e t h y l s u p e r o x y d 5 (C2H5)403 (?): ein dicker Syrup, der bei —40° nicht erstarrt und sich mit Wasser unter Zerfall in Alkohol und Wasserstoffsuperoxyd mischt. Beim Erhitzen destilliert er teilweise Uber, zuletzt aber tritt eine heftige Explosion ein. Die Bildung dieses gefährlichen Stoffes scheint auch vielfach unter anderen Bedingungen, deren genaue Festlegung bisher noch nicht möglich ist, vor sich gehen zu können, so daß, speziell beim Eindampfen fetthaltiger Aetberextrakte, Vorsicht geboten ist". Vermutlich enthält sogar jede Aetherprobe, die in nicht ganz ge1

V g l . : DUNSTAN, DYMOND, SOC. 6 7 , 9 8 8 (1890). — RICHABDSON, SOC. 5 9 , 51 (1891).

» POLECK, THÜMMEL, B. 2 2 , 2863 (1889). — Nach NEF [A. 298, 32« (1897)] handelt es sich nicht um Vinylalkohol, sondern um Divinyläthcr (CH,: CPI^O. * Nach MATIQNON [C. r. 138, 82 (1904)] kann man einen selbst geringen Vinylalkoholgehalt des Aethers leicht an der rosa bis rotbraunen Färbung erkennen, die beim Schütteln mit Pyrogallus- und Vanadinsäure auftritt 4

V g l . : KÖMIO, L a n d w i r t s c h a f t . V e r s u c h s s t a t i o n e n 3 7 , 1 (1890). — C h . 8 . 7 , 1 5 (1891). 8

CLEVE, P .

BERTHELOT, Bl. [2] 36, 72 (1881).

• SCHÄR, C . 1 8 8 7 , 1 , 1100. — v. NEANDER, C h . Z . 2 8 , 336 (1902). — KLEXANK,

Ch. Z. 2 8 , 385 (1902). — Vgl. auch IIERTKORK, Ch. Z. 2 8 , 407 (1902).

298

Alkylperoxyde.

füllten Flaschen längere Zeit dem Licht ausgesetzt wurde, geringe Mengen von Peroxyden 1 ; hierauf deuten wenigstens die zum Teil recht energischen Oxydationswirkungen hin, welche derartiger Aether auszuüben vermag2. Aber auch bei Abschluß von Luft und Licht ist die Oxydation nicht ganz zu hindern. Der reinste „Aether pro narcosi" hält sich daher nur wenige Wochen in dem reinen, von den Arzneibüchern vorgeschriebenen Zustande. Bei der l a n g s a m e n V e r b r e n n u n g d e s A e t h e r a — wenn man Aetherdampf mit Luft gemengt über schwach glühende« Platin streichen läßt, wobei man im Dunkeln das Auftreten einer mattblauen Flamme beobachtet, — erhält man durch Kondensation der Vcrbrennungsprodukte eine saure Flüssigkeit: die sogenannte A e t h e r - o d e r L a m p e n s ä u r e . Sie ist ein Gemisch von verschiedenen Substanzen; Ameisensäure, Essigsäure, Formaldehyd, Acetaldehyd sind in ihr enthalten, ferner eine eigentümliche krystallisierbare Substanz: das H e x a o x y m e t h y l e n h y p e r o x y d * (CHjO),Oä -f- 3H s O, dessen wäßrige Lösung mit Alkalien Wasserstoff unter gleichzeitiger Bildung von Ameisensäure entwickelt und aus Jodkalium in schwefelsaurer Lösung Jod abscheidet.

III. Alkylperoxyde. Die beiden Wasserstoffatome des Hydroperoxyds (Wasserstoffsuperoxyds) HO «OH lassen sich durch Behandlung mit Dialkylsulfaten (vgl. S. 307—308), wie B A E Y E B und V I L L I G E R 4 fanden, in alkalischer Flüssigkeit nacheinander durch Alkyle ersetzen. Von den so entstehenden Verbindungen Alk-O-O-H und Alk-0-0-Alk sind bisher nur die Aethylderivate genauer untersucht; welche Konstitution das bei der Oxydation des Diäthyläthers auftretende Superoxyd von B E B T H E L O T (vgl. S. 297) besitzt, ist noch ungewiß. Das Aethylhydroperoxyd C 2 H 5 -0 0>H konnte seiner explosiven Eigenschaften wegen bisher nicht in wasser- und alkoholfreiem Zustande hergestellt werden; aus der konzentrierten wäßrigen Lösung wird es durch Ammoniumsulfat als mit Wasser, Alkohol und Aether mischbares Oel, dessen Kochpunkt etwas unter 100° liegt, ausgesalzen. Sein Geruch erinnert an Ohlorkalk und Acetaldehyd. Die gut haltbare wäßrige Lösung zeigt im Gegensatz zum Hydroperoxyd reduzierende Wirkungen nur in geringem Maße, vorwiegend dagegen oxydierende Eigenschaften. Fein verteiltes Silber wandelt sie in das Oxyd um, wobei gleichzeitig katalytischer Zerfall eines Teiles des Aethylhydroperoxyds in Aethylalkohol und Sauerstoff eintritt Quecksilber wird von den Dämpfen des 1 Ueber den Nachweis dieser Peroxyde mit Yanadins&ure vgl. JORISSBH, C. 1803, I , 1278. — Nach RAMBAY [Ph. Ch. 14, 487 (1894)] kann man das Peroxyd durch Schütteln mit Quecksilber zerstören, nachdem man zuvor durch mehrtägiges Digerieren des Aethers mit Phosphorsäureanhydrid Wasser und Alkohol entfernt hat. ' DitZJ Ch. Ztg. 25, 111 (1901); 29, 705 (1905); B. 38, 1409 (1905). — RosBoI.IMO, B. 38, 774 (1905). 8 LEOLEB, A. 217, 381 (1883); B. 18, 3343 (1885). * B. 33, 3387 (1900): 34, 738 (1901).

Alkylester der

Mineralsäuren.

299

Peroxyds geschwärzt, von den Lösungen in eine schwarze Masse, in gelbes Oxyd oder in weiße Krystalle verwandelt. Das Aethylhydroperoxyd hat schwach saure Eigenschaften und bildet ein krystallisierendes, ebenfalls explosives Bariumsalz (C2H602)aBa + 2H s O. Säurechloride oder -anhydride wandeln das Peroxyd in Aethylester von Persäuren um. Das Diäthylhydropcroxyd CgHg-OO-CjHj ist eine äthylbromidartig riechcnde, bei 65° siedende Flüssigkeit vom spezifischen Gewicht D : 0-8273, die in Wasser schwer löslich, mit Alkohol und Aether mischbar ist. Durch einen etwa 250° heißen Glasstab wird sie zur Entzündung und lebhaften Verbrennung gebracht Das Gemisch der Dämpfe mit Luft oder Sauerstoff ist sehr stark explosiv, während Explosionen der Substanz für sich (durch Schlag oder Ueberhitzen der Dämpfe) nicht beobachtet wurden« Die wäßrige Lösung zeigt die Hydroperoxydreaktionen gar nicht oder doch nur langsam. Von Zinkstaub wird das Diäthylhydroperoxyd in eisessig-schwefelsaurer Lösung quantitativ zu Alkohol reduziert; bei der Oxydation durch langsame Verbrennung treten Aethan, Formaldehyd CH 2 0 und Kohlenoxyd auf.

IV. Alkylester der Mineralsäuren. Zusammensetzung, Konstitution and Einteilung.

Von den

Aethern, welche in ihrem Molecül zwei Alkoholreste durch ein Sauerstoffatom verknüpft enthalten, unterscheidet man nach einem Vorschlage von GMELIN diejenigen Verbindungen, in deren Molecül ein Sauerstoffatom mit einer Valenz einen Alkoholrest, mit der anderen einen Säurerest bindet, wie

NO>u

NOs>u

Ctt.-CCp^'

ats Ester. Im Sprachgebrauch wird diese zweckmäßige Unterscheidung freilich leider nicht immer festgehalten, wie die ihr widersprechenden, sehr gebräuchlichen Bezeichnungen Salpeteräther (für CjHg'O-NOj), Essigäther (CaH6 • 0 • CO • CH3) u. a. zeigen. Die Ester können einerseits als Alkoholabkömmlinge aufgefaßt werden, welche das WasserstoiFatom der alkoholischen Hydroxylgruppe durch ein Säureradical ersetzt enthalten, z. B. Aethylnitrit C a H 6 -0-N0, Aethylnitrat C^-O-NO,, (aus C J H J - O H ) usw. Sie können aber ebensogut als Abkömmlinge der Säuren angesehen werden — entstanden durch Eintritt eines Alkoholradicals in die Hydroxylgruppe des Säuremolecüls: Salpetrigsäure - äthylester N 0 - 0 • C2H6 (aus NO-OH), Salpetersäureäthylester N0 2 • 0 • C2H6 (aus NO,-OH). Der Alkylrest ist in ihnen auf gleiche Weise gebunden, wie das Metallatom in den Salzen der Säuren. Diese Auffassung ihrer Konstitution findet ihre Begründung hauptsächlich in der Bildung der Ester durch doppelte Umsetzung zwischen Metallsalzen und Alkylhalogeniden: S0,(0 • A.g\ + 2 C.H5 J = S0t(0-CsH5\ + 2AgJ.

900

Esiersänrm und neutrale Ester.

Alle anderen Bildangweisen und Reaktionen stehen mit ihr im besten Einklang, wie unten hervortreten wird. Von mehrbasischen Säuren können sich mehrere Arten von Estern ableiten, je nachdem die Hydroxylgruppen des Säuremolecttls sämtlich oder nur zum Teil esterifiziert sind, z. B.: s o

'.C1 -1- S0 4 = CH, 0 SO.C1. E s t e r d e r C h l o r s ä u r e sind nicht bekannt. 1

Sandneykb, B. 18, 1767 (1685); 18, 857 (1886). — Nef, A. 287, 274 (1895).

302

Ester der UeberchUrraäure.

Der Aethylester der UeberehlorsXure C,H, - 0 • CIO, entsteht durch Destillation eines Gemenge» vcn Bariumperchlorat and Sthylschwefelsaurem Barium: BatClO^ + BaiS04 • CJHJ), = 2BaS0 4 + 2C 3 H,C10 4 ; er ist eine farblose Flüssigkeit, die im trocknen Zustand derart explosiv ist, daß sie schon beim Umgietien detoniert; unter einer dünnen Wasserschicht läßt er sich aber anzersetzt bei 74" destillieren1.

2. E s t e r der s c h w e f l i g e n S ä u r e und der S c h w e f e l s ä u r e . Für die schweflige Säure H 2 SO, sind bekanntlich die symmetrische Formel I und die asymmetrische Formel II in Betracht zu ziehen: I. o J f K g g

II. 2 > £ c S h

IIL

0>S BEWAD, B . 2 6 Ref., 571 (1892). — 0 1 LÖWENHERZ, Ph. Ch. (1890). — •» BRÜHL, Ph. Ch. 1 6 , 214 (1895). — 8S v. SCHNEIDES, Ph. Ch. 2 2 , —

352.

A. 1 1 1 , 82 (1859). — CHAPMAN, Z. 1 8 6 6 , 570; 1 8 6 7 , 734. — RIECKHEB, J . 1 8 4 7 / 4 8 , 699. — »• W . HOPMANN, J . pr. [1] 4 6 , 358 (1846). — M W D B T Z , A. 8 3 , 120 (1855). — EICHLEB, B. 1 2 , 1887 (1879). — " CHAMPION,

GTÜTHBIE,

558 (1897).

6 , 55G, 233

214.

4. E s t e r der S ä u r e n des P h o s p h o r s und Arsens. Die n e u t r a l e n E s t e r d e r phosphorigren Säure ( A l k y l p h o 8 p h i t e ) , P ( 0 - C n H t n + 1 ) a entstehen durch Einwirkung yon Phospbortrichlorid auf Natriumalkylate: PCI, + 8 N a O - C u H t n + 1 > RAILTON, MANN, A . 1 7 6 ,

A.

92,

8 (1875).

348 (1854). — —

P ( 0 - C u H t D + l ) 3 4- 3N&CI.

WICHELBADS, A .

Suppl.

6,

GEVTHKB, A . 2 2 4 , 2 7 4 ( 1 8 8 4 ) . —

262 (1868). —

ZIMMER-

JAHNE, A . 2 6 6 ,

269

Ester der phosphorigen

Säure und

Phosphorsäurc.

313

T r i f i t h y l p l i o s p h i t : P(O.C,H,), aiedet bei 155—156°, besitzt bei 0° das spez. Gew. 0-9777, riecht angenehm ätherisch uml geht leicht durch freiwillige Oxydation in Triäthy lpliosphat: PO(OC t H 5 ), über. Beim Erhitzen mit Methyljodid auf 220° entstehen Methylphosphineäure (Kap. 6, Abschnitt 1), Aethyljodid und Aethylen, neben kleinen Mengen phospboriger Säure und Phosphorsäure 1 . — Beim Eintragen von Phosphortrichlorid in Alkohole bilden sich sehr unbeständige E a t e r s f i u r e n 1 : m o n o a l k y l p h o s p h o r i g e S ä u r e n (C n H l n + ,-())P(OH)„ z. B.: PCI, + 3 C,H, • OH = (C,H 6 0)P(0H), + 2C,H s C1 + HCl. Sie sind isomer mit den Phosphinsäuren (C„H ln+1 )PO(OH) J (vgl. Kap. 6, Abschnitt 1). — Ihre C h l o r i d e ' : (C n H, n + 1 -0)PC1, entstehen, wenn man Alkohole in die äquivalente Menge Phosphortricblorid einfließen läßt: PCI, + OH-CJHJ

=

HCl + PCI. 0

C.H».

Das A e t h o x y l p h o s p h o r d i c h l o r i d (Aethylphosphorigsäurechlorid): PCl^O-CgH,) siedet bei 117° und wird von Wasser heftig unter Bildung von phosphoriger Säure, Salzsäure und Alkohol zersetzt — D i ä t h y l p h o s p h o r i g e S ä u r e * entsteht durch Auflösen von Phosphoroxyd (P 4 0 ( ) in Alkohol, wobei eine heftige, durch starke Abkühlung zu mäßigende Reaktion eintritt; sie bildet eine farblose, schwach saure, knoblauchartig riechende Flüssigkeit, deren .Dainpf giftig wirkt; im Kohlensäure«trom siedet sie ohne Zersetzung bei 184—185°; ihr spes. Gew. beträgt 1-075 bei 15-5°. Von Wasser wird sie leicht in Alkohol und phosphorige Säure zersetzt. Die auch aus phosphorigsaurem Blei and Aethyljodid bei 175° entstehende Verbindung ist auf Grund der Tatsache, daß bei der Behandlung mit Natrium und dann mit Aethyljodid Aetbylphosphinsäurediäthylester C t H 5 -PO(OC t H s ), (Kap. 6, Abschnitt 1) entsteht, wahrscheinlich H • PO(OC t H ( ) t zu formulieren und demgemäß von der asymmetrischen Formel H-PO(OH), der phosphorigen Säure abzuleiten 5 . Ester der Phosphorsäure 6 : Bei der Reaktion von starker Phosphorsäure oder von Phosphorozychlorid (POC1,) mit Alkoholen bilden sich je nach den Mengenverhältnissen und Bedingungen der Einwirkung M o n o a l k y l p h o s p h o r s ä u r e n ( C n H t n + l • 0)P0(0H),, D i a l k y l p h o s p h o r s ä u r e n ( C n H , n + t O ) 4 P O O H oder T r i a l k y l p b o s p h a t c (C„H, n + 1 -O^PO. Bei Einwirkung von Phosphorsäureanhydrid auf die mit absolutem Aether verdünnten Alkohole entstehen Gemische der Monoalkyl- und Dialkyl-Phosphorsüurcnwährend man die Trialkylester durch Umsetzung von Silberphosphat mit Alkyljodiden gewinnt 8 . Die Estersäuren sind syrupöse, (1890). — ZECCHINI, Ph.Ch. 16, 243 (1895). — Aratrsow, B. 3 8 , 1171 (1906) — Esterifizierung der phosphorigen Säure: A. SACHS, LEVITSKY, C. 1 9 0 3 , II, 22. 1 MICHAELIS, KAEHNE, B. 3 1 , 1 0 5 3 (1898). • WDBTZ, A . 6 8 , 72 (1846). — SCHIPP, A . 1 0 3 , 164 (1857). ' MENSCHDTKIN, A . 1 3 9 , 3 4 3 (1866). — CHAMBOW, J . 1 8 7 0 , 205. — KOWALEWSKY, C . 1 8 9 7 , I I , 333. 4 THORPE, NORTH, SOC. 5 7 , 6 3 4 (1890). I MICHAELIS, BECKER, B . 3 0 , 1 0 0 5 (1897). — V g l . d a g e g e n LEVITSKY, C. 1 9 0 3 , I I , 22. • LASSAIUNE, A . c h . [2] 1 3 , 294 (1820). — PELOCIZE, A . 6 , 129 (1833). — LIEBIO,

A. 0, 149 (1833). — VOEOELI, A. 6 9 , 180 (1849). — v. CLERMONT, A. 91, 375 (1854). — SCHIFF, A . 1 0 1 , 306 ( 1 8 5 7 ) ; 1 0 2 , 334 (1857). — LIMPRICHT, A . 1 3 4 , 347 (1865). — CHORCII, J . 1 8 6 5 , 4 7 2 . — CARIOS, A . 1 3 7 , 121 (1866). — WICHELHADS, A . S u p p l . 6 , 2 6 2 (1868). — GEUTHER, BROCKHOFF, J . p r . [2] 7 , 1 0 1 (1873). — ARBDSOW, B . 3 8 , 1 1 7 1 (1905). 7

CAVALIEB, BL. [3] 1 9 , 883 (1898).

A. ch. [7] 1 8 , 449 (1899).

(1904). — CAVALIEB, PROST, BL. [3] 2 3 , 6 7 8 (1900). • LOSSEN, KOHLES, A . 2 6 2 , 209 (1891).

C. r. 1 3 8 , 762

314

Arsenigsäure-, Arsensäure und Borsäure-Ester.

geruchlose Flüssigkeiten, ihre Salze sind krystallisierbar; die Salze der Dialkylphosphoraäuren sind leichter löslich als diejenigen der Monoalkylphosphors&uren. Die neutralen Ester sind destillierbare Flüssigkeiten. T r i m e t h y l p h o s p h a t P0(0-CH,), siedet bei 192—193° and besitzt das spez. Gew. 1-2148 bei 0°; T r i ä t h y l p h o s p h a t P 0 ( 0 - C , H ^ siedet bei 215—216° und besitzt bei 0° das spez. Gew. 1-0897. Aus pyrophosphorsaorem SiIber nndAethyljodid i a t T ö t r a ä t h y l p y r o p h o s p h a t (C,H5 • 0) 4 P,0, als eine zähe Flüssigkeit vom spez. Gew. 1-172 bei 17" erhalten worden. Die neutralen Ester der arsenlgen 88ure 1 (C n H t n + 1 0) 3 AB wurden aus arsenigsaurem Silber und Alkylhalogeniden gewonnen, ebenso ans arsensaurera Silber und Alkylhalogeniden die nentralen Ester der ArsensSure 1 (C a H l n + 1 -O^AsO. Estersäuren, die Bich von der arsenigen Stare oder der Arsensfinre ableiten, sind nicht bekannt. T r i ä t h y l a r s e n i t As(0-C t H ( ^ siedet bei 165—166° und besitzt bei 0° das spez. Gew. 1-224. T r i ä t h y l a r s e n i a t AsO(0-C t H^ siedet unter 60 mm Druck bei 149 spez. Gew. bei 0*: 1-326.

5. ß o r s ä u r e e s t e r 2 . Die neutralen Alkylborate B(0-C n H l n + l )i, entstehen durch Einwirkung von Bortrichlorid auf Alkohole, bei der Destillation von Borax mit Stherschwefelsauren Salzen und durch Erhitzen von Borsäureanhydrid mit Alkoholen. Sie sind unzersetzt flüchtig ( T r i m e t h y l b o r a t siedet bei 65°, T r i ä t h y l b o r a t bei 120°), brennen mit grüner Flamme (es beruht hierauf der bekannte Nachweis der Borsäure durch Flammenfärbung) und werden durch Wasser sofort in Borsäure und Alkohole zersetzt. Beim Erhitzen mit Borsäureanhydrid liefern sie die nicht unzersetzt flüchtigen syrupösen A l k y l m e t a b o r a t e : [B0(0-C„H, n+ ,)] 11 . — Bei der Einwirkung von Borfluorid auf Alkohole bilden sich Doppelverbindungen, die bei höheren Temperaturen unter Abspaltung von Fluorwasserstoff in D i f l u o r b o r s ä u r e e s t e r des Typus BF,(0 • C„H f n + t ) übergehen 3 .

6. K i e s e l s ä u r e e s t e r 1 . Bei der Einwirkung von Chlorsilicium auf Alkohole entstehen zugleich Tetraalkylsllfcate Si(0-C a H, n + 1 ), und Hexaalkyldlslllcate Si 1 0(0-C n H l n + 1 ),; T e t r a ä t h y l s i l i c a t siedet bei 165°, H e z a & t h y l d i s i l i c a t bei 235—237°. Durch Wasser werden diese Ester allmählich unter Abscheidung von Kieselsäure zersetzt. Sie sind leicht entzündlich, verbrennen mit glänzend weißer Flamme und besitzen angenehmen Geruch. Aus den Tetraalkylsilicaten entstehen durch Erhitzen mit Siliciumchlorid je nach den angewendeteu Mengenverhältnissen die unzersetzt flüchtigen Chloride: SiCl(0-C n H, n + 1 ),, SiCl,(O C n H t I 1 + I ), oder SiCI„(0-C n H, n+1 ); bei der Einwirkung von Alkoholen tauschen diese ihr Chlor wieder leicht aus, und es können daher mit ihrer Hülfe gemischte Alkylsilicate, wie z. B. Si(0-C,H5)(0-CH3)a, erhalten werden. Von Aluminiumchlorid werden die Kieselsäureester unter Abspaltung von Alkylchloriden zersetzt 6 . 1

SCHIFF, A . 111, 370 (1859). — CRAFTS, BL. [2] 1 4 , 99 (1870). EBELMEN, BoüftCET, A . 6 0 , 25T (1846). — KOSE, J. 1 8 5 8 , 574. — FRANKLAND, A . 1 2 4 , 131 (1862). — SCHIFF, A . S u p p l . 6 , 154 (18C7). — GHIRA, G. 2 3 , I I , 9 (1893). — COPAUX, C. r . 1 2 7 , 719 (1898). BL. [3] 2 1 , 776 (1899). * GASSEUN, A . c h . [7] 3 , 14, 42 (1894). 4 EBELMEN, A . 5 7 , 331 (1846). — FKIEDEL, CBAFTS, A. ch. [4] 9 , 5 (1866). — FRIEDEL, LADF.NBUBO, A . 1 4 7 , 362 (1868). — CAHODRS, J . 1 8 7 4 , 3 4 9 , 497. — KLIPPEBT, B . 8 , 7 1 3 (1875). 5 STOCES, A m . 1 4 , 4 3 8 (1892). S

315

Kieselsäureester.

Aus Siliciumchloroform SiHCl, entstehen durch Umsetzung mit Alkoholen die Trialkylester der Siüclumorthoamelsenslinre 1 SiH(OR),. Es sind dies nnsenetst siedende Flüssigkeiten, die eich mit Kalilauge sofort unter Wasserstoffentwicklung und Abscheidung von Kieselsäure zersetzen und beim Erhitzen mit Natrium reinen SiliciumWasserstoff liefern. Ueber Ester der Kohlensäure vgl. das Kapitel 41: „Kohlensäurederivate".

V i e r t e s KapiteL

AlkylVerbindungen, deren Alkylrest an Schwefel (Selen oder Tellur) gebunden ist. (Mercaptane, Sulfide, Sulfoniumverbindungen, Di- und Polysulfide, Snlfoxyde and Sulfone, Sulfonsäuren und Thiosulfonsäuren, Thioschwefelsäuren, Sulfinsfturen.)

U e b e r s i c h t ü b e r die s c h w e f e l h a l t i g e n V e r b i n d u n g a t y p e n : Werden im Schwefelwasserstoff nacheinander die beiden Wasserstoffatome durch Alkylreste vertreten, so entstehen die Verbindungsformen: C n H, n+1 .

und

Die Verbindungen der ersteren Form können als A l k y l s u l f h y d r a t e , diejenigen der letzteren Form als A l k y l s u l f i d e bezeichnet werden, entsprechend den anorganischen Schwefelwasserstoffabkömmlingen NaSH, Natriumsulfhydrat, und Na,S, Natriumsulfid. Man erkennt in ihnen sofort die schwefelhaltigen Analoga der Alkohole und Aether; Alkylsulfhydrate sind T h i o a l k o h o l e , Alkylsulfide sind T h i o ä t h e r . Die Sulfhydrate werden gewöhnlich M e r c a p t a n e genannt (Begründung dieses Namens s. S. 319); nach der Genfer Nomenklatur sind sie als „ T h i o l e " zu bezeichnen, indem man das Suffix „ t h i o l " an den Namen des zugrunde liegenden Kohlenwasserstoffs anhängt Entspricht nun auch die Konstitution der Mercaptane und Sulfide vollkommen derjenigen der Alkohole und Aether und ist daher das Verhalten der beiden Körperklassen in vielen Stücken ein gleichartiges, so sind doch andererseits die schwefelhaltigen Verbindungen zu manchen Umwandlungen fähig, die an ihren sauerstoffhaltigen Konstitutionsanalogen nicht ausgeführt werden können. Diese Verschiedenheit ist bedingt durch Eigentümlichkeiten der Schwefelatome, besonders durch die Neigung, sich miteinander zu verketten, und durch ibre Fähigkeit, unter Verbindung mit Sauerstoff eine höhere Valenz anzunehmen. Diese Umstände ermöglichen die Existenz von eigenartigen schwefelhaltigen 1

PRIEDEL, LADENBCHO,

A. 143, 123 (1867). —

TACRKE,

B. 38, 1661 (1905).

315

Kieselsäureester.

Aus Siliciumchloroform SiHCl, entstehen durch Umsetzung mit Alkoholen die Trialkylester der Siüclumorthoamelsenslinre 1 SiH(OR),. Es sind dies nnsenetst siedende Flüssigkeiten, die eich mit Kalilauge sofort unter Wasserstoffentwicklung und Abscheidung von Kieselsäure zersetzen und beim Erhitzen mit Natrium reinen SiliciumWasserstoff liefern. Ueber Ester der Kohlensäure vgl. das Kapitel 41: „Kohlensäurederivate".

V i e r t e s KapiteL

AlkylVerbindungen, deren Alkylrest an Schwefel (Selen oder Tellur) gebunden ist. (Mercaptane, Sulfide, Sulfoniumverbindungen, Di- und Polysulfide, Snlfoxyde and Sulfone, Sulfonsäuren und Thiosulfonsäuren, Thioschwefelsäuren, Sulfinsfturen.)

U e b e r s i c h t ü b e r die s c h w e f e l h a l t i g e n V e r b i n d u n g a t y p e n : Werden im Schwefelwasserstoff nacheinander die beiden Wasserstoffatome durch Alkylreste vertreten, so entstehen die Verbindungsformen: C n H, n+1 .

und

Die Verbindungen der ersteren Form können als A l k y l s u l f h y d r a t e , diejenigen der letzteren Form als A l k y l s u l f i d e bezeichnet werden, entsprechend den anorganischen Schwefelwasserstoffabkömmlingen NaSH, Natriumsulfhydrat, und Na,S, Natriumsulfid. Man erkennt in ihnen sofort die schwefelhaltigen Analoga der Alkohole und Aether; Alkylsulfhydrate sind T h i o a l k o h o l e , Alkylsulfide sind T h i o ä t h e r . Die Sulfhydrate werden gewöhnlich M e r c a p t a n e genannt (Begründung dieses Namens s. S. 319); nach der Genfer Nomenklatur sind sie als „ T h i o l e " zu bezeichnen, indem man das Suffix „ t h i o l " an den Namen des zugrunde liegenden Kohlenwasserstoffs anhängt Entspricht nun auch die Konstitution der Mercaptane und Sulfide vollkommen derjenigen der Alkohole und Aether und ist daher das Verhalten der beiden Körperklassen in vielen Stücken ein gleichartiges, so sind doch andererseits die schwefelhaltigen Verbindungen zu manchen Umwandlungen fähig, die an ihren sauerstoffhaltigen Konstitutionsanalogen nicht ausgeführt werden können. Diese Verschiedenheit ist bedingt durch Eigentümlichkeiten der Schwefelatome, besonders durch die Neigung, sich miteinander zu verketten, und durch ibre Fähigkeit, unter Verbindung mit Sauerstoff eine höhere Valenz anzunehmen. Diese Umstände ermöglichen die Existenz von eigenartigen schwefelhaltigen 1

PRIEDEL, LADENBCHO,

A. 143, 123 (1867). —

TACRKE,

B. 38, 1661 (1905).

316

Uebersichi über die schwefelhaltigen Verbindungstypen.

Verbindungsklaseen, die im folgenden einer kurzen Uebersicht unterzogen werden sollen. Wenn Alkohole oder Aether Oxydationswirkungen ausgesetzt werden, so erstreckt sich die Oxydation sofort auf den Alkylrest; die Oxydationsprodukte — Aldehyde, Ketone, Carbonsäuren — enthalten nicht mehr denselben Alkylrest, welcher in der Ausgangwubstanz mit Sauerstoff in Verbindung stand. Die entsprechenden Schwefelverbindungen dagegen können in eine Reihe von Oxydationsstufen übergehen, welche den Alkylrest noch ganz unverändert enthalten; die Wirkung des Oxydationsmittels richtet sich bei ihnen zunächst lediglich auf das Schwefelatom bzw. das damit verbundene Wasserstoffatom. So entstehen durch gelinde Oxydation der Mercaptane die sehr beständigen Disulfide: C D H tB+1 .8-S.C n H ln+1 , indem das Oxydationsmittel das Wasserstoffatom der SH-Gruppe entfernt und zwei Beste C n H an+1 -S— aneinander kettet Analoge Sauerstoffverbindungen C n H J n + 1 -0—0-C n H g n + 1 sind die viel unbeständigeren Alkylderivate des Wasserstoffsuperoxyds, die Alkylperoxyde (S. 298—299). Bei energischerer Oxydation der Mercaptane treten an das Schwefelatom, indem letzteres vier- oder weit wahrscheinlicher sechswertig wird, Sauerstoffatome heran; es entstehen die S u l f o n s ä u r e n :

Derivate der unsymmetrischen schwefligen Säure H—SOs—OH, in denen das an Schwefel gebundene Wasserstoffatom durch Alkylreste vertreten ist. Ebenso zieht das Schwefelatom der Sulfide bei energischer Oxydation unter Annahme einer höheren Valenz Sauerstoffatome an sich; so entstehen die Sulfone: bei gelinderer Einwirkung des Oxydationsmittels bleibt die Sauerstoffanlagerung nach Erreichung der Vierwertigkeit auf der Stufe der Sulfoxyde: stehen. Die Neigung des Schwefelatoms, höhere Wertigkeit anzunehmen, kann nun nicht nur durch Heranziehung von Sauerstoffatomen, sondern auch durch Anlagerung anderer Atome oder Atomgruppen befriedigt werden. So entstehen aus Sulfiden durch Addition von Alkylhalogeniden die durch besonders merkwürdige Eigenschaften ausgezeichneten Sulf o n i u m Verbindungen:

317

Mercaptane.

Unter den schwefelhaltigen Verbindungen, deren Alkylreste an Schwefel gekettet sind, müssen endlich noch die esterartigen Abkömmlinge solcher Säuren des Schwefels, welche Wasserstoff an Schwefel direkt gebunden enthalten, genannt werden. Als Abkömmlinge der unsymmetrischen schwefligen Säure H• S0 2 • OH wurden die S ulfou säuren C n H, n+1 -SO a -OH eben bereits erwähnt. Von der unterschwefligen Säure HS-SOj-OH (Thioschwefelsäure) leiten sich die Alkylthioschwefelsäuren: C„HTN+L.S.SO,-OH, IV

VI

von der einstweilen hypothetischen Säure1 H-SO OH (bzw. H-S0 2 -H) die Alkylsulfinsäuren: IV

VI

C „ H l n + 1 . S O OH bzw. C n H , n + l SO,-H

ab. 1. Mercaptane oder Alkylsnlfhydrate, Thloalkohole. Allgemeine Zusammensetzung: C n H 2 n + 1 SH. Bildungsweisen. Aus den e n t s p r e c h e n d e n Alkoholen können die Mercaptane d u r c h A u s t a u s c h des S a u e r s t o f f s gegen Schwefel erhalten werden. Der Austausch wird hier, wie in vielen anderen Fällen, durch Erhitzen mit Schwefelphosphor bewirkt (KEKULi2). Doch verläuft diese Umsetzung nicht glatt (das Mercaptan bildet sich dabei durch weitere Zersetzung primär entstandener Alkylthiophosphate3), und die Reaktion gehört daher nicht zu den praktischen Darstellangsmethoden für Mercaptane. Aus 'den Alkylhalogeniden erhält man die Mercaptane leicht d u r c h E i n w i r k u n g von alkoholischem K a l i u m s u l f h y d r a t : C.H.C1 + K-SH = KCl + C,H,-SH. Bequem ist auch die Darstellung durch Destillation von ä t h e r gchwefelsauren Salzen mit wäßrigem K a l i u m s u l f h y d r a t : C,H,0-80,.0K + K.SH = C.H.-SH + SO,(OK),. Es ist zweckmäßig, in konzentrierter Lösung und mit einem großen Ueberschuß von Kaliumsulfhydrat zu arbeiten. Man braucht nicht von reinen, krystallisierten, ätherschwefelsauren Salzen auszugehen, sondern kann die erforderliche Lösung bereiten, indem man den betreffenden Alkohol mit konzentrierter Schwefelsäure mischt, nach dem Erkalten verdünnt, mit Sodalösung schwach alkalisch macht, die alkalische Lösung stark konzentriert und nun die größte Menge des Glaubersalzes auskrystallisieren läßt. Die Mutterlauge, welche das Natriumsalz der Aether' „ ö u l f o x y l e ä u r e " ; v g l . : BEBMTHSBK, B. 3 8 , 1A51 (1905). — RBIMKINQ, DEHNEL,

LABHARDT, B. 38, 1072 (1905).

- A. 90, 311 (1854).

» Vgl.: CAMUS, A. 1 1 2 , 195 (1859); 119, 289 (1861) — KOWAI.EWSKY, A. 119,

303 (1861).

318

Bildungsweixen und Eigenschaften der Mercaptane.

schwefelsaure neben Glaubersalz enthält, wird nun nochmals durch Eindampfen konzentriert, mit einer mit Schwefelwasserstoff gesättigten Lösang von 1 Tl. Kali in 2 Tin. Wasser gemischt und die Mischung destilliert1. Theoretisch interessant (vgl. S. 330—331) ist die Bildung von Mercaptanen durch Reduktion der Alkylsulfonsäurechloride*: C,Hs.SO,Cl + 6H = C.H.SH + 2H.0 + HCl. Durch Erhitzen mit Alkohol und Natriumsulfhydrat lassen sich Säureester unter Bildung von Mercaptanen verseifen; so reagiert der Essigsäureäthylester bei 140° nach der Gleichung3: CHs.COO-C,H, + Na-SH = CH.COON» + C,H,46. 10 BERTRAM, B. 26, 63 (1892). ,l RATHKE, A. 167, 195 (1873). — KLASON, B . 20, 2376 (1887); D. R . P. 83124, B. 28 Ref., 942 (1895). *

FASBENDEB,

KEKUL£, LINNEMANN,

Aethyl- und.

321

Butylmercaptan.

von Salpetersäure zu Trichlonnethylsulfonsäurechlorid CClj-SO,Cl (s. S. 332) oxydiert. Wichtig ist seine Ueberführbarkeit in Thiocarbonylchlorid CSC1, durch Reduktion (Danteilung des Thiocarbonylcblorids): CCVSC1 + 2H = 2 HCl + Cl-CS-Cl.

A e t h y l m e r c a p t a n CaH5-SH (Aethanthiol) wurde als erster Repräsentant der Mercaptane 1833 von Z E I S E 1 entdeckt — Kühlt man seine Mischung mit Wasser unter 8° ab, so bilden sich farblose Ery stalle des H y d r a t s C2H6S + 18H,0. — Das Quecksilbermercaptid (CjHsS^Hg bildet farblose Blättchen vom Schmelzpunkt 76°, das B l e i m e r c a p t i d (CjHj-S^Pb einen gelben krystallinischen Niederschlag vom Schmelzpunkt 150°; die durch Fällung mit Quecksilberchlorid in alkoholischer Lösung entstehende Verbindung C2Hs>S-HgCl krystallisiert in hübschen farblosen Blättchen. — Das Aethylmercaptan wird gegenwärtig in größerem Maßstabe hergestellt, da es zur Gewinnung der Schlafmittel „Sulfonal" und „Trional" (s. d.) gebraucht wird. Man bereitet es fabrikmäßig, indem man Aethylchlorid (zur Flüssigkeit kondensiert) oder äthylschwefelsaures Natrium mit einer konzentrierten Lösung von Kaliumsulfhydrat in starkwandigen, geräumigen Druckgefäßen aus Metall („Autoclaven'-) im Wasserbade erhitzt und darauf das gebildete Mercaptan aus dem Wasserbade abdestilliert P r i m ä r e s » - B u t y l m e r c a p t a n C H ^ C E J V C E J - S H [Butanthiol (/)] findet sich im Drüsensekret des Stinkdachses2. Ueber die Eigenschaften der Mercaptane siehe ferner die Tabelle Nr. 10 auf S. 329. 2. Sulfide oder Thioäther. Allgemeine Zusammensetzung: (^ n H aD+1 ) a S. Die Dialkylsulfide (CnH2n+1)2S können aus den entsprechenden Aethern durch Behandlung mit Schwefelphosphor erhalten werden3. Man stellt sie durch doppelte Umsetzung von Alkylhalogeniden oder alkylschwefelsauren Salzen mit Kaliumsulfid dar: 2C,H,-J + K s S = 2 K J + (C,H5)jS; 2 C s H , - 0 - S 0 i - 0 K + KjS = 2 K 0 - 8 0 4 - 0 K + (C2H5).,S.

Im letzteren Falle ist es wieder zweckmäßig, mit einem erheblichen Ueberschuß von Kaliumsulfid zu arbeiten; die Darstellung ist ganz analog derjenigen der Mercaptane (s. S. 317), nur wendet man statt der ganz mit Schwefelwasserstoff gesättigten Kalilauge eine zur Hälfte gesättigte Lauge (KSH + KOH = K2S + H 2 0) an*. 1 A . 11, 1 (1834). — S. ferner: LIEBIO, A . 11, 14 (1334). — RBOHAULT, A . 3 4 , 2 5 (1840). — CLAEBSON (KLASON), J . p r . [2] 1 5 , 193 (1877). 2 BECKMANN, P . C . H . 3 7 , 557 (1896). * KEKUL£, A . 9 0 , 311 (1854). 1 KLASON, B . 3 0 , 3412 (1887).

MEYBR-JACOBSOM, otg. Ch.

Zw. Aufl.

Ii.

21 (November

1905)

Sulfide.

822

Aus den erwähnten Bildungsweisen ergibt sich die Eonstitntion der Sulfide ohne weiteres als analog deijenigen der Aether. Es war vorauszusehen, daß ebenso, wie es neben einfachen auch gemischte Aether gibt, zu den einfachen Sulfiden eine Reihe von gemischten Sulfiden, welche zwei verschiedene Alkylradicaie enthalten, treten würde. Diese werden durch Einwirkung von Alkylhalogeniden auf die Natriumverbindungen der Mercaptane1: ' C,H,-SNa + CH,J = NaJ + C.H.-S-CH,

oder durch Destillation der Mercaptane in alkalischer Lösung mit ätherschwefelsauren Salzen2: C,H,.O.SO».OK + CH,-SK =- CH s *S-C,H, + KO'SO.-OK

erhalten. Die Sulfide sind mit Wasser nicht mischbare Flüssigkeiten; sie besitzen, nach dem Behandeln der widerlich riechenden Rohprodukte mit Kupferpulver bei ca. 250—280°, einen ätherischen, nicht unangenehmen Geruch3. Während der Siedepunkt der Aether oft erheblich niedriger als derjenige der entsprechenden Alkohole liegt, sieden die Sulfide stets beträchtlich höher als die entsprechenden Mercaptane (vgl. die' Tabelle Nr. 10 auf S. 329). Die Sulfide sind, "wie ihre Konstitution es voraussehen läßt, indifferente Verbindungen, in denen kein durch Metallatome vertretbarer Wasserstoff vorhanden ist. Dagegen vereinigen sie sich mit verschiedenen Hälogenverbindungen der Metalle zu gut krjstallisierbaren Produkten4 (vgl. S. 290—292, 296 die analogen Verbindungen der Aether), wie z. B. (CjH^S.HgCL,, (CH^S.HgJ, usw. — Mit Brom und Jod liefern sie in der Kälte ebenfalls krystallinische Additionsprodukte* (CnHin+1)2SBra und (CnHin+1)1SJJ, während beim Erhitzen kompliziertere Reaktionen eintreten, die zur Bildung von Trialkylsulfoniujnsalzen (vgl. S. 323 ff.), Disulfiden und Sulfiden mit zwei verschiedenen Alkylresten führen6. — Bei der Einwirkung von konzentrierter Salpetersäure entstehen aus den Sulfiden die Nitrate der Sulfoxyde (C n H in+1 ) i SO. HNOs, bei stärkerer Einwirkung die Sulfone (C„nsn+1)iSOa. Das Diätliy Isulfid bildet sich aus Hundeharn beim Erhitzen mit Alkalien7 und zwar als Spaltungsprodukt seiner Verbindung mit Methylhydroxyd8, des Methyldiäthylsulfoniumhydroxyds (CHg)(C,H»),S • OH. 1

Krüger, J. pr, [2] 14, 206 (1876). a * Klason, B. 20, 3413 (1887). FINCKH, B. 27, 1239 (1894). 4 Vgl.: Lora, A. 87, 369 (1853); 107, 234 (1858). — Blohsthand, J. pr. [2] 27, 190 (1883); 3 8 , 34» u. 497 (1888). — Rlason, B. 2 8 , 1493 (1895). J. pr. [2] 67, l f f . (1903). — Wkbneb, Z. a. Ch. 16, 13 (1897); 17, 101 (1898). — Sthö*boi,m, B. 31, 2283 (1898). — Smiles, Soc. 77, 160 (1900). — Philups, Am. Soc. 2 3 , 250 (1901). ' Caboürs, A. 136, 365 (1865). — PATEIN, B). [2] 60, 202 (1888). * CABRABA, R. A. L. [5] 1, I, 306 (1892); G. 22, I, 408 (1892). 7 8 ABEL, H. 20, 253 (1695). Neübebo, GBOSSEB, C. 1906, II, 835.

323

SulfoniumsaixA.

3. Sulfoniumverblndungen. Als SulfontumTerbinduiigen 1 bezeichnet man eine durch merkwürdige Eigenschaften ausgezeichnete Gruppe von Verbindungen, denen einwertige, aus einem Schwefelatom und drei KohlenwasBerstofiradicalen bestehende Komplexe: C n H tn + CmH,m + ^pH lp +

lXiv

S

gemeinsam sind. Diese Komplexe spielen in ihnen die Rolle von stark basischen Hadicalen; ihre Verbindungen mit Halogenatomen oder Säureresten: (CnH^ + ^ S - J ;

(CnH,n + 1)i>SCl;

(C a H,. + ,) b 8.NO,

sind neutrale,. krystallisierbare Salze, die in wäßriger Lösung fast ebenso starke ionisiert sind, wie die AmmoniumsalzeV Die Verbindungen mit Hydroxyl: (CnH^ + AS-OH

sind in Wasser lösliche Basen, welche den stärksten anorganischen Basen — den Alkalien — gleichen (s. 8. 324). Den Ausgangspunkt zur Gewinnung dieser von v. O E F E L E 3 1864 entdeckten Verbindungen bilden die Sulfoniumjodide: (C N H, N

+

,) S S-J,

die leicht durch Addition von Alkyljodiden zu Dialkylaulfiden entstehen, z. B.: (C,H,),S + C.H..J = ( C ^ S - J ;

diese Addition vollzieht sich zuweilen schon in der Kälte, oder man unterstützt sie durch Erwärmen4. Man erhält die Sulfoniumjodide ferner durch Erhitzen von Alkylhalogeniden mit Schwefel6 oder mit Schwefelmetallen6, wieNajS,CdS, As2S3 (z.B. ausMethyljodid: TrimethylsulfoniumJodid bzw. -Trijodid7 (CH 3 ) 3 S.JS S < -OH

und konnten mit Hülfe der Salze, die mit den aktiven Sulfonsäuren der Camphörgruppe entstehen, aus diesen „asymmetriechen" Sulfoniumverbindungen aktive Modifikationen abscheiden (nach Methode Nr. 3, S. 109). Im _ Gegensatz zum vierwertigen scheint das sechs wertige Schwefelatom kein Zentrum optischer Aktivitfit bilden zu können4. Verbindungen mit einem Schwefelatom dieser Valenzstufe liegen vielleicht in den' zahlreichen Additiousprodukten vor, welche die Trialkylsultbniumsabe mit Halogenmetallen bilden 9 , z. B. in den Mercurijodiden B " /

\ J

die man durch Vereinigung der Trialkylsulfoniumjodide mit HgJ„ aber auch durch Anlagerung von Alkyljodiden an Doppelverbindungen der Dialkylsulfide mit Jodquecksilber4 darstellen kann:

4. Dlsulflde and Polysulflde. Die Dlalkyldisulfide C n H l n + 1 • S • S • C n H 2n + , entstehen bei der Destillation von ätherschwefelsauren Sahen mit Katiumdisulfid7: 2C

T

H

6

OSO

T

.OK

+ K,SJ

=

( E ^ - S ) , + 2 K O S O . O K ,

1

Ueber eine andere, der Annahme von „Nebenvalenzen" angepaßte, räumliche Vorstellung vgl. W B R N E B , Stereochemie (Jena 1 9 0 4 ) , S. 3 1 6 — 3 1 7 . ' Soc. 7 7 ,

1072

(1900).

» Soc. 77, 1174 (1900); vgl. auch 8oc. 87, 450 (1905). 4 Vgl.: POPE, HARVKT, SOC. 70, 838 (1901). — POPE, NEVILLE, Soc. 8 1 , 1560 bis 1563 (1902). 5 Vgl. z. B.: K. A. HOFHAW«, RABE, Z. a. Ch. 14, 295 (1897); 17, 26 (1898). — STHÖMHOLM, B. 3 1 , 2283 (1898); 3 8 , 823 (1900). J. pr. [2] 66, 42? (1902). • S M L E S , SOC. 7 7 ,

'

ZSISE,

A.

11,

1 6 0 (1 9 0 0 )

1 (1834). —

MOBIH,

A.

32,

267 (1839). —

CAHODM,

A.

61,

92 (1847).

Disulfide und Polysulfide.

327

ebenso bei der Umsetzung von Alkylhalogeniden mit Kaliumdisulfid1, ferner aus den Merc&ptanen durch Oxydationswirkungen verschiedener Art (Einwirkung von Luft, von Jod auf die Natriummercaptide, von konz. Schwefelsäure, von Sulfurylclilorid, vgl S. 319—320). Gemischte Dialkyldisulfide können durch Einwirkung von Brom auf ein Gemenge zweier Mercaptane erhalten werden1, z. B. CjHj-ßH + C , H „ S H + Br, « 2HBr + C,H, S S C 4 H U .

Die Disnlfide sind in Wasser kaum lösliche Flüssigkeiten von unangenehmem Geruch; sie sieden bedeutend höher als die zugehörigen Mercaptane und Sulfide (vgl. Tabelle Nr. 10 auf 8. 329). Durch Reduktionsmittel werden sie leicht in Mercaptane zurückgeführt: CA-S-S-CJH, + 2H

=

2G,H,SH;

fast augenblicklich findet diese Beduktion beim Erwärmen mit einer alkoholischen Lösung von Einfach-Schwefelkalium statt 8 : .(CjH.-S-), + 2K,S - aC,H,SK + K^Sj. Durch Oxydation mit verdünnter Salpetersäure liefern die Disulfide Thiosulfonsfiureester (vgl. S. 333): CA-S CjHJ—S

+ 20

_ C.H.-SO, C1H5—S.

Alkyljodide bilden mit den Disulfiden und Polysulfiden keine additionellen Verbindungen, sondern unter Sprengung der Schwefelketten gewöhnliche Trialkylsulfoniumjodide; so wurde aus Dimethyldisulfid und Methyljodid bei 1009 an Stelle der eventuell zu erwartenden Verbindung OHjv y j J \ > C H | CH.-S— -S-CH, lediglich Trimethylsulfcniumjodid (CHg^S• J erhalten4. PoIygaMd«': Bei der Einwirkung von Chlorschwefel (S,Clt) auf Mercaptane entstehen gelbliche, nicht un zersetzt destillierbare Oele von hSchst widerwärtigem Gerach, die wahrscheinlich D i a l k y l t e t r a s u l f i d e darstellen: 2 C . H . S H + CL.S, = 2 HCl + C J H 5 - S 4 C , H , .

Erhitzt mau die so erhaltene Methylverbindung im V&cuum, so geht D i m e t h y l t r i a u l f i d CH,-S, CH, als schwach gelbes Oel vom spez. Gew. 1*216 (bei 0°) Uber; es siedet im Vacuum bei 62°, unter gewöhnlichem Druck mit geringer Zersetzung bei 170«

5. SuLfoxyde a n d Saifone 6 . Dialkylsalfoxyde C n H 2n+3 •SO-C n H an+1 (von Saxzew 1866 entdeckt). Bei der Einwirkung von konzentrierter Salpetersäure auf die Sulfide ent1

MUCH, B. 19, 3131 (1886). • OTTO, RÖSSISQ, B. 19, 3132 (1886). 4 • OTTO, RÖSSING, B . 1 9 , 3 1 2 9 (1886). DAVIES, B . 2 4 , 3 5 4 8 (1891). 6 KLASON, J. pr. [2] 15, 214 (1877). B. 20, 8413 (1887). * v. OEFELE, A . 1 3 2 , 8 6 (1861). — SAIZEW, A . 1 3 9 , 3 5 4 ( 1 3 6 6 ) ; 1 4 4 , 148 (1867). — BECKXAKH, J . p r . [ 2 ] 1 7 , 4 3 9 ( 1 8 7 8 ) . — WISSINGER, B . 2 0 R e f . , 3 6 4 ( 1 8 8 7 ) . — GRABOWSKY, A . 1 7 5 , 3 4 8 (1875). — OTTO, B . I S , 1 2 7 8 (1880). A . 2 8 4 , 3 0 0 (1895).

328

Sulfoxyde

und

Sulfotie.

stehen die Nitrate der Sulfoxyde (CnH2n + j)2SO, HNOs; aus diesen unbeständigen Nitraten werden die Sulfoxyde selbst zuweilen 6chon durch Wasser, in anderen Fällen durch Bariumcarbonat oder andere Carbonate in Freiheit gesetzt. Die Sulfoxyde sind farblose, geruchlose, neutral reagierende Verbindungen, die nicht unzersetzt destillieren; sie sind in Alkohol und Aether leicht löslich (die niederen Glieder lösen sich auch in Wasser); durch Reduktionsmittel (nascierender Wasserstoff), ebenso durch Phosphorpentachlorid werden sie leicht wieder in die Sulfide zurückverwandelt Dimethyl- und Diaethylsulfoxyd sind dicke Flüssigkeiten, welche in der Kälte erstarren; Schmelzpunkte der höheren Sulfoxyde s. in der Tabelle Nr. 10 auf S. 329. Dialkylsalfone C n H 2n + 1 - S 0 2 - C n H 2 n + 1 (1864 entdeckt durch v. O e f e l k ) entstehen durch Oxydation der Sulfide oder Sulfoxyde vermittelst rauchender Salpetersäure oder Kaliumpermanganat Sulfone bilden sich ferner bei der Einwirkung von Alkylhalogeniden oder ätherschwefelsauren Salzen auf die Natriumsalze der Sulfinsäuren (vgl. S. 334): C,H5SO,Na + Br.CjHj = NaBr + C3H5 • SO, • C,H,. Das Dimethylsulfon wird auch erhalten, wenn man Natriumhydrosulfit Na^SjO^ mit Dimetbylsulfat bis auf 200° erhitzt; hierbei zerfällt der wohl zunächst entstehende Ester (CH3)gSs04 in (CH^SC^ und S0 2 ; gleichzeitig treten als Produkte von Nebenreaktionen Dimethyl-Sulfid und -Disulfid auf 1 . Die Sulfone sind farblose, geruchlose, krystallisierbare und unzersetzt destillierbare Verbindungen von großer Beständigkeit. Die niederen Glieder sind in Wasser löslich. Durch nascierenden Wasserstoff und durch Phosphorpentachlorid werden die Sulfone im Gegensatz zu den Sulfoxyden nicht verändert. — Schmelzpunkte und Siedepunkte einzelner Sulfone s. in der Tabelle Nr. 10 auf S. 329. 6. Sult'onsäuren und Thiosnlfonsäuren. Die Alkylsulfonsäuren (oder Alkylsulfosäuren) C n H 2n + j • S0 2 • OH der mittleren Reihen (C„ bis Cg) konnten aus den Paraffinen durch „direkte S u l f u r i e r u n g " : C,HU + HO-SO, OH = C,Hla• SO,• OH + H,0 gewonnen werden2; es erwies sich hierfür als zweckmäßig, rauchende Schwefelsäure auf die Kohlenwasserstoffe bei der Siedetemperatur der letzteren einwirken zu lassen. Allgemein entstehen die Sulfonsäuren durch Oxydation der Mercaptane mit Salpetersäure3: C,H6-SH + 0, = CaH6SOsH. 1 2 9

BINZ,

B. 37, 8549 (1904). Am. 20, 664 (1898).

WOBSTALL,

L ö w i a , WEIDMANN, KOPP, A . 3 5 , 3 4 6 (1840).

Tabellarische

« s 'S e 1 « 00 i » ' : « o .— as -S ;i £o _ À * -H 5 CO I , « M C 5 i a «

Uebersieht

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I

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I

I

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329

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1 Z i t a t e zu der T a b e l l e Nr. 10: 1 Klasoh, B . 2 0 , 3 4 0 8 (1887). — » Beckmann, J. pr. [2] 17, 439 (1878). — » Cahodrs, A. 01, 92 (1847). — 4 Pierre, A. 80, 128 (1851). — « Saizew, A . 1 3 0 , 3 5 4 ( . 8 6 6 ) ; 1 4 4 , 148 (1867). — • Lovè», B. 17, 2820, 2823 (1884). — 7 Kanon nikow, J. pr. [2] 31, 842 (1885). — 9 Nasini, B. 16, 2882 (1882). — » Böttoeb, A. 223, 348 (1884). — 10 Prikz, A. 223, 374, 378 (1884). — 11 Römer, B. 0, 784 (1873). — 14 Cahours, C. T. 70, 133 (1873). — 13 Sprino, Lüqros, B. 15, 1940 (1882). — 14 Sprino, Wimssimoek, B. 10 , 329